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German Pages 194 [189] Year 1951
E D U A R D
Rußland
W I N T E R
und die s l a w i s c h e n
in d e r D i p l o m a t i e
des
Völker
Vatikans
EDUARD
WINTER
RUSSLAND U N D DIE SLAWISCHEN VÖLKER IN DER DIPLOMATIE DES VATIKANS 1878-1903
19 5 0 AKADEMIE-VERLAG
BERLIN
Copyright 1950 b y Akademie-Verlag G m b H . , Berlin Alle Redite vorbehalten
Erschienen im Akademie-Verlag G m b H , , Berlin N W 7, Schifibauerdamm 19 L i z e n z - N r . 156 • 4645/49-5020/49 Satz, Druck und E i n b a n d : K W U der Stadt Dresden, Ratsdruckerei D 03 1256/1 350 1,0 Bestell- und Verlagsnummer: 5004
INHALT Vorwort 1. Die vorleoninische Rußlandpolitik der römischen Kurie
7 9
2. Anfänge der Bemühungen Leos X I I I . um Rußland und die Slawen 1878—1881
17
3. Rückschläge (1881—1884) in den russisch-vatikanischen Beziehungen 4. Krise im katholischen Panslawentum
27 35
5. Wiederanknüpfung der russisch-vatikanischen Beziehungen 1887 bis 1888
45
6. Der Anteil des Vatikans an dem russisch-französischen Bündnis
63
7. Vertiefung der russisch-vatikanischen Beziehungen 1894—1903 . .
88
8. Bemühungen der vatikanischen Diplomatie um die Annäherung Österreich-Ungarns an das russisch-französische Bündnis 9. Nachleoninische Rußlandpolitik der Kurie
106 125
10. Zeittafel
136
1 1 . Beilagen
138
12. Personenverzeichnis
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VORWORT Es ist von Reiz und von Wichtigkeit, die Stellung des Vatikans zu den Weltmächten in der Zeit, in der sich die entscheidende Zusammenballung der wirtschaftlichen und politischen Kräfte vollzog, die direkt zum ersten Weltkrieg führte, eingehend zu studieren. Besonders heute, wo die katholische Kirche wieder ganz besonders stark als das „Bollwerk des Abendlandes" gegen den „Osten" in den Vordergrund tritt, ist es von Interesse, einmal an dieser besonders neuralgischen Stelle der Kurialpolitik seit Jahrhunderten in Rücksicht auf Rußland und die slawischen Völker das Geflecht des Ineinander von Religion und Politik der vatikanischen Diplomatie zu studieren. Deswegen ist die vorliegende Abhandlung nicht nur ein wichtiges Kapitel aus der Kirchengeschichte, wie es zuerst scheinen mag, sondern es handelt'sich hier noch viel mehr um ein eminent politisches Thema. Es ist Politik im Wahrsten Sinne des Wortes, die sehr tief ifi das Weltgeschehen eingreift oder wenigstens eingreifen will. Oft tritt in dem Buche das Religiöse dermaßen zurück, daß der Leser ganz vergißt, es mit Kirche und Religion zu tun zu haben, so unauflöslich sind Politik und Kirche, die mit Religion gleichgesetzt wird, ineinander geknüpft. Aber nicht nur das Zusammenspiel und Widerspiel der europäischen Großmächte am Ende des 19. Jahrhunderts findet in der Arbeit neue Beleuchtung, sondern auch vor allem die viel zu wenig bekannte Geschichte der slawischen Völker, insbesondere in dem ehemaligen Österreich-Ungarn, kommt unter einem neuen aufschlußreichen Gesichtspunkt zur Darstellung. Die sehr interessante geschichtliche Erscheinung des sogenannten Austroslawismus wird das erstemal eindringender untersucht. Im Mittelpunkt der Abhandlung bleibt freilich das weltgeschicht7
liehe Thema: Rußland und der Vatikan, vor allem während des Pontifikates Leos X I I I . So wird das Buch zu einem Abschnitt eines großen Werkes, das in Vorbereitung ist und das das Verhältnis zwischen Rußland und Rom im l,aufe der Jahrhunderte zur Darstellung bringen soll. Grundanalysen dieses Verhältnisses und Aufrisse der Entwicklung tun not, um Osteuropa und damit auch Europa selbst in einem größeren Zusammenhange richtig sehen zu können. Immer zeigt es sich aufs neue, wie gering die Kenntnisse von Rußland und den slawischen Völkern sind. Jahrhundertelange Verstellungen und Verzerrungen gilt es zu überwinden, große Versäumnisse sind nachzuholen. Tiefere Einsicht kann viel zu einer friedlichen Weiterentwicklung der Welt beitragen. Ursprünglich eine Akademierede, beruht die erweiterte Darstellung vor allem auf den totgeschwiegenen russischen und den neu erschlossenen österreichischen Quellen. Zu einer abschließenden Betrachtung fehlt noch die Heranziehung der Berichte der französischen und preußischen Botschafter beim Heiligen Stuhl. Dies war durch die Kriegs- und Nachkriegszeiten leider nicht möglich. Doch dürfte sich das Bild nicht wesentlich ändern, so daß bei der Wichtigkeit des Gegenstandes ein weiterer Verzug der Veröffentlichung nicht berechtigt erscheint. Doch wird eine abschließende Arbeit vorbereitet. Dem Wiener Staatsarchiv habe ich für das bereitwillige Entgegenkommen und Herrn Dr. Mühlpfordt für seine selbstlose und umsichtige Mitarbeit zu danken. E. J . W i n t e r .
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1. Die vorleoninische Rußlandpolitik der römischen Kurie Um die Rußland- und Slawenpolitik des Vatikans in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von 1878 bis 1903 unter dem Pontifikate Leos X I I I . zu verstehen, ist es notwendig, einmal in großer Linie die Rußlandpolitik der römischen Kurie im Laufe der Jahrhunderte zu sehen. Es kann sich nur um einen kurzen Abriß handeln. Die Päpste hatten schon sehr früh die Bedeutung Rußlands, vor allem Moskaus, erkannt, und suchten Osteuropa schon allein als wichtiges Zwischenland auf dem Landwege nach Persien, Indien und China in ihr geistiges Machtgebiet einzuordnen. Das Handelskapital Italiens war an der Pindung und Beherrschung eines solchen Landweges interessiert. Aber nicht nur Marco Polo, sondern auch Franziskaner- und Dominikanermissionare zogen aus, um Asien Europa wirtschaftlich und geistig näherzubringen. Die Expansion des Abendlandes im Mittelalter wurde geistig von den Päpsten geleitet, dahinter standen wirtschaftliche Kräfte, vor allem die italienischen Handelsstäite. Der vierte Kreuzzug, der zur Eroberung Konstantinopels führte, macht diese Zusammenhänge besonders offenbar. Die Expansionsbewegung im Abendland ging nicht nur nach dem Südosten, nach dem handelspolitisch so wichtigen Vorderen Orient, nach der Levante, sondern auch nach Nordosten, nach Osteuropa, nach Rußland, nach Moskau. Bernhard von Clairvaux predigte im 12. Jahrhundert kennzeichnenderweise nicht nur gegen den Islam im Vorderen Orient, sondern ebenso heftig auch gegen die Slawen jenseits der Elbe. Aus dem Geist des marianischen Kreuzrittertums, den Bernhard gepredigt, entfaltete sich der Deutsche Ritterorden im Baltikum; dieser schuf den nordischen Kirchenstaat Livland. In einer gewaltigen Zangenbewegung suchte Papst Innozenz III. am Anfang des 13. Jahrhunderts Osteuropa von Norden und von Süden zu umfassen. Die Entstehung des nordischen Kirchenstaates und die Gründung, des lateinischen Kaiserreichs am Bosporus erfolgten nicht zufällig ungefähr gleichzeitig am Anfang des 13. Jahrhunderts. Übrigens reichte die nordöstliche Zange noch über Livland weiter nach Norden, denn über Pinnland griff das eben christlich gewordene Schweden nach Rußland. Gleichzeitig aber träumte Dschingis 9
Khan im Fernen Osten von der Weltherrschaft, und sein Enkel Batu eroberte noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Osteuropa und machte es zu einer Satrapie der „Goldenen Horde". Dies schien dem russischen Großfürsten Alexander, dem Sieger an der Newa gegen Schweden und auf dem Eis des Peipussees gegen den Deutschen Ritterorden, erträglicher als eine Unterwerfung unter das römisch-katholische Abendland ; denn Satrapie der Goldenen Horde zu sein war in den Augen Alexanders kein bleibender Zustand, während das Abendland als ständige Gefahr für die nationale Eigenart empfunden wurde. Als im 15. Jahrhundert unter Iwan I I I . Moskau, von der Tatarenherrschaft befreit, eine Großmacht wurde, da waren es wiederum die Päpste, die um die neue Macht warben. Die purpurgeborene Sophia, die Nichte des letzten byzantinischen Kaisers, wurde 1472 die Gemahlin Iwans I I I . durch Vermittlung des Papstes, der sein Mündel unter Aufbietung allen kaiserlichen Glanzes nach Moskau geleiten ließ, in der Hoffnung, daß Sophia die Mittlerin zwischen Rom und Moskau werde. Der trotz allen kulturellen Glanzes der Renaissance offenkundige, durch den Aufstieg der selbständigen Nationalstaaten des Westens bedingte politische Niedergang des Papsttums in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sollte durch die Erwerbungen im Osten ausgeglichen werden. Und dieses Werben der römischen Kurie um Moskau wurde noch stürmischer, als am Anfang des 16. Jahrhunderts Luther und Calvin schwere Breschen in die Einheit der abendländischen Kirche schlugen. Das politische Selbständigkeitsstreben hatte in der abendländischen Kirchenspaltung seinen Ausdruck gefunden. Aber die sinkende Macht Roms neu zu verstärken, dazu war Moskau nicht geneigt, und selbst das anstürmende katholisch-feudale Polen am Ende des 16. Jahrhunderts konnte das Werben Roms um Moskau nicht erfolgreicher machen. J a , im Gegenteil, die vorübergehende Besitznahme Moskaus durch Polen am Anfang des 17. Jahrhunderts vertiefte die schon bestehende Abneigung zum Haß gegen Rom, das hinter der polnischen Usurpation des Pseudodemetrius am Anfang des 17. Jahrhunderts stand 1 ). Ist es da verwunderlich, wenn das „Cyrillische Buch", das, wie der Kroate Krizaniö zu berichten weiß, in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts in Moskau im Umlauf war, nicht weniger als 72 Häresien der römischen Kirche aufzuzählen wußte ? Der Papst, der 1651 die polnische Armee, die gegen die ukrainischen Kosaken zog, segnete, konnte nicht erwarten, daß Rußland Bundesgenosse im Kampf gegen die Türken wurde. So wird verständlich, daß Pritius Wahrmund in seinem Buch „Moscovitischer oder Reußischer Kirchenstaat 2 )" berichtet: „Auch wenn die Russen zornig seyn und 1
) Vgl. T u r g e n e w ,
Historica Russiae Monumenta,
•) L e i p z i g 1 6 9 8 , S . 1 8 .
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2. B d . ( 1 8 4 2 ) , S . 5 7 f f .
einem Böses wünschen wollen, sagen sie: dass du möchtest ein Rominer (Römer) werden." Als am Anfang des 18. Jahrhunderts Peter I. Rußland zu einer entscheidenden europäischen Großmacht erhob, empfand die päpstliche Kurie diesen Machtaufstieg, beraten von den katholischen Oststaaten Österreich und Polen, als Gefahr für den Katholizismus. Und als der katholische Großstaat Polen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geteilt wurde, sah darin die römische Kurie einen schweren Schlag gegen sich selbst. Wegen der Millionen von Lateinern und Uniaten, der mit Rom Unierten, die Untertanen des russischen Reiches werden, zieht unter Katharina II. das erstemal ein ständiger päpstlicher Nuntius in Petersburg ein. Aber es zeigt sich auch jetzt sehr rasch, daß zwischen Rußland und der römischen Kirche die Gegensätze, die der österreichische Gesandte Cobenzl vergebens zu mildern sucht 1 ), nicht überbrückt werden können. Rußland ging sehr bald daran, die mit Rom unierten Ukrainer und Weißrussen der orthodoxen Kirche wieder zurückzugewinnen, denn nur so allein schien die Loyalität dem russischen Reich gegenüber gesichert. Dieser Prozeß der Rückkehr der Unierten zur orthodoxen Kirche erfüllte bis 1875, wo die Unierten von Cholm zur Orthodoxie zurückverbunden wurden, drei Viertel des 19. Jahrhunderts und stellte sich dauernd zwischen die römische Kurie und Rußland. Selbst das gemeinsame Interesse gegen die fortschrittliche revolutionäre B e l e g u n g im Geiste der europäischen Reaktion in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verhinderte nicht, daß in dem russisch-polnischen Konflikt die Kurie auf Seiten der katholischen Polen stand, obwohl Polen revolutionäre Vormacht war. Und selbst, wenn ein der „heiligen Alliance" nahestehender Papst, wie Gregor X V I . , versucht, mit Rußland als Schutzmacht der europäischen Reaktion in ein engeres Verhältnis zu kommen, so hindern maßgebende Kreise in der Kurie selbst eine solche Annäherung. Kennzeichnend für diese Stimmung in der Kurie ist ein von Metternich aufgefangener Brief des kurialen Historikers August Theiner an den ultramontanen Bischof Reisach von Eichstätt vom 8. Februar 1839. Wie ablehnend berichtet Theiner von der herzlichen Aufnahme, die der russische Thronfolger Alexander beim Papst im Winter 1838/39 in Rom gefunden hat: „Der gute Don Mauro Capellari (Papst Gregor X V I . mit seinem Familiennamen) macht recht dumme Streiche mit dem Großfürsten. Alle Guten ärgern sich an dem Justicia dei imperscutabilia sunt'. Dem guten Mauro fehlt der rüstige Paulus mit dem resistere in faciem. Während Mauro solche ungeschickten Streiche macht, muß ich die Sorge über Rußland tragen und zeigen, wie die Kirche seit 1772 in Rußland und ') H a u s - , H o f - u n d S t a a t s a r c h i v W i e n , R u ß l a n d
1784,
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Polen nicht weniger als elf Millionen Bekenner verloren hat 1 )." Theiner beruft sich ausdrücklich auf die Kardinäle Pacca, Lambruschini und alle anderen. Umgekehrt schreibt der russische slawophile Schriftsteller Pogodin in seinen politischen Briefen aus Rußland 2 ): „Dazu kommt noch die Bemühung der Kurie, die mit Jesuiten und Marianen fortwährend den Slawen und ihrer Nationalität entgegenwirkt im bloßen Hinblick auf Rußland. In den russischen Ländern sind alle überzeugt, daß vorzugsweise jesuitische Anstiftung mitspielt, wenn Polen sich empört oder wenigstens dann später die Aufmerksamkeit der Polen nicht nachläßt, daß die Jesuiten auch jetzt noch unter den Polen in Galizien, in Posen, in der Emigration den Haß gegen Rußland nähren, daß sie unter den Slawen die Saat ketzerischen Abfalls ausstreuen und unter ihnen die Union verbreiten, alles unter dem Schutz der österreichischen Regierung." So ist es begreiflich, daß Zar Nikolaus I., als er 1845 persönlich den Papst in Rom besuchte, trotz allen Entgegenkommens im letzten keinen guten Eindruck von der Kurie erhielt 3 ). Trotz dieser gegenseitigen Abneigung kam es 1847 zu einem Konkordat zwischen Rußland und dem Heiligen Stuhl, in dem die römisch-katholische Hierarchie in Rußland neu organisiert wurde. Viel wichtiger wären freilich die 12 Artikel non concordati gewesen, über die keine Einigung erfolgte 4 ). Inzwischen war 1846 Pius I X . Papst geworden. E r galt für liberaler als sein konservativer Vorgänger Gregor X V I . Wenn auch Pius I X . 1848 sehr rasch in das Fahrwasser der europäischen Reaktion einlenkte, so blieb doch von seinen liberalen Anfängen die Vorliebe für Polen und die Abneigung gegen Rußland. Selbstverständlich waren der Papst und die Kurie entschiedene Gegner der Ansprüche Nikolaus' I. auf das Protektorat der Orthodoxen im osmanischen Reich. Die in diesem Zusammenhang gestellte Forderung nach Rückstellung "der Heiligen-GrabKirche in Jerusalem an die Orthodoxen, die den französischen Katholiken vom Sultan überlassen wurde, trug nicht wenig zur Entzündung des für Rußland unglücklich ausgehenden Krimkrieges bei. Die Akten des österreichischen Staatsarchives (Außenministerium) für diese Zeit erweisen in hohem Maße die konfessionelle Färbung der politisch-wirtschaftlichen Hintergründe für den Krimkrieg. Die römische Kurie stand hinter der von Nikolaus als undankbar empfundenen Haltung, die der l ) Vgl. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Interzepte. T h e i n e r arbeitete damals gerade an seinem Werke: „ D i e neuesten Zustände der katholischen Kirche beider Ritus in Polen und Rußland seit K a t h a r i n a I I . " E s erschien 1841 deutsch, 1843 französisch. E s ist eine scharfe K a m p f s c h r i f t gegen Rußland. t
l Sie sind Leipzig 1860 auch deutsch erschienen, S. 25 ff.
') Vgl. S c h l i e m a n n , Nikolaus I., 4. Bd., Berlin 1 9 1 5 , S. 68. ') Vgl. A . M e r c a t i , Raccolta di concordati, R o m a 1 9 1 9 , S. 751 ff.
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junge Kaiser von Österreich, Franz Josef I., gegenüber Rußland einnahm. Der junge Kaiser befand sich damals noch sehr unter dem Einfluß seiner klerikalen Mutter und des Erzbischofs Rauscher von Wien. Von hohem Interesse sind in diesem Zusammenhang die Vorschläge des österreichischen Staatsmannes Graf Franz Hartig, eines Gesinnungsfreundes Metternichs, die Macht der russisch-orthodoxen Kirche in Österreich-Ungarn und auf dem Balkan zugunsten der römisch-katholischen Kirche zu brechen 1 ). Die katholischen Mächte Österreich, Frankreich und Piemont gingen geschlossen mit England gegen Rußland. Der Krimkrieg endete mit dem Frieden von Paris, in dem das zaristische Rußland seine bisherige Stellung als Schutzmacht der europäischen Reaktion vorübergehend einbüßte. Die Zurückdrängung Rußlands vom Balkan benutzte die römische Kurie, um hier ihre Kirchenunionspläne vorwärtszutreiben. Der bulgarische orthodoxe Bischof Sokolski fand sich bereit, die Union der bulgarischorthodoxen Kirche mit R o m zu schließen. Bulgarien war aber ein besonders neuralgischer Punkt für Rußland. Durch Mittelsleute wurde der als Abtrünniger empfundene Bischof in ein russisches Kloster gebracht, wo er starb. Damit ist dieser Versuch Roms, auf dem Balkan in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts festen Fuß zu fassen, wie vor tausend Jahren gescheitert. Ignatev, der russische Botschafter in Konstantinopel, hatte bei dieser Angelegenheit die Hand mit im Spiele, wie er sich dem späteren' allmächtigen Oberprokurator des Heiligen Synods, Pobedonoscev, gegenüber rühmte 2 ). Eine neue Verschärfung des Gegensatzes zwischen Rußland und der römischen Kurie brachte das J a h r 1.863, das 1000-Jahr-Jubiläum der Slawenapostel Cyrill und Method. In diesem Jahre brach nämlich der polnische Aufstand aus, der für Jahrzehnte eine ruhige Behandlung der Kirchenunionsfrage unter den slawischen Völkern unmöglich machte und das an sich gespannte russisch-kuriale Verhältnis zum Bruche führte. Die polnische Affäre warf übrigens schon Jahre vorher ihre Schatten voraus. Kanonikus Bialobrzeski wurde im J a h r e 1861 verhaftet. Dieses Ereignis hatte katholische Kirche und Polentum nur noch enger miteinander verbunden. Schon bei diesen ersten Anfängen der russisch-polnischen Auseinandersetzung in den sechziger Jahren schrieb Graf Reverterá, damals österreichischer Geschäftsträger in Petersburg, die Bemerkung nieder: „Die polnischen Aufstände tragen das Symbol des Märtyrertums und haben den Schein religiöser K ä m p f e 3 ) . " Die russische Regierung übersähe ') Vgl. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland, X 38, 1855. 2
) Vgl. Pobedonoscev i jego korrespondenty, 1. Bd., Moskau 1923, S. 88.
•) Vgl. Bericht Reverterás vom 2. Dezember / 20. November 1 8 6 1 . Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland r86r. Vgl. Bismarcks Gesammelte Werke, 3. Bd., S. 283. I n0
die Möglichkeit, wie Reverterá als strenger Katholik in diesem Zusammenhang betont, sich mit dem Papsttum ins Einvernehmen zu setzen, um diesen Schein religiöser K ä m p f e zu unterdrücken. E s ist typisch, daß selbst Reverterá vom „ S c h e i n " religiöser K ä m p f e spricht. Diesen Schein wußten die Polen sehr geschickt gegen Rußland zu verwenden. Der russische Botschaftér in Rom bringe nach Reverterá nur Beschuldigungen gegen die katholische Kirche vor. Durch die Anerkennung Italiens durch Rußland im Jahre 1862 wurde die Stellungnahme der Kurie für Polen bestärkt, nachdem auch die Frage der gemischten Ehen im Baltikum das Verhältnis Rom-Petersburg sehr getrübt hatte 1 ). S o ist es verständlich, daß das Vorgehen der russischen Regierung in der polnischen Angelegenheit nach dem J a h r e 1863 das Verhältnis zum Heiligen Stuhl nur noch mehr belastete. Das zaristische Rußland mußte in der römisch-katholischen Kirche in Rußland und Russisch-Polen ein Bollwerk sehen, das es unter allen Umständen zu schwächen oder gar zu zerstören galt. Von 197 Klöstern wurden in Polen 162 aufgehoben und die übriggebliebenen 35 unter die Aufsicht des Staates gestellt. Die Propaganda für die „politische und kirchliche E i n h e i t " Rußlands finde ebenso Beifall in Rußland wie jeder Kampfruf gegen den Katholizismus und Europa 2 ), berichtet der österreichische Geschäftsträger in Petersburg. Vor allem die Übertrittsbewegung zur orthodoxen Kirche werde in jeder Weise von Seiten der russischen Regierung unterstützt. In Minsk und Wilna würden auch Erfolge erzielt. Besonders die Griechisch-Unierten suche man für die Orthodoxie zu gewinnen. Das Eintreten Frankreichs zugunsten der polnischen Klöster macht der russisch-französischen Annäherung, die um das J a h r 1857, anläßlich der Begegnung von Kaiser Alexander I I . von Rußland mit Kaiser Napoleon I I I . von Frankreich in Stuttgart, eingesetzt hatte, ein Ende. Der Kampf gegen die katholische Kirche als politische Macht ging in Rußland weiter; durch Ukas vom 22./10. Dezember 1865 wurde russischen Staatsangehörigen römischkatholischer Konfession verboten, Grundbesitz zu erwerben. Begreiflicherweise war das Echo in Rom nicht freundlich. Beim Neujahrsempfang 1867 verurteilte der Papst dem russischen Geschäftsträger gegenüber das Vorgehen Rußlands in Polen. Die Folge war die Abberufung des russischen Geschäftsträgers und der Abbruch der Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl durch Rußland. Österreich, das sich schon seit Jahrhunderten als Schutzmacht für die Katholiken in Rußland ansah, suchte zu vermitteln. Der österreichisch-ungarische Außenminister Beust richtete an Graf Reverterá, der inzwischen österreichisch*) Vgl. Bericht Reverterás vom 5. August / 24. J u l i 1862. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1862. •) Vgl. Bericht Reverterás vom 2. Dezember / 20. November 1894. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1864.
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ungarischer Gesandter in Petersburg geworden war, eine Note vom 13. Februar 1867, die ihn aufforderte, alles zu tun, um einen endgültigen Bruch zwischen Rußland und der Kurie zu verhindern. Aber der streng katholische Großösterreicher stand mit seiner ganzen Sympathie auf seiten der Kurie. So ernst war es Österreich auch gar nicht mit der Vermittlung, denn es konnte durch den Konflikt nur gewinnen. Man konnte dann dauernd auf die schlechte Lage der römischen Katholiken in Rußland hinweisen und das Ansehen Rußlands diskreditieren, natürlich alles nur sehr vorsichtig, wie es Reverterá am 3 1 . / 1 9 . Januar 1867 tat 1 ). Gegen Ende des Jahres 1867 erschien ein Ukas des Zaren, der die Beziehungen der römisch-katholischen Kirche mit dem russischen Staate nach der Nichtigkeitserklärung des Konkordates vom J a h r e 1847 einseitig regelte. Der Zar wird nun auch das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche in Rußland, nachdem er das in der orthodoxen Kirche schon längst war. Die Absicht ging sichtlich dahin, möglichst die römisch-katholische Kirche ebenso in Rußland zugunsten der orthodoxen aufzusaugen, wie es mit der unierten Kirche weitgehend bereits geschehen war. Nur so glaubte man sich in Rußland von der polnisch-klerikalen Gefahr endgültig befreit. Begründet wurde das Vorgehen der russischen Regierung gegen die katholische Kirche mit dem Hinweis auf die maßgebende Teilnahme der katholischen Geistlichkeit an dem polnischen Aufstand und die Sympathie, die der „Hof von R o m " für die aufständischen und aufsässigen Polen habe. Gleichzeitig wird aber stets betont: „Der Grundsatz einer religiösen Toleranz liegt in den Traditionen der russischen Regierung und in den Sitten Rußlands." So argumentierte der russische Reichskanzler Gorcakov in Rechtfertigung des Bruchs mit der Kurie im J a h r e 1867 2 ). Die russische Regierung schuf ein geistliches Kollegium in.Petersburg, das die Belange der römisch-katholischen Kirche in engster Verbindung mit der Abteilung ausländischer Kulte im Ministerium des Innern zu vertreten hatte. Auf diese Weise sollte die Gefährlichkeit der römischkatholischen Kirche wenigstens gemindert werden. Dies bedeutete natürlich den vollkommenen Bruch zwischen Rom und Petersburg. Wohl suchte die Kurie im J a h r e 1867 unter dem Druck des kommenden Bruches einer Lösung der Frage näherzukommen und lud zu einer Konferenz nach Rom ein, doch wies Gorcakov dieses Ansinnen mit der Begründung ab, „daß Rußland nie einverstanden sein werde, daß sich ein fremder Priester in seine Angelegenheiten mische 3 )". Schon damals er*) Vgl. z. B. Bericht Reverterás vom 31./19. Januar 1867. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1867. *) Vgl. Bericht Reverterás vom 23./i 1. Januar 1867. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1867. *) Vgl. Bericht Reverterás vom 20./8. Xovember 1867, ebd.
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schien der Vorschlag, die russische Sprache im katholischen Kirchendienst einzuführen, als besonders geeignetes Mittel für die Vereinheitlichung des Russischen Reiches, d . ' h . die Rückbesinnung der sogenannten Westprovinzen auf ihre russische Vergangenheit. Dies wurde dann eine Frage, die noch zu schweren Auseinandersetzungen in der Zukunft führen sollte. Im J a h r e 1870 kam die Unfehlbarkeitserklärung des Papstes durch das Vatikanische Konzil, die eine neue unübersteigbare Scheidemauer zwischen der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche errichtete. Mit größtem Interesse verfolgte man deswegen in Rußland die sogenannte altkatholische Bewegung in Deutschland und unterstützte sie vorsichtig. Der Großfürst Konstantin hatte z. B . mit Döllinger und den Altkatholiken tagelange Unterredungen, und an den altkatholischen Kirchenunionstagen in Bonn 1 8 7 3 — 1 8 7 5 nahmen neben Männern der anglikanischen Hochkirche Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche teil. Das Beispiel Bismarcks im Kampf gegen die römische Kurie stärkte in Rußland das Bewußtsein, daß man durch den Abbruch der Beziehungen mit R o m auf dem rechten Wege sei. Im Jahre 1875 wurden die letzten Reste des Uniatentums unter den Ukrainern, die noch im Cholmer Land (zwischen Weichsel und Bug) bestanden, endgültig aufgesaugt. Cholm wurde nämlich zu einem eigenen Gouvernement und von RussischPolen abgetrennt, so daß jetzt auch hier die Grundsätze für die Behandlung der Uniaten, wie im eigentlichen Rußland, galten. Wie war es da anders möglich, als daß die Hoffnung auf Friede zwischen der zaristischen Regierung und der Kurie immer mehr verblaßte, besonders wenn man bedenkt, daß Papst Pius I X . , in dem Bewußtsein von der Würde seiner Stellung, sich immer mehr hinaufsteigerte, je länger er lebte. Am 30. April 1877 sprach der Papst zu einer Glückwunschdeputation aus Savöyen, die sein goldenes Bischofsjubiläum feierte, sehr scharf gegen Rußland als die „ketzerische Großmacht". Solche und ähnliche Aussprüche des Papstes erregten nicht nur die Russen, sondern mehr und minder alle Slawen, die in Rußland die Garantie ihrer Sicherheit und den Hort ihrer Kulturentwicklung sahen 1 ). Dies war ungefähr das Verhältnis zwischen Kurie und Rußland, wie I ( eo X I I I . es bei seiner Inthronisierung als Papst vorfand.
*} Vgl. die entschiedene Ablehnung solcher päpstlichen Aussprüche gegen Rußland durch den Führer der katholischen Alttschechen, I,. Rieger, in dessen gesammelten Reden und Aufsätzen, die 1900 tschechisch in Prag erschienen.
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2. Anfänge der Bemühungen Leos XIII. um Rußland und die Slawen 1878-1881 Joachim Pecci, als Papst Leo X I I I . (1810—1903), war ein echter Sohn der Volskerberge, des sogenannten Ciociarenlandes. Die Landschaft heißt so nach den Cioce, den hochgebundenen Wildlederschuhen. Wie die.weitsichtige, aber karge Landschaft waren die Menschen; im Kampf mit der Not listenreich und schlau geworden, machte sie der große Blick über Land und Meer, den sie hatten, weitschauend. Dies ist das Land, aus dem die römische Kirche nicht wenige ihrer größten Herrschergestalten erhalten hat. Die Päpste Innozenz III., Gregor I X . und Bonifaz V I I I . stammten aus dieser Landschaft, gerade also die Päpste, die den mittelalterlichen Machtgedankenvom Papsttum besonders bewußt vertreten haben. So erklärte Innozenz: „quantum dignior anima corpore tanto dignius est etiam sacerdotium quam sit regnum." Gregor I X . betonte entschieden Kaiser Friedrich II. gegenüber die Vorherrschaft des Papsttums, Bonifaz V I I I . aber hat im gleichen Geist statt der bischöflichen Mitra die imperiale Tiara mit den drei Kronen zum äußeren Zeichen der alles überstrahlenden Macht des Papsttums gewählt. In der Bulle Unam sanctam vertrat er noch einmal in aller Schärfe die päpstliche Oberhoheit über die Staaten: „Quicunque igitur huic postati, a Deo ordinata, resistit, Dei ordinationi resistit." Wer dem Papst widersteht, widersteht Gott! Dieses war auch der Geist, der Leo X I I I . schon beim Antritt seines Pontifikates beseelte. Das Papsttum sollte wieder der arbiter mundi und die mittelalterliche Papstidee der Neuzeit entsprechend herausgestellt werden. Alle seine Handlungen lassen sich auf diesen Grundgedanken im letzten zurückführen. Von den Jesuiten erzogen, hat der begabte Joachim Pecci früh in Rom einflußreiche Stellungen erlangt, vor allem war er mit Erfolg in der Zivilverwaltung des Kirchenstaates tätig. Die „Welt" lernte er als Nuntius 1843—1845 in Brüssel kennen. Diese damals äußerlich ganz französische Stadt hat den Nuntius für sein Leben mit französischer Kultur und Zivilisation aufs engste verbunden. J a gerade im Alter erschienen die herrlichen Jugendjahre der Nuntiatur in Brüssel in immer leuchtenderen Farben. Doch war Pecci schon von frühester Jugend an erfüllt von Frankreich, denn sein Vater war Parteigänger Napoleons. Der Aufenthalt in Brüssel hat nur seine Liebe zu Frankreich vertieft und gefestigt. So erklärt sich die Vorliebe des späteren Papstes für Frankreich, aus der er nie ein Hehl gemacht hat. Wegen seines durchdringenden Verstandes, der sich gern in geistvollen Sentenzen — die oft auch recht aggressiv sein konnten — gefiel, war Pecci während der Pontifikate seiner Vorgänger Gregor X V I . und Pius I X . in kurialen Kreisen nicht sehr beliebt. Gregor ernannte ihn 2
W i n t e r : Rußland
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wohl schon im Jahre 1846 zum Erzbischof von. Perugia, einem Mittelpunkt der politischen Bewegung gegen den Kirchenstaat, und Pius I X . erhob den jungen Erzbischof bereits 1853 zum Kardinal, doch in Rom wünschte er ihn nicht. Besonders der Kardinal-Staatssekretär Antonelli war nicht sein Freund. Stammte er doch wie Pecci aus den Volskerbergen und fürchtete gerade deswegen den aus gleichem Holz geschnitzten Landsmann zu sehr als Konkurrenten. Erst nachdem Antonelli im Jahre 1876 gestorben, zog ihn Pius I X . dauernd nach Rom. Ein Jahr später machte er ihn zum Camerlengo; dies war freilich keineswegs ein Freundschaftsdienst für den Papalissimus, d. h. für den aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolgerschaft auf dem Papstthrone, da es dem Herkommen entsprach, daß der Camerlengo selten Papst wurde. Diese Gewohnheit ergab sich einfach daraus, weil er als Verwalter des Papsttums während der Vakanz Mißliebigkeiten zu erregen pflegte. Aber auch diese Klippe hat Pecci klug umsegelt und bestieg am 20. Februar 1878 als Leo X I I I . den päpstlichen Thron. Die 32 Jahre als Erzbischof von Perugia hatten Pecci zu einem entschiedenen Gegner des demokratischen Italiens gemacht, das ja immer stärker die päpstliche weltliche Macht einengte, um schließlich im Jahre 1870 auch Rom, die „Stadt der Päpste", nicht nur zu erobern, sondern, was von Seiten des Papsttums als noch schlimmer empfunden wurde, zur Hauptstadt des geeinigten Italiens zu erklären. Es waren Kampfjahre, in denen sich Pecci bereits als ein unbedingter Verfechter der päpstlichen Rechte auf den Kirchenstaat und auf die weltliche Gewalt des Papsttums erwiesen hatte. Die weltliche Souveränität des Papsttums erschien ihm als notwendige Voraussetzung für die geistige Weltherrschaft, die dem Papsttum seiner Meinung nach, von Gott verliehen, zukam. Das alte stolze Ciociarenblut wurde in ihm wieder wach. Als ernster Papstkandidat hat er sich schon als Erzbischof von Perugia viele Gedanken über seine künftige Herrschertätigkeit als Papst gemacht. Während sein Vorgänger mit den weltlichen Mächten in Übersteigerung seiner Stellung vor allem durch die Unfehlbarkeitserklärung in Streit geriet, war Leo X I I I . von Anfang an besorgt, die Weltmächte für sich zu gewinnen, ohne von seinem Herrschaftsstreben auch nur das geringste aufzugeben. Mit Kennerblick erkannte Leo X I I I . die Situation seiner Zeit. Der Kapitalismus strebt seinem Höhepunkt zu, der Imperialismus beginnt um 1880 seinen Aufstieg. Es genügt nicht mehr der freie Wettbewerb in den einzelnen Ländern, sondern Weltmächte bilden sich, die zur Weltbeherrschung drängen. Der Kampf um Kolonien und Absatzmärkte gewinnt weltweite Dimensionen. Die kommenden Weltkriege werfen bereits ihre Schatten voraus. Was konnte da zwischen diesen Machtkolossen, die sich außerdem noch zu gewaltigen Koalitionen zusammenballten, der Papst zu tun haben? 18
Und doch, Leo X I I I . fand etwas, das das Papsttum als Partner diesen Weltmächten begehrenswert machte: den Einsatz der geistlichen Autorität, die dem Papsttum in jahrhundertealter Entwicklung zugewachsen war im Kampfe gegen die Feinde der öffentlichen, d. h. bürgerlichen Ordnung. Das tat Leo X I I I . entschieden und folgerichtig von Anfang an. Schon in seinem ersten Weltrundschreiben (Enzyklika), zitiert nach den Anfangsworten: „Inscrutabili Dei", vom 21. April 1878 1 ) spricht der Papst von diesen „Feinden der öffentlichen Ordnung, die dadurch, daß sie die Autorität der Kirche untergraben, auch die des Staates gefährden". In der Enzyklika „Quod apostolici munus" vom 28. Dezember 1878, also noch im Jahre seiner Inthronisation als Papst, spricht Leo X I I I . deutlich aus, wer diese „Feinde der öffentlichen Ordnung" sind, nämlich Kommunisten und Sozialisten. Die Feinde der kapitalistischen Gesellschaftsordnung sind die „Feinde der öffentlichen Ordnung", denen der gemeinsame Kampf von Kirche und Staat gelten muß. Hier hatte der Papst das gemeinsam Verbindende gefunden, und hier hat er die nicht unbedeutende Autorität der Kirche in „Sachen des Glaubens und der Sitten" ganz in die Waagschale geworfen. Ein solches antisozialistisches Programm mußte und sollte den Papst gerade in den Augen des russischen Selbstherrschers legitimieren, der sich von Sozialisten und Kommunisten bedroht sah. Auf eine solche Legitimation legte Leo besonders großen Wert, und er hat dann später, als der Russe Izvolskij nach Rom kam, immer wieder gerade auf seinen systematischen Kampf gegen die „Feinde der öffentlichen (der bürgerlichen) Ordnung" verwiesen. Das ist der eine Angelpunkt seiner Politik. Weiter mußte der Papst sich sagen, daß seine neuzeitliche Herausstellung der mittelalterlichen päpstlichen Weltherrschaft als Friedensstifter und Schiedsrichter unter den Völkern nur dann der Verwirklichung nähergebracht werden konnte, wenn die übrigen christlichen Kirchen sich mit Rom vereinigten. Vor allem schien die orthodoxe, die sogenannte Ostkirche reif für den Anschluß an Rom. Während der Protestantismus und auch der Anglikanismus in den Augen Roms Häresien waren, wurde die Ostkirche nur als eine von Rom getrennte, schismatische Kirchengemeinschaft angesehen. Der mächtigste Zweig der orthodoxen Kirche war aber die russisch-orthodoxe Kirche mit ihrer jahrhundertelangen Überlieferung. Sie lebte in engster Gemeinschaft mit dem russischen Staat, und der Zar war seit Peter I. Selbstherrscher auch in der Kirche. Den tiefen inneren Gegensatz der Papstkirche zur Ostkirche, der sich durch die jahrhundertelange Trennung, vor allem was die Verfassung der Kirchen l
) Vgl. K . I , u g m a y e r , Die gesellschaftlichen Rundschreiben I,eos X I I I . , Wien 1930.
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anbelangt, herausgebildet hatte, übersah Leo X I I I . trotz oder wegen seiner Diplomatie geflissentlich. Aufmerksame Betrachter, wie die Botschafter beim Heiligen Stuhl 1 ), konnten sich das zähe Festhalten des sonst so klugen Papstes an einer ihnen unsinnig erscheinenden Utopie nicht erklären. Aber in Wirklichkeit war es für den Papst die letzte Legitimierung seines politischen und diplomatischen Agierens vor den Augen Gottes, um in seiner Sprache zu reden. Die Unfehlbarkeitserklärung vom Jahre 1870 hatte gerade der Kirchenunion eine neuerliche, geradezu unübersteigbare Barriere entgegengesetzt, und doch war diese Erklärung gleichzeitig der höchste. Ausdruck der Weltherrschaft über die Seelen, denn niemand wagte es sonst, alle vor sein Tribunal zu ziehen und unfehlbar zu entscheiden. Es ist eine der Paradoxien, die die geschichtliche Wirklichkeit liebt, um Macht zu begrenzen. Die Erhebung der päpstlichen Unfehlbarkeit zum Dogma war der erneute Ausdruck des geistlichen Weltherrschaftsstrebens und wurde gleichzeitig der geistliche Prolog für das beginnende Drama der Kämpfe der Großmächte um die wirtschaftlich-politische Weltherrschaft der darauffolgenden Jahrzehnte. Der Blick auf die Ostkirche mit dem unbedingten Willen, diese Kirche in Union mit Rom zu bringen, mußte den Papst von dem Gedanken der Wichtigkeit Rußlands und der Slawen tief durchdringen. Auch hier zeigte sich der Scharfblick des Papstes. Ebenso wie er den Aufstieg der nationalstaatlichen Wirtschaft zum weltumspannenden Imperialismus sehr früh erkannte, wurde ihm-die Bedeutung Rußlands und der slawischen Völker in der Zukunft klar. Diese Mächte für die römische Kirche zu gewinnen, hieß den Endsieg Roms sicherstellen. Deswegen hat Leo X I I I . während seines Pontifikates unablässig um die Freundschaft Rußlands und der Slawen gerungen. Er suchte und fand einen Berater in dieser Richtung, und das war der Bischof von Djakovo in Kroatien, Josef Stroßmayer 2 ). Dieser nationalbewußte Kroate und feurige Apostel des Slawentums war 1849 noch jung an Jahren Bischof von Bosnien geworden mit dem Sitz in Djakovo. Die großen Dienste der Kroaten für die Erhaltung der Habsburger Monarchie 1848/49 waren bald vergessen. Das entschiedene Eintreten für ein politisch geeinigtes Südslawien, wenn auch als Glied der Donaumonarchie, machte Stroßmayer in Wien verdächtig. Das Südslawentum sah der Bischof nicht isoliert, sondern in enger Verbundenheit mit den übrigen slawischen Völkern in und außerhalb Österreichs. Die dualistische Lösung der Verfassungsfrage Österreich-Ungarns 1867 stellte den Bischof durch die Herrschaft des madjarischen Adels auch in l
) Vgl. z. B. die diesbezüglichen Anmerkungen sowohl Izvolskijs als auch Reverterás. *) Vgl. T. S m i c i g l a s , Nacrt ¿ivota i djela J . J . Stroßmayera, Agram 1906.
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Kroatien endgültig politisch kalt. Um so mehr wandte sich der geistig rege und hochstehende Stroßmayer nach dem Zusammenbruch seiner politischen Tätigkeit der Kirchenunionsfrage zu. E r hoffte, hier wesentlich zur kulturellen und politischen Annäherung der slawischen Völker beizutragen. Schon das schicksalhafte J a h r 1848 schien groß© Hoffnungen für die Kirchenunion der slawischen Völker im Schöße zu tragen. Davon muß ausführlicher die Rede sein, wenn die Bestrebungen Leos X I I I . voll verstanden werden sollen. An dem Prager Slawenkongreß 1848 nahmen sowohl römisch-katholische als auch griechisch-unierte und orthodoxe Geistliche teil; katholische, unierte und orthodoxe Gottesdienste wechselten zum Zeichen der Gleichberechtigung miteinander ab. Eine Versammlung, die iäich mit der Vereinigung aller Slawen beschäftigte, mußte damals natürlich auch die kirchlichen Gegensätze sehr berücksichtigen und an deren Überwindung energisch arbeiten, denn ohne eine solche kirchliche Annäherung schien eine politische schwer denkbar. Aber der Kongreß ging bekanntlich selbst in Disharmonie auseinander, es zeigten sich Gegensätze, die damals selbst mit dem besten Willen nicht zu überwinden waren. Doch zahlreiche Anregungen blieben, und so ist es nicht zufällig, daß um 1850 gleich von drei Seiten der Versuch gemacht wurde, die Kirchenunion der slawischen Völker zu betreiben. Der Professor im Priesterseminar in Brünn, Franz Susil, gründete 1850 das Dedictvi svateho Cyrilla a Metoda (Cyrill- und Method-Erbe), das wohl in erster Linie die innere Katholisierung des tschechischen Volkes als Aufgabe sah, dann aber unter dem Schutz der Slawenapostel sich doch auch die Annäherung der slawischen Völker in der katholischen Kirche zum Ziele setzte. Dies mußte freilich mit Vorsicht geschehen, da Unternehmungen solcher Art dem österreichischen Absolutismus als staatsgefährlicher Panslawismus galten und verfolgt wurden. Ebenfalls um das J a h r 1850 war es in Paris zur Gründung eines Vereins zu Ehren der Slawenapostel Cyrill und Method gekommen; die Gründung ging auf Russen zurück, die Katholiken und Jesuiten geworden waren, wie vor allem Gagarin und Martinov. E i n Brief Martinovs, im J a h r e 1856 an Susil gerichtet, ist sehr aufschlußreich. E s heißt dort: „ I n Paris, wo ich meistens wohne, haben wir auch eine kleine Cyrill- und Method-Gesellschaft gegründet. Unser Ziel ist, für die Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche durch Herausgabe von Büchern und Zeitschriften zu arbeiten und dann mit Hilfe Gottes durch Mission, Schule, Predigt und Beichte und vor allem durch die Liturgie zu wirken. Wir sind gebürtige Russen und sind überzeugt, daß ohne den slawischen Ritus es in unserer Zeit unmöglich ist, die Slawen zu fangen. Bevor «11s Rußland die Tür öffnet, haben wir noch genug 21
Arbeit in allen anderen slawischen Ländern, in Österreich und in der Türkei 1 )." Hier ist sowohl das Programm der Kirchenunion der slawischen Völker als auch die Taktik des Vorgehens klar ausgesprochen. Susil antwortet, seinem Charakter und der Zeit entsprechend, vorsichtig: „Jeder Katholik und besonders jeder katholische Slawe sieht mit großem Vergnügen und großen Hoffnungen den in Paris entstehenden Kreis, dessen Ziel es ist, Rußland mit Rom zu verbinden und der kirchlichen Einheit, die durch unsere heiligen Apostel Cyrill und Method herbeigeführt wurde, in das große Reich Eingang zu verschaffen. Deshalb ist in unserer Diözese und auch anderswo der Gebetsverein verboten; der unaufhörlich darum betet 2 )." Die Ironie ist unverkennbar. Neben den Tschechen in Mähren — in Böhmen arbeitet W. Stulc, der als katholischer Priester im Vordergrund des Prager Slawenkongresses stand, eifrig in diesem Sinne — und den Russen in Paris gründen 1850 die Slowenen in Marburg eine Cyrill- und Method-Gebetsvereinigung, die für die kirchliche Vereinigung der Slawen vor allem beten will. Besonders durch die Anregungen Susils wurde Welehrad in Mähren ein Mittelpunkt der Kirchenunion unter den slawischen Völkern, soweit sie römisch-katholisch waren. Welehrad war nach der Überlieferung der Sitz der Slawenapostel und später ein Zisterzienserkloster, das von Josef II. aufgehoben wurde und 1850 als Wallfahrtsort der Slawen eine Auferstehung feierte. Hier in Welehrad kam es 1863 zu einer Manifestation slawischer Verbrüderung, an der alle katholischen slawischen Völker teilnahmen 3 ). Selbstverständlich war der Blick dieser slawischen Pilger auf Rußland gerichtet, dessen Rückkehr der römischen Kirche besonders erstrebenswert schien. Von allen diesen Bestrebungen, zu einer Kirchenunion aller slawischen Völker zu kommen, wußte Stroßmayer und unterstützte sie. Als römischkatholischer Bischof sah er die Union natürlich unter der Oberhoheit von Rom. Niemand fürchtete deswegen das vatikanische Konzil mehr als er, denn schon aus den Propositionen dieses Konzils war klar, daß der Papst sich mit der festen Absicht trug, seine Unfehlbarkeit vom Konzil definieren zu lassen. Das durfte nicht geschehen, denn Stroßmayer wußte am besten, wie sehr gerade eine solche Erklärung die Trennung der Kirchen noch vertiefen müßte. Das traf aber nach der Meinung des Bischofs vor allem die Einheit der Slawen, für die Stroßmayer kämpfte. *) V g l . B r i e f v o m ig. S e p t e m b e r 1856, hrsg. v o n V y c h o d i l , Z d o b y S u g i l o v y , B r ü n n 1 9 1 7 , S. 4 0 i f . ») V g l . e b d . , S« 401 f. •) V g l . I. A n d r e j e v , V z p o m l n k y na 1880.
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Cyrilo-metodöjsk$' rok
1863,
Sbornik
Velehradsk^,
1. J g .
Nur von diesem Gedanken aus ist es verständlich, warum der Bischof von Djakovo so heftig gegen die Definition der Unfehlbarkeit stritt, so heftig stritt, daß es zu offenem Skandal kam und der leidenschaftliche Redner von seinen ebenso leidenschaftlichen Gegnern in der Peterskirche, wo das Konzil tagte, am Weitersprechen gehindert wurde. Stroßmayer ließ sich durch keine Drohungen einschüchtern, wie viele andere Bischöfe, besonders aus Österreich und Deutschland, sondern er hielt bis zum Schluß des Konzils in der unentwegten Opposition aus und stimmte mit drei anderen Bischöfen gegen die erdrückende Mehrheit seiner Kollegen gegen die Erklärung der Unfehlbarkeit des Papstes zum Dogma der römisch-katholischen Kirche. Stroßmayer war auch der letzte Bischof, der erst 1874 nach schwerstem moralischen Druck das Dogma in seiner Diözese verkündete. Papst Pius I X . war ein entschiedener Gegner der Kroaten und Stroßmayer in Rom persona ingrata. Wie in so vielem anderen ging auch hier Leo X I I I . andere Wege als sein Vorgänger. Gerade Stroßmayer schien ihm der richtige Mann, ihn über die slawische Welt zu beraten. Aus der Begegnung der beiden Männer kam der Ideengang der Enzyklika Grande munus 1 ) vom 30. September 1880 zustande, wenn auch die letzte formale Stilisierung durch Kardinal Bartolini erfolgte. In der Enzyklika schreibt der Papst das Fest der Slawenapostel Cyrill und Method für die Gesamtkirche vor. Diese Gelegenheit benützte der Papst gleichzeitig, um seine Sympathien für die slawischen Völker in der ihm eigenen Beredsamkeit zum Ausdruck zu bringen und zu betonen, welch große Hoffnungen er auf sie setze. „Der Augenblick ist gekommen, daß wir die slawischen Völker unterstützen, deren Wohl und Heil uns so sehr am Herzen liegt." Welches Aufsehen diese Enzyklika in den Kreisen vor allem der slawischen Völker, aber auch über diese weit hinaus erregte, geht aus zahlreichen Zeugnissen hervor. Die Welehrader Unionsbewegung der Tschechen bekam neue Antriebe, eine eigene Zeitschrift, der „Velehradsky Vestnik", entstand im Jahre 1880 und beschäftigte sich natürlich nachdrücklichst mit dem großen Ereignis der Enzyklika Grande munus; gleichzeitig brachte diese Zeitschrift sozusagen als historische Reminiszenz für dieses allen Slawen denkwürdige Jahr 1880 Erinnerungen von der Slawenwallfahrt nach Welehrad im Jahre 1863. Der slowakische römisch-katholische Pfarrer A. Royko spendete 100 Gulden dem Papste für die Enzyklika, die „unsere liebe und teuere slawische Nation so sehr ehrt". Er unterzeichnet sich mit dem charakteristischen Titel „Slawe und Priester". Diese Erklärung wurde vom Velehradsky Vestnik im zweiten Jahrgang 1881 veröffentlicht als eines 1)
Die päpstlichen Rundschreiben werden nach der Herderschen Ausgabe in 6 Bänden, Freiburg l 8 8 i f f . , im lateinischen Original und in deutscher Übersetzung zitiert.
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der Zeichen, wie begeistert die Enzyklika von den slawischen Völkern aufgenommen wurde. Diese Zeitschrift feierte sogar, als sie nach längerer Unterbrechung 1896 wieder erschien, „die wertvolle Tat des slawischen Papstes Leos X I I I . " . Der gleiche Geist offenbarte sich in der sogenannten Slawen wallfahrt nach Rom im Jahre 1881, die den Zweck hatte, dem Papst für die Enzyklika Grande munus Dank zu sagen. Der Anreger dieser Wallfahrt, der sie auch organisierte, war der schon genannte W. Stulc, der im Jahre 1878 Propst von Wyschehrad in Prag geworden war 1 ). Freilich nahmen an der Wallfahrt selbst sehr wenige Tschechen teil, denn hier hatten fieiheitliche Ideen bereits im Zusammenhang mit einer fortgeschrittenen Wirtschaft weitgehend Fuß gefaßt. Dagegen kamen zahlreich wie immer die Polen und vor allem die Kroaten und Slowenen, die Stroßmayer führte. Schon die Reise war eine einzige Kundgebung der slawisch-katholischen Solidarität, und Stroßmayer konnte sich, indem er dem Papst dankte, selbst gratulieren, da er ja wesentlichen Anteil an der Abfassung der Enzyklika genommen. Dies gilt auch für die Verherrlichung der Enzyklika und Leos X I I I . im „Glasnik" (Djakovo 1881) durch den feurigen Slawenapostel des 19. Jahrhunderts. Der Dank der slawischen Völker für die Enzyklika — soweit sie römisch-katholisch waren — war deshalb so stürmisch, weil sich diese, wie aus_ den Dankbezeugungen immer wieder hervorgeht, aus der Minderwertigkeit, in die gerade die katholischen slawischen Völker gedrängt worden waren, durch den Papst herausgeführt glaubten2). Leo X I I I . hatte anläßlich der Slawenwallfahrt in seiner Ansprache erklärt, daß sie, die Slawen, durch den göttlichen Ratschluß einem großen Schicksal aufbewahrt seien. Das mußte das Selbstgefühl ungemein heben. Aber an den römisch-katholischen Slawen lag dem Papst in Wirklichkeit nicht soviel wie an den orthodoxen Slawen. Vor allem die russischorthodoxe Kirche wollte er dem Hirtenstab Petri unterwerfen. Voraussetzung für ein solch kühnes Unterfangen, dessen Schwierigkeit der Papst wahrscheinlich doch nicht voll erkannte, war die Anknüpfung — wie er wenigstens meinte — von diplomatischen Beziehungen zwischen Rußland und dem Vatikan. Der Papst hatte dies von allem Anfang an im Auge und nützte die erste Gelegenheit aus, um die Beziehungen zum Zaren wieder aufzunehmen. E r zeigte sofort seine Wahl zum Papste Alexander I I . an, obwohl die Beziehungen zwischen beiden Mächten abgebrochen waren. Im März 1880 ließ Leo X I I I . durch seinen Wiener ') Vgl. K . ß e h a k , Pout Slovanü do Rima, Prag 1882. •) Vgl. z. B. M. P r o c h ä z k a , Velike zäsluhy sv. Otce I.va X I I I . o närody slovansk£, Oasopis katolicklho duchovenstva 1887.
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Nuntius Jacobini dem Zaren seine Glückwünsche zum 25jährigen Regierungsjubiläum übermitteln und wiederholte sie noch einmal in einem Schreiben vom 12. April 1880. Bei dieser Gelegenheit lenkte er geschickt die Augen des Zaren auf die unbefriedigende Lage der römischen Katholiken in Rußland', die, wie es in dem Briefe heißt, ,,dem Herzen des Papstes sehr nahe stehen". Es kam auch wirklich zu Verhandlungen, die in Wien geführt wurden, und bei denen sich auch die Tschechen einschalteten. So rühmt sich jedenfalls der tschechische Mährer Wurm, ein eifriger Mitarbeiter Susils und seit 1873 Konsistorialrat Bischof Stroßmayers, an der Wiederanknüpfung der diplomatischen Beziehungen zwischen Rußland und der Kurie wesentlichen Anteil genommen zu haben 1 ). In Wirklichkeit war Wurm freilich nichts anderes als ein unermüdlicher Materialbeschaffer für den Nuntius Jacobini, mit dem er durch den niederösterreichischen Grafen Pergen Verbindung bekommen hatte, die er sofort im Sinne der Annäherung zwischen Rußland und der Kurie nach Möglichkeit ausnützte. Das feudal-klerikal-slawische Bündnis in Österreich wirkte sich so für eine Annäherung an den Heiligen Stuhl und Rußland aus, die wiederum von den führenden Staatsmännern Österreichs, wie z. B. die Berichte Reverterás 1865—1868 aus Petersburg zeigten, als eine Gefahr für Österreich gesehen wurde. Die inneren Widersprüche des sogenannten Austroslawismus werden offenbar 2 ). Das Ergebnis der Verhandlungen in Wien war ein Präliminarvertrag vom Oktober 1880 über die Besetzung der Bischofsstühle, die Erziehung des Klerus und die Leitung der Priesterseminare in Rußland. Aber von einer wirklichen Annäherung Rußlands an den Vatikan wollte die russische Regierung noch nichts wissen und teilte deswegen im Regierungsanzeiger vom 17. November 1880 wohl mit, daß zwischen dem russischen Botschafter in Wien, Grafen Oubril, und dem päpstlichen Nuntius Jacobini in Wien Unterhandlungen geführt wurden, aber, heißt es abschließend, „die erwähnten Unterhandlungen dauerten mehrere Monate und haben mit der Abreise des ehemaligen Pronuntius Kardinal Jacobini aus Wien mit einer vorläufigen Übereinkunft ausschließlich über die kirchliche Organisation unserer katholischen Eparchien ihren Abschluß, gefunden" 3 ). Das klingt sehr zurückhaltend. Die mit Mühe angeknüpften Fäden drohten sogar ganz zu zerreißen, als im Herbst 1880 die Vereinbarung zwischen Österreich-Ungarn und dem Vatikan über die Organisierung der römisch-katholischen Hierarchie in Bosnien und Herzegowina 1
) Vgl. M. P r o c b a z k a , P. Ignat Wurm've.svim iivoté, Olmütz 1900.
') Vgl. E. W i n t e r , Der Panslawismus in den Berichten der österreichisch-ungarischen Botschafter in St. Petersburg, Brünn 1944. «) Vgl. Bericht vom 4. März 1881. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1881. .25
bekannt wurde. Hierin sah Rußland als Schutzmacht der Orthodoxen auf dem Balkan einen gefährlichen Einbruch 1 ). Doch Zar Alexander II. war durch das entschiedene Auftreten des Papstes gegen . Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus von Leo X I I I . so sehr beeindruckt, daß ihm viel daran lag, sich mit dieser Macht unbedingt zu verbinden. Zur Bekräftigung der neuen Verbindung sandte der Zar deswegen Anfang des Jahres 1881 nicht weniger als drei Großfürsten nach Rom, die vom Papste in feierlicher Audienz empfangen wurden; aber auch „die Großfürsten überboten sich in Liebenswürdigkeit gegenüber dem Papste", berichtet nicht ohne Verstimmung der österreichisch-ungarische Botschafter am Vatikan, Graf Paar 2 ), und einige Zeit später meldet er nach Wien: „Diese erneute Aufmerksamkeit (die Großfürsten kamen in zwei Gruppen) hat im Vatikan den besten Eindruck gemacht und auf das höchste befriedigt" 3 ). Selbstverständlich mußte auch ein österreichischer Erzherzog sofort nach Rom reisen, um den guten Eindruck, den die russischen Großfürsten in Rom hinterließen, etwas zu verwischen. Die russischen Bevollmächtigten beim Heiligen Stuhl, der Geheimrat Massalov und der Botschaftssekretär Butenev, kamen gleichzeitig mit den Großfürsten zu neuen endgültigen Verhandlungen nach Rom.
1)
Vgl. H. M a r c - B o n n e t , La papauté contemporaine, Paris 1946, S. 82.
•) Vgl. Bericht vom 18.Februar i 8 g i . Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Vatikan 1881: vgl. auch schon Bericht vom 21. Januar 1881 ebd. •) Vgl. Bericht" vom 4. März 1881 ebd.
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3. Rückschläge (1881—1884) in den russisch-vatikanischen Beziehungen Trotz aller Schwierigkeiten schien ein Abkommen zwischen Rußland und dem Vatikan in nächste Nähe gerückt. Da trat ein Ereignis ein, das den Fortgang der Annäherung sehr erschwerte. Am 13. März 1881 erlag Alexander II. einem Attentat, und sein Sohn Alexander III., der ihm auf den Thron folgte, wurde von seinem Erzieher, Pobedonoscev, der 1880 Oberprokurator des Heiligen Synods, d.h. Stellvertreter des Zaren als Oberhaupt der orthodoxen Kirche geworden war, maßgebend beeinflußt. K . P. Pobedonoscev1) stammt aus einer altrussischen Popenfamilie. Sein Großvater ' war orthodoxer Priester, sein Vater hatte orthodoxe Theologie studiert. Konstantin Petrovic selbst wurde aber trotz eines tief religiösen Zuges Jurist und erhielt früh eine Berufung als Professor für Zivilrecht an die Moskauer Universität. Er wurde Verfasser eines Lehrbuches für Zivilrecht. Nebenbei übersetzte Pobedonoscev die Nachfolge und die Evangelien ins Russische. Im Jahre 1862 kam er nach Petersburg als Erzieher des Thronfolgers Nikolaj, und nach dessen frühem Tode erhielt auch der neue Thronfolger Alexander Pobedonoscev als Lehrer und Erzieher. Zu diesem Zwecke übersiedelte Konstantin Petrovic im Jahre 1865 endgültig nach Petersburg, wo er 1868 Senator und vier Jahre später Mitglied des Reichsrates wurde. Dieser Aufstieg des erst 44 jährigen zur höchsten Vertrauensstelle, die das zaristische Rußland zu vergeben hatte, zeigt, welche Hochschätzung sich Pobedonoscev beim Zaren und in dessen Familie erworben haben mußte. Durch seine streng konservative Ausrichtung, die immer das gleiche Ziel vor Augen hatte, Rußland und die orthodoxe Kirche aufs innigste zu verbinden, weil in dieser Vereinigung das Heil des Zartums wie das des russischen Volkstums nach seiner Meinung allein begründet sei, gewann Pobedonoscev einen solchen Einfluß am Zarenhofe, der ihn unangreifbar machte. Die Geradheit der geistigen Ausrichtung wurde bei Pobedonoscev zum Fanatismus. So konnte er der Tatsache nicht gerecht werden, daß und warum ein Gutteil der russischen Gebildeten dem orthodoxen, ja jedem religiösen Glauben völlig entfremdet war und teilweise einen geradezu ekstatischen Atheismus vertrat, der, wie Zajcev von seiner revolutionären Generation erklärte, bereit war, für Moleschott und Darwin das Schafott zu besteigen2). Pobedonoscev stellte sich dem Kommenden entgegen und glaubte, es durch rücksichtslose Härte aufhalten zu können. Von seiner Grundidee aus njußte der Oberprokurator des Heiligen Synods in jeder wirklichen Annäherung Rußlands an Rom notwendig das ') Vgl. F. S t e i n m a n n u. E. H u r w i c z , K . P. Pobedonoscev. Der Staatsmann der Reaktion unter Alexander III., Königsberg 1933. ') Vgl. S. S t e p n j a k , Podpolnaja Rossija (Das unterirdische Rußland), Petersburg 1906.
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Verderben sehen,. Mit Argusaugen mag er bereits die Verhandlungen in Wien verfolgt haben; doch unter Zar Alexander I I . hatte er noch nicht den Einfluß, den er auf seinen Schüler, als dieser im Jahre 1881 als Alexander I I I . den Zarenthron bestieg, ausüben konnte. Ein beträchtliches Maß der Energie, den Fortschritt in Rußland aufzuhalten, die für die Regierung des „Reckenzaren" so charakteristisch war, ging auf Pobedonoscev zurück, denn der phlegmatische Zar selbst war keineswegs der „starke Mann", als der er nach außen auftrat. War auch vor allem die Sorge des Oberprokurators des Heiligen Synods auf die innere Wiedergeburt Rußlands im altrussischen orthodoxen Sinn gerichtet und hielt er sich auch von der russischen Außenpolitik bewußt fern, so war doch seine Einstellung zu Rom und allem, was mit Rom zusammenhing, durchaus fest, und er verfolgte die mit Rom in Verbindung stehenden Fragen mit größter Aufmerksamkeit. Mit K a t k o v befreundet, gehörte er zu den Vertretern des Panrussismus, den er freilich diplomatischer als jener vertrat. Das Schlagwort „Rußland den R u s s e n " sollte durch die russisch-orthodoxe Kirche verwirklicht werden. Auch der frühere russische Gesandte in Konstantinopel und spätere Minister des Innern Graf Ignatev war sein Mitarbeiter. Dieser war ebenso der Meinung, daß nur die Orthodoxie die Slawen einigen könne. Russische Sprache und russische Orthodoxie sind nach ihm die „Waffen, die Südund Westslawen in Verfolgung der religiösen und kulturellen A u f g a b e " haben 1 ). Alle diese Männer verband also die Überzeugung von der Bedeutung der orthodoxen Kirche für Rußland und das Slawentum; das geht aus den Briefen an und von Pobedonoscev deutlich hervor, soweit sie durch Veröffentlichung bekannt wurden 2 ). Nur einige kennzeichnende Hinweise aus diesen Briefen: Graf Ignatev macht Pobedonoscev im Jahre 1881 auf die Vorgänge in Bulgarien aufmerksam, vor allem auf die Gefahr, die von den „Lateinikern" der römisch-katholischen Kirche drohe 3 ). Pobedonoscev wiederum setzt sich dem Zaren gegenüber für den zur Orthodoxie übergetretenen griechischunierten Priester Naumovic in Galizien ein, den er den „besten Repräsentanten des besten Teiles der russischen Bevölkerung in Galizien" nennt und der Huld des Zaren besonders empfiehlt 4 ). K a t k o v schüttet Pobedonoscev sein Herz ebenfalls in der bulgarischen Angelegenheit aus; der Oberprokurator des Heiligen Synods möge sich doch vor Augen stellen, was es heißt, wenn der dänische Prinz Waldemar Fürst von Bull ). So spricht Ignatev in einer Rede im Slawischen Wohltätigkeitsverein in Petersburg nach dem Bericht des österreichisch-ungarischen Botschafters in Petersburg vom 30./i 8. Mai 1893. 9 ) Vgl. K . P. Pobedonoscev i jego korrespondenty, Moskau 1923, und Pisma Pobedonosceva k Alexandra III., 2 Bde., Moskau 1925/26. ') Vgl. ebd., i. Bd., S. 87, Beilage r. 4 ) Vgl. ebd., Brief vom 23. Oktober 1885, 2. Bd., S. 507, Beilage 2.
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garien werden soll, der, selbst evangelisch, eine katholische Frau habe und dessen Kinder katholisch erzogen würden. Welche Gefahr für. Rußland, die ihn (wie er dem Oberprokurator ausdrücklich schreibt) nicht schlafen läßt 1 )! Und wie bewegend weiß Pobedonoscev selbst über den Abwehrkampf der orthodoxen Kirche gegen die mannigfachen römischen Angriffe besonders in Österreich-Ungarn zu klagen, wo alle „Traditionen des Reiches mit der Hegemonie der römisch-katholischen Kirche verbunden sind . . . Unterdessen wirkt die lateinische Propaganda vollkommen frei, nicht allein in Bosnien und in der Herzegowina, sondern auch an anderen Orten Österreichs unter der slawischen Bevölkerung, unter den Slawen und Rumänen in Ungarn, in der Bukowina und in Dalmatien und unter den Unierten derselben Länder, besonders aber unter den galizisch-russischen Unierten". Der ökumenische Patriarch von Konstaötinopel müsse sich sogar zugunsten der orthodoxen Bevölkerung in ÖsterreichUngarn einschalten, aber die Donaumonarchie unterbinde jede Verbindung ihrer Untertanen mit der Außenwelt. Der österreichisch-ungarische Botschafter, der diesen Klageruf Pobedonoscevs nach Wien berichtet, fügt erregt hinzu: ,,Es ist somit erwiesen, daß dieser fromme Mann, dieser berufenste Vertreter aller christlichen Aspirationen der Orthodoxie von der Heiligkeit seiner Bestrebungen so durchdrungen ist, daß er sich in der Wahl seiner Mittel von jeder Beschränkung frei und berechtigt glaubt, einen Nachbarstaat mit Krieg zu überziehen und —• wenn möglich — ad majorem Dei gloriam zum Vorteil der heiligen orthodoxen Kirche und des Heiligen Rußland zu zerstören 2 ). Dies ist also der Mann, der das Vertrauen des Zaren besitzt. Für Leo X I I I . wurde Pobedonoscev der gefährlichste Gegenspieler, obwohl oder gerade, weil beide sich in manchem verwandt waren. Schon rein äußerlich glichen sich die hageren Asketen, die sehr alt wurden. Beide glaubten mittelalterliche Ideen noch einmal für die Neuzeit verwirklichen zu können, wofür sie mit zäher Willenskraft arbeiteten, beide waren hochgebildete, von der Wichtigkeit des Christentums durchdrungene Menschen, beide glaubten durch politische Macht das Ziel am besten erreichen zu können, und beide waren in der Anwendung ihrer Mittel nicht wählerisch, wenn sie auch diplomatisch vorgingen. Das Haupt der römisch-katholischen Kirche stand dem Haupt der russisch-orthodoxen Kirche gegenüber. So ist es verständlich, daß der Regierungswechsel in Rußland in den Verhandlungen mit dem Heiligen Stuhl zunächst zum Bruche führte. ') Vgl. ebd., Brief vom 2. November 1886, 2. Bd., S. 609, Beilage 3. s)
Vgl. Bericht des österreichisch-ungarischen Botschafters in Petersburg vom 29./17. November 1886. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1886.
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Wie so oft in der Geschichte der Verbindung zwischen römischer Kurie und Rußland schiebt sich sofort Polen dazwischen. Eine Vereinbarung des Heiligen Stuhls mit Rußland konnte nach Auffasung der Polen nur auf ihre Kosten gehen. Rußland forderte im Staatsinteresse den weitgehenden Gebrauch der russischen Sprache als innere Amtssprache der römisch-katholischen Kirche und wünschte die Schlußgebete nach der Messe für die sogenannten .westlichen Gouvernements äußer Polen in russischer Sprache. Dies war aber für die Polen, die sozusagen die katholische Kirche in Rußland zu repräsentieren glaubten, unannehmbar, da damit — wenigstens ihrer Meinung nach — der Russifizierung ein weites Tor geöffnet wäre. Wie die Stimmung in Russisch-Polen im Jahre 1881 war, schildert der eindringende aber völlig parteiisch-österreichische Bericht des österreichisch-ungarischen Generalkonsuls Carlos Oliva 1 ). Er verweist auf die Versuche der russischen Regierung, gerade durch Toleranz gegenüber der katholischen Kirche die Polen zu gewinnen, was nach seiner Meinung wie auch nach der Reverterás der einzige Weg für einen polnisch-russischen Frieden gewesen wäre. Aber das Mißtrauen der Polen, doch irgendwie im „russischen Meer ertränkt" zu werden, sei — trotz aller Annäherungsversuche auch über die katholische Kirche — zu groß. „Aus allen diesen Gründen hat sich bei der Bevölkerung in Polen die felsenfeste Meinung herangebildet, die nationale Fortexistenz eines katholischen Polen sei nur außerhalb Rußlands und des orthodoxen Panslawismus möglich." Damit ist wohl am besten vom feudal polnisch-österreichischen Standpunkt aus die Schwierigkeit geschildert, die für eine Annäherung zwischen Rußland und dem Vatikan bestand. Sie war schon bei dem besten Willen von seiten Rußlands und des Heiligen Stuhls vorhanden, wie erst, wenn einer der beiden Partner es noch an diesem Willen fehlen ließ. Die katholischen Polen gingen einen anderen Weg als die katholischen Tschechen und Kroaten, weil sie selbst mit den orthodoxen Russen in einem Staate zusammen lebten und durch eine Annäherung Rußlands an den Heiligen Stuhl sich in nationaler Beziehung gefährdet glaubten. Aus dieser Haltung der klerikal-feudalen Polen Rußland gegenüber war auch im letzten die Verbindung unter den Westslawen, die katholischer Konfession waren, also vor allem den Tschechen und Polen, keine so herzliche, wie sie eigentlich hätte erwartet werden können. Aber auch zwischen Polen und Kroaten gab es Spannungen. Dies geht in besonderer Weise aus dem Verhältnis Stroßmayers zu den Polen hervor. Einerseits achten sich Stroßmayer und die Polen — Stroßmayer ist ihnen der'„größte Katholik slawischer Nation" — aber sie beanstanden an ihm das Panslawentum und die I,iebe zu Rußland, und Stroßmayer wiederum nimmt *) Vgl. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1S81.
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Ärgernis an den Polen wegen ihres „Patriotismus, der sich von der slawischen Brüderlichkeit lossagt" 1 ). Aus all diesem wird verständlich, daß es selbst einem Diplomaten wie Leo X I I I . , der zu den größten Zugeständnissen bereit war, nicht so schnell gelang, die gewünschte Annäherung zu erreichen. Wohl wurden die Verhandlungen weitergeführt, aber es ging sehr langsam, und der russische Unterhändler Massalov, der sich besonders eifrig um einen modus vivendi bemüht hatte, bat bereits im Jahre 1882 — nachdem die Grafen Ignatev und Tolstoj auf Empfehlung Pobedonoscevs hin in den Vordergrund in Rußland gerückt worden waren und er wohl wußte, was dies für ein Abkommen mit dem Vatikan bedeutete — um den Gouverneurposten von Vologda, wo er große Besitzungen hatte. Doch der zweite Russe Butenev verhandelte in Rom weiter. Vor allem ging es um die Ernennung von Bischöfen; es waren nicht weniger als vierzehn katholische Bistümer in Rußland vakant. Daß auch von römischer Seite das Entgegenkommen nicht allzu groß war —dafür sorgte die von Leo X I I I . zur Entlastung seiner Verantwortung klugerweise zu diesem Zwecke eingesetzte Kardinalskommission. In ihr saßen die Italiener De Luca, Ferrieri und Jacobini, der Franzose Billot, der Deutsche Franzelin und der Pole Ledochowski. Besonders letzterer sah streng darauf, daß den Polen in Rußland kein Abbruch geschah. Durch Ledochowski in der Kardinalskommission war ein Ausgleich mit Rußland von vornherein schwierig. So werden auch die sich immer mehr hinschleppenden Verhandlungen verständlich. Auf beiden Seiten waren große Widerstände eingeschaltet, auf beiden Seiten war aber auch die Notwendigkeit klar, eine Vereinbarung herbeizuführen. Und so kam es wohl im Dezember 1882 zu einem Vertrag, doch der Text war begreiflicherweise den vielen Ratgebern gemäß entsprechend dehnbar. Formeln, wie „die kaiserliche Regierung hat sich alle staatlichen Aufsichtsrechte über die katholischen Seminare vorbehalten", waren so elastisch, daß sie jederzeit zu einer Kassierung des Vertrages führen konnten2). Die russische Regierung hätte sich aber nicht einmal zu diesem Vertrag herbeigelassen, wenn nicht der Zustand der römisch-katholischen Kirche in Rußland dringend eine Ordnung notwendig gemacht hätte. Es ging ja darum, die Wiederherstellung geordneter kirchlicher Verhältnisse, vor allem Polens und Litauens, zu erreichen, wo so schlimme Zustände eingerissen waren, daß dem russischen Staat selbst schwere Nachteile entstanden. Die russische Regierung benutzte nun den modus vivendi, um möglichst rasch ihre dringenden Wünsche, deren Erfüllung Vgl. I. E s i h , J . J . Stroßmayer i Poljaci, Obzor, 70. J g . Agram 1929, Nr. 76—96. ') Vgl. den parteiischen, aber interessanten Bericht des österreichisch-ungarischen Botschafters Graf Wolkenstein vom 21. Januar 1883. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1883, 3eilage 10.
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sie von der katholischen Kirche erwartete, in die Wirklichkeit U H I T zusetzen. Aber bald zeigten sich neue Widerstände. Der Bischof von Wilna wurde im Jahre 1884 -wegen Unnachgiebigkeit in der Frage der russischen Sprache in der römisch-katholischen Kirche von der Regierung nach Jaroslavl verbannt. Inzwischen waren im Jahre 1883 die Erinnerungen des orthodoxen Metropoliten in Litauen Josef Simasko 1 ) erschienen, die an die Zeit des Kampfes der Orthodoxie mit den Uniaten erinnerten, an die erinnert zu werden für Rom besonders schmerzlich sein mußte, denn das Ergebnis war das völlige Erlöschen des Uniatentums in den sogenannten westlichen Provinzen Rußlands. Simasko beschränkte sich aber schon nicht mehr auf die westlichen Provinzen, sondern rief den Polen zu, daß die Russen für die Polen wie Moses für die Hebräer seien, sie müßten sie von ihren Unterdrückern, den Panen, befreien. Aber auch sonst mehrten sich in der russischen Presse die Ausfälle gegen den Vatikan und gegen Rom. Der Vatikan wird für Osteuropa geradezu als revolutionäres Element empfunden und die Frage gestellt: „Kann sich die Regierung auf ein Kompromiß mit einem revolutionären Element einlassen?" Die Frage war natürlich schon Antwort. Die „St. Petersburger Nachrichten" vom 20. Juni 1883 a. St. brachten Presseauszüge, in denen behauptet wird, daß im Gegensatz zu Fürst Gorcakov, dem Leiter der auswärtigen Angelegenheiten Rußlands, der Rom für eine konservative Macht halte, die meisten Russen, besonders die jüngeren, ganz im Sinne Pobedonoscevs überzeugt seien, daß die Kurie ein revolutionäres Element sei. Der Kampf gegen eine Vereinbarung mit dem Heiligen Stuhl sei ein „Kampf gegen die Kosmopoliten oder sagen wir meinetwegen: europäisch Gesinnten . . . Da gibt es keine Versöhnung: der Katholizismus läßt theoretisch die Staatsgewalt nur unter der Bedingung ihrer Unterordnung unter die päpstliche zu. Der Katholizismus ist somit eine strikt antistaatliche Macht und in diesem Sinne selbst im Westen eine revolutionäre, und bei uns erst! Die päpstliche Macht war bei uns revolutionär vom Anbeginn an, jeder Versuch derselben, bei uns einzudringen, war nicht nur auf die Zerstörung und Untergrabung der staatlichen Ordnung, sondern gegen die Nationalität, den Glauben und die Sprache gerichtet. Der Katholizismus ist in den westlichen Gebieten Rußlands der Vertreter und das historische Erbe wessen? Der Union und der größten Vergewaltigung an der empfindlichsten Stelle des Volkskörpers. In diesem Sinne ist er auch notwendig ein Freund des Panetums. Er war und ist ein Mittel zur Polonisierung und Unterdrückung des Volkes." 2 ) Dies waren die l
) Vgl. Zapiski Josifa Mitropolita litovskago, Petersburg 1883. ) Vgl. Pressebericht des österreichisch-ungarischen Botschafters Graf Wolkenstein vom 3. Mai / 21. April 1883. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1883, Beilage IT.
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Gedanken Pobedonoscevs, nur hätte dieser sie selbst eleganter zum Ausdruck gebracht. Bei solcher Stimmung konnte die Vereinbarung zwischen Vatikan und Rußland, die erst nach so langwierigen Verhandlungen zustande kam, nicht von langer Dauer sein. Die Ernennung des ständigen Vertreters beim Vatikan, Butenev, zum Gesandten erfolgte trotz des dringenden Wunsches des Papstes nicht, oder sie wurde an Bedingungen geknüpft, die für den Vatikan wegen des entschiedenen polnisch-klerikalen Widerstandes schwer tragbar waren. Der Papst sollte nämlich den katholischen Bischöfen in Rußland die russische Sprache als Amtssprache in der katholischen Kirche zur Pflicht machen, wogegen sich aber die Kardinalskommission, besonders natürlich der Pole Kardinal Ledochowski, entschieden wandte, wenn auch der Papst persönlich zu den größten Zugeständnissen bereit gewesen wäre 1 ). Aber um allein die Verantwortung für einen solchen Schritt zu übernehmen, dazu war Leo X I I I . viel zu vorsichtig, da ja schon sein bisheriges Vorgehen gegen Rußland als Parteilichkeit und Schwäche von nicht unbedeutenden Teilen der römischen Kurie empfunden wurde. E s genügte deswegen schon eine scheinbar geringfügige Angelegenheit, um den neuerlichen Bruch zwischen den beiden Mächten herbeizuführen. Und dies geschah durch eine Rede, die Leo X I I I . an die Uniaten in Podiasien richtete, in der er seiner Art entsprechend sehr vorsichtig auf den schweren Weg des Uniatentums in Rußland hinwies. Das war freilich ein sehr neuralgischer Punkt. Schon dieser vorsichtige Hinweis genügte den Russen, sich über den Papst aufs höchste zu erzürnen. Es wurde sofort von einem „Eingriff in die inneren Angelegenheiten Rußlands" gesprochen. E s müßten „ernste Maßregeln gegenüber dem Vatikan und der katholischen Kirche in Rußland ergriffen werden", erzählte der russische Botschafter beim Quirinal seinem österreichischen Kollegen am Vatikan 2 ). Die russische Regierung verlangte einen Widerruf im „Osservatore Romano", dem offiziösen Organ des Vatikans, wo auch wirklich eine Berichtigung erschien, die ausdrücklich jede Einmischungsabsicht ablehnte. Es wurde bei dieser Gelegenheit auf die Instruktionen hingewiesen, die Leo X I I I . dem päpstlichen Abgesandten Vinzenz Vannutelli bei der Krönung Alexanders I I I . mitgegeben hatte, in denen er diesem „große Vorsicht in seiner Haltung den Uniaten gegenüber" ans Herz legte. Vannutelli habe diese Weisung auch so gewissenhaft erfüllt, daß „die russische Regierung selbst ihm ihre Anerkennung hierfür nicht versagen konnte" 3 ). Aber alle Entschuldigungen halfen nichts; die Beziehungen zwischen Rußland und dem Vatikan wurden abgebrochen. 1)
Vgl. J . M a r t i n o v , De la langue russe dans le culte catholique, I*yon 1874.
•) Vgl. Bericht vom 21. November 1883. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Vatikan 1884. ' ) Vgl. ebd. 3
W i n t e r : Rußland
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Gerade diese ganze Angelegenheit, dieses diplomatische Hin und Her, ist kennzeichnend für die Politik des Heiligen Stuhls im allgemeinen und für die Leos X I I I . im besonderen. Nachgiebigkeit wird bis zum äußerst Möglichen versprochen, wenn Vorteile in Aussicht stehen oder wenn schwere Nachteile drohen. Gleichzeitig erscheinen die vielfältigen Interessen, die sich im Vatikan kreuzen, und das mehr oder minder geschickte Lavieren zwischen diesen Interessen wird deutlich. Das Ganze war eben doch mehr kluge Diplomatie als ehrliches Wollen. Mag auch L,eo X I I I . selbst diesen Willen, mit Rußland zu einer Vereinbarung zu kommen, gehabt haben, weil eben das Ziel, das er damit verband, die Kirchenunion und damit in der Ferne die geistliche Weltherrschaft zu sehr lockte, aber über die Widerstände in der römischen Kurie kam er doch nicht hinaus, die vor wesentlichen Zugeständnissen zurückschreckte. Aber auch der Papst war im letzten mehr klug als großmütig, das zeigt am besten' die Tatsache, daß er die russische Angelegenheit wiederum einer eigenen Kardinalskommission übergab, in der der schärfste Gegner einet wesentlichen Annäherung zwischen Rußland und dem Heiligen Stuhl, Kardinal Ledochowski, saß.
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4. Krise im katholischen Panslawentum Die Mißerfolge in den diplomatischen Verhandlungen zwischen Rußland und dem Vatikan waren gleichzeitig von Krisen im katholischen Panslawentum begleitet. Beides hing ja eng zusammen. Die katholischen Slawen, vor allem Tschechen und Kroaten, hatten sich mit allen K r ä f t e n um eine russisch-vatikanische Verständigung bemüht, denn seit dem Anfang eines katholischen Panslawentums, seit der Kroate J u r i j K r i zanic im 17. Jahrhundert nach Moskau ging, um aus politischen Gründen die russisch-orthodoxe Kirche für die Kirchenunion mit Rom zu gewinnen und dadurch die Einigung aller slawischen Völker zu erreichen 1 ), riß dieses Bemühen nicht ab. Aber der Erfolg dieser Bemühungen setzte ein grundlegendes Entgegenkommen Roms gegenüber den römischkatholischen Slawen in der Frage der Kultsprache und Liturgie voraus. Gleich am Anfang der Christianisierung der Slawen stand diese Frage im Vordergrund, und Rom schien anfänglich zu Zugeständnissen bereit, wie die Erfolge der Slawenapostel Cyrill und Method im neunten Jahrhundert bewiesen. Aber bald wuchs in römischen Kreisen der Widerstand gegen Zugeständnisse auf diesem Gebiete. Die sogenannten heiligen Sprachen (Latein, Griechisch, Hebräisch), in denen die Liturgie allein "gefeiert werden könnte, sollten nicht erweitert werden. Wohl fürchtete Rom die Entstehung von Nationalkirchen, die sich von der Papstkirche unabhängig machen würden. Bis auf geringe Reste altslawischer glagolitischer Kirchensprache bei den Kroaten gelang es Rom, alle Spuren dieser einmal doch sehr weit verbreiteten Bewegung zu vernichten. Nun stellte Bischof Stroßmayer, der Berater des Papstes in der slawischen Angelegenheit, die entschiedene Forderung, daß die römische Kurie ihren Verständigungswillen unter Beweis stelle, indem sie den römischkatholischen Slawen das Privileg der slawischen Liturgiesprache gebe. Das wäre nach Stroßmayer der erste Schritt zu der von ihm und seinen Freunden so sehr herbeigesehnten Vereinheitlichung der Slawen auf kirchlichem Gebiete gewesen. Nur so schien es dem kroatischen Bischof möglich, den ungünstigen Eindruck, den das Vatikanum auf die orthodoxen Slawen gemacht hatte, etwas zu verwischen. Diese Großmut von römischer Seite hätte nach Stroßmayer eine wichtige Voraussetzung für die Kirchenunion der Slawen geschaffen. Deswegen trat er mit dem ihm eigenen Feuereifer für diese Sache bei Leo X I I I . ein. Der Papst wäre selbst bei dem wesentlichen Interesse, das er an der Sache der Kirchenünion unter den slawischen Völkern hatte, durchaus nicht abgeneigt gewesen, Zugeständnisse zu machen, wenn diese zu dem geJ
) Vgl. die letzte Zusammenfassung der Forschungsresultate über Kriäianiö B. D. D a c j u k , Jurij KriäaniC. Moskau 1946 (russisch).
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•wünschten Erfolg geführt hätten. Aber dies war noch keineswegs sicher, zu große geistige und politische Hindernisse standen dazwischen. Vor allem aber war die römische Kurie zu solchen weitgehenden Zugeständnissen in der Liturgiesprache nicht zu bringen. E s wurde nur wie schon seit Jahrhunderten zugestanden, daß die Orthodoxen, die die römische Kirchenunion annehmen würden, ihre bisherige Liturgie als Privileg des Heiligen Stuhles beibehalten dürfen. Weiter ging die Kurie und mit ihr der Papst nicht. Das war aber eine neue große Enttäuschung für Stroßmayer. Er hatte sicher gehofft, den Papst, nachdem er die Enzyklika Grande munus 1880 veröffentlicht hatte, zu wirklichen Zugeständnissen zu bringen. Denn so argumentierte der Bischof von Djakovo gegenüber seinem intimen Freund, dem kroatischen Geistlichen Racki 1 ): Wenn der Papst die Slawenapostel mit so hohen Worten feiert und der Verehrung der Gesamtkirche empfiehlt, muß er auch das heilige Vermächtnis der beiden Brüder, die Kirchensprache, wieder zu Ehren bringen. Aber soweit ging der vorsichtige, diplomatische Leo X I I I . nicht. Auch hier erwies sich Stroßmayer ebenso als Utopist wie in seinem Widerstand gegen die Unfehlbarkeitserklärung des Papstes durch das vatikanische Konzil. E r hat die entgegenstehenden Schwierigkeiten in der Kurie weit unterschätzt. Aber mit dem ihm eigenen Feuereifer und der Begabung ging Stroßmayer auch diesmal ans Werk, um wenigstens einmal für ganz Kroatien die altslawische Kirchensprache, die Glagolitica, zu erreichen, die bisher nur an wenigen Orten kümmerlich vegetierte. Traditionen von alters her bestanden ja noch. Das kroatische Beispiel sollte dann für die anderen, orthodoxen slawischen Völker ein besonderes Anlockungsmittel werden, um sie für die Union mit Rom zu gewinnen. Aber mitten in diese eifrigen Vorbereitungen und Einleitungen kam im Sommer des Jahres 1882 ein Verbot dieser Bestrebungen durch die römische Kurie. Stroßmayer unterwarf sich — mußte sich unterwerfen, wenn er römisch-katholischer Bischof weiterhin bleiben wollte — ebenso wie er sich auch in der Frage der Unfehlbarkeit des Papstes hatte beugen müssen. Wie aus den vertrauten Briefen an seinen Freund, den Domherrn Racki, hervorgeht, geschah die Unterwerfung freilich gegen seine Überzeugung und mit innerer Auflehnung2). Wohl suchte Leo X I I I . seiner Art entsprechend wenigstens noch irgendwie den Schein zu wahren; er sandte deswegen an den unzufriedenen Bischof einen Fragebogen über die slawische Liturgie, in dem festgestellt werden sollte, wo und seit wann diese gefeiert werde und wie liturgische 1
) Brief Stroßmayers an RaCki vom i. August 1880.
') Vgl. F. S i s i i , Korrespondencija RaEki-Stroßmayer, 4 Bde., Agram 1928—1933. Vgl. besonders die Briefe vom 1. Juli—23. Juli 1882 von Stroßmayer an Ragki, wo ausführlich von dem Kampf um die altslawische Kirchensprache die Rede ist.
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Bücher in der altslawischen Kirchensprache herausgegeben werden könnten. Aber die Sache war bereits entschieden. Racki empfahl dem Bischof, den Papst auf die Bedeutung dieser Frage für die Kirchenunion der slawischen Völker besonders zu verweisen; die orthodoxen Slawen würden den Haupteinwand gegen eine Kirchenunion mit Rom verlieren und es würde überzeugend offenbar, daß die römische Kirche eine Freundin ihrer Nationalität sei. Aber dies hatte Stroßmayer schon gründlich getan;-in einem neuerlichen diesbezüglichen Memorandum an den Papst hob er diesen Gedanken noch einmal stark hervor, doch erwartete er nichts mehr. In Wirklichkeit erfolgten nur kleine Zugeständnisse. So durfte in Welehrad in Mähren an bestimmten Festtagen die Liturgie in altslawischer Sprache gefeiert werden. Dies war aber Stroßmayer zu wenig. E r war tief verstimmt und gab seither innerlich die Hoffnung auf eine Kirchenunion der Slawen besonders mit Rußland auf, wenn er auch weiterhin immer wieder einmal vorstieß, um die ihm so wichtig scheinende Angelegenheit nicht ganz zur Ruhe kommen zu lassen. Im Jahre 1885 sollte auf Wunsch Stroßmayers und vieler seiner Gesinnungsgenossen der 1000jährige Todestag Methods feierlich in der ganzen slawischen Welt begangen werden als Zeichen der slawischen Solidarität und im Hinblick auf die Kirchenvereinigung der slawischen Völker. Aber die Voraussetzung für ein solches Fest war für Stroßmayer die Gestattung der slawischen Liturgie; sollte hier Rom weiterhin karg bleiben, so beabsichtigte Stroßmayer, wie er Racki schreibt, weder nach Welehrad noch nach Rom zu gehen, um auf diese Weise seine Unzufriedenheit offen zu manifestieren. Stroßmayer fürchtete bei einer solchen Unionsfestlichkeit in Welehrad, daß die Polen die von ihm beabsichtigte katholische panslawistische Manifestation gegen die Russen benutzen könnten 1 ). Und so kam es, wie es kommen mußte: die Slawen, die Katholiken und Orthodoxen wurden sich durch das Jubeljahr nicht nähergebracht, sondern auf konfessionellem Gebiete nur noch weiter voneinander abgestoßen. Die orthodoxen Russen, Bulgaren und Montenegriner begingen den Festtag mit besonderer Feierlichkeit und mit der ausdrücklichen Zielsetzung, gegen die römische Kirche zu manifestieren. Es wurde eine Demonstration nicht für die Einigkeit im Glauben aller Slawen, sondern „für die Einigkeit der orthodoxen slawischen Völker unter russischer Führung". Schon die Einleitung zum Jubeljahr war keine einheitsverheißende. Ein Artikel Aksakovs in der „ R u s " vom 2. Februar 1885 a. St. (Nr. 5) brachte unter der Merke „Zur Cyrill- und Methodfeier in Welehrad" folgende Be*) Vgl.'Brief vom 30. November 1884 an Raöki, a . a . O .
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trachtungen: „Die politischen Unterlagen zu den Feierlichkeiten von Welehrad, welche für einen jeden von Anfang an sichtbar waren, sind jetzt in ihrer ganzen Verruchtheit an die Oberfläche gekommen und zeigen klar die ganze Heuchelei, welche unter der religiösen Maske verborgen war. Das Ostslawentum läßt sich sichtlich nicht verleiten durch den großen lateinisch-polnischen Schwall von Lug und Trug und wird sich höchstwahrscheinlich mit einer kirchlich-religiösen Verehrung der Heiligen Cyrill und Method begnügen." Zwei slawische Richtungen im kirchlichen Gewand treten sich also scharf gegenüber: eine orthodoxe und eine römisch-lateinische. „Die Slawen", heißt es in dem Artikel in der ,Rus' weiter, „verwandelten sich aus Stiefkindern in die am liebsten gesehenen Angehörigen der römischen Kirche. Unter dem Schutze Österreichs, welches den Katholizismus zu einer der besten Regierungsgrundlagen zählt, kam die manifeste polnisch-tschechisch-kroatische Pilgerfahrt nach Rom im Jahre 1881 zustande, wuchs der eigenartige westliche (katholische) Panslawismus, welcher, wie man versichert, für Österreich nicht gefährlich war, sondern sogar geeignet, ihm neue K r a f t zu verleihen." Mit Genugtuung wird gleichfalls festgestellt, daß unter den Tschechen und auch unter den Kroaten „trotz der wunderbar abgerichteten Geistlichkeit mit einem so talentvollen Führer wie Stroßmayer, welchen man mit Grund den Initiator dieser Angelegenheit nennen kann", die Begeisterung für die Welehrader Feier gering sei. Aber auch selbst das nur den intimsten Kreisen um Stroßmayer bekannte Abseitsstehen des Bischofs von Djakovo ist der ,,Rus" nicht verborgen geblieben, so daß der Artikel wohl aus diesen Kreisen inspiriert sein muß. Dafür war die Agitation in Lemberg, Krakau und Posen für die Feier in Welehrad außerordentlich groß, wogegen sich aber wiederum die deutsche Regierung, vor allem Bismarck, wandte. Sie sahen in der Welehrader Manifestation ein gegen das Deutschtum gerichtetes Komplott und die „Neue Freie Presse", die Kaiser Franz Josef täglich mit besonderer Aufmerksamkeit las, sprach offen von einem katholischen Panslawismus, der imstande sei, „die langjährige Friedensarbeit in Österreich zu vernichten und eine ernste Gefahr für Österreich zu schaffen". Die Welehrader Feier verlief deswegen sehr still, ja es trat ein offensichtlicher Rückschritt in der slawisch-katholischen Unionsarbeit ein; die im Jahre 1880 errichtete Zeitschrift „Velehradsky Vestnik" ging ausgerechnet im Jubeljahre 1885 ein, kein Zeichen für die K r a f t des Unionsgedankens unter den Tschechen und den katholischen Slawen. Die Tragik des katholischen Panslawentums wird in ihrer ganzen Ausdehnung offenbar. Niemand hat dies so sehr empfunden wie Stroßmayer, der Anreger der Bewegung und ihr ehrwürdigster Patriarch, wie aus seinen Briefen deutlich hervorgeht. Ohne eine gründliche und wesent38
liehe Kirchenreform glaubt der kroatische Bischof nicht an eine Kirchenunion, die ihm doch aus politischen Gründen so sehr am Herzen lag. Rom muß nach ihm universaler werden und darf nicht eine national italienische Angelegenheit bleiben, wie dies bisher gewesen sei. Auch vom Papst erwartet er trotz dessen Bemühen um die slawische Sache nicht viel, und als Leo X I I I . im Jahre 1882 in der Frage der altslawischen Kirchensprache zurückwich, schrieb er: „Der Heilige Vater ist weise, gelehrt und heilig, aber leider Gottes nicht genial, sonst müßte er die Macht erkennen, die ihn zum vollen Gegenteil führt von dem, was er beabsichtigt 1 ). Stroßmayer erhofft sich deswegen von Rußland das Heil, daher auch sein Telegramm anläßlich der 900- Jahr-Feier der Christianisierung Rußlands, das selbst in Rom, vor allem aber in Wien und Budapest entschiedenen Widerspruch fand. Das aufsehenerregende Telegramm lautete: „Ich habe die Ehre, mit aufrichtigster Freude an Ihrem Feste teilzunehmen. Die Liebe des heiligen Vladimir, der heilige Glaube ist die Auferstehung und das Leben, Licht und Ruhm für das ganze russische Volk. Möge Gott Rußland segnen und ihm helfen, im wahren Glauben mit Gottes Hilfe und christlichem Heldenmut trotz seiner übrigen Aufgaben auch jene große Weltmission, die ihm von Gott bestimmt ist, zu erfüllen." Das ungarische Regierungsblatt „Nemzet" bemerkt bösartig zu diesem Telegramm, daß sich keine russisch-orthodoxe Erklärung hätte russischer ausdrücken können als dieser römisch-katholische Bischof. Kaiser Franz Josef tadelte den Bischof öffentlich, als dieser sich anläßlich der Manöver in Kroatien im Hauptquartier einfand, und Leo X I I I . erteilte dem Bischof von Djakovo eine Rüge, die dieser Racki gegenüber auf den Einfluß der Feinde der Kirche auf den Papst zurückführte 2 ). Nicht von der italienischen Kurie kann also nach Stroßmayer — überspitzt ausgedrückt — die Einigung aller Slawen kommen, sondern nur vom Heiligen Rußland. Dies ist seine Überzeugung, die er freilich nicht offen aussprach und nicht aussprechen konnte, ohne verurteilt zu werden. So zog er sich nun noch mehr zurück. Es ist deswegen auch vollkommen verständlich, daß Stroßmayer mit Solovev, dem eigenartigen religiösen russischen Denker, nicht übereinstimmen konnte, so sehr er sich anfänglich für ihn interessierte und dessen Bestreben, Rußland mit Rom zu versöhnen, begrüßte. Zuerst im Jahre 1883 hatte der Bischof Sorge, daß Solovev in Rom für seine Bestrebungen doch nicht das richtige Verständnis finden werde, wie er es verdiente, denn die Kirchenunionsfrage müßte von einem hohen universellen Standpunkt aus gelöst werden und „nicht innerhalb des recht *) Vgl. Brief an RaCki vom 19. Juli 1882, a. a. O. *) Vgl. Brief an Rafiki vom 24. August 1888, a. a. O.
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engen Horizontes der Monsignori in R o m " 1 ) . Stroßmayer wünschte, daß Racki bei seiner Reise nach Rußland nicht versäumen sollte, Solovev zu besuchen, und Racki schreibt nach der ersten Begegnung mit dem russischen Philosophen, daß dieser ein überzeugter Katholik sei und sich auch mit Stroßmayer in Verbindung setzen wolle. E s kommt auch zu persönlichen Begegnungen. Aber die beiden Männer sind zu grundverschieden in ihren letzten Zielen, um auf die Dauer zusammenzugehen. Solovev sieht nur das Religiöse und lehnt eine Verquickung der Kirchenunionsfrage mit Politik entschieden ab. Am zeitgenössischen Rußland übt Solovev eine vernichtende Kritik, so vernichtend, daß Stroßmayers slawische Gefühle verletzt sind. Dagegen steht Rom vor dem Russen, in völliger Unkenntnis der Wirklichkeit, in hellstem Licht, während Stroßmayer aus langjähriger E r fahrung tiefe Schatten sieht. So wird verständlich, daß sich beide sehr bald nichts mehr zu sagen haben, besonders nachdem Solovev seine Schriften zur geistigen und religiösen Situation 1888 und 1889 erscheinen ließ. Wie merkwürdig sind doch diese Begegnungen von slawischen Unionsfreunden, die freilich das herkömmliche Klischee gründlich zerbrechen. Die vertraulichen Briefe der maßgebenden Männer sprechen eine ganz andere Sprache als die offizielle römische Kirchenunionspropaganda. Wie überschneiden sich religiöse mit kirchenpolitischen und rein politischen Anliegen! Nur so wird einigermaßen klar, warum die doch so eifrigen Unionsbemühungen so wenig Erfolg hatten. Ferner welch merkwürdiges Gebilde ist doch dieses katholische Panslawentum, das voll innerer und äußerer Widersprüche steckt. E s hängt sehr eng mit dem sogenannten Austroslawismus, der eine eigene Spielart des katholischen Panslawentums ist, zusammen. Die katholische Sendung der Habsburgermonarchie gegen den Islam wendet sich später gegen die Orthodoxie. Die Donaumonarchie hatte in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts noch immer vier Millionen Orthodoxe, hauptsächlich Slawen, innerhalb ihrer Grenzen und auch die Kirchenunion, wenn auch die erfolgreichste in der katholischen Welt — vier Fünftel aller Uniaten stammen aus dein Reich der Habsburger — stand auf schwachen Füßen und wurde im 19. Jahrhundert nur noch recht lässig im Sinne des Habsburger Herrschaftsgedankens, wie ihn gerade die Russen so entschieden ablehnten 2 ), unterstützt. Da war Moskau viel konsequenter gewesen, es hatte es freilich auch leichter gehabt, denn die höchste kirchliche Autorität, der Heilige Synod, M Vgl. Brief an Raüki vom 19. Dezember 1883, a. a. O. ') Vgl. Pobedonoscevs diesbezügliche Auslassungen nach dem Bericht des österreichisch-ungarischen Botschafters in Petersburg vom 29./17. November 1886. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1886.
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war jederzeit zur Hand und zu allem bereit, was die Förderung der Orthodoxie unter den Unierten verlangte. Die römische Kurie hatte dagegen stets mehrere Eisen im Feuer und war nicht selten der entschiedene Gegner der Habsburger, und dies gerade oft in entscheidenden Zeiten, wie z. B. im Dreißigjährigen Kriege. Der romantisch-nationale Gedanke war für die Entwicklung des Austroslawismus anfangs ebenso entscheidend wie für den Panslawismus. E s war ja im Kern ein katholisches Panslawentum, das da vor allem in Wien unter dem Einfluß des deutschen Romantikers F. Schlegel am Anfang des 19. Jahrhunderts entstand. Der Tscheche Dobrowsky und der Slowene Kopitar, beide von F. Schlegel geistig beeinflußt, waren die wissenschaftlichen Begründer des Austroslawismus. Die römisch-katholische Grundlage erschien für den Austroslawismus als selbstverständlich. Doch auch zu Rußland wollten Männer wie Dobrowsky keinen Gegensatz. Die beiden slawischen Reiche, Österreich und Rußland, hätten nach diesen im friedlichen Wettbewerb nebeneinander darum zu ringen, wer mehr für das Slawentum zuwege bringe. Doch wurde der Austroslawismus von-Metternich und von späteren österreichischen Staatsmännern als politisches Instrument gegen Rußland gefördert. Rußland sah deswegen nicht mit Unrecht in dem Austroslawismus eine gegen sich gerichtete Bewegung, vor allem solange das polnische Problem keine Lösung gefunden hatte. Umgekehrt sah Österreich in Rußland als Schutzmacht der orthodoxen Slawen einen sehr gefährlichen Gegner, der unbedingt zurückgedrückt, ja vernichtet werden müsse. Gegen das orthodoxe Panslawentum unter iussischer Führung wurde ja der Austroslawismus von den österreichischen Staatsmännern angeregt und als Mittel zum Zweck unter ihrer Aufsicht und mit ihrer Förderung geduldet. Nach 1848 versuchte sich der Austroslawismus seiner politischen Vormundschaft zu entziehen, was aber keineswegs gelang. Sicherlich hätten die katholischen slawischen Völker, die Tschechen, Slowaken, Kroaten, Slowenen und Polen in der österreichischen Monarchie einen Hort finden können. Aber das im 19. Jahrhundert immer stärker anwachsende radikale Nationalbewußtsein mit dem gleichzeitig immer deutlicher werdenden Erkalten der Anhänglichkeit an die römische Kirche wirkte sprengend. Außerdem wollten Deutsche, Madjaren und Italiener ihr wirtschaftliches, geistiges und politisches Übergewicht, das sie im Laufe von Jahrhunderten in der Donaumonarchie gewonnen, nicht freiwillig wieder aufgeben. Hinter den nationalen Gegensätzen stehen im letzten Klassengegensätze, die nicht auf kirchlichem Gebiete auszufechten sind. Sicherlich hat die Erneuerung des Cyrill- und Methodgedankens anfänglich bestärkend auf den Austroslawismus gewirkt. Welehrad wurde der Treffpunkt aller katholischen Slawen. Gemeinsamkeiten entstanden wieder, die das zaristische Rußland keineswegs wünschte. Deswegen er41
folgten die scharfen Ausfälle der russischen Presse anläßlich der Slawenwallfahrt nach Rom im Jahre 1881 und der Welehrader Tagung im Jahre 1885. Durch die feudal-klerikal-slawische Zusammenarbeit unter dem österreichischen Ministerpräsidenten Grafen Taaffe gegen den großbürgerlichen Deutschliberalismus ergab sich ein günstiger politischer Nährboden für den Austroslawismus. So konnte auch die Enzyklika Grande munus als eine Unterstützung des Austroslawismus angesehen werden, wenn sie auch nicht als solche gedacht war, denn das Ziel für Stroßmayer wie auch für Leo X I I I . war nicht in erster Linie Österreich, sondern Rußland, das es für die katholische Kirche zu gewinnen galt. Im gleichen Jahre der Enzyklika erschien von dem italienischen Monsignore Pressuti das Werk „II Papato et la civiltà degli slavi meridionali 1 )", in dem der austroslawische Standpunkt sehr entschieden vertreten wurde. Österreich wird hier als die Schutzmacht der katholischen Slawen auf dem Balkan angesehen. Besonders von der Annexion Bosniens und der Herzegowina erwartet Pressuti für die Zukunft noch Großes für die katholische Kirche. Die Regelung der Hierarchie in Bosnien und in der Herzegowina sei der erste Schritt. Gerade solche Töne verstimmten Rußland so sehr, daß die eben begonnenen russisch-vatikanischen Unterhandlungen Herbst 1880 in Wien unterbrochen wurden. Im Jahre 1881 wurden im Sinne der österreichisch-vatikanischen Vereinbarung das Erzbistum Sarajewo und die Bistümer Banjaluka und Mostar errichtet. Von Anfang an war freilich die Frage der Kandidaten für die Bistümer eine schwierige Angelegenheit. Bis zur Okkupation wurde die Seelsorge nämlich hauptsächlich von kroatischen Franziskanern geleistet. Der Kaiser ernannte für Sarajewo aber den Weltpriester Stadler zum Erzbischof und Metropoliten und zwei Franziskaner zu seinen Suffraganen in Mostar und Banjaluka. Stadler dachte großkroatisch. Dadurch unterschied er sich von Stroßmayer, der südslawisch gesinnt war und den Serben mit derselben Liebe entgegentrat wie den Kroaten. Die'Ernennung Stadlers zum Erzbischof von Sarajewo war ein schwerer Schlag gegen Stroßmayer, der bisher der römisch-katholische Bischof für Bosnien war und dem auch Serbien, soweit es katholisch war, unterstand. Es wäre also das Natürliche gewesen, den bisherigen Bischof von Bosnien zum Erzbischof von Bosnien und der Herzegowina zu machen. Aber dagegen waren vor allem die Madjaren, die gerade die gesamtslawische und speziell südslawische Ausrichtung Stroßmayers fürchteten, denen deswegen doch Stadler genehmer war. Stroßmayer hatte umgekehrt von dem neuen Erzbischof keine hohe Meinung. Er besaß ihm zu wenig scharfen Verstand und freien Willen2). ') Rom 1880. ') Vgl. Brief Stroßmayers an Raöki vom 23. Januar 1882, a. a. O.
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Zu den politischen kamen persönliche Gegensätze, die ein Zusammenwirken der beiden Bischöfe von Anfang an trübten. Ferner traten die Gegensätze zwischen Welt- und Ordensklerus hinzu. Das Streben des neuen Erzbischofs von Bosnien ging dahin, möglichst rasch eine geregelte Pfarrseelsorge mit Weltpriestern zu errichten, wodurch sich aber die Franziskaner in ihren Missionsvorrechten zurückgedrängt fühlten. Diese, inneren Gegensätze lähmten von allem Anfang ah das Aufbauwerk der römisch-katholischen Kirche in Bosnien und in der Herzegowina. Begreiflicherweise sahen sich die kroatischen Bischöfe und die kroatischen Katholiken als besondere Exponenten des Katholizismus nicht nur in den früheren türkischen Provinzen, sondern auf dem ganzen Balkan. Die Schärfe, mit der sie in ihrer Werbung und Agitation im Gegensatz zu Stroßmayer vorgingen, war häufig höchst unklug und erregte Haß bei Mohammedanern und Orthodoxen, die die weitaus größere Zahl der Einwohner Bosniens und der Herzegowina darstellten. Erzbischof Stadler vertrat, um seine kirchlichen Bestrebungen wirksam zu unterstützen, politische Ziele mit seinem Missionswerk, für das er politische Voraussetzungen schaffen wollte. Deswegen trat er für den sogenannten Trialismus ein: neben Österreich und Ungarn sollte als dritter, weitgehend selbständiger Partner ein Großkroatien erstehen, zu dem neben Bosnien, der Herzegowina und Dalmatien auch die zur ungarischen Krone gehörigen Länder Kroatien und Slawonien kommen sollten. Die feudal-klerikal-slawischen Kreise in Österreich standen hinter dem Plan. Dagegen wehrten sich aber die Madjaren und die ungarisch und jugoslawisch Gesinnten unter den Serben und Kroaten mit Leidenschaftlichkeit. Da Bosnien und die Herzegowina von dem gemeinsamen k. u. k. Finanzministerium, in dem der ungarische Einfluß groß war, verwaltet wurden, gab es im sogenannten Okkupationsgebiet zahlreiche maßgebende ungarische Beamte, die nicht selten Calviner waren und ihren Einfluß gegen jede Form von katholischem Panslawentum geltend machten, ganz gleich, ob es nun katholischer Illyrismus oder Austroslawismus war. Diese Kreise verbanden sich viel lieber mit den Moslems und orthodoxen Serben gegen die katholischen Kroaten, die ja im Lande auch nur kaum ein Viertel der Bevölkerung darstellten. Die österreichisch-ungarische Regierung konnte sich unter diesen Umständen zu keinem einheitlichen Vorgehen aufraffen. Sie erschien nach außen als katholische Schutzmacht, vor der sich die Orthodoxen besonders auf dem Balkan fürchteten und gegen die sie entschieden kämpften; in Wirklichkeit aber waren ganz andere Kräfte als katholische in Österreich-Ungarn maßgebend. Die Warnung, mit dem Schlagwort katholische Schutzmacht auf dem Balkan nicht zu spielen — die in einem zusammenfassenden Bericht über die Cyrill- und Methodfeiern im Jahre 1885 auf dem Balkan und in Rußland von einem Be43
amten des österreichisch-ungarischen Außenministeriums an dieses gerichtet wurde, überhörte man am Ballhausplatz und in der Hofburg in Wien geflissentlich'. In dem Berichte hieß es zusammenfassend: „Die über den Verlauf der Methodfeiern in den Balkanländern bekannten Kundgebungen gestatten den Schluß, daß die Bestrebungen, die Südslawen der katholischen Kirche zuzuführen, derzeit keine Aussicht auf Erfolg haben. Bei der gegenwärtigen Richtung der slawischen orthodoxen Bevölkerung auf dem Balkan, welche an dem ererbten Glauben mit starrem Fanatismus festhält, wird eine Fortsetzung der kirchenunifikatorischen Bestrebungen nur unser politisches Interesse schädigen und Rußland vorteilhafte Agitationsmittel in die Hand liefern" 1 ). Aber solche realpolitischen Erwägungen verhallten ungehört. Die österreichische Politik ließ sich nicht irremachen und schob weiter ihr Eintreten für die römisch-katholischen Interessen und Kirchenunionsbestrebungen vor ihre eigentlichen imperialistischen Ziele. Der Zusammenstoß mit dem zaristischen Rußland als Schutzmacht der Orthodoxen wurde unvermeidlich. Die Krise im konfessionell begründeten Panslawentum um 1885 war offenbar und entsprach durchaus den großen politischen Gegensätzen zwischen Rußland und Österreich mit latenter Kriegsgefahr. Männer wie Stroßmayer, die zwischen den beiden Mächten zu stehen versuchten, mußten weichen und wurden von beiden abgelehnt. Von dem österreichisch-ungarischen Kaiser wurde derselbe Stroßmayer nach seinem Telegramm an die Kiewer Cyrill- und Methodfeier wegen seiner Russophilie öffentlich getadelt, derselbe, der von der russischen Zeitung „Novoje V r e m j a " als „ebenso gewandter wie gefährlicher Gegner der orthodoxen K i r c h e " abgelehnt wurde, wobei der serbische Patriarch von Karlowitz (Ungarn) aufgefordert wurde, „gerade diesen Gegner und seine Propaganda erfolgreich zu bestehen" 2 ). Dazu kam das polnische Problem 3 ). Bismarck gelang es, den Vatikan zu bestimmen, nach der Liquidierung des Kulturkampfes auch den Streit um das Erzbistum Posen im deutschen Sinn zu lösen. Anfang März 1885 erfolgte in diesem Zusammenhang durch Leo X I I I . die Ernennung des Erzbischofs von Posen Graf Ledochowski zum Sekretär des Breven. Als Kurienkardinal war an eine Rückkehr nach Posen night mehr zu denken. Folgerichtig teilte er Anfang 1886 seine Resignation auf den Posner erzbischöflichen Stuhl mit und nannte den Deutschen J . Dinter als Nachfolger. Alle polnischen Proteste wurden von Leo X I I I . ungnädig abgelehnt. Die gutkatholischen Polen wurden wieder einmal vom Vatikan als Handelsobjekt benützt. E s sollte nicht das letztemal sein. Vgl. zusammenfassenden Pressebericht 1885. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1885. ) Novoje Vremja vom 29. Dezember 1881 und 10. Januar 1882. ) Vgl. J . B e h r e n d t , Die polnische Frage und das österreichisch-deutsche Bündnis 1885—1887Dissertation Marburg 1927, S.42 ff. a
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5. Wiederanknüpfung der russisch-vatikanischen Beziehungen 1887-1888 Leo X I I I . war keineswegs der Mann, der einen einmal ins Auge gefaßten Plan aufgab, so schwierig er auch sein mochte. Deshalb läßt sich der Papst durch den Abbruch der Beziehungen mit Rußland im Jahre 1884 und durch die Spannungen zwischen orthodoxem und katholischem Slawentum keineswegs von seinem Plane, mit Rußland in Verbindung zu kommen und es für eine Kirchenunion zu gewinnen, abbringen. Wie ein Falke späht er nach einer besseren Gelegenheit •— und sie kam oder schien wenigstens zu kommen, und zwar auf dem von ihm stets besonders beachteten Gebiet der Weltpolitik. Am Anfang seines Pontifikates glaubte Leo X I I I . vor allem durch die Versöhnung mit der damals stärksten Macht, dem Deutschland Bismarcks, Schutz zu finden. Der schmächtige Greis schien sich hinter den gewaltigen Schultern des allgemein gefürchteten deutschen Staatsmannes am sichersten zu fühlen. Der Papst erreichte die Liquidierung des Kulturkampfes durch Bismarck, der wiederum den päpstlichen Einfluß auf die klerikale Zentrumspartei für seine innenpolitische Stellung brauchte. Ein geschickter Schachzug Bismarcks, der zeigt, wie genau der Staatsmann den Papst kannte, war die Anrufung des Papstes in dem Streit um die Marianeninseln als Schiedsrichter zwischen Spanien und dem Deutschen Reich. Das war ganz im Sinne des Papstes, als arbiter mundi aufzutreten, und es ist nicht ohne Humor zu sehen, wie alle Nuntien und das gesamte Staatssekretariat eifrigst bemüht sind, dem Papste zu helfen, um aus dieser weltpolitischen Angelegenheit glorreich hervorzugehen. Rampolla, der damals Nuntius in Madrid war, rühmte sich, ebenso für die Spanier gearbeitet zu haben wie Galimberti, der Zwischenmann nach Berlin, sich rühmte, es für die Deutschen getan zu haben. Als dann Bismarck den Ipapst in einem Dankschreiben für den verliehenen Christusorden mit Sire, also mit dem Prädikat für einen regierenden Herrscher ansprach, da schien die Freundschaft dieser beiden so ungleichen Männer verewigt.Der Mitarbeiter und Ratgeber des Papstes, der sehr begabte, aber nicht übermäßig charakterstarke Galimberti, hat im Sinne eines Zusammengehens des Vatikans mit Deutschland stets seinen nicht geringen Einfluß auf den Papst ausgeübt. In einem Bericht des österreichisch-ungarischen Botschafters beim Heiligen Stuhl wird auf die Bemühungen Galimbertis um die Versöhnung zwischen Papst und Italien unter Ver ; mittlung Deutschlands hingewiesen. „Dieses Ziel im Auge, gab Galimberti", wie es in einem Bericht heißt, „in allen anderen Fragen der Unternehmungslust des Papstes nach, ja ohne sie zu teilen, schmeichelte 45
er ihr sogar, so z. B. in der von Bischof Stroßmayer mit Feuereifer inszenierten und von Kardinal Bartolini unterstützten slawischen Aktion" 1 ). Aber dies gehörte damals, als es geschrieben wurde, nämlich im Jahre 1888, bereits der Vergangenheit an; so schnell gingen die Veränderungen, daß die Diplomaten nicht einmal mitkamen; Galimbertis Einfluß war nämlich bereits 1887 zurückgetreten, und ein neuer Stern am Himmel des Vatikans war erschienen, Rampolla. Als im Jahre 1887 der Kardinalstaatssekretär Jacobini, der ein getreuer Knecht seines Herrn war, starb, erwartete man eigentlich die Ernennung des Lieblings und einflußreichen Ratgebers Leos X I I I . , Galimbertis, zum Kardinalstaatssekretär oder doch wenigstens zum maßgebendsten Mann im Staatssekretariat; in Wirklichkeit wurde aber der Nuntius Rampolla in Madrid Kardinal und gleichzeitig Staatssekretär. Galimberti mußte dagegen nach Wien als Nuntius gehen, von wo er erst im Jahre 1893 als Kurienkardinal nach Rom zurückkehrte. Leo X I I I . hat sich wohl auch weiterhin Galimbertis als Ratgeber bedient; es entsprach seiner Eigenart, gegensätzliche Meinungen aufeinanderprallen zu lassen, um dann zu entscheiden; doch Rampolla saß rasch zu fest im Sattel; um die Zügel aus der Hand gleiten zu lassen, mochte auch Galimberti dem Kardinalstaatssekretär noch so konsequent entgegentreten und ihm Schwierigkeiten bereiten, wo sich eine Möglichkeit bot. Was war eigentlich geschehen, daß dieser Kurswechsel im Vatikan eintrat? Es hatte sich die weltpolitische Situation grundlegend geändert. Das Zeitalter des Imperialismus hatte in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts begonnen. Die großen Weltmächte gruppierten sich zur letzten Auseinandersetzung um die wirtschaftliche und politische Weltherrschaft. Schon im Jahre 1882 schloß sich Italien an den drei Jahre früher begründeten Zweibund Österreich—Deutschland an. Im Jahre 1887 wurde dieses Bündnis erneuert und befestigt. Durch den Dreibund fühlten sich aber Rußland und Frankreich bedroht und glaubten nur durch enges Zusammengehen sich vor Übermacht schützen zu können. Besonders Rußland fühlte die Isolierung und hielt sich von Deutschland verraten und von -Österreich vor allem auf dem Balkan bedroht. Die bulgarische Angelegenheit entwickelte sich nicht so, wie Rußland glaubte nach dem Befreiungskrieg 1878 erwarten zu können. Sowohl Alexander von Battenberg als auch der 1887 von dem bulgarischen Sobranje gewählte Ferdinand von Koburg-Kohäry gingen als Fürsten von Bulgarien ihre eigenen Wege, indem sie sich von Rußland nicht beeinflussen lassen wollten. Ferdinand Koburg-Kohäry war, ehe er Fürst Vgl. Bericht vom 24. August 1888. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Vatikan 1888, Beilage 12
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von Bulgarien wurde, österreichisch-ungarischer Offizier und gehörte nicht nur einem alten deutschen Fürstengeschlecht, sondern auch einer der reichsten Gentryfamilien Ungarns an. Außerdem war er römischkatholisch. Damit war seine politische Hinneigung zu den sogenannten Mittelmächten offenkundig. Durch diese Spannung auf dem Balkan drohte dauernd ein österreichisch-ungarisch-russischer Krieg, der eine Reihe anderer Mächte mit hineingezogen hätte. Da Deutschland der Bundesgenosse Österreich-Ungarns war, würde dessen Eingreifen notwendig, was wiederum automatisch Frankreich auf den Plan riefe. Frankreich fühlte sich dauernd durch Deutschland bedroht. Die entscheidende russisch-französische Annäherung begann im Jahre 1887 und endete mit dem russisch-französischen Militärbündnis 1894. Da nun auch Italien in das mitteleuropäische Bündnis eingetreten war, sah Leo X I I I . die Stunde für seine Pläne gekommen. Frankreich stand er seit seiner Jugend geistig sehr nahe und. Leo X I I I . hat auch als Papst seiner Liebe und Verehrung gerade für das französische Volk immer wieder, seiner impulsiven Art entsprechend, beredten Ausdruck verliehen. Wenn er nun Frankreich für Rußland bündnisfähig machte, indem er die politisch meist rechtsstehenden, monarchistischen Katholiken für die dritte Republik gewann, hoffte er zugleich, der Erfüllung seines Planes, die diplomatische Verbindung mit Rußland zu erreichen, und der Kirchenunion wenigstens näher zu kommen. Außerdem erwartete der Papst von einem französisch-russischen Bündnis die Aussicht auf eine Lösung der römischen Frage, an der er neben der Kirchenunionsfrage lebhaftest interessiert war. Die Souveränität in Rom wieder zu erringen, war nur möglich, wenn Italien entscheidend geschwächt wurde; Italien aber war solange stark, als es sich durch Deutschland und ÖsterreichUngarn gedeckt fühlte. So mußte also auch der Dreibund geschwächt oder sogar vernichtet werden. Wie aus den Geheimakten des russischen Außenministeriums, die E. Adamov im Jahre 1932 veröffentlichte 1 ), hervorgeht, kam aber noch ein dritter Bundesgenosse hinzu, der bisher in den Untersuchungen über den Anteil des Vatikans an der russisch-französischen Annäherung zu wenig beachtet wurde und der wohl wahrscheinlich den entscheidenden Ausschlag gab für das so entschiedene Eintreten Leos X I I I . fürs die russisch-französische Verständigung. Über den Herzog von Norfolk, den Führer der englischen Katholiken, dürfte nämlich Leo zuverlässig Von L a m b s d o r f f übersetzt auch deutsch unter dem Titel: Die Diplomatie des Vatikans zur Zeit des Imperialismus, Berlin 1932 erschienen. Vgl. V.M. Chvostov (Istorija diplomatii): Die Geschichte der Diplomatie, 2. Bd., S. 123, Moskau 1947. Zur Weltkrise von 1887 vgl. die ausgezeichnete Studie von V. M. Chvostov, Rossija i germanskaja agressija v dni evropejskogo krizisa 1887 (Rußland und die deutsche Aggression in den Tagen der europäischen Krisis). Istoriöeskije zapiski (Historische Aufzeichnungen), Nr. 18, Moskau 1946, S. 206 ff.
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erfahren haben, daß der sogenannte „neue K u r s " in England mit dem älteren Churchill, Prince Edward of Wales und seinem Freund, dem Haupt des Hauses Rothschild, an der Spitze England bei einer militärischen Auseinandersetzung in Europa auf Seite Rußlands und Frankreichs drängen würde. Trotz der großen Gegensätze zwischen England und Frankreich im Kampf um die Herrschaft im Mittelmeer, vor allem in Ägypten, erschien den Engländern das rasch aufstrebende Deutschland sowohl wirtschaftlich als auch militärisch gefährlicher, als ihr eigentlicher Feind. Die traditionelle Stellung Englands war ja stets gegen die stärkste Landmacht Europas gerichtet. In diesem Sinne erfolgte die Besprechung des Franzosen Chaudordy mit Lord Salisbury in Dieppe im September des Jahres 1887. Der russische Botschafter in Paris, Mohrenheim, konnte bereits im Sommer des Jahres 1887 seiner Regierung ein Dokument vom 3 1 . März 1887 streng vertraulich vorlegen, in dem Frankreich die englische Unterstützung im Falle eines europäischen Krieges zugesagt wurde 1 ). Übrigens war auch Holstein2), der Mitarbeiter und spätere Gegenspieler Bismarcks, im Bilde über eine englisch-französisch-russische Allianz, die der Prince of Wales Eduard plante. Aber Holstein hat aus diesem Wissen weniger herausgeholt als Papst Leo X I I I . Kardinal Rampolla deutete Izvolskij gegenüber, wie dieser aus Rom im Frühjahr 1888 meldete3), an, daß Herzog Norfolk, der persönliche Freund Salisburys, mit der Kurie über verschiedene wichtige Fragen verhandelt habe. Diese Bemerkung sollte auf den russischen Unterhändler Eindruck machen und zeigen, welche Verbindungen, im ersten Augenblick unerwartete und wichtige, dem Vatikan offen stünden. Jedenfalls war der Papst über die sich anbahnenden, vielfach noch geheimen Mächtegruppierungen, die wohl noch im Stadium des Planens waren, aber doch viel erraten ließen, im Bilde, wie wenige sonst. B ei solchen Kenntnissen war es Leo X I I I . ganz klar, wo nach seiner Meinung der Erfolg liegen würde, wenn das Gewitter losbräche. Besonders Italien schien ihm durch England so bedroht, daß es rasch aktionsunfähig werden mußte, und damit kam für Leo X I I I . die lang ersehnte Stunde, dem Königreich Italien gegenüber die Souveränität zu erringen. In Kenntnis dieser Sachlage ist der Feuereifer verständlich, mit dem sich Leo X I I I . seit 1887 für die russisch-französische Annäherung einsetzte, sowie die Tatsache, daß er sich gerne als Protektor, ja Urheber derselben bezeichnete oder bezeichnen ließ, wenn er sie auch in Wirklichkeit nur in seiner Weise, freilich mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, unterstützt hatte. Vgl. H. K r a u s n i c k , Holsteins Geheimpolitik 1886—1890, 2. Aufl. 1942, S. 272 und 367. •) Vgl. Bericht vom 7. Mai / 25. April 1888, A d a m o v - I < a m b s d o r f f , a. a. O., S. 90. ») Ebd.
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J e t z t wird auch begreiflich, warum Galimberti im Jahre 1887 zurücktreten mußte und fortan nur noch als advocatus diaboli mitspielen durfte, wogegen scheinbar ganz unerwartet als Staatssekretär Rampolla die geeignete Person für Leo X I I I . war 1 ). Rampolla stammte aus einem alten spanischen Geschlecht, das aber in einem ehemaligen Normannenhorst in Sizilien bei Cefalü seit Jahrhunderten beheimatet war, von wo man einen ähnlichen Weitblick über Land und Meer hatte wie von den Volskerbergen, aus denen Leo X I I I . gekommen war. Die große Leidenschaftlichkeit Rampollas — wie sie schon sein Gesicht verriet — war durch Askese gemeistert. Seiner Vorbildung und Neigung entsprechend war er Diplomat, ähnlich wie sein Herr und Gebieter. E r war ebenso wie dieser erfüllt von der weltpolitischen Bedeutung des Papsttums und verstand wie Leo X I I I . die Chance, die die französisch-russische Annäherung für eine solche Untermauerung bedeutete, vollkommen; mit der ihm eigenen Begabung setzte er sich für die Realisierung des großen Zieles ein. Bismarck stand er schon als Nuntius in Madrid feindlich gegenüber. Als der deutsche Kronprinz Friedrich nach Spanien kam, von dem bekannt war, daß er ein Gegner des Reichskanzlers sei, war es Rampolla, der ostentativ für den Prinzen einen besonders feierlichen Empfang durchsetzte, denn Rampolla war als Nuntius in Madrid die maßgebende Persönlichkeit. Leo X I I I . hatte sich gerade durch die Wahl seines neuen Staatssekretärs als Menschenkenner erwiesen. Rampolla war der geeignete Mann, den er für die Durchführung seiner Pläne brauchte, verschwiegen, selbstlos, bereit, wenn es notwendig war, auch die Verantwortung auf sich zu nehmen oder sie sogar weitgehend vom Papste abzuwälzen, das waren alles Tugenden, die Leo X I I I . besonders schätzte. Aber der leitende Kopf des ganzen Unternehmens blieb der Papst, bis vielleicht in die letzten Lebensjahre, wo die Senilität doch schon zu stark zu wirken begann und der Kardinalstaatssekretär der treibende Faktor wurde. Die Voraussetzungen schienen gegeben, so daß das Ringen um die russisch-französische Verständigung vom Papste aus beginnen konnte. Sie erwies sich durchaus als keine leichte Arbeit. Wohl fanden sich vorzügliche Mitspieler; der französische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Graf Eduard Lefebvre de Behaine, der spätere apostolische Nuntius in Paris, Dominik Ferrata, der aber schon früher in der zuständigen Kongregation für außerordentliche Angelegenheiten im Sinne der Zusammenarbeit tätig war. Die beiden arbeiteten auf das engste mit Rampolla zusammen, in hohem Maße an dem Unternehmen beteiligt. Dazu kam der russische Geschäftsträger A. P. Izvolskij 2 ), einer ' ) V g l . P . S i n g p o l i d i G i u n t a , II c a r d i n a l e M a r i a n R a m p o l l a del T i n d a r o , R o m 2
) Vgl. dessen E r i n n e r u n g e n , d e u t s c h , französisch, englisch, russisch, 1 9 2 4 . 4
Winter:
Rußland
1923.
der fähigsten Diplomaten, über die das zaristische Rußland damals verfügte. Alle diese Männer haben Erinnerungen geschrieben, und auch der russisch-französischen Annäherung, soweit sie vom Vatikan gefördert wurde, mehr oder weniger Erwähnung getan. Die Memoiren Ferratas klingen geradezu wie eine Apologie 1 ). Aber die wichtigsten Grundlagen für eine Geschichte des Beitrages des Vatikans zu der französisch-russischen Annäherung bieten die bereits genannten Geheimakten des russischen Außenministeriums, vor allem die Berichte Izvolskijs, die von dem Sowjetrussen Adamov veröffentlicht wurden2). Die Ausgabe der Berichte Izvolskijs aus Rom ist eine methodisch ausgezeichnete Arbeit, die alles an den Tag bringt. Wenn Adamov sich über die Rücksicht beschwert, die die Aktenpublikationen stets auf den Vatikan auf Kosten der historischen Wirklichkeit nehmen, so darf dieser Vorwurf gegen ihn wirklich nicht erhoben werden. Eine gute Ergänzung dazu bieten die Berichte des österreichisch-ungarischen Botschafters beim Vatikan, Graf Reverterá, der von 1888—1901, also in den entscheidenden Jahren in Rom tätig war; sie sind im Anhang zum Teil wiedergegeben. Aus der Aktenpublikation Adamovs wird deutlich, daß zuerst die Franzosen zu agieren begannen, die ja auf den Vatikan großen Einfluß ausübten; eine Tatsache, die nicht verwundern darf, wenn man die bekannte Vorliebe des Papstes für die französische Nation in Betracht zieht und die Bedeutung, die dieser in der römisch-katholischen Kirche stets zukam. Dem französischen Botschafter beim Heiligen Stuhl lag daran, daß unbedingt die Fäden zwischen dem Vatikan und Rußland wieder angeknüpft wurden, denn mit Recht erwartete er sich bei der Gesinnung des Papstes und seines Staatssekretärs große Unterstützung und Förderung der russisch-französischen Annäherung. Er war es deswegen, der den russischen Botschafter beim Quirinal, Baron Uexküll, aufmerksam machte, daß Rampolla ihm mitgeteilt habe, wie sehr sich der Papst über ein Glückwunschtelegramm zu seinem goldenen Bischofsjubiläum durch den russischen Zaren freuen würde. Dies war der Knoten, an dem die Perlen aufgereiht werden sollten. Wird der Zar darauf eingehen ? Was wird der wachsame Hüter der altrussischen Orthodoxie zu der neuerlichen Annäherung an den Vatikan sagen, von der für die Zukunft noch viel mehr zü erwarten war? In den veröffentlichten Briefen an und von Pobedonoscev zeigt sich, daß der Zar mit Recht sein Gewissen Pobedonoscev fürchtete. Das beweist die Tatsache, daß Alexander I I I . den Oberprokurator des Heiligen Synods über die ') Vgl. D o m i n i k F e r r a t a , Mémoires, 3 Bde., Rom 1920, und I , e f é b v r e , I*eon X I I I . et prince Bismarck 1882—1887, hrsg. v. G. Goyau, Paris 1898. •) Vgl. a . a . O .
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zu beginnenden Verhandlungen mit Rom nicht ins Vertrauen zog, sondern, von seinem Außenminister Giers beraten, selbständig den Weg ging. Hier wurde eine Verbindung angeknüpft, die Pobedonoscev unbedingt interessieren mußte, wenn er auch sonst der Außenpolitik fernstand, denn eine Annäherung an den Vatikan war nicht möglich ohne das Risiko, daß auch in den kirchlichen Verhältnissen Rußlands Wandlungen notwendig wurden. Der Zar scheute aber die Einsprache seines ehemaligen Erziehers, dessen Einfluß er offensichtlich im Laufe der Jahre als Last empfand. Die außenpolitische Situation Rußlands war damals wirklich nicht günstig, die sogenannte Isolierung lag wie ein Alpdruck vor allem auf dem Zaren. Nun bot sich eine Gelegenheit, ins Freie zu kommen, die Annäherung an Frankreich. Da konnten natürlich die guten Dienste der französischen Diplomatie nicht ausgeschlagen werden. Gerade von einer Verbindung Rußlands mit dem Vatikan war viel Förderung für das große Anliegen eines französisch-russischen Bündnisses zu erwarten. Würde Pobedonoscev diese Notwendigkeit verstehen? Der Zar hat seinen Lehrer zu gut gekannt, um sich die Antwort nicht selbst geben zu können. Alexander III. wich deswegen, dem Oberprokurator des Heiligen Synods aus und sandte, ohne sich mit diesem ins Einvernehmen zu setzen, Ende 1887 auf Anregung des französischen Botschafters beim Vatikan ein politisch inhaltsloses Telegramm an den Papst, auf das Leo X I I I . aber in einem langen ausführlichen Brief am 28. Jänner 1888 antwortete, in dem er geschickt an die Unterredung mit den Großfürsten im Jahre 1881 anknüpfte. Auch auf seine entschiedene Arbeit gegen den Sozialismus und Kommunismus vergaß Leo X I I I . nicht hinzuweisen, denn „es ist mein Wunsch, überall Ordnung und Frieden zu begünstigen". Der Papst ging dann weiter auf sein eigentliches Thema ein, „die freie Ausübung der Religion" in Rußland zu sichern und die diplomatischen Verbindungen wieder aufzunehmen. Wie sehr der Zar vor Pobedonoscev die doch für den Oberprokurator des Heiligen Synods immerhin wichtige Angelegenheit verheimlichte, zeigt die Tatsache, daß dieser erst am 8. März 1888 a. St. die Kopie des Briefes Leos X I I I . an den Zaren, und zwar nur durch einen Mittelsmann, nämlich Fürst Kantakuzen-Speranskij erhielt 1 ). Es ist kennzeichnend, daß der Name Izvolskijs in dem Briefwechsel Pobedonoscev nicht ein einziges Mal erscheint. So sehr vermied Alexander III., mit seinem Oberprokurator des Heiligen Synods über die römischen Verhandlungen zu sprechen. Es kam freilich jetzt alles auf den Unterhändler an, der nach Rom gesandt wurde. Für die Menschenkenntnis Giers' spricht die Tatsache, daß Vgl. Pobedonoscev i jego korrespondenty a. a. O., 2. Bd., S. 859. Brief vom 8. März 1888, Beilage 4.
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Izvolskij für diesen so verantwortungsvollen und auch undankbaren Posten ausgewählt wurde. Die Stellung des russischen Agenten in Rom war durch Jahre hindurch völlig ungeklärt. Es kann heute als sicher angesehen werden, daß ein weniger geschickter Unterhändler in Rom die feinen Fäden, die aber für die Weltpolitik von Wichtigkeit waren, sicherlich zerrissen hätte. Der in der Beamtenhierarchie des Russischen Reiches damals kleine Mann Izvolskij hat durch seine Geschicklichkeit den allmächtigen Ratgeber des Zaren, Pobedonoscev, aus dem Sattel gehoben. Die geringste Ungeschicklichkeit hätte die Mission zum Scheitern gebracht und Pobedonoscev recht gegeben. Dies trat aber nicht ein, und Izvolskij wußte so viel aus seiner Stellung im Vatikan herauszuholen, daß Pobedonoscevs Einfluß ganz folgerichtig immer mehr zurückging. Freilich erst im Jahre 1890 fiel es — und auch da nur aufmerksamen Beobachtern wie Witte — auf, daß Pobedonoscevs Gunst beim Zaren ihren Höhepunkt überschritten habe 1 ). Warum dies freilich geschah, blieb ungeklärt, denn daß der offene Brief des evangelischen Pastors H. Dalton an Pobedonoscev2), wie der Verfasser annimmt 3 ), der Grund für das offenbarwerdende Zurücktreten des Einflusses Pobedonoscevs auf den Zaren sei, ist natürlich hinfällig. Dalton verwies nachdrücklich auf die angebliche Gefahr der Asiatisierung, die durch den von Pobedonoscev im Sinne des Panrussismus geführten Vernichtungskampf gegen die evangelische Kirche in Rußland dem Zarenreiche drohe, denn gerade die evangelische, in der Hauptsache deutsche Sehne verbinde nach Dalton Rußland seit Peters des Großen Zeiten am nachhaltigsten mit Europa. Über die Zarin, eine dänische Prinzessin, kam der offene Brief Daltons in die Hand des Zaren und scheint auch anfangs Eindruck gemacht zu haben. Aber die Bedenken Daltons verstand Pobedonoscev dem Zaren, der ja selbst, gerade durch den Oberprokurator beeinflußt, ein Anhänger des Panrussismus war, leicht zu zerstreuen, besonders bei der wachsenden Spannung zwischen Deutschland und Rußland, da ja Deutschland als erste evangelische Schutzmacht galt und vor allem Deutsche im Zarenreich evangelisch waren. Aber nicht nur rein politische Erwägungen, sondern auch die kirchenpolitischen Gründe, cj^e Pobedonoscev schon in seiner Antwort auf die Beschwerde der evangelischen Allianz über die Bedrückung der evangelischen Kirchen in Rußland im Jahre 1887 anführte, werden den Zaren beeindruckt haben: ,,Im orthodoxen Glauben hat Rußland das geistige Element gefunden, welches es gerettet hat . . . Nur die vollständige *) Vgl. Steinmann-Hurwicz a. a. O., S. 83 ff. •) H . D a l t o n , Z u r Gewissensfreiheit in Rußland. Offenes Schreiben an den Oberprokurator des Heiligen Synods Pobedonoscev, Leipzig 1889. *) H . D a l t o n , I^ebenserinnerungen, 3. Bd., S. 159.
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geistige Eigenart rettet Rußland inmitten dieser religiösen und politischen Eruptionen im Osten und im Westen . . . Den orthodoxen Glauben vor Angriffen, von welcher Seite sie auch kommen sollten, zu bewahren, bildet die wichtigste historische Pflicht, ein Lebensbedürfnis Rußlands 1 )." Also Daltons Anklageschrift gegen Pobedonoscev war es sicherlich nicht, die das Zurücktreten des Einflusses des Oberprokurators bewirkte; nur die diplomatischen Erfolge Izvolskijs geben eine ausreichende Erklärung. Diese Tatsache bedeutet natürlich noch lange nicht ein völliges Zurücktreten Pobedonoscevs. Dazu war er — wie sein Gegenspieler Leo X I I I . — viel zu zäh, aber das Ringen war jetzt für ihn um vieles schwerer geworden. Bereits am 9. März 1888 erhält Izvolskij für seine Mission die Dienstanweisung des russischen Außenministeriums: vor allem soll er „bestimmte Bürgschaften für die Absichten des Heiligen Stuhls und das Verhalten der römisch-katholischen Geistlichkeit" erhalten. Der „List der Kurie" wird jede Schlechtigkeit zugetraut, deswegen wird Izvolskij in der Anweisung zu größter Vorsicht ermahnt. Der Frage nach der Wiederherstellung der diplomatischen Beziehungen hat er aus dem Wege zu gehen, er soll nur einmal hören, was vorgetragen wird und darüber berichten. „Die Aufgabe, die Ihnen zugefallen ist", heißt es zusammenfassend, „kann zu wichtigen Ergebnissen führen. Sie wird viel Vorsicht und Gewandtheit erfordern, denn Sie werden Unterhändlern gegenüber stehen, die sehr geschickt und mehr gewandt als aufrichtig sind". E s war also nicht gerade ein ermutigender Anfang. Das tiefe Mißtrauen Rußlands gegenüber dem Vatikan kann nicht klarer zum Ausdruck kommen. Izvolskij berichtet schon am 31./19. März 1888 über den herzlichen Empfang durch Kardinal Rampolla und durch den Papst, der ihn „mit Ungeduld" erwartet und sofort nach seiner Ankunft — gegen die sonstige Gewohnheit, fünf bis sechs Tage verstreichen zu lassen — in Audienz empfangen habe. Diese Eile wurde allgemein als ein Beweis der Freude, die im Vatikan über die Ankunft des Abgesandten des Zaren herrschte, ausgelegt. Leo X I I I . sprach mit Izvolskij von den „Zielen und Aufgaben, die die römische Kurie verfolge, nicht allein als oberste geistliche Behörde der römisch-katholischen Kirche, sondern auch als mächtiger Förderer neuzeitlichen politischen und gesellschaftlichen Lebens. Er zählte alle Handlungen auf seit der Zeit, wo er die hohe priesterliche Würde übernommen, die die „Aufrechterhaltung der Grundlagen der Ordnung und des Friedens und die Bändigung der zerstörenden Bestrebungen bezweckten", und kam zu dem Schluß, daß „innerhalb des russischen Kaiserreiches ein Bündnis der Regierung mit dem Römischen 1
) Vgl. Cerkovnyj Vestnik (Kirchlicher Anzeiger), J g . 1 8 8 8 , Nr. 7.
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Stuhl die Erreichung ihrer höchsten staatlichen Ziele nur erleichtern könne". Selbstverständlich ging Leo X I I I . sehr bald auf seinen dringenden Wunsch nach einer diplomatischen Vertretung ein. Auf den Hinweis des Kaisers auf politische Strömungen, von denen sich die römisch-katholische Geistlichkeit in Rußland hinreißen lasse, erklärte der Papst mit Eifer, seine „unabänderliche Regel sei, der Priesterschaft und der Gemeinde Gehorsam gegenüber der gesetzmäßigen Macht einzuschärfen, und er sei bereit, durch Taten zu beweisen, daß sein Einfluß auf die Bischöfe immer in Einklang stehe mit den Belangen der russischen staatlichen Macht". Die Stellung des Papsttums gegenüber den Bischöfen und der Geistlichkeit kann kaum besser formuliert werden, als es der Papst in seinem Gespräch mit Izvolskij tut. Leo X I I I . übersah in seinem Bestreben, gefällig zu sein und viel zu bieten, freilich die Gefahr, daß sich die Russen Gedanken machen könnten über die päpstliche Macht in politicis, wenn er sich gegen sie zu wenden für gut fand. „ S i e werden sich überzeugen", sagte der Papst nach dem Bericht Izvolskijs, dem wir keinen Anlaß .haben zu mißtrauen, „daß mein Stuhl eine gewaltige moralische K r a f t besitzt. Warum sollte ein Reich wie Rußland, das die Aufrechterhaltung der bewährten Grundsätze anstrebt und einen dauerhaften und gerechten Frieden in Europa wünscht, nicht diese K r a f t , zum Verbündeten haben?" Der Papst geht also gleich aufs Ganze. Doch ist der Eindruck Izvolskijs vielleicht gerade wegen dieser Aggression recht vorsichtig, ja ablehnend. E s fällt ihm auf, daß der Papst, wenn er „von Fragen spricht, in denen grundlegende Widersprüche zwischen der römischen Kirche und der staatlichen Macht bestehen, zu den nebelhaftesten und unbestimmtesten Redensarten seine Zuflucht nimmt". Wie Izvolskij am 9. April/28. März 1888 berichtet, hat der Kardinalstaatssekretär Rampolla den von Leo X I I I . im allgemeinen ausgesprochenen Gedanken noch stark herausgearbeitet, „daß nämlich die Kurie, wenn sie in gute Beziehungen zu uns getreten sein würde, unser Verbündeter sein wird zur Erreichung unserer internationalen Ziele in Europa und insbesondere auf der Balkanhalbinsel". Alexander I I I . fügt bei diesen Worten den noch skeptischen Satz hinzu: „ I c h möchte nur wissen w i e ? " Der Zar als Schüler Pobedonoscevs traut dem Angebot noch nicht ganz. Rampolla verweist, sozusagen um die Zweifel des Zaren zu zerstreuen, auf die feindliche Stellung der Kurie dem Fürsten Ferdinand von Bulgarien gegenüber. Diese Feststellung ist deswegen so lehrreich, weil Ferdinand ein gläubiger Katholik war und nur, weil er gegen den Willen Rußlands F ü r s t geworden war, von der Kurie fallen gelassen werden sollte. Dem österreichisch-ungarischen Botschafter gegenüber sprach 54
Rampolla über Ferdinand von Bulgarien ganz anders 1 ). Denn ÖsterreichUngarn hatte an der Unterstützung Ferdinands von Bulgarien das größte Interesse". Izvolskij berichtet gleichzeitig von den Bemühungen Lefebvres, die Gespräche mit dem Vatikan in flottem Gang zu halten, weil er sich wichtige weltpolitische Vorteile verspreche. Ähnlich wie Rampolla weist auch Lefebvre auf die Bemühungen der österreichisch-ungarischen Regierung hin, den Vatikan von Rußland fernzuhalten. Aber als viel gefährlicher als der österreichisch-ungarische Botschafter beim Heiligen Stuhl erwies siclj für die Annäherurig Rußlands an den Vatikan der polnische Einfluß. Rasch zeigte sich die polnische Gegenbewegung, die sofort auf italienische liberale Kreise übergriff. Die Polen verfügten in R o m aber auch über maßgebenden Einfluß an der Kurie vor allem durch die Kurienkardinäle Graf Halka Ledochowski und Graf Wladimir Czacki. Im selben Jahre, als Izvolskij nach Rom ging, starb wohl Czacki, der paradoxerweise in besonderem Maße für die Verständigung zwischen dem Vatikan und der französischen Republik als Nuntius in Paris von 1879—1882 und als Sekretär der Kongregation für außerordentliche Angelegenheiten gearbeitet hatte und so die Voraussetzungen mitschaffen half, gegen die dann wiederum Polen besonders leidenschaftlich anrannte. Czacki tat dies als vertrauter Mitarbeiter Leos X I I I . und im Sinne der alten französisch-polnischen Freundschaft, ohne zu bedenken, daß einmal die Annäherung der dritten Republik an den Vatikan für die Polen nachteilige Wirkungen haben könnte. Wie waren doch die Verbindungen von Völkern, Staaten und politischen Mächten dauernd im Gleiten! Rampolla wußte auch sehr bald, wo der Feind stand, und ahnte, wie schwer er die Politik des Papstes gegenüber den Polen würde vertreten können. E r verhehlte Izvolskij von Anfang an auch nicht die „polnischen Ränke und Wühlereien". E s begannen Verhandlungen über das Abkommen Rußlands mit dem Heiligen Stuhl vom Jahre 1882, besonders einige dringende Fragen sollten durchbesprochen werden, wie vor allem die Besetzung von Bistümern. Das große Entgegenkommen der Kurie Rußland gegenüber in diesen Verhandlungen fällt Izvolskij sofort, und zwar kennzeichnenderweise unangenehm auf. E s „macht ihn mißtrauisch . . . Das bringt einen auf den Gedanken, daß es für die Kurie gegenwärtig wichtig ist, nicht so sehr die zwischen uns bestehenden ernsten Schwierigkeiten zu lösen, als vor der italienischen Regierung und vor ganz Europa mit einem neuen, wenn auch nur scheinbaren diplomatischen Erfolg aufzutreten" 2 ). 1
) Vgl. z. B . den streng vertraulichen Bericht des österreichisch-ungarischen 25. Februar 1896. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Vatikan 1896.
Botschafters vom
') Vgl. Adamov, S. 86, Bericht vom 2 3 . / n . April 1888.
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Izvolskij durchschaut sofort die Situation und rät, die günstige Gelegenheit für Rußland gründlich auszunützen und möglichst Zugeständnisse in kirchlichen Fragen zu erreichen. Alexander III. ist sichtlich befriedigt von den anlaufenden Besprechungen und fügt die Bemerkung hinzu: „Sehr kennzeichnend sind .diese polnischen Ränke, und wie vorsichtig benimmt sich der Papst gegenwärtig, um unsere Beziehungen zur Kurie nicht zu verderben." Pobedonoscevs Warnungen treten vor den außenpolitischen Lockungen zurück. Der polnische Einfluß macht sich aber in steigendem Maße bemerkbar. In Rom entsteht eine eigene polnische Agentur, die die Verhandlungen zwischen Izvolskij und Rampolla umlauert und durch Meldungen, wie solche, daß die russische Sprache in der römisch-katholischen Kirche in Russisch-Polen eingeführt werden soll, die öffentliche Meinung Europas beunruhigt. Dagegen ist der Papst, der ja ganz andere Ziele hat, unerbittlich bemüht, jede neuerliche Verstimmung mit Rußland hintanzuhalten. Ansprachen polnischer Pilger werden einer strengen Vorzensur unterworfen und alles gestrichen, was Rußland nur irgendwie unangenehm sein könnte. In seinen Antworten an die polnischen Pilger betont der Papst um so eifriger, mit welcher „unabänderlichen Gewogenheit" er der polnischen Nation gegenüberstehe. Die italienischen liberalen Zeitungen sind aber, gespeist von polnischen Gewährsmännern, voll von Angriffen gegen den Papst, den sie der Russophilie aus politischen Gründen bezichtigen. Mit dieser Feststellung sind sie gar nicht weit von der Wahrheit entfernt; freilich ist für den Papst diese Politik nur Mittel zur Erreichung der „größeren Ehre Gottes". Die Wiedererringung der kirchlichen Oberhoheit in der Welt kann der Stellvertreter Gottes auf Erden nicht teuer genug bezahlen. Leo X I I I . geht deswegen mit seinem Staatssekretär den einmal beschrittenen Weg folgerichtig weiter, ohne sich durch Schwierigkeiten, wie sie ihm die Polen bereiten, abwendig machen zu lassen. Von der österreichisch-ungarischen Botschaft war anfänglich weniger zu fürchten; deren fromme Ahnungslosigkeit zeigt am besten der Bericht des Geschäftsträgers von Okolicsäni, der noch Ende August 1888 vertraulich nach Wien berichtet 1 ), daß vor allem der Papst sein inneres Gleichgewicht wiedergewinnen müsse, das er durch die Auseinandersetzung mit dem italienischen Ministerpräsidenten Crispi anscheinend verloren habe. Die deutsche und die österreichisch-ungarische Regierung seien mit Erfolg bemüht, durch Sicherheitsversprechen den Heiligen Vater zu beruhigen und ihn abzuhalten, Rom zu verlassen. Leo ließ sich von den Mittelmächten trösten, während er gleichzeitig kühl überlegend an der Knüpfung der russisch-französischen Annäherung arbeitete. 1
) Bericht vom 24. August 1888. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rom, Vatikan 1888, Beilage 1 2 .
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Bismarck war freilich nicht der harmlose Tröster wie Okolicsáni. Sofort als Izvolskij nach Rom kam, witterte er Unheil und schrieb Kurd von Schlözer, dem Botschafter Preußens beim Heiligen Stuhl, der wegen seines Einflusses während des Staatssekretariates Jacobini und der engen Verbindung mit dem päpstlichen Günstling Galimberti „ K a r dinal Schlözer" 1 ) genannt wurde: „Die Sendung des Legationssekretärs Izvolskij nach R o m wird mir nun bestätigt. E s erscheint mir noch fraglich, ob die Kurie unpolitisch genug sein wird, für das Linsengericht einiger Scheinkonzessionen in den westlichen Gouvernements die mitteleuropäischen Mächte im Stich zu lassen, deren Fortbestand allein die katholischen Slawen vor zwangsweiser Überführung zur griechischorthodoxen Kirche schützt. Bei einer Aussöhnung mit dem Vatikan liegt der Vorteil ausschließlich auf sei.ten Rußlands, weshalb denn auch der Minister (des Innern) Tolstoj erklärt haben soll, daß im Hinblick auf den bevorstehenden Krieg gegen die deutschen Mächte Rußland selbst ernstliche Opfer bringen muß, um einerseits die Polen zu gewinnen, andererseits das Papsttum neutral zu halten 2 )." Daß das Papsttum aber sogar offen Partei gegen die Mittelmächte ergreifen könnte, wagte selbst Bismarck nicht zu fürchten. Da hielt er Leo X I I I . für viel zu realpolitisch. Der Fürst rechnete eben nicht mit der leidenschaftlichen Ergriffenheit des Papstes von der Idee, die mittelalterliche päpstliche Weltherrschaft in der Gegenwart auf kirchlichem Gebiete zu erneuern. Aber der österreichisch-ungarischen Botschaft schien schon diese Weisung Bismarcks an Schlözer, die durch Vertrauensbruch zu ihrer Kenntnis kam, als ketzerische Lästerung, die erst nach sechs Jahren, als sich der Vatikan offen selbst des Urheberrechtes des russisch-französischen Bündnisses rühmte, „historisches K u r i o s u m " genannt und insgeheim irgendwie bewundert wurde 3 ), so völlig unfaßbar erschien gläubigen Katholiken das Vorgehen des Papstes, als es sich anbahnte. Aber inzwischen gingen die Verhandlungen weiter. Bereits am 7. Mai/ 25. April 1888 kann Izvolskij von einem Angebot des Papstes berichten, die katholische Priesterschaft in Rußland anzuleiten, „nach der Absicht des Staates zu handeln und sich durch keine politische Strömung hinreißen zu lassen". Hier wird also das Versprechen gegeben, die polnischen Geistlichen zu unbedingtem Gehorsam gegenüber Rußland zu verpflichten. Mit Genugtuung verweist Izvolskij in diesem Zusammenhang auf die päpstliche Botschaft an die irischen Bischöfe, wo diesen auf Wunsch Englands (der englische Hintergrund wurde bereits aufgezeigt — hier *) So berichtet nicht ohne Ärger Izvolskij, Adamov a. a. O., S. 96. Bericht vom 31./15. Juli 1888. !
) Vgl. Bericht Reverterás vom 3r. Mai 1894. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rom, Vatikan 1894, Beilage 16. *) Ebd.
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ist sozusagen der Dank) deutlich gemacht wird, ihren Widerstand zu dämpfen. Izvolskij fügt abwägend hinzu: „Jede solche Handlung wird unverzüglich weithin ausposaunt und wird zu einem Mittel, um die politische Bedeutung und den Glanz des römischen Stuhles zu erhöhen 1 )." Schärfer kann die Politik Leos X I I I . nicht gekennzeichnet werden. Die sonst wegen ihrer Glaubenskraft und Romtreue gerühmten Völker wie die Iren und die Polen mußten eben gerade, weil sie dem Heiligen Stuhl ergeben waren, Opfer bringen zum Nutzen der Gesamtkirche. Wie wenig freilich solche Zugeständnisse die Achtung förderten, zeigt am besten die obige Anmerkung Izvolskijs. Alle unangenehmen Fragen, die zu Erörterungen führen könnten, werden von Rampolla, wie Izvolskij am 7. Mai/25. April 1888 mit Vergnügen meldet, in den Verhandlungen vermieden. So die Frage der Regelung der Gebete nach der Messe, von denen die russische Regierung wünschte, daß sie in den sogenannten Westprovinzen, vor allem in Minsk, in russischer und nicht wie bisher in polnischer Sprache gehalten würden. Da aber gerade die sogenannte Kirchensprache ein besonderer Agitationspunkt für die Polen war, versteht Izvolskij die Vorsicht, mit der Rampolla gerade in dieser Frage vorgeht. Er rechnet es ihm daher um so höher an, daß er diese heikle Frage, in der die russische Regierung nicht nachzugeben gesonnen ist, nicht in die Liste der zu behandelnden Materien aufgenommen hat. Er will aber erforschen, welche Meinung die Kurie in dieser Angelegenheit wirklich hat. „Eine solche Untersuchung ist um so anregender, als vom römischen Standpunkt aus diese Angelegenheit eng mit allgemeinen Plänen der Kirchenpolitik verbunden ist, die Leo X I I I . in den letzten Jahren ersonnen hat und die vielleicht von der früheren Übung abweichen." Mit diesen Worten ist auf d^n Lieblingsgedanken des Papstes hingewiesen, nach welchem der östliche Kirchenritus auch in seinen Kirchensprachen bei einer Union mit Rom erhalten bleiben sollte. Klar ist Izvolskij freilich der Plan Leos X I I I . noch nicht, wie seine Worte beweisen. Es handelte sich für den Papst weniger um die Kirchensprache, als vielmehr um den Ritus und um diesen nur wieder in Hinsicht auf eine Union mit der römisch-katholischen Kirche, an die aber die russischorthodoxe Kirche besonders unter der Führung von Pobedonoscev als Oberprokurator des Heiligen Stuhles nicht einmal entfernt dachte, dem schon der Gedanke, Rußland in einer engeren rein diplomatischen Verbindung mit dem Vatikan zu wissen, verhaßt war. Izvolskij liegt schon aus persönlichen Gründen daran, für die öffentlichen Verhandlungen beglaubigt zu werden und nicht nur die Meinung der Kurie sich anzuhören. Deshalb betont er die Unhaltbarkeit seiner ursprünglichen Instruktion, jedes Eingehen auf offizielle Verhandlungen *) Vgl. Adamov, S. 90, Bericht vom 7. Mai / 25. April 1888.
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zu vermeiden. Er verweist neuerlich auf die Möglichkeit, besonders günstige Bedingungen zu erreichen, weil dem Vatikan sichtlich so viel daran liegt, zu einer offiziellen Verbindung mit Rußland zu kommen. Die Stellungnahme des Papstes gegen die irische Nationalbewegung nach der Rücksprache mit Norfolk hatte das sichtliche Bestreben, Rußland den Frieden so billig als möglich zu machen. Die Vermeidung aller schwierigen Fälle in einer Verhandlungsliste bringt Izvolskij als wichtigen Beweis für seine Auffassung von der Weichheit der Kurie Rußland gegenüber. Freilich versäumt er nicht, auf die weltpolitischen Zusammenhänge dieses sonst unverständlichen Entgegenkommens der Kurie hinzuweisen, die ja in derselben Linie wie die Rußlands liegen. Von dem französischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, Lefebvre de Behaine, kann Izvolskij berichten, daß er sich geradezu als Vermittler aufdrängt. Im Gegensatz zu der „geräuschvollen und störenden Dienstfertigkeit des Grafen Lefebvre de Behaine", der sich zu entziehen ihm schwerfällt, ist der deutsche Botschafter Herr von Schlözer um so verschlossener. Diese „eisige Zurückhaltung" kann, wie Izvolskij durchaus richtig ahnt, nicht allein auf die russenfeindliche persönliche Einstellung Schlözers zurückzuführen sein, sondern auf Instruktionen von seiten seiner Regierung. Hier macht sich die Weisung Bismarcks bemerkbar. Izvolskij wünscht nun in der ihm eigenen überheblichen Naivität, die er mit' Scharfsinn verband, daß Schlözer auf Veranlassung der Sängerbrücke in Petersburg von Berlin die Weisung erhalte, sich weniger „feindselig" dem Gelingen seiner Mission gegenüber zu benehmen, „die ohnehin so viele Schwierigkeiten bietet" 1 ). Selbstverständlich war es Kardinalstaatssekretär Rampolla, der „im Augenblick eines Herzensergusses gestand, daß Herr von Schlözer meiner Mission schwerlich wohlwollend gegenübersteht", wie Izvolskij berichtet. Aber dies war von geringerer Bedeutung, als Izvolskij annehmen konnte, denn Leo X I I I . hatte sich bereits für die andere Partei entschieden, und der Einfluß Schlözers an der Kurie schmolz rasch dahin, besonders als es bei einem Empfang Kaiser Wilhelms II. beim Papst durch die Taktlosigkeit Graf Herbert Bismarcks, der dem Prinzen Heinrich von Preußen gegen den Wunsch des Papstes den Eintritt in das Audienzzimmer, in dem der Papst mit dem Kaiser allein war, erzwang, zu einem unangenehmen Zwischenfall kam. Doch dieser Formfehler, so peinlich er auch sein mochte, war natürlich bei der Grundeinstellung der Kurie nicht ausschlaggebend. Aber Kaiser Wilhelm II. hatte in dem Gespräch mit dem Papst jede Einflußnahme auf den Quirinal, in die Wünsche des Vatikans nach Souveränität in Rom einzuwilligen, entschieden abgelehnt. Leo X I I I . glaubte deswegen nichts mehr von Deutschland er*) Vgl. Adamov, S. 96, Bericht vom 31./19. Juli 1888.
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warten zu können und es auch bei den neuen weltpolitischen Aussichten nicht mehr zu brauchen; im Gegenteil, eine Erkaltung der Beziehungen war nur erwünscht. Vor seiner durch Familienverhältnisse erzwungenen Abreise im Sommer 1888 wird Izvolskij mit besonderer Freundlichkeit vom Papste empfangen, der sich wiederum bemüht, „die Notwendigkeit der Verbundenheit und Einigung zwischen den konservativen Mächten, besonders zwischen Rußland und dem Heiligen Stuhl, zu beweisen". Den katholischen Polen verspricht der Papst „Gehorsam gegen die Gesetze und Treue gegenüber dem Herrscher einzuflößen". Zum Schluß trägt er dem russischen Unterhändler seinen Herzenswunsch vor, an seinen Hof „einen amtlichen Vertreter Rußlands zu ziehen" 1 ). Die Rückkehr Izvolskijs nach Rom wurde im Zusammenhang der großen weltpolitischen Neuordnung richtig gedeutet, und der Russe macht die treffende Bemerkung: „Diese Unruhe zwingt mich in jedem Augenblick zu großer Zurückhaltung und Behutsamkeit, denn die höhere Priesterschaft des Vatikans hat eine ausgesprochene Neigung zur hohen Politik 2 )." Izvolskij verweist in diesem Zusammenhang auf die verdoppelte Liebenswürdigkeit des Papstes und des Kardinalstaatssekretärs ihm gegenüber. Die Situation ist deswegen für Verhandlungen noch günstiger als im Frühjahr 1888. Der russische Agent am Heiligen Stuhl läßt durchblicke!]., daß jetzt bei dem Weichegrad der Kurie das Eisen geschmiedet werden müßte. Außerdem ist während der Abwesenheit Izvolskijs ein neuer österreichisch-ungarischer Botschafter in der Gestalt des Grafen Friedrich Revertera ernannt worden. K a l n o k y in Wien hatte eingesehen, daß er einen besonders geeigneten Botschafter an den Heiligen Stuhl senden müsse. Als solcher erschien ihm Graf Revertera. Dieser hatte 1859—1868 Österreich mit kurzer Unterbrechung zuerst als Legationsrat, dann, seit 1864, als Gesandter in Petersburg vertreten und galt, mit einer Russin verheiratet, als ausgezeichneter Kenner der russischen Verhältnisse. Doch verstellte er sich durch seine streng katholische Sicht ein wirkliches Verständnis, wie seine Berichte beweisen 3 ). Wegen seiner streng feudalklerikalen Einstellung quittierte er im Gegensatz zu dem österreichischungarischen Außenminister Beust seinen Dienst. Jetzt, 1888, schien seine Wiedereinstellung eine Notwendigkeit. Dabei wurde verkannt, daß Leos X I I I . Sympathien keineswegs den feudalkonservativen, sondern den scheinbar demokratischen christlich-sozialen Katholiken gehörten. Revertera hatte während seiner Ruhezeit keines*) Vgl. Adamov, S. 98, Bericht vom 2. September / 21. August 1888. *) Vgl. Adamov, S. 101, Bericht voni 20,/8, November 1888. *) Vgl. E . W i n t e r , Der Panslawismus in den Berichten der österreichisch-ungarischen Botschafter in Petersburg, Brünn- 1944.
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wegs weiter schauen gelernt, sondern war ganz der adelige Grundherr in Oberösterreich geblieben. Izvolskij und L,efébvre waren natürlich anfänglich über den Ankömmling sehr wenig erbaut. „Der neue Amtsinhaber gilt als Erzkatholik und Klerikaler", berichtet Izvolskij; „man erwähnt kraftvolle Reden von ihm zugunsten des Papsttums im österreichischen Herrenhaus 1 )." Sie fürchteten seinen Einfluß auf den Papst. Auch die Zeitungen des Königreichs Italien sind nach Izvolskij über diesen Vertreter Österreichs beim Heiligen Stuhl wenig erfreut, weil sie eine einseitige Stellungnahme für die Souveränität des Papstes in Rom fürchten. Um so mehr sorgt sich Izvolskij, daß dessen Einfluß im Vatikan groß werden möchte. Freilich hat der Russe damals noch den Grad der Besessenheit des Papstes und Rampollas von ihrer Idee ähnlich wie Bismarck vom realpolitischen Standpunkt aus weit unterschätzt. Da konnte sich Reverterá keineswegs durchsetzen, wenn er Rampolla auch viele Verlegenheiten schuf; der Kardinalstaatssekretär schätzte den österreichischen Grafen wenig und brachte es auch im J a h r e 1901 zuwege, daß dieser wegen seiner Bemühungen, in Verbindung mit dem englischen Botschafter beim Quirinal, um eine Versöhnung zwischen „weißem" königlichen und „schwarzem" päpstlichen Adel, zwischen Italien und dem Vatikan, von seinem Botschafterposten weichen mußte. Reverterá war übrigens durchaus nicht der Edelmann, als der er erscheinen wollte. Das zeigt sein Verhältnis zu dem Historiker Sickel, dem er als Protestanten aus seiner klerikalen Voreingenommenheit Schwierigkeiten bereitete. Sickel hatte mit Izvolskij bessere Beziehungen als mit seinem eigenen Botschafter Reverterá 2 ). Durch die päpstliche Politik ergibt sich die merkwürdige Paradoxie, daß der gläubige Katholik, der stets voll Ehrfurcht, vor allem vom Papst, berichtet, viel weniger gilt, als der durchaus allein von seiner politischen Mission getragene, der katholischen Kirche innerlich vollständig fremde Izvolskij. Gleich in der Antrittsaudienz, die Reverterá am 1 1 . November 1888 bei Rampolla hatte, wurde er von dem Kardinalstaatssekretär mit den Worten begrüßt, er bedauere, das „katholische Österreich im Bunde mit den Feinden des Papsttums und der Kirche zu sehen", das heißt mit anderen Worten im Dreibund mit Deutschland und Italien 3 ). Dagegen verwies Reverterá auf die Bedeutung des Dreibundes für die Erhaltung des Weltfriedens und auf die Tatsache, daß „alles, was der Machtstellung unserer Monarchie zugute käme, auch dem Heiligen Stuhl von Adamov, S. 102, Bericht vom 20./8. November 1888. ) Vgl. Th. v. S i c k e l , Römische Erinnerungen, hrsg. von Santifaller, Wien 1947, S. 489f. ") Vgl. Bericht vom r4. November 1888. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Vatikan 1888, Beilage 13. s
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Vorteil sein könnte". Der Staatssekretär lenkte daraufhin ab und verwies auf das Vorkommnis bei der Audienz des Deutschen Kaisers im Vatikan, das die Stellung des deutschen Botschafters, von Schlözer, beim Papste erschüttert hatte. Aber freilich war dieses Vorkommnis in erster Linie die nicht unerwünschte Gelegenheit, sich rücksichtslos behandelt zu sehen. Kaiser Wilhelm II. hat sich sonst, freilich stets in seiner unangenehmen Art, geradezu in Hochachtungserweisen dem Papst gegenüber erschöpft. Auch die Auffassung Reverterás, daß sich die Eigennützigkeit Rußlands bald in den Verhandlungen offenbaren werde, woran diese scheitern müßten 1 ), erwies sich als falsch, da um ganz anderes gespielt wurde.
l)
Vgl. Bericht vom 30. November 1888, ebd., Beilage 14.
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6. Der Anteil des Vatikans an dem russisch-französischen Bündnis Zar Alexander III. schließt sich Ende des Jahres 1888 der Auffassung Izvolskijs an, daß nun die Zeit zum Verhandeln mit der Kurie gekommen sei. In dem Entwurf eines Schreibens Alexanders III. an Leo X I I I . heißt es, daß der Zar es begrüßen würde, wenn die freundschaftlichen Beziehungen, die zwischen Rußland und dem Vatikan bestanden, wiederhergestellt werden könnten. Vorher ist natürlich wiederum vom gemeinsamen Kampf für die Grundsätze der Autorität gegen umstürzlerische Lehren die Rede und von dem Kampf gegen die Geistlichen, die sich von politischen Erwägungen beeinflussen lassen, „die geeignet sind, das Ansehen des Staates zu untergraben" 1 ). Es beginnen die Verhandlungen um die Ernennung von Bischöfen, die natürlich ganz der russischen Regierung genehm sein mußten. Die Besprechungen ziehen sich deswegen in die Länge. Trotzdem behält Leo X I I I . anläßlich der Weihnachtsaudienz Izvolskij über eine halbe Stunde bei sich, nachdem er wieder von den staatserhaltenden Kräften der katholischen Kirche und der Ungeduld gesprochen, mit der er den geregelten diplomatischen Beziehungen zwischen Rußland und dem Heiligen Stuhl entgegenblicke. Vor allem aber ergeht sich der Papst völlig ungezwungen in der Weltpolitik. Izvolskij berichtet über diese Unterhaltung: „Ich habe aus seinen Worten schließen können, daß sich seine Verstimmung gegen Deutschland und den Dreibund durchaus nicht gelegt hat. Andererseits glaubt er nicht an eine Verlängerung des gegenwärtigen Zustandes eines bewaffneten Friedens auf unbestimmte Zeit hinaus und sieht ernste Störungen in nächster Zukunft voraus. Er möchte, daß -der Tag der Krise Rußland und den Heiligen Stuhl geeint sähe durch ein aufrichtiges Abkommen, das uns seiner Meinung nach wichtige Vorteile für die Sicherung unserer Grenzen bietet und dem Papsttum die moralische Unterstützung der einzigen Macht gewähren würde, die seiner Ansicht nach berufen ist, die Rolle des Herrn über Krieg und Frieden zu spielen 2 )." Mit den wichtigen Vorteilen für die Sicherung der Grenzen Rußlands war die Zähmung des polnischen Widerstandes gegen das zaristische Rußland gemeint, der ja im Falle eines Krieges Rußlands mit den Mittelmächten sicherlich Bedeutung haben mußte. Die Stimmung eines großen Teiles der polnischen Bevölkerung war damals keineswegs russenfreundlich, eine Gewinnung der Polen für Rußland also ein großer Vorteil. Die Stellungnahme des Heiligen Stuhles in der damals Europa erschütternden 1) s)
V g l . A d a m o v , S. 103. B e i l a g e z u einem Brief Giers' v o m 1 7 . N o v e m b e r 1888 a n I z v o l s k i j . V g l . A d a m o v , S. 106, B e r i c h t I z v o l s k i j s v o m 3 1 . ¡ i g . D e z e m b e r 1888.
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Krise ist eindeutig. E s ist verständlich, daß von katholischer Seite, besonders von Seiten der deutschen Katholiken, auf die Veröffentlichung der so aufschlußreichen Berichte Izvolskijs nur wenig eingegangen wurde. Sie fanden auch sonst nicht die Beachtung, die sie verdienten, wohl weil sie allzusehr die politischen Verwicklungen des Heiligen Stuhles bloßlegten 1 ). Der Beweis für das Eingreifen des Vatikans in die Weltpolitik ist nirgends so erbracht wie in diesen vertraulichen Berichten Izvolskijs über seine Besprechungen mit Leo X I I I . und dem Kardinalstaatssekretär Rampolla. Diese Behauptung ist aber auch schon damals laut erhoben worden, freilich nicht von den deutschen, sondern von den polnischen Katholiken, die ganz ungeschminkt erklärten, daß es sich dem Papste beim Eintritt in Verhandlungen mit Rußland „ausschließlich um politische Ziele handle und er die religiösen Belange der polnischen Nation 'seinem Ehrgeiz zum Opfer bringe". Gegen diesen Vorwurf suchte sich Leo X I I I . in einer öffentlichen Ansprache, die dem Geheimen Konsistorium am 14. Februar 1889 vorausgegangen, zu rechtfertigen. „ I n dieser Angelegenheit (regelrechte Beziehungen zum großmächtigen russischen Kaiserreich herzustellen) haben Wir mit besonderem Streben und gleicher Gewogenheit Unsere Sorgen und Gedanken den katholischen Belangen der Polen gewidmet 2 )." Izvolskij, der diese Worte berichtet, weiß zu gut, wie weit man im Vatikan bereit war, die russischen Interessen gegenüber den Polen zu vertreten. Nach einjährigem Aufenthalt in Rom kommt er zu folgender Charakterisierung Leos X I I I . : „Der jetzige Papst ist in erster Linie Diplomat und Politiker. Seit elf Jahren richtet sich sein ganzes Streben auf zwei Ziele: dem Papsttum sein früheres internationales Ansehen und seinen Einfluß auf den Gang der europäischen Ereignisse wiederzugeben und es seinen geschichtlichen Platz in Italien wieder einnehmen zu lassen, ohne irgend etwas von seinen Ansprüchen auf die weltliche Macht aufzugeben 3 )." I m folgenden wird dann das große weltpolitische Ziel des Papstes neuerlich entwickelt. Dies ist es auch, wie Izvolskij ausdrücklich betont, was ihn zum Zusammengehen mit Rußland drängt: „Leo X I I I . ist mit einem zu scharfen Verstände begabt, um an die Möglichkeit eines wahren und 1
) Vgl. C. B a u t r , Der Vatikan im System der europäischen Bündnispolitik von 1870—1900. Hochland, 30. J g . , 1. Bd., 1933, S. 385ff. Bauer nennt die Darstellung und Verarbeitung des gesamten Materials, das aber auch er in seinem Werte anerkennen muß, als ,,ebenso verkonstruiert wie tendenziös, recht gewaltsam unter geschichts-materialistische Perspektive gebracht". Mit diesen Worten glaubt C. Bauer der Beweiskraft der vonAdamov veröffentlichten Dokumente überhoben zu sein,, wie seine sonstigen Ausführungen zeigen. s
) Vgl. Adamov, S. 108, Depesche vom 26./14. Februar 1889.
•) Vgl. Adamov, S. 109, Brief vom 26./14. Februar 1889.
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dauerhaften Einvernehmens in den zahllosen religiösen Fragen zu glauben, die uns trennen und die in ihrer Mehrzahl durch ihre Natur selbst unlösbar sind. Andererseits kann er schwerlich ernste Hoffnungen für die Wiederherstellung seiner weltlichen Macht auf Rußland gründen. Aber sein politischer Instinkt laßt ihn im russischen Kaiserreich die hauptsächliche Triebkraft der späteren Abkommen erblicken, den ,Herrn über Krieg und Frieden' nach seinem Ausdruck. . . Von diesem Gesichtspunkte aus legt er dem Bestehen diplomatischer Beziehungen zu unserer Regierung beträchtliche Bedeutung bei 1 )." Izvolskij hat wohl hier ganz richtig gesehen, aber doch nur den Vordergrund, der Hintergrund war für ihn, den orthodoxen Russen, wohl überhaupt nicht faßbar. Der Gedanke, mit dem sich der Papst allen Ernstes trug, die mittelalterliche geistliche Weltherrschaft in der neuen Zeit in entsprechender Form wieder durchzusetzen, stand dem russischen Abgesandten als Realpolitiker zu fern. Leo X I I I . bezeichnete sich gern als Vicarius Jesu Christi, der das Regnum Jesu Christi auf Erden verwalte, damit ist das Programm theologisch ausgedrückt. Über Politik und Diplomatie, durch Erlangen der Souveränität und Parteinahme in den großen weltpolitischen Händeln sollte das Vikariat Jesu Christi über-alle Völker erreicht werden. Izvolskij sieht nur die Wege zum Ziel — der letzte Zweck aber blieb ihm trotz seiner Beobachtungsgabe verborgen. Der Diplomat schließt seinen Bericht mit der Feststellung, daß der Papst eben wegen seiner weltpolitischen Sicht Rußland gegenüber weitgehendes Entgegenkommen in kirchlichen Angelegenheiten zeigt und den „unaufhörlichen Ränken der polenfreundlichen Partei des Vatikans" widersteht. Der Widerstand ist freilich in den Augen Izvolskijs nur „nennenswert", nicht aber vollständig, was auch durchaus der Wirklichkeit entsprach, Ende Mai 2 ) berichtet der russische Vertreter beim Vatikan mit Genugtuung von der neuerlichen Verschärfung in den Beziehungen zwischen Papst und Quirinal. Ministerpräsident Crispi 3 ), der im Jahre 1887 versucht hatte, zu einer friedlichen Einigung mit Leo X I I I . zu kommen, war durch die Zerschlagung der Verhandlungen verärgert und ließ dem antiklerikalen Instinkt, der in italienischen Kreisen immer lebendig ist, freien Lauf. Besonders die Errichtung und Enthüllung des GiordanoBruno-Denkmals im J a h r e 1889 auf dem Blumenmarkt in Rom, wo der Philosoph vor ungefähr 300 Jahren verbrannt worden war, erzürnte Papst und Kurie so sehr, daß sich Leo X I I I . wieder einmal völlig als Gefangener empfand, der nur das eine Bedürfnis hatte, diesem „ K e r k e r " l
) Vgl. Adamov, S. n o , ebd.
*) Vgl. Adamov, S. i n , Bericht vom 22. Mai 1889. 3
) Vgl. F . Crispi, Memoiren, Berlin 1 9 1 2 . 5
W i n t e r : Rußland
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zu entrinnen. Er ließ deswegen sowohl beim König von Spanien als beim Kaiser von Österreich anfragen, ob eine Aufnahme in deren Staaten in Betracht käme, aber beide antworteten zurückhaltend, weil sie wußten, daß dies zu ernsten politischen Verwirrungen führen mußte und es im letzten doch nicht so ernst gemeint war. Aber um so mehr mußte sich der Papst in dieser Stimmung Hoffnungen auf einen baldigen Weltkonflikt machen, dem er freilich gleichzeitig wieder mit Bangen entgegensah. Jedenfalls war das die Stimmung, die der französische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Graf Lefebvre, für seine Arbeit im Vatikan brauchte. Die wichtige Rolle, die gerade Lefebvre in dem hohen Spiel um die russisch-französische Annäherung hatte, kann nicht genug betont werden. Lefebvre wußte 1 ) Papst und Kardinalstaatssekretär immer wieder zu bestärken, soweit dies überhaupt nötig war, in der Überzeugung, die russisch-französische Annäherung müsse vorwärtsgetrieben werden, wenn in einer weltpolitischen Auseinandersetzung der Papst Aussichten auf eine Souveränität des Vatikans in Rom haben wolle. Deswegen durften auch die Gespräche zwischen Izvolskij und Rampolla nicht abreißen. Obwohl die russische Regierung das Abkommen über die Ernennung der römisch-katholischen Bischöfe in Rußland durch Forderungen auf dem Gebiete der Kirchensprache beschwerte und verzögerte und damit eigentlich den Zorn des Papstes hätte erregen müssen, ging der Papst im Maikonsistorium nicht auf den Gegenstand ein, wiewohl er schon im Januarkonsistorium eine solche Regelung in baldige Aussicht gestellt hatte. Izvolskij hatte Kardinal Rampolla und anderen Persönlichkeiten, die Zutritt zum Papst hatten, wie er nach St. Petersburg stolz über seine Erfolge nach einem Jahre Tätigkeit berichten kann, „die Notwendigkeit eingeschärft", auf den Papst in diesem Sinne zu wirken, „äußerst vorsichtig zu sein, um unsere weiteren Beziehungen nicht zu schädigen". Und der Papst folgte diesem Wunsch des russischen Unterhändlers. „Besonders kostete es", wie Izvolskij zynisch feststellte, „wahrscheinlich seiner (des Papstes) Eigenliebe, seine beiden letzten Erfolge auf dem Gebiete der Außenpolitik mit Stillschweigen zu übergehen, ein großes Opfer", nämlich die Einsprache der Katholiken Österreichs und Deutschlands in öffentlichen Versammlungen gegen die gegenwärtige Lösung der römischen Frage. Aber diese beinahe unbegreifliche Nachsicht gegenüber Rußland kommt eben, das glaubt nun Izvolskij sicher zu wissen, aus politischen Gründen. Gerade damals war nämlich der italienische König in Berlin glänzend empfangen und die Stellung Italiens neuerlich befestigt worden. Um so 1 ) Vgl. Comte C h a r l e s d e G e r m i n y , I«a politique de I^eon X I I I . , Paris 1902. S. 259f., der sich auf das grundlegende Buch M. E. Daudets über das russisch-französische Bündnis beruft, aber auch aus persönlichen Erfahrungen schöpft.
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mehr mußte Seine Heiligkeit bemüht sein, sich für eine Machtkoalition einzusetzen, die den Dreibund wesentlich schwächte oder mit anderen Worten: die russisch-französische Annäherung mußte eine intensive Förderung erfahren. Rußland durfte zu diesem Zwecke keinesfalls verstimmt werden, wenn es auch noch so auf Kosten kirchlicher Angelegenheiten ging. Aber der „Osservatore Romano" 1 ) schrieb nicht umsonst, um seinem Herrn zu schmeicheln, vom Papste als der „ersten politischen Potenz der Welt", dem „politischen Haupt aller christlichen Völker". Diese Behauptung des Blattes war durchaus nicht so abwegig, wie Geschichtsschreiber der russisch-französischen Annähernug glauben 2 ), denn die dreifache Krone der Tiara, die der Papst auf dem Haupte trägt, sagt doch im letzten nichts anderes. Die überragende Stellung des Papstes war selbstverständlich für den Vicarius Jesu Christi, den Stellvertreter Gottes auf Erden; denn für jene, die diese I,ehre einmal angenommen, war der Papst natürlicherweise auch die „erste politische Potenz der Welt" und „das politische Haupt aller christlichen Völker". Gerade von der ideologischen Grundausrichtung her ist das im ersten Augenblick merkwürdig scheinende Verhalten des Papstes durchaus verständlich. Immer wieder darf sich Izvolskij deswegen rühmen, wie weit der Papst Rußland entgegenkommt, so, als allen Vatikanblättern die größte Zurückhaltung in bezug auf Rußland ausdrücklich auferlegt wurde. Selbst über die russischen Auslassungen anläßlich der 50-Jahr-Feier der völligen Unterdrückung der Kirchenunion in Rußland gingen die vatikanischen Blätter mit völligem Stillschweigen hinweg. Der Heilige Synod hatte die Erinnerung an das Aufhören der Kirchenunion in Rußland in Form eines öffentlichen Schreibens ausgedrückt, worin — wie der österreichisch-ungarische Botschafter gereizt meldet — „in überaus schwülstigen Redewendungen die Vorteile aufgezählt werden, welche die Bevölkerung durch den Kirchenwechsel hatte, nämlich die Rückkehr zum russischen Volkstum" 3 ). Welche Proteste wären in der vatikanischen Presse erhoben worden, wenn sich in Österreich oder in Deutschland auch nur annähernd Ähnliches ereignet hätte! Aber so schwieg man, denn Größeres stand auf dem Spiele. Die russische Empfindlichkeit in diesem Punkte durfte auf keinen Fall beleidigt werden. Der Papst erwartete große umwälzende weltpolitische Ereignisse in nächster Zukunft. Deswegen kann Izvolskij im Sommer 1889 melden: „Mit mir ist Kardinal Rampolla außerordentlich zuvorkommend und mitteilsam und erklärte mir unaufhörlich, wie ') Ende Juni 1892. *) Vgl. O . B e c k e r , Das französisch-russische Bündnis, Berlin 1925, S. 305. 3
) Bericht des österreichisch-ungarischen Botschafters vom 20. Juni 1889. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1889.
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hoch Leo X I I I . die ruhige, unabhängige feste Politik Rußlands schätze 1 )." Der Sturz Bismarcks im Jahre 1890 ist für den Papst ein neuerlicher Anlaß, den baldigen Ausbruch eines Weltkrieges gleichzeitig zu fürchten und zu hoffen, da Bismarck nach seiner Meinung als Haupt der Friedenspartei in Deutschland gefallen sei und nicht wegen innerer politischer Gegensätze. Nüchtern stellt Izvolskij diesen weltpolitischen Aussichten gegenüber folgendes fest: „ I c h bin mir ganz klar darüber, daß der greise Papst in einer zu künstlichen Umwelt lebt und zu sehr geneigt ist, Diplomatie ins I,eere hinein zu treiben, als daß es nötig sein sollte, seinen Ansichten über die laufenden Ereignisse große Bedeutung beizumessen", aber — und das ist für Izvolskij kennzeichnend — man kann aus diesen politischen Kannegießereien für Rußland Gewinn ziehen. Sie können —• wie er sich ausdrückt — „eine praktische Tragweite vom Standpunkte unserer Geschäfte mit dem P a p s t " haben, „ d a er immer zu einer versöhnlichen Haltung uns gegenüber mehr geneigt ist, wenn er glaubt, vor internationalen Verwicklungen zu stehen" 2 ). Um so eifriger ist der Papst besorgt, daß die französisch-russische Annäherung feste Formen gewinnt. Noch im J a h r e 1889 äußerte sich Alexander I I I . , seiner rauhen Art entsprechend, in recht derben Worten über die französische Republik. E s galt daher, das republikanische Frankreich in den Augen des autokratischen Zaren möglichst rasch bündnisfähig zu machen, indem die gemäßigten katholischen Kreise für die französische Republik gewonnen wurden. Gerade die französischen Katholiken waren zum größten Teil entschiedene Gegner der Republik. E i n restauriertes König- oder Kaiserreich Frankreich bot der römischen Kirche große Chancen. Die bourbonischen und napoleonischen Thronprätendenten waren selbst gläubige Katholiken und zu großen Zugeständnissen bereit. Aber Leo X I I I . konnte eine Erneuerung der Monarchie nur unter schweren Erschütterungen Frankreichs sehen. Dazu stand ihm dieses Land aber viel zu nahe, um es den Erschütterungen eines Bürgerkrieges auszusetzen, dessen Ausgang außerdem noch zweifelhaft war; der Papst brauchte ja auch ein starkes Frankreich zur Verwirklichung seiner Pläne. Deshalb war er vom Anfang seines Pontifikates an gewillt, den Frieden mit der französischen Republik herzustellen und zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu kommen. In dieser Mission ging bereits im J a h r e 1879 der polnische Graf Wladimir Czacki nach Paris, kehrte aber 1882 unverrichteterdinge wieder zurück und wirkte als Kardinal an der Kurie weiterhin im Sinne der Annäherung der französischen Katholiken an die dritte Republik. Im Zusammenhang mit seinen weltpolitischen Vorstellungen von einem *) Vgl. Adamov, a. a. O., S. 114, Bericht vom 5. Juli / 25. Juni 1889. *) Vgl. Adamov, S. 1 1 7 , Bericht vom 24./12. März 1890.
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unmittelbar bevorstehenden Zusammenstoß der Großmächte ging der Papst diesmal schärfer vor. Im November des Jahres 1890 brachte Kardinal Lavigerie 1 ) in Algier einen Trinkspruch auf das Wohl der französischen Republik aus, der ungeheures Aufsehen erregte. Der Papst und der Kardinalstaatssekretär traten in dem nun heftig entbrannten Kampf entschieden auf die Seite Lavigeries, der ja nur im Einvernehmen mit Papst und Staatssekretär diese Rede gehalten hatte. Auf diese Weise sollten die französischen Katholiken sozusagen von höchster Stelle gezwungen werden, sich an die französische Republik anzuschließen, sie zu unterstützen und nach Möglichkeit in ihr Einfluß zu gewinnen. Das sogenannte Ralliement begann 2 ). Dominik Ferra ta 3 ) wurde im J a h r e 1891 vom Papste als Nuntius nach Paris entsandt, um besonders in dieser Frage Fortschritte zu erzielen. Ferrata war Mitarbeiter und Schüler Czackis, ebenso wie dieser ein begeisterter Franzosenfreund und von seiner großen politischen Aufgabe ganz erfüllt. Aber auch ihm gelang es nicht, die französischen Katholiken restlos mit der dritten Republik zu versöhnen und diese vor allem auf ihrer kirchenfeindlichen Bahn aufzuhalten. Schon im J a h r e 1894 war seine Mission gescheitert. E r s t 1896 ist Ferrata als Kardinal an die Kurie zurückgekehrt, wo er unentwegt weiter im Sinne Frankreichs tätig war, wie er sich in seinen für diese politischen Ereignisse wichtigen Memoiren ausdrücklich rühmt 4 ). Wie eng aber das Ralliement mit dem russisch-französischen Bündnis im Zusammenhang stand, geht am besten aus den Memoiren Ferratas hervor. „Graf Lefèbvre hatte begriffen", schreibt Ferrata 5 ), „daß die durch Lavigeries Trinkspruch begonnene wohlwollende Politik des Papstes (die freilich schon viel früher eingeleitet worden war) gegenüber Frankreich darauf hinausging, das Prestige und die Autorität Frankreichs zu erhöhen und daß sie, wie er sagte, eine Brücke bilde zwischen dem Heiligen Stuhl und Kronstadt, das heißt daß Leos X I I I . Politik mit dazu beigetragen hatte, Rußland dem republikanischen Frankreich näherzubringen." Besser kann das denkwürdige Zusammenspiel der Mächte kaum geschildert werden. Ferrata mußte es ja am besten wissen, da er an demselben Muster webte. 1 a
) Vgl. F. F o u r n i e r , T,e Cardinal I^avigerie et son action politique, Paris 1913.
) Darüber existiert eine zahlreiche Literatur. Vgl. I^ecanuet, I^es premieres années du pontificat de I.éoii X I I I . 1878—1894, 2. Bd., Paris 1 9 3 1 ; F. D e s p a g n e t , I.a République et le Vatican 1870 bis 1906, Paris 1906; I.. de C h e y s s a e , I.c Ralliement, Paris 1906. Vgl. ferner G- M i c h o n , Les documents pontificaux sur la démocratie et la société moderne, Paris 1926, und die Biographien I,eos X I I I . von den Franzosen R . Fontenelle und F. Denis, die beide 1939 in Paris erschienen. ') Über Ferrata vgl. die ausgezeichnete Studie von H. Stutz: Die päpstliche Diplomatie unter I^eo X I I I . Abh. d. Preuß. Akademie der Wissenschaften, J g . 1925.*) Vgl. Mémoires, 3 Bde., Rom 1920. ') Vgl. a. a. O., 3. Bd., S. 335.
Die Memoiren des Kardinals Ferrata sind sozusagen eine Apologie seines an sich gescheiterten Versuches, alle französischen Katholiken der Republik zu verbinden; dagegen rühmt er sich ausdrücklich, wesentlich an dem Zustandekommen des französisch-russischen Bündnisses mitgearbeitet zu haben, natürlich ganz im Sinne Leos X I I I . Der Zar sollte durch das Eintreten des Papstes für die französische Republik Vertrauen zu ihrer Revölutionsfestigkeit und Anarchiefreiheit bekommen. Das ist ein Dienst, dessen sich Ferrata — freilich nur als geschicktes Werkzeug Leos X I I I . — mit Recht rühmen darf. Adamov schätzt von seinem Standpunkt aus die Wichtigkeit dieser Leistung zu wenig, Ferrata und die Kurie wiederum überschätzen die Bedeutung ihrer Tätigkeit. E s ist, wie aus der Aktenpublikation Adamovs hervorgeht, zu viel, wenn Ferrata und auch das offiziöse Blatt des Vatikans, „Osservatore Romano", für sich geradezu das Verdienst herausnehmen, Schöpfer des französisch-russischen Bündnisses zu sein; davon kann natürlich keine Rede sein, dazu war die politische Machtstellung des Vatikans doch viel zu schwach. Die unaufhörliche Säkularisation hat das mittelalterliche Herrschaftsideal längst innerlich zerfressen, wenn auch noch die Fassade stand und die Ansprüche auf Grund der Fassade groß waren. Der Papst ist trotz seiner unzweifelhaft geschickten und besonders eifrigen Vermittlung um den Vermittler lohn, die Souveränität in Rom, gekommen. Die guten Dienste und der noch bessere Wille dürfen aber nicht bagatellisiert werden. In diesem Sinne ist die viel erörterte Frage, welche Rolle dem Vatikan in der französisch-russischen Annäherung zukommt, wohl am besten zu beantworten. O. Becker 1 ), der den Anteil des Vatikans in der französisch-russischen Annäherung zu hoch einschätzt, sieht im Gegensatz zu H. Preller 2 ) im Vatikan geradezu den dritten Partner im Bunde; gegen diese Auffassung richtet sich H. Rothfels 3 ); der Wirklichkeit näher kommt der Amerikaner W. Langer 4 ). Manche Darstellungen der russisch-französischen Annäherung gehen den Bemühungen des Vatikans um dieselbe ganz aus dem Wege. Durch ein solches Nichteingehen wird auch die von den Historikern immer wieder neu behandelte Frage der Bedeutung der Nichterneuerung des sogenannten Rückversicherungsvertrages zwischen Rußland und Deutschland nach Bismarcks Entlassung im Jahre 1890 berührt. Die Nichterneuerung spielt im Lichte der römischen Aktion doch nicht die entscheidende 1
) O. B e c k e r , Das französisch-russische Bündnis, Berlin 1925.
') H . P r e l l e r , Zur Entstehung des russisch-französischen Zweibundes 1 8 9 1 — 1 8 9 4 , im Archiv für Politik und Geschichte, 3. Bd., 1924, S.. 463 f f . 3
) Vgl. H. R o t h f e l s , Das Wesen des russisch-französischen Zweibundes, ebd. 4-/5. Bd.
4
) Vgl. W. l a n g e r , The Franco-Russian AUiance 1890—1894, Cambridge U S A , 1929.
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Rolle, die ihr von nicht wenigen sehr angesehenen Historikern zugemessen wird 1 ). • " Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang dagegen bleiben, daß neben der südlichen vatikanischen Verbindungsbrücke zwischen Rußland und Prankreich auch eine nördliche über den dänischen Königshof nicht unterschätzt werden darf. Die Gattin Alexanders I I I . war eine dänische Prinzessin, die Deutschland haßte. E s ist nicht zufällig, daß Izvolskij, der von 1888 bis 1896 Vertreter des Zaren am Vatikan war, später nach Kopenhagen ging und die nördliche Verbindungsbrücke stärkte, nachdem er an dem Aufbau der südlichen nicht unwesentlich mitgearbeitet hatte. Die graue Eminenz im Auswärtigen Amt in Berlin, Holstein, war durchaus über diese nördliche Verbindungsbrücke im Bilde 2 ). Und O. Hammann, der als Vortragender R a t im Auswärtigen Amt ebenso wie Holstein Einsicht hatte, spricht geradezu vom dänischen Königshof in Kopenhagen als „Umschlaghafen des russisch-französischen Verkehrs 3 )." Die Bedeutung der südlichen Brücke wurde dagegen weitgehend übersehen. Selbst ein französischer Diplomat dieser Zeit, E . Toutain, widmet in seinem 1929 erschienenen Buch: Alexandre I I I . et la Republique française kaum drei Seiten dem Mitwirken des Vatikans. Woran liegt es, daß die aktenmäßig evident erwiesene Südbrücke der russisch-französischen Annäherung so wenig genannt wird ? Es ist wohl das scheinbar unentwirrbare Ineinander von Geistlichem und Politischem, das zuerst Diplomaten und später Historiker veranlaßte, dem vatikanischen Getriebe keine allzu große Bedeutung beizumessen, nicht zum Nutzen der Erkenntnis und Beherrschung der Wirklichkeit. Dazu kommt die Rücksicht auf das geistliche Prestige des Vatikans, von der selbst freisinnig sein wollende Forscher nicht frei sind. Und dieses Prestige könnte ernstlich Schaden leiden, wenn der offenbare Mißbrauch geistlicher Macht für politische Ziele ins Licht gerückt würde. Frankreich gegenüber war die Langmut Leos X I I I . ähnlich groß wie gegenüber Rußland, und zwar aus seinem unentwegten Bestreben, die beiden Mächte zusammenzubringen, um sich ihrer K r a f t für die Wiedererlangung der Souveränität in Rom bedienen zu können. Welches Sündenregister wird z. B . von den fünf französischen Kardinälen der französischen Regierung 1892 vorgehalten: Abschaffung der öffentlichen Gebete und der Sonntagsruhe, Wegnahme der Kruzifixe aus den Schulen, Verbot der Teilnahme am Gottesdienst für Soldaten, Verhinderung des *} Vgl. z. B . K . L a m p r e c h t , Zur jüngsten deutschen Vergangenheit, 2. Bd., 2. Hälfte, r9o6, S. 686 f f . ; J . H o h l f e l d , Geschichte des Deutschen Reiches, i 8 7 r — 1 9 2 6 , 2. Aufl., 1926, S. 2 9 5 f f . Vgl. auch F . H ä r t u n g , Deutsche Geschichte 1 8 7 1 — 1 9 1 9 , 5. Aufl., 1940. F . Härtung beschäftigte sich besonders mit dem Rückversicherungsvertrag in: Die Grenzboten 1 9 2 1 , I, ebenso wie H . Uebersberger i n : Die Kriegsschuldfrage 5, Oktober 1927, S. 9 3 3 f f . Dies sind nur einige wenige Iyiteraturhinweise. ') Vgl. H . K r a u s n i c k , Holsteins Geheimpolitik 1886—1890, 2. Aufl., 1942, S. 269. •) O. H a m m a n n , Der neue K u r s , Berlin 1 9 1 8 S. 57, vgl. S . 41 ff.
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Verkehrs der Bischöfe mit Rom, Zustimmung zur Priesterehe, willkürliche Belegung des Klerus mit Geldstrafen usw. usw. 1 ). Aber der Papst baute eben auf Frankreich in dem kommenden weltpolitischen Ereignis, das ihn „aus dem vatikanischen Gefängnis herausführen sollte". Deswegen muß das offizielle Frankreich trotz aller Sünden gestützt und gefördert werden, in jeder Weise und besonders in der Willfährigkeit Rußland gegenüber, das ja in den Plänen des Papstes eine ähnliche Rolle spielte. Mit den siegreichen Mächten will er am Siege teilhaben und hofft auf die Erfüllung von alten Träumen. Natürlich blieb der Gegenspieler Revertera nicht untätig. E r erspähte jede Gelegenheit, um in diesem weltpolitischen Gespinst des Papstes, das er freilich nur ahnte und als strenggläubiger Katholik in seinem ganzen Umfang immer nicht sehen wollte, Fäden zu zerschneiden. So irritierte er selbst Kardinalstaatssekretär Rampolla durch den Hinweis auf die Absicht Frankreichs, Rußland zuliebe auf seine Schirmherrschaft über die römisch-katholischen Missionen im Orient zu verzichten, wie Izvolskij am 16./4. J u n i 1891 nach Petersburg berichtet 2 ). Während der Ostertage 1891 war es nämlich in Bethlehem zu einem Zusammenstoß zwischen lateinischer und griechischer Geistlichkeit gekommen, der große Erregung im Vatikan hervorrief. Doch die französische Diplomatie brachte die Angelegenheit wieder in Ordnung, ohne auf die Schirmherrschaft über die römisch-katholische Kirche im Orient verzichten zu müssen und ohne gleichzeitig Rußland zu verärgern, das ja als Schirmmacht der Orthodoxen im Orient auftrat. Solch offenen Widerstreit kirchlicher und politischer Interessen versuchte Revertera auszunützen, um das Verhältnis zwischen Rußland und Frankreich einerseits und Rußland und der Kurie andererseits nach Möglichkeit zu trüben. Aber sein Einfluß erwies sich trotz seines guten kirchlichen L,eumundes als viel zu gering. Noch schlimmer ging es seinem Kollegen Schlözer, der von seiner beherrschenden Stellung des Jahres 1887 immer mehr herabgesunken war. E s gelang ihm 1891 nicht einmal, die Besetzung des Posener erzbischöflichen Stuhles zum Abschluß zu bringen, wie Izvolskij mit Genugtuung registriert 3 ). Gerade diese Frage interessierte Rußland sehr, da es sich um Polen handelte. Izvolskij verweist auf den Widerstand des Papstes gegen die Ernennung des Bischofs Kopp von Breslau, der sich um den Kirchenfrieden in Deutschland verdient gemacht hatte. Begründet wird die ablehnende Haltung des Papstes in dieser Frage damit, daß der Bischof in den Unterhandlungen zugunsten der preußischen Regierung tätig gewesen sei und sich für die weitgehende Verwendung der deutschen Sprache Vgl. F e r r a t a , Mémoires a. a. O-, 2. B d . , S. 1 4 3 . Vgl. Adamov, a . a . O . , S.
117I.
•) Vgl. A d a m o v , S. 1 1 8 , Bericht vom 16./4. J u n i
1891.
in Oberschlesien bemüht habe. Natürlich muß bei diesen Berichten Izvolskijs immer beachtet werden, daß er all das heraushebt, was seine Stellung in ein besonders günstiges Licht rückt; aber immerhin, daß er soviel für Rußland Günstiges und für Deutschland und ÖsterreichUngarn Ungünstiges zu sagen weiß, ist kennzeichnend. Anläßlich der lauten Demonstrationen Crispís für den Dreibund, die natürlich den Papst sehr erregten, hatte der „Osservatore R o m a n o " ausgeführt, daß die Kurie nur in Frankreich die Stütze gegen das böse Italien finden werde. Vergeblich bemühte sich Reverterá, dem Papst klarzumachen, daß der Dreibund keine feindselige Stellung der Kurie gegenüber einnehme, und vergeblich suchte Nuntius Galimberti in Wien dem Papst die Auffassung näherzubringen, daß Österreich-Ungarn und die deutsche Regierung hinreichende Bürgschaften für die Unschädlichkeit des Dreibundes der Kurie gegenüber böten. Dies alles genügte dem Papst nicht, er wollte ja die Souveränität in Rom zurückgewinnen, und dies war in einem starken Italien unmöglich. Italien war aber als Glied des Dreibundes stark, also mußte dieser bekämpft werden. Das war die Argumentation des Papstes, in die er sich immer neu vertiefte. In diesem weltpolitischen Zusammenhang ist es erklärlich, warum Leo X I I I . gerade im Frühjahr 1891 zur Herausgabe seiner berühmten Enzyklika: Rerum novarum schritt, in der er den Sozialismus und Kommunismus durch von ihm vorgeschlagene Arbeiterfürsorge in der Wurzel bekämpfen will. Gerade in diesem für die russisch-französische Annäherung so entscheidenden Zeitpunkt sollte alles geschehen, um dem Zaren den Vatikan als gediegensten antirevolutionären und antisozialistischen Garanten für das gemäßigt-demokratische Frankreich zu legitimieren. Deswegen ist besonders das Datum des Erscheinens der Enzyklika, der 15. Mai 1891, zu beachten. Mit geradezu fieberhafter Aufregung verfolgte der Papst die Vorgänge im Sommer 1 8 9 1 : den französischen Flottenbesuch in Kronstadt, die daran anschließenden Verhandlungen. Dem französischen Botschafter beim Vatikan, Graf Lefébvre, hat er, wie Isvolskij zu berichten weiß, „außerordentliche Anteilnahme an den politischen Ereignissen der letzten Wochen gezeigt; er habe ihn über alle Einzelheiten des bevorstehenden Besuchs eines französischen Geschwaders in Kronstadt ausgefragt und habe mit großer Offenheit und Lebhaftigkeit seine Ansicht über Fragen der laufenden Politik geäußert", kann Izvolskij im Sommer des Jahres 1891 berichten 1 ). Der Versuch der Mittelmächte, den Papst durch erhöhte Zugeständnisse zu gewinnen, scheitert. So wird das Entgegenkommen Deutschlands in der Frage der Besetzung der Erzdiözese Posen als Versuch der GewinVgl. Adamov, S. 1 1 9 , Bericht vom 15./3. Juli 1891.
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nung der Polen im Falle eines Zusammenstoßes mit Rußland ausgelegt, und in dem Entgegenkommen in der Frage des Primas von Ungarn sah Rampolla das Bemühen, den Vatikan doch noch aus der Umarmung mit Frankreich und Rußland zu reißen, wie er Izvolskij ausdrücklich mitteilte 1 ). Besonders interessierten Izvolskij die Polen sowohl in Deutschland als natürlich vor allem in Rom. Gegen Kardinal L,edochowski, dessen Macht damals gerade im Aufstieg begriffen war, wie der russische Vermittler mit Unlust berichtet, brauchte er Rampolla nicht besonders aufzureizen, denn diese beiden waren entschiedene Gegner, vor allem durch ihre durchaus verschiedene Einstellung Rußland gegenüber. Wachsende Unterstützung erhielt Ledochowski durch den Fürstbischof von Krakau, A. v. Dunajewski, der 1890 Kardinal wurde. Dunajewski, ursprünglich Jurist, war nach dem mißlungenen Aufstand der Polen 1863 aus Russisch-Polen nach Galizien geflohen. Hier katholischer Priester geworden, wurde er bald einer der Führer der konservativen Polen in Österreich mit scharfer Ablehnung Rußlands als Feind des katholischen Polens. Wie groß im Kardinalskollegium das Interesse für Rußland war, zeigt die Reise des Dominikaners Vinzenz Vannutelli, eines Neffen der beiden einflußreichen Kardinäle Vinzenz und Seraphim Vannutelli, nach Rußland im Jahre 1891. Er hat seine Reiseeindrücke in dem Buch „Russia. Studio religioso sopra la Russia" niedergelegt, das im Jahre 1892 in Rom erschien. Vor allem untersucht er natürlich die Frage, ob eine Union der russisch-orthodoxen Kirche mit der römischen möglich sei, auf welche Weise und auf welcher Grundlage. An dieser Frage war ja die römische Kurie am meisten interessiert. In einem geradezu leichtfertigen Optimismus kommt er zu dem Ergebnis, daß eine solche Kirchenunion durchaus im Bereich der Möglichkeit liege; der Weg, den die Maroniten im Libanon gegangen seien, sei ein Beispiel dafür. Und zwar atif der Grundlage eines Konkordates Rußlands mit dem Heiligen Stuhl hält Vinzenz Vannutelli der Jüngere eine Union der russisch-orthodoxen Kirchen mit Rom für möglich. Das war freilich ein allzu einfaches Rezept, dem auch sofort von russischer Seite entschieden widersprochen wurde. Pobedonoscev vor allem tröstete sich keineswegs mit der Versicherung, daß der Heilige Synod bei einer solchen Union ruhig weiterbestehen könne, wie Vannutelli in seiner unglaublichen Naivität ausgeführt hatte. Es nützte nichts, daß Izvolskij und das Auswärtige Amt in St. Petersburg die Mission Vannutellis unterstützten, weil sie für ihre Pläne und ihren Einfluß im Vatikan einen günstigen Eindruck notwendig brauchten, der durch das Buch des Dominikaners erreicht werden sollte. Durch eine scharfe Erklärung Pobedonoscevs wurde der Reisezweck des 1
) Vgl. Adamov, S. 120, Bericht vom 1. Dezember / 19. November 1891.
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italienischen Dominikaners vollkommen desavouiert. Der Dominikaner hatte sich unglücklicherweise in seinem Buche auf Pobedonoscev berufen, mit dem er in Petersburg gesprochen habe. Dies gab dem Oberprokurator des Heiligen Synods natürlich die gewünschte Gelegenheit, störend einzugreifen. In einem offenen Brief an die englische Zeitschrift „ R e v i e w of R e v i e w s " , damit es der ganzen Welt bekannt wurde, schrieb er: „Ich habe dem Pater Vannutelli gesagt, daß das russische Volk niemals einwilligen werde, sich dem Joch der päpstlichen Autorität zu unterwerfen, da uns die Freiheit unserer Kirche teurer ist als alles sonst auf der Welt, daß unser Glaube unvereinbar mit der Gewaltstellung des Statthalters Christi auf Erden, daß alle übrigen Unterschiede in den Dogmen, rituellen Vorschriften und Gebräuchen nicht wichtig sind, daß aber dieser Unterschied stets ein unüberwindliches Hindernis für eine Verschmelzung der beiden Kirchen bilden wird, bei der wir auf unsere geistige Eigenart verzichten müßten. Der Glaube des russischen Zaren ist unteilbar derselbe wie der des russischen Volkes. Was aber seinen Willen in Glaubenssachen betrifft, so steht er zur Kirche wie ein Sohn zur Mutter . . ."!). Damit war freilich offen das Wesentliche gesagt. Pobedonoscev kann sich das Mißverständnis Vannutellis, daß er sich ausgerechnet aus einem Gespräch mit ihm Hoffnungen auf eine Kirchenunion machen konnte, nur so erklären, daß Vannutelli, wie er sich ausdrückte, die französische Sprache, in der das Gespräch geführt wurde, nicht vollständig beherrsche. Die Reise Vannutellis hat außerdem die Polen in Rußland aufrührerisch gemacht, die wiederum in den Vatikan klagen kamen. Die polnischen Intrigen setzten schon während des Aufenthaltes des Dominikaners in Rußland ein, wie der österreichisch-ungarische Geschäftsträger Aehrenthal aus Petersburg zu berichten weiß 2 ). Aber alle Angriffe gegen die russische Regierung gerade in diesem Zusammenhang, selbst die Beschwerde der Kardinäle Mermillod und Vaughan, wahrscheinlich angeregt von den Polen, direkt an den Heiligen Vater gerichtet, waren vergeblich. Die Folge war nur die Aufhebung der Dominikanerpfarrei in Petersburg. Leo war in seiner Sympathie für Rußland nicht zu erschüttern, hatte er doch große Pläne. Trotzdem ging dieses Intermezzo Vannutelli, vor allem durch das unerwartete Eingreifen Pobedonoscevs, doch nicht so aus, wie Izvolskij, Rampolla und der französische Botschafter Lefébvre gedacht hatten. Im Sommer des Jahres 1892 war der Gesundheitszustand des Papstes so bedenklich, daß bereits ernstlich über das Konklave und die Aussichten eines neuen Papstes gesprochen wurde. Begreiflich war deswegen das l
) Vgl. Bericht Reverterás vom 4. April 1893. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rom, Vatikan 1893^
!
) Vgl. Bericht vom 20./8. Dezember 1893. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1893.
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Streben aller Mächte, möglichst einen Papst, der ihrer politischen Auffassung nahestand, gewählt zu wissen. Izvolskij fürchtete sehr, wie er darüber ausführlich am 23./11. August seiner Regierung berichtet, den kommenden Einfluß Galimbertis, dessen Abberufung von Wien als Kurienkardinal unmittelbar bevorstünde und im Jahre 1893 auch wirklich eintrat. Diese „im höchsten Maße begabte und hervorragende Persönlichkeit" sei gerade deswegen eine Gefahr, weil sie ein offener Anhänger der Aussöhnung der Kurie mit Italien und der Annäherung an den Dreibund sei. Dazu komme noch Ledochowski, der wohl einer der Hauptführer der unversöhnlichen Partei sei, aber wegen seiner Russenfeindlichkeit Izvolskij gefährlicher erscheint als Galimberti. Die Aussichten Ledochowskis, Papst zu werden, hält Izvolskij freilich für gering, weil er, vor kurzem "1892 Präfekt der Propaganda geworden, wohl eine der einflußreichsten Stellen in der römischen Kurie innehabe, aber sich gerade dadurch in der kurzen Zeit Feinde gemacht habe, besonders bei seinen Mitarbeitern, den italienischen Monsignori. Aber der Gran Elettore, das heißt der Ausschlaggebende im Konklave, könnte Ledochowski wohl sehr gut werden. Dies wäre „von unserem Standpunkt um so bedauerlicher", weil er damit den entscheidenden Einfluß auf den zukünftigen Papst und vor allem auf die Ernennung des Staatssekretärs haben würde 1 ). Um so beklagenswerter findet deswegen Izvolskij die Tatsache, daß der Kampf der französischen Republik mit den französischen Kardinälen und Bischöfen die Stellung Lefébvres stark erschütterte, wenn er auch weiterhin das vollkommene Vertrauen des Papstes und seines Staatssekretärs genieße. Trotz dieser Verminderung des Einflusses im Kardinalskollegium, heißt es in dem Bericht Izvolskijs, „fahre ich fort, auf meine persönlichen Beziehungen zum französischen Botschafter wie auf den für mich einzig möglichen Stützpunkt in den verschiedenen Strömungen zu blicken . . . und gebe mir alle Mühe, um in ihm seine mir bekannte Neigung für unsere politischen Belange aufrechtzuerhalten". Wie ganz anders klingt dies als vor vier Jahren, da Izvolskij über die allzu große Fürsorge durch Lefébvre klagt; so sehr hatte sich die Annäherung in dieser Zeit verwirklicht. Aber auch die Gegenpartei, vor allem das königliche Italien und der österreichisch-ungarische Botschafter Reverterá, suchten die Gelegenheit auszunützen, um die ihrer Meinung nach unnatürliche Verbindung zwischen dem Vatikan und dem „kirchenräuberischen" Frankreich wenigstens zu stören. Im Sommer des Jahres 1892 erschien in der letzten Nummer der englischen Zeitschrift „Contemporary Review" ein Artikel, den Izvolskij übrigens mit Unrecht als von Reverterá inspiriert bezeich') Vgl. Adamov, S. 126, Bericht vom 23./i 1. August 1892.
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net und in dem die hohe Politik Leos X I I I . dargestellt wird. Vor allem wird auf das Unrecht hingewiesen, daß Revertera, der Vertreter des eifrigsten katholischen Herrschers, selbst streng katholisch, auf Kälte und Mißgunst stoße, während der Vertreter Rußlands, wo die katholische Kirche unerhörten Härten ausgesetzt sei, einen ehrenvollen, ja dankbaren E m p f a n g gefunden habe. „Dieser Aufsatz", muß Izvolskij feststellen, „enthält sehr viele beachtenswerte und zum Teil wahre Einzelheiten über die Seite der päpstlichen Politik hinter den Kulissen" 1 ). Aber der Schluß Izvolskijs, daß der Artikel von Revertera stamme oder auch nur von ihm inspiriert sei, ist unwahrscheinlich, weil Revertera —• viel beschränkter, als Izvolskij annahm —, wie seine Berichte erweisen, selbst sehr viel günstiger berichtete und diese Zusammenhänge, von denen er wohl hörte, immer nicht glauben wollte. Der Aufsatz dürfte vielmehr aus den Kreisen um Crispi kommen 2 ), dafür spricht auch die Tatsache, daß die Zeitung „ L ' I t a l i e " ungefähr zur gleichen Zeit einen ähnlichen, nur noch viel schärferen Aufsatz brachte, in dem vor allem auf die Nachricht hingewiesen wurde, daß französische Legitimisten und Polen Leo X I I I . Aufzeichnungen überreicht hätten, aus denen die Verfolgung der römisch-katholischen Kirche durch die russische und französische Regierung eindeutig hervorgehe. Der stärkste Vorwurf Crispis und seines Kreises lautete: „Der Papst vernachlässigt die Belange des Katholizismus, um das Wahngebilde der Wiederherstellung der weltlichen Macht zu verfolgen" 3 ). Interessant sind die Gruppen, die sich im Vatikan gegenüberstehen: regierungstreue Italiener, französische Legitimisten und nationale Polen greifen die Politik des Vatikans an, die gegen Deutschland und Österreich gerichtet ist und die von kirchenfeindlichen Franzosen und orthodoxen Russen verteidigt wird. Welch unnatürliche .Bündnisse entstehen, weil die „hohe Geistlichkeit, der Papst voran, die Politik liebt", wie sich Izvolskij früher einmal ausdrückte. Diese Vorwürfe kommen übrigens nimmer zum Schweigen. Auch im J a h r e 1893 muß Izvolskij feststellen, daß die Meinung verbreitet werde, und zwar von polnischer Seite mit „tätiger Unterstützung Ledochowskis" 4 ), daß „ L e o X I I I . die Belange der katholischen Kirche in Rußland um rein politischer Berechnungen willen vernachlässige". Solch immer wieder erneuerte Klagen konnte selbst Leo X I I I . .auf die Dauer doch nicht ganz überhören, und so greift er wieder zu seinem erprobten Mittel, eine eigene Kardinalskommission mit der Prüfung der Beschwerden aus Rußland zu betrauen. Mitglieder sind die Kardinäle: ') *) •) *}
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Adamov, S. 127, F. Crispi a. a. O. Adamov, S. 127, Adamov, S. 128,
Bericht vom 18./6. Oktober 1892. S. 4 2 4 f f . ebd. Bericht vom 10. Oktober 1893.
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Rampolla, Um nicht Leo X I I I . Zaren, um
Mocenni, die beiden Vannutelli, Galimberti und l,edochowski. einen „öffentlichen Schritt" tun zu müssen, wendet sich auf R a t des Staatssekretärs in einem Privatbrief an den ihm seine Klagen vorzutragen.
In dieser peinlichen Angelegenheit verwies Izvolskij auf die Wichtigkeit einer Nuntiatur in St. Petersburg 1 ) oder doch wenigstens eines päpstlichen Vertreters, der sich selbst überzeugen könnte, was an den Beschwerden vor allem der Polen wahr sei. Der Zar erstickte aber ein solches Ansinnen schon im Keime durch die Bemerkung, „das wäre noch schlimmer", denn der Brief des Papstes hatte Alexander I I I . höchst erzürnt. Bei Izvolskij sind natürlich neben klar erkannten sachlichen Gründen auch persönliche Wünsche maßgebend, denn er ist begreiflicherweise» bestrebt, seine Stellung, die immer noch nicht geordnet war, zu befestigen, indem er endlich' Gesandter oder Ministerresident wird und nicht nur wie bisher als Vermittler die russischen Angelegenheiten beim Vatikan betreiben muß. Aber vor allem hat er durch einen sechsjährigen Aufenthalt an der Kurie einen tieferen Einblick in die Kirchenpolitik erlangt, weshalb ihm die Wichtigkeit einer ständigen diplomatischen Vertretung in Rom im Interesse Rußlands wichtig erschien. Von Kardinal Rampolla kann er sogar sagen, daß er „nach sechs Jahren ununterbrochenen Verkehrs nahe persönliche Beziehungen gewonnen hat 2 )." Das sagt bei dem verschlossenen, fast abstoßenden Wesen des Kardinalstaatssekretärs viel. R a m polla ist aber auch stets voll Eifer für die russisch-französische Entente, die ihm nicht fest genug sein konnte, eingetreten. So versichert er Izvolskij im Herbst 1893 ausdrücklich, daß „die Beteiligung der höchsten französischen Geistlichkeit an der Bekundung der Zuneigung zu uns (russische Seeleute kamen im Herbst 1893 nach Toulon) in Frankreich nicht nur mit Einverständnis, sondern mit voller und formeller Billigung Seiner Heiligkeit stattgefunden" 3 ). Wie ganz anders war das Verhalten des Papstes und natürlich noch mehr des Kardinalstaatssekretärs gegenüber Österreich und Deutschland. Als z. B . Kardinalerzbischof Graf Schönborn von Prag im Frühjahr 1893 in Rom war und Papst und Staatssekretär besuchte, berichtete er dem österreichisch-ungarischen Botschafter Graf Reverterá darüber, der nach Wien weiter meldete: „Der Heilige Vater hat herzlich mit ihm gesprochen, ohne die Wärme, die man bei ihm so gerne für unseren Monarchen finden würde. Kardinal Rampolla sei kaum höflich gewesen, klagte hier Seine Eminenz. Dieser Unterschied zwischen Papst und Staatssekretär ist ') Vgl. A d a m o v , S. 130, Bericht vom 28./16. November ') Vgl. ebd. •) Vgl. ebd.
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1893.
nicht neu; der erste verehrt und liebt unseren Allerhöchsten Herrn und leidet darunter, Österreich-Ungarn nicht eben so lieben zu können, weil der Schatten des Dreibundes darauf liegt, Rampolla möchte uns schon nicht lieben, wenn er auch könnte" 1 ). Hinter diese Unterscheidung zwischen Papst und Staatssekretär rettet sich der gläubige Katholik Reverterá. In Wirklichkeit lag die Leitung durchaus fest in der Hand (Jes Papstes. Der Kardinalstaatssekretär ist nur sein einflußreichster Ratgeber, mit dem er die Fragen der Welt- und Kirchenpolitik durchspricht. Freilich ergibt sich aus dieser Stellung für Rampolla eine große Macht, die er auch voll in seinem Sinne auszunützen versteht. Doch allmächtig ist auch er nicht. Sein Gegenspieler wird immer mehr der Pole Ledochowski. Der französische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Graf Lefébvre, der vertrautest mit Rampolla verkehrt, sieht in Ledochowski „den Hauptgegner der französischen Neigung des Papstes" 2 ). Ja, Ledochowski versucht sogar, das gute Verhältnis zwischen Rußland und dem Vatikan zu stören, und er war es nach Lefébvre, der Leo X I I I . drängte, eine Enzyklika über die Lage der römisch-katholischen Kirche in Rußland zu veröffentlichen. Dies hätte aber natürlicherweise bei der Einstellung Rußlands zu solchen päpstlichen Äußerungen wieder sehr leicht zum Abbruch der Beziehungen führen können. „Der französische Botschafter hat mir versichert, er habe seinerseits alles getan, was in seiner Macht lag, um die Kurie von dem begangenen Fehler abzuhalten (der Privatbrief des Papstes an den Zaren), aber der altersschwach werdende und geistig nachlassende Leo X I I I . gebe leichter als früher dem Druck des willenskräftigen Ledochowski nach" 3 ). In Wirklichkeit mußte der Papst doch irgendwie wenigstens den Schein von Objektivität wahren, besonders gegenüber dem Kardinalskollegium, aber seine politische Hauptlinie blieb trotz aller Schwierigkeiten unvermindert die gleiche. „Die letzten Ereignisse in Paris und Toulon (russisch-französische Flottenbegegnung) hatten", wie Lefébvre Izvolskij versichert, „einen sehr tiefen Eindruck auf den Papst gemacht, und trotz der augenblicklichen Erfolge Ledochowskis wünscht der Papst mehr als irgendwann mit uns in Frieden zu leben" 4 ). Damit ist von den Kräften und Gegenkräften, die im Vatikan um die Macht rangen, ein ausgezeichnetes Bild entworfen. Das Ergebnis dieses Kräftemessens war sicherlich für die Weltpolitik nicht ohne Bedeutung. Wenn natürlich auch die Vertreter der einzelnen Regierungen beim Heiligen Stuhl dazu neigten, die Bedeutung dieser K r a f t zu übertreiben, ') Vgl. Geheimbericht vom 10. März 1893. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Vatikan 1893. *) Vgl. Adamov, S. 132, Bericht Izvolskijs vom 28./16. November 1893. ») Vgl. ebd. «) Vgl. ebd.
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weil auch ihre Bedeutung mit der des Heiligen Stuhles wuchs, so darf doch die wirkliche K r a f t , um die es ging, nämlich das Vertrauen von Millionen von Katholiken, nicht unterschätzt werden, das hier machtpolitisch zum Einsatz kam. Izvolskij lag vor allem daran, daß seine Mission Erfolg hatte, und das war nach seiner Meinung in erster Linie durch die Errichtung einer ständigen Vertretung der russischen Regierung beim Vatikan zu erreichen. Nach einem Gespräch, das Izvolskij anläßlich seines Petersburger Aufenthaltes im J a h r e 1893 mit Aehrenthal, dem damaligen österreichischungarischen Geschäftsträger in St. Petersburg hatte, liegt „nach Andeutungen Izvolskijs der Gedanke nahe, daß der genannte Diplomat seine Stellung legalisiert wissen will. Ich höre, daß Herr Izvolskij in einer ausführlichen Denkschrift alle Argumente, die für eine offizielle diplomatische Vertretung Rußlands beim Heiligen Stuhl sprechen, sammelte und diese als Promemoria Seiner Majestät zur Ansicht vorgelegt wird" 1 ). Wie scharf Izvolskij die Dinge in Rom, wie sie ihm erschienen, beurteilt, geht aus dem Satz hervor, den er Ende 1894 nach Petersburg schreibt: „ L e o X I I I . , der sich durch eine mehr politische als religiöse Geistesverfassung auszeichnet und beständig bestrebt ist, in der internationalen Politik eine tätige Rolle zu spielen" 2 ). Mit diesem einzigen Satz zeigt Izvolskij wieder einmal die ihm eigene Charakterisierungskunst, die freilich die letzten Hintergründe nicht erfaßt. Aus dieser Grundhaltung des Papstes kamen dann die nicht nur für einen religiösen Menschen unbegreiflichen politischen Intrigen und Machtkämpfe im Vatikan. Die Begründung mit kirchlichen und religiösen Motiven wie Kirchenunion erschien gewöhnlich für Realpolitiker so schwach, daß sie einem so klugen Mann wie Leo X I I I . gar nicht zugetraut wurde. Izvolskijs Betrachtungen darüber haben wir schon gehört 3 ). Aber auch Reverterá grübelte als gläubiger Katholik öfters über die letzten Gründe des ihm so unverständlichen Verhaltens des Papstes. „Man kann sich bei ihm durch nichts angenehmer machen, als wenn man die Hoffnung — und es ist wohl erlaubt zu sagen, die Illusion — unterstützt, die in dieser Hinsicht (Kirchenunion) seinen Geist umgaukelt. Darin leistet die vatikanische Presse wahrhaft Unglaubliches. E s ist oft schwer zu unterscheiden, woher sie ihre Inspirationen erhält, Rampolla ist sich des platonischen Wertes von Äußerungen der Unionswilligkeit bewußt 1 ). Aber der Papst wird nach Meinung Reverterás in diesen Illusionen gehalten, weil sie für die entsprechenden politischen Mächtel
) Vgl. Bericht vom 25. Oktober 1893. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1893. Vgl. Adamov, S. 134, Bericht vom 27./15. November 1894.
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) Vgl. Adamov, S. 109, Bericht Izvolskijs vom 26./14. Februar 1889.
*) Geheimbericht vom 10. März 1893. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Vatikan 1893.
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gruppen von Nutzen sind. Revertera sieht also ebenso wie Izvolskij die letzten Zusammenhänge nicht. Jedenfalls bereitet natürlich Revertera die entschiedene Abfuhr, die Pobedonoscev den römischen Anbiederungsversuchen an die russischorthodoxe Kirche, wie sie Pater Vannutelli betrieben, erteilt hatte, besondere Genugtuung. Der „Moniteur de R o m e " äußert darüber seine Enttäuschung in bittersten Worten, bemerkt Revertera mit sichtlicher Schadenfreude. Der „Moniteur de R o m e " war das Sprachrohr der französischen Katholiken am Vatikan und deswegen um die Mission Vannutellis besonders besorgt, sollte doch diese für die Kardjnäle gegen den gefürchteten L,edochowski die kirchliche Begründung des Vorgehens Leos X I I I . gegenüber Rußland geben. Wie konnte in dieser Atmosphäre, in der alles politisch gesehen wurde, etwas wahrhaft Religiöses und Kirchliches gedeihen, wie es doch immerhin der Abschluß einer Kirchenunion sein sollte. Nichts kann die Erfolglosigkeit der Unionsbestrebungen besser illustrieren als gerade diese Botschaftsberichte aus der Zeit Leos X I I I . E s ist ein gefährlicher circulus vitiosus, der sich kundtut: politische Macht vor allem ist notwendig, um zur Kirchenunion zu kommen, die selbst als kirchlich-religiöse Angelegenheit betrachtet wird, um machtpolitische Konzepte des Papstes zu decken, die die Gloire nicht nur Frankreichs, sondern auch der Kirche wiederherstellen sollen. Die innerlichen Widersprüche, die in dieser für das Christentum als so wesentlich erklärten Frage herrschen, müssen bei gläubigen Katholiken mißverstanden werden oder Bedenken erregen, wie es auch bei Revertera der Fall war. Bei ihm sind freilich außerdem noch die Gefühle des Gerbers, dem die Felle davonschwimmen, maßgebend. Wohin die Politisierung der Kirchenunionsfrage führt, zeigt am besten der Fall Bulgarien 1 ). Dieses Land wurde schon seit langem als russische Einflußsphäre erklärt. Ihm lagen die Meerengen nahe, und es war von einer slawisch sprechenden Bevölkerung bewohnt; die Meerengen waren aber der Zaren Traum seit Jahrhunderten. Schon die alte Rus hat im io. Jahrhundert darum gekämpft. I m J a h r e 1878 hatte Rußland große Opfer für die Befreiung der Bulgaren gebracht und war um so erzürnter, daß die Ergebnisse nicht im Verhältnis dazu standen. Andrässys Politik ging außerdem dahin, Bulgarien möglichst klein zu halten, um Rußlands Einfluß auf dem Balkan einzudämmen. Aber bald zeigte sich, daß, in Bulgarien selbst, vor allem durch Fürst Ferdinand organisiert, eine Rußland feindliche Richtung sich durchsetzte. Diese Politik hatte schon Alexander von Battenberg eingeleitet, aber erst Ferdinand von Koburg entwickelte sie, seiner Art entsprechend, M Vgl. das Kapitel „Die orthodoxe Kirche und der griechisch-bulgarische Kirchenstreit" in der, anonymen, aber sehr gut informierten Schrift: „Berlin—Wien—Rom. Betrachtungen über den neuen Kurs und die neue europäische I^age." Leipzig 1892. 6 W i n t e r : Rußland
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systematisch. Er suchte mit seinem Minister Stambulov die Annäherung an Österreich-Ungarn und Deutschland. Aber Bismarck war entschieden dagegen, Bulgarien in das Einflußgebiet des Dreibundes einzubeziehen, da dadurch der Konflikt mit Rußland' unvermeidlich geworden wäre, was Bismarck nach Möglichkeit zu verhindern suchte. Österreich-Ungarn zeigte sich weniger zurückhaltend, doch es wurde von Bismarck im Zaum gehalten. Da Fürst Ferdinand von Koburg römischkatholisch war, bot sich eine gute 'Gelegenheit für die römische Kurie, an die Union der bulgarischen Kirche zu denken, die schon im 17. und auch im 19. Jahrhundert erfolgversprechend von Rom aus betrieben worden war. Fürst Ferdinand und seinen bulgarischen Mitarbeitern wurde •im Jahre i8go-von russischer Seite der Vorwurf „der Verführung der bulgarischen Geistlichkeit zur Union mit dem Vatikan" gemacht. Österreich wurde von dem Wiener Korrespondenten der „Novoje Vremja" 1 ) angeklagt, diese Verführung zu unterstützen. Der römisch-katholische Erzbischof Menini von Philippopel hatte nämlich durch Sammelerlaubnis in Österreich-Ungarn eine wesentliche Förderung erhalten. Kennzeichnend ist nun die Zurückhaltung in maßgebenden vatikanischen Kreisen dieser Angelegenheit gegenüber. Der Grund der im ersten Augenblick unverständlichen Zurückhaltung ist sicherlich nicht in der Prüderie gelegen, politische Situationen für ihre kirchlichen Zielsetzungen unbenutzt vorübergehen zu lassen, sondern im Gegenteil. Gerade weil der Vatikan besonders von französischer Seite wußte, wie empfindlich Rußland für jeden Unionsversuch in Bulgarien sei, ließ er die irgendwie erfolgverheißende Angelegenheit fallen, obwohl der Papst doch so sehr für Kirchenunion mit den Ostkirchen interessiert war. Aber der französische Botschafter in Konstantinopel, Paul Cambon, drängte im Sinne einer Desinteressierung des Vatikans an Bulgarien 2 ). Das Einschreiten Cambons erfolgte wieder im Interesse des französischen Bundesgenossen, Rußlands. Hier offenbart sich das hohe Spiel Cambon—Lefebvre—• Izvolskij—Rampolla besonders deutlich. Über alle Gegensätze zwischen orthodoxer und römisch-katholischer Kirche hinweg wird der Primat politischer Interessen sichtbar. Als aber dann Ferdinand von Bulgarien im Jahre 1894 doch den Weg geht, den er bei der geringen oder halben Unterstützung durch den Vatikan, aber auch durch Österreich gehen mußte, nämlich nach Petersburg, war seine Unterwerfungsgabe niemand anderes als sein ursprünglich römisch-katholisch getaufter Sohn Boris, der im Jahre 1896 neuerlich, diesmal orthodox getauft wurde; sein Pate war natürlich der Zar Nikolaus I I . von Rußland. Selbstverständlich traf diese Handlung in erster ') Vgl. St. Petersburger Zeitung vom 6. August/25. Juli 1890. ') Vgl. Bericht des österreichisch-ungarischen Grafen Wolkenstein in St. Petersburg vom 6. Juni 1894. Haus*, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rußland 1894.
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Linie Österreich-Ungarn. Der österreichisch-ungarische Agent in Sofia nahm deswegen kennzeichnenderweise an der feierlichen Taufhandlung nicht teil. Aber auch in Rom war anfangs — wenigstens nach außen — die Aufregung groß. Die vatikanischen Blätter schrieben vom „Scandalo di Bulgaria". Dagegen nahm das Staatssekretariat begreiflicherweise — der französische Einfluß machte sich bemerkbar — die Angelegenheit von Anfang an sehr ruhig auf. Wiederum kann der gutgläubige Revertera diese Haltung nicht verstehen, denn sie war doch zu offensichtlich gegen die Interessen der römisch-katholischen Kirche gerichtet. Ein katholisch getaufter Prinz wird orthodox wiedergetauft — welcher Schlag für das Ansehen der römisch-katholischen Kirche besonders auf dem Balkan! Revertera beging eben immer wieder den Fehler, die weitgesteckten politischen Interessen des Vatikans nicht verstehen zu können. Man lese nur im Anhang seinen vertraulichen Bericht vom 28. Feber 1893, worin er die politische Linie I,eos X I I I . und besonders Rampollas klar herausarbeitet und doch so viele Entschuldigungen findet, vor allem weil er es nicht für möglich hält, daß solchen politischen Ideen kirchliche Interessen geopfert werden könnten. Mit Befremden sieht Revertera 1896, daß der an sich schon sehr milde Hirtenbrief des römisch-katholischen Erzbischofs von Philippopel, Menini, dessen Schäflein Fürst Ferdinand und Prinz Boris waren, in dieser sicherlich für den Oberhirten schmerzlichen Angelegenheit im Staatssekretariat noch als zu scharf empfunden wird. Der Kronprinz Boris war kurz vor seiner orthodoxen Taufe noch am 30. Jänner 1896 in den dritten Orden des heiligen Franziskus aufgenommen worden. Angenehm war die Sache für Rampolla sicherlich nicht, das zeigt die Unterredung, die er mit Revertera am 25. Februar 1896 hatte, worüber der Botschafter vertraulich nach Wien berichtet. Der Staatssekretär sei „ihm gegenüber ungewöhnlich mitteilsam gewesen", ein Zeichen seines Schuldbewußtseins. Das Ärgernis über das Vorgehen Meninis war in römisch-katholischen Kreisen doch zu groß. Deswegen spricht Rampolla auch Revertera gegenüber von der Unzufriedenheit des Papstes mit Ferdinand, mit Rußland und mit dem Erzbischof Menini. Dieser hätte die Exkommunikation aussprechen müssen, erklärte Rampolla, aber die „väterliche Sorge" ließ ihn davon abstehen. Im letzten war aber doch der Grund ausschlaggebend, Rußland durch scharfes Vorgehen nicht zu verstimmen. Darüber war sich selbst der sonst so schwer begreifende Revertera klar, der durch jahrelange Erfahrungen gewitzigt genug war, um das nervöse Gerede Rampollas richtig zu deuten. Aber selbst dieses, überaus gemäßigte Auftreten Meninis fand noch das Mißfallen Rußlands und auch Frankreichs. Der französische Botschafter Lefebvre wurde in dieser Angelegenheit sogar im Staatssekretariat vor6*
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stellig, ein Weg, der ja schon oft in ähnlichen Dingen mit Erfolg beschritten worden war. E s half auch diesmal. Das Staatssekretariat lenkte sofort noch mehr ein und wußte auch den Papst nachgiebig zu stimmen, während der Präfekt der Propaganda, Ledochowski, dem Menini als Erzbischof direkt unterstand, Widerstand leistete, sich aber gegen die hohe Politik des Papstes nicht durchsetzte. „Aus den bekannten intimen Beziehungen Rampollas zur französischen B o t s c h a f t " heißt es resigniert in dem Bericht Reverterás vom 5. September 1896 ganz richtig, „wird die Stellungnahme gegen Menini erklärlich". Aber inzwischen war ja der russisch-französische Zweibund Wirklichkeit geworden, den man wegen der lebendigen Unterstützung, die er durch den Vatikan gefunden, geradezu, so wenigstens, wie die Angelegenheit in Rom gesehen wurde, als „Vatikanischen Dreibund" bezeichnen könnte. Im J u l i des Jahres 1891 war es anläßlich des Besuches der französischen Flotte in Kronstadt zu einer starken und von Herzen kommenden Kundgebung der russisch-französischen Freundschaft gekommen, bei welcher Gelegenheit Zar Alexander I I I . die Marseillaise, das Sturmlied der Revolution, stehend auf einem französischen Kriegsschiff angehört hatte. E s folgte das russisch-französische Abkommen vom i x . August 1891, in dem sich die beiden Mächte verpflichteten, sich zur Befestigung ihrer Entente cordiale in jeder Frage zu verständigen, die geeignet ist, dem allgemeinen Frieden zu dienen; sollte dieser aber nicht erhalten werden können und einer der beiden Partner von einem Angriff bedroht sein, vereinbarten beide Mächte, sich über die Maßnahmen, die sofort und gleichzeitig zu treffen seien, zu einigen. „Der Caesarismus Frankreichs und der Zarismus Rußlands gegen das nichtimperialistische Deutschland" 1 ), mit diesen Worten kennzeichnet Lenin die historische Situation des Jahres 1891. Und der Vatikan hat alles getan, um aus eigenen Weltmachtträumen dieses Bündnis zu fördern. Zu einer wenigstens in Worte gefaßten stärkeren Verbindung war wohl Zar Alexander I I I . und sein Außenminister Giers, trotz der französischen Bemühungen, nicht zu bringen gewesen. Das Mißtrauen gegenüber dem republikanischen, von Skandalen erschütterten Frankreich war zu groß. Aber dieses gab in seinem Werben um Rußlands Waffenhilfe nicht nach. E s kam am 18. August 1892 zu einer freilich nur vorläufigen Konvention der beiden Generalstäbe, worin aber bereits in Einzelheiten das Verhalten der beiden Mächte im Falle eines kriegerischen Konfliktes festgelegt wurde. Auch schon die Mobilisierung einer Dreibundmacht führte nach dieser Konvention zur automatischen Mobilisierung Frankreichs und Rußlands. Vgl. Briefe B e n i n s an Inessa Armand. Einheit 4. J g . 1949, S. 55of. und sämtliche Werke Inning, 4. A., 22. Bd., S. 325 russ.
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Endlich erschien im Oktober 1893 nach eifrigem Bemühen von französischer Seite, in Erwiderung des Besuches der französischen Flotte in Kronstadt, die russische Flotte in Toulon. Die Begeisterung der französischen und auch der russischen öffentlichen Meinung war so groß, daß sie auch diplomatische Folgen haben mußte. Am 27. Dezember 1893 teilte Giers dem französischen Botschafter in Petersburg mit, daß die Militärkonvention vom August 1892 von der russischen Regierung als definitiv geschlossen betrachtet werde, worauf am 24. Jänner 1894 die Ratifizierung durch die französische Regierung erfolgte, die freilich eine noch stärkere Bindung in einem richtigen Bündnis gewünscht hätte. A n allen diesen Stationen auf dem Wege der russisch-französischen Verständigung bis zur Militärkonvention vom 24. Jänner 1894 hatte der Vatikan den größten Anteil genommen und sich in jeder Weise bemüht, Frankreich als soliden, nicht revolutionär-sozialistischen Bündnispartner herauszustellen. Der Papst hatte wirklich alles, was in seiner K r a f t stand, zur Verwirklichung des russisch-französischen Bündnisses getan und wollte nun für die aktive Mitarbeit und für die Vermittlung auch die Belohnung. Dies war zuerst einmal die Herstellung fester diplomatischer Beziehungen zu Rußland. Was mit dem Glückwunschtelegramm des Zaren Ende des Jahres 1887 so unverfänglich begonnen, endete sieben J a h r e später, am 18. J u n i 1894, mit der Ernennung Izvolskijs zum russischen Ministerresidenten beim Heiligen Stuhl, nachdem der Papst nicht lange vorher, am 19. März 1894, durch ein Breve an die polnischen Bischöfe diese noch einmal eindringend aufgefordert, Klerus und Laien zum Gehorsam gegen den russischen Staat anzuleiten, und auf diese Weise noch einmal seine guten Dienste dem zaristischen Rußland gegenüber dokumentiert hatte. Wie sehr der Oberprokurator des Heiligen Synods mit seiner Befürchtung, daß jede diplomatische Annäherung von der Kurie nur mit Rücksicht auf die Einbeziehung der russisch-orthodoxen Kirche in die römische Machtsphäre betrieben wurde, recht hatte, zeigt die Tatsache, daß zwei Tage nach Errichtung der russischen Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl, am 20. J u n i 1894, der Papst in einer großen Enzyklika: Praeclara gratulationis über die Kirchenunion im allgemeinen und mit den slawischen Völkern — natürlich vor allem mit den Russen — im besonderen spricht. Die Kirchenunion besteht nach dem Papst nicht nur in der Einheit des Glaubens, sondern vor allem in der Einheit der Leitung durch Rom. Den Eigentümlichkeiten im Ritus und den Gebräuchen soll großzügig Rechnung getragen werden. Bei der frankophilen Einstellung des Papstes war es verständlich, daß besonders Franzosen an der Unionsarbeit mit der Ostkirche mitwirken sollten. Schon die Leitung des internationalen eucharistischen Kongresses in Jerusalem im Mai des Jahres 1893 hat Leo X I I I . — die 85
Kirchenunionsfrage stand im Mittelpunkt der Verhandlungen — in die Hand des französischen Kardinals Langénieux von Reims gelegt, den er als seinen Stellvertreter, seinen Legaten sandte. Der hauptsächlich aus Franzosen bestehende Orden der Assumptionisten griff die Anregungen Leos X I I I . besonders eifrig auf und betrieb ganz im Sinne der Weisungen Leos X I I I . die Kirchenunion im Vorderen Orient und auf dem Balkan. Die wissenschaftliche Unionszeitschrift „Échos d'Orient" nahm im Jahre 1897 ihren Anfang, und der französische Jesuit Pierling begann 1896, übrigens unterstützt von dem russischen Ministerresidenten am Vatikan 1 ), Izvolskij, mit einer groß angelegten Geschichte des Verhältnisses Rußlands zum Heiligen Stuhl 2 ), die freilich, ohne es zu wollen, nur den Abgrund zwischen Rom und Moskau sichtbar machte. In Wirklichkeit sollte das Werk die neugefügten russisch-vatikanischen Beziehungen historisch unterbauen. Von den Franzosen erwartete der Papst überhaupt sehr viel für eine Union mit dem verbündeten Rußland. Jedenfalls wußte er, daß sie in einer Weise vorgehen würden, die Rußland nicht abstößt. Eine eigene Kardinalskommission wurde vom Papst eingesetzt, die sich der orientalischen Kirchenfrage anzunehmen hatte, und zwar als selbständige Abteilung der Propaganda, deren Präfekt Kardinal Ledochowski sich die Angelegenheit natürlich nicht ganz entreißen lassen wollte, besonders da sie ihn vor allem in Hinsicht auf Rußland interessierte. Um aber dieses Interesse nicht allzu gefährlich für die offizielle Linie im Vatikan werden zu lassen, kam es zur Schaffung der selbständigen Abteilung. Wieder zeigen sich die gewundenen Wege. Ledochowski blieb auch sonst nicht untätig. Er weiß seine Stellung als Präfekt der Propaganda geschickt einzusetzen. Durch die Frankophilie Rampollas, seines Gegners, wird er immer mehr ein Parteigänger der Mittelmächte, besonders Österreich-Ungarns, dessen Kaiser ihm 1895 das Großkreuz des Leopoldordens, eine seltene Auszeichnung, verlieh. Während Rampolla Mitspieler Frankreichs- und Rußlands wird, unterstützt Ledochowski die österreichisch-ungarischen Aspirationen auf dem Balkan gegen Rußland. In diesem Sinne wurde der Erzbischof Stadler von Sarajewo im Jahre 1896 mit dem Kommissariat' für die katholische Kirche auf dem Balkan beauftragt 3 ). Stadler gründete die Zeitschrift „Balkan", die im großkroatischen Sinn für die Kirchenunion tätig war. Der Gegensatz zu den l ) P . P i e r l i n g , J,a Russie et le Saint-Siège. Études diplomatiques, i. Bd., i. Aufl. Paris 1896, 2. Aufl. 1906. ') Wie der Historiker Sickel in seinen römischen Erinnerungen, die Santifaller 1948 in Wien herausgab, erzählt.
*) Vgl. den sehr instruktiven streng vertraulichen Bericht Reverteras vom 3. November 1896. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rom, Vatikan 1896, Beilage 26.
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Franziskanern und zu Stroßmayer belastete sein Wirken ebenso wie sein jäher Charakter. Der Patriarch der slawischen Kirchenunion, Stroßmayer, sorgte, wie aus seinen Briefen an Racki 1 ) hervorgeht, bei Rampolla dafür, daß das Wirken Stadlers erfolglos blieb. Der Kardinalstaatssekretär ging zu gern auf diese Gedanken ein, da ja durch Stadlers „Balkan" gerade Rußland gereizt wurde. Schon sein austroslawischer trialistischer Standpunkt ist Serbien und Rußland höchst verhaßt. Obwohl die Zeitschrift als Motto die serbo-kroatischen Worte: Jedinstvu i bratskoj slogi (der Einheit und brüderlichen Verbundenheit) trug, wurde sie von serbischer Seite als „Attentat auf den Frieden und die Zukunft Serbiens und des Balkans" abgelehnt und die Zeitung „Srpski Glas" nannte die Zeitschrift „ B a l k a n " das Organ der „Zwietracht und des Bruderkrieges". Gegen die Agenten der Union, zu denen aber auch Stroßmayer gerechnet wird, wird Sturm gelaufen. Bereits im Jahre 1902 geht die Zeitschrift ein2). Aber um so eifriger macht am Ende des 19. Jahrhunderts Frankreich das Protektorat im Nahen Orient auch auf dem Balkan geltend. Die französischen Assumptionisten gründen in Bulgarien ein Kolleg und suchen vor allem durch Pflege des Ritus der Ostkirche vorsichtig wissenschaftlich zu wirken. Dies war ja ein Lieblingsgedanke Leos X I I I . und fand deswegen nicht allein, weil es Franzosen waren, die es taten, die besondere Billigung des Papstes. Die bisherigen Arbeiter für die römischkatholische Kirche in Bulgarien, vor allem natürlich Erzbischof Menini, den Österreich-Ungarn unterstützt, fürchteten nun den unlauteren Wett"bewerb und die Gefährdung ihrer jahrzehntelangen Missionstätigkeit3). Besonders groß ist das Interesse Österreich-Ungarns für die katholische Kirche in Albanien; in diesem Zusammenhang bewährt sich wie immer die freundliche und tatkräftige Unterstützung Ledochowskis. Doch treffen sich gerade in Albanien wiederum Italien und Österreich-Ungarn im scharfen Konkurrenzkampf um die Durchdringung des Landes, das von so hoher strategischer Bedeutung ist 1 ). So tritt überall in der Missions- und Unionsarbeit der politische Hintergrund kaum verhüllt hervor.
') Vgl. a. a. o . a
) Vgl. I. M a r k o vi 6, Slaveni i Pape (Die Slawen und der Papst). 2 Bde., Agram 1903, S. 34ff. ) Vgl. Bericht Reverterás vom 13. Februar 1897. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rom, Vatikan 1897, Beilage 29. 4 ) Vgl. Bericht Reverterás vom 25. September 1897, ebd.
s
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7. Vertiefung der russisch-vatikanischen Beziehungen 1894-1903 Leo X I I I . war keineswegs mit der Errichtung einer russischen ständigen Vertretung beim Heiligen Stuhl zufrieden. Sein Ziel war auch auf diplomatischem Wege viel weiter gesteckt. E r wollte natürlicherweise nicht nur in Rom einen Abgesandten Rußlands, sondern auch am Zarenhofe in Petersburg sollte ein päpstlicher Nuntius beglaubigt sein. E r s t so sah er den Ring geschlossen. Als am i . N o v e m b e r 1894 unvermutet der „Reckenzar", den man in Rom für die Wünsche des Vatikans besonders verschlossen hielt, starb, und sein viel nachgiebiger scheinender Sohn Nikolaus I I . die Regierung antrat, da schien die Stunde gekommen, um auch den zweiten Schritt, die Errichtung einer Nuntiatur in Petersburg, mit Erfolg wagen zu können. Einen Bundesgenossen in diesem Streben fand der Papst in dem von Izvolskij beratenen neuen russischen Außenminister Fürst Lobanov. Wieviel Leo X I I I . von dem neuen russischen Minister erwartete, zeigt, daß er ihn 1896 mit dem Großkordon des Christusordens, wie einst Bismarck, auszeichnete. E s ist durchaus begreiflich, daß sich ein Diplomat wie Izvölskij, mit dem Instinkt für politische Möglichkeiten, auf diesem Boden wohl fühlte, nachdem er einmal die Wege, die an der Kurie zum Erfolg führten, kannte. Izvolskij ist deswegen im J a h r e 1897 nur schwer von Rom geschieden 1 ). Seine Erfolge waren bedeutend, wenn auch hauptsächlich durch das politische Konzept Leos X I I I . bedingt. Die gehässige Bemerkung Reverterás 2 ), Izvolskij verdanke seine Erfolge hauptsächlich seiner regsamen und am Zarenhof einflußreichen Schwiegermutter, offenbart den Neid des weniger glücklichen Konkurrenten. Die Fähigkeit Izvolskijs darf sicher nicht unterschätzt werden, wenn er auch als Charakter eine wenig erfreuliche Gestalt war. Selbst der englische Diplomat Nicolson, der allen Anlaß hatte, mit dem diplomatischen Konzepte Izvolskijs zufrieden zu sein, ist dem Menschen Izvolskij gegenüber sehr zurückhaltend 3 ) und sein Mitarbeiter Taube bezeichnet ihn als opportunistischen Schauspieler 4 ). Die Nachfolger Izvolskijs als russische Ministerresidenten am Vatikan haben auch bei der gleich günstigen Situation im Vatikan doch nicht so viel erreichen können wie Izvolskij. In den Schlußberichten an seine Regierung verwies der russische Ministerresident eingehend auf die vielen Möglichkeiten, die im Vatikan erreicht ') Vgl. Bericht Reverterás vom 13. Februar 1897. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rom, Vatikan 1897. a ) Vgl. Bericht vom 31. Mai 1894. 3 ) Vgl. O. P. T r a u t m a n n , Die Sängerbrücke. Gedanken zur russischen Außenpolitik 1870—1914, Stuttgart 1941, S. 1.56. *) M . T a u b e , Iva politique russe d'avant-guerre, Paris 1928, S. 107.
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werden können, wenn man nur dort erst die Wege und Abwege kenne. Er ist deswegen nicht gegen eine Nuntiatur oder wenigstens ständige Vertretung des Papstes in Petersburg, wenn auch das Aide Mémoire vom Jahre 1898, das alle Gründe Rußlands für einen solchen Schritt zusammenfaßt, aus vatikanischen Kreisen selbst stammt, wie aus einer Aktennotiz hervorgeht. Mit den Gedanken, die in diesem Aide Mémoire vertreten werden, stimmt Izvolskij weitgehend überein. Er dürfte auch der Vermittler nach Petersburg gewesen sein. Auf dieses bedeutsame Dokument muß etwas näher eingegangen werden 1 ). Vor allem betont es den guten Eindruck, den diese Errichtung einer Nuntiatur in Petersburg bei den Polen und den slawischen Völkern Österreich-Ungarns machen würde, nicht zuletzt aber auch auf der Balkanhalbinsel. Die russenfreundliche Tätigkeit würde gekräftigt, die Berührungspunkte vermehrt, durch die die russische Diplomatie im Kampf um Einfluß einen erheblichen Kräftezuschuß erhalten würde. Um Zar Nikolaus II. besonders anzustacheln, verweist das Mémoire auf die Anstrengungen Wilhelms II., die Gunst des Vatikans zu erreichen. Der Deutsche Kaiser setze alles daran, „damit das Papsttum um den deutschen Adler kreist". Warum soll es nicht dazu gebracht werden, setzt das Mémoire stillschweigend hinzu, um den russischen Adler zu kreisen. Die Möglichkeit ist bei der Einstellung L,eos X I I I . durchaus gegeben. Auch vom Standpunkte Frankreichs sei eine Nuntiatur hoch erwünscht, heißt es weiter, denn dadurch würde die Annäherung Rußlands an den Heiligen Stuhl deutlich und die gemäßigten Elemente in der dritten Republik erhielten Auftrieb. Dann aber ist es wiederum für Frankreich notwendig, die Wünsche des Vatikans nicht zu übersehen. „Die Aussöhnung der Katholiken mit dem Staate hat für den Radikalismus ein festes und unübersteigliches Hindernis geschaffen und hat ihn verhindert, sich als Herr im Lande niederzulassen." Die politische Bedeutung des Ralliements wird offen ausgesprochen. Besonders wichtig ist aber eine solche Vertretung des Papstes in Petersburg in Hinsicht auf das Polentum. Polen würde in einem zukünftigen Krieg zwischen dem Dreibund und Rußland-Frankreich eine wichtige Schlüsselstellung einnehmen. Das Polentum also im russischen Sinne zu beeinflussen, wäre eine besondere Aufgabe der Nuntiatur in Petersburg. „Dieser Vertreter des Papsttums in Petersburg wäre der sicherste Widerpart des Polentums, denn die Einrichtung würde den Ränken ein Ende machen, die die Polen in Rom mit den Kardinälen und Prälaten spinnen, die der Befriedigungspolitik des Papstes feindlich gesinnt sind 2 )." ') Vgl. Adamov, S. I36ff., Beilage 33. Vgl. ebd.
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Einleitend verweist der Kurialist in seinem Memorandum auf die „unbedingte Zuverlässigkeit wenigstens des gegenwärtigen Pontifikates Leos X I I I . für Rußland". Am 13./1. Oktober 1896 berichtet Izvolskij sozusagen als Bestätigung des im Memorandum Vorgetragenen von der Wirkung des Pariser Besuches des Zaren Nikolaus II. im Vatikan: „Der Kardinalstaatssekretär sprach mir im Namen des Papstes Gefühle tiefster Dankbarkeit aus für die gnälige Aufmerksamkeit, die Seine Majestät der Kaiser in Paris dem Vertreter der katholischen Kirche erwiesen", indem er ihn empfing. „Kardinal Ferrata" (Pronuntius von Paris), der, obwohl bereits abberufen, noch einige Zeit in Paris bleiben mußte, um den Zaren im Namen des Papstes zu begrüßen, und zur Verherrlichung des Besuches beitragen sollte, „war übrigens beauftragt, Ihrem Herrscher unmittelbar auszusprechen", wie Rampolla Izvolskij mitteilt, „daß der Papst, der vor allem die Festigung der französischen Republik auf christlicher und konservativer Grundlage wünscht, seine Ziele in dieser Beziehung für ganz wesensgleich mit den hochherzigen Ansichten des Kaisers von Rußland hält". Dies sind andere Töne als die Revertera, der Vertreter des Kaisers und apostolischen Königs Franz Josef zu hören bekam. Izvolskij zweifelte mit Recht auch nicht an der Aufrichtigkeit dieser „warmen Erklärung" des Kardinalstaatssekretärs Rampolla, weil Leo X I I I . — „wie bekannt" •— zu den gegenwärtigen politischen Gruppen der Mächte eine ganz bestimmte Stellung einnehme. Er habe von Anfang an einer Annäherung zwischen Rußland und Frankreich mit größtem Wohlwollen gegenübergestanden. „Die Wandlung, die er selbst gleichlaufend mit dieser Annäherung nach der Seite der französischen Republik hin vollzogen hat, ist der Hauptzug seines gegenwärtigen politischen Systems". J a , der Papst ging soweit, durch Rampolla Izvolskij erklären zu lassen, daß „die beispiellose Begeisterung, die beim Erscheinen des Selbstherrschers aller Reußen das französische Volk ergriff", ihm gewissermaßen „die Morgenröte einer Zeit geistiger Wiedergeburt Frankreichs sei". Diese Frankophilie ist beinahe noch größer als die kaum zu überbietende Ferratas. Es zeigt sich aber, daß das, was Ferrata in seinen Memoiren1) erzählt, durchaus im Auftrag seines Herrn, des Papstes, geschah, den er aber rücksichtsvoll nicht nennt. Stutz 2 ) vermutet, daß es der persönliche Ehrgeiz Ferratas war, der ihn drängte, noch Monate zu warten, nur um dem Zaren vorgestellt zu werden. Selbst der protestantische, freilich sehr papstfreundliche Stutz sucht auf diese Weise Leos X I I I . Handlungs- und Denkungsweise irgendwie zu entschuldigen. Aus den Berichten Izvolskijs wird aber eindeutig klar, daß der Papst selbst diesen Wunsch gehegt, um zu der Festigung des ') Vgl. Mémoires, a. a. O., 3. Bd., S. 386ff. •) Vgl. Stutz, a. a. O., S. 141 ff.
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russisch-französischen Bündnisses beizutragen, soweit es nur in seinen Kräften lag. Höher konnte freilich die Anteilnahme für das französisch-russische Bündnis kaum mehr gehen. E s erschien wie eine Verheißung am Himmel. Dabei stand die dritte Republik, wie der Papst sehr wohl wußte, unmittelbar vor schwersten Angriffen auf die katholische Kirche. Rußland aber gab nicht das geringste wesentliche Zugeständnis für eine Entfaltung der römisch-katholischen Kirche im eigenen Lande. Das beste Zeichen für die Stimmung der maßgebenden Kreise in Rußland war ja die Tatsache, daß die von Izvolskij empfohlene und vom kurialen Aide Mémoire so verlockend dargestellte Nuntiatur in St. Petersburg in Rußland nur auf entschiedene Ablehnung stieß. Wenn der Primat des Politischen im Vatikan vor dem Kirchlich-Religiösen nachgewiesen werden sollte, könnte dies nicht besser geschehen als durch jene Erklärung Rampollas Izvolskij gegenüber anläßlich des Zarenempfangs im J a h r e 1896. Was freilich heute Frankreich und Rußland zugute kam, konnte morgen unter einem anderen Pontifikat einer anderen Mächtegruppe von Nutzen sein, wie es dann auch der Fall war. Das intensive Werben um Rußland durch den Vatikan mit allen seinen politischen Begleitumständen stieß dort in politisch maßgebenden Kreisen eher auf Mißtrauen. Die Furcht, einmal selbst K a r t e im Spiele zu werden, wurde erweckt. Fürst Mescerskij, der als konservativer Russe Pobedonoscev geistig nahestand, brachte die russische Abneigung gegen diese römische Eindringlichkeit mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Der Papst hält den Satan für Gott und dient i h m . " Und als Beweis für diesen Satz führt er aus, Leo X I I I . habe sich die „sehr sonderbare und undankbare Aufgabe gestellt, die französische Republik gegen ihren Willen unter den Schutz der katholischen Kirche zu nehmen und gleichzeitig den französischen Katholiken einzuprägen, die Verehrung der Republik mit der Treue gegen die Kirche zu vereinbaren. Phrasen und Vorspiegelungen seien bis jetzt die künstlichen Früchte dieses seltsamen Strebens des Papstes gewesen. E r aber nahm den Schein für die Wirklichkeit, obgleich jeder Versuch, die französische Politik auf die Kirche aufzupfropfen, von der Republik mit einer neuen Kundgebung ihrer Verachtung für die kirchlichen Interessen beantwortet wird 1 )". Der Großinquisitor in den Brüdern Karamasov von Dostojevskij ersteht vor unserem geistigen Auge. Diese Auffassung wird nicht korrigiert, sondern bestätigt durch den Dank, den ausgerechnet der französische Dichter Zola Leo X I I I . für sein Eintreten für Frankreich ausspricht. „Frankreich weiß gar nicht, was L
) Vgl. Graidanin, 27./15. August, 1895.
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es an dem Papst h a t " , und noch deutlicher drückt sich Barbepieux in der Zeitschrift „ L a P a i x " aus: „ L e o X I I I . ist ein wesentlicher Teilhaber des französisch-russischen Bündnisses" 1 ), Aussprüche, die Kardinal Ferrata, der 1891—1896 Nuntius in Paris war, mit Eifer sammelt und mit Wohlgefallen vermerkt und deren Richtigkeit er selbst ausdrücklich bestätigt. Der Zar konnte mit Recht dem Heiligen Stuhl anläßlich des Empfanges des Nuntius Ferrata, wie dieser berichtet, folgendes Zeugnis ausstellen: „Der Papst hat Frankreich einen großen Dienst erwiesen, auch er, der Zar, schätze sich glücklich, daß die Interessen und die Politik des Heiligen Stuhles und Rußlands gegenüber Frankreich sich in vielfacher Übereinstimmung befinden, daß er der französischen Regierung gegenüber dieselben Wünsche habe wie der Heilige Stuhl 2 )." In Rußland stand aber Pobedonoscev, der jede Verbindung Rußlands mit dem Vatikan als eine Sünde wider die Natur Rußlands sah, noch auf Wacht und sorgte dafür, daß der Bund mit Rom nicht zu eng wurde. Mit den Zugeständnissen des Heiligen Stuhles war er noch nicht zufrieden, besonders der Hirtenbrief im J a h r e 1894 an die polnischen Bischöfe, der diese entschieden auf den russischen Staat verwies, genügte ihm keineswegs. Die Zeitung „ S v e t " , die dem Heiligen Synod nahestand, erklärte nach dem Erscheinen des päpstlichen Breve, es habe „durchaus nicht die Loyalität gezeigt, die die christliche Welt im Recht ist, von Rom, ihrem obersten Seelenhirten, zu erwarten". J a es wird festgestellt, „durch das päpstliche Programm wurde alles unterstützt, was das Leben der drei Mächte in ihren Beziehungen zu den Untertanen des ehemaligen Königreichs Polen beunruhigt" 3 ). Vor allem wird die Verbindung der römisch-katholischen Bischöfe mit Rom mißtrauisch beobachtet. Dadurch könnte ein für den Staat gefährlicher Dualismus entstehen, der zurückgedrängt werden müsse. Die Unterstellung der Ruthenen in Galizien unter den Papst hielt das Blatt für ein wahres nationales Unglück. Der Basilianerorden, dieser Vortrupp Roms, sei nur politisch zu sehen. Die Kirchenunion sei allein auf die Polen zurückzuführen, die auf diese Weise den Abfall der Ruthenen vom Russentum bewerkstelligen wollten. Der Aufsatz schließt mit dem Satz: „Die Orthodoxie allein ist die richtige Fahne, welcher ganz Rußland folgen soll." Damit hatte der Heilige Synod seine Auffassung zu der Unionsenzyklika des Papstes vom Jahre 1894 ausgesprochen. Der Querschuß Pobedonoscevs war erfolgt. Noch unzufriedener natürlich waren die Polen, die im Vatikan in dieser Richtung mit Nachdruck ihren Einfluß geltend machten. Jeder Schritt Vgl. Ferrata, Mémoires, 3. Bd., S. 340. ') Vgl. ebd., 3. Bd., S. 94H. s ) Vgl. Bericht Graf Wolkensteins vom 1 3 . / 1 . April 1894. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Rußland 1894.
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Wien,
Rußlands auf kirchlichem Gebiet wird von ihnen mit höchstem Mißtrauen verfolgt und sofort in Rom Alarm geschlagen. Besonders gilt das von der Verwendung der russischen Sprache in der Kirche. Dagegen wehrten sich die Polen stets unnachgiebig, weil sie auf diese Weise die geistige Oberhoheit über die Katholiken in den sogenannten russischen Westprovinzen zu verlieren fürchteten. Ihren einflußreichsten Vertreter hatten sie unzweifelhaft in Kardinal Ledochowski, dem Präfekten der Propaganda. Welche Sorge hatte Izvolskij, als Ledochowski, der „ R o t e Papst", im J a h r e 1891 von der preußischen Regierung die sogenannten „Sperrgelder" zurückerhielt. Gleich vermutete er, daß diese Summen, die sehr hoch waren, für politische Agitationszwecke verwendet werden könnten, und zwar gegen Rußland 1 ). Immer ungetrübt war -die Beziehung Ledochowskis zu Österreich-Ungarn. Die maßgebende Stellung, die die Polen in Österreichs politischem Leben einnahmen, mußte natürlich die polnischen Herzen für Österreich relativ am wärmsten schlagen lassen. Ledochowski war deswegen stets nur im Interesse seines eigenen Volkes für ÖsterreichUngarn an der päpstlichen Kurie eingetreten. Bei seiner schwierigen Mission hatte Graf Reverterá in Ledochowski seinen besten Mitspieler und Vertrauten 2 ). Die Polen verfolgten vor allem die Verhandlungen der Kurie mit Rußland mit ärgerlichem Mißmut, denn sie fürchteten sofort ein allzu großes Entgegenkommen Rampollas auf ihre Kosten, wie Graf Reverterá vertraulich meldet 3 ). Sie verstanden aber auch geschickt das Instrument der Presse zu spielen, was den Russen besonders unangenehm war. So brachte der „Osservatore Cattolico" — nicht „Osservatore R o m a n o " , das hätte der Kardinalstaatssekretär verhütet — Berichte aus. Warschau, die von den Unterdrückungen der Polen durch Rußland sprachen. Izvolskij beschwerte sich, Rampolla schritt tatsächlich ein, mußte sich allerdings von dem Redakteur die Abfuhr holen, der. „Osservatore Cattolico" werde sich nie mit ein^r Politik identifizieren,, welche sich kein Gewissen daraus mache, die kostbarsten unvergänglichen Rechte der Kirche zeitlichen politischen Vorteilen zu opfern 4 ). Leo X I I I . ist aber unentwegt bemüht, das Gespräch mit Rußland aufrechtzuerhalten, ja es zu vertiefen, auch nach der Abreise Izvolskijs nach Belgrad, wo dieser russischer Gesandter wurde. Im Jahre 1897 dankt der Papst dem Zaren für den Schutz, den die Katholiken in Rußland unter seiner Regierung genießen; also schon die geringen Fortschritte 1 ) Vgl. Adamov, S. 1 2 1 , Bericht Izvolskijs vom i. Dezember/19. November 1891. •) Vgl. Bericht vom 25. Februar, 1896 a. a. O. •) Vgl. ebd. 4 ) Vgl. Bericht Reverterás vom 13. Oktober 1896. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Rom, Vatikan 1896, Beilage 28.
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seit dem Tode Alexanders zum Ausdruck zu bringen, ihn in einem gleichzeitigen den der Zar in Warschau
I I I . genügen dem Papst, seine Dankbarkeit indem er Nikolaus I I . sein Bild schickt und Schreiben zu dem Empfang beglückwünscht, erhalten habe.
E r will damit irgendwie sich selbst beglückwünschen, da er ja durch seine Enzyklika im Jahre 1894 1 1 1 1 ; Vgl. K. A d a m o v , Die Diplomatie des Vatikans, a. a. O. S. 135—142.
12 W i n t e r : Rußland
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Diplomatische Vorteile. Die Schaffung dieser Vertretung des Heiligen Stuhles in Petersburg würde eine beträchtliche Rückwirkung auf die verschiedenen Länder Europas haben. So schickte Bismarck, um den Quirinal zugänglicher für seine Ansichten und willfähriger zu machen, Herrn v. Schlözer nach dem Vatikan. Das war die entscheidende Tatsache, die Italien in das Netz des Dreibundes führte. In mehr als einer Hinsicht hätte die vorliegende Schaffung für Rußland dieselbe Bedeutung. Deutschland und England würden sofort die Tragweite dieser Handlung verstehen und würden in ihr den Beweis einer starken Allgemeinpolitik Rußlands erblicken. Es würde alsdann leichter werden, gegebenenfalls die Bande zwischen St. Petersburg, Paris und Berlin gegen England enger zu gestalten, um festländische Streitfälle zu entscheiden. Desgleichen würde unter den slawischen und polnischen Völkerschaften Österreich-Ungarns wie unter den katholischen der Balkanhalbinsel diese Maßnahme das sichere Ergebnis haben, die russenfreundliche Tätigkeit wieder zu kräftigen, ihre Berührungspunkte zu vermehren und für den Kampf um den Einfluß, den die russische Diplomatie in diesen Gegenden aushalten muß, einen erheblichen Kräftezuschuß zu schaffen. Andererseits erfordert die unaufhörliche Entwicklung der internationalen und der Kolonisierungsfragen, daß Rußland an den Einflüssen, die um den Vatikan ausgeübt werden, einen geraderen und größeren Anteil habe, denn das Papsttum wird durch die Schirmherrschaft und durch seine Missionen für die allgemeine Diplomatie immer bedeutungsvoller. Daher sieht man auch, daß Deutschland und England dem Papst den Hof machen. Bs ist lehrreich, die Anstrengungen zu verfolgen, die Wilhelm II. macht, um die Hand auf alle Lebenskräfte des internationalen Katholikentums zu legen: katholisches Zentrum, Bischöfe, Missionare, Kardinäle, Prälaten und Unterhändler in Rom, damit das Papsttum um den deutschen Adler kreise. Dank dem Papst und dem Kardinal Rampolla ist diese Gefahr zum Teil beseitigt, aber sie kann sich zu einer günstigeren Stunde erneuern. Eine Vertretung des Heiligen Stuhles in Petersburg würde die sichere Abschwächung, vielleicht die Vernichtung des Plans Kaiser Wilhelms II. bezeichnen und würde das deutsche Katholikentum verhindern, seine Vorherrschaft in der Welt auszubreiten. Die Vertretung wäre eine Großtat, die Kaiser Nikolaus II. erheblich begünstigen und im Gedächtnis der Menschen sehr hoch stellen würde, denn er würde die geschichtliche Rolle verwirklichen, nach der Heinrich IV., Richelieu und Napoleon I. gestrebt haben. I m Ausblick in die Zukunft. Der wirkliche Vorteil Rußlands gleichwie Frankreichs verlangt angesichts der Zukunft, die Fortdauer der Politik des jetzigen Papsttums auf die wirksamste Weise sicherzustellen vermittels eines neuen und wirksameren Bandes als das, welches gegenwärtig besteht. Nun ist es offenbar, daß das Band, welches gegenwärtig nur durch die diplomatische Vertretung geschaffen ist, welche Rußland beim Vatikan schon beglaubigt hat, unvollständig und durch sich selbst unzureichend ist. Es muß verstärkt werden, denn ihm fehlt es an einem Stützpunkt unter den Kardinälen und Prälaten des römischen Hofs. Durch eine päpstliche Vertretung in St. Petersburg wird es wunderbar vervollständigt werden. Die Kardinäle, die an der Regierung des Papsttums teilnehmen, oder d,ie verschiedenen Prälaten, welche die umgebende Meinung um das Heilige Kollegium herum gestalten, sehen in der T a t nicht alle Dinge unter demselben Gesichtspunkt und haben nicht alle dasselbe Vertrauen zu den Gefühlen und Neigungen der russischen Regierung. Ein Vertreter des Papstes in St. Petersburg würde mit einem Schlage dieses ganze Mißtrauen zerstreuen und die diplomatischen Bande, welche schon zwischen den beiden Regierungen bestehen, so 178
festigen, daß ein Wechsel der Haltung in der Einstellung des Heiligen Stuhles in der Zukunft nicht nur unwahrscheinlich, sondern fast unmöglich gemacht würde, selbst unter einem anderen Pontifikat. Fügen wir liier noch hinzu, daß ein päpstlicher Diplomat, der unterrichtet wäre über die Absichten Rußlands und die Gesamtheit der gemeinsamen Belange, auf die Politik des Heiligen Stuhles mit Bezug auf die russischen Angelegenheiten einen dauernden und wirksamen Einfluß haben würde. Die Rolle und der Ehrgeiz eines Diplomaten liegen darin, es fertigzubringen, zwischen den beiden Mächten in den Punkten, die für sie wichtig sind, eine gemeinsame Handlung abzukarten. Das hat für Frankreich der frühere Nuntius in Paris, Mgr. Czacki, zugunsten der religiösen Befriedigung und der Aussöhnung der Katholiken mit der Republik gemacht. Mehr noch, einmal nach Rom zurückgekehrt, werden diese geistlichen Diplomaten fortfahren, den Absichten Rußlands zu dienen und werden für den Vertreter Rußlands beim Vatikan wertvolle Bundesgenossen werden. Sie werden daran arbeiten, um in den großen römischen Kongregationen eine Stimmung zu schaffen, die den russischen Ansichten günstig ist. So werden diese im eigentlichen Mittelpunkt des Katholikentums eine Kraft, eine Lebendigkeit, einen dauernden und beständigen Einfluß haben, sowohl vom Gesichtspunkt künftiger Konklaves aus als auch für die laufenden Unterhandlungen. Vom sozialen Standpunkt aus. Ein anderer Grund, der die dauernde Einrichtung einer Vertretung des Heiligen Stuhles in St. Petersburg für die Kaiserliche Regierung wünschenswert machen kann, findet sich in der unvermeidlichen Umbildung, der Europa vom sozialen und politischen Standpunkt aus entgegengeht. Es ist in der Tat leicht vorauszusehen, daß in der Richtung, welche die Vorsehung der Menschheit aufdrückt, im Laufe der jetzigen Ereignisse dieser Welt die russische Regierung und der Heilige Stuhl gemeinsame Belange zu verteidigen haben und berufen sein werden, sich gegenseitig sehr nützlichen Beistand zu leisten. Es "ist offensichtlich, daß Rußland eine große Zukunft sich vor ihm auftun sieht, denn es ist eine höchst selbständig auftretende, konservative und religiöse Macht, die an Gott glaubt und an die ständige veredelnde Bestimmung des Christentunis. Es kann deswegen nicht gestatten, daß Gottlosigkeit, umstürzlerischer und anarchischer Sozialismus und soziale Auflösung in der Welt vorherrschen, ebenso wie seinerseits der Heilige Stuhl daran arbeitet, sich ihnen mit allen verfügbaren Mitteln und mit der ganzen Anspannung seiner Kräfte zu widersetzen, entsprechend den Anschauungen, die er lehrt, und den ewigen Grundsätzen, deren wachsamer Hüter er ist. Daraus folgt also, daß es Rußland und dem Heiligen Stuhl daran liegen muß, einander zu verstehen und sich durch eine wirksamere Annäherung zu einigen, nicht nur für ihre gemeinsame Verteidigung, sondern auch angesichts eines sozialen Wiederaufbaus, der in der Welt verwirklicht werden muß. Vom Standpunkt Frankreichs aus. In dieser Gedankenordnung schreibt das Bündnis zwischen Rußland und Frankreich augenscheinlich Frankreich vor, sich nicht in den revolutionären Radikalismus und Sozialismus zu stürzen, wenn es dem geschlossenen Vertrage treu und seinem Verbündeten nützlich sein will. Nun h a t der Heilige Stuhl dasselbe Bestreben, wenngleich von einem anderen Gesichtspunkte aus. Es ist sicher seinem vorsichtigen und geduldigen Handeln zu danken, wenn der Radikalismus auf seinem drohenden Vormarsch auf ein mächtiges Hindernis gestoßen ist, und wenn das Ansehen des französischen Volkes sich wieder h a t aufrichten können, dank der Aussöhnung mit dem Staate, die der Papst schon einen sehr nennenswerten Teil des Adels und 12'
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der Auslese der katholischen Familien hat annehmen lassen, welche sich planmäßig abseits von den gegenwärtigen Einrichtungen Prankreichs hielten. Diese Aussöhnung der Katholiken mit dem Staate hat für den Radikalismus ein fast unübersteigliches Hindernis geschaffen und hat ihn verhindert, sich als Herr im Lande niederzulassen. Wie angebracht und nützlich wäre es folglich für die beiden großen Nationen, daß die Wachsamkeit und die Tätigkeit Rußlands und des Heiligen Stuhles auf verschiedenen Wegen gleichlaufend und übereinstimmend vorgingen, um die inneren Zustände Prankreichs zu bessern! Und wieviel leichter würde dieses Ziel erreicht, wenn der Papst in Petersburg eine zuverlässige und vertrauenswürdige Persönlichkeit hätte, die ihm die Absichten Rußlands über diesen Punkt wie über viele andere unmittelbar übermittelte. Vom Standpunkt des allgemeinen Friedens aus. Schließlich entspricht die menschenfreundliche und so hochherzige Handlung Kaiser Nikolaus II., die den Krieg fernhalten und den gesitteten Nationen die Wohltaten des Friedens sichern soll, durchaus den Ansichten des Heiligen Stuhles. E r hat immer die Einsetzung eines Schiedsgerichts empfohlen, das die Ursachen von Zerwürfnissen beseitigen würde. Durch die Beglaubigung eines Vertreters des Heiligen Stuhles in Petersburg würde Rußland nun allen zeigen, daß die moralische Unterstützung und die tatsächliche Mitwirkung des Papsttums vollkommen zur Verfügung Seiner Majestät des Kaisers stehen zur Verwirklichung seines edlen Vorhabens. Vom Standpunkt des Polentums aus. Fügen wir zum Schluß hinzu, daß eine der Hauptursachen,die in der Vergangenheit dazu beigetragen hat, das gute Einvernehmen zwischen der Kaiserlichen Regierung und dem Heiligen Stuhl zu trüben, gerade darin liegt, daß der Hof von Rom darauf angewiesen ist, für alle Auskünfte über die kirchlichen Angelegenheiten Rußlands und Polens an Ort und Stelle ausschließlich polnische Quellen zu haben. Nun ist es ganz sicher, daß mit solchen Auskünften sich immer wenig wohlwollende Übertreibungen vermischen müssen und oft erbärmliche politische Leidenschaften. Diese können nur das Urteil fälschen, die Tatsachen entstellen und in der Einschätzung von sehr entfernten Dingen und Personen irreführen. Das würde nicht mehr der Fall sein, wenn der Papst in St. Petersburg einen beglaubigten Vertreter hätte. Es würde demnach für den Heiligen Stuhl wie für Rußland von größtem Wert sein, künftig die Wiederholung so bedauerlicher Vorfälle unmöglich zu machen, die der guten Eintracht der beiden Mächte schaden, indem sie ohne Vorwissen der Mächte bedauerliche Mißverständnisse zwischen sie bringen. Es wird dafür genügen, dem Heiligen Stuhl das Mittel zu verschaffen, damit er schnell durch einen ständigen Vertreter wahrheitsgetreue und unparteiisch» Auskünfte erhalten kann, die an Ort und Stelle nur aus amtlichen Quellen geschöpft sind. • E s erscheint ganz natürlich, hier bei dieser Gelegenheit an das kürzliche Vorkommnis mit dem Umlaufschreiben des Mgr. Symon zu erinnern, das seine Verbannung nach Odessa zur Folge hatte, und an die daraus entstandenen Schwierigkeiten. Wenn es in Rußland einen päpstlichen Vertreter gegeben hätte, so hätte dieser bedauerliche Vorfall nicht eintreten können, und die in Rom zwischen den beiden Regierungen verabredeten Anordnungen wären sicher in vollster Redlichkeit und mit voller Genauigkeit ausgeführt worden. Dieser Vertreter des Papstes in St. Petersburg wäre demnach der sicherste Widerpart des Polentums, denn die Einrichtung würde den Ränken ein Ende machen, die die Polen in Rom mit den Kardinälen und den Prälaten spinnen, die der Be180
friedungspolitik des Papstes feindlich gesinnt sind. Sie w ü r d i n gleichfalls die feindselige S t i m m u n g mindern oder zunichte machen, welche die polnischen Berichterstatter der meisten verbreitetsten Zeitungen in der europäischen Presse zu schaffen sich bemühen. Dieser Vertreter des Heiligen Stuhles wird in der T a t zwangsläufig der erklärte Gegner aller dieser Nachrichtenträger sein, die die öffentliche Meinung sowohl in R o m als auch in der katholischen Presse irreführen. Der Adel, die Bischöfe, die Journalisten, deren Mitteilungen meistens übelwollend sind, werden in ihm einen sicheren Aufpasser und einen bevollmächtigten Widersprecher haben, der die Dinge in ihrem wahren Dichte darstellen wird. I m Besitze des Vertrauens des Papstes wird er bald die Haupttriebfeder der russisch-päpstlichen Politik werden, denn er wird es verstehen, die russischen Gedanken in römischen Stil zu übersetzen und ihnen in die geistlichen Kreise der römischen Kongregationen Eingang zu verschaffen. Das wird zugleich die A u f g a b e des Vertreters Seiner Majestät beim Heiligen Stuhl bedeutend erleichtern. N. B . E s ist nicht zu befürchten, daß die Gegenwart eines diplomatischen Vertreters des Heiligen Stuhles in R u ß l a n d jemals Anlaß zum geringsten Zerwürfnis geben könnte, im Gegenteil. U m übrigens jede derartige Gefahr zu beseitigen, würde es für beide Regierungen ein leichtes sein, sich vorher völlig zu verständigen über die Bedingungen, unter denen dieser Vertreter beglaubigt werden würde, über die W a h l der Persönlichkeit und über die Eigenschaften — Weisheit urfd Vorsicht — der zu bezeichnenden Persönlichkeit; über die zweckmäßigen Anweisungen, die ihr erteilt würden, und hauptsächlich über den festen und redlichen Willen beider Regierungen, sich unbedingt an die Anordnungen zu halten, die gemeinsam hierüber verabredet worden wären, 34-
Petersburg, 21. September ] 895.
Pobedonoscev au den Zaren 1 ). I c h k a n n E w . Majestät nicht die Bestürzung verschweigen, die sich vieler Russen infolge des sich immer mehr verbreitenden Gerüchts von der bevorstehenden Ernennung eines päpstlichen Nuntius bemächtigte, welcher in Petersburg seinen A u f enthalt nehmen soll. Die ausländischen Zeitungen haben diese Nachricht wiederholt als beschlossene Sache gemeldet. Das Gerücht ist bereits im vorigen Jahre aufgekommen, doch damals gab mir Graf M u r a w j o v die Versicherung, daß an der Sache nichts Wahres sei. J e t z t aber ist Graf M u r a w j o v von hier abwesend, und ich kann ihn nicht fragen; ich weiß indessen, daß er während seiner Durchreise in Wilna diese Maßnahme als wünschenswert bezeichnete. I c h bin der Ansicht, daß ein derartiger Schritt folgenschwer sein und die Änderung der jahrhundertelangen Politik Rußlands R o m gegenüber bedeuten würde. Man sollte daher meines Erachtens nicht so unbedenklich eine Entscheidung in dieser Angelegenheit treffen, die vielmehr eine sehr aufmerksame und eingehende Prüfung erfordert. Meiner Ansicht nach würde ein solcher Schritt ein schwerer politischer Fehler sein, und ich glaube, daß alle Russen, die ihr Volk und Rußlands Geschichte kennen, derselben Auffassung sind, nicht nur vom kirchlichen, sondern auch vom politischen Standpunkte aus. Das Ministerium irrt sich sehr, wenn es glaubt, auf diesem W e g e direkte und aufrichtige Beziehungen m i t R o m in den Angelegenheiten Litauens und Polens anbahnen zu können. Einen solchen Glauben hegen, heißt, den V a t i k a n und die Ge') Vgl. F. S t e i n m a l i n u. E l i a s H u r w i c z , K . P. Pobedonoscev. Königsberg 1933, S. 237 ff.
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schichte seines Verhältnisses zu unserem Kathoükentum und zum polnischen Volkst u m verkennen. Die Politik der römischen Kurie bleibt seit Jahrhunderten ein und dieselbe: eine Politik der Hinterlist und der Hintergedanken; jede Verständigung mit Rom stellt, sobald sie schriftlich fixiert ist, eine Gefahr dar, denn jedes ausgesprochene Wort wird für die römische Politik zu einer Waffe und zu einem Recht, das Rom dann nach eigenem Gutdünken auslegt. Vergeblich wäre es auch, auf die Persönlichkeit und die Stimmung des heutigen Papstes Leo X I I I . zu rechnen. Der Papst wechselt, aber wie beschaffen er auch sein mag, die säkulare Politik der römischen Kurie bleibt die gleiche, und kein Papst h a t die Macht, sie zu ändern. Auch gegenwärtig befindet sich die ganze Politik der Kurie hinsichtlich Litauens und Polens in den Händen der Polen und hängt von ihnen ab. Das Interesse der Kirche und der kirchlichen Jurisdiktion diente dem Vatikan seit jeher und dient ihm auch heute noch als Mittel für politische Zwecke, f ü r Zwecke der Macht. Vermittels dieser Waffe wird das Papsttum zu einer Macht, mit der ein Staat, welcher unter seinen Untertanen eine beträchtliche Anzahl Katholiken hat, sowohl in der inneren Verwaltung als in der Außenpolitik rechnen muß. Rußland besitzt unter den westlichen Staaten keinen Freund, vielmehr spähen dort alle nach unseren Schwächen aus und wollen sie ausnutzen, um, wo es nur möglich ist, uns an die Wand zu drücken. Es ist unzweifelhaft, daß das Papsttum diese Politik der Auslandsstaaten unterstützt, solange Rußland sich nicht in ein westliches Staatswesen verwandelt, indem es seine Kirche dem Papsttum unterordnet. Das Verhältnis des russischen • Staates zum römischen Katholizismus ist ein ganz besonderes, weil die Masse der Katholiken bei uns aus Polen besteht, und weil ferner die russische Volksmasse in Litauen und im Südwesten das Objekt einer alten, bis heute fortdauernden Fehde zwischen Rußland und Polen darstellt. Alle geheimen Bemühungen des katholischen Polens verfolgen das Ziel, diese Masse zu einer katholischen und dadurch zu einer polnischen zu machen. Das ist eine Frage auf Leben und Tod zwischen uns und ihnen: sie entscheidet über Rußlands Sein oder Nichtsein. Daher ist die Religion bei dem Polen unzertrennlich mit seinen leidenschaftlichen nationalen Bestrebungen, mit seinem H a ß gegen Rußland verbunden, und sie dient ihm als Waffe der politischen Intrige gegen den russischen Staat. Vergeblich wäre es nun, wollten wir darauf hoffen, daß der Papst die Interessen seiner Kirche von den Interessen des polnischen Volkstums trennen würde; und selbst wenn er das wollte, würde er kein öehör finden, und nach wie vor würde jeder polnische Priester, jeder Bischof, jede Polin als Werkzeug ihres Geistlichen deren Werk fortsetzen, das Werk des geheimen Hasses gegen Rußland samt dessen Kirche und der Erregung einer Feindseligkeit gegen alles Russische in jedermann. Unter solchen Umständen einen päpstlichen Nuntius nach Rußland hereinzulassen, würde — ich erkühne mich, dies zu glauben — soviel bedeuten, wie den Polen das Spiel erleichtern. Welcher Art dieser Nuntius auch sein mag, er wird unter ihrer Macht und ihrem Einfluß stehen und alles mit ihren Augen betrachten. Die Gesamtheit der.römisch-katholischen Bischöfe bildet ein großes feinmaschiges Intrigennetz, das die ganze unterirdische Kampagne der polnischen Geistlichkeit und Gesellschaft gegen Rußland leitet. Heute h a t dieses Netz seinen Mittelpunkt in Rom; wird aber ein Nuntius nach Rußland kommen, so wird er unweigerlich zum hiesigen Zentrum dieses Netzes werden. Wer wird ihn denn hindern können, mit allen Bischöfen Beziehungen zu unterhalten oder die einzelnen Sprengel selbst zu bereisen? Er wird ja Vertreter des Papstes in Rußland sein, und unsere Regierung wird ihn ebenso behandeln müssen wie den Gesandten jedes anderen Staates . . . So werden alle unsere auswärtigen Beziehungen noch komplizierter und noch verlogener werden. Nein, Gott möge Rußland vor einem päpstlichen Nuntius bewahren! Ich wiederhole es nochmals: ich kann diese Befürchtungen, die von einer großen Zahl russischer Menschen geteilt werden, Ew. Majestät nicht verschweigen. 182
12. Personenverzeichnis Adamov, E . 47, 50, 70 Agliardi, Nuntius 95 f., 1 1 3 f., 154-157, 160-162,' 170 Aehrenthal, österr. Geschäftsträger, später Botschafter lind Außenminister 75, 80 Aksakov, Publizist 37, 1 1 7 f . Alexander Nevskij 10 Alexander I., Zar 141 Alexander I I . , Zar 1 1 , 14t., 24, 26-28, 136, 1 4 1 , 143, 174 Alexander I I I . , Zar 27 f., 33, 50 f. 54, 56, 63, 68, 78, 84, 94, 96, 99, 136-139, 143. 146 f., 153, 175, 177 Alexander v. Battenberg, F ü r s t von Bulgarien 46, 81, 139 Alexandra Pjodorovua (Alice v. Hessen), Zarin 170 Aloisi-Maselta, Nuntius 157 Arabrö, österr. Geschäftsträger 98, 106, 158 f., 165, 169, 174 Andrassy, österr. Außenminister 81 Angeli, Geheimsekretär 158 Antonelli, Kardinalstaatssekretär 18 Azarian, Msgr. 172 Balbo, Cesare 141 Barbepieux, Publizist 92 Bartolini, Kardinal 23, 46, 140, 148 Batu K h a n 10 Belin, Vera, Konvertitin 101 f. Benedikt X V . 128, 133-135, 137 Bernhard v. Clairvaux 9 Beust, österr. Außenminister 14, 60 Biatobrzeski, Kanonikus 13 Billot, Kardinal 31 Bismarck 16, 38, 45, 48f., 57, 59, 61, 70, 82, 88, 136, 139, 147 f., 152, 178 Bismarck, Herbert-59, 150 Bonifaz V I I I . 17 Boris v. Bulgarien 82 f. Borosa, kathol. Pfarrer 122 Bruno, Giordano 65 Bulazel, russ. Geschäftsträger 131 Bülow, deutscher Botschafter (später Reichskanzler) 154 Butenev, russischer Diplomat 26, 3 1 , 3 3 , 142 f., 146 Calvin 10 Cambon, Paul, franz. Botschafter 82 Capellari (Gregor X V I . ) n f., 17 Caprivi, deutsch. Reichskanzler 152, 154
Carykov, russ. Geschäftsträger (später Gehilfe des Außenministers) 100, 105 Chaudordy, franz. Diplomat 48 Chiesa (Benedikt X V . ) 128, 133-135, 137 Chlodwig, Prankenkönig 176 Chomjakov, Slawjanophiler 1 1 7 Christian I X . v. Dänemark 138 Churchill d. Ä. 48 Clapin, Bischof 130 Cobenzl, österr. Gesandter (später Minister) 11 Colonna, F ü r s t 140 Cramer - Clatt, Freiherr v. 127 Crispi, ital. Ministerpräsident 56, 65, 73, 77, 148 f., 156 Cyrill, Slawenapostel 13, 21-23, 35, 37 f., 41, 44, 109, 136, 140 f. Czacki, Kardinal 55, 68, 69, 179 Dalton, ev. Pastor 52 f. Danilevskij, Schriftsteller 1 1 8 Darwin 27 Demetrius (I.), Pseudo- 10 Dobrowsky 41 Döllinger 16 Dostal - t u t i n o v , kath. Geistlicher io9f. Dostojevskij 91 Dschingis K h a n 9 f. Duchesne, Abbé 156 Dunajewski, Kardinal 74 Eduard (VII.), Prinz v. Wales 48, 104 Felirtski, Erzbischof 143 Ferdinand v. Bulgarien (v. KoburgKohäry) 46 f., 54 f., 81-83, 132 Ferrata, Kardinal 49 f., 69 f., 90, 92, 133. 136, 170 Ferrieri, Kardinal 170 Franz J o s e f , österr. Kaiser 13, 38 f., 90, 142, 144, 148 f., 152,"155, 175 Franzelin, Kardinal 31 Friedrich II., deutscher Kaiser 17 Friedrich (III.), deutscher Kronprinz, später Kaiser 49 G agarin, K o n v e r t i t 21 Galimberti, Kardinal 45 f., 49, 57, 73, 76, 78. 95. 97. 1 2 1 , 147-149, 155 f Giers, russ. Außenminister 51, 84f., 146 Gintovt, Erzbischof 147 Golucliowski, österr. Außenminister 94, 124,154,157-159,165-167,169,17if., 174 Goröakov, russ. Kanzler und Außenminister 15, 32 183
Gotti, Kardinal 122, 126 Gregor I X . 17 Gregor XVI. 11 f., 17 Halifax, Lord (Vater) 104 Hammann, deutscher Vortragender R a t 71 Hartenberg, österr. Diplomat 142 Hartig, Franz, österr. Staatsmann 1 3 Haymerle, österr. Außenminister 140, 142 f. Heinrich IV., König v. Frankreich 178 Heinrich, Prinz v. Preußen 59, 150 Holstein, deutscher Vortragender Rat 48, 71 Humbert, (Umberto) König v. Italien 106, 144 Ignatev, russ. Botschafter, Innenminister, General 13, 28, 31, 114, 138, 141, 144 Innozenz I I I . 9, 17 Iwan I I I . 10 Izvolskij, spät. russ. Außenminister 19, 48-68, 71-97, 100,117,125 f., 131,136I, 150-153, 166 f., 169, 172 Jacobini, Kardinalstaatssekretär 25, 31, ' 46, 57. 142-149 Jeglic, Bischof 114 Jemelka, F . 120 Josaphat (Kuncewicz), Erzbischof 174 Josef II., deutscher Kaiser 22 Josif, Exarch 132 Juvenal 153 Kailay, österr. Finanzminister 121 f., 144. Kälnoky, österr. Außenminister 60, 95, I 45" I 47. 149-155 Kantakuzen-Speranskij, F ü r s t 51, 139 Katharina II, 11. 141 Katkov, Publizist 28, 138 f. Kiopotowski, Prof. 169 Kohn, Erzbischof 123 f., T29 Konstantin, russ. Großfürst 16 Kopitar, Slawist 41 Kopp, Bischof 72 Koritnik, kath. Geistlicher 120 Korostovec, russ. Beamter im Außenministerium 130 Krasiriski, Dichter 117 Kriianic 10, 35 Kyrill, s. CLambruschini, Kardinal 1.1 Langenieux, Kardinal 86, 156 Langer, W. 70 184
Lavigerie, Kardinal 69, 136 Ledóchowski, Kardinal 31, '33 f., 55, 74, 76-79, 81, 84, 86f., 93-97, 102f., 115 bis 117, 121, 126, 156 f., 160-168,173 f. Lefèbvre, franz. Botschafter 49 f., 55, 59, 61, 66, 69, 73, 75 f., 79, 82, 83 Lenin 84 Leo X I I I . 9, 17-24, 26, 29-31, 33-36, 39, 42.45-75.77" 131,133-152,155-16°. 175. 177 f., 182 Liechtenstein, österr. Botschafter 97 Lobanov, russ. Außenminister 88, 97, 169 Loubet, franz. Staatspräsident 128 Luca, Kardinal 31 Ludwig (IX) v. Frankreich 176 Lueger, cliristl.-soz. Parteiführer 158 Luigi, S. (Ludwig d. Hl.) T76 Luther 10 Lutinov, kath. Geistlicher 109 f. Marco Polo 9 Maria Fjodorovna, (Dagmar von Dänemark) Zarin 52, 71, 153 Martinov, Konvertit 21 Massalov, russ. Diplomat 26, 31, 142 f. Mathieu, Kardinal 126 Max, Prinz v. Sachsen 130 f. •Meniiii, Erzbischof 82-84, 87, 17r Merry del Val, Kardinalstaatssekrctär 128, 130, 132 f. Mermillod, Kardinal 75 Meäcerskij, F ü r s t , Publizist 91 Metliod, Slawenapostel 13, 21-23, 35. 37 f., 41, 44, 109, 136, 140 f. Metternich 11, 13, 41 Milinovic, Metropolit 113-11 5, 117,120 f., 159 f., 162-165 Mocenni, Kardinal 78 Mohrenheini, russ. Botschafter 48 Moleschott 27 Monaldi, Verleger 140 Morawski, Msgr. 163 Muravjov, russ. Außenminister 97, 181 Napoleon I. 141, 178 Napoleon I I I . 14 Naumovic, linierter, später orthodox. Priester 28, 138 Nicola (Nikolaus) v. Montenegro 129 Nicolson, engl. Botschafter 88 Nikita (Nikolaus) v. Montenegro 129 Nikolaus I., Zar 12, 174 Nikolaus I., Papst 141 Nikolaus (Nikolaj), Zesarewitseh 27 .
Nikolaus II. 82, 88-90, 92-94, 96, 99-103, 137, 170, 172, 174, 178, 180 Norfolk, Herzog v, 47, 59 Okolicsänyi, österr. Geschäftsträger 56 f., 147 Oliva, österr. Generalkonsul 30 Oreglia, Nuntius 157 Oubril, franz. Botschafter 25•142 Paar, Botschafter 26, 140 Pacca, Kardinal 12 Pacelli (Pius XII.) 135, 137 Parocchi, Msgr. 156 Paul, russ. Großfürst 139 Pavlik, orthodoxer Bischof 110 Pecci (Leo XIII.) 17 ff. Pergen, Graf 25 Perrand, Msgr. 156 Peter I., Zar 11, 19, 52, 141 Pierling, Jesuit 86 Pistro, österr. Konsul 167 Pius IX. 12, 14, 16 f., 23, 127, 136, 157 Pius X. 127-133, 137 Pius X I . 134 f. Pius X I I . 135, 137 Piaton, Metropolit 119 Pobedonoscev, Oberprokurator des Heiligen Synods 13, 27, 32 f., 50-54, 56, 58, 74f., 81, 91 f., 97-101, 104, 119, 137-139, 144. 181 Pogodin, Slawjanophiler 12 Pompiii, Kardinalvikar 134 Popiel, Administrator 174 Pressuti, Archivar 42, 140 Pseudodemetrius (I.) 10 Puzyna, Fürstbischof 112, 115-117, 126, 131 Racki, Domherr 36 f., 39 f., 87, 165 Rampolla, Kardinalstaatssekretär 45 f., 48-50, 53-69, 72, 74 f., 78-80, 82-84, ; 86f., 9of., 93, 95, 97, 100-102, 105 bis 108, 112, 115-117, 121-129, 136, 148 f., 151, 155-160, 164, 167, 170, 173 f., 178 R a t t i (Pius XI.) 134, 137 Rauscher, Kardinal 13 Reisach, Kardinal 11 Revertera, Botschafter 13-15, 25, 30, 50, 60-62, 72 f., 76-78, 80 f., 83 f., 88,90, 93-98, 107, 113, 116, I2i, 131, 136, 149-157, i66f., 196, 171 f., 174 Richard, Kardinal 96, 170, 175 Richelieu 178 Roteili, Nuntius 157 Rothschild (in England) 48
Royko, kath. Pfarrer 23 R ü c k e r t , H., Historiker und Germanist 118 Rudini, ital. Politiker, Ministerpräsident 156 S —, vgl. Z — Salisbury, Lord 48 Samassa, Kardinal 129 Saphieha, Kardinal 13 t Sarto (Pius X.) 137 Sazonov, später russ. Außenminister '3° Sch —, vgl. Sz —, ¡5— Schlegel, Friedrich 41 Schlözer, K., deutscher Botschafter 57, 59, 62, 72, 97, 150, 152, 178 Schönborn, Kardinal 78, i n Schönburg, österr. Botschafter 131-133 Seilern, österr. Diplomat 144 Sergius, russ. Großfürst 26, 103, 139 Sickel, Th., Historiker 61, 133 Simasko, Metropolit 32 Sinopoli di Giunta, P., 101, 105 Sokolski, Bischof 13 Solovev, V., Philosoph 39 f., 118 f. Sophia, Gemahlin Iwans I I I . 10 Stadler, Erzbischof 42 f., 86 f., 114, 120-123 Stambulov, bulg. Minister 82 Steiner, Bischof 152 Steinhuber, Kardinal 121 Stojalowski, kath. Priester 111 -115, 159-165 Stojan, Geistlicher 109 f. Stolypin, russ. Ministerpräsident 130 Stroßmayer, Bischof 20-24, 3°. 35~4°' 42-44, 46, 87, 94, 108-110, 113-120, 123, 129, 148, 159, 165 Stulc, kath. Priester 22, 24 Stutz, Kirchenrechtler 90 Sup, Benediktiner 110 SuSil, Prof. 21 f., 25, 109 Suvalov, Pavel, russ. Botschafter, Generalgouverneur v . Warschau 167 Symon, Weihbischof 169 f,, 180 Szecsen, österr Botschafter 107, 121, 123, 129, 131 Szeptickyj, Metropolit 102, 110 Taaffe, österr. Ministerpräsident 42 Talleyrand 141 Tarnassi, I n t e r n u n t i u s 98, 100, 137 Taube, M., Beamter im russ. Außenministerium 88 185
Tenora, Geistlicher 109 Theiner, A., Historiker 11 Thiers, A. 176 Tolstoj, Dimitrij, /russ. Innenminister 31, 57. 146, 153 Tolstoj - Bakmatev, Gräfin 119 Tsch —, s. Ö —-, Cz — und Dsch — Uexküll, russ. Botschafter 50 Umberto, König von Italien 106, 144 Vajs, Prof. 1 1 0 Vannutelli, Seraphim u. Vinzenz, Kardinäle 33, 74, 78, 116, 123, 171 Vannutelli, Vinzenz d. J., Dominikaner 74 f-, 81 Vaughan, Kardinal 75 Vladimir der Heilige 39
186
Vladimir, Alexandrovic, Großfürst 26, 139 Volkonskij, Fürstin 119 W — , vgl. V — Waldemar (Woldemar), Prinz von Däue• mark 28, 138f. Wilhelm II., deutscher Kaiser 59, 62, 89, 106, ijo, 152, 178 Witte, später russ. Finanzministcr und Ministerpräsident 52 Woldemar, Prinz 28, I38f. Wolkenstein, österr. Botschafter 101, 118 f., 145 f. Wurm, Konsistorialrat 25, 109 Zdziechowski 117, 119 f. Zola 91
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