Schiffahrtsabgaben: Erster Teil: Die Rechtslage. Im Auftrag des Vereins für Socialpolitik herausgegeben. (Schriften des Vereins für Socialpolitik CXV/1) [1 ed.] 9783428573639, 9783428173631


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Schiffahrtsabgaben: Erster Teil: Die Rechtslage. Im Auftrag des Vereins für Socialpolitik herausgegeben. (Schriften des Vereins für Socialpolitik CXV/1) [1 ed.]
 9783428573639, 9783428173631

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Schiffahrtsabgaben Erster Teil

Die Rechtslage Von

Max Peters

Im Auftrag des Vereins für Socialpolitik herausgegeben

Duncker & Humblot reprints

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Schriften des

Vereins für Socialpotitik

6XV. 1.

SchiffcrHvtscrögcrberr. Erster Teil.

Leipzig, Verlag von Duncker L Humblot.

1906.

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StHiffaHrtsabgaben Von

Mas Meters.

Erster Teil.

Pie Wechtslage.

Im Auftrag des Vereins für Socialpolitik herausgegeben.

Leipzig, Verlag von Duncker L Humblot.

1906.

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Vorwort. Äls der ehrenvolle Antrag der Vereins für Socialpolitik, die Frage der Schiffahrtsabgaben in den Vereinsschriften zu bearbeiten, im Anfänge

des Jahres 1905 an mich

herantrat,

bin ich einige Zeit im Zweifel ge­

wesen, ob ich die Aufgabe übernehmen sollte.

Diejenigen Umstände, welche mir ihre Lösung

eine siebenjährige praktische Erfahrung

abgaben

in

Verbindung

mit

der

erleichtern konnten —

auf dem Gebiete der Schiffahrts­

Möglichkeit

der

Benutzung

amtlicher

Quellen — schienen mir durch

die entgegenstehenden Schwierigkeiten min­

destens ausgewogen zu werden.

Die letzteren ergaben sich vielfach gerade

aus meiner amtlichen Stellung.

Für das volle Verständnis des

geltenden Rechtes ist es notwendig,

seine Geschichte, sowohl diejenige seiner Entstehung als auch diejenige seiner späteren Anwendung und Betätigung, klarzustellen. ohne Veröffentlichung

eines

Das kann man nicht

umfangreichen Aktenmaterials.

Hierbei zeigt

sich aber, daß der Apparat der Gesetzgebung und Verwaltung nicht immer

ganz gleichmäßig gearbeitet hat.

Es sind zuweilen Unstimmigkeiten, Kurs­

schwankungen und Vibrationen vorgekommen, die nicht unerwähnt bleiben

können, wenn über die tatsächliche Entwicklung der Dinge volle Aufklärung gegeben

werden soll.

Unstimmigkeiten

Anderseits ist aber die Rolle des Chronisten solcher

und Schwankungen

heikel und

unsympathisch

für

einen

Mann, der selber zu jenem Apparat gehört, zumal wenn er gewissermaßen

als Kritiker seiner Vorgänger auftreten muß.

Es ergibt sich hieraus unter

Umständen ein gewisser Konflikt der Pflichten oder doch der Empfindungen. Anderseits

legt die Verfügung über Akten,

die nicht für jedermann

zugänglich sein können, große Verantwortlichkeiten auf in bezug auf die Art und Weise der Benutzung, insbesondere hinsichtlich der vollständigen, sorg­

fältigen

und unparteiischen Auswahl derjenigen Schriftstücke,

welche als

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Vorwort.

VI Beweismittel

werden.

für

die

vom

Verfasser

vertretenen

Ansichten

veröffentlicht

Für die wahrscheinlich sehr zahlreichen und den verschiedensten Kreisen

angehörigen Gegner liegt es nahe,

in

bezug aus die Bildung dieser An­

sichten eine gewisse Gebundenheit des Verfassers an seine amtliche Stellung anzunehmen,

nicht

seinen Mut zur Vertretung einer den Zielen der Regierung

entsprechenden Meinung

zu

bezweifeln

und — namentlich

in der

Rechtsfrage — den Aufbau der Beweisführung als einen vom Endpunkte

konstruierten, auf ein bestimmtes Ergebnis berechneten zu beargwöhnen.

Der

Verfasser muß mit der Möglichkeit rechnen, daß auch dieser Argwohn im

Kampfe der Meinungen eine Rolle spielen wird.

Das um so mehr, als er

in letzter Zeit mehrfach zitiert worden ist als Vertreter einer die Begriffe der natürlichen und künstlichen Wasserstraße betreffenden Ansicht, welche von der hier dargelegten abweicht.

Er scheut vor einem Meinungswechsel keines­

wegs zurück, da er hierin im Falle sachlicher Begründung nicht nur keinen Vorwurf, sondern eher ein Lob, jedenfalls aber eine Pflicht erblickt; er be­

kennt sich zu einem solchen Wechsel hinsichtlich anderer Punkte, die in der

Frage der Schiffahrtsabgaben Rolle spielen.

eine

gewisse,

wenn

auch nicht wesentliche hat er aber seine

In bezug aus jene Begriffsbestimmung

Meinung nicht gewechselt, weil er in dem zitierten Satze seiner Arbeit vom

Jahre 1902

über

„Die finanzielle Entwickelung der preußischen Binnen­

wasserstraßen" im Archiv für Eisenbahnwesen XXV 750

„Unter künstlichen Wasserstraßen werden die eigentlichen Kanäle und die

kanalisierten Flüsse

verstanden,

während

als natürliche diejenigen von

Natur schiffbaren Flüsse und Seen gelten, deren Schiffbarkeit auf andere

Weise als durch Kanalisierung verbessert worden ist oder eine künstliche Steigerung überhaupt nicht erfahren hat" eine Meinung weder vertrat noch zu vertreten Anlaß hatte.

Mit dem Aus­

druck „gelten" sollte gesagt werden und ist gesagt worden, daß der Verfasser aä lioe — für die Bestimmung des Rahmens seiner finanziellen Untersuchungen —

den Standpunkt jener vielfach üblichen Begriffsabgrenzung akzeptieren, im übrigen aber zur Frage nicht Stellung nehmen wollte *.

Für den damaligen

Zweck war diese Einteilung geeignet, weil sie im Bereich der Binnenschiffahrt

mit

der Unterscheidung von abgabepflichtigen und nicht abgabepflichtigen

Wasserstraßen ungefähr zusammenfiel und nur bei den ersteren von einer

finanziellen Entwicklung die Rede sein konnte. * In einem kürzlich erschienenen Aufsatz des Bezirksassessors Dr. Fidejustus Walther, „Schiffsabgaben auf den deutschen Strömen", Leipzig 1906, Roßbergsche Verlagsbuchhandlung S. 10 und auch sonst vielfach ist jene Äußerung aus dem Jahre 1902 unrichtig wiedergegeben.

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VII

Vorwort.

Es kommt hinzu, daß die Frage der Schiffahrtsabgaben in den letzten

Jahren eine Bedeutung gewonnen hat, die über die Grenzen einer akademischen Erörterung weit hinausreicht.

Sie ist zu einer aktuellen politischen Frage

ersten Ranges geworden, und hinter den verschiedenen Lösungen, deren sie

fähig ist, steht der Druck großer materieller Interessen.

Vielleicht sind diese

Interessen ganz oder teilweise falsch orientiert; vielleicht gravitieren sie sogar

in Wirklichkeit nach einer den heutigen Anschauungen und Befürchtungen entgegengesetzten Richtung.

Immerhin üben sie einstweilen eine der wissen­

schaftlichen Untersuchung des Problems ungünstige Wirkung.

Sie können

bei den Verfechtern der entgegenstehenden Ansichten eine gewisse — wenn auch vielleicht unbewußte — Befangenheit in Verbindung mit der Neigung,

dieselben Eigenschaften dem Gegner vorzuwerfen, erzeugen. Sie erschweren insofern auch demjenigen, dessen Überzeugung sich mit den politischen Zielen der preußischen Regierung im wesentlichen deckt, die Geltendmachung seines

Standpunktes.

Aber auch

abgesehen hiervon ist die Beteiligung oder auch nur der

Schein der Beteiligung eines Staatsbeamten an politischen Meinungskämpfen

nicht ohne Bedenken, es sei denn in der gleichzeitigen Eigenschaft als Volks­ vertreter, und vielleicht auch dann nicht. Zu diesen mehr persönlichen Schwierigkeiten kamen aber noch sehr er­

hebliche sachlicher Natur. der Schiffahrtsabgaben

Sie lagen in dem Umstand, daß über das Thema in den letzten Jahren viel geschrieben worden ist,

und in der für eine wissenschaftliche Behandlung dieses Themas bestehenden Notwendigkeit, nicht nur die eigene Meinung zu begründen, sondern auch

diejenige anderer zu widerlegen.

Sie lagen ferner in der Unhandlichkeit und Sprödigkeit des Stoffes,

in dem ungefügen, unsymmetrischen und pfadlosen Zustande des Materials,

in der Notwendigkeit, die Beweisdokumente in einer gewissen Ausführlichkeit

abzudrucken, um den Einwand der Loslösung entscheidender Textstellen aus dem Zusammenhänge möglichst abzuschneiden, und in der durch die Lage

der Verhältnisse zuweilen bedingten Notwendigkeit subtiler Vergleiche und

fein zugespitzter Deduktionen,

des Arbeitens mit der Goldwage bei der

Textauslegung. Alle

diese Umstände erschweren in hohem Grade die

Aufgabe,

den

Gegenstand in anziehender, lesbarer, nicht ermüdender Form zu behandeln,

und sie erleichtern dem Gegner den Angriff, insbesondere auch mit dem Vorwurf des Mikroskopierens und Haarspaltens; der Verfasser rechnet hier­

mit von. vornherein. Eine gewisse Breite der Darstellung, namentlich eine große Ausführlich­

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VIII

Vorwort.

keit in der Schilderung der Rechtsgeschichte und der Praxis sind durch die Natur der Verhältnisse bedingt, weil die Überzeugungskraft wichtiger Beweis­

momente davon

abhängt.

Auch

Wiederholungen derselben Tatsachen und

Gedanken in verschiedenen Zusammenhängen lassen sich nicht vermeiden, wenn

Wer ein so steriles

die Übersichtlichkeit in der Darstellung nicht leiden soll.

und steiniges Feld bearbeiten will, muß sehr tief pflügen und weite Flächen

ackern, um ein einigermaßen sicheres Ergebnis zu erzielen. Wenn der Verfasser die ihm gestellte Aufgabe gleichwohl übernahm, so geschah es in der Meinung und dem Bestreben, der Wahrheit und

den

Interessen des Staates sowohl als auch der Wasserstraßen und der Schiffahrt — so wie er diese Interessen versteht — zu dienen.

Ob die Vertreter der

Meinung, man möge nur die Dinge in den bisherigen, übrigens keineswegs einheitlich profilierten

und stark ausgefahrenen Gleisen weiter laufen lassen

und an den bisherigen Finanzierungsgrundlagen für den Ausbau der natür­

lichen Wasserstraßen unentwegt festhalten, den Wasserstraßen, der Schiffahrt und dem Handel einen größeren Dienst leisten als diejenigen Männer, welche neue

finanzielle Organisationen für die Durchführung von Schiffahrtsverbefferungen erstreben, das ist eine offene Frage; ihre Entscheidung liegt in der Zukunft.

muß unter Umständen auch fordern und gegen den

Ein wahrer Freund

Strom schwimmen können. Und wenn der Verfasser die Arena des Vereins für Socialpolitik als

besonders geeignet ansah für die Erörterung der Abgabenfrage, so leitete ihn

hierbei

der Gedanke,

gerade

daß

in

dieser Frage

die Politik der

aus­

gleichenden Gerechtigkeit, das Postulat der gleichmäßig gerechten Inanspruch­ nahme aller wirtschaftlichen Existenzen durch den Staat, eine maßgebende

Rolle spielt.

Hierin, also in einem sozialpolitischen Gedanken, nicht in der

Rechtsfrage, liegt der Kern der Sache.

um Anspruch

auf

Die Rechtsfrage ist ja wichtig genug,

die sorgfältigste Prüfung

zu

haben.

Aber wie ihre

Beantwortung auch ausfallen mag — den Ausschlag wird die wirtschaftliche Frage geben, wenn hinter der einen oder der anderen Lösung dieser Frage

die Überzeugung und Willensmeinung der großen Mehrheit der Wähler und der politischen Parteien steht. sie im Rahmen des

Die wirtschaftlichen Triebkräfte werden, wenn

geltenden Rechts nicht zur Geltung kommen, rechts­

bildend wirken und sich in neues Recht umsetzen. Die Frage der Schiffahrtsabgaben ist also auch eine sozialpolitische im besten Sinne des Wortes;

es handelt sich darum, ob die eine Gruppe der

Staatsangehörigen Verkehrsverbefferungen entgeltlich, die andere unentgeltlich

haben

soll, also um die möglichst gleichmäßige Berücksichtigung aller Be­

völkerungskreise bei den Lasten und Vorteilen des Staates.

Die gegenwärtig

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Vorwort.

IX

bestehende Imparität hat zugleich — wenn auch mit gewissen Einschränkungen und Vorbehalten — einen regionalen Charakter.

ist, beibehalten oder beseitigt zu werden.

Es fragt sich, ob sie wert

Der Einwand, daß eine kleinliche

äo ut äes-Politik zur wirtschaftlichen Auflösung des Staatsganzen führen

würde, wird zur Rechtfertigung des bestehenden Zustandes schwerlich genügen.

Es muß auch hier heißen:

suum euiyue.

Die wirtschaftliche Gerechtigkeit

muß soweit verwirklicht werden, als die Verhältnisse es gestatten.

Der Verfasser schreibt für seine eigene Rechnung und Gefahr.

Er

trägt nur seine Ansicht vor, nicht die der Staatsregierung oder eines ein­ zelnen Ministers.

Das Gegenteil kann auch aus der ihm gewährten Erlaubnis

zur Aktenbenutzung nicht gefolgert werden.

Das geht schon daraus hervor,

daß Schumacher dieselbe Erlaubnis hatte und hinsichtlich der Rechtsfrage zu einem von der Meinung des Verfassers abweichenden Ergebnis kam. Die Akten, welche über die Frage der Schiffahrtsabgaben Aufschluß geben

oder geben können, haben dem Verfasser nicht ganz vollständig zur Verfügung gestanden, namentlich nicht insofern sie etwa in anderen als preußischen und

bayrischen Archiven und Registraturen sich befinden sollten. Akten sind nicht in

Auffindung irgendeines ausgeschlossen wäre.

Die preußischen

dem Zustande, daß die Möglichkeit der nachträglichen

auf dm Gegenstand bezüglichen Schriftstückes völlig

Es liegt das einerseits in zufälligen, hier nicht weiter

zu erörternden äußeren Umständen, welche es mit sich gebracht haben, daß

die für die heutigen Streitfragen in Betracht kommenden Korrespondenzen

und Verhandlungen an den verschiedensten Stellen, oft an solchen, wo man

sie nicht vermuten kann, verstreut sind.

Anderseits hat

aber

auch der

Umstand eine Rolle gespielt, daß die Entstehung des geltenden Rechts —

oder vielmehr die Entstehung der Vorschriften, in welchen das geltende Recht

zuletzt kodifiziert wurde — in eine Zeit großer politischer Umwälzungen fiel, als es sich um Dinge handelte, in Vergleich zu welchen die Abgaben­

frage Nebensache war, und eine Neuordnung der Verhältnisse auf zahlreichen

Gebieten mit raschem Entschluß erfolgen mußte.

Infolgedessen ist die der

preußischen Bureaukratie sonst eigentümliche Korrektheit in den äußeren Ge­

schäftsformen

vielleicht nicht

immer ganz

gewahrt worden,

und es wäre

möglich, daß Entwürfe und sonstige Schriftstücke, welche auf den Werdegang

der Rechtsvorschriften Bezug haben, nicht zu den Akten gekommen sind. Aber die ihm erreichbaren Akten und

Archive hat der Verfasser in

jahrelanger, mühevoller Schürfarbeit durchforscht,

und wenn er auch unter

den geschilderten Umständen die formale Gewähr dafür, daß er alles zur

Sache Gehörige gefunden und gesehen hat, nicht unbedingt übernehmen kann,

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Vorwort.

so hat er doch so viel gefunden und gesehen, daß er zu der Überzeugung ge­

langen konnte, es sei Abbauwürdiges nicht weiter vorhanden. Sein Aktenmaterial deckt sich mit dem von Schumacher benutzten nur teilweise, wie das auch der Natur der Sache nach nicht anders sein konnte.

Denn das Schumacher gestellte Thema betraf nur die Binnenschiffahrtsab­ gaben, während hier die Schiffahrtsabgaben überhaupt, also einschließlich der

Seeschiffahrtsabgaben, behandelt werden sollen.

Der: Wevfcrffev.

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Nachtrag. I. Der auf Seite 123 erwähnte Artikel der Kölnischen Zeitung ist mit der Überschrift „Die rechtliche Seite der Schiffahrtsabgaben" in

Nr. 129 vom 5. Februar 1905 erschienen. II.

Zu dem

auf Seite 303 abgedruckten

des

Artikel

Preußisch-

Niederländischen Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 31. Dezember

1851 ist in 8 7 des Schlußprotokolls vereinbart: 1.68 plöuipot6ntiair68 ^ä6ilanäai8, en oommuniguant le plan äat6

äe

la

Haze

cku

travaux ä'art,

18. 3anvier

mentionn^8

ljue 168 konä8 n6e688aire8 ee plan llo

et 1852,

la part

et hue

ä68

668

1851; il8 6xprim6nt

1850,

et gui

8ert

äan8 eet article, ont

a11ou68

ont

äo M6me

da86

aux

pour l'ex^eution äe 168 anns68 1851

Ltat8 §6n6raux pour

Ionä8

äe

ont kait ol^erver,

6mp1o.>^8

la oonviotion,

pour l'annse

ant xour obM d'a88urer 6t d6 kaeibter la navigation aux boueb68

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Die Gleichheit des Inhalts der Rechtsquellen.

Z 2.

du Danube,

des

droits üxes,

d'un taux eonvenadle,

21 peuvent etre

pMcv^s."

Der Vertrag setzt weiter zwei Kommissionen ein, die eine mit europäischem Charakter für die der Seeschiffahrt zugängliche Mündungsstrecke in Art. 16, und die andere aus den Donauuferstaaten zu bildende in Art. 17, welche

die Aufgabe haben sollten, Maßregeln zur Verbesserung der Schiffahrt zu treffen. Die erstere, tatsächlich in Permanenz gebliebene, sollte nach dem Ver-

tragsschlusse

nur

für

eine kurze Reihe von Jahren in Tätigkeit treten,

während die zweite als dauernde Organisation der Donauschiffahrtsinteressen gedacht war; sie sollte die Ausgaben der Donaumündungskommission demnächst

mit übernehmen und für den Ausbau des Schiffahrtsweges auf der ganzen

Stromlänge sorgen — ordonner et kairc exseuter les travaux Necessaires sur tout le Parcours du ileuve.

Auf Grund des europäischen Mandates, welches ihnen in Art. 17 er­ teilt war, haben dann die Donauuserstaaten — Württemberg, Bayern, Österreich und die Türkei — die Donauschiffahrtsakte vom 7. Nov. 1857

vereinbart,

welche in Art. 19, in wörtlicher Anlehnung an Art. 15 des

Friedensvertrages, bestimmt: „Es soll auf der Donau keine Gebühr, welche sich einzig und allein auf

die Tatsache der Beschiffung des Flusses gründet, erhoben werden. Demzufolge werden sämtliche bisher bestehende Gebühren und Ab­

gaben dieser Art, sie mögen was immer für einen Namen haben,

und sie mögen im Besitze des Staates,

der Gemeinden, Korporationen

oder Privaten sich befinden, hiermit gänzlich aufhören.

Auch sollen künftig auf diesem Strome keine anderen Gebühren oder Abgaben eingehoben werden, außer welche durch die Bestimmungen der gegenwärtigen Schiffahrtsakte ausdrücklich vorgesehen sind."

Ferner heißt es in Art. 21:

„Schiffahrtsabgaben können erhoben werden 1. (betrifft die in Art. 16 des Pariser Vertrages zugelassenen Abgaben — droits 6x68 — für die Befahrung der Donaumündungen.)

2. zur Deckung der Auslagen für andere, die Erhaltung und Verbesserung

der Schiffbarkeit der Donau bezweckende Arbeiten und bleibende An­ stalten, welche die Uferstaatenkommission im gemeinschaftlichen Ein­

verständnisse im Interesse der Schiffahrt für notwendig erkannt haben wird.

Jedoch sollen die Abgaben dieser Art, ihr Betrag und Er­

hebungsmodus,

ebenfalls

nicht

ohne gemeinsame Übereinkunft fest­

gesetzt werden."

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II.

22

Die Rechtsquellen.

Die Schiffahrtsabgaben sollen „nicht höher bemessen werden, als zur Deckung oder Verzinsung des Ge­

samtaufwandes an Herstellungs- und Unterhaltungskosten annäherungsweise

erforderlich erscheint."

Art. 36 verordnet: „Die Regierungen der Uferländer verpflichten sich, jede für ihren Teil, jene Arbeiten ausführen zu lassen, welche die Uferstaatenkommission

im gemeinsamen Einverständnisse, im Sinne des Art. 17,

des

Nr. 3

Pariser Traktates vom 30. März 1856 als notwendig erkennen wird.

Die Deckung der Herstellungs- und Unterhaltungskosten dieser Arbeiten hat in Gemäßheit des Art. 21, Nr. 2 der gegenwärtigen Schiffahrtsakte zu geschehen.

Endlich wird in Art. 45

der Art. 7 des österreichisch-bayrischen

Schiffahrtsvertrages vom 2. Dezember 1851 aufrechterhalten." Später wurde in Art. 6 des Londoner Vertrages vom 13. März 1871

hinsichtlich der in Aussicht genommenen Stromregulierung am eisernen Tor vereinbart: „1^68

le

partie8 eontraotant68 leur reeonnai886nt äo8 a Piment

liaut68

äroit äe

pereevoir

tout pavilion, äette

yui

eontraetee

une

taxe 8ur Io8 navire8 äe eoinineree 8ous

on proütent

pour

äs8ormai8 ^U8^ua

1'ox6cution

äo8

travaux;

l'extintion äe la

ot o11o8

äselarent

l'artiele 15 äu Iraits äe 1856 inapplicable ä, eotto xartie äu äeuve pour

un

1ap8

äe

tenip8

nse688aire

au

reindour86ment äe la äette

en yu68tion."

Drese Bestimmung über die Befugnis zur Abgabenerhebung am Eisernen Tore ist durch den Berliner Friedensvertrag gunsten Österreich-Ungarns aufrechterhalten".

vom

13. Juli

1878

„zu­

Es fehlt zwar keineswegs an inneren Beziehungen und Verknüpfungen zwischen

den Donauverträgen

und

den übrigen Rechtsquellen.

Die Be­

stimmungen des Vertrages vom 2. Dezember 1851 und der Donauschiffahrts­ akte vom 7. November 1857 über Schiffahrtsabgaben haben die Vermutung der sachlichen Übereinstimmung mit den Zollvereinsverträgen für sich, da

letztere damals in Bayern und Württemberg geltendes Recht waren und ihre einseitige Abänderung unzulässig gewesen wäre.

Ferner ist das im Pariser Traktat ausgesprochene und in der Donau­ schiffahrtsakte wiederholte Verbot einer Schiffahrtsabgabe „da8s unilpiement

8ur 1o kait äe la navigation äu ileuve" wörtlich in Art. 3 der Rhein­ schiffahrtsakte von 1868 übernommen worden und hat bei deren Fassung

als Vorbild gedient.

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8 2.

Die Gleichheit des Inhalts der Rechtsquellen.

23

Indessen fehlt hier der logisch-historische unmittelbare Zusammenhang mit der den Kern der Rechtsfrage bildenden Deutschen Reichsverfassung, und

dieser Umstand läßt die getrennte Behandlung der Donauverträge im weiteren Verlaufe der Darstellung zweckmäßig erscheinen. rs-

Während die Verfassungen ihre Rechtswirkung der Natur der Sache nach

nur innerhalb des Bundes- und Reichsgebietes äußern können, ist die recht­

liche Bedeutung der hier in Betracht kommenden Verträge eine zweifache. Sie begründeten

nicht nur völkerrechtliche Ansprüche und Verbindlichkeiten

der Regierungen untereinander, sondern auch öffentliches Recht innerhalb der einzelnen Vertragsstaaten.

Das gilt insbesondere für Preußen bezüglich der

Zollvereinsverträge und der Rheinschiffahrtsakte, weil diese Verträge zugleich als preußische Gesetze verkündet worden sind.

Korporationen

waren

Die beteiligten Privaten und

in der Lage, ihr Interesse an der sinngemäßen Aus­

führung der Vertragsvorschriften der eigenen Regierung gegenüber im Ver­

waltungs- und Rechtswege oder auch parlamentarisch geltend zu machen, und

sie haben es in Preußen auch getan. Hieraus ergibt sich, daß die gesetzgeberische und administrative Praxis

der

beteiligten Staaten

als Material für die Auslegung der Vertrags­

bestimmungen, soweit deren Sinn im einzelnen zweifelhaft erscheinen sollte, im vollen Umfange herangezogen werden kann, gleichviel, wie groß oder gering die Wahrscheinlichkeit für die Rückwirkung dieser Praxis auf die Interessen

eines anderen Vertragsstaates sein mag.

In Preußen mit seinem in west-öst­

licher Richtung sich weit hinziehenden Staatsgebiet ist allerdings die Möglich­

keit vorhanden, daß Tarifmaßregeln

für Häfen und Wasserstraßen keinen

unmittelbaren oder erheblichen Einfluß auf andere Vertragsstaaten üben.

Indessen ist die Annahme, daß Preußen

nur unter dem Drucke der

Kontrolle durch Mitkontrahenten die Zollvereinsverträge auf seinem Gebiete

verwirklicht hätte, umsomehr abzulehnen, als diese Verträge lediglich wirtschafts­

politische Gedanken der preußischen Regierung, für die sie jahrzehntelang in Deutschland gewirkt und geworben hat, zum Ausdruck brachten.

Man kann mit Recht den Zweifel erheben, ob es überhaupt der Mühe wert sei, diese Frage als eine solche zu behandeln und

hier zu erörtern.

Es ist auch nur aus dem Grunde geschehen, weil bei einem früheren Anlasse die Brauchbarkeit

der Tarife eines preußischen Kanals

als Material zur

Erforschung der preußischen Verlragsauffassung von gewisser Seite mit dem

Hinweise darauf beanstandet worden ist, daß Schiffe aus anderen Vereins­ staaten selten oder nie auf jenem Kanal verkehrt hätten.

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11.

24

erübrigt

Es

schließlich

Die Rechtsquellen.

noch

negative

die

Feststellung,

daß

andere

Rechtsquellen außer den hier angeführten für die Erhebung von Schiff­

fahrtsabgaben in Deutschland nicht in Betracht kommen. ist nicht überflüssig

Diese Feststellung

angesichts der Irrtümer, welche vielfach

hinsichtlich der

Grundlagen des geltenden Rechts in der Presse, in parlamentarischen Erörterungen und sonst in der Öffentlichkeit hervorgetreten sind. Insbesondere werden hänfig aus der Schlußakte des Wiener Kongresses vom 9. Juni 1815

unzutreffende Folgerungen in rechtlicher Hinsicht hergeleitet. So meint das „Berliner Jahrbuch für Handel und Industrie, Bericht der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin" für 1903:

„Durch die Artikel

9.

Juni

1815

108 bis 116 der Akte des Wiener Kongresses vom

wurde im Prinzip bestimmt,

daß

diese (Schiffahrts-)

Abgaben auf den das Gebiet mehrerer Staaten berührenden Flüssen auf­ gehoben werden sollten."

In Wirklichkeit enthalten diese Artikel, die lediglich die Freiheit der von

Schiffahrt

obrigkeitlichen

Verboten

und

Beschränkungen

aussprechen,

nicht nur kein wie immer gearbeitetes Programm für die Aushebung der Abgaben,

sondern

im

Gegenteil

ziemlich

deren Bemessung und Weitererhebung.

ausführliche

Vorschriften

über

Die letzteren sind nicht für Schiff­

fahrtsabgaben im heutigen Sinne, sondern für die damaligen, durch Staats­ verträge längst beseitigten Flußzölle gegeben.

Sie

haben deren Bestehen

zur Voraussetzung; die 1815 erhobenen Sätze werden als Höchstbeträge für

künftige Tarifbildungen bezeichnet.

Ob sie jetzt noch im Falle der Ein­

führung von Schiffahrtsabgaben auf der Grundlage des Gebührenprinzips für

die

Benutzung

von

Anstalten

oder

Anlagen

Geltung

beanspruchen

können, erscheint mehr als zweifelhaft; bei den Verhandlungen über die

Einführung von Schiffahrtsabgaben auf dem Main in den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts hat man das nicht angenommenJedenfalls enthalten

sie

keine

grundsätzliche

Verpflichtung

der Uferstaaten,

auf

die

Deckung ihrer Strombaukosten durch Schiffahrtsabgaben zu verzichten. Der Irrtum, daß die Wiener Kongreßakte die beteiligten Staaten zur Abschaffung

der Schiffahrtsabgaben

verpflichtet habe,

ist

allerdings weit

* Sonst hätten diese Schiffahrtsabgaben im Jahre 1899 nicht eingeführt werden dürfen, nachdem im Jahre 1867 die alten Mainzölle aufgehoben worden waren. Die Wiener Kongreßakte kannte den Unterschied von kanalisierten und regulierten Strömen nicht. Wenn man gleichwohl die modernen Mainschiffahrtsabgaben nicht beanstandete, so geschah es offenbar deshalb, weil man sich bewußt war, daß die Wiener Kongreßakte überhaupt nicht von Schiffahrtsabgaben, sondern von Binnen­ zöllen handelt.

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Z 3.

Umfang, Geltungsbereich und allgemeine Bedeutung der Rechtsvorschriften. 25

verbreitet und von altem Datum. Reichstage bekämpfen.

1870

Schon Delbrück mußte ihn

im

des Gesetzes über die

Er sagte bei der Beratung

Aufhebung der Elbzölle am 13. Mai 1870: „Ich muß — der Auffassung — widersprechen,

Bundesverfassung

eigentlich

nichts

enthalte,

daß der Artikel 54 der

als

was

nicht

schon

im

Pariser Frieden enthalten sei — dem würde ich entschieden widersprochen haben.

Der Pariser Frieden und die aus dem Pariser Frieden in die

Wiener

Kongreßakte

übergegangenen Bestimmungen

sind

auch

bei

der

liberalsten Auslegung, die ihnen gegeben werden kann, nicht dahin zu

interpretieren, daß keine Abgabe erhoben werden kann, daß keine Passagezölle erhoben werden sollen; sie können nur dahin aufgefaßt werden, daß diese

Zölle so reguliert werden sollen, wie es dem Interesse der Schiffahrt entspricht Die Kongreßakte hat also nicht einmal die Flußzölle untersagt, geschweige

denn die mit solchen Zöllen staatsrechtlich inkommensurablen Schiffahrtsabgaben. 8 3.

Umfang, Geltungsbereich und allgemeine Bedeutung der Rechts­ vorschriften. Die für Deutschland — abgesehen von der einstweilen außer Betracht bleibenden Donau — geltenden Rechtsvorschriften

wollen die Frage

Schiffahrtsabgaben einheitlich und gleichmäßig regeln.

der

Sie umfassen die

Gesamtheit derjenigen Verkehrsmöglichkeiten, Verkehrsanstalten und Verkehrs­ erscheinungen, welche an jener Frage überhaupt ein Interesse haben können.

Sie machen daher keine Unterschiede zwischen Binnenschiffahrt

und See­

schiffahrt und ebensowenig zwischen Wasserstraßen und Häfen. Das könnte vielleicht für selbstverständlich gehalten werden, weil es

nahe liegt und der wirtschaftlichen Logik zu entsprechen scheint.

Es ist in

der Tat ein innerer Grund dafür nicht erkennbar, daß die verkehrspolitische

Behandlung der Schiffahrt, soweit die Finanzierung der in ihrem Interesse

ausgeführten Wasserbauten durch

Abgaben

in Betracht kommt,

innerhalb

der Staatsgemeinschaft grundsätzlich verschieden sein soll, je nachdem es sich

um die See oder um Binnengewässer, um die auch für Seeschiffe fahrbaren

unteren Strecken der großen Ströme oder um deren obere Teile, um Wasser­ straßen oder um Häfen handelt.

Die Unterscheidung

zwischen See-

Binnenschiffahrt, die aus praktisch-politischen Erwägungen

und

in der Reichs-

* Stenograph. Berichte S. 868.

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II.

26 Verfassung vom 28. März

Die Rechtsquellen.

1849 versucht und

später

wieder

aufgegeben

worden ist, würde auch aus dem äußeren Grunde kaum durchführbar sein, weil nicht nur auf weitausgedehnten Flußstrecken, sondern auch in zahlreichen Küstengewässern die See- und Binnenschiffahrt sich nebeneinander bewegen

und hinsichtlich der Betriebsmerkmale ineinander übergehen. Zu Mißverständnissen über den Geltungsbereich der von 1867 bis 1871 geschaffenen Rechtsordnung kann auch die Fassung der Verträge keinen Anlaß

geben, da sie nur von Wasserstraßen,

Häfen und Schiffahrtsabgaben im

allgemeinen sprechen und weder die Seeschiffahrt noch die Binnenschiffahrt besonders erwähnen.

Demgemäß unterliegt es insbesondere keinem Zweifel,

daß der deutsch-österreichische Elbzollvertrag nicht nur bis Hamburg, sondern bis Cuxhaven abwärts Geltung hat, und daß seine Bestimmungen auch auf

die Abgaben anzuwenden sind, welche Hamburg von der Seeschiffahrt auf dem Unterlaufe des Stromes erhebt. Derartige Mißverständnisse konnten nur entstehen und sind allerdings

auch entstanden durch die Ausdrucksweise des dritten Absatzes

der Verfassung,

der eine besondere Vorschrift über die

in Art. 54

„in den Seehäfen

von den Seeschiffen" zu zahlenden Abgaben enthält und sowohl die Binnen­ häfen

als

auch

die

in

den Seehäfen

verkehrende Binnenschiffahrt

un­

erwähnt läßt.

Die Vorschriften des vierten Absatzes über Wasserstraßen sind zwar allgemein gefaßt; es ist aber doch bezweifelt worden, ob ihr Geltungsbereich

die

Seeschiffahrt

mit

umfassen

oder

auf

die

Binnenschiffahrt

beschränkt

sein sollte

Die Meinung, daß den Bestimmungen im vierten Absätze des Art. 54 über die Wasserstraßen keine allgemeine Bedeutung innewohne, vertritt ins­

besondere vr. Brandt in Düsseldorf, der in Nr. 44 der Zeitschrift Nieder­ rhein vom 2. November 1905

eine synoptische Zusammenstellung der Ver­

fassungsvorschriften von 1849? und 1867 mit der Bemerkung begleitet: „Wie der Augenschein lehrt, ist genau dieselbe Trennung, die im Jahre

1849

zwischen dem Seeverkehr und dem Binnenwasserstraßenverkehr ge­

macht war, bis auf den heutigen Tag aufrecht erhalten worden."

Zur Begründung der Auffassung, wonach die Seeschiffahrtsstraßen nicht

unter die Vorschrift des Art. 54 fallen sollen,

hat man

geltend gemacht,

daß die Mündungsstrecken der großen Ströme nicht sowohl Wasserstraßen * Rei nike, Kommentar zur Reichsverfassung. Berlin 1906, S. 258 sagt: „Der Absatz 4 — bezieht sich, im Gegensatz zu Absatz 1 bis 3, wesentlich auf die Binnenschiffahrt." Abgedruckt unter III ö 2a. tz 7.

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Z 3.

Umfang, Geltungsbereich und allgemeine Bedeutung der Rechtsvorschriften. 27

als vielmehr große Reeden für die an den Endpunkten der Seeschiffahrt

liegenden Häfen seien.

Endlich hat man auch die Anwendbarkeit des Aus­

drucks „Wasserstraße" auf die Fahrrinnen in Küstengewässern und Meeres­

armen in Zweifel gezogen.

Jene Bemerkung des Dr. Brandt bezieht sich offenbar darauf, daß der dritte Absatz

des Art. 54

die Seehäfen

und

besonders

die Seeschiffahrt

erwähnt, während der vierte Absatz nur von Wasserstraßen im allgemeinen

spricht.

Es ist allerdings auffallend, daß der dritte Absatz über Seehäfen

und Seeschiffe Bestimmungen trifft, die der Natur der Sache nach für alle Häfen und Schiffe gelten müssen. Abgaben

nur

Die dort aufgestellte Nechtsregel,

von Schiffahrtsanstalten

für Benutzung

Grenze der Selbstkostendeckung erhoben werden dürfen, wendige Folgerung aus

dem Gebührenprinzip

und

daß

bis zur

nur

ergibt sich als not­

muß selbstverständlich

und

auch auf Binnenhäfen und Binnenschiffe — auf letztere auch, sofern sie in

Seehäfen verkehren — angewendet werden. Es fragt sich nur,

ob der tatsächlich vorhandene Unterschied in der

Fassung der beiden Absätze genügt, um die Annahme zu begründen, daß im vierten Absätze nur Binnenwasserstraßen und Binnenschiffahrt gemeint seien.

Diese Frage ist zu verneinen.

Irgendwelche Gegensätzlichkeit

Aufeinanderfolge der maßgebenden Bestimmungen

ist

in

nicht erkennbar.

der Die­

jenigen des vierten Absatzes sind im Wortlaut allgemein und vorbehaltlos. Es fehlt an einem hinreichenden Anlaß, sie einschränkend auszulegen, wohl

aber liegen triftige Gründe für die Meinung vor, daß die Vorschriften des dritten Absatzes zu eng gefaßt sind.

Diese Gründe ergeben sich zunächst aus der Vergleichung des Art. 54 der Verfassung mit Art. 25 des Zollvereinsvertrages.

die Seeschiffahrt nicht besonders;

Der letztere erwähnt

er spricht nur von Wasserstraßen, Häfen,

Anstalten und Einrichtungen im allgemeinen und bietet keinerlei Anhalts­ punkte für die Vermutung eines

auf die verschiedenartige Behandlung der

beiden Schiffahrtsgruppen gerichteten Vertragswillens.

Die Annahme des Dr. Brandt

hinsichtlich

einer Verschiedenheit des

verfassungsmäßigen Rechtszustandes für See- und Binnenschiffahrt steht also

mit der zweifellos gewollten Identität des Inhaltes der Verfassung und

des Zollvereinsvertrages in Widerspruch.

Außerdem hat die Reichsgesetzgebung und die Praxis der Einzelstaaten die Bestimmungen des vierten Absatzes in Art. 54 stets auf alle Wasser­ straßen, einschließlich der Seewege, angewendet. des Gesetzes

vom

Insbesondere hat sich der

5. April 1886

über

die

Schiffahrtsabgaben auf der Weser zwischen Bremen und Bremerhaven

auf

Bundesrat

bei Einbringung

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Die Rechtsquellen.

II.

28

den Standpunkt gestellt, daß jene Bestimmungen auch für diese Weserstrecke, die zweifellos nur als Seeweg in Betracht kam *,

tat

selbe

der

Geltung hätten.

Das­

zwischen

seiner

Meinungsverschiedenheit

die

Reichstag;

Kommission und dem Bundesrat bezog sich nicht auf die Anwendbarkeit des

Art. 54, Abs. 4, sondern auf seine Auslegung nach einer anderen Richtung.

Das Nähere

hierüber

über die Praxis der

sowie

Einzelstaaten wird an

anderer Stelle und in anderem Zusammenhänge noch auszuführen sein.

Die Behandlung der Strommündungen als Hafenreeden läßt sich aus den tatsächlichen Verhältnissen nicht rechtfertigen?.

140 Km lange Elbstrecke für Hamburg, strecke für Bremen,

haven als Reeden

noch

Man kann weder die

noch die HO Km lange Weser­

auch die 47 Km lange Außenweser für Bremer­

ansprechen;

abgesehen von der sehr bedeutenden Länge

dieser Stromstrecken auch deshalb nicht, weil ihre Bedeutung für den Verkehr nicht auf ihrer Benutzung zum Stillliegen, auf ihrer Befahrung

straßen

oder

beruht.

Es

die

Zufahrtslinien,

Reeden dienen.

Das Wesen

Löschen und Laden,

handelt sich nur

zu

hier um

kleinen Teilen

sondern

Zugangswasser­

gleichzeitig

als

daß man

einer Reede zeigt sich nicht darin,

sie befährt, sondern in ihrer Brauchbarkeit als Liegeplatz. Die Anwendung des Wasserstraßenbegriffs auf Seewege ist nicht nur

nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch nach dem der besonderen seerechtlichen Vorschriften zulässig und unbedenklich.

Ein

12. Mai

in

der

1902

Beilage

zur

veröffentlichter

Münchener

Vortrag

„Allgemeinen Zeitung"

von Stengel:

„Das

Recht

vom

der

Wasserstraßen" beginnt mit den Worten:

„Die wichtigste Wasserstraße ist natürlich das Meer." Das Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechts von Löning^

enthält

* Für Binnenfahrzeuge war sie schon vorher schiffbar; die Regulierung sollte sie als Seeweg geeignet machen. Wenn Wittmack in seinem Aufsatze: „Völker­ rechtliche Bedenken gegen die Einführung von Abgaben auf die Flußschiffahrt" im Archiv für öffentliches Recht, 1905, Bd. XIX, S. 167 von der tatsächlichen Voraus­ setzung ausgeht, „die Strecke oberhalb Bremerhavens werde von Seeschiffen wenig befahren," so ist das ein tatsächlicher Irrtum. Sie ist im Gegenteil fast aus­ schließlich Seewasserstraße. 2 Der Begriff der Reede ist übrigens keineswegs auf Seehäfen und der See­ schiffahrt dienende Flußstrecken beschränkt. Beispielsweise wird die Strecke des Rheins vor Duisburg als Reede dieses Hafens bezeichnet und hat auch tatsächlich die Bedeutung einer solchen, insofern dort die Schiffe im Strom liegen, welche zu Schleppzügen zusammengestellt werden sollen oder auf Schleppdampfer warten. Da­ durch wird die Bedeutung dieser Rheinstrecke als Wasserstraße natürlich nicht alteriert. 3 Leipzig 1884.

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Umfang, Geltungsbereich und allgemeine Bedeutung der Rechtsvorschriften. 29

8 3.

in Kapitel VIII „Der öffentliche Verkehr" unter Abschnitt II „Die Wasser­ straßen" zwei Unterabschnitte: 1. „Das offene Meer", 2. „Die Flüsse".

Der

Preußische Staatshaushaltsetat unterscheidet die Binnenwasserstraßen von den

„Seehäsen und Schiffahrtsverbindungen".

Unter den letzteren mögen

hier

außer den Flußmündungen noch die Fahrrinnen in den Wattenmeeren an

der Nordsee als Beispiele für Seewasserstraßen genannt werden. Die Bekanntmachung des Reichskanzlers, betreffend die einheitliche Be­

zeichnung der Fahrwasser und Untiefen in den deutschen Küstengewässern vom

31. Juli 1887 sagt: „Fahrwasser im Sinne dieser Grundsätze ist jeder für Seeschiffe benutzbare Wasserweg, dessen Verlauf durch Seezeichen kenntlich gemacht ist." In demselben allgemeinen Sinne ist der Begriff der Wasserstraße auch

der Anwendung

bei

des

vierten Absatzes

Wenn übrigens dieser Absatz

in Art. 54

ausgelegt

worden.

nur auf Binnenwasserstraßen sich bezöge,

so

tragende MschmÄ H

Ä-erOn/Z „Mrrme under Verfassung eine sehr empfindliche Lücke,

deren Entstehung aus irgend­

welcher gesetzgeberischen Absicht nicht zu erklären wäre, weil die in der Sache

liegenden technischen und wirtschaftlichen Momente auf eine übereinstimmende

Regelung für alle Arten von Wasserstraßen Hinweisen.

Ebenso ist die An­

nahme einer unbeabsichtigten Lücke ausgeschlossen, weil die als Vorbild be­

nutzte Reichsverfassung von 1849 in vier Paragraphen ziemlich ausführliche Vorschriften für das besondere Gebiet der Seeschiffahrt, besonders auch über die „Schiffahrtsanstalten in den Mündungen der deutschen Flüsse" enthielt,

und

weil

im konstituierenden Reichstage von 1867

sowohl

als

auch

in

demjenigen von 1869 gerade über Seewasserstraßen und Seeschiffahrtsanstalten ausführliche Erörterungen stattgefunden haben *. 1869

sind

nicht

nur

zur Auslegung

Die Verhandlungen von

der Bundesverfassung

von

1867,

sondern auch zu der der Reichsverfassung von 1871 heranzuziehen. Zu den Eigentümlichkeiten der Fassung des Art. 54 gehört es ferner,

daß die für die Wasserstraßen aufgestellte und mit rechtlichen Wirkungen

ausgestattete Unterscheidung

zwischen

natürlichen

und

künstlichen

Wasser­

* Stenograph. Berichte 1867 S. 279—283, 1869 S. 210—216 und 954—957 Die Erörterungen waren veranlaßt durch einen Antrag Grumbrecht zu Art. 4 Nr. 9 der Verfassung, wonach die Zuständigkeit des Bundes ausgedehnt werden sollte auf „die Anstalten für die Seeschiffahrt, Häfen, Seetonnen, Leuchttürme, das Lotsenwesen, das Fahrwasser usw." Die Fassung ist fast wörtlich aus Art. 20 der Verfassung vom 28. März 1849 entnommen, zu deren Unterzeichnern Grumbrecht gehört hatte. Der Antrag hat schließlich zu dem Verfassungsgesetz vom 3. März 1873 geführt.

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II. Die Rechtsquellen.

Z0

straßen nicht auch auf die Häfen in entsprechender Anwendung übertragen worden ist. Es

zeigt

sich

hier

die

den Rechtsvorschriften

bei

über Schiffahrts­

ubgaben leider häufige Erscheinung, daß die gesetzgeberische Willensmeinung

nicht mit derjenigen Klarheit zum Ausdruck

wünschenswert gewesen wäre.

gebracht ist,

welche an sich

Es bestehen infolgedessen zwischen dem ge­

wollten Inhalt und der gewählten Form starke Inkongruenzen,

welche das

Verständnis und die Auslegung erschweren. Darüber kann jedoch ein Zweifel nicht bestehen, daß der leitende Gesichts­

punkt für die von

1867

bis 1871

vollzogene grundsätzliche Neuregelung

der Frage der Schiffahrtsabgaben derjenige des Gebührenprinzips gewesen ist. Für die Ausnutzung derjenigen Verkehrsmöglichkeiten, welche die Natur

als freies Genußgut zur Verfügung gestellt hat, sollte kein Entgelt gefordert werden dürfen.

Dieser Grundsatz,

der den Bruch mit einer vielhundert­

jährigen Tradition der fiskalischen Belastung des Verkehrs bedeutete, führte in seiner gesetzgeberischen Ausgestaltung zu der Unterscheidung zwischen natür­

lichen und künstlich geschaffenen Verkehrsmöglichkeiten sowie zur Aufstellung des Begriffs der „Schiffahrtsanstalten",

„besonderen Anstalten"

und „An­

stalten" in der Verfassung, im Zollvereins- und Elbzollvertrage, der „Ein­

richtungen", „Anstalten" und „künstlichen Anlagen" in der Rheinschiffahrtsakte. Jene Unterscheidung

und diese Begriffe

sind nicht nur für Wasser­

straßen, sondern auch für Häfen von praktischer Bedeutung.

Es gibt natürliche

Häfen, die vermöge ihrer Lage und Beschaffenheit den Schiffen Schutz vor

Wind und Wellen sowie Lösch- und Ladegelegenheit

— in größerem oder

geringerem Maße — von jeher darboten, während andere Häfen nur durch

menschliche Arbeit entstanden sind.

Wo die Brauchbarkeit natürlicher Häfen

für den Schiffsverkehr durch menschliche Tätigkeit gesteigert wurde,

hat die

letztere sich — gerade so wie bei der Verbesserung natürlicher Wasserstraßen

— in „Anstalten" oder „Anlagen" verkörpert.

Dieser Sachlage trägt auch

die Reichsverfassung dadurch Rechnung, daß sie in Art. 54 „die Schiffahrts­

anstallen"

in den Seehäfen,

der Abgabenerhebung bezeichnet.

nicht die Häfen an sich,

als Gegenstände

Ebenso spricht die Rheinschiffahrtsakte nur

von „Einrichtungen" und „Anstalten" in den Häfen,

womit sie allerdings

-nur Umschlagshäfen meint, während sie die Schutzhäfen überhaupt nicht be­

sonders erwähnt. * In letzterer Beziehung stellten frühere Jahrhunderte ungleich geringere An­ sprüche als die Gegenwart. Die Kleinheit und der geringe Tiefgang der Schiffe gestatteten eine viel größere Annäherung an das natürliche Ufer. Dazu kam die Wohlfeilheit der Arbeitskräfte und der verhältnismäßig geringe Wert der Zeit.

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8 3.

Umfang, Geltungsbereich und allgemeine Bedeutung der Rechtsvorschriften. 31

Die große Mehrzahl der deutschen Häfen ist natürlich. gilt

das,

soweit

die

in

Seehäfen

Betracht

kommen,

Insbesondere

den

von

Häfen

an den Mündungen der Ströme und Haffe, die von jeher die größte Be­ deutung für den Handelsverkehr hatten, und an den Förden der schleswig-

holsteinschen Ostküste

Die Binnenhäfen sind ebenfalls in der Regel natürlich.

ihrem Ursprünge nach

Sie bestanden von altersher und bestehen zum großen Teil noch

heute aus Uferstrecken der Ströme, an welchen die in Betracht kommenden

Hafenplätze liegen; die

oder

„Anstalten"

„besonderen Anstalten"

bestehen

dann in Uferbefestigungen, Kais, Hebezeugen und anderen Vorrichtungen zur

Ein-

und

Ausladung,

Aufbewahrung

und

Weiterbeförderung

der

Güter. Daß der Unterschied zwischen natürlichen Häfen

und den darin

er­

richteten Schiffahrtsanstalten von ähnlicher Bedeutung ist wie der zwischen den letzteren und den natürlichen Wasserstraßen, wird durch die Tatsache ver­ anschaulicht,

daß — um hier nur einige Beispiele

Königsberger Hafen

zu nennen — zum

13,5 km Pregellauf, zum Danziger Hafen 31 km

Weichsel und Motlau, zum Stettiner Hafen 17,8 km Oder? gehören. Hieraus ergibt sich, daß die Frage, ob alle Maßregeln zur Erhaltung

oder Verbesserung der natürlichen Verkehrsmöglichkeiten geeignete Substrate für die Erhebung von Schiffahrtsabgaben sind und durch solche Abgaben finanziert

werden

dürfen,

oder

in

ob

dieser

Beziehung

ein

Unterschied

zwischen Anstalten, besonderen Anstalten und Anlagen gemacht werden muß,

nicht nur für Wasserstraßen, sondern auch für Häfen zu beantworten ist und für beide gleichmäßig beantwortet werden muß.

Neben den natürlichen oder ursprünglich natürlichen Häfen gibt es in Deutschland auch eine Anzahl von künstlichen.

Zu dieser Gruppe gehören unter den Seehäfen an der Ostsee Hela und Saßnitz,

an der Nordsee Norddeich

und Norderney.

Ein

ausschließlich

künstlicher Binnenhafen ist der durch Ufereinschnitte hergestellte Duisburger. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Übergangserscheinungen, bei welchen man

zweifeln kann, ob die natürlichen

oder die

künstlich geschaffenen Faktoren

überwiegen, wie dies bei Wasserstraßen auch der Fall ist. * Zur ersten Gruppe gehören insbesondere Memel (Haff und Dange), Königs­ berg, Danzig, Stettin, Swinemünde, Rostock, Lübeck, Hamburg, Bremen und Emden, das früher an der Ems lag; zur letzteren Kiel, Schleswig, Flensburg, Apenrade und Hadersleben. Natürliche Häfen durch ihre Lage an geschützten Meerbusen sind z. B. Stralsund und Sonderburg. 2 Einschließlich der Nebenarme Parnitz und Dunzig.

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II.

32

Die Rechtsquellen.

bei den Verfassungsbestimmungen über die Häfen der logische

Wenn

Parallelismus mit den auf die Wasserstraßen bezüglichen in der Formulierung

gewahrt worden wäre, so

hätte auch

bei den Häfen zwischen natürlichen

und künstlichen unterschieden werden müssen, und zwar derart, daß die letz­ teren in ihrer Gesamtheit aus Abgaben finanziert werden dürfen, die ersteren

dagegen nur bis zu derjenigen Wertgrenze, welche der Erhöhung ihrer Ge­ brauchsfähigkeit durch „Schiffahrtsanstalten" — bei den Wasserstraßen findet „besondere Anstalten" — entspricht.

sich dafür der Ausdruck

Das Fehlen

dieses Parallelismus berechtigt keineswegs zu der Schlußfolgerung, daß eine grundsätzlich verschiedene Regelung für Häfen und Wasserstraßen beabsichtigt

Eine solche Folgerung hat die Praxis jedenfalls nicht gezogen.

gewesen sei.

Ihr steht aber auch der Text der Verfassung selbst entgegen; denn es hätte keinen Sinn, von Schiffahrtsanstalten in Häfen zu sprechen, wenn man

nicht den

sachlichen Unterschied zwischen künstlichen und natürlichen Häfen

und den Begriff der „Anstalten" in den letzteren anerkennt. Es erübrigt nur die Annahme, daß auf gleichmäßige und symmetrische Fassung hier kein besonderes Gewicht

gelegt worden ist, weil man davon

ausging, daß der Wechsel der Darstellungsweise, die unsymmetrische Form des für den gesetzgeberischen Gedanken gewählten Ausdrucks dessen praktische Wirkung

Nutzanwendung

und

Beeinträchtigung

war

nicht

beeinträchtigen

ausgeschlossen,

allerdings

könne.

wenn

jede

Eine

solche

Verbesserung

eines natürlichen Hafens durch menschliche Fürsorge eine „Schiffahrtsanstalt" Denn dann bestand zwischen den künstlich geschaffenen und den

sein sollte. von

Menschenhand

dem

hier

in

durch

Wasserbauten

Unterschied.

verbesserten

Betracht

natürlichen

kommenden

Schiffahrtsabgaben



aus

Finanzierung

von

Verkehrsmöglichkeiten

Gesichtspunkte



der

überhaupt

kein

wesentlicher

Entscheidend für die Zulässigkeit von Abgaben war dann nur

die Tatsache der künstlichen Herstellung oder Verbesserung; beide Tatbestände waren hinsichtlich der daran geknüpften Rechtswirkung völlig gleichwertig, und es durften bei der Tarifbildung alle wirklich aufgewendeten Kosten, ohne Rücksicht aus den Verwendungszweck im einzelnen, berücksichtigt werden.

diesem Falle würde

auch

die Erörterung

der Frage,

ob

In

eine natürliche

Verkehrsmöglichkeit — eine Wasserstraße oder ein Hafen — in die Klasse der künstlichen dadurch übergehen kann, daß infolge sehr intensiver Verbesserungstätigkeit der Anteil der Kunst an der Leistungsfähigkeit der Wasserstraße oder des Hafens den Anteil der Natur überwiegt, jede praktische Bedeutung

verlieren.

Eine solche Bedeutung wohnt ihr nur so lange bei, als man

zwischen den zur Verbesserung natürlicher Verkehrsmöglichkeiten getroffenen

Anstalten

und

ausgeführten Arbeiten eine Scheidung

vornimmt in dem

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8 3. Umfang, Geltungsbereich und allgemeine Bedeutung der Rechtsvorschriften. 33

Sinne,

daß

die

einen

Substrate

der

Abgabenerhebung

und durch

sein

Schiffahrtsabgaben finanziert werden dürfen, die anderen aber nicht.

Bei der Verbesserung natürlicher Häfen hat man in der Praxis niemals

eine solche Unterscheidung

gemacht; man hat vielmehr alle Wasserbauten

zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit eines Hafens als zulässige Grundlagen der Abgabenerhebung angesehen, nicht nur Kais, Krane, künstlich hergestellte

Becken

und

ähnliche Neuanlagen,

auch

sondern

die Vertiefung der dem

Hafenzwecke dienenden Teile von Strömen und Meeresarmen durch Baggerung

sowie

die

Verbreiterung,

Begradigung

und

Bezeichnung

des

natürlichen

Fahrwassers im Hafengebiet. Der Wortlaut des dritten Absatzes im Art. 54 steht auch dieser Praxis

nicht entgegen, da er die Abgabenerhebung für die Benutzung aller „Schiff­ fahrtsanstalten", nicht nur für Benutzung

„besonderer Anstalten"

gestattet.

Der letztere Ausdruck findet sich nur bei den Wasserstraßen.

Wenn es richtig ist,

daß die Frage der Schiffahrtsabgaben für alle

natürlichen und künstlichen Verkehrsmöglichkeiten, Häfen und Wasserstraßen, einheitlich und gleichmäßig geregelt werden sollte und

geregelt worden ist,

so muß nach einer Erklärung dafür gesucht werden, daß das Wort „besondere" bei den Anstalten für Wasserstraßen

gebraucht, bei den Schiffahrtsanstalten

für Häfen — oder vielmehr Seehäfen — aber fortgelassen ist.

Abgesehen hiervon ist die Erkenntnis des geltenden Rechtes von der Auslegung der Begriffe „natürliche" und „künstliche Wasserstraße", „Anstalt" und „Anlage", „besondere Anstalt",

„Verkehrserleichterung", „Benutzung",

„Unterhaltungs- und gewöhnliche Herstellungskosten" abhängig.

Die Begriffe künstliche und natürliche Wasserstraße, Anstalt, besondere Anstalt, Anlage und Verkehrserleichterung sind entscheidend

für die Fest­

stellung des Substrates der Abgabenerhebung. Aus dem Begriffe der Benutzung ergeben sich die Voraussetzungen für

den Eintritt der Abgabepflicht im einzelnen Falle, und der Begriff der Unterhaltungs- und

gewöhnlichen Herstellungskosten ist maßgebend

für die

Höchstgrenze, bis zu welcher Schiffahrtsabgaben erhoben werden dürfen.

Schriften OXV. - Erster Teil.

3

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III.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

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Die künstliche Wasserstraße. 8 1Allgemeine Bemerkungen. Natürliche und künstliche Verkehrs­ möglichkeiten. Die natürlichen Wasserstraßen erscheinen als Rechtsbegriff zuerst in der Bundesverfassung

heute noch

von

1867;

den

Zollvereinsverträgen,

geltenden, ist dieser Begriff fremd.

einschließlich

des

Ebensowenig kannten die

älteren Zollvereinsverträge den Begriff der künstlichen Wasserstraße, er ist erst in demjenigen von 1867 sowie in der Bundesverfassung aufgestellt und

später in die Rheinschiffahrtsakte übergegangen. Die früheren Verträge haben mit stets gleichbleibender Wortfassung die Kanalgebühren in koordinierter Aneinanderreihung mit allen anderen Gebühren

für Benutzung schiffahrtsförderlicher Anstalten aufgeführt und hierdurch zu

erkennen

gegeben,

daß

sie

die

Kanäle

als

„Anstalten"

behandeln

und

zwischen den verschiedenen Anstaltsarten keine Unterschiede machen wollten. Auch der gellende Zollvereinsvertrag behandelt die künstlichen Wasserstraßen

als „Anstalten", indem er zunächst von „Kanal- und Schleusengebühren"

spricht und die Aufzählung der in Betracht kommenden Verkehrsabgaben mit einer eluusula ZeneraliZ hinsichtlich

aller

„Leistungen für

Anstalten,

welche zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind", abschließt.

Von

natürlichen und künstlichen Häfen ist nirgends

ausdrücklich die

Rede, wenngleich das Vorhandensein des ersteren Begriffs in der Verfassung

und der Rheinschiffahrtsakte anerkannt und vorausgesetzt ist *. Die an den Begriff der künstlichen Wasserstraße geknüpften Rechtsfolgen

sind

in allen drei Rechtsquellen gleichmäßig dahin geregelt, daß für die

Benutzung oder Befahrung solcher Schiffahrtswege Abgaben erhoben werden dürfen. * Vgl. die Ausführungen in Abschn. II H 3.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

38

Die Rechtswirkung des Begriffs der natürlichen Häfen und Wasser­ daß nicht ihre Benutzung oder Befahrung an sich,

straßen zeigt sich darin,

sondern nur die Benutzung der in oder an ihnen vorhandenen Schiffahrts­

anstalten oder besonderen Anstalten als Titel für die Erhebung von Schiff­ fahrtsabgaben anerkannt wird.

Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt angedeutet,

hat diese Unter­

scheidung nur dann praktische Bedeutung, wenn man annimmt, daß nicht jede konstruktive oder administrative Maßregel zur Erleichterung des Verkehrs

in Häfen oder auf Strömen eine Anstalt und nicht jedes Nutzenziehen aus

solchen

eine

Maßregeln

Benutzung

im

der

Sinne

geltenden

Rechts­

vorschriften ist *.

Ob diese Annahme gerechtfertigt ist oder nicht, wird an anderer Stelle

noch zu prüfen sein.

Hier sollen zunächst nur die Begriffe des Natürlichen

und Künstlichen im Zusammenhänge jener Rechtsvorschriften und unter der Voraussetzung, daß es aus sie ankommen sollte, analysiert und festgestellt werden.

Zu den natürlichen Wasserstraßen und Häfen

gehören dem Sprach­

gebrauche und der Wortauslegung nach diejenigen Gewässer, welchen irgend welche Brauchbarkeit für die Zwecke des Schiffsverkehrs von jeher innewohnte, während sie als künstliche dann bezeichnet werden, wenn diese Brauchbarkeit

durch menschliche Arbeit hergestellt ist.

Die erstere Gruppe ist, wenn man den Begriff des „Natürlichen" in logischer Reinheit und Schärfe auffaßt, in Deutschland nur noch spärlich

vertreten.

Es gibt bei uns gegenwärtig, namentlich soweit das Gebiet der

Binnenschiffahrt in Betracht kommt, nur noch sehr wenige und unbedeutmde Wasserstraßen, von welchen man sagen kann, daß ihr ursprünglicher und natürlicher Zustand keine wesentliche Änderung erfahren hat. Im Jahre 1867, bei dem Erlaß

größer

und

Wasserstraßen

die

der Bundesverfassung, war ihre Zahl freilich noch

Verkehrsbrauchbarkeit

des

unterschied sich weit weniger

Gesamtnetzes

der

von der natürlich

deutschen

gegebenen,

namentlich unter der Voraussetzung sachgemäßer Unterhaltung der früher verwilderten Ströme,

oder mit anderen Worten:

unter der Voraussetzung,

daß ein gewisses Maß von Unterhaltungstätigkeit, insbesondere von Vorsorge

gegen

Verschlechterungen — im Gegensatz zu positiven Verbesserungen —

als vereinbar mit dem jungfräulichen Charakter eines Stromes angesehen

wird.

Zwar

waren

zurzeit der

Begründung

des

neuen

Reichs

schon

* Die Bedeutung des Begriffs der künstlichen Wasserstraße für die Zulassung eines die Selbstkostendeckung überschreitenden Geldertrages kann hier ausscheiden. Denn diese Zulassung ist nur für nichtstaatliche künstliche Wasserstraßen ausgesprochen.

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H 1. Allgemeine Bemerkungen.

Natürliche und künstliche Verkehrsmöglichkeiten. 39

ziemlich erhebliche Summen für die deutschen Ströme ausgegeben, deren

Höhe in dem zweiten Teile dieser Arbeit für das preußische Staatsgebiet

Aber ein sehr beträchtlicher Teil dieser Summen

nachgewiesen werden wird.

war nicht für die Schiffahrt, sondern im Interesse der allgemeinen Landes­

kultur, vor allem im landwirtschaftlichen Interesse aufgewendet.

Das gilt

namentlich von den Kosten der badisch-französischen Rheinregulierung * von

zahlreichen

Bauten

an

der

Von

Weichsel.

den

im

Interesse

und

der

Schiffahrt verbauten Beträgen war ferner ein sehr großer Teil nicht auf

die Verbesserung des Fahrwassers verwendet worden, sondern auf den Leinpfad, dessen Ausbau in der Zeit vor der Entstehung und Ausbreitung der Dampfschleppschiffahrt

war?.

eine Hauptaufgabe

Erst durch den Dampfschleppbetrieb

der Wasserbauverwaltungen

wurde die Lage der Fahrstraße

vom Ufer unabhängig und ihr zweckmäßiger Ausbau mit technischen Hilfs­

mitteln überhaupt möglich; solange nur vom Ufer aus geschleppt werden

konnte, mußte bei allen Entschließungen über die Gestaltung der Fahrrinne auf deren Lage zum Ufer Rücksicht genommen und

ein großer Teil der

Mittel auf die Erleichterung des Treidelbetriebes verwendet werden.

Die

mit diesen Mitteln ausgeführten Bauten waren aber auf den Zustand des

Strombettes höchstens insofern von Einfluß, Stellen zugleich Uferbefestigung war.

als der Leinpfad an einzelnen

Im allgemeinen konnte die Erbauung

eines Uferweges, der Natur der Sache nach, den „natürlichen" Charakter einer Wasserstraße nicht ändern. Immerhin war im Jahre 1867

an einer Anzahl von Strömen und

anderen Gewässern schon soviel gebaut und ihre ursprüngliche Schiffbarkeit schon in dem

Grade verbessert,

neuen — gegenüber

daß der Gesetzgeber bei Aufstellung

der Terminologie

des

der Zollvereinsverträge neuen —

Rechtsbegriffs der natürlichen Wasserstraße Veranlassung hatte, sich die Frage

vorzulegen, ob und inwieweit jene Bauten auf die Erhaltung dieses Begriffs einwirken könnten.

Es waren drei Möglichkeiten für die Beantwortung der

Frage vorhanden.

Die erste ergibt sich aus dem historischen Standpunkte,

wenn man jedes von alters her befahrene und fahrbare Gewässer schon um * In dem amtlichen Werke: „Der Rheinstrom und seine wichtigsten Neben­ flüsse, im Auftrage der Reichskommission zur Untersuchung der Rheinstromverhält­ nisse herausgegeben von dem Zentralbureau für Meteorologie und Hydrographie im Großherzogtum Baden." Berlin 1889, wird anerkannt, daß eine Vergrößerung der Fahrtiefe nicht eingetreten ist. In ähnlichem Sinne äußert sich Gelpke, „Zur Kritik der oberrheinischen Binnenschiffahrtsprojekte." Basel 1904. 2 Denkschrift über die Ausführbarkeit einer weiteren Vertiefung des Rheins von Coblenz bis zur niederländischen Grenze von Jasmund, S. 4. Inzwischen hat der Treidelverkehr an den Strömen so gut wie ganz aufgehört.

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III.

40

Gegenstand der Abgabenerhebung.

gleichviel wie stark der ursprüng­

dieser Tatsache willen für alle Zeilen, liche Zustand

durch künstliche Eingriffe verändert sein mag,

Wasserstraße behandeln will.

als natürliche

Eine zweite Lösung, welche im Gegensatz zur

ersten mehr auf aktuellen und praktischen Erwägungen beruht, würde darin daß zwar unwesentliche Verbesserungen der Fahrbarkeit eines Ge­

bestehen,

wässers ihm die Eigenschaft der natürlichen Wasserstraße im Rechtssinne nicht

nehmen, daß aber starke Veränderungen durch Wasserbauten, infolge deren der Anteil der Kunst an der Verkehrsbrauchbarkeit einer Wasserstraße den­ jenigen der Natur überwiegt, allerdings den Übergang aus der Klasse der

natürlichen in die der künstlichen herbeiführen können. Lösung

Nach

einer dritten

würde die durch Menschenhand verbesserte natürliche Wasserstraße

diese Eigenschaft im Rechtssinne behalten

hinsichtlich

desjenigen Verkehrs,

welcher schon vor der Verbesserung und unabhängig von ihr möglich war, während sie hinsichtlich alles übrigen Verkehrs als künstliche Wasserstraße zu

gelten hätte.

Die dritte Lösung hält sich im Nahmen der für die zweite maßgebenden grundsätzlichen Auffassung, daß der Übergang von der natürlichen zur künst­ lichen Wasserstraße überhaupt möglich ist.

Der neue Gesichtspunkt liegt nur

in der Begriffsspaltung nach Verkehrsgruppen.

Diese Spaltung hat aller­

dings gleichzeitig die Bedeutung, daß sie denjenigen Voraussetzungen Rechnung

trägt, welche nach der unzweifelhaften Absicht des Gesetzgebers für die Ent­ stehung der Abgabenpflicht entscheidend sind, insofern für die vor der Ver­ besserung möglich

Wirkung

der

gewesene Schiffahrt die Verbesserungsanstalten weder die

„Erleichterung des

Verkehrs"

haben noch Gegenstand einer

„Benutzung" sein können.

Ein praktischer Unterschied zwischen der ersten und zweiten Lösung ist nur vorhanden, wenn nicht alle Anstalten zur Erhöhung der Verkehrsbrauch­

barleit eines Gewässers — einer Wasserstraße oder eines Hafens — sondern nur

gewisse

gelten.

Arten

dieser

Anstalten

als Substrate

der Abgabenerhebung

Kann eine Wasserstraße durch starke Veränderung ihres natürlichen

Zustandes zu einer künstlichen werden, so ist sie von diesem Zeitpunkte ab in ihrer Totalität, also auch mit ihrem gesamten Anlagekapital und allen laufenden Unkosten, Gegenstand und Grundlage der Abgabenerhebung, gleich­

viel ob und in welchem Maße Kapital und laufende Ausgaben auf Anstalten der einen oder der anderen Gruppe,

Stauanlagen oder Korrektionswerke,

entfallen.

Vor jenem Zeitpunkte — im Stadium einer schwächeren Beeinflussung der natürlichen Verhältnisse eines Gewässers — würde dagegen der Unter­

schied zwischen denjenigen Anstalten, welche Substrat der Abgabenerhebung

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Z 1.

Natürliche und künstliche Verkehrsmöglichkeiten. 41

Allgemeine Bemerkungen.

sein können oder diese Fähigkeit nicht besitzen, für die Berechnung des durch Schiffahrtsabgaben

zu

deckenden

Kostenbetrages

von

einschneidender

Be­

deutung sein.

Ein zur Veranschaulichung geeignetes Beispiel bietet der Main von

abwärts, der früher durch Buhnen und Parallelwerke reguliert,

Frankfurt

dann aber in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts kanalisiert wurde.

Ist

er durch die Kanalisierung zur künstlichen Wasserstraße ge­

worden — die Meinung, daß ein Fluß durch Kanalisierung zur künstlichen

Wasserstraße wird,

ist sehr verbreitet —, so

besteht die Summe,

deren

Deckung durch Schiffahrtsabgaben zulässig ist, nicht nur aus den Kosten der Wehre und Schleusen, sondern aus den Zinsen sämtlicher Anlagekapitalien und den sämtlichen laufenden Kosten der Wasserstraße, soweit diese Beträge

überhaupt im Interesse der Schiffahrt,

Ausbau

Wasserstraße

der

wendet sind.

etwa

im Gegensatz

mitbeteiligten

anderen

zu

Interessen,

nützlich

beim

ver­

Denn darüber kann ein Zweifel nicht bestehen, daß der Be­

griff der Anstalt oder der besonderen Anstalt nach der Willensmeinung der

Verfassung nur bei natürlichen Wasserstraßen eine Rolle spielt, nicht bei den künstlichen, die selbst Anstalten * Ist der kanalisierte Main

sind.

aber nach wie vor eine natürliche Wasser­

straße im Rechtssinne und sind nicht alle zur Verbesserung des Fahrwassers ausgeführte Bauten, sondern nur die Stauwerke und Schleusen „besondere

Anstalten", so

können nur die Kosten der letzteren der Abgabenberechnung

zu Grunde gelegt werden.

Alsdann müßten von dem Anlagekapital der

kanalisierten preußischen Mainstrecke, allein für die nach 1883 ausgeführten Fahrwasserverbesserungen, etwa 1,8 Millionen Mk. ausgeschieden werden Von

dem

auf

52 Millionen veranschlagten Baukapital,

welches für die

Kanalisierung der Mosel von Perl bis Coblenz erforderlich wäre, würden etwa 10 Millionen nicht auf die Stauanlagen, sondern auf die Verbesserung

der zwischen ihnen liegenden Flußstrecken entfallen.

Das Baukapital

der

kanalisierten Oder zwischen Kosel und der Neißemündung entfällt zu etwa einem Dritteil nicht auf Stauanlagen.

In dem jetzigen 67 Irin langen Elbe — Trave-

Kanal liegen rund 25 Irin schiffbarer Flüsse, der Trave, Wakenitz und Steckenitz Die Aptierung dieser Flüsse für den neuen Großschiffahrtsweg geschah nicht nur * Im Sinne der Zollvereinsverträge. 2 Der von den vier Uferstaaten am I. Februar 1883 abgeschlossene Main­ kanalisierungsvertrag unterscheidet in Art. 5 ausdrücklich „Kanalisierungswerke" und „Fahrwasser". 3 Die letztere war von jeher, schon vor ihrer im Mittelalter erfolgten Kanali­ sierung, oder vielmehr Ausstattung mit Stauschleusen, schiffbar.

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III.

42

Gegenstand der Abgabenerhebung.

durch Anstauung, sondern in sehr bedeutendem Umfange auch durch Ver­ breiterung und Vertiefung.

Die Trave wurde von etwa 30 in Wasserspiegel­

breite und 2,5 m Tiefe auf 39 und 3,5 in, die Steckenitz von 11 bis 14 in Breite und 0,4 bis 0,8 in Tiefe

auf 32

und 2,5 in gebracht.

Es fällt

schwer, an eine Rechtsfiktion zu glauben, derzufolge die so stark veränderten

Flüsse oder Fluszstrecken — ganz abgesehen von ihrer Anstauung — natür­ liche Wasserstraßen geblieben sein und daß die Veränderungsbauten nicht als „Anstalten" oder „besondere Anstalten" gelten sollen.

Wenn durch das von Natur schiffbare Haff, und zwar auf einer Linie, in welcher die ursprüngliche Tiefe von 0,70 bis 2,50 in schwankte, ein Unter­

wasserkanal mit 6,50 in Tiefe zwischen der Pregelmündung und Pillau ge­

baut worden ist, so widerspricht es einem unbefangenen Sprachgefühl, diese in

ein flaches Seebecken eingeschnittene,

nach Süden durch einen langen

Damm geschützte Wasserstraße noch als „natürliche" zu bezeichnen oder ihr

die Eigenschaft als schiffahrtsförderliche Anstalt abzusprechen. 8 2.

Abgrenzung der Begriffe nach grammatischer Interpretation. Das entscheidende Begriffsmerkmal der natürlichen Wasserstraße und

des natürlichen Hafens — der einfacheren Darstellung wegen wird in den folgenden Ausführungen nur noch von den Wasserstraßen ausdrücklich ge­

sprochen werden — ist nach dem Sinne und Wortlaut der Verfassung nicht der tatsächliche Gebrauch für Schiffahrtszwecke, sondern die Möglichkeit eines solchen.

Der Begriff der natürlichen Wasserstraße deckt sich also mit dem­

jenigen des öffentlichen Flusses in

einem großen Teile von Deutschland,

namentlich im Gebiete des Preußischen Allgemeinen Landrechts

welches in

* In anderen Rechtsgebieten Deutschlands sind auch die von Natur flößbaren Flüsse öffentlich und deshalb in der Hand des Staates. Die Bundes- und Reichs­ verfassung will aber den Begriff der natürlichen Wasserstraßen in Art. 54 Abs. 4 auf die schiffbaren Gewässer beschränken, wenngleich sie die auf den letzteren be­ triebene Flößerei den Bestimmungen dieses Artikels mitunterwirft. Die Verhältnisse der nur flößbaren Wasserläufe sind von Reichs wegen, soweit sie das Gebiet mehrerer Bundesstaaten berühren, unter dem Gesichtspunkte der Abgabenfrage durch das Bundesgesetz vom 1. Juni 1870 besonders geregelt worden. Die Frage, was die Verfassung unter „natürlichen Wasserstraßen" verstanden habe, ist schon im Jahre 1870 zweifelhaft gewesen. Ein — von Delbrück nicht mitvollzogener — Bericht der Bundesratsausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Justizwesen über Flößereiabgaben auf der Werra und Saale vom 13. September 1870 bezeichnet es als „nicht unwahrscheinlich, daß der Verfassung die Vorschriften des preußischen Rechts zugrunde liegen"; womit gesagt werden sollte, daß die öffent-

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H 2.

Abgrenzung der Begriffe nach grammatischer Interpretation.

§ 38, Teil II, Tit. 15 sagt:

4Z

„Die Nutzungen solcher Ströme, welche von

Natur schiffbar sind, gehören zu den Regalien des Staates."

Im Gegen­

satze hierzu macht das bayrische Gesetz vom 28. Mai 1852 durch die Be­ stimmung in Art. 2:

„als öffentliche Flüsse werden diejenigen betrachtet,

welche und soweit sie zur Schiffahrt oder

zur Floßfahrt mit gebundenen

Flößen dienen" den Begriff des öffentlichen Flusses nicht von der Fahrbar­ keit, sondern von der Befahrung abhängig.

Zwar sollen nach dem Schluß­

sätze des Z 2 a. a. O. „Flüsse, welche aufhören, zur Schiff- und Floßfahrt zu dienen, dadurch die Eigenschaft öffentlicher Gewässer nicht verlieren";

aber

dieser Vorbehalt gilt nur für die Zeit nach dem Inkrafttreten jenes Gesetzes. Hiernach können in Bayern

auch nichtöffentliche Flüsse natürliche Wasser­

straßen im Sinne der Reichsverfassung sein.

Denn es wäre an sich möglich,

daß ein Fluß die Eignung als Schiffahrtsstraße im Jahre 1852 besaß und heute noch besitzt, obwohl er in jenem Jahre der Schiffahrt tatsächlich nicht diente.

Die Anwendung des Begriffs der natürlichen Schiffbarkeit ist bei den­ jenigen Gewässern, auf welchen eine Schiffahrt nicht oder nicht mehr besteht, zuweilen schwierig.

Es kann unter Umständen zweifelhaft sein, ob ein Ge­

wässer überhaupt oder auf gewissen Strecken als schiffbar und demgemäß als natürliche Wasserstraße anzusehen ist.

Der Umstand,

daß es früher der

Schiffahrt gedient hat, kann nicht ohne weiteres als Beweismittel hierfür Es gibt in Deutschland zahlreiche kleine Flüsse, die im Mittelalter

gelten.

und

noch

bis ins

19.

Jahrhundert

hinein

als Schiffahrtswege

benutzt

wurden, weil sie trotz der geringen Tragfähigkeit der Fahrzeuge und trotz der hohen Kosten des Schiffszuges immer noch eine billigere Beförderung

ermöglichten, als die schlechten und unbefestigten Landwege.

Diese Flüsse

haben ihre Verkehrsbrauchbarkeit eingebüßt, nicht weil die natürlichen Voraus­

setzungen des Schiffsbetriebes sich geändert hätten, sondern weil die Ansprüche

des Verkehrs sich gesteigert haben und zuerst durch Kunststraßen, später durch Eisenbahnen besser befriedigt werden konnten.

Beispiele für diese Entwicklung

einer natürlichen Wasserstraße zum Privatflusse sind die Sieg, die Fulda und Werra, die noch im vorigen Jahrhundert bis Eitorf, Hersfeld und Wan­ fried

aufwärts befahren

wurden und jetzt seit langer Zeit — die Fulda

auf der Strecke oberhalb Cassel — keine oder so gut wie keine Schiffahrt

habend

Die

Persante

in

Hinterpommern

wurde

im

18.

Jahrhundert

lichen Flüsse im Sinne des Preußischen Landrechts in Art. 54 gemeint seien. Es erscheint auffallend, daß man schon damals zu einer sicheren Feststellung der gesetzgeberischen Willensmeinung nicht gelangen konnte. Reichstag 1870, Drucksache 137, S. 18 u. 24. * Vgl. Bericht der Agrarkommission des Preußischen Abgeordnetenhauses vom 21. März 16S5, Drucksachen Nr. S7 S. 10. Weser und Ems. Im Auftrage des

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III.

44

Gegenstand der Abgabenerhebung.

zwischen Körlin und Kolberg mit Frachtschiffen befahren; heute gilt sie als

Auf dem die masurischen Seen mit dem Narew verbindenden

Privatfluß.

Pissekflusse hat die noch vor 100 Jahren betriebene Schiffahrt längst auf­

gehört.

Im Mittelalter diente sogar die Hörsel, ein Nebenfluß der Werra,

die in die Aller fließende Ocker und die Sorge in Westpreußen zwischen

Baumgarth und Christburg der Schiffahrt *.

Man begnügte sich mit sehr

kleinen Fahrzeugen und mit einer periodischen, für verhältnismäßig kurze Zeiträume eintretenden Verkehrsmöglichkeit.

Die Eigenschaft des „öffentlichen Flusses" und der „natürlichen Wasserstraße" ist also nicht lediglich von der Wassermenge, dem Gefälle, der Breite und Tiefe des Flußbettes und von sonstigen hydrographischen Verhältnissen, sondern auch

von dem Stande der volkswirtschaftlichen und verkehrstechnischen Entwicklung

abhängig.

Die Grenze zwischen den schiffbaren und nichtschiffbaren natür­

lichen Gewässern hat sich im Laufe der Zeit — soweit die kilometrische Er­ streckung beider Gruppen in Betracht kommt — immer mehr zugunsten der letzteren verschoben.

Will man also die als Beweismittel gewiß in erster Reihe wertwolle Tatsache der Ausübung des Schiffahrtbetriebes zur Feststellung der Eigen­

schaft eines

Gewässers

als

„natürliche Wasserstraße"

benutzen,

so

würde

man bei den heute nicht mehr befahrenen Gewässern nicht zu weit in die Vergangenheit zurückgreifen dürfen.

Anderseits könnte man ebensowenig die Gegenwart ohne weiteres zu­ grunde legen.

Sonst müßte man dem Oberrhein zwischen Basel und Straß­

burg?, der Donau oberhalb Regensburg,

der Ruhr, dem größten Teil der

preußischen Wasserausschusses herausgegeben von H. Keller.

Bd II S. 372 ff.,

437 ff. * Weser und Ems, Bd. IV S. 298.

Professor Rehm in Straßburg hat in Nr. 73 der „Münchener Neuesten Nach­ richten" einen Aufsatz „Schiffahrtsabgaben und Reichsversassung" veröffentlicht, in welchem er ausführt, Schiffahrtsabgaben auf dem Rhein oberhalb Straßburg bis Basel würden im Falle der Verbesserung dieser Stromstrecke für Schiffahrtszwecke zulässig sein; denn dort handelt es sich nicht um den Ausbau einer natürlichen Wasserstraße, sondern um die „Schaffung einer künstlichen aus einem natürlichen Wasserlauf". Was den Fluß zur Wasserstraße mache, sei die Eignung als Verkehrsweg, und diese fehle dem Oberrhein von Natur. Tatsächlich ist diese Eignung jahrhundertelang — unter den damaligen volks­ wirtschaftlichen Voraussetzungen und Verhältnissen — bis etwa zur Mitte des vorigen Jahrhunderts vorhanden gewesen. Ob sie heute wirklich verloren gegangen ist, er­ scheint mindestens zweifelhaft. Ein unternehmender Reeder aus Duisburg hat seit einigen Jahren die Fahrt nach Basel ausgenommen. Er hat damit bewiesen, daß

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Z 2.

Abgrenzung der Begriffe nach grammatischer Interpretation.

45

Lahn und einem großen Teil des Neckar — um nur einige Beispiele nennen — die Eigenschaft als natürliche Wasserstraße *

weder

mit den

lebendigen ferner

Auffassungen

Überlieferungen

zu berücksichtigen,

der

des daß

beteiligten

noch

Kreise

Verkehrslebens

die Eigenschaft

absprechen,

vereinbar als

auch wäre.

zu

was

den

mit

Es

ist

öffentlicher Fluß oder-

natürliche Wasserstraße im Rechtssinne dadurch nicht verloren geht, daß die

Ausübung der Schiffahrt durch menschliche Eingriffe,

etwa Wasserableitung

oder Einbau von Triebwerken, tatsächlich behindert ist. Aber auch abgesehen hiervon würde bei ausschließlicher Berücksichtigung

der

gegenwärtigen

Verhältnisse

immer

die

noch

Schwierigkeit

bestehen

bleiben, daß ein sicherer und allgemein anwendbarer Maßstab für die An­ forderungen, welche an die Verkehrsbrauchbarkeit eines Gewässers unter dem

Gesichtspunkte der „natürlichen Wasserstraße" zu stellen sind, kaum zu finden ist.

Es

kann

für den

Begriff der

Schiffbarkeit eines

genügen, daß auf ihm irgendwelche Fahrzeuge von

Gewässers

nicht

beliebiger Größe, mit

beliebig kleiner Ladung in irgendwelcher Jahreszeit auf irgendwelche Ent­ fernungen bewegt werden können

oder auch

bewegt werden.

vielmehr die natürlichen Vorbedingungen für einen

Es müssen

wirtschaftlichen Schiff­

fahrtsbetrieb zur Beförderung von Gütern oder Personen — im Sinne der

Befriedigung eines Verkehrsbedürfnisses — gegeben sein.

Nur

wegen

ihrer Eigenschaft

als Verkehrsstraßen

hat

das

deutsche

Recht die schiffbaren Flüsse dem Staate vorbehalten und nur wegen des

Mangels dieser Eigenschaften die nicht schiffbaren den Privaten überlassen.

Das Recht war hier der Ausdruck eines

wirtschaftlichen Bedürfnisses und

die Form seiner Befriedigung.

Es lassen sich aber keine festen Normen darüber

Anforderungen — namentlich in bezug auf die Größe

aufstellen, welchen

der

verwendbaren

Betriebsmittel — ein Gewässer genügen muß, um als Verkehrsstraße oder

„natürliche Wasserstraße"

zu gelten.

Im preußischen Wassergesetzentwurf

von 1894 ist zwar durch eine Bestimmung in 8 61 zum Ausdruck gebracht,

daß

„das Befahren

mit Kähnen oder ähnlichen kleinen Fahrzeugen"

Schiffbarkeit nicht gleichstehen soll; „Kahn" und „Schiff"

der

aber die Grenze zwischen den Begriffen

ist auch sehr zweifelhaft.

Zwischen Königsberg und

den Wasserläufen im Mündungsgebiet des Memelflusses verkehren zahlreiche

man mit Schiffen dorthin kommen kann; unter welchem Aufwande von Betriebs­ kosten, kann allerdings niemand wissen als er selbst. * Im Sinne der Reichsverfassung. Die Zugehörigkeit dieser Flüsse zu der Kategorie der „öffentlichen" richtet sich natürlich nach den Partikularrechten.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

46

kleine Frachtfahrzeuge, die sogenannten Timberkähne, mit einer Tragfähigkeit

von 5—20 Tonnen; dort sind also auch die für solche Kähne zugänglichen Ge­ wässer noch „Wasserstraßen".

Abbaues

Dagegen hat die für Schiffe von 170 Tonnen

außerordentlich stark befahrene Ruhr — infolge des

fahrbare und früher

im Ruhrtal und des

der Kohlenflötze

Wettbewerbs der Eisen­

bahnen — jede Verkehrsbrauchbarkeit verloren; sie ist seit langer Zeit tat­

sächlich ohne Schiffahrt.

Anderseits wird mit Fahrzeugen derselben Größe,

wie sie auf der Ruhr verkehren könnten, auf dem Finowkanal ein außer­

ordentlich lebhafter, die Leistungsfähigkeit der Wasserstraße voll beanspruchender

Verkehr von mehr als

sieht

hieraus,

2

betriebes zeitlich und

Millionen Tonnen jährlich unterhalten.

Man

die wirtschaftlichen Bedingungen des Schiffahrt­

sehr

wie

örtlich schwanken, und wie bedenklich

es wäre, aus

der technischen Möglichkeit der Benutzung von Fahrzeugen einer bestimmten

Größe oder Bauart allgemein gültige Schlüsse auf die Schiffbarkeit eines Gewässers zu ziehen. während der letzten Jahre mehrfach vorgekommen,

In Preußen ist es

daß Flüsse durch die Rechtsprechung für schiffbar erklärt worden sind, welche

seit

langer

nicht

Zeit

mehr

der

Schiffahrt

gedient

hatten.

Dies

gilt

namentlich von der Drewenz bei Straßburg in Westpreußen, von der Küddow von Schneidemühl bis zur Mündung in die Netze und von der Wipper ober­

halb Nügenwalde. Die

Begründung

eines

für

Preußen

im

Jahre

1840

aufgestellten

* Gesetzentwurfs

„über Strom- und Uferpolizei der öffentlichen Flüsse" sagt

sehr zutreffend:

„Der Begriff der Schiffbarkeit ist in der Anwendung ein

relativer, der nach

ineinander übergehenden Abstufungen an Gültigkeit ab­

nimmt und sich verliert."

Deshalb hatte der Entwurf den Ausweg gewählt,

daß die Eintragung in ein Verzeichnis über die Zugehörigkeit der Gewässer zur Klasse der schiffbaren und

öffentlichen entscheiden sollte.

Diesen Ge­

danken hat der preußische Wassergesetzentwurf von 1894 wieder ausgenommen; jedoch mit der Bestimmung, daß

„lediglich die der öffentlichen Schiffahrt

dienenden Wasserläufe" in das Verzeichnis einzutragen seien.

Die Grenzbestimmung zwischen natürlichen Wasserstraßen und den nur der Vorflut dienenoen Wasserläufen oder — im

Sinne des Preußischen

Landrechts — zwischen öffentlichen und Privatflüssen hat für die Anwendung

der Vorschriften des Art. 54 der Reichsverfassung über die Finanzierung von Wasserbauten durch Schiffahrtsabgaben wichtige Folgen, welche aller­

dings ebenso wie diejenigen des Überganges von der natürlichen zur künst-

* Vgl. unter III L 2. a. Z 4 S 83 bis 85.

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8 3.

Übergang des einen Begriffs in den anderen.

47

lichen Wasserstraße nur in dem Falle eintreten, wenn man die Eigenschaft als

Substrat

der

Abgabenerhebung

auf

gewisse

Arten

von

wasserbau-

technischen Vorkehrungen beschränkt. Wird bei einem von der Schiffahrt tatsächlich nicht benutzten Gewässer

die Frage der theoretischen Schiffbarkeit verneint, so ist die in einem solchen Gewässer durch Baggerungen, Felssprengungen, Buhnen und sonstige Ein­ schränkungswerke

hergestellte Fahrrinne

eine künstliche Wasserstraße, deren

Kosten durch Schiffahrtsabgaben im vollen Betrage gedeckt werden dürfen.

Wird aber jene Frage bejaht, so sind dieselben Baggerungen, Felssprengungen und

Einschränkungswerke

nach

der

derjenigen,

Meinung

welche

solchen

Wasserbauten die Eigenschaft von besonderen Anstalten im Sinne des Art. 54 nicht zuerkennen, als Grundlage für die Erhebung von Schiffahrtsabgaben

ungeeignet; sie müssen entweder ohne Anspruch auf gebührenmäßige Gegen­

leistung hergestellt werden oder ganz unterbleiben. Im Falle der Kanalisierung eines solchen Gewässers würde es dagegen

für die Finanzierung nicht darauf

ankommen,

ob man es

als

schiffbar

ansehen will oder nicht, sofern Stauanlagen sowohl besondere Anstalten sind

auch als die Umwandlung einer

natürlichen Wasserstraße in eine künstliche

herbeiführen. Es handelt sich bei diesen Erwägungen nicht etwa um gegenstandslose

theoretische Möglichkeiten, sondern um Fragen, die sehr leicht eine praktische

Bedeutung gewinnen können.

Bei mehreren

tatsächlich verkehrslosen

Ge­

wässern, deren Schiffbarkeit zweifelhaft ist, sind Bestrebungen wegen Her­

stellung oder Verbesserung einer Wasserstraße hervorgetreten.

Die wichtigsten

Fälle dieser Art würden bei der oberen Donau und dem oberen Rhein

möglicherweise eintreten; schon jetzt ist über die Frage, ob

der Oberrhein

zwischen Basel und Straßburg als natürliche Wasserstraße gelten kann, eine Kontroverse entstanden

8 3.

Übergang des einen Begriffs in den anderen. Zu denjenigen Schwierigkeiten, welche bei der Anwendung des Begriffs der natürlichen Wasserstraße deshalb entstehen, weil derjenige der Schiffbarkeit * Vgl. Anm. 2 S. 44. Der Ansicht des Straßburger Professors Rehm, der den Rhein nur bis Straßburg aufwärts als natürliche Wasserstraße anerkennen will, ist in der Presse lebhafte Gegnerschaft entstanden. Vgl. insbesondere einen in den „Münchener Neuesten Nachrichten" vom 3. März 1905 Nr. 104 erschienenen Artikel des Ingenieurs Gelpke in Basel, des unermüdlichen Vorkämpfers für den Anschluß dieser Stadt an die Rheinschisfahrt.

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III. Gegenstand der Abgabenerhebung.

48

unsicher und nicht nur zeitlich, sondern auch örtlich verschieden begrenzt ist, kommen weiter noch die Zweifel über die Einwirkung, welche die künstliche

Steigerung der durch die Natur dargebotenen Schiffbarkeit auf die Erhaltung des ersteren Begriffs etwa ausübt. Bei Erörterung dieser Zweifel ist davon auszugehen, daß die Frage,

ob eine natürliche Wasserstraße durch starke Veränderungen ihres ursprüng­ lichen Zustandes zu einer künstlichen werden kann, in erster Reihe eine Frage

des Sprachgebrauchs ist.

Denn es handelt sich hier um die Auslegung des

Art. 54, und es kommt wesentlich darauf an, wie der Gesetzgeber die in Betracht

Gegenteils

kommenden



und

Begriffe

ist

Bis

hat.

ausgefaßt

dieser Beweis

nicht

zu

zum

führen

Beweise



muß

des an­

genommen werden, daß der Gesetzgeber sich bei der Wahl seiner Ausdrücke

lediglich im Rahmen des

allgemeinen Sprachgefühls und Sprachgebrauchs

bewegte.

Hiernach muß untersucht werden, ob es dem allgemeinen Sprachgefühl entspricht, eine natürliche Wasserstraße deshalb,

weil

sie es ursprünglich

war, für alle Zeit so zu bezeichnen, oder ob es vielmehr vom Standpunkt der Sprachbildung richtiger ist und näher liegt, eine solche Wasserstraße,

wenn sie durch Menschenhand so stark verbessert ist, daß der Anteil der Kunst an ihrer Verkehrsbrauchbarkeit den der Natur überwiegt, nach ihrer

benennen.

überwiegenden Eigenschaft zu

etwa dahin stellen,

Man kann die Frage allgemein

ob der Sprachgebrauch

sich

in der Art und nach der

Richtung betätigt, daß ein Gegenstand, dessen ursprünglicher Charakter durch

die mit ihm vorgenommenen Veränderungen in den Hintergrund getreten ist, nur nach der vorherrschenden und für die Gegenwart charakteristischen

Eigenschaft bezeichnet wird.

Diese Frage ist zu bejahen.

Es gibt in Preußen nur noch sehr wenige oder vielleicht

keine Wege, die sich völlig im natürlichen Zustande befinden.

auch gar

Fast überall

beruht die Verkehrsbrauchbarkeit der Straßen mehr oder weniger auf mensch­ licher Arbeit.

Man bezeichnet aber gewisse Straßen mit dem zuerst in der

Königlichen Verordnung vom

17.

März

1839

vorkommenden Ausdruck

Kunststraßen, weil der Anteil der Kunst an ihrer Verkehrsbrauchbarkeit ein

besonders großer ist.

Eine Straße kann durch besseren Ausbau zur „Kunst­

straße" werden.

Einen Staat, dessen volkswirtschaftliche Entwicklung sich im wesentlichen

noch auf der Stufe des Ackerbaues befindet, bezeichnet der Sprachgebrauch

i Preuß. Ges.S. S. 80.

Vgl. auch Gesetz vom 20. Juni 1887, Ges.S. S. 301.

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Z 3.

als

Ein Agrarstaat kann ein

Agrarstaat.

besitzen,

ebenso

Übergang des einen Begriffs in den anderen.

wie eine

49

gewisses Maß von Industrie

natürliche Wasserstraße

ein

gewisses

Veränderungen durch Strombauten erfahren haben kann.

Maß

von

Wenn aber die

industriellen Interessen die agrarischen zu überwiegen beginnen, so tritt ein solcher Staat —

im Sinne

Sprachgebrauchs

des

— in die Reihe

der

Industriestaaten über. Der Umstand, daß die Grenzen dieser Begriffe flüssig sind, und daß der Zeitpunkt des Überganges von dem einen in den

anderen sich nicht genau bestimmen läßt, ändert an der Feststellung des Sprachgebrauchs nichts. Man

spricht

von

Ländern

und

Völkern

als

evangelischen, weil die eine oder die andere Religion

von

katholischen

und

dort vorherrscht und

dem geistigen Leben das Gepräge gibt.

Die Zahl dieser Beispiele ließe sich noch sehr vermehren.

Wenn der

Sprachgebrauch zwischen Polizeistaat und Rechtsstaat, zwischen absoluter und konstitutioneller Monarchie, zwischen katholischen und evangelischen Ländern

unterscheidet, so sind das alles relative Begriffe; ebenso relativ wie diejenigen der natürlichen und künstlichen Wasserstraße und ebenso geeignet, ineinander

überzugehen. Als Zeugnis dafür, daß dem unbefangenen Sprachgefühl die Möglichkeit dieses Überganges gegeben erscheint,

Professors Gothein in dem Buch

mag auch noch

eine Bemerkung des

über die geschichtliche Entwicklung

der

Rheinschiffahrt im 19. Jahrhundert S. 306 : *

„In der Zeit, wo die Staaten die größten Auslagen für die Schiffahrt

auf sich nahmen, wo sie den natürlichen Flußlauf zu einem künstlichen umwandelten, haben sie grundsätzlich und verfassungsmäßig auf Einnahmen verzichtet" und eine Äußerung des Abgeordneten von Eynern im Preußischen Abgeordneten­

hause am 4. Mai 1904?: „Wenn man an dem größten Kanal der Welt wohnt und den ganzen

Segen dieses großen Rheinkanals — er ist ja fast kanalisiert — dieser großen Wasserstraße erkennt usw."

angeführt werden.

In ähnlicher Weise bemerkt Nasse in seiner Arbeit „Der

Rhein als Wasserstraße" S. 21 „ Der jetzige Zustand des Rheins ist durchweg das Produkt menschlicher Arbeit." Ein bemerkenswertes Zeichen für die hier erörterte Tendenz des Sprach­

gebrauchs und das ihm eigentümliche Streben nach Kürze ist die Gepflogenheit, * Schrift, d. Ver. f. Socialpol. 01. Schiffahrt d. deutsch. Ströme. II. 2 Stenogr. Berichte S. 4830. 3 Schrift, d. Ver. f. Socialpol. OII. Schiffahrt d. deutsch. Ströme. III. Schriften 6XV. — Erster Teil.

4

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III.

50

Gegenstand der Abgabenerhebung.

die sich in den Kreism der Schiffahrtsinteressenten hinsichtlich der Bezeichnung künstlich

verbesserter

von Nebenarmen,

Wasserstraßen,

Der Rhein

herausgebildet hat.

insbesondere

hat

auch

kanalisierter Flüsse

auf seinem Unterlauf

eine Anzahl

die infolge von Durchstichen oder spontanen Durchrissen

aufgehört haben, Bestandteile der durchgehenden Fahrstraße zu sein und nur

noch den Zugang zu den ehemaligen Uferplätzen vermitteln. letzteren

Eigenschaft

werden

sie

als Nebenwafferstraßen

Wegen dieser

unterhalten,

was

nach dem Aufhören der Spülung des durchgehenden Stromes nur durch zeitweilige

Baggerungen

möglich

ist.

Ihre

Schiffbarkeit

beruht

infolge

dessen jetzt überwiegend auf menschlicher Tätigkeit und mit Rücksicht hierauf

werden sie kurzweg

„Kanäle"

Das hier Gesagte gilt von den

genannt.

Zugangswasserstraßen vom Hauptstrome nach Neuß, Rheinberg und Kleve,

welche nicht nur im Volksmunde, sondern

auch

im amtlichen Verkehr und

auf den Karten „Erftkanal", „Rheinberger Kanal" und Spoykanal genannt Die Bezeichnung Spoykanal findet nicht nur auf den eigentlichen

werden.

Kanal zwischen Kleve und Brienen, sondern in weiterem Sinne auch auf den alten Rhein von Brienen bis Schenkenschanz Anwendung. Man nennt den kanali­

sierten Main , *

die kanalisierte Ems, die kanalisierte Finow? kurzweg den

„Kanal" und die Schiffah rtsabgaben „Kanalgebühren". Wasserstraßen sind

anderen Teile aus gegrabenen Kanälen kanalisierte Fluß, beim Längenausdehnung

Die beiden letzteren

allerdings Bestandteile von Schiffahrtswegen, die zum

nach

bestehen; beim Finowkanal ist der

Dortmund—Ems-Kanal der gegrabene Kanal der

überwiegend.

Der

weder zwischen diesen Bestandteilen, noch

Sprachgebrauch

unterscheidet

berücksichtigt er beim Main den

ursprünglichen Zustand des Flusses; er vollzieht hiermit den Übergang der

Begriffe.

Die von jeher schiffbar gewesene Emster, ein unweit Brandenburg

mündender linkseitiger Nebenfluß der Havel wird nicht nur von der Bevölke­

rung, sondern auch auf den Landkarten und von den Behörden als „Emsterkanal"

bezeichnet, weil und seitdem sie vor 30 bis 40 Jahren eine aus­

giebige Verbesserung durch Regulierungswerke — Baggerungen und Begradi­ gungen — erfahren hat.

Auch der Staatssekretär Graf Posadowski im Reichstage

am 12.

April

Übergang an sich möglich sei.

geht bei seiner Erklärung

1904 von der Annahme

aus,

daß jener

Er sagtet

* Eine Probe dieses Sprachgebrauchs findet sich z. B. in einer Zuschrift „Vom bayrischen Mainschifferverband" in der Zeitschrift „Der Niederrhein" vom 4. Januar 1906 S. 3. 2 Die Finow war schon vor ihrer Kanalisierung für die damals üblichen kleinen Fahrzeuge schiffbar und wurde auch tatsächlich als Schiffahrtsweg benutzt. 3 Stenographische Berichte S. 2018.

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8 3.

51

Übergang des einen Begriffs in den anderen.

„Was zunächst die natürlichen Wasserläufe betrifft, so werden Sie mir

zugestehen, daß unter Umständen ein natürlicher Wasserlauf streckenweise

solche Veränderung erfahren kann, daß er — unter Umständen sage ich — den Charakter einer künstlichen Wasserstraße annimmt." H

rj:

Den entgegengesetzten Standpunkt vertritt insbesondere Prinz Ludwig von Bayern, der in der 15. Hauptversammlung des Vereins für Hebung der Fluß- und Kanalschiffahrt in Bayern am

18. Juni 1905 — nach

dem Bericht der Kölnischen Zeitung — ausführte: „Wie Sie alle wissen, bin ich ein Gegner der Binnenschiffahrtsabgaben.

Ich

möchte, daß auch auf den künstlichen Wasserstraßen keine Abgaben

erhoben

werden und selbstverständlich

auf den natürlichen Wasserstraßen

Es fragt sich nur,

was man unter natürlichen und

erst recht nicht.

unter künstlichen Wasserstraßen begreift.

Fluß, gleichviel ob

Meiner Ansicht nach ist jeder

er durch Längsbauten, Einengungen, Buhnen usw.,

oder ob er durch Oberbauten, künstliche Anstauungen, was man gewöhnlich Kanalisation

nennt,

reguliert wird, ein Fluß nach wie vor und eine

natürliche Wasserstraße und keine künstliche." Auf einen ähnlichen Standpunkt stellt sich Schumacher, indem er sagt *:

„Zumal da zu der Zeit, auf welche der Artikel 54 der Reichsverfassung

zurückgeht,

noch nicht an so großartige Regulierungswerke, wie sie heute

an der Tagesordnung sind, gedacht wurde, so ist zweifellos der Gegensatz zwischen natürlichen und künstlichen Wasserstraßen vom Gesetzgeber als absoluter Gegensatz gedacht worden: natürliche Wasserstraßen sind diejenigen,

welche durch die Natur gegeben sind, künstliche diejenigen, welche erst durch die Kunst des Menschen geschaffen werden. Ein Übergang des einen Begriffs zum andern ist ausgeschlossen.

der Natürlichkeit vermag

Die urwüchsige Eigenschaft

hier Menschenwerk nicht zu beseitigen.

Jeder

technische Ausbau eines Flußbettes, mag er auch noch so großartig sein, ist daher rechtlich nicht von wesentlicher Bedeutung; ein Fluß bleibt, was

er war,

eine

natürliche

Wasserstraße.

Würde

durch

Eingreifen

Menschen in den Lauf eines Stromes seine Natürlichkeit aufgehoben,

des so

sähe man zu der radikalen Konsequenz sich heute genötigt, das Vorhandensein schiffbarer natürlicher Wasserstraßen

ganz in Abrede zu stellen, was auch

den Regeln juristischer Interpretation, die stets auf logische Erhaltung

im Gesetze ausgesprochener Gegensätze bedacht sein soll, nicht entsprechen würde. * Zur Frage der Binnenschiffahrtsabgaben S. 136. 4*

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

52

Aus ähnlichen Gründen muß auch die versuchte künstliche Begriffs­ spaltung von der Hand

eine kanalisierte oder

gewiesen werden, nach der

für die Schiffe, die auf ihr auch vor der

regulierte Wasserstraße zwar

Regulierung bereits fahren konnten,

eine natürliche bleibt, dagegen für

alle anderen Fahrzeuge von größerer Bauart zu einer künstlichen wird. Auf

allen Strömen und Flüssen können daher nicht ohne weiteres,

wie auf künstlichen Wasserstraßen, Abgaben erhoben werden, sondern nur

für

die

„Benutzung

besonderer

Anstalten,

die

Erleichterung

zur

des

Verkehrs bestimmt sind." Demgegenüber ist jedoch der Standpunkt des allgemeinen Sprachgebrauchs

als der für die Untersuchung

der Frage

maßgebende festzuhalten.

Vermutung spricht dafür, daß der Gesetzgeber Begriffe

Sinne des

allgemeinen Sprachgebrauchs anwendet.

Die

und Ausdrücke im

Der Gegenbeweis für

eine abweichende Sprachweise des Gesetzgebers ist freilich offen, er ist aber im vorliegenden Falle nicht zu erbringen.

Die von Schumacher in Aussicht genommene radikale Konsequenz des Nichtvorhandenseins natürlicher Wasserstraßen liegt nicht im Nahmen des

Sprachgebrauchs, weil dieser weder radikal ist noch bei der Bezeichnung der

in einer Entwicklung begriffenen Dinge an ihren ursprünglichen Eigenschaften und Erscheinungsformen haftet.

Er entwickelt sich mit diesen Dingen und

trägt den Veränderungen ihres Wesens Rechnung.

Freilich nicht in dem

Sinne, daß er sie in jedem Stadium der Veränderung wohnenden kombinierten Eigenschaften bezeichnet.

künstlichen

Wasserstraßen,

keine

überwiegend

mit den ihnen bei­

Er kennt keine teilweise

künstlichen

Straßen,

keine

hauptsächlich agrarischen Staaten;

das sind Beschreibungen oder Charakte­

risierungen, aber keine Ausdrücke.

Der Sprachgebrauch drängt nach Kürze

der Ausdrucksweise;

er benennt die Gegenstände gemischter Art mit ihrer

überwiegenden, jeweilig charakteristischen Eigenschaft.

Dem Einwande gegen die Begriffsspaltung ist entgegenzuhalten, daß diese Spaltung — wie bereits angedeutet * — durch den organischen Zusammen­

hang der Begriffe Wasserstraße, Anstalt, Benutzung und Verkehrserleichterung sich notwendig

ergibt.

Die

Exemtion

desjenigen Verkehrs,

welcher

eine

Wasserstraße schon vor ihrer Verbesserung benutzen konnte und auch mittelbar

von dieser Verbesserung keinen Vorteil hat,

ergibt sich aus rechtlichen und

Billigkeitsgründen ohnehin und ist von der Frage, ob die Stromverbesserungen nach ihrer Art und ihrem Umfange die Wasserstraße zu

einem künstlichen

machten, unabhängig.

Die Ansicht Schumachers wird vielfach geteilt, z. B. von dem Reichstags i Vgl. Ill 8 1, S. 40.

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H 3.

Übergang des einen Begriffs in den anderen.

53

abgeordneten Gothein in einem Vortrage vor dem Zentralverein für Binnen­

schiffahrt am 9. Dezember 1903

und von Professor Rehm in Straßburg,

der in den „Münchener Neuesten Nachrichten" vom 14. Februar 1905

für

in Anspruch nimmt.

die natürlichen Wasserstraßen den edaraeter

Auch Professor Wiedenfeld steht auf demselben Standpunkte *

-i«

ri-

Eine Zwischenstellung nimmt Professor Löning ein, der sich in Aufsatze „Reichsverfassung und Schiffahrtsabgaben"

der Deutschen Juristenzeitung

1905

Nr. 6

einem

im zehnten Jahrgange

zur Sache geäußert hat.

Er

sagt zunächst: „Bei unbefangener Betrachtung wird aber darüber ein Zweifel nicht be­

stehen,

zwei

daß

die Neichsverfassung

sämtliche

schiffbare Wasserstraßen in

scharf von einander getrennte Klassen einteilt,

in natürliche

und

künstliche, und für beide gesonderte Rechtsnormen aufstellt. Für eine dritte Klasse, die einen Übergang von natürlichen zu künstlichen Wasser­

straßen bilden soll, ist nach der Reichsverfassung kein Raum.

Diese Be­

griffe sind nicht etwa solche der Naturwissenschaft oder der Technik, sondern

sie sind Rechtsbegriffe.

Es kommt deshalb für die Auslegung der Reichs­

verfassung nicht darauf an, was die Naturwissenschaft oder Technik ehemals oder heute unter natürlichen und künstlichen Wasserstraßen verstanden hat

und versteht,

sondern darauf,

diesen Worten verbindet.

welche Begriffe die Reichsverfassung mit

Es ist klar und

unbestritten,

natürlichen Wasserstraßen nicht nur solche versteht,

daß sie unter

deren Zustand und

* Zeitschrift für Binnenschiffahrt 1904, S. 67. 2 Archiv des Deutschen Landwirtschaftsrates, XXIX. Jahrgang, 1905, S. 73ff. Wiedenfeld hat, wie Schumacher, bei seinen Ausführungen zunächst nur die Binnenwasserstraßen oder, genauer gesagt, nur die Flüsse im Auge. Das zeigt sich in der von ihm S. 81 a. a. O. aufgestellten These: „Die Unregelmäßigkeit der Wasser­ führung ist technisch das Kennzeichen der natürlichen, die Regelmäßigkeit das der künstlichen Wasserstraße. Technisch ist also der Stand unserer Ströme in der Tat so geändert worden, daß sie kaum noch als natürliche Wasserstraßen anzusprechen sind." Von der Wasserführung kann man nur bei einem Teil der Binnenwasser­ straßen und — infolge des Wechsels der Gezeiten — bei den Seeschiffahrtsstraßen an der Nordsee sprechen; bei der großen Mehrzahl der eigentlichen Kanäle, bei den masurischen Wasserstraßen, die fast nur aus einer Seenkette bestehen, bei den Haffen und Bodden, scheidet der Begriff der Wasserführung aus. Er ist also für die Gruppierung der Wasserstraßen in natürliche und künstliche nach technischen Gesichts­ punkten selbst dann nicht brauchbar, wenn man sich auf das Gebiet der Binnen­ schiffahrt beschränkt. Noch weniger ist er es, wenn man die Seewasserstraßen der Ostsee, die Schlei und die sonstigen Buchten und Meeresarme mitberücksichtigt, wie man es bei vollständiger Erörterung des Gegenstandes tun muß.

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III.

54

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Gestaltung ausschließlich der Wirkung der Naturkräfte überlassen werden. Natürliche Wasserstraßen in diesem Sinne gibt es in Deutschland nicht. In allen Staaten ist es seit langer Zeit als Aufgabe des Staates an­

erkannt, den von Natur eintretenden schädlichen Veränderungen der Wasser­ läufe entgegenzuwirken und durch planmäßige,

künstliche Veranstaltungen

den Wasserlauf im Interesse der Schiffahrt und der Landeskultur zu ver­

bessern.

Zu diesen künstlichen Verbesserungen gehört auch die Herstellung

einer für die Schiffahrt genügend tiefen

und breiten Fahrstraße.

Wird

das Flußbett den Einwirkungen der Naturkräfte überlassen, so wird der

der Schiffahrt als

Wasserlauf über kurz oder lang seine Eigenschaft, Wasserstraße zu dienen,

auf

das

schwerste

anstaltungen

einbüßen oder wenigstens in dieser Eigenschaft

geschädigt

werden.

Durch

hört die Wasserstraße nicht auf,

solche

eine

planmäßige

Ver­

natürliche zu

sein.

Freilich sind die Anforderungen, welche die Schiffahrt stellt, nicht zu allen

Zeiten und auf allen Flüssen die gleichen.

Auch wenn es Schiffen, die

bisher den Fluß nicht befahren konnten, durch Vertiefung des Flußbettes

ermöglicht wird, den Fluß als Wasserstraße zu benutzen, verändert die Wasserstraße ihren Charakter nicht.

Nach wie vor durchströmt der Wasser­

lauf innerhalb der Ufer sein natürliches Bett, das, wenn es auch strecken­ weise tiefer gelegt wird, gestaltet wird.

dadurch nicht zu einem künstlichen Bett um­

Bis in die neueste Zeit ist es unbestritten gewesen, daß

eine natürliche Wasserstraße durch eine planmäßige Regulierung, die be­ zweckt, die Fahrrinne zu vertiefen, zn verbreitern und zu begradigen, nicht zu einer künstlichen im rechtlichen Sinne umgewandelt wird." In einem Falle, nämlich in dem der Verbesserung des Fahrwassers durch Stauanlagen, nimmt jedoch Löning den Übergang von der natürlichen

zur künstlichen Wasserstraße als möglich an.

Er sagt hierüber:

„Die Kanalisierung, durch welche die natürliche in eine künstliche Wasser­ straße umgewandelt wird,

unterscheidet sich scharf und bestimmt von der

Regulierung dadurch, daß durch Herstellung von Stauanlagen (Stau- und

Kammerschleusen, Nadelwehre usw.) in

künstlicher Weise die Befahrung

der Wasserstraße nur den Schiffen ermöglicht wird, für welche diese Stau­

anlagen geöffnet werden." Es ist vollkommen richtig, daß die Begriffe der natürlichen und künst­ lichen Wasserstraße nicht solche der Naturwissenschaft und der Technik, sondern Rechtsbegriffe sind.

für

Aber die letzteren sind gerade so wie die beiden ersteren

ihre Verkörperung

auf

den

allgemeinen Sprachgebrauch

angewiesen;

deshalb ist dieser zunächst, und — sofern eine besondere Terminologie des Gesetzgebers

nicht

erweislich

sein

sollte — endgültig für die Auslegung

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Übergang des einen Begriffs in den anderen.

8 3.

maßgebend.

Wenn Löning

weiter

sagt,

daß

55

die Reichsverfassung unter

natürlichen Wasserstraßen nicht nur solche verstehe, deren Zustand und Ge­

staltung ausschließlich der Wirkung der Naturkräfte überlassen sei, und daß

die Staaten die Verbesserung der Schiffahrt ihrer Ströme sich seit langer

Zeit zur Aufgabe gemacht hätten, so sind auch diese beiden Behauptungen zutreffend.

Aber

sie

beweisen nichts

für die Frage,

ob

der

allgemeine

Sprachgebrauch, der hinsichtlich des ersteren Satzes sich durchaus im Ein­ klänge mit demjenigen der Gesetzgebung befindet, den Übergang der Begriffe im Falle einer besonders

intensiven,

gleichviel ob mit oder ohne staatliche

Verpflichtung vorgenommenen künstlichen Steigerung

der Verkehrsbrauchbar­

keit einer Wasserstraße anerkennt oder vielmehr — denn auf ihn kommt es

an — bewerkstelligt. Löning selbst spricht diese Anerkennung aus für den Fall der Kanali­

sierung.

Die Beschränkung der Möglichkeit des Überganges der Begriffe

auf diese eine Methode der Fahrwasserverbesserung wird von ihm damit begründet, daß nach

erfolgter Kanalisierung die Wasserstraße nur von den

Schiffen befahren werden könne, welchen die Stauanlagen geöffnet werden.

Dieses Kriterium kann jedoch als maßgebend für die Künstlichkeit der Wasser­ straße nicht anerkannt werden; denn letztere beruht lediglich auf

der die

Fahrtiefe vergrößernden Wirkung des Stauwehres, nicht auf der Durch­ schleusung, die lediglich das Mittel zur Überwindung des Höhenunterschiedes

der Staustufen

oder Haltungen

ist.

Die

künstlich

vergrößerte

Fahrtiefe

kommt aber nicht nur den durchgeschleusten Schiffen zugute, sondern

auch

denjenigen, welche die gestauten Strecken ohne Durchschleusung benutzen *.

Bei Niederungsflüssen mit schwachem Gefälle sind

von sehr beträchtlicher Länge.

diese Strecken zuweilen

Und wenn es nicht auf den Durchschleusungs­

akt, sondern auf die Ausnutzung der künstlich geschaffenen Fahrtiefe ankommt,

so ist nicht abzusehen, weshalb die Fahrtiefe nur dann künstlich sein soll, wenn sie durch Erhöhung des Wasserspiegels entstanden

ist, und nicht auch

in dem Falle, wenn sie auf Vertiefung des Strombettes beruht.

Dieselbe Frage entsteht übrigens auch bei Häfen, insbesondere bei den im Flutgebiet der Nordsee belegenen.

Es gibt Seehäfen, deren Fahrtiefe

darauf beruht, daß man ihre Wasserflächen durch Schleusen gegen Ebbe und

* Dieser Verkehr spielt auf den märkischen Wasserstraßen, z. B. in und bei Berlin, eine erhebliche Rolle. Bei geringem Gefälle reicht der Stau sehr weit zurück, z. B. von Berlin bis Königswusterhausen 40 km, von Brandenburg bis Potsdam 60 km, von Rathenow bis Brandenburg 50 km.

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III.

56 Flut

abgeschlossen

Gegenstand der Abgabenerhebung.

*, hat

bei

während

anderen

die

Hafengewässer durch

Baggerungen, Spülbecken und sonstige Hilfsmittel so stark vertieft worden

sind, daß sie

auch

bei Ebbewasserstand zugänglich

bleiben.

Es ist nicht

abzusehen, weshalb die letzteren, die sogenannten Tidehäfen, weniger künstlich

sein sollten, wie die ersteren, die sogenannten Dockhäfen. Wollte man die Künstlichkeit lediglich von der Stauwirkung abhängig machen,

so

käme man zu dem seltsamen Ergebnis, daß Wasserstraßen und

Häfen zeitweise künstlich und zeitweise natürlich sein können und sind. kanntlich werden bei kanalisierten Flüssen Wasserstände die Wehre gelegt.

alljährlich

Be­

nach Eintritt höherer

natürliche Abflußvorgang tritt dann

Der

wieder in Wirksamkeit und die Schiffahrt benutzt nicht die Schleusen, sondern die Durchlässe in den Wehrrücken. In den Geestemünder Hafen können große Seeschiffe wegen zu geringer

Länge der Schleusenkammer nur bei Öffnung beider Tore, also geglichenem Binnen-

und

Außenwasserstande einfahren;

bei aus­

sie benutzen also

die Schleuse bei der Ein- und Ausfahrt überhaupt nicht.

Die

Berücksichtigung

dieser

zeitweisen

Ausschaltung

des

Schleusen­

betriebes im Sinne der zeitweiligen Wiedereinreihung der Wasserstraßen oder

Häfen in die Klasse der „natürlichen" würde die sonst perhorreszierte Be­

griffsspaltung in einer anderen Erscheinungsform zur Folge haben. Die Praxis, von der später noch die Rede sein wird, hat die Unter­

scheidung zwischen künstlichen und natürlichen Verkehrsmöglichkeiten weder bei Häfen noch bei Wasserstraßen von der Wahl der technischen Methoden Bei beiden ist jede Art der Schiffahrtsverbesserung als

abhängig gemacht.

abgabefähig behandelt worden.

8 4. Logische Interpretation aus der Entstehungsgeschichte und der Praxis. Der Begriff der künstlichen Wasserstraße ist, wie bereits erwähnt, erst

im Jahre 1867

bei Erlaß der Bundesverfassung und Abschluß des letzten

Zollvereinsvertrages neu aufgestellt worden.

Bis dahin unterschied

man

im Text der Zollvereinsverträge nicht zwischen den verschiedenen Arten von Schiffahrtsanstalten.

Die altüberlieferte Aufzählung, zuletzt in Art. 17 des

Zollvereinsvertrages vom

16.

Mai

1865, enthielt nebeneinander Kanal-

* Beispiele hierfür sind insbesondere Emden, Wilhelmshaven, Bremerhaven,

Geestemünde, Harburg, Glückstadt.

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Z 4.

Logische Interpretation aus der Entstehungsgeschichte und der Praxis. 57

gebühren, Schleusengebühren — ohne Rücksicht darauf, ob die Schleusen in

künstlichen oder natürlichen Wasserstraßen lagen oder Bestandteile von Hafen­ anlagen waren — und Gebühren oder Leistungen für Anstalten, die zur Er­

leichterung des Verkehrs bestimmt sind; diese eluusulu Z6N6ra1i8 bezog sich

auf jede Art von körperlichen oder unkörperlichen Einrichtungen an und in künstlichen oder natürlichen Wasserstraßen.

Sie wurde wenigstens von der

preußischen Regierung, der Urheberin der Zollvereinsverträge so verstanden

und in der Praxis, wie demnächst noch ausführlich dargelegt werden soll,

so gehandhabt. Das unter solchen Umständen nicht vorhandene logische und stilistische Bedürfnis zur Aufstellung des Begriffs der künstlichen Wasserstraße ergab

sich erst durch den im Jahre 1867 gefaßten Entschluß, unter den künstlichen Wasserstraßen zwei Gruppen, die fiskalischen und nichtfiskalischen, zu unter­

scheiden und die letztere unter die Herrschaft einer Ausnahmevorschrift zu

stellen.

Man wollte bei ihr den sonst überall durchgeführten Grundsatz, daß

die Einnahmen aus den Schiffahrtsabgaben steigen dürften,

die Selbstkosten nicht

das Gebührenprinzip,

mit anderen Worten

über­

außer Kraft

setzen, weil man das Privatkapital für den Ausbau des deutschen Wasser­

straßennetzes zu interessieren suchte ^.

Das konnte man nur, wenn man die

Möglichkeit einer die landesübliche Verzinsung und Tilgung überschreitenden

Rente aus Schiffahrtsabgaben eröffnete. Es ist nun aber wenig wahrscheinlich — die Natur der Dinge spricht

durchaus dagegen —, daß man jenes Ziel nur für erstrebenswert und dieses Mittel zum Zweck nur für notwendig erachtet haben sollte hinsichtlich solcher Wasserstraßen, die durch Einschnitte im trockenen Boden, also

durch Aus­

grabung im eigentlichen Sinne herzustellen waren, nicht aber auch bei den< jenigen, die durch Anstauung, Begradigung oder Vertiefung nicht schiffbarer

oder

ungenügend

schiffbarer

Gewässer

ausgeführt

Möglichkeit des Baues nützlicher Wasserstraßen

werden

der

konnten.

Die

letzteren Gruppe lag

damals und liegt noch heute vielfach vor, der Gesichtspunkt der Ermunterung des Privatkapitals galt auch für diese Gruppe.

Bei den Plänen für den Bau des Nordostseekanals, deren Vorhanden­ sein bekanntlich einen Hauptgrund für die Zulassung eines Reingewinns

von nichtfiskalischen künstlichen Wasserstraßen abgab,

spielte die teilweise

Benutzung schiffbarer Flüsse — der Eider, Trave und Stör — eine ziemlich wichtige Rolle 2.

Hätte man die Möglichkeit eines Reingewinns auf den

gegrabenen Teil der geplanten Wasserstraße beschränken wollen, so hätte man * Schumacher S. 61. 2 Geschichte des Nordostseekanals von Loewe.

Berlin 1895.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

58

auf einer solchen Finanzierungsgrundlage keine Unternehmer für den Kanal­ bau gewinnen können.

Mit anderen Worten: wollte man nur gegrabene

Kanäle als künstliche Wasserstraßen gelten lassen, so hätte man die Möglich­ keit der Benutzung jener Flüsse ausgeschaltet und sich Kanallinie sehr beschränkt.

in der Wahl der

eine solche

ist sehr unwahrscheinlich, daß

Es

Absicht bestand. Übrigens hatte sich kurz vorher, im Jahre 1866, eine Gruppe von

beteiligten Privatleuten zu einer Gesellschaft vereinigt, um die Emster, einen

von jeher schiffbaren * durch

Nebenfluß der Havel in der Provinz Brandenburg,

Regulierung zu verbessern.

daß durch diese sehr

Man nahm an,

intensive, hauptsächlich in Baggerungen und Durchstichen bestehende Schiff­ fahrtsverbesserung die Emster zu einer künstlichen Wasserstraße geworden sei. In einem Erlaß des Handels- und Finanzministers vom 3. Juni 1865 —

im Stadium der Vorverhandlungen — heißt es: „Nach dem Ablauf der Konzessionszeit ist den Unternehmern die Zurück­

nahme der verbesserten Schiffahrtsstraße, soweit dieselbe mit dem bis­ herigen öffentlichen Schiffahrtswege der Emster zusammen­

fällt, resp, an dessen Stelle tritt, in die fiskalische Unterhaltung zuzusichern." Später

wurde

gleichzeitig

mit

der Konzessionserteilung

der Privat­

gesellschaft das Recht zur Erhebung einer Schiffahrtsabgabe durch Königlichen Erlaß gewährt und durch

vom Hundert des laufenden

ministerielle Verfügung

eine Verzinsung von 6

gesamten Baukapitals, abgesehen von der Deckung aller

Unkosten, durch

Schiffahrtsabgaben zugelassen.

Das war nur

möglich, wenn man die Emster als künstliche Wasserstraße ansah; kanalisiert,

d. h. mit Stauanlagen verbessert war und ist sie bis heute nicht. Im Jahre 1884 trat das Privatkapital an die Staatsregierung heran mit dem Anträge auf Kanalisierung der Mosel, und eine ähnliche Absicht

bestand vor einigen Jahren bei dem Provinzialverbande von Westfalen be­ züglich der Lippe?.

Hierbei ging man stets von der Voraussetzung aus,

daß

die

und

daß

die

oder

gar

nur auf Schleusen verwendeten Anlagekapitals

kanalisierte

Mosel

Verzinsung

erzielt werden dürfe.

und des

Lippe

künstliche

gesamten,

nicht

Wasserstraßen

nur

des

würden,

auf Stauwerke durch

Abgaben

Eine derartig doktrinäre Unterscheidung konnte man

weder dem Kapital zumuten, noch kann man von dem Urheber der maß­

gebenden Verfassungsvorschrift annehmen, daß er sie gewollt hat. * Vgl. Allerhöchsten Erlaß vom 7. August 1830, Preuß. Ges.S. S. 117 u. S. 50 dieser Arbeit. 2 Beschluß des Westfäl. Provinziallandtages vom 20. März 1900.

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A 5.

Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

5A

Diese Beispiele lehren, daß die gesetzgeberischen Beweggründe für die

ausnahmsweise

der

Behandlung

Finanzierung nicht oder doch

künstlichen

Wasserstraßen

hinsichtlich

der

nicht vollständig im Gesetzestext berücksichtigt

worden wären, wenn man die Worte „künstliche Wasserstraßen" nur auf die

eigentlichen Kanäle beziehen wollte.

Mit dieser Beschränkung konnte der

verfolgte Zweck nur unvollständig und unter Umständen überhaupt nicht er­ reicht werden.

Dem entspricht auch die Praxis bezüglich der kanalisierten Strecken des Mains und der Ems.

Als der Magistrat zu Frankfurt a. M. in die Zulässigkeit von

1889

einer Eingabe vom Jahre

Schiffahrtsabgaben gegenüber den Vorschriften

des Art. 54 der Reichsverfassung in Zweifel gezogen hatte, erwiderten ihm die Minister der öffentlichen Arbeiten, für Handel und Finanzen am 3t. Juli 1890,

dieser Zweifel

sei unbegründet.

Denn die durch

Stauwerke um

1,10 m vertiefte Flußstrecke könne als natürliche Wasserstraße im Sinne jenes Artikels nicht mehr betrachtet werden, sie trage vielmehr den Charakter

einer künstlichen.

Es

würden daher

gegen die Erhebung von Schiffahrts­

abgaben — unter Freilassung solcher Schiffe, für welche schon das Fahr­

wasser in seiner früheren Tiefe genügte — keine Bedenken obwalten. Das künstlich geschaffene ist hiernach die größere Fahrtiefe; auf die Schleusenöffnung als solche kommt es nicht wesentlich an.

sierten Ems, wo

Auf der kanali­

die Abgaben lediglich nach Tonnenkilometern zu zahlen

sind, werden deshalb auch diejenigen Schiffstransporte, welche nur die Fahr­

tiefe ausnützen, aber keine Schleuse durchfahren, mit Recht als abgabepflichtig

behandelt.

8 5.

Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung mit abweichenden Ansichten. Nach dem vorher Ausgeführten sind Schiffbarkeit, Wasserstraße, Natür­ lichkeit und Künstlichkeit relative Begriffe, die in der Praxis des Lebens

durch scharfe Grenzlienien weder getrennt sind noch getrennt werden können. Natürliche Wasserstraßen sind diejenigen, deren Verkehrsbrauchbarkeit

im wesentlichen auf ihrer natürlichen Beschaffenheit beruht, künstliche Wasser­ straßen

diejenigen,

deren

menschlicher Arbeit ist. ist möglich.

Schiffbarkeit

in

der Hauptsache

das Ergebnis

Der Übergang aus der einen Klasse in die andere

Maßgebend für die Beurteilung dieser Fragen ist der Sprach­

gebrauch.

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60

III.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Die Feststellung des Begriffs der natürlichen und künstlichen Wasser­

straßen steht in

engem organischen Zusammenhänge mit der Bestimmung

des Anstaltsbegriffs.

Dieser Zusammenhang ergibt sich aus einer dreifachen

Beziehung. Zunächst ist die künstliche Wasserstraße nach den Zollvereinsverträgen und der Reichsverfassung selbst eine „Anstalt".

Sodann sind die Bauten, welche zur Schiffbarmachung eines nicht schiff­ baren und zur Verbesserung der Schiffbarkeit eines schiffbaren Gewässers aus­

geführt werden, einzeln genommen „Anstalten" oder sie können es wenigstens sein; die letztere Einschränkung bezieht sich auf die hier zunächst als offene Frage behandelte Möglichkeit, daß nicht alle Wasserbauten unter den Begriff

der „Anstalten" oder „besonderen Anstalten" im Sinne des geltenden Rechts

fallen sollten.

Ferner sind es wiederum Anstalten, deren Ausführung in großem Maß­ stabe an einer natürlichen Wasserstraße den Übergang einer solchen in die Klasse der künstlichen herbeiführt. Diese nahe Verbindung der beiden Begriffsbestimmungen oder Aus-

legungssragen

bringt es mit sich, daß die Lösung der einen aus die der

anderen zurückwirkt.

Es ist daher notwendig, sich schon jetzt die Folgen klar

zu machen, welche die hier vertretene Auslegung des Begriffs der künstlichen

und natürlichen Wasserstraße auf die Bestimmung des Anstaltsbegriffs haben muß.

Die Feststellung dieser Folgen ist auch insofern nicht ohne Wert, als

aus der Erzielung praktisch angemessener Ergebnisse bei der Anwendung des einen Begriffs ein gewisser Wahrscheinlichkeitsschluß auf die Richtigkeit der Auslegung des anderen gezogen werden kann, während umgekehrt die Ver­

mutung

gegen die Richtigkeit der einen Begriffsbestimmung sprechen würde,

wenn sie sich als Quelle von Unstimmigkeiten und praktischen Unzuträglich­ keiten bei der Anwendung des anderen Nechtsbegriffs erweisen sollte.

Man

kann von den beiden Begriffen sagen, daß sie sich zu einem gewissen Grade

gegenseitig kontrollieren, und daß die Auslegung des einen einen Prüfstein für die Richtigkeit der Auslegung des anderen abgibt.

In dieser Hinsicht ergibt sich nun bei näherer Prüfung, daß die hier

vertretene Ansicht von der Möglichkeit des Überganges der Begriffe zusammen­ paßt und in Einklang steht mit der Auffassung, daß alle Wasserbauten,

welche die Schiffbarkeit einer Wasserstraße erhöhen,

ohne Unterschied der

technischen Methode Anstalten im Sinne des Art. 54 der Verfassung sind.

Denn wenn jene Ansicht und diese Auffassung beide zutreffen, so kann in der Frage der finanziellen Behandlung der Wasserstraßen ein einfacher und

der wirtschaftlichen Gerechtigkeit entsprechender Gedanke, nämlich derjenige

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Z 5. der

Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

gebührenmäßigen Deckung

61

aller im Schiffahrtsinteresse aufgewendeten

Kosten, überall gleichmäßig und folgerichtig durchgeführt werden.

Die durch

Abgaben aufzubringenden Beträge wachsen in dem Verhältnis des tatsächlichen Fortschreitens der Schiffahrtsverbesserungen und der Übergang von der natür­

lichen zur künstlichen Wasserstraße ist auf die finanzielle Behandlung an sich ohne Einfluß.

Im

umgekehrten Falle,

wenn

beispielsweise

nur

Stauwerke,

nicht

aber Baggerungen, Felssprengungen und Buhnen als Substrate der Abgabe­ erhebung angesehen werden, hätte dieser Übergang die plötzliche und sachlich ganz ungerechtfertigte Wirkung, daß nunmehr nicht nur die Kosten der Stau­

anlagen, sondern alle auf die Wasserstraße im ganzen verwendeten Kosten durch Abgaben

eingebracht werden dürften.

Sprung in der finanziellen Entwicklung.

Es gäbe einen unvermittelten

Gewisse Kapitalien und laufende

Ausgaben, welche für bestimmte Arten von Wasserbauten verwendet worden sind, könnten vom Zeitpunkte des Übergangs an rentbar gemacht werden,

obwohl dies Verfahren vorher unzulässig war und obwohl die Funktionen

jener Bauten für die Erhöhung der Verkehrsbrauchbarkeit des Wasserweges dieselben geblieben sind, wie bisher.

der Finanzierung

Mit anderen Worten: die Möglichkeit

von älteren Wasserbauten durch Abgaben würde nach­

träglich dadurch geschaffen, daß später neue Wasserbauten hinzugetreten sind

und der Wasserstraße nunmehr das Gepräge einer künstlichen gegeben haben. Für eine solche Gestaltung des öffentlichen Rechts lassen sich logische und wirtschaftliche Gründe nicht anführen, und es

ist deshalb nicht an­

zunehmen, daß sie in der Absicht des Gesetzgebers gelegen habe. Das hier dargelegte Ergebnis spricht allerdings gegen jede der beiden ihm zugrunde liegenden Voraussetzungen,

sowohl gegen die Annahme, daß

nicht jede Anstalt zur Erleichterung der Schiffahrt ein zulässiges Substrat der Abgabenerhebung sei — denn nur diese Annahme führt zu einer jähen Veränderung in den Finanzierungsgrundlagen beim Übergange von der natür­ lichen zur künstlichen Wasserstraße — als auch gegen die Möglichkeit eines

solchen Überganges überhaupt. Es muß daher noch untersucht werden, ob die Annahme, daß kein solcher Übergang stattfinden könne, daß vielmehr den historisch-natürlichen Wasserstraßen ein eüaraerer LnäelebLILs im Nechtssinne beiwohne, praktisch

mit der Voraussetzung zu vereinigen ist, daß nur gewisse Wasserbauten, ins­

besondere Schleusen, Substrate der Abgabenerhebung seien.

In diesem Falle

treten aber mindestens ebenso starke Unstimmigkeiten und Unzuträglichkeiten

in die Erscheinung. eine

Alsdann bleibt zwar der kanalisierte Fluß — um dieses

besonders wichtige Beispiel anzuführen — nach wie vor natürliche

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III. Gegenstand der Abgabenerhebung.

62

Wasserstraße; für die Finanzierung durch Schiffahrtsabgaben darf aber nur der Teil des Baukapitals herangezogen werden, der auf die Stauanlagen

verwendet worden ist.

Nun sind aber bei Flußkanalisierungen die Stau­

anlagen keineswegs die alleinigen Hilfsmittel zur Erzielung der im Schiff­

fahrtsinteresse angestrebten Fahrtiefe.

Daneben spielen insbesondere Bagge­

rungen und Felssprengungen zur Vertiefung der Flußsohle und Ausgleichung

des Gefälles

eine sehr

große Rolle.

Es ist eine in jedem Einzelfalle zu

lösende praktisch-technische Frage, welcher Teil der erstrebten Fahrwassertiefe besser, billiger und dauerhafter durch höheren Aufstau oder durch Tieferlegung

des Strombettes herzustellen ist.

Aber auch die Buhnen und Einschränkungs­

werke sind bei kanalisierten Flüssen mit beweglichen Wehren notwendig.

Sie

müssen dauernd in Stand gehalten werden, weil bei niedergelegten Wehren die normale Wasserführung wieder eintritt.

Es wäre geradezu gegen die Natur der Dinge, wenn man den wirt­ schaftlichen Nutzen, der durch eine Flußkanalisierung dem Verkehr dargeboten in den durch die Stauanlagen und den durch die sonstigen Wasser­

wird,

bauten geschaffenen Teil zerlegen und sich bei der Finanzierung des Unter­

nehmens

durch Gebühren

auf

den

ersten Teil

beschränken müßte.

Der

organische Zusammenhang zwischen den verschiedenen, auf die Verbesserung der Schiffbarkeit

gerichteten Maßregeln würde hierdurch in einer sachlich

ungerechtfertigten Weise zerrissen.

Daß der Gesetzgeber eine solche Lösung

gewollt hätte, wäre nur dann anzunehmen, wenn es strikte bewiesen werden

könnte.

In Ermangelung dieses Beweises muß unterstellt werden, daß der

Einheitlichkeit der wasserbautechnischen Behandlung des Stromes und des

dadurch

entstehenden wirtschaftlichen Nutzens auch die Einheitlichkeit in der

finanziellen Behandlung entsprechen sollte.

Eine Trennung technischer Systeme

und wirtschaftlicher Erscheinungen nach so äußerlichen Merkmalen würde auf

eine Vivisektion der Begriffe hinauslaufen. Ebenso unbegründet vom wirtschaftlichen Standpunkte im allgemeinen

und von demjenigen der gebührenmäßigen Finanzierung im besonderen wäre die grundsätzlich verschiedene Behandlung der regulierten und kanalisierten Ströme.

Es kann nicht wohl die Meinung des Gesetzgebers gewesen sein,

daß die Möglichkeit zur Aufbringung der Strombaukosten in Abgabenform

davon abhängen solle, ob die Wasserbautechniker nach gründlicher Prüfung der in Betracht kommenden hydrotechnischen und finanziellen Verhältnisse die eine oder die andere Methode des Ausbaues einer Wasserstraße bevorzugt

haben.

Eine solche Unterscheidung wäre äe leZe

kerenäu nicht zu recht­

fertigen und kann deshalb nicht als gewollt vorausgesetzt werden.

Alle diese Unstimmigkeiten mit ihren seltsamen und sachwidrigen Folge­

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Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

Z 5.

63

Erscheinungen werden nur in dem Falle vermieden, wenn der Übergang von

der natürlichen zur künstlichen Wasserstraße als möglich und jeder schiffahrts­

förderliche Wasserbau als zulässiges Substrat der Abgabenerhebung angesehen

wird.

Alsdann verschwinden zugleich die rechtlichen und praktischen Schwierig­

keiten, welche sich aus der Unsicherheit und dem relativen Charakter des Be­

griffs der Schiffbarkeit für die Bestimmung desjenigen der natürlichen und

künstlichen Wasserstraße ergeben. Die

rechtliche

Bedeutung

des

Begriffs

der

künstlichen

Wasserstraße

beschränkt sich dann auf die Zulässigkeit der Erhebung von Schiffahrts­

abgaben,

welche über das Maß der Selbstkosten hinausgehen, durch nicht­

fiskalische Unternehmer

von

Wasserstraßenbauten.

Nur

in

diesem

einen

Punkte haben Bundesverfassung und Zollvereinsvertrag im Jahre 1867 den

durch die älteren Zollvereinsverträge geschaffenen, altüberlieferten Rechtszustand ändern wollens

es lag daher auch keine Veranlassung vor, dem Begriffe

der künstlichen Wasserstraße eine weiterreichende Wirkung

beizulegen.

Nur,

weil die Zulassung eines Reingewinns für künstliche Wasserstraßen privater Unternehmer

ausgesprochen

werden sollte,

ist

der Begriff

der künstlichen

Wasserstraße in die Fassung der neuen Rechtsvorschriften von 1867 hinein-

gekommen, und der Begriff der natürlichen Wasserstraße, welcher nur in der Bundesverfassung, nicht aber in dem inhaltlich identischen Zollvereinsvertrage auftritt, verdankt seine Entstehung lediglich dem Bedürfnis nach der Bezeich­

nung des Gegensatzes. erwähnt,

keinen

dieser

Die älteren Zollvereinsverträge kannten, wie bereits

Begriffe.

Sie

behandelten

Erleichterung des Verkehrs — die namentlich genannten

alle

Anstalten

zur

sind nur Beispiele

und bedeuten keine erschöpfende Aufzählung — gleich; sie kannten hinsichtlich der Zulässigkeit der Selbstkostendeckung aus Schiffahrtsabgaben einen Unterschied

zwischen verschiedenen Gruppen

von

Schiffahrtsanstalten ebensowenig wie

einen Unterschied zwischen natürlichen und künstlichen Wasserstraßen.

Sie

sind mit derjenigen Modifikation, welche sich aus der besonderen Bestimmung

für nichtfiskalische künstliche Wasserstraßen ergibt, noch heute geltendes Recht. Natürlich nur hinsichtlich der Erhebung von gebührenmäßigen Schiffahrts­

abgaben, nicht insoweit sie Bestimmungen über die Flußzölle auf konventio­ nellen Strömen und anderen Wasserstraßen enthielten, denn diese Zölle sind immer nur im Sinne der Exemtion in den Verträgen erwähnt worden mit dem Bemerken, daß hinsichtlich ihrer solle.

das geltende Recht unberührt bleiben

Sie waren also überhaupt nicht Gegenstand der Zollvereinsverträge;

in den Jahren 1866 und 1867 wurden sie bekanntlich beseitigt.

' Schumacher S. 61.

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HI-

64

Von

Gegenstand der Abgabenerhebung.

anderer Seite ist in Abrede gestellt worden,

von der natürlichen

haben könnte.

daß der Übergang

Wasserstraße zur künstlichen eine rechtliche Bedeutung

Auch hat man gesagt, es sei ein „logischer Widersinn", die

Möglichkeit dieses Überganges und zugleich die Anstaltseigenschast aller dem Schiffahrtsinteresse dienlichen Bauten zu behaupten

In Wirklichkeit stehen

die beiden letzteren Behauptungen nicht nur nicht im Widerspruch, sondern

sie ergeben sich umgekehrt als notwendige Folgen aus der Anschauung, der Gesetzgeber habe eine einheitliche, gleichmäßige und harmonische Regelung der wirtschaftlich-finanziellen Frage gewollt. Daß die Frage des Überganges

allerdings — und zwar für die Zulassung von Reingewinn für private Unternehmer — von rechtlicher Bedeutung ist, auch wenn man alle Wasser­

bauten als Substrate

der Abgabenerhebung

ansieht,

geht aus dem oben

Gesagten hervor.

* Vgl. Kölnische Zeitung vom 5. Februar 1905 Nr. 129: „Die rechtliche Seite der Schiffahrtsabgaben".

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8. Die Schiffahrtsanstalt. 1.

Allgemeine Bemerkungen.

Gegenstand und Substrat der Abgabenerhebung sind nach

geltendem

Rechte außer den künstlichen Wasserstraßen und künstlichen Häfen Mch die

Schiffahrtsanstalten in den natürlichen Gewässern.

Sie werden

an ver­

schiedenen Stellen mit verschiedenen Hauptwörtern — Anstalt und Anlage — und zuweilen auch noch mit Eigenschaftswörtern bezeichnet, die nicht überall die gleichen sind.

Die richtige Bestimmung des Anstaltsbegriffs im Wege der grammatischen und logischen Interpretation ist für die Beurteilung der Rechtsfrage von

entscheidender Bedeutung.

Wenn es richtig wäre, daß nicht alle zur Ver­

besserung der Verkehrsbrauchbarkeit eines natürlichen Gewässers bestimmten Bauwerke

Anstalten

im

Sinne

Anstalten im Sinne des Art.

des

allgemeinen

Sprachgebrauchs

oder

54 der Verfassung sind, wenn insbesondere

die häufig aufgestellte Behauptung zuträfe, daß

nur Schleusen, nicht aber

Buhnen, Baggerungen und Felssprengungen unter den Anstaltsbegriff fallen,

so müßte allerdings anerkannt werden, daß der Weg zur Einführung von Schiffahrtsabgaben auf den regulierten deutschen Strömen nur nach vorheriger Änderung der Reichsverfassung und der inhaltlich identischen Staatsverträge

gangbar wäre.

Demgemäß ist der Anstaltsbegriff auch der eigentliche Schlüsselpunkt

der umstrittenen Rechtsfrage, derjenige Punkt, auf den Angriff und Ver­ teidigung bei Anhängern und Gegnern der Schiffahrtsabgaben sich konzentriert.

Auch unter denjenigen, welche diese Abgaben für wirtschaftlich

berechtigt

halten, sind viele, wie namentlich Schumacher, Löning und Wiedenfeld, für

die einschränkende Auslegung des Anstaltsbegriffs eingetreten. Es ist ferner die Ansicht aufgestellt worden, daß die Verfassung die

Ausdrücke Anstalt und Anlage in Art. 54 Abs. 4 nicht synonym, sondern Schriften OXV. — Erster Teil. 5

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III.

66

Gegenstand der Abgabenerhebung.

den letzteren mit besonderer und

ausschließlicher Beziehung auf künstliche

Wasserstraßen gebrauche, woraus unter Umständen rechtliche Folgerungen sich ergeben könnten. Demgegenüber ist es von der größten Wichtigkeit, den Anstaltsbegriff

ebenso wie den ihm nahe verwandten Begriff der Anlage auf das sorgfältigste zu untersuchen und seinem Inhalte nach festzustellen.

Das soll hier zunächst im Wege der grammatischen Auslegung geschehen, und zwar unter Verwertung des Beweismaterials in derjenigen Reihenfolge,

welche sich aus dem Grade seiner Beweiskraft ergibt; erst im Rahmen des allgemeinen Sprachgebrauches

und dann in demjenigen

der Gesetzgebung

über Wasserbau- und Schiffahrtsangelegenheiten.

Die grammatische Interpretation.

2.

a) Der Anstaltsbegriff an sich. 8 1-

Verhältnis der Begriffe Anstalt und Anlage. Der Art. 54 spricht in seinem dritten und vierten Absätze von den im Schiffahrtsinleresse

ausgeführten

Einrichtungen

und

Vorkehrungen,

deren

Kosten durch Erhebung von Schiffahrtsabgaben gedeckt werden dürfen.

Im dritten Absatz bezeichnet er sie nur als „Anstalten", während im

vierten die Ausdrücke „Anstalten" und „Anlagen" nebeneinander vorkommen. Es wird dort angeordnet:

„Aus allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die Benutzung besonderer

sind,

Anstalten,

erhoben

werden.

die zur Erleichterung Diese

Abgaben

des Verkehrs

(sowie

die

Abgaben

bestimmt für

die

Befahrung solcher künstlichen Wasserstraßen, welche Staatseigentum sind),

dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen."

Der erste Satz bezeichnet hier die Voraussetzung, der zweite die Grenze der Abgabenerhebung.

der Benutzung

Die Voraussetzung liegt in dem Vorhandensein und

gewisser Einrichtungen;

die Grenze

ergibt

sich

aus

dem

Grundsätze der Selbstkostendeckung. Beide Sätze gehören notwendig zusammen,

weil sie lediglich die logischen Folgen des Gebührenprinzips zum Ausdruck bringen und zwei Seiten desselben Gegenstandes darstellen.

Es ist daher als

ausgeschlossen

zu erachten, daß der Kreis der in

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Verhältnis der Begriffe Anstalt und Anlage.

Z 1.

in dem ersten Satze anders

Betracht kommenden Schiffahrtseinrichtungen abgegrenzt sein könnte als im zweiten.

67

Es hätte keinen Sinn, die Inne­

haltung der Selbstkostengrenze bei der Aufstellung von Abgabentarifen vor­ zuschreiben für Einrichtungen, die nicht unter den Anstaltsbegriff im Sinne

des ersten Satzes fallen, oder aber für einen Teil der unter diesen Begriff fallenden

Einrichtungen den Grundsatz

der Selbstkostendeckung

nicht auf­

zustellen. Ist das richtig, so ergibt sich weiter die notwendige Folgerung, daß der Doppelausdruck „Anstalten und Anla gen"

mit dem einfachen Ausdruck nach

deckt,

oder

mit

anderen

Worten,

im zweiten Satze sich

im ersten Satze dem Sinne

„Anstalten"

jener

daß

Doppelausdruck

einen

Pleonasmus darstellt. Zu

zulässige,

demselben Ergebnis führt die nach Lage der Umstände nicht nur

sondern

geradezu notwendige Vergleichung der für die Wasser­

straßen im vierten Absätze getroffenen Bestimmungen mit den entsprechenden

Vorschriften über die Seehäfen

im dritten Absätze des Art. 54.

An der

letzteren Stelle ist nur von „Schiffahrtsanstalten" im Hafengebiet die Rede, nicht von „Anstalten und Anlagen", obwohl die Unterscheidung und An­ einanderreihung dieser beiden Ausdrücke, wenn ihr irgend welche praktische

Bedeutung oder rechtliche Wirkung innewohnte, bei den Häfen in gleichem

Maße wie bei den Wasserstraßen angezeigt gewesen wäre. Zur vollständigen Erforschung des gesetzgeberischen Willens muß ferner

der Art.

54 der Reichsverfaffung

Zollvereinsvertrages vom 8. Juli

mit den analogen Bestimmungen

des

1867 und der Rheinschiffahrtsakte vom

17. Oktober 1868 zusammengehalten und verglichen werden. Der Zollvereinsvertrag

sagt in Art.

25

über die Anwendung des

Gebührenprinzips auf Schiffahrtseinrichtungen — das Zitat muß hier des Zusammenhanges wegen wiederholt werden —:

„Kanal- usw. Gebühren und Leistungen für Anstalten, die zur Er­ leichterung des Verkehrs bestimmt sind, sollen nur bei Benutzung wirklich bestehender

Einrichtungen erhoben werden

und mit Ausnahme der

Abgaben für die Befahrung der nicht im Staatseigentum befindlichen

künstlichen Wasserstraßen die zur Unterhaltung

und

gewöhnlichen Her­

stellung erforderlichen Kosten nicht übersteigen." Hier sind, abweichend von der Wortfassung des Art.

54, die Be­

stimmungen über Voraussetzung und Grenze der Abgabenerhebung in einen

Satz zusammengezogen; die Gegenstände der Abgabenerhebung werden zu­ nächst Anstalten genannt und dann nochmals unter der Bezeichnung „Ein­

richtungen" erwähnt.

Da die Identität des

gesetzgeberischen Willens hin5*

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

68

sichtlich der Zulassung von Schiffahrtsabgaben in der Verfassung und dem Zollvereinsvertrage feststeht, so muß der Begriff der Anlage im Sinne des

Art. 54 der Verfassung im Rahmen des Anstaltsbegriffs nach Art. 25 des Vertrages liegen; sei es in synonymer, sei es in subordinierter Anwendung.

Die Rheinschiffahrtsakte gebraucht beide Begriffe als gleichbedeutend. Sie spricht im ersten Satze des Art. 27

von den „Einrichtungen zur

Erleichterung der Ein- und Ausladungen",

die im nächsten Satze und im

Schlußsätze desselben Artikels als „Anstalten"

Schlußprotokoll zu „Anlagen".

Art.

3

gebraucht

bezeichnet werden.

Im

dann für Schleusen das Wort

Irgendwelche inneren Gründe oder äußeren Anlässe dafür,

daß die Ausdrücke „Einrichtung", schiedenem

sie

Sinne

gebraucht

sein

und

„Anstalt"

könnten,

sind

„Anlage"

nicht

hier in ver­

vorhanden.

Eine

Schleuse ist sicherlich auch eine „Anstalt", jedenfalls vom Standpunkte derer, die das Vorhandensein eines Betriebes als

ein wesentliches Moment des

Anstaltsbegriffes ansehen.

Die Rheinschiffahrtsakte gebraucht also

die Ausdrücke

„Anstalt"

und

„Anlage" gleichwertig. Auch sonst findet sich ihre synonyme Verwendung gerade in der Gesetz­

gebung über Schiffahrts- und Wasserbauangelegenheiten, wie noch an anderer

Stelle dargelegt werden wird, sehr häufig.

Im Sinne des strengen Sprach­

gebrauches sind freilich beide Begriffe nicht

als identisch oder gleichgeordnet

anzusehen.

Anstalt ist der allgemeine Begriff

Einrichtung dauernder oder vorübergehender, Art,

für jede Vorkehrung oder

körperlicher oder unkörperlicher

Anlage dagegen der untergeordnete Begriff für körperliche Anstalten,

namentlich Bauwerke und mechanische Vorkehrungen.

Die Aneinanderreihung eines weiteren und engeren Begriffes,

wie sie

der vierte Absatz des § 54 in den Worten „Anstalten und Anlagen" ent­ ist eine Erscheinungsform des Pleonasmus.

Man mag diese und

vielleicht auch manche andere Art des Pleonasmus *

vom Standpunkte des

hält,

Sprachstiles beanstanden; man kann ihn insbesondere in Gesetzen und Ver­ trägen als unerwünscht bezeichnen, weil er unter Umständen die Klarheit

des Gedankens beeinträchtigt und die Möglichkeit von Zweifeln oder Miß­

verständnissen eröffnet.

Gleichwohl findet sich

die pleonastische Ausdrucks­

weise auch in Verfassungen, Gesetzen und Verträgen sehr häufig.

Sie ist

in der Regel die Folge des Strebens nach möglichst erschöpfender Bezeichnung eines

bestimmten Begriffes durch Berücksichtigung aller Schattierungen des

nicht immer konstanten Sprachgebrauches.

In

anderen Fällen entspringt

* Vgl. Wustmann, Allerhand Sprachdummheiten.

Leipzig 1891.

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Verhältnis der Begriffe Anstalt und Anlage.

8 1.

69

sie lediglich aus dem Wunsche nach Vollständigkeit, Deutlichkeit und An­

schaulichkeit der Ausdrucksweise.

Oft entsteht sie auch durch das Bedürfnis

der starken Betonung und nachdrücklichen Hervorhebung des Gewollten. Zur Erläuterung mögen hier einige Beispiele aus Verfassungen, Ge­

setzen und Verträgen angeführt werden.

Die Preußische Verfassung vom 31. Januar 1850 spricht in Art 6 von zu Leschlagnahmenden „ Briefen und Papieren", obwohl der letztere Begriff den ersteren

in sich schließt, und in Art. 15 gewährleistet sie den Kirchengesellschaften den

Die Stiftungen fallen unter

Besitz ihrer „Anstalten, Stiftungen und Fonds".

den Begriff der Anstalt, selbst wenn sie nur in Vermögen bestehen sollten;

im letzteren Falle würden sie außerdem zur Kategorie der „Fonds" gehören. Nach Art. 54 schwört der König, „die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Übereinstimmung mit derselben — zu

regieren"; ein großer Teil dieser Worte ist logisch nicht notwendig und nur

auf stärkere Akzentuierung berechnet. die

welchen

unter

Rede,

In Art. 97 ist von den Bedingungen

und

„öffentliche Zivil-

Militärbeamte"

wegen

Rechtsverletzungen durch Überschreitung der Amtsbefugnisse gerichtlich belangt werden können.

Dieser Doppelausdruck ist überflüssig, weil jeder öffentliche

Beamte der einen oder der anderen Klasse angehört

Demgemäß ist auch

an anderen Stellen, z. B. in Art. 78 Abs. 2, nur von Beamten schlechtweg

Die Artikel 26 und 112 beschäftigen sich mit der Schulgesetz­

die Rede.

gebung; der erstere verspricht ein Gesetz über „das ganze Unterrichtswesen", der letztere konserviert bis dahin „die hinsichtlich des Schul- und Unterrichts­

wesens"

geltenden gesetzlichen Bestimmungen.

Dem Zusammenhänge nach

ist es ausgeschlossen, daß der Gegenstand der verfassungsmäßigen Regelung in Art. 26 anders abgegrenzt sein könnte wie in dem unter den „Über­

erscheinenden Art.

gangsbestimmungen"

einfachen Ausdruck Doppelausdruck

„Unterrichtswesen"

„Schul-

112. und

Er ist

dann mit

und Unterrichtswesen"

zunächst

mit dem

dem pleonastischen

bezeichnet.

Es liegt also

hier ein ähnlicher Fall vor, wie im vierten Absätze des Art. 54 der Reichs­

verfassung, richtungen

wo

auch

die

dem

— die Substrate

Gebührenprinzip

zu

Ein­

unterwerfenden

der Abgabenerhebung — im

ersten

Satze

„Anstalten" und im zweiten „Anstalten und Anlagen" genannt werden. Nach Art. 13 des preußisch-österreichischen Handels- und Zollvertrages

vom 19.

Februar 1853 ? sollen von Schiffen, die einen Küstenplatz als

Derselbe Pleonasmus findet sich in H 1 Teil II Tit. 10 des Allgem. Land­ rechts. 2 Preuß. Ges.S. S. 357.

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III.

70

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Nothafen anlaufen, keine „Schiffahrts- oder Hafenabgaben" erhoben werden,

und Z 1

der preußischen Verordnung vom 30. Juli

1853 *

gestattet die

exekutivische Einziehung von „Kanal-, Schleusen-, Schiffahrts- und Hafen­ In beiden Fällen hätte der Ausdruck „Schiffahrtsabgaben"

abgaben".

für

sich allein genügt, weil er die anderen umfaßt.

Die Reichsverfassung spricht in Art. 17 von „Anordnungen und Ver­ fügungen"

Verfügung ist die Anwendung der Regierungs­

des Kaisers.

gewalt im Einzelfalle, ihre Anwendung zum Zwecke der generellen Regelung

gewisser Verwaltungsgebiete wird als „Verordnung" bezeichnet; „Anordnung" ist der allgemeine Begriff, dem diejenigen der „Verfügung" und „Verordnung"

als engere Begriffe untergeordnet sind?.

Derselbe Pleonasmus findet sich

in

Z

50

des preußischen Gesetzes

über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883, wo es im dritten Absätze heißt:

„Unberührt bleibt in allen Fällen die Befugnis der staatlichen Aufsichts­

behörden,

innerhalb

Anordnungen

ihrer

gesetzlichen

Zuständigkeit

und

Verfügungen

der Nachgeordneten Behörden außer Kraft zu setzen usw."

Eine logische Notwendigkeit lag nicht vor, in Art. 1 der Rheinschiff­ fahrtsakte vom

17. Oktober 1878 die Schiffahrt auf

Fahrzeugen aller Nationen

„sowohl aufwärts als

dem Strome den

abwärts"

zu gestatten,

und wenn Art. 27 der Akte in Abs. 2 bestimmt:

„Zur Bestreitung der notwendigen Unterhaltungs- und Beaufsichtigungs­ kosten (für Schiffahrtsanstalten) kann

ein entsprechendes Entgelt erhoben

werden",

so ist auch hier die Erwähnung der Beaufsichtigungskosten überflüssig.

Denn

die Beaufsichtigung ist ein integrierender Bestandteil der Unterhaltungstätig­

keit und deren primitivste Stufe. ausdruck

„Anstalten

und

Es ist hier, ebenso wie in dem Doppel­

Anlagen"

der

weitere

und

engere Begriff an­

einandergereiht.

Die Verfassungs- und Vertragsbestimmungen über Schiffahrtsabgaben ent­ halten außer diesem Doppelausdruck und außer den übrigen hier mitgeteilten Beispielen noch manche andere sehr bemerkenswerte Fälle des Pleonasmus,

auf welche an anderer Stelle näher eingegangen werden muß.

Die bisher angeführten erscheinen jedoch vorläufig ausreichend, um das zu beweisen, worauf es

ankommt, nämlich das

keineswegs

seltene Vor-

r Ges.S. S. 909. 2 Über einen anderen (durch Flüchtigkeit entstandenen) Mangel in der Aus­ drucksweise der Reichsverfassung (Art. 74) hat sich Bismarck in seinen Gedanken und Erinnerungen Band II S. 273, 274 ausgesprochen.

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Z 2.

Der Anstaltsbegriff im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs.

kommen von Pleonasmen in Verfassungen,

Gesetzen und Verträgen.

71

Es

liegt also in der Feststellung, daß der Begriff der Anstalt denjenigen der An­ lage im Sinne des Art. 54 in sich schließt, nichts auffallendes.

Aus dieser

Feststellung folgt weiter, daß als verfassungsmäßig zulässige Substrate der

Abgabenerhebung auch diejenigen

Schiffahrtseinrichtungen anzusehen

sind,

welche im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs und nach dem besonderen Sprachgebrauche der Gesetze Anlagen genannt werden, nicht nur die mit dem

Worte „Anstalt"

bezeichneten.

Tatsächlich trennt der Sprachgebrauch sehr

häufig die beiden Begriffe nicht, sie gehen ineinander über und werden zu­

weilen völlig gleichwertig angewendet.

Deshalb sollen sie auch in den weiteren Ausführungen, welche die Be­ stimmung ihres Inhalts zum Gegenstände haben, nicht auseinander gehalten werden *. 8 2.

Der Anstaltsbegriff im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs. In dem deutschen Wörterbuch von Grimm, Leipzig 1854 Band I S. 472/3 ist der Anstaltsbegriff folgendermaßen definiert:

Anstalt,

apparatus

instruetio,

das

angestellte,

einge­

richtete, sowohl das beginnende, als das vorgeschrittene fertige: du mußt endlich Anstalt machen, Hand anlegen, und: das ist eine schöne, saubere Anstalt, das ist schlecht eingerichtet, zu­

gerüstet, es ist noch keine Anstalt da, wird nichts aus derSache:

Anstalt, Anstalten zum Essen, zur Reise machen so gut man auch die Anstalt macht (Gellert 1, 83),

geh' gleich, mach' Anstalt (Lessing),

die Anstalt ist schon getroffen (Schiller 423)

* Bei Schumacher S. 135 ist der Delbrücksche Entwurf zu dem späteren Art. 54 der Verfassung des Norddeutschen Bundes in der Weise abgedruckt, daß der vierte Absatz mit den Worten beginnt: „Auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anlagen erhoben werden." Da die Verfassung statt „Anlagen" das Wort „Anstalten" enthält, so entsteht der Anschein, als wenn eine den synonymen Gebrauch beider Ausdrücke klar beweisende Textänderung vorläge. In Wirklichkeit ist eine solche indessen nicht vorgenommen worden; der Entwurf gebrauchte ebenfalls das Wort „Anstalten" und die Abweichung bei Schumacher beruht auf einem Druckfehler. In diesem Sinne sagte der Abgeordnete Roß im Reichstag des Norddeutschen Bundes am 3. Dezember 1870, als er wegen der nach seiner Meinung von Bundes

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III.

72

Gegenstand der Abgabenerhebung.

weil du für meine Anstalt keine Achtung zeigtest 157; oh, was diese

Heirat betrifft, die ist auch

ein wenig meine Anstalt 653;

aber ist es

nicht eine barbarische Anstalt, den Kindern Mord und Todschlag zu ver­ bieten?

(Goethe 17, 402);

es (das Gemälde) war nicht durch einen

Privatmutwillen, sondern aus öffentlicher Anstalt verfertigt worden 24, 236; man jammert, daß der große Gott gar keine Anstalt machen will

(zu gutem Wetter) 27, 13; was

angab,

ich

emsig betrieben und so

auch die Anstalt redlicher

Männer vollführt, die sie unvollendet verließen 40, 260; es wäre wunderbar, wenn das, was sonst soviel Anstalt erfordert, —

hier so geradezu gegeben würde (Kant 2, 315); der Bau der Pflanzen

und Tiere zeigt eine solche Anstalt 6, daß

unter

Anstalt

nicht

bloß

71. die

Die Belege ergeben, Veranstaltung,

Ein­

richtung selbst, sondern auch das Eingerichtete, der Sache und dem Orte nach, zu verstehen ist; eine öffentliche Anstalt, Er­

ziehungsanstalt, Lehranstalt, Heilanstalt, Turnanstalt, wofür manauch oft, ohne alle Not, den fremden Ausdruck Institut oder gar Wo Einfluß oder Betrieb gemeint wird,

Etablissement verwendet.

sagen wir lieber Veranstaltung.

z.

B.

dessen

durch

Anstalt

ich

zu

Bisher hieß auch das Anstalt,

gebracht

unserer Bagage

wurde.

Simpl. 2, 88. Über den Begriff der Anlage sagt das Grimmsche Wörterbuch: „Dem gegenwärtigenSprachgebrauch ist Anlage sowohl das angelegte als anliegende. — Die Anlage eines Gartens, Weges, einer

Mauer,

gibt

es

Laube,

Eisenbahn,

neue Anlagen,

und

neben

wenn die alten

allen

Wälle

Städten

abgetragen

werden pp."

Daß Anstalt und Anlage sich

Begriff

zum

engeren,

zweifelhaft sein.

zu einander verhalten wie der weitere

wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kaum

Körperliche Einrichtungen sind Anlagen.

Unkörperliche Ein­

richtungen als Anlagen zu bezeichnen, widerstrebt dem Sprachgefühl; man nennt sie Anstalten und gebraucht diesen Ausdruck auch im weiteren Sinne für Anlagen.

Kirche und Staat sind Anstalten, aber keine Anlagen; wohl

aber wendet man letzteren Ausdruck auf staatliche und kirchliche Bauwerke an.

wegen zu treffenden Vorsorge für die weitere Verbesserung des Elbfahrwassers nach einheitlichem Plane interpellierte: „Deshalb frage ich den Herrn Bundeskanzler: Welche Anstalten sind getroffen, damit auf diesem Gebiete der erste Schritt geschehe." Stenogr. Berichte S. 65.

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Der Anstaltsbegriff im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs.

Z 2.

In

ähnlicher Weise

Begriffe der Anstalt

wie

im

Grimmschen

und Anlage bei Wiegand

werden

Wörterbuche

7Z

die

„Deutsches Wörterbuch",

Gießen 1878 und Heyne, „Deutsches Wörterbuch" Leipzig 1890 definiert; der letztere erwähnt besonders auch die Anwendung des Anstaltsbegriffs auf

Hamburger Schiffahrtseinrichtungen.

Der Sprachgebrauch bezeichnet den Staat als Anstalt.

In der Ab­

handlung „Recht und Rechtswissenschaft im allgemeinen". Rechtsphilosophische

Einleitung, von Professor Dr. H. Ahrens.

Holtzendorff, Enzyklopädie der

Rechtswissenschaft dritte Auflage Leipzig 1877 S. 38 heißt es:

„In höchster Hinsicht liegt aber der Grund des Staates in der von Gott gesetzten Lebensordnung und Bestimmung aller Vernunftwesen; er ist daher zuhöchst eine göttliche Veranstaltung, jedoch eine Anstalt, die zu­

gleich von der menschlichen Vernunft und Freiheit getragen und stetig

fortgebildet werden soll."

Hier ist Veranstaltung und Anstalt synonym gebraucht, eine Erscheinung,

die auch sonst sich sehr häufig zeigt. Auch die Kirche ist eine Anstalt. „Eine göttliche Anstalt der Predigt und Sakramentsverwaltung mit einem

von Gott eingesetzten Amte der Predigt und der Kirchenzucht — das ist der Kirchenbegriff,

welchen

der

moderne

lutherische

Konsessionalismus

aufstellt"

wird sie in dem Aufsatz von Pünjer bei Ersch und Gruber, Allgemeine

Enzyklopädie Leipzig

1884

2. Sektion Teil 36 S. 141

genannt.

Auf

dem Katholikentage in Straßburg am 21. August 1905 sagte der Reichs­ tagsabgeordnete

Gröber

nach

der

„Kölnischen

Zeitung"

(Nr.

872

vom

22. August 1905): „Zur Kirche als Glaubensanstalt gehören auch Lehren, und ein undog­ matisches Christentum ist nach unserer Ansicht kein Christentum." Darauf, ob diese Wiedergabe der Gröberschen Rede wortgetreu war,

kommt es hier nicht an, weil es sich nur um die Feststellung des Sprach­

gebrauchs handelt. In der deutschen Geschichte von Lamprecht, Berlin 1892 Band 2 S. 194

steht der Satz: „Die Kirche des

mehr gewesen

als

ausgehenden Imperiums war den deutschen Stämmen eine bloße Anstalt zur Befriedigung religiöser Be­

dürfnisse."

Bei Curtius, Griechische Geschichte 3. Auflage Berlin 1868 Band I S. 445 ist zu lesen:

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III.

74

Gegenstand der Abgabenerhebung.

„So entstanden die Weissagungsanstalten oder Orakel. — Sie (die Kunst

der Mantik) sollte nicht einzelnen Personen überlassen bleiben; darum wurden Anstalten gegründet an geweihten, durch Götterzeichen beglaubigten

ehrwürdige Genossenschaften den Verkehr mit der Gottheit

Stätten, wo leiteten."

Lamprecht in seinem bereits erwähnten Geschichtswerk bezeichnet Band I

Inhalt XIII die römischen Verteidigungsmaßregeln als „Anstalten römischer Abwehr an Rhein und Donau im ersten und zweiten

Jahrhundert." Beseler spricht in seinem Systeme des gemeinen deutschen Privatrechts

3. Auflage Berlin 1873 § 220 von Banken, Börsen, Messen und Märkten

sowie von Stapelrechten und „ähnlichen Einrichtungen" als von „Anstalten zur Beförderung des Handels".

Auch hier hat das Wort Anstalt in der

Hauptsache die Bedeutung einer Organisation.

Dasselbe trifft

bei dem nachfolgenden Satze zu, der dem Buche von

Ockhart, Rheinschiffahrt, Mainz 1818 (S. 369—370) entnommen ist:

„Vorzüglich aber sollte längs dem Rhein — wegen der sogenannten Lein­

pfadspferde— die Vorsorge getroffen werden, daß mittels gehörig eingerichteter

Anstalten in den verschiedenen Uferstaaten dieselben von Station zu Station angetroffen würden, indem zugleich nach dem verschiedenen Wasserstande

die Zeit zu bestimmen wäre, binnen welcher jede Distanz von den Halftern (Gespannen) zurückgelegt sein muß usw."

Ein anschauliches Bild von der Allgemeinheit und weiten Begrenzung des Anstaltsbegriffs gibt der Sprachgebrauch des Allgemeinen Landrechts,

weil dieses Gesetzbuch sich bekanutlich die Aufgabe stellte, alle Gebiete des öffentlichen

und privaten Rechts zu regeln.

H 403 Teil I Tit. 21

Es

sagt im Anh. § 57 zu

unter dem Marginale IV

„von

Pachtungen der

Landgüter": „Ist jedoch

der Pachtkontrakt vor einer Kreditdirektion oder vor andern

dergleichen öffentlichen Anstalten — errichtet worden usw.,"

ferner in Teil II Tit. 8 H 407: „Anstalten,

in

welchen

die

Verarbeitung

oder

Verfeinerung

gewisser

Naturerzeugnisse im großen getrieben wird, werden Fabriken genannt," in Teil II Tit. 12:

„ß 1.

Schulen und Universitäten sind Veranstaltungen des Staates,

welche den Unterricht der Jugend in nützlichen Kenntnissen und Wissen­ schaften zur Absicht haben."

„Z 2.

Dergleichen Anstalten sollen nur mit Vorwissen und Ge­

nehmigung des Staates errichtet werden."

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Z 2.

Der Anstaltsbegrisf im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs.

75,

Wer eine Privaterziehungs- oder sogenannte Pensionsanstalt

8 3.

errichten will, muß seine Tüchtigkeit zu diesem Geschäfte nachweisen," in Teil II Tit. 17 8 10:

„Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicher­

heit und Ordnung und zur Abwendung der dem Publiko oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei,"

und in Teil II Tit. 19: „8 6.

Der Staat ist berechtigt und verpflichtet, Anstalten zu treffen,

wodurch der Nahrlosigkeit feiner Bürger vorgebeugt und der übertriebenen

Verschwendung gesteuert werde," „8 32.

Armenhäuser, Hospitäler, Waisen- und Findel-, Werk- und

Arbeitshäuser stehen unter dem besonderen Schutze des Staates,"

„8 33. Man

xromi8eu6

Werden dergleichen Anstalten von neuem errichtet usw."

sieht

auch

gebraucht

hier,

daß

werden,

die

daß

Worte der

Anstalt

erstere

und

Veranstaltung

Ausdruck vorübergehende

Maßregeln und dauernde Einrichtungen gleichmäßig umfaßt, und daß nicht

nur Maßregeln und Einrichtungen körperlicher, namentlich konstruktiver Art,

sondern auch unkörperliche Maßregeln und Art unter den Anstallsbegriff fallen.

Einrichtungen organisatorischer

Zu der letzteren Klasse gehört unter

anderem die Strom- und Schiffahrtspolizei, welche in Preußen nach Z 10 Teil II Tit.

17

des

Allgemeinen Landrechts zu beurteilen ist und später

noch zum Gegenstände weiterer Erörterung gemacht werden muß. Ein Ministerialerlaß an die Kleve-Märkische Kriegs- und Domänen­ kammer vom 31. Mai 1805 sagt über die Ruhrschiffahrtskasse:

„Da die Bestimmung dieser Kasse wie bisher also auch künftig die In­ standsetzung und Erhaltung der Schiffbarkeit des Ruhrstroms ist, so muß

die Absicht dahin gehen, daß außer den Verwaltungskosten und den kur­

renten Unterhaltungskosten

der Schleusen und übrigen Wasser­

bauanlagen zur Erhaltung der Schiffbarkeit der Ruhr auch successive

die bessere Instandsetzung derselben daraus planmäßig bestritten werde." Über denselben Gegenstand sagt der Allerhöchste Abschied an den Pro­

vinziallandtag der Rheinprovinz vom 27. Dezember 1845 : * „Die Ruhrschiffahrtsabgaben bilden für den Staat keine Finanzquelle,, sondern der Ertrag wird teils sogleich wieder auf die Schiffahrts-

anlagen verwendet, teils zur Verbesserung der Ruhrschiffahrt gesammelt und aufbewahrt."

* Verhandl. S. 361.

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III.

76

Die Ausdrücke

Gegenstand der Abgabenerhebung.

„Wasserbauanlagen" und „Schiffahrtsanlagen" werden

hier unterschiedslos für Schleusen, Buhnen und sonstige Wasserbauten ge­

braucht.

Die Ruhr war und ist noch heute nur unvollständig kanalisiert;

auf großen Strecken ist die Fahrtiefe nicht durch Stau-, sondern durch Re­ gulierungswerke hergestellt. Die preußische Verordnung vom 16. Juni 1838, „die Kommunikations­

abgaben betreffend," sagt in H 1: „Die außer dem Chausseegelde für die Benutzung von Kommunikations­

anstalten bestehenden Abgaben, als Wege-, Pflaster-, Brücken-, Damm-, Fährgeld usw. sollen einer Revision unterworfen werden,"

und in § 3 Abs. 3: „Befindet sich die Kommunikations a n st a lt im Zuge einer Chaussee usw." Die

Verfassung des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 sagt in

Art. 62:

„Die Reichsgewalt hat die Gesetzgebung, soweit es zur Ausführung der

ihr

verfassungsmäßig übertragenen Befugnisse und zum Schutze der ihr

überlassenen Anstalten erforderlich ist." Das Wort Anstalten ist hier im weitesten Sinne, für alle Einrich­

tungen körperlicher und unkörperlicher Art, gebraucht.

Der im Jahre 1875 dem Preußischen Landtage zugegangene Entwurf einer Wegeordnung erstreckte in § 2 die Wegebaulast

„auf die Anlegung und Unterhaltung aller zur Vollständigkeit der Wege­ anlage oder zum Schutz oder zur Sicherheit derselben und ihrer Benutzung

nötigen

Anstalten und Vorrichtungen namentlich der im Zuge

der Wege belegenen Brücken und Fähren über die nicht schiffbaren Teile von Gewässern, der Furten,

Durchlässe,

Entwässerungsanstalten, Baum­

pflanzungen, Schutzgeländer, Wegweiser, Warnungstafeln und dergleichen

mehr." Man sieht aus dieser Aufzählung, daß auch der damalige Sprach­ gebrauch wegs

auf

den

Anstaltsbegriff

in

deren Zweckbestimmung nur durch reicht

weitem

solche Bauwerke oder Anlagen

werden

kann.

Unter

den

Sinne

anwandte

und

keines­

oder Einrichtungen beschränkte,

eine hinzutretende Betriebstätigkeit er­

besonders

genannten

Beispielen ist die

Klasse der mit einem Betriebe notwendig verbundenen Anstalten nur durch die Fähren vertreten, während alle anderen zur Klasse der betriebslosen gehören.

Auch die Wegeordnung für die Provinz Sachsen vom 11. Juli 1891

* Dieser Doppelausdruck ist ein Pleonasmus. 2 Ges.S. S. 316.

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H 2.

Der Anstaltsbegriff im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs.

77

spricht in H 6 von „Anstalten und Vorrichtungen zum Schutze der Wege­

anlagen und ihrer Benutzung".

Dasselbe tut die Wegeordnung für West­ In beiden Gesetzen deckt sich

preußen vom 27. September 1905 in ß 5.

die Aufzählung der in Betracht kommenden Anstalten und Vorrichtungen fast wörtlich mit derjenigen des Gesetzentwurfs vom Jahre 1875.

In dem Erkenntnisse des Oberverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 1892,

Entscheidungen Bd. 24 S. 194 werden die in Stützmauern und

Wasserableitungen bestehenden Schutzbauten zur Sicherung eines Weges gegen

Bergrutsch als Anstalten bezeichnet — nicht etwa im Sinne einer positiven

Gesetzesvorschrift, die mit diesem Inhalt und Wortlaut für den in Betracht kommenden

Landesteil nicht vorhanden war,

sondern im Sinne des all­

gemeinen Sprachgebrauchs — und dem Wegebaupflichtigen zur Last gelegt. In einem anderen Erkenntnisse desselben Gerichtshofes vom 4. Januar

1889, Entscheid. Bd. 17 S. 212 wird ausgeführt, daß ein konfessioneller Friedhof eine Anstalt sei,

für deren Benutzung (durch Aufstellung eiserner

Gitter und Kreuze) eine Stadtgemeinde Gebühren erheben dürfe.

Das

Reichsgerichtserkenntnis

Zivilsachen Bd. 41, S. 142)

vom

bezeichnet

1. Februar 1898

(Entscheid, in

ein Parallelwerk im Strome und

die Anschüttung von Bodenmassen zwischen diesem Werke und dem Ufer als

„Anlagen", und zwar nicht im Sinne einer auszulegenden besonderen Ge­

setzesvorschrift, sondern nur im Zusammenhänge einer Erörterung der Frage,

ob der Staat durch diese Strombauten die Fischerei geschädigt und sich ersatz­ pflichtig gemacht habe. Ein

anderes

der

neuesten Zeit

entlehntes Beispiel

für

den

gesetz­

geberischen Sprachgebrauch bietet das preußische Kommunalabgabengesetz vom

14. Juli 1893, welches in ß 4 verordnet: „Die Gemeinden können für die Benutzung der von ihnen im öffentlichen Interesse unterhaltenen Veranstaltungen

(Anlagen,

Anstalten und

Einrichtungen) besondere Vergütungen (Gebühren) erheben. —

Ein Zwang zur Erhebung von

Chaussee-, Wege-, Pflaster-

und

Brückengeldern findet nicht statt." Danach sind Wege und Brücken auch Anstalten oder Veranstaltungen; dasselbe gilt nach der Verwaltungspraxis und Rechtsprechung von Abwässer­ kanälen. Schließlich mag noch ein kurzer Überblick über den Sprachgebrauch der

wasserbautechnischen Literatur gegeben werden. In dem

„Grundriß

der Vorlesungen

über

das Praktische

bei

ver­

schiedenen Gegenständen der Wasserbaukunst" von D. Gilly, Königl. Preußischen

Geheimen Oberbaurat, 1801 heißt es (Einleitung):

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III. Gegenstand der Abgabenerhebung.

78

„Wir haben in unserem Lande zwar Wasserwerke und Wasserbauten von

mancherlei Art.

Da aber alle die Gewerbe und Beschäftigungen, zu deren

Befriedigung dergleichen Anstalten gebraucht werden, besonders Handel und Schiffahrt, bei uns usw.",

ferner S. 64 § 126: „Da wo entweder natürliche oder durch die auf einem Strom schon vor­

handenen Mühlen und andere Werke entstandenen Wasserfälle die Schiff­

fahrt nicht gestatten, müssen Veranstaltungen getroffen werden,

um

die Schiffe bei dergleichen Wasserfällen mit Sicherheit hinauf und hinunter zu schaffen."

In der

„Allgemeinen,

theoretisch-praktischen

auf

Geschichte

Wasserbaukunst"

von

und

O.

Erfahrung

F.

gegründeten,

Wiebeking

1805

ist

Band V S. 24 die Rede von „großen Anlagen, der Flüsse,

worunter die Regulierung

und die Schiffbarmachung

die Austrocknungen und die Anlegung der Kanäle gehören."

In demselben Bande S. 61 findet sich der Satz:

„Die Schiffahrtskanäle — werden von allen

kraftvollen

und das

all­

gemeine Wohl befördernden Negierungen zu den wichtigsten Anstalten gezählt,"

und auf S. 156 die Bemerkung „daß die zur Schiffbarmachung eines Flusses angewendeten hydrotechnischen Vorkehrungen und Anlagen zugleich die Überschwemmungen von

den Flußgegenden abwenden und die Uferlande gegen

den Angriff des

Stromes sichern."

„Handbuch der Wasserbaukunst" von G. Hagen 1871, Teil II,

Das

sagt S. 370: „Außerdem ist

es aber auch notwendig,

Anlagen zur Stromregulierung

daß

die Uferdeckung sich den

anschließt,

wovon

sie

häufig

einen wesentlichen Teil ausmacht. —

Die Anlagen, welche in diesem Falle zur Ausführung kommen, nämlich Buhnen oder auch Parallelwerke, sind eigentliche Strombauten,"

ferner Teil III, S. 83: „Es

ist daher von den Erfordernissen der Schiffahrt bereits die Rede

gewesen,

doch gehören dazu auch andere Anlagen und bauliche Aus­

führungen, die der eigentlichen Stromregulierung fremd sind usw."

Es wird sodann unter dem allgemeinen Titel „Schiffahrtsanlagen" be­ sprochen: Gefälle

„Die Flußschiffahrt, die Warpschiffahrt, die Überwindung starker

(Schleusen,

geneigte

Ebenen

usw.),

sonstige

Schiffahrtsanlagen

(Signale, Baken, Mastenrichter, Flußhäfen).

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Der Anstaltsbegriff im Sinne des Sprachgebrauchs der Gesetze usw.

H 3.

In dem Werk von Franzius,

79

„Die Korrektion der Unterweser 1895",

Abschnitt II S. 6, 31, 39 und a. a. O. werden alle Wasserbauwerke, wie

Buhnen, Uferschutzwerke und Siele, Anlagen genannt.

Der Sprachgebrauch der wasserbautechnischen Wissenschaft verwendet also die Ausdrücke Anstalt und Anlage ganz allgemein für Bauwerke.

In älterer

Zeit kommen beide Worte nebeneinander vor, später ist nur noch der letztere üblich.

Eine Unterscheidung in dem Sinne, daß der eine Ausdruck besonders

für Kanalisierungs- und der andere für Regulierungswerke gebraucht würde, ist nicht erkennbar.

8 3. Der Anstaltsbegriff im Sinne des Sprachgebrauchs der Gesetze und Verträge über Schiffahrts- und Wafferbauwesen. Allgemeine Bemerkungen.

Noch wichtiger wie die Feststellung des ist der Natur der Sache

nach

allgemeinen Sprachgebrauchs

die Untersuchung

der Frage,

in

welchem

Sinne die Gesetzgebung über Schiffahrts- und Wasserbauangelegenheiten in

Deutschland den Begriff der Anstalt

angewendet

hat.

Es wäre

an sich

daß die Sprache dieser Gesetzgebung den Anstaltsbegriff in einem

denkbar,

beschränkteren Sinne aufgefaßt hätte, als die Sprache der Literatur und des

täglichen Lebens; der Ausdruck Anstalt könnte möglicherweise hier in engerem fachmännischen Sinne gebraucht sein, sodaß er einen Teil derjenigen Er­ scheinungen nicht umfaßte, welche nach dem sonstigen Sprachgebrauche darunter

verstanden werden. Der Art. 54 ist selbst ein Hauptbestandteil jener Gesetzgebung.

Er ist

hervorgegangen aus der Initiative der preußischen Regierung und entstanden

im Schoße der preußischen Bureaukratie aus den Federn preußischer Staats­ diener.

Es liegt daher nahe, in erster Reihe die Terminologie der preußischen

Fachgesetze in Betracht zu ziehen. der Gesetzgebung

in

den

übrigen

Daneben muß allerdings auch diejenige deutschen Staaten

und

schließlich

der

Sprachgebrauch der in Deutschland abgeschlossenen Staatsverträge, vor allem

der Zollvereinsverträge, in gleicher Weise berücksichtigt werden.

Diese Verträge bilden gebrauchs

eine

Bedeutung,

auch hinsichtlich .^der Feststellung des Sprach­

gemeinsame Grundlage

und sind

insofern von besonderer

als sie die Vorstufen derjenigen Entwicklung bezeichnen,

die

schließlich in dem Art. 54 und dem Art. 25 des gleichzeitigen letzten Zoll­

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III.

80

Vereinsvertrages ihren

Gegenstand der Abgabenerhebung.

verfassungsmäßigen *

Abschluß fand.

Sie

brachten

von Anfang an das verkehrspolitische Programm der preußischen Regierung zum Ausdruck. In der nachfolgenden Darstellung sollen außer den Gesetzen und Ver­

trägen selbst auch die Rechtsprechung, soweit sie für das Verständnis des

Sprachgebrauchs der ersteren von Bedeutung ist, und gesetzgeberische Vor­

arbeiten Berücksichtigung

finden.

Die Rechtsentwicklung soll mit Rücksicht

auf die Unsicherheit, die sich aus Veränderungen des Sprachgebrauchs in einem größeren Zeitabschnitt ergeben könnte, nur von

dem Erscheinen des

Preußischen Landrechts an verfolgt werden.

Unter den Gesetzen

sind im weiteren Sinne auch Verträge und Ver­

ordnungen verstanden.

8 4. Die preußische Gesetzgebung. Das Preußische Landrecht enthält im neunten Titel des ersten und im fünfzehnten Titel des zweiten Teiles eine Reihe von wasserrechtlichen Be­

stimmungen.

Die erstere Gruppe hat besonders den Schutz der Ufer und die Beein­ flussung der Stromrichtung durch Deckwerke, Buhnen und sonstige Wasser­ bauten zum Gegenstände.

In § 229 Teil I Tit.

des in der Konkave liegenden,

dem

9 wird der Eigentümer

Abbruch ausgesetzten Ufergrundstücks

ermächtigt „an seinem Ufer

solche Veranstaltungen

zu treffen,

wodurch

die

fernere Verbreiterung des gegenüberliegenden Ufers verhindert wird." Sodann heißt es in § 230: „Buhnen hingegen und andereAnlagen, wodurch der einmal vorhandene

Anwuchs der Gefahr, wieder weggespült zu werden, ausgesetzt wird, darf ohne Erlaubnis des Staates niemand anlegen." Durch das Wort „hingegen" soll nicht etwa die Eigenschaft der Buhne als Veranstaltung im Sinne des 8 229 verneint, sondern nur der Gegensatz

der in Z 230 grundsätzlich untersagten aggressiven Wasserbauten zu den im vorhergehenden Paragraphen gestatteten defensiven betont werden.

In ß 240 wird bestimmt:

* Die Bestimmungen des letzten Zollvereinsvertrages sind bekanntlich durch Art. 40 der Reichsverfassung vom 16. April 1871 Bestandteile des geltenden Ver­ fassungsrechts geworden.

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Z 4.

Die preußische Gesetzgebung.

„Wenn das dem Ausreißen des Stromes

als

durch

solche

Anlagen,

hinlänglich befestigt

werden kann,

ausgesetzte Ufer nicht anders

zugleich

welche

81

das Anspülen befördern,

so ist der Uferbesitzer auch zu diesen

berechtigt"

und in Z 241: „Es dürfen aber dergleichen Anlagen, in öffentlichen Flüssen, bei ent­

stehendem Widerspruch nicht anders als unter der ausdrücklichen Genehmi­

gung des Staates — veranstaltet werden." Sodann heißt es in H 263:

„Soll ein Flußbett — durch Verkrippungen (Buhnenbauten) oder andere dergleichen Anstalten verengt werden, so haben die angrenzenden Ufer­

besitzer das nächste Recht, sich den solchergestalt gewonnenen Grund und Boden durch Besitznehmung zuzueignen." Hier ist überall von Strombauten und Strombauzwecken die Rede, die

vom Gesetzgeber

teils als „Veranstaltungen"

„Anlagen" bezeichnet werden.

wird ausdrücklich auf Buhnen angewendet. wie im Art.

„Anstalten", teils als

und

Sowohl die eine wie die andere Bezeichnung

54 der Reichsverfassung

Beide Ausdrücke werden, ähnlich

und

sonst in sehr

auch

häufigen

Fällen, xroiniseue gebraucht. Im fünfzehnten Titel des zweiten Teiles verordnet Z 79: „Gegen die dem Staate zukommende Nutzung der schiffbaren Ströme ist derselbe

verpflichtet,

für

die

zur

Sicherheit

und

Bequemlichkeit

der

Schiffahrt nötigen Anstalten zu sorgen."

Diese Verpflichtung umfaßt jegliche Art der Fürsorge, sie erstreckt sich auf die Anwendung aller Mittel, die zur Förderung der Schiffahrtsinteressen

geeignet sind.

Der Anstaltsbegriff erscheint hier in seiner ursprünglichen,

weiten und allgemeinen Bedeutung.

Er erstreckt sich sowohl auf die Maßregeln

für den Ausbau, die Unterhaltung und Bezeichnung

seine Freihaltung

von Hindernissen als auch

des Fahrwassers und

auf die Strom- und Schiff­

fahrtspolizei und sonstige Verwaltungsmaßregeln im

Interesse des Verkehrs

auf den Wasserstraßen. Die Vorschrift in 8 79 a. a. O. wird angewendet und ausgelegt in

einem Erkenntnisse des Kompetenzgerichtshofes zu Berlin vom 11. Dezember 1858 (abgedruckt im Justizministerialblatt 1864 S. 90), in welchem die Ver­

pflichtung des Staates durch den aus einem Konfliktsbeschluß der Regierung in Posen übernommenen Satz „der Staat hat durch seine Beamten nur darüber zu wachen, daß aus dem Fahrwasser die Hindernisse weggeräumt und, wo dies möglich ist,

die erkennbaren Warnungszeichen an passenden Stellen angebracht werden" Schriften 6XV. — Erster Teil.

6

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III. Gegenstand der Abgabenerhebung.

82

für den vorliegenden Fall begrenzt und diese Überwachung

als „Anstalt"

anerkannt wird. Daß der Bau von Buhnen zu den schiffahrtsförderlichen Anstalten im Sinne des ß 79 II. 15 A. L. R.

gehört, hat das Oberverwaltungsgericht

in einem Urteil vom 26. September 1888, Entscheid. Band 17 S. 291 ausgesprochen.

Derselbe Gerichtshof hat in dem Urteil vom 28. Oktober 1896,

Entscheid. Band 30 S. 213 den Leinpfad als eine „Anstalt" zur Sicherheit und Bequemlichkeit der Schiffahrt bezeichnet.

Zu den auf Schiffahrtsangelegenheiten bezüglichen preußischen Gesetzen

gehörte auch das am 26. Mai 1818 (Ges. S. S. 65)

erlassene „über den

ausländischen Waren und über den

Zoll und die Verbrauchssteuern von

Verkehr zwischen den Provinzen des Staates".

In Z 20 dieses Gesetzes

werden aufrecht erhalten:

„alle Erhebungen und Leistungen, welche zur Unterhaltung der Strom­

schiffahrt und Flößerei, der Kanäle, Schleusen, Brücken, Fähren, Kunst­ straßen, Wege, Häfen, Leuchttürme, Seezeichen, Krane, Wagen, Niederlagen und anderer Anstalten für die Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind."

Hier wird also die „Stromschiffahrt" Aufzählung erhebung

der Anstalten,

anerkannt

werden,

ist

als „Anstalt"

nicht

erschöpfend.

Die

bezeichnet.

als zulässige Substrate

welche

Aber

der Abgaben­ sie

läßt

mit

Sicherheit erkennen, daß der Betrieb nicht als wesentlicher Bestandteil des Anstallsbegriffs

angesehen wurde; sonst hätten nicht Brücken und Fähren,

Wege und Krane, Seezeichen und Schleusen nebeneinander als unter jenen

Begriff fallend aufgeführt werden können.

In den 30er und

40er Jahren des

vorigen

Jahrhunderts

waren

sodann in Preußen gesetzgeberische Vorarbeiten im Gange, welche die ein­

heitliche Regelung des Wasserbau-, Strompolizei- und Deichwesens für das Geltungsgebiet des Allgemeinen Landrechts, also für

den weitaus größten

Sie zogen sich Jahre lang hin und

Teil des Staatsgebietes, bezweckten.

wurden mit der außerordentlichen Gründlichkeit betrieben,

Aufstellung

Aus

welche für die

von Gesetzentwürfen in der vormärzlichen Zeit bezeichnend ist.

den Akten geht hervor, daß der damalige Prinz von Preußen, der

spätere

Kaiser

persönlich

Wilhelm

teilgenommen

der

Große,

hat.

Zu

an

einem

dieser

Entwürfe

praktischen Ergebnis

kam man

der

Beratung

schließlich nur bezüglich des Deichwesens, das durch Gesetz vom 28. Januar 1848

— und zwar in Erweiterung des ursprünglichen Planes für den ganzen Umfang des preußischen Staates

— geregelt wurde.

Von den übrigen

damals bearbeiteten Gebieten des Wasserrechts ist nur ein verhältnismäßig

kleiner Teil in sehr viel späterer Zeit, nämlich durch das noch zu erwähnende

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Z 4.

Gesetz vom

20.

August

Die preußische Gesetzgebung.

83

1883, betreffend die Befugnisse der Strombau­

verwaltung, neu geordnet und kodifiziert worden.

Der Natur der Sache nach ist in jenen gesetzgeberischen Vorarbeiten von Strombauten, Buhnen, Uferdeckungen und sonstigen, zum

sehr häufig

Uferschutz oder zur Fahrwasserverbesserung bestimmten Bauwerken die Rede.

Infolgedessen

zugehörigen

geben die Motiven,

aufgestellten Entwürfe

damals vielfach

die Protokolle

über

ihre Beratung,

die

mit den

von

den

Provinzialständen eingeforderten Gutachten und die sonst in den Akten vorhandenen kritischen Äußerungen ein besonders gutes Bild von dem

Sprachgebrauch der an der Gesetzgebung beteiligten Kreise hinsichtlich derjenigen

technischen Hilfsmittel,

welche zur Erhaltung und Verbesserung der Schiff­

barkeit natürlicher Wasserstraßen in Betracht kommen. Es ist daher zweckmäßig und

notwendig, die Terminologie der da­

maligen Vorarbeiten — insoweit es sich um die Anwendung des Anstalts­

und Anlagebegriffs handelt — hier näher darzulegen. Zunächst ist jedoch der Entwurf einer Strom- und Uferordnung für die Weichsel und Nogat, den der Oberpräsident von Schön in Königsberg

am 26. Oktober 1840 dem Finanzminister Grafen von Alvensleben ein­ reichte,

kurz

zu

erwähnen.

Es

wurde

ihm

zwar,

da

eine provinzielle

Regelung grundsätzlich nicht in Betracht kam, keine weitere Folge gegeben,

er diente aber als Material für die Bearbeitung der allgemeinen Entwürfe und ist jedenfalls, worauf es hier zunächst nur ankommt, eine Erkenntnis­

quelle für den legislativen Sprachgebrauch.

In diesem Entwurf heißt es:

Der Staat sorgt für die zur Sicherheit und Bequemlichkeit der

„H 1.

Schiffahrt erforderlichen Anstalten.

Welche Anstalten, Strom- und Uferbauten', zur Er­

ß 2.

reichung dieses Zweckes, sowie zur Regulierung des Stromlaufes not­

wendig werden, bleibt lediglich der BeurHilung der Staatsverwaltung

überlassen. Z 3.

Hat der Staat bei Ausübung dieses Hoheitsrechtes Entschädigungen

zu gewähren, so darf durch deren Ermittelung oder Feststellung die Aus­ führung der für notwendig erachteten Anstalten oder Bauten niemals

aufgehalten werden.

tz 4.

Der Staat gewährt unter allen Umständen nur dann eine Ent­

schädigung, wenn nachgewiesen werden kann, daß der entstandene Nachteil

* Eine pleonastische Zusammenstellung, hervorgeht.

wie aus dem folgenden Text klar

6*

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84

Gegenstand der Abgabenerhebung.

m.

als eine unmittelbare Folge der getroffenen Anstalten oder Bauten

zu betrachten ist. § 5.

Niemand darf ohne Genehmigung des Staates Strom- oder

Uferbauten oder irgend eine Anlage ausführen, welche auf den

Lauf des Stromes von Einfluß sein kann. Z 11.

Die Uferbesitzer sind verpflichtet, auf Verlangen des Staates,

ordinäre Befestigungen der Ufer auf eigene Kosten auszuführen.

jedoch

künstliche

, * Anlagen

wie z. B. Deckwerke

und

Werden

Buhnen,

er­

forderlich, so bleibt es lediglich dem Ermessen der Staatsverwaltung über­ lassen, ob die Herstellung derselben aus Staatsmitteln erfolgen soll." Die Terminologie bewegt sich hier vollkommen im Rahmen der Tradi­

Strom- und Uferbauten werden

tionen des Allgemeinen Landrechts.

aus­

drücklich als „Anstalten" bezeichnet; der Begriff der Anstalt wird mit dem­ jenigen der Anlage synonym oder jedenfalls

promLseue

gebraucht,

ganz

ähnlich wie im 8 54 der Reichsverfassung.

Schon vor diesem westpreußisch-provinziellen Gesetzesvorschlag war 1838

im Finanzministerium

ein

allgemeiner Gesetzentwurf

„über

Strom-

und

Uferpolizei der öffentlichen Flüsse und das Deichwesen" aufgestellt worden. Er wurde im Jahre 1839 umgearbeitet und in zwei gesonderte Entwürfe zerlegt, von welchen der eine nur auf Strom-

und Uferpolizei und der

andere nur aus Deichwesen sich bezog. Der erstere enthielt in § 7 der ursprünglichen Fassung die Bestimmung:

„Dem Staate liegt es ob,

die

zur Erhaltung, Sicherung und Ver­

besserung der Schiffahrt erforderlichen Anstalten und Vorkehrungen zu treffen."

und in § 11 die weitere Vorschrift:

„Es gehört zu den Obliegenheiten und Vorbehalten des Staates, durch bauliche Anlagen an und

in öffentlichen Flüssen dem Strome oder

der Strombahn die den Zwecken der Schiffahrt entsprechende Richtung zu geben und zu erhalten."

In einer etwas späteren Bearbeitung heißt es dann:

„Die zur Erhaltung, Sicherung und Verbesserung der Schiffahrt erforder­

lichen Veranstaltungen und Vorkehrungen trifft der Staat." Auf Grund der Beratung im Staatsministerium wurde schließlich der

folgende Worlaut gewählt:

* Auch dieser Ausdruck ist pleonastisch: Anlagen sind der Natur der Sache nach künstlich.

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Z 4.

Die preußische Gesetzgebung.

85

„Wenn der Staat zur Sicherung der Schiffahrt, namentlich durch Be­ zeichnung und Wegschaffung der in der Fahrbahn des Flusses sich findenden

Hindernisse, Vorkehrungen zu treffen und zur Verbesserung der Fahrbahn

durch Regulierung derselben

auszuführen für notwendig

bauliche Anlagen an oder im Flusse erachtet, trägt er die dadurch

entstehenden

Kosten." Hier sind die Ausdrücke Veranstaltung, Vorkehrung und Anlage als gleichbedeutend

behandelt und

auf jegliche Art von Strombauwerken an­

gewendet.

12 des ursprünglichen — 8

In 8

13 des vom Staatsministerium

umgearbeiteten — Entwurfs heißt es von diesen Strombauwerken:

„Sind durch die Anlagen des Staates Verlandungen entstanden usw." Nach § 29 des Entwurfs in der Fassung des Staatsministeriums ist „zu baulichen Anlagen in öffentlichen Flüssen oder an deren Ufern,

als: zu Wasserleitungen, Stromregulierungs- oder Uferdeckungswerken —

die Erlaubnis der Landespolizeibehörde erforderlich."

In den Motiven zu dem ersten 1838 aufgestellten Entwurf heißt es:

auf die etwas undeutliche

„Endlich bleibt zu erwähnen, daß in bezug

Fassung der

263, 264 Teil

I Tit.

9

des Allgemeinen Landrechts

eine Bestimmung wünschenswert erscheint und

im Laufe der Verwaltung

als Bedürfnis sich ergeben hat, welche das Recht des Staates zur einst­

weiligen Benutzung der durch seine künstlichen Anstalten erzeugten

Verlandungen besser sichert." Bei diesen Anstalten handelt es sich wesentlich um Buhnen.

Das Protokoll vom Januar

Entwurfs

im

Finanzministerium,

1839 über die Beratung dieses ersten zu

welchem

damals

die

Wasserbau­

verwaltung gehörte, enthält die Bemerkung: „Nach diesem Paragraph *

ist noch eine Bestimmung erforderlich, wonach

der Uferbesitzer es ohne Anspruch auf Entschädigung sich

gefallen lassen

muß, daß neu entstandene Alluvionen und Inseln, zu deren Benutzung und Bepflanzung noch keine Genehmigung erteilt oder Anweisung ergangen

ist, durch

künstliche Anstalten

seitens

des Staates

wieder

weg­

geschafft werden, wenn dies im öffentlichen Interesse vorteilhaft erscheint." Die Motive zu dem durch das Staatsministerium umgearbeiteten Ge­

setzentwürfe vom Jahre 1841

handeln unter I von der Disposition des

Stoffes und unterscheiden dabei drei Abschnitte:

* Dessen Text hier nicht zum Verständnis notwendig ist.

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III.

86

Gegenstand der Abgabenerhebung.

a) „von den Rechten und Pflichten des Staates, d) von den Rechten des Publikums und

e) von den Rechten und Verbindlichkeiten der Uferbesitzer." Mit Bezug auf die hierdurch bezeichnete Stoffeinteilung heißt es:

„Diese Anordnung scheint der Natur des Gegenstandes entsprechend. Nur in Beziehung auf die Vorschriften wegen Anlegung und Unterhaltung der An­

stalten im Jnteresseder Schiffahrt und der Strombahn ist es angemessen erschienen, sie nicht gesondert, sondern aä u und e aufzustellen."

An anderen Stellen heißt es: „Der Staat trifft die Veranstaltungen zur Sicherstellung und Ver­ besserung der Schiffahrt nicht zu seinem besonderen Vorteile, sondern zu­

gunsten zunächst derjenigen Gewerbetreibenden, welche bei dem Gebrauche

der Schiffahrtsstraße beteiligt sind,

demnächst allerdings

mittelbar für

einen weiteren Kreis von Teilnehmern." —

er

„Überdies ist der Staat als Eigentümer des Flusses — wenn

innerhalb der Userlinien Veränderungen des Stromstriches herbeizuführen

für nötig errachten sollte — dabei vollkommen in seinem Rechte, und er kann den Grundsatz:

qui suo ^ure utitur, nemini kaeit Lnjuiium: um

so mehr für sich in Anspruch nehmen, als der Uferbesitz seiner ganzen Natur nach nur mit der Eigentümlichkeit zu denken ist, daß er den nach­

teiligen und unvorteilhaften Einwirkungen der Stromrichtung

und daß diese Zufälle durch

unterliegt

Anstalten, um die Urbestimmung des

öffentlichen Stromes, die Schiffbarkeit, zu sichern, reguliert werden. Wenn hiernach von der einen Seite das Recht des Staates, die zur

Erhaltung und Verbesserung der Schiffahrt notwendigen Anlagen, ohne

unbegründete EntschädigungsverpfLichtungen einzugehen, näher hat gewahrt werden müssen *,

so scheint es von der anderen Seite ebenso notwendig,

daß diese nur im Interesse der Gemeinschaft liegenden Anlagen und

sonstige auf Erhaltung, Sicherheit und Bequemlichkeit der Schiffahrt ab­ zweckende Vorkehrungen auch vom Staate

allein

unterhalten,

und

daß die Uferbesitzer deshalb außer Anspruch gelassen werden usw." —

„Die Uferdeckung bewirkt nur Erhaltung der Sache in ihrem, dem öffentlichen und dem Interesse Dritter unnachteiligen Zustande;

zu

dieser

Deckung

erforderlichen

Anstalten

und

und die

Vorkehrungen

stehen in unmittelbarer und unzertrennlicher Verbindung mit der Eigen­ tümlichkeit der in Rede stehenden Art des Besitzes."

Der zweite Gesetzentwurf über das Deichwesen bestimmt in ß 9: „Diese Vereinigung (Bildung eines Deichverbandes) findet statt, wenn * Anakoluthe auch im Texte des Originals.

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8 4.

Die preußische Gesetzgebung.

87

a) die Grundbesitzer einer noch unverwallten Niederung zur Anlage

und künftigen Erhaltung von Deichen und Meliorationswerken ver­

pflichtet,

d) wenn

Verwaltungs-

oder

Meliorationsanlagen

schon

be­

stehender Deichverbände erweitert werden sollen.

Sodann heißt es in § 13: „Insbesondere soll die Deichpflicht auf alle einzelnen durch die Deiche und

Meliorationsan st alten geschützten — Grundstücke — gleichmäßig —

verteilt werden." Das

schließlich erlassene Deichgesetz vom 28. Januar 1848 hat diese

Terminologie im wesentlichen beibehalten.

Die Ausdrücke „Anstalt" und

„Anlage" sind völlig synonym gebraucht. Im Jahre 1851 wurde im preußischen Finanzministerium ein Entwurf zu einem

„Gesetz betreffend die Regulierung der Tarife zur Erhebung von

Kommunikationsabgaben" aufgestellt und im Staatsministerium beraten. Der

1 dieses Entwurfs bestimmte:

„Tarife zur Erhebung von Abgaben für die Benutzung von Land- und Wasserstraßen,

Schleusen,

Brücken,

Fähren,

Häsen,

Bohlwerken,

Kranen, Wagen, Niederlagen und anderen zur Erleichterung des Ver­ kehrs dienenden Anstalten können unter Festhaltung des Grundsatzes,

daß der Ertrag der Abgabe die Kosten nicht übersteigen darf, welche auf

die Unterhaltung und Wiederherstellung derjenigen Anlage zu verwenden sind, für deren Benutzung

die Abgabe erhoben wird, von der Staats-

regierung — erlassen werden."

Hier sind alle Wasserstraßen ohne Unterscheidung von natürlichen und künstlichen als Anstalten bezeichnet; freilich nur insoweit sie eine Verbesserung» durch staatliche oder sonstige Mittel erfahren

haben, denn nur nach diesem

Gesichtspunkte können sie dem in jener Bestimmung ausgesprochenen Ge­ bührenprinzip straßen

unterworfen werden.

gemeint

Schleusen

nach

sind,

ergibt

sich

Daß auch die schleusenlosen Wasser­ aus

den Wasserstraßen.

der

besonderen

Erwähnung

der

Die Begründung des Gesetzentwurfs

bedient sich desselben Sprachgebrauchs.

Bemerkenswert ist

ferner die an den Art. 54 Abs. 4 der heutigen

Reichsverfassung erinnernde synonyme Verwendung der Ausdrücke „Anstalt"

und „Anlage". Im Jahre 1877 wurde ein neuer Anlauf zur Gesetzgebung auf dem

Gebiete

des Wasserrechts genommen.

Es wurden gleichzeitig Vorarbeiten

zu einem „Gesetze, betreffend die Befugnisse der Strombauverwaltung gegen­ über den Uferbesitzern an öffentlichen Flüssen", und zu einem „Gesetze, be-

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

88

treffend

die

begonnen.

Benutzung,

Veränderung

ersteren

Die

und

führten nach

Unterhaltung

Gewässer,"

der

Jahren zum

einigen

Erlasse

des

Gesetzes vom 20. August 1883, in welchem es heißt: „Z 3.

Auf Anordnung der Strombauverwaltung haben die Uferbesitzer

gegen Entschädigung zu den im öffentlichen Interesse anzulegenden Deck­

werken,

Buhnen,

Coupierungen oder

anderen

Stromregulierungen

den

erforderlichen Grund und Boden — einzuräumen." Nach Z 5 des Gesetzes gehören Anlandungen,

„welche infolge von Anlagen der in § 3 gedachten Art entstehen, dem­ jenigen, an dessen Ufer sich dieselben angesetzt haben."

Hier ist also das

Wort

„Anlage"

auf solche Bauwerke angewendet,

welche zur Verbesserung der Fahrrinne und zum Schutze der Ufer an frei­ fließenden — nicht kanalisierten — Strömen ausgeführt werden.

Gesetzes,

Der

erste

Entwurf

änderung

und

Unterhaltung der Gewässer,

eines

betreffend

die

Benutzung,

Ver­

gebraucht, insbesondere in den

12, 23, 25, 26, 63, 64, 106, den Ausdruck „Anlage" ganz allgemein für jedes Wasserbauwerk

in oder an natürlichen Gewässern, und auch für

Schiffahrtskanäle. Zu einem positiven Ergebnis kam man damals nur auf einem beson­

deren Gebiete, nämlich

auf dem der Wassergenossenschaften, welches durch

das Gesetz vom 1. April 1879 geregelt wurde.

Dies Gesetz bezeichnet in

Z 1 die „Herstellung und Verbesserung von Wasserstraßen (Flößereien) und anderen Schiffahrtsanlagen"

als eine Aufgabe der Wassergenossenschaften.

Der Ausdruck Schiffahrtsanlage bezeichnet hier also die ganze Wasserstraße, und zwar nicht nur die „hergestellte", sondern auch die „verbesserte" *.

Die gesetzgeberischen Vorarbeiten wurden

später wieder ausgenommen

und auf eine allgemeine Regelung des Wasserrechts ausgedehnt.

Sie kamen

dann zu einem vorläufigen Abschluß in dem 1894 veröffentlichten „Entwurf

eines preußischen Wassergesetzes". des Wortes

„Anlage"

privaten Gewässern.

Auch dieser Entwurf bedient sich überall

für jede Art von Wasserbauten an öffentlichen und

Er spricht von „Anlagen zur Beschaffung der Vorflut"

in 8 23, von Stauanlagen"

in § 44, von „allen Anlagen an Strömen

und Schiffahrtskanälen" in Z 52 Nr. 1, von „Anlagen zur Veränderung der Hochwasserslüsse" in Nr. 3 a. a. O. usw.

* Ges.S. S. 297. Auf Grund dieser Bestimmung ist von der „Meliorations­ genossenschaft der Pinnau-Niederung" in den 80er Jahren der Pinnaufluß zwischen Ütersen und Pinneberg in Schleswig-Holstein in Berücksichtigung konkurrierender Schiffahrtsinteressen durch Regulierung als Wasserstraße ausgebaut worden.

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H 5.

Die nichtpreußische deutsche Gesetzgebung.

Denselben Sprachgebrauch

89

hat schließlich das Gesetz, betreffend Maß­

nahmen zur Verhütung von Hochwassergefahren

in der Provinz Schlesien

Es sagt z. B. in Z 16:

vom 8. Juli 1900

„Soweit bei dem Ausbau an bereits vorhandenen Anlagen (Deichen, Schleusen, Wehren, Brücken u. dgl.) Änderungen eingeführt werden usw." Die

gegebene Übersicht über

hier

die Terminologie der autonomen

Gesetzgebung — die im Wege der Gesetzgebung zustande ge­

preußischen

kommenen Staatsverträge sollen später noch besonders behandelt werden — enthält nur eine Auswahl

aus den vorhandenen Gesetzen, Gesetzentwürfen

und sonstigen Gesetzgebungsmaterialien. Textstellen,

welche

Wasserbau-

und Schiffahrtswesens

mit dem

Anstalts-

sich

Die vollständige Wiedergabe aller und

Anlagebegriff im Sinne des

beschäftigen, würde zuviel Raum

beanspruchen und den Umfang dieser Arbeit noch mehr anschwellen.

Die Auswahl der Zitate dürfte aber doch genügen, um einige für den weiteren Verlauf der Untersuchung wichtige Tatsachen außer Zweifel zu stellen.

Die

Ausdrücke

„Anstalten"

„Anlagen"

und

sind

pronnLeue

synonym zur Bezeichnung von Wasserbauten verwendet worden.

und

In älterer

Zeit wurde das Wort „Anstalt" bevorzugt oder doch ebenso häufig gebraucht wie

Später — etwa von der Mitte des vorigen Jahrhunderts

„Anlage".

ab — ist der letztere Ausdruck üblich geworden. Jede von diesen Bezeichnungen wird für alle Arten von Wasserbauten angewendet.

nachweisbar

Es

ist

insbesondere

kein

Unterschied

in

der Terminologie

Regulierungsbauten, etwa in dem

zwischen Stauwerken und

Sinne, daß die ersteren Anlagen und die letzteren Anstalten genannt würden

oder umgekehrt.

Die vielfach

ausgesprochene Meinung, man könne wohl

Schleusen und Wehre als Anstalten bezeichnen, nicht aber Buhnen, Bagge­

rungen und sonstige Strombauten, findet also in dem Sprachgebrauch der preußischen Gesetzgebung keine Stütze.

Beide Gruppen von Wasserbauwerken

werden von dieser Gesetzgebung entweder unter den Anstalts- oder unter den

Anlagebegriff — in

den

letzten

Jahrzehnten

regelmäßig

unter

dem

letzteren — subsumiert.

8 5. Die nichtpreußische deutsche Gesetzgebung. Neben

der preußischen Gesetzgebung, deren besondere Bedeutung für

die Auslegungsfrage darin beruht, daß ihr Sprachgebrauch den Verfassern

des Art. 54 und der maßgebenden Verträge in der Gewohnheit lag, kommen ' Ges.S. S. 171.

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III.

90

Gegenstand der Abgabenerhebung.

aber auch die auf Wasserbau-

und

Gesetze der anderen Staaten des schweizerische und

österreichische,

Schiffahrtsangelegenheiten bezüglichen

jetzigen Reichsgebiets in Betracht.

Die

luxemburgische Gesetzgebung ist hier nicht

mit herangezogen worden, weil der Sprachgebrauch in diesen Bestandteilen

des deutschen Sprachgebiets manche Eigentümlichkeiten aufweist, welche die

Vergleichbarkeit zum Zwecke einer grammatischen

Interpretation in Frage

stellen könnten. Nach Nr. 1 des für Schleswig-Holstein-Lauenburg erlassenen königlichen

Patentes

über

das

Deichwesen

vom 29. Januar 1800

erstreckt sich die

Aufsicht der Deichinspektoren

„auch

auf die Uferbefestigungen, Bollwerke, Schleusen, Wasserlösungen

auf die Vorländereien, auf die Verhütung ihres Abbruchs und die Be­ förderung ihres Anwachses und die sonstigen mit den Deichen und ihrer Sicherheit in Verbindung stehenden Anstalten und Werke". Die beiden letzteren Ausdrücke erscheinen hier in synonymer Anwendung, sie bezeichnen sowohl Maßregeln

als

auch körperliche Anlagen, und zwar

letztere ohne Rücksicht darauf, ob sie einen Betrieb erfordern oder nicht.

einer herzoglich nassauischen Verordnung vom 25. August

Auf Grund

1812, welche in ß 1 besagt:

„Unsere Verwaltungsbehörden sollen in allen Fällen, wo sie um öffent­ licher Anstalten willen das Privateigentum oder Privatgerechtsame in Anspruch zu nehmen veranlaßt sind, den Wert des Schadens ausmitteln."

früher

sind Main

und

alle

an

Schleusen,

der

Lahn

auf

Strom-

und

nassauischem

Uferbauten Gebiete

am

Rhein,

ausgeführt

am

worden.

Durch eine preußische Kabinettsordre vom 9. April 1844 wurde diese Ver­ ordnung

auch für den ehemals reichsstädtischen Teil? des Kreises Wetzlar

eingeführt, als mit dem Ausbau der Lahn für die Schiffahrt innerhalb des Kreises Wetzlar vorgegangen wurde und eine gesetzliche Handhabe für Ent­

eignungszwecke geschaffen werden sollte. Man verstand also in Nassau unter „Anstalten" sowohl Schleusen als

auch Buhnen und Deckwerke. Die kurhessische Verordnung, „den Wasserbau betreffend", vom 31. De­

zember 1824 bestimmt in § 2: „Der Gemeinde sollen die weiter zur Erhaltung der User und des all­

gemeinen Wasserabflusses gereichenden

Arbeiten und Anlagen ob­

liegen, namentlich: * Provinzieller Ausdruck für Vorfluteinrichtungen. 2 In dem übrigen Teil des Wetzlarer Kreises galt die Verordnung von 1812 ohnehin, weil er bis 1815 nassauisch gewesen war.

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8 5.

Die nichtpreußische deutsche Gesetzgebung.

Schutze des

zum

1. alle Wasserbauten

91

sowie der

Ortes

öffentlichen

Plätze und Wege oder sonst zum Besten der Gesamtheit;

2. die Reinigung des Flußbettes von den darin

Gegenständen sowie

der durch

die Wegnahme

liegenden nachteiligen Fluten veranlaßten

Kiesbänke und Anflüsse;

3. die Abstechung und Abrundung vorspringender schädlicher Spitzen an den Ufern; 4. die

zur Regelung

des Wasserlaufes

erforderlichen Durchstiche und

Vorbauten an Bächen sowie an nicht schiff- oder flößbaren Flüssen;

5. der Bau solcher Uferdämme und

anderer Schutzwerke, bei welchen

die nächsten unmittelbaren oder mittelbaren Anlieger nicht ausschließ­

lich beteiligt sind. Gereichen diese Anlagen auch anderen Gemeinden zu offenbarem Nutzen, so haben solche daran verhältnismäßig teilzunehmen."

Hier ist das Wort „Anlage", wie die Vergleichung der Eingangs- und Schlußworte ergibt, im weitesten Sinne gebraucht.

Es bedeutet, ebenso wie

in anderen Gesetzestexten, der Ausdruck Anstalt sowohl die Maßregeln als auch deren konstruktives Ergebnis.

Die hannoversche Verordnung,

„das Wasserbauwesen betreffend", vom

1. September 1852 * bestimmt in Z 56:

„Die Landdrostei hat in folgenden Fällen das Gutachten der General­

direktion des Wasserbaues einzuholen usw. 6. wenn sie Strom- oder Uferanlagen genehmigen oder verfügen will, welche einzeln oder im Zusammenhänge eine Veränderung der Strombahn eines schiffbaren Flusses zur Folge haben könnten."

Der wichtigste

Anwendungsfall

für

diese Bestimmung

ist

die Aus­

führung von Leitwerken, Buhnen und sonstigen Ufervorbauten. Das bayrische Gesetz über die Benutzung des Wassers vom 28. Mai 1852 2 spricht in der ersten Abteilung „Öffentliche Gewässer" von „Dämmen oder ähnlichen Anlagen,

welche auf den Lauf des Wassers oder die Höhe

des Wasserstandes Einfluß haben können."

In Art. 22 ist von der

(Art. 10 und 11.)

„Pflicht zur Befestigung des Ufers und zur

Herstellung und Erhaltung der gegen den Andrang des Wassers erforder­ lichen Anlagen" die Rede, und in Art. 25 wird verordnet:

„Wenn sich Verlandungen infolge künstlicher Anlagen,

welche zur

Regulierung des Flusses oder zum Zwecke des Uferschutzes unternommen

r Ges.S. I, 257.

2 Ges.Bl. S. 490, 1851/52.

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92

m.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

werden, im Bereiche dieser Anlagen bilden, so werden dieselben Eigentum der Unternehmer."

Der Ausdruck „Anlagen" bezeichnet hier hauptsächlich Buhnen. Bemerkenswerte Beispiele

„Anstalt" und „Anlage"

für

den

synonymen Gebrauch

der Worte

bietet die hannoversche Deich- und Sielordnung

für Ostfriesland vom 12. Juni 1853

Sie sagt unter II „Sielordnung", Abschnitt 1 Allgemeine Bestimmungen in ß 70:

„Die Sielordnung betrifft die Anstalten zur Entwässerung be­

ziehungsweise

der

Bewässerung

den

Sielachten

angehörigen

Grundstücke, namentlich — die Außen- und Binnensieltiefe? — die Wehr- und Kajedeiche und die Stauwerke,

Schleusen, Verlaate usw.

DieseAnlagen werdenunterder Benennung Sielanstalten begriffen." Ferner in 8 74: „Wenn die Entwässerungsanstalten einer Sielacht,

ihren Zweck

nicht erfüllen, so soll zu ihrer Erweiterung oder zu den etwa nötigen neuen Anlagen geschritten werden." Sodann

heißt

es

in

Abschnitt

4

„Benutzung

der

Sielanstalten",

§ 111, 112: „In die Siele und Wasserzüge dürfen Gegenstände, welche dieselben ver­

unreinigen

oder den Wasserabfluß beschränken (z. B. Ballast) nicht ge­

bracht, auch Schiffe, Flöße — nur so gelagert oder gestellt werden, daß sie dem Wasserabfluß nicht hinderlich sind.

Anlagen an und in den Sieltiefen und Wasserzügen,

als Ufer­

deckwerke und Vorsetzungen, Schiffsstapel oder Hellinge, Ladeplätze usw.

dürfen den Wasserlauf nicht nachteilig beengen usw."

In 8 122 wird bestimmt: „Die in den

88 82 und 84 der Sielordnung

sind als Entwässerungsanstalten,

bezeichneten

Anlagen

die im 8 83 aufgeführten als

Bewässerungsanstalten im Sinne des Gesetzes vom 22. August

1847 anzusehen usw.". Unter III „Gemeinsame Bestimmungen" wird in Abschnitt 6 mit der Überschrift „Enteignung zu Deich- und Sielanlagen" durch 8 175 vor­ geschrieben:

„Die Abtretung, Belastung oder vorübergehende Benutzung von Grund* Ges.S. S. 49, 1853. 2 „Sieltiefe" sind die der Vorflut und zugleich der Schiffahrt dienenden Wasser­ läufe, welche die bedeichten Gebiete durchschneiden und sie mit der Ems oder dem Meere verbinden.

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8 5.

zur

eigentum

Die nichtpreußische deutsche Gesetzgebung.

Anlegung,

Unterhaltung

oder

anstalten soll in dem Maße stattfinden,

16. September 1846

für

die im

§ 1

Sicherung

93 von

Siel­

wie durch das Gesetz vom

desselben gedachten Anlagen

von Schiffahrtskanälen usw. angeordnet ist." Zu den Sielanstalten oder Sielanlagen im Sinne dieser Bestimmungen gehören also auch die Wasserläufe, welche aus den eingedeichten Niederungen

nach der See, der Ems und der Jade führen.

Sie dienen ebenso wie die

Flüsse dem Doppelzwecke der Vorflut und des Schiffsverkehrs; zuweilen ist der letztere Zweck, wie aus dem hier nicht abgedruckten §79 hervorgeht, der überwiegende.

Nach Z 117 hat die Landdrostei die nötigen Anordnungen über

Die Siel­

die Schiffahrt auf den „Sieltiefen und Wasserzügen" zu treffen. tiefen werden der Regel nach und die binnendeichs

belegenen Wasserzüge

wenigstens teilweise den natürlichen Wasserstraßen hinzuzurechnen sein*. Jedenfalls werden hier die Ausdrücke „Anstalt" und „Anlage" unter­

schiedslos gebraucht nicht nur für einzelne Bauwerke oder Einrichtungen wie

Schleusen,

Uferdeckwerke,

Wasserstraßen,

Schiffsstapel und Ladeplätze (HZ 70, 112) an

sondern auch für die letzteren selbst.

würde demjenigen des Art. 54 entsprechen, daß dort der Doppelausdruck

Dieser Sprachgebrauch

wenn die Annahme richtig ist,

„Anstalten und Anlagen"

im zweiten Satze

des vierten Absatzes einen Pleonasmus darstellt und daß unter Anstalten oder Anlagen auch die künstlichen Wasserstraßen inbegriffen sind.

Das großherzoglich hessische Gesetz, die Entwässerung von Grundstücken

betreffend, vom 2. Januar 1858? anlagen",

ebenso

„Bewässerungs-

spricht mehrfach

von „Entwässerungs­

eine nassauische Verordnung vom 27. Juli 1858^ von

und Entwässerungsanlagen".

Ein

landgräflich

hessisches

Gesetz, die Entwässerung von Grundstücken betreffend, vom 15. Juli 1862

schließt sich im Sprachgebrauch, soweit der Anlagebegriff in Betracht kommt, dem großherzoglich hessischen vom 2. Januar 1858 durchaus an.

Die provisorische Schleswig,

Verfügung

für

die

Geestdistrikte des

Herzogtums

betreffend die Ableitung und Benutzung des Wassers behufs

Verbesserung der Ländereien vom 6. September 1863

bezeichnet in Z 19

Brücken und Siele als „Anlagen". Wie weit die ostfriesischen Binnenwasserstraßen natürlichen oder künstlichen Ursprungs sind, läßt sich schwer seststellen, weil auch die natürlichen Wasserläufe im Interesse der Vorflut und Schiffahrt durch eine vielhundertjährige Kulturarbeit stark verändert sind. 2 Regierungsblatt S. 33. Verordnungsblatt S. 100. 4 Archiv S. 889. 5 Chronologische Sammlung S. 232.

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III.

94

Gegenstand der Abgabenerhebung.

In der hannoverschen Deich- und Abwässerungsordnung für die Graf­ schaften

Hoya

und

Diepholz

22. Januar 1864

vom

die Rede.

Stellen von „Abwässerungsanstalten"

unter insbesondere auch

schieden;

an

mehreren

werden hier­

„die Siele in den Deichen nebst Zubehör

setzungen, Brücken usw.)", die „Kurdeiche"

verstanden.

ist

Nach § 68

Hiervon werden

nach

8 69

unter diesen Begriff fallen

und die

die

(Vor­

„Wehr-(Kaje-)deiche"

„Abwässerungszüge"

unter­

„sowohl die Außen- und Binnentiefe

nebst Zubehör (Uferdeckwerke, Uferdämme, Brücken usw.) wie auch die Zug­ gräben nebst Zubehör und endlich die Flüsse,

soweit sie zur Abwässerung

der bedeichten Gegend dienen." Sodann heißt es weiter: „Die Abwässerungsanstalten und Züge werden mit dem gemeinschaftlichen Ausdruck Abwässerungseinrichtungen" bezeichnet.

Der letztere Begriff erscheint also hier als der höhere und allgemeinere.

Begriff

der

deckt sich

Abwässerungszüge

großenteils

mit

demjenigen

Der

der

„Sielanstalten" oder „Sielanlagen" im Sinne der ostfriesischen Deich- und

Sielordnung von 1853.

Die in der Form eines badisch-schweizerischen Staatsvertrages zustande gekommene

„gemeinsame Schiffahrts- und Hafenordnung für den Untersee

und den Rhein zwischen Konstanz und Schaffhausen"

1867 2

enthält

einen Art. 3

sonstige Anlagen".

vom 28. September

mit der Überschrift „Fähranstalten und

Wenn hier, abweichend von dem strengen Sprach­

gebrauch, der Anlagebegriff als der weitere und der Anstaltsbegriff als der engere erscheint,

so

beweist das die Unsicherheit der Terminologie und die

Bedenklichkeit einer Auslegung,

welche

unterschied zwischen „Anstalten"

und „Anlagen"

etwa

einen

wesentlichen Begriffs­

in Art. 54 der ungefähr

gleichzeitigen Verfassung des Norddeutschen Bundes feststellen wollte. Das meiningische Gesetz, die Benutzung und Behandlung der Gewässer betreffend, vom 6. Mai 1872 spricht in Art. 58 von „Dämmen, Flecht­ werken und anderen Anstalten zur Abwehr nachteiliger Überschwemmungen." In

ähnlicher

Weise

gebraucht

Braunschweig vom 20. Juni 1876

zu Schutz- und Nutzzwecken";

das Wassergesetz

für

das Herzogtum

in § 10 die Worte

„Wasseranlagen

an anderen Stellen spricht es (88 62, 86)

von „Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen". Am 10. Mai 1879 wurde zwischen Baden und der Schweiz eine „Übereinkunft, betreffend den Wafferverkehr auf dem Rhein von Neuhausen * Ges.S. S. 11. 2 Badisches Regierungsblatt 1868, S. 234. o Sammlung der landesherrlichen Verordnungen, S. 163. Bad. Ges. und Verordn.Samml. S. 285.

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8 5.

bis unterhalb Basel *"

Die nichtpreußische deutsche Gesetzgebung.

abgeschlossen,

95

deren Inhalt nicht nur für die Auf­

fassung des Anstalts- und Anlagebegriffs im

allgemeinen,

sondern

auch

darüber hinaus für die badische Auslegung des Art. 54 der Reichsverfassung

und des Art. 25

des Zollvereinsvertrages — die

Rheinschiffahrtsakte

hat

für diese Rheinstrecke keine Geltung — von Interesse ist. Es wird dort in Art. 3,

Abs. 2,

nachdem zunächst in Abs. 1

Grundsatz der Abgabenfreiheit des Verkehrs für die bloße

der

„Benutzung der

Wasserstraße" aufgestellt ist, folgendes bestimmt:

„Für besondere, den Zwecken der Schiffahrt oder Flößerei dienende An­ lagen,

Anstalten

oder

Leistungen

dürfen

Gebühren

erhoben

werden; insbesondere: a) für die Benutzung von Landungsplätzen, Einbindungsstätten u. dgl., d) für die im Interesse der Flößerei

an einzelnen Plätzen angeordnete

besondere polizeiliche Aufsicht,

e) für das Freimachen, Auffangen und Bergen abgetriebener bezw. an

Brücken oder sonst hängen gebliebener Hölzer, vorbehaltlich der Ersatz­ ansprüche für etwa entstandenen Schaden. Die Gebühren sollen keinen höheren Betrag erreichen, als für Deckung

der durch die bezüglichen Anlagen, Anstalten und Leistungen erwachsenden

Kosten erforderlich ist." Ferner übernehmen in Art. 5 beide Staaten gewisse Verpflichtungen hin­

sichtlich der Ausführung und wesentlichen Abänderung von „künstlichen An­ lagen" (wie Straßen- und anderen Dämmen, festen Fischereivorrichtungen, Triebwerken, Brücken u. dgl.) sowie von „Wasser- und Uferbauten".

Hier erscheint in Art. 3 der allgemeine Begriff „Anstalt" neben den

engeren Begriffen der „Anlage" und „Leistung".

Daß die beiden letzteren

auch als Anstalten im Sinne der Reichsgesetzgebung anzusehen sind, ergibt

sich aus dem Umstande, daß die Gebührenerhebung verfassungsmäßig nur

nach den in Art. 54 aufgestellten Regeln über die Benutzung „besonderer Anstalten"

auf natürlichen Wasserstraßen zulässig

ist.

Von

„Leistungen"

spricht die Reichsverfassung überhaupt nicht. Zu den „besonderen Anstalten" im Sinne des Art. 54 rechnet Baden auch die Strom- und Schiffahrtspolizei; freilich nur hinsichtlich des Flößerei­

verkehrs und nur in örtlicher Betätigung „an einzelnen Plätzen".

Weshalb

nicht auch diejenige polizeiliche Tätigkeit als „besondere Anstalt" behandelt wird, welche lediglich im Interesse des Schiffsverkehrs „an einzelnen Plätzen" und im Interesse des gesamten Stromverkehrs auf der durchgehenden Fahr­

* Bad. Ges. und Verordn.Bl. S. 866.

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III. Gegenstand der Abgabenerhebung.

96

straße entfallet werden muß, ist nicht ersichtlich.

Vielleicht war eine solche

Tätigkeit zur Zeit des Vertragsschlusses nicht erforderlich. Anscheinend bestand die Auffassung, daß unter „besonderen" Anstalten nur Einrichtungen zur Erleichterung des örtlichen Verkehrs zu verstehen seien,

eine Auffassung, die freilich mit der üblichen Behandlung der Schleusen als „besondere Anstalten" nicht im Einklang stehen würde.

Von Interesse ist ferner, daß als „besondere Anstalt" von der badischen Regierung

auch

bloße

die

der

Freihaltung

Fahrstraße

von

vertriebenen

Hölzern, also die Verhinderung von Verschlechterungen des Schiffahrts- und

Floßweges angesehen wird.

Diese Auffassung berührt sich nahe mit der­

jenigen der norddeutschen Regierungen, daß die Beseitigung von Wracks und Baumstämmen aus dem Fahrwasser eines Stromes eine besondere Anstalt

im Sinne der Reichsverfassung und deshalb ein zulässiges Substrat der Ab­

gabenerhebung sei *. Die Fassung des Art. 5

der Übereinkunft ist so

gewählt,

daß der

Schein entstehen könnte, als wenn „Wasser- und Uferbauten" nicht auch „künstliche Anlagen" wären.

Daß dies aber nicht die Meinung sein kann,

ergibt sich zunächst aus dem Vergleich mit Art. 3, wo die — sicherlich zu

den „Wasser-

und Uferbauten" gehörigen — Landungsplätze als Anlagen

oder Anstalten bezeichnet werden, und aus der demnächst noch zu erörternden Terminologie der sonstigen badischen Wassergesetzgebung.

Das hessische Gesetz, das Dammbauwesen und das Wasserrecht be­ treffend vom 14. Juni 1887 2 spricht in Art. 1 von „Veranstaltungen, welche geeignet sind, auf die Ausbreitung oder den natürlichen Ablauf des Wassers

einzuwirken".

Eine maßgebende Rolle spielt der Anstaltsbegriff in seiner Anwendung

auf Wasserbauten in dem elsaß-lothringischen Gesetz vom 2. Juli 1891, be­ treffend Wasserbenutzung und Wasserschutz

Er erscheint dort in dem Aus­

„Veranstaltung", dessen Bedeutung von der des Wortes „Anstalt"

druck

kaum verschieden ist.

Wenn überhaupt ein Unterschied vorhanden ist, so

könnte er nur darin gefunden werden, daß der erstere Begriff noch allgemeiner

und abstrakter ist wie der letztere. trieb,

werden

als

durchgehends und

Alle Wasserbauten, mit und ohne Be­

„Veranstaltungen"

bezeichnet.

allgemein angewendet,

Dieser

Ausdruck

wird

an mehreren Stellen aber auch

synonym mit „Anlagen" gebraucht. Das Gesetz beginnt in ß 1 mit den Worten: * Vgl. unter III L. 3. 6. HZ 4 und 5. 2 Neg.Bl. S. 105. 3 Ges.Blatt für Elsaß-Lothringen, S. 82.

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8 5.

Die nichtpreußische deutsche Gesetzgebung.

97

„An Wasserläufen jeder Art bedürfen diejenigen Veranstaltungen, welche geeignet sind, den Lauf des Wassers zu verändern, zu stauen, zu

der Genehmigung.

hemmen oder zu beschleunigen

Insbesondere ist an

eine solche Genehmigung — gebunden a) die Errichtung von Stauanlagen für Wässerungen und Wasseran­

sammlungen, b) die Anlage von Wasserableitungen und Wasserentnahmen jeder Art,

e) die Anlage von Wassereinführungen in einen Wasserlauf, ä) die Beseitigung oder Abänderung von Anlagen der in a bis e

bezeichneten Art." Nach 8 2 ist zu prüfen, „ob durch die beabsichtigte Veranstaltung öffentliche Interessen gefährdet — werden", und nach 8 5 findet „bei Wider­

rufung oder Beschränkung bezüglich einer Veranstaltung — an schiffoder flößbaren Wasserläufen ein Anspruch auf Entschädigung nicht statt".

In

H 11 wird für diejenigen Veranstaltungen an Wasserläufen, welche zur Be­

wässerung von Grundstücken bestimmt sind, wiederholt der Ausdruck „Anlage" gebraucht.

Dasselbe geschieht in HZ 13 und 17 bezüglich der Veranstaltungen

zur Bewässerung und Entwässerung.

Nach H 37

ist ohne Genehmigung der Verwaltungsbehörde untersagt:

1. „Die Vornahme von Uferbauten und

sonstigen Bauten

am

Ufer eines Wasserlaufes, von Einbauten in das Bett eines Wasserlaufes, von Überbauungen oder Überbrückungen eines

Wasserlaufes.

2. Die Abänderung bestehender Veranstaltungen dieser Art." und in ß 39 wird verordnet:

„Im Überschwemmungsgebiete des Rheins dürfen ohne Genehmigung der zuständigen

Behörde

keinerlei

Bauten

errichtet

oder

andere

Veran­

staltungen getroffen werden, welche geeignet sind, auf den natürlichen Ablauf des Wassers einzuwirken." Demnach

fallen sowohl Buhnen als auch Deiche und alle Bauten im

Hochwasserbette unter den Begriff der „Veranstaltung". In der Strafbestimmung des § 42 werden die nach Z 1 des Gesetzes genehmigungspflichtigen Wasserbauten zuerst als Veranstaltungen und dann

als Anlagen bezeichnet.

Die Strafandrohung richtet sich gegen denjenigen

1. „wer entgegen den Vorschriften in Z 1 Veranstaltungen der dort bezeichneten Art ohne Genehmigung der zuständigen Verwaltungs­

behörde oder entgegen den Bedingungen der Genehmigung vornimmt."

* Pleonasmen. Schriften OXV. — Erster Teil.

7

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III.

98

Gegenstand der ALgabenerhebung.

2. „wer Anlagen der in Z 1 bezeichneten Art, deren Genehmigung

widerrufen oder beschränkt ist, nicht innerhalb der von der Verwaltungs­

behörde festgesetzten Frist beseitigt oder entsprechend abändert."

Auch in § 47

erscheint nochmals der Begriff der Veranstaltung in

ähnlichem Zusammenhänge. Der Terminologie des reichsländischen Wassergesetzes sehr ähnlich ist diejenige des badischen Wassergesetzes vom 26. Juli 1899 ^.

ebenfalls den Ausdruck „Veranstaltung"

in Verbindung

Es gebraucht

für Wasserbauten jeder Art, meist

mit dem pleonastischen Eigenschaftswort

„künstlich".

In­

dessen erscheint häufig auch das Wort „Anlage" in synonymer Anwendung

für „Veranstaltungen" überhaupt oder für gewisse Arten von Veranstaltungen.

Das Gesetz beginnt in Z 1 mit den Worten: „Die nach

ihrer Natur oder durch künstliche Veranstaltungen für

den öffentlichen Verkehr mit Schiffen oder gebundenen Flößen benutzbaren

Flüsse — stehen im Eigentum des Staates."

und in Abs. 4 desselben Paragraph heißt es:

„Wird künftighin ein Gewässer — durch künstliche Veranstaltungen

für den öffentlichen Verkehr — benutzbar gemacht usw." Der badische Minister Schenkel sagt als Kommentator in Anm. 3 zu

tz 1

ausdrücklich, daß sowohl Baggerungen und

Buhnenbauten als auch

Schleusen, kurz jede zur Herstellung der Schiffbarkeit geeignete technische Maß­ regel oder Einrichtung als „Veranstaltung" im Sinne dieser Gesetzesvorschrift anzusehen sei?.

Ferner ist in § 37 von den „zur Entwässerung, Bewässerung und zur

sonstigen Wasserbenutzung dienenden Veranstaltungen", in KZ 91, 92, 106 und

107

von

„Bauten

und

sonstigen Veranstaltungen,

Wasserabfluß oder Eisgang eine ungünstige Einwirkung

welche auf den ausüben (H 91),

welche auf den Wasserabfluß oder Landschutz erheblich schädigend einwirken können (tz 92) in und an Gewässern (8 106 Nr. 7 und 8 107 Nr. 2)" die Rede.

Daneben wird die Bezeichnung „Anlage" vorzugsweise für die zur An­ stauung des Wassers sowie zur Bewässerung und Entwässerung bestimmten

Vorrichtungen in §8 14, 27, 28, 29, 30, 32, 36, 37, 50, 85 und 86 * Ges. und Verordnungsblatt, S. 309. 2 Da Schenkel der geistige Urheber des badischen Wasserrechts ist, so ist sein Zeugnis über die gleichmäßige Anwendbarkeit des Veranstaltungsbegriffs auf Buhnen und Schleusen von ausschlaggebender Bedeutung. Daß zwischen „Veranstaltung" und „Anstalt" in dieser Beziehung ein Unterschied bestehen könnte, ist nicht anzu­ nehmen. Vgl. „Das Badische Wasterrecht, enthaltend das Wassergesetz vom 26. Juni 1899 usw." von I)r. Karl Schenkel. Karlsruhe 1902.

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A 5.

gebraucht.

Die nichtpreußische deutsche Gesetzgebung.

Daß jedoch

99

ein begrifflicher Unterschied zwischen Veranstaltung

und Anlage nach der Auffassung des Gesetzgebers nicht bestehen soll, ergibt sich aus dem Zusammenhänge der Gesetzesvorschriften, insbesondere aus den

Bestimmungen in ß 37, wo in der allgemeinen Bemerkung des Schlußsatzes

das Wort Anlage auch für die in Abs. 1 Nr. 3 erwähnten „Veran­ staltungen" gebraucht ist, und aus dem ersten Absatz in H 50, wo unter Nr. 1 die an jener Stelle genannten „Veranstaltungen zur Entwässerung und Bewässerung"

als „Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen"

be­

zeichnet werden. Der Minister Schenkel, der als Vater des Gesetzes hier eine besondere

Autontät beanspruchen kann, braucht die Ausdrücke Veranstaltung und An­ lage auch

in seinem Kommentar (zweite Auflage, Karlsruhe 1902) voll­

kommen gleichwertig.

Er sagt z. B. in Anmerkung 15 zu ß 1: „Was die

Genehmigung zu Benutzungs-Entwässerungsanlagen, Bauten und sonstigen Veranstaltungen angeht, usw.", und in Anm. 10 zu Z 50 spricht er

von den „unter Ziffer 1 bis 3 aufgeführten Veranstaltungen", während in dem kommentierten Gesetzestext unter 1 von „Bewässerungs- und Ent­

wässerungsanlagen", unter 2 von „Anlagen, welche dem gemeinsamen

Waldschutz dienen" und unter 3 von „Stauwerken, Sammelbecken und zu­ gehörigen Zu- und Ableitungsanlagen" die Rede ist *.

Das württembergische Wassergesetz vom 1. Dezember 1900 ? spricht in

Art. 8 von „Flußbauten und anderen Anlagen im Bett öffentlicher Gewässer."

Ebenso gebraucht der im Jahre 1904 erschienene Entwurf eines neuen bayrischen Wassergesetzes den Ausdruck Anlage von allen Wasserbauten ohne

Unterschied, insbesondere in Art. 12, 49, 62, 77, 96, 112 a. a. O.

Ein zusammenfassender Rückblick auf die Fachgesetzgebung der Bundes­ staaten läßt erkennen, daß ihre Terminologie hinsichtlich des Anstalts- und

Anlagebegriffs sich im allgemeinen mit dem Sprachgebrauch der preußischen Gesetzgebung

zustellen,

deckt.

Eine

geringe Abweichung ist höchstens insoweit fest­

als der Ausdruck „Anstalt", der in Preußen seit der Mitte des

vorigen Jahrhunderts zugunsten des Wortes

„Anlage" zurücktritt,

in den

anderen Bundesstaaten mit der unwesentlichen Variante „Veranstaltungen" bis

in die neueste Zeit beibehalten und auf alle Arten von Wasserbauten, nament­ lich auch auf Buhnen, Parallelwerke und Baggerungen angewendet worden ist. * Es ist danach wohl anzunehmen, daß Schenkel in seiner Rede am 16. Januar 1906 in der Zweiten Kammer zu Karlsruhe (Stenogr. Berichte S. 113) bei Aus­ legung der Reichsverfassung nicht zwischen Anlagen und Anstalten, sondern zwischen den ersteren und besonderen Anstalten unterscheiden wollte. 2 Reg.Bl. S. 921. 7*

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III.

100

Gegenstand der Abgabenerhebung.

8 6.

Die preußisch-deutschen Staatsverträge. Von besonderer Bedeutung für die Wortauslegung und die Feststellung des Sprachgebrauchs

hinsichtlich der Begriffe Anstalt und Anlage sind die

Staatsverträge, welche Preußen

gebietes über Fragen des hat.

mit

anderen Staaten des jetzigen Reichs­

Wasserbau- und Schiffahrtswesens abgeschlossen

Sie veranschaulichen den gemeinsamen Sprachgebrauch der beteiligten

Regierungen, also denjenigen Sprachgebrauch, hinsichtlich dessen Zweifel und

Meinungsverschiedenheiten unter ihnen kaum möglich waren. Von diesen Verträgen sollen hier nur zwei ältere Elbschiffahrtsverträge und sodann die Zollvereinsverträge angeführt werden.

Die Elbschiffahrtsakte vom

23. Juni

1821 *

weist in Art.

30 der

unter den Elbuferstaaten vereinbarten „Revisionskommission" unter anderem

die Aufgabe zu, „Veranstaltungen und Maßregeln, welche nach neuerer

Erfahrung Handel und Schiffahrt ferner erleichtern könnten", zu beraten; die Ausdrucksweise erinnert sehr an

diejenige der Zollvereinsverträge und

der Verfassung hinsichtlich der „Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs

bestimmt sind".

Die Übereinkunft der Elbuferstaaten über Schiffahrts- und Strompolizei auf der Elbe vom 13. April 1844? sagt in Art. 7: „Die Ufer nebst den an denselben befindlichen Werken und Anlagen — dürfen von den Schiffen und Holzflößen auf ihrer Fahrt nicht berührt oder beschädigt — werden.

Dampfschiffe müssen sich von den Uferanlagen möglichst entfernt halten, damit letztere vom Wellenschläge nicht beschädigt werden."

Die Zollvereinsverträge kommen hier nicht nur als Dokumente für die Feststellung des übereinstimmenden Sprachgebrauchs der vertragschließenden Staaten, sondern gleichzeitig als Quellen des geltenden Rechts

in Betracht.

Sie sprechen von „Anstalten", die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt

sind, und erläutern den Anstaltsbegriff durch Aufzählung gewisser Gebühren, die für die Benutzung solcher Anstalten gezahlt werden.

In dem Handels­

und Zollvertrage vom 27. Mai 1829 findet sich zuerst eine solche Aufzählung,

r Preuß. Ges.S. S. 9, 822. 2 Preuß. Ges.S. S. 518. 3 Vgl. II 8 2, S. 17 dieser Arbeit.

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8 6.

101

Die preußisch-deutschen Staatsverträge.

und zwar von „Kanal-, Schleusen-, Brücken-, Fahr-, Hafen-, Wage-, Kranund Niederlagegebühren"; die Aufzählung soll aber, wie nach dem Zusammen­

hänge keinem Zweifel unterliegt, nicht erschöpfend sein, sondern nur Beispiele

Die Schlußworte: „und Leistungen für Anstalten, die zur Er­

enthalten.

leichterung des Verkehrs bestimmt sind", enthalten eine elausula §6neiali8

aller

hinsichtlich

nicht

besonders

Arten

erwähnten

von

und

Gebühren

Anstalten. Die

gleiche

vereinsverträge,

Eine

und

Ausdrucks-

Darstellungsweise

einschließlich desjenigen vom 8. Juli

für die Wortauslegung wichtige

indessen

das

Schlußprotokoll

zu

in

ist

alle

Zoll­

1867 übergegangen.

Erläuterung oder Paraphrase gibt

Art.

17

des

Zollvereinsvertrages

vom

22. März 1833, wo mit Bezug auf die im offenen Vertrage genannten „Anstalten" gesagt ist: oder Verbesserungen einer bereits bestehenden

„Wesentliche Änderungen

Einrichtung der Art, wie sie im Art.

17

bezeichnet sind, würden

einer neuen Anlage gleich zu achten sein, weshalb hinsichtlich der Gebühren

die

dabei

des

Bestimmung

ersten

Alinea

des

Art.

13

An­

darauf

wendung findet." Die vollkommen synonyme Anwendung der Ausdrücke Anstalt, Anlage

und Einrichtung tritt hier mit besonderer Klarheit hervor. Dieselbe Erscheinung zeigt sich in dem preußisch-österreichischen Handels­ und Zollvertrage vom 19. Februar 1853

der in Art. 15 verordnet:

„Die Benutzung der — Kanäle, Schleusen, Fähren, Brücken und Brücken­

öffnungen, der Häfen und Landungsplätze, der Bezeichnung und Beleuchtung des Fahrwassers, des Lotsenwesens,

der Kran- und Wageanstalten, der

Niederlagen, der Anstalten zur Rettung und Bergung von Schiffsgütern

und dergleichen mehr,

insoweit die Anlagen oder Anstalten

für

den öffentlichen Verkehr bestimmt sind usw."

„Gebühren dürfen — nur bei wirklicher Benutzung solcher Anlagen oder Anstalten erhoben werden." Dieser

Vertrag

eigentlichen Sinne;

gehört

zwar

nicht

zu

den Zollvereinsverträgen

im

er bildet aber doch insofern eine den Zollvereinsstaaten

gemeinsame Erkenntnisquelle des Sprachgebrauchs, als die anderen Vereins­ staaten außer Preußen ihm damals durch Vertrag vom 4.

April

1853

beitraten.

i Preuß. Ges.S. S. 357.

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III.

102

Gegenstand der Abgabenerhebung.

8 7. Die Reichsgesetzgebung der Jahre 1848 und 1849. Bei den gesetzgeberischen Versuchen, welche

aus den Ereignissen des

Jahres 1848 hervorgingen, haben die Schiffahrtsangelegenheiten bekanntlich

eine wichtige Rolle gespielt.

Der öffentlichen Meinung sowohl wie auch der in Frankfurt tagenden erschien

Reichsversammlung

der Rechtseinheit

die Herstellung

Gebiet — insbesondere die einheitliche Regelung

auf diesem

der Abgabenfrage — als

eine der wichtigeren Ausgaben des neuen Nationalstaates*.

Der blieben

Umstand,

daß

Anläufe

gesetzgeberischen

jene

und scheiterten, beraubt die damals

auf

aufgestellten

dem

Papier

Entwürfe nicht

ihrer Bedeutung für die Feststellung des Sprachgebrauches. Die im damaligen Reichsgesetzblatt veröffentlichte Reichsverfassung vom

28.

März

1849

ordnete die

Schiffahrtsfragen

Artikel, von welchen der erstere in letztere in

im

vierten

und

fünften

ZH 20 bis 23 die Seeschiffahrt, der

24 bis 27 die Binnenschiffahrt zum Gegenstände hatte.

Der ß 20 beginnt mit den Worten:

„Die Schiffahrtsanstalten am Meere

und in den Mündungen

der

deutschen Flüsse, Häfen, Seetonnen, Leuchtschiffe, das Lotsenwesen, das Fahrwasser

usw.

bleiben

der

Fürsorge

der

einzelnen

Uferstaaten

überlassen."

Hier wird das Fahrwasser ausdrücklich

als Anstalt bezeichnet.

Der

Verfassungstext erläutert den Ausdruck „Schiffahrtsanstalt" durch beispiels­ weise — nicht erschöpfende — Aufzählung einzelner Arten und Erscheinungs­

formen des Anstaltsbegriffs.

Unter diesen befindet sich auch das Fahrwasser^

seine Eigenschaft als Anstalt im Sinne der Verfassung ist also im Wege

der Legaldefinition hier festgestellt.

In § 21 wird diese Legaldefinition mit

den Worten:

„Die Reichsgewalt hat die Oberaufsicht

über diese Anstalten

und

Einrichtungen" wiederholt. Sie steht aber auch mit dem Sprachgebrauch der damaligen Reichstags­ verhandlungen ?

durchaus im Einklänge.

Das

dem Reichstage

vorgelegte

„Minoritätserachten zu dem Verfassungsparagraphen 21 des volkswirtschafti Über diese Vorgänge hat Schumacher S. 123—132 in sehr interessanter

und ausführlicher Weise berichtet. 2 Auch mit dem der Publizistik und Literatur.

Eine in Hamburg, Heroldsche

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Die Reichsgesetzgebung der Jahre 1848 und 1849.

Z 7.

103

lichen Ausschusses, die Schiffahrtsanstalten am Meere betreffend"* sagt, die die Unterzeichneten gingen davon aus,

„daß den der

einzelnen Uferstaaten die Fürsorge und nähere Überwachung

für den Seehandel

und die Schiffahrt

nötigen

Verfügungen,

Einrichtungen und Anlagen überlassen bleiben muß.

Die Sache

begreift so viele verschiedene Teile in sich, als Häfen, Seetonnen, Leucht­

türme und Leuchtschiffe, Baken, Lotsenwesen, Regulierung des Fahr­ wassers", usw. Hier erscheint gleichzeitig in Überschrift und Text wiederum der synonyme

Gebrauch der Ausdrücke „Anstalt" und „Anlage". In der Sitzung vom 11. November 1848 sagte der Abgeordnete Mohl mit Bezug auf die zur Erörterung

stehende Frage,

ob

die Seeschiffahrts­

anstalten nach dem Vorschläge der Ausschußmehrheit in das Eigentum und die unmittelbare Verwaltung

des Reiches

übergehen

nach dem der

oder

Minderheit nur einer Reichsaufsicht unterstellt werden sollten: „Ferner

sind

viele

Versuche

von ihnen

(den

Politikern

Gruppe) gemacht worden, die Schiffahrtsanstalten

der anderen

in den Häfen

in den Händen der Einzelstaaten zu lassen und besonders das Fahr­

wasser aus der See bis in die Seestädte".

Die Anwendung des Anstaltsbegriffs in

§

20

der Reichsverfassung

von 1849 auf das Fahrwasser würde, wenn das letztere in seinem Natur­

zustände und ohne Rücksicht auf menschliche Nachhilfe gemeint gewesen wäre, dem

hinsichtlich

jenes

nicht entsprechen.

Begriffes

Indessen

bestehenden

geht aus § 22

des Sprachgebrauches der Verfassung von

Literatur keineswegs besteht; den Seeuferstaaten

allgemeinen

Sprachgebrauche

hervor, daß eine Abweichung

demjenigen des Lebens und der

denn nach dieser Bestimmung dürfen die von

„für die Benutzung der Schiffahrtsanstalten" erhobenen

Abgaben die Unterhaltungskosten nicht übersteigen. ist also das Fahrwasser nur insoweit,

Anstalt im Rechtssinne

als es menschlicher Nachhilfe bedarf

Buchhandlung 1853 erschienene Broschüre, „Die Stellung der Hansestädte. Be­ merkungen, veranlaßt durch 6 Artikel der Weserzeitung", sagt z. B. S. 39: „Be­ deutende Summen sind und werden auf Verbesserung des Fahrwassers der Elbe verwendet und Hamburg allein bestreitet die Kosten der Schiffahrts­ anstalten bis zum Meere, das ist auf einer Strecke von 18 deutschen Meilen." Hier erscheint die Fahrwasserverbesserung als Schiffahrtsanstalt. Die Broschüre ist anonym, macht aber den Eindruck, als wäre sie von den regierenden Kreisen inspiriert.

Sie verteidigt jedenfalls deren Verkehrspolitik. * Stenograph. Bericht über die Verhandlungen der deutschen konstituierenden Nationalversammlung. Herausgegeben von Wizard V S. 3219 und 3220.

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III.

104

Gegenstand der Abgabenerhebung.

und solche erfährt; nur unter dieser Voraussetzung

und in

den hierdurch

bezeichneten Grenzen ist es ein zulässiges Substrat der Abgabenerhebung. Der die Binnenschiffahrt betreffende ß 26 sagt:

„Die Hasen-, Kran-, Wag-, Lager-, Schleusen- u. dgl. Gebühren, welche an den gemeinschaftlichen Flüssen und den Mündungen der in dieselben

sich ergießenden Nebenflüsse erhoben werden, dürfen die zur Unterhaltung

derartiger Anstalten erforderlichen Kosten nicht übersteigen." Hier findet sich wiederum eine Aufzählung Anstalten, die ebenfalls nur Beispiele

verschiedener Arten

von

gibt, unter diesen aber das Fahr­

wasser nicht erwähnt. Zur Ausführung dieser Verfassungsbestimmungen

waren

handelsministerium zwei Gesetzentwürfe ausgearbeitet worden,

im

Reichs­

von welchen

der eine „die Aufhebung der Flußzölle und die Ausgleichung für dieselbe", der andere ein „deutsches Flußschiffahrtsgesetz"

Der erstere enthielt

betraf.

in Art. 4 die Vorschrift:

„Den an den Mündungen deutscher Flüsse bestehenden Abgaben für die Seeschiffahrt

und

die derselben

dienenden

Anstalten

unterliegt

ein

deutsches Schiff oder dessen Ladung nur dann, wenn dasselbe von der offenen See kommt oder nach der offenen See abgeht."

Die Fassung dieser Bestimmung

läßt wiederum die Anwendung des

Anstaltsbegriffs auf bloße Fahrwasserverbesserung oder Fahrwasserunlerhaltung

erkennen.

Der Entwurf des deutschen Flußschiffahrtsgefetzes liefert zunächst in Art. 3:

„Kanal-, Schleusen-, Brückenöffnungs- und Hafengebühren dürfen nur für den wirklichen Gebrauch solcher Anlagen erhoben werden," einen neuen Beweis für den synonymen Gebrauch der Ausdrücke Anlage

und Anstalt.

Dasselbe tut Art. 12 mit den Worten:

„Den in diesem Gesetz enthaltenen, die Benutzung der vorhandenen An­ stalten und das Abgabenwesen betreffenden Vorschriften sind alle die­ jenigen, welche an der Flußschiffahrt teilnehmen,

gleichmäßig Folge zu

leisten verpflichtet."

Sodann verordnet Art. 21: „Die Staatsgewalt hat dafür zu sorgen, daß nicht durch Kun st anlagen

oder Bauwerke irgend einer Art der Zustand des Fahrwassers verschlechtert oder die Schiffahrt gefährdet werde.

Anlagen, welche diese Wirkung hervorbringen können, dürfen ohne Genehmigung der Staatsgewalt weder

ausgeführt

noch verändert,

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auch

Z 1.

105

Die Bestimmung zur Erleichterung des Verkehrs.

darf deren Unterhaltung nicht zum Nachteil der Schiffahrt vernachlässigt werden.

Als solche Anlagen sind namentlich zu betrachten: „Uferbauten,

Deiche

und

Dämme,

Wehre

und

sonstige

Stau­

anlagen, Ableitungen aus dem Flusse usw.," femer Art. 52:

„Die Kosten außerordentlicher Bauten und Anlagen zur Verbesserung

der Schiffbarkeit

der Reichsflüsse übernimmt das Reich auf den Grund

von Beschlüssen des Reichstags"

und Art. 53:

„Die Ausführung der Strombauten und Anlagen an den Reichs­ flüssen geschieht durch die Behörden der Uferstaaten."

Das Gesetz hatte die Einsetzung technischer Organe der Reichsgewalt zur Beaufsichtigung der Strombauten vorgesehen.

Von diesen Organen heißt

es in Art. 61: „Der Reichsbaumeister nimmt in seinem Oberaufsichtskreise Kenntnis von

dem Zustande der Flüsse und von den Mängeln derselben, von den bau­

lichen Anlagen und von denjenigen Verhältnissen, welche auf die Schiff­

barkeit Einfluß üben können.

Hierunter sind alle Anlagen und Ver­

änderungen zwischen den natürlichen oder künstlichen wasserfreien Ufern

einbegriffen." In demselben Sinne werden die Ausdrücke Anstalt und Anlage in den

damals

aufgestellten

„Entwürfen

zu

für die

Dienstanweisungen

Reichs­

baumeister und Reichsschiffahrtsaufseher" angewendet.

d) Die bei den Anstalten vorauszusetzenden Eigenschaften. 8 1-

Die Bestimmung zur Erleichterung des Verkehrs. Nach der Verfassung und den Verträgen müssen diejenigen Anstalten,

für deren Benutzung Abgaben erhoben werden, gewisse Eigenschaften besitzen. Sie müssen zunächst nach der Verfassung,

dem Zollvereins- und Elb-

zollvertrage „zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt" sein.

Es käme also,

wenn lediglich dieser Wortlaut in Betracht gezogen würde, nur auf die von dem Bauenden und Einrichtenden verfolgte Absicht, nicht auf deren Ver­

wirklichung an.

Es

sind Fälle denkbar,

in welchen die Zweckbestimmung

der Erleichterung des Verkehrs zwar beim Bauen bestand,

wendung beträchtlicher Kapitalien nicht erreicht wurde.

aber trotz Auf­

Vielfach wird be-

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106

m.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

hauptet, daß bei der Donauregulierung am Eisernen Tore ein solcher Fall

vorliege Man wird die Fassung in diesem Punkte nicht als glücklich bezeichnen können.

Ausschlaggebend muß die Frage sein, ob die Anstalt dem Verkehre

tatsächlich eine Erleichterung geschaffen hat; denn nur als Gegenleistung für einen der Schiffahrt gewährten Nutzen sind Schiffahrtsabgaben wirtschaftlich

berechtigt.

Das ergibt sich

auch aus der anderen Gesetzesvorschrift, welche

den Eintritt der Abgabenpflicht von einem Benutzungsakte abhängig macht: eine Sache benutzen heißt nach den Regeln des Sprachgebrauchs Nutzen aus

ihr ziehen.

beeinflußt der

Insofern

Begriff der Benutzung auch den der

Anstalt im Sinne des geltenden Rechts. Wenn es bei der Verkehrserleichterung auf die tatsächliche Wirkung

und nicht auf die Zweckbestimmung

ankommt, so muß auch bei Anstalten,

die ursprünglich nicht im Verkehrsinteresse ausgeführt sind, ihm aber tat­

sächlich Nutzen bringen, die Heranziehung der Schiffahrt zur Deckung eines

entsprechenden Kostenanteils zulässig sein. daß

Es wäre insbesondere möglich,

ein nur zu Vorflutzwecken in Angriff genommener Wasserbau wider

Erwarten zugleich

eine

eines Privatflusses in

Schiffahrtsverbesserung — etwa die Umwandlung eine Wasserstraße oder die Verbesserung

handenen Wasserstraße — herbeiführt.

In

der Regel wird

einer vor­

man freilich

derartige Nebenwirkungen voraussehen und die Finanzierung von vornherein danach einrichten.

Die Worte „zur Erleichterung des Verkehrs"

sind gerade bei Wasser­

bauten nicht überflüssig, sondern vielmehr von großer praktischer Bedeutung,

weil diese Bauten sehr häufig

mehreren Zwecken

gleichzeitig dienen.

Das

gilt hauptsächlich von den Strombauten, die fast immer oder doch in den meisten Fällen nicht nur im Interesse der Schiffahrt, sondern auch in dem­

jenigen der Vorflut, des Uferschutzes und der Hochwasserführung ausgeführt

worden sind.

Nur insoweit sie dem ersteren Interesse dienen, können sie

als „zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt"

und demgemäß als Gegen­

stände der Abgabenerhebung angesehen werden.

Der Anstaltsbegriff erleidet

also eine Spaltung nach dem Gesichtspunkt der Zweckbestimmung oder viel­ mehr der

Wirkung.

schätzungsweise, werden.

Dieser Teilung

Ermittelung

muß

durch

eine,

wenn

auch

nur

entsprechender Wertanteile Rechnung getragen

Selbst Schleusen sind nicht immer im Schiffahrtsinteresse angelegt.

Es kommen Fälle vor, wo Stauanlagen nur zu landwirtschaftlichen Zwecken,

* Vgl. Jahresbericht der Handels- und Gewerbekammer der Oberpfalz und Regensburg für 1899 S. 30—38.

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K 1.

107

Die Bestimmung zur Erleichterung des Verkehrs.

namentlich zur Erhöhung des Grundwasserstandes oder des Hochwasserspiegels oder zu Berieselungszwecken,

oder nur zum Zwecke der Gewinnung von

Wasserkräften für die Industrie gebaut oder geplant sind.

Die in solche

Stauwerke eingebauten Schleusen können der Schiffahrt in der Regel keinen

vollen Ersatz für den früheren Zustand der Wasserstraße darbieten und

den

durch

Stau ihr

zugefügten

Nachteile

ganz

nicht

die Sie

ausgleichen.

dienen an und für sich keineswegs zur „Erleichterung des Verkehrs", sondern

nur zur Aufrechterhaltung der Schiffahrt,

die sonst durch die Stauanlage

unterbrochen werden würde.

Ein Beispiel für eine nicht im Interesse des Verkehrs, sondern in dem­ jenigen der Landwirtschaft erbaute Schiffahrtsanstalt bietet die bei Hohensaathen an der Oder

belegene

östliche Schleuse

des Finowkanals,

welche

lediglich den Zweck hat, das Hochwasser des Oderstromes von dem unteren Teile der Oderbruchniederung fernzuhalten. Anderseits genügt der Umstand, daß ein Wasserbau landwirtschaftlichen Zwecken dient, noch nicht zu seiner Ausscheidung aus dem Kreise der An­

stalten im Sinne des Art.

54 der Reichsverfassung.

Vielmehr muß noch

untersucht werden, ob er eine positive Förderung landwirtschaftlicher Interessen oder nur die Fernhaltung eines Schadens, der sonst durch den Ausbau der Wasserstraße zu Verkehrszwecken entstanden wäre, bezweckt und erreicht.

Bei­

spiele für Wasserbauten der letzteren Kategorie sind die Stauanlagen an der regulierten Netze zwischen Usch und Dratzig, welche zwar den Grundwasser­

stand und den Hochwasserspiegel im Interesse der Wiesenkultur erhöhen, aber

damit nur die dieser Kultur nachteiligen Wirkungen der Flußbegradigung

ausgleichen sollten, und die Stromregulierungsbauten am Rhein zwischen Mainz und Bingen, welche im Interesse des Weinbaus in der Weise aus­

geführt werden mußten, daß eine wesentliche Verringerung der Wasserspiegel­ breite

vermieden wurde.

Derartige Bauten sind, auch wenn sie unmittelbar

dem landwirtschaftlichen Interesse dienen, doch der Schiffahrt zur Last zu legen, weil sie eine notwenige Bedingung für die Verbesserung der Schiff­

fahrtsstraße waren.

Sie dienen insofern mittelbar

„zur Erleichterung des

Verkehrs" und sind Anstalten im Sinne des Art. 54. Überhaupt ist die Eigenschaft der Verkehrserleichterung — mit Rücksicht auf den Mangel jeder Einschränkung in der Wortfassung — ganz allgemein * Die Breite des Wasserspiegels hatte nach den überlieferten Ansichten für den Weinbau eine doppelte Bedeutung, insofern sie nicht nur die Reflexwirkung der Sonnenstrahlen steigert und die Lustwärme erhöht, sondern auch die für die Herbst­ reise wichtige Nebelbildung begünstigt. Durch die Berücksichtigung dieser Interessen wird die Stromregulierung sehr verteuert.

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III.

108 zu verstehen.

Es

Gegenstand der Abgabenerhebung.

genügt jeder Kausalnexus zwischen

einer Anstalt oder

Einrichtung und den Interessen des Verkehrs, sofern nur die letzteren durch

Die Einwirkung

erstere günstig beeinflußt werden.

kann

mittelbar oder

unmittelbar sein, sie kann in administrativen, insbesondere polizeilichen Ein­ richtungen oder auch in Verbesserungen konstruktiver Art bestehen. Der Umstand, daß der Absatz

3

des Art. 54 bei den Schiffahrts­

anstalten in Seehäfen die Bestimmung und Eignung für die Erleichterung des Verkehrs nicht besonders erwähnt, ist nicht als Anzeichen für eine ab­

weichende Meinung des

Gesetzgebers, sondern nur als eine Unstimmigkeit

in der Wortfassung anzusehen.

Es liegt in der Natur der Sache und er­

gibt sich aus dem Grundgedanken

des

Gebührenprinzips,

daß auch diese

Anstalten nicht an sich und unter allen Umständen, sondern nur nach Maß­ gabe ihres Nutzens für die Schiffahrt Substrate der Abgabenerhebung sein

dürfen.

Auch

in Häfen können solche Anstalten neben den Schiffahrts­

interessen gleichzeitig anderen Interessen dienen. den Nordseehäfen,

Das gilt namentlich von

welche — wie der Emder und Harburger Hafen — zu­

gleich die Vorflut für ein

größeres Landgebiet vermitteln und deren Flut­

schleusen wichtige Bestandteile des Deichschutzes bilden.

Von Binnenhäfen

mag hier der Duisburg-Ruhrorter erwähnt sein, dessen Einrichtungen neben dem Verkehrsinteresse auch dem Interesse des Hochwasserschutzes im Stadt­

gebiete dienen*. In gleicher Weise sind die entsprechenden Bestimmungen der Rhein­

schiffahrtsakte im Schlußprotokoll zu Art. abgabefähig erklärten Schleusen

und

3, wo die Beziehung der für

sonstigen

Anlagen

zu

den

Inter­

essen des Verkehrs in der Wortfassung nicht erkennbar ist, sinngemäß zu

verstehen. In

Art.

-er Ein- und

27

ist diese Beziehung mit den Worten „zur Erleichterung

Ausladungen und zur Niederlage der Waren" ausgedrückt;

hier ist also nicht die „Bestimmung zur Erleichterung" maßgebend.

Art. 27 spricht aber nur von Umschlagshäfen.

Der

Die am Rhein wie in allen

Strömen mit Hochwasser und Eisgang sehr wichtigen Sicherheitshäfen sind weder dort noch sonst irgendwo

im Text des offenen Vertrages erwähnt;

ihrer hat man erst im Schlußprotokoll zu Art. 3 bei der Zulassung von

Abgaben für die Benutzung „künstlicher Anlagen" gedacht.

Ähnliche Verhältnisse liegen im Düsseldorfer Hafen bei dem Rheinkai vor.

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Z 2.

Der Begriff des Besonderen.

109

8 2.

Der Begriff des Besonderen. Die Verfassung und der ihr wörtlich nachgebildete Elbzollvertrag ver­

langen

erhebung

den Gegenstand einer Abgaben­

bilden sollen, die Eigenschaft des „Besonderen", und zwar nur

an natürlichen Wasserstraßen, nicht auch von den An­

von den Anstalten

stalten

Anstalten, welche

von den

ferner

in

Seehäfen.

Eigenschaftswort hat bei der Auslegung zu

Dies

großen Schwierigkeiten und

und in der Tat ist

Zweifeln Anlaß gegeben;

der Gedanke, den der Gesetzgeber

hier zum Ausdruck bringen wollte, sehr

Es muß zunächst in hohem Maße aufsallen, daß er

schwer zu verstehen.

in allen früheren Zollvereinsverträgen jenes Eigenschaftswort im Zusammen­

hänge

mit

dem

Anstaltsbegriff für entbehrlich gebrauchte,

Bundesverfassung

hielt und es dann in der

es unmittelbar darauf — man könnte

um

auch sagen gleichzeitig — in dem letzten Zollvereinsvertrage in demselben Zusammenhänge wieder fortzulassen,

obwohl nach authentischer und unan­

fechtbarer Feststellung die sämtlichen hier erwähnten Rechtsvorschriften inhalt­ lich identisch sein sollen

Dieser Hergang und dieses Bild scheinen nicht

dafür zu sprechen, daß der Gesetzgeber durch Einfügung jenes Eigenschafts­ wortes eine wesentliche Änderung des früheren Rechtszustandes bewirken, oder mit anderen Worten, daß er auf den Ausdruck „besondere" ein sach­

liches Gewicht legen wollte.

Der Ausdruck ist vom Standpunkte des Sprachgebrauchs einer sach­

lichen Wesen

Beurteilung liegt

im Zusammenhänge

zunächst

gemeinen Begriff,

nur in der

des

Art. 54 nicht fähig.

Gegensätzlichkeit zu

Sein

einem anderen all­

in der Absonderung und Unterscheidung von ihm.

Die

Absonderung und Unterscheidung kann darauf beruhen, daß das Besondere andere Eigenschaften hat, als das Allgemeine sie aufzuweisen pflegt,

oder

auch darin, daß die normalen Eigenschaften des Allgemeinen in gesteigerter,

potenzierter Form

bei dem Besonderen

sich zeigen.

Aber es liegt in der

Natur der Sache, daß der Begriff des Besonderen ein bloß formales Dasein führen muß, solange der korrespondierende Begriff des Allgemeinen mit den

ihm innewohnenden wesentlichen

Eigenschaften nicht bekannt ist.

Auf den

Allgemeinbegriff kommt es also entscheidend an; erst von ihm aus ist der des Besonderen

zu konstruieren.

Ohne den

ersteren kann es den letzteren

nicht geben, so wenig es eine Ausnahme geben kann ohne Regel.

* Mit der hier unwesentlichen Modifikation hinsichtlich der nichtfiskalischen künstlichen Wasserstraßen vgl. II Z 2, S. 17 dieser Arbeit.

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III.

110

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Die Auffindung dieses Allgemeinbegriffs

ist aus dem Wortlaut des

Art. 54 mit den Hilfsmitteln der grammatischen Interpretation nicht möglich. Er gibt keinerlei Aufschluß oder auch nur Andeutung über die Eigenschaften,

die bei einer gewöhnlichen Anstalt als normale vorausgesetzt werden.

Man

könnte vielleicht bei oberflächlicher Betrachtung auf den Gedanken kommen, es handle sich um die Eigenschaft der Nützlichkeit für den Schiffsverkehr,

es sollten nur die Anstalten als abgabefähig — im Gegensatz zu dem

und

früheren Rechtszustande — künftig anerkannt werden, welchen diese Eigen­ besonders hohem Grade anhaftet.

schaft in

Aber diese Erklärung ist aus

mehreren Gründen völlig von der Hand zu weisen. sprachlich

nicht

nur

richtiger,

sondern

geradezu

Zunächst wäre es dann

notwendig gewesen,

das

Eigenschaftswort „besondere" nicht vor „Anstalten", sondern in den Relativ­

satz „die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind" vor „Erleichterung" Außerdem aber

zu setzen.

wäre die Grenzlinie zwischen der gewöhnlichen

und der besonderen Erleichterung des Verkehrs eine so schwankende und unsichere, durch so zahllose Übergangserscheinungen und Schattierungen ver­ dunkelte,

daß man dem Gesetzgeber nicht unterstellen kann, er habe eine

derartige Begriffsbildung zur Grundlage einer wichtigen, für die Finanzierung

von Wasserbauten ausschlaggebenden Rechtsnorm machen wollen.

auch der Sprachgebrauch

Hier würde

nicht die Richtschnur für die Klassifizierung der

Einzelerscheinungen abgeben

können, weil es sich

nicht um mehrere kom­

binierte Eigenschaften handelt, von welchen eine die überwiegende und damit

die namengebende wird,

Eigenschaft.

sondern

nur um Steigerungen und Grade einer

Derartige graduelle Unterschiede zum Ausdruck zu bringen, ist

der Sprachgebrauch nicht fähig. Übrigens würde, wenn es sich nur um den Grad und das Maß der dem Schiffsverkehr

aus einer Anstalt erwachsenden Vorteile handelt,

die

Unterscheidung zwischen wasserbautechnischen Methoden, wie sie von manchen Interpretatoren des Art. 54 für richtig gehalten wird, jedenfalls unzulässig

sein, denn jede dieser Methoden kann nach Bewandtnis der Umstände eine

oder geringe

große

„Erleichterung des Verkehrs"

zur Folge haben.

Die

Buhne, die Baggerung oder Felssprengung kann in dieser Richtung mindestens so viel wirken wie die Schleuse.

Ein anderer Erklärungsversuch, welcher auf der Grundlage der gram­

matischen Interpretation vielleicht möglich wäre, könnte dahin gehen, daß gewisse

Anstalten deshalb als

besondere bezeichnet worden seien, weil ihre

Benutzung eine besonders nahe Berührung oder Beziehung zwischen Anstalt

und Fahrzeug mit sich bringt.

Danach könnte man die Kammerschleuse als

besondere Anstalt betrachten, weil das Schiff hineingelassen, in der Kammer

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Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

111

gehoben oder gesenkt und hinausgelassen wird, während die Buhnen und die oder andere Hilfsmittel geschaffenen Fahrrinnen gewöhnliche

Buhnen

durch

Aber auch

Anstalten wären.

sicherheit

ferner auch

diese Erklärung ist wegen der großen Un­

beider Anstaltsgruppen,

der Abgrenzung

Unklarheit

und

deswegen unwahrscheinlich,

sowie

weil ohne zwingende Beweise dem

Gesetzgeber nicht unterstellt werden darf, er habe eine so äußerliche, formale und vom Standpunkte der wirtschaftlichen Interessen zufällige Tatsache als maßgebendes Kriterium für die wichtige Frage der Finanzierung von Wasser­

bauten

Praxis

ausdrücklicher

mit

Außerdem steht eine alte, konstante und unan­

aufstellen wollen.

gefochtene

jener Erklärung entgegen; denn man hat immer, sogar

Billigung

von

Reichs wegen,

die Bojen, Baken und

Leuchtfeuer als „besondere Anstalten" im Sinne des Art. 54 der Verfassung angesehen,

obwohl

Anstalten durch

die

Beziehungen,

in

welche

die Fahrzeuge zu diesen

entfernt sind wie nur möglich.

ihre Benutzung treten, so

Es zeigt sich auch hier wieder die starke gegenseitige Beeinflussung der Be­ griffe „Anstalt", „Verkehrserleichterung" und „Benutzung".

Wenn nur die

unmittelbare Wirkung einer Anstalt auf die Erleichterung des Verkehrs einen Titel auf Erhebung von Schiffahrtsabgaben verleiht und nur das unmittel­

bare Nutzenziehen

aus

einer solchen Anstalt zur Zahlung solcher Abgaben

verpflichtet, dann allerdings sind Buhnen ebensowenig Substrate der Abgaben­ erhebung

als

Bojen und Leuchtfeuer; letztere namentlich nicht für die bei

Tage vorbeifahrenden Schiffe. Nach Lage der Umstände erübrigt nur der Versuch, den Begriff des

„Besonderen"

mit

den

Hilfsmitteln

der

logischen

Interpretation zu be­

stimmen; er soll an anderer Stelle unternommen werden.

e) Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüber­ stellung mit abweichenden Ansichten. Die Untersuchung der für den Gegenstand der Abgabenerhebung maß­ gebenden

Begriffe nach

dem Gesichtspunkte des Sprachgebrauchs hat einen

verhältnismäßig sehr großen Raum beansprucht.

große

Zahl

von

Proben

des

Es war notwendig, eine

Sprachgebrauchs zu ziehen

in Gestalt von

Zitaten, weil die Allgemeinheit und Gleichmäßigkeit dieses Gebrauchs auf keine andere Weise festgestellt werden konnte.

Diese Zitate sind bei weitem

nicht so zahlreich, wie sie sein könnten — einige weitere werden später noch in

besonderem Zusammenhänge erscheinen —, aber doch nicht zahlreicher,

als die außerordentliche Wichtigkeit des Beweisthemas es mit sich bringt

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III.

112 und

erheischt.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Denn die Frage, was unter Anstalt im Sinne der maß­

gebenden Rechtsvorschriften zu verstehen ist, kann gar nicht sorgfältig und gründlich genug erörtert werden.

Es kam darauf an, auch dem zur Quellen­

forschung nicht geneigten oder nicht die erforderliche Zeit besitzenden Leser ein möglichst zuverlässiges Bild von der Entwicklung des Sprachgebrauchs

hinsichtlich des Anstaltsbegriffs innerhalb des letzten Jahrhunderts zu geben;

ein Bild von solcher Vollständigkeit, daß jeder Gedanke an eine Zusammen­ stellung von Zufalls- oder Gelegenheitserscheinungen ausgeschlossen ist.

Dieses Bild läßt das weitausgedehnte Anwendungsgebiet des Anstalts­ begriffs und des mit ihm nahe verwandten — logisch untergeordneten — Begriffs der Anlage mit genügender Deutlichkeit erkennen. Jeder von beiden dient zur Bezeichnung aller Arten von Wasserbauten,

welche irgend wie den Zwecken der Schiffahrt förderlich sind. beiden wird

Jeder von

sowohl für künstliche Wasserstraßen als auch für Bauten an

natürlichen Wasserstraßen gebraucht, und

Bauten nach technischen Kategorien. Buhnen, Schleusen und Kanäle;

zwar ohne Unterscheidung dieser

Der Ausdruck „Anlage" ist üblich für

aber dieselben Gegenstände werden nicht

weniger häufig als „Anstalten" oder auch mit dem noch etwas abstrakteren Ausdrucke

„Veranstaltungen"

werden, soweit es sich

bezeichnet.

Die Worte Anstalt und Anlage

um solche Bauwerke oder überhaupt um körperliche

Einrichtungen handelt, synonym oder nur mit ganz unwesentlichen Begriffs­

schattierungen

gleichwertig

gebraucht.

Unkörperliche Einrichtungen werden

allerdings nur Anstalten genannt.

Von anderer Seite ist versucht worden, einen Unterschied zwischen An­ stalten und Anlagen im Sinne des Art. 54 der Reichsverfassung zu machen

und hieraus Schlußfolgerungen für die Auslegung zu ziehen.

Dies tut ins­

besondere Küster, der in einer Abhandlung über Rheinschiffahrtsabgaben * den Satz aufstellt:

„Wenn es zweifelhaft sein könnte, was die Verfassung unter Anstalten verstehen will,

so würde dieser Zweifel durch die Gegenüberstellung mit

-Anlagen^ in dem zweiten Satze des Abs. 4 gehoben.

Unter besonderen

Anstalten können nur diejenigen verstanden werden, welche selbständig be­

nutzt, nicht integrierende Bestandteile des Strombettes sind, und deren Benutzung nicht die notwendige Voraussetzung der Möglichkeit der Be­

schiffung ist.

Ob irgend eine Einrichtung zu diesen besonderen Anstalten

* Beilage zum Preuß. Verw.Bl. vom 21. Januar 1905, XXVI Nr. 17 S. 290.

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Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

gehört, ist eine ciuaestio

11Z

Jedenfalls gehört nicht dazu das ver­

kaeti.

tiefte und verbreiterte Fahrwasser, und die Benutzung dieses Fahrwassers ist nicht die Benutzung einer besonderen Anstalt;

dasselbe trifft zu auf

alle Verbesserungsarbeiten."

Der erste Satz behauptet eine Gegensätzlichkeit oder mindestens einen begrifflichen Unterschied zwischen „Anstalten" und „Anlagen" im Sinne des

Art. 54.

Die drei folgenden Sätze geben aber für diese Behauptung keine

Gründe; sie enthalten lediglich einen Erklärungsversuch für den Begriff des

Besonderen.

Der letzte, mit „jedenfalls" beginnende Satz scheint eine xetitio

xrineiM zu enthalten.

Wenn die Reichsverfassung von 1849, deren ein­

schlagende Bestimmungen anerkanntermaßen dem Art. 54 der heutigen zu

Grunde liegen, den Anstaltsbegriff auf das Fahrwasser anwandte,

so ist

ohne nähere Erläuterung — und eine solche fehlt einstweilen — nicht ein­ zusehen, weshalb das verbesserte Fahrwasser keinesfalls eine Anstalt im Sinne

der heutigen Verfassung sein kann.

Der Umstand,

daß die in Betracht

kommende Bestimmung der älteren Verfassung sich auf Seeschiffahrt bezieht, ändert an der Sachlage nichts,

weil die entsprechende Vorschrift in Z 54

Abs. 4 der jetzigen für jede Art von Schiffahrt und Wasserstraßen, also auch

für Seeschiffahrt und Seewasserstraßen, gilt. Aber auch

abgesehen hiervon wäre es bei der Identität des Inhalts

der Rechtsvorschriften nicht

zu erklären,

daß

der gewollte und

bewußte

Gegensatz von Anstalten und Anlagen nur in der Verfassung und sonst

nirgends, namentlich nicht im Zollvereinsvertrage, in gleicher oder ähnlicher Form in die Erscheinung tritt.

Gegenüber den ausführlichen Beweisen, welche hier für die synonyme und pleonastische Anwendung beider Begriffe sowie überhaupt für das häufige

und deshalb nicht auffällige Vorkommen von Pleonasmen in der Gesetzes­

sprache beigebracht worden sind, wäre für die entgegenstehende Behauptung

ihrer innerlichen Verschiedenheit im Sinne des Art. 54 eine einigermaßen Eine solche ist aber von Küster nicht

überzeugende Begründung erwünscht. beigebracht.

-ft

* rft

Professor Wiedenfeld hat in seinem Vortrage vor dem Deutschen Landwirtschaftsrat am

9. Februar 1905

Wortes Anstalt vertreten.

„Es fragt sich —,

ebenfalls die engere Auslegung des

Er sagt:

ob wir in den großen Regulierungs-, Vertiefungs­

und Begradigungsarbeiten,

die mit so nachhaltigem Erfolge an Rhein

und Elbe, in geringerem Umfange auch an den anderen Strömen von Schriften 6XV. - Erster Teil.

8

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

114

Staats wegen vorgenommen worden sind, — ob wir darin „besondere

Anstalten" erblicken dürfen: und diese Frage ist zu verneinen. Einer derartigen Auslegung des Wortes

das

zunächst

natürliche Sprachgefühl

kommt auf die Idee,

niemand

und

widerstreitet

„Anstalten"

Wohl

der Sprachgebrauch.

einen Flußlaus, der in einzelnen Teilen

durch Menschenhand verbessert worden ist, nun deshalb in seiner ganzm

Länge eine „besondere Anstalt" zu nennen; die Verbesserungswerke selbst, die vielleicht als Anstalten bezeichnet werden könnten, lassen sich

aber

nicht benutzen — oder benutzt etwa ein Schiff in seiner Fahrt die Buhnen und ähnliche Anlagen, die es doch möglichst zu vermehren trachten muß?" Da Wiedenfeld auf die Regulierungsbauten an der Elbe exemplifiziert,

so mag hier eine Rede des Abgeordneten Eugen Richter, in welcher zufällig auf dasselbe Beispiel bei Erörterung

der Abgabenfrage hingewiesen wird,

als weiteres Beweismittel für Sprachgefühl und Sprachgebrauch angeführt

Richter — übrigens kein unbedingter Gegner, sondern eher ein

werden. bedingter

Anhänger

preußischen

der Schiffahrtsabgaben — sagte

Staatshaushaltsetats

Abgeordnetenhause

eine vorangegangene Rede des

mit Bezug auf

1904

im

bei Beratung am

des

23. Januar

Grafen Limburg-

Stirum: „Was nun die Verkehrsangelegenheiten betrifft, so hat es mir geschienen,

als sei er für die Einführung neuer Schiffahrtsabgaben eingetreten.

müssen uns dagegen auf das allerentschiedenste verwahren.

Wir

Dort, wo es

sich um Verbesserung einer Wasserstraße, um neue Anstalten handelt,

wie es z. B. an Strecken der unteren Elbe und Weser vor einigen Jahren der Fall war, mag man erwägen, ob die Abgabe richtiger ist oder die

Unterlassung einer Verbesserung usw." Bei der unteren

bauten

in

Richter sind

Elbe

das Strombett. das

also

handelt es

sich

dem

Nach

„Anstalten";

daß

um Baggerungen

Sprachgefühl sie

es

auch

und Ein­

des Abgeordneten

nach

allgemeinem

Sprachgebrauch und nach der Terminologie der Wassergesetzgebung sind, ist

bereits dargelegt worden.

Wiedenfeld scheint auch zugeben zu wollen, daß

Buhnen an und für sich Anstalten seien; eigenschaft im Sinne des Artikel 54

Gegenstand

einer

„Benutzung"

er bestreitet ihnen die Anstalts­

eigentlich nur deshalb, weil sie nicht

sein könnten.

anderer Stelle noch vorzunehmende

Es wird auf

die



an

— Untersuchung der Frage ankommen,

ob unter Benutzung nur das unmittelbare oder auch das mittelbare Vorteil­

ziehen von einer Anstalt zu verstehen ist.

Die Untersuchung wird freilich

* Stenogr. Berichte S. 83. Vgl. Abschnitt IV S. 255—258.

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Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

115

auf breiter Grundlage angestellt und die Frage für alle Anstalten gleich­ mäßig, für die der Binnenschiffahrt dienenden ebenso wie für die der See­

schiffahrt gewidmeten, entschieden werden müssen.

Den Begriff des Besonderen definiert Wiedenfeld mit dem Eigenschafts­ wort „konkret".

Er führt aus:

„Man hat — bei den besonderen Anstalten,

wie auch die Entstehung

der Verfassungsbestimmung erkennen läßt, lediglich an solche Einrichtungen

gedacht,

die

nicht

schlechthin

die Befahrung

des Stromes erleichtern,

sondern sich an bestimmte, konkrete „besondere" Vorrichtungen anschließen,

die mit dem Verkehr organisch Zusammenhängen, aber nicht die Befahrung selbst ausmachen.— Also nur Hafen-, Kran-, Wage, Lager-, Schleusen -

und ähnliche konkrete Anlagen sind als „besondere Anstalten" anzusprechen*,

für die eine Abgabe erhoben werden darf;

Vorrichtungen dagegen, die

auf eine Erhaltung und Verbesserung der Fahrbahn ganz allgemein aus­ gehen, fallen nicht unter den Begriff der „besonderen Anstalt".

Wiedenfeld hat bei Aufstellung dieser Definition nur die Verhältnisse der Binnenschiffahrt, insbesondere der Ströme, im Auge gehabt.

befriedigenden Lösung führt sie aber nicht.

baggerte oder gesprengte Fahrrinnen ebenso

Zu einer

Konkret sind Buhnen und ge­ wie Schleusen.

Auch von den

Buhnen am Rhein und von der gesprengten Fahrrinne bei Bingen kann mit Fug und Recht gesagt werden, daß sie „mit dem Verkehr organisch Zu­ sammenhängen,

aber nicht die Befahrung selbst ausmachen".

Wenn

die­

jenigen Vorrichtungen von dem Begriff der besonderen Anstalt ausgeschlossen sein sollen, die „auf eine Erhaltung und Verbesserung der Fahrbahn ganz allgemein ausgehen", so ist damit die Frage nicht beantwortet, wie die

praktisch und finanziell sehr wichtige Bezeichnung der Seewasserstraßen zu klassifizieren ist. Übrigens spielt die Bezeichnung der Fahrbahn auch in der

Binnenschiffahrt eine gewisse Rolle, die bei regulierten Strömen nur deshalb minder bedeutend ist, weil die Buhnen und Parallelwerke die Funktion der Kenntlichmachung der Fahrrinne mitausüben. Anderseits paßt die Begriffsbestimmung für Wasserbauten, welche nicht besondere Anstalten sind, als „Vorrichtungen, die auf eine Erhaltung und

Verbesserung der Fahrbahn ganz allgemein ausgehen," auch auf Stauanlagen in kanalisierten Flüssen.

Als unter Friedrich Wilhelm III. der erste Plan

für die Verbesserung der Mosel von Gotthilf Hagen aufgestellt wurde, stand man vor der Frage, wie das in den Stromschnellen und Steinriffen liegende

Haupthindernis

der

Schiffahrt

überwunden

werden

könnte.

Die

eine

* Wiedenfeld gebraucht hier die Worte „Anlage" und „Anstalt" synonym. 8*

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III.

116

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Möglichkeit lag in Felssprengungen, Baggerungen und Einschränkungswerken zur Ausgleichung der übermäßig starken Gefälle, die andere in der Un­ schädlichmachung der Stromschnellen durch Überstauung, d. h. durch Er­

bauung von Wehren mit Schiffsschleusen unterhalb der sogenannten Furten. Es wurden mehrere Projekte auf der letzteren Grundlage

aufgestellt,

aber schließlich doch der Weg der Regulierung beschritten. Auch bei der Donauregulierung am Eisernen Tor kam die Überstauung

der Stromschnellen als Mittel zur Verbesserung des Fahrwassers in Frage,

und es besteht vielfach noch heute die Meinung, daß diese Lösung der Auf­

gabe vor der inzwischen ausgeführten Stromregulierung den Vorzug ver­ dient hätte.

Man sieht aus diesen, leicht zu vermehrenden Beispielen, daß Schleusen oder vielmehr Stauwerke in Strömen unter Umständen und sogar der Regel

nach nichts anderes sind als Mittel zur Verbesserung der Fahrbahn für den Durchgangsverkehr.

Wenn in der Wiedenfeldschen, übrigens aus der Reichsverfassung von Aufzählung von Beispielen nicht die Schleusen mit­

1849 entnommmen,

enthalten wären, könnte man auf den Gedanken kommen, unter besonderen

Anstalten sollten die dem örtlichen Verkehr — im Gegensatz zu dem Verkehr

auf

des

Linie

der

werden.

dings zu.

Schiffahrtsweges



dienenden

Anstalten

Aber dann wäre wiederum nicht zu verstehen,

Gesetzgeber nicht

einfachen

den

und

klaren Ausdruck

hat.

Das

Definitionsversuch

eine

sichere

auch

gewählt,

„besondere"

sich

nach

dem

Wiedenfeldschen

Auseinanderhaltung

der

Einzelsälle

ermöglicht

letztere

weshalb der

„örtlich"

sondern des sehr schwer verständlichen Eigenschaftswortes

bedient

verstanden

übrigen Beispielen trifft diese örtliche Eigenschaft aller­

Bei den

des

praktischen Lebens nicht; es bleibt vielmehr dem Zweifel Tür und Tor ge­

öffnet.

Schon um dieses Ergebnisses willen kann der Versuch als geglückt

nicht anerkannt werden; denn es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber,

als er im Jahre 1867 einen neuen Begriff in die bestehende Regelung der Frage hineinbrachte, einen Begriff von so weittragender praktischer Bedeutung,

welcher für die Finanzierung von Wasserbauten in Zukunft maßgebend sein

und diese Bauten in abgabefähige und nichtabgabefähige trennen sollte, daß der Gesetzgeber damals die Abgrenzung der beiden Gruppen in einer so un­

sicheren und unklaren Weise vorgenommen haben sollte. *

r>-

-l-

Schumacher äußert sich in seinem Buche * vom Standpunkte der Wort­

auslegung über den Anstaltsbegriff mit folgenden Sätzen: * S. 138, 139.

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Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

117

kaum .Anstalten' für ganz synonym mit

„Einmal wird man sprachlich

Veranstaltungen oder Maßnahmen oder Anlagen nehmen dürfen und bei­

spielsweise in der Ausbaggerung eines Flusses oder — um eine .Benutzung'

zu ermöglichen —im vertieften Flusse selbst eine ,Anstalt' erblicken.

,An­

stalten' sind vielmehr — um schließlich zu definieren — gewisse künstliche

sichtbare

und

Vorrichtungen

Bauten

an,

in

oder

auf den

Flüssen, die einer besonderen Benutzung fähig sind, wie z. B. Schleusen,

Leinpfade, Kais, auch künstliche Durchstiche.

Auch der notwendige logische

Gegensatz des Allgemeinen zu der Benutzung besonderer' Anstalten wird

nur in dem Befahren der freien Wasserstraße erblickt werden

können.

Endlich würde auch das Befahren eines offenen, wenn auch technisch noch

so sehr umgestalteten Flusses

nicht als .Benutzung'

einer Anstalt be­

zeichnet werden.

Das Ergebnis würde hiernach sein,

daß nach dem Art. 54 der

Reichsverfassung Abgaben auf Strömen und Flüssen nicht erhoben werden dürfen für Vorrichtungen und Maßnahmen,

welche nur der Erhaltung,

Sicherung und Besserung der natürlichen Fahrstraße dienen, wie Anlagen von Buhnen, Parallelwerken und Grundschwellen, sowie Verwendung von

Sinkstücken, wie Beseitigung von Schiffahrtshindernissen und Baggerung, daß dagegen zu den .besonderen Anstalten,

die zur Erleichterung des

Verkehrs bestimmt find', zu rechnen sind: 1. Anlagen,

die

sich nicht auf das natürliche Flußbett beziehen,

sondern ein ganz neues Flußbett schaffen, also

a) Durchstiche (einschließlich des Erwerbs des Grund und Bodens), d) Coupierungen,

wenigstens

soweit sie durch die Durchstiche be­

dingt werden.

2. Maßnahmen, welche im Interesse des Verkehrs die freie Passierbarkeit der Wasserstraße aufheben

und

besondere Manipulationen zum

Durchlaß erfordern, also insbesondere Schleusen und Wehre.

würden auch dann hierher gehören, Verkehrserleichterung, dienten,

Diese

wenn sie nicht unmittelbar der

sondern vielleicht landwirtschaftlichen Zwecken

wohl aber mittelbar dadurch,

daß ihre Anlage eine not­

wendige Begleiterscheinung einer Verkehrserleichterung ist,

erst eine

solche ermöglichten.

3. Maßnahmen zur Förderung des Schiffahrtsbetriebes, wie Leinpfade,

Kaianlagen usw.

Ob

es erwünscht ist,

dieser Weise

die

einzelnen

nach rein formalen Gesichtspunkten in technischen Maßnahmen,

die

in

ihrer

I Vgl. dagegen die Ausführungen unter Abschnitt IV S. 251—253.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

118

Gesamtheit zu einem einheitlichen Plane auf jedem Flusse sich zu­

sammenschließen,

auseinanderzureißen,

wo es sich nur darum handelt,

steht hier nicht zur Frage,

die bestehende Rechtslage und ihre

Konsequenzen darzulegen."

Schumacher bestreitet hiernach — oder er bezweifelt wenigstens — die Demgegenüber ist hier der Beweis

Synonymität von Anstalt und Anlage.

angetreten worden, daß diese Synonymität im Sprachgebrauch,

namentlich

auch im Sprachgebrauch der Gesetzgebung über Schiffahrts- und Wasserbau­

wesen allerdings insoweit besteht, handelt.

als es sich um bauliche Einrichtungen

Schumacher selbst scheint in einem Satze des vorstehenden Zitates

die Worte Anstalt und Anlage einigermaßen gleichwertig anzuwenden.

muß dem Urteil des

inwieweit jener Beweis gelungen ist,

Ob und

Lesers überlassen bleiben.

Dasselbe gilt von der Ausdehnung des Anstalts­

begriffs — im Sinne des Sprachgebrauchs — auf Baggerungen,

und sonstige Regulierungswerke. das Preußische Landrecht Buhnen

als Anstalten

und

Buhnen

Es mag nur daran erinnert werden, daß die Gesetzentwürfe der

bezeichnen,

daß

die

badische

vierziger Jahre die

und

reichsländische

Gesetzgebung sie unter den Begriff der Veranstaltung subsumiert, daß die Reichsverfassung von 1848 das Fahrwasser eine Anstalt nennt,

und daß

anderseits das preußische Strombaugesetz vom 20. August 1883 von Buhnen als „Anlagen"

spricht.

Die volle Synonymität von Anstalt und Anlage

wird auch hier nicht angenommen.

Der Anstaltsbegriff ist weiter und um­

faßt auch unkörperliche Einrichtungen, Organisationen. auch nicht zugegeben werden,

seien.

daß Anstalten nur

Deshalb kann aber

„sichtbare Vorrichtungen"

Dem widerspricht der Sprachgebrauch und auch die Praxis,

die in

der Schiffahrts- und Hasenpolizei stets eine Anstalt gesehen haben.

Wenn

Kirche und Staat Anstalten sind*, so ist die Verkehrspolizei es auch; diesen

Standpunkt hat auch Baden bei Abschluß des Vertrages mit der Schweiz über den Wasserverkehr zwischen Neuhausen und Basel? eingenommen. Wäre die Sichtbarkeit entscheidend, so müßte von den beiden Fahrrinnen

des

Rheins

zwischen

Bingen

und

Aßmannshausen

Dämmen eingefaßte „neue Fahrwasser"

die

eine,

das

von

zu den Anstalten gerechnet werden,

während die andere, das sogenannte „Binger Loch", nicht dazu gehören würde.

Wenn Schumacher

die Rechtslage

unabhängig

von

ihren

praktischen

Konsequenzen beurteilt wissen will, ist dieser Standpunkt an sich unanfechtbar. Ein klar bewiesenes Recht muß als solches anerkannt werden,

auch wenn

seine Anwendung zu unsachlichen oder selbst schädlichen Ergebnissen führen r Vgl. S. 73 dieser Arbeit III L. 2. L. 8 2. 2 Vgl. S. 95 dieser Arbeit III L. 2. a. Z 5.

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Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

sollte;

119

die Feststellung der letzteren Tatsache wäre lediglich ein Anlaß zur

Rechtsänderung.

Anders liegt es aber,

wenn die gesetzgeberische Willens­

meinung, wie hier, in unklarer, mehrdeutiger und zweifelhafter Form zum

Ausdruck gelangt ist.

Dann ist es zulässig und

auslegung an ihren praktischen Konsequenzen

sind

hat;

Konsequenzen

gerade

und

andere

eine

ist

sachgemäßen

zu

so

ist die letztere als der Willensmeinung entsprechend

Dieser Gedankengang und diese Art der Schlußfolgerung hat der Auslegung

bei

Die Ver­

führende Auslegung im Rahmen der grammatischen Inter­

pretation möglich, anzunehmen.

unsachgemäß

sie

die Wort­

daß der Gesetzgeber sich diese Konsequenzen klar ge­

mutung spricht dafür, macht

notwendig,

zu kontrollieren.

des Art. 54

der Reichsverfassung

volle Be­

Denn er schaffte kein neues Recht, sondern kodifizierte nur einen

rechtigung.

seit Jahrzehnten bestehenden, in langer Verwaltungsübung erprobten Rechts­ zustand; und der Verfasser jenes Artikels war ein hervorragender Praktiker,

der diese Verwaltungsübung aus langer Tätigkeit im preußischen Handels­

ministerium

und

kannte

geschlossen zu erachten,

den Gegenstand

beherrschte.

Es

ist

als

aus­

daß er die Wirkung der Verfassungsvorschrift sich

nicht klar gemacht haben sollte, und es ist ebenso ausgeschlossen, daß er die Absicht gehabt haben könnte — um Schumachers Worte zu wiederholen —

„nach rein formalen Gesichtspunkten die einzelnen technischen Maßnahmen,

die in ihrer Gesamtheit zu einem einheitlichen Plane auf jedem Flusse sich zusammenschließen, auseinanderzureißen".

Hiernach ist Schumachers Definition,

insofern sie Anstalten als

wisse künstliche sichtbare Vorrichtungen und Bauten" bezeichnet, Die Eigenschaft des künstlichen ist anzuerkennen, der Vorrichtungen und Bauten immanent.

„ge­

zu eng.

aber sie ist den Begriffen

Die Schleusen im kanalisierten

Main sind nicht künstlicher wie die in Quarzitfelsen gesprengte Fahrrinne

des Binger Lochs.

Die Eigenschaft der Sichtbarkeit ist bei Buhnen ebenso

vorhanden wie bei Durchstichen und Schleusen. Die Ansicht,

und Arbeiten

daß Baggerungen

Schiffahrtshindernissen

besonderen Anstalten

keine

zur Beseitigung

von

Erleichterung

des

zur

Verkehrs seien, steht — um diese, für eine wissenschaftliche Untersuchung freilich nicht allein

bewußten

maßgebende

Tatsache vorweg zu erwähnen — mit der

und durch Meinungsaustausch

festgelegten Praxis der Bundes­

seestaaten nicht im Einklänge *

' Vgl. unter III

rk

*

3. 6. Z 5 S. 221 u. 222.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

111.

120

Professor Löning *

meint, schon aus dem Wortlaute des Art. 54 gehe

hervor, daß eine vertiefte Fahrrinne in einer natürlichen Wasserstraße keine

besondere Anstalt

Denn

sei.

wenn durch Regulierung

des Flusses

das

Flußbett tiefer gelegt werde, so sei die Befahrung des Flusses nur auf dem

gelegten

tiefer

Flußbette

möglich.

Die

Abgabe

für

die Benutzung

der

vertieften Fahrrinne würde dann also nicht für die Benutzung einer be­ sonderen Anstalt, sondern für die Befahrung der Wasserstraße erhoben werden.

Er sagt:

„Es

ist klar,

daß

die besonderen Anstalten,

die Verfassung

Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind,

die

zur

in Gegensatz setzt zu solchen

Anstalten und Anlagen, die nur die Befahrung der natürlichen Wasser­ straße erleichtern."

Dieser Erklärungsversuch hat ebenso wie die vorher erwähnten, den

Mangel, daß er nur aus den Verhältnissen der Binnenschiffahrt entnommen und nur auf diese Verhältnisse berechnet ist.

Bei der Seeschiffahrt ist die

Benutzung der künstlich vertieften Fahrrinne nicht identisch mit der Be­ fahrung der natürlichen Wasserstraße.

Man kann mit kleinen Fahrzeugen

zwischen Bremen oder Hamburg und dem offenen Meere auf vielen Linien fahren, von welchen für große Schiffe nur eine einzige, künstlich geschaffene und künstlich offengehaltene fahrbar ist.

Dasselbe gilt von der Seeschiffahrts­

verbindung mit Stettin und Königsberg.

Was nun die Verhältnisse der Binnenschiffahrt anbelangt, so beruhen die Ausführungen Lönings auf der Voraussetzung, daß bei den auf andere

Weise als durch Kanalisierung verbesserten Wasserstraßen die Anstaltsbenutzung mit der Befahrung des natürlichen Schiffahrtsweges notwendig identisch sei,

oder mit anderen Worten, daß der letztere Tatbestand den ersteren begrifflich in sich schließe.

Diese Voraussetzung ist ausdrücklich aufgestellt für Flüsse;

die Binnenschiffahrt hat es

aber auch mit Haffen und Seen zu tun, und

hier trifft die Voraussetzung keinesfalls zu.

Von Stettin nach Swinemünde

und von Königsberg nach Pillau kann man die weite Fläche der Haffe auf

den verschiedensten Linien befahren; nur größere, tiefgehende Schiffe sind auf die Benutzung der künstlich

hergestellten Fahrrinne angewiesen.

Auch der

durch die Kaiserfahrt abgekürzte Lauf der Swine dient nach wie vor der Schiffahrt. Jene Voraussetzung ist aber nicht einmal für regulierte Ströme richtig.

Denn neben der durch die Regulierungswerke geschaffenen vertieften Fahrrinne ist die alte natürliche Fahrtiefe oder jedenfalls eine geringere, aber doch für

* Deutsche Juristenzeitung Nr. 6 Jahrgang X vom 15. März 1905.

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Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

121

die Schiffahrt nutzbare Tiefe auf einer breiten Stromfläche noch vorhanden.

Das

Flußbett

fällt von den die Buhnenköpfe

Streichlinien in sehr allmählicher Böschung vertieften Fahrrinne ab.

verbindenden sogenannten hergestellten

bis zur künstlich

Am Niederrhein z. B. beträgt die Breite zwischen

jenen Linien 300 m, während die Tiefe von 3 m bei gemitteltem Niedrig­

wasser nur in 150 m Breite hergestellt ist und erhalten wird.

Die zwischen

der regulierten Fahrrinne und den Streichlinien liegenden Stromstreifen von

zusammen 150 m Breite sind nicht etwa für die Schiffahrt unnutzbar.

Sie

können von flacher gehenden Fahrzeugen befahren werden und werden sogar von

der

sehr

zahlreich

den Niederrhein

bevölkernden Flotte

der

kleinen

niederländischen Segler beim Kreuzen notwendig gebraucht. Die Donau wird am Eisernen Tor nicht nur auf der durch die ungarische

Regierung hergestellten,

auch

auf

verhältnismäßig schmalen Rinne, sondern daneben

demjenigen Teil der Stromfläche

befahren,

welcher

früher als

Fahrstraße diente und von den Regulierungsbauten unberührt geblieben ist.

Diese alte, durch die Stromschnellen führende Fahrt wird sogar wegen der in

der neuen Fahrrinne herrschenden gewaltigen

Strömung noch vielfach

bevorzugt und es ist eine der Klagen, welche von der Donauschiffahrt über das Verhalten der ungarischen Regierung erhoben werden, daß sie auch von

den das neue Fahrwasser vermeidenden Schiffen die gleiche Abgabe erhebt,

wie von denjenigen, die es benutzen. *

*

*

Der badische Minister Schenkel sagt in seinem Werke „Das badische Wasserrecht"

und zwar in Anmerkung 8 ä zu Z 15 des badischen Wasser­

gesetzes vom 26. Juni 1899 auf Seite 249 bei Erläuterung des Art. 54

der Reichsverfassung: „Als besondere Anstalten zur Erleichterung des Verkehrs sind die Maßnahmen

nicht zu betrachten,

wodurch die Sohle

des Flusses

vertieft und

der

Wasserstand zusammengehalten wird, wie Räumungen, Baggerungen, Fels­

sprengungen, Regulierungen mittels Parallelwerken (Zeilen) und Buhnen

(Kribben); und es kann daher als Entgelt für die Regulierung und Instandhaltung der Wasserstraße eines öffentlichen Flusses von den Be­

teiligten eine besondere Abgabe nicht erhoben werden, es sei denn durch

Reichsgesetz

ausdrücklich zugelassen, wie dies für die Unterweser durch

das Gesetz vom 5. April 1886

geschehen ist.

Dagegen sind besondere

Abgaben zulässig für die Benutzung der in einem Fluß (z. B. in dem

* Zweite Auflage Karlsruhe 1902.

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III.

122

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Untermain bis nach Offenbach) eingelegten Kanalisierungsanstalten, Wehre

und Kammerschleusen, mittels deren der Fluß für Schiffe größeren Tief­

gangs

benutzbar gemacht wurde; ferner für die Benutzung der Häfen,

und zwar sowohl zur Bergung der Schiffe bei Hochwasser, im Winter

als zum Umschlag der Güter von Schiff zu Schiff oder vom

u. dgl.,

Wasser zum Land und umgekehrt,

endlich überhaupt für die Benutzung

besonderer Veranstaltungen, wie Kranen, Niederlagsplätze." Die

Schenkels

Bedenken

Stauwerken und anderen,

zielenden Wasserbauten

gegen

die

gleichmäßige

Behandlung

von

auf Verbesserung der Schiffahrtsverhältniffe ab­

als „besondere Anstalten"

sind hier nicht näher begründet.

Sie scheinen

im Sinne des Art.

54

jedenfalls nicht auf dem

Gebiete des Sprachgebrauchs — soweit der Ausdruck Anstalt in Betracht kommt — zu liegen.

Wasserbauten,

welche

Denn irgend

er im

bezeichnet

selbst

in

unterschiedslos als „künstliche Veranstaltungen".

seinem Buche

ausgeführt

Schiffahrtsinteresse

alle

werden,

Er sagt * in seiner Anm. 3

zu Z 1 des badischen Wassergesetzes:

„Künstliche Veranstaltungen kommen in doppelter Form in Betracht,

entweder derart, daß ein natürliches Gewässer, das nach seiner Beschaffen­

heit nicht

schiff-

Baggerungen,

oder

flößbar ist,

Zusammenfassung

durch Regulierungen,

des

Wassers

in

insbesondere

einer engeren Rinne

mittels Parallelwerken oder Buhnen (Kribben) oder durch Einsetzung einer Anzahl von Stauwehren und Kammerschleusen (Kanalisierung) für den

öffentlichen Verkehr benutzbar gemacht,

oder derart, daß ein künstliches

dem öffentlichen Verkehr dienendes Gewässer, ein Schiffahrts- oder Floß­ kanal,

unter Zuleitung des Wassers aus anderen Gewässern neu her­

gestellt wird."

Schenkel sieht also — ganz mit Recht — in den technischen Methoden der Regulierung und der Kanalisierung nur zwei verschiedene „Formen" der

Schiffbarmachung.

Beide sind für ihn „künstliche Veranstaltungen"; diesen

Ausdruck gebraucht das badische Wassergesetz synonym mit „Anstalten" und „Anlagen".

Der Umstand, daß jene Bemerkungen sich nicht auf die Ver­

besserung, sondern aus die erstmalige Herstellung einer Wasserstraße beziehen,

kann für die Terminologie

keinen Unterschied machen.

Wenigstens

sind

sprachliche oder sonstige Gründe für einen solchen Unterschied nicht ersichtlich. Wenn die Anstaltseigenschaft den zur Schiffbarmachung eines Privatflusses

ausgeführten Buhnen und Baggerungen beiwohnt, so wird sie denjenigen * Vgl. S. 98 u. 99 dieser Arbeit unter III L. 2. a. Z 5.

Schenkel ge­

braucht — nebenbei bemerkt — das Wort Veranstaltung sowohl für Regulierungen als auch für Kanäle.

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Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

Buhnen und Baggerungen

12Z

nicht abgesprochen werden können, die zur Ver­

besserung der Schiffbarkeit einer vorhandenen natürlichen Wasserstraße dienen. Auf die fehlende Anstaltseigenschaft dieser Bauten kann Schenkel sich

also nicht gestützt haben, als er ihnen die Fähigkeit absprach, Substrat für die Erhebung von Schiffahrtsabgaben zu sein und durch finanziert zu werden. „Besonderen".

Vielleicht

solche Abgaben

vermißt er bei ihnen die Eigenschaft des

Gesagt hat er dies in der Anmerkung 8 ä zu ß 15 nicht;

er äußert sich auch nicht über den leitenden Gesichtspunkt, nach welchem die besonderen Anstalten von den gewöhnlichen — die Ausnahmen von der Regel — unterschieden werden sollen. Seine Auslegung zeigt ferner dieselbe Eigentümlichkeit, die auch bei

von Küster,

derjenigen

daß

nur

sie

Wiedenfeld, Schumacher und

die Verhältnisse

Löning

der Binnenschiffahrt und

auch

hervortritt, diese nicht

vollständig, berücksichtigt. -i-

-i:

Das vermeidet ein anderer Auslegungsversuch, der in letzter Zeit mehrfach unternommen worden ist, und der in seinem praktischen Ergebnis — ebenso

Schenkelsche

wie der



darauf

hinausläuft,

daß

nur

Stauwerke

und

Schleusen, nicht aber Buhnen, Baggerungen und sonstige Regulierungswerke

als abgabefähige Anstalten

anerkannt

das Moment des Betriebes

darauf,

werden.

als

Diese Auslegung

beruht

ein notwendiges Merkmal

des

Anstaltsbegriffs hinzustellen; auf die besonderen Erscheinungen und Bedürfnisse der See- und Binnenschiffahrt würde es dann allerdings nicht ankommen.

Die

hier gekennzeichnete Auffassung

des Anstaltsbegriffs

ist

in der

Presse insbesondere durch einen Artikel der Kölnischen Zeitung, welcher den Aufsatz

des Wasserstraßenfreundes

Jahrbücher

im Januarheft

1905

der Preußischen

kritisiert, mit folgenden Worten ausgedrückt:

„Wie der gesunde Menschenverstand dazu kommen kann, Vertiefungen als Anstalten aufzufassen, ist mindestens schwer zu begreifen.

Eine Anstalt

setzt doch den Begriff des Betriebes voraus: eine Schleuse, ein Kran wird

betrieben, eine Stromvertiefung aber nicht." Wäre das richtig, so würden allerdings die Zweifel darüber, ob alle

oder nur gewisse Wasserbauten Gegenstand der Abgabenerhebung sein dürfen,

und wie die Grenzlinie zwischen beiden Gruppen zu ziehen ist, sich erledigen

oder es würde wenigstens der Spielraum für solche Zweifel sehr stark ein­ geengt sein.

Die hinsichtlich des Sprachgebrauchs aufgestellte Behauptung

„Schiffahrtsabgaben, Neichsverfassung und Verkehrspolitik."

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111.

124

Gegenstand der Abgabenerhebung.

erscheint in so apodiktischer und selbstverständlicher Form, daß eine Begründung

ihr

überhaupt

nicht

Sie

beigegeben ist.

aber

muß

doch

— der Be­

deutung des Gegenstandes entsprechend — hier etwas näher geprüft werden; zu diesem Zwecke

ist es vor allem notwendig, den Begriff des Betriebes

klarzustellen.

Jede körperliche oder unkörperliche Einrichtung bedarf natürlich irgend Aber diese Tätig­

einer menschlichen Tätigkeit, um ihren Zweck zu erfüllen.

keit ist nicht immer ein „Betrieb"

im Sinne des Sprachgebrauchs.

Die

bloße Unterhaltung der Substanz, die Verwaltung und Beaufsichtigung, ist

nicht Betrieb; von einem solchen kann man nur bei den Einrichtungen sprechen,

die ohne ständige unmittelbare Tätigkeit des Verwalters überhaupt nicht funktionieren, deren Benutzung unmöglich wird, wenn das zugehörige Be­ triebspersonal nicht zur Stelle ist oder die entsprechenden Verrichtungen nicht

ausübt. nicht.

Eine Desinfektionsanstalt wird „betrieben", eine Bedürfnisanstalt

Außerdem ist das Wort Betrieb

nur anwendbar auf solche Ein­

richtungen und Anstalten, die zur Hervorbringung materieller Güter, ein­

schließlich der Verkehrsleistungen, dienen.

Man betreibt eine Eisenbahn, aber

keine Universität, eine Gasanstalt aber keine Missionsanstalt.

Schiffahrts-

und

Hafenpolizei

ist

eine

„Anstalt",

aber

Die Strom-, sie

wird

nicht

„betrieben". Prüft man nach diesen Gesichtspunkten den Sprachgebrauch hinsichtlich des Wortes Anstalt, wie er in den vorhergehenden Abschnitten * durch zahl­ reiche Zitate veranschaulicht ist, so ergibt sich die Unzulässigkeit der von der

„Kölnischen Zeitung"

versuchten

Einschränkung des

Anstaltsbegriffs durch

das Merkmal des Betriebes. Staat, Kirche, Orakel, Buhnen, Fahrwasser, Landwege werden sicherlich nicht

„betrieben", sie sind aber dennoch „Anstalten".

Dasselbe gilt von

Sicherheitshäfen, Seetonnen und Kaisweil ihre Wirksamkeit für den Ver­

kehr, ihre Brauchbarkeit für die Schiffahrt nicht — wie z. B. die einer Schleuse — von einer momentanen Betriebstätigkeit abhängt; sie können

jederzeit benutzt werden, auch wenn niemand zur Stelle ist.

Sie sind Gegen­

stände der Unterhaltung, aber nicht des Betriebes.

Die „Kölnische Zeitung" befolgt übrigens

selbst keineswegs den von

ihr in jenem Artikel proklamierten, der Auslegung des Anstallsbegriffs zu

Grunde gelegten

Sprachgebrauch.

Sie spricht z. B.

in Nr. 1232 vom

26. November 1905 von einem katholischen Kloster in der Bretagne, dessen

etwaige Tätigkeit nicht näher bezeichnet wird, als von einer Anstalt; man ' Vgl. unter III L. 2. a Zß 2—7 Seite 71—105. 2 Natürlich abgesehen von ihrer etwaigen Ausrüstung mit Hebezeugen usw.

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Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

125

wird aber doch von Klöstern nicht sagen wollen, daß in ihnen ein „Betrieb" stattfinde

Und selbst wenn die Zeitung mit ihrer Auslegung des Anstalts­

begriffs Recht hätte, so müßte sie sich immer noch mit dem der Anlage aus­ einandersetzen, der in Art. 54 mit dem der Anstalt synonym gebraucht ist; sie hat sich hierüber nicht geäußert.

Der Betrieb als Merkmal des Anstaltsbegriffes hätte freilich den Vor­ zug, daß er die Auslegung des Eigenschaftswortes „besondere" sehr erleichtern

oder

vielleicht ganz entbehrlich machen würde;

„Betrieb"

würden

dann

ganz

ausscheiden

wahrscheinlich ausnahmslos auch

als

denn die Anstalten ohne

und die

„besondere"

„betriebenen"

wären

im Gegensatz zu einem

vorläufig allerdings latenten Allgemeinbegriff anzuerkennen. Jedenfalls führen die Erklärungen, welche Wiedenfeld, Schumacher und Löning für den Begriff des Besonderen aus dem vorausgesetzten Gegensatze zwischen Befahrung und

Benutzung zu konstruieren suchen,

auf welche später noch näher ein­

und

gegangen werden soll, zu viel weniger deutlichen und praktisch anwendbaren

Ergebnissen.

Wenn weder der allgemeine Sprachgebrauch noch derjenige der Gesetz­ gebung den Anstaltsbegriff auf die mit einem Betriebe verbundenen Ein­ richtungen beschränkt, so wäre immer noch die Möglichkeit vorhanden, daß

der Gesetzgeber irgend

es

in dem vorliegenden

einem Grunde

hätte tun wollen.

besonderen

Die

Zusammenhänge aus

„Kölnische Zeitung"

sagt

hierüber:

„Den letzten Notanker in solchen Fällen, wo Gesetz und Vernunft ver­ meintlich in Widerspruch geraten, bietet die Erforschung der Meinung des

Gesetzgebers; denn es wäre ja immerhin möglich, daß dieser aus sprach­ lichem Ungeschick etwas anderes gesagt hat als gewollt." Der Beweis für eine vom normalen Sprachgebrauch abweichende An­

wendung des Anstaltsbegriffs würde demjenigen obliegen, der eine solche Anwendung behauptet und aus ihr Schlußfolgerungen ziehen will.

Im vor­

liegendem Falle ist nicht nur dieser Beweis unmöglich, sondern es läßt sich umgekehrt aus den Akten der preußischen Ministerien, in welchen die Zoll­

verträge abgeschlossen und ausgeführt und die Entwürfe für den Art. 54

der Bundesverfassung

aufgestellt sind, der Nachweis dafür erbringen, daß

dort im amtlichen Verkehr das Wort

Anstalt für jede zur Erleichterung

der Schiffahrt dienende Einrichtung — gleichviel ob mit oder ohne „Be­

trieb" — namentlich auch für vertiefte Fahrrinnen in Strömen und sonstigen * In dem Artikel „Die Trennung von Staat und Kirche in Frankreich" Nr. 1281 vom 9. Dezember 1905 werden Vereine und kirchliche Stiftungen allgemein als „Anstalten" bezeichnet.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

126

natürlichen Wasserstraßen — gebraucht worden ist.

Diesen Sprachgebrauch

hat Delbrück, von welchem bekanntlich die Wortfassung des jetzigen Art. 54 im wesentlichen herrührt, als Ministerialdirektor im damaligen Handels­ ministerium betätigt.

In einem Berichte vom 13. Mai 1862 an den König

wegen Ermäßigung der Schiffahrtsabgaben für die Befahrung der Peene,

Swine, Dievenow, des großen und kleinen Haffs heißt es: „Abgesehen von der Rücksicht auf die im allgemeinen nicht günstigen Ver­

hältnisse der auf Frachtschiffahrt angewiesenen Kahnbesitzer kommt in Be­ tracht, daß die unbeladenen Haffkähne von denjenigen Anstalten und Einrichtungen,

zu

deren Unterhaltung die Abgabe

nur in beschränktem Maße Gebrauch machen. Wasserstand von 2 Fuß vollkommen zu,

erhoben wird,

Für dieselben reicht ein

und da ein solcher auf den

Binnengewässern der Oder sich überall findet, so sind die Kahnschiffer bei

den die meisten Kosten erfordernden Baggerungsarbeiten zur Er­ haltung des Fahrwassers für größere Schiffe gar nicht und bei den Vorkehrungen zur Bezeichnung des Fahrwassers in weit

geringerem Maße interessiert, als Seeschiffe.

Bei dieser Sachlage erscheint

billig, von den Kahnschiffern auch nur einen Teil der von den See­

es

schiffern zu entrichtenden Abgabe zu erheben."

Dieser von Delbrück vollzogene Bericht, der die Ermäßigung der all­ gemeinen Schiffahrtsabgabe auf ein Drittel für Binnenfahrzeuge zur Folge hatte, beweist, daß Delbrück — abweichend von der „Kölnischen Zeitung",

welche

die

des Anstaltsbegriffs

Anwendung

auf vertiefte Fahrrinnen

in

natürlichen Wasserstraßen als kaum denkbar hinstellt — eine solche Aus­ drucksweise seinem Sprachgefühl entsprechend fand, also keineswegs das Be­

triebsmoment als wesentlich für jenen Begriff erachtete.

Sie beweist ferner

auch, daß Delbrück in der Befahrung der Rinne durch solche Fahrzeuge, welche ohne die durch Baggerarbeiten geschaffene künstliche Fahrtiefe nicht

verkehren konnten, die Benutzung einer Anstalt erblickte, daß er auch Bojen und Baken als Anstalten

Fahrwasserzeichen

behandelte und daß er in dem Sichrichten nach

oder — um

an

die

oben

zitierte

Wiedenfeldsche

Be­

merkung anzuknüpfen — in dem Vorbeifahren an diesen Zeichen einen die

Abgabepflicht begründenden Benutzungsakt sah.

Sie beweist endlich gegen

die Löningsche Ansicht, daß die Benutzung einer vertieften Fahrrinne tat­

sächlich und rechtlich identisch sei mit der Befahrung der Wasserstraßen.

Es spricht doch wohl eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß dieselbe

Auffassung und das gleiche Sprachgefühl für Delbrück maßgebend waren, als

er

wenige Jahre

namentlich

später den Entwurf für den vielumstrittenen und

auch hinsichtlich der Auslegung des Anstallsbegriffs umstrittenen

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127

Zusammenfassung der Ergebnisse und deren Gegenüberstellung usw.

Art. 54

der Bundesverfassung

aufstellte.

Das

so

um

mehr,

als nach

Delbrücks eigener Bekundung der Rechtszustand hinsichtlich der Erhebung von

Gebühren für die Benutzung von Anstalten, welche zur Erleichterung der

unter der Herrschaft der Zoll­

Schiffahrt bestimmt sind, im Jahre 1862

vereinsverträge mit dem heutigen, reichsverfassungsmäßigen, identisch ist.

*

-l-

*

Der Geheimrat Schwarz sagt in dem Werke von Schwarz und Strutz

„Der Staatshaushalt und die Finanzen Preußens"

II S. 1150 *

zu der

Frage, ob man in der Befahrung regulierter Ströme eine „Benutzung be­ sonderer Anstalten" im Sinne der Reichsverfassung erblicken könne:

„Vom finanzwirtschaftlichen Standpunkt und aus Zweckmäßigkeitsgründen würde diese Auslegung

allerdings für die Verbesserung unserer Binnen-

schisfahrtsstraßen großen Wert haben; indessen tut sie ohne Zweifel dem

Wortlaut der Verfassung einen gewissen Zwang." Es ist nicht ersichtlich, weshalb diese Äußerung auf Binnenwasserstraßen sich beschränkt; sie hat für Seewasserstraßen ganz dieselbe Berechtigung.

Sie

ist in den Erörterungen über die Abgabenfrage mehrfach zitiert worden, ob­

wohl sie nur eine Ansicht, aber keine Begründung enthält.

In Ermangelung

einer solchen kann sie hier nicht näher gewürdigt werden.

Da jedoch die

Wendung, es werde dem Wortlaut der Verfassung ein Zwang angetan, aus

die grammatische Interpretation als Quelle der Bedenken des Geheimrats Schwarz hindeutet, so

mag hier nochmals hervorgehoben werden, daß der

Gebrauch der Ausdrücke „Anstalt"

für ein vertieftes Fahrwasser und „Be­

nutzung" für die Fahrt auf einer solchen Rinne wohl nicht als „gezwungen" bezeichnet werden kann, wenn er — um von allen anderen Beispielen hier

abzusehen — dem Sprachgefühl des Reichstages von 1849 und des Ministerial­ direktors Delbrück im Jahre 1862 angemessen erschien.

*

*

*

Der hier vertretenen Auffassung des Anstaltsbegriffs nähern sich die

Ausführungen, die der Reichsgerichtsrat Reincke in seinem

ganz kürzlich

erschienenen Kommentare zur Reichsverfassung? zum Abs. 4 des

gemacht hat.

Art. 54

Er spricht von der Frage, ob von einer Benutzung im Sinne

der Verfassung die Rede sein könne bei der Befahrung von Wasserstraßen,

„deren natürliche Schiffbarkeit durch besondere Veranstaltungen — sei es

* Berlin 1903, Guttentag. 2 Die Verfassung des Deutschen Reichs nebst Ausführungsgesetzen, 1906 bei H. W. Müller, S. 258 u. 259.

Berlin

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128

III.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

mittels Vertiefungen des Flußbettes oder mittels Regulierung des Gewässers — erhöht ist".

Er fährt dann fort:

„Diese Frage läßt sich meines Erachtens namentlich mit Rücksicht aus die

in Art. 25 des Zollvereinigungsvertrags vom 8. Juli 1867 den Einzel­

allgemeine Hinweisung aus Einrichtungen

beispielen beigefügte

zur Er­

leichterung des Schiffsverkehrs, nicht ohne weiteres von der Hand weisen,

vorausgesetzt nur, daß es sich um Benutzung noch wirklich bestehender Einrichtungen handelt.

Zu der Annahme, daß die Einrichtungen äußerlich

selbständig hervortreten müßten,

liegen.

kein

dürfte darin

genügender

Anhalt

Vielmehr kann man zu der Folgerung gelangen, daß die Absicht

der Reichsgesetzgebung darauf gegangen ist, in ihrer Wirksamkeit dauernde

Einrichtungen, die vom Staat unter Aufwendung besonderer Kosten im Interesse des Schiffahrtsverkehrs über den natürlichen Zustand der Wasser­ straßen hinaus getroffen sind oder werden, den Schiffahrtsireibenden nicht

ohne ein billiges Benutzungsentgelt zugute kommen zu lassen".

*

*

*

Professor Rehm in Straßburg hat in

einem Aufsatze, den er in den

„Münchener Neuesten Nachrichten" (Nr. 73

vom 14. Februar 1905) unter

der Überschrift

„Schiffahrtsabgaben

und

Reichsverfassung"

veröffentlichte,

zwar anerkannt,

„daß dauernde Einrichtungen zur Verbesserung und Vertiefung der Fahr­ rinne, Regulierung und Kanalisierung des Fahrweges Anstalten darstellen,

welche den Verkehr auf dem Strome erleichtern."

Er steht

also

hinsichtlich

des

Anstaltsbegriffs,

Ansicht Wiedenfelds und Schumachers,

abweichend

von

der

auf demselben Standpunkte, der

von Delbrück im Jahre 1862 eingenommen wurde und der in dieser Arbeit

vertreten wird.

Er fährt dann aber fort:

„Allein die Neichsverfassung verlangt

besondere Anstalten,

d. h.

An­

stalten, welche nicht Bestandteile der Wasserstraße, des Flußbettes, sondern einen

selbständigen

Gegenstand

bilden,

nicht

Sachbestandteil,

sondern

selbständige Sache sind. Zur besonderen Anstalt gehört, daß sie ohne Änderung ihres Wesens auch außer Verbindung mit der Wasserstraße zu

bestehen vermag".

Wäre diese Begriffsbestimmung richtig,

so

könnte es „besondere An­

stalten", welche zur Erleichterung des Verkehrs einer Wasserstraße bestimmt

oder geeignet sind, kaum geben; denn die verkehrsfördernde Eigenschaft geht ihnen notwendig verloren, wenn man sich ihre „Verbindung mit der Wasser­

straße" aufgehoben denkt.

Die Ausschaltung dieser Verbindung bedingt bei

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Allgemeine Bemerkungen.

129

Häfen und allen anderen örtlichen Schiffahrtsanstalten, aber auch bei den

keineswegs zur letzteren Gruppe gehörigen Schleusen nicht nur eine ent­ scheidende „Änderung", sondern geradezu eine Vernichtung „ihres Wesens". Wehre und Schleusen sind ganz ebenso „Bestandteile der Wasserstraße und des Flußbettes" wie Buhnen und eingesprengte Fahrrinnen, Grundschwellen

und Parallelwerke; sie alle verändern den plastischen Zustand der Flußsohle und des Flußschlauches, zu welchem auch das Hochwasserbett — in diesem

Sie sind ebensosehr

Zusammenhang wenigstens — gerechnet werden muß.

Bestandteile des Stromareals, wie irgend welche Hoch- oder Tiefbauten Be­

standteile anderer Grundstücke sind.

Uferkais, wie sie in Cöln und Düssel­

dorf als Bestandteile städtischer Hafenanlagen

ausgebaut sind,

sind nicht

„selbständige Sachen" in diesem Sinne der Wasserstraße gegenüber; sie er­ füllen der Regel nach oder doch

für die Stromführung. dienen, sind tatsächlich

Flußkrümmungen oder

sehr häufig zugleich wesentliche Aufgaben

Viele Kais*, welche jetzt zum Löschen und Laden aus dem Bedürfnis der sicheren Stromführung in

der

Einschränkung

übermäßiger Strombreiten

ent­

standen; sie sind insofern allerdings „Sachbestandteil", d. h. wesentlicher Bestandteil des Strombettes, namentlich des Hochwasserquerschnittes.

Anderseits wäre ein Durchstich, den Schumacher als „besondere An­ stalt" anerkennen will, nach Nehm sicherlich integrierender Teil des Stromes

— er ist „außer Verbindung mit der Wasserstraße" nicht möglich. Demnach führt auch der von Rehm aufgestellte Gesichtspunkt zu keiner

annehmbaren Lösung

der Frage, welchen Schiffahrtsanstallen die Abgabe­

fähigkeit im Sinne des Art. 54 zuerkannt und

3.

abgesprochen werden muß.

Die logische Interpretation.

a) Allgemeine Bemerkungen. Das geltende Verfassungsrecht ist in zwei äußerlich getrennten und in der Fassung ganz

verschiedenen,

dem Inhalte nach

allerdings identischen

Vorschriften enthalten; in Art. 54 der Verfassung und Art. 25 des Zoll­ vereinsvertrages.

Der letztere ist durch Art. 40 der ersteren Bestandteil deK

Reichsverfassungsrechts geworden.

Die Entstehungsgeschichte beider verläuft in völlig getrennten Bahnen. Die des Art. 25 ergibt sich aus der Entwicklung des Zollvereins, während

die des Art. 54 auf die Reichsverfassung von 1849 zurückführt.

Die dort

für See- und Binnenschiffahrt getroffenen, verhältnismäßig ausführlichen i In Düsseldorf z. B. auch für den Hochwasserschutz. Gleichwohl hat man in der Praxis die Abgabefähigkeit der Kais niemals bezweifelt. Schriften OXV. — Erster Teil. 9

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HI.

130

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Bestimmungen haben anerkanntermaßen die Grundlage für die mehr sum­

marische Regelung des

Gegenstandes in der Bundesverfassung von 1867

gebildet.

Der Vergleich

beider

Rechtsentwicklungen

rechtlichen Identität der Ergebnisse,

im

kann,

einzelnen

zu

in

Anbetracht

der

wichtigen Schluß­

folgerungen führen.

Die älteren Zollverträge haben aber darüber hinaus noch insofern eine weitere Bedeutung für die logische Interpretation, als ihre praktische Hand­ habung seitens der beteiligten Staaten, namentlich in Preußen, Aufschlüsse

über die den einzelnen Vertragsbestimmungen zu Grunde liegende Willens­ Denn durch Delbrücks Zeugnis und

meinung geben kann.

rechthaltung der älteren Verträge in Art. 1

durch die Auf­

des letzten vom Jahre 1867

ist die Gleichheit des Rechtszustandes auf dem hier in Betracht kommenden Gebiete für die Zeit vor und nach dem Jahre 1867 festgestellt.

Also muß

das, was vor der Emanation der Bundesverfassung mit den Zollvereins­ verträgen vereinbar war,

auch

heute noch mit dieser Verfassung vereinbar

Die Vermutung spricht dafür, daß die preußische Praxis der Inten­

sein.

tion der vertragschließenden Teile entsprach, da die Verträge aus der Ini­ tiative der

hervorgegangen

Regierung

preußischen

waren.

Abweichungen

jener Praxis vom Vertragswillen wären nur denkbar, wenn man als Ursache

mißverständliche

Auslegung

oder

bösen Willen annehmen

wollte.

Beide

Annahmen sind in Preußen gleichmäßig ausgeschlossen.

b) Die Rechtsgeschichte.

8 iDie Entstehung des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867. Als

der

zwischen Preußen,

„Zollvereinsvertrag

Kurhessen und dem

Großherzogtum Hessen einerseits, dann Bayern und Württemberg anderer­

seits" vom 22. März 1833*

— der erste für ein größeres Gebiet abge­

schlossene — in Kraft trat, gab

es in Deutschland zwei grundsätzlich ver­

schiedene Arten von Schiffahrtsabgaben, von welchen die eine mit dem Aus­

druck

Wasserzölle,

die

andere

als

Schiffahrtsabgaben

im engeren Sinne

bezeichnet zu werden pflegte. Die erstere gehörte in die finanzwissenschaft­ liche Kategorie der Steuern; sie war ein Überrest der alten Binnenzölle ' Preuß. Ges.S. S. 145. 2 Vgl. Schumacher S. 43 ff.

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Z 1.

Die Entstehung des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867.

1Z1

ein letzter Ausläufer der Finanzwirtschaft des 18. Jahrhunderts, welche den

inneren Verkehr heranzog.

ebenso wie den äußeren

durch Zölle zu den Staatslasten

Die Schiffahrt wurde, weil sie ein verhältnismäßig leicht zu er­

fassendes Steuerobjekt war, als solches zugunsten allgemeiner Staatszwecke in Anspruch genommen.

In wie bedeutendem Umfange dies geschah, ergibt

sich aus der Tatsache, daß Preußen von 1816 bis 1866 aus dem Rhein etwa 40 Millionen und bis 1870 aus der Elbe etwa 32 Millionen Mark

mehr an Schiffahrtszöllen vereinnahmt als wendet

hatte.

Diese Zahlen können freilich

auf diese beiden Ströme ver­ nur auf annähernde Richtig­

keit Anspruch machen; eine genaue Rechnung läßt sich nicht aufstellen, weil nach

der staatsrechtlichen Natur jener Abgaben ein Anlaß zur laufenden

Kontrolle über das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben nicht vorlag. Eine solche Kontrolle ist auch tatsächlich nicht geführt worden; die nach­

trägliche Ermittelung der in Betracht kommenden Werte stieß infolgedessen auf große Schwierigkeiten. Über diese Zölle waren für eine Anzahl

Schlußakte des Wiener Kongresses vom machungen

von Wasserstraßen in

der

9. Juni 1815 internationale Ab­

getroffen worden, welche den Höchstbetrag der Abgaben, das

Tarifsystem und das Erhebungsverfahren betrafen.

In Deutschland bestanden

solche Abmachungen für den Rhein, Neckar und Main, die Mosel, Ems,

Weser, Elbe und Stecknitz, welche deshalb als „konventionelle Flüsse" be­ zeichnet wurden.

Man unterschied ferner in Preußen?

„gemeinschaftliche,

nicht konventionelle" Flüsse, nämlich diejenigen, an welchen außer Preußen

noch ein anderer Staat beteiligt und deren Belastung mit Abgaben durch

andere Staatsverträge — abgesehen von der Wiener Schlußakte — geregelt war; hierzu gehörten die Saale und Lahn.

Die übrigen Flüsse, welche

entweder ganz auf preußischem Gebiete lagen oder hinsichtlich deren Preußen für seinen Anteil durch internationale Verpflichtungen nicht gebunden war,

wurden „privative" genannt. Bei dem Abschluß der Zollvereinsverträge wurde auch über die Zölle aus den Flüssen dieser drei staatsrechtlichen Gruppen eine Vereinbarung ge­ troffen, welche mit unwesentlichen Änderungen von einem Vertrage in den

anderen überging und im letzten von 1867 wörtlich lautet: * Der Schlußakte wurden gewisse Staatsverträge gleichgeachtet, weil sie als integrierende Bestandteile der ersteren galten. 2 Vgl. die im Jahre 1848 anonym erschienene, von Delbrück verfaßte „Denk­ schrift über die Bestimmungen, welche rücksichtlich der schiffbaren Flüsse und Wasser­ straßen im Deutschen Reiche zu treffen sein werden, in spezieller Anwendung auf die Verhältnisse Preußens." 9*

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132

III.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

„Art. 23.

Die Wasserzölle oder auch Wegegeldgebühren auf Flüssen, mit Einschluß derjenigen, welche das

Schiffsgefäß treffen (Rekognitionsgebühren), sind

von der Schiffahrt auf solchen Flüssen, auf welche die Bestimmungen des

Wiener Kongresses

oder

besondere

Staatsverträge

Anwendung

finden,

ferner gegenseitig nach jenen Bestimmungen zu entrichten, insofern hier­

über nichts besonderes verabredet ist, oder verabredet werden wird. Auf den übrigen Flüssen, bei welchen weder die Wiener Kongreßakte

noch

andere Staatsverträge Anwendung finden, werden die Wasserzölle

oder Wasserwegegelder nach den privativen Anordnungen der betreffenden

Regierungen

1/4

Groschen

erhoben.

Abgaben

Diese

vom Zollzentner oder

sollen

jedoch

den

Betrag

von

1 Kreuzer vom bayrischen Zentner

für die Meile nicht übersteigen.

Auf allen diesen Flüssen wird jeder Vereinsstaat die Angehörigen

der anderen Vereinsstaaten, deren Waren und Schiffsgefäße in jeder Be­ ziehung, insbesondere auch hinsichtlich der Binnenschiffahrt

gleich seinen

eigenen behandeln."

Im zweiten Absatz ist über den Höchstbetrag der Zölle auf „privativen" Flüssen eine Abmachung? getroffen, welche den steuerlich-fiskalischen Charakter

dieser Zölle deutlich erkennen läßt; denn der zugelassene Satz von 6,6 Pfennig auf den Tonnenkilometer bedeutet eine exorbitante Belastung, deren Höhe dadurch gekennzeichnet wird, daß die höchste gegenwärtig in Deutschland vor­

kommende Schiffahrtsabgabe nur einen Pfennig für den Tonnenkilometer beträgt. Abgesehen von dieser einen Abmachung hat der Art. 23 im Zusammen­

hänge der Zollvereinsverträge nur eine negative Bedeutung.

Er scheidet die

Wasserzölle aus dem Bereiche der gemeinsamen Interessen aus und behält

sie der

autonomen Regelung der Vertragsstaaten — soweit diese sich nicht

anderweitig schon gebunden

haben — vor;

auch die Erträge dieser Zölle

wurden nicht für gemeinsame Rechnung, sondern für eigene Rechnung der beteiligten Regierungen erhoben. In scharfem Gegensatz zu dem negativen Charakter der Verabredungen

über

die

Flußzölle

stehen

die

Abmachungen,

welche

über

alle

sonstigen

Schiffahrtsabgaben zwischen den Zollvereinsstaaten getroffen wurden.

Sie

* Binnenschiffahrt bedeutet hier nicht den Gegensatz zur Seeschiffahrt, sondern die Schiffahrt zwischen Orten desselben Staatsgebietes zum Unterschiede von der Schiffahrt zwischen Uferplätzen verschiedener Vereinsstaaten. 2 Auch diese Abmachung ist seit dem Vertrage vom 22. März 1833 — vgl. Separatartikel 7 dazu — ständig wiederholt. Für die Zölle auf den konventionellen Flüssen waren Höchstsätze in der Wiener Kongreßakte, für diejenigen auf den ge­ meinschaftlichen Flüssen in besonderen Verträgen festgelegt.

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Z 1.

133

Die Entstehung des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867.

hatten einen sehr wesentlichen positiven Inhalt, insofern sie das Gebühren­ prinzip als maßgebend für die Erhebung solcher Abgaben erklärten.

Daraus

ergaben sich zwei Folgerungen von großer praktischer Wichtigkeit:

die Ge­

bühren durften nur für Benutzung bestehender Einrichtungen erhoben werden

und sie durften das Maß der Selbstkostendeckung nicht übersteigen.

Daß

die Gebühren hier für Rechnung der Einzelstaaten zu erheben waren, verstand

sich, da diese die benutzten Anstalten unterhalten mußten, von selbst. Der in Betracht kommende Art. 25 des letzten Zollvereinsvertrags — er ist schon auf Seite 12 zitiert, mag aber der Übersichtlichkeit halber hier

nochmals wiedergegeben werden — lautet in seinem ersten Satze: „Kanal-,

Schleusen-,

Niederlagegebühren

Brücken-,

Fahr-,

Hafen-,

Wage-,

Kranen- und

und Leistungen für Anstalten, die zur Erleichterung

des Verkehrs bestimmt sind, sollen nur bei Benutzung wirklich bestehender

Einrichtungen erhoben werden und, mit Ausnahme der Abgaben für die

Befahrung der nicht im Staatseigentum befindlichen künstlichen Wasser­

straßen, die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung erforderlichen Kosten nicht übersteigen."

Die richtige Bestimmung des Verhältnisses zwischen den Art. 23 und 25 ist für die weiteren Ausführungen von großer Wichtigkeit. Wie bereits hervorgehoben ist, behandeln sie zwei ihrem inneren Wesen nach ganz verschiedene Arten von Abgaben; der erstere Steuern, der zweite

Gebühren.

Sodann spricht Art. 23 nur von Abgaben, welche für die Be­

fahrung von Flüssen zu entrichten sind; er hat insofern den Charakter einer 1ex 8peeia1i8, welche die Abgaben für die Befahrung aller anderen See- und

Binnenwasserstraßen unberührt läßt.

Dagegen handelt Art. 25 von Schiff-

fahrtsabgaben überhaupt; sein Inhalt ist für das hier in Betracht kommende Gebiet des öffentlichen Rechts von allgemeiner Bedeutung.

Der Geltungs­

bereich beider Artikel ist auch nicht derart abgegrenzt, daß 23 die Schiffahrts­ wege und 25 die örtlichen Schiffahrtsanstallen betrifft; denn letzterer erwähnt

ausdrücklich die Kanäle und Schleusen, welche immer oder fast immer — nur die Schleusen in den Dockhäfen des Nordseegebietes machen eine Aus­

nahme — den Interessen des durchgehenden und nicht des örtlichen Verkehrs dienen.

Außerdem würde aber auch dieser einschränkenden Auslegung des

Art. 25

der Umstand entgegenstehen, daß er am Schluffe der Aufzählung

einzelner Arten von Anstalten und Gebühren ganz allgemein von Anstalten

zur Erleichterung des Verkehrs spricht. . Zu diesen gehörten, nach Ansicht der

preußischen Regierung wenigstens, auch die Strombauwerke an nicht kanali­

sierten Flüssen.

Der Art. 25

galt also auch für natürliche Wasserstraßen,

insbesondere Flüsse, neben dem Art. 23.

Dieses Nebeneinandergelten ist in

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III.

134

Gegenstand der Abgabenerhebung.

der Weise zu verstehen, daß

zwar Schiffahrtsabgaben auf Grund des Ge­

bührenprinzips nach Art. 25

nicht neben

Wasserzöllen nach Art. 23

auf

demselben Flusse gleichzeitig erhoben werden durften, daß auch die Einführung neuer Wasserzölle nicht gestattet, sondern hinsichtlich ihrer nur der status yuo aufrechterhalten oder vielmehr seine Aufrechterhaltung zugelassen werden sollte, daß aber auf den

nicht mit Wasserzöllen belasteten Flüssen und erst recht

auf anderen Wasserstraßen Schiffahrtsabgaben eingeführt und erhoben werden konnten.

Der Art. 25

gab dem Verkehr die Bürgschaft dafür, daß solche

Abgaben sich fortan im Rahmen des Gebührenprinzips hielten.

Es gab

hiernach Flüsse, welche hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben nach Art. 23 und solche, welche nach Art. 25

behandelt wurden; die Entwicklung der Ver­

hältnisse in den einzelnen Verkehrsgebieten des preußischen Staates wird unter III L. 3. e. Z 2 noch näher dargelegt werden.

Das Verbot der Neueinführung von Wasserzöllen war in Art. 5 des preußisch-thüringischen Zollvereinsvertrages vom 10. Mai 1833

mit den

Worten:

„Die Wasserzölle

auf den Flüssen in den zum Verein gehörigen Landen

werden auch ferner den privativen Anordnungen der betreffenden Regierungen

oder den etwa darüber bestehenden Verträgen gemäß erhoben, jedoch sollen wederneueWasserzölle eingeführt noch die bestehenden ohne allseitige

Zustimmung erhöhet werden." für die beteiligten thüringischen Landesteile ausdrücklich ausgesprochen, aber

auch

für das übrige Preußen nach

den Gesetzen

26. Mai 1818, 23. Januar 1838 und

vom

11.

Juni

1816,

den Zollvereinsverträgen zu Recht

bestehend. Besonders bezeichnend

für die Auffassung, welche bei der preußischen

Staatsregierung über den Inhalt dieser Vertragsvorschriften bestand, sind

die Verhandlungen aus den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts über die Neueinführung einer Schiffahrtsabgabe auf der Oder.

Die früheren

Wasserzölle waren auf der zu den „privativen Flüssen" gehörenden Oder im Jahre 1816 für den Binnenverkehr aufgehoben, für den Durchgangsverkehr

aber als integrierende Bestandteile

der Durchfuhrzölle beibehalten worden.

Die Beibehaltung kam — da Wasserzölle Sondereinnahmen waren — im

Zollverein dadurch zum Ausdruck, daß Preußen von dem Ertrage der grund­

sätzlich für Vereinsrechnung erhobenen Durchfuhrzölle einen entsprechenden Anteil als Oderzoll aus der Teilungsmasse vorwegnahmSolange dieser

' Preuß. Ges.S. S. 232. 2 Vgl. unter anderem Vertrag vom 4. April 1853, Preuß. Ges.S. S. 431 Art. 4.

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Z 1.

Die Entstehung des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867.

135

latente Oderzoll bestand, bestritt die preußische Staatsregierung ihrer Volks­ vertretung gegenüber die rechtliche Zulässigkeit einer Schiffahrtsabgabe; nach seiner Aufhebung erkannte sie eine solche Abgabe als zulässig an.

Die auch

nach anderen Gesichtspunkten interessierenden Einzelheiten dieser Verhandlungen

sind

auf Seite

188 —197 wiedergegeben;

aus ihnen geht insbesondere

deutlich hervor, daß die damals geplante Abgabe eine Gebühr im Sinne der Finanzwissenschaft und des Art. 25, nicht etwa ein Zoll im Sinne des

Art. 23 sein sollte. Einen Hinweis darauf, daß neben den Zöllen auch

gebührenmäßige

Hebungen für die Befahrung regulierter Wasserstraßen durch die Zollvereins -

vertrüge zugelassen waren,

enthält ferner der H 21 des Vereinszollgesetzes

vom 23. Januar 1838, der mit dem Randvermerk „Vorbehalt wegen der Wasserzölle und anderen Abgaben" bestimmt:

„Die konventionellen Wasserzölle auf denjenigen schiffbaren Flüssen, welche

das Gebiet verschiedener Staaten berühren sowie alle anderen wohl­

begründeten Erhebungen und Leistungen, welche zur Unterhaltung der Stromschiffahrt und Flößerei, der Kanäle, Schleusen, Brücken, Fähren, Kunststraßen, Wege, Kranen, Wagen, Niederlagen, und anderer Anstalten für die Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, gehören

dagegen auch künftig nicht zu den in den §8 19 und 20 als unzulässig

bezeichneten Abgaben."

Hier erscheinen die Steuern — „Zölle"

stellung mit den Gebühren, Stromunterhaltung

Stromschiffahrt

und

bestimmten

wird

als



in scharfer

Gegenüber­

unter den letzteren werden die für die

besonders

„Anstalt"

die Unterhaltung der

genannt;

bezeichnet.

Die

Anwendung

des

Anstaltsbegriffs auf die Maßregeln zur Verbesserung und Instandhaltung natürlicher

Wasserstraßen

oder,

was

dasselbe

praktisch

auf

bedeutet,

die einer derartigen Pflege teilhaftig werdenden Schiffahrtswege findet sich ebenso in dem preußischen Gesetzentwurf

Tarife

zur

Erhebung

von

„betreffend die Regulierung der

Kommunikaüonsabgaben"

Dieser Gesetzentwurf verfolgte lediglich den Zweck, von Abgabentarifen

vom Jahre

1851.

die alleinige Befugnis

gegenüber Anzweiflungen,

der Krone

zur

welche sich

aus dem Wortlaut der Artikel 100 und 109 der preußischen

Feststellung

Verfassungsurkunde vielleicht ergeben könnten, sicherzustellen; er blieb lediglich

deshalb Entwurf, weil man im Staatsministerium der Meinung war, daß es einer solchen Sicherstellung gar nicht bedürfe.

Jedenfalls hatte er einen

rein deklaratorischen Charakter; er wollte kein neues Recht schaffen, sondern i Dieser Ausdruck schließt auch die nichtbautechnische Fürsorge, namentlich die Strompolizei, in sich.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

136

kodifizieren.

bestehende

das

nur

Das

bestehende

Recht

hinsichtlich

der

enthalten,

die

Schiffahrtsabgaben war damals in den Zollvereinsverträgen „Kanal-Schleusen usw. und Leistungen,

mit den Worten:

die zur Er­

leichterung des Verkehrs bestimmt sind" eine Aufzählung der abgabefähigen Anstalten

Der

gaben.

auf

Seite

87

ß

abgedruckte

1

des

Entwurfs

von 1851 spricht dagegen von „Abgaben für die Benutzung von Land- und Wasserstraßen,

Schleusen

usw.

Verkehrs dienenden Anstalten".

Wasserstraßen,

nicht

nur

und

zur

anderen

In diesem Entwurf

die Kanäle,

aus

Erleichterung sind

also

des

sämtliche

^en6ra1i8 aus­

der elausala

geschieden und als Substrate der Abgabenerhebung besonders genannt.

an anderer Stelle dargelegt werden,

Es wird

daß auch später noch

und bis zur Gegenwart der Anstaltsbegriff auf die bloße Stromunterhaltung — gerade

den

von

an

der Schiffahrt

Staaten —

meistbeteiligten

an­

daß insbesondere die Uferstaaten an der Unterweser

ist,

gewendet worden

im Jahre 1886 sich darüber verständigten, die Entfernung von Wracks und

Baumstämmen aus dem Fahrwasser als besondere Anstalt

Art. 54 der Neichsverfassung zu behandeln,

im Sinne des

und daß dieselbe Auffassung

auch in Hamburg bezüglich des Elbfahrwassers besteht.

Im

übrigen

in

Gesetzgebung

die Terminologie

ist

bezug

der Verwaltung

auf die Bezeichnung der

Schiffahrtsabgaben nicht gleichmäßig gewesen. gelder",

beiden

und

selbst der

Gruppen

von

Der Ausdruck „Wasserwege­

der in den Zollvereinsverträgen als synonym mit

„Wasserzöllen"

gebraucht wird, bezeichnet häufig auch die Schiffahrtsgebühren, z. B. in der gemeinsamen Erklärung der deutschen Regierungsvertreter vom 21. August 1848? zu der damals beabsichtigten reichsgesetzlichen Regelung der Abgaben­

frage.

In derselben Erklärung erscheint anderseits auch das Wort „Schiff­

fahrtsabgaben"

als

gleichwertig mit Wasserzöllea.

akten für die Elbe vom 23. Juni 1821 Art. 7

In den Schiffahrts­

und für die Weser vom

10. September 1823 H 14, welche unzweifelhaft eine steuerliche Belastung

der Schiffahrt einführten oder aufrecht erhielten, schwankt der Sprachgebrauch zwischen zöllen"

„Zöllen"

und

und

„Schiffahrtsabgaben".

„Wasserwegegeldern"

Sogar der aus

kombinierte Ausdruck

„Wasser­

„Wasserwegezölle"

* Im Preußischen Allgemeinen Landrecht wird das Wort „Zoll" sowohl für die Binnenzölle als auch für die Verkehrsabgaben gebraucht. In der Sache wurden beide scharf unterschieden; die Judikatur des Obertribunals hat sich mit dieser Frage mehrfach beschäftigt. Vgl. Plenarbeschluß vom 20. Oktober 1856 Entsch. Bd. 34 S. 1 und Erkenntnis vom 23. Oktober 1872 Entsch. Bd. 68 S. 9*. 2 Abgedruckt bei Schumacher S. 130, 131. Auch Lüning tut das in der „Deutschen Juristenzeitung" vom 15. März 1905, S. 281. s Bei Schumacher steht verdruckt „Schiffsabgaben".

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Z 1.

In der preußischen Verwaltung wurden häufig die

findet sich gelegentlich. im

137

Die Entstehung des Zollvereinsvertrages vom 8. Juli 1867.

des Gebührenprinzips

Nahmen

erhobenen Abgaben

„Zölle"

genannt;

ein Sprachgebrauch, der von der Zentralstelle zuweilen getadelt wurde, dessen völlige Beseitigung aber niemals gelungen ist. Übrigens werden in den beteiligten Bevölkerungskreisen die Schiffahrtsabgaben auch heute noch häufig „Zölle" genannt.

Man kann also die beiden Gruppen von Abgaben nicht

ohne weiteres nach der Terminologie, sondern nur nach ihrem inneren Wesen

unterscheiden. Für das Gebiet des Norddeutschen Bundes wurden die auf Flußzölle

bezüglichen Bestimmungen der Zollvereinsverträge durch die Bundesverfassung unanwendbar.

Denn wenn die letztere auch kein ausdrückliches Verbot der

Flußzölle ausspricht,

wie die Reichsverfassung von 1849 es

so bringt sie doch in Art. 54 den Willen,

Schiffahrtsabgaben

auszudehnen

diesem Gebiete zu machen,

Art. 23 gefallen

und zum ausschließlich

unzweifelhaft

getan hatte,

das Gebührenprinzip

zum Ausdruck.

auf alle

maßgebenden auf

Damit war der

oder vielmehr — beim Abschluß des neuen Zollvereins­

vertrages — gegenstandslos für Norddeutschland.

Ob er in diesen Vertrag

in der aus früheren Zeiten überlieferten Fassung wieder ausgenommen werden

mußte,

kann zweifelhaft

sein;

wahrscheinlich

konnte er ganz fortbleiben.

Für das Bundesgebiet hatte er, wenn auch die Elbzölle äo taeto noch einst­

weilen fortbestanden, keine rechtliche BedeutungIn Süddeutschland waren die Rhein-

und Mainzölle

durch

die Friedensverträge von 1866

außer

Hebung gesetzt; dasselbe war infolge der Staatsvertrüge vom 30. Juli und

15. August 1835 schon vor dem Abschlusse des letzten Zollvereinsvertrages mit den Neckarzöllen geschehen.

Da ferner für die im Zgllvereinsgebiete liegende

* Schumacher S. 135. 2 Allerdings hat darüber im Jahre 1870 im Schoße des Bundesrats eine Er­ örterung stattgefunden. Es erschien zweifelhaft, ob etwa Art. 23 des Zollvereins­ vertrages, weil dieser später publiziert und in Kraft getreten sei, wie die Bundes­ verfassung, der letzteren derogiert und den Einzelstaaten das Recht zur Erhebung von Wasserzöllen wieder verliehen habe. Daß eine solche Kontroverse entstehen konnte, und zwar im dritten Jahre der Geltung beider Staatsdokumente, ist ein auffälliger Beweis für ihre mangelhafte Fassung. Die Begründung des Bundesgesetzes über die Flößereiabgaben vom 1. Juni 1870 erwähnt diese Kontroverse und beantwortet sie in längeren Rechtsausführunqen dahin, es sei nicht anzunehmen, daß es in der Absicht des Norddeutschen Bundes gelegen habe, die durch Art. 54 seiner Verfassung beseitigten Flußzölle unmittelbar darauf bei Abschluß des Zollvereinsvertrages wieder ins Leben zu rufen oder wenigstens zuzulassen. Vgl. Drucksachen des Reichstages 1870 Nr. 137. Bericht der Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Justizwesen, die auf der oberen Saale und auf der Werra erhobenen Flößereiabgaben betreffend. S. 8—25.

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III. Gegenstand der Abgabenerhebung.

138

Donaustrecke ein bayrisch-österreichischer Staatsvertrag vom 2. Dezember 1851

die

bestehenden Flußzölle

hatte,

aufgehoben

und

deren Neueinsührung

verboten

so war für den Art. 23 auch außerhalb des Norddeutschen Bundes

kaum noch ein Geltungsgebiet oder eine Anwendungsmöglichkeit vorhanden.

Delbrück hat in seiner 1881 erschienenen Schrift „Der Artikel 40 der Reichsverfassung" S. 87 erklärt, der Art. 23 sei durch die Verfassung „zum

Teil aufgehoben, zum Teil gedeckt"; die letztere Bemerkung bezieht sich auf

die gleichmäßige Behandlung der Angehörigen, Vereinsstaaten.

Waren und Schiffe aller

Im Bundesrat war man 1869 und

1870 über diesen

Gegenstand geteilter Meinung.

Schließlich wurden noch in § 8 des Vereinszollgesetzes vom 1. Juli 1869 die „Binnenzölle" ausdrücklich

für unzulässig erklärt und hiermit auch die

grundsätzlich beseitigt

Wasserzölle nochmals äe

8 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung. Die Genealogie des

geltenden Rechts zeigt einen doppelten Ursprung.

Die eine Entwicklungslinie, welche in dem vorhergehenden Abschnitt verfolgt

worden ist,

weist auf die älteren Zollvereinsverträge,

Reichsverfassung vom

28. März 1849 zurück.

genealogischen Zusammenhang kann

Schumacher näher dargelegt, und auch von den

die andere auf die

Auch über diesen zweiten

ein Zweifel nicht bestehen;

von Wiedenfeld als vorhanden

gesetzgebenden Faktoren

mehrfach,

er ist von

angenommen

insbesondere in den

Verhandlungen des konstituierenden Reichstages vom 20. März 1867 ? über * Die Denkschrift, betreffend den Entwurf eines Vereinszollgesetzes" (Akten­ stück 4, Anlagen zu den stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Deutschen Zollparlaments 1869 S. 24) bemerkt zu Z 8: Der Erwähnung der „konventionellen Wasserzölle" wird es nicht bedürfen. Die Erhebung von solchen, soweit sie noch bestehen, beruht auf besonderen Staatsverträgen, welche durch das Gesetz nicht alteriert werden. In Wirklichkeit gab es damals weder konventionelle noch privative Wasserzölle im Zollvereinsgebiet. Jedenfalls zeigt aber die Begründung, daß man die Wasser­ zölle als „Binnenzölle" ansah. Dasselbe ergibt sich aus der Reichstagsdrucksache 137 von 1870 S. 18—20. 2 Stenograph. Berichte S. 279—284. Auch die „Kölnische Zeitung" argu­ mentiert bei ihrer Interpretation des Art. 54 in dem Aufsatz „Die rechtliche Seite der Schiffahrtsabgaben" in Nr. 129 vom 5. Februar 1905 mit der Abstammung dieser Verfassungsvorschrift von den entsprechenden Bestimmungen der Verfassung von 1849. — Vgl. auch Antrag von Karlowitz zu Art. 1, Aktenstück Nr. 13 des konstituierenden Reichstages 1867.

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Z 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

Art. 4 Nr. 9 der Bundesverfassung und

139

in der Begründung der Gesetz­

entwürfe wegen Aufhebung der Flößereiabgaben und der Elbzölle vom Jahre

vorausgesetzt und anerkannt worden.

1870

Die Reichsverfassung von 1849 wollte nun aber einheitliches Recht auf

dem Gebiete der Schiffahrtsabgaben nur in sehr beschränktem Umfange, nämlich

nur insoweit schaffen, als sie die Wasserzölle völlig beseitigte und für sämtliche

Schiffahrtsabgaben das Gebührenprinzip als allein maßgebend erklärte.

Im

übrigen enthielt sie keine gleichartige Regelung der Abgabenfrage für das Ge­

samtgebiet der Schiffahrt.

Sie ordnete vielmehr die Verhältnisse der Seeschiff­

fahrt und der Binnenschiffahrt nach grundsätzlich verschiedenen Gesichtspunkten.

Für den Bereich der Seeschiffahrt wurde ausdrücklich die Finanzierung aller Wasserbauten und sonstigen körperlichen und unkörperlichen Einrichtungen, welche irgendwie im Schiffahrtsinteresse hergestellt waren, oder künftig hergestellt

werden sollten, durch Schiffahrtsabgaben für zulässig erklärt. wurde für alle

Dieses Prinzip

„Schiffahrtsanstalten am Meere und in den Mündungen

der deutschen Flüsse" , sowohl für örtliche Anstalten, als auch für die dem

Durchgangsverkehre dienenden Seewasserstraßen,

aufgestellt.

letzteren unter die Vorschriften des die 88 20 bis 23 Verfassungsartikels fallen sollten, des Fahrwassers,

der Seetonnen,

Daß auch die

umfassenden vierten

geht aus der beispielsweisen Erwähnung der Leuchtschiffe und des Lotsenwesens

mit zweifelloser Deutlichkeit hervor; denn diese Anstalten und Einrichtungen

haben

keine

lokale,

sondern allgemeine Bedeutung.

In 8 22

ist

aus­

gesprochen, daß in der Befahrung der vertieften, durch Seezeichen kenntlich«

gemachten oder sonst verbesserten Wasserstraße die Benutzung einer Schiffahrts­ anstalt zu erblicken ist.

Dagegen

wollte

der

fünfte Artikel

in 8 25 die Finanzierung

von

Wasserbauten durch Schiffahrtsabgaben für den Bereich der Binnenschiffahrt

oder wenigstens der Flußschiffahrt — nur von der letzteren ist ausdrücklich die Rede — ausschließen.

Das geht zwar aus dem Wortlaut nicht ohne

weiteres hervor, weil der 8 25 nur von „Flußzöllen" spricht, im nächsten Paragraphen eine andere Gruppe von Schiffahrtsabgaben als „Gebühren" bezeichnet und in 8 27 die Ausdrücke „Flußzölle und Flußschiffahrtsabgaben"

ohne ersichtlichen Grund pleonastisch nebeneinander stellt.

Es war aber, wie

Schumacher aus der Entstehungsgeschichte des Art. V überzeugend dargetan

hat, die Absicht des Reichstages:

Die Einzelstaaten sollten die Unterhaltung.

* Drucksachen des Reichstages 1870 Bd. III Nr. 136 S. 6 und 7 und 137 S. 13, 14, 15.

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III.

140

Gegenstand der Abgabenerhebung.

und Verbesserung des Fahrwassers der Flüsse in Zukunft aus allgemeinen Mitteln, auf Kosten der Steuerzahler, besorgen;

nur bei gemeinschaftlichen

Flüssen war für die Aufhebung der Zölle eine

„billige Ausgleichung" in

Aussicht gestellt.

Das gegen die Finanzierung von Wasserbauten aus Schiffahrtsabgaben

gerichtete Verbot sollte indessen nur für die Fahrrinnen in den Flüssen, also für eine Gruppe von Wasserstraßen,

den Wasserstraßen Einrichtungen

gelegenen

Deshalb

gelten.

Lager-, Schleusen-

und

nicht für die örtlichen,

ihre Benutzung

gestattete

Z 26

mittelbar „Hafen-,

Diese

und dergleichen Gebühren".

an

erleichternden Kran-,

Wag-,

Bestimmung

galt,

ebenso wie das in 8 24 geregelte Gesetzgebungs- und Oberaufsichtsrecht des

Reichs,

nur für die gemeinschaftlichen Flüsse, einschließlich der Mündungen

von Nebenflüssen.

Die Aufzählung der Anstalten und Gebühren in ß 26 deckt sich nicht mit der entsprechenden Aufzählung in den Zollvereinsverträgen, welche eine größere Zahl von Einzelfällen oder Arten umfaßt, darunter insbesondere

die Kanäle und Kanalgebühren, die in § 26 keinen Platz finden konnten,

weil der Art. V sich nur mit der Flußschiffahrt beschäftigte. Daß der Art.

26 nur örtliche Schiffahrtsanstalten, im Gegensatz zu

den Wasserstraßen, meint, ist auch aus dem Wortlaut nicht erkennbar; denn abgesehen von den verallgemeinernden Schlußworten „und dergleichen" sind

auch die Schleusen

ihrem Wesen und der Regel nach keineswegs Bauwerke

von örtlicher Bedeutung.

Sie dienen im allgemeinen der Verbesserung des

Fahrwassers für den durchgehenden Verkehr; jedenfalls beeinflussen die in

Flüssen erbauten Schleusen die Interessen der gesamten Schiffahrt dieser Wasserstraßen,

nicht

etwa

sonstige örtliche Interessen.

Interessen

des

Lösch-

und

Ladeverkehrs

oder

Die Weserschleuse bei Hameln ist nicht sowohl

für die Schiffahrt dieser Stadt als für die Weserschiffahrt im allgemeinen von Bedeutung.

Gleichwohl geht aus der Entstehungsgeschichte des Art. V der Reichs­

verfassung deutlich hervor, daß man bei Abfassung des § 26 nur an Anstalten von örtlicher Bedeutung gedacht hat.

der

bei

Schumacher'

abgedruckten

Es ergibt sich insbesondere auch aus

Erklärung

der

deutschen Regierungs­

vertreter vom 21. August 1848 gegen die damals vorgeschlagene und später in der Verfassung vom 28. März

1849 durchgeführte radikale Beseitigung

aller Flußschiffahrtsabgaben; denn es heißt dort zu 4:

* S. 130, 131.

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Z 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

„Unter den nach Ziffer 2 den

einzelnen

Orten

141

aufzuhebenden Abgaben sind weder die in für die

Benutzung

gewisser

Anstalten

zur

Erhöhung kommenden Gebühren, wie Hafen-, Schleusen- und dergleichen

Gelder, begriffen usw." * Daß man die Schleusen in diese Auszählung von Beispielen einreihte

und sie mit Kranen, Wagen und Lagerplätzen gleich behandelte, ist eine der seltsamen Unstimmigkeiten, die sich in der Rechtsgeschichte und dem Rechts­

zustande hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben leider mehrfach zeigen. beruhte

aber

ihre Unterscheidung

von

Buhnen,

Baggerungen

Jedenfalls und

allen

sonstigen Strombauwerken ans der Voraussetzung ihres örtlichen Charakters. Im Sinne der Verfassung von 1849 war „örtlich" soviel wie „besonder".

Der Ausdruck

„besondere Anstalten"

wird

auch in den Vorverhandlungen

über diese Verfassung für die Aufzählung des Z 26 gelegentlich gebraucht. Die grundsätzlich verschiedene Behandlung der See- und Binnenwasser­ straßen

hinsichtlich

hätte im Falle der

der Finanzierung

von Wasserbauten

nötigte — oder

praktischen Durchführung genötigt — zur Bestimmung

der Grenzen beider Verkehrsgebiete.

Diese Abgrenzung hätte man entweder

nach Schiffstypen und Betriebsformen in der Weise vornehmen können, daß man auf den von Seeschiffen und Binnenfahrzeugen nebeneinander benutzten Wasserstraßen nur die ersteren mit Abgaben belastete, oder auch örtlich durch Bezeichnung von geeigneten Punkten, unterhalb deren die einzelnen Ströme

als Seewasserstraßen gelten sollten.

In der preußischen Staatsregierung ist auch diese Frage damals erwogen

und im Sinne der zweiten Alternative beantwortet worden, wobei besonders hervorgehoben wurde, daß auch die Binnenfahrzeuge aus den unteren Strom­

strecken abgabepflichtig sein müßten,

soweit sie von den dort ausgeführten

Fahrwasserverbesserungen und sonstigen Schiffahrtsanstalten Gebrauch machen

sollten 2. -i-

Aus den auf zwei Artikel verteilten 8 Paragraphen der Verfassung von

1849 mit ihrer zweifachen und völlig heterogenen Lösung der Abgabenfrage * In dem Anträge zur Reichsverfassung, auf welchen die Erklärung vom 21. August 1848 sich bezog, lautete die entsprechende Vorschrift: „Die Hafen-, Kran-, Wag-, Lager-, Schleusen- u. dgl. Gebühren in den an diesen Flüssen ge­ legenen Orten usw." 2 Am 7. April 1849 fand in Berlin eine Ministerialkonferenz statt, in welcher der in Frankfurt aufgestellte Entwurf eines Reichsgesetzes über die Aufhebung der Flußzölle beraten wurde. Hierbei kam auch die Frage der Abgrenzung von Seeund Flußschiffahrt zur Sprache; sie wurde in der dargelegten Weise beantwortet. Das Protokoll über diese Konferenz ist von Delbrücks Hand.

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III.

142

Gegenstand der Abgabenerhebung.

ist in der Bundesverfassung

1867

von

der eine,

verhältnismäßig

kurze

Art. 54 entstanden, der, wie schon an anderer Stelle im allgemeinen dargelegt

wurde, eine gleichmäßige Regelung für beide Schiffahrtsgruppen, für alle

Gewässer,

Verkehrsmöglichkeiten,

Schiffahrtsanstalten,

Wasserstraßen

und

Häfen enthält.

Die Auslegung des dritten Absatzes in Art.

54, daß in ihm der

Inhalt des Art. IV der alten Verfassung zusammengedrängt und eine der

damaligen Lösung entsprechende erschöpfende Beantwortung der Frage für das Gebiet der Seeschiffahrt gegeben sei, erscheint nach Lage der Verhältnisse

ausgeschlossen.

Denn während die alte Verfassung ausdrücklich von Wasser­

straßen und Häfen sprach, erwähnt die neue nur die Seehäfen.

Das Fahr­

wasser zwischen den Seehäfen und dem offenen Meere kann man unmöglich als Bestandteil oder Zubehör der Hafenanlagen betrachten ^. Die Entfernungen

von Königsberg, Stettin, Rostock, Lübeck, Hamburg, Bremen zum Meere

sind viel zu groß, um ein solches Pertinenzverhältnis zu gestatten — dem

in einigen Fällen übrigens auch der Umstand entgegensteht, daß die Häfen

und Zugangswasserstraßen in verschiedenen Händen sich befinden.

In anderen

Fällen ist die Konstruktion dieses Verhältnisses deshalb unmöglich, weil eine größere Anzahl von Häfen an derselben Zugangswasserstraße liegt und sich ihrer bedient; an der Unterelbe hat nicht nur Hamburg ein Interesse, sondern auch Altona, Harburg, Stade, Glückstadt und Brunsbüttel, an der Unterweser

außer Bremen auch Elsfleth, Vegesack, Brake, Nordenhamm, Geestemünde und Bremerhaven, um nur diese beiden Ströme und an ihnen die wichtigsten

Uferplätze hier zu erwähnen. Wollte man so lange Stromstrecken dem am weitesten binnenwärts belegenen

oder dem bedeutendsten anliegenden Hafen hinzurechnen und als ihm zugehörige „Schiffahrtsanstalt"

behandeln,

so

könnte man

schließlich

auch auf den

Gedanken kommen, den preußischen Niederrhein als Zubehör des Duisburg-

Ruhrorter oder des Cölner Hafens zu behandeln, die Strombaukosten anteilig zu den Hafenkosten zu schlagen und die Deckung der ersteren in einem Zuschläge

zum Hafengelde zu suchen.

Diese Kombination wäre, da die Seeschiffahrt

auf dem Rhein bekanntlich bis Cöln geht, nicht oder doch nicht viel seltsamer als die entsprechende für den Unterlauf der Weser und Elbe.

Der Gedanke an die Möglichkeit, daß der Gesetzgeber in Art. 54 Abs. 3 Schiffahrtsanstalten gemeint haben könnte, die nicht in den Seehäfen liegen und nicht zu ihnen gehören,

für deren Benutzung aber in den Häfen

die Abgaben zu zahlen wären, ist so gegen die Wahrscheinlichkeit und

* Vgl. unter II 8 3 Seite 26, 27, 28.

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8 2.

Die Entstehung der Neichsverfassung.

143

würde zu so seltsamen Konsequenzen führen, daß er ebenfalls ausscheiden

muß.

Hätte man im dritten Absätze die Verhältnisse der Seewasserstraßen

nach dem Muster der alten Verfassung mit regeln wollen, so hätte es doch mehr als nahegelegen, im vierten Absätze statt „Wasserstraßen" den Ausdruck

„Binnenwasserstraßen" zu gebrauchen. Daß man im vierten Absatz

auch den Seeverkehr und die Seewege

gemeint hat, läßt sich aber auch positiv beweisen.

Zusammenhänge

schon

wiederholt

erwähnte Neuerung,

fiskalischen künstlichen Wasserstraßen ein Reingewinn

ist mit Rücksicht auf die damals

Nordostseekanals durch Private, einer Seewasserstraße,

Denn die in anderem wonach

bei nicht

gestattet werden sollte,

erwogene Möglichkeit der Erbauung des

also im Interesse

des Zustandekommens

beschlossen und durch eine entsprechende Einschaltung

im vierten Absätze zum Ausdruck gebracht worden. Derselben Ansicht

war der Bundesrat,

als

er den Entwurf

eines

Gesetzes über die Abgabenerhebung auf der Unterweser im Jahre 1886 dem

Reichstag vorlegte.

Denn er sagte in der Begründung:

„Auch aus den einschlagenden Bestimmungen der Reichsverfassung (vergl. Art. 54 derselben) werden begründete Einwendungen gegen die Zulassung einer Abgabenerhebung im vorliegenden Falle nicht herzuleiten sein. —

Der leitende Gedanke ist augenscheinlich der gewesen, daß für die bloße

Nachhilfe, welche erforderlich ist, um die natürlichen Wasserläufe

in fahrbarem Zustande zu erhalten, der Verkehr nicht belastet werden sollte." Auch sonst ist mehrfach in der Begründung von der „Verbesserung des

Fahrwassers" als dem Anlasse der Abgabenerhebung die Rede.

Der Bundesrat sah also in dem Ausbau des Seeweges nach Bremen

die Regulierung einer natürlichen Wasserstraße im Sinne des vierten, nicht den Bau einer Schiffahrtsanstalt in einem oder für einen Hafen im Sinne

des dritten Absatzes des Art. 54 der Verfassung.

Aber auch wenn man sich in der Sache selbst auf den Standpunkt

stellen wollte, der Verfasser des Art. 54 habe die Absicht gehabt, die heterogene Lösung der Abgabenfrage in der Verfassung von

1849 auf die Bundes­

verfassung zu übertragen, so wäre doch die Annahme geradezu unstatthaft, daß er einen Gedanken von so

fundamentaler Bedeutung, von so

großer

Wichtigkeit für die Interessen des Verkehrs und für die Finanzen der be­ teiligten Staaten so undeutlich zum Ausdruck gebracht hätte.

Die Möglichkeit, daß Delbrück bei Aufstellung des Entwurfs für den Art. 54 den heterogenen Charakter jener Lösung übersehen haben könnte, ist

völlig ausgeschlossen.

Denn abgesehen davon,

daß dieser Charakter dem

Leser der Verfassung von 1849 ohne weiteres entgegentritt, war Delbrück

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III.

144

Gegenstand der Abgabenerhebung.

über den Inhalt der letzteren

Jahre

ganz

besonders gut unterrichtet, weil er im

1848 bei den Verhandlungen über ihre Entstehung — soweit das

preußische Handelsministerium dabei beteiligt war — hervorragend mitgewirkt

Die Akten enthalten sehr umfangreiche und sorgfältig durchgearbeitete,

hatte.

von seiner eigenen Hand geschriebene Schriftstücke aus dem Sommer des

Jahres 1818 über die künftige Regelung der Abgabenfrage für das Reich. Es muß hiernach als feststehend angesehen werden, daß der Rechts­

zustand

für Seewege und Binnenwasserstraßen — nur um Wasserstraßen

und nicht um Häfen, deren Abgabefähigkeit niemals zweifelhaft war, besteht Da ferner auch die Ab­

überhaupt ein Streit — heute der gleiche ist.

leitung der heutigen Reichsverfassung Zweifel unterligt, so

ergibt sich

aus dem Entwurf von 1849 keinem

die zwingende Schlußfolgerung, daß von

den beiden divergierenden Grundsätzen, welche der letztere für die Finanzierung von Schiffahrtsverbesserungen durch Abgaben aufgestellt hatte, in der ersteren

der eine verallgemeinert sein muß.

Die Frage, welcher von beiden zum allgemein maßgebenden gemacht werden

sollte, ist von entscheidender Bedeutung

für die Auslegung

des

Art. 54. Für ihre Beantwortung kommen drei Momente in Betracht.

Das erste ergibt sich aus dem organischen Zusammenhänge der maß­ gebenden Vorschriften beider Verfassungen, das zweite aus der Vergleichung derjenigen wirtschaftlich-politischen Erwägungen,

einerseits in den

Jahren

1848 und

1849,

welche

die Rechtsbildung

anderseits im Jahre

1867

beeinflussen konnten und beeinflußt haben, das dritte aus der Praxis, inso­ weit sie als Spiegelbild und Erkenntnisquelle des gesetzgeberischen Willens

in Betracht kommt.

*

*

*

a. Beide Verfassungen haben Vorsorge getroffen für den Fall, daß die deutsche Schiffahrt durch die Gesetzgebung oder Verwaltung fremder Staaten

benachteiligt und Deutschland hierdurch genötigt werden könnte, die Macht­ mittel der völkerrechtlichen Retorsion solchen Staaten gegenüber anzuwenden. Diese Vorsorge verkörperte sich in der Verfassung von 1849, entsprechend

der damals beschlossenen

grundsätzlich

verschiedenen

Behandlung der See-

und Binnenschiffahrt, in zwei völlig abweichenden Bestimmungen, welche in der gleichmäßigen Disposition des Stoffes den Abschluß der beiden in Be­ tracht kommenden Artikel bilden.

darf

Nach dem Schlußparagraphen des Art. 4

„eine höhere Belegung fremder Schiffahrt

nur

von der Reichs­

gewalt ausgehen", und nach dem des Art. 5 dürfen „Flußzölle und Fluß­

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Die Entstehung der Reichsverfassung.

H 2.

145

schiffahrtsabgaben auf fremde Schiffe und deren Ladungen nur durch die Reichsgewalt gelegt werden".

Der Mehrertrag im ersteren und der

Gesamtertrag im letzteren Falle sollte der Reichskasse zufließen.

Wollte die Verfassung von

1867

See- und Binnenschiffahrt beibehalten,

die differentielle Behandlung

so mußte sie folgerichtig

Retorsionsklausel in beiderlei Gestalt übernehmen.

der

auch die

Wer dies zugibt, wird

zugleich anerkennen müssen, daß die Fassung der entsprechenden Klausel im

Art. 54 einen Rückschluß auf die diesem Artikel zu Grunde liegende gesetz­ geberische Willensmeinung gestaltet. Nun heißt es in dem Schlußsätze des Art. 54: „Auf fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder höhere Ab­

gaben

zu legen,

als von den Schiffen der Bundesstaaten oder deren

Ladungen zu entrichten sind,

steht keinem Einzelstaate, sondern nur dem

Reiche zu." Diese Ausdrucksweise ist nur verständlich unter der Voraussetzung, daß

die Abgabenerhebung auf allen deutschen Wasserstraßen grundsätzlich gestaltet

ist.

Denn in den vorhergehenden Sätzen ist zwischen den deutschen Wasser­

straßen kein Unterschied Benutzung für See-

nach

ihrer Zweckbestimmung

und Binnenschiffahrt gemacht.

etwa nur auf die Seehäfen bezogen werden könnte,

und

überwiegenden

Daß jener Schlußsatz erscheint ausgeschlossen,

weil dann der Gebrauch des allgemeinen Ausdrucks „Abgaben" statt „See­

hafenabgaben" ein unerklärliches Versehen gewesen wäre und weil in solchem Falle ferner unterstellt werden müßte, der Gesetzgeber habe an den damals

im Vordergründe der Erörterung

stehenden

Nordostseekanal nicht gedacht.

Ebensowenig wäre die Annahme zulässig, der Schlußsatz

gelte im Bereich

der Binnenschiffahrt nur für die örtlichen Anstalten und Gebühren, also

namentlich für Hafengelder; denn abgesehen davon, daß eine derartige An­ wendung der Retorsion die größten Unzuträglichkeiten und Ungleichmäßigkeiten Hervorrufen würde — manche Binnenhäfen,

wie Frankfurt a.

M.

und

Mannheim haben überhaupt keine Schiffahrtsabgaben —, läge hierin auch

eine unmotivierte und deshalb unwahrscheinliche Abweichung von dem Vor­ bilde der Verfassung von 1849, die auch solche örtlichen Gebühren zuließ und dennoch die Erhebung von Befahrungsabgaben auf Binnenwasserstraßen

als Retorsionsmittel vorsah. Will man dennoch an der Auffassung sesthalten, der Gesetzgeber habe Abgaben für die Befahrung von natürlichen, gleichviel wie sehr im Schiff­ fahrtsinteresse verbesserten Wasserstraßen grundsätzlich verbieten wollen, so

wird man diesen Standpunkt gegenüber dem klaren Wortlaut der die Mög­ lichkeit der Abgabenerhebung voraussetzenden Retorsionsklausel kaum anders Schriften 6XV. - Erster Teil.

10

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III.

146

Gegenstand der Abgabenerhebung.

als mit der Behauptung verteidigen können, die bei dem gesetzgeberischen Versuche des Jahres 1849 für notwendig und nützlich befundene Retorsion

durch Flußschiffahrtsabgaben sei von dem Gesetzgeber des Jahres 1867 für entbehrlich erachtet

worden.

Eine

Wahrscheinlichkeit gegen sich haben.

solche Behauptung

würde

jedoch

alle

Denn wenn im Jahre 1849 Veranlassung

vorlag, die Möglichkeit von Vexationen der deutschen Binnenschiffahrt durch

Nachbarstaaten ins Auge zu fassen und für solche Fälle die Waffe der Retor­

sion bereitzuhalten ringer,

sondern

Entwurfs

so war diese Veranlassung im Jahre 1867 nicht ge­

größer geworden,

weil die Elbe, welche im Sinne des

von 1849 ein ganz deutscher Strom war, nunmehr mit ihrem

Oberlauf außerhalb der Reichsgrenze lag: aber auch auf dem Rhein, der Warthe, der Weichsel und dem Niemen war die Möglichkeit von Differenzen mit dem

Auslande hinsichtlich der Binnenschiffahrt vorhanden, zumal für die drei letzteren Flüsse preußisch-russische Schiffahrtsverträge nicht bestanden.

Tatsächlich sind

auch derartige Differenzen und Reibungen mehrfach vorgekommen.

Nimmt man an, daß der Gesetzgeber die Fassung der auf den wirt­

schaftlichen

berechneten

Kriegszustand

vorausgesetzten

normalen

Retorsionsklausel

Rechtszustande

hinsichtlich

in

Art.

der

54

dem

Schiffahrts­

abgaben sinngemäß angepaßt hat — und an dieser Annahme wird man festhallen müssen, weil die Vermutung für sie spricht —, so ist auch der

Rückschluß aus jener Klausel auf die Zulässigkeit der Erhebung von Schiff­ fahrtsabgaben auf regulierten Strömen zulässig und notwendig. das Retorsionssystem eine empfindliche Lücke;

Sonst hätte

es wäre gegenüber dem Ent­

wurf von 1849 ohne ersichtlichen Grund verschlechtert und geschwächt.

Wären durch

Art.

54 Binnenschiffahrtsabgaben — in Gestalt

von

Fahrwassergeldern — nur auf künstlichen, nicht aber auf natürlichen, das heißt in historischem Sinn natürlichen Wasserstraßen zugelassen, so wäre auch

die Waffe der Retorsion nur für die Kanalschiffahrt anwendbar.

Mit einer

solchen Beschränkung wäre sie aber stumpf und wirkungslos, weil Deutsch­

land mit den Nachbarstaaten nicht durch Kanäle zusammenhängt, sondern

* Der Gegenstand wurde damals nicht etwa nur obenhin gestreift, sondern — namentlich in der Beratung seitens des Plenums der Nationalversammlung — von mehreren Rednern zum Gegenstand besonderer Ausführungen gemacht. Vgl. Sitzung der Versamml. vom 10. November 1848 S. 3233 Schultze-Liebau, S. 3235 von Vincke-Hagen, S. 3239 Moritz Mohl und über Retorsion durch Schiffahrtsabgaben in England: Motive des volkswirtschaftlichen Ausschusses S. 3208 Stenograph. Berichte Wizard, Band V. Ferner Bericht des Verfassungsausschusses nebst Ent­ würfen zur zweiten Lesung der Verfassung Stenogr. Berichte Wigard Band VIII, S. 5749.

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8 2.

nur durch Flüsse.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

147

Die unbedeutenden Ausnahmen an der französischen und

holländischen Grenze fallen praktisch nicht ins Gewicht gegenüber dem großen

Verkehr an den Stromgrenzen bei Emmerich, Schandau, Passau, Schillno und einigen anderen Punkten. -i-

H

-i-

d. Wenn die Ableitung der Reichsverfassung aus dem Entwurf von 1849 feststeht, so liegt es nahe, das Augenmerk auf die politischen Trieb­

kräfte und Beweggründe

zu richten, welche bei dem Zustandekommen oder

vielmehr Nicht zustandekommen des letzteren maßgebend waren, und auf dieser Grundlage in eine Untersuchung der Frage einzutreten, ob dieselben Interessen

und Tendenzen noch im Jahre 1867 lebendig und politisch wirksam waren,

oder ob sie etwa in ihrer Art, ihrem Grade und ihrer Richtung sich ge­ ändert hatten.

Eine solche Untersuchung könnte möglicherweise weitere An­

haltspunkte dafür liefern, welche Absichten der Gesetzgeber mit der ziemlich dunklen Fassung des Art. 54 verbunden hat. Bei dem revolutionären Versuch der Jahre 1848/49 zur Neubildung

des öffentlichen Rechtes in Deutschland spielte die Frage der Schiffahrtsab­

Zwei Strömungen bekämpften sich

gaben eine nicht unwesentliche Rolle. damals.

Die eine war, dem Zuge der Zeit entsprechend, auf radikale Be­

seitigung dieser Abgaben gerichtet, während die andere ihre Modernisierung

und teilweise Beibehaltung anstrebte.

Gegenstand des Streites war lediglich

die Erhebung von Schiffahrsabgaben im Rahmen des Gebührenprinzips auf

solchen natürlichen Wasserstraßen, deren Schiffbarkeit auf andere Weise als

durch Kanalisierung erhalten oder erhöht worden war; in der folgenden Dar­

stellung sollen diese Abgaben der Kürze halber als „Fahrwassergelder" be­ zeichnet werden. — Die Forterhebung der alten, auf dem Besteuerungs­

prinzip beruhenden Flußzölle wurde

von keiner Seite ernstlich

verteidigt

und ebensowenig die Erhebung von Schleusengeldern und örtlichen Schiffahrts­ abgaben ernstlich bestritten.

Der Verlauf der Dinge ist bei Schumachers insoweit es sich um das von

ihm

behandelte Thema

der Binnenschiffahrtsabgaben

großer Anschaulichkeit geschildert worden.

handelte,

mit

Auf seine Darstellung kann hier

im allgemeinen Bezug genommen werden; sie bedarf einer Erweiterung nur

insofern, als dies durch die Einbeziehung der Seeschiffahrtsabgaben in den Kreis der Erörterung bedingt wird.

Der volkswirtschaftliche Ausschuß, welcher den die Schiffahrtsverhältniffe

betreffenden Abschnitt der Reichsverfassung in Verbindung mit dem Verr S. 123—132. 10*

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III.

148

Gegenstand der Abgabenerhebung.

fassungsausschusse vorzubereiten hatte, teilte im Sommer 1848, bevor er der Nationalversammlung seine Vorschläge machte, den in Frankfurt versammelten Vertretern der deutschen Regierungen die hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben gestellten beiden Anträge zur Äußerung mit. Der eine Antrag enthielt die

Bestimmung:

„Die mehrere Staaten durchströmenden oder begrenzenden Flüsse sind auf deutschem Gebiet und bis

ins Meer für deutsche Schiffahrt

und

Flößerei frei von Wasserzöllen und anderen, die Ware oder das Schiff betreffenden Abgaben, wogegen die Erhaltung und Verbesserung dieser Ströme dem Reich obliegt".

während der Gegenantrag vorschlug: „Die von den Einzelstaaten oder dem Reich zu erhebenden Wasserwege­ zölle dürfen nicht mehr betragen, als die Unterhaltung und Verbesserung

des Fahrwassers erfordert."

Die Vertreter der deutschen Staaten erklärten sich fast einstimmig gegen die Übernahme der Strombaulast durch das Reich und für die Zulassung

von „Wasserwegegeldern" im Rahmen des Gebührenprinzips bei gleichzeitiger Abschaffung der Flußzölle.

Sie sagten in der schon früher erwähnten gemein­

samen Erklärung vom 21. August 1848 unter Nr. 2: „Alle Schiffahrtsabgaben und Flußzölle, welche

gegenwärtig durch die

Uferstaaten von Flößen, Fahrzeugen und deren Ladungen erhoben werden, sollen wegfallen; jedoch sind die Uferstaaten berechtigt,

Wasserwegegelder

zu erheben, welche von der Reichsgewalt, und zwar in der Art festgesetzt werden, daß jeder Uferstaat nicht mehr erhebt, als zum Ersatz der regel­

mäßigen Verwendung erforderlich ist". Unter letzterem

Ausdruck war nach Nr. 1 der Erklärung verstanden

„die regelmäßige Instandsetzung, Unterhaltung und Verbesserung der Fahr­ bahn in den Flüssen sowie des Leinpfades"; diese Arbeiten sollten „unter Oberaufsicht der Reichsgewalt den Uferstaaten obliegen".

Ferner enthielt jene Erklärung noch einen besonderen Vorbehalt hin­

sichtlich „derjenigen Abgaben, welche in den Seestaaten von Seeschiffen und deren Ladungen gewendeten

als Ersatz

Kosten

erhoben

für

die

werden."

zum Nutzen Der

letztere

der

Seeschiffahrt

Vorbehalt

bezog

auf­ sich

lediglich auf Seewasserstraßen; denn die Abgabefähigkeit der örtlichen

Schiffahrtsanstalten war für den ganzen Bereich der See- und Binnen­

schiffahrt schon anderweit festgestellt und auch gar nicht streitig, während die Erklärung unter Nr. 2 die Binnenwasserstraßen betraf. 1. klärung

Hinsichtlich der Binnenwasserstraßen wurde eine abweichende Er­

nur

von den

Vertretern

Württembergs und Badens abgegeben,

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H 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

149

welche sich — aber nur unter der Voraussetzung der Übernahme aller Strombaulasten auf das Reich — für die radikale Beseitigung aller Schiffahrts­

Von den übrigen Regierungsvertretern haben mehrere

abgaben aussprachen.

bei Unterzeichnung der gemeinsamen Kundgebung

ihren Standpunkt durch

Beifügung besonderer Erklärungen begründet; diese Erklärungen, welche teil­ weise bei Schumacher*

abgedruckt sind, geben einen interessanten Einblick

in den Gedankengang der damaligen Regierungskreise, der sich mit dem

heutigen Standpunkte der preußischen Regierung und des preußischen Land­ tages im allgemeinen deckt.

Der preußische Vertreter, Camphausen, hatte,

als

er die gemeinsame

Kundgebung vom 21. August unterzeichnete, sich lediglich im Rahmen seiner damaligen Instruktion gehalten.

Im Frühjahr 1848 waren im preußischen

Handelsministerium „Gesichtspunkte für die Errichtung eines deutschen Zoll-,

Handels- und Schiffahrtsvereins" ausgearbeitet und durch das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten sowohl dem preußischen Bundesgesandten

als auch dem besonderen in Frankfurt bestellten Bevollmächtigten für die

Reichsangelegenheiten zugesandt worden.

Diese „Gesichtspunkte" vom 3. Mai

1848, welche die Richtschnur für die Behandlung der wirtschaftspolitischen Fragen bilden sollten, besagten:

„H 8.

Der Verkehr

im Inneren

ist

völlig frei und darf durch

keinerlei Hebungen belästigt werden, mit Ausnahme solcher, deren Ertrag

auf die Unterhaltung der Kommunikationsmittel verwendet wird." „8 9.

Alle Strom- oder Wasserzölle sind

aufzuheben oder für ge­

meinsame Rechnung abzulösen, soweit sie nicht als Kommunikationsabgabe

(H 8) forterhoben werden können." Es sollte also,

bei aller Liberalität in der Behandlung der Verkehrs­

fragen, doch an dem Gebührenprinzip festgehalten werden.

In den nächsten Monaten änderte die preußische Regierung indessen

ihre Haltung, indem sie die württembergisch-badische Auffassung sich wesentlichen

aneignete.

im

Zur Begründung dieses Stellungswechsels wurde

in Frankfurt eine Druckschrift verbreitet, welche im preußischen Handels­ ministerium, und zwar von Delbrück verfaßt war?.

Es ist dieselbe Druck­

schrift, die von Schumacher^ als eine „anscheinend halbamtliche" bezeichnet S. 166—171. Das Konzept ist vollständig von seiner Hand geschrieben; wieweit der In­ halt seiner persönlichen Überzeugung entsprach, ist nicht festzustellen. Der preußische

Vertreter in Frankfurt, Minister Camphausen, ließ die Schrift dort drucken, und zwar, wie er berichtete, „mit einigen Änderungen, durch welche der speziell preußische Standpunkt, von dem der Verfasser dem Zwecke der Schrift nach ausgehen mußte, etwas mehr zurücktritt." s S. 126-127.

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III.

150

Gegenstand der Abgabenerhebung.

und durch die zutreffende Bemerkung charakterisiert wird, sie lasse den über­ wiegenden Einfluß von Gründen, welche nicht rein sachlicher Natur waren,

auf die Behandlung des Gegenstandes erkennen; dieselbe, auf welche Moritz Mohl bei Beratung des Art. 4 der Verfassung durch die Nationalversamm­

lung am 10. November 1848 in seiner Rede anspielte

Sie ist nicht nur

wegen der Person des Verfassers, sondern auch sachlich, insofern sie einen intimen Einblick in die damaligen Auffassungen der preußischen Regierung

gewährt, von Interesse; es

soll daher ihr Inhalt und Gedankengang in

seinen wesentlichsten Bestandteilen hier kurz wiedergegeben werden.

Es sollte zunächst der Nachweis dafür erbracht werden, daß der Vor­

der

„Flußfreibeuterei",

der

wurf

fiskalischer

Vorwurf

Ausbeutung

der

Binnenschiffahrt zugunsten allgemeiner Staatszwecke, welcher den deutschen

in

Regierungen

den

des

Minderheilsgutachten

Verfassungsausschusses

ß 26 des Verfassungsentwurfs gemacht worden war,

doch

oder

in

nur

beschränktem Sinne anwendbar sei.

sehr

zu

auf Preußen nicht Zu diesem

Zwecke werden auf S. 1—8 die bestehenden Verhältnisse hinsichtlich der Erhebung von Flußzöllen

straßen dargelegt.

und Schiffahrtsabgaben auf preußischen Wasser­

Auf diese Darlegung wird S. 13 das Urteil gegründet:

„Oben ist nachgewiesen worden, daß der Binnenverkehr auf den preußischen Wasserstraßen von allen nicht für die Benutzung besonderer Anstalten zu

entrichtenden Abgaben frei ist." Ein

solches Urteil kann freilich

bei

näherer Prüfung

dingter Weise als richtig anerkannt werden.

wenn

man

auch Fahrwasservertiefungen in offenen Strömen,

Meeresarmen

als

besondere

Anstalten

nur in

be­

Es war nur dann zutreffend,

ansah;

Seen und

auch von der solche

denn

Fahrrinnen benutzenden Schiffahrt wurden Abgaben im Rahmen des Ge­

bührenprinzips

erhoben.

kanalisierter Fluß,

die

Und

wenn

auf S. 5

Schiffahrtsabgaben

auf

und

der

6

Dievenow sowie auf dem Großen und Kleinen Haff als

Tonnen-

und

Bakengeld", die

Abgaben

auf

der

die Deime

Peene,

Ruhr

Swine

als und

bloßes „Feuer-, und

Lippe

Schleusengeld bezeichnet wurden, so entsprach das nicht der Sachlage.

als Die

Deime war nicht „kanalisiert" und ist es auch heute nicht in dem Sinne, wie man das Wort gewöhnlich versteht.

Sie ist nicht durch Wehre und

Schleusen gestaut, sondern nur teilweise begradigt und vertieft?; das letztere

* Stenogr. Berichte Wizard, Band V S. 3238. 2 Vgl. das im Auftrage des Preußischen Wasserausschusses verfaßte Werk „Memel-, Pregel- und Weichselstrom" von H. Keller. Berlin 1899. Band I S. 333, Band II S. 454, 469, 473—475, 529, 530.

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Z 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

Verfahren bezeichnet man aber sonst als Regulierung. abgaben

im Mündungsgebiet der Oder in

151

Daß die Schiffahrts­

erster Reihe Fahrwassergelder

waren, geht aus dem Jmmediatbericht vom 13. Mai 1862, welcher aus

S. 126 in anderem Zusammenhänge angeführt ist, zweifellos hervor.

Daß

die Ruhr- und Lippeschiffahrtsabgaben niemals Schleusengelder waren, wird auf Seite 176—182 bei der Schilderung der preußischen Verwaltungspraxis unter den Zollvereinsverträgen noch nachgewiesen werden. Daß der preußische Binnenverkehr auf dem Rhein und der Elbe keine

Flußzölle zu entrichten hatte, war richtig.

Schiffe und Waren, welche von

Wesel nach Coblenz geführt wurden, waren abgabenfrei; dasselbe galt auch

für Fahrten von Rotterdam nach Coblenz oder von Hamburg nach Torgau. Aber von Hamburg nach Dresden und von Rotterdam nach Mainz mußten

die Flußzölle allerdings

wenn

man

für

die

auf der preußischen Strecke gezahlt werden, und

damals

legale

und

Verkehrs durch derartige Binnenzölle den

altüberlieferte

Besteuerung

des

Ausdruck „Flußfreibeuterei" ge­

brauchen wollte, so konnte man ihn vom allgemein deutschen Standpunkte

aus auch auf Preußen anwenden, da es die Rheinschiffahrtsabgaben tat­ sächlich in Transitzölle umgewandelt hatte.

Die Schrift wendet sich dann zur Erörterung der Frage, ob der Vor­ schlag des Verfassungsausschusses, die Unterhaltung der gemeinsamen Flüsse

bei gleichzeitiger Untersagung aller Schiffahrtsabgaben auf das Reich zu übernehmen, vom preußischen Standpunkte aus annehmbar sei.

Sie hebt

die großen Bedenken, welche sich gegen eine solche Maßregel vom praktischen Verwaltungsstandpunkte Sie weist

hervor.

auf

aus

ergeben würden,

die Nachteile

mit Klarheit und Schärfe

einer übermäßigen Zentralisierung

hin, die entstehen würden, wenn die Reichsgewalt in Frankfurt entscheiden

soll, „ob ein Badehaus im Pregel angelegt werden darf", und schildert die

voraussichtlichen Reibungen zwischen den Strombauverwaltungen des Reiches und dem Verwaltungsapparat der Einzelstaaten.

„Die Anlagen zum Schutze der Uferbewohner würden dem Ressort der einzelnen Staaten verbleiben; diese würden aber solche Anlagen, wegen

deren enger Verbindung mit dem Schiffahrtsinteresse, nicht ohne vorherige Verständigung mit der Reichsgewalt ausführen oder zulassen können, und ein jeder, der Gelegenheit gehabt hat, über den Gang derartiger Ver­

handlungen Erfahrungen zu sammeln, wird den Grad von Wahrschein­ lichkeit berechnen können, mit welchem, namentlich bei Fragen technischer

Natur,

auf eine Verständigung zwischen zwei selbständigen Gewalten zu

hoffen ist, welche entgegengesetzte Interessen vertreten. —

Die Übertragung der Flußhoheit an die Reichsgewalt würde die

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III.

152

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Einwirkung der letzteren auf die innersten Verhältnisse der lokalen Ver­ waltung in der ganzen Monarchie zur Folge haben und nicht nur die Wirksamkeit der Staatsgewalt in einem sehr wichtigen und in das Leben

eingreifenden Zweige

vernichten,

sondern

auch

notwendiger Weise die

Quelle von fortdauernden Konflikten beider Gewalten werden.

Gewiß

liegt es aber im gemeinschaftlichen Interesse beider, daß diese Konflikte nicht in den Kreis der Fragen gezogen werden, welche die laufende Ver­

waltung mit sich bringt.

Daß die Verwalteten dabei am meisten zu

kurz kommen würden, bedarf keines Beweises." Man sollte annehmen,

daß diese überzeugenden Darlegungen zur Ab­

lehnung des von dem volkswirtschaftlichen Ausschüsse gemachten Vorschlages führen mußten.

Die Schrift kommt gleichwohl zu seiner Annahme, welche

mit dem überwiegenden und ausschlaggebenden Interesse des Verkehrs an

der einheitlichen Leitung des Strombaues und der Strompolizei auf S. 12

sehr kurz

begründet wird.

Der wirkliche Grund ist wohl in der Stellung

zu suchen, welche die Schrift zur politischen Seite der Abgabenfrage einnimmt.

Die Erhebung solcher Abgaben im Rahmen der Selbstkostendeckung wird an sich als billig und vernünftig anerkannt.

Sie wird nur deshalb wider­

raten und abgelehnt, weil Preußen eine gebührenmäßige Schiffahrtsabgabe —

im Gegensatz zu Flußzöllen — nicht nur vom Durchgangsverkehr, sondem

auch vom Verkehr seiner eigenen Binnenhäfen erheben müßte.

Hierdurch

würde sich die Regierung bei den seit längerer Zeit an Abgabenfreiheit gewöhnten

inländischen Bevölkerungskreisen

sehr

dieser Unpopularität dürfe sie sich nicht aussetzen.

unpopulär

machen, und

Da man anderseits aber

auch die Strombaulast unter keinen Umständen auf allgemeine Staatsmittel übernehmen wollte, so

blieb nichts weiter übrig, als sie dem Reiche zu

übertragen, so unzweckmäßig diese Lösung auch aus anderen, namentlich aus praktischen Gesichtspunkten erscheinen mochte.

Mit großer Schärfe wird auf S. 17 der Grundsatz aufgestellt:

„Es kann nur wiederholt werden: Die Flußzölle aufzuheben und den Uferstaaten die Unterhaltungsverbindlichkeit zu belassen, ist ein Ding der

Unmöglichkeit."

In diesem Grundsatz waren alle deutschen Staaten einig; der Unter­ schied der beiden Gruppen bestand nur in den Wegen, auf welchen sie die

übereinstimmend

abgelehnte Lösung vermeiden wollten.

Die einen wollten

es durch Beibehaltung der territorialen Baulast mit Befugnis zur Abgaben­ erhebung, die anderen durch Übernahme der Baulast auf das Reich.

Die Nationalversammlung trug, im Gegensatz zu radikaleren Strömungen, dem Standpunkte der Regierungen insofern Rechnung, als sie bei der ersten

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Z 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

153

Lesung des Verfassungsentwurfs am 16. und 17. November 1848 zwar die Aufhebung der Zölle ohne Übernahme der Strombaulast auf das Reich,

gleichzeitig aber eine Schadloshaltung der Bundesstaaten wegen der entgangenen

Einnahmen beschloß.

Hierdurch waren die von den beiden Staatengruppen

abgegebenen Erklärungen zwar nicht angebrachtermaßen, aber doch sachlich

im wesentlichen berücksichtigt, indem das für beide gleichmäßig ins Gewicht

fallende finanzielle Interesse gewahrt blieb.

Hierbei ging sogar die National­

versammlung insofern über die Ansprüche der Regierungen noch etwas hinaus, als sie die Schadloshaltung oder

„billige Ausgleichung"

in Art. 26 der

Verfassung nicht auf die Strombaukosten, deren Deckung durch Schiffahrts­ abgaben die Regierungen nur noch erstrebten, sondern auf die den Betrag dieser Kosten der Regel nach — in einigen Staaten sehr bedeutend — über­ steigenden Zolleinnahmen

bezog.

Es war mit dieser Verfassungsvorschrift

freilich zunächst nur ein Prinzip oder Programm aufgestellt; es kam praktisch

alles darauf an, wie sie ausgeführt wurde, und das von der Zentralgewalt

aufgestellte Ausführungsgesetz ist dann im Entwurfsstadium stecken geblieben. Im Prinzip wurde die von der Nationalversammlung

beschlossene Lösung

der Frage von Preußen und der Mehrzahl der anderen Staaten angenommen * ;

die Negierungen wichen damit von ihrem früheren Standpunkte etwas, aber

nicht sehr wesentlich zurück; daß sie es taten, kann bei der Schwäche ihrer damaligen Stellung nicht wundernehmen.

Betrachtet man den Wortlaut des Art. 54 im Lichte dieser geschicht­

lichen Entwicklung und der politischen Konstellation des Jahres 1867, so ergibt sich zunächst mit zweifelloser Gewißheit, daß man damals diejenige

Lösung, auf welche die Regierungen und die Nationalversammlung sich in den Jahren 1848 und 1849

gewollt

hat.

im Kompromißwege verständigt hatten, nicht

Sonst hätte die Entschädigungsfrage, welche den Kern des

Kompromisses bildete, notwendig im Art. 54 — ebenso oder ähnlich wie in

Art. 5

der

Verfassung von

1849 — Erwähnung finden müssenEs

kommen also als möglicherweise gewollt, insoweit der historische Zusammen­

hang mit den Vorgängen der Revolutionszeit für die Auslegung verwertet werden kann, nur die anderen damals angestrebten Regelungen noch in Frage.

Entweder radikale Beseitigung der Zölle, Verbot der Schiffahrtsabgaben und

Belassung der Strombauten zu Lasten der Einzelstaaten oder konditionale * Vgl. Bericht des Verfassungsausschusses. Vorlage für die Verfassungsentwurfs, März 1849. Wigard, Verhandlungen der lung. Band VIII S. 5749—5751. 2 Die Frage ist später gestreift worden in der Begründung über die Aufhebung der Elbzölle, Reichstagsdrucksachen 1870 Nr.

zweite Lesung des Nationalversamm­ zum Gesetzentwurf 136.

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III.

154

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Verknüpfung von Strombaulast und Schiffahrtsabgaben — sei es durch Übernahme der ersteren auf das Reich bei gleichzeitigem Verzicht der Staaten auf die letzteren, sei es durch Belassung beider bei den Einzelstaaten. Im Rahmen dieser Möglichkeiten entsteht die Frage, ob die größere

Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden

ist, daß die norddeutschen Staaten im

Jahre 1867 und die deutschen im Jahre 1871

Gruppe

der

früheren

revolutionären

die von einer radikalen

Volksvertretung

erstrebte,

den

von

Regierungen einstimmig bekämpfte und von der Nationalversammlung selbst abgelehnte

Lösung

nachträglich

verwirklichen

wollten



oder

ob

über­

wiegende Gründe dafür sprechen, daß die Regierungen eine derjenigen Lösungen

in ihr Verfassungswerk übernehmen wollten, welche sie im Jahre 1848 vor­ geschlagen und vertreten hatten.

Die letztere Annahme erscheint deshalb als näherliegend und gerecht­ fertigt, weil kein sachlicher Anlaß für eine Änderung in der Stellungnahme der Regierungen

erkennbar ist.

Die gleichen Erwägungen Verkehrs- und

finanzpolitischer Art, welche in den Jahren 1848 und 1849 die Fahrwasser­ gelder als billig und die verfassungsmäßige Untersagung solcher Abgaben

ohne Übernahme der Strombaulast auf das Reich als unzulässig erscheinen ließen,

trafen auch

in

den Jahren

politischen Voraussetzungen

für

der Reichsgründung

die Geltendmachung

noch

und

Die

zu.

Verwirklichung

dieser rein sachlichen Erwägungen lagen aber für die Regierungen damals

sehr viel günstiger als früher.

Im Jahre 1818 wollte die Revolution den

Nationalstaat schaffen; die Regierungen halten ihr gegenüber eine schwache

Stellung und waren zum Nachgeben in sehr weitem Umfange bereit; die Reichsgründung

in den Jahren 1866 und 1871

ging von den Dynastien

und Regierungen aus, welche damals — in Preußen wenigstens — sehr stark waren.

in

der

hier

Und wenn die Regierungen früher trotz ihrer prekären Lage zur Erörterung stehenden Frage

sich

der

in der National­

versammlung vorhandenen radikalen Strömung widersetzen zu müssen glaubten,

so

ist es zum mindesten nicht wahrscheinlich, daß sie

diesen Widerstand

später aufgeben und das radikale Verbot jeglicher Schiffahrtsabgaben aus­

sprechen wollten, zumal sie in der Zwischenzeit an dem Grundsätze der Ab­ gabenerhebung im Nahmen des Gebührenprinzips festgehalten hatten.

radikale Verbot hätte, wenn es beabsichtigt gewesen wäre,

Jenes

in eine ganz

andere, klarere und bestimmtere Form gebracht werden können und müssen, als die des Art. 54 der Bundes-

und Reichsverfassung, zumal für ein

solches Verbot der Text des Verfassungsentwurfs von 1849 ein sehr nahe­ liegendes Vorbild darbot.

Der wesentlich

andere, in Art.

54

gewählte

Wortlaut schließt aber, wenn die Ausführungen über die grammatische Aus­

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Die Entstehung der Reichsverfassung.

Z 2.

155

legung des Anstaltsbegriffs richtig sind, die Erhebung von Fahrwassergeldern

nicht aus; er läßt vielmehr die rechtliche Möglichkeit hierfür bestehen.

Der

Zwang zur Nichterhebung

Die

solcher Abgaben ist nicht ausgesprochen.

Vermutung streitet sür die Erhaltung der einzelstaatlichen

Selbständigkeit

und Bewegungsfreiheit auch auf diesem Gebiete.

Wenn Schumacher seine abweichende Auslegung des Art. 54 * auf die Annahme gründet, die Regierungen hätten durch die Befreiung des Strom­ verkehrs

von

drückenden

Lasten dem deutschen Volke

einen

langgehegten

Wunsch erfüllen, die Reichsgründung mit der Aureole der Popularität um­ geben und dem neuen Nationalstaats eine politische Morgengabe darbringen wollen,

die ihrer Bedeutung

nach

mit der

liberalen Errungenschaft des

allgemeinen Wahlrechts vergleichbar gewesen sei, so ist gegen diese Beurteilung der Lage zunächst der Einwand zu erheben, daß die Frage der Schiffahrts­

abgaben unter den politischen Idealen des deutschen Volkes doch nicht ent­ fernt eine solche Rolle gespielt hat, wie die des allgemeinen Wahlrechts; entsprechend dem Grundzuge des damaligen politischen Lebens, welches den rein politischen Problemen eine viel größere Wichtigkeit beimaß und ein weit

lebhafteres Interesse widmete als den wirtschaftlichen — bekanntlich hat sich das inzwischen sehr geändert.

Aber auch ganz abgesehen hiervon, war hin­

sichtlich der Schiffahrtsabgaben eine einheitliche und geschlossene Stellung­ nahme der öffentlichen Meinung garnicht vorhanden.

Nicht einmal in der

politisch erregten und radikalen Lösungen nur zu sehr geneigten Zeit von 1848 hatte eine solche eommunis opinio sich gebildet.

Einig war man nur

darüber, daß die Flußzölle eine rückständige, lästige, und vom Standpunkte der wirtschaftlichen Gerechtigkeit unhaltbare Einrichtung seien; hinsichtlich der

Fahrwassergelder oder — wie man sich in Frankfurt damals ausdrückte —

Wasserwegegelder waren in

den

Kreisen

der

aber die Meinungen sehr geteilt.

provisorischen

Zentralgewalt

und

Es standen sich der

Nationalver­

sammlung zwei fast gleich starke Gruppen gegenüber, von welchen die eine

der Ansicht war, es sei

ein Mißgriff, bei Abschaffung der Flußzölle das

Kind mit dem Bade auszuschütten und an die Stelle des alten Unrechts,

welches der Binnenschiffahrt durch ihre finanzielle Ausbeutung für allgemeine

Staatszwecke geschehen sei, das neue Unrecht der Belastung der Steuerzahler mit allen Strombaukosten zugunsten der Schiffahrt zu setzen.

Es war sehr

zweifelhaft, welche von beiden Strömungen den Sieg davon tragen würde.

Noch 5 Wochen vor der Annahme der Verfassung war, wie Schumacher

ausführt 2, im Schoße der Nationalversammlung die Stimmung gegen die * S. 138. 2 S. 128.

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III.

156

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Flußfreiheit so stark, daß der Reichshandelsminister Duckwitz die Ansicht äußerte, die zweite Lesung der Verfassung könnte leicht einzelne Änderungen,

z. B. Beibehaltung der Rekognitionsgebühren (Schiffahrtsabgaben von der Tragfähigkeit) nötig machen.

Die von

der Versammlung schließlich

angenommene Versassungsvor-

schrift war also nichts weniger als eine einheitliche Kundgebung des Volks­

willens, dem gegenüber die Regierungen besonderen Anlaß zur Nachgiebigkeit

gehabt hätten und dessen endliche Befriedigung als eine populäre Errungen­

schaft

aufgefaßt

werden

preußischen Verhältnisse. Schiffahrtsabgaben

konnte.

galt insbesondere

Das

auch

für

die

In Preußen war man seit Menschengedenken an

gewöhnt.

Die

Volksvertretung hatte sich nach

1848

wiederholt für ihre Beibehaltung im Rahmen der Selbstkostendeckung aus­

gesprochen.

In einem besonders wichtigen Falle hatten sich sogar die Nächst­

beteiligten, Provinziallandtage und Handelskammern, für ihre Einführung auf einem bisher abgabenfreien Strome im Interesse der Förderung des Ver­ kehrs dringend ausgesprochen.

Es konnte nicht davon die Rede sein, daß

der Druck einer populären Strömung die preußische Regierung bei der Auf­

stellung des Entwurfs zur Bundesverfassung im Jahre 1867 dazu genötigt oder auch nur veranlaßt hätte, Fahrwassergelder zur bloßen Aufbringung der Strombaukosten nicht nur zu beseitigen, sondern sogar die rechtliche Möglich­ keit der Einführung solcher Abgaben für alle Zukunft verfassungsmäßig aus­

zuschließen. Der politische Effekt, den Preußen und der unter seiner Ägide neu er­ standene

Nationalstaat zur Einführung

der

letzteren

bei

der

öffentlichen

Meinung brauchte und erstrebte, wurde — soweit das Gebiet der Verkehrs­

politik überhaupt hierfür in Betracht kam — durch die Abschaffung der

allerdings sehr unpopulären Flußzölle erzielt.

Nur von ihnen,

nicht von

den eigentlichen Schiffahrtsabgaben konnte das im Jahre 1848 geprägte,

gehässige Wort von der „Flußfreibeuterei" gebraucht werden.

mit einigem Schein von Recht

Mit der Aufhebung jener Zölle war aber die rechtliche

Zulässigkeit von Fahrwafsergeldern nicht beseitigt.

letzteren

nicht

präjudizieren,

weil

Die erstere konnte der

die Fahrwassergelder

nicht etwa einen

latenten, integrierenden Bestandteil der Zölle bildeten, sondern von ihnen

ihrem inneren Wesen, ihrer wirtschaftlichen und staatsrechtlichen Struktur nach verschieden waren.

Es war eine praktische Unmöglichkeit, die Rhein­

zölle im Jahre 1866 und die Elbzölle im Jahre 1870 in Fahrwassergelder

nach dem Gebührenprinzip umzuwandeln. Die wirtschaftlichen und finanziellen

Unterlagen für die Bildung eines entsprechenden Tarifs waren nicht vor­ handen, weil der Betrag der Selbstkosten nicht bekannt war.

Man hatte

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8 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

157

über diese Kosten nicht, wie bei den nach dem Gebührenprinzip behandelten privaten Wasserstraßen, Buch und Rechnung geführt, weil die Höhe der Ab­

gaben und die Art ihrer Erhebung zu den Aufwendungen des Staates und dem Grade der Benutzung der Schiffahrtsanstalten in keiner inneren Be­

ziehung stand.

jahrelange

Die Aufmachung einer solchen Berechnung hat jetzt eine

mühevolle

Arbeit

erfordert;

diese

Arbeit

wäre

vor

35 Jahren wohl etwas, aber nicht sehr viel leichter gewesen.

38

und

Es mußte

dann aber noch für die Anstellung symmetrischer, auf gleichen allgemeinen Gesichtspunkten beruhender und nach gleichen Methoden durchgeführter Be­

rechnungen für die nichtpreußischen Uferstaaten gesorgt werden, was nur im Wege der Vereinbarung zu erreichen war.

Endlich mußte die Erhebungs­

weise, wenn die Beziehung von Leistung und Gegenleistung bei der Ent­ richtung von Fahrwassergeldern in sinngemäßer Anwendung des Gebühren­

prinzips hergestellt werden sollte, von Grund aus geändert oder vielmehr

neu ersonnen werden.

Das alte System der Erhebung von Rhein-

Elbzöllen war vom Gebührenstandpunkt aus völlig unbrauchbar.

und

Wie bereits

erwähnt, wurden die alten Rheinzölle in Preußen vom preußischen Verkehr

überhaupt nicht erhoben, sondern nur dem Durchgangsverkehr nach Süd­ deutschland auferlegt; die süddeutschen Staaten refaktierten wiederum die

preußischen Zölle ihren Staatsangehörigen aus allgemeinen Staatsmitteln. Diese Zölle konnte man also nicht durch einfache Drehung der Tarifschraube

in Gebühren verwandeln,

auch wenn man das Gesamtergebnis der Ein­

nahmen auf die Höhe der — erst zu ermittelnden — Selbstkosten herab­ drückte.

Da eine Reform nicht möglich war, so

blieb nichts übrig, als die

Zölle abzuschaffen und dann, wenn man wollte, Gebühren auf ganz neuer, selbständiger Grundlage einzuführen.

Das letztere wollte man in den Jahren 1867 und 1871 aber nicht,

man wollte es wenigstens nicht am Rhein und an der Elbe.

Es fragt sich

nur, ob man auch auf die rechtliche Möglichkeit verzichten wollte, und diese Frage ist zu verneinen, weil weder die Absicht des Verzichtes aus dem

Wortlaut der Verfassung noch ein Anlaß hierzu aus der Entstehungsgeschichte

und der politischen Lage erkennbar ist. In den östlichen Provinzen, dem alten Kern der preußischen Monarchie,

hat man die Fahrwassergelder damals nicht abgeschafft;

man hat sie bis

heute beibehalten und durch neue vermehrt, ohne irgend welche Zeichen der Erregung oder des Widerspruchs der öffentlichen Meinung. 2. Die historische Entwicklung der Abgabenfrage auf dem Gebiete der

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III.

158

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Seeschiffahrt ist von derjenigen, welche sich im Bereich der Binnenschiffahrt

vollzogen hat, nicht unwesentlich verschieden.

Wie bereits erwähnt, hatten die Vertreter der deutschen Regierungen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 21. August 1848 die Forderung er­ hoben, daß im Bereich der Seeschiffahrt die Finanzierung aller Schiffahrts­

anstalten, namentlich auch der Fahrwasserverbesserungen,

durch Gebühren­

erhebung gestattet sein müsse. Der im volkswirtschaftlichen Ausschüsse gestellte Antrag, die Erhebung von Fahrwassergeldern auf den Flüssen bis zum Meere zu verbieten und die Unterhaltung der gemeinsamen Ströme in derselben Begrenzung auf das

Reich zu übernehmen,

hatte ebenso wie der später von diesem Ausschüsse

gefaßte Beschluß, den Bau und die Unterhaltung der Seewasserstraßen und sonstigen Seeschiffahrtsanstalten zur Reichssache zu machen und demgemäß

auch dem Reiche das alleinige Recht zur Erhebung von Schiffahrtsabgaben vorzubehalten, bei den Hansestädten, welche schon damals für die Beurteilung der deutschen Seeschiffahrtsinteressen ausschlaggebend waren, die allerernstesten Bedenken erregt.

Diesem Bedenken wurde von den bremischen Vertretern schon bei der Unterzeichnung der gemeinsamen Kundgebung durch eine besondere Zusatz-

erklärung Ausdruck gegeben, in welcher es heißt:

„Einen ferneren Widerspruch sind wir wegen der Lage der Hauptseestädte

Norddeutschlands verpflichtet, gegen den 8 1 des Entwurfs zu erheben, insofern derselbe eine Aufhebung aller Abgaben auf den Flüssen bis ins

Meer ausspricht.

Bremen und Hamburg liegen tiefer im Lande, da wo

Seeschiffahrt von Flußschiffahrt sich scheidet.

Verhältnisse sehr verschiedener

Art finden auf der Weser oberhalb und auf der Weser unterhalb Bremen

statt.

Jene fällt in das Gebiet der eigentlichen Flußschiffahrt und in

den Bereich der durch die Weserschiffahrtsakte festgesetzten Flußzölle, welche

auf der ganzen Weser 236^/4 Pfennig für 300 Pfund betragen, denen Bremen 45 Pfennig zu erheben berechtigt ist. des

von

Zur Erleichterung

durch die frühere Vernachlässigung der Oberweser sehr behelligten

Schiffahrtsverkehrs hat Bremen von dieser Berechtigung keinen Gebrauch gemacht, und sie nur in den seltenen Fällen eintreten lassen, daß Güter unter Befreiung von jeder andern Abgabe, auf dem Wasser transitierend

direkt aus dem Flußverkehr in den Seeverkehr oder umgekehrt übergingen.

Ganz anders

sind die Verhältnisse auf der untern Weser.

Den Hanse­

städten lag bisher die Last ob, alle diejenigen kostspieligen Anstalten zu errichten und zu unterhalten, welche Deutschlands Seeschiffahrt und Handel

erheischen,

und die in andern Ländern nicht die betreffende Handels­

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Z 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

159

stadt, sondern das ganze Land zu errichten und zu erhalten hat.

Es galt

dabei in Bremen der Grundsatz, daß eine Entschädigung dafür von den

diese Anstalten Benutzenden geleistet werden müsse und verschiedene Er­ hebungen fanden unter verschiedenen Benennungen, als Tonnen-, Baken-, Convoye-, Schlachtgeld usw. statt.

Nach der französischen Gewaltherrschaft

wurde die Einrichtung getroffen, daß alle von verschiedenen Verwaltungen erhobenen

Abgaben in eine Generalkasse flossen und

Verwendungen bestritten wurden.

aus derselben die

Man fand nun auch zweckmäßiger, die

vorgedachten verschiedenen, zugleich den Ersatz für nicht erhobenen Weser­

zoll gewährenden, durch Handel und Schiffahrt zu erlegenden Abgaben zu vereinigen, unter der gemeinschaftlichen Benennung von eingehenden

und ausgehenden Rechten, weil sie bei Exports erhoben wurden.

Gelegenheit des Imports und

Diese geringen

Abgaben von resp.

2/3 und

1/8 pro Cent von allen Bremen selbst betreffenden Importen und Exporten

übersteigen nicht das Maß der für Handel und Schiffahrt zu machenden Verwendungen, Bremen

ist in deren unvordenklichem und unbestrittenem

Erhebungsrechte, und hat auf dieses Recht hin die nötigen Anstalten er­ richtet und

für dieselben Staatsanleihen gemacht, zu deren beziehungs­

weiser Erhaltung und Verzinsung die aus den eingehenden und ausgehenden Rechten fließenden Einnahmen um so weniger entbehrt werden können,

als andere Mittel dazu nicht vorhanden sind.

Am einfachsten wird dieses

aus der folgenden Zusammenstellung der betreffenden Einnahmen und Aus­ gaben hervorgehen."

Es folgt hier eine Aufzählung der auf die Seeschiffahrtsanstalten be­

züglichen Einnahmen und Ausgaben des bremischen Staates.

Sodann heißt

es weiter: „Die fernere Verpflichtung Bremens zu auch nur vorschußweiser Erhaltung

der Schiffahrtsanstalten unter Aufhebung der Abgaben ist unmöglich, da die Mittel dazu nicht auf andere Weise zu beschaffen sind.

Wollte aber

die Reichskasse auch schon jetzt die bedeutenden Ausgaben selbst bestreiten,

so würde noch die Befriedigung der gewissermaßen auf jene Einnahmen angewiesenen Staatsgläubiger dieser Übernahme vorangehen müssen. Wie demnach die Aufhebung der Abgaben am 1. Januar 1849 abgesehen von den durch den preußischen Herrn Bevollmächtigten wegen der Verhältnisse zu fremden Staaten geltend gemachten Schwierigkeiten,

nicht minder erhebliche in finanzieller Hinsicht für die kleineren Staaten

darbietet, so liegt in der beabsichtigten Zentralisation, wenn sie das Maß

* Zu diesem Zeitpunkte sollen sie nach den gestellten Anträgen eintreten.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

160

einer starken und wirksamen Oberaufsicht übersteigt, ein ferneres zwiefaches Be­

Bis jetzt konnte der einzelne Staat für sich oder in Verbindung

denken.

mit anderen, die für seine Angehörigen zuvörderst und am meisten wichtigen

Anstalten beschließen und forderten.

ausführen,

so

schnell

Zentralgewalt in jedem Falle abhängig sein,

natürlich, steht.

Am

empfinden,

es

die Umstände

er­

In der Folge wird diese Befugnis von der Genehmigung der wie auch ganz

da nur,

für die gebilligten Ausgaben eine Erstattung in Aussicht wird

schwersten

solches

man

in

den

kleinen

Republiken

wo der Grundsatz der Selbstverwaltung in alle Verhältnisse

gedrungen ist, und der Erkenntnis eines Bedürfnisses für Handels- und

Schiffahrtszwecke in der Regel die Befriedigung desselben auf dem Fuße zu folgen pflegte, nun aber der Genehmigung einer Zentralbehörde unter­

geordnet werden soll,

von der man kaum voraussetzen wird,

unsere Bedürfnisse besser kenne, als wir selbst.

daß sie

Hier wird also der Reichs­

gewalt eine Befugnis beigelegt, die uns über das Wünschenswerte und

Zweckmäßige hinauszugehen

scheint,

besonders wenn erst der Zeitpunkt

gekommen sein wird, wo die Zentralgewalt die Ausführung der Arbeiten

selbst in die Hand nehmen wird.

Alle Vorteile, welche die Einzelstaaten

in der Ausführung durch ihre mit den Lokal- und Personalverhältnissen

vertrauten und gleichzeitig bei anderen Arbeiten verwandten Beamten in technischer und ökonomischer Hinsicht finden,

werden dann unnötig ver­

loren gehen, um auf weniger zweckmäßige Weise dem größeren Aufwande von Reichsbauten Platz zu machen."

Es handelte sich Binnenschiffahrtswegen,

also um

bei den Seewasserstraßen

die

konditionale

wie

nicht,

Verknüpfung

der

bei den

Abgaben­

freiheit — oder vielmehr vom hanseatischen Standpunkte aus des Zwanges zur Nichterhebung von Schiffahrtsabgaben — mit der Reichsbaulast;

die kleineren Bundesseestaaten war weder das eine noch das

für

andere an­

nehmbar, sie konnten die Abgabenfreiheit unter keinen Umständen gebrauchen und die selbständige Verfügung über ihre Seewege unter keinen Umständen missen Von der starken Zentralisation,

welche die Folge der Übernahme der

Seewasserstraßen in die unmittelbare Verwaltung des Reiches gewesen wäre,

wurden

übrigens

auch

in

Preußen

nachteilige

Folgen

befürchtet.

Der

preußische Abgeordnete Graf Wartensleben-Swirßen warnte in der Sitzung * Der Hamburger Merk sprach bei der Beratung in der Nationalversamm­ lung am 10. November 1848 mit Entschiedenheit gegen den Berfassungsantrag des volkswirtschaftlichen Ausschusses, der hauptsächlich durch süddeutsche — Moritz Mo hl aus Stuttgart — und sächsische Unitarier verteidigt wurde. Wigard, Stenograph. Berichte V S. 3229.

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Z 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

eindringlich vor einer

der Nationalversammlung vom 10. November 1848 Organisation,

welche dazu führen müßte,

161

„wegen eines Pfahles in

daß

Memel Kommissare des Reiches geschickt werden müßten."

des

Schließlich fiel die Entscheidung im Sinne schaftlichen

Ausschüsse

ausging, „daß den

einzelnen Uferstaaten

der für den Seehandel und

aus dem volkswirt­

„Minoritätserachtens",

vorgelegten

die Fürsorge

und

welches

davon

nähere Überwachung

die Schiffahrt nötigen Verfügungen,

richtungen und Anlagen überlassen

bleiben muß.

Ein­

Die Sache begreift so

viele verschiedene Teile in sich, als Häfen, Seetonnen, Leuchttürme und

Leuchtschiffe, Baken, Lotsenwesen, Regulierung des Fahrwassers, Quarantäneanstallen usw.,

zu

deren

und

richtiger

zweckmäßiger Hand­

habung eine genaue Kenntnis durch langjährige Erfahrung erforderlich ist, daß, wenn die Reichsgewalt allerdings die Oberaufsicht zur Sicherstellung des allgemeinen Interesses darüber ausüben soll,

führung

selbst

in die Hand

nehmen kann,

sie doch nicht die Aus­

ohne dadurch

höchst wahr­

scheinlich das Schiffahrtsinteresse sehr wesentlich zu beeinträchtigen und so auf den ganzen, sich unter den seitherigen Verhältnissen so großartig auf­ geschwungenen Seeverkehr nachteilig

einzuwirken.

volkswirtschaftlichen Ausschusses erklärt dagegen

Der Paragraph des

die Schiffahrtsanstalten

am Meere ohne weiteres für Reichssache usw." *.

Gleichzeitig wurde das Recht zur Erhebung von Fahrwaffergeldern den Bundesseestaaten zugestanden.

Um die Nutzanwendung aus den damaligen Vorgängen auf die Aus­ legung der

heutigen Verfassung im Wege

des Wahrscheinlichkeitsschlusses

ziehen zu können, ist es notwendig, sich die politische Lage der Hansestädte

jenem Anträge des volkswirtschaftlichen Ausschusses gegenüber klar zu machen.

Wenn Delbrück in seiner Druckschrift von 1848 schon für Preußen gesagt hatte, die „Übertragung der Flußhoheit an die Reichsgewalt" würde „die Wirksamkeit der Staatsgewalt in einem sehr wichtigen und in das Leben eingreifenden Zweige vernichten", so bedeutete diese Maßregel für die kleinen Seestadtstaaten, deren Lebensinteresse in der Unterhaltung und Verbesserung

des Fahrwassers nach dem Meere und ihrer sonstigen Schiffahrtsanstalten beruht, nicht viel weniger als die praktische Mediatisierung,

ihrer Selbständigkeit.

Sie hätten aufgehört,

den Verlust

Herr ihrer Geschicke zu sein,

wenn sie hinsichtlich der Frage, ob und was und wann es an der unteren Weser, Elbe und Trave geschehen sollte, abhängig geworden wären von den

* Der Anfang dieses Zitats ist schon auf S. 103 unter HI. U. 2. a. in Z 7 in anderem Zusammenhänge erwähnt. Schriften 6XV. - Erster Teil. 11

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III.

162

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Entschließungen einer weit entfernten Zentralregierung und den Abstimmungen eines Reichsparlaments. Sie waren also durch zwingende Gründe genötigt, die Übernahme ihrer Seewasserstraßen

auf das Reich

ebenso stark darauf angewiesen,

als Danaergeschenk abzulehnen;

sie waren

mit der Verwaltung dieser Wasserstraßen

auch die Befugnis zur Abgabenerhebung

zu

behalten.

Ohne die letztere

wäre die erstere auch ein Danaergeschenk gewesen, weil diese kleinen Staats­

gebilde trotz aller Kapitalkraft, trotz

aller kaufmännischen Tüchtigkeit und

Opferbereitschaft für große wirtschaftliche Ziele,

die Kosten der verhältnis­

mäßig weiten, nicht von den Uferstaaten, sondern von ihnen allein zu unter­

haltenden Schiffahrtswege bis zur offenen See ohne gebührenmäßige Heran­ ziehung der Schiffahrt nicht aufbringen konnten und können *.

Wenn auch

in den Hansestädten die Schiffahrtsinteressen in viel höherem Maße sich den allgemeinen

Staatsinteressen

annähern

und viel weniger von ihnen ver­

schieden sind, wie in den anderen Bundesstaaten, so ist es dennoch auch bei ihnen

nicht

möglich,

alle

Kosten für Schiffahrtsverbesserungen auf

Schultern der Steuerzahler zu legen.

die

Hierbei spielt ferner der Umstand

eine sehr wichtige Rolle, daß die Schiffahrtsabgaben zum großen Teil von den Reedern ohne Möglichkeit der Überwälzung auf andere, also auch von Nichthanseaten und Nichtdeutschen, aufgebracht werden.

Für die Seestaaten war die Lage gegenüber dem Verfassungswerk von

1848/49

insofern eine andere als für die Binnenstaaten, als letzteren im

Rahmen ihres gemeinsamen Entschlusses: keinesfalls territoriale Strombau­ last ohne Schiffahrtsabgaben: die Alternative: entweder Reichsstrombaulast

ohne oder territoriale Baulast mit Schiffahrtsabgaben: offen blieb, während die Seestaaten oder

wenigstens die Hansestädte nur die zweite Möglich­

keit hatten.

Das hat selbst die zu doktrinären und radikalen Maßregeln stark hin­

neigende Nationalversammlung von 1848/49 eingesehen und den Seestaaten

ihre Wasserstraßen samt den Schiffahrtsabgaben gelassen. Die Interessen dieser Staaten in der Abgabenfrage hatten sich zur Zeit der Reichsgründung gegen das Jahr 1849 in keiner Weise verschoben; die

Erhaltung der partikularen Hoheitsrechte hinsichtlich der Wasserstraßen und ihres notwendigen Korrelats in Gestalt der rechtlichen Zulässigkeit von Fahr­ * In der anonymen hamburgischen Broschüre, welche unter III. H. 2. a. Z 7 aus S. 102 Anm. 2 zitiert ist, wird schon die Tatsache, daß die Hansestädte bei ihren Auf­ wendungen für die Seeschiffahrt nur die Selbstkosten durch Abgaben decken, als eine Art Ruhmestitel hingestellt, wenn auch die Bemerkung gemacht wird: „Es soll damit das Verfahren Hamburgs keineswegs als eine besondere Freigebigkeit hin­ gestellt werden; man verfährt so im wohlverstandenen eigenen Interesse usw."

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8 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

163

wassergeldern war für die hinsichtlich der deutschen Seeschiffahrt ausschlag­

gebenden Hansestädte nach wie vor die einzig

mögliche Lösung.

Daß diese

Lage der Dinge den maßgebenden Kreisen der preußischen Regierung bei

Aufstellung des Entwurfs zur Bundesverfassung entgangen sein könnte, ist

völlig ausgeschlossen;

es ist am wenigsten denkbar bei dem mit den Ver­

handlungen und Vorgängen

vertrauten Delbrück.

der Jahre 1848 und 1849 auf das genaueste

Man wußte, daß die Finanzierung von Schiffahrts­

verbesserungen durch Abgaben für die Hansestädte eine staatliche Notwendigkeit war und

man hatte gar keinen Anlaß, dieser schon von der Frankfurter

Nationalversammlung anerkannten Notwendigkeit jetzt die verfassungsmäßige

Berücksichtigung zu versagen. angezeigt,

sondern

geradezu

Hätte man das gewollt, so wäre es nicht nur

geboten

gewesen,

solche Willensmeinung

in

Daß der Art. 54 in deutlich erkenn­

deutlich erkennbare Form zu kleiden.

barer Weise die Erhebung von Abgaben für Seewasserstraßen untersagt, wird aber selbst der eifrigste Gegner solcher Abgaben nicht behaupten.

Die

Vermutung spricht hier für die Kontinuität der gesetzgeberischen Willens­

meinung.

Diese Willensmeinung ist in der Verfassung von 1849, dem

anerkannten Vorbilde der heutigen, durch die ausdrückliche Zulassung von Fahrwassergeldern klar ausgedrückt.

Es muß also angenommen werden, daß

Fahrwassergelder auch mit dem Art. 54 vereinbar sind.

Die Hanseaten haben ihn jedenfalls bona üäe so verstanden.

Das

geht nicht nur aus ihrer unangefochtenen Verwaltungspraxis — die sich in

dieser Hinsicht von derjenigen der anderen Bundesseestaaten nicht unterscheidet —, sondern auch

aus den Erörterungen hervor,

Reichstage 1867,

im Reichstage von

die

im

konstituierenden

1869 und in späteren Reichstagen

über Schiffahrtsanstalten stattgefunden haben.

Im konstituierenden Reichstage wurde zu Art. 4 Nr. 9 der Bundes­

verfassung von dem Abgeordneten Grumbrecht beantragt, die Zuständigkeit

des Reiches auszudehnen auf „die Anstalten für Seeschiffahrt, Häfen, See­ tonnen, Leuchttürme, das Lotsenwesen, das Fahrwasser". Über diesen An­ trag, der im Jahre 1869 mit einer nicht sehr erheblichen Änderung wieder­

holt wurde und schließlich zu einer Ergänzung der Verfassung durch Reichs­ gesetz vom 3. März 1873

führte, entspann sich in den Jahren 1867 und

1869 eine längere Erörterung, welche an die entsprechenden Verhandlungen der Nationalversammlung von 1848 anknüpfte; auch die Fassung des An­

trages war, wie der lübeckische Abgeordnete Görtz zutreffend? bemerkte, dem

Z 20 des damaligen Verfassungsentwurfs entlehnt.

' R.Ges.Bl. S. 47. Reichstagsverhandl. vom 20. März 1867 Stenogr. Ber. S. 281. . 11*

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III.

164

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Obwohl es sich bei dem Anträge nur um die Gesetzgebung und Auf­

sicht des Reiches, nicht um dessen unmittelbare Zuständigkeit für die Ver­ waltung des Seewesens handelte, so lebte doch bei den Hanseaten die alte

Besorgnis vor schädlicher Zentralisierung wieder auf, und die Erörterung

wurde von ihnen in dem Sinne geführt,

als ob es darauf ankäme, die

Autonomie der Bundesstaaten hinsichtlich der Anstalten für die Seeschiff­

fahrt

zu

verteidigen.

geordneter, „die

Furcht

Gleich der

konnte in

erste Redner,

der Reichstagsverhandlung

nicht unterdrücken,

wenn

daß,

z.

hamburgischer

ein vom B.

März

20.

eine

Ab­ 1867

Sandbank

sich

verschieben sollte, und dadurch eine neue Tonnenlegung erforderlich gemacht eine geraume Zeit vergehen würde,

würde,

bis zu dieser neuen Sandbank

der entsprechende Aktenhaufen geschrieben wäre".

Auch konnte er sich „der

Befürchtung nicht entschlagen, daß, wenn in richtiger Konsequenz beschlossen

würde, daß, was Bundessache ist, auch aus der Bundeskasse zu bezahlen ist,

es später äußerst schwer halten würde, die nötigen Bewilligungen zu er­

halten" usw.

Es wurde also die — zunächst willkürliche und in dem An­

träge nicht begründete — Voraussetzung

gemacht, daß die Seeschiffahrts­

anstalten vom Reiche in eigene, unmittelbare Verwaltung übernommen werden sollten oder würden.

Bei den Erörterungen über diesen Gegenstand lag es nahe, auch die Frage der Finanzierung von Schiffahrtsverbesserungen durch Fahrwassergelder

zu

berühren.

Das ist

auch in ausgiebiger Weise geschehen.

Der

Ab­

geordnete Meier aus Bremen, welcher sich ebenso wie die übrigen Hanseaten für die Belassung der Schiffahrtsanstalten in der Hand der Seestaaten aus­ sprach, verwies in der Verhandlung vom 20. März 1867 spiel

Englands,

wo

die

Unterhaltung

der

auf das Bei­

Seewasserstraßen

auch

nicht

Reichssache, sondern den Nächstbeteiligten unter gleichzeitiger Zulassung von

Schiffahrtsabgaben anheimgestellt sei. Im Jahre 1869 wurde diese Seite der Sache noch eingehender behandelt.

Der Antragsteller Grumbrecht erwähnte in der Reichstagsverhandlung vom 6. April 1869

ausdrücklich

die

hamburgische

Schiffahrtsabgabe für die

Befahrung der Unterelbe, das sogenannte „Lotsgeld", unter Anführung der finanziellen Erträge.

Der Abgeordnete Waldeck sprach ebenfalls von dieser

Abgabe in dem Sinne, daß man sie wohl nicht entbehren könne; und nach­

dem ein hamburgischer Abgeordneter darauf hingewiesen hatte, daß Hamburg trotz

der

Abgaben

„eine

Unterbilanz

von

300 000

Talern

aus

Stromeinrichtungen" habe, erklärte Waldeck nochmals:

Stenogr. Berichte S. 283.

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den

Z 2.

„Im

konstituierenden

Die Entstehung der Reichsverfassung.

sagte

Reichstage

Hamburg, daß für diese Sache:

ein

anderer

165 Abgeordneter

für

Leuchttürme, Tonnen usw. auf ihrem

Budget 500 000 Taler ständen *; der jetzige Herr Abgeordnete sagt, die Strom regulierung überhaupt gebe ihnen

300 000 Talern.

eine Unterbilanz von

Das kann ja immer so sein, das widerlegt aber nicht,

was ich gesagt habe, nämlich, daß jene 500 000 Taler keineswegs durch

Hamburgs Abgaben allein, sondern durch die Abgaben, die sie von

den Schiffen — und ja ganz mit Recht — erheben, bestritten werden usw."

Schließlich wurde von Grumbrecht nochmals über die hamburgischen Kosten

eine genauere Rechnung

„für die Fahrbarmachung

der Elbe"



gemeint ist natürlich die Verbesserung des Fahrwassers — und über die aus

dem Fahrwassergelde fließenden Einnahmen

aufgemacht.

Er bezifferte

den

Ertrag dieser Abgabe auf 106 000 und die Ausgabe für das eigentliche

Lotsenwesen auf 40 000 Mark banco jährlich, sodaß für die Unterhaltung der Fahrrinne und Verzinsung der Strombaukosten 66 000 Mark banco zur

Verfügung ständen Grumbrecht war damals wie auch schon in der Frankfurter National­

versammlung Vertreter für Harburg, wo man Grund zur Klage über die hamburgische Verwaltung des Schiffahrtswesens auf der Unterelbe zu haben

glaubte.

Das gab ihm Veranlassung, immer wieder diese Verwaltung im

Reichstage zu kritisieren.

Am 5. Juni 1872 sagte er über die hamburgische

Elbschiffahrtsabgabe:

„Es ist tatsächlich und faktisch das ganze Lotsengeld eine Schiffahrts­ abgabe, wie die Herren, die mit jenen Verhältnissen nicht vertraut sind,

daraus erkennen werden,

daß die Lotsen bezahlt werden nicht nach ihrer

Arbeit, sondern nach dem Tiefgänge der Schiffe. — Es ergibt sich daraus sehr klar, daß das

Lotsengeld,

welches gezwungenermaßen

bezahlt

werden muß, eine Schiffahrtsabgabe ist^."

Auch später noch, am 16. November 1876

hat Grumbrecht im Reichs­

tage über diese Schiffahrtsabgabe gesprochen. Die hier erwänten parlamentarischen Vorgänge gehören, auch soweit sie

sich

in den Jahren 1869 und 1872

abgespielt haben,

zur Entstehungs-

' Es war der Abgeordnete de Chapeaurouge am 20. März 1867. Stenograph. Berichte I S. 211—216. 3 Vgl. Stenograph. Berichte S. 749. Die Bemerkung über den vom ham­ burgischen Staate geübten Zwang bezieht sich darauf, daß auch diejenigen Schiffe das sogenannte Lotsgeld bezahlen müssen, welche keine Lotsen an Bord nehmen. Es ist tatsächlich ein Fahrwassergeld. 4 Stenograph. Berichte S. 133.

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III.

166

Gegenstand der Abgabenerhebung.

geschichte der Verfassung vom 16. April 1871 und des obenerwähnten Ver­

Die Regierung hat sich

fassungsnachtrages vom 3. März 1873.

an den

Verhandlungen — auch Delbrück persönlich durch Abgabe einer Erklärung in der Reichstagssitzung am 6. April 1869 — beteiligt, ohne die von den Hanseaten und anderen Reichstagsabgeordneten bekundete Auffassung, daß

Schiffahrtsabgaben für die Benutzung verbesserter natürlicher Wasserstraßen Freilich wurde die Erörterung von

zu Recht erhoben würden, zu bestreiten.

allen Beteiligten gar nicht in dem Sinne geführt, als ob die Befugnis der

Bundesseestaten zur Erhebung solcher Abgaben zweifelhaft oder streitig wäre

und besonders festgestellt werden müsse; diese Befugnis wurde vielmehr still­ schweigend als vorhanden vorausgesetzt.

Das galt auch für den Abgeordneten

Grumbrecht, der trotz seiner wenig freundlichen Auffassung der hamburgischen Verkehrspolitik die rechtliche Zulässigkeit der Elbschiffahrtsabgabe nicht in Abrede stellen wollte.

Es wäre zu weit gegangen, wenn man aus jenen Reichstagsverhand­

lungen eine Willenskundgebung der gesetzgebenden Faktoren für die Zulässigkeit der Schiffahrtsabgaben konstruieren wollte.

Denn der Reichstag hat keinen

Beschluß nach dieser Richtung gefaßt und auch das Schweigen der Bundes­

ratsvertreter kann als eine solche Kundgebung nicht aufgefaßt werden.

Wohl aber sind diese wiederholten und ausführlichen Verhandlungen ein unanfechtbares Zeugnis für die Rechtsauffassung der beteiligten Kreise. Es war hiermit reichstagsnotorisch und der Öffentlichkeit bekannt — vor der

Emanation

bekannt

der Reichsverfassung

—, daß die Seestaaten

von

1871

auch in

dona üäe den Art.

Süddeutschland

54 als inhaltlich

übereinstimmend mit dem die Seeschiffahrsanstalten behandelnden Art. IV des Verfassungsentwurfs von 1849 ansahen.

Mit dieser Auffassung mußte

politisch gerechnet werden; wenn man sie nicht teilte, hatte man sicherlich

Veranlassung, sie ausdrücklich und rechtzeitig zu bestreiten.

Daß auch das Rechtsbewußtsein der handel- und schiffahrttreibenden Kreise an der Forterhebung der Schiffahrtsabgaben auf natürlichen Seewasser­

straßen keinen Anstoß nahm,

geht aus dem Umstande deutlich hervor, daß

im Jahre 1885 fünfzehn Handeskammern und Kaufmannschaften des deutschen

Küstengebietes und seines nächsten Hinterlandes in einer gemeinsamen Eingabe

den Reichskanzler baten,

er möge dahin wirken, daß die Schiffahrts­

abgaben für die Küstenfahrt „in den Häfen und aus den natürlichen

Wasserstraßen des Reichsgebietes" ermäßigt würden -jr

* Wenn man die hier behandelten parlamentarischen Vorgänge aus der Zeit der Reichsgründung liest, so begreift man, daß der Abgeordnete von Zedlitz,

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8 2.

Die Entstehung der Reichsverfassung.

167

Das Ergebnis dieser Erörterungen ist dahin zusammenzufassen: es fehlt an einem hinreichen Grunde für die Annahme, die verbündeten Regierungen

und die Volksvertretung hätten diejenige Rücksichtnahme auf die politischen und finanziellen Interessen der kleineren Bundesseestaaten, welche sie im Jahre

Jahren

1848 durch Zulassung 1867 und

1871

von Fahrwassergeldern betätigten,

verweigern wollen.

Im

Gegenteil

in den

spricht der

Verlauf der Dinge und der Vergleich der politischen Konstellation dafür, daß solche Rücksichtnahme

mindestens in gleichem

Maße

wie früher ob­

gewaltet hat. Ist das richtig, so bleibt nur die Schlußfolgerung übrig, daß von den beiden innerlich

verschiedenen Lösungen

der Abgabenfrage,

die der Ver­

fassungsentwurf von 1849 für See- und Binnenschiffahrt in Art. IV und V

gebracht hatte, oie erstere, die Zulässigkeit von Fahrwassergeldern in sich schließende, in der jetzigen Reichsverfassung verallgemeinert worden ist.

Die

Verallgemeinerung der anderen Lösung ist aus den hier ausführlich dar­

gelegten Gründen unwahrscheinlich. Sie wäre gerade im Seeverkehr großenteils

ausländischen Interessen zugute gekommen, während die Steuerzahler der Seestaaten den Ausfall zu tragen gehabt hätten;

weiß,

daß

die Schiffahrtsabgaben,

werden müssen, in der Regel

soweit sie

denn jeder Sachkenner

vom Naumgehalt

gezahlt

von der Reederei endgültig getragen werden.

Diese Wirkung der radikalen Abschaffung

aller Fahrwassergelder werden die

verbündeten Regierungen sich sicherlich klar gemacht und deshalb von einer

solchen Maßregel abgesehen haben. Die Abstammung des Art. 54 aus dem Entwurf von 1849 ist bisher

nur von Schumacher näher untersucht und als Auslegungsmittel herangezogen

worden.

Indessen hat Schumacher nur über Binnenschiffahrt geschrieben und

deshalb nur den Art. V jenes Entwurfs mit dem Art. 54 der Verfassung in Beziehung gesetzt. der dem konstituierenden Reichstage angehört hatte, in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 4. Februar 1905 erklären konnte: „Da kann ich bezeugen, daß es damals (1867) niemandem eingefallen ist, das Verbot der Abgabenerhebung in Art. 54 der Reichsverfassung so aufzufassen, daß damit etwas anderes geschützt werden sollte, als den Verkehr auf denjenigen natürlichen Wasserstraßen in demjenigen Zustande, welchen der preußische Staat infolge seiner öffentlichrechtlichen Verpflichtung gemäß Tit. 15 Teil II des All­

gemeinen Landrechts erhallen muß, daß nur die Befahrung der natürlichen Wasserstraßen in diesem Zustande frei gewährleistet werden sollte, daß aber nicht im mindesten ausgeschlossen werden sollte, eine Gebühr zu erheben als Entgelt für diejenigen Kosten, die der Staat aufwendet, um die natürlichen Wasserstraßen mit künstlichen Mitteln über das Maß ihrer natürlichen Schiff­ barkeit hinaus zu verbessern usw." Vgl. Stenogr. Berichte S. 9466.

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III.

168

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Die vorstehenden Erörterungen unterscheiden sich von denjenigen des Schumacherschen Werkes darin, daß sie auf der breiteren Grundlage der ge­

samten Schiffahrt sich bewegen, fahrtsabgaben

alle Arten von Wasserstraßen und Schiff­

berücksichtigen und demgemäß auf die Duplizität der Ab­

stammung des Art. 54 ein erhebliches Gewicht legen. Bon diesem Standpunkte

aus ist es notwendig, den Verbleib des finanzpolitischen Gedankens, welcher

im fünften Artikel des Verfassungsentwurfs von 1849 verkörpert war, in der weiteren Rechtsentwicklung zu verfolgen.

Es muß eine Antwort gefunden

werden auf die Frage, ob die früher gewährte Möglichkeit der Finanzierung

von Verbesserungen

für Seewasserstraßen

durch Schiffahrtsabgaben

später

ausgeschaltet und aus welchen Gründen etwa diese Ausschaltung erfolgt ist.

Die erstere dieser Fragen ist zu verneinen

e) Die Praxis.

8 i. Allgemeine Bemerkungen. Dieselben

politischen

und

wirtschaftlichen Kräfte

und Beweggründe,

welche bei der Rechtsbildung wirksam waren und durch die Erforschung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes erkennbar werden, pflegen auch in seiner

praktischen

Anwendung

weiterarbeiten,

sich

zu betätigen;

insoweit der Praxis

sie

können sogar rechtsbildend

die Aufgabe

zufällt, Lücken in der

Gesetzgebung oder doch in dem Ausdruck des gesetzgeberischen Willens sinn­ gemäß

zu

ergänzen.

Die Identität der Praxis und des

Willens ist für die Zeit des absoluten Staates,

Zeit vor

1848,

gesetzgeberischen

also in Preußen für die

beinahe selbstverständlich, weil die gesetzgebende Gewalt

zugleich die ausführende war; nur wo die letztere ihre Befugnisse auf Nach­

geordnete Verwaltungsorgane übertragen hatte, konnten Abweichungen infolge mangelhafter Überwachung vorkommen. Aber auch für die Zeit des Ver­ fassungsstaates muß bis zum positiven Beweise des Gegenteils angenommen

werden, daß die zwischen den gesetzgebenden Faktoren vereinbarten Gesetze von der vollziehenden Gewalt loyal und sinngemäß ausgeführt wurden Die Praxis ist also der Regel nach das Spiegelbild der gesetzgeberischen * Die Vorgänge im Erfurter Parlament sind wegen ihres allzu episodenhaften Charakters, und weil dem damaligen Versuch einer Reichsgründung ein großer Teil des heutigen Deutschen Reiches von vornherein fernblieb, nicht berücksichtigt. 2 In Preußen wurden bis zum Jahre 1882 alle Tarife für Schiffahrts­ abgaben im Wege der Königlichen Verordnung festgestellt; es war also in der vormärzlichen Zeit ein Unterschied zwischen Gesetzgebung und Praxis rechtlich nicht möglich.

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H 1.

Allgemeine Bemerkungen.

169

Willensmeinung, die reale Verkörperung des Rechtsgedankens. Gedankens sich bewegt.

Die Ver­

auf den Spuren dieses

mutung spricht dafür, daß sie im Rahmen und

Die Feststellung der Praxis hat gewissermaßen die

Bedeutung einer Probe auf das Exempel der Rechtsauslegung; sie ist insofern

selbst ein Auslegungsmittel von großer Bedeutung. Freilich ist bei der Anwendung dieses Mittels kritische Vorsicht geboten, weil verschiedene Momente die Brauchbarkeit der Praxis als Erkenntnis­ quelle des geltenden Rechtes beeinträchtigen können und gerade bei demjenigen

Rechtsgebiete, um dessen Erforschung es sich

hier handelt, tatsächlich be­

einträchtigen.

Eines dieser Momente

ergibt sich

aus dem Umstande, daß die in

Betracht kommenden Gesetze in der Hauptsache nicht ^U8 ^U8 äi8p08itivum geben; sie verleihen Befugnisse,

gemeinen nicht zu bestimmten Handlungen und Unterlassungen. zur Erhebung von Schiffahrtsabgaben besteht in

sondern

aber sie nötigen im all­

Ein Zwang

gewissem Umfange zwar

für Preußen hinsichtlich der kommunalen Schiffahrtsanstalten nach Z 4 des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893, welcher anordnet: „Die Erhebung von Gebühren hat zu erfolgen, wenn die Veranstaltung (es ist die Rede von den

„im öffentlichen Interesse unterhaltenen Ver­

anstaltungen, Anlagen, Anstalten und Einrichtungen") einzelnen Gemeinde­ angehörigen oder einzelnen Klassen von solchen vorzugsweise zum Vorteile gereicht." * Die Ausübung dieses Zwanges liegt in der Hand der Gemeindeauf­

sichtsbehörden.

Nach Reichs-

und

internationalem

Vertragsrecht

gibt es

aber keine Verpflichtung zur Erhebung von Fahrwassergeldern oder sonstigen Schiffahrtsabgaben.

Zwingendes Recht enthalten hier nur die Vorschriften

über die Voraussetzungen, unter welchen die Abgabenpflicht

im Einzelfalle

eintritt, und über die für die Tarifbildung maßgebende Höchstgrenze des Gesamtertrages.

Die tatsächliche Entwicklung hat in Deutschland und ganz besonders

in Preußen dahin geführt, daß von den Vertrags- und verfassungsmäßigen Befugnissen von der Mitte bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts ein äußerst

sparsamer Gebrauch

einerseits

auf der,

gemacht

wurde.

Diese Entwicklung

beruhte

im preußischen Handelsministerium hauptsächlich durch

Delbrück vertretenen wirtschaftspolitischen Anschauung, welcher Schiffahrts­

abgaben ebenso wie jede andere, wenn auch im Rahmen des Gebührenprinzips gehaltene

Belastung

des

Verkehrs

grundsätzlich

als

unerwünscht

galten,

anderseits in den Jahren 1866 bis 1871 auf allgemein politischen Motiven und Popularitätsrücksichten.

Man schaffte in jener Zeit die Schiffahrts-

i Diese Voraussetzung wird bei kommunalen Schiffahrtsanstalten immer zutresfen.

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111.

170 abgaben soviel

Gegenstand der Abgabenerhebung.

als möglich ab und führte sie so wenig wie möglich ein.

In den neuerworbenen Provinzen

wurde damals bei der Neuregelung des

Abgabenwesens für die Schiffahrt mit weitgehender Liberalität vorgegangen;

in Schleswig-Holstein wurden beispielsweise im Jahre 1867 die in dänischer Zeit allgemein erhobenen Leuchtfeuer-, Tonnen- und Bakengelder aufgehoben

und die ziemlich beträchtlichen Ausgaben für die Bezeichnung der Seewasser­ straßen auf allgemeine Staatsmittel übernommen, obwohl die Tages- und Nachtmarken immer als besondere Anstalten im Sinne der Verfassung an­

gesehen worden sind.

Es kann also die Aufhebung einer Schiffahrtsabgabe

in Schleswig-Holstein i und in anderen, vor 1867 zum Zollauslande gehörigen

Ländern nicht ohne weiteres als Beweis dafür geltend gemacht werden, daß man diese Abgabe für unvereinbar mit dem Zollvereinsvertrage und der

Bundesverfassung erachtet habe; vielmehr kommt es wesentlich auf die Be­ gründung an, welche der Aufhebung in dem nach preußischem Staatsrecht an

den König

zu

richtenden Anträge gegeben wurde.

Wenn die Begründung

nur aus wirtschaftlichen und sonstigen Zweckmäßigkeitserwägungen entnommen ist, so wird man die rechtliche Zulässigkeit oder den Glauben der Minister

an die rechtliche Zulässigkeit der Abgabe schon deshalb als dargetan ansehen können, weil die Begründung durch die Vertrags- und Verfassungswidrigkeit

einer Abgabe sehr viel einfacher gegeben werden konnte. Allgemeine politische Erwägungen

haben

sicherlich

zu dem Entschlusse

beigetragen, nach Beseitigung der Flußzölle auf dem Rhein und der Elbe keine Fahrwassergelder im Rahmen der Selbstkostendeckung einzuführen.

Die starke Abneigung, 60er Jahren

des vorigen

welche bei der preußischen Regierung Jahrhunderts und auch

in den

später noch gegen die

Einführung derartiger Abgaben bestand, erschwert die Erkennung des Rechts­ zustandes aus der Praxis; es ist nicht immer ohne weiteres klar, ob man

damals eine Abgabe ablehnte, weil man sie nicht wollte, oder weil man sich zu ihrer Erhebung nicht für befugt erachtete.

Die Fälle der negativen Praxis,

der nicht erhobenen Schiffahrtsabgaben, können aber bei der durch die Lage

der Verhältnisse gebotenen sorgfältigen Untersuchung des Gegenstandes nicht außer acht gelassen werden; es ist notwendig, sie neben der positiven Praxis für

die

Auslegung

zu

verwerten.

folgenden näher dargelegt werden;

Ein Fall der ersteren

Art wird im

er läßt den grundsätzlichen, man könnte

fast sagen theoretischen Standpunkt der Negierung, welche, um die von den

Beteiligten lebhaft gewünschte Einführung von Fahrwassergeldern zu hindern,

* Nach Einverleibung des Landes wurden sämtliche Tarife für Schiffahrts­ abgaben in Schleswig-Holstein einer Prüfung aus dem Gesichtspunkte der Zulässig­ keit und Zweckmäßigkeit unterzogen und größtenteils aufgehoben oder ermäßigt.

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8 1.

Allgemeine Bemerkungen.

171

erst ihre eigene Erhebungsbefugnis und dann die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit Während kaum ein Menschenalter später

in Abrede stellte, deutlich erkennen.

die Regierung den Ausbau des Wasserstraßennetzes von Beiträgen der Pro­

vinzen und der Erhebung von Schiffahrtsabgaben abhängig machte, hatte in

den 60er Jahren eine Provinz einen hohen Kostenbeitrag für Zwecke der

Stromverbesserung angeboten und im Verein mit den Handelskammern um Schiffahrtsabgaben gebeten. Im Gegensatz zu den Nächstbeteiligten, welche auch

von

dem mit Schiffahrtsabgaben belegten verbesserten Strome noch wesent­

liche Verkehrsvorteile erwarteten und

in der Abgabenerhebung ein zweck­

mäßiges Mittel zur Finanzierung von Strombauten sahen, hielt damals der Staat Fahrwassergelder für nachteilig und lehnte alle von der Provinzial­

vertretung gestellten Anträge lediglich aus allgemeinen Erwägungen ab. Ein weiteres Moment der Unsicherheit ergibt sich aus der wenig klaren

und

scharfen

Fassung

der

maßgebenden

Bestimmungen.

Bei

öffentlich-

rechtlichen Vorschriften über wirtschaftliche Fragen findet sich diese Erscheinung nicht selten, weil die anzuwendenden wirtschaftlichen Begriffe — man denke

nur an denjenigen der Unterhaltungs-

gewisse Unbestimmtheit aufweisen.

und Herstellungskosten — oft eine

Auch die Vorschriften über Schiffahrts­

abgaben haben einen mehr programmatischen Charakter, sie enthalten weniger positive Rechtsnormen von unmittelbarer Übertragbarkeit in die Praxis als vielmehr Rechtsgrundsätze ohne starre Umgrenzung, welche einen gewissen

Spielraum einerseits für subjektive Auffassungen und anderseits für praktische Rücksichten und Erwägungen gewähren.

Innerhalb dieses Spielraumes hat der Strom der Entwicklung zuweilen serpentiniert. mäßig.

Der Gang der Verwaltungsmaschine war nicht immer gleich­

Nicht immer hat man sich

bei der Entscheidung des Einzelfalles

die ganze Vergangenheit gegenwärtig gehalten; man handelte nicht durchweg

nach einheitlichen Gesichtspunkten. Es sind infolgedessen zuweilen Schwankungen

im Kurse eingetreten, aber sie bewegten sich doch im großen und ganzen um

eine feste Linie. In einigen, wenn auch seltenen Fällen, sind freilich entgegengesetzte Auffassungen zu verzeichnen.

Es ging

eben bei diesen, ebenso wie auch

bei vielen anderen Staatsgeschäften nicht ohne gelegentliche Irrungen und Mißverständnisse ab, die zu Trübungen des ursprünglichen Rechtsgedankens

führten.

Viele Köpfe und Federn haben seit dem Inkrafttreten der ersten

Zollvereinsverträge

in der Praxis hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben

betätigt und zuweilen

sich

auch Spuren subjektiver Meinungen in wechselnder

Anwendung des Rechtes hinterlassen.

Schließlich bleibt nichts anderes übrig,

als die Totalität der Wahrnehmungen, den schließlichen

Gesamteindruck,

bei Bewertung der Praxis für den Auslegungszweck entscheiden zu lassen.

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III. Gegenstand der Abgabenerhebung.

172

Auch die Judikatur des Verwaltungs-, Zivil-, Straf- und Prozeßrechts ist

bekanntlich

von

derartigen

sprüchen keineswegs frei *.

Schwankungen

und

gelegentlichen Wider­

Ihr Vorkommen ist auf demjenigen Gebiete des

öffentlichen Rechts, um welches es sich hier handelt, vielleicht noch erklärlicher

und entschuldbarer.

Die verhältnismäßig geringe Zahl der Anwendungsfälle

bei den Rechtsvorschriften über Schiffahrtsabgaben ist für ihre Auslegung

und praktische Handhabung kein Vorteil, sondern eher ein Nachteil, weil hierdurch die Bildung einer gleichmäßigen Rechtsanschauung und festen Überlieferung sehr erschwert wird. Die große Zahl der Anwendungsfälle

auf anderen Rechtsgebieten führt nicht nur sachlich zu weitgehender Klärung

der

sondern auch

einzelnen Fragen,

äußerlich

zur Entstehung von Auf­

zeichnungen und Zusammenstellungen, welche dem Praktiker die Information Die nicht der Judikatur,

erleichtern.

stehende und

sondern lediglich der Verwaltung zu­

seltener eintretende Anwendung von öffentlichrechtlichen Be­

stimmungen mit beschränktem Geltungsgebiet ist insofern wesentlich schwieriger,

als die Feststellung der früher vorgekommenen gleichen oder ähnlichen Fälle

für eine Vergangenheit von einigen Jahrzehnten oft nur durch zeitraubendes und

mühevolles

Schwierigkeiten

Studium eines

in

und

Akten

solchen Studiums

Archiven

möglich

ist.

Die

werden von Fernstehenden leicht

unterschätzt. Die

Gefahr

einer

gelegentlichen

Entgleisung

aus

den Bahnen

der

Tradition ist infolgedessen hier größer als auf den einer Judikatur unter­

stehenden Rechtsgebieten?.

Die Praxis soll hier zunächst für die Zeit vor der Neichsgründung dargestellt werden. müßte,

Die dann folgende Untersuchung der Praxis nach 1867

wenn unter „besonderen Anstalten" in Art. 54 der Verfassung ein

engerer Kreis von Wasserbauten und sonstigen Schiffahrtseinrichtungen verstanden wäre, wie unter den Anstalten zur Erleichterung des Verkehrs im Sinne

* Da hier von Wasserstraßen die Rede ist, so mag nur daran erinnert werden, daß das preußische Obertribunal früher entschieden hat, ein auf einer Strecke seines Laufes schiffbarer Fluß habe die Eigenschaft eines „öffentlichen" im Rechtssinne für seine ganze Erstreckung, während es später erkannte, daß diese Eigenschaft auf die schiffbaren Teile des Flusses beschränkt sei. 2 In Preußen ist über die Verpflichtung zur Entrichtung von Schiffahrts­ abgaben im allgemeinen der Nechtsgang nicht zugelassen. Dagegen ist bezüglich der kommunalen Schiffahrtsabgaben die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte be­ gründet; der Natur der Sache nach kommt diese Zuständigkeit nur bei Abgaben für die Benutzung örtlicher Schiffahrtsanstalten in Frage. Die Wasserstraßen gehören in Preußen fast sämtlich dem Staate. Die wenigen nichtfiskalischen gehören Zweck­ verbänden; der Teltowkanal wird die erste kommunale Wasserstraße sein.

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8 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 173

der Zollvereinsverträge, diese Begriffseinschnürung erkennen lassen.

Da eine

chronologische Schilderung im Interesse der Übersicht und

auch aus

rein

anderen

Gründen

unzweckmäßig

wäre,

so wird sie für das Reich,

Preußen und für die anderen Bundesstaaten gesondert gegeben.

für

Außerdem

wird die Praxis hinsichtlich der Wasserstraßen und der Häfen auseinander­

gehalten werden.

8 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichs­ gründung. Die Darstellung der Praxis der preußischen Regierung bei der Erhebung

von Schiffahrtsabgaben auf natürlichen Wasserstraßen ist aus den unter II Z 2 S. 17 dargelegten Gründen von der größten Wichtigkeit für die Beurteilung des heutigen Rechtszustandes.

Das gilt auch von der Praxis unter der Herrschaft

der älteren Zollvereinsverträge vor 1867, da nach den früheren Ausführungen der damalige Rechtszustand mit dem heutigen im wesentlichen sich deckte.

Eine Verschiedenheit liegt nur vor hinsichtlich des zulässigen Höchstbetrages

für Schiffahrtsabgaben auf nicht fiskalischen künstlichen Wasserstraßen; aber

dieses Moment ist ohne Bedeutung für die folgenden Darstellungen, welche

sich

fast

ausschließlich

mit fiskalischen

Wasserstraßen und bei den nicht-

fiskalischen nur mit der Feststellung des Substrats der Abgabenerhebung,

nicht mit der Frage des Höchstbetrages beschäftigen werden.

Die letztere

Frage soll erst in Abschnitt V zur Erörterung kommen. Die besondere Beweiskraft der preußischen Praxis bedarf in Anbetracht des Umstandes, daß die Zollvereinsverträge auf preußischer Initiative be­

ruhten und die Verkörperung derjenigen wirtschaftlichen Gedanken waren, für

welche die preußische Regierung in Deutschland wirkte und warb, keiner be­ sonderen Begründung.

Natürlich ist diese Praxis — sonst würde sie der Beweiskraft für das tkema xrodanäum ermangeln — nur hinsichtlich der eigentlichen Befahrungs­

abgaben auf natürlichen Wasserstraßen, nicht hinsichtlich der Hafengelder und

sonstiger örtlicher Schiffahrtsgebühren, auch nicht bezüglich der Schleusen­ gelder, und ferner nur insoweit dargestellt worden, als es sich um die nach

dem Gebührenprinzip

gebildeten Abgabentarife

handelte.

Die nach dem

Steuerprinzip erhobenen Flußzölle mußten als inkommensurable Erscheinungen

außer Betracht bleiben. Die Anwmdung des letzteren Prinzips

bei der Erhebung von Schiff­

fahrtsabgaben war seitens der preußischen Regierung schon vor der Be-

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174

III

Gegenstand der Abgabenerhebung.

gründung des Zollvereins im Wege der autonomen Entschließung sehr stark

beschränkt worden. Sie hatte im Jahre 1816 die Wasserzölle auf einer großen Zahl von auf der Havel, Spree und Oder beseitigt,

ostelbischen Flüssen, namentlich

während sie die eigentlichen Schiffahrtsabgaben vielfach beibehielt, namentlich

auf der Havel und Spree, und zwar nicht nur als Schleusengebühr, sondern

zur Deckung der sämtlichen im Schiffahrtsinteresse aufgewendeten Selbstkosten.

Bei denjenigen deutschen Strömen, an welchen außer Preußen noch andere Staaten beteiligt waren, erhielten die Flußzölle sich weit länger, weil die auf ihre Abschaffung Finanzinteressen

der

gerichteten Bestrebungen des ersteren Staates an den letzteren

Widerstand

fanden.

Schließlich

waren

in

Preußen nach Beseitigung der Flußzölle auf der Weser im Jahre 1857 nur noch die Elb- und Rheinzölle übrig geblieben.

Aber auch

gegenüber der Nheinschiffahrt beschränkte Preußen die An­

wendung des Steuerprinzips auf die durchgehende Hauptverkehrsstraße; die Nebenwasserstraßen des Rheins, welche ausschließlich auf preußischem Gebiete

lagen, wurden von vornherein hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben nach dem Gebührenprinzip behandelt.

Schon auf S. 50 war in anderem Zusammenhänge von denjenigen Wasser­

straßen die Rede, welche den jetzigen Hauptstrom mit Neuß, Rheinberg und Cleve verbinden. Es handelt sich um frühere Rheinarme, die durch spontane oder künstliche Änderungen der Stromrichtung zu toten Wassern geworden,

aber schiffbar geblieben und durch Baggerungen offengehalten worden sind.

Die Unterhaltung der Wasserstraße nach Neuß hat diese Stadt übernommen, ebenso

hat früher die Stadt Rheinberg ihre Anschlußwasserstraße instand

gehalten, während der Rheinarm von Brienen unweit Cleve bis Schenkenschanz

oder Bimmen am fließenden Rhein eine staatliche Wasserstraße geblieben ist.

Auf diesen drei natürlichen Wasserstraßen wurden Schiffahrtsabgaben eingeführt, welche die Kosten der Offenhaltung des Fahrwassers decken sollten und gedeckt haben.

Die

ersten Tarife

wurden für die Wasserstraße nach Neuß am

19. Oktober 1836, für diejenige nach Rheinberg am 25. August 1843 und

für den die Stadt Cleve

mit

11. Oktober 1847 erlassen.

Hinsichtlich des letzteren war und ist noch heute

dem Rhein

der Sprachgebrauch etwas schwankend;

verbindenden

Spoykanal

am

man bezeichnet zuweilen die ganze

Wasserstraße von Cleve bis zum fließenden Rhein, zuweilen nur den Teil zwischen Cleve und der sogenannten Spoyschleuse bei Brienen als Spoykanal. Der Tarif vom 11. Oktober 1847 gilt nach seiner Überschrift „für die Benutzung des Spoykanals

zu Cleve

und des regulierten

alten Rheins

r Preuß. Ges.S. 1847 S. 357.

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8 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 175

zwischen den Orten Keeken und Griethausen".

Der alte Rhein wurde also,

weil seine Fahrbarkeit nur durch Baggerungen aufrechterhallen werden konnte,

als Gegenstand der Abgabenerhebung nach dem Gebührenprinzip unter der Herrschaft der Zollvereinsverträge angesehen.

Auch diejenigen Schiffe, welche

die Schleuse bei Brienen nicht durchfuhren,

sondern nur auf dem Altrhein

verkehrten, wurden der Abgabenpflicht unterworfen; weil man die im Schiffsahrtsinteresse erforderlichen Baggerungen

als „Anstalten

zur Erleichterung

des Verkehrs" behandelte und in der Befahrung der vertieften Wasserstraße

einen Benutzungsakt erblickte; in dieser Hinsicht hat sich bis zur Gegenwart

nichts geändert.

Daß bei der Bildung des ersten Abgabentarifs und aller

folgenden nur die Deckung der Selbstkosten des Wasserweges einschließlich der Zinsen des Anlagekapitals für zulässig und zweckmäßig erachtet wurde, geht aus den Verhandlungen

mit zweifelloser Klarheit hervor.

geltende Tarif vom 31. Dezember 1874

Der heute

bezeichnet sich ebenso wie der erste

als maßgebend

für die Benutzung des Spoykanals

alten Rheins".

Es war und ist also eine Verkehrsabgabe für die Benutzung

einer regulierten natürlichen Wasserstraße. Die Überschrift der in der preußischen

„und des regulierten

Gesetzsammlung

abgedruckten

Tarife für die Schiffahrtsabgaben auf den Wasserstraßen nach Neuß und Rheinberg könnte mit Rücksicht auf den darin gebrauchten Ausdruck „schiff­

bar gemacht" zu dem Mißverständnis führen, als ob es sich hier um eigent­ liche Kanäle handelte.

sind

jene

beiden

Das ist aber in Wirklichkeit nicht der Fall; vielmehr

Wasserstraßen von

jeher

dem

Schiffsverkehr

zugänglich

gewesen, wenn auch in geringerem oder vielmehr in allmählich abnehmendem Maße.

Der Gebrauch des Ausdrucks „schiffbar machen" oder ähnlicher Wend­ ungen für eine auf Verbesserung der Schiffbarkeit

gerichtete Bautätigkeit

findet sich in den Urkunden jener Zeit häufig Die Schiffahrtsabgaben waren hier ebenso wie auf dem die Verbindung mit Cleve vermittelnden Rheinarm das Entgelt nicht für die Befahrung

künstlicher Wasserstraßen

sondern für die Benutzung der Baggerrinnen in

r Preuß. Ges.S. 1875 S. 86. 2 Z. B. in dem Allerhöchsten Erlasse vom 14. Mai 1866, Preuß. Ges.S. S. 323 über die Erbauung des sogenannten Emsterkanals in der Provinz Brandenburg, wo von „Herstellung einer öffentlichen Schiffahrtsstraße" in der Emsterniederung ge­ sprochen wird, obwohl eine solche in Gestalt des Emsterflusses dort seit unvordenk­ licher Zeit vorhanden war und lediglich eine Regulierung dieses Wasserlaufes bevorstand. 3 Wenn man diesen Begriff im historischen Sinne aufsassen und ihm einen edaraeter inäelsdi'Iis gegenüber allen künstlichen Schiffahrtsverbesserungen bei­ legen will.

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176

Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

natürlichen Gewässern; diese Fahrrinnen wurden als Anstalten im Sinne

der die maßgebenden Rechtsvorschriften

enthaltenden Zollvereinsverträge an­

gesehen. Von den größeren Nebenwasserstraßen des Rheins war damals die Ruhr

Sie ist hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben von jeher

die weitaus wichtigste.

nach dem Gebührenprinzip behandelt worden.

für die Durchführung dieses Prinzips

und

Eine

besondere Bürgschaft

gegen die fiskalische Belastung

der Schiffahrt wurde hier durch die Einrichtung einer selbständigen Verwaltung

geschaffen, welche die Einnahmen zu einer eigenen Kasse vereinnahmte und

hieraus nicht nur die laufende Unterhaltung der Wasserstraße, sondern auch die Ausgaben für den Neubau von Schleusen und Stromregulierungswerken

bestritt.

Die Ruhr war und ist nur teilweise angestaut, auf langen Strecken

aber durch Buhnen und

sonstige Wasserbauten reguliert.

Die schon unter

Friedrich dem Großen begründete sogenannte Ruhrschiffahrtsverwaltung hat bis heute alle Aufwendungen für den Fluß und den an seiner Mündung in

den Rhein erbauten

Umschlagshafen Ruhrort aus eigenen, wiederholt im

Anleihewege verstärkten Mitteln bestritten und niemals irgend welche Rein­ einnahmen für allgemeine Staatszwecke abgeliefert.

Nur vorübergehend wurde im Jahre 1839 die Ruhrschiffahrtsverwaltung

mit der Lippeschiffahrtsverwaltung vereinigt, und zwar auf Grund der Er­ wägung, daß beide Wasserstraßen in Anbetracht der zwischen ihren Verkehrs­ gebieten vorhandenen engen Beziehungen als eine zusammenhängende Schiff­

fahrtsanlage gelten könnten. Für die Lippe, deren durchgreifende Verbesserung für die Schiffahrt in

den 20 er Jahren des vorigen Jahrhunderts durch Aufnahme von Darlehen ermöglicht wurde, bestand seitdem eine ganz ähnliche Organisation der Ver­ kehrsinteressen.

Auch die Lippeschiffahrtsverwaltung hatte ihre eigene Kasse

und verwandle die von ihr erhobenen Abgaben nur zur Verzinsung und Tilgung der Bauschulden sowie zu Neubauten und Unlerhaltungsarbeiten.

Ein Erlaß des Finanzministers an den Oberpräsidenten von Vincke in Münster vom 26. Juni 1839, welcher die Frage der Umgestaltung des damaligen

Abgabentarifs

für die Lippeschiffahrtsabgaben

behandelt, sagt

ausdrücklich, daß die in Ausführung der Zollvereinsverträge ergangene, das Gebührenprinzip verwirklichende Verordnung über die Kommunikationsab­

gaben * „auch auf Wasserkommunikationsabgaben der Natur der Sache nach

anwendbar sei.

Man könnte hiernach die auf die Unterhaltung und Wieder­

herstellung der Bauwerke an und in der Lippe zu verwendenden Kosten,

einschließlich

landesüblicher Zinsen von dem früher aufgewendeten Anlage-

' Königl. Verordnung vom 16. Juni 1838 Preuß. Ges.S. S. 353.

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8 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 177

kapital, als diejenige Summe betrachten, welche durch die Einnahme an

Schiffahrtsabgaben zu decken wäre." In einer späteren auf dieselbe Frage bezüglichen Äußerung des Finanz­

ministeriums vom 11. Juni 1842 wird der Grundsatz aufgestellt, „daß die Benutzung des Stromes in seinem natürlichen Zustande frei sei und die Abgabe nur als ein Äquivalent für die Schleusen- und Uferbauten

angesehen werden müsse". Ende der 40er Jahre war die Lippeschiffahrt durch den Wettbewerb der Eisenbahn notleidend geworden.

Schiffsverkehrs

waren

die

Infolge der starken Verminderung des

Einnahmen

aus

den

Schiffahrtsabgaben

von

113 417 Mark im Jahre 1847 auf 39110 Mark im Jahre 1849 gefallen. Die Beteiligten baten um Beseitigung dieser Abgaben und ihr Gesuch vom

21. Dezember 1850 wurde von dem Provinzialsteuerdirektor zu Münster am 4. Januar 1851

dem Finanzministerium vorgelegt mit dem Bemerken,

die Entscheidung hierüber müsse „wesentlich von den Grundsätzen abhängen,

welche in bezug aus Flußzölle überhaupt maßgebend werden".

Zum Ver­

ständnis dieses Satzes ist daran zu erinnern, daß damals das Scheitern der

Frankfurter Reichsverfaffung sowohl als auch des Erfurter Verfassungsent­ wurfes feststand, während die jetzige preußische Verfassungsurkunde noch nicht veröffentlicht war. Im Finanzministerium wurde zu jener Äußerung bemerkt: „die Lippeschiffahrtsabgabe ist der Sache nach kein Zoll wie der Rhein­

zoll, sondern eine Kommunikationsabgabe wie die Schleusengelder

in der Mark, Hafengelder usw". Es wurde dann im Februar 1851 zwar nicht die Aufhebung der Schiff­ fahrtsabgabe, aber doch ihre Ermäßigung für den hauptsächlich in Betracht

kommenden Artikel Salz verfügt.

Bald darauf wurde jedoch der Antrag auf „Erlaß oder Ermäßigung der Ruhr- und Lippeschiffahrtsabgaben"

von

17

Abgeordneten

mit dem

Staatsminister a. D. von Bodelschwingh an der Spitze in einer Vorstellung

vom 30. April 1851 wiederholt.

Sie beginnt mit den Worten:

„Es ist

Grundsatz der preußischen Verwaltung, die dem Staate gehörenden natür­ lichen Wasserstraßen im Interesse des Verkehrs ohne besondere Abgaben auf

öffentliche Kosten zu erhalten und nur für einzelne Bauwerke, besonders

für Schleusen, eine mäßige zur Deckung der Verwaltungskosten bestimmte Gebühr zu erheben":

und zieht aus diesem Grundsätze praktische Folgerungen für

die finanzielle Behandlung jener beiden Wasserstraßen, von welchen behauptet wird, daß sie allein unter allen nicht konventionellen Flüssen in Preußen

nicht nach jenem Grundsätze verwaltet worden seien.

Diese Vorstellung gab in den beteiligten Ministerien zu einer ausführSchriften 6XV. — Erster Teil.

12

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178

HI.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

lichen Erörterung der Rechtslage und der maßgebenden Verwaltungsgrund­ sätze Veranlassung. Zunächst

stellte

sich

der

Finanzminister

in

Erklärung

einer

vom

30. Juni 1851 auf den ablehnenden Standpunkt, indem er unter anderm

ausführte: „Die Erhebung der Ruhrschiffahrtsabgabe

ist

dem Prinzip

nach

gerechtfertigt, weil, wie schon oben bemerkt, die Schiffbarkeit des Flusses

nur durch künstliche Anlagen erhalten werden kann. gabe im Tarife vom 23. März 1839

Daß die Ab­

auf die beförderten Gegenstände,

nicht auf die Schiffsgefäße gelegt und verschieden normiert ist, je nach­ dem Steinkohlen

oder

andere

Waren

formeller Bedeutung; der Sache nach

befördert werden,

ist

nur

von

nimmt die Abgabe dadurch nicht

die Natur eines Binnenzolles an, sondern ist, wie das Chausseegeld, eine Kommunikationsabgabe ^.

Die Einnahme davon wird allerdings jetzt zur

Staatskasse eingezogenist jedoch lediglich zur Erhaltung der Schiffbar­ keit der Ruhr bestimmt.

Dagegen, daß der Ertrag der Ruhrschiffahrts­

abgaben nicht allein zur Unterhaltung usw. der Schleusen, sondern auch

für

andere

Anlagen,

Uferbauwerke

usw.

verwendet

wird,

deren Zweck die Erhaltung oder Vervollständigung der Schiffbarkeit ist, läßt sich wohl mit Grund nichts erinnern.

Die

Kosten dieser sonstigen Anlagen sind nicht etwa nur bei Ab­

messung

der

Ruhrschiffahrtsabgaben

kommen, sondern werden auch

in

Betracht

ge­

bei den Abgaben auf an­

deren Wasserstraßen als maßgebend betrachtet, so namentlich bei den Wasserstraßen in der Mark Brandenburg.

Tarifs vom 24.

Juli

1828

Die Ermäßigung des

ist Allerhöchsten Orts im Jahre 1845

wiederholt zurückgewiesen worden, weil sich dabei ein Ausfall der Ein­ nahmen gegen den Gesamtbedarf an Kosten für die Unterhaltung der

gedachten Wasserstraßen, einschließlich derer für Uferbauten, Baggerungen usw. ergeben haben würde usw."

Der Handelsminister trat am 2. Oktober darin

bei,

1851

dem Finanzminister

daß die Aufhebung der Schiffahrtsabgaben nicht zugestanden

werden könne, und bemerkte hierbei: * Vgl. die allgemeinen Ausführungen über Binnenzölle und Verkehrsabgaben Seite 133—138 dieser Arbeit; insbesondere auch Anm. 1 aus S. 136. . 2 Das sollte heißen, daß die bisherige selbständige Verwaltungseinrichtung aufgehoben sei. Die etatsrechtliche Sonderstellung des Ruhrschiffahrtsfonds war ge­ blieben und besteht bis heute fort. 3 Für die Wasserstraßen zwischen Elbe und Oder, die sogenannten „Märkischen Wasserstraßen".

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Z 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 179

„In betreff der Höhe dieser Kommunikationsabgaben wird, wie bei allen

nicht konventionellen Wasserstraßen, in Gemäßheit des

ß 21 des Zoll­

gesetzes von 23. Januar 1838, der Grundsatz anerkannt werden müssen,

daß die Höhe der Schiffahrtsabgaben nach dem Maße der zur Unter­ haltung

der

Stromschiffahrt

erforderlichen

Kosten

bemessen

werdm muß."

Der Hinweis

auf jene Gesetzesstelle ist,

da sie den Grundsatz der

Selbstkostendeckung nicht ausspricht, nicht ganz zutreffend; er läßt aber die

Ansicht des Ministers, daß hier die Bestimmungen der Zollvereinsverträge anwendbar seien, mit hinreichender Deutlichkeit erkennen.

Das Zollgesetz

von 1838 war nämlich zwischen den Zollvereinsstaaten vereinbart und zur Ausführung der Zollvereinsverträge bestimmt, welche — damals galt für

die Verkehrsabgaben auf Wasserstraßen der Art. 17 des Vertrages

vom

12. Mai 1835 — die Grenze der „gewöhnlichen Herstellungs- und Unter­ haltungskosten" vorschrieben für „Kanal-,

Schleusen-,

Brücken-,

Führ-,

Hafen-,

Wage-,

Kranen-

und

Niederlagegebühren und Leistungen für Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind".

Auf diese Vertragsvorschrift stützte sich die Stellungnahme des Handels­ ministers. Von den hier besonders bezeichneten Verkehrsanstalten kommen bei der

Ruhr und erhebung

geteilte

Lippe nur Schleusen und Häfen als Substrate der Abgaben­

in

Betracht.

Erklärung

Außer

ihnen

des Finanzministers

wurden

zeigt,

aber

alle

auch,

wie die mit­

anderen Bauten

und

Maßregeln zur Erhaltung und Verbesserung der Schiffahrt als Gegenstände

der Abgabenerhebung behandelt, insbesondere Buhnen, Parallelwerke, Ufer­ bauten und Baggerungen.

Der Finanzminister bezeugt ausdrücklich, daß

diese Rechtsauffassung und Verwaltungsübung allgemein, nicht nur für die Ruhr und Lippe, bestehe.

An der Lippe gab es damals und gibt es noch

heute zwar Schleusen, aber auch lange Flußstrecken, die nicht im Stau liegen,

sondern

mit Buhnen

und

ausgebaut sind;

sonstigen Regulierungswerken

insbesondere ist die 72 Irrn lange untere Strecke von Vogelsang abwärts ohne Schleusen und Wehre. Ähnlich ist die Sachlage bei der Ruhr, nur ist dort die regulierte Mündungsstrecke bedeutend kürzer.

Die Abgaben­

erhebung bestand nicht nur an den Schleusen, sondern auch an

anderen

Punkten und betraf auch den Verkehr, der keine Schleuse benutzte.

An der

Lippe gab es unterhalb Vogelsang bis 1852 zwei Hebestellen, bei Fustern­ berg und Haltern, von diesem Jahre nur noch eine in Dorsten.

Hieraus

ergibt

sich,

daß man damals Buhnen,

Parallelwerke und 12*

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III.

180 sonstige Bauten

Gegenstand der Abgabenerhebung.

sowie Baggerungen als „Anstalten, die zur Erleichterung

des Verkehrs bestimmt sind", in Preußen angesehen hat.

Die beiden beteiligten Minister beantworteten schließlich die Vorstellung

vom 30. April 1851 mit einem an den Herrn von Bodelschwingh gerichteten

ablehnenden Bescheid vom 14. Oktober 1851, in welchem es heißt: „Auf das Schreiben vom 30. April e., betreffend die Ruhr- und

Lippeschiffahrtsabgaben,

Abgeordneten

mehreren

Exzellenz,

daß

wir

welches an

Eure

bedauern,

in

Exzellenz

gerichtet

uns

haben,

Anträge, die Ruhr-

dem

mit

Gemeinschaft

erwidern

wir Eurer und Lippe­

schiffahrtsabgaben ganz aufzuheben, oder doch auf den Betrag der Ver­ waltungskosten zu ermäßigen, die Kosten der Strom- und Uferbauten

aber

allgemeine

auf

Staatsfonds

zu

übernehmen,

nicht

Folge

geben

zu können.

Wo für die Herstellung oder Erhaltung der Schiffbarkeit natürlicher

Wasserstraßen künstliche Anlagen erforderlich geworden sind, werden auch auf

den

nichtkonventionellm Flüssen

Schiffahrtsabgaben

erhoben.

Nach

innerhalb

der Monarchie vielfach

dem Tarife für die Erhebung der

Schiffahrtsabgaben auf den Wasserstraßen zwischen Elbe und Oder vom

24. Juli 1828 — Ges.-Samml. von 1828 S. 107 — werden derartige Abgaben von der Schiffahrt auf der Spree und Havel; nach dem Tarife

vom 21. Dezember 1819 — Ges.-Samml. von 1820 S. 29 — für den kanalisierten Klodnitzfluß, nach dem Tarife vom 15. Dezember 1843 — Ges.-Samml. pro 1844 S. 57 — von der Schiffahrt auf der Oder, nach dem Tarife vom 24. Oktober 1840 — Ges.-Samml. pro 1840 S. 324 —

für die Befahrung der Swine und Dievenow, nach dem Tarife vom 1. März 1828 — Ges.-Samml. von

1828 S. 41 — für die Schiff­

fahrt auf der Deime erhoben.

In der Erhebung von Schiffahrtsabgaben auf der Ruhr und Lippe liegt hiernach keine Ausnahme, da die Schiffbarkeit beider Flüsse nur

durch

zahlreiche künstliche Werke begründet ist, und nur durch

deren kostspielige Unterhaltung ferner gewahrt werden kann.

Nur in betreff

der Form ist bei der Regulierung dieser Abgaben für die Ruhr und

Lippe von dem allgemeinen Prinzipe abgewichen, indem dieselben sich

einem Warenzoll nähern, während auf andern Flüssen derartige Abgaben als

Schiffsgefäßgelder normiert sind.

Es ist dies indessen nicht

von

materieller Bedeutung, da auch für die Ruhr und Lippe die Kosten

der Unterhaltung der Fahrbarkeit den Titel für die Abgaben­ erhebung bilden, und die Abgabe selbst die Natur einer Kommunikations­

abgabe hat."

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Z 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 181

Als im nächsten Jahre der Oberpräsident der Provinz Westfalen einen Antrag auf Abänderung des Tarifs stellte, wurde von den Ministern des

Handels und der Finanzen durch Erlaß vom

14. Juli 1852

„die Um­

wandlung der Abgabe in ein Schleusengeld" ausdrücklich abgelehnt. Anläßlich der auf Beseitigung der Lippeschiffahrtsabgaben Petitionen eines Kaufmanns

gerichteten

aus Dorsten, welche vom Abgeordnetenhause

im Januar 1867 der Staatsregierung „als Material bei der beabsichtigten

Reform der Lippe- und Ruhrschiffahrtsabgaben zur Erwägung" überwiesen

war, erwirkten dann die beteiligten Minister die Beseitigung der Schiffahrts­ abgaben

auf der Lippe durch den wörtlich folgenden Jmmediatbericht vom

13. September 1867: „Nachdem die Rheinschiffahrtsabgaben in

Gemäßheit des Gesetzes

vom 24. Dezember v. I. (Gesetzsammlung Seite 873) mit dem 1. Januar

d. I. in Wegfall gekommen sind, ist von selbst die Frage wegen Be­

seitigung der auf der Ruhr und Lippe noch bestehenden Schiffahrtsabgaben entstanden.

Auch wurde im Beginn dieses Jahres eine die Aufhebung

der Lippeschiffahrtsabgaben betreffende, bei dem Abgeordnetenhause ein­ gegangene Petition des Kaufmanns A. Reischel zu Dorsten der Staats­

regierung

als Material

für

die beabsichtigte Reform der Lippe-

und

Ruhrschiffahrtsabgaben zur Erwägung überwiesen.

Abgesehen von Salz und Steinkohlen,

für welche ermäßigte Sätze

bestehen, beläuft sich die Lippeschiffahrtsabgabe für die ganze Strecke von Wesel bis Lippstadt nach dem Allerhöchsten Erlaß vom 24. Februar 1862

(Ges.-Samml. S. 79) pro Zentner auf 3 Pfennig.

Diese Abgabe kommt jedoch nur streckenweise, und zwar dergestalt zur Erhebung, daß für die Stromstrecke von Dorsten bis Wesel ein Pfennig, für jede der übrigen vier in dem Tarife vom 21. September 1848 (Ges.-

Samml. S. 269) benannten Stromstrecken je ein halber Pfennig zu ent­ richten ist.

Wenngleich die Abgabe hiernach

als

eine hohe sich keineswegs be­

zeichnen läßt, so hat sich doch der Verkehr von dem Lippefluß immer mehr abgewendet und ist auf die konkurrierenden Eisenbahnen übergegangen. Die Einnahmen aus der Abgabenerhebung,

welche im Jahre 1851

noch 10 450 Rtl. betrugen, sind im stetigen Sinken begriffen und beliefen sich im Jahre 1862 auf 4076 Rtl., im Jahre 1866 auf nur 3233 Rtl.

Es wird

allerdings auch die völlige Beseitigung der Abgabe die

frühere Blüte der Lippeschiffahrt nicht wieder herbeiführen, indessen wird sie doch unzweifelhaft wesentlich dazu beitragen, den Verkehr auf dem

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III.

182 Lippefluß

Gegenstand der Abgabenerhebung.

gegenüber dem

auf den benachbarten Eisenbahnen konkurrenz­

fähiger zu machen. Indem

wir

alleruntertänigst bemerken,

daß auch die wegen Er­

mäßigung beziehentlich Beseitigung der Ruhrschiffahrtsgefälle schwebenden Erörterungen

ihrem Abschluß nahe sind und den Gegenstand eines be­

sonderen Vortrages bilden werden, bitten wir Eure Königliche Majestät

ehrerbietigst durch

Vollziehung

des

anliegenden Allerhöchsten

Erlasses

huldreichst

genehmigen zu wollen, daß die Erhebung der Lippeschiffahrtsabgaben

vom 15. Oktober d. I. ab eingestellt werde. gez. von der Heydt.

Graf Jtzenplitz."

Der Bericht ist hier wörtlich abgedruckt, weil er als ein Beweismittel

dafür gelten soll, daß die preußische Regierung nicht der Meinung war, sie sei

durch Art.

54

der Bundesverfassung und Art. 25

des Zollvereins­

vertrages von 1867 genötigt, diejenigen Schiffahrtsabgaben aufzuheben, welche

für Benutzung regulierter Ströme erhoben wurden.

Sie nahm offenbar an,

daß der Begriff der „Anstalten", welche zur Erleichterung des Verkehrs be­ stimmt und deshalb als Substrat der Abgabenerhebung geeignet sind, kein anderer, insbesondere kein engerer geworden sei, als er unter der Herrschaft der

älteren Zollvereinsverträge war.

Anderenfalls hätte sie auf eine wirtschaft­

liche Begründung in dem Jmmediatbericht vom 13. September 1867 ver­

zichten und sich mit einer verfassungsrechtlichen begnügen können.

Wenn

sie die letztere auch nicht kumulativ verwendet, sondern diese Seite der An­ gelegenheit ganz mit Stillschweigen übergangen hat, so kann daraus nur die Schlußfolgerung gezogen werden, daß man die Rechtslage als unverändert ansah.

Diese Folgerung deckt sich auch mit der protokollarischen Erklärung

Delbrücks vom 28. Juni 1867 über die Identität des Inhalts der Zollvereins­

und Verfassungsvorschriften

* In Delbrücks „Lebenserinnerungen", Leipzig 1905, Bd. II S. 192 wird von der Ruhr und Lippe mit Bezug auf das Jahr 1863 gesagt: „Es waren diese beiden Flüsse die einzigen rein preußischen Wasserstraßen, auf welchen die Abgaben für die Benutzung der zur Erleichterung der Schiffahrt bestimmten Anlagen (Schleusen) in Form eines Warenzolles erhoben wurden." Delbrück bestätigt hier, daß die Ruhr und Lippe zu denjenigen Wasserstraßen gehörten, welche hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben nach dem durch die Zollvereins­ verträge festgelegten Gebührenprinzip, nicht nach dem Steuerprinzip behandelt wurden. Seine Erinnerung ist im übrigen aber nicht ganz zutreffend gewesen. Nicht nur auf der Ruhr und Lippe, sondern auch auf den Wasserstraßen nach Neuß und Rheinberg wurden damals die Schiffahrtsabgaben nach dem Gewicht der Ladung

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8 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 183

Die

vorerwähnte

ministerielle Entscheidung über die Lippeschiffahrts­

abgaben vom 14. Oktober 1851 ist insofern von besonderem Interesse, als

sie eine authentische Kundgebung derjenigen Rechtsauffassung und Verwaltungs­ übung enthält, welche innerhalb der preußischen Regierung in bezug auf die Bildung von Tarifen für Schiffahrtsabgaben aus natürlichen Wasserstraßen

bestand.

Von den in Betracht

kommenden Wasserstraßen sind einige in

jener Kundgebung ausdrücklich genannt worden.

Die Spree und die Havel

sind ebenso wie die Lippe unvollständig kanalisiert; auf langen Strecken — unter anderem auf der 63 km langen Havelstrecke unterhalb Rathenow — sind sie nicht gestaut, sondern durch Buhnen und sonstige Strombauwerke

für die Schiffahrt verbessert. Gleichwohl sind die Anlage- und Unterhaltungskosten dieses Gesamt-

netzes, ohne Unterscheidung der einzelnen Wasserbauten nach Klassen und Arten, damals der Tarifbildung zu Grunde gelegt, und in derselben Weise

ist bis heute verfahren worden. Der Bescheid vom 14. Oktober 1851

nennt ferner die Abgaben für

die Befahrung der Swine, Dievenow und Deime; er hätte noch die auf

der Peene, auf dem Pregel unterhalb Königsberg, sowie auch dem Stettiner und dem Frischen Haff erhobenen hinzufügen können.

Die Tätigkeit der

Staatsbauverwaltung für die Verbesserung und Unterhaltung der Schiffbarkeit

dieser Gewässer

bestand

hauptsächlich in Baggerungen

sowie in der Be­

zeichnung des Fahrwassers durch Bojen, Baken und Leuchtfeuer.

Man be­

trachtete diese Maßregeln und Einrichtungen in Preußen als „Anstalten zur

Erleichterung der Schiffahrt" im Sinne der Zollvereinsverträge, indem man

erhoben; dies geht aus den in der preußischen Gesetzsammlung veröffentlichten Tarifen (Jahrgang 1843 S. 324 und 1853 S. 74) hervor. Ferner waren nach den für Ruhr und Lippe geltenden Tarifen die Abgaben nicht nur für die Benutzung der Schleusen, sondern für die Benutzung aller Schiffahrtseinrichtungen, einschließ­ lich der Baggerungen und Stromregulierungsbauten zu zahlen. Die Abgaben wurden meist bei den Schleusen eingezogen, weil diese als Hebestellen bequem lagen; es gab aber auch Hebestellen an schleusenlosen Strecken und es waren auch die­ jenigen Schisse abgabepflichtig, welche keine Schleuse durchfuhren. Ferner waren die Abgaben so berechnet, daß sie nicht nur die Verzinsung des Anlagekapitals und die laufenden Kosten der Schleusen, sondern den Gesamtaufwand für die ganze Wasserstraße deckten. — Delbrück gebraucht in dem obigen Zitat das Wort An­ lage als gleichbedeutend mit dem in den Zollvereinsverträgen angewendeten Aus­ druck „Anstalt"; daß er den letzteren nicht nur für Schleusen — wie es nach jenem Zitat vielleicht scheinen könnte —, sondern für alle Wasserbauten während seineramtlichen Tätigkeit gebraucht hat, geht aus dem auf S. 126 auszugsweise mit­ geteilten Schriftstück hervor.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

184

die duu8ulu generalis welche der Text der Verträge am Schlüsse der Auf­

zählung einzelner Arten von Anstalten enthielt und heute noch enthält, auf

jene Baggerungen oder gebaggerten und bezeichneten Rinnen anwandte. Im

sechsten

des

Jahrzehnt

vorigen

Jahrhunderts

bei

bestand

der

Regierung das Bestreben, die Verkehrsabgaben möglichst herabzusetzen oder

zu beseitigen, soweit die Finanzlage es irgendwie gestatten mochte. Strömung richtete sich besonders auch

Diese

gegen die bestehenden Schiffahrts­

Bei einem Teile der abgabepflichtigen Wasserstraßen schien aber

gebühren.

das von der Regierung verfolgte Ziel, die Schiffahrt durch Erleichterung der öffentlichen Lasten zu fördern, nur unter Mitwirkung derjenigen Städte

erreichbar, deren Häfen an jenen Wasserstraßen liegen oder durch sie mit dem Meere verbunden sind.

in Stettin

Dies galt insbesondere von dem städtischen Hafen

im Verhältnis

zur Peene,

Swine

und

Divenow

und

vom

städtischen Hafen in Königsberg hinsichtlich der Pregelwasserstraße.

Die Regierung machte nun den beteiligten Gemeinden

gegenüber die

oder Aufhebung der staatlichen Abgaben auf den Zugangs­

Ermäßigung

wasserstraßen von einer gleichzeitigen Herabsetzung der kommunalen Schiff­ fahrtsabgaben, welche

Als

hängig.

diese

für die Benutzung der Häfen zu zahlen waren, ab­ Herabsetzung

in

Königsberg

erreicht

war,

hob

die

Regierung im Frühjahr 1867 zunächst das sogenannte „Pregelmündungsgeld" auf.

Die Verhandlungen mit Stettin zogen sich länger hin, und erst

im November 1867, nachdem die Stadt endlich sich gefügt hatte, wurden die Schiffahrtsabgaben auf den 3 Mündungsarmen der Oder beseitigt.

Der

dieserhalb an den König erstattete Jmmediatbericht ist vom 9. November 1867, also

aus

einer Zeit, wo die Erinnerung an die gesetzgeberische Willens­

meinung des Art. 54 der im August veröffentlichten Bundesverfassung voll­ kommen zuverlässig und zweifellos sein mußte oder jedenfalls sein konnte.

Der Art. 54 war in demselben Ministerium entworfen, welches jenen Be­

richt miterstattete.

auf

Der letztere enthält keine Hinweisung irgend welcher Art

die Rechtslage,

sondern

nur Erörterungen

über die Zweckmäßigkeit

weiterer Verkehrserleicherungen für die Ostseehäfen und über die Einwirkung,

welche auf die Hafenstädte dadurch geübt worden war, daß man die staat­ lichen Tarifmaßregeln von einem gleichzeitigen Nachlaß an den kommunalen Abgaben abhängig machte. Der Bericht lautet: „Eurer Königlichen Majestät haben wir bereits in unserm aller­

untertänigsten Berichte vom 3. Mai d. I. vorgetragen, daß die Ermäßigung

der fiskalischen Hafenabgaben in den preußischen Ostseehäfen im Interesse der Hebung des Verkehrs und der Gleichstellung mit andern konkurrierenden

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8 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 185

Hafenplätzen geboten sei, und daß diese Vergünstigung den einzelnen See­ städten zuzuwenden sein werde, sobald sie sich entschließen,

ihrerseits in

eine entsprechende Ermäßigung der für städtische Rechnung zur Hebung gelangenden Schiffahrtsabgaben zu willigen.

In Königsberg, Pillau und Memel ist diese Bedingung bereits er­

füllt, und infolgedessen durch die Allerhöchsten Erlasse vom 13. Mai und 29. Juli d. I.

die beabsichtigte Ermäßigung eingetreten; jetzt hat sich

auch die Stadt Stettin zur Herabsetzung der städtischen Schiffahrtsabgaben entschlossen.

In Stettin wird für städtische Rechnung erhoben: a) ein Hafengeld auf Grund des Allerhöchsten Erlasses vom 7. März

1864 (G.S. S. 123);

d) ein Bohlwerksgeld nach Nr. Ill des Tarifs vom 4. Mai 1857 (G.S. S. 555). Das außerdem noch nach Nr. Ill des letzterwähnten Tarifs zur Er­

hebung kommende Brückenaufzugsgeld und

die sonstigen für bestimmte

Leistungen zu entrichtenden Gebühren bleiben hier außer Betracht. Die städtischen Behörden haben sich nun bereit erklärt, das Hafen-

und Bohlwerksgeld auf die Hälfte herabzusetzen und es steht somit nichts mehr im Wege,

auch bezüglich der fiskalischen Abgaben, die in Aussicht

genommenen Erleichterungen herbeizuführen.

Diese Abgaben sind die nach dem Tarif vom 24. Oktober 1840 (G.S.

und

S. 324)

(G.S. S. 442)

dem

Allerhöchsten

Erlaß

vom

25. Juni

1863

für die Befahrung der Peene, Swine und Dievenow,

sowie des großen und kleinen Haffes zu entrichtenden Schiffahrtsgelder und die in dem Hafen von Swinemünde zur Erhebung kommenden Hafen­

gelder; die ersteren werden gänzlich zu beseitigen, die letzteren aus die in Pillau

und

Memel

eingeführten

Sätze

von

4

resp.

2

Sgr.

herab­

zusetzen sein usw." Der

Bericht läßt mit zweifelloser Klarheit erkennen,

daß

man im

Finanz- und Handelsministerium die Rechtslage seit Erstattung des Jmmediat-

berichts vom 3. Mai 1867 den

als nicht verändert oder mit anderen Worten

Art. 54 der Bundesverfassung vom 24. Juni 1867

als eine bloße

Kodifikation der in den Zollvereinsverträgen enthaltenen Rechtsvorschriften

ansah. Wäre durch den Art. 54 eine Änderung der Rechtslage dahin ein­ getreten, daß Baggerungen und Stromregulierungen nicht mehr als „Anstalten"

angesehen

werden konnten und die Erhebung von Abgaben für jede Art

von technischen Verbesserungen an natürlichen Wasserstraßen nicht mehr zu­

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III.

186

lässig war,

Gegenstand der Abgabenerhebung.

so hätte das in dem Jmmediatbericht notwendig zum Ausdruck Nicht etwa nur deshalb, weil die Verfassungswidrigkeit

kommen müssen.

der Abgabe eine zutreffendere und sehr viel kürzere Begründung des dem Könige unterbreiteten Antrages ermöglicht hätte, sondern insbesondere auch

aus

dem Grunde,

weil die Benutzung der staatlichen Abgabentarife als

Druckmittel gegenüber den Stadtgemeinden dann unzulässig gewesen wäre *. Durch den die Odermündungen entlastenden Allerhöchsten Erlaß vom

22. November

1867

wurden

damals gleichzeitig die Schiffahrtsabgaben,

welche für die Benutzung der Fahrrinnen nach Stralsund, Greifswald und Wolgast unter dem Namen Tiefgelder an die Staatskasse zu zahlen waren,

lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen aufgehoben. Das Hafengeld ermäßigt.

in Swinemünde und Pillau wurde beibehalten,

Es war und

aber

ist noch heute für die nicht in Swinemünde und

Pillau sich aufhallenden, sondern nach Stettin und Königsberg weitergehenden

Schiffe, also für den

weitaus größten Teil des Verkehrs ein Fahrwasser­

geld, welches die Gegenleistung für die Bezeichnung und insbesondere für

die Vertiefung der natürlichen Wasserstraßen darstellt.

Wäre die preußische

Regierung im Jahre 1867 der Meinung gewesen, daß Baggerungen — sie waren das hauptsächliche Mittel zur Vertiefung und Unterhaltung der Fahr­ straßen über die Haffe — keine „Anstalten"

vertrages von

1867 oder

verfassung seien,

im

„besondere Anstalten"

Sinne des Zollvereins-

im Sinne der Bundes­

so hätte sie die sogenannten Hafengelder in Swinemünde

und Pillau für den Durchgangsverkehr im Jahre 1867 sondern aufheben müssen.

nicht ermäßigen,

Freilich hätte sie dann zugleich einräumen müssen,

daß jene Schiffahrtsabgaben schon vor 1867, unter der Herrschaft der älteren

Zollvereinsverträge, zu Unrecht erhoben worden seien.

Der Umstand, daß die Abgabe hier eine dem Wesen der Sache nicht

entsprechende Bezeichnung führt, kommt gerade auf dem Gebiete der Schiff­ fahrtsabgaben häufig vor und

braucht deshalb nicht wunder zu nehmen.

Beispielsweise ist das von Hamburg auf der Unterelbe erhobene sogenannte

Lotsgeld zugleich eine Fahrwassergebühr für die Unterhaltung der Schiff­

fahrtsrinne; dasselbe gilt von dem bremisch-preußisch-oldenburgischen Feuer-

* In dem Jmmediatbericht vom 3. Mai 1867 wird ausdrücklich gesagt: „Wesentliche Voraussetzung eines dessallsigen Vortrages bei Eurer Kgl. Majestät (d. h. wegen Ermäßigung der staatlichen Schiffahrtsabgaben) schien es uns jedoch zu sein, daß diejenigen Städte, in denen neben den zur Staatskasse fließenden Hafengeldern für städtische Rechnung noch andere Schiffahrtsabgaben erhoben werden, auf die letzteren ganz oder teilweise Verzicht zu leisten sich bereit er­ klärten."

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8 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 187

und Bakengelde,

aus dem zugleich die Kosten der Vertiefung und Unter­

haltung des Weserfahrwassers unterhalb Bremerhaven bestritten werden. Die Saale gehörte und gehört noch heute zu den unvollständig kanali­

sierten Flüssen, bei welchen die beiden Verbesserungsmethoden der Kanalisierung und Regulierung nebeneinander — auf verschiedenen Strecken — angewendet worden sind.

Diejenigen Flußstrecken, welche nicht unter dem Stau der

Wehre lagen, wurden durch Buhnen, Baggerungen und sonstige Regulierungs­ mittel im Schiffahrtsinteresse ausgebaut.

Auch hier zeigt sich die Erscheinung,

daß in Preußen für die Berechnung des nach den Zollvereinsverträgen zu­ lässigen Höchstbetrages der Schiffahrtsabgaben die sämtlichen Aufwendungen, nicht nur diejenigen für Stauanlagen und Schleusen, als maßgebend an­

gesehen wurden. Als in den Jahren 1845 und 1846 der Abgabentarif für die Saale und Unstrut revidiert werden sollte und vom Finanzminister eine Berechnung der Selbstkosten zu diesem Zwecke eingefordert war, legte die Regierung in Merseburg eine Zusammenstellung vor, in welcher nicht nur die Kosten der

Schleusen, sondern

auch

eine Summe

„an Baggern der Schleusen, deren

Kanäle und seichten Stellen im Flusse und sonstiger Verbauung im Flusse",

sowie ferner die Kosten der Strombefahrungen, kurz alle Aufwendungen im Interesse der Gesamtwasserstraße enthalten waren.

Da die Ausgaben hiernach die Einnahmen überstiegen, so unterblieb

damals eine Tarifermäßigung. Für die Befahrung der schon anderweitig erwähnten regulierten Emster wurde im Jahre

1866

einer Gesellschaft

Schiffahrtsabgaben verliehen.

Es

das Recht zur Erhebung von

handelte sich um eine natürliche Wasser­

straße, die durch Baggerungen und Begradigungen auf einen höheren Grad

von Schiffbarkeit gebracht wurde; man sah in diesen Wasserbauten Anstalten

im Sinne der Zollvereinsverträge und Emster

eine Anstaltsbenutzung.

in der Befahrung der regulierten

Dieselbe

Auffassung

wird

in

der

Ver­

waltungspraxis bis heute betätigt.

Von besonderer Wichtigkeit für die Beurteilung der Frage, ob Schiff­ fahrtsabgaben auf regulierten Strömen nach den Zollvereinsverträgen zulässig waren oder — anders ausgedrückt — ob außer den Schleusen auch andere

Bauten zur Verbesserung des Fahrwassers als Schiffahrtsanstalten im Sinne

der Zollvereinsverträge galten, sind die Verhandlungen, welche in Preußen um die Mitte des vorigen Jahrhunderts über die Regulierung der Oder

geführt wurden. Bei diesen Verhandlungen ergab sich die eigentümliche Lage, daß die

Beteiligten, insbesondere die Kaufmannschaften in Stettin und Breslau und

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III.

188

Gegenstand der Abgabenerhebung.

die Provinzialstände von Schlesien, sich für Schiffahrtsabgaben aussprachen, weil sie in ihrer Einführung ein Mittel zur Finanzierung

großer Regu­

lierungsbauten erblickten, während die Regierung eine widerstrebende Haltung einnahm.

Die Erörterungen hierüber zogen sich Jahrzehnte lang hin und führten

zu einer eingehenden Untersuchung und Klarstellung der Rechtslage.

Bedeutung für die Auslegung des Art. 54

Ihre

der Reichsverfassung liegt in

der Identität des damaligen Rechtszustandes mit dem heutigen und in dem weiteren Umstande, daß sie erst im Jahre 1868,

also unter der Herrschaft

jenes Artikels, zum Abschluß kamen. Die Wichtigkeit des Gegenstandes rechtfertigt ein näheres Eingehen auf

die in Betracht kommenden Vorgänge und die wörtliche Wiedergabe des

wesentlichsten Teiles der zur Sache abgegebenen Erklärungen. Nachdem die Schlesier schon seit den vierziger Jahren immer wieder

ihre Anträge auf Verbesserung der Oderschiffahrt vorgebracht hatten, beschloß im Jahre

1859 das Abgeordnetenhaus

Kommission

die Staatsregierung zur Vorlage eines Oderregulierung aufzufordern,

welche

auf Grund

eines Berichtes seiner

für Handel und Gewerbe vom 15. April (Drucksachen 161) , *

Beiträge

von

den

Bau- und Finanzplanes für die

„aus welchem zugleich zu ersehen sein müsse,

beteiligten

Provinzen

und

Korporationen

zu

erwarten sind." Als infolgedessen der Handelsminister durch die Oberpräsidenten der -rei Oderprovinzen zur Leistung solcher Beiträge aufforderte, erklärte sich

Zunächst die Stettiner Kaufmannschaft hierzu bereit unter der Voraussetzung, daß ihr die Aufnahme einer Anleihe gestattet würde, deren Verzinsung und Tilgung durch

eine Schiffahrtsabgabe aufzubringen wäre.

Der Minister

erwiderte am 10. November 1859, die Erhebung einer solchen Abgabe von

dem Warenverkehr — letzteres Wort ist durch eine Delbrücksche Korrektur

aus dem ursprünglich gebrauchten Ausdruck „Schiffahrtsverkehr" entstanden — sei nach den Zollvereinsverträgen unzulässig.

Die nähere Begründung dieses Standpunktes

ergibt sich aus einem

Schreiben des Handelsministers an den Finanzminister vom 22. Dezember 1859, in welchem es heißt: „Nur

die Stettiner

Frankfurt a. O.

Kaufmannschaft

(diejenigen

hatten sich ablehnend verhalten)

in

Breslau

und

hat sich dahin erklärt,

daß sie, obwohl ihr keine Fonds zur Verfügung ständen, falls eine allseitige

* Aus diesem Bericht ist die ältere Vorgeschichte der Angelegenheit, welche den Landtag seit 1849 beschäftigt hatte, ersichtlich.

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8 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 189

Beteiligung der betreffenden Korporationen und Provinzen erforderlich sei,

sobald ihr die Kontrahierung einer

hiervon sich nicht ausschließen würde,

Anleihe zu diesem Zwecke und die Erhebung einer geringen Schiffahrts­

abgabe, behufs würde.

Verzinsung und

Amortisation dieser Anleihe, gestattet

Dies berührt die auch sonst vielfach besprochene Frage nach der

Zulässigkeit einer Belastung der Oderschiffahrt mit einer dem in Rede stehenden Bedürfnis entsprechenden Abgabe. Indessen ist die Einführung einer solchen, soweit sie den Warenverkehr

auf der Oder betreffen würde, nach den

unter den Zollvereinsstaaten

zurzeit bestehenden Verträgen (vergl. Art. 4 der Übereinkunft zwischen Preußen,

Sachsen pp. vom 4. April 1853 — Gesetz-Sammlung 1853 S. 432 —) jedenfalls solange unzulässig, als die Aufhebung der Durchgangszölle nicht erfolgt sein wird.

hiervon wird es aber auch dann der

Abgesehen

ernstesten Erwägung unterliegen müssen, ob, während seit langer Zeit das Streben der Gesetzgebung und der Staatsverwaltung dahin gerichtet

gewesen ist, den inneren Verkehr möglichst von allen hemmenden Lasten

und Abgaben zu befreien, es anrätig sei, auf der einzigen, dem preußischen Wasserstraße eine solche jedenfalls

angehörenden, großen

Staate allein

höchst lästige Abgabe neu einzuführen. Klagen

des

Schifferstandes

die

über

Auch würde es mißlich sein, den gegenwärtigen

Beschwerden

und

Hindernisse seines Gewerbebetriebes damit zu begegnen, daß man damit anfinge, ihm eine neue Abgabe aufzulegen, von deren Verwendung die

jetzt Schiffahrttreibenden

oder

ihre

Nachfolger

im Gewerbebetriebe erst

nach Ablauf von 10 Jahren Nutzen ziehen sollen.

Es würde daher eine

solche Abgabe füglich nicht als Mittel, um das Baukapital zu beschaffen,

sondern erst nach ausgeführter Oderregulierung, um das verwendete Kapital

zu verzinsen und zu amortisieren, in Frage kommen können.

Jedenfalls

würde zur Einführung einer solchen Abgabe nur geschritten werden können,

wenn nach sorgfältiger Erforschung der Ansichten des Handelsstandes und des sonst beteiligten Publikums die dagegen aus allgemeinen Gesichts­ punkten sich ergebenden Bedenken

für erledigt erachtet werden könnten."

Es wurde dann eine Denkschrift der Staatsregierung über die Ver­

besserung der Oderschiffahrtsstraße ausgearbeitet, welche vom Dezember 1859 datiert war und

dem Landtage im Jahre 1860 zuging (Drucksachen des

Abgeordnetenhauses Nr. 26).

Diese Denkschrift bezeichnet (S. 24 und 25)

den Gedanken der Einführung einer neuen Abgabe für den Schiffahrtsverkehr aus der Oder „der sorgfältigsten Prüfung wert".

Indessen könne er, soweit

* Diese Zölle bezogen sich nur auf die Durchfuhr über die Oder und die öst­ licher liegenden Flüsse.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

190

es sich um eine aus den Warenverkehr zu legende Abgabe handele, vor Be­

seitigung der Durchgangszölle nach dem Übereinkommen von

1853 nicht

verwirklicht werden.

Im Jahre

1861

gab

eine Petition der Handelskammer zu Breslau

dem Abgeordnetenhause wiederum Anlaß zu einer Erörterung der Regulierungs­

und Abgabenfrage.

Die Sachlage hatte sich

inzwischen insofern geändert

und zwar zugunsten des von der Handelskammer verfolgten Zieles,

als

jene Durchgangszölle ausgehoben * waren und ein Beschluß des schlesischen Provinziallandtages vorlag, welcher die Bewilligung von Beiträgen für die

aus

Regulierungsbauten

ständischen

Mitteln

der

drei

Oderprovinzen

in

Aussicht nahm?.

Die Handelskammer machte diese neuen Momente aus­

drücklich geltend.

Sie führte aus, daß außer der zu erhoffenden Mitwirkung

der beteiligten Provinzen sich jetzt auch noch auf anderem Wege die Möglichkeit

darbiete,

die Mittel zum rascheren Ausbau des Oderstromes zu beschaffen,

da nach Aufhebung der Durchfuhrzölle das Hindernis beseitigt wäre, welches bisher „wiederholt der Einführung einer Schiffahrtsabgabe zur Verzinsung

und Amortisation eines zum Zweck der Oderregulierung aufzunehmenden Kapitals auf Grund der bestehenden Zollverträge entgegengesetzt worden sei." So wenig empfehlenswert im allgemeinen „Stromabgaben"

erschienen, so

müsse man die Einführung einer solchen Abgabe von mäßigem Betrage doch

im Verhältnisse zu der Größe und Wichtigkeit des Zweckes im vorliegenden Falle für einen geringen Preis erachten, welcher von jedem Interessenten gewiß mit Freuden entrichtet werden würde.

Bei der Beratung dieser Petition in der Kommission des Abgeordneten­ hauses für Handel und Gewerbe erklärten die Vertreter der Staatsregierung

(Drucksachen Band 5 Nr. 180.

Bericht vom 30. April 1861):

„Was den eben erwähnten Antrag des Provinziallandtages

der

schlesische Provinziallandtag,

welcher

Verhandlungen

(gemeint ist zwischen

dem

Staat und den drei Oderprovinzen über die Finanzierung durchgreifender

Stromverbesserungen vorgeschlagen hatte) betreffe, Entscheidung

über

denselben noch

nicht

vorbehaltlich derselben bemerkt werden,

erfolgt.

so sei die Allerhöchste Es könne daher nur

daß dieser Antrag sich auf den-

* Sie traten am 1. März 1861 außer Kraft. 2 Auf diesen Weg waren die Provinzialstände durch einen Allerhöchsten Land­ tagsabschied vom 30. September 1856 hingewiesen worden, in welchem ihnen eröffnet wurde, daß der schnellere Ausbau der Oderschiffahrtsstraße nur dann in Aussicht zu nehmen sei, wenn die Provinz ihr Interesse zur Sache durch Kosten­ beiträge betätige.

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8 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 191

jenigen Weg zur Beschaffung der Mittel für eine

beschleunigte Oder­

regulierung beziehe, welcher in der im vergangenen Jahre übergebenen

Denkschrift als der dritte bezeichnet sei, der, wenn der erste (Gewährung der erforderlichen Mittel rein aus Staatsfonds oder durch ein Staatsdarlehn) und der zweite (Vermehrung der bisherigen Staatsfonds durch

direkte Beiträge der Provinzen oder sonst beteiligten Korporationen)

sich

verschließe, der sorgfältigsten Prüfung wert, und dem, sobald die Durch­

gangszölle beseitigt sein würden,

mit Rücksicht auf die bisherigen Ten­

denzen der Gesetzgebung und Staatsverwaltung, die Interessen der zunächst Beteiligten, widmen sei.

sowie im Hinblick auf

eine eingehende Information zu

Dieser Weg weise auf die Einführung einer neuen Abgabe

für den Schiffahrtsverkehr auf der Oder hin,

um hierdurch ein für die

Oderregulierung zu verwendendes Darlehn zu verzinsen und zu amortisieren.

nehme an,

Der Provinziallandtag

daß ein solches Darlehn,

sobald es

gesichert sei, gute Interessen trage und amortisiert werde, leicht zu effektuieren sein werde, daß es hierbei vorzugsweise auf die Regulierung von

Garantien ankomme, und behufs derselben eine Beratung von Mitgliedern

der Provinzialstände dieser Provinzen unter Zuziehung

des Handelsstandes herbeizuführen sei.

von Vertretern

Auf eine solche, die Modalitäten

der Ausführung betreffende Vorbereitung könne indessen seitens der Staats­ regierung nur eingegangen werden, wenn die Frage, ob eine Schiffahrts­

abgabe einzuführen sei, zuvor bejahend beantwortet worden. es noch an einer genügenden Vorbereitung

Hauptfrage.

Es

könne

daher,

da

auch

Zurzeit fehle

für die Beantwortung dieser

das

letztverflossene

Jahr

die

Hoffnung auf die direkte Beschaffung der zur schleunigen Ausführung der Oderregulierung erforderlichen Zuschüsse

seitens der beteiligten Provinzen

erfüllt habe,

trotz der prinzipiellen Bedenken,

und Korporationen nicht

die gerade bei dem Streben der Gegenwart nach Beseitigung der Fluß­

zölle der Einführung

einer

Oderschiffahrtsabgabe entgegenständen,

und

deren Gewicht ohne Zweifel auch bei den weiteren Beratungen sich in hohem Maße geltend machen werde, der in der gedachten Denkschrift er­

klärten Absicht gemäß jetzt zunächst nur mit Einziehung der Information darüber vorgegangen werden, ob es den Interessen der Provinzen Schlesien,

Brandenburg und Pommern Tat entspricht,

nehmen.

Diese

die

und des beteiligten Handelsstandes in

Einführung

Information

einer

werde

solchen Abgabe die

in

Staatsregierung

Aussicht

der zu

veranlassen.

Da indessen eine solche Abgabe keinenfalls vor gänzlicher oder mindestens abschnittweiser Beendigung der Regulierung zu erheben sein werde usw."

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III.

192

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Die Staatsregierung machte also nicht mehr rechtliche Einwendungen, sondern nur noch wirtschaftspolitische und praktische Bedenken geltend.

Die Kommission war indessen nicht geneigt, auf die Darlegungen der Staatsregierung,

welche auf eine dilatorische Behandlung des Gegenstandes

Sie erklärte vielmehr, daß ihre Über­

hinauszulaufen schienen, einzugehen.

zeugung von der Notwendigkeit eines nachdrücklichen Vorgehens in der Sache nicht erschüttert sei. Im Gegenteil werde diese Überzeugung noch verstärkt durch die in­

zwischen erfolgte Aufhebung der Durchfuhrzölle und die hierdurch eingetretene

Erleichterung für Beschaffung des erforderlichen Baukapitals.

Die königliche

Staatsregierung habe den erleichternden Einfluß dieser Maßregel selbst an­

erkannt,

indem sie am Schluffe ihrer Denkschrift vom Dezember 1859 die

Frage der Einführung von Schiffahrtsabgaben auf der Oder als der sorg­

fältigsten Prüfung wert erachtet und gleichzeitig zugesagt habe,

eine solche

Prüfung nach Beseitigung jener Zölle eintreten zu lassen. Es sei also nach dem eigenen Anerkenntnis der Staatsregierung jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo sie unbehindert durch Verträge mit anderen

Staaten die Frage wegen Einführung einer Schiffahrtsabgabe auf der Oder

allein aus dem Standpunkte der einheimischen Staatsinteressen in Erwägung

nehmen könne. „Wenn nun nach der Erklärung der Negierungskommissarien die Staats­

regierung zwar bereit sei, in dieser Hinsicht informatorische Ermittlungen

anzustellen, gleichzeitig aber aus den bei dieser Erklärung ausgesprochenen Bedenken über die Zweckmäßigkeit einer solchen Abgabe eine

Abgeneigtheit der Staatsregierung

gegen

die Einführung

prinzipielle

einer

solchen

Abgabe hervorgehe, so halte sich die Kommission verpflichtet, diese Frage auch

ihrerseits

in

den Bereich

ihrer Erwägungen zu ziehen,

und das

Resultat derselben in diesem Berichte auszusprechen.

Dieses ergab sich dahin, daß ungeachtet der vielfachen Wünsche auf Beseitigung bestehender Flußzölle der hier in Frage stehende Zweck einer

beschleunigten und gründlichen Durchführung der Oderregulierung, doch im

allgemeinen Staatsinteresse, wie im Interesse der zunächst Beteiligten so überwiegende Vorteile mit aller Sicherheit verspreche, daß die Einführung

einer lediglich für diesen Zweck bemessenen Schiffahrtsabgabe verhältnis­ mäßig als ein geringes Opfer zu betrachten sei.

Die Kommission trat daher auch in dieser Hinsicht einstimmig der in der Petition der Breslauer Handelskammer ausgesprochenen Überzeugung bei, indem sie die genannte Handelskammer vorzugsweise als kompetente

Vertreterin derjenigen Interessen anerkannte, welche bei der Verbesserung

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8 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 193

der Oderschiffahrt in

Zugleich wurde zur Wider­

Erwägung kommen.

legung prinzipieller Bedenken geltend gemacht, daß eine Schiffahrtsabgabe, welche

lediglich

zu dem

angegebenen Zweck

eingeführt und

verwendet

werde, keineswegs den Charakter eines Flußzolles, sondern vielmehr

den eines Wasserwegegeldes

haben werde und

daher ebensowenig prinzipiell verworfen werden könne, wie die Erhebung der überall ohne Klage bestehenden Chausseegelder. Wenn ferner von feiten der Negierungskommissarien Bedenken gegen

die Zweckmäßigkeit einer solchen Abgabe daraus hergeleitet worden seien, daß dieselbe nicht vor gänzlicher oder mindestens abschnittweiser Beendigung

der Regulierung zu erheben sein werde, so müsse zwar die Richtigkeit

dieser Prämisse anerkannt werden, da es in der Natur der Sache liege, daß diese Abgabe nicht früher gefordert werden könne, als bis die Vorteile der verbesserten Schiffahrt ins Leben getreten seien, eine Schwierigkeit

könne jedoch hierin nicht erblickt werden.

Wie schon in dem vorjährigen

Berichte der Kommission vom 1. Mai 1860 nachgewiesen sei, reicht das bisherige Etatsquantum von 100 000 Rtlr. jährlich vollständig aus, um

während der zehnjährigen Bauzeit das gesamte Baukapital zu verzinsen, falls dasselbe allmählich nach Maßgabe des jährlich fortschreitenden Bedarfs beschafft werde, und es bedürfe daher für diesen Zweck nicht der Jntraden

aus einer Schiffahrtsabgabe.

Nach vollendeter Regulierung aber werde

dieselbe den Vorteilen einer regelmäßigen Schiffahrt gegenüber durchaus nicht als eine drückende Last empfunden werden.

Sie werde überdies

vorzugsweise die Mittel zur Amortisation des verwendeten Baukapitals liefern können, wenn man erwäge, daß nach dem Plane der Staatsregierung eine 30 jährige Bauzeit

mit jährlicher Verwendung

100 000 Rtlr. projektiert

beschleunigter

sei,

Ausführung in

und

also

noch

von durchschnittlich

20 Jahre nach der bei

10 Jahren zu vollendenden Regulierung

dieselbe Summe jährlich disponibel gemacht werden müsse, welche alsdann zur Verzinsung anstatt zum Bau verwendet werden könne.

Trete nun ferner die von

dem

schlesischen Provinziallandtage

in

Aussicht gestellte Beihilfe dieser Provinz, sowie die nach solchem Vorgänge kaum

zu

Pommern

bezweifelnde

Beteiligung

der

Provinzen

Brandenburg

und

hinzu, so werde eine rasche Amortisation des ganzen Bau-

* Hier ist das Wort „Wasserwegegeld" als gebührenmäßige Schiffahrtsabgabe und der Ausdruck „Flußzoll" für die steuerliche Belastung der Schiffahrt zugunsten der Staatskasse gebraucht. Die Terminologie ist indessen schwankend gewesen. In den Zollvereinsverträgen werden beide Ausdücke synonym gebraucht. Vgl. S. 136. Schriften OXV. — Erster Teil. 13

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III.

194

Gegenstand der Abgabenerhebung.

kapitals gesichert, welche nicht nur die Beschaffung desselben wesentlich

erleichtern, sondern auch die Aussicht gewähren würde, die Schiffahrts­ abgabe nach verhältnismäßig kurzem Bestehen wieder aufheben oder ferner­

weiteren Verbesserungen der Oderschiffahrt zuweisen zu können."

Die Kommission

beschloß, die Petition der Breslauer Handelskammer

der Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, und das Abgeordneten­

haus trat diesem Beschlusse am 22. Mai 1861

mit sehr großer Mehrheit

bei, nachdem der Berichterstatter noch besonders auf die Möglichkeit

der

Kostendeckung durch Schiffahrtsabgaben hingewiesen hatte, obwohl diese Art der Finanzierung von dem Handelsminister als „nicht erwünscht" bezeichnet

(Stenographische Berichte S. 1319, 1320.)

worden war.

Kundgebung gegenüber verblieb

Aber auch dieser

die Staatsregierung bei ihrer ablehnenden

Haltung. Demgemäß erklärte der Handelsminister in einem Erlaß vom 7. August

1861 an den Oberpräsidenten in Breslau: „Wenn

die Aufnahme eines Staatsdarlehns für die Zwecke

der

Oderregulierung nicht angemessen erschien, so konnte sich dieser Weg, wenn

damit die Erhebung einer Schiffahrtsabgabe auf der Oder behufs Ver­

und Amortisation eines solchen Darlehns in Verbindung gesetzt

zinsung

würde, auch

deshalb nicht empfehlen, weil das berechtigte Streben der

Gegenwart dahin gerichtet ist, dergleichen Abgaben möglichst zu beseitigen, es daher schon im

Prinzip höchst bedenklich sein müßte,

im Gegensatz

hierzu auf der Oder eine neue Abgabe dieser Art einzuführen.

Die würde

von

dem Provinziallandtage

in

Aussicht

gestellte

Garantie

aber zur Voraussetzung füglich nur haben können, daß von einer

Privatgesellschaft das Baukapital

aufgewendet, und derselben das Recht

zur Erhebung einer Schiffahrtsabgabe behufs Verzinsung und Amortisation

des Baukapitals eingeräumt würde." Am 1. November 1862 berichtete der Handelsminister an den König

über den bereits erwähnten Vorschlag der schlesischen Provinzialstände, dessen Ablehnung er befürwortete, weil die angeregte Art der Finanzierung von

Strombauten auf grundsätzliche Bedenken stoße.

Es heißt darin:

„Die Einführung einer Schiffahrtsabgabe auf der Oder, auch nach­

dem die Regulierung vollendet und dadurch

etwas Wesentliches für die

Erleichterung der Schiffahrt gewonnen wäre, würde den bisher konsequent

befolgten Grundsätzen der preußischen Verwaltung widersprechen, welche

nach

freier Schiffahrt auf allen öffentlichen Strömen strebt und es sich

mit Erfolg

hat angelegen sein lassen, auf eine allmähliche Herabsetzung

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Z 2.

Die Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen vor der Reichsgründung. 195

der bestehenden Flußzölle *

hinzuwirken,

wo der

Abschaffung

derselben

vertragsmäßige Hindernisse entgegenstehen."

Die Aufstellung eines zweckmäßigen Abgabentarifs sei übrigens auch

sehr schwierig; wenn durch ihn die Verzinsung und Tilgung der Baukosten erzielt werden solle, so müßten die Abgaben so hoch und infolgedessen die

Wasserfracht so teuer sich stellen, daß die Schiffahrt den Wettbewerb mit der Eisenbahn nicht aushalten könne.

In diesem Sinne erging dann auch die Entscheidung durch den Land­ tagsabschied vom 15. November 1862.

Die Schiffahrtsabgabe wurde ab­

gelehnt, weil sie den bestehenden Grundsätzen nicht entspreche und weil durch

ihre Erhebung der von der Regulierung für die Schiffahrt zu erwartende Vorteil erheblich beeinträchtigt werden würde.

Die Schlesier ließen sich

aber auch hierdurch nicht abschrecken.

Der

Provinziallandtag trat nunmehr mit dem positiven Anerbieten einer bestimmten

Beitragsleistung hervor.

Er beschloß:

„Zunächst und vorbehaltlich weiterer Landtagsbeschlüsse die Summe von

einer

halben

Million Talern

aus

Mitteln

der

Provinz,

behufs

Regulierung der Oder von Ratibor bis Schwedt Eurer Königlichen Majestät Regierung zur Verfügung zu stellen und zwar unter folgenden bedingenden

Voraussetzungen." Unter diesen Bedingungen lautete die zu 8:

„daß von der Oderschiffahrt eine Abgabe erhoben, und deren Ertrag zwischen dem Staate und den beitragenden Provinzen, nach dem Ver­

hältnis ihrer Beiträge, so lange geteilt werde, bis die Summe dieser Bei­ träge durch Amortisation mit 1 Prozent jährlich getilgt ist."

Hierzu wurde die Begründung gegeben,

„daß

es billig erscheine,

daß diejenigen,

welchen die Oderregulierung

zunächst zum Vorteil gereiche, auch an erster Stelle herangezogen werden, daß dadurch die Beitragslast der entfernter Beteiligten sich wesentlich ver­

mindern würde, daß gesetzliche Hindernisse einer Abgabe von der Oderschiffahrt nicht entgegen stehen und dieselbe um so

weniger bedenklich sei, als sie nur eine vorübergehende sein würde."

Dieser Beschluß wurde nebst Begründung am 18. Oktober 1864 dem Könige überreicht mit der Bitte, nunmehr das weiter Erforderliche wegen der längst ersehnten Oderregulierung anzuordnen.

* Hier zeigt sich wiederum die Unsicherheit der Terminologie in dem unter­ schiedslosen Gebrauch der Worte „Flußzoll" und Schiffahrtsabgabe". 13*

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196

III.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Die Erledigung der Angelegenheit, die mit ihrem Für und Wider sehr

ausführlich erörtert war, so daß Neues kaum noch vorgebracht werden konnte,

Schließlich wurde jene Petition beantwortet

zog sich einige Jahre lang hin.

durch den Allerhöchsten Landtagsabschied vom 11. März 1868, in welchem es heißt:

„Die Bedingungen, unter denen Unsere getreuen Stände in der Petition vom

18. Oktober 1864 einen Beitrag von 500 000 Rtl.

aus Mitteln

der Provinz für die Oderregulierung zur Verfügung gestellt haben, sind

für annehmbar nicht zu erachten.

Denn wenn diese Bedingungen eine

Vollendung der Regulierung binnen längstens 10 Jahren nach einem ein­ heitlichen Prinzip und unter Begründung einer Zentralstelle für diesen Zweck, die Übernahme der nach Abzug der Provinzialbeiträge noch er­

forderlichen Kosten auf die Staatskasse und die Erhebung einer Abgabe

von

der

sowie

Oderschiffahrt,

zwischen

dem

Staat

und

eine

des

Teilung

den beteiligten

Ertrages

nach

Provinzen

derselben

Verhältnis

ihrer Beiträge behufs Amortisation der letzteren mit 1 Prozent jährlich in

Aussicht

nehmen,

so

dabei

ist

daß

übersehen,

die

Einführung

einer Schiffahrtsabgabe auf der Oder, wie Wir dies bereits in dem Ab­

schied vom 15. November 1862 ausgesprochen haben, mit den allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen, welche überall auf Befreiung der Schiffahrt von

solchen Abgaben gerichtet sind, nicht vereinbar ist."

Hier ist wiederum, wie in allen Kundgebungen der Staatsregierung

seit dem Frühjahr 1861, lediglich die Zweckmäßigkeitsfrage, nicht der Rechts­ standpunkt als entscheidend für die Stellungnahme der Krone bezeichnet. Der Umstand,

daß seit dem Sommer 1867 der Art.

Bundesverfassung in Kraft war,

54 der Norddeutschen

hat zu einer veränderten Beurteilung der

Rechtslage nicht geführt, wie aus der Bezugnahme auf den Landtagsabschied vom 15. November 1862 deutlich erhellt.

der Meinung

gewesen wäre,

Wenn die preußische Regierung

daß die bisherige — von ihr ungern an­

erkannte — Zulässigkeit von Schiffahrtsabgaben auf der regulierten Oder

durch

die Bundesverfassung beseitigt

worden

sei, so

hätte

sie

sicherlich

dieses Ablehnungsgrundes dem Provinziallandtage gegenüber vorzugsweise sich bedient,

wie sie es früher — bis zum Ablauf des Vertrages vom

4. April 1853 — getan hatte.

Die Erklärungen, Erlasse und Berichte in dieser Sache sind, soweit sie

aus dem Handelsministerium kommen, fast ausnahmslos von Delbrück selbst unterzeichnet.

Der

Entwurf

des

Allerhöchsten

Landtagsabschiedes

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vom

Z 3.

Die Praxis bei den Wasserstraßen im Reiche.

197

11. März 1868 ist im Handelsministerium Ende August 1867 aufgestellt,

also nur wenige Wochen nach dem Erscheinen der Bundesverfassung Im Herbst 1867 wurde dann noch eine „Denkschrift, Plan

betreffend den

zur Fortsetzung und Vollendung der Oderregulierung",

entworfen,

welche wiederum die Abgabenerhebung nur „als mit den allgemeinen Ver­ waltungsgrundsätzen, welche überall auf die Befreiung der Flußschiffahrt

von solchen Abgaben gerichtet sind, unvereinbar"

bezeichnet.

Diese vom

15. November 1867 datierte Denkschrift wurde am 15. Januar 1868 den beiden Häusern des preußischen Landtages übersandt. Es ist kaum denkbar, daß auch bei dieser Gelegenheit die Änderung der Rechtslage, wenn sie ein­ getreten wäre, lediglich übersehen sein sollte. *

-i-

ri-

Diese Darstellung der preußischen Verwaltungspraxis aus der Zeit vor der Reichsgründung dürfte genügen,

um die Tatsache außer Zweifel zu

stellen, daß die Erhebung von Fahrwassergeldern

auf regulierten Flüssen

und sonstigen Wasserstraßen im Rahmen der Selbstkostendeckung — also auf der Grundlage des Gebührenprinzips — damals für zulässig gehalten wurde.

War sie es damals, so ist sie es auch heute noch; denn der Rechtszustand

hat sich nur hinsichtlich der Flußzölle mit steuerlichem Charakter, nicht aber hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben, seitdem geändert.

8 3.

Die Praxis bei den Wasserstraßen im Reiche. Die gesetzgebenden Körperschaften des Norddeutschen Bundes und des

Deutschen Reiches haben seit 1867

viermal Veranlassung gehabt, zu der

Auslegung des Art. 54 durch Beschlüsse — im Gegensatz zu bloßen Er­ örterungen ohne Abstimmung — Stellung zu nehmen.

1. Im Jahre 1868 halten Holzhändler aus Kaulsdorf und Gimte die Be­

lastung der Flößerei auf der oberen Saale und Werra durch Abgaben beschwerde­ führend zur Sprache gebracht. Über diese Angelegenheit wurden von den Bundes­ ratsausschüssen für Zoll- und Steuerwesen und für Justizwesen zwei Berichte

erstattet.

Der erste vom 29. Juni 1869

beantragt die Ernennung eines

Bundeskommissars, welcher die Verhältnisse in

Gemeinschaft mit Bevoll­

mächtigten der beteiligten Regierungen untersuchen und vor allem feststellen

* Die Länge der Zwischenzeit erklärt sich aus den Perioden des Zusammen­ tritts der Provinziallandtage.

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198

HI-

Gegenstand der Abgabenerhebung.

sollte, inwieweit der bestehende Zustand dem Art. 54 und dem Zollvereins­ vertrage entspräche.

Der zweite vom 13. April 1870 erörtert das Ergebnis dieser Unter­

suchungen; er ist dem Entwurf des Bundesgesetzes vom 1. Juni 1870 über die Flößereiabgaben als Begründung beigegeben.

In beiden Berichten mußte die Frage des geltenden Verfassungsrechtes beantwortet werden, weil es sich bei der Werra um Flößereiabgaben handelte,

die auf der schiffbaren Flußstrecke erhoben wurden, also unzweifelhaft unter

die durch Art. 4 Nr. 9 der Verfassung begründete Zuständigkeit des Bundes fielen,

während

bei der Saale diese Zuständigkeit zweifelhaft war.

Es

handelte sich zwar um Flößereiabgaben auf der nicht schiffbaren Strecke, aber es war die Meinung vertreten, die Zuständigkeit des Bundes nach Art. 4 Nr. 9 sei für die ganze Saale begründet und Art. 54 für den ganzen Lauf dieses

Flusses

deshalb

anwendbar,

weil er auf seiner unteren Strecke zu den

„Wasserstraßen" gehöre. Endlich waren auch Zweifel darüber vorhanden, ob die Bestimmungen

in Art. 23

des

Zollvereinsvertrages noch neben Art. 54 der Verfassung

Geltung hätten. Die Wasserzölle werden

in den Ausschußberichten historisch begründet

und aus dem mittelalterlichen Begriff der Regalität hergeleitet, wobei stets

der Unterschied zwischen „eigentlichen" Zöllen und gebührenmäßigen Schiff­

fahrtsabgaben festgehalten wird. „Eigentliche Flußzölle sind Ausfluß eines Hoheitsrechtes, und solches

wurde nur an größeren öffentlichen Strömen Zabilla et ex yuidus üunt navi§adilia.

behauptet; üumina navi-

Abgesehen von der Frage über

die Richtigkeit der Regalitätstheorien ist so viel gewiß, daß auf den als öffentliche betrachteten Flüssen die Staaten Abgaben erhoben, teils für die Gestattung der Benutzung durch Schiffahrt überhaupt, teils für Ge­

stattung einer den gemeinen Gebrauch einschränkenden Benutzung, teils als Geleitsgeld für gewährten Schutz.

Hin und wieder mögen derartige Ab­

gaben ihren ursprünglichen Charakter dadurch eingebüßt haben, daß man

sie

Stromes

als

und

Ersatz

für

die

Kosten

der

Unterhaltung

die Hinwegräumung von Hindernissen

des

ansah,

ähnlich wie bei den Landstraßen."

Der letzte Satz bezieht sich auf die gebührenmäßigen Fahrwassergelder; er läßt deutlich erkennen,

daß man sich des grundsätzlichen Unterschiedes

Gemeint ist der Gegensatz zu den nur flößbaren Wasserstraßen.

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8 3.

zwischen solchen

199

Die Praxis bei den Wasserstraßen im Reiche.

Abgaben

und

vollkommen be­

„eigentlichen Flußzöllen"

wußt war.

Es heißt dann S. 23 des Berichts vom 13. April 1870:

„Für unrechtmäßig können die in Frage stehenden (auf der Werra und Saale erhobenen) Abgaben also auf keine Weise gehalten werden, wohl

aber stehen sie mit dem ganzen

Entwicklungsgänge und mit den An­

forderungen, die der Verkehr macht, nicht im Einklänge.

Flußabgaben

ohne Gegenleistung sind immer mit Widerwillen betrachtet, weil sie für die Benutzung einer von der Natur gegebenen Sache gefordert sind. — In den Vorschriften der Reichsgesetze und Wahlkapitulationen

über die Zölle, der Wiener Kongreßakte über die konventionellen Flüsse,

der

Zollvereinsverträge,

der

späteren

Verfassungs­

entwürfe und endlich der Norddeutschen Bundesverfassung ist deutlich

die Tendenz zu erkennen, die Erhöhung und Vervielfältigung der Wasser­

zölle auszuschließen, sie nach und nach einzuschränken und endlich sie da ganz abzuschaffen, wo sie ohne Entgelt genommen werdend Die Idee ist dabei keine andere, als daß die von Natur gegebenen

öffentlichen Wasserstraßen dem gemeinen Gebrauch ohne Beschränkung und

Belastung überlassen werden sollen."

Ferner wird auf S. 25 a. a. O. bemerkt:

„Es ist hier noch des Umstandes zu erwähnen, daß die Flußabgaben oft als Äquivalente für die Erhaltung der Flüsse dargestellt

werden usw. Jedenfalls

ist nun durch Art. 54 der Verfassung soviel bestimmt,

daß Wasserabgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten entrichtet werden sollen.

Die bloße Unterhaltung der Strombahn? ist

aber keine besondere Anstalt.

Wo man daher die Erhebung von

Wasserzöllen auf den konventionellen Flüssen

eingestellt hat, ist dieses

ohne alle Rücksicht auf die Unterhaltungslast geschehen.

In

der Tat ist auch das Verhältnis ein anderes als bei den Landstraßen.

Die künstliche Landstraße ist mit baulichem Aufwande angelegt, wird durch den Gebrauch

der

abgenutzt und eben das Befahren führt die Notwendigkeit

Reparaturen

herbei.

Die

natürliche Wasserstraße,

der

Lauf

des

* Diese Darstellung ist freilich hinsichtlich der Wiener Akte und der Verfassung von 1849 nicht richtig. Erstere wollte die Wasserzölle als solche keineswegs abschaffen und letztere wollte die Schiffahrtsabgaben für die Binnenschiffahrt auch da abschasfen, wo sie gegen Entgelt gefordert wurden. Vgl. S. 23—25 u. S. 139, 140. 2 Bei Schumacher ist statt „Strombahn" irrtümlich „Strombauten" gedruckt S. 137.

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III.

200

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Wassers wird durch Befahren nicht verschlechtert, und die Notwendigkeit

der Unterhaltung der Strombahn folgt aus natürlichen Ver­ hältnissen, die

mit der Schiffahrt oder Flößerei in keinem

Zusammenhänge stehen."

Aus dem letzten Satze ergibt sich klar, daß der Bericht nur an solche Wasserstraßen denkt, welche sich in natürlichem Zustande befinden, oder nur den ursprünglichen Naturzustand der Wasserstraßen im

Auge hat.

Denn

von künstlich hergestellten Fahrrinnen — von den durch Baggerung hergestellten Seewegen im Frischen und Stettiner Haff z. B. — kann man unmöglich sagen, daß ihre Unterhaltung „aus natürlichen Verhältnissen folge,

keinem Zusammenhänge stehen".

die mit der Schiffahrt in läßt sich

Ebensowenig

eine solche Behauptung aufstellen für die Fahrrinne im Rhein,

welche im Jntereffe der Schiffahrt hergestellt ist und nur durch Unterhaltung

zahlreicher Buhnen, Grundschwellen und Parallelwerke, hin und wieder auch

durch Baggerungen, vor Verflachung und Verengung geschützt werden kann, außerdem aber auch durch Tonnen und gemacht werden muß.

andere Fahrwasserzeichen kenntlich

Unrichtig ist ferner die Annahme, die natürliche

Wasserstraße werde durch Befahren nicht verschlechtert.

Abgesehen von der

Verschlechterung durch Wracks, deren Hineingeraten in das Fahrwasser doch eine Folge der Befahrung ist, und deren Beseitigung der preußische Handels­

mehreren norddeutschen Regierungen gegenüber

minister und Reichskanzler

als „besondere Anstalt zur Erleichterung des Verkehrs" im Jahre 1885 an­ erkannt hat,

erleidet auch die natürliche Wasserstraße durch die Bewegung

der Fahrzeuge, insbesondere großer und schnell fahrender Dampfer, Ver­

schlechterungen.

Die Akten sind angefüllt mit Klagen, welche in der Zeit

des Aufkommens der Dampfschiffahrt über die Uferabbrüche und die Hinein­ spülung

Erdmassen

von

Dampfer erhoben wurden.

in

den

Strom

infolge

des

Wellenschlages

der

Auch in neuester Zeit werden Uferdeckungen aus

diesem Anlaß notwendig.

Im übrigen stellt sich aber der Bundesrat in jenem Bericht klar und deutlich auf den Gebührenstandpunkt; nur „Flußabgaben ohne Äqui­

valente" werden perhorresziert und im übrigen der Anstaltsbegriff als maß­

gebend daß

erklärt,

aber nicht deklariert oder doch nur negativ dahin begrenzt,

„die bloße Unterhaltung

der Strombahn"

nicht dazu gehöre.

Diese

Bemerkung gestattet 6 eontrario den Schluß, daß Verbesserungen der

Strombahn besondere Anstalten seien. mehrerwähnten

Wiedenfeld will allerdings in seinem

Vortrage vor dem Deutschen Landwirtschaftsrat das nicht

zugeben; er glaubt den Ton nicht auf die Worte sondern auf

,Strombahn" legen zu sollen.

„bloße Unterhaltung",

Gegen diese Auffassung spricht

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Z 3.

Die Praxis bei den Wasserstraßen im Reiche.

201

aber nicht nur der Zusammenhang, sondern auch die innere Wahrscheinlich­ keit.

Wäre Wiedenfelds Ansicht zutreffend, so

schaftswort

„bloße"

vor „Strombahn"

hätte richtiger das Eigen­

gestellt werden müssen.

Außerdem

müßte dann vorausgesetzt werden, der Bundesrat hätte den Begriff der be­

sonderen Anstalt nur im Rahmen der

„Unterhaltungstätigkeit" definieren

wollen, während es doch nicht nur viel näher liegt, sondern geradezu ge­

boten ist, bei einer solchen Definition den Unterschied zwischen der Erhaltung des Status HUO und seiner Verbesserung ins Auge zu fassen.

Es gibt An­

stalten, die nach ihrer Herstellung keine oder so gut wie keine Unterhaltung

welchen es mit der bloßen Unterhaltung nicht

erfordern, und andere, bei

getan ist, sondern daneben der Betrieb

eine entscheidende Bedeutung hat.

Daß die Erhebung der Flußzölle „ohne Rücksicht auf die Unterhaltungs­ kosten" der Wasserstraßen eingestellt worden war, ergab sich mit Notwendig­

keit aus dem Mangel einer Beziehung der ersteren zu den letzteren und aus der schon früher dargelegten technischen Unmöglichkeit, die Zölle in Fahr­

wassergelder — gebührenmäßige Schiffahrtsabgaben — zu modernisieren. 2.

In demselben Sinne wird in einem von Delbrück vollzogenen Be­

richte der vereinigten Bundesratsausschüsse für Handel und

Verkehr und

für Justizwesen vom 18. März 1870 über die Aufhebung des Elbzolles fest­ gestellt, „daß die Zölle auf den deutschen Strömen nicht als Ersatz für die Unterhaltungskosten erhoben werden

und erhoben worden sind."

Die Be­

gründung zu dem Entwürfe des Bundesgesetzes über die Aufhebung der

Elbzölle vom 11. Juni 1870

sagt ausdrücklich:

„Es hatten weder diese Zölle (die früheren von den einzelnen Ufer­

staaten besonders erhobenen Elbzölle,

im Gegensatz zu der damals für

gemeinschaftliche Rechnung und nur noch

an

einem Orte eingeforderten

Abgabe), noch hat folgerecht die jetzt (in Wittenberge) zur Erhebung

kommende Abgabe brauch

die Natur einer Abentrichtung für den Ge­

besonderer, zur Erleichterung des Verkehrs bestimmter An­

stalten, sondern es wird die Abgabe als einfacher Passagezoll erhoben.

Sonach

aber wird der fragliche Zoll durch das Verbot in der

Bundesverfassung direkt betroffen."

Man war im Bundesrat nach einigem Schwanken zum Entschluß dar­

über gekommen 2, daß Flußzölle trotz der Bestimmung in Art. 23 des später publizierten

und in Kraft getretenen Zollvereinsvertrags verfassungsmäßig

unzulässig seien.

Indem man die Zulässigkeit des Elbzolls verneinte, nahm

man keineswegs Stellung zn der Frage, ob

besondere Anstalten zur Er-

i B.G.Bl. S. 416, Drucksachen des Reichstages Nr. 136. 2 Vgl. S. 137 Anm. 2.

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III.

202

Gegenstand der Abgabenerhebung.

leichterung des Verkehrs im Sinne des Art. 54 seien.

auf der Elbe vorhanden

Man ließ diese Frage im Gegenteil offen und begnügte sich mit der

Feststellung, daß der Elbzoll keinesfalls eine Gegenleistung für die Benutzung

solcher Anstalten darstelle. Das Fehlen jeder rechtlichen und wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Elbzoll und der Unterhaltung oder Verbesserung des Stromes oder mit

anderen Worten der rein fiskalische Charakter jener Abgabe zeigte sich auch in der Behandlung der Frage, ob, inwieweit und in welcher Weise den am

Elbzoll beteiligten Uferstaaten eine Entschädigung für stehenden Einnahmeverlust zu

gewähren sei.

den

ihnen

bevor­

Die Zubilligung solcher Ent­

schädigungen wurde vom Bundesrat nur mit der allgemeinen Finanzlage jener Staaten begründet.

Bei der Bemessung der Abfindungssumme wurde

der volle Ertrag des Elbzolles zu Grunde gelegt; es wurden nur die Er­ hebungskosten

gekürzt, nicht aber die Aufwendungen für die Unterhaltung

der Wasserstraße, obwohl sie bei der Berechnung abgezogen werden mußten,

wenn man in den Zöllen zugleich eine Gegenleistung für die Strombaulast

und in der letzteren eine aus allgemeinen Mitteln zu erfüllende Obliegenheit der Uferstaaten erblickt hätte.

Endlich wurde die Entschädigungspflicht nicht

von der Elbschiffahrt oder von den die Elbschiffahrtsinteressen vertretenden

Bundesstaaten, sondern vom Bunde übernommen.

Jedes Eingehen auf die Frage, ob

nach Aufhebung der Elbzölle ein

Fahrwassergeld auf der Elbe im Nahmen der gebührenmäßigen Selbstkosten­ deckung erhoben werden könnte, oder mit anderen Worten, ob die im Strom­ bett der Elbe vorgenommenen Verbesserungen besondere Anstalten im Sinne des Art. 54 der Verfassung seien ^, hatte der Bundesrat vermieden.

Anders

der Reichstag, der trotz seiner Eigenschaft als Volksvertretung damals weniger

antifiskalisch und der Anwendung des Gebührenprinzips auf Wasserstraßen günstiger war als die Regierung. Am 14. April 1869

hatte die Petitionskommission über Bittschriften

wegen Beseitigung des Elbzolles berichtet: „Der Elbzoll habe durch den Art. 54 insoweit seine rechtliche Gültig­

keit verloren,

als er die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung

der zur Erleichterung des Verkehrs bestimmten

Anstalten erforderlichen

Kosten übersteige". In der Sitzung des Reichstages vom 28. April 1869 erläuterte der

Abgeordnete Freiherr Nordeck zur Rabenau die Stellungnahme der Kommission

durch folgende Ausführungen: * Man könnte die Frage auch auf den Übergang von der natürlichen zur künstlichen Wasserstraße stellen.

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203

Die Praxis bei den Wasserstraßen im Reiche.

H 3.

„Wie Herr Graf Schwerin vorhin schon erwähnt hat, lautete der Antrag der Referententen ursprünglich dahin,

die Petition dem Bundeskanzler

mit der Aufforderung zu überweisen, die Aufhebung der Elbzölle unver­

weilt herbeizuführen. Erst

auf

meinen

im

Laufe

Antrag

der

die

Diskussion

Worte:

auf

der

Petitionskommission

des

Grund

Art. 54

sind

der

Bundesverfassung: in den Antrag der Petitionskommission hinein­ gekommen.

Der Art. 54 handelt aber in dem Teile, der uns hier in­

teressiert, im wesentlichen davon, daß auf den natürlichen Wasserstraßen

Abgaben für die Benutzung resp. Unterhaltung besonderer Anstalten und

Anlagen, die zur Erleichterung resp. Unterhaltung des Verkehrs dienen,

bestehen bleiben; jedoch dürfen sie die zur Unterhaltung und gewöhn­ lichen Herstellung der Anstalten und Anlagen nicht übersteigen.

sein.

erforderlichen Selbstkosten

Also von reiner Aufhebung kann nicht die Rede

Der Art. 54 präzisiert genau, unter welchen Verhältnissen gewisse

Abgaben bestehen bleiben sollen.

Die Petitionskommission hat

natürlich gewollt, daß dieser Artikel der Verfassung auch hier die ihm

gebührende Berücksichtigung fände;

daß sie das aber wollte,

es wollen

mußte, hat sie einfach dadurch bekundet, daß sie dem ursprünglichen An­ träge der Referenten die ausdrückliche Bezugnahme auf Art. 54 der Ver­

fassung hinzufügte" Die Ausführungen

des Abgeordneten

von keiner Seite, namentlich

Nordeck

zur Rabenau

wurden

auch nicht von dem anwesenden Vertreter der

verbündeten Regierungen, beanstandet.

Indem der Reichstag den so erläuterten Antrag der Kommission nach

längerer Erörterung annahm, stellte er sich in unzweideutiger und bestimmter Weise auf den ihm zu Grunde liegenden Rechtsstandpunkt, welcher darauf

hinauslief, daß Befahrungsabgaben auf der Elbe im Nahmen des Gebühren­

prinzips

zulässig

seien.

Er

wollte

ebensowenig

wie

die

deutschen

Re­

gierungen einschließlich der preußischen im Jahre 1848 die Strombaukosten

den Steuerzahlern in den Uferstaaten zur Last legen; man wünschte viel­ mehr eine Elbschiffahrtsabgabe an Stelle des Zolles und fand in der ersteren

ebensowenig ein wirtschaftliches oder rechtliches Bedenken, wie die schlesischen Provinzialstände und der preußische Landtag ein solches kurz vorher in der Einführung einer Oderschiffahrtsabgabe gefunden hatten.

Es wurde ferner

in jenem Berichte die Tatsache des Vorhandenseins besonderer Anstalten im

Sinne des Art. 54 für die natürliche Wasserstraße der Elbe anerkannt.

Elbe war damals

Die

bis zu einem gewissen Grade schon reguliert und in der

I Stenogr. Berichte S. 660.

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III.

204

Regulierung begriffen.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Also hat die Kommission und der Reichstag selber

sich

bei jenem Anlasse dahin ausgesprochen, daß Regulierungsbauten oder

die

durch

solche Bauten

geschaffenen

Fahrrinnen

besondere Anstalten im

Sinne der Bundesverfassung seien. Auch

in

der Literatur

wurde

damals

diese Ansicht

vertreten.

In

Hirths Annalen 1869 war ein Aufsatz über die Frage der Elbzölle erschienen, in welchem es heißt (S. 430):

„Der ganze Art. 54 alin. 4 der Bundesverfassung ist so deutlich und

präzis gefaßt, daß es keinem Zweifel unterliegen kann, daß die Elbzölle, insoweit sie die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Her­

stellung der zur Erleichterung des Verkehrs dienenden An­ stalten übersteigen, mit dem Augenblick der Einführung der Bundes­

verfassung ihre rechtliche Grundlage verloren haben". Dieselben Anschauungen kamen wiederum im Reichstage zur Geltung,

als ihm im Jahre 1870 von den verbündeten Regierungen der Gesetzentwurf

über die Aufhebung des Elbzolls vorgelegt wurde.

Bei der Beratung hier­

über am 19. Mai 1870 vertrat der Abgeordnete Koppe den Standpunkt, daß der Elbzoll teilweise allerdings reiner Finanzzoll, teilweise aber auch ein Äquivalent für die Kosten der Unterhaltung des Fahrwassers

sei.

Gerechtfertigt sei aber nur die Aufhebung des ersteren Bestandteiles der

Abgabe; ihre völlige Beseitigung würde eine staatliche Subvention der Elb-

schiffahrt zu Lasten der Steuerzahler bedeuten.

In demselben Sinne erklärte

der Abgeordnete von Benda, daß die Frage, ob man für die Unterhaltung des Fahrwassers müsse, und

eine mäßige Abgabe erheben dürfe, noch geprüft werden

der Abgeordnete von Bülow stellte schließlich den Antrag, an

Stelle des die Abfindung einiger Elbuferstaaten betreffenden Z 2 die Be­ stimmung : „Vom 1. Juli 1875 an darf nur eine die Kosten der Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten und Anlagen für die Elbstrom-

schiffahrt nicht übersteigende Schiffahrtsabgabe erhoben werden"

zu setzen.

Diesem Anträge



dessen Fassung

von

neuem die Subsumierung

der Elbstrombauten unter den Anstaltsbegriff erkennen läßt und insofern die Bedeutung eines weiteren Sprachgebrauchszeugnisses hat — widersprach namens des Bundesrats der Staatsminister Delbrück, indem er ausführte „Die Bundesverfassung spricht in

Art. 54 ausdrücklich

Schiffahrtsabgaben, wie sie hier ins Auge werden

sollen;

sie

beschränkt

die

aus, daß

gefaßt sind, nicht erhoben

Zulässigkeit

von

Abgaben

für

* Stenograph. Berichte S. 1031.

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die

8 3.

Die Praxis bei den Wasserstraßen im Reiche.

205

Schiffahrt auf solche, welche für die Benutzung bestimmter Anstalten erhoben werden, welche ein Äquivalent für die Benutzung solcher An­ stalten sind, und sie läßt es nicht zu, Abgaben zu erheben,

welche

lediglich

haben,

Zweck

den

gewöhnliche Unterhaltung

die

Kosten

für

die

der Fahrbarkeit der Ströme

aufzubringen." Der Minister unterstellte also, daß in dem Anträge nur solche Anstalten

gemeint gewesen seien, die im Rahmen der „gewöhnlichen Unterhaltung" der Fahrbarkeit der Elbe

lägen; und der Abgeordnete von Bülow scheint

in der Tat eine solche Meinung gehegt zu haben, da er seinen Antrag an­

gesichts der Delbrückschen Erklärung zurückzog. Die letztere trägt zur Klärung der Rechtslage leider wenig bei.

Nach­

dem die Petitionskommission des Reichstages und der Reichstag selbst im Jahre 1869

bekundet hatten,

daß sie die Elbstrombauten als besondere

Anstalten im Sinne des Art. 54 ansahen, und nachdem diese Auffassung in

der Reichstagsverhandlung

vom

1870

19. Mai

wiederum

von

ver­

schiedenen Seilen vertreten worden war, hätte der Vertreter der verbündeten Regierungen wohl Veranlassung gehabt,

sich deutlich darüber auszusprechen,

weshalb jenen Bauten gleichwohl die Anstaltseigenschaft abzusprechen sei,

und unter welchen Voraussetzungen Wasserbauten an schiffbaren Flüssen zu den abgabefähigen Anstalten gerechnet werden könnten.

Zu diesem Zweck

hätte der Begriff des „besonderen" im Sinne des Art. 54 erläutert werden müssen;

Delbrück

„bestimmten"

aber

spricht

Anstalten.

Er

nicht

von

beschränkt sich

„besonderen",

auf

sondern

von

eine negative Begriffs­

erläuterung, indem er ausspricht, daß Unterhaltungskosten nicht durch Schifffahrtsabgaben eingebracht werden dürften.

Aber auch diese Erklärung wird

durch die Wahl der Ausdrücke „lediglich" (den Zweck haben) und „gewöhn­

liche"

(Unterhaltung)

stark

eingeschränkt

und

Wäre Delbrück der Meinung gewesen, daß

auch

geflissentlich

abgeschwächt.

für Verbesserungen

der Fahrbarkeit des Elbstroms durch Regulierungsbauten, wie wirksam und wie kostspielig sie immer sein mögen, niemals eine Schiffahrtsabgabe erhoben

werden dürfe, weil solche Bauten ihrem Wesen nach unter den Begriff der „besonderen Anstalt"

niemals subsumiert werden könnten, so hätte er sich

viel kürzer und verständlicher etwa dahin ausdrücken können: Fahrwasser­

gelder sind verfassungswidrig, nur Schleusengelder sind zulässig, weil nur

Stauanlagen besondere Anstalten sind.

sierung können

aus

Schiffahrtsabgaben

Stromverbesserungen durch Kanali­ finanziert werden,

und

Strom­

verbesserungen durch Regulierungswerke, wie sie damals an der Elbe schon

erbaut waren, müssen künftig zu Lasten der Steuerzahler gehen.

Durch

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

206

eine solche Erklärung hätte sich Delbrück allerdings mit der Praxis unter der Herrschaft der Zollvereinsverträge, deren Rechtszustand nach seiner eigenen

Erklärung unverändert geblieben war,

in Widerspruch gesetzt.

Er selbst

hatte noch im Jahre 1862 in einem Jmmediatbericht die gebaggerten Fahr­ rinnen in den Odermündungen als abgabesähige Anstalten behandelt.

Da Delbrück bei Abgabe der Erklärung vom 19. Mai 1870 zweifellos wußte, daß Fahrwasserverbesserungen vorhanden waren, so kann aus

dem Umstande, daß er ihr Vorhandensein ignorierte und sich nur über die

Kostendeckung für Unterhaltungsarbeiten äußerte, kaum eine andere Schlußfolgerung gezogen werden als die, daß er eine Stellungnahme zu der durch den Gung der Verhandlungen der Regierung nahegelegen Frage: ob Fahrwasserverbesserungen durch Regulierungsbauten im Wege der Ab­ gabenerhebung finanziert werden könnten: vermeiden wollte. Zum Verständnis jener Delbrückschen Erklärung muß man den Geist

der damaligen Zeit und ihre wirtschaftliche Grundrichtung mit berücksichtigen.

Die Regierungen — vor allem die preußische, aus welcher Delbrück hervor­

hatten eine tiefgehende grundsätzliche Abneigung gegen

gegangen war — Schiffahrtsabgaben.

Man suchte ihre Einführung auch bei solchen Anlässen,

wo die' gesetzliche und vertragsmäßige Befugnis vorlag, möglichst zu ver­

Vielleicht hat diese wirtschaftliche Tendenz auch die Fassung jener

meiden.

Delbrückschen Erklärung etwas beeinflußt.

Die Umwandlung des Elbzolles in eine Schiffahrtsabgabe wäre aller­ dings,

wie

die

Verhältnisse

einmal

lagen,

durch

bloße

Reduktion

der

Einheitssätze unmöglich gewesen; schon deshalb, weil der Zoll nur an einer

Stelle,

in Wittenberge,

Verkehr

vom

werden

konnte.

Süden

Zu

erhoben wurde, so daß insbesondere der ganze

nach

Berlin

und

Magdeburg

dort

nicht

erfaßt

einer gebührenmäßigen Schiffahrtsabgabe hätte eine

annähernd gleichmäßige Belastung des Gesamtverkehrs gehört, und diese war im Rahmen der bestehenden Tarife und Verwaltungseinrichtungen nicht zu erreichen.

Beides hätte völlig neu geschaffen werden müssen.

Daß man aber eine gebührenmäßige Schiffahrtsabgabe in Gestalt eines Fahrwassergeldes

für

zulässig

und

für

vereinbar mit dem Art. 54 der

Reichsverfassung ansah, zeigte sich in dem Fortbestehen einer solchen Gebühr

auf der Unterelbe. Trotz der Beseitigung des Elbzolles durch das Bundes­ gesetz vom 11. Juni 1870 und trotz des mit Österreich geschlossenen Elbzollvertrages vom 22. Juni 1870 erhob man das hamburgische sogenannte Lotsgeld für die 114 Km lange Strecke unterhalb Hamburg weiter.

Die

Beibehaltung dieser Abgabe stieß nirgends auf Widerspruch, obwohl sie —

wenn auch

aus anderen Gesichtspunkten — im Reichstage wiederholt aus­

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Die Praxis bei den Wasserstraßen im Reiche.

Z 3.

Arbeit

gebracht wurde,

zur Sprache

drücklich

näher

dargelegt

wie

ist.

worden

S.

aus

auch

Aber

207

dieser

163—166

von

abgesehen

den

vertretenen politischen Kreisen war die breite Schicht der

im Reichstage

und Handeltreibenden selbstverständlich über den Inhalt des

Schiffahrts-

Elbzollvertrages ebenso

wie über das Fortbestehen der hamburgischen Elb-

schiffahrtabgabe unterrichtet.

Einige Jahre nach der Beseitigung der Elbzölle kamen die gesetz­

3.

gebenden Körperschaften des Reiches wiederum in die Lage, zu der Aus­ legung

des Art.

der Verfassung Stellung nehmen zu müssen.

54

Die

Veranlassung hierzu ergab sich aus den eigentümlichen Verhältnissen, welche

hinsichtlich

der

und

Bremen

Unterhaltung

Meere

dem

des

Fahrwassers

bestanden.

Mittelalter allein Bremen ob,

Diese

Unterweser

der

Unterhaltung

lag

zwischen

seit

dem

ebenso wie die Unterhaltung der Unterelbe

lediglich Sache Hamburgs und die der Trave Aufgabe Lübecks war. Die Weserschiffahrtsakte vom 10./22. November 1823* hatte außer

„Weserzoll", der nur für das Gebiet der Binnenschiffahrt oberhalb

dem

Bremen

erhoben

werden

durste,

jede

andere Befahrungsabgabe für den

ganzen Lauf der Weser bis zum Meere untersagt und in

bestimmt:

ausdrücklich

findet

weder

Zoll

Schiffahrtsgebühren,

in

den

§ 15 Abs. 2

„Von Bremen bis ins offene Meer und umgekehrt

noch

sonstige

„Hafen-,

Handelsplätzen"

Abgabenerhebung

Kran-, waren

Wage-

in

Z

23

statt".

und

Nur

örtliche

Niederlagegebühren

neben dem

seit 1856

suspendierten und später durch die Bundesverfassung auch äe jure beseitigten Weserzoll zugelassen.

Der bremische Staat konnte aber die sür die Unter­

haltung des Fahrwassers erforderlichen bedeutenden Aufwendungen nicht aus

allgemeinen Mitteln bestreiten und führte deshalb gleichwohl — die Ver­ hältnisse waren eben stärker als das geschriebene Vertragsrecht — im Jahre 1826 eine Schiffahrtsabgabe ein, von welcher er späterhin die hannoverschen,

oldenburgischen und preußischen Schiffe frei lassen mußte.

Die Einführung

der Bundesverfassung, welche die gleichmäßige Behandlung aller deutschen

Schiffe hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben vorschrieb, machte diesen Zustand unhaltbar.

Die Seeschiffahrtsabgabe wurde tatsächlich nach 1867 nur noch

von den nach bremischen Weserhäfen gehenden bremischen und nichtdeutschen Schiffen gezahlt;

aber der Ertrag war dementsprechend geringer und die

Unzufriedenheit in Bremen über die Benachteiligung der bremischen gegen­

über der sonstigen deutschen Reederei groß.

r Preuß. Ges.S. 1824 S. 25.

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III.

208

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Als im Jahre 1868 von preußischer Seite die Auslegung eines Feuer­

schiffes am Kreuzungspunkle der Seewasserstraßen nach der Jade und der Wesermündung

als

wünschenswert

erklärt worden war,

benutzte Bremen

diesen Anlaß, um ein gemeinsames Vorgehen der drei Uferstaaten Preußen,

Oldenburg und Bremen, bei der Unterhaltung der Seezeichen auf der Unter­ weser und dem angrenzenden Gebiet der Nordsee anzuregen, und zwar in dem Sinne, daß Bremen nach wie vor die Unterhaltung allein übernehmen

sollte,

während die Kosten durch eine Abgabe aufzubringen wären,

welche

von allen Schiffen ohne Unterschied des Heimatshafens und des Bestimmungs­ ortes — also auch

von

den

nach

nichtbremischen Weserhäfen gehenden

Fahrzeugen — zu erheben sei.

Preußischerseits wurde im Lause der Verhandlungen die grundsätzliche Berechtigung dieses Vorschlages anerkannt.

Die Minister des Handels und

der Finanzen erklärten dem Auswärtigen Amt am 30. April 1872, daß „prinzipielle Bedenken der Erhebung einer Vergütung von dem schiffahrt-

treibenden Publikum für die Unterhaltung pp. der Seezeichen nicht ent­ Bekanntlich werden auch außer auf der Weser zurzeit auf

gegenstehen.

der Ems Abgaben für Schiffahrtszeichen erhoben, und das altpreußische

Hafengeld

ist

anstalten,

sondern

als Entgelt nicht auch für

die

allein

für die Benutzung der Hafen­

Lolshilfe und

die

Schiffahrtszeichen

aufzufassen."

Zu den Schiffahrtszeichen, welche für die Ansegelung der Wesermündung

— für die Auffindung des richtigen Fahrwassers — notwendig waren, ge­

hörten auch der Kirchturm und der Leuchtturm auf der oldenburgischen Insel Wangeroog, die ebenso wie die ganze Insel durch den Angriff der Nordsee mit Zerstörung

bedroht waren.

Um diese Schiffahrtszeichen zu erhalten,

mußte der Strand von Wangeroog mit sehr kostspieligen Uferbaulen geschützt

werden.

Nun hatte an dem Schutze der Insel und jener Türme gleichzeitig

die Reichsmarine ein Interesse.

Die Türme waren und sind für die Schiffe

der Marine ebenso wie für die Kauffahrteischiffe als die einzigen weit sicht­

baren Seezeichen Bedeutung.

vor der Weser- und Jademündung von

hervorragender

Die Erhaltung der Insel war aber ferner auch für den Reichs­

kriegshafen an der Jade insofern wichtig,

als die Zerstörung der ersteren

das Fahrwasser nach dem letzteren wahrscheinlich verschlechtert haben würde.

Mit Rücksicht hierauf beteiligte sich das Reich an den Verhandlungen über

die Seezeichen an der Wesermündung und schloß im Jahre 1875 Weseruferstaaten Preußen,

mit den

Oldenburg und Bremen ein Abkommen, wonach

das Reich die Strandbefestigungen auf Wangeroog Herstellen und sie nebst den Leuchtfeuern unterhalten sollte,

während die Weseruferstaaten sich ver­

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8 3.

Die Praxis bei den Wasserstraßen im Reiche.

209

pflichteten, für den Bau der Strandbefestigungen einmalig etwas mehr als

eine halbe Million Mark aufzubringen und einen laufenden Zuschuß zu den Unterhaltungskosten dieser Befestigungen zu leisten.

drei Uferstaaten einen Vertrag, Vegesack bis zum Meere,

Gleichzeitig schlossen die

wonach die Kosten aller

Seezeichen von

einschließlich eines

und vor der Wesermündung,

Teiles der von ihnen übernommenen jährlichen Zuschüsse

zur Unterhaltung

der Strandbefestigungen auf Wangeroog, durch eine als „Feuer- und Baken­

geld" bezeichnete Schiffahrtsabgabe vom Raumgehalt der in die Wesermündung einlaufenden Fahrzeuge aufgebracht werden sollte.

Dieser Vertrag

wurde

als

wesentlicher Bestandteil

der Finanzierung

des Gesamtunternehmens dem Bundesrate am 24. November 1875

vor­

Durch die Genehmigung des vom Reiche mit den Uferstaaten ge­

gelegt

schloffenen Abkommens wurde auch der Vertragsinhalt vom Bundesrat als verfassungsmäßig unbedenklich anerkannt.

Der

demnächst

den

von

gesetz­

gebenden Körperschaften der drei Einzelstaaten angenommene, in der Preußischen Gesetzsammlung 2 unter dem Datum des 6. März 1876 veröffentlichte Vertrag macht in Art. 3 die Übernahme der Baulast hinsichtlich der Anlagen auf

Wangeroog durch das Reich zur ausdrücklichen Voraussetzung seiner Geltung. Es ist also von Reichs wegen bei diesem Anlasse der Standpunkt ein­

genommen worden, daß nicht nur die Seezeichen selbst,

die Tonnen, Baken

und Leuchtfeuer, sondern auch die Strandbefestigungen auf Wangeroog, in­ sofern sie zur Erhaltung des dortigen Kirchturms und Leuchtfeuers beitragen, besondere Anstalten im Sinne der Reichsverfassung sind, deren Herstellungs­

und

Unterhaltungskosten

aus

Schiffahrtsabgaben

gedeckt

werden

können.

Das Beispiel der Strandbefestigungen zeigt mit besonderer Deutlichkeit, daß die von der Verfassung geforderte Bestimmung

oder vielmehr Wirkung der

„Erleichterung des Verkehrs" keine unmittelbare zu sein braucht.

Denn der

Zusammenhang zwischen der Unterhaltung der Strandschutzbauten und dem Verkehrsinteresse derjenigen Schiffe, welche durch Entrichtung des Feuer- und

Bakengeldes zur Unterhaltung dieser Bauten beitragen,

ist so entfernt und

mittelbar wie möglich.

Die Frage der Anwendbarkeit des Begriffs der auf jene Strandschutzbauten Abgabefähigkeit ist damals

behandelt,

örterung

oder

mit

die

Frage

staatsrechtlichen Er­

Einer von den bremischen Vertretern bei den

* Mit Delbrücks Unterschrift. 2 Ges.S. 1877 S. 178. Schriften OXV. - Erster Teil.

ihrer

nicht etwa unerwähnt geblieben oder obenhin

sondern vielmehr zum Gegenstände einer

gemacht worden.

„besonderen Anstalt"

anderen Worten

.

14

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

210

Vertragsverhandlungen, der Handelskammerpräsident Mosle, gab am 8. Mai 1875 ein Separatvotum ab,

zweifelte,

daß

er bestritt oder wenigstens be­

aus Schiffahrtsabgaben mit Art. 54 der Verfassung vereinbar

befestigung

sei.

in welchem

die Deckung von Kosten für die Unterhaltung der Strand­

Die beteiligten Bundesregierungen, einschließlich des bremischen Senats,

und das Reich erachteten jedoch das Bedenken für unbegründet.

Von den Folgerungen und Nutzanwendungen, welche aus diesem Falle hinsichtlich des Begriffs der „Benutzung"

zu ziehen sind, wird

noch

an

anderer Stelle die Rede sein.

4.

die Lage,

Zehn Jahre später kamen Bundesrat und Reichstag wiederum in bei der Finanzierung eines großen Unternehmens zur Förderung

der Schiffahrtsverhältnisse an der Wesermündung mitzuwirken.

Um die Befassung der Reichsgesetzgebung mit der Frage der Schiffahrts­ abgaben auf der Unterweser im Jahre 1886 ganz zu verstehen, muß man sich der Tatsache erinnern, daß die Verbesserung dieser Wasserstraße für die

Seeschiffahrt schon seit dem Jahre 1870 als Bundes- und später als Reichs­

angelegenheit im Sinne des Art. 4 Nr. 9 der Verfassung behandelt worden

ist, weil mehrere Bundesstaaten territorial beteiligt und die etwa erforder­

lichen Maßregeln ohne allseitiges Zusammenwirken oder wenigstens Einver­ nehmen nicht möglich waren.

staaten unter Leitung

genommen;

Im Jahre 1870 hatten Vertreter der Ufer-

eines Bundeskommissars eine örtliche Prüfung vor­

sie waren dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß der Zustand

des Fahrwassers den

besserung bedürfe.

Schiffahrtsinteressen

nicht

entspreche

und der Ver­

Unter den Weseruferstaaten war jedoch eine Verständigung

über das, was in der Sache weiter geschehen

sollte, nicht zu erreichen.

Infolgedessen machte das Reich von seinem Aufsichtsrechte gegenüber den

Einzelstaaten hinsichtlich „des Schiffahrtsbetriebes auf den mehreren Staaten gemeinsamen Wasserstraßen und des Zustandes der letzteren" Gebrauch, und

der Bundesrat

beschloß

am

15. Februar

1874

auf Grund

des Art. 4

Nr. 9 a. a. O.

„daß durch technische Kommissare des Reiches der Zustand des Fahrwassers der Weser von Vegesack abwärts einer eingehenden Untersuchung unter­

zogen und behufs Abstellung der etwa vorgefundenen Mängel ein Korrektions­ plan festgestellt und letzterer dem Bundesrat zur weiteren Beschlußnahme

vorgelegt werde."

Die infolgedessen eingesetzte, aus Vertretern der drei Uferstaaten ge­ bildete Reichskommission hatte nochmals festgestellt, daß das Fahrwasser sich „in einem sehr mangelhaften, stellenweise geradezu verwilderten Zustande

befinde und eine Korrektion erheische", und ferner sich dahin ausgesprochen,

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Die Praxis bei den Wasserstraßen im Reiche.

Z 3.

211

„daß diese Korrektion nur nach einem einheitlichen Plane, welcher auf das gesamte Flußgebiet der Unterweser von Bremen bis zur Mündung sich zu

erstrecken haben werde, erfolgen könne". Es wurden dann durch die Reichskommission umfangreiche technische Vorarbeiten

deren Kostendeckung wiederum ein Eingreifen des

angestellt,

Bundesrats nötig machte, weil die Uferstaaten sich über die Verpflichtung zur Beitragsleistung nicht verständigen

ging

schließlich

Franzius

konnten.

Aus diesen Vorarbeiten

der im wesentlichen von dem bremischen Oberbaudirektor

aufgestellte Bauplan

welcher

hervor,

Kostenbedarf von 30 Millionen Mark abschloß.

mit

einem veranschlagten

Bremen machte sich keine

Hoffnung darauf, von den anderen Uferstaaten Beiträge für die Ausführung

Preußen hatte ihn als über eine „ordnungs­

dieses Planes zu erlangen;

mäßige Instandsetzung des bisherigen tatsächlichen Zustandes" hinausgehend

und darum als einen solchen bezeichnet, zu dessen Ausführung die Einzel­ staaten

auf

Grund

werden könnten. ein

so

des

Art. 4 Nr. 9

der Verfassung

nicht

angehalten

Anderseits war Bremen auch darüber außer Zweifel, daß

großes Unternehmen nicht zu Lasten der bremischen Steuerzahler

ausgeführt, sondern nur durch Schiffahrtsabgaben finanziert werden könne. Nach der bisherigen Entwicklung der Angelegenheit hatte Bremen alle

Veranlassung, sich für die Zukunft auf einen festen und gesicherten Boden zu stellen, und sich namentlich hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben vor jeder

Möglichkeit einer späteren Anfechtung seines Erhebungsrechtes zu schützen. Ohne sichere Gewähr gegen solche Anfechtungen konnte es so große Kapitalien

nicht aufwenden;

diese Gewähr war nach Lage der Dinge nur von der

Reichsgesetzgebung im Wege der authentischen Auslegung des Art. 54 zu erlangen.

Bremen selbst war der Meinung, daß es sich nur um eine Auslegung

handele, da die Erhebung von Schiffahrtsabgaben für eine derartig aus­ gebaute

Wasserstraße — wie

es

in

dem Anträge des

Senats

an

den

Bundesrat vom 29. Mai 1885 heißt — „dem Geiste der Neichsverfassung

durchaus entsprechen"

würde.

Demgemäß

beantragte

auch

Bremen keine

Verfassungsänderung, sondern nur „eine im Wege des Spezialgesetzes zu erlassende Deklaration".

Der gleichen Ansicht war Preußen,

das ja in

demselben Jahre die Entfernung von Wracks und Baumstämmen aus dem Strome

für

abgabefähige

„besondere Anstalten"

erklärt

hatte,

und

der

Bundesrat, welcher in der Begründung zu dem Gesetzentwürfe aussprach: „Auch aus den einschlagenden Bestimmungen der Reichsverfassung (vergl. Art. 54 derselben) werden begründete Einwendungen gegen die Zulassung

einer Abgabenerhebung im vorliegendem Falle nicht herzuleiten sein. — 14.

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III.

212

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Der leitende Gedanke ist augenscheinlich der gewesen, daß für die bloße

Nachhilfe,

welche

erforderlich

ist,

um die natürlichen Wasserläufe in

fahrbarem Zustande zu erhalten, der Verkehr nicht belastet werden sollte,

daß dagegen da, wo durch Anwendung künstlicher Mittel eine Fahrbahn

erst geschaffen wird, die Deckung der alsdann aufgewandten außerordent­ lichen Kosten durch eine Benutzunggebühr innerhalb gewisser Grenzen be­

rechtigt sei." Bei der Beratung des Gesetzes im Reichstage am

12. März 1886

hatte zunächst der Abgeordnete Gebhard die Frage, ob die Abgabenerhebung

auf der Unterweser im Rahmen der Verfassung liege, als zweifelhaft be­ zeichnet; es lasse sich „immerhin die Behauptung hören und begründen, daß hier eine Änderung der Verfassung in Frage sei". Hierauf erwiderte der Staatssekretär des Innern von Bötticher:

„Ich möchte nicht unterlassen, auf die Frage, die der Herr Vorredner

angeregt hat bezüglich der Stellung des Bundesrats zu der Frage, ob

eine Verfassungsänderung im Entwürfe enthalten sei, Auskunft zu geben. Wie ich höre, ist in den Ausschüssen des Bundesrats, welchen diese Vor­

lage vorgelegen hat, ebenfalls die Frage angeregt, ob in der Vorlage nicht eine Änderung gegenüber den Vorschriften des Art. 54 der Ver­

fassung zu finden sein möchte.

Diese Frage ist im Plenum nicht weiter

verfolgt worden, es ist also eine Entscheidung des Bundesrats nach dieser Richtung hin nicht abgegeben worden; indessen ist eine solche Entscheidung

auch um deswillen entbehrlich, weil bei der Abstimmung über den Ent­

wurf nicht eine so große Anzahl von Stimmen im Bundesrat gegen die Vorlage sich erklärt hat, daß dadurch eine Verfassungsänderung gehindert

wäre.

Der Bundesrat hat vielmehr mit einer Majorität, wie sie für

Verfassungsänderungen nach der Verfassung erforderlich ist, die Vorlage angenommen.

Daraus ergibt sich

also, daß nach dieser Richtung hin

die Vorlage formellen Bedenken nicht unterliegt."

Die Kommission, an welche die Sache zunächst verwiesen wurde, er­ stattete am 18. März 1886 mündlichen Bericht, in welchem sie ihre Stellung

zur Verfassungssrage mit den Worten ausdrückte: „Die Kommission erblickt in der Annahme des Gesetzes eine Abweichung von den Bestimmungen unter Art. 54 Abs. 4 Alinea 1 * der Reichsver­

fassung; nach den Erklärungen des Herrn Staatssekretärs von Bötticher

in der Sitzung des Reichstages vom 12. März, wonach gegen den Gesetz­ entwurf im Bundesrate weniger Stimmen sich erklärt haben, als erforder-

Soll heißen Satz 1.

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Die Praxis bei den Wasserstraßen im Reiche.

Z 3.

213

lich sind, um eine Verfassungsänderung zu verhindern, erachtet die Kom­ mission aber die etwa aus dem Art. 54 der Verfassung herzuleitenden Bedenken bei Annahme des Gesetzentwurfs im Reichstage für erledigt."

Bei der dritten Beratung am 19. März 1886 erklärte sich Windthorst

für die Ansicht, daß eine Verfassungsänderung vorliege, während der Ab­

geordnete Barth sich zweifelhaft ausdrückte,

indem er von „Schwierigkeiten,

erwachsen könnten", sprach.

die etwa aus dem Z 54

Die Vorlage wurde

nach dem Vorschläge der Kommission unverändert angenommen;

eine be­

sondere Abstimmung über die Frage der Verfassungsmäßigkeit oder Ver­

fassungsänderung

hat indessen nicht stattgefunden.

Aber selbst wenn man

als feststehend ansehen wollte, daß der Reichstag sich auf den Rechtsstand­ punkt seiner Kommission — der aus die Beschlußfassung selbst nach Lage der tatsächlichen Umstände ohne Einfluß war — gestellt hätte, so wäre doch

immer

keine

noch

übereinstimmende Willensäußerung

Körperschaften vorhanden gewesen.

der

gesetzgebenden

Denn der Bundesrat hatte den Gesetz­

entwurf keineswegs als einen verfassungsändernden aufgefaßt und vorgelegt,

wie nicht nur aus der Begründung,

sondern auch aus der Erklärung des

Staatssekretärs vom 12. März 1886 hervorgeht.

Das so zustande gekommene Reichsgesetz vom 5. April 1886 ermächtigt

die freie Hansastadt Bremen, für den Fall der Korrektion der Weser zwischen

Bremen und Bremerhaven von den „die Wasserstraße benutzenden" Schiffen eine „Abgabe nach Maßgabe der für künstliche Wasserstraßen im Art. 54 Abs. 4 der Reichsverfassung getroffenen Bestimmungen zu erheben."

Hiermit ist durch weser

nicht

anstalt"



etwa

authentische Deklaration festgestellt, daß die Unter­

Zubehör

des

bremischen

Seehafens



„Schiffahrts­

im Sinne des dritten, sondern Wasserstraße im Sinne des

vierten Absatzes des Art. 54 ist, und daß der vierte Absatz nicht etwa nur für Binnenwasserstraßen, sondern auch für Seewasserstraßen gelten soll.

Die Richtigkeit der letzteren Auffassung war schon im Jahre vorher durch die Erklärung des Reichskanzlers und preußischen Handelsministers, daß die Freihaltung der Fahrrinne in der Wesermündung von Wracks und Baumstämmen

zu

den

„besonderen Anstalten"

im

Sinne

des Art.

54

gehöre, anerkannt worden; denn von den besonderen Anstalten ist nur

im vierten, von den Wasserstraßen handelnden Absätze die Rede.

diese periodisch

Ist schon

ausgeübte Freihaltungstätigkeit, die bloße Vorsorge

Verschlechterungen

gegen

der natürlichen Fahrrinne, eine „besondere Anstalt", so

muß diese Eigenschaft den positiven Leistungen für die Verbesserung des

Fahrwassers durch Vertiefung, Verbreiterung, Begradigung und Bezeichnung des Fahrwassers noch weit mehr zuerkannt werden.

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III.

214

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Sind diese Leistungen oder die durch die Bautätigkeit der Staaten

Anlagen aber

geschaffenen

Art. 54 Abs. 2

und

im Sinne des

„besondere Anstalten"

sämtlich

somit zulässige Substrate der Abgabenerhebung,

so

verschwindet für staatliche Wasserbauten — und um solche handelt es sich

hier — jedes rechtliche und praktische Interesse an der Unterscheidung von natürlichen und künstlichen Wasserstraßen; sie wäre nur für nichtstaatliche

Wasserstraßen von Bedeutung.

Jene Erklärung des preußischen

Handelsministers und Reichskanzlers

vom Jahre 1885 steht also mit der Fassung des Reichsgesetzes vom 5. April

1886 durchaus im Einklänge

Die Auffassung der preußischen Regierung von dem nur deklaratorischen Charakter des Gesetzes ist später nochmals im preußischen Landtage zum

Ausdruck

gekommen.

Bei

Beratung der Resolution Bandelow über die

auf natürlichen

Einführung von Schiffahrtsabgaben Sitzung des

Abgeordnetenhauses am 23. Mai

Wasserstraßen

1894 sagte

in der

der Minister

Miquel: ?

der Bundesrat

„Aber drücklich

spricht

in den Motiven zu diesem Gesetz

aus­

aus, daß nach seiner Auffassung die Gebührenerhebung

durch die bestehende unveränderte

Reichsverfassung

auch

nicht

ver­

hindert sei, und es handelte sich dabei doch nur um eine wirkliche Regulierung

des Flusses, um

eine Vertiefung desselben, ohne

daß Schleusen oder sonstige Vorrichtungen besonderer Art zur Erleichterung

des Verkehrs vorhanden sind." Für die Auslegung der Reichsverfassung sind jedoch die parlamentarischen Vorgänge von

1886 deshalb

wenig verwertbar, weil die eigentlich

scheidende Frage damals offen bleiben konnte und offen blieb.

ent­

Die Reichs­

tagskommission nahm allerdings einen Standpunkt ein, der sich mit dem­ jenigen

des

Kommissionsberichtes

vom

14.

April

und

des

Neichstags-

beschlusses vom 28. April über die Elbzölle nicht deckte.

8 4.

Die spätere Praxis bei den Wasserstraßen in Prenßen. Wäre die preußische Regierung der Meinung gewesen, daß die Bundes­

verfassung in Art. 54 hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben neues Recht schuf.

* Allerdings nicht ganz mit seiner Begründung, soweit die Abgabefähigkeit der Unterhaltungsarbeiten in Betracht kommt. 2 Stenograph. Berichte S. 2186.

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Die spätere Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen.

8 4.

215

und hätte sie insbesondere einen Unterschied zwischen den in den früheren

Zollvereinsverträgen

für

abgabefähig

Art. 54 Abs. 4 erwähnten

„Anstalten"

erklärten

und

den

in

„besonderen Anstalten" anerkannt, so hätte sie

Veranlassung gehabt, die Tarife der preußischen Wasserstraßen einer allgemeinen und grundsätzlichen Prüfung aus dem Gesichtspunkte ihrer Vereinbarkeit mit

dem neu geschaffenen Rechtszustande zu unterziehen. nur durch

Diese Prüfung hätte

eine allgemeine Anweisung an die Provinzialbehörden eingeleitet

werden können; hierbei hätte eine Stellungnahme zu der Frage, nach welchen

Gesichtspunkten und in welchem Maße der Kreis der Substrate der Abgaben­

erhebung durch die Einschaltung des

Eigenschaftswortes

geengt worden sei, erfolgen und eine werden müssen.

entsprechende

„besondere"

Erläuterung

ein­

gegeben

Nach einer solchen Anweisung sucht man aber vergebens.

Nur in den damals neu erworbenen Landesteilen wurde eine solche — aus anderen Gründen ohnehin notwendige und auch

gebiete

durchgeführte



Generalvisitation

für andere Verwaltungs-

angeordnet.

Was die alten

Provinzen anbetraf, so nahm man an, daß der bestehende,

auf der Praxis

der Zollvereinsverträge beruhende Zustand auch dem Art. 54 der Bundes­

verfassung entspreche; daß diese Annahme rechtlich begründet war, ist in

früheren Abschnitten dargetan.

Die Verhandlungen

über die Prüfung

der

abgaben in den neuen Provinzen lassen mehrfach *

fassung,

Tarife

für Schiffahrts­

die grundsätzliche Auf­

welche bei den preußischen Zentralbehörden damals über die Be­

deutung des

Art. 54 bestand,

erkennen; für

die Auslegung dieser Ver­

fassungsvorschrift sind sie um so wichtiger, als die eigentliche gesetzgeberische Willensmeinung damals noch in frischer Erinnerung und jedenfalls leichter

festzustellen war, als in späteren Jahren. Über die Schiffahrtsabgaben auf der Krückau, einem holsteinischen Neben­ fluß

der

Elbe,

berichtete

der

Provinzialsteuerdirektor

in

Glückstadt

am

22. Februar 1870 an den Finanzminister, daß sie nach Art. 54 der Bundes­ verfassung aufgehoben werden müßten,

weil

die

Krückau

eine

natürliche

Wasserstraße sei und irgend welche zur Erleichterung des Verkehrs bestimmte Anstalten sich an oder in diesem Flusse nicht befänden.

Der Staat tue

für die Krückauschiffahrt nichts weiter, als daß er die natürliche Fahrwasser­ tiefe durch

„Aufmodern und Aufgraben"

wurde von

einer Seite gellend gemacht, auch eine solche Unterhaltungs-

erhalte.

Im Finanzministerium

tätigkeit falle unter den Begriff der „besonderen Anstalt", wenn und soweit

* Es versteht sich von selbst, daß nicht jede derartige Verhandlung oder Tarif­ feststellung zu grundsätzlichen Erörterungen führte.

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III.

216

Gegenstand der Abgabenerhebung.

sie zur Ermöglichung oder Sicherung der Schiffahrt notwendig sei.

Diese

Ansicht drang nicht durch; es wurde jedoch der Provinzalsteuerdirektor am 22. März zu einer nochmaligen Äußerung darüber aufgefordert:

„ob die Krückau, von welcher Sie lediglich anführen, daß dieselbe zu

den natürlichen Wasserstraßen

gehöre,

etwa durch

besondere

Anstalten,

Rektifikation, Vertiefung usw. zu einer (schiffbaren) Wasserstraße (künstlich)

hergerichtet ist oder ob die dabei vorgenommenen Arbeiten lediglich die

Erhaltung einer von jeher bestehenden natürlichen Straße betroffen haben."

Diese Fragestellung ist insofern unklar, als der Begriff der besonderen Anstalt nur bei einer natürlichen Wasserstraße

eine

Rolle spielen

kann,

während die künstliche Wasserstraße als solche — in ihrer Totalität — ein

zulässiges Substrat der Abgabenerhebung die

nachträglich

erst

hineingebrachten,

sie ist hauptsächlich durch

wäre;

im

Text

„schiffbaren" und „künstlich" unklar geworden.

eingeklammerten

Worte

Sie läßt aber jedenfalls die

Tatsache erkennen, daß man auch Begradigungen und Vertiefungen — nicht nur Schleusen —

als besondere Anstalten im Sinne des Art. 54 ansah.

Die Ausdrucksweise des

Erlasses vom 22. März

1870

erinnert einiger­

maßen an den das Fahrwasser zu den Schiffahrtsanstalten rechnenden Art. 20

der Neichsverfassung vom 28. März 1849.

Nachdem die ungeordneten Ermittelungen ergeben hatten, daß nur auf einer ganz kurzen Strecke des Flußlaufes periodische Baggerungen überhaupt

in Frage kamen, und daß irgend nennenswerte Verbesserungen der natürlichen

Schiffbarkeit des Flusses nicht ausgeführt seien,

wurde die königliche Er­

mächtigung zur Aufhebung der Krückauschiffahrtsabgabe erwirkt.

Aus dem

dieserhalb von den Ministern für Handel und der Finanzen am 8. Juni 1870

erstatteten Jmmediatbericht geht allerdings hervor, daß man damals in der bloßen Erhaltung der Fahrrinne durch den Staat eine besondere

nicht sah.

Anstalt

Anderseits läßt der Verlauf der Angelegenheit deutlich erkennen,

daß man nicht nur Kanalisierungsbauten

sondern auch Stromregulierungs­

werke zu den „besonderen Anstalten" im Sinne des Art. 54 rechnete. Für die Befahrung der Schlei wurde seit alter Zeit von der Stadt

Schleswig eine Schiffahrtsabgabe erhoben.

Im Jahre

1869 wurde diese

Abgabe zugleich mit der Fürsorge für die bisher von der Stadt unterhaltene

Wasserstraße vom Staate übernommen.

Im folgenden Jahre machte der

Provinzialsteuerdirektor zu Glückstadt in einem Bericht vom 29. März 1870

darauf aufmerksam, daß die Erhebung der verstaatlichten Schleiabgaben mit

Art. 54 der Bundesverfassung

nicht vereinbar sei.

Die Schlei sei un­

zweifelhaft eine natürliche Wasserstraße; die zur Offenhaltung der Fahrrinne stattfindenden Baggerungen seien keine „besonderen Anstalten"

im Sinne

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Z 4.

Die spätere Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen.

des Art. 54 Abs. 4, weil sie nur dazu dienten,

217

„einen von jeher schiffbar

gewesenen Strom in schiffbarem Zustande zu erhalten"

Als Gegenstand

der Abgabenerhebung könnten nur die sogenannten Schleimünder Werke in

Sie

Betracht kommen.

Ostsee

und

beständen

dienten zur Offenhaltung zwei

aus

in

die

in die

der Mündung

hinausgebauten,

See

sandung durch den Küstenstrom hindernden Molen.

die

Ver­

Die jetzige Mündung

sei zum Ersatz für eine alte, etwas nördlicher liegende, jetzt versandete, im

18.

Jahrhundert

Mündung

verlassen,

ihre Offenhaltung

gewesen sei, als ihre Verlegung

ausgesetzte Stelle.

Insofern

habe

Man

worden.

hergestellt

weil

damals

auf die Dauer

die

alte

kostspieliger

an eine der Versandungsgefahr weniger

handele

es sich

bei den „Schleimünder

auch

Werken" nur um die Erhaltung des 8tatus yuo der natürlichen Schiffbarkeit der Schlei. Gleichwohl erwirkten

die beteiligten Minister vom Könige den Erlaß

eines neuen Tarifes, nach welchem Schiffahrtsabgaben für die Befahrung der Schlei



werden sollten.

wenngleich in

geringerer Höhe

als

Der Jmmediatbericht vom 27. Juli

früher —

1870

erhoben

bezeichnet die

Abgaben als Gegenleistung „für die Unterhaltung der Schleimünder Werke

und des Fahrwassers." Sind die Molen — um nur von diesen zu sprechen — „besondere

Anstalten zur Erleichterung des Verkehrs" im Sinne des Art. 54, und liegt

in der Einfahrt durch die Molen ein zur Entrichtung von Schiffahrtsabgaben verpflichtender Benutzungsakt, so kann weder der Begriff der Verkehrserleichte­ rung noch derjenige der Benutzung auf das Maß des Unmittelbaren beschränkt sein.

Unmittelbar den Verkehr

wirkt nur das zwischen den

erleichternd

Molen liegende Fahrwasser und nur das wird unmittelbar benutzt.

Die

Molen haben für das Fahrwasser nur die Bedeutung, daß sie seine Spülung durch

den

ein-

und

ausgehenden

Strom

bei

wechselnden

Winden

und

Wasserständen ermöglichen und seine Versandung durch den Wellenschlag an der Küste verhindern; eine unmittelbare Benutzung der Molen durch die Schiffe ist der Natur der Sache nach ausgeschlossen.

Hinsichtlich ihrer kausalen Beziehungen zur „Erleichterung des Verkehrs"

sind die Molen an der Schleimündung und alle anderen Molen an der Ein­ mündung von Wasserstraßen in Meere und Seen nicht anders zu beurteilen wie Buhnen und Parallelwerke in den Strömen.

Die einen sind ebensowenig

Das letztere Wort ist in dem Berichte vom 29. März 1870 durch Unter­ streichung besonders hervorgehoben. In Wirklichkeit ist die Schlei kein Strom, sondern ein Meeresarm.

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III.

218

Gegenstand der Abgabenerhebung.

wie die anderen einer unmittelbaren Einwirkung auf die Erleichterung des Verkehrs und einer unmittelbaren Benutzung

durch die Schiffahrt

fähig.

War also die im Jahre 1870 hinsichtlich der Schlei getroffene Entscheidung richtig — man war damals geradezu antifiskalisch

in Sachen der Schiff­

fahrtsabgaben und ging bis an die Grenze des Möglichen in wohlwollender Auslegung des Art. 54 —, so beweist das für die Richtigkeit der Ansicht,

daß auch Wasserbauten von mittelbarer Nutzwirkung für den Schiffsverkehr

„besondere Anstalten" im Sinne des Art. 54 Abs. 4 sein können.

Mindestens

ist bewiesen, daß die preußischen Minister im Jahre 1870 dieser Meinung

waren.

Eine

Anzahl von Schiffahrtsabgaben

welche lediglich das

auf natürlichen Wasserstraßen,

Entgelt für die Unterhaltung der Fahrrinne waren,

wurden damals in den neu erworbenen Provinzen aufgehoben, ohne daß in den an den König darüber erstatteten Berichten verfassungsrechtliche Gründe gellend gemacht worden wären; die Minister beschränkten sich bei der Be­

gründung ihrer Anträge auf wirtschaftliche Erwägungen.

Zu den in dieser

Art beseitigten Schiffahrtsabgaben gehört unter anderen auch die bei Wanfried

an der Werra im ehemaligen Kurfürstentum Hessen erhobene. In Altpreußen wurden die Abgaben für die Benutzung der Haffrinnen

nach Königsberg und Stettin, für die Befahrung der Deime * im Regierungs­ bezirk Königsberg, der begradigten Ücker im Regierungsbezirk Stettin, der

regulierten Emster im Regierungsbezirk Potsdam, der Rheinarme bei Neuß und Cleve im Regierungsbezirk Düsseldorf weiter erhoben.

Die Einführung

neuer Fahrwassergelder — nur von solchen, nicht etwa von Schleusen- und Kanalgebühren ist hier die Rede — unterblieb

zehnten nach der Bundesverfassung, Anachronismus angesehen wurden.

in den beiden ersten Jahr­

weil Verkehrsabgaben überhaupt als Aber schon in den achtziger Jahren des

vorigen Jahrhunderts trat der Umschwung ein.

Die Stadt Königsberg

erstrebte eine wesentliche Vertiefung der Fahrrinne, welche ihren Hafen über Pillau aus einer 40 km langen Linie mit der offenen See verbindet; nur hierdurch konnte die Entwicklung des dortigen Seehandels von den Hemmnissen

befreit werden, welche sich bei der zunehmenden Größe der Seeschiffe daraus

ergaben, daß die Überladung

der Güter in Pillau auf Leichterfahrzeuge

Kosten, Zeitverlust und Materialschäden verursachte und die Wettbewerbs­ fähigkeit mit den wesentlich verbesserten russischen Nachbarhäfen beeinträchtigte. Die

Kosten

dieser

Fahrwasserverbesserung

wurden

in

dem

preußischen

* Die Deime ist ein Arm des Pregels, welcher bei Tapiau vom Hauptstrome abzweigt und nördlich von Labiau in das Kurische Haff mündet.

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H 4.

Die spätere Praxis bei den Wasserstraßen in Preußen.

Staatshaushaltsetat

für 1888/9 unter L Kap.

219

7 Tit. 27 des Etats der

Bauverwaltung ausgebracht; in der Begründung wurde gesagt:

„Die Kosten der Bauausführung sind auf 7 300 000 Mk. * worden.

veranschlagt

Ein Teil dieser Kosten soll durch Erhebung einer Schiff­

fahrtsabgabe gedeckt und diese Abgabe so bemessen werden, daß durch

dieselbe außer den Kosten der Unterhaltung der Fahrstraße, soweit sie den

gegenwärtig für diesen Zweck zu verwendenden Betrag übersteigen, die

Baukosten zu einem Biertel verzinst und allmählich getilgt werden.

Die

Kaufmannschaft zu Königsberg soll die Gewähr dafür übernehmen, daß der Ertrag der Abgabe hinreicht, um daraus das Mehr der Unterhaltungskosten

zu decken sowie die Verzinsung und Tilgung eines Viertels der tatsächlich

aufgewendeten Baukosten beschaffen zu können usw." Die Kaufmannschaft übernahm

die

ihr angesonnene Gewährleistung.

Die beiden Häuser des preußischen Landtags bewilligten die Baukosten mit

der durch die Staatsregierung

ausgestellten Bedingung der Erhebung von

Schiffahrtsabgaben, deren Zulässigkeit davon abhing, daß man die neu her­

zustellende Fahrrinne im Haff entweder als künstliche Wasserstraße oder als besondere Anstalt in einer natürlichen Wasserstraße ansah.

In ganz ähnlicher Weise wurde wenige Jahre später der Ausbau des

Seeweges zwischen Stettin und Swinemünde finanziert; auch hier handelte es sich darum, in der natürlichen Wasserstraße des Haffs einen Unterwasser-

kanal durch Ausbaggerung der Fahrrinne auf 7 m herzustellen. Der preußische Staatshaushaltsetat enthielt hierfür unter L Kap. 7

Tit. 28 des Etats der Bauverwaltung

für 1895/96 eine Forderung von

6 400 000 Mark, und es heißt in der Begründung: „Zur möglichsten Deckung der dem Staate erwachsenden Aufwendungen ist die Einführung einer neuen Schiffahrtsabgabe bezw. die

Erhöhung der bestehenden geplant.

Und zwar erschien es angemessen, die

Kaufmannschaft zu Stettin mit Rücksicht darauf, daß das Unternehmen ihr in

erster Linie zugute kommt, an der Sache finanziell zu beteiligen

— die Garantieleistung dafür zu fordern,

daß durch die Abgabe außer

den Kosten der Unterhaltung der Fahrstraße,

soweit sie den gegenwärtig

für diesen Zweck zu verwendenden Betrag übersteigen, die Ausgabe für die Vertiefung des Fahrwassers zu rund einem Viertel verzinst und all­

mählich getilgt wird". Im Jahre 1899 wurden für die Befahrung der unteren Netze, die

* Sie wurden bedeutend überschritten und erreichten schließlich den Betrag von 12,3 Millionen für eine Fahrtiefe von 6,5 m.

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III.

220

Gegenstand der Abgabenerhebung.

durch Begradigungen, Einschränkungen und sonstige Regulierungsbauten für

die Schiffahrt verbessert war, — die gleichzeitig hergestellten vier Stauan­ lagen waren für landwirtschaftliche Zwecke und nicht „zur Erleichterung des

Verkehrs" bestimmt —, Schiffahrtsabgaben neu eingeführt. Dasselbe geschah im Jahre 1903

für die Befahrung des Beetz- und

Riewendtsees und des sie verbindenden Wasserlaufs im Regierungsbezirk

Potsdam,

nachdem

an diesen Gewässern

verschiedene Bauten ausgeführt

waren, welche ihre Brauchbarkeit als Wasserstraßen wesentlich steigerten. Nach dem preußischen Staatshaushaltsetat für

1905

soll die soge­

nannte Alte Oder, eine natürliche und seit unvordenklichen Zeiten befahrene

Wasserstraße, welche von Wriezen bis zum Finowkanal eine Längenausdehnung von 25 Km hat, von Staats wegen für Schiffahrtszwecke verbessert werden.

Die Begründung zu L Kap. 5 Tit. 26 des Etats der Bauverwaltung sagt, daß der Ausbau in der Weise geplant ist,

„daß die vorhandene Fahrrinne, die sich zurzeit in teilweise sehr scharfen Krümmungen innerhalb des Wasserlaufes hin und her windet, durch ent­

sprechende Baggerungen mit flacheren Krümmungen versehen wird. — Nach Vollendung der Arbeiten werden auf den verbesserten Schiff­

fahrtsstraßen *

Abgaben nach den Sätzen für die Märkischen Wasser­

straßen zweiter Ordnung zur Erhebung gelangen.

Das nach den

bisherigen Schätzungen für die alte Oder auf rund 16 000 Mark — be­

rechnete Aufkommen an Verkehrseinnahmen sichert neben der Deckung der

dem Staate — zufallenden Unterhaltungskosten eine genügende Verzinsung der staatlichen Baugelder".

Alle diese Dinge haben sich nicht nur im Rahmen der parlamentarischen

Behandlung von Etatsgesetzen, sondern auch sonst im vollen Lichte der Öffentlichkeit abgespielt, ohne daß von irgend einer Seite, weder von den

politischen Parteien,

welche nach ihrer wirtschaftlichen Anschauung zu einer

einschränkenden Auslegung des Art. 54 der Reichsverfassung neigen, noch

auch aus den örtlich unmittelbar

beteiligten Kreisen jemals ein Einspruch

oder auch nur ein Bedenken laut geworden wäre.

Diese Erscheinung darf

doch wohl als ein Symptom des öffentlichen Rechtsbewußtseins hinsichtlich

der Verfassungsfrage, um welche es sich hier handelt, gedeutet werden, zumal es sich nicht um vereinzelte Vorkommnisse, sondern um eine ganze Reihe

von solchen handelt. Nur eine

einzige Ausnahme ist zu verzeichnen;

eine Stettiner Firma

* Es handelt sich außerdem noch um den sogenannten „Freienwalder Land­ graben", der wahrscheinlich keine natürliche Wasserstraße ist.

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8 5.

Die Praxis der anderen Bundesstaaten hinsichtlich der Wasserstraßen. 221

hat sich

der Zahlung des Fahrwassergeldes, welches nach Vollendung der

vertieften Haffrinne im Jahre 1901 eingeführt wurde, auf Grund der Be­ hauptung, eine solche Abgabe sei mit Art. 54 Abs. 4 der Reichsverfassung

nicht vereinbar, im Wege

des bürgerlichen Rechtsstreites zu entziehen ver­

sucht, ohne indessen hiermit einen Erfolg zu erzielen.

8 5. Die Praxis der anderen Bundesstaaten hinsichtlich der Wasserstraßen. Bei der Darstellung der Praxis des Reiches ist aus S. 209 dieser Arbeit die Schiffahrtsabgabe erwähnt worden, die aus Grund des preußisch-olden­

burgisch-bremischen Staatsvertrags vom 6. März 1876 zur Erhaltung der Seezeichen zwischen Vegesack und dem Meere und der Strandbefestigungen

von Wangeroog unter dem Namen eines „Feuer- und Bakengeldes" erhoben wurde.

Wenngleich

sie auf einem Abkommen der drei Uferstaaten beruht,

soll sie doch hier als eine bremische Schiffahrtsabgabe behandelt werden, weil die dabei in Betracht kommenden Interessen zum weit überwiegenden Teil bremische sind und

auch die Verwaltung sowohl des Seezeichenwesens als

auch der Abgabe fast ausschließlich in bremischen Händen liegt.

Die Einnahmen aus dieser Abgabe flossen reichlich

und

ihre Ver­

wendungszwecke wurden allmählich immer weiter ausgedehnt.

Zunächst verständigten die 3 Uferstaaten sich in einem Vertrage vom 20. März 1886

darüber, daß auch die Schiffahrtszeichen auf der Strecke

zwischen Bremen und Vegesack aus den Erträgen des Feuer- und Baken­ geldes bestritten werden sollten.

In Art. 2 des Schlußprotokolls zu diesem

Vertrage war ferner bestimmt:

„Die Beseitigung von Wracken, Baumstämmen und ähnlichen Gegenständen,

welche innerhalb oder an den Grenzen des betonnten Fahrwassers auf der der gemeinschaftlichen Betonnung und Bebakung unterliegenden Strom­

strecke der Weser die Schiffahrt gefährden oder beeinträchtigen, wird un­ beschadet der Hoheitsrechte der einzelnen Staaten von Bremen veranlaßt. Die diesfälligen Kosten werden aus dem durch den Ertrag des Feuerund Bakengeldes gebildeten gemeinschaftlichen Fonds bestritten

Bei den vorbereitenden Verhandlungen über diese Vereinbarung hatte

r Preuß. Ges.S. S. 303. 2 Gesetzblatt für das Herzogtum Bremisches Gesetzblatt 1886 S. 178/179.

Oldenburg

Bd. XXVII S.

506,

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507.

III.

222

Gegenstand der Abgabenerhebung.

der preußische Handelsminister, welcher damals zugleich Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident war, mit einer Äußerung, deren Inhalt in anderem Zusammenhänge schon mehrfach erwähnt worden ist, zur Verfassungs­ frage Stellung genommen.

Er erklärte am 19. Mai 1885:

„daß es auch mir zweckmäßig erscheint, wenn die Beseitigung von Wracken

und Baumstämmen und ähnlichen die Schiffahrt gefährdenden oder beein­ trächtigenden Gegenständen aus dem gemeinschaftlich von Preußen, Olden­

burg und

Bremen befeuerten und

betonnten Weserfahrwasser zur tun­

lichsten Vermeidung von Verzögerungen von dem die Fahrwasserbezeichnung besorgenden bremischen Staate mit übernommen wird.

Zur Deckung der Kosten sind zwar die — dazu voraussichtlich mit ausreichenden — gemeinschaftlichen Wesersich nicht bestimmt, indessen die drei

Feuer- und Bakengelder an

beteiligten Regierungen nicht ge­

hindert, eine solche erweiterte Verwendung unter sich zu vereinbaren. Auch

steht

die Bestimmung im letzten Absätze

des Art. 54 der

Reichsverfassung, wonach auf allen natürlichen Wasserstraßen Abgaben nur

für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Ver­ kehrs bestimmt sind, erhoben werden dürfen, meines Erachtens einer solchen erweiterten Verwendung der Feuer- und Bakengelder nicht entgegen, weil

die

ordnungsmäßig

geregelte

Reinhaltung

solcher

Wasserstraßen

Schiffahrtshindernissen zu den vorausgesetzten Anstalten zu

von

rechnen sein

dürfte."

Der Vertrag vom 20. März 1886 und das zugehörige Protokoll sind unterzeichnet zu derselben Zeit, als der Reichstag über das Gesetz, betreffend

die Erhebung eines Fahrwassergeldes für die Weserstrecke zwischen Bremen und Bremerhaven beriet.

Hieraus geht klar hervor, daß die Regierungen

der drei Staaten dies Gesetz nur als deklaratorisch ansahen und sich nach

Art. 54 der Verfassung zur Erhebung einer Schiffahrtsabgabe selbst dann für befugt erachteten, wenn es sich nur um Deckung von Unterhaltungskosten

handelte.

Eine neue Verwendung erhielt das Feuer- und Bakengeld durch einen Vertrag, den die Weseruferstaaten am 11. März 1891 über die Verbesserung der Schiffahrtsverhältnisse in der sogenannten Außenweser — der Mündungs­

strecke

von Bremerhaven

bis zum

Meere

— abschlossen.

Es

heißt

in

diesem Vertrage:

„In der Außenweser wird durch Anwendung künstlicher Mittel mit einem Kostenbeträge bis zu 3 000 000 Mk. eine neue Fahrbahn hergestellt.

Ausführung wird

Die

auf Grund des von den drei Regierungen im Ein­

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Z 5.

Die Praxis der anderen Bundesstaaten hinsichtlich der Wasserstraßen. 223

Verständnis mit der Kaiserlichen Marineverwaltung vereinbarten Planes

durch Bremen bewirkt," und in einem folgenden Artikel wird bestimmt:

„Die Kosten der Ausführung und der Unterhaltung bis zu 3 000000 Mk.

zuzüglich

einer Verzinsung von 3,5 o/o werden aus dem Aufkommen der

zufolge Staatsvertrages

vom 6. März

1876 zur Hebung

gelangenden

Schiffahrtsabgabe erstattet."

In der zum Vertrage gehörenden Denkschrift wird die Selbstkosten­ deckung durch Schiffahrtsabgaben mit den Worten begründet:

„Schließlich mag noch hervorgehoben werden, daß einer Bestreitung dieser

54 der

Kosten aus den Erträgen der Weserschiffahrtsabgabe der Art.

Reichsverfassung nicht entgegensteht, da es sich in dem vorliegenden Falle nicht um eine gewöhnliche Instandsetzung des alten Flußlaufes,

sondern darum handelt, durch die Beseitigung einer ausgebildeten Strom­

spaltung ein neues einheitliches und regelmäßiges Flußbett unter An­ wendung

künstlicher

Mittel,

insbesondere der Erbauung

eines

großen

Leitdammes mit Querdämmen herzustellen."

Es sind dann noch zwei weitere Verträge über den Ausbau der Fahr­

rinne und die Erhebung von Schiffahrtsabgaben in der Außenweser mit fast gleichem

Wortlaute

des Textes

und

der Begründung

zwischen

den drei

Staaten am 25. Februar 1896 und 1. März 1900 geschlossen worden; in

jedem dieser Verträge wurden weitere 5

Millionen Mk.

für Schiffahrts­

verbesserungen ausgeworsen. Alle diese Verträge sind von den gesetzgebenden Körperschaften in Preußen, Oldenburg und Bremen angenommen worden.

Die Reichsverwaltung

hat

von ihnen amtlich Kenntnis erhalten, ohne ihren Inhalt aus dem Gesichts­ punkte der Verfassungsmäßigkeit zu beanstanden.

Die Begründung der Verträge scheint an den Gedankengang der Er­

klärung, welche von Delbrück bei der Beratung des Elbzollgesetzes im Reichs­

tage am 19. Mai 1870 abgegeben wurde, anzuknüpfen, insofern sie davon auszugehen scheint, daß die Kosten der gewöhnlichen Unterhaltung oder ge­

wöhnlichen Instandsetzung des Fahrwassers nicht durch Schiffahrtsabgaben gedeckt

werden dürfen.

Diese Auffassung steht freilich im Widerspruch mit

der Bestimmung im Schlußprotokoll des Vertrages vom 20. März 1886,

wonach schon

die Beseitigung

von Wracks und

Baumstämmen

Fahrwasser eine besondere Anstalt im Sinne des Art. 54 ist.

aus dem

Solche Ar­

beiten sind als Teil der Fahrwasserunterhaltung anzusehen. Anderseits sind aber die Verträge von 1891, 1896 und 1900 weitere

unanfechtbare Beweismittel dafür, daß die beteiligten Weseruferstaaten sich

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III.

224

Gegenstand der Abgabenerhebung.

zur Erhebung von Fahrwassergeldern für befugt

hielten.

Die

nach

auch ohne autorisierendes Reichsgesetz

diesen

Verträgen

ausgebaute

Weserstrecke

an die auf Grund des Reichsgesetzes vom 5. April 1886

schließt nördlich

regulierte unmittelbar an. *

*

Die hamburgische Praxis zeigte sich

*

in der Forterhebung der mehr­

erwähnten, als Lotsgeld bezeichneten, im Reichstage wiederholt zur Sprache gebrachten Elbschiffahrtsabgabe. Über die Umgestaltung dieser Abgabe

schweben seit etwa 10 Jahren Verhandlungen zwischen Preußen und Hamburg, bei welchen der Natur der Sache nach auch die Frage zur Erörterung kam, welche Aufwendungen für das Fahrwasser der Unterelbe durch eine Schiffahrts­ abgabe gedeckt werden dürften.

In dieser Beziehung erklärte der Senat zu

Hamburg am 6. April 1898:

„Zu der Ausscheidung der aus der Beseitigung von Wracks und sonstigen Schiffahrtshindernissen erwachsenden Kosten aus den durch die Fahrwasser­

abgabe zu deckenden Ausgaben gibt der Art. 54 Abs. 4 der Reichsver­

fassung nach der Auffassung des Senats keinen Anlaß, da die erforder­ lichen besonderen Anstalten, sobald das Bedürfnis eintritt, in jedem ein­

zelnen Fall,

und zwar meistens infolge Vertragsabschlusses mit einer

Bergungsgesellschaft, vom hamburgischen Staate hergestellt werden.

Auch

erfolgt die Freihaltung des Fahrwassers von Schiffahrtshindernissen ledig­ lich zur Erleichterung, in manchen Fällen sogar zur Aufrechterhaltung des Verkehrs,

und

es entspricht deshalb dem Art. 54 der Reichsverfassung,

wenn die dem Staat hieraus erwachsenden Kosten

aus der Fahrwasser­

abgabe bestritten werden." Der Senat stellt sich

also

hinsichtlich der Verfaffungsfrage auf den­

selben Standpunkt, den Preußen, Oldenburg und Bremen im Jahre 1886 eingenommen hatten.

Daß positive Verbesserungen der Fahrrinne — im Gegensatz zur bloßen Beseitigung von Schiffahrtshindernissen — durch Schiffahrtsabgaben finanziert werden können, wurde von vornherein als feststehend angesehen. Lübeck hat die Trave auf ihrem 20 Irin langen Unterlauf bis Trave­

münde mit einem Kostenaufwande von mehr als 8,5 Millionen Mark seit * Die vielfach auf historischen Überlieferungen beruhenden Bezeichnungen einer Abgabe dürfen hier keine Rolle spielen und über ihr inneres Wesen nicht täuschen. Wie das hamburgische „Lotsgeld" zugleich Fahrwasserabgabe ist, so ist anderseits das „Hafengeld" in den staatlichen Häfen an der preußischen Oflseeküste zugleich Lotsengebühr, da es zugleich die Gegenleistung für die Dienste der Seelotsen in sich schließt.

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8 6.

Die Praxis bei den Häfen.

225

1850 bedeutend vertieft und verwendet auf die Unterhaltung dieser Wasser­

straße, einschließlich Betonnung, Bebakung und Befeuerung etwa */4 Million

Die Gegenleistung für diese Aufwendungen besteht in einem

Mark jährlich.

Hafengeld, dessen Ertrag etwas über 300 000 Mk. jährlich beträgt.

Ufer­

gelder im Lübecker Hafen werden nicht erhoben; das Hafengeld wird im

wesentlichen für die Verbesserung und Unterhaltung des Travefahrwassers

gezahlt. Als Bestandteil des Hafens kann letzteres wegen seiner bedeutenden

Längenausdehnung und

auch

wegen der Art seiner Benutzung durch die

Schiffahrt nicht angesehen werden; denn es dient nicht zum Liegen, Löschen

und Laden, sondern als Verkehrsweg für die Bewegungen der Fahrzeuge. Nur

in

der

Zweckbestimmung

und Benutzungsweise

schließlich

kann

die

Unterscheidung von Häfen und Wasserstraßen gefunden werden, nicht in den überlieferten örtlichen Bezeichnungen der Gewässer und der für ihre Benutzung

zu zahlenden

Gebühren.

Zum Swinemünder und Pillauer Hafen gehört

auch nach ortsüblicher Bezeichnung ein weites Revier von Gewässern, die in Wirklichkeit nicht dem Hafenzwecke dienen, sondern dem Durchgangsverkehr nach binnenwärts liegenden Hafenplätzen.

In

Weise

ähnlicher

scheint

das

Rostocker

Hafengeld

nach

Zweck­

bestimmung und Verwendungsart mehr den Charakter eines Fahrwassergeldes

für die Benutzung der 12 km langen, vertieften, betonnten und befeuerten Warnow zwischen Warnemünde und Rostock als den eines eigentlichen Hafen­

geldes zu haben.

Die Lage der Dinge ist insofern derjenigen in Königs­

berg — Pillau, Stettin — Swinemünde und Lübeck — Travemünde ganz ähnlich, als auch hier der Endhafen mit einem Vorhafen durch eine See­

wasserstraße verbunden ist, die nicht zum Liegen, Löschen und Laden, sondern zur Durchfahrt dient.

8 6.

Die Praxis bei den Häfen. Außer der Praxis bei den Wasserstraßen kann und muß auch diejenige be­ züglich der Häfen für die logische Auslegung des geltenden Rechts herangezogen werden.

Fahrwassergelder und Hafengelder werden in den Tarifen nicht immer

scharf auseinandergehalten und gehen vielfach ineinander über.

überdies unter der Herrschaft gleicher Nechtssätze.

Beide stehen

Wie in Abschnitt II Z 3 S. 30

bis 33 bereits dargelegt worden ist, sind die für die Rechtsbildung maßgebenden wirtschaftlichen und

technischen Gesichtspunkte für Wasserstraßen und Häfen

dieselben; insbesondere spielt die Unterscheidung von künstlichen und natür­

lichen Verkehrsmöglichkeiten bei beiden dieselbe Rolle.

Art. 54 Abs. 3

getroffene Regelung ist

Schriften OXV. - Erster Teil.

Die für Seehäfen in

hinsichtlich der leitenden Gesichts15

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III. Gegenstand der Abgabenerhebung.

226

punkte gleichbedeutend mit den in Abs. 4 a. a. O. für Wasserstraßen auf­

gestellten Rechtssätzen; die Binnenhäfen sind in Art. 54 überhaupt nicht erwähnt, fallen aber unter die allgemeinen, zwischen See- und Binnen­

schiffahrt nicht unterscheidenden Rechtsregeln des Art. 25 des Zollvereins­

vertrages. *

* rk

Der städtische Hasen in Königsberg besteht nur aus Pregelarmen, also

aus natürlichen Wasserstraßen.

Die laufenden Unterhaltungskosten für diese

Pregelarme betragen etwa 17 000 Mk.; dazu kommen noch die Zinsen eines

für die Fahrwasservertiefung aufgewendeten Kapitals von etwa 200 000 Mk.,

so daß die Stadt ungefähr 25 000 Mk. jährlich für die Erhaltung der Fahr­ tiefe in ihren Hafengewässern

Da diese Gewässer von Natur

aufwendet.

schiffbar sind, so müßte, wenn die städtischen Baggerungen oder die durch

diese Baggerungen geschaffenen Fahrrinnen keine „besondere Anstalten" wären, jene Summe ohne Anspruch Stadt hergegeben werden.

auf gebührenmäßige Gegenleistungen von der

Die Stadt ist indessen keineswegs dieser Ansicht.

Sie erhebt von den ein- und ausgehenden Schiffen ohne Rücksicht darauf, ob

sie anlegen oder auf dem Strome löschen und laden, eine Raumgebühr

im geschätzten Jahresertrage von 67 000 Mk.

Diese Gebühr würde, wenn

man den Begriff der „Benutzung" und der „Erleichterung des Verkehrs" in

engerem Sinne auslegen wollte, doch nur auf die Benutzung der natürlichen,

wenn

auch

künstlich

aufrechterhaltenen und

verbesserten Fahrtiefe bezogen

werden können.

Die Frage liegt jedenfalls für die zum städtischen Hafenbezirk gehörige Pregelstrecke nicht anders, wie für die oberhalb und unterhalb anschließenden

Stromstrecken,

deren Fahrbarkeit

vom Staate verbessert

worden ist und

unterhalten wird.

Die Stadt Stettin verausgabte im Rechnungsjahre 1899/1900 für die „Unterhaltung des Fahrwassers" in ihrem aus Oderarmen, also aus natür­ lichen Wasserstraßen bestehenden

alten Hafen rund 78 000 Mk., während

ihre Einnahme aus dem Hafengelde — der von allen einkommenden Schiffen zu zahlenden Raumgebühr — 135 000 Mk. betrug. Die das Bohlwerk oder beim Überladen auf dem Strome die städtischen Haltepfähle benutzenden

Fahrzeuge haben hierfür noch besondere Abgaben zu zahlen.

Die Städte Wolgast,

Greifswald,

Stralsund, Kiel, Heiligenhafen,

Kappeln, Burg a. F., Schleswig, Eckernförde, Hadersleben und andere, deren

Hafengewässer aus Meeresarmen bestehen, behandeln ebenfalls die Kosten für die Baggerung dieser Gewässer als Bestandteile der durch Schisfahrtsabgaben aufzubringenden Gesamtkosten der Hafenverwaltung; sie erblicken also — und

von Staatsaufsichts wegen ist diese Auffassung stets gebilligt worden — in

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H 6.

Die Praxis bei den Häfen.

227

den Baggerungen oder den gebaggerten Fahrrinnen und Liegestellen Schiff­

fahrtsanstalten im Sinne des die Seehäfen

des Art. 54 der Reichsverfassung.

behandelnden dritten Absatzes

Bei einigen dieser Städte erreichen die

Baggerungskosten eine sehr bedeutende Höhe. Ferner haben Verwaltungskosten,

alle oder fast alle Hafenstädte Anteile der allgemeinen insbesondere

der

Besoldung

des Bürgermeisters,

der

Magistratsmitglieder und des Polizeiexekutivpersonals dem Hafenkonto zur

Last geschrieben und aus Schiffahrtsabgaben gedeckt, weil sie die Hafen­

polizei und die sonstige Hafenverwaltung zu den Schisfahrtsanstalten im weiteren Sinne rechneten Auch die Hafenmolen sind überall als abgabefähige Schiffahrtsanstalten

angesehen worden, ebenso

wie die Molen an der Schleimündung in dem

vorher dargestellten Falle. -i-

4-

Die

hier

angeführten Beispiele sind

lediglich

aus

der Gruppe der

kommunalen Schiffahrtsanstalten entnommen worden; die Verwaltungsübung

bei den Staatshäfen? war die gleiche, wie es auch insofern in der Natur der Sache liegt, als die kommunalen Hafengeldtarife — in Preußen wenigstens — der Genehmigung durch Staatsbehörden bedürfen.

Als im Jahre 1861 das

Hafengeld für den staatlichen Swinemünder Hafen neu geregelt werden sollte,

ließ der Handelsminister nach Delbrücks Angaben und auf seine Anregung

Einträglichkeitsberechnung

eine

aufstellen,

welche

sämtliche

Baggerungs-

und Stromregulierungskosten — zum Hafen gehörte auch das sogenannte

„Revier", einschließlich der Swine, des Haffs und der Oder bis Stettin —

umfaßte. gelegt.

Diese Berechnung wurde den weiteren Verhandlungen zu Grunde

Da die Ausgaben einschließlich der Zinsen des Anlagekapitals etwa

208 000

Taler

betrugen,

während

die

Schiffahrtsabgaben

nur

etwa

170 000 Taler brachten, so wurde die von der Stettiner Kaufmannschaft beantragte Ermäßigung des Abgabetarifs zunächst im März 1862 abgelehnt.

Hätte man die Baggerungs- und Stromregulierungskosten von den Ausgaben

abgesetzt, so wäre ein nach den Zollvereinsverträgen unzulässiger Einnahme­ überschuß entstanden; der Rechtszustand war damals hinsichtlich der Schiff­ fahrtsabgaben derselbe wie jetzt.

Wenn ein Staatsmann, der so eifrig auf

Ermäßigung und Beseitigung der Schiffahrtsabgaben bedacht war wie Del­

brück, sich mit der Anrechnung jener Kosten auf die Schiffahrtsabgaben eini Seite 217, 218. 2 Im Hamburger Hafen wird ein „Tonnengeld" auch von den Schiffen er­ hoben, welche nicht an den Kai gehen, sondern auf dem Strome laden oder löschen, also nur die künstlich offengehaltene oder vertiefte Wasserstraße benutzen. 15*

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III.

228

Gegenstand der Abgabenerhebung.

verstanden erklärte, so kann man sicher sein, daß diese Anrechnung seiner Rechtsüberzeugung entsprach.

Die praktische Notwendigkeit der gleichmäßigen Behandlung von Häfen

und Wasserstraßen tritt hier besonders deutlich in die Erscheinung, weil die Swinemünder Hafengewässer zugleich die 62 km lange Fahrstraße von der

Ostsee nach Stettin umfaßten, das Hafengeld also hier mehr den Charakter

eines Fahrwassergeldes als den einer örtlichen Schiffahrtsabgabe hatte.

Ein

ganz analoges Verhältnis bestand bei dem Pillauer Hafen, zu dem auch die gebaggerten Fahrrinnen durch das Frische Haff gehörten.

Eine nicht unerhebliche Zahl von kommunalen See- und Binnenhäfen verzinst sich

aus Schiffahrtsabgaben und sonstigen Einnahmen vollständig

oder wenigstens teilweise, so daß die Ausschaltung der Baggerungen, der Hafenpolizei

und

der

allgemeinen

Verwaltung

aus

der

Kategorie

der

„Schiffahrtsanstalten" unmittelbar praktische Folgen für die Finanzgebarung der beteiligten Gemeinden haben würde.

demnach

für

Die hier behandelte Frage ist

staatliche,

sondern auch für wichtige kommunale

Interessen von großer Bedeutung.

Denn darüber wird man kaum ver­

nicht nur

schiedener Meinung sein können, daß die logischen, wirtschaftlichen, technischen

und rechtlichen Erwägungen, oder

sonstigen

welche für die Behandlung der Baggerungen

Vertiefungsarbeiten

oder

auch

der

so

vertieften

Gewässer

als abgabefähige Anstalten in Betracht kommen, für die natürlichen See-

und Flußhäfen keine anderen sind wie für die natürlichen See- und Binnen­ wasserstraßen.

Es ist kein annehmbarer Grund dafür zu finden, daß die

Baggerungen zur Erhaltung oder Verbesserung der natürlichen Fahrtiefe in

demjenigen Teile eines Stromes, der Bestandteil eines städtischen oder auch staat­ lichen Hafens ist, die Eigenschaft einer „besonderen Anstalt", also einer durch Schiffahrtsabgaben rentbar zu machenden Anlage haben sollen, während die­

selben Baggerungen an anderen Stellen desselben Stromes nicht als solche An­ stalten angesehen werden.

Der Umstand, daß die Hafenstrecken vorzugsweise

zum Liegen und die anderen Stromstrecken vorzugsweise zum Fahren benutzt

werden, genügt zur Rechtfertigung einer solchen Unterscheidung nicht. Diese Erörterungen haben nicht etwa nur äe 1eZe kerenäa Bedeutung;

sie dienen vielmehr der Erforschung des

in Art. 54 ausgedrückten gesetz­

geberischen Willens, der von den beteiligten Hafenverwaltungen ständig und

unangefochten in der hier dargelegten Art und Weise ausgelegt worden ist. Wenn es richtig ist, daß eine solche Praxis die Vermutung der Gesetze

Mäßigkeit für sich hat, und wenn ferner anzuerkennen ist *,

der Schiffahrtsabgaben für Häfen und Wasserstraßen

daß die Frage

gleichmäßig geregelt

* Vgl. die Ausführungen S. 30—33.

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Z 7.

229

Abweichungen von dem regelmäßigen Gange der Praxis.

werden sollte, so ist aus der Gestaltung der Hafengeldtarife ein weiteres Beweismittel dafür zu entnehmen, daß die von Menschenhand hergestellten

Vertiefungen in den von Natur schiffbaren Gewässern als zulässige Substrate der Abgabenerhebung anzusehen sind.

8 7. Abweichungen von dem regelmäßigen Gange der Praxis. Die Auslegung und Anwendung des geltenden Rechtes in der Praxis ist auf dem Gebiete der Schiffahrtsabgaben ebenso wie auf anderen Gebieten

des öffentlichen Rechtes nicht immer ganz gleichmäßig gewesen.

Es sind

Schwankungen und selbst Widersprüche vorgekommen, die teilweise schon aus dem Zusammenhänge der bisherigen Darstellung sich ergeben und im übrigen

hier besonders

verzeichnet werden sollen,

weil sie zu einer vollständigen

Darstellung der Frage gehören. Wie schon früher erwähnt, ist die Ruhr ein unvollständig kanalisierter

Fluß, der auf weiten Strecken nicht im Stau liegt, sondern durch Regulierungs­ bauten, insbesondere Buhnen und Parallelwerke,

aus die erstrebte Fahrtiefe

gebracht worden ist; das letztere gilt insbesondere auch für die Mündungs­ strecke

Mülheim.

abwärts

Aufwendungen gesunken,

Ruhrschiffahrtsabgabe

Die

für die Wasserstraße

weil die Ruhrschiffahrt

gedeckt;

hatte

ihr Ertrag

war

früher

alle

allmählich

dem Wettbewerbe der Eisenbahn nicht

mehr gewachsen war.

Um ihm möglichst zu begegnen, hatte man die Abgabe

wiederholt ermäßigt;

im Jahre

1867 wurde sie ganz aufgehoben.

Der

damals an den König erstattete Jmmediatbericht führt aus, daß die Ruhr­ schiffahrtsabgabe,

wenn man sie weiter erheben wollte, mit Rücksicht auf

den durch Art. 54 der Bundesverfassung veränderten Rechtszustand jedenfalls

eine wesentliche Umgestaltung erfahren müßte. Tarifbildung nur noch

öffentlichen Ruhrschleusen

Es könnte fortan bei der

„der Aufwand für die laufende Unterhaltung der mit Einschluß der Gehälter der Schleusenwärter,

welcher etwa 9000 Taler jährlich beträgt" und ein Kostenbetrag für Lein­ pfadsverbesserungen in Rechnung gestellt werden; der schleusenlose Unterlauf

der Ruhr müsse abgabenfrei bleiben. Der Bericht mußte mit der größten Eile entworfen werden, weil die

Aufhebung der Ruhrschiffahrtsabgaben schon mit dem 1. Januar 1868 in

Es gab und gibt noch an der Ruhr 3 Schleusen, welche mit den zugehörigen Wehranlagen im Privatbesitz sind. Das Anlagekapital der staatlichen Schleusen war getilgt.

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III.

230

treten

Kraft

erging noch

sollte.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Der die Aufhebung genehmigende Königliche Erlaß

an demselben Tage, an welchem der Bericht erstattet wurde,

am 14. Dezember 1867.

Die Rechtsausführungen dieses Berichtes, welche übrigens zu seiner Begründung nicht notwendig waren, weil die Abgaben ohnehin in ganzem Umfange beseitigt werden sollten, beruhen auf der Annahme, daß durch den Art. 54 der Bundesverfassung eine Änderung in der Lage der Gesetz­

gebung über Schiffahrtsabgaben eingetreten sei.

Diese Annahme steht mit

der mehrfach erwähnten protokollarischen Erklärung Delbrücks vom 28. Juni 1867, wonach der aus der Zeit der Zollvereinsverträge überlieferte Rechtszustand

durch den Art. 54 der Verfassung und den Art. 25 des letzteren

Vertrages nicht geändert worden ist, in Widerspruch. Rechtszustandes vor und nach

1867

ist, wie auch

Die Identität des

hierbei wieder in die

Erscheinung tritt, von fundamentaler Bedeutung für die Beurteilung der Frage. Wenn also die Abgabenerhebung

für alle Schiffahrtsanstalten an der

Ruhr, ohne Unterscheidung von Stauanlagen und Regulierungsbauten, vor 1867

rechtmäßig war — und sie ist niemals von irgendeiner Seite als

gesetz- und vertragswidrig angefochten worden —, so war sie es auch später; Delbrück hat übrigens jenen Bericht vom

14. Dezember 1867 nicht mit­

gezeichnet.

Ein zweiter Fall, in welchem eine Abweichung von der regelmäßig be­ kundeten Rechtsauffassung gefunden werden kann, hat bei der Stör, einem

holsteinischen Nebenfluß der unteren Elbe, sich zugetragen. berichtete die Regierung in Schleswig über die

Am 16. April 1870

Notwendigkeit einer Verbesserung des Fahrwassers der Stör zwischen Grön-

hude und 2600

und

Kellinghusen; den

sie

jährlichen

berechnete die

erforderlichen

Unterhaltungsaufwand

auf

400

Baukosten

auf

Taler.

Zur

Deckung der Regulierungskosten schlug sie die Einführung einer Schiffahrts­

abgabe vor.

Der letztere Vorschlag wurde von den Ministern der Finanzen

und für Handel am 19. Juni 1870 abgelehnt mit den Worten:

„Die Erhebung einer Schiffahrtsabgabe zur Deckung der Ausgaben für die beabsichtigte Verbesserung des Fahrwassers der Stör können wir nicht für zulässig erachten, da derartige Abgaben nur für die Benutzung

besonderer Anstalten nach Vorschrift des Art. 54

der Bundesverfassung

erhoben werden dürfen." Hierbei muß allerdings

berücksichtigt werden, daß es sich im Grunde

genommen gar nicht um eine Verbesserung, sondern um eine bloße Unter-

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8 8.

Haltungsarbeit handelte.

Die Feststellung des Anstaltsbegrisfs.

231

Denn die Regierung hatte die Sachlage in jenem

Berichte folgendermaßen dargestellt: „Das Fahrwasser ist von Itzehoe bis zur Mündung für die daselbst

verkehrenden Schiffe ausreichend, und ebenso zeigt sich auch eine genügende Wassertiefe auf der Strecke oberhalb Itzehoe bis Grönhude, soweit das

Flußbett durch Deiche eingeengt ist.

Dagegegen ist über die Abnahme

der Wassertiefe zwischen Grönhude und Kellinghusen schon seit längerer

Zeit Klage geführt.

Dieser Zu stand

derart verschlimmert, den Lösch-

hat sich in den letzten Jahren

daß die größeren Schiffe jetzt nicht mehr

und Ladeplatz bei Kellinghusen erreichen können, sondern bei

Grönhude löschen und laden müssen."

Man wird

hiernach diesem Falle für die Frage, ob Verbesserungen

des Fahrwassers in nicht kanalisierten natürlichen Wasserstraßen als abgabe­

fähige besondere Anstalten zu behandeln sind, eine besonders große Beweis­ kraft nicht beimessen können.

8 8. Die Feststellung des Anstaltsbegriffs. Die

im

Rahmen

der

grammatischen Auslegung

angestellten Unter­

suchungen S. 65—129 haben ergeben, daß der Ausdruck Anstalt einen

sehr weiten und allgemeinen Inhalt hat.

Der Anstaltsbegriff umfaßt ins­

besondere alle Bauten und Verwaltungseinrichtungen, die in irgend einer

Weise dem Schiffahrtsinteresse dienen; erstere ohne Unterschied der technischen Methode und der Zweckbestimmung im einzelnen.

Das ist nachgewiesen aus

dem Sprachgebrauch des Lebens, der Gesetze, der Verwaltung und

des

Ministers Delbrück. *

*

-ir

Die Vermutung streitet dafür, daß auch die Sprache des Gesetzgebers

in der Bundesverfassung von

1867 dieselbe gewesen ist, daß er keinen

andern und insbesondere keinen engeren Sinn mit jenem Worte verbinden wollte, als früher von ihm und anderen damit verbunden worden war. Diese Vermutung könnte freilich durch das Ergebnis der logischen Aus­

legung zerstört werden:

die Zerstörung wäre aber nur möglich durch einen

überzeugenden Beweis, nicht etwa durch eine Untersuchung, welche auf ein

non ILyuet hinausliefe. Es fragt sich zunächst, was die Entstehungsgeschichte zur Interpretation beitragen kann.

Der Art. 54 ist aus den Zollvereinsverträgen hervorgegangen und dem

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

232

III.

Rechtsinhalte nach

mit ihnen identisch.

Diese Verträge enthalten in der

bekannten elausula Aeneralis ebenfalls den Anstaltsbegriff in seiner ganz

allgemeinen Bedeutung.

Sie behandeln alle Schiffahrtsanstalten als abgabe­

fähig, auch das verbesserte offene Fahrwasser, und sind stets in dieser Weise

unangefochten gehandhabt worden.

Irgend ein vernünftiger Grund zur Ab­

weichung vom Vertragswillen lag für die Regierungen nicht vor; jedenfalls nicht für die preußische, die Urheberin der Verträge war und zugleich den größten Teil der deutschen Wasserstraßen verwaltete.

Wäre je ein praktischer

Anlaß zu einer solchen Abweichung hervorgetreten, so hätten die in kurzen

Zwischenräumen stattfindenden Vertragserneuerungen mehrfache Gelegenheit dazu geboten, die Übereinstimmung zwischen geschriebenem und angewandtem Rechte herzustellen.

Sind Fahrwassergelder in den Jahrzehnten vor 1867 zulässig gewesen —

und die Regierungen waren dieser Meinung — so sind sie es auch heute Denn der Nechtszustand hat sich in dieser Frage nicht geändert.

noch.

-i-

Die Verfassung von 1849 regelte die Frage für den Bereich der See­ schiffahrt in einer Weise, die mit dem Ergebnis der grammatischen Aus­ legung, mit der elausula Aeneralis der Zollvereinsverträge und schließlich auch mit den Forderungen staatswissenschaftlicher Logik übereinstimmte.

Es

sollte hier keinen Unterschied geben zwischen abgabefähigen und nicht abgabe­

fähigen, besonderen und sonstigen Anstalten.

zur

Verbesserung

der

Alles, was menschliche Arbeit

natürlichen Verkehrsmöglichkeiten

getan

hatte oder

künftig tun würde, sollte einen Anspruch auf Selbstkostendeckung begründen.

Die Besteuerung des freien Genußgutes der natürlichen Wasserstraßen und Häfen sollte ebenso unzulässig sein, wie die Überschreitung der durch das

Gebührenprinzip gezogenen Grenzen in der Tarifbildung.

Es war der ein­

fache, beinahe selbstverständliche Standpunkt des wirtschaftlichen Naturrechts. Daß dieser naturgemäße Standpunkt nur für die Seeschiffahrt und

nicht auch für die Binnenschiffahrt im Texte des Verfassungsentwurfs maß­ gebend wurde, lag nicht etwa in sachlichen Erwägungen begründet.

konnte damals behaupten — und irgend

Niemand

auch heute kann es niemand —, daß

welche Gründe technischer oder wirtschaftlicher Art es rechtfertigen

könnten, den Anstaltsbegriff im süßen und salzigen Wassers anders zu be­

grenzen und hinsichtlich der Finanzierung von Schiffahrtsverbesserungen durch

Abgaben einen Unterschied zu machen zwischen den der Seeschiffahrt dienen­ den Mündungsstrecken der Flüsse und ihrem Oberlauf.

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8 8.

233

Die Feststellung des Anstaltsbegriffs.

Die offenkundige Systemlosigkeit jenes Verfassungsentwurfs beruhte nur auf

einem politischen

aus einer tiefeingewurzelten Abneigung

Vorurteil,

gegen die auf den wichtigsten Strömen bestehenden,

aus früheren Perioden

des deutschen Staatslebens allzulange konservierten Flußzölle, oder — wie der Bundesrat sich im Jahre

ausdrückte — auf „dem Widerwillen

1870

gegen Flußabgaben ohne Gegenleistung

Die

heterogenen Lösungen der Abgabenfrage von 1849 wurden im

Jahre 1867 durch eine homogene ersetzt; welche von den ersteren durch die

letztere verallgemeinert werden sollte, das ist hier die Frage.

Die unmittelbare Beweisführung ist nicht möglich, da die schriftliche keine hinlängliche Auskunft gibt. Es muß daher eine Art

Überlieferung

Wahrscheinlichkeitsrechnung kannten

aufgestellt und

politischen Konstellation

die

in den festen Rahmen der be­

ungeschriebene Begründung

schriebenen Verfassungsrechts eingezeichnet werden.

der inneren Zusammenhänge,

des

ge­

Es gilt die Konstruktion

die Ausfüllung des Gerippes der Tatsachen

mit der Muskulatur der politischen Triebkräfte, die in jener Zeit an der

Arbeit waren, als das neue öffentliche Recht für Deutschland auf diesem Gebiete des Verkehrswesens geschaffen wurde.

Es liegt auf der Hand, daß die preußische Negierung, als sie ihren Verfassungsentwurf für den Norddeutschen Bund aufstellte, mit zwei schwer­

wiegenden Faktoren zu rechnen hatte;

auf der einen Seite mit der öffent­

lichen Meinung, deren Kaptivierung ihr am Herzen liegen mußte und am Herzen lag, auf der andern Seite mit den Interessen der Einzelstaaten und

den Empfindungen der Dynastien.

Sie warb für den neuen Nationalstaat durch Gewährung von Frei­

heiten, Rechten und Vorteilen, die in der Vergangenheit vergebens erstrebt

und lange Zeit versagt worden waren.

Zu diesen Morgengaben an die

öffentliche Meinung gehörte auf wirtschaftlichem Gebiete die Abschaffung der

Binnenzölle auf den Wasserstraßen.

Daß die Abschaffung der Schiffahrts­

abgaben eine werbende Kraft in diesem Sinne gehabt und die Befriedigung eines

nationalen Wunsches bedeutet hätte, wird man aber nach den Ausführungen, die S. 155—157 und S. 187—197 über den tatsächlichen Verlauf der Dinge gegeben sind, schwerlich behaupten können.

Selbst die Nationalversammlung

* Vgl. S. 199. Die Staaten bauten zwar an den Strömen, aber die Strombaukosten blieben weit hinter den Einnahmen aus Flußzöllen zurück und standen mit ihnen in keiner notwendigen Beziehung. Auf den Rheinzöllen lasteten z. B. eine ganze Anzahl Renten an mediatisierte Fürstenhäuser usw., die mit der Rheinschiffahrt und ihren Verkehrsinteressen nichts zu tun hatten.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

234

von 1848 war in dieser Frage sehr zweifelhaft gewesen.

Als im Jahre

1861 der in Stade erhobene hannoversche Zoll auf der Unterelbe beseitigt

wurde, erregte das Fortbestehen der auf derselben Flußstrecke erhobenen hamburgischen Elbschiffahrtsabgabe keinerlei politisches Ärgernis oder auch nur Bedenken, obwohl der harburgische Abgeordnete Grumbrecht nicht müde wurde, in den Reichstagen von 1867, 1869 und auch später noch auf das

Vorhandensein dieser Abgabe aufmerksam zu machen.

Bezeichnend für die

Beurteilung dieser Dinge in den seefahrenden hanseatischen Gemeinwesen ist eine im Jahre 1857

von dem „Verein für Handelsfreiheit" in Hamburg

herausgegebene Flugschrift „Der Stader Zoll", in welcher für die Beseitigung dieser Verkehrsbesteuerung agitiert wurde.

Es heißt dort auf Seite 4:

„Mit Fug spricht die Gegenwart allen Zöllen die innere Berechtigung ab, welche von der Bewegung der Ware als solcher erhoben

werden, ohne daß dafür von den Erhebenden eine dieser Bewegung fördernd oder erleichternd zugute kommende Gegenleistung geboten werde."

Man

sieht,

wie

sehr

die hamburgischen Reeder und Kaufleute zwischen

Wasserzöllen und Schiffahrtsabgaben unterschieden. Daß in den letzten Jahren vor 1867 die Handelskammern und Stände an der Oder wiederholt

und dringend um Einführung von Schiffahrts­

abgaben gebeten hatten, mag hier außer Betracht bleiben, weil man ihnen entgegenhalten kann, daß sie nicht die Stimmung des Volkes, sondern Ver­ kehrsinteressen vertraten.

Auch die wiederholte Stellungnahme des preußischen

Landtages gegen einfache Beseitigung der Flußzölle und für Oderschiffahrts­

abgaben *

mag in Anbetracht der Provenienz des Abgeordnetenhauses aus

dem dreiklassigen Wahlsystem als

nicht völlig beweiskräftig gelten.

Aber

der aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangene Reichstag hatte sich 1869 nicht für radikale Aufhebung des Elbzolles,

wandlung über

in

denselben

Schiffahrtsabgaben

Gegenstand

aus

ausgesprochen,

dem

Jahre

sondern für seine Um­ und

1870

die Verhandlungen

lassen

es

mindestens

zweifelhaft erscheinen, ob nicht die Beschlußfassung des Reichstages wiederum in diesem Sinne ausgefallen wäre, wenn nicht Delbrück sich sehr entschieden

für die unbedingte Beseitigung jenes Zolles eingesetzt hätte. Nun war aber die

grundsätzliche Beseitigung der Schiffahrtsabgaben

oder mit anderen Worten: Die Legalisierung des Grundsatzes der Gebühren­ freiheil für Schiffahrtsverbesserungen, weder damals in Frage, noch ist sie es heute.

Durch die Aufstellung eines solchen Grundsatzes hätte man viel­

leicht eine volkstümliche Wirkung in ziemlich weiten Kreisen erzielen können,

wenn man zu so drastischen Mitteln greifen wollte oder greifen zu müssen * Vgl. Schumacher S. 132, 133 u. S. 187—197 dieser Arbeit.

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8 8.

Die Feststellung des Anstaltsbegriffs.

235

glaubte und kein Bedenken hatte, die entsprechenden Opfer sich und den ver­ bündeten Regierungen auszuerlegen.

In Wirklichkeit ist aber nur die Auf­

hebung einer gewissen Gruppe von Schiffahrtsabgaben — der in Gestalt von Fahrwassergeldern



erhobenen

zweifelhaft

überhaupt

und

streitig.

Die Frage muß also in der Weise gestellt und beantwortet werden, ob man

von der teilweisen Beseitigung jener Abgaben, von der Aufstellung des Unterschiedes

zwischen

abgabefähigen

und

nichtabgabefähigen Schiffahrts­

anstallen, einen politischen Nutzeffekt erwarten konnte. Selbst wenn die Grenze zwischen beiden Gruppen von Anstalten nicht so unsicher und kontrovers wäre, wie sie es ist, könnte doch mit hinreichender

Sicherheit behauptet werden, daß eine derartige, höchstens halbe Maßregel, eine

kasuistische Lösung

des Problems,

Stimmungen der Bevölkerung nicht

eine

ausüben,

füllung eines nationalen Herzenswunsches

erhebliche Wirkung geschweige

gelten konnte.

denn

auf die als

Er­

Sie hätte viel

eher den Eindruck einer bureaukratischen Erfindung machen können.

Wäre sich die Bevölkerung der verschiedenen Landesteile über die dem Art.

54

der

Verfassung

vielfach

heute

imputierte

kanalisierten und nichtkanalisierten Flüssen und jeder

inneren

Begründung

entbehrende,

von

Unterscheidung

über die daraus folgende,

imparitätische

Behandlung

ihrer

Verkehrsinteressen damals klar gewesen, so hätte diese einseitige Neubildung des Verkehrsrechtes von Bundes wegen in denjenigen Staaten oder Provinzen,

die zufällig auf kanalisierte Flüsse und Kanäle angewiesen waren, scheinlich

nicht

nur

keine Befriedigung,

sondern

eher

eine

wahr­

gewisse Ver­

stimmung hervorgerufen.

Jedenfalls

kam eine solche Lösung der Abgabenfrage als zugkräftige

politische Parole nicht in Frage,

zumal man

im Jahre 1867 doch einer

nüchternen, realpolitischen Auffassung der Dinge sehr viel geneigter war als

im Revolutionsjahre 1848. Noch viel weniger ist von den der Schiffahrt nahestehenden und deshalb

zu sachverständiger Beurteilung ihrer Interessen befähigten Kreisen, zu welchen außer den Reedern und Schiffern auch die mittelbar am Schiffahrtsbetriebe

beteiligten Erwerbsgruppen gerechnet werden müssen, anzunehmen, daß sie in

jener Lösung eine Förderung der allgemeinen Schiffahrtsinteressen erblickt

haben könnten.

Denn diese Kreise konnten sich nicht verhehlen oder hätten

sich bei kritischer Erwägung nicht verhehlen können,

daß eeterw xaridus

die Verbesserung einer Wasserstraße durch Regulierung wünschenswerter ist, als diejenige durch Kanalisierung.

Schleusen sind an sich immer Schiffahrts­

hindernisse, sozusagen ein xi8 aller.

Sie bringen Zeitverluste und Havarie-

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

III.

236

Möglichkeiten mit sich, die man auf einer regulierten Wasserstraße mit nicht

allzustarker

Strömung

scheidung

vermeidet.

wäre

Schiffahrtsinteressen

es

zwischen Regulierung

letzteren Methode

man

daß

wohlverstandener

Standpunkte

ein Mißgriff,

und Kanalisierung

beeinflussen,

zu

Vom

geradezu

ihr

die

dadurch

praktische Ent­

zugunsten

auf Grund

der

juristischer

Distinktionen bessere Finanzierungsmöglichkeiten verschafft wie der ersteren.

Solche Entscheidungen sollten nur nach

rein sachlichen,

verkehrstechnischen

Gesichtspunkten getroffen werden; die einseitige Prämiierung einer bestimmten Methode durch die Gesetzgebung wäre vom Übel. Das haben fachkundige

Geschäftsleute damals wahrscheinlich

ebensogut gewußt,

wie sie es heute

wissen.

Soviel über die Möglichkeit der Einwirkung auf die öffentliche Meinung.

Was

nun

die

Rücksichtnahme

die Einzelstaaten,

auf

Negierungen

und

Dynastien anbetraf, so war hierzu bei der preußischen Regierung im Jahre 1867 sicherlich mehr Veranlassung und Geneigtheit vorhanden, wie bei der

Frankfurter Nationalversammlung im Jahre 1848.

kularen Staatshoheit nur das nehmen, Bundesstaat notwendig

haben mußte.

die Vermutung gegen sich.

Man wollte der parti­

was die Zentralgewalt im neuen

Die Einschränkung der ersteren hat

Sie ist auf dem hier zu behandelnden Gebiete

des Verkehrsrechts und der Finanzhoheit ohne Zweifel insofern gewollt und

verwirklicht, als die Binnenzölle auf den Wasserstraßen grundsätzlich und für immer aufgehoben sind.

Ein Zwang zur Nichterhebung von Schiffahrts­

abgaben im Rahmen der Selbstkostendeckung ist aber nicht nachweisbar, auch

nicht für die besondere Abart der Fahrwassergelder. weder garnicht oder

Fahrwassergelder

allgemein

verboten.

Ein

Die letzteren sind ent­

allgemeines Verbot gegen

hätte die Bundesseestaaten in dieselben oder annähernd

dieselben Kalamitäten gebracht, wie sie ihnen im Jahre 1848 drohten und auf nachdrückliche Remonstration damals erspart wurden.

Es ist gegen alle

Wahrscheinlichkeit, daß Preußen den Seestaaten und namentlich den Hanse­

städten gegenüber ein geringeres Maß von Verständnis und Rücksicht gehabt

und anderseits ist es sicher,

haben sollte als das Frankfurter Parlament, daß die Fahrwassergelder,

wenn sie zugunsten und im Interesse der See­

staaten nach dem Vorbilde der Verfassung von 1849 zugelassen worden sind, für alle deutschen Wasserstraßen als ^U8 äi8po8itivum zu Recht bestehen. -l-

-t-

-i-

Die Verwaltungspraxis von sieben Jahrzehnten beweist,

daß die Re­

gierungen den Anstaltsbegriff fast immer und überall so ausgelegt und angewendet haben, wie er aus der grammatischen und logischen Interpretation

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Z 8.

Die Feststellung des Anstaltsbegriffs.

237

sich ergibt.

Sie zeigt namentlich auch, daß eine Einschnürung des Begriffs

nach 1867

bei der Handhabung des Art. 54 der Bundesverfassung nicht

erngetreten ist.

Die Praxis war freilich nicht immer ganz gleichmäßig und folgerichtig; Unsicherheiten, Schwankungen und Deviationen sind vorgekommen.

Aber sie

bilden doch so sehr die Ausnahme, daß man von ihnen sagen kann, sie be­

stätigen die Regel.

Der Kurs blieb im allgemeinen gleichmäßig und konstant.

Der die Praxis beherrschende, deutlich erkennbare Grundzug ist die Rechts­ überzeugung von der Abgabefähigkeit aller — konstruktiver und administra­ Für die Beurteilung kommen hier der

tiver — Schiffahrtsverbesserungen.

Natur der Sache nach nur diejenigen Fälle vollständig in Betracht,

wo

Schiffahrtsabgaben für die Benutzung von Wasserstraßen und Häfen wirklich erhoben wurden; denn

es

sich um

handelt

äi8xo8itivum.

der Nichterhebung spielen hier nur insoweit eine Rolle,

Die Fälle

als die Art ihrer

Behandlung und Erledigung Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Rechts­ überzeugung gestattet.

mehrerwähnte

Der wichtigste Fall dieser negativen Praxis ist die

Oderschiffahrtsabgabe,

deren

Regierung in den sechziger Jahren ablehnte.

Einführung

die

preußische

Die Fälle der positiven Praxis

könnten noch weit zahlreicher sein, wenn nicht bis 1867 auf den bedeutendsten

Strömen die Binnenzölle bestanden hätten, neben welchen für Fahrwasser­ gelder kein Raum war.

Es ist mit Bezug

auf die Verwaltungspraxis in Sachen der Schiff­

fahrtsabgaben gesagt worden ^, die Tatsache einer solchen Praxis biete allein

noch keinen Beweis für ihre Gesetzmäßigkeit, und das ist an sich ohne Zweifel

richtig. Es kommt darauf an, ob solche Praxis gelegentlich und vereinzelt, vielleicht gar bestritten, dem Lichte der Öffentlichkeit unzugänglich und un­ beachtet, oder ob sie häufig, ständig, allgemein, unbestritten und offenkundig war.

Die

letzteren Voraussetzungen sind aber bei der hier dargestellten

und für die logische Auslegung heran gezogenen Praxis erfüllt.

Sie war

überdies durch öffentliche Verhandlung und Beschlußfassung mehrerer einzel­ staatlicher Parlamente, jedenfalls des Preußischen Landtages und der ent­

sprechenden

während

Vertretungskörper

aus

dem

in

Reichstage in

Oldenburg den Jahren

und

Bremen,

1869,

1870

sanktioniert, und

1886

Kundgebungen verschiedener Richtung bei verschiedenen Anlässen erfolgt waren.

Will man eine solche Art der Rechtsanwendung nicht gelten und als unwesentlich

für die Erforschung

des objektiven Rechtszustandes bei Seite

* Vgl. Walther, Schiffahrtsabgaben. Gesetzgebung der Verwaltung. Band XXX.

Fischers Zeitschrift für Praxis und Heft 1/2.

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238

III.

Gegenstand der Abgabenerhebung.

lassen, so muß man überhaupt auf die Benutzung der Praxis für die Ge­

Das wird aber niemand wollen.

setzesauslegung verzichten.

Gerade bei den öffentlichrechtlichen Vorschriften,

welche die Regelung

wirtschaftlicher Fragen betreffen und ihrer Natur nach einer fein ausgefeilten, scharf begrenzten juristischen Fassung schwer zugänglich sind,

von großer Bedeutung.

ist die Praxis

Hier ist, um das bekannte Wort anzuwenden, das

Wirkliche vernünftig; es hat die Vermutung für sich, die sachgemäße Ver­

körperung

der gesetzgeberischen Absicht und Willensmeinung zu sein.

Wie

der Rauch das Feuer, so zeigt die konstante, loyale, öffentliche, unangefochtene

Praxis das stille Fortarbeiten des Rechtsgedankens im wirtschaftlichen Leben. Um die Erscheinungen der Praxis in vollem Umfange für die Rechts­

auslegung nutzbar zu machen, muß aber ferner versucht werden, sie in einen systematischen Zusammenhang zu erklären.

zu bringen und die einen aus den anderen

Es ist dabei von der Annahme auszugehen,

daß die Praxis

nicht willkürlich-kasuistisch, sondern im großen und ganzen nach einheitlichen

logischen Gesichtspunkten arbeitete, die sie im wesentlichen aus der Technik des Wasserbaues und der Schiffahrt entnahm. Hierbei soll zunächst das verbesserte Fahrwasser im offenen Strom oder Meeresarm,

weil

ist, außer Betracht

seine Subsumierung

unter den Anstallsbegriff

streitig

gelassen und nur von denjenigen Erscheinungsformen

ausgegangen werden, deren Eigenschaft als „Anstalt zur Erleichterung des

Verkehrs" allgemein anerkannt wird oder bei besonderem Anlasse in autori­ tativer Weise anerkannt worden ist. Hierzu gehören zweifellos die Schleusen.

Sie dienen aber nur mittelbar

zur Erleichterung des Verkehrs, nämlich nur insoweit sie Stauanlagen oder

Bestandteile von Stauanlagen sind.

Der eigentliche und unmittelbare Vorteil

für die Schiffahrt liegt in der Erhöhung der Fahrtiefe durch den Stau; die Schleuse ist an und für sich ein Schiffahrtshindernis und nur das Mittel, um durch die Stauanlage hindurch zu gelangen.

Demgemäß liegt die von der Verwaltung dargebotene Verkehrserleichte­ rung nicht in der Schleusenöffnung, sondern in der Stauhaltung. Noch weit mittelbarer ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der Schleuse und der Erleichterung des Verkehrs in denjenigen Fällen, wo der

Stau nicht eigentlich zur Erhöhung der Fahrtiefe in einer Wasserstraße,

sondern nur dazu dient, von der letzteren die schädlichen Einwirkungen eines anderen Gewässers fernzuhalten.

Beispiele

hierfür sind die Schleusen in

Kiel und Brunsbüttel, welche den Zweck haben, den Wasserstandswechsel der Elbe und der Ostsee *

und

die hierdurch bedingten Strömungen vom

* In der Elbe durch die Gezeiten und in der Ostsee durch Windwirkung.

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Z 8.

239

Die Feststellung des Anstaltsbegriffs.

Kaiser-Wilhelm-Kanal fernzuhallen.

Ein anderes Beispiel ist die Schleuse

an der Abzweigung der Elbinger Weichsel vom Hauptstrom beim sogenannten

Danziger Haupt.

Die Elbinger Weichsel hat kein Gefälle, ihr Wasserstand Die Schleuse soll verhindern, daß durch teilweise

ist der des Frischen Haffs.

Ablenkung der Wassermassen des Hauptstroms nach der Elbinger Weichsel die zur Offenhaltung der Weichselmündung notwendige Spülkraft des ersteren

leidet und die letztere wiederum versandet, wie es in früheren Jahrzehnten infolge der Ablagerung von Sinkstoffen aus der strömenden Weichsel tat­ sächlich geschehen war. Eine ähnliche Schleusenanlage bestand früher bei Tapiau, an der Ab­

zweigung des als Deime bezeichneten nördlichen Mündungsarms des Pregels.

Die vorstehenden Bemerkungen beziehen sich nur auf Kammerschleusen;

aber auch einfache Flutschleusen kommen hier in Frage.

Sie sind stets als

abgabefähige Anstalten anerkannt worden und noch jetzt mehrfach vorhanden,

z. B. als Hafenschleusen in Glückstadt, Husum und Brake und als Floß­ schleusen in Süddeutschland.

Als Anstalten für Binnenschiffahrt haben sie

bis vor wenigen Jahren in der Steckenitz und Delvenau, dem sogenannten Steckenitzkanale, bestanden ^. ein Tarif vom 5. Juni

Es war für sie unter der Herrschaft des Art. 54

1869 erlassen worden^.

Von den 17 Schleusen

dieser Wasserstraße waren nur 6 Kammerschleusen; die übrigen 11 wurden in der Weise betrieben, daß durch Öffnung der Tore des Stauwerks eine

abwärts fließende Welle erzeugt wurde, welche den Schiffen die zu ihrer

Fortbewegung erforderliche Fahrtiefe für den Weg bis zur nächsten Stau­ schleuse bot.

In derselben Weise

werden die Talsperren oder Staubecken, welche

nach den neueren Gesetzen über den Ausbau der preußischen Wasserstraßen zur Erhöhung des Niedrigwassers der Weser und der Oder hergestellt werden

sollen, der „Erleichterung des Verkehrs"

dienen.

Die aus solchen Becken

zu Tal gehende Wasserwelle wird sehr viel breiter und wirksamer sein, wie

die durch die Steckenitzschleusen erzeugte, und die Stauanlage wird nicht im Bett des Hauptstromes liegen, sondern in den von Nebengewässern durch­

strömten Seitentälern; im wesentlichen ist aber der Kausalnexus zwischen

der Anstalt und den Interessen der Schiffahrt derselbe.

Man wird daher

jene Staubecken ebenso als abgabesähige Anstalten anzusehen haben, wie man die jetzt beseitigten Steckenitzschleusen als solche behandelt hat. * In Rußland gibt es derartige Schleusen noch jetzt in mehreren Strömen für Schiffahrtszwecke. 2 Offizielles Wochenblatt für das Herzogtum Lauenburg Nr. 38. Die älteren Tarife kommen hier auch deshalb nicht in Betracht, weil die frühere Steckenitzabgabe ein Wasserzoll war.

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Gegenstand der Abgabenerhebung.

HI.

240

Wenn der durch menschliches Zutun erhöhte Wasserstand fähige Anstalt ist,

so läßt sich kein

eine abgabe­

sachlicher Grund dafür anführen, daß

die gleiche Eigenschaft nicht auch der durch Baggerung oder Einschränkung vertieften Flußsohle oder erhöhten Flußtiefe zuerkannt werden soll.

Der

tatsächliche Erfolg der aufgewendeten Arbeit, nämlich die Vergrößerung der

nutzbaren Fahrtiefe, ist in beiden Fällen dieselbe.

Die unter III. e. für den Begriff der

auf S. 111—129 milgeteilten Definitionsversuche

„besonderen Anstalt" passen

freilich

auf keinen von

beiden Fällen. Zu den anerkannten Erscheinungsformen des Begriffs der abgabefähigen

Anstalt gehören ferner die Schiffahrtszeichen, Bojen, Baken, Leuchtfeuer und

sonstige Tages- oder Nachtmarken.

Schon Z 20 des preußischen Zollgesetzes

vom 26. Mai 1818 bezeichnet sie als „Anstalten für die Erleichterung des

Verkehrs".

Ihre Eigenschaft

als

„besondere Anstalten"

im Sinne des

Art. 54 der Reichsverfassung ist durch die auf S. 207 bis 214 und S. 221 bis 224 erwähnten Unterweserverträge unter Zustimmung des Reichs festgestellt

worden.

Sie verhalten sich zum Fahrwasser wie der Wegweiser zum Weg.

Wenn für die Benutzung eines Fahrwassers schon

aus dem Grunde eine

Schiffahrtsabgabe erhoben werden kann, weil es in seiner Breite und Richtung

durch derartige Zeichen kenntlich gemacht ist, so kann die Abgabenerhebung für eine Verbreiterung, Begradigung, Vertiefung oder sonstige Verbesse­

rung des Fahrwassers unmöglich der Absicht des Gesetzgebers entgegen sein.

Buhnen, Baggerrinnen und in Fels gesprengte Unterwasserkanäle sind

schließlich doch von viel größerer technischer und wirtschaftlicher Bedeutung wie Bojen und Baken.

Die Buhnen

erfüllen außer dem Zwecke der Zu­

sammenfassung der Waffermengen und der Herstellung oder Erhaltung größerer

den der Kenntlichmachung der Fahrrinne.

Fahrtiefen gleichzeitig auch

Sie

dienen viel intensiver, vielseitiger und unmittelbarer der „Erleichterung des Verkehrs" wie bloße Schiffahrtszeichen. Die Weseruferstaaten handelten durchaus logisch und im Rahmen der

präsumtiven gesetzgeberischen Willensmeinung, wenn sie die steigenden Erträge und Bakengeldes"

des gemeinsamen „Feuer-

zum Ausbau der Fahrrinne

Von diesem Standpunkte aus ist auch die Erklärung des

mitverwandten.

preußischen Handelsministers, daß die Beseitigung von Wracks und Baum­

stämmen

in den Kreis der „besonderen Anstalten" falle, vollkommen ver­

ständlich, obwohl es sich hierbei nicht eigentlich um die Verbesserung, sondern nur um die Unterhaltung der Fahrrinne

haltung

es

der Fahrstraße handelt.

ein Substrat

auch

sein;

man

der Abgabenerhebung, kann

sogar

die

Ist

die Bezeichnung

so

muß die Unter­

Ansicht

haben,

daß

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die

8 8.

Die Feststellung des Anstaltsbegriffs.

241

erstere einen Bestandteil der letzteren bilde. Wenn Delbrück im Jahre 1870 eine abweichende Äußerung getan hat in dem Sinne, daß für bloße

Unterhaltung der natürlichen Wasserstraßen keine Abgaben erhoben werden dürften, so ist das zwar insofern richtig,

als die Stromunterhaltung nicht

lediglich im Interesse der Schiffahrt erfolgt, sondern vielfach anderen, nament­ lich landwirtschaftlichen Interessen mehr oder weniger zu gute kommt.

So­

weit sie aber im Schiffahrtsinleresse stattfindet, muß sie auch als abgabe-

fähige

Veranstaltung

spruch

zwischen

angesehen

werden.

Sollte

hiernach

dem Präsidenten des Bundeskanzleramts von

Wider­

ein

1870

und

dem preußischen Handelsminister von 1885 noch bestehen bleiben, so müßte

die größere Autorität des letzteren den

Daß bei

Bismarck.

der

Ausschlag geben,

damaligen Entscheidung

etwa

sichten von Einfluß gewesen wären, ist schon deshalb Preußen

bei

der Angelegenheit

so

gut wie

denn

es

fiskalische

war

Rück­

ausgeschlossen, weil

garnicht, jedenfalls

nur in

minimalem Umfange, beteiligt war.

Wollte man vertiefte Fahrrinnen in natürlichen Gewässern als nicht­ abgabefähig, Stauanlagen hingegen als zulässige Gegenstände der Abgaben­

erhebung behandeln, so könnte eine Wasserstraße durch intensivere Verbesserung ihrer Schiffahrtsverhältnisse aus einer abgabefähigen zu einer nichtabgabe­ fähigen, oder es könnte — vom Standpunkte derjenigen, welche kanalisierte Flüsse für künstliche Wasserstraßen halten — eine künstliche Wasserstraße zu einer natürlichen werden.

Derartige Fälle sind durchaus keine theoretischen

Möglichkeiten, sondern in der Praxis vorgekommen. gestaut

und

mit Schleusen versehen;

Die Deime war früher

später wurden diese beseitigt und

das Flußbett auf der ganzen Strecke so vertieft, daß die Gefälleunterschiede verschwanden Die hier geschilderte rechtliche Folge einer Schiffahrtsverbesserung wäre

absurd, und weil sie absurd wäre,

Rechtszustands nicht zutreffen.

kann die Voraussetzung hinsichtlich des

Denn es kann dem Gesetzgeber nicht —

ohne zwingende Gründe — unterstellt werden, etwas Absurdes gewollt oder

die absurden Konsequenzen seiner Anordnung nicht vorausgesehen zu haben. H

*

-k-

Bei dem Versuch, den Anstaltsbegriff von einzelnen feststehenden Tat­ sachen aus nach logisch-systematischen Gesichtspunkten zu konstruieren und

in seinen Grenzlinien zu bestimmen, muß freilich daran festgehalten werden,

Vgl. „Memel-, Pregel- und Weichselwasserstraße" im Auftrage des preußischen Wasserausschusses von H. Keller. II, S. 529, 530. Lchriften OXV. — Erster Teil. 16

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III. Gegenstand der Abgabenerhebung.

242

daß derartige Versuche nicht über den durch die erkennbare Willensmeinung des Gesetzgebers

gezogenen Rahmen hinausgehen dürfen.

Dieser Rahmen

müßte auch dann respektiert werden, wenn der gesetzgeberische Wille sich als unsachgemäß erweisen sollte. Schumacher hat am Schlüsse seines Definitionsversuchs, von welchem

er selbst sagt, daß er auf „rein formalen Gesichtspunkten" beruhe, auf die Bedenken hingewiesen, welche der Konstruktion des Anstaltsbegriffs auf logischer

oder naturrechtlicher Grundlage entgegenstehen.

Die grundsätzliche Berechtigung

dieser Bedenken ist nicht zu bestreiten; hier aber ist der Ausdruck des gesetz­

geberischen Willens so wenig klar und scharf, der durch den Wortlaut ge­ zogene Rahmen so weit,

daß

er jenen Konstruktionen den erforderlichen

legalen Spielraum bietet. Wird aber mit Schumacher zuungunsten des Gesetzgebers angenommen, er habe diese wirtschaftliche Frage

nach

„rein

formalen Gesichtspunkten"

regeln wollen, so wäre man doch wohl zu der Erwartung berechtigt, daß

die gewählte formalistische Lösung wenigstens den äußeren Vorzug besäße,

um dessen Willen sie der sachlichen mitunter vorgezogen wird, nämlich den Vorzug der leichten Erkennbarkeit, der klaren Abgrenzung des Rechtsbegriffs nach äußeren Merkmalen. Diesen Vorzug kann man aber dem Schumacherschen Definitionsversuch

— „Anstalten sind

gewisse künstliche, sichtbare Vorrichtungen und Bauten

an, in oder auf den Flüssen, die einer besonderen Benutzung fähig sind" —

nicht zuerkennen, und noch viel weniger den Gesetzesvorschriften, auf welche

der Versuch sich bezieht.

Allein

der Satz „die einer besonderen Benutzung

fähig sind" enthält eine Fülle von zweifelhaften und subjektiven Momenten.

Außerdem widerspricht jener Versuch der Praxis.

* Es ist schon auf S. 109—111 ausgeführt worden, daß der Begriff des „Besondern"

eines selbständigen Daseins nicht fähig ist und nur durch die

Beziehung auf einen latenten, im Wege der grammatischen Auslegung nicht auffindbaren Allgemeinbegriff Leben erhalten kann.

Der Ausdruck

„besondere Anstalten"

kommende Eigenschaftswort

oder vielmehr das darin vor­

ist hervorgegangen

aus

dem Bedürfnis

nach

starker Betonung und Unterstreichung des Gegensatzes zu dem freien Genuß­

gut der natürlichen Wasserstraßen, — aus demselben Bedürfnis, welches in dem

gleichen

„wirklich

Zusammenhänge

bestehende

die

Einrichtungen"

seltsam im

pleonastischen

Zollvereinsvertrage

Wortbildungen

gezeitigt

hat.

Der letztere Ausdruck ist eine Übersetzung der „besonderen Anstalten"; eine

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8 8.

Die Feststellung des Anstaltsbegriffs.

243

andere Übersetzung gab Delbrück in der Reichstagsverhandlung vom 19. Mai 1870,

indem er sie als „bestimmte Anstalten" bezeichnete.

Um die Gesetzgebung

jener Zeit richtig zu verstehen, muß man sie perspektivisch gegen die Ver­

und auf ihren

gangenheit betrachten Dieser Hintergrund

historischen Hintergrund

bestand in den veralteten,

projizieren.

lästigen und allerdings sehr

Die Fassung der Gesetze ist absichtlich so gewählt,

mißliebigen Binnenzöllen.

daß der Leser den starken

Eindruck haben

muß, es sei mit

der bloßen

„Flußfreibeuterei" — um diesen in der Delbrückschen Denkschrift von 1848 vorkommenden Ausdruck * hier zu wiederholen — ein für allemal zu Ende,

und jede erdenkliche Bürgschaft gegen ihre Wiederkehr gegeben.

Nur hierdurch

ist es zu erklären, daß man sich nicht mit „Anstalten" begnügte, obwohl dieser

Ausdruck den Gegensatz

des Menschenwerks zur

freien Naturgabe an sich

hinreichend ausdrückt, sondern noch die „besonderen", die „bestehenden" und gar noch die „wirklich bestehenden"

hinzufügte.

Ohne

jenen

historischen

Hintergrund hätte der Gesetzgeber sicherlich nicht für nötig erachtet, ein aus­ drückliches Verbot der Abgabenerhebung für Anstalten, welche nicht bestehen,

auszusprechen; ein logischer Anlaß war jedenfalls nicht vorhanden. Dem Wort

noch

„besondere"

im vierten Absatz des Art. 54 wohnt aber

eine weitere stilistische Beziehung und Bedeutung

insofern bei,

als

damit der Gegensatz zu den im nächsten Satze erwähnten künstlichen Wasser­

straßen, die in ihrer Gesamtheit Anstalten sind, bezeichnet wird.

wendung

des Anstallsbegriffs auf Kanäle

S. 65 — 105

Die An­

ist nach den Darlegungen auf

sprachlich zulässig, korrekt und üblich;

es mag hier nur an

die Zollvereinsverträge und an den preußischen Tarifgesetzentwurf von 1851 ? erinnert werden, welcher sogar die Wasserstraßen allgemein als Anstalten bezeichnet.

Im Gegensatz zu den Kanälen sind die Korrektions- und Stau­

werke in einer natürlichen Wasserstraße, sie mögen noch so nahe aufeinander

folgen, doch nur immobile Bestandteile des Strombettes,

sie sind kein zu­

sammenhängendes Ganzes, sondern singuläre, wenn auch nach einheitlichem System angelegte und auf einheitliche Gesamtwirkung berechnete Bauwerke.

Das der Ausdruck

„besondere"

eine weitergehende als die hier dar­

gelegte Bedeutung gehabt, daß er sachlich eine Einschränkung des Kreises der abgabefähigen Anstalten

bezweckt haben

könnte,



etwa

eine Ein­

schränkung auf örtliche Verkehrsanstalten nach dem Vorbilde des Art. 26

der Verfassung von 1849 — ist nach Lage der Umstände aus zwei Gründen ausgeschlossen.

r Vgl. S. 150, 151. - Vgl. S. 87. 16*

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III.

244

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Es ist erstens nicht denkbar, daß der Gesetzgeber, wenn er am 26. Juni

durch Einfügung jenes Eigenschaftswortes den Rechtszustand ändern wollte,

wichtige

dieses

und

folgenreiche

Eigenschaftswort am 8. Juli

desselben

Zusammenhänge,

bei Abfassung einer Rechts­

vorschrift von zweifellos identischem Inhalt,

wieder fortließ oder vielmehr

1867

Jahres

„wirklich

durch

im gleichen bestehende"

ersetzte.

Eine derartige Variation der Wort­

fassungen in zwei fast gleichzeitigen Urkunden von fundamentaler Wichtigkeit

für das neugebildete deutsche Staatswesen kann unmöglich auf einem bloßen Versehen beruhen und kaum anders als in der hier dargelegten Art erklärt

werden. Es würde ferner auch

an einem vernünftigen Grunde dafür fehlen,

daß man im nächsten Jahre beim Abschluß der Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1868

abermals das Wort

„besondere"

nicht gebrauchte und

Vertragsbestimmung

alle

in der maßgebenden

„künstlichen

Anlagen"

als

abgabefähig bezeichnete. Von manchen Seiten wird ja die Ansicht vertreten, daß die Rhein­

schiffahrtsakte die Möglichkeit der Erhebung von Schiffahrtsabgaben noch über das durch die Verfassung gestattete Maß hinaus habe einschränken

wollen.

Hinsichtlich der hier erörterten, für die Frage enscheidenden Vor­

schrift würde der Wortlaut geradezu die entgegengesetzte Annahme recht­ fertigen.

Das Eigenschaftswort künstlich

natürliche Anlagen gibt es nicht.

ist nichts als ein Pleonasmus;

Die Akte läßt also die Erhebung von

Abgaben für alle Schiffahrtsanlagen zu und es handelt sich nur noch um

die Frage, was man unter diesem Ausdruck zu verstehen hat. Nach

den

Ausführungen

S.

66—105

bedeutet das Wort Anlage

in diesem Zusammenhänge so viel wie bauliche Anstalt.

Daß die Akte

aber auch für unkörperliche Anstalten die Abgabenerhebung zulafsen will, scheint aus Art. 27

hervorzugehen; er wird jedenfalls in der Praxis so

aufgefaßt. Die Akte ist allerdings eine Urkunde von ungewöhnlich mangelhafter

und flüchtiger Fassung. Eigenschaftswortes

Aber auf die Wiederholung des

„besondere"

viel

berufenen

in ihrem Texte hätte man doch schwerlich

verzichtet, wenn man der Meinung gewesen wäre, daß damit der Kreis der

abgabefähigen

Schiffahrtsanstalten

verfassungsmäßig

eingeengt worden sei

und vertragsmäßig nochmals — mit internationaler Wirkung — eingeengt werden könnte und sollte.

Im deutsch-österreichischen Elbzollvertrage vom 22. Juni 1870 erscheint das

bewußte Wort von

neuem.

Das

hatte seinen äußeren Grund darin,

daß die maßgebende Bestimmung des Vertrages wortgetreu dem Art. 54

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Die Feststellung des Anstaltsbegriffs.

8 8.

der Verfassung entlehnt war.

245

Daß materiell kein anderes Recht für die

Elbe als für den Rhein geschaffen werden sollte, ist bereits unter II 8 2 S. 19

Wenn Delbrück der Meinung gewesen wäre, „besondere Anstalten"

dargetan.

seien örtliche Verkehrseinrichtungen im Gegensatz zur durchgehenden Fahrstraße, und nur die ersteren sollten nach dem Vorbilde der Verfassung von 1849

abgabefähig sein, so wäre es geradezu unbegreiflich, weshalb er bei den Reichstagsverhandlungen von 1870 über die Elbzölle diese klare und ein­

fache Erläuterung des unbestimmten Eigenschaftswortes nicht gab.

Denn

die Verhandlungen waren in dem Sinne geführt und der von Delbrück be­ kämpfte

Antrag

in

Voraussetzung

der

gestellt worden,

daß Fahrwasser­

verbesserungen besondere Anstalten seien oder doch sein könnten.

wurde für die Befahrung erhoben;

Der Elbzoll

seine damals vorgeschlagene Reduktion

auf das Maß der Selbstkostendeckung mußte also ein Fahrwassergeld ergeben. Es lag sehr nahe, die Zulässigkeit eines solchen mit kurzen Worten zu ver­

neinen, wenn es verfassungsmäßig unzulässig war. Der zweite Grund gegen die Annahme, daß die Einschaltung des Eigen­

schaftswortes „besondere" einen anderen Zweck oder vielmehr Anlaß gehabt

haben könnte, als den der Betonung der Gegensätzlichkeit gegen das freie Genußgut

und

gegen

die

in

unter

ihrer Totalität

den

Anstaltsbegriff

fallenden Kanäle, ist aus der Vergleichung des dritten und vierten Absatzes in 8 54 zu entnehmen. für abgabefähig erklärt.

Im dritten sind die Schiffahrtsabgaben unbedingt

Der Gegensatz von

natürlichen

Häfen erscheint nicht — wie im vierten Absatz in der Wortfassung.

und

künstlichen

bei den Wasserstraßen —

Der Gegensatz von Zöllen und Verkehrsabgaben hatte

bei den Hafengeldern niemals eine Rolle gespielt; es lag also auch kein Grund dafür vor, den Begriff der Schiffahrtsanstalt durch entsprechende Zusätze, wie „besondere" oder

„wirklich

bestehende" noch schärfer von dem

Hintergründe des freien Genußgutes abzuheben. Jedenfalls fehlt es, wenn man jene beiden Absätze des Art. 54 mit­

einander vergleicht, an jeglichem inneren und äußeren Anlaß, welcher den Gesetzgeber zu dem Entschlusse bringen konnte, Häfen und Wasserstraßen aus dem hier in Betracht kommenden Gesichtspunkte der Finanzierung von Ver­ kehrsverbesserungen durch Schiffahrtsabgaben verschieden zu behandeln und

den Kreis der abgabefähigen Anstalten

bei der einen Gruppe anders ab­

zugrenzen, wie bei der anderen.

Er hatte sie in den Zollvereinsverträgen seit Jahrzehnten einer gleich­ mäßigen Regelung unterworfen und wollte an dieser Regelung sachlich nichts ändern. -I-

* rk

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III.

246

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Die Entstehungsgeschichte des Art. 54 spricht also für die schon vorher durch die grammatische Auslegung begründete Annahme, daß jede im Schiff­ fahrtsinteresse hergestellte Anstalt oder Einrichtung der Rentbarmachung durch

Abgaben fähig ist.

Nur zwei

Ausnahmen von diesem Grundsätze sind für Deutschland

durch positive Vertragsbestimmungen statuiert worden.

Die eine findet sich

in Art. 3

der Rheinschiffahrtsakte, welcher be­

stimmt, daß Bojen- und Bakengelder oberhalb Rotterdam und Dordrecht nicht gestattet sein sollen. als

abgabefähige

fassung

oder

Danach sollen auf dem Rhein Bojen und Baken nicht

„besondere Anstalten"

„künstliche

Anlagen"

im Sinne des Art. 54 der Ver­

im Sinne

des Schlußprotokolls

zum

Art. 3 der Akte — abweichend von dem gemeinen Rechte im ganzen übrigen Deutschland — angesehen werden.

Die andere ist enthalten in dem Vertrage über die Ablösung des Stader Elbzolles vom 22. Juni 1861 schädigung von

in welchem Hannover gegen eine Ent­

beinahe 3 Millionen Talern sich

außer zur Nichterhebung

dieses oder eines ähnlichen Zolles auch dazu verpflichtete,

„1. wie bisher und nach Maßgabe seiner bisherigen Verpflichtungen für die Unterhaltung derjenigen Werke, welche für die freie Elbschiffahrt

erforderlich sind, Sorge zu tragen.

2. Als Entschädigung für die aus der Ausführung dieser Verpflichtung

erwachsenden Ausgaben keine Abgabe irgend welcher Art anstatt des Stader oder Brunshäuser Zolls einzuführen." Da

Preußen in die völkerrechtlichen Verpflichtungen Hannovers

ein­

getreten ist, so darf es auf der Unterelbe keine Schiffahrtsabgaben — auch nicht im Rahmen der Selbstkostendeckung nach Art. 54 der Reichsverfassung —

erheben.

Praktisch hat diese Beschränkung freilich nichts zu bedeuten, da die

Unterhaltung der Schiffahrtsstraße auf der Unterelbe von Hamburg besorgt

wird, welches dafür die bekannte Elbschiffahrtsabgabe vereinnahmt.

Bei

Unterzeichnung des Vertrages über die Aufhebung des Stader Zolles gab

der hamburgische Bevollmächtigte auf Wunsch der englischen Regierung die ausdrückliche Erklärung ab,

„daß die Aufhebung des Stader Zolles für Hamburg niemals eine Ver­ anlassung abgeben

werde, das bestehende Verhältnis in betreff der Er­

haltung der Schiffbarkeit der Elbe auf seine Kosten von Hamburg bis

Hannoversche Ges.S. 1863 S. 205. In der Preußischen Gesetzsammlung 1862 S. 383 ist der französische Vertragstext etwas anders ins Deutsche übertragen.

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Z 8.

Die Feststellung des Anstaltsbegriffs.

247

zur See zu ändern, welches Verhältnis in jeder Beziehung unverändert

fortbestehen werde".

Der Vertrag vom 22. Juni 1861 schiffahrt dienende Elbstrecke.

bezog

sich nur auf die der See­

Von der Elbstrecke oberhalb Hamburg erhielt

Hannover nach wie vor seinen

Anteil am Elbzoll.

Wenn Wittmack

in

seinem Aufsatze „Völkerrechtliche Bedenken gegen die Einführung von Ab­ gaben auf die Flußschiffahrt"

S.

145 ff. sagt,

daß

im Archiv für öffentliches Recht Band 19

„einer Erhebung von Elbzöllen"

in dem ehemals

hannoverschen Staatsgebiet jener Staatsvertrag entgegenstehe, so geht dies

in bezug auf den örtlichen Geltungsbereich des Vertrages zu weit*. Daß Elb zölle nicht wieder eingeführt werden dürfen, ist zwar richtig,

auch für die Strecke oberhalb Hamburg, weil sie dort durch die Verfassung und dm deutsch-österreichischen Vertrag verboten sind.

aber um die, einen

Hier handelt es sich

grundsätzlich verschiedenen Gegenstand betreffende und

deshalb auch in einem besonderen Artikel des Vertrages vom 22. Juni 1861 ausgesprochene Verzichtleistung auf Schiffahrtsabgaben.

Sie gilt nur

für die der Seeschiffahrt dienende Elbstrecke. ri-

Zweifelhaft ist die Anstaltseigenschaft für diejenigen Einrichtungen und

Leistungen, welche lediglich die Unterhaltung der natürlichen Fahrrinne be­ zwecken. Die Praxis ist, wie die vorstehenden Ausführungen ergeben, nicht ganz

gleichmäßig gewesenMan hat zuweilen die Kosten der bloßen Unterhaltung

des natürlichen 8tatu8 quo als nicht deckungsfähig durch Schiffahrtsabgaben behandelt, zuweilen

aber

auch zwischen gewöhnlichen und sonstigen Unter­

haltungskosten unterschieden und nur den ersteren die Anstaltseigenschaft ab-

' Vgl. über den hannoverschen Anteil am Elbzoll den Staatsvertrag vom 4. April 1863 Preuß. Ges.S. S. 385. Wittmack spricht in seinem Aufsatze von denjenigen „Werken", die Hannover an der Unterelbe vertragsmäßig ohne Entgelt ausführen sollte, als von „Anstalten", und liefert damit einen weiteren Beweis für den Sprachgebrauch hinsichtlich des Anstaltsbegriffs, da jene Werke nur in Uferschutz- und Korrektionsanlagen bestehen. Daß es sich bei dem Vertrage über die Aufhebung des Stader Zolls nur um solche Verpflichtungen und Rechte der hannoverschen Regierung handelte, welche die der Seeschiffahrt dienende Unterelbe zum Gegenstände hatten, geht auch aus der Denkschrift vom 22. Mai 1862 hervor, mit welcher die preußische Regierung jenen Vertrag ihrem Landtage vorlegte. Drucksachen des Abgeordnetenhauses Nr. 48 Session 1862. Vgl. auch Bericht der Finanzkommission des Herrenhauses vom 17. Juli 1862, Drucks, des Herrenhauses Nr. 45. 2 Vgl. S. 240, 241.

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III

248

Gegenstand der Abgabenerhebung.

Grundsätzlich wird auch der Unterhaltungstätigkeil diese Eigen­

gesprochen.

schaft nicht abgesprochen werden können, Fahrrinne

sich

verschlechtern

würde

interesse nützlicher Beharrungszustand

dings

dieser

Frage — bei

und

insofern ohne sie der Zustand der

durch

sie ein dem Schiffahrts­

erhalten wird.

den Binnenwasserstraßen

Praktisch wird aller­ wenigstens — eine

verhältnismäßig geringe Bedeutung deshalb beiwohnen, weil die bloße Unter­ haltung im allgemeinen schon im landwirtschaftlichen und im sonstigen all­

gemeinen Kulturinteresse notwendig sein wird, und infolgedessen der entstehende Kostenaufwand nicht der Schiffahrt oder doch nicht ihr allein zur Last gelegt

werden kann.

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IV.

Die Voraussetzung für den Eintritt der Abgabepflicht.

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8 i. Die grammatische Auslegung. !^ach Eintritt

der

Verfassung

und

dem

Zollvereinsvertrage

ist

für

den

der Abgabepflicht maßgebend die Tatsache der „Benutzung" be­

sonderer Anstalten

in natürlichen und die Tatsache der „Befahrung" von Es entsteht vorab die Frage, ob diese Verschieden­

künstlichen Wasserstraßen.

heit des Ausdrucks nur stilistische Bedeutung hat oder die Absicht einer sachlich verschiedenen Behandlung von natürlichen und künstlichen Wasser­ straßen erkennen läßt.

Die Frage ist mehrfach im Sinne der letzteren Alter­

insbesondere von Schumacher, der es nicht für

native beantwortet worden;

möglich hält, in der Befahrung eines offenen, wenn auch technisch noch so sehr ungestalteten Flusses die „Benutzung von Anstalten" zu finden.

Auch

Löning vertritt einen ähnlichen Standpunkt.

Wenn es richtig ist —

und in den vorhergehenden Abschnitten ist der

Beweis hierfür angetreten worden —, daß künstliche Wasserstraßen, ins­ besondere Kanäle, ebenso unter den Anstaltsbegriff fallen, wie Verbesserungen an natürlichen Wasserstraßen, so verliert die Kontroverse über das Verhältnis der Begriffe Benutzung

deutung.

und Befahrung dadurch

im wesentlichen ihre Be­

Gleichwohl soll das Verhältnis hier untersucht werden, und zwar

zunächst vom Standpunkte des Sprachgebrauchs.

Von diesem Standpunkte aus

erscheint Benutzung als der allgemeine

Begriff; eine Sache benutzen heißt, sie sich zunutze machen, aus ihr Vorteil

ziehen.

Dieser Vorteil kann ein unmittelbarer oder ein mittelbarer sein;

in Ermangelung

einschränkender Bestimmungen

im Einzelfalle muß jede,

wenn auch entfernte Beziehung zwischen der nutzbringenden Anstalt und dem­ jenigen, welcher aus ihrem Bestehen Vorteil zieht, als Benutzung der ersteren durch den letzteren gelten.

„Befahrung" ist sprachlich nichts weiter als eine

besondere Art und Erscheinungsform der „Benutzung"; man „benutzt" einen

Weg, indem man ihn „befährt".

Auch für den Verkehr auf den Wasser­

straßen werden beide Worte vollkommen gleichwertig gebraucht.

Der Reichshandelsminister Duckwitz, ein bremischer Kaufmann, dem

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252

IV.

ohne

Zweifel

Die Voraussetzung für den Eintritt der Abgabenpflicht.

die Ausdrucksweise

der

schifsahrttreibenden

Kreise geläufig

war, machte am 15. August 1848 dem Verfassungsausschusse des Reichs­ tages in Frankfurt eine Vorlage über „Flußzölle und Flußkonventionen", in

welcher es heißt:

„Die Uferstaaten unterhalten die Fahrbahn ihrer Flüsse zunächst zum Be­

triebe der Schiffahrt ihrer eigenen Staatsgenossen.

Diese benutzen die

Ströme auch im Gebiete anderer Uferstaaten und die Genossen dieser letzteren tun desgleichen, so daß eine gegenseitige Benutzung der Fluß­

strecken stattfindet. wohl

Obgleich

es nicht genau zutrifft, kann man doch

annäherungsweise annehmen, daß die Benutzung eines ge­

meinsamen Flusses sich für die Bewohner eines Staates nach der

Uferlänge desselben richtet.

Somit würde den Uferstaaten konventioneller

Flüsse ebensowenig eine Vergütung von feiten des Reichs zukommen, als denjenigen

der

nicht

konventionellen;

denn

bei beiden richtet sich die

Schiffahrtsbenutzung nach den Uferstrecken." Die

hannoverschen Vertreter

bei

der

provisorischen Reichsgewalt zu

Frankfurt erklärten in derselben Angelegenheit am 21. August 1848: „Wenngleich eine Verminderung

der jetzt die Schiffahrt belastendm Ab­

gaben für notwendig erkannt werden mag, so ist es doch jedenfalls nur für billig und angemessen zu erachten, daß diejenigen, welche zunächst den

Vorteil

von den Flüssen als Handelsstraßen beziehen und sie zu diesem

Zwecke benutzen, einen mäßigen Beitrag als Wasserwegegeld zu den sehr bedeutenden Kosten der Unterhaltung der Fahrbarkeit der Flüsse und

Wasserstraßen leisten.

Wenn dieser Beitrag so bemessen wird, daß die

Flüsse zu Zwecken des Handels, im Vergleich zu anderen Straßen, noch immer mit Vorteil benutzt werden können, so wird jene Abgabe in den verhältnismäßig erhöhten Transportkosten regelmäßig die Warenempfänger,

mithin gerade diejenigen treffen, welche die Transportkosten überhaupt zu tragen haben *."

Die im Jahre 1849 vom Reichstage angenommene Verfassung sprach

in ß 22 von den Abgaben, „welche in den Seeuferstaaten von den Schiffen und deren Ladungen für die Benutzung der Schiffahrtsanstalten erhoben werden".

Schiffahrtsanstalten sind nach

8 20

a. a. O.

sowohl

Häfen, Seetonnen, Leuchtschiffe und das Lotsenwesen als auch das Fahr­

* Ähnliche Proben des Sprachgebrauchs ließen sich gerade aus den Verhand­

lungen der Jahre 1848/49 noch zahlreich anführen. Vgl. auch das bei Schumacher S. 77 abgedruckte Zitat von Ockhart 1818, wo von „Benutzung des Stromes" gesprochen wird.

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8 2.

Die logische Auslegung.

253

wasser; dies alles ist nach der Ausdrucksweise der Verfassung Gegenstand der

Verkehrsakt, mit

Der letztere Ausdruck umfaßt jeden

„Benutzung".

welchem der Gebrauch

irgend einer Schiffahrtseinrichtung körperlicher oder

unkörperlicher Art und deshalb der Eintritt der Abgabepflicht verknüpft ist.

Die Rheinschiffahrtsakte spricht, wie bereits in ß 2

erwähnt wurde,

von der „Benutzung künstlicher Wasserstraßen oder Anlagen,

wie Schleusen u. dergl." ; sie gebraucht also das Wort Benutzung promise für die beiden Fälle, welche vermeintlich in Art. 54 durch die verschiedenen Ausdrücke „Benutzung" und „Befahrung" auseinandergehalten werden sollten.

In der Verhandlung des konstituierenden Reichstags vom 20. März 1867 sprach der Abgeordnete Baumstark über

die „Abgaben für Benutzung der

Flüsse zur Deckung der Unterhaltungskosten".

Ebenso

wird in der Be­

gründung zu dem Reichsgesetze vom 5. April 1886 das aus der Unterweser

einzuführende Fahrwassergeld als „Benutzungsgebühr" bezeichnet; Auch der badisch-schweizerische Vertrag über den Rhein zwischen Schaffhausen

und Basel erwähnt die „Benutzung" der Wasserstraße. Daß Delbrück gerade in den Jahren, welche der Entstehung der beiden letzten Zollvereinsverträge von 1865 und 1867 und der Bundesverfassung

von 1867 unmittelbar vorangingen, den mit „benutzen" gleichwertigen Aus­

druck

„Gebrauch

machen"

auf

die

Befahrung

gebaggerter

Rinnen

an­

gewendet hat, geht aus dem S. 126 auszugsweise mitgeteilten Jmmediat­ bericht vom 13. Mai 1862 hervor.

8 2.

Die logische Auslegung. Auch die Entstehungsgeschichte der Verfassung und des geltenden Zoll­

vereinsvertrages beweist, daß der Gesetzgeber, indem er die „Befahrung" als

maßgebend

für

den

Eintritt

der Abgabepflicht

bei

gewissen

künstlichen

Wasserstraßen bezeichnete, hiermit keinen Gegensatz zu der „Benutzung" ver­

einzelter Schiffahrtsanstalten

ausdrücken und

keinen abweichenden

Rechts­

zustand für die in Betracht kommenden Verkehrswege schaffen wollte.

Die älteren Zollvereinsverträge bis 1865 einschließlich kannten in diesem Zusammenhänge nur den Begriff der Benutzung.

Jedes

Gebrauchmachen

und Vorteilziehen von Schiffahrtsanstalten im weitesten Sinne des Wortes,

sowohl von Schleusen,

Regulierungswerken

und

sonstigen Einbauten

in

natürlichen Wasserstraßen, als auch von künstlichen Wasserstraßen wurde als

* Stenograph. Berichte S. 279.

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IV. Die Voraussetzung für den Eintritt der Abgabenpflicht.

254

Benutzung bezeichnet.

Erst in den Zollvereinsvertrag von 1867 wurde der

eingeschaltet, welcher die Selbstkostengrenze für nichtstaatliche

Zwischensatz

künstliche Wasserstraßen beseitigte, und nur in diesem ist der Ausdruck

„Benutzung" durch

„Befahrung"

Zwischensätze Nun ist aber

ersetzt.

festgestellt, daß der Rechtszustand hinsichtlich der Schiffahrtsabgaben — ab­

gesehen von der Zulassung eines Reingewinns bei jener besonderen Gruppe von künstlichen Wasserstraßen — damals nicht geändert werden sollte.

Also

kann auch für den Wechsel des Ausdrucks zwischen Benutzung und Befahrung die Absicht einer sachlichen

Unterscheidung hinsichtlich der Voraussetzungen

für den Eintritt der Abgabepflicht nicht bestimmend gewesen sein.

Die Ab­

gabepflicht bei nichtfiskalischen Kanälen entstand vor 1867 durch „Benutzung" und dann durch „Befahrung"; für die fiskalischen Kanäle ist der Ausdruck

in

„Benutzung"

Art. 25 des

Da der Unterschied

Vertrages vom 8. Juli 1867

zwischen beiden Gruppen nur

beibehalten.

in der Eröffnung einer

Gewinnmöglichkeit für die erstere bestehen sollte, so muß Befahrung und Benutzung hier dasselbe bedeuten; und wenn beide Ausdrücke in synonymer nebeneinander erscheinen, so ist das ebenso wie bei „Anstalt"

Anwendung

und „Anlage"

im vierten Absätze des Art. 54 der Verfassung nur durch

äußerliche stilistische Beweggründe zu erklären. Die Praxis hat sich im Rahmen der grammatischen Auslegung bewegt,

indem sie den Begriff der Benutzung im weitesten und mittelbarsten Sinne anwendete. Es ist schon auf S. 173—229 nachgewiesen worden, daß gebaggerte

Fahrrinnen in den Odermündungen, im Stettiner und Frischen Haff, in der Außenweser und in andern See- und Binnengewässern, Regulierungswerke an der Lippe, Ruhr, Saale, Oder, Deime, Ücker, Emster und Netze, Molen

an der Mündung der Schlei und an allen See- und Binnenhäfen, See­

zeichen

einschließlich

der

Strandbefestigungen,

welche

sie

vor

Zerstörung

schützen, und schiffahrtsförderliche Verwaltungseinrichtungen, wie insbesondere

die Hafenpolizei, als Gegenstände der „Benutzung" im Sinne des Art. 54

der

Verfassung

und

des

Art. 25

des

Zollvereinvertrages

praktisch

an­

erkannt sind. Von

„Benutzung"

der Seetonnen

und Leuchttürme wurde auch im

konstituierenden Reichstage am 20. März 1867 gesprochen.

Entfernter kann

die Beziehung oder Berührung zwischen dem Benutzer und der benutzten

Anstalt kaum in irgend einem Falle sein, als in demjenigen des Sichrichtens nach Baken, Tonnen oder Leuchtfeuern zum Zwecke der Auffindung des Fahr­

wassers.

Gleichwohl ist dieses Vorteilziehen aus der Fahrwasserbezeichnung

als Benutzungsakt im Sinne der maßgebenden Gesetze und Verträge an­

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8 2.

gesehen worden.

Die logische Auslegung.

255

Die Ansichten Schumachers, der das Postulat einer „be­

sonderen Benutzung" aufstellt, womit doch wohl eine besonders nahe, inten­ sive

und

unmittelbare Art des Vorteilziehens von der benutzten Anstalt

gemeint ist, und Wiedenfelds, der eine Buhne der Benutzung deshalb nicht

für fähig hält, weil der Schiffer an ihnen vorbeifahren muß, sind also von der Praxis und zwar von einer etwa 70jährigen, fast ausnahmslosm Praxis

nicht

rezipiert*.

Auch

Bojen

benutzt

man,

indem

man

sie

seitwärts

liegen läßt. Im übrigen verschwinden die Bedenken, welche gegen die Ausdehnung des Begriffs der Benutzung auf das Gebiet der mittelbaren Verkehrsvorteile

etwa bestehen können, wenn man den inneren Zusammenhang dieses Begriffs mit dem der „Erleichterung des Verkehrs"

ins Auge faßt.

letzteren;

und demjenigen der „Anstalt"

Der erste ist ebenso allgemein

alle drei beeinflussen sich

und weit wie die beiden

gegenseitig und können ohne ihre Be­

ziehungen zueinander nicht vollkommen bestimmt werden.

Da der Anstaltsbegriff nicht nur körperliche und mechanische, sondern auch unkörperliche und organisatorische Einrichtungen umfaßt, so muß auch

die Grenze für den Begriff der Benutzung

soweit gezogen sein, daß

er

Spielraum bietet für die Möglichkeit des Gebrauchmachens von den Ein­ richtungen der letzteren Gruppe.

stalten"

Da ferner die Abgabefähigkeit der „An­

von ihrer Wirkung auf die „Erleichterung des Verkehrs" abhängt,

und gerade in dieser Wirkung der durch die Abgaben zu entgeltende Nutzen

liegt, so kann das Anwendungsgebiet für den Begriff der Benutzung im

einzelnen Falle nicht enger begrenzt sein als der Bereich jener Wirkung. Weder die „Erleichterung des Verkehrs" noch die „Benutzung" haben

eine strikte Beziehung, einen konkreten Zusammenhang oder einen unmittel­

baren Kausalnexus mit den einzelnen Schiffahrtsanstalten zur notwendigen

Voraussetzung.

Selbst das bloße zur-Verfügung-stehen genügt unter Um­

ständen zur Erfüllung jener beiden Tatbestände. Als Beispiel sei hier die Schiffahrts- und Hafenpolizei angeführt; sie

wird in Abgabenform von allen auf den Wasserstraßen oder in Häfen ver­ kehrenden Schiffen und Gütern mitbezahlt, ohne Rücksicht darauf, ob und

in welchem Maße der einzelne diese Verwaltungseinrichtungen beansprucht, weil deren Bestehen an und für sich dem Verkehr förderlich ist und solcher­

gestalt auch dem einzelnen mittelbar nützt. Ähnlich steht es mit den Leuchtfeuern, die der Natur der Sache nach

l Schumacher S. 138. Archiv XXIX 1905 S. 79.

Wiedenfeld, Vortrag

im

Landwirtschaftsrat,

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IV. Die Voraussetzung für den Eintritt der Abgabenpflicht.

256

von denjenigen nicht unmittelbar benutzt werden, die bei Tage eine Wasser­

straße befahren oder in einen Hafen einlaufen. Der Nutzen für die Schiffahrt im allgemeinen, der mittelbar auch dem

einzelnen Schiffe zugute kommt,

liegt in der Sicherung des Verkehrs zu

allen Tageszeiten, in der für die Entwicklung der Schiffahrt sehr wichtigen

Ermöglichung oder Erleichterung der ununterbrochenen Fahrt in den Stunden Der Tatsache, daß der Begriff der Benutzung hier im

der Dunkelheit.

weitesten Sinne genommen werden muß, ist man sich übrigens von jeher bewußt gewesen.

In

dem

preußisch-österreichischen

Handels-

und

Zollvertrage

vom

ist das dadurch zum Ausdruck gekommen, daß zwar der

19. Februar 1853

erste Absatz des Art. 15 ausdrücklich von der „Benutzung der Bezeichnung spricht und sie den Angehörigen beider

und Beleuchtung des Fahrwassers"

Staaten zu gleichen Bedingungen verbürgt, daß dann aber im zweiten Ab­

sätze bestimmt worden ist: „Gebühren dürfen, vorbehaltlich der beim

und

Seelotsenwesen

abweichenden

zulässigen

Seebeleuchtungs­

Bestimmungen,

nur

bei

wirklicher Benutzung solcher Anlagen oder Anstalten erhoben werden."

Es wird

also ein Unterschied von Benutzung und wirklicher oder un­

mittelbarer Benutzung gemacht; die Bojen und Baken sind anscheinend hier als ein Gegenstand der „wirklichen Benutzung" angesehen worden.

Dieselbe

Regelung findet sich auch im Handels- und Zollvertrage zwischen den Staaten des Deutschen Zoll- und Handelsvereins und Österreich vom

11. April 1865 2.

Der Ausdruck „wirkliche Benutzung solcher Anlagen" be­

zeichnet ebenso wie der im letzten Zollvereinsvertrage von 1867 gebrauchte „Benutzung wirklich in Art. 27

entrichten,

bestehender Einrichtungen" und wie die Bestimmung

der Rheinschiffahrtsakte: als

von den Anstalten

Es ist eine Gebühr nur insoweit zu „wirklich

Gebrauch

gemacht ist": im

Grunde genommen etwas Selbstverständliches, im Wesen des Gebührenprinzips

Liegendes.

Schiffahrtsabgaben, welche ohne Beziehung auf bestimmte An­

stalten, Verkehrsvorteile und Benutzungsakte oder Benutzungszustände etwa

erhoben werden sollten, würden fiskalische Verkehrssteuern sein; und über deren Beseitigung

war man sich

bei der Entstehung des geltenden Ver-

fassungs- und Vertragsrechts einig und klar.

Die Schiffahrtsabgaben im

eigentlichen Sinne des Wortes beruhen, ebenso wie alle anderen Gebühren,

auf dem Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit. r Preuß. Ges.S. S. 357. 2 Preuß. Ges.S. S. 565.

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8 2.

Die logische Auslegung.

257

Immerhin kann die Beziehung zwischen Leistung und Gegenleistung

nicht

überall

zuweilen

mit

hergestellt

individueller Bestimmtheit

notgedrungen

einen

einigermaßen

summarischen

sie

werden;

und

hat

pauschalen

Bei größeren und vielseitig ausgestalteten Schiffahrtsanlagen,

Charakter.

die einer teilweisen Benutzung fähig sind, ist es oft praktisch unmöglich

oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten und Verkehrsbelästigungen

durchführbar, den Tarif im einzelnen so zu gestalten, daß die Höhe der Belastung mit Schiffahrtsabgaben dem Maße der Inanspruchnahme oder des Vorteils

genau oder auch nur annähemd

genau

entspricht.

So werden

insbesondere bei Wasserstraßen die Abgaben nicht besonders erhoben für die Benutzung des Leinpfades und des eigentlichen Schiffahrtsweges, obwohl

die Herstellung des ersteren oft sehr bedeutende Kosten erfordert hat, welche

den nichtgetreidelten Schiffen nicht zugute kommen.

Im Falle der Erhöhung

von Niedrigwafferständen in Flüssen durch Ablassung der in Talsperren an­ gesammelten Wassermassen

wäre

die Talsperre

oder

die

aus

ihr herab­

kommende Flutwelle als Anstalt oder besondere Anstalt und die Befahrung

des Flusses bei dem künstlich erhöhten Wasserstande als „Anstaltsbenutzung" anzusehen.

Wahrscheinlich würde man aber die Abgaben nicht nur für die

Zeit der Ablassung von Talsperren verlangen und sie noch weniger nach der Höhe der künstlichen Steigerung des Wasserstandes abstufen, sondern sie

während des ganzen Jahres gleichmäßig erheben, weil überall außer den

Talsperren noch zahlreiche andere schiffahrtsförderliche Anstalten vorhanden sind, und weil die Gewährleistung eines erhöhten Niedrigwasserstandes oder

einer Verkürzung der Zeit der Schiffahrtssperre eine während des ganzen

Jahres wirksame allgemeine

Förderung der

Schiffahrtsinteressen

bedeutet.

Die Erhebung von Abgaben oder Abgabenzuschlägen für einzelne Jahres­ abschnitte würde für den Verkehr ebenso lästig sein wie für die Verwaltung.

Nicht nur die unmittelbaren technischen, sondern auch die mittelbaren wirtschaftlichen

Vorteile

einer

Gegenstand der „Benutzung".

den

Verkehr

erleichternden

„Anstalt"

sind

Aus diesem Gesichtspunkte hat man sehr oft

auf verbesserten natürlichen Wasserstraßen alle Fahrzeuge,

einschließlich der­

jenigen, welche auch vor Ausführung der Verbesserungsarbeilen verkehren

konnten, der Abgabepflicht unterworfen, weil die aus solchen Bauten ent­

stehende Vermehrung der Erwerbsgelegenheit der Schiffahrt im ganzen zu­ gute komme.

In anderen Fällen hat man jene Klasse von Fahrzeugen ab­

gabefrei gelassen.

Die Praxis ist auf diesem Gebiete nicht ganz gleichmäßig

gewesen; freilich waren auch die Verhältnisse nicht immer dieselben. In vielen Häfen wird Schriften OXV. - Erster Teil.

nur eine pauschale Schiffahrtsabgabe erhoben, 17

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IV. Die Voraussetzung für den Eintritt der Abgabenpflicht.

258

welche den Gegenwert für sämtliche oder doch für viele verschiedene Verkehrs­ leistungen der Hafenverwaltung bildet und der Schiffahrt den Anspruch auf alle oder die meisten in Betracht kommenden Benutzungsakte — Ankern im Schutze der Hafenanlagen, Benutzung der Kais,

Durchschleusung, Brücken­

öffnung usw. — gibt, während in anderen Häfen die Abgaben mehr oder

weniger nach der Benutzung einzelner Teile der Gesamtanlage, z. B. der

Hafengewässer

ohne Anlegen

und der Kais,

gesondert

berechnet werden.

In den Füllen der letzteren Art ist dann aber die Bemessung der Einzel­ abgabe ohne Rücksicht auf die besonderen Kosten der Teilanlage erfolgt, wie aus den S. 225—229 in anderem Zusammenhänge angeführten Beispielen

hervorgeht, weil man den bezog.

Begriff der

Benutzung

auf die Gesamtanlage

Auch hierin zeigt sich der kollektive Charakter und die weite Aus­

dehnung dieses Begriffs im Sinne der Praxis.

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V. Die Höchstgrenze für die Bemessung der schiffahrtsabgaben.

17*

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8 1.

Allgemeine Bemerkungen. Aie Rechtslage hinsichtlich der Grenze, bis zu welcher Schiffahrtsabgaben

auf den ersten Blick

erhoben werden dürfen, ist weit verwickelter, als es

der Fall

zu sein scheint.

Es

ist in dieser Beziehung

zunächst zwischen

staatlichen und nichtstaatlichen Schiffahrtsanstalten zu unterscheiden, außerdem

aber auch zwischen Reichsrecht, Landesrecht und Völkerrecht. 1. Für staatliche Schiffahrtsanstalten und zwar sowohl für Wasserstraßen

als auch für Häfen ist reichsrechtlich eine solche Grenze festgelegt. Was die Hafenabgaben anbetrifft, so

Art.

54 Abs.

spricht zwar die Verfassung in

3 ausdrücklich nur von Seehäfen; dieser Mangel in der aber durch Art. 25 des Reichsrecht gewordenen Zoll­

Wortfassung wird

vereinsvertrages * ausgeglichen, wo dieselbe Grenzfestsetzung für alle Häsen

ohne Unterschied getroffen ist. Reichsrechtlich unbegrenzt ist die Höhe der Abgaben für nichtstaatliche

Schiffahrtsanstallen.

Das ist

54 der Verfassung und

allerdings in Art.

Art. 25 des Zollvereinsvertrages nur für Wasserstraßen ausdrücklich gesagt, nicht für Häfen.

Es hätte aber keinen Sinn, die letzteren in diesem Zu­

sammenhänge anders zu behandeln als die ersteren.

Der leitende Gesichts­

punkt, das Privatkapital und die Gemeinden — ob man an diese gedacht hat, ist freilich zweifelhaft — für nützliche Verkehrsanlagen zu interessieren, ist bei Kanälm oder Flußkanalisierungen ganz derselbe wie bei Häfen; eher

könnte man sagen, daß Hafenanlagen nach der ganzen Art ihres Betriebes besser geeignet sind, Gegenstand

Wasserstraßen.

Handels-

einer Privatunternehmung zu werden, als

Sie haben viel nähere Beziehungen und Anknüpfungen mit

und Industriebetrieben;

es gibt Häfen,

vorwiegend industriellen Zwecken dienen und es

die ausschließlich oder

gibt

auch Fälle, wo die

Durch Art. 40 der Reichsverfassung ist der Zollvereinsvertrag Bestandteil dieser Verfassung geworden.

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V-

262

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

Hafenverwaltung gleichzeitig Spedition betreibt.

Beispiele hierfür sind die

städtischen Häfen in Magdeburg und Breslau. Die offenbar vorhandene Lücke in der Gesetzgebung ist denn auch durch Verwaltungspraxis dahin

Rechtsauslegung und

ergänzt worden, daß für

rnchtstkatkche künstliche oder durch Schiffahrksanstakken verbesserte Häsen die Zulässigkeit eines Unternehmergewinns, ebenso wie für nichtstaatliche künstliche Wasserstraßen anerkannt wurde.

Gegenüber dem Wortlaut der maßgebenden

Gesetzesvorschriften ist das allerdings eine sehr weitgehende Betätigung der

Auslegungsbefugnis — einer derjenigen Fälle, von welchen Windscheid

der auf S. 7 angeführten Bemerkung sagt, daß

in

„die äußere Erscheinung

des Gesetzes durchbrochen wird, um seinen Kern zu enthüllen."

2. in

Landesrechtlich,

allen

in

anderen deutschen

Preußen

wenigstens

Staaten, besteht

und wahrscheinlich

hinsichtlich

auch

aller Schiffahrts­

abgaben die sogenannte Tarishoheit. Hiernach bedarf die Erhebung von Schiffahrtsabgaben der Genehmigung von Staats wegen.

für

Die

nichtstaatliche künstliche Wasserstraßen

deutung,

in jedem Falle

reichsrechtliche Sondervorschrift

und Häfen hat

nur die

Be­

daß die partikularen Staatsgewalten nicht gehindert sind, den

Eigentümern solcher Schiffahrtsanstalten höhere, über die Selbstkostendeckung

hinausgehende Tarife zu bewilligen; Tariffreiheit, etwa wie sie den Unter­ nehmern von Kleinbahnen in dem preußischen Gesetze vom 28. Juli 1892 für eine Reihe von Jahren gesetzlich

gewährleistet ist, haben

die privaten

und kommunalen Besitzer von Häfen oder Wasserstraßen nicht. Für kommunale Abgaben und Schiffahrtsanstalten der Stadt- und Landgemeinden in Preußen

ist durch das Kommunalabgabengefetz prinzip

als maßgebend

erklärt.

vom 14. Juli 1893 das Gebühren­

Die Gemeinden sind also

hier gehindert,

den durch die Reichsverfassung ihnen gewährten Spielraum bei der Tarif­ bildung auszunützen.

3.

Völkerrechtlich ergeben sich eigenartige Verhältnisse aus der inkon­

gruenten Fassung der maßgebenden Staatsverträge. reichischen Elbzollvertrage vom

22. Juni

In dem deutsch-öster­

1870 ist eine Bestimmung über

die Höchstgrenze der Schiffahrtsabgaben überhaupt nicht enthalten. jein Anhalt gegeben

Es ist

für die Vermutung, daß eine Bindung nach dieser

Richtung der österreichischen Regierung überhaupt angesonnen ist; es ist auch nicht wahrscheinlich, daß Österreich, wenn eine solche gegenseitige Bindung

verlangt worden wäre, sie abgelehnt hätte.

Danach bleibt nur die Annahme

übrig, daß hier eine Omission vorliegt. Jedenfalls ist die tatsächliche Lage die, daß Österreich und Deutschland hinsichtlich der Höhe der Schiffahrts­ abgaben an und auf der Elbe gegenseitige Verpflichtungen nicht haben.

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H 1.

Allgemeine Bemerkungen.

263

In der Rheinschiffahrtsakte ist seltsamer Weise eine Bindung hinsichtlich

für die „Einrichtungen

der Höhe der Schiffahrtsabgaben nur in Art. 27

zur

Erleichterung

der

Ein-

und

Waren"

in den Hafenstädten,

worden;

nicht

aber

und

Ausladungen

d. h.

in

im Schlußprotokoll

zur

Niederlage der

den Umschlagshäfen,

3

Art.

zu

für die

verabredet

„Benutzung

künstlicher Wasserstraßen oder Anlagen", obwohl die künstlichen Wasserstraßen

oder Anlagen an dieser — allerdings unglücklich gewählten — Stelle aus­ Hieraus würde sich, wenn

drücklich für abgabefähig erklärt worden sind.

nicht Auslegung und Praxis hilfreich eingegriffen und den Vertragstext den

Verkehrsbedürfnissen

entsprechend eingerenkt

hätten,

folgendes wunderliche

Bild ergeben. Für künstliche Wasserstraßen — soweit solche im Geltungsbereich der

Rheinschiffahrtsakte vorkommen können, was

als ein Problem für sich be­

handelt werden muß — gilt in den Beziehungen zu Niederland keine Höchst­ grenze der Abgabenerhebung,

auch nicht für künstliche Wasserstr.aßen und

Anlagen des Staates, die nach Grenze unterworfen sind.

autonomem deutschen Rechte einer solchen

Es fehlt insbesondere an einer internationalen

Tarifgrenze für Sicherheitshäfen; denn Art.

Wortlaut

werden. bringen,

auf

nach

diese

27

kann seinem Sinn und

Gruppe von Schiffahrtsanstalten

nicht bezogen

Nach deutschem Reichsrecht dürfen sie nur die Selbstkosten

aber

Tarifierung

die

deutschen

Rheinuferstaaten

können

eine

für niederländische Sicherheitshäfen nicht verlangen.

Umschlagshäfen liche Bindung

besteht

nach

der

Rheinschiffahrtsakte

eine

ein­

gleichartige

Bei den

völkerrecht­

hinsichtlich der Höhe der Schiffahrtsabgaben aus dem Ge­

sichtspunkte der Selbstkostendeckung.

Diese Bindung ist aber für alle Häfen

ohne Unterschied des Eigentums dieselbe.

Auch bei privaten und sonstigen

nichtstaatlichen Häfen sind die deutschen Rheinuferstaaten Holland gegenüber

verpflichtet, die Tarife auf Selbstkostendeckung zu beschränken, obwohl das sinngemäß ausgelegte autonome Reichsrecht hier die Überschreitung der Selbstkostengrenze gestattet. Nach

Art.

7

des

bayrisch-österreichischen

Donauschiffahrtsvertrages

vom 2. Dezember 1851 dürfen die Abgaben nur „die Zinsen des Anlage­

kapitals und die Unterhaltungskosten" decken. Wie die Rechtsauslegung und Praxis sich gegenüber diesem, durch eine sehr mangelhafte juristische Fassung entstandenen Wirrsal verhalten hat, wird

in den beiden folgenden Paragraphen dargelegt werden.

zwischen den Bedürfnissen

des praktischen Lebens

Die Ausgleichung

und dem geschriebenen

Recht ist schließlich in befriedigender Weise gefunden worden.

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264

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schisfahrtsabgaben.

V.

8 2.

Staatliche Schiffahrtsanstalten. Der zulässige Höchstertrag der Schiffahrtsabgaben für staatliche Ver­ kehrsanstalten ist reichsrechtlich — in der Verfassung und im Zollvereinsvertrags — mit den Worten „Unterhaltung^ und gewöhnliche Herstellungskosten"

bezeichnet.

Fast denselben Ausdruck hat die Donauschiffahrtsakte,

die in Art. 36 von den „Herstellungs-

und Unterhaltungskosten"

spricht.

In der Rheinschiffahrtsakte werden in entsprechendem Zusammenhänge die

„notwendigen Unterhaltungs-

und Beaufsichtigungskosten"

als

des

die

maßgebend hingestellt.

Endlich

sollen

nach

ß

19

preußischen

Gesetzes,

Herstellung und den Ausbau von Wasserstraßen vom

betreffend

1. April 1905 die

auf den natürlichen Wasserstraßen zu erhebenden Abgaben eine angemessene

Verzinsung

und Tilgung derjenigen Aufwendungen

ermöglichen,

die

der

Staat zur Verbesserung oder Vertiefung der Flüsse über das natürliche Maß

hinaus im Interesse der Schiffahrt gemacht hat *. Man sieht, daß der Wortlaut sehr stark Weise —

abweicht;



sogar

in

auffallender

im Jahre 1868 hat man statt der Herstellungskosten

die Beaufsichtigungkosten

genannt, während im Jahre 1905 die in

den

beiden früheren Bestimmungen angeführten Unterhaltungskosten unerwähnt geblieben sind. Gleichwohl läßt sich nachweisen, daß die diesen Vorschriften zugrunde

liegende gesetzgeberische Willensmeinung immer

dieselbe gewesen ist; jene

Abweichungen beruhen nur auf Mängeln in der Fassung.

* Ges.S. S. 179. Der 8 19 lautet vollständig: „Auf den im Interesse der Schiffahrt regulierten Flüssen sind Schiffahrtsabgaben zu erheben. Die Abgaben sind so zu bemessen, daß ihr Ertrag eine angemessene Ver­ zinsung und Tilgung derjenigen Aufwendungen ermöglicht, die der Staat zur Verbesserung oder Vertiefung jedes dieser Flüsse über das natürliche Maß hinaus im Interesse der Schiffahrt gemacht hat. Die Erhebung dieser Abgaben hat spätestens mit Inbetriebsetzung des Rhein— Weserkanals oder eines Teiles desselben zu beginnen." Die Nebeneinanderstellung der Ausdrücke „Verbesserung" und „Vertiefung" zeigt eine ähnliche Verbindung des weiteren Begriffs mit dem engeren, wie sie in den Rechtsvorschriften über Schiffahrtsabgaben bei „den Anstalten und Anlagen" sowie bei der „Benutzung und Befahrung" hervortritt.

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Z 2.

263

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

I. Was zunächst den Begriff der Unterhaltungs- und gewöhnlichen Her­ stellungskosten anbetrifft,

gewählt.

Er läßt

so

ist dieser Ausdruck nicht

besonders

glücklich

an Klarheit zu wünschen übrig und gibt insbesondere

dem Zweifel Raum, ob auch die Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals

durch Schiffahrtsabgaben gedeckt werden darf.

Die grammatische Auslegung

führt hier zu keinem sicheren Ergebnis.

Bei Anwendung der logischen

Auslegung spricht für die Bejahung

jener Zweifelsfrage zunächst die Konsequenz des Gebührenprinzips, welches für die Gesetzgebung über Schiffahrtsabgaben maßgebend gewesen ist. Wesen

des

Gebührenprinzips

beruht

in

der

Das

speziellen Entgeltlichkeit im

Nahmen der Selbstkostendeckung; nicht als ob

die Selbstkostendeckung

in

jedem Falle voll beansprucht werden müßte, aber doch in dem Sinne, daß sie grundsätzlich zulässig ist.

Zu den Selbstkosten gehört ohne Zweifel die

Verzinsung und nach richtigen wirtschaftlichen Grundsätzen auch die Tilgung

des Anlagekapitals.

Die Absicht, auf diesen Bestandteil der Selbstkosten zu

verzichten oder vielmehr den ZollvereinsVerzicht vorzuschreiben,

und Bundesstaaten einen solchen

hätte ja bei Vereinbarung der Zollvereinsverträge

und der Bundesverfassung bestehen können.

Die Vermutung spricht aber

gegen die Annahme, daß sie bestanden hat; denn erstens ist es nicht wahr­ scheinlich, daß man die Autonomie der Einzelstaaten auf diesem Gebiete in weitergehendem Maße — durch ein Verbot der vollständigen Selbstkosten­

deckung

— beschränken wollte, und zweitens hätte bei Erlaß eines solchen

Verbotes eine einigermaßen erkennbare Grenze zwischen den in Abgabeform

erstattungsfähigen

werden müssen.

und

nichterstattungsfähigen

Selbstkostenanteilen

gezogen

Daß eine derartige Grenzabsteckung in den Worten „Unter­

haltungs- und gewöhnliche Herstellungskosten"

sichtbar sei, wird man nicht

sagen können.

Schumacher hat in seinem Buche über Binnenschiffahrtsabgaben

den

Beweis für die Zulässigkeil der vollen Selbstkostendeckung einschließlich der

Kapitalzinsen aus der Entstehungsgeschichte und der Praxis in längerer Unter­ suchung geführt.

Der Gedankengang

der Untersuchung ist etwa folgender.

Die seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von Preußen

geschlossenen Handels- und Zollvereinsverträge stellen den Grundsatz auf, daß die Abgaben von Verkehrsanstalten keinen Gewinn abwerfen, sondern

höchstens die für solche Anstalten gemachten Aufwendungen

decken sollen.

Dieser Grundsatz ist in die Worte gekleidet, daß der Abgabenertrag die

r S. 58-71.

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V-

266

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

„gewöhnlichen

dürfe.

Herstellungs-

und

Unterhaltungskosten" *

nicht

übersteigen

Er wurde zunächst in Art. 6 des Vertrages vom 27. Mai 1829

und Art. 13 des Vertrages vom 22. März 1833 nur für Landverkehrs­

anlagen vereinbart, während für Wasserstraßen und Häfen die Vertrags­ staaten sich Bewegungsfreiheit vorbehielten.

Von 1835 an wurde er aber

auf Wasserstraßen und Häfen ausgedehnt, wobei die Vertragsstaaten sich zur Bezeichnung der Selbstkostengrenze des nämlichen Ausdrucks bedienten.

Aus

der Gleichheit der Ausdrucksweise ist auf die Gleichheit des Vertragswillens

zu schließen; jene Grenze sollte also für alle Verkehrsanstalten ohne Unter­

schied fortan dieselbe sein. Der Vertragswille wird erläutert durch eine in Preußen zur Ausführung

der Verträge ergangene Verordnung vom 16. Juni 1838?, welche die Ver­ zinsung des Anlagekapitals als Bestandteil der Herstellungs- und Unter­

Der gegen Schumacher angriffsweise

haltungskosten ausdrücklich anführt.

verwendete Umstand, daß die Verordnung vom

auf Landverkehrsabgaben

16. Juni 1838 sich nur

bezieht, läßt ihre Beweiskraft für die

beurteilende Frage unberührt.

hier zu

Wer die Schumacherschen Deduktionen er­

schüttern wollte, müßte dartun, daß die in der Verordnung vom 16. Juni

1838 authentisch, nämlich von dem führenden Staate im Zollverein, aus­ gelegten Worte „gewöhnliche Herstellungs- und Unterhaltungskosten" in dem von Schiffahrtsanstalten handelnden Art. 17 des Zollvereinsvertrages vom

12. Mai 1835

etwas anderes zu bedeuten hätten, wie in dem die Land­

verkehrsanstalten betreffenden Art.

13

derselben

Nachweis ist aber nicht zu erbringen und

Vertragsurkunde.

Dieser

im übrigen auch das Bestehen

einer solchen Verschiedenheit so unwahrscheinlich wie möglich. Gleichwohl ist die Anrechnung der Kapitalzinsen als Bestandteil der deckungsfähigen Selbstkosten für unzulässig erklärt worden, und zwar mit

der Behauptung,

daß den geltenden Rechtsvorschriften die Absicht des Ver­

zichtes auf diesen Bestandteil zugrunde liege-

Ein solcher Verzicht sei da­

mals möglich und erklärlich gewesen, weil man bei Vereinbarung der Zoll­ vereinsverträge und der Bundesverfassung an Wasserstraßen und Häfen von solcher Größe, Kostspieligkeit und Leistungsfähigkeit, wie sie seitdem aus­

geführt und geplant worden seien, nicht gedacht habe und auch nicht habe

denken können.

Aus diesem Grunde gelte der von den Vereinsstaaten und

* In den älteren Zollvereinsverträgen erscheinen diese beiden Bestandteile der Selbstkosten in anderer Reihenfolge als im letzten und in der Bundesverfassung. Ges.S. S. 353. Die Verordnung variiert den Ausdruck „Herstellungskosten" in „Wiederherstellungskosten".

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H 2.

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

267

von der Bundesverfassung gewollte Verzicht auf die Verzinsung durch Schiff­ fahrtsabgaben auch nur für diejenigen Verkehrsanstalten, welche entweder

vor der Entstehung des geltenden Rechts oder später in dem früher gewohnten

kleineren Maßstabe ausgeführt seien, nicht aber für die großen Bauten der Neuzeit, wie Kaiser-Wilhelm-Kanal, Dortmund—Ems- und Hannover—RheinKanal.

Diese Auffassung kann indessen nicht als zutreffend anerkannt werden. Es ist zunächst nicht richtig, daß verfassung im Jahre 1867

bei der Vereinbarung der Bundes­

den Regierungen und der Volksvertretung der

Gedanke an den Bau großer und Art der jetzt bestehenden fremd

bedeutender Schiffahrtsstraßen nach der

gewesen sei und

fern gelegen habe.

Der

Suezkanal war damals fast vollendet, der Nordostseekanal in nicht viel ge­

ringeren als den später ausgeführten Maßen und mit einem Kostenaufwande von etwas mehr oder weniger als 100 Millionen Mk. geplant ^, der Rhein— Elbe-Kanal ebenfalls schon für Schiffe von 350 Tonnen Tragfähigkeit pro­ jektiert.

Gerade auf die Förderung des Kanalbaues zwischen Nord- und

Ostsee war die Einschaltung hinsichtlich der nichtstaatlichen künstlichen Wasser­

straßen, welche den Unternehmern solcher Bauten Gewinnmöglichkeiten er­ öffnete und in Art. 54 der Bundesverfassung die einzige Neuerung gegenüber dem früheren Rechtszustande darstellte, besonders berechnet.

Aber selbst wenn der Gesetzgeber wirklich im Jahre 1867 so wenig in

der Lage gewesen wäre, die Entwicklung der Verhältnisse auf dem Gebiete

des Wasserstraßen- und Hafenbaues vorauszusehen, so würde doch die Schluß­ folgerung, daß die Bestimmung in Art. 54 nur für ältere und kleine, nicht

aber für neuere und große Schiffahrtsanstalten gelte, immer noch unzulässig

sein.

Denn eine Rechtsvorschrift kann nicht dadurch unanwendbar werden,

daß die wirtschaftlichen oder sonstigen tatsächlichen Verhältnisse, deren Regelung sie bezweckt, in ihren Maßen sich ändern.

Wenn der Gegenstand einer gesetz­

lichen Anordnung sich derart entwickelt, daß der bisherige Rechtszustand dem

neuen Entwicklungsstadium nicht mehr angemessen ist, so ist das sicherlich ein Grund zur Änderung, nicht aber zur Außerachtlassung des Gesetzes. Jede Abweichung von diesem Grundsätze würde unvermeidlich zur Verwirrung, Rechtsunsicherheit und Willkür führen.

Denn

wann ist der Zeitpunkt ge-

* Im Jahre 1864 hatte sich unter dem Vorsitze des inaktiven Staatsministers von der Heydt in Berlin ein Komitee zur Begründung einer Aktiengesellschaft für diesen Kanalbau gebildet. Das preußische Staatsministerium befaßte sich mit der Angelegenheit in einer Sitzung vom 23. Dezember 1864, wobei mit einer Bau­

kostensumme bis zu 40 Millionen Talern gerechnet wurde. mals schon mehrere Baupläne und Kostenanschläge.

Im übrigen gab es da­

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V.

268

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

kommen, mit dem das Gesetz aufgehört hat, den bei seiner Entstehung maß­ gebend gewesenen tatsächlichen Verhältnissen zu entsprechen und deshalb nicht

Und wer soll hierüber die Entscheidung haben?

mehr anwendbar ist?

Es entfällt hiernach die rechtliche Möglichkeit, die Schiffahrtsanstalten

hinsichtlich der Selbstkostengrenze in zwei Gruppen zu zerlegen.

Die Deckung

der Kapitalzinsen durch Abgaben ist entweder bei allen zulässig, oder über­

haupt nicht. Die Beweisführung Schumachers

für

spricht

die erstere Alternative.

Wäre die Rechtslage anders, so würde die mit dem Aufwande gewaltiger Geldmittel betriebene Wafferstraßenpolitik der preußischen Regierung in einer sehr

wichtigen Frage

bekanntlich

stützt sich

auf

verfassungswidriger

Grundlage

beruhen;

denn

die Finanzierung nicht nur der großen Kanalbauten

nach dem Gesetz vom 1. April 1905, sondern auch der früheren Verbesserungen natürlicher Wasserstraßen, insbesondere in der Wesermündung, in den Haffen

und in der alten Oder* auf die Voraussetzung der völligen oder teilweisen Verzinsung der Baukapitalien aus Schiffahrtsabgaben. würde kaum erforderlich

Es

sein,

auf die Angriffe gegen die von

Schumacher vertretene richtige Auffassung hier näher einzugehen, zumal diese Angriffe und die ihr zugrunde liegende Rechtsauslegung in weiteren Kreisen der Öffentlichkeit keinen Widerhall gefunden haben, wenn nicht der Name Delbrücks in die Polemik hineingezogen worden wäre. der Beweisführung

Es ist zum Zwecke

die Meinung Schumachers

gegen

milgeteilt

worden,

Delbrück habe sich in den neunziger Jahren — also in seinem hohen Alter,

lange nach seinem Ausscheiden aus dem Amte — dahin ausgesprochen, daß

die

Kapitalverzinsung

nach

liegenden gesetzgeberischen

der

dem

Art.

54

der

Verfassung

zugrunde

Absicht nicht zu den Unterhaltungs- und Her­

stellungskosten zu rechnen sei. Da der Entwurf zu dieser Verfassungsvorschrift von Delbrück herrührt,

so

würde

gebende

sein

Zeugnis

Beachtung

haben.

in

der

Die

Sache

allerdings

Frage muß

Anspruch auf

deshalb

so

gründlich

maß­ wie

möglich, unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Auslegungsmittel, untersucht

werden. da

Diese Auslegungsmittel ergeben sich aus der Praxis und zwar —

nach Delbrücks

protokollarischer

Erklärung

vom

28. Juni 1867

der

Rechtszustand im Jahre 1867 nur hinsichtlich der nichtstaatlichen Schiffahrts­ anstalten geändert worden ist — hauptsächlich aus der Zeit vor der Reichs­ gründung.

Die nachfolgende Darstellung wird ergeben, daß die Berück­

sichtigung der Kapitalzinsen unter den deckungsfähigen Selbstkosten nicht nur

' Vgl. S. 214-221.

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Z 2.

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

269

einer gleichmäßigen Rechtsanschauung der Zollvereinsstaaten entsprach, sondern daß auch Delbrück selbst diese Anschauung, solange er im preußischen Handels­

ministerium tätig war, amtlich vertreten hat.

Dabei ist übrigens zu berück­

sichtigen, daß Delbrück den Begriff der „Unterhaltungs- und Herstellungs­ kosten" als einen viel früher — in den Staatsverträgen von 1828, 1833 und 1835



aufgestellten und in der Praxis

angewandten vorgefunden

Er war weder der Urheber des durch jene Worte ausgedrückten Ge­

hatte.

dankens noch der Verfasser des dafür gewählten Ausdrucks;

er hat beides

aus einer damals beinahe vierzigjährigen Vergangenheit in die Bundesver­ fassung übernommen. a) Praxis in Preußen.

1. Nach Beendigung der großen Kriegsepoche des ausgehenden 18. und beginnenden

19. Jahrhunderts war in Preußen das Bedürfnis vorhanden,

die Entwicklung des Verkehrs nicht nur mit den damals beschränkten Staats­

mitteln, sondern auch durch Heranziehung des Privatkapitals zu fördern.

Es erging daher ein ministerielles Publikandum vom 3. Mai 1816, in welchem die Bedingungen für die Zulassung von Privaten und Gesellschaften

zum Bau von Verkehrsanstalten aller Art — „Chaussee-, Kanal-, Brückenund anderen gemeinnützigen Anlagen" — aufgezählt wurden.

Dies Publi­

kandum enthält unter anderem über die Verleihung des Rechts zur Erhebung

von Verkehrsabgaben folgende Bestimmung: „Bei Feststellung des Tarifs für Benutzung der Anlagen ist der wahr­ scheinliche Betrag der ersten Ausführungs- und jährlichen Unterhaltungs­

kosten und der darauf zu erwartende Verkehr zur Grundlage zu nehmen.

Die Unternehmer sind

verbunden,

der Regierung alle Jahr ihre

Rechnung zur Einsicht vorzulegen.

Ist das Anlagekapital durch Aktien zusammengebracht und es findet

sich

künftig,

daß

der Ertrag

den

zweifachen Betrag

landüblicher

Zinsen übersteigt, so wird eine Ermäßigung vorbehalten". Dieser Vorgang liegt zwar vor dem Abschluß der Zollvereinsverträge,

aber er zeigt doch die Anschauungen, welche in der preußischen Regierung zu Anfang des vorigen Jahrhunderts über die Frage der Selbstkostendeckung durch Schiffahrtsabgaben bestanden haben. 2.

Über die Schiffahrtsabgaben auf

dem sogenannten Erftkanal sagt

ein Jmmediatbericht vom 31. Juli 1835, daß der Tarif:

„demjenigen, wie er auf den Wasserstraßen rechts der Elbe in Gebrauch

ist, nachgebildet werden soll.

Der Ertrag ist so zu bemessen, daß er die

Unterhaltungskosten deckt und das Anlagekapital verzinset wird."

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270

V-

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

Daraufhin wurde am 21. August 1835 ein entsprechender Tarif vom Könige erlassen.

Über diesen Tarif sagt ein weiterer Jmmediatbericht vom

26. September 1836: „Die Sätze sind, dem eigenen Wunsche der Stadtbehörde gemäß, sehr niedrig normiert, wenn berücksichtigt wird, daß es, neben den laufenden

Unterhaltungskosten, auf Verzinsung und Amortisation eines von der Stadt aufgewendeten Anlagekapitals von 29 000 Talern ankommt." Nach einem Jmmediatbericht vom 12. Januar 1841 haben

„nach Abzug der Verwaltungskosten, der Zinsen von den behufs des Kanalbaus usw. aufgenommenen 60 000 Talern und der Kosten der In­

standsetzung des Kanals (in den letzten 5 Jahren) die zur Erhebung ge­ kommenen Schiffahrts-, Kranen- und Hafengebühren einen Überschuß von

5820 Talern ergeben." Der Überschuß war von der Stadt für einen Straßenbau von Neuß nach Rheydt verwendet worden.

Das wurde für unzulässig erklärt, da eine ent­

sprechende Abschreibung hätte stattfinden müssen; indessen wurde die unver­ änderte Fortdauer des Tarifs bewilligt.

Am 25. Oktober 1851 beantragten die Minister für Handel und der

Finanzen beim Könige abermals die Verlängerung der Gültigkeit des Tarifs mit der Begründung, daß

„die Gebührensätze sich gemessen

ergeben

auch in der Periode von 1846—1850 als an­

haben,

indem

die

Einnahmen

in

diesem

Zeitraum

29 487 Tlr. 5 Sgr., die Ausgaben dagegen inkl. 11117 Tlr. 10 Sgr. 10 Pf. Zinsen der aufgenommenen Kapitalien und 7500 Tlr. zur Amortisation derselben 27 673 Tlr. 15 Sgr. 8 Pf. betragen haben,

so daß noch

1813 Tlr.

14 Sgr.

9 Pf.

zu dem letzteren Zwecke dis­

ponibel sind."

Der König genehmigte darauf die Beibehaltung des Tarifs.

Im Anfänge der sechziger Jahre wurde wiederum die Frage der An­ gemessenheit des Tarifs erörtert.

Nachdem zunächst ein Schriftwechsel über

die finanziellen Verhältnisse des Erftkanals vorangegangen war, verfügten die zuständigen Minister am 12. Mai 1863 an die Regierung in Düsseldorf: „Die früheren Berichte der Königlichen Negierung,

längerung

des Tarifs

zur Erhebung

betreffend die Ver­

der Schiffahrtsabgaben auf dem

Erftkanal, rechtfertigten die Annahme, daß der Ertrag dieser Abgaben im Durchschnitt über mäßigen

die Summe

Verzinsung

des

der Unterhaltungskosten

Anlagekapitals

nicht

und

einer

hinausgehen.

Nach den hierbei zurückgehenden Vorlagen des Berichts vom 28. Februar

d. I. ist diese Annahme jedoch eine irrige gewesen, vielmehr ergibt sich,

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Z 2.

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

271

daß das Anlagekapital als durch die jährlichen Einnahmen bereits voll­

ständig getilgt zu betrachten ist, wenn die mit dem Bau des Erftkanals

nicht zusammenhängenden Anlagekosten ausgesondert, demgemäß auch die Ausgaben für die Unterhaltung aus das richtige Maß zurückgeführt und

die von der Stadt ohne allen Grund unterlassene jährliche Zahlung von 1200 Talern für den Brücken- und Dammbau in Anschlag gebracht wird.

Unter solchen Umständen ist es nicht zulässig, die anderweite Re­

gulierung des Tarifs bis zum Jahre 1864 hinauszuschieben, vielmehr hat die Königliche Regierung damit unverzüglich vorzugehen.

Zinsen des

bisherigen Anlagekapitals werden unter den oben an­

geführten Umständen nicht ferner in

daher

kann

nur

Anrechnung zu bringen sein;

es

auf die Unterhaltungskosten unter Zutritt einer an­

gemessenen Erneuerungsquote ankommen."

Demnächst wurde ein ermäßigter Abgabentaris vom Könige

erlassen,

und zwar auf Grund eines Jmmediatberichts vom 22. Januar 1864,

in

welchem es heißt:

„Die

vorgedachte Ermäßigung

Zweifel förderlich sein.

der Tarifsätze

wird

dem Verkehr ohne

Die Handelskammer in Neuß hat sich deshalb

auch damit einverstanden erklärt, zugleich aber auch den Wunsch aus­ gesprochen, daß aus den künftigen Überschüssen der Einnahmen über die

Ausgaben ein besonderer Fonds gebildet werde, dessen Bestände nur zur Unterhaltung und Verbesserung des Erftkanals dienen, nicht aber zur

Deckung

anderer Bedürfnisse der

Stadtkommune Neuß

verwendet

werden sollen. Die Handelskammer geht dabei von der Voraussetzung aus, daß auch der ermäßigte Tarif noch einen ansehnlichen Überschuß

über die laufenden Ausgaben einschließlich

Anlagen dienenden Reserve liefern werde.

einer, zur Erneuerung der Nach den Verkehrsergebnissen

der letzten Jahre erscheint diese Annahme allerdings nicht ungerechtfertigt.

Ob aber so günstige Verhältnisse andauern werden, ist um so mehr frag­ lich,

als die von der Rheinischen Eisenbahngesellschaft schon in nächster

Zukunft zu erbauende Eisenbahn von Osterrath nach Essen, welche vor­

züglich auf Beförderung von Kohlen berechnet ist,

Erftkanal einen Teil seines Verkehrs entziehen wird.

voraussichtlich dem Wir haben daher

kein Bedenken gegen die Einführung des vorgelegten Tarifs."

Dieser Jmmediatbericht ist ebenso wie der vorangegangene Ministerial-

erlaß vom 12. Mai 1863, welcher die Verzinsung des Anlagekapitals durch Schiffahrtsabgaben als zulässig anerkennt, von Delbrück unterzeichnet.

In

dem ersteren ist sogar die Ansammlung von Mitteln für künftige Schiff­

fahrtsverbesserungen aus den Abgaben als legal bezeichnet worden.

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V. Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

272

3.

In dem Jmmediatbericht vom 11. August 1843 wurde die Ver­

leihung des — demnächst durch Allerhöchsten Erlaß vom 25. August 1843

bewilligten — Rechts zur Erhebung von Schiffahrtsabgaben auf dem so­ genannten Rheinberger Kanal mit den Worten begründet: „Da

mit

der Zeit hoffentlich die Einnahme

an Kanalgefällen

außer

der Verzinsung auch die Amortisation des Anlagekapitals mög­ lich machen wird, so möchte der Tarif nur mit der Maßgabe zu genehmigen

sein, daß eine Revision und Abänderung desselben von

fünf zu fünf

Jahren vorbehalten werde, und daß die Stadt verpflichtet sei, über die Einnahme an Gefällen sowie über die Ausgaben für Unterhaltungskosten, Verzinsung

und

Amortisation

des

Anlagekapitals

sorgfältig

Rechnung zu führen, diese Rechnung auch jederzeit auf Verlangen der

Regierung zu Düsseldorf vorzulegen."

4.

Der Jmmediatbericht vom 12. Januar 1843, durch den die König­

liche Ermächtigung für den Ausbau des Spoykanals und des alten Rheins von Schenkenschanz bis Brienen eingeholt wurde, enthält über die Frage

der Kostendeckung durch Schiffahrtsabgaben folgende Ausführungen: „Nach Maßgabe des

gegenwärtig zwischen dem Rhein und Cleve sich

bewegenden Verkehrs vermutet man, an Schleusen- und Kanalgefällen usw. in den ersten Jahren eine Bruttoeinnahme von 5655 Talern bei mäßigen,

das Interesse des Handels nicht verletzenden Tarifsätzen erheben zu können, so daß nach Abzug der Unterhaltungskosten ein Überschuß von jährlich 4755 Talern disponibel werden würde.

Da somit auch von den Be­

förderern des Unternehmens zunächst nur 3,3 o/o d e s Anlagekapitals an Einnahmen erwartet werden, so muß dasselbe in finanzieller Beziehung

als nicht ganz sicher angesehen werden.

Jedoch hofft man, daß in wenigen

Jahren die steigende Frequenz der Schiffahrt ein zur Verzinsung und

Abtragung jenes bedeutenden Anlagekapitals besser hinreichendes Er­ gebnis herbeiführen werde."

Die Stadt Cleve wollte 60 000 Tlr. in ^/^/oigen Obligationen als

Beitrag zu den Kanalbaukosten aufbringen; zur Zahlung der Zinsen sollten „die Überschüsse der Kanaleinnahmen vorweg verwendet werden." Mit dieser Maßgabe sollte der Staat die Ausführung des Kanalbaues übernehmen.

„Daß bei einem Unternehmen von solchem Umfange die Zinsen von 60000 Tlr. durch die Schleusen-

und Kanalgelder zu

decken

sein

würden, läßt sich doch jedenfalls erwarten", heißt es weiter in jenem Berichte.

Der König genehmigte durch Erlaß vom 3. März 1843 den Bau auf alleinige Kosten des Staats,

aber mit der ausdrücklichen Bedingung,

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daß

H 2.

dann der Staat

„auch

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

273

die zu 5655 Tlr. veranschlagten Schleusen- und

Kanalgefälle nebst Hafengeldern"

allein vereinnahmen und die Stadt auf

alle Ansprüche hinsichtlich dieser Gefälle verzichten müsse. Der Jmmediatbericht

29. September 1847,

vom

Tarifentwurf zur Genehmigung vorgelegt wurde,

mit

welchem der

berechnet die Einnahmen

wieder auf 5655 Tlr. und die Unterhaltungskosten nach neuem Anschläge auf 1860 Tlr., sodaß „noch ein Überschuß von 3795 Tlr. zur Ver­ zinsung

des

Anlagekapitals sich

würde."

ergeben

Dieser Tarif

wurde am 11. Oktober 1847 genehmigt.

5.

Die Einnahmen aus den Ruhr- und Lippeschiffahrtsabgaben wurden

zur Verzinsung und Tilgung von Anleihen,

welche für die Verbesserung

dieser Wasserstraßen ausgenommen waren, verwendet 6.

Bei den märkischen Wasserstraßen, den Wasserstraßen zwischen Elbe

und Oder, sind die Zinsen des Anlagekapitals von jeher — so lange über­ haupt die Schiffahrtsabgaben in Preußen nach dem Gebührenprinzip geregelt

und Einträglichkeitsberechnungen aufgestellt worden sind — als Bestandteile der Selbstkosten behandelt worden. Durch Ministerialerlaß vom 31. Dezember 1837 wird der Provinzial­ steuerdirektor in Magdeburg

mit

der Aufstellung

eines Tarifentwurfs

be­

auftragt, bei dessen Einreichung er berichten soll, „inwieweit die nach Maß­ gabe der gemachten Erfahrungen bei Anwendung der vorzuschlagenden Sätze zu

erwartende reine Einnahme

die

laufenden Unterhaltungskosten sowie

die Zinsen des Anlagekapitals und der auf Neubauten? im Laufe

der Zeit zu verwendenden Beträge decken würde."

Ein anderer Ministerialerlaß vom 27. Juni 1842 sagt: „Es wird beabsichtigt, den Tarif zur Erhebung der Schiffahrtsabgaben für das Befahren der Wasserstraßen zwischen der Elbe und Oder vom

18. Juni 1828 mit Rücksicht auf die Unterhaltungs- und Herstellungs­ kosten der auf diesen Wasserstraßen befindlichen Schleusen und sonstigen

Schisfahrtsanlagen

anderweit

zu

regulieren.

Die

Ministerial-

Bau-Kommission wird daher angewiesen, den nach den Grundsätzen

der Verordnung über die Kommunikationsabgaben vom 16.Juni1838 und der Anweisung vom 18. März v. I. berechneten Betrag

jener Kosten innerhalb der letzten sechs Jahre für den in ihrem Verwaltungs­ bezirk belegenen Teil der in Rede stehenden Wasserstraßen pp. anzuzeigen."

Die damals angestellten Berechnungen ergaben für 1842 eine KapitalVgl. S. 176. 2 Es wird also auch hier, ebenso wie in dem Falle von Neuß (S. 271), auf künftige Baukosten bei der Tarifbildung mit gerücksichtigt. Schriften 6XV. - Erster Teil.

18

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Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

V.

274

Verzinsung von 3,3 o/o, die im Jahre 1843 sogar auf 5,3 o/o anwuchs.

Der

Finanzminister beantragte mit dem Hinweise auf die günstige Finanzlage der

märkischen Wasserstraßen und auf die anzustrebende Förderung der Binnen­

schiffahrt

eine Ermäßigung

der

und

Schiffahrtsabgaben,

in

zwar

zwei

Jmmediatberichten vom 17. Mai und 13. August 1845; der König lehnte beide Male

den Antrag

ab,

und

zwar

mit

bei

der Begründung,

der

finanziellen Lage des Staates könne auf die Einnahme aus dem bestehenden Tarife nicht verzichtet werden.

Ein

7.

präsidenten

Ministerialerlaß

in Stettin

regulierte Ücker an.

vom

ordnete

die

31.

Dezember

1838

an

den Ober­

des Abgabentarifs

Revision

für die

nach welchen der

Dabei werden über die Grundsätze,

neue Tarif aufzustellen sei, folgende Anweisungen gegeben:

„Zuvörderst

denjenigen Betrag

wird es darauf ankommen,

festzustellen,

welcher durch die Einnahme nach Abzug der Hebungskosten gedeckt werden

muß.

Dieser Betrag besteht in den landesüblichen Zinsen

des

Anlagekapitals, in den jährlichen Kosten der laufenden Unterhaltung

der Anlage, für deren Benutzung die Abgabe entrichtet wird, und in den auf Jahresbeträge zu verteilenden Summen,

welche im Laufe der Zeit

Die

auf größere Reparaturen und Neubauten verwendet werden müssen.

Vergleichung der bezeichneten jährlichen Kosten mit der bisherigen nach

Abzug der Hebungskosten sich

ergebenden jährlichen Einnahme wird so­

dann ergeben, ob und inwieweit es zulässig ist, die Abgabe im ganzen zu ermäßigen, indem es nur darauf ankommt, daß die gedachten Kosten

reichlich durch den Ertrag gedeckt werden."

Sodann berichtet der Finanzminister an den König:

„Das

auf

den

Kanal

verwendete

20 245 Tlr. 15 Sgr. 8 Pf. belaufen sich

Baukapital

im

beträgt

ganzen

Die Herstellungs- und Unterhaltungskosten

nach den Grundsätzen der Verordnung über die Kommuni­ auf jährlich:

kationsabgaben vom 16. Juni 1838 berechnet,

1262 Tlr.

8 Sgr. 3 Pf. a) nämlich:

5

v. H.

(landesübliche

Zinsen) vom gedachten Anlagekapital

1012 Tlr. 8 Sgr. 3 Pf.

d) Kosten der gewöhnlichen und der außer­

ordentlichen Unterhaltung...........................130

e) Kosten für Beaufsichtigung

des Kanals Zusammen:



0



120 „0

0





0



1262 Tlr. 8 Sgr. 3 Pf.

Die Einnahme hat in den vier Jahren

1837/40 durchschnittlich in jedem Jahre

.

also

1091

„5

„7



171 Tlr. 2 Sgr. 8 Pf.

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Staatliche Schiffahrtsanstalten.

8 2.

weniger als die berechneten Kosten betragen.

275

Demnach scheint eine be­

deutende Ermäßigung des Tarifs dergestalt, daß auf eine reine Einnahme

von etws 700—800 Tlrn. gerechnet werden könnte, zulässig zu sein. Es ist nämlich bei Grabung des Kanals gegen die Stadt Ückermünde und die Schiffer-Kompagnie daselbst von der Staatsbehörde ausdrücklich die

Absicht ausgesprochen, von dem damals freilich nur zu 12 227 Tlr. 15 Sgr. 3 Pf. angenommenen Anlagekapital

nicht mehr als 2o/o

Zinsen

durch die Kanalabgabe zu erlangen, und der Staat, welcher im Interesse

des Verkehrs unter Umständen von den Zinsen des Anlagekapitals ganz würde absehen können,

wird

bei einer reinen Einnahme von 700

bis 800 Tlrn. jährlich außer den oben zu K und o gedachten Kosten von

zusammen 250 Tlrn.

immer noch

also mehr

450 Tlr. bis 550 Tlr.

als 2 o/o Zinsen des Anlagekapitals,

welche sich auf 405 Tlr.

Auf die erwähnte reine Einnahme ist aber bei An­

belaufen, beziehen.

wendung des entworfenen neuen Tarifs mit Wahrscheinlichkeit zu rechnen."

Der König genehmigte den so begründeten Tarifentwurf. 8.

Ein

Ministerialerlaß

an

den Oberpräsidenten

in

Stettin

vom

22. April 1847 über die Umgestaltung der Abgabentarife für die pommerschen Seehäfen sagt:

„Als leitender Grundsatz bei den anzustellenden Erörterungen wollen Eure Exzellenz festhalten,

daß es überall nicht in der Absicht liegt,

aus den

Hafen- und Schiffahrtsabgaben einen höheren Ertrag als einen Ersatz für

die Unterhaltung der vorhandenen Schiffahrtsanstalten, wenn tunlich mit Einschluß einer mäßigen Verzinsung der darauf verwendeten An­

lagekosten, zu erzielen."

Am 9. Juni 1861

beantragte die Kaufmannschaft in Stettin eine

Herabsetzung der unter dem Namen des Swinemünder Hafengeldes erhobenen

staatlichen Schiffahrtsabgaben.

Der Handelsminister erforderte am 2. Juli

1861 von der Regierung in Stettin „eine Nachweisung der auf den Swine­

münder Hafen und dessen Revier verwendeten Anlage-, Unterhaltungs- und Beaufsichtigungskosten", bei deren Aufstellung dieselben Grundsätze maßgebend

sein sollten, welche schon bei einer früheren gleichartigen Nachweisunng be­ folgt worden seien.

Die Regierung

legte am 29. Oktober 1861 eine Be­

rechnung vor, welche sehr sorgfältig und ins einzelne gehend aufgestellt war; sie schloß

ab mit einem Gesamtbaukapital von 2 281 663 Talern, dessen

4prozentige Verzinsung mit 91 266 Talern als laufende Ausgabe gebucht war. Daraufhin beschied der Handelsminister am 25. März 1862 die Kauf­

mannschaft folgendermaßen: 18*

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276

V' Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

„Infolge der Vorstellung vom 9. Juni 1861, betreffend die Ermäßigung der Schiffahrtsabgaben in Stettin und Swinemünde, sind Erörterungen über das Verhältnis der zur Staatskasse fließenden Einnahmen an Schiff­ fahrtsabgaben zu den für die Hafenanlagen zu verwendenden Ausgaben

angestellt worden.

Dabei hat sich ergeben, daß, abgesehen von den für

Verbreiterung der Oder *

unterhalb Stettin für das Jahr 1861 be­

reits verausgabten 130 000 Talern, die jährlichen Unterhaltungskosten und

sonstigen

Ausgaben

kapitals

einschließlich

im Jahre 1860

sich

der

Zinsen

des

Anlage­

auf 208 043 Taler beliefen, wogegen

an Schiffahrtsabgaben in demselben Jahre nur aufkamen 167 804 Taler, und

im Durchschnitt der letzten fünf Jahre, unter denen sich das un­

gewöhnlich günstige Jahr 1857 befindet, nur 177 791 Taler eingenommen wurden.

Unter

diesen Umständen

kann

zurzeit

eine

Ermäßigung

der

Schiffahrtsabgaben nicht in Aussicht gestellt werden, und zwar namentlich

so

lange nicht, als die bisher bewilligte Abgabenermäßigung für regel­

mäßig fahrende Dampfschiffe in vollem Umfange beibehalten wird." Nach diesem aus dem Handelsministerium — nicht aus dem Finanz­

ministerium — stammenden, im letzteren nicht einmal mitgezeichneten Be­

scheide wird man kaum noch daran zweifeln können, daß die Zinsen des Anlagekapitals an den maßgebenden Stellen in Preußen als Bestandteile der „Herstellungs- und Unterhaltungskosten" im Sinne der Zollvereinsverträge angesehen worden sind.

Schon die Schlußworte des Bescheides vom 25.

März 1862 lassen

hinreichend erkennen, daß die Regierung, trotz ihrer vorläufig ablehnenden

Haltung im Einzelfalle, doch

einer Tarifreform grundsätzlich geneigt war.

Und tatsächlich wurde auch noch in demselben Jahre vom Finanzminister

eine grundsätzliche Prüfung aller Tarife für Häfen und Seewasserstraßen im Ostseegebiete aus dem Gesichtspunkte der anzustrebenden Entlastung des Ver­ kehrs eingeleitet.

Durch eine allgemeine Verfügung vom 24. September 1862

wurden die Provinzialsteuerdirektoren unter Hinweisung auf die geringere Höhe

der Schiffahrtsabgaben in den Hansestädten, sowie in Frankreich und Italien zu einer Äußerung über eine entsprechende Umgestaltung der Tarife aufgefordert.

Bei diesen Erörterungen kam, wie es der Natur der Sache nach nicht anders sein konnte, auch das Verhältnis der Selbstkosten des Staates und

der sonst beteiligten Korporationen — Gemeinden und Kaufmannschaften — zu den hauptsächlich aus Schiffahrtsabgaben fließenden Einnahmen zur Sprache. * Diese Verbreiterung wurde also als „Anstalt zur Erleichterung des Verkehrs" im Sinne der Zollvereinsverträge betrachtet.

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8 2.

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

277

Am 17. April 1863 beauftragte der Handelsminister die Regierung in Danzig mit der Aufstellung einer „Übersicht" der auf den dortigen Hafen verwendeten Anlagekosten und der laufenden Ausgaben; der gleiche Auftrag

erging an die Regierung in Köslin wegen der Häfen in Kolbergermünde, Rügenwaldermünde und Stolpmünde. Am 3. Mai desselben Jahres — nachdem inzwischen die verlangten

Übersichten eingegangen waren — erklärte der Handelsminister dem Finanz­

minister gegenüber:

„Unter den

obwaltenden Umständen wird auch jetzt auf die Frage nicht

näher einzugehen sein,

ob ferner noch allgemein die Beschaffung der auf

die Hafenanstalten zu verwendenden Mittel als entscheidendes Moment für die Feststellung der Abgabensätze zu betrachten ist oder nicht.

In allen

Fällen, wo die Rücksicht auf den Verkehr es gestattet, werde ich keine Veranlassung

haben, der Aufrechterhaltung dieses Grundsatzes entgegen-

zutreten."

demselben Schreiben

In

wird

ferner die Bilanz des Swinemünder

Hafens und „Schiffahrtsreviers" besprochen und dabei bemerkt: „Die obige Nachweisung ergibt aber, daß ein sehr ansehnlicher Teil der Gesamtsumme der Kosten auf Zinsen des Anlagekapitals fällt,

91 266 Taler,

nämlich

so

daß als wirklich zu verausgabende Unter-

Haltungs- und Verwaltungskosten jährlich nur 116 776 Taler in Betracht

kommen.

Da der Staat weder auf einen Unternehmergewinn, noch auf

eine verzinsliche Verwendung seiner Einnahmen zu sehen hat, so würde

es billig sein, auf eine Anrechnung der Zinsen des Anlagekapitals zu verzichten und zunächst nur die Beschaffung der wirklich zu veraus­

gabenden Beträge ins Auge zu fassen." der Finanzminister

Da

dem

auf

eine beträchtliche Ermäßigung der

Schiffahrtsabgaben gerichteten Wunsche des Handelsministers zustimmte, so

wurde von beiden ein entsprechender Bericht an den König erstattet.

Dieser

vom 19. Juni 1863 datierte Bericht ist nur mit wirtschaftlichen Erwägungen begründet.

Am Schluffe wird über die finanzielle Wirkung der Tarifreform

gesagt, daß trotz eines allerdings zu gewärtigenden Rückganges der Ein­

nahmen

doch immerhin noch mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine voll­

ständige Deckung der laufenden Unterhaltungskosten zu rechnen ist und daß

also

ein Zuschuß aus anderen Einkünften der Staatskasse nicht zu leisten

sein wird.

Nur die Verzinsung des auf die Hafenanstalten verwendeten

Anlagekapitals würde durch den Ausfall geschmälert werden, und eine der­

artige Verzinsung könne weniger in Betracht kommen,

als der aus einer

Belebung des Seeverkehrs entspringende allgemeine Nutzen.

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V-

278

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

Die hier erwähnten Schriftstücke vom 17. April und 3. Mai sind von Delbrück gezeichnet;

es muß also

daß auch dieser

angenommen werden,

Staatsmann die Kapitalzinsen äe ^uro als Bestandteil der Herstellungs- und

Unterhaltungskosten angesehen hat. 9.

vom

Ministerialerlaß

Der

Schiffahrtsabgaben

12.

September 1850

sagt über

die

auf dem Weichsel—Haffkanal, daß sie „wenigstens die

Unterhaltungskosten decken sollen". 10.

Als der Tarif für den Oberländischen Kanal vorbereitet wurde,

bestimmte ein Ministerialerlaß vom 27. September 1852, daß die Abgaben „mindestens die laufenden Ausgaben" decken sollten, wünschenswert sei außer­ dem noch eine „allmähliche VerzinsungundTilgung" des Baukapitals.

11.

Im Jahre 1870 gab ein in der Provinz Pommern sich abspielender

Einzelfall den Anlaß zu einer grundsätzlichen Erörterung der Frage, ob die

Kapitalzinsen

zu

denjenigen

Selbstkosten

einer

Schiffahrtsanstalt,

deren

Deckung durch Schiffahrsabgaben nach dem Zollvereinsvertrage von 1867

Die Minister der Finanzen und des

zulässig sei, gerechnet werden könnten.

Handels

entschieden hierüber in einem an den Provinzialsteuerdirektor in

Stettin gerichteten Erlasse vom 18. November 1870,

in welchem es heißt:

„Der von Ew. Hochwohlgeboren geäußerten Ansicht, daß nach Artikel 25

des Zollvereinigungs-Vertrages vom 8. Juli 1867 lagekapitals

bei Beurteilung

der Frage,

wie

die Zinsen des An­

hoch die Kanalgebühren

normiert werden dürfen, nicht in Betracht zu ziehen sind, kann nicht bei­ getreten werden, da nach dem Sprachgebrauche und insbesondere nach der im Z 3 des Gesetzes vom 16. Juni 1838, die Kommunikationsabgaben

betreffend, Zinsen

enthaltenen

ausdrücklichen

des Anlagekapitals

Bestimmung

die

landüblichen

zu den Herstellungskosten

gerechnet

werden, deren Berücksichtigung im Art. 25 des erwähnten Vertrages und

im Art. 54 der Verfassung des Norddeutschen Bundes zugelassen ist." 12. In der Begründung zu dem Entwürfe des Gesetzes vom 6. Juni 1888, betreffend die Kanalisierung der oberen Oder, ist gesagt:

„Im übrigen wird in Aussicht genommen, für die Benutzung der An­

lagen, welche zum Nutzen der Schiffahrt hergerichtet werden sollen, eine Abgabe in der Bemessung zu erheben, daß nicht nur die Unterhaltungs­

kosten gedeckt, sondern

auch das aufgewendete Kapital verzinst und

nach Möglichkeit amortisiert werde."

Eine Reihe von weiteren Fällen, in welchen die Verzinsung des Anlage­ kapitals

von

Schiffahrtsanstalten

durch

Abgaben

von

der

preußischen

Regierung und Volksvertretung sowie von preußischen Gemeindeverwaltungm

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Z 2.

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

279

für zulässig erachtet worden ist, hat bereits auf S. 214—224 in anderem

Zusammenhänge Erwähnung gefunden *. Auch mit Hinzurechnung dieser Fälle ist die vorstehende Darstellung der

Praxis keineswegs vollständig; sie wird aber im allgemeinen genügen, um

ein zuverlässiges Bild von dem Geiste,

in welchem die Zollvereinsverträge

und die mit ihnen inhaltlich identische Reichsverfassung in Preußen auf­ gefaßt und gehandhabt worden sind, zu geben.

d) Die Praxis der nichtpreußischen Zollvereins- und Bundesstaaten. 1. Der Donau—Mainkanal brachte nach dem amtlichen „Bericht über

die Ergebnisse des Betriebs der Königlich Bayrischen Eisenbahnen usw."

1902

Anlage 46 in den Jahren 1853 bis 1862/66 Betriebsüberschüsse von zusammen

1 003120 Mk. bei einem Anlagekapital von (1858/59) 27 678 193 Mk. Es hat sich also in jener Zeit eine, wenn auch nur geringe, Verzinsung

ergeben.

Aus dem Umstande, daß die bayrische Regierung diese Verzinsung

nicht beseitigt hat, darf wohl der Schluß gezogen werden, daß sie ihr recht­ Das ist um so wahrscheinlicher,

lich zulässig erschien.

bayrisch-österreichischen Donauschiffahrtsvertrages

vom

als in Art. 7 des 2. Dezember

1851

(Bayrisches Regierungsblatt 1852 S. 717) die Berechnung der Kapitalzinsen unter den durch Schiffahrtsabgaben zu deckenden Selbstkosten ausbedungen war. Bayern konnte damals in seinen Beziehungen zu Österreich keine andere Regelung der Frage vereinbaren, als die vermöge der Zollvereins­

verträge für das ganze Vereinsgebiet geltende. 2.

Die seit unvordenklicher Zeit mit Schiffahrtsabgaben belastete Saale

liegt teilweise im Gebiet des Herzogtums Anhalt, welches seinerseits solche

Abgaben an der Schleuse zu Bernburg erhob.

Von den Schiffahrttreibenden

und sonst Beteiligten war behauptet worden, daß diese anhaltischen Abgaben über das durch Zollvereinsverträge zugelassene Maß der Selbstkostendeckung

hinausgingen, und als im Jahre 1853 ein neuer Vertrag zwischen Preußen

und Anhalt

„über die Fortdauer des Anschlusses der Herzogtümer an das

Zollsystem Preußens"

verhandelt wurde,

seiner oberhalb und unterhalb Bernburg

versuchte Preußen im Interesse an der Saale liegenden Gebiets­

teile unter Hinweisung auf jene Klagen eine Ermäßigung des Bernburger

Tarifs zu erzielen.

Diese Ermäßigung wurde aber von Anhalt abgelehnt.

Es heißt darüber im Schlußprotokoll des Vertrages: * Seeschiffahrtsstraßen Stettin—Swinemünde und Königsberg—Pillau, Fahr­ rinne in der Außenweser, Ausbau der Fahrstraße in der alten Oder von Wriezen bis zum Finowkanal.

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V-

280

„Von

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

feiten

des Anhalt-Bernburgischen Bevollmächtigten wurde hierauf

entgegnet, daß bei der Beurteilung der Höhe der Bernburger Schleusen­ gefälle zunächst der abgeschlossene besondere Vertrag vom 17. Mai 1831 in Betracht

komme,

daß

aber auch bei Anwendung

des

allgemeinen

Grundsatzes (der Zollvereinsverträge) sich ein Anspruch auf Ermäßigung der Schleusengefälle nicht begründen lassen dürfte, da auch das Anlage­

kapital inBetracht komme, und wenn dieses mit in Ansatz gebracht

werde, die Bernburger Schleusengefälle die Herstellungs- und Unterhaltungs­

kosten nicht übersteigen.

Hiernach werde es bis zu einer Verständigung

über die Abänderung des Vertrages vom 17. Mai 1831

bei den durch

diesen Vertrag festgestellten Gefällen bewenden müssen Königlich Preußischer Seits behielt man sich hiernach vor, den Gegen­

stand zum Zweck einer Verständigung wieder aufzunehmen." Tatsächlich blieb es vorläufig bei dem Bernburger Tarif. Erst in den sechziger Jahren wurde, und zwar auf Delbrücks Anregung,

ein neuer Versuch unternommen, um bei Gelegenheit von Verhandlungen über die „Erweiterung der Eisenbahnverbindung zwischen Preußen und An­

halt" * diesen Staat zur Gleichstellung seines Tarifs mit dem der preußischen

Saale zu bewegen; der erstere letztere.

war damals etwa dreimal höher wie der

Die Eisenbahnabteilung des Handelsministeriums wurde in einem

von Delbrück unterzeichneten Schreiben der Handelsabteilung vom 27. April

1863 ersucht, bei den Verhandlungen mit Anhalt eine entsprechende Forderung

aufzustellen. In diesem Schreiben wird berechnet, „daß auch bei Übertragung des preußischen Tarifs auf die Bernburger Schleuse der anhaltischen Regierung immer noch eine jährliche Einnahme

von etwa 3500 Talern verbleiben würde, besonders wenn erwogen wird, daß die Saalschiffahrt im Aufschwünge begriffen ist und durch Abgaben­

ermäßigung gefördert werden wird.

Daß eine Einnahme von 3500 Talern

neben den Zinsen des Anlagekapitals die Unterhaltungs- und Wiederherstellungskosten mindestens deckt, halten nicht zweifelhaft sein.

kann nach diesseitigem Dafür­

Gegenüber der Bemerkung des bernburgischen

Kommissars im Schlußprotokoll vom 20. Dezember 1853 verdient über­

dies hervorgehoben zu werden, daß die Erhebung der übermäßig hohen

Abgabe während der dreißigjährigen Dauer des jetzigen Tarifs längst zu

einer

vollständigen Erstattung

des Anlagekapitals geführt

haben muß." ' Es handelt sich um den in der Preuß. Ges.S. 1864 S. 165 veröffentlichten Vertrag vom 30. Januar 1864, der in Art. 15 tatsächlich eine Schleusengeld­ ermäßigung brachte.

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Z 2.

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

281

Hier wird also die Zulässigkeit der Verzinsung des Anlagekapitals aus Es gelang damals, die an-

den Schiffahrtsabgaben ausdrücklich anerkannt.

haltischen Sätze bis auf den Betrag der preußischen zu ermäßigen. 3.

Die Nassauische Regierung hatte die Mittel für den Ausbau der

Lahn als Schiffahrtsweg von der Landeskreditbank leihweise entnommen; die Zinsen dieser Anleihe wurden aus den Schiffahrtsabgaben gedeckt.

Im

Jahre 1867 brachten die Abgaben noch etwa 4000 Gulden Überschuß über

die

Betriebs-

Unterhaltungskosten.

und

Durch

vom

Jmmediatbericht

4. März 1868 wurde die Aufhebung der Schiffahrtsabgaben erwirkt, weil „in neuerer Zeit auch

in den älteren Landesteilen von der Erstattung

und Verzinsung des Anlagekapitals bei Regelung der Schifsahrsabgaben

Abstand genommen worden" sei. Aus der Fassung des Berichts

ergibt sich, daß nicht Rechtsgründe,

sondern Zweckmäßigkeitserwägungen für diese Tarifpraxis maßgebend waren. 4.

Daß die Hansestadt Bremen und das Großherzogtum Oldenburg

die Verzinsung des Baukapitals für die Fahrrinne der Außenweser — in

Übereinstimmung mit der preußischen Regierung

— für zulässig hielten,

geht aus den S. 221—223 mitgeteilten Verträgen von 1891, 1896 und 1900 hervor.

5.

Das

vom

Landesausschuß

und

Bundesrat

lothringische Kanalgesetz vom 26. Mai 1892

verabschiedete

elsaß-

bestimmt, daß die auf den

weiteren Ausbau der Kanäle zu verwendenden Kapitalien durch Schiffahrts­ abgaben getilgt werden sollen.

In diesem Falle hat die als gesetzgebender

Körper organisierte Gesamtheit der deutschen Regierungen zur Frage Stellung

genommen und zwar in dem Sinne, daß die Berücksichtigung des Anlage­ kapitals bei Berechnung der Selbstkosten im Sinne des Art. 54 der Reichsversassung zulässig ist.

e)

Abweichungen

vom

regelmäßigen

Gange

der

Praxis.

Auch in dieser Frage ist das geltende Recht nicht ganz gleichmäßig und folgerichtig angewendet worden.

Fall

nachweisen,

deshalb

in

unterblieben

welchem

ist,

weil

die

man

Es läßt sich indessen nur ein einziger

Inrechnungstellung

sie

für

Vertrags-

der

Kapitalzinsen

und verfassungs­

widrig hielt. In einem Jmmediatbericht vom 26. März 1870 heißt es:

„Nach den aufgestellten Nachweisungen hat die Elbschleuse zu Magdeburg

im Durchschnitt der fünf Jahre von 1863 — 1866 4 328 Taler an Ab­ gaben ertragen,

während die Unterhaltung nur 863 Taler erforderte.

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282

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

V-

Die Saale- und Unstrutschleusen lieferten für dieselbe Zeit einen durch­ schnittlichen Abgabenertrag von 17 321 Talern, während die Unterhaltung nur 10 096 Taler in Anspruch nahm.

Bei der Revision der Tarife mußte hiernach eine erhebliche Er­

mäßigung ins Auge gefaßt werden." Der Rechtsstandpunkt tritt zwar aus diesem Wortlaut nicht mit zweifel­

loser Klarheit hervor;

die vorhergehenden Verhandlungen lassen aber er­

kennen, daß man hier die Zinsdeckung durch Abgaben als unzulässig ansah.

Im übrigen ist aber die Praxis — in Preußen wenigstens — durch­ aus konstant gewesen;

man hat es mit einer Irrung zu tun, wie deren

auch sonst zuweilen vorkommen.

Allerdings sind in den

60er und 70er Jahren zahlreiche Tarife in

der Art herabgesetzt worden, daß auf die Verzinsung des Anlagekapitals

Indessen sind diese Maßregeln,

verzichtet wurde.

von jener einen Aus­

nahme abgesehen, nur mit wirtschaftlichen Erwägungen begründet worden. Als Material für die Beurteilung dieser Rechtsfrage können, da es sich hier handelt, nur diejenigen Fälle in Betracht kommen,

um jus äi8xr08itivum

in welchen die Regierungen die Ermäßigung von Abgabenlarifen auf den

Betrag der bloßen Betriebs- und Unterhaltungskosten deshalb vornahmen, weil sie sich

nach den Zollvereinsverträgen und der Verfassung hierzu ver­

pflichtet erachteten.

ä)

Ergebnis der Untersuchung.

Der Ausdruck „Herstellungs- und gewöhnliche Unterhaltungskosten" ist, wie

diese

selbst —

Darstellung

so

fast

ergibt,

verstanden und

ausnahmslos — auch

angewendet worden,

von Delbrück

daß die Kapitalzinsen

einen Bestandteil der durch Abgabentarife zu deckenden Selbstkosten bilden.

Es ist hiernach nicht daran zu zweifeln, daß diese, gleichzeitig der wirtschaft­ lichen Logik äb I6Z6 terenäa entsprechende Auslegung des geltenden Rechts

mit der Willensmeinung des Gesetzgebers im Einklänge steht. Im übrigen ist die Frage, was zu den Selbstkosten bei der Bildung

von Abgabentarifen für Wasserstraßen gerechnet werden kann, nach praktisch­

geschäftlichen

Gesichtspunkten

zu

beantworten.

Die

preußische Regierung

hat diese Frage in einer allgemeinen Verfügung vom 11. Juni 1896 dahin geregelt, daß bei der Tarifbildung berücksichtigt werden dürfen:

„1. Kosten der Abgabenerhebung, Betriebs-, Verwaltungs- und Unter­

haltungskosten, 2. Verzinsung des Anlagekapitals,

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3. Ansammlung

283

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

Z 2.

eines

Fonds

größere

für

Reparaturen.

Außerdem

wird unter Umständen

4. die Deckung

Amortisation

einer von

deren Höhe

Amortisationsquote,

Gemeindeanleihen

in

der

Rede

den

für

die Art

stehenden

üblichen Prozentsatz nicht übersteigen darf, und

5. die Ansammlung eines je nach der Art der betreffenden Verkehrs­ anstalt

zu

Erneuerungsfonds für die seiner Zeit

bemessenden

er­

forderlich werdende Neuherstellung derselben zugestanden werden können.

Zu 4 und 5 darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, daß bei sogenannten ewigen Anlagen, wie z. B. Kanälen ohne Kunstbauten, schon die Inrechnung­

stellung einer Amortisationsquote, bei allen übrigen Anlagen aber die An­

sammlung eines Erneuerungsfonds neben der Amortisation des ursprünglichen Anlagekapitals eine Vorausbelastung der ersten Benutzungsperiode zugunsten späterer Zeiten in sich schließt, welche in der Regel vermieden werden muß.

Es werden deshalb gegebenenfalls diejenigen besonderen Gründe nachzuweisen

sein, welche bei ewigen Anlagen die Tilgung des Anlagekapitals und bei den sonstigen Anlagen daneben die Bildung eines Erneuerungsfonds aus­

nahmsweise angezeigt erscheinen lassen."

Nach dem Preußischen Wasserstraßengesetz vom 1. April 1905

ist es

zulässig, auch diejenigen Zuschüsse, welche für Unterhaltung und Verzinsung

einer

ihre

Selbstkosten

nicht

vollständig

deckenden Schiffahrtsanstalt

aus

sonstigen Mitteln geleistet werden mußten, und sogar die für solche Zuschüsse

ausgelaufenen Zinsen demnächst durch Schiffahrtsabgaben wieder einzubringen. In Preußen, Bremen und Oldenburg ist

es für unbedenklich erachtet

worden, aus den durch Schiffahrtsabgaben gewonnenen Einnahmen einen

Reservefonds für künftig eintretende Bedürfnisse zurückzulegen.

Aus den

Einnahmen des für gemeinsame Rechnung der drei Staaten auf der Unterund

Außenweser

erhobenen

Feuer-

und

Bakengeldes

ist

allmählich

ein

Reservefonds angesammelt worden, der Ende 1904, obwohl in diesem Jahre aus den Mitteln des Fonds

rund 780 000 Mk. auf die Verbesserung

der Weser verwendet waren, rund 600 000 Mk. enthielt.

Die auf der Ruhr und

sind

abgaben

kapitalien

in

großem

verwendet worden,

im Nuhrorter Hafen erhobenen Schiffahrts­

Umfange

zur

Ansammlung

von

Neubau­

ohne daß von irgend einer Seite dagegen

Widerspruch erhoben worden wäre.

Das ist um so bemerkenswerter,

als

die Ruhrschiffahrt und der Verkehr des Ruhrorter Hafens nicht etwa eine

interne

preußische Angelegenheit

war,

sondern

für

das

ganze rheinische

Wirtschaftsgebiet eine sehr große Bedeutung besaß und noch heute besitzt.

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V-

284

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

Die Versorgung dieses Gebiets mit

Kohlen vollzog sich früher über die

Ruhrwasserstraße und den Ruhrorter Hasen, während

heute nur noch der

letztere die Verschiffung der durch die Eisenbahn angebrachten Kohlen neben dem Duisburger Hafen vermittelt. II.

Die Rheinschiffahrtsakte gestattet die Abgabendeckung nicht für „Unter­

haltungs-

und

gewöhnliche Herstellungskosten" wie Bundesverfassung und

Zollvereinsvertrag, sondern nur für Unterhaltungs- und Beaufsichtigungs­

die Akte unterzeichnet wurde, waren die Bundesverfassung

Als

kosten".

der Zollvereinsvertrag wenig älter als ein Jahr.

und

war

Regierungen

sondern

beinahe

kostendeckung

es

unter

selbstverständlich,

daß

den in jenen Urkunden

sie

für

Für die deutschen

nicht

Umständen

diesen

nur

den Begriff

angewandten

Ausdruck

naheliegend,

der

Selbst­

beibehielten,

sofern sie den für das übrige Deutschland geltenden Rechtszustand auch für den Rhein erhallen wollten.

Wenn sie einen anderen Ausdruck wählten

annahmen — etwa weil die nichtdeutschen Rheinuferstaaten

oder

Sache etwas anderes wollten — so

in der

hätte wohl Veranlassung vorgelegen,

die stark abweichende Wortfassung zu erläutern.

Es ist

eines der vielen

Kennzeichen für die leider sehr nachlässige Formulierung der Akte, daß weder eine derartige Erläuterung gegeben worden noch die Absicht einer sachlichen

Abänderung des ist.

Nach

autonomen deutschen Nechtszustandes

den Beschlüssen

vorhanden gewesen

der durch die Rheinschiffahrtsakte

eingesetzten

Zentralkommission in Mannheim gehört zu den „Unterhaltungs- und Beauf­

sichtigungskosten" auch die Verzinsung des Anlagekapitals.

Dabei ist zwar

die Voraussetzung gemacht worden, daß die Baukosten im Anleihewege beschafft

seien;

aber diese Voraussetzung

praktische Bedeutung. oder

sonstige

ist rein formaler Natur und ohne jede

Es ist nicht abzusehen, weshalb Staaten oder Städte

Gemeinwesen,

die

etwa

einen

Hafen

am

Rhein

erbauen

wollten, hinsichtlich der Zulässigkeit der Selbstkostendeckung durch Schiffahrts­

abgaben verschieden gestellt sein sollen, jenachdem sie bereite Kapitalmittel oder verfügbare Grundstücke dabei benutzen oder ihren Bauplan im Anleihe­

wege finanzieren.

Hinge

wirklich die Frage der Kapitalverzinsung

Schiffahrtsabgaben von einer so es

nicht

schwer

sein,

Rechnung zu tragen ^.

ihr durch

äußerlichen die

Art

Voraussetzung der

durch

ab,

so würde

Geldbeschaffung

äußerlich

Bei richtiger Auslegung des geltenden Rechts müssen

* Die Beschlüsse der Zentralkommission sind inhaltlich mitgeteilt beiSchenkel, „Badisches Wasserrecht", Karlsruhe 1902 S. 112 Anm. 10 zu Z 1 des Ges. vom 26. Juni 1899.

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285

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

Z 2.

alle für eine Schiffahrtsanstalt verwendeten Vermögenswerte anrechnungsfähig sein, ohne Rücksicht auf die Art und Weise ihrer Einbringung. Wenn hiernach die Abweichung des Wortlauts der Akte von dem der

Bundesverfassung und des Zollvereinsvertrages nur durch Flüchtigkeit zu erklären ist, so gilt dasselbe von dem Fehlen jeder die Selbstkostengrenze

für künstliche Wasserstraßen,

betreffenden Vertragsabrede

und sonstige Schiffahrtsanstalten.

Sicherheitshäfen

Gemeint war selbstverständlich die Geltung

dieser Grenze für alle, der „Erleichterung des Verkehrs dienende" und durch

Abgaben rentbar zu machende Anstalten ohne Unterschied der Zweckbestimmung.

So ist der Inhalt der Akte auch von der preußischen Regierung

aufgefaßt

Sie ist davon ausgegangen, daß ihr Inkrafttreten keinen Einfluß

worden.

habe auf den durch Zollvereinsvertrag und Bundesverfassung Rechtszustand.

geschaffenen

Wäre sie anderer Ansicht gewesen und hätte sie insbesondere

die Meinung gehabt, daß hinsichtlich der für die Tarifbildung bei den Schiffahrtsabgaben maßgebenden Selbstkostengrenze irgend eine Änderung durch die Akte hervorgerufen werde, so hätte sie eine allgemeine Nachprüfung

der Tarife eintreten

lassen

müssen.

bei der Tarifbildung mitberücksichtigt;

der Akte

nach

wie vor

für

zulässig

Sie hatte

bisher die Kapitalzinsen

sie hielt das unter der Herrschaft

und

ließ

daher

die

Tarife

un­

verändert.

III. Das preußische Wasserstraßengesetz spricht in 8 19 nur von der Ver­

zinsung und Tilgung des Anlagekapitals.

Diese Wortfassung beruht aber

nur auf Ungenauigkeit der Ausdrucksweise; gemeint war auch die Unterhaltung.

Hierüber kann nach der Entstehungsgeschichte des 8 19, der bekanntlich aus einem Zusatzantrage der Mehrheitsparteien hervorgegangen ist, ein Zweifel nicht obwalten.

heit



Diese Parteien wollten der in Preußen bestenden Ungleich­

auf zahlreichen

kanalisierten,

regulierten und

sonst

verbesserten

natürlichen Wasserstraßen werden jetzt Schiffahrtsabgaben erhoben, während andere

abgabenfrei

sind — ein Ende

machen,

gemeinerung des Grundsatzes der Abgabenpflicht.

und

zwar durch Verall­

Die Absicht der Verall­

gemeinerung bestand der Natur der Sache nach nicht nur für den Grundsatz als solchen,

sondern auch für

seine weitere Ausgestaltung,

inbezug auf die wichtige, die Tarifbildung wesentlich

der Selbstkostengrenze.

insbesondere

beeinflussende Frage

Andernfalls wäre die Imparität, deren Beseitigung

erstrebt wurde, teilweise bestehen geblieben; man hätte die Anlieger — im

weitesten Sinne des Wortes — der für die Schiffahrt verbesserten natürlichen

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286

V-

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

Wasserstraßen besser gestellt, als diejenigen der nach dem Gesetz vom 1. Mai 1905 zu erbauenden Kanäle.

Denn die Abgaben auf den Kanälen sollen

nach ß 4 dieses Gesetzes die Unterhaltungs- und Betriebskosten neben der Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals aufbringen.

Die Kanäle hierbei

anders zu behandeln wie die regulierten Ströme, lag weder ein Grund noch

die Absicht vor. Nach der Reichsverfassung war die preußische Regierung — wenn die hier vertretene Nechtsauffassung zutreffend ist



auch vorher schon zur

Deckung ihrer vollen Selbstkosten für die regulierten Ströme befugt.

preußische

Landesgesetz

nicht schaffen.

konnte

in

dieser Beziehung

Das

eine neue Rechtslage

Es hat nur die Bedeutung, daß es für die Regierung eine

konstitutionelle Verpflichtung begründet, von ihren im Reichsrecht begründeten Befugnissen Gebrauch zu machen.

und

des Zollvereinsvertrages

^U8 60A6N8 geworden.

Das ^'u8 äisposLtivum der Reichsverfassung

ist

insofern

für

Preußen

ein

partikulares

Daß mit diesem ^U8 60Z6N8 nicht der Rahmen der

reichsgesetzlichen Befugnisse vollkommen ausgefüllt sein sollte, ist nach den

politischen Zusammenhängen, welche bei der Entstehung des Gesetzes vom

1. April 1905 wirksam waren, vollkommen ausgeschlossen. Diese Auffassung ist übrigens auch in den damaligen parlamentarischen

Verhandlungen deutlich erkennbar. vom 4. Februar 1905

In der zweiten Beratung des Gesetzes

sagte der Abgeordnete Broemel,

ein Gegner der

Schiffahrtsabgaben: „Hier wird die Forderung gestellt,

auf regulierten Strömen sollen solche

Abgaben erhoben werden, daß sie die Unterhaltungskosten, sowie die Ver­ zinsung und Amortisation des aufgewendeten Kapitals decken", und der Abgeordnete von Pappenheim führte an demselben Tage mit Bezug

auf den Wortlaut des § 9L, des jetzigen Z 19 folgendes aus: „Selbstverständlich bin ich der Ansicht, daß die Erhaltung des Rheines

auf seiner jetzigen Fahrtiefe mit unter die Kosten fällt, die nach dem Art. 54 der Reichsverfassung als außerordentliche Anlage (gemeint sind die Selbstkosten) zu gelten haben." Da der Abgeordnete von Pappenheim der Urheber des konservativen

Antrags

war,

durch den der Z

19

in das Gesetz vom 1. April 1905

hineingekommen ist, so hat sein Zeugnis dafür, daß nach der Absicht dieses

Antrags auch die Unterhaltungskosten durch Schiffahrtsabgaben aufgebracht werden sollten, gewissermaßen den Wert einer authentischen Auslegung *.

*

Stenograph. Berichte S. 9486 und 9502.

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Z 2.

287

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

Die Bestimmung der Selbstkostengrenze für den einzelnen Anwendungs­ fall ist nicht nur von der halb wirtschaftlichen, halb rechtlichen Frage, welche

Aufwendungen zu den „Unterhaltungs- und gewöhnlichen Herstellungskosten" gerechnet werden können und müssen,

und örtlichen Momenten abhängig.

sondern ebenso sehr von räumlichen

Die Kostenberechnung, deren Ergebnis

für jene Wertgrenze maßgebend ist, kann sehr verschieden ausfallen, je nach­

oder „besondere Anstalt", das Substrat der Ab­

dem man die „Anstalt"

gabenerhebung, das Objekt der „Benutzung", als weitere oder engere Einheit

auffaßt, und die „Erleichterung des Verkehrs", für welche die Schiffahrts­

abgaben den Gegenwert bilden, auf einzelne örtliche Bauwerke oder Ein­ richtungen oder auf größere zusammenhängende Gruppen von Schiffahrts­

anstalten bezieht. sich

gegenseitig

Es zeigt sich auch hierbei wieder, daß alle diese Begriffe

bedingen und beeinflussen.

Eine „Anstalt" muß der „Be­

nutzung" fähig sein, sonst ist sie keine Anstalt im Sinne des Gesetzes.

Die

„Erleichterung des Verkehrs" muß hinsichtlich der Ausdehnung des Begriffs

der „Benutzung" entsprechen, weil der Nutzen eben darin besteht, daß die natürlichen Hemmnisse der Verkehrsbewegung durch menschliches Eingreifen

— Bauten werden.

oder Verwaltungseinrichtungen —

beseitigt

oder

vermindert

Die Abgaben sind der Gegenwert für die Verkehrserleichterung und

Benutzung; sie dürfen deshalb

auch

grundsätzlich

nur

auf die verkehrs­

fördernde und benutzte Anstalt bezogen und nach ihren Selbstkosten berechnet werden.

Im Sinne dieses Kausalzusammenhanges von Leistung und Gegen­

leistung ist der Anstaltsbegriff von der Praxis bei Häfen und Wasserstraßen in sehr weitem Sinne aufgefaßt worden, wobei allerdings nicht immer sach­

liche Gründe, sondern zuweilen auch Zufälligkeiten der historischen Entwicklung bestimmend

waren.

Am einfachsten liegen die Verhältnisse im allgemeinen

bei den Häfen, wo die örtliche Begrenzung der abgabepflichtigen Anstalt

für die Berechnung der Selbstkosten in der Regel keine Schwierigkeiten macht.

Man

hat

hierbei alle

im Hafengebiet

vorhandene

Bauten und sonstige

Einrichtungen, Molen, Ufereinschnitte, Kais, Krane und sonstige Hebezeuge

oder Ausladevorrichtungen, Hafenschleusen, Bojen, Baken, Leuchtfeuer und andere Anlagen als wirtschaftliche Einheit betrachtet.

Es kommen auch Fälle vor, wo herkömmlicherweise Wasserstraßen mit

den

an ihrem Endpunkte

liegenden

Häfen

als

wirtschaftliche

Einheiten

hinsichtlich der Kostenberechnung und Tarifbildung behandelt worden sind; Beispiele hierfür sind die Häfen Swinemünde und Pillau mit den an­

schließenden Wasserstraßen über das Stettiner und Frische Haff. Im übrigen hat man zusammenhängende Schiffahrtswege, von sehr bedeutender Länge,

auch solche

bei der Aufstellung von Einträglichkeitsbe­

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V.

288

Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

rechnungen und Abgabentarifen regelmäßig als große Verkehrsanstalten an­ gesehen.

Das ist sowohl bei eigentlichen Kanälen als auch bei kanalisierten

und regulierten Flüssen

zwar auch in solchen Fällen, wo

geschehen, und

einzelne Teile einer Wasserstraße oder

eines Wasserstraßennetzes bedeutende

Verschiedenheiten hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse und der Selbstkosten Das wichtigste Beispiel hierfür ist das weitverzweigte Netz der

aufwiesen.

märkischen Wasserstraßen zwischen Elbe und Oder mit dem Mittelpunkte Berlin, das bei einer Gesamtlänge von fast 1200 Km seit beinahe hundert

Jahren — solange überhaupt das Gebührenprinzip

auf die Schiffahrtsab­

gaben dort angewendet wird — hinsichtlich der Selbstkostendeckung als wirt­ schaftliche Einheit angesehen worden

ist.

Ebenso

ist die kanalisierte Oder

von Kosel bis zur Neißemündung mit den Stauänlagen bei Brieg, Ohlau

und Breslau und dem um die letztere Stadt herumgeführten Großschiffahrts­

wege zusammen als eine einheitliche Verkehrsanlage in tarifarischer Hinsicht behandelt

worden.

Dasselbe

gilt für den eigentlichen Dortmund—Ems-

Kanal mit der kanalisierten Ems und dem Seitenkanal Oldersum—Emden an der Emsmündung.

Wollte man in äußerlicher Anwendung der Verfassungsvorschrift, wo­ nach „Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten" erhoben werden

und „die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen"

dürfen,

die Selbstkosten­

rechnung für einzelne Staustufen oder Haltungen eines Kanals oder kanali­

sierten Flusses, für einzelne Abschnitte eines regulierten Stroms oder für einzelne Linien eines zusammenhängenden Wasserstraßennetzes besonders auf­ machen, so würde man zu sehr verschiedenen Ergebnissen kommen und für

einzelne Strecken Schiffahrtsabgaben von ganz verschiedener Höhe erheben müssen.

Für die märkischen Wasserstraßen ist diese Forderung auch von

solchen Kreisen, welche nur an bestimmten Linien mit niedrigem Anlage­

kapital und

geringen laufenden Kosten

stets abgewiesen worden *.

ein Interesse haben,

erhoben aber

Die individuelle Bestimmung der Selbstkosten­

grenze für die einzelnen örtlichen Schiffahrtsanstalten, die schließlich doch in ihrer Aneinanderreihung ein zusammenhängendes System darstellen, würde

nicht nur das jetzt durch gegenseitige Übertragung und Ausgleichung vorteil* Im Jahre 1903 ist bei den märkischen Wasserstraßen die bis dahin un­ bekannte Einteilung in Wasserstraßen erster und zweiter Ordnung mit verschiedenen Tarifsätzen eingeführt worden. Sie beruht aber nicht auf der Verschiedenheit der Selbstkosten, sondern auf einer Abstufung nach der Leistungsfähigkeit. Die Selbst­ kostengrenze wird nur für das Gesamtnetz durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben des ganzen Systems bestimmt.

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H 2.

Staatliche Schiffahrtsanstalten.

289

der Gesamteinnahmen zu den Gesamtausgaben

Hafter gestaltete Verhältnis

verschlechtern, sondern auch

eine

scheckigkeit der Tarife erzeugen. den idealen Vorteil einer

dem Verkehrsinteresse

Bunt-

nachteilige

Diese praktischen Nachteile würden durch

größeren Annäherung an das Prinzip der wirt­

schaftlichen Gerechtigkeit nicht ausgewogen werden.

Die Schiffer, welche eine

— von ihrem Standpunkte aus zufällig — besonders teuere Staustufe oder Kanalstrecke durchfahren müssen, würden es schwerlich verstehen

wenn man

ihnen dort höhere Abgaben abforderte, als bei anderen Staustufen und auf

anderen Strecken derselben Wasserstraße zu zahlen sind; denn ihnen erscheint diese Wasserstraße als das, was sie für den Verkehr auch ist, nämlich als zusammenhängende Einheit.

Ein

auffälliges einer

Trennung

Beispiel für die aus

äußerlichen

zusammenhängenden Wasserstraße

Gründen

schiedene Teile bietet die Unterweser von Bremen bis zum Meere.

von Bremen

Strecke

bis Bremerhaven

wird

erfolgte

in zwei tarifarisch

ge­

Auf der

nach dem Reichsgesetz vom

5. April 1886 eine Schiffahrtsabgabe erhoben, welche das Entgelt für die

dort vorgenommene Vertiefung und Begradigung des Fahrwassers bildet, während durch das von den drei Weseruferstaaten ohne besondere reichs­ gesetzliche Ermächtigung vereinbarte Feuer- und Bakengeld die Vertiefung

des Fahrwassers von Bremerhaven bis zum Meere, außerdem aber auch die

Betonnung, Bebakung

und Befeuerung des ganzen

unteren Weser bis Bremen aufwärts bezahlt wird. wird

beide

für

besonders

Stromabschnitte

bestimmt;

für

und

Gruppen

Schiffahrtsweges

der

Die Selbstkostengrenze von

das Fahrwassergeld oberhalb

Schiffahrtsanstalten Bremerhaven

von

und Bakengeld durch

Verständigung der

Wenn das Preußische Gesetz vom 1. April 1905

die Erhebung von

Bremen allein, für das FeuerUferstaaten.

Schiffahrtsabgaben „auf den im Interesse der Schiffahrt regulierten Flüssen" vorschreibt

und

diese

Abgaben

so

bemessen

haben

will,

daß

die

Auf­

wendungen des Staates für die „Verbesserung oder Vertiefung jedes dieser Flüsse" Deckung finden, so kann in der hier angewendeten Wortfassung wohl ein Hinweis für die künftige Ausführung des Gesetzes in bezug auf die

Bestimmung der Selbstkostengrenzen und die Bildung

gefunden werden. fingierte

Einheit

der

Abgabentarife

Es sollen nicht sämtliche Flüsse des Staates hierbei als

behandelt,

sondern

die

erforderlichen

Berechnungen

für

* Denselben Standpunkt würden jedenfalls die beteiligten Städte, Kaufmann­ schaften und Industriellen einnehmen. Schriften OXV. - Erster Teil.

19

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290

V. Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

jeden Strom — oder jedes Stromgebiet —

einschließlich der in gleichem

Maße schiffbaren Nebenflüsse besonders aufgemacht werden.

Eine

Berechnungsweise

solche

würde

auch

der

Billigkeit mehr entsprechen, wie die Zusammenfassung

Zweckmäßigkeit

und

aller Stromgebiete

mit ihren sehr stark abweichenden wirtschaftlichen Verhältnissen; zumal die in

Betracht kommenden, von der Saar bis zur Memel in weiter Entfernung auseinanderliegenden, zum großen Teile völlig voneinander getrennten Wasser­ straßen als einheitliches Netz nicht angesehen werden können.

8 3Nichtstaatliche Schiffahrtsanstalten. Nach dem Wortlaut der Bundesverfassung und des Zollvereinsvertrages soll die Beschränkung der Schiffahrtsabgaben auf die Selbstkostengrenze —

soweit künstliche Wasserstraßen in Betracht kommen — nur für staatliche

Unternehmungen gelten.

Es ist aber mit sehr großer Wahrscheinlichkeit an­

zunehmen, daß die Absicht des Gesetzgebers einerseits nicht so weit reichte, wie

es

nach

der

Wortfassung

den

Anschein

hat,

anderseits

darüber

hinausging.

Die Absicht war die Heranziehung des Privatkapitals zum Bau von Schiffahrtsanstallen

durch

Eröffnung einer Gewinnmöglichkeit;

zu

diesem

Zwecke brauchte aber eine solche Möglichkeit nicht auch den Gemeinden und Gemeindeverbänden

gewährt zu

werden.

Von ihnen konnte man erwarten

und verlangen, daß sie öffentliche Verkehrsanlagen, deren Herstellung zugleich

im kommunalen Interesse lag , * Selbstkostendeckung

würden.

auch unter der Voraussetzung der bloßen

ausführen und

nach

Diese Auffassung hat auch



dem Gebührenprinzip

verwalten

in Preußen wenigstens — durch

den Gang der Entwicklung eine gewisse Bestätigung gefunden.

Denn dort

ist jenes Prinzip durch das Tarifhoheitsrecht des Staates und später durch die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 1893 auch für

kommunale

Schiffahrtsanstalten vollständig eingebürgert und durchgeführt.

Unter der Herrschaft dieses Prinzips haben insbesondere die Städte Neuß

und Rheinberg die als Erftkanal und Rheinberger Kanal bezeichneten Rhein­ arme ausgebaut,

indem sie aus den Schiffahrtsabgaben ihre Selbstkosten

einbrachten oder einzubringen suchten, und ganz neuerdings hat der Kommunal-

* Ohne das Vorliegen eines kommunalen Interesses ist der Bau einer Wasser­ straße oder eines Hafens durch einen Gemeindeverband anderseits nicht gut denkbar.

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Z 3.

Nichtstaatliche Schiffahrtsanstalten.

291

verband des Kreises Teltow unter gleicher Voraussetzung einen Kanal von der Havel zur Oberspree südlich von Berlin mit großen Mitteln hergestellt. Für Preußen handelt es sich also praktisch nicht um den Gegensatz von staatlichen und nichtstaatlichen, sondern um die Unterscheidung von privaten und öffentlichen Schiffahrtsanstallen, wobei die kommunalen als mittelbar

staatliche behandelt und den eigentlich fiskalischen gleichgestellt werden. Anderseits fehlt es an jedem ersichtlichen

Grunde dafür, das Reiz­

mittel der Gewährung einer Gewinnmöglichkeit dem Privatkapital gegen­

über,

wenn man dessen Heranziehung

im Interesse der Entwicklung der

deutschen Schiffahrtsinteressen überhaupt für notwendig oder wünschenswert

hielt, auf die Wasserstraßen zu beschränken und nicht auch für den Hafen­ Daß man im Jahre 1867 auch das letztere gewollt

bau nutzbar zu machen.

hat, ist trotz der zu engen Wortfassung in den gesetzlichen Vorschriften kaum zu bezweifeln.

Es läßt sich aber auch aus der Praxis nachweisen.

Trotz

der Bestimmung der älteren Zollvereinsverträge, welche den Grundsatz der

Selbstkostendeckung für alle Wasserstraßen und Häfen ohne Unterschied der

Eigentumsverhältnisse ausstellten, hatte der einer Aktien-Gesellschaft gehörige Duisburger Rheinhafen in den fünfziger und sechziger Jahren hohe Divi­

denden gebracht; die Gesellschaft hatte 1855

je 10, 1858 15,

bis 1857

1859 und 1860 je 10,

1861 12, 1862 30, 1863 10 und seitdem stets

7 vom Hundert verteilt *.

Der Duisburger Hafen — heute der erste Binnen­

hafen der Welt — war schon damals einer der größten und bedeutendsten im preußischen Staate;

seine hohe Verzinsung

den Akten jener Zeit nachweisen läßt,

vollkommen

bekannt.

Niemand

solches für damalige Zeit

konnte

war,

sich

wie

auch aus

bei den Zentralbehörden in Berlin

auf

Gedanken

den

kommen, ein

sehr bedeutendes Privatunternehmen nach dem

Inkrafttreten des Art. 54 der Bundesverfassung im Jahre 1867 auf Selbst­

kostendeckung zu reduzieren.

Noch weit auffallender ist die Tatsache, daß man bei dem Abschluß der Rheinschiffahrtsakte, die im Gegensatze zur Bundesverfassung und zum

Zollvereinsvertrage

doch nur einen beschränkten Kreis von verhältnismäßig

leicht übersehbaren

Schiffahrtsanstalten

Duisburger Hafens und seiner

unternehmung nicht erinnerte. beschränkt

sie

alle

zu

Eigenschaft

als sogar

sich

des

gewinnbringende Privat­

Die Akte behandelt

auf Selbstkostendeckung,

hatte,

berücksichtigen

alle Häsen gleich und noch in einer — der

Bundesverfassung gegenüber — scheinbar verschärften Form.

* Vgl. „Der Duisburger Hafen 1826—1888 von vr. Feodor Göcke."

Duis­

burg 1888, F. H. Nieten.

19*

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V. Die Höchstgrenze für die Bemessung der Schiffahrtsabgaben.

292

Die preußische Regierung hat weder bei der Emanation der Verfassung und

des

Zollvereinsvertrages

Rheinschiffahrtsakte

von

1867

noch

bei

die Meinung gehabt, daß sich

der

Publikation der

hinsichtlich der Selbst­

Sonst hätte sie bei staatlichen,

kostengrenze bei den Häfen etwas ändere.

kommunalen und privaten Häfen eine allgemeine Revision der Tarife an­ ordnen müssen, was sie aber nicht getan hat. In der Folgezeit sind in Preußen mehrfach Privathäfen für den öffent­

lichen Verkehr angelegt und Abgabentarife für solche erlassen worden. einem dieser Fälle — es

In

handelte sich um den Flößereihafen bei Brahe­

münde an der Weichsel — wurde auch die Rechtsfrage erörtert und in dem

Sinne entschieden, der

richtig

daß der Grundsatz der bloßen Selbstkostendeckung nach

verstandenen

künstliche Wasserstraßen,

Willensmeinung

des

Gesetzgebers

nicht nur für

sondern auch für künstliche oder durch Bauten ver­

besserte Häfen unanwendbar sei, soweit diese Anstalten von privaten Unter­ nehmern hergestellt und verwaltet würden.

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VI.

Die Iahlungspflicht.

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liber die Verpflichtung zur Zahlung der Schiffahrtsabgaben an

den

Die

Erhebungsberechtigten enthält das öffentliche Recht keine Vorschriften.

Verwaltung hält sich der Regel nach an den Schiffsführer,

zieht von ihm

die Abgaben ein und überläßt ihm den Rückgriff an Dritte.

Das gilt auch

von denjenigen Schiffahrtsabgaben, die nicht vom Schiff und seiner Tragfähig­ keit oder feinem Raumgehalt, sondern von der Ladung zu entrichten sind

Ob man die Abgabe nach dem einen oder dem anderen Maßstabe berechnet,

ist eine bei der Tarifbildung zu beantwortende praktische Frage; rechtliche Natur der Abgabe ist sie ohne Bedeutung.

für die

In früheren Jahr­

zehnten dachte man freilich anders; die tief eingewurzelte Abneigung gegen die der Regel nach von der Ladung erhobenen Binnenzölle machte sich viel­ fach auch nach der Richtung geltend, daß man Schiffahrtsabgaben nach Gewicht und Gattung der beförderten Güter wegen dieser äußeren Ähnlich­

keit mit jenen Zöllen perhorreszierte und möglichst vermiedDiese Tendenz tritt in den Verhandlungen der Nationalversammlung zu Frankfurt aus den Jahren 1848 und 1849, aber auch

gierungen,

vielfach

hervor.

So

in der Stellungnahme der Re­

die

beantragten

Regierungen

in

ihrer

Kollektivnote vom 23. Februar 1849 zum Entwürfe der Reichsverfassung aus dem die Seeschiffahrtsabgaben betreffenden 8 22: „Die Abgaben, welche —

von den Schiffen und deren Ladungen für die Benutzung der Schiffahrts­

anstalten

erhoben

werden"

usw. die

Worte

„und

deren

Ladungen"

streichen, weil Abgaben auf die Schiffsladungen Eingangszölle seien.

zu

„Es

wäre ja nicht ausgeschlossen, Schiffe mit Ladungen von großem Volumen

und geringem Werte niedriger zu tarifieren, wie denn bisher schon Schiffe

in Ballast niedrigere Schiffsabgaben entrichteten.

Die Berechnung der Ab­

gabe müsse aber nach dem Schiffsräume erfolgen."

Der Verfassungsausschuß

* Abgesehen natürlich von denjenigen Abgaben, die erst im Augenblick der Ausladung fällig werden und die Gegenleistung für die Benutzung der Entlöschungs­ einrichtungen darstellen. Diese Gebühren werden, ebenso wie diejenigen für die Ein­ ladung von den Ladungsinteressenten eingezogen. 2 Vgl. S. 180 u. 188-190 dieser Arbeit.

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VI.

296

Die Zahlungspflicht.

sprach sich dann aber auf Wunsch von Hamburg und Bremen für die Bei­ behaltung jener Worte aus,

nicht zu befürchten sei.

weil die Ausartung solcher Abgaben in Zölle

Die der Reichsgewalt vorbehaltene Genehmigung

der Tarife biete hiergegen die erforderlichen Bürgschaften

Auch die Darstellung der älteren preußischen Verwaltungspraxis S. 168

bis 197 läßt diese mißtrauische Abneigung gegen Schiffahrtsabgaben von der Ladung erkennen.

Sie war sachlich nicht gerechtfertigt und ist jetzt längst

verschwunden; im Gegenteil ist man gerade auf Betreiben der Schiffahrts­ beteiligten in letzter Zeit immer mehr zu dieser Art der Tarifbildung über­ gegangen.

der Schiffahrtsabgabe ist von der

Das staatsrechtliche Wesen

Art der Abgabenberechnung ebenso unabhängig wie das Wesen des Binnen­

zolls.

Man konnte und kann beide vom Schiffsraum oder von der Ladung

oder auch nach einem kombinierten System erheben; entscheidend ist nur die Festhaltung oder Außerachtlassung der Selbstkostengrenze.

Verschieden von der Frage, wer seitens der Verwaltung wegen Zahlung der Schiffahrtsabgaben in Anspruch genommen wird, ist die der Verpflichtung

zur endgültigen Tragung dieser Gebühren.

Sie ist durch dispositives Zivil­

recht geregelt, und zwar in ß 65 des Reichsgesetzes, betreffend die privat-

rechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, vom 15. Juni 1895 in Ermangelung

einer

besonderen Vereinbarung

die Hafen-,

wonach

Schleusen-,

Kanal- und Brückengelder sowie Lotsengebühren dem Frachtführer zur Last

fallen, während er Ufer-, Kran- und auslagung

von

den Frachtbeteiligten

Wiegegelder im Falle ihrer Ver-

zurückfordern kann.

Für die See­

schiffahrt bestimmt ß 621 des Handelsgesetzbuchs, daß Lotsengeld, Hafengeld und Leuchtfeuergeld unter der gleichen Voraussetzung vom Verfrachter allein getragen werden müssen. Dem Staate oder sonstigen Erziehungsberechtigten gegenüber besteht

sowohl in der Binnen- wie in der Seeschiffahrt eine dingliche Haftung des

Schiffes für alle Schiffahrtsabgaben.

(H 102 des Binnenschiffahrtsgesetzes,

tz 754 des Handelsgesetzbuchs.)

Die Einziehung fälliger Schiffahrtsabgaben

in anderen Bundesstaaten

ist nach dem Reichsgesetz vom 9. Juni 1895 über den Beistand bei Ein­ ziehung von Abgaben und Vollstreckung von Vermögensstrafen

zulässig.

Ob es zweckmäßig und aussichtsvoll wäre, die Verpflichtung nicht nur

zur Zahlung, sondern auch zur Tragung der Schiffahrtsabgaben durch eine * Vgl. Verhandlungen der Nationalversammlung von Wigard, Band VIl S. 5446 und Band VIII S. 5748 und 5749. 2 N.G.Bl. 1898 S. 868. a Reichsges.Bl. S. 256.

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VI. Die Zahlungspflicht. öffentlichrechtliche Vorschrift zu regeln, nächst durch Gesetzgebung

297

ist sehr zweifelhaft.

Wer auch zu­

oder Verwaltung hierbei in Anspruch genommen

wird; an dem Streben nach Abwälzung der Abgabenlast aus einen anderen kann er nicht gehindert werden.

Die schließliche Verteilung der Lasten wird

immer eine wirtschaftliche Machtfrage bleiben, das Ergebnis eines Jnter-

essenkampfes, Nachfrage

der

bei

zwischen

der

dem

Feststellung der Frachten durch Angebot und

Transportgewerbe

Hervorbringern oder Kaufleuten

könnte

der Ausgang

anderseits

dieses Kampfes

einerseits

und

Verbrauchern,

ausgefochten wird.

Immerhin

einigermaßen von der Gesetzgebung

durch Aufstellung von Grundsätzen oder Regeln beeinflußt werden, wie er

tatsächlich auch beeinflußt wird durch Handelsgebräuche. jetzt,

Solche bestehen schon

namentlich in der Seeschiffahrt, vielfach in dem Sinne, daß Abgaben

von der Ladung in der Regel den Empfänger und Versender, Abgaben vom

Schiff dagegen den Reeder treffen.

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VII. Die Rheinschiffahrtsakte.

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9ie allgemeinen Gründe dafür, daß Schiffahrtsabgaben

also auch

jeder Art,

Fahrwaffergelder, mit den Vorschriften der Rheinschiffahrtsakte

vereinbar sind, ergeben sich aus den historischen und rechtlichen Ausführungen

der bisherigen Abschnitte dieser Arbeit.

Die historische Untersuchung ergab die Identität des Rechtsinhaltes der Akte mit dem der Verfassung und des Zollvereinsvertrages.

Von ent­

scheidender Bedeutung für diese Beweisführung war der Mangel eines Anlasses, einerseits zur Änderung des eben erst geschaffenen Rechtszustandes,

anderseits

zu verschiedener Rechtsbildung für den Rhein und die anderen

deutschen Ströme.

Daß bei Abschließung

des Elbzollvertrages von 1870

kein anderes Recht als das der Rheinschiffahrtsakte — in bezug auf die

entscheidende Frage der Zulässigkeit von Befahrungsabgaben — geschaffen werden sollte, ist auf S. 19 besonders nachgewiesen worden.

Und wenn es trotzalledem irgendwelche Gründe sachlicher oder politischer Art gegeben hätte, welche dazu nötigten, den Rhein und seine Schiffahrt

einem Sonderrecht zu unterstellen, so wäre die Erwähnung und Erläuterung dieser Tatsache bei den Verhandlungen über das Zustandekommen der Akte sicherlich angezeigt, bei ihrer Vorlage an den preußischen Landlag notwendig

gewesen.

Notwendig auch dann, wenn die Abweichung von dem für alle

anderen Flüsse geltenden Rechtszustande nur darin bestanden hätte, daß man

sich in der Ausnutzung des verfassungsmäßig für Schiffahrtsabgaben

ge­

währten Spielraumes durch den Staatsvertrag beschränken wollte.

Die rechtlichen Gesichtspunkte

ergeben

sich

im wesentlichen aus der

grundsätzlichen Verschiedenheit zwischen Binnenzöllen und Schiffahrtsabgaben, sowie ferner aus dem allgemeinen

Charakter des Anstalts- und Anlage­

begriffes.

Die große Wrchtigkeit des Gegenstandes und die überragende Bedeutung des Rheins für die deutsche Binnenschiffahrt — seine Verkehrsleistung in Tonnenkilometern ist etwa ebensogroß wie die aller anderen Wasserstraßen

zusammen — machen aber die Beschränkung

auf jene allgemeine Beweis-

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Die Rheinschiffahrtsakte.

VII.

302 führung unmöglich.

Es ist vielmehr notwendig, außerdem noch die Ent­

stehungsgeschichte der Akte und das innere Gefüge ihrer Vorschriften zum Gegenstände einer besonderen Untersuchung zu machen und jeden irgendwie

erreichbaren Auslegungsbehelf, der zur Aufklärung der Rechtsfrage geeignet

erscheint, mit heranzuziehen.

*

* Was

zunächst

Verhalten

der

die Entstehungsgeschichte

deutschen Regierungen

Gesichtspunkt und das Bestreben, die

landen

gegenüber

als

so

anbetrifft,

war für das

bei den Vertragsverhandlungen der

bisherigen Binnenzölle den Nieder­

Negoziationsmittel

zu

benutzen,

in

erster Reihe

maßgebend.

Dieser Gedanke war allerdings nicht nur naheliegend, sondern für den

der

Beobachter

historischen

Entwicklung

geradezu

selbstverständlich;

denn

schon in den Jahren 1848 und 1849 hatte er in den Verhandlungen über die Beseitigung der Flußzölle eine große Rolle gespielt.

Insbesondere hatte

die Minderheit des volkswirtschaftlichen Ausschusses der Nationalversammlung

in ihrem „Erachten I zu dem Versassungsparagraphen 26" * gegenüber dem Drängen der radikalen Mehrheit gewarnt:

„Es würde unpolitisch sein, diese Flußzölle mit einem Federstriche für immer

und

gänzlich

aufzuheben,

anstatt

sie

jenen

fremden

Staaten,

namentlich den Niederlanden gegenüber, als Unterhandlungsmittel zu ge­ brauchen."

Nun waren

zwar die Binnenzölle von der Rheinschiffahrt infolge der

Friedensverträge des Jahres 1866 seit dem 1. Januar 1867 äo iaeto be­

seitigt.

Der preußische Unterhändler für den Abschluß der Rheinschiffahrts­

akte erklärte aber nach dem Protokoll vom 23. Juli 1868, die deutschen Staaten hätten auf diese Zölle „keineswegs ohne weiteres verzichtet", wenn

sie auch deren Erhebung eingestellt hätten.

Die übrigen deutschen Vertreter

schloffen sich dieser Auffassung im allgemeinen an.

Der französische Vertreter scheint,

wenn er auch über die Auslegung

jener Friedensverträge keine Meinung haben und noch weniger Rechte aus ihnen herleiten konnte, doch im wesentlichen den deutschen Standpunkt unter­

stützt zu haben.

Diese Annahme ist um so wahrscheinlicher,

als die von

den Niederlanden für den Verzicht auf die Zölle verlangte Gegenleistung

der gesamten Oberrheinschiffahrt, also auch der elsässischen, zugute gekommen

* Abgedruckt mit den stenographischen Berichten über die Sitzung der Ver­ sammlung vom 10. November 1848. Wizard, Band V S. 3220.

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VII.

wäre-

Die Rheinschiffahrtsakte.

Die Gegenleistung sollte nämlich darin bestehen,

303 daß die Nieder­

lande ebenso wie alle anderen Rheinuferstaaten eine positive Verpflichtung

übernehmen sollten,

den Strom den steigenden Bedürfnissen der Schiffahrt

entsprechend nicht nur zu unterhalten, sondern auch weiter auszubauen. Die Rechtslage erschien in dieser Beziehung vom deutschen und wahr­

scheinlich

auch vom französischen Standpunkte aus als nicht befriedigend.

Die damals

geltende,

für alle Rheinuferstaaten verbindliche Rhein­

schiffahrtsordnung vom 31. März 1831 pflicht nicht.

kannte eine eigentliche Strombau­

Nach Art. 67 dieser Urkunde waren die Staaten nur gehalten

„eine besondere Sorgfalt darauf zu verwenden, daß auf ihrem Gebiete

der Leinpfad überall in guten Stand gesetzt, darin gehalten und, so oft es nötig sein wird,

ohne einigen Aufschub auf Kosten desjenigen,

den

es angeht, wieder hergestellt werde, damit in dieser Beziehung der Schiff­

fahrt nie einiges Hindernis im Wege stehe." Im übrigen erstreckte sich die Verpflichtung nur aus die Verhütung von

Nachteilen, die der Schiffahrt durch Schiffmühlen, Wehre und „sonstige Kunstanlagen" entstehen könnten, auf die Fürsorge für Öffnung der Schiff­ brücken, und auf die Hinwegräumung

„jedes anderen im Strombette selbst

vorkommenden Hindernisses der Schiffahrt, sofern dergleichenHindernisse von einem Mangel an der

gehörigen Stromaufsicht

und Instandhaltung herrühren." Neben diesm Vertragsfestsetzungen bestand noch eine besondere Abrede

über die Strombaupflicht in Art. 23 des Handels- und Schiffahrtsvertrages, den Preußen für sich und zugleich für den Zollverein am 31. Dezember 1851

mit den Niederlanden abgeschlossen hatte.

Dort war in Art. 23 vereinbart:

„Um sobald als möglich die Hindernisse zu entfernen, welche der Zustand der Ströme,

insbesondere zwischen Köln und Dordrecht und Rotterdam,

der Schiffahrt in den Weg legt, verpflichten beide Regierungen sich gegen­

seitig, und zwar jede Regierung in betreff desjenigen Teiles des Rheins, welcher ihr Gebiet durchströmt,

den Lauf desselben berichtigen und

das Fahrwasser vertiefen zu lassen, um, insoweit es durch künstliche

Arbeiten

geschehen kann, zu allen Jahreszeiten eine

für beladene Fahrzeuge hinreichende Fahrtiefe zu sichern *." Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung besteht eine sehr weit­ gehende,

nur durch das Maß des

technisch Erreichbaren begrenzte inter­

nationale Verpflichtung zum Ausbau des Rheinstroms zwischen Deutschland und den Niederlanden für die Strecke oberhalb Rotterdam; eine Verpflichtung,

* Vgl. Preußische Gesetzsammlung 1852 S. 145.

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VII.

304 die

weder

hinsichtlich

Die Rheinschiffahrtsakte.

der Kostenfrage

noch

hinsichtlich

der

für

künftige

Strombaupläne maßgebenden Schiffsgefäße und Wasserstände an irgendwelche

Bedingungen und Einschränkungen gebunden ist.

Der Handels-

und Schiffahrtsvertrag

vom

31. Dezember 1851

ist

kündbar; von dem Kündigungsrecht ist bisher kein Gebrauch gemacht worden.

Er besteht infolgedessen — einschließlich der

hier in Betracht kommenden

Vorschrift des Art. 23 — heute noch zu Recht. Das Streben

gerichtet,

daraus

der deutschen Unterhändler im Jahre 1868

die

deren praktische Bedeutung durch erschien,

in

war

nun

in jenem Vertrage ausgesprochene Strombaupflicht,

die Kündigungsklausel stark beeinträchtigt

gleicher oder ähnlicher Wortfassung

in die unkündbare

neue

Rheinschiffahrtsakte zu übernehmen, um hierdurch eine feste Rechtsgrundlage

für die künftige Entwicklung der größten deutschen Wasserstraße und eine Sicherung dagegen zu erlangen, daß der Ausbau der niederländischen Strecke

gegenüber den Verbesserungsarbeiten in Deutschland zum Schaden der ge­ samten Rheinschiffahrt vernachlässigt oder verlangsamt werden könnte.

Für

das auf diesem Gebiete von den Niederlanden verlangte Entgegenkommen sollte

der

internationale Verzicht

auf

die Binnenzölle die Gegenleistung

bilden. Der preußische Standpunkt war in dem der niederländischen Regierung

mitgeteilten

Entwurf

zu

einer

revidierten

Rheinschiffahrtsakte

mit

den

Worten:

„1^68 parti68 eoutraetant68 8'6NAÄA6ut eliaeune pour I'otenäuo äo 8on territoiro a inettre 1e olioual et le ekeinin ä^iala^e en don ^tat et ä 1e8 maintenir äan8 eet etat" als Art. 30 zum Ausdruck gebracht worden.

Dieser Vorschlag drang jedoch

nicht durch, und nach langen, mühevollen Verhandlungen kam es schließlich zu einem Kompromiß, wonach die Strombaupflicht der Uferstaaten durch die Einschaltung eowine pour le PU88^ oder deutsch: (machen sich) wie bis­ her (verbindlich)

beschränkt werden sollte.

Diese Einschaltung macht auf

den ersten Blick den Eindruck einer eontraäietio

iu uHseto.

Denn eine

Verpflichtung, das Fahrwasser „in guten Stand zu setzen" oder mit anderen Worten für die Schiffahrt zu verbessern, war nach der Rheinschiffahrts­

ordnung vom 31. März 1831 nicht vorhanden, und der Art. 23 des Ver­ trages vom 31. Dezember 1351 konnte, staaten galt,

weil er nicht für alle Rheinufer­

in diesem Zusammenhänge — zwischen den Kontrahenten der

„revidierten Rheinschiffahrtsakte" — nicht in Betracht kommen.

Anderseits

ist es nach dem Gange der Verhandlungen ausgeschlossen, daß die nicht nur mangelhafte, sondern geradezu die Vertragsabsicht verdunkelnde Fassung des

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VII.

Die Rheinschiffahrtsakte.

305

jetzigen Art. 28 lediglich einem der Flüchtigkeitsfehler, wie sie in der Rhein­

schiffahrtsakte leider vielfach vorkommen,

ihre Entstehung verdankt.

man hinsichtlich der Strombaupflicht nur den status c^uo

Hätte

ante aufrecht­

erhalten wollen, so hätte man sich schließlich auch die Mühe einer neuen Vertragsabrede und Wortfassung ersparen können.

Außerdem deuten die Be­

stimmungen im vorletzten und letzten Satze des Art. 28: „Auf Stromstrecken, welche noch nicht hinreichend in den Stand gesetzt sind und deshalb ein veränderliches Fahrwasser haben, wird

letzteres von der Regierung, in deren Gebiet die Stromstrecke belegen ist, kenntlich durch Baaken bezeichnet werden.

Befinden sich solche Stromstrecken in den Gebieten zweier sich gegen­

überliegender Uferstaaten, so trägt jeder von ihnen die Hälfte der Anlage- und Unterhaltungskosten",

doch daraufhin, daß eine gewisse Verbindlichkeit hinsichtlich des künftigen

Ausbaues der Wasserstraße übernommen werden sollte. Es bleibt also kaum eine andere Erklärung übrig als die, daß man

eine unklare und mehrdeutige Ausdrucksweise gerade wegen dieser Eigen­ schaften gewählt hat, um sachliche Meinungsverschiedenheiten zu überwinden

oder vielmehr zu verdecken; wobei hinsichtlich der Wortfassung eine Art von saeriüeiurn intolleetus dargebracht wurde.

Demgegenüber ist der Art. 3 der Akte, welcher die deutsche Gegen­ leistung in Gestalt des internationalen Verzichtes auf die Binnenzölle ent­

hält,

vollkommen

klar

und

deutlich.

Niederlande von hohem Werte.

Diese Gegenleistung

war

für

die

Sie bestand nicht nur in einer unmittel­

baren Entlastung der sehr lebhaften niederländischen Rheinschiffahrt, sondern auch in einer mittelbaren, sehr bedeutenden Förderung der Handelsinteressen von Rotterdam und Amsterdam — um hier nur die wichtigsten nieder­

ländischen Seehäfen

zu

Die Entwicklung dieser Häfen ist und

nennen.

war schon damals von dem Umfange ihrer Verkehrsbeziehungen zum deutschen Hinterlande durchaus abhängig.

Durch die spontane Beseitigung der deutschen

Binnenzölle hatten diese Beziehungen Intensität viel gewonnen,

ebenso

an geographischer Ausdehnung und

wie sie heute

viel gewinnen würden,

wenn etwa die Mainkanalisierung nach Aschaffenburg, die Neckarkanalisierung nach Heilbronn, die Moselkanalisierung nach Lothringen und die Rhein­

regulierung nach Basel zustande kommen sollten, und wie sie durch den Rhein—Weser-Kanal gewinnen werden, wenn nicht bei der Tarifierung der Kanalabgaben ein entgegengesetzter Einfluß geübt wird.

Vom Standpunkte

* Zum Teil auf Kosten der deutschen Nordseehäsen. Schriften 6XV. — Erster Teil.

20

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Die Rheinschisfahrtsaktte.

VII.

306

der heute in gewaltigem Maßstabe zunehmenden Seehandelsinteressen ist die ent­

scheidende Frage überall dieselbe; es handelt sich um die Abgrenzung der merkan­

tilen Einflußbereiche von Rotterdam und Amsterdam gegenüber den deutschen

Nordseehäfen und Genua. Grenzverschiebungen, wie sie damals durch Entlastung des Rheinverkehrs

andere Form

von Binnenzöllen

der

eintraten,

Verkehrsverbilligung,

Binnenwasserstraßen, herbeigeführt.

nämlich

heute

werden durch

den

durch eine

Ausbau

der

Insofern haben die holländischen See­

häfen und mit ihnen das Königreich der Niederlande schließlich selbst ein hohes Interesse an der Entwicklung des Wasserstraßenbaues in ihrem deutschen

Hinterlande Trotz alledem gelang

es im Jahre 1868 nicht, durch die Konzession

des internationalen Verzichtes aus die Binnenzölle den Niederlanden gegen­ über — vielleicht weil man tatsächlich die Zölle vorher außer Hebung gesetzt hatte

— mehr zu erreichen als jener unklare und ohne Zweifel absichtlich

mehrdeutige Kompromiß

als völlig wertlos;

In der Praxis erwies sich dieser Kompromiß

denn die Niederlande haben später jede Verpflichtung

zur Verbesserung des Rheinstroms aus der Akte abgelehnt.

Dasselbe taten

die deutschen Staaten in ihren Beziehungen untereinander. Ob die deutschen Regierungen bei Unterzeichnung der Akte ein besseres

Ergebnis als das tatsächlich erreichte hinsichtlich der Sicherstellung des Aus­ baues der Wasserstraße erwartet haben und erwarten konnten, mag dahin­

gestellt sein.

Denn die Enttäuschung solcher Erwartungen würde immer nur

als politischer Faktor in Betracht kommen, nicht aber die Rechtsgültigkeit

des Inhalts der Akte beeinträchtigen, insbesondere auch nicht die Rechts­ verbindlichkeit

der

deutschen

Konzession

in

Gestalt

des

Verzichtes

auf

Binnenzölle.

Hiernach ist die Rechtslage die, daß keine Strombaupflicht auf Grund der Akte besteht.

Es besteht nur eine Strombaupflicht aus dem Handels­

verträge, dessen Art. 23 durch den Art. 28 der Akte nicht außer Kraft ge-

* Das analoge Interesse, welches der Seestaat Bremen an der Entwicklung

des Wasserstraßennetzes in seinem preußischen Hinterlande hat, betätigt er durch Übernahme von Zinsgarantien für die neuherzustellenden Kanäle. 2 Nach Nr. 206 der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" vom 3. September 1868 hatte die niederländische Regierung nicht einmal eine Vertragsvorschrift des Inhalts: „Die niederländische Regierung wird dafür Sorge ttragen, daß die Schiffahrt auf den Wasserwegen, welche die Verbindung des Rheins mit dem offenen Meere über Dordrecht, Rotterdam und Hellroetfluis vermitteln, nicht erschwert werde"

zugestehen wollen.

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VII.

Die Rheinschiffahrtsakte.

307

setzt werden sollte und auch — abgesehen von anderen Gründen — schon deshalb nicht außer Kraft gesetzt werden konnte, weil die Kontrahenten der

Akte und jenes Vertrages nicht dieselben waren. * verein

geschlossen,

dessen

Der letztere ist vom Zoll­

Rechtsnachfolger jetzt

das Deutsche Reich

ist,

während die erstere von den einzelnen deutschen Rheinuferstaaten als solchen vereinbart wurde.

Jeder Teil, Deutschland und Niederland, kann sich von

dieser — in Deutschland allerdings den Einzelstaat, nicht das Reich treffenden — Baulast

kündigung.

einseitig

aber nur durch das Mittel der Vertrags­

befreien,

Ob dieses Mittel zu dem etwa verfolgten Zwecke im Verhältnis

stehen würde, kann hier unerörtert bleiben. -i-

*

Die Bestimmungen über Schiffahrtsabgaben sind in dem logischen Auf­ bau der Akte und des Schlußprotokolls

auf zwei Gruppen verteilt;

eine

negative, welche gewisse Erhebungen verbietet, und eine zweite mit positivem Inhalt, welche — verteilt auf den Text der Akte und des Schlußprotokolls —

gewisse andere Abgaben zuläßt. Die negative Regelung ist in dem kurzen Satze des Art. 3 enthalten, welcher eine „lediglich auf die Tatsache der Beschiffung" begründete Abgabe untersagt.

Im französischen Texte ist der Gegenstand des Verbots bezeichnet

als „aueun äroit dasö unihueinent 8ur le kait äe 1a navigation".

Dieser

Text muß der weiteren Erörterung zugrunde gelegt werden, weil die Wort­ fassung einem französischen Vorbilde, dem Pariser Vertrage vom 30. März

1856, entlehnt ist.

Wie die Vergleichung mit dem auf S. 20 mitgeteilten

Texte des letzteren ergibt, ist der entscheidende Wortlaut — die Ausdrücke äroit und xsage sind synonym gebraucht — in beiden Urkunden völlig übereinstimmend. Diese Übereinstimmung enthält nicht nur eine Recht­ fertigung, sondern geradezu eine Nötigung für die Annahme, daß auch der

Sinn in beiden internationalen Vereinbarungen derselbe sein sollte.

Das

um so mehr, als die Gleichheit des Wortlautes nicht etwa auf Zufälligkeit, sondern, wie

aus

der

Entstehungsgeschichte

der

Akte

nachzuweisen

ist,

auf Absicht beruht. In dem ursprünglichen preußischen Entwurf vom Jahre 1867 lautete

die entsprechende Bestimmung, damals Art. 2, wesentlich einfacher: „Uour 1a navigation äu Ullin aueun äroit ne äoit etre xereu ni sur 1es llatiments ou 1eurs ellargeinents ni sur 1es raäeaux ou train8 äe

* Das Interesse an der besseren Schiffbarmachung der Rheinwasserstraße be­ steht auch bei anderen Zollvereinsstaaten, die nicht Rheinuferstaaten und deshalb nicht Signatarmächte der Rheinschiffahrtsakte sind, z. B. bei Württemberg 20*

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VII.

308

Die Rheinschiffahrtsakte.

dois/ — „Für die Befahrung * des Rheins darf eine Abgabe weder von

den Schiffen oder deren Ladungen noch von den Flößen erhoben werden." Vergleicht man mit diesem Wortlaut die schließlich, anscheinend auf Be­ treiben des französischen Vertreters,

gewählte,

aus dem Pariser Vertrage

entlehnte Fassung, so springt die der letzteren zugrunde liegende Absicht, das Verbot seines allgemeinen Charakters zu entkleiden und in seiner sachlichen

Wirkung einzuschränken, ohne weiteres in die Augen. Der Gegenstand

des Verbots ist nicht mehr aueun droit pour la

navigation, sondern aueun droit dass unihuomont sur le la it de la

navigation.

Wenn die Zusätze dass uuiyuement und sur le lait über­

haupt irgendeinen Sinn haben sollen — anderenfalls hätte man sie doch wohl nicht gemacht, sondern den preußischen Entwurf einfach angenommen —, so kann er nur darin liegen, daß Befahrungsabgaben nicht unter allen Um­

ständen unzulässig sein sollen. Voraussetzungen jemals

Wollte man sie unter keinen Formen und

gestatten,

dann

wäre

dieser Gedanke durch den

preußischen Vorschlag mit seiner kurzen, peremptorischen Fassung ohne Zweifel weit zutreffender zum Ausdruck gekommen.

Aus den Wandlungen, welche hiernach der Text des jetzigen Art. 3 im

Laufe der Verhandlungen erlitten hat, geht hervor, daß seine Anpassung an

Art. 15

des Pariser Vertrages

gewollt und beabsichtigt war.

erscheint das Auslegungsmaterial, welches in bezug

Demgemäß

auf diesen Art. 15

damals vorlag, und die Auslegung, die er auf Grund dieses Materials

damals schon erfahren hatte, auch auf die gleichlautende Vorschrift der Rhein­ schisfahrtsakte anwendbar.

Die näheren Ausführungen hierüber sollen in

dem die Donauschiffahrtsakte betreffenden folgenden Abschnitt gegeben werden; es sei hier aber kurz vorweg bemerkt, daß für die Donau von den beteiligten Mächten die Auffassung vertreten und betätigt worden war, daß Fahrwasser­

gelder als Gegenleistung für Stromverbesserungen keine droits dasss uui^uement sur le kait de

la navigation und deshalb mit dem Art. 15 des

Pariser Vertrages vereinbar seien. Übrigens deutet auch der zweite Satz des Art.

3

der Rheinschiff­

fahrtsakte,

„Ebensowenig ist auf diesen Gewässern oberhalb Rotterdam und Dordrecht

die Erhebung von Bojen- und Bakengeldern gestattet",

und

seine Beziehung

auf das im ersten Satze ausgesprochene Verbot von

Abgaben für die bloße Tatsache der Befahrung darauf hin, daß die Be-

Dieser Ausdruck ist ohne Zweifel besser wie der im vollzogenen Vertrage ge­ wählte, „Beschiffung"; zumal der letztere nicht auf die Floßfahrt paßt.

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VII. Die Rheinschiffahrtsakte.

309

Vorkehrungen und Einrichtungen, welche die Be­

Nutzung von Anstalten,

fahrung erleichtern, grundsätzlich die Erhebung von Gebühren rechtfertigen, und daß eine solche Erhebung nicht als dass uniquement sur le lait äe

la navigation angesehen werden soll.

Denn wenn

die Meinung die

ge­

wesen wäre, daß die Unzulässigkeit der Bojen- und Bakengelder eine Konsequenz

des

im ersten Satze ausgesprochenen Verbots darstelle, so

hätte die An­

knüpfung des zweiten Satzes nicht mit „ebensowenig", sondern etwa mit „insbesondere" erfolgen müssen.

Der Gebrauch des ersteren Ausdrucks läßt

erkennen, daß man Gebühren als Gegenleistung für Schiffahrtsverbesserungen

grundsätzlich nicht verwerfen,

aber in

bezug auf Bojen- und Bakengelder

eine besondere Regelung eintreten lassen wolltet * -ft Die zweite, positive Gruppe von Vorschriften über Schiffahrtsabgaben

findet sich einerseits in Art. 27 der Akte, anderseits im Schlußprotokoll zu Art. 3.

Auch diese Vorschriften sind

wesentlich verändert.

gegenüber dem preußischen Entwurf

Er hatte nur örtliche Gebühren, welche für die Be­

nutzung von Umschlags- und Lagereinrichtungen in den Freihäfen sowie in

den übrigen Hafenstädten entrichtet werden sollten, vorgeschlagen, während der Entwurf des Schlußprotokolls Bestimmungen über die Schiffahrtsabgaben

überhaupt nicht enthielt. Auch hier traten im Laufe der Verhandlungen wesentliche Änderungen ein, und zwar ebenfalls im Sinne der Eröffnung

eines größeren Spielraums für die Erhebung von Schiffahrtsabgaben. Einschränkung

abgaben

des in Art.

entsprach

Erhebung von

leistungen.

eine

3

ausgesprochenen

Erweiterung der

Gebühren

Verbots von Befahrungs­

positiven

als Entgelt für

Der

Vorschriften über

Verbesserungen

und

die

Verkehrs­

Demgemäß wurden in dem jetzigen Art. 27 die ursprünglich

vorgesehenen Höchstsätze für Hafenabgaben beseitigt, und es wurde ferner in das Schlußprotokoll zu Art. 3

ein ausdrücklicher, nach Form und Inhalt

sehr weitgehender Vorbehalt hinsichtlich der

„für die Benutzung künstlicher

Wasserstraßen oder Anlagen, wie Schleusen und dergl., zu entrichtenden Gebühren"

ausgenommen.

Ein solcher Vorbehalt war angesichts der un­

zulänglichen, viel zu engen Fassung des Art. 27 allerdings notwendig.

Denn

die Hafenstädte wollten und mußten nicht nur die Kosten ihrer Umschlags­ und Lagereinrichtungen, sondern sämtliche Aufwendungen für ihre Schiff­

fahrtsanlagen durch Gebühren decken, und dasselbe Bestreben hatten selbst­ verständlich alle anderen Besitzer von Häfen, namentlich auch die Duisburger

Hafenaktiengesellschaft, von der bereits auf S. 291 die Rede war.

Aber

auch die Staaten waren nicht gesonnen, ihre Sicherheitshäfen dem Verkehr Vgl. S. 19 dieser Arbeit.

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VII.

310

Die Rheinschiffahrtsakte.

gebührenfrei zur Verfügung zu stellen.

Ihre Benutzung war etwas von der

bloßen Tatsache der Befahrung durchaus Verschiedenes.

Wollte man nur für diese Schiffahrtsanlagen die Möglichkeit der Selbst­

kostendeckung durch Abgaben wahren, so hätte man das durch eine verhältnis­ mäßig geringfügige Änderung des Art. 27 oder durch eine wesentlich kürzere,

auf örtliche Verkehrsanstalten beschränkte Bemerkung im Schlußprotokoll Wenn man sich damit nicht begnügte, sondern dem Vor­

erreichen können.

behalte im Schlußprotokoll zu Art. 3 Fassung

fähig

gab



die Bezeichnung

eine so weitgehende und allgemeine

aller „künstlichen Anlagen" als abgabe­

erinnert an die elausula Aenerulis der Zollvereinsverträge von den

„Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind"

—, so ist

dies kaum anders zu erklären als durch die Absicht, hinsichtlich der Zulassung von Schiffahrtsabgaben

denselben Nechtszustand zu schaffen oder vielmehr

zu erhalten, wie er in Art. 54 Abs. 4 der Bundesverfassung bestand.

Zulassung von

Die

Abgaben für die Benutzung von Schiffahrtsverbesserungen

jeder Art entsprach zugleich der Analogie des Pariser Vertrages von 1856 und der Donauschiffahrtsakte von 1858; die Festhaltung und Durchführung

dieser Analogie im Schlußprotokoll war, nachdem man sie einmal für die

grundsätzliche Regelung der Frage im Art. 3

der Rheinschiffahrtsakte ge­

wählt hatte, nicht nur naheliegend, sondern gewissermaßen selbstverständlich. Auffallend ist die Erwähnung

Stelle des Schlußprotokolls. der

Rheinschiffahrtsakte

auf

der künstlichen Wasserstraßen an dieser

Denn die Beschränkung des Geltungsgebiets

natürliche

Wasserstraßen

liegt

gewissermaßen

schon in ihrem Namen und ist überdies in Art. 1 bis 4 noch ausdrücklich festgestellt, und zwar dahin, daß außer dem Rhein und seinen Nebenflüssen

noch

die Waal,

der

Leck und die Verbindungen nach dem Meere über

Dordrecht, Rotterdam, Hellvoetsluis und Brielle den Vorschriften der Akte

unterliegen.

Alle diese Wasserstraßen sind im historischen Sinne natürlich,

und da nach Art. 2 und 3 auch etwaige künstliche Schiffahrtswege, welche

als Ersatz

für einen der vier letzterwähnten dem Verkehr eröffnet werden

sollten, abgabenfrei

bleiben würden, so

kann die Bemerkung im Schluß­

protokoll zu Art. 3 auch auf solche Ersatzwasserstraßen Ebensowenig kann an künftig zu

sich nicht beziehen.

bauende, in den Rhein oder in Neben­

flüsse des Rheins einmündende Kanäle gedacht sein; denn daß solche Wasser­

straßen, etwa der Rhein—Weser- oder Rhein—Schelde-Kanal, nicht unter die Akte fallen können, ist doch wohl selbstverständlich. auch

Anderseits ist es aber

ausgeschlossen, daß die Erwähnung der künstlichen Wasserstraßen an

jener Stelle auf einem Lapsus beruhte; die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß man dabei an Erscheinungen dachte, die schon vorhanden waren, und

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Die Rheinschiffahrtsakte.

VII.

311

deren Wiederholung oder Erneuerung im Bereich der Möglichkeit lag.

Als

solche Erscheinungen kommen, auf preußischem Gebiete wenigstens, nur die und

bei niedrigen

mittleren Wasserständen

Zusammenhänge*

anderem

Betracht, welche jetzt und

mehrfach

mehr

nicht

erwähnten

Altarme

durchströmten,

in

des Rheins

in

schon seit längerer Zeit nur noch als Zugangs­

wasserstraßen zu ehemaligen Uferplätzen dienen, durch künstliche Mittel offen

gehalten, vielfach auch geradezu als Kanäle bezeichnet und seit langer Zeit

als Gegenstände der Abgabenerhebung behandelt werden.

Daß sie Bestand­

teile der Rheinwasserstraße sind, unterliegt weder vom historischen noch vom hydrographischen Standpunkte

aus irgendeinem Zweifel;

auch unter den Geltungsbereich der Rheinschiffahrtsakte.

sie

fallen

also

Daß jedenfalls die

preußische Regierung bei Unterzeichnung der Akte an diese Wasserstraßen

— an den sogenannten Erftkanal, den Rheinberger Altarm und den alten Rhein von Brienen bis Schenkenschanz — gedacht hat, ist wohl mit einiger

Sicherheit daraus zu schließen, daß sie die Schiffahrtsabgaben dort weiter­ erhob oder ihre Weitererhebung gestattete.

Eine Rechtsgrundlage für dieses

Verfahren läßt sich nur aus der Bestimmung im Schlußprotokoll zu Art. 3

der Akte, soweit deren Inhalt neben dem der Reichsverfassung und des Zollvereinsvertrages

hierbei in

Betracht

jene künstlich offen gehaltenen Altarme

entnehmen.

kommt,

Sind

aber

„künstliche Wasserstraßen", so

ist

damit im Grundsätze anerkannt, daß natürliche Wasserstraßen zu künstlichen,

im Sinne jenes Schlußprotokolls, werden können.

Freilich kommt hierauf

wenig oder gar nichts an, wenn man dem Begriff der abgabefähigen „künst­

lichen Anlage"

denjenigen weiten Sinn und Umfang

zuerkennt,

den

er

offenbar haben sollte. eigentümliche

Eine

Schlußprotokolls

Erscheinung

zu Art. 3,

in

bietet

welchem

der der

erste

Satz

unter U

des

preußische Bevollmächtigte

bemerkt: „daß werde,

auf

der Ruhr noch

eine geringfügige Schiffahrtsabgabe erhoben

daß es in der Absicht liege, diese binnen kurzem in Wegfall zu

bringen,

daß er aber die Bestimmung des Zeitpunktes seiner Regierung

vorbehalten müsse." Es ist nicht recht ersichtlich, weshalb hier die Beseitigung der Ruhr­ schiffahrtsabgaben verheißen wird.

Die Meinung, daß diese Abgaben gegen

die Bestimmungen der Akte verstießen, kann dafür nicht bestimmend gewesen sein; denn die Ruhr war kanalisiert und die Abgaben waren — mit einer

praktisch ganz unwichtigen Ausnahme für die kurze Mündungsstrecke unter-

i Vgl. S. 50, 262, 270, 271, 272.

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VII.

312

Die Rheinschiffahrtsakte.

halb Mülheim — Schleusengebühren.

Solche Gebühren waren aber in der

Akte ausdrücklich für zulässig erklärt.

Nun gab es auf der Ruhr neben sieben staatlichen noch drei im Privat­

eigentum stehende Schleusen. waren,

als

Die Abgaben

die Rheinschiffahrtsakte

am

an den staatlichen Schleusen

17. Oktober

1868

unterzeichnet

wurde, schon seit drei Vierteljahren, nämlich seit dem 1. Januar 1868, durch Königlichen Erlaß vom 14. Dezember 1867

aufgehoben.

Die Ver­

mutung spricht zunächst dafür, daß dies dem preußischen Bevollmächtigten bekannt war, daß er also die für Staatsrechnung erhobenen Abgaben nicht

gemeint hat.

nicht

Die Aufhebung der privaten Schleusenabgaben konnte er aber

„binnen kurzem" versprechen; denn sie war nur gegen Entschädigung

möglich und damals noch angeregt.

gar nicht in Angriff genommen oder auch nur

Sie ist auch nach dem Abschluß der Akte nicht angeregt oder in

Angriff genommen worden; vielmehr bestehen jene privaten Schleusengeld­ berechtigungen äe M-e bis auf den heutigen Tag, wenn sie auch durch den

Rückgang der Ruhrschiffahrt inzwischen ihre praktische Bedeutung allmählich verloren haben. In der Denkschrift, mit welcher die Rheinschiffahrtsakte im November

1868 dem preußischen Landtage zur Genehmigung vorgelegt wurde,

findet

sich hierüber der Satz:

„Zum Schlußprotokoll unter Nr. IIL wird bemerkt, daß die Ruhrschiff­

fahrtsabgabe

durch

den Allerhöchsten Erlaß

vom

12. Dezember 1867

vom I. Januar d. I. ab aufgehoben worden ist." Demnach muß

gleichwohl angenommen werden, daß jene Bemerkung des

preußischen Bevollmächtigten sich auf die staatlichen Abgaben bezog und einem — allerdings sehr auffälligen — Flüchtigkeitsfehler ihre Entstehung verdankt. -lr rl-

Über den die Schiffahrtsabgaben betreffenden Inhalt der Rheinschiff­ fahrtsakte ist in Nr. XVII des Jahrgangs XXVI des preußischen Ver-

waltungsblattes vom 21. Januar 1905 licht worden, welcher hinsichtlich

ein Aufsatz

von Küster veröffent­

der Rechtsfrage zu ganz anderen Ergeb­

nissen kommt.

Küster stellt fest, daß die Akte ein völkerrechtlicher Vertrag sei, und fährt dann fort: „Eine Kündigungsfrist ist nicht vorgesehen, so daß einer jeden der ver­

tragsschließenden Parteien das Recht zusteht, von dem Vertrage jeden Augenblick zurückzutreten."

Wäre diese Schlußfolgerung richtig, so stünde der Einführung von Schiff­ i Vgl. S. 229, 230.

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VII.

Die Rheinschiffahrtsakte.

313

fahrtsabgaben ein rechtliches Hindernis nicht im Wege.

Die Akte wäre im

Grunde genommen kein Vertrag, denn ein von jedem Kontrahenten jeder­

zeit beliebig lösbares Verhältnis würde den Namen eines Vertrages kaum noch verdienen, und es würde nicht der Mühe lohnen, sich auf mühevolle Untersuchungen über den Rechtsinhalt der Akte einzulassen. folgerung ist aber unrichtig.

rechtslehrer

(vergl.

von

Jene Schluß­

Ihr steht nicht nur die Meinung der Völker­

Holtzendorff,

Handbuch

des

Völkerrechts

1887,

Bd. Ill S. 79 ff.; Heffter, Völkerrecht 1888, S. 216 ff.; von Martens, Völkerrecht 1883, Bd. I S. 425 ff.; Lonül8-I?aueüi1l6, Oroit international

xudlie 1901,

S. 474 ff.; von Liszt, Völkerrecht 1906, S. 179—180),

sondern auch die Praxis der Großmächte entgegen; denn als Rußland wäh­

rend des deutsch französischen Krieges sich von der im Pariser Frieden von

1856 ihm auferlegten Neutralisierung des Schwarzen Meeres einseitig los­ sagte, erklärten die auf der Londoner Konferenz im Jahre 1871 versammelten

Mächte

dieses

Vorgehen

ausdrücklich

für völkerrechtswidrig.

Und

wenn

Bismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen" II S. 258, 259 sagt:

„Die elan8ula i-edu8 8ie 8tantidu8 wird bei Staatsverträgen, die Leistungen

bedingen, stillschweigend angenommen" und „Ewige Dauer ist keinem Ver­ trage zwischen Großmächten gesichert", so

hat er damit sicherlich nicht die

juristische, sondern die politische Seite der Frage erörtern wollen.

Im vorlegenden Falle kommt noch hinzu, daß aus den Verhandlungen

über die Entstehung der Akte die Absicht der vertragschließenden Teile, zu

einer dauernden und unwiderruflichen Regelung der Angelegenheit zu kommen, mit zweifelloser Klarheit hervorgeht'.

Es ist deshalb auch nicht nötig,

in

eine nähere Prüfung der Ansicht Küsters, daß die einseitige Auflösung der Rheinschiffahrtsakte unabsehbare Schäden oder „verderbenbringende Folgen" für

das wirtschaftliche Leben im Rheingebiete herbeiführen würde, hier einzutreten. Im übrigen ist gegen die Ausführungen Küsters der Einwand zu er­ heben, daß sie zwei wesentliche Momente nicht berücksichtigen, nämlich erstens das historische, welches aus der Anlehnung des Art.

1856 und aus der Interpretation dieses

Vertrag von

3

an den Pariser Vertrages in der

Donauschiffahrtsakte sich ergibt, und zweitens das staatsrechtlich-wirtschaftliche, dessen Bedeutung in der fundamentalen Verschiedenheit von Binnenzöllen

und Schiffahrtsabgaben beruht.

ohne Rücksicht

auf

die Höhe

Daß neben den früheren Binnenzöllen, die

der Wasserbaukosten

erhoben

wurden,

zur

Deckung von allerlei fernliegenden Rentenansprüchen dienten und eine wichtige

Finanzquelle darstellten, nicht noch Gebühren für die Benutzung von Durch­

stichen

und

anderen

Stromverbesserungen

erhoben

werden

konnten,

r Vgl. S. 304.

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war

VII.

314

Die Rheinschiffahrtsakte.

allerdings nicht nur Rechtens, sondern

auch in der Natur der Dinge be­

gründet; daraus folgt aber nicht, daß nach Abschaffung dieser Binnenzölle

auch Schiffahrtsabgaben

sollten.

im Rahmen der Selbstkostendeckung unzulässig sein

Eine dahingehende Absicht der Gesetzgeber und der vertragschließenden

Mächte versteht sich nicht von selbst, sondern bedarf des positiven Beweises. Es war kein besonderer Vorbehalt notwendig, um den Signatarmächten der

Akte nach Abschaffung der Binnenzölle das Recht auf Schiffahrtsabgaben für Fahrwasserverbesserungen — vorhandene oder künftig auszuführende — zu

erhalten, so

wenig ein solcher Vorbehalt bei Unterzeichnung des Pariser

Vertrages von 1856 für notwendig erachtet worden war.

Die Vermutung

spricht für die Erhaltung der Bewegungsfreiheit der Staaten; ihre Autonomie

auf allen Gebieten,

auch auf dem der Erhebung von Schiffahrtsabgaben,

wird durch den Vertrag nur insoweit beschränkt,

als die Absicht der Ein­

schränkung klar nachzuweisen ist. Da nach der Akte nur eine

Leinpfadsbaulast, aber keine eigentliche

Strombaulast besteht, so sind alle Fahrwasserverbesserungen im Sinne der Akte freiwillig.

Sie geben einen Anspruch auf Erhebung von Schiffahrts­

abgaben auch dann, wenn man die auf Grund vertragsmäßiger Verpflichtung auszuführenden Anstalten als nicht abgabefähig ansehen will ; * ob man dabei einen Übergang von der natürlichen zur künstlichen Wasserstraße bei sehr starker Verbesserung der ersteren annehmen will oder nicht, ist für das

praktische Ergebnis gleichgültig.

Um die Unmöglichkeit oder doch hohe Unwahrscheinlichkeit der von ihm

bestrittenen Rechtslage zu demonstrieren, zieht Küster aus ihr gewisse Schluß­ folgerungen, deren Verkehrtheit die Unrichtigkeit der Prämissen dartun soll. Er sagt zunächst:

„wenn ein

Userstaat

ohne Vertragsverpflichtung Ver­

besserungen des Fahrwassers vornähme, so sei das eine einseitige Handlung.

Diese einseitige Handlung

könne nicht die Wirkung haben, die Rechte der

Mitkontrahenten aus dem Vertrage aufzuheben und die Abgabenfreiheit in eine Abgabenpflicht zu verwandeln".

Das ist natürlich richtig, wenn die

Mitkontrahenten nach dem Vertrage die Abgabenfreiheit nicht nur für die

bloße Tatsache der Befahrung, sondern auch für die Benutzung von Schiff­

fahrtsanstalten beanspruchen können;

aber

hierüber besteht ja

gerade die

Meinungsverschiedenheit. Eine weitere Folge wäre nach Küster „die Vernichtung der durchgehenden

Schiffahrt für alle Uferstaaten, welche sich der Abgabenerhebung nicht unter-

* Die Richtigkeit dieser Ansicht ist übrigens sehr zweifelhaft; dagegen spricht insbesondere der Inhalt des Art. 27.

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VII.

werfen wollen."

Die Rheinschiffahrtsakte.

315

Mit demselben Rechte könnte von der Königlichen Ver­

ordnung vom 6. Juni 1904 ^, welche für Kraftwagen die Chausseegeldpflicht einführte, gesagt werden, daß hiermit der durchgehende Verkehr für alle Nachbarstaaten Preußens, welche sich der Abgabe nicht unterwerfen wollen,

vernichtet wird.

Der ganze Eisenbahn- und Schiffsverkehr wäre für die­

jenigen, welche die jetzt geplanten Fahrkarten- und Quittungsstempel zu ent­ richten sich weigern sollten, unmöglich.

In diesem Zusammenhänge kann

es, wenn die mit derartigen Betrachtungen nicht zu lösende Rechtsfrage bei­

seite gelassen wird, doch nur darauf ankommen, ob der Verkehr die ihm angesonnene Belastung tragen kann oder nicht. Die Folge der hier vertretenen Nechtsanschauung ist

allerdings

„die

Zuerkennung des Rechts zur Abgabenerhebung an jeden Uferstaat, der eine nach seiner Ansicht als Verbesserung anzusehende Änderung vornimmt"; aber daraus ergibt sich nicht, wie Küster meint, „die Vereitelung des durch

die Nheinschiffahrtsakte angestrebten Zweckes".

Dieser Zweck besteht — so­

weit die Abgabenfrage in Betracht kommt — in der Fernhaltung fiskalischer Fesseln nach Art der früheren Binnenzölle von der Nheinschiffahrt, nicht in der Behinderung der Staaten an der Selbstkostendeckung verbesserungen.

für Schiffahrts­

In dem Schutz vor jenen Zöllen und in der Beschränkung,

des Hoheitsrechts der Uferstaaten auf die Erhebung von gebührenmäßigen Schiffahrtsabgaben lag ein großer Fortschritt in völkerrechtlicher Beziehung

und eine sehr wertvolle Errungenschaft für die rheinische Binnenschiffahrt. Es war derselbe Fortschritt und dieselbe Errungenschaft, die den von Preußen

allein beherrschten östlichen Binnenschiffahrtswegen, insbesondere dem wichtigen

und weitverzweigten Netze der märkischen Wasserstraßenschon im Jahre 1816 zuteil geworden war, nur mit dem Unterschied, daß dort nach Be­

seitigung der Zölle die Schiffahrtsabgaben geblieben sind, während man am Rhein die letzteren nicht eingeführt hat.

Daß die Erhebung der Schiffahrts­

abgaben nach verschiedenen Tarifen in den einzelnen Uferstaaten unbequem sein könnte, ist zuzugeben; es müßte im gegebenen Falle eine Verständigung

hierüber angestrebt werden, die jedenfalls viel leichter zu erreichen wäre als in früheren Jahren unter der Herrschaft der Binnenzölle, weil damals fiskalische Interessen der Einzelstaaten beteiligt waren, während jetzt diese Interessen zurücktreten würden. Übrigens haben auf der Saale bis vor 3 Jahren

noch verschiedene Abgabentarife für den preußischen und anhaltischen Anteil

des Flusses bestanden. * Preuß. Ges.S. S. 139. - Jetzt fast 1200 Kin Wasserstraßen mit 3 Millionen Mark Jahreseinnahmen aus Schiffahrtsabgaben.

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Die Rheinschiffahrtsakte.

VII.

316

Ebenso muß die Bemerkung Küsters:

„Wäre die Rheinschiffahrtsakte von der Ansicht, künstliche Wasserstraße

daß der Rhein

eine

geworden sei, ausgegangen, dann wäre der ganze

Vertrag gegenstandslos, und

der wichtigste Artikel (Artikel 3) verlöre

jede Bedeutung"

Es handelt sich hier um den prinzipiellen Gegensatz des

bestritten werden.

freien Genußgutes und seiner fiskalischen Ausbeutung zur schiffahrtsförder­

lichen Anstalt oder — um die Ausdrucksweise der Akte zu gebrauchen — zur

„künstlichen Anlage"

und Schiffahrtsgebühr.

Das gegen jene Ausbeutung

hatte eine sehr große praktische

gerichtete Verbot

und staatsrechtliche Be­

deutung.

Wenn Küster auf die Praxis bei Bachkorrektionen Bezug nimmt, um die Unzulässigkeit der Erhebung von Fahrwassergeldern für Rheindurchstiche

darzutun, so ist die Anwendung einer solchen Analogie doch wohl anfechtbar.

Küster will anscheinend den Bestimmungen des Schlußprotokolls nicht gleiche Wirkung mit denjenigen des offenen Vertrages beilegen; er bezweifelt,

„neue Bestimmungen über die Abgabenpflicht einzelner

daß dies Protokoll

korrigierter oder zu korrigierender Strecken des Rheins und seiner Nebenflüsse

hat treffen wollen, Bestimmungen, welche von einer so eminenten Bedeutung find, daß

Vertrag

sie als ein Hauptgegenstand der Verhandlungen in den

gerade

und nicht in die

erläuternden Bemerkungen hätten ausgenommen

Indessen haben die Bestimmungen des Schlußprotokolls

werden müssen".

ganz dieselbe Rechtswirkung wie die des offenen Vertrages; ihr gegenseitiges Verhältnis kann nur nach sachlichen Erwägungen

beurteilt werden.

Gründe für die Verteilung des Stoffes auf Vertrag und

sind zuweilen ganz

äußerlicher Natur.

Die

Schlußprotokoll

Im vorliegenden Falle lassen sie

aus der Entstehung der Akte sich mit einiger Wahrscheinlichkeit entnehmen.

Wie schon dargelegt worden ist, sind die Bestimmungen des ersten Entwurfs über Schiffahrtsabgaben im Laufe der Beratungen stark verändert und im

Sinne

einer

weitgehenden

Befugnis

erhebung ausgestaltet worden.

der Vertragsstaaten

zur

Gebühren­

Es liegt einigermaßen nahe, daß man aus

Rücksichten der Courtoisie für die wichtigste Abänderung, die jetzt im Schluß­

protokoll zu § 3 redungen und

enthaltene, die äußere Form der

erläuternden Bemerkungen"

dieser Bestimmung

in den

„Erklärungen, Verab­

wählte und auf die Einfügung

eigentlichen Vertragstext

verzichtete,

um den

Schein zu wahren, als wenn von vornherein keine wesentlichen Meinungs­ verschiedenheiten bestanden hätten und von keiner Seite ein Nachgeben erforderlich gewesen wäre. Daß jene Änderung, wenn lediglich nach sachlichen

Gesichtspunkten zu entscheiden wäre, nicht in das Schlußprotokoll, sondern

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VII.

Die Rheinschiffahrtsakte.

in den Vertrag selbst gehören würde,

317

ist vollkommen zutreffend.

Aber es

muß dabei auch berücksichtigt werden, daß schon der erste Entwurf der Akte,

dessen Rahmen man bei den Verhandlungen möglichst festhielt, die Materie der Schiffahrtsabgaben

nicht im Zusammenhänge,

sondern

an

zwei

ver­

schiedenen Stellen, nämlich in Art. 2 (jetzt 3) und 30 (jetzt 27) behandelte, auch von vornherein ein Schlußprotokoll Bestimmung über Schiffahrtsabgaben

vorsah.

Die neu hinzukommende

paßte in keinen jener Artikel

recht

hinein; so lag es vielleicht auch deshalb nahe, sie im Schlußprotokoll unter­ zubringen.

Es darf schließlich hierbei nicht außer acht gelassen werden, daß

die Rheinschiffahrtsakte ein mangelhaft abgefaßtes Vertragsinstrument

ist;

man muß den bei der Interpretation anzulegenden Maßstab nach dieser Tatsache einrichten.

Küster ist der Ansicht, daß in dem Artikel 29, der die Verständigung der Nachbarstaaten über die Ausführung von Strombauten vorschreibt, auch eine Vereinbarung über Schiffahrtsabgaben hätte vorgesehen werden müssen,

wenn die Erhebung solcher Abgaben überhaupt für zulässig erachtet worden wäre.

Die entgegengesetzte Willensmeinung der Vertragsstaaten sei ferner

auch daraus zu entnehmen, daß jegliche Verabredung über die Erhebungs­

weise, Verteilungsmaßstab und Höhe einer etwaigen Schiffahrtsabgabe fehle. „Am besten aber"

wird nach Küster die Annahme von einer solchen Er­

hebungsbefugnis der Uferstaaten „durch die Tatsache widerlegt, heute kein Uferstaat eine solche (Schiffahrtsabgabe) erhoben hat."

daß bis Dem­

gegenüber muß bestritten werden, daß der Nichtgebrauch das Nichtvorhanden­

sein eines Rechtes beweist.

Die Uferstaaten wollten, als sie die Akte ver­

einbarten, tatsächlich keine Fahrwassergelder einführen, und deshalb haben sie auch keine Bestimmungen über die Erhebungsweise und Tarifbildung getroffen. Notwendig wären solche Bestimmungen nicht einmal dann gewesen, wenn Preußen damals

an die Einführung von Fahrwassergeldern in absehbarer

Zeit gedacht hätte; denn man hätte ohne besondere Schwierigkeit die Abgaben am Grenzübergange in Emmerich oder in den preußischen Ein- und Aus­ ladehäfen — gegebenenfalls auf Grund eines die Hafenstädte zur Übernahme des Erhebungsdienstes verpflichtenden Gesetzes — nach der durch Deklaration

der Schiffsführer zu ermittelnden tonnenkilometrischen Leistung für die preußische

Stromstrecke allein einziehen können. Ein praktisches Beispiel dafür, daß Uferstaaten in Staatsverträgen über Schiffahrtsverbesserungen an einer gemeinsamen Wasserstraße die Ver­ tragsabreden nicht auf die Schiffahrtsabgaben miterstrecken, obwohl sie von

der Zulässigkeit der Erhebung solcher Abgaben vollkommen überzeugt sind, bietet der zum Verkehrsgebiet der Rheinschiffahrt und zum Geltungsbereich

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VII.

318

Die Rheinschiffahrtsakte.

der Rheinschiffahrtsakte gehörige Main.

In dem von den vier Uferstaaten

geschlossenen Staatsvertrage vom 1. Februar 1883 *

über die Kanalisierung

des Mains von Gustavsburg bis Frankfurt werden die Schiffahrtsabgaben

nur ganz gelegentlich erwähnt, und zwar in der Bestimmung des Art. 13,

wonach derartige Gebühren oberhalb Frankfurt so lange nicht erhoben werden sollen, als für die Strecke unterhalb Frankfurt eine Erhebung nicht stattfindet. Auch in dem zweiten, die Staustufe Offenbach betreffenden Kanalisierungs­

verlrage vom 15. Februar 1897?

ist über die Schiffahrtsabgaben nichts

weiter gesagt, als daß gewisse Fahrzeuge von geringer Tragfähigkeit, welche schon vor der Kanalisierung auf dem Main verkehren konnten,

gelassen werden sollen.

Im

abgabenfrei

übrigen haben die Mainuferstaaten

in bezug

auf Tarifbildung und Erhebungsweise nichts verabredet, sondern ihre Auto­ Preußen hat von ihr durch Einführung von Schiffahrts­

nomie gewahrt.

abgaben

Gebrauch

gemacht,

während

seine

Hessen

Strecke

dem

Verkehr

abgabenfrei zur Verfügung stellt.

Wiltmack,

welcher in einem Aufsatze „Völkerrechtliche Bedenken gegen

die Einführung von Abgaben auf die Flußschiffahrt" im Archiv für öffent­

liches Recht 1905 Band XIX S. 145 ff. auch die maßgebenden Bestimmungen der Nheinschiffahrtsakte einer juristischen Prüfung unterzogen hat, kommt zu ähnlichen Ergebnis wie Küster, weil er ebenfalls die Vertragsabrede

einem

des Art. 3

auf jegliche etwa aufzuerlegende Geldleistung, ohne Unterschied

der staatsrechtlichen und finanzwirtschaftlichen Grundlagen, bezieht.

Auf die

Untersuchung der Rechtswirkung, welche dem Schlußprotokoll zu Art. 3 in diesem Zusammenhänge beizumessen ist, geht er nicht ein.

Ebensowenig auf

die Bedeutung, welche die Auslegung der Worte „dass uniquemeut 8ur le

kalt

äe

1a

navigation

äu

üeuve"

durch

die Donauschiffahrtsakte vom

7. November 1857 für die Interpretation der Rheinschiffahrtsakte hat. -t-

*

Man hat aus dem Umstande, daß der die Zuständigkeit der Rhein­

schiffahrtsgerichte regelnde Art. 34 der Akte nur „Klagen wegen Zahlung

der

Lotsen-Kran-Wage-Hafen-

sonstige andere

Abgaben

als

die

unerwähnt dort

und

läßt,

erwähnten

Diese Folgerung ist aber unzulässig.

Lagergelder, ohne sie in

Bohlwerksgebühren"

die

Folgerung

Abgaben

ziehen

ausgeschlossen

aufzählt und

wollen, sein

daß

sollten.

Die Akte selbst gestattet in Art. 27

Art. 32 zu nennen;

überdies würde die Ver-

* Preuß. Ges.S. S. 77. Preuß. Ges.S. S. 161.

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VII. Die Rheinschiffahrtsakte.

319

pflichtung zu Zahlung von Schiffahrtsabgaben in Preußen dem Rechtswege Dieser Rechtszustand bestand schon im Jahre 1868.

entzogen sein.

-p

*

Auf der Jahresversammlung des Vereins für Socialpolitik zu Mann­

heim am

25. September 1905

hat Professor Gothein sich in einer Rede

über Schiffahrtsabgaben auch zur Rheinschiffahrtsakte geäußert. „Es

sind

Wichtigkeit.

Er sagte *:

gerade die internationalen Verhältnisse von allergrößter

Die Geschichte des Rheins zeigt uns, wie verhängnisvoll es

war, daß die internationalen Verhältnisse nicht genügend geregelt waren. Wir haben nun jetzt eine mustergültige Regelung; denn in juristischer

Beziehung bleibt sie musterhaft, und wir geben die gesicherte Position, die

wir haben, aus der Hand?" Man wird nach den vielfachen Kontroversen, welche bei der Auslegung

einzelner Vorschriften der Akte entstanden sind, die Meinung des Professors Gothein von der juristischen Mustergültigkeit der Akte nicht unwidersprochen

lassen können.

Ob sie mustergültig ist vom Standpunkte derjenigen, welche

durch ihre wirtschaftlichen Interessen auf die Erhaltung der Abgabenfreiheit der

Ströme —

auf

Erhaltung

des

jetzigen

Zustandes

der Ungleichheit

zwischen regulierten und kanalisierten Flüssen — angewiesen sind oder an­

gewiesen zu sein glauben, kann man doch sehr bezweifeln, da eine unklare und

zweideutige Wortfassung

darbietet.

sicheren Schutz für solche Interessen

keinen

Vom wissenschaftlichen und vom praktisch-legislativen Standpunkt

ist sie sicherlich nicht mustergültig.

An vielen Stellen dieser Arbeit mußte

darauf hingewiesen werden, daß gerade der Text der Rheinschiffahrtsakte die sichere Erkenntnis des geltenden Rechtszustandes außerordentlich erschwert. Um nur an eine Frage zu erinnern:

man bezeichnete die Selbstkostengrenze

angesichts des von Unterhaltungs- und Herstellungskosten sprechenden Textes der

Verfassung

und

des

Zollvereinsvertrages

Beaufsichtigungskosten"

als

„Unterhaltungs-

und

und meinte — wie aus dem Verhalten der

Regierungen bei Ausführung der Akte hervorgeht — doch dasselbe.

Man

vergaß die Feststellung der Selbstkostengrenze bei den im Schlußprotokoll für

abgabefähig erklärten Schiffahrtsanstalten, und man vergaß ihre Ausschaltung

für die mit Privatkapital betriebenen Umschlagshäsen, von welchen selbst-

* Seite 73 des Verhandlungsberichts.

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320

VH- Die Rheinschiffahrtsakte.

verständlich

auch

nach

dem Inkrafttreten der Akte weiter

Geld verdient

wurde'.

Die Regelung wichtiger Verkehrsfragen durch einen Text, der so viel Lücken und Unklarheiten enthält,

daß die verständige Praxis der Vertrags­

staaten ihn in vielen Punkten nachträglich ergänzen und berichtigen muß, ist — milde ausgedrückt — keine Musterleistung.

* Auch der französische Text der Akte zeigt Abweichungen vom Deutschen. Vgl. von Traut, Die Zentralkommission für die Rheinschiffahrt und ihre Recht­ sprechung. Frankfurt a. M. 1902, kroviäentia, S. 55—57.

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vm.

Die Donauschiffahrtsakte.

Schriften OXV. — Erster Teil.

21

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«H^enn

hier auf die Verhältnisse der Donau aus dem Gesichtspunkte

der Schiffahrtsabgaben noch besonders eingegangen wird, so erklärt sich das einerseits aus den nahen Beziehungen, welche zwischen Form und Inhalt der maßgebenden Vorschriften für Donau und Rhein

aber auch

Anteil,

würde

aus wirtschaftlichen Erwägungen.

den

Deutschland

bisher

eine Unterschätzung

an

bestehen,

anderseits

Der verhältnismäßig geringe

der Donauschiffahrt

genommen

hat,

ihrer Wichtigkeit für große deutsche Zukunfs-

interessen nicht rechtfertigen. Das meist sehr fruchtbare, durch widriges Geschick in seiner wirtschaft­

lichen Entwicklung zurückgehaltene Tal der unteren Donau bietet noch Raum für eine außerordentliche Vermehrung der Bevölkerung, ihres Verbrauchs und

ihrer Hervorbringung.

Die steigenden Kulturbedürfnisse der Bewohner er­

öffnen der deutschen Industrie die Aussicht auf ein lohnendes Absatzgebiet, und die dortigen Bodenerzeugnisse werden schon jetzt in ziemlich beträchtlichen Mengen

auf der Donau zu Berg befördert.

Die deutschen Eisenbahnen

haben erst kürzlich die Wichtigkeit dieser Schiffahrtsinteressen dadurch an­

erkannt, daß sie der süddeutschen Donaudampfschiffahrtsgesellschaft ermäßigte Umschlagslarife nach Regensburg, Deggendorf und Passau gewährten.

Wenn

auch gegenwärtig die Seeschiffahrt zwischen dem Schwarzen Meere und den Nordseehäfen

den Güterverkehr des unteren Donaugebietes mit Deutschland

zu sehr billigen Frachtsätzen vermittelt, so acht zu lassen, daß die fortschreitende

ist anderseits doch nicht außer

Verbesserung des Fahrwassers der

Donau die natürlichen Vorzüge der Binnenschiffahrt:

geringeres Anlage­

kapital für den Schiffskörper und niedrigere Personalkosten: mit der Zeit

zur Geltung bringen und die Güterbeförderung auf der Donau entsprechend verbilligen wird.

Dann wird auch die Donau eine immer größere Bedeutung

für die deutsche Volkswirtschaft gewinnen. Der schon auf S. 20—22 mitgeteilte Wortlaut der maßgebenden Bestim­

mungen des Pariser Friedens vom 30. März 1856 und der Donauschiffahrts­ akte vom 7. November 1858 läßt erkennen, daß bei Vereinbarung der letzteren 21*

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VIII.

324

Die Donauschiffahrtsakte.

die Verbotsvorschrift des ersteren gegen „aueun peaZe dase uni quemont 8ur Ie tail äe la Navigation äu üeuvo" von den Uferstaaten nicht als

ein rechtliches Hindernis für Korrektionsabgaben irgendwelcher Art — ohne

Unterscheidung der für eine Stromverbesserung gewählten technischen Me­ thoden — insbesondere auch nicht als

ein Hindernis für Fahrwassergelder

Diese Frage ist damals nicht etwa leichten Herzens

angesehen worden ist.

und kurzerhand entschieden, sondern sehr gründlich und sorgfältig untersucht

worden.

Der bayrische Bevollmächtigte war zunächst keineswegs geneigt, sich der in der Akte schließlich zum Ausdruck gelangten, von Österreich und der Türkei

mit

Entschiedenheit

trages anzuschließen.

vertretenen

Interpretation

Seine Negierung war,

des

Pariser

Ver­

und zwar vom Standpunkte

der Interessen des Oberliegers sehr begreiflicherweise, auf die Geltendmachung des Standpunktes

am Unterlauf der Donau nicht nur die

daß

bedacht,

Binnenzölle beseitigt, sondern auch alle Fahrwasserverbesserungen unentgeltlich dem Verkehr zur Verfügung

Frage

viel hin und

schließlich

gestellt werden müßten.

her verhandelt worden

zum Nachgeben.

Der

bayrische

war,

Nachdem über die entschloß Bayern sich

Vertreter, Ministerialrat

von

Daxenberger, hatte aus Wien am 30. August 1857 berichtet:

„Bei dem gegebenen Anlaß erlaube ich mir übrigens zur Sache selbst zu bemerken,

daß doch auch der französische Botschafter Baron Bourquenay

— wie ich persönlich

aus dessen Munde vernommen — kein Bedenken

trug, die Erhebung von Gebühren für außerordentliche Arbeiten auf der Donau ,zuzulassen'; und Baron Bourquenay war selbst an der Abfassung des Pariser Traktats beteiligt."

Es mußte hiernach mit der Wahrscheinlichkeit oder mindestens mit der

Möglichkeit gerechnet werden, daß Frankreich in dieser Auslegungsfrage den österreichisch-türkischen Standpunkt teilte,

was dann später auch tatsächlich

eintraf. Nach erfolgter Unterzeichnung der Donauschiffahrtsakte erschien ein österreichisches „Memoire" mit der ferneren Überschrift „Beleuchtung und

Begründung des Inhalts der Donauschiffahrtsakte".

Hierin wurde über die

Frage der Flußzölle und Schiffahrtsabgaben folgendes ausgeführt: „Insbesondere

glauben

wir

aber

die

Konzession

der

Gebührenfreiheit

hervorheben zu müssen, vermöge welcher die Uferstaaten auf die in ihren Hoheitsrechten

begründete Besteuerung des zu ihren Gebieten gehörigen

Stromes, auf die Einhebung irgendeiner Schiffahrtsgebühr für die Be­ nutzung des Fahrwassers ganz verzichten.

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VIII.

Die Donauschiffahrtsakte.

325

Wenn durch den Art. 21 neben der schon durch den Pariser Traktat

stipulierten Gebühr für die Stromarbeiten an den Mündungen auch noch die Einführung von ähnlichen Schiffahrtsgebühren für andere als notwendig

sich herausstellende Stromarbeiten für zulässig erklärt werden, so gehört das wesentlich zu denjenigen ganz im eigentümlichen Schiffahrt selbst gelegenen Vorsorgen,

Interesse der

welche die Verbesserung der

Schiffbarkeit des Stromes zum Zwecke haben, und welche bei größeren Ob­

jekten — wie z. B. das Eiserne Tor und die Stromschnellen zwischen Orsowa

und Basiasch sind — nur dadurch gesichert werden konnten, daß auch die Möglichkeit zur Deckung der Ausführungskosten geöffnet blieb.

Es ist aber

ausdrücklich durch die sorgfältigsten Klauseln dieser Bestimmung dafür gesorgt,

eine solche Vergütungsgebühr nie diesen

daß

verlieren,

speziellen Charakter

nie in eine reine Staatsrevenue übergehen,

willkürlich eingeführt oder beibehalten werden könne.

nie einseitig und

Die obige Konzession

der Gebührenfreiheit steht somit ungefährdet aufrecht allgemeine und unwiderrufliche Stipulation für den

so bedeutenden Stromes wie die Donau um so bringen,

wenn man damit den diesfälligen

und ist

als eine

ganzen Lauf eines

höher

in Anschlag zu

Zustand auf den

konventionellen Flüssen auch nur oberflächlich vergleicht.

anderen

Es ist bekannt,

daß auf dem Rhein und auf der Elbe die dort bestehenden, höchst lästigen Schiffahrtsgebühren der vorzüglichste, ja fast der einzige Gegenstand jener lauten, immer sich steigernden und wohlbegründeten Beschwerden und Klagen

sind, welche man überall ertönen hört, und welche sich bisher fruchtlos von

einer Revisionskommission zur anderen fortschleppen, ohne eine gründliche Abhilfe zu finden.

In der Tat ist das dortige Gebührensystem so lästig,

den dermaligen entwickelten Kommunikationsverhältnissen

so

wenig ent­

sprechend, daß es nicht nur die übrigen Freiheiten des Schiffahrtsbetriebes eines großen Teiles ihres praktischen Wertes beraubt,

sondern auch den

Handel wesentlich bedrückt und in der Benutzung der natürlichen Wasser­ straßen beirrt.

Von jeder solchen Belastung, ja von der Möglichkeit einer

solchen Belastung ist der Donaustrom durch die neue Schiffahrtsakte frei erklärt und dagegen für ewige Zeiten sichergestellt " Gegen die Donauschiffahrtsakte wurde nach ihrem Bekanntwerden von

den Signalarmächten des Pariser Vertrages eine Reihe von Einwendungen

erhoben.

nicht

Die Mächte waren der Ansicht, daß die Donauuferstaaten die Akte

ohne

dürfen,

weiteres

sondern

aus

eigener Machtvollkommenheit

vielmehr verpflichtet gewesen seien,

hätten

abschließen

den Entwurf vorher

ihnen — den Signatarmächten — zur Prüfung und Gutheißung vorzulegen. Außerdem erhoben sie Widerspruch

gegen verschiedene Vorschriften der Akte

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Die Donauschiffahrtsakte.

VUl.

326

als dem Geiste des Pariser Vertrages nicht entsprechend.

Diese sachlichen

Einwendungen richteten sich hauptsächlich dagegen, daß die Donauschiffahrt

nach der Akte nicht völlig für alle Flaggen freigegeben, sondern in gewissem

Umfange den Angehörigen der Uferstaaten vorbehalten sein sollte; trafen

noch

aber außerdem

sie be­

anderen Gegenständen.

ganze Reihe von

eine

Es wurden auch nicht von allen Mächten die gleichen Beanstandungen erhoben. Eine an der Donauschiffahrt praktisch nicht interessierte Macht hatte — übrigens

Begründung — die Zulässigkeit von Fahrwassergeldern

ohne eingehendere aueun

unic^uomEnt 8ur le kait äs la navigation bezweifelt.

psag6 ba86

Diese

in Anbetracht des Verbots gegen

auf der Donau

oder Korrektionsabgaben

Kontroversen

formelle und

über die

sachliche Korrektheit der

Donauschiffahrtsakte gaben der französischen Regierung Anlaß zu einer im

Februar 1858 der bayrischen Regierung zugestellten Note, in welcher über die Frage der Schiffahrtsabgaben gesagt wird: „D'artiele XV

äu

etre

a

a88uMtie

prsvu6

article

1e8

äan8

traits äe Dari8 xorte, aueune

entrave

hue la navigation pourra

ni reäevanee,

8uivant8;

yui ne 8erait pa8

or 1e8 86ul8 äroit8, äont il 8oit

ciu68tion, ultsrieurement 8ont eeux, l^ui, en vertu äe l'art. XVI pourront etre 6xs8 par la eommi88ion Duropsenne pour l'entretien äe la navigabiüts

n'en

embouebure8

aux

pourrait

etre

stabli

äu Danube.

ä'autr68,

Vienne en imx1iliu6 la kaeults?

avoir

Daut il

eomme

en eonelure,

yu'il

l'art. XXI äe l'aete äe

D'68prit äuDraits ne 8aurait

eette ports 6 re8trietive.

11 8'68t prsoeeups 8peeial6-

ment äe Iaire8 äi8paraitre 1e8 ob8tael68 exi8tant8 a bomboueburo äu

Danube, et 1e8 äroit8, ^u'il a 8tipuls8 a eet eilet, ne peuvent etre ästourns8

äe leur äe8tination8.

Nai8 8i la navigation maritime 68t

partieulierement intere88se a la navigability äu ba8 Danube, la navi­

gation

iluviale

ciu'eHe

reneontre

86mb1e,

ne

nee688air68

8ur

moin8 aux

ä, la äe8truetion

Dort68

äe

äe8 ob8taele8

ter. — 11 8erait,

ee

c^u'eHe lit 1e8 lrai8 äe8 travaux, qui 8eront ^ugs8

naturel,

permettre

1'68t pa8 notamment

ee

äe

point,

et

eoneilier

eette

1e8

eon8iäsration

artie1e8

XV

et

pour r ait XVI

äu

traits äu 30 Nar8 1856 avee 1'art. XXI äe 1'aete äe navi­

gation."

Die Stellungnahme der französischen Regierung

besonders bemerkenswert und

in dieser Frage war

für die objektive Auslegung des Vertrags­

willens wichtig, weil Frankreich einerseits den maßgebenden Einfluß auf die

Gestaltung des Vertragsinstruments vom 30. März 1856 geübt hatte und

anderseits

vom Jnteressenstandpunkt aus eher Anlaß zur Vertretung

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der

VIll.

entgegengesetzten

Auffassung

gehabt

französische Dampfergesellschaft *,

betrieb

oder

betreiben

327

Die Donauschiffahrtsakte.

wollte.

hätte.

Denn

es

gab

damals

eine

welche von Belgrad aus Donauschiffahrt Für

diese Gesellschaft wäre es,

zunächst

wenigstens, vielleicht erwünschter gewesen, wenn Korrektionsabgaben grund­

sätzlich für unzulässig erklärt wurden.

Es ist ferner zu berücksichtigen, daß

die französische Negierung im übrigen sehr ernste Einwendungen gegen den Inhalt der Akte und gegen das hierbei von Österreich eingeschlagene Ver­

Sie hatte keinen anderen Grund bei ihrem Eintreten für die

fahren erhob. Zulässigkeit

der

Korrektionsabgaben

als

den

ihrer

aufrichtigen

Rechts­

überzeugung. Bon österreichischer Seite stellte man sich bei den weiteren Erörterungen auf denselben Standpunkt.

Die maßgebenden Bestimmungen der Donau-

schiffahrtsakte seien völlig korrekt und dem Geiste des Pariser Vertrages

entsprechend, weil sie jede eigentliche Steuer oder jeden Binnenzoll für die bloße Benutzung des freien Genußgutes der natürlichen Wasserstraße aus­ schlössen.

Die Zulassung von Korrektionsabgaben sei eine Betätigung der

schiffahrtsfreundlichen und schiffahrtsförderlichen Bestrebungen, welche in jenem

Vertrage durch die Bestimmungen über die Korrektion der Mündungsstrecke und

die Deckung der Kosten

Ausdruck

gefunden

hätten.

aus Schiffahrtsabgaben schon einen positiven Ohne

die

Möglichkeit

könnten Stromverbesserungen nicht zustande kommen.

solcher

Kostendeckung

Der wahre Sinn und

Zweck des Vertrages werde also durch die Akte nicht nur nicht durchkreuzt, sondern

im Gegenteil erfüllt und gefördert.

Sinn gehabt,

Es hätte keinen vernünftigen

der Uferstaatenkommission in Art. 17 Nr. 3 des Vertrages

die Anordnung der notwendigen Korrektionsarbeiten als Aufgabe zu stellen wenn man gleichzeitig in Art. 15 die praktische Möglichkeit zur Finanzierung

solcher Wasserbauten grundsätzlich abschneiden wollte Da die einzelnen Mächte in ihren Einwendungen gegen die Donau­ schiffahrtsakte nicht ganz übereinstimmten,

so traten sie in Paris zu einer

Konferenz zusammen und verständigten sich am 16. August 1858 über eine

Zusammenstellung derjenigen Bestimmungen der Akte, welche als dem Geiste des Vertrages von 1856 nicht entsprechend und deshalb der Abänderung bedürftig zu bezeichnen seien.

In dieses Programm der Beanstandungen wurden die

* Matthis, Magnau, Parrot u. Co. mit dem Sitze in Straßburg. 2 Die Argumente, mit welchen die österreichische Regierung damals ihren Standpunkt in sehr geschickter und wirkungsvoller Weise vertrat, decken sich fast voll­ ständig mit den Gedankengängen der modernen Befürworter von Schisfahrtsabgaben auf den natürlichen Wasserstraßen.

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VIII.

328

Die Donauschiffahrtsakte.

Fahrwassergelder für Stromverbesserungen, die durch Art. 21 der Akte aus­

drücklich zugelassen waren, nicht ausgenommen

Der französisch-österreichische

Standpunkt, wonach solche Abgaben nicht dass unihuemont sur le kait äe

la navigation seien, war also durchgedrungen und offenbar von dem Areopag der Großmächte sanktioniert worden; in der Tat sind sie auch nicht auf die

Tatsache der Befahrung allein, sondern auf die Tatsache der Benutzung von

Schiffahrtsanstalten begründet, wenn man Anstalt und Benutzung in dem weiteren Sinn auffaßt, der in dieser Arbeit als dem Sprachgebrauch und dem Rechtsgedanken entsprechend nachgewiesen ist?. Von den Mächten, welche den Pariser Vertrag von 1856 unterzeichnet hatten, waren zwei, nämlich Frankreich und Preußen, auch Signatarmüchte

der Rheinschiffahrtsakte

von 1868.

Zu den letzteren gehörte auch Bayern,

das zwar an jenem Vertrage nicht beteiligt war, insofern anerkannt hatte,

ihn aber doch mittelbar

als es die durch den Pariser Vertrag den Ufer *

staaten zugewiesene völkerrechtliche Aufgabe übernommen schiffahrtsakte vom

7. November 1857

und die Donau *

unterzeichnet hatte.

In letzterem

Dokument hatte jedenfalls Bayern anerkannt, daß Fahrwassergelder für Strom­

verbesserungen mit der Verbotsvorschrift gegen „aueun psago dass uni^uement sur le kait äe la navigation — diese Vorschrift ist in Art. 19 der

Akte übernommen und wörtlich wiederholt — vereinbar seien.

Es entsteht nun die Frage, ob Bayern, Frankreich und Preußen bei Unterzeichnung

der

Nheinschiffahrtsakte jener Vorschrift etwa eine andere

Bedeutung beigemessen haben, sie in anderer Weise verstanden wissen wollten, als sie im Jahre 1858

von den Traktatmächten verstanden worden war.

Diese Frage ist zu verneinen,

weil zu ihrer Bejahung kein Anlaß vorliegt.

Da der Elbzollvertrag vom 22. Juni 1870 mit der Nheinschiffahrts­ akte nach den Ausführungen auf S. 18 und 19 inhaltlich identisch ist, so deckt sich die hier vertretene Auslegung des ersteren vollkommen mit der in den Jahren 1857 und 1858 von Österreich in Übereinstimmung mit Frankreich und

schließlich mit allen Großmächten

verteidigten Rechtsanschauung, daß Fahr­

wassergelder im Interesse der Entwicklung des Strombaues vernünftigerweise zugelassen werden müßten und wegen ihrer Eigenschaft als Gegenleistungen * Wiener Presse vom 30. Oktober 1858, äournal äs 8t. kstsrsdourg. 2 Die Donauuferstaaten waren angesichts der Haltung der Traktatmächte schließlich zum Nachgeben bis zu einem gewissen Grade bereit. Sie unterzeichneten am 1. März 1859 in Wien eine Additionalakte, welche den Wünschen der Mächte Rechnung tragen sollte; zur Ratifikation dieser Additionalakte ist es aber nicht gekommen, weil die wachsende Spannung zwischen Österreich und Frankreich bald darauf zum Kriege führte.

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VIII.

Die Donauschiffahrtsakte.

329

für Schiffahrtserleichterungen durch das Verbot bloßer Befahrungsabgaben nicht getroffen würden.

Oder, wenn man diesen Gedankengang in die Aus­

drucksweise des Elbzollvertrages und der Bundesverfassung überträgt: Fahr­ wasserverbesserungen jeder Art sind „besondere Anstalten, die zur Erleichterung

des Verkehrs bestimmt sind". Sowohl in Österreich als auch in Bayern ist die Donauschiffahrtsakte als Gesetz veröffentlicht. Recht.

Sie ist also im heutigen Deutschen Reiche geltendes

Hiernach können Fahrwassergelder auf der deutschen Donau eingeführt

werden, wenn die übrigen Uferstaaten ihre Zustimmung geben; letztere Be­

dingung ist freilich nicht beachtet worden, als Ungarn vor einigen Jahren

seinen Tarif für die Schiffahrtsabgaben am Eisernen Tore erließ

* Dieser Abgabentarif gilt ebenso wie derjenige für die Donaumündungen nicht in Deutschland, wenn er auch sür deutsche Schiffahrtsinteressen von Bedeutung ist. Mit Rücksicht auf diese Sachlage sind die dabei in Betracht kommenden Rechts­ verhältnisse hier nicht in den Kreis der Erörterung gezogen worden. Es mag jedoch auf eine schwer erklärliche Unstimmigkeit hingewiesen werden, die sich in den maß­ gebenden Vertragsbestimmungen hinsichtlich der Selbstkostengrenze findet; sie ist für die Mündungsstrecke einfach mit (pouv eouvviv) Is8 U-al8, für das Eiserne Tor aber mit den Worten I'sxtinetioii äs ia äetts bezeichnet. Hiernach würden — bei wörtlicher Auslegung wenigstens — im letzteren Falle die Unterhaltungs- und Betriebskosten nicht deckungsfähig sein; nach erfolgter Schulden­ tilgung müßte die Abgabenerhebung eingestellt werden.

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IX. Schlußwort.

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^as in den vorhergehenden Paragraphen gezeichnete Bild der Rechts­

lage zeigt nicht überall klare und scharf gezogene Linien.

Die Umrisse sind

vielfach undeutlich und verschwommen; man erkennt sie nicht auf den ersten

Blick, sondern nur nach längerer, sorgfältiger Betrachtung*.

Das liegt teil­

weise daran, daß den Begriffen, mit welchen die Gesetzgebung gearbeitet hat und arbeiten mußte, eine gewisse Unbestimmtheit immanent ist. Es beruht zum anderen, und zwar zum größten Teile aber auch darauf, daß die Form oder

vielmehr die Formen, in welchen

der gesetzgeberische Gedanke seinen Aus­

druck fand, nicht immer glücklich gewählt waren.

Der Gedanke war, daß

für die Benutzung derjenigen Verkehrsmöglichkeiten, welche die Natur als freies Genußgut darbietet, kein Entgelt und für die Benutzung der

von

Menschenhand geschaffenen ein Entgelt nur im Rahmen der Selbstkosten­ Von diesem Standpunkte aus ist die Streit­

deckung gefordert werden darf.

frage, ob natürliche Wasserstraßen zu künstlichen werden können, fast gegen­ standslos

weil die Bedeutung des Menschenwerks als Grundlage für den

Anspruch auf Gegenleistung dieselbe ist bei Kanalbauten, Flußkanalisierungen,

Stromregulierungen,

Hafenanlagen und allen

anderen Bauten und

richtungen, die den Interessen der Schiffahrt dienen.

Ein­

Jede Trennung dieser

Bauten in solche mit und ohne Anspruch auf Entgelt würde eine Unbillig­

keit bedeuten.

Von einer formalen Rechtsbildung, welche eine solche Trennung

aus irgendwelchen äußerlichen Gründen vornähme, würde das Wort gelten: 8UMMUN1 M8,

Trennung noch

8uwma

injuria.

In

der Tat ist weder die Absicht dieser

ein leitender Gesichtspunkt für die Abgrenzung der beiden

Gruppen deutlich erkennbar;

hier müßte aber ein klarer Nachweis erbracht

werden, weil die Vermutung gegen eine derartig systemlose und formalistische

Lösung spricht. Anderer Meinung ist die „Frankfurter Zeitung", die am 22. Februar 1906 schrieb: „Der Wortlaut des Art. 54 der Reichsverfassung ist völlig klar." 2 Sie behält Bedeutung nur noch für nichtstaatliche künstliche Wasserstraßen, deren es aber in Deutschland sehr wenige gibt; diese wenigen haben für den Verkehr

überdies eine geringe Wichtigkeit.

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334

IX.

Schlußwort.

So klar und einfach hiernach der gesetzgeberische Gedanke, so inkongruent und unsymmetrisch ist die Art seiner Verkörperung in den maßgebenden posi­

tiven Rechtsvorschriften.

Diese sind in einer Mehrzahl von Texten enthalten,

die teils gleichzeitig, teils nacheinander bei verschiedenen Anlässen entstanden

Dabei ist es oft in Hast und Eile zugegangen; es sind offenbare

sind.

Omissionen vorgekommen, und man hat sich vielleicht nicht immer den Zu­ sammenhang mit entsprechenden Bestimmungen in anderen Gesetzen und Ver­

trägen ganz klar gemacht.

Ein verhältnismäßig unbedeutendes Novum, die

Einschaltung einer Sondervorschrift für nichtstaatliche künstliche Wasserstraßen, gab im Jahre 1867 Anlaß zu einer Änderung des aus den Zollvereins­

verträgen überlieferten Textes, wobei das schwer erklärbare Wort „besondere" vor „Anstalten" in den Wortlaut hineinkam, während es in dem fast gleich­

zeitig entstandenen, inhaltlich identischen, im Satzgefüge allerdings sehr ver­

schiedenen Text des Zollvereinsvertrages fortblieb. Bei

einem

so

schwierigen und unübersichtlichen Rechtsstoffe kann es

nicht wundernehmen, daß

sehr verschiedene Ansichten über seine Auslegung

laut geworden sind, auch von Regierungstischen in deutschen Volksvertretungen. Die beteiligten Staatsmänner und Regierungsvertreter sind bei der Er­

örterung solcher Fragen nicht immer in der Lage, sich durch sorgfältiges Studium des Gegenstandes vorzubereiten; sie sind im Laufe parlamentarischer Verhandlungen nicht selten genötigt, zu improvisieren.

Man darf deshalb

an derartige Kundgebungen zu einer verwickelten Rechtsfrage

nicht

weiteres den Maßstab anlegen, daß sie ex eatlleära erfolgt seien wesentlich

solcher.

ohne Eine

größere Bedeutung hat die Stellungnahme einer Negierung als

In dieser Beziehung kann man vielleicht darüber zweifeln, welches

Gewicht der Stellungnahme des Bundesrats

und der Neichsverwaltung zu

den Fahrwasserverbesserungen und Fahrwasserabgaben auf der Unter- und

Außenweser beizulegen ist. für

die

rechtliche

Die preußische Staatsregierung hat jedenfalls

Zulässigkeit

von

sich

Fahrwassergeldern

ausgesprochen.

Sie hat es getan nicht nur bei einer ganzen Reihe von praktischen Anlässen durch Abschluß von Verträgen über Fahrwassergelder und durch Einbringung von Etatsforderungen für Fahrwasserverbesserungen, deren Unkosten durch

Abgaben

gedeckt

werden

sollten,

sondern

auch

durch

Kundgebung ihres grundsätzlichen Nechtsstandpunktes.

eine

ausdrückliche

Sie hat im Februar

* Sie sollen deshalb auch hier nicht zusammengestellt und wiedergegeben werden. Einzelne Äußerungen im preußischen Abgeordnetenhaus sind gefallen von

Miquel 23. März 1898, (Stenogr. Berichte III. 1919), 14. April 1899 (III. 1783), 18. April 1899 (III. 1883/4), Thielen 13. Februar 1902 (II. 1717).

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IX.

1904

im

preußischen

Schlußwort.

Abgeordnetenhaus

335

den

durch

öffent­

Minister der

lichen Arbeiten sich dahin ausgesprochen: Die Erhebung von Schiffahrtsabgaben ist, wie der Herr Reichskanzler

bereits im Reichstage am

Reichsverfassung geregelt.

10. Dezember v. I.

erklärt hat, durch die

Der Artikel 54 bestimmt bekanntlich in seinem

vierten Absätze: „Auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs be­

stimmt sind, erhoben werden.

Diese Abgaben sowie die Abgaben für die

Befahrung solcher künstlichen Wasserstraßen, welche Staatseigentum sind, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen."

Der hierin liegende Grundgedanke, daß die Befahrung der Flußläufe frei, und daß auch für deren gewöhnliche Unterhaltung eine Abgabe nicht zu erheben sei, daß dagegen

für die Benutzung einer künstlich erst ge­

schaffenen Fahrbahn zur Deckung der Herstellungs- und Unterhaltungskosten Gebühren gefordert werden dürfen,

wird von der Königlichen Staats­

regierung, wie bisher, so auch jetzt noch als gerecht und billig anerkannt. Ein Aufgeben dieses Grundgedankens bei den gesetzgebenden Faktoren des Reichs anzuregen, ist im Schoße der Königlichen Staatsregierung niemals erwogen worden. Alle gegenteiligen in der Öffentlichkeit verbreiteten

Nachrichten sind falsch. Dagegen liegt es nach der Auffassung der Königlichen Staatsregierung durchaus

im

Rahmen jenes

natürlichen Wasserläufen

auch

Grundsatzes,

für

die Benutzung

auf

der erst

den

künstlich

geschaffenen Fahrtiefe Gebühren zur Deckung der für deren Herstellung

und Unterhaltung aufgewendeten Kosten zu punkt

erheben.

Dieser Stand­

ist auch von dem Bundesrate bei Einbringung des Reichsgesetzes

vom 5. April 1886 über die Weser-Schiffahrtsabgaben vertreten worden.

Und wenn auch bei der Beratung jener Vorlage im Reichstage das Be­ denken

einer

formellen Abweichung

von

der

erwähnten Vorschrift

der

Neichsverfassung zum Ausdruck gekommen ist, so ist doch von sämtlichen Rednern, welche über die volkswirtschaftliche Seite der Frage sich geäußert

haben, es als ein gesundes und die Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse unserer deutschen Ströme erleichterndes Prinzip anerkannt worden, daß

die Benutzer künstlicher Fahrwasserverbesserungen auch zur Deckung der damit verbundenen Kosten herangezogen werden. Im gleichen Sinne hat die Königliche Staatsregierung

bereits im

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IX.

336

Schlußwort.

Februar 1896 in der Budgetkommission durch den Vertreter des Ministers der öffentlichen Arbeiten ihre Auffassung kundgegeben. Der Beweis dafür, daß die Rechtsanschauung der preußischen Staats­

regierung dem Geiste der Verfassungen und Verträge entspricht, mag aus

den Untersuchungen dieser Arbeit entnommen werden.

Die Beweisführung

ist zwar schwierig und mühevoll, in manchen Teilen auf Wahrscheinlichkeits­ schlüsse und,

das

gesprochen,

kriminalistisch

Gesamturteil

aus

dem

großen

Aber wenn

Indizien angewiesen.

hier ausgebreiteten Material gezogen

werden muß — und es muß gezogen werden, weil eine Stellungnahme zur Sache durch die wirtschaftspolitische Entwicklung der letzten Jahre unum­ so neigt sich die Wagschale auf die Seite derer,

gänglich geworden ist —,

die den einfachen und naturgemäßen Gedanken der allgemeinen Anwendbar­

keit des Gebührenprinzips bei allen Schiffahrtsverbesserungen aus der Mannig­ faltigkeit der Wortfassungen herauslesen.

Wer in

einer so schwierigen und überdies politisch affizierten Frage

zu einem bestimmten Ergebnis gelangt, tut gut daran, sich noch einmal Rechenschaft darüber zu geben, von welchen Seiten und mit welchen Waffen

der Hauptangriff gegen dies Ergebnis zu gewärtigen ist. größte Wahrscheinlichkeit

dafür

zu

sprechen,

daß

versucht

Da scheint die

werden wird,

den Art. 54 Abs. 4 nur auf Binnenwasserstraßen zu beziehen und hier­

die

durch

rischen

auffallende,

Ansicht

praktisch wichtige,

unbequeme

Tatsache

des

für

den Vertreter der gegne­

unangefochtenen

Fortbestehens

und Neuentstehens von Fahrwassergeldern auf Seewasserstraßen zu erklären. Indessen wird dieser Angriff kaum viel Aussicht auf Erfolg

Gründe hierfür sind oben ausführlich dargelegt.

haben;

die

Der Art. 54 Abs. 4 hat

eine völlig allgemeine Fassung, ist auch in der Praxis immer allgemein ver­ standen worden; gälte er nur für Binnenwasserstraßen, so hätte die Ver­

fassung bezüglich der Seewasserstraßen eine empfindliche Lücke.

Es liegt

einer der recht zahlreichen Fälle vor*, in welchen die Reichsverfassung der

i Man braucht nur meinen Kommentar der Reichsverfassung oder ein systematisches Werk über Reichsstaatsrecht zur Hand zu nehmen, um sich davon zu überzeugen, wie groß die Zahl derjenigen Verfassungsvorschriften ist, die in der Praxis zu Zweifel Anlaß gegeben haben und einer oft recht weitgehenden Interpretation bedürfen. Es soll hier nur an einige Fragen erinnert werden, die in letzter Zeit

besonders hervorgetreten sind: Zu Art. 7. Die Dauer der Befugnis des Bundesrats, Beschlüsse des Reichstags Zu Art. 36.

durch seine nachträgliche Befugnis zu Gesetzen zu machen. Die Verfassungsmäßigkeit einer neutralen Spruchbehörde in Zolltarissachen.

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IX.

Schlußwort.

337

Ob man sie in authentischer Weise durch Reichsgesetz

Interpretation bedarf.

vornehmen will, wie es im Jahre 1886 auf besonderen Wunsch der Hanse­ stadt Bremen in einem Einzelsalle geschah, oder ob man sich mit einer Be­

schlußfassung

des Bundesrats

begnügt, ist eine Frage, die lediglich nach

Zweckmäßigkeitsrücksichten zu beurteilen wäre.

Wenn die hier vertretene Rechtsauffassung zutrifft,

so ist — um mit

einem kurzen Ausblick auf das Thema des zweiten Teils dieser Arbeit zu

schließen und zu den weiteren Darlegungen überzuleiten — die Bahn frei für diejenige Lösung der Abgabenfrage, welche der wirtschaftlichen Zweck­ Das Feld

entspricht.

mäßigkeit am meisten

der praktischen Erwägungen,

auf welchem diese Lösung gesucht und gefunden werden muß, ist nicht in lästiger Weise eingezäunt durch starre, formalistische Rechtsbildung.

liegt

sicherlich

im

allgemeinen

Interesse

und

auch

im

Das

wohlverstandenen

Interesse der Schiffahrt selbst. In vergangenen Jahrzehnten richtete sich das politische Odium gegen

die Binnenzölle auf den Wasserstraßen, weil sie mehr einbrachten, als die Staaten im Schiffahrtsinteresse ausgaben, also die Natur einer fiskalischen

Verkehrssteuer hatten.

Dagegen, daß die Wettbewerbenden Eisenbahnen mehr

einbrachten als ihre Betriebskosten, hatte niemand etwas einzuwenden; denn es handelte sich um Privatkapital.

Heute gehören die Eisenbahnen dem

Staate, und der Überschuß der Staatsbahnen wird von denjenigen, welchen

niedrigere Frachtsätze wünschenswert oder notwendig zu sein scheinen,

als

eine ganz ähnliche Verkehrssteuer empfunden; die Parteirollen im Jnteressenstreit sind geradezu vertauscht.

Daß

die Schiffahrtsbeteiligten dabei

ihre privilegierte Stellung der gänzlichen Befreiung von jeglicher Gegen­ leistung für die Verbesserung der natürlichen Wasserstraßen auf die Dauer halten können, ist — namentlich in der jetzigen Zeit der stärkeren An­

spannung aller finanziellen Kräfte des Staates — unwahrscheinlich. der

preußische Landtag

in

Wenn

§ 19 des Gesetzes vom 1. April 1905

den

natürlichen Wasserstraßen nichts weiter auferlegt hat als Selbstkostendeckung, so ist das eine für die beteiligten Erwerbskreise günstige Lösung; wenn­

gleich zugegeben werden muß, daß der Landtag im Rahmen des Art. 54 der Verfassung über diese Grenze nicht hinausgehen konnte. Zu Art. 45. Zu Art. 76.

Das Verordnungsrecht des Bundesrats in Eisenbahnsachen. Die Zuständigkeit des Bundesrats für Thronstreitigkeiten zwischen den Herrscherhäusern mehrerer Bundesstaaten. Es handelt sich dabei teilweise um Fragen, deren politische und praktische Wichtigkeit mindestens ebenso groß, wenn nicht größer ist wie diejenige der Aus­ legung des Art. 54. Schriften 6XV. - Erster Teil.

22

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IX.

338

Schlußwort.

Ist die Bahn frei für die Finanzierung aller Schiffahrtsverbesserungen, ohne

so

Unterschied

eröffnet

sich

der

eine

Methoden,

technischen

weite

auf

Aussicht

durch

die

künftige

deutschen Wasserstraßennetzes in großem Maßstabe.

Schiffahrtsabgaben, Entwicklung

des

Bei unseren wichtigsten

Wasserstraßen, dem Rhein und der Elbe, wird diese Entwicklung gehemmt —

je teurer die Strombauten mit den zunehmenden Ansprüchen des Verkehrs

werden, um so mehr gehemmt — durch die partikulare Zersplitterung der Strombaulast unter einer größeren Anzahl von Uferstaaten mit sehr ver­ schiedenen Finanzen, Parlamentsmehrheiten, Eisenbahn-

interessen.

und Schiffahrts-

Wie sehr die einheitliche, systematische Behandlung der Ströme

darunter leidet, wie stark dadurch unter Umständen ihr Ausbau verzögert

und die sonst mögliche Verkehrsentwicklung verlangsamt wird, das haben die Erfahrungen

der Vergangenheit

gelehrt.

Das mechanische,

primitive

Prinzip der Adjazentenbaulast ist nicht geeignet, solche Schwierigkeiten und Reibungswiderstände zu überwinden.

Es gibt Uferstaaten, deren Baulast

schon jetzt außer Verhältnis steht zu ihrem wirtschaftlichen Interesse an der

Schiffahrt und ihrer künftigen Entwicklung.

Diejenigen Staaten,

deren

Umschlagsplätze an den Schiffahrtsendpunkten liegen, entschließen sich ungern oder überhaupt nicht, Geldopfer für die Verlängerung der Schiffahrtsstraßen

über diese Punkte hinaus mit der mehr oder weniger sicheren Aussicht auf

Depossedierung jener Plätze zu bringen.

Diese stillen und offenen, subjektiv

ganz berechtigten oder doch begreiflichen Widerstände kann man nur dadurch beseitigen, daß man mit dem veralteten Prinzip der Uferbaulast bricht und

die Wasserstraßen

mit ihrer Schiffahrt

finanziell auf eigene Füße

stellt.

Wenn das mit angemessenen Opfern zu erreichen ist, wenn den Uferstaaten

das finanzielle Interesse am Ausbau oder vielmehr gegen den Ausbau der Wasserstraßen genommen wird, wenn es gelingt, die Schiffahrtsinteressen der

einzelnen Stromgebiete zu einer großen Organisation für die Entwicklung ihrer Verkehrsnetze zusammenzuschließen, dann kann diese Entwicklung künftig vielleicht

man

in einem ganz anderen Maßstabe und Zeitmaße stattfinden, als

bisher

genügend

geglaubt

hat.

Die

Organisation

müßte

freilich

auf

einer

breiten und tragfähigen Grundlage, etwa für den ganzen Rhein

und seine Nebenflüsse *,

aufgebaut werden, und zwar in der Weise, daß den

* Die Zusammenfassung oes Hauptstromes und seiner Nebenflüsse zu einer finanziellen und tarifarischen Einheit würde in den märkischen Wasserstraßen ein Vorbild haben; dort sind Havel, Spree, Dahme und viele andere natürliche und künstliche Nebengewässer von jeher als einheitliches Objekt der Verkehrsbenutzung und Tarifierung behandelt worden.

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IX.

Schlußwort.

339

Schiffahrttreibenden und Schiffahrtbeteiligten eine entsprechende Mitwirkung und Verantwortlichkeit einzuräumen wäre.

wahrscheinlich in

Eine solche Organisation würde

der Lage sein, mit einer verhältnismäßig sehr geringen

tonnenkilometrischen Belastung des gewaltigen rheinischen Gesamtverkehrs —

um bei diesem wichtigsten Beispiel zu bleiben — das Netz der westdeutschen Binnenwasserstraßen nicht nur in der Linie des Rheinstroms, sondern auch

in

den Nebenlinien,

namentlich

des Mains

und

Neckars,

zum

großen

Nutzen der Schiffahrt und der auf ihre Dienste angewiesenen Hervorbringer und Verbraucher auszubauen.

Was insbesondere die Schiffahrt anbetrifft,

so würde es auf die Frage ankommen, ob sie nicht in einer solchen Er­ weiterung ihres Aktionsradius ein mehr als ausreichendes Äquivalent für die ihr angesonnenen Lasten erblicken könnte.

Für die Organisationen, wie sie hier gedacht sind, mit Schiffahrtsämtern

zur Pflege und Wahrnehmung der beteiligten Verkehrsinteressen und vor allen Dingen auch mit eigener Finanzverwaltung, sind Vorbilder schon jetzt vorhanden; insbesondere für die Mündungsstrecken der Donau und der Weser.

Es ist das Wort gesprochen worden, in einer Protestversammlung gegen Schiffahrtsabgaben, vom

„freien Deutschen Rhein".

leicht zu beackernde Gebiet der politischen Phrase.

Das gehört in das

Wer nicht finanziell

selbständig ist, der ist nicht frei.

22*

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Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel L Co. in Altenburg.

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