Schweizerische Reformbestrebungen für eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften: Neue Impulse für den deutschen Gesetzgeber [1 ed.] 9783428553914, 9783428153916

Nichtehelichen Lebensgemeinschaften wird bislang weder in Deutschland noch in der Schweiz eine gesetzliche oder gar pfli

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German Pages 321 Year 2018

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Schweizerische Reformbestrebungen für eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften: Neue Impulse für den deutschen Gesetzgeber [1 ed.]
 9783428553914, 9783428153916

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Schriften zum Internationalen Recht Band 223

Schweizerische Reformbestrebungen für eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften Neue Impulse für den deutschen Gesetzgeber

Von

Andreas Unverfehrt

Duncker & Humblot · Berlin

ANDREAS UNVERFEHRT

Schweizerische Reformbestrebungen für eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften

Schriften zum Internationalen Recht Band 223

Schweizerische Reformbestrebungen für eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften Neue Impulse für den deutschen Gesetzgeber

Von

Andreas Unverfehrt

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-15391-6 (Print) ISBN 978-3-428-55391-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-85391-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Sie wurde für die Drucklegung geringfügig überarbeitet. Sie berücksichtigt den Stand der Literatur und Rechtsprechung bis zum 04. 11. 2016. Meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Anja Amend-Traut, möchte ich für ihre Unterstützung meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Die Entstehung der Arbeit hat sie durch ihre stete Gesprächsbereitschaft und Hinweise begleitet und gefördert. Herrn Prof. Dr. Steffen Schlinker danke ich sehr herzlich für die Übernahme und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Besonderer Dank gebührt meiner Familie: Meinen Eltern Hans-Joachim und Ursula Unverfehrt, meinem Bruder Volker Unverfehrt und meiner Schwester Anja Unverfehrt, die mir während dieser Zeit immer zur Seite standen. Ebenso danke ich meiner Lebensgefährtin Kristin Maier sowie ihren Eltern Silvia und Willi Maier für die liebevolle Begleitung und den Glauben an meinen Erfolg. In ganz besonderem Maße möchte ich meinen früheren Studienkollegen Dr. Moritz Hilje und Dr. Benjamin Zapf sowie meinem Bruder Volker Unverfehrt und meiner Mutter Ursula Unverfehrt für die sorgfältige Durchsicht meiner Arbeit und die konstruktive Kritik danken. Ferner bedanke ich mich bei meinen ehemaligen Lehrstuhlkollegen Dr. Christian Schmitt, LL.M. Eur., Diplomjurist Josef Bongartz und Dr. Patrick Meier für die anregenden Gespräche und das freundschaftliche Klima, das mir ein ungestörtes Arbeiten ermöglicht hat. Schließlich möchte ich mich bei Herrn Prof. Dr. Peter Breitschmid dafür bedanken, dass er mir seine Literatur auf so unbürokratische Weise zur Verfügung gestellt hat. Dortmund, im Januar 2018

Andreas Unverfehrt

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einleitung

17

A. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B. Gegenstand der Untersuchung und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 C. Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

Kapitel 2 Grundlagen des schweizerischen Erbrechts unter rechtsvergleichender Berücksichtigung deutscher Parallelen

24

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 B. Rechtsdogmatische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Erbrecht und Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Erbrecht und der Schutz von Ehe und Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Legitimationsgrundlagen und Funktionen des Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Versorgungs- und Familienschutzgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Erbrecht und Versorgung der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Bedeutungsverlust und -wandel der versorgungsrechtlichen Funktion des Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Ausbau sozialer Sicherungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 bb) Demographische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 cc) Statusorientierung des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts . . . . . . . 42 2. Partizipations- und Gleichheitsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Ordnungs- und Befriedungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4. Familiäre Nähe und Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Mutmaßliche Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Gelebte Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 c) Rechtlich „gesollte“ Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 IV. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

8

Inhaltsverzeichnis

C. Rechtstatsächliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 II. Soziologische und demographische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft und ihre Bedeutung in der heutigen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Die Pluralisierung der Familien- und Lebensformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Zunahme nichtehelicher Partnerschaften und Geburten . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Rückgang ehelicher Lebensgemeinschaften: Heirats- und Scheidungszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Die heutige Sozialstruktur nichtehelicher Partnerschaften im Vergleich zu Ehepaaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Entwicklungsfaktoren für die Ausbreitung nichtehelicher Lebens- und Partnerschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Allgemeiner Wertewandel in der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung anderer Partnerschaftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Bedeutungswandel des Ehe- und Partnerschaftsverständnisses: Säkularisierung – Individualisierung – Emanzipierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Demographische Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3. Erscheinungsformen nichtehelicher Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Partnerschaften mit Tendenzen zur Ehe oder eingetragenen Partnerschaft 73 aa) Voreheliche Lebenspartnerschaften oder Ehe auf Probe . . . . . . . . . . . . . 73 bb) Nichteheliche Lebenspartnerschaft aufgrund von Eheschließungshindernissen bzw. -verzögerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Partnerschaften, die keine Eheschließung oder Partnerschaftsbegründung anstreben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Die nichteheliche Lebenspartnerschaft als alternatives Partnerschaftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Nichteheliche Lebensgemeinschaften aufgrund ideologischer und/oder wirtschaftlicher Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 cc) Nacheheliche Lebensgemeinschaften und „Alters- bzw. Rentnerkonkubinate“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 dd) Polygame Beziehungsformen nichtehelichen Zusammenlebens . . . . . . . 78 4. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 III. Erben und Vererben: Empirische Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Testierverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa) Testierbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Vererbungsmotive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 b) Der nichteheliche Lebenspartner als testamentarischer Erbe . . . . . . . . . . . . . 85

Inhaltsverzeichnis

9

3. Rechtskenntnis und Rechtsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Relevanz für die Vererbungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Rechtskenntnis der Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Rechtsbedürfnis einer erbrechtlichen Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4. Zusammenfassung und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

Kapitel 3 Die gegenwärtige Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

92

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 B. Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 I. Formlose Begründung und Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Verfassungsrechtliche Stellung unverheirateter und nicht eingetragener Paare . . . 94 III. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Gesetzliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Umfassende Anwendung von Vorschriften anderer Rechtsinstitute? . . . . . . 97 aa) Rechtsregeln des Ehe- und Verlöbnisrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 bb) Rechtsregeln der einfachen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Partnerschafts- bzw. Konkubinatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Zulässige Regelungsinhalte und Grenzen der Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . 105 C. Erbrechtliche Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. Gesetzliche (Erb-)Ansprüche nichtehelicher Lebenspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Gewillkürte Erbenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Grundsatz der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Einschränkungen der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zugunsten nichtehelicher Lebenspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Enterbung und Pflichtteilsentziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Erbverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Positiver Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Erbverzichtsvertrag (negativer Erbvertrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 d) Lebzeitige Zuwendungen und vorweggenommene Erbfolge . . . . . . . . . . . . . 118 e) Vor- und Nacherbeneinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

10

Inhaltsverzeichnis f) Zuwendung eines Vermächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 aa) Grundsätzliche Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Nutzniessungsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 g) Weitere Gestaltungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Kapitel 4 Schwächen der geltenden Erbrechtsregelungen

127

A. Außerachtlassen von Beziehungsrealitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 B. Diskrepanz zwischen mutmaßlichem Erblasserwillen und gesetzlicher Erbfolge . . . . 128 C. Unzureichende Flexibilität erbrechtlicher Gestaltungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . 129 D. Mangelnde Berücksichtigung versorgungsrechtlicher Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Kapitel 5 Reformmodelle

131

A. Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 B. Reformmodelle im Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Die registrierte nichteheliche Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Allgemeine Vorüberlegungen: Etablierung eines neuen formalisierten Statusverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2. Die registrierte nichteheliche Lebensgemeinschaft in anderen Rechtsordnungen 134 a) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Niederlande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Belgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 d) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 e) Kanadische Provinzen Nova Scotia und Quebec . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Bewertung des Modells der registrierten Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 aa) Nachweisbarkeit formalisierter Statusverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Legitimierung der daran geknüpften Rechtsfolgen durch die Partner . . . 144 cc) Stärkung sozialer Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 dd) Ausräumen diskriminierender Vorbehalte durch Etablierung einer Alternativlösung zur Institution Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Inhaltsverzeichnis

11

ee) Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Ehe und Familie . . . . . . . . . . . . . 145 b) Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 aa) Geringe Regelungseffizienz angesichts schon vorhandener formalisierter Partnerschaftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 bb) Nichtbeseitigung des eigentlichen Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Gesteigertes Konfliktpotential bei verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 dd) Fehlende praktische Relevanz ausländischer und kantonaler Registrierungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 ee) Finanzielle Kosten und behördlicher Aufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 II. Die faktische Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Allgemeine Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Realbeziehung statt Statusverhältnis: Abschaffung statusrechtlicher Verhältnisse zugunsten eines an den tatsächlichen Gegebenheiten orientierten Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Realbeziehung neben Statusverhältnis: Einführen eines an den faktischen Gegebenheiten orientierten, erbrechtlichen Instituts der nichtehelichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Die faktische Lebensgemeinschaft in anderen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . 154 a) Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 d) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 e) Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 f) Slowenien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 g) Australien und Neuseeland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 h) Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 i) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Bewertung der an die Realbeziehungen anknüpfenden Regelungsmodelle . . . . 168 a) Bewertung des Modells: Realbeziehung statt Statusorientierung . . . . . . . . . 168 aa) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (1) Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (2) Widerspruch zum konzeptionellen Gedanken des gesetzlichen Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (3) Fehlender Rückhalt in der Gesellschaft – Das Bedürfnis rechtlicher Anerkennung partnerschaftlicher Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (4) Begriffs- und Beweisprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (5) Überlastung der Behörden und Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (6) Komplizierte Verschuldensprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

12

Inhaltsverzeichnis cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Bewertung des Modells: Realbeziehung neben Statusorientierung . . . . . . . . 175 aa) Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (1) Höhere Regelungseffizienz mittels punktueller gesetzgeberischer Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Keine Bedrohung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft 175 (3) Beibehaltung bewährter Erbrechtsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (4) Keine Verletzung der Privatautonomie nichtehelicher Lebenspartner 176 (5) Realisierbare Begriffsbestimmung der rechtlich relevanten Konsensualpartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (6) Unkomplizierte Rechtsfolgenbestimmung in Anbetracht schon vorhandener, erbrechtlich normierter Partnerschaftsinstitute . . . . . . . . . 178 bb) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Kombinierte Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

C. Gesamtbetrachtung und abschließende Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Kapitel 6 Begriffsbestimmung der faktischen Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

183

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 B. Die „Eheähnlichkeit“ als Ausgangspunkt der Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . 183 C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 I. Definitionsansätze in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Definitionsansätze innerhalb der schweizerischen Rechtsprechung und kantonalen Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im unterhaltsrechtlichen Sinne . . . . 186 b) Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im berufsvorsorgerechtlichen Sinne 187 c) Die nichteheliche Lebensgemeinschaft in anderen Regelungszusammenhängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Definitionsansätze innerhalb der deutschen Rechtsprechung und Gesetzgebung 190 3. Definitionsansätze innerhalb der schweizerischen und deutschen Literatur . . . 192 II. Beurteilung und Auswertung der verschiedenen Definitionsansätze im Hinblick auf ein erbrechtliches Begriffsverständnis der nichtehelichen Lebensgemeinschaft 196 1. Wohngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Bedeutung des Merkmals „Wohngemeinschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Inhaltliche Anforderungen an das Merkmal „Wohngemeinschaft“ . . . . . . . . 199 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

Inhaltsverzeichnis

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bb) Gemeinsamer (zivilrechtlicher) Wohnsitz als objektiver Anknüpfungspunkt einer gefestigten Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 cc) Kritik und Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Dauer des Zusammenlebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Bedeutung des Merkmals „Dauer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Inhaltliche Anforderungen an das Merkmal „Dauer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 bb) Mindestdauer nichtehelichen Zusammenlebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 (1) Fristbeginn: Die Wohngemeinschaft als maßgebliches Ereignis . . . . 209 (2) Beziehungsmindestdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (a) Zeitgrenzen anderer Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (b) Fünf-Jahres-Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 cc) Ausnahmen vom Erfordernis einer dauerhaften Wohngemeinschaft . . . 213 (1) Kurzfristige Unterbrechungen der auf Dauer angelegten Wohngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (2) Zusammenleben mit gemeinsamen Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Wirtschaftsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Bedeutung des Merkmals „Wirtschaftsgemeinschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 b) Inhaltliche Anforderungen an das Merkmal „Wirtschaftsgemeinschaft“ . . . 216 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 bb) Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft . . . . . . 217 4. Geschlechtsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Bedeutung des Merkmals „Geschlechtsgemeinschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Inhaltliche Anforderungen an das Merkmal „Geschlechtsgemeinschaft“ . . . 220 aa) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 bb) Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Geschlechtsgemeinschaft . . . . . . 221 5. Weitere Begriffsmerkmale: Abgrenzungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Die nichteheliche Lebensgemeinschaft als Zweipersonenverhältnis . . . . . . . 222 b) Volljährigkeit und Urteilsfähigkeit der Lebenspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Erfassung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften 225 d) Einschränkungen bei nahem Verwandtschaftsverhältnis der Partner . . . . . . . 228 e) Ausschluss durch Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . 230 III. Gesamtschau der Entstehungsvoraussetzungen der faktischen Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV. Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 D. Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 II. Beendigung durch Eheschließung oder Eintragung der Lebenspartnerschaft . . . . 239 III. Beendigung durch einvernehmliche oder einseitige Trennung . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

14

Inhaltsverzeichnis 2. Inhaltliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Das Scheidungsrecht als Anknüpfungspunkt einer Regelung . . . . . . . . . . . . 240 b) „Getrenntleben“ der Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) Trennungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 IV. Regelungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Kapitel 7 Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners: Ein Reformvorschlag

248

A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 B. Grundzüge des Ehegattenerbrechts: Ausgangspunkt der Reformüberlegungen . . . . . . 248 I. Gesetzliches Erbrecht und eheliches Güterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 III. Besondere Formen testamentarischer Begünstigungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . 250 IV. Ehewohnung und Hausrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 C. Vorschlag für die inhaltliche Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Gesetzliches Erbrecht und güterrechtlicher Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Der nichteheliche Lebenspartner als gesetzlicher Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Kein güterrechtlicher Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 II. Pflichtteilsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Keine pflichtteilsgeschützte Erbenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Neugestaltung des Pflichtteilsrechts: Stärkung des erblasserischen Willens . . . 258 a) Pflichtteilsrecht der Nachkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 aa) Reduzierung und Flexibilisierung der Pflichtteilsquoten . . . . . . . . . . . . 259 bb) Einführen einer Pflichtteilsobergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Abschaffung des Pflichtteilsrechts der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c) Erweiterung der Enterbungs- und Erbunwürdigkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Pflichtteilsentziehung: Berücksichtigung strafrechtlich relevanten Verhaltens gegenüber fremden Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 bb) Erbunwürdigkeit: Ausweitung des Opferkreises auf nahe Familienangehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 III. Gewillkürtes Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen bei Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 473 ZGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 IV. Zuweisung der Wohnung und des Hausrates an den überlebenden Konsensualpartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Inhaltsverzeichnis

15

V. Finanzieller Ausgleich von Pflegeleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 D. Gesetzgebungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

Kapitel 8 Der Reformvorentwurf des schweizerischen Bundesrates zur Änderung des Erbrechts vom 4. März 2016

283

A. Die geplante Umsetzung der Motion „Gutzwiller“ im Hinblick auf eine erbrechtliche Besserstellung faktischer Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 I. Herabsetzung der Pflichtteile und Abschaffung des elterlichen Pflichtteilsrechts, Art. 471 ZGB des Vorentwurfs (ZGB-VE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 II. Unterhaltsvermächtnis zugunsten des faktischen Lebenspartners sowie von im Haushalt des Verstorbenen lebenden (Stief-)Kindern, Art. 484a ZGB-VE . . . . . . 285 B. Stellungnahme und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

Kapitel 9 Perspektiven für eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften in Deutschland

291

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

Kapitel 1

Einleitung

„Nicht was der Zeit widersteht, ist dauerhaft, sondern was sich klugerweise mit ihr ändert.“ Unbekannter Autor

A. Anlass der Untersuchung Mit dem Wandel gesellschaftlicher Strukturen müssen sich auch Recht und Gesetz den aktuellen Gegebenheiten und Lebenswirklichkeiten anpassen, da nur auf diese Weise eine entstehende Kluft verhindert und damit die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Rechts bewahrt werden kann. Der Schweizer Jurist Heinz Hausheer formulierte einmal zutreffend, dass es „zur dauernden Aufgabe des Gesetzgebers gehöre, das geltende Recht auf seine Auswirkungen hin zu überprüfen.“1 Es mag daher erstaunen, dass das deutsche und schweizerische Erbrecht von größeren Gesetzesänderungen weitestgehend unberührt geblieben sind. Dies lässt sich zum einen dadurch erklären, dass die jeweiligen Erbrechtsordnungen als kompromissfreudige, klar strukturierte und flexible Regelungswerke ausgestaltet worden sind, deren Konzeption meistens nur in Teilbereichen, jedoch nicht im Gesamten, Kritik2 und demzufolge auch Neuerungen erfahren hat.3 Zum anderen stehen Themen wie der Tod und dessen rechtliche Folgen traditionell nicht im Mittelpunkt gesellschaftlicher und politischer Diskussionen.4 Daher weist auch

1

Hausheer, Zur Revision des Ehe- und Ehegüterrechts, BJM 1977, 217. Zur allgemeinen Kritik am Entwurf des 5. Buches des BGB vgl. Staudinger/Honsell, Einl. zum BGB Rn. 80; Palandt/Sprau, Einleitung Rn. 5, 14. 3 Zum deutschen Erbrecht Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 28; Olzen, Erbrecht, Rn. 31; zum Schweizer Erbrecht Wolff, Pflichtteilsrecht – Forced Heirship – Familiy Provision, S. 69, 70; Druey, Grundriss des Erbrechts, § 2 Rn. 12; Wolf, ZBJV 143 (2007), 301 ff.; Eitel, in: Breitschmid/Ansay (Hrsg.), 100 Jahre Schweizerisches ZGB, 80 Jahre Türkisches ZGB, S. 154, 155. 4 Breitschmid, RabelsZ 72 (2008), 686, 711; Druey, Grundriss des Erbrechts, § 2 Rn. 11. 2

18

Kap. 1: Einleitung

kaum ein anderes Rechtsgebiet eine derart hohe Beständigkeit auf und ist seit seinem Bestehen ohne größere Reformen ausgekommen.5 Allerdings ist in den vergangenen Jahren der Ruf nach grundlegenden und richtungsweisenden Veränderungen des Erbrechts zunehmend lauter geworden.6 Der nunmehr für notwendig gehaltene Handlungsbedarf, erbrechtliche Vorschriften zu reformieren, ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die Sozialstrukturen und familiären Verhältnisse im westeuropäischen Raum – insbesondere auch in Deutschland und der Schweiz – stark verändert haben. Sowohl das deutsche als auch das schweizerische Erbrecht sind zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden und damit bereits über 100 Jahre alt. Die Erbrechtsordnungen beider Länder sind somit von den damaligen gesellschaftlichen und sozialökonomischen Strukturen geprägt. Seither haben sich das Bild der Familie, der Ehe und die damit einhergehenden Wertvorstellungen wesentlich gewandelt. Kennzeichnend für die heutige Familienlandschaft ist ihre Vielfalt an neuen und modernen Familienformen. Eine dieser immer häufiger anzutreffenden Formen des Zusammenlebens ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft [vgl. hierzu Kap. 2, C., II., 1., a), aa)], die in unterschiedlichster Gestalt – etwa als Patchwork-Familie oder als nacheheliche Lebenspartnerschaft7 – in Erscheinung tritt.8 Trotz der sich verändernden Familien- und Sozialverhältnisse tragen aber weder das deutsche noch das schweizerische Erbrecht dieser Entwicklung bisher ausreichend Rechnung. Im Gegensatz zu Deutschland befasst sich die Schweiz jedoch aktuell mit der Modernisierung des Erbrechts. Anstoß für das geplante Reformvorhaben gab die am 17. 06. 2010 durch den Politiker Felix Gutzwiller eingereichte Motion9 „Für ein zeitgemässes Erbrecht“.10 Nach dem Leitgedanken der Motion soll das mehr als einhundert Jahre alte Erbrecht an die „heutigen demographischen und sozialen

5

Palandt/Sprau, Einleitung Rn. 14; Strätz, DNotZ 2001, 452; Breitschmid, RabelsZ 72 (2008), 686, 711; Wolf, ZBJV 143 (2007), 301 ff.; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29 f. 6 Vgl. unter anderem Beckert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 1, 19; Rüdebusch, Vorschlag für eine Reform, S. 25; Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 27 ff.; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 172 ff., 193 ff.; Serozan, successio 1 (2014), 4 ff.; Breitschmid, successio 3 (2009), 276, 295 ff.; Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 314, der im Ergebnis eine Teilrevision des Erbrechts befürwortet. 7 Bei einer nachehelichen Lebenspartnerschaft handelt es sich um eine Partnerschaft, bei der wenigstens einer der Partner zuvor mit einem anderen verheiratet war. 8 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 38 f. 9 Bei einer Motion handelt es sich um einen parlamentarischen Vorstoß, der die schweizerische Regierung beauftragt, auf eidgenössischer, kantonaler oder kommunaler Ebene gesetzgeberisch tätig zu werden. 10 Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. 2010 SR 871, eingereicht am 17. 06. 2010.

A. Anlass der Untersuchung

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Realitäten“ angepasst werden.11 Dazu fordert der Motionär Gutzwiller unter anderem eine liberalere und flexiblere Pflichtteilsregelung. Auf Seiten der Erblassenden bestehe das verstärkte Interesse, den Nachlass nach eigenem Gutdünken zu verteilen, d. h. ohne übermäßig starke Pflichtteilsbindung, insbesondere auch um solchen Beziehungsverhältnissen, die keinem familienrechtlichen Status angehören, eine größere Erbbeteiligung einräumen zu können [vgl. Kap. 2, C., III., 3., c)]. Insoweit sollen gerade nichteheliche Lebenspartner „eine im Vergleich zu den verheirateten sowie den eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnern faire, d. h. gleichwertige Behandlung erfahren“.12 Die Motion „Gutzwiller“ ist in den zuständigen Rechtsetzungsorganen (Nationalund Ständerat) größtenteils auf Zustimmung gestoßen, wurde allerdings dahingehend modifiziert, dass eine völlige Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Lebenspartner nicht angestrebt werden darf.13 Außerdem soll der Kerngehalt des Erbrechts unangetastet bleiben und die Familie als institutionelle Konstante weiterhin geschützt werden.14 Unter diesen einschränkenden Vorgaben ist dem schweizerischen Bundesrat schließlich die Aufgabe übertragen worden, das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht zu modernisieren und dabei die erbrechtliche Stellung unverheirateter Paare zu stärken. Die vorberatende Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats führt dabei in ihrem Bericht zur Motion „Gutzwiller“ aus, dass der „Revisionsentwurf […] von grosser Tragweite sein wird und verschiedene weitere Regelwerke wie das Eherecht, die Bestimmungen über die Unterhaltspflicht in der Familie, […] tangieren wird“15. In entsprechender Weise kommentiert auch der schweizerische Bundesrat das Reformvorhaben, der in seiner Stellungnahme darauf aufmerksam macht, dass der Vorschlag „von rechtspolitischer Tragweite“ sein und „eine vertiefte Reflexion über 11

Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. 2010 SR 871, eingereicht am 17. 06. 2010. 12 Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. 2010 SR 871, eingereicht am 17. 06. 2010. 13 Während der Ständerat am 23. 09. 2010 der Motion „Gutzwiller“ ohne Einschränkungen zugestimmt hatte, nahm der Nationalrat die Motion am 02. 03. 2011 nur unter der einschränkenden Maßgabe an, dass ausschließlich eine erbrechtliche Besserstellung, jedoch keine Gleichstellung unverheirateter und verheirateter Paare in Frage kommen dürfe. Am 07. 06. 2011 stimmte der Ständerat der durch den Nationalrat abgeänderten Motion zu, vgl. Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 31. 03. 2011 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, S. 3; zum Verfahrensverlauf: Protokoll der Ständeratssitzung vom 23. 09. 2010 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. 2010 SR 871 ff.; Protokoll der Nationalratssitzung vom 02. 03. 2011 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. 2011 NR 107 ff.; Protokoll der Ständeratssitzung vom 07. 06. 2011 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. 2011 SR 488 ff. 14 Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 31. 03. 2011 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, S. 3. 15 Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalsrats vom 05. 11. 2010 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, S. 3.

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Kap. 1: Einleitung

das Institut der Ehe zur Folge haben“ wird.16 Angesichts der weitreichenden Zielsetzungen hat Ständeratsmitglied Hermann Bürgi die bevorstehende Überprüfung des Erbrechts als eine „Herkulesaufgabe“ bezeichnet, deren Bewältigung man mit der nötigen Sorgfalt und Rücksichtnahme begegnen muss.17 Am 4. März 2016 hat der schweizerische Bundesrat schließlich seinen Vorentwurf für eine Revision des Erbrechts vorgelegt [vgl. zu dessen einzelnen Regelungen Kap. 8, A.]. Die Reformbestrebungen in der Schweiz sowie das Fehlen einer deutschen Erbregelung zugunsten unverheirateter und nicht eingetragener Paare geben Anlass dazu, sich mit den vermögensrechtlichen Problemen nichtehelicher Lebensgemeinschaften bei deren Beendigung durch den Tod eines Partners näher auseinanderzusetzen.

B. Gegenstand der Untersuchung und Vorgehensweise Mit der geplanten erbrechtlichen Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften widmet sich die vorliegende Studie einem zentralen Aspekt und Hauptstreitpunkt der schweizerischen Erbrechtsreform. Ausgehend vom Blickwinkel der schweizerischen Gesetzeslage wird im Folgenden der Frage nachgegangen, in welchem Umfang bei unverheirateten Paaren erbrechtliche Probleme bestehen und wie diese adäquat gelöst werden können. Obgleich die Reform auch zahlreiche andere Regelungsbereiche, wie das Familien-, Unterhalts- oder Steuerrecht, tangieren soll, liegt der Fokus der Reform auf dem Gebiet des Erbrechts. Lediglich dort, wo Berührungspunkte zum Erbrecht – etwa im ehelichen Güterrecht – vorhanden sind, erstreckt sich die Untersuchung auch auf die in diesem Zusammenhang auftretenden Rechtsfragen. Die Arbeit bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Rechtswissenschaft und juristischer Praxis. Neben der Darstellung bisheriger theoretischer Überlegungen zur erbrechtlichen Behandlung nichtehelicher Partner werden rechtsvergleichende Betrachtungen zu den Ländern angestellt, die bereits Gesetze zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft besitzen. Das aktuelle schweizerische Reformgeschehen ist als Chance anzusehen, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken, um ein Rechtskonzept für die erbrechtliche Behandlung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu entwickeln, das den Anforderungen der Praxis gerecht wird. 16

Stellungnahme des Bundesrats vom 25. 08. 2010 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, auch abgedruckt im Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 31. 03. 2011 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, S. 2. 17 Bürgi, Ständeratssitzung vom 23. 09. 2010 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. 2010 SR 874.

C. Begriffliches

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Vor dem Hintergrund der in der Schweiz diskutierten Lösungsansätze lassen sich auch wertvolle Erkenntnisse im Hinblick auf eine mögliche deutsche Erbrechtsrevision gewinnen. Durch die schweizerische Perspektive wird der deutschen Gesetzgebung die Möglichkeit eröffnet, das eigene Sichtfeld auf dieses Thema zu erweitern und die vorhandenen Problemstellungen aus einer anderen Blickrichtung betrachten zu können. Auf diese Weise lassen sich neue Denkanstöße in das deutsche Erbrecht hineintragen. So können dem deutschen Gesetzgeber gelungene Reformen als Vorbild dienen, während er Regelungen, die sich in der Praxis nicht bewährt haben, vermeiden kann. Nachfolgend soll daher untersucht werden, ob und inwieweit sich die aktuelle Erbenstellung nichtehelicher Lebenspartner, insbesondere im Vergleich zu der von Ehegatten und eingetragenen Partnern, als revisionsbedürftig erweist und daher einer Aufbesserung bedarf. Im Mittelpunkt werden vor allem das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht stehen. Unter Berücksichtigung der rechtsdogmatischen Konzeption des schweizerischen und deutschen Erbrechts [Kap. 2, B.] wird dabei zunächst die tatsächliche [Kap. 2, C.] und (erb-)rechtliche [Kap. 3] Situation nichtehelicher Paare dargestellt. In diesem Zusammenhang wird herausgearbeitet, in welchen Bereichen und in welchem Umfang bei den jeweiligen Erbrechtsordnungen Schwachpunkte im Hinblick auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft auszumachen sind [Kap. 4]. Vor diesem Hintergrund erfolgen – unter rechtsvergleichender Betrachtung anderer Rechtsordnungen – eigene Reformüberlegungen für eine gegebenenfalls notwendige Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften im Erbrecht [Kap. 5 und 6]. Diese münden in einem konkreten Gesetzgebungsvorschlag für ein Erbrecht faktischer Lebenspartner [Kap. 7]. Daran anschließend wird der vom schweizerischen Bundesrat unterbreitete Reformvorentwurf auf seine die nichteheliche Lebensgemeinschaft betreffenden Neuerungen hin kritisch untersucht und mit dem eigenen Reformvorschlag verglichen [Kap. 8]. Angesichts der in Betracht kommenden Reformansätze sollen dann Perspektiven für eine deutsche Erbrechtsmodernisierung mit dem Ziel aufgezeigt werden, dass der deutsche Gesetzgeber diese Impulse aufgreift und in seine Gesetzgebung einfließen lässt [Kap. 9].

C. Begriffliches Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Untersuchung erfolgt an dieser Stelle eine Übersicht über die verschiedenen Begrifflichkeiten, die zur Umschreibung nichtehelichen Zusammenlebens verwendet werden. Dabei fällt auf, dass sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland zahlreiche Begriffe – juristischer und nicht juristischer Art – für das Zusammenleben unverheirateter Paare existieren. Als wohl gängigste Bezeichnung hat sich im schweizerischen und deutschen Rechtsraum der Ausdruck „nichteheliche Lebensgemein-

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Kap. 1: Einleitung

schaft“ etabliert. Dagegen wird im allgemeinen Sprachgebrauch häufig auch von „wilder Ehe“ oder „Ehe ohne Trauschein“ gesprochen.18 Darüber hinaus sind – insbesondere wenn es um rechtliche Zusammenhänge geht – die Begriffe „eheähnliche Gemeinschaft“, „Konsensualpartnerschaft“, „Konkubinat“ sowie „einfache“ und „faktische Lebensgemeinschaft“ anzutreffen.19 Die Bezeichnung „Konkubinat“ findet in Deutschland im Gegensatz zur Schweiz und zum übrigen europäischen Rechtskreis keine Verwendung mehr.20 Zurückzuführen ist dieser Umstand darauf, dass der Begriff des Konkubinats aus seiner Historie heraus mit einer negativen Assoziation belegt ist. Nichteheliches Zusammenleben war lange Zeit nicht nur gesellschaftlich verpönt, sondern bis zum Jahr 1969 auch unter Strafe gestellt, vgl. § 172 StGB a.F. (Ehebruch) und § 180 StGB a.F. (Kuppelei). Obwohl auch in der Schweiz bis 1942 entsprechende Straftatbestände auf Bundesebene existierten, hält man hier – allen voran das schweizerische Bundesgericht21 – an dem Begriff „Konkubinat“ nach wie vor fest.22 Angesichts dieser Tatsache wird trotz der durchaus nachvollziehbaren Kritik23 auf den Begriff des Konkubinats zurückgegriffen. Wie in der aktuellen schweizerischen Rechtsprechung ist der Konkubinatsbegriff wertneutral und ohne seine ehemals herabstufende Konnotation zu verstehen. Außerdem knüpfen viele der oben genannten Begriffe historisch bedingt an das Institut der Ehe an bzw. werden in Abgrenzung zur Ehe verwendet.24 Doch werden unter den Begriffen der „nichtehelichen“ und „eheähnlichen“ Gemeinschaft mittlerweile nicht mehr nur Paare verschiedenen, sondern auch gleichen Geschlechts gefasst.25 Das schweizerische Bundesgericht hat daher auch den Konkubinatsbegriff inzwischen auf die gleichgeschlechtliche Partnerschaft ausgedehnt.26 Sowohl in der 18 Nave-Herz, Familie heute, S. 13; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 3 ff.; Martiny, ZJapanR 10 (2000), 174, 175. 19 Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 176; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 130. 20 Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 8; Strätz, FamRZ 1980, 301; Gernhuber, FamRZ 1981, 721, 722 f.; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34. 21 BGE 124 III 52, 54 f.; BGE 118 II 235, 238. 22 Kritisch dazu Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895 ff.; Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 176; Büchler, in: Rumo-Jungo/ Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 86; Liatowitsch, FamPra.ch 2000, 476 f. 23 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 30; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895 ff.; Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 176; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 86; Liatowitsch, FamPra.ch 2000, 476 f. 24 Die fehlende Geschlechtsneutralität der jeweiligen Begriffe kritisierend Rumo-Jungo/ Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 896; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 66. 25 Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895. 26 BGE 134 V 369, 374; vgl. hierzu auch Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.03; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34.

C. Begriffliches

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Schweiz (seit dem 18. Juni 2004) als auch in Deutschland (seit dem 1. August 2001) können gleichgeschlechtliche Paare ihre Partnerschaft eintragen lassen und damit eine dem Eherecht nachgebildete Recht- und Pflichtenstellung zueinander begründen.27 Dementsprechend ist heutzutage zwischen der eingetragenen und der nicht eingetragenen Partnerschaft zu unterscheiden. Im letzteren Fall wird somit – je nach Beziehungsnähe – auch von einer „lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft“ gesprochen.28 Nachfolgend wird jedoch aus Gründen der Leserlichkeit auf eine durchgehend geschlechtergerechte Sprache verzichtet. Daher sollen unter den Begriffen der nichtehelichen oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft – sofern nicht ausdrücklich nur verschiedengeschlechtliche Paare gemeint sind – stets auch gleichgeschlechtliche Paarbeziehungen erfasst sein. Aus demselben Grund werden im Folgenden vorwiegend maskuline Personenbezeichnungen verwendet. Das heißt, dass mit der Bezeichnung „Ehegatte“, „Ehe- oder Lebenspartner“, „Erblasser“ oder „Erbe“ ebenso die Ehegattin, die Ehe- oder Lebenspartnerin, die Erblasserin sowie die Erbin gemeint ist.

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Der deutsche Gesetzgeber hat sich jedoch im Sommer 2017 dazu entschieden, das Institut der Ehe auch gleichgeschlechtlichen Paaren zugänglich zu machen. Das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 ist am 01. 10. 2017 in Kraft getreten. Seither ist es homosexuellen Paaren erlaubt, zu heiraten. Die Begründung einer neuen eingetragenen Lebenspartnerschaft ist nun nicht mehr möglich, vgl. hierzu BT-Drucks. 18/6665 und 18/12989 sowie BGBl. vom 20. Juli 2017, Teil 1 Nr. 52, S. 2787 f. 28 BSG, SuP 2015, 316; LSG Baden-Württemberg, ZFSH/SGB 2016, 82; SG Aachen v. 27. 11. 2015 – S 19 SO 54/15, abrufbar über: juris; SG Düsseldorf, ZFSH/SGB 2006, 226.

Kapitel 2

Grundlagen des schweizerischen Erbrechts unter rechtsvergleichender Berücksichtigung deutscher Parallelen A. Überblick Ein erbrechtliches Reformbestreben wie das vorliegende kann nur vor dem Hintergrund der rechtsdogmatischen und rechtstatsächlichen Grundlagen des Erbrechts erfolgen. Denn Anlass zur Reform geben nicht die Wandlungen des Erbrechts selbst, sondern die Wandlungen seiner Grundlagen.1 Um die geplante erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebenspartner zu begründen und den erforderlichen Umfang einer Erbrechtsreform zu bestimmen, ist folglich eine Auseinandersetzung mit dem normativen Umfeld des Erbrechts einerseits sowie seinen realen Gegebenheiten andererseits unerlässlich. Bevor sich die Untersuchung der tatsächlichen Bedeutung nichtehelichen Zusammenlebens in der heutigen Gesellschaft zuwendet, sollen zunächst die verfassungsrechtlichen Grundlagen des schweizerischen und deutschen Erbrechts im Einzelnen herausgearbeitet werden, um einen Überblick über die grundsätzlichen Handlungsmöglichkeiten der jeweiligen Gesetzgeber zu erhalten. Schließlich dürfen die Gesetzgeber im Zuge einer Revision des Erbrechts den verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen nicht verlassen. In diesem Zusammenhang wird daher zu klären sein, hinsichtlich welcher Erbrechtsinstitute2 und in welchem Umfang eine Änderung des Erbrechts angesichts verfassungsrechtlicher Schranken überhaupt möglich ist. Insbesondere ist dabei zu untersuchen, ob und inwieweit sich das Verfassungsrecht mit einer erbrechtlichen Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften vereinbaren lässt. Es gilt mithin zu überprüfen, wo die verfassungsrechtlichen Grenzen für ein entsprechendes Reformvorhaben liegen bzw. ob die jeweiligen Gesetzgeber grundsätzlich darin frei sind, ein eheähnliches Rechtsinstitut mit erbrechtlichen Wirkungen zu schaffen. Sodann werden die Legitimationsgrundlagen und Funktionen des Erbrechts dargestellt. Das erbrechtliche Reformvorhaben hat sich auch an dem konzeptionellen 1

Vgl. in diesem Zusammenhang Leipold, AcP 180 (1980), 160. Etwa im Falle einer möglichen Neu- bzw. Umgestaltung des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts. 2

B. Rechtsdogmatische Grundlagen

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Gerüst zu orientieren, auf dem das Erbrecht gegründet ist. So ist neben der Frage, innerhalb welcher verfassungsrechtlichen Grenzen sich die Gesetzgeber bewegen dürfen, vor allem auch entscheidend, welche grundlegenden Prinzipien im Rahmen der jeweiligen änderungsbedürftigen Erbrechtsinstitute beachtet werden müssen. Eine erbrechtliche Einbeziehung nichtehelicher Lebensgemeinschaften kann nicht ohne Berücksichtigung der das Erbrecht beherrschenden Leitmotive erfolgen, sondern muss sich in die vorhandene Gesetzessystematik einfügen. Vor diesem Hintergrund folgt dann eine nähere Befassung mit den rechtstatsächlichen Gegebenheiten nichtehelichen Zusammenlebens. Ob und in welchem konkreten Ausmaß erbrechtlicher Reformbedarf besteht, hängt schließlich maßgeblich von der gesellschaftlichen Stellung nichtehelicher Lebenspartnerschaften ab. Ohne einen entsprechenden Rückhalt in der Gesellschaft ließe sich ein solches Reformvorhaben kaum rechtfertigen. So ist aus gesetzgeberischer Sicht ein klares Bild von den heutigen Partnerschaftsstrukturen schon deshalb erforderlich, um die nichteheliche Lebensgemeinschaft ins Erbrecht wirkungsvoll integrieren zu können.

B. Rechtsdogmatische Grundlagen I. Allgemeines Das Erbrecht ist im dritten Teil des schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) geregelt, womit es zwischen dem Familien- und dem Sachenrecht rangiert. Bereits durch diese gesetzessystematische Einordnung lässt sich erkennen, auf welchen beiden verfassungsrechtlichen Hauptsäulen das Erbrecht gegründet ist.3 Die verfassungsrechtlichen Grundlagen des schweizerischen Erbrechts liegen daher im Grundrecht der Eigentumsgarantie, Art. 26 Bundesverfassung (BV), einerseits sowie im Grundrecht auf Ehe und Familie, Art. 14 BV, andererseits begründet.4 Darüber hinaus ist dem Erbrecht auch der Grundsatz der Gleichbehandlung, Art. 8 BV, innewohnend, der sich vor allem bei der gesetzlichen Verwandtenerbfolge niederschlägt, vgl. Art. 457 II, 458 II, 459 II ZGB.5 Anders als die schweizerische Bundesverfassung hat die deutsche Grundrechtsordnung das Erbrecht in Art. 14 I Grundgesetz (GG) im Zusammenhang mit der 3 Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 62 Rn. 1; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 12 m.w.H.; Lange/Kuschinke, Erbrecht, S. 4. 4 Wolf/Genna, SPR IV/1, S. 3; Druey, Grundriss des Erbrechts, § 2 Rn. 2; Hangartner, in: FS Cagianut, S. 69, 80 f.; auch auf die enge Verbindung zum Familienrecht verweisend Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justizund Polizeidepartments, S. 323; ausführlich hierzu Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 12, 15 ff., 27 ff. 5 Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 12.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

Eigentumsfreiheit ausdrücklich normiert. Allerdings steht auch die deutsche Erbrechtsgarantie in enger Verbindung zum Familienrecht. Art. 14 I GG wird daher inhaltlich durch Art. 6 I GG konkretisiert.6 Nachfolgend sollen nunmehr die verfassungsrechtlichen Kerngehalte, auf denen das schweizerische Erbrecht basiert, sowie die entsprechenden Legitimationsgrundlagen und Funktionen im Speziellen näher untersucht werden. Dabei konzentriert sich die anstehende Analyse auf die zentralen Eckpunkte der grundrechtlich geschützten Garantieebenen des Erbrechts.

II. Verfassungsrechtliche Grundlagen 1. Erbrecht und Eigentumsgarantie Art. 26 I BV garantiert den Schutz des Eigentums. Obwohl der Gesetzeswortlaut – im Unterschied zum deutschen Grundgesetz in Art. 14 I GG7 – das Erbrecht nicht explizit regelt, entspringt die Erbrechtsgarantie als logische und notwendige Konsequenz aus der Eigentumsgarantie.8 Vom Schutzbereich der Norm ist insofern nicht bloß das lebzeitige Verfügungsrecht des Eigentümers erfasst. Vielmehr soll der Rechtsinhaber auch über seinen Tod hinaus bestimmen dürfen, auf wen und in welchem Umfang sein zu Lebzeiten erwirtschaftetes Privatvermögen übergeht.9 Im Schrifttum herrscht Einigkeit darüber, dass das Erbrecht als Ausfluss der Eigentumsfreiheit von Art. 26 BV mitumfasst ist.10 Dass die schweizerische Grund6

Maunz/Dürig/Papier, GG-Kommentar, Art. 14 Rn. 302; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rn. 45; MüKo-BGB/Leipold, Einl. zum Erbrecht Rn. 35 ff., 39; MüKo-BGB/Lange, § 2303 Rn. 3 ff.; Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 79; Jarass/ Pieroth/Jarass, Art. 14 Rn. 105; Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 119; Groll/Rösler, C VI Rn. 2. 7 Vgl. Art. 14 I 1 GG: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“ 8 BSK-ZGB-II/Breitschmid, Vor Art. 467 – 536 Rn. 3; Wolf/Genna, SPR IV/1, S. 3 f.; Beck, Grundriss des schweizerischen Erbrechts, S. 12; Müller, ZSR 100 (1981) II, 1, 51; Hangartner, in: FS Cagianut, S. 69, 81; Richner/Frei, Kommentar zum Züricher Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, § 1 Rn. 49, 53; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 16; Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts (Bd. I), S. 30 stellt in diesem Zusammenhang für die deutsche Grundrechtsordnung zutreffend fest, dass die institutionelle Garantie des Eigentums das Erbrecht erfordert. Das Erbrecht würde daher auch ohne dessen ausdrückliche Normierung durch die Eigentumsgarantie verfassungsrechtlich abgesichert sein; in diesem Sinne auch Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 72. 9 Vgl. auch die grundsätzliche Feststellung des deutschen BVerfG in: BVerfGE 93, 165, 173: „Das Erbrecht hat die Funktion, das Privateigentum als Grundlage der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung mit dem Tod des Eigentümers nicht untergehen zu lassen, sondern seinen Fortbestand im Wege der Rechtsnachfolge zu sichern.“ 10 BSK-ZGB-II/Breitschmid, Vor Art. 467 – 536 Rn. 3; Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 6; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 15, 16; Hangartner, in: FS Cagianut, S. 69, 81; Druey,

B. Rechtsdogmatische Grundlagen

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rechtslehre diesen verfassungsrechtlichen Regelungszusammenhang hingegen nur selten konkret benennt, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sie den erbrechtlichen Verfassungsgehalt als selbstverständlich – also keiner gesonderten Erwähnung bedürfend – betrachtet.11 Infolgedessen bleibt zu konstatieren, dass die Institution des Erbrechts dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie aus Art. 26 BV unterfällt. Damit ist allerdings noch nicht geklärt, welche konkreten erbrechtlichen Garantieebenen Art. 26 I BV enthält. Schließlich erfordert eine Umgestaltung der erbrechtlichen Normgesetzgebung mit dem Ziel, die Stellung nichtehelicher Lebenspartner zu verbessern, das Wissen um die grundsätzlichen Möglichkeiten gesetzgeberischen Handelns. Je nach Umfang und inhaltlicher Reichweite der Erbrechtsgarantie könnten dem Gesetzgeber verfassungsrechtliche Schranken auferlegt sein, die er bei der Umsetzung seiner Reformbestrebungen zu berücksichtigen hätte. Während sich in Deutschland aufgrund der ausdrücklichen Erbrechtsgarantie in Art. 14 I GG ein relativ klares Bild bei den grundrechtlich geschützten Erbrechtspositionen abzeichnet,12 haben sich in der Schweiz diesbezüglich keine scharfen Konturen herausgebildet. Unstreitig gehört neben der Privaterbfolge selbst das Prinzip der Testierfreiheit zu den von Art. 26 BV geschützten Kernelementen, da es unmittelbar an die Eigentumsfreiheit anknüpft.13 Letztere gewährt nämlich nicht nur das lebzeitige Gestaltungsrecht, Vermögen zu bilden, zu erhalten und weiterzugeben, sondern garantiert den Erblassern auch, nach eigenem Gutdünken über ihren Nachlass zu verfügen.14 So ist letztlich auch die Testierfreiheit „nur ein Teilaspekt der Verfügbarkeit und damit

Grundriss des Erbrechts, § 2 Rn. 2; Steinauer, Le droits des successions, Rn. 5 ff.; BK-ZGB-III/ Weimar, Einl. zu Art. 457 – 516 Rn. 8. 11 Dieser Auffassung auch Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 16. 12 BVerfGE 67, 329, 340 f.; BVerfGE 91, 346, 358; BVerfGE 58, 377, 398; BVerfGE 99, 341, 350 ff.; BVerGE 112, 332 = NJW 2005, 1561 = FamRZ 2005, 1441 m. Anm. J. Mayer = JZ 2005, 1001 m. Anm. Otte; BGHZ 118, 361, 365 = NJW 1992, 2827; Leipold, Erbrecht, Rn. 67 ff. m.w.H.; MüKo-BGB/Leipold, Einl. zum Erbrecht Rn. 29 ff.; Leipold, AcP 180 (1980), 160, 161 ff.; Staudinger-Eckpfeiler/Meyer-Pritzel, Erbrecht (Y) Rn. 1 ff.; Staudinger/ Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 60 ff.; Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts (Bd. I), S. 12; Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum GG, Art. 14 Rn. 514 ff.; Badura, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 151 ff.; Gaier, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 161 ff.; Lange/ Kuchinke, Erbrecht, S. 25 ff. 13 Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 15; Steinauer, Le droits des successions, Rn. 5 ff.; Druey, Grundriss des Erbrechts, § 2 Rn. 2; Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments, S. 322. 14 BSK-ZGB-II/Breitschmid, Vor Art. 467 – 536 Rn. 3.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

der Privatheit des Eigentums“.15 Insofern ist sie als eine spezifische erbrechtliche Ausprägung der Privatautonomie zu verstehen.16 Da die schweizerische Grundrechtslehre aber keine weitergehende Konkretisierung der durch die Eigentumsgarantie geschützten Erbrechtsinhalte vornimmt, lässt sich im Übrigen auch nicht eindeutig ermitteln, welche weiteren erbrechtlichen Garantieebenen überhaupt von Art. 26 BV, insbesondere auch im Zusammenhang mit Art. 14 BV17, umfasst sind und demnach durch den Gesetzgeber beachtet werden müssen.18 Diesbezüglich weist Fankhauser zutreffend darauf hin, dass „nicht nur das (meist sehr allgemein gehaltene) Verfassungsrecht Kriterien dafür liefern [kann], wie die Eigentumsgarantie ein erbrechtliches Mindestgerüst institutionell prädisponieren soll.“19 Vielmehr spiegelt sich der Wesensgehalt eines Grundrechts auch in der einfachen Gesetzgebung wider.20 Obgleich die konkrete Ausgestaltung und Reichweite der Erbrechtsgarantie natürlich nicht einer einfachgesetzlichen Inhaltsbestimmung unterworfen werden können,21 verdeutlichen die einfachen Gesetze die gesetzgeberischen Grundvorstellungen zum Erbrecht. Der Mindestgehalt einer institutionellen Garantie wird somit durch das Gesetzesrecht mitdefiniert.22 Neben der Privaterbfolge selbst und der Testierfreiheit wird man daher – auch mit Blick auf die deutsche Grundrechtsordnung – die Familienerbfolge einschließlich des Pflichtteilsrechts zum Wesensgehalt des Erbrechts zählen müssen.23 Schließlich stellt das gesetzliche und pflichtteilsgeschützte Erbrecht als Ausdruck familiärer Solidarität einen zentralen Pfeiler der schweizerischen sowie der deutschen Erbrechtsordnung dar. Da das gesetzliche Verwandten- und Ehegattenerbrecht ent15

Leipold, Erbrecht, Rn. 62. Leipold, Erbrecht, Rn. 61; MüKo-BGB/Leipold, Einl. zum Erbrecht Rn. 17; Olzen, Erbrecht, Rn. 92. 17 Art. 14 BV: „Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet.“ 18 Zur Konkretisierung der durch den Kerngehalt der Eigentumsfreiheit geschützten materiellen Gehalte biete UNO-Pakt I gewisse Anhaltspunkte, Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 15. 19 Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 15; dazu auch BSKZGB-II/Breitschmid, Vor Art. 467 – 536 Rn. 3; darüber hinaus biete UNO-Pakt I zur Konkretisierung der durch den Kerngehalt der Eigentumsfreiheit geschützten materiellen Gehalte gewisse Anhaltspunkte, Schefer, Die Kerngehalte von Grundrechten, S. 467. 20 Rhinow, Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, Rn. 1604. 21 Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts (Bd. I), S. 13, 20. 22 Vallender/Hettich, in: St. Galler Kommentar zu Art. 26 BV, Rn. 13; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 18. 23 Vgl. sowohl Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 6, die vom gesetzlichen Erbrecht als Ausfluss der Eigentumsgarantie sprechen als auch BSK-ZGB-II/Breitschmid, Vor Art. 467 – 536 Rn. 9, der eine Abschaffung des Pflichtteilsrechts als mit dem vorherrschenden Rechtsempfinden unvereinbar ansieht; vgl. auch Richner/Frei, Kommentar zum Züricher Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, § 1 Rn. 53; für Deutschland Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 61 ff., 78 ff.; Badura, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 151, 152. 16

B. Rechtsdogmatische Grundlagen

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sprechend starke familienrechtliche Bezüge und Verknüpfungen aufweist, liegt dessen verfassungsrechtlicher Ursprung jedoch nicht allein in Art. 26 BV, sondern vor allem in Art. 14 BV begründet.24 Aus diesem Grund erfolgt eine genauere Befassung mit diesen familienrechtlich geprägten Erbrechtsgrundsätzen erst im nachfolgenden Abschnitt [vgl. Kap. 2, B., II., 2. sowie Kap. 2, B., III., 1. und 4.]. Angesichts der verfassungsrechtlich weitestgehend konturenlosen Vorgaben zur Reichweite der Eigentumsgarantie können für eine Veränderung des bestehenden Erbrechts keine klaren verfassungsrechtlichen Schranken ausgemacht werden. Die Grenze erbrechtlicher Reformbestrebungen ist vielmehr dort zu ziehen, wo der absolute Kernbereich der Erbrechtsgarantie betroffen ist.25 Das bedeutet, dass jedenfalls die vom Schutzbereich der Eigentumsfreiheit umfassten Prinzipien der Privaterbfolge und Testierfreiheit in ihrem Bestand erhalten bleiben müssen.26 Die gänzliche Abschaffung des Erbrechts wäre unzulässig.27 Zudem wird man dem Erblasser einen ausreichenden Gestaltungsfreiraum belassen müssen, den Nachlass entsprechend seinen Vorstellungen verteilen zu können. Gleichwohl darf dieser Freiraum nicht so groß sein, dass pflichtteilsgeschützte Erbansprüche faktisch ausgehöhlt werden. In diesem Zusammenhang weist Breitschmid zu Recht darauf hin, dass die verfassungsrechtliche Pflichtteilsgarantie nicht so weit führt, dass auch das schweizerische Noterbrecht in seiner konkreten Ausgestaltung – also der Anspruch der Pflichtteilserben auf Erbenstellung und nicht nur auf einen bestimmten Geldbetrag28 – zu den unumstößlichen Prinzipen des Erbrechts gehöre.29 Vielmehr wäre auch eine den Pflichtteilsberechtigten weniger begünstigende Gestaltung entsprechend dem deutschen Recht möglich, wo der Pflichtteil lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegenüber den Erben begründet, § 2174 BGB. Der Gesetzgeber ist durch Art. 26 BV in seinem Handeln nur insoweit beschränkt, als er sich nicht zu weit von den erbrechtlich bestehenden Grundstrukturen entfernt.30 Bei der Etablierung eines Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner sind daher die dem Erbrecht zugrunde liegenden Prinzipien in ihrem Kerngehalt zu wahren. Das bedeutet aber nicht, dass auch ihre gegenwärtige inhaltliche Ausgestaltung unabänderlich beibehalten werden muss.

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Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments, S. 320, 323. 25 Vgl. mit Blick auf die Eigentumsgarantie Vallender/Hettich, in: St. Galler Kommentar zu Art. 26 BV, Rn. 14, 29 ff.; Rhinow, Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, Rn. 1612 ff.; Müller/Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 1020 ff. 26 Biaggini, BV Kommentar, Art. 26 Rn. 9, 23, 40 ff. 27 MüKo-BGB/Leipold, Einl. zum Erbrecht Rn. 10. 28 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 44. 29 BSK-ZGB-II/Breitschmid, Vor Art. 467 – 536 Rn. 10. 30 Müller, ZSR 100 (1981) II, 1, 51.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

Auch in Deutschland werden aufgrund der speziellen Erbrechtsgarantie in Art. 14 I GG intensive Diskussionen darüber geführt, welcher grundrechtlich geschützte Mindestgehalt hieraus für das Erbrecht folgt.31 Einigkeit besteht jedoch dahingehend, dass vom Schutzbereich des Art. 14 I GG und Art. 6 I GG die Privatund Familienerbfolge sowie die Testierfreiheit und das Pflichtteilsrecht umfasst sind.32 2. Erbrecht und der Schutz von Ehe und Familie Neben der Eigentumsfreiheit stellt auch der in Art. 14 BV gewährleistete Schutz von Ehe und Familie eine wesentliche Grundlage des Erbrechts dar. Das Erbrecht wird somit durch das Familienrecht mitgeprägt. Aufgrund der engen Verknüpfung dieser beiden Rechtsgebiete muss das Erbrecht stets in familienrechtlichen Kontexten gesehen werden.33 Auf diesen Zusammenhang wurde sowohl bei der Entstehung des schweizerischen ZGB34 als auch der des deutschen BGB35 hingewiesen. Die familienorientierten Grundlagen des Erbrechts werden insbesondere bei der gesetzlichen und pflichtteilsgeschützten Erbfolge sichtbar.36 So liegt dem gesetzlichen Verwandten- und Ehegattenerbrecht, vor allem aber dem Pflichtteilsrecht der nächsten Angehörigen, der Legitimationsgedanke der Familienverbundenheit und Familiensolidarität zugrunde. 31

Otte, AcP 202 (2002), 317; Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 60 ff. m.w.H.; Groll/ Rösler, C VI Rn. 2. 32 BVerfG, NJW 2005, 1561 Rn. 51; BVerfG NJW 1995, 2624; Badura, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 151 ff.; Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 61 m.w.H.; Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts (Bd. I), S. 67 ff.; Leipold, AcP 180 (1980), 160, 162. 33 Schaer, Ist das Pflichtteilsrecht ein erhaltenswertes Institut?, S. 67 ff.; Druey, Grundriss des Erbrechts, § 2 Rn. 1; Steinauer, Le droits des successions, Rn. 6; vgl. hierzu im Zusammenhang mit dem Pflichtteilsrecht Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts (Bd. I), S. 89 f., 206 f. 34 Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments, S. 323. 35 Ebenso war für die Redaktoren des deutschen BGB klar, dass der Gedanke der Familienverbundenheit und Familiensolidarität eine maßgebliche Legitimationsgrundlage des Erbrechts darstelle; vgl. v. Schmitt, Begründung des Entwurfs eines Rechtes der Erbfolge für das Deutsche Reich und des Entwurfes eines Einführungsgesetzes, S. 41 f. bzw. im Nachdruck von Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, S. 157 f.; v. Gierke, Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuchs und das deutsche Recht, S. 505 ff.; Mommsen, Entwurf eines deutschen Reichsgesetzes über das Erbrecht nebst Motiven, S. 9 ff. und S. 147 ff.; vgl. auch Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches, Band 5: Erbrecht, S. 469 ff.; Baron, AcP 75 (1889), 177, 183, 185, 187; BVerfGE 112, 332 Rn. 72 = ZEV 2005, 301, 303 f. 36 Vgl. hierzu Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 119: „Die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht sind Rückverweisungen auf die familienrechtlich vorgeprägte Solidarordnung.“

B. Rechtsdogmatische Grundlagen

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Im Familienerbrecht gewinnt der Aspekt des familiären Zusammenhalts somit in zweifacher Hinsicht an Bedeutung: Nämlich zum einen im Rahmen der Partnerschaft und zum anderen innerhalb der Verwandtschaftsbeziehungen.37 Als Ausdruck familiärer Solidarität und Verbundenheit sollen gesetzliches Erbund Pflichtteilsrecht den zwischen Erblasser und Familienangehörigen bestehenden persönlichen Beziehungen und wirtschaftlichen Verflechtungen Rechnung tragen [vgl. hierzu Kap. 2, B., III., 4.]. Damit ist dem Erbrecht unter anderem die Aufgabe zu eigen, den lebzeitigen Unterhalts- und Unterstützungspflichten innerhalb des engsten Familienkreises auch nach dem Ableben des Erblassers zu entsprechen.38 Der Schutz der Familie stellt aber nicht nur für das schweizerische, sondern gerade auch für das deutsche Erbrecht eine wesentliche Legitimationsgrundlage dar.39 So hat das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seiner Rechtsprechung bekräftigt, dass vor allem das Pflichtteilsrecht „in einem engen Sinnzusammenhang mit dem durch Art. 6 I GG gewährleisteten Schutz des Verhältnisses zwischen dem Erblasser und seinen Kindern“ stehe.40 Vor diesem Hintergrund sei auch bei der Auslegung der Pflichtteilsentziehungsgründe grundsätzliche Zurückhaltung geboten.41 Eine Erweiterung der Katalogtatbestände in § 2333 BGB um eine 37 Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 28; Steinauer, Le droits des successions, Rn. 6. 38 Breitschmid, successio 1 (2007), 10, 14, 20; BGE 5C_186/2006, E. 3.2.1. 39 Badura, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 151, 157 ff. 40 BVerfGE 112, 332 Rn. 70 = NJW 2005, 1561 = ZEV 2005, 301 ff.; auch das Schrifttum bejaht die verfassungsmäßige Garantie des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts, sei es aus Art. 14 GG oder aus Art. 6 GG oder aus einer Zusammenschau beider; vgl. Herzog, FF 2006, 86, 89 f.; Maunz/Dürig/Papier, GG-Kommentar, Art. 14 Rn. 302; wohl auch Bryde, in: v. Münch/ Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 14 Rn. 45; MüKo-BGB/Leipold, Einl. zum Erbrecht Rn. 35 ff., 39; MüKo-BGB/Lange, § 2303 Rn. 3 ff.; Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 79; Haas, ZEV 2000, 249, 253, 260; Jarass/Pieroth/Jarass, Art. 14 Rn. 105; Bamberger/ Roth/J. Mayer, § 2303 Rn. 2; Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 119; Badura, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 151 ff.; Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts (Bd. I), S. 67 ff. 41 Gleichwohl hat der deutsche Gesetzgeber im Zuge der am 01. 01. 2010 in Kraft getretenen Erbrechtsreform die Pflichtteilsentziehungsgründe erweitert. Seither besteht die Möglichkeit einen Pflichtteilsberechtigten auch dann zu enterben, wenn er einer dem Erblasser nahestehenden Person (bspw. Lebenspartner, Pflege- oder Stiefkindern) nach dem Leben trachtet oder sie körperlich schwer misshandelt, § 2333 I Nr. 1, 2 BGB. Zuvor war eine Enterbung nur in den Fällen möglich, in denen der Pflichtteilsberechtigte dem Erblasser selbst, seinem Ehegatten oder den leiblichen Kindern nach dem Leben trachtete. Der von § 2333 I Nr. 1 und Nr. 2 BGB erfasste Personenkreis wurde folglich um die dem Erblasser „ähnlich nahestehenden Personen“ erweitert. Darüber hinaus ist dem Erblasser die Entziehung des Pflichtteils nunmehr auch gestattet, wenn der Berechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt worden ist und die Teilhabe des Pflichtteilsberechtigten am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist, § 2333 I Nr. 4 BGB. Dagegen wurde der Enterbungsgrund eines „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ des Abkömmlings abgeschafft.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

allgemeine Zerrüttungs- bzw. Entfremdungsklausel wäre nicht mit dem grundrechtlich gewährleisteten Schutz der Familie vereinbar.42 Mithin gehören zu den grundrechtlich geschützten Garantieebenen des schweizerischen und vor allem auch des deutschen Erbrechts außer dem Rechtsinstitut der Privaterbfolge und dem Grundsatz der Testierfreiheit auch das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht.43 Dabei ist das Familienerbrecht aufgrund seines stark familiär geprägten Normgehalts vorwiegend in Art. 14 BV bzw. Art. 6 I GG verfassungsrechtlich verankert.

III. Legitimationsgrundlagen und Funktionen des Erbrechts Ein Reformbestreben mit dem Ziel, die erbrechtliche Stellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften zu verbessern, erfordert – wie oben bereits beschrieben [Kap. 2, A.] – das Wissen um die Legitimationsgrundlagen und Funktionen des Erbrechts. Denn nur vor dem Hintergrund der das Erbrecht tragenden Grundprinzipien kann im Folgenden erörtert werden, wie sich nichteheliches Zusammenleben, gerade auch in Abgrenzung zu den statusrechtlich anerkannten Partnerschaftsformen (Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft), sinnvoll integrieren lässt. Reformbedarf besteht nur dann, wenn die mit den erbrechtlichen Institutionen verfolgten Regelungsziele nicht mehr mit der Lebenswirklichkeit in Einklang zu bringen sind. Insofern hat sich der Gesetzgeber im Vorfeld eines jeden Reformvorhabens zunächst mit eben diesen konzeptionellen Grundgedanken auseinanderzusetzen und diese auf ihre aktuelle Bedeutung zu überprüfen. Klärungsbedürftig wird daher auch sein, ob und inwieweit die durch die Gesetzgeber festgelegten Legitimationsgrundsätze heute noch Geltung beanspruchen können. Sofern sich diese Grundsätze nicht überholt haben, sind sie bei einer möglichen Revision des Erbrechts zugunsten nichtehelicher Lebenspartner zu berücksichtigen.

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BVerfGE 112, 332 Rn. 81 = NJW 2005, 1561 = ZEV 2005, 301; vgl. hierzu auch Gaier, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 161, 164 f. 43 Vgl. zusammenfassend für Deutschland MüKo-BGB/Leipold, Einl. zum Erbrecht Rn. 29 ff.; Leipold, Erbrecht, Rn. 67 – 73.

B. Rechtsdogmatische Grundlagen

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1. Versorgungs- und Familienschutzgedanke a) Erbrecht und Versorgung der Familie Seit jeher wird die wirtschaftliche Versorgung und Unterhaltssicherung der Angehörigen des Erblassers als eine der wesentlichen Aufgaben des Erbrechts, allen voran des Pflichtteilsrechts, angesehen.44 Dabei trägt das Erbrecht diesem Regelungsgedanken an verschiedenen Stellen Rechnung. So soll mit der Familienerbfolge unter anderem sichergestellt werden, dass das erworbene Familienvermögen, das oftmals die Existenzgrundlage der Angehörigen bildet, auch innerhalb des Familienverbandes weitergegeben wird.45 Der versorgungsrechtliche Charakter kommt in dieser Hinsicht gerade auch beim gesetzlichen Erbrecht der Nachkommen zum Tragen. Das dem gesetzlichen Erbrecht zugrunde liegende Parentelsystem räumt nämlich den Nachkommen des Erblassers eine vorrangige Erbenstellung gegenüber höheren Parentelen und damit älteren Generationen ein, Art. 458 I, 459 I ZGB bzw. § 1930 BGB. Denn vor allem die jüngeren Generationen sind in besonderem Maße auf finanzielle Unterstützung angewiesen, da sie sich vielfach in einer kostenintensiven Phase ihres Lebens – Ausbildung, Familien- und/oder Unternehmensgründung – befinden [vgl. hierzu Kap. 2, B., III., 1., b), bb)]. Insofern begünstigt das Familienerbrecht den Transfer der Privatvermögen von älteren auf die – in der Regel finanzschwächeren – jüngeren Generationen.46 Damit zielt das Erbrecht vom Grundsatz seiner konzeptionellen Ausrichtung darauf ab, vornehmlich auch der Versorgung der Nachkommensgeneration zu dienen.47

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Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 69 Rn. 1; Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 43; Breitschmid, successio 3 (2009), 276, 301 ff.; Druey, Grundriss des Erbrechts, § 2 Rn. 3; Schaer, Ist das Pflichtteilsrecht ein erhaltenswertes Institut?, S. 32; Eitel, in: Schmid/Girsberger (Hrsg.), Neue Rechtsfragen rund um die KMU, S. 43, 72; Staudinger-Eckpfeiler/Meyer-Pritzel, Erbrecht (Y) Rn. 3; Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 4; Rüdebusch, Vorschlag für eine Reform, S. 21 f.; Leipold, AcP 180 (1980), 160, 188 ff.; Staudinger/Otte, Einl. zu §§ 2303 ff. Rn. 20; Kuchinke, FF 2002, 161 ff.; vgl. auch MüKo-BGB/Lange, § 2303 Rn. 7; Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts (Bd. I), S. 89 ff.; Braun/Burger/Miegel u. a., Erben in Deutschland, S. 45, 200; Fuchs, Zivilrecht und Sozialrecht, S. 320; Ebke, Testierfreiheit und Pflichtteilsrecht, S. 81; Hollmann, Pflichtteilsrecht und Familienzusammenhang, S. 65. 45 Staudinger-Eckpfeiler/Meyer-Pritzel, Erbrecht (Y) Rn. 2. 46 Otte, AcP 202 (2002), 317, 354. 47 Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments, S. 322 f.: „So wird man im Ganzen der Vererbung in die fallenden Linien wirtschaftlich den Vorzug geben müssen, bedeutet doch eine Vererbung an Vorfahren in häufigen Fällen eine Überlieferung des Gutes an Personen, die weder seiner bedürfen noch danach verlangen“; v. Schmitt, Begründung des Entwurfs eines Rechtes der Erbfolge für das Deutsche Reich und des Entwurfes eines Einführungsgesetzes, S. 53, 640 bzw. im Nachdruck von Schubert (Hrsg.), Die Vorlagen der Redaktoren für die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, S. 169, 756.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

In diesem Zusammenhang wird gerade dem Pflichtteilsrecht eine Versorgungsfunktion zugewiesen, da es den nächsten Angehörigen des Erblassers eine Mindestteilhabe am Nachlass garantiert und zwar unabhängig davon, ob sie auch testamentarisch bedacht wurden, Art. 471 ZGB bzw. § 2303 BGB.48 Das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht ist demnach bestrebt, die lebzeitig begründeten Unterhaltsund Fürsorgepflichten gegenüber der Familie über den Tod des Erblassers hinaus zu entlohnen.49 Es trägt insoweit den wirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb der Familie Rechnung. Mit dem Familienerbrecht wird daher die Familie als Solidar- und Einstehensgemeinschaft in das Zentrum der Betrachtung gerückt.50 Der Gedanke der Unterhaltssicherung kommt dabei ganz besonders in der Regelung des sog. Dreißigsten (Art. 606 ZGB bzw. § 1969 BGB) zur Geltung.51 Hiernach können die Familienangehörigen des Erblassers, die dessen Hausgemeinschaft angehörten und von diesem Unterhalt bezogen haben, für einen Zeitraum von 30 Tagen nach dem Erbfall die Fortzahlung dieser Unterhaltsleistungen sowie die Weiterbenutzung der Wohnung und Haushaltsgegenstände auf Kosten der Erbschaft beanspruchen.52 Im Unterschied zu § 1969 BGB sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 606 ZGB aber nur die Erbenden anspruchsberechtigt, d. h. nicht auch andere Familienangehörige, welche mit dem Erblasser in dessen Wohnung bzw. Haus zusammengelebt hatten.53 Bemerkenswert ist insofern an der deutschen Regelung, dass sie, unabhängig vom Vorliegen einer Erbenstellung und vom Bestehen einer statusrechtlichen Beziehung zum Erblasser, auch solche Personen erfasst, die vom Erblasser tatsächlich als zur Familiengemeinschaft gehörig

48 Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 69 Rn. 1; Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 43; Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 23; Druey, Grundriss des Erbrechts, § 2 Rn. 3; Staudinger/Otte, Einl. zu §§ 2303 ff. Rn. 20 f.; Kipp/Coing, Erbrecht, S. 51; Linker, Zur Neubestimmung der Ordnungsaufgaben im Erbrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 147 ff.; den Versorgungszweck des Pflichtteilsrechts kritisch betrachtend Eitel, in: Schmid/Girsberger (Hrsg.), Neue Rechtsfragen rund um die KMU, S. 43, 72 f.; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 42 ff.; Bauer, Die innere Rechtfertigung des Pflichtteilsrechts, S. 232 ff.; Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 27, S. 27 ff.; Dauner-Lieb, FF 2000, 110, 114 f., 116. 49 Lange, Erbrecht, Kap. 5 Rn. 6; Linker, Zur Neubestimmung der Ordnungsaufgaben im Erbrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 67 ff.; vgl. in diesem Zusammenhang auch Otte, ZEV 1994, 193, 197 und Pentz, MDR 1998, 751, 752, die im gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht eine sittliche Pflicht des Erblassers gegenüber seinen Nachkommen erblicken; Hollmann, Pflichtteilsrecht und Familienzusammenhang, S. 71 sieht das Pflichtteilsrecht „als Element des Generationenvertrags“ an. 50 Lange, Erbrecht, Kap. 5 Rn. 5. 51 Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 82 Rn. 24; Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 28. 52 Vgl. hierzu auch KUKO-ZGB/Künzle, Art. 606 Rn. 1 f.; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.66. 53 BSK-ZGB-II/Schaufelberger, Art. 606 Rn. 2.

B. Rechtsdogmatische Grundlagen

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betrachtet und behandelt wurden.54 Daher wird auch der nichteheliche Lebenspartner des Erblassers losgelöst von einer Erbenstellung – anders als in der Schweiz – zum Kreise der in § 1969 BGB berechtigten Personen gezählt.55 Des Weiteren kommt der Versorgungscharakter des Erbrechts in Art. 605 ZGB zum Vorschein. Muss nämlich die Teilung der Erbengemeinschaft mit Rücksicht auf ein ungeborenes Kind unterbleiben, so hat die Mutter, soweit erforderlich, bis zu dessen Geburt einen Anspruch auf Unterhalt aus dem Erbschaftsvermögen.56 Darüber hinaus normieren die Art. 328, 329 ZGB eine mit dem Erbrecht in Verbindung stehende Unterstützungspflicht unter den Verwandten.57 Der bedarfsabhängige Unterstützungsanspruch richtet sich bei Vorhandensein mehrerer Unterstützungspflichtiger nach der Reihenfolge ihrer Erbberechtigung, Art. 329 I ZGB. Erbrecht und Unterstützungspflicht werden aufgrund dieses Zusammenhangs häufig als korrelative Begriffe angesehen.58 Im Rahmen der deutschen Erbrechtssystematik findet der versorgungsrechtliche Aspekt überdies seinen Niederschlag in Regelungen wie § 1933 S. 3 BGB59, der mit seinem Verweis auf § 1586b I BGB die Überleitung der Unterhaltsansprüche geschiedener oder sich im Scheidungs- bzw. Aufhebungsverfahren befindlicher Ehegatten auf die Erben anordnet, oder § 1371 IV BGB60, wonach der überlebende Ehegatte zur Finanzierung der Ausbildung der nicht gemeinsamen Kinder des Erblassers, also der Stiefkinder, verpflichtet ist.61 Vor dem Hintergrund dieser Regelungsinhalte spielt der Versorgungs- und Familienschutzgedanke in der rechtsdogmatischen Begründung des schweizerischen sowie deutschen Erbrechts eine zentrale Rolle.62

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MüKo-BGB/Küpper, § 1969 Rn. 2; Staudinger/Dutta, § 1969 Rn. 4. MüKo-BGB/Küpper, § 1969 Rn. 2; Staudinger/Dutta, § 1969 Rn. 4; Palandt/Weidlich, § 1969 Rn. 1; Bamberger/Roth/Lohmann, § 1969 Rn. 3; Soergel/Stein, § 1969 Rn. 2; Jülicher, in: Große-Wilde/Ouart, Deutscher Erbrechtskommentar, § 1969 Rn. 1; OLG Düsseldorf, NJW 1983, 1566 = FamRZ 1983, 274. 56 BSK-ZGB-II/Schaufelberger, Art. 605 Rn. 3 ff. 57 Das Familienrecht trägt der Unterhaltssicherung der Angehörigen insbesondere in den Art. 125, 163 ff. und Art. 276 f. ZGB Rechnung. 58 Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 46 Rn. 4. 59 MüKo-BGB/Leipold, § 1933 Rn. 25. 60 MüKo-BGB/Koch, § 1371 Rn. 52 ff. 61 Hierzu auch Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 32 f. 62 Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 23; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 42 f., 44; Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 69 Rn. 1; Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 43; Henrich, Testierfreiheit vs. Pflichtteilsrecht, S. 12 ff.; Lange, Erbrecht, Kap. 5 Rn. 6; Linker, Zur Neubestimmung der Ordnungsaufgaben im Erbrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 67 ff. und S. 147 ff.; kritisch Staudinger/Otte, Einl. zu §§ 2303 ff. Rn. 20 f. 55

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

b) Bedeutungsverlust und -wandel der versorgungsrechtlichen Funktion des Erbrechts Der Versorgungsfunktion des Erbrechts wird allerdings auch ernstzunehmende Kritik entgegengebracht.63 So steht in der rechtswissenschaftlichen Lehre zur Diskussion, ob und inwieweit der ursprüngliche Gedanke der familiären Fürsorge heute noch eine berechtigte Legitimationsgrundlage erbrechtlicher Institutionen, namentlich des Pflichtteilsrechts, verkörpert und damit auch als solche herangezogen werden darf.64 aa) Ausbau sozialer Sicherungssysteme Ausgangspunkt der Kritik ist vor allem der seit dem Bestehen des ZGB und BGB eingetretene sozial-familiäre Wandel.65 Während zur Zeit der Entstehung der zivilrechtlichen Kodifikationen die finanzielle Versorgung der nach dem Tod des Erblassers („Ernährers“) hinterlassenen Familienangehörigen noch hauptsächlich durch den Familienverband selbst übernommen wurde bzw. von diesem mangels vorhandener sozialer Sicherungssysteme übernommen werden musste, wird diese Aufgabe heutzutage im Wesentlichen durch den Sozialstaat erfüllt.66 Mit dem Ausbau der sozialen Sicherungssysteme und den damit gewachsenen sozialstaatlichen Leistungen, gerade auch im Bereich der Hinterbliebenenrenten bzw. Witwenund Waisenrenten (vgl. für die Schweiz Art. 18 ff. BVG67 und für Deutschland §§ 33 IV, 46 ff. SGB VI; §§ 63 ff. SGB VII; §§ 38 ff. BVG68; §§ 16 ff. BeamtVG69), hat der 63 Breitschmid, successio 3 (2009), 276, 302; Hangartner, in: FS Cagianut, S. 69, 74 f.; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 42 ff.; vgl. zur rechtspolitischen Diskussion in Deutschland Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 4; Leipold, AcP 180 (1980), 160, 188 ff.; Staudinger/Otte, Einl. zu §§ 2303 ff. Rn. 20 f.; Otte, AcP 202 (2002), 317, 338 ff. und 348 ff.; Otte, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 203 ff.; Beckert, in: Deutscher Juristentag (Hrsg.), Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages Berlin 2010, S. L 9, L 17 f.; Beckert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 1, 4; Bengel, in: Deutscher Juristentag (Hrsg.), Verhandlungen des 64. Deutschen Juristentages Berlin 2002, S. L 51, L 60; Rüdebusch, Vorschlag für eine Reform, S. 25; Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 27 ff. 64 Von mancher Seite wird in dieser Hinsicht gar behauptet, dass dem schweizerischen Erbrecht die Versorgungsfunktion weitgehend fremd sei, so etwa Blocher, Ständeratssitzung vom 26. 09. 2007 zum Postulat Fetz (07.3496), Anreize für eine Bevorzugung von Enkeln im Erbfall, Amtl. Bull. 2007 SR 807; eine ähnliche Auffassung bezogen auf das deutsche Erb-, insbesondere Pflichtteilsrecht vertretend Kuchinke, FF 2002, 161, der versorgungsrechtliche Aspekte allein im Familienrecht ansiedelt; auch Staudinger/Otte, Einl. zu §§ 2303 ff. Rn. 20 f.; Otte, ZEV 1994, 193, 194; Otte, AcP 202 (2002), 317, 344, 349 spricht dem Pflichtteilsrecht die ihm zugewiesene Versorgungsfunktion grundsätzlich ab; der Auffassung von Otte widersprechend Ebke, Testierfreiheit und Pflichtteilsrecht, S. 81. 65 Rüdebusch, Vorschlag für eine Reform, S. 22; Hangartner, in: FS Cagianut, S. 69, 74. 66 Lange, Erbrecht, Kap. 2 Rn. 3 sowie Kap. 5 Rn. 6. 67 Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. 68 Bundesversorgungsgesetz.

B. Rechtsdogmatische Grundlagen

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Staat die Familie als „soziales Auffangnetz“ weitgehend abgelöst.70 Folglich hat der Versorgungsaspekt von Erbschaften in dieser Hinsicht an Überzeugungskraft verloren.71 Allerdings dürfte dieses Argument nur eingeschränkt auch für die nichtehelichen Lebenspartner Geltung haben. Diese sind nämlich – im Unterschied zu den Nachkommen oder dem Ehegatten des Erblassers – in deutlich geringerem Umfang durch sozialstaatliche Leistungen abgesichert. So ist etwa die Inanspruchnahme einer Witwen- bzw. Partnerrente ausschließlich Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartnern vorbehalten. Wollen die nichtehelichen Lebenspartner daher für die Zukunft Vorsorge treffen, so können sie entsprechende Angelegenheiten nur untereinander vertraglich regeln. Einer Erbschaft dürfte für nichteheliche Lebenspartner daher aus versorgungsrechtlichen Gesichtspunkten eine nicht unerhebliche Bedeutung zukommen; insbesondere für die Fälle, in denen keine entsprechenden Vereinbarungen getroffen worden sind. bb) Demographische Entwicklung Für den allgemeinen Bedeutungsrückgang der erbrechtlichen Unterhalts- und Versorgungsfunktion werden zudem demographische Faktoren verantwortlich gemacht.72 Die gestiegene Lebenserwartung der Bevölkerung hat zur Folge, dass auch die Erblassenden und Erben immer älter werden.73 Daher kommen Erbschaften heutzutage entsprechend seltener jungen Familien als Unterhaltssicherung oder finanzielle Hilfestellung zugute.74 Doch sind es gerade die jüngeren Generationen, die angesichts von Familien- und Existenzgründung eine finanzielle Unterstützung besonders gut gebrauchen könnten. Stattdessen geht ein Großteil der Nachlässe an Erben, die der Rentnergeneration angehören, also an Personen, die sich in der Regel bereits eine gesicherte Exis69

Gesetz über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (Beamtenversorgungsgesetz). 70 Lange, Erbrecht, Kap. 2 Rn. 3; Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 29; Leipold, AcP 180 (1980), 160, 188 ff.; Rüdebusch, Vorschlag für eine Reform, S. 22; Linker, Zur Neubestimmung der Ordnungsaufgaben im Erbrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 147. 71 So im Ergebnis auch Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 49; Rüdebusch, Vorschlag für eine Reform, S. 23; Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 29 m.w.N.; vgl. aber Strätz, FamRZ 1998, 1553, 1566, der im Falle einer „Verschlankung des Wohlfahrtstaates“ den Versorgungscharakter des Pflichtteilsrechts wieder verstärkt hervorheben will. 72 Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 29; Rüdebusch, Vorschlag für eine Reform, S. 23; vgl. in diesem Zusammenhang auch Sutter-Somm/Kobel, FamPra.ch 2004, 776, 790 f. 73 Lange, Erbrecht, Kap. 1 Rn. 41 ff. 74 Beckert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 1, 4.

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tenzgrundlage aufgebaut haben.75 So fiel in der Schweiz bereits im Jahr 2000 mehr als die Hälfte (51 %) des gesamten Erbvolumens Erben über 55 Jahren zu.76 Im Jahr 2010 lag dieser Anteil schon bei 62 %. Für das Jahr 2020 wird ein weiterer Zuwachs auf 66 % (fast zwei Drittel) prognostiziert. Den Schätzungen zur Folge geht von diesen 66 % wiederum fast ein Fünftel (19 %) des Erbvolumens an Erben, die 75 Jahre oder älter sind. Umgekehrt bedeutet dieser Entwicklungstrend auch, dass jüngere Generationen künftig in noch geringerem Umfang von Erbschaften profitieren werden. Während im Jahre 1980 immerhin noch 40 % des Erbvolumens an Erben im Alter bis 45 Jahren gingen, werden es im Jahr 2020 nur noch 15 % sein.77 Bezeichnend für diese Entwicklung ist das gestiegene Alter der Erblassenden. Im Jahre 1980 wurde noch etwas mehr als die Hälfte des Erbvolumens (52 %) von Erblassenden ab einem Alter von 80 Jahren hinterlassen.78 Bis zum Jahr 2000 stieg dieser Anteil auf 65 %. Im Jahr 2020 wird ein weiterer Anstieg auf 75 % prognostiziert. Die gestiegene Lebenserwartung der am Erbschaftsgeschehen beteiligten Personen führt dazu, dass sich die Privatvermögen zunehmend in den oberen Altersgruppen konzentrieren.79 Während 1980 nur etwas über 30 % des Gesamtvermögens der Schweizer 70-Jährigen oder Älteren gehörten, ist der Anteil im Jahr 2000 bereits auf 44 % gestiegen.80 Für das Jahr 2020 wird sogar erwartet, dass dieser Altersgruppe 50 % des Gesamtvermögens gehören werden. Das Erbschaftsgeschehen spielt sich demzufolge immer mehr zwischen den älteren Generationen ab, womit zwangsläufig ein Bedeutungsverlust von Erbschaften für die Phasen der Kindheit, Jugend und Familiengründung einhergeht.81 Dieselben demographisch bedingten Erbfolgen werden auch in deutschen Studien konstatiert.82 Auch wenn der erbrechtliche Versorgungszweck damit für jüngere Generationen vieles von seinem ursprünglichen Stellenwert eingebüßt hat, ist dieser Gedanke dem Erbrecht nicht gänzlich abhandengekommen.83 Vielmehr hat der Versorgungscharakter an anderer Stelle auch an Bedeutung dazugewonnen.84 75 Vgl. in diesem Zusammenhang Otte, AcP 202 (2002), 317, 335 ff.; Otte, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 203; Rüdebusch, Vorschlag für eine Reform, S. 24. 76 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 179. 77 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 178. 78 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 176. 79 Wolf/Genna, SPR IV/1, S. 20. 80 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 176 f. 81 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 177, 179. 82 Vgl. hierzu Braun/Pfeiffer/Thomschke, Erben in Deutschland, S. 18 ff., 44 f., 64 ff.; ähnliche Ergebnisse auch bei Beckert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 1, 4. 83 MüKo-BGB/Leipold, Einl. zum Erbrecht Rn. 13 f.; Leipold, AcP 180 (1980), 160, 189; Beckert, in: Deutscher Juristentag (Hrsg.), Verhandlungen des 68. Deutschen Juristentages

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Aufgrund der mit der höheren Lebenserwartung gestiegenen Pflegebedürftigkeit sind ältere Generationen heutzutage deutlich stärker und auch in größerer Anzahl als früher auf finanzielle Mittel im Alter angewiesen.85 Dabei wird der Sektor privater Vorsorge durch die heutige Vererbungspraxis nicht sonderlich begünstigt. So sind Kinder, die früher bereits in der Familienaufbauphase geerbt hatten und diese Mittel in Eigenheim und Familiengründung investieren konnten, heutzutage oftmals noch auf ihre Eltern – die heutige „Mittegeneration“ – angewiesen, welche nicht selten die gesamte Ausbildungsphase ihrer Kinder finanzieren müssen.86 Dies erschwert den Aufbau einer persönlichen Altersvorsorge zusätzlich. Der grundsätzlichen Kritik, dass sich der überwiegende Anteil der heutigen Erben kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand befinde und damit bereits ausgesorgt habe, kann somit nicht pauschal zugestimmt werden. Zwar sind die Vorruhestands- und junge Rentnergeneration statistisch gesehen die wohlhabendsten Generationen,87 jedoch ist bereits nach etwa zehn Jahren der Ruhestandsphase infolge der hohen Kosten im Alter ein merklicher Vermögensabbau zu verzeichnen.88 In diesem Zusammenhang gilt es auch zu konstatieren, dass die Leistungsfähigkeit der staatlichen Sozialversicherungssysteme nicht – jedenfalls in näherer Zukunft nicht mehr – ausreichen wird, um den intergenerationellen Finanzbedarf alleine zu decken.89 Dabei wirkt sich nicht nur die mit der gestiegenen Lebenserwartung zusammenfallende längere Rentenbezugsdauer auf die Sozialkassen belastend aus. Neben den höheren Ausgaben sind infolge der Geburtenrückgänge auch immer geringere Einnahmen zu beklagen.90 Mangels ausreichend vorhandener Renteneinzahler werden daher im Jahre 2035 in der Schweiz und 2030 in Deutschland für die FiBerlin 2010, S. L 9, L 18; Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 23 f.; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 42 f. 84 Szydlik/Schupp, KZfSS 2004, 609, 610; Willenbacher, Journal of Familiy History 28 (2003), 208, 209; Vollmer, Verfügungsverhalten von Erblassern und dessen Auswirkungen auf das Ehegattenerbrecht und das Pflichtteilsrecht, S. 171 f.; differenzierend Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 126 f.; vgl. auch Beckert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 1, 4, der angesichts des demographischen Wandels konstatiert, dass Erbschaften eher eine „vierte Säule“ der Alterssicherung, als eine Starthilfe für junge Menschen seien. 85 Szydlik/Schupp, KZfSS 2004, 609, 610. 86 Breitschmid, Startschuss für ein zeitgemäßes Erbrecht, Jusletter 7. März 2011, Rn. 4. 87 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 177. 88 Breitschmid, Startschuss für ein zeitgemäßes Erbrecht, Jusletter 7. März 2011, Rn. 4. 89 Otte, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 203; Vollmer, Verfügungsverhalten von Erblassern und dessen Auswirkungen auf das Ehegattenerbrecht und das Pflichtteilsrecht, S. 22; Linker, Zur Neubestimmung der Ordnungsaufgaben im Erbrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 147. 90 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografische Alterung und soziale Sicherheit, bearb. v. Schmid Botkine/Rausa-de Luca, Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, Neuchâtel 2008, S. 19 ff., abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Knappe/Rubard, in: Schmähl/Ulrich (Hrsg.), Soziale Sicherungssysteme und demographische Herausforderungen, S. 95, 96.

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nanzierung eines Rentners lediglich zwei Erwerbstätige aufkommen müssen.91 Dagegen konnte im Jahre 1995 dieselbe Rentenlast noch auf vier Schultern verteilt werden.92 Ein nahezu identisches Bild spiegelt sich in der deutschen Demographieentwicklung wider. Als Folge einer alternden Gesellschaft können auch in Deutschland Unterhalts- und Pflegenotstände ausgemacht werden.93 So ist in Deutschland allein in den letzten zehn Jahren (2003 bis 2013) eine Zunahme der Altersarmut von 35,6 % (2005 – 2012) festgestellt worden.94 Wegen der gestiegenen Altersbedürftigkeit wurden vereinzelt sogar Vorschläge unterbreitet, die erbrechtlichen Strukturen dahingehend zu verändern, die Nachlässe verstärkt in Richtung älterer Generationen zu steuern.95 Da die private Altersvorsorge in der heutigen Zeit insofern zunehmend an Bedeutung gewinnt, dürfte dahingehend auch das Erbrecht einen durchaus wertvollen Beitrag zu leisten imstande sein.96 Allerdings gilt es hinsichtlich des bei der älteren Bevölkerung gestiegenen Finanzierungsbedarfs auch zu bedenken, dass Erbschaften substanziellen Wertes, also solche, die sich überhaupt zur wirtschaftlichen Absicherung eignen, größtenteils in bereits privilegierten Sozialschichten vorkommen, in denen die Altersvorsorge oh-

91 Storni/Schmid, Input Spezial: Demographischer Wandel. Soziale Sicherheit, S. 20; Hondrich, Der Fall der Geburtenrate – ein Glücksfall, in: NZZ vom 29./30. Juli 2006 (Nr. 174), 13. 92 Storni/Schmid, Input Spezial: Demographischer Wandel. Soziale Sicherheit, S. 20; Hondrich, Der Fall der Geburtenrate – ein Glücksfall, in: NZZ vom 29./30. Juli 2006 (Nr. 174), 13. 93 Bundesamt für Statistik (Deutschland), 20 Jahre Pflegeversicherung: Immer mehr auf Hilfe zur Pflege angewiesen, Wiesbaden 2015, abrufbar unter: www.destatis.de (Stand: 04. 11. 2016); Bundesamt für Statistik (Deutschland), Armutsmessung. 22. Wissenschaftliches Kolloquium gemeinsam mit der Deutschen Statistischen Gesellschaft 21. – 22. November 2013 in Wiesbaden, abrufbar unter: www.destatis.de (Stand: 04. 11. 2016); Börsch-Supan, Altersarmut in Deutschland, Vortrag zum 22. Wissenschaftlichen Kolloquium des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Statistischen Gesellschaft am 21. November 2013 in Wiesbaden, abrufbar unter: www.destatis.de (Stand: 04. 11. 2016); zur sozio-demographischen Entwicklung und dessen Auswirkungen auf das deutsche Erbrecht vgl. unter anderem auch Leipold, AcP 180 (1980), 160, 188 ff.; Rüdebusch, Vorschlag für eine Reform, S. 22 ff.; Beckert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 1, 4 ff.; Szydlik/Schupp, KZfSS 2004, 609 ff.; zum Wandel der sozio-demographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland vgl. Linker, Zur Neubestimmung der Ordnungsaufgaben im Erbrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 76 ff.; Lange, Erbrecht, Kap. 1 Rn. 41 ff. 94 Woratschka/Zawatka-Gerlach, Altersarmut in Deutschland. Immer mehr arme Alte, in: Der Tagesspiegel vom 22. Oktober 2013, abrufbar unter: www.tagesspiegel.de (Stand: 04. 11. 2016). 95 So etwa Linker, Zur Neubestimmung der Ordnungsaufgaben im Erbrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 152, die diesbezüglich allerdings auch eingelenkt, dass das gesetzliche Erbrecht in der Hauptsache die tatsächlichen Näheverhältnisse widerspiegeln müsse. 96 Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 126; Szydlik/ Schupp, KZfSS 2004, 609, 610; Leipold, AcP 180 (1980), 160, 188 f.

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nehin nicht gefährdet ist.97 Dagegen werden diejenigen, die dem Risiko der Altersarmut tatsächlich ausgesetzt sind, regelmäßig keinen Ausgleich durch Erbschaftsanfall erwarten dürfen.98 Mag es bei einer Erbschaft, die vornehmlich ein bereits signifikantes Privatvermögen mehrt, daher auch weniger um Existenzsicherung als um die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards gehen, so bleibt die erbrechtliche Versorgungsfunktion angesichts solcher neu entstehenden Bedarfslagen aber nach wie vor legitimiert.99 Vor diesem Hintergrund dürfte auch die in Teilen der Literatur100 sowie vom deutschen BVerfG101 vertretene Auffassung, die staatliche Sozialversicherung habe die private Vorsorge durch mittels Erbanfall erworbene Vermögen verdrängt, wohl zu weit gehen.102 Stattdessen wird aufgrund der zukünftig zu erwartenden Versorgungsengpässe im Alter von mancher Seite gar eine mögliche Neu- bzw. Wiederbelebung der versorgungsrechtlichen Funktion des Erbrechts gesehen.103 Die mit dem demographischen Wandel einhergehenden gesellschaftsstrukturellen Veränderungen führen somit dazu, dass der dem Erbrecht immanente Versorgungsgedanke selbst im Wandel begriffen ist.104 Einerseits gewinnt die Versorgungsfunktion gerade für Rentnergenerationen zunehmend an Bedeutung. Andererseits treten mit dem Aspekt der Lebensstandarderhaltung neue Funkti97 Szydlik/Schupp, KZfSS 2004, 609, 622 f., 626; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 43; Kröger, Alterssicherung zwischen Eigenvorsorge und unverdienten Vermögen – haben intergenerationale Transfers Auswirkungen auf die Alterssicherung? ZAG-Arbeitspapier Nr. 1 (2009), S. 16; kritisch zur vorhandenen Datenlage Kröger/ Fachinger/Himmelreicher, Empirische Vorschungsvorhaben zur Alterssicherung. Einige kritische Anmerkungen zur aktuellen Datenlage, RatSWD-Arbeitspapier Nr. 170 (2011), S. 1 ff. 98 Vgl. hierzu Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 143; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 43; Kröger, Alterssicherung zwischen Eigenvorsorge und unverdienten Vermögen – haben intergenerationale Transfers Auswirkungen auf die Alterssicherung? ZAG-Arbeitspapier Nr. 1 (2009), S. 17. 99 Darauf hinweisend Leipold, AcP 180 (1980), 160, 189, der den Versorgungsgedanken vor diesem Hintergrund auch für nicht entbehrlich hält; ebenso Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 23; Linker, Zur Neubestimmung der Ordnungsaufgaben im Erbrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 147. 100 So etwa Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 42; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 411 gelangt zu der Schlussfolgerung, dass „das Erbrecht seine Funktion als das Versorgungsinstrument schlechthin für die Hinterbliebenen zugunsten globaler Systeme der sozialen Sicherung in erheblichem Maße eingebüßt hat“. 101 BVerfGE 48, 346, 360. 102 Dieser Ansicht auch Leipold, AcP 180 (1980), 160, 190; Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 126. 103 Otte, AcP 202 (2002), 317, 344; in diesem Sinne auch Szydlik/Schupp, KZfSS 2004, 609, 610; Leipold, AcP 180 (1980), 160, 189. 104 Willenbacher, Journal of Familiy History 28 (2003), 208, 209; Szydlik/Schupp, KZfSS 2004, 609, 610.

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onsweisen hinzu.105 Zudem könnte die Versorgungsfunktion infolge der beabsichtigten erbrechtlichen Besserstellung nichtehelicher Lebenspartner einen weiteren Bedeutungszuwachs erhalten. Denn, wie bereits oben angedeutet, würde eine Erbschaft besonders auch der Versorgung des überlebenden Konkubinatspartners zugutekommen. Diese sind nämlich, gerade wenn es um den Aufbau einer Altersvorsorge geht, gegenüber Ehegatten erheblich benachteiligt. Eine Anrechnung bzw. Übertragung von Rentenanwartschaften ist per Gesetz jedenfalls nicht vorgesehen. Ungeachtet eines künftigen, in welcher Form auch immer ausgestalteten Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner bleibt im Hinblick auf die derzeitige Bedeutung der versorgungsrechtlichen Funktion des Erbrechts festzuhalten, dass infolge des Umstands, dass Erbschaften heute immer seltener jüngeren Generationen als wirtschaftliche Grundlage zur Verfügung stehen, der erbrechtliche Versorgungszweck – abhängig vom Umfang der sozialversicherungsrechtlichen Unterhaltssicherung der hinterbliebenen Familienangehörigen – insgesamt zwar in den Hintergrund getreten, aber nicht bedeutungslos geworden ist.106 cc) Statusorientierung des gesetzlichen Erbund Pflichtteilsrechts Zu alledem steht der erbrechtlichen Versorgungsfunktion neben diesen soziodemographischen Einflussfaktoren auch die Konzipierung des Familienerbrechts selbst entgegen. Da im gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht nämlich die Verteilung des Nachlasses anhand fester Quoten erfolgt, bleiben insoweit die individuellen Bedarfslagen der Erben unberücksichtigt. Für die erbrechtliche Legitimation des Einzelnen ist es demnach ohne Belang, ob tatsächliche Bedürftigkeit oder Versorgungsnöte existieren.107 Der Versorgungsaspekt wird im Erbrecht somit oftmals durch den sich am vermeintlichen Erblasserwillen orientierenden Gleichbehandlungsgedanken überlagert.108 Aus diesem Grund wird im Hinblick auf die rechtsdogmatische Ausgestaltung des Erbrechts auch zu Recht darauf verwiesen, dass nicht

105 Linker, Zur Neubestimmung der Ordnungsaufgaben im Erbrecht in rechtsvergleichender Sicht, S. 69 und S. 147; Gotthardt, FamRZ 1987, 757, 762. 106 Beckert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 1, 4; Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 126; Otte, AcP 202 (2002), 317, 344; aufgrund dieser sozio-demographischen Verschiebungen sind in der Schweiz sogar Gesetzesvorstöße für ein „Enkelerbrecht“ mit der Zielsetzung gemacht worden, die erbrechtliche Stellung jüngerer Generationen zu verbessern, vgl. Postulat Fetz (07.3496), Anreize für eine Bevorzugung von Enkeln im Erbfall, Amtl. Bull. 2007 SR 806, eingereicht am 22. 06. 2007; Postulat Janiak (07.3410), Anreize für eine Bevorzugung von Enkeln im Erbfall, eingereicht am 21. 06. 2007 im Nationalrat. 107 Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 44, 49. 108 Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 44.

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nach dem „Gießkannenprinzip“ flächendeckend, sondern bedarfsbezogen verteilt werden sollte.109 Insofern wird die künftige Aufgabe des Erbrechts auch darin bestehen müssen, ein verteilungsgerechtes Regelungswerk bereitzustellen, das generationenübergreifend den Bedarfslagen älterer und jüngerer Generationen gleichermaßen gerecht wird.110 In diesem Zusammenhang wird insbesondere entscheidend sein, den Versorgungsinteressen der nichtehelichen Lebenspartner hinreichend Beachtung zu schenken. Im Zuge einer erbrechtlichen Besserstellung nichtehelicher Lebenspartner ließe sich daher auch über eine Neu- bzw. Wiederbelebung des versorgungsrechtlichen Charakters nachdenken. Als potentieller Lösungsansatz könnte vor allem eine flexiblere Ausgestaltung des Pflichtteilsrechts in Erwägung gezogen werden, um so die Möglichkeiten einer bedarfsorientierten Nachlassverteilung durch den Erblasser zu vergrößern.111 2. Partizipations- und Gleichheitsgedanke Das Familienerbrecht ist unter anderem von dem Grundsatz der gleichberechtigten Teilhabe durchzogen.112 Der Gesetzgeber hat mit diesem das gesetzliche Erbund Pflichtteilsrecht bestimmenden Leitgedanken sicherstellen wollen, dass die Familie am Nachlass des Erblassenden in jedem Falle partizipiert. Dabei schlägt sich diese gesetzgeberische Konzeption insbesondere im gesetzlichen Verwandtenerbrecht sowie dem sich daran orientierenden Pflichtteilsrecht der Nachkommen nieder.113 Die gesetzliche Erbrechtsordnung sieht nämlich eine gleichmäßige Aufteilung des Erbes unter den derselben Parentel und Rangstufe angehörenden Verwandten vor, Art. 457 II, 458 II, 459 II ZGB.114 Besonders prägnant kommt der Grundsatz der gleichen Nachlassteilhabe daher im Rahmen der pflichtteilsgeschützten Erban109 Breitschmid, successio 3 (2009), 276, 302 Fn. 94; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 44; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 412; Stadler, Das Versorgungselement im gesetzlichen Pflichtteilsrecht, S. 31; vor diesem Hintergrund die dem Pflichtteilsrecht zugedachte Versorgungsfunktion kritisierend Otte, ZEV 1994, 193, 194 f. 110 Vgl. hierzu auch Otte, AcP 202 (2002), 317, 349, der die Frage aufwirft, „ob dem Pflichtteilsrecht nicht in einer Neubestimmung seiner Funktionen Unterhaltssicherung als primäre Aufgabe zugewiesen werden sollte.“ 111 Diesen Ansatz ebenfalls verfolgend Rüdebusch, Vorschlag für eine Reform, S. 26, 27; vgl. auch Strätz, FamRZ 1998, 1553, 1566, der sich für eine bedarfsabhängige und flexible Pflichtteilsregelung ausspricht. 112 Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments, S. 320 ff.; Wolf/Genna, SPR IV/1, S. 21 f.; Bauer, Die innere Rechtfertigung des Pflichtteilsrechts, S. 228 ff. 113 Druey, Grundriss des Erbrechts, § 6 Rn. 55. 114 Dies gilt gleichermaßen auch für Deutschland, vgl. §§ 1924 IV, 1925 II, 1926 II, 1928 II, III, 1929 II BGB.

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sprüche der Kinder zum Ausdruck, da diesen als Noterben eine dingliche Mindestbeteiligung garantiert wird, Art. 471 I ZGB. In gleicher Weise liegt dem deutschen Erbrecht der Partizipations- und Gleichbehandlungsgedanke zugrunde, auch wenn der Pflichtteilsanspruch hier „lediglich“ als schuldrechtlicher Geldanspruch ausgestaltet ist, vgl. § 2303 I 2 BGB.115 So hebt nicht zuletzt das BVerfG hervor, dass „die grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass“ grundrechtlich gewährleistet wird.116

3. Ordnungs- und Befriedungsfunktion Darüber hinaus wird dem Erbrecht eine Ordnungs- und Befriedungsfunktion zugeschrieben.117 Bereits Eugen Huber machte in seinen Erläuterungen zum vierten Teil des ZGB darauf aufmerksam, dass eine der Aufgaben des Erbrechts auch darin bestehe, die mit dem Tod eines Menschen verbundene privatrechtliche Vermögensnachfolge zu ordnen und dabei den Frieden unter den sich nachfolgenden Generationen zu sichern.118 Zur Verwirklichung dieses Ziels trage vor allem das Bestehen einer klaren Ordnung bei. So liegt dem schweizerischen wie auch dem deutschen Familienerbrecht das schematisch strukturierte Parentelsystem zugrunde, welches eine festgelegte Rangfolge und Quotierung unter dem erbberechtigten Personenkreis vorgibt.119 Das Parentelsystem schafft insoweit eine Ordnung innerhalb der familienrechtlichen Beziehungen,120 die auf Seiten der potentiellen Erben eine gewisse Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auslöst und damit letztlich auch der Entstehung von Erbstreitigkeiten entgegenwirkt. Durch die klare Ordnung wird in besonderem Maße dem Pflichtteilsrecht eine starke Befriedungsfunktion zugewiesen, da mit der Gewährleistung eines grundsätzlich unentziehbaren Erbanspruchs das Streitpotential unter den nächsten Angehörigen gesenkt werde.121 Dies wird damit begründet, dass für pflichtteilsgeschützte Erben angesichts einer garantierten Mindestbeteiligung nur ein geringer Grund besteht, den Konflikt mit anderen Erbbegünstigten zu suchen. Von diesem 115 Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts (Bd. I), S. 91 f. 116 BVerfG NJW 2005, 1561 Rn. 51. 117 Michalski, BGB-Erbrecht, Rn. 504. 118 Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments, S. 320 f. 119 Zum Überblick über die rechtsgeschichtlichen Grundlagen des Parentelsystems vgl. Amend-Traut, Ad Legendum 2013, 57, 58 f. 120 Druey, Grundriss des Erbrechts, § 5 Rn. 20. 121 Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments, S. 337.

B. Rechtsdogmatische Grundlagen

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Gedanken ausgehend müsste vor allem das schweizerische Pflichtteilsrecht friedensstiftende Wirkung entfalten. Denn im Unterschied zum deutschen Pflichtteilsrecht wird einem Pflichtteilsberechtigten in der Schweiz nicht nur ein schuldrechtlicher Anspruch eingeräumt, sondern aufgrund dessen inhaltlicher Ausgestaltung als Noterbenrecht auch die dingliche Teilhabe am Vermögen des Erblassers zugesichert. Mithin dürfte sich ein schweizerischer Pflichterbe angesichts seiner starken erbrechtlichen Stellung noch weniger dazu veranlasst sehen, einen Streit auszutragen. Zudem wird darauf verwiesen, dass neben dem gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht auch die gewillkürte Erbfolge geeignet sei, den Frieden zu befördern.122 Durch sie werde es dem Erblasser ermöglicht, den Nachlass mit Rücksicht auf die individuellen Interessen und Verhältnisse im familiären Umfeld zu verteilen, womit sich bereits im Vorfeld etwaige Konfliktsituationen vermeiden lassen könnten. Trotz dieser vom Gesetzgeber angelegten Konzeption wird das Erbrecht seiner ihm zugedachten friedenstiftenden Aufgabe aber nur bedingt gerecht. Zwar dürfte eine klare und verständliche Erbrechtsordnung möglichen Nachlassstreitigkeiten zu einem bestimmten Anteil auch den Nährboden entziehen und damit konfliktvorbeugend wirken. Dennoch zeigt die erbrechtliche Praxis, dass das Streitpotential im Erbrecht relativ hoch ist und daher auch nicht unterschätzt werden darf. Einer schweizerischen Studie zur Folge sind 12,5 % der Erbenden von einem gerichtlichen Erbschaftsstreit betroffen.123 In einer anderen Umfrage gaben sogar 35 % der schon einmal an einem Erbfall beteiligten Personen an, einen Erbschaftskonflikt miterlebt zu haben.124 Von diesen Konflikten führten immerhin auch 29 % zu einem gerichtlichen Verfahren. Dabei steigt das Konfliktpotential tendenziell mit der Erbschaftshöhe an. So treten bei Erbschaften in Höhe von mindestens 500.000 Schweizer Franken in 27,5 % der Fälle Erbstreitigkeiten auf.125 Das heißt dort, wo es auch etwas zu vererben gibt, wird auch entsprechend häufiger ums Erbe gestritten. Ein fast identisches Bild zeigt sich auch in Deutschland, wo es in 17 % der Erbfälle zu Erbstreitigkeiten kommt.126 Auch wenn sich das Streitpotential im Erbrecht damit in Deutschland nicht wesentlich im Vergleich zu dem anderer Rechtsgebiete un-

122 Huber, Schweizerisches Zivilgesetzbuch. Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments, S. 337 f. 123 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 224 f.; Wolf/Genna, SPR IV/1, S. 20. 124 Platzer/Breitschmid, successio 2 (2008), 188. 125 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 225. 126 Vgl. Postbank Erbschaftsstudie 2012, Pressemitteilung vom 31. 05. 2012, durchgeführt durch das Institut für Demoskopie Allensbach im März 2012, abrufbar unter: www.postbank.de (Stand: 04. 11. 2016).

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

terscheidet, endet immerhin fast jeder sechste Erbfall in einem gerichtlich ausgetragenen Rechtsstreit.127 Als Ursache für die auftretenden Erbkonflikte lassen sich verschiedenartige Gründe – obgleich nicht empirisch überprüfbar – anführen. So kommt es in der gerichtlichen Praxis infolge laienhaft verfasster Testamente häufig zu Problemen der Testamentsauslegung, verbunden mit Zwist und Uneinigkeit unter den Erben.128 Eine der Hauptursachen für die Entstehung von Erbstreitigkeiten liegt zudem in den unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Beteiligten begründet. Sieht sich ein Erbe seinen eigenen Empfindungen nach vom Erblasser, gerade im Verhältnis zu anderen Personen, nicht ausreichend berücksichtigt, ist der Streit häufig vorprogrammiert. In manchen Fällen lassen sich die Konflikte auch auf allgemeine Missgunst bzw. Neid anderen Erbbegünstigten gegenüber zurückführen. Aufgrund der recht hohen Konfliktträchtigkeit des Erbrechts wird vereinzelt sogar konstatiert, mit dem Erbfall breche auch der zu Lebzeiten bestehende Familienzusammenhalt auseinander, so dass „der Tod des Erblassers (…) zum Tod der Familieneinheit“ werde.129 Obwohl das deutsche Erbrecht nicht wesentlich streitanfälliger ist als andere Rechtsgebiete, so ist es doch oft ein Streit mit Folgen für die Zukunft. Bricht der familiäre Zusammenhalt weg, so wiegt dies in der Regel schwerer als ein Rechtsstreit mit Dritten. Vor diesem Hintergrund gilt es bei der Schaffung eines Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner darauf zu achten, den familiären Frieden nicht zusätzlich zu gefährden, indem man etwa zu übertriebenen Regelungsänderungen greift. Im Vorfeld des Gesetzgebungsprozesses lässt sich allerdings nicht vorhersehen, inwiefern sich eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebenspartner auf die Befriedungsfunktion des Erbrechts auswirken wird. Denkbar wäre einerseits eine Zunahme erbrechtlicher Konfliktsituationen. Würde man nichtehelichen Lebenspartnern künftig etwa gesetzliche Erbansprüche einräumen, könnte sich infolge der Erweiterung des erbberechtigten Personenkreises das Streitpotential unter den Erben erhöhen. Andererseits wäre es auch denkbar, dass eine gesetzliche Erbenstellung unverheirateter Lebenspartner den gegenteiligen Effekt zur Folge hat und eine Befriedung mit den übrigen Erbberechtigten befördert. Der überlebende Partner sähe sich in diesem Falle nicht dem Verdacht ausgesetzt, auf den Willen des Erblassers zu seinen eigenen Gunsten eingewirkt zu haben.

127 Das erbrechtliche Streitpotential trotz dieser Zahlen als eher gering einstufend Wolf/ Genna, SPR IV/1, S. 20; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 47, 126. 128 Vgl. Postbank Erbschaftsstudie 2012, Pressemitteilung vom 31. 05. 2012, durchgeführt durch das Institut für Demoskopie Allensbach im März 2012, abrufbar unter: www.postbank.de (Stand: 04. 11. 2016), wonach es unter den Erben nur etwa halb so oft zum Streit kommt, wenn eine letztwillige Verfügung unmissverständlich verfasst worden ist. 129 Lange/Kuchinke, Erbrecht, S. 1.

B. Rechtsdogmatische Grundlagen

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Da das Erbrecht aber ohnehin recht konfliktbelastet ist, dürfte der Aspekt der Friedenssicherung einer gesetzlichen Veränderung zugunsten nichtehelicher Lebenspartner jedenfalls nicht sonderlich entgegenstehen. Ob es in Erbangelegenheiten zu Konflikten kommt, hängt letztlich von den Menschen ab, die von einem Erbfall betroffen sind. Der Gesetzgeber kann und soll alleine anhand der geltenden von den überwiegenden Gesellschaftskreisen getragenen Vorstellungen von Sitte und Moral ein Regelwerk schaffen, welches durch möglichst breite Akzeptanz in der Bevölkerung Erbstreitigkeiten vorbeugt. Angesichts der heute existierenden umfassenden Akzeptanz nichtehelicher Lebensgemeinschaften [dazu Kap. 2, C., II., 2., a), aa)] darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass eine erbrechtliche Berücksichtigung von Lebensgefährten überwiegend als „gerecht“ empfunden wird und somit geeignet ist Konflikte zu vermeiden. 4. Familiäre Nähe und Solidarität Für die innere Rechtfertigung des Erbrechts spielt das familiäre Nähe- bzw. Solidaritätsverhältnis, wie bereits im Zusammenhang mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen deutlich wurde [Kap. 2, B., II., 2.], eine herausragende Rolle. Dabei liegt den erbrechtlichen Instituten jedoch kein einheitliches Solidaritätskonzept zugrunde. Diesen können vielmehr unterschiedliche funktionale Bedeutungen zugeschrieben werden.130 Während das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht ausschließlich normativ begründeten Solidarverhältnissen Rechnung trägt, also den auf Abstammung oder partnerschaftlicher Rechtsbeziehung beruhenden Verbindungen,131 wird mit der Testierfreiheit die Verwirklichung tatsächlich gelebter Solidarität möglich.132 Aus rechtsdogmatischer Sicht kann Solidarität somit als Element faktischen Zusammenhalts, aber auch als Zusammenfassung rechtlich vorgeprägter Fürsorgeund Einstandspflichten verstanden werden.133 Konzeptionell betrachtet ist im Erbrecht zwischen „mutmaßlicher“, „gelebter“ und „rechtlich gesollter“ Solidarität zu unterscheiden.134 130

Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 89 ff. 131 Cottier, in: Cottier/Estermann/Wrase (Hrsg.), Wie wirkt Recht?, S. 203, 206. 132 Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 89. 133 Beckert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 1, 6 f.; Lipp, NJW 2002, 2201; Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 86; Henrich, in: Schwab, Dieter/Henrich, Dieter/Gottwald, Peter (Hrsg.), Familiäre Solidarität, S. 1; Schwab, FamRZ 1997, 521; Brudermüller, Geschieden und doch gebunden?, S. 102 ff, S. 128 ff. 134 Vgl. statt vieler Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 86.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

Die verschiedenen Solidaritätskonzepte des Erbrechts sind für die Beantwortung der Fragen, ob Reformbedarf besteht und falls ja, in welchen konkreten Regelungszusammenhängen eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften angezeigt ist, von wesentlicher Bedeutung. Denn abhängig davon, welcher Solidaritätsgedanke einem bestimmten erbrechtlichen Institut zugrunde liegt, lassen sich auch Erkenntnisse bezüglich der Anforderungen ableiten, die an ein erbrechtlich legitimiertes Beziehungsverhältnis zu stellen sind. Bestehen zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft daher ähnlich enge Solidaritätsverhältnisse, wie sie auch bei anderen erbrechtlich anerkannten Partnerschaftformen vorzufinden sind, so spricht dieser Umstand dafür, solche Lebenspartnerschaften mit vergleichbaren Rechten auszustatten. Nachfolgend werden daher die dem Erbrecht innewohnenden Solidaritätskonzepte näher skizziert. a) Mutmaßliche Solidarität Dem gesetzlichen Erbrecht ist der Grundgedanke immanent, die in der Familie vorherrschenden Solidarbeziehungen zum Erblasser widerzuspiegeln und damit den innerfamiliären Bindungen Ausdruck zu verleihen.135 Sowohl das schweizerische als auch das deutsche Familienerbrecht sind in ihrer rechtsdogmatischen Konzeption daher an den mutmaßlichen Näheverhältnissen orientiert.136 Die jeweiligen Gesetzgeber gehen davon aus, dass es bei Fehlen einer letztwilligen Verfügung dem mutmaßlichen Willen eines durchschnittlichen Erblassers entspreche, wenn seine Familienangehörigen (Verwandte, Ehegatte bzw. eingetragener Lebenspartner) als die ihm vermutlich am nächsten stehenden Personen als Erben bedacht werden.137 Als subsidiäres Recht wird der gesetzlichen Erbfolge zudem die Aufgabe zuteil, erbenlose bzw. ungeregelte Nachlässe zu vermeiden.138 Da aber nicht sämtliche Familienmitglieder denselben Nähegrad zum Erblasser aufweisen und daher nicht alle eine vergleichbare Erbenstellung innehaben können, sieht das Gesetz mit dem Parentelsystem eine Erbenhierarchie innerhalb des Fa-

135

Beckert, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 1, 6 f.; Breitschmid, successio 1 (2007), 10, 13; Dutta, Warum Erbrecht?, S. 13 f.; Breitschmid, successio 2 (2007), 142, 143 f. 136 Breitschmid, successio 1 (2007), 10, 13; Staudinger-Eckpfeiler/Meyer-Pritzel, Erbrecht (Y) Rn. 17; Lange/Kuschinke, Erbrecht, S. 5; Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 98 Fn. 61 m.w.H.; a.A. Leipold, AcP 180 (1980), 160, 196, der die Legitimation des gesetzlichen Erbrecht nicht in einem Abbild des mutmaßlichen Erblasserwillens begründet sieht. 137 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 27; Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 15. 138 Druey, Grundriss des Erbrechts, § 5 Rn. 12; Breitschmid, successio 1 (2007), 10, 13.

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milienverbandes vor.139 Demnach sind nicht alle zum Familienverband des Erblassers gehörenden Verwandten als Erben legitimiert. So werden in der Schweiz wie auch in Deutschland die näheren vor den entfernteren Verwandten bei der gesetzlichen Erbfolge berücksichtigt, vgl. Art. 457 ff. ZGB bzw. §§ 1924 ff. BGB. Während diese Rangordnung in der Schweiz mit der dritten Parentel (großelterlicher Stamm) endet, da der Gesetzgeber in weiter entfernten Verwandtschaftsverhältnissen keinen ausreichenden Beziehungsgrad mehr zum Erblasser und damit keine Legitimation zu dessen Beerbung erblickt, kennt das deutsche Erbrecht eine solche Begrenzung nicht. Stattdessen rangieren nach deutschem Erbrecht noch die entferntesten mit dem Erblasser verwandten Personen als gesetzliche Erben vor dem Gemeinwesen, vgl. §§ 1929, 1936 BGB. Den schweizerischen und deutschen Erbfolgeregelungen ist aber die gesetzgeberische Grundvorstellung gemein, dass von mehreren potentiell erbberechtigten Personen nur diejenigen als gesetzliche Erben berufen sein sollen, die mit dem Erblasser der Vermutung nach am engsten verbunden waren. Dies sind, sofern vorhanden, der Ehegatte und die Kinder des Erblassers, vgl. Art. 457, 462 ZGB bzw. §§ 1924, 1931 BGB. Erbrechtliche Legitimationsgrundlage ist mithin der an den familiären Durchschnittsverhältnissen orientierte formelle Nähegrad zum Erblasser.140 Gleichzeitig gibt das gesetzliche Familienerbrecht damit auch eine „sittliche Vorstellung über die ,richtige‘ Erbfolge“ wieder.141 Ausgehend vom mutmaßlichen Willen eines durchschnittlichen Erblassers legt das gesetzliche Erbrecht somit einerseits die Erbreihenfolge der hinterlassenen Angehörigen sowie andererseits deren Erbumfang im Verhältnis zueinander fest.142 In Anbetracht dieser dem gesetzlichen Erbrecht zugrunde liegenden Systematik und Zielsetzung umschreibt der Schweizer Rechtswissenschaftler Peter Breitschmid das gesetzliche Erbrecht zutreffend als „ein Spiegelbild, wie der Gesetzgeber sich das Umfeld des Erblassers (bzw.: die Beziehungen des Erblassers zu seinem Umfeld) vorstellt und wie das erblasserische Vermögen nach dem Tode ,fliessen‘ soll“.143 Vereinfacht ausgedrückt: Das gesetzliche Erbrecht muss – jedenfalls auch – Spiegelbild der Gesellschaft sein. 139 BSK-ZGB-II/Breitschmid, Vor Art. 467 – 536 Rn. 12; Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 27. 140 Druey, Grundriss des Erbrechts, § 5 Rn. 9. 141 Druey, Grundriss des Erbrechts, § 5 Rn. 6; vgl. hierzu auch Röthel, in: Lipp/Röthel/ Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 98, die für die innere Rechtfertigung des gesetzlichen Erbrechts zwischen zwei unterschiedlichen Begründungslinien differenziert. Der tragende Grund der gesetzlichen Erbfolge könne entweder im mutmaßlichen Erblasserwillen oder aber in den rechtlich vorgegebenen Beziehungen selbst (wie Verwandtschaft oder Ehe) zu suchen sein. In letzterem Fall stelle das gesetzliche Erbrecht lediglich das Abbild einer normativ vorgeprägten Solidaritätsverbindung dar, weil es eben nicht darum gehe, was der Erblasser vermutlich will, sondern was er nach der sittlichen Anschauung des Gesetzgebers zu wollen hat. 142 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 27. 143 Breitschmid, successio 1 (2007), 10, 13.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

Gerade wegen dieses der gesetzlichen Erbfolge innewohnenden Regelungsgedankens wird deren aktueller Ausgestaltung – besonders hinsichtlich der fehlenden erbrechtlichen Erfassung nichtehelicher Lebensgemeinschaften – erhebliche Kritik entgegengebracht.144 Denn angesichts sich wandelnder Familien- und Gesellschaftsstrukturen mehren sich die Stimmen, die das gesetzliche Erbrecht um neue Positionen erweitern wollen.145 Will das gesetzliche Erbrecht den mutmaßlichen Erblasserwillen widerspiegeln, so muss es stets an die aktuellen Lebenswirklichkeiten angepasst werden. Für die inhaltliche Legitimation einer gesetzlich vorgegebenen Ordnung der Erbfolge ist eine Orientierung an den gesellschaftlichen und familiären Realitäten unabdingbar.146 Im Hinblick auf eine mögliche Etablierung nichtehelicher Lebensgemeinschaften ins Erbrecht wird nachfolgend somit besonders zu klären sein, ob und inwieweit diese Zusammenlebensform heutzutage einen hinreichend festen Stellenwert in der schweizerischen und deutschen Gesellschaftsordnung hat [vgl. dazu Kap. 2, C., II., 1.]. b) Gelebte Solidarität Mit der gewillkürten Erbfolge wird dem Erblasser die Möglichkeit gegeben, lebzeitige Solidaritätserfahrungen zu entlohnen und zwar unabhängig vom Bestehen eines familienrechtlichen Statusverhältnisses.147 Während die gesetzliche Erbfolge auf die Normalverhältnisse zugeschnitten sein soll, erlaubt die testamentarische Gestaltungsfreiheit dem Erblasser, gerade auch auf atypische Beziehungsverhältnisse mittels individueller Nachlasszuweisung reagieren zu können.148 Das gewillkürte Erbrecht hat mithin die Funktion, dem erblasserischen Interesse Rechnung zu tragen, tatsächlich gelebte Nähebeziehungen – wie etwa einer nichtehelich geführten Partnerschaft – begünstigen zu können. c) Rechtlich „gesollte“ Solidarität Das Pflichtteilsrecht basiert auf dem Konzept rechtlich „gesollter“ Solidarität.149 Als Schnittstelle zwischen gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge verhindert es eine Enterbung bestimmter gesetzlicher Erben, indem es ihnen einen Bruchteil der ge144

Cottier, in: Cottier/Estermann/Wrase (Hrsg.), Wie wirkt Recht?, S. 203, 206 f.; Breitschmid, successio 1 (2007), 10, 13; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 33 ff. 145 Vgl. hierzu vor allem Breitschmid, successio 1 (2007), 10, 13; Cottier, in: Cottier/Estermann/Wrase (Hrsg.), Wie wirkt Recht?, S. 203, 207. 146 Breitschmid, successio 3 (2009), 276, 295. 147 Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 93. 148 BSK-ZGB-II/Breitschmid, Vor Art. 467 – 536 Rn. 7, 12. 149 Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 89.

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setzlich vorgesehenen Erbquoten garantiert.150 Die engsten Familienmitglieder (Ehegatte, Kinder oder – falls Kinder nicht vorhanden sind – die Eltern) werden somit davor geschützt, im Erbfall gänzlich übergangen zu werden.151 Der Erblasser handelt daher missbräuchlich, wenn er diese Personen vernachlässigt.152 Insoweit kann die gesetzliche nicht ohne Weiteres durch die gewillkürte Erbfolge verdrängt werden.153 Das Pflichtteilsrecht ist somit, anders als das gesetzliche bzw. gewillkürte Erbrecht, nicht am (mutmaßlichen) Willen des Erblassers orientiert, sondern schränkt diesen zugunsten eines bestimmten Kreises gesetzlicher Erben ein.154 Dabei beruht es auf der Vorstellung, dass den zu Lebzeiten begründeten wirtschaftlichen und sozialen Verflechtungen innerhalb des engsten Familienkreises auch über den Tod des Erblassers hinaus Rechnung getragen wird. Das Pflichtteilsrecht ist mithin als die Weiterführung der das Erbrecht prägenden Solidaritätsvorstellungen und -verpflichtungen zu verstehen.155 Ob auch eine pflichtteilsgeschützte Erbenstellung des nichtehelichen Lebenspartners in Betracht gezogen werden kann, hängt somit maßgeblich von der Vergleichbarkeit der zwischen Eheleuten und Konsensualpartnern bestehenden Solidarverbindungen ab.

IV. Zusammenfassung und Stellungnahme In Anbetracht der rechtsdogmatischen Ausgestaltung des schweizerischen sowie deutschen Erbrechts lassen sich folgende Erkenntnisse im Hinblick auf eine bevorstehende Revision zugunsten nichtehelicher Lebensgemeinschaften zusammenfassen: Das Schweizer Erbrecht genießt verfassungsrechtlichen Schutz und unterliegt daher Grundrechtsschranken. Hierzu gehören die Privaterbfolge, die Testierfreiheit sowie das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht. Während die verfassungsrechtlichen Wurzeln des schweizerischen Erbrechts als in Art. 26 und 14 BV mitenthalten angesehen werden, hat der deutsche Gesetzgeber dem Erbrecht in Art. 14 GG ausdrücklich Verfassungsrang eingeräumt.

150 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 43; BSK-ZGB-II/Staehelin, Art. 471 Rn. 1 f.; Dutta, Warum Erbrecht?, S. 19. 151 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 43. 152 Druey, Grundriss des Erbrechts, § 6 Rn. 2. 153 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 26. 154 Soergel/Stein, Einl. zum Erbrecht Rn. 74. 155 Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 89, 98.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

In Ermangelung konkreter verfassungsrechtlicher Vorgaben über das zulässige Ausmaß erbrechtlicher Rechtsetzungskompetenzen ist von einem grundsätzlich weiten Handlungsspielraum des Gesetzgebers auszugehen.156 Dieser ist folglich nicht daran gehindert, ein eheähnliches Rechtsinstitut mit erbrechtlichen Wirkungen zu schaffen.157 Allerdings begrenzt der grundrechtlich garantierte Kerngehalt des Pflichtteilsrechts – den nächsten Angehörigen eine Mindestteilhabe am Nachlass zu sichern – eine mögliche Erweiterung erblasserischer Gestaltungsfreiräume zur Stärkung der Testierfreiheit.158 In diesem Zusammenhang gilt es daher zu berücksichtigen, dass Veränderungen des Erbrechts nur insoweit zulässig sind, als sie den verfassungsrechtlichen Wesensgehalt dieser erbrechtlichen Garantieebenen unangetastet lassen.159 Neben diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben muss die geplante Gesetzesinitiative auch den speziellen Legitimationsgrundlagen und Funktionen der jeweiligen Erbrechtsinstitute hinreichend Beachtung schenken. Diese sind – wie oben gesehen – zum Teil vielschichtig und komplex. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Aspekt der Familiensolidarität. Denn das Erbrecht ist gerade auch dem Schutz der Familie verpflichtet, vor allem dem des Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartners. Diesem Interesse trägt vornehmlich die Familienerbfolge Rechnung, indem sie die erbrechtliche Legitimation an ein familienrechtliches Statusverhältnis (Ehe oder Verwandtschaft) knüpft.160 Dazu schafft das Familienerbrecht zwei Kategorien von Erben, nämlich einen weiteren Kreis gesetzlicher Erben und einen engeren Kreis pflichtteilsgeschützter Erben.161 Für die erbrechtliche Legitimation ist es ohne Belang, ob das Statusverhältnis tatsächlich gelebt wird. Das Gesetz geht somit von der „Familie als typisierte Solidargemeinschaft“ aus.162 Im Hinblick auf die in der Schweiz geplante erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebenspartner wird man daher eingehend prüfen müssen, ob und inwieweit eine Integrierung zwar nicht statusrechtlich, jedoch gesellschaftlich anerkannter Lebensformen in die vorhandene Erbrechtsordnung zu bewerkstelligen ist. 156 So auch Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 19; Otte, AcP 202 (2002), 317, 329 Fn. 54; Leipold, Erbrecht, Rn. 66; vgl. auch BVerfGE 99, 341, 351. 157 Biaggini, BV Kommentar, Art. 14 Rn. 9. 158 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Staudinger/Otte, Einl. zum Erbrecht Rn. 79, der ein Handeln des Gesetzgebers im Hinblick auf eine Regelung des Spannungsverhältnisses zwischen Testierfreiheit und Familiengebundenheit für zulässig erachtet, solange dabei nicht eine dieser Grundprinzipien des Erbrechts verschwindet. 159 Zur Reichweite der erbrechtlichen Garantien in Deutschland vgl. die umfassenden Studien von Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts (Bd. I), S. 23 ff. und 67 ff. 160 Breitschmid, successio 2 (2007), 142 ff. 161 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 3. 162 Herzog, Die Pflichtteilsentziehung, S. 245.

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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Dabei gilt es, besonderes Augenmerk auf das an den mutmaßlichen Näheverhältnissen orientierte Familienerbrecht zu legen.163 Ein weiterer in diesem Zusammenhang relevanter Rechtfertigungsgrund des Erbrechts ist die Versorgungssicherung der nächsten Angehörigen. Obgleich der (mutmaßliche) Erblasserwille das maßgebliche Kriterium dafür ist, in welche Bahnen das Erbe gelenkt werden soll bzw. muss, bleiben versorgungsrechtliche Aspekte für die innere Begründung des Erbrechts relevant. Zwar hat der Versorgungszweck einiges von seiner früheren Bedeutung eingebüßt, doch ist diese Funktion dem Erbrecht nach wie vor immanent. Gerade im Bereich der Altersvorsorge gewinnt dieser Aspekt zunehmend an Gewicht. Eine Verbesserung der erbrechtlichen Stellung unverheirateter Paare trägt diesem Legitimationsgedanken zusätzlich Rechnung. Denn oft geht mit einer Partnerschaft auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit einher, so dass eine stärkere Nachlassbeteiligung nichtehelicher Lebensgefährten potentiellen Versorgungsproblemen oder finanziellen Engpässen des hinterbliebenen Lebenspartners entgegenwirken würde. In diesem Zusammenhang verhindert jedoch das dem Gleichheits- und Statusprinzip folgende Pflichtteilsrecht eine ausnahmslos am individuellen Bedarf orientierte Vermögensverteilung. So trägt das Pflichtteilsrecht weder den tatsächlichen Bedarfslagen der Betroffenen Rechnung noch erlaubt es dem Erblasser, auf unterschiedliche Familienverhältnisse umfassend flexibel und angemessen reagieren zu können. Auch soll das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht die gerechte Verteilung des Nachlasses sicherstellen und damit zur Befriedung unter den Familienangehörigen beitragen. Die zahlreich registrierten Erbstreitigkeiten belegen allerdings, dass das Erbrecht seiner ihm zugedachten Friedensfunktion nur begrenzt nachzukommen vermag. Insofern lassen sich hieraus keine besonderen Anforderungen oder Regelungshindernisse für ein Erbrecht unverheirateter Paare ableiten.

C. Rechtstatsächliche Grundlagen I. Überblick Nachfolgend sollen nunmehr die erbrechtsrelevanten Rechtstatsachen bezüglich nichtehelicher Lebensgemeinschaften zusammengetragen werden. Dabei ist der erste Teil [Kap. 2, C. II.] den im Kontext nichtehelicher Zusammenlebensformen relevant werdenden soziologischen und demographischen Grundlagen gewidmet. Denn für die Beantwortung der Frage, ob und in welchem konkreten Umfang erbrechtlicher Reformbedarf bezogen auf nichteheliche Zusammenlebensformen be163 In diesem Zusammenhang weist Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 15 zutreffend darauf hin, dass „Statusbeziehungen nicht die einzigen Beziehungen sind, welche rechtlichen Schutz verdienen.“

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

steht, muss ein genaues Bild über deren gesellschaftlichen und soziologischen Stellenwert gezeichnet werden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund des der gesetzlichen Erbfolge zugrunde liegenden Regelungsziels, die gesellschaftlichen Normalverhältnisse widerspiegeln zu wollen. Für das anstehende Reformvorhaben ist daher vor allem entscheidend, ob sich die nichteheliche Lebensgemeinschaft als Partnerschaftsmodell – wie vielfach behauptet – gesellschaftlich etabliert hat oder ob es sich hierbei bloß um eine moderne Erscheinungsform informellem Zusammenlebens handelt, die keinen substanziellen Rückhalt innerhalb der Gesellschaft genießt. Zunächst soll daher die tatsächliche Ausbreitung nichtehelicher Lebensgemeinschaften in der Schweiz und Deutschland aufgezeigt werden. Dabei findet diese Untersuchung nicht losgelöst von den erbrechtlich anerkannten Partnerschaftsinstituten statt, sondern berücksichtigt in diesem Zusammenhang auch die gesellschaftliche Entwicklung der Ehe. Schließlich müssen sich die erbrechtlichen Reformüberlegungen zugunsten nichtehelicher Lebenspartner an den bereits vorhandenen Partnerschaftsmodellen (Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft) orientieren, da nur auf diese Weise ein interessen- und verteilungsgerechter Regelungsansatz verwirklicht werden kann. Insoweit werden nachfolgend auch die soziologischen Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede zwischen ehelicher und nichtehelicher Lebensgemeinschaft herausgearbeitet. Sodann werden die verschiedenen Erscheinungsformen nichtehelichen Zusammenlebens skizziert, da insbesondere auch Klarheit darüber bestehen muss, was unter der Bezeichnung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft überhaupt subsumierbar ist und damit einem möglichen Regelungskonzept unterworfen werden kann respektive soll. In einem zweiten Teil [Kap. 2, C., III.] wird auf die derzeit bestehende erbrechtliche Lage nichtehelicher Lebenspartner im Näheren eingegangen, beginnend bei den typischerweise vorliegenden Vererbungsmustern bis hin zu der Frage, wie es um das erbrechtliche Wissen und die Rechtskenntnis der Bevölkerung bestellt ist. Für die Beurteilung der Frage, ob ein tatsächliches Bedürfnis nach einer erbrechtlichen Regelung zugunsten des nichtehelichen Partners besteht, kann nämlich nicht allein die Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften in einer Gesellschaft maßgebend sein. Vielmehr sollten darüber hinaus weitere Indizien vorliegen, die auf Seiten der Erblassenden den Wunsch nach einer stärkeren erbrechtlichen Begünstigung des überlebenden Konsensualpartners erkennen lassen, da dem erbrechtlichen Reformanliegen ansonsten Zweifel entgegengebracht werden könnten. In dieser Hinsicht kann vor allem das Testierverhalten der Erblasser wertvolle Anhaltspunkte für einen entsprechenden Willen liefern. Die nachstehende Untersuchung basiert auf dem Quellenmaterial und den Erkenntnissen empirischer – größtenteils von den Bundesämtern für Statistik durchgeführter – Studien.

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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II. Soziologische und demographische Grundlagen 1. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft und ihre Bedeutung in der heutigen Gesellschaft a) Die Pluralisierung der Familien- und Lebensformen In den vergangenen Jahrzehnten haben in der Schweiz wie auch im gesamten europäischen Raum weitreichende Gesellschaftsveränderungen in Bezug auf Lebensgemeinschaften und Familien stattgefunden.164 Die Kennzeichen dieses familiären Wandels werden gemeinhin auch mit dem Begriff der Pluralisierung der Familien- und Lebensformen umschrieben.165 So kann neben einer Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften auch ein Anstieg bei den gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften166, den Einelternfamilien (alleinerziehende Mütter oder Väter) sowie den sog. Patchwork- bzw. Stieffamilien verzeichnet werden.167 Gleichzeitig führt diese Entwicklung zu einer Abnahme ehelich begründeter Familien.168 Die Tragweite und Dimension dieses gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses lässt sich in den offiziellen Statistiken ablesen. aa) Zunahme nichtehelicher Partnerschaften und Geburten Seitdem nichteheliche Lebenspartnerschaften im Jahre 1980 in der Schweiz erstmals statistisch erfasst wurden, konnte eine erhebliche Vermehrung dieses Partnerschaftsmodells festgestellt werden. Während 1980 gerade mal 96.650 Personen in nichtehelicher Lebensgemeinschaft (ohne Kinder) lebten, belief sich diese Zahl im Jahr 2000 bereits auf 308.701, was mehr als einer Verdreifachung entspricht.169 Zur Jahrtausendwende waren somit 11 % der zusammenlebenden Paare 164

Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 968; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 31. Vgl. statt vieler Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 102 m.w.H.; Nave-Herz, Familie heute, S. 13 ff. 166 Die Zunahme gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften ist auch darauf zurückzuführen, dass diese Form des Zusammenlebens früher gesellschaftlich verpönt und zeitweise sogar gesetzlich verboten war. 167 Vgl. unter anderem Bundesamt für Statistik (Schweiz), Bevölkerung: Panorama, Februar 2016, S. 6 f., www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistischer Sozialbericht Schweiz 2011. Bericht des Bundesrates vom 18. 05. 2011 in Erfüllung des Postulats „Legislatur. Sozialbericht“ (2002 P 01.3788), Neuchâtel 2011, S. 45, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); hierzu auch Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 102 ff.; Nave-Herz, Familie heute, S. 18; Lettke, SZfS 2005, 407, 410. 168 Vgl. hierzu unter anderem Höpflinger, Ehe und Familie im Wandel. West- und nordeuropäische Entwicklung – als Ausnahmeentwicklung, S. 4 ff., abrufbar unter: www.hoepflin ger.com (Stand: 04. 11. 2016). 169 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 7, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 165

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

nicht miteinander verheiratet.170 Heute (2014) werden in der Schweiz bereits 670.314 Personen gezählt, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben.171 Die Mehrheit der Schweizer Paare (3.565.208 Personen) ist allerdings immer noch verheiratet oder lebt in eingetragener Lebenspartnerschaft.172 Der enorme Zuwachs nichtehelicher Paarbeziehungen wird dabei besonders bei einem Blick auf die prozentuale Verteilung der Paarhaushalte deutlich, d. h. solcher Haushalte, in denen zwei Personen als Partner mit oder ohne Kinder173 (und gegebenenfalls weiteren nicht zum Familienkern gehörenden Personen) zusammenleben.174 So wurden im Jahr 1980 noch 96 % aller Paarhaushalte von Ehepaaren gebildet. Dieser Anteil ist bis 2011 um fast 12 Prozentpunkte auf 84,2 % (davon 45,0 % mit Kindern und 39,2 % ohne Kinder) zurückgegangen.175 Eine entsprechende Erhöhung konnte demnach auch bei den Haushalten mit unverheiratet zusammenlebenden Paaren verzeichnet werden, deren Zahl sich – absolut gesehen – seit 1980 mehr als verfünffacht hat.176

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Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistischer Sozialbericht Schweiz 2011. Bericht des Bundesrates vom 18. 05. 2011 in Erfüllung des Postulats „Legislatur. Sozialbericht“ (2002 P 01.3788), Neuchâtel 2011, S. 46, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand:04. 11. 2016). 171 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STAT POP): Ständige und nichtständige Wohnbevölkerung nach institutionellen Gliederungen, Geschlecht, Zivilstand und Altersklasse, abrufbar unter: www.pxweb.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 145: „Die Zahl nichtehelicher Lebensgemeinschaften hat sich seit Beginn der 1970er Jahre in Westdeutschland mehr als verdreizehnfacht. Nur in jeder fünften nichtehelichen Lebensgemeinschaft in Westdeutschland, aber in jeder zweiten in Ostdeutschland leben minderjährige Kinder“. 172 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP): Ständige und nichtständige Wohnbevölkerung nach institutionellen Gliederungen, Geschlecht, Zivilstand und Altersklasse, abrufbar unter: www.pxweb.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 173 „Als Kinder gelten in diesem Zusammenhang alle Personen unabhängig ihres Alters, die im Haushalt die Stellung eines Kindes haben. Hauptsächlich sind dies minderjährige Personen. Dazu zählen aber auch Personen ab 18 Jahren, die ledig sind bzw. keinen eigenen Partner und keine eigenen Kinder im Haushalt haben.“, Bundesamt für Statistik (Schweiz), Paarhaushalte und partnerschaftliches Zusammenleben, bearb. v. Heiniger, Newsletter Nr. 1 Mai 2014 („Paare“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, Fn. 2, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 174 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Paarhaushalte und partnerschaftliches Zusammenleben, bearb. v. Heiniger, Newsletter Nr. 1 Mai 2014 („Paare“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 2, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 175 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Paarhaushalte und partnerschaftliches Zusammenleben, bearb. v. Heiniger, Newsletter Nr. 1 Mai 2014 („Paare“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 3, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 176 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Paarhaushalte und partnerschaftliches Zusammenleben, bearb. v. Heiniger, Newsletter Nr. 1 Mai 2014 („Paare“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 3, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016).

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In den insgesamt 1.937.600 Paarhaushalten (bei einer Gesamtzahl von 3.534.500 Privathaushalten177) wohnten im Jahr 2011 305.400 nichteheliche verschieden- oder gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften und 1.632.200 Ehepaare.178 Von den 305.400 nichtehelichen Paarhaushalten wurden wiederum 293.300 Haushalte mit Personen unterschiedlichen Geschlechts gezählt.179 Damit lebte in 15,2 % aller Paarhaushalte ein nicht verheiratetes gemischtgeschlechtliches Paar.180 Letztlich ist für diese Entwicklung aber bezeichnend, dass Ende 2011 bereits jeder sechste Paarhaushalt in der Schweiz von einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gebildet wurde.181 Auffallend ist in diesem Kontext insbesondere, dass in den vergangenen Jahren nicht nur der Anteil nichtehelicher Lebenspartnerschaften stetig zugenommen hat, sondern auch bei den unehelichen Geburten ein rapider Anstieg verzeichnet werden konnte. Während 1970 gerade einmal 3.746 uneheliche Geburten bei insgesamt 99.216 Lebendgeburten gezählt wurden, kamen im Jahr 2014 in der Schweiz 18.471 nichteheliche Kinder zur Welt und das bei einer Gesamtgeburtenzahl von nur 85.287.182 Seit 1970 hat sich die Zahl unehelicher Geburten somit mehr als vervierfacht.183

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„Unter dem Oberbegriff ,Privathaushalt‘ werden alle Wohn- und Lebensformen des privaten Lebens zusammengefasst. Ein Privathaushalt ist immer identisch mit einer Wohnung, in der eine Person alleine lebt bzw. die von einer Gruppe von Personen geteilt wird.“, Bundesamt für Statistik (Schweiz), Paarhaushalte und partnerschaftliches Zusammenleben, bearb. v. Heiniger, Newsletter Nr. 1 Mai 2014 („Paare“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 2, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 178 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Paarhaushalte und partnerschaftliches Zusammenleben, bearb. v. Heiniger, Newsletter Nr. 1 Mai 2014 („Paare“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 2, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 179 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Paarhaushalte und partnerschaftliches Zusammenleben, bearb. v. Heiniger, Newsletter Nr. 1 Mai 2014 („Paare“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 2, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 180 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Paarhaushalte und partnerschaftliches Zusammenleben, bearb. v. Heiniger, Newsletter Nr. 1 Mai 2014 („Paare“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 2, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 181 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Paarhaushalte und partnerschaftliches Zusammenleben, bearb. v. Heiniger, Newsletter Nr. 1 Mai 2014 („Paare“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 4, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 182 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Lebendgeburten nach Zivilstand der Mutter, 1970 – 2014, Tabelle su-d-01.04.01.01.05, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016), unter „nichtehelichen Lebendgeburten“ werden folgende Zivilstände statistisch erfasst: ledig, verwitwet, geschieden, unverheiratet, in eingetragener Partnerschaft und aufgelöste Partnerschaft. 183 Vgl. hierzu unter anderem Bundesamt für Statistik (Schweiz), Die Bevölkerung in der Schweiz 2010, Neuchâtel 2011, S. 6, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016).

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

Damit ist der Anteil der Geburten bei nicht verheirateten Müttern in diesem Zeitraum von 3,8 % (1970) auf 21,7 % (2014) angewachsen,184 was bedeutet, dass heutzutage jedes fünfte Kind in der Schweiz unehelich geboren wird. Allein vom Beginn dieses Jahrtausends an gerechnet, hat sich deren Anteil somit fast verdoppelt (10,7 % im Jahr 2000).185 Dabei weist die Schweiz im Vergleich zum Durchschnitt der Europäischen Union (ca. 40,0 % im Jahr 2012) und den umliegenden Ländern – Deutschland 35,0 % und Italien 28,8 % (jeweils 2014) sowie Österreich 41,5 % und Frankreich 56,7 % (jeweils 2012)186 – sogar noch einen verhältnismäßig niedrigen Anteil nichtehelicher Geburten auf.187 Darüber hinaus sind heutzutage auch zusammenlebende Konsensualpaare, also unverheiratete Lebenspartner, mit Kindern immer häufiger anzutreffen. Im Jahr 2012 wurden insgesamt 7,2 % aller Familienhaushalte mit mindestens einem Kind unter 25 Jahren durch unverheiratete Paare begründet (davon waren 4,7 % dieser Konsensualpaarhaushalte Erstfamilien und 2,5 % Fortsetzungs- bzw. Patchworkfamilien).188 Dagegen lag der Anteil der Konsensualhaushalte mit Kindern im Jahr 2000 gerade mal bei 1,1 %.189 Folglich konnte in den vergangenen Jahren auch in dieser Hinsicht ein enormer Zuwachs verzeichnet werden. Als Folge des Anstiegs von bei der Geburt

184 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Anteil Lebendgeburten nicht verheirateter Mütter nach Kanton, 1970 – 2014, Tabelle su-d-01.04.01.02.08, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); vgl. auch Bundesamt für Statistik (Schweiz), Die Tendenzen der Fruchtbarkeit in der Schweiz, Newsletter Nr. 3 September 2009 („Fruchtbarkeit“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, Tabelle G 3, S. 3, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 185 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Anteil Lebendgeburten nicht verheirateter Mütter nach Kanton, 1970 – 2014, Tabelle su-d-01.04.01.02.08, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 186 Eurostat, Nichtehelich Lebendgeborene (% der Lebendgeburten), abrufbar unter: http:// epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&init=1&plugin=1&language=de&pcode= tps00018 (Stand:04. 11. 2016); vgl. Bundesamt für Statistik (Deutschland), Geburten in Deutschland (Ausgabe 2012), Wiesbaden 2012, S. 18 f., abrufbar unter: www.destatis.de (Stand: 04. 11. 2016). 187 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung 2011: Rückgang der Eheschliessungen und stabile Geburtenzahl, Medienmitteilung vom 05. 07. 2012, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); vgl. auch Bundesamt für Statistik (Schweiz), Familien in der Schweiz. Statistischer Bericht 2008, Neuchâtel, 2008, S. 9, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 188 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Kinder in Familienhaushalten, bearb. v. Mosimann, Newsletter Nr. 2 Oktober 2014 („Familie und Organisation des Familienlebens“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 2, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016), bemerkenswert für diese Entwicklung ist unter anderem aber auch der rapide Zuwachs sog. Einelternhaushalte (alleinerziehende Eltern), der heute (2012) einen Anteil von 14,8 % aller Familienhaushalte mit Kindern unter 25 Jahren ausmacht. 189 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Eidgenössische Volkszählung 2000. Haushalte und Familien, Neuchâtel 2005, Grafik 6, S. 47, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016).

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unverheirateten Müttern nimmt also auch die Zahl der dauerhaft unverheiratet zusammenlebenden Eltern weiter zu.190 In Deutschland zeichnet sich ein nahezu identisches Bild ab. Dort wurden von knapp 8,1 Millionen im Jahre 2014 gezählten Familienhaushalten191 10,3 % von gemischt- oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften begründet (fast 70 % der Paare waren verheiratet, bei gut 20 % handelte es sich um alleinerziehende Väter oder Mütter).192 1996 lag der Anteil der nichtehelichen Paare mit Kindern hingegen gerade mal bei 4,8 %. Die Zahl aller verschieden- und gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften ist in Deutschland seit 1996 um mehr als die Hälfte (50,4 %) auf 2,8 Millionen im Jahr 2012 angewachsen.193 Der Anteil nichtehelicher Lebensgemeinschaften bezogen auf sämtliche deutschen Privathaushalte liegt zurzeit (2012) immerhin schon bei 6,9 %.194 bb) Rückgang ehelicher Lebensgemeinschaften: Heirats- und Scheidungszahlen Der gesellschaftliche und familiäre Wandel äußert sich nicht nur in einer Zunahme unverheirateter Paare, sondern auch durch eine Veränderung der Institution Ehe.195 Um die Bedeutung nichtehelichen Zusammenlebens in der heutigen Gesellschaft gesamtheitlich fassen zu können, bedarf es ebenso eines genaueren Blicks auf die Entwicklung verheirateter Paare. So lässt sich der gesellschaftliche Stellenwert einer Partnerschaftsform nur im Vergleich mit anderen bemessen. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle die Ehe in den Fokus der Untersuchung gerückt.

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Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 35. Unter Familienhaushalten werden Ehepaare, gemischt- und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sowie alleinerziehende Eltern, die jeweils mit mindestens einem minderjährigen Kind zusammenleben, statistisch erfasst. 192 Bundesamt für Statistik (Deutschland), Familien mit minderjährigen Kindern in der Familie (nach Lebensform und Kinderzahl im Jahr 2014) abrufbar unter: www.destatis.de (Stand: 04. 11. 2016). 193 Bundesamt für Statistik (Deutschland), Haushalte und Lebensformen der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus 2012, bearb. v. Hammes, November 2013, S. 782, 789, abrufbar unter: www.destatis.de (Stand: 04. 11. 2016); vgl. auch Bundesamt für Statistik (Deutschland), Von der „traditionellen Familie“ zu „neuen Lebensformen“. Neuerungen in der Familienberichterstattung des Mikrozensus, bearb. v. Nöthen, 1/2005, S. 25 ff., abrufbar unter: www.desta tis.de (Stand: 04. 11. 2016). 194 Bundesamt für Statistik (Deutschland), Haushalte und Lebensformen der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus 2012, bearb. v. Hammes, November 2013, S. 782, 787, abrufbar unter: www.destatis.de (Stand: 04. 11. 2016). 195 Vgl. hierzu ausführlich Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 29 ff.; Bundesamt für Statistik (Schweiz), Eidgenössische Volkszählung 2000. Familiale Lebensformen im Wandel, bearb. v. Fux, Neuchâtel, Dezember 2005, S. 41 ff., abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016): Die Soziologin Fux geht dabei der Frage nach, ob die Ehe aufgrund der Zunahme nichtehelicher Lebensformen ein Auslaufmodell ist. 191

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

Dabei geben vor allem die Heirats- und Scheidungszahlen Aufschluss über den Bedeutungsverlauf der Ehe, da diese einen klaren Entwicklungstrend aufzeigen. So lässt sich innerhalb der letzten 40 Jahre ein leichter, aber spürbarer Rückgang bei den Eheschließungen feststellen.196 Dennoch kann deren Anzahl insgesamt betrachtet als verhältnismäßig stabil bezeichnet werden.197 Während 1970 ein vorläufiger Höchstwert von 46.693 Heiraten verzeichnet wurde, sind es 2014 nur noch 41.891 (2013: 39.794; 2012: 42.654).198 Die Entwicklung der Heiratszahlen verläuft dabei allerdings nicht immer konstant. Vielmehr unterliegt sie einigen, teils auch größeren, Schwankungen.199 Weitaus bedeutendere Veränderungen lassen sich jedoch im Hinblick auf das individuelle Heiratsverhalten der Schweizer feststellen. So konnte in den vergangenen Dekaden etwa bei den Erstheiraten – also den Eheschließungen lediger Männer bzw. Frauen, die erstmalig heiraten – eine starke Abnahme festgestellt werden. Während 1970 eine große Mehrheit – nämlich 87,1 % bzw. 83,2 % der ledigen Frauen und Männer – mindestens einmal im Leben heiratete, werden heute (2014) nur noch 61,4 % der ledigen Frauen und 56,1 % der ledigen Männer im Laufe ihres Lebens mindestens einmal eine Ehe bis zu ihrem 50. Lebensjahr eingehen.200 In den vergangenen Jahren ist dieses Niveau zwar einigermaßen konstant geblieben.201 Es bleibt jedoch festzuhalten, dass sich heutzutage deutlich weniger Paare als früher dazu entschließen, ihre Lebensgemeinschaft in den institutionalisierten Rahmen der Ehe einzubinden.

196 Vgl. hierzu insgesamt Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 8 ff., abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 197 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 8, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 198 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Heiraten nach Alter und zusammengefasste Heiratsziffer, 1960 – 2013, Tabelle je-d-01.06.01.01.01, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 199 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Heiraten nach Alter und zusammengefasste Heiratsziffer, 1960 – 2013, Tabelle je-d-01.06.01.01.01, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 200 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Indikatoren der Eheschliessungen und Ehescheidungen in der Schweiz, 1970 – 2014, Tabelle su-d-01.06.01.02.04, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); vgl. auch Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 10, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 201 Vgl. Bundesamt für Statistik (Schweiz), Scheidungen nach Kanton, 1970 – 2014, Tabelle su-d-01.06.02.01.14, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016).

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Dass die Heiratszahlen – absolut gesehen – noch verhältnismäßig stabil geblieben sind, obwohl die Erstheiraten signifikant zurückgegangen sind, hängt in erster Linie mit der rapiden Zunahme von Wiederverheiratungen202 zusammen. Aktuell handelt es sich bei etwa jeder dritten schweizerischen Eheschließung um eine Wiederheirat.203 Im Vergleich mit 1970 hat deren Anteil somit um mehr als die Hälfte zugenommen (1970: 15 %; 1980: 22 %; 1990: 25 %; 2001: 33,4 %; 2011: 32,3 %).204 Dabei steht diese Entwicklung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zunahme der Scheidungshäufigkeit. Denn gerade bei den Scheidungszahlen tritt der rückläufige Stellenwert der Ehe besonders deutlich in Erscheinung.205 So ist die Anzahl der Scheidungen in den vergangenen vier Jahrzehnten von 6.406 (1970) auf 17.119 (2013) gestiegen, wobei in den letzten Jahren wieder ein leichter Rückgang zu verzeichnen war (2010: 22.081; 2011: 17.566; 2012: 17.550).206 Damit hat sich die Zahl der Scheidungen in diesem Zeitraum fast verdreifacht. Während 1970 gerade einmal 15,4 % der Ehen geschieden wurden, werden heute (2013) bereits 41,9 % aller Ehen durch Scheidung aufgelöst.207 Setzt sich also das im Jahr 2013 beobachtete Scheidungsverhalten fort, dürften künftig mehr als vier von zehn Ehen geschieden werden. Dass die Scheidungsziffer in den Jahren 2010 und 2011 von 54,4 % auf 43,2 % gesunken ist und damit innerhalb eines Jahres mehr als 10 Prozentpunkte 202 Bei einer Wiederheirat handelt es sich um eine Heirat, bei der mindestens einer der Ehepartner vor der Heirat geschieden oder verwitwet war. 203 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung 2011: Rückgang der Eheschliessungen und stabile Geburtenzahl, Medienmitteilung vom 05. 07. 2012, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); vgl. hierzu auch Büchler/ Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 13. 204 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 10, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung 2011: Rückgang der Eheschliessungen und stabile Geburtenzahl, Medienmitteilung vom 05. 07. 2012, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 205 Vgl. hierzu ausführlich Bundesamt für Statistik (Schweiz), Scheidungsentwicklung in der Schweiz, Newsletter Nr. 2 Juni 2009 („Scheidung“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 2, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 25 ff., abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 206 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Indikatoren der Eheschliessungen und Ehescheidungen in der Schweiz, 1970 – 2014, Tabelle su-d-01.06.01.02.04, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Der Bruch bei den Scheidungszahlen zwischen den Jahren 2010 und 2011 ist hingegen auf eine Veränderung bei der Scheidungsstatistik zurückzuführen. Seit 2011 wird hierfür eine neue Datenquelle verwendet, Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung 2011: Rückgang der Eheschliessungen und stabile Geburtenzahl, Medienmitteilung vom 05. 07. 2012, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 207 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Indikatoren der Eheschliessungen und Ehescheidungen in der Schweiz, 1970 – 2014, Tabelle su-d-01.06.01.02.04, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 99.

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verloren hat, ist hingegen nicht auf ein sich veränderndes Scheidungsverhalten der Schweizer zurückzuführen, sondern hängt mit der Verwendung einer neuen Datenquelle zusammen, die seit 2011 als Grundlage für die Berechnung der Scheidungsstatistik herangezogen wird.208 Im europäischen Vergleich befindet sich die Schweiz mit einer Anzahl von 2,0 Scheidungen pro 1000 Einwohner (sog. rohe Scheidungsziffer209) aktuell (2014) im oberen Mittelfeld und liegt nahezu gleichauf mit Deutschland.210 Neben der – mit wenigen Ausnahmen – angestiegenen allgemeinen Scheidungsrate lässt sich in den vergangenen Jahrzehnten auch ein deutlich höheres Scheidungsrisiko bei älteren Ehepaaren (sog. „Altersscheidungen“) feststellen.211 So haben die Scheidungen von Ehen, die bereits 20 Jahre oder länger andauern, seit 1970 – insbesondere aber seit Mitte der Neunzigerjahre – beträchtlich zugenommen.212 Während es sich im Jahr 2014 bereits bei fast jeder dritten Scheidung um eine zwanzigjährige oder ältere Ehe handelte,213 war 1987 nur jede fünfte und 1970 gerade mal jede zehnte Scheidung hiervon betroffen.214 Dieser Entwicklungstrend zeichnet 208 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Indikatoren der Eheschliessungen und Ehescheidungen in der Schweiz, 1970 – 2014, Tabelle su-d-01.06.01.02.04, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistik der natürlichen Bevölkerungsbewegung 2011: Rückgang der Eheschliessungen und stabile Geburtenzahl, Medienmitteilung vom 05. 07. 2012, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 209 Die rohe Scheidungsziffer bezieht die in einem bestimmten Kalenderjahr durch Scheidung aufgelösten Ehen auf die mittlere ständige Wohnbevölkerung. Die mittlere ständige Wohnbevölkerung stellt wiederum eine Berechnungsgröße dar, die dem arithmetischen Durchschnitt der ständigen Wohnbevölkerung am 1. Januar und am 31. Dezember eines bestimmten Kalenderjahres entspricht, vgl. Bundesamt für Statistik (Schweiz), Bevölkerungsbewegung – Indikatoren, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 210 Eurostat, Scheidungen (Je 1000 Personen), vgl. Tabelle und Graphik, abrufbar unter: http://epp.eurostat.ec.europa.eu/tgm/table.do?tab=table&plugin=1&language=de&pcode= tps00013 (Stand: 04. 11. 2016). 211 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Verhaltens- und Struktureffekte bei der Entwicklung der Ehescheidungen, Newsletter Nr. 2 Juni 2009 („Scheidung“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 4, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Bundesamt für Statistik (Schweiz), Ehedauer bei der Scheidung: Das verflixte siebte Jahr?, Newsletter Nr. 2 Juni 2009 („Scheidung“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 4, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 212 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Ehedauer bei der Scheidung: Das verflixte siebte Jahr?, Newsletter Nr. 2 Juni 2009 („Scheidung“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 5, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 213 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Scheidungen nach Ehedauer, 1970 – 2014, Tabelle su-d-01.06.02.01.10, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016): Von 16.737 Scheidungen im Jahr 2014 ließen sich 5.055 Ehepaare nach 20 oder mehr Ehejahren scheiden, mithin 30,20 %. 214 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Ehedauer bei der Scheidung: Das verflixte siebte Jahr?, Newsletter Nr. 2 Juni 2009 („Scheidung“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 5, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); vgl auch Bundesamt

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sich auch bei der Zunahme des durchschnittlichen Scheidungsalters ab, das seit 1970 infolge demographischer Alterung und der wachsenden Bereitschaft, sich scheiden zu lassen einerseits, sowie der gleichzeitigen Zunahme des Heiratsalters andererseits bei Männern und Frauen um jeweils sieben Jahre angestiegen ist; bei den Männern von 38 (1970) auf 45,4 Jahre (2008), bei den Frauen von 35,6 auf 43 Jahre.215 Dabei hat vor allem der Anteil der Personen zugenommen, die sich im Alter von 50 oder mehr Jahren scheiden lassen. Deren Anteil machte 1970 noch lediglich 26,5 % aller Scheidungen aus, kletterte im Jahr 1990 aber bereits auf 37,1 % und lag 2008 schon bei 55 %.216 Außerdem wird bei detaillierterer Betrachtung der alters- und geschlechtsspezifischen Symptomatik solcher Scheidungsfälle deutlich, dass die Scheidungshäufigkeit der 70- bis 74-jährigen Männer und die der 50- bis 54-jährigen Frauen am stärksten zugenommen hat.217 Seit dem Jahr 1969 hat sich die Zahl der Scheidungen bei den 70- bis 74-jährigen Männern verzehnfacht und bei den 50- bis 54-jährigen Frauen immerhin verachtfacht.218 Aufgrund des in diesem Lebensalter erhöhten Scheidungsrisikos werden gerade in dieser Altersgruppe zahlreiche neue nichteheliche Lebenspartnerschaften gegründet.219 Als weitere Folge wachsender Scheidungs- und Wiederverheiratungsquoten treten Patchwork- bzw. Stieffamilien220 immer häufiger in Erscheinung.221 Während es diesen Familientyp früher kaum gegeben hat, leben nach Schätzungen des schweizerischen Bundesamtes für Statistik mittlerweile (2012) bis zu 44 % der unter 25-jährigen Kinder in Patchworkfamilien.222 für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 27, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 215 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 26, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 216 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 26, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 217 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Ehedauer bei der Scheidung: Das verflixte siebte Jahr?, Newsletter Nr. 2 Juni 2009 („Scheidung“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 5, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 218 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Ehedauer bei der Scheidung: Das verflixte siebte Jahr?, Newsletter Nr. 2 Juni 2009 („Scheidung“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 5, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 219 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Eidgenössische Volkszählung 2000. Familiale Lebensformen im Wandel, bearb. v. Fux, Neuchâtel, Dezember 2005, S. 45, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 220 „Stieffamilien werden definiert als Familien, in denen wenigstens ein Erwachsener ein Stiefelternteil ist.“, vgl. Ley, in: Fleiner-Gerster/Gilliand/Lüscher (Hrsg.), Familien in der Schweiz, S. 225, 237. 221 Ley, in: Fleiner-Gerster/Gilliand/Lüscher (Hrsg.), Familien in der Schweiz, S. 225. 222 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistischer Sozialbericht Schweiz 2015, Neuchâtel 2015, S. 47, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand:04. 11. 2016); vgl. auch Bundesamt für

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Diese in der Schweiz zu beobachtenden Entwicklungstendenzen lassen sich auch in Deutschland feststellen.223 Laut einer Studie des Sozialwissenschaftlers Rüdiger Peuckert wird nach dem derzeitigen Heiratsverhalten voraussichtlich jeder dritte Mensch in Deutschland dauerhaft ledig bleiben.224 Zudem hat die Zahl deutscher Ehepaare zwischen 1996 und 2012 um gut 8 % abgenommen.225 b) Die heutige Sozialstruktur nichtehelicher Partnerschaften im Vergleich zu Ehepaaren Wie bereits an vorangegangenen Stellen dargelegt [Kap. 2, C., I. und Kap. 2, C., II., 1., a), bb)], kann die erbrechtliche Erfassung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nur in Abgrenzung zu den bereits anerkannten Partnerschaftsformen wie der Ehe erfolgen. Ob und in welchem Umfang sich an das nichteheliche Zusammenleben erbrechtliche Wirkungen knüpfen lassen, hängt daher insbesondere auch von der soziologischen Vergleichbarkeit nichtehelicher und ehelicher Paarbeziehungen ab. So sind nichteheliche Partnerschaften heutzutage nicht nur in großer Anzahl verbreitet, sondern weisen soziologisch betrachtet auch kaum mehr Unterschiede im Vergleich zu Ehepaaren auf.226 Denn zwischen beiden Partnerschaftsformen bestehen lediglich geringfügige Differenzen hinsichtlich ihres partnerschaftlichen und familiären Verhaltens.227 Nach den Erkenntnissen soziologischer Forschung geben eheliche und nichteheliche Paare in puncto Alter, Bildungsstand und konfessioneller Zusammensetzung ein nahezu identisches Bild ab.228 Ebenso weisen nichteheliche PaarbezieStatistik (Schweiz), Statistischer Sozialbericht Schweiz 2011. Bericht des Bundesrates vom 18. 05. 2011 in Erfüllung des Postulats „Legislatur. Sozialbericht“ (2002 P 01.3788), Neuchâtel 2011, S. 45, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand:04. 11. 2016). 223 Hausmann, Einführung, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 47, 50 Rn. 6 ff.; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 1 ff., insb. Rn. 10; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 100; Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 171; Beisenherz, Die erbrechtlichen Folgen von Scheidung und Ehekrise, S. 16 Fn. 6. 224 Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 76. 225 Bundesamt für Statistik (Deutschland), Haushalte und Lebensformen der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus 2012, bearb. v. Hammes, November 2013, S. 782, abrufbar unter: www.destatis.de (Stand: 04. 11. 2016). 226 Höpflinger, Ehe und Familie im Wandel. West- und nordeuropäische Entwicklung – als Ausnahmeentwicklung, S. 6, abrufbar unter: www.hoepflinger.com (Stand: 04. 11. 2016); Pulver, Unverheiratete Paare, S. 165. 227 Zu einzelnen Unterschieden Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 116 ff.; Nave-Herz, Familie heute, S. 18; Nave-Herz, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Eine soziologische Analyse, abrufbar unter: www.familienhandbuch.de (Stand: 04. 11. 2016). 228 Nave-Herz, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Eine soziologische Analyse, abrufbar unter: www.familienhandbuch.de (Stand: 04. 11. 2016); Bundesamt für Statistik

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hungen dieselben Qualitäten in Bezug auf Emotionalität, Solidarität, Exklusivität und Sexualität auf, wie sie auch in einer Ehe vorzufinden sind.229 In beiden Partnerschaftsmodellen legen die Paare besonderen Wert auf eine geistig-emotionale Bindung sowie sexuelle Treue.230 Einzig bei der innerfamiliären Arbeitsteilung lassen sich marginale Unterschiede konstatieren. So beteiligen sich beispielsweise männliche Lebenspartner im Verhältnis zu Ehemännern deutlich stärker an der Hausarbeit, was in erster Linie aber auf die höhere Zahl erwerbstätiger Partnerinnen in nichtehelichen Lebensgemeinschaften und nicht etwa die gesellschaftliche oder rechtliche Stellung der jeweiligen Partnerschaft zurückzuführen ist.231 Dabei ist auch bei den Konsensualpaaren festzustellen, dass sich nach der Familiengründung regelmäßig die traditionelle Rollenverteilung wieder durchsetzt.232 Darüber hinaus schließen nichteheliche Partnerschaften im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit ihrer Beziehung immer stärker zu Ehepaaren auf. So ist die Beziehungsdauer nichtehelicher Paare in den vergangenen Jahren merklich angestiegen, was letztlich auch zu der schrittweisen Verbreitung dieser Lebensform in sämtlichen Bevölkerungs- und Altersschichten geführt hat.233 Bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft handelt es sich somit nicht bloß um ein Partnerschaftsmodell, das ausschließlich von jüngeren Generationen gelebt wird und sich vor diesem Hintergrund lediglich als eine Art „Probeehe“ darstellt, also nur im Vorfeld einer Ehe Bedeutung erlangt. Zwar werden nichteheliche Partnerschaften teilweise auch zu diesem Zwecke eingegangen. Dabei erschöpft sich das Spektrum nichtehelichen Zusammenlebens jedoch nicht allein oder überwiegend in der Begründung vorehelicher Lebensgemeinschaften. Vielmehr interpretiert eine immer größer werdende Teilmenge der Konsensualpaare – insbesondere die Personen mit einer aus(Schweiz), Eidgenössische Volkszählung 2000. Familiale Lebensformen im Wandel, bearb. v. Fux, Neuchâtel, Dezember 2005, S. 37 ff., abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 229 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 7, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); vgl. auch Bundesamt für Statistik (Schweiz), Die Tendenzen der Fruchtbarkeit in der Schweiz, Newsletter Nr. 3 September 2009 („Fruchtbarkeit“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 2 f., abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 230 Lauterbach, in: Klein, Thomas/Lauterbach, Wolfgang (Hrsg.), Nichteheliche Lebensgemeinschaften, S. 269, 283. 231 Künzler, in: Klein/Lauterbach (Hrsg.), Nichteheliche Lebensgemeinschaften, S. 235 ff. 232 Rost/Schneider, in: FS Nave-Herz, S. 177, 188; dazu Höpflinger, Ehe und Familie im Wandel. West- und nordeuropäische Entwicklung – als Ausnahmeentwicklung, S. 6, abrufbar unter: www.hoepflinger.com (Stand: 04. 11. 2016): „Entsprechend fand sich in neueren Analysen kein Beleg dafür, dass die Arbeitsteilung in nichtehelichen Lebensgemeinschaften weniger traditionell ist als in Ehen“. 233 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Eidgenössische Volkszählung 2000. Familiale Lebensformen im Wandel, bearb. v. Fux, Neuchâtel, Dezember 2005, S. 45, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); vgl. auch Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 35.

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geprägten Erwerbs- und Karriereorientierung – ihre Lebensform als eine dauerhafte Alternative zur Ehe.234 Die empirischen Befunde machen dabei auch deutlich, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft und die Ehe keine konkurrierenden Partnerschaftsmodelle darstellen, sondern es sich um jeweils eigenständige Formen des Zusammenlebens handelt.235 So gibt es einerseits Paare, die sich mit dem Modell der Ehe tatsächlich identifizieren, andererseits aber auch solche, für die ein ehelicher Zusammenschluss von vornherein nicht in Frage kommt. 2. Entwicklungsfaktoren für die Ausbreitung nichtehelicher Lebens- und Partnerschaftsformen Die zunehmende Verbreitung nichtehelicher Lebensgemeinschaften und die damit einhergehende Abnahme ehelich begründeter Partnerschaften sind auf zahlreiche Faktoren zurückzuführen.236 Um auch die zukünftige Bedeutung nichtehelicher Partnerschaftsformen besser prognostizieren zu können, sollen die grundlegenden soziologischen, demographischen und normativen Entwicklungsprozesse, die zu dem oben beschriebenen familiären Strukturwandel beigetragen haben, im Folgenden dargestellt werden. Neben den statistischen Zahlen, die einen anhaltenden Entwicklungsverlauf voraussagen, ist für das zu zeichnende Gesamtbild hinsichtlich des in der Gesellschaft vorherrschenden Partnerschaftsverständnisses entscheidend, auch den dafür verantwortlichen Ursachen nachzugehen. Reformbedarf für eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften ist zudem auch nur dann gegeben, wenn deren zahlenmäßige Zunahme auf eine hinreichende gesellschaftliche Akzeptanz zurückgeführt werden kann und/oder aus versorgungsrechtlichen Gesichtspunkten angezeigt ist, etwa weil der überlebende Konsensualpartner zeitlebens vom Erblasser finanziell abhängig war. Auch aus diesen Gründen sind die für diese Entwicklung ursächlichen Faktoren darzustellen.

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Bundesamt für Statistik (Schweiz), Eidgenössische Volkszählung 2000. Familiale Lebensformen im Wandel, bearb. v. Fux, Neuchâtel, Dezember 2005, S. 45, 48, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 235 Nave-Herz, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Eine soziologische Analyse, abrufbar unter: www.familienhandbuch.de (Stand: 04. 11. 2016); Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 42. 236 Nave-Herz, Familie heute, S. 18 ff.; Nave-Herz, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Eine soziologische Analyse, abrufbar unter: www.familienhandbuch.de (Stand: 04. 11. 2016); Stintzing, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und rechtliche Regelung – ein Widerspruch?, S. 41.

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a) Allgemeiner Wertewandel in der Gesellschaft aa) Gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung anderer Partnerschaftsmodelle Die Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften ist insbesondere den sich verändernden Moralvorstellungen in der Gesellschaft geschuldet. Während die gesellschaftlichen Vorbehalte gegenüber unehelichen Paarbeziehungen in den zurückliegenden Jahrzehnten noch sehr groß waren, sind diese heutzutage – vor allem bei jüngeren Generationen – kaum noch vorhanden. Der überwiegende Teil der Bevölkerung erblickt im nichtehelichen Zusammenleben zweier Menschen nicht mehr ein moralisch verwerfliches und damit sittenwidriges Verhalten.237 Nichteheliche Paare sehen sich daher heute kaum noch der Gefahr ausgesetzt, Opfer sozialer Diskriminierung und gesellschaftlicher Ausgrenzung zu werden.238 Stattdessen sind sie von der breiten Masse der Bevölkerung akzeptiert und gesellschaftlich anerkannt.239 Mit zunehmender gesellschaftlicher Akzeptanz haben nichteheliche Paare zudem eine rechtliche Aufwertung erfahren. In der Schweiz wie auch in Deutschland waren sowohl nicht miteinander verheiratete heterosexuelle als auch homosexuelle Paarbeziehungen lange Zeit unter Strafe gestellt.240 Zwar erfüllt nichteheliches Zusammenleben seit 1942 in der Schweiz und seit 1969 in Deutschland241 keinen bundesgesetzlichen Straftatbestand mehr.242 Dennoch hielten zahlreiche Kantone an dem Konkubinatsverbot – zumin-

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So stellte etwa das schweizerische Bundesgericht erstmals im Jahre 1983 fest, dass die Sittenwidrigkeit einer Zuwendung eines verheirateten Mannes an seine Konkubinatspartnerin nur dann angenommen werden könne, wenn sie dazu bestimmt sei, ehebrecherisches Verhalten zu fördern, BGE 109 II 15; vgl. auch Stintzing, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und rechtliche Regelung – ein Widerspruch?, S. 39; Hegenauer/Breitschmid, Grundriss des Eherechts, Rn. 2.27; Bietenharder-Künzle, Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Konkubinats, S. 8 ff. 238 Stintzing, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und rechtliche Regelung – ein Widerspruch?, S. 39; Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 174. 239 Vgl. statt vieler Breitschmid, in: Druey/Breitschmid (Hrsg.), Güter- und erbrechtliche Planung, S. 45, 49; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 63 Rn. 1. 240 Vgl. zur Entwicklung des Konkubinatsverbots in der Schweiz Pulver, Unverheiratete Paare, S. 9 f.; Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 2 Rn. 1 ff. 241 Mit der Großen Strafrechtsreform von 1969 wurden die Straftatbestände des Ehebruchs (§ 172 StGB a.F.) und der „Kuppelei“ (§ 180 StGB a.F.) abgeschafft. Seither haben sich die Straftatbestände inhaltlich dahingehend gewandelt, dass an die Stelle des Ehebruchs die Strafbarkeit der Doppelehe und im Falle der Kuppelei der Straftatbestand „Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger“ getreten ist. 242 Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 174.

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dest auf dem Papier – weiterhin fest.243 Erst im Jahre 1995 hob das Wallis als letzter Kanton die Strafbarkeit des Konkubinats auf.244 Bis zur Vereinheitlichung des Strafrechts im Jahr 1942 wurden in der Schweiz insbesondere gleichgeschlechtliche Partnerschaften kriminalisiert. Zu einer bundesgesetzlichen Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren kam es in dieser Hinsicht erst 1992, indem man das Schutzalter für homo- und heterosexuelle Handlungen einheitlich auf 16 Jahre festlegte.245 Im Zuge dessen wurde auch der sog. „Homosexualitätsparagraph“ im Militärstrafrecht abgeschafft.246 Seit dem 1. Januar 2007 steht gleichgeschlechtlichen Schweizer Paaren nun auch die Möglichkeit zur Verfügung, sich amtlich registrieren zu lassen und damit nahezu die gleichen Rechte wie Ehegatten in Anspruch zu nehmen.247 In Deutschland ist das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft bereits mit Wirkung zum 1. August 2001 in Kraft getreten.248 Angesichts dieser Entwicklung wird deutlich, dass die Toleranz der Gesellschaft anderen Formen des Zusammenlebens gegenüber zusehends größer geworden ist. Die gesellschaftliche Öffnung hinsichtlich nichtehelicher Partnerschaftsmodelle findet dabei vor allem in deren stetig wachsenden rechtlichen Besserstellung ihren Niederschlag. bb) Bedeutungswandel des Ehe- und Partnerschaftsverständnisses: Säkularisierung – Individualisierung – Emanzipierung Die zunehmende Anerkennung nichtehelicher Lebensformen hat umgekehrt auch zu einem Wandel des Ehe- und Familienverständnisses geführt. Das traditionelle Bild der bürgerlichen Ehe als praktisch einziges gesellschaftlich toleriertes Partnerschaftsmodell existiert heute im Grunde nicht mehr. 243 Strebel, AJP 2008, 1029, Fn. 5: „Das Konkubinat war lange Zeit – schließlich allerdings nur noch auf dem Papier – kantonalrechtlich verboten“; zu den kantonalrechtlichen Konkubinatsverboten vgl. auch Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 2 Rn. 1 ff. 244 Vgl. hierzu auch Motion Wehrli (05.3264), Registrierte Lebensgemeinschaft. Schutz der Ehe, eingereicht am 08. 06. 2005 im Nationalrat. 245 Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 150, 174; der deutsche Gesetzgeber vereinheitlichte im Jahr 1994 im Zuge der Wiedervereinigung das Schutzalter für verschiedenund gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen auf 14 bzw. 16 Jahre. 246 Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 150. 247 Vgl. das schweizerische Partnerschaftsgesetz (PartG) vom 18. Juni 2004. 248 Dort lässt sich insofern ein ganz ähnlicher Werdegang betreffend der rechtlichen Stellung unehelicher verschieden- und gleichgeschlechtlicher Paare konstatieren. Neben dem „Kuppeleiverbot“ wurden in Deutschland vor allem auch sexuelle Handlungen gleichgeschlechtlicher Paare mit Strafe belegt, vgl. § 175 StGB a.F. Eine Legalisierung homosexuellen Geschlechtsverkehrs fand ebenfalls erst 1969 – also weit nach Ende des 2. Weltkrieges – statt. Die endgültige Abschaffung des § 175 StGB erfolgte jedoch erst im Jahr 1994.

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Ursächlich für diesen Entwicklungsprozess ist zum einen die in der heutigen Zeit immer stärker zutage tretende Säkularisierung.249 Das Familienleben ist heutzutage viel weniger als früher von religiösen Einflüssen und Traditionalität bestimmt.250 So haben Kirche und Religion in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung verloren, weshalb die Institution Ehe auch längst nicht mehr die einzige Möglichkeit darstellt, ein gesellschaftlich gebilligtes Sexualleben zu führen.251 Während sich früher die überwiegende Mehrheit der Konsensualpaare vor bzw. nach der Geburt eines Kindes noch zur Heirat veranlasst sah, so ist dies heutzutage deutlich seltener der Fall.252 Zwar begünstigt die Familiengründung auch heute noch die Formalisierung der Partnerschaft.253 Insofern entscheiden sich nach wie vor nicht wenige Konsensualpaare nach der Geburt eines Kindes zur Eheschließung. Allerdings bleibt auch ein zunehmend wachsender Anteil dem ursprünglich gewählten Partnerschaftsmodell treu und setzt die nichteheliche Paarbeziehung fort.254 Wieder andere wechseln im Laufe der Zeit ihre Partner und bilden unter Umständen Patchworkfamilien.255 Darüber hinaus hat die Akzeptanz gegenüber Scheidungen und Wiederverheiratungen zugenommen, was sich nicht zuletzt auch in der Vereinfachung des Scheidungsrechts widerspiegelt.256

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Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 969. Zum früheren Stellenwert der Kirche für Ehe und Partnerschaft vgl. Lüchinger, Begriff und Bedeutung der Familie im schweizerischen Recht unter Berücksichtigung des Rechts des Bundes und des Kantons Zürich, S. 3. 251 Stüvel, Liebe in Zeiten der Individualisierung. Das Nein zur Ehe offenbart oft Bindungsängste – Warum das Ja-Wort eine Beziehung festigt!, in: Die Welt vom 26. April 2008, abrufbar unter: www.welt.de; Rosenbaum, Formen der Familie, S. 69; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 37. 252 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Eidgenössische Volkszählung 2000. Familiale Lebensformen im Wandel, bearb. v. Fux, Neuchâtel, Dezember 2005, S. 37, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016) unter Bezugnahme auf Fux/Baumgartner, Wandel von familialen Lebensformen. 253 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Statistischer Sozialbericht Schweiz 2011. Bericht des Bundesrates vom 18. 05. 2011 in Erfüllung des Postulats „Legislatur. Sozialbericht“ (2002 P 01.3788), Neuchâtel 2011, S. 45 f., abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Bundesamt für Statistik (Schweiz), Eidgenössische Volkszählung 2000. Familiale Lebensformen im Wandel, bearb. v. Fux, Neuchâtel, Dezember 2005, S. 45, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 254 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Demografisches Verhalten der Familien in der Schweiz (1970 bis 2008), Neuchâtel, September 2009, S. 7, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 35. 255 Ley, in: Fleiner-Gerster/Gilliand/Lüscher (Hrsg.), Familien in der Schweiz, S. 225. 256 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 970 f.; Bundesamt für Statistik (Schweiz), Scheidungsentwicklung in der Schweiz, Newsletter Nr. 2 Juni 2009 („Scheidung“), Schriftenreihe Demos – Informationen aus der Demografie, S. 2, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 250

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Zum anderen haben Ehe und Familie in ihrer Rolle als wirtschaftliche Einheit an Bedeutung eingebüßt.257 Während früher für eine Eheschließung auch ökonomische Faktoren entscheidend waren, stehen bei einer Heirat heute vor allem emotionale Aspekte im Vordergrund.258 Die klassische Versorgungs- bzw. Hausfrauenehe gibt es daher nur noch in ganz seltenen Fällen.259 Dass die wirtschaftliche Bedeutung der Ehe in den vergangenen Jahrzehnten somit stetig nachgelassen hat, ist aber auch auf die sich verändernde Rollen- und Arbeitsverteilung von Mann und Frau zurückzuführen.260 Weder sind Frauen heutzutage ausschließlich für die Haushaltsführung und die Erziehung der Kinder zuständig, noch wird es als alleinige Aufgabe des Mannes angesehen, für die finanzielle Aufbringung des Familienunterhalts Sorge zu tragen. Die Emanzipierung der Frau ist insofern Ausdruck des tiefgreifenden Wertewandels in der Gesellschaft und mitursächlich für das sich verändernde Ehe- und Familienverständnis.261 Dabei zeigt sich auch in der immer stärkeren Individualisierung der Lebensführung von Paaren, dass das partnerschaftliche Zusammenleben insgesamt einem Wandel unterliegt. So sind infolge des gestiegenen Bildungsniveaus und wachsenden Wohlstands der Bevölkerung die Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten betreffend partnerschaftlicher Beziehungs- und Lebensformen vielfältiger geworden.262 Die Menschen lassen sich daher zusehends weniger ein gesellschaftlich tradiertes Partnerschaftsmodell aufzwängen, dass nicht ihrer eigenen Überzeugung und individuell gewünschten Lebensweise entspricht.263 b) Demographische Faktoren Eine weitere Ursache für den familiären Wandel liegt in der demographischen Entwicklung, allen voran der gestiegenen Lebenserwartung begründet. Dabei sind demographische Aspekte nicht nur aus versorgungsrechtlichen Gründen erbrechtlich relevant [vgl. dazu Kap. 2, B., III., 1., b), bb)], sondern erlangen in dem hier untersuchten Zusammenhang auch deshalb Bedeutung, weil sie sich unmittelbar auf die heutigen Partnerschaftsstrukturen auswirken. So geht die gestiegene Lebenserwar257

Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 127. Breitschmid, in: Lüscher/Stoffel/Zürcher (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer Generationenpolitik, S. 215; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 15. 259 Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 127. 260 Hierzu ausführlich Stintzing, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und rechtliche Regelung – ein Widerspruch?, S. 27 ff. 261 Stüvel, Liebe in Zeiten der Individualisierung. Das Nein zur Ehe offenbart oft Bindungsängste – Warum das Ja-Wort eine Beziehung festigt!, in: Die Welt vom 26. April 2008, abrufbar unter: www.welt.de. 262 Nave-Herz, Familie heute, S. 13 ff. 263 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 38. 258

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tung der Menschen auch mit einem Anstieg nichtehelicher Lebenspartnerschaften einher. Seit Inkrafttreten des Schweizerischen Zivilgesetzbuches ist die durchschnittliche Lebenserwartung der schweizerischen Bevölkerung enorm angestiegen.264 Diese hat sich in der Schweiz von 1900 bis 2014 fast verdoppelt, indem sie von 46,2 auf 81,0 Jahre bei Männern und von 48,9 auf 85,2 Jahre bei Frauen kletterte.265 Als Folge der gestiegenen Lebenserwartung und besseren medizinischen Versorgung werden im höheren Alter zunehmend häufiger neue Beziehungen (insbesondere sog. „Alterskonkubinate“) eingegangen.266 Während die begrenzte Lebenserwartung früherer Tage – vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – eine krisenhafte Beziehung auch früher beendet hat, begünstigen heute die längere Lebenserwartung und die damit einhergehende gewachsene Vitalität im Alter die Begründung weiterer Partnerschaften.267 Da viele verwitwete Senioren aus unterschiedlichsten Gründen eine erneute Heirat scheuen oder dieser skeptisch gegenüberstehen, ziehen sie bei ihren künftigen Partnerschaften oftmals die nichteheliche Zusammenlebensform vor.268 Angesichts der Tatsache, dass der Anteil der über 65-Jährigen gemessen an der Gesamtbevölkerung infolge des demographischen Wandels in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch beträchtlich zulegen wird, ist davon auszugehen, dass auch der Anteil älterer Konsensualpaare entsprechend zunehmen wird. Aktuell (2014) sind bereits 17,8 % der schweizerischen Bevölkerung 65 Jahre oder älter.269 Bis zum Jahre 2060 wird ein Anstieg auf 28,3 % prognostiziert.270 Es bleibt somit festzuhalten, dass der demographische Wandel im Allgemeinen, insbesondere die Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung die Zunahme nichtehelicher Paarbeziehungen begünstigen.271

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Vgl. hierzu auch Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 96 ff. Bundesamt für Statistik (Schweiz), Bevölkerungsbewegung – Indikatoren: Lebenserwartung, Neuchâtel 2016, abrufbar unter: www.bfs.admin.de (Stand: 04. 11. 2016). 266 Vgl. hierzu Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 32; Höpflinger/Bayer-Oglesby/ Zumbrunn, Pflegebedürftigkeit und Langzeitpflege im Alter, S. 26. 267 Breitschmid, in: Lüscher/Stoffel/Zürcher (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer Generationenpolitik, S. 215; Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. SR 2010, eingereicht am 17. 06. 2010; Künzle, Private 4 (2010), 8, 9; Stintzing, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und rechtliche Regelung – ein Widerspruch?, S. 36. 268 Stintzing, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und rechtliche Regelung – ein Widerspruch?, S. 36. 269 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Indikatoren der Bevölkerungsstruktur, 1970 – 2014, Tabelle su-d-01.02.03.01, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 270 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Indikatoren der Bevölkerungsstruktur der Schweiz, 1970 – 2060, Tabelle su-d-1.2.1.2.11, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 271 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Paarhaushalte und partnerschaftliches Zusammenleben, bearb. v. Heiniger, Newsletter Nr. 1 Mai 2014 („Paare“), Schriftenreihe Demos – In265

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3. Erscheinungsformen nichtehelicher Lebensgemeinschaften Die Einführung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ins Erbrecht setzt auch eine nähere Beschreibung der in diesem Zusammenhang auftretenden Erscheinungsformen voraus. Wollen nämlich schweizerischer und deutscher Gesetzgeber ein solches (nichtformalisiertes) Partnerschaftsverhältnis künftig einer erbrechtlichen Regelung unterwerfen, so muss zunächst klar sein, welche konkreten Formen des Zusammenlebens unter diesem Partnerschaftsverhältnis überhaupt zu subsumieren sind bzw. subsumiert werden sollen. Dabei ist vordergründig festzustellen, ob nichteheliche Lebensgemeinschaften wie Ehen oder eingetragene Lebenspartnerschaften prinzipiell auf Dauer angelegt sind oder ob sich die Phasen des nichtehelichen Zusammenlebens überwiegend auf kurze Zeiträume erstrecken. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist daher nicht nur in Abgrenzung zur Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft zu untersuchen, sondern auch vor dem Hintergrund der unterschiedlichen, innerhalb nichtehelichen Zusammenlebens existierenden Erscheinungsformen. Nur wenn die verschiedenen Ausprägungen nichtehelichen Zusammenlebens herausgearbeitet sind, kann auch über deren erbrechtliche Berücksichtigung im Einzelnen geurteilt werden. Schließlich ist für die nichteheliche Lebensgemeinschaft insbesondere ihre Vielzahl vorhandener Erscheinungsformen bezeichnend. Entsprechend existieren unterschiedlichste Beweggründe, weshalb nichteheliche Partnerschaften eingegangen werden.272 Obgleich keine spezifischen Studien über die jeweiligen Motivlagen unverheirateter Paare existieren, lassen sich auf der Grundlage empirischer Befunde einzelne Typen nichtehelichen Zusammenlebens aufzeigen.273 Grundsätzlich können zwei Kategorien nichtehelicher Lebensgemeinschaften unterschieden werden: Zum einen diejenigen Paare, die prinzipiell zu einer Eheschließung tendieren, und zum anderen solche, die keine Heirat anstreben.

formationen aus der Demografie, S. 3, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016); Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 969. 272 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.07. 273 Hierzu ausführlich Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 12 ff.; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 35: „So können eine noch bestehende Ehe sowie religiöse Gründe die Partner von einer Eheschliessung abhalten, ohne dass es am Rechtsbindungswillen fehlt“; BGE 4 A_441/2007 vom 17. Januar 2008.

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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a) Partnerschaften mit Tendenzen zur Ehe oder eingetragenen Partnerschaft aa) Voreheliche Lebenspartnerschaften oder Ehe auf Probe Viele Paare führen eine nichteheliche Partnerschaft unter dem Gesichtspunkt, sich zunächst darüber im Klaren zu werden, ob eine künftige Eheschließung mit dem ausgewählten Partner in Frage kommt.274 Derartige Beziehungen dienen folglich als Testphase im Falle konkreter Heiratsabsichten. Nach den Auffassungen der Lebenspartner liegen zu diesem Zeitpunkt somit noch nicht sämtliche die Heiratsentscheidung beeinflussenden Voraussetzungen vor.275 So wollen einige Paare erst ihre berufliche Ausbildung beenden, um bei Eheschließung eine wirtschaftlich gesicherte Grundlage vorweisen zu können.276 Andere sehen vorerst aus Altersgründen und der damit verbundenen mangelnden Reife von einer Eheschließung ab oder möchten zunächst herausfinden, ob sie sich für den „richtigen“ Partner entschieden haben.277 Wieder andere verbinden ihre Heiratsbestrebungen mit der künftigen Familienplanung. Die Eheschließung soll erst dann stattfinden, wenn auch ein gemeinsamer Kinderwunsch besteht. In allen diesen Fällen tendieren die Paare prinzipiell zur Ehe, wollen diese aber erst zu einem späteren Zeitpunkt eingehen.278 In diesem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, dass derartige Paare nicht – wie oftmals angenommen – den Hauptteil nichtehelicher Paarbeziehungen ausmachen.279 Nichteheliches Zusammenleben ist nicht vorwiegend unter jüngeren Generationen verbreitet. Tatsächlich werden nur ein Drittel aller unehelichen Partnerschaften von Personen unter 30 Jahren geführt. Der Großteil nichtehelicher Paare befindet sich daher schon in einem fortgeschritteneren Alter. Insoweit wird die nichteheliche Lebensgemeinschaft auch von einer großen Anzahl der Paare nicht nur als ein „Phänomen der Suche nach einem geeigneten Heiratskandidaten“ wahrgenommen.280

274

Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 174; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 63 Rn. 1a; Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 113. 275 Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 79; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 40. 276 Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 113. 277 Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 113. 278 Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 79. 279 In Deutschland können 38 % der nichtehelichen Lebensgemeinschaften als ein Prüfstadium vor der Ehe angesehen werden. Dabei kann aber nur bei einem kleinen Teil dieser nichtehelichen Gemeinschaften von einer „Probe-Ehe“ in dem Sinne gesprochen werden, dass die Partner relativ konkrete Heiratsabsichten hatten und einen gemeinsamen Haushalt gründeten, so Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 114. 280 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 40.

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Eine vergleichbare Entwicklung zeichnet sich auch in deutschen Städten ab. Nach einer in Hamburg und Leipzig durchgeführten Studie ist die Wahrscheinlichkeit stark gesunken, dass eine nichteheliche Lebensgemeinschaft heutzutage in eine Ehe mündet (sog. Übergangswahrscheinlichkeit).281 So will von den unverheiratet zusammenwohnenden Paaren ein Drittel auch künftig so weiterleben, während die Hälfte zu heiraten beabsichtigt.282 Der übrige Teil ist sich bei dieser Frage hingegen noch nicht sicher. Es bleibt also festzuhalten, dass nichteheliche Paargemeinschaften eine Umwandlung in eine Ehe erfahren können, dies jedoch vielfach nicht anstreben.283 bb) Nichteheliche Lebenspartnerschaft aufgrund von Eheschließungshindernissen bzw. -verzögerungen Teilweise bestehen nichteheliche Lebensgemeinschaften auch nur deswegen, weil die Partner aus rechtlichen Gründen an einer Heirat gehindert sind.284 So beabsichtigen einige Paare zwar die Eheschließung, können diese jedoch nicht in die Tat umsetzen, da etwa einer der Partner noch in erster Ehe verheiratet ist und daher erst rechtskräftig geschieden werden muss (Überbrückung der Trennungszeit).285 Zu Heiratsverzögerungen kommt es nicht selten auch bei Ehen mit Bürgern anderer Nationalität. Hier steht einer schnellen Trauung oftmals das Fehlen bestimmter Dokumente entgegen, wie etwa des Ehefähigkeitszeugnisses bzw. der Eheanerkennungserklärung des Heimatstaates. Je nach Herkunftsland können für die Eheschließung auch noch weitere Dokumente eingefordert werden, deren Beschaffung die Heirat zusätzlich hinauszögert. Dagegen sehen sich schwule und lesbische Paare mitunter weniger aus formellen als aus gesellschaftlichen Gründen an der Formalisierung ihrer Partnerschaft gehindert. So ist unter anderem bekannt, dass sich gleichgeschlechtliche Paare deshalb nicht eintragen lassen, weil sie eine damit verbundene Offenlegung ihrer sexuellen Orientierung vermeiden wollen.286 Dies gilt vor allem im beruflichen Bereich. Dort ist nämlich aufgrund der Notwendigkeit, seine Zivilstandsänderung gegenüber dem Arbeitgeber anzuzeigen (wegen der Änderung des Nachnamens und/oder der Steuerklasse), die Gefahr eines „Zwangsoutings“ im besonderen Maße gegeben.287 281

Schmidt/Matthiesen/Dekker/Starke, Spätmoderne Beziehungswelten, S. 76. Schmidt/Matthiesen/Dekker/Starke, Spätmoderne Beziehungswelten, S. 79. 283 Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 114. 284 Insbesondere früher lag der Grund für ein außereheliches Zusammenleben nicht selten darin, dass die Partner einander gar nicht heiraten konnten, da etwa die Rechtsordnung eine Scheidung nicht zuließ, Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 174; Schreiber, FPR 2001, 12, 13; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 16. 285 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 23. 286 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 32. 287 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 32. 282

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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b) Partnerschaften, die keine Eheschließung oder Partnerschaftsbegründung anstreben aa) Die nichteheliche Lebenspartnerschaft als alternatives Partnerschaftsmodell Ein zusehends größer werdender Anteil unverheirateter Paare betrachtet seine Form des Zusammenlebens als eine echte und dauerhafte Alternative zur Ehe.288 Die nichteheliche Lebensgemeinschaft wird in diesen Fällen vereinzelt auch als bewusstes Gegenmodell zur Ehe gelebt.289 Das heißt allerdings nicht zwingend, dass diese Paare die Institution der Ehe als solche ablehnen.290 Vielmehr wird die nichteheliche Lebensgemeinschaft in den meisten Fällen in der Überzeugung gewählt, dass die persönliche Beziehung der Partner einer rechtlichen Legitimierung nicht bedarf. Das bedeutet aber nicht, dass die Partner auch einer rechtlichen Bindung grundsätzlich ablehnend und kritisch gegenüber stehen.291 Teilweise sehen sich diese Paare in ihrer Unabhängigkeit bestärkt, wenn sie ihre Partnerschaft nicht in einem institutionalisierten Rahmen ausleben.292 Insofern sei die nichteheliche Lebensgemeinschaft nach den Auffassungen vieler Paare besser geeignet, den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden.293 Mitunter wird in dem nichtehelichen Zusammenleben weniger eine Alternative zur Ehe als vielmehr eine Alternative zum Alleinwohnen erblickt.294 In den allermeisten Fällen leben diese Paare jedoch bewusst in einer langfristigen, eheähnlichen Beziehung, ohne sich über die persönlichen und rechtlichen Konsequenzen, etwa bei Trennung oder Tod eines Partners, im Einzelnen Gedanken zu machen.295 Dabei wird

288 Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 63 Rn. 1 f. Erman/Kroll-Ludwigs, Vor § 1353 Rn. 10. 289 Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 114; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 26; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 41; Wingen, Nichteheliche Lebensgemeinschaften, S. 66. 290 Hausmann, Einführung, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 47, 55 Rn. 17 f. 291 Hausmann, Einführung, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 47, 56 Rn. 20; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 11; Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, 8. Auflage, Wiesbaden 2012, S. 114. 292 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 26; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 40. 293 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 40; Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 77. 294 Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 129. 295 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 26.

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das faktische Zusammenleben zunehmend als eine Lebensform wahrgenommen, die auch bei Vorhandensein von Kindern an die Stelle der Ehe tritt.296 bb) Nichteheliche Lebensgemeinschaften aufgrund ideologischer und/oder wirtschaftlicher Erwägungen In wenigen Fällen leben die Paare in nichtehelicher Lebensgemeinschaft, weil sie die Ehe aus ideologischen und/oder wirtschaftlichen Gründen ablehnen.297 Auch hierbei wird die nichteheliche Paargemeinschaft als echtes Alternativmodell gelebt. Jedoch liegen in diesem Falle die Motive für die Eingehung und Aufrechterhaltung der unehelichen Beziehung stärker in der Ablehnung der Ehe begründet. So können unterschiedliche Glaubensrichtungen der Partner oder auch die generelle Ablehnung der bürgerlichen Institution Ehe Grund dafür sein, in einer nichtehelichen Paargemeinschaft leben zu wollen.298 Teils sind auch wirtschaftspragmatische Überlegungen bei der Wahl des Partnerschaftsmodells ausschlaggebend. Mögliche finanzielle Verpflichtungen, die aus einer Ehe hervorgehen können – etwa im Falle einer Scheidung –, schrecken manche Paare von einer Heirat ab. Dies gilt vor allem dann, wenn sie bereits zuvor schlechte Erfahrungen infolge einer Scheidung gemacht haben. Allerdings ist der Anteil derjenigen Paare sehr gering, die eine Eheschließung mangels rechtlichen Bindungswillens grundsätzlich ablehnen.299 Umgekehrt werden nichteheliche Paargemeinschaften aber auch ganz bewusst eingegangen, um rechtliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu können, ohne dabei die nachteiligen Wirkungen einer Ehe in Kauf nehmen zu müssen. So genießen etwa Konsensualpaare in den meisten Kantonen ähnliche steuerrechtliche Vorteile, wie sie auch für Eheleute gelten. In diesem Zusammenhang werden unverheiratete Paare, die es vor allem auf derartige Vergünstigungen abgesehen haben, auch als sog. Steuerkonkubinate bezeichnet.300

296

Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 26. Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 26; Hausmann, Einführung, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 47, 53 Rn. 15 f. 298 Zur Bedeutung religiöser Einflüsse auf die Eheschließung vgl. BGE 4 A_441/2007 vom 17. Januar 2008. 299 Peuckert, Familienformen im sozialen Wandel, S. 114; vgl. hierzu auch Pulver, Unverheiratete Paare, S. 165; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 35; Hausmann, Einführung, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 47, 55 Rn. 17 ff. 300 Zur erbschaftssteuerrechtlichen Benachteiligung von Patchwork-, Stief- bzw. NichtStatus-Beziehungen vgl. Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 22 f. 297

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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cc) Nacheheliche Lebensgemeinschaften und „Alters- bzw. Rentnerkonkubinate“ Zusehends häufiger findet nichteheliches Zusammenleben zwischen Personen fortgeschrittenen Alters statt.301 Viele Menschen entscheiden sich nach einer Scheidung oder dem Tode ihres Ehegatten mit dem künftigen Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zu leben. Auch in diesen Fällen wird die uneheliche Beziehung von Seiten der Paare als echte alternative Lebensform wahrgenommen. Einige Paare sehen aufgrund negativer Erfahrungen mit einer gescheiterten Ehe – wie oben bereits beschrieben – von einer erneuten Heirat ab. Sie treffen insofern die ganz bewusste Entscheidung, ihre Partnerschaft nicht wieder einem institutionellen Rahmen zu unterstellen. Dabei werden immer öfter nichteheliche Fortsetzungs- bzw. Patchworkfamilien gegründet, in denen die Partner ihre aus erster Ehe hervorgegangenen Kinder mit in die neue Partnerschaft einbringen. Mitunter halten die nicht mehr zusammenlebenden Ehegatten trotz jeweils neu begründeter Lebenspartnerschaften den rechtlichen Status der Ehe aus unterschiedlichsten Gründen aufrecht; etwa zum Wohle der gemeinsamen Kinder oder weil sie eine unter Umständen komplizierte Abwicklung der Scheidungsfolgen vermeiden wollen.302 Neben den zunehmend häufiger aus Trennungs- und Scheidungssituationen hervorgehenden Lebensgemeinschaften werden auch immer mehr Konsensualpartnerschaften von sowie zwischen verwitweten Menschen eingegangen. Solche auch als „Alters- bzw. Rentnerkonkubinate“ bezeichneten Lebenspartnerschaften treten gerade im Zuge des demographischen Wandels verstärkt in Erscheinung.303 Eine Heirat wird von diesen Paaren nur noch sehr selten angestrebt, da man hierzu in aller Regel keine zwingende Veranlassung mehr sieht.304 Mitunter stehen einer erneuten Heirat auch gewisse Zwänge durch das soziale Umfeld entgegen.305 So befürchten insbesondere erwachsene Kinder durch die Wiederheirat eines Elternteils eine Schmälerung ihres künftigen Erbes, infolgedessen sie Druck auf diese ausüben.306 In Einzelfällen spielen für die Paare auch wirtschaftliche Aspekte eine Rolle, wenn es etwa um den Erhalt von Renten- und Pensionsansprüchen geht. So erlöschen nämlich im Falle einer Wiederheirat die Ansprüche auf Witwen- bzw. Witwerrente, 301 Hausmann, Einführung, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 47, 54 Rn. 15. 302 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 23. 303 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 41; vgl. hierzu auch bereits die obigen Ausführungen zu den demographischen Faktoren. 304 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 24. 305 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 24. 306 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 24.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

Art. 22 II BVG.307 Gleiches gilt auch für nacheheliche Unterhaltsansprüche, Art. 130 II ZGB.308 Dagegen werden nichteheliche Lebenspartnerschaften in Deutschland heute kaum noch aus Gründen der Aufrechterhaltung von Renten- und Pensionsansprüchen eingegangen, da deren Verlust nach der Einführung der Rentenabfindung, vgl. § 107 SBG VI und § 80 SGB VII, und dem Wiederaufleben dieser Ansprüche für den Fall einer erneuten Auflösung der Ehe bzw. der eingetragenen Lebenspartnerschaft, vgl. § 46 III, IV SGB VI, nicht mehr zu befürchten ist.309 Im Regelfall führen diese Paare eine eheähnliche bzw. lebenspartnerschaftsähnliche Lebensgemeinschaft, die erst mit dem Ableben eines Partners endet.310 Die jederzeitige Trennungsmöglichkeit sowie die gemeinsame Vermögensbildung spielen dabei keine entscheidende Bedeutung.311 dd) Polygame Beziehungsformen nichtehelichen Zusammenlebens Nichteheliches Zusammenleben spielt sich jedoch nicht nur zwischen zwei Personen ab, sondern wird in einigen wenigen Fällen auch in polygamen Beziehungsverhältnissen ausgelebt. Im Rahmen der deutschen Gerichtsbarkeit sind sogar vereinzelte Entscheidungen ergangen, die erkennen ließen, dass sich eine Lebensgemeinschaft nicht zwingend auf zwei Personen beschränken muss.312 Insofern ist das Merkmal der Monogamie partnerschaftlichen Zusammenseins nicht mehr völlig selbstverständlich. In der heutigen Gesellschaft sind zu einem etwas größeren Anteil als früher Lebensgemeinschaften vorzufinden, die von mehr als nur zwei Personen geführt werden. Trotzdem bleibt deren gesellschaftliche Bedeutung im Verhältnis zum klassischen monogamen Partnerschaftsmodell äußerst gering. Vereinzelt wird aber, vor allem aufgrund der Zunahme von Bürgerinnen und Bürgern islamischen Glaubens, darauf hingewiesen, dass künftig auch über die Anerkennung polygamer Lebensgemeinschaften diskutiert werden müsse.313

307

Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Zwar erlischt gem. Art. 129 I ZGB der nacheheliche Unterhaltsanspruch auch für den Fall, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte in einem gefestigten Konkubinat lebt. Ein solches wird aber erst nach dessen fünfjährigem Bestehen vermutet. Vor dieser Zeit muss der unterhaltspflichtige Ehegatte den Nachweis dafür antreten; vgl. BGE 138 III 157, 160 f., E. 2.3.3; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5.1.2; BGE 118 II 235, 237 f. 309 Vgl. hierzu Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 24. 310 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 25. 311 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 25. 312 Vgl. BSG, NJW 1994, 1366 = FamRZ 1994, 753; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 28. 313 So etwa Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 970; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 28. 308

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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4. Zusammenfassung und Stellungnahme Die Familien- und Gesellschaftsstrukturen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten fortwährend gewandelt; ein Entwicklungsprozess, der nicht nur in der Schweiz, sondern gleichermaßen in allen europäischen Staaten, insbesondere in den west- und mitteleuropäischen Ländern, stattgefunden hat.314 Ausfluss dieses Wandels ist unter anderem die Zunahme nichtehelicher Zusammenlebensformen, die mittlerweile in sämtlichen Bevölkerungs- und Altersschichten – sei es als vor-, nacheheliche oder ganzzeitlich geführte Lebenspartnerschaft – Eingang gefunden haben.315 Soziologisch betrachtet hat sich die Pluralisierung der Partnerschaftsmodelle in der Schweiz sowie in Deutschland daher bereits vollzogen.316 Zwar handelt es sich bei Konsensualpartnerschaften und anderen alternativen Partnerschaftsmodellen, wie etwa Patchwork- oder Regenbogenfamilien, um keine neu entstandenen Phänomene.317 Vielmehr gibt es uneheliche Paarbeziehungen schon seit jeher. Allerdings geht aus den soziologischen Datenerhebungen eines deutlich hervor: Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung nichtehelicher Lebensgemeinschaften ist im Vergleich zu früher enorm gestiegen. Nichteheliches Zusammenleben stellt nicht mehr eine bloße Randerscheinung dar, sondern konnte sich in der heutigen Gesellschaft als anerkannte Lebensformen etablieren. Dabei reichen die Motivlagen von der Überlegung, mit der Partnerschaft eine Art Probeehe führen zu wollen, über die Vorstellung eines alternativ und dauerhaft beabsichtigten Lebensmodells bis hin zu rein wirtschaftspragmatischen Erwägungen. Richtigerweise wird somit auch übereinstimmend darauf hingewiesen, dass es „die“ nichteheliche Lebensgemeinschaft gar nicht gibt.318 Obgleich die Bandbreite nichtehelicher Lebensgemeinschaften groß ist, bleibt ihnen überwiegend gemein, dass sie primär aus emotionalen Gründen eingegangen werden. So stellt die geistigemotionale Bindung der Partner in den allermeisten Beziehungen den Hauptgrund

314 Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 12; Bundesamt für Statistik (Schweiz), Bevölkerung: Panorama, Februar 2016, S. 7, www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 315 Bundesamt für Statistik (Schweiz), Eidgenössische Volkszählung 2000. Familiale Lebensformen im Wandel, bearb. v. Fux, Neuchâtel, Dezember 2005, S. 45, abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016). 316 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 30; Grziwotz, in: Kroppenberg/Schwab/ Henrich u. a. (Hrsg.), Rechtsregeln für nichteheliches Zusammenleben, S. 7, 9; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 42. 317 Pulver, Unverheiratete Paare, S. 9. 318 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 12; Becker, Die Qualifikation der cohabitation légale des belgischen Rechts im deutschen Internationalen Privatrecht, S. 133; Hausmann, Einführung, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 47, 53 Rn. 14 m.w. N.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

für das Zusammenkommen und Zusammenbleiben eines Paares dar. Wirtschaftliche Aspekte spielen regelmäßig nur eine untergeordnete Rolle.319 Mit dem Boom nichtehelicher Partnerschaftsformen ist gleichzeitig ein Rückgang ehelicher Lebensgemeinschaften verbunden.320 Obwohl die Institution Ehe damit an Bedeutung eingebüßt hat, stellt sie nach wie vor die am häufigsten gewählte Form partnerschaftlichen Zusammenlebens dar, so dass sie immer noch eine herausragende Position in der Gesellschaft innehat.321 Die von mancher Seite geäußerten Bedenken, es komme aufgrund der Pluralisierung der Lebensformen zu einer Deinstitutionalisierung der Ehe,322 lassen sich insofern als unbegründet zurückweisen. Darüber hinaus zeigen eheliche und nichteheliche Paare in ihrer sozialen Struktur und ihrem Verhalten große Ähnlichkeit zueinander auf. Trotz ihrer vorhandenen Gemeinsamkeiten handelt es sich aber um keine konkurrierenden Partnerschaftsmodelle. Stattdessen wird die nichteheliche Lebensgemeinschaft als eigenständige neben der Ehe existierende Form des partnerschaftlichen Zusammenlebens wahrgenommen, weshalb sich auch die Befürchtungen nicht bewahrheiten, mit zunehmender rechtlicher Besserstellung nichtehelicher Paare würde ein Subinstitut zur Ehe geschaffen werden. Angesichts der sozio-demographischen Befunde bleibt somit abschließend zu konstatieren, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft in der Schweiz, in Deutschland und allgemein in Europa eine gesellschaftlich bedeutende Rolle einnimmt und daher eine Lebensrealität darstellt.323

III. Erben und Vererben: Empirische Daten Die Frage der erbrechtlichen Reformbedürftigkeit hinsichtlich nichtehelicher Lebensgemeinschaften muss denn auch unter den Gesichtspunkten der ökonomischen Realitäten des Erbrechts sowie der tatsächlichen Vererbungspraxis untersucht werden.

319 Hausmann, Einführung, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 47, 53 Rn. 14 ff. 320 Stintzing, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und rechtliche Regelung – ein Widerspruch?, S. 41. 321 Nave-Herz, Familie heute, S. 19. 322 So etwa Tyrell, KZfSS Sonderheft 33 (1993), 126, 127 und 143; dazu auch Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 42; Bundesamt für Statistik (Schweiz), Eidgenössische Volkszählung 2000. Familiale Lebensformen im Wandel, bearb. v. Fux, Neuchâtel, Dezember 2005, S. 41 ff., abrufbar unter: www.bfs.admin.ch (Stand: 04. 11. 2016): Zur Diffusion nichtehelicher Lebensformen: Ist die Ehe ein Auslaufmodell?. 323 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 31 f.; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 35; Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 8.

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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Daher ist der erste Teil dieses Abschnitts der volkswirtschaftlichen Bedeutung des Erbrechts gewidmet [Kap. 2, C., III., 1.]. Ein Reformvorhaben, das gegebenenfalls umfangreiche Veränderungen im Erbrecht324 zur Folge hat, könnte im Ergebnis als überdimensioniert und daher überflüssig empfunden werden, wenn der finanzielle Stellenwert einer Erbschaft, auch in Anbetracht anderer Vermögenseinkünfte der Erben, gesamtwirtschaftlich regelmäßig nicht entscheidend ins Gewicht fällt. Umgekehrt dürfte die Schaffung eines den heutigen Lebensrealitäten entsprechenden Erbrechts umso dringender geboten sein, je größer dessen wirtschaftliche Bedeutung für die Gesellschaft und den Einzelnen ist. Darüber hinaus ist eine erbrechtliche Regelung zugunsten nichtehelicher Lebensgemeinschaften auch nur dann angezeigt, wenn diese von einem hinreichend großen Teil der Bevölkerung befürwortet wird. Besteht auf Seiten der Erblassenden trotz zunehmender Verbreitung dieser Zusammenlebensform kein Interesse an einer stärkeren erbrechtlichen Begünstigung des Konsensualpartners, so dürfte einem solchen Reformvorhaben der innere Grund fehlen. Nachfolgend wird daher das Testierverhalten heutiger Erblasser vor dem Hintergrund untersucht, ob und vor allem in welchem Umfang nichteheliche Lebenspartner letztwillig begünstigt werden [Kap. 2, C., III., 2.]. Sodann wendet sich die Studie der Frage zu, wie es um die Rechtskenntnis der Bevölkerung in erbrechtlichen Regelungszsammenhängen bestellt ist [Kap. 2, C., III., 3., b)]. Schließlich kann auch bei fehlender testamentarischer Absicherung des Konsensualpartners von einem hinreichenden Rückhalt in der Gesellschaft für eine diesen begünstigenden Erbregelung gesprochen werden, sofern die Erblasser irrtümlich von einer gesetzlichen Erbenstellung des unehelichen Partners ausgehen. Um ein vollständiges Bild von der gesellschaftlichen und politischen Tragweite dieser Thematik zu erhalten, wird im letzten Abschnitt dieses Kapitels [Kap. 2, C., III., 3., c)] dem Rechtsbedürfnis der Menschen nach einer erbrechtlichen Besserstellung nichtehelicher Lebenspartner auf der Grundlage von in der Schweiz und Deutschland durchgeführten Befragungen nachgegangen. 1. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Erbrechts Volkswirtschaftlich gesehen ist das Erbrecht von enormer Bedeutung.325 Allein in der Schweiz werden ca. 30 Milliarden Franken pro Jahr vererbt,326 was einem im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Anteil von fast 7 % des 324 Zu denken wäre etwa an eine mögliche Ausweitung des Kreises gesetzlicher und pflichtteilsgeschützter Erben um die des nichtehelichen Lebenspartners oder an eine grundsätzliche Neugestaltung von jahrzehntelang bewährten Erbrechtsintituten, wie z. B. dem Pflichtteilsrecht. 325 Vgl. zusammenfassend Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 237 ff.; Wolf/ Genna, SPR IV/1, S. 19 f. 326 Für das Jahr 2020 wird prognostiziert, dass das Erbvolumen bereits über 35 Milliarden Franken liegt; Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 131, 176.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

Bruttoinlandsprodukts entspricht.327 Dabei beträgt das durchschnittlich vererbte Vermögen eines Erblassers fast 500.000 Schweizer Franken (456.000), wovon der Durchschnittserbe rund 179.000 erhält.328 Nicht eingerechnet sind in diesem Zusammenhang Schenkungen im Wege vorweggenommener Erbfolge, die sich auf ein geschätztes Gesamtvolumen von mindestens 7 Milliarden Franken pro Jahr belaufen.329 So machen allein die steuerpflichtig erfassten Schenkungen knapp ein Viertel des gesamten Erbschaftsvolumens aus.330 Ganz ähnliche Tendenzen zeigen sich auch in Deutschland,331 wo nach einer jüngeren Studie das Gesamtvolumen aller Erbschaften in diesem Jahrzehnt (2010 – 2020) auf fast 2,6 Billionen Euro (2,58) geschätzt wird.332 Jährlich werden demnach rund 260 Milliarden Euro vererbt. Angesichts der Tatsache, dass das Vermögen aller privaten Haushalte bei etwa 10 Billionen Euro (9,43 Billionen Euro)333 liegt, wird somit mehr als ein Viertel (27 %) des gesamten Privatvermögens der Deutschen innerhalb dieses Jahrzehnts infolge von Erbschaften weitergegeben.334 Obwohl die durchschnittlichen Erbsummen einen nennenswerten Vermögenszuwachs vieler vermuten lassen, sind die Erbaussichten eines Großteils der Bevölkerung doch eher bescheiden.335 So erhalten die obersten zehn Prozent der schweizerischen Bevölkerung drei Viertel des gesamten Erbvolumens, während ein Drittel beim Erben leer ausgeht.336 Auf die Hälfte der tatsächlichen Erben entfallen hingegen nur zwei Prozent der Gesamterbsumme.337 Die nächsten 40 % erben davon gut ein Viertel. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Wenige viel und Viele

327 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 129; die jährliche Gesamterbsumme entspricht 6,8 % des BIP, vgl. Stutz, FamPra.ch 2006, 862, 866; in Deutschland wird dieser Anteil auf knapp 2 % des BIP beziffert, vgl. Kohli/Schupp u. a., Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Erbschaften und Vermögensverteilung, S. 70. 328 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 130, 131; dagegen wurden in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt im Durchschnitt 248.000 Euro vererbt. Im Zeitraum von 2011 bis 2020 steigt die durchschnittliche Erbschaftshöhe auf 305.000 Euro. Das Erbschaftsvolumen wächst damit im Vergleich zum vorherigen Jahrzehnt um 23 %. Ein Durchschnittserbe erhält in Deutschland ca. 153.000 Euro, vgl. Braun/Pfeiffer/Thomschke, Erben in Deutschland, S. 38. 329 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 132; Wolf/Genna, SPR IV/1, S. 19. 330 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 132. 331 Vgl. hierzu insgesamt Braun, Erben in Deutschland 2015, S. 4 ff.; Braun/Pfeiffer/ Thomschke, Erben in Deutschland, S. 5 ff. 332 Braun/Pfeiffer/Thomschke, Erben in Deutschland, S. 20. 333 Braun/Pfeiffer/Thomschke, Erben in Deutschland, S. 8, 20: Als Bemessungsgrundlage wurde das Nettovermögen herangezogen (Stand: 2010). 334 Braun/Pfeiffer/Thomschke, Erben in Deutschland, S. 21. 335 Vgl. für die Schweiz Wolf/Genna, SPR IV/1, S. 19 f. 336 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 143, 239. 337 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 143, 239.

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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wenig erben.338 Eine ebenso ungleiche Vermögensverteilung ist bei deutschen Erbfällen festzustellen.339 Obgleich somit nur ein verhältnismäßig kleiner Teil in größerem Umfang aus Erbschaften profitiert, ist deren wirtschaftliche Bedeutung, vor allem auch wegen der erbschaftsteuerrechtlichen Relevanz, sehr hoch. 2. Testierverhalten a) Grundsätzliches Bevor das Testierverhalten der Erblassenden im Hinblick auf eine Begünstigung nichtehelicher Lebenspartner näher untersucht wird, soll zunächst der grundsätzlichen Bedeutung letztwilliger Verfügungen für die allgemeine Vererbungspraxis nachgegangen werden. Die Frage nach der Notwendigkeit einer gesetzlichen Erfolgeregelung zugunsten des überlebenden Konsensualpartners hängt schließlich auch davon ab, wie umfangreich die Erblasser von der testamentarischen Erbfolge Gebrauch machen. Tritt diese nämlich gegenüber der gesetzlichen Erbfolge in den Hintergrund, so muss dieser Umstand auch bei den anstehenden Reformüberlegungen Berücksichtigung finden. Denn das Ziel eines Reformvorhabens kann nur in der Verwirklichung eines pragmatischen Lösungsansatzes bestehen, der auch die faktischen Gegebenheiten hinreichend aufzunehmen vermag. Sodann werden die bei der Vererbung zugrunde liegenden Motivlagen der Erblasser einer genaueren Betrachtung unterzogen. So sind die Gründe, die den Erblasser zu einen letztwilligen Verfügung bewegen, auch für die Frage relevant, welche Rolle der Partner in dessen Leben einnimmt, insbesondere im Verhältnis zu anderen Erben (etwa den Kindern). Im Zuge der Reformbestrebungen gilt es diesen individuellen Vorstellungen der Erblasser einen ausreichenden Gestaltungsfreiraum zu belassen. Schließlich setzt eine effiziente Ausgestaltung erbrechtlicher Regelungen auch die grobe Kenntnis über die für den Erblasser handlungsleitenden Motive voraus.

338 Zu dieser Schlussfolgerung kommend auch Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 115. 339 Braun/Pfeiffer/Thomschke, Erben in Deutschland, S. 21 ff., bezeichnend ist für diese Entwicklung besonders, dass sich die oberen 2 % aller Nachlassvermögen auf etwa ein Drittel des gesamten Erbschaftsvolumens konzentrieren.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

aa) Testierbereitschaft In der Schweiz besteht eine geringe Testierfreudigkeit.340 Gerade einmal in einem Viertel aller Erbfälle liegen testamentarische Verfügungen vor.341 Mithin greift in drei Vierteln der Fälle die gesetzliche Erbfolge. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Nachlassweitergabe durch Erbverträge in dieser Statistik nicht erfasst wurde. Diese sind gerade unter Konkubinatspaaren und Patchworkfamilien verhältnismäßig stark verbreitet.342 Obwohl der Anteil testamentarisch oder erbvertraglich abgewickelter Erbfälle folglich über 25 % liegen dürfte, bleibt das gesetzliche Erbrecht von herausragender Bedeutung. Betrachtet man jedoch das Verhältnis von gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge im Hinblick auf die Größe der vererbten Nachlässe, fällt auf, dass bei umfangreichem Vermögen deutlich öfter testiert wird. Die Testierquote weitgehend vermögensloser Erblasser liegt bei lediglich 15 %, während in Millionärskreisen in knapp über der Hälfte der Fälle ein Testament errichtet wird.343 Obwohl der TestierAnteil vermögender Personen damit bedeutend höher liegt, werden auch fast 50 % dieser Erbfälle über die gesetzliche Erbfolge abgewickelt. Grundsätzlich lässt sich daher sagen: Dort, wo nennenswertes Vermögen vorhanden ist, wird auch häufiger testiert.344 Entsprechende Tendenzen sind auch in den anderen europäischen Ländern erkennbar.345 In Deutschland wird ebenfalls eine sehr geringe Testierquote von ca. 25 bis 30 % beklagt.346

340

Zu den Gründen der geringen Testierbereitschaft vgl. Breitschmid, successio 3 (2009), 276, 289. 341 Stutz, FamPra.ch 2006, 862, 870; Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 182; hierzu auch Platzer/Breitschmid, successio 2 (2008), 188, 189; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 31 weist darauf hin, dass die Schätzungen diesbezüglich stark variieren, so dass die Testierquote von nur 25 bis 60 % reicht. 342 Wolf/Genna, SPR IV/1, S. 20. 343 Stutz, FamPra.ch 2006, 862, 870. 344 Lettke, SZfS 2005, 407, 414; Stutz, FamPra.ch 2006, 862, 870. 345 Vgl. hierzu die jeweiligen Länderberichte in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich. 346 Vgl. TNS Infratest-Umfrage „Erbrecht 2007“ vom August 2007 im Auftrag des Deutschen Forums für Erbrecht e.V., S. 1 (Tab. 1), wonach rund 26 % der Befragten ein Testament errichtet oder einen Erbvertrag abgeschlossen haben; Hommerich, C./Hommerich, N., Erbrechtliche Vorsorge in Deutschland, Umfrage im Auftrag der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge, Bergisch Gladbach, 31. Januar 2006, S. 4, die auf ein nahezu identisches Ergebnis von ebenfalls 26 % kommen; von 30 % ausgehend Reimann, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 33, 34; ebenfalls 30 % zugrunde legend Soergel/Stein, Einl. zum Erbrecht Rn. 73 (in Fn. 257 m.w.H.); mit weiteren Hinweisen auch Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 97 Fn. 55 sowie Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 124, Fn. 374.

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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bb) Vererbungsmotive Die Motive erblasserischen Handelns, den Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder bestimmten Organisationen etwas zu vererben, sind sowohl vielfältig als auch in ihrer jeweiligen Ausprägung sehr unterschiedlich.347 Für manche Erblasser spielen bei der Errichtung ihres Testaments ausschließlich kapitalistische oder strategische Erwägungen eine Rolle.348 In diesen Fällen soll der Nachlass zwecks Erhalts und Fortgangs gewisser Vermögenswerte, wie etwa der Fortführung des Familienunternehmens, bewusst in ganz bestimmte Bahnen gelenkt werden.349 Andere stellen dagegen ein Erbe in Aussicht, weil sie sich vom potentiell Begünstigten die benötigte Hilfe und Pflege im Alter versprechen.350 Oftmals sind für eine Erbeinsetzung aber auch rein altruistische Beweggründe handlungsleitend.351 So zielen manche testamentarischen Verfügungen darauf ab, den verschiedenen Bedürfnissen der Familienmitglieder in gleichem Maße gerecht zu werden, um dadurch sicherzustellen, dass alle gleich gut versorgt sind. Teilweise konnten wiederum keine konkreten Motivlagen ausgemacht werden, weshalb die Verteilung des Erbes in diesen Fällen eher zufallsbestimmt war. Angesichts dieser Vielzahl möglicher Beweggründe kann erblasserisches Handeln auch mehrfachmotiviert sein, so dass zahlreichen Testamenten praktisch ein ganzes Motivbündel zugrunde liegt.352 Dabei können einzelne Motive mitunter auch im Widerspruch zueinander stehen und ambivalente Zielsetzungen haben.353 Schließlich sind Spannungsfelder, wie Heidi Stutz zutreffend klarstellt, für den Entscheidungskontext des Erblassers aufgrund unterschiedlicher individueller und gesellschaftlicher Einflüsse typisch.354 b) Der nichteheliche Lebenspartner als testamentarischer Erbe Mangels gesetzlicher Erbenstellung kann der nichteheliche Lebenspartner nur dann Erbe sein, wenn er testamentarisch bedacht worden ist. Aufschluss über Häufigkeit und Umfang erbrechtlicher Begünstigungen unter nichtehelichen Part-

347 Vgl. ausführlich Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 34 ff. und S. 207 ff.; Stutz, FamPra.ch 2006, 862, 871; Schulte, in: Lettke (Hrsg.), Erben und Vererben, S. 205, 209 f. 348 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 39; Lettke, ZSE 24 (2004), 277, 290. 349 Lettke, ZSE 24 (2004), 277, 291. 350 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 38. 351 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 37. 352 Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 119; Kohli, in: Silverstein (Hrsg.), Intergenerational relations across time and place, S. 266, 271; Lettke, ZSE 24 (2004), 277, 290 f. 353 Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 119. 354 Stutz, FamPra.ch 2006, 862, 871 f.; Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 207; ebenso Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 119.

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nern liefert insbesondere die Studie des Büros BASS355 „Erben in der Schweiz. Eine Familiensache mit volkswirtschaftlichen Folgen“.356 Bei der in diesem Zusammenhang vorgenommenen Untersuchung des Testierverhaltens der Schweizer sind allerdings allein die erbschaftsteuerrechtlich relevanten Fälle berücksichtigt worden.357 Insofern bildet die Studie in der Tendenz die Vererbungsmuster der finanziell etwas besser Gestellten ab. Aus den Untersuchungen geht zunächst einmal hervor, dass eine erblassende Person im Durchschnitt 3,8 Erbende (inklusive juristischer Personen) begünstigt.358 Die Verteilung des Nachlasses hängt wiederum sehr stark davon ab, welche Familienmitglieder und Verwandte zum Todeszeitpunkt vorhanden sind. Durchschnittlich gehen drei Viertel der Gesamterbsummen in die Kernfamilie, also an den überlebenden Ehepartner (16 %) sowie die Kinder (58 %).359 Das übrige Viertel verteilt sich relativ gleichmäßig auf Enkel, übrige Verwandte, Nichtverwandte (inklusive unverheirateter Lebenspartner) und juristische Personen.360 Nicht mit dem Erblasser verwandte Personen erhalten etwa 6 % des Erbschaftsvermögens.361 Dabei machen die nichtehelichen Lebenspartner einen Großteil dieser Personengruppe aus. Obwohl der auf die Gruppe der Nichtverwandten entfallende Vermögensanteil in Anbetracht des gesamten Erbvolumens verhältnismäßig gering erscheint, werden Nichtverwandte dennoch relativ häufig als Erben benannt.362 Deren insgesamt betrachtet eher spärliche Teilhabe am Nachlassvermögen kann jedoch vor allem darauf zurückgeführt werden, dass die pflichtteilsrechtlichen Einschränkungen einer höheren Erbsumme auf Seiten der Nichtverwandten entgegenstehen. Allein der Pflichtteil der Kinder beträgt drei Viertel des gesetzlichen Erbanspruchs, Art. 471 I ZGB. Bei Erbschaften ohne Pflichterben – Nichtvorhandensein direkter Nachkommen, des Ehegatten und der Eltern – zeigt sich notgedrungen ein völlig anderes Bild in der Nachlassverteilung.363 So entfällt etwas weniger als 40 % der Erbsumme auf die übrige Verwandtschaft (inklusive Stief- und Pflegekinder), während ca. 11 % di-

355

Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien, Forschungsinstitut in Bern. Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 181 ff. 357 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 184. 358 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 184. 359 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 186, 192. 360 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 186. 361 Stutz, FamPra.ch 2006, 862, 870; Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 192. 362 Vgl. hierzu das Säulendiagramm in Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 185. 363 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 201. 356

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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versen Institutionen und Organisationen zufließt.364 Hingegen geht mit 51 % der größte Anteil an die Gruppe der Nichtverwandten. Insgesamt liegt der Anteil der Erblassenden ohne Pflichterben bei ungefähr 20 %.365 Jedoch steigt dieser mit fortschreitendem Alter tendenziell an und erreicht somit bei den über 100-Jährigen fast 40 %.366 In höherem Alter gewinnen daher die Gruppen der Nichtverwandten, aber auch der übrigen Verwandten erheblich an Bedeutung.367 Aus einer in diesem Zusammenhang durchgeführten Stichprobe von rund 30 Erbschaftsteuerdossiers zu Fällen ohne pflichtteilsgeschützte Erben geht zudem hervor, dass bei Vorhandensein eines Lebenspartners dieser sehr häufig zum Alleinerben eingesetzt wird.368 Etwaige gesetzliche Erben werden in diesen Fällen zumeist von der Erbfolge ausgeschlossen. Dabei zeigt sich auch, dass gerade bei verwitweten und geschiedenen Erblassern der Stellenwert nicht verwandter Personen besonders groß ist. In knapp zwei Fünftel der untersuchten Fälle werden die Lebenspartner als Alleinerben eingesetzt, in je einem weiteren Fünftel als Haupterbe neben den gesetzlichen Erben bzw. umgekehrt.369 Im übrigen Fünftel kommt es zu einer gleichberechtigten Verteilung zwischen Lebenspartner und gesetzlichen Erben oder Nichtverwandten.370 Da in Erbfällen mit Beteiligung nichtehelicher Lebenspartner nicht selten Konflikte zwischen den Parteien auftreten – regelmäßig auch infolge der Geltendmachung pflichtteilsgeschützter Erbansprüche –, entspricht die tatsächliche Erbteilung im Ergebnis oftmals nicht den eigentlichen Vorstellungen des Erblassers.371 3. Rechtskenntnis und Rechtsbedürfnis a) Relevanz für die Vererbungspraxis Eine bewusste Entscheidung über die Verteilung des Nachlasses setzt gewisse – zumindest in Grundsätzen vorhandene – erbrechtliche Kenntnisse voraus.372 Daher benötigt ein Erblasser, der auf die Errichtung eines Testaments verzichtet, um die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen, das Wissen um den Personenkreis der gesetzlichen Erben. Bleibt er dagegen nur deshalb untätig, weil er irrtümlicherweise 364 365 366 367 368 369 370 371 372

Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 201. Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 200. Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 200. Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 187. Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 202. Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 203. Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 203. Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 203. Lettke, SZfS 2005, 407, 416; Baumann, LeGes 2 (2002), 109, 110.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

davon ausgeht, dass etwa sein nichtehelicher Lebenspartner bereits von Gesetzes wegen zum Erben bestimmt ist, zieht dieser Umstand unerwünschte Rechtsfolgen im Falle seines Ablebens nach sich.373 Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass die Rechtskenntnis der Betroffenen von grundlegender Bedeutung für einen effektiven Einfluss von Rechtsnormen und damit auch der Wirkungskraft des Erbrechts sind.374 Denn nur wer die gesetzliche Ordnung kennt, ist in der Lage, darüber zu entscheiden, ob er diese für sich als passend erachtet oder mittels letztwilliger Verfügung abändern will.375 b) Rechtskenntnis der Betroffenen Die vorhandene Datenlage zur Rechtskenntnis der Bevölkerung hinsichtlich erbrechtlicher Sachverhalte ist insgesamt überschaubar. Einige Studien gehen allerdings ganz konkret der Frage nach, wie es um das Wissen der Betroffenen zu den Regelungen des Erbrechts steht. Dabei ist allen in diesem Kontext vorgenommenen Untersuchungen im Ergebnis gemein, dass ein Großteil der Menschen keine oder nur unzureichende Kenntnisse zu den gesetzlichen und gewillkürten Erbfolgeregelungen besitzen.376 So geht nach einer vom Büro BASS377 durchgeführten Befragung fast die Hälfte der Teilnehmer fälschlicherweise davon aus, dass unverheirateten Lebenspartnern auch gesetzliche Erbansprüche zustehen.378 Anders gesprochen: 48 % unterliegen der Fehlvorstellung, dass der überlebende Konsensualpartner auch ohne letztwillige Verfügung Erbe wird.379 Bei nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern sind sogar 51 % dieser Auffassung.380 Viele sind sich also überhaupt nicht darüber bewusst, dass der nichteheliche Lebenspartner nicht durch das gesetzliche Erbrecht abgesichert ist.381 373

Lettke, SZfS 2005, 407, 416. Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 128; Rehbinder, Rechtssoziologie, Rn. 117. 375 So auch Rehbinder, Rechtssoziologie, Rn. 117; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 128. 376 Vgl. für die Schweiz Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 207 ff.; Platzer/ Breitschmid, successio 2 (2008), 188 ff.; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 141 ff.; für Deutschland Lettke, SZfS 2005, 407 f.; Lettke, ZSE 24 (2004), 277 ff.; Rehbinder, Rechtssoziologie, Rn. 117 f.; anderer Auffassung lediglich Dörner, in: FS Holzhauer, S. 474 ff., der davon ausgeht, dass das rechtliche Wissen betreffend des Erbrechts zumindest verbreiteter als in anderen Rechtsgebieten sei; für Österreich Schilcher, in: FS zum 100jährigen Bestand der Kanzlei, S. 103, 104; Freisitzer, in: FS Wilburg, S. 101 ff. 377 Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien, Forschungsinstitut in Bern. 378 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 223. 379 Vergleichbare Resultate für Deutschland erzielte auch Lettke, ZSE 24 (2004), 277, 288. 380 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 223, wobei zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht die Möglichkeit einer Registrierung gleichgeschlechtlicher Paare bestand. 381 Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 129. 374

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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Eine noch gravierendere Fehleinschätzung tritt hingegen bei der Bewertung der erbrechtlichen Situation von Stiefkindern zutage. Diesbezüglich realisieren lediglich 37 % der Befragten zutreffend, dass Stiefkinder nicht automatisch kraft gesetzlicher Erbfolge erbrechtlich begünstigt werden.382 Wie im Folgenden noch näher erörtert wird, korrespondieren diese Resultate auch mit dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen [dazu Kap. 2, C., III., 3., c)]. Neben den weit verbreiteten Fehlvorstellungen betreffend des Personenkreises der gesetzlichen Erben offenbaren die Befragten auch erhebliche Defizite bei der Frage nach der einzuhaltenden Form von Privattestamenten.383 Man kann infolgedessen davon auszugehen, dass eine nicht ganz unerhebliche Anzahl nichtehelicher Lebenspartner gerade deshalb im Erbfall leer ausgehen, weil ihre testamentarische Erbeinsetzung nicht der vorgeschriebenen Form entspricht. Die mangelnde Rechtskenntnis der Betroffenen lässt sich teilweise auf eine unzureichende Inanspruchnahme der vorhandenen Erkenntnisquellen zurückzuführen.384 Obwohl zahlreiche behördliche (wie etwa kantonale und städtische Erbschaftsämter) und private (wie etwa Rechtsratgeber oder das Internet) Auskunftsquellen existieren, greift einer Umfrage zufolge nur ein verhältnismäßig geringer Anteil hierauf zurück oder steht einer Rechtsberatung – unabhängig des eigenen Informationsstands – gar ablehnend gegenüber.385 Dabei lassen sich die vorhandenen Informationsdefizite sowie die Beratungsresistenz unter anderem damit erklären, dass sich nicht wenige einem Gespräch mit Dritten verschließen, wenn es um das sensible Thema Tod und die Frage nach der Weitergabe des eigenen Vermögens geht.386 c) Rechtsbedürfnis einer erbrechtlichen Neuregelung Die fehlende Rechtskenntnis der Bevölkerung über die erbrechtlichen Regelungen geht gleichzeitig mit dem Wunsch nach einer gesetzlichen Änderung zugunsten nichtehelicher Lebenspartner einher. So haben sich in einer Bevölkerungsbefragung rund 75 % dafür ausgesprochen, dass es beim Erben keine Rolle spielen sollte, ob man mit dem langjährigen Le382 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 223, unter anderem glauben sogar 28 % der Befragten, dass der geschiedene Ehegatte zu den gesetzlichen Erben gehört. 383 So auch Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 131 unter Verweis auf eine in Deutschland durchgeführte Untersuchung. 384 Platzer/Breitschmid, successio 2 (2008), 188, 190. 385 So konstatierend Platzer/Breitschmid, successio 2 (2008), 188, 190, wobei bezüglich der Repräsentativität der Umfrageergebnisse auf eine gewisse Verzerrung aufgrund des überproportionalen Anteils juristisch vorgebildeter Teilnehmer hingewiesen wird; ausführlich zur Nutzung und Gebrauchstauglichkeit der verschiedenen Rechtskenntnisquellen Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 132 ff. 386 Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Fn. 399.

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Kap. 2: Grundlagen des schweizerischen Erbrechts

benspartner verheiratet gewesen ist oder nicht.387 Der Status Ehe dürfe nach den Vorstellungen der meisten insofern nicht als einzige partnerschaftliche Legitimationsgrundlage fungieren, um in den Genuss gesetzlicher Erbansprüche zu kommen. Drei Viertel der Befragten vertreten mithin die Auffassung, dass langjährige Lebenspartner/innen den Ehegatten erbrechtlich gleichgestellt werden sollten.388 Dabei ist mit jeweils über 80 % Zustimmung „die Akzeptanz bei den Ledigen und Geschiedenen überdurchschnittlich hoch.“389 Eine in Deutschland durchgeführte Befragung unter Personen, die 40 Jahre oder älter sind, kommt in dieser Hinsicht zu ganz ähnlichen Ergebnissen. Dort gaben 67 % der Befragten an, dass sie es als gerecht empfänden, wenn ein Lebenspartner, mit dem man nicht verheiratet ist, so viel erbt, als wenn er der Ehegatte wäre.390 Angesichts dieser Zahlen kann zweifelslos von einem zunehmenden Rückhalt in der schweizerischen und deutschen Bevölkerung für eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebenspartner gesprochen werden.391 4. Zusammenfassung und Stellungnahme Die vorgenommene Analyse der in der Schweiz sowie in Deutschland vorherrschenden Erbstrukturen und Vererbungsmuster offenbart einerseits Einblicke in die besondere volkswirtschaftliche und rechtspolitische Tragweite dieses Themas. Andererseits zeigt die Daten- und Faktenlage auch die bestehende Notwendigkeit einer erbrechtlichen Erfassung unverheirateter Paare auf. Nichteheliche Lebensgemeinschaften sind nämlich nicht nur zahlenmäßig im Aufwind, sondern werden von einem Großteil der Bevölkerung, insbesondere im erbrechtlichen Kontext, als rechtlich relevante Lebensform wahrgenommen. Daraus resultiert gerade auch das vielfach geäußerte Anliegen, Konsensualpartner den Ehegatten erbrechtlich gleichzustellen oder ihnen zumindest eine stärkere Position als bisher zukommen zu lassen. Es wird mithin deutlich, dass das Erben und Vererben eine wichtige Rolle einnimmt und weiterhin einnehmen wird, sowohl in den Köpfen der Menschen als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Darüber hinaus zeigen die mangelnde Testierbereitschaft sowie die in weiten Teilen vorhandenen Informations- und Beratungsdefizite bezüglich erbrechtlicher Sachverhalte, dass zusätzliche Aufklärungsarbeit vonnöten ist, um die Wirkungskraft des Erbrechts zu gewährleisten. 387

Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 215. Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 216; in Deutschland zeigt sich ein ähnliches Bild: Laut einer Umfrage halten es fast 85 % der Befragten für gerecht, wenn der unverheiratete Lebenspartner wie der Ehepartner erbt, vgl. Lettke, ZSE 24 (2004), 277, 296. 389 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 216. 390 Lettke, ZSE 24 (2004), 277, 289. 391 Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 129; vgl. auch Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 3. 388

C. Rechtstatsächliche Grundlagen

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Aufgrund der gewachsenen Bedeutung nichtehelichen Zusammenlebens ist der Gesetzgeber dazu angehalten, sich mit den rechtlichen Problemen dieser Partnerschaftsform und ihrer erbrechtlichen Einordnung näher als bisher geschehen auseinanderzusetzen.392 Aus diesen Gründen ist es unerlässlich, ein nachvollziehbares, verteilungsgerechtes sowie der volkswirtschaftlichen Tragweite Rechnung tragendes Erbrecht zu gestalten, das zugleich im Stande ist, sich den Ansprüchen einer sich verändernden Gesellschaft anzupassen.

392 Dahingehend auch Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 43.

Kapitel 3

Die gegenwärtige Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft A. Überblick Bevor Reformüberlegungen für eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften angestellt werden können, ist deren derzeit bestehende Rechtslage näher darzustellen. Ohne ein genaues Bild von der rechtlichen, allen voran erbrechtlichen Situation unverheirateter Paare lässt sich weder beurteilen, betreffend welcher Regelungsbereiche überhaupt Änderungsbedarf besteht, noch in welchem Umfang dieser im Einzelnen zu erfolgen hat. Daher ist es nowendig, zunächst eine aktuelle Bestandsaufnahme von den in der Schweiz und Deutschland geltenden Rechtslagen nichtehelicher Lebensgemeinschaften zu zeichnen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auch zu klären sein, inwieweit die jeweiligen Erbrechtsordnungen dem Erblasser ausreichend Handlungsspielräume gewähren, um die erbrechtliche Stellung des unverheirateten Partners nach eigenem Gutdünken gestalten zu können. Sofern das Erbrecht die sich verändernden Partnerschaftsstrukturen und damit gewandelten Verteilungsinteressen der Erblassenden nicht mehr aufzunehmen vermag, wird der rechtliche Fokus nicht bloß auf den gesetzlichen Erbfolgeregelungen liegen dürfen. Vielmehr wären dann auch ausführliche Reformüberlegungen zum Pflichtteilsrecht als eine die erblasserische Testierfreiheit einschränkende Regelung erforderlich. Nachfolgend wird daher zunächst die allgemeine Rechtslage unverheirateter Lebenspartnerschaften skizziert. Vor diesem Hintergrund folgt sodann eine detaillierte Analyse der erbrechtlichen Situation nichtehelicher Lebensgemeinschaften.

B. Rechtliche Ausgangslage Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, die heute unbestreitbar eine Lebensrealität darstellt, ist weder im schweizerischen noch im deutschen Recht als eigenes Rechtsinstitut anerkannt.1 Aus diesem Grund existieren in den jeweiligen Rechts1 CHK-ZGB-I/Liatowitsch/Häring, Art. 129 Rn. 4; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.01; Aebi-Müller/Widmer, Die

B. Rechtliche Ausgangslage

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ordnungen nur ganz vereinzelt, spezifische gesetzliche Regelungen zum nichtehelichen Zusammenleben.2 Der Schweizer Gesetzgeber hat es in der Vergangenheit sogar wiederholt abgelehnt, die nichteheliche Lebensgemeinschaft gesetzlich umfassend zu verankern.3 Mangels umfassenden Regelungswerks lassen sich die Rechtswirkungen nichtehelichen Zusammenlebens im Wesentlichen nur im Zusammenhang mit ganz konkreten Rechtsfragen untersuchen.4

I. Formlose Begründung und Auflösung Die Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist unabhängig von ihrer Bedeutung im jeweiligen Regelungszusammenhang an keine Form gebunden.5 Der konsensualpartnerschaftliche Zusammenschluss ist daher weder in der Schweiz noch in Deutschland formellen oder materiellen Beschränkungen unterworfen. Selbiger Grundsatz gilt bei der Auflösung einer nichtehelichen Gemeinschaft.6 Diese geht ebenso wie ihre Begründung formlos vonstatten. Nichtehelichen Partnern steht es damit frei, ihre Beziehung jederzeit und ohne Angabe von Gründen zu beenden. Lediglich einzelne Vertreter des schweizerischen Schrifttums befürworten unter bestimmten Voraussetzungen ein eingeschränktes Auflösungsrecht der Partner.7 So seien schadensersatzrechtliche Ansprüche in Betracht zu ziehen, wenn die Trennungserklärung zur Unzeit und ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes erfolgte. Die gerichtliche Praxis hat aber bislang zu Recht davon abgesehen, dem verlassenen Partner in solchen Fällen Schadensersatz zuzusprechen.8 Dies muss bereits aufgrund des Umstands gelten, dass heutzutage weder im schweizerischen noch im deutschen Scheidungsrecht mehr das Verschuldensprinzip angelegt ist. nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, „Die Erste Seite“; Koutses, Erbrecht, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 535, 542 Rn. 19 ff. 2 Zur Rechtslage in Deutschland Schlüter, FF 2000, 76, 77. 3 Vgl. Amtl. Bull. 1997 NR 2696 ff. und 2702 ff., hierzu auch Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 35; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 3; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 62; FamKomm-ZGB/Schwenzer, Allg. Einl. Rn. 30. 4 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.08. 5 Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 2. 6 Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 54 f. 7 So etwa Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 695 f.; dagegen Meier-Hayoz, in: FS Vischer, S. 577, 589. 8 Vgl. hierzu auch Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 56.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Darüber hinaus dürfte ein derartiger Eingriff in die persönliche Lebensführung eines Menschen auch nur schwerlich mit Art. 10 II BV und Art. 2 I GG zu vereinbaren sein.

II. Verfassungsrechtliche Stellung unverheirateter und nicht eingetragener Paare Obwohl die nichteheliche Lebensgemeinschaft keine rechtlich anerkannte Partnerschaftsform darstellt, genießt sie sowohl den Schutz der Schweizer Bundesverfassung als auch den des deutschen Grundgesetzes. Den verfassungsrechtlichen Maßstab für die Beurteilung nichtehelicher Zusammenlebensformen bilden dabei einerseits Art. 14 BV (Recht auf Ehe und Familie) und Art. 10 II i.V.m. 13 BV (Achtung des Privat- und Familienlebens) sowie andererseits das in Art. 8 II BV verankerte Diskriminierungsverbot.9 Ferner erfahren diese Grundrechte eine inhaltliche Konkretisierung durch die Vorgaben in Art. 12 EMRK und Art. 23 UN-Pakt II sowie Art. 8 i.V.m. 14 EMRK.10 Im Rahmen der deutschen Grundrechtsordnung gewährleisten hingegen Art. 6 I GG (Schutz der Ehe und Familie)11, Art. 2 I i.V.m. 1 I GG (Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts) in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 I GG einen für nichteheliche Lebensgemeinschaften ähnlichen, jedoch nicht vergleichbaren Rechtsschutz.12 Historisch gesehen stehen mit Art. 14 BV und Art. 6 I GG die Ehe und die auf der Ehe beruhende Familie im Vordergrund.13 Aus dem Fördergebot ehelich begründeter Beziehungsverhältnisse folgt aber gerade keine rechtsstaatliche Verpflichtung, andere Lebensformen bekämpfen zu müssen.14 Vielmehr wird der in den jeweiligen 9 Rhinow, Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, Rn. 1246; Schweizer, in: St. Galler Kommentar zu Art. 8 BV, Rn. 75. 10 Hausheer, in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt, S. 49, 61; vgl. dazu auch Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 38. 11 Art. 6 I GG dient auch dem Schutz der „nichtehelichen Familie“, BVerfG, NJW 2013, 847; Erman/Kroll-Ludwigs, Vor § 1353 Rn. 10; MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 9. 12 Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 23 ff.; MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 7 ff.; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 2. Teil, Rn. 1 ff.; vgl. hierzu die umfassenden und kritischen Ausführungen von Vogelgesang, Verfassungsrecht, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 193, 201 Rn. 11 ff.; in einigen Länderverfassung wird die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft sogar ausdrücklich garantiert, vgl. etwa Art. 12 II BerlVerf. (Verfassung des Landes Berlin), Art. 26 II BbgVerf. (Verfassung des Landes Brandenburg). 13 Hausheer, in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt, S. 49, 60 f. 14 MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 8; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 24; Grziwotz, Nicht-

B. Rechtliche Ausgangslage

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Grundrechtsnormen geschützte Familienbegriff heutzutage weit gefasst und daher um die nichteheliche Familie ergänzt.15 Damit ist aber weder eine völlige Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften verbunden noch wird eine solche von den Gesetzgebern angestrebt.16 Jedoch resultiert aus den bezeichneten Grundrechten – insbesondere Art. 10 II i.V.m. 13 BV und Art. 2 I GG – eine verfassungsrechtlich gesicherte Existenzberechtigung für nichteheliches Zusammenleben.17 Darüber hinaus dürfen unverheiratete Paare gemäß Art. 8 II Alt. 7 BV auch nicht wegen der von ihnen gewählten Lebensform diskriminiert werden.18 Mit dem Merkmal der „Lebensform“ wollte der Schweizer Gesetzgeber vor allem homosexuelle Menschen und Paare vor Diskriminierung schützen.19 Grundrechtsschutz können nichteheliche Lebensgemeinschaften regelmäßig aber nur dann für sich in Anspruch nehmen, wenn sie ihre Beziehung tatsächlich leben und somit eine hinreichend feste Bindung zueinander aufweisen.20

III. Rechtsquellen 1. Gesetzliche Vorschriften Eine spezifische bundesgesetzliche Regelung zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft existiert in der Schweiz bislang nicht.21 Rechtlich gesehen werden unverheiratete Lebenspartner daher überwiegend wie Alleinstehende behandelt.22 eheliche Lebensgemeinschaft, 2. Teil, Rn. 6. Maunz/Dürig/Badura, GG-Kommentar, Art. 6 Rn. 55 f. 15 Rhinow, Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, Rn. 1246; MüKo-BGB/ Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 9; verfassungsrechtlichen Schutz genießt insbesondere die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit gemeinschaftlichen Kindern, da das Kindschaftsrecht mittlerweile die Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder verlangt, vgl. auch Art. 6 V GG. Dagegen ist die verfassungsrechtliche Stellung der faktischen Stieffamilie bislang noch nicht abschließend durch das BVerfG geklärt worden, BVerfG, FamRZ 2005, 595, 596. 16 Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 25. 17 Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 24. 18 Das deutsche BVerfG sah sich aus Gründen der Gleichbehandlung und des Familienschutzgedankens dazu veranlasst, neben dem überlebenden Ehegatten auch dem unehelichen Lebenspartner Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zuzusprechen, BVerfGE 112, 50 = NJW 2005, 1413; hierzu ausführlich Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 5. Teil, Rn. 74 ff. 19 BGE 126 II 425, 429 ff., E. 4; Schweizer, in: St. Galler Kommentar zu Art. 8 BV, Rn. 75. 20 Rhinow, Grundzüge des Schweizerischen Verfassungsrechts, Rn. 1246; vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfGE 87, 234 = NJW 1993, 643, 645. 21 CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 4. 22 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.03.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Lediglich in den Kantonen Genf (seit 2001) und Neuenburg (seit 2004) besteht für homo- und heterosexuelle Paare gleichermaßen die Möglichkeit, sich offiziell registrieren zu lassen.23 Der Kanton Zürich hatte im Jahre 2002 ebenfalls ein entsprechendes Registrierungsgesetz verabschiedet, das jedoch ausschließlich gleichgeschlechtlichen Paaren vorbehalten war.24 Mit Inkrafttreten des bundesweiten Partnerschaftsgesetzes (2007) ist das Züricher Partnerschaftsgesetz Ende 2009 wieder aufgehoben worden. In Ermangelung weitreichender kantonaler Rechtsetzungskompetenzen werden aber nur sehr bescheidene Rechtswirkungen an diese eingetragene (nichteheliche) Lebenspartnerschaft geknüpft, so dass der Registrierung in erster Linie symbolische Bedeutung zukommt.25 Daneben enthalten einige Kantonsgesetze auch einzelne Regelungen betreffend nichtehelicher Lebensgemeinschaften. So sehen zahlreiche Kantone etwa eine erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Privilegierung des überlebenden Lebenspartners vor [vgl. Kap. 3, C., II., 2.].26 Ebenso wird das Konkubinat in manchen kantonalen Sozialhilfegesetzen ausdrücklich geregelt, vgl. § 7a SHG-BL27 (ehemals § 5 III SHG-BL). Eine vergleichbare Situation ist auch in Deutschland vorzufinden. Der deutsche Gesetzgeber hat ebenfalls nur einige wenige Vorschriften – etwa § 1579 Nr. 2 BGB, § 1615 l BGB, §§ 7 III Nr. 3c, IIIa SGB II28, § 20 SGB XII29, § 1 VIII 4 OEG30 – erlassen, die nichteheliches Zusammenleben zum Gegenstand haben.

2. Richterrecht a) Grundsätzliches Die schweizerische Rechtsordnung hält zwar praktisch keine gesetzlichen Regelungen für nichteheliche Lebensgemeinschaften bereit. Jedoch hat die gerichtliche Praxis nichteheliches Zusammenleben als weit verbreitete soziologische Erscheinungsform wahrgenommen mit der Folge, dass sie einzelne Rechtsregeln aus un23 CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 4; Pulver, in: Geiser/Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 61 ff. 24 Pulver, in: Geiser/Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 65. 25 Zu den Rechtswirkungen der kantonalen Partnerschaftsgesetze vgl. Pulver, in: Geiser/ Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 62 ff. 26 Vgl. zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht der Schweiz die Übersicht Credit Suisse, Übersicht kantonale Erbschafts- und Schenkungssteuer (Stand: 1. Januar 2014), abrufbar unter: www.credit-suisse.com/ch (Stand: 04. 11. 2016); Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum Züricher Steuergesetz, § 24 Rn. 6 ff.; Hausheer/Aebi-Müller, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 213, 246. 27 Sozialhilfegesetz Basel-Landschaft. 28 Zweites Sozialgesetzbuch (SGB II): Grundsicherung für Arbeitssuchende. 29 Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII): Sozialhilfe. 30 Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz).

B. Rechtliche Ausgangslage

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terschiedlichen Rechtsbereichen auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft in ihren jeweiligen Kontexten anwendet.31 So stellt das schweizerische Bundesgericht diesbezüglich fest, dass allein aus dem Umstand, dass Konsensualpaare weder eine schriftliche Vereinbarung getroffen noch eine gesetzlich geregelte Partnerschaftsform gewählt haben, nicht gefolgert werden dürfe, sie wollten sämtliche Rechtsfolgen ihres Zusammenlebens ausschließen.32 Es sei daher verfehlt, nichtehelichen Paaren ohne eingehende Prüfung „allein im vermeintlichen Interesse des Instituts der Ehe“ jeglichen Rechtsschutz zu versagen.33 Aus diesem Grund wendet die Rechtsprechung die jeweils passenden gesetzlichen Vorschriften auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft an: Das heißt, dass je nach Rechtsfrage, die sich im Zusammenhang mit Konsensualpartnerschaften stellt, bestimmte Regeln, etwa des Unterhalts- oder Gesellschaftsrechts, herangezogen werden. Abgesehen von einigen punktuellen, gesetzlich normierten Vorschriften wird das anwendbare Recht betreffend nichtehelicher Lebensgemeinschaften somit in der Hauptsache durch das Richterrecht geprägt. Dieselbe gerichtliche Praxis ist auch der deutschen Rechtsprechung bezogen auf nichteheliche Lebensgemeinschaften festzustellen.34 b) Umfassende Anwendung von Vorschriften anderer Rechtsinstitute? aa) Rechtsregeln des Ehe- und Verlöbnisrechts Eine umfassende Anwendung des Ehe- und Verlöbnisrechts auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft wird sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland nach einhelliger Auffassung richtigerweise abgelehnt.35 So scheitert ein Rückgriff auf die 31

Vgl. unter anderem BGE 138 III 157, 159, E. 2.3.2; BGE 108 II 204, 206. BGE 108 II 204, 207, E. 3a; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.16; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 900; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 34. 33 BGE 108 II 204, 206; vgl. hierzu auch Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 2. Teil, Rn. 11. 34 Vgl. hierzu BVerfGE 87, 234 = NJW 1993, 643 = FamRZ 1993, 164; BVerfG, FamRZ 2004, 1950 = NVwZ 2005, 1178; BGH, FamRZ 2011, 1498 m. Anm. Maurer; BGHZ 176, 150 = FamRZ 2008, 1414; BGHZ 157, 395 = FamRZ 2004, 614; BGHZ 150, 209 = NJW 2002, 1947 = FamRZ 2002, 810; BGH, NJW 1997, 1851 = FamRZ 1997, 671 = JuS 1997, 849; BGH, NJW 1989, 1083 = FamRZ 1989, 487; OLG Oldenburg, NJW 2012, 2450 = FamRZ 2012, 1223, BSGE 111, 250 = NJW 2013, 957 = NZS 2013, 190; BSG, FA 2013, 192; OLG Karlsruhe, NJW 2011, 6 = NJW-RR 2011, 655 = FamFR 2011, 175; OLG Karlsruhe, FuR 2009, 284 = FamRZ 2009, 351 = FF 2009, 35, 38; OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 1416; AG Essen, NJW 2009, 2460 = FamRZ 2009, 1917. 35 BGE 108 II 204, 206, E. 3; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.20 ff.; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 7; Rumo-Jungo/ Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 901; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 73; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 15; Tuor/Schnyder/Schmid/ 32

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Regeln zum Verlöbnis regelmäßig bereits daran, dass ein solches das wechselseitige Heiratsversprechen der Partner voraussetzt, an dem es einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft jedoch gerade fehlt.36 Außerdem ließe sich eine generelle Analogie des Eherechts kaum mit den unterschiedlichen Ausprägungen nichtehelicher Zusammenlebensformen in Einklang bringen.37 Schließlich erlangen die verschiedenartigen Konsensualpartnerschaften in jeweils unterschiedlicher Hinsicht rechtliche Relevanz.38 Da es insoweit die „eine“ nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht gibt, können hierauf auch nicht ohne Weiteres sämtliche Ehenormen angewendet werden. Überdies dürften sich einige Paare auch gerade deshalb gegen eine Eheschließung entschieden haben, weil sie ihre Beziehung eben nicht den umfassenden Rechtswirkungen einer Ehe unterstellen wollten.39 Eine globale Übertragung familienrechtlicher Vorschriften kommt folglich nicht in Betracht.40 Allerdings könnte eine analoge Anwendung einzelner Bestimmungen des Eherechts in Einzelfällen durchaus angezeigt sein, wenn diese nicht vornehmlich auf die Besonderheiten der Ehe zugeschnitten sind.41 Zu weit und entgegen der bundesgerichtlichen Praxis42 geht insofern aber der von mancher Seite geäußerte Vorschlag, gar die Vorschriften des Ehegüterrechts, Art. 180 ff. ZGB, unter gewissen UmstänJungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 19 Rn. 7; Sandoz, in: Gauch/Schmid/Steinauer u. a. (Hrsg.), Festg. Schnyder, S. 583, 596; vgl. für Deutschland Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 2. Teil, Rn. 14 ff.; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 39 f.; Jauernig/Budzikiewicz, Vor § 1297 Rn. 3; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 44 Rn. 1; Soergel/Fischinger, § 1297 Rn. 1; Erman/Kroll-Ludwigs, Vor § 1353 Rn. 14; Muscheler, Familienrecht, Rn. 494; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 70 Rn. 7 ff.; Messerle, JuS 2001, 28, 31. 36 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.20; Messerle, JuS 2001, 28, 31; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 71 Rn. 9. 37 Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 901; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 8. 38 Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 8. 39 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.21 f.; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 15. 40 Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 70 Rn. 7; für eine Anwendung des gesamten Ehevermögensrechts auf die faktische Lebensgemeinschaft hingegen Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 49. 41 Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 901; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.21 ff.; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 15 f.; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 70 Rn. 8; MüKo-BGB/ Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 1, 22. 42 Vgl. BGE 108 II 204, 206, E. 3.

B. Rechtliche Ausgangslage

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den auch auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft anwenden zu wollen.43 Das eheliche Güterrecht führt zu einer weitreichenden wirtschaftlichen Verbindung der Ehepartner, die insbesondere bei der Beendigung der Ehe zum Tragen kommt. Es dürfte zu weit gehen, den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einen derart umfassenden Rechtsbindungswillen ohne ausdrückliche Vereinbarung zu unterstellen. bb) Rechtsregeln der einfachen Gesellschaft Rechtsprechung und Lehre sind sich ebenfalls darüber einig, dass eine umfassende Anwendung der Rechtsregeln der einfachen Gesellschaft, Art. 530 ff. OR (Obligationenrecht), nicht generell in Frage kommen kann.44 Gleiches gilt vor allem auch für die im deutschen Recht geregelte BGB-Gesellschaft, §§ 705 ff. BGB.45 Denn würde man die Regeln der einfachen Gesellschaft in Gänze auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft anwenden, käme es im Falle der Auflösung der Gemeinschaft zu einer umfassenden Vermögensauseinandersetzung ähnlich dem ehegüterrechtlichen Ausgleich.46 Es dürfte daher außer Frage stehen, dass eine derart weitgehende rechtliche Bindung weder von den Partnern selbst noch rechtspolitisch gewollt ist.47 43 So etwa die Überlegungen von Pulver, Unverheiratete Paare, S. 16 und Rumo-Jungo/ Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 901. 44 BGE 4 A_441/2007 vom 17. Januar 2008, E. 4.1; BGE 108 II 204, 208 f., E. 4; kritisch hierzu Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 36 f.; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 10 ff.; Hausheer/ Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.14; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 22 ff. 45 BGH, NJW 2013, 2187 = FamRZ 2013, 1295; BGH, FamRZ 2011, 1563 Rn. 14; BGH, FamRZ 2008, 1822 Rn. 18 ff.; BGHZ 77, 55, 56 f. = FamRZ 1980, 664; BGH, NJW 1981, 1502 = FamRZ 1981, 530; BGH, FamRZ 1983, 791; OLG Düsseldorf, FamRZ 1979, 581; OLG Saarbrücken, FamRZ 1979, 796, 797; OLG München, FamRZ 1980, 239, 240; OLG Frankfurt, FamRZ 1984, 1012; MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 61 ff.; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 41; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 73 Rn. 14; MüKo-BGB/Ulmer/Schäfer, Vor § 705 Rn. 81 ff.; Erman/Westermann, Vor § 705 Rn. 51; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 2. Teil, Rn. 18 ff.; Grziwotz, FPR 2010, 369, 372; Hausmann, Vermögensausgleich, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 225, 259 Rn. 53 ff. mit ausführlicher Darstellung von Rechtsprechung und Literatur. 46 Hausheer, in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt, S. 49, 78; MüKoBGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 61. 47 Vgl. hierzu auch Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 10 ff., die weitere Argumente gegen eine generelle Anwendung des Rechts der einfachen Gesellschaft auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft vorbringt; nach Grziwotz, FPR 2010, 369, 372 seien hingegen in Einzelfällen – so etwa bei unverheirateten Biolandbauern – Ausnahmen in Betracht zu ziehen.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Insofern lassen sich auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft auch nur einzelne gesellschaftsrechtliche Normen übertragen. Richtigerweise wird in diesen Fällen eine restriktive Handhabung praktiziert bzw. gemeinhin für erforderlich gehalten.48 Grundvoraussetzung für eine Anwendung der Rechtsregeln der einfachen Gesellschaft ist nämlich die vertragsmäßige Verbindung der Lebenspartner zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln, vgl. Art. 530 I OR.49 Der Vertragsschluss zu einer einfachen Gesellschaft kommt bei nichtehelichen Lebenspartnern jedoch in den seltensten Fällen ausdrücklich, sondern in aller Regel nur durch konkludente Vereinbarung zustande.50 Dabei sind sich die unverheirateten Paare ganz überwiegend aber nicht darüber im Klaren, dass sie im Zuge ihrer partnerschaftlichen Bindung einen Gesellschaftsvertrag eingehen.51 Ein entsprechender (stillschweigend geäußerter) Wille zum Vertragsabschluss muss deshalb aus den objektiven Umständen – aufgrund schlüssigen Verhaltens der Partner – erkennbar hervorgehen.52 Das bloße Zusammenleben eines Konsensualpaares reicht für sich genommen jedenfalls noch nicht aus, um auf einen derart umfassenden, die Folgen des Rechts der einfachen Gesellschaft tragenden Rechtsbindungswillen schließen zu können.53 Neben einem Rechtsbindungswillen setzt ein gesellschaftsvertraglicher Zusammenschluss überdies die Bestimmung eines gemeinsamen Gesellschaftszwecks voraus, dessen Erreichung die Partner anzustreben verpflichtet sind.

48 BGE 108 II 204, 208 f., E. 4a; BGE 4 A_482/2007 vom 29. Januar 2008, E. 1.4 f.; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 37; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 11; Dussy, Ausgleichsansprüche für Vermögensinvestitionen nach Auflösung von Lebensbeziehungen, S. 61, 77 f.; Meier-Hayoz, in: FS Vischer, S. 577, 579; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 79. 49 Vergleichbare Anforderungen stellt § 705 BGB: „Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.“ 50 Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 37; ZK-Handschin/Vonzun, Art. 530 OR, Rn. 127. 51 BGE 108 II 204, 208 f., E. 4; BGE 116 II 707, 710; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 37. 52 Vgl. BGE 132 III 626, 632; BGE 4C_195/2006 vom 12. 10. 2007, E. 2.1: „Wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, ist abzuklären, ob die Parteien unter Berücksichtigung der gesamten Umstände aufgrund des Vertrauensprinzips davon ausgehen durften und mussten, zwischen den Parteien liege eine einfache Gesellschaft vor.“; hierzu auch Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 11; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 37; nach aktueller Auffassung des BGH, NJW 2006, 1268; BGH, FamRZ 2008, 1822 Rn. 18 ff. = NZG 2011, 984 reicht eine faktische Willensübereinstimmung nicht mehr aus, um einen gesellschaftsvertraglichen Zusammenschluss annehmen zu können. 53 BGE 108 II 204, 208 ff.; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 37; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 11; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 17, 22 ff.; Dussy, Ausgleichsansprüche für Vermögensinvestitionen nach Auflösung von Lebensbeziehungen, S. 61.

B. Rechtliche Ausgangslage

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Gerade hinsichtlich dieses gesetzlichen Erfordernisses stellt sich die Frage, worin genau der gemeinsam verfolgte Zweck einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft liegen soll.54 Nach Ansicht des schweizerischen Bundesgerichts könne eine Vereinbarung zu einer einfachen Gesellschaft regelmäßig dann bejaht werden, „wenn sich die Konkubinatspartner zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft mit gemeinsamer Kasse zusammenfinden, an die beide durch finanzielle Leistungen oder Haushaltsarbeiten beitragen.“55 Die Notwendigkeit einer Anwendung gesellschaftsrechtlicher Normen liege dabei vor allem in der Schutzbedürftigkeit nichtehelicher Lebenspartner bei Auflösung der Gemeinschaft begründet.56 Schließlich sehe das Gesetz in diesem Falle keinerlei Ausgleichsansprüche zwischen den unverheirateten Partnern vor. Mangels rechtlicher Absicherung – insbesondere des haushaltsführenden und die Kinderbetreuung übernehmenden Lebenspartners – wendet das Bundesgericht daher unter bestimmten Voraussetzungen, abhängig vom jeweiligen Einzelfall, die gesellschaftsrechtlichen Liquidationsregeln (Art. 548 ff. OR) für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung bei Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft an.57 Bei Annahme eines konkludenten Vertragsschlusses zu einer einfachen Gesellschaft sei diesbezüglich jedoch eine gewisse Zurückhaltung angezeigt.58 Im Gegenzug müssten aber zur Vermeidung unsachgerechter Ergebnisse, etwa bei Vorliegen ökonomischer Abhängigkeitsverhältnisse unter den Partnern, auch Billigkeitsgesichtspunkte der Gesamtbetrachtung zugrunde gelegt werden.59 Ein vergleichbares Bild ist auch in der deutschen Rechtsordnung vorzufinden.60 Dort werden gesellschaftsrechtliche Ausgleichsansprüche gemäß der §§ 730 ff. BGB 54

Kritisch hierzu insbesondere Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 12; vgl. für Deutschland MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 61 m.w.H. 55 BGE 108 II 204, 209; BGE 4 A_441/2007 vom 17. Januar 2008; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 37; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 80; Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 37; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 23. 56 BGE 108 II 204, 206; BGE 4 A_441/2007 vom 17. Januar 2008. 57 BGE 108 II 204, 208 f. BGE 132 III 626, 632; BGE 4 A_441/2007 vom 17. Januar 2008; BGE 4C_195/2006 vom 12. 10. 2007, E. 2.1; vgl. zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33 ff. 58 BGE 108 II 204, 208 ff.; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 37; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 11; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 17, 22 ff.; Dussy, Ausgleichsansprüche für Vermögensinvestitionen nach Auflösung von Lebensbeziehungen, S. 61. 59 Dussy, Ausgleichsansprüche für Vermögensinvestitionen nach Auflösung von Lebensbeziehungen, S. 78; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 37. 60 BGH, NJW 2013, 2187 = FamRZ 2013, 1295; BGH, FamRZ 2011, 1563 Rn. 14; BGH, FamRZ 2008, 1822 Rn. 18 ff.; ausführlich zu einem möglichen Abfindungsanspruch unter

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

gegenüber dem nichtehelichen Lebenspartner nur in Ausnahmefällen hinsichtlich einzelner Vermögenswerte zugelassen.61 Dabei reicht für die herrschende Auffassung das bloße Zusammenwohnen und gemeinsame Wirtschaften der Lebenspartner alleine nicht aus, um die Begründung einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts i.S.v. § 705 BGB bejahen zu können.62 Damit können sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland die gesellschaftsrechtlichen Auflösungsregeln bei Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Einzelfall zur Anwendung gelangen. Festzuhalten ist aber auch, dass eine umfassende Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Normen zur Lösung der die nichteheliche Lebensgemeinschaft betreffenden Probleme grundsätzlich zu Recht nicht erfolgt. 3. Partnerschafts- bzw. Konkubinatsverträge a) Allgemeines Unverheirateten Paaren steht insbesondere auch die Möglichkeit offen, die verschiedenen Bereiche ihres Zusammenlebens in einem Partnerschafts- bzw. Konkubinatsvertrag umfassend und ihrem wirklichen Willen entsprechend zu regeln.63 Eine solche vertragsmäßige Bindung wirkt allerdings nur zwischen den vertragsschließenden Parteien – also inter partes –, nicht auch gegenüber Dritten.64 Obwohl nichtehelichen Lebenspartnern zu einer vertraglichen Regelung ihrer Beziehung dringend geraten wird – gerade auch um in vermögensrechtlichen Angelegenheiten

nichtehelichen Lebenspartnern aus beendeter Innengesellschaft MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 62 ff. 61 BGH, NJW 2008, 3277; BGH, FamRZ 2003, 1542, 1543 m. Anm. Burger; MüKo-BGB/ Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 62 m.w.N.; Hausmann, Vermögensausgleich, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 225, 269 Rn. 71 ff.; Palandt/Brudermüller, Einl v § 1297 Rn. 30. 62 BGH, NJW 2013, 2187 = FamRZ 2013, 1295; BGH, NJW 2008, 3277; BGH, NJW 2008, 3282; BGHZ 77, 55 = FamRZ 1980, 664; BGH, NJW 1986, 51; OLG Naumburg, NJW 2003, 1819; OLG Frankfurt, FamRZ 1982, 265; OLG Frankfurt, FamRZ 1984, 1013; OLG München, FamRZ 1988, 58; Palandt/Brudermüller, Einl v § 1297 Rn. 30; Grziwotz, FPR 2010, 369, 372; Schulz, FamRZ 2007, 593, 594; Weinreich, FuR 2011, 492; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 73 Rn. 14; MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 61; a.A.: LG Bonn, NJW-RR 1989, 1498; Staudinger/ Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 97; Erman/Westermann, Vor § 705 Rn. 51; Majer, NJOZ 2009, 114, 116; Battes, in: FS Hübner, S. 379 ff. 63 Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 903; Jauernig/Budzikiewicz, Vor § 1297 Rn. 4. 64 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 52.

B. Rechtliche Ausgangslage

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Vorsorge zu treffen –, kommen individualvertragliche Abreden unter den Partnern nur äußerst selten vor.65 Dabei ist die Begründung eines Partnerschaftsvertrags grundsätzlich formlos möglich, Art. 11 I OR (Obligationenrecht). Formvorschriften sind nur ausnahmsweise zu beachten, wenn die Lebenspartner eine vertragliche Regelung beabsichtigen, für die das Gesetz ausdrücklich eine Form vorschreibt (bspw. bei Schenkungsversprechen, Art. 243 I OR bzw. § 518 I BGB).66 Eine vertragsmäßige Bindung zwischen nichtehelichen Lebenspartnern kann daher prinzipiell auch durch mündliche Vereinbarung oder sogar durch konkludentes Verhalten zustande kommen. Fehlt es allerdings an einer schriftlichen Abrede der Partner, dürfte die gegebenenfalls gerichtliche Durchsetzung der aus dem Partnerschaftsvertrag abgeleiteten Rechte – mangels Beweisbarkeit, vgl. Art. 8 ZGB – nur sehr schwer möglich sein. Im schweizerischen Schrifttum wird jedoch im Allgemeinen davon ausgegangen, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft auch ohne schriftlichen Partnerschaftsvertrag auf einer gegenseitigen, stillschweigend geschlossenen Vereinbarung beruhe.67 Zwischen den Partnern liege somit stets eine vertragsmäßige Verbindung in Bezug auf die Gemeinschaft als Ganze vor.68 Rechtsdogmatisch handele es sich dabei um einen sog. Innominatkontrakt69 – ein Vertragsverhältnis sui generis.70 Für In-

65 Kantonsgericht St. Gallen vom 8. Oktober 2012 – BO.2011.49, E.III.1a); Aebi-Müller/ Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 4; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 903; Büchler, in: Rumo-Jungo/ Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 70; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 25; vgl. für Deutschland MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 48 m.w.H. 66 Pulver, Unverheiratete Paare, S. 18; MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 48. 67 Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 901; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 5; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 20 f.; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.10; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 36; Werro, Concubinage, mariage et démariage, Rn. 109 ff.; Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 675; Pichonnaz, ZSR 123 (2004) I, 389, 393; vereinzelt wird nichteheliches Zusammenleben auch als ein rein faktisch begründetes Rechtsverhältnis, mithin als Realakt, eingeordnet, so wohl Sandoz, in: Gauch/Schmid/Steinauer u. a. (Hrsg.), Festg. Schnyder, S. 583, 591; auch das schweizerische Kantonsgericht St. Gallen ist mittlerweile dieser in der Lehre verbreiteten Ansicht gefolgt, Kantonsgericht St. Gallen vom 8. Oktober 2012 – BO.2011.49. 68 Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 5. 69 Bucher, Obligationenrecht, S. 25: „Als Innominatkontrakt werden jene Verträge bezeichnet, die nicht einem gesetzlichen Typus entsprechen (dh. vom Gesetzgeber nicht „genannt“ bzw. geregelt werden). […] In der Schweiz ist auch der Terminus „Vertrag sui generis“ („Vertrag von eigenem Typus“) beliebt. Er ist weiter als der Terminus „Innominatkontrakt“ und erfasst auch […] Mischverträge u. dgl., soweit diese typisiert sind (so z. B. in BGE 104 II 111, 109 II 466).“; vgl. hierzu auch Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, Schweizerisches Obligationenrecht, Rn. 252.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

nominatkontrakte gilt, dass bei Fehlen spezifischer Abreden die jeweils passenden (dispositiven) Gesetzesregelungen auf der Grundlage des hypothetischen Willens der Lebenspartner Anwendung finden.71 Bei nichtehelichen Lebenspartnern könnten somit die dispositiven Normen des Rechts der einfachen Gesellschaft, des Arbeitsvertragsrechts, des Auftragsrechts oder auch des Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung in Betracht kommen.72 Diese überwiegend73 in der Literatur vertretene Auffassung vermag insoweit zu überzeugen, als man damit einerseits den explizit getroffenen vertraglichen Dispositionen der Lebenspartner Rechnung trägt und andererseits das faktische Beziehungsverhältnis, durch Berücksichtigung des mutmaßlichen Parteiwillens, nicht außer Acht lässt. Zudem entspricht dieses Gebilde im Ergebnis der gerichtlichen Praxis, die sich den rechtlichen Problemen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft stets einzelfallbezogen und abhängig vom jeweiligen Regelungszusammenhang annimmt. Vor diesem Hintergrund erscheint es daher sinnvoll, eine zwischen nichtehelichen Lebenspartnern getroffene Vereinbarung, welche eine bestimmte Leistung oder die Gesamtheit der Beziehung zum Inhalt hat (Lebenspartnerschaftsvertrag), als Innominatkontrakt einzustufen.74 Nicht nachvollziehbar und mit dem Vertragsrecht unvereinbar ist dagegen die grundsätzliche Annahme, mit der Vereinbarung zur Führung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft komme gleichzeitig auch ein konkludent geschlossener Innominatkontrakt zustande.75 Schließlich setzt ein stillschweigender Vertragsschluss ein äußerlich erkennbares Verhalten der Vertragsschließenden voraus, das diesen im konkreten Einzelfall eindeutig zugeordnet werden kann und den Willen beider Partner zum Ausdruck bringt, eine vertragliche Bindung eingehen zu wollen.76 Einen entsprechenden Rechtsbindungswillen nun aber allein in der Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu erblicken und damit den Partnern ohne 70 Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 901; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 5; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 20 f.; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.10; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 36; Werro, Concubinage, mariage et démariage, Rn. 109 ff.; Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 675; Pichonnaz, ZSR 123 (2004) I, 389, 393. 71 Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, Schweizerisches Obligationenrecht, Rn. 1248, 1251. 72 Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 902; Kantonsgericht St. Gallen vom 8. Oktober 2012 – BO.2011.49, E.III.1a). 73 Kantonsgericht St. Gallen vom 8. Oktober 2012 – BO.2011.49. 74 Kantonsgericht St. Gallen vom 8. Oktober 2012 – BO.2011.49; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 21. 75 So etwa Kantonsgericht St. Gallen vom 8. Oktober 2012 – BO.2011.49, E.III.1a); RumoJungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 901, 903; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 5; Cottier/ Crevoisier, AJP 2012, 33, 36. 76 Pulver, Unverheiratete Paare, S. 17, 21, 23.

B. Rechtliche Ausgangslage

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weitere Anhaltspunkte die generelle Absicht zu unterstellen, sie wollten ihre Beziehung einer vertraglichen Regelung zuführen, würde einer unzulässigen Fiktion von Willenserklärungen gleichkommen und ist daher abzulehnen.77 Das Führen einer solchen Gemeinschaft darf nicht per se als Innominatkontrakt verstanden werden.78 Der bloße Zusammenschluss zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stellt vielmehr einen „rein tatsächlichen Vorgang“79 dar.80 Den Paaren steht es im Übrigen aber jederzeit frei, ihre Beziehung einer vertraglichen Regelung zu unterwerfen. Aus diesen Gründen lehnt es die in Deutschland herrschende Meinung richtigerweise ab, in den bloßen Akt des Zusammenkommens und Zusammenseins einen konkludenten Zusammenlebensvertrag (sog. „familienrechtlicher Kooperationsvertrag sui generis“) hineinzulesen, aus dem sich für die Lebenspartner unter Umständen umfassende Rechte und Pflichten ergeben könnten.81 Dagegen sind stillschweigende Abreden in einzelnen Lebensbereichen einer Partnerschaft durchaus üblich.82 b) Zulässige Regelungsinhalte und Grenzen der Gestaltungsfreiheit In einem Partnerschaftsvertrag lässt sich eine Vielzahl von Angelegenheiten nichtehelichen Zusammenlebens regeln. So haben Konsensualpaare neben der Möglichkeit, einzelne Aspekte ihrer Beziehung rechtsgeschäftlich zu ordnen – etwa bzgl. der Wohnung, Haftungsfragen oder zu leistenden Beiträgen an die Gemein77

Pulver, Unverheiratete Paare, S. 17, 23; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 37 f. So aber Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 901, 903; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 5, 66. 79 CHK-ZGB-I/Breitschmid, Art. 20 Rn. 2. 80 So auch die zutreffende Umschreibung der deutschen Gerichtsbarkeit BGHZ 77, 55, 59; BGH, FamRZ 1984, 349; BGH, NJW 1996, 2727; BGH, NJW 1997, 1371; BGH, FamRZ 2005, 1151; BGH, NJW 2008, 3277, 3278; vgl. auch Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.02, die zum Ausdruck bringen, dass es sich bei einer nichtehelichen Gemeinschaft schlicht „um eine Lebenswirklichkeit“ handelt; anders dagegen Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 903, die die Vereinbarung zur Führung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als Innominatkontrakt verstehen. 81 BGH, NJW 2008, 3277, wonach lediglich überobligationsmäßige Leistungen eines Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung (hier Wohnhaus) geschaffen wurde, auf einem (stillschweigenden) familienrechtlichen Koordinationsvertrag beruhen können; LG Aachen, FamRZ 1988, 717, 719; Lipp, AcP 180 (1980), 537, 570 ff.; Derleder, NJW 1980, 545, 547; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 2. Teil, Rn. 12 f.; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 37; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 70 Rn. 7; MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 24 m.w.N.; Kemper, NJ 2009, 177, 178; a.A.: RothStielow, JR 1978, 233 ff. 82 Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 38. 78

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

schaft –, auch die Option, umfangreiche vertragliche Absprachen untereinander zu treffen.83 Ein Partnerschaftsvertrag kann somit eine umfassende Regelung über die Rollenverteilung der Lebenspartner insgesamt zum Inhalt haben.84 Von großer Relevanz sind in diesem Zusammenhang nachpartnerschaftliche Unterhaltsvereinbarungen, gerade wenn nur einer der Partner erwerbstätig gewesen ist.85 Der finanziell besser gestellte Teil kann daher durch eine vertragliche Abrede zur Zahlung von nachpartnerschaftlichem Unterhalt verpflichtet werden für den Fall, dass die Lebensgemeinschaft endet. Darüber hinaus besteht für die Lebenspartner grundsätzlich auch die Möglichkeit, auf einzelne Normen des Eherechts zu verweisen oder zumindest eine den eherechtlichen Wirkungen nachgebildete Vertragsabrede zu treffen.86 So können die Lebenspartner unter anderem bestimmte Folgen eines gesetzlichen Güterstands vereinbaren, wie etwa der Entrichtung einer der Errungenschafts- (Art. 215 II ZGB) bzw. Zugewinngemeinschaft (§ 1378 I BGB) entsprechenden Ausgleichzahlung bei Auflösung der Partnerschaft.87 Die Übernahme eines eherechtlichen Güterstands kommt jedoch – mangels Ehegattenstatus – nicht in Betracht.88 Ebenfalls unzulässig ist eine pauschale Verweisung auf das gesetzliche Eherecht.89

83

CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 4; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 17 ff.; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.11. 84 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.11; CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 4. 85 Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 64; vgl. auch OLG Köln, FamRZ 2001, 1608; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 33. 86 Hierzu im deutschen Schrifttum MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 48; Hausmann, Partnerschaftsvertäge, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 841, 845 Rn. 7 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 44 Rn. 1; Kemper, NJ 2009, 177, 178; vgl. für die Schweiz Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 33 f.; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 18, der mit der Aussage „Der Inhalt des Vertrags […] kann durch die Parteien innerhalb der Schranken des Gesetzes frei festgelegt werden“ unter Verweis auf Art. 19 I OR indirekt zu erkennen gibt, dass eine entsprechende Vertragsausgestaltung auch zwischen schweizerischen Konsensualpaaren zulässig sein kann. 87 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 33 f.; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 39; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 44 Rn. 1. 88 MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 48; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 39. 89 Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 39; MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 48.

B. Rechtliche Ausgangslage

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Obwohl nichtehelichen Paaren damit prinzipiell ein großer Handlungsspielraum bei der Ausgestaltung von Partnerschaftsverträgen zugebilligt wird, müssen die allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit beachtet werden.90 So dürfen die individualvertraglich getroffenen Absprachen insbesondere keinen rechtsmissbräuchlichen, Art. 2 II ZGB, oder sittenwidrigen, Art. 19 II OR, Charakter aufweisen, da das Gesetz für einen solchen Verstoß die Nichtigkeit anordnet, Art. 20 I OR. Dieselben Grundsätze, § 242 BGB und § 138 BGB, gelten auch für einen nach deutschem Recht geschlossenen Partnerschaftsvertrag.91 In dem bloßen Umstand, dass ein Konsensualpaar seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zueinander regelt, wird heutzutage keine anstößige oder tadelswerte Gesinnung mehr gesehen.92 Allerdings verstößt ein Vertrag gegen die guten Sitten, wenn er in die persönliche Lebensgestaltung und freie Entscheidungsfindung der Parteien eingreift, Art. 27 ZGB.93 Gemäß Art. 27 II ZGB gilt es, die Lebenspartner daher insbesondere vor einer übermäßig starken rechtsgeschäftlichen Bindung zu schützen.94 Eine solche unzulässige Bindung wird in den Fällen bejaht, in denen die Abmachung den Lebensgefährten faktisch zur Aufrechterhaltung der Beziehung zwingt.95 Insofern wird gerade die Gültigkeit von Globalregelungen in Frage gestellt, da die Lebenspartner hierdurch umfassende Rechtspflichten herbeiführen können.96 Die schweizerische Rechtsprechung hat bislang aber nur einzelne Vertragsabreden auf ihre rechtliche Zulässigkeit hin untersucht, nicht jedoch die rechtsgeschäftliche Vereinbarung insgesamt einer Überprüfung unterzogen.97 Von erbrechtlicher Relevanz sind in diesem Zusammenhang vor allem sog. Prämienklauseln, welche die lebenslange Treue des Partners mit einer erbvertrag90

Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 903; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 18 ff.; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.11 ff.; CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 4. 91 Vgl. ausführlich zur Wirksamkeit einzelner vertraglicher Abmachungen zwischen unverheirateten Lebenspartnern Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 30 ff.; zum Überblick über die verschiedenen Sittenwidrigkeitskriterien MüKo-BGB/Armbrüster, § 138 Rn. 33 ff. 92 BGE 109 II 15, 16 f., E. 1b; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 20; OLG Hamm, FamRZ 2000, 95; MüKo-BGB/Wellenhofer, Anh. zu § 1302: Zivilrechtsfragen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rn. 48. 93 CHK-ZGB-I/Aebi-Müller, Art. 27 ZGB Rn. 6. 94 Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 903; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 19; CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 4. 95 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.15; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 18; so werden etwa Abfindungsklauseln, durch die sich ein Partner zur Zahlung einer Geldstrafe verpflichtet, wenn er die Gemeinschaft auflöst, als sittenwidrig angesehen, vgl. hierzu OLG Hamm, NJW 1988, 2474; Staudinger/ Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 31, 34. 96 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.13. 97 Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 903; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.13.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

lichen Zuwendung belohnen.98 Als sittenwidrig werden entsprechende Vereinbarungen nur dann angesehen, wenn es sich dabei um den eigentlichen „Lohn“ für sexuelle Kontakte (pretium stupri) handelt99 oder aber die bedingte Zuwendung so hoch ist, dass sie die Willensentscheidung des Bedachten in nicht hinnehmbarer Weise zu beeinflussen vermag.100

C. Erbrechtliche Rechtslage Vor dem Hintergrund der allgemeinen soll nunmehr die erbrechtliche Rechtslage nichtehelicher Lebensgemeinschaften in der Schweiz und Deutschland näher untersucht werden. Dabei wird einerseits zu klären sein, ob und in welchem Umfang die jeweiligen Erbrechtsordnungen eine Begünstigung des nichtehelichen Lebenspartners von Gesetzes wegen vorsehen. Andererseits ist der Frage nachzugehen, welche testamentarischen Möglichkeiten dem Erblasser durch die gewillkürte Erbfolge eingeräumt werden, um dem Konsensualpartner einen nennenwerten Anteil am Nachlass zukommen zu lassen. Die Notwendigkeit und das Ausmaß erbrechtlichen Reformbedarfs hängen schließlich entscheidend von der Flexibilität des Erbrechts ab, da der Erblasser nur bei ausreichender Testierfreiheit auf sich verändernde Beziehungsverhältnisse angemessen reagieren kann.

I. Gesetzliche (Erb-)Ansprüche nichtehelicher Lebenspartner Nach aktueller Rechtslage steht dem überlebenden Partner einer nichtehelichen Gemeinschaft weder in der Schweiz noch in Deutschland ein gesetzliches Erbrecht zu.101 Gemäß Art. 462 ZGB bzw. § 1931 BGB und § 10 LPartG kommen ausschließlich Ehegatte und eingetragener Lebenspartner als gesetzliche Erben in Betracht. Eine analoge Anwendung dieser Normen auf rein faktisch begründete Paarbeziehungen wird nach einhelliger Auffassung abgelehnt.102 98 BGE 109 II 15, 16 f., E. 1b; CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 4; Im Gegensatz zur Abfindungsklausel wird hierbei nicht das Scheitern der Beziehung mit einer Geldbuße belegt, sondern stattdessen die lebzeitige Treue des Partners finanziell belohnt, vgl. Staudinger/ Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 32. 99 BGE 109 II 15, 16 f., E. 1b. 100 BVerfG, ZEV 2004, 241; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 31. 101 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 31; In älteren Entscheidungen hat das deutsche BVerfG, NJW 1989, 1986; FamRZ 1990, 729 die unterschiedliche erbrechtliche Stellung von Ehegatten und nichtehelichen Lebenspartnern als verfassungskonform angesehen; vgl. auch Groll/Krauß, B IX Rn. 1 ff. 102 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.21 und 03.66; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 51.

C. Erbrechtliche Rechtslage

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Das Gesetz hält für den hinterbliebenen Konsensualpartner lediglich in sehr bescheidenem Umfang Ansprüche bereit. So hat dieser etwa als Hausgenosse des Erblassers ein Anrecht auf Fortzahlung von Unterhalt für den Zeitraum eines Monats nach Eintritt des Erbfalls, Art. 606 ZGB. Anders als in Deutschland – vgl. § 1969 BGB – kann er diesen Anspruch auf Kosten der Erbschaft jedoch nur dann geltend machen, wenn er (eingesetzter) Erbe ist.103 Zudem stellt das Mietrecht für die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vorteilhafte Regelungen zur Verfügung. Gemäß Art. 266i OR wird dem zum testamentarischen Erben berufenen Lebenspartner ein außerordentliches Kündigungsrecht hinsichtlich der gemeinsam bezogenen Mietwohnung zugestanden. Diese Möglichkeit sieht das deutsche Mietrecht in § 580 BGB ebenfalls vor. Der Tod des Mieters führt insoweit nicht automatisch zur Auflösung des Mietverhältnisses, Art. 266 OR. Dieses geht stattdessen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben über. Im Gegensatz zur Schweiz hat der deutsche Gesetzgeber jedoch zugunsten des nichtehelichen Lebenspartners ein ausdrückliches Eintrittsrecht normiert, vgl. § 563 I, II 3 BGB.104 Danach ist es dem überlebenden Lebenspartner gestattet, das Mietverhältnis fortzusetzen, wenn er mit dem Erblasser „einen auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushalt“ führte.105 Hatten die Lebenspartner die Wohnung gemeinsam gemietet, so ergibt sich dessen Eintrittsrecht unmittelbar aus § 563a I BGB. Darüber hinaus enthalten die jeweiligen Rechtsordnungen keine konkreten Ansprüche zugunsten des überlebenden Konsensualpartners.

II. Gewillkürte Erbenstellung 1. Grundsatz der Testierfreiheit Mangels gesetzlicher Erbenstellung können nichtehelichen Lebenspartnern nur mittels gewillkürter Erbfolge erbrechtliche Ansprüche eingeräumt werden. Dem Erblasser steht es dabei frei, seinen Partner letztwillig als Erbe oder Vermächtnisnehmer einzusetzen, Art. 481 i.V.m. 483, 484 ZGB. Neben der Möglichkeit einer testamentarischen Erbeinsetzung können nichteheliche Paare ihre Nachlassplanung insbesondere auch in einem Erbvertrag regeln, Art. 481 i.V.m. 494 ZGB. Einem deutschen Erblasser stehen diese erbrechtlichen Instrumentarien ebenfalls zur Verfügung, §§ 1937, 1941 BGB. Darüber hinaus ist es Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern in Deutschland erlaubt, nicht jedoch in der Schweiz, ein gemein103

CHK-ZGB-II/Graham-Siegenthaler, Art. 606 ZGB Rn. 3; KUKO-ZGB/Künzle, Art. 606 Rn. 1; PraxKomm-ErbR/Weibel, Art. 606 Rn. 3; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.66. 104 Palandt/Weidenkaff, § 563 Rn. 9, 15. 105 Kinne, Miet- und Mietprozessrecht, § 563 BGB Rn. 4.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

schaftliches Testament zu errichten, §§ 2265 ff. BGB, § 10 IV LPartG. Allerdings finden die Vorschriften über das sog. Ehegattentestament nach ganz herrschender Auffassung keine Anwendung auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft.106 2. Einschränkungen der Testierfreiheit Die erblasserische Freiheit, über sein Vermögen nach Belieben verfügen zu können, wird insbesondere durch das Pflichtteilsrecht der nächsten Angehörigen beschränkt, Art. 471 i.V.m. Art. 457 ff. ZGB. Hinterlässt ein Schweizer Erblasser daher neben seinem nichtehelichen Lebenspartner eigene Nachkommen, so beträgt die disponible Erbquote ein Viertel des Nachlasses, Art. 471 I ZGB. Sind vom pflichtteilsberechtigten Personenkreis hingegen nur noch die Eltern des Verstorbenen vorhanden – ist der Erblasser also unverheiratet und kinderlos geblieben –, so kann er über die Hälfte seines Vermögens frei verfügen, Art. 471 II ZGB.107 Ist der in nichtehelicher Gemeinschaft lebende Erblasser zugleich mit einem anderen Partner formal verheiratet, müssen vor der Verteilung des Nachlasses zunächst dessen güterrechtliche Ausgleichsansprüche – sofern diese bestehen, Art. 181 ff. ZGB – Berücksichtigung finden, Art. 204 I, 210 I i.V.m. Art. 215 I ZGB.108 Darüber hinaus hat der nicht rechtskräftig geschiedene Ehegatte ein Anrecht auf den Pflichtteil, der die frei verfügbare Testierquote bei Nichtvorhandensein von Kindern auf die Hälfte beschränkt, Art. 471 III ZGB. Falls neben dem Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner zusätzlich auch Nachkommen des Erblassers leben, beläuft sich die disponible Quote am gesamten Nachlass lediglich auf drei Achtel.109 Im Unterschied zur Schweiz kann ein deutscher Erblasser – wirtschaftlich betrachtet – bei Vorhandensein pflichtteilsberechtigter Personen über die Hälfte seines Vermögens frei verfügen, da diesem Personenkreis generell ein Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzliches Erbteils zugesprochen wird, § 2303 I 2 i.V.m. §§ 1924 ff. BGB. Auch nach deutschem Recht sind vor der Abwicklung der Erbschaft die gü106

Vgl. statt vieler Palandt/Weidlich, § 2265 Rn. 2. Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.68; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 53. 108 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.68; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 53. 109 Der überlebende Ehegatte erbt neben Verwandten erster Ordnung die Hälfte, Art. 462 I ZGB. Damit steht ihm ein Pflichtteil in Höhe von einem Viertel zu, Art. 471 III ZGB. Die Nachkommen haben einen Anspruch auf drei Viertel ihres gesetzlichen Erbteils, so dass sie neben dem Ehegatten zu drei Achteln pflichtteilsberechtigt sind. Damit gehen fünf Achtel des Nachlasses bereits an den überlebenden Ehegatten und die Nachkommen des Erblassers. Der überlebende Konsensualpartner erhielte bei testamentarischer Alleinerbeneinsetzung folglich nur drei Achtel des Erbes. 107

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terrechtlichen Ausgleichsansprüche des Ehegatten zu beachten, wenn dieser vom Erbe ausgeschlossen wurde, § 1371 II BGB, oder das Erbe ausgeschlagen hat, § 1371 III BGB. Wie in der Schweiz kann der Ehegatte neben dem Zugewinnausgleich zudem den Pflichtteil verlangen, § 2303 II BGB. Eine weitere Beschränkung bzw. mittelbare Beeinflussung der Testierfreiheit zulasten des nichtehelichen Lebenspartners dürfte sich durch das Erbschaftsteuerrecht ergeben. Dieses sieht für bestimmte Personengruppen in unterschiedlicher Höhe Steuerfreigrenzen vor. Während steuerrechtliche Belange in der Schweiz der kantonalen Gesetzgebung unterliegen und daher landesweit sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, ist in Deutschland mit dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsgesetz (ErbStG) aufgrund der Rechtsetzungskompetenz des Bundes eine einheitliche Regelung vorhanden. So sehen die Schweizer Kantone Appenzell Innerrhoden (AI), Genf (GE), St. Gallen (SG), Schaffhausen (SH), Solothurn (SO), Thurgau (TG), Tessin (TI), Uri (UR), Waadt (VD) und Wallis (VS) keine spezifischen erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Privilegierungen für nichteheliche Partner vor. Die übrigen Kantone gewähren Konsensualpartnern jedoch unter bestimmten Voraussetzungen und in jeweils unterschiedlicher Höhe Steuerfreibeträge. Größtenteils bleiben sie aber deutlich hinter den Freibeträgen zurück, die für Kinder oder Ehegatten gelten.110 Überdies werden Schenkungen und letztwillige Zuwendungen unter nichtehelichen Partnern mit bis zu 60 % erheblich stärker besteuert als es bei nahen Verwandten und Ehegatten der Fall ist.111 Hier liegt der Steuersatz je nach Kanton gerade mal zwischen 0 % und 6 %.112 Dagegen hält das deutsche Steuerrecht für unverheiratete Paare keine konkrete Regelung bereit. Stattdessen werden nichteheliche Lebenspartner zur Steuerklasse III und damit allen übrigen Erwerbern gezählt, § 15 I ErbStG. Für diese ist ein Freibetrag von 20.000 Euro vorgesehen, § 16 I Nr. 7 ErbStG. Im Vergleich hierzu können Ehegatten von einem Steuervorteil in Höhe von 500.000 Euro (§ 16 I Nr. 1 ErbStG) und die Kinder sowie Enkel des Erblassers in Höhe von 400.000 Euro (§ 16 I Nr. 2 ErbStG) profitieren. Will man daher die vom Gesetzgeber eingeräumten Steuervorteile vollumfänglich ausschöpfen, so ist es erforderlich, seinen Nachlass verstärkt auf die Nachkommen sowie den Ehegatten zu übertragen. Insofern dürften sich die für nichteheliche Lebenspartner eher bescheidenen erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Privilegierungen auch auf die Entscheidungsfindung des Erblassers hinsichtlich der Nachlassverteilung negativ auswirken. 110 Vgl. insgesamt zu den erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Regelungen der Schweizer Kantone Hindersmann/Myßen, Die Erbschafts- und Schenkungssteuern der Schweizer Kantone, S. 267 ff.; Wolf/Dorjee-Good, Länderbericht Schweiz, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 186 ff. und 198. 111 Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 48. 112 Vgl. in diesem Zusammenhang auch BGE 123 I 241, 244 ff., E. 4.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

3. Erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zugunsten nichtehelicher Lebenspartner a) Enterbung und Pflichtteilsentziehung Für einen Erblasser besteht trotz des Vorliegens pflichtteilsberechtigter Erben die Möglichkeit, seinem nichtehelichen Lebenspartner die ganze oder zumindest einen größeren Teil der Erbschaft zu hinterlassen, wenn er deren Pflichtteile in einer Verfügung von Todes wegen rechtmäßig entzieht, Art. 477 – 480 ZGB.113 Nach schweizerischem Recht kann ein Entzug des Pflichtteils entweder im Wege der Strafenterbung (Art. 477 ZGB) oder der Präventiventerbung (Art. 480 ZGB) erfolgen.114 Allerdings liegen die Anforderungen an eine Pflichtteilsentziehung relativ hoch. So ist ein Entzug des Pflichtteils im Falle einer Strafenterbung nur dann möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte gegen den Erblasser oder gegen eine diesem nahe verbundene Person eine schwere Straftat (etwa einen Mordversuch oder Diebstahl) begangen hat, Art. 477 Ziff. 1 ZGB,115 oder wenn er gegenüber dem Erblasser oder einem von dessen Angehörigen die ihm obliegenden familienrechtlichen Pflichten116 schwer verletzt hat, Art. 477 Ziff. 2 ZGB.117 Es stellt somit keinen tauglichen Enterbungsgrund dar, wenn sich die beanstandete Verfehlung gegen eine für den Erblasser fremde Person richtet und sei sie noch so schwerwiegend.118 Darüber hinaus verlangt Art. 479 I ZGB, dass der Erblasser das enterbungswürdige Verhalten in der letztwilligen Verfügung hinreichend konkret benennt, da der Pflichtteilsberechtigte die Enterbung ansonsten ohne Weiteres mittels Herabsetzungsklage anfechten kann.119 Zudem muss im Falle einer Anfechtung der aus der Enterbung Begünstigte (also der nichteheliche Lebenspartner) die Richtigkeit des Enterbungsgrundes beweisen, Art. 479 II ZGB. Dies erschwert den Erfolg einer Pflichtteilsentziehung zusätzlich. Und selbst wenn die Voraussetzungen für eine Enterbung vorliegen, so führt dies nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der Testierquote. Sind nämlich neben dem Enterbten weitere pflichtteilsberechtigte Erben vorhanden, dann treten diese wie113

Wolf/Steiner, Erbrecht in der Schweiz, Jusletter 14. November 2005, Rn. 76. Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 64. 115 Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 69 Rn. 71: „Der Begriff Straftat umfasst alles kriminelle Unrecht, also Vergehen und Verbrechen im strafrechtlichen Sinn“. Die Schwere ist hingegen nach rein privatrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. 116 Darunter fallen vor allem schwere Verletzungen der Unterhaltspflichten, der Verwandtenunterstützungspflicht (Art. 328 ZGB) sowie der Beistands- und Rücksichtspflicht zwischen Eltern und Kindern (Art. 272 ZGB), Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 70. 117 Vgl. hierzu auch BGE 106 II 304, E. 3a. 118 Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 69 Rn. 70. 119 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 73. 114

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derum an dessen Stelle, Art. 478 II ZGB. Der durch die Enterbung entzogene Anteil würde folglich zunächst auf die Nachkommen des Enterbten entfallen, da deren Pflichtteilsrecht gerade nicht mit der Enterbung ihres Vorfahren untergeht, Art. 478 III ZGB.120 Im Unterschied zur deutschen Erbrechtsordnung kennt die Schweiz mit der Präventiventerbung von zahlungsunfähigen Nachkommen (Art. 480 ZGB) noch einen weiteren Enterbungsgrund, der nicht bloß auf die Sanktionierung des Pflichtteilsberechtigten abstellt, sondern der Sicherung des Familienvermögens zu dienen bestimmt ist.121 Nach Art. 480 I ZGB ist es dem Erblasser somit gestattet, einem überschuldeten Nachkommen122 die Hälfte des Pflichtteils zu entziehen und dessen Kindern zuzuwenden. Der nichteheliche Lebenspartner kann von dieser Regelung insofern nicht profitieren, da der so hinzugewonnene Erbteil zwingend den Kindern und später geborenen Kindern des Enterbten zufließen muss.123 Die frei verfügbare Quote des Erblassers wird in diesem Falle daher nicht vergrößert. Die deutschen Pflichtteilsentziehungsgründe ähneln ganz überwiegend denen der Schweiz. Im Gegensatz zur Schweiz hat Deutschland sein Pflichtteilsrecht jedoch in jüngerer Vergangenheit überarbeitet. So sind unter anderem die Pflichtteilsentziehungsgründe erweitert und angepasst worden.124 Seit dem 01. 01. 2010 ist die Entziehung des Pflichtteils nicht mehr nur bei schweren Verfehlungen gegenüber dem Erblasser selbst, dessen Ehegatten oder seinen leiblichen Kindern zugelassen, vgl. § 2333 Nr. 1 – 3 BGB a.F. Gemäß § 2333 I Nr. 1 und 2 BGB ist der geschützte Personenkreis um die mit dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Personen erweitert worden, womit insbesondere das bis dahin geltende sog. „Stiefkinderprivileg“ weggefallen ist. Zudem lässt sich der Pflichtteilsentzug eines Abkömmlings nicht mehr mit dessen „ehrenlosen und unsittlichen Lebenswandel“ begründen, wie es § 2333 Nr. 5 BGB 120 Vgl. insoweit auch Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 2 Rn. 53: „Auch eine Erbin mit erheblichem strafrechtlichen Sündenregister hat Anspruch auf den Pflichtteil, wenn die deliktische Tätigkeit nicht gegen den Erblasser oder eine ihm nahe verbundene Person gerichtet war“. 121 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 75. 122 Ein Nachkomme gilt als überschuldet, wenn diesem gegenüber im Zeitpunkt des Erbgangs Verlustscheine bestehen und diese mehr als einen Viertel des gesetzlichen Erbteils ausmachen, BSK-ZGB-II/Bessenich, Art. 480 Rn. 4. 123 Vgl. zur Präventiventerbung im Einzelnen Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 75 f.; BSK-ZGB-II/Bessenich, Art. 480 Rn. 1 ff. 124 Der Einführung einer allgemeinen Entfremdungsklausel als Pflichtteilsentziehungsgrund hat das deutsche BVerfG dagegen zu Recht eine Absage erteilt, vgl. BVerfGE 112, 332 Rn. 81 = NJW 2005, 1561: Schließlich würde das Pflichtteilsrecht durch eine solche Regelung praktisch ausgehöhlt werden, da im Falle einer gewünschten Pflichtteilsentziehung zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem in aller Regel auch eine Entfremdung vorliegen dürfte. Andernfalls hätte der Erblasser die Entziehung des Pflichtteils wohl nicht angestrebt. Gerade hiervor soll das Pflichtteilsrecht aber schützen; hierzu ebenfalls Gaier, in: Röthel (Hrsg.), Reformfragen des Pflichtteilsrechts, S. 161, 164 f.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

a.F. noch vorsah.125 Mit der Neufassung von § 2333 I Nr. 4 BGB bleibt eine Enterbung aber in solchen Fällen möglich, in denen der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden ist und seine Nachlassteilhabe für den Erblasser aus diesem Grunde unzumutbar ist. Das Gleiche gilt auch für die Konstellation, dass die Unterbringung der pflichtteilsberechtigten Person in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Erziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wurde, § 2333 I Nr. 4 S. 2 BGB. Anders als in der Schweiz können damit auch Verfehlungen gegenüber fremden Personen zur Entziehung des Pflichtteilsrechts berechtigen. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland besteht somit die grundsätzliche Möglichkeit den nächsten Angehörigen die Pflichtteile zu entziehen und dadurch die frei verfügbare Quote zu erhöhen. Allerdings bleibt das Instrument der Pflichtteilsentziehung nach wie vor eine Ausnahmeregelung, das die Anforderungen zum Schutze der Pflichtteilsberechtigten hoch ansetzt. Eine stärkere Begünstigung des nichtehelichen Partners wird man mit diesem erbrechtlichen Mittel daher nur in seltenen Fällen erreichen können.126 b) Erbunwürdigkeit Neben der Pflichtteilsentziehung kann auch die Erbunwürdigkeit der pflichtteilsberechtigten Erben eine Verbesserung der erbrechtlichen Position testamentarisch eingesetzter Konsensualpartner bewirken. Gemäß Art. 540 I ZGB ist all jenen Erben, die erbunwürdig sind, jedwede Nachlassteilhabe und damit auch der Pflichtteilsschutz zu versagen. Allerdings handelt es sich bei den in Art. 540 I Nr. 1 – 4 ZGB aufgelisteten Erbunwürdigkeitsgründen – wie bei der (Straf-)Enterbung – um ganz spezielle Ausnahmetatbestände, deren Voraussetzungen in nur wenigen Fällen erfüllt sein dürften. So ist etwa ein Erbe für erbunwürdig zu erklären, wenn er den Tod des Erblassers vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt oder herbeizuführen versucht hat, Nr. 1, oder diesen in einen Zustand bleibender Verfügungsunfähigkeit gebracht hat, Nr. 2. Die Rechtsinstitute der Strafenterbung und der Erbunwürdigkeit sehen insoweit teils sehr ähnliche Tatbestände vor. Auch sind die Folgen der Erbunwürdigkeit auf die unwürdige Person selbst beschränkt, Art. 541 I ZGB. Insofern erstreckt sich der Ausschluss vom Erbe auch nicht auf die Nachkommen des Unwürdigen, Art. 541 II ZGB, weshalb eine erbrechtliche Begünstigung des nichtehelichen Lebenspartners nicht oder zumindest kaum zu erwarten ist. Im Gegensatz

125

105 ff.

Zur Entwicklung des Pflichtteilsrechts nach der Erbrechtsreform Herzog, FF 2013,

126 Vgl. hierzu auch Koutses, Testamente und Erbverträge, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 903, 908 Rn. 10 ff.

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zur Strafenterbung tritt die Erbunwürdigkeit jedoch kraft Gesetzes ein und wird von Amts wegen verfolgt. In diesem Punkt unterscheidet sich die ansonsten weitestgehend identische schweizerische Erbunwürdigkeitsregelung von der deutschen, vgl. §§ 2339 ff. BGB. Nach deutscher Rechtslage kann die Erbunwürdigkeit nämlich nur durch Anfechtung derjenigen Personen geltend gemacht werden, denen der Wegfall des Erbunwürdigen zustatten kommt, §§ 2340 I, 2341 BGB. Im Übrigen lassen sich das schweizerische und das deutsche Rechtsinstitut der Erbunwürdigkeit aber sowohl hinsichtlich ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen als auch im Hinblick auf ihre eher geringe praktische Bedeutung miteinander vergleichen. c) Erbverträge aa) Positiver Erbvertrag Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft können sich auch mittels erbvertraglicher Verfügungen gegenseitig bedenken, Art. 481 i.V.m. 494 ZGB. Gegenüber einseitigen Verfügungen von Todes wegen bietet der Erbvertrag einen deutlich größeren Gestaltungsfreiraum.127 So lassen sich allgemeine erbvertragliche Anordnungen – wie Erb- oder Vermächtniseinsetzung – mit anderweitigen Dispositionen vermögensrechtlicher Art – etwa einer den güterrechtlichen Regelungen nachgebildeten Ausgleichspflicht – verknüpfen und inhaltlich aufeinander abstimmen.128 Durch die Bindungswirkung erbvertraglicher Verfügungen erhält der begünstigte Konsensualpartner zudem einen zugesicherten Erbanspruch und damit Planungssicherheit und Stabilität.129 Denn im Unterschied zum Einzeltestament, das jederzeit und ohne Kenntnis des darin Bedachten abgeändert werden kann, ist der Widerruf einer erbvertraglichen Anordnung nur unter erschwerten Voraussetzungen möglich, vgl. Art. 513 f. ZGB. Doch liegt in der bindenden Wirkung vertragsmäßiger Verfügungen gleichzeitig auch ein entscheidender Nachteil begründet. Während ein zwischen Ehegatten geschlossener Erbvertrag im Scheidungsfall automatisch kraft Gesetzes hinfällig wird, Art. 120 II ZGB bzw. Art. 31 II PartG, bleibt eine zwischen unverheirateten Paaren getroffene erbvertragliche Vereinbarung auch bei deren Trennung wirksam. Eine entsprechende Regelung ist mit §§ 2279, 2077 BGB auch im deutschen Erbrecht enthalten. Folgerichtig wird in diesem Zusammenhang gerade mit Blick auf 127

Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 2 Rn. 47; Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 35. 128 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 2 Rn. 47; Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 19 ff., 48 ff. 129 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 2 Rn. 45.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

Konsensualpartnerschaften problematisiert, dass ein Erbvertrag in bestimmten Konstellationen stabiler sein kann als die Verhältnisse, die er regeln soll.130 Allerdings haben die Vertragsparteien die erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeit, auch für zukünftige, noch ungewisse Ereignisse – wie eine vorzeitige Trennung – Vorsorge zu treffen. So können die Lebenspartner die Wirksamkeit einer erbvertraglichen Verfügung von der auflösenden Bedingung abhängig machen, dass ihre Beziehung bis zum Tode eines Partners fortbesteht, Art. 482 ZGB. Die deutsche Rechtsordnung sieht darüber hinaus die Möglichkeit vor, sich für den Fall einer Trennung ein vertragliches Rücktrittsrecht vorzubehalten, § 2293 BGB, welches den Partnern sodann die einseitige Lösung vom Erbvertrag gestattet.131 Trotz dieser vielfältigen Gestaltungswege ist es den vertragsschließenden Lebenspartnern aber nicht erlaubt, die disponible Erbquote zulasten pflichtteilsgeschützter Erben zu erhöhen. Insofern bleiben die Einschränkungen der Testierfreiheit und damit die Grundproblematik als solche weiter bestehen. bb) Erbverzichtsvertrag (negativer Erbvertrag) Eine tatsächliche Besserstellung nichtehelicher Lebenspartner lässt sich mit dem Abschluss eines Erbverzichtsvertrags erzielen, Art. 495 ff. ZGB (vgl. für Deutschland §§ 2346 ff. BGB). Durch den Erbverzicht eines künftigen pflichtteilsgeschützten Erben wächst die disponible Quote des Erblassers um den auf den Verzichtenden entfallenden Pflichtteil an. Da der Verzichtende bei der Berechnung der Pflichtteilsquoten der übrigen Erben mitzuzählen ist, findet eine Anwachsung derer Erb- und Pflichtanteile insoweit nicht statt.132 Im Gegensatz zur schweizerischen Erbrechtsordnung nimmt der deutsche Gesetzgeber eine klare Differenzierung zwischen Erbverzicht einerseits, § 2346 I BGB, und Pflichtteilsverzicht andererseits, § 2346 II BGB, vor. Aus praktischer Sicht ist dabei für den Erblasser zuvorderst der Pflichtteilsverzicht von Bedeutung. Denn bei Vorhandensein weiterer pflichtteilsberechtigter Erben garantiert allein der Pflichtteilsverzicht verbunden mit einem letztwillig erklärten Erbausschluss, eine Erhöhung des erblasserischen Gestaltungsfreiraums, vgl. § 2310 S. 1 BGB. Dagegen wirkt sich eine allgemeine, auch das gesetzliche Erbrecht mitumfassende, Erbverzichtserklärung nicht zwingend zugunsten der Testierquote aus, da der Verzichtende in diesem Falle bei der Pflichtteilsberechnung anderer Erben keine Berücksichtigung findet, § 2310 S. 2 BGB.

130 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 2 Rn. 46; Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 36. 131 Koutses, Testamente und Erbverträge, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 903, 920 Rn. 45 f. 132 BGE 50 II 450; Druey, Grundriss des Erbrechts, § 14 Rn. 28 m.w.H.; Wolf/Steiner, Erbrecht in der Schweiz, Jusletter 14. November 2005, Rn. 85.

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Ungeachtet dieser unterschiedlichen Berechnungsweisen hat der Erbverzicht – etwa gegenüber dem Instrument der Pflichtteilsentziehung – den großen Vorteil, dass er sich auf die Nachkommen des Verzichtenden erstreckt, Art. 495 III ZGB bzw. § 2349 BGB, womit der testamentarisch eingesetzte Lebenspartner auch vor deren Pflichtteilsansprüchen abgesichert ist. Allerdings setzt ein Erbverzichtsvertrag das einvernehmliche und willensmängelfreie Zusammenwirken von Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem vor einem Notar voraus, Art. 512, 499 ZGB bzw. §§ 2275, 2276 BGB. Ein pflichtteilsberechtigter Erbe wird aber in aller Regel nur dann auf seine erbrechtliche Beteiligung verzichten, wenn er im Gegenzug eine entsprechende lebzeitige Zuwendung von Seiten des Erblassers – in der Regel eine Abfindungszahlung – erhält.133 Der Erbverzicht wird damit zum Erbauskauf, Art. 495 I Alt. 2 ZGB.134 Der Erbauskauf birgt jedoch zahlreiche potentielle Problemfelder. Wird der Erbverzicht nämlich mit lebzeitigen Anordnungen verknüpft, dann entledigt sich der Erblasser bereits zu Lebzeiten eines Teils seines Vermögens.135 Trotz hinzugewonnener Testierquote schmälert er dadurch zwangsläufig auch die Größe seines Nachlasses zulasten des erbenden Lebenspartners. Liegt hingegen der dem Verzichtenden zugewendete Abfindungsbetrag wertmäßig unterhalb seines ihm im Erbfall zustehenden Pflichtteils, so kann dieser gegebenenfalls die Anfechtung des Erbvertrags aufgrund von Willensmängeln erklären, Art. 519 ZGB bzw. §§ 119, 123 BGB. Der Erblasser ist in einem gewissen Umfang dazu verpflichtet, den verzichtenden Erbanwärter über seine Vermögensverhältnisse in Kenntnis zu setzen.136 Eine Anfechtung hat daher in aller Regel Aussicht auf Erfolg, wenn der Erblasser den pflichtteilsgeschützten Erben bei Abschluss des Erbverzichtsvertrags über wesentliche seiner Vermögenswerte im Unklaren lässt. Der Verzichtende wird insofern kaum einer erbvertraglichen Vereinbarung (etwa einer zugesicherten Abfindung) zustimmen, bei der er hinter seinem Pflichtteil zurückbleibt. Demzufolge kann es auch passieren, dass sich der erbvertraglich geschaffene Gestaltungsfreiraum nicht im faktischen Ergebnis – also in Form größerer absoluter Nachlassteilhabe – zugunsten des Konsensualpartners niederschlägt. Ein weiteres Problem stellt sich aber auch dann, wenn die lebzeitige Erbabfindung zu hoch ausfällt und deshalb die Pflichtteile anderer Miterben beeinträchtigt. In diesem Fall treten unweigerlich Fragen zur Herabsetzung (Art. 522 ff., 527 Nr. 2, 535 f. ZGB) auf, wodurch die Nachlassabwicklung häufig erheblich komplizierter 133 Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 72 Rn. 59; Wolf/ Steiner, Erbrecht in der Schweiz, Jusletter 14. November 2005, Rn. 85. 134 Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 72 Rn. 59. 135 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 36. 136 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 36.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

wird.137 Eine Ausgleichspflicht (Art. 626 ff. ZGB) trifft den verzichtenden und damit die gesetzliche Erbenstellung verlierenden Erbanwärter jedoch nicht.138 d) Lebzeitige Zuwendungen und vorweggenommene Erbfolge Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft können auch mittels lebzeitiger Vermögensübertragungen das wirtschaftlich beabsichtigte Ergebnis erreichen.139 Als Eigentumsinhaber sind sie jederzeit berechtigt, frei und unbeschränkt über ihr Vermögen zu verfügen. Dem künftigen Erblasser steht es also offen, seinem Lebensgefährten neben einer erbrechtlichen Beteiligung schon zu Lebzeiten Vermögenswerte größeren Ausmaßes unentgeltlich zuzuwenden. Dabei lassen sich gerade in der Kombination lebzeitiger und erbrechtlicher Gestaltungsmittel optimierte Resultate herbeiführen.140 Trotz der gestalterischen Möglichkeiten sind lebzeitige Transaktionen regelmäßig aber mit Problemen tatsächlicher und rechtlicher Art verbunden. Denn in vielen Fällen ist der Erblasser nicht daran interessiert, einen Großteil seines Vermögens schenkweise wegzugeben, da er insbesondere auch nicht die zukünftige Entwicklung seiner Partnerschaft voraussehen kann. Wird diese wider Erwarten schon vor seinem Tode aufgelöst, so hätte er die seinerzeitige Schenkung aller Voraussicht nach niemals vorgenommen. Außerdem gilt es in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass eine bereits zu Lebzeiten vorgenommene Vermögensübertragung zugleich eine entsprechende lebzeitige Entreicherung des Erblassers zur Folge hat. Sofern sich der finanzielle Bedarf des Erblassers aufgrund bestimmter unvorhergesehen eintretender Ereignisse erhöht – etwa infolge lang andauernder Pflegebedürftigkeit –, könnte er gegebenenfalls auf diese ihm nunmehr fehlenden Geldmittel angewiesen sein, was im Extremfall zu einer Abhängigkeit gegenüber dem Lebenspartner oder den Verwandten (Art. 328 ZGB) führt.141 Zwar ist eine Rückabwicklung unentgeltlich erbrachter Leistungen unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise möglich, insbesondere wenn sich der Schenker für derartige Fälle ein vertragliches Widerrufsrecht hat einräumen las-

137

Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 36; vgl. zum Verhältnis von Ausgleichung und Herabsetzung Eitel, ZBJV 142 (2006), 457 ff. 138 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 26. 139 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 2 Rn. 59; Vogt, in: Frank/Girsberger/ Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 10 Rn. 1 ff. 140 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 19 f. 141 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 20; vgl. auch Zeranski, Die Rückforderung von Schenkungen wegen Verarmung, S. 1 ff.

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sen.142 Doch besteht dabei grundsätzlich immer die Gefahr, dass der beschenkte Lebensgefährte das zugewendete Vermögen ganz oder teilweise aufbraucht und somit entreichert ist. In Deutschland hat der BGH in einer jüngeren Entscheidung die Position des unentgeltlich verfügenden Lebenspartners sogar gestärkt und eine Rückforderung solcher Leistungen, die der Verwirklichung, Ausgestaltung und Erhaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft dienen soll, im Trennungsfall für zulässig erachtet.143 In Anlehnung an das Rechtsinstitut der unbenannten Zuwendungen unter Ehegatten seien daher sog. gemeinschaftsbezogene Zuwendungen, die unter dem stillen Vorbehalt des Fortbestands der Lebenspartnerschaft erfolgten, wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zurückzugewähren, wenn die Gemeinschaft nach der unentgeltlichen Zuwendung scheitert.144 Dagegen nimmt die schweizerische Rechtsprechung – soweit ersichtlich – bislang zu Fragen der Rückabwicklung von lebzeitigen Zuwendungen unter nichtehelichen Lebenspartnern eine eher zurückhaltende Position ein. Nach Auffassung des Bundesgerichts sei „eine allfällige Korrektur der mitunter als ungerecht empfundenen Rechtslage durch Ausstattung stabiler und lebensprägender Partnerschaften mit angemessenen Rechtswirkungen […] Sache des Gesetzgebers“.145 Es gelte insoweit der Grundsatz der Nichtausgleichung investierter Vermögenswerte.146 Will sich der unentgeltlich verfügende Lebenspartner somit effektiv vor derartigen Gefahren schützen, so kommt er nicht umhin, eine entsprechende Vertragsabrede (etwa ein Rückforderungsrecht) zu treffen, die auf solche potentiell eintretenden Ereignisse Rücksicht nimmt. Macht er jedoch die Wirksamkeit seiner Zuwendung von der Bedingung abhängig, dass die Beziehung bis zu seinem Tode fortbesteht, dann sind für die beabsichtigte Vermögensübertragung nicht die Vorschriften über Rechtsgeschäfte unter Lebenden, sondern diejenigen des Erbrechts – insbesondere unter Einhaltung der testamentarischen Form, Art. 498 ff. ZGB – maßgebend, Art. 245 II ZGB. Die gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen setzen dem erblasserischen Gestaltungsfreiraum somit Grenzen. Darüber hinaus rufen lebzeitige Vermögensverfügungen – wie beim Erbauskauf auch – Herabsetzungsansprüche pflichtteilsberechtigter Erben auf den Plan, Art. 522

142

Vgl. Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 57 f. 143 BGH, NJW 2014, 2638 = NZG 2014, 1015 = ZEV 2014, 620; BGHZ 177, 193 = NJW 2008, 3277 = MDR 2008, 1275; vgl. zur früheren Rechtsprechung BGH, FamRZ 2004, 94; NJW-RR 1996, 1473 f.; Lipp, JuS 1982, 17 ff. 144 Gemeinschaftsbezogenen Zuwendungen wird insofern kein schenkungsrechtlicher Charakter zugeschrieben, da diese dem Zweck der Festigung der gegenseitigen Verantwortungsgemeinschaft dienen, BGH, NJW 2014, 2638. 145 BGE 5 A_538/2008 vom 3. November 2008, E.4.3. 146 Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 57; vgl. dazu in Deutschland Palandt/Brudermüller, Einl v § 1297 Rn. 29 m.w.H.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

I, 527 ZGB. Zur Ausgleichung nach Art. 626 ff. ZGB ist der beschenkte Lebenspartner mangels gesetzlicher Erbenstellung hingegen nicht verpflichtet. Das deutsche Äquivalent zu Art. 527 ZGB bildet der in § 2325 BGB normierte Pflichtteilsergänzungsanspruch. Weder schweizerische noch deutsche Pflichterben müssen sich also eine Aushöhlung ihres Pflichtteils von Seiten des Erblassers gefallen lassen. Auch wenn der Erblasser zu Lebzeiten nicht daran gehindert ist, seinem Lebensgefährten wesentliche Teile seines Vermögens unentgeltlich zu übertragen, so können diese Vermögensverschiebungen im Wege der Herabsetzungsklage teilweise wieder rückgängig gemacht werden. Der nichteheliche Lebenspartner ist unter den Voraussetzungen der Art. 527 Nr. 1 – 4 ZGB dazu verpflichtet, lebzeitig erhaltene Leistungen insoweit an den Nachlass zurückzuführen, wie es für die Befriedigung von Pflichtteilsansprüchen erforderlich ist. Denn zur Bestimmung der tatsächlichen Pflichtteilshöhe sind diese erbrechtlich relevanten Zuwendungen der Erbmasse hinzuzurechnen, Art. 475 ZGB.147 Dieselbe Berechnungsmethode wird ebenfalls für den im deutschen Erbrecht geregelten Pflichtteilsergänzungsanspruch zugrunde gelegt, § 2325 I BGB.148 Für den nichtehelichen Lebenspartner haben insbesondere Art. 527 Nr. 3 (Schenkungen) und Nr. 4 (Pflichtteilsumgehung) ZGB praktische Relevanz. Gemäß Art. 527 Nr. 3 ZGB unterliegen all jene Schenkungen der Herabsetzung – mit Ausnahme von Gelegenheitsgeschenken –, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Erbfall getätigt worden sind. Demgegenüber sieht das deutsche Erbrecht eine Frist von zehn Jahren vor, § 2325 III 2 BGB. Anders als in der Schweiz hat sich der deutsche Gesetzgeber jedoch im Zuge der Erbrechtsreform im Jahre 2010 von der starren „Alles- oder Nichts-Lösung“ verabschiedet und ein Abschmelzungsmodell etabliert, wonach eine Schenkung für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger Berücksichtigung findet, § 2325 III 1 BGB. Dem Erblasser sind damit größere Freiräume bei der Nachlassgestaltung eingeräumt worden. Obwohl die Schweiz im Gegensatz zu Deutschland bei einer das Pflichtteilsrecht beeinträchtigenden Schenkung eine relativ kurze Frist vorsieht, bleibt auch bei länger zurückliegenden Zuwendungen eine Herabsetzung über den Auffang-Tatbestand des Art. 527 Nr. 4 ZGB möglich.149 Das deutsche Erbrecht kennt mit § 2287 BGB eine dem Art. 527 Nr. 4 ZGB grundsätzlich vergleichbare Regelung. Diese dient allerdings nur dem Schutz von Vertragserben. 147

Eitel, ZBJV 142 (2006), 457, 459. Im Unterschied zu Deutschland hält die Schweiz keine Sonderregelung für die Fristberechnung von Ehegattenschenkungen bereit. Während die deutsche Regelung, vgl. § 2325 III 3 BGB, für den Fristbeginn auf die Auflösung der Ehe als maßgebendes Ereignis abstellt, beginnt in der Schweiz die fünfjährige Frist für alle Beschenken gleichermaßen mit der Erfüllung der schenkweisen Zuwendung zu laufen. 149 BGE 45 II 371, 379; BGE 98 II 352, 357 f., E. 3b m.w.H.; BGE 116 II 667, 674, E. 3b/aa; BGE 126 III 171, 174; PraxKomm-ErbR/Hrubesch-Millauer, Art. 527 Rn. 19, 22. 148

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Unabhängig von einer zeitlichen Komponente können nach Art. 527 Nr. 4 ZGB Zuwendungen herabgesetzt werden, die „vernünftigerweise nicht anders denn als Umgehung der Pflichtteile erklärbar sind“.150 Die Rechtsprechung legt dabei die Hürden für die Annahme einer offenbaren Umgehungsabsicht nicht besonders hoch an.151 Bereits bei Vorliegen einfacher Indizien wird ein entsprechender Wille des Erblassers unterstellt. So kann eine Umgehungsabsicht etwa dann bejaht werden, „wenn der Erblasser in einem Zeitpunkt verfügt, in dem er bereits pflichtteilsberechtigte Nachkommen hat und deren Benachteiligung für möglich halten muss“.152 Es ist mithin ausreichend, wenn der Erblasser in dem Bewusstsein handelt, „dass seine Zuwendung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die verfügbare Quote überschreitet.“153 Dem beweispflichtigen Herabsetzungskläger dürfte dieser Nachweis daher oftmals gelingen. Die Möglichkeit, eine das Pflichtteilsrecht verletzende Schenkung nach Ableben des Erblassers korrigieren zu können, steht der gewünschten Besserstellung nichtehelicher Lebenspartner somit entgegen. Der Erblasser bleibt in seiner Verfügungsfreiheit im Hinblick auf den Gesamtumfang pflichtteilsfester Vermögenstransfers nach wie vor beschränkt. e) Vor- und Nacherbeneinsetzung Das Rechtsinstitut der Vor- und Nacherbschaft versetzt den Erblasser in die Lage, die Nachlassbeteiligung mehrerer Erbanwärter so zu steuern, dass diese nicht neben-, sondern nacheinander als Erben berufen sind.154 Dem nichtehelichen Lebenspartner wird durch Einräumung einer Vorerbenstellung daher prinzipiell die Möglichkeit eröffnet, die Erbschaft für sich alleine zu beanspruchen, Art. 491 ZGB, da die Nacherben grundsätzlich erst mit dessen Tode (dem Nacherbfall) den Nachlass zu erwerben berechtigt sind, Art. 492 I, 489 I ZGB. Allerdings werden dem erblasserischen Gestaltungsfreiraum auch in diesem Zusammenhang durch das Pflichtteilsrecht Grenzen gesetzt, Art. 531 ZGB. Nach schweizerischem Recht darf ausschließlich die disponible Erbquote mit einer Nacherbschaft belegt werden. Bei Vorhandensein pflichtteilsgeschützter Erben wäre insofern eine erbvertragliche Regelung notwendig, in der sich die Nacherben bereit

150

Druey, Grundriss des Erbrechts, § 6 Rn. 73. Das Bundesgericht lässt für das subjektive Tatbestandsmerkmal der Umgehungsabsicht den Nachweis von Eventualvorsatz beim Erblasser genügen, BGE 128 III 314, 317; BGE 5 A_651/2013 vom 30. 04. 2014. 152 BGE 128 III 314, 317, E. 4; BGE 45 II 371, 379, E. 4. BGE 50 II 450, 454 ff., E. 3; BGE 110 II 228. 153 BGE 128 III 314, 317, E. 4. 154 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 39. 151

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

erklären, auf ihren Pflichtteil bei Ableben des Erblassers zu verzichten.155 Ob aber die Nacherbenstellung für einen Nachkommen lohnenswert ist, dürfte von unterschiedlichen Faktoren abhängen, etwa der Zusammensetzung des Nachlasses oder des Vorliegens einer Befreiungsanordnung von der Sicherstellungspflicht, Art. 490 II ZGB. Zwar erhält der Nacherbe einen quotenmäßig größeren Anteil am gesamten Erbe, wenn er auf seinen Pflichtteil verzichtet. Doch ist er dann auch dem ständigen Risiko ausgesetzt, dass der (gegebenenfalls befreite) Vorerbe den Nachlass aufbraucht oder ihn zumindest erheblich schmälert. Neben diesen pflichtteilsbedingten Schwierigkeiten ist das Gestaltungsinstrument der Vor- und Nacherbeneinsetzung aber auch aus steuerlichen Gründen ungeeignet, um den nichtehelichen Lebenspartner erbrechtlich optimal zu begünstigen. Schließlich trifft den als Vorerben eingesetzten Konsensualpartner gegenüber pflichtteilsberechtigten Erben eine deutlich höhere Erbschaftsteuerlast, so dass beim Anfall der Vorerbschaft (dem Vorerbfall) der gesamte Nachlass dem ungünstigen Steuersatz unterliegt.156 Überdies dürfte es für den Erblasser nicht ganz einfach sein, auf sämtliche zukünftige Entwicklungsverläufe – insbesondere im Falle des Vorversterbens von am Erbschaftsgeschehen beteiligten Personen – adäquat und flexibel zu reagieren. Selbstverständlich steht es dem Erblasser frei, für derartige Situationen Ersatzanordnungen zu treffen, Art. 487 ZGB. Die Berücksichtigung später eintretender Ereignisse wird jedoch umso schwieriger, je weiter sich der Nacherbfall hinausschiebt.157 Dieselben Problemfelder sind ebenso im deutschen Nacherbenerbrecht vorzufinden, §§ 2100 ff. BGB, obgleich es hierbei einige Unterschiede im Verhältnis zur Schweiz gibt. Anders als nach schweizerischem Recht ist die Vorerbenstellung nicht von vornherein um die Pflichtteile der Nacherben beschränkt. Der pflichtteilsgeschützte Nacherbe kann seinen Pflichtteil nur dann geltend machen, wenn er die ihm zugedachte Nacherbenstellung ausschlägt, § 2306 I BGB. Im Ergebnis muss sich ein Pflichtteilsberechtigter also nicht mit seiner Nacherbeneinsetzung begnügen, was der Begünstigung des nichtehelichen Partners somit ebenfalls entgegensteht. Dem Erblasser bleibt folglich auch nach deutschem Recht die Einflussnahme auf die Pflichtteile verwehrt. Gleichwohl sind die den Vorerben treffenden Beschränkungen in Deutschland weitaus weniger einschneidend als in der Schweiz. Während ein Schweizer Vorerbe Sicherungsmittel zum Erhalt der Erbschaft – etwa eine Sicherungshypothek – erbringen muss, Art. 490 I, 553 ZGB, unterliegen deutsche Vor155 Harmann, Nachlassplanung mittels Vor- und Nacherbeneinsetzung, S. 2, abrufbar unter: www.harmann.ch/download/nachlassplanung.pdf (Stand: 04. 11. 2016). 156 Harmann, Nachlassplanung mittels Vor- und Nacherbeneinsetzung, S. 4 f., abrufbar unter: www.harmann.ch/download/nachlassplanung.pdf (Stand: 04. 11. 2016). 157 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 39.

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erben in der Hauptsache „bloß“ einigen Verfügungsverboten, §§ 2113 ff. BGB. In beiden Fällen kann der Vorerbe hiervon jedoch befreit werden, vgl. Art. 490 II ZGB und § 2136 BGB. f) Zuwendung eines Vermächtnisses aa) Grundsätzliche Gestaltungsmöglichkeiten Die gewünschte Begünstigung nichtehelicher Lebenspartner kann durch die Zuwendung eines Vermächtnisses erfolgen, §§ 484 ff. ZGB. Da sich ein Vermächtnis sehr unterschiedlich ausgestalten lässt, bietet dieses gegenüber der Erbeinsetzung den Vorteil größerer Flexibilität. Neben der Zuweisung konkreter Gegenstände sowie der Einräumung von Nutzungs- und Wohnrechten kann der Erblasser die pflichtteilsgeschützten Erben mittels Vermächtnis zur Erbringung wiederkehrender Leistungen verpflichten – etwa der Entrichtung eines monatlichen Geldbetrags (einer Geldrente) – und den hinterbliebenen Lebensgefährten somit für die Zukunft wirtschaftlich absichern. Als Vermächtnisnehmer hat der Lebenspartner einen eigenen einklagbaren Anspruch gegen die Erben auf Erfüllung der vermächtnisweise erfolgten Zuwendung, Art. 562 I, 563 I ZGB bzw. § 2174 BGB. Soweit diese jedoch die pflichtteilsgeschützten Erbteile übersteigt, können die Pflichterben deren verhältnismäßige Herabsetzung verlangen, Art. 486 I ZGB. Eine Kürzung des Vermächtnisanspruchs droht dem nichtehelichen Lebenspartner gleichermaßen nach deutschem Recht, § 2318 III BGB. bb) Nutzniessungsvermächtnis158 Mit dem Rechtsinstitut der Nutzniessung als besondere Vermächtnisform lässt sich eine umfassende Nachlassteilhabe der bedachten Person erzielen. Der Erblasser hat gemäß Art. 484 II, 745 ff. ZGB die Möglichkeit, seinem unehelichen Lebenspartner am gesamten Nachlass ein lebenslanges Nutzniessungsrecht einzuräumen. Das deutsche Gegenstück hierzu bildet der in § 1089 (i.V.m. §§ 1085 ff.) BGB normierte Erbschaftsnießbrauch (Nießbrauchsvermächtnis), der mit der schweizerischen Nutzniessung in weiten Teilen vergleichbar ist. Während dem pflichtteilsberechtigten Personenkreis in diesen Fällen das „nackte“ Eigentum an den zur Erbschaft gehörenden Gegenständen und Vermögenswerten zusteht, erwirbt der als Nutzniesser bedachte Lebenspartner das Recht

158 Soweit sich die folgenden Ausführungen auf das schweizerische Rechtsinstitut der Nutzniessung beziehen, wird der Begriff „Nutzniessung“ entsprechend der schweizerischen Rechtschreibung mit „ss“ geschrieben.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

zur lebenslangen Nutzung und Fruchtziehung, Art. 755 f. ZGB.159 So gesehen sind sich die Gestaltungsinstrumente der Nutzniessung und der Nacherbschaft (bei unbefreiter Vorerbschaft) sehr ähnlich, da sie den begünstigten Lebenspartner praktisch nur zum Gebrauch des Nachlassvermögens, nicht aber zu dessen Veräußerung berechtigen.160 Entscheidend dafür, ob sich eine Nutzniessung aus Sicht der Betroffenen wirtschaftlich rechnet, ist vor allem die noch zu erwartende Lebensdauer des Nutzniessungsberechtigten.161 Denn liegt das voraussichtliche Ableben des Lebenspartners noch in weiter Ferne, so wird es für den Pflichterben in aller Regel finanziell uninteressant sein, sich über einen entsprechend langen Zeitraum mit der bloßen Eigentümerstellung zufrieden zu geben. Dabei dürften die vorhandenen Schutzvorschriften zugunsten der durch die Nutzniessung belasteten Erben (der Eigentümer), vgl. Art. 759 ff. ZGB, in besonderem Maße auch die Konfliktbereitschaft unter den beteiligten Personen befördern.162 In der Hauptsache stehen der unbeschwerten Ausübung des Nutzniessungsrechts jedoch abermals die Pflichtteile der Familienangehörigen entgegen, Art. 530 ZGB. Diese können bei Anordnung einer Nutzniessung (bzw. eines Nießbrauchs) ihre pflichtteilsgeschützten Erbansprüche einfordern und damit das vom Erblasser beabsichtigte Ergebnis letztlich doch aushebeln. Eine Ausnahme sieht die schweizerische Rechtsordnung in diesem Falle nur zugunsten des überlebenden Ehegatten vor. Nach Art. 473 I ZGB ist es dem Erblasser gestattet, seinen ehelichen, nicht jedoch unehelichen Partner, die Nutzniessung an der ganzen Erbschaft zulasten gemeinsamer Nachkommen zuzuwenden. Nicht gemeinsame Nachkommen müssen sich eine Beschneidung ihres Pflichtteilsrechts dagegen nicht gefallen lassen.163 Darüber hinaus kann der Erblasser über ein Viertel des Nachlasses frei verfügen, Art. 473 II ZGB. Das deutsche Erbrecht kennt eine derartige Regelung hingegen nicht. g) Weitere Gestaltungsinstrumente Das schweizerische und deutsche Erbrecht halten eine Reihe weiterer erbrechtlicher Gestaltungsinstrumente bereit, die sich jedoch nur bedingt dazu eignen, die Erbenstellung nichtehelicher Lebenspartner spürbar zu verbessern. Um aber ein 159 Vgl. zum Umfang des Nutzniessungsrechts KUKO-ZGB/Schmid-Tschirren, Art. 755 Rn. 1 ff. 160 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 43. 161 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 43. 162 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 43. 163 Vgl. hierzu ausführlich Sutter-Somm/Seiler, recht 2009, 183 ff.

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vollständiges Bild der erblasserischen Handlungsmöglichkeiten zu erhalten, sollen diese nachfolgend grob skizziert werden. In beiden Erbrechtskodifikationen ist es den Erblassern erlaubt, durch letztwillige Anordnungen über das Vorgehen bei der Aufteilung des Nachlasses zu entscheiden, Art. 608 ZGB und § 2048 BGB.164 Da der Pflichtteil nur eine erbrechtliche Mindestteilhabe garantiert, könnte der Erblasser seinem Lebensgefährten wirtschaftlich und/oder ideell bedeutsame Nachlassgegenstände – etwa das Familienheim – gezielt zuwenden. Allerdings müsste der Erblasser dafür eine ausreichend große Erbschaft hinterlassen, die in ihrer Zusammensetzung aus entsprechend unterschiedlichen Vermögenspositionen (Immobilien, Aktien, Barvermögen, usw.) besteht. Nur unter diesen Voraussetzungen ließen sich gegebenenfalls wesentliche Nachlasskomplexe auf den nichtehelichen Lebenspartner übertragen. Nichtsdestotrotz bleibt die frei verfügbare Quote in vollem Umfang durch das Pflichtteilsrecht beschränkt, weshalb die individuelle Zuweisung bestimmter Erbschaftsgegenstände nach rein wirtschaftlicher Betrachtung zu keiner Verbesserung der erbrechtlichen Position nichtehelicher Lebenspartner führt. Darüber hinaus besteht für den Erblasser die Möglichkeit, durch Auflagen oder Bedingungen auf die Rechtsnachfolge gestalterisch einzuwirken, vgl. Art. 482 ZGB sowie §§ 1940, 2192 ff. BGB und §§ 158 ff., 2074 ff. BGB. Statt dem Lebensgefährten eine eigene Erbenstellung einzuräumen, könnte der Erblasser seinen Pflichterben die gesamte Erbschaft unter der Auflage hinterlassen, zugunsten des unehelichen Partners eine bestimmte Handlung vornehmen zu müssen, etwa die Verpflichtung zu dessen Pflege und Betreuung oder die Entrichtung eines monatlichen Geldbetrags. Allerdings erlangt der Begünstigte einer Auflage trotz deren verpflichtenden Charakters keine Forderung im Rechtssinne, womit sie sich vom Vermächtnis unterscheidet.165 Der auflagenbegünstigte Lebenspartner kann lediglich den Vollzug der Auflage einklagen, Art. 482 I ZGB, § 2194 BGB. Damit ist er bei deren Nichterfüllung nicht zur Geltendmachung von Schadensersatz berechtigt. Um die Einhaltung und Durchsetzung der Auflage dennoch sicherzustellen, kann der Erblasser die den Pflichterben zugedachte Erbenstellung von der auflösenden Bedingung abhängig machen, dass diese die Auflage erfüllen. Ungeachtet dieser gestalterischen Möglichkeit sind jedoch Auflagen, die eine Vermögensentäußerung der Beschwerten zum Inhalt haben – in Analogie zum Vermächtnis – den Herabsetzungsansprüchen pflichtteilsgeschützter Erben ausgesetzt, Art. 530 ZGB analog. Im deutschen Erbrecht ergibt sich das Recht zur betragsmäßigen Auflagenkürzung unmittelbar aus § 2318 III BGB.

164 165

Vgl. zum deutschen Erbrecht Schlinker, JR 2010, 93 ff. Arter, Der Schweizer Treuhänder 9 (2011), 745 f.

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Kap. 3: Die Rechtslage der nichtehelichen Lebensgemeinschaft

D. Zusammenfassung Der Blick auf die erbrechtliche Situation der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hat gezeigt, dass überlebende Konsensualpartner nur dann eine Nachlassbeteiligung zu erwarten haben, wenn der Erblasser sie in irgendeiner Form letztwillig bedenkt. Doch selbst wenn dies der Fall ist, bleiben die erblasserischen Verfügungsmöglichkeiten stark eingeschränkt. So verhindert allen voran das Pflichtteilsrecht eine weitreichende Begünstigung des unverheirateten Lebenspartners. Obwohl dem Erblasser eine Vielzahl möglicher Handlungsinstrumente zur Verfügung stehen, um die erbrechtliche Stellung seines Lebensgefährten positiver zu gestalten, ist er in aller Regel auf die Mitwirkung der Pflichterben – wie etwa beim Pflichtteils- oder Erbverzichtsvertrag – angewiesen. Gegen den Willen eines Pflichterben lässt sich eine Kürzung der gebundenen Erbquote nur bei Vorliegen von Enterbungsgründen realisieren. Dabei fallen in der Schweiz besonders die Pflichtteile der Nachkommen für die Konsensualpartner nachteilig ins Gewicht, da diese mit einer Höhe von drei Vierteln der gesetzlichen Erbquote deutlich über denen deutscher Abkömmlinge angesiedelt sind. Eine zusätzliche Belastung erfährt die erbrechtliche Position nichtehelicher Paare durch die sehr geringen erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Freibetragsgrenzen.

Kapitel 4

Schwächen der geltenden Erbrechtsregelungen Wie die vorangegangenen Kapitel deutlich gemacht haben, erweist sich die erbrechtliche Situation nichtehelicher Lebensgemeinschaften als sehr schwierig. So lassen bereits die rechtsdogmatische Ausrichtung des Erbrechts einerseits sowie die rechtstatsächlichen Gegebenheiten hinsichtlich nichtehelicher Paare andererseits die Notwendigkeit erbrechtlichen Reformbedarfs erkennen. Zudem zeigen die inhaltlichen Ausgestaltungen der in der Schweiz und Deutschland geltenden Erbrechtsordnungen auf, dass Konsensualpartner dabei gegenüber Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern eine gänzlich untergeordnete Rolle einnehmen. Bevor sich die Studie konkreten Reformüberlegungen für ein Erbrecht nichtehelicher Lebensgemeinschaften zuwendet, sollen nachfolgend die zentralen Schwächen der derzeitigen Erbregelungen zusammengetragen werden. Nur vor diesem Hintergrund kann eine detaillierte Auseinandersetzung mit den in diesem Zusammenhang zu lösenden Rechtsfragen stattfinden.

A. Außerachtlassen von Beziehungsrealitäten Ein zentrales Problem der derzeit geltenden Erbrechtskodifikationen besteht insbesondere darin, dass sie tatsächlich gelebte Beziehungsverhältnisse unberücksichtigt lassen und damit die Rechtsstellung nichtehelicher Paare gleich in doppelter Hinsicht beschneiden: Zum einen bleibt der nichtehelichen Lebensgemeinschaft trotz ihrer gesellschaftlichen Verbreitung und Anerkennung eine gesetzliche Erbbeteiligung versagt. So bildet das gesetzliche Erbrecht in der Hauptsache nur die traditionellen Familienstrukturen ab, die jedoch bloß einen Teil der heutigen Lebensrealitäten darstellen. Dabei haben die sozio-demographischen Entwicklungen rund um die nichteheliche Lebensgemeinschaft deutlich werden lassen, dass sich die jeweiligen Gesetzgeber gegenüber dieser gesellschaftlich immer relevanter werdenden Zusammenlebensform nicht mehr ohne Weiteres verschließen dürfen. Zum anderen ist die Beziehungsnähe zum Erblasser auch für die bereits von Gesetzes wegen legitimierten Erben ohne Bedeutung, da die vorhandenen Regelungen ausschließlich an den familienrechtlichen Status (Ehe, eingetragene Part-

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Kap. 4: Schwächen der geltenden Erbrechtsregelungen

nerschaft oder Verwandtschaft) anknüpfen. Das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht trägt weder den individuellen Bedarfslagen der Erben noch den Wünschen des Erblassers Rechnung. So ist gerade im Pflichtteilsrecht ein Spannungsverhältnis zwischen Status- und Realbeziehung zu beklagen, das eine ausgewogene Nachlassverteilung erheblich schwieriger macht.1 Während der langjährige Lebenspartner ohne eine letztwillige Anordnung bei der Erbfolge leer ausgeht, können die pflichtteilsberechtigten Nachkommen des Erblassers in jedem Falle – unabhängig bestehender Verfügungsmöglichkeiten – einen beträchtlichen Anteil des Erbschaftsvermögens für sich beanspruchen (drei Viertel der gesetzlichen Erbquote in der Schweiz, Art. 471 I ZGB, und ein Halb in Deutschland, § 2303 I 1, 2 BGB). Dies gilt selbst dann, wenn diese zeitlebens keinerlei Verbindung zu ihrem verstorbenen Elternteil aufgebaut haben.2 Der gesellschaftliche Bedeutungszuwachs nichtehelicher Zusammenlebensformen macht daher gesetzgeberisches Handeln auf dem Gebiet des Erbrechts zwingend erforderlich. Es dürfte jedenfalls außer Frage stehen, dass die Außerachtlassung der Lebenswirklichkeiten dem konzeptionellen Regelungsgedanken des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts zuwiderläuft. Zur Erreichung interessengerechter Ergebnisse muss das Erbrecht den realen Sozialbindungen somit stärkere Beachtung schenken.3 Vor diesem Hintergrund gelangt Breitschmid zu der zutreffenden Aussage: „Ein Konkubinat ist ein Konkubinat und nicht nichts“.4

B. Diskrepanz zwischen mutmaßlichem Erblasserwillen und gesetzlicher Erbfolge Die fehlende Berücksichtigung tatsächlich gelebter Beziehungsverhältnisse geht einher mit einem gesteigerten Erblasserinteresse nach erbrechtlicher Besserstellung des unehelichen Partners. Wie bei den (Legitimations-)Grundlagen des Erbrechts dargelegt, liegt den gesetzlichen Erbfolgeregelungen der zentrale Gedanke zugrunde, den mutmaßlichen Willen des Erblassers widerzuspiegeln. Dem gesetzlichen Erbrecht fehlt es daher an Wirkungskraft, wenn es die Interessen der zahlreichen in nichtehelicher Gemeinschaft lebenden Erblasser unbeachtet 1

Breitschmid, in: Gauch/Schmid (Hrsg.), Die Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 109, 118; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 469. Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 43 f. 2 Kritisch hierzu auch Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 44. 3 Vgl. zum erbrechtlichen Reformbedarf auch Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 34. 4 Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 15.

C. Unzureichende Flexibilität erbrechtlicher Gestaltungsinstrumente

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lässt. Schon deren Testierverhalten [vgl. Kap. 2, C., III., 2.] hat zu erkennen gegeben, dass auf Seiten der Erblassenden ein großes Bedürfnis besteht, den unehelichen Partner erbrechtlich abgesichert zu wissen. Es ist somit davon auszugehen, dass es deren mutmaßlichen Willen entspricht, wenn sie später von ihren Lebenspartnern beerbt werden. Das bei Erblassern festzustellende Verfügungsverhalten deckt sich zudem mit der Rechtsüberzeugung der Bevölkerung. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland vertritt der Großteil der Menschen die Auffassung, dem nichtehelichen Lebenspartner müssten weitergehende gesetzliche Erbansprüche, vergleichbar mit denen von Ehegatten, eingeräumt werden [vgl. Kap. 2, C., III., 3., c)]. Angesichts dieser Faktenlage erweist sich die derzeitige Ausgestaltung der gesetzlichen Erbfolge als unbefriedigend, da sie die gesellschaftlichen Realitäten nur unzureichend abbildet.

C. Unzureichende Flexibilität erbrechtlicher Gestaltungsinstrumente Ein weiterer Schwachpunkt der geltenden Erbrechtsregelung liegt in den nur unzureichend flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers begründet. Wie die Darstellung der erbrechtlichen Gestaltungsmittel zugunsten nichtehelicher Lebenspartner deutlich gemacht hat [vgl. Kap. 3, C., II., 3.], kann der Erblasser die erbrechtliche Stellung seines unehelichen Partners grundsätzlich nicht auf Kosten der Pflichtteile verbessern. Freilich besteht der Sinn des Pflichtteilsrechts gerade darin, den nächsten Angehörigen eine unentziehbare Mindestbeteiligung am Nachlass zuzusichern. Die Unentziehbarkeit stellt mithin das Wesensmerkmal dieses Rechtsinstituts dar. Jedoch dürfen die pflichtteilsrechtlichen Einschränkungen nicht so weit gehen, dass dem Erblasser bei der Bestimmung der Rechtsnachfolge kaum effektive Handlungsspielräume verbleiben, um den individuellen Interessen und Bedarfslagen der am Erbschaftsgeschehen Beteiligten in angemessenem Umfang Rechnung tragen zu können. Mit seiner starren Quotenregelung erweist sich das Pflichtteilsrecht als ein zu unflexibles Gebilde. Angesichts der zum Teil sehr hohen Pflichtteilsquoten (etwa bei Nachkommen, Art. 471 I ZGB) ist es im Regelfall nicht möglich, statusrechtlich nicht anerkannten Personengruppen – wie nichtehelichen Lebenspartnern – eine stärkere Erbenstellung zu verschaffen.

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Kap. 4: Schwächen der geltenden Erbrechtsregelungen

D. Mangelnde Berücksichtigung versorgungsrechtlicher Aspekte Darüber hinaus lässt das Erbrecht die versorgungsrechtlichen Aspekte der Betroffenen weitgehend unbeachtet. Wie bereits an vorangegangener Stelle angeführt wurde [vgl. Kap. 2, B., III., 1.], ist der erbrechtliche Versorgungsgedanke heute insgesamt in den Hintergrund getreten. Doch sind die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in der Regel wirtschaftlich eng miteinander verbunden und daher auf die finanziellen Mittel des Verstorbenen angewiesen. Im Hinblick auf die eher bescheidenen Testiermöglichkeiten zugunsten nichtehelicher Partner erscheint es aus versorgungsrechtlicher Sicht fragwürdig, dass der Erblasser seinen langjährigen Partner im Erbfall nicht ausreichend bedenken kann. Schließlich stehen dem überlebenden Konsensualpartner weder güterrechtliche Ausgleichansprüche zu, noch lassen sich Rentenanwartschaften auf ihn übertragen.5 Besonders deutlich tritt die erbrechtliche Schlechterstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften in Augenschein, wenn der hinterbliebene Partner seine berufliche Karriere zugunsten der Partnerschaft aufgegeben hat, um sich stattdessen ganz der Haushaltsführung und Kindesbetreuung zu widmen. Haben es die Lebenspartner in diesem Falle versäumt, mittels vertraglicher Abrede Vorsorge zu treffen, so ist die Gefahr, durch den Tod des erwerbstätigen Partners in finanzielle Schieflage zu geraten, für den überlebenden Teil um ein vielfaches höher als bei Ehegatten. Denn im Gegensatz zu den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kommen Ehegatten in den Genuss einer starken erbrechtlichen Stellung – vgl. Art. 462 ZGB und § 1931 BGB –, die im Regelfall noch durch das Ehegüterrecht aufgebessert wird, Art. 120 I i.V.m. Art. 196 ff. ZGB und § 1371 BGB. Und obwohl die Versorgungssicherung von Hinterbliebenen keine primäre Aufgabe des Erbrechts darstellt, könnte eine ausgewogenere Nachlassverteilung zwischen den Erbanwärtern zumindest dabei helfen, wirtschaftlich nachteilige Folgen für den Konsensualpartner abzumildern.

5

BGE 108 II 204, 206; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 31.

Kapitel 5

Reformmodelle Nachdem der Reformbedarf des Erbrechts bezüglich nichtehelicher Lebensgemeinschaften im Einzelnen dargelegt ist, können nunmehr konkrete Reformüberlegungen für die rechtliche Umsetzung dieses Reformvorhabens angestellt werden. Dabei ist zu untersuchen, welche Reformmodelle im Hinblick auf das zu erreichende Ziel, die erbrechtliche Stellung nichtehelicher Paare zu verbessern, überhaupt in Frage kommen. Zunächst werden hierzu die allgemeinen Anforderungen skizziert, denen ein entsprechendes Regelungsmodell genügen muss. Sodann sollen im Rahmen einer rechtsvergleichenden Betrachtung anderer Rechtsordnungen bereits etablierte Kodifikationen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft daraufhin untersucht werden, ob sich diese auch für einen schweizerischen respektive deutschen Lösungsansatz eignen. Am Ende dieses Kapitels soll schließlich ein taugliches Regelungskonzept stehen, das sowohl den Besonderheiten des Erbrechts als auch den unterschiedlichen Erscheinungsformen nichtehelicher Lebensgemeinschaften gerecht wird.

A. Allgemeine Anforderungen Der Schweizer Gesetzgeber ließ offen, wie eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebenspartner aussehen könnte. Kommission und Bundesrat haben lediglich als einschränkende Maßgabe vorgegeben, dass eine Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Paare nicht anzustreben sei.1 Allerdings ergeben sich angesichts der vorgenommenen Analyse des Ist-Zustands und der Feststellung der Schwächen der geltenden erbrechtlichen Normierung grundsätzlich auch die allgemeinen Anforderungen, denen ein Regelungsmodell zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu genügen hat.2 Zunächst dürfte in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung sein, dass die Neuregelung einem möglichst getreuen Abbild der vermuteten Nähebeziehung zwischen Erblasser und dessen Lebensgefährten entspricht, damit die hieran 1

Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 31. 03. 2011 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, S. 3. 2 Dahingehend auch die Überlegungen von Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 513 für die Voraussetzungen einer Reform des Ehegattenerbrechts.

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anknüpfenden Rechtsfolgen mit dem mutmaßlichen Erblasserwillen und der allgemeinen Rechtsüberzeugung in Einklang stehen. Zudem sollte die gesetzliche Lösung so beschaffen sein, dass die Gefahr rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme geringstmöglich bleibt. Ein entsprechendes Reformmodell muss sich darüber hinaus auch als justiziabel und damit als für die Rechtspraxis handhabbar erweisen. Es besteht mithin die Notwendigkeit die erbrechtliche Stellung nichtehelicher Lebenspartner an tatbestandlich klare und nachprüfbare Kriterien zu knüpfen. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung gesetzlicher Bestimmungen wird es unter anderem aber auch darum gehen, eine unsachgemäße Ungleichbehandlung angesichts der zahlreichen Formen nichtehelicher Paarbeziehungen zu vermeiden. Ebenso wird man darauf achten müssen, die Erbrechte anderer Personen nicht in unverhältnismäßiger Weise zu beschneiden. Dies gilt gerade in Bezug auf das Ehegattenerbrecht.

B. Reformmodelle im Rechtsvergleich Bei rechtsvergleichender Betrachtung3 ergeben sich zwei grundsätzliche Reformmodelle, die für eine erbrechtliche Regelung nichtehelicher Lebensgemeinschaften in Betracht kommen: 1. Die registrierte nichteheliche Lebenspartnerschaft und 2. Die faktische Lebensgemeinschaft. Darüber hinaus sind auch Kombinationen zwischen diesen beiden Grundmodellen denkbar (vgl. dazu 3.). Die nachstehende Rechtsvergleichung bildet einen Großteil der Länder ab, die bereits eigene Regelungskomplexe oder ganze Kodifikationen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft verabschiedet haben. Um ein möglichst breites Spektrum des vorhandenen Regelungsumfelds zeichnen zu können, ist die Analyse nicht ausschließlich auf den europäischen Rechtsraum beschränkt. Allerdings wird auf eine Darstellung sämtlicher Länder mit Kodifikationen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft verzichtet, da die in den Rechtsvergleich einbezogenen Rechtsordnungen bereits alle existierenden Regelungsmodelle abbilden, also ein Mehrwert dementsprechend nicht gegeben ist.

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Vgl. zusammenfassend Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571 – 605; Scherpe, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften im Rechtsvergleich, in: Büchler/Schwenzer (Hrsg.), Sechste Schweizer Familienrecht§Tage, S. 3 ff.

B. Reformmodelle im Rechtsvergleich

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I. Die registrierte nichteheliche Lebenspartnerschaft 1. Allgemeine Vorüberlegungen: Etablierung eines neuen formalisierten Statusverhältnisses Ein potentieller Lösungsansatz besteht darin, unverheirateten und nicht eingetragenen Paaren ein eigenes formelles Rechtsinstitut zur Verfügung zu stellen. Nichtehelichen Lebenspartnern könnte daher die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Partnerschaft durch einen formalen Rechtsakt registrieren zu lassen. Um in den Genuss erbrechtlicher Ansprüche zu gelangen, wäre demzufolge ein Aktivwerden beider Partner notwendig.4 Das an formalisierte Statusverhältnisse anknüpfende Erbrecht würde insofern um das der nichtehelichen Lebensgemeinschaft erweitert werden. Als für die erforderliche Registrierung zuständige Behörde käme das Einwohneroder Zivilstandsamt in Betracht.5 Die Auflösung einer so begründeten Partnerschaft könnte durch einseitigen Rechtsakt erfolgen, gegebenenfalls unter Wahrung einer Frist. Diese könnte beispielsweise von der Dauer der Beziehung abhängen oder am „Scheidungsjahr“ orientiert sein.6 Ungeachtet der möglichen Umsetzung stellt das an ein formalisiertes Verfahren orientierte Reformmodell weder für die schweizerische noch für die deutsche Jurisprudenz einen unbekannten Lösungsansatz dar. Schließlich steht homosexuellen Paaren bereits auf Bundesebene die Möglichkeit offen, ihre Partnerschaft rechtswirksam eintragen und sich damit auch erbrechtlich absichern zu können, Art. 1, 2 I PartG, Art. 462 ZGB bzw. §§ 1, 10 LPartG. Zudem ist es seit 2001 in den Kantonen Genf und Zürich und seit 2004 in dem Kanton Neuenburg gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren gleichermaßen erlaubt, sich offiziell registrieren zu lassen.7 Angesichts dieser Rechtsentwicklung ist in der Vergangenheit wiederholt gefordert worden – insbesondere im Zuge der Motion „Wehrli“8 –, das Modell der registrierten Partnerschaft bundesweit auch heterosexuellen Paaren zugänglich zu machen.9 Im Ergebnis hat sich der schweizerische Gesetzgeber jedoch stets gegen 4

Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 116. Schwander, AJP 1994, 918, 921 f.; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 188. 6 So die Überlegung von Pulver, Unverheiratete Paare, S. 188. 7 Pulver, in: Geiser/Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 61 ff. 8 Motion Wehrli (05.3264), Registrierte Lebensgemeinschaft. Schutz der Ehe, eingereicht am 08. 06. 2005 im Nationalrat. 9 Parlamentarische Initiative Gros (98.443), Registrierung der zusammenlebenden Paare, eingereicht am 30. 11. 1998; dazu Postulat ‘1613’ Hirschi (P 120/2007 POM), Eingetragene Partnerschaft auch für heterosexuelle Paare, eingereicht am 28. 03. 2007; in diesem Sinne auch Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 85; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 188, 193; Schwander, AJP 1994, 918, 921 f. 5

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eine entsprechend umfassende Kodifikation zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausgesprochen. 2. Die registrierte nichteheliche Lebensgemeinschaft in anderen Rechtsordnungen Zahlreiche Rechtsordnungen, so etwa in Frankreich, den Niederlanden, Belgien, den kanadischen Provinzen Nova Scotia und Quebec sowie in zahlreichen autonomen Regionen Spaniens (Madrid, Valencia, Extremadura, den Balearen, dem Baskenland, Katalonien, Aragón, Asturien, Galizien, Kantabrien, Navarra und den Kanarischen Inseln) kennen formalisierte Rechtsinstitute für gemischt- und gleichgeschlechtliche nichteheliche Lebensgemeinschaften.10 Zur Begründung solcher Gemeinschaften ist dementsprechend ein formeller Akt – eine Registereintragung oder die Errichtung einer öffentlichen Urkunde – erforderlich. Ausgangspunkt des gesetzgeberischen Handelns war regelmäßig das Bedürfnis, gleichgeschlechtlichen Paaren ein Rechtsinstitut außerhalb der Ehe zur Verfügung zu stellen.11 Dabei tritt die formalisierte Lebenspartnerschaft dort, wo sie sich ausschließlich an gleichgeschlechtliche Paare richtet,12 gewissermaßen an die Stelle der Ehe.13 Einige Gesetzgeber sind mittlerweile sogar dazu übergegangen, die Ehe selbst für homosexuelle Paare zu öffnen, was in vielen Fällen eine Wiederabschaffung des Rechtsinstituts der registrierten Lebenspartnerschaft zur Folge hatte.14 Diejenigen Rechtsordnungen, die allerdings homo- und heterosexuellen Paaren gleichermaßen ein formalisiertes Rechtsinstitut der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zur Verfügung stellen, weisen zum Teil ganz erhebliche Unterschiede – insbesondere hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen – zueinander auf:

10 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 580. 11 Schwenzer/Keller, in: FS Brudermüller, S. 761, 762; anders dagegen Griechenland, wo ausschließlich heterosexuelle Paare berechtigt sind, ihre Partnerschaft registrieren zu lassen; vgl. Koutsouradis, in: FS Schwenzer, S. 981, 991 ff. 12 So beispielsweise in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Finnland, der Tschechischen Republik, Ungarn, England und Wales, Schottland und Irland, vgl. hierzu ausführlich die jeweiligen Länderberichte Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, 2. Aufl., Bonn 2012. 13 Schwenzer/Keller, in: FS Brudermüller, S. 761, 762; Scherpe, FPR 2010, 211, 212; Swennen/Eggermont, in: Boele-Woelki/Fuchs (Hrsg.), Legal Recognition of Same-Sex Relationships in Europe, S. 19, 23. 14 So etwa in Dänemark (2012), Island (2010), Schweden und Norwegen (2009); dagegen halten Länder wie Frankreich (2013), Belgien (2003) oder die Niederlanden (2001) trotz einer Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare am Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft weiter fest; vgl. dazu auch Schwenzer/Keller, in: FS Brudermüller, S. 761, 762.

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a) Frankreich Frankreich hat im Jahre 1999 ein Gesetz über den sog. „Pacte civil de solidarité“ (PACS) eingeführt, das verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren die amtliche Registrierung ihrer Partnerschaft ermöglicht, vgl. Art. 515-1 ff. CC (Code Civil des Français).15 Nichtehelichen Lebensgemeinschaften ist es seither erlaubt, ihr gemeinsames Leben vertraglich zu regeln. Dabei ist die erforderliche Vereinbarung beim erstinstanzlichen Gericht, dem Tribunal d’instance, einzureichen, Art. 515 – 3 CC, das in etwa dem deutschen Amtsgericht entspricht.16 Sodann hat dieses die Partnerschaft in einem Partnerschaftsregister einzutragen. Diese rechtliche Möglichkeit steht nichtehelichen Paaren bis heute offen, obwohl man im Jahr 2013 auch gleichgeschlechtlichen Partnern das Recht eingeräumt hat, einander zu heiraten. Der PACS hält als eigenständige rechtliche Kodifikation zum Teil umfassende Rechtswirkungen für die registrierten Lebenspartner bereit.17 So sind die Partner eines PACS gem. Art. 515 – 4 Abs. 1 CC insbesondere auch in finanzieller Hinsicht zur gegenseitigen Hilfe und Unterstützung verpflichtet. Die Einzelheiten können durch die Parteien hingegen individuell geregelt werden.18 Zudem sind mit der Eingehung des Partnerschaftsvertrags auch gegenüber Dritten (gemeinsame Haftungsbestimmungen19, mietrechtliche Sonderregelungen, Besuchs- und Auskunftsrechte, u.v.m.) sowie im Bereich des öffentlichen Rechts (steuer- und sozialrechtliche Vergünstigungen) weitreichende Rechtsfolgen verbunden.20 Allerdings sind die Partner eines PACS den Ehegatten nicht gleichgestellt. Ihnen werden durch das PACS-Gesetz insbesondere keine Erb- und Pflichtteilsansprüche eingeräumt.21 Zwar können sich die Partner gegenseitig als testamentarische Erben einsetzen. Sofern jedoch Pflichtteilberechtigte vorhanden sind, können sie zugunsten 15 Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 244; Ferrand, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 87, 99. 16 Ferrand, Länderbericht Frankreich, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 211, 222 f.; Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 245. 17 Vgl. hierzu ausführlich Ferrand, Länderbericht Frankreich, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 211, 225 ff. 18 Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 246. 19 Gem. Art. 515-4 Abs. 2 CC haftet jeder Partner gegenüber Dritten für Verbindlichkeiten, die der andere aus Geschäften zur Deckung des gemeinsamen Lebensbedarfs oder für die gemeinsame Wohnung begründet hat. 20 Vgl. hierzu ausführlich Ferrand, Länderbericht Frankreich, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 211, 225 ff. 21 Ferrand, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 87, 99; Ferrand, Länderbericht Frankreich, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 211, 235.

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des anderen nur über den Freibetrag (quotité disponible) verfügen.22 Nach Art. 515-6 Abs. 3, 763 Abs. 1 und 2 CC steht dem überlebenden Partner lediglich ein durch den Erblasser ausschließbares Wohnrecht an der gemeinsam genutzten Wohnung und, falls dieser Miterbe wird, bei der Auseinandersetzung ein Recht auf vorzugsweise Zuteilung bestimmter Gegenstände zu, z. B. Unternehmen.23 Darüber hinaus werden die Partner im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht privilegiert.24 Auf nichteheliche Lebenspartner, die nicht durch einen PACS, sondern durch bloßes (faktisches) Zusammenleben (concubinage) miteinander verbunden sind, finden nur einzelne Regelungen unterschiedlicher Rechtsbereiche (etwa dem Sozial-, Arbeits- oder Mietrecht) Anwendung, die den Partnern gewisse Ansprüche zugestehen, Art. 515-8 CC.25 b) Niederlande Die Niederlande haben im Jahre 1998 das Modell der eingetragenen Lebenspartnerschaft eingeführt.26 Dieses stand jedoch zunächst nur verschiedengeschlechtlichen Paaren offen. Mit der Einführung der „Homo-Ehe“ am 01. 04. 2001 ist diese Ungleichbehandlung durch den niederländischen Gesetzgeber beseitigt worden.27 Seither können niederländische Paare unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung zwischen dem Institut der „Ehe“ und dem der „eingetragenen Partnerschaft“ wählen. Dabei ist die Rechtsstellung von registrierten Lebenspartnern und Ehegatten nahezu identisch, da die Vorschriften zur eingetragenen Partnerschaft hinsichtlich Entstehungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen überwiegend auf das Eherecht verweisen, vgl. Art. 1:80a ff. BW (Burgerlijk Wetboek)28.29 Im Gegensatz zu Frankreich 22 Ferrand, Länderbericht Frankreich, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 211, 235. 23 Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 247. 24 Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 202; Döbereiner, Länderbericht Frankreich, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 248. 25 Vgl. hierzu ausführlich Ferrand, Länderbericht Frankreich, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 211, 216 und 225 ff. 26 Boele-Woelki/Schrama, Länderbericht Niederlande, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307, 308. 27 Vlaardingerbroek, Länderbericht Niederlande, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 131; Boele-Woelki/Schrama, Länderbericht Niederlande, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307, 313. 28 Das niederländische Burgerlijk Wetboek beinhaltet acht Bücher, deren Artikel jeweils neu durchnummeriert sind. Während die Zahl vor dem Doppelpunkt das Buch bezeichnet, steht die Zahl nach dem Doppelpunkt für den Artikel innerhalb des Buches. 29 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 83; Boele-Woelki/Schrama, Länderbericht Niederlande, in: Scherpe/Yassari

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existiert somit kein spezialgesetzlich normierter Regelungskatalog mit eigenen Rechtsfolgen. Die Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft erfolgt daher wie die Eheschließung auch durch eine standesamtlich erstellte Urkunde, die anschließend ins Standesamtsregister aufgenommen wird, Art. 1:80a III BW.30 Da die Bestimmungen des Eherechts auf die eingetragene Partnerschaft entsprechende Anwendung finden, sind registrierte Partner sowohl in familienrechtlicher, Art. 1:80b BW,31 als auch in erbrechtlicher Hinsicht, Art. 4:879a BW, den Ehegatten weitestgehend gleichgestellt.32 Der hinterbliebene Partner ist folglich auch gesetzlicher Erbe.33 Jedoch haben im niederländischen Erbrecht weder Ehegatte noch eingetragener Partner ein Pflichtteilsrecht; allein die Kinder sind hier pflichtteilsberechtigt.34 c) Belgien In Belgien haben nichteheliche Paare seit dem 01. 01. 2000 die Möglichkeit, ihre Partnerschaft offiziell registrieren zu lassen. Der belgische Gesetzgeber spricht in diesem Zusammenhang allerdings nicht von einer „registrierten Partnerschaft“, sondern verwendet den Begriff des „gesetzlichen Zusammenwohnens“.35 Damit wollte er insbesondere deutlich machen, dass es sich bei der neuen Form der nichtehelichen Lebensgemeinschaft – anders als in Frankreich und den Niederlanden (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307, 316; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 191. 30 Ausführlich zum Vorgang der Eheschließung bzw. der Begründung einer registrierten Partnerschaft vgl. Boele-Woelki/Schrama, Länderbericht Niederlande, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307, 316 f.; Vlaardingerbroek, Länderbericht Niederlande, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 135 f. 31 So ist etwa das gesamte Ehegüterrecht auf die eingetragene Lebenspartnerschaft anzuwenden. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch bei abstammungsrechtlichen Fragen. Anders als in einer Ehe, Art. 1:199 sub a BW, führt die Geburt eines Kindes innerhalb einer registrierten Partnerschaft nicht automatisch zur juristischen Vaterschaft des Partners der Mutter, Art. 1:198 jo. 197 BW, Vlaardingerbroek, Länderbericht Niederlande, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 137; Boele-Woelki/Schrama, Länderbericht Niederlande, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307, 321 f. 32 Boele-Woelki/Schrama, Die Rechtsstellung von Menschen mit homosexueller Veranlagung im niederländischen Recht, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel (Hrsg.), Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 51, 70; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 92; Vlaardingerbroek, Länderbericht Niederlande, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 137. 33 Breemhaar, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 151 ff. 34 Boele-Woelki/Schrama, Länderbericht Niederlande, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 307, 350. 35 Pintens, Länderbericht Belgien, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 277, 281.

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Kap. 5: Reformmodelle

– gerade nicht um ein neues familienrechtliches Rechtsinstitut mit umfassenden Rechtsfolgen handelt.36 Vielmehr sollten die rechtlichen Wirkungen eingetragener Lebenspartnerschaften auf einzelne vermögensrechtliche Belange beschränkt bleiben, vgl. Art. 1475 ff. belg. CC (belgischer Code Civil37).38 Zur Begründung des gesetzlichen Zusammenwohnens ist die Übergabe einer von beiden Parteien unterzeichneten, schriftlichen Erklärung an den Standesbeamten der Gemeinde erforderlich, in der sich der gemeinsame Aufenthaltsort befindet, Art. 1476 § 1 belg. CC.39 Ergänzend zu den gesetzlichen Vorschriften können die Partner in einem notariellen Partnerschaftsvertrag die Einzelheiten ihres Zusammenlebens festlegen, wie etwa güterrechtliche Vereinbarungen oder die Beteiligung an den Kosten des Zusammenlebens.40 Nach Überprüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen (Geschäftsfähigkeit der Parteien, Art. 1123, 1124 belg. CC, keine anderweitig bestehenden Partnerschaften, Art. 1475 § 2 belg. CC etc.) hat der zuständige Standesbeamte die von den Partnern abgegebene Erklärung ins Melderegister der Gemeinde einzutragen.41 Die Rechtsfolgen des gesetzlichen Zusammenwohnens sind ihrem Umfang nach allerdings relativ überschaubar. Hauptsächlich entfaltet die Eintragung der Partnerschaft nur einige vermögensrechtliche Wirkungen. So haften beispielsweise die zusammenlebenden Partner gemeinsam für Verbindlichkeiten, die eine Partei alleine zum Zwecke der Haushaltsführung und Kindererziehung eingeht, sofern diese Verbindlichkeiten in einem angemessenen Verhältnis zu den Mitteln der Zusammenwohnenden stehen.42 Einen gesetzlichen oder gar pflichtteilsgeschützten Erbanspruch des hinterbliebenden Partners sieht das Gesetz dagegen nicht vor.43 Seit dem 18. 05. 2007 werden dem überlebenden Partner allerdings auch bestimmte erbrechtliche Ansprüche zu-

36 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 99; Baurain, Revue du notariat belge 1998, 618. 37 Burgerlijk Wetboek. 38 Pintens, Länderbericht Belgien, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 277, 281. 39 Hustedt/Schür/Sproten, Länderbericht Belgien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 153; Pintens, Länderbericht Belgien, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 277, 286. 40 Hustedt/Schür/Sproten, Länderbericht Belgien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 154. 41 Pintens, Länderbericht Belgien, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 277, 286. 42 Hustedt/Schür/Sproten, Länderbericht Belgien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 155. 43 Hustedt/Schür/Sproten, Länderbericht Belgien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 157; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 104.

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gestanden.44 Diesem steht unter anderem gem. Art. 745 octies belg. CC das Nutznießungsrecht an der Immobilie sowie dem darin befindlichen Hausrat zu, die dem Paar während des Zusammenlebens als gemeinsamer Wohnsitz diente. Im Falle eines Mietverhältnisses erhält der überlebende Partner unter Ausschluss aller anderen Erben das alleinige Mietrecht an der gemeinsamen Wohnung. Zudem sind die gesetzlich Zusammenwohnenden den Ehegatten erbschaftsteuerrechtlich gleichgestellt.45 d) Spanien Im gemeinspanischen Zivilrecht finden sich abgesehen vom Mietrecht keine Regelungen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Nach Art. 16 Ley 29/1994 vom 24. 11. 1994 de Arrendamientos Urbanos (LAU) kann der hinterbliebene Lebensgefährte nach dem Tod des Partners für ein Jahr in der gemeinsam genutzten Wohnung verbleiben und in dieser Zeit Unterhalt aus dem Nachlass des Verstorbenen beziehen.46 Voraussetzung ist hierfür ein mindestens zweijähriges Zusammenleben der Partner oder das Vorhandensein gemeinsamer Kinder. Die Regelung gilt sowohl für gleich- als auch verschiedengeschlechtliche Paare.47 Neben der gemeinspanischen Gesetzgebung haben jedoch die meisten der 17 Autonomen Regionen (Comunidades Autónomas), die das Land Spanien bilden, spezifische Gesetze zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft erlassen.48 So kennen unter anderem Madrid49, Valencia50, Extremadura51, die Balearen52, das Baskenland53, Katalonien54, Aragón55, Asturien56, Galizien57, Navarra58, Kantabrien59 sowie 44 Hustedt/Schür/Sproten, Länderbericht Belgien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 157. 45 Hustedt/Schür/Sproten, Länderbericht Belgien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 157. 46 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 269. 47 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 269. 48 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249. 49 Ley 11/2001 v. 19. 12. 2001 de uniones de hecho de la Comunidad de Madrid (LMAD). 50 Ley 1/2001 v. 06. 04. 2001 por la que se regulan las uniones de hecho (LVAL). 51 Ley 5/2003 v. 20. 03. 2003 de parejas de hecho de la Comunidad Autónoma de Extremadura (LEX). 52 Ley 18/2001 v. 19. 12. 2001 de parejas estables (LBAL). 53 Ley 2/2003 v. 07. 05. 2003 reguladora de las parejas de hecho del País Vasco (LPV). 54 Ley 10/1998 v. 15. 07. 1998 de uniones estables de pareja (LCAT), ersetzt durch Ley 25/ 2010 v. 29. 07. 2010 del libro segundo del Código Civil de Catalunya, relative a la persona y la familia (CCCAT). 55 Ley 6/1999 v. 26. 03. 1999 relativa a las parejas estables no casadas (LAR). 56 Ley 4/2002 v. 23. 05. 2002 de parejas estables (LAS).

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die Kanarischen Inseln60 ein formelles Rechtsinstitut der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Dagegen haben die Comunidades Autónomas Castilla-La Mancha, Castilla-León, La Rioja und Melilla keine Gesetze zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft erlassen, aber jeweils ein eigenes Register für unverheiratete Paare geschaffen.61 Die spanischen Rechtsordnungen der Comunidades Autónomas folgen jedoch keinem einheitlichen Modell. In Madrid62, Valencia63, Extremadura64, Galizien65, Kantabrien66, den Balearen67 und dem Baskenland68 ist für die Begründung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein formaler Rechtsakt zwingend erforderlich.69 In Aragón70, Navarra71, Asturien72, den Kanarischen Inseln73 und Katalonien74 kann die Partnerschaft auch formlos begründet werden, d. h. durch bloßes Zusammenleben.75 Aufgrund der unterschiedlichen, teilweise verfassungsrechtlich umstrittenen Gesetzgebungskompetenzen der einzelnen Comunidades Autónomas76 sind auch die 57

Ley 2/2006 v. 14. 06. 2006 de derecho civil de Galicia (LGAL). Ley 6/2000 v. 03. 07. 2000 para la igualdad jurídica de las parejas estables (LNAV). 59 Ley 1/2005 v. 16. 05. 2005 de parejas de hecho de la Comunidad Autónoma de Cantabria (LCA). 60 Ley 5/2003 v. 06. 03. 2003 para la regulación de las parejas de hecho en la Comunidad Autónoma de Canarias (LCAN). 61 Castilla-La Mancha: Decreto 124/2000 v. 11. 07. 2000 por el que se regula la creación y el régimen de funcionamiento del Registro de parejas de hecho de la Comunidad Autónoma de Castilla-La Mancha; Castilla-León: Decreto 117/2002 v. 24. 10. 2002 por el que se crea al Registro de uniones de hecho en Castilla y León y se regula su funcionamiento; La Rioja: Decreto 30/2010 v. 14. 05. 2010 por el que se crea el Registro de parejas de hecho de La Rioja, vgl. auch Huzel, Länderbericht Spanien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 101. 62 Art. 1.1 LMAD. 63 Art. 1.1 und 1.2 LVAL. 64 Art. 2.1 und 3 LEX. 65 Disposición adicional tercera in LGAL. 66 Art. 4.2 LCA. 67 Art. 1.2 LBAL. 68 Art. 3.1 LPV. 69 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 255. 70 Art. 2 und 3 LAR. 71 Art. 2.2 LNAV. 72 Art. 3 LAS. 73 Art. 3 und 4 LCAN. 74 Art. 234-1 CCCAT; die ursprüngliche Differenzierung zwischen gleich- und verschiedengeschlechtlichen Paaren, vgl. Art. 1 und 19 LCAT, besteht heute nicht mehr. 75 Zu den kombinierten Lösungsmodellen vgl. Kap. 5, B., III. 76 Nur die sog. historischen Comunidades Autónomas – die Balearen, Katalonien, Aragón, Navarra, das Baskenland und Galizien – können in begrenztem Umfang auch im privatrecht58

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Anforderungen der jeweils erforderlichen formalen Begründungsakte unterschiedlich ausgestaltet.77 Während sich der katalanische Gesetzgeber wegen verfassungsrechtlicher Bedenken dazu entschied, für die Eingehung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Errichtung einer öffentlichen Urkunde vorauszusetzen, Art. 234-1 lit. c CCCAT, schufen dagegen die Gesetzgeber der Balearen, von Valencia, Extremadura und dem Baskenland ein Register der Comunidad Autónoma, das aber ausschließlich verwaltungsrechtlicher Natur sein und daher kein Zivilregister darstellen soll.78 Die Gesetzgebungskompetenz zum Führen eines Zivilregisters obliegt nämlich allein dem zentalspanischen Gesetzgeber. Angesichts der unterschiedlichen, teilweise nur schwachen Gesetzgebungskompetenzen der jeweiligen Comunidades Autónomas sind auch die Rechtswirkungen der registrierten Lebenspartnerschaften sehr verschieden: So haben Katalonien und Aragón als historische Comunidades Autónomas verhältnismäßig umfassende Gesetze zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die gerade im Bereich der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung bei Trennung oder Tod eines Partners eheähnliche Rechtsfolgen begründen.79 Nach katalanischem Recht sind nichteheliche Partner und Ehegatten erbrechtlich weitgehend gleichgestellt und gehören sowohl zum gesetzlichen als auch zum pflichtteilsgeschützten Personenkreis, Art. 442-3 ff., 452-1 ff. CCCAT, Art. 234-1 i.V.m. 234-14 CCCAT.80 Die erbrechtliche Bedeutung einer durch Registrierung zustande gekommenen Lebenspartnerschaft ist indes nur gering, wenn eine solche Partnerschaft lediglich lichen Bereich tätig werden. Dabei sind die Formen der Eheschließung und das Registerwesen dem gesamtspanischen Gesetzgeber vorbehalten, Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 251. 77 Vgl. hierzu ausführlich mit weiteren Nachweisen Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 251, 255. 78 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 256. 79 Pulver, Unverheiratete Paare, S. 190; Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 269: In Navarra, auf den Balearen und im Baskenland sind nichteheliche und eheliche Lebenspartner im Bereich der jeweiligen autonomen Zivilrechtsordnungen gleichgestellt. 80 Lamarca i Marquès, Länderbericht Katalonien, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 26; Ferrer i Riba, in: Kroppenberg/Schwab/Henrich u. a. (Hrsg.), Rechtsregeln für nichteheliches Zusammenleben, S. 187, 200; Nach früherer Rechtslage sind heterosexuelle Paare zwar gegenüber homosexuellen Paaren hinsichtlich der gesetzlichen Erbenstellung benachteiligt worden. Denn gemäß Art. 19, 34 LCAT hatte nur der gleichgeschlechtliche, aber nicht der heterosexuelle Lebenspartner einen Anspruch auf ein Viertel des Nachlasses, wenn er mit Abkömmlingen oder Vorfahren konkurrierte und er selbst nicht über ausreichende Mittel für eine angemessene Lebensführung verfügte. Derselbe Anspruch bestand als Pflichtteil gegenüber den testamentarischen Erben. Als gesetzlicher Erbe konnte der Lebenspartner gegenüber Verwandten in den Seitenlinien bis zur Hälfte des Erbes verlangen. Dafür war jedoch der Ehegatte gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern rechtlich besser gestellt.

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mittels Errichtung einer notariell beglaubigten Urkunde begründet worden ist. Da nämlich der Weg zum Notar stets auch die Errichtung eines Testaments ermöglicht, in dem der Lebenspartner entsprechend bedacht werden kann, spielen die gesetzlichen Erbfolgeregelungen der nichtehelichen Lebenspartnerschaft hier regelmäßig nur eine untergeordnete Rolle.81 Manche der spanischen Rechtsordnungen gewähren den Lebenspartnern dagegen nur sehr wenige einklagbare Rechte und verschaffen den Paaren regelmäßig nicht mehr als die symbolische Anerkennung ihrer Beziehung.82 Dem überlebenden Lebenspartner werden in diesen Fällen aber gewisse Vergünstigungen eingeräumt, die jedoch nicht erbrechtlicher, sondern vor allem familienrechtlicher Natur sind.83 So hat der überlebende Lebenspartner beispielsweise in Katalonien, Aragón, auf den Balearen und im Baskenland auch ein Recht auf die Kleidung, die Möbel und den Hausrat des Verstorbenen, wobei Familienerbstücke, wertvolle Kunstgegenstände sowie Schmuck hiervon ausdrücklich ausgenommen sind.84 e) Kanadische Provinzen Nova Scotia und Quebec Die kanadischen Provinzen Nova Scotia und Quebec gestehen nichtehelichen Lebenspartner teils umfangreiche Rechte zu, wenn die Partnerschaft amtlich registriert ist.85 In Nova Scotia bedarf es dazu einer vor Zeugen abgegebenen Erklärung der Partner, deren volle Wirksamkeit eine Registrierung erfordert (sog. registered domestic partnership).86 In Quebec setzt die Begründung einer Civil Union die Registrierung vor einer zuständigen Stelle voraus: Einem Notar oder einem Registerbeamten bei Gericht vor Zeugen. Neben einigen umfassenden Rechtswirkungen im Bereich des Familienrechts, insbesondere des Unterhaltsrechts, gewähren die jeweiligen Teilrechtsordnungen87 dem nichtehelichen Lebenspartner in gleicher Weise wie einem Ehegatten auch ein gesetzliches Erbrecht.88 81 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 269. 82 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 259. 83 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 268. 84 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 268 f. 85 Holland, Länderbericht Kanada, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 479, 490 ff. 86 Holland, Länderbericht Kanada, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 479, 488 f. 87 In Kanada unterfällt das Erbrecht der Gesetzgebungshoheit der Provinzen und Territorien, Hewel, ZEV 2009, 180. 88 Hewel, ZEV 2009, 180, 182.

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f) Zusammenfassung Die formalisierte Lebensgemeinschaft ist ein weit verbreitetes Modell, das vor allem im europäischen Raum häufig vorzufinden ist. Dabei ist in allen untersuchten Rechtsordnungen, mit Ausnahme von Katalonien, eine öffentliche Registrierung erforderlich. Eine lediglich privatrechtliche Vereinbarung der Partner reicht demzufolge nicht aus.89 Auffallend ist vor allem, dass in sämtlichen Ländern mit Modellen formalisierter Lebensgemeinschaften in gewissem Umfang auch Regelungen für solche Paare existieren, die den Akt amtlicher Registrierung nicht vollzogen haben. Die ursprünglich vorhandenen Regelungen hinsichtlich nichtformalisierter Lebensgemeinschaften bleiben also daneben weiter bestehen, da das Recht auch den legitimen Schutzbedürfnissen dieser Personen gerecht werden muss.90 Insofern entsteht durch die Einführung eines solchen Rechtsinstituts eine weitere Gruppe von familien- bzw. erbrechtlich geregelten Lebensgemeinschaften, so dass letztlich drei Regelungsstufen in dieser Hinsicht vorhanden sind: Die Ehe bzw. eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft, die formalisierte nichteheliche Lebensgemeinschaft und die nichtformalisierte nichteheliche Lebensgemeinschaft.91 3. Bewertung des Modells der registrierten Lebensgemeinschaft a) Vorteile aa) Nachweisbarkeit formalisierter Statusverhältnisse Der größte Vorteil eines zentralisierten Registrierungsmodells liegt unzweifelhaft in der guten Nachweisbarkeit hinsichtlich des Bestehens einer erbrechtsrelevanten Lebenspartnerschaft begründet. So stellt der in der amtlichen Registrierung liegende förmliche Rechtsakt einen zuverlässigen Anknüpfungszeitpunkt für die Erzeugung erbrechtlicher Wirkungen dar.92 Das Eintragungserfordernis trägt mithin zu enormer Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bei.93

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Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 581. 90 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 978. 91 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 978; Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/ Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 581. 92 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35; Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 583; Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 978; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 186, 188.

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bb) Legitimierung der daran geknüpften Rechtsfolgen durch die Partner Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Registrierung ein aktives Handeln der Partner voraussetzt. Diese geben mit dem Eintragungsakt offen zu erkennen, dass sie die damit zusammenhängenden Rechtsfolgen eintreten lassen wollen. Insoweit werden auch die aus der formalisierten Lebensgemeinschaft erwachsenen Erbansprüche von der bewussten und freiwilligen Entscheidung der Lebenspartner getragen.94 Außerdem wird man ein solches Reformmodell, das den übereinstimmend erklärten Willen der Lebenspartner voraussetzt, im Sinne eines vertragsrechtorientierten Familienrechts begrüßen.95 cc) Stärkung sozialer Anerkennung Darüber hinaus dürfte mit der Registrierungsmöglichkeit nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine soziale Aufwertung dieser Lebensform verbunden sein. Schließlich wird allein durch die Bereitstellung eines förmlichen Registrierungsverfahrens von öffentlicher Seite zum Ausdruck gebracht, dass nichteheliches Zusammenleben die staatliche Anerkennung genießt.96 Insofern ist die Eintragung in ein offizielles Register für viele Paare auch von symbolischer Bedeutung, da sie ihnen das Gefühl einer gesellschaftlichen Akzeptanz ihrer höchstpersönlichen Wahl der Art und Weise ihres Zusammenlebens vermittelt. dd) Ausräumen diskriminierender Vorbehalte durch Etablierung einer Alternativlösung zur Institution Ehe Teilweise wird eine Öffnung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft für verschiedengeschlechtliche Paare aus verfassungsrechtlichen Gründen für erforderlich gehalten. So erblickt etwa der Motionär Wehrli in der Nichtbeachtung unverheirateter Paare und der damit verbundenen Schlechterstellung gegenüber Ehegatten einen Verstoß gegen Art. 8 II BV.97 Es dürfte jedoch zu weit gehen aus Art. 8 II BV, der eine Diskriminierung wegen der Lebensform verbietet,98 eine 93 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 583; Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 978. 94 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 581. 95 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 978; Breitschmid, successio 1 (2007), 10, 16. 96 Pulver, Unverheiratete Paare, S. 193. 97 Motion Wehrli (05.3264), Registrierte Lebensgemeinschaft. Schutz der Ehe, eingereicht am 08. 06. 2005 im Nationalrat. 98 Vgl. auch Schweizer, in: St. Galler Kommentar zu Art. 8 BV, Rn. 44, 68; Wolf, recht 2002, 157, 165; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 27.

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Verpflichtung für den Gesetzgeber ableiten zu wollen, das Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft auch heterosexuellen Paaren bereitstellen zu müssen. Allerdings vermag der in diesem Zusammenhang oftmals pauschal getätigte Hinweis nicht zu überzeugen, verschiedengeschlechtliche Paare könnten ja heiraten und sich damit rechtlich absichern.99 Zumindest dürfte es kein bedenkenloses Vorgehen darstellen, wenn sich heterosexuelle Paare nur durch Begründung einer Ehe – gewissermaßen als „Problemlösungsweg mangels Alternativen“ –, den sich aus der fehlenden rechtlichen Anerkennung ergebenen Problemen entledigen könnten.100 Schließlich umfasst die Ehefreiheit auch das Recht, nicht heiraten zu müssen.101 Die registrierte Lebensgemeinschaft stellt daher gerade für diejenigen Paare eine geeignete Alternativlösung dar, die sich nicht mit den aus der Institution der Ehe abgeleiteten Moral- und Wertvorstellungen identifizieren können, jedoch ihr partnerschaftliches Verhältnis rechtlich fassen wollen.102 Nichteheliche Lebenspartner könnten insofern zwischen den umfassenden Regelungpaketen Ehe oder eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft einerseits und dem in der Hauptsache erbrechtliche Rechtsfolgen auslösenden Institut der eingetragenen nichtehelichen Lebensgemeinschaft andererseits auswählen. ee) Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Ehe und Familie Auch steht ein solches Rechtsinstitut nicht im Widerspruch zum Verfassungsauftrag, die Ehe zu schützen, Art. 14 BV.103 Dies gilt für die Schweiz gleichermaßen wie für Deutschland, Art. 6 I GG. Stattdessen dürfte mit der Schaffung eines Registrierungsmodells zugunsten nichtehelicher Paare sogar eine Stärkung der Institution Ehe einhergehen, da sich mit dieser Alternative tendenziell diejenigen bewusster für die Ehe entscheiden würden, die nicht nur die rechtlichen Vorteile dieser Gemeinschaft in Anspruch nehmen wollen, sondern von deren moralischer, symbolischer und traditioneller Bedeutung überzeugt sind.104 Überdies hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft eigens darauf hingewiesen, 99 Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 86; Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 572. 100 Wolf, recht 2002, 157, 162; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 86. 101 Reusser, in: St. Galler Kommentar zu Art. 14 BV, Rn. 11, 18. 102 Motion Wehrli (05.3264), Registrierte Lebensgemeinschaft. Schutz der Ehe, eingereicht am 08. 06. 2005 im Nationalrat; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 86. 103 Motion Wehrli (05.3264), Registrierte Lebensgemeinschaft. Schutz der Ehe, eingereicht am 08. 06. 2005 im Nationalrat. 104 Motion Wehrli (05.3264), Registrierte Lebensgemeinschaft. Schutz der Ehe, eingereicht am 08. 06. 2005 im Nationalrat.

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dass es sich dabei um ein eigenständiges, von der Ehe unabhängiges Institut handle.105 Insofern könnte grundsätzlich infrage gestellt werden, dass sich der Gesetzgeber einer Öffnung für verschiedengeschlechtliche Paare bislang stets verschlossen hat, wenn dieses Gebilde doch trotz seiner Ähnlichkeit zum Eherecht so andersartig sein soll.106 b) Nachteile aa) Geringe Regelungseffizienz angesichts schon vorhandener formalisierter Partnerschaftsmodelle Aus rechtspraktischer Sicht erscheint es fraglich, nichtehelichen Paaren neben den bereits bestehenden Rechtsinstituten Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft ein weiteres formalisiertes Partnerschaftsmodell zur Verfügung zu stellen, das in den Rechtsfolgen überwiegend auf das Erbrecht beschränkt ist. Schließlich können Ehegatten und eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner einen Großteil unerwünschter Rechtsfolgen individualvertraglich abbedingen, insbesondere güterrechtliche Ausgleichsansprüche. Dadurch haben sie die Möglichkeit, ihre Rechtsstellung weitestgehend ähnlich zueinander zu ordnen, wie es ein Regelungsmodell mit gegenüber der Ehe bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaft minderen Pflichten und Rechten könnte. Ein neues Registrierungsmodell für die nichteheliche Lebensgemeinschaft würde insoweit keinen nennenswerten Mehrwert bringen und sich damit als ineffizient erweisen. So hat auch der schweizerische Bundesrat in seiner Stellungnahme zur Motion „Wehrli“ zutreffend klargestellt, dass es kaum Sinn ergebe, ein Subinstitut zur Ehe zu schaffen, das nichtehelichen Lebensgemeinschaften eine dem Eherecht im Großen und Ganzen nachgebildete Rechtsstellung einräumt, wenn sich dadurch praktisch nur das Etikett ändere.107 bb) Nichtbeseitigung des eigentlichen Problems Darüber hinaus kann die Einführung eines Registrierungsmodells das eigentlich zu lösen beabsichtigte Problem des Erbrechts nicht beseitigen, sondern würde dieses nur verschieben.108 Das angestrebte Ziel, das Erbrecht stärker an die derzeitigen

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Vgl. Botschaft vom 29. 11. 2002 zum Gesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (02.090), BBl 2003, 1288, 1309 f. 106 Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 86. 107 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates vom 07. 09. 2005 zur Motion Wehrli (05.3264), Registrierte Lebensgemeinschaft. Schutz der Ehe. 108 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 978.

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Lebenswirklichkeiten anzupassen, ließe sich mit der Institutionalisierung eines weiteren formalisierten Statusverhältnisses nämlich nur zum Teil erreichen.109 Zwar eröffnet die Registrierung nichtehelichen Paaren die Möglichkeit, ihre Partnerschaft einem rechtlichen Rahmen zu unterstellen, ohne dafür in den Bund der Ehe eintreten zu müssen. Doch wird es immer Paare geben, die von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, aber trotzdem in einer Art und Weise zusammengelebt haben, die schützenswerte Interessenlagen hervorruft.110 Der Gesetzgeber ist dazu angehalten, auch die Bedürfnisse dieser Menschen zu befriedigen.111 Dies betrifft insbesondere solche Fallgestaltungen, in denen die Vermögensverhältnisse der Partner besonders weit auseinanderliegen. Da es nämlich bei allen formalisierten Partnerschaftsmodellen der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Partner bedarf, besteht hierbei stets die Gefahr, dass sich der wirtschaftlich überlegene Teil einer Registrierung der Partnerschaft verweigert, um potentiellen Ausgleichsansprüchen für den Trennungsfall vorzubeugen.112 Dass faktische Lebensgemeinschaften insofern nicht dem rechtsfreien Raum überlassen werden können, zeigt sich besonders in den Ländern mit formalisierten Regelungsmodellen. Trotz Registrierungsmöglichkeit enthalten die jeweiligen Rechtsordnungen zusätzlich noch einzelne Vorschriften, die dem tatsächlichen Zusammenleben Rechnung tragen. Ein formalisierter Lösungsansatz würde dem erbrechtlichen Reformanliegen, tatsächlich gelebte Beziehungsformen stärker zu berücksichtigen, folglich zuwiderlaufen.113 cc) Gesteigertes Konfliktpotential bei verschiedenund gleichgeschlechtlichen Paaren Ein weiteres Problemfeld besteht in der gesellschaftlichen Konfliktträchtigkeit der formalisierten Rechtsinstitute nichtehelicher Lebensgemeinschaften. In Ländern wie Frankreich, Belgien oder den Niederlanden sind entsprechende Registrierungsmodelle von Teilen der Bevölkerung vehement abgelehnt worden. So hat im Besonderen der intensiv geführte Diskurs um den PACS in Frankreich gezeigt, dass die Etablierung eines eigenen Rechtsinstituts für Konsensualpaare auch als Konkurrenz zur Ehe aufgefasst werden kann.114 Teile der heterosexuellen Bevölkerung sahen in der zusätzlichen Möglichkeit formeller Registrierung eine Bedrohung für das Institut der Ehe. Gesellschaftspolitisch ist insoweit zu bedenken, 109 110 111 112 113 114

Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35. Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 978. Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35. Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 32 und 35. Pulver, Unverheiratete Paare, S. 193. Pulver, Unverheiratete Paare, S. 193.

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dass verschiedengeschlechtlichen Paaren hierdurch gewissermaßen eine Art „LightVersion“ der Ehe zur Verfügung gestellt wird.115 Darüber hinaus haben die formalisierten Regelungsmodelle auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren erhebliche Kritik hervorgerufen. Diese fühlten sich durch die Schaffung einer weiteren, auch verschiedengeschlechtlichen Paaren zugänglichen Registrierungsmöglichkeit zusätzlich diskriminiert.116 Während heterosexuelle Paare fortan zwischen Eheschließung einerseits und eingetragener nichtehelicher Lebensgemeinschaft andererseits auswählen konnten, blieb homosexuellen Paaren das Institut der Ehe zunächst weiterhin versagt. Diese hatten lediglich die Möglichkeit, zwischen den beiden rechtlich unterschiedlich ausgestalteten Registrierungsmodellen (der eingetragenen gleichgeschlechtlichen und der neu geschaffenen formalisierten Lebenspartnerschaft) zu wählen. Erst mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare konnte zumindest dieser Konflikt in den betreffenden Ländern beigelegt werden. Diese Beispiele zeigen in aller Klarheit, dass die Einführung eines formellen Rechtsinstituts der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht nur auf Zustimmung, sondern bei einer Vielzahl von Menschen auf Ablehnung stößt. Angesichts dessen dürften auch in Deutschland und der Schweiz ganz ähnliche, konfliktreiche Entwicklungsverläufe zu erwarten sein. dd) Fehlende praktische Relevanz ausländischer und kantonaler Registrierungsmodelle Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der nur sehr geringen rechtstatsächlichen Bedeutung der heute bereits geltenden ausländischen Modelle zur Registrierung homound heterosexueller Paare begründet. So geht unter anderem aus den verschiedenen Länderberichten hervor, dass bloß wenige Konsensualpaare von der Möglichkeit Gebrauch machen, sich registrieren zu lassen.117 Gründe hierfür dürften sowohl die fehlende Rechtskenntis der Betroffenen als auch die mitunter relativ schwach ausgestalteten Rechtswirkungen sein, welche an die jeweiligen Rechtsinstitute geknüpft werden.

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Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, Fn. 37 sieht durch die Schaffung einer Art „Ehe light“ vor allem rechtspolitische Probleme entstehen. Eine ausdrückliche Konkubinatsregelung würde nämlich die schwierige Abgrenzung zur Vollehe und Nichtehe erforderlich machen. 116 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 584. 117 Vgl. die jeweiligen Länderberichte in: Süß/Rembert (Hrsg.), Eherecht in Europa; hierzu auch Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 581.

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Die mangelnde praktische Bedeutung formalisierter Partnerschaftsmodelle macht sich aber nicht nur im Ausland, sondern aus Schweizer Sicht auch auf kantonaler Ebene bemerkbar. Erst im Jahre 2007 ist der Regierungsrat des Kantons Bern118 im Zuge des Postulats119 „Hirschi“ der Frage nachgegangen, ob sich vor dem Hintergrund der in den Kantonen Genf, Zürich und Neuenburg eingeführten Registrierungsmodelle unter Umständen auch eine entsprechende bundesweite Regelung lohnen könnte.120 Diese Überlegung hat sich allerdings mit dem Bekanntwerden der kantonal erzielten Resultate121 zerschlagen. So haben die in Genf und Neuenburg durchgeführten Evaluierungen ergeben, dass heterosexuelle Paare von der Registrierungsmöglichkeit nur in sehr bescheidenem Umfang Gebrauch machen. In Genf haben sich seit Inkrafttreten des Genfer Partnerschaftsgesetzes vom 15. Januar 2001 bis zum Jahresanfang 2007 insgesamt 405 Paare registrieren lassen, wovon lediglich 102 Paare heterosexueller Gesinnung waren. Überdies wurde festgestellt, dass das Genfer Gesetz für die eingetragenen Paare vorwiegend symbolischen Charakter hat. Auch die Einführung des Neuenburger Partnerschaftsgesetzes vom 1. Juli 2004 hat für verschiedengeschlechtliche Paare keine signifikante Bedeutung. Durchschnittlich werden im Kanton Neuenburg lediglich 54 Partnerschaften pro Jahr registriert, was angesichts der zahlreich bestehenden Konkubinatsverhältnisse eine eher bescheidene Zahl darstellt. ee) Finanzielle Kosten und behördlicher Aufwand Ein weiterer Nachteil ergibt sich aus den finanziellen Kosten und dem zusätzlichen Verwaltungsaufwand, der durch das Anlegen und Führen eines neuen Registers der eingetragenen nichtehelichen Lebensgemeinschaft entstehen würde. Die öffentliche Hand müsste zu diesem Zweck die behördliche Verwaltung ausbauen und ein eigens dafür geschaffenes Ressort errichten, das mit entsprechenden Mitteln auszustatten wäre. So befürchtete seinerzeit auch der Regierungsrat des Kantons Bern im Zusammenhang mit dem Postulat „Hirschi“, dass mit einer Ausweitung des Modells der eingetragenen Lebenspartnerschaft auf heterosexuelle Paare beträchtliche finanzi118 Beim Regierungsrat handelt es sich um die oberste leitende und vollziehende Behörde eines Kantons. 119 „Ein Postulat beauftragt den Bundesrat zu prüfen und zu berichten, ob ein Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzulegen oder eine Massnahme zu treffen ist. Ein Postulat kann von der Mehrheit einer Kommission, von einer Fraktion oder einem Ratsmitglied eingereicht werden.“, abrufbar unter: www.parlament.ch (Stand: 04.11.16). 120 Postulat ‘1613’ Hirschi (P 120/2007 POM), Eingetragene Partnerschaft auch für heterosexuelle Paare, eingereicht am 28. 03. 2007; Antwort des Regierungsrats vom 19. 09. 2007 zum Postulat ‘1613’ Hirschi vom (P 120/2007 POM), Eingetragene Partnerschaft auch für heterosexuelle Paare. 121 Vgl. zu den Resultaten: Antwort des Regierungsrats vom 19. 09. 2007 zum Postulat ‘1613’ Hirschi (P 120/2007 POM), Eingetragene Partnerschaft auch für heterosexuelle Paare.

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elle und personelle Mehraufwendungen verbunden seien.122 Diese Annahme ist letztendlich für die negative Beantwortung des Postulats mit ausschlaggebend gewesen. c) Zusammenfassung Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass sich mit der Einführung eines neuen Instituts der registrierten Konsensualpartnerschaft die vorgegebene Zielsetzung grundsätzlich verwirklichen lässt, heterosexuellen, nicht heiratswilligen Paaren eine dem überlebenden Ehegatten vergleichbare Erbenstellung einzuräumen, ohne gleichzeitig die an Statusverhältnissen orientierte Konzeption des Erbrechts aufgeben zu müssen. Dabei liegt das wohl stärkste Argument für eine amtliche Registrierung in der damit geschaffenen Rechtssicherheit begründet.123 Für nichteheliche Paare dürfte aber auch der Gedanke, ihrer Beziehung einen offiziellen Status verleihen zu können, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung haben. Obgleich der seinerzeit vom Motionär Wehrli vorgebrachte Lösungsvorschlag nach einer gesetzlich umfassenderen Regelung nichtehelicher Lebensgemeinschaften begrüßenswert ist, vermag ein entsprechendes Regelungsmodell trotz seiner Vorteile letzten Endes nicht zu überzeugen.124 Wie die Schweizer Rechtsgelehrte Ingeborg Schwenzer diesbezüglich zutreffend formuliert hat, werden „insoweit zwei Gruppen gleich behandelt, die sich grundlegend unterscheiden: gleichgeschlechtliche Paare, die nicht heiraten dürfen und verschiedengeschlechtliche Paare, die nicht heiraten wollen.“125 Es dürfte unstreititg sein, dass eine solche Differenzierung problematisch ist.126 Darüber hinaus liegt in dem Umstand, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz gleichgeschlechtlichen Paaren praktisch nur eine „Ehe minderen Grades“ anbietet, bereits eine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung begründet.127 Doch selbst wenn sich der Ge122 Antwort des Regierungsrats vom 19. 09. 2007 zum Postulat ‘1613’ Hirschi (P 120/2007 POM), Eingetragene Partnerschaft auch für heterosexuelle Paare. 123 So auch Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 581, 583. 124 Dieser Auffassung auch Pulver, Unverheiratete Paare, S. 194; Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 977 f.; Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 581. 125 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 977. 126 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 583. 127 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 977 f.; eine unterschiedliche Regelung bedürfte einer besonderen, qualifizierten Rechtfertigung, vgl. BGE 126 II 939, Hangartner, Gleichstellung als Verfassungsauftrag. Kein minderer Status für homosexuelle Paare, in: NZZ vom 21. Januar 2002 (Nr. 16), 9; vgl. auch Geiser, Wie viel Gleichstellung für homosexuelle Paare?, in: NZZ vom 10./11. Februar 2001 (Nr. 34), 101.

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setzgeber dazu durchringt, das Institut der Ehe auch homosexuellen Paaren zugänglich zu machen – wie es beispielsweise schon in Frankreich, den Niederlanden, Norwegen und Schweden der Fall ist –,128 erscheint es nicht sinnvoll, daneben ein weiteres Modell der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit überwiegend erbrechtlichen Wirkungen anzubieten.129 Die rechtlichen Probleme nichtehelicher Lebensgemeinschaften können durch ein solches Registrierungsmodell nicht auf befriedigende Weise gelöst werden.130 In den Genuss erbrechtlicher Regelungen würden letztlich nur diejenigen Paare kommen, die sich auch tatsächlich haben eintragen lassen. Doch zeigen die reellen Gegebenheiten der Kantone sowie die Datenlagen und Erfahrungen anderer Länder auf, dass nur eine relativ geringe Anzahl nichtehelicher Paare von der Möglichkeit formeller Registrierung Gebrauch macht.131 Da insoweit die meisten Paare weiter in nichtformalisierter Lebensgemeinschaft zusammenleben, existieren in den Ländern mit Registrierungsmöglichkeit partiell auch Regeln für diese Partnerschaften. Will man daher ein Regelungsmodell etablieren, das den nichtehelichen Partner erbrechtlich besser absichert und dabei gleichzeitig den heutigen Lebenswirklichkeiten entspricht, so wird man vom Lösungsansatz der formalisierten nichtehelichen Lebensgemeinschaft absehen müssen. Es wird nämlich zu jeder Zeit Paare geben, die ihre Beziehung nicht durch formellen Begründungsakt anerkennen lassen und trotzdem in einer rechtlich schützenswerten Partnerschaft leben. Überdies darf auch nicht ernstlich erwartet werden, dass sich alle Lebensgemeinschaften offiziell registrieren lassen.132

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Deutsche Entwürfe zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sind bislang alle abgelehnt worden, vgl. BT-Drucks. 17/13426 (Gesetzentwurf des Bundesrates) und BT-Drucks. 17/12677 (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN); überraschenderweise hat der deutsche Gesetzgeber im Sommer 2017 nunmehr doch die sog. „Ehe für alle“ eingeführt. Homosexuelle Paare dürfen somit seit dem 01. 10. 2017 einander heiraten. Dafür ist die Neueintragung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft jetzt nicht mehr möglich, vgl. BT-Drucks. 18/6665 und 18/12989 sowie BGBl. vom 20. Juli 2017, Teil 1 Nr. 52, S. 2787 f. 129 Amherd, Nationalratssitzung vom 02. 03. 2011 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. 2011 NR 109 f.; Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 978. 130 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 978; Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 583. 131 Vgl. die jeweiligen Länderberichte in: Süß/Rembert (Hrsg.), Eherecht in Europa; hierzu auch Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 581, der das Modell der formalisierten nichtehelichen Lebensgemeinschaft aus diesen Gründen als „Mogelpackung“ bezeichnet. 132 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 581.

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Kap. 5: Reformmodelle

Der schweizerische Gesetzgeber hat sich bislang daher folgerichtig gegen die Schaffung eines neuen Rechtsinstituts der registrierten Lebensgemeinschaft entschieden.133

II. Die faktische Lebensgemeinschaft 1. Allgemeine Vorüberlegungen Das zweite Reformmodell stellt auf das effektiv gelebte Beziehungsverhältnis der Partner als Rechtsfolgen auslösenden Tatbestand ab. Die erbrechtliche Begünstigung nichtehelicher Lebenspartner würde demnach an bestimmte Kriterien geknüpft sein, wie etwa dem partnerschaftlichen Zusammenleben von einer gewissen Dauer. In diesem Zusammenhang lassen sich im Grundsatz zwei unterschiedliche Lösungsansätze diskutieren: Eine umfassende Lösung: a) Realbeziehung statt Statusverhältnis und eine punktuelle Lösung: b) Realbeziehung neben Statusverhältnis. a) Realbeziehung statt Statusverhältnis: Abschaffung statusrechtlicher Verhältnisse zugunsten eines an den tatsächlichen Gegebenheiten orientierten Erbrechts Zunächst lässt sich über ein umfassendes Regelungswerk nachdenken, das die Aufgabe der partnerschaftlich geregelten Rechtsinstitute „Ehe“ und „eingetragene Lebenspartnerschaft“ im Erbrecht zum Gegenstand hat. Anstatt die gesetzliche Erbenstellung des überlebenden Partners von einem formellen Status abhängig zu machen, könnte dessen Erblegitimation allein aufgrund der Intensität seines zum Erblasser unterhaltenen tatsächlich gelebten Beziehungsverhältnisses bestimmt werden, ungeachtet des Umstands, ob es sich dabei um den Ehegatten, den eingetragenen Lebenspartner oder den nicht formalisierten Konsensualpartner handelt.134 Der Gedanke ist jedoch kein unbekannter, die formalisierten Rechtsstrukturen zugunsten eines an den Lebenswirklichkeiten orientierenden Konzepts aufzulösen. Einem solchen Lösungsansatz ist unter anderem Schwenzer im Rahmen ihres Gutachtens zum Postulat „Fehr“: „Zeitgemässes kohärentes Zivil- insbesondere Familienrecht“135 nachgegangen.136 Im Unterschied zu der hier vorgenommenen Unter133

Botschaft vom 29. 11. 2002 zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (02.090), BBl 2003, 1288, 1303 f., 1310, Stellungnahme des Bundesrates vom 07. 09. 2005 zur Motion Wehrli (05.3264), Registrierte Lebensgemeinschaft. Schutz der Ehe; Reusser, in: St. Galler Kommentar zu Art. 14 BV, Rn. 2 ff.; Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 977 f.; vgl. auch FamKomm-ZGB/Schwenzer, Allg. Einl. Rn. 30; kritisch hierzu Pulver, Unverheiratete Paare, S. 13, 133 ff.; Rumo-Jungo, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Kind und Scheidung, S. 1, 26. 134 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 976 f. 135 Postulat Fehr (12.3607), Zeitgemässes kohärentes Zivil- und insbesondere Familienrecht, Amtl. Bull. 2012 NR 2247, eingereicht am 15. 06. 2012.

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suchung sind ihre Reformüberlegungen jedoch nicht auf das Erbrecht begrenzt, sondern umfassen sämtliche Folgen des Familienrechts. Vor diesem Hintergrund sei es nach Schwenzer nur logisch und konsequent, die Ehe als Rechtsinstitut abzuschaffen und sie damit von der rechtlichen Ebene auszugliedern.137 In einem statusunabhängigen Familien- und Erbrecht dürften Rechtsregeln zur Ehe insofern überflüssig sein. Der Ehe käme dann nur noch in religiöser Hinsicht bzw. aus Gründen sittlichen Anstands Bedeutung zu.138 Führt man diesen Gedanken weiter und überträgt ihn auf das erbrechtliche Reformanliegen, sich stärker an den Lebenswirklichkeiten zu orientieren, so könnte der schweizerische Gesetzgeber dazu angehalten sein, sich vollständig vom Institutsdenken zu verabschieden139 und die statusrechtlichen Strukturen des Erbrechts insgesamt abzuschaffen, d. h. auch das auf Abstammung basierende Parentelsystem (Verwandtenerbrecht). Als anspruchsbegründende Voraussetzung würde somit ausschließlich das effektiv gelebte Näheverhältnis zum Erblasser maßgebend sein. Das hieße, dass ein Sohn, der zeitlebens keinerlei Kontakt zu seinem Vater gepflegt und sich nie um dessen Wohlergehen gekümmert hat, nicht oder nur in eingeschränktem Umfang als Erbe berufen wäre. In diesem Zusammenhang ließe sich vor allem über die Einführung sozialer Kriterien nachdenken, die eine bedarfsorientierte Verteilung des Nachlasses ermöglichen und zum Erblasser bestehende Abhängigkeitsverhältnisse berücksichtigen.140 b) Realbeziehung neben Statusverhältnis: Einführen eines an den faktischen Gegebenheiten orientierten, erbrechtlichen Instituts der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Ein anderer auf die Realverhältnisse Bezug nehmender Lösungsansatz besteht darin, die erbrechtliche Stellung nichtehelicher Lebenspartner mittels einer punktuellen, ausschließlich diese Zusammenlebensform betreffenden Regelung zu verbessern. So könnte überlegt werden, die vorhandene Statusorientierung des Erbrechts beizubehalten und ein eigenes erbrechtliches Institut der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu etablieren, das an die tatsächlich zum Erblasser unterhaltene Beziehung anknüpft. Eine solche Lösung würde insofern ein Nebeneinander von forma136

Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 976 f.; vgl. in diesem Zusammenhang auch Büchler, FamPra.ch 2014, 797 ff., Aebi-Müller, FamPra.ch 2014, 818 ff. 137 So etwa Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 976 und 1005. 138 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 976. 139 So etwa das neuseeländische Recht, das im Bereich des Güterrechts allein auf die tatsächlichen Gegebenheiten abstellt, vgl. dazu Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 87. 140 Nach Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 975 müssten in diesem Zusammenhang allen voran die Kindeswohlinteressen Berücksichtigung finden. Es gelte das Familienrecht insgesamt danach auszurichten.

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Kap. 5: Reformmodelle

lisierten Status- und nicht formalisierten Realverhältnissen im Erbrecht zur Folge haben. 2. Die faktische Lebensgemeinschaft in anderen Rechtsordnungen In zahlreichen Rechtsordnungen finden sich Regelungen, die an das bloße Zusammenleben nichtehelicher Paare in mehr oder weniger umfangreichem Ausmaß gewisse Rechtsfolgen knüpfen. Die Gesetzgeber einiger Länder, wie etwa Schweden, Norwegen, Österreich, Portugal, Slowenien, der spanischen Comunidades Autónomas Aragón, Navarra, Andalusien, der Kanarischen Inseln und Katalonien, der meisten australischen Gliedstaaten, Neuseeland sowie der kanadischen Provinzen und Territorien (mit Ausnahme von Nova Scotia und Quebec), sind ferner dazu übergegangen, ein eigenes Rechtsinstitut zur faktischen Lebensgemeinschaft einzuführen.141 Dabei wird für die rechtliche Anerkennung faktischer Lebensgemeinschaften in aller Regel eine bestimmte Dauer des Zusammenlebens als Grundvoraussetzung verlangt. Jedoch unterscheiden sich die jeweiligen Regelungswerke betreffend nichtehelicher Lebensgemeinschaften sowohl in den Entstehungsvoraussetzungen als auch den damit verbundenen Rechtswirkungen teilweise ganz erheblich voneinander, wie sich im Folgenden zeigen wird.142 a) Schweden Der schwedische Gesetzgeber hat bereits im Jahre 1987 ein Gesetz verabschiedet, das die zivilrechtlichen Verhältnisse unverheirateter, zusammenlebender Paare regelt (das sog. Sambolag: „Gesetz über das Zusammenleben“).143 Mit Änderung zum 01. 07. 2003 sind dann auch sämtliche Unterscheidungen zwischen homo- und heterosexuellen Paaren aufgegeben worden. Das Sambolag (SbL) erfasst gem. § 1 I SbL zwei Personen („Sambos“), unabhängig des Geschlechts (§ 1 II SbL), die dauerhaft in einem Paarverhältnis zusammenwohnen und einen gemeinsamen

141 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 577; Schwenzer/Keller, in: FS Brudermüller, S. 761, 763. 142 Schwenzer/Keller, in: FS Brudermüller, S. 761, 763; Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 577. 143 Boström, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 249, 265; vgl. hierzu auch Dopffel/Scherpe, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Recht der nordischen Länder, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel (Hrsg.), Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7, 32 ff.; Agell, FamRZ 1990, 817, 819 ff.

B. Reformmodelle im Rechtsvergleich

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Haushalt haben.144 Da der schwedische Gesetzgeber aber weder eine Konkretisierung des Zusammenlebens noch des Merkmals der Dauerhaftigkeit im Einzelnen vorgenommen hat, obliegt es der Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien festzulegen, unter welchen Voraussetzungen von einem rechtlich relevanten Partnerschaftsverhältnis auszugehen ist.145 Dieses wird im Allgemeinen nach einer mindestens sechsmonatigen Dauer des Zusammenlebens mit gemeinsamer Haushaltsführung bejaht.146 Das Sambolag geht in seinen Rechtsfolgen jedoch nicht sehr weit. Im Unterschied zu Eheleuten haben Sambos weder eine gegenseitige Unterhaltspflicht noch ein Erbrecht.147 Bei Tod eines der Zusammenlebenden hat der Überlebende unabhängig der jeweiligen Eigentumsverhältnisse aber das Recht, die Teilung des sog. SamboEigentums zu verlangen, d. h. der Wohnung (bostad) und des Hausrats (bohag), die bzw. der für die gemeinsame Verwendung bestimmt sind, § 3 SbL.148 Durch Gesetz vom 01. 05. 2009 steht gleichgeschlechtlichen Paaren zudem die Möglichkeit der Heirat offen.149 Das bis dahin existierende Modell der registrierten Partnerschaft wurde konsequenterweise aufgehoben. b) Norwegen Der norwegische Gesetzgeber hat erst im Jahre 2009 sein Erbgesetzbuch reformiert und dabei ein gesetzliches Erbrecht für nichteheliche Lebenspartner (samboer) auf den Weg gebracht, §§ 28a – 28g al (arvelova), das an den realen Gegebenheiten orientiert ist. Danach sind die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (samboerskap) zur gesetzlichen Erbfolge berufen, wenn sie entweder mit dem 144 Johansson, Länderbericht Schweden, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 142. 145 Johansson, Länderbericht Schweden, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 142. 146 Johansson, Länderbericht Schweden, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 142 verweisend auf Agell/Brattström, Äktenskap samboende partnerskap, S. 244; Eine gemeinsame Haushaltsfürhung setzt wiederum „eine Zusammenarbeit in den täglichen Geschäften (göromål) sowie eine in gewisser Weise wirtschaftliche Zusammenarbeit“ voraus. Ein SamboVerhältnis wird ferner vermutet, wenn die Partner gemeinsame Kinder haben oder diese unter der gleichen Anschrift gemeldet sind (folkbokföringen), Regeringens proposition (Regierungsvorlage) 2002/03:80 (Ny sambolag), S. 28. 147 Johansson, Länderbericht Schweden, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 144; Boström, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 249, 266. 148 Boström, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 249, 266; Johansson, Länderbericht Schweden, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 145 mit Verweis auf Agell/Brattström, Äktenskap samboende partnerskap, S. 227, 242; zur Erweiterung dieser Rechte vgl. Sambolag 2003:376. 149 Lag om registrerat partnerskap 994:1117, vgl. hierzu Johansson, Länderbericht Schweden, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 147.

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Kap. 5: Reformmodelle

verstorbenen Lebenspartner wenigstens ein gemeinsames Kind gezeugt oder für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren vor dessen Tod zusammengewohnt haben, vgl. § 28b al.150 Im letztgenannten Fall wird zudem die testamentarische Anordnung dieser Rechtsfolge durch den Erblasser verlangt. Zur weiteren Konkretisierung einer nach norwegischem Erbrecht relevanten Lebenspartnerschaft legt das Gesetz in § 28a al zusätzliche Kriterien fest. Darüber hinaus steht dem überlebenden Partner die Wahlmöglichkeit offen, anstelle des gesetzlichen Erbteils151 die Fortsetzung der Gütergemeinschaft (uskiftet bo)152 mit den Erben des verstorbenen Lebenspartners zu beanspruchen, §§ 28c – g al.153 In Norwegen begründen Konsensualpaare – ähnlich wie Ehegatten – an bestimmten Gegenständen (etwa der gemeinsamen Wohnung, Wohnungseinrichtung oder dem gemeinsamen Auto) eine Gütergemeinschaft, die den Partnern ein Gebrauchsrecht an diesen Gegenständen einräumt.154 Das norwegische Erbrecht sieht für die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft somit weitreichende Rechtsfolgen vor und stellt ihnen optional die Geltendmachung güterrechtlicher Ansprüche in Aussicht. Obwohl die letzte norwegische Erbrechtsreform noch keine zehn Jahre zurückliegt, stehen aktuell bereits neue Änderungsvorschläge zur Diskussion. Sie haben das Ziel, das Erbrecht noch stärker den gesellschaftlichen Lebenswirklichkeiten anzupassen.155 Dabei schlägt die Kommission explizit vor, die erbrechtliche Stellung nichtehelicher Lebenspartner weiter auszubauen und sie ihrem Umfang nach dem Ehegattenerbrecht gleichzusetzen.156 Neben umfassenden Erbregelungen zugunsten nichtehelicher Lebenspartner gibt es im norwegischen Recht eine weitere Kodifikation, die ebenfalls den Interessen unverheirateter Paare Rechnung trägt. Bereits am 04. 07. 1991 hat Norwegen das Gesetz „über das Recht auf die gemeinsame Wohnung und Hausrat bei Aufhören der 150

Paintner, ZfRV 2014, 138, 139. Als gesetzlichen Erbanspruch können die Lebenspartner einen Anteil in Höhe des vierfachen Jahresgrundbetrags der öffentlichen Sozialversicherung (Folketrygdens grunnbeløp) geltend machen. 152 Bei der norwegischen Gütergemeinschaft handelt es sich um einen familienrechtlichen Güterstand, der Parallelen zu dem schweizerischen Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft sowie dem deutschen Güterstand der Zugewinngemeinschaft aufweist. Die Gütergemeinschaft steht dabei grundsätzlich nur Ehegatten zur Verfügung. Im Falle der Auflösung einer samboerskap sind jedoch die Regeln des formellen Güterauseinandersetzungsverfahrens heranzuziehen, Paintner, ZfRV 2014, 138, 140; Markmiller, Die Stellung des Ehegatten im nordischen Erbrecht, S. 64. 153 Paintner, ZfRV 2014, 138, 140. 154 Markmiller, Die Stellung des Ehegatten im nordischen Erbrecht, S. 64; Paintner, ZfRV 2014, 138, 140. 155 Zum Entwurf der Kommission, vgl. NOU 2014:1 („Neue Gesetze der Vererbung“), S. 9 ff. 156 Vgl. hierzu Paintner, ZfRV 2014, 138, 140 f. 151

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Haushaltsgemeinschaft“, das sog. husstandsfellesskapsloven (Hausstandsgemeinschaftsgesetz), verabschiedet,157 welches vor allem eheähnlich zusammenlebende Paare erfassen sollte.158 Hingegen ist die formelle Registrierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften seit dem 01. 01. 2009 nicht mehr möglich, da man das Institut der Ehe auch für homosexuelle Paare geöffnet hat.159 Im Unterschied zum schwedischen Sambolag (dem Gesetz über „Zusammenlebende“) ist das norwegische Hausstandsgemeinschaftsgesetz aber nicht nur auf partnerschaftliche Beziehungen zweier Menschen anwendbar, sondern gilt für alle unverheirateten Erwachsenen, die mindestens zwei Jahre lang zusammen gewohnt haben oder gemeinsame Kinder haben, gehabt haben oder erwarten, und dies unabhängig von Verwandtschaft, Geschlecht und Anzahl der Teilnehmer, § 1 des Hausstandsgemeinschaftsgesetzes.160 Die an das Eingehen einer Hausstandsgemeinschaft geknüpften Rechtswirkungen treten allerdings erst mit der Auflösung derselben ein und sind überdies auch nur gering.161 Stirbt ein Haushaltsmitglied, so haben der bzw. die Überlebenden bei Vorliegen „besonderer Gründe“ (særlige grunner) die Möglichkeit, gegen eine Ausgleichzahlung in die Rechte des Verstorbenen an Wohnung und Hausrat einzutreten, § 2 des Hausstandsgemeinschaftsgesetzes.162 Im Trennungsfall müssen hierfür wiederum „starke Gründe“ (sterke grunner) gegeben sein, § 3 des Hausstandsgemeinschaftsgesetzes. Abgesehen von den soeben genannten Regelungen existieren in Norwegen zusätzlich noch einige Einzelbestimmungen, die an das faktische Zusammenleben nichtehelicher Lebenspartner, seien sie verschiedenen oder gleichen Geschlechts, weitere Rechtsfolgen knüpfen.163

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Lov om rett til felles bolig og innbo når hustandsfelleskap opphører, Nr. 45 von 1991. Scherpe, Einführung, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 1, 10; Dopffel/Scherpe, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Recht der nordischen Länder, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel (Hrsg.), Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7, 13. 159 Fritze, Länderbericht Norwegen, in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, Rn. 4. 160 Fritze, Länderbericht Norwegen, in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, Rn. 25; Dopffel/Scherpe, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Recht der nordischen Länder, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel (Hrsg.), Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7, 13, 35. 161 Dopffel/Scherpe, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Recht der nordischen Länder, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel (Hrsg.), Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7, 35. 162 Dopffel/Scherpe, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Recht der nordischen Länder, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel (Hrsg.), Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7, 35. 163 Vgl. hierzu Dopffel/Scherpe, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften im Recht der nordischen Länder, in: Basedow/Hopt/Kötz/Dopffel (Hrsg.), Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, S. 7, 36. 158

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Kap. 5: Reformmodelle

c) Österreich Österreich hat sich nach Jahrzehnten restriktiver Reformvorstöße entschieden, sein mehr als 200 Jahre altes Erbrecht grundlegend zu modernisieren und in diesem Zusammenhang die Rechtsstellung nichtehelicher Lebenspartner zu verbessern. Im Juli 2015 haben die zuständigen Rechtsetzungsorgane (österreichischer National- und Bundesrat) mit dem Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015) einen Gesetzentwurf verabschiedet, der größtenteils zum 01. 01. 2017 in Kraft treten wird.164 Das ErbRÄG 2015 beinhaltet unter anderem die erbrechtliche Berücksichtigung faktischer Lebensgemeinschaften. Danach wird § 748 ABGB165-ErbRÄG 2015 ein außerordentliches Erbrecht zugunsten nichtehelicher Lebenspartner vorsehen. Der hinterbliebene Lebensgefährte soll als außerordentlicher Erbe den gesamten Nachlass erhalten, wenn keine gesetzlichen Erben zur Erbschaft berufen sind und die Lebensgemeinschaft zumindest in den letzten drei Jahren vor dem Tode des Erblassers Bestand gehabt hat. Außerdem soll dem Lebensgefährten vom Zeitpunkt des Erbfalls ein einjähriges Wohnrecht an der gemeinsam genutzten Partnerschaftswohnung zustehen, § 745 II ABGB-ErbRÄG 2015. Als eine wesentliche Neuerung sieht der Gesetzentwurf die Statuierung eines Pflegevermächtnisses vor. Nach §§ 677 f. ABGB-ErbRÄG 2015 sollen den dem Erblasser nahestehenden Personen künftig ein Anrecht auf eine Geldleistung166 zustehen, wenn sie den Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor dessen Tod mindestens sechs Monate in nicht nur geringfügigem Ausmaß167 unentgeltlich gepflegt haben.168 Dem anspruchsberechtigten Personenkreis wird gem. § 677 III ABGB-ErbRÄG 2015 neben Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern und weiteren gesetzlichen Erben auch der Lebensgefährte des Verstorbenen ausdrücklich angehören. Außer den Lebensgefährten begünstigender Normen enthält der Gesetzentwurf ebenso Regelungen, die dessen erbrechtliche Stellung beschränken. So wird eine 164

Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich vom 30. Juli 2015, Teil I Nr. 87/2015, Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 – ErbRÄG 2015 (NR: GP XXV RV 688 AB 718 S. 83. BR: AB 9419 S. 844); die österreichische Erbrechtsreform ist mittlerweile mit sämtlichen Neuregelungen in Kraft getreten. Die nachfolgend zitierten Vorschriften aus dem ErbRÄG 2015 sind dabei inhaltsgleich ins ABGB eingeführt worden. 165 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch. 166 Nach § 678 I ABGB-ErbRÄG 2015 richtet sich die Höhe des Vermächtnisses nach Art, Dauer und Umfang der Leistungen. 167 Ein nicht bloß geringfügiges Ausmaß wird angenommen, wenn der Pflegende durchschnittlich mehr als 20 Stunden im Monat für die Pflege aufgewendet hat, Erläuterungen zum Erbrechts-Änderungsgesetz 2015, GP-Regierungsvorlage-Erläuterungen, S. 17, abrufbar unter: www.parlament.gv.at (Stand: 04. 11. 2016). 168 Vgl. im Einzelnen die Erläuterungen zum Erbrechts-Änderungsgesetz 2015, GP-Regierungsvorlage-Erläuterungen, S. 16 f., abrufbar unter: www.parlament.gv.at (Stand: 04. 11. 2016).

B. Reformmodelle im Rechtsvergleich

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zugunsten des nichtehelichen Lebenspartners erfolgte letztwillige Verfügung ihre Wirkung verlieren, wenn die Lebensgemeinschaft nach Errichtung des Testaments aufgelöst wurde und der Erblasser nicht ausdrücklich die Fortgeltung dieser Verfügung angeordnet hat, § 725 I ABGB-ErbRÄG 2015. Auch im Bereich des Pflichtteilsrechts, insbesondere hinsichtlich der Enterbungsund Erbunwürdigkeitsgründe, sieht der Entwurf zahlreiche Erweiterungen vor, die teilweise auch den faktischen Lebenspartner berücksichtigen, vgl. § 541 Nr. 1 ABGB-ErbRÄG 2015. d) Spanien Die spanischen Comunidades Autónomas sind – wie bereits oben angedeutet [Kap. 5, B., I., 2., d)] – von einer großen Normvielfalt geprägt, weshalb die jeweiligen Rechtsordnungen auch keinem einheitlichen Regelungsmodell bezüglich nichtehelicher Lebensgemeinschaften folgen.169 So können etwa in Aragón, Asturien, Navarra, den Kanarischen Inseln und Katalonien nichteheliche Lebensgemeinschaften nicht nur durch formalen Akt, sondern alternativ auch durch bloßes Zusammenleben begründet werden.170 Das Recht Andalusiens171 nimmt in dieser Hinsicht gar eine Sonderstellung ein, da die Begründung einer rechtsrelevanten Lebensgemeinschaft hier ausschließlich infolge tatsächlichen Zusammenlebens möglich ist.172 Zwar können andalusische Paare ihre Partnerschaft auch registrieren lassen. Jedoch kommt dieser Registrierung lediglich beweisrechtliche, aber eben keine konstitutive Bedeutung zu, vgl. Art. 6 LAND.173 Dabei setzen die spanischen Modelle faktischer Lebensgemeinschaften grundsätzlich den Ablauf einer bestimmten Frist voraus, welche an die Dauer des Zusammenlebens anknüpft. Diese beträgt je nach Rechtsordnung ein oder zwei Jahre.174 Allerdings sind die mit der Eingehung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verbundenen Rechtsfolgen sehr unterschiedlich ausgestaltet, abhängig von den je169 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 255. 170 Huzel, Länderbericht Spanien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 104; Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 256. 171 Ley 5/2002 v. 16. 12. 2002 de parejas de hecho (LAND). 172 Eine Lebensgemeinschaft, die durch bloßes Zusammenleben begründet wird, ist grundsätzlich der Ablauf einer Frist erforderlich. Diese beträgt entweder ein Jahr (Art. 1.1 LVAL, Art. 1.1 LMAD, Art. 3.2 LAST, Art. 1.1 LCAN, Art. 2.1 LEX) oder zwei Jahre (Art. 234-1 CCCAT, Art. 3.1 LAR). 173 Huzel, Länderbericht Spanien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 104. 174 Zu den Entstehungsvoraussetzungen der jeweiligen Comunidades Autónomas vgl. im Einzelnen Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 256; Huzel, Länderbericht Spanien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 104.

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Kap. 5: Reformmodelle

weiligen Rechtsetzungskompetenzen der Comunidades Autónomas. Im katalanischen Erbrecht wird die nichteheliche Lebenspartnerschaft der Ehe in den Bereichen der gesetzlichen Erbfolge sowie der zwingenden Rechte der testamentarischen und vertraglichen Erbfolge gleichgestellt, vgl. Art. 442-3 ff., 452-1 ff. CCCAT, Art. 2341 i.V.m. 234-14 CCCAT.175 Mit Ausnahme der historischen Gemeinschaften gehen die Rechtswirkungen in vielen Fällen, mangels vorhandener Gesetzgebungskompetenzen, jedoch nicht sehr weit. So enthalten etwa die Rechtsordnungen von Andalusien, Valencia, Asturien, den Kanarischen Inseln, Extremadura und Madrid verhältnismäßig bescheidene Regelungen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft.176 Dagegen haben die autonomen Gesetzgeber der sog. Foralrechtsgebiete (Aragón, Balearen, Baskenland, Galizien, Navarra und Katalonien) in dem Bereich des Familien- und vor allem des Erbrechts zum Teil umfassende Sonderrechte,177 so dass in Abweichung zum gemeinspanischen Código Civil hier auch unverheiratete Paare erbrechtliche Berücksichtigung finden.178 e) Portugal In Portugal existiert bereits seit einigen Jahren eine Sonderregelung, das Gesetz Nr. 7/2001 vom 11. 05. 2001179 zum Schutze der faktischen Lebenspartnerschaft („união de facto“), welche an das Zusammenleben nichtehelicher Paare unabhängig ihrer sexuellen Orientierung180 einzelne Rechtswirkungen knüpft.181 Hiernach wird eine união de facto durch bloßes Zusammenleben zweier Personen für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren begründet.182 Die Partner einer solchen Lebensgemeinschaft sind jedoch gegenüber Ehegatten, die in Portugal seit dem 05. 06. 2010 auch gleichgeschlechtlich sein können, mit deutlich geringeren Rechten ausgestattet. 175 Lamarca i Marquès, Länderbericht Katalonien, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 26. 176 Zum Erbrecht der spanischen Comunidades Autónomas vgl. Casals/Feliu, in: Henrich/ Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 295, 327 ff.; Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 269. 177 Steinmetz/Huzel/García Alcázar, Länderbericht Spanien, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 158; Lamarca i Marquès, Länderbericht Katalonien, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 26. 178 Steinmetz/Huzel/García Alcázar, Länderbericht Spanien, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 160 ff. 179 Lei no 7/2001 de 11 de Maio. 180 Nach früherer Rechtslage war die faktische Lebenspartnerschaft nur Paaren unterschiedlichen Geschlechts vorbehalten, vgl. Gesetz Nr. 135/99 vom 28. 8. 1999. 181 Huzel, Länderbericht Portugal, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 96 ff. 182 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 258; zu den einzelnen Begründungsvoraussetzungen vgl. Huzel, Länderbericht Portugal, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 98.

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So bringt das portugisische Lebenspartnerschaftsgesetz keine grundlegenden Neuerungen oder Rechtspositionen mit sich, sondern stellt größtenteils eine Zusammenfassung von schon bestehenden Rechten dar.183 Zudem betreffen die Rechtswirkungen überwiegend das öffentliche Recht184 und nur in sehr geringem Umfang auch den privatrechtlichen Bereich.185 Gerade im Vergleich zu den spanischen Lebenspartnerschaftsgesetzen der historischen Comunidades Autónomas sind die privatrechtlichen Wirkungen der portugisischen Kodifikation eher bescheiden.186 Da das portugiesische Lebenspartnerschaftsgesetz nichtehelichen Paaren somit auf zivilrechtlicher Ebene kaum einklagbare Rechte einräumt, wird es in diesem Kontext vereinzelt auch als „Pamphletoder Postergesetz“ abgestempelt.187 Die sich im Zusammenhang mit dem Tod eines Lebenspartners ergebenen Rechtsfolgen sind ihrem Umfang nach daher sehr begrenzt. Stirbt einer der Partner, so steht dem Hinterbliebenen weder ein gesetzlicher noch pflichtteilsgeschützer Erbanspruch zu. Auch sieht das Gesetz über die „união de facto“ keine Unterhaltsoder Ausgleichsansprüche vor.188 Allerdings ergeben sich für den überlebenden Partner aus anderen zivilrechtlichen Vorschirften verschiedene Rechtsansprüche, die ausdrücklich gem. Art. 1.2 des Gesetzes Nr. 7/2001 über die „união de facto“ neben den spezifischen Regelungen des Lebenspartnerschaftsgesetzes anwendbar bleiben. So können etwa heterosexuelle Partner nach einem Todesfall unter bestimmten Voraussetzungen Unterhaltsleistungen in Anspruch nehmen, für die der Nachlass als Vermögensmasse vorgesehen ist, Art. 2020 I CC (Código Civil Português). Darüber hinaus kann der überlebende Partner Rentenansprüche gegenüber der gesetzlichen Sozialversicherung nach Maßgabe der entsprechenden Gesetze geltend machen, Art. 3 lit. e, f und g Gesetz Nr. 7/2001 über die „união de facto“.189

183 Huzel, Länderbericht Portugal, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Fn. 86 sowie Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 259 Fn. 43 jeweils verweisend auf Pereira Coelho/Oliveira, Curso de Direito da Família, Bd. I, 4. Aufl., Coimbra 2008, S. 109. 184 Zu den einzelnen öffentlich-rechtlichen Wirkungen vgl. zusammenfassend Huzel, Länderbericht Portugal, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 100; ausführlicher Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 260 ff. 185 Huzel, Länderbericht Portugal, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 97. 186 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 259; Huzel, Länderbericht Portugal, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 100. 187 Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 259. 188 Huzel, Länderbericht Portugal, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 103. 189 Huzel, Länderbericht Portugal, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 103.

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Das Lebenspartnerschaftsgesetz räumt dem überlebenden Partner überdies ein dingliches Wohn- und Vorkaufsrecht an der gemeinsamen genutzten Familienwohnung ein, die im Eigentum des Verstorbenen stand, Art. 4, 5 Gesetz Nr. 7/2001 über die „união de facto“ i.V.m. Art. 1793 CC.190 Im Falle eines Mietverhältnisses steht dem Hinterbliebenen ein Eintrittsrecht an diesem zu.191 f) Slowenien Slowenien folgt ebenfalls dem Modell der faktischen Lebensgemeinschaft. Das slowenische Gesetz über die Ehe und Familienbeziehungen (slowEheFamG)192 regelt neben dem Rechtsinstitut der Ehe auch das der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Während gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit zugestanden wird, sich amtlich registrieren zu lassen,193 steht gem. Art. 12 I slowEheFamG das Institut der faktischen Lebensgemeinschaft ausschließlich verschiedengeschlechtlichen Paaren offen. Doch hat das slowenische Verfassungsgericht mit Urteil vom 14. 03. 2013 die Verfassungswidrigkeit dieser Norm wegen der darin enthaltenen Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Konsensualpaare festgestellt.194 Bis zur Behebung der Verfassungswidrigkeit sind daher auch die für die Erbfolge zwischen verschiedengeschlechtlichen Partnern geltenden Vorschriften auf gleichgeschlechtliche Paare entsprechend anzuwenden. Nach Art. 12 I slowEheFamG wird unter einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft „eine länger dauernde Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau“ verstanden, „die keine Ehe geschlossen haben.“195 Im Unterschied zu vielen anderen Rechtsordnungen stellt eine bestimmte Mindestdauer des Zusammenseins keine zwingende Voraussetzung dar, um von einer Lebenspartnerschaft im rechtlichen Sinne sprechen zu können. Die mit der Eingehung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft verbundenen Rechtsfolgen sind mit denen einer Ehe gleichgestellt.196 So finden die Vorschriften des slowEheFamG betreffend unterhaltsrechtlicher Ansprüche bei Auflösung der 190

Huzel, Länderbericht Portugal, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 107. Beilfuss, Länderbericht Spanien und Portugal, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 249, 270. 192 Zakon o zakonski zvezi in druzˇinskih razmerjih, U.l. SRS Nr. 15/1976; U.l. Nr. 69/2004 a.b.F. 193 Vgl. Art. 2 des Gesetzes über die Registrierung einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft (Zakon o registraciji istospolne partnerske skupnosti, U.l. RS Nr. 65/2005), hierzu ausführlich Rudolf, Länderbericht Slowenien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 72 ff. 194 Vgl. U.l. RS Nr. 31/2013, so zitiert Rudolf, Länderbericht Slowenien, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 15. 195 Rijavec/Kraljicˇ , Länderbericht Slowenien, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 375, 379. 196 Rudolf, Länderbericht Slowenien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 83 f. 191

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Lebenspartnerschaft, gegenseitiger Beistandspflichten, des Güterrechts oder der Haftung für gemeinsam begründete Verbindlichkeiten auch auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft Anwendung.197 Was die Rechtswirkungen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft außerhalb des slowEheFamG betrifft, so bleibt es jedem Gesetz gesondert überlassen, festzusetzen, ob und in welchem Umfang bestimmte Rechte den nichtehelichen Partnern zuerkannt werden.198 Nach Art. 10 II des slowenischen Gesetzes über die Erbfolge (slowErbG)199 ist der überlebende Lebensgefährte einem Ehegatten insbesondere auch erbrechtlich gleichgestellt, sofern keine Gründe vorhanden sind, die eine Eheschließung zwischen den unverheirateten Partnern ausschließen würden.200 Der hinterbliebene Partner hat demzufolge ein gesetzliches und pflichtteilsgeschütztes Erbrecht.201 g) Australien und Neuseeland Die Rechtsordnungen Australiens und Neuseelands haben bereits seit vielen Jahren gesetzliche Kodifikationen für nichteheliche Lebenspartnerschaften vorzuweisen, die ebenfalls dem Modell der faktischen Lebensgemeinschaft angehören.202 Da nach australischem Recht (bedingt durch die föderalistische Struktur) die Gesetzgebungskompetenzen im Familienrecht größtenteils den australischen Einzelstaaten obliegen, entstanden dort sukzessive jeweils eigene – im Grundsatz aber ähnliche – Regelungswerke zum Schutze nichtehelicher Paarbeziehungen.203 Als erster der sechs Gliedstaaten führte New South Wales schon im Jahr 1984 ein entsprechendes Gesetz ein (den sog. Property Relationship Act 1984).204 Während die 197 Ausführlich zu den einzelnen Rechtsfolgen vgl. Rijavec/Kraljicˇ , Länderbericht Slowenien, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 375, 382 ff. 198 Rijavec/Kraljicˇ , Länderbericht Slowenien, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 375, 392. 199 Rijavec/Kraljicˇ , Länderbericht Slowenien, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 375, 392 verweisend auf Bek. in Ur. 1. SRS, Nr. 15/1976; 23/1978; RS 17/1991; 13/1994; 40/1994; 117/2000; 67/2001; 83/2001. 200 Gecˇ -Korosˇec/Kraljicˇ , in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 273, 280; Rudolf, Länderbericht Slowenien, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 13. 201 Rudolf, Länderbericht Slowenien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 84; Novak, in: Kroppenberg/Schwab/Henrich u. a. (Hrsg.), Rechtsregeln für nichteheliches Zusammenleben, S. 265, 273. 202 Vgl. hierzu umfassend Jessep, Länderbericht Australien und Neuseeland, in: Scherpe/ Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 529 ff. 203 Thistleton, Länderbericht Australien, in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, Rn. 24; Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 112; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 189. 204 Dieses diente in den Folgejahren als Vorbild für den Erlass ähnlicher gesetzlicher Regelungen in den übrigen australischen Gliedstaaten, wie etwa dem „De Facto Relationship Act

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Bestimmungen zunächst nur verschiedengeschlechtlichen Paaren vorbehalten waren, wurde der Geltungsbereich später auch auf gleichgeschlechtliche Paare ausgeweitet. In jüngerer Vergangenheit haben jedoch fast alle Gliedstaaten (mit Ausnahme von Western Australia) ihre Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Vermögens- und Unterhaltsrechts von nichtehelichen Lebensgemeinschaften der australischen Bundesregierung – dem Federal Government – übertragen, so dass am 01. 03. 2009 eine einheitliche Regelung für nichteheliche Lebensgemeinschaften auf nationaler Ebene in Kraft treten konnte (Familiy Law Act 2009).205 Die neuen Bestimmungen stellen hetero- und homosexuelle nichteheliche Paare, die über eine Dauer von zwei Jahren zusammengelebt haben, betreffend Unterhalt, Vermögensrecht und Altersvorsorge Ehepartnern weitestgehend gleich.206 Im Bereich des Erbrechts liegen die Rechtsetzungskompetenzen aber weiterhin bei den einzelnen Gliedstaaten.207 Insofern ist die erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe bis heute nicht erreicht worden.208 Allerdings gibt es in Australien Bestrebungen, das Erbrecht bundesweit zu vereinheitlichen.209 Zu diesem Zweck hat das National Comitee for Uniform Succession Laws einige Regelungsempfehlungen abgegeben, welche die einzelnen Gliedstaaten schrittweise übernehmen können. Nach dessen Empfehlungen sollen etwa nichteheliche Partner, die durch den Erblasser nur ungenügend bedacht worden sind, ebenso wie verheiratete Personen Ansprüche gegenüber dem Nachlass geltend machen können.210 Von den australischen Gliedstaaten ist insbesondere New South 1991“ im Northern Territory, Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 112; Scherpe, Einführung, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 1, 11. 205 Schwenzer/Keller, in: FS Brudermüller, S. 761, 763 Fn. 15; Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 112; Thistleton, Länderbericht Australien, in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, Rn. 24; vgl. auch The Familiy Law Amendment (De Facto Financial Matters and Other Measures) Act 2008. 206 Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 112, 120 ff.; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 33. 207 Glomb, ZEV 2004, 371; Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 125. 208 Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 112. 209 Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 125; Glomb, ZEV 2009, 183 f.; Glomb, ZEV 2008, 425 f. 210 National Committee for Uniform Succession Laws, Family Provision. Supplementary Report to the Standing Committee of Attorneys General, Report No. 58, July 2004, S. 5 f.; vgl. zur Umsetzung in New South Wales Glomb, ZEV 2009, 183 f.: Nach den neuen Bestimmungen sind insbesondere nicht mehr nur die Partner der „De-facto relationship“ anspruchsberechtigt, bei der stets ein zweijähriges Zusammenleben voraussetzt wird, sondern auch die Partner einer „Close personal relationship“, sofern der Erblasser gegenüber dem hinterbliebenen Partner unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und nach allgemeiner Auffassung moralisch verpflichtet war, ausreichend für Unterhalt, Ausbildung und weiteres Fortkommen zu sorgen.

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Wales den Empfehlungen des National Comitee gefolgt.211 Dort werden nichteheliche Lebenspartner unter bestimmten Voraussetzungen den Ehegatten erbrechtlich gleichgestellt, insbesondere wenn der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls nicht verheiratet ist und auch keine Nachkommen hinterlässt.212 Neben den australischen Rechtsordnungen hält aber vor allem das neuseeländische Recht zahlreiche Regelungen für nichteheliche Lebensgemeinschaften bereit. Nachdem in Neuseeland bereits im Jahr 1976 ein umfassendes Regelungswerk diesbezüglich geschaffen wurde (Property Relationships Act 1976),213 traten am 1. Februar 2002 begünstigt durch die damalige politische Zusammensetzung des Parlaments weitere Reformen im Bereich der nichtehelichen Lebensgemeinschaft in Kraft.214 Dabei dienten die zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft aufgestellten gesetzlichen Grundlagen des australischen Gliedstaates New South Wales dem neuseeländischen Gesetzgeber als Vorlage.215 Nach der Gesetzgebung Neuseelands sind unverheiratete Paare, ungeachtet ob gleichen oder verschiedenen Geschlechts, sowohl bei vermögens- und unterhaltsrechtlichen Fragen nach Auflösung der Partnerschaft als auch im Bereich des Erbrechts216 Ehepaaren gegenüber nahezu gleichgestellt.217 Was insofern die rechtliche Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Paare betrifft, so geht Neuseeland augenscheinlich noch einen Schritt weiter als das australische Recht.218 Erbrechtlich hat der hinterbliebene Lebenspartner gemäß Section 61, 62 des Property Relationships Act 1976 die Wahl, entweder denjenigen Anteil am Vermögen des Verstorbenen einzufordern, der ihm auch bei einer Trennung zugestanden hätte, oder aber denjenigen Anteil anzunehmen, der ihm gemäß Testaments zugewandt wurde oder nach den gesetzlichen Regeln beansprucht werden kann.219 Es bleibt festzuhalten, dass Australien und Neuseeland zum Teil umfassende Rechtsfolgen an das nichteheliche Zusammenleben knüpfen. Dabei geben die je211

Succession Amendment (Family Provision) Act 2008 (NSW), in Kraft seit dem 01. 03. 2009; hierzu Glomb, ZEV 2009, 183 f. 212 Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 125; vgl. im Einzelnen Glomb, ZEV 2004, 371 f. 213 Scherpe, Einführung, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 1, 11. 214 Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 113. 215 Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 113. 216 Vgl. zur erbrechtlichen Gleichstellung bereits Atkin, European Journal of Law Reform 3 (2001), 349, 360. 217 Scherpe, Einführung, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 1, 11; Atkin, Family and Succession Law in New Zealand, Rn. 240 ff.; Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 113. 218 Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 113. 219 Zum Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners sowie weiteren durch den Tod des Partners ausgelösten Rechtsfolgen vgl. im Einzelnen Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 124 f.

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weiligen Regelungswerke den Paaren regelmäßig aber auch die Möglichkeit des sog. „opting-out“, d. h. die Möglichkeit, die gesetzlich vorgesehenen finanziellen Trennungsfolgen – insbesondere hinsichtlich Unterhalt und Altersvorsorge – im Rahmen eines Partnerschaftsvertrags abzubedingen.220 h) Kanada Einige Provinzen und Territorien Kanadas, wie etwa British Columbia, Manitoba, Ontario und Neufundland, kennen ein eigenes Rechtsinstitut der faktischen Lebensgemeinschaft (common law relationship), welches hetero- und homosexuellen Paaren gleichermaßen offensteht.221 Dabei unterscheiden sich die einzelnen Regelungen der jeweiligen Gliedstaaten teilsweise erheblich voneinander. Gemein ist den vorhandenen Regelungswerken aber, dass die an eine nichteheliche Lebensgemeinschaft geknüpften Rechtsfolgen nach einer gewissen Dauer des Zusammenlebens, was je nach Provinz ein, zwei oder drei Jahre bedeuten kann, sowie dem Vorliegen bestimmter weiterer Voraussetzungen (Intentsität der Beziehung, Vorhandensein von Kindern, Grad gegenseitiger Unterstützung, u.v.a.) eintreten.222 In ihren Rechtswirkungen ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft in vielen Bereichen, insbesondere dem Unterhaltsrecht,223 denen einer Ehe224 weitestgehend gleichgestellt.225 Manche Provinzen226 gestehen nichtehelichen Lebenspartnern analog zum Eherecht auch ein gesetzliches Erbrecht zu.227

220

Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 118. Hewel, Länderbericht Kanada, in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, Rn. 25; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 189; hingegen ist in den Gliedstaaten Nova Scotia und Quebec das Modell der formellen Registrierung nichtehelicher Partnerschaften etabliert worden, vgl. Holland, Länderbericht Kanada, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 479, 488. 222 Hewel, Länderbericht Kanada, in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, Rn. 25; Holland, Länderbericht Kanada, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 479, 496 ff. 223 Vgl. im Einzelnen Hewel, Länderbericht Kanada, in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, Rn. 18. 224 Seit einer Gesetzesänderung des Civil Marriage Act aus dem Jahre 2005 ist es unter anderem auch gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt, die Ehe miteinander einzugehen, Hewel, Länderbericht Kanada, in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, Rn. 4. 225 Hewel, Länderbericht Kanada, in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, Rn. 26. 226 So etwa Alberta, British Columbia, Manitoba und Saskatchewan, Nova Scotia und Quebec. 227 Vgl. zu den einzelnen Provinzen insgesamt Hewel, ZEV 2009, 180 ff.; Holland, Länderbericht Kanada, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 479, 511; dagegen kommen in den Gliedstaaten Ontario, Neufundland, Prince Edward Island, Labrador und New Brunswick ausschließlich verheiratete Partner als gesetzliche Erben in Betracht. 221

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i) Zusammenfassung Insgesamt bleibt zu konstatieren, dass das Regelungsmodell der faktischen Lebensgemeinschaft in zahlreiche Rechtsordnungen dieser Welt Eingang gefunden hat. Dabei bringt die rechtsvergleichende Untersuchung zum Ausdruck, dass einheitliche Lösungsansätze kaum existieren. Zwar wird in den meisten Fällen eine bestimmte Dauer des Zusammenlebens vorausgesetzt, regelmäßig über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Im Detail weisen die jeweiligen Regelungsmodelle jedoch einige, zum Teil größere Unterschiede zueinander auf. Diese betreffen nicht nur die entsprechenden Entstehungsvoraussetzungen der faktischen Lebensgemeinschaften, sondern vor allem auch die hieran anknüpfenden Rechtsfolgen. Sie reichen von der Halbteilung von Haushaltsgütern und Familienwohnung, etwa in Schweden228, über die unterhaltsrechtliche Gleichstellung mit Ehegatten, wie es in zahlreichen kanadischen Provinzen229 der Fall ist, bis hin zur Anwendung nahezu aller ehevermögensrechtlichen und in diesem Zusammenhang auch erbrechtlichen Folgen bei Auflösung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, wie in Slowenien230, der Mehrzahl der australischen Gliedstaaten231 und Neuseeland232.233 Besonders interessant ist in dieser Hinsicht das norwegische Modell, das in einem speziell auf das Erbrecht zugeschnittenen Lösungsansatz zugunsten nichtehelicher Paare besteht. Rechtsvergleichend betrachtet ist insoweit vor allem die Vielfalt der vorhandenen Regelungswerke zur faktischen Lebensgemeinschaft und ihrer jeweils unterschiedlichen inhaltlichen Ausgestaltung kennzeichnend.

228 Boström, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 249, 266; Johansson, Länderbericht Schweden, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 145 verweisend auf Agell/Brattström, Äktenskap samboende partnerskap, S. 227, 242 und Sambolag 2003:376. 229 Hewel, Länderbericht Kanada, in: Rieck (Hrsg.), Ausländisches Familienrecht, Rn. 18. 230 Rudolf, Länderbericht Slowenien, in: Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, Rn. 83 f.; Gecˇ -Korosˇec/Kraljicˇ , in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 273, 280; Rudolf, Länderbericht Slowenien, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 13. 231 Im Unterschied zu Slowenien und Neuseeland ist in Australien allerdings noch keine erbrechtliche Gleichstellung erreicht worden, Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 112. 232 Atkin, Family and Succession Law in New Zealand, Rn. 240 ff.; Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 113. 233 Vgl. hierzu auch Schwenzer/Keller, in: FS Brudermüller, S. 761, 763 f.

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Kap. 5: Reformmodelle

3. Bewertung der an die Realbeziehungen anknüpfenden Regelungsmodelle a) Bewertung des Modells: Realbeziehung statt Statusorientierung aa) Vorteile Der Vorzug eines statusunabhängigen Erbrechts liegt vor allem in dessen Flexibilität begründet. Eine an den Realbeziehungen orientierte Erbregelung wäre durchaus geeignet, den sich wechselnden Lebensumständen des Erblassers Rechnung zu tragen. Die erbrechtliche Legitimation würde damit nicht mehr von einem starren, rein objektiven Statusverhältnis abhängig sein, das unter Umständen nur noch in formeller Hinsicht Bestand hat. Solche im Allgemeinen als ungerecht empfundenen Erbgänge könnten durch eine entsprechende Regelung vermieden und damit der vielfach beanstandeten Figur des sog. „lachenden Erben“234 Abhilfe geleistet werden.235 So gesehen würde dieses Reformmodell auch dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden Rechnung tragen. bb) Nachteile Neben den genannten Vorzügen beinhaltet dieses Modell allerdings auch zahlreiche Schwachpunkte: (1) Verfassungsrechtliche Bedenken Ein Modell, das die erbrechtliche Aushöhlung der Rechtsinstitute Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft oder gar deren Abschaffung zur Folge hat, ist weder mit der schweizerischen Bundesverfassung noch mit dem deutschen Grundgesetz in Einklang zu bringen. Gem. Art. 14 BV genießt die Ehe besonderen verfassungsrechtlichen Schutz236 und wird als Rechtsinstitut jedenfalls in ihrem Bestand garantiert.237 Der Gesetzgeber ist somit verfassungsrechtlich dazu verpflichtet, „ein Eherecht vorzusehen, welches das Institut der Ehe im Einzelnen ausgestaltet, ihm den erforderlichen rechtlichen Rahmen gibt und gleichzeitig die Ehe in ihrem verfassungsrechtlichen Sinne nicht aushöhlen darf“.238 Es wäre insofern eine Verfassungsänderung vonnöten, die die 234

Darunter werden diejenigen Erben gefasst, „die sich lebzeitig um den Erblasser nie gekümmert haben und diesen dennoch beerben“, Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 309. 235 Fluri, Nationalratssitzung vom 02. 03. 2011 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. 2011 NR 110 f. 236 Vgl. auch Botsch. VE 96, 154; BGE 126 II 425 E. 4b/aa. 237 Reusser, in: St. Galler Kommentar zu Art. 14 BV, Rn. 19 ff. 238 Reusser, in: St. Galler Kommentar zu Art. 14 BV, Rn. 20.

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Grundvorstellung weiter Teile der Gesellschaft erschüttern würde und daher derzeit noch undenkbar sein dürfte. Dagegen können sich gleichgeschlechtliche Paare zwar nicht auf den Schutz von Art. 14 BV berufen, jedoch auf das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 8 II BV.239 So würde in der Auflösung des Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare aufgrund ihrer Lebensform und damit ein Verstoß gegen Art. 8 II BV begründet liegen.240 Eine entsprechende Schutzwirkung geht ebenfalls von den deutschen Grundrechten Art. 6 I GG und Art. 2 I GG aus.241 Wollte man sich sogar für eine grundlegende Neugestaltung des gesetzlichen Erbrechts entscheiden und das Parentelsystem einem an die tatsächlichen Gegebenheiten anknüpfenden Modell opfern, so dürften auch in diesem Zusammenhang verfassungsrechtliche Probleme auftreten. Obgleich das Erbrecht in der schweizerischen Bundesverfassung im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz242 nicht ausdrücklich garantiert ist, wird es als Ausfluss der in Art. 26 BV verankerten Eigentumsgarantie dennoch geschützt [vgl. Kap. 2, B., II.].243 Ungeachtet der konkreten Reichweite dieser Grundrechtsschranke dürfte die Aufgabe des Parentelsystems, eine dem Umfang nach weitreichende Veränderung des gesetzlichen Erbrechts, erheblichen verfassungsrechtlichen Diskussionsbedarf zur Folge haben. (2) Widerspruch zum konzeptionellen Gedanken des gesetzlichen Erbrechts Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass die gesetzliche Erbfolge den gesetzlichen Regelfall normiert und „nur“ subsidiär bei Fehlen testamentarischer Anordnungen relevant wird. Sie ist daher ganz bewusst für den familiären „Normalfall“ konzipiert worden. Der Gesetzgeber hat mit den verschiedenen Abstufungen der Parentelen Wertungen vorgenommen, welche die einzelnen Statusbeziehungen zueinander in einem grundsätzlich ausgewogenen Verhältnis einordnen.

239 Pulver, in: Geiser/Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 47 ff.; Reusser, in: St. Galler Kommentar zu Art. 14 BV, Rn. 24. 240 Schweizer, in: St. Galler Kommentar zu Art. 8 BV, Rn. 68; Pulver, in: Geiser/Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 47 ff.; Reusser, in: St. Galler Kommentar zu Art. 14 BV, Rn. 24. 241 Zur verfassungsrechtlichen Problematik auch Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 20. 242 Vgl. Art. 14 I 1 GG: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet“. 243 BSK-ZGB-II/Breitschmid, Vor Art. 467 – 536 Rn. 3; Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 6; Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 16; Hangartner, in: FS Cagianut, S. 69, 81; vgl. in diesem Zusammenhang Rauscher, Reformfragen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts (Bd. I), S. 30: „Die institutionelle Garantie des Eigentums erfordert damit das Erbrecht“. In Deutschland wird insoweit auch ohne ausdrückliche Garantie diese Grundlage akzeptiert.

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Kap. 5: Reformmodelle

Als abstrakt-generelle Normierung hat das gesetzliche Erbrecht insofern nicht die Aufgabe jedem Einzelfall gerecht werden zu müssen, solange sie den mutmaßlichen Erblasserwillen dem Grunde nach aufzunehmen vermag. Wie die vorangegangenen Ausführungen bereits deutlich gemacht haben, besteht in dieser Hinsicht zwar Anpassungsbedarf, was jedoch nicht bedeutet, dass auch eine grundsätzliche Umgestaltung der gesetzlichen Erbfolgeregelungen notwendig ist. Dem erblasserischen Interesse, den Nachlass individuell verteilen zu können, trägt ohnehin schon die gewillkürte Erbfolge Rechnung. Es sollte daher hingenommen werden, dass in Einzelfällen eine Person als Erbe berufen ist, die zeitlebens keinen Kontakt zum Erblasser gepflegt hat.244 (3) Fehlender Rückhalt in der Gesellschaft – Das Bedürfnis rechtlicher Anerkennung partnerschaftlicher Beziehungen Vielen Paaren ist es nach wie vor ein großes Bedürfnis, ihrer Beziehung und Verbundenheit durch einen förmlichen Rechtsakt und der damit zusammenhängenden Anerkennung durch die staatliche Gemeinschaft besonderen Ausdruck zu verleihen.245 Dieser Wunsch tritt gerade in der zusehends stärker eingeforderten und in zahlreichen Rechtsordnungen bereits erfolgten Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare hervor. Insofern ist davon auszugehen, dass für ein statusunabhängiges Erbrecht der gesellschaftliche Rückhalt fehlen dürfte. (4) Begriffs- und Beweisprobleme Die rechtliche Umsetzung eines an den Realbeziehungen anknüpfenden Erbrechts erfordert insbesondere die begriffliche Definition der zu regeln beabsichtigten Verhältnisse. Gerade darin liegt für den Gesetzgeber jedoch eine der größten Herausforderungen.246 Will man nämlich ein statusunabhängiges Erbrecht etablieren, so müssten dafür sämtliche zum Erblasser unterhaltenen Beziehungen begrifflich erfasst werden. Die insofern erforderliche Begriffsbestimmung von „persönlicher Nähe“, welche gesetzliche Erbansprüche gewährt bzw. – falls nicht hinreichend vorhanden – verwehrt oder begrenzt, dürfte allerdings eine nur sehr schwerlich zu bewältigende Aufgabe darstellen. Zwar sind in einigen Ländern Regelungen vorhanden, die familien- und erbrechtliche Rechtsfolgen an die persönliche Nähe knüpfen. Im Unterschied zum hier dargestellten Reformansatz sind diese Regelungen jedoch nicht als Gesamtlösungsmodell zur Bestimmung der Erbfolge konzipiert, sondern werden nur in ganz spezifischen, engen Kontexten relevant. 244 245 246

Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 309. Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 976. Kritisch hierzu auch Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 309.

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So enthält beispielsweise das österreichische Erbrecht bereits seit 1989 eine Regelung, die es dem Erblasser ermöglicht, das Pflichtteilsrecht bei fehlendem Näheverhältnis herabzusetzen. Gem. § 773a I ABGB kann ein österreichischer Erblasser den Pflichtteil auf die Hälfte mindern, wenn er und der Pflichtteilsberechtigte zu keiner Zeit in einem Näheverhältnis standen, wie es in der Familie zwischen solchen Verwandten gewöhnlich besteht (sog. Pflichtteilsminderung).247 Den vereinzelten im österreichischen Schrifttum geäußerten Forderungen, nicht bloß diese pflichtteilsspezifische Regelung, sondern das gesamte gesetzliche Erbrecht von der Beziehungsnähe abhängig zu machen, ist der Gesetzgeber aber gerade nicht nachgekommen.248 Das in § 773a I ABGB zu bestimmende Näheverhältnis setzt in erster Linie eine „geistig-emotionale Beziehung“ zum Erblasser voraus. Darunter werden die laufende Anteilnahme am Ergehen des anderen und eine gewisse Dichte persönlicher Kontakte verstanden.249 Bereits an dieser sehr weiten und allgemein gehaltenen Definition lässt sich erkennen, dass eine Unterscheidung hinsichtlich der Beziehungsnähe unter Familienmitgliedern sehr schwierig ist. Eine Übertragung dieser bislang ausschließlich im österreichischen Pflichtteilsrecht geltenden Grundsätze auf das gesetzliche Erbrecht insgesamt dürfte sich für die Rechtspraxis daher als unpraktikabel erweisen, zumal eine Herabsetzung des Pflichtteils auch nur bei letztwilliger Anordnung des Erblassers und damit nicht generell, sondern nur im Einzelfall in Betracht kommt. Allein die damit verbundene beweisrechtliche Situation würde die Beteiligten vor erhebliche Probleme stellen. Im Streitfall müsste ein Gericht betreffend sämtlichen zum Erblasser unterhaltenen persönlichen Beziehungen entscheiden, ob eine die gesetzliche Erbenstellung rechtfertigende Beziehungsnähe vorhanden war oder eben nicht. Eine ermessensfehlerfreie Beurteilung persönlicher Nähe erscheint dabei nur schwerlich möglich, wenn man die Vielfältigkeit und Komplexität menschlicher Beziehungen bedenkt. Ein Richter wird sich angesichts solch vager Kriterien, wie 247 Nach den am 30. 07. 2015 verkündeten Gesetzesänderungen, die mit Wirkung zum 01. 01. 2017 in Kraft treten werden, wird eine Pflichtteilsminderung auch dann möglich sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte zumindest über einen längeren Zeitraum vor dem Tode des Verfügenden in keinem Näheverhältnis zum Erblasser gestanden hat, § 776 I ABGB-ErbRÄG 2015. Eine solche die Pflichtteilsminderung rechtfertigende Entfremdung wird im Allgemeinen dann angenommen, wenn zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem mindestens seit 10 Jahren kein Kontakt mehr vorhanden war, vgl. Erläuterungen zum Ministerialentwurf 100/ME XXV. GP, S. 28 f. 248 Ferrari, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 173, 188 m.w.H.; Schilcher, in: FS zum 100jährigen Bestand der Kanzlei, S. 103, 107 ff. und 116 fordert eine durchgehende Beweglichkeit des Erbrechtssystems. Erbund Pflichtteilsquoten seien nach Art und Dauer der Beziehung zum Erblasser sowie dem Grad der Versorgung der Verwandten und der Bedachten zu richten; darauf Bezug nehmend auch Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, Fn. 30. 249 Welser, in: Rummel/Lukas, Kommentar zum ABGB, § 773a Rn. 3: Gemeinsames Wohnen ist dabei nicht zwingend erforderlich.

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Kap. 5: Reformmodelle

einer „geistig-emotionalen Beziehung“ kaum ein sicheres Urteil bilden können. Es wäre mithin zu befürchten, dass ein Gericht mangels klarer begrifflicher Vorgaben seine eigene und persönliche Anschauung bei der Entscheidung einfließen lässt, so dass ein richterlicher Entscheidungsspielraum geschaffen würde, der willkürliche Urteile begünstigt. Zumindest aber dürfte außer Frage stehen, dass eine solche Regelung Konfliktpotential in sich birgt und dies nicht zuletzt wegen der Gefahr, außereheliche Kinder zu diskriminieren.250 Denn es würden vor allem uneheliche Kinder betroffen sein, bei denen der persönliche Kontakt zu einem leiblichen Elternteil (oftmals der Vater) abgebrochen ist. Dementsprechend ist die Praxistauglichkeit eines derart umfassenden Regelungsmodells aufgrund der begrifflichen und damit zusammenhängend beweisrechtlichen Situation abzulehnen. (5) Überlastung der Behörden und Gerichte Den begrifflichen und beweisrechtlichen Problemen schließen sich unter anderem prozessökonomische Erschwernisse an. So geht mit einer konturlosen Begriffsbestimmung auch eine zunehmende Belastung der Behörden und Gerichte einher. Wollte man die Geltendmachung erbrechtlicher Ansprüche daher generell an die persönliche Nähe zum Erblasser anknüpfen, müssten Nachlassgerichte bei jedem Erbfall eine Beziehungskontrolle ex-post durchführen.251 Dies hätte unweigerlich aufwendige Nachlassabwicklungsverfahren zur Folge, was letztlich zu einer sehr hohen Belastung der Gerichte führt.252 Zudem ließe man die Erben hinsichtlich der vermögensrechtlichen Lage über einen längeren Zeitraum im Ungewissen.253 Das Nachlassverfahren würde sich aufgrund der gerichtlich durchzuführenden Beziehungskontrolle voraussichtlich enorm in die Länge ziehen, was den Interessen aller Beteiligten, also den Erben sowie Gläubigern und Schuldnern des Erblassers, an einer schnellen Klärung der erbrechtlichen Verhältnisse entgegensteht. Angesichts der Verfahrensdauer ergäben sich dann auch Folgeprobleme bei der Einhaltung der Ausschlagungsfrist. (6) Komplizierte Verschuldensprüfung Die statusunabhängige Anknüpfung erbrechtlicher Rechtsfolgen könnte außerdem eine komplizierte Verschuldensprüfung nach sich ziehen. Ein Gericht müsste

250 Breitschmid, in: Gauch/Schmid (Hrsg.), Die Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 109, 119. 251 Man bedenke, dass in ca. 70 % der Erbfälle kein Testament vorliegt und daher die gesetzliche Erbfolge einschlägig ist; vgl. auch Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 309. 252 Breitschmid, in: Gauch/Schmid (Hrsg.), Die Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 109, 119. 253 Breitschmid, in: Gauch/Schmid (Hrsg.), Die Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 109, 119.

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unter Umständen klären, wer den Verlust persönlicher Nähe zu verantworten hat.254 Dies könnte beispielsweise in Nachscheidungssituationen von Bedeutung sein, in denen es nicht selten zu einer Entfremdung zwischen einem geschiedenen Elternteil und dem Kind (bzw. den Kindern) kommt.255 Wollte man die erbrechtlichen Ansprüche des Kindes in diesem Falle nicht grundlos schmälern, wäre eine Auseinandersetzung mit der Verschuldensfrage unausweichlich. Ein Kind, das seine erbrechtlichen Ansprüche behalten will, müsste darlegen, dass es keine Schuld an der Entfremdung trifft. Es müsste mithin substantiiert vortragen, dass das gestörte Verhältnis zum verschiedenen Elternteil nicht auf eigenem Fehlverhalten beruht, sondern gegebenenfalls am fehlenden Besuchsinteresse des Vaters bzw. der Mutter gelegen hat. Damit treten abermals die mit einer derartigen Regelung verbundenen beweisrechtlichen Schwierigkeiten zutage. Nicht zuletzt würde die Anknüpfung erbrechtlicher Ansprüche an die persönliche Nähe zum Erblasser der familienrechtlichen Entwicklung zuwiderlaufen. Bei der Revision des Scheidungsrechts hat sich der schweizerische ebenso wie der deutsche Gesetzgeber ganz bewusst für eine Abschaffung des Verschuldensprinzips entschieden, um eine komplizierte Verschuldensprüfung zu vermeiden. Es wäre insofern verfehlt, diese nunmehr auf das Erbrecht zu verlagern.256 cc) Zusammenfassung Das Reformmodell „Realbeziehung statt Statusorientierung“ stellt angesichts seiner zahlreichen Schwachpunkte keine praxistaugliche Lösung zur Modernisierung des Erbrechts dar. Demzufolge ist es auch nicht geeignet, die erbrechtliche Stellung nichtehelicher Lebenspartner auf sinnvolle Weise zu verbessern.257

254

In Österreich hat man in Folge des Kindschaftsrechts-Änderungsgesetzes (KindRÄG) im Jahr 2001 zum Wohle des Kindes § 773 III ABGB ins Erbrecht eingeführt. Seither ist eine Pflichtteilsminderung nur noch zulässig, wenn der Pflichtteilsberechtigte und nicht der Erblasser selbst für die Entfremdung verantwortlich war. Es findet also eine Verschuldensprüfung zum Schutze des pflichtteilsberechtigten Kindes statt. Bspw. kann sich der Vater eines außerehelichen Kindes nicht mehr durch beharrliche Verweigerung des Kontakts der Zahlung des vollen Pflichtteils entziehen, vgl. hierzu Spitzer, NZ 2003, 353, 355 sowie zur früheren Rechtslage Welser, in: Rummel/Lukas, Kommentar zum ABGB, § 773a Rn. 2. Mit dem ErbRÄG 2015 erfährt das Pflichtteilsminderungsrecht des Erblassers aktuell eine weitere Einschränkung. Nach § 776 II Alt. 2 ABGB-ErbRÄG 2015 bleibt dem Verstorbenen auch dann eine Minderung der Pflichtteile versagt, wenn er berechtigten Anlass für den fehlenden Kontakt gegeben hat. 255 Vgl. hierzu BSK-ZGB-II/Breitschmid, Vor Art. 467 – 536 Rn. 4 sowie BSK-ZGB-I/ Breitschmid, Art. 277 Rn. 19. 256 Breitschmid, in: Gauch/Schmid (Hrsg.), Die Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 109, 120; BSK-ZGB-I/Breitschmid, Art. 277 Rn. 19; Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 309. 257 Gegen eine umfassende gesetzliche Regelung der faktischen Lebensgemeinschaft auch Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 20.

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Kap. 5: Reformmodelle

Wie gesehen würde eine grundsätzliche Abkehr vom Institutsdenken, sei es nur betreffend der partnerschaftlichen Rechtsinstitute oder auch hinsichtlich des auf Abstammung basierenden Parentelsystems, mit gesellschaftlichen, dogmatischen und erheblichen praktischen Problemen verbunden sein.258 Gerade die Umschreibung eines die erbrechtlichen Rechtsfolgen auslösenden Näheverhältnisses erscheint kaum realisierbar. Außerdem stehen einer umfassenden Neugestaltung des Erbrechts rechtsvergleichende Erwägungen entgegen. Zurzeit haben keine anderen Rechtsordnungen ein derart radikales, die erbrechtliche Aushöhlung der Institutionen Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft nach sich ziehendes Regelungsmodell etabliert. Schließlich sollte sich ein modernes und zeitgemäßes Rechtssystem, das der privaten Lebensgestaltung seiner Bürgerinnen und Bürger möglichst weitgehende Freiräume belassen will, auch dadurch auszeichnen, dass es einerseits verbreiteten, gesetzlich aber nicht oder nur unzureichend verankerten Lebensformen, wie der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, zu rechtlicher Anerkennung verhilft, andererseits aber auch gesellschaftlich gewachsene und bereits anerkannte Rechtsinstitute, wie die Ehe, als rechtliche Institution beibehält. So gebietet der Grundsatz staatlicher Nichteinmischung in die persönliche Lebensgestaltung umgekehrt auch, den Interessen derjenigen Menschen Rechnung zu tragen, die heiraten wollen.259 Selbst Schwenzer, die einen solchen Lösungsansatz zur Diskussion gestellt hat, rückt aufgrund der zahllosen Probleme davon ab, das Familienrecht derart umfassend reformieren zu wollen.260 Es bleibt jedoch der Gedanke bestehen, den realen Beziehungsverhältnissen künftig eine deutlich stärkere Rolle als bisher zukommen zu lassen. Zudem ist dieser Lösungsansatz nicht mit den Reformvorgaben des schweizerischen Gesetzgebers in Einklang zu bringen. Die Kommission hat nämlich zur Bedingung gemacht, den Kerngehalt des Erbrechts zu bewahren und dabei die Familie als institutionelle Konstante weiterhin zu schützen.261 Auch sollten Konkubinatspaare „erbrechtlich nicht mit Ehepaaren gleichgestellt werden“.262 Ein entsprechendes Reformmodell ist daher abzulehnen.

258 Für die Schaffung eines statusunabhängigen Familienrechts aber Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 1005; in diesem Sinne auch Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 87 f. 259 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 974 und 976 f. 260 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 977 und 1005. 261 Vgl. Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 31. 03. 2011 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, S. 1. 262 Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats vom 31. 03. 2011 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, S. 1.

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b) Bewertung des Modells: Realbeziehung neben Statusorientierung aa) Vor- und Nachteile (1) Höhere Regelungseffizienz mittels punktueller gesetzgeberischer Maßnahmen Eine punktuelle Revision jener erbrechtlichen Vorschriften, deren Ungenügen festgestellt wurde, genießt gegenüber einer umfassenden Neugestaltung des Erbrechts den Vorteil, die Probleme nichtehelicher Lebenspartner bereichsspezifisch und damit im Ergebnis effizienter lösen zu können.263 Beschränkt man den Fokus in erster Linie auf die erbrechtliche Besserstellung unverheirateter Paare, so ließen sich die in diesem Zusammenhang stehenden Rechtsfragen zielgerichteter beantworten. Ein solches Regelungsmodell entspräche insbesondere auch der bisherigen Rechtspraxis, die sich der rechtlichen Erfassung nichtehelicher Lebensgemeinschaften stets problemorientiert und einzelfallbezogen angenommen hat [vgl. Kap. 3, B., III., 2.]. Die Einführung einer eigenen Kodifikation bzw. eines eigenen Regelungskatalogs zum nichtehelichen Zusammenleben, wie sie einige Rechtsordnungen vorsehen, würde hingegen gebietsübergreifende Neuerungen beinhalten, die weit über den erbrechtlichen Bereich und damit auch das eigentliche Reformanliegen hinausgehen.264 (2) Keine Bedrohung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft Darüber hinaus dürfte ein punktuelles Vorgehen die den Reformbestrebungen entgegengebrachten Bedenken ausräumen, mit der Schaffung eines umfassenden Rechtsinstituts der nichtehelichen Lebensgemeinschaft entstünde ein Konkurrenzmodell zur Ehe (quasi eine „Ehe light“).265 Schließlich würde nichtehelichen Lebenspartnern weder ein eigenes formalisiertes Rechtsinstitut zur Verfügung gestellt werden (wie beim Regelungsmodell der registrierten Lebensgemeinschaft), noch käme es zur Aufhebung eherechtlicher Wirkungen im Erbrecht (wie beim Regelungsmodell: Realbeziehung statt Statusverhältnis). Es ist zumindest nicht ernsthaft davon auszugehen, dass ein auf die Rechtsnachfolge beschränkter Lösungsansatz eine Bedrohung für die Ehe oder die eingetragene Lebenspartnerschaft darstellen könnte. Insofern könnte mit einer entsprechenden Regelung wesentliches Konfliktpotential genommen werden.

263 264 265

Pulver, Unverheiratete Paare, S. 185. Pulver, Unverheiratete Paare, S. 185. Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, Fn. 37.

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Kap. 5: Reformmodelle

(3) Beibehaltung bewährter Erbrechtsstrukturen Ein weiterer Vorzug dieses Regelungsmodells liegt in dem Erhalt der seit über 100 Jahren etablierten Erbrechtsdogmatik begründet. Obwohl die Statusorientierung des Erbrechts hinsichtlich der Darstellung der Lebenswirklichkeiten überarbeitungsbedürftig ist [Kap. 4, A. und B.], hat sie sich als klar strukturiertes Grundgerüst dennoch bewährt. Vor diesem Hintergrund dürfte auch das fehlende politische Interesse an einer grundlegenden Neugestaltung des Erbrechts zu erklären sein.266 So gesehen erweist sich der hier diskutierte Lösungsansatz als praktikabel, da er an den faktischen Gegebenheiten nichtehelicher Lebenspartner anknüpft, ohne dabei jedoch die erbrechtlichen Strukturen im Grundsatz zu verändern. (4) Keine Verletzung der Privatautonomie nichtehelicher Lebenspartner Den der faktischen Lebensgemeinschaft angehörenden Regelungsmodellen wird von Seiten seiner Kritiker unter anderem vorgeworfen, die Privatautonomie nichtehelicher Lebenspartner zu verletzen.267 Paare, die von einer Eheschließung absehen, würden sich damit ganz bewusst gegen eine rechtliche Bindung ihrer Beziehung entscheiden. An ein formlos begründetes Partnerschaftsverhältnis Rechtsfolgen zu knüpfen, stelle insofern eine Bevormundung durch den Staat dar. Derartige Kritik ist allerdings als unbegründet zurückzuweisen. Das schweizerische Bundesgericht hat unlängst festgestellt, dass aus der bloßen Tatsache, nicht miteinander verheiratet zu sein, nicht geschlossen werden darf, ein Paar wollte sämtliche Rechtswirkungen seines Zusammenlebens ausschließen.268 Zwar mögen sich viele Paare bewusst gegen eine Eheschließung entschieden haben. Es ist jedoch nicht einzusehen, warum dieser negativen Entscheidung gegenüber der Ehe eine größere Bedeutung beigemessen werden sollte als der positiven Entscheidung hinsichtlich der Eingehung einer faktischen Lebensgemeinschaft.269 Schließlich wird mit der Begründung einer nichtehelichen Lebenspartnerschaft in

266

Im schweizerischen Kommissionsbericht des Ständerats wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „das geltende Recht in seinem Kerngehalt bewahrt und die Familie als institutionelle Konstante auch weiterhin geschützt werden soll.“, Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats vom 05. 11. 2010 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, S. 3. 267 Vgl. zusammenfassend Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 584. 268 BGE 108 II 204, 207, E. 3a; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.16; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 900. 269 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 584.

B. Reformmodelle im Rechtsvergleich

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aller Regel nicht das Ziel verfolgt, sich jeglicher Form von Rechtsbindung loszusagen.270 Im Übrigen ist auch aus rechtsvergleichender Sicht kein anderes Ergebnis statthaft. Bei Annahme eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Privatautonomie müssten, bei Zugrundelegung dieses Rechtsverständnisses, die in anderen Rechtsordnungen bereits existierenden Regelungsmodelle der faktischen Lebensgemeinschaft allesamt für rechtswidrig erklärt werden. (5) Realisierbare Begriffsbestimmung der rechtlich relevanten Konsensualpartnerschaft Eine grundsätzliche Herausforderung der an Realverhältnissen anknüpfenden Reformmodelle stellt die damit zusammenhängende begriffliche Einordnung dieser Verhältnisse dar, also das der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Dabei wird von den Gegnern einer solchen Lösung in Frage gestellt, dass der Gesetzgeber in der Lage ist, eine praxistaugliche Definition nichtehelichen Zusammenlebens zu etablieren.271 Angesichts der zahlreichen unterschiedlichen Konkubinatsformen sei die Normierung einer allgemeingültigen Erbregelung kaum möglich. Schließlich werden nichteheliche Lebenspartnerschaften aus ganz unterschiedlichen Beweggründen eingegangen, so dass bereits unklar sei, welche Arten von Konkubinaten erbrechtlich erfasst werden sollen und welche nicht.272 Eine entsprechende Regelung würde sich daher von vornherein als unpraktikabel erweisen. Diesen Bedenken ist entgegenzuhalten, dass sich schweizerische und deutsche Gerichte der begrifflichen Umschreibung nichtehelichen Zusammenlebens schon erfolgreich angenommen haben. So werden nichteheliche Partnerschaftsverhältnisse bereits in anderen Regelungszusammenhängen definiert, etwa im Unterhalts-, Sozial- oder Steuerrecht.273 Darüber hinaus hat die rechtsvergleichende Betrachtung (allen voran Norwegens274) zu erkennen gegeben, dass eine Begriffsbestimmung keineswegs außerhalb des gesetzgeberisch Möglichen liegt. Besonders im Vergleich mit dem zuvor dargestellten Reformansatz „Realbeziehung statt Statusorientierung“ zeigen sich die unterschiedlichen begrifflichen Anforderungen, denen die jeweiligen Modelle genügen müssen. Während die Ab270

Vgl. statt vieler Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 584; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 34. 271 Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 310 f.; Schwaller, Ständeratssitzung vom 23. 09. 2010 zur Motion Gutzwiller (10.3524), Für ein zeitgemässes Erbrecht, Amtl. Bull. 2010 SR 872. 272 Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 310. 273 Vgl. Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 31 zum Überblick der verschiedenen Regelungszusammenhänge bezüglich nichtehelicher Lebensgemeinschaften in der Schweiz. 274 Vgl. Kap. 5, B., II., 2., b).

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Kap. 5: Reformmodelle

schaffung erbrechtlich anerkannter Statusverhältnisse – wie Ehe, eingetragene Lebenspartnerschaft oder Verwandtschaft – die schwierige und umfassende Definition des die Erbenstellung legitimierenden Näheverhältnisses notwendig macht, würde die nichteheliche Lebensgemeinschaft als ein ganz konkret zu definierendes Beziehungsverhältnis bedeutend einfacher zu umschreiben sein.275 Zwar ist aufgrund der verschiedenartigen Ausprägungen nichtehelicher Lebenspartnerschaften die Bestimmung des erbrechtlich relevanten Zusammenlebens nicht ganz unproblematisch. Doch bedürfte es in diese Falle weder einer komplizierten Prüfung von „persönlicher Nähe“ noch einer begrifflichen Abgrenzung hinsichtlich der weiteren zum Erblasser unterhaltenen Nähebeziehungen. Im Übrigen ist den Ausführungen Breitschmids zuzustimmen, der darauf hinweist, dass Schwierigkeiten bei der „technischen“ Umsetzung außerrechtlicher Familienstrukturen nicht als Vorwand herhalten dürfen, sich nicht ernsthaft um eine Lösung zu bemühen.276 Dementsprechend kann die Begriffsbestimmung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext durchaus realisiert werden. Wie bei den in anderen Regelungszusammenhängen bereits existierenden Definitionsansätzen würde eine wesentliche Aufgabe des Gesetzgebers aber darin liegen, das rechtlich relevante Zusammenleben begrifflich derart klar zu definieren, dass ausschließlich die zu schützen beabsichtigten Partnerschaften dem Anwendungsbereich der Norm unterfallen, es mithin zu keiner ungerechtfertigten oder sogar missbräuchlichen Inanspruchnahme des Erbrechts käme.277 (6) Unkomplizierte Rechtsfolgenbestimmung in Anbetracht schon vorhandener, erbrechtlich normierter Partnerschaftsinstitute Des Weiteren stehen mit den bereits verankerten partnerschaftlichen Rechtsinstituten Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft hilfreiche Anknüpfungspunkte zur Verfügung, welche die konkrete inhaltliche Ausgestaltung eines eigens für die nichteheliche Lebensgemeinschaft statuierten Erbrechts erleichtern dürfte. Vor diesem Hintergrund könnte die rechtliche Umsetzung ohne größere und konzeptionell tiefgreifende Neuerungen vonstattengehen. Weitreichende Gesetzesänderungen, wie sie eine umfassende Kodifikation erforderte, ließen sich vermeiden.

275

Vgl. auch Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 22. Breitschmid, successio 3 (2009), 276, 296. 277 Zu denken wäre etwa an einen Mitbewohner des Erblassers, der sich nach dessen Tod wahrheitswidrig als sein Lebenspartner ausgibt, um dessen Vermögen erben zu können. 276

B. Reformmodelle im Rechtsvergleich

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bb) Zusammenfassung Der Weg einer punktuellen gesetzgeberischen Maßnahme erweist sich für die zu lösenden erbrechtlichen Aufgaben als überzeugend.278 Ein Reformmodell, das Rechtswirkungen an die tatsächlich gelebte Lebensgemeinschaft knüpft, dabei aber überwiegend auf die spezifischen Regelungsbereiche des Erbrechts beschränkt bleibt, erscheint am ehesten geeignet, die beschriebenen Probleme pragmatisch und zielgerichtet anzugehen.279 Die entscheidenden Vorzüge dieses Lösungsansatzes bestehen insbesondere darin, dass das Erbrecht hierdurch einerseits von weiteren, mitunter nicht oder nicht mehr gelebten formalisierten Statusverhältnissen freigehalten wird und andererseits die sich im Grundsatz bewährten Strukturen beibehält. Das Reformmodell „Realbziehung neben Statusverhältnis“ ermöglicht insofern der Gesetzgebung, die Realentwicklungen betreffend nichtehelicher Lebensgemeinschaften im gebotenen Umfang ins Erbrecht aufzunehmen, ohne das Erb- und Familienrecht in seinen Grundfesten verändern zu müssen.

III. Kombinierte Lösungen Für eine gesetzliche Erbregelung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind neben den beiden Grundmodellen, nämlich der registrierten einerseits und der faktischen Lebensgemeinschaft andererseits, auch Kombinationen dieser beiden Lösungsansätze denkbar. In einigen Rechtsordnungen, so etwa in den spanischen Comunidades Autónomas Katalonien (nur für verschiedengeschlechtliche Paare), Aragón, Navarra und den Kanarischen Inseln, können rechtsrelevante Lebensgemeinschaft sowohl durch bloßes Zusammenleben als auch durch Registrierung begründet werden.280 Die für nichteheliche Lebenspaare aufgestellten Rechtsregeln entfalten in diesen Fällen somit nicht nur nach Ablauf einer bestimmten Mindestdauer partnerschaftlichen Zusammenlebens Geltung, sondern können durch die zusätzliche Möglichkeit der Registrierung auch vor diesem Zeitpunkt von den Partnern selbst für anwendbar erklärt werden (sog. Modell der faktischen Lebensgemeinschaft mit „opting-in Lösung“).281 278

Dieser Auffassung auch Pulver, Unverheiratete Paare, S. 193 ff.; Büchler, in: RumoJungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 84 f. 279 Pulver, Unverheiratete Paare, S. 194. 280 Vgl. hierzu ausführlich Carro-Werner, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft in der spanischen Rechtsordnung, Hamburg 2003, S. 92 ff. und S. 116 ff.; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 113. 281 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 582.

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Kap. 5: Reformmodelle

Der Vorteil einer solchen Lösung liegt vor allem darin, dass sie zum einen den schützenswerten Interessen einer tatsächlich gelebten Partnerschaft Rechnung trägt. Zum anderen wird unverheirateten Paaren mit der Registrierungsmöglichkeit eine gewisse Rechtssicherheit geboten, weil sie sich dadurch ohne mehrjähriges Abwarten ganz bewusst den gesetzlichen Regelungen unterwerfen können.282 Eine Mischregelung würde somit die Vorzüge beider Regelungsmodelle miteinander verbinden. Allerdings bleiben bei einer Verquickung dieser Lösungsansätze auch deren jeweiligen Nachteile überwiegend bestehen. So kann zunächst in Frage gestellt werden, ob durch die zusätzliche Option, die Partnerschaft registrieren zu lassen, überhaupt ein rechtlich spürbarer Mehrwert geschaffen wird. Gerade in Ansehung der Eheschließungs- und Eintragungsmöglichkeit dürfte dies zu bezweifeln sein. Aber auch vor dem Hintergrund der oftmals nur geringen praktischen Bedeutung heutiger Registrierungsmodelle erscheint eine kombinierte Lösung nur sehr bedingt zweckmäßig. Hinzukommt der behördliche Verwaltungsaufwand, der mit der Einrichtung und Führung eines solchen Registers einhergeht. Darüber hinaus dürfte eine Mischform zweier Regelungsmodelle die Rechtslandschaft nichtehelicher Lebensgemeinschaften insgesamt unübersichtlicher machen. Alles in allem wirkt ein solches Konzept daher überdimensioniert. Mit Ausnahme einiger spanischer Comunidades Autónomas sowie dem australischen Gliedstaat Tasmanien existieren zudem – soweit ersichtlich – keine anderen Rechtsordnungen, die hinsichtlich der Rechtsstellung nichtehelicher Lebenspartner eine duale Lösung verfolgen, weshalb auch aus rechtsvergleichender Sicht wenige Argumente für einen derartigen Reformansatz sprechen.

C. Gesamtbetrachtung und abschließende Stellungnahme Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit der registrierten und der faktischen Lebensgemeinschaft zwei gänzlich unterschiedliche Lösungsansätze infrage kommen, um die erbrechtliche Stellung unverheirateter Paare zu verbessern. Als zusätzliche Alternativlösung lassen sich diese beiden Grundmodelle miteinander kombinieren. Wie die rechtsvergleichenden Darstellungen aufgezeigt haben, weisen die jeweiligen Rechtsordnungen große Unterschiede hinsichtlich ihrer tatbestandlichen 282

Für ein solches Regelungsmodell daher Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 585; Schwander, AJP 1994, 918, 921 f.; vgl. hierzu auch Schumacher, FamRZ 1994, 857, 864 f., der eine kombinierte Lösung für Deutschland vorschlägt.

C. Gesamtbetrachtung und abschließende Stellungnahme

181

Voraussetzungen und Rechtsfolgen zueinander auf. Während nichteheliche Lebenspartner heute in manchen Ländern mit Ehegatten weitestgehend gleichgestellt sind, sehen andere Rechtsordnungen nur eine relativ schwache Gesetzeslage zugunsten unehelicher Paare vor, insbesondere im Erbrecht. Insoweit rangiert die nichteheliche Lebensgemeinschaft je nach Rechtsordnung zwischen „Nicht-, Halboder (Voll-)Status“.283 So nehmen im Besonderen die Niederlande, Frankreich, Teile Skandinaviens, Slowenien sowie Australien und Neuseeland eine Führungsrolle bei der Anpassung familienrechtlicher Sachverhalte an die sich verändernden Gesellschaftsstrukturen ein.284 Dass sich Deutschland und die Schweiz bislang gegenüber einer rechtlichen Änderung betreffend nichtehelicher Lebenspartner verschlossen haben, ist aus rechtsvergleichender Sicht daher äußerst erstaunlich. Zutreffend führt Schwenzer insoweit an, dass sich Deutschland, Österreich und die Schweiz „einander abwechselnd das Schlusslicht in die Hand geben und anderen Rechtsordnungen oft um Jahrzehnte hinterher hinken.“285 Auf Österreich trifft diese Aussage mittlerweile nicht mehr zu, da der österreichische Gesetzgeber die erbrechtliche Stellung des hinterbliebenen Lebensgefährten in jüngster Vergangenheit (Juli 2015) gestärkt hat [Kap. 5, B., II., 2., c)]. Was das schweizerische Reformanliegen anbelangt, so erweist sich das zweite Regelungsmodell zur faktischen Lebensgemeinschaft: „Realbeziehung neben Statusverhältnis“ als überzeugend. Gegenüber den anderen Regelungsmodellen ermöglicht dieses eine punktuelle und somit zielgerichtete Revision der erbrechtlich relevanten Problemstellungen. Insofern sollte von der Einführung einer umfassenden Kodifikation in Form eines eigenen bereichsübergreifenden Rechtsinstituts der nichtehelichen Lebensgemeinschaft abgesehen werden, sei es durch Schaffung eines amtlichen Registrierungsmodells oder durch Etablierung eines die Aufgabe statusrechtlicher Verhältnisse implizierten Modells der faktischen Lebensgemeinschaft („Realbeziehung statt Statusorientierung“). Ein Regelungskonzept, das weitreichende, über den erbrechtlichen Fokus hinausgehende Neuerungen beinhaltet und damit weniger individuell problemorientiert angelegt ist, wird nur bedingt geeignet sein, die verschiedenen Formen nichtehelichen Zusammenlebens in adäquater Weise aufzunehmen. Dies trifft insbesondere auf die formalisierten Regelungsmodelle zu. Obwohl ein formeller Anknüpfungspunkt den Vorteil größtmöglicher Rechtssicherheit bietet, profitieren hiervon nur diejenigen Paare, die sich tatsächlich haben registrieren lassen. Wie gesehen nimmt in den meisten Ländern mit Registrierungsmodellen aber nur ein verhältnismäßig geringer Anteil der Konsensualpaare diese Möglichkeit 283

Schwenzer/Keller, in: FS Brudermüller, S. 761, 770. Schwenzer/Keller, in: FS Brudermüller, S. 761, 770. 285 Schwenzer, in: Deutscher Familiengerichtstag e.V. (Hrsg.), Siebzehnter DFGT vom 12. bis 15. September 2007 in Brühl, S. 27, 40. 284

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Kap. 5: Reformmodelle

wahr, womit die eigentlich zu lösen beabsichtigten Rechtsprobleme weiter offenstehen. Scherpe gelangt aufgrund dieser Umstände sogar zu dem vernichtenden Urteil, das Modell der formalisierten Lebensgemeinschaft als „Mogelpackung“ zu bezeichnen.286 Ebensowenig hat sich der an den faktischen Gegebenheiten anknüpfende Lösungsansatz „Realbeziehung statt Statusorientierung“ als eine praxistaugliche Alternative herausgestellt. Neben den begrifflichen Schwierigkeiten ist es auch sonst nicht empfehlenswert, eine für alle Partnerschaftsverhältnisse gleichlautende Lösung anzubieten, seien sie durch Eheschließung, formelle Eintragung oder bloßes Zusammenleben begründet. Schließlich unterscheiden sich eheliche und nichteheliche Lebensgemeinschaften trotz ihrer soziologischen Gemeinsamkeiten in ganz wesentlichen Punkten sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Art voneinander. Zur Lösung der im Zusammenhang mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft stehenden Rechtsprobleme sollte der schweizerische Gesetzgeber daher ein erbrechtliches Institut der nichtehelichen Lebensgemeinschaft einführen, welches nicht auf formale Kriterien abstellt, sondern erbrechtliche Folgen von dem effektiv gelebten Näheverhältnis der Lebenspartner abhängig macht.287

286 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 581. 287 Dieser Auffassung im Ergebnis auch Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/ Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 584; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 193 f.; Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 977 ff. und 1005.

Kapitel 6

Begriffsbestimmung der faktischen Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext A. Überblick Die inhaltliche Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner, das sich an den faktischen Gegebenheiten orientiert, erfordert zunächst die Definition der im erbrechtlichen Sinne relevanten Lebensgemeinschaft. Sind erst die begrifflichen Voraussetzungen des die Erbenstellung legitimierenden Partnerschaftsverhältnisses benannt, lassen sich auch die daran anknüpfenden Rechtsfolgen im Einzelnen bestimmen. Angesichts der Ähnlichkeit des tatsächlichen Zusammenlebens von Ehegatten und nichtehelichen Lebenspartnerschaften sollte man sowohl bei der Begriffsbestimmung als auch den Rechtsfolgen die Institution Ehe als Richtschnur heranziehen. Nachfolgend wird mit Blick auf das schweizerische Reformanliegen ein Regelungsvorschlag unterbreitet werden, der gleichzeitig dem deutschen Gesetzgeber als Vorbild und Anreiz dienen soll, das eigene Erbrecht in entsprechender Weise umzugestalten.

B. Die „Eheähnlichkeit“ als Ausgangspunkt der Begriffsbestimmung Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft wird regelmäßig dann als „eheähnlich“ bezeichnet, wenn ihr auch in rechtlicher Hinsicht Bedeutung zugeschrieben werden kann.1 So hängt die Anwendbarkeit der für nichteheliche Lebensgemeinschaften geltenden Rechtsregeln grundsätzlich davon ab, dass sich die betreffenden Konsensualpaare in einem der ehelichen Gemeinschaft vergleichbaren Beziehungsverhältnis befinden.2 Daher werden für die Begriffsbestimmung des erbrechtlich rele-

1

Hausmann, Einführung, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 47, 53 Rn. 14. 2 Auch das Partnerschaftsgesetz orientiert sich im Grundsatz an den Rechtswirkungen der Ehe, Pulver, in: Geiser/Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 50; ebenso

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

vanten Zusammenlebens neben den von der gerichtlichen Praxis hervorgebrachten Definitionsansätzen auch die Umschreibungen der gesetzlich geregelten Ehe wegleitend sein, zumal sich eine solche Anknüpfung wegen der Bezeichnung „eheähnliche Gemeinschaft“ geradezu aufdrängt.3 In schweizerischem Schrifttum und Rechtsprechung wird die Ehe als eine „partnerschaftliche (gleichberechtigte) Lebensgemeinschaft von Mann und Frau (heterosexuell) mit dauernder, ausschliesslicher (monogamer) und umfassender körperlicher, seelisch-geistiger und wirtschaftlicher Lebensverbindung und -führung“ umschrieben.4 Vergleichbare Definitionen zur Ehe finden sich auch in Deutschland, die vor allem das BVerfG hervorgebracht hat.5 Sämtlichen Definitionen gemein und daher Wesensmerkmal einer Ehe ist der übereinstimmende Willen zweier Menschen unterschiedlichen Geschlechts, eine partnerschaftliche Bindung eingehen zu wollen. Abgesehen von der Geschlechtsverschiedenheit liegt darin auch eine grundsätzliche Gemeinsamkeit zur nichtehelichen Lebenspartnerschaft.6 Die Ehe verdient es aber selbst dann als solche bezeichnet zu werden, wenn von der umfassend gedachten Gemeinschaft einzelne dieser Komponenten fehlen.7 Schließlich ist die Ehe in erster Linie ein formalrechtlich anerkannter Rechtsstatus.8 Wie sich nachfolgend zeigen wird, beinhaltet das eheliche Begriffsverständnis zentrale Elemente zur Beschreibung partnerschaftlicher Beziehungen, die sich folgerichtig auch in den Definitionen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft wiederfinden.

BVerfGE 87, 234, 245: „Eheähnlich könne eine Gemeinschaft nur sein, wenn sie wesentliche Merkmale einer Ehe aufweise, ohne eine solche zu sein.“ 3 Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 1; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34. 4 So oder ähnlich definierend BGE 119 II 264, E. 3b; BGE 65 II 137; CHK-ZGB-I/Zeiter, Art. 159 Rn. 3; BK-ZGB-II/Hausheer/Reusser/Geiser, Art. 159 Rn. 7 ff. m.w.H.; Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, Zürich 1984, § 4 Rn. 2. 5 Unter einer Ehe wird „die mit Eheschließungswillen eingegangene staatlich anerkannte, umfassende und grundsätzlich unauflösbare Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau“ verstanden, vgl. BVerfGE 10, 59, 66; BVerfGE 31, 58, 82; BVerfGE 53, 224, 245. 6 Wolf, recht 2002, 157, 161. 7 Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 2. 8 Demgegenüber ist das Konkubinat vor allem Realbeziehung, Hegenauer/Breitschmid, Grundriss des Eherechts, Rn. 1.08; Wolf, recht 2002, 157, 161.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft I. Definitionsansätze in Rechtsprechung und Literatur Die nichteheliche Lebensgemeinschaft stellt – wie bereits ausgeführt wurde [Kap. 3, A.] – weder in der Schweiz noch in Deutschland ein anerkanntes Rechtsinstitut dar. Aus diesem Grund fehlt es den jeweiligen Rechtsordnungen an einer allgemeingültigen gesetzlichen Definition des nichtehelichen Zusammenlebens.9 Nichtsdestotrotz erlangt die nichteheliche Lebensgemeinschaft in rechtlicher Hinsicht Bedeutung, weshalb es auch erforderlich war und ist, diesen unbestimmten Rechtsbegriff in seinen konkreten Regelungszusammenhängen näher zu fassen.10 Zur Umschreibung rechtlich relevanter Konsensualpartnerschaften haben sich deshalb zahlreiche Definitionsansätze in Literatur und Rechtsprechung, allen voran durch das schweizerische Bundesgericht, herausgebildet. Allerdings kann weder in der Literatur noch in der gerichtlichen Praxis eine der nachfolgend genannten Definitionen eine alleinige oder auch nur vorrangige Geltung beanspruchen. 1. Definitionsansätze innerhalb der schweizerischen Rechtsprechung und kantonalen Gesetzgebung Die schweizerische Gerichtsbarkeit umschreibt die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Allgemeinen als permanente Wohn-, Tisch- und Geschlechtsgemeinschaft, die jederzeit wieder aufgelöst werden kann.11 Von rechtlicher Relevanz sind nichteheliche Lebenspartnerschaften grundsätzlich aber nur dann, wenn es sich dabei um sog. „qualifizierte“ bzw. „gefestigte“ Konkubinate handelt. Je nach Gesetzgeber – Bund oder Kanton – und zu regelndem Sachverhalt wird der Begriff des gefestigten Konkubinats jedoch anders definiert. Das Fehlen einer einheitlichen Definition ist vor allem auf die föderalistische Struktur der Schweiz zurückzuführen. So ist es den Kantonen aufgrund ihrer autonomen Stellung erlaubt, das bundesgesetzliche Begriffsverständnis nach eigenem Ermessen zu präzisieren.12 9 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.01; Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 1. 10 Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 19 Rn. 5 f. 11 So etwa die allgemeine bundesgerichtliche Umschreibung des Konkubinats hinsichtlich der Frage, ob Zuwendungen eines verheirateten Ehemannes an seine Konkubinatspartnerin unsittlich i.S.v. Art. 20 I OR sind, BGE 109 II 15, 16 f., E. 1b. 12 Zur bundesgerichtlichen Überprüfung des Gestaltungsspielraums des kantonalen Gesetzgebers, vgl. BGE 129 I 1, E. 3.1; In BGE 137 V 383 hat das schweizerische Bundesgericht unter anderem entschieden, dass es den Vorsorgeeinrichtungen, unabhängig der Regelung zur Partnerrente gem. Art. 20a BVG, in den Schranken des Rechtsgleichheitsgebots und Diskriminierungsverbots grundsätzlich erlaubt ist, den Kreis der zu begünstigenden Personen – mithin

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

a) Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im unterhaltsrechtlichen Sinne Das Schweizer Bundesgericht hat den Begriff des qualifizierten Konkubinats im Zusammenhang mit der Geltendmachung nachehelicher Unterhaltsansprüche grundlegend und umfassend definiert. Nach Art. 129 I ZGB (ehemals Art. 153 I ZGB a.F.) können die Unterhaltsbeiträge geschiedener Ehegatten, die in Form einer Rente durch das Gericht festgesetzt werden, Art. 126 I ZGB, herabgesetzt, aufgehoben oder eingestellt werden, sofern eine erhebliche und dauernde Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist.13 Eine solche Veränderung wird unter anderem in den Fällen bejaht, in denen die rentenberechtigte Person – der frühere Ehegatte – wieder in einem stabilen Konkubinatsverhältnis lebt.14 Das Bundesgericht versteht als qualifiziertes Konkubinat in diesem Sinne eine „auf längere Zeit, wenn nicht auf Dauer angelegte umfassende Lebensgemeinschaft von zwei Personen mit grundsätzlich Ausschließlichkeitscharakter, die sowohl geistig-seelische, als auch eine körperliche und eine wirtschaftliche Komponente aufweist und auch etwa als Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft bezeichnet wird“.15

Dabei komme allerdings nicht allen Komponenten dieselbe Bedeutung zu. Fehlt etwa die Geschlechts- oder die Wirtschaftsgemeinschaft, leben die beiden Partner aber trotzdem in einer festen und ausschließlichen Zweierbeziehung, halten sich gegenseitig die Treue und leisten sich umfassenden Beistand, so könne gleichwohl eine eheähnliche Gemeinschaft bejaht werden. Entscheidend für die Feststellung eines gefestigten Konkubinats sei vielmehr eine Würdigung sämtlicher maßgeblicher Faktoren. Die gesamten Umstände des Zusammenlebens seien daher von Bedeutung, um die Qualität einer Lebensgemeinschaft beurteilen zu können. Bereits die Rechtsprechung zum alten Scheidungsrecht hatte festgehalten, dass die Annahme eines Konkubinats nicht von den finanziellen Mitteln der Konsensualpartner abhänge, sondern von ihren gegenseitigen Gefühlen und dem Bestehen einer Schicksalsgemeinschaft.16 Bei der Bewertung der Gesamtumstände zur Feststellung eines gefestigten Konkubinats wird vor allem der zeitlichen Komponente besondere Bedeutung beiauch den Begriff des Konkubinats in Art. 20a I lit. a BVG – enger zu fassen als im Gesetz beschrieben; hierzu auch Müller/Schefer, Grundrechte in der Schweiz, S. 673 f. 13 Hausheer/Spycher, Handbuch des Unterhaltsrechts, Rn. 10.33 ff. 14 „Bei einer stabilen, engen, wirtschaftlich ähnliche Vorteile wie die Ehe bietenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft des rentenberechtigten Ehegatten erscheine ein Bestehen auf dem Unterhaltsbeitrag grundsätzlich als rechtsmissbräuchlich“; BGE 5C_93/2006 vom 23. Oktober 2006, E. 2.1 ff.; vgl. auch CHK-ZGB-I/Liatowitsch/Härnig, Art. 129 Rn. 4. 15 BGE 138 III 157, 160 f., E. 2.3.3; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5.1.2; BGE 118 II 235, 238, E. 3b (damals allerdings noch mit dem heute weggefallenen Passus: „zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts“); BGE 134 V 369, 374, E. 6.1.1; auch BGE 124 III 52, 54 f., E. 2a/aa. 16 BGE 124 III 52, 54, E. 2a/aa.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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gemessen. So wird das Vorliegen eines stabilen, zum Verlust nachehelicher Unterhaltsansprüche führenden Konkubinats im Sinne von Art. 129 I ZGB vermutet, wenn dieses seit einem Zeitraum von fünf Jahren besteht.17 Eine Sistierung (Einstellung) des Rentenanspruchs kommt dagegen bereits ab einer Dauer von drei Jahren in Betracht.18 b) Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im berufsvorsorgerechtlichen Sinne Eine weitere Umschreibung des Konkubinats, die an das unterhaltsrechtliche Begriffsverständnis anknüpft, hat das Bundesgericht bezüglich der Geltendmachung von Hinterlassenenleistungen (sog. Witwen- bzw. Partnerrente) gem. Art. 20 I BVG formuliert. Neben den in Art. 19 und 20 BVG genannten Anspruchsberechtigten kommen auch Personen, die mit dem Versicherten in den letzten fünf Jahren bis zu seinem Tod ununterbrochen eine Lebensgemeinschaft geführt haben, als Begünstigte von Hinterlassenenleistungen in Betracht, vgl. Art. 20 I lit. a BVG. Unter dem Begriff der Lebensgemeinschaft ist in diesem Sinne „eine Verbindung von zwei Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts zu verstehen, welcher grundsätzlich Ausschliesslichkeitscharakter zukommt, sowohl in geistigseelischer als auch in körperlicher und wirtschaftlicher Hinsicht.“19

Dabei müssen diese Merkmale nicht kumulativ gegeben sein. Insbesondere sei weder eine ständige und ungeteilte Wohngemeinschaft notwendig noch dass eine Partei von der anderen maßgeblich unterstützt worden war.20 Ausgehend von dieser bundesgerichtlichen Umschreibung hat das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt die nichteheliche Lebensgemeinschaft im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme vorsorgerechtlicher Leistungen, Art. 15 I lit. b Ziff. 2 FZV (Freizügigkeitsverordnung)21, folgende Definition aufgestellt:

17 BGE 138 III 157, 160 f., E. 2.3.3; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5.1.2; BGE 118 II 235, 238, E. 3b. 18 CHK-ZGB-I/Liatowitsch/Häring, Art. 129 Rn. 4; vgl. auch KGer St. Gallen – BF.2005.16 vom 14. 7. 2005 = FamPra.ch 2005, 932 ff.; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5; BGE 5C_93/2006 vom 23. Oktober 2006; Büchler/Stegmann, FamPra.ch 2004, 229 ff.; kritisch zur zeitlichen Dauer einer Sistierung ab einem Zusammenleben von drei bis vier Jahren, BSKZGB-I/Spycher/Gloor, Art. 129 Rn. 15. 19 BGE 134 V 369, 379, E. 6.1.1 und 7; BGE 9C_73/2011 vom 17. Januar 2012, E. 4.1; vgl. hierzu auch Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), Mitteilung über die berufliche Vorsorge: Zusammenstellung der Hinweise, Stellungnahmen des BSV und der Rechtsprechung zur Begünstigtenordnung in der 2. Säule und der Säule 3a (Stand: 28. November 2013), S. 8 ff. 20 BGE 134 V 369, 379, E. 7.1; BGE 9C_73/2011 vom 17. Januar 2012, E. 4.1. 21 Verordnung über die Freizügigkeit in der beruflichen Alter-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

„Die Lebensgemeinschaft im Sinne des Stiftungsreglements (Vorsorgereglements) ist […] als Verbindung zweier Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts zu verstehen, die eine eheähnliche Beziehung pflegen, sich aber weder für die Form der Ehe noch für die eingetragene Partnerschaft entscheiden. Die Eheähnlichkeit zeigt sich in der umfassenden Art der Beziehung, die grundsätzlich Ausschliesslichkeitscharakter aufweist. Eine Lebensgemeinschaft umfasst demnach geistig-seelische, körperliche und wirtschaftliche Komponenten und wird auch etwa als Wohn-, Tisch- und Bettgemeinschaft bezeichnet.“22

Ebenso weist das Kantonsgericht darauf hin, dass nur durch eine Würdigung aller Umstände, eine Aussage über das Vorliegen einer hinreichend gefestigten Lebensgemeinschaft getroffen werden könne.23 c) Die nichteheliche Lebensgemeinschaft in anderen Regelungszusammenhängen Die begrifflichen Umschreibungen anderer Regelungsbereiche knüpfen in aller Regel an die vom Bundesgericht im Zusammenhang mit der Gewährung nachehelicher Unterhaltsansprüche formulierte Definition an. Dabei unterscheiden sich die an ein stabiles Konkubinat gestellten Anforderungen im Wesentlichen in der unterschiedlichen Bewertung der einzelnen, insbesondere zeitlichen, Komponenten. So gelten im Rahmen des Bundes- wie auch kantonalen Rechts nicht in allen Bereichen etwa dieselben zeitlichen Voraussetzungen für eine gefestigte Lebensgemeinschaft. Bezüglich des steuerrechtlichen Wohnsitzes stellt das Bundesgericht bei der Prüfung einer gefestigten Lebensgemeinschaft nicht auf eine einheitliche zeitliche Komponente ab, sondern entscheidet im Einzelfall.24 So können nichteheliche Paare der Kantone Bern und Jura von einer ermäßigten Erbschaft- oder Schenkungsteuer profitieren, wenn sie zum Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs mit der zuwendenden Person seit mindestens zehn Jahren in Wohngemeinschaft mit gleichem steuerrechtlichen Wohnsitz gelebt haben,25 während in den meisten anderen Kantonen eine steuerrechtliche Privilegierung des Lebenspartners bereits nach fünfjährigem Bestehen der Gemeinschaft26 in Betracht kommt.27 Dar22 BGE 134 V 369, 379, E. 7 unter Verweis auf die Vorinstanz: Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt vom 15. Oktober 2007, E. 3.3. 23 BGE 134 V 369, 379, E. 7. 24 Vgl. BGE 2C_748/2008 vom 19. März 2009, E. 3.1, wonach das Vorliegen eines Konkubinatsverhältnisses, unabhängig der Beziehungsdauer, in der Regel einen steuerrechtlichen Wohnsitz zu begründen vermag und dabei stärker zu gewichten ist als die Bindungen zum Familienort, oder BGE 2P_179/2003 vom 17. Juni 2004, E. 3, wo ein zweijähriges Konkubinat angesichts der übrigen Umstände nicht zur Begründung eines Steuerdomizils ausreichte. 25 Art. 19 I lit.b ESchG-BE (Bern); Art. 25 I lit. c, II ESchG-JU (Jura). 26 Aargau (AG), Appenzell A. Rh. (AR), Basel-Landschaft (BL), Basel-Stadt (BS), Art. 21 lit. e EschG-FR (Freiburg), Glarus (GL), Luzern (LU), Neuenburg (NE), Obwalden (OW), Uri (UR), Zürich (ZH); nur vereinzelt ist geklärt, ob darunter auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner zu verstehen sind, vgl. Mäusli-Allenspach, successio 4 (2010), 179, 189; für

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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über hinaus gilt auch im Schuldbetreibungsrecht keine einheitliche zeitliche Voraussetzung.28 Im Bereich der Sozialhilfe, die abgesehen vom Mindeststandard der Nothilfe, Art. 12 BV, und den Tatbeständen mit Auslandsbezug29 eine Angelegenheit der Kantone ist, bestehen gleichfalls unterschiedliche kantonale Lösungen bezüglich der Annahme einer gefestigten Lebensgemeinschaft.30 So regelt etwa der Kanton Basel-Landschaft in § 7a I SHG-BL31 n.F. (früher § 5 III SHG-BL), dass Sozialhilfeleistungen ganz oder teilweise eingestellt werden können, sofern der Sozialhilfeempfänger mit einer nicht-unterstützten Person in einem gefestigten Konkubinat lebt, die aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse zur Erbringung von Beistandsleistungen diesem gegenüber verpflichtet ist.32 Gem. § 7a II SHG-BL n.F. (früher § 5 III 2 SHG-BL) gilt eine Lebensgemeinschaft dann als gefestigt, wenn die Partner seit mindestens zwei Jahren einen gemeinsamen Haushalt führen (lit. a), sie mit einem oder mehreren gemeinsamen Kindern zusammenleben (lit. b) oder ihre Eheschließung in der Schweiz nicht anerkannt wird (lit. c).33 Auch bei Sachverhalten mit Auslandsbezug kann eine gefestigte Lebenspartnerschaft relevant werden, da diese einen Anspruch auf Familiennachzug von im Ausland lebender Verwandter des Lebenspartners gem. Art. 8 I EMRK (Achtung des „Familienlebens“) grundsätzlich zu begründen vermag.34 Allerdings lehnte das Bundesgericht eine hinreichende Stabilität der Beziehung ab, bei der die Betroffenen seit drei Jahren zusammengelebt hatten, keine Heiratsabsichten bestanden und die

gleichgeschlechtliche Partner gelten etwa in Zürich eine Frist von 10 Jahren (§ 15 ESchG-ZH), in St. Gallen von 15 Jahren (Art. 156 StG-SG). 27 Zur Übersicht zu den erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Regelungen der Schweizer Kantone Hindersmann/Myßen, Die Erbschafts- und Schenkungssteuern der Schweizer Kantone, S. 267 ff.; Wolf/Dorjee-Good, Länderbericht Schweiz, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 186 ff. 28 BGE 130 III 765; BGE 5P_141/2001 vom 17. August 2001, E. 3. 29 Vgl. dazu die Bestimmungen zum Asylgesetz. 30 Vgl. hierzu BGE 8C_196/2010 vom 19. Juli 2010. 31 Sozialhilfegesetz Basel-Landschaft. 32 Mit Beschluss vom 10. 9. 2015 hat der Landrat des Kantons Basel-Landschaft der Teilrevision des Sozialhilfegesetzes zugestimmt. Diese beinhaltet unter anderem die Aufhebung von § 5 III SHG-BL. An dessen Stelle tritt nunmehr der neu gefasste § 7a SHG-BL, der den Begriff des gefestigten Konkubinats in Anlehnung an die bundesgerichtliche Rechtsprechung ausdrücklich definiert, vgl. Teilrevision des Sozialhilfegesetzes – Nummer 2015-125, S. 3, abrufbar unter: www.baselland.ch (Stand: 04. 11. 2016). 33 Vgl. auch BGE 2P_242/2003 vom 12. Januar 2004; BGE 8C_433/2009 vom 12. Februar 2010, E. 6.2. 34 BGE 2C_913/2010 vom 30. November 2010; BGE 2C_300/2008 vom 17. Juni 2008; vgl. für Deutschland Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 12. Teil, Rn. 1 ff.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Beziehung kinderlos geblieben war.35 In einem anderen Fall sah das Gericht bei einer mehr als zweijährig andauernden Beziehung sowie einem gemeinsamen Kind die erforderlichen Voraussetzungen eines tatsächlich gelebten Familienlebens als erfüllt an.36 2. Definitionsansätze innerhalb der deutschen Rechtsprechung und Gesetzgebung Auf vergleichbare Weise wird die nichteheliche Lebensgemeinschaft von der deutschen Gerichtsbarkeit umschrieben. Das BVerfG hat in einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahre 1992 den Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft maßgeblich geprägt und im Hinblick auf den damaligen § 137 IIa AFG (Arbeitsförderungsgesetz)37 wie folgt definiert: „Eine eheähnliche Gemeinschaft […] liegt nur vor, wenn zwischen den Partnern so enge Bindungen bestehen, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft). […] Gemeint ist also eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.“38

In der Folge haben die obersten Bundesgerichtshöfe diese vom BVerfG entwickelte Definition der eheähnlichen Gemeinschaft im Kern übernommen.39 Je nach Regelungszusammenhang werden die einzelnen Begriffsmerkmale, insbesondere das Kriterium der Dauer, durch die Gerichte weiter konkretisiert.40

35 Waadtländer Kantongericht vom 17. Januar 2013 – PE.2012.0329 unter Berufung auf BGE 2C_97/2010 vom 4. November 2010: Das Waadtländer Kantonsgericht wies die Beschwerde einer brasilianischen Staatsangehörigen gegen eine Verfügung des Amtes für Bevölkerung ab, in welcher ihr das im Rahmen eines Familiennachzugs erteilte Aufenthaltsrecht widerrufen wurde. 36 BGE 2C_661/2010 vom 31. Januar 2011. 37 Mit Inkrafttreten des SGB III am 01. 01. 1998 wurde gleichzeitig das AFG außer Kraft gesetzt. 38 BVerfGE 87, 234, 264 = NJW 1993, 643 = FamRZ 1993, 164; BVerfG, FamRZ 2004, 1950 = NVwZ 2005, 1178. 39 BGHZ 121, 116, 124 = NJW 1993, 999, 1001 = FamRZ 1993, 533; BGHZ 168, 245, 252 = NJW 2006, 2687 = FamRZ 2006, 1362; BVerwGE 98, 195, 198 = NJW 1995, 2802 = FamRZ 1995, 1352; BSGE 111, 250 = NJW 2013, 957 = NZS 2013, 190; BSG, NJW 1993, 3346 = FamRZ 1993, 1314. 40 Vgl. zur begrifflichen Entwicklung Schreiber, FPR 2001, 12 ff.; Burhoff/Willemsen, Handbuch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Rn. 497 ff.; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 8 ff.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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Wie in der Schweiz existiert mit § 1579 Nr. 2 BGB auch in Deutschland eine Regelung, die den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt entfallen lässt, wenn der anspruchsberechtigte Ex-Ehegatte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt.41 Für die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft im Sinne der Norm verlangt der BGH im Regelfall eine Beziehungsdauer von zwei bis drei Jahren.42 Ein weiteres wichtiges Indiz stellt hierbei die gemeinsame Haushalts- und Wirtschaftsführung der Partner dar.43 Einige unterinstanzliche Gerichte sind aber mittlerweile – auch vor dem Hintergrund der Unterhaltsreform von 2008 – von dieser Grundregel abgewichen und lassen ein zeitlich kürzeres Zusammenleben ausreichen.44 Demgegenüber hat das OLG Karlsruhe eine verfestigte Beziehung erst ab einer Mindestdauer von fünf Jahren angenommen, wenn die Beziehung nicht überwiegend durch ein gemeinsames Zusammenwohnen und auch nicht durch ein gemeinsames Wirtschaften geprägt ist.45 Für die abschließende Beurteilung, ab wann die neu begründete Partnerschaft einen hinreichenden Grad der Verfestigung erreicht hat, sei jedoch außer den genannten Komponenten insbesondere das nach außen in Erscheinung tretende Gesamtbild maßgebend.46 Im Unterschied zur bundesverfassungsgerichtlichen Definition sei es aber ohne Belang, ob die Beziehung mit einem Partner des gleichen oder anderen Geschlechts geführt wird.47 Darüber hinaus wird nichteheliches Zusammenleben im Bereich des Sozialrechts näher definiert. Nach § 7 II 1 SGB II haben Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, die Möglichkeit Sozialleistungen nach dem SGB II zu beanspruchen.48 Wie aus § 7 III Nr. 3c, IIIa SGB II 41 Entsprechendes gilt auch für die Verwirkung des nachpartnerschaftlichen Unterhalts, vgl. § 16 LPartG. 42 BGH, FamRZ 2011, 1498 m. Anm. Maurer; BGHZ 176, 150 = FamRZ 2008, 1414; BGHZ 157, 395 = FamRZ 2004, 614, 616; BGHZ 150, 209 = NJW 2002, 1947 = FamRZ 2002, 810; BGH, NJW 1997, 1851 = FamRZ 1997, 671, 672 = JuS 1997, 849; BGH, NJW 1989, 1083 = FamRZ 1989, 487, 490; Palandt/Brudermüller, § 1579 Rn. 12; Schnitzler FF 2011, 290, 292; Schnitzler FF 2001, 82, 84. 43 BGH, FamRZ 2002, 810; Palandt/Brudermüller, § 1579 Rn. 12. 44 So etwa das OLG Oldenburg, NJW 2012, 2450 = FamRZ 2012, 1223 und das AG Essen, NJW 2009, 2460 = FamRZ 2009, 1917, die im Allgemeinen ein einjähriges Zusammenleben für ausreichend halten. Das AG Essen stützt seine Auffassung dabei unter anderem auf § 7 IIIa SGB II, wo ebenfalls von einem Jahr des Zusammenlebens gesprochen wird; dieser Ansicht auch Klein, Das neue Unterhaltsrecht 2008, III 9 c aa; das OLG Frankfurt, FF 2011, 121 = NJWRR 2011, 1155 hält keine Mindestdauer für erforderlich, weshalb eine Lebensgemeinschaft auch nach einem Zeitraum von ungefähr anderthalb Jahren als hinreichend gefestigt angesehen werden könne. 45 OLG Karlsruhe, NJW 2011, 6 = NJW-RR 2011, 655 = FamFR 2011, 175; OLG Karlsruhe, FuR 2009, 284 = FamRZ 2009, 351 = FF 2009, 35, 38. 46 BGH, FamRZ 2011, 1498 m. Anm. Maurer; BGHZ 176, 150 = FamRZ 2008, 1414; Schnitzler, FF 2011, 290; Palandt/Brudermüller, § 1579 Rn. 12 m.w.N. 47 BGH, NJW 2008, 2779 = FamRZ 2008, 1414; OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 1416. 48 In diesem Falle müssen bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit das Einkommen und das Vermögen des Partners Berücksichtigung finden, § 9 II SGB II.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

hervorgeht, kann eine solche Bedarfsgemeinschaft auch zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bestehen.49 Die hierbei verwendete Bezeichnung „Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft“ macht deutlich, dass heteround homosexuelle Paare gleichermaßen eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne der Vorschrift bilden können.50 Unter Berücksichtigung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hat das BSG die in §§ 7 III Nr. 3c, IIIa SBG II gesetzlich festgelegten Kriterien für das Vorliegen einer „Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft“ konkretisiert:51 Danach setze die Begründung einer solchen Gemeinschaft objektiv ein partnerschaftliches Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt voraus, welches subjektiv von einem wechselseitigen Verantwortungs- und Einstehenswillen der Partner getragen sein muss.52 Der subjektive Tatbestand werde bei positiver Feststellung einer der in § 7 IIIa SGB II aufgelisteten, nicht abschließenden53 Indizien vermutet. Es gelte jedoch, alle äußeren Umstände heranzuziehen, die auf den inneren Willen der Partner schließen lassen. Der Annahme einer gefestigten Lebensgemeinschaft stehe jedenfalls nicht entgegen, dass die Konsensualpartner an einer Eheschließung rechtlich gehindert sind, etwa weil einer der Partner noch verheiratet ist.54 Auch sei das Unterhalten einer geschlechtlichen Beziehung hierfür keine zwingende Voraussetzung.55 3. Definitionsansätze innerhalb der schweizerischen und deutschen Literatur Die zunehmende rechtliche Bedeutung nichtehelicher Lebensgemeinschaften hat dazu geführt, dass sich schweizerisches und deutsches Schrifttum verstärkt mit deren 49

Dazu auch PWW/Weinreich, Vor § 1297 Rn. 2 ff. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende am 01. 08. 2006 ist der Begriff der „eheähnlichen Gemeinschaft“ durch die Bezeichnung „Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft“ ersetzt worden. Erst seit dieser Gesetzesänderung werden neben heterosexuellen Paaren auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften als Bedarfsgemeinschaft angesehen; Das SG Düsseldorf, NJW 2005, 845 = FamRZ 2005, 660 erblickte bereits in der damaligen Nichtberücksichtigung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot (Art. 3 GG), da man eheähnliche Gemeinschaften gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ohne Unterhaltsverpflichtung ansonsten benachteiligen würde. 51 BSGE 111, 250 = NJW 2013, 957 = NZS 2013, 190; vgl. auch SG Aachen, openJur 2015, 17474. 52 BSGE 111, 250 = NJW 2013, 957 = NZS 2013, 190. 53 BT-Drucks. 16/1410 zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende, S. 19. 54 Vgl. OVG Hamburg, NJW 1996, 1225. 55 BVerfG, NJW, 1993, 643; BVerwG, NJW 1995, 2802; Burhoff/Willemsen, Handbuch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Rn. 503. Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 15; Schreiber, FPR 2001, 12, 14. 50

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begrifflicher Einordnung befasst haben. Allerdings wird nichteheliches Zusammenleben dabei oftmals nicht im Zusammenhang mit konkreten Rechtsfragen definiert, sondern vielmehr der Versuch unternommen, dieses regelungsübergreifend und allgemeingültig zu umschreiben. Mit der Zielsetzung, einen Lösungsvorschlag für das Schweizer Recht zu unterbreiten und dabei das Rechtsverständnis partnerschaftlichen Zusammenlebens insgesamt moderner zu gestalten, hat Ingeborg Schwenzer im Zuge ihres Beitrags „Model Family Code (MFC)“ einen eigenen Definitionsansatz formuliert. Nach Art. 1.1 Abs. 2 des MFC ist eine „mit Rechtsfolgen ausgestattete Lebensgemeinschaft dann anzunehmen, wenn (a) sie mehr als drei Jahre gedauert hat, (b) ein gemeinsames Kind vorhanden ist oder (c) ein oder beide Partner erhebliche Beiträge für die Gemeinschaft oder im alleinigen Interesse des anderen Partners erbracht hat oder haben.“56

Aus Gründen der Rechtssicherheit sei aber entscheidend, die Bestimmung der Lebensgemeinschaft nicht völlig in das Ermessen der Gerichte zu legen, sondern konkrete messbare Kriterien aufzustellen.57 Grundsätzliche Bedeutung schreibt Schwenzer daher dem dreijährigen Zusammenleben der Partner zu. Hierin liege ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer gegenseitigen Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Auch vor Ablauf dieser Zeit müsse eine rechtsrelevante Lebenspartnerschaft bejaht werden, wenn dieser entweder gemeinsame Kinder entsprungen sind oder die Partner einen wirtschaftlichen Beitrag größeren Umfangs für die Gemeinschaft erbracht haben. In diesen Fällen entstünden schützenswerte Interessenlagen, denen das Gesetz Rechnung tragen müsse. Neben diesen begrifflich festgeschriebenen Merkmalen seien aber weitere Kriterien zu berücksichtigen. So stellen etwa das Führen eines gemeinsamen Haushalts, das Unterhalten sexueller Kontakte oder die gemeinsame Anschaffung von Wirtschaftsgütern zusätzliche Indizien dar, die die Annahme einer Lebenspartnerschaft in diesem Sinne rechtfertigen können.58 Eine abschließende Bewertung müsse aber auf der Grundlage sämtlicher Kriterien erfolgen. Um daher das Vorliegen einer stabilen Lebenspartnerschaft bejahen zu können, komme es maßgeblich auf deren Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit an.59 Eine ganz ähnliche Definition zur faktischen Lebensgemeinschaft hat die Rechtsgelehrte Michelle Cottier im Rahmen ihres Berichts zur Umsetzung der 56 57 58 59

Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979 und 1005; Schwenzer, Model Family Code, S. 7. Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979; Schwenzer, Model Family Code, S. 7. Schwenzer, Model Family Code, S. 8 f. Schwenzer, Model Family Code, S. 9.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Motion Gutzwiller hervorgebracht und diesbezüglich nachfolgende Gesetzesformulierung empfohlen: „Eine faktische Lebensgemeinschaft besteht dann, wenn zwei Personen gleichen oder verschiedenen Geschlechts als Paar zusammenleben und mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist: 1. Die Lebensgemeinschaft hat mindestens drei Jahre gedauert; 2. in der Gemeinschaft leben Kinder, die mit den Partnern aufgrund eines Kindesverhältnisses im Sinne von Art. 252 ff. ZGB oder einer faktischen Eltern-Kind-Beziehung verbunden sind; oder 3. die Partner leisten sich regelmässig Beistand in bedeutendem Umfang.“60

Nach Cottier dürfen von dem faktischen Beziehungsverhältnis nur dann Rechtswirkungen ausgehen, wenn die Partner erkennbar Verantwortung füreinander übernehmen bzw. übernommen haben.61 Eine entsprechende Verantwortungsübernahme ergebe sich „aus einer längeren Dauer des Zusammenlebens, der Existenz gemeinsamer Kinder oder Unterstützungs- oder Pflegeleistungen in bedeutendem Umfang“.62 Angesichts des „rein faktischen Charakters der Lebensgemeinschaft“ sei für die gesetzliche Umschreibung die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe unverzichtbar.63 Diese gelte es von den Gerichten und Behörden nach pflichtgemäßem Ermessen (Art. 4 ZGB) näher zu konkretisieren.64 Ein weiterer Definitionsansatz geht auf die Rechtswissenschaftler Alexandra Rumo-Jungo und Peter Liatowitsch zurück, nach deren Verständnis „ein unverheiratetes Paar dann eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bildet, wenn es voraussichtlich auf längere Zeit in geistig-seelischer Verbundenheit sowie in (gewissem) wirtschaftlichem Zusammenwirken sein Leben gemeinsam gestaltet und pflegt.“65

Dabei dürfe der Konkubinatsbegriff keinesfalls auf verschiedengeschlechtliche Paare beschränkt sein, sondern müsse auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner erfassen. Allerdings sei weder das Vorhandensein einer gemeinsamen Wohnung oder gar das eines gemeinsamen Wohnsitzes noch die Unterhaltung geschlechtlicher Kontakte erforderlich.66 Es genüge, wenn das Paar gemeinsame Zeit miteinander verbringe, was auch an abwechselnden Orten möglich sei.67 So gesehen stellt dieser Lösungsvorschlag maßgeblich die geistige Verbundenheit der Partner und damit subjektive Kriterien für die Begriffsbestimmung in den Vordergrund. 60 61 62 63 64 65 66 67

Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35. Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35. Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35. Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35. Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35. Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 896 f. Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 896 f. Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 897.

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Auch im deutschen Schrifttum haben sich zahlreiche Definitionen hinsichtlich der rechtlichen Einordnung nichtehelicher Lebensgemeinschaften herausgebildet. Besonders umfassend hat sich Sonja Venger im Zuge ihrer Dissertation „Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften“ mit deren Begriffsbestimmung befasst und dazu folgenden Regelungsvorschlag unterbreitet:68 „§ 1 Nichteheliche Lebensgemeinschaft (I) Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ist eine auf Dauer angelegte, von einer gegenseitigen Einstehens- und Fürsorgebereitschaft gekennzeichnete Partnerschaft zwischen zwei volljährigen Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts, die keine weiteren Partnerschaften neben sich zulässt, über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht und bei der die Partner – seit mindestens einem Jahr ununterbrochen zusammenleben oder – mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben. (II) Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft entsteht nicht – zwischen Personen, die in gerader Linie miteinander verwandt sind; – zwischen vollbürtigen oder halbbürtigen Geschwistern.“69

Im Unterschied zu Cottier, Rumo-Jungo und Liatowitsch misst Venger den Merkmalen „Zusammenleben“ und „Dauer der Beziehung“ besondere Bedeutung bei, indem sie diese als objektive Kriterien festschreibt.70 Für Venger besteht – ebenso wie für Schwenzer – vor allem in der Nachprüfbarkeit der einzelnen Merkmale eine Grundvoraussetzung, um an das faktische Zusammenleben Rechtsfolgen knüpfen zu können.71 So sei die Wohngemeinschaft als grundsätzlich überprüfbare Voraussetzung ein wesentliches Kriterium zur Bestimmung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft.72 Zudem würde die zeitliche Mindestdauer von einem Jahr der Stabilität der partnerschaftlichen Beziehung ausreichend Nachdruck verleihen.73 Außer der Festlegung positiver Merkmale zur Umschreibung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft stellt Venger in Abs. 2 ihres Regelungsvorschlags aber auch Kriterien auf, die solche Formen des Zusammenlebens ausgrenzt, die nicht dem begrifflichen Anwendungsbereich unterfallen sollen. 68 Venger, Gesetzliche schaften, S. 137 ff. 69 Venger, Gesetzliche schaften, S. 137 f. 70 Venger, Gesetzliche schaften, S. 131 ff. 71 Venger, Gesetzliche schaften, S. 131. 72 Venger, Gesetzliche schaften, S. 132 f. 73 Venger, Gesetzliche schaften, S. 134.

Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher LebensgemeinRegelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher LebensgemeinRegelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher LebensgemeinRegelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher LebensgemeinRegelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher LebensgemeinRegelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemein-

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Neben den aufgezeigten Definitionsansätzen haben viele weitere Personen – wie etwa Schwander74, Cottier/Crevoisier75, Aebi-Müller/Widmer76, Pichonnaz77, Bietenharder-Künzle78, Frank79, Grziwotz80 Burhoff/Willemsen81 oder Schreiber82 – versucht, dem Begriff der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ebenso Gestalt zu verleihen oder zumindest die einzelnen von der Rechtsprechung formulierten Begriffsmerkmale weiter zu konkretisieren. Allerdings stimmen deren Begriffsbestimmungen im Wesentlichen mit den bereits hier genannten überein, so dass auf eine gesonderte Ausführung weiterer Definitionen an dieser Stelle verzichtet werden kann.

II. Beurteilung und Auswertung der verschiedenen Definitionsansätze im Hinblick auf ein erbrechtliches Begriffsverständnis der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Die dargestellten Definitionen aus Rechtsprechung und Literatur stimmen in ihren grundlegenden Merkmalen – Wohngemeinschaft, Dauer des Zusammenlebens, Wirtschaft- und Geschlechtsgemeinschaft – überein. In ihren Details zeigen sich jedoch Unterschiede, die vor allem in der teilweise unterschiedlichen Gewichtung einzelner Begriffsmerkmale zum Ausdruck kommen. Dabei lassen sich aus den zur allgemeinen Umschreibung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aufgestellten Kriterien83 Rückschlüsse auf die Qualität einer Beziehung ziehen. Eine entscheidende Frage wird in diesem Zusammenhang sein, welche Gewichtung und Bedeutung den verschiedenen Merkmalen zur Beschreibung eines erbrechtlich relevanten Konkubinats beigemessen werden sollen.

74

Schwander, AJP 1994, 918 ff. Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34. 76 Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 1 ff. 77 Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 671 ff. 78 Bietenharder-Künzle, Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Konkubinats, S. 50 f. 79 Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 4 ff. 80 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 33 ff. und 41 ff. 81 Burhoff/Willemsen, Handbuch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Rn. 497 ff. 82 Schreiber, FPR 2001, 12, 14 f. 83 Wie etwa das Vorhandensein einer Wohnungs-, Bett- und/oder Wirtschaftsgemeinschaft für eine gewisse Mindestdauer. 75

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1. Wohngemeinschaft a) Bedeutung des Merkmals „Wohngemeinschaft“ Das Bestehen einer Wohn- bzw. Haushaltsgemeinschaft wird sowohl in der schweizerischen84 und deutschen85 Rechtsprechung als auch vom Großteil der Literatur86 als eine zentrale, wenngleich nur selten konstitutive Voraussetzung für die Bestimmung einer gefestigten Lebenspartnerschaft verstanden. Auch in anderen Rechtsordnungen87 stellt die Wohngemeinschaft ein wesentliches, mitunter zwingendes Merkmal zu deren Umschreibung dar.88 Dass dem partnerschaftlichen Zusammenwohnen somit regelmäßig eine hohe Indizwirkung hinsichtlich des Vorliegens eines qualifizierten Konkubinats zugeschrieben wird, hat mehrere Gründe. Zum einen spricht das Unterhalten einer gemeinsamen Wohnung und die damit zusammenhängende finanzielle Verbundenheit für eine enge Bindung der Partner mit dem Willen füreinander einzustehen, sowohl in geistig-ideeller als auch wirtschaftlicher Hinsicht. Der Entschluss, zusammenzuziehen, kann daher als Beleg für das gegenseitige Vertrauen der Partner in die Stabilität ihrer Beziehung verstanden werden. Dagegen bringen Lebenspartner, die in zwei getrennten Wohnungen leben, grundsätzlich zum Ausdruck, dass sie sich einen gewissen Freiraum offen halten möchten. Unter diesen Umständen kann regelmäßig nicht gefolgert werden, dass sie den manifestierten Willen gehabt haben, ihre Lebensgemeinschaft als ungeteilte

84 BGE 138 III 157, 160 f., E. 2.3.3; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5.1.2; BGE 118 II 235, 238, E. 3b; BGE 134 V 369, 374, E. 6.1.1; BGE 124 III 52, 54 f., E. 2a/aa; BGE 2C_748/2008 vom 19. März 2009, E. 3.1; BGE 2P_179/2003 vom 17. Juni 2004, E. 3; vgl. zur erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Rechtsprechung der Schweizer Kantone Hindersmann/Myßen, Die Erbschafts- und Schenkungssteuern der Schweizer Kantone, S. 267 ff.; anders BGE 134 V 369, 379 f., E. 7.1, wonach eine ständige und ungeteilte Wohngemeinschaft kein begriffsnotwendiges (konstitutives) Element für eine Lebensgemeinschaft im berufsvorsorgerechtlichen Sinne bildet. 85 BVerfGE 67, 234, 264; BVerwGE 98, 195, 198; BGHZ 121, 116, 124; BGHZ 168, 245, 252. 86 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979; Schwenzer, Model Family Code, S. 7: Art. 1.1 Abs. 2 MFC; Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670 ff.; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35; Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 4; Schreiber, FPR 2001, 12, 14 f.; Palandt/Brudermüller, § 1579 Rn. 12; eine konstitutive Bedeutung hingegen ausdrücklich ablehnend Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 65; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 897; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 186; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 6. Teil, Rn. 1. 87 Wie unter anderem in Österreich, Belgien, Schweden und Norwegen. 88 Vgl. die zusammenfassende Darstellung von Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 579 f.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Wohngemeinschaft in derselben Haushaltung zu leben.89 Die räumliche Zuordnung der Lebenspartner ist für die Beurteilung der Qualität einer Beziehung insofern maßgeblich, da bei räumlicher Trennung nur in seltenen Fällen von einer hinreichend gefestigten Lebensgemeinschaft gesprochen werden kann. Zum anderen wird mit der Entscheidung, einen gemeinsamen Haushalt zu gründen, die Zusammengehörigkeit von Lebenspartnern nach außen hin sichtbar.90 Im Merkmal der Wohngemeinschaft liegt insoweit ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die gerichtliche Praxis begründet. Darüber hinaus stellt das Zusammenwohnen der Partner auch für die eheliche bzw. lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft ein charakteristisches Merkmal dar. Während jedoch das Kriterium Wohngemeinschaft zur Umschreibung nichtehelicher Lebensgemeinschaften teilweise begriffsnotwendig ist, besteht eine Ehe stets unabhängig dieses Erfordernisses als rechtlich verbindliches Band fort.91 Dies gilt selbst bei gerichtlich angeordneter Trennung, §§ 146 ff., 170 ZGB. Im Unterschied zur nichtehelichen Lebenspartnerschaft müssen für die wirksame Begründung einer Ehe aber formale und damit nachprüfbare Kriterien erfüllt sein.92 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass dem partnerschaftlichen Zusammenwohnen bei der Bestimmung qualifizierter Konkubinate enorme Bedeutung zukommt. Klar ist aber auch, dass das bloße Bestehen einer Wohngemeinschaft zur Annahme einer gefestigten Lebenspartnerschaft für sich genommen nicht ausreichen kann.93 Schließlich bildet nicht jedes Paar, das zusammen in einer Wohnung lebt, zwangsläufig eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Die Beziehung nichtehelicher Lebenspartner muss vielmehr über die einer reinen Haushaltsgemeinschaft hinausgehen, um sich dadurch auch von anderen Beziehungsverhältnissen abzugrenzen. So erfüllt etwa eine studentische Wohngemeinschaft das Kriterium gemeinsamen Wohnens, obwohl deren Begründung – anders als beim Konkubinat – vornehmlich auf wirtschaftlichen und solidarischen Interessen beruht, es sich also um eine reine Zweckgemeinschaft handelt. Daher steht außer Frage, dass neben einer Haushaltsgemeinschaft noch weitere Merkmale zur begrifflichen Umschreibung des Konkubinats hinzutreten müssen.

89

Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), Mitteilung über die berufliche Vorsorge: Zusammenstellung der Hinweise, Stellungnahmen des BSV und der Rechtsprechung zur Begünstigtenordnung in der 2. Säule und der Säule 3a (Stand: 28. November 2013), S. 7. 90 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 132. 91 Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 4. 92 So setzt die wirksame Eheschließung die Mitwirkung eines Standesbeamten voraus und wird in das Eheregister eingetragen. Zwar stellt die Eintragung ins Eheregister keine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für die Begründung einer Ehe dar. Doch findet eine Eintragung in der Praxis grundsätzlich immer statt. 93 CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 1; vgl. auch BGE 118 II 235, 239, E. 3c.

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b) Inhaltliche Anforderungen an das Merkmal „Wohngemeinschaft“ aa) Grundsätzliches Um eine praxistaugliche Begriffsbestimmung des erbrechtsrelevanten Konkubinats zu erhalten, sollte die Wohngemeinschaft als äußerlich erkennbares Merkmal zwingend festgeschrieben werden.94 Denn ohne die Festlegung objektiv nachprüfbarer Voraussetzungen dürfte es einer gerade auch für den gesetzlichen Regelfall konzipierten Lösung an Rechtssicherheit fehlen.95 Insoweit sollte man davon absehen, dem Kriterium des Zusammenwohnens lediglich Indizwirkung zuzuweisen. Mit der konstitutiven Ausgestaltung des Merkmals Wohngemeinschaft ist jedoch noch nicht geklärt, welche konkreten Anforderungen an das gemeinsame Wohnen nichtehelicher Partner gestellt werden müssen. Hierbei dürfte zunächst entscheidend sein, dass nicht schon kurze, wenn auch häufige Besuche darunter fallen.96 Vielmehr müssen die Merkmale einer Wohngemeinschaft im eigentlichen Sinne erfüllt sein, d. h. Anhaltspunkte für ein Zusammenleben während des Tages und der Nacht, wie es unter normalen Umständen auch in einer Ehe üblich ist.97 Dabei braucht ein gemeinsames Schlafzimmer jedoch nicht vorhanden zu sein. Der individuell räumlichen Aufteilung der Wohnung darf insoweit keine Bedeutung beigemessen werden. Von einem solchen Erfordernis wird richtigerweise auch im Rahmen der anderen Begriffsbestimmungen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft abgesehen, da sich einerseits eine Überprüfung aufgrund des hierfür erforderlichen Eingriffs in die Privatsphäre nur schwerlich durchführen ließe und andererseits eine entsprechende Komponente auch bei der Umschreibung der ehelichen Gemeinschaft nicht von Belang ist [vgl. Kap. 6, B.]. Eine einheitliche Beurteilung, wann die Voraussetzungen einer zwischen nichtehelichen Lebenspartnern begründeten Wohngemeinschaft im Rechtssinne erfüllt sind, existiert allerdings ebenso wenig wie eine allgemeingültige Definition des gefestigten Konkubinats insgesamt. Insofern werden auch an das Vorliegen einer Wohngemeinschaft nichtehelicher Partner, abhängig vom jeweiligen Regelungsbereich und zugrunde liegenden Sachverhalt, unterschiedliche rechtliche Anforderungen geknüpft. 94

So auch Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 132; Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979. 95 Zuzustimmen ist insoweit der Aussage von Schreiber, FPR 2001, 12, 15: „Die Überprüfbarkeit ist aber eine Grundvoraussetzung, wenn sich aus der Position [der des nichtehelichen Lebenspartners] Rechtsfolgen ergeben sollen als Hausgenosse, Schuldner oder Ähnliches“. 96 Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 4. 97 Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 4 unter Verweis auf BGE 71 IV 50; ZR 37/1938 Nr. 84.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

So können etwa regelmäßige Besuche und Aufenthalte in der Wohnung des Lebenspartners ausreichen, um die Annahme einer gefestigten Lebenspartnerschaft im berufsvorsorgerechtlichen Sinne zu bejahen.98 Einer ständigen und ungeteilten Wohngemeinschaft braucht es in diesem Zusammenhang folglich nicht. Konsensualpartner haben daher ganz ohne Vorliegen einer Wohngemeinschaft Anspruch auf die Hinterlassenenleistungen der Vorsorgeeinrichtung des verstorbenen Partners, wenn aufgrund der Gesamtumstände von der Bereitschaft beider Partner auszugehen ist, einander Beistand und Unterstützung zu leisten, wie es Art. 159 III ZGB auch von Ehegatten fordert.99 Dagegen können nichteheliche Lebenspartner nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht des Kantons Bern von einer ermäßigten Steuer nur dann profitieren, wenn sie zum Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs mit der zugewendeten Person über einen bestimmten Zeitraum in Wohngemeinschaft mit gleichem steuerrechtlichen Wohnsitz gelebt haben, Art. 19 ESchG-BE (Kanton Bern).100 Die steuerrechtliche Bestimmung setzt für eine Registrierung des Zusammenwohnens somit ein gemeinsames Domizil der Lebenspartner voraus. Dass, abhängig vom jeweiligen Regelungsbereich, unterschiedliche Anforderungen an das Zusammenwohnen nichtehelicher Paare gestellt werden, lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass sich die zugrunde liegenden Regelungsinhalte in ihrer Bedeutung und Tragweite maßgeblich voneinander unterscheiden. So ist etwa bei der Gewährung von Hinterlassenenleistungen (sog. Witwen- bzw. Partnerrente), die der finanziellen Absicherung des überlebenden Lebenspartners dienen, gerade die Beurteilung des jeweiligen Sachverhalts im konkreten Einzelfall entscheidend, weshalb auch die Anforderungen hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens einer anspruchsbegründenden Partnerschaft individuell unterschiedlich bewertet werden. Für die erbrechtliche Einordnung des Konkubinats würde sich jedoch eine ausschließlich einzelfallorientierte und damit weitgehend unbestimmte Umschreibung kaum eignen, da es sich beim Erbrecht, insbesondere der gesetzlichen Erbfolge, um einen abstrakt-generellen Regelungskomplex handelt. Um daher „à la carte“-Regelungen zu vermeiden, wird eine gesetzliche Ordnung des Konkubinats für alle Konkubinate gleich lauten müssen.101 Überließe man nämlich allein den Gerichten, 98

BGE 134 V 369, 374 ff., E. 6.1.1 und E. 7. BGE 134 V 369, 374 ff., E. 6.1.1 und E. 7. 100 Auch in den meisten anderen Kantonen ist eine steuerrechtliche Privilegierung nichtehelicher Paare vorgesehen, so unter anderem im Kanton Basel-Landschaft, Art. 12 I lit. b ESchG des Kantons Basel-Landschaft; vgl. zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht der Schweiz die Übersicht Credit Suisse, Übersicht kantonale Erbschafts- und Schenkungssteuer (Stand: 1. Januar 2014), abrufbar unter: www.credit-suisse.com/ch (Stand: 04. 11. 2016); sowie Hausheer/Aebi-Müller, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 213, 246; Wolf/Dorjee-Good, Länderbericht Schweiz, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 186 ff.; Mäusli-Allenspach, successio 4 (2010), 179, 187, 189. 101 Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 310. 99

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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die weitere Eingrenzung der Tatbestandsmerkmale eines Konkubinats im jeweiligen Einzelfall vorzunehmen, so gingen damit zahlreiche Probleme einher:102 Ein wesentliches Problem bestünde bereits in der durch die Unbestimmtheit der Regelung hervorgerufenen Rechtsunsicherheit der weiteren Erben einerseits, aber auch den Gläubigern des Erblassers andererseits. Die Klärung der Rechtsnachfolge hinge regelmäßig von einer umfassenden Einzelfallprüfung der Nachlassgerichte ab, so dass möglicherweise über einen längeren Zeitraum Ungewissheit über Bestehen oder Nichtbestehen der Erbenstellungen herrschen würde. Dies könnte gerade in solchen Fällen gravierende, besonders wirtschaftliche Folgen haben, in denen der Erblasser Inhaber eines Unternehmens war und nach dessen Tod die Unternehmensnachfolge nunmehr aufgrund der erbrechtlich undurchsichtigen Situation längere Zeit ungeklärt bliebe. Im Unterschied zu den unterhaltsrechtlichen, Art. 129 I ZGB, oder berufsvorsorgerechtlichen Regelungen, Art. 20a I lit. a BVG, bei denen es „lediglich“ um die Gewährung geldwerter und in der Größenordnung regelmäßig überschaubarer Leistungen geht, lassen sich finanzielle Schäden, die aus Problemen bei der Bestimmung der Erbrechtsnachfolge resultieren, oftmals nicht mehr ohne Weiteres rückabwickeln. Angesichts dessen ist es bedeutsam, die Wohngemeinschaft nicht nur als konstitutives Merkmal festzuschreiben, sondern auch klar zu definieren, welche Voraussetzungen hierfür im Einzelnen erfüllt sein müssen. bb) Gemeinsamer (zivilrechtlicher) Wohnsitz als objektiver Anknüpfungspunkt einer gefestigten Lebensgemeinschaft Um die objektive Nachprüfbarkeit des Merkmals Wohngemeinschaft zu gewährleisten, erscheint eine Anknüpfung an den gemeinsamen Wohnsitz der Lebenspartner notwendig.103 Hierfür sollte auf den zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff aus Art. 23 ZGB abgestellt werden.104 Gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift liegt der Wohnsitz einer Person an dem Ort, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält. Objektiv ist somit der physische Aufenthalt der Person an dem betreffenden Ort erforderlich, der subjektiv vom 102 Dieser Auffassung auch Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979; Schwenzer, Model Family Code, S. 7. 103 So bedient sich auch die deutsche Gerichtsbarkeit vornehmlich den objektiv nachprüfbaren Kriterien „Zusammenwohnen“ und „Dauer“, um eine Verfestigung der Partnerschaft zu belegen, vgl. zusammenfassend Schreiber, FPR 2001, 12, 14 f. 104 Im Steuerrecht ist hingegen der steuerrechtliche Wohnsitz maßgebend, vgl. Art. 3 I und II StHG (Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden), den es insoweit vom zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff zu unterscheiden gilt, vgl. hierzu BSK-ZGB-I/Staehelin, Art. 23 Rn. 3 und 13 jeweils m.w.H.; Höhn/Mäusli, Interkantonales Steuerrecht, S. 79 ff.; Locher, Einführung in das interkantonale Steuerrecht, S. 26 ff.; Zweifel/Hunziker, in: Zweifel/Beusch/Mäusli-Allenspach (Hrsg.), Interkantonales Steuerrecht, § 5 f.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Willen dauernden Verbleibens getragen sein muss.105 Auf das Vorliegen eines entsprechenden inneren Willens kann allerdings nur dann geschlossen werden, wenn er sich nach außen erkennbar zeigt, z. B. durch Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags.106 Daher ist für die Bestimmung des Wohnsitzes der Lebensmittelpunkt einer Person ausschlaggebend, der sich dort befindet, wo sie ihre intensivsten familiären, gesellschaftlichen und beruflichen Beziehungen unterhält, wobei die gesamten Lebensumstände eine Rolle spielen.107 Da das kantonale Recht für in der Schweiz niedergelassene Bürger eine allgemeine Meldepflicht vorsieht,108 den Wohnsitz sowie die aktuelle Wohnadresse beim zuständigen Personen- bzw. Einwohnermeldeamt einer Gemeinde anzugeben, vgl. Art. 6 lit. d und g RHG (Registerharmonisierungsgesetz)109, werden zudem objektive Tatsachen geschaffen, deren Überprüfung ohne größere Anstrengungen durch einen Blick ins Einwohnerregister möglich ist. Eine Anknüpfung an den gemeinsamen Wohnsitz nichtehelicher Lebenspartner mit gemeinsamer Meldeadresse würde somit dem Bedürfnis nach mehr Rechtsklarheit und -sicherheit Rechnung tragen.110 Leben die Partner hingegen in einem Mehrfamilienhaus, so ist entscheidend, dass sie dort keine getrennten Wohnungen beziehen, sondern tatsächlich einen gemeinsamen Haushalt führen.111 Zwar kommt es auch vor, dass Einzelne ihrer Meldepflicht nicht nachkommen und sich somit ordnungswidrig verhalten. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber jedoch keine Rechnung zu tragen, da eine gesetzliche Regelung nicht darauf aus-

105

BSK-ZGB-I/Staehelin, Art. 23 Rn. 5 ff. und 20 ff. BGE 97 II 3 f.; BGE 108 I a 255; BGE 119 II 65; BGE 120 III 8; BGE 125 V 78; BGE 127 V 238; BSK-ZGB-I/Staehelin, Art. 23 Rn. 5; so bereits Holenstein, Der privatrechtliche Wohnsitz im schweizerischen Recht, S. 82. 107 BSK-ZGB-I/Staehelin, Art. 23 Rn. 5 f.; CHK-ZGB-I/Breitschmid, Art. 23 Rn. 3; BGE 135 I 233, E. 5.1; BGE 125 III 100, 102; BGE 119 III 54; BGE 97 II 1, E. 4; BGE 85 II 318, E. 3. 108 Vgl. hierzu Art. 2 Gesetz über die Niederlassung der Schweizer (BR 130.200); Art. 1 I, 3 I GNA-BE (Gesetz über Niederlassung und Aufenthalt der Schweizer des Kantons Bern); Art. 3 I, II und Art. 4 I lit. a NAG-SG (Gesetz über Niederlassung und Aufenthalt des Kantons St. Gallen); § 2a I, II und Art. 3 NAG-LU (Gesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt des Kantons Luzern), § 32 I lit. a Züricher GG (Züricher Gemeindegesetz), Art. 2 lit. a VNA-BE (Verordnung über Niederlassung und Aufenthalt der Schweizer des Kantons Bern). 109 Bundesgesetz über die Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister. 110 Gegen eine Wohnsitzanknüpfung Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 897; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 65. 111 Anders Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 6. Teil, Rn. 1, der eine verfestigte Lebenspartnerschaft nicht nur im Falle sog. „Stockwerks-Partnerschaften“, sondern auch bei räumlich größerer Entfernung für möglich erachtet. Zu dieser Auffassung gelangt Grziwotz trotz eigener Erkenntnis, dass in diesen Fällen kaum objektiv erkennbare Anzeichen für ein Zusammenleben der Partner gegeben sind und deshalb erhebliche Nachweisprobleme bestehen. 106

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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gerichtet sein muss, auch solche Personen bzw. Paare zu schützen, die sich nicht im Einklang mit der bestehenden Rechtsordnung befinden. Allerdings braucht die Wohngemeinschaft keine ausschließliche zu sein. Eine gefestigte Lebensgemeinschaft sollte auch dann angenommen werden, wenn die Partner noch eine eigene (Neben-)Wohnung, gegebenenfalls sogar einen Zweitwohnsitz haben, in der sie sich nur gelegentlich aufhalten.112 Das Vorliegen einer weiteren Wohnung stünde der Begründung eines Konkubinats also nicht entgegen, solange die Partner eine Gemeinschaftswohnung unterhalten,113 die dem Paar als Hauptwohnsitz i.S.v. Art. 23 I ZGB dient. Problematisch könnte die Bestimmung des Hauptwohnsitzes in den Fällen werden, in denen die Partner berufsbedingt an zwei verschiedenen Orten Wohnungen unterhalten und daher die Nächte unter der Woche am Arbeitsort verbringen. Während bei verheirateten Personen grundsätzlich angenommen wird, dass sie ihren gemeinsamen Lebensmittelpunkt am Wohnort der Familie und nicht am Arbeitsort haben,114 muss dies bei Konkubinatspaaren jeweils im Einzelfall festgestellt werden.115 Allerdings ist auch die Wohnsitzbestimmung von Konsensualpartnern regelmäßig ohne größere Schwierigkeiten möglich, da es hierbei weniger relevant ist, ob sie sich unter der Woche am Arbeitsort aufhalten.116 Für die Annahme eines gemeinsamen Wohnsitzes ist vielmehr entscheidend, dass sie die Wochenenden an einem gemeinsamen Ort verbringen.117 Daher stehen bei der Bestimmung des Lebensmittelpunktes von in nichtehelicher Gemeinschaft lebenden Personen ebenso wie bei Ehegatten stets das private und nicht das berufliche Leben im Vordergrund.118 Insofern ist der gedankliche Rückschluss naheliegend, dass eine eheähnliche Gemeinschaft nur zwischen zwei Partnern bestehen kann, die einen gemeinsamen (räumlichen) Lebensmittelpunkt haben. Im deutschen Recht ist mit § 7 BGB eine weitgehend inhaltsgleiche Regelung zum zivilrechtlichen Wohnsitzbegriff vorhanden. So befindet sich der Wohnsitz einer in Deutschland lebenden Person dort, wo ihr räumlicher Lebensmittelpunkt liegt.119 112 Bietenharder-Künzle, Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Konkubinats, S. 50 f.; Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 7. 113 Diesen Gedanken – trotz grundsätzlich ablehnender Haltung gegenüber einer konstitutiven Stellung der Wohngemeinschaft – als bedenkenswerten Lösungsvorschlag betrachtend Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 896 Fn. 5. 114 BGE 96 II 166; BSK-ZGB-I/Staehelin, Art. 23 Rn. 11. 115 BSK-ZGB-I/Staehelin, Art. 23 Rn. 12. 116 BGE 96 II 161, E. 3; vgl. auch BGE 1C_373/2007 vom 06. August 2008; CHK-ZGB-I/ Breitschmid, Art. 23 Rn. 3; BSK-ZGB-I/Staehelin, Art. 23 Rn. 12. 117 BGE 132 I 29, 36 f., E. 4.2; BGE 2C_230/2008 vom 27. August 2008 E. 3.1 f.; BGE 2C_769/2007 vom 29. April 2008 E. 3.1 f.; BGE 2P_179/2003 vom 17. Juni 2004 E. 2.3 f.; BGE 115 Ia 212, E. 3; BGE 125 I 54, E. 3a. 118 BGE 88 III 139; BSK-ZGB-I/Staehelin, Art. 23 Rn. 13. 119 Palandt/Ellenberger, § 7 Rn. 1.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Ungeachtet der arbeitsbedingten Wohnsituation ist das bei Ehegatten der Ort, an dem sie ihre eheliche Gemeinschaft verwirklichen (sog. Familienwohnsitz).120 Da die landesrechtlichen Meldegesetze keine entsprechenden Regelungen zum Familienwohnsitz nichtehelicher Lebensgemeinschaften enthalten, kann es vorkommen, dass die Lebenspartner melderechtlich unterschiedliche Wohnsitze innehaben, wenn sie beruflich an einem anderen Ort tätig sind.121 Allerdings ist es nichtehelichen Lebenspartner zum Zwecke steuerlicher Einsparungen gestattet, unter gewissen Umständen eine der beiden Wohnung zur Familienwohnung zu erklären, wenn die aus der doppelten Haushaltsführung resultierenden Mehraufwendungen (sog. Werbungskosten) beruflich veranlasst sind.122 Die in diesem Zusammenhang für Ehegatten geltenden Grundsätze können insofern auch auf nichteheliche Lebensgemeinschaften übertragen werden.123 Im Gegensatz zur Schweiz, Art. 23 II ZGB, ist es in Deutschland überdies möglich, einen doppelten Wohnsitz zu begründen, § 7 II BGB. Ein sog. Doppelwohnsitz kommt aber bloß in solchen Fällen in Betracht, in denen eine Person jeweils halbjährig an zwei verschiedenen Orten lebt, etwa im Sommer im Landhaus und im Winter in der Stadtwohnung.124 Eine nichteheliche Lebenspartnerschaft wird man jedoch regelmäßig nur dann als hinreichend gefestigt bezeichnen können, wenn beide Partner die Voraussetzungen für einen doppelten Wohnsitz erfüllen. Leben die Partner nämlich über einen längeren Zeitraum getrennt, so dürfte die Intensität ihrer Beziehung durchaus in Frage zu stellen sein. Zumindest aber müssen die Konsensualpartner wenigstens einen der Wohnorte als ständigen gemeinsamen Hauptwohnsitz mit gemeinsamer Meldeadresse innehaben, damit das Bestehen einer Wohngemeinschaft im erbrechtlichen Sinne bejaht werden kann. cc) Kritik und Stellungnahme Das Merkmal der Wohngemeinschaft an das Vorhandensein eines gemeinsamen Wohnsitzes zu knüpfen, stößt in Teilen der Literatur aber auch auf Kritik.125 Eine Definition der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die den gemeinsamen Wohnsitz der Konsensualpartner als zwingendes Erfordernis voraussetzt, könne den gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen und wirtschaftlichen Gegebenheiten 120

Burhoff/Willemsen, Handbuch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Rn. 1703. So unter anderem § 16 II 2 MeldeG NRW v. 16. 09. 1997 (GV. NRW. S. 332, ber S. 386), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 8. 12. 2009 (GV. NRW. S. 765) geändert worden ist; Burhoff/Willemsen, Handbuch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Rn. 1703. 122 BFH, NJW 2007, 2143 = DStR 2007, 795. 123 Burhoff/Willemsen, Handbuch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Rn. 1704 ff. 124 Palandt/Ellenberger, § 7 Rn. 13. 125 Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 65; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 897; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 186; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 6. Teil, Rn. 1. 121

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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nicht gerecht werden.126 Schließlich würden Lebenspartner oftmals aus beruflichen, gesundheitlichen oder anderen schützenswerten Gründen nicht die ganze Zeit zusammenwohnen. Daher müsse es genügen, wenn das Paar regelmäßig gemeinsame Zeit miteinander verbringt, was auch an abwechselnden Orten möglich sei.127 Obwohl sich eine gefestigte Lebenspartnerschaft bei räumlicher Trennung nur sehr schwer nachweisen lässt, könne gleichwohl das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit und der gegenseitigen Verantwortung der Partner bestehen.128 Einem grundsätzlich stabilen Konkubinatsverhältnis somit allein wegen des Fehlens eines gemeinsamen Wohnsitzes die rechtliche Anerkennung absprechen zu wollen, würde zu unsachgerechten Ergebnissen führen. Diese vornehmlich im Schrifttum geäußerte Kritik ist in Teilen nachvollziehbar, vermag im Hinblick auf eine erbrechtliche Lösung jedoch nicht zu überzeugen. Wie vorangegangen dargestellt, bestimmt sich der Wohnsitz einer Person zuvorderst nach dessen familiärem Lebensmittelpunkt. Insofern ändert sich die Wohnsitzsituation eines Partners grundsätzlich nicht, wenn sich dieser beispielsweise gesundheitsbedingt über längere Zeit im Krankenhaus oder anderen Einrichtungen (psychiatrische Heil- oder Strafanstalt) aufhält.129 Selbiges gilt für beruflich veranlasste Wohnaufenthalte.130 Zudem kann nicht ernsthaft erwartet werden, dass eine das faktische Konkubinatsverhältnis umfassende Erbregelung jedweder Einzelfallgestaltung gerecht wird. Es sind sicher Konstellationen denkbar, bei denen es an dem Erfordernis des gemeinsamen Wohnortes fehlt, aber dennoch eine intensive Bindung zwischen den Lebenspartnern besteht. Man stelle sich ein unverheiratetes Paar vor, das über Jahre hinweg eine innige Beziehung führt, stets füreinander eingetreten ist und sich gegenseitig unterstützt hat, aber aus familiären Gründen keinen gemeinsamen Wohnsitz unterhält. So leben die Partner unter Umständen deshalb in zwei getrennten Wohnungen, weil sie sich aufgrund jeweils eigener Kinder, die etwa aus einer früheren Beziehung oder Ehe hervorgegangen sind, an den Wohnort ihrer Kinder gebunden fühlen, um in deren Nähe bleiben zu können. Einem Umzug könnte dabei die fehlende Einwilligung des anderen erziehungsberechtigten Elternteils oder auch die allgemeinen Lebensumstände der Kinder (schulische Situation etc.) entgegenstehen. In Ermangelung eines gemeinsamen Wohnsitzes würde der überlebende Lebens-

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Bundesamt für Sozialversicherungen BSV: Geschäftsfeld Alters- und Hinterlassnenvorsorge, Mitteilungen über die berufliche Vorsorge: Zusammenstellung der Hinweise, Stellungnahmen des BSV und der Rechtsprechung zur Begünstigtenordnung in der 2. Säule und der Säule 3a, Bern 2013, S. 9 verweisend auf BGE 134 V 369, 379 f., E. 7.1; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 896 f.; Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 4. 127 Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 897. 128 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 6. Teil, Rn. 1. 129 BSK-ZGB-I/Staehelin, Art. 23 Rn. 19a. 130 BSK-ZGB-I/Staehelin, Art. 23 Rn. 13 f.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

partner eines solchen Konkubinats nicht von Gesetzes wegen als erbrechtlich Begünstigter in Erscheinung treten können. Nichtdestotrotz kann die Qualität einer Beziehung in durchaus berechtigter Weise angezweifelt werden, in der die Partner auf Dauer räumlich getrennt voneinander leben. Anhand dieses Beispiels zeichnen sich insoweit aber auch die Gefahren ab, die mit einer zu scharfen Begriffsbestimmung einhergehen können. Schließlich kann eine besonders konturenscharfe Umschreibung des rechtlich relevanten Konkubinats dazu führen, bestimmte Lebenspartnerschaften erbrechtlich auszuklammern, obwohl diese in Anschauung der Gesamtumstände einem eheähnlichen Verhältnis sehr nahe kommen. Der erbrechtliche Konkubinatsbegriff muss letztlich aber geeignet sein, Partnerschaften, die erbrechtlich erfasst werden sollen, von solchen, die es nicht sollen, abzugrenzen, ohne dabei die rechtsklaren Strukturen des Erbrechts einzubüßen. Will man diesen Anforderungen entsprechen, wird es in den Randbereichen unweigerlich auch Grenzfälle geben, die im Ergebnis vielleicht als ungerecht empfunden werden. Doch ohne die Festlegung eines objektiven Rahmens dürfte es praktisch kaum möglich sein, eine begrifflich handhabbare Erbregelung zu etablieren. Dass eine gesetzliche Regelung daher nicht allen denkbaren Konstellationen gerecht werden kann, stellt überdies keine neuartige Erkenntnis dar, sondern trifft vielmehr auch als Zustandsbeschreibung auf die aktuelle erbrechtliche Ausgestaltung zu. So würden sich beispielsweise Ehegatten, die bereits seit Jahren getrennt leben, sich aber niemals haben scheiden lassen, gegenseitig beerben. Denn obwohl die eheliche Gemeinschaft in Wirklichkeit nicht mehr gelebt wird, bestehen die mit der Ehe verbundenen rechtlichen Wirkungen solange fort, wie das Statusverhältnis Ehe nicht beendet wurde. Demzufolge zieht das heutige Erbrecht bereits gewisse Rechtsfolgen nach sich, die bei Zugrundelegung allgemeiner Billigkeitserwägungen häufig nicht mit dem mutmaßlichen Erblasserwillen übereinstimmen dürften. Darüber hinaus sind nur objektiv bestimmbare Kriterien geeignet, Fällen von Erbschleicherei, also der Gefahr einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Erbschaft, effektiv vorzubeugen. Hängt die Klärung der Frage, ob eine erbrechtlich relevante Lebenspartnerschaft vorgelegen hat oder nicht, allein von der Zusammenschau unverbindlicher, beschreibender Merkmale ab, so dürfte dieser Umstand das prüfende Gericht in vielen Fällen vor Probleme stellen. Zu denken ist etwa an einen allein und zurückgezogen lebenden, aber vermögenden Witwer, der verstirbt, ohne ein Testament oder nähere Verwandte zu hinterlassen. Berühmt sich in diesem Falle eine mutmaßliche Lebenspartnerin eines Erbanspruches mit der Begründung, eine innige Beziehung mit dem Verstorbenen bis zu dessen Tode geführt zu haben, so hätte das Gericht hierüber zu entscheiden, ohne dass es dafür auf objektiv nachprüfbare Kriterien zurückgreifen könnte. Das Kriterium der ungeteilten Wohngemeinschaft an einem festen Wohnort stellt damit ein begriffsnotwendiges Regulativ dar, um den Spagat zwischen gesellschaftlicher Wirklichkeit und praxisgerechter Handhabung bewältigen zu können.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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Folglich besteht die rechtliche Notwendigkeit, beim Merkmal des „Zusammenwohnens“ auf den gemeinsamen Wohnsitz der Konkubinatspartner abzustellen.131 2. Dauer des Zusammenlebens a) Bedeutung des Merkmals „Dauer“ In engem Bedeutungszusammenhang mit dem Merkmal Wohngemeinschaft steht das Kriterium der Beziehungsdauer. Als eine ebenso nachprüfbare Voraussetzung wird der Dauerhaftigkeit einer Partnerschaft in sämtlichen Definitionen herausragende Bedeutung zugeschrieben.132 Wie die rechtsvergleichenden Untersuchungen [Kap. 5, B., II., 2.] gezeigt haben, gilt dies nicht nur für den schweizerischen und deutschen Rechtsraum. Gerade auch in den anderen europäischen Rechtsordnungen genießt die zeitliche Komponente einen sehr hohen Stellenwert.133 So sind sich Rechtsprechung und Literatur darüber einig, dass für eine gefestigte Lebensgemeinschaft insbesondere eine gewisse Beständigkeit und Kontinuität kennzeichnend ist. Ein Paar, das bereits über einen längeren Zeitraum in nichtehelicher Gemeinschaft zusammenlebt, gibt nach außen hin zu erkennen, nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft füreinander einstehen zu wollen. Ist eine Partnerschaft dagegen lediglich von sehr kurzer Dauer gewesen, wird man kaum von einem gefestigten Konkubinatsverhältnis sprechen können.134 Fälle, in denen die Partner bereits nach wenigen Monaten oder gar Wochen der Auffassung sind, den Partner fürs Leben gefunden zu haben, müssen erbrechtlich unbeachtet bleiben. Für derartige, eher atypische Konstellationen sieht das Erbrecht mit der gewillkürten Erbfolge die Möglichkeit vor, einen entsprechenden Vererbungswillen testamentarisch zum Ausdruck zu bringen. Wie bereits an anderen Stellen erwähnt [Kap. 6, C., I.], kommt der zeitlichen Begriffskomponente abhängig vom jeweiligen Regelungszusammenhang unterschiedliche Bedeutung zu. Dies betrifft sowohl die individuell für erforderlich gehaltene Zeitspanne, die erfüllt sein muss, um vom Vorliegen einer gefestigten Lebensgemeinschaft ausgehen zu können, als auch den konkreten inhaltlichen Stellenwert, der diesem Merkmal jeweils zugeschrieben wird. 131

So auch Schreiber, FPR 2001, 12, 14 f.; anders Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 4, der das Vorliegen eines gemeinsamen Wohnsitzes nicht als entscheidenden Anknüpfungspunkt zur Umschreibung des Konkubinats ansieht. 132 Vgl. dazu auch Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 33. 133 Vgl. die zusammenfassenden Ausführungen von Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 577 f. 134 Anders Schreiber, FPR 2001, 12, 15, die in der Dauerhaftigkeit einer Partnerschaft kein entscheidendes Merkmal zur Umschreibung qualifizierter Lebensgemeinschaften erblickt.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

So wird etwa eine stabile Lebenspartnerschaft, die den Verlust nachehelicher Unterhaltsansprüche zur Folge hat (Art. 129 I ZGB), grundsätzlich bejaht, wenn die Partner eine mindestens fünf Jahre andauernde Beziehung geführt haben.135 Das Erreichen dieser Beziehungsdauer löst jedoch nicht nur eine starke Indizwirkung für deren Bestehen aus, sondern begründet zugleich eine Tatsachenvermutung.136 Es wird unter dieser Voraussetzung widerlegbar vermutet, dass ein qualifiziertes Konkubinat vorliegt. Der unterhaltsberechtigte Ex-Ehegatte kann sich in diesem Falle wiederum exkulpieren, indem er substantiiert darlegt, dass er sich entgegen der Hinweistatsachen (fünfjähriger Beziehung) in keiner qualifizierten Lebensgemeinschaft befindet.137 Das bedeutet unter anderem aber auch, dass eine entsprechende Lebensgemeinschaft ebenso schon nach einer kürzeren Zusammenlebensphase begründet werden kann, sofern die übrigen Umstände darauf schließen lassen. Dagegen darf von einer stabilen Lebensgemeinschaft im erbschaft- und schenkungsteuerrechtlichen Sinne ausschließlich dann gesprochen werden, wenn eine gewisse Mindestdauer des Zusammenseins, die je nach Kanton unterschiedlich festgesetzt wird, tatsächlich erreicht wurde.138 Eine steuerrechtliche Privilegierung der Lebenspartner kommt damit vor Ablauf dieser Zeitspanne nicht in Betracht. Während das Merkmal der Dauer im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht demnach von konstitutiver Bedeutung ist, geht die Rechtsprechung bei der Bestimmung eines im unterhaltsrechtlichen Sinne relevanten Konkubinats bloß von einer Tatsachenvermutung aus.139 Diesen und allen anderen Definitionen ist insofern aber gemein, dass sie die Beziehungsdauer als ein besonders zentrales Begriffsmerkmal zur Umschreibung nichtehelicher Lebenspartnerschaften verstehen, da kaum ein anderes Kriterium derart prägnant für die Stabilität einer Partnerschaft steht. b) Inhaltliche Anforderungen an das Merkmal „Dauer“ aa) Grundsätzliches Für das erbrechtliche Begriffsverständnis ist empfehlenswert, das Kriterium der Dauerhaftigkeit als zwingende Voraussetzung festzusetzen, um damit rechtsklare

135 BGE 138 III 157, 160 f., E. 2.3.3; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5.1.2; BGE 118 II 235, 238, E. 3b; BGE 134 V 369, 374, E. 6.1.1; BGE 124 III 52, 54 f., E. 2a/aa. 136 CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 2. 137 CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 2. 138 Vgl. unter anderem Art. 19 ESchG-BE (Kanton Bern), Art. 12 I lit. b ESchG-BL (Kanton Basel-Landschaft); zur Übersicht Wolf/Dorjee-Good, Länderbericht Schweiz, in: Süß (Hrsg.), Erbrecht in Europa, Rn. 186 ff.; Mäusli-Allenspach, successio 4 (2010), 179, 187 ff. 139 Kritisch hierzu Schwander, AJP 1994, 918, 922.

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Strukturen zu schaffen.140 Schließlich ist bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die nicht über eine gewisse Mindestdauer zusammengelebt haben, im Regelfall nicht davon auszugehen, sich gegenseitig beerben zu wollen. Um die Praktikabilität des erbrechtlichen Konkubinatsbegriffs zu gewährleisten, sollte dem Kriterium Dauer demnach keine bloße Indiz- oder Vermutungswirkung zugeschrieben werden. Auch wenn sich ein konstitutives Fristerfordernis gegenüber einer Indiz- oder Vermutungsregel als weniger flexibel erweist, so hat dieses doch den großen Vorteil der Rechtsklarheit. Zwar würden Konsensualpartner, deren Lebensgefährten kurz vor Erreichen der gesetzlich vorgegebenen Frist verstorben sind, bei der gesetzlichen Erbfolge leer ausgehen. Angesichts der Notwendigkeit einer praxisgerechten Lösung sind derartige Einzelfälle jedoch hinzunehmen. Ansonsten müsste ein Gericht bei Unterschreiten der Fristanforderungen in jedem Einzelfall prüfen, ob dennoch eine hinreichende Verfestigung der Partnerschaft besteht. Die begrifflichen Voraussetzungen würden damit für eine gesetzliche Regelung zu unpräzise sein und zudem den rechtsklaren Strukturen des Erbrechts zuwiderlaufen. Überdies würde sich eine zwingende Anknüpfung an die Beziehungsdauer auch aus realpraktischer Sicht eignen, wie nicht nur die vorhandenen Beispiele aus der gerichtlichen Praxis, sondern ebenso die soziologischen Datenlagen belegen [Kap. 2, C. II.]. Neben der Anzahl der Konkubinate hat auch deren Beziehungsdauer fortwährend zugenommen.141 So handelt es sich bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften heutzutage weder um ein Phänomen jüngerer Generationen, noch zeichnet sich diese Form des Zusammenlebens in erster Linie durch einen regen Wechsel der Partner aus. bb) Mindestdauer nichtehelichen Zusammenlebens (1) Fristbeginn: Die Wohngemeinschaft als maßgebliches Ereignis Bevor sich über konkrete zeitliche Vorgaben diskutieren lässt, muss klar sein, auf welches Ereignis bzw. welchen Zeitpunkt abzustellen ist, nach dem die Beziehungsdauer berechnet werden kann. 140

So auch gefordert von Schwander, AJP 1994, 918, 922, der allerdings die Erfüllung der Minimaldauer als Stabilitätsnachweis genügen lässt. Es solle nicht mehr argumentiert werden, dass trotz der erwähnten Minimaldauer doch keine so enge Beziehung zwischen den Partnern vorliege. Wer dieser Konsequenz ausweichen will, muss vor Ablauf der erwähnten Frist Klarheit zwischen den Partnern schaffen und die Gemeinschaft auflösen. Anders ließe sich der Schutz des anderen Partners, der in den Bestand der Gemeinschaft und daraus resultierender Mindestansprüche vertraut und deshalb nicht auf eine Klärung der Verhältnisse drängt, nicht bewerkstelligen. 141 So weist Erler, FuR 1996, 10, 12 f. bereits aufgrund von Studien aus den 90ziger Jahren darauf hin, dass lediglich 29 % der unverheirateten Paare innerhalb von zehn Jahren wieder getrennte Wege gehen.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Als Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn kommen grundsätzlich zwei Ereignisse in Betracht: Einerseits ließe sich auf den Tag abstellen, an dem das partnerschaftliche Verhältnis tatsächlich begründet worden ist. Andererseits könnte der Zeitpunkt, in dem die Lebenspartner eine Wohngemeinschaft gebildet haben, als maßgebendes Ereignis herangezogen werden. Letzterer Ansatz erscheint die vorzugswürdigere Lösung darzustellen, da sich der tatsächliche Beginn einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft regelmäßig nicht eindeutig und vor allem nicht nachprüfbar bestimmen lässt. Die formlosen Erklärungen der Partner, eine Beziehung eingehen zu wollen, stellen für die Rechtspraxis jedenfalls keinen geeigneten Anknüpfungspunkt dar. Daher ist es sinnvoll, als Stichtag auf die Begründung der Wohngemeinschaft (mit gemeinsamer Meldeadresse) abzustellen, da dieses Merkmal als konstitutive Voraussetzung stets erfüllt sein muss. Im Zusammenspiel dieser beiden Komponenten – „Wohngemeinschaft“ und „Dauerhaftigkeit“ – würde somit eine objektive Grundlage für die Bestimmung einer stabilen Lebenspartnerschaft geschaffen.142 (2) Beziehungsmindestdauer (a) Zeitgrenzen anderer Definitionen Ausgehend vom Ereignis des Zusammenwohnens ist nunmehr festzulegen, ab welcher konkreten Beziehungsdauer von einer verfestigten Gemeinschaft gesprochen werden kann. In den bereits vorhandenen Begriffsdefinitionen zum Konkubinat wird diese Frage – wie oben gesehen [Kap. 6, C., I.] – allerdings sehr unterschiedlich beurteilt. Auch in diesem Falle gilt, dass die unterschiedlich geforderte Mindestdauer vor allem in der unterschiedlichen Bedeutung des jeweiligen Regelungsbereichs begründet liegt. Teilweise ist die Unterscheidung aber auch nur auf die Eigenheit kantonaler Gesetzgebung zurückzuführen. So wird im Rahmen des Unterhaltsrechts eine gefestigte Lebenspartnerschaft vermutet, wenn diese für den Fall einer Sistierung143 wenigstens drei Jahre oder für den Fall einer Aufhebung144 fünf Jahre bestanden hat. Dagegen ist im Kanton BaselLandschaft im Zusammenhang mit der Gewährung von Sozialleistungen von einem 142 Dieser Auffassung auch Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 132. 143 Eine Sistierung der Unterhaltszahlungen kann beantragt werden, wenn die nachträglichen, eine Einstellung rechtfertigenden Veränderungen nicht von bloß vorübergehender, aber auch nicht von unbeschränkter Dauer sind. In diesem Falle entfällt die Schuldpflicht in entsprechendem Umfang während einer vom Gericht fest zu bestimmenden Zeit und lebt nach deren Ablauf mit Wirkung für die Zukunft automatisch wieder auf; vgl. CHK-ZGB-I/Liatowitsch/Härnig, Art. 129 Rn. 5. 144 Eine Aufhebung unterhaltsrechtlicher Ansprüche kann nur verlangt werden, wenn die Veränderungen voraussichtlich von unbeschränkter Dauer sind. Dies hat eine definitive Herabsetzung bzw. das Erlöschen der Rente zur Folge, vgl. CHK-ZGB-I/Liatowitsch/Härnig, Art. 129 Rn. 5.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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stabilen Konkubinat bereits nach zweijähriger Dauer auszugehen, § 7a II lit. a SHGBL n.F. (früher § 5 III SHG-BL).145 Eine erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Privilegierung nichtehelicher Lebenspartner kommt hingegen in den meisten Kantonen nach fünfjährigem146, teilweise aber auch erst nach zehnjährigem147 Bestehen der Gemeinschaft in Betracht.148 Für Liatowitsch kann von einem qualifizierten Konkubinat bereits dann gesprochen werden, wenn das nichteheliche Zusammenleben mehrere Monate gedauert hat.149 Dabei konkretisiert er den zeitlichen Rahmen dahingehend, dass die Beziehung über ein halbes oder ein ganzes Jahr Bestand haben muss. Betrachtet man die jeweils unterschiedlich geforderte Mindestdauer der verschiedenen Regelungsbereiche, so lässt sich im Grundsatz feststellen, dass je weitreichender die Rechtsfolgen für die Adressaten einer Regelung sind, umso höher auch die Anforderungen sind, die an die zeitliche Dauer des Zusammenlebens gestellt werden.150 Besonders deutlich zeigt sich dies im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Regelung. Ist daher ein Eingriff, wie etwa eine Sistierung, von eher geringerem Gewicht, so wird auch die zeitliche Komponente niedriger angesetzt. (b) Fünf-Jahres-Frist Bei der erbrechtlichen Begriffsumschreibung werden an das Merkmal der Dauer grundsätzlich höhere Anforderungen zu stellen sein. Schließlich bringt eine Institutionalisierung nichtehelicher Lebensgemeinschaften ins gesetzliche oder sogar pflichtteilsgeschützte Erbrecht weitreichende Folgen mit sich, da in diesen Fällen alle Rechte und Pflichten des verstorbenen Lebenspartners auf den überlebenden Partner im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen. Von einem entsprechenden Willen auf Seiten des vererbenden Lebenspartners wird man somit wohl erst nach einer längeren, nicht unerheblichen Zeitspanne des Zusammenseins ausgehen dür145 Die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen kommt gem. § 7a I, II SHG-BL (früher § 5 I, III SHG-BL) nicht in Betracht, wenn der Anspruchsteller in einem gefestigten Konkubinat lebt und von seinem Lebenspartner in ausreichendem Umfang finanzielle Unterstützung erhält. 146 Aargau (AG), Appenzell A. Rh. (AR), Basel-Landschaft (BL), Basel-Stadt (BS), Glarus (GL), Luzern (LU), Neuenburg (NE), Obwalden (OW), Uri (UR), Zürich (ZH); nur vereinzelt ist geklärt, ob darunter auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner zu verstehen sind, MäusliAllenspach, successio 4 (2010), 179, 189; Für gleichgeschlechtlich Partner gelten etwa in Zürich eine Frist von 10 Jahren (§ 15 ESchG-ZH), in St. Gallen von 15 Jahren (Art. 156 StGSG). 147 Bern (BE), Freiburg (FR), Jura (JU). 148 In den Kantonen Appenzell L. Rh. (AL), Genf (GE), St. Gallen (SG), Schaffhausen (SH), Solothurn (SO), Thurgau (TG), Tessin (TI), Uri (UR), Waadt (VD) und Wallis (VS) werden Lebenspartner nicht erwähnt, sondern unter „andere Personen“ gefasst, während im Kanton Zug (ZG) überhaupt keine Definition existiert und im Kanton Graubünden (GR) zwar keine Definition auf kantonaler Ebene vorhanden ist, jedoch kommunale Unterschiede. 149 Liatowitsch, FamPra.ch 2000, 476, 484. 150 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 134.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

fen. Nur auf diese Weise könnte die erforderliche Beschränkung auf solche Partnerschaften erfolgen, deren Qualität diese Rechtsfolgen auch legitimieren.151 Um dem Merkmal eines auf Dauer angelegten Konkubinats im erbrechtlichen Sinne daher hinreichend Nachdruck zu verleihen, erscheint es angemessen, gerade auch angesichts der Vielzahl kantonaler erbschaftsteuerrechtlicher Regelungen, eine Mindestdauer von fünf Jahren festzuschreiben.152 Für eine Fünf-Jahres-Frist spricht außerdem der Vergleich mit dem norwegischen Erbrecht, das bei der Definition erbrechtsrelevanter Lebensgemeinschaften ebenfalls diese Zeitgrenze als maßgebend betrachtet, § 28b al [vgl. Kap. 5, B., II., 2., b)]. Lebt ein nichteheliches Paar nämlich über diesen Zeitraum ununterbrochen in einem gemeinsamen Haushalt mit gemeinsamen Wohnsitz zusammen, so ist dies Ausdruck einer intensiven partnerschaftlichen Bindung, die einen hinreichenden Grad der Verfestigung erreicht hat, um eine erbrechtliche Stellung des überlebenden Partners rechtfertigen zu können.153 Es dürfte nach fünf Jahren nichtehelichen Zusammenlebens zumindest klar sein, dass die Partnerschaft nicht mehr auf „Probe“ geführt wird, sondern mittlerweile auf Dauerhaftigkeit angelegt ist.154 Bei einer über diesen Zeitraum andauernden Beziehung kann insbesondere auch davon ausgegangen werden, dass die Partner ihre gesamte Lebenssituation, d. h. die familiären sowie beruflichen Lebensumstände, in jeder Hinsicht aufeinander abgestimmt haben und daher vergleichbar enge Bindungen zueinander unterhalten, wie sie auch zwischen Ehegatten bestehen. Dagegen würde eine kürzere Zeitspanne – etwa drei Jahre – der Tragweite der mit einer Erbenstellung verbundenen Rechtsfolgen wohl nicht gerecht werden. Die schweizerische Rechtsprechung fordert eine entsprechende Fristdauer bereits für die Annahme eines qualifizierten Konkubinats, das die „bloße“ Sistierung von Unterhaltsbeiträgen zur Folge hat.155 Da sich diese beiden Regelungsbereiche jedoch maßgeblich voneinander unterscheiden, wäre es im Sinne der Verhältnismäßigkeit unangemessen, die jeweils an eine gefestigte Lebenspartnerschaft gestellten zeitlichen Anforderungen gleichlautend festzusetzen.156 151 In diesem Sinne auch Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 134. 152 So auch Strebel, AJP 2008, 1029, 1031; Ferrari, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 173, 188. 153 Ferrari, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 173, 188 befürwortet unter der Voraussetzung des fünfjährigen Zusammenlebens eine Gleichstellung von nichtehelichen Partnern und Eheleuten. 154 In diesem Sinne auch Schnitzler, FF 2001, 82, 84. 155 CHK-ZGB-I/Liatowitsch/Häring, Art. 129 ZGB Rn. 4; vgl auch KGer St. Gallen – BF.2005.16 vom 14. 7. 2005 = FamPra.ch 2005, 932 ff.; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5; BGE 5C_93/2006 vom 23. Oktober 2006; Büchler/Stegmann, FamPra.ch 2004, 229 ff.; kritisch zur zeitlichen Dauer einer Sistierung ab einem Zusammenleben von drei bis vier Jahren, BSK-ZGB-I/Spycher/Gloor, Art. 129 Rn. 15. 156 In diesem Sinne auch Strebel, AJP 2008, 1029, 1031.

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Eine längere Fristsetzung – etwa zehn Jahre – würde dagegen die praktische Relevanz einer erbrechtlichen Konkubinatsregelung zu stark in den Hintergrund drängen. Zahlreiche Alterskonkubinate, die bereits nach sechs, sieben oder acht Jahren Beziehungsdauer durch den Tod eines Lebenspartners beendet werden, fänden erbrechtlich keine Berücksichtigung. Ferner gilt es hierbei zu bedenken, dass die Beziehungsdauer an das Bestehen einer Wohngemeinschaft geknüpft wird. Da die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine solche aber in aller Regel erst nach einer gewissen Zeit allgemeinen – wohnlich getrennten – Zusammenseins begründen, würde die tatsächliche Beziehungsdauer mit Ablauf des fünfjährigen Fristerfordernisses ohnehin sogar etwas darüber liegen. Insofern ist davon abzusehen, die zeitlichen Voraussetzungen zu hoch anzusetzen. cc) Ausnahmen vom Erfordernis einer dauerhaften Wohngemeinschaft (1) Kurzfristige Unterbrechungen der auf Dauer angelegten Wohngemeinschaft Wird das partnerschaftliche Zusammenleben respektive die Haushaltsgemeinschaft zwischenzeitlich einmal unterbrochen, etwa durch den (streitbedingten) Auszug eines Partners, sollte dieser Umstand nicht zwangsläufig einen Neubeginn der Mindestbeziehungsdauer erforderlich machen.157 Sofern die Unterbrechung lediglich von kurzer Dauer gewesen ist, besteht die Wohn- und Haushaltsgemeinschaft im eigentlichen Sinne fort. Um noch von einer kurzfristigen Unterbrechung sprechen zu können, sollte diese in Anlehnung an § 1567 II BGB grundsätzlich nicht länger als einen Monat andauern. Bei mehreren kurzfristigen Unterbrechungen sollten sämtliche Trennungsphasen in der Summe die Monatsgrenze nicht überschreiten. Im Einzelfall obliegt es aber der Rechtsprechung, dieses Kriterium näher festzulegen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass es bei der Wohnsitzsituation zu keinen melderechtlich relevanten Änderungen und damit zu einer zumindest vorübergehenden Auflösung der auf Dauer angelegten Wohngemeinschaft kommt. Die fünfjährige Mindestfrist sollte jedenfalls dann wieder von neuem zu laufen beginnen, wenn die Voraussetzungen einer Trennung – analog zum Eherecht, Art. 114 ZGB158 – vorliegen; mithin die endgültige und willentliche Auflösung der Haushaltsgemeinschaft herbeigeführt wurde.159 157

Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft durch Trennung, Kap. 6, D., III. 158 Ein Getrenntleben im Sinne von Art. 114 ZGB liegt bei einem ehebedingten Fehlen einer Haushaltsgemeinschaft vor. Erforderlich ist somit, dass die Ehegatten nicht in einer Haushaltsgemeinschaft leben und mindestens ein Ehegatte diese nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt, CHK-ZGB-I/Rumo-Jungo, Art. 114 Rn. 2; eine entsprechende Regelung ist mit § 1567 BGB auch im deutschen Familienrecht enthalten. 159 Vgl. in diesem Zusammenhang Schwander, AJP 1994, 918, 922, der eine Lebenspartnerschaft erst dann für beendet erklärt, wenn ein Partner den gemeinsamen Haushalt auf Dauer verlässt oder eine neue Partnerschaft – Ehe oder ein anderes Konkubinat – begründet.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

(2) Zusammenleben mit gemeinsamen Kindern Eine Ausnahme von der geforderten Mindestbeziehungsdauer sollte zudem in solchen Fällen angezeigt sein, in denen die Partner mit gemeinsamen Kindern in Wohngemeinschaft zusammenleben. Wie gesehen sind entsprechende Regelausnahmen auch in zahlreichen anderen Definitionen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft enthalten.160 So gilt etwa eine Konkubinatspartnerschaft gem. der Neuregelung des § 7a II SHG-BL (ehemals § 5 III SHG-BL) ungeachtet der zeitlichen Mindestdauer als gefestigt, wenn die Partner mit einem oder mehreren gemeinsamen Kindern zusammenleben. Hintergrund dieser Regelung ist somit die Annahme, dass die Verfestigung einer Beziehung unter anderem in der gemeinsamen Sorge für ein Kind zum Ausdruck kommt. Bilden unverheiratete Eltern daher mit ihrem Kind eine Wohngemeinschaft, so kann davon ausgegangen werden, dass ihr partnerschaftliches Verhältnis auf einer hinreichend stabilen Grundlage steht. Schließlich geht mit der Geburt eines Kindes nicht nur eine engere wirtschaftliche, sondern regelmäßig auch stärkere geistige Bindung der Partner einher.161 Gemeinhin lassen Kinder eine Beziehung noch enger zusammenschweißen, was besonders in der gemeinsamen elterlichen Fürsorge zum Tragen kommt. Die eine Partnerschaft kennzeichnende Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft wird insofern auch durch die gegenseitig geleistete Unterstützung und Fürsorge der Lebenspartner, die im Zusammenhang mit einem gemeinsamen Kind erforderlich werden, nach außen hin sichtbar. In dem partnerschaftlichen Entschluss, mit einem gemeinsamen Kind zusammenzuziehen, liegt folglich ein starkes Indiz für das Vorliegen eines stabilen Konkubinats begründet. Für diese Annahme spricht auch der Vergleich mit Ehepaaren, bei denen das familiäre Zusammenleben gemeinhin als ein Stabilitätsnachweis ihrer Bindung angesehen wird.162 Nicht zuletzt auch wegen dieses engen Bedeutungszusammenhangs sind Ehe und Familie durch dieselbe Grundrechtsnorm geschützt, vgl. Art. 14 BV bzw. Art. 6 GG.163 Ein erbrechtsrelevantes Konkubinat wird daher ausnahmsweise vor Erreichen der Fünf-Jahres-Frist zu bejahen sein, sofern die Partner mit einem gemeinsamen Kind (bzw. Kindern) zusammenleben. Ob der elterliche Status durch Anerkennung des

160 So unter anderem Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979 und 1005; Schwenzer, Model Family Code, S. 7; zur rechtsvergleichenden Übersicht vgl. Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 578. 161 Arránz Becker, Was hält Partnerschaften zusammen?, S. 27, 37. 162 Arránz Becker, Was hält Partnerschaften zusammen?, S. 37. 163 Vgl. hierzu Biaggini, BV Kommentar, Art. 14 Rn. 5.

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Vaters, Art. 298a ZGB, oder durch Adoption, Art. 264c ZGB-E164, begründet wird, spielt dabei keine Rolle.

3. Wirtschaftsgemeinschaft a) Bedeutung des Merkmals „Wirtschaftsgemeinschaft“ Die Wirtschaftsgemeinschaft taucht als Begriffsmerkmal in nahezu allen von Rechtsprechung165 und Schrifttum166 hervorgebrachten Definitionen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft auf. Für eine gefestigte Lebenspartnerschaft ist daher grundsätzlich eine enge wirtschaftliche Verbundenheit der Partner kennzeichnend. Partner, die das gegenseitige Vertrauen in die Stabilität ihrer Beziehung haben, unterhalten üblicherweise auch wirtschaftliche Beziehungen zueinander. Dies zeigt sich insbesondere bei Beiträgen größeren Ausmaßes – etwa der Finanzierung eines Eigenheims –, die der Verwirklichung des nichtehelichen Zusammenlebens zu dienen bestimmt sind. Tätigen die Partner somit umfangreiche Investitionen für die Gemeinschaft oder allein zugunsten des anderen, so bringen sie darin auch ihre Absicht zum Ausdruck, eine auf Dauer angelegte Beziehung führen zu wollen.167 Obwohl der Komponente der Wirtschaftsgemeinschaft damit eine hohe Indizwirkung hinsichtlich des Bestehens eines qualifizierten Konkubinats zukommt, bleibt dieses Merkmal in den vorhandenen Definitionen ohne konstitutive Bedeutung.168 So kann es an einer Wirtschaftsgemeinschaft fehlen, wenn sich stattdessen 164

Derzeit darf eine unverheiratete Person ein Kind nur alleine adoptieren, § 264b ZGB. Nach der Reform des Adoptionsrechts wird es eingetragenen und stabilen faktischen Lebenspartnerschaften in der Schweiz künftig aber wie Ehepaaren erlaubt sein, das Kind ihres Partners zu adoptieren (sog. Stiefkindadoption), vgl. Art. 264c ZGB des Entwurfs zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Adoption), 28. 11. 2014, BBl 2015, 949, 950; vgl. Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 41 zum Adoptionsverbot gleichgeschlechtlicher Paare sowie zur heutigen Entwicklung gleichgeschlechtlicher Elternschaften in der Schweiz. 165 BGE 138 III 157, 160 f., E. 2.3.3; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5.1.2; BGE 118 II 235, 238, E. 3b; BGE 124 III 52, 54 f., E. 2a/aa; BGE 134 V 369, 379, E. 6.1.1 und 7; BGE 9C_73/2011 vom 17. Januar 2012, E. 4.1; für Deutschland vgl. BVerfGE 87, 234, 264 = NJW 1993, 643 = FamRZ 1993, 164; BVerfG, FamRZ 2004, 1950 = NVwZ 2005, 1178; BGHZ 121, 116, 124 = BGH, NJW 1993, 999 = FamRZ 1993, 533; BGHZ 168, 245, 252 = NJW 2006, 2687 = FamRZ 2006, 1362; BVerwGE 98, 195, 198 = NJW 1995, 2802 = FamRZ 1995, 1352; BSGE 111, 250 = NJW 2013, 957 = NZS 2013, 190; BSG, NJW 1993, 3346 = FamRZ 1993, 1314. 166 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979 und 1005; Schwenzer, Model Family Code, S. 7; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 896 f.; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 137 f. 167 In diesem Sinne auch Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979 und 1005; Schwenzer, Model Family Code, S. 7. 168 BGE 9C_874/2007 vom 20. August 2008, E. 7.1; BGE 9C_73/2011 vom 17. Januar 2012, E. 4.1.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

aus den Gesamtumständen ergibt, dass ein hinreichend gefestigtes Konkubinatsverhältnis vorliegt.169 Den wirtschaftlichen Verflechtungen der Lebenspartner wird aber grundsätzlich dann größere Relevanz beigemessen, wenn diese auch für den betreffenden Regelungsbereich eine stärkere Rolle spielen. So führt etwa eine Lebenspartnerschaft gem. § 7a I SHG-BL n.F. (früher § 5 III SHG-BL) nur zum Verlust sozialhilferechtlicher Ansprüche, wenn sich hierdurch die finanziellen Verhältnisse des unterstützungsberechtigten Partners verbessert haben und vor diesem Hintergrund dessen materiellen Bedürfnisse ausreichend sichergestellt sind.170 Aber trotz der in diesem Zusammenhang relevanten wirtschaftlichen Bedeutung des Konkubinats kann ausnahmsweise auch nach dem sozialhilferechtlichen Begriffsverständnis auf das Merkmal der Wirtschaftsgemeinschaft im eigentlichen Sinne verzichtet werden, wenn in Anbetracht der Gesamtumstände die Voraussetzungen eines stabilen Konkubinats erfüllt sind. Dagegen stehen bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von Art. 129 I ZGB die finanziellen Mittel der Lebenspartner gerade nicht im Vordergrund der Betrachtung.171 Entscheidend sei vielmehr das Vorhandensein einer Einstehens- und Schicksalsgemeinschaft, wie sie auch unter Ehegatten besteht. Die Bedeutung der wirtschaftlichen Komponente hängt daher vor allem von der Einzelfallbetrachtung der Gerichte ab. Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass dieses Merkmal in den vorhandenen Begriffsbestimmungen eine wichtige Rolle spielt, da sich eine enge partnerschaftliche Beziehung regelmäßig auch durch eine enge wirtschaftliche Verbundenheit auszeichnet. Dennoch wird einer Lebenspartnerschaft nicht zwangsläufig der Charakter eines gefestigten Konkubinats abgesprochen, wenn es hieran fehlt. Die Wirtschaftsgemeinschaft stellt folglich kein begriffsnotwendiges Merkmal in den Definitionen stabiler Konsensualpartnerschaften dar. b) Inhaltliche Anforderungen an das Merkmal „Wirtschaftsgemeinschaft“ aa) Grundsätzliches Bei der Bestimmung des erbrechtlichen Konkubinatsbegriffs sollte der Wirtschaftskomponente ausschließlich Indizwirkung zugeschrieben werden, wie es in allen anderen Definitionen auch der Fall ist.

169

BGE 138 III 157, 160 f., E. 2.3.3; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5.1.2; BGE 118 II 235, 238, E. 3b. 170 Vgl. dazu BGE 2P_242/2003 vom 12. Januar 2004; BGE 8C_433/2009 vom 12. Februar 2010, E. 6.2. 171 BGE 124 III 52, 54, E. 2a/aa.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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Die wirtschaftliche Verbundenheit ist zwar eine häufige Begleiterscheinung von stabilen Lebenspartnerschaften. Gleichwohl stellt die Wirtschaftsgemeinschaft kein absolutes Wesensmerkmal nichtehelicher Paarbeziehungen dar. Es ließe sich daher kaum rechtfertigen, dass mit deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Erbenstellung des überlebenden Lebenspartners steht oder fällt. Gegen eine konstitutive Festsetzung dieses Merkmals sprechen zudem dessen nur sehr schwierig zu bestimmenden inhaltlichen Anforderungen. Welche Voraussetzungen müssten im Einzelnen erfüllt sein, um das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft bejahen zu können? Genügen hierfür bereits kleinere finanzielle Dispositionen zugunsten des Partners oder sind diese angehalten, erhebliche Beiträge an die Gemeinschaft zu erbringen?172 In letzterem Fall wäre außerdem zu klären, welche Beiträge als erheblich und welche als eher unerheblich einzuordnen sind. Darüber hinaus müssten im Hinblick auf die individuellen Vermögensverhältnisse der Partner über weitere Abstufungen nachgedacht werden. Schließlich dürfte man von einem finanziell besser gestellten Paar wohl größere Beiträge erwarten können als von einem finanziell schlechter konstituierten Paar. Eine eindeutige Grenzziehung, wie es eine konstitutive Ausgestaltung erforderlich machen würde, erscheint angesichts dieser Vielzahl klärungsbedürftiger Rechtsfragen nur schwer möglich. Als begriffsnotwendiges Merkmal ist die Wirtschaftsgemeinschaft folglich nicht geeignet. Allerdings wird man den wirtschaftlichen Bindungen der Partner bei entsprechender Ausprägung eine starke Indizwirkung für das Vorliegen einer erbrechtsrelevanten Lebenspartnerschaft zusprechen müssen. Wie bereits an vorangegangener Stelle gesehen [Kap. 2, B., III., 1.], beruht die Erblegitimation auch auf den zu Lebzeiten unterhaltenen wirtschaftlichen Verflechtungen zum Erblasser. Gerade das Pflichtteilsrecht begründet seine Daseinsberechtigung unter anderem auf der wirtschaftlichen Einheit der Familie. Geht es also um die unentziehbare Teilhabe nächster Angehöriger am Nachlass, spielen versorgungsrechtliche Belange eine erhebliche Bedeutung. Auch vor diesem Hintergrund sollte sich eine wirtschaftlich enge Verbundenheit als gewichtiges Indiz bei der Begriffsbestimmung niederschlagen. bb) Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft Für den wirtschaftlichen Zusammenhalt einer Lebenspartnerschaft können ganz unterschiedliche Anhaltspunkte sprechen. Zunächst treten die wirtschaftlichen Verknüpfungen eines Paares bereits durch dessen Wohnsituation in Erscheinung. Ein in Wohngemeinschaft zusammenlebendes Paar hat aufgrund geteilter Lebenshaltungskosten – gemeinsames Aufbringen der Miete, gemeinsame Finanzie172 Letzteres verlangt Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979 und 1005; Schwenzer, Model Family Code, S. 7.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

rung des Lebensunterhalts – in aller Regel geringere finanzielle Aufwendungen als ein Paar, das in zwei getrennten Wohnungen lebt. Dennoch darf nicht allein aus dem Umstand einer Wohngemeinschaft gleich auf das Vorliegen einer Wirtschaftsgemeinschaft geschlossen werden.173 Haben sich zwei Menschen zusammengefunden, um eine Wohnung gemeinsam zu nutzen und sich die Kosten dafür zu teilen, fehlt es jedoch an einer gemeinsamen Haushalts- und Wirtschaftsführung, so kann ausschließlich von einer Wohn-, nicht aber Wirtschaftsgemeinschaft die Rede sein.174 Klare Anhaltspunkte für eine wirtschaftlich enge Verbundenheit sind daher insbesondere größere, der Lebensgemeinschaft zugutekommende Beiträge, wie die Anschaffung gemeinsamer Eigentumswerte (bspw. Wohnungs- oder Hauskauf) oder grundlegender Gebrauchsgegenstände (bspw. Familien-Pkw). Dienen die getroffenen Vermögensdispositionen somit dem gemeinschaftlichen Zusammenleben oder erfolgen sie im alleinigen Interesse des Lebensgefährten (bspw. Begleichung einer Rechnung des Partners), so liegt darin ein starkes Indiz für das Bestehen einer stabilen Lebensgemeinschaft.175 Ein ebenso aussagekräftiges Indiz stellt das Führen eines gemeinschaftlichen Bankkontos der Partner dar.176 Rückschlüsse auf die Intensität der zwischen den Lebenspartnern bestehenden Wirtschaftsbeziehungen geben insoweit die Gesamtheit aller Anhaltspunkte. Aus rechtspraktischer Sicht sind diese in der Regel auch dem Beweis zugänglich. So können gemeinsame Kontoverbindungen von den Kontoinhabern offen gelegt, getätigte Überweisungen anhand von Kontoauszügen nachgewiesen und die jeweiligen Eigentumsverhältnisse am Hausgrundstück oder Wohnung durch einen Blick ins Grundbuch in Erfahrung gebracht werden. 4. Geschlechtsgemeinschaft a) Bedeutung des Merkmals „Geschlechtsgemeinschaft“ Die Geschlechtsgemeinschaft wird als Begriffsmerkmal stabiler Konkubinatsverhältnisse vornehmlich durch die Rechtsprechung herangezogen. In den Definitionen der Literatur taucht dieses Kriterium in der Regel nicht auf. Dort, wo die Geschlechtsgemeinschaft ausdrückliche Erwähnung findet, bleibt ihre Bedeutung ausschließlich indizierender Art. Gesetzgeber und Rechtsprechung haben bei der begrifflichen Einordnung des Konkubinats stets davon abgesehen, ein

173 Schreiber, FPR 2001, 12, 14: Eine gefestigte Lebensgemeinschaft kann nicht bereits bei häuslichem Zusammenwohnen bejaht werden, wenn es den Partnern dabei vorrangig um das Ersparen von Kosten (Miet- und Lebenshaltungskosten) geht. Sie besteht nur bei einer gemeinsamen Wirtschaftsführung. 174 Schreiber, FPR 2001, 12, 14. 175 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979 und 1005; Schwenzer, Model Family Code, S. 7. 176 BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 4.2.3.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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sexuelles Beziehungsverhältnis als unverzichtbare Voraussetzung festzuschreiben.177 Insofern können geschlechtliche Kontakte ebenso wie eine gemeinsame Wirtschaftsführung grundsätzlich fehlen, wenn die Gesamtumstände erkennen lassen, dass ein gefestigtes Konkubinat vorliegt.178 Dabei spielt die Geschlechtsgemeinschaft für die Begriffsbestimmungen nichtehelicher Lebensgemeinschaften seit jeher eine nicht unbedeutende Rolle. Dass dieses Merkmal in zahlreichen Definitionen Eingang gefunden hat, ist unter anderem mit der rechtshistorischen Entwicklung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu erklären. Wie bereits die Herkunft des Begriffs „Konkubinat“ zu erkennen gibt [Kap. 1, C.], liegt im unehelichen Geschlechtsverkehr ein gedanklicher Grundpfeiler früherer Gesetzesregelungen begründet. Die in der Schweiz179 bis heute verwendete Bezeichnung Konkubinat ist auf die lateinischen Begriffe „concubitus“ (Beischlaf) bzw. „concumbere“ (den Beischlaf ausüben) zurückzuführen, welche ihren Ursprung in der älteren, „die Lebensgemeinschaft auf die Sexualität reduzierenden Rechtsauffassung“ haben.180 Ungeachtet der ursprünglich negativen Konnotation nichtehelicher Lebensgemeinschaften stellt die sexuelle Verbundenheit der Partner auch in den heutigen Regelungszusammenhängen ein charakteristisches Begriffsmerkmal zu deren Umschreibung dar. Schließlich lassen sich damit Abgrenzungen zu solchen Gemeinschaften vornehmen, die nicht eine exklusive Einstehens- und Schicksalsgemeinschaft im Rechtssinne (wie bspw. studentische Wohngemeinschaften oder ein zusammenlebendes Geschwisterpaar) verkörpern.

177

BGE 5C_135/2002 vom 2. Juli 2002, E. 2.5: „Nicht einmal die Ehe umfasse diese Komponente zwingend.“ Es sei bekannt, dass auch in einer Ehe die sexuelle Anziehung abnehmen könne und dennoch eine Schicksalsgemeinschaft im Sinne von Art. 159 ZGB vorliege. Gestützt darauf hat das Gericht die Bejahung eines Konkubinats trotz Fehlens der Geschlechtsgemeinschaft gutgeheissen; vgl. dazu auch Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 65; Tuor/Schnyder/Schmid/Jungo, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, § 19 Rn. 6; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 896. 178 BGE 5C_135/2002 vom 2. Juli 2002, E. 2.5. 179 In Deutschland wird der Begriff des Konkubinats wegen seines stigmatisierenden Charakters heutzutage nicht mehr verwendet, vgl. hierzu Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 1 ff. und Kroppenberg, in: Kroppenberg/Schwab/Henrich u. a. (Hrsg.), Rechtsregeln für nichteheliches Zusammenleben, S. 43. 180 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 30; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34; zur geschichtlichen Entwicklung und Herkunft des Konubinatsbegriffs auch Pulver, Unverheiratete Paare, S. 9; Mesmer, in: Fleiner-Gerster/Gilliand/Lüscher (Hrsg.), Familien in der Schweiz, S. 31, 39.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

b) Inhaltliche Anforderungen an das Merkmal „Geschlechtsgemeinschaft“ aa) Grundsätzliches Es erscheint sinnvoll, dem Merkmal der Geschlechtsgemeinschaft, ebenso wie in den anderen Definitionen, lediglich indizierende Wirkung zuzuschreiben. Von einem konstitutiven Begriffserfordernis sollte aus den nachfolgenden Gründen abgesehen werden. Zunächst bestünde in diesem Falle das grundlegende Problem der Nachweisbarkeit. Würde die Annahme eines qualifizierten Konkubinats auch sexuelle Kontakte zwischen den Partnern voraussetzen, so müsste der potentiell anspruchsberechtigte Konkubinatspartner postum nachweisen, dass eine geschlechtliche Beziehung zu dem verstorbenen Partner bestanden hat. Die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens sexueller Beziehungen, wie auch das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein eines gemeinsamen Schlafzimmers [hierzu bereits Kap. 6, C., II., 1., b), aa)], lässt sich in den meisten Fällen aber nicht ohne einen Eingriff in die Privatsphäre aufklären. Zur Überprüfung solcher rechtsrelevanten Tatsachen wären demnach Handlungen nötig, die sich in aller Regel nicht mit der bestehenden Rechtsordnung in Einklang bringen ließen, insbesondere wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht.181 Die objektive und zweifelsfreie Nachprüfbarkeit dieses Merkmals ist daher schlechthin nicht möglich. Darüber hinaus stünde man in diesem Zusammenhang vor der schwierigen Frage, von welcher Intensität die geschlechtliche Gemeinschaft sein müsste, um von einer stabilen Lebenspartnerschaft sprechen zu können. Sollte der Begriff des Konkubinats ein auf dauernden Geschlechtsverkehr gerichtetes Zusammenleben der Partner voraussetzen oder dürfte man eine gefestigte Partnerschaft bereits dann annehmen, wenn die Partner gelegentlich oder sogar nur einmalig miteinander geschlechtlich verkehren. So ist beispielsweise denkbar, dass eine Wohngemeinschaft, die zu Beginn keine sexuelle Komponente aufweist, mit der Zeit in eine geschlechtliche Verbindung übergeht. Bedeutend wichtiger erscheint dagegen die umgekehrte Konstellation, in der zwischen einem Paar anfänglich noch regelmäßig sexuelle Kontakte bestanden haben, diese aber mit der Zeit nicht nur weniger, sondern gänzlich eingestellt werden. Eine derartige Entwicklung ist gerade bei Alterskonkubinaten nicht selten vorzufinden, da Paare hohen Alters aufgrund allgemein nachlassendem sexuellen Interesses oder gesundheitsbedingten Umständen häufig keine geschlechtlichen Kontakte

181 So wäre der überlebende Konsensualpartner unter Umständen im Extremfall dazu angehalten, einschlägige Videoaufzeichnungen oder Tagebuchaufzeichnungen von seinem Liebesleben mit dem Erblasser offenzulegen, um das Bestehen einer Geschlechtsgemeinschaft nachweisen zu können.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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mehr zueinander unterhalten.182 Wollte man der Geschlechtsgemeinschaft daher konstitutive Wirkung zusprechen, müssten solche Konkubinate konsequenterweise aus dem Anwendungsbereich der entsprechenden Norm herausfallen. Zahlreiche Alterskonkubinate, die angesichts der sozio-demographischen Entwicklung einen immer größeren Anteil der nichtehelichen Lebensgemeinschaften ausmachen [vgl. Kap. 2, C., II., 3., c), cc)], würden von der geplanten Erbregelung ausgeschlossen sein. Ferner gilt es zu beachten, dass auch in einer Ehe die Geschlechtsgemeinschaft fehlen kann, ohne dass ihr damit gleichzeitig der Charakter einer Schicksalsgemeinschaft abzusprechen wäre.183 Die Geschlechtsgemeinschaft darf folglich nicht als zwingend notwendiges Begriffselement neben der Wohngemeinschaft vorausgesetzt werden.184 Allerdings dürfte der Geschlechtsgemeinschaft im Zusammenspiel mit anderen Begriffsmerkmalen eine nicht ganz unerhebliche Beweiswirkung für das Vorliegen eines stabilen Konkubinats zufallen. Steht nämlich fest, dass ein Paar neben gemeinsamer Haushaltsführung auch sexuelle Kontakte zueinander unterhält, so spricht dieser Umstand für eine intensive Bindung der Lebenspartner. bb) Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Geschlechtsgemeinschaft Das Bestehen einer auch sexuelle Kontakte umfassenden Beziehung wird nach außen hin nicht unmittelbar erkennbar. Daher lassen lediglich gewisse äußere Umstände auf eine Geschlechtsgemeinschaft der Lebenspartner schließen. So können etwa die Schwangerschaft der Partnerin oder das Vorhandensein gemeinsamer Kinder als Belege hierfür genommen werden. Dagegen stellt ein gemeinsames Schlafzimmer noch keine unwiderlegbare Tatsache für einen geschlechtlichen Umgang der Partner dar. Allerdings dürfte eine entsprechende räumliche Aufteilung der Wohnung zumindest Indizwirkung entfalten. Nichtdestotrotz wird es regelmäßig den Partnern selbst belassen sein, das Bestehen einer intimen Beziehung glaubhaft darzulegen. Gesetzgeber und gerichtliche

182

Klaiberg/Brähler/Schumacher, in: Berberich/Brähler (Hrsg.), Sexualität und Partnerschaft in der zweiten Lebenshälfte, S. 105 ff.; Bucher/Hornung/Gutzwiller/Buddeberg, in: Berberich/Brähler (Hrsg.), Sexualität und Partnerschaft in der zweiten Lebenshälfte, S. 31 ff.; Bucher/Hornung/Buddeberg, Z Sexualforsch 16 (2003), 249, 255, 260; Olbrich, in: Karl, Fred/ Friedrich, Ingrid (Hrsg.), Partnerschaft und Sexualität im Alter, S. 31 ff.; v. Sydow, PiD 1 (2008), 53 ff. 183 BGE 5C_135/2002 vom 2. Juli 2002, E. 2.5; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 896. 184 Anders nur Frank, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 4 Rn. 8 ff.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Praxis sollten den hinterbliebenen Partnern dabei aber keine allzu hohen Hürden auferlegen. 5. Weitere Begriffsmerkmale: Abgrenzungskriterien Neben den positiv umschreibenden Begriffsmerkmalen – wie der Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft – muss sich das zu regeln beabsichtigte Konkubinatsverhältnis auch von solchen Partnerschaftsformen abgrenzen, die trotz Erfüllens der oben genannten Kriterien keine erbrechtlichen Ansprüche geltend machen sollen. Zu diskutierende Einschränkungen sind dabei Anzahl, Alter und Urteilsfähigkeit, Geschlecht, bestehende Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Lebenspartnern sowie anderweitig vorhandene formalisierte Partnerschaften. a) Die nichteheliche Lebensgemeinschaft als Zweipersonenverhältnis Die Schweiz, Deutschland sowie der gesamte westliche Kulturkreis sind durch ein monogames Partnerschaftsbild geprägt. Dieses schlägt sich auch in den jeweiligen Rechtsordnungen nieder, in denen rechtlich anerkannte Partnerschaften nur in Zweipersonenverhältnissen vorkommen. Einzelne Stimmen fordern allerdings eine gesetzliche Regelung, die schützenswerte Beziehungsverhältnisse, ungeachtet der Personenzahl, erfasst.185 Nichteheliche Gemeinschaften ausschließlich auf das Zusammenleben zwischen zwei Personen beschränken zu wollen, werde nicht allen gesellschaftlichen Konstellationen gerecht, sondern entspreche der veralteten Vorstellung von einer monogamen Partnerschaft. Die partnerschaftlichen Strukturen haben sich jedoch stetig gewandelt, so dass auch der Begriff des Konkubinats an die veränderten Verhältnisse angepasst werden müsse. Die Auffassung, Mehrpersonenverhältnisse bei der begrifflichen Einordnung nichtehelicher Lebensgemeinschaften zu berücksichtigen, vermag nicht zu überzeugen. Schweizerische186 und deutsche187 Rechtsprechung sowie der überwiegende

185 So etwa Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 1. Teil, Rn. 28; Schlüter, FF 2000, 76, 83. 186 BGE 138 III 157, 160 f., E. 2.3.3; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5.1.2; BGE 118 II 235, 238, E. 3b; BGE 134 V 369, 374, E. 6.1.1; BGE 124 III 52, 54 f., E. 2a/aa. 187 BVerfGE 87, 234, 264 = NJW 1993, 643 = FamRZ 1993, 164; BVerfG, FamRZ 2004, 1950 = NVwZ 2005, 1178; BGHZ 121, 116, 124 = NJW 1993, 999 = FamRZ 1993, 533; BGHZ 168, 245, 252 = NJW 2006, 2687 = FamRZ 2006, 1362; BVerwGE 98, 195, 198 = NJW 1995, 2802 = FamRZ 1995, 1352; BSGE 111, 250 = NJW 2013, 957 = NZS 2013, 190; BSG, NJW 1993, 3346 = FamRZ 1993, 1314.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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Teil des Schrifttums188 legen in ihren Definitionen zu Recht das monogame Partnerschaftsverständnis zugrunde. Bereits ein Blick auf die europäische Ebene lässt erkennen, dass auch die Regelungswerke anderer Länder bei der Bestimmung nichtehelicher Lebensgemeinschaften stets von einem Zweipersonenverhältnis ausgehen und damit der allgemeinen, im europäischen Raum vorherrschenden Vorstellung einer monogamen Partnerschaft Rechnung tragen.189 Allerdings besteht nicht nur aus rechtsvergleichender Sicht, sondern auch aufgrund von rechtlichen und allgemein praktischen Erwägungen die Notwendigkeit, bei der begrifflichen Einordnung des Konkubinats ausschließlich auf monogame Beziehungen abzustellen. So gilt es zu bedenken, dass mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein eheähnliches Institut erbrechtlich normiert werden soll. Eine Ehe, ebenso wie eine eingetragene Lebenspartnerschaft, kann rechtlich aber nur von zwei Personen eingegangen werden. Insofern darf sich das in Anlehnung an die Ehe zu regelnde Konkubinatsverhältnis ebenfalls nur auf die enge zwischenmenschliche Beziehung zweier Menschen beziehen.190 Überdies würde die rechtliche Einordnung partnerschaftlicher Beziehungen bestehend aus mehr als zwei Personen kaum lösbare Rechtsfragen aufwerfen. Wollte man etwa ein erbrechtliches Konkubinat zwischen mehreren Personen entstehen lassen, so wäre beim Tode eines Lebenspartners bereits fraglich, welcher Lebenspartner den Verstorbenen beerben soll. Bei einer Quotelung müsste entschieden werden, ob alle Partner in gleicher Höhe am Erbe zu beteiligen sind oder ob eine Abgrenzung nach dem tatsächlichen Nähegrad zum Erblasser zu erfolgen hat. Eine festgeschriebene Quotenregelung hätte den Nachteil, dass sich hierdurch kaum ein einzelfallgerechtes Ergebnis erzielen ließe. Insbesondere müsste eine Abgrenzung zwischen freundschaftlichem Beziehungsverhältnis und Partnerschaft im eigentlichen Sinne stattfinden. Die rechtliche Bewertung eines solchen Mehrpersonenverhältnisses dürfte sich faktisch nur mit großem Aufwand bewerkstelligen lassen. Dies gilt insbesondere im Fall des Abstellens auf die tatsächliche Nähebeziehung zum Erblasser, da dann sämtliche Partnerschaften auf ihre Intensität untersucht und miteinander verglichen werden müssten. Eine derartige Verkomplizierung des Erbrechts kann letztlich nicht gewollt sein. 188 Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34 f.; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895 ff.; Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 176; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 86; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 65 Rn. 4, 4d. 189 Vgl. die jeweiligen Länderberichte in Süß/Ring (Hrsg.), Eherecht in Europa, 2. Aufl., Bonn 2012. 190 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 129.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Darüber hinaus ließe sich eine aus mehreren Personen bestehende Lebensgemeinschaft nicht mit den konzeptionellen Strukturen des Erb- und Familienrechts vereinbaren, die ein monogames Partnerschaftsverständnis zugrunde legen. Das Konkubinat darf somit keine weiteren Gemeinschaften gleicher Art zulassen. Dies gilt insbesondere für Wohngemeinschaften, da derartige Gemeinschaften beliebig ausgeweitet werden könnten. Ein Konkubinat im Rechtssinne kann demzufolge ausschließlich von zwei Personen begründet werden. b) Volljährigkeit und Urteilsfähigkeit der Lebenspartner Für die Begriffsbestimmung stabiler Konkubinate erscheint es angezeigt, die Volljährigkeit sowie die Urteilsfähigkeit der Lebenspartner vorauszusetzen.191 Dies stünde auch mit der gesetzgeberischen Intension in Einklang, eheähnliche Partnerschaften ins Erbrecht zu integrieren. Schließlich kann bzw. soll die Ehe (bzw. eingetragene Lebenspartnerschaft) nur von volljährigen und urteilsfähigen Partnern begründet werden, Art. 94 I ZGB (Art. 3 I PartG) bzw. §§ 1303 I, 1304 BGB (§ 1 III Nr. 1 LPartG). Auch bei den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft dürfte vor Erreichen der Volljährigkeit noch nicht von einem ernsthaften Willen dauerhaften Zusammenlebens auszugehen sein, der die rechtliche Folge nach sich zieht, Erbe des jeweils anderen zu werden. Vielmehr sind die geistige Reife eines Minderjährigen und damit auch das Vertrauen in die Festigkeit einer Partnerschaft vor diesem Zeitpunkt anzuzweifeln. Darüber hinaus knüpfen bereits vorhandene Regelungsinstrumente, wie etwa der Möglichkeit die partnerschaftliche Beziehung über einen sog. Konkubinatsvertrag zu regeln, an die Geschäftsfähigkeit der Lebenspartner an.192 Das Überschreiten der Schwelle zur Volljährigkeit stellt demnach ein notwendiges Abgrenzungskriterium gegenüber solchen Beziehungsformen dar, die eher eine lose, auf Probe eingegangene Partnerschaft vermuten lassen. Die Fähigkeit, das Wesen und die Tragweite einer auf unbestimmte Zeit geschlossenen Lebenspartnerschaft einsehen zu können, darf dabei freilich auch nicht durch anderweitige Umstände fehlen, etwa aufgrund einer geistigen Störung. Einen entsprechenden Regelungsansatz vertritt auch Hohloch.193 Nach dessen Auffassung müssen die für die Begründung einer Ehe geltenden Erfordernisse – 191 So auch Schlüter, FF 2000, 76, 78; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 135; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 66 Rn. 4b f. 192 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 135. 193 Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 66 Rn. 4b f.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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Volljährigkeit, § 1303 I BGB und Geschäftsfähigkeit, § 1304 BGB – ebenso bei der Eingehung einer nichtehelichen Lebenspartnerschaft eine Rolle spielen. Obgleich eine analoge Anwendung des Eherechts nicht in Betracht komme, seien die darin enthaltenen Wertungen für das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nutzbar zu machen.194 Dies gelte insbesondere für die absolute Altersuntergrenze von 16 Jahren, die sich § 1303 II BGB entnehmen lasse. Parallel zur familienrechtlichen Befreiung müsse die Zustimmung der Eltern in die Eingehung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft vorliegen. Anders als in Deutschland ist in der Schweiz die Volljährigkeit der Partner jedoch eine zwingende Voraussetzung, um die Eheschließung wirksam vollziehen zu können, vgl. Art. 94 I ZGB. Damit ist eine Heirat vor Vollendung des 18. Lebensjahres auch nicht mit Zustimmung der Eltern möglich. Auch bei der Begründung eines erbrechtlich relevanten Konkubinats sollte die Volljährigkeit der Lebenspartner zwingend festgeschrieben werden. Angesichts des hier gewählten Regelungsmodells ist dessen Entstehung nämlich gerade nicht an ein formalisiertes Verfahren geknüpft, welches auf dem Vertragsrecht fußt. Von einer Ausnahmeregelung, wie sie § 1303 II BGB vorsieht, sollte somit aus rechtsdogmatischer Sicht abgesehen werden. Zudem ist die Frage, ob auch minderjährige Konkubinatspaare eine erbrechtliche Berücksichtigung erfahren sollen oder nicht, ohnehin nur von relativ geringer praktischer Relevanz. Da ein gefestigtes Konkubinat nach dem hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis grundsätzlich erst nach fünfjährigem Bestehen einer Wohngemeinschaft begründet werden kann, würde ein noch minderjähriger Lebenspartner überhaupt erst dann als Erbe in Betracht kommen, wenn er bereits vor Vollendung seines 13. Lebensjahres mit seinem Partner zusammengezogen ist. Überdies würde die erbrechtliche Positionierung nichtehelicher Paare nicht nur positive, sondern auch zahlreiche negative Effekte mit sich bringen, etwa Verbindlichkeiten infolge einer verschuldeten Erbschaft oder zu begleichende Vermächtnisansprüche. Insofern dürfte ebenso aus Gründen des Minderjährigenschutzes eine erbrechtliche Erfassung minderjähriger Lebenspartner unangebracht sein. Folglich kann nur zwischen volljährigen und urteilsfähigen Lebenspartnern eine gefestigte Lebenspartnerschaft im erbrechtlichen Sinne begründet werden. c) Erfassung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften In der familienrechtlichen Diskussion stand lange das unverheiratet zusammenlebende verschiedengeschlechtliche Paar im Vordergrund.195 Infolgedessen kamen 194 Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 66 Rn. 4b. 195 Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

nach früherer Rechtslage ausschließlich heterosexuelle Paare als potentielle Regelungsadressaten in Betracht.196 Allerdings sind seit einigen Jahren auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften aufgrund ihrer stetig wachsenden gesellschaftlichen Akzeptanz zunehmend in den rechtlichen Fokus gerückt.197 Seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (PartG) am 18. Juni 2004 können in der Schweiz lebende Frauen- oder Männerpaare ihre Lebenspartnerschaft gem. Art. 2 I PartG registrieren lassen. Für Deutschland gilt selbiges seit der Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) vom 1. August 2001. Die Gesetzgeber haben damit für gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit geschaffen, durch die Eintragung ihrer Partnerschaft eine rechtliche Absicherung zu erlangen, wie sie auch zwischen Ehegatten besteht.198 Schweizerisches und deutsches Recht ermöglichen daher homosexuellen Paaren, sich eheähnlich zu binden.199 Aufgrund dieser Entwicklung tauchen in den heutigen Begriffsumschreibungen entsprechende Formulierungen nicht mehr auf,200 die ausdrücklich auf die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner abstellen.201 Denn ebenso wie nicht alle heterosexuellen Paare heiraten, lassen sich auch nicht alle homosexuellen Paare registrieren. Insofern unterscheidet das Gesetz heute nicht mehr nur zwischen verheirateten und unverheirateten, sondern auch zwischen eingetragenen und nicht eingetragenen Paaren. Dabei stellt der wachsende Ausbau der Rechte gleichgeschlechtlicher Paare keine schweizerische oder deutsche Besonderheit dar. Vielmehr ist diese Rechtsentwicklung in zahlreichen anderen Rechtsordnungen, insbesondere im (west-)europäischen Raum, zu beobachten [vgl. die rechtsvergleichenden Darstellungen in Kap. 5, B.]. Aus rechtsvergleichender Sicht ist eine erbrechtliche Gleichstellung homo- und heterosexueller Konsensualpaare daher zwingend geboten.

196 BGE 118 II 235, 238, E. 3b; BGE 109 II 15, 16 f., E. 1b; BGE 108 II 204, E. 2; Cottier/ Crevoisier, AJP 2012, 33, 34; CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 1. 197 BGE 134 V 369, 374; Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34; Büchler/Vetterli, Ehe Partnerschaft Kinder, S. 176; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 65; Fasel/Weiss, AJP/PJA 2007, 13, 18; Schwander, AJP 1994, 918, 920. 198 Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34. 199 Zur Parallelität eingetragener und ehelicher Gemeinschaften vgl. Pulver, in: Geiser/ Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 24 ff. 200 Für die Schweiz BGE 138 III 157, 160 f., E. 2.3.3; BGE 5 A_81/2008 vom 11. Juni 2008, E. 5.1.2; BGE 134 V 369, 374, E. 6.1.1; BGE 124 III 52, 54 f., E. 2a/aa; für Deutschland BGH, NJW 2008, 2779 = FamRZ 2008, 1414; OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 1416. 201 Vgl. BGE 118 II 235, 238, E. 3b; BGE 109 II 15, 16 f., E. 1b; BGE 108 II 204, E. 2: „Als Konkubinat im engeren Sinne gilt eine […] umfassende Lebensgemeinschaft von zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts“ bzw. „zwischen Mann und Frau […]“; wohl weiterhin an dieser Unterscheidung festhaltend CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 1; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 67 Rn. 4d.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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Darüber hinaus verbietet sich eine Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Paare auch aus anderen Gründen. So ist unter anderem festzuhalten, dass die Rechtsprobleme hetero- und homosexueller (nicht formalisierter) Lebensgemeinschaften nahezu identisch sind. In beiden Fällen fehlt es an einem umfassenden gesetzlichen Regelungswerk, wie es die Ehe und die eingetragene Lebenspartnerschaft gewährleisten und damit an einer Absicherung in den einzelnen Rechtsbereichen, insbesondere dem Erb- und Sozialversicherungsrecht.202 Zudem bestehen zwischen verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren nicht nur in rechtlicher Hinsicht, sondern auch in deren Partnerschaftsverständnis kaum Unterschiede.203 Soziologische Studien haben unlängst erwiesen, dass gleichgeschlechtliche Partner in gleicher Weise wie verschiedengeschlechtliche Paare eine innige Beziehung führen, sich gegenseitig unterstützen und einander Beistand leisten.204 Der einzige zu heterosexuellen Paaren bestehende Unterschied von grundsätzlicher Art liegt darin, dass gleichgeschlechtliche Paare keine gemeinsamen Kinder zeugen können.205 Allerdings lässt sich dieser biologische Unterschied in verschiedener Hinsicht relativieren. Zum einen ist eine Ehe nicht zwangsläufig auf die Gründung einer Familie mit gemeinsamen Kindern ausgerichtet.206 Nicht selten treffen Ehepaare die bewusste Entscheidung, auf gemeinsame Kinder zu verzichten. Mitunter bleibt ein gemeinsamer Kinderwunsch aber auch aus alters- oder krankheitsbedingten Gründen unerfüllt. Zum anderen existiert eine größere Anzahl homosexueller Paare, bei denen aus einer früheren heterosexuellen Partnerschaft Kinder hervorgegangen sind.207 Insofern müssen gleichgeschlechtliche Paarbeziehungen nicht notgedrungen kinderlos sein. Die faktische Möglichkeit verschiedengeschlechtlicher Paare eigene Kinder zeugen zu können, darf insoweit nicht als Rechtfertigungsgrund für eine rechtliche Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften herhalten. Neben den bereits genannten Aspekten dürften einer ausschließlich heterosexuellen Paaren vorbehaltenen Erbregelung zusätzlich verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen [vgl. in diesem Zusammenhang Kap. 5, B., I., 3., b), cc)]. Gem. Art. 8 II BV kommt eine Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare nur dann in Betracht, wenn für eine rechtliche Differenzierung besonders triftige Gründe angeführt werden können.208 Da solche Gründe augenscheinlich nicht bestehen,209 202

Cottier/Crevoisier, AJP 2012, 33, 34. Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 130; Beck, NJW 2001, 1894. 204 Vgl. statt vieler Eggen, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft mit und ohne Kinder, S. 5 ff. m.w.N. 205 Pulver, in: Geiser/Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 25. 206 Pulver, in: Geiser/Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 25. 207 Pulver, in: Geiser/Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 25; Eggen, Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft mit und ohne Kinder, S. 7, 23. 208 Pulver, in: Geiser/Gremper, Züricher Kommentar zum PartG, Einleitung Rn. 47: Während „zur Rechtfertigung einer rechtlichen Differenzierung im Rahmen des allgemeinen 203

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

verstieße die Nichtbeachtung gleichgeschlechtlicher Paare gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Für die Begründung einer erbrechtsrelevanten Lebensgemeinschaft ist es daher ohne Belang, welchen Geschlechts die jeweiligen Partner sind. d) Einschränkungen bei nahem Verwandtschaftsverhältnis der Partner Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft kann dem Grunde nach auch von zwei Personen begründet werden, die miteinander verwandt sind. Schweizerisches und deutsches Eherecht sehen allerdings in Fällen besonders naher Verwandtschaft ein Eheschließungsverbot vor, vgl. Art. 95 ZGB (Art. 4 I PartG) bzw. § 1307 BGB (§ 1 III Nr. 2 und 3 LPartG). Ein entsprechendes Verbot muss ebenso für die Eingehung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelten.210 Wie die Ehe ist auch eine Konsensualpartnerschaft in der Regel als Geschlechtsgemeinschaft angelegt, so dass eine partnerschaftliche Bindung zwischen engen Verwandten bereits gegen vorhandene Schutzvorschriften verstoßen würde. So ist es beispielsweise einem Geschwisterpaar aufgrund des Inzestverbots untersagt, eine eheähnliche Lebensgemeinschaft zu führen, Art. 213 StGB (Schweiz) und § 173 StGB (Deutschland). Dennoch steht es diesen frei, bis ins hohe Alter zusammenzuwohnen und eine Solidargemeinschaft eheähnlicher Art zu bilden.211 Nicht selten gibt es Geschwisterpaare, die sich wie Ehegatten gegenseitig unterstützen und einander Beistand leisten. Abgesehen von der sexuellen Komponente, die aber auch in einer Ehe fehlen kann, sind die Unterschiede im Bereich Solidarität und wirtschaftlicher Verknüpfung häufig nur marginal.212 Trotz dieser vorhandenen Gemeinsamkeiten kann und darf in diesen Fällen keine Lebensgemeinschaft im rechtlichen Sinne angenommen werden. Zum einen würde Gleichheitsgebots (Art. 8 I BV) sachliche Gründe [ausreichen]“, müssen „zur Begründung einer Ungleichbehandlung, die auf einer in Art. 8 II BV aufgelisteten personenbezogenen Eigenschaft basiert, besonders triftige Gründe“ gegeben sein; vgl. auch Biaggini, BV Kommentar, Art. 8 Rn. 24 (Spiegelstrich 7). 209 Pulver, Unverheiratete Paare, S. 8; Wolf, recht 2002, 157, 161; Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 671; Büchler, in: Rumo-Jungo/Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, S. 59, 65; a.A.: Bietenharder-Künzle, Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Konkubinats, S. 51. 210 Schreiber, FPR 2001, 12, 13; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 67 Rn. 4d; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 131; Kemper, FF 2001, 156, 157. 211 Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 67 Rn. 4d. 212 Schreiber, FPR 2001, 12, 13.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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sich die Einbindung enger verwandtschaftlicher Beziehungsverhältnisse von dem eigentlichen Begriffsverständnis einer Lebenspartnerschaft zu weit entfernen. Zum anderen müssen zusammenlebende Verwandte auch deshalb vom Anwendungsbereich einer die faktische Partnerschaften erfassenden Erbregelung ausgeschlossen sein, weil die Gesetzgeber den verwandtschaftlichen Näheverhältnissen bereits in den Art. 457 ff. ZGB und §§ 1924 ff. BGB abschließend Rechnung getragen haben. Mit der gleichzeitigen Einbeziehung enger Verwandtschaftsbeziehungen käme es zu einer Kollision zwischen neu geregeltem Konkubinatserbrecht und Verwandtenerbrecht. Ein solches Spannungsverhältnis gilt es zu vermeiden. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungsrichtung von Verwandten- und Partnererbrecht ist eine getrennte Behandlung dieser beiden Regelungsbereiche zwingend geboten.213 Überdies ist eine Begrenzung auch im Sinne der Befriedung naher Familienmitglieder angezeigt. So sollte der engste Familienkern vor zusätzlichen Spannungen freigehalten werden, die mit einer solchen Partnerschaft einhergehen.214 Ebenso wird rechtsvergleichend deutlich, dass die in anderen Rechtsordnungen vorhandenen Regelungen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft regelmäßig eine Einschränkung durch bestehende Verwandtschaftsgrade vornehmen.215 In Anlehnung an Art. 95 ZGB darf eine erbrechtsrelevante Lebensgemeinschaft daher nur von Personen begründet werden, die auch dazu berechtigt wären, eine Ehe bzw. eingetragene Lebenspartnerschaft miteinander einzugehen. D. h., eine nichteheliche Lebenspartnerschaft kann nicht zwischen Verwandten gerader Linie, zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern (vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern) zur Entstehung gelangen. Dies muss – entsprechend Art. 95 I Alt. 2 ZGB – auch für den Fall gelten, in dem das Verwandtschaftsverhältnis nicht durch Abstammung, sondern Adoption begründet worden ist. Im Gegensatz zur Schweiz hat das deutsche Recht das für Adoptivkind und Annehmenden geltende Eheschließungsverbot nur als Soll-Vorschrift konzipiert, vgl. § 1308 BGB. Eine Soll-Vorschrift dürfte sich für das nichteheliche Begriffsverständnis allerdings kaum eignen.216 Schließlich soll das erbrechtsrelevante Zusammenleben im Gegensatz zur Ehe anhand der faktischen Gegebenheiten bestimmt werden. Falls eine Ehe entgegen der sanktionslosen Verbotsnorm des § 1308 BGB doch geschlossen wird, ordnet § 1766 BGB richtigerweise das automatische Erlöschen des durch Adoption begründeten Rechtsverhältnisses an. Diese notwendige 213

Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 131, in diesem Sinne auch Beck, NJW 2001, 1894, 1901. 214 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 131; Kemper, FF 2001, 156, 157. 215 Vgl. die jeweiligen Länderberichte in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 203 ff.; anders nur Belgien: hierzu Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 130 f. 216 Anders Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 67 Rn. 4d.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Rechtsfolge lässt sich jedoch nur aufgrund des formalisierten Eheschließungsverfahrens einem ganz konkreten Zeitpunkt zuordnen, womit Bestehen oder Nichtbestehen des Adoptivverhältnisses für jedermann klar erkennbar ist. Eine entsprechende Regelung würde bei einer nichtformalisierten Partnerschaft zu erheblicher Rechtsunsicherheit bzgl. dieser Frage führen. Demzufolge muss sich der Regelungsinhalt des Art. 95 ZGB, der die Begründung einer Ehe bei enger Verwandtschaft ohne Ausnahme verbietet, auch bei der rechtlichen Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner als absolutes Eingehungshindernis niederschlagen. e) Ausschluss durch Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft Die Eingehung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Sinne sollte bei Vorliegen eines anderen rechtlich anerkannten Partnerschaftsverhältnisses, wie der Ehe oder der eingetragenen Lebenspartnerschaft, ausgeschlossen sein. Nicht selten halten Ehepaare nach einer Trennung am rechtlichen Status der Ehe fest.217 So sehen manche Ehepaare von einer Scheidung ab, weil sie damit verbundene finanzielle Nachteile (bspw. den Wegfall steuerrechtlicher Vergünstigungen, die Aufteilung gemeinsam erworbener Vermögenswerte etc.) scheuen. Andere erhoffen sich durch die formale Aufrechterhaltung der Ehe, im Interesse ihrer gemeinsamen Kinder zu handeln. Es ist daher keineswegs unüblich, dass getrennt lebende Ehepartner neue (nicht- bzw. außereheliche) partnerschaftliche Beziehungen eingehen und dabei das Statusverhältnis Ehe über viele Jahre, teils bis zu ihrem Tode aufrechterhalten.218 Mit Art. 96 ZGB (Art. 4 II PartG) bzw. § 1306 BGB (§ 1 III Nr. LPartG) kennen die Schweiz und Deutschland entsprechende Regelungen, die eine sog. Doppelehe bzw. doppelte Lebenspartnerschaft verbieten. Gem. Art. 215 StGB (Schweiz) und § 172 StGB (Deutschland) wird Bigamie zudem strafrechtlich sanktioniert. Auch in den allermeisten Rechtsordnungen, die bereits Kodifikationen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft verabschiedet haben, sind entsprechende Ausschlusstatbestände vorhanden.219 217 Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 67 Rn. 4d. 218 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 585; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 67 Rn. 4d. 219 Vgl. hierzu die Länderberichte in: Die Rechtstellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft: The Legal Status of Cohabitants (hrsg. von Scherpe, Jens M./Yassari, Nadjma), Tübingen 2005, S. 203 ff.; zusammenfassend Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/ Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 585; einen

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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Dennoch wird die Frage nach der Übertragbarkeit des Doppeleheverbots auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft unterschiedlich beurteilt. Einige Stimmen im Schrifttum halten eine solche Einschränkung für unzweckmäßig und stützen sich dabei auf folgende Argumentation:220 Den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft dürfe man nicht allein aufgrund des Fortbestehens einer Ehe die rechtliche Anerkennung versagen und sie damit jeglichen Rechtsschutzes berauben.221 Dies widerspreche der der Regelung nichtehelicher Lebensgemeinschaften zugrunde liegenden Motivation.222 Schließlich gelte es, den rechtlich schützenswerten Interessenlagen unverheirateter Paare Rechnung zu tragen. An deren Schutzbedürfnis ändere sich jedoch nichts, wenn daneben noch eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft besteht.223 Der Gesetzgeber sei insoweit dazu angehalten, diejenigen Probleme zu lösen, die aufgrund einer erlaubten Entscheidung zur gemeinsamen Lebensführung mit einem neuen Partner auftreten. Ein gefestigtes Konkubinat könne ohnehin nur dann angenommen werden, wenn die Ehe faktisch aufgegeben wurde, sie sich also nicht mehr als eine Einstehens- und Schicksalsgemeinschaft auszeichnet.224 Sofern ein eheliches Zusammenleben gar nicht mehr existiert, müsse die Begründung einer nichtehelichen Partnerschaft rechtlich zulässig sein. So habe ein Ehegatte, der in einem festen Konkubinat lebt, die eheliche Gemeinschaft bereits aufgegeben.225 Überdies erweise sich eine Regelung

derartigen Ausschlusstatbestand ablehnend: Australien, Neuseeland und Schottland, vgl. dazu Cottier/Aeschlimann, FamPra.ch 2010, 109, 116 f. und Fn. 40; Atkin/Parker, Relationship Property in New Zealand, S. 31. 220 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 136; Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 67 Rn. 4d; Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 585 f. 221 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 586. 222 Scherpe, Rechtsvergleichende Gesamtwürdigung und Empfehlungen zur Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, in: Scherpe/Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 571, 586. 223 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 136; Schmidt-Aßmann, in Deutscher Juristentag (Hrsg.), Verhandlungen des 57. Deutschen Juristentags Mainz 1988, S. I 9, I 10. 224 Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 67 Rn. 4d. 225 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 135.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

als nicht praxisgerecht, die nichteheliche Lebensgemeinschaften von derartigen Fallkonstellationen ausklammert.226 Diese Argumentation kann nicht überzeugen, gerade im Hinblick auf eine erbrechtliche Regelung zum Konkubinat. Ein rechtliches Nebeneinander von Ehe und Konkubinat würde praktisch nur schwer lösbare Rechtsprobleme mit sich bringen. Da die Ehe ohne rechtskräftige Scheidung formal gesehen fortbesteht, würden bei gleichzeitiger Bejahung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die Erbrechte von Ehe- und Konsensualpartner miteinander kollidieren. Erbrechtlich kämen sowohl der überlebende Ehegatte als auch der hinterbliebene Lebenspartner als Anspruchsberechtigte in Betracht. Es wäre demnach zu klären – auch in Konkurrenz zum Verwandtenerbrecht –, wer nach dem Tode des in Ehe und Konkubinat lebenden Partners zur Erbfolge berufen ist. Es dürfte auf der Hand liegen, dass ein solches Spannungsverhältnis rechtlich nicht beabsichtigt sein kann.227 Auch wenn eine quotenmäßige (ggf. hälftige) Aufteilung des Nachlasses zwischen Ehegatte und Konsensualpartner grundsätzlich möglich wäre, so ließe sich eine derartige Regelung nicht mit dem in der Gesellschaft herrschenden Leitbild von einer monogamen Partnerschaft in Einklang bringen. Die an eine Heirat geknüpften Rechtswirkungen bleiben für die Ehegatten solange maßgebend, wie das formale Band der Ehe nicht aufgelöst worden ist. Ob dabei das eheliche Verhältnis noch tatsächlich gelebt wird, spielt für die rechtliche Beurteilung insofern keine Rolle. Dies gilt selbst dann, wenn die Ehepartner bereits über Jahre getrennt voneinander leben und beide wieder neue, langjährige Lebenspartnerschaften begründet haben. Eine andere Auffassung ließe sich auch nicht mit der in der Schweiz und Deutschland vorliegenden Gesetzessystematik vereinbaren, die – wie oben gesehen – auf der Vorstellung einer Zwei-Personen-Beziehung basiert. Demzufolge darf eine Person nicht im selben Zeitpunkt in zwei rechtlich anerkannten Partnerschaftsformen leben, wie der Ehe und der erbrechtlich relevanten nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Anders als in der Schweiz ist ein Ehegatte nach deutschem Recht allerdings bereits dann nicht mehr zum gesetzlichen Erben berufen, wenn im Todeszeitpunkt die Scheidungsvoraussetzungen vorgelegen haben und der Erblasser diese beantragt oder ihr zugestimmt hatte, vgl. § 1933 BGB (bzw. § 10 III LPartG).228 Da das 226 Hohloch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, S. 59, 67 Rn. 4d m.w.N. 227 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 36 befürwortet dennoch ein Nebeneinander verschiedener gesetzlich geregelter Partnerschaften. Sie empfiehlt in diesem Falle eine gleichmäßige Aufteilung „des gesetzlichen Erbanspruchs zwischen den aufgrund Ehe, eingetragener Partnerschaft oder faktischer Lebensgemeinschaft Berechtigten in analoger Anwendung des im Verwandtenerbrecht geltenden Gleichheitsprinzips.“ 228 In der Schweiz wird aktuell eine Neuregelung für den Ausschluss des Ehegattenerbrechts gefordert, die nicht wie bisher an die rechtswirksame Scheidung anknüpft, sondern

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

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Ehegattenerbrecht damit schon vor rechtskräftiger Scheidung ausgeschlossen sein kann, würde zu diesem Zeitpunkt keine Konkurrenzsituation zu einer möglichen Erbenstellung nichtehelicher Lebenspartner gegeben sein. Der Annahme einer erbrechtlich relevanten Konsensualpartnerschaft stünde in diesem Falle somit kein Hinderungsgrund entgegen. Die Begründung einer erbrechtsrelevanten Lebensgemeinschaft sollte demnach möglich sein, wenn die konkurrierenden Erbansprüche ehemaliger Partner erloschen sind. Dies ist in der Schweiz erst mit rechtsgültiger Ehescheidung bzw. Auflösung der eingetragenen Lebenspartnerschaft der Fall, Art. 120 II ZGB.229

III. Gesamtschau der Entstehungsvoraussetzungen der faktischen Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Sinne Die Definitionsansätze aus Rechtsprechung und Literatur haben aufgezeigt, dass eine Begriffsbestimmung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sehr unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Aufgrund der Vielzahl nichtehelicher Zusammenlebensformen ist es nicht möglich, „die“ nichteheliche Lebensgemeinschaft als einheitlichen Rechtsbegriff in Gänze zu erfassen und damit für die gerichtliche Praxis handhabbar zu machen. Konsensualpartnerschaften beinhalten ein sehr weites Spektrum an Lebenssachverhalten, weshalb man die begrifflichen Grenzen möglichst weit ziehen sollte, um die gesamte Bandbreite erbrechtlich schützenswerter Lebensgemeinschaften gesetzlich aufzufangen. Für die erbrechtliche Praxis würde sich eine grundsätzlich begriffsoffene Konkubinatsumschreibung allerdings als unbrauchbar erweisen. Ausschließlich konkrete, dem Beweis zugängliche Tatbestandsmerkmale können einen zuverlässigen Anknüpfungspunkt bei der Begriffsbestimmung darstellen und damit die erbrechtliche Institutionalisierung eines Modells der faktischen Lebensgemeinschaft legitimieren. Dabei zeichnet sich eine verfestigte Lebenspartnerschaft vornehmlich durch die innere Bindung der Partner im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft aus, die in der gemeinsamen Lebensführung sowie gegenseitigen Für-

bereits das Vorliegen einer nach außen manifestierten Ehekrise ausreichen lässt, vgl. Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 550 ff. 229 Der schweizerische Gesetzgeber plant Art. 120 II ZGB künftig dergestalt abzuändern, dass das Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten – jedoch nicht dessen gesetzliches Erbrecht – bereits mit Einleitung des Scheidungsverfahrens entfällt. Um den Ehegatten daher vom Nachlass ausschließen zu können, muss der Erblasser aktiv werden und ein Testament verfassen, vgl. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 30 ff.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

sorge und Unterstützung ihren Ausdruck findet.230 Doch sind solche subjektiven Kriterien, wie das „für einander Dasein [sic]“ oder „die gegenseitige Zuneigung“, die sicherlich das Wesen einer partnerschaftlichen Beziehung ausmachen, denkbar ungeeignet, um allein für eine Begriffsbestimmung des Konkubinats herangezogen zu werden.231 Diese lassen sich aufgrund ihrer Unbestimmtheit und individuell unterschiedlichen Wahrnehmung nur schwerlich in allgemein nachprüfbarer Weise erfassen. Will man daher einen Lösungsvorschlag für das Schweizer Erbrecht unterbreiten, so wird man auch unter Berücksichtigung kontinentaleuropäischer Traditionen einen Ansatz, der die Bestimmung einer qualifizierten Lebensgemeinschaft gänzlich in das Ermessen des Gerichts legt, aus Gründen der Rechtssicherheit nicht befürworten dürfen.232 Stattdessen müssen konkrete, messbare Kriterien aufgestellt werden, um eine präzise Begriffsumschreibung zu ermöglichen.233 Allerdings können zur Umschreibung stabiler Konkubinatsverhältnisse nicht ausschließlich objektive Kriterien herangezogen werden, da sich aufgrund der Komplexität und Vielfältigkeit partnerschaftlicher Beziehungen ein rein auf objektiven Merkmalen basierendes Prüfungsschema nicht eignet. Der erbrechtliche Konkubinatsbegriff muss daher neben einer objektiven auch eine subjektive Komponente aufweisen. Als objektive Grundvoraussetzung haben die Lebenspartner in dauernder, also wenigstens fünfjähriger, Wohngemeinschaft oder mit gemeinsamen Kindern zusammenzuleben. In subjektiver Hinsicht muss die Konsensualpartnerschaft von einem gegenseitigen Einstehens- und Verantwortungswillen getragen sein. Es muss mithin erkennbar werden, dass es sich bei der Lebenspartnerschaft um eine gegenseitige, mit einer Ehe vergleichbaren Einstehensgemeinschaft handelt, die über eine bloße Haushaltsgemeinschaft hinausgeht. Nach Auffassung der Schweizer Bundesgerichte wird ein stabiles Konkubinat daher auch nur in den Fällen angenommen, in denen sich die Partner der ehelichen Beistandspflicht gem. Art. 159 III ZGB unterworfen haben und dadurch eheähnliche Vorteile erzielen, wie sie eine Ehe bieten würde.234 Maßgeblich sind somit die Intensität der persönlichen Bindungen und das Bestehen einer Schicksalsgemeinschaft.235 230

In diesem Sinne auch Schreiber, FPR 2001, 12, 14; Das schweizerische Bundesgericht verwendet unter anderem den Begriff der „Schicksalsgemeinschaft“, BGE 124 III 52, 54, E. 2a/ aa. 231 Zutreffend auch Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 131 f. 232 Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 979; Schreiber, FPR 2001, 12, 15; in diese Richtung aber Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35. 233 Schnitzler, FF 2001, 82, 84. 234 BGE 124 III 52, 54, E. 2a/aa; BGE 106 II 1, E. 1 f.; vgl. auch CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Konkubinat Rn. 2; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 36 Fn. 68. 235 BGE 124 III 52, 54, E. 2a/aa; BGE 116 II 394, E. 2.

C. Entstehung der faktischen Lebensgemeinschaft

235

Wann ein gewisser Grad an ernsthafter Bindung zwischen den Partnern erreicht ist, der die Annahme einer gefestigten Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Sinne rechtfertigt, lässt sich anhand äußerer Umstände und Indizien feststellen. Dabei sind die objektiv zu erfüllenden Anforderungen – über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren oder aber mit gemeinsamen Kindern in Wohngemeinschaft zu leben – gerade auch in subjektiver Hinsicht Anhaltspunkte für das Bestehen eines Einstehens- und Verantwortungswillens der Partner.236 In diesem Zusammenhang ist aber entscheidend, dass sich die partnerschaftliche Beziehung nicht in der gemeinsamen Haushaltsführung erschöpft, sondern dass darüber hinaus weitere Umstände für das Vorliegen einer eheähnlichen Bindung sichtbar werden.237 So ist insbesondere auf einen wechselseitigen Einstehenswillen zu schließen, wenn die Partner: – ernsthaft und über einen längeren Zeitraum zusammenleben, – füreinander Verantwortung übernehmen, – gemeinsame Kinder haben, – ihren Lebensunterhalt gemeinsam finanzieren, – über Einkommen und Vermögensgegenstände des Partners verfügen dürfen, – geschlechtliche Beziehungen unterhalten, – und/ oder eine gemeinsame Wohnung haben. Dabei handelt es sich jedoch um keine abschließende Aufzählung der Voraussetzungen. Auch müssen diese Kriterien nicht alle erfüllt sein. Es können einzelne dieser Merkmale fehlen, wenn sich in Anbetracht der Gesamtumstände erkennen lässt, dass eine stabile Partnerschaft besteht. Maßgeblich ist das nach außen in Erscheinung tretende Gesamtbild. Zeigen sich die Partner in der Öffentlichkeit als Paar (etwa durch gemeinsame Teilnahme an Familienfeiern) oder wird deren Beziehung bloß als eine freundschaftliche Bindung wahrgenommen?238 In ersterem Fall liegen Indizien vor, die für das Bestehen einer partnerschaftlichen Beziehung sprechen, während in letzterem Fall ein solcher Rückschluss sich nicht anbietet. Im Einzelfall ist dafür eine individuelle Betrachtung und Abwägung vorzunehmen, die jeweils die besonderen Umstände berücksichtigen und bewerten muss. Um somit in einem Fall von einem stabilen Konkubinat sprechen zu können, ist die Gesamtwürdigung der einzelnen das Konkubinat umschreibenden Faktoren relevant. Die eine nichteheliche Partnerschaft bezeichnende Einstehens- bzw. 236 Ein vergleichbares Begriffsverständnis zugrunde legend BSGE 111, 250 ff. = NJW 2013, 957 ff. 237 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35. 238 Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 35.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Schicksalsgemeinschaft kann damit anhand äußerlich feststellbarer Kriterien bestimmt werden. Neben den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen einerseits und der subjektiven Tatbestandsseite andererseits gilt es nichteheliches Zusammenleben aber auch in negativer Hinsicht von solchen Beziehungsformen abzugrenzen, die dem Anwendungsbereich des Erbrechts nicht unterfallen sollen bzw. dürfen. In Ansehung der bereits normierten Partnerschaftsmodelle „Ehe“ und „eingetragene Lebenspartnerschaft“ muss auch eine Konsensualpartnerschaft im erbrechtlichen Sinne ausgeschlossen sein, wenn diese von mehr als zwei Personen begründet wird, die Partner noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben oder es ihnen an Urteilsvermögen mangelt. Ferner darf deren Begründung nicht in Frage kommen, wenn zwischen den Partnern ein nahes Verwandtschaftsverhältnis im Sinne von Art. 95 ZGB bzw. Art. 4 I PartG besteht oder die Partner eine in der Vergangenheit geschlossene Ehe (bzw. eingetragene Lebenspartnerschaft) nicht rechtsgültig aufgelöst haben. Dagegen ist das Geschlecht der Lebenspartner für die Begriffsbestimmung unerheblich. Das Erbrecht nichtehelicher und nicht eingetragener Lebenspartner muss für hetero- und homosexuelle Paare gleichermaßen gelten. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass mit der Voraussetzung der dauerhaften Wohngemeinschaft ein objektiver Rahmen gesetzt wird, der durch die subjektive Begriffskomponente eine inhaltliche Konkretisierung erfährt. Zusätzlich müssen allgemeine Abgrenzungskriterien aufgestellt werden, die die Vereinbarkeit mit geltendem Recht und bereits vorhandenen Schutzvorschriften gewährleisten (wie etwa Art. 96 ZGB).

IV. Regelungsvorschlag Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft im erbrechtlich relevanten Sinne sollte wie folgt definiert werden: Abs. 1: Unter einer faktischen Lebensgemeinschaft ist eine auf Dauer angelegte Partnerschaft zweier volljähriger Personen gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts mit Ausschließlichkeitscharakter zu verstehen, die von einem wechselseitigen Einstehens- und Verantwortungswillen getragen wird und damit über eine reine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht. Abs. 2: Eine Lebensgemeinschaft ist auf Dauer angelegt, wenn die Partner einen gemeinsamen (Haupt-)Wohnsitz mit gemeinsamer Haushaltsführung unterhalten und dort – über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren – oder mit einem oder mehreren gemeinsamen Kindern zusammenleben.

D. Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft

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Abs. 3: Auf einen gegenseitigen Einstehens- und Verantwortungswillen kann unter Berücksichtigung sämtlicher äußerer Umstände insbesondere geschlossen werden, wenn die Partner: – ernsthaft und über einen längeren Zeitraum zusammenleben, – füreinander Verantwortung übernehmen, – gemeinsame Kinder haben, – ihren Lebensunterhalt gemeinsam finanzieren, – über Einkommen und Vermögensgegenstände des Partners verfügen dürfen, – geschlechtliche Beziehungen unterhalten, – und/oder eine gemeinsame Wohnung haben. Abs. 4: Eine faktische Lebensgemeinschaft kann nicht begründet werden zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern. Dies gilt auch für ein Verwandtschaftsverhältnis, das durch Adoption begründet ist. Abs. 5: Eine faktische Lebensgemeinschaft entsteht nicht, wenn mindestens einer der Partner mit einer anderen Person verheiratet ist beziehungsweise mit dieser in eingetragener Lebenspartnerschaft lebt.

D. Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft Für die begriffliche Einordnung erbrechtlich schützenswerter Konsensualpartnerschaften gilt es neben den Entstehungsvoraussetzungen auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen ein bereits entstandenes Konkubinat endet und ein damit erworbener Erbanspruch wieder untergeht.239 Schließlich darf die einmal erlangte Erbposition nicht zeitlich unbegrenzt fortbestehen, wenn die Partnerschaft längst aufgelöst wurde. Aus einer Kosensualpartnerschaft, die nicht erst durch den Tod des anderen Partners beendet wird, dürfen somit logischerweise keine erbrechtlichen Ansprüche mehr erwachsen. Nachfolgend sollen daher die Auflösungsvoraussetzungen der faktischen Lebenspartnerschaft im Einzelnen herausgearbeitet werden.

I. Allgemeines Von einer Auflösung nichtehelichen Zusammenlebens ist grundsätzlich auszugehen, wenn das innere Band zwischen den Partnern abgerissen ist und es der Be239 Zur Auflösung eheähnlicher Lebensgemeinschaften unter anderem Frank/Girsberger/ Vogt/Walder-Bohner/Weber, in: Frank/Girsberger/Vogt u. a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, § 15 Rn. 1 ff.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

ziehung somit an einer gegenseitigen Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft fehlt. Doch wird man eine erbrechtlich relevant gewordene Lebensgemeinschaft, ebenso wie ihre Entstehung, nicht ohne äußerlich erkennbare Anhaltspunkte für beendet erklären dürfen. Im Sinne der Rechtssicherheit müssen auch für den Fall ihrer Auflösung überprüfbare Kriterien aufgestellt werden. Die einmal erlangte Rechtsposition darf daher nicht ohne Weiteres wegfallen.240 Dieses Ziel ließe sich prinzipiell durch eine entsprechende Anwendung eherechtlicher Vorschriften erreichen. Nach schweizerischem und deutschem Eherecht kann eine Ehe – abgesehen vom Tod – nur durch Ungültigkeitserklärung (Art. 104 ff. ZGB) bzw. Aufhebung (§§ 1313 ff. BGB) oder Scheidung (Art. 111 ff. ZGB bzw. §§ 1564 ff. BGB) aufgelöst werden. In beiden Fällen handelt es sich um formalisierte Verfahren, denen eine Klageerhebung bzw. Antragstellung vorausgehen muss. Angesichts des hier gewählten Reformmodells wäre es allerdings verfehlt, diese dem Eherecht zugrunde liegenden Regelungsinhalte auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft eins zu eins zu übertragen. So erscheint es widersinnig, sich bei den Entstehungsvoraussetzungen erbrechtlich relevanten Zusammenlebens an den faktischen Gegebenheiten zu orientieren, aber für die Auflösung einer so begründeten Lebenspartnerschaft einen formalisierten Ansatz zu verfolgen. Aus diesem Grunde darf deren Beendigung keinen formellen Schranken unterliegen, sollte aber wie ihre Begründung gewissen materiellen Anforderungen genügen.241 Ein konkreter Regelungsvorschlag wird in diesem Zusammenhang von Sonja Venger unterbreitet, die eine Beendigung nichtehelichen Zusammenlebens folgendermaßen umschreibt: „§ 2 Ende der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Die nichteheliche Lebensgemeinschaft endet – wenn das Zusammenleben einseitig oder einvernehmlich dauerhaft beendet wird, spätestens aber wenn die Partner seit einem Jahr getrennt leben; – wenn einer der Partner stirbt; – wenn einer der Partner mit einem Dritten eine Ehe eingeht oder eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet oder die Partner heiraten.“242

Auch vor dem Hintergrund dieses Regelungsvorschlags sind für die Beendigung von Lebensgemeinschaften im erbrechtlichen Sinne im Grundsatz zwei Auflösungstatbestände in Betracht zu ziehen: die Eheschließung bzw. gleichgeschlecht-

240

Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 695 f. Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 695 f.; hierzu auch Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 55, 56; Meier-Hayoz, in: FS Vischer, S. 577, 586. 242 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 138. 241

D. Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft

239

liche Registereintragung der Partner einerseits sowie deren Trennungsbekundungen andererseits.243

II. Beendigung durch Eheschließung oder Eintragung der Lebenspartnerschaft Die Eheschließung oder die Eintragung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften sollte das erbrechtliche Konkubinat nicht nur in seinem Entstehen hindern [vgl. Kap. 6, C., II., 5., e)], sondern konsequenterweise auch zu dessen Untergang führen.244 Heiraten zwei Konsensualpartner, so dürfen von diesem Zeitpunkt an allein die eherechtlichen Vorschriften maßgebend sein. Gleiches muss auch für den Fall gelten, in dem die Partner nicht einander heiraten, sondern stattdessen einer von ihnen mit einem Dritten den Bund der Ehe respektive den der eingetragenen Lebenspartnerschaft eingeht. Auch hierbei darf die nichteheliche Lebensgemeinschaft zur Vermeidung mehrfacher Partnerschaftsverhältnisse nicht fortbestehen. Treffen die Partner daher eine bewusste Entscheidung zugunsten der Ehe, so muss dem Eherecht mit all seinen Rechtswirkungen der Vorrang vor einem Erbrecht der faktischen Lebensgemeinschaft eingeräumt werden.245 Als formalisierte Partnerschaftsmodelle stellen Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft zudem ideale Anknüpfungspunkte dar, um den Zeitpunkt der Auflösung zu bestimmen.

III. Beendigung durch einvernehmliche oder einseitige Trennung 1. Grundsätzliches Die jederzeitige Auflösungsmöglichkeit der Partner stellt ein Wesensmerkmal nichtehelicher Lebensgemeinschaften dar.246 Den Konsensualpartnern bleibt insofern das Recht vorbehalten, ihre Beziehung einvernehmlich oder einseitig zu beenden. Eine Regelung, die an den rechtlichen Folgen des Konkubinats festhält, obwohl die Partner ihr Beziehungsverhältnis für beendet erklärt haben, würde eine Verletzung derer Persönlichkeitsrechte bedeuten, insbesondere dem Recht auf 243

Schwander, AJP 1994, 918, 922; Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 137. 244 Schwander, AJP 1994, 918, 922. 245 In diesem Sinne auch Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 136. 246 Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 54; Hausheer, in: Hofer/Schwab/Henrich (Hrsg.), From Status to Contract?, S. 57, 86, Hausheer, in: Schwab/Hahne (Hrsg.), Familienrecht im Brennpunkt, S. 49, Fn. 19.

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Selbstbestimmung.247 Der Beendigungsakt sollte allerdings, wie oben aufgezeigt [Kap. 6, D., I.], auch für einen objektiven Beobachter erkennbar sein. Ließe man allein die formlosen Trennungserklärungen der Lebenspartner für die rechtsgültige Auflösung eines erbrechtlichen Konkubinats genügen, so könnte bei Versterben eines Partners in Frage stehen, ob die Lebensgemeinschaft bereits vor Eintritt des Erbfalls beendet war.248 Auch wäre eine solche Lösung aus praktischen Erwägungen abzulehnen. Würde eine unüberlegt ausgesprochene Trennungsbekundung das gefestigte Partnerschaftsverhältnis mit sofortiger Wirkung beenden, müssten die Partner im Falle einer Versöhnung zunächst weitere fünf Jahre in Wohngemeinschaft zusammenleben, ehe ihr Beziehungsverhältnis wieder als stabil bezeichnet werden dürfte. Ein nichteheliches Paar, das sich im Streit trennt, aber bereits kurze Zeit später wieder zusammenfindet, würde so seine erbrechtliche Stellung verloren haben. Aus rechtlicher Sicht ist es daher geboten, an die durch Trennungserklärung erfolgte Auflösung gewisse materielle Anforderungen zu stellen.249 Da mit dem gefestigten Konkubinat ein eheähnliches Partnerschaftsverhältnis geregelt werden soll, erscheint es sinnvoll, die Grundsätze des Scheidungsrechts unter Berücksichtigung konkubinatsbedingter Besonderheiten – d. h. losgelöst von formellen Verfahrensanforderungen – entsprechend heranzuziehen. Wie bei der ehelichen Gemeinschaft kann sich auch die Trennung nichtehelicher Partner auf zweierlei Arten vollziehen: Im beiderseitigen Einvernehmen oder auf einseitigen Wunsch. 2. Inhaltliche Anforderungen a) Das Scheidungsrecht als Anknüpfungspunkt einer Regelung Scheidungsrechtlich wird eine Ehe unter anderem als gescheitert angesehen, wenn sich beide Ehegatten einig sind, dass ihre Ehe geschieden werden soll, Art. 111 ZGB. Scheidungsgrund ist dabei „der ernsthafte, d. h. wohlüberlegte und nicht mangelbehaftete gemeinsame Scheidungswille“.250 Die Gründe, die ein Paar zu dieser Entscheidung bewogen haben, spielen hierfür ebenso wenig eine Rolle wie die Frage des Verschuldens.251 Allerdings ist die Ernsthaftigkeit des Scheidungswillens 247

Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 54; Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 694 f.; Hausheer/Geiser/ Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 03.15. 248 In diesem Sinne auch Aebi-Müller/Widmer, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12. Januar 2009, Rn. 55; Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 695 f. 249 So auch Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 695 f. 250 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 10.07. 251 CHK-ZGB-I/Rumo-Jungo, Art. 111 Rn. 2.

D. Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft

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gerichtlich festzustellen. Dagegen ist die Einhaltung besonderer Formvoraussetzungen nicht erforderlich.252 Inhaltlich hat das gemeinsame Scheidungsbegehren jedoch den in Art. 285 ZPO aufgelisteten Mindestanforderungen zu genügen.253 Da insoweit die allgemeinen Bestimmungen hinsichtlich prozessualen Handelns Anwendung finden, Art. 129 ff. ZPO, muss das Begehren gem. Art. 130 ZPO schriftlich oder elektronisch eingereicht werden.254 Ist das Gericht davon überzeugt, dass das Scheidungsbegehren auf freiem Willen und reiflicher Überlegung beruht, so spricht es die Scheidung aus, Art. 111 II ZGB. Geht das Scheidungsbegehren nur von einem Ehegatten aus, fehlt es also an einem einvernehmlichen Willen, so kann die Ehe nur klageweise geschieden werden, Art. 114 ZGB. Als Scheidungsgrund bestimmt das Gesetz eine zweijährige Trennungszeit der Ehegatten, dessen Ablauf als unwiderlegbarer Nachweis für das Scheitern einer Ehe angesehen wird.255 Nach dieser Zeit kann jeder Ehegatte auch ohne die Zustimmung des anderen die Scheidung durchsetzen.256 Eine frühere Scheidung ist nur aus schwerwiegenden Gründen, die in der Person des anderen begründet liegen, möglich, Art. 115 ZGB.257 Mit den §§ 1564 ff. BGB stellt das deutsche Scheidungsrecht vergleichbare Voraussetzungen auf. Jedoch wird im Unterschied zur Schweiz sowohl bei beiderseitig als auch einseitig gewollter Scheidung eine Trennungszeit verlangt, § 1566 BGB. So wird ein Scheitern der Ehe unwiderlegbar vermutet, wenn sich die Ehegatten einvernehmlich scheiden lassen wollen und mindestens seit einem Jahr getrennt leben, § 1566 I BGB. Fehlt es am beiderseitigen Scheidungswillen, greift die Vermutungsregel erst nach dreijähriger Trennungsphase, § 1566 II BGB. Leben die Ehegatten bereits seit mindestens einem Jahr, aber noch keine drei Jahre getrennt, so kann die Ehe auch ohne Zustimmung des anderen Teils geschieden werden, wenn sie gem. § 1565 I 2 BGB nachweislich zerrüttet ist.258 Vor Ablauf eines Trennungsjahres kommt eine Scheidung nur in besonderen Härtefällen in Betracht, § 1565 II BGB.

252

CHK-ZGB-I/Rumo-Jungo, Art. 111 Rn. 6. SHK-ZPO/Herzog, Art. 285 Rn. 5 ff.; BSK-ZPO/Siehr/Bähler, Art. 285 Rn. 2 ff. 254 Die Ehegatten müssen ihr Scheidungsbegehren nicht zwingend gemeinsam einreichen. Es genügt auch, wenn sie dieses separat einreichen, solange aus der gemeinsamen Scheidungsvereinbarung der gemeinsame Scheidungswille ersichtlich ist, vgl. SHK-ZPO/Herzog, Art. 285 Rn. 4; BSK-ZPO/Siehr/Bähler, Art. 285 Rn. 2b; Fankhauser, in: Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, ZPO Kommentar, Art. 285 Rn. 8. 255 CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Art. 114 Rn. 1. 256 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 10.08. 257 Hierzu BGE 129 III 1; BGE 128 III 1; BGE 127 III 129; BGE 5C_141/2001 vom 6. August 2001; BGE 127 III 347; BGE 127 III 342. 258 Palandt/Brudermüller, § 1565 Rn. 2 ff. 253

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Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

b) „Getrenntleben“ der Partner Für eine Auflösungsregelung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft erweist sich die deutsche Gesetzeslage gegenüber der schweizerischen als die geeignetere. Da dem vorliegenden Regelungsmodell kein formalisiertes Verfahren zugrunde gelegt wird, es mithin an einem für Außenstehende erkennbaren Beendigungsakt fehlt, wie einem Schriftformerfordernis, sollte das Erfordernis des Getrenntlebens sowohl bei einseitigem als auch beiderseitigem Trennungsbegehren zwingend festgeschrieben sein. Die bloßen Trennungserklärungen dürfen allein genommen jedenfalls nicht die Beendigung der Partnerschaft im Rechtssinne herbeiführen. Der Auflösung einer im obigen Sinne begründeten Lebensgemeinschaft sollte folglich ein „Getrenntleben“ der Lebenspartner vorausgehen. Ein Getrenntleben im Sinne des Art. 114 ZGB liegt vor, wenn „die Ehegatten nicht in einer Haushaltsgemeinschaft leben (objektives Erfordernis) und mindestens ein Ehegatte diese nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt (subjektives Erfordernis).“259 Auch kommt ein Getrenntleben in derselben Wohnung in Betracht. Dies setzt allerdings voraus, dass die Ehegatten innerhalb der Wohnung zwei getrennte Haushalte führen und ihre persönlichen Kontakte zueinander auf ein Minimum reduzieren.260 Die Ehegatten sind außerdem verpflichtet, das erforderliche Ausmaß der Trennung gegenüber dem Gericht nachzuweisen, was aber nur in seltenen Fällen gelingen dürfte.261 Mit § 1567 BGB enthält das deutsche Scheidungsrecht eine Regelung, die das Getrenntleben in entsprechender Weise definiert.262 Das dem schweizerischen und deutschen Eherecht zugrunde liegende Begriffsverständnis von Getrenntleben lässt sich mit kleineren Modifikationen auch auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft übertragen. Zunächst ist zu konstatieren, dass in der objektiven Anknüpfung an die Wohn- und Haushaltsgemeinschaft eine leicht erkennbare und damit überprüfbare Voraussetzung begründet liegt. Außerdem stellt die Auflösung der partnerschaftlichen Wohnung ein gewichtiges Indiz für das ernst gemeinte Trennungsbegehren der Partner dar. Das Kriterium Wohngemeinschaft würde demzufolge nicht nur als Entstehungsvoraussetzung von zentraler Bedeutung sein, sondern gleichermaßen bei deren Auflösung eine wichtige Rolle spielen. Auch vor diesem Hintergrund würde sich der eherechtliche Begriff des Getrenntlebens ideal in das vorliegende Konkubinatsverständnis einfügen. 259

CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Art. 114 Rn. 2 m.w.N. CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Art. 114 Rn. 4; Steck, FamPra.ch 2004, 206, 214; KGer SG, FamPra.ch 2007, 128 ff.; KGer SG, ZBJV 2002, 54 ff. 261 CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Art. 114 Rn. 4; Steck, FamPra.ch 2004, 206, 214; KGer SG, FamPra.ch 2007, 128 ff.; KGer SG, ZBJV 2002, 54 ff. 262 Palandt/Brudermüller, § 1567 Rn. 1. 260

D. Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft

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Anlehnend an die Legaldefinition des § 1567 I BGB ist ein Getrenntleben der Konsensualpartner zu bejahen, wenn zwischen diesen keine häusliche Gemeinschaft mehr besteht und wenigstens ein Partner diese nicht wiederherstellen will, weil er die nichteheliche Gemeinschaft ablehnt. Findet die Trennung innerhalb der gemeinsamen Wohnung statt, so empfiehlt es sich, wenn die Partner ihren Trennungswillen schriftlich dokumentieren, um möglichen Zweifeln hieran keinen Raum zu geben.263 Anders als bei der Ehe sollten die beweisrechtlichen Anforderungen dafür aber nicht zu hoch angesetzt werden. Schließlich haben sich Ehegatten ganz bewusst für eine formell rechtskräftige Bindung ihrer Partnerschaft mit allen damit verbundenen Rechtswirkungen entschieden. Aus diesem Grund ist es nicht nur gerechtfertigt, sondern auch geboten, dass das Gesetz bei der Ehescheidung einen strengeren Maßstab als bei der Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anlegt. So könnten getrennte Wohnund Lebensbereiche (insbesondere getrennte Schlafzimmer) für eine häusliche Trennung innerhalb derselben Wohnung sprechen. Neben der wohnlichen Trennung müssen die Konsensualpartner aber auch in subjektiver Hinsicht zum Ausdruck bringen, dass sie an einer Fortführung ihrer Beziehung nicht mehr interessiert sind. Es gilt insofern den ernsthaften Trennungswillen der Konsensualpartner festzustellen. Für die rechtliche Bewertung sollte insbesondere das Bild, das die Parteien in der Öffentlichkeit voneinander vermitteln, maßstabsprägend sein. So wäre danach zu fragen, ob die Parteien öffentlich weiterhin als Paar auftreten oder dies nicht mehr tun. Eine Trennungsabsicht kann insbesondere in den Fällen unterstellt werden, in denen die Partner bereits eine neue Lebenspartnerschaft begründet haben. Im Übrigen sind aber sämtliche Anhaltspunkte heranzuziehen, die auf den Trennungswillen der Partner schließen lassen. So könnte auch eine ursprünglich gemeinsam geplante, dann aber getrennt durchgeführte Urlaubsreise als ein Indiz für diese Annahme sprechen. c) Trennungsfrist Die Auflösung einer im erbrechtlichen Sinne gefestigten Lebensgemeinschaft darf sich jedoch nicht bereits mit Eintreten des Getrenntlebens vollziehen. Wie im Scheidungsrecht sollte die Trennung von einer gewissen Zeitspanne sein, ehe eine rechtsgültige Auflösung in Frage kommt. Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass den Konsensualpartnern während der Trennungsphase erbrechtliche Ansprüche zustehen, sollte einer der Partner in dieser Zeit versterben [vgl. dazu Kap. 6, D., III., 3.]. Die Festlegung einer Trennungsfrist ist vor allem zur Vermeidung unsachgerechter Ergebnisse notwendig. Denn ohne ein solches Fristerfordernis würde man einer langjährigen Konsensualpartnerschaft, die nur durch eine kurzfristige Tren263

Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 695 f.

244

Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

nung der Partner unterbrochen war, die erbrechtliche Anerkennung absprechen. Somit könnte die untergegangene Erbenstellung erst nach weiteren fünf Jahren des Zusammenlebens wieder aufleben [hierzu bereits Kap. 6, D., III., 1.]. Klärungsbedürftig bleibt hingegen die Frage, wie lange die Partner getrennt leben müssen, damit die nichteheliche Lebensgemeinschaft als aufgelöst zu gelten hat. Die erforderliche Trennungszeit sollte jedenfalls nicht mit den im Scheidungsrecht in Art. 114 ZGB und § 1566 II BGB geregelten Fristen gleichgesetzt werden (unwiderlegbare Vermutung für das Scheitern der Ehe). Von einer zwei- oder dreijährigen Trennungsfrist, wie sie das schweizerische und deutsche Eherecht für einseitig gewollte Scheidungen regeln, ist somit abzusehen. Angesichts der besonderen Stellung der Ehe und des damit zusammenhängenden Regelungszwecks dieser Normen dürfte eine solche Zeitspanne für die Konkubinatsauflösung deutlich zu lang sein. Mit einer verhältnismäßig langen Fristdauer von zwei bzw. drei Jahren beabsichtigen die Gesetzgeber die Ehegatten vor unüberlegten und vorschnell getroffenen Entscheidungen zu schützen.264 Gleichzeitig wird potentiellen Versöhnungsversuchen hierdurch ein zeitlicher Rahmen gegeben. Die Fristlänge dürfte aber auch darauf beruhen, dass die Ehegatten – anders als Konsensualpartner – willentlich eine vertragliche Bindung mit umfassenden Rechtswirkungen eingegangen sind. Von diesem wechselseitig abgegebenen Versprechen auf Lebenszeit sollen sich die Ehepartner nicht ohne Weiteres wieder lösen können.265 Vor diesem Hintergrund erscheint es unverhältnismäßig, die materiell-rechtlichen Auflösungsvoraussetzungen für Ehegatten und Konsensualpartner gänzlich gleichzusetzen. Den Partner einer informell begründeten, in den Rechtswirkungen allein auf das Erbrecht beschränkten Lebensgemeinschaft sind demnach niedrigere Hürden aufzuerlegen, als sie Art. 114 ZGB und Art. 1566 II BGB vorsehen. Nach deutschem Scheidungsrecht kann eine Ehe jedoch in aller Regel bereits nach einem Jahr geschieden werden. Dies gilt sowohl für den Fall des beiderseitigen Trennungsbegehrens, § 1566 I BGB, als auch bei einseitigem Scheidungswunsch, wenn eine Zerrüttung der Ehe nachweislich besteht, § 1565 I 2 BGB. Eine Trennungsfrist von einem Jahr erscheint auch für die Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine geeignete Zeitspanne zu sein. Nach einem Jahr des Getrenntlebens kann davon ausgegangen werden, dass die Partner sowohl in geistig-emotionaler als auch materieller Hinsicht mit ihrer Beziehung endgültig abgeschlossen haben. Gewachsene Partnerschaftsstrukturen, insbesondere die Verflechtungen der jeweiligen Lebensbereiche, dürften nach Ablauf dieser Zeit nicht mehr bestehen oder weitestgehend abgebaut sein.

264

BSK-ZGB-I/Steck, Art. 114 Rn. 1 ff.; Palandt/Brudermüller, § 1566 Rn. 2. In ähnlichem Sinne Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 128. 265

D. Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft

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So lässt sich eine Regelung, die – für den Fall des Wiederauflebens der Beziehung nach mehr als einjähriger Trennung – an den gegenseitigen Erbrechtspositionen der Konsensualpartner festhält, wohl nicht rechtfertigen. Ebenso sprechen sich Venger266 – wie bereits oben gesehen [vgl. Kap. 6, D., I.] – und Pichonnaz267 für eine einjährige Trennungsfrist aus. Darüber hinaus setzen zahlreiche der spanischen Konkubinatsgesetze ein Trennungsjahr für die rechtsgültige Auflösung der Partnerschaft fest, vgl. Art. 1.1 LVAL, Art. 1.1 LMAD, Art. 3.2 LAST, Art. 1.1 LCAN, Art. 2.1 LEX, womit sich auch rechtsvergleichende Gründe für eine Jahresfrist anführen lassen. Auch sollte es keine Unterscheidungen in den Fristlängen für einvernehmliche und einseitige Trennungen geben, wie sie im Scheidungsrecht grundsätzlich vorzufinden sind. Der gegebenenfalls nicht immer einfach zu erbringende Nachweis, ob die Partnerschaft nur von einem oder doch von beiden Parteien gewünscht war, würde die Frage nach der Rechtsgültigkeit der Auflösung unnötig erschweren. Wie im Scheidungsrecht sollte die Trennungsfrist mit Beendigung der Wohngemeinschaft zu laufen beginnen, sofern die räumliche Trennung nicht aus „beruflichen, gesundheitlichen oder anderen nicht partnerbezogenen Gründen“ erfolgte.268 Schließlich wird auch für die Entstehung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach dem hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis die Begründung einer Wohngemeinschaft vorausgesetzt. Insofern stellt dieses Ereignis einen logischen sowie beweisrechtlich sinnvollen Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Trennungsfrist dar. Abgesehen davon dürfen sich auch kurzfristige, erfolglos gebliebene Versöhnungsversuche nicht auf die Fristdauer auswirken.269 3. Rechtsfolgen Eine erbrechtsrelevante Lebensgemeinschaft gilt als aufgelöst, wenn die Partner wenigstens seit einem Jahr getrennt leben. Nach Ablauf der Frist erlischt das konsensualpartnerschaftliche Erbrechtsverhältnis, das zwischen den Parteien begründet war. Der Ex-Partner ist aus rechtlicher Sicht fortan wie ein Fremder zu behandeln. Stirbt eine Partei nach dem Trennungsjahr, so stehen dem ehemaligen, noch lebenden Partner von Gesetzes wegen keine Erbansprüche zu. 266 Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 136, 138. 267 Pichonnaz, FamPra.ch 2002, 670, 695 f. 268 CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Art. 114 Rn. 3; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, Rn. 10.09; dieser Auffassung auch Venger, Gesetzliche Regelung der Rechtsverhältnisse nichtehelicher Lebensgemeinschaften, S. 137. 269 CHK-ZGB-I/Nägeli/Guyer, Art. 114 Rn. 7; Mit § 1567 II BGB kennt das deutsche Eherecht eine Regelung entsprechenden Inhalts.

246

Kap. 6: Faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtlichen Kontext

Die Partnerschaft ist hingegen nicht rechtswirksam aufgelöst, wenn sich der Tod noch während der Trennungsphase, also vor Fristablauf ereignet. Dennoch dürfen auch in diesem Falle keine erbrechtlichen Wirkungen zugunsten des überlebenden Partners eintreten. Die getrennt lebenden Partner hegen in dieser Zeit gewiss nicht den Wunsch, den anderen erbrechtlich zu begünstigen. Dieser Rechtsgedanke kommt gleichfalls im deutschen Ehegattenerbrecht zum Tragen. Nach § 1933 S. 1 BGB ist das Erbrecht des Ehegatten ausgeschlossen, wenn im Todeszeitpunkt des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung bereits gegeben waren und der Erblasser diese selbst beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Demgegenüber endet das schweizerische Ehegattenerbrecht erst mit rechtskräftiger Scheidung. Eine Regelung wie § 1933 BGB kennt das Schweizer Erbrecht bislang nicht.270 Zu Recht wird dieser Umstand vom Schrifttum kritisiert.271 Auch angesichts des Grundsatzes der jederzeitigen Auflösbarkeit nichtehelicher Lebensgemeinschaften muss eine Regelung abgelehnt werden, die an den Rechtsfolgen dieses Rechtsverhältnisses unverändert festhält, obwohl die Partner in Trennung leben. Die noch nicht aufgelöste Lebensgemeinschaft entfaltet während der Zeit des Getrenntlebens folglich keine Rechtswirkungen.272 Das bedeutet, dass die aus diesem Beziehungsverhältnis resultierenden Erbanwartschaften ruhen, solange nicht die Partner die nichteheliche Gemeinschaft wieder aufgenommen oder mittels Fristablaufs endgültig beenden haben. Eine entsprechende Regelung würde somit eine vorschnelle Auflösung von Konsensualpartnerschaften verhindern, ohne in Trennungssituationen von den Parteien nicht gewünschte Rechtsfolgen eintreten zu lassen.

IV. Regelungsvorschlag Für die Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft empfiehlt sich in Anlehnung an die eherechtlichen Scheidungsvoraussetzungen nachfolgende Gesetzesformulierung: 270 Der schweizerische Gesetzgeber sieht in seinem Vorentwurf zur Erbrechtsreform vor, Art. 120 II ZGB – ähnlich der deutschen Regelung (§ 1933 BGB) – dahingehend abzuändern, dass das Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten, nicht jedoch der gesetzliche Erbanspruch bereits mit Einleitung des Scheidungsverfahrens hinfällig wird, vgl. Eidgenössisches Justizund Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 1; Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 31. 271 Vgl. statt vieler Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 463 ff. m.w.N. 272 Das deutsche Familienrecht legt in § 1357 III BGB unter anderem denselben Regelungsgedanken – bestimmte Rechtswirkungen im Falle des Getrenntlebens ruhen zu lassen – zugrunde. So kann ein Ehegatte keine Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs mit Wirkung für den anderen Ehegatten besorgen, wenn die Ehegatten getrennt leben.

D. Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft

247

Abs. 1: Die faktische Lebensgemeinschaft endet, wenn die Partner ihr Beziehungsverhältnis einvernehmlich oder einseitig auflösen und seit einem Jahr getrennt leben. Sie ist ferner beendet, wenn die Partner einander heiraten beziehungsweise die Partnerschaft eintragen lassen oder mit einem Dritten eine Ehe beziehungsweise eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Abs. 2: Die faktischen Lebenspartner leben getrennt, wenn sie die häusliche Gemeinschaft beenden und wenigstens ein Partner diese nicht wiederherstellen will, weil er die nichteheliche Gemeinschaft ablehnt. Eine kurzfristige Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft unterbricht das Trennungsjahr nicht. Abs. 3: Während der Trennungszeit ruhen die zwischen den Lebenspartnern begründeten Erbanwartschaften.

Kapitel 7

Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners: Ein Reformvorschlag A. Überblick Auf der Grundlage des vorhergehend definierten Begriffsverständnisses soll nunmehr ein konkreter Reformvorschlag für das Erbrecht nichtehelicher Lebenspartner unterbreitet werden. Auch hierfür wird man sich an der Ehe, genauer gesagt am Ehegattenerbrecht, orientieren müssen. Denn angesichts der bestehenden Gemeinsamkeiten von ehelichen und nichtehelichen Lebenspartnerschaften erscheint es nur konsequent, auch die Rechtsfolgen dieser partnerschaftlichen Erbechtsinstitute aufeinander abzustimmen. Wie bei der Begriffsbestimmung ist somit auch für die inhaltliche Ausgestaltung einer Erbenstellung nichtehelicher Lebenspartner der Vergleich mit der Ehe unerlässlich. Daher werden im Folgenden zunächst die Grundzüge des schweizerischen und deutschen Ehegattenerbrechts dargestellt, soweit es für den hier zu behandelnden Zusammenhang von Interesse ist, um vor diesem Hintergrund einen ausformulierten Gesetzesentwurf zu präsentieren.

B. Grundzüge des Ehegattenerbrechts: Ausgangspunkt der Reformüberlegungen I. Gesetzliches Erbrecht und eheliches Güterrecht Das schweizerische Erbrecht räumt dem überlebenden Ehegatten eine verhältnismäßig starke Erbenstellung ein. Als gesetzlicher und pflichtteilsgeschützter Erbe kann der Ehegatte eine beachtliche Erbquote für sich beanspruchen, die – wie im deutschen Erbrecht auch – umso größer ausfällt, je weiter entfernt die anderen gesetzlichen Erben mit dem Erblasser verwandt sind.1 Hinterlässt der Erblasser eigene Nachkommen, so steht dem überlebenden Ehegatten die Hälfte der Erbschaft zu, Art. 462 I ZGB. Sind dagegen keine Nachkommen, aber Erben der elterlichen Parentel vorhanden, beträgt sein gesetzlicher 1

Leipold, Erbrecht, Rn. 158.

B. Grundzüge des Ehegattenerbrechts

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Erbteil bereits drei Viertel, Art. 462 II ZGB. Der Ehegatte kann hingegen die ganze Erbschaft für sich beanspruchen, wenn weder eigene Nachkommen noch Verwandte der zweiten Parentel vorhanden sind, Art. 462 III ZGB. Zu Verwandten der dritten Parentel – dem großelterlichen Stamm – erblickt der schweizerische Gesetzgeber demzufolge keine ausreichende Nähebeziehung, die aus seiner Sicht eine gesetzliche Erbenstellung neben dem überlebenden Ehegatten rechtfertigen würde. Nicht nur in diesem Punkt, sondern auch in der Höhe des allgemeinen – d. h. unabhängig vom ehelichen Güterstand bestehenden – gesetzlichen Erbteils unterscheiden sich schweizerisches und deutsches Ehegattenerbrecht voneinander. Einem deutschen Ehegatten fällt neben Verwandten der ersten Ordnung ein Viertel, § 1931 I 1 Alt. 1 BGB, und neben Verwandten der zweiten Ordnung sowie neben Großeltern die Hälfte, § 1931 I 1 Alt. 2 und 3 BGB, der Erbschaft an.2 Sind weder Verwandte der ersten beiden Ordnungen noch Großeltern vorhanden, so erbt der überlebende Ehegatte allein, § 1931 II BGB. Neben dem gesetzlichen Erbteil steht dem im gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung (Art. 196 ff. ZGB)3 lebenden Ehegatten ein güterrechtlicher Ausgleich zu, Art. 120 I, 204 ff., 215 ZGB. Der überlebende Ehegatte kann, sofern kein anderer Güterstand – d. h. weder Gütertrennung (Art. 247 ff. ZGB) noch Gütergemeinschaft (Art. 221 ff. ZGB) – durch Ehevertrag vereinbart worden ist, und die Errungenschaft (Art. 197 ZGB)4 des verstorbenen Ehegatten den des Überlebenden übersteigt, die Hälfte des Überschusses – den sog. Vorschlag (Art. 210 ZGB) – als Ausgleichsforderung gem. Art. 215 ZGB verlangen. Lebten die Eheleute daher im Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung, so ist vor der erbrechtlichen stets eine güterrechtliche Auseinandersetzung vorzunehmen. Das Eigengut (Art. 198 ZGB) des Erblassers sowie der nicht von der Vorschlagsbeteiligung erfasste Anteil (Art. 215 II ZGB) bilden dann den Nachlass.5 Demgegenüber trägt das deutsche Ehegattenerbrecht dem aus dem Güterrecht herrührenden Ausgleichsanspruch, § 1363 II 2 BGB, durch die pauschale Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um ein zusätzliches Viertel Rechnung, §§ 1931 III, 1371 I BGB. Der deutsche Gesetzgeber hat sich aus Gründen der Rechtsklarheit für diese sog. „erbrechtliche Lösung“ entschieden, die unabhängig davon gilt, wer den höheren Zugewinn erzielt hat. So kommt es zu einer pauschalisierten Erhöhung der gesetzlichen Erbquote auch dann, wenn dem überlebenden Ehegatten nach den 2

Zum Voraus des Ehegatten vgl. Kap. 7, B., IV. Beim Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung handelt es sich im Grundsatz um das Pendant zum deutschen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, § 1363 BGB. Im Unterschied zur deutschen Zugewinngemeinschaft kann ein schweizerisches Ehepaar allerdings bei während der Ehe auftretenden Schwierigkeiten unter gewissen Voraussetzungen, vgl. Art. 185, 176 I Nr. 3, 118 I ZGB, den Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung gerichtlich aufheben lassen und stattdessen den Güterstand der Gütertrennung anordnen. 4 Als Errungenschaft werden diejenigen Vermögenswerte bezeichnet, die ein Ehegatte während der Ehe entgeltlich erworben hat, Art. 197 I ZGB. 5 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 6 Rn. 18, 21. 3

250

Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

güterrechtlichen Bestimmungen, §§ 1378, 1373 ff. BGB, gar kein Ausgleichsanspruch zugestanden hätte.

II. Pflichtteilsrecht Nach Art. 471 III ZGB gehört der überlebende Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner auch zum pflichtteilsberechtigten Personenkreis. Das schweizerische Pflichtteilsrecht ist anders als das deutsche als sog. Noterbrecht ausgestaltet. Der Pflichtteilsberechtigte wird somit wahrer Erbe und muss sich nicht mit einem schuldrechtlichen Anspruch gegenüber der Erbengemeinschaft begnügen. Dem Ehegatten wird insofern eine Erbenstellung garantiert und damit die dingliche Teilhabe am Nachlass zugesichert. Dabei steht ihm unabhängig davon, neben welchen Verwandten er konkurriert, ein grundsätzlich unentziehbarer Anspruch auf die Hälfte seiner gesetzlichen Erbquote zu, Art. 471 III ZGB. So kann die Pflichtteilsquote bei einem Viertel, drei Achteln oder ein Halb liegen, je nachdem, ob der Ehegatte neben Verwandten der ersten, zweiten oder höheren Parentelen erbt. Zusätzlich kann dieser den güterrechtlichen Ausgleich verlangen, sofern ein Anspruch hierauf besteht. Wie in der Schweiz kann auch nach deutschem Recht ein testamentarisch nicht bedachter Ehegatte die Hälfte der gesetzlichen Erbquote als Pflichtteil beanspruchen, §§ 2303 II 1 Alt. 2 i.V.m. I 1 und 2 BGB. Die Pflichtteilsquote bemisst sich allein nach dem gesetzlich nicht erhöhten Erbteil (sog. „kleiner“ Pflichtteil), § 2303 II 2, 1371 II, 1931 BGB, so dass dem Ehegatten eine wertmäßige Nachlassbeteiligung in Höhe von einem Achtel neben Verwandten erster Ordnung (§§ 2303 I 2, 1931 I Alt. 1 BGB), einem Viertel neben Verwandten zweiter Ordnung und Großeltern (§§ 2303 I 2, 1931 I Alt. 2 und 3 BGB) oder ein Halb neben allen übrigen Personen (§§ 2303 I 2, 1931 II BGB) zusteht. Daneben hat der enterbte Ehegatte Anspruch auf den errechneten Zugewinnausgleich, §§ 2303 II 2, 1371 II BGB, 1373 ff., 1378 BGB.

III. Besondere Formen testamentarischer Begünstigungsmöglichkeiten Neben den allgemeinen erbrechtlichen Testiermöglichkeiten, etwa durch Testament oder Erbvertrag bzw. mittels Erbeinsetzung, Vermächtnis oder durch Auflage auf die Rechtsnachfolge Einfluss zu nehmen, enthalten schweizerisches und deutsches Erbrecht jeweils ein besonderes testamentarisches Gestaltungsmittel zugunsten der Ehepartner bereit. Auf Schweizer Seite handelt es sich hierbei um das Recht der ehegattenbegünstigenden Nutzniessung, Art. 473 ZGB [hierzu bereits Kap. 3, C., II., 3., f), bb)]. Auf deutscher Seite ist mit dem Gemeinschaftlichen Testament (sog. Ehegatten-

B. Grundzüge des Ehegattenerbrechts

251

testament), §§ 2265 ff. BGB, § 10 IV LPartG, eine ausschließlich verheirateten und eingetragenen Paaren zugängliche Testamentsform geregelt. Art. 473 ZGB räumt dem Erblasser die Möglichkeit ein, dem überlebenden Ehegatten, nicht aber dem eingetragenen Lebenspartner6, zulasten der gemeinsamen Nachkommen die Nutzniessung an dem ganzen ihnen zufallenden Teil der Erbschaft testamentarisch zuzuwenden.7 Er ist damit berechtigt, in die Pflichtteilsstellung der gemeinsamen Kinder einzugreifen. Im Gegenzug verliert der Ehegatte seine gesetzliche Erbposition, an deren Stelle die Nutzniessung tritt, § 473 II 1 ZGB.8 Dadurch beträgt die dem Erblasser frei verfügbare Quote ein Viertel, während drei Viertel zwingend den gemeinsamen Nachkommen zufallen. Die Pflichtteile der Nachkommen sind folglich mit der Nutzniessung des Ehegatten belastet, Art. 473 I ZGB. Ihnen ist es in diesem Falle nicht gestattet, die verhältnismäßige Herabsetzung ihrer (Pflichtteils-)Ansprüche oder deren Ablösung – unter Überlassung des verfügbaren Teils der Erbschaft an den Bedachten – gem. Art. 530 ZGB zu verlangen. Stattdessen steht den pflichtteilsberechtigten Nachkommen lediglich das „nackte Eigentum“ am Nachlass zu.9 Will der Erblasser seinen Ehegatten daher in größtmöglichem Umfang begünstigen, so kann er ihm zusätzlich die disponible Quote von einem Viertel zuwenden. Das lebenslange Nutzniessungsrecht des Ehegatten entfällt jedoch bei Wiederverheiratung auf jenen Teil der Erbschaft, der im Zeitpunkt des Erbfalls den Nachkommen als unbelasteten Pflichtteil – also ohne die Nutzniessung – zugestanden hätte, Art. 473 III ZGB. Folglich können die pflichtteilsberechtigten Nachkommen im Falle einer Wiederheirat drei Achtel des Nachlasses für sich beanspruchen. In Deutschland ist die Einräumung eines Nießbrauchs an einer Erbschaft ebenfalls zulässig, § 1089 BGB. Im Unterschied zu Art. 473 ZGB müssen die Pflichtteilsberechtigten eine Belastung ihrer Pflichtteile allerdings nicht hinnehmen, § 2306 I BGB. Wird dem länger lebenden Ehegatten daher der gesamte Nachlass als Nieß6

BSK-ZGB-II/Staehelin, Art. 473 Rn. 2; KUKO-ZGB/Grüninger, Art. 473 Rn. 3. Die Regelung soll den überlebenden Ehegatten insbesondere vor Zahlungsschwierigkeiten bewahren, die mit der Erfüllung der Pflichtteilsansprüche einhergehen können. Besteht der Wert des Nachlasses im Wesentlichen nur aus der ehelichen Wohnung bzw. dem Haus, so ist der überlebende Ehegatte unter Umständen genötigt, diese(s) in Ansehung des Pflichtteilsrechts zu veräußern. Art. 473 ZGB gibt dem Erblasser insofern die Möglichkeit, eheliches Vermögen zu erhalten und damit den bisherigen Lebensstandard des Ehepartners zu sichern, Breitschmid/ Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 38; vgl. in diesem Zusammenhang auch Parlamentarische Initiative Suter (97.457), Klärung des Erbrechtes des überlebenden Ehegatten, eingereicht am 18. 12. 1997; Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 22. 01. 2001 zur Parlamentarischen Initiative Suter (97.457), Klärung des Erbrechtes des überlebenden Ehegatten, BBl 2001, 1121. 8 Stauffer von May, ius.full 2013, 190, 194. 9 Breitschmid/Eitel/Fankhauser u. a., Erbrecht, Kap. 1 Rn. 38: Mit einem Anteil von drei Vierteln am gesamten Nachlass erhalten die Nachkommen jedoch mehr als nur ihren Pflichtteil. 7

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

brauch zugewendet, so bleiben die pflichtteilsgeschützten Nachkommen gleichwohl berechtigt, den Pflichtteil geltend zu machen. Eine vergleichbare Regelung, wie sie das schweizerische Erbrecht mit Art. 473 ZGB normiert hat, kennt das deutsche Erbrecht insofern nicht. Demgegenüber steht deutschen Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern die Möglichkeit offen, ein Gemeinschaftliches Testament zu errichten, §§ 2265 ff. BGB, § 10 IV LPartG. Mittels dieser besonderen Testamentsform können die Partner ihre Erbangelegenheiten gemeinschaftlich regeln. Durch die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen, § 2271 II 1 Hs. 1 BGB, erhalten die Partner insbesondere Gewissheit darüber, dass eine korrespondierend abgegebene Erbanordnung Bestand hat und damit eine gegenseitige Erbeinsetzung mit der Wirksamkeit der anderen Verfügung steht oder fällt. So können die Ehegatten insbesondere sicherstellen, dass der überlebende Teil eine bindende Schluss- oder Nacherbeneinsetzung der Kinder nicht widerruft bzw. abändert.

IV. Ehewohnung und Hausrat Abweichend von Art. 610 I ZGB, wonach allen Erben bei der Teilung den gleichen Anspruch auf zum Nachlass gehörende Gegenstände haben, kann der überlebende Ehegatte bzw. eingetragene Lebenspartner gemäß Art. 612a I, IV ZGB die Zuweisung des Eigentums an dem Familienheim sowie an den Hausratsgegenständen verlangen. Die Vorabzuweisung dieser Gegenstände erfolgt dabei unter Anrechnung auf den Erbteil. Aufgrund des dispositiven Charakters der Norm ist es dem Erblasser jedoch erlaubt, durch letztwillige Anordnung einer Nutzniessung bzw. eines Wohnrechts dem überlebenden Ehegatten das Zuweisungsrecht zu entziehen.10 Bei Vorliegen besonderer Umstände – etwa bei einem hohen Alter des überlebenden Ehegatten oder einer engen Verbundenheit der Miterben zum Familienheim – können aber auch der Ehegatte bzw. der eingetragene Lebenspartner oder die anderen gesetzlichen Miterben statt des Eigentums die Einräumung einer Nutzniessung oder eines Wohnrechts fordern, Art. 612a II ZGB. Im Gegensatz dazu hat der überlebende Ehegatte nach deutschem Erbrecht neben seinem gesetzlichen Erbteil Anspruch auf den sog. Voraus, § 1932 BGB. Gemäß der Vorschrift kann der Ehegatte die zum Haushalt gehörenden Gegenstände für sich beanspruchen, § 2174 BGB, sofern er gesetzlicher Erbe geworden ist und mit dem verstorbenen Ehepartner einen gemeinsamen Haushalt geführt hat.11

10 BGE 119 II 323, E. 5; dazu bereits Kaufmann, in: Kaufmann/Huwiler (Hrsg.), Das neue Ehe- und Erbrecht des ZGB mit seiner Übergangsordnung und seinen Auswirkungen auf das Scheidungs-, Miet-, Handels-, Steuer- und Betreibungsrecht, S. 117, 131. 11 Palandt/Weidlich, § 1932 Rn. 1 ff.: Der Ehegatte soll diejenigen Gegenstände behalten dürfen, die ihm die Fortführung seiner bisherigen Lebensstils ermöglichen.

C. Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner

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Abhängig davon, ob der Ehegatte neben Verwandten erster Ordnung oder neben Verwandten zweiter Ordnung oder Großeltern gesetzlicher Erbe wird, stehen ihm entweder nur die zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigten Gegenstände, Abs. 1 S. 2, oder aber sämtliche Haushaltsgegenstände, Abs. 1 S. 1, zu. Da es sich beim Ehegattenvoraus um ein gesetzliches Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) handelt, findet im Unterschied zur Schweiz eine Anrechnung auf den gesetzlichen Erbteil des Ehegatten nicht statt. Ergänzt wird § 1932 BGB durch die §§ 563 ff. BGB, die dem Ehegatten12 unabhängig vom Erbrecht ein Eintrittsrecht in ein Mietverhältnis über die Ehewohnung gewähren, das durch den verstorbenen Ehepartner (mit-)begründet war.13 Die §§ 563, 563a BGB ermöglichen daher dem überlebenden Ehegatten, sein Leben in gewohnter Umgebung fortführen zu können.14

C. Vorschlag für die inhaltliche Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundzüge zum Ehegattenerbrecht wird nun ein Vorschlag für ein Erbrecht unter nichtehelichen Lebenspartnern unterbreitet.

I. Gesetzliches Erbrecht und güterrechtlicher Ausgleich 1. Der nichteheliche Lebenspartner als gesetzlicher Erbe Dem überlebenden Partner einer erbrechtsrelevanten Lebensgemeinschaft sollte eine gesetzliche Erbenstellung eingeräumt werden.15 So machen nicht nur die soziodemographischen Entwicklungen [Kap. 2, C., II.] und unzureichend flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers [Kap. 3, C., II., 3.] eine erbrechtliche Beteiligung von Gesetzes wegen erforderlich. Hierfür sprechen auch die Tatsachen, dass in etwa nur je ein Viertel aller Schweizer16 und Deutschen17 letztwillig verfügen

12 Gemäß § 563 II 3 BGB kommt das Eintrittsrecht auch nichtehelichen Lebenspartnern zugute, Palandt/Weidenkaff, § 563 Rn. 9, 15; vgl. hierzu bereits Kap. 3, C., I. 13 Palandt/Weidlich, § 1932 Rn. 1; Palandt/Weidlich, § 1922 Rn. 11; Palandt/Weidenkaff, § 563 Rn. 9 ff., 19. 14 Palandt/Weidlich, § 1922 Rn. 11; Palandt/Weidenkaff, § 563 Rn. 1. 15 Dieser Auffassung auch Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 36, 48 f.; kritisch hierzu Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 310 f. 16 Stutz, FamPra.ch 2006, 862, 870; Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 182; hierzu auch Platzer/Breitschmid, successio 2 (2008), 188, 189.

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und dass mit rund 75 % der überwiegende Teil der schweizerischen Bevölkerung eine erbrechtliche Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften befürwortet [vgl. Kap. 2, C., III., 3., c) sowie Kap. 4, B.].18 Ohne gesetzliche Erblegitimation ginge der Partner einer über 20 Jahre andauernden Lebensgemeinschaft bei der Erbfolge gänzlich leer aus, wenn der Verstorbene es zu Lebzeiten versäumt hat, ein Testament zu errichten. Die Etablierung eines gesetzlichen Erbrechts zugunsten nichtehelicher Lebenspartner würde insofern eine wichtige Regelungslücke schließen und entscheidend zur erbrechtlichen Besserstellung unverheirateter Paare beitragen. Was die Größe des gesetzlichen Erbteils anbelangt, so ist das Ehegattenerbrecht als Orientierungsmaßstab heranzuziehen.19 In der Schweiz bekommt der überlebende Ehegatte – wie gesehen – eine gesetzliche Erbquote von ein Halb oder drei Vierteln, je nachdem, ob er neben Verwandten der ersten oder der zweiten Parentel erbt, Art. 462 I, II ZGB. Sind keine Verwandten der ersten beiden Parentelen vorhanden, so erbt er allein, Art. 462 III ZGB. Angesichts der vergleichbaren Beziehungsmuster von ehelichen und nichtehelichen Partnerschaften sollte der überlebende Konsensualpartner seinen verstorbenen Lebensgefährten in ähnlichem Umfang beerben können. So haben nicht zuletzt die Erkenntnisse der soziologischen Forschung aufgezeigt [vgl. Kap. 2, C., II., 4. sowie Kap. 2, C., III., 4.], dass bei unverheirateten Paaren, die eine eheähnliche Beziehung führen, ein entsprechender Vererbungswille vorliegt, wie er unter Ehegatten vorhanden ist bzw. vom Gesetzgeber als dort mutmaßlich vorhanden unterstellt wird. Dem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die die oben aufgestellten begrifflichen Anforderungen erfüllt, sollte als gesetzlicher Erbe demnach die Hälfte (neben Nachkommen), drei Viertel (neben Verwandten des elterlichen Stamms) oder die ganze Erbschaft (neben allen übrigen Personen) zufallen. Für eine deutsche Erbregelung erscheint eine Angleichung an die gesetzlichen Erbquoten des Ehegatten, wie sie in § 1931 BGB festgelegt sind, gleichermaßen geeignet.

17 Vgl. TNS Infratest-Umfrage „Erbrecht 2007“ vom August 2007 im Auftrag des Deutschen Forums für Erbrecht e.V., S. 1 (Tab. 1), wonach rund 26 % der Befragten ein Testament errichtet oder einen Erbvertrag abgeschlossen haben; Hommerich, C./Hommerich, N., Erbrechtliche Vorsorge in Deutschland, Umfrage im Auftrag der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge, Bergisch Gladbach, 31. Januar 2006, S. 4, die auf ein nahezu identisches Ergebnis von ebenfalls 26 % kommen; von 30 % ausgehend Reimann, in: Henrich/Schwab (Hrsg.), Familienerbrecht und Testierfreiheit im europäischen Vergleich, S. 33, 34; ebenfalls 30 % zugrunde legend Soergel/Stein, Einl. Zum Erbrecht Rn. 73; vgl. auch die Hinweise bei Röthel, in: Lipp/Röthel/Windel (Hrsg.), Familienrechtlicher Status und Solidarität, S. 85, 97 Fn. 55 sowie Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Fn. 374. 18 Stutz/Bauer/Schmugge, Erben in der Schweiz, S. 215. 19 Dafür auch Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 36.

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2. Kein güterrechtlicher Ausgleich Dem überlebenden Konsensualpartner sollte im Erbfall nicht die Möglichkeit zugestanden werden, güterrechtliche Ausgleichsansprüche geltend zu machen. Dieses Recht muss den Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartnern vorbehalten sein.20 Zwar lässt sich der dem Errungenschafts- bzw. Zugewinnausgleich zugrunde liegende Legitimationsgedanke prinzipiell auch auf die faktische Lebensgemeinschaft übertragen. Gerechtfertigt wird die Ausgleichsverpflichtung nämlich damit, dass der Vermögenszuwachs eines Ehegatten auf der gemeinsamen Lebensleistung beider Partner beruhe.21 Eine solche wirtschaftliche Verbundenheit ist ebenso bei langjährigen Lebenspartnerschaften vorzufinden. Dennoch ist eine güterrechtliche Ausgleichsregelung abzulehnen, wie sie Art. 120 I, 204 ff., 215 ZGB bzw. § 1371 BGB für Ehegatten vorsehen. Im Unterschied zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft haben Ehegatten ihre Partnerschaft ganz bewusst auf eine vertragliche Grundlage gestellt und sich damit willentlich – mangels abweichender Vereinbarung – für den gesetzlichen Güterstand entschieden. Obgleich auch auf Seiten nichtehelicher Lebensgemeinschaften schützenswerte Interessenlagen bestehen, insbesondere wenn sich einer der Partner auf Haushaltsführung und Kindeserziehung beschränkt hat, sollten güterrechtliche Ausgleichsansprüche nicht Gegenstand des erbrechtlichen Reformvorhabens sein. Nichtehelichen Paaren bleibt es schließlich unbenommen, mittels individualvertraglicher Abrede eine dem ehelichen Güterrecht nachgebildete Vereinbarung zu treffen [vgl. Kap. 3, B., III., 3., b)].22 Einschränkend gilt es hierbei allerdings zu berücksichtigen, dass bei Vorhandensein pflichtteilsgeschützter Erben der finanzielle Ausgleichsanspruch des Konsensualpartners im Gegensetz zu dem des Ehegatten erheblich geschmälert ist. Darüber hinaus sprechen aber auch praktische Erwägungen gegen einen güterrechtlichen Ausgleichsanspruch des nichtehelichen Lebenspartners. Für die Berechnung des Vorschlags bzw. Zugewinns ist sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland eine streng schematische Vermögensaufstellung erforderlich.23 So sind die jeweiligen Vermögensverhältnisse der Ehegatten an den hierfür relevanten 20 Für eine Anwendung des Ehegüterrechts hingegen Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 37, 49; Pulver, Unverheiratete Paare, S. 16; Rumo-Jungo/Liatowitsch, FamPra.ch 2004, 895, 901. 21 BSK-ZGB-I/Hausheer/Aebi-Müller, Art. 215 Rn. 1; FamKomm-ZGB/Steck, Art. 215 Rn. 1; Schwenzer, FamPra.ch 2014, 966, 985; Brudermüller, in: Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), Die Zugewinngemeinschaft – ein europäisches Modell?, S. 3, 4. 22 Breitschmid/Künzle, in: DACH (Hrsg.), Grenzenloses Erbrecht – Grenzen des Erbrechts, S. 1, 33 f.; Staudinger/Löhnig, Anh. zu §§ 1297 ff. Rn. 39; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, § 44 Rn. 1. 23 FamKomm-ZGB/Steck, Art. 215 Rn. 1 f.; Palandt/Brudermüller, § 1373 Rn. 1 f.

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Stichtagen zu ermitteln (d. h. eine Bestimmung von Eigengut und Errungenschaft, Art. 197 f. ZGB, bzw. Anfangs- und Endvermögen, §§ 1371 II, 1374 f. BGB). Es dürfte außer Frage stehen, dass sich bei einer nichtformalisierten Partnerschaft die Höhe des güterrechtlichen Ausgleichsanspruchs mangels exakt bestimmbaren Stichtags nicht mit der für die Praxis notwendigen Genauigkeit berechnen lässt. So setzt auch das hier zugrunde gelegte Begriffsverständnis neben einer objektiven eine subjektive Komponente voraus, womit der für die Ermittlung des Zugewinnausgleichs erforderliche Anknüpfungspunkt fehlt. Die durch faktische Gegebenheiten begründete Lebensgemeinschaft kann diesen Anforderungen daher nicht in gleicher Weise gerecht werden, wie es bei den formalisierten Rechtsinstituten Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft möglich ist. Zudem ist von einer gesetzlichen Ausgleichspflicht nichtehelicher Lebenspartner auch aus nachfolgendem Grund abzusehen. Wird den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Zugang zum ehelichen Güterrecht kraft Gesetzes eröffnet, dann muss der Gesetzgeber konsequenterweise auch über die Anwendung weiterer Normen des Eherechts nachdenken, insbesondere solcher, die ein ähnliches Regelungsziel verfolgen. Angesichts der oben beschriebenen Funktion des Errungenschafts- bzw. Zugewinnausgleichs ließe sich eine Regelung nicht rechtfertigen, die den Konsensualpartnern ausschließlich im Erbfall einen güterrechtlichen Ausgleichsanspruch zugesteht. Die Ausgleichspflicht müsste konsequenterweise auch bei einer von den Partnern herbeigeführten Auflösung der Lebensgemeinschaft eintreten. Überdies handelt es sich bei der Ehe um ein umfassendes, mit zahlreichen Rechten und Pflichten ausgestattetes Rechtsinstitut. Insoweit erscheint es unangebracht und eher einem „Rosinenpicken“ gleich zu kommen, wenn man lediglich einzelne Bereiche des Eherechts, wie den güterrechtlichen Errungenschafts- bzw. Zugewinnausgleich, auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft überträgt. Demzufolge wären in diesem Zusammenhang umfangreiche Veränderungen des Familienrechts erforderlich, womit man sich insbesondere von dem hier gewählten Lösungsansatz, den erbrechtlichen Problemen nichtehelicher Lebenspartner punktuell und bereichsspezifisch zu begegnen, zu weit entfernen würde [vgl. Kap. 5, B., II., 3., b), bb)]. Eine derartige Regelung dürfte daher über das eigentliche Ziel hinausschießen, und zwar ungeachtet der Frage, ob der güterrechtliche Ausgleich über eine individuelle Berechnung der jeweiligen Vermögensverhältnisse oder mittels pauschalisierter Erhöhung der gesetzlichen Erbquote erfolgt.

C. Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner

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II. Pflichtteilsrecht 1. Keine pflichtteilsgeschützte Erbenstellung Der schweizerische Gesetzgeber sollte davon absehen, dem überlebenden Lebenspartner eine pflichtteilsgeschützte Erbenstellung einzuräumen.24 Eine Erweiterung des Kreises pflichtteilsberechtigter Personen um die des nichtehelichen Lebenspartners ließe sich mit dem Reformziel, das Erbrecht flexibler auszugestalten, nur bedingt vereinbaren. Statt die Testierfreiheit des Erblassers zu stärken, würde man dessen Handlungsspielraum zusätzlich einengen. Mehr Pflichterben bedeuten zwangsläufig auch eine größere Beschränkung der dem Erblasser frei zur Verfügung stehenden Testierquote. Schließt der Erblasser seinen Partner daher durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge aus, dann sollte dieser Willen uneingeschränkt Beachtung finden. Es besteht zumindest keine zwingende Veranlassung, die durch faktisches Zusammenleben begründete Erbenstellung des Konsensualpartners durch das Pflichtteilsrecht abzusichern. Dem Erblasser sollte insoweit die Möglichkeit offenstehen, sich von einem formlos entstehenden Rechtsverhältnis, wie der erbrechtsrelevanten Lebensgemeinschaft, wieder gänzlich lossagen zu können. Auch dürfte dem Versorgungsinteresse des überlebenden Partners mit einer Pflichtteilsstellung nur unzureichend gedient sein. Denn im Unterschied zu einem auf Abstammung begründeten Verwandtschaftsverhältnis können Partnerschaften wieder aufgelöst werden, so dass die daran anknüpfenden Rechtswirkungen gleichermaßen wegfallen. Dem Erblasser wäre es jederzeit möglich, durch Vollziehung der Trennung das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht seines Konsensualpartners auszuschließen. Eine gesicherte Erbrechtsposition zugunsten des überlebenden Partners könnte daher auch nicht über das Pflichtteilsrecht garantiert werden. Dennoch darf das Erbrecht die Versorgungsbelange des überlebenden Partners nicht außer Acht lassen. Statt der Einräumung einer eigenen Pflichtteilsstellung erscheint es sinnvoll, die Handlungsspielräume des Erblassers zu vergrößern, um den nichtehelichen Lebenspartnern in erster Linie selbst die Möglichkeit zu geben, für die Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards ihrer Partner sowie deren Unterhaltssicherung Sorge zu tragen. Dieses Ziel lässt sich vornehmlich durch eine flexiblere Ausgestaltung des Pflichtteilsrechts [dazu Kap. 7, C., II., 2.] sowie über einen punktuellen Ausbau einzelner Erbrechtspositionen erreichen [dazu Kap. 7, C., IV.]. Damit der überlebende Partner allerdings nicht allein auf die Gunst des Erblassers vertrauen respektive hoffen muss, sollte neben der Modernisierung des Erb- und Pflichtteilsrechts auch über die Einführung versorgungsrechtlicher Ausgleichsansprüche (insbesondere einer Übertragung von Rentenanwartschaften) zugunsten des 24 Für eine pflichtteilsgeschützte Erbenstellung des faktischen Lebenspartners in Form eines erbrechtlichen Versorgungsanspruchs Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 37, 48 f.

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

schlechter gestellten Konsensualpartners nachgedacht werden.25 Überdies könnte die fehlende Pflichtteilsstellung im Bedarfsfall durch eine unterhaltsrechtliche Regelung kompensiert werden. Insoweit ist diesen schützenswerten Interessen des Partners in erster Linie mittels familienrechtlicher Normen zu begegnen. 2. Neugestaltung des Pflichtteilsrechts: Stärkung des erblasserischen Willens Bei der Neugestaltung des Pflichtteilsrechts ist der Willen des Erblassers stärker in den Vordergrund zu rücken. Mittels flexiblerer Verteilungsmöglichkeiten und höherer Testierquoten gilt es, den Erblasser in die Lage zu versetzen, den langjährigen Lebenspartner in größerem Umfang als bisher [vgl. Kap. 3, C., II.] am Nachlass beteiligen zu können. Durch eine Erweiterung des erblasserischen Gestaltungsfreiraums wird es dem Testierenden demnach auch möglich sein, auf die individuellen Bedarfslagen des Partners und der übrigen Angehörigen angemessen Rücksicht zu nehmen. Der Erblasser kann somit lebzeitig prägenden Beziehungsverhältnissen, die angesichts der Pluralisierung der Familienformen vielfältiger geworden sind, eine stärkere Gewichtung bei der Nachlassverteilung einräumen. Zwar führt der Abbau von Pflichtteilsbeschränkungen nicht unmittelbar zu einer erbrechtlichen Besserstellung des überlebenden Konsensualpartners, da es immer noch in der Entscheidung des Erblassers liegt, wie er von seinem hinzugewonnen Freiraum Gebrauch macht. Da die Studien- und Umfrageergebnisse jedoch den Wunsch nach einer erbrechtlich stärkeren Beteiligung nichtehelicher Lebenspartner belegen [vgl. Kap. 2, C., III., 3., c)], ist davon ausgehen, dass die Erblassenden ihre Partner in diesem Falle auch in deutlich größerem Umfang begünstigen werden. Im Pflichtteilsrecht sind deshalb folgende Änderungen grundlegender Art vorzunehmen: a) Pflichtteilsrecht der Nachkommen Zunächst sollte das Pflichtteilsrecht der Nachkommen einige wesentliche Veränderungen erfahren. Um dem erblasserischen Interesse nach größerer Testierfreiheit Rechnung tragen zu können, muss der Pflichtteil der Nachkommen insgesamt

25 Zu diesen Themen auch Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 17 f. und 23 f.; Piotet, successio Sonderheft (2014), 57, 63; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 49 empfiehlt das Pflichtteilsrecht insgesamt neu auszugestalten und anstelle der Garantie fixer Pflichtteilsquoten einen erbrechtlichen Versorgungsanspruch nach dem Modell der family provision des Common Law zu schaffen. Ein pflichtteilsgeschützter Anspruch auf Nachlassteilhabe komme danach nur den Personen zustatten, die für den Erblasser zu Lebzeiten Verantwortung übernommen haben und zugleich der finanziellen Unterstützung bedürfen.

C. Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner

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reduziert werden.26 Darüber hinaus gilt es, im Sinne einer flexiblen Pflichtteilsregelung die individuellen Erbkonstellationen stärker zu berücksichtigen.27 aa) Reduzierung und Flexibilisierung der Pflichtteilsquoten Mit einem festgeschriebenen Pflichtteil von drei Vierteln des gesetzlichen Erbanspruchs, Art. 471 I ZGB, liegt die Pflichtteilsquote eines Schweizer Nachkommen rechtsvergleichend betrachtet überdurchschnittlich hoch.28 So ist nicht nur in Deutschland, § 2303 I 2 BGB, sondern auch in Österreich, § 765 ABGB, Schweden, Kap. 7, § 1 ÄB (Ärvdabalk 1958:637), Slowenien, Art. 26 slowErbG (slowenisches Erbschaftsgesetz), und den Niederlanden, Art. 4:64 I BW (Burgerlijk Wetboek), bloß die Hälfte des gesetzlichen Erbteils pflichtteilsgeschützt, teils in Form eines schuldrechtlichen (Geld-)Anspruchs und teils als Noterbenrecht. In Norwegen steht den Nachkommen ein grundsätzlich unentziehbarer Erbanspruch von zwei Dritteln des Nachlasses zu, § 29 al (arvelova).29 Dagegen machen Frankreich, Belgien und Portugal die Höhe des pflichtteilsgeschützten Erbteils von der Anzahl der Kinder bzw. Noterben abhängig. Diese variiert in Frankreich und Belgien zwischen ein Halb (bei einem Kind), zwei Dritteln (bei zwei Kindern) und drei Vierteln (bei drei oder mehr Kindern), Art. 913 CC (Code Civil des Français) bzw. Art. 913 belg. CC (belgischer Code civil).30 Nach portugiesischem Noterbenrecht kann ein einzelner Noterbe31 die Hälfte der Erbschaft verlangen, Art. 2158 CC (Código Civil Português). Treffen mehrere Noterben zusammen (bspw. bei Vorhandensein mehrerer Kinder), dann können diese gemeinsam zwei Drittel des Nachlasses beanspruchen, Art. 2159 CC. In den europäischen Erbrechtsordnungen sind die Pflichtteile der Nachkommen somit in aller Regel unterhalb des schweizerischen Pflichtteilsniveaus angesiedelt. Doch ist zu bedenken, dass in Ländern wie Norwegen, Frankreich oder Portugal für die Bestimmung des Pflichtteils nicht die gesetzliche Erbquote, sondern das Erb26

Dafür auch Künzle, Plädoyer 4 (2005), 6, 7. In diesem Punkt erheblichen Handlungsbedarf sehend Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 16 ff.; Breitschmid, successio 3 (2009), 276, 302. 28 Europaweit bilden Schweizer Nachkommen mit diesem Pflichtteil sogar die Spitze, Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 18. 29 Diese Quote kann ausnahmsweise kleiner ausfallen, wenn der auf die gesamten Nachkommen entfallende Anteil über einer Millionen Kronen liegt und der den einzelnen Erben zufallende Betrag nicht unterhalb von 200.000 Kronen liegt, vgl. hierzu ausführlich Kap. 7, C., II., 2., a), bb). 30 Der Ehegatte kann nur Noterbe zu einem Viertel werden, wenn keine Kinder vorhanden sind, Art. 914-1 CC. Sind Nachkommen vorhanden, kann er vollständig enterbt werden. Darüber hinaus besteht für den Erblasser die Möglichkeit, seinem Ehegatten den Nießbrauch am gesamten Nachlass einzuräumen, Art. 1094 CC. 31 Als Noterben kommen der überlebende Ehegatte, die Vorfahren und die Nachkommen des Erblassers in Betracht, soweit sie nach der gesetzlichen Erbfolge als Erben berufen gewesen wären, Art. 2157 CC. 27

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

schaftsvermögen insgesamt als Bemessungsgrundlage dient. Abhängig davon, ob noch andere Miterben vorhanden sind, kann die Nachlassteilhabe der Nachkommen in diesen Fällen daher trotz geringerer Pflichtteilsquote größer ausfallen. Zur Bewältigung der pflichtteilsrechtlich bedingten Probleme stellt das französische Regelungsmodell einen im Kern geeigneten Lösungsansatz dar. Im Unterschied zu den anderen Pflichtteilsregelungen gehen das französische und das belgische Noterbenrecht auf die individuellen Familienverhältnisse des Erblassers ein, indem dort eine progressive Pflichtteilsquote der Nachkommen vorgesehen ist. Tendenziell gilt dabei, dass der auf die Parentel erster Ordnung entfallende Pflichtteil umso größer ausfällt, je mehr direkte Nachkommen des Erblassers vorhanden sind. Abhängig von der Anzahl der Nachkommen ist deren Pflichtteil somit kleiner oder größer. Die Pflichtteilshöhe ist damit nicht als starre Quote festgeschrieben, sondern am Bedarf des einzelnen Nachkommen orientiert. Mit der schrittweisen Erhöhung der pflichtteilsgeschützten Erbquote kongruent zur Anzahl der Nachkommen wird insofern auch der Gefahr entgegengewirkt, dass der Pflichtteil des Einzelnen auf ein unbedeutendes Maß zusammenschrumpft.32 Abweichend zum französischen Pflichtteilsrecht ist dem bzw. den Nachkommen aber kein garantierter Erbanspruch am gesamten Nachlass zuzuweisen. Vielmehr gilt es, den Pflichtteil weiterhin anhand der fiktiven gesetzlichen Erbquote zu bestimmen. Auch ist die Staffelung der Pflichtteilsquoten anders als im französischen Erbrecht festzusetzen, da dieses den Pflichtteilsschutz der Nachkommen gegenüber dem erblasserischen Interesse nach mehr Testierfreiheit zu stark gewichtet. So muss das Pflichtteilsrecht der Nachkommen die widerstreitenden Interessen – zugesicherte Mindestteilhabe der Kinder einerseits und testamentarische Gestaltungsfreiheit des Erblassers andererseits – in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander berücksichtigen. Vorzugswürdig erscheint dabei folgende Staffelung der Pflichtteilsquoten: Der Erblasser hinterlässt:

Der Pflichtteil der Kinder:

1 Kind

14

2 Kinder

13

3 Kinder oder mehr

12

Frei verfügbare Erbquote neben dem faktischen Lebenspartner:

/ des gesetzlichen Erbteils

78

/ des gesetzlichen Erbteils

56

/ des Nachlasses

/ des gesetzlichen Erbteils

34

/ des Nachlasses / des Nachlasses

Hinterlässt der Erblasser ein Kind, dann soll dieses einen Pflichtteil in Höhe von einem Viertel der gesetzlichen Erbquote erhalten. Neben dem überlebenden Partner einer erbrechtsrelevanten Lebensgemeinschaft bzw. neben dem Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner kann der Nachkomme somit eine Pflichtteilsquote von 32 In diesem Sinne auch Fankhauser, Die Ehekrise als Grenze des Ehegattenerbrechts, Rn. 299 ff., der das entstehende Ungleichgewicht zwischen absoluter und relativer Mindestteilhabe bei Vorhandensein mehrerer Pflichterben ebenfalls moniert.

C. Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner

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einem Achtel verlangen.33 Sieben Achtel des Nachlasses stehen dem Erblasser damit zur freien Verfügung, die er seinem Lebenspartner zuwenden kann. Sind neben dem überlebenden Konsensualpartner zwei direkte Nachkommen des Erblassers vorhanden, so steht diesen ein Drittel ihres gesetzlichen Erbteils zu. Insgesamt ist damit ein Sechstel der Erbschaft in der Nachkommensgeneration gebunden. Jedes Kind bekommt folglich einen Pflichtteil in Höhe von einem Zwölftel des Nachlasses. Fünf Sechstel der Erbschaft kann der Erblasser nach eigenem Belieben verteilen. Hinterlässt der Erblasser drei oder mehr Kinder, sollten diese die Hälfte ihrer gesetzlichen Erbquote als Pflichtteil beanspruchen dürfen. Ein Viertel des Nachlasses (die Hälfte von ein Halb) geht damit zwingend an die Nachkommen des Erblassers und kann insofern nicht dessen Konsensualpartner testamentarisch zugewendet werden. Bei drei Kindern steht jedem Kind ein Pflichtteil in Höhe von einem Zwölftel am Nachlass zu. Durch eine entsprechend progressive Pflichtteilsquotenregelung wird den Nachkommen ein ausreichend großer Pflichtteil belassen. Mit einem Anteil von einem Achtel (bei einem Nachkommen) sowie jeweils einem Zwölftel (bei zwei oder drei Nachkommen34) am Nachlass dürfte dem einzelnen Abkömmling des Erblassers eine angemessene Mindestbeteiligung verbleiben. Gleichzeitig kann der Erblasser über einen deutlich größeren Teil seines Vermögen letztwillig verfügen und damit gerade auch seinen Partner bei der Erbfolge stärker berücksichtigen. Überträgt man diese Pflichtteilsquotelung (1/4 – 1/3 – 1/2) auf das deutsche Pflichtteilsrecht, dann ergibt sich aufgrund des im Vergleich zur Schweiz etwas schwächer ausgestalteten Ehegattenerbrechts [vgl. Kap. 7, B.], an dessen inhaltlicher Reichweite die gesetzliche Erbenstellung des Konsensualpartners anzulehnen ist35, folgendes Bild: Ein einzelner Nachkomme bekäme neben dem überlebenden Konsensualpartner einen Pflichtteil von drei Sechzehnteln (1/4 des gesetzlichen Erbteils). Bei zwei unmittelbaren Nachkommen des Erblassers würden diese ein Viertel des Nachlasses (1/3 des gesetzlichen Erbteils) beanspruchen können, womit ein jeder ein Achtel erhielte. Hinterlässt der Erblasser hingegen drei oder mehr Kinder, dann fiele diesen 33 Durch die Gleichstellung der gesetzlichen Erbquoten von Ehegatten und nichtehelichen Lebenspartnern würden diese neben Verwandten erster Ordnung jeweils Erben zu ein Halb werden, Art. 462 I ZGB. Mit einem Pflichtteilsanspruch von 1/4 der gesetzlichen Erbquote verbleiben dem einzigen Nachkommen des Erblassers folglich 1/8 der Erbschaft. 34 Bei vier und mehr Kindern nimmt der auf einen Abkömmling entfallende Erbteil, wie nach bisheriger Rechtslage, mit jedem weiteren Kind proportional ab. 35 Der allgemeine – güterstandsunabhängige (§ 1371 I BGB) – gesetzliche Erbteil des Ehegatten beträgt neben Verwandten erster Ordnung im Unterschied zur Schweiz nicht ein Halb, sondern ein Viertel, § 1931 I Alt. 1 BGB. Dementsprechend liegt die für die Pflichtteilsberechnung maßgebliche gesetzliche Erbquote der Nachkommen mit drei Vierteln höher als in der Schweiz, wenn man die dem nichtehelichen Lebenspartner nicht zustattenkommende güterrechtliche Erhöhung von einem weiteren Viertel ausblendet.

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drei Achtel der Erbschaft (1/2 des gesetzlichen Erbteils) als Pflichtteil zu. Bei drei Kindern würde jedem Kind somit ein Anteil von einem Achtel am Nachlass verbleiben. bb) Einführen einer Pflichtteilsobergrenze Als weitere Neuerung ist eine Pflichtteilsobergrenze einzuführen, die den Pflichtteilsanspruch eines Nachkommen der Höhe nach deckelt.36 Schließlich basiert das Pflichtteilsrecht auf dem Gedanken familiärer Fürsorge und soll den Nachkommen dabei bloß eine Mindestteilhabe am Familienvermögen gewähren.37 Es erscheint insofern widersinnig, dem Pflichterben eine Nachlassteilhabe in Form einer abstrakten Pflichtteilsquote ohne Rücksicht auf die realen Verhältnisse zu garantieren, wenn der auf den Einzelnen entfallende Betrag faktisch so hoch ist, dass er dessen finanzielle Versorgung weit über den Bereich familiärer Fürsorge hinaus sicherstellt.38 Unter diesen Umständen wird der Erblasser in der Ausübung seiner Testierfreiheit übermäßig stark eingeschränkt.39 Dem erbrechtlichen Partizipationsinteresse eines Nachkommen dürfte daher mit Erhalt einer bestimmten Erbsumme hinreichend Genüge getan sein. Andere Rechtsordnungen, wie Norwegen und Dänemark, sehen aus diesen Gründen eine betragsmäßige Höchstgrenze des Pflichtteils der Nachkommen vor. So ist nach norwegischem Erbrecht der Pflichtteil eines jeden Nachkommen – ungeachtet der Pflichtteilsquote – betragsmäßig auf eine Million norwegische Kronen (ca. 106.000 Euro bzw. 116.000 Schweizer Franken40) begrenzt, § 29 al. Falls fernere Abkömmlinge des Erblassers (bspw. Enkel oder Urenkel) als Pflichterben vorhanden sind, beschränkt sich der Pflichtteil auf eine Million Kronen pro Stamm. Dabei darf die jedem einzelnen Abkömmling verbleibende Summe jedoch nicht unterhalb von 200.000 Kronen (rund 21.000 Euro bzw. etwa 23.000 Schweizer Franken) liegen. Eine ähnliche Regelung hält auch das dänische Pflichtteilsrecht mit § 5 ARL (arvelov) bereit. Dort beläuft sich der Pflichtteil der Nachkommen grundsätzlich auf ein Viertel der gesetzlichen Erbquote, § 5 I ARL. Der Erblasser muss jedem seiner Kinder allerdings maximal einen Pflichtteil in Höhe von einer Million dänischer Kronen (etwa 134.000 Euro/146.000 Schweizer Franken) hinterlassen, § 5 II ARL.

36 Dies ebenfalls fordernd Breitschmid im Interview mit Sarah Nowotny vom 20. Juni 2014, Das Vererben soll flexibler werden, abrufbar unter: www.srf.ch/news/schweiz/das-vererbensoll-flexibler-werden (Stand: 04. 11. 2016); Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 313; Künzle, Plädoyer 4 (2005), 6, 7. 37 In diesem Sinne auch Künzle, Plädoyer 4 (2005), 6, 7. 38 Künzle, Plädoyer 4 (2005), 6, 7. 39 Künzle, Plädoyer 4 (2005), 6, 7. 40 Zeitpunkt der Währungsumrechnung (Stand: 04. 11. 2016).

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Die Beispiele Norwegens und Dänemarks machen nicht nur deutlich, dass sich die Pflichtteilsobergrenze als erbrechtliches Instrument bereits im europäischen Rechtsraum etabliert hat. Auch bringen die dortigen Pflichtteilsregelungen zum Ausdruck, dass es eines solchen Korrektivs dringend bedarf, um bei Vorliegen werthaltiger Erbschaften einer übergebührlich hohen, vom Erblasser nicht gewollten Nachlassbeteiligung der Nachkommen effektiv entgegenzuwirken. Darüber hinaus befürworten auch Teile des schweizerischen Schrifttums die Einführung einer Pflichtteilsobergrenze.41 Nach Breitschmid sollte diese zwischen zwei und drei Millionen Schweizer Franken (1,8 bis 2,7 Millionen Euro) liegen.42 Zutreffend führt er in diesem Zusammenhang aus, dass jemand, der „sein Leben mit zwei oder drei Millionen Erbschaft nicht zu organisieren vermag, […] wahrscheinlich auch mit 20 oder 30 Millionen nicht sehr viel glücklicher geworden [wäre].“43 Daher sollte niemand einem einzelnen Nachkommen einen größeren Anteil vererben müssen. Im Gegensatz zu Breitschmid setzen Wolf und Künzle die Höchstgrenze bei einer Million Schweizer Franken (ca. 920.000 Euro) an.44 Wo die Höhe dieser Obergrenze genau festzulegen ist, wird folglich sehr unterschiedlich beurteilt. Während Breitschmid die Pflichtteilsobergrenze zwischen zwei und drei Millionen Schweizer Franken verortet, setzen Norwegen und Dänemark den das Pflichtteilsrecht begrenzenden Höchstbetrag mit einer Million norwegischer bzw. dänischer Kronen vergleichsweise niedrig an. Wolf und Künzle liegen mit ihrer Forderung von einer Million Schweizer Franken dazwischen. Die betragsmäßig zu beziffernde Obergrenze sollte eine Mindesthöhe aufweisen, die mehr als nur der Existenzsicherung und allgemeinen Lebenserhaltung des Nachkommen zu dienen geeignet ist. Der Pflichtteil darf somit nicht allein auf seine Versorgungsfunktion reduziert werden, sondern muss eine spürbare Nachlassteilhabe nach sich ziehen. Einen angemessenen Höchstbetrag, der diesen Anforderungen genügt, dürfte, wie von Wolf und Künzle auch gefordert, eine Million Schweizer Franken pro direkten Nachkommen darstellen. Einem millionen- oder gar milliardenschweren Erblasser bleibt es dadurch möglich, über den Großteil seines Vermögens frei zu verfügen. Gleichzeitig wird die Nachlassbeteiligung eines Abkömmlings mit einer Million Schweizer Franken in ausreichendem Umfang sichergestellt. 41 Breitschmid im Interview mit Sarah Nowotny vom 20. Juni 2014, Das Vererben soll flexibler werden, abrufbar unter: www.srf.ch/news/schweiz/das-vererben-soll-flexibler-werden (Stand: 04. 11. 2016); Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 313; Künzle, Plädoyer 4 (2005), 6, 7. 42 Breitschmid im Interview mit Sarah Nowotny vom 20. Juni 2014, Das Vererben soll flexibler werden, abrufbar unter: www.srf.ch/news/schweiz/das-vererben-soll-flexibler-werden (Stand: 04. 11. 2016). 43 Breitschmid im Interview mit Sarah Nowotny vom 20. Juni 2014, Das Vererben soll flexibler werden, abrufbar unter: www.srf.ch/news/schweiz/das-vererben-soll-flexibler-werden (Stand: 04. 11. 2016); vgl. dazu auch Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 17 f. 44 Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 313; Künzle, Plädoyer 4 (2005), 6, 7.

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

Bei Vorversterben eines direkten Nachkommen ist der den Pflichtteil begrenzende Höchstbetrag – gemäß norwegischem Vorbild – auf dessen Stamm beschränkt. Insoweit wird der in Höhe von einer Million Schweizer Franken bestehende Pflichtteilsanspruch unter den eines Stammes angehörenden Pflichterben entsprechend verteilt. Für eine Betragsuntergrenze, die dem einzelnen Pflichterben eine Mindestbeteiligung garantiert, besteht hingegen keine Veranlassung. Zwar sichert das norwegische Pflichtteilsrecht ferneren Abkömmlingen des Erblassers einen Mindestbetrag von 200.000 norwegischen Kronen (etwa 21.000 Euro/23.000 Schweizer Franken), § 29 al, um eine Aufspaltung ihrer Pflichtteile auf eine gänzlich unbedeutende Größe zu verhindern. Einer solchen Regelung fehlte es jedoch im vorliegenden Zusammenhang an praktischer Relevanz. Bei einem Betrag von einer Million Schweizer Franken pro Stamm könnte ein vorverstorbener Abkömmling des Erblassers zwanzig (Enkel-)Kinder hinterlassen, ohne dass deren Nachlassteilhabe einen bedenklichen Grenzwert unterschreiten würde. Jedem Enkelkind verbliebe in diesem Falle noch eine Erbsumme von 50.000 Franken. So gesehen ist kein Regelungsbedarf für eine betragsmäßige Untergrenze gegeben. Angesichts des nur geringfügigen Wertunterschieds von Euro und Schweizer Franken einerseits und der in beiden Ländern vorhandenen konstant hohen Kaufkraft der Bürger andererseits dürfte für das deutsche Pflichtteilsrecht die Festsetzung einer betragsmäßigen Obergrenze in Höhe von einer Million Euro gleichermaßen geeignet sein. b) Abschaffung des Pflichtteilsrechts der Eltern Im Zuge der Neugestaltung des Pflichtteilsrechts sollte die elterliche Pflichterbenstellung, vgl. Art. 471 II ZGB bzw. §§ 2303 I, 2303 II Alt. 1 BGB, abgeschafft werden.45 Der Gedanke, den Eltern des Erblassers bei Fehlen von Nachkommen eine Mindestbeteiligung am Erbe zuwenden zu müssen, erscheint aus heutiger Sicht überholt. Außerhalb der Schweiz und Deutschlands haben nur sehr wenige europäische Erbrechtsordnungen ein Pflichtteilsrecht der Eltern geregelt. So räumen unter anderem noch Belgien, Art. 915 belg. CC (belgischer Code Civil) und Griechenland, Art. 1825 § 1 S. 1, 1819 des griechischen ZGB (Astikos Kodix), den Eltern eine pflichtteilsgeschützte Erbenstellung ein. Die ganz überwiegende Mehrheit hält hingegen kein Pflichtteilsrecht zugunsten der Eltern bereit. Stattdessen geht der Reformtrend der vergangenen Jahre dahin, die elterliche Pflichtteilsstellung ersatzlos zu streichen. Zuletzt hat sich der österreichische Gesetzgeber für die Abschaffung des Pflichtteilsrechts der Eltern (§ 762 ABGB) entschieden.46 Ab 2017 45 Dazu auch Breitschmid, in: Lüscher/Stoffel/Zürcher (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer Generationenpolitik, S. 215, 218. 46 Erläuterungen zum Ministerialentwurf 100/ME XXV. GP, S. 20 f.

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werden in Österreich ausschließlich Ehegatte, eingetragener Lebenspartner und Abkömmlinge des Erblassers pflichtteilsberechtigt sein, § 757 ABGB-ErbRÄG 2015.47 Die Abschaffung des elterlichen Pflichtteilsrechts ist jedoch nicht nur aus rechtsvergleichenden Gesichtspunkten angezeigt. So fehlt es dem Pflichtteilsrecht der Eltern vor allem auch an praktischer Relevanz.48 Dass die Eltern ihre Kinder überleben, kommt eher selten vor. Zudem hat der testamentarisch übergangene Elternteil erst dann ein Anrecht auf den Pflichtteil, wenn der Erblasser keine eigenen Abkömmlinge hinterlässt. Beide Voraussetzungen müssen somit kumulativ erfüllt sein, damit sich die Eltern des Verstorbenen auf ihre Pflichtteilsstellung berufen können. Da das gesetzliche und demzufolge pflichtteilsgeschützte Erbrecht der Eltern insoweit gegenüber denen der Nachkommen eine nachrangige Stellung innehat, kann auch vor diesem Hintergrund in Frage gestellt werden, ob es einer unentziehbaren Nachlassteilhabe des Vaters und/oder der Mutter überhaupt bedarf. Schließlich ist im gesetzlichen Regelfall – also bei Vorhandensein von Nachkommen – nicht die geringste Erbbeteiligung zugunsten der Eltern vorgesehen. Sobald der Erblasser aber kinderlos verstirbt, soll dieses grundsätzlich nachrangige Beziehungsverhältnis von solchem Gewicht sein, dass einer Nichtberücksichtigung der Eltern bei der Erbfolge durch das Pflichtteilsrecht begegnet werden muss. Darüber hinaus kommt der Versorgungsgedanke im elterlichen Pflichtteilsrecht bedeutend weniger zum Tragen.49 In aller Regel sind die Eltern wohlhabender als ihre Kinder und haben finanziell vorgesorgt. Unter Umständen ist ihnen bereits eine Erbschaft, nämlich die ihrer eigenen Eltern (den Großeltern des Erblassers) angefallen, so dass sie daraus weitere Vermögensrücklagen bilden konnten. Trotz gestiegener Altersarmut bedarf es daher einer pflichtteilsgeschützten Erbenstellung der Eltern heute nicht mehr. Ohne die Einschränkungen des elterlichen Pflichtteilsrechts steht dem Erblasser die Möglichkeit offen, andere Beziehungsverhältnisse bei der Erbfolge in stärkerem Umfang zu berücksichtigen. So könnte die hinzugewonnene Testierquote nicht nur dem nichtehelichen Lebenspartner zugewendet werden, sondern ebenso dessen mit in die Beziehung gebrachten Kindern, den Stiefkindern des Erblassers.

47 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich vom 30. Juli 2015, Teil I Nr. 87/2015, Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 – ErbRÄG 2015 (NR: GP XXV RV 688 AB 718 S. 83. BR: AB 9419 S. 844.), S. 19. 48 Auf diesen Beweggrund ist auch im Zuge der österreichischen Erbrechtsreform abgestellt worden, vgl. Erläuterungen zum Ministerialentwurf 100/ME XXV. GP, S. 21. 49 Diesen Gedanken zieht der österreichische Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung zum Erbrechtsreformentwurf ebenfalls heran, Erläuterungen zum Ministerialentwurf 100/ME XXV. GP, S. 21.

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

Der Testierfreiheit des Erblassers ist daher der Vorrang vor einem nachrangigen Pflichtteilsrecht der Eltern einzuräumen. Allein Ehegatte, eingetragener Lebenspartner und Nachkommen sollen pflichtteilsberechtigt sein bzw. bleiben. Dagegen sind Reformüberlegungen im Hinblick auf eine mögliche Reduzierung des Ehegattenpflichtteils vorliegend entbehrlich, weil die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach dem hier zugrunde gelegten Begriffsverständnis nicht zeitgleich eine Ehe und eine erbrechtsrelevante Partnerschaft begründen können [vgl. Kap. 6, C., II., 5., a)]. Dementsprechend kommt es auch zu keiner Konkurrenzsituation zwischen dem Erbrecht des Ehegatten und dem des faktischen Lebenspartners, die eine Auseinandersetzung mit diesem Thema erforderlich machen würde. Ungeachtet dessen steht aber außer Frage, dass im Sinne eines zeitgemäßen und modernen Erbrechts auch das Pflichtteilsrecht des überlebenden Ehegatten verringert werden muss.50 c) Erweiterung der Enterbungs- und Erbunwürdigkeitsgründe Eine Stärkung der Testierfreiheit ist zudem über eine Erweiterung der Enterbungs- und Erbunwürdigkeitsgründe zu erzielen. aa) Pflichtteilsentziehung: Berücksichtigung strafrechtlich relevanten Verhaltens gegenüber fremden Personen Nach aktueller schweizerischer Rechtslage kommt eine (Straf-)Enterbung nur in Betracht, wenn sich die beanstandete Verfehlung gegen den Erblasser selbst oder einer diesem nahe stehenden Person (wie dem nichtehelichen Lebenspartner) oder dessen Angehörigen richtet, Art. 477 Ziff. 1 und 2 ZGB [vgl. hierzu ausführlich Kap. 3, C., II., 3., a)]. Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit der Neufassung von § 2333 I Nr. 4 BGB im Zuge der im Jahre 2010 in Kraft getretenen Erbrechtsreform dazu entschieden, dass auch strafrechtlich relevantes Verhalten, das ein Pflichtteilsberechtigter gegenüber einer fremden Person ausübt, zur Entziehung des Pflichtteilsrechts berechtigen kann. Eine Pflichtteilsentziehung kommt danach in Betracht, wenn der Pflichtteilsberechtigte wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und dessen Teilhabe am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist, § 2333 I Nr. 4 S. 1 BGB. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Pflichtteilsberechtigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwer50 Richtigerweise ist daher im schweizerischen Erbrechtsreformvorentwurf die Reduzierung des Ehegattenpflichtteils von 1/2 auf 1/4 des gesetzlichen Erbteils vorgesehen, vgl. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 2; Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 21.

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wiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird, § 2333 I Nr. 4 S. 2 BGB. Mit diesen neuen Pflichtteilsentziehungstatbeständen hat man den Entziehungsgrund des ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels wider Willen des Erblassers sinnvoll ersetzt, vgl. § 2333 I Nr. 5 BGB a.F. Eine entsprechende Regelung dürfte sich daher auch für das Schweizer Pflichtteilsrecht eignen. Der Erblasser sollte nicht gezwungen sein, einem pflichtteilsberechtigten Erben einen Teil seines Vermögens zuwenden zu müssen, wenn dieser in beträchtlichem Maße straffällig geworden ist und aus diesem Grunde eine mehrjährige Gefängnisstrafe zu verbüßen hat oder mangels Schuldfähigkeit in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht wird. Auf Seiten des Erblassers kann unter diesen Umständen ein berechtigtes Interesse bestehen, den kriminellen Werdegang seines Familienangehörigen mit der Entziehung des Pflichtteils zu sanktionieren. Diese Möglichkeit darf dem Erblasser nicht deshalb verwehrt bleiben, weil sich die strafbare Handlung nicht gegen ihn selbst oder eine ihm nahestehenden Person gerichtet hat. Die Anknüpfung an eine vorsätzlich begangene Straftat schafft dabei Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Während die Einordnung eines ehrenrührigen Lebensstils (bspw. Nachgehen von Prostitution, bestehende Suchtprobleme, o. ä.) vor allem von der subjektiven Anschauung des Erblassers abhängt, ist straffälliges Verhalten objektiv bestimmbar.51 Der Erblasser weiß, unter welchen Voraussetzungen er eine Pflichtteilsentziehung anordnen darf. Gleichzeitig sind sich die Pflichtteilsberechtigten darüber im Klaren, dass die rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung den Entzug ihres Pflichtteils zur Folge haben kann. Indem der Gesetzgeber die Strafbarkeit eines Verhaltens anordnet, gibt er ein moralisches Unwerturteil darüber ab.52 Objektiver Maßstab für die Beurteilung evident sozialwidrigen Fehlverhaltens, das zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt, ist damit allein das Strafgesetzbuch. Da die individuellen Wertvorstellungen des Erblassers von einer unsittlichen Lebensweise in diesem Zusammenhang keine Bewandtnis haben, besteht insoweit auch nicht die Gefahr eines zu weiten Interpretationsspielraums, wie es mit § 2333 I Nr. 5 BGB a.F. ehemals der Fall war. Eine Entziehung des Pflichtteils ist jedoch nur bei solchen Straftaten gerechtfertigt, die von erheblichem Gewicht sind.53 So darf nicht schon bei geringsten Vergehen der Entzug des Pflichtteilsrechts drohen. Eine Verurteilung zu einer

51 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. 8. 2008, BT-Drucks. 16/8954, S. 23. 52 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. 8. 2008, BT-Drucks. 16/8954, S. 23 f. 53 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. 8. 2008, BT-Drucks. 16/8954, S. 24.

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung, wie es § 2333 I Nr. 4 BGB vorsieht, erscheint dafür angemessen. Neben dem Vorliegen einer Straftat muss es dem Erblasser in subjektiver Hinsicht aber auch unzumutbar sein, dem Pflichtteilsberechtigten eine Mindestbeteiligung am Nachlass einzuräumen. Schließlich darf der dem Pflichtteilsentziehungsrecht zugrunde liegende Familienschutzgedanke nicht ganz außer Acht gelassen werden.54 Insofern muss die Straftat für den Erblasser eine derart einschneidende Verletzung seiner eigenen Moralvorstellungen darstellen, dass es ihm unter diesen Umständen nicht mehr zuzumuten ist, einen Teil seines Vermögens an den strafrechtlich verurteilten Pflichterben abzugeben.55 Bei besonders schwerwiegenden Straftaten wie Mord, schwerer Körperverletzung oder sexuellem Missbrauch von Kindern, die eine lange Freiheitsstrafe vorsehen, kann die Frage der Unzumutbarkeit in der Regel ohne Probleme bejaht werden. Ist der Erblasser dagegen selbst strafrechtlich in Erscheinung getreten, so sind an die Unzumutbarkeit höhere Anforderungen zu stellen. Eine Pflichtteilsentziehung muss insbesondere dann ausgeschlossen sein, wenn der Erblasser an der Straftat des Pflichtteilsberechtigten unmittelbar beteiligt gewesen ist.56 Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit dürfte es für den Erblasser kaum einen Unterschied machen, ob der Pflichtteilsberechtigte rechtskräftig zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird oder mangels Schuldfähigkeit – etwa wegen einer schweren geistigen Störung – in einer psychiatrischen Heilanstalt untergebracht werden muss.57 Das kriminelle Verhalten, das den Wertvorstellungen des Erblassers entgegensteht und ihn daher zur Entziehung des Pflichtteils veranlasst, bleibt schließlich ungeachtet der daran anknüpfenden Strafrechtsfolgen dasselbe. Der Schweizer Gesetzgeber sollte dem Erblasser somit analog zu § 2333 I Nr. 4 BGB eine Pflichtteilsentziehung ermöglichen und den Personenkreis der vom Fehlverhalten Betroffenen erweitern. Für den Erblasser wird so ein zusätzlicher Handlungsspielraum geschaffen. Gleichwohl führt eine entsprechende Ausweitung der Gründe für die Entziehung des Pflichtteils zu keiner Aushöhlung des Pflichtteilsrechts, da das Gestaltungsinstrument der Pflichtteilsentziehung nach wie vor auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt.58 54

Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. 8. 2008, BT-Drucks. 16/8954, S. 24; Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 44. 55 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. 8. 2008, BT-Drucks. 16/8954, S. 24. 56 Vgl. hierzu die Erläuterungen zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. 8. 2008, BT-Drucks. 16/8954, S. 24. 57 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. 8. 2008, BT-Drucks. 16/8954, S. 24. 58 Von der Ermöglichung einer Teilenterbung im Lichte der Wertungen des Art. 125 III ZGB, wie es Breitschmid, successio Sonderheft (2014), 7, 18 f. anregt, sollte dagegen abgesehen werden. Zwar ist seine grundsätzliche Kritik an dem den Enterbungstatbeständen zugrunde liegenden „Alles- oder Nichts-Prinzip“ nachvollziehbar. Doch gilt es diesen Grundsatz im

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bb) Erbunwürdigkeit: Ausweitung des Opferkreises auf nahe Familienangehörige Die Erbunwürdigkeit eines Erben sollte künftig auch dann bejaht werden können, wenn sich die strafbaren Handlungen gegen nahe Familienangehörige des Erblassers richten. Derzeit sind als Erbunwürdigkeitsgründe ausschließlich Verfehlungen gegenüber dem Erblasser erfasst. Dies gilt für die Schweiz, Art. 540 ZGB, gleichermaßen wie für Deutschland, § 2339 BGB. Insofern haben selbst schwerste Verbrechen, die am Ehepartner, Lebensgefährten oder an einem Abkömmling des Erblassers verübt werden, nicht die Erbunwürdigkeit des Täters zur Folge.59 Dass derartige Fälle keinen Erbunwürdigkeitsgrund bilden, dürfte unter anderem damit zusammenhängen, dass es der Erblasser grundsätzlich selbst in der Hand hat, entsprechende Verfehlungen mit dem Ausschluss von der Erbfolge – etwa durch den Entzug des Pflichtteils – zu sanktionieren. Es besteht daher in der Regel keine Veranlassung, jemanden der Erbenstellung zu entheben, wenn es der Erblasser zu Lebzeiten versäumt hat, seinen entgegenstehenden Willen bezüglich dessen Erbeinsetzung testamentarisch zum Ausdruck zu bringen. Dagegen ist nicht nachzuvollziehen, weshalb auch solche Konstellationen unberücksichtigt bleiben, in denen der Erblasser nicht mehr in der Lage ist, die Enterbung des straffällig gewordenen Pflichterben anzuordnen. So kann der Erblasser mangels Testierfähigkeit (bspw. bei Vorliegen einer geistigen Störung) oder auch aus rein tatsächlichen Gründen daran gehindert sein, ein Testament entsprechenden Inhalts zu errichten. Ein tatsächliches Testierhindernis könnte etwa darin bestehen, dass sich die strafrechtlich relevanten Handlungen kurze Zeit vor Eintreten des Erbfalls ereignet haben, es dem Erblasser also nicht mehr möglich war, seinen letzten Willen zum Ausdruck zu bringen oder dieser vor seinem Tode keine Kenntnis mehr von der Tat erlangte.

Sinne der Rechtsklarheit beizubehalten. Ansonsten müsste das Gesetz zum einen danach differenzieren, ob und in welcher Höhe ein bestimmtes (Fehl-)Verhalten eines Pflichtteilsberechtigten zur Kürzung des Pflichtteilsanspruchs berechtigt. Zum anderen wäre eine detaillierte Abgrenzung zwischen besonders schwerwiegendem Fehlverhalten, das den Verlust des gesamten Pflichtteilsrechts zur Folge hat, und weniger schwerwiegendem Fehlverhalten, das nur eine Kürzung des Pflichtteilsanspruchs herbeiführt, erforderlich. Eine derartige Unterscheidung dürfte die Enterbungsregeln in nicht unerheblicher Weise verkomplizieren und damit deren praktische Handhabung unnötig erschweren. 59 So bemängelt Palandt/Weidlich, § 2339 Rn. 2 im Hinblick auf die in § 2339 I Nr. 1 bis 4 BGB abschließend genannten Erbunwürdigkeitsgründe die nicht erkennbare Leitlinie des Gesetzgebers. Für ihn sei unklar, warum etwa das Verfälschen eines Testaments einen Erbunwürdigkeitsgrund bildet, schwere körperliche Verletzungen des Erblassers oder naher Angehöriger dagegen nicht erfasst sind.

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Doch liegt die Aufgabe des Erbunwürdigkeitsrechts gerade darin, dem mutmaßlichen Erblasserwillen zur Geltung zu verhelfen.60 Dieses Regelungsziel ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass der Erblasser dem Straftäter verzeihen und damit die Erbunwürdigkeit abwenden kann, Art. 540 II ZGB bzw. § 2343 BGB.61 Begeht ein Pflichterbe daher schwerwiegende Straftaten gegenüber den nächsten Angehörigen des Erblassers, dann liegt die Vermutung nahe, dass der Erblasser nicht den Wunsch hegt, von dieser Person beerbt zu werden. Für den Erblasser dürfte die Nachlassbeteiligung eines solchen Straftäters, dessen Opfer nicht er selbst, sondern ein nahes Familienmitglied ist, eine ebenso unerträgliche Rechtsfolge darstellen. Ohne eine entsprechende Erweiterung des Opferkreises würde ein schwerstkrimineller Abkömmling, der die Lebensgefährtin des testierunfähigen Erblassers ermordet, weiter zum Erben berufen sein. Vor diesem Hintergrund hat der österreichische Gesetzgeber in seinem aktuellen Reformentwurf beschlossen, die Erbunwürdigkeitsgründe auf Straftaten gegen nahe Angehörige auszuweiten, vgl. § 541 I Nr. 1 ABGB-ErbRÄG 2015.62 Richtigerweise bezieht die Neuregelung dabei nur Angriffe gegen den Ehegatten, eingetragenen Partner, Lebensgefährten des Erblassers sowie dessen Verwandten in gerader Linie ein. Eine Ausdehnung des Betroffenenkreises auf sämtliche dem Erblasser nahestehenden Personen wäre zu unbestimmt und damit der Rechtssicherheit abträglich.63 Insofern sind Einzelfälle hinzunehmen, in denen es dem Erblasser nicht mehr möglich ist, das strafrechtlich relevante Verhalten mit dem Gestaltungsmittel der Enterbung zu sanktionieren. Auf Angriffe gegen entfernte Verwandte oder den besten Freund muss der Erblasser somit nach wie vor selbst reagieren. Da nur besonders schwerwiegende Rechtsverstöße einen Erbunwürdigkeitsgrund rechtfertigen können, müssen die gegen die Familienangehörigen gerichteten Straftaten von erheblichem Gewicht sein. Dabei muss sich der Strafrahmen, der zur Erbunwürdigkeit führen soll, an jenem orientieren, der gegenüber dem Erblasser herangezogen wird. Es dürfte unstreitig sein, dass die an die Erbunwürdigkeit ge-

60 Knütel, Tätige Reue im Zivilrecht, S. 157; Staudinger/Olshausen, § 2339 Rn. 6; nach Muscheler, ZEV 2009, 58 liege der Zweck der Erbunwürdigkeit auch in dem Schutz der Würde des Erblassers in seiner Eigenschaft als Träger der Testierfreiheit begründet. 61 MüKo-BGB/Helms, § 2339 Rn. 2; vgl. diesbezüglich auch die Auffassung des BGH, wonach „die Erbunwürdigkeit gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine spezifisch erbrechtliche Sanktion auf schwerstes vorsätzlich begangenes Handlungsunrecht [ist], das es als unerträglich erscheinen ließe, wenn der Nachlass des Opfers auf den Täter überginge, BGH, NJW 2015, 1382 Rn. 18 = MDR 2015, 472 = openJur 2015, 7293; BGHZ 102, 227, 231. 62 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich vom 30. Juli 2015, Teil I Nr. 87/2015, Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 – ErbRÄG 2015 (NR: GP XXV RV 688 AB 718 S. 83. BR: AB 9419 S. 844.), S. 2; Erläuterungen zum Ministerialentwurf 100/ME XXV. GP, S. 5. 63 Dieser Auffassung ist auch der österreichische Gesetzgeber, vgl. Erläuterungen zum Ministerialentwurf 100/ME XXV. GP, S. 5.

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stellten Anforderungen aufgrund einer gegen den Erblasser begangenen Straftat nicht höher liegen dürfen als bei einem Angriff auf die nächsten Angehörigen. Stattdessen sollte es bei der Festlegung des erforderlichen Strafrahmens keine Unterscheidung danach geben, ob sich die strafbare Handlung gegen den Erblasser oder einen nahen Angehörigen richtet. Das begangene Handlungsunrecht dürfte die Gefühlssphäre des Erblassers in gleichem, zumindest aber vergleichbarem Maße verletzen, wenn nicht er selbst, sondern ein naher Familienangehöriger Adressat des Angriffs ist (etwa bei der Tötung des Kindes). Nach schweizerischem (Art. 540 Nr. 1 ZGB) und deutschem (§ 2339 I Nr. 1 BGB) Erbrecht führen derzeit ausschließlich die vorsätzliche Tötung sowie der Tötungsversuch des Erblassers zur Erbunwürdigkeit. Die übrigen Erbunwürdigkeitsgründe stellen dagegen nicht den Unwertgehalt der Straftat in den Vordergrund, sondern legen den Fokus allein auf den Schutz der erblasserischen Testierfreiheit. Die Hürden für einen Entzug der Erbenstellung aufgrund besonders schwerwiegend begangenen Handlungsunrechts sind demnach sehr hoch und engen den Anwendungsbereich von Art. 540 Nr. 1 ZGB sowie § 2339 I Nr. 1 BGB übermäßig stark ein. Der für die Bejahung der Erbunwürdigkeit erforderliche Strafrahmen sollte daher insgesamt herabgesetzt werden. Ansonsten blieben Straftaten, wie eine vorsätzlich herbeigeführte schwere Körperverletzung oder ein schwerer sexueller Missbrauch, weiterhin ohne Auswirkungen auf die Erbenstellung des Täters, sofern der Erblasser nicht mehr in der Lage war, auf seine Rechtsnachfolge Einfluss zu nehmen. Allerdings darf das Strafmaß nicht mit jenem gleichgesetzt werden, das eine Pflichtteilsentziehung bei einem pflichtteilsberechtigten Straftäter legitimiert. Während der Erblasser seinen Enterbungswillen nämlich durch testamentarische Anordnung ausdrücklich bestätigen muss, verliert der Erbunwürdige seine Erbenstellung „allein“ aufgrund der gesetzlich widerlegbaren Vermutung, dass der Erblasser dessen Nachlassbeteiligung in Ansehung der schweren Verfehlung aller Voraussicht nach nicht gewollt hätte. In dieser Hinsicht sind an die Erbunwürdigkeit höhere Anforderungen zu setzen. Der österreichische Gesetzesentwurf sieht bei Angriffen gegenüber bestimmten nahen Angehörigen vor, dass lediglich solche Straftaten eine Erbunwürdigkeit begründen können, die mit einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe bedroht sind, § 541 Nr. 1 ABGB.64 Allerdings kann die Erbunwürdigkeit nach der dort herrschenden Auffassung auch dann bejaht werden, wenn es aufgrund der Straftat zu keiner Verurteilung gekommen ist.65 Das Zivilgericht habe in diesen Fällen über die

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Erläuterungen zum Ministerialentwurf 100/ME XXV. GP, S. 5. OGH vom 07. 07. 2008 – 6Ob286/07p, EF-Z 2008/117 S. 189 – EF-Z 2008, 189 (3.1.); OGH vom 12. 03. 1958 – 5 Ob 45/58, so verweisend Winkler, Handbuch Erbrecht, Rn. 18. 65

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

Qualifikation der Straftat als strafrechtliche Vorfrage zu entscheiden.66 Angesichts der relativ großen Tragweite einer Erbunwürdigkeitserklärung, die immerhin den Verlust jeglicher Erbansprüche zur Folge hat, würde ein solcher Strafrahmen zu niedrig angesetzt sein. Als ein angemessener Strafrahmen erscheint jede vorsätzlich und rechtswidrig begangene Straftat, bei der der Erbe zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren rechtskräftig verurteilt wird. Dadurch kann sichergestellt werden, dass die gegen den Erblasser bzw. gegen dessen Ehegatten, eingetragenen Partner, Lebensgefährten oder Verwandten gerader Linie verübte Straftat auch im strafrechtlichen Sinne Bestand hat und damit die Rechtsfolgen der Erbunwürdigkeit rechtfertigen. Eine Verfehlung, die nicht gegen den Erblasser gerichtet ist, sollte allerdings – wie in Österreich (§ 541 Nr. 1 ABGB-ErbRÄG 2015) – nur dann zur Erbunwürdigkeit des straffälligen Erben führen, wenn der Erblasser aufgrund von Testierunfähigkeit oder sonstigen Gründen nicht in der Lage war, diesen zu enterben. Wie in allen anderen Fällen auch bleibt die Erbenstellung des Straftäters bestehen, sofern der Erblasser ihm seine Tat verziehen hat, Art. 540 II ZGB bzw. § 2343 BGB.

III. Gewillkürtes Erbrecht Neben den erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten, die durch die Neuerungen des Pflichtteilsrechts erzielt werden, sind im gewillkürten Erbrecht auch einige spezielle, die nichteheliche Lebensgemeinschaft konkret betreffende Änderungen vorzunehmen. 1. Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen bei Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Den ehemaligen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sollten aus einer letztwilligen Verfügung, die sie vor der Auflösung ihrer Partnerschaft errichtet haben, im Zweifel keine Ansprüche erwachsen. Dies muss auch für den Fall gelten, in dem die Auflösungsvoraussetzungen bereits angelegt sind – also bei Vollziehung der Trennung – und der Erblasser vor der rechtsgültigen Auflösung verstirbt. Aus praktischer Sicht sollte es dabei nicht darauf ankommen, ob die Trennung durch den Verstorbenen selbst, den letztwillig bedachten Partner oder durch beide Parteien veranlasst war. Lässt sich daher kein entgegenstehender Willen des Erblassers ermitteln, dass dieser auch im Trennungsfall an einer zugunsten des Partners errichteten Verfügung von Todes wegen hat festhalten wollen, so ist diese für die

66 OGH vom 07. 07. 2008 – 6Ob286/07p, EF-Z 2008/117 S. 189 – EF-Z 2008, 189 (3.1.); OHG 3 Ob 104/64, SZ 37/124; vgl. Welser, in: Rummel/Lukas, Kommentar zum ABGB, § 540 Rn. 6.

C. Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner

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Rechtsnachfolge ohne Bedeutung. Letztwillige Anordnungen, die den Konsensualpartner nicht betreffen, bleiben insoweit aber wirksam. Mit Art. 120 II ZGB und Art. 31 II PartG hält das Schweizer Erbrecht hinsichtlich der gewillkürten Erbenstellung des Ehegatten sowie der des eingetragenen Lebenspartners Auslegungsregeln entsprechenden Inhalts bereit. Gleiches gilt auch fürs deutsche Erbrecht, vgl. § 2077 BGB bzw. § 10 V LPartG. Das Gesetz geht somit im Zweifel davon aus, dass es dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entgegensteht, wenn der ehemalige Ehegatte oder eingetragene Partner aus einer letztwilligen Verfügung profitiert, die zu einem Zeitpunkt verfasst wurde, als die Partnerschaft noch Bestand hatte.67 Grundsätzlich ist nämlich davon auszugehen, dass die testamentarische Begünstigung nur aufgrund der bestehenden partnerschaftlichen Verbindung erfolgte. Für die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft darf dementsprechend nichts anderes gelten. Hier ist ebenso davon auszugehen, dass der Erblasser seinen früheren Konsensualpartner nur wegen der partnerschaftlichen Bindung bedacht hat. Wird die Partnerschaft daher vor Eintritt des Erbfalls beendet oder ist sie in Auflösung begriffen, so muss dieser Umstand konsequenterweise auch die Unwirksamkeit aller zugunsten des ehemaligen Partners erfolgten Erb- und/oder Vermächtniseinsetzungen nach sich ziehen. Daher ist eine Auslegungsregel, wie sie in Art. 120 II ZGB, Art. 31 II PartG bzw. § 2077 BGB geregelt ist, gleichermaßen notwendig. Auch der österreichische Gesetzgeber hat im Zuge seiner jüngsten Erbrechtsreform mit § 725 ABGB-ErbRÄG 201568 eine entsprechende Regelung verabschiedet, die diesem Interesse Rechnung trägt.

67

Palandt/Weidlich, § 2077 Rn. 1. Vgl. Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich vom 30. Juli 2015, Teil I Nr. 87/2015, Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 – ErbRÄG 2015 (NR: GP XXV RV 688 AB 718 S. 83. BR: AB 9419 S. 844.), S. 15 f.: § 725 ABGB-ErbRÄG 2015: (1) Mit Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen werden davor errichtete letztwillige Verfügungen, soweit sie den früheren Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten betreffen, aufgehoben, es sei denn, dass der Verstorbene ausdrücklich das Gegenteil angeordnet hat. Das Gleiche gilt für die Aufhebung der Abstammung oder den Widerruf oder die Aufhebung der Adoption, auch wenn sie nach dem Erbfall erfolgt, für letztwillige Verfügungen zugunsten des früheren Angehörigen. (2) Die letztwillige Anordnung wird im Zweifel auch dann aufgehoben, wenn der Verstorbene oder die letztwillig bedachte Person das gerichtliche Verfahren zur Auflösung der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft oder zum Widerruf oder zur Aufhebung der Adoption eingeleitet hat. Das Gleiche gilt auch für den Fall, dass der Verstorbene das gerichtliche Abstammungsverfahren eingeleitet hat, wenn sich in der Folge herausstellt, dass der vermeintliche Angehörige tatsächlich nicht vom Verstorbenen abstammt. 68

274

Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

2. Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 473 ZGB Die „Nutzniessung“ als besonderes ehegattenbegünstigendes Gestaltungsinstrument sollte künftig sämtlichen (erb-)rechtlich anerkannten Partnerschaftsformen zugänglich sein. Neben Ehegatten ist daher auch eingetragenen Lebenspartnern und erbrechtsrelevanten Lebensgemeinschaften entsprechend Art. 473 I ZGB die Möglichkeit einzuräumen, dem überlebenden Partner die Nutzniessung an dem auf die gemeinsamen Nachkommen entfallenden Erbteil – also an drei Vierteln des Nachlasses – zuzuwenden. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum diese Testiermöglichkeit ausschließlich Ehegatten vorbehalten sein soll. Das erblasserische Interesse an einer wirtschaftlich umfassenden Absicherung des überlebenden Partners dürfte bei nichtehelichen und gleichgeschlechtlichen Paaren gleichermaßen vorhanden sein. Strebt der Erblasser daher eine Maximalbegünstigung seines Partners an, so stünde ihm mit Art. 473 ZGB eine weitere Handlungsoption zur Verfügung, um dieses Ziel zu verwirklichen. Neben der Einräumung des Nutzniessungsvermächtnisses an dem den gemeinsamen Nachkommen anfallenden Erbteil, könnte dem Konsensualpartner zusätzlich die frei verfügbare Testierquote in Höhe von einem Viertel zugewendet werden, Art. 473 II ZGB.69 Darüber hinaus kann der Erblasser durch die Anordnung einer Nutzniessung am gesamten Nachlass sicherstellen, dass die Erbschaft mit dem Tod des zweitversterbenden Partners nicht Dritten, sondern allein den gemeinsamen Nachkommen zufällt.70 Das Nachlassvermögen bleibt dadurch dem Familienverbund erhalten. Für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 473 ZGB spricht außerdem die bereits beschlossene Reform des schweizerischen Adoptionsrechts.71 Eingetragenen und stabilen faktischen Lebenspartnerschaften wird es danach wie Ehepaaren erlaubt sein, das Kind ihres Partners zu adoptieren (sog. Stiefkindadoption), vgl. Art. 264c ZGB des Vorentwurfs.72 Da in diesem Falle beide Partner ein Verwandtschaftsverhältnis zum Adoptivkind mit allen damit zusammenhängenden Rechtsfolgen, wie der pflichtteilsgeschützten Erbenstellung, begründen, ist dieses auch als ein gemeinsamer Nachkomme im Sinne von Art. 473 I ZGB anzusehen. Insoweit liegt in der Öffnung der erbrechtlichen Nutzniessung für eingetragene und erbrechtsrelevante Lebenspartnerschaften eine sinnvolle Fortführung der bereits verabschiedeten Adoptionsreform.

69

156 f. 70

Eitel/Anderer, in: Girsberger/Luminati (Hrsg.), ZGB gestern – heute – morgen, S. 139,

Sutter-Somm/Seiler, recht 2009, 183, 185; CHK-ZGB-II/Wildisen, Art. 473 Rn. 1. Vgl. Botschaft vom 28. 11. 2014 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (14.094) „Adoption“, BBl 2015, 877, 909 ff.; Bericht des Bundesrates vom 20. 03. 2013 in Erfüllung des Postulats Tornare (13.3135) „Familienpolitik“, publiziert am 27. 05. 2015, S. 20, 25. 72 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Entwurf zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Adoption), 28. 11. 2014, BBl 2015, 949, 950. 71

C. Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner

275

Konsequenterweise muss auch Abs. 3, der das Nutzniessungsrecht im Falle einer Wiederheirat untergehen lässt, die eingetragene und gefestigte Lebenspartnerschaft erfassen.73 Bei Eingehung einer solchen Partnerschaft darf die Nutzniessung am Nachlass folglich nicht fortbestehen, soweit hierdurch die Pflichtteile der Nachkommen belastet sind. Dagegen sollte aus Sicht des deutschen Gesetzgebers den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft die Möglichkeit offenstehen, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten, §§ 2265 ff. BGB, § 10 IV LPartG. Die Partner könnten hierdurch ebenfalls sicherstellen, dass der Nachlass nach dem Tode des zuletzt versterbenden Partners den Kindern zufällt, § 2271 II 1 BGB. Gibt man nichtehelichen Lebenspartnern ein gesetzliches Erbrecht, wie es Ehegatten und eingetragenen Paaren zusteht, dann ist es nur folgerichtig, ihnen auch die entsprechenden Testiermöglichkeiten zugänglich zu machen.

IV. Zuweisung der Wohnung und des Hausrates an den überlebenden Konsensualpartner Dem überlebenden Konsensualpartner ist ein Vorabzuweisungsrecht an der ehelichen Wohnung sowie den Haushaltsgegenständen einzuräumen, wie es auch Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern gemäß Art. 612a I, IV ZGB zusteht. Auf Seiten des nichtehelichen Lebenspartners besteht das berechtigte Interesse, in dem Familienheim, das möglicherweise über viele Jahre den gemeinsamen Lebensmittelpunkt des Paares gebildet hat, weiterhin wohnen zu können. Derselbe Gedanke gilt auch für die Zuweisung des Hausrats. Der hinterbliebene Partner soll all jene Gegenstände behalten dürfen, mit deren Hilfe er seinen Haushalt fortführen und die ihm gewohnte Lebensqualität aufrechterhalten kann. In dieser Hinsicht bestehen zwischen den Interessenlagen von Ehegatten und langjährigen Lebenspartnern keine Unterschiede. Daher erscheint es auch nicht gerechtfertigt, den Partnern einer erbrechtlich anerkannten Lebensgemeinschaft das Zuweisungsrecht auf Familienwohnung und Hausrat weiterhin vorzuenthalten. Der deutsche Gesetzgeber verfolgt mit dem Voraus des Ehegatten, § 1932 BGB, sowie dem Eintrittsrecht in das mietvertragliche Verhältnis bezüglich der Ehewohnung, §§ 563 ff. BGB, dieselbe Zielsetzung.74 Aufgrund des vorher Gesagten ist eine 73 Der Grund für den Wegfall des Nutzniessungsrechts liegt darin, dass der überlebende Ehegatte mit der erneuten Eheschließung die enge Familiengemeinschaft verlässt und damit auf die Fortführung der durch die frühere Ehe geschaffenen Verhältnisse verzichtet. Die Zurücksetzung der Pflichtteile der Nachkommen sei dann nicht mehr gerechtfertigt, Sutter-Somm/ Seiler, recht 2009, 183, 185; Steinauer, Le droit des successions, Rn. 415; BK-ZGB-III/Weimar, Art. 473 Rn. 45. 74 Palandt/Weidlich, § 1932 Rn. 1; Palandt/Weidlich, § 1922 Rn. 11; Palandt/Weidenkaff, § 563 Rn. 1.

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

Ausweitung dieser Regelungen auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft daher ebenso angezeigt. Zwar steht dem unverheirateten Lebensgefährten gemäß § 563 II 3 BGB bereits die Möglichkeit zu, in das durch den verstorbenen Partner begründete Mietverhältnis einzutreten.75 Doch hat dieser im Gegensatz zum Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner, § 563 I BGB, kein vorrangiges Eintrittsrecht gegenüber den Kindern des Erblassers, § 563 II 1 BGB. Um eine rechtliche Gleichstellung diesbezüglich herbeizuführen, sollte der erbrechtsrelevante Konsensualpartner ebenfalls von Abs. 1 erfasst werden.

V. Finanzieller Ausgleich von Pflegeleistungen Gesetzlichen Erben, zu denen wie dargelegt zukünftig auch der nichteheliche Lebenspartner zählen sollte, muss ein finanzieller Ausgleichsanspruch zustehen, wenn er den Erblasser über einen längeren Zeitraum gepflegt hat. Nicht selten erbringen nahe Angehörige umfassende Pflegeleistungen an den Erblasser, deren finanzielle Abgeltung später jedoch ausbleibt. So versäumt es der Erblasser häufig zu seinen Lebzeiten, die überobligatorisch erbrachten Pflegeleistungen durch Zuwendung eines Geldbetrages oder durch Einräumung einer stärkeren Erbrechtsposition angemessen zu entlohnen.76 Es entspricht dem mutmaßlichen Erblasserwillen sowie der Billigkeit, wenn solche Leistungen honoriert würden, die der Angehörige unentgeltlich erbracht hat. Auch vor dem Hintergrund einer immer älter werdenden Gesellschaft und dem damit zusammenhängenden Anstieg pflegebedürftiger Menschen stellt die Einführung eines erbrechtlichen Ausgleichsanspruchs für Pflegedienste ein sinnvolles Instrument dar, um auf die demographische Entwicklung zu reagieren. So kann der Gesetzgeber durch eine entsprechende Ausgleichspflicht vor allem auch Anreize setzen, den Partner oder einen Elternteil daheim pflegen zu wollen. Bei häuslicher Pflege blieben nicht nur dem Erblasser beträchtliche Kosten erspart, die für die Unterbringung in einem Pflegeheim oder die Bezahlung geeigneten Pflegepersonals anfielen. Auch ist damit eine Entlastung der Sozialkassen verbunden. Das deutsche Erbrecht hat mit § 2057a I 2 BGB bereits eine Regelung verabschiedet, die diesem Interesse Rechnung tragen soll. Danach ist es einem Abkömmling – aber auch nur diesem – möglich, einen finanziellen Ausgleich für gegenüber dem Erblasser erbrachte Pflegedienste zu verlangen. Eine finanzielle Ausgleichung kommt dabei grundsätzlich nur dann in Frage, wenn der pflegende Abkömmling als gesetzlicher Erbe berufen ist. Im Zweifel besteht eine Aus75

BT-Drucks 14/4553, S. 61. Vgl. dazu Deutsches Bundesministerium der Justiz, Pressemitteilung vom 30. Januar 2008 („Kabinett beschließt Erbrechtsreform“), abrufbar unter: www.bmjv.de (Stand: 04. 11. 2016). 76

C. Ausgestaltung des Erbrechts nichtehelicher Lebenspartner

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gleichspflicht aber auch in den Fällen, in denen der Erblasser die Nachkommen auf dasjenige als Erben eingesetzt hat, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden, vgl. §§ 2057a I 1 Hs. 2, 2052 BGB. Überdies findet die nach § 2057a BGB zu erfolgende Ausgleichungspflicht gemäß § 2316 I BGB auch beim Pflichtteil der Abkömmlinge Berücksichtigung. Der deutschen Ausgleichsregelung ist allerdings vorzuwerfen, dass sie den ausgleichsberechtigten Personenkreises allein auf die Abkömmlinge des Erblassers beschränkt. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Bundesregierung sah mit § 2057b BGB-E hingegen noch vor, sämtliche gesetzlichen Erben einzubeziehen.77 Aufgrund potentieller Folgeprobleme und komplizierter Abgrenzungsfragen entschied man sich schlussendlich gegen die zunächst geplante Ausweitung des zur Ausgleichung berechtigten Personenkreises.78 Stattdessen müssten derartige Leistungen vor allem mittels testamentarischer Verfügungen honoriert werden. Der deutsche Gesetzgeber lässt dabei jedoch außer Acht, dass die Pflegebedürftigkeit oftmals mit einer Beschränkung der Geschäfts- und Testierfähigkeit einhergeht, so dass es dem Erblasser unter Umständen aus rechtlichen Gründen gar nicht möglich ist, einen finanziellen Ausgleich durch lebzeitige Zuwendung oder letztwillige Anordnung herbeizuführen.79 Richtigerweise hat sich der österreichische Gesetzgeber daher in seinem jüngsten Reformentwurf dafür ausgesprochen, dass der Anspruch auf das sog. Pflegevermächtnis von jedem gesetzlichen Erben sowie den nächsten Angehörigen geltend gemacht werden kann, § 815 I ABGB-ErbRÄG 2015.80 Überdies wird der Lebens77 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 30. 01. 2008, abgedruckt bei Schaal/Grigas, Der Regierungsentwurf zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts, BWNotZ 74 (2008), 2, 6: § 2057b BGB-E: Ausgleichungspflicht bei Pflegeleistungen eines gesetzlichen Erben (1) Ein gesetzlicher Erbe, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat, kann bei der Auseinandersetzung die Ausgleichung dieser Leistung verlangen. § 2052 und § 2057a Abs. 2 und 4 gelten entsprechend. (2) Die Höhe des Ausgleichungsbetrags bemisst sich in der Regel nach den zur Zeit des Erbfalls in § 36 Abs. 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch vorgesehenen Beträgen. 78 Zur befürchteten Streitanfälligkeit von § 2057b BGB-E Keim, ZEV 2008, 161, 166 f. 79 So zutreffend Haas, Die Reform des Erb- und Verjährungsrechts, S. 34. 80 § 815 ABGB-ErbRÄG 2015: Abgeltung von Pflegeleistungen (1) Eine Person aus dem Kreis der gesetzlichen Erben des Erblassers und ihrer nächsten Angehörigen (§ 284c) sowie der Lebensgefährte des Erblassers, die diesen Erblasser in den letzten drei Jahren vor seinem Tod über längere Zeit umfassend betreut und gepflegt haben, können eine angemessene Abgeltung ihrer in diesem Zeitraum erbrachten Dienste verlangen. Dabei ist insbesondere auf Art, Umfang und Dauer der Leistungen sowie den Wert des Nachlasses zu achten. (2) Die Abgeltung gebührt nicht, soweit für die Leistungen ein angemessenes Entgelt gewährt oder Abweichendes vereinbart wurde. (3) Soweit über die Abgeltung keine Einigung erzielt werden kann, kann das Gericht im Verlassenschaftsverfahren die Abgeltung nach Billigkeit festsetzen. (4) Die Abgeltung gebührt neben anderen Leistungen aus dem Nachlass.

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners

gefährte des Erblassers, dem der Entwurf nur ein außerordentliches gesetzliches Erbrecht einräumt, explizit als möglicher Anspruchsberechtigter genannt. Da der Partner einer faktischen Lebensgemeinschaft nach vorliegendem Gesetzgebungsvorschlag in jedem Falle eine gesetzliche Erbenstellung innehat, bedarf es dessen ausdrücklicher Erwähnung als Ausgleichsberechtigtem nicht. Jeder, der zur gesetzlichen Erbfolge berufen ist, soll daher für erbrachte Pflegeleistungen einen Ausgleichsanspruch geltend machen können. Ferner sind auch die nächsten Angehörigen des Erblassers einzubeziehen und zwar ungeachtet der Frage, ob sie zur gesetzlichen Erbfolge berufen sind. So sollen auch die Eltern des Verstorbenen ausgleichsberechtigt sein, wenn sie diesen aufopferungsvoll gepflegt haben, aber aufgrund des Vorrangs der Nachkommen bei der gesetzlichen Erbfolge leer ausgehen. Unter den ausgleichsberechtigten Angehörigen, die nicht bereits als gesetzliche Erben berufen sind, sollten neben den Eltern des Erblassers auch dessen Geschwister und Enkelkinder erfasst sein. Wie in § 2057a BGB und § 815 ABGB-ErbRÄG 2015 sind Pflegeleistungen nur dann abzugelten, wenn sie gewisse Anforderungen – insbesondere ihrem Umfang nach – erfüllen und über eine längere Zeit erbracht wurden.81 Auf eine genaue Benennung des erforderlichen Zeitraums sollte hingegen verzichtet werden, weil abhängig von der Intensität der Pflegeleistungen, dieser variieren kann.82 Entscheidend ist vielmehr, dass der Angehörige einen wesentlichen Beitrag zur Pflege des Erblassers leistet. Dies ist etwa der Fall, wenn durch die häusliche Pflege das erblasserische Vermögen erhalten bleibt bzw. geschont wird. Die Pflegeleistungen müssen jedoch nicht zwingend vom Angehörigen persönlich erbracht werden. Die Anforderungen sind auch dann als erfüllt anzusehen, wenn er sich von eigens bezahlten Pflegekräften unterstützen lässt.83 Im Übrigen sollte sich die Ausgleichsregelung – abgesehen vom ausgleichsberechtigten Personenkreis – inhaltlich an § 2057a II und III BGB orientieren. Eine Abgeltung von Pflegeleistungen bleibt somit ausgeschlossen, wenn der Angehörige für die Pflegeleistung ein angemessenes Entgelt erhalten hat bzw. ein solches vereinbart worden ist oder ihm wegen der erbrachten Leistung ein Anspruch aus anderem Rechtsgrund, etwa aus Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR, §§ 677 ff. BGB) oder ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR, §§ 812 ff. BGB) zusteht. Ein Ausgleichsanspruch ist ferner ausgeschlossen, wenn die Pflegeleistung durch letztwillige Verfügung honoriert und damit abgegolten wurde. Die Höhe der Ausgleichsforderung hat das Nachlassgericht nach Billigkeit festzusetzen. Für die Bemessung sind insbesondere Art, Umfang und Dauer der 81

Vgl. hierzu Staudinger/Löhnig, § 2057a Rn. 8 ff. Soergel/Wolf, § 2057a Rn. 7; nach Staudinger/Löhnig, § 2057a Rn. 17 kann schon eine etwa einmonatige Dauer genügen, wenn aufgrund der erheblichen Pflegebedürftigkeit des Erblassers eine besonders umfangreiche und intensive Pflege erfolgen musste. 83 Palandt/Weidlich, § 2057a Rn. 7. 82

D. Gesetzgebungsvorschlag

279

Pflege sowie die Größe der Erbschaft zu berücksichtigen.84 Der Ausgleichsanspruch ist dabei als Vermächtnis auszugestalten und vom Berechtigten im Rahmen der Erbauseinandersetzung geltend zu machen.

D. Gesetzgebungsvorschlag Dem Schweizer Gesetzgeber sind nachfolgende Gesetzesänderungen zu raten: Art. 462 ZGB: Überlebende Ehegatten, überlebende eingetragene Partnerinnen oder Partner und überlebende Partnerinnen oder Partner einer faktischen Lebensgemeinschaft Überlebende Ehegatten, überlebende eingetragene Partnerinnen oder Partner und überlebende Partnerinnen oder Partner einer faktischen Lebensgemeinschaft erhalten: 1. wenn sie mit Nachkommen zu teilen haben, die Hälfte der Erbschaft; 2. wenn sie mit Erben des elterlichen Stammes zu teilen haben, drei Viertel der Erbschaft; 3. wenn auch keine Erben des elterlichen Stammes vorhanden sind, die ganze Erbschaft. Art. 462a ZGB: Eingehung der faktischen Lebensgemeinschaft Abs. 1: Unter einer faktischen Lebensgemeinschaft ist eine auf Dauer angelegte Partnerschaft zweier volljähriger Personen gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts mit Ausschließlichkeitscharakter zu verstehen, die von einem wechselseitigen Einstehens- und Verantwortungswillen getragen wird und damit über eine reine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht. Abs. 2: Eine Lebensgemeinschaft ist auf Dauer angelegt, wenn die Partner einen gemeinsamen (Haupt-)Wohnsitz mit gemeinsamer Haushaltsführung unterhalten und dort – über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren – oder mit einem oder mehreren gemeinsamen Kindern zusammenleben. Abs. 3: Auf einen gegenseitigen Einstehens- und Verantwortungswillen kann unter Berücksichtigung sämtlicher äußerer Umstände insbesondere geschlossen werden, wenn die Partner: – ernsthaft und über einen längeren Zeitraum zusammenleben, – füreinander Verantwortung übernehmen, – gemeinsame Kinder haben, – ihren Lebensunterhalt gemeinsam finanzieren, 84 Palandt/Weidlich, § 2057a Rn. 9; vgl. auch Erläuterungen zum Ministerialentwurf 100/ ME XXV. GP, S. 37, abrufbar unter: www.parlament.gv.at (Stand: 04. 11. 2016).

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners – über Einkommen und Vermögensgegenstände des Partners verfügen dürfen, – geschlechtliche Beziehungen unterhalten, – und/oder eine gemeinsame Wohnung haben.

Abs. 4: Eine faktische Lebensgemeinschaft kann nicht begründet werden zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern. Dies gilt auch für ein Verwandtschaftsverhältnis, das durch Adoption begründet ist. Abs. 5: Eine faktische Lebensgemeinschaft entsteht nicht, wenn mindestens einer der Partner mit einer anderen Person verheiratet ist beziehungsweise mit dieser in eingetragener Lebenspartnerschaft lebt. Art. 462b ZGB: Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft Abs. 1: Die faktische Lebensgemeinschaft endet, wenn die Partner ihr Beziehungsverhältnis einvernehmlich oder einseitig auflösen und seit einem Jahr getrennt leben. Sie ist ferner beendet, wenn die Partner einander heiraten beziehungsweise die Partnerschaft eintragen lassen oder mit einem Dritten eine Ehe beziehungsweise eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Abs. 2: Die faktischen Lebenspartner leben getrennt, wenn sie die häusliche Gemeinschaft beenden und wenigstens ein Partner diese nicht wiederherstellen will, weil er die nichteheliche Gemeinschaft ablehnt. Eine kurzfristige Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft unterbricht das Trennungsjahr nicht. Abs. 3: Während der Trennungszeit ruhen die zwischen den Lebenspartnern begründeten Erbanwartschaften. Art. 471 ZGB: Pflichtteil Abs. 1: Der Pflichtteil beträgt: 1. für einen direkten Nachkommen und dessen Stamm ein Drittel, für zwei direkte Nachkommen und deren Stämme ein Halb und für drei oder mehr direkte Nachkommen und deren Stämme zwei Drittel des gesetzlichen Erbanspruches; 2. für den überlebenden Ehegatten, die eingetragene Partnerin oder den eingetragenen Partner die Hälfte.85

85 Der schweizerische Erbrechtsreformvorentwurf sieht richtigerweise auch eine Reduzierung des Ehegattenpflichtteils von 1/2 auf 1/4 des gesetzlichen Erbteils vor, vgl. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 2; Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 21. Da hier nur ein Reformvorschlag bezogen auf die faktische Lebensgemeinschaft im erbrechtsrelevanten Sinne unterbreitet wird, bleiben solche Regelungsänderungen unberücksichtigt, die allein die erbrechtliche Stellung des Ehegatten, nicht aber die des faktischen Lebenspartners betreffen.

D. Gesetzgebungsvorschlag

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Abs. 2: Der Pflichtteil ist auf einen Höchstbetrag von 1.000.000 Schweizer Franken pro Nachkommen und dessen Stamm beschränkt. Art. 473 ZGB: Begünstigung des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners und des Partners einer faktischen Lebensgemeinschaft Abs. 1: Der Erblasser kann dem überlebenden Ehegatten, der überlebenden eingetragenen Partnerin oder dem überlebenden eingetragenen Partner und dem überlebenden Partner einer faktischen Lebensgemeinschaft durch Verfügung von Todes wegen gegenüber den gemeinsamen Nachkommen die Nutzniessung an dem ganzen ihnen zufallenden Teil der Erbschaft zuwenden. Abs. 2: Diese Nutzniessung tritt an die Stelle des dem Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder dem eingetragenen Partner oder dem faktischen Lebenspartner neben diesen Nachkommen zustehenden gesetzlichen Erbrechts. […]. Abs. 3: Im Falle der Wiederverheiratung, Wiedereintragung oder Wiedereingehung einer faktischen Lebensgemeinschaft entfällt die Nutzniessung auf jenen Teil der Erbschaft, der im Zeitpunkt des Erbganges nach den ordentlichen Bestimmungen über den Pflichtteil der Nachkommen nicht hätte mit der Nutzniessung belastet werden können. Art. 477 ZGB: Enterbungsgründe Der Erblasser ist befugt, durch Verfügung von Todes wegen einem Erben den Pflichtteil zu entziehen: 1. […] 2. […] 3. wenn er wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Pflichterben am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Erben in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird. Art. 484a ZGB: Pflegevermächtnis Abs. 1: Eine Person aus dem Kreis der gesetzlichen Erben des Erblassers, die diesen über längere Zeit umfassend gepflegt hat, kann einen angemessenen Ausgleich (Pflegevermächtnis) ihrer in diesem Zeitraum erbrachten Dienste verlangen. Dasselbe gilt für die Eltern, Geschwister und entfernte Nachkommen des Erblassers, sofern diese aufgrund einer vorrangigen gesetzlichen Erbenstellung anderer, nicht zur gesetzlichen Erbfolge berufen sind. Abs. 2: Ein Ausgleich kann nicht verlangt werden, wenn für die Leistungen ein angemessenes Entgelt gewährt oder eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde oder soweit dem pflegeleistenden Angehörigen wegen seiner Leistung ein Anspruch aus anderem Rechtgrund zusteht. Ein Ausgleich ist ferner ausgeschlossen,

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Kap. 7: Das Erbrecht des nichtehelichen Lebenspartners wenn der Erblasser die Pflegeleistungen durch letztwillige Verfügung honoriert hat.

Abs. 3: Die Höhe der Ausgleichsforderung ist durch das Nachlassgericht nach Billigkeit festzusetzen. Dabei sind insbesondere Art, Umfang und Dauer der Leistungen sowie der Wert der Erbschaft zu berücksichtigen. Art. 540 ZGB: Erbunwürdigkeitsgründe Abs. 1: Unwürdig, Erbe zu sein oder aus einer Verfügung von Todes wegen irgendetwas zu erwerben, ist: 1. wer gegen den Erblasser eine vorsätzliche Straftat begangen hat, aus der eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren hervorgegangen ist und der Erblasser aufgrund seiner Testierunfähigkeit oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage war, ihn zu enterben. Gleiches gilt, wenn die Straftat gegen den Ehegatten, eingetragenen Partner, faktischen Lebenspartner des Erblassers oder gegen dessen Verwandten in gerader Linie gerichtet war. 2. – 4. […] Abs. 2: […] Art. 516a ZGB: Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen bei Beendigung der faktischen Lebensgemeinschaft Abs. 1: Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen faktischen Lebenspartner bedacht hat, ist im Zweifel unwirksam, wenn die Lebensgemeinschaft vor dem Tode des Erblassers beendet worden ist. Der Beendigung der Partnerschaft steht es gleich, wenn der Verstorbene und der letztwillig bedachte Partner im Zeitpunkt des Erbfalls getrennt lebten. Abs. 2: Die Verfügung ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde. Art. 612a ZGB: Zuweisung der Wohnung und des Hausrates an den überlebenden Ehegatten Abs. 1: Befinden sich das Haus oder die Wohnung, worin die Ehegatten gelebt haben, oder Hausratsgegenstände in der Erbschaft, so kann der überlebende Ehegatte verlangen, dass ihm das Eigentum daran auf Anrechnung zugeteilt wird. Abs. 2: […]. Abs. 3: […]. Abs. 4: Die gleiche Regelung gilt bei eingetragener Partnerschaft und faktischer Lebensgemeinschaft sinngemäss.

Kapitel 8

Der Reformvorentwurf des schweizerischen Bundesrates zur Änderung des Erbrechts vom 4. März 2016 Der schweizerische Bundesrat hat am 4. März 2016 seinen Vorentwurf zur Änderung des Erbrechts veröffentlicht. Das erklärte Ziel, die neueren gesellschaftlichen Entwicklungen künftig stärker ins Erbrecht aufzunehmen, soll dabei hauptsächlich durch eine größere Entscheidungsautonomie des Erblassers erreicht werden.1 Als zentralen Lösungsansatz sieht der Reformvorentwurf diesbezüglich die Reduktion aller Pflichtteile vor. „Ergänzend […] soll die Möglichkeit eingeführt werden, bei Vorliegen eines Härtefalles trotz Fehlen einer entsprechenden Verfügung von Todes wegen einem faktischen Lebenspartner einen Teil der Erbschaft zuzuweisen.“2 Nachfolgend werden diese im Zusammenhang mit der faktischen Lebensgemeinschaft vorgesehenen Neuerungen des Reformvorentwurfs näher dargestellt und kritisch bewertet.

A. Die geplante Umsetzung der Motion „Gutzwiller“ im Hinblick auf eine erbrechtliche Besserstellung faktischer Lebensgemeinschaften I. Herabsetzung der Pflichtteile und Abschaffung des elterlichen Pflichtteilsrechts, Art. 471 ZGB des Vorentwurfs (ZGB-VE) Nach Ansicht des schweizerischen Bundesrates soll Art. 471 ZGB wie folgt abgeändert werden: Art. 471 ZGB-VE3 „Der Pflichtteil beträgt: 1. für einen Nachkommen die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs; 1 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 8 f., 21. 2 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 15. 3 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 2.

284

Kap. 8: Der Reformvorentwurf des schweizerischen Bundesrates

2. für den überlebenden Ehegatten, die überlebende eingetragene Partnerin oder den überlebenden eingetragenen Partner ein Viertel des gesetzlichen Erbanspruchs.“

Mit der Neufassung des Art. 471 ZGB plant der schweizerische Gesetzgeber die durch das Pflichtteilrecht bedingten Einschränkungen des Erblassers zu reduzieren und damit dessen Verfügungsfreiheit zu stärken.4 Die Pflichtteilsquote der Nachkommen soll von drei Vierteln auf die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs, Nr. 1, und die des Ehegatten sowie eingetragenen Lebenspartners von ein Halb auf ein Viertel, Nr. 2, verringert werden. Ein Pflichtteilsrecht der Eltern, wie es Art. 471 Nr. 2 ZGB der aktuell noch geltenden Fassung vorsieht, soll es künftig nicht mehr geben. In dem erläuternden Bericht zur Änderung des Erbrechts führt der Bundesrat hierzu aus, dass es dem Erblasser mit der so hinzugewonnen Testierfreiheit insbesondere ermöglicht werde, nicht formalisierten Beziehungsverhältnissen wie faktischen Lebenspartnerschaften oder Stiefkinderbeziehungen eine größere Nachlassbeteiligung als bisher einzuräumen.5 Die ersatzlose Streichung des elterlichen Pflichtteilsrechts sei vor allem auch deshalb angezeigt, weil der Erblasser dem faktischen Lebenspartner oftmals näher stehe als den Eltern.6 Einer gesetzlichen oder gar pflichtteilsgeschützten Erbenstellung des faktischen Lebenspartners bedürfe es aber nicht.7 Der Erblasser könne selbst am besten beurteilen, wie nahe ihm die potentiellen Erben stehen.8 Daher müsse es in der Entscheidung des Erblassers verbleiben, festzulegen, „welches Gewicht der Partnerschaft beigemessen werden soll und in welchem Umfang der faktische Lebenspartner am Nachlass partizipieren soll.“9 Nach Auffassung des Bundesrates trage die Vergrößerung der erblasserischen Verfügungsfreiheit dem partnerschaftlichen Interesse nach mehr Nachlassteilhabe ausreichend Rechnung.10 Außerdem werde auf diese Weise die schwierige begriffliche Umschreibung der faktischen Lebenspartnerschaft vermieden.11 Es gelte die rechtsklaren Strukturen des Erbrechts zu erhalten, um auch

4

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 9, 21. 5 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 10 f., 21. 6 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 10. 7 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 9, 13 f., 21. 8 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 13. 9 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 15. 10 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 13, 21. 11 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 15, 21.

A. Die geplante Umsetzung der Motion „Gutzwiller“

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potentiellen Konflikten unter den Erben keinen zusätzlichen Raum zu geben.12 Dass es in einzelnen Fällen zu ungerechten Nachlassverteilungen kommt, sei daher grundsätzlich hinzunehmen.13 Im Übrigen enge eine isoliert erbrechtliche Betrachtung das Blickfeld auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft zu stark ein, da bei Ehepaaren ein wesentlicher Teil der Begünstigung über das Güterrecht erfolge.14 Neben der Änderung von Art. 471 ZGB sieht der schweizerische Bundesrat für das Pflichtteilsrecht insoweit keinen weiteren Handlungsbedarf. So steht er auch einer Erweiterung der Enterbungs- (Art. 477 ZGB) und Erbunwürdigkeitsgründe (Art. 540 ZGB) ablehnend gegenüber.15

II. Unterhaltsvermächtnis zugunsten des faktischen Lebenspartners sowie von im Haushalt des Verstorbenen lebenden (Stief-)Kindern, Art. 484a ZGB-VE Als eine grundsätzliche Neuerung sieht der Reformvorentwurf mit Art. 484a ZGB-VE die Einführung eines Unterhaltsvermächtnisses zugunsten faktischer Lebenspartner und minderjähriger, im Haushalt des Erblassers lebender Personen vor: Art. 484a ZGB-VE16 (1) Das Gericht kann anordnen, dass einer Person zulasten der Erbschaft ein Unterhaltsvermächtnis ausgerichtet wird, um ihr damit einen angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen, wenn sie: 1. mit dem Erblasser seit mindestens drei Jahren eine faktische Lebensgemeinschaft geführt hat und erhebliche Leistungen im Interesse des Erblassers erbracht hat; 2. während ihrer Minderjährigkeit mindestens fünf Jahre mit dem Erblasser in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat und vom Erblasser finanzielle Unterstützung erhalten hat, die dieser fortgesetzt hätte, wenn er nicht verstorben wäre. (2) Die Ausrichtung des Vermächtnisses muss für die Erben namentlich aufgrund ihrer finanziellen Lage und der Höhe der Erbschaft zumutbar sein. (3) Das Vermächtnis wird auf Klage hin festgesetzt. Die Klage ist innerhalb einer Verwirkungsfrist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt einzureichen, in dem der Kläger vom Tod des Erblassers Kenntnis erhalten hat. 12 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 13, 24. 13 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 13, 21; in Härtefällen gilt Art. 484a ZGB-VE, vgl. Kap. 8, A., II. 14 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 14. 15 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 13. 16 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 3.

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Kap. 8: Der Reformvorentwurf des schweizerischen Bundesrates

Gemäß Art. 484a I Nr. 1 ZGB-VE soll der überlebende Partner, der mit dem Erblasser über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren eine faktische Lebensgemeinschaft geführt und erhebliche Leistungen in dessen Interesse erbracht hat, einen Anspruch gegenüber dem Nachlass auf Ausrichtung eines Unterhaltsvermächtnisses haben, sofern er dieses zur Deckung eines angemessenen Lebensunterhalts benötigt.17 Der Anspruch auf Unterhalt soll dabei aber nur unter der weiteren Voraussetzung möglich sein, dass dessen Entrichtung für die Erben aufgrund ihrer eigenen finanziellen Lage und der Größe des Nachlasses zumutbar ist, Art. 484a II ZGB-VE. Für die Geltendmachung der Forderung ist nach Art. 484a III ZGB-VE der Klageweg bestimmt. Die genaue Höhe des Anspruchs habe das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen, insbesondere unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedarfslagen und der Werthaltigkeit der Erbschaft.18 Nur ausnahmsweise sollen die Parteien selbst eine Einigung darüber erzielen dürfen, ob und in welcher Höhe das Unterhaltsvermächtnis abzugelten ist.19 Die Notwendigkeit einer solchen Unterhaltsregelung sieht der schweizerische Bundesrat darin begründet, dass es in bestimmten Situationen unbillig sein kann, wenn der faktische Lebenspartner bei der Erbfolge gänzlich leer ausgeht.20 Zwar halte man mit dem Gesetzesentwurf am Grundsatz fest, es vornehmlich in der Entscheidung des Erblassers zu belassen, ob er seinen Konsensualpartner begünstigten will oder nicht.21 In besonderen Härtefällen müsse dem Gericht jedoch die Möglichkeit eingeräumt werden, korrigierend einzugreifen.22 Dies sei nach den Vorstellungen des Bundesrates insbesondere in zwei Fällen anzunehmen: – Zum einen, wenn der Partner seine eigene berufliche Karriere hintenangestellt hat, um sich stärker der Betreuung der gemeinsamen Kinder oder der Kinder des verstorbenen Partners widmen zu können.23

17 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 22. 18 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 22 f. 19 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 23. 20 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 21 f. 21 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 21. 22 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 22. 23 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 21.

und erläuternder Bericht und erläuternder Bericht und erläuternder Bericht und erläuternder Bericht und erläuternder Bericht und erläuternder Bericht und erläuternder Bericht

B. Stellungnahme und Kritik

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– Zum anderen, wenn sich der Partner beruflich zurückgenommen hat, um den Erblasser selbst oder dessen Angehörige zu pflegen.24 Gerade in solchen Situationen könne durch den Tod des Erblassers auf Seiten des überlebenden, finanziell weitgehend mittellosen Partners eine Bedürftigkeitslage entstehen, der die Gesetzgebung Abhilfe leisten muss.25 Da der Bundesrat eine umfassende Anwendung der Norm ausdrücklich ablehnt, solle sich deren Ausnahmecharakter im Gesetzeswortlaut erkennbar niederschlagen.26 Neben den Partnern einer faktischen Lebensgemeinschaft sollen künftig auch minderjährige Personen, die mit dem Erblasser mindestens fünf Jahre im gleichen Haushalt gelebt haben und von diesem finanziell unterstützt worden sind, das Unterhaltsvermächtnis beanspruchen dürfen, sofern anzunehmen ist, dass er diese auch im Falle seines Ablebens weiterhin unterstützt hätte, Art. 484a I Nr. 2 ZGB-VE. Damit will der Bundesrat insbesondere den zunehmenden Stiefkinderbeziehungen Rechnung tragen, die wie faktische Lebenspartnerschaften auf keinem formalrechtlich anerkannten Statusverhältnis begründet sind und ebenso einer unterhaltsrechtlichen Absicherung bedürfen.27

B. Stellungnahme und Kritik Der vom schweizerischen Bundesrat vorgelegte Reformvorschlag greift mit der pflichtteilsrechtlichen Neugestaltung des Art. 471 ZGB-VE einerseits und der Absicherung der Unterhaltsbedürfnisse von faktischen Lebenspartnern und Stiefkindern gemäß Art. 484a ZGB-VE andererseits zentrale Problemstellungen auf. Dabei ist der dem Vorentwurf zugrunde liegende Leitgedanke zu begrüßen, dem Erblasser vor allem selbst die Möglichkeit zu geben, über die Nachlassverteilung bestimmen und für die finanzielle Versorgung seiner Angehörigen sicherstellen zu können. So stellt die Herabsetzung der Pflichtteile der Nachkommen sowie die des Ehegatten und eingetragenen Lebenspartners eine ganz wesentliche, im Grundsatz richtige Neuerung dar. Dies gilt gleichermaßen für die Abschaffung des Pflichtteilsrechts der Eltern, womit die Schweiz auch dem allgemeinen europäischen Trend folgt. Allerdings gehen die pflichtteilsrechtlichen Änderungen wie auch der gesamte Vorentwurf inhaltlich nicht weit genug. So bleibt das Pflichtteilsrecht der Nachkommen trotz der beabsichtigten Reduzierung der pflichtteilsgeschützten Quote auf 24 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 22. 25 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 22. 26 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 23. 27 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 23.

und erläuternder Bericht und erläuternder Bericht und erläuternder Bericht und erläuternder Bericht

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Kap. 8: Der Reformvorentwurf des schweizerischen Bundesrates

ein Halb zu unflexibel. Denn mit dem Festhalten an einer allgemeingültigen, ihrer Höhe nach unabänderlichen Quotenregelung lässt der Gesetzgeber die individuellen Familienverhältnisse des Erblassers weiterhin unberücksichtigt. Die Pflichtteilsquoten sollten daher abhängig von der Anzahl der Nachkommen unterschiedlich ausgestaltet sein und sich somit stärker am Bedarf des Einzelnen orientieren [vgl. Kap. 7, C., II., 2., a), aa)]. In diesem Zusammenhang ist auch das Fehlen einer Pflichtteilsobergrenze zu bemängeln. Obwohl von unterschiedlicher Seite eine Deckelung des Pflichtteils auf eine bestimmte Höchstsumme gefordert wird,28 sieht der Vorentwurf hierzu keine Regelung vor. Ferner gilt es zu beanstanden, dass sich der schweizerische Bundesrat bewusst gegen eine Erweiterung der Enterbungs- und Erbunwürdigkeitsgründe (Art. 477, 540 ZGB) entschieden hat. So haben die Erbrechtsreformen in Deutschland und Österreich unlängst gezeigt, dass die Enterbungs- und Erbunwürdigkeitstatbestände auf sinnvolle Weise erweitert werden können, ohne dabei die rechtsklaren Strukturen des Erbrechts zu gefährden oder das Pflichtteilsrecht der Betroffenen auszuhöhlen. Darüber hinaus lässt der Reformentwurf eine gesetzliche Erbenstellung zugunsten des faktischen Lebenspartners vermissen.29 Dies gilt vor allem angesichts der Tatsache, dass gerade mal in einem Viertel aller Erbfälle eine letztwillige Verfügung vorliegt und gleichzeitig die überwiegende Mehrheit der Erblassenden der Fehlvorstellung unterliegen, der nichteheliche Partner gehöre zum Kreis der gesetzlichen Erben [vgl. hierzu Kap. 2, C., III., 2., a), aa) und Kap. 2, C., III., 3., b)]. Da dem faktischen Lebenspartner im Erbfall auch kein güterrechtlicher Ausgleich zusteht, ist das Erbrecht für den Überlebenden, insbesondere im Hinblick auf dessen finanzielle Versorgung, sogar von noch größerer Bedeutung als für den Ehegatten oder eingetragenen Partner.30 Außerdem haben die vorhergehenden Ausführungen sowie die Beispiele anderer Länder deutlich gemacht, dass sich eine begriffliche Umschreibung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft durchaus bewerkstelligen lässt. Insoweit kann eine Stärkung der erblasserischen Testierfreiheit nur einen Teil der Problemlösung darstellen. Dass sich der schweizerische Gesetzgeber gegenüber einem gesetzlichen Erbrecht des faktischen Lebenspartners verschließt, ist vor diesem Hintergrund bedauerlich. Der Bundesrat ist sich jedoch darüber im Klaren, dass mit dem Tod des Hauptoder Alleinverdieners auf Seiten des überlebenden Partners eine wirtschaftlich 28 Breitschmid im Interview mit Sarah Nowotny vom 20. Juni 2014, Das Vererben soll flexibler werden, abrufbar unter: www.srf.ch/news/schweiz/das-vererben-soll-flexibler-werden (Stand: 04. 11. 2016); Wolf, ZBJV 143 (2007), 301, 313; Künzle, Plädoyer 4 (2005), 6, 7. 29 Dieser Auffassung auch Hösly/Geiger – MME Legal Tax Compliance, Reform des Schweizer Erbrechts. Erbrechtsreform, Nachlassplanung, Testament, Pflichtteile, Kommentar vom 11. März 2016, abrufbar unter: www.lexology.com (Stand: 04. 11. 2016). 30 Darauf ebenfalls hinweisend Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 14.

B. Stellungnahme und Kritik

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prekäre Situation entstehen kann, die zumindest in besonderen Härtefällen eine finanzielle Absicherung von Gesetzes wegen erforderlich macht. Mit der beabsichtigten Etablierung eines Unterhaltsvermächtnisses nimmt sich der schweizerische Gesetzgeber richtigerweise den Versorgungsinteressen faktischer Lebenspartner sowie denen von Stiefkindern an. Als zustimmungswürdig erweist sich dabei auch das gesetzgeberische Vorgehen, den existenziellen Bedarf über eine unterhaltsrechtliche Regelung aufzufangen. Obwohl der Bundesrat ein gesetzliches Erbrecht des faktischen Lebenspartners unter anderem aufgrund der damit zu erwartenden schwierigen Begriffsumschreibung ablehnt, kommt er letztlich aber nicht umhin, das den Unterhaltsanspruch begründende Beziehungsverhältnis zumindest in Grundzügen zu definieren. Mit der Festlegung der Mindestbeziehungsdauer von drei Jahren ist immerhin eine zeitliche Komponente bestimmt. Im Übrigen habe das Gericht im Einzelfall zu prüfen, ob die Partner die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen.31 Zuzustimmen ist dem Bundesrat dabei insoweit, dass nicht sämtliche Lebenspartnerschaften anspruchsberechtigt sein können.32 Das anspruchsberechtigende Partnerschaftsverhältnis sollte jedoch im Sinne der Rechtsklarheit deutlicher als im Entwurf geschehen umschrieben werden. Diskutabel erscheint außerdem die gesetzliche Verortung der Vorschrift im Erbrecht. Da das schweizerische Unterhaltsrecht – wie in Deutschland – weitgehend im Bereich des Familienrechts normiert ist, dürfte aus Gründen des Sachzusammenhangs eine entsprechende Regelung dort sinnvoller aufgehoben sein [dazu bereits Kap. 7, C., II., 1.]. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass der Schweizer Gesetzgeber mit dem Postulat „Fehr“ (12.3607): „Zeitgemässes kohärentes Zivil- und insbesondere Familienrecht“ auch eine Anpassung familienrechtlicher Vorschriften unter Berücksichtigung der heutigen Familienstrukturen und -formen plant. Besonderes Augenmerk soll dabei auf die immer häufiger anzutreffenden Konkubinatspaare gelegt werden.33 So weist der schweizerische Bundesrat in seinem Bericht „Modernisierung des Familienrechts“ zum Postulat „Fehr“ darauf hin, dass es für den Fall der Auflösung faktischer Lebensgemeinschaften einer unterhaltsrechtlichen Härtefallklausel zugunsten des wirtschaftlich unterlegenen Partners bedürfe.34 Es erscheint daher ratsam, sämtliche im Zusammenhang mit der faktischen Lebensgemeinschaft stehenden Unterhaltsfragen, unabhängig davon, ob deren Auflösung durch Trennung oder durch den Tod eines Partners erfolgt ist, geschlossen zu regeln. 31 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 23. 32 Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Vorentwurf und erläuternder Bericht zur Änderung des Zivilgesetzbuchs (Erbrecht), 04. 03. 2016, S. 22. 33 Postulat Fehr (12.3607), Zeitgemässes kohärentes Zivil- und insbesondere Familienrecht, Amtl. Bull. 2012 NR 2247, eingereicht am 15. 06. 2012. 34 Vgl. dazu den Bericht des Bundesrates („Modernisierung des Familienrechts“) vom 01. 04. 2015 zum Postulat Fehr (12.3607), S. 32 f.

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Kap. 8: Der Reformvorentwurf des schweizerischen Bundesrates

Darüber hinaus gibt der Bundesrat in seinem Bericht zum Postulat „Fehr“ zu erkennen, welche weiteren familienrechtlichen Neuerungen er in Bezug auf die faktische Lebensgemeinschaft beabsichtigt. Als zentralen Regelungsansatz verfolgt er diesbezüglich, in Anlehnung an den französischen PACS, die Einführung eines „pacte de solidarité schweizerischer Prägung“.35 Betreffend der Vor- und Nachteile, die diesem Regelungsmodell zugrunde liegen, kann auf die vorangegangen Ausführungen verwiesen werden [vgl. Kap. 5, B., I., 3.]. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der Vorentwurf zur Änderung des schweizerischen Erbrechts grundsätzlich richtige Ansätze beinhaltet. Dies gilt sowohl für die geplante Reduktion des Pflichtteilsrechts als auch für die Einführung einer unterhaltsrechtlichen Härtefallregelung zugunsten faktischer Lebenspartner. Allerdings geht der Entwurf auf zentrale Themen und Probleme nicht ein. So ist vor allem das Fehlen eines gesetzlichen Erbrechts des überlebenden Konsensualpartners zu beklagen. Unverständlicherweise hat man auch nicht in Betracht gezogen, dem faktischen Lebenspartner zumindest ein Zuweisungsrecht an der partnerschaftlichen Wohnung sowie den Hauratsgegenständen einzuräumen. Abgesehen von besonderen Ausnahmefällen wird der langjährige Lebensgefährte daher ohne testamentarische Verfügung am Nachlass des Verstorbenen nach wie vor nicht partizipieren können. Zudem sieht der Bundesrat auch nicht die Möglichkeit vor, das Gestaltungsinstrument der Nutzniessung gemäß Art. 473 ZGB für faktische und eingetragene Lebenspartnerschaften zu öffnen. Ebenso gehen die pflichtteilsrechtlichen Änderungen im Ergebnis nicht weit genug, da sie die individuellen Bedarfslagen der Pflichterben nur unzureichend berücksichtigen. Insoweit lässt der Vorentwurf viele Fragen unbeantwortet. Aus Sicht der schweizerischen Gesetzgebung bleibt zu hoffen, dass der Entwurf im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses nochmals angepasst wird.36

35

Bericht des Bundesrates („Modernisierung des Familienrechts“) vom 01. 04. 2015 zum Postulat Fehr (12.3607), S. 31 f. 36 Die notwendigen Anpassungen des schweizerischen Reformvorentwurfs werden aller Voraussicht nach ausbleiben. Der schweizerische Bundesrat hat nämlich in seiner Sitzung vom 10. 05. 2017 vor dem Hintergrund der Vernehmlassungsergebnisse zur Modernisierung des Erbrechts entschieden, an der inhaltlichen Ausrichtung des Reformvorentwurfs festzuhalten, insbesondere an der vorgeschlagenen Verkleinerung der Pflichtteile der Nachkommen und an der Einführung des Unterhaltsvermächtnisses. Hinsichtlich des Unterhaltsvermächtnisses soll lediglich dessen konkrete Ausgestaltung im Lichte der Vernehmlassungsergebnisse noch einmal überprüft werden. Darüber hinaus setzt sich der schweizerische Gesetzgeber zum Ziel, vorhandene Unklarheiten bei der technischen Umsetzung verschiedener Einzelpunkte zu beseitigen; vgl. Medienmitteilung des Schweizer Bundesrats vom 10. 05. 2017 zur Modernisierung des Erbrechts, abrufbar unter: https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medien mitteilungen/bundesrat.msg-id-66655.html (Stand:18. 02. 2018).

Kapitel 9

Perspektiven für eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften in Deutschland Die Schweiz hat mit ihrem Reformvorhaben „Für ein zeitgemässes Erbrecht“ einen notwendigen Weg eingeschlagen. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass die derzeitige Ausgestaltung des Erbrechts die heutigen Gesellschafts- und Familienstrukturen nur noch unzureichend aufzunehmen vermag und dabei allen voran faktische Lebenspartnerschaften, die gesellschaftlich immer stärker in den Vordergrund getreten sind, unberücksichtigt lässt. Während die Motion „Gutzwiller“ den rechtlichen Fokus auf die vordringlichen Probleme des Erbrechts gelegt hat, soll mit dem Postulat „Fehr“ nunmehr auch das Familienrecht entsprechend angepasst werden. Dagegen ist der deutsche Gesetzgeber auf diesen Gebieten bislang untätig geblieben, obwohl die sozio-demographischen Entwicklungen auch hier aufgezeigt haben, dass hinsichtlich der rechtlichen Erfassung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften dringender Reformbedarf besteht. Im europäischen Vergleich bildet Deutschland bei dieser Frage nun endgültig das Schlusslicht, insbesondere auch wegen der in jüngster Vergangenheit beschlossenen Erbrechtsreform in Österreich. Doch bietet sich für Deutschland dadurch auch die Chance, das eigene Erbrecht zu überdenken, gerade vor dem Hintergrund der in den deutschsprachigen Nachbarländern stattfindenden Erbrechtsreformen. Der deutsche Gesetzgeber darf seine Augen vor den Lebensrealitäten nicht verschließen und der Rechtsentwicklung weiter hinterherhinken. Es ist an der Zeit, die nichteheliche Lebensgemeinschaft aus ihrem recht- und schutzlosen Schattendasein herauszuholen und in das Blickfeld deutscher Gesetzgebung zu rücken. So ist insbesondere das Erbrecht für faktische Beziehungsverhältnisse zu öffnen, da es wie kaum ein anderes Rechtsgebiet von seiner konzeptionellen Ausrichtung her an der tatsächlichen Lebenssituation des Erblassers orientiert sein soll. Es wird insofern nicht darum gehen, traditionelle Familienmodelle wie die Ehe mit gemeinsamen Kindern zu schwächen oder gar abzuschaffen, sondern vielmehr das Spektrum rechtlich anerkannter Zusammenlebensformen maßvoll und umsichtig zu erweitern. Ein modernes Erbrecht, das für die Herausforderungen des 21. Jahrhundert gerüstet sein will, darf nicht länger ausnahmslos an den Leitbildern vergangener Tage

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Kap. 9: Perspektiven für eine erbrechtliche Besserstellung

festhalten. Die Schweiz hat in dieser Hinsicht einen ersten wichtigen Schritt gemacht. Allerdings zeigen die beabsichtigten Neuerungen des Vorentwurfs auch auf, dass man den Ausbau des Erbrechts unverheirateter Paare mit großer Zurückhaltung angeht. Der deutsche Gesetzgeber sollte diesbezüglich mehr Mut vorbringen und dem überlebenden Konsensualpartner weitergehende Rechte einräumen. Wie hier vorgeschlagen erscheint eine punktuelle, sich im Wesentlichen auf das Erbrecht beschränkende Lösung am sinnvollsten, da sich nichteheliches Zusammenleben aufgrund der Vielzahl möglicher Erscheinungsformen nur schwerlich in ein allgemeingültiges, sämtliche Rechtsgebiete umfassendes Regelungskonzept pressen lässt. Die reformbedürftigen Inhalte im Hinblick auf eine erbrechtliche Besserstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften lassen sich dabei wie folgt zusammenfassen: – Dem überlebenden Partner einer faktischen Lebensgemeinschaft ist ein gesetzliches Erbrecht einzuräumen, das sich am Umfang des dem Ehegatten zustehenden Erbteils zu orientieren hat, § 1931 BGB. Erbberechtigt sind nur diejenigen Partner, die die begrifflichen Voraussetzungen einer im erbrechtlichen Sinne relevanten Lebenspartnerschaft erfüllen [vgl. hierzu Kap. 6, C., IV.]. – Ein güterrechtlicher Ausgleich findet zwischen den Partnern nicht statt, so dass auch eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils nach § 1371 I BGB, wie es bei Ehegatten der Fall ist, ausgeschlossen bleibt. – Der faktische Lebenspartner sollte neben dem gesetzlichen Erbteil die Zuweisung der zum Voraus gehörenden Haushaltsgegenstände geltend machen können, § 1932 BGB. Ergänzend ist ihm ein mietvertragliches Eintrittsrecht betreffend der gemeinschaftlich genutzten Partnerwohnung gemäß § 563 BGB zu gewähren. – Von einer pflichtteilsgeschützten Erbenstellung des überlebenden Konsensualpartners ist abzusehen. Stattdessen sollte das Pflichtteilsrecht insgesamt flexibler ausgestaltet werden, um dem Erblasser selbst die Möglichkeit zu geben, sein Vermögen bedarfsgerechter verteilen und die individuellen Interessen der Hinterbliebenen stärker berücksichtigen zu können. Da die finanzielle Absicherung des wirtschaftlich unterlegenen Partners aber nicht allein vom Wohlwollen des Erblassers abhängen darf, sollte zusätzlich eine unterhaltsrechtliche Regelung zugunsten des überlebenden Partners statuiert werden. – Zu den pflichtteilsrechtlichen Neuerungen gehört die Reduzierung und Flexibilisierung des Pflichtteilsrechts der Nachkommen. Anstelle der starren Pflichtteilsquote, wonach stets die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs geschützt ist, § 2303 I 2 BGB, sollte eine variable Quotenregelung treten, die die individuellen Familienverhältnisse des Erblassers aufnimmt. Abhängig von der Anzahl direkter Nachkommen ist die pflichtteilsgeschützte Quote niedriger oder höher anzusetzen. Bei Vorhandensein lediglich eines Nachkommen sollte die Pflichtteilsquote ein Viertel betragen. Hinterlässt der Erblasser zwei Kinder, so ist diesen ein Drittel

Kap. 9: Perspektiven für eine erbrechtliche Besserstellung

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ihres gesetzlichen Erbteils zuzuwenden. Dagegen sollte die Pflichtteilsquote bei drei oder mehr Kindern auf ein Halb festgesetzt werden. – Ungeachtet der jeweiligen Pflichtteilsquote ist zusätzlich eine Pflichtteilsobergrenze einzuführen, die den pflichtteilsgeschützten Anspruch eines Abkömmlings der Höhe nach auf einen Maximalbetrag von einer Millionen Euro begrenzt. So widerspricht es dem Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts, den nächsten Angehörigen eine Mindestbeteiligung am Nachlass zuzusichern, wenn der auf den Einzelnen entfallende Betrag de facto so hoch ist, dass er dessen finanzielle Versorgung weit über ein erforderliches Mindestmaß hinaus sicherstellt. – Das Pflichtteilsrecht der Eltern, § 2303 II Alt. 1 BGB, sollte abgeschafft werden. Aus rechtsvergleichender und praktischer Sicht besteht für eine pflichtteilsgeschützte Nachlassteilhabe der Eltern heutzutage keine zwingende Veranlassung mehr. – Darüber hinaus sind die Tatbestände der Erbunwürdigkeit zu erweitern, so dass nicht nur strafbare Handlungen gegen den Erblasser sanktioniert werden, sondern auch solche, die gegen dessen Ehegatten, eingetragenen Partner, faktischen Lebenspartner oder dessen Verwandten in gerader Linie gerichtet waren. Das die Erbunwürdigkeit begründende Strafmaß sollte dabei alle vorsätzlich begangenen Straftaten erfassen, aus der eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren resultiert und bei der der Erblasser aufgrund von Testierunfähigkeit oder aus sonstigen Gründen nicht in der Lage gewesen ist, den Straftäter zu enterben. – Den Partnern einer faktischen Lebensgemeinschaft sollte außerdem die Möglichkeit offenstehen, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten, §§ 2265 ff. BGB. Vor allem Paare, die in einer Patchwork-Familie leben, würden hiervon profitieren, da diese wie Ehegatten in vielen Fällen den Wunsch haben, dass der gesamte Nachlass zunächst dem überlebenden Teil anfällt und erst nach dessen Ableben an die gemeinsamen Kinder oder die Stiefkinder gehen soll.1 Durch eine wechselbezügliche Schluss- oder Nacherbeneinsetzung der Kinder könnten die Partner sicherstellen, dass der Nachlass nach dem Tode des Zweitversterbenden diesen auch tatsächlich zugeht, § 2271 II 1 BGB. – In Anlehnung an § 2077 BGB ist eine den faktischen Lebenspartner begünstigende Verfügung im Zweifel unwirksam, wenn die Partnerschaft vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist oder die Voraussetzungen für eine Auflösung bereits angelegt waren. – Einen Anspruch auf Ausgleichung von Pflegeleistungen gem. § 2057a I 2 BGB sollten neben Abkömmlingen sämtliche gesetzliche Erben geltend machen können. Darüber hinaus müssen auch die Eltern, Geschwister sowie entfernte Nachkommen des Erblassers, die aufgrund einer vorrangigen gesetzlichen Erbenstellung anderer nicht zur gesetzlichen Erbfolge berufen sind, für erbrachte 1

Vgl. zu diesem Thema Cottier, successio Sonderheft (2014), 29, 38 ff., 49.

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Kap. 9: Perspektiven für eine erbrechtliche Besserstellung

Pflegeleistungen entlohnt werden. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum die nächsten Familienmitglieder des Erblassers, die diesen aufopferungsvoll gepflegt haben, nicht ausgleichsberechtigt sein sollen. Ein Regelungsmodell, wie das vorliegende, trägt den erbrechtlichen Interessen nichtehelicher Lebensgemeinschaften umfassend Rechnung, ohne das Erbrecht in seinen Grundfesten zu verändern. Es bleibt zu hoffen, dass sich die deutsche Gesetzgebung diesem Thema zeitnah annimmt. Mit Blick auf die europäischen Nachbarn wird Deutschland letztlich wohl nicht umhin kommen, sich mit den (erb-) rechtlichen Problemen faktischer Lebenspartner auseinanderzusetzen.

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Stichwortverzeichnis Abfindung 117 Abkömmlinge siehe Nachkommen Abschaffung des elterlichen Pflichtteils 264 f., 283 f., 287 Alterskonkubinate 71, 213, 220 f. Altersvorsorge 39 ff., 53 Anfechtung – der Enterbung 112, 115 – des Erbvertrags 117 Auflagen 125 Auflösung nichtehelicher Lebenspartnerschaften siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft Aufteilung des Nachlasses siehe Nachlassverteilung Auseinandersetzung der Vermögens 101 Ausgleich von Pflegeleistungen 276 ff., 281 f., 293 Ausgleichsansprüche – unter nichtehelichen Lebenspartnern 93, 101 f., 119 f., 255 ff. – unter Ehegatten 110 f., 130, 249 f. Ausländische Regelungen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft – Australien und Neuseeland 163 ff. – Belgien 137 ff. – Frankreich 135 f. – Niederlande 136 f. – Norwegen 155 ff. – Kanada 166 – Kanadische Provinzen Nova Scotia und Quebec 142 – Österreich 158 f. – Portugal 160 ff. – Schweden 154 f. – Slowenien 162 f. – Spanien 139 ff., 159 f. Auslegungsregeln 273

Beendigung nichtehelicher Lebenspartnerschaften siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft Befreiungsanordnung 122 f. Begriff siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft BGB-Gesellschaft siehe Gesellschaft bürgerlichen Rechts Beschränkung der Testierfreiheit siehe Einschränkung der Testierfreiheit Beziehungsdauer siehe Dauer der Lebenspartnerschaft Beziehungsrealitäten 55 ff., 79 f., 127 f. Bindungswirkung – erbvertraglicher Verfügungen 115 – wechselbezüglicher Verfügungen 252, 293 Dauer der Lebenspartnerschaft – als Anspruchsvoraussetzung 109, 186 – 196, 207 ff., 234 ff., 279, 289 – Beziehungsdauer im Allgemeinen 65 f., 75, 215, 224 Demographische Entwicklung 37 ff., 63, 70 f., 77 Diskriminierung – gleichgeschlechtlicher Lebenspartner 67 f., 148, 150, 169 – unverheirateter Lebenspartner 67 f., 94 f., 144 f. Dreißigster 34 Ehe – Auflösung/Scheidung 59 ff., 77, 173, 186 f., 232 f., 238, 240 ff. – Begriff 183 ff. – Eheschließungshindernisse 74, 225, 228 ff. – Eingehung 59 ff., 73, 184, 230 f., 239 – Erbrecht siehe Ehegattenerbrecht – güterrechtlicher Ausgleich siehe dort

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Stichwortverzeichnis

– verfassungsrechtliche Stellung 30 ff., 33 ff., 94 f., 145 f., 168 f., 175 Ehe auf Probe siehe Voreheliche Lebenspartnerschaft Ehe „light“ 147 f., 175 Eheähnliche Lebensgemeinschaft siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft Ehegattenerbrecht 30 f., 246, 248 – 253, 273, 283 ff. Ehegattentestament siehe Gemeinschaftliches Testament Ehegattenunterhalt siehe unter Unterhaltsund Versorgungsleistungen Eheschließungshindernis siehe unter Ehe Einfache Gesellschaft 99 ff., 104 Eingetragene Lebenspartnerschaft – Begriff 23, 226 – Eingehung 56, 73 f., 148 f., 224, 226 – Erbrecht 68, 108 ff., 248 – 253, 273 ff., 283 ff. – Rentenansprüche 37, 78 – verfassungsrechtliche Stellung 52, 94 f., 147 f., 168 f., 175 Einschränkung der Testierfreiheit 110 f., 121, 125, 257 f. Eintrittsrecht siehe Mietvertrag Enterbung 112 ff., 266 f., 281, 285, 288 Erblasserwille siehe Wille des Erblassers Erbrecht – Funktionen siehe unter Funktionen des Erbrechts – Verfassungsrecht 25 – 32, 51 f. – wirtschaftliche Bedeutung 81 ff. Erbschafts- und Schenkungssteuer – Freibeträge 111 – Steuerlast 111, 122 Erbunwürdigkeit 114 f., 269 ff., 282, 285, 288 Erbvertrag 107 f., 109, 115 f. Erbverzicht 116 ff. Errungenschaftsgemeinschaft 106, 249, 255 f. Erscheinungsformen nichtehelichen Zusammenlebens siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft

Faktische Lebenspartnerschaft siehe unter nichteheliche Lebensgemeinschaft Familie – Entwicklung 18, 36 f., 55 – 66, 68 ff., 73 ff., 79 f., 127 – Funktion 30 f., 33 ff. – Verfassungsrecht 30 ff., 145 Familienwohnung 204, 275 Formalisierte Lebenspartnerschaft siehe Registrierte Lebenspartnerschaft Fortsetzungsfamilien siehe Stieffamilien Funktionen des Erbrechts – Befriedung 44 ff. – familiärer Schutz und Zusammenhalt 30 f., 33 ff., 47 – 51 – Gewährleistung gleichberechtigter Teilhabe 43 f. – Versorgung naher Angehöriger 33 – 43 Gebundener Erblasser 110 ff., 126, 261 Gemeinschaftliches Testament 109 f., 252, 275 Geschäftsfähigkeit siehe Testierfähigkeit Geschenk siehe Schenkungen Geschlechtsgemeinschaft 218 – 222, 228 Gesellschaft bürgerlichen Rechts 99 – 102 Gesellschaftliche Anerkennung nichtehelicher Lebensgemeinschaften 68, 78, 127, 144, 170 Gesetzliche Erbfolge – aktuelle Ausgestaltung 28 f., 32, 42 f., 47 – 50, 108 f., 127 f., 248 f. – Bedeutung 84, 87 f. – Funktion 47 – 50, 169 f. – Reformüberlegungen 253 ff. Gesetzliche Vorausvermächtnisse siehe unter Vorausvermächtnis Getrenntleben – Trennung siehe dort – Trennungsfrist 241, 243 f. – Voraussetzungen 213, 240 – 243 Gewillkürte Erbfolge – aktuelle Ausgestaltung 109 f., 112 – 126 – Bedeutung 84, 87 f. – Funktion 45, 50 – Reformüberlegungen 272 – 275

Stichwortverzeichnis Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft – erbrechtliche Stellung siehe unter Eingetragene Lebenspartnerschaft – rechtliche Entwicklung 22 f., 55 – 59, 68, 96, 225 f. – verfassungsrechtliche Stellung 52, 94 f., 147 f., 169 Grenzen der Testierfreiheit siehe Einschränkung der Testierfreiheit Grundrechts-/Verfassungsschutz – des Ehegatten siehe unter Ehe – des gleichgeschlechtlichen Lebenspartners siehe unter Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft – des nichtehelichen Lebenspartners siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft Güterrechtlicher Ausgleich 110, 130, 249 f., 255 f., 288, 292 Güterstand des Erblassers 106, 249, 255 Gütertrennung siehe Güterstand des Erblassers Haushaltsführung 70, 101, 130, 204, 235 Haushaltsgemeinschaft siehe Wohngemeinschaft Hausrat siehe unter Vorausvermächtnis Herabsetzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten 112, 117, 119 ff., 123, 125, 251 Heterosexuelle Lebensgemeinschaft siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft Hinterbliebenenrente 36 f., 78, 123, 130 Homosexuelle Lebensgemeinschaft siehe unter Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft Interessenkollision – zwischen nichtehelichem Lebenspartner und Ehegatten 232 – zwischen nichtehelichem Lebenspartner und Verwandten 229 Intergenerationeller Finanzbedarf 39 f. Jugendliche Lebenspartner siehe Minderjährige Lebenspartner Kantonale Regelungen zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft 67 f., 76, 96, 111, 133, 148 f., 185, 187 ff., 200, 208, 210 ff.

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Kleiner Pflichtteil 250 Konfliktpotential im Erbrecht 44 ff., 87, 124, 147 f., 175 Konkubinat siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft Konkubinatsvertrag siehe unter Partnerschaftsvertrag Konsensualpartnerschaft siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft Kostenaufwand 149 f., 172 Lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaft 23 Lebenspartnerschaftsdauer siehe Dauer der Lebenspartnerschaft Lebenspartnerschaftsvertrag siehe unter Partnerschaftsvertrag Lebzeitige Zuwendungen 117, 118 – 121, 277 Mietvertrag – Eintrittsrecht 109, 253, 275 f. – Kündigungsrecht 109 Minderjährige Lebenspartner 224 f. Mindestteilhabe am Nachlass 34 f., 52 f., 125, 260, 262 Motion „Gutzwiller“ – geplante Umsetzung 283 – 287 – Zielsetzung 18 f. Motive für nichteheliches Zusammenleben siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft Nacheheliche Lebenspartnerschaft 77 ff. Nachehelicher Unterhalt 78, 186 f., 191 Nacherbe/Nacherbschaft 121 ff. Nachkommen – Enterbung 112 – 114 – erbrechtliche Stellung 114 f., 121 f., 124, 126, 128 f., 251 f., 277 f. – Erbverzicht 116 f. – Reformüberlegungen 258 – 264, 274 f., 277, 279 ff., 283 ff., 288, 292 Nachlassgegenstände 125 Nachlassteilhabe 34, 43 f., 86, 114, 123 f., 250, 260 – 266 Nachlassverbindlichkeiten 44, 225 Nachlassverteilung 43, 125, 232

318

Stichwortverzeichnis

Nachweisbarkeit nichtehelichen Zusammenlebens 143, 170 ff., 205, 220 f. Nichteheliche Kinder und Stiefkinder 35, 55 ff., 63, 68 f., 77, 89, 113, 172, 214, 221, 234 f., 265, 274 f., 284 f., 286 f. Nichteheliche Lebensgemeinschaft – Begriff und Definitionen 21 f., 177 f., 183 – 196, 196 – 237, 279 – Begründung und Auflösung 93 – Beweisbarkeit siehe Nachweisbarkeit nichtehelichen Zusammenlebens – erbrechtliche Stellung 85 ff., 108 – 126 – Erscheinungsformen 72 – 78 – Partnerschaftsvertrag siehe dort – rechtliche Entwicklung 22 f., 67 f. 133, 225 f. – Strafbarkeit 22, 67 f. – verfassungsrechtliche Stellung 94 f. Nießbrauch 123 f., 251 Nutzniessung – aktuelle Ausgestaltung 123 f., 250 ff. – Reformüberlegungen 274 f., 281, 290 Ordnungsfunktion

44 f.

Partnerschaftsformen siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft Partnerschaftsvertrag – Form 102 f. – Inhalt 105 ff. – Innominatkontrakt 103 ff. – Sittenwidrigkeit 107 f. Patchworkfamilien siehe Stieffamilien Pflegeleistungen siehe Ausgleich von Pflegeleistungen Pflegevermächtnis 158, 276 ff., 281 Pflichtteilsanspruch – schuldrechtlicher Anspruch 29, 44 f., 250, 259 – schweizerisches Noterbenrecht 29, 43 ff., 250, 259 f. Pflichtteilsberechtigte Personen 110, 128, 250 f., 257, 264 ff. Pflichtteilsentziehung – aktuelle Ausgestaltung 31, 112 ff. – Reformüberlegungen 266 ff., 281 Pflichtteilsergänzungsanspruch 120 Pflichtteilsobergrenze 262 ff., 293

Pflichtteilsrecht – aktuelle Ausgestaltung 26 – 32, 42 ff., 50 ff., 110 ff., 126, 129 f., 250 – Funktion 33 ff., 50 ff. – Pflichtteilsentziehung siehe dort – Reformüberlegungen 257 – 268, 280 f., 283 ff., 292 f. Pflichtteilsverzicht 116 f. Polygame Lebenspartnerschaften siehe unter Typen nichtehelicher Lebensgemeinschaften Privatautonomie 102 ff., 176 f. Quote – gesetzliche Erbquote 248 f. – Pflichtteilsquote 110, 128, 250 Reformbestrebungen – Motion „Gutzwiller“ 18 f., 283 – 287 – Postulat „Fehr“ 289, 291 – Postulat „Hirschi“ 149 Regelungsmodelle zur nichtehelichen Lebensgemeinschaften – faktische Lebenspartnerschaft 152 ff., 168 – 179 – kombinierte Regelungsmodelle 179 f. – registrierte Lebenspartnerschaft 133 ff., 143 – 152 Rentenansprüche nichtehelicher Lebenspartner 36 f., 42, 130, 257 f. Rentnerkonkubinate siehe Alterskonkubinate Scheidungsrecht siehe unter Ehe Schenkungen 111, 118 ff. Schenkungssteuer siehe unter Erbschaftsund Schenkungssteuer Schweizer Reformvorentwurf 283 – 287 Sittenwidrigkeit – nichtehelichen Zusammenlebens 67 – Partnerschaftsvertrag siehe dort Stieffamilien 55, 58, 63, 77, 79, 84, 293 Stiefkinder siehe Nichteheliche Kinder und Stiefkinder Teilhabe am Nachlass siehe Nachlassteilhabe Teilungsanordnung 125

Stichwortverzeichnis Testamentarische Gestaltungsmöglichkeiten 112 – 126, 129, 250 ff. Testamentarische Verfügungen zugunsten nichtehelicher Lebenspartner 85 ff. Testierbereitschaft 84 Testierfähigkeit 114, 269 ff., 277, 293 Testierfreiheit – Einschränkungen 110 f., 121, 125, 257 f. – Umfang 27 ff., 109 f., 258 ff. Testierverhalten 83 – 87 Trennung – Ausgleichsansprüche siehe dort – Getrenntleben siehe dort – Rechtsfolgen 93, 101 f., 115 f., 119, 240 f., 245 f. Trennungserklärungen 93, 239 ff., 245 Trennungsfristen siehe unter Getrenntleben Typen nichtehelicher Lebensgemeinschaften – alternative Lebenspartnerschaft 75 f. – nacheheliche/nachpartnerschaftliche Lebenspartnerschaft 71, 77 f. – polygame Lebenspartnerschaft 78 – voreheliche Lebenspartnerschaft 73 – vorübergehende Lebenspartnerschaft 74 – wirtschaftliche Zweckgemeinschaft 76 Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten 117, 119 – 121, 123, 125, 251 Überschuldung eines Nachkommen 113 Unbenannte Zuwendungen 119 Unbillige Härten 119, 168, 206, 283, 285, 286, 288 ff. Unentgeltliche Verfügungen 111, 118 ff. Unterhalts- und Versorgungsleistungen – Bedarfslagen/Bedürftigkeit 31, 33 – 42, 106, 109, 287 – nachehelicher Unterhalt 186 f., 191, 208, 210 ff. – Reformüberlegungen 257 f., 285–290, 292 Unterhaltsvermächtnis zugunsten des nichtehelichen Lebenspartners 285 – 290 Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen 115, 272 f., 282, 293 Urteilsfähigkeit der Lebenspartner 224 f. Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse 18 f., 55 – 71 Vererbungsmotive 85

319

Verfügungen siehe unter Zuwendungen Verfügungsbefugnis des Erblassers siehe Einschränkung der Testierfreiheit Verlöbnisrecht 97 ff. Vermächtnis – Nutzniessungsvermächtnis siehe Nutzniessung – Pflegevermächtnis 276 ff., 281 f. – Unterhaltsvermächtnis zugunsten des nichtehelichen Lebenspartners siehe dort – Voraus des Ehegatten 253, 275 f. Vermächtnisanspruch 123 Verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaft siehe unter Nichteheliche Lebensgemeinschaft Verschuldensprinzip 93, 172 f. Versorgungsfunktion des Erbrechts 34, 36 – 43, 263 Verwandtenerbrecht 25, 28 f., 30 f., 35, 43, 49, 110 f., 112 ff., 248 ff. Volljährigkeit der Lebenspartner siehe Minderjährige Lebenspartner Vorausvermächtnis – des Ehegatten 253 – des nichtehelichen Lebenspartners 275 f. Voreheliche Lebenspartnerschaft 73 Vorerbe/Vorerbschaft 121 ff. Vorweggenommene Erbfolge 118 ff. Wechselbezügliche Verfügungen siehe unter Bindungswirkung Wertewandel in der Gesellschaft 67 – 70 Wiederheirat 61, 77 f., 251 Wille des Erblassers 48 ff., 85 ff., 87 – 90, 128 f., 258, 269 ff., 272 f., 276 Wirtschaftsgemeinschaft 215 – 218 Witwenrente siehe Rentenansprüche nichtehelicher Lebenspartner Wohngemeinschaft 197 – 207 Wohnrecht 252 f., 275 Wohnsitz – steuerrechtlicher 188, 200 – zivilrechtlicher 201 – 207 Zugewinnausgleich 106, 111, 250, 255 f. Zugewinngemeinschaft 106 Zusammenlebensvertrag siehe unter Partnerschaftsvertrag

320

Stichwortverzeichnis

Zuweisung der Wohnung siehe Wohnrecht Zuwendungen – lebzeitige siehe Lebzeitige Zuwendungen – unentgeltliche siehe Unentgeltliche Verfügungen

– unter Ehegatten siehe Unbenannte Zuwendungen Zweipersonenverhältnis 78, 184, 222 ff., 232