Shakespearedramen: (Romeo und Julia, Othello, Lear, Macbeth). Nachgelassene Übersetzungen [Reprint 2020 ed.] 9783112380642, 9783112380635


188 102 31MB

German Pages 539 [535] Year 1904

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Shakespearedramen: (Romeo und Julia, Othello, Lear, Macbeth). Nachgelassene Übersetzungen [Reprint 2020 ed.]
 9783112380642, 9783112380635

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Shakespearedramen (Romeo und Julia, Othello, Lear, Macbeth)

Nachgelassene Übersetzungen von

Otto Gildemeister herausgegeben von

Dr. Heinrich Spies

Berlin Druck und Verlag von Georg Reimer 1904.

Hone [Homerum] nemo in magnis rebus sublimitate, in parvis proprietate superaverit. Idem laetus ac pressus, iueandus et gravis, tum copia tum brevitate mirabilis, nee poetica modo, sed oratoria virtute eminentissimus. Quint 10,1, 46. — Adfectus quidem vel illos mites vel hos concitatos nemo erit tarn indoctus, qui non in sua potestate hunc auctorem habuisse fateatur. 10, 1, 48. — Ut magni sit virtutes eins non aemulatione, quod fieri non potest, sed intellectu sequi. 10. 1. 50.

(Tsiefe goldnen Worte Ouiintilians schrieb Otto Gildemeister vor fast zwei Menschenaltem als Neun­ zehnjähriger in den schlichten Band seiner englischen Shakespeareausgabe ein, und daß das Motto für ihn kein leerer Schall war, würde allein die Tatsache bezeugen, daß er bereits zwei Jahre vorher eins der reifsten Werke des Dichters, den König Lear, in deutsche Verse umgegossen hatte. Es war dieselbe Zeit, als ihn Leben und Dichtung eines modernen englischen Dichters, Byron, in ihren Zauberbann gezogen und zum ersten Übersetzungsversuch

am Don Juan begeistert hatten. Daß Otto Gildemeister sein Übersetzungstalent zuerst an englischen Literatur­ werken erprobte, erklärt sich ohne weiteres durch die in Bremen wie in tzen übrigen Hansestädten infolge der vielen Beziehungen und nahen Berührung mit dem englischen Jnselreich traditionelle Vorliebe für englische Sprache, englische Literatur und Kultur. Eine lange Reihe bedeutender Namen legt dafür beredtes Zeug­

nis ab.

Ein Bremer namens Johann Oelrichs hat die Wissenschaft 1798 mit dem ersten angelsächsischen Lese­ buch beschenkt, der Bremer Historiker Reinhold Pauli setzte Lappenbergs großes Geschichtswerk über England fort, zeichnete »Bilder aus Altengland' und edierte schon 1857 Gowers Riesenwerk der „ Con/essio Amantis“, der Bremer Nicolaus Delius saß auf dem ersten Lehrstuhl der Anglistik in Deutschland und wandte die Grundsätze streng-philologischer Kritik und Kommen­ tatorenkunst auf den Text Shakespeares an, der Bremer Gymnafialdirektor Hertzberg lieferte 1866 die beste Übertragung von Chaucers unsterblichen »Canterbury-

Tales', nnd der Bremer Gymnasiallehrer Ruete hat in neuerer Zeit, wie früher schon Pauli, aus Burns treffend übersetzt. So faßte auch der Bremer Otto Gildemeister zu­ nächst eine besondere Neigung zur englischen Literatur, und da ihm alle Mittelmäßigkeit von jeher gründlich zuwider war, gleich zu dem Größten der Großen, zu Shakespeare.') Mit der Übertragung des König Lear beginnt noch aus der Schule seine Übersetzerlaufbahn —

die bereits dem Jüngling eigene Gewissenhaftigkeit zeichnete den 19. November 1840 als den Tag der Vollendung in das zierlich-feine Manuskript der Reinschttst ein. Schon an dieser hiermit zum erstenmal gedruckten Übersetzung des Lear, die Otto Gildemeister infolge übereifriger Selbstkritik sein ganzes langes Leben hindurch fast nur wie eine Jugenderinnerung in der Truhe verwahtt hatte, wird der aufmerksame Leser die Schönheit und Gewalt seiner Sprache bewundern, der ') Im zweiten Band der „Essays" erklärt er an einer für feine Entwicklung höchst

charakteristischen

Stelle,

von

dem

um das Jahr 1840 viel gelesenen Buche MrS. Jamiesons,

Fanal» diaracter• of Shakspere, einen tiefen Eindruck empfangen zu haben.

Kenner sich bei einem Vergleich mit der Übertragung Dorothea Tiecks und anderer reich belohnt sehen. Rund ein Vierteljahrhundert vergeht, bis Otto Gilde­ meister wieder zu neuem Schaffen am Shakespeare die Feder ansetzt. Inzwischen war 1844 die Don JuanÜbersetzung, 1865 die des ganzen Byron, soweit dieser

in Gildemeisters Augen einem größeren Publikum über­ haupt ohne weiteres verständlich und interessant war, erschienen und hatte als die beste aller bisherigen den Namen ihres Schöpfers durch alle deutschen Lande ge­ tragen. Ebenso wie die Übertragung Byrons zeigt das,

was seit den sechziger Jahren von Gildemeisters Hand an Shakespeareübersetzungen veröffentlicht ist, das Ge­ präge vollendeter Meisterschaft. In der durch Brock­ haus veranlaßten, von Badenstedt redigierten Über­ tragung der Werke Shakespeares in der übersetzungs­ reichen Zeit der sechziger Jahre überragt er bei weitem seine Mitarbeiter Freiligrath, Herwegh, Heyse, Kurz und Wilbrandt, von Bodenstedt selbst ganz zu schweigen. Außer den Stücken, die diese Sammlung zieren (sämtliche Königsdramen, Julius Cäsar, Cymbelin, Wintermärchen, Verlorene Liebesmüh, Was ihr wollt), hat Gildemeister in jenen Jahren noch die drei Dramen übersetzt, die hiermit ebenfalls zum ersten Male der Öffentlichkeit übergeben werden: »Romeo und Julia", »Othello" und »Macbeth". »Romeo und Julia" deutet mit dem Tag seiner Vollendung, dem 13. März 1870, als dem Ge­ burtstag Gildemeisters, fast symbolisch auf die Gunst der Stimmung hin, die der Tragödie der Liebe zu einer Wiedergabe verhalfen hat, die selbst die als meister­ haft anerkannte Übersetzung Schlegels übertrifft. Ihr steht die Übertragung des »Macbeth" ebenbürtig

zur Seite, die alle andern, auch die Vischers, in den

VI

Vorwort.

Schatten stellt. Schon zu Anfang der sechziger Zahre äußerte sich Gildemeister nach einer vernichtenden Kritik der bisherigen Macbethübersehungen in einem Privat­ briefe: »Ich muß mich doch noch des Macbeth an­ nehmen/ Mit welch hingebender Liebe er das getan hat, lehrt sowohl ein Vergleich mit allen andern Uber« tragungen wie auch seiner zwei Fassungen unterein­ ander, die uns glücklicherweise in seiner schönen, ab­ geklärten Handschrift vollständig erhalten sind. Wenn von diesen der erste Entwurf den 12. August, die gründ­ lich umgearbeitete Reinschrift -en 31. August des Jahres 1871 als Datum der Vollendung trögt, so erweist das nicht allein die Macbethübersetzung als ein Werk aus einem Guß, es wirst auch zugleich ein Helles Licht auf die Arbeitsweise Gildemeisters. Wie Schlegels Hand­ schriften dürfen auch die beiden Versionen von Gilde­ meisters »Macbeth* als ein förmliches Lehrbuch für die Kunst des Übersetzens gelten. Die treue Freundschaft des Berliner Philosophie­ professors Karl Werder verschaffte ihm den stolzen Triumph, daß sein »Macbeth* auch auf der Bühne er­ schien. Dank der unermüdlichen Bemühungen Werders ging Shakespeares »Macbeth* in Gildemeisters Über­

setzung am 19. Dezember 1886, dem letzten Sonntag vor Weihnachten, in Anwesenheit des Kronprinzen, des späteren Kaisers Friedrich, zum erstenmal mit glänzen­ dem Erfolg über die Bretter des damals von L'Arronge geleiteten „Deutschen Theaters* zu Berlin. Bei dieser Aufführung, die (bis Ende Juni 1887) noch 15 Wieder­ holungen erlebte, spielte Pohl den Macbeth, Teresina

Geßner die Lady, Sommerstorff den Macduff, Joseph Kainz den Malcolm. Wenn auch die in der Darstellung zum Ausdruck gebrachte Werderfche Auffassung vom Macbeth (vgl. S. 514 Nr. 24) scharfen Widerspruch er­ fuhr, war sich dieKritik einig im Lob der neuen Übersetzung.

Verwert.

So schrieb Otto Brahm in -er „Nation* (25. De­ zember 1886 Nr. 13: „Ohne Zweifel ist in dieser neuen Form ein Fortschritt über Tieck hinaus erzielt: Die Berse klingen voll und weich

zugleich und der echte Sinn der Dichtung ist überall bewahrt."

Im Interesse der Sache und -es deutschen Zu­ schauers verdient das glänzend gelungene dankenswerte Vorgehen des „Deutschen Theaters* zu Berlin weitere Nachahmung. Wie „Macbeths verbürgt zum mindesten auch „Romeo und Julia* in Gildemeisters Übertragung einen vollen Erfolg, und überdies kann das deutsche Volk berechtigterweise verlangen, daß auch hier das Bessere des Guten Feind sei. An die Macbethübersetzung schließt sich ihrer Ent­ stehung nach die des „Othello* unmittelbar an; der noch erhaltene Schluß der ersten Niederschrift (vgl. dazu Seite 524 unter „Othello*) ist datiert 28. Oktober 1871, und die Umarbeitung wird, nach der Schrift zu urteilen, nicht viel später anzusetzen sein.

Im „Anhang" findet der Leser einige kleine Kabinetstücke Gildemeisterscher Kritik und Darstellungs­ kunst. Zu einer Zeit, wo das Shakespeare-Jahrbuch damit beginnt, „bedeutende Darstellungen Shakespearescher Rollen durch möglichst genaue, objettive Beschreibung für die Nachwelt festzuhalten und so einem höchst un­ gerechten Vergessen künstlerischer Arbeit vorzubeugen*, wird der neue Abdruck aus Gildemeisters Kritik des Dawison-Gastspiels in Bremen (1858) emeutes Interesse wecken. Das Fragment „Zum König Lear und Macbeth* wird mit seiner Schönheit von Inhalt und Form allen denen eine willkommene Zugabe sein, die sich schon ftüher an Gildemeisters ge­ dankenreicher Würdigung Shakespearescher Frauen­ charaktere erbaut haben. (Vgl. Essays, Band II, Zwei Frauengestalten Shakespeares, Desdemona [1861], Lady

VIII

Donoort.

Macbeth [1863].) Haben wir es bei diesem Fragment

mit einem bloßen Entwurf zu tun, in dem Gildemeister nach seiner Art Gedanken, die ihn bewegten, spontan zu Papier gebracht hat, stellen die »Anmerkungen zum Macbeths eine endgültige Form der Erklärung einzelner Stellen nach der literarhistorischen, dramaturgi­ schen und sprachlichen Seite -ar. Da nichts dem Geiste Otto Gildemeisters mehr widersprach, als die Überladung eines literarischen Kunst­ werks mit vielem Kommentar,') hat der Herausgeber seine vornehmste Aufgabe darin erblickt, den Autor

allein sprechm zu lassen und von eigenen Zutaten mög­ lichst abgesehen. Die Veröffentlichung von Otto Gildemeisters literarischem Nachlaß würde unvollkommen sein, wollte man nicht wenigstens den Versuch daran knüpfm, seine An­ sichten über die Kunst und Aufgabe des Über­ setzers sowie über die von ihm eingenommene Stellung zu seinen Vorgängern in der Shakespeareübersetzung kurz anzudeuten. Da Gildemeisters eigene Äußerungen darüber weit zerstreut und zum Teil an halb vergeffenen Orten niedergelegt find und da ferner das Interesse an -er Form des deutschen Shakespeare in Gelehtten- und Laienkreisen augenblicklich so groß ist, wie nie zuvor, wir- eine Zusammenstellung seiner theoretischen Aussührungen doppelt willkommen sein und zugleich einen bescheidenen Baustein für die noch zu schreibende Ge­ schichte der deutschen Übersetzungskunst abgeben.

Im Jahre 1856 brachte das Bremer Sonntags­ blatt, eine von Dr. Pletzer geleitete belletristische Wochen­ schrift höherer Gattung, unter dem Titel »Venedig, *) Vorwort zur Byron-Übersetzung (1869) S. VI: »Eine Überladung poetischer Werke mit gelehrten Noten kommt mir

geschmacklos vor."

Vorwerk.

Elegie auf Byrons Childe Harold von Karl Heinrichs, eine Übersetzung der ersten 29 Stanzen des vierten Ge­ sangs von »Childe Harold' und zwar in Distichen. Das böse Gewissen, das dem Verfasser ob dieser Veränderung -er Form doch zu schlagen schien, veran­ laßte ihn zu einem Rechtfertigungsversuch, den er seiner sonst allerdings nicht gerade üblen Übersetzungsprobe voranstellte. Da die Erfahmng beweise, daß es un­ möglich sei, den »Childe Harold' unter Beibehaltung der ursprünglichen Form so ins Deutsche zu übertragen, daß die Übersetzung »wie eine edle reine Harmonie' wirke,

müsse man, so meinte er, die Form des Originals ändern, und da die Stimmung -es Originals durch und durch elegisch sei, empfehle fich von selber das an­ tike Distichon, eine Auffassung, die der Verfasser dann des näheren zu begründen verffuchte. Mehr noch als die etwas univorfichtigen Bemerkungen des Verfassers war die Barbairei der Form für Gilde­ meister die Veranlassung, nmn seinerseits dieselben Stanzen im Versmaß des Originals zu übertragen und seinem Vorgänger in der folgenden Nummer eine Phi­ lippika über die Aufgabe des Übersetzers zu halten.

Im Vorwort zu seinem ersten Versuch der Don Juan-Übersetzung hatte er gesagt, daß sie »das ausländische Meisterwerk dem einheimischen Leser in einer der Urschrift sich wirklich annähemden, genieß­ baren Gestalt vorführe' und daran die hübsche Be­

merkung geknüpft: „Cervantes hat gewiß nicht unrecht, wenn er poetische Über­ tragungen, auch die besten, gegen das Original gehalten, mit der Rückseite gewirkter Tapeten vergleicht, aber es gibt Teppiche

von so trefflicher Arbeit, daß man auch die Rückseite nicht mit Unmut betrachtet. Gewebe nicht."

Mehr als das verlange auch ich für mein

Jetzt spann er diese Gedanken in seiner „Childe Harold in anttkem Versmaß" betitelten Erwiderung

Dorwert.

X

gegen den ungereimten Übersetzer Byrons, die zu gleicher

Zeit eine Widerlegung war, fort.

Bei einem Kunst­

werk seien Form und Inhalt unzertrennlich.

Wenn

der Bearbeiter den Einwand erhebe, daß eine strenge

Beibehaltung der ursprünglichen Form die Harmonie der Dichtung störe, so werde dieser, wie Gildemeister

im einzelnen nachweist, durch den erheblicheren ausge­ wogen, daß die Änderung der Form den Eindruck des

Originals vernichte. „Bei poetischen Übersetzungen kommt es vor allem darauf an,

den

Eindruck

der

Urschrift möglichst

getreu wiederzu­

geben. Um den Gedankengang zu verdolmetschen, genügt die Prosa?) Diese hat wenigstens den Vorzug, daß der Leser die poetische Form sich hinzudenken kann, während eine veränderte poetische Form seine Freiheit gefangen nimmt. Es ist besser,

ein Lied zu sprechen, als es nach einer unpasienden Melodie zu singen."

Ergänzt wird diese Auffassung durch das, was in Gildemeisters Einleitung zum „Wintermärchen"

zu lesen ist. J) Wie hoch

Gildemeister die Bedeutung des Prosaüber-

setzens einschätzte, zeigt folgende Stelle aus den im vergangenen Jahr leider nur als Manuskript gedruckten „Briefen an einen Neffen", einem Büchlein, das überhaupt viele prachtvolle Bemerkungen über die Kunst eines guten Stils enthält: „Das

Prosa-Uebersetzen ist eine vortreffliche Uebung, wenn man immer im Auge behält, daß es darauf ankömmt, Alles zu sagen, was der Autor sagen wollte und nichts zu sagen, was nicht wie natürliches, reines Deutsch klingt. Und ohne Zweifel sind da­

bei die Franzosen die besten Vorlegeblätter, denn auch diese haben noch die Tradition des eleganten klaren Striches, wenn

schon die Zeichnung selbst mittelmäßig ist.

Der Unterschied der

beiden Sprachen bringt es zum Bewußtsein, wie nötig es ist,

um das Deutsche annähernd ebenso klar, fein und behende zu machen, das Schleppende und Ungelenke unserer Syntax zu umschiffen, den unübersetzbaren Ausdruck durch annähernden Ersatz wiederzugeben usw." —

Verwett.

.. daß, wenngleich ein Theil jenes besonderen Gepräges [bcd

Stils und Versbaus in den späteren Dramen Shakespeares^ durch die Übertragung in eine andere Sprache nothwendig sich verwischt, doch der Übersetzer meines Erachtens nicht so weit gehen darf, es gänzlich zu ignoriren und die charakteristische Gedrungenheit, Herbigkeit und Schärfe des Originals, vielleicht

bloß der bequemern Deklamation oder der leichtern Verständ­ lichkeit zuliebe, in sogenannte „schöne Verse" aufzulösen.

Und hierzu vergleiche man wieder das, was Gildemeister in der Einleitung zu »Cymbelin* sagt: „Der Nachbildung in deutscher Sprache erzeugt dieser Um­ stand [bie stilistischen Besonderheiten „und man darf wohl sagen, Sonderbarkeiten, welche das letzte Jahrzehnt Shakespeares

von den früheren Perioden seines Schaffens so auffallend unter­ scheiden"^, ganz neue Schwierigkeiten, zum Teil Unmöglichkeiten. Der Übersetzer darf einerseits den herben Reiz dieser praegnanten, überkühnen, einschneidenden D iction nicht zu konventioneller Glätte abschleifen, aber er kann andererseits nicht umhin sich Freiheiten zu versagen, welche die Sprache nur dem selbständig schaffenden Dichter einrämnt.

Von einer ganz hervorragenden Bedeutung in jeder Beziehung aber ist Gildemeisters Auseinander­ setzung mit August Wilhelm von Schlegel, seinem größten Vorgänger in der Shakespeareüber­ setzungskunst. Was er hier bei aller energischen Be­ tonung der Selbständigkeit seiner eigenen Arbeit in lobender Anerkennung über Schlegels Verdienste sagt, verdient die ernsteste Beachtung aller derer, die sich für die deutsche Form der Werke Shakespeares interessieren, besonders der Rufer im Streit für oder wider SchlegelTieck. In der Einleitung zum »König Johann* heißt es: Die

hohen

Verdienste Schlegels

um

die Einbürgemng

Shakespeares in Deutschland zu preisen, ist überflüssig; er hat

ein für allemal Weg und Richtung angegeben, welche der Bearbeiter des englischen Dichters einzuschlagen hat, und jeder,

der mit ihm zu rivalistren unternimmt, wird damit anfangen

Vorwort.

XII

müssen, bei ihm in die Lehre zu gehen.

Bei dem Versuche da.

her, dem Ziele noch um einen Schritt näher zu kommen als Schlegel selbst, wirkt der letztere selbst im stillen fortwährend

mit; der Nachfolger müßte sich selber Gewalt anthun, wenn er

den Einfluß seines berühmten Vorgängers lähmen oder tobten wollte.

Wenn es ihm freilich mehr auf den Ruhm der Origi-

nalität als um die Herstellung eines möglichst vollkommenen Werks zu thun wäre, so würde es sehr leicht sein, alle und jede Übereinstimmung mit Schlegel zu vermeiden. Wenn er dagegen

vor

allen

Dingen

möglichst

eine

gute

Übersetzung

Shakespeare's liefern will, so ist dies völlig unmöglich.

Ge-

wisse Ausdrücke, Wendungen, Sentenzen u. s. w. der Shakespeare, fchen Dramen haben von Schlegel ihr deutsches Gewand für

alle Zeit erhalten: es kann ihnen nicht mehr abgestreift werden,

ohne ein Stück ihres poetischen Lebens mit abzureißen. zu thun,

Dorwurfe

Dies

wäre Affectation oder übertriebene Furcht vor dem des

Plagiats,

und

niemand

schlechterer Dienst als dem Leser.

geschähe

damit

ein

Wir hätten in den Anmer.

hingen jedm einzelnen Fall, in welchem unser Text ganz oder

wesentlich

mit

dem

Schlegel'schen

zusammentrifft,

namhaft

machen können; allein wir würden damit weder ihm noch uns

gerecht geworden sein: ihm nicht,

weil seine Einwirkung sich

viel weiter erstreckt als auf die Fälle directer Entlehnung, nämlich auf Stil und Behandlung des Ganzen; uns nicht, weil die Übereinstimmung sehr häufig gar nicht auf Entlehnung, sondern

auf innerer Nothwendigkeit beruht, oder auch weil der Schlegel'sche

Ausdruck manchmal so sehr öffentliches Eigentum geworden ist, daß der Nachfolger nicht mehr die Freiheit hatte, von ihm ab-

zuweichen....

WaS den Vorwurf des Plagiats betrifft, so besorgen wir

nicht, daß derselbe um solcher Einzelheiten willen von sachver­ ständiger Seite wider uns werde erhoben werden.

Jeder, der

unsern Text mit dem Schlegel'schen vergleichen will, wird und bezeugen, daß die eigene Arbeit in solchem Maße überwiegt, daß

jener Vorwurf keine Stätte finden kann."

Und seinem Julius Cäsar schickt Gildemeister die Worte voraus: „Meines Erachtens ist „Julius Cäsar" Schlegel's Meister-

werk, dem nur sein „Hamlet" und sein „Kaufmann von Venedig" unmittelbar folgen. Der größere Theil dieser Übersetzungen ist

schlechthin unübertrefflich, und auch von dem verbleibenden Reste ist das meiste so vorzüglich, daß der Nachfolger nur mit äußerster Vorsicht daran ändern darf, wenn er nicht Gefahr laufen will, dem deutschen Leser statt des vorhandenen Bessern ein schlechteres

Neues zu bieten.

Unmöglich aber kann es der Zweck einer

neuen deutschen Shakespeare-Ausgabe sein, um den Preis ge­

ringerer Qualität den zweifelhaften und zumal dem Leser ganz

gleichgültigem Ruhm der Orginalität sich zu sichern. Das Unübertreffliche stehen zu lassen, ist am Ende auch vom literarischen Gesichtspunkte betrachtet rühmlicher, als es verdrängen zu wollen. Ich habe, hievon ausgehend, es bei Schlegel's Wort bewenden

lassen, wo nach meinem Urtheil Schlegel's Wort das richtige war, und blos da, wo ich eine Verbesserung für möglich hielt, eine solche versucht. Nur an sehr wichtigen Stellen erschien es

durchaus geboten, den Schlegel'schen Text fallen zu lassen."

Unnötig hinzuzufügen, wie schwer das Urteil eines Mannes wiegt, der so tief wie Otto Gildemeister in den Geist des Originals eingedrungen war und sich auch so genau mit den Übersetzerprinzipien seiner Vor­ gänger vertraut gemacht hatte!

Mit welch unbestrittenem Erfolge Otto Gildemeister die in jahrzehntelanger rezeptiver und produktiver Beschäftigung mit Shakespeare gewonnenen Erfahrungen in die Tat umgesetzt hat, ist im großen und ganzen bekannt. Im kleinen bedarf das noch, wozu hier leider der Raum fehlt, der näheren Erörterung; wie wunderbar er es z. B. verstanden hat, durch eine kleine Nuance den ganzen Zauber des Originals in deutscher Form ausklingen zu lassen, wie die Wiedergabe von Reimen, Alliterationen, Wortspielen und anderen Feinheiten Shakespeares Perlen der Übersetzungskunst darstellt, andererseits aber auch wie sich Gildemeister ost von der Kraft seiner Erfindungsgabe oder auch veranlaßt durch Schwierigkeiten der Übersetzung hat hinreißen lassen, die dem Übersetzer gebotene Grenze zu über­

schreiten

und

durch Einflechtung

eigener

Gedanken,

XIV

Verwert.

Wendungen und Wortspiele') einer an sich nüchternen Stelle des Originals Kraft und Würze zu verleihen. Und wenn die Betrachtung der Schlegel-Tieckschen Übersetzung der höchsten, der philologischen Betrachtung für wert erachtet wurde und reiche Früchte trug, so sei hier nur kurz darauf hingewiesen, daß auch in den zwei Fassungen von Gildemeisters Übersetzung des »Macbeth*

wie in denen des Schlusses vom »Othello* noch un­

gehobene Schätze lagern, von denen hier leider mit Rücksicht auf den Umfang des Bandes keine Proben gereicht werden konnten. Das Genie bedarf nicht vieler Hilfsmittel um Großes zustande zu bringen, aber geradezu lächerlich gering ist das Material, mit dem Otto Gildemeister arbeitete: Edmond Malones Shakespeare-Ausgabe (Leipzig 1840) und ein bescheidenes Wörterbuch sind die einzigen Werke, die ihn ständig bei der Übertragung begleiteten. Für einzelne Stücke zog er gelegentlich die viel gebrauchte kommentierte Ausgabe seines Landsmanns und Freundes Delius heran, wie sein nur hie und da ausgeschnittenes Exemplar und einzelne Anmerkungen zum »Macbeth* verraten. Dem sprachgewaltigen Manne, der auf den Höhen des Lebens nach des Tages Last und Mühen in trauter Abendstunde das geistige Nationaleigentum seines Volkes um unmeßbare Schätze bereicherte, hat der helle Sonnen­ glanz uneingeschränkter Anerkennung und neidloser Be­ wunderung aus dem Kreise der oberen Zehntausend des Geistes nie gefehlt. Auch von der hohen Warte der Öffentlichkeit herab ist dem begeistert Ausdruck gegeben worden, wenngleich eine allumfassende Biographie des Mannes, den tausend Fäden mit einem auserlesenen *) Vgl. dazu GildemeisterS Bemerkungen in der Einleitung zu seiner Übertragung der „Verlorenen Liebesmüh".

Vorwort.

XV

Kreise der Besten seiner Zeit verbanden, noch der liebe­ vollen Hand eines Berufenen vorbehalten bleibt. Die vomehme Zurückhaltung seiner im besten Sinne des Worts aristokratischen Gesinnung war allerdings für

literarische Leumundszeugniffe sehr wenig eingenommen. Dem Bremer Maler und Dichter Arthur Fitger schrieb er am 1. November 1888 als Geleitspruch für eine gar nicht mehr zu umgehende Würdigung die klassischen

Worte: „Des Übersetzers Ehre ist, Wenn, wer sein Werk liest, ihn vergißt."

Den Manen Otto Gildemeisters könnte nicht schöner gehuldigt werden, als wenn der Leser in den „Shakespearedramen*, die hiermit allen Freunden des deutschen wie des englischen Shakespeare überreicht seien, den Geist und die Kraft des Originals wiederfände und dankbar ihres deutschen Interpreten gedächte, den sein reiches Lebenswerk in die erste Reihe der Erzieher unseres Volkes stellt.

Dr. Heinrich Spies Privatdozent an der Universität Berlin.

Nomeo und Julia.

*

Erster Act.

20

Ich deine Mutter ziemlich in den Jahren, Wo du noch Mädchen bist.

Um kurz zu sein:

Ter tapfre Paris wünscht zur Liebsten dich.

Amme. Ein Mann, mein Herzchen, Fräulein, solch ein Mann, Wie's keinen giebt! ein Mann als wie von Wachs'

grau Eapulet. Verona's Lenz hat keine schönre Blume.

Amme. Mein Seel, er ist 'ne Blum', 'ne rechte Blume!

grau Eapulet. Was sagst du? kannst du diesen Grafen lieben? Heut Abend wirst du ihn beim Feste schaun;

Lies in dem Buche feine-? Angesichts,

In das der Schönheit Griffel „Wonne" schrieb; Prüf' einzeln jeden Zug und schau wie fein

Sie einer stets dem andern Zierde leihn, Und was im holden Buch dir dunkel scheint,

Das wird sein Aug' erklären, wie er's meint. Wie schade, wenn dies goldne Buch der Liebe,

Dies ungebundne Herz ohn' Einband bliebe! Noch schwimmt der Fisch im Meer, und Ruhm genießt,

Wer innre Schön' in äußre Schönheit schließt. Das Buch, in vieler Augen, theilt die Ehre, Das goldne Spangen schmiegt um goldne Lehre.

So theilst du alles, was Natur ihm gab, Wenn du ihn hast, und nimmst doch selbst nicht ab.

Amme. •Nicht ab? nein, zu! Heiraten macht uns stärker,

grau Eapulet. Sag kurz, was dir von Paris Sehnsucht deucht?

Julia. Gern will ich sehn ob Sehn Sehnsucht erzeugt, Doch schließ' ich meine Blicke nur so weit, Als euer Segen Flugkraft ihnen leiht. Bin

Diener

tritt auf.

Vierte Scene.

21

Diener. Gnädige Frau, die Gäste sind da, das Effen wird auf­

getragen, Ihr begehrt, das Fräulein gesucht, die Amme in

der Speisekammer zum Henker gewünscht, und alles geht drunter und drüber.

Ich muß fort, aufwarten; ich ersuche

euch, kommt unverzüglich.

(itb.)

Frau Capnlet. Wir kommen. — Julia, der Graf wird nach dir fragen.

Amme. Geh, Kind, such frohe Nächt' im Bund mit frohen Tagen. ('.Ult ab.)

Vierte Scene. (Sine Straße. Romeo, Mercntio, Benvolio kommen mit fünf cbtr stchk anderen Ma-Urten, Fackelträgern u. s. w.

Romeo. Was, führen wir uns ein mit dieser Rede? Gehn wir nicht lieber ohn' Entschuldigung?

Benvolio. Umschweife solcher Art sind nicht mehr Sitte;

Nur keinen Amor mit verbundnen Augm Und bunt bepinseltem Tartarenbogen,

Der wie 'ne Vogelscheuch' die Damen schreckt; Auch keinen hergebeteten Prolog,

Den jemand dem Soufleur mit Stottern nachspricht. Laßt sie uns nehmen, wie sie's eben wollen; Wir nehmen ein Paar Tänze mit und gehn.

Romeo. Gebt mir 'ne Fackel; springen mag ich nicht; Da ich so finster bin, will ich euch leuchten.

Mercutto. 9lcin, ihr müßt tanzen, liebster Romeo!

Romeo. Ich nicht, mein Freund; ihr bringt Tanzschuhe mit Zum Festsaal, aber mich hält Trübsal fest; Ich hab' ein Herz von Blei und kann nicht hüpfen.

Mercutio. Ihr seid ein Liebender, borgt Amors Flügel, Und fliegt empor vom Bann gemeiner Liebschaft.

Romeo. Der Schaft der Liebe hat mein Herz durchbohrt, Ich kann nicht fliehn mit Amors leichten Federn, Und bleib' ans Band des dumpfen Grams gebannt. Unter den Lasten meiner Liebe sink' ich.

Mercutio. Um drin zu sinken, müßt ihr sie belasten, Zu schwere Bürde für ein zartes Ding!

Romeo. Ist Lieb' ein zartes Ding? sie ist zu rauh, Zu hart, zu stürmisch, und sie sticht wie Dorn.

Mercutio. Begegnet Lieb' euch rauh, ei, thut desgleichen: Stecht Liebe, wenn sie sticht; dann fällt sie um- — Gebt mir ein Futteral für mein Gesicht, (Er nimmt eine Maske.)

Eine Larve für die Larve! was schiert mich's, Ob mich ein Kennerauge garstig findet? Hier dieser Deckel soll für mich erröten.

Benvolio. Klopft und hinein! und wie wir drinnen sind, So rühre jedermann die Beine flink!

Romeo. Mir eine Fackel! wer ein leichtes Herz hat, Kitzle mit Sohlen die fühllose Flur; Für mich gilt ein großväterlicher Spruch; Ich sehe zu; ich will das Licht euch tragen; Ich bin zu ratlos für Gewinn und Wagen.

Vierte Scene.

Mercutio. Von deinem Wagen ist ein Rad los? gut;

Wir ziehen deinen Wagen aus dem Schlamm

Der Liebe, mit Respect, worin du steckst Bis übers Ohr. — Vorwärts, wir brennen Tageslicht.

Romeo. Tas nun wohl nicht.

Mereutko. Ich meine, unsre Kerzen

Vergeuden wir, wenn wir die Zeit verscherzen.

Nimm's wie es wohl gemeint war; oft genug

Ist Weisheit wohlgemeint, doch selten klug.

Romeo. Wie wir wohlmeinend jetzt zum Tanze gehn,

Doch schwerlich klug.

Mercutio. Warum nicht? laßt doch sehn.

Romeo. Ich träumte letzte Nacht.

Mercutio. Ich ebenfalls.

Romeo. Und was?

Mercutio. Ein Träumer lüg' in seinen Hals.

Romeo. Er liegt im Bett, doch was er träumt, ist wahr.

Mercutio. Frau Mab hat euch besucht, das ist mir klar! Sie ist der Feen Hebamme, und sie fährt,

Nicht größer an Gestalt als der Agat

Am Zeigefinger eines Aldermanns, Mit einem Viergespann von Sonnenstäubchen Über der Menschen Nase, wenn sie schlafen.

23

Die Räderspeichen sind von Spinnebeinen, Das Wagendach aus Flügeln von Gicaden, Die Sträng' aus allerfeinstem Spinneweb, Die Zügel aus des Mondscheins feuchten Strahlen, Die Peitsch' ein Heimchenknoch' und Fäserchen, Ihr Kutscher ein grauröckig winzig Mücklein,

Nicht halb so groß Wien runder kleiner Wurm,

Aus trägem Finger einer Magd geschabt. Die Kutsch' ist eine hohle Haselnuß, Gebaut vom Meister Eichhom oder Holzwurm,

Seit grauer Zeit Kutschmachern aller Feen. In diesem Staat nun trabt sie Nacht für Nacht Durchs Hirn Verliebter, die dann Liebe träumen,

Auf Höflings Knien, der flugs Bücklinge träumt, Auf Anwalts Finger, der gleich träumt von Sporteln, Und Damenlippen, die von Küsten träumen; Doch plagt die zom'ge Mab sie auch mit Bläschen, Wenn Naschwerk ihren Atem übel macht. Bald trabt sie über eines Hofmanns Nase, Und dann im Traume wittert der ein Amt; Bald kitzelt sie mit eines Zehntschweins Borsten

Des Pfarrherm Nase, wenn er liegt und schläft: Da träumt er denn von einer neuen Pfründe; Bald fährt sie über des Soldaten Hals; Der träumt von abgeschnittnen Feindesgurgeln, Von Breschen, Hinterhalten, Damasceneni Und Uaftertiefem Tnink; und plötzlich nun Trommelt sie ihm ins Ohr; da fährt er auf Und flucht vor Schreck ein oder zwei Gebete Und schläft dann weiter. Dies ist jene Mab, Die Nachts der Pferde Mähnen wirre macht Und klebt den Weichselzopf ins wüste Haar, Der, wenn er sich entwirrt, Unglück bedeutet. Sie ist's, wann Mädchen auf dem Rücken liegen,

Die auf sie drückt, zuerst sie tragen lehrt,

Daß sie als Frauen unS erträglich finden.

Dies ist sie —

Romeo. Stille, still, Mercutio, still! Du sprichst von einem Nichts.

Mercutio. Ganz recht, von Träumen, Den Kindern eines müßigen Gehirns, Erzeugt von nichts als eitler Phantasie, Die von Substanz so dünn ist wie die Luft Und unbeständ'ger als der Wind, der jetzt Um die gefronte Brust des Nordens buhlt Und, wann er zornig wird, wegschnauft von dort Und kehrt die Stirn zum thaubeträusten Süden.

Benvolio. Der Wind, von dem ihr sprecht, weht uns aufs Trockne:

Man hat gespeist; wir kommen schon zu spät.

Romeo. Zu früh, besorg ich; beim eS ahndet mir, Ein Schicksal, das noch in den Sternen hängt

Wird bitterlich den Schreckenslauf beginnen Mit diesem Fest und das verhaßte Leben, DaS meine Brust umschließt, vor seiner Frist Zum schnöden Heimfall frühen Todes bringen. Doch er, der meines Weges Steuer führt, Lenk' auch mein Segel! — Vorwärts, lust'ge Herrn!

Benvolio. Trommeln gerührt! (Alle ab.)

Fünfte Scene. Ein Saal in Eapulets Hause. Musikanten und Dienerschaft treten auf.

Erster Diener. Wo steckt denn Schmorpfann, daß er nicht wegräumen

hilft? so'n Tellerschwenker, so'n Tellerkratzer!

Erster Act.

26

Zweiter Diener. Wenn die gute Lebensart ganz in eines Menschen oder

in zwei Menschen ihren Händen liegen soll, und denn noch ungewaschen, das ist 'ne eklige Geschichte.

Erster Diener. Die Lehnstühle weg! rückt den Schenktisch beiseit!

paßt

aufs Silberzeug! — du, heb mir ein Stück Marzipan auf,

und wenn du mein Freund bist, sag' dem Thürsteher, er soll Suse Mühlstein und Lene 'reinlasien. — Anton! Schmor­

pfann!

Zweiter Diener. Ja, Junge, wir sind parat.

Erster Diener. Sie suchen euch und rufen euch und brauchen euch und schreien nach euch im großen Saal.

Zweiter Diener. Wir können nicht zugleich hier und dort sein. — Munter, Jungens; seid 'n bischen fix; wer zuletzt lacht, lacht am besten. (Sie ziehen sich zuruck.)

Capulct

rc. mit den Gästen und Masken.

Capulet. Willkommen, Herrn!

Die Damen, deren Zehen

Kein Leichdorn plagt, erwarten euch zum Tanz. Aha, ihr schönen Fraun, wer von euch allen

Schlägt nun zu tanzen aus? wer spröde thut, na die, Auf Ehr', hat Hühneraugen.

Willkommen, meine Herrn!

Wohlverstanden? —

Ich weiß die Zeit,

Wo ich maskiert ging und den hübschen Damen Geschichten ins Ohr zu flüstern wohl verstand,

So wie sie's mögen: 's ist vorbei, vorbei. Ihr seid willkommen, Herrn. — Heda! Musik! Macht Platz! macht Platz! und rührt die Beine, Kinder! lMusik und Tanz.)

Mehr Licht, Halunken, und die Tische weg!

Macht's Feuer aus; das Zimmer wird zu heiß. — He, Vetter, dieser Maskeneinfall kommt gelegen?

Na, setzt euch, setzt euch, Vetter Capulet; Tenn ihr und ich sind übers Tanzen weg. Wie lang ist's her daß ihr und ich zuletzt In Masken liefen?

Zweiter Capulet. Dreißig Jahr', weiß Gott.

Capulet. Was, Mensch! so lang noch nicht, so lange nicht! Es ist doch seit Lucentio's Hochzeitsfest, Wenn Pfingsten auch so schnell kommt wie es will, Erst fünf und zwanzig Jahr'. Da tanzten wir.

Zweiter Capulet. 's ist mehr, 's ist mehr; sein Sohn ist älter, Vetter. Sein Sohn ist dreißig.

Capulet. Wie ihr sprecht! sein Sohn Stand vor zwei Jahren unter Vormundschaft.

Romeo. Wer ist die Dame, die den Ritter dort Mit ihrer Hand beglückt?

Diener. Ich weiß nicht, Herr.

Romeo. O sie erst leiht den Kerzen Glanz und Pracht! Sie schwebt ja auf der Wange dunkler Nacht Wie ein Juwel in eines Mohren Ohr, Zu reich zum Brauch, zu köstlich für die Erde! Wie schneeige Taub' in schwarzer Rabenheerde,

So wandelt sie in diesem Mädchenchor. Gleich nach dem Tanz erspäh' ich ihren Stand Und streife ihre Hand mit sel'ger Hand. Hat je mein Herz geliebt! nein, schwör, Gesicht: Bis heut erblickt' ich wahre Schönheit nicht.

Tybalt. Dies ist nach seiner Stimm' ein Montag». — Bursch, hol' mir mein Rapier. Was! wagt der Schuft,

Verlarvt mit einer Possenreißerstatze

Hieher zu kommen, unserm Fest zum Hohn?

Fürwahr, bei unsres Hauses Ehr' und Blut

Ihn todtzuschlagen, dünkt mich brav und gut.

Eapulet. Was giebt es, Vetter? grimmig, wie mir scheint?

Tybalt. Oheim, dies ist ein Montagu, ein Feind, Ein Schurke, der sich stech hier blicken läßt,

Um zu verhöhnen unsres Hauses Fest.

Eapulet. Der junge Romeo wohl?

Tybalt. Der Schurke Romeo.

Eapulet. Begieb dich, Vetterchen; laß ihn in Ruh: Er hält sich wie ein wackrer junger Herr, Und — wahr bleibt wahr — Verona rühmt sich sein

AIS eines sittigen, tugendsamen Jünglings. Nicht um den ganzen Reichthum dieser Stadt

Möcht' ich ihn hier in meinem Hause kränken. Drum faß dich in Geduld; frag' nicht nach ihm;

DaS ist mein Wunsch, und wenn du den beachtest, Mach' gute Mien' und leg' die Runzeln ab;

So ein Gesicht steht schlecht zu einem Fest.

Tybalt. Es paßt, wenn so ein Schuft sich blicken läßt.

Ich leid' ihn nicht.

Eapulet. Er soll gelitten werden!

Was, mein Herr Jung'? ich sag', er soll's! ei sieh! Bin ich der Herr hier oder er? ei sieh!

Er will ihn hier nicht leiden? — helf' mir Gott! — Will Aufruhr stiften unter meinen Gästen,

Will's Faß ausschlagen? ja, ihr seid der rechte.

cunfte Scene.

29

lybalt. Ei, Oheim, 's ist ein Schimpf und--------

Eapulet. Geht mir, geht! Er ist ein Naseweis! — So also steht's? Dies Stückchen könnt' euch schlimm bekommen, ja! Ihr müßt mich einmal ärgern, — wartet nur! — Brav, Kinderchen! — Gelbschnabel, der ihr seid! Seid ruhig, sonst------ Mehr Licht, mehr Licht! — Ei schämt euch. Ich werd' euch ruhig machen. — Lustig, Kinder!

Tybalt. Erzwungne Ruh begegnet williger Wut; Von ihrem Kampfgruß bebt mein Fleisch und Blut. Jetzt will ich gehn, doch werd' ich dem Gesellen Den Einbruch, der ihm süß schmeckt, bald vergällen.

(W

Romeo

;u Julia.

Hat meine Hand dies Heiligthum entweiht, Sieh, meine Lippen stehn zur holden Buße, Errötende zwei Pilger, schon bereit, Zu sühnen hartm Druck mit zartem Kusse.

Julia. Herr Pilgrim, ihr thut eurer Hand zu nah, Die frommen Anstand zeigt in ihrem Gruße: Des Heil'gen Hand ist für den Pilger da, Daß seine Hand ihr naht mit heil'gem Kusse.

Romeo. Pilgrim und Heiliger haben Sippen auch.

Julia. Ja, Pilger, Lippen zu Gebet und Flehen.

Romeo. O gönn' den Lippen dann der Hände Brauch: Sie beten; du, o Heilige, laß geschehen!

Julia. Reglos erhört der Heil'ge die Gebete.

Erster Act.

30

Romeo. Tann reg’ dich nicht; so nehm' ich das Erflehte. — kußl ne.)

So tilgt dein Mund von meinem Mund die Sünde.

Julia. Tann hat mein Mund die Schuld, die ihr verliert.

Romeo. O süßer Vorwurf! gebt dem Mund geschwinde

Die Schuld zurück. ((fr küßt sie ivieier.)

Julia. Ihr küsset wie studirt.

Amme. Fräulein, Frau Mutter wünscht ein Wort mit euch.

Romeo. Wer ist des Fräuleins Mutter?

Amme. Ei, Herr Junker,

Das ist die gnäd'ge Frau vorn Hause hier, Und eine wackre Frau und weis' und ehrbar. Ich hab' ihr Kind gesäugt, mit der ihr schwätztet.

Ich sag' euch, wer sie habhaft werden kann, Kriegt Haus und Hof.

Romeo. Sie eine Eapulet! so war's gemeint?

Mein Leben ist verpfändet meinem Feind!

Benvolio. Kommt, laßt uns gehn; das Beste ist vorüber.

Romeo. Das fürcht' ich, und mein Sinn wird desto triiber.

Capulet. Nein, liebe Herren, denkt noch nicht ans Gehn,

Wir haben noch zum Spaß ein klein Bankett. — Doch? muß es sein? nun denn, so dank' ich allen; Ich dank' euch, werthe Herrn; na, gute Nacht. —

Fünfte Scene.

31

Mehr Fackeln hier. — Kommt, laßt uns denn zu Bett. Ja, meiner Seel', Herr Vetter, es wird spät;

Ich will zur Ruh.

(VlUe ab, außer Julia unk die Amme.)

Julia. Komm hierher, Amme; wer ist jener Herr?

Amme. Der Erb' und Sohn des alten Herrn Tiberio.

Julia. Und jener, der jetzt aus der Thüre geht?

Amme. Mich dünkt, der junge Herr Petruchio ist's.

Julia. Und der, der jetzt kommt, der nicht tanzen wollte?

Amme. Ich weiß nicht.

Julia. Frag' wie er heißt. — Wenn er ein Weib schon hätte, Dann würde wohl mein Grab mein Hochzeitbette.

Amme. Sein Nam' ist Romeo, ein Montagu, Der einz'ge Sohn von eurem großen Feinde.

Julia. O einz'ge Lieb' aus einz'gem Haff' entsproffen, Zu spät erkannt, zu früh dem Blick erschlaffen!

Wie spukhaft drohend mir die Lieb' erscheint, Daß ich ihn lieben muß, den argen Feind!

Amme. Was, was ist das?

Julia. Ein Reim, den ich so eben Von einem Tänzer lemte.

(Man ruft drinnen . Julia!)

Amme. Ja doch, ja. — Kommt, laßt uns gehn; eS ist kein Gast mehr da. (•Bitte flb.)

Zweiter Act.

Erste Scene. (Sin offner Platz neben Eapulets ((harten. Nomeo

tritt auf.

Romeo. Kann ich von hinnen, wenn mein Herz hier Kehr' um, leblose Erde, such' dein Centrum!

bleibt?

(ör ersteigt die Gartenmauer unnd springt biiab.)

Benvolio

und

Mercutio

treten aunf.

Benvolio. Romeo! Detter Romeo!

Mercutio. Er ist klug Und hat, auf Ehre, sich zu Bett geschlichen.

Benvolio. Er lief hieher und sprang in diesen Garten;. 3iuft ihn. Mercutio. Sogar beschwören will ich ihn. Romeo! Schwärmerei! Phantast! Verliebter!! Erschein uns hier in eines Seufzers Bild! Sprich einen einz'gen Reim-, mehr will ich nnicht; Ruf einmal Ach! sag' einmal Herz und Schymerz; Gieb Muttern Venus nur ein gutes Wort, Nur einen Ekelnamen ihrem Prinzchen, Dem blinden Schützen, der ins Schwarze trraf,

Erste Scene.

33

Als König Eophetua das Bettlermädchen liebte. Er höret nicht, er regt sich nicht, er rührt sich nicht; Ter Aff' ist todt; da muß ich ihn beschwören. Also: bei Rosalinens Hellen Augen, Bei ihrer hohen Stirn und Purpurlippe, Bei ihrem hübschen Fuß und graben Bein, Bei ihrer vollen Lend' und Nachbarländern, Erschein in deiner eigenen Gestalt! Benvolio. Wenn er dich hört, wirst du ihn zornig machen.

Mereutio. O nein! er möchte zürnen, wenn man ihm Zn seiner Dame Kreis 'nen Kobold bannte

Bon eigner Art, und ließe den da stehn, Bis sie ihn selbst hinab beschworen hätte. Tas wär' ein Schabernack. Mein Bannspruch ist Fein ehrbar, und im Namen seiner Liebsten Beschwör' ich nur ihn selber sich zu stellen. Benvolio. Komm, er versteckt sich unter jenen Bäumen, Umgang zu pflegen mit der Finsterniß: Tie Lieb' ist blind und treibt gern Nachts ihr Spiel.

Merentto. Wenn Liebe blind ist, trifft sie nie das Ziel.

Nun sitzt er wohl an einem Mispelbaum Und wünscht, sein Liebchen wär' die Mispelfrucht, Tie tolle Frucht, worüber Mädchen kichern, Wann unter sich: o Romeo, wär' dein Engel Solch eine Sorte Obst und du ihr Stengel! Romeo, schlaf wohl; ich such' mir meinen Strohsack; Ties Feldbett ist zum Schlafen mir zu kalt.

Kommt, gehn wir?

Benvolio. Ja; was nützt es, daß man hier Ihn sucht, der sich nicht finden lasten will. (Beide ab )

vildemetster, ShakeSpe.iredramen.

3

34

Zweiter Act.

Zweite Scene. Eapulets Garten.

Romeo tritt auf. Romeo. Wer keine Wunden kennt, scherzt über Farben. Zulia cncbtinr am ocrtrer

Still! welch ein Licht glänzt von dem Fenster bortv Es ist der Ost, und Julia ist die Sonne. Geh auf, du schöne Sonn', und tobte Luna, Die schon vor Kummer kränkelt und erbleicht, Daß ihre Magd viel schöner ist als sie. O sei nicht ihre Magd; denn sie ist neidisch, Und ihr vestalisch Dienstkleid bläßlich grün, Das keiner trägt als Thoren; wirf eo ab. — Sie ist eS! meine Herrin! meine Liebe! O wüßte sie, daß sie es ist! — Sie spricht, doch sagt sie nichts; was liegt daran? Ihr Auge redet; ich will Antwort geben. —

Ich bin zu kühn; sie redet nicht zu mir: Ein Paar der schönsten Stern' am ganzen Himmel, Weil's irgendwo zu thun hat, bittet ihre Augen An seinem Orte mittlerweil zu funkeln. Doch nein! wenn ihre Augen droben wären, Und die Gestirn' in ihrem Angesicht, Der Wangen Glanz beschämte jene Sterne Wie Tageslicht die Lamp'. Ihr Aug' am Himmel Ergösie durch die Lüfte solche Pracht, Daß Vögel sängen, wie zum Tag' erwacht.

Wie sie die Wange stützt auf ihre Hand! Wär' ich ein Handschuh doch auf dieser Hand, Daß ich die Wange streifte!

Julia. Ach!

Romeo. Sie spricht! Sprich weiter, lichter Engel! denn du strahlst

In dieser Nacht so glorreich, mir zu Häupten,

Wie ein beschwingter Bot' aus Himmelshöhn Dem weiß-aufschau'nden Auge Sterblicher, Tie rückwärts fallen, um ihn anzustaunen, Wie er auf langsam zieh'nden Wolken reitet Und segelt auf dem Busen blauer Luft. Julia. O Romeo, warum bist du Romeo'? Verleugne deinen Vater, deinen Namen! Willst du das nicht, so schwör' nur mich zu lieben, Und ich bin länger keine Pupulct.

Romeo [(für sieb).] Hör' ich noch weiter? oder red' ich jetzt? Julia. ES ist ja nur dein Name, der mein Feind ist; Du bist du selbst und nicht ein Montagu. Was ist denn Montagu? nicht Hand noch Fuß, Nicht Arm noch Antlitz noch ein andrer Theil Don einem Mann. O sei ein andrer Name! Was ist ein Name? was uns Rose heißt, Würd' auch jo süß mit andrem Namen duften: So Romeo, hieß' er gleich nicht Romeo, Behielte doch all die Vollkommenheit, Die sein ist. Romeo, leg' den Namen ab, Und für den Namen, der kein Theil von dir ist, Nimm mich, mich ganz! Romeo. Ich nehme dich beim Wort. Heiß mich nur Liebster, und ich tauf' mich um; Von Stund an will ich nie mehr Romeo sein.

Jutta. Wer bist du, Mann, der so verhüllt in Nacht In meine Heimlichkeit sich drängt?

Romeo. Mit Namen Weiß ich dir nicht zu sagen wer ich bin;

36

Zweiter Lct.

Mein Nam' ist, theure Heil'ge, mir verhaßt,

Weil er dein Feind ist.

Hätt' ich es geschrieben,

Riff' ich das Wort entzwei.

Jutta. Mein Ohr hat hundert Worte kaum getrunken Von diesem Munde; doch es kennt den Ton.

Bist du nicht Romeo und ein Montagu? Romeo. KeinS von den beiden, wenn dir eins miSfallt.

Jutta. Wie kamst du her, o sag' mir, und warum? Die Gartenmauer ist hoch, schwer zu erklimmen, Und dieser Ort ist Tod für deines Gleichen,

Wenn einer meiner Vettern dich hier trifft.

Romeo. Der Liebe leichte Schwingen trugen mich; Kein steinern Bollwerk mag der Liebe wehren,

Und was die Liebe kann, das wagt sie auch; Trum sind die Vettern mir kein Hinderniß. Julia. Wenn sie dich sehen, sie werden dich ermorden.

Romeo. Viel mehr Gefahr liegt, ach, in deinem Auge Als zwanzig ihrer Schwerter.

Blick' du hold,

So bin ich hiebfest wider ihren Haß. Julia. Ich wollt' um alles nicht, daß sie dich sähen!

Romeo. Die Nacht mit ihrem Mantel deckt mich zu, Und so du mich nicht liebst, laß sie mich finden: Viel beffer wär' der Tod durch ihren Haß

Als daß ich lebt' und deiner Lieb' entbehrte. Julia. Wer zeigte dir den Weg zu diesem Ort?

Zweite Sceue.

Romeo. Die Liebe, die zuerst mich forschen hieß; Sie lieh mir Rat, und ich lieh Augen ihr. Ich bin kein Schiffer, aber wärst du fern

Wie jenes weite Land im fernsten Meer, Ich wagte mich hinaus um solches Gut.

Julia. Tu weißt, die Maske dieser Nacht verhüllt mich, Sonst würde Mädchenscham mein Antlitz färben Um das was du heut Nacht von mir vernahmst.

Gem möcht ich streng sein, gern, wie gern verleugnen WaS ich gesagt; doch — Förmlichkeit fahr hin!

Liebst du mich? — Du sagst ja, ich weiß es schon Und will dem Worte traun; doch wenn du schwörst,

So kannst du treulos werden; Zeu-s, jo sagt man, Lacht des verliebten Schwurs.

O Romeo,

Wenn du mich liebst, so sag' eS ohne Falsch; Doch wenn du denkst, ich sei zu rasch besiegt,

So will ich grollen, zürnen, nein dir sagen, Wofern du werben willst; sonst nicht um alles! Im Ernst, mein Montagu, ich bin zu herzlich,

Und mein Betragen kann dir leicht bedünken; Doch glaub' eS mir, ich werde treuer sein

Als andre die geschickter sind im Fremdthun. Ich würde frcmber thun, muß ich gestehn,

Wenn du mich nicht belauschtest, eh' ich's merkte, Im Schmerze meiner Liebe.

Dnim vergieb mir

Und schilt nicht dies Hingeben leichte Liebe, Das so die dunkle Nacht verraten hat.

Romeo. Fräulein, bei jenem heil'gen Monde schwör' ichs,

Der diese Frnchtbäum' übersät mit Silber, —

Julia. Schwör nicht beim Mond, dem wandelbaren Mond,

Der monatlich in seiner Scheibe wechselt, Daß nicht dein Herz ihm gleich' an Unbestand.

37

Zweiter 8ct

38

Romeo. Wie soll ich schwören?

Julia. Saß das Schwören ganz;

Doch willst du, schwör bei deinem edlen Leibst, Dem Götterbilde meiner Anbetung, Lo will ich's glauben.

Romeo. Wenn die tiefste Liebe —

Jutta. Nein, schwör nicht.

Ob ich schon mich freu' an dir,

Doch freut mich nicht dies Bündniß heute Nacht. Es kam zu rasch, zu unbedacht, zu plötzlich,

Dem Blitze gar zu gleich, der nicht mehr ist, Eh einer sagt, es blitzt! — Mein Freund, schlaf wohl.

Ties Knösplein Lieb', im Sommerhauche reifend, Kann stolz erblühn, wenn wir uns Wiedersehn.

Schlaf wohl, schlaf wohl! so süße Still' und Ruh, Als meine Brust erfüllt, die find' auch du.

Romeo. Ach, du verlaßest mich so unbefriedigt?

Jutta. Was für Befriedigung begehrst du schon?

Romeo. Ten Austausch deines Liebeschwurs für meinen.

Julia. Ich gab ihn dir, noch eh du ihn begehrt, Und doch, ich wollt', er stünde noch zu geben.

Romeo. Tu wolltest ihn zurückziehn?

Herz, warum?

Julia. Freigebig möcht' ich ihn dir wiedergeben.

Und dennoch wünsch' ich nur was ich schon habe. Mein Drang zu geben ist weit wie das Meer,

Mein Lieben ganz so tief; je mehr ich gebe, Je mehr auch hab' ich; beides ist unendlich. (Die Amme ruft Innren.)

Zweite Scene.

39

Ich hör' im Hau-s Geräusch. Lebwohl, mein Liebster. — Gleich, Amme. — Holder Montagu, sei treu. Wart' einen Augenblick; ich komme wieder. («b)

Romeo. O selige, selige Nacht! ich fürchte nur, Weil um mich Nacht ist, alles sei nur Traum, Zu schmeichelnd süß, um Wirklichkeit zu sein. Julia erscheint roieter am Fenster. Julia. Drei Worte, theurer Romeo, dann ade! Wenn deines Herzens Neigung ehrenhaft, Dein Zweck Vermählung ist, dann sag' mir morgen Durch jemand, den ich zu dir schicken will,

Wo du und wann die Trauung willst vollzieh«; Und all mein Bestes leg' ich dir zu Füßen; Tu bist mein Herr; dir folg' ich durch die Welt. Amme Minnen. Fräulein!

Julia. Ich komme gleich. — Doch meinst du es nicht gut, So bitt' ich dich —

Amme drinnen. Fräulein!

Julia. Sogleich; ich komme. — Dann wirb nicht; überlast mich meinem Gram. Ich schicke morgen früh. Romeo. Beim ew'gen Heil! Julia. Tausendmal gute Nacht, zum letzten Mal! (9lb.)

Romeo. Tausendmal schlechter ohne deinen Strahl! Liebe zu Liebe fliegt wie Schuljung' auf die Gaffe; Liebe von Liebe schleicht mit trübem Blick zur Claffe. ((fr entfernt sich)

Zweiter Acr.

40

Julia wieder am Fenster.

Pst! Romeo, pst! — O eines Falkners (stimmte, Dies edle Federspiel zurückzurufen! Knechtschaft ist heiser, wagt nicht laut zu spreahen, Ich sprengte sonst die Kluft, wo Echo wohnt

Und machte heisrer ihre luft'ge Zunge Als meine mit dem Namen Romeo!

Romeo. Rust meine Seele mich bei meinem Namen? O, silbersüß tönt Nachts der Liebsten Stimme., Wie sanfteste Musik dem Ohr des Lauschers!

Julia. Romeo!

Romeo. Süßes Herz!

Julia. Um welche Stunde Schick' ich den Boten?

Romeo. Um die neunte S tumbe.

Julia. So sei es.

Zwanzig Jahr' ist's bio dahin.

Ich hab' vergeßen, warum rief ich dich?

Romeo. Laß mich hier stehn, derweil du dich bedenkst.

Julia. O dann vergeß' ich,

nur damit du bleibst,

Bedenkend wie icy -.ein Verweilen liebe.

Romeo. Und ich will bleiben, daß du stets vergessest, Vergessend jegliches Daheim als dies.

Julia, 's ist Morgen fast; ich möchte nun, du gingest, Doch weiter nicht als eines Kindes Vogel,

Das tändelnd aus der Hand ihn hüpfen läßrt,

Ein arm gefangen Ding in seinen Banden,

Dritte Gerne.

41

Und dann mit seidner Schnur zurück ihn holt, Voll Siebeseifersucht auf seine Freiheit.

Romeo. Ich wollt', ich wär' dein Vöglein.

Jutta. Herz, ich auch; Doch würd' ich dich vor Zärtlichkeit erdrücken. Nun gute Nacht! Abschied ist süßes Wehe; Ich sage gute Nacht, bis ich den Morgen sehe.

t'Lb.) Romeo. Schlaf wohn' auf deinem Aug', im Busen Friede nun! O wär' ich Fried' und Schlaf, so süß zu ruhn! Ich will zu meines Beichtigers Zelle gehn, Mein Glück erzählen, seine Hüls' erflehn. (Ab.)

Dritte Scene. Bruder Lorenzos Zelle. Bruder

Lorenzo tritt auf.

Lorenzo. Helläugiger Morgen grüßt die mürrische Nacht Und streift die Wölk' im Ost mit lichter Pracht;

Das Dunkel wie ein Trunkner taumelt träge Den Flammenrädem Titans aus dem Wege. Nun, eh' die Sonn' ihr Glutaug' höher hebt, Den Nachtthau ttocknet und den Tag belebt, Pflück' ich in diesen weidnen Korb geschäftig Tödtliches Kraut und Blumen segenskräfttg. Die Mutter der Natur, die Erde, ist Ihr Grab und schwangrer Schooß zu gleicher Frist, Und ob ihr Schooß vielartige Kinder zeugt, Wir sehn sie all' an ihrer Bmst gesäugt: Viele davon durch viele Tugend reich, Keins wertlos ganz, doch keins dem andern gleich.

O starkes Heil ruht in der Pflanzen Saft,

In Kraut und Stein und ihrer wahren Kraft;

Tenn nichts auf Erden lebt so schlecht und klein, Das nicht der Erde Nutzen kann verleihn;

Nichts auch so gut, das nicht bei falschem Ziele, Abtrünnig seiner Art, in MiSbrauch fiele;

Die Tugend selbst wird Laster, wenn sie irrt, Wie Laster oft durch Handlung adlich wird.

In dieses Blümchms zarter Rinde weilt Gift, das uns tobtet, und Arznei, die heilt.

Denn riechst du dies, so hebt es jeden Schmerz;

Wenn du eS schmeckst, erwürgt es Sinn und Her-; So lagern feindlich auch in unsrer Brust

Zwei macht'ge Herscher: Gnad' und böse Lust, Und wo der schlimmre vorwiegt an Gewalt,

Die Pflanze frißt der Giftwurm Tod gar bald.

Romeo

tritt auf.

Romeo. Guten Morgen, Vater.

Lorenzo. Benedicite! Wer wünscht so früh, daß es mir wohl ergeh' ?

Mein Sohn, es zeugt von Fieber im Geblüt, Wenn man vom Bett den Abschied so verfrüht.

Tie Sorge wacht im Auge jedes Greisen,

Und wo sie einkehrt, geht der Schlaf auf Reisen; Doch wo die Jugend ohne Last und Kummer Tie Glieder streckt, da thront der goldne Schlummer; Und also zeigt dein frühes Kommen klar,

Daß irgend Ungemach die Ursach war;

Wie, oder nicht? dann wett' ich, diese Nacht Hat unser Romeo außer Bett verbracht.

Romeo. So ist's, und desto süßre Ruh war mein.

Lorenzo. Bei Rosalinen? Mag dir Gott verzechn'.

Romeo.

Bei Rosalinen? In Vergessenheit Lank dieser Nam' und dieses NamenS Seid. Lorenzo.

Lo hör' ichs gern! wo warst du denn, mein Lohn? Romeo.

Frag' nur nicht weiter; ich erzähle schon. Ich war bei meinem Feind zum Abendschmause;

Jemand verwundete mich dort im Hause, Und ich desgleichen ihn; nun heilt uns zwei Nur deine Hüls' und heilige Arznei. Ich grolle nicht, Mann Gottes; denn du siehst, Daß meine Bitte meinen Feind umschließt. Lorenzo.

Sag' kurz und gut, mein Sohn, was du verbrochen; Wer Rätsel beichtet, wird in Rätseln losgesprochen. Romeo.

Dann kurz und gut; all meine Liebe steht Nach Julia, der schönen Eapulet; Wie meins um ihres, warb ihr Herz um meins, Und wie wir eins sind, mach' uns völlig eins Durch heil'ge Ehe. Wo und wie und wann Wir beid' uns sahn, wie Herz das Herz gewann, Erzähl' ich unterwegs; du aber sage, Daß du uns trauen willst noch heut am Tage. Lorenzo.

Heil'ger Sanct Franz, was für ein Unbestand! Wird Rosalin', für die du so gebrannt, So abgethan? Es scheint, daß solche Knaben Die Lieb' im Auge statt im Herzen haben.

Jesus Maria! wie viel bittteS Naß Wusch deine Wang' um Rosalinen blaß! Wie viel Salzwasser hast du nicht vergossen Zur Würz' an Lieb', und bleibt nun ungenoffen! Dein Seufzen hüllt noch jetzt die Sonn' in Flor; Dein ewig Ach summt mir im alten Ohr;

44

Zweiter Set.

Schau', hier auf deiner Wang' ist ja noch jetzt

Die Spur der Thräne, die sie einst genetzt.

Warst du nicht du? war dieser Schmerz nicht dein?

Besaß nicht Rosalin' euch beid' allein? Und nun! — so soll dies Urtheil denn erschallen:

Wenn Männer wanken, mögen Weiber fallen!

Romeo. Ihr schaltet sonst doch jene Liede blind.

Lorenzo. Nicht deine Liebe, deine Narrheit, Kind,

Romeo. Du sprachst: begrab die Liebe.

Lorenzo. Aber nicht:

Begrab die ein' und hol' die zweit' ans Licht.

Romeo. O schmähle nicht: ein Mädchen lieb' ich heut

Die Huld um Huld, die Lieb' um Liebe beut; Die andre that es nie.

Lorenzo. O, ihr war klar, Daß deine Liebe nur Geplapper war. Doch komm, Herr Flattersinn, komm, laß uns gehn;

In einer Rücksicht will ich zu dir stehn; Vielleicht daß dieser Bund noch glücklich endet

Und eurer Häuser Groll zur Liebe wendet.

Romeo. O laß uns gehn; nur keinen Aufenthalt!

Lorenzo. Klug aber sacht! wer rennt, der stolpert bald.

(Beit: ab.)

Vierte Scene. Eine Straße. Benvolio

und

Mercntio

treten auf.

Mercutio. Wo Teufel steckt nur dieser Romeo? War er heut Nacht zu Haus?

Benvolio. Im Vaterhause nicht; so sagt sein Diener.

Mercutio. O diese blasse Hexe, diese Rosaline Foltert ihn so, daß er toll werden muß.

Benvolio. Tybalt, des alten Capulet Verwandter Hat Romeo'n einen Brief ins Haus geschickt.

Mercutio. Eine Forderung, so wahr ich lebe!

Benvolio. Romeo wird die Antwort nicht schuldig bleiben.

Mercntio. Jeder, der schreiben kann, kann einen Brief beantworten.

Benvolio. Ich meine, er wird dem Briefschreiber antworten, daß er

die Forderung zahlen wird.

Mercutio. Der arme Romeo! er ist ja schon todt! durchbohrt von eines

weißen Mädels schwarzem Auge, durchs Lhr geschaffen mit einem Liebesliedchen, sein Herz mitten durchspalten vom Bolzen des blinden Schützenbuben! Ist das der Mann ber’S mit Tybalt aufnehmen soll?

Benvolio. Pah, was kann Tybalt?

Mercntio. Mehr als Mäuse fangen, das glaubt mir. O er ist der tapfere Feldhauptmann der Etikette! Er ficht wie ihr nach

Noten singt, hält Takt und Tempo und Ansatz, pausirt seine Halbpause, eins, zwei, — und Nummer drei sitzt euch in der Brust.

Der richtige Abschlachter eines seidnen Knopfs, ein

Duellant! ein Duellant! ein Kavalier vom allerreinsten Wasser,

ein Profeffor des Ehrencoder!

£ diese göttliche Passade!

diese Doppelfinte, dies Hai!

Benvolio. Ties waS?

Mercutio. Hol' der Henker diese fratzigen, lispelnden, zierbengligen Fantastico's, diese Erfinder neuer Töne!

„Bei Jesu, äußerst

gute Klinge! — äußerst schlanker Kerl! — äußerst Mensch!"

guter

Was? ist es nicht ein rechtes Elend, (Großpapa,

so heimgejucht zu werden von diesen ausländischen Schmeiß­

fliegen,

diesen Modekrämern,

diesen Pardonmz-inoi's,

die

vom neuen Ton so viel zu sich genommen haben, daß sie von alten Schüsseln gar nicht mehr esien können!

£ und

ihr bon! ihr hon!

Romeo tritt auf.

Benvolio. Da kommt Romeo! da kommt Romeo!

Mercutio. Halb roh, halb gebraten, wie ein ungarer Häring.

O Fleisch,

Fleisch, wie bist du verfischirt! Jetzt macht er in den Rhythmen, darinnen Petrarca erfloß; Laura war gegen seine Dame nur

eine Küchenmagd; nur daß sie einen bessern Schatz sie zu bereimen hatte; Dido eine Trutschel; Eleopatra ein Zigeuner­

weib; Hero und Helena Hexen und Huren; Thisbe ein Blau­ auge oder so was, aber nichts von Belang. — Signor Romeo,

bon jour!

Da habt ihr einen fränkischen Gruß für eure

fränkischen Hosen.

Das war ein läppischer Durchgang gestern

Abend.

Romeo. Guten Morgen euch beiden. — Welcher Durchgang war

läppisch.

Mercutio. Eurer, Herr: ihr gingt durch die Lappen. Capirt ihr nicht ?

Diene Scene.

47

Romeo. Verzeihung, lieber Mercutio; mein Geschäft war wichtig,

und vor der Not muß die Höflichkeit sich beugen.

Mercutio. Wenn sie sich verbeugt, bleibt sie immer höflich.

Romeo. Ein höfliche Deutung.

Mercutio. £ ich bin die Nelke der Höflichkeit.

Romeo. Nelke für Blume?

Mercutio. Erraten!

Romeo. Ei, dann trag' ich fein verblümte Schuhe.

Mercutio. Ein schlagender Witz! tritt mir diesen Spaß aus, bis du

deinen Schuh abgetreten hast.

Wenn die Sohle abgelaufen

ist, bleibt vielleicht dieser Solo-Witz über.

Romeo. O höchst solider Witz, ledern wie eine Sohle!

Mercutio. Bring' uns auseinander, guter Benvolio; mein Witz ver­ liert den Atem.

Romeo. Peitsch' ihn, sporn' ihn, sonst ruf' ich gewonnen!

Mercutio. 9tein, wenn unser Witz eine wilde Gänsejagd anstellt, dann bin ich fertig.

Du hast mehr von einer wilden Gans im

kleinen Finger als ich im ganzen Leibe.

Was, hab' ich's

mit dir auf eine GanS angelegt?

Romeo. Ich habe nie andre Anlagen in dir bemerkt, als die einer

Gans.

Mercutio. Warte, dafür beiß' ich dich ins Ohr.

Zweiter Set.

48

Romeo. Nein, keine beißende Witze!

Mercutio. Dein Witz ist sauer wie grüne Aepfel; er ist eine scharfe

Brühe.

Romeo. Und paßt er nicht gut, um eine leckere Gano zu brühen?

Mercutio. O dieser Witz ist von Safian; er dehnt sich von einem

Zoll schmal bis zu einer Elle breit.

Romeo. I----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- 1

Mercutio. Ader sage selbst, ist dies nicht bester als Liedesgewimmer? Jetzt bist du menschlich; jetzt bist du Romeo;

jetzt bist du

was du bist, durch Erziehung sowohl als von Natur.

Denn

so eine faselige Liebe ist just wie ein großer Hans Narr, der bändig auf und ab rennt, seinen Narrenkolben in einem Loche zu verstecken.

Benvolio. Halt auf, halt auf!

Mercutio. Du schneidest meiner beschichte den Schwan; ab.

Benvolio. Weil sie sonst weitschweifig würde.

Mercutio. O du irrst: sie wäre kurz geworden; ich war just auf den Boden meines Themas gekommen, und gedachte nicht mich

weiter zu vertiefen.

Romeo. Da kommt ein herrlicher Aufzug! Die

Amme

unt

Peter

Mercutio. Ein Segel, ein Segel!

treten auf.

Vierte Scene.

49

Bcnvotto. Zwei, zwei, eine Schürze und ein Eamisol!

Amme. Peter!

Peter.

Ja? Amme. Meinen Fächer, Peter.

Mercutio. (9icb ihn ihr, guter Peter, ihr Gesicht zu verstecken; denn

ihr Fächer ist hübscher als sie.

Amme. Schönen guten Morgen, ihr Herren.

Mercutio. Schönen guten Abend, holde Dame.

Amme. Ist es schon guten Abend.

Mercutio. Weniger nicht, das kann ich euch sagen, denn der Kuppler von Uhrzeiger tippt jetzt gerade auf die Mitte der Scheibe.

Amme. Pfui! was seid ihr für ein Mensch?

Romeo. Ein Mensch, liebe Dame, den Gott erschuf sich selbst schlecht zu machen.

Amme. Mein Seel, das ist gut gesagt: sich machen! ja wohl.

selbst schlecht zu

Kann einer von den Herren mir sagen,

wo ich den jungen Romeo finde?

Romeo. Ich kann's euch sagen; aber der junge Romeo wird älter

sein, wann ihr ihn gefunden habt, als er war, da ihr ihn

suchtet.

Ich bin der jüngste der den Namen führt, in Er­

mangelung eines schlechtern.

Amme. Gut gesprochen! (Silbernelfter, ShakeSvearedramen.

4

Zweiter Act.

50

Mercutio. So? ist schlecht gut? gut begriffen, ja; sehr weise, sehr weise!

Amme. Wenn ihr es seid, Herr, so wünsche ich eine kleine Eonfidenz

mit euch.

Benvolio. Sie will ihn zu irgend einem Abendessen bestellen.

Mercutio. (Ein Kuppelweib', ein Kuppelweib! Sasa!

Romeo. Hast du ein Wild gefunden?

Mercutio. Nichts jagdbares; nur einen alten Rammelhasen in einer

Fastenpastete, der etwas alt und schimmlig ist, ehe er ge>

gessen wird. Ein alter Has, ein alter Has Ist gutes Fastenfreflen;

Ein alter Has geht übern Spaß, Wenn er alt ist vor dem Essen. Romeo, seid ihr heute bei eurem Later'? wir speisen dort.

Romeo. Ich komme euch nach.

Mercutio. Vcbt wohl, ehrwürdige Dame! Lebwohl, lebwohl, o Dame

mein!

lMercutio »mo Benvolio ab.,

Amme. Ei ja, lebt wohl! — Ich bitt' ench, Herr, was war das denn für ein ausverschämter Passagier,

der nicht als seine

Schelmenstücke im Kopf hatte?

Romeo. Ein Herr der sich gern selbst reden hört, gute Frau, und

der in einer Minute mehr spricht als er in einem Monat verantworten kann.

51

Vierte Eeeue.

Amme. Wenn er auf mich was zu sagen hat, so werd' ich ihn kappen, und wär' er auch noch robustiger als er ist, und

Und kann ich's nicht, so können's

zwanzig solche Hansnarren. andre.

So n lausiger Schelm!

Ich bin keine von seinen

Yharmirmamsellens, ich bin keine von seinen Karnuten. — Und du mußt auch noch dabei stehn und ruhig leiden, daß

jeder Schuft nach Belieben sich über mich hermacht.

Peter. Ich Hab s nicht gesehen, daß sich jemand nach Belieben

über euch

hergemacht hat; sonst hätt' ich geschwinde vom

Leder gezogen; das kann ich euch sagen.

Ich zieh' so dreist

blank als ein andrer, wenn's 'ne rechtschaffne Schlägerei ist und das Gesetz auf meiner Seite.

Amme. Weiß Gott, ich habe mich so geärgert, daß alles an mir nur so fliegt.

So'n

lausiger Schelm.



Ich bitt' euch,

gnädiger Herr, ein Wort, und was ich euch gesagt habe,

daß mein junges Fräulein mir befohlen hat euch ausfindig zu machen.

WaS sie mir zu sagen befohlen hat, das behalt'

ich für mich; aber erst laßt euch sagen, wenn ihr sie an der Nase Hemmführen wollt, wie man zu sagen pflegt, das wäre ein recht grobes Betragen, wie man zu sagen pflegt. Denn die Dame ist jung, und deshalb, wo ihr falsch mit ihr

spieltet, wahrhaftig, daS wäre sündlich gegen jede Dame und

ein recht elendig Spiel.

Romeo. Liebe Frau, empfiehl mich deinem Fräulein.

Ich betheure

dir---------

Amme. Ihr guter Mensch! ja, das will ich ihr sagen.

O Herr

und Heiland, was wird sie sich freuen!

Romeo. Was willst du ihr sagen?

Du hörst mich nicht aus.

Amme. Ich will ihr sagen, daß ihr betheuert, gnädiger Herr, was ein honetteS Anerbieten ist, so viel ich's verstehe.

4*

52

Zweiter Acr.

Romeo. Lag' ihr, sie mög' auf einen Vorwand sinnen, Zur Beichte heut zu gehn, heut Nachmittag; Und in Lorenzos Zelle soll sie Beicht' Und Trauung finden. — Hier für deine Müh.

Amme. Nein wahrhaftig, gnädiger Herr, keinen Pfennig.

Romeo. Nehmt, nehmt, ich will es.

Amme. Heut Nachmittag? gut, Herr, ihr sollt sie finden. Romeo. Und warte hinterm Kloster, gute Frau, Mein Diener wird dorthin noch diese Stunde Dir Stricke bringen, eine Trepp' aus Tauwerk, Die mich zum höchsten Masttop meines Glücks Geleiten soll in der verschwiegnen Nacht. Lebwohl; sei treu, und ich vergelt' es dir. Lebwohl; empfiehl mich deinem Fräulein.

Amme. Nun, Gott im Himmel segn' euch. — Gnäd'ger Herr! Romeo. Was sagst du, gute Frau?

Amme. Kann euer Mann auch schweigen? wißt ihr nicht, „Drei Leute, wen'ger einen, das hält dicht". Romeo. Ich steh dafür, der Mensch ist treu wie Gold.

Amme. Ach, gnädiger Herr, mein Fräulein ist die süßeste junge Dame, — du lieber Himmel, als sie noch ein klein Plapper­ mäulchen war, — O! — In der Stadt, da ist ein edler

Herr, Paris heißt er, der möcht' uns gar zu gern kapern; aber sie, der liebe Engel, sie mag ebenso lieb 'ne Kröte sehn, 'ne leibhaftige Kröte als ihn. Ich ärgere sie zuweilen, und

Fünfte Scene.

53

sag' ihr, Paris wär' doch hübscher; aber daS könnt ihr mir

glauben, wenn ich so spreche, wird sie so weiß wie das beste Tischtuch

in der Christenheit.

Fängt

nicht

Romeo und

Rosmarin mit demselbigen Buchstab an?

Romeo. Ja; was soll daS? beides mit einem R.

Amme. Ei was, Spottvogel! mit dem R fängt Racker an.

Nein,

nein, ich weiß wohl, es ist ein sehr feiner Buchstab, und sie hat die niedlichsten Sentenzien drauf, auf Rosmarin und euch, daß euch das Herz im Leibe lachen thäte, wenn ihr S hörtet. Romeo. Empfiehl mich deinem Fräulein.

Amme. Ja, viel tausendmal. — Peter!

Peter.

Ja! Amme.

Peter, nimm meinen Fächer, und geh vorauf. (’Mc ab.)

Fünfte Scene. Capulets Garten.

Julia tritt auf. Julia. Die Uhr schlug neun, als ich die Amme schickte; Ein halbes Stündchen, sagt sie, brauche sie. Traf sie ihn nicht?

O nicht doch! sie ist lahm;

Zu Liebesboten taugen nur Gedanken,

Die schneller fliegen als der Sonnenstrahl Die Schatten über finstre Hügel jagt.

Drum fährt die Liebe ja mit Taubenflügeln, Und Amor hat windschnelle Fittige.

54

Zweiter Act.

Nun steht die Sonne schon am höchsten Gipfel Ter heut'gen Tagfahrt, und von neun bis zwölf Sind doch drei lange Stunden, und sie kommt nicht' Hätte sie Herz und warmes junges Blut, Sie wird' im Lauf so schnell sein wie ein Ball; (yin Wort von mir würfe sie hin zum Liebsten Und seins zu mir; Doch alte Leute thun's den Todten gleich, Wie Blei so unbeweglich, schwer und bleich. Sie Amme und Peter treten auf.

L Golt, sie kommt! — L goldnes Herzchen, sprich, Trafst du ihn an? — Schick' deinen Diener weg. Amme.

Peter, wart' am Thorweg. (Petcr ab)

Julia.

Nun, Mütterchen? — mein Gott, wie blickst du traurig? Wenn es gleich traurig ist, erzähl' es fröhlich; Wenn gut, so schändest du des Glücks Musik, Indem du sie mit saurer Miene spielst. Amme.

Ich bin so matt; gönnt mir ein Weilchen Ruh. C meine Knochen! war das eine Jagd! Jutta.

Hältst du doch meine Knochen, ich deine Botschaft! Komm, sprich doch; liebe, liebe Amme sprich. Amme.

Gott, welche Hast! könnt ihr kein Weilchen warten? Seht ihr nicht wie ich außer Atem bin? Jutta.

Du außer Atem, wenn du Atem hast, Um mir zu sagen: ich bin außer Atem?

Ei, die Entschuldigung des Zögerns ist Länger als der Bericht, den du entschuldigst.

Gut oder schlimm, was bringst du? sag' mir das; Nur das, so wart' ich auf das Weitre gern. Gieb mir Beruhigung: Gut oder schlimm?

Fünfte Ecnre.

55

Amme. Na, ihr habt 'ne einfältige Wahl getroffen; ihr versteht euch nicht drauf einen Mann zu wählen. Romeo! ja, das ist mir der rechte! Zwar, fein Gesicht ist bester als andrer Leute ihres, aber feine Beine gehn über alle Beine, und Hand und Fuß und die ganze Positur, — eS läßt sich nicht viel davon sagen, aber sie sind unvergleichlich. Er ist kein Ausbund von Manierlichkeit, aber fromm wie'n Lamm, darauf will ich wetten. Geh deinen Weg, Kind, und fürchte Gott. — Habt ihr denn zu Hause gespeist?

Julia. Nein, nein; dies alles wußt' ich aber schon; Was sagt er von der Trauung? rede doch! Amme. Herrje! wie brummt der Kopf mir! was für'n Kopf! Tas pocht, als wollt's in zwanzig Stücke springen. Ach und mein Kreuz! — mein armes Kreuz! mein Kreuz! Ter Kukuk hol's! mich so herum zu schicken, Taß ich den Tod mir hol, auf dieser Hetzjagd!

Julia. Es thut mir leid, daß du so unwohl bist; Doch liebe, liebe, liebe Amme, sprich: Was sagt mein Liebster?

Amme. Eur Liebster sagt wie ein honetter Mann, und ein manier­ licher und ein freundlicher und ein hübscher Mann, und sicherlich auch ein ttlgendsamer Mann. — Wo ist die Mutter?

Julia. Wo meine Mutter ist? nun, sie ist drinnen; Wo wär' sie sonst? wie sprichst du wunderlich: „Eur Liebster sagt wie ein honetter Mann — Wo ist die Mutter?"

Amme. Heil'ge Jungfrau Gottes! Seid ihr so hitzig? seht doch! kommt mir nur! Ist dies das Pflaster für mein Gliederweh. Lauft künftig eure Botenwege selbst.

Julia. Das ist 'ne Not! — Komm, was sagt Romeo?

Amme. Habt ihr Erlaubniß beichten heut zu gehn? Julia. Tie hab' ich.

Amme. So eilt und wandert nach Lorenzos Zelle; Ta harrt ein Mann, um euch zur Frau zu machen. Npn steigt das lose Blut euch ins Gesicht; 's ist scharlach gleich bei jeder Neuigkeit. Eilt ihr ins Kloster; ich muß sonstwo hin, Die Leiter holen, worauf euer Schatz Ein Nogelnest erklimmen soll, wann's Nacht ist. Ich bin das Packthier, muß für euch mich plagen; Doch bald, heut Nacht, sollt ihr die Bürde tragen. Ich will zur Mahlzeit. Eil' zum Kloster, geh! Julia. Eile zum Heile! — Treue Amm', ade. lBeide ab.)

Sechste Scene. Lorenzos Zelle. Bruder Lorenzo und Romeo treten auf.

Lorenzo. Der Himmel lachte dieser heil'gen Feier, Daß keine Folgezeit mit Gram uns strafe' Romeo. Amen, so sei's! doch welcher Gram auch komme, Er wiegt den Preis des Glücks doch nimmer auf, Das die Minut' in ihrer Näh' mir giebt.

Füg' du nur segnend unsre Händ' in eins, Dann thu' der Lieberwürger Tod sein ärgstes; Es ist genug, daß ich sie mein genannt! Lorenzo. So wilder Jubel nimmt ein wildes Ende Und im Triumph stirbt er, wie Feur und Pulver

Sechste Scene.

Sich küßt und sich verzehrt.

57

Ter süßte Honig

Wird widerlich im eignen Wohlgeschmack,

Und im Genuß zerstört er die Begier. Dmm liebe mäßig; wer so liebt, liebt lang; Hast kommt nicht früher an als Schneckengang.

Julia tritt auf und umarmt Rcrnee. Dao Fräulein kommt. — L solch ein leichter Fuß

Wir nie den ewig dauernden Kiesel höhlen. Ein Liebender kann das Gebiet beschreiten, Das in den üppigen Sommerlüften spielt,

Und fällt doch nicht; so leicht ist Eitelkeit.

Julia. Ich wünsch' euch guten Abend, frommer Vater.

Loreuzo. Romeo danke für uns beide, Kind.

Julia. Es gilt auch ihm; sonst mär' sein Dank zu viel.

Romeo. Ach Julia, wenn deiner Freuden Maß Voll ist wie meines und dein Mund beredter, So würze diese Luft mit deinem Atem Und laß die Stimme köstlicher Musik

Die Wonne preisen, die wir eins im andern Empfahn durch diese selige Begegnung.

Julia. Gefühl, das reicher ist an Stoff als Worten, Rühmt seines Wertes sich und nicht des Schmucks.

Ein Bettler nur kann seine Habe zählen; Doch meine Liebe wuchs so grenzenlos,

Ich kann nicht halb aufrechnen meinen Reichthum.

Lorenzo. Kommt mit, kommt mit; wir bringen's rasch zum Schluß. Ich lass’ euch nicht allein, ihr müßt verzeihen,

Bis unsre heil'ge Kirch' eins mackt aus zweien. (Alle ab.)

Dritter Act. Erste Scene. £effentlicfjer Platz.

Mercutio, Benvolio, ein Paqe und Diener treten auf. Bcnvolio. (^uter Mercutio, laß uns nach Haus; Der Tag ist heiß, die CapuletS hier draußen,

Und stoßen wir auf sie, so giebt es Händel;

Denn bei der Hitze tobt das wilde Blut.

Mercutio. Du bist einer von den Burschen, der, sobald er in ein Wirthshaus tritt, den Degen auf den Tisch klappt und sagt:

„C^ebe Gott daß ich dich nicht nötig habe!" und der nach der Wirkung des zweiten Glases den Zapfer anzapft, was er freilich nicht nötig hätte.

Benvolio. Bin ich so einer?

Mercutio. Ja, ja, du bist in deinem Grimm ein Hitzkopf wie nur

einer in ganz Italien; ebenso beweglich zum Grimme, ebenso grimmig dir Bewegung zu machen.

Benvolio. Was noch mehr?

Mercutio. O, wenn's solche noch mehr gäbe, da hätten wir bald gar keinen; einerbrächte den andern um.

Tu! ei du fängst mit

einem Händel an, weil er ein Haar weniger oder ein Haar

59

(Zrste Scene.

mehr im Barte hat als du.

Du fängst mit einem Händel

an, weil er Nüsse knackt, aus keinem andern Grunde als weil

du nußbraune Augen hast.

Ein andres Auge könnte solche

Gründe auch gar nicht aufspüren.

Dein Kopf ist so voller

Händel wie ein Ei voll Dotter, und dein Kopf ist dir doch

schon dotterweich geschlagen worden von wegen deiner Händel. Du hast mit einem Manne angebunden, der auf der Sttaße

hustete, weil er deinen Hund geweckt habe, der in der Sonne

geschlafen habe.

Hast du dich nicht an einem Schneider ver­

griffen, weil er sein neues Wams vor Ostern trug? an einem andern, weil er seine neuen Schuhe mit altem Bande zu-

schnürte?

Und du predigst mir Händel zu meiden?

Benvolio. Wär' ich so aufgelegt zu Händeln wie du, ich verkaufte meines Lebens Nießnutzung für anderthalb Stunden.

Mercntio. Nießnutzung! nichtsnutzig!

Benvolio. Bei meinem Kopf! da kommen die Eapulets.

Tybalt

und ankere treten auf.

Mercntio. Lei meiner Sohle, ich frage nichts danach.

Tybalt. Schließt euch mir an; ich will mit ihnen reden. —

Wüten Tag, ihr Herrn; ein Wort mit euer einem.

Mcrcutio. Nur ein Wort mit unser einem? gebt noch was zu; laßt

es ein Wort und ein Schlag sein.

Tybalt. Dazu sollt ihr mich bereit genug finden, wenn ihr mir

Anlaß gebt.

Mercutio. Könntet ihr euch nicht einen Anlaß nehmen, ohne daß wir ihn geben?

Tybalt. Mercutio, du begleitest Romeo, —

60

Dritter Hct

Mercutto. Begleitest! was, machst du uns zu Musikanten? du uno zu Musikanten machst, denn mache dich

Dissonanzen gefaßt.

Venn

nur auf

Hier ist mein Fiedelbogen: wart, der

soll euch tanzen lehren.

Alle Wetter, „begleitest!"

Benvolio. Wir reden hier auf öffentlichem Markt; Entweder sucht euch abgelegne Stellen Oder beredet eure Klagen kühl; Hier gaffen uns ja aller Augen an.

Mereutio. Zum Gaffen sind die Augen; laß sie gaffen.

Ich weiche keinem Menschen zu Gefallen.

Romeo

tritt auf.

Tybalt. Herr, zieht in Frieden ab; da kommt mein Mann.

Mercutto. Ihr werdet euren Mann an ihm schon finden;

Er wartet nur aufs erste Aufgebot, Um euer Gnaden Mann und Herr zu werden.

Tybalt. Romeo, meine Liebe hat für dich Kein bessreS Wort als dies: du bist ein Schurke!

Romeo. Die Ursach, die ich habe, dich zu lieben

Beschwichtet sehr den wohlgebührenden Zom Auf solchen Gniß.

Ein Schurke bin ich nicht;

Damm lebwohl; ich seh', du kennst mich nicht.

Tybalt. Knabe, du meinst daß dies den Schimpf bejchwichte, Den du mir angethan? Komm her und zieh!

Romeo. Bei Gott, ich habe niemals dich beschimpft;

Ich bin dein Freund, mehr als du denken kannst, Bio du die Gründe meiner Freundschaft hörst.

Erste Scene.

61

Drum, lieber Capulet, der — Nam' ist mir

So wett wie meiner, — gieb dich jetzt zufrieden.

Mercutio. O zahme, schimpfliche, gemeine Demut! A la stoccata heißt das Feldgeschrei.

[((£r Zieht.))

Tybalt, du Rattenfänger, willst du fechten?

Tybalt. Was willst du von mir?

Mercutio. Nichts, guter Katzenkönig, als eins von euren neun Leben; das bin ich so frei zu nehmen, und die übrigen acht werd'

ich zu späterem Gebrauch durchgerben.

Wollt ihr euren

Degen bei den Ohren aus seinem Lederwams ziehn? macht zu, sonst habt ihr meinen um die Ohren, eh er heraus ist!

Tybalt. Ich steh zu Dienst.

[(Rr zieht.-)

Romeo. Liebster Mercutio, steck' den Degen ein.

Mercutio. Kommt, Herr, eure Paffade! (Sie fechten.)

Romeo. Benvolio, zieh! schlag ihre Waffen nieder!

Schämt euch, ihr Herm! stellt diesen Frevel ein! Tybalt — Mercutio — der Prinz hat ganz ausdrücklich

Verpönt das Raufen in Verona's Gaffen. Halt, Tybalt! — Freund Mercutio!

(Tybalt

und seine Partei ab.)

Mercutio. Ich bin blessitt! — Zum Teufel beide Häuser! — ich bin fertig.

Hat er nichts abgekriegt?

Benvolio. Bist du verwundet?

Mercuttv. Ja, ja, geschrammt, geschrammt, grade genug. Wo ist mein Page? — Schurke hol' 'nen Wundarzt! — (Der Page ab.)

Dritter Bet.

62

Romeo. Sei gutes Muts, Mann; die Wunde kann nicht tief sein.

Mercutio. Nein, sie ist nicht so tief wie ein Brunnen, auch nicht so

weit wie 'ne Kirchthür; aber es reicht gerade hin; es fleckt. Fragt morgen nach mir und ihr werdet einen stillen Mann

an mir finden. mir.

Für diese Welt bin ich geliefert, glaubt s

Hol' der Teufel beide eure Häuser!

Blitz! so ein

Hund, Ratz, Maus, Katz kratzt einen Menschen zu Tode!

Ein Renommist, ein Schuft, Rechenbuch ficht! kommen?

ein Halunke,

der nach dem

Was Teufel hattet ihr zwischen uns zu

Zch ward unter eurem Arm verwundet.

Romeo. Ich dacht' es gut zu machen.

Mercutio. Benvolio, hilf mir in eins der Hauser; Sonst fall' ich um. — Zum Teufel eure Häuser!

Sie haben Würmerspeis' aus mir gemacht. Ich hab' es weg, und gründlich. — Eure Häuser!

Mercutio und Benvolio ab.)

Romeo. Ein solcher Mann, des Fürsten naher Blutsfreuno,

Mein eigner Freund, verwundet auf den Tod

Um meinethalb! mein Ruf mit Schimpf befleckt Bon Tybalt — Tybalt, der seit einer Stunde

Mein Better ist! — O süße Julia, Weibisch hat deine Schönheit mich gemacht

Und weich in mir den Stahl der Tapferkeit.

Benvolio kommt zurück.

Benvolio. O Romeo, Mercutio ist todt!

Sein tapfrer Geist schwang zu den Wolken sich,

Der allzu früh die Erde hat verschmäht.

Romeo. O schwarzer Tag, Leid bringt er fünffgen Tagen,

Er zeugt das Unheil, das sie einst beklagen!

Tybalt kommt zuruck.

Benvolio. Ta, Tybalt kommt zurück von Blut noch rot!

Romeo, Lebendig, siegreich, und Mercutio todt! Hinweg zum Himmel, schonungsreiche Milde, Und flammenäugige Wut sei Führer jetzt! Nun, Tybalt, nimm den Schurken hier zurück, Ten du mir gabst. Der Geist Mercutio's Ist noch nicht weit; er wartet uns zu Häupten Auf deinen, daß er ihm Gesellschaft leiste. Tu oder ich! sonst folgen wir ihm beide!

Tybalt. Tu, Bube, der du hier mit ihm verkehrtest, Sollst mit ihm fort.

Romeo. Dies hier entscheide das! (2 ic rechten ; letal: fallt )

Benvolio. Romeo, hinweg! mach' fort! Die Bürger kommen schon, und Tybalt todt! Steh nicht betäubt! — Dein Leben ist verwirkt, Wenn sie dich greifen. — Fort, fort, hurtig doch.

Romeo. Weh mir! ich Narr des Glücks!

Benvolio. Was weilst du noch?

lRomeo ab.)

Bürger fommen. Ein Bürger. Wo blieb er, der Mercutio tödtete?

Tybalt, der Mörder, sah ihn keiner hier?

Benvolio. Da liegt dein Tybalt.

Bürger. Auf, Herr! folget mir. Ins Fürsten Namen, vorwärts, mitgegangen!

Dritter Set.

64 Der

Fürst

mit Gefolge,

Eapulet, MontagU,

ihre grauen un: andre

treten auf.

Fürst. Wo sind sie, die den Frevel angefangen?

Benvolio. Erlauchter Fürst, ich klär' euch alles auf, Des blut'gen Streits unglücklichen Verlauf: Hier liegt, durchbohrt vom jungen Romeo, Der Mörder deines Freunds Mercutio.

Frau Capulet. Tnbalt, mein Vetter! meines Bruders Kind! O Fürst! o Neff'! o Mann! im Staube rinnt Des lieben Freundes Blut! Fürst, strafe du!

Sühn' unser Blut im Blut der Montagu! L Vetter, Vetter!

Fürst. Benvolio, wer fing dies Morden an?

Benvolio. Tybalt, und Romeo erschlug ihn dann. Erst sprach ihm Romeo zu, hieß ihn bedenken, Wie hohl der Streit sei, mahnt' an euren Zorn; Dies alles, vorgebracht mit sanftem Ton, Gelaffnem Blick, höflich gebognem Knie, Beschwichtet nicht Tybalts unbänd'gen Trotz; Für Frieden taub, mit bohrendem Stahl berennt er Die Brust des mutigen Mercutio. Der, auch erhitzt, kehrt tödtlich Schwert an Schwert; Mit kriegerischem Hohn schlägt seine Linke Den kalten Tod beiseit; die Rechte schickt Zurück ihn gegen Tybalt, dessen Kunst Ihn wieder heimzahlt. Romeo, der schreit laut „Halt, Freunde, halt!" und schneller als sein Mund

Schlägt sein behender Arm die Klingen nieder Und stürzt dazwischen. Unter seinem Arm Traf Tybalt noch mit falschem Stoß das Leben

Des rüstigen Mercutio.

Er entfloh,

Kam aber gleich zu Romeo zurück,

Erste Scene.

65

Ter nun zuerst der Rache Raum gewährte; Und nun ging's wie der Blitz! denn eh ich zieh« Und trennen konnte, fiel der rüst'ge Tybalt; (?r fiel, und Romeo wandte sich und floh. Mein Haupt zum Pfande: der Verlauf war so. Krau Capulet. Er ist verwandt mit Montagu's Geschlecht; Tie Freundschaft macht ihn falsch; er zeugt nicht recht. Sie fochten zwanzig Mann hoch, und sie alle

Brachten ein einzig Leben nur zu Falle. Ich fleh' um Recht, mein Fürst; thu deine Pflicht; Ter Tybalt todtschlug^ Romeo lebe nicht!

Fürst. Ja, doch Mercutio fiel durch Tybalts Degen; Wer soll den Preis des theuren Bluts erlegen?

Montag». Richt Romeo, Herr, der Freund Mercutio's;

Was dem Gesetz verfiel, das nahm er bloß, Tas Leben Tybalts. Fürst. Und für diese That Verbannen wir ihn jetzt aus unserm Staat. Schon leid' ich selbst durch eures Hasses Wut; Mein eigen Blut liegt todt in seinem Blut; Doch nun mit Strafen will ich euch bedräun, Daß mein Verlust euch alle soll gereun.

Taub will ich sein für Anwalt und Vertheid'ger; Richt Flehn noch Jammern rette den Beleidger, Drum spart sie. Romeo flieh', so schnell er mag; So man ihn fände, wär's sein letzter Tag. — Tragt fort die Leiche. — Merkt euch den Bescheid!

Tie Gnade mordet, wenn sie Mord verzeiht Mt ab.)

Gildemeister, Shake-rearedramen.

5

66

Dritter Act.

Zweite Scene. Zimmer in Capulets Hause.

Julia tritt

auf.

Julia. Flieget hinab, ihr flammenhufigen Rosse, Zu Phöbus Wohnung! o ein Wagenlenker Wie Phaeton würd' euch gen Westen peitschen Und brächt' uns wolkige Nacht im Augenblick! Breit' aus den Vorhang, Hort der Liebe, Nacht! Die Späher wieg' in Schlaf, und Romeo Flieg' an mein Herz, unsichtbar, ungehört! Liebende sehn genug fürs Fest der Liebe Beim Licht der eignen Schönheit; Lieb' ist blind? Da stimmt sie recht zur Nacht. — Komm, ernste Nacht, Ehrbar verhüllte Mutter, ganz in Schwarz, Und lehr' mich ein gewinnend Spiel verlieren, Gespielt um zwei jungfräulich reine Blüten. Verlarve du mein ungezähmtes Blut, Das in den Wangen flattert, mit dem Mantel Der Finstemiß, bis scheue Liebe, kühn, In wahrer Liebe Thun nur Unschuld sieht. Komm, Nacht! komm, Romeo! komm, du Tag in Nacht! Du leuchtest auf den Fittigen der Nacht Weißer als frischer Schnee auf Rabenflügeln. Komm, holde Nacht, komm, liebe dunkle Nacht, Gieb meinen Romeo mir, und wann er stirbt, Nimm ihn und schneid' ihn dir in kleine Sterne: Er wird des Himmels Antlitz so verschönen, Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt Und keiner mehr der grellen Sonne huldigt. O ich erstand die Wohnung einer Liebe, Doch nicht besitz' ich sie; ich bin verkauft, Doch nicht genossen. Dieser Tag währt lang Wie nur die Nacht vor einem Freudenfest

Zweite Scene.

67

Dem harrenden Kind, das neue Kleider hat Und sie nicht tragen darf. — Sieh, meine Amme! Die

Amme

tritt auf mit einer Strickleiter.

Sie bringt Bericht, und jeder Mund, der nur

Den Namen Romeo nennt, spricht Himmelsklänge. — Nun, Amm', erzähl'; was hast du da? die Stricke, Die Romeo holen ließ?

Amme

die Strickleiter;u Boden werfend.

Ja, ja, die Stricke.

Julia. Weh mir, was giebt's? was ringst du so die Hände?

Amme. Daß Gott erbarm'! er ist todt, ist todt, ist todt! Wir sind verloren, Fräulein, wir sind verloren. Daß Gott erbarm'! er ist todt, ermordet, todt!

Julia. Kann Gott so grausam sein?

Amme. Romeo kann's, Wenn's Gott nicht kann. O Romeo, Romeo, Wer konnte so was denken? Romeo--------

Julia. Bist du ein Teufel, daß du so mich folterst Mit Folter wie sie in der Hölle brüllt? Hat Romeo sich getödtet? Sag' bloß ja, Und dieses nackte Ja wird mehr vergiften

Als todauSsprüh'nder Basiliskenblick. Fand er den Tod, sag' ja; wo nicht, sag' nein! Ein kurzer Laut entscheidet Wonn' und Pein.

Amme. Ich sah den Stich, sah ihn mit meinen Augen, — Mein Heiland! — hier, auf seiner stolzen Brust. Ein Leichnam, ein erbärmlich blut'ger Leichnam, Bleich, bleich wie Asche, kleberig von Blut, Bon dickem Blut; wegschwiemt ich, da ich's sah.

68

Dritter Set.

Jutta. O brich, mein Herz! du armer Bettler, brich! Ins Gefängniß, Augen! schaut nie mehr die Freiheit Staub, fall in Staub, halt alle Regung ein! Sich berg' und Romeo ein finstrer Schrein! Amme. £ Tybalt, lybalt, o mein bester Freund! Leutsel ger Tybalt, wackrer junger Herr! Datz ich's erleben muß dich todt zu sehn!

Jutta. WaS für ein Sturm, der so feindselig weht! Ist Romeo hingewürgt und Tybalt todt?

Mein liebster Netter und mein liebrer Gatte? Dann blaset nur, Posaunen des Gerichts; Denn wer noch lebt, wenn diese nicht mehr sind? Amme. Inhalt ist todt und Romeo verbannt. I-------------------------------------------------------- ]

Julia. O Gott, hat Romeo Tybalts Blut vergossen?

Amme. Er that's, er that's, daß Gott erbarm', er that's. Julia. O Schlangenherz, versteckt in Blumenlächeln! War eines Drachen Höhle je so schön? Holdseliger Tyrann! himmlischer Teufel! Du Rab' in Taubenfedern! wölfisch Lamm! Fluchwürd'ger Inhalt göttlichster Gestalt! Gerades Gegentheil scheinbarer Gradheit! Verdammter Heil'ger, ehrenhafter Schurke! O sprich, Natur, wie kamst du in die Hölle, Als du die Seele eines Teufels bargst Im irdischen Paradies so schönen Leibes? War je ein Buch, das solche Greuel enthielt, So reich gebunden? O daß Falschheit wohnt In solchem Prachtpalast!

Zweite Scene.

Amme. Kein Treu und Glaube Ist in dem Mannsvolk mehr, meineidig alle, Wortbrüchig, Schelme, Heuchler insgesammt. —

Ach, Peter! — gebt mir etwas Aquavit. — Die Not, die Angst, der Jammer macht mich alt. Schänd' über Romeo!

Julia. Dein Mund verbrenne Für diesen Wunsch! Gott schuf ihn nicht zur Schande; Auf seiner Stirne weilt die Schande nicht; Sie ist ein Thron, wo man die Ehre mag AIS Allbeherscherin der Erde krönen.

[------------------------------------------------------------- J

Amme. Vom Mörder eures Vetters sprecht ihr gutes?

Julia. Von meinem Gatten soll ich übles reden? Ach, armer Mann, wer liebkost deinen Namen, Wenn ich, Dein Weib seit heut, ihn schon zerreißt? Doch warum, Schurk', erschlugst Du meinen Vetter? Der Schurke Vetter hätt' ihn sonst erschlagen. Thörichte Thränen, kehrt zurück zur Quelle! Eurer Tropfen Tribut gehört dem Schmerz Und irrend bringt ihr ihn der Freude dar. Mein Gatte lebt, den Tybalt tobten wollte, Und Tybalt, der ihn tödten wollte, starb. Ties alles ist ja Trost: warum denn wein' ich? Ta war ein Wort, schlimmer als Tybalts Tod, Das mich erwürgte. Gem vergäß' ich es; Doch o es drückt sich ein in mein Gedächtniß Wie schwarze Thaten in des Sünders Seele. „Tybalt ist todt und Romeo verbannt!" O dies „verbannt", dies eine Wort „verbannt" Erschlägt zehntausend Tybalts. Tybalts Tod War Weh's genug, wenn'S da geendet hätte, Und wenn das bittre Weh Gesellschaft liebt,

69

70

Dritter Lct.

Und will durchaus mit andren Leiden kommen, Warum nicht folgt' auf ihr „Tybalt ist todt" Dein Vater, Mutter oder beide gar,

Was hergebrachte Klage hätt' erweckt? Doch dieser Nachtrab hinter Tybalts Tod, „Romeo ist verbannt", dies eine Wort

Ist Vater, Mutter, Tybalt, Romeo, Julia, All', alle todt. — Romeo ist verbannt! Ohn' Ende, Ziel, Maß, Grenzen ist der Tod

Des einen Worts; kein Wort mißt diese Not. — Wo ist mein Vater und die Mutter, Amme?

Amme. Weinend und jammemd über TybaltS Leiche. Wollt ihr zu ihnen gehn? ich bring' euch hin.

Julia. Mit Thränen waschen sie die Wunden des Gebliebnm? Wann ihre trocknen, wein' ich meine dem Vertriebne.. Nimm weg die Stricke. — Arme Leiter, bist Wie ich getäuscht, nun er geächtet ist! Er machte dich zur Sttaß' in meine Kammer, Die nun als Jungfrau stirbt in Witwenjammer. Kommt, Stricke, Amm'; ich will ins Brautbett nun; Nicht Romeo, der Tod soll bei mir ruhn.

Amme. Geht nur hinein; ich find' euch Romeo'n, Zu eurem Trost. Ich weiß wohl, wo er steckt, Verborgen bei Lorenzo Hinterm Gitter; Ich laufe hin, daß ich zur Nacht ihn hol'. Julia. Flieg! gieb dies Ringlein meinem treuen Ritter,

Und ruf ihn her zum letzten Lebewohl.

Dritte Scene. Voten30’0 Zelle. Bruder

Lorenzo

und

Romeo

treten auf.

Lorenzo. Komm, Romeo, komm hervor, du Mann der Furcht.

Trübsal hat sich verliebt in deine Tugend Und angetraut bist du dem Misgeschick. Romeo. Vater, was giebt's? wie fiel des Fürsten Spruch? Und welches mir noch unbekannte Leid

Will mich besuchen? Lorenzo. Zu vertraut schon ist Mein lieber Sohn mit solchem bittren Umgang. Ich bring' dir Nachricht von des Fürsten Spruch.

Romeo. Was kann sein Spnrch sein als Weltuntergang? Lorenzo. Ein mildres Urtheil floß von seinen Lippen, Nicht Leibes Tod, nur leibliche Verbannung. Romeo. Verbannung? sei barmherzig! sage Tod! Verbannung trägt der Schrecken mehr im Blick, Weit mehr als Tod. O sage nicht Verbannung!

Lorenzo. Hier aus Verona bist du nur verbannt. Sei ruhig; denn die Welt ist groß und weit. Romeo. Jenseits Veronas giebt es keine Welt, Nur Fegefeuer, Qual, die Hölle selbst. Verbannt von hier heißt aus der Welt verbannt Und weltverbannt ist todt. Verbannung also Ist falschbenamter Tod. Nennst du ihn Bann, Schlägst du das Haupt mir ab mit goldnem Beil Und lächelst zu dem Hieb, der mich ermordet.

72

Dritter Bet.

Lorenzo. O schwere Zünd', o undankbarer Trotz! Das Recht nennt deinen Frevel Tod, doch gütig Ztieß dir zu Lieb der Fürst das Recht beiseit, Das schwarze Wort umwandelnd in Verbannung,

's ist theure Gnad', und du gewahrst sie nicht.

Romeo. 's ist Folter, Gnade nicht! hier ist der Himmel, Wo Julia lebt, und jeder Hund und Katz Und kleine Maus, das niedrigste Geschöpf Lebt hier im Himmel, darf ausschaun zu ihr. Nur Romeo darf es nicht. Mehr Würdigkeit Und Ehrenstand und zarte Litte steht Schmeißfliegen zu als Romeo; sie berühren Das weiße Wunder ihrer theuren Hand Und stehlen Seligkeit von ihren Lippen, Die stets in lauterer Vestalenreinheit Erröten, als ob Sünde wär' ihr Kuß; Doch Romeo darf es nicht; er ist verbannt. Die Fliegen dürfen dies, ich soll dies fliehn; Sie sind die freien Leut', ich bin verbannt. Und sagst du noch, Verbannung sei nicht Tod'? Hattest du nicht ein Gift, kein scharfes Messer, Kein rasches Mordwerkzeug, so schlecht es sei, Als dies „verbannt" für meine Brust'? Verbannt! O die Verdammten in der Hölle brauchen Dies Wort und heulen; wie hast du das Herz, Ein Mann der Kirch', ein frommer Beichtiger,

Ein Sündenlöser, mein erklärter Freund, Mich zu zerfleischen mit dem Wort verbannt! Lorenzo. Wahnsinn ger Knabe, hör' mich doch nur an.

Romeo. O du willst wieder von Verbannung reden. Lorenzo. Ich will dir eine Rüstung leihn dagegen,

Der Trübsal süße Milch, Philosophie, Tie dich erquicke, bist du gleich verbannt.

Romeo. WaS, doch verbannt? Hängt die Philosophie! Wenn Philosophie nicht Julien schaffen kann, Städte versetzen, Fürstenspruch verwandeln, So Hilst sie nichts und taugt nichts; sprich nicht mehr. Lorenzo. Nun seh' ich, ein Verrückter hat kein Ohr. Romeo. Wie sollt' er? ihr, der Weise, habt kein Auge.

Lorenzo. Laß unS erörtern wie es steht mit dir. Romeo. Was du nicht fühlst, davon kannst du nicht reden. Wärst du so jung wie ich und Julia dein; Vermählt seit Stunden erst, Tybalt ermordet, Sterblich verliebt wie ich, wie ich verbannt, Dann möchtest du reden, dir die Haare raufen, Und so zu Loden stürzen, wie ich jetzt, Das Maß mir nehmend für ein frisches Grab. ((58 wird draußen gcflerft.1

Lorenzo. Steh auf; man klopft; mein Romeo, verbirg dich.

Romeo. Nein, nein, wenn nicht der Hauch herzkranker Seufzer Wie Nebel mich verhüllt vor späh'ndem Blick. (Klopfen draußen.)

Lorenzo. Hör', wie sie klopfen! — Wer da? — Romeo, fort! Man wird dich greifen. — Ja doch, gleich. — Steh auf; [((53 wird stierst-;]

Lauf in mein Kämmerlein. — Ja! — Heil'ger Gott! WaS das für Einfalt ist! — Ich komm', ich komme. [((58 wird geklopft.,^

Wer klopft so laut? wo kommt ihr her? was wollt ihr?

74

Dritter Set.

Amme draußen.

Saßt mich nur ein, so sollt ihr's schon erfahren. Ich komm' vom Fräulein Julia. Lorenzo. Tann willkommen.

Ti« Amme tritt auf. Amme. O heil'ger Herr, o sagt mir, heil'ger Herr, Wo ist der junge Herr? wo ist Romeo?

Lorenzo. Ta liegt er, trunken von den eignen Thränen. Amme. Es geht ihm just wie meinem Fräulein auch, Just so wie ihr. Klägliche Sympathie! Erbärmlich Schicksal! Just so liegt sie auch,

Schluchzend und weinend, weinend und schluchzend. — Steht auf, steht auf! wenn ihr ein Mann seid, steht; Julien zu Liebe, ihr zu Lieb, steht auf! Was fallt ihr in so'n tiefes Ach und Weh ? Romeo. Amme! Ach, Herr, ach Herr!

Amme. Im Tod' ist alles aus.

Romeo. Sprachst du von Julia? wie steht es mit ihr? Hält sie mich nicht für einen alten Mörder, Nun ich die Kindheit unsres Glücks befleckte

Mit Blut das ihrem Blut so nahe war? Wo ist sie und was macht sie und was sagt Mein liebster Schatz zum Schiffbruch unsrer Liebe? Amme. Ach, Herr, sie sagt kein Wort; sie weint und weint; Bald fällt sie auf ihr Bett, bald fährt sie auf, Und Tybalt ruft sie dann, schreit Romeo Und fällt so wieder hin.

Dritte Scene.

75

Romeo. Als ob der Name,

Aus einem tödtlichen Geschütz geschaffen, Sie morde, wie die Bluthand dieses Namens

Ten Better ihr gemordet. — Sag' mir, Mönch, In welchem schnöden Theile dieses Leichnams

Mein Name wohnt; sag's, daß ich es verwüste,

Dies Haus des Fluchs! (Gr zieht den Deich )

Lorenzo. Verzweifelter, halt ein! Bist du ein Mann? dein Äußeres ruft, ja wohl;

Doch weibisch sind die Thränen; deine Wildheit

Verrät des Thieres unvernünft'ge Wut. Ein schlechtes Weib und männlich von Geschlecht,

Ein unnatürlich Thier mit zwei Naturen! Ich bin erstarrt: bei meinem heil gen Orden,

Für wohlgestimmter hielt ich dein Gemüt. Erschlugst du Tybalt? willst dich selbst erschlagen? Tein Weib erschlagen, die in dir nur lebt,

Verdammten Haß auslassend an dir selbst? Was schmähst du auf Geburt und Erd' und Himmel Geburt und Erd' und Himmel, alle drei

Treffen in dir zusammen, die zusammen Tu nun verlieren willst.

O schäme dich!

Du schändest deine Schönheit, Lieb' und Witz; Du wie ein Wuchrer, hast sie all' in Fülle

Und nutzest ihrer keins zur wahren Zier Für deine Schönheit, Lieb' und deinen Witz. All deine Schönheit ist ein Wachsbild nur, Abtrünnig von der Tugmd eines Manns;

Die Liebe, die beschworne, hohler Meineid, Die Liebe tödtend, der du Schutz gelobt; Dein Witz, der helle Schmuck der Lieb' und Schönheit, Verfinstett in der Leitung dieser beiden, Wie Pulver in des lässigen Schützen Flasche,

Fängt Feuer durch dein eignes Ungeschick,

76

Dritter Lct.

Und dich verstümmelt deine eigne Wehr.

Ei, raff' dich auf, Mann! deine Julia lebt, Um die noch eben du hier lagst wie todt: Das ist ein Glück. Dich wollte Tybalt tobten, Und du erschlugst den Tybalt: auch ein Glück. Tas Recht, das Tod androhte, wird dein Freund

Und wandelt ihn in Bann: das ist ein Glück. Ein Haufe Segens fällt aus deine Schulter; Das Glück hofirt dir recht in Feierkleidern, Du aber, wie ein albern mürrisch Kind, Du schmollst mit deinem Loos' und deiner Liebe. Nimm dich in Acht! denn solche sterben elend. Fort, geh zur Liebsten, wie verordnet steht;

Ersteig ihr Kämmerlein; fort, tröste sie; Nur weile nicht, bis man die Wachen stellt; Sonst kömmst du nicht mehr durch nach Mantua, Allwo du bleibst, bis wir die Zeit ersehn, Die Heirat kundzuthun, den Groll zu dämpfen, Den Bann zu lösen und dich heim zu rufen Mit zwanzighunderttausendmal mehr Freude Als du von hinnen gingst in Herzeleid. — Geh nur voran, Frau; grüße mir dein Fräulein; Sie soll das ganze Haus zu Bette treiben Wozu der schwere Gram sie willig macht: Romeo kommt! Amme. O je, ich bliebe gern die ganze Nacht Und hörte gute Lehr'. Ja, so'n Studirter! Ich meld' euch, gnäd'ger Herr, der gnäd'gen Frau. Romeo. Ja, sag' der Holden, daß ich Schelt' erwarte.

Amme. Hier Herr, ein Ring; sie gab ihn mir für euch. Eilt nur und sputet euch; es wird schon spät. Ab.)

Romeo. Wie ist mein Mut nun wieder neu belebt!

Vierte Scene.

77

Lorenzo. Geh.

Gute Nacht.

Hieran hängt nun dein Alles:

Entweder geh, bevor die Wachen aufziehn, Oder bei Tagesgraun verkleidet fort. Verweil' in Mantua; dein Diener soll,

Den ich schon finden will, von Zeit zu Zeit,

Was gutes hier vorfallen mag, vermelden. Gieb mir die Hand; 's ist spät.

5o, gute Nacht.

Romeo. Glück über alles Glück ruft mich von hier;

Tonst trennte sich mit Schmerz mein Herz von dir. Lebwohl.

(Beite ab.)

Vierte Scene. Zimmer in Capulets Hause. Capulet» 3r»u Capulet unk Graf Paris treten auf. Capulet. Es ist so schlimm ergangen, lieber Graf, Die Zeit gebrach der Tochter zuzureden.

Denn seht, sie hielt vom Vetter Tybalt viel; Das that ich auch.

Na, sterben muß der Mensch.

Es ist schon spät; sie kommt nicht mehr herunter.

Ich sag' euch, wär's nicht der Gesellschaft wegen, Seit einer Stunde lag’ ich schon im Bett.

Paris. Die Trauerzeit ist keine Trauungszeit.

Gnädige Frau, schlaft wohl;

empfehlt mich eurer Tochter.

Fra« Capulet. Ich will's, und morgen früh kenn' ich ihr Herz.

Heut Abend sitzt sie fest in ihrer Trauer.

Capulet. Herr Graf', ich mach' euch eine dreiste Wette Auf meines Kindes Lieb'; ich denk', ihr Herz

Thut wie ich will; nein mehr, ich bin's gewiß.

78

Dritter Scr.

Frau, geh noch zu ihr, eh du schlafen gehst; Sag' ihr von meines Sohnes Paris Liebe, Und heiße sie, paff' auf, zu nächstem Mittwoch-------Still, was ist heute?

Paris. Montag, edler Herr.

Capulet. Montag, ja so. Na, Mittwoch ist zu ftüh. Sei's Donnerstag. Sag' ihr, am Donnerstag

Werd' unser edler Graf mit ihr vermählt. Wollt ihr bereit sein? mögt ihr diese Eil' ? Wir thun's im stillen ab: nur ein paar Freunde; Weil Tybalt erst so kürzlich umkam, wißt ihr, So säh' es aus als lag’ uns nichts an ihm, An unserm Vetter, wenn's zu lustig wird. Drum laden wir ein halbes Dutzend Freunde, Und damit gut. Wie dünkt euch Donnerstag?

Parts. Ich wollte Donnerstag wär' morgen schon.

Capulet. Schön. Geht nun heim. Sei's denn am Tonncrstcg. — Frau, geh zu Julien, eh du schlafen gehst; Bereit' sie vor auf diesen Hochzeitstag. — Lebt wohl, mein Graf. — He, Licht auf meine Kammer. — Bei Gott, es ist so spät, daß wir es bald Früh morgens nennen können. — Gute Nacht. '.'IIL ab )

Fünfte Scene.

Julia s Kammer. Romeo

Julia treten Julia.

und

auf.

Willst du schon gehn? der Tag ist ja noch fern.

Es war die Nachtigal und nicht die Lerche, Die eben dein erschrocken Ohr durchdrang;

Sie singt des Nachts auf dem Granatbaum dort. Glaub' mir mein Freund, es war die Nachtigal.

Romeo. Die Lerche war's, die Tagverkünderin, Und nicht die Nachtigal.

Lieh, neidische Stressen

Umsäumen das Gewölk im Osten schon.

Die stacht hat ihre Kerzen ausgebrannt,

Und aus den Zehen steht der muntre Tag Dort auf den dunst'gen Gipfeln des Gebirgs.

Ich flieh' und lebe, oder bleib' und sterbe.

Jutta. Tas Licht ist nicht der Tag-, ich kenn' es wohl, Es ist ein Luftbild, das die Sonn' aushaucht.

Dein Fackelträger durch die Nacht zu sein,

Zur Leuchte deines Wegs nach Mantua. Drum weile noch; du brauchst noch nicht zu gehn.

Romeo. Laß sie mich greifen, mich zum Tode führen,

Ich will's zufrieden sein, wenn du es willst. Nein, jenes Grau ist nicht des Morgens Auge, Der blasse Abglanz nur von Eynthia's Stirn-, Auch ist's die Lerche nicht, von deren Schall

Hoch über uns des Himmels Wölbung klingt.

Mehr als des Gehns bin ich des Bleibens froh; Komm Tod, willkommen!

Julia will es so.

Nun, Liebste, plaudern wir; es tagt noch nicht.

Julia. Entflieh! hinweg! das ist des Tages Licht; Es ist die Lerche, die mistönend singt

Mit heisrer Dissonanz und grellem Schmettern.

Die Lerche, sagt man wohl, hat süßen Schlag; Doch jene nicht; die schlägt die Scheidestunde. Die Lerch' und Kröte, sagt man, tauschen Augen;

O hätten sie die Stimmen auch getauscht,

Weil Arm von Arm uns diese Stimme schreckt, Dich jagend, wie das Hom den Jäger weckt. Und nun geh fort! schon lichter wird's und lichter.

Romeo. Und unsres Kummers 'Nacht wird dicht und dichter.

Tie Amme tritt auf.

Amme.

Fräulein. . Julia.

Was ist's? Amme.

Tie gnäd'ge Mutter kömmt zu eurer Kammer. Leid auf der Hut; man regt sich schon im Haus. Julia.

Tann, Fenster, laß Licht ein und Leben auS. Romeo.

Lebwohl, lebwohl! ein Kuß und fort sodann. lRomeo ttelgr bnab.)

Julia.

Lo bist du fort? mein Freund, mein Glück, mein Minn! Laß von dir hören jeden Tag der Ltunde; Denn die Minut' ist viele Tage lang. Ach, so gerechnet, werd' ich hochbejahrt sein, Eh ich dich wiederseh', mein Romeo. Romeo.

Lebwohl; versäumen werd' ich keine Stunde, Die Grüße senden rann von meinem Munde. Julia.

O glaubst du daß wir je uns Wiedersehn? Romeo.

Ich zweifle nicht, und all dies Leiden soll Zu süßen Plauderein uns künftig dienen. Julia.

O Gott, ich hab' ein unglückahnend Herz; Mich dünkt, ich sah' dich, nun du unten bist, Wie einen Todten tief in einer Gruft. Mein Auge trügt mich oder du bist bleich. Romeo.

Und glaub' mir, daß ich dich nicht anders seh'; Der Schmerz trinkt unser Blut. — Ade! ade! (.'lb.)

Fünfte Scene.

81

Julia. O Glück, Glück, alles nennt dich unbeständig; Wenn du es bist, was thust du denn mit ihm, Deß Treu' berühmt ist? Glück, sei unbeständig!

Tann, hoff' ich, hältst du ihn nicht lange fern,

Nein, sendest ihn zurück.

Fra« Capulet

Uinnen.

Kind, bist du auf?

Julia. Wer rüst mich? ist eS meine gnäd'ge Mutter? Wacht sie so spät noch oder schon so früh? Welch ungewohnte Ursach führt sie her? 5r.ru

Capulet

tritt auf.

Frau Capulet. Nun, Julia, wie geht'S?

Julia. Mir ist nicht wohl.

Frau Capulet. Noch immer weinend um des Vetters Tod?

Will du mit Thränen aus der Gmft ihn waschen? Wenn du es könntest, lebt' er doch nicht auf; Drum laß es. Etwas Gram zeigt viele Liebe; Viel Gram dagegen etwas Unverstand.

Julia. Ich weine, weil zu fühlbar mein Verlust.

Frau Capulet. Du fühlst dann den Verlust, doch nicht der Freund,

Um beit du weinst.

Julia. Und den Verlust so fühlend, Muß ich nun immer weinen um den Freund.

Frau Capulet. Du weinst wohl nicht so sehr um seinen Tod,

AIS weil der Schurke lebt, der ihn erschlug.

Julia. WaS für ein Schurke? Gildemeister, Shake-pearedramen.

6

82

Dritter Bet.

Frau Capulet. Der Schurke Romeo.

Julia. e-öcifcit.) Schurke und er sind himmelweit geschieden! —

(Saut.) Vergeb' ihm Gott! ich thu's von ganzem Herren, Obwohl kein Mann mein Herz bedrückt wie er.

Frau Capulet. Tu meinst, weil der verruchte Mörder lebt.

Julia. Ja, Mutter, meinen Händen unerreichbar;

O keiner sollt' ihn züchtigen als ich!

Frau Capulet. Sei unbesorgt; wir wollen Rache nehmen; Drum weine nicht.

Ich werde jemand schicken

Nach Mantua, wo der Verräter weilt, Der ihm ein seltnes Tränkchen soll bereiten,

I----------------------------------------------------------------------- J Und dann, so hoff' ich, giebst du dich zufrieden.

Julia. Fürwahr, ich werde nie zufrieden sein, Bis ich den Romeo erblicke — todt

Grämt sich mein armes Herz um einen Vetter.

Ach, gnädge Mutter, fändet ihr nur jemand, Ihm Gift zu bringen, mischen wollt' ich es, Daß Romeo, wenn er's genommen, bald In Ruhe schliefe.

Welche Herzenspein,

Ihn nennen hören und nicht zu ihm können, Um meine Liebe zu dem Vetter Tybalt

An dem, der ihn getödtet, auszulaffen.

Frau Capulet. Schaff' du das Gift, ich schaffe dir den Mann, Jetzt aber bring' ich frohe Zeitung, Mädchen.

Julia. Und Freude kommt erwünscht in schwerer Zeil;

Was ist es denn? ich bitt' euch, gnäd ge Mutter.

Frau Capulet. Ja, ja, du hast 'nen guten Vater, Kind: Er hat, um dir den Trübsinn zu vertreiben, Ein plötzlich Freudenfest dir angesetzt, Das du nicht ahnst, noch ich erwartete.

Julia 2aßt hören doch, was ist es für ein Fest?

Frau Capulet. Denk' nur, mein Kind, früh nächsten Donnerotag Soll der hochedle, wackre junge Herr Graf Paris in der Kirche zu Sanct Peter Als frohe Braut dich zum Altare führen.

Jutta. Nun, bei Sanct Peters Kirch' und Petrus selbst, Er soll mich nicht als frohe Braut geleiten. Mich wundert diese Hast, mich wegzugeben,

Eh' noch der Bräutigam zu werben kommt. Ich bitt' euch, saget meinem Herrn und Vater, Ich wolle noch nicht frein, und wenn ichs thu', Solls Romeo sein, — ihr wißt daß ich ihn Haffe — Eher als Paris. — Frohe Zeitung das!

Frau Capulet. Da kommt dein Vater, sag' es ihm nur selbst Und sieh' wie er's aufnehmen wird von dir.

Capulet

und die

Amme

treten auf.

Capulet. Bei Sonnenuntergang, da rieselt's Thau; Beim Untergange meines Bnidersohns. Da gießt es so recht. Was? eine Traufe, Mädchen? immer Thränen? Ein ero'ger Regen? In einem kleinen Körper Spielst du ein Schiff, ein Meer und einen Wind; Die Augen, die bad Meer sind, gehn mit Thränen Wie Ebb' und Flut; dein Körper ist das Schiff, Das in der Salzflut schwimmt; die Seufzer Wind, Der mit den Thränen tobt und sie mit ihm,

84

Dritter Set.

Und wenn's nicht bald gut Wetter wird, so wirft er Den sturmzerzausten Körper um. — Nun, Frau? Hast du ihr unsern Ratschluß hinterbracht?

Frau Capulet. Ja freilich; doch sie will nicht; nein, sie dankt. Ich wollt', anS Grab wär' sie vermahlt, die Närrin!

Capulet. Lacht, ich versteh' nicht, ich versteh' nicht, Frau. Was? will sie nicht? weiß sie uns keinen Dank? Ist sie nicht stolz? hält sich nicht hochbeglückt,

Unwürdig wie sie ist, daß wir zum Gatten Ihr einen solchen würd'gen Herrn verschafft?

Julia. Nicht stolz darauf, doch dankbar wohl dafür. Ltolz kann ich nie auf das sein, was ich Haffe, Doch dankbar auch für Haß, gemeint wie Liebe.

Capulet. Was, Jungfer Weisheit? was ist das für Zeugs? Stolz — und ich dank' euch — und ich dank' euch nicht — Und doch nicht stolz? Hört, Fraulein Zimperlich, Nichts da von Dank gedankt und Stolz stolzirt; Rückt euer zart Gestell zurecht zu Donnerstag, Mit Paris nach Sanct Peter zu marschiren-. Sonst schleif' ich dich auf einer Schleife hin. Pfui, du bleichsüchtig Ting! pfui, du Bagage, Du Talggesicht!

Frau Capulet. Schämt euch; seid ihr verrückt?

Julia. Mein Vater, ich beschwör' euch auf den Knien, Hört in Geduld mich an, ein einzig Wort!

Capulet. Hänge dich auf, rebellische Bagage! TaS sag' ich dir: am Donnerstag zur Kirche, Oder du kömmst mir nie mehr vors Gesicht. Sprich nicht, antworte nicht, kein Widerwort!

fünfte Scene.

Mir Daß Nun Und

juckt die Hand. — Wir hielten's kaum für Legen, Gott uns nur dies eine Kind geschenkt,

seh' ich wohl, eins ist schon eins zu viel, einen Fluch empfingen wir mit ihr.

Pfui, Here!

Amme. Gott im Himmel segne sie! Gur Gnaden thun nicht wohl sie so zu schelten.

Capulet. Warum, Frau Weisheit? haltet euren Mund, Magisterin! klatscht mit Fraubasen, geht!

Amme. Ich spreche keine Schelmstuck'.

Capulet. Geht mit Gott.

Amme. Dars man nicht sprechen?

Capulet. Still ihr altes Wajchmaul! Schwatzt euren Tiefsinn beim Gevatterkrug, Hier brauchen wir ihn nicht.

Frau Capulet. Ihr seid zu hitzig.

Capulet. Gott's Brot, es macht mich toll! Togo, Nachts, früh, spät, bei Spiel und Ernst, Allein, bei Leuten, stets war's meine Sorge, Sie gut vermählt zu sehn, und da ich jetzt Ihr einen Henn von edlem Hause schaffe, Mit hübschen Gütern, jung, voniehm-verwandt, Gespickt, wie man zu sagen pflegt, mit Zierden, Und hübsch wie sich's das Herz nur wünschen kann, — Und dann will so ein dummes Winselmaul, Ein Heulmamscllchen, da ihr Weizen blüht, Antworten: „mag nicht freien; kann nicht lieben; Bin noch zu jung; ich bitt' entschuldigt mich!" Gut, wollt ihr nicht, ihr sollt entschuldigt sein.

85

86

Dritter Act.

Grast wo ihr wollt; nur hauset nicht mit mir. Seht zu; bedenkt's; ich pflege nicht zu spaßen.

Der Donnerstag ist nah; besinnt euch wohl. Gehörst du mir, geb' ich dich meinem Freunde;

Wo nicht, so bettle, häng dich, stirb am Wege; Denn ich, bei Gott, erkenne dich nicht an,

Und nichts was mein, soll dir zu gute kommen. Verlaß dich drauf, ich breche keinen Schwur. (Ab.)

Julia. Wohnt kein Erbarmen in den Wolken droben, Das in die Tiefe meines Jammers schaut?

O süße Mutter, stoßt mich doch nicht weg! Nur einen Monat, eine Woche Frist!

Wollt ihr es nicht, so macht das Hochzeitsbett

In jener düstern Gruft, wo Tybalt liegt.

Frau Capulet. Sprich nicht zu mir; kein Wort mehr will ich sagen.

Thu was du willst; du gehst mich nichts mehr an. (Ab.)

Julia. O Gott! — O Amme, wie ist dies zu wenden? Mein Gatt' auf Erden und mein Schwur im Himmel! Wie soll der Schwur zurück zur Erde kommen,

Wenn nicht mein Gatt' ihn mir vom Himmel schickt, Abscheidend von der Erde?

Tröste, hilf!

Ach, daß der Himmel Fehd' und Krieg beginnt Mit einer zarten Creatur wie ich! Was sagst du? hast du nicht ein Wort der Freude,

Gar keinen Trost?

Amme. Hier ist er: Romeo

Ist ja verbannt, und tausend gegen nichts, Er wagt sich nicht zurück, euch anzusprechen, Und wenn er's thäte, müßt' es heimlich sein.

Weil nun die Sache steht, wie sie'mal steht,

So scheint's das beste mir, ihr nehmt den Grafen.

Fünfte Scene.

87

Ach solch ein schmucker junger Herr!

Romeo ist ein Wischtuch gegen ihn;

Kein Adler hat fo'n grünes blankes Auge AIs Paris hat.

Bei meiner Seligkeit,

3d) wünsch' euch Glück zu dieser zweiten Heirat: Sie geht der ersten vor; und thut sie'S nicht, So ist eur erster todt, so gut wie todt,

Senn lebt er gleich, so habt ihr nichts von ihm.

Julia. Sprichst du von Herzen?

Amme. Und von ganzer Seele,

Sonst strafe Gott die zwei!

Julia. Amen!

Amme. Wozu?

Julia. Run ja, du hast mich wundersam getröstet. Geh, sag' der Mutter, ich sei fort zum Kloster,

Weil ich den Later reizte, bei Lorenzo Zu beichten und Vergebung zu empfahn.

Amme. Das meld' ich gleich; das ist vernünftig, Kind.

(Ab.)

Julia. O alter Erzfeind! höllischer Versucher! Jst's ärgre Sünde, mir zum Eidbruch raten

Oder zu schmäh» auf meinen Ehgemahl Mit ihrem Mund, der ihn unmäßig pries

Viel tausend Male!

Geh, Ratgeberin,

Du und mein Busen sind fortan geschieden.

Ich will zum Mönch, um seine Hilfe werben;

Wenn alles fehlschlägt, hab' ich Macht zu sterben. -nno> Und hört, Signor, Eu'r Eidam, — wenn die Tugend lieblich macht, — Gleicht mehr dem hellen Tag als schwarzer Nacht. Erster Senator (3u Othello.;

Lebt wohl! behandelt Desdemona gut. Brabantio. Gieb Acht, Mohr, wenn du Augen hast zu sehn: Dich, wie den Vater kann sie hintergehn. c. ab.)

Dritte Leere.

145

Othello. Mein Leben für ihre Treue! — Wackrer Jago,

Dir lass' ich meine Tesdemona hier;

Gieb deine Frau ihr zur Begleiterin Und bring' sie beide nach zu guter Zeit.

Komm, Desdemona; nur ein Stündchen bleibt mir Für Liebe, weltliches Geschäft, Befehle

In deiner Näh'.

Man muß der Zeit gehorchen. «Othello und DeSdemoua e6.)

Rodrigo. Jago!

Zago. Was sagst du, edles Herz ? Rodrigo. Was, meinst du, werd' ich thun?

Jago. Zu Bett und schlafen gehn.

Rodrigo. Ich werde mich unverzüglich ertränken. Jago. Na, wenn du das thust, werd' ich dir hernach nie wieder

gut sein.

Warum denn, du thörichter Jüngling?

Rodrigo. Es ist Thorheit zu leben, wenn zu leben eine Marter ist;

und dann ist das Sterben und verschrieben, wenn der Tod unser Arzt ist.

O niederträchtig!

Ich

Jago. sehe jetzt der Welt seit viermal

sieben Jahren zu, und seitdem ich zwischen Wohlthat und Beleidigung unterscheiden lernte, hab' ich noch keinen Mm»

schm gefunden, der's verstand sich selbst zu lieben.

Eh ich

sagte, ich wollte mich aus Liebe zu einer Puthenne ersäufen,

eh' wollt ich meine Menschheit mit einem Pavian austauschen.

Rodrigo. Was soll ich machen? ich gestehe, es ist schmachvoll so verliebt

zu sein; aber es zu ändern reicht meine Tugend nicht aus. Gilde meist er, ShakeSpearedramen.

10

Erster Lct.

146 Tugend?

Wischiwaschi!

so sind oder so.

Sago. Es steckt in uns selber, daß wir

Unser Körper ist unser Garten, und unser

Wille ist der Gärtner dazu; so daß, ob wir Nesseln pflanzen wollen oder Lattich säen, Psop setzen und Thymian ausraufen,

ihn mit einer einzigen Sorte Gewächs ausstatten oder ihn

für vielerlei haben

mit

verzetteln, — entweder unfruchtbar Land zu Faullenzen

oder

wohlgedüngtes mit Betrieb­

samkeit, — seht, die Macht und lenksame Gewalt darüber

liegt in unserem Willen.

Hielte am Wagebalken

unseres

Lebens nicht die eine Schale der Vernunft die andere der Sinnlichkeit im Gleichgewicht, das böse Blut und die Ge­

meinheit unserer Natur würde uns zu den tollsten Schlüssen

aber wir haben Vernunft zur Abkühlung unserer

führen;

tobenden

Regungen, unserer fleischlichen

Stacheln, unsrer

zaumlosen Lüste, davon meines Bedünkens das

was ihr

Liebe nennt ein Ableger oder Pfropfreis ist.

Rodrigo.

DaS kann nicht sein. Jago. Es ist nichts als ein Gelüsten des Bluts und eine Zu­ lassung des Willens. Komm, sei ein Mann! Ersäuf' Katzen und junge Hunde.

gelobt

und

ich bekenne hier,

Dich ersäufen ?

Ich habe dir Freundschaft daß

ich

an deinen

Dienst

gefesselt bin mit Ankertauen von unverwüstlicher Zähigkeit.

Ich konnte dir niemals besser nützen als jetzt.

Thu Geld

in deinen Beutel; zieh mit in diesen Krieg; entstelle dein Antlitz mit einem falschen Bart; ich sage, thu Geld in deinen

Beutel.

Es ist unmöglich, daß Desdemona's Liebe zu dem

Mohren lange Stand hält, — thu Geld in deinen Beutel,

oder seine zu ihr.

Es nahm einen stürmischen Anfang mit

ihr, und du wirst eine dazu passende Entfremdung erleben;

thu nur Geld in deinen Beutel.

in seinen Launen, — füll'

So ein Mohr ist veränderlich

deinen Deutel mit Geld;

Speise die ihm heute süß schmeckt wie Zuckerschoten

ihm bald bitter dünken wie Koloquinthen.

die

wird

Sie muß nach

Jugend verlangen, hat sie sich erst an ihm gesättigt, wird

Dritte Scnre.

147

sie den Irrthum ihrer Wahl ausfinden.

Sie braucht Ab­

wechselung nothwendig; dämm thu Geld in deinen Beutel.

Willst du durchaus zur Hölle fahren, thu's auf einem an-

genehmeren Wege als Ersäufen.

Schaff' Geld an, so viel

Wenn ein bischen Frömmigkeit und ein gebrechlich

du kannst.

Gelübde zwischm einem Landstreicher von Barbaren und einer

superfeinen Venezianerin keine zu harte Nuß ist für meinen

Witz und alle Teufel der Hölle, so sollst du sie dmm schaff Geld an.

besitzen;

Zum Kukuck mit dem Ersäufen!

liegt ganz aus dem Wege.

es

Besser gehängt werden, weil du

deine Lust gebüßt, als ersaufen und leer ausgehn.

Rodrigo. Willst Du meinen Hoffnungen treu beistehn, wenn ich'S

drauf wage? Verlaß dich auf mich.

Jago. Geh, schaff Geld an.

Ich hab's

dir schon oft gesagt und sag es noch einmal: ich hasse den Bei mir ist's Herzenssache; bei dir hat's nicht

Mohren.

weniger Grund. gegen ihn.

Laß uns zusammenhalten in unserer Rache

Kannst du ihm Hörner aufsetzen, so machst du

dir ein Vergnügen und mir einen Spaß.

Es mhn allerlei

Geschichten im Schooße der Zeit, die auf die Welt kommen wollen.

Rechts schwenkt, marsch!

wollen morgen mehr davon reden.

Besorg' dein Geld.

Wir

Ade!

Rodrigo. 28o treffen wir uns morgen früh? Jago. In meinem Quartier.

Rodrigo. Ich komme zeitig zu dir. Schön.

Jago. Lebt wohl. — Hört, Rodrigo! Rodrigo.

Was denn? Jago. Nichts mehr von Ersäufen, hört ihr? Ich bin umgewandelt.

Rodrigo. Ich will all mein Land verkaufen. 10*

148

Erster 8 et

Jago. Recht so; lebt wohl; thut nur Gelb genug in euren Beutel. (Rodrigo adSo brauch ich immer meinen Narrn als Seckel; Denn ich entweihte mein erworbnes Wissen, Wenn ich die Zeit verlör' mit solchem Gimpel Ohne Gewinn und Spaß. Ich haß' Othello.

Die Rede geht, er hab' in meinem Bett Mein Amt besorgt; ob's wahr ist, weiß ich nicht, Doch will ich in dem Fall auf Argwohn handeln Wie auf Gewißheit. Er denkt gut von mir; So wird mein Plan ihm desto besser eingehn.

Cassio ist ein saubrer Mann — laßt iehn. Sein Amt gewinnen und mein Mütchen kühlen Mit doppelter Schelmerei — wie? wie? — laßt sehn. Nach ein'ger Zeit Othello's Ohr beihören, Daß er zu freundlich sei mit seiner Frau, — Er hat ein Äußres, eine glatte Art Die Argwohn weckt, geschaffen zum Verführen.

Der Mohr ist frei und offen von Natur, Hält jedermann für ehrlich, der so scheint, Und läßt so sanft sich an der Nase führen, Wie Esel thun.-------Ich Hab s' es ist erzeugt! zur Welt gebracht Wird diese Mißgeburt von Höll' und Nacht.

Zweiter A c t.

Erste Scene. Hafenplatz in Cypern. Montana und zwei Edelleute treten auf.

Montano. Könnt ihr vom Cap etwas in See entdecken?

Erster Edelmann. Gar nichts; es ist ein hoher Wellengang.

Ich konnte zwischen Meer und Himmel nicht Ein Segel sehn.

Montano. Mich dünkt, der Wind sprach schon am Lande laut; Nie haben unsre Zinnen so gebebt.

Wenn's ebenso rumort hat auf der See,

Hält keine Eichenrippe dicht, wo Berge Zerschmelzen über ihr.

Wag wird man hören!

Zweiter Edelmann.

Zersprengung der gesamten Türkenflotte. Denn steht nur auf dem schaumbedeckten Strand: Die zorn'ge Flut, so scheint eS, peitscht die Wolke», Die Brandung, sturmzerzaust, mit ries'ger Mähne

Speit Wasser auf den feurigen Bären, löscht Die Wächter aus des wandellosen Pols; Ich sah noch nie auf der ergrimmten Tiefe

Solch Toben.

150

3weiter Net.

Montan«. Wenn die Türkenflotte nicht Geborgen lag, so sind sie all' ertrunken; Es ist unmöglich daß sie dies bestehn. Cin

dritter Edelmann tritt Dritter Edelman«.

auf.

Sieg, Sieg! der Krieg ist aus! Das Wetter hat die Türken so zerbläut, Daß ihre Rechnung hinkt. Ein Kriegschiff von Venedig Hat ihrer Flotte größten Theil in Schiffbruch Und schwerster Not gesehn.

Montana. Wie? ist das wahr?

Dritter Edelmann. Das Schiff lief binnen hier, Ein Veroneser. Michael Eassio, Leutnant Othello's, des berühmten Mohren, Ist schon am Land; der Mohr selbst ist auf See Mit unbeschränkter Vollmacht hier für EYpern.

Montana. Das freut mich sehr; ein würd'ger Gouverneur!

Dritter Edelmann. Doch dieser Eassio, wenn er von den Türken Gleich tröstlich redet, macht ein ernst Gesicht Und wünscht, der Mohr wär' hier; sie trennten sich In schwerem Sturm.

Montan». Ja, wollte Gott, er wär's! Ich diente unter ihm: der commandirt Wie ein Soldat! Kommt, gehn wir an den Strand, Sowohl das eingelaufne Schiff zu sehn,

AIs nach dem tapfren Mohren auszuschaun, Bis uns die Meerflut und das lust'ge Blau

In einen Blick verschwimmt.

Dritter Edelmann. Das laßt uns thun; Jede Minut' ist eine Anwartschaft Auf neue Gäste.

Casfio

tritt auf.

Casfio. Dank euch, ihr Zapften dieser streitbarn Insel, Die so den Mohren ehren.

Möge Golt

Ihm vor den Elementen Schutz verleihn; Denn wir verloren ihn auf böser See.

Montana. Hat er ein gutes Schiff? Casfio. Die Bark' ist fest gebaut, und sein Pilot Lon sehr erfahrnem und erprobtem Ruf; Mein Hoffen, nicht durch Übermaß getödtet, Baut kühn auf Heilung noch. (tRufc hinter der Scene:

Ein Schiff! ein Schiff!) Casfio. WaS für ein Lärm?

Erster Edelmann. Die Stadt ist leer; auf dem Gestad' am Meer Steht Volk in langen Reihn und ruft „ein Schiff!"

Easfio. Der Gouverneur, sagt meine Hoffnung mir. (Kanonenschüsse.)

Zweiter Edelmann. Sie lösen die Kanonen zum Salut; Auf jeden Fall sind's Freunde. Casfio. Geht doch hin Und bringt uns sichre Nachricht, wer es ist.

Zweiter Edelmann. Sogleich,

(ab.)

Montana. Ist euer General beweibt, Herr Leutnant? Casfio. Sehr glücklich: er gewann ein Fräulein, das Es aufnimmt mit Gedicht und kühner Fabel. Sie übertrifft die Floskeln höfischer Federn

Und trägt im wirklichen Gewand der Schöpfung Jedwede Trefflichkeit. — Der zweite Edelmann kömmt zurück.

Nun, wer lief ein? Zweiter Edelmann.

Othello's Fähndrich, ein gewisser Jago.

Casfio. Der hat sehr günst'ge, schnelle Fahrt gehabt. Die Stürme selbst, empörte Seen und Windsbraut,

Felsriff und Sandbank, — die Verräterin, Die cingetaucht arglose Kiele packt, —

Als hätten sie Gefühl der Schönheit, thun Ihr tödtlich Wesen ab und schonen freundlich Die Göttin Desdcmona. Montana. Wer ist das?

Casfio. Sie ist's von der ich sprach, des Feldherrn Herrin. Er ließ sie im Geleit des tapfren Jago,

Der unsrer Rechnung hier um Wochenfrist Vorauskam. Herr der Götter, schirm Othello! Sein Segel schwell' mit deinem starken Hauch, Daß er dies Land mit hohem Schiff beglückt,

Seufzer der Wann' aushaucht im Arm der Gattin, Und den erloschnen Mut auf's neu' entflammt Und Trost bringt über Cypern! — O seht da! Dcsdemona, Emilia, Jago, Rodrigo und ®e folge treten Des Schiffes Reichtum ist ans Land gekommen! Ihr Männer Cyperns, beugt vor ihr das Knie. Gegrüßt sei, Herrin, und des Himmels Gnade, Vor dir und hinter dir und rings umher,

Umfange dich.

DeSdemoaa. Ich dank' euch, tapfrer Cassio. Was bringt ihr für Bericht von meinem Herrn?

auf.

Erste Scene.

153

Easfio.

Er ist noch unterwegs; ich weiß nicht mehr

Als daß er wohl ist und bald hier sein wird. DeSdemona.

O, meine Furcht — — Wo habt ihr ihn verloren? Easfio.

Der große Kampf des Himmels und des Meers Hat unsre Fahrt getrennt. — (Kanonenschüsse.)

Da! hört! ein Schiff! (Rufe hinter der Scene:

Ein Schiff! ein Schiff!) Zweiter Edelmann.

Sie geben ihren Gruß der Citadelle:

Auch das sind Freunde. Easfio.

Zieht doch Nachricht ein. (Str Edelmann ab.)

Willkommen, Fähndrich; werte Frau willkommen. Laßt es euch nicht verdrießen, lieber Jago, Daß ich so weit geh' in der Höflichkeit; Ich hab' die dreiste Sitte so gelernt, («r kußi «mMa.) Jago.

Gäbe sie euch so viel von ihren Lippen Als sie von ihrer Zunge mir beschert, Ihr hättet genug. Desdemona.

Ach, die hat keine Sprache. Jago.

O viel zu viel! Das merk' ich immer, wenn ich schlafen will. Vor euer Gnaden, ja, das glaub' ich wohl, Verschluckt sie ihre Zung' ein ganz klein wenig Und keift inwendig. Emilia,

s' ist Unrecht so zu sprechen.

Jago. Na, na! ihr seid Gemälde außer Hause, Im Zimmer Glocken, am Kochherd wilde Katzen, Wenn kränkend Heilige, Teufel wenn beleidigt,

Kinder im Haushalt und Hausfraun im Bett.

Desdemona. Pfui über dich, du Lästerer! Jago. Nein, es ist wahr, sonst nennt mich einen Türken; Ihr braucht den Tag zum Spiel, die Nacht zum Wirken.

Emilia. Du sollst mein Lob nicht schreiben.

Jago. Lieber nicht.

Desdemona. Was schriebest du wohl, wenn du mich loben solltest? Jago. O edle Frau, dazu stellt mich nicht an; Denn ich bin nichts, wenn nicht ein Kritikus.

Desdemona. Nur zu, versuch's. — Ist jemand nach dem Hafen? Jago.

Ja, gnäd'ge Frau.

Desdemona. (3ür sich) Ich bin nicht lustig, sondern täusche nur

Das was ich bin, indem ich anders scheine. — Also: wie würdest du mich loben? Jago. Ich überleg's; doch wirklich, das Erfinden Geht mir vom Kopf wie Vogelleim vom Flaus; Es reißt Gehirn und alles mit. Doch, halt, Mein Genius kreißt, und also kömmt er nieder: „Wenn eine schön ist und zugleich gewitzt, So nutzt der Witz wozu die Schönheit nützt.

Desdemona. Sehr schön gelobt! wenn aber wüst und klug?

ürste Scene.

155

Jago. Wenn wüst und klug, so sucht sie mit Bedacht Sich jemand der das Wüste fruchtbar macht. Deödemona. Schlimm und schlimmer!

(Emilia. Wenn aber schön und dumm? Jago. Wenn eine schön ist, kann sie dumm nicht sein; Ihr dümmster Streich bringt ihr noch Kinder ein.

Deödemona. DaS sind alte alberne Späße, womit man Narren im Bierhause zum Lachen bringt. Was für ein jämmerlich Lob hast du denn für eine die wüst und dumm ist?

Jago. So wüst und dumm sie sei, sie macht so gut Die dummen Streich' als schön und witzig thut. Deödemona. O arger Unverstand! du lobst das schlechteste am besten. Aber welches Lob könntest du an eine Frau wenden, die es

in Wahrheit verdient, eine Frau die in der Sicherheit ihres Wertes kühnlich den Spruch der Bosheit selbst herausfordern könnte? Jago. Ein Weib das schön ist und von Hochmut frei, Geschickt im Reden, doch nie laut dabei, Das, reich an Gold, nach Putz und Prunk nicht fragt, Und weiß „jetzt könnt' id)!"[,J doch dem Wunsch entsagt; Sie, die, gekränkt, wenn Rache nah zur Hand, Die Kränkung hinnimmt und den Zorn verbannt, Die niemals blind in Sachen des Geschmacks Den Stockfischkopf vorzieht dem Schwanz vom Lachs, Die denken kann und bleibt doch still und stumm, Anbeter folgen sieht und schaut nicht um, Die wäre wert, wenn irgend aufzutreiben, —

Deödemona.

Die wäre wert?

156

Zweiter Net.

Jago. Narren zu säugen und Hausbier anzuschreiben. O lahmer,

DeSdemona. armseliger Schluß! — Lerne nicht von ihm,

Emilie, ob er schon dein Mann ist.

Was sagt ihr dazu,

Casfio? ist er nicht ein gottloser, leichtfertiger Ratgeber? Cassio. Er spricht geradezu, gnädige Frau;

als Soldat wird er

euch vielleicht bester munden; denn als Gelehrter.

Jago (Beiseit) Er nimmt sie bei der Hand; — recht so! flüstre nur! mit

einem so kleinen Netzlein fang' ich eine Fliege so groß wie Cassio. — Ja, lächle sie nur an! nur zu! ich fange dich mit

deinen eignen Kratzfüßen. — (Laut.) Ihr habt ganz Recht-,

so ist es; ja wohl. — (Für sich.) Wenn solche Posten dich um deine Leutnantschaft bringen, dann wär's dir bester, du hättest nicht so oft deine Fingerspitzen geküßt, womit du jetzt wieder

gar geschickt den feinen Herrn spielst. — Bravo! gut geküßt! herrlicher Anstand! jawohl! — Schon wieder die Finger an

den Sippen? Ich wollt', es wären Klystierspritzen um deinet­

willen. — (Qm Trompetenstoß.) Der Mohr! ich kenne sein Signal. Cassio. Wahrhaftig, es ist so. DeSdemona. Wir wollen ihm entgegen, ihn empfangen. Cassio. Da kömmt er selbst. Othello mit Gefolge tritt auf.

Othello. Mein schöner Krieger! DeSdemona. Theuerster Othello! Othello. Mein Staunen ist wie meine Freude groß,

Vor mir dich hier zu sehn.

Glück meiner Seele!

Wenn jedem Sturnr solch eine Stille folgt, Dann blase, Wind, bis du den Tod erweckst, Dann mag mein krachend Schiff Flutberg' erklimmen,

Hoch wie Olymp und wieder tauchen tief

Wie tiefste Hölle.

Galt' es jetzt zu sterben,

Es wäre höchstes Glück jetzt; denn ich fürchte,

Mein Herz hat sein Genügen jetzt so voll, Daß keine andre Freude, dieser gleich, Zn dunkler Zukunft folgt.

DeSdemona.

Verhüte Gott, Daß Lieb' und Freuden uns nicht wachsen sollten,

Wie unsrer Tage Zahl.

Othello.

Amen, freundliche Mächte!

Zch kann's nicht sagen, dies zufriedne Glück; Das Wort versagt; es ist zu viel der Freude.

Und dies—und dies — — der größte Misklang sei'S, Der je aus unsren Herzen steigt.

Jago.

[(Beiseit.)]

O ja! Jetzt seid ihr wohlgestimmt; bald aber schraub' ich Die Pflöck' herab, die dies Musikspiel machen,

So wahr ich ehrlich bin.

Othello. Kommt nun aufs Schloß. -

Wißt ihrs? der Krieg ist aus, der Feind ertnmken. Wie geht's denn meinen alten Freunden hier? —

Mein Honigherz, du wirst willkommen sein; Ich sand viel Lieb' in Eypern.

O Geliebte,

Zch schwatz' unschicklich viel und bin wie närrisch

In meinem Glück. — Ich bitte, guter Jago, Geh an den Strand, schiff' meine Koffer aus Und bring' den Schiffer nach der Eitadelle;

Er ist ein wackrer Mann, und sein Verdienst Ist aller Achtung wert. — Komm, Tesdemona; Nochmals willkommen hier!

(Othello, DeSdemona

u. Gefolge

Zweiter Bet.

158

Jago. Triff mich sogleich am Hafen; komm dorthin, wenn du Mut hast.

Sie sagen ja, wenn ein elender Kerl verliebt

ist, so hat er einen Adel in seiner Natur, mehr als ihm an­ geboren ist.

Hör' zu.

Hauptwache,

Der Leutnant hat heute Nacht die

Erst muß ich dir dies sagen: Tesdemona ist

geradezu verliebt in ihn.

Rodrigo. In ihn? das ist unmöglich.

Jago. Leg' deinen Finger — so.

lehren.

Und nun laß deine Seele be­

Bedenke mit welchem Ungestüm sie erst den Mohren

liebte, bloß um sein Schwadroniren und fabelhafte Lügen­

geschichten; und wird sie ihn ewig lieben, bloß ums Schwatzen? laß doch dein feines Herz so was nicht glauben.

Ihr Auge

will auch Nahrung, und was für ein Vergnügen kann's ihr

sein, den Teufel anzuschaun?

Wenns Blut seinen Spaß

gehabt hat und trag wild, da bedarf's, um es wieder zu ent­

flammen und der Sattheit frischen Appetit zu machen, An­ mur der Gestalt, Einklang in Jahren, Lebensart und Reizen,

und an alle dem fehlt's dem Mohren.

Nun denn, in Er­

mangelung dieser begehrten guten Dinge wird ihre verwöhnte Zärtlichkeit sich getäuscht fühlen, das Würgen kriegen, den Mohren unschmackhaft finden, ihn verabscheun.

Schon die

liebe Natur wird sie hierin unterweisen und zu einer neuen Wahl nötigen.

Wohlan, dies zugegeben, — und es ist ein

höchst triftiger, ungezwungner Vordersatz, — wer steht daun

wohl so auf der obersten Staffel dieses Glücks wie Eassio?

Ein Schelm, äußerst maulfertig und nicht weiter moralisch als daß er bloß die Tracht ehrbaren Scheins und Anstandes

überzieht, um desto bester seine versteckten Bocksgelüste zu be­

friedigen!

Niemand, glaub' mir's, niemand.

Ein schlauer,

schmeidiger Schelm, ein Gelegenheitsfinder, mit Augen, die

dir Vortheile schmieden und falschmünzen, wo gar keine sind; ein ganz verteufelter Schelm.

Dabei ist der Schelm hübsch,

jung und hat alle Qualitäten an sich, denen Thorheit und

Erste Scene.

159

grüne Gemüter nachschauen; ein lebensgefährlicher, ausge­ lernter Schelm, und das Frauenzimmer hat ihn bereits ge­ funden.

Rodrigo. Ich kann's von ihr nicht glauben; sie ist so frommer, reiner Sinnesart. Jago. Frommen Pappenstiels! der Wein den sie trinkt ist aus

Trauben gemacht. Wär' sie fromm und rein, hätte sie den Mohren nie geliebt. Frommen Puddings! Hast nicht gesehn wie sie ihm die Hand tätschelte? hast es nicht bemerkt?

Rodrigo. Freilich wohl, aber das war bloße Höflichkeit. Jago. Lüsternheit, bei dieser Hand! ein Index und Prolog zu der

Historia von Wollust und argen Gedanken. Sie kamen ein­ ander mit den Lippen so nahe, daß ihr Atem sich küßte. Nichtswürdige Gedanken, Rodrigo! Wenn diese Vertraulich­ keiten voraufmaschiren, dann folgt auf dem Fuße das Hauptund Meister-Exercitium, der Einverleibungs- und Schlußakt. Pisch! Aber gebt euch in meine Hand; ich hab' euch von Venedig hergebracht. Geht auf Wache heut Abend; das Eommando will ich euch schon anweijen; Cassio kennt euch nicht; ich bleib' in eurer Nähe: sucht einen Anlaß Cassio zu erzürnen, sei es durch lautes Sprechen oder durch Sticheleien auf seine Kriegswissenschaft, oder was ihr sonst wollt und sich besser fügen mag. Rodrigo.

Gut. Jago. Er ist säh und heftig im Zorn und wird vielleicht mit seinem Stabe nach euch schlagen; reizt ihn daß er's thut; denn just damit will ich die Leute hier in Cypern in Aufruhr bringen, und ihre Beschwichtigung soll nicht eher wieder ins rechte Geleis kommen als durch Cassios Abdankung. Ihr habt dann einen kürzeren Weg zu euren Wünschen, weil ich ihnen dann besser Vorschub leisten kann, und daS Hinderniß

glücklich wegräumt, ohne welches keine Hoffnung auf unseren Erfolg wäre.

Rodrigo. Ich will es thun, wenn du mir die Gelegenheit schaffen kannst,

Jago. Dafür steh' ich. Triff mich nur sogleich bei der Eitadelle; ich muß sein Gepäck an Land holen. Lebwohl.

Rodrigo.

tRodrigo ab.)

Ade!

Jago. Daß Cassio sie liebt, daS glaub' ich selbst; Daß sie ihn liebt, liegt nah, ist höchst wahrscheinlich. Der Mohr, — obschon ich ihn nicht leiden kann, — Hat ein beständig, liebreich, adlich Herz Und wird gewiß der beste Ehemann Mr Desdemona. Nun lieb' ich sie auch, Nicht just aus purer Wollust, — wenn ich gleich Wohl haften muß für ganz so schwere Sünde, —

Nein, theils um meine Rach' etwas zu weiden, Weil ich vermute daß der üpp'ge Mohr

In meinen Sattel sich geschwungen hat. Das nagt hier wie ein giftig Mineral, Und nichts kann oder wird mein Herz befried'gen, Bis ich mit ihm quitt werde, Weib um Weib, Oder, wenn's fehlschlägt, daß ich wenigstens Den Mohren so versetz' in Eifersucht, Daß kein Verstand sie heilt. Um dies zu thun, — Wenn nur mein Gimpel aus Venedig aushält, Bis ich ihn hetz' auf diese wilde Jagd, — Will ich Freund Eajsio an der Hüfte faffen, Beim Mohren ihn anschwärzen mit Manier, — Denn Eassio auch ist meinem Nest gefährlich, — Und danken soll s der Mohr mir noch und lohnen Daß ich ihn zum ausbünd'gen Esel mache Und seiner Seelenruh mitjpiele bis Zum Wahnsinn. Hier, hier ist'S, nur klar noch nicht; Beim Werk erst zeigt die Tück' ihr wahr Gesicht.

('M.)

Zweite Gerat.

161

Zweite Scene. Eine Straße. (rin

Herold tritt auf, Volk hinter ihm. Herold liest:

„Es ist Othellos, unseres hochedlen und tapsten Generals Wille, daß auf gewisse, nunmehr angelangte Zeitung von gänzlichem Untergange der türkischen Flotte männiglich zum Freuden- und Triumphfeste sich anschicke, etliche zu Tanz, etliche zu Lustfeuern, ein jeglicher zu welchen Ergötzungen und Lustbarkeiten seine Neigung ihn leiten mag; zumalen, nebst sothanen glückhaften Neuigkeiten, er selber seine Vermählung celebriret. Solches wird auf seinen Befehl auögerufen. Im Schlosse ist offne Tafel, und hat jederman zu schmausen völlige Freiheit von jetzt fünf Uhr an bis die Glocke elf ge­ schlagen hat. Der Himmel segne die Insel Eypern und unseren hochedlen General Othello!" (Alle ab.)

Dritte Scene. Vor dem Schlosse. Othello» Desdemona, Cassio und Gefolge treten auf. Othello. Freund Michael, habt ein Auge auf die Wache; Wir wollen selbst dem Volk ein Beispiel geben, Wie man ein ehrbar Maß beim Jubel hält.

Cassio. Jago hat Weisung, wie's zu halten ist; Ich werd' indeß mit meinen eignen Augen Nach allem sehn.

Othello. Auf Jago kann man baun.

Nun gute Nacht; in aller Frühe morgen Sprecht vor bei mir. — Laß uns hineingehn, Liebe; Gtldemeister, ShakeSpearedramen. 11

Nach fers gern Kauf nimmt man die Früchte hin; Uns beiden fehlt noch unsres Kaufs Gewinn. Gute Nacht.

Othello, Desdemona Jago tritt auf. Casfio.

und Gefolge ab.)

Jago, grüß' Gott; wir müssen auf die Wache.

Jago. Jetzt noch nicht, Leutnant; 's ist noch nicht zehn Uhr.

Unser General hat uns nur aus Liebe zu seiner Desdemona so früh fortgeschickt, und verargen kann man's ihm nicht. Er hat mit ihr noch keine Schäferstunde verschwärmt, und sie ist ein Bissen für Götter.

Casfio. Sie ist eine unvergleichliche Dame.

Jago. Und hat Feuer, dafür sag' ich gut.

Casfio. Ja wohl, das frischeste, reizendste Geschöpf.

Jago. Was hat sie für Augen! Attacke geblasen.

es ist einem, als würde zur

Casfio. Ein gewinnend Auge, und doch höchst sittsam, dünkt mich.

Jago. Und wenn sie spricht, ist's nicht wie ein Generalmarsch der Liebe?

Casfio. Sie ist wahrlich die Vollkommenheit selbst.

Jago. Na, ich wünsche ihnen eine fröhliche Schlafstelle. Kommt, Leutnant, ich hab' ein Stübchen Wein, und hier draußen

sind ein Paar eyprische Junker, die gern ein Gläschen tränken aufs Wohl des schwarzen Othello.

Casfio. Heut Abend nicht, bester Jago; ich hab' einen erbärmlich schlechten Kopf zum Trinken. Ich wollte, die Höflichkeit er­ fände irgend eine andre Art der Bewirtung.

Dritte Scene.

163

Jago. O, es sind unsre Freunde; einen Becher nur; ich werde für euch trinken. Easfio. Ich habe heute Abend erst einen Becher getarnten, und der war noch dazu sorgsam verdünnt, und sieh nur was für Re­ volution er hier anstistet. Ich habe einmal das Unglück dieser Schwäche und darf meinen geringen Kräften nicht mehr

zutrauen.

Jago. Ei was, heut ist Freinacht; die Junker wünschen es. Easflo. Wo sind sie? Jago. Hier vor der Thür; ich bitt’ euch, ruft sie herein. tCassio ab-i Bring' ich ihm jetzt nur einen Becher bei Zu dem was er heut schon getarnten hat, So wird er so voll Zanks und Bosheit sein, Wie Fräuleins Mops. Mein armer Narr Rodrigo, Dem Liebe fast fein Innres auswärts kehrt, Bringt Desdemonen schon den ganzen Abend Trankopfer, humpentief, und soll auf Wache! Dann drei aus Cypern, — stolze Brauseköpfe, Die keinen Spaß verstehn im Punkt der Ehre, Das wahre Kraftmark dieser Kriegerinsel, — Hab' ich erhitzt mit vollen Bechern Weins: Die wachen auch. In dieser Schar Betainkner Werd' ich Freund Cassio zu etwas reizen, Was diese Insel kränkt. — Da kommen sie. — Heißt der Erfolg nun meine Träume gut, Dann schwimmt mein Schifflein flott mit Wind und Flut. Cassio kömmt zurück mit Montano und Edelleuten.

Cassio. So wahr Gott lebt, sie haben mich schon vollgeladen. Montano. Nicht der Rede wert: kaum eine Kanne, so wahr ich ein Soldat bin.

Zweiter Set.

164

Jago.

Wein her! heda!

(®tngt.)

Stoßt an mit dem Känneken, klinkeklink! Stoßt an mit dem Känneken, klink! Soldat ist ein Mann,

Man lebt nur 'ne Spann'; Darum, wer Soldat ist, der trink'. Wein her, Kinder!

Casfio. So wahr Gott lebt, ein vorzügliches Lied. Jago. Ich hab's in England gelernt, wo sie das Poculiren von

Gmnd aus verstehn.

Euer Däne, euer Deutscher, euer dick­

wanstiger Holländer — Getränk! heda! — sind nichts gegen

so einen Engländer. (Diener bringen Wein.)

Casfio. Ist so ein Engländer so vorzüglich im Trinken?

Jago. Na, er trinkt euch den Dänen mit Gemächlichkeit in Grund und Boden; er schwitzt nicht, nm den Alemann unterzukriegen; er bringt den Holländer zum Speien, ehe die nächste Kanne gefüllt werden kann.

Cassio. Auf das Wohl unseres Generals! Montano. Zch halte mit, Leutnant, und will euch Bescheid thun. O schönes England!

Jago. (Singt.)

König Steffen lebte hochgeehrt,

Fünf Gulden nur kost' ihm sein Rock;

Er fand's drei Groschen übern Wert Und schalt den Schneider Ziegenbock. Er war ein Herr an Ehren reich, Und du bist ein geringer Mann, Hoffart zerstört das Königreich; Dnim zieh den alten Flausrock an.

Mehr Wein, holla!

Dritte Scene.

165

Casfio. O, dies Lied ist noch vorzüglicher als das andre. Jago. Wollt ihr'S noch einmal hören?

Easfio. Nein, denn meines Bedünkens ist der seines Amts nicht wert, wer solche Dinge thut.

Na, der Himmel ist über uns

allen, und es giebt Seelen die selig werden sollen und Seelen

die nicht selig werden sollen. Jago. Das ist wahr, lieber Leutnant. Easfio. Für mein Theil — ohne Beleidigung für den General

und andre Standespersonen — hoff' ich selig zu werden. Jago. Das hoff' ich auch, Leutnant.

Cassio. Ja, aber erlaubt, nicht vor mir; der Leutnant muß vor dem Fähndrich selig werden.

Redet nicht weiter davon; jetzt

an unser Geschäft. — Vergieb uns unsre Sünden! — Meine Herren, wir wollen unseren Dienst besorgen.

müssen nicht denken, ich wär'

betrunken.

Die Herren

Dies ist mein

Fähndrich.

Dies ist meine rechte Hand, und dies ist meine

linke Hand.

Ich bin nicht betrunken jetzt: ich kann sehr gut

stehen, und ich kann sehr gut sprechen. Die Andern. Ausgezeichnet gut.

Na, also sehr gut;

Eassto. also dürft ihr nicht denken, ich mär'

betrunken.

(Ab.) Montano. Nach der Terrasie! laßt uns Posten stellen.

Jago. Ihr seht den jungen Mann, der eben ging; Er ist ein Kriegsmann, tüchtig neben Cäsar

Zweiter Lct.

166

Dm Dimst zu leiten, und dies Laster nun! Mit seiner Tugmd recht ein Aequinoctium! Eins ist so lang wie's andre.

Schad' um ihn!

Das Zutraun, fürcht' ich, das der Mohr ihm schenkt, Wird, wenn sein Fehler mal zur Unzeit kömmt,

Dies Land in Aufruhr bringen.

Moutano. Ist er oft so?

Jago. Bei ihm der tägliche Prolog des Schlafs. Er wacht das Zifferblatt zweimal rundum, Wenn nicht Getränk ihm seine Wiege schaukelt.

Moutano. Da wär' es gut dm Gmeral zu wamm; Er fieht's vielleicht nicht, oder seine Güte

Schätzt nur Oie Tugend die dm Cassio ziert Und blickt nicht auf sein Böses.

Meint ihr nicht?

Rodrigo Jago

tritt auf.

(Seife.)

Was soll's Rodrigo? Ich bitt' mch, hinter dem Leutnant drein! geschwind!

Moutano.

(Rodrigo

ad.)

Und jammerschade daß der edle Mohr

Ein solches Amt wie seine Stellvertretung An einen Mann mit dieser Schwachheit wagt.

Es würd' ein gutes Werk sein, wenn ihr das Dem Mohren sagt.

Jago. Nicht um dies schöne Eiland!

Ich liebe Casfio sehr und gäbe viel, Ihn zu curiren. — Hört doch! welcher Lärm! Hinter der Scene Hülferufe; dann kömmt Cassto zurück, Rodrigo verfolgend.

Cassto. Du Schuft! du Schurke!

Moutano. Ei, was habt ihr, Leutnant?

Caffio. Lump! meinen Dienst mich lehren! Ich prügle den Lump in eine Binsenflasche.

Rodrigo.

Mich prügeln? Caffio (Schlägt ihn.) Schwätzt der Lump noch? Montauo. Lieber Leutnant,

Ich bitt' euch, haltet ein.

Caffio. Herr, laßt mich los, Sonst hau' ich euch übern Kopf. Montano. Ihr seid betrunken.

Caffio.

Betrunken? (Sic fechten.)

Jago (Zu Rodrigo.) Fort, sag' ich; lauf und rufe Meuterei! (Rodrigo Nein, bester Leutnant — aber meine Herm —

ab )

He, Hülfe! — Leutnant — Herr Montana, Herr — Helft, Freunde — eine saubre Wache das! (Sturmgeläut.)

Wer rührt die Glocken denn? — Diablo! he! Die Stadt wird aufstehn! Gotts Blitz! Leutnant, Ruhe! Ihr seid beschimpft auf ewig.

Othello

und Gefolge treten auf.

Othello. WaS fällt hier vor?

Montano. Ich blut'; er traf mich tödtlich; et soll sterben! Othello. Bei eurem Leben Halt!

Jago. Halt, Leutnant, — Herr Montano, — meine Herm! Habt ihr denn ganz vergeffen Amt und Pflicht?

Halt — schämt euch — halt — der General befiehlt's.

Othello. Was ist dies? Ha! woher entsteht der Lärm?

Sind wir jetzt Türken, daß wir selbst uns thun, Woran der Himmel sie gehindert hat? Aus christlicher Scham solch heidnisch Raufen endet!

Wer sich noch rührt, zu füttern seine Wut, Schätzt seinen Kopf wohlfeil: er stirbt im Nu. — Still mit der furchtbarn Glocke dort! sie schreckt Die Stadt aus ihrer Ehrbarkeit. — Was gab's?

Ehrlicher Jago — todtenbleich vor Kummer — Sprich, wer fing an; bei deiner Freundschaft, sprich!

Jago. Ich weiß nicht; alle ganz gut Freund noch eben, Auf bestem Fuß wie junge Eheleute, Die sich ausziehn fürs Bett; und dann, erst eben, Als hätt' ein Stern die Menschen toll gemacht, Degen heraus und Fuchteln hin und her In blutigem Gefecht. Ich kann nichts sagen Von Grund und Anfang dieses tollen Streits Und wollt's,j ich hätt' in offner Schlacht die Beine Verloren, die mich hergebracht dazu.

Othello. Wie kam es, Michael, daß ihr euch vergaßt?

Cassio. Verzeiht mir, gnäd'ger Herr; ich kann nicht sprechen.

Othello. Edler Montana, ihr wart immer ehrbar; Die Sitffamkeit und Stille eurer Jugend Pries alle Welt, und euer Nam' ist groß Im Mund erfahrner Richter: was geschah, Daß ihr so euren guten Ruf verunziert Und für den Namen eines nächt'gen Raufers Ten reichen Ruhm wegwerst? antwortet mir.

Montano. Edler Othello, ich bin schwer verwundet. Eu'r Fähndrich Jago kann euch Meldung thun,

Dritte Scene.

Dieweil ich mir schmerzhaftes Reden spare,

Bon allem was ich weiß.

Auch weiß ich nichts,

Was ich versehn in Worten oder Thatm, Sofern Selbstliebe nicht manchmal ein Laster

Und wenn's nicht Sünd' ist uns zur Wehr zu setzen, Wo Frevelmut uns angreift.

Othello. Nun, beim Himmel, Mein Blut wird meiner bestem Führer Herr

Und Zom, mein hellreS Urtheil blendend, will Wegweiser sein.

Wenn ich einmal mich rühre,

Den Arm nur hebe, wird der beste hier Umfallen vor dem Schlag.

Laßt es mich wissen,

Wie und durch wen der wüste Lärm begann, Und ber[,] dem diese Schuld bewiesen wird,

(Wär's auch mein Zwilling, beid' aus einem Schooß,) Verliert mich.

Was! in einem Waffenplatz,

Ganz wild noch, jedes Herz randvoll von Furcht, Privatgezänk und häusliche Scharmützel,

Bei Nacht, im Hof und Sitz der Wache selbst!

's ist unerhört. — Sprich, Jago, wer begann?

Montano. Wenn du aus Kameradschaft oder Gunst Mehr oder minder auösagst als die Wahrheit, So bist du kein Soldat.

Jago. Thut mir nicht Unrecht.

Die Zunge lieber schnitt' ich aus dem Munde, Eh sie dem Michael Cassio Schaden thät'.

Ich glaub' indeß, wenn ich die Wahrheit rede,

Wirds ihm nicht schaden.

Gnäd'ger Herr so war's:

Montano und ich selbst sind im Gespräch, Da kömmt ein Mensch, der laut um Hülfe schreit, Und Cassio hinterdrein, den Degen schwingend,

Um ihn zu züchtigen.

Gut, dieser Herr

Tritt vor und bittet Cassio um Ruh; Ich selber lief dem schrei'nden Menschen nach,

169

170

Zweiter Lct.

Damit nicht sein Gebrüll — wie ja geschehn —

Die Stadt in Schrecken setz'; er, flink zu Fuß, Entkam mir und ich kehrte um hierher, Zumal ich das Geklirr der Degen hörte Und Easfio laut fluchend, was bis heut Ich niemals sagen konnt'. Als ich zurückkam, (Denn das war bald,) fand ich sie aneinander Auf Hieb und Stoß, just wie sie's wieder waren, Als ihr sie selber trenntet. Mehr von dem Vorfall ist mir nicht bekannt; Doch Mensch bleibt Mensch; der Beste fehlt einmal. Wenn Cassio gleich ihm wohl zu nah gethan, Wie man in Wut die besten Freunde schlägt, So litt doch Cassio sicher von dem andern, Der weglief, irgend einen argen Schimpf, Daß die Geduld ihm riß.

Othello. Jago, ich weiß, Du machst den Fall aus Güt' und Freundschaft klein,

Für Cassio leicht. — Cassio, ich liebe dich; Nur sei fortan nicht mehr mein Offizier.

DeSdemona

mit Gefolge tritt auf.

Seht, habt ihr nicht mein liebes Weib geweckt? Du sollst ein warnend Beispiel sein.

DeSdemona. Was giebt es?

Othello. 's ist alles gut, mein Herzblatt; komm zu Bette. — Herr, eure Wunden will ich selber pflastern. Führt ihn nach Haus.

(Montano

wird weggebracht.)

Jago, hab' auf die Stadt ein sorgsam Auge Und bring' zur Ruh die Leute, die erschreckt sind Durch diesen schnöden Zank. — Komm DeSdemona; 's ist Soldatenloos; Aus süßem Schlummer weckt ihn Kampfgetos. ("Alle ab aufer

(Eafffo

uni

Jago )

Dritte Scene.

171

Jago. Was, seid ihr verwundet, Leutnant?

Easfio. Ja, mir hilft kein Feldscher mehr. Jago. Nein, das verhüte der Himmel!

Casfio. Reputation! Reputation! Reputation!

O ich habe meine Reputation verloren! Ich habe mein unsterblich Theil ver­ loren, und was übrig bleibt ist bestialisch. Meine Reputation, Jago! meine Reputation! Jago. So wahr ich ehrlicher Mann bin, ich dachte, ihr hättet eine leibliche Wunde gekriegt; da sitzt mehr Empfindlichkeit

drin als in Reputationen.

Reputation ist ein leeres, trüge­

risches Blendwerk, oft ohne Verdienst erworben und ohne Schuld verloren. Ihr habt gar keine Reputation verloren, wenn ihr euch nicht selbst für einen dergleichen Verlierer reputiret. Ei, Mann, es giebt Mittel den General wieder zu gewinnen; ihr seid jetzt nur im Zorn verstoßen, eine Strafe mehr aus Politik als aus Bosheit, grade so als

wenn einer seinen harmlosen Hund prügelte, um einem groß­ mächtigen Löwen bange zu machen. Werbt um ihn, und ihr habt ihn. Casfio. Ich will lieber um Verwerfung werben als einen so guten Vorgesetzten anführen mit einem so nichtsnutzigen, betrunknen leichtsinnigen Offizier. Betrunken! und schwatzen wie ein Papagei! und stänkern, schwadroniren, fluchen! und faseln mit dem eignen Schatten! O du unsichtbarer Geist des Weins, wenn du noch keinen Namen hast, dich daran zu erkennen, so heiße Teufel! Jago. Wer war der Mann, dem ihr mit dem Degen nachsetztet?

was hatte er euch gethan?

Easfio. Ich weiß nicht.

Zweiter Act.

172

Jago. Jst's möglich?

Casfio. Ich erinnre mich einer Masse Dinge, aber nichts deutlich,

eines Streits, aber nicht warum.

Großer Gott, daß der

Mensch selbst einen Feind in seinen Mund bringt, der ihm daS

Gehirn wegstiehlt!

Daß wir mit Freude, Schwelgen,

Jubiliren und Applaus uns in Vieh umwandeln! Jago. Aber ihr seid jetzt ganz leidlich; wie habt ihr euch so erholt?

Cassio. Es hat dem Teufel Rausch gefallen, dem Teufel Zorn das

Feld zu räumen.

Ein Fehler zeigt mir gleich einen andern,

damit ich mich nur geradezu selbst verachte.

Jago. Geht mir, ihr seid ein gar zu strenger Moralist.

Wie

Zeit, Ort und Umstände dieses Landes einmal sind, wünsch'

ich

von Herzen,

dies wäre nicht vorgefallen: aber da es

einmal ist wie eS ist, so bessert es zu eurem eignen Vortheil. Casfio. Ich will ihn bitten, mir mein Amt wieder zu geben; er wird mir sagen, ich sei ein Trunkenbold.

Hätt' ich so viel

Zungen wie die Hydra, eine solche Antwort machte sie alle stumm.

Jetzt ein vernünftiger Mensch zu fein, gleich darauf

ein Narr, und plötzlich ein Vieh! o seltsam! Jeder Becher überS Maß ist heillos und sein Inhalt der Teufel. Jago. Na, na, guter Wein ist ein guter, geselliger Kerl, wenn

man ihn gut behandelt;

sagt mir nichts

auf den.

Lieber

Leutnant, ich glaube, ihr glaubt an meine Freundschaft. Cassio. Ich habe sie wohl erprobt. — Ich betrunken!

Jago. Ihr und jedes Menschenkind kann sich einmal betrinken, Mann!

Ich will euch sagen was ihr thun sollt.

Unseres

Generals Frau ist jetzt der General, ich darf das in soweit

173

Dritte Sceue.

wohl sagen, als er sich der Betrachtung, Erkenntniß und

ihrer Zierden

Erforschung

ergeben hat.

und Tugenden gewidmet

und

Beichtet ihr alles; setzt ihr zu: sie wird euch

wieder zu eurer Stelle verhelfen.

Sie hat ein so hülfreich

Gemüt, so gut, so diensam, so engelhaft, daß sie's in ihrer

Herzensgüte für ein Laster hält, nicht mehr zu thun als man sie bittet.

Bitte sie, sie möge diesen Gelenkbruch zwischen

euch und ihrem Manne schienen, und mein Vermögen gegen jede nennenswerthe Summe, dieser Riß in eurer Freundschaft wird kräftiger gedeihen als sie je zuvor gewesen.

Eassio. Euer Rat ist gut.

Und kömmt aus

Jago. aufrichtiger Freundschaft und redlicher

Liebe. Eassio. Ich glaub' es von Herzen, und gleich morgen früh will

ich die tugendhafte Desdemona ersuchen sich für mich zu verwenden.

Ich verzweifle an meinem Glück, wenn es mich

hier Schiffbruch leiden läßt.

Da habt ihr Recht.

Jago. Gute Nacht, Leutnant, ich muß auf

Wache.

Eassio. Gute Nacht, ehrlicher Jago. (Eassio a6) Jago. Und wer behauptet nun, ich spiel' den Schurken?

Da doch mein Rat diensam und ehrlich ist,

Einleuchtend und der Weg, wie man den Mohren Wieder versöhnt.

Denn Desdemona's Güte

Für gutes Werk gewinnen, das ist leicht:

Freigebig ist sie wie die Elemente.

Und dann, für sie, den Mohren zu bereden, — Und wär' es zum Verzicht auf seine Taufe, Auf jedes Siegel und Symbol des Heils, —

Sein Herz ist so verstrickt in ihrer Liebe,

174

Zweiter Act.

Daß sie erschaffen und zerstören mag, Wie eben ihr Gelüst die Gottheit spielt Mit seinem schwachen Hirn. Wie wär' ich denn ein Schurke, Wenn ich dem Casfio diesen Richtweg zeige Zu seinem Wohl? Theologie der Hölle! Will Satan seine schwärzesten Sünden fördern, So lockt er erst mit himmlisch frommem Schein, Wie ich jetzt; denn derweil mein guter Tropf

In Desdernona dringt, sein Glück zu flicken Und sie für ihn beim Mohren eifrigst wirbt, Flöß' ich ihm diese Pestilenz inS Ohr, Daß sie zurück ihn wünsch' aus schnöder Lust, Und dann, je mehr sie ihm zu helfen strebt, Um desto mehr verdirbt sie's mit dem Mohren. So kehr' ich ihre Tugend um in Pech Und strick' aus ihrer Güte selbst bad Netz, DaS all' umgarnen soll. — Wie steht's, Rodrigo? Rodrigo

tritt auf.

Rodrigo. Ich laufe hier mit in der Fuchshetze, nicht als ein Hund der ordentlich jagt, sondem bloß als ein Mitkläffer. Mein Geld ist fast verthan; ich bin diese Nacht ausgezeichnet ab­ geprügelt worden, und das Ende wird wohl sein, daß ich so viel Erfahrung für meine Mühe haben und dann mit leerem Beutel und etwas mehr Witz nach Venedig heimkehren werde.

Jago. Wie arm ist doch wer nicht Geduld besitzt! Wann heilten Wunden je als nur allmählich? Du weißt, wir baun mit Klugheit, nicht mit Zaubern, Und Klugheit hängt ab von der trägen Zeit. Geht's nicht nach Wunsch? Cassio hat dich geschlagen, Und mit dem bischen Schmerz cassirst du ihn. So schön auch andres an der Sonne wächst, Die Frucht, die eher blüht, reift doch am ehsten. Ein Weilchen noch Geduld! — Beim Kreuz, schon Morgen! Vergnügen und Geschäft macht Stunden kurz.

Entferne dich; geh jetzt in dein Quartier; Fort, sag' ich; später sollst du mehr erfahren. So geh doch. (Rodrigo ab.)

Zweierlei bleibt jetzt zu thun; Mein Weib muß ihre Frau für Cassio rühren: Das richt' ich ein. Ich nehm' den Mohren mittlerweil beiseit Und bring' ihn just wenn er den Cassio werbend Bei seiner Frau betrifft. — Das führt zum Ziel! Nur stumpf den Plan nicht ab durch träges Spiel. (36.)

Dritter Act.

Erste Scene. Vor dem Schlosse. Casfio

und

Musikanten

treten auf.

Casfio. Freunde, spielt hier; ich lohn' euch eure Müh; Nur kurz, und ruft „guten Morgen, General!" (Musik.) Der Rüpel tritt auf.

Rüpel. Was, Menschenkinder, sind eure Instrumente in Neapel gewesen, daß sie so durch die Nase sprechen?

Erster Musikant. Wie so? wie so?

Rüpel. Sagt mal, sind das was man Blasinstrumente nennt?

Erster Musikant. Na fteilich sind sie das.

Rüpel. O, da hängt 'ne Geschichte dran.

Erster Musikant. Eine Geschichte hängt daran?

Rüpel. Ja wohl, ich kenne manches Blasinstrument, wo 'ne Ge-

schichte dran hängt.

Aber Leute, hier ist Geld für euch, und

der General findet eure Musik so schön, daß er euch um alles

in der Welt bitten läßt, keinen Lärm mehr damit zu machen.

Erste Gene.

177

Erster Musikant. Nein, das wollen wir auch nicht.

Rüpel. Wenn ihr eine Sorte Musik habt, die man nicht hören kann, dann legt nur wieder loS; aber was man sagt Musik

hören, da fragt der General nicht viel danach. Erster Mnfikant. Solche haben wir nicht.

Rüpel. Dann steckt eure Pfeifen in euren Sack; denn ich muß weg.

Geht, verschwindet, hinweg! (Die Musikanten ab.)

Casfio. Hörst du, mein gutes Freundchen? Rüpel. Nein, ich höre euer gutes Freundchen nicht; ich höre euch. Cassto. Bitte, behalt deine Schnurren für dich. Da ist ein Stücklein

Goldes für dich.

Wenn die Dame, die des Generals Ge­

mahlin begleitet, schon sichtbar ist, so sag' ihr, einsgewissser

Cassio

ersuche

sie

um die Gunst eines kurzen Gehörs.

Willst du?

Rüpel. Sichtbar ist sie, Herr; wenn sie sich hier will sehen lassen,

so werde ich ihr selbiges zu unterbreiten mich nicht entlegen.

(«».) Cassio.

Thu's guter Freund. Jago tritt auf.

Zu guter Stunde, Jago!

Jago. Seid ihr denn nicht zu Bett gewesen?

Cassto. Nein; Eh wir uns trennten, war es Morgen schon.

Jago, ich war so kühn ins Haus zu schicken

Nach eurer Frau, und mein Gesuch an sie: Gildemeister, Shake-pearedramen.

12

178

Dritter Bet

Sie soll zur tugendhaften Desdemona Mir irgend Zutritt verschaffen. Jago. Gut, ich schick' sie euch Und werd' auf Mittel sinnen, daß der Mohr Euch aus dem Wege bleibt und eu'r Gespräch Nicht stören kann. l«f.)

Easfio. Ich dank' euch herzlich. — Keinen Florentiner Müßt' ich, der fteundlicher und treuer wär. Emilia tritt auf. Emilia. Guten Morgen, bester Leutnant; wie betrübt mich Dies Misgeschick! doch alles wird noch gut.

Der General und seine Frau verhandeln's; Sie steht euch tapfer bei; nur meint der Mohr, Daß der Blesfirte in Cypern großen Ruf Und Anhang hab', und daß heilsame Klugheit Ihn zwing' euch abzuweisen. Er schwört indeß, er lieb' euch, Und euer Anwalt sei sein eigner Wunsch, Den ersten sichren Anlaß festzuhalten, Um euch zurückzurufen.

Easfio. Dennoch bitt’ ich, Wenn s euch gefügt scheint oder möglich ist, Schafft mir Gelegenheit zu ein'gen Worten Mit Desdemon' allein.

Emilia. Kommt mit ins Haus; Ich sorge schon daß ihr Zeit finden sollt, Zu sagen was ihr auf dem Herzen habt. Easfio. Ich schuld' euch vielen Dank. (Beide ab.)

Zweite Scene.

179

Zweite Scene. Im Schlosse. Othello, Jago und Offiziere treten auf. Othello. DieS Schreiben, Sago, übergieb dem Lotsen; Er solle mich empfehlen dem Senat.

Dies abgethan, will ich den Wall begehn; Dort such' mich auf. Jago. Zu dienen, gnäd'ger Herr.

Othello. Dies neue Werk, ihr Herrn, soll man's beseh»?

Offizier. Wir stehen zu Befehl.

(»Oe ab.)

Dritte Scene. Ebendaselbst. DeSdemona, Casfio und Emilia treten auf. DeSdemona. Sei überzeugt, mein guter Cassio,

Ich will für dich mein allerbestes thun.

Emilia. Thut's gnäd'ge Frau; mein Mann nimmt sich's zu Herzen, AIS wär's sein eigner Fall.

DeSdemona. Er ist ein wackrer Mann. Sei ruhig, Cassio:

Sch mach' euch wieder, meinen Herrn und euch, Zu Freunden wie ihr wart.

Casfio. Großmüt'ge Frau! Was auch aus Michael Cassio werden mag,

Stets wird er euer treuster Diener sein.

180

Dritter Set

DeSdemona.

Ich weiß; ich dank euch. Ihr liebt meinen Herrn; Zhr habt ihn lang gekannt, und seid gewiß, Er wird sich weiter nicht von euch entfremden Als Klugheit heischt. Casfio.

Ja, aber, gnäd'ge Frau, Vielleicht währt diese Klugheit dann so lange,

Nährt von so dünner Speise sich vielleicht, Erneut vielleicht sich selbst an äußren Dingen, Daß, wenn ich fern bin und mein Platz besetzt, Mein General den alten Freund vergißt. DeSdemona.

Das fürchte nimmer. Vor Emilien hier Verbürg' ich dir dein Amt. Sei fest versichert, Gelob' ich Freundschaft, üb' ich sie auch aus, BiS auf bett letzten Punkt. Mein Herr soll niemals ruhn;

Ich wach' ihn zahm, schwatz' ihn um die Geduld, Sein Bett und Tisch soll sein wie Schul' und Beichte, Und Casfio's Gesuch misch' ich in alles Was er beginnt. Darum sei fröhlich Gaffto; Denn eher sterben wird dein Advocat Als deine Sach' aufgebm. Othello und Jago treten tm

Hintergründe auf.

Emilia.

Da kömmt der gnäd'ge Herr. Casfio.

Lebt wohl denn, gnäd'ge Frau. DeSdemona.

Nein, bleibt und hört mir zu. Casfio.

Nicht jetzt; mir ist nicht wohl zu Mute heut, Ich tauge nicht für meine eigne Sache. DeSdemona.

Folgt eurer Einsicht; gut. (Casfio at.)

Jago.

Hm, das gefällt mir nicht. Othello.

Was sagtest du? Jago.

Nichts, gnäd'ger Herr, oder — ich weiß nicht was. Othello.

War das nicht Casfio, der Abschied nahm Bon meiner FrauJago.

Casfio, gnäd'ger Herr? nein, sicher nicht; Der schliche nicht so weg wie ein Verbrecher, Wenn er euch kommen säh'. Othello.

Zch glaub', er war's. DeSdemona.

Nun, mein Gemahl? Ein Supplicant hat hier mit mir gesprochen, Ein Mann, den eu'r Miöfallen elend macht. Othello.

Wen meinst du? DeSdemona.

Ei, deinen Leutnant Casfio. Theurer Mann, Wenn ich ein wenig Macht hab' dich zu rühren, Schenk' deine schleunigste Verzeihung ihm. Wenn er kein Mann ist, der dich wahrhaft liebt,

Der nur aus Irrthum fehlt, nicht wissentlich, Versteh' ich schlecht mich auf ein freu Gesicht. Bitte, ruf ihn zurück. Othello.

Ging er jetzt fort? DeSdemona.

Ja wohl, und so zerknirscht, daß er ein Stück Von seinem Schmerz bei mir gelassen hat, Mit ihm zu leiden. Liebster, nimm ihn wieder. Othello.

Nicht jetzt, mein liebes Weib, ein ander Mal.

Dritter Act.

182

Desdemona. Doch wird eS bald sein?

Othello. Dir zu Liebe ja. DeSdemoua. Noch heut zum Vesperbrot?

Othello. Nein, heute nicht. DeS-emona. Zu morgen Mittag denn?

Othello. Ich speise nicht zu Haus; Die Hmiptleut' im Castet bewirten mich.

Desdemona. Dann morgen Abend, oder Dienstag früh,

Zu Dienstag Mittag, oder Mittwoch früh: Komm, nenn' die Zeit, doch darf's nicht länger als

Drei Tage sein.

Wahrhaftig, er bereut,

Obschon sein Fehltritt nach gemeinem Urtheil — Nur daß man sagt, der Kriegsdienst muff’ Exempel

Aufstellen an den Besten, — fast zu leicht ist Für glimpflichen Verweis. Sag' mir, Othello.

Wann soll er kommen?

Ob eS wohl etwas giebt,

Was, wenn du bätest, ich verweigern könnte, Oder so zögernd stehn? Was? Michael Cassto,

Der mit dir kam zum Werben, und so oft, Wenn ich abschätzig hab' von dir gesprochen,

Eintrat für dich, — nun macht es so viel Not

Ihn herzustellen! o, ich thäte viel — Othello. Laß gut sein, mag er kommen, wann er will.

Ich kann dir nichts abschlagen.

DeSdemona. Ei, dies ist kein Geschenk;

ES ist als bat’ ich dich Handschuh' zu tragen, Dich warm zu halten, nährende Kost zu essen,

Dritte Sceue.

183

Als dräng' ich in dich, einen rechten Vortheil Dir selbst zu thun. Nein, hab' ich einen Wunsch, Woran ich deine Lieb' erprobm will, So wird's ein bös Gewicht sein, eine Last, Gefährlich zu gewähren. Othello.

Ich schlüge dir nichts ab; Dagegen bitt' ich dich, gewähr' mir dieS: Ein Weilchen mich mir selbst zu überlassen. DeSdemona.

Schlag' ich's dir ab? nein.

Theurer Herr, lebwohl.

Othello.

Lebwohl, mein Herz; ich komme zu dir gleich. Desdemona.

Emilia, kommt. — Mag es so sein wie deine Laune vorschreibt; Was du auch immer seist, ich bin gehorsam. «DeSdemona und Emilia ab.) Othello.

Ein trefflich Weib! Berdammniß über mich,

Lieb' ich dich nicht! und wann ich dich nicht liebe, Ist Chaos wieder da. Jago.

Mein edler Herr — Othello.

WaS willst du sagen, Jago? Jago.

Hat Michael Cassio, als ihr um sie warbt, Gewußt um eure Liebe? Othello.

Bon Anfang bis zu Ende.

Warum fragst du? Jago.

Bloß zur Bestätigung meiner Gedanken, Nichts arges sonst. Othello.

Wie so denn deiner Gedanken?

Dritter 8ct

184

Jago. Ich dachte nicht daß er sie früher kannte.

Othello. O ja, und war ost Bote zwischen uns.

Jago.

WittlichOthello. Wittlich! ja Wittlich; find'st du was darin?

Ist er nicht ehrlich? Jago. Ehrlich, gnädiger Herr? Othello.

Ehrlich, ja, ehrlich. Jago. Gnädiger Herr, so viel ich weiß. Othello.

Was denkst du?

Jago.

Was ich denke, Herr? Othello. Was ich denke, Herr! Bei Gott, du machst mein Echo, gleich als ob Ein Ungeheu'r in deinen Gedanken wäre, Zu greulich es zu zeigen. — Du meinst etwas. Du sagtest eben, es gefall' dir nicht,

Als Und Bei Und Als Ein Mir

Eassio fottging: was gefiel dir nicht?

als ich sagte, daß er mein Vertrauter meiner Werbung war, da riefst du „wirklich!" zogst und schnüttest deine ©tim zusammen, hättest du, verschlossen im Gehirn gräslich Rätsel. Liebst du mich, so zeig' was du denkst. Jago. Ihr wißt, ich lieb' euch, Herr. Othello. Ich glaub' es, ja; Und weil ich weiß, du bist voll Lieb' und Treu Und wägst dein Wort, eh du ihm Atem leihst,

Dritte Ece«.

Erschreckt mich dies dein Stocken desto mehr. Dergleichm ist bei falschen Schelmen ja Gewohnte Art, doch beim gerechten Mann Ist es die stumme Anklag' eines Herzens, Das seinen Zom nicht zwingt. Jago.

Was Cassio angeht, So schwör' ich daß ich ihn für ehrlich halte. Othello.

DaS thu ich auch. Jago.

Die Menschen sollten sein, wie sie erscheinen; Wo nicht, so wollt' ich daß sie nicht so schienen. Othello.

Ja wohl, sie sollten seins,] wie sie erscheinen. Jago.

Nun gut, dann halt' ich Cassio für ehrlich. Othello.

Nein, darin steckt noch mehr. Ich bitte dich, sprich mir nach deinem Glauben. Wie du's dir auödmkst; gieb dem schlimmsten Sinn Die schlimmsten Worte. Jago.

Bester Herr, verzeiht mir, Verbunden bin ich euch zu jedem Dienst, Nur nicht zu dem, worin selbst Sklaven frei sind, Meine Gedanken kund zu thun. Ei, denkt, Sie seien schnöd' und falsch, wie kein Palast ist, In den nicht manchmal garstig Ungeziefer Eindringen mag. Wer hat ein Herz so rein, In dem nicht ab und an unsaubrer Argwohn Den Schöffenstuhl besteigt und zu Gericht sitzt Mit rechtlichen Gedanken? Othello.

Du übst Verrat an deinem Freunde, Jago, Wenn du gekränkt ihn glaubst und doch dein Glaube Ein Fremdling seinem Ohre bleibt.

185

186

Dritter Lcr.

Jago.

Ich bitt' euch, — Was ich, vielleicht aus bösem Hang, auch glaube,

(Wie ich denn sagen muß, eS ist mein Fluch, Fehltritten nachzuspähn, Vergehn zu formen,

Die gar nicht sind,) — daß eure Weisheit doch Auf einen, der so leeren Grillen nachhängt, Nicht hören mög' und sich nicht Sorgen baue Aus seiner flüchtigen Beobachtung. Es brächt' euch keine Ruh und auch kein Heil Noch wär' es mannhaft, redlich, klug von mir, Euch kundzuthun was ich gedacht. Othello.

Was meinst Du? Jago. Der gute Name ist, mein theurer Herr, Für Mann und Weib das Kleinod ihrer Seele. Wer Geld mir stiehlt, stiehlt Dreck; eS kam, es ging, War mein, ist sein, und war der Sklav unzähl'ger; Doch wer mir meinen guten Namen raubt, Prellt mich um das was ihn nicht reicher macht,

Mich aber wahrlich arm. Othello. Beim Himmel, ich will wiffen, was du denkst. Jago. Ihr könnt's nicht, wär' mein Herz in eurer Hand; Ihr sollt es nicht, so lang ich selbst eS hüte.

Othello. Ha! Jago. O bewahrt euch, Herr, vor Eifersucht! 's ist ein grünäugig Scheusal, das die Speise Verhöhnt, von der es zehrt. Glücklich der Hahnrei,

Der, wenn's ihm tagt, die Schuldige nicht liebt! Doch, o, welch höllische Minuten zählt Wer schwärmt und zweifelt doch, argwöhnt und liebt! Othello.

O Elend!

Tritte Seeve.

187

Jago. Arm und vergnügt ist reich, und reich genug, Endloser Reichtum aber arm wie Winter Für den der immer bangt, er werde arm.

Der güt'ge Himmel schütz' all meine Brüder Vor Eifersucht!

Othello. Warum? warum dies? meinst du, Ich würd' ein Leben führ'n voll Eifersucht, Mit frischem Argwohn jeden MondeSwechsel Begleitend? nein, einmal in Zweifel sein Heißt auf einmal klar sein. Vertausch' mich für ein Schaf,

Wenn ich das Tagwerk meiner Seele wende An solche windig hohle Mutmaßungen Wie deine Andeutung. Mich macht nicht eifersüchtig, Wer sagt; dein Weib ist schön, speist gut, liebt Umgang, Spricht munter, singt und spielt und tanzt sehr gut; Wo Tugend ist, ist dies nur tugendhafter. Auch nicht aus meinen eignen Mängeln schöpf' ich Die kleinste Sorg' und Furcht vor ihrem Treubruch: Sie hatte Augen und wählte mich. Nein, Jago, Sehn eh ich zweifle! wann ich zweifle, Beweis! Und auf Beweis — dann bleibt nichts mehr als dies: Hinweg zugleich mit Lieb' und Eifersucht!

Jago. Das freut mich; denn nun darf ich ja mit Recht Mit größrem Freimut meine Lieb' und Treue Euch zeigen. Drum als eine Pflicht von mir Vernehmt's. Ich spreche noch nicht von Beweis. Habt acht auf euer Weib, auf sie und Cassio; Schaut um euch — so! nicht eifrig, noch auch sorglos. Ich säh' nicht gern eu'r frei und edel Herz Getäuscht durch eigne Güte. Seht euch vor. Ich kenn' Venedigs Art: sie lassen bort Den Himmel Streiche sehn, die der Gemahl Nicht wissen darf; moralisch heißt da nicht, Wenn'S ungeschehn bleibt, sondern ungesehn.

Dritter Set.

188

Othello. Ist das dein Emst?

Jago. Da sie euch nahm, betrog sie ihren Vater,

Und wann sie scheinbar bangt' und zitterte Vor eurem AuSsehn, liebte fie's am meisten.

Othello. Das that sie auch.

Jago. Nun also! geht mir doch! Sie die so jung sich so verstellen konnte, Dem Vater solch ein Brett vor's Auge machm, —

Er hielt's für Zauberei,--------- doch ich vergeß mich!

Zch bitt' euch ehrerbiettgst um Verzeihung, Daß ich zu sehr euch lieb'.

Othello. Ich bin dein Schuldner ewig.

Jago. Ich seh', dies bringt euch etwas aus dem Gleis.

Othello. Nicht die Spur, nicht die Spur!

Jago. Glaubt mir's, ich fürchte doch.

Ich hoff', ihr deutet alles was ich sprach Als Freundschaft; — doch ich seh', ihr seid bewegt.

Ich muß euch bitten, dehnt nicht meine Worte Zu ärgren Schlüffen oder weitrem Umfang Als nur Verdacht.

Othello. O nein.

Jago. Wenn ihr es thätet,

Käme mein Wort zu böserem Erfolg Als mein Gedank' abzielte. Cassio ist Mein würd'ger Freund. Mein gnäd'ger Herr, ich sehe, Ihr seid bewegt.

Othello. O nein, nicht sehr bewegt. Ich zweifle nicht daß Deödemona treu ist.

Jago. Lang bleibe fie's und lang mögt ihr es glauben! Othello. Und doch, wie die Natur in Selbstverirrung — Jago. Ja wohl, da liegt's! — zum Beispiel — ihr verzeiht — Die Unlust bei so manchem Heiratsantrag Aus ihrem eignen Volk, Geblüt und Rang, Wohin doch die Natur in allem neigt. Puh, so was riecht nach üppigem Gelüst, Verderbtem Hang, Gedanken unnatürlich. Verzeiht; wenn ich so rede, sprech' ich nicht Bestimmt von ihr, obschon ich fürchten mag, Ihr Herz, zu kältrem Urtheil sich ernüchternd, Könnt' euch mit heimatlichen Formen messen Und dann — vielleicht bereun.

Othello. Lebwohl — lebwohl. Wenn du noch mehr bemerkst, so sag' mir mehr. Laß deine Frau Acht geben. Laß mich, Jago. Jago. Gut, ich empfehl' mich, Herr.

Othello. Warum vermählt' ich mich? Der Wackre, sicher, Sieht und weiß mehr, viel mehr als er verrät.

Jago (Zurückkommend.) Mein gnäd'ger Herr, ich wollt'; ich dürst' euch bitten, Daß ihr nicht weiter forscht; kömmt Zeit, kömmt Rat. Wenn Cassio gleich sein Amt behalten muß,

— Denn, sicherlich, er steht ihm tüchtig vor, — Trotzdem, wenn ihr [tljn] noch hinhalten möchtet, So werdet ihr bald merken wie er'S treibt. Gebt Acht ob eure Gattin seine Rückkehr

Dritter Bet.

190

Mit Eifer oder Ungestüm begehrt.

Inzwischen denkt,

Viel läßt sich daraus sehn.

Daß ich zu lebhaft sei in meiner Furcht,

— Wie ich mit Grund befürchte daß ich'S bin, —

Und haltet sie für rein, ich bitt' eu'r Gnaden.

Othello. Sei unbesorgt; ich werde mich beherschen.

Jago. Nochmals empfehl' ich mich.

i»*.>

Othello. Dies ist ein Mensch von höchster Redlichkeit, Und mit gelehrtem Geist kennt er die Welt Und wie sie's treibt.

Find' ich, mein Falk ist tückisch, —

Wär' auch sein Fußriem mir ans Herz geknotet,

Ich pfiff' ihn weg und ließ' ihn fliehn im Winde, Möglich, weil ich schwarz

Sich Raub zu suchen.

Und nicht die sanfte Kunst zu plaudern habe, Wie Stutzer, — oder weil ich abwärts geh'

Ins Thal der Jahre, — doch das ist nicht viel. —

's ist aus! ich bin betrogen! all mein Trost

Sie zu verabscheun!

O der Fluch der Ehe,

Daß diese leckren Damen unser sind,

Ein Molch sein wollt' ich lieber

Doch ihr Gelüste nicht!

Und leben von dem Dunsthauch eines Kerkers,

Als nur ein Eckchen, wo ich liebe, andern Einräumen.

Doch — es ist die Pest der Großen;

Ihr Vorrecht ist geringer als des Volks.

's ist Schicksal, unausweichbar, wie der Tod. Im Mutterleib ist's über uns verhängt, Diese gehörnte Pest. — Sieh da, sie kömmt.

Deödemona unt Emilia treten auf. Wenn diese falsch ist, o dann lügt der Himmel.

Ich will's nicht glauben.

DeSdemona. Nun, theuerster Othello?

Dein Gastmahl und die edlen Herrn von Eypern,

Die du geladen hast, erwarten dich.

Dritte Scene.

191

Othello. Ich bin zu tadeln.

DeSdemona. Warum sprichst du so matt? ist dir nicht wohl? Othello. Ich habe Schmerz an meiner Stirne, hier.

DeSdemona. Ei ja, das kömmt vom Wachen; das vergeht. Laß mich's verbinden, fest; in einer Stunde Jst's wieder gut. Othello. Dein Tüchlein ist zu klein. Laß gut sein. Komm, ich will mit dir hineingehn. DeSdemona. Es thut mir herzlich leid, daß du nicht wohl bist. .Othello und DeSdemona ab.) Emilia. Mich fteut daß ich dies Tuch gefunden habe! Es war ihr erstes Brautgeschenk vom Mohren.

Mein grilliger Mann hat hundertmal gedrängt, (Denn er beschwor sie, stets es wohl zu hüten,) Ich sollt' es stehlen; doch sie liebt es so, Daß sie es immer bei sich trägt und küßt Und schwätzt mit ihm. Ich mach' das Muster nach und geb' es Jago. Wozu er's brauchen will, weiß Gott, nicht ich; Es macht ihm Spaß, und das genügt für mich. Jago tritt auf. Jago. Wie steht's? was thust du hier allein?

Emttta. Nur nicht gezankt! ich hab' etwas für dich.

Jago. Du hast etwas für mich? das ist nichts neues —

Emilia. He?

Jago. Ein thöricht Weib zu haben.

Dritter «et.

192

Emilia. So? weiter nichts? was gäbst du mir wohl jetzt

Für dieses Taschentuch?

Jago. Was für ein Taschentuch?

Emilia. Was für ein Taschentuch? Ei, das der Mohr einst Desdemonen gab,

Dasselbe, das ich immer stehlen sollte.

6

Hast es gestohlen?

Emilia. O nein, sie ließ es fallen aus Versehn, Und da ich glücklich hier war, hob ich's auf.

Siehst du? hier ist es.

Jago. Wackre Fraul gieb her.

Emilia. Was willst du denn damit, daß du so triebst,

Es ihr zu stehlen?

Jago. Ei, was schiert das dich?

[(St rrlßl ki ihr weg.»

Emilia. Hat's keinen wicht'gen Zweck, so gieb's mir wieder. Die arme Frau! sie wird von Sinnen sein, Wenn sie's vermißt.

Jago. Du weißt von nichts! ich habe meinen Zweck. Geh, laß mich.

(Emilia ab) Ich will dies Tuch in Cassio's Haus verlieren, Und er soll's finden. Dinge, leicht wie Luft, Sind für die Eifersucht Beweise, bündig Wie Texte aus der Schrift. Dies kann uns helfen. Der Mohr ist schon verändert durch mein Gift.

Gefährliche Einbildungen sind Gifte, Die man zuerst kaum wahrnimmt im Geschmack,

Dritte Scene.

193

Die aber, wenn sie erst aufs Blut gewirkt, Brennen wie Schwefelgruben. — Sagt' ich's nicht? Othello tritt auf. Da kömmt er her. Kein Mohnsaft noch Mandragora, Nicht alle Schlummertränke dieser Welt Verhelfen je dir zu dem süßen Schlaf, Der gestern dein war. Othello. Ha! — ha! treulos mir? Jago. Was denn, mein General? nichts mehr davon.

Othello. Hinweg! mach' fort! du warfst mich auf die Folter. Bei Gott, ’S ist besser, arg betrogen werden Als noch so wenig eS wissen. Jago. Gnäd'ger Herr, — Othello. Was litt ich denn durch ihr verstohlen Buhlen? Ich sah's nicht, dacht' es nicht, es that mir nichts; Zch schlief die Nacht drauf gut, aß gut, war frei und munter; Ich fand nicht Casfio's Küss' auf ihren Lippen: Wenn der Bestohlne nicht den Raub vermißt, — Sagt es ihm nicht, so ist er nicht bestohlen.

Jago. ES schmerzt mich dies zu hören.

Othello. Ich wär' noch glücklich, wenn das ganze Lager, Schanzknecht' und all' den süßen Leib genössen, Hätt' ich nur nichts gewußt. O nun, für immer Lebwohl, sorgloser Mut! lebwohl, mein Glück! Lebtwohl, behelmte Scharen, Schlachtgedränge, DaS Ehrgeiz macht zur Tugend, o lebtwohl! Lebwohl du wiehernd Roß und schmetternd Erz, Mutweckende Trommel, ohrdurchbohrende Pfeife, Fürstlich Panier und alle Herrlichkeit Pracht, Pomp und Zubehör des edlm Kriegs! (Ail dem ei st er, ShakeSvearedramen.

13

194

Dritter Sct.

Und du, tödtlich Geschütz, deß rauher Schlund Nachahmt des Donnergotts furchtbares Drohn, Lebwohl'. Othellos Tagewerk ist auS. Jago. Zst's möglich? gnäd'ger Herr, — Othello. Schurke, beweis, mein Lieb sei eine Hure, Beweis' eS mir, schaff' mir den Augenschein, Sonst bei dem Wert der cw'gen Seel' in mir Wär's besser dir, du wärst als Hund geboren, Als meinem Grimm zu stehn.

Jago. Kam es dahin?

Othello. Mach' daß ich's seh'! beweis' es mindestens so, Daß dein Beweis kein Loch noch Häkchen hat Für einen Zweifel nur; sonst wehe dir!

Jago. Mein edler Herr, — Othello. Wenn du sie falsch verklagst und folterst mich, Bete nie mehr! gieb alle Skmpel preis, Auf höchste Greuel thürme Greuel auf, Darob der Himmel weint, die Erd' erstarrt, Denn nichts hinzuthun kannst du zur Verdammniß, Größer denn dies. Jago. O Gnad', o Himmel, vergieb mir! Seid ihr ein Mann? ein Mensch mit Seel' und Sinnen? Lebtwohl denn; nehmt mein Amt. — Du armer Thor, Dem man die Redlichkeit zum Laster macht! — O arge Welt! — merk's, merk' es dir, o Welt, Gerad' und redlich sein ist nicht geheuer. — Ich dank' euch für die Lehr' und schwör' von jetzt Der Freundschaft ab, wenn Freundschaft so verletzt.

Othello. Nein, bleib. — Du solltest redlich sein.

Dritte Sce»e.

195

Jago. Ich sollte klug sein. Redlichkeit ist ein Narr, Verliert wofür sie strebt. Othello. Bei diesem Weltall, Ich glaube, sie ist treu, und glaub' es nicht; Ich glaub', du bist gerecht, und glaub' eS nicht. Ich will Beweis. Ihr Nam', einst frischer als Dianens Stirn, ist nun befleckt und schwarz Wie mein Gesicht. Wenn'S Strick' und Messer giebt, Gift oder Feuer oder tiefe Ströme, Will ich's nicht tragen. — Hätt' ich doch Gewißheit!

Jago. Ich sehe, Leidenschaft verzehrt euch, Herr. Mich reut daß ich euch auf die Spur gebracht. Gewißheit möchtet ihr? Othello. Möchtet! ich will! Jago. Und könnt. Doch wie? wie, gnäd'ger Herr, Gewißheit? Wollt ihr als Zeug' etwa leibhaftig zuschaun?

Die Parung sehn? Othello. Tod und Verdammniß! — O!

Jago. Das, glaub' ich, hielte schwer, sie vorzuführen Zu diesem Schauspiel. Dann verdammt sie nur, Wenn Menschenaugen je die Bettfahrt schaun,

Als ihre eignen! Also was? wie denn? Was soll ich sagen? wo denn ist Gewißheit? Es ist unmöglich daß ihr dieses säht, Wären sie geil wie Ziegen, heiß wie Affen,

Läufisch wie brünstige Wölfe, grob und plump Wie Pöbelvolk im Rausch. Und dennoch, sag' ich, Wenn klare Umständ' und Schlußfolgemng, Die gradeswegs zur Thür der Wahrheit führt, Gewißheit geben, nun, die könnt ihr haben.

Dritter Set.

196

Othello.

Gieb ein lebendig Merkmal, daß sie falsch ist. s Besser roäf Dir s, ein Hund geboren sein, Als meinem Grimm dich stellen.

Jago. Dahin kam's?

Othello. Sehn will ich oder mindestens Beweis,

An dem kein Häkchen sei, den kleinsten Zweifel Zu hängen dran, sonst wehe deiner Seele! — Jago.

Mein edler Herr! —

Othello. Wenn du sie frech verleumdst und folterst mich,

Dann bete nie mehr; schließ die Rechnung ab; Auf höchsten Greuel häufe neuen Greu'l; Mach', daß der Himmel weint, die Erde bebt,

Denn nichts zum ew'gen Fluche kannst du fügen, Das größer sei.

Jago. O Gnad'! o Himmel! schützt mich! — Seid Ihr ein Mann? habt ihr Vernunft und Sinn? — Fahrt wohl denn! Nehmt mein Amt. — Zch blöder Thor,

Des Lieb' und Redlichkeit als Laster gilt! —

O! schnöde Welt! merk' auf, merk' auf, o Welt! Aufrichtig sein und redlich bringt Gefahr.

Dank für die Warnung; keinen Freund von jetzt

Lieb' ich hinfort, da Liebe so verletzt.

Othello. Nein, bleib, du solltest doch wohl ehrlich sein.

Jago. Klug sollt' ich sein, denn Gradheit ist 'ne Thörin, Die daö verfehlt, wonach sie strebt.

Othello. Bei Gott!

Ich denk', mein Weib ist treu, und ist es nicht; Zch denke, du bist brav, und bist es nicht; Zch will Beweis.

Ihr Name, einst so hell,

Wie Dianens Antlitz, ist nun wüst und schwarz

Dritte Scene.

Wie mein Gesicht. — Wenn's Messer gibt und Stricke, Gift, Feuer oder Ströme zum Ersäufen,

Ich duld' es nicht. — O wär ich überzeugt! —

Jago. Ich sehe, wie Euch Leidenschaft verzehrt;

Mich reut, daß ich Euch Anlaß gab: so möchtet Ihr überzeugt sein? —

Othello. Möchte? Nein, ich willS.

Jago. Und könnt.

Doch wie? Wie überzeugt, o Herr?

Wollt Ihr mit offnem Blick die Frechheit schaun?

Sie sehn gepaart?

Othello. Ha, Tod und Teufel! O! —

Jago. Ein schwierig Unternehmen, denk' ich mir, Sie so zur Schau zu bringen: 's wär' zu toll,

Wenn mehr noch als vier Augen Zutritt fänden Zu solchem Lustspiel! WaS denn also? Wie? Was soll ich thun? Wo Überzeugung finden? Unmöglich ist eS, dies mit anzusehn, Und wären fie wie Geiß' und Affen wild, Hitzig wie brünst'ge Wölfe, plump und sinnlos

Wie trunkne Dummheit.

Dennoch sag' ich Euch,

Wenn Schuldverdacht und Gründe trift'ger Art,

Die gradhin führen zu der Wahrheit Thor, Euch Überzeugung schafften, solche hätt' ich.

Othello. Gib sprechende Beweise, daß sie falsch)

Jago.

Das Amt gefällt mir nicht; Indeß da ich hierin so weit gegangen, Gespornt durch dumme Lieb' und Redlichkeit, Will ich auch weiter gehn. Ich lag bei Cassio jüngst, Und weil ein böser Zahn mich peinigte, So schlief ich nicht. Bei ein'gen Menschen sitzt das Herz so lose,

197

198

Dritter 8cf.

Daß sie im Schlaf ausplaudem was sie drückt;

Von diesem Schlag ist Casfio. Im Schlafe sprach er: „Süße DeSdemona,

Laß uns behutsam sein, uns heimlich lieben!" Und dann, Herr, griff er, zerrte meine Hand,

Rief „süßer Engel!" küßte mich so heftig, Als riff' er Küsse mit den Wurzeln aus.

Die mir am Munde wüchsen; legte dann Sein Bein auf meins, und seufzte, küßt' und rief:

„Teuflisch Geschick das dich dem Mohren gab!"

Othello. O greulich! greulich! Jago. Nein, dies war nur Traum. Othello. Doch dies verriet voraufgegangnen Schlußact;

's ist bös verdächtig, wenn auch nur ein Traum.

Jago. Und dies kann andren Zeichen Stärke leihn,

Die schwach beweisen. Othello. Ich. will sie in Stücke reißen. Jago. Habt doch Vernunft; noch sehn wir nichts gethan;

Sie kann noch ehrbar sein.

Sagt mir nur dieS:

Habt ihr nicht wohl ein Taschentuch gesehn,

Gestickt mit Erdberlein, in eurer Gattin Hand'!' Othello. Ich gab es ihr; es war mein erst Geschenk.

Jago. Das weiß ich nicht; jedoch mit solch ’nem Tuch

— Don eurer Frau, das weiß ich, — sah ich heut Eassio den Bart sich trocknen. Othello. Wär’ es das, —

Jago. Ob's das ist oder sonst ein Tuch von ihr,

Spricht’s gegen sie, mit all den andren Zeichen.

Dritte Scene.

199

Othello. O daß der Hund zehntausend Leben hätte! Eins ist zu arm, zu schwach für meine Rache. Jetzt seh' ich, eS ist wahr. — Jago, schau' her.

All meine blinde Liebe blas' ich so Gen Himmel, — sie ist weg! Steig auf, du schwarze Rach', auS tiefer Hölle; Mach' frei, o Liebe, deinen Herzensthron Dem Wütrich Haß; schwill, Brust, von deiner Bürde;

Dmn Natternzungen find's. ^Noch habt Geduld.

Othello. O Blut, Blut, Blut!

Jago. Geduld, sag' ich; ihr könnt den Sinn noch ändern. Othello. Gleichwie das Pontische Meer Deß eisige Strömung und gezwungner Lauf Nie Ebb' und Umkehr fühlt und stetig fließt In die Propontis und den Hellespont, So soll mein blut'ger Zom mit Slurmesschritt Nie umschaun, nie zu frommer Liebe ebben, Bis ein umfassend, mächtig Strafgericht Beide verschlingt. Bei jenem Marmorhimmel, In schuld'ger Andacht eines heil'gen Schwurs, Verpfänd' ich hier mein Wott. ( Lear'S Töchter. Cordelia, J

Ritter in des König'S Gefolge, Hauptleute, Boten, Truppen,

Diener. Scene: Britannien.

Erster A ct. Erste Scene.

Ein Staatsgemach in König Lear's Palaste. Kent. 8läster. Edmund. Kent. Ich meinte immer, der König sei dem Herzoge von Al­ banien geneigter, als Cornwall. «läster. So schien es uns immer; jetzt aber bei der Theilung des Reiches zeigt es sich nicht, welcher von den Herzögen am Meisten bei ihm gilt; denn Beiden sind ihre Theile mit solcher Gleichheit zugewogen, daß auch die pünktlichste Ge­ nauigkeit keine Wahl unter den beiden Hälftm treffen kann. Kent. Ist daS nicht Euer Sohn, Graf? Gloster. Seine Erziehung ist mir sauer geworden. Ich habe so oft erröthet, ihn anzuerkennen, daß ich jetzt ganz dawider abgestumpft bin. Kent. 3ch verstehe Eure Meinung nicht. Kloster. Des Jungen Mutter verstand sie nicht nur, sondem er­ hörte sie auch. Und vermöge dieses schnellen Verständnisses wurde sie schwanger und hatte auch eher einen Sohn in der Wiege, als einen Gatten im Bette. Wittert Ihr da einen Fehltritt?

Erster Set.

266

Kent. Ich kann nicht wünschen, daß er ungeschehen sei, da er

eine so schöne Frucht trug. ©lostet. Ich habe aber auch einen rechtsmäßigen Sohn, Graf,

einige Jahre älter, als dieser, aber meinem Herzen nicht

theurer.

Obwohl dieser Schelm da etwas vorlaut in die

Welt kam, ehe man ihn haben wollte, so war doch seine Mutter ein schönes Weib. Seine Erzeugung war lustig genugf,]

und der Bastard muß anerkannt werden. — Kennst du diesen edlen Herrn, Edmund? —

Edmund. Nein, Herr.

Ter Graf von Kent.

©lost er. Erinnre

in Zukunft seiner,

dich

als meines werthen Freundes.

Edmund. Meine Dienste stehen Euch zu Befehl, Graf.

Kent. Ich muß Euch schätzen und mich bestreben, Eure nähere

Bekanntschaft zu machen. Edmund. Ich werde mich bemühen, Euer Wohlwollen zu verdienen,

©lostet. Er ist neun Jahr im Auslande gewesen und soll auch

wieder fort. — Ta kommt der König, 0« kommen

i(itomt«un.)j

Lear, Cornwall, Albanien, ©oittril, Regan, Cordelia und Befolge.

Lear. Graf Gloster, führt die Herren von Burgund

Und Frankreich zu uns her. ©lostet. Sogleich, mein Fürst. (8« gehen

©lostet und Edmund.!

Lear. Wir wollen unsren noch verborgnen Plan

Indeß entwickeln. — Gebt die Eharte. — Wißt,

Erste Ceerre.

267

Wir haben unser Reich in drei zertheilt

Und sind entschlossen, Sorgen und Geschäfte Von unsrem Alter ab auf jüng're Kraft

Zu wälzen, während wir der Bürd' enthoben

Der Gruft zu schleichen. — Unser Sohn von Comwall, Und Ihr, gleich theurer Sohn Albanien,

Wir sind jetzt fest gewillt, für unsre Töchter Die Mitgift auszusetzen, um in Zukunft

Streit zu vermeiden.

Frankreich und Burgund, sie beide

Um unsrer jüngsten Tochter Siebe werbend,

Sind lang' an unsrem Hofe schon als Freier Und soll'» jetzt Antwort haben. — Sagt mir[,J Töchter: (Weil wir uns heut entkleiden woll'n der Herrschaft, Des Landbesitzes und der Staatsgeschäfte) Wer, soll'» wir sagen, liebe uns am meisten, Damit wir da die reichsten Gaben spenden,

Wo das Verdienst es fordert?

Goneril,

Du, unsre Erstgeborne, sprich zuerst.

Goneril. Mein Fürst, ich lieb' Euch mehr als Worte sagen,

Mehr als der Augen Licht, als Luft und Freiheit; Als Alles, was für reich und selten gilt,

Als Leben, Reiz, Gesundheit, Schönheit, Ehre,

So sehr, als je ein Kind den Vater liebte; Mit einer Liebe, die den Athem arm

Und Porte machtlos läßt; und über dieö, In noch weit größrem Maaße lieb' ich Euch.

Cordelia

(Leise.)

WaS soll Cordelia thun? — sie liebt und schweigt.

Lear. Dies ganze Land, von dieser Mark zu jener, Voll schattenreicher Forste, offner Fluren, Flutreicher Ström' und weitgesäumter Matten,

Sollst ewig du, dein und Albaniens Stamm Beherrschen. — Was sagt unsre zweite Tochter,

Die theure Regan, Cornwalls Gattin? Rede.

Erster Bet

268

Regarr. Ich bin von dem Metall, wie meine Schwester, Und schätze ihr mich gleich. Sie nennt dm wahren Bestand der Lieb' in meinem treuen Herzen. Nur kommt sie noch zu kurz; dmn ich erkläre, Daß ich ein Feind von allen Frmdm bin, Die in der Sinne reichstem Umkreis wohnm, Und finde in der Liebe Eurer Hoheit Mein einzig Glück. Cordelia Arme Cordelia dann! Und doch nicht arm, da ich mein Herz weit reicher

Als meine Zunge weiß. Lear. Dir und den Deinen bleibt als ew'ges Erbtheil Dies weite Drittheil uns'res schönen Reiches, An Größe, Werth und Anmuth nicht geringer, Als Goneril's Theil. — Jetzt uns'res HerzmS Freude, Die jüngste, doch geringste nicht, um welche Die Weine Frankreichs und die Milch Burgund's Wetteifernd werben, sprich, was kannst du sagen, Ein reichres Loos zu ziehn, als deine Schwester?

Cordelia.

Nichts, Herr. Lear. Nichts?

Cordelia. Nichts. Lear. Nichts kann von Nichts nur kommen; sprich noch einmal.

Cordelia. Ich Ärmste kann mein Herz nicht in den Mund

Hinseufzen; doch ich liebe Eure Hoheit, Wie's meine Pflicht gebeut, nicht mehr, nicht minder. Lear. Wie, Tochter? wie? — verbeß're deine Worte; Sie stör'» sonst wohl dein Glück.

Erste Scene.

269

Cordelia.

Mein lieber Herr, Ihr zeugtet, nährtet, liebtet michsZ und ich Erwiedre Euch, wie recht ist, diese Wohlthat, Gehorche, liebe Euch und ehr' Euch hoch. Warum vermählten meine Schwestern sich, Da sie doch sogen, daß sie Euch nur lieben? Wenn ich heirathe, nimmt vielleicht der Mann, Der meinen Ring empfängt, halb meine Liebe, Halb meine Pflicht und Sorge mit fich fort. Traun, nie vermähl' ich michs,j wie meine Schwestern, Euch ganz zu lieben. Lear.

Stimmt dein Herz dem aber bei? Cordelia.

3a, lieber Herr. Lear.

So jung und schon so lieblos. Cordelia.

So jung, Herr, und so wahr. Lear.

Gut, so sei deine Wahrheit denn dein Mahlschatz; Denn bei dem heil'gen Strahlenkranz der Sonne, Bei Hekate'S und bei der Nacht Mysterien, Bei aller Sphären Macht, durch die wir find Und unser Dasein enden, Hier entsage Ich allen Batersorgen, der Verwandtschaft Und jedem Recht des Blutes, eine Fremde Sei meinem Herzen du fortan und mir. Der wilde Scythe, oder der zur Mahlzeit Die eignen Kinder macht, um seine Gier Zu stilln, soll meinem Busen näher stehn, Mehr Mitleid und Erquickung bei mir finden, Als du, dereinst mein Kind. ftent.

Mein theurer Lehnsherr, —

Lear. Schweigt,1 Kent! — Stellt Euch nicht zwischen einen Drachen Und seinen Grimm. — Ich liebte sie am Meisten; Bei ihrer Pflege hofft' ich einst zu ruhn. (3u ttotniia.) Hinweg und meide meinen Blick! — So gebe Das Grab mir Ruh', als ihres Vaters Herz Ich von ihr nehme! — Rust Burgund! — Wer rührt sich? — Ruft Frankreich! Cornwall und Albanien, Zu meiner Allsten Gift nehmt noch dies Drittheil;

Sie freie Stolz, den Offenheit sie nennt. Ich schmücke Euch mit meiner ganzen Macht,

Mit Vorrang und jedwedem Recht der Krone. Wir selber werden nach der Monde Lauf Mit Vorbehalt von hundert Rittersleuten, Die Ihr uns haltet, unsren Wohnsitz wechselnd Bei Euch aufschlagen. Wir behalten nur Den Namen und die Titel eines Königs; Das Reich, Einkommen, Macht in allem Übrigen Bleibt, theure Söhne, Euch. Ties zu bestätigen, Theilt diese Krone. Kent. Königlicher Lear, Den ich als meinen Fürsten immer ehrte, Als Vater liebte und als Herrn gehorchte, In mein Gebet einschloß als meinen Schützer — Lear. Der Bogen ist gespannt! — Entflieh' dem Pfeile!

Kent. Drück' ihn nur los, dringt auch sein Stahl ins Herz mir.

Mag Was Sich Sich

Kent unhöflich sein, ist Lear von Sinnen. willst du machens,] Greis? — Glaubst du, daß Pflicht scheut, zu reden, wenn die Macht den Schmeichlern neigt? — Die Ehre fordert Offenheit,

Wenn Fürsten Thoren werden.

Aendre den Entschluß

Und hemme, wohl erwägend, diese schlimme Eilfertigkeit. Zch gebe dir mein Haupt,

Erste Scene.

271

Liebt dich dein jüngstes Kind am Wenigsten. Auch ist das Herz nicht leer, deß leiser Schall

Nicht hohl zurückhallt. Lear. Schweig, bei deinem Leben!

Stent. Mein Leben galt mir nie mehr, alS ein Pfand, Es gegen deine Feinde einzusetzens;j Auch fürchte ich mich nicht, zu deinem Besten

Es zu verlieren.

Lear. Fort, auS meinen Augen! Stent. Sieh' besserst Lear, und laß mich länger noch Der treue Zielpunkt deiner Blicke sein.

Lear.

Nun, beim Apoll — Stent. Nun beim Apollo, König, Du schwörst umsonst bei deinen Göttern.

Lear (Die Hand an - Schwert legend.)

Ha, Verräther! Albanien unt Cornwall. Mein theurer Herr, Geduld! Stent. Thu's!

Tödle den Arzt und gieb den Lohn der Seuches.j Stoß deine Schenkung um, sonst will ich dir, So lang' ich schrei'n kann durch die Kehle, sagen: Du thu'st nicht Recht! Lear. Hör' mich, Abtrünniger! Bei deiner LehnSpflicht, hör' mich an! Da du zum Wortbruch uns bewegen wolltest, (Den wir noch nie gewagt,) und stolzen Trotzes Dich drängtest zwischen unsre Macht und unsren Ausspruch, (Was weder unser Sinn, noch Rang erträgt); So nimm jetzt deinen Lohn aus unsrer Hand.

272

Erster Lct.

Fünf Tage räumen wir dir ein, dich sicher Zu stellen vor dem Ungemach der Welt; Am sechsten wmde unsrem Reiche deinen Verhaßten Rücken. Wenn am zehnten Tage

Dein vogelfreies Haupt in unsren Landen Noch weilt, so ist dein Tod gewiß. — Jetzt fort! Beim Jupiter, dies wird nicht umgestoßen. — Stent. Leb' wohl denn, König; zeigst du jetzt dich so, Ist hier Exil, die Freiheit anderswo. — «Zu öottciia.) Die Götter, Jungfrau, sei'n dir Schutz und Hort; Dein Sinn ist rein und richtig war dein Wort. (Zu ©oncrit u. Rcg-m ) Indem ihr euren Schwur erfüllt, belegt Daß gutes Wort auch gute Früchte trägt. — Lebt wohl Ihr Alle! Kent muß jetzt verbannt Ein altes Leben führ'n im neuen Land. i#ent g-hi ab.)

Gloster komm« zurück mit Frankreich, Burgund und Btsolge. Glostcr. Hier, edler Herr, find Frankreich und Burgund. Lear. Fürst von Burgund. Mit Euch zuerst, der Ihr mit diesem König Um unsre Tochter warbt! Wie viel begehrt Ihr Zum Mindesten als Brautschatz, oder steht

Ihr ab von der Bewerbung? Burgund. Hoher König, Nicht mehr, als Eure Hoheit mir geboten, Und wen'ger werdet Ihr nicht geben.

Lear. Edler Herzog,

AIS sie uns theuer war, galt sie uns dass;f Jetzt ist ihr Werth gefall'n; da steht sie, Herr, Wenn Etwas oder Alles Euch gefällt An diesem ihren eitlem Fleisch und Blut, Vereint mit unsrem Groll, sonst Nichts, — da steht sie, Und sie ist Eu'r.

Erste emie.

273

Burgund. Ich finde keine Antwort.

Lear. Herr, wollt Ihr sie mit allen ihren Schwächen,

Freundlos und unsrem Hasse neu erkoren, Mit unsrem Fluch' als Mitgift, ausgestoßen

Durch einen Schwur, verlassen oder nehmen?

Burguud. Verzeiht mir, königlicher Herr, auf solche Bedingung pflegt man keine Wahl zu treffen.

Lear. Nun, so verlaßt sie; denn bei meinem Schöpfer Das ist ihr ganzer Schatz. — «z» granfret^i] Von Eurer Liebe,

O König, wollt' ich so mich nicht entftemden,

Euch zu vermählen, wo ich hasse; darum Lenkt Eure Neigung einer Beff'ren zu,

Als einer Schändlichen, die die Natur Mit Scham ihr Machwerk nennt.

Frankreich. Das ist höchst selffam,

Daß sie, die eben Euer Höchstes noch,

Ziel Eures Lobes, Eures Alter's Balsam, Das Beste, Liebste war, in diesem Nu So Gräsliches beging, um solche Gunst

Ganz zu verscherzen.

Wahrlich, ihr Verbrechen

Muß von so unnatürlicher Entartung zeugen, Oder der Tadel fällt auf Eure Liebe,

Die Ihr so oft gerühmt.

Solch einen Glauben

Von ihr pflanzt ohne Wunder die Vernunft Niemals mir ein.

Eordelia (3u Ster.) Doch bitt' ich Eure Hoheit,

(Weil ich der ölig-glatten Kunst entbehre,

Zwecklos zu reden; da ich immer handle, Bevor ich rede) zu erklären, daß Kein arger Schandfleck, Mord und Frevel,

Kein unkeusch Treiben, kein entehrter Schritt

Btldemeister, EhLkripearedrime«.

18

Erster Set

274

Mir Eure Huld und Gunst geraubt hat, sondem

Der Mangel deß, was mich nur reicher macht,

Ein stets begehrend Aug' und solch' 'ne Zunge, Die freudig ich entbehr'sZ obgleich ihr Mangel

Mir Eure Siebe kostet.

Lear. Bester wärest Du nie geboren, als mich so zu kränken.

Frankreich. Ist es nur das?

Nur Langsamkeit im Wesen,

Die oft die That unausgesprochen läßt, Die sie bezweckt. — Burgund, was saget Ihr

Zu der Prinzessin?

Liebe ist nicht Liebe.

Wird sie vermischt mit andren Rücksichten,

Die ferner liegen.

Wollt Ihr sie besitzen?

Sie selbst ist eine Mitgift.

Burgund. Edler Lear,

Gebt nur den Theil, den ihr selbst vorgeschlagen,

So fast' ich hier Eordelia bei der Hand Als Fürstin von Burgund.

Lear. Nichts, nichts! ich hab' geschworen, ich bin fest.

Burgund. Mich schmerzt, daß Ihr durch den Verlust des Vaters

Den Gatten auch verliert.

Cordelia. Sorgt nicht, Burgund;

Da Eure Liebe Habsucht ist, so werd' ich Nie Eure Gattin.

Frankreich. Schönste Eordelia, Die du in Armuth reich bist, und verworfen,

Ein Kleinod, und verschmäht, geliebt am Meisten,

Dich nehme ich und deine Tugend hier, Das Weggeworfnes,! auf; — so sei's mein eigen. —

Gott, daß sie jetzt, da man sie kalt verstößt,

Erste Scene.

275

Erhöhte Liebesgluth ms Herz mir flößt! Dein erblos Kind, Lear, herrsch' an meiner Hand Jetzt über mich, mein Volk und schönes Land. Kein Fürst des wässrigen Burgund erhält Dies Kleinod je um alles Gut der Welt. — Nimm Abschied, Jungfrau; ist dein Groll auch groß, Dein Unglück schafft dir nur ein bessres Loos. Lear. Du hast sie, Frankreich, denn wir haben nicht Solch eine Tochter, und ihr Angesicht

Komm' nie mehr vor uns. Zieht auf euren Wegen Ohn' unsre Lieb' und Huld und unsren ©egen. Kommt mit, Fürst von Burgund. (Itcmpticn.

Lear, Burgund, Cornwall, Albanien» Kloster und Gefolge gehen.)

Frankreich (3u Cordelia.) Sagt Euren Schwestern Lebewohl.

Cordelia (8üt sich.) Des Vaters Edelsteinen. — i(^ut)j Feuchten Auges Verläßt Cordelia euch. — (8ur sich.) Ich kenn' euch wohl;

Doch nenn' ich eure Fehler schwesterlich Bei Namen nicht. — (?.wt) Pflegt unsren Vater gut; Ter laut erklärten Lieb' empfehl' ich ihn. (Sur sich.) Doch hätt' er seine Huld, ach! von mir nicht gewandt,

So pflegt' ich selbst ihn wohl mit sanft'rer Hand. So lebt, ihr Beiden, wohl! Goneril. Lehr' uns nicht unsre Pflicht.

Regan.

Bemüh' dich nur Um deines Mann'S Zufriedenheit, der dich

Als milde Gabe von dem Glück' empfing. Du warst zu geizig mit Gehorsam erst Und hast so das verscherzt, was du entbehrst.

Erster Net.

276

Cordelia. Die Zeit wird das enthüll'», was List versteckt, Verborgne Schuld wird einst-mit Schimpf entdeckt.

Es geh' Euch wohl!

Frankreich. Komm theuerste Cordelia! (Frankreich unt Cordelia gehen >

Goneril. Schwester, ich habe nicht wenig mit dir zu reden von Dingen, die uns beide sehr nahe angehen.

Ich glaube,

unser Vater will zur Nacht fort.

Regan. Das ist ganz gewiß und zwar zu euchs.s nächsten Monat

zu uns. Goneril. Du siehst, wie veränderlich sein Alter ist, wir haben nicht

wenige Beweise davon gesehen.

Er liebte unsere Schwester

immer am Meisten, und mit einem wie blöden Urtheile er

sie jetzt von sich gestoßen hat, das ist nur zu augenfällig. Regan. Es ist seine Alterschwäche; doch hat er sich immer nur kümmerlich selbst gekannt.

Goneril. Selbst in seiner besten und gesundesten Zeit war er zu

jähzornig und daher müssen wir von seinem Alter nicht allein die Mängel lang eingewurzelter Gewohnheit erwarten, sondem

zugleich die eigensinnige Störrigkeit, welche die Jahre der Reizbarkeit und Schwäche mit sich bringen.

Regan. Solche leidenschaftliche Ausbrüche werden auch wir von ihm zu erfahren haben, wie der, in welchem er Kent ver­

bannte. Goneril« So höfliche Abschiedsfeierlichkeiten, als zwischen Frankreich

und ihm, werden auch fürder Statt finden.

Wir müssen zu­

sammenwirken; wenn unser Vater in solchen Gemüthsstim-

Zweite Ceeae.

277

mungen von seiner Gewalt Gebrauch macht, so gereicht unS dies letzte Vermächtniß seiner Würde nur zum Schaden.

Regan. Wir müssen das noch weiter überlegen.

Sonertl.

Wir müssen handeln, weil das Eisen noch glüht.

Zweite Scene.

Eine Halle im Schlosse des Grafen von Gloster. Edmund mit einem Briefe. Edmund. Du bist mein Gott, Natur. Mein Dienst ist deinem Gesetz geweiht. Soll ich das Unrecht der Gewohnheit Erttagen und gestatten, daß die Launen

Der Völker mich berauben, weil ein Bruder Zwölf, vierzehn Monden eher kam, als ich? Warum bin ich ein Bastard? warum unächt? Sind meine Glieder doch sowohl gefügt, Mein Sinn so adlig, mein Gesicht so vornehm, Als der Frau Gräfin Sproß. Was schmäht man uns Mit: unächt, Bastardthum? — Der wäre unächt, Dem das verstohlne Schaffen der Natur Mehr Kraft und Gluth verleiht, als nöthig ist, Im stumpfen, schalen, überdrüff'gem Bette Ein ganzes Lastenheer hervorzubringen, Erzeugt halb zwischen Schlaf und Wachen. Wohl denn, Rechtmäß'ger Edgar, dein Land muß ich haben, Der Vater liebt den Bastard Edmund, wie Den Ehelichen. Eh'lich, schönes Wort! Wohl, Ehelicher, wirkt nur dieser Brief, Und glückt es meiner List, so sticht der Bastard Den Ehelichen aus. — Mir glückts! ich steige! Jetzt, Götter, steht für Bastardsöhne auf! —

278

Erster Act.

©lostet kommt.

Kent so verbannt!

Gloster. Frankreich in Zorn geschieden!

Der König fort zur Nacht! der Macht entkleidet! Auf Unterhalt beschränkt, und Alles dies

So plötzlich! — Edmund, nun, was giebt es Neues? (tm Brief finfi«f-. ab.)

Du da, ein Wort! sind jene Männer da,

Die wir bestellt? Diener.

Eie warten vor dem Schloßthor, gnäd'ger Herr. Macbeth.

Dann führ' sie vor uns.

(Der Diener

ab.)

So zu sein ist nichts, Nur sicher so sein.") — Unsre Furcht um Banquo Steckt tief; in seiner fürstlichen Natur Herrscht was gefürchtet sein will. Er wagt viel, Und zu dem unerschrocknen Mut hat er Weisheit, die seine Kraft lenst, nie zu handeln Als sicher nur.

Kein Mensch ist, dessen Dasein

Ich fürcht', als er. Mein Genius steht vor ihm Gemeistert, wie vor Cäsarn einst, so sagt man,

Der Geist des Marc Anton.") Er schalt die Schwestern, Da sie zuerst als König mich begrüßten, Und frug sie aus; da nannten sie prophetisch Ihn Vater einer Reih' von Königen. Mir setzten sie unfruchtbar Gold aufö Haupt Und liehn ein dürres Scepter meiner Hand, DaS eine ftemde Faust ihr einst entreißt, Weil mir kein Erbe nachfolgt. Ist es so, Hab' ich für Banquo's Haus mein Herz befleckt, Für sie erwürgt den gnadenreichen Duncan, Hader gemischt in meines Friedens Kelch, Einzig für sie, und mein unsterblich Kleinod Dahingegeben an den Feind der Menschen, Um sie zu krönen, Banquo's Haus zu krönen? Eher als dies, komm, Schicksal, in die Schranken Und kämpf' mit mir aufs Äußerste! — Wer ist da? Der Diener kömmt zurück mit zwei Mördern»

Geh an die Thür und bleib da bis wir rufen. (Der Diener ab.) War'S gestern nicht, daß wir einander sprachen?

442

Dritter Set

Erster Mörder. Ja, eurer Hoheit zu Befehl.

Macbeth. Nun gut, Habt ihr die Sach' euch überlegt? bedenkt, Er toar’§[,] der in vergangnen Tagen euch Das Spiel verdorben, was ihr unsrer Unschuld Zur Last gelegt habt. Dies bewies ich euch In unsrer Zwiesprach gestern, zeigt euch klar, Wie man euch hinhielt, kreuzte, wer das Werkzeug, Wer Lenker war, und alles sonst, wonach Ein Halbgehirn und Gimpel sagen müßte: „Ja, Banquo that es." Erster Mörder. Ihr bewiest es uns.

Macbeth. Das that ich und ging weiter, was der Punkt Des heutigen Gesprächs ist. Findet ihr In eurem Blut denn die Geduld so mächtig, Daß Den Deß Und

ihr dies hingehn laßt? seid ihr so christlich, guten Mann und sein Geschlecht zu segnen, schwere Hand ins Grab euch hat gebeugt eure graun und Kinder zwingt zu betteln?

Erster Mörder. Herr, wir sind Männer. Macbeth. Ja, im Verzeichnis zählt ihr mit als Männer, Wie Pudel, Windspiel, Bastard, Bracke, Spitz, Mops, Bullenbeißer, Halbwolf, alles Hunde Mit Namen sind; doch kömmt es zum Taxat, So unterscheidet man schnell, langsam, klug, Haushund und Jäger, jeden nach der Gabe, So die freigebige Natur in ihm Verschlossen hat, und so empfängt er fein Besondres Beiwort, anders als der Zettel, Der alle gleich schreibt. So mit Männern auch.

Nun, wenn ihr einen Platz habt im Taxat,

Eiste Scene.

Nicht in dem letzten Rang der Mannheit, sagt es,

Und ein Geschäft leg' ich in eure Brust,

Deß Ausführung hinwegräumt euren Feind, An unser Herz und unsre Lieb' euch klammert; Denn unser Wohl ist krank in seinem Leben

Und wär' in seinem Tod gesund.

Zweiter Mörder. Mein Fürst, Mich hat die Welt durch ihre Püff' und Stöße

So falsch gemacht, daß ich vor nichts mich scheue,

WennS nur die Welt verdrießt.

Erster Mörder. Und ich, Herr, bin

So mürb von Unglück, so zerzaust vom Schicksal, Daß ich mein Leben setz' auf jeden Wurf, Ter'S befsem oder enden mag.

Macbeth. Ihr wißt,

Bauquo war euer Feind.

Zweiter Mörder. Ganz recht, mein Fürst.

Macbeth. Und meiner auch, und mit so blnt'ger Feindschaft, Daß jegliche Minute seines Daseins

Mir tief ins Leben stößt, und könnt' ich gleich Mit unverlarvter Macht wegfegen ihn

Und sagen: „ich besahl's," doch darf ich's nicht,

Der Freunde halb, die sein' und meine sind, Denen zu Lieb ich weinen muß um den, Den ich selbst niederschlug.

Und daher rührt's,

Daß ich als Werber komm' um euren Beistand, Die That verschleiernd vor dem Blick der Welt,

Aus manchen trift'gen Gründen.

Zweiter Mörder. Gnäd'ger Herr, Wir thun was ihr befehlt.

Erster Mörder. Mag unser Leben —

443

Dritter Acr.

444

Macbeth. Jetzt blitzt der Mut durch! noch in dieser Stunde Werd' ich euch sagen wo ihr lauem sollt, Lehr' euch das sicherste Erspähn der Zeit,

Auf die Secund'; es muß heut Nacht geschehn, Und etwas ab vom Schlosse. Wohl bedacht, Daß ich rein bleiben muß. Und dann: mit ihm,

(Um keine Pfusch- und Flickarbeit zu thun,) Muß Fleance, sein Sohn, der ihm Gesellschaft leistet, Und dessen Abgang mir so wichtig ist Wie seines Vaters, das Verhängniß theilen Der dunklen Stunde. Geht, bereitet euch: Ich folge gleich. Zweiter Mörder. Wir sind bereit, mein Fürst. Macbeth. Ich werd' euch gleich Nachkommen; wartet draußen. (Die Mörder ab.) Es ist entschieden. Banquo, wenn du ja In Himmel kömmst, heut Abend bist du da. cab.)

Zweite Scene. Ebendaselbst. Lady Macbeth und «in Diener treten auf.

Lady Macbeth. Ist Banquo fort? Diener. Ja, gnäd'ge Frau, doch kehrt er heim zur Nacht.

Lady Macbeth. Geh, sag' dem König, daß ich bitten lasse Auf ein paar Worte.

Diener. Ja, gnäd'ge Frau.

cm.)

Zweite Cceue.

445

Lady Macbeth. Nichts hat gewonnen, alles hat verspielt,

Wer seinen Wunsch und keine Ruh' erzielt. Viel bester des Ermordetm Geschick

Als durch den Mord ein angsterfülltes Glück.

Macbeth tritt ans. Nun, mein Gemahl? waS hältst du dich allein, Traurigste Grillen zu Gefährten wählend, Gedanken, die todt sollten sein wie die,

Woran sie denken.

WaS unheilbar ist,

Das läßt man ruhn; geschehneS ist geschehn.

Macbeth. Die Schlang' ist nur betäubt, noch nicht getödtet;

Sie wird gesunden; unsre schwache Bosheit

Bleibt in Gefahr vor ihrem alten Zahn.

Doch bersten mag der Bau der Dinge, mag Himmel und Erde leiden, ehe wir

In Furcht verzehren unser Mahl und schlafen In dieser Heimsuchung schrecklicher Träume, Die Nachts uns schütteln.

Besser bei dm Todten,

Die wir zur Ruh gesandt, um Ruh zu haben, Als auf der Folterbank der Seele liegen In ew'ger Marter.

Duncan liegt in seiner Gmft;

AufS Fieberschau'r des Lebens schläft er sanft;

Untreue that ihr ärgstes; Gift und Stahl Einheimische Tücke, ftemde Rüstung, nichts Kann ihn fortan berühren.

Lady Macbeth. Laß uns gehn, Und glätte diese Runzeln, bester Mann;

Sei hell und fröhlich heut vor deinen Gästen. Macbeth. Das werd' ich sein, mein Herz; sei du es auch.

Dem Banquo schenk' Aufmerksamkeit vor allen;

Bewähr' ihm Auszeichnung mit Aug' und Mund.

Unsicher wir, so lang wir unsre Hoheit

In solchen Schmeichelbächen baden müssens,f

Dritter Met.

446

Und unsre Stirn als Larve dient dem Herzen,

Verbergend was es ist.

Lady Macbeth. Laß dies doch nchn.

Macbeth. O liebes Weib, mein Herz ist voll Skorpionen! Du weißt daß Banquo lebt und Banquo's Sohn.

Lady Maebeth. Doch läuft das Darlehn der Natur nicht ewig.

Macbeth. Das ist ein Trost noch: sie sind angreifbar. Darum sei fröhlich. Eh die Fledermaus

Ums Kloster fliegt, die schwarze Hekate Den hornbeschwingten Käfer summen läßt Sein schläfrig Nachtgeläut, Wird eine That geschehn sein graus'gen Klangs.

Lady Macbeth. Was soll geschehn?

Macbeth. Bleib schuldlos an der Kunde, liebes Täubchen/') Bis du die That belobst. — Komm, stille Nacht!

Verhüll' des sanften Tags mitleidig Auge Und dann, mit blut'ger, unsichtbarer Hand Tilg' und in Stücke reis; den großen Schuldbrief,") Der bleich mich hält! — Der Abend graut; die Krähe Fliegt heim zum Dohlenhorst. Die fromme Welt des Tags nickt ein und ruht; Diener der Nacht stehn auf zu Raub und Blut. Du staunst ob meiner Worte? hab' Geduld: Was schlimm begann, das macht sich stark durch Schuld. Und nun komm' mit. (Beite ab.)

Dritte Scene.

Im Schloßpark. Drei

Mörder

treten auf.

Erster Mörder. Wer hieß dich denn hier zu uns stoßen?

Dritter Mörder. Macbeth.

Zwetter Mörder. Mistraun thut hier nicht Not, denn er bestellt Ja unsren Dienst und wie wir's machen sollen Genau nach unsrem Auftrag.

Erster Mörder. Gut, bleib hier. — Im Westen dort glimmt noch ein Streifen Licht; Nun spornt der späte Reisende sein Pferd Um unter Dach zu kommen; bald erscheint Die Ursach unsrer Lauer.

Zwetter Mörder. Hufschlag! horcht!

Banquo.

(Hinter der Scene.)

Gebt uns eilt Licht, holla!")

Zwetter Mörder. Er ist's! die andren, Die man erwartete, sind alle schon Im Schlosse.

Erster Mörder. Seine Pferde gehn hemm.

Dritter Mörder. Ja, ein Paar tausend Schritt; er pflegt von hier,

Wie alle Leute thun, bis nach dem Schloß Zu Fuß zu gehn.

Äanquo

und

Fleanee,

mit ein» Fackel, treten auf.

Zweiter Mörder. Ein Licht! ein Licht!

Dritter Set

448

Erster Mörder. Er ist'S!

Dritter Mörder. Drauf los!

Danquo. Heut Nacht giebt's Regen.

Erster Mörder. (Lngreifend.) Na, denn mag er fallen.

Bauquo. Berräterei! — Flieh, lieber Fleance! flieh! flieh! Du rächst vielleicht — o Schuft!

(ör stirbt.)

(Fleance tntfeinmL) Dritter Mörder. Wer schlug die Fackel aus?

Erster Mörder. War's nicht so recht?

Dritter Mörder. Hier liegt nur einer; Fleance entkam.

Zweiter Mörder. Dann ging Die beste Hälfte des Geschäfts verloren.

Erster Mörder. Na, melden wir so viel geschehen ist. (Ätie ab.)

Vierte Scene. Prunkzimmer im Palaste. (Line Festtafel.

Macbeth, Lady Macbeth, Rosse, Lenox, Lortund Gefolge treten auf.

Macbeth. Ihr kennt ja euren Rang; setzt euch.

Herzlich willkommen!

Die Lordö. Dank eurer Majestät!

Einmal für alle

Vierte Sceue.

449

Macbeth. Wir woll'n uns unter die Gesellschaft mischen

Als dienstbeflissner Wirt; die Wirtin bleib' Auf ihrem Thronsitz; doch zur guten Stunde Sei sie ersucht um ihren Willkomm. Lady Macbeth. Sprecht ihr ihn, Herr, für mich den Freunden aus;

Mein Herz heißt fie willkommen. Der erste Mörder erscheint an ter Thür.—i Macbeth. Sieh, ihrer Herzen Dank begegnet dir. — Der Tisch ist gleichbesetzt an beiden Seiten.

Hier will ich sitzen in der Mitte.

Laßt Der Freude Lauf. Wir trinken gleich ein Maß. Rund um den Tisch!“) (Znm Mörder.) Tu hast Blut im Gesicht.

Mörder. So ist es Banquo's. Macbeth. 's ist besser draußen an dir als drin bei ihm. Ist er besorgt? Mörder. Hals abgeschnitten, Herr. Ich that's für ihn.

Macbeth. Du bist der beste von den Halsabschneidern; Doch gut ist wer dasselbe that für Fleance: Wenn du es thatst, bist du der Ausbund. Mörder.

Herr,

Fleance ist entwischt. Macbeth. Dann bin ich wieder krank! sonst wär ich rüstig, Heil wie der Marmor, fest wie Felsengrund, Zwanglos und frei wie die umfah'nde Lust. Jetzt — eingekeilt, gestemmt, gekettet, fest An Ängst' und Zweifel! — Banquo ist doch sicher? GUdemeister, EhakeSvearedramen.

29

450

Dritter Bet

Mörder. Ganz sicher, Herr, in einem Graben liegt er Mit zwanzig tiefen Hieben übern Kopf, Der kleinste tödtlich schon.

Macbeth. Hab' Dank dafür. — Die alte Schlang' ist todt, die junge floh; Sie hat in sich, was Gift erzeugen wird, Vorerst noch keine Zähne. — Mach' dich fort;

($« Mörder ab.)

DaS weitre morgen.

Lady Macbeth. Mein Gemahl, ihr sprecht Kein freundlich Wort. Der Wirt verkauft sein Mahl, Der nicht, dieweil er's giebt, oftmals betheuert, Er geb' es gern. Satt ißt man sich zu Haus;

Doch außer Haus würzt Höflichkeit den Braten; Fehlt sie, so darbt man.

Macbeth. Holde Mahnerin! Nun, laßt's euch munden denn, und wohl bekomm's!

Lenox. Belieb' es eurer Hoheit sich zu sehen. Banquo'ö Geist erscheint und setzt sich auf Macbeth « PIatz.il)

Macbeth. Jetzt hätt' ich Schottlands Ehr' und Glanz zu Tisch, Wenn Banquo's edles Haupt anwesend wäre; Doch will ich lieber ihn unfreundlich schelten

Als ihn bedauern um ein Misgeschick.

Rosse. Herr, seine Säumniß wirft gerechten Makel Auf sein Versprechen. Eure Hoheit woll' uns Durch ihre fürstliche Gesellschaft ehren.

Macbeth. Der Tisch ist voll.

Lcnox. Hier ist ein Platz verwahrt, Herr.

Macbeth. Wo?

Lenox. Weshalb stutzt euer Hoheit?

Hier, lieber Herr.

Macbeth. Wer von euch hat daS gethan?

Die LordS. Was, lieber Herr ?

Macbeth. Du kannst nicht sagen, ich that's.

Schüttle nicht

Die blut'gen Locken gegen mich!

Rosse. Steht auf, ihr Herm; dem König ist nicht wohl.

Lady Macbeth. Bleibt, werthe Freunde; mein Gemahl ist oft so

Und war's von Jugend auf.

Behaltet Platz.

Der Anfall geht vorüber; eh man's denkt, Erholt er sich.

Wenn ihr ihn viel beachtet,

So reizt ihr ihn und dehnt sein Leiden aus. Eßt, gebt nicht Acht auf ihn. — Bist du ein Mann?

Macbeth. Ja, und ein mut'ger, der zu schauen wagt Was Teufel würd' entsetzen.

Lady Macbeth. Saubres Zeug!

Dies ist das rechte Bildwerk deiner Furcht; Dies ist der luftgemalte Dolch, der dich

Zu Duncan zog.

O diese Krämpf' und Schauder,

Nachäffer wahrer Furcht, sie paßten wohl Zu einer Spukgeschicht' am Winterfeuer, Wofür Großmutter guisagt.

Bare Schmach!

Was für Gesichter machst du? und am Ende Siehst du nur einen Stuhl.

Macbeth. So blick' doch hin; sieh da; schau; da! Was sagst du? — Ei, was schiert's mich? du nickst? dann rede auch. —

Wenn Gruft und Beinhaus die uns wiederschickt,

Die wir begraben, dann sei unser Sarg DeS Geiers Bauch!

(Der Geist -erschwindel.)

29*

Dritter »rt.

452

Lady Macbeth. Wie! ganz entmannt durch Thorheit!

Macbeth. Wie ich hier stehe, sah ich ihn.

Lady Macbeth. Pfui, schäm' dich.

Macbeth. Blut ward vordem versprüht, in alter Zeit, Eh das Gesetz den milden Staat gesäubert; Ja, und seitdem auch wurde Mord verübt, Zu schrecklich für das Ohr. Es gab 'ne Zeit, Da, wenn's Gehirn heraus war, starb der Mann, Und damit gut; jetzt stehn sie wieder auf, Mit zwanzig tödtlichen Morden auf dem Haupt Und drängen uns von unsren Stühlen: das Ist seltsamer als solch ein Mord.

Lady Macbeth. Mein werther Herr,

Die edlen Freund' entbehren euch/-)

Macbeth. O, ich vergaß. Erstaunt nicht über mich, liebwerte Freunde; Ich hab' ein seltsam Übel; es ist nichts, Wenn man mich kennt. Kommt, euer aller Wohl! Dann setz' ich mich. — Gebt etwas Wein; schenkt voll. Ich trint aufs Wohlsein dieser ganzen Tafel Und unsres lieben Banquo, der uns fehlt. Wär' er doch hier! mein Durst gilt euch und ihm, Und allen alles!

LordS. Unterthän'gen Dank. Ter

Geist «scheint wieder.

Macbeth. Hinweg! mir aus den Augen! in die Erde! Marklos ist dein Gebein, dein Blut ist kalt, Und keine Sehkraft wohnt in diesen Augen, Die mich anstieren.

Lady Macbeth. Nehmt dies, liebe Pairs, Als ein gewöhnlich Ding ; es ist nichts weiter; Nur daß es uns die Lust der Stunde stört.

Macbeth. Was ein Mann wagt, ich wag'S! Komm du heran wie Rußlands zott'ger Bär, Streitbar'S Rhinoceros, Hyrkaniens Tiger, Komm wie du willst, nur so nicht, und mein Mark Soll nicht erbeben. Oder lebe wieder Und fodre mich zur Wüste mit dem Schwert:" Wenn zitternd ich daheim dann bleibe, schilt Mich Mädchenpuppe! Fort, gräslicher Schatten! Unwirklich Blendwerk, fort! (Der Geist verschwindet.) So, es ist fort, Und ich bin wieder Mann. — Ihr Herrn, sitzt still. Lady Macbeth. Ihr habt die Lust verscheucht, das Fest gesprengt Durch schreckhaft Übel. Macbeth. Kann dergleichen sein Und an uns hingehn wie ein Sommerwölkchen, Ohn' unser tief Erstaunen? Ihr macht mich irr

An meiner eignen Art, wenn ich bedenke Daß ihr Gesichte anschaun könnt wie dies Und den Rubin der Wangen euch bewahrt, Wo mein' erbleicht vor Schreck.

Rosse. Was für Gesichte? Lady Macbeth. Ich bitt' euch, sprecht nicht; er wird schlimm und schlimmer. Fragen ergrimmt ihn. Mit eins gute Nacht.

Kehrt euch nicht an die Ordnung eures Abgangs;

Geht nur sogleich.

Lenox. Wir wünschen seiner Hoheit Bessrung und gute Nacht.

Dritter Set.

454

Lady Macbeth. Schlaft alle wohl. (Die Lord» und (Sr'clge ab)

Macbeth. Es fordre Blut, sagt man, Blut fordre Blut.

Man hat's erlebt daß Steine sich bewegten, Daß Bäume sprachen, daß Augurenkunde

Durch Kräh'n und Elftem den geheimsten Mörder Ans Licht gebracht. — Wie weit ist's in der Nacht? Lady Macbeth. Fast schwanft es schon, ob's Nacht, ob Morgen ist. Macbeth. Was sagst du, daß Macduff ablehnt zu kommen Auf unsre Ladung?

Lady Macbeth. Hast du ihn beschickt? Macbeth. Ich hör's beiläufig; doch ich werde schicken. Nicht einer ist, in besten Haus' ich nicht Bezahlte Diener halte. Morgen will ich (Und zeitig will ich's) zu den Zauberschwestern. Mehr soll'n sie reden; denn jetzt will ich wissen Auf ärgstem Weg das Ärgste. Mir zu gut

Fahr' alle Rücksicht So tief darin, daß, Umkehr so schwierig Seltsames spukt im Und muß vollbracht

hin! ich bin in Blut watet' ich nicht mehr, als durchschreiten wär'."> Kopf mir, drängt zur Hand, sein, eh es wird erkannt.

Lady Macbeth. Dir fehlt der Balsam alles Lebens, Schlaf. Macbeth. Ja, schlafen gehn! Mein seltsam Wahngesicht Ist Neulingssurcht, der Übung noch gebricht.

Wir sind noch jung im Handwerk. (Leite ab.)

Fäuste Sceue.

455

Fünfte Scene. Die Haide. $cnn