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German Pages 96 [53] Year 2005
SAM'AL Ein aramäischer Stadtstaat des 10. bis 8. Jhs. v. Chr. und die Geschichte seiner Erforschung
SAM'AL Ein aramäischer Stadtstaat des 10. bis 8. Jhs. v. Chr. und die Geschichte seiner Erforschung
SM B Vorderasiatisches Museum Staatliche Museen zu Berlin
Verlag Philipp von Zabern Mainz am Rhein
,, ... hoch geschätzt inmitten der mächtigen Könige vom Osten bis zum Westen"
SAM'AL Ein aramäischer Stadtstaat des 10. bis 8. Jhs. v. Chr. und die Geschichte seiner Erforschung
Ralf-B. Wartke
SM B Staatliche Museen zu Berlin 175 Jahre Universalmuseum
Inhalt
96 Seiten mit 69 Farb- und 43 Schwarzweißabbildungen
Umschlag vorne: Fotomontage; Blick vom Amanus (FevzipafaPass) nach Osten auf die Ebene mit dem Burghügel von Sendschirli mit moderner Überbauung (siehe S. 16, Abb. 11); September 2003, mit dem Oberteil der Hadad-Statue (siehe S. 27, Abb. 26); 1890.
1.
Vorsatz vorne: Orthostatenreliefs vom Äußeren Burgtor, Ostseite; Zeichnung F. Winter 1888; heute Teil der Rekonstruktion im Vorderasiatischen Museum Berlin. Frontispiz: Fibel mit ha/bmondförmigem Bügelkörper, die Enden mit linsenförmigen Zierelementen und kleinen Zwischenringen dekoriert; aus dem Schutt des Kulamuwa-Palastes (Raum J 9); 2. Hälfte 9. Jh. v. Chr.; Silber; L. 6,1 cm, H. 4,9 cm, Dm. Zierperlen 1,3 cm; Vorderasiatisches Museum Berlin, lnv.-Nr. S 3698. Vorsatz hinten: Blick nach Nordwesten über die Ausgrabung im Bereich des sog. Oberen Palastes: Raumfolge D, E, F, G, 1890/91. Umschlag hinten: Löffel für den rituellen Gebrauch (Opferspendenlöffel), am Ende Durchbohrung für das Einstecken eines langen schmalen Stieles, außen (unten) Reliefdekoration in Form von Volutenpaaren; rotbrauner Serpentin; 8./7. Jh. v. Chr.; L. 9,3 cm; Br. / Dm. 7,0 cm (mit Ergänzung), H. 2,8 cm; Vorderasiatisches Museum Berlin, Inv.-Nr. S 1150.
II.
DIE AUSGRABUNGEN
7
,, ... behufs Erforschung der Trümmerstätten des Alten Orients" - Das Orient-Cornite und die Vorgeschichte der Ausgrabungen in Sendschirli
7
„Eine am Südrande eines großen Hügels frei zu Tage liegende Reliefreihe ... " - Die Lage der Ruinenstätte und ihre Entdeckung
16
,, ... der gewaltige mit Asphodelos, der Unterweltsblume, dicht bestandene Hügel ... lag vor uns wie ein riesiges Geheimnis ... " - Die Ausgrabungen auf Sendschirli in den Jahren 1888 bis 1902
23
Das weitere Schicksal der Funde
43
F. v. Luschan als Archäologe -Anthropologe - Ethnologe
53
SENDSCHIRLI/SAM' AL - GESCHICHTE DER STADT IM KONTEXT DER SCHRIFTQUELLEN
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III. ÜBERSICHT © 2005 Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz und Verlag Philipp von Zabern, Mainz am Rhein Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten. ISBN-10: 3-8053-2918-0 (Buchhandelsausgabe) ISBN-13: 978-3-8053-2918-7 (Buchhandelsausgabe) ISBN-10: 3-8053-3561-X (Museumsausgabe) ISBN-13: 978-3-8053-3561-4 (Museumsausgabe) Gestaltung: Melanie Barth, Verlag Philipp von Zabern Printed in Germany by Philipp von Zabern Printed on fade resistant and archival quality paper (PH 7 neutral)· tcf
Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar.
SM B Vorderasiatisches Museum Staatliche Museen zu Berlin
ÜBER DIE MATERIELLE HINTERLASSEN-
SCHAFT DER STADT SAM' AL AUF DER GRUNDLAGE DER AUSGRABUNGSFUNDE
Architektur, Skulpturen und Reliefs Die Kleinfunde
73
Das Pantheon von Sam' al
86
IV.
AUSBLICK
89
V.
ABFOLGE DER KÖNIGE VON SAM' AL UND KONKORDANZ MIT ASSYRISCHEN HERRSCHERN
90
ANMERKUNGEN
91
LITERATURVERZEICHNIS
94
ABBILDUNGS- UND
f
OTONACHWEIS
96
I. Die Ausgrabungen
,, ... behufs Erforschung der Trümmerstätten des Alten Orients" - Das OrientComite und die Vorgeschichte der Ausgrabungen in Sendschirli Die archäologischen Forschungen in Sendschirli, die im Jahre 1888 begannen, können als der Auftakt großer deutscher Ausgrabungen im Orient bezeichnet werden. Das Jahr des Grabungsbeginns fällt bezeichnenderweise zusammen mit dem Jahr des Amtsantritts Kaiser Wilhelms II. Während zuvor die deutsche Orientpolitik im Wesentlichen von politischer Zurückhaltung bestimmt wurde, so änderte sich dies unter Wilhelm II. entscheidend, wobei die neue Orientpolitik auch die Museumspolitik mitprägte. Nicht zuletzt führte der Zuwachs an vorderasiatischen Altertümern, die im Ergebnis allerhöchst geförderter wissenschaftlicher Ausgrabungen im Vorderen Orient nach Berlin gelangten, zur Gründung einer „ Vorderasiatischen Abtheilung der Königlichen Museen" im Jahre 1899. Seit der Mitte der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts wuchs das Interesse an vorderasiatischen Altertümern ständig und die Erkenntnis der besonderen Bedeutung der Kulturen des Alten Orients gewann zunehmend Einfluß auf die Entwicklung innerhalb der Berliner Königlichen Museen. Im Jahre 1885 wurden die bislang von verschiedenen Sammlungen - Antiquarium, Skulpturensammlung, Abgußsammlung - betreuten Alt-Orientalia zusammengeführt und unter die Obhut der Leitung der Ägyptischen Abteilung gegeben, wo sie bis 1899 verblieben. In diesen Jahren kam es zu einer raschen Vermehrung des Bestandes an Altertümern aus Vorderasien und in diese Jahre fallen auch die ersten Expeditionen in den vorderen Orient 1886 / 87 nach Mesopotamien (Surghul und al-Hiba). Nicht zufällig und im Lichte des neuen politischen Selbstbewußtseins des Deutschen Reiches seit den
späten 90er Jahren des 19. Jahrhunderts ist mit dem Jahr 1899 auf eine zweite Koinzidenz zu verweisen das Jahr des Beginns der großen Ausgrabungen in Babylon und der bereits erwähnten Gründung einer selbständigen vorderasiatischen Abteilung an den Berliner Museen. Trotz des Erfolges der Ausgrabungen in Surghul und al-Hiba, die zwar den Umfang der vorderasiatischen Sammlung durch zahlreiche Kleinfunde erheblich vergrößert hatten, wurde aufgrund von zahlreichen Schwierigkeiten und Behinderungen vor Ort zunächst der Wunsch nach weiteren deutschen Ausgrabungen in Mesopotamien zurückgestellt. Die Hoffnung, durch Ausgrabungen im vorderen Orient weitere repräsentative Fundstücke zu erlangen und damit die Bedeutung der Berliner Museen zu vergrößern, blieb jedoch der Motor weiterer Aktivitäten. 1 Den ersten Anstoß gab der Direktor der Ägyptischen Sammlung, Adolf Erman. In der realen Einschätzung der Situation, dass die Museen aus eigener Finanzkraft die Kosten größerer Ausgrabungen nicht tragen könnten, war es zunächst seine Idee, eine besondere Organisation, ,, .. .die außerhalb des Museums stand, aber in ständiger Fühlung mit ihm die Geschäfte der Grabung führte'',2 mit den Ausgrabungen zu betrauen. Die durch Mitgliederspenden einen Betriebsfonds bildenden Mittel sollten den Grundstock für die Finanzierung der Ausgrabungen der Museen bilden. Der Ankauf der bei den Ausgrabungen zu erwartenden Funde seitens der Berliner Museen „zum Selbstkostenpreis" würde für den Rückfluß der Mittel in diesen Betriebsfonds sichern und die Möglichkeit der Fortsetzung von Forschungen eröffnen. Am 10. Juni 1887 gründete sich aus dem Kreis von Interessierten - darunter vor allem Adolf Erman, Eberhardt Schrader, Eduard Sachau, Ernst Curtius, Alexander Conze - ein „Comite behufs Erforschung der Trümmerstätten des Alten Orients" .3 Ein neu gebildeter Executivausschuss hatte die Aufgabe, die ent7
scher Weise auszugraben resp. zu erwerben und dieselben deutschen Museen zum Selbstkostenpreis zur Verfügung zu stellen." 6 Das Projekt fand allerhöchste Billigung, wie im Brief des Generaldirektors der Königlichen Museen, Richard Schöne, an den Vorsitzenden des Ausschusses des Orient-Comites, Prof. Dr. von Kaufmann, vom 3. April 1888 deutlich wird: ,, ... benachrichtigen zu können, dass Seine Majestät der Kaiser (Friedrich III. - Verf.) und König nach .einem dem Herrn Minister zugegangenen Allerhöchsten Handschreiben aus einem diesseits unterm 9. Februar d . Js. Erstatteten Bericht mit großem Interesse davon Kenntniß zu nehmen geruht haben, dass das Orient-Komitee eine Expedition nach Nordsyrien beschlossen hat um die Ergebnisse der Ausgrabungen auf den Trümmerstätten des alten Orients den deutschen Museen zum Selbstkostenpreise zu überlassen. Allerhöchstderselbe begrüßen diese Bestrebungen, welche im Interesse der deutschen Wissenschaft von hervorragenden Gelehrten unternommen und von patriotisch denkenden Mannern kapitalkräftig unterstützt werden, mit Freuden und hoffen, dass ihre Ausbeute eine fühlbare Lücke unserer Museen ausfüllen werde".7
Der durch F. v. Luschan ausgearbeitete Plan für den Beginn der Ausgrabungen in Sendschirli wurde bestätigt. Zugleich wurde über die Absprachen mit der Generalverwaltung der Berliner Museen und deren Absicht informiert, die nach Berlin gelangten Fundanteile zum Selbstkostenpreis zu erwerben. Ein enges Zusammenwirken zwischen den Berliner Museen und dem Orient-Comite war eine solide Basis für das Gelingen des Unternehmens. Die erste Grabungskampagne in Sendschirli dauerte vom 9. April bis 22. Juli 1888. Im gleichen Jahre fand eine zweite Expedition des Orient-Comites nach Tralles am Mäander statt (September und Oktober). Zwei weitere Ausgrabungskampagnen, begleitet von Teilungsverhandlungen hinsichtlich der Funde und den Ankaufsverhandlungen zwischen den Berliner Museen und dem Orient-Comite, fanden vom Januar bis Juni 1890 sowie von Oktober 1890 bis März 1891 statt. Eine vierte Kampagne im Jahre 1894 (März bis Juni) war vornehmlich konzipiert zur Überführung der noch im Lande verbliebenen deutschen Fundanteile nach Berlin, insbesondere der großformatigen Skulpturen, und sollte den vorläufigen Abschluss der Ausgrabungen markieren. An der Finan-
Abb. 1 Routenkarte der Commagene-Expedition 1883 (Ausschnitt), Pappe auf Leinen gezogen; Aufnahme und Zeichnung K. Humann Mai - Juli 1883.
sprechenden Fachleute sowie Personen zu werben, mit deren Kapital der nötige Betriebsfonds gebildet werden konnte. Bereits auf der zweiten Sitzung am 14. November 1887, an der auch der seit 1885 am Berliner Museum für Völkerkunde tätige Felix von Luschan teilnahm, wurden Ausgrabungen in Nordsyrien, in Sakc;:egözü und Sendschirli, angeregt. Im Protokoll vom 14.11 . 1887 wird der Plan von Ausgrabungen „nordsyrischer, sogen. chettitischer Ruinenstätten bei Saktschegözü und Sendschirli" erwähnt. 4 Die Entscheidung fiel zu Gunsten Sendschirlis, auf das v. Luschan schon im Jahre 1883 aufmerksam ge8
worden war. Zudem hatte bereits der Generaldirektor der Kaiserlich Türkischen Museen, Hamdy Bey, eine deutsch-türkische Zusammenarbeit bei der Ausgrabung Sendschirlis vorgeschlagen und Karl Humann, 5 dessen Amtssitz Smyrna logistisch vorteilhaft zum Ausgrabungsort lag, hatte Vorabsprachen über günstige Teilungsmodalitäten mit dem Museum in Konstantinopel signalisiert. Die offizielle Gründungsversammlung des OrientComites fand am 26. Februar 1888 statt. In § 1 des Statuts heißt es: ,,Das Orient-Comite ist begründet, um Alterthümer orientalischer Herkunft in fachmänni-
Abb. 2 Sendschirli, Südliches Burgtor außen mit Orthostaten in situ: Westseite; alle Orthostatenrelief s im A ltorien ta lischen Museum Istanbul; 18. Mai 1883.
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zierung dieser Kampagne war Kaiser Wilhelm II. mit einem Beitrag von 25.000 Mark beteiligt, wie aus einem Brief an den Ausschuss des Orient-Comites vom 17. April 1893 hervorgeht. 8 Nicht zuletzt die hohe Finanzbelastung der Museen, die der Generalverwaltung entstanden - die Ägyptische Abteilung hatte im Jahre 1893 an das Orient-Comite noch 81.000.- Mark Schulden und die musealen Verpflichtungen endeten erst 1901 mit der Abzahlung der letzten Rate in Höhe von 19.176,19 Mark!!-,9 waren ein Grund für die Aufkündigung der Zusammenarbeit von Königlichen Museen und dem Orient-Comite im Jahre 1894.10 Im Laufe der Jahre betrugen die Gesamtaufwendungen für die Ankäufe der Funde aus den Ausgrabungen in Sendschirli nahezu 250.000,- Mark. Darüber hinaus wurde wiederholt der Grabungsleiter als Museumsbeamter und wurden weitere Mitarbeiter der Königlichen Museen für ihre Teilnahme an den Expeditionen beurlaubt. Das Orient-Comite als Initiator großer Ausgrabungskampagnen sah sich infolge des nicht ausreichenden Betriebsfonds und fehlender finanzieller Unterstützung durch den Preußischen Staat fortan nicht
mehr imstande, Feldforschungen in Vorderasien maßgeblich zu unterstützen. 11 Ein Grund für die nachlassende Bedeutung des Orient-Comites war nicht zuletzt die Gründung der Deutschen Orient-Gesellschaft im Jahre 1898, die anders strukturiert und auf der Grundlage regelmäßiger Jahresbeiträge der Mitglieder sowie großzügige Unterstützung durch den Kaiser und den Staat bestrebt war, die bei den Ausgrabungen gesicherten Funde den Museen kostenfrei zu überlassen. Nachdem klar wurde, dass archäologische Ausgrabungen des Orient-Comites in Mesopotamien undenkbar waren wurde vom Ausschuss des OrientComites am 17. März 1901 beschlossen, erneut Nordsyrien als Gebiet für weitere Aktivitäten zu definieren. Inzwischen war durch Abzahlung der letzten Ankaufsrate seitens der Berliner Museen der Betriebsfonds für die finanzielle Absicherung neuer Ausgrabungen wieder voll aufgefüllt. Erneut wurde Sendschirli als Grabungsort ausgewählt mit dem Ziel, in einer Abschlußkampagne unter der Leitung von F. v. Luschan die Arbeiten der ersten vier Kampagnen zu einem Ende zu führen. 12 Ein Ankauf etwaiger neuer Funde kam aus Sicht der Generaldirektion der König-
ÜBERSICHT
DES
NORDWESTLICHEN SYRIENS 1.:1.000000 .
Abb. 4 NordwestSyrien mit Mittelmeerküste, Kartenredaktion H. Kiepert (nach AiS I, Karte hinten).
Abb. 3 Sendschirli, Südliches Burgtor mit Orthostat "Speiseszene", Fundort nicht in situ, wahrscheinlich aber zugehörig der Westseite außen, rechts 0. Puchstein; 18. Mai 1883.
10
liehen Museen jedoch nicht mehr in Frage: ,, Was die Behandlung etwaiger zu machender Funde betrifft, so darf die General-Verwaltung nicht verfehlen, dass sie eine den früheren Erwerbungen entsprechende Verpflichtung zum Ankauf derselben zu einem den Kosten der Expedition entsprechenden Preise nicht einzugehen vermöchte." 13 Die fünfte und letzte Kampagne der Ausgrabungen in Sendschirli fand von Anfang Januar bis Mitte Juni 1902 statt. Erneut wurde der Grabungsleiter F. v. Luschan als Museumsmitarbeiter beurlaubt und mit
der Leitung der Expedition betraut. Der Anteil der Berliner Museen lag insbesondere bei der Bereitschaft der Übernahme von Fundteilungsverhandlungen, die dann von der deutschen Botschaft geführt und erfolgreich abgeschlossen wurden. Anders als vorher wurde durch Beschluss der Generalversammlung vom 23. Mai 1903 seitens des Orient-Comites die Fundausbeute der fünften Kampagne als Stiftung den Berliner Museen unentgeltlich übedassen. Die Schenkung wurde am 13. Januar 1904 von Kaiser Wilhelm II. genehmigt. 14 11
Da der Betriebsfonds des Orient-Comites aufgebraucht und nicht mehr zu ersetzen war, konnte das Orient-Comite in den folgenden Jahren nur noch mit bescheidenen Mitteln Ausgrabungen unterstützen. Jahrelang trugen die Königlichen Museen die Kosten
für die Bewachung der Ausgrabungsstätte, die Option für eine Wiederaufnahme der Forschungen in Sendschirli lebte fort und kommt in einem Brief des Kommissarischen Generaldirektors von Bode vom 21. Februar 1906 an den Vorsitzenden des Orient-Comites
Abb. 5 Routenkarte im nordwestlichen Syrien mit Angabe der Ruinenhügel Sendjir/i, Ger9in, Tahtalz Pmarz und dem antiken Steinbruch Yesemek in Hervorhebungen; Aufnahme von Robert Koldewey 1890 und 1891 (nach AiS I, Karte hinten).
Abb. 6
Umgebungskarte von Sendschirli, Karton (8 Teile) auf Leinen gezogen; Aufnahme von F. Winter und F. v. Luschan 1888.
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ROUTEN im
NORDWESTUCIHI SllUEI aufgenommen i J. 1890 u. 1881 von
ROBERT KOLDEWEY
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Mal'aatal, t, 200,000.
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12
zum Ausdruck, wenn er die Bearbeitung und Publikation der Kleinfunde mit einer Wiederaufnahme der Ausgrabungen verbindet. 15 Auf der Generalversammlung des Orient-Comites vom 3. Januar 1911 führt Felix v. Luschan mit Hinweis auf das Projekt Sendschirli aus: ,,Es ist für 15 Jahre in Sendschirli noch Arbeit; aber man muß einmal in die Tiefe gehen, um zu sehen, was eigentlich unten ist. Bisher hat ja jede Campagne in Sendschirli irgend eine ungeheure Ueberraschung, irgend eine großartige Geschichte gebracht, und wahrscheinlich wird das so weiter gehen .. ." .16
Felix v. Luschan verfolgte lebhaft das Geschehen in der Nähe von Sendschirli, das im Zusammenhang mit den Bauarbeiten „bei der anatol. u. Bagdadbahn'! stand.17 Er befürchtete Schäden an der verbliebenen Ausstattung und am Siedlungshügel, ,, ... dass durch den großen Tunnelbau, der sich in recht geringer Entfernung von Sendschirli abspielt, allerhand Störungen erfolgen. Werkzeug wird gestohlen, irgendwelche untergeordnete deutsche Bahnaufseher sollen auf eigene Faust Ausgrabungen veranstalten usw." Über die Ergebnisse von Versuchen v. Luschans, der Oberleitung des Bahnbauunternehmens unter Geh.(eirn)Rath Giese 13
Abb. 7
Ansicht des Burghügels von Sendschirli, von Norden aus gesehen; April 1888 (nach AiS I, S.
(Firma Holzmann & Co), das Lager und den Hügel als schützenswert anzutragen vor allem hinsichtlich eines ,,eventuellen Fortganges unserer Arbeiten in S. (Sendschirli - Verf.)", ist leider nichts Näheres bekannt. 18 Auch von türkischer Seite wurde offenbar mit einer Fortsetzung der Ausgrabungen gerechnet, wie ein Brief Halil Edhem Beys an F. von Luschan vom 21. Dezember 1911 erkennen läßt:,, ... Ich höre mit Freuden,
1,
Abb. 1).
dass Sie an eine Fortsetzung der Ausgrabungen dort denken. Ich werde selbstverständlich diese Unternehmung bei der Regierung kräftig unterstützen. Bitte, kommen Sie recht bald!" 19 Noch für das Jahr 1916 läßt sich das Festhalten am Plan der Fortsetzung von Untersuchungen nachweisen, wenn es im Protokoll der Ausschuss-Sitzung des Orient-Comites vom 8. Juni 1916 heißt: ,, ... Herr Weber (Direktor der Vorderasiati-
Abb. 8 Blick auf die kurdische Siedlung am Fuße des Burghügels; 1888.
14
Abb. 9
Zelte und Hütten am Burghügel Sendschirli, im Hintergrund der Giaur Dagh (Amanus); 1888.
Abb. 10 Blick vom Bereich des südlichen Stadttores über die Unterstadt in Richtung südliches Burgtor (Mittelgrund links) und Baracken des Expeditionscamps, im Vordergrund Orthostat des südlichen Stadttores „ Vom Pfeil getroffener Hirsch und Hund" (siehe Abb. 17 rechts); 1888.
15
Abb. 11 Blick vom Amanus (Fevzipa~a-Pass) nach Osten auf die Ebene mit dem Burghügel von Sendschirli mit moderner Überbauung; September 2003.
sehen Abteilung - Verf.) erklärt ferner, dass er alles, was in seiner Kraft steht, tun wird, um eine weitere Grabung in Sendschirli in die Wege zu leiten" .20 Die Existenz des Orient-Comites ist durch das Protokoll der Generalversammlung vom 22. Januar 1919 noch nachweisbar, in der neben der Diskussion über die Bildung eines Kartells mit der Deutschen OrientGesellschaft und der Vorderasiatischen Gesellschaft auch die Erwartung der Wiederaufnahme der Arbeiten in Sendschirli Thema der Versammlung war. Die Situation in den Jahren des 1. Weltkrieges sowie in den Nachkriegsjahren boten jedoch keinerlei Ansatzpunkte für realistische Planungen der Fortsetzung von Ausgrabungen in Sendschirli. Hinweise über eine formale Auflösung des OrientComites, wie in § 6 der Satzung nur auf Beschluss der Generalversammlung bei Teilnahme von mindestens drei Viertel aller Mitglieder vorgeschrieben, fanden sich nicht. Ein Aufgehen in der Deutschen Morgenlän16
Abb. 12 Blick von der Unterstadt nach Nordwest zum Burghügel, an der linken Hügelkante Bereich des südlichen Burgtores; September 2003.
dischen Gesellschaft ist nicht mehr als eine Vermutung.21 Leider haben bis zum heutigen Tag planmäßige Forschungen in Sendschirli keine Wiederaufnahme gefunden.
Eine am Südrande eines großen Hügels frei zu Tage liegende Reliefreihe ... " - Die 11
Lage der Ruinenstätte und ihre Entdeckung Die Ruinenstätte Sendschirli - zur Zeit der Ausgrabungen eine am südlichen und westlichen Hügelrand gelegene Gruppe von Hütten und Ställen eines kleines Kurdendorfes - liegt am östlichen Rande des AmanusGebirges (Giaur-Dagh) unweit der heutigen türkischsyrischen Staatsgrenze auf türkischem Territorium. In
Abb. 13 Blick von der Unterstadt nach Norden zum Burghügel, im Hinterg rund der Amanus; 2000.
17
Abb. 15 Ausgrabungen am südlichen Burgtor; 1888.
Abb. 14 Plan des Burghügels von Sendschirli unmittelbar nach Grabungsbeginn; Zeichnung von C. Humann,
geographisch günstiger Lage am Westrand einer großen N-S-ausgerichteten Ebene von 10 bis 15 km Breite, die im Norden und Westen vom Amanus sowie im Osten vom Kurdh-Dagh gesäumt wird, kontrolliert der Ort dieses wasserreiche und zur Zeit der Ausgrabungen stellenweise sumpfige Gebiet, das nach Süden 18
22 .
April 1888.
durch den Fluss Kara Su entwässert wird. Die große langgestreckte Senke geht nach Süden weiter über in die cAmq-Ebene und ist über den Unterlauf des Orontes mit dem Mittelmeer verbunden. 22 Die Fruchtbarkeit des Gebietes ist begründet durch ausreichenden natürlichen Regenfall, der Landwirtschaft ohne künst-
liehe Bewässerung ermöglicht. Eine intensive Besiedlung dieser Ebene zumindest seit dem späten 4. Jt. v. Chr. ist nachzuweisen, eine Vielzahl von historischen Ruinenhügeln belegt die Nutzung dieses geographisch beengten Gebietes. Die verkehrspolitische Anbindung an die Nachbarregionen erfolgte nach Süden über die die cAmq-Ebene und nach Norden über mehrere Paßstraßen durch die Berge. K. Humann beschreibt den Ausgrabungsort unmittelbar nach seiner Ankunft vor Ort wie folgt: ,, ... die Ebene ist gut bebaut und hunderte von Kühen und Schafen gehörten zum Dorfe. Das Dorf selbst liegt voll nassen Kothes, vom Hügel nördlich schleicht ein Sumpfbach, darüber hinaus ist die Ebene gut angebaut und man sieht in ihr meilenweit hinauf nach Norden, wo die Schneekuppen des Taurus aufsteigen ... Nach Nord-Ost und Ost sieht man am Fuße des Kurd-Dagh meilenlange Sümpfe, den Auran-göl, bis dahin ist jedoch gute Kultur. Nach Süden ist Alles trocken und bebaut ... Im Westen haben wir den Amanus, 1 / 4 Stunde entfernt; mehrere Dörfer sind sichtbar ... Oestlich des Hügels 1000 Schritt ist eine Quelle mit gutem Wasser ... ". 23
Der Hügel ovaler Form (580 m über N /N) besitzt eine Längenausdehnung von ca. 335 m und hat eine größte Breite von ca. 240 m, sein höchster Punkt liegt mehr als 18 m über dem südlichen Fuß. Als Ruinenstätte ist Sendschirli erst seit 1883 bekannt und seitdem auf den Spezialkarten verzeichnet, 24 basierend auf älteren Beobachtungen (1882) sowie der Routenkarte Karl Humanns aus dem Jahre 1883. 25 Von der Existenz dieses historischen Siedlungsplatzes erfuhren bereits Charles Sester und Otto Puchstein während ihrer Reise zum Nemrud Dagh im April 1882 als sie am 18. April auf der Wegstrecke von Islahiye (Nikopolis) nach Sak