Romane I. Eduard Allwill: Anhang 9783787333783, 9783787318209

Das philosophisch-literarische Werk Friedrich Heinrich Jacobis (1743–1819) entstand, angeregt von Goethe und Lessing, in

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German Pages 249 [258] Year 2016

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Romane I. Eduard Allwill: Anhang
 9783787333783, 9783787318209

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Friedrich Heinrich Jacobi Werke · Band 6,2

FRIEDRICH HEINRICH JACOBI W ER KE Gesamtausgabe herausgegeben von Walter Jaeschke Band 6,2

Meiner

FRIEDRICH HEINRICH JACOBI ROMANE I EDUARD ALLWILL ANHANG von Carmen Götz

Meiner

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über 〈 http://portal.dnb.de 〉 abruf bar. ISBN 978-3-7873-1820-9 eBook-ISBN: 978-3-7873-3378-3

© Felix Meiner Verlag, Hamburg 2016. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Satz: post scriptum, www.postscriptum.biz. Druck: Strauss, Mörlenbach. Bindung: Litges + Dopf,  Heppenheim. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp. DINISO 9706, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.

INHALT

Zeichen, Siglen, Kurztitel, Abkürzungen ..............................249 Vorwort ................................................................................253 Editorischer Bericht ..............................................................257   zu Eduard Allwills Papiere ................................................260   zu Eduard Allwills Briefsammlung ...................................294 Kommentar ...........................................................................343   zu Eduard Allwills Papiere ................................................343   zu Eduard Allwills Briefsammlung ...................................394 Literaturverzeichnis ..............................................................477 Personenverzeichnis ..............................................................492

ANHANG

ZEICHEN, SIGLEN, KURZTITEL, ABKÜRZUNGEN

1.  Z e i c h e n Fraktur-Schrift des Drucks bzw. deutsche Kurrentschrift Bodoni -Schrift Schwabacher-Schrift des Drucks Legacy-Schrift Antiqua-Schrift des Drucks bzw. der Handschrift g e s p e r r t e B e m b o -Schrift gesperrte Fraktur bzw. unterstrichene deutsche Kurrentschrift Bembo-Kapitälchen gesperrte oder vergrößerte Fraktur bzw. doppelt oder mehrfach unterstrichene deutsche Kurrentschrift Versalien in allen Schriften Versalien in allen Schriften g e s p e r r t e B o d o n i -Schrift gesperrte Schwabacher B od on i - K a pi tä l c h e n vergrößerte Schwabacher Kursive Bembo-Schrift 1.  im Text: von den Herausgebern aufgelöste Abkürzungen 2.  in den Apparaten und im Kommentar: Herausgeberrede kursive Legacy kursive Antiqua g e s p e r r t e L e g a c y gesperrte Antiqua g e s p e r r t e k ur sive L e g ac y gesperrte kursive Antiqua KURSIVE LEGACY-VERSALIEN kursive Antiqua-Versalien Seitenzahlen am Außenrand Paginierung der Originale (die hinzugefügte Indexzahl bezeichnet die Auflage) | neue Seite im Original / Zeilenbruch [] Hinzufügungen der Herausgeber ] Abgrenzung des Lemmas tiefgestellte Ziffern in den Apparaten geben bei die1 öfterem Vorkommen des gleichen Wortes in einer Zeile die Reihenfolge an 1 1792 hochgestellte Ziffern geben die Auflage eines Werkes an ** nicht genannter Autor Bembo-Schrift

250 Anhang

2.  Siglen a)  der Werke Jacobis: ABW DH1 bzw. DH2

EKP GD JBW JF JWA KJB LS1 bzw. LS2 UK VE VS WW

Auserlesener Briefwechsel David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus. Ein Gespräch (1787 bzw. 1815) gegebenen­ falls hier und bei den folgenden Werken mit hochgestellter Auflagenziffer Epistel über die Kantische Philosophie (1791) Von den Göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung (1811) Jacobi: Briefwechsel Jacobi an Fichte (1799) Jacobi: Werke. Gesamtausgabe Die Bibliothek Friedrich Heinrich Jacobis (Katalog­ nummer) Ueber die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn (1785 bzw. 1789) Ueber das Unternehmen des Kriticismus (1802) Vorrede, zugleich Einleitung in des Verfassers sämmt­ liche philosophische Schriften (1815) Vermischte Schriften (1781) Werke (1812–1825)

b)  anderer Werke: AA ALZ Dt. Wb. FA HA JubA MA MGG2 N NA RLW WA ZH

Kant: Gesammelte Schriften. Akademie-Ausgabe Allgemeine Literatur-Zeitung Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm Goethe: Sämtliche Werke. Frankfurter Ausgabe Goethe: Werke. Hamburger Ausgabe Moses Mendelssohn: Gesammelte Schriften. Jubi­ läumsausgabe Goethe: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. neu­ bearb. Ausg. Hamann: Sämtliche Werke (hg. von Nadler) Schiller: Werke. Nationalausgabe Karl Leonhard Reinhold’s Leben und litterarisches Wirken Goethe: Werke. Weimarer Ausgabe Hamann: Briefwechsel (hg. von Ziesemer / Henkel)



Zeichen, Siglen, Kurztitel, Abkürzungen

251

3.  K u r zt it e l a)  der Werke Jacobis: Terpstra Zoeppritz

Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill« (hg. von Terpstra) Aus F. H. Jacobi’s Nachlaß (hg. von Zoeppritz)

b)  anderer Werke: Adelung

Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart (1811) Briefwechsel zwischen Goethe und Jacobi Goethe-Jacobi Goethe-Wörterbuch Das Goethe-Wörterbuch im Internet Heinse-SW Heinse: Sämmtliche Werke Krünitz: Oeconomische Encyclopädie online Oekonomische Encyklopädie Wieland-BW Wielands Briefwechsel Zedlers Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges UniUniversallexicon versal-Lexicon 4. A b k ü r zu n g e n Abt. Abteilung Anmerkung, Anmerkungen Anm., Anmm. Bd, Bde Band, Bände Br., Br.e Brief(e) BW Briefwechsel Kap. Kapitel Dt. Deutsch Dv Druckfehlerverzeichnis zu den jeweiligen Editionen (in Zweifelsfällen mit Angabe der Edition in Klammern) Ep. Epistola Ed. Editio FN Fußnote gestr. gestrichen H. Heft hg., Hg. herausgegeben, Herausgeber J. Friedrich Heinrich Jacobi K. Kommentar Lib. Liber Ms Manuskript Nr Nummer p. pagina, page

252 Anhang

Rec. Recensent Sp. Spalte St. Stück SW Sämtliche Werke Tomus, tome Tom Teil, Theil T., Th. Verf. Verfasser Vol. Volume Z. Zeile Biblische und apokryphe Schriften werden nach dem Verzeichnis der Theo­ logischen Realenzyklopädie abgekürzt. Platon- und Aristoteleszitaten wird die gebräuchliche Zählung nach den Ausgaben Stephanus bzw. Bekker beigefügt.

VORWORT

Der vorliegende Kommentarband 6,2 der Jacobi-Werkausgabe unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von den bisherigen Kommentarbänden der Ausgabe. Zum ersten ist dieser Band der erste innerhalb der Werkausgabe, in welchem ein fiktionaler Text zu kommentieren ist, ein Text zumal, der – anders als die bisher kommentierten Texte Friedrich Heinrich Jacobis – in insgesamt fünf Druckfassungen überliefert ist. Zum zweiten hat dieser Text als erster der Ausgabe bereits eine kommentierte, die verschiedenen Fassungen vergleichende Edition erfahren. Sie stammt aus dem Jahre 1957 und ist an der Universität Groningen im Rahmen einer Dissertation entstanden.  1 Fraglos hat der vorliegende Kommentar dieser Arbeit von Jan Ulbe Terpstra viel zu verdanken, der wiederum gewinnbringend auf die Vorarbeiten von Hans Schwartz  2 und – vor allem – von Adolf Holtzmann  3 zurückgreifen konnte. Um die eigenen und zeitgemäßen Kommentierungsgewohnheiten nicht zu gefährden, wurden allerdings vor der Auswertung des Kommentars von Terpstra die zu kommentierenden Stellen und der Kommentierungsbedarf in einem minutiösen Durchgang durch den edierten Text – unter beständiger Rücksprache mit dem Herausgeber der Werkausgabe – festgelegt. Erst anschließend wurde der Kommentar von Terpstra kritisch ausgewertet. Es bedarf eigentlich nicht der Erwähnung, daß sämtliche Hinweise bei Terpstra nur Ausgangs- und Anhaltspunkt eigener Prüfung und Autopsie waren, was hier und da auch zu Korrekturen  4 oder Ergänzungen  5 führte. Diese Prüfungen ergaben sich wie selbstverständlich auch aus dem Umstand, daß die Editionsprinzipien die Verwendung entweder der von Jacobi nachweislich besessenen Ausgabe, wie sie der von Konrad Wiedemann erarbeitete Katalog der Bibliothek Friedrich Heinrich Jacobis ( = KJB) nachweist, oder der Erstausgabe vorschreibt. In diesem Band wurde in wenigen Fällen von dieser Vorgabe abgewichen: Es erschien wenig sinnvoll, im Rahmen der zahlreichen Bezüge auf Rousseau in den Frühfassungen des Allwill von 1775 und 1776 auf die im KJB verzeichnete Ausgabe der Werke Rousseaus von 1782 zu verweisen. Ebensowenig sinnvoll aber erschien der Verweis auf die Erstausgabe, wenn anhand des ausgedehnten Briefwechsels Jacobis mit seinem Amsterdamer Buchhändler Marc Michel Rey, der

 Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«. Textkritisch hg., eingeleitet und kommentiert von Jan Ulbe Terpstra. Groningen / Djakarta 1957. 2  Hans Schwartz: Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«. Halle a. d. Saale 1911 (Bausteine zur Geschichte der neueren deutschen Literatur; Bd VIII). 3  Adolf Holtzmann: Ueber Eduard Allwills Briefsammlung. Diss. Uni Jena. Jena 1878. 4  Siehe beispielsweise die Anm. zu 134,34 f. oder zu 229,23–25. 5  Siehe Anm. zu 227,29–31. 1

254 Anhang

z­ ugleich Herausgeber der Werke Rousseaus war, zu ermitteln war, daß Jacobi in den Jahren 1768/69 die Werkausgabe von 1769 bei Rey bestellte.  6 Die 1994 (2. Ausgabe 2009) von George di Giovanni erstellte und mit Anmerkungen edierte Übersetzung der Allwill-Fassung von 1792 ins Englische  7 ist sparsam kommentiert und geht selten über Terpstra hinaus, was den Wert dieser Arbeit – insbesondere für die Rezeption Jacobis auch im angelsächsischen Raum – keineswegs schmälert. Aus dem Jahre 1991 liegt zudem eine Übersetzung des Allwill ins Italienische durch Paolo Bernardini vor, auch hier der Fassung von 1792.  8 Im Kommentar nehmen zwei Arten von Nachweisen, die nicht zwingend zu einem Kommentar gehören, größeren Raum ein. Da ist zum einen die (auto-)biographische Rückbindung bestimmter Figuren, Konstellationen, Orte und Aussagen. Hintergrund für die Entscheidung, diese – teils frappierenden – Parallelen in den Kommentar aufzunehmen, war vor allem eine Eigentümlichkeit, die die Re­zep­ tions­geschichte des Allwill von dessen Entstehungszeit bis ins späte 20. Jahrhundert prägt, daß nämlich die Figuren des Romans mit realen Personen identifiziert wurden, insbesondere mit Goethe, Heinse und Jacobi selbst.  9 Der Nutzer dieser Edition sollte die Gelegenheit erhalten, diesen ausgeprägten Zug der Rezeptionsgeschichte mittels der Nachweise angemessen zu beurteilen. Einer biographischen Entschlüsselung sollte auf diesem Wege keinesfalls vorgearbeitet werden. Gerade im Gegenteil stellen die Nachweise die Grundlage dafür bereit, eindimensionalen Identifizierungen den Boden zu entziehen. Zudem bieten sie die Möglichkeit, sich Jacobis Arbeitsweise zu vergegenwärtigen. Dasselbe gilt auch für eine zweite Art von Nachweisen, die nicht zwingend erforderlich gewesen wäre. Sie betrifft den Nachweis von inhaltlichen Parallelen – bisweilen identischen Motiven und Formulierungen – im philosophischen und brieflichen Werk Jacobis wie auch in dem von Zeitgenossen, vor allem Goethes und Rousseaus. Auf der einen Seite hat diese Art von Nachweisen etwas Problematisches, da mit ihnen niemals ein Anspruch auf Vollständigkeit verknüpft sein kann. Auf der anderen Seite geben sie dort, wo die engen Rezeptionsbeziehungen teils aus dem Text selbst (etwa durch Zitate aus Rousseaus Werk), teils aus dem Briefwechsel und der Reaktion der Zeitgenossen (wie im Falle der Dichtungen Goethes, insbesondere des Werther) offenkundig und die Bezüge besonders augenfällig sind, exemplarische Einblicke in die Arbeitsweise des Schriftstellers Friedrich Heinrich Jacobi. Die wenigen, zu einzelnen Textteilen des Romans – und ausschließlich zur Druckfassung von 1792 ( = D4: Brief Nr. III. und Zugabe. An Erhard O**) –   Siehe JBW II,1.295.  Friedrich Heinrich Jacobi: The Main Philosophical Writings and the Novel Allwill. Translated from the German, with an Introductory Study, Notes, and Bibliography by George di Giovanni. Montreal & Kingston u.a. 2009 (McGill-Queen’s studies in the history of ideas; Bd 18) (First edition 1994). 8  Friedrich Heinrich Jacobi: Allwill. A cura di Paolo Bernardini. Milano 1991. Diese Allwill-Ausgabe weist sowohl hinsichtlich der Textedition als auch hinsichtlich des Kommentars zahlreiche problematische Besonderheiten auf. 9  Siehe hierzu auch den Editorischen Bericht zur Druckfassung von 1776 (  D ). = 2 6 7



Vorwort255

überlieferten Handschriften wurden von Walter Jaeschke, dem Herausgeber der Gesamtedition, gesichtet und bewertet. Die sie betreffenden Abschnitte des Editorischen Berichts zu Überlieferung und Entstehung hat dankenswerterweise Walter Jaeschke selbst verfaßt. Auch die Umschreibung auf die alte Rechtschreibung sowie die Nachweise aus den jüngst erschienenen bzw. noch im Druck befindlichen Briefbänden I,8 bis I,10 der Gesamtedition des Briefwechsels Friedrich Heinrich Jacobis ( JBW) wurden von dem Herausgeber in Zusammenarbeit mit dem Felix Meiner Verlag übernommen. Beiden danke ich zudem für die sorg fältige Korrektur und Bearbeitung des Manuskripts. Dieser Band der Jacobi-Werkausgabe wurde – von etwa drei Monaten abgesehen – im Rahmen eines Werkvertrags erarbeitet. Leipzig im Januar und Juni 2015 Carmen Götz

EDITORISCHER BERICHT

Der vorliegende Band enthält eine Früh- und eine Spätfassung des insgesamt in fünf Drucken aus den Jahren 1775 bis 1812 überlieferten Briefromans Eduard Allwill. Die drei frühen Fassungen aus den Jahren 1775 bis 1781, die unter dem Titel Eduard Allwills Papiere bzw. Allwills Papiere erschienen, sind im einzelnen: 1.  Die erste Ausgabe (D1) in der von J.s Bruder Johann Georg herausgegebenen Frauenzeitschrift Iris des Jahres 1775. Es handelt sich hier um die ersten fünf Briefe, die auch – bis zur Ausgabe letzter Hand – den Anfang des Romans bilden, ergänzt allerdings ab der Ausgabe von 1792 um den Brief C le r d on a n Sy l l i . / Den 4ten März.  10 2.  Die zweite Ausgabe (D2) in der von Christoph Martin Wieland herausgegebenen Zeitschrift Der Teutsche Merkur und somit in einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Zeitschriften des 18. Jahrhunderts. Gedruckt erschien der Text im Jahr 1776 in den Heften von April, Juli und Dezember. Die Briefe, die bereits in der Iris enthalten waren, sind hier nochmals gedruckt und um acht weitere und eine Note ergänzt. 3.  Die dritte Ausgabe (D3) in dem ersten – und einzigen – Band der Vermischten Schriften aus dem Jahr 1781; dort folgt der Allwill auf den Text Der Kunstgarten, eine überarbeitete Fortsetzung des 1779 als Buchausgabe erschienenen zweiten Romans Woldemar, die bereits zuvor im Deutschen Museum unter einem anderen Titel erschienen war. Diese Allwill-Fassung enthält – abgesehen von der Streichung zweier Briefe und der Note – keine bedeutsamen Veränderungen gegenüber der vorausgehenden. Da somit die zweite Ausgabe (D2) die vollständigste Fassung der Frühzeit ist und zudem die nachfolgende keine bedeutsamen Veränderungen enthält, lag es nahe, diese zu edieren und die Abweichungen in D1 und D3 im Variantenapparat zu vermerken. Die zwei späten Fassungen aus den Jahren 1792 und 1812, die unter dem Titel Eduard Allwills Briefsammlung bzw. Allwills Briefsammlung erschienen, sind im einzelnen: 1.  Die vierte Ausgabe (D4 ) von 1792, die als Buchausgabe bei Friedrich Nicolovius in Königsberg erschien. Sie ist gegenüber D2 um neun Briefe sowie um die Zugabe. An Erhard O** erweitert. Ein in D3 gestrichener Brief wurde hier wieder aufgenommen. Die Briefe werden hier erstmals durchnummeriert. Weitere Änderungen betreffen die Vorrede, zahlreiche neue Mottos, eine hinzugefügte Widmung. Zudem wurden die Briefe überarbeitet, in einem Fall auch umgestellt.  11   Siehe oben 101–103.   Siehe hierzu auch Holtzmann: Ueber Eduard Allwills Briefsammlung, 25–33. 10 11

258 Anhang

2.  Die fünfte Ausgabe (D5) von 1812 im ersten und von J. selbst noch herausgegebenen Band der Werkausgabe, erschienen im Verlag Gerhard Fleischer d. Jüng. in Leipzig. Diese weist nur wenige Änderungen gegenüber D4 auf. Aufgrund der großen Übereinstimmung dieser beiden Fassungen und aufgrund der Wirkung der Ausgabe von 1792 insbesondere auf die zeitgenössischen Schriftsteller und Philosophen wie Fichte und Reinhold, aber auch Jean Paul, lag es nahe, diese zu edieren und die Abweichungen in D5 im Variantenapparat zu vermerken. Für die Edition zweier Fassungen gab es praktische und inhaltliche Gründe: So ist eine Verzeichnung der Varianten im Ausgang von der Ausgabe letzter Hand (D5), wie sie etwa Terpstra vorgenommen hat, sehr unübersichtlich. Der ganz andere Charakter der Frühfassungen verliert sich auch darin.  12 Denn die Spätfassungen unterscheiden sich von diesen nicht nur durch den Umfang der Ergänzungen, sondern auch durch deren Inhalt, da die Hinzufügungen – z. B. des XV. und XVI. Briefes und der Zugabe. An Erhard O** – einen ausgeprägt philosophischen Charakter haben. Schließlich haben – auch aufgrund der großen Zeitspanne: zwischen der ersten Ausgabe und der ersten Spätfassung liegen 17 Jahre – die beiden Fassungen sowohl zeithistorisch als auch personell ihre eigenen Ent­stehungskontexte und auch Rezeptionshorizonte. Der auf diese Weise entstandene Nachteil einer fehlenden Verzeichnung der Varianten zwischen den Früh- und den Spätfassungen wurde durch eine gewissermaßen versteckte Konkordanz zum Teil ausgeglichen: In der Kopfzeile ist die entsprechende Seite in der jeweils anderen Fassung abzulesen, so daß eine rasche Orientierung darüber, ob ein bestimmter Passus bzw. Brief bereits in der Frühfassung existierte oder noch in der Spätfassung enthalten ist, jederzeit möglich ist. Zudem sind auf diese Weise Vergleiche der Früh- und Spätfassungen für jeden Abschnitt leicht möglich. Aufgrund der Überschneidungen zwischen der Früh- und der Spätfassung (D2 und D4 ) ergaben sich zwangsläufig Wiederholungen im Kommentar. Die Möglichkeit, bloß auf den Kommentar zur Frühfassung zu verweisen, wurde erwogen und nach reiflicher Überlegung zugunsten einer Wiederholung der Anmerkungen aufgegeben, um dem Nutzer des Kommentars ein ständiges und lästiges Zurückblättern zu ersparen. Die Gestaltung der Apparate des Textbandes folgt wiederum den vorhergehenden Bänden: Unter dem Grundtext sind, soweit erforderlich, zwei Apparate angeordnet: Der Variantenapparat zu Eduard Allwills Papiere (oben S. 3–80) verzeichnet sämtliche Abweichungen der ersten und der dritten Auflage (D1 und D3) von der im Haupttext gedruckten zweiten (D2) sowie bei Brief III. Clerdon an Sylli. Den 4ten März. (oben S. 101–103) zusätzlich die Abweichungen des Drucktextes von der hierzu überlieferten Handschrift; der Variantenapparat zu Eduard Allwills Briefsammlung (oben S. 83–244) verzeichnet sämtliche Abweichungen der fünften Auflage (D5) von der im Haupttext gedruckten vierten Auflage (D4 ), ferner   Siehe hierzu auch Heinz Nicolai: Nachwort. In Friedrich Heinrich Jacobi: Eduard Allwills Papiere. Faksimiledruck der erweiterten Fassung von 1776 aus Chr. M. Wielands »Teutschem Merkur«. Mit einem Nachwort von Heinz Nicolai. Stuttgart 1962. 115–131. Ib. 118 f. und 129 f. 12



Editorischer Bericht

259

– bei der Zugabe An Erhard O** – die Abweichungen der handschriftlichen Fassungen H2, h2 und h3 von D4.  13 Als Varianten werden nur solche Abweichungen verstanden, die über bloße Schreib- und Druckkonventionen hinausgehend mögliche Träger von Bedeutung sind: sämtliche Abweichungen im Wortbestand, in der Interpunktion, der Hervorhebung sowie der Absatzgliederung usf. Nicht berücksichtigt werden Differenzen in der Schreibweise wie etwa zwischen -ieren und -iren, c- und k- bzw. ss- und ß-Schreibung, Auslassung oder Einfügung des e z. B. in unsre oder insbesondre sowie das hinzugefügte oder entfallende Dativ-e, ferner Differenzen in der Zusammenschreibung von Wörtern usf. sowie in der in den Quellen stark schwankenden Groß- und Kleinschreibung, schließlich bei Abkürzungen von Personennamen (wie Spinoza, Lessing, Mendelssohn) und Titeln von Werken (z. B. O. P. oder Opp. posth. für Opera Posthuma, p. für pagina), sofern die Auflösung aus dem Kontext heraus unstrittig ist, ebenso die Verwendung von & für et oder umgekehrt. Nicht als Variante verzeichnet wird ferner die abweichende Anordnung von ­Schlußzeichen und Fußnotenzeichen vor oder nach dem Satzzeichen. Der Textkritische Apparat verzeichnet sämtliche editorischen Eingriffe in den Text des jeweiligen Originals wie auch diejenigen abweichenden Stellen der späteren Auflagen, die nicht als Varianten, sondern als verderbt anzusehen sind. Eindeutig erkennbare Dittographien werden nicht verzeichnet. Gegebenenfalls vorhandene Errata-Verzeichnisse sind für die Textkonstitution berücksichtigt; die Eintragungen zu der jeweiligen Druckfassung werden zusätzlich mit der Sigle Dv im Textkritischen Apparat nachgewiesen, die Verzeichnisse zu späteren Auflagen jedoch nur dann, wenn sie für die Textkonstitution des vorliegenden Bandes von Bedeutung sind, nicht hingegen, wenn sie nur gegenüber den edierten Fassungen D2 und D4 später neu aufgetretene Fehler korrigieren oder wenn hierdurch eine in einer späteren Fassung abweichende Schreibung korrigiert wird, die nach den Prinzipien der Variantenerstellung ohnehin nicht im Variantenapparat berücksichtigt worden wäre. Am Außenrand wird die Paginierung der Originalausgaben von Eduard Allwills Papiere (D1, D2, D3) bzw. Eduard Allwills Briefsammlung (D4, D5) mitgeteilt. Die Paginierung steht am Rande der Zeile, in der das erste Wort der nach dem Seitentrennungsstrich beginnenden Seite steht. Fallen mehrere frühere Seitenumbrüche im vorliegenden Band in eine Zeile, entspricht die Reihenfolge der Paginierungen der Reihenfolge der Seitenanfänge. Bezeichnet ein Seitentrennungsstrich einen übereinstimmenden Seitenwechsel in zwei Ausgaben, werden die ­Paginierungen dieser Ausgaben ebenfalls durch einen Seitentrennungsstrich getrennt. Für Textauslassungen stehen in den Originalen Punkte in unterschiedlicher Zahl, zum Teil auf Grund der graphischen Gegebenheiten. Im vorliegenden Band werden solche Auslassungen einheitlich durch drei Punkte bezeichnet.

  Zur Erklärung dieser Siglen siehe unten S. 298–300 den Abschnitt B. Handschriften. 13

260 Anhang

EDUARD ALLWILLS PAPIERE 1. Überlieferung D1

Titelblatt: Iris / Vierter Band / Düsseldorf 1775. Iris / Des / vierten Bandes / drittes Stück. / September 1775. [193]–236: Eduard Allwills Papiere. Der Text ist in Fraktur gesetzt. Hervorhebungen innerhalb der Fraktur sind durch Schwabacher oder durch Sperrung vorgenommen. Der Text endet mit dem Hinweis D ie F o r t s e t z u n g k ü n f t i g . Rezension in: Allgemeine deutsche Bibliothek. Anhang zu Bd 25–36, 1780, 6. Abt. 3426. D2

Titelblatt: Der / Teutsche Merkur / vom / Jahr 1776. / Ihro RömischKayserlichen Majestät / zugeeignet. / [Vignette] / Mit Königl. Preuß. und Churfürstl. Brandenburg. / gnäd. Privilegio. / Zweytes Vierteljahr. / Weimar. Der / Teutsche Merkur. / April 1776. 14–75: II. / Eduard Allwills Papiere *. Titelblatt: Der / Teutsche Merkur / vom / Jahr 1776. / Ihro RömischKayserlichen Majestät / zugeeignet. / [Vignette] / Mit Königl. Preuß. und Churfürstl. Brandenburg. / gnäd. Privilegio. / Drittes Vierteljahr. / Weimar. Der / Teutsche Merkur. / Julius 1776. 57–71: III. / Allwills Papiere. Titelblatt: Der / Teutsche Merkur / vom / Jahr 1776. / Ihro RömischKayser­lichen Majestät / zugeeignet. / Mit Königl. Preuß. und Churfürstl. Brandenburg. / gnäd. Privilegio. / Viertes Vierteljahr. / Weimar. Der / Teutsche Merkur. / December 1776. 229–262: III. / Allwills Papiere. Der Text ist in Fraktur gesetzt, fremdsprachige Wörter zum Teil in Antiqua, so z. B. Zonam temperatam und Taroc, à l’hombre, aber nicht: Epi­c ycloide. Hervorhebungen sind durch Schwabacher vorgenommen, doppelte Hervorhebung durch gesperrte Schwabacher. Das Romanfragment erschien im Jahrgang 1776 des Teutschen Merkur in drei Teilen. Der erste Teil endet mit einer längeren Note, die mit F. unterzeichnet ist. Am Ende des zweiten Teils ist ein Druckfehlerverzeichnis zum ersten Teil angefügt; ein Druckfehlerverzeichnis zum dritten und letzten Teil findet sich im Januarheft des Jahres 1777, 104 (dort statt 246,20 richtig: 240,20). Der zweite, im Juliheft erschienene Teil enthält lediglich den Brief Eduard Allwill an Clemenz von Wallberg.



Editorischer Bericht

261

D3

Titelblatt: Vermischte Schriften / von / Friedrich Heinrich Jacobi. / Erster Theil. / [Motto:] Ein Schriftsteller ist zuweilen nachläßig im Ausdruck; oft macht / die verschiedene Art sich eine Sache vorzustellen, daß einer den / andern nicht recht versteht; manchmal will auch einer den / andern nicht verstehen. / Claudius im Präs. Lars. / Breslau bey Löwe. / 1781. (Ein Faksimile des Titelblatts findet sich JWA 7.110.) [Vorrede]: [3]–6 Die Vorrede endet mit einem Zitat aus den Annalen des Tacitus, das derselben in der Form eines Mottos – entsprechend auch in einem kleineren Schriftgrad – nachgestellt ist: Admonitus fortiter protendere cervicem: Vt i n a m , ait, t u t a m f o r t it e r f e r i a s . Et ille multum tremens, cum vix duobus ictibus caput amputavisset, saevitiam …. iactavit, s e s q u i p l a g a i n t e r s e c t u m a s e d ic e n d o.  / Tacit. Annal. Lib. XV. 68. | Der Kunstgarten beginnt Seite [7]. Diesem geht ein nicht in die Seitenzählung einbezogenes N a ch s ch r e i b e n voraus. Es folgen auf den nächsten drei Seiten das unpaginierte und mit keiner Überschrift versehene Druckfehlerverzeichnis  14 sowie im Anschluß an den Kunstgarten: [143]–268: Eduard Allwills / Papiere. / [Motto:] Wieviel Nebel sind von meinen Augen gefallen, und doch bist / du nicht aus meinem Herzen gewichen, alles belebende / Liebe! die du mit der Wahrheit wohnst, ob sie gleich / sagen, du seyst lichtscheu und entf liehend im Nebel. / Göthe. Der Text ist in Fraktur gesetzt, fremdsprachige Wörter zum Teil in Antiqua, so z. B. Zonam temperatam und Taroc, à l’hombre, aber nicht: Epi­c ycloide. Hervorhebungen sind durch Sperrung oder größeren Schriftgrad vorgenommen, doppelte Hervorhebung durch Sperrung und größeren Schriftgrad. Abgesetzte Zitate und die Datumszeile der Briefe sind in kleinerem Schriftgrad gesetzt. Rezensionen in: Hamburgische Neue Zeitung. Nr. 189 vom 27. November 1781, Rubrik Gelehrte Sachen (wohl von Matthias Claudius). Göttingische Anzeigen von Gelehrten Sachen. Bd. 1, 7. St.: 17. Januar 1782, 53–54 (wohl von Georg Forster). Allgemeine deutsche Bibliothek. Anhang zu Bd. 37–52, 1785, Dritte Abteilung, 1440–1442 (wohl von Johann Erich Biester).

  Die Autorschaft von N a c h s c h r e i b e n und Druckfehlerverzeichnis weisen die Claudius-Forscherinnen Siobhán Donovan und Annette Lüchow Matthias Claudius zu, der den Druck in Hamburg organisiert und begleitet hat. Siehe Siobhán Donovan und Annette Lüchow: »Viel Wahres und viel Scharfsinniges«. Matthias Claudius und die »Vermischten Schriften« von Friedrich Heinrich Jacobi. In Jahresschriften der Claudius-Gesellschaft 2, 1993, 5–19. Ib., 8 f., sowie den Editorischen Bericht. 14

262 Anhang

Nicht autorisierter Nachdruck (Raubdruck): Linkes Titelblatt: Sammlung / der besten deutschen / prosaischen Schriftsteller / und / Dichter / Hundert und achtzehnter Theil. / [Titel­vignette] / Jacobi vermischte Schriften. / Mit allerhöchst-gnädigst kayser­lichem Privilegio. / Carlsruhe / bey Christian Gottlieb Schmieder / 1783. Rechtes Titelblatt: Vermischte Schriften / von / Friedrich Heinrich Jacobi. / Erster Theil. / [Motto:] Ein Schriftsteller ist zuweilen nachläßig im Ausdruck; oft / macht die verschiedene Art sich eine Sache vorzustellen, / daß einer den andern nicht recht versteht; manchmal / will auch einer den andern nicht verstehen. / Claudius im Präs. Lars. / [Vignette] / Carlsruhe / bey Christian Gottlieb Schmieder / 1783. [Vorrede] [5]–8 N a ch s ch r e i b e n und Druckfehlerverzeichnis fehlen. [143]–268: Eduard Allwills / Papiere. / [Motto:] Wieviel Nebel sind von meinen Augen gefallen, und doch bist / du nicht aus meinem Herzen gewichen, alles belebende Lie/be! die du mit der Wahrheit wohnst, ob sie gleich sagen, / du seyst lichtscheu und entf liehend im Nebel. / Göthe. Die Druckfehler sind eingearbeitet und trotz der Übereinstimmung hinsichtlich Seitenumfang und Paginierung ([143]–268) stimmt der Seitenumbruch nicht überein. 2.  Entstehungsgeschichte und zeitgenössische Rezeption Solche Benützungen seiner eigenen Briefe wa­ ren überhaupt nicht selten, und gehörten zu den glück­lichsten Eigenheiten seiner Composition. (ABW II, 49; FN des Herausgebers Friedrich Roth)

Friedrich Heinrich J.s Roman Eduard Allwill wurde nie vollendet. Der Fragmentcharakter ergibt sich aber nicht nur aus diesem Umstand, sondern auch aus der Tatsache, daß die für die empfindsamen Briefromane der Zeit (etwa jene von Samuel Richardson, Jean-Jacques Rousseau, Sophie von La Roche, Johann Wolfgang Goethe) typische Herausgeberfiktion von J. insofern auf die Spitze getrieben wurde, als bewußt zahlreiche Brieflücken verblieben. Bereits im Vo r b e r i ch t zum Druck in der Zeitschrift Der Teutsche Merkur ( = D2) schrieb J. im Hinblick auf sein Romanprojekt: Sein Vorhaben ist gewesen, aus diesen Materialien einen Roman zu bilden; da dieses aber, leider! nicht in Erfüllung gegangen: so folgt, daß Allwills Papiere in ihrem gegenwärtigen Zustande, ke i n Roman sind.  15 Die Druckgeschichte unterstrich den fragmentarischen Cha  Siehe im edierten Text, oben 4,9–12. Wie diese Aussage J.s genau zu werten ist, muß der Forschung überlassen bleiben. Die direkt anschließenden Begründungen und Aussagen J.s müßten in jedem Fall sehr genau mit der zeitgenössischen Romantheorie verglichen werden, wie sie etwa von dem auch von J. rezipierten Christian Friedrich von Blanckenburg vertreten wurde; siehe Anm. zu 4,39. 15



Editorischer Bericht

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rakter zudem, insofern die Teile des Werkes in unterschiedlichen Zeitschriften (Iris: 1775 und Der Teutsche Merkur: 1776) erschienen und dort sogar in unterschiedlichen, auf ein Dreivierteljahr verteilten Heften (April, Juli, Dezember). Die erste Zusammenführung geschah im Jahre 1781 im ersten (und einzigen) Band der Vermischten Schriften J.s. In deren Vorrede heißt es zum Allwill: Dieser philosophischen Unterredung [dem Kunstgarten] füge ich A l l w i l l s Pa pie r e bey; Bruchstücke aus einem Bruchstücke; ein Ding ohne Anfang, ohne Ende, ohne wahren Zusammenhang. Etwas das nicht einmal den Nahmen eines F r a g m e n t s , eines g a n z e n S t ü ck s behaupten kann.  16 Und noch über die stark erweiterte Spätfassung von 1792 schrieb J. am 11. Oktober 1796 in einem Brief an den Grafen d’Angiviller (der einstige Menin Ludwigs XVI. lebte zu jener Zeit unter dem Namen Charles Trueman(n) im holsteinischen Exil)  17: […] d’aucune maniere cette rhapsodie ne pouvait devenir un ouvrage régulier; ce sont des débries, des décombres, l’on ne sait de quoi.  18 Im selben Brief nennt J. den Allwill eine Sammlung von Briefen (recueil de lettres), eine correspondance idéale, öfter ist auch von dem recueil d’Allwill die Rede, niemals von einem Roman. Auch in seinen Briefen aus den Jahren 1791 bis 1794, also aus der Entstehungszeit der Spätfassung (D4 ) und deren früher Rezeption, schrieb J. mit Blick auf den Allwill niemals von einem Roman, anders als beim Woldemar.  19 Wenn also im Folgenden gleichwohl von einem Roman die Rede ist, so soll damit der Fragmentcharakter keineswegs geleugnet oder gar etwas unterstellt werden, was möglicherweise bloß ein Konstrukt der Editionsgeschichte ist.  20 Legt   VS 4 ( JWA 7.112,17–21).   Siehe ABW II.234 FN. 18  ABW II.239. 19  In den Briefen an Matthias Claudius vom 12. April 1794, JBW I,10.348,6, und an Wilhelm von Humboldt vom 2. September 1794, JBW I,10.396,7, nennt J. Woldemar einen Roman. 20  Ihrem Forschungsansatz und Erkenntnisinteresse gemäß hat Cornelia Ortlieb diesen Aspekt besonders exponiert. Siehe Cornelia Ortlieb: Friedrich Heinrich Jacobi und die Philosophie als Schreibart. München 2010 ( = Zur Genealogie des Schreibens). 96 ff. zur Editionsgeschichte des Allwill, darin 96: […], und es bleibt gegen die Tendenz zu deren Hypostasierung festzuhalten, dass auch die sogenannten Briefromane Jacobis in den einschlägigen Zeitschriften als fast zusammenhanglose Sammlungen von »Papieren« erschienen, die erst im Laufe jahrzehntelanger Überarbeitung und retrospektiver Edition zu ›Romanen‹ geschlossen wurden. Und ferner: Die Rekonstruktion einer hypothetischen Erstfassung, wie sie Heinz Nicolai für die erste Sammlung von E d u a r d A l l w i l l s Pa p i e r e n vorgelegt hat, indem er die Folge der im Te u t s c h e n M e r k u r publizierten Texte zum Buch arrangiert und mit einem Nachwort versehen hat, korrigiert so den Mangel, den sie erst als solchen sichtbar macht; Editionsphilologie soll heilen, was die Zeit dem Werk an Wunden zugefügt hat, auch wenn sie gegen ihr eigenes Prinzip der ›Ausgabe letzter Hand‹ als m a s t e r c o p y verstoßen muss. Letzteres wird dann für die Edition in der Werkausgabe J.s näher ausgeführt. Siehe auch ib., 138: Beide später zu ›Romanen‹ nobilitierte Textsammlungen Jacobis, also die letztlich nach den Protagonisten benannten verschiedenen Fassungen von A l l w i l l 16 17

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man J.s eigene Terminologie und die seiner Zeitgenossen  21 zugrunde, so läuft die Entwicklung allerdings in umgekehrter Richtung: von einem (geplanten) Roman in Briefen zu einer Briefsammlung, die unvollständig sein darf und mit Dichtung gleichsam nur umgeben ist.  22 Anders sieht dies der Rezensent des ersten Bandes der Werkausgabe von 1812 in den Heidelbergischen Jahrbüchern, denn dieser nennt Eduard Allwills Briefsammlung ausdrücklich einen fragmentarischen Briefroman[].  23 a)  Entstehungsgeschichte und zeitgenössische Rezeption zu D1 Auf den Beginn seines dichterischen Schaffens und damit auf den Beginn seiner Arbeit an dem Briefroman Eduard Allwill blickt J. im Herbst 1796 in seinem Brief an Charles Truemann ( = Graf d’Angiviller, s. o.) – dieser wollte den Allwill ins Französische übersetzen – mit folgenden Worten zurück: Il y a à présent 21 ans que j’ai commencé à publier ce recueil de lettres. Mon ame alors était dans une situation semblable à celle de Silly; je poussais de profonds soupirs; voilà mes muses. Une circonstance de hasard me mit la plume à la main pour commencer cette correspondance idéale; en écrivant je me sentis soulagé; j’eus du plaisir, je continuai.  24 Die zeitgleich mit dem Romanschreiben verfaßten Briefe J.s bestätigen und erläutern das hier Mitgeteilte zum Teil. Die erste Spur findet sich nicht zufällig in einem Brief an Johann Wolfgang Goethe. Der Brief datiert vom 26. August 1774, und in demselben heißt es relativ unvermittelt: Fritz schreibt an seinem Roman.  25 Der Brief endet (vor der Abschiedsfloskel) mit den Worten: Ich selbst habe, in deinem Nahmen, den Plan zu einem Roman in Briefen entworfen, und würklich auszuarbeiten angefangen.  26 Eine längere, mehrere Absätze umfassende Passage, die nahezu identisch ist mit einer Stelle im Roman – nämlich im ersten Brief Clerdons an Sylli – bildet den Beginn des Briefes.  27 Motive der im und Wo l d e m a r, […]. – Vgl. auch Helmut Schanze: Jacobis Roman »Eduard Allwills Papiere«. Eine formgeschichtliche Analyse. In Klaus Hammacher (Hg.): Friedrich Heinrich Jacobi. Philosoph und Literat der Goethezeit. Beiträge einer Tagung in Düsseldorf (16.–19. 10. 1969) aus Anlaß seines 150. Todestages und Berichte. Frankfurt am Main 1971. 323–331. Ib. 323: Der »Roman«, wir nennen den Jacobi-Text aus welchen Gründen auch immer traditionellerweise so, […]. 21  So etwa erscheint die Rezension der Spätfassung (D ) in der Neuen allgemei4 nen deutschen Bibliothek. 1793, Bd 5, St. 1, 152–155, in der Inhaltsübersicht nicht unter Romane, sondern unter Vermischte Schriften. 22  Siehe die Vorrede, oben 89,31. 23  Heidelbergische Jahrbücher der Litteratur. 1813, Nr. 50, 785–799. Ib., 787. 24  Brief vom 11. Oktober 1796, ABW II.238 f. 25  JBW I,1.249,13 f.. – Dieser Satz könnte auch von dem während der Niederschrift anwesenden Heinse in J.s Brief eingefügt worden sein. Dies nimmt etwa Adolf Holtzmann an; siehe Holtzmann: Ueber Eduard Allwills Briefsammlung, 23. 26  JBW I,1.250,23–25. 27  Siehe JBW I,1.247,17 –248,11; zitiert in Anm. zu 18,7–25.



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Brief geschilderten Szene – das Hinausgehen in die ›freie‹ Natur, die Flucht vor einem Gewitter in die Capelle des Eremiten.  28 – finden sich ähnlich in Goethes zu diesem Zeitpunkt noch nicht erschienenem,  29 aber bald danach erscheinenden Briefroman Die Leiden des jungen Werthers,  30 der J. von Goethe über Sophie von La Roche zugeschickt wurde.  31 Goethe hatte J. im Juli 1774 erstmals in Düsseldorf besucht und ihn, der bislang vor allem durch Rezensionen für den Teutschen Merkur an die Öffentlichkeit getreten war,  32 bei dieser Gelegenheit zu eigener dichterischer Produktion ermuntert. Die initiatorische Rolle Goethes kommt unter anderem in J.s Formulierung in deinem Nahmen zum Ausdruck. Sie läßt sich zudem rekonstruieren aus Goethes Antwortbrief: Mir ist ganz wohl euch zu sehen in freyer Gottes welt, theils des gegenwärtigen Genusses willen der verjüngt Leib und Seele, teils auch in Hofnung gutes Vorbedeutens dass du dich muthig entreissen wirst der papirnen Vestung Spekulations u. literarischer Herrschafft. Denn das raubt dem Menschen alle Freude an sich selbst. Denn er wird herumgeführt von dem und ienem, hie in ein Gärtgen da in eine Baumschule, in einn Irrgarten u. Irrgärtgen, und preiset ihm ieder an seiner Hände Werck, und endlich siehet er in seine Hände die ihm auch Gott gefüllt hat mit Krafft u. allerley Kunst, und es verdreusst ihn des Gaffens u. Schmarozens an andrer Schöpfungsfreude, u. kehret zurück zu seinem Erbteil, saet, pf lanzt u begiesst, und geniest sein und der seinigen in herzlich Würckender Beschränckung. So mit seyst du eingeseegnet wo du auch stehest und liegest auf Gottesboden, wandere so fort dass sich in dir kräfftige Liebe, aus ihr Einfalt keime, aus der mächtiges Würcken auf blüht.  33 Und schließlich wird sie zwanzig Jahre später noch einmal beschworen in jener Widmung an Goethe, die J. der Spätfassung seines zweiten Romans Woldemar voranstellt: Liebend, zürnend, drohend riefst Du mir zu in jenen Zeiten: »Der Genügsamkeit, die sich mit Theilnehmung an Anderer Schöpfungsfreude sättigte, zu entsagen; nicht länger zu g a f f e n ; sondern in die eigenen Hände zu schauen,

  Siehe JBW I,1.249,15.   Vgl. JBW I,1.250,23. 30  [ Johann Wolfgang Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers. 2 Teile. Leipzig 1774. Ib., Teil 1. 31  Am 19. September 1774 schrieb Goethe an Sophie von La Roche, Johann Wolfgang Goethe: Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Im Auftrag der Klassik Stiftung Weimar / Goethe- und Schiller-Archiv hg. von Georg Kurscheidt, Norbert Oellers und Elke Richter. Berlin 2008 ff. Bd 2,I.130,18–20 : Donnerstag früh geht ein Exemplar Werther an Sie ab. Wenn Sie und die Ihrigen es gelesen schicken Sie’s weiter an Friz [ Jacobi], ich hab nur drey Exemplare und muss also diese zirkuliren lassen. Siehe auch Goethe an Johanna Fahlmer, vermutlich von Anfang Oktober 1774, ib., Bd 2,I.132,12 f. : Was schreibt Friz? hat er Werthern? Der Brief J.s an Goethe vom 21. Oktober 1774, JBW I,1.263,20–22, beschreibt dann ausführlich die Aufnahme des Werther im Hause Jacobi. 32  Siehe JWA 4. 33  Brief vom 31. August 1774, JBW I,1.253,2–15. 28 29

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die Gott auch gefullt hätte mit Kunst und allerley Kraft.«  34 Noch deutlicher formuliert er zu Beginn seiner Widmung den Einfluß Goethes auf die Entstehung des Woldemar: Ich widme Dir ein Werk, welches ohne Dich nicht angefangen; schwerlich ohne Dich vollendet wäre.  35 Unter dem Gesichtspunkt der Chronologie gilt dies noch mehr für den Allwill als das erste Produkt von J.s dichterischem Schaffen. Goethe hat später, als er im Jahr 1812 seine Autobiographie verfaßte, in Dichtung und Wahrheit diese seine initiatorische Rolle erneut benannt: Wir waren beide von der lebendigsten Hoffnung gemeinsamer Wirkung belebt, dringend forderte ich ihn auf, alles was in ihm sich rege und bewege, in irgend einer Form kräftig darzustellen. Es war das Mittel, wodurch ich mich aus so viel Verwirrungen herausgerissen hatte, ich hoffte, es solle auch ihm zusagen. Er säumte nicht, es mit Muth zu ergreifen, und wie viel Gutes, Schönes, Herzerfreuendes hat er nicht geleistet!  36 Die zitierten Passagen in J.s Brief an Goethe vom 26. August 1774 sind die einzigen überlieferten Zeugnisse aus der Entstehungszeit von D1 – vermutlich August 1774 bis August / September 1775 –, in welchen J. in d i r e k t e r Weise von der Arbeit an seinem ersten Roman Eduard Allwill schreibt. Erste Entwürfe könnten bereits vor dieser Zeit entstanden sein, jedoch kaum vor dem Besuch ­G oethes in Düsseldorf im Juli 1774.  37 Es darf auch ausgeschlossen werden, daß J. vor dem 26. August schon intensiv an seinem Roman gearbeitet hat, da er kurz vor diesem Datum qua seines Amtes als Hofkammerrat einen umfangreichen Bericht für den Kurfürsten vollendet hatte, wie aus seinem Brief an Christoph Martin Wieland vom 27. August 1774 hervorgeht.  38 Auch die starke Orientierung am Vorbild des Werther,  39 der erst im September 1774 erschien, spricht für einen Beginn der Ar  JWA 7.206,38–42.   JWA 7.206,28–30. 36  Goethe: Dichtung und Wahrheit (Dritter Teil, 14. Buch); WA I,28.292,21 – 293,1. – Zur Arbeit an dieser Passage von Dichtung und Wahrheit siehe J. an Johann Wolfgang Goethe, 28. Dezember 1812, in Briefwechsel zwischen Goethe und F. H. Jacobi herausgegeben von [Karl Wigand] Max[imilian] Jacobi. Leipzig 1846. 259 f. 37  Goethe hielt sich vom 21. bis zum 24. Juli in Düsseldorf und (Wuppertal-)Elber­ feld auf (siehe JBW II,1, Anm. zu 242,24); danach begleiteten ihn J., Johann Georg Jacobi und Wilhelm Heinse nach Schloß Bensberg und Köln. Siehe Goethes Leben von Tag zu Tag. Eine dokumentarische Chronik von Robert Steiger. Bd I: 1749– 1775. Zürich 1982. 666–671. 38  JBW I,1.250,30–32 : Mein lieber Wieland, ich habe in der abgelaufenen Woche eine sehr schwere, dornichte Ausarbeitung zu Ende bringen und nach Hof absenden müssen. – In der zugehörigen Kommentarstelle ( JBW II,1.229, Anm. zu 250,31) wird auf die Acta verwiesen mit dem Zusatz: Der zweite Bericht ist vom 25. 8. 1774. 39  Siehe die Anmm. zu 10,4–9; 12,12–24; 15,18–20; 17,27–18,3; 18,7–25; 25,7–30; 30,5 f.; 30,16–33 sowie Mercks Schmähgedicht auf D2 ( Wieland-BW V.513,63–73 ), in welchem es heißt: Und denn, so stekt der Kerl seinen Span / An Goethes grosem Feuerheerd an, / Verkündigts als sein eigen Feuer. / Dort wars Gefühl, hier wirds Geleyer. / Wenn Werther im hohen Grase liegt / Und von der Natur u. Wonne gewiegt / Von innrer Seeligkeit was verschwazt / wird’s 34 35



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beit nicht vor August / September 1774, auch wenn J. einige Passagen des Romans bereits aus der Zeit von Goethes Aufenthalt in Düsseldorf im Juli 1774 bekannt gewesen sein sollten. Der Vorbildcharakter des Werther ist übrigens auch eindrucksvoll belegt dadurch, daß Gleim zunächst Goethe für den Autor des Allwill hielt.  40 Auch gegenüber Johann Caspar Lavater sah Goethe sich genötigt, die Unterstellung seiner Autorschaft am Allwill zurückzuweisen.  41 In seinem Brief an Sophie von La Roche vom 19. April 1777 verwahrt sich J. allerdings gegen den offenbar von ihr mitgeteilten Eindruck, er ahme Goethe nach: Sie irren, meine Freundin, wenn Sie glauben, daß ich Göthe nachahme. Daß man in ganz Deutschland meine neuesten Productionen Göthe zugeschrieben hat, kommt bloß daher, daß man auf niemand anders zu rathen wußte. Meine Schreibart kommt vielleicht Lavater’s Schreibart näher als Göthe’s. Es ist mir nie eingefallen, Vergleichungen darüber anzustellen.  42 Ein weiterer indirekter Hinweis auf die Arbeit am Allwill läßt sich aus den Briefen J.s an Goethe vom 21. Oktober 1774 und an Wieland vom 13. November 1774 ableiten, denn beide Briefe enthalten Textpassagen, die mit einer Sequenz im Roman überstimmen.  43 Zur Entstehung der ersten Briefe des Romans (Sylli an Clerdon) hat J. sich später mehrfach geäußert, jedoch ohne einen Entstehungszeitpunkt zu erwähnen. So schrieb er in seinem ersten Brief an Johann Georg Hamann vom 16. Juni 1783: Die drey ersten Briefe in Allwills Papieren, Z. [!] B. sind aus bloßer Herzensangst entsprungen. Und so ist manches Andre nichts als Ergießung der Seele.  44 Ganz ähnlich hatte er bereits am 18. März 1776 an Sophie von La hier in Phrasen aufgekrazt / Und aufgehangen an die Wand / Wie jeder Locus communis entstand. – / Genug von dem Kerl! – […]. 40  Siehe Johann Wilhelm Ludwig Gleim an Wilhelm Heinse, 8. November 1775, Briefwechsel zwischen Gleim und Heinse. Hg. von Karl Schüddekopf. 2 Bde. Weimar 1894–1895 (Quellenschriften zur neueren deutschen Literatur- und Geistes­ geschichte; Bd 2 und 4). Bd II.17: Fliegen möcht’ ich, und schweben zwischen Wieland und Göthe! Grüßen Sie Göthens Sylli, wegen ihres: / »O des Wusts der Welt!« / Sie hat in mein Herz hinein gesehn – in meinem Herzen ge­lesen – / Sagen Sie Göthen, er möchte mich auch beleidigen, und dann kommen und es abbitten, ich möchte so herzlich gern, in diesem Leben noch, ihn sehen! 41  Goethe an Lavater, 16. September 1776, Goethe: Briefe, Bd 3,I.106: Allwills Briefe sind von Fritz Jacobi – nicht von mir. 42  JBW I,2.55,8–12. – Eine interessante Quelle stellt in dieser Streitsache die Arbeit von Adolf Holtzmann dar, der die Charakterzüge und Motive der Allwill-Figur mit denen Goethes und der Protagonisten seiner Dichtungen aus der Sturm-und-DrangZeit vergleicht. Siehe Holtzmann: Ueber Eduard Allwills Briefsammlung, 59–80 ( = Kapitel V. Allwill als »moralisches Genie.«). 43  Vgl. JBW I,1.265,28–37 und JBW I,1.270,5–21 mit oben 17,19 –18,3 (Clerdon an Sylli). 44  JBW I,3.163,21–23. – Für die Publikation dieses Briefes im ersten Band der Werk­ausgabe von 1812 wurde diese Stelle von J. geändert; siehe WW I.365: So wurde die Allwillsche Briefsammlung fast unwillkührlich begonnen, um Gedanken und Gefühlen zu ihrem Seyn ein Bleiben zu verschaffen.

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Roche geschrieben: Als ich die Briefe, welche ihren [Syllis] Namen tragen, schrieb, befand ich mich in einer Situation, wo mir alles, was ich sie sagen ließ, gerades Wegs aus eigenem Herzen kam.  45 Möglicherweise waren diese Briefe auch die zuerst entstandenen – so jedenfalls legt Hans Schwartz die oben zitierte Passage aus J.s Brief an Charles Truemann ( = Graf d’Angiviller, s. o.) vom Herbst 1796 aus.  46 Während also die Briefe nur wenige direkte und eine Vielzahl indirekter Anhaltspunkte zur Arbeit am Allwill enthalten, lassen sich zudem auf der Grundlage der Briefe – mit aller Vorsicht – bestimmte Zeiten als intensive Bearbeitungsphasen ausschließen. Hierzu zählen etwa die ersten fünf Monate des Jahres 1775, in denen sich J. zunächst auf einer Reise nach Frankfurt, Mannheim und Karlsruhe befand, wo er Goethe besuchte, Klopstock traf, Friedrich Müller (genannt: Maler Müller) kennenlernte und am Mannheimer Hof vorstellig wurde.  47 Nach dieser Reise erkrankte er mehrfach schwer und war zudem in leidige Geschäfte eingebunden.  48 Demnach käme erst der Sommer 1775 wieder als intensivere Arbeitsphase in Betracht. Tatsächlich scheint man Ende Mai in Düsseldorf Pläne zu neuen Publikationen zu schmieden, in die auch J. eingebunden werden sollte.  49 Eine Formulie-

  JBW I,2.41,15–17.   Siehe Schwartz: Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«, 8, sowie ABW II.238 f. 47  Zur Reise an den Mannheimer Hof siehe JBW II,1, Anm. zu 272,4 sowie Anmm. zu 292,4 und 292,6. – Im Brief vom 14. Dezember 1774 ist der 31. Dezember als Abreisetag ins Auge gefaßt ( JBW I,1.272,4 ), am 8. Januar traf J. in Frankfurt am Main ein, wo er Goethe besuchte (siehe JBW II,1, Anm. zu 274,3). Am 28. Januar schrieb J. noch aus Frankfurt ( JBW I,1.276,28 ), am 11. Februar aus Mannheim ( JBW I,1.292,2 ), am 24. Februar aus Oppenheim ( JBW I,1.293,2 ). Insbesondere die Briefe vom 11. Februar 1775 an Wieland und vom 24. Februar 1775 an Sophie von La Roche erwähnen die Eingebundenheit J.s während der Reise in andere Angelegenheiten. Siehe zur Karlsruher Reise und zum Zusammensein mit Klopstock – dort und in Mannheim – den Brief J.s an Wieland vom 22. März 1775 ( JBW I,2.7,14–16 ). 48  Der erste Brief aus Düsseldorf datiert wohl vom 12. März 1775 ( JBW I,2.4,23 ) und gibt an, daß J. an einem Catharal Fieber krank [liege] ( JBW I,2.321). Im darauffolgenden Brief an Wieland vom 18. März erwähnt J. verdrießliche Geschäffte, die er sich vom Halse zu schaffen wünsche ( JBW I,2.4,27). Am 22. April schrieb er an denselben ausführlicher von einer langen, schweren Krankheit ( JBW I,2.9,7–14, 21 f.). Goethe teilt er am 25. Mai 1775 mit, er sei eine Zeit her durch leidige Geschäfte sehr zerstreuet worden ( JBW I,2.12,24 ); im Brief an J. F. Müller vom 18. Juni ist von Krankheit, Geschäffte, Zerstreuungen die Rede sowie davon, daß Sophie von La Roche gerade bei ihm sei ( JBW I,2.15,16. 34 ). 49  Im Brief Heinses an Gleim vom 30. Mai 1775 heißt es, Heinse-SW 9.248: Wir wollen hier eine Sammlung von Epigrammen drucken lassen, und den Kunst­ richtern in den Hals werfen. Fritz schreibt eine Vorrede dazu, und demonstrirt sie aus jeder ehrlichen Gesellschaft in allem Ernst heraus. Unsre Büchse kann den herrlichsten Beytrag dazu liefern. Sie alter Kriegsmann haben die schärfsten Pfeile geschnitzt, und am stärksten und tref lichsten abgeschossen. Lassen Sie doch geschwind das abschreiben, was Sie für das beste halten, und senden es uns. 45

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rung, die sich im Brief J.s an Goethe vom 12. August 1775 ebenso findet wie im Roman (Brief Sylli an Clerdon vom 8. März), könnte als ein Hinweis auf die Arbeit am Allwill zu jenem Zeitpunkt gewertet werden.  50 Spätestens im Sommer 1775 muß wohl auch die Entscheidung gefallen sein, das Romanfragment in der von J.s Bruder Johann Georg herausgegebenen Frauenzeitschrift Iris erscheinen zu lassen. Redakteur war der Dichter Wilhelm Heinse, der am 13. Mai 1774 für diese Arbeit gemeinsam mit Johann Georg Jacobi von Halberstadt nach Düsseldorf gekommen und in jener Zeit sehr eng mit dem Jacobi­ schen Hause verbunden war.  51 Die ersten vier Bände der Iris sowie Nachdrucke dieser Bände erschienen in Düsseldorf,  52 die letzten vier Bände 1776 bei Haude und Spener in Berlin.  53 Bemerkenswert ist, daß die Briefe des Redakteurs Heinse aus Düssel­dorf ausführlich von seiner Arbeit an der Iris und von den dort erscheinenden Beiträgen berichten, jedoch den Beitrag J.s mit keinem Wort erwähnen. Es darf davon ausgegangen werden, daß nicht nur J.s, sondern auch Heinses Stillschweigen den Wünschen und Absichten des Autors J. entsprachen. Weder Wieland noch Gleim war bei Erscheinen des Iris-Heftes die Autorschaft bekannt,  54 gegenüber Friedrich Müller, dem »Maler Müller«, und gegenüber Wieland erklärt J. ausdrücklich, daß und warum ihm so viel an der Anonymität liege.  55 Außer Goethe, Johann Georg Jacobi und Wilhelm Heinse scheint auch Johanna Fahlmer, J.s (mit ihm etwa gleichaltrige) Stieftante und Jugendfreundin, die in Frankfurt lebte und Kontakt zu Goethe hatte, in die Autorschaft J.s in der Phase der Entstehung von D1 eingeweiht gewesen zu sein. Vermutlich von Ende August 1775 stammt ein Briefchen Goethes an Johanna Fahlmer, mit welchem er den ersten Teil des Allwill-Manuskripts übersandte. In demselben heißt es lakonisch: Hier Frizzens Arbeit ich möcht nicht gern dass es gedruckt würde, und doch sind so gute Sachen drinn.  56 Es legt sich nahe, daß Sophie von La Roche, die J. auf der Reise nach Frankfurt, Mannheim und Karlsruhe zweimal besuchte und die auch im Juni 1775 in

  Vgl. JBW I,2.25,7 f. mit oben 12,16–18.   In einem undatierten Brief an Gleim erläutert Heinse die Absprachen mit Johann Georg Jacobi hinsichtlich der Iris; siehe Heinse-SW 9.192 f. 52  1:1774; 2–4: 1775; Nachdrucke: 1775. – Zum Problem der Nachdrucke siehe auch Wilhelm Heinse an Johann Georg Jacobi, 8. Dezember 1775, Heinse-SW 9.257. 53  Zu diesem Übergang siehe Wilhelm Heinse an Johann Georg Jacobi, 19. Januar 1776, Heinse-SW 9.258. 54  Siehe Christoph Martin Wieland an J., 2. November 1775, JBW I,2.29,25–27, und Johann Wilhelm Ludwig Gleim an Wilhelm Heinse, 8. November 1775, Schüdde­ kopf: Briefwechsel zwischen Gleim und Heinse, Bd II.17. 55  Siehe J. an J. F. Müller, 14. Dezember 1775, JBW I,2.34,33–36 und J. an Christoph Martin Wieland, 20. April 1776, JBW I,2.42,5–11. 56  Goethe: Briefe, Bd 2 I.210,8 f.. Zur Datierung siehe auch den Kommentar: ib., 2 II.529 f. Vgl. auch Der junge Goethe. Besorgt von Max Morris. Neue Ausgabe. 6 Bde. Leipzig 1909–1912. Bd V.294. Die Datierung in den August erfolgte bereits 1875 durch Urlichs; siehe Holtzmann: Ueber Eduard Allwills Briefsammlung, 17. 50 51

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Düsseldorf war,  57 in die Autorschaft eingeweiht wurde, zumal sie selbst Autorin eines empfindsamen Briefromans sowie vieler in der Iris erscheinender Beiträge war und im März 1776 von J. in die Entstehung von D2 einbezogen wurde. Allerdings spricht der Brief vom 18. März 1776, mit welchem J. das Manuskript von D2 zur kritischen Würdigung an Sophie von La Roche sandte, nicht für ein vorausgegangenes Gespräch über den Entstehungshintergrund von D1.  58 Über die Beendigung des Manuskripts und die Drucklegung des 3. Stücks (des 4. Bandes 1775) der Iris ist nichts bekannt. Die Auslieferung des Stücks vom September 1775, das auf den Seiten 193 bis 236 unter dem Titel Eduard Allwills Papiere den anonymen Erstdruck des fragmentarischen Briefromans enthielt, aber dürfte in der zweiten Hälfte des Monats Oktober 1775 erfolgt sein.  59 Der Beitrag umfaßt einen Vorbericht sowie jene fünf Briefe, die bis zur letzten Fassung des Romans dessen Anfang bilden, ab D4 allerdings ergänzt um den Brief C l e r d o n a n Sy l l i . / Den 4ten März.  60 b)  Entstehungsgeschichte und zeitgenössische Rezeption zu D2 Eine Fortsetzung des Romans in der Iris war zum Zeitpunkt der Veröffent­ lichung von D1 offenkundig geplant, da sie in der Zeitschrift selbst in Aussicht gestellt wurde.  61 Auch darf man wohl davon ausgehen, daß Teile der Romanfortsetzung zu der Zeit bereits vorlagen.  62 Dafür spricht beispielsweise, daß sich in Briefen aus der ersten Phase der Abfassung von D1 (August bis November 1774) Passagen finden lassen, welche mit Romanteilen korrespondieren, die erst im Teutschen Merkur ( = D2) veröffentlicht wurden. Zum Beispiel findet die Goethe-Beschreibung im Brief an Wieland vom 27. August 1774 (Göthe ist, nach Heinse’s Ausdruck, Genie vom Scheitel bis zur Fußsohle; ein Besessener, füge ich hinzu, dem fast in keinem Falle gestattet ist, willkührlich zu handeln.) erst in D2 Anwendung auf den Protagonisten Eduard Allwill.  63 Gleiches gilt für eine Stelle im Brief an Goethe vom 6. November 1774: Alsdann soll dir, in dieser   Etwa 18. bis 26. Juni 1775; siehe JBW II,2.17, Anm. zu 16,23 und JBW II,2.21 f., Anm. zu 23,12. 58  Siehe JBW I,2.41. 59  Siehe die auf D Bezug nehmenden Briefe von Wieland an J. vom 2. November 1 1775, JBW I,2. 29,25–27, und von Gleim an Heinse vom 8. November 1775, Schüddekopf: Briefwechsel zwischen Gleim und Heinse Bd II.17. Der Wielands Brief vorausgegangene Brief J.s konnte nur erschlossen werden und wurde auf Mitte od. Ende Oktober 1775 datiert; siehe JBW I,2.28,19 f.. 60  Siehe oben 101–103. 61  Siehe Iris. 1775. Bd 4, St. 3: September, 236. 62  So auch Holtzmann: Ueber Eduard Allwills Briefsammlung, 47 sowie Schwartz: Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«. 63  JBW I,1.251,14–16 . Zur erwähnten Aussage Heinses siehe Heinse an Gleim und Klamer Schmidt, 13. September 1774, Heinse-SW 9.225. Vgl. damit Der Teutsche Merkur. 1776, Dezember, 232 (Sylli an Lenore und Clärchen); im edierten Text, oben 55,15 f.. 57



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oder jener Stunde, erzählt werden, in was für Feßeln man mir, von Kindesbeinen an, Geist und Herz geschmiedet; wie man alles angewendet, meine Kräfte zu zerstreuen, meine Seele zu verbiegen. Dennoch ward mir viel von meiner Beylage bewahrt, und drum weiß ich, an wen ich glaube. Der einzigen Stimme meines eigenen Herzens horch ich. Diese zu vernehmen, zu unterscheiden, zu verstehen, ist mir Weisheit; ihr muthig zu folgen Tugend. So bin ich frey; und wie viel köstlicher als die Behaglichkeiten der Ruhe, der Sicherheit, der Heiligkeit ist nicht die Wonne dieser Freyheit!  64 Somit ist es wahrscheinlich, daß die später erst veröffentlichten Romanpassagen bereits früher entstanden sind. Auch die in der Vorrede zu den Vermischten Schriften (D3) erwähnte Materialsammlung zum Allwill  65 kann Texte und Entwürfe enthalten haben, deren Produktion in die Entstehungszeit von D1 (ca. August 1774 bis August / September 1775) fällt. Doch was auch immer und in welcher Form zum Zeitpunkt der Veröffent­ lichung von D1 bereits vorgelegen haben mag: zu der ursprünglich intendierten Fortsetzung des Romans in der Iris kam es nicht. Statt dessen erschien diese im Teutschen Merkur, wobei die in der Iris bereits veröffentlichten Briefe dort nochmals gedruckt wurden.  66 Der Verlauf des Briefwechsels zwischen J. und dem Herausgeber des Teutschen Merkur, Christoph Martin Wieland, im Anschluß an die Veröffentlichung der Allwill-Fragmente in der Iris erlaubt einige Vermutungen zu den Hintergründen des Zeitschriftenwechsels und zu dessen Motiven. Die gegenseitige Bereitschaft zu Aufnahme bzw. Wechsel bahnt sich in der Korrespondenz in subtiler Weise den Weg: Zunächst ließ Wieland – im Anschluß an eine ausführliche Lobrede auf den Allwill (D1) – J. wissen, daß er durchaus an Beiträgen zum Merkur, deren Wert über das gewöhnliche Mittelmaß hinausgehen, interessiert sei und daß es ihm [a]us diesem einzigen Grunde […] leid [ist], daß Sie Allwill’s Papiere nicht dem Merkur gegeben haben.  67 In seinem Antwortbrief schrieb ihm J.: Der Beifall, den mein Eduard bei Ihnen erhalten, ist mir traun lieb und werth. Wegen der Fortsetzung seyd außer Sorgen. In der Iris aber werde ich nicht lange damit bleiben können.  68 Es legt sich nahe, in Wielands großem Lob des Romanfragments und in der Attraktivität einer Zeitschrift mit einem deutlich größeren Verbreitungsgrad als derjenigen der Iris gute Gründe zu jenem Wechsel zu sehen. Wieland mag vor allem interessante und umfangreiche Beiträge für seine Zeitschrift im Blick gehabt haben. Jedoch scheint sich auch 64  JBW I,1.268,6–15. Ähnlich auch im Brief an Wieland vom 13. November 1774, JBW I,1.270,10–14. Vgl. damit Der Teutsche Merkur. 1776, Dezember, 238 (Eduard Allwill an Luzia***); im edierten Text, oben 59,31 –60,10. 65  Siehe VS 4 f. ( JWA 7.112,24–28 ). Es ist dort von Materialien und von dem gesammten Vorrath die Rede. Siehe auch ABW I.V. Dort ist erwähnt, daß eine Anzahl Briefe, die für die Fortsetzung des Allwill zurückgelegt worden war, auf Wunsch J.s nach seinem Tode verbrannt wurde. 66  Siehe hierzu auch die Fußnote zu Beginn von D ; oben 3,12–16 . 2 67  Brief vom 2. November 1775, JBW I,2.31,8 f.. – Zum Lob des Allwill siehe ib., 29,28 –30,29. 68  Brief vom 23. November 1775, JBW I,2.33,1–3.

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der Untergang der Iris bereits abgezeichnet zu haben. Im Februar 1776 jedenfalls schrieb der Redakteur, Wilhelm Heinse, an seinen Förderer Gleim: Mein Vertrag mit [ Johann Georg] Jacobi wegen der Iris ist, wie Sie ohne Zweifel wissen, unvermuthet aufgehoben worden; […].  69 Am 19. März erfolgt ein aus­führ­ licher Vergleich zwischen Merkur und Iris – mit einem schlechten Zeugnis für letztere: Der Merkur gewinnt itzt eine andre Gestalt, oder vielmehr gewinnt erst Gestalt, wie ein junger Bär, an dem lange genug geleckt worden. Er geht nicht mehr einher wie ein Jahrmarktsbote, sondern schwebt leicht und jugendlich dahin mit dem himmlischen Fittich am Fuß, als ein Diener des Zeus und der Musen. […] / Von [ Johann Georg] Jacobis Iris hingegen versprech’ ich mir nichts so mehr, wie die vorigen Bände. […] / Ich habe nicht viel Lust und Liebe mehr, daran zu arbeiten.  70 Abgesehen von der Veröffentlichung des Allwill war auch alle weitere Bereitschaft zur Mitarbeit J.s an der Iris Ende des Jahres 1776 erschöpft; so schrieb Wieland am 22. November 1776 an Johann Heinrich Merck: […]; denn er [ J.] will mit der Iris nichts mehr zu schaffen haben.  71 Die offizielle Begründung für den Wechsel, wie sie im Aprilheft des Merkur, gleich zu Beginn des auf den 22. Februar 1776 datierten  72 Vorberichts, zu lesen war, ist dann inhaltlicher und moralischer Art und bedient sich der für die Brief­ romane der Empfindsamkeit typischen Herausgeberfiktion:  73 Von Allwills Papieren sind die fünf ersten Briefe bereits im IVten Bande der I r i s erschienen. Der Besitzer dieser Sammlung hat sich seitdem entschlossen, auch die folgenden, so viel er davon gesammelt und auf bewahrt hat, dem Publico n a ch d e r Re i h e vorzulegen. Diesemnach waren sie, wie in kurzem jeder Leser einsehen wird, kein schicklicher Beytrag mehr zu einem Journal fürs Frauenzimmer.  74 Besonders motivierend für eine fortgesetzte Arbeit an dem Roman dürfte die Aussage Wielands gewesen sein: Wenn Sie Allwills Pappiere in einem Feuer fortschreiben könnten sagt Göthe, und Wieland mit ihm so wird es ein gar herrliches Werk werden.  75 Im selben Sinne hatte Wieland bereits in seinem vorausgehenden Brief an J. vom 2. November geschrieben: Schreiben Sie, schreiben Sie, und ich will mit Freuden nichts mehr thun, als lesen. Nie habe ich mein eigenes Nichts stärker gefühlt, als bei diesen Briefen […].  76 Die Ankündigung J.s, daß sie – Wieland und Goethe – wegen der Fortsetzung des Werks außer Sorgen sein sollten, findet gewissermaßen ihre Einlösung in dem Umstand, daß J. keine vier Monate später, nämlich am 18. März 1776, sein Manuskript an Sophie von La Roche, die Verfasserin des empfindsamen Brief­   Brief vom 15. Februar 1776, Heinse-SW 9.260.   Heinse an Gleim, ib., 269. 71  Brief vom 22. November 1776, Wieland-BW VI,1.145,38 f.. 72  Siehe oben 7,16 : Geschrieben den 22 Febr. 1776. 73  Siehe unten Anm. zu 3,10. 74  Oben 3,9 –4,4. 75  Brief vom 10. November 1775, JBW I,2.31,32 f.. 76  JBW I,2.30,25–27.

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romans Geschichte des Fräuleins von Sternheim,  77 übersandte – mit der Bitte um kritische Stellungnahme: Vielleicht freuet es Sie, die Fortsetzung meines A l l w i l l ’s einige Wochen früher und im Manuscript zu lesen; so nehmen Sie denn hin, und sagen mir offenherzig, was für einen Eindruck diese Bogen auf Sie gemacht haben – auch ein Wörtchen vom Vorbericht. Gedruckt bekommen Sie’s in N. 4 des Merkurs.  78 Eine Antwort auf diesen Brief und eine Einschätzung des Allwill durch Sophie von La Roche scheint nicht überliefert zu sein.  79 J. übersandte das Manuskript etwa einen Monat darauf, am 20. April 1776, an Wieland. Der begleitende Brief legt nahe, daß es sich nur um jene Teile des Romans handelt, die im Aprilheft des Merkur erschienen: Du solltest mein Manuscript zuerst lesen, Bruder, damit Du nicht durch den Vorschlag, den ich Dir zu thun habe, zum Voraus dagegen eingenommen würdest; im Gegentheil sollte die Lesung des Manuscriptes Dich meinem Vorschlage geneigt machen. Du merkst schon, Lieber, daß ich Clärchens Brief gern den übrigen gleich beigedruckt hätte, so käme die Note schicklich hinten drein.  80 Dies entspricht exakt dem Ende des ersten Teildrucks im Teutschen Merkur vom April 1776. Die Begründung dafür, weshalb es ihm so wichtig war, daß dieser erste Teil nicht in weitere Teile zerrissen wird, fügte J. sogleich an: Daß diese [die Note] jetzt gleich erscheine, daran ist mir des Schlusses halber alles gelegen. Rost [ = Heinse] hat mir bange gemacht, es könnte hier in der Gegend etwa einen albernen Menschen geben, der, wenn er erführe, daß ich den Allwill geschrieben, auf den Gedanken geriethe, ich schilderte meine Familie; oder einen boshaften, der sich bemühte, es wahrscheinlich zu machen. Der Argwohn, daß ich Clerdon seyn wollte, und mich selbst so sähe, wie jenen Amalia und die Wallberg, ist eine Sache, bei deren bloßer Vorstellung mir der kalte Schweiß ausbricht.  81 Diese Ängste vor einer – jedenfalls aus der Sicht J.s – fehlgehenden Rezeption lagen wohl auch bereits jenen Ermahnungen zugrunde, mit denen J. sein Manuskript einen Monat zuvor an Sophie von La Roche übersandt hatte: Warum ich Sie bitte – daß Sie ja ohne Deutung lesen mögen, denn Sie würden dabei ganz gewiß irre gehen und sich nur stören. So hat mir z. B. kein   [Sophie von La Roche:] Geschichte des Fräuleins von Sternheim[.] Von einer Freundin derselben aus Original-Papieren und andern zuverläßigen Quellen gezogen. Herausgegeben von C. M. Wieland. 2 Teile. Leipzig 1771. 78  JBW I,2.41,8–12. 79  Siehe unter anderem Wieland-BW und Johann Heinrich Merck: Briefwechsel. Hg. von Ulrike Leuschner. 5 Bde. Göttingen 2007. 80  JBW I,2.41,30 –42,4. – Schwartz deutet diese Aussage J.s folgendermaßen; siehe Schwartz: Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«, 8 f.: Am 18. März 1776 sendet Jacobi die für das Aprilheft des Merkur bestimmte Fortsetzung mit dem Vorbericht an Sophie La Roche (Auserles. Br. I, 236 f.). Sie umfaßt die Briefe: Amalia an Sylli vom 11. März und Lenore an Sylli vom 13. März mit dem Nachschreiben Clärchens. Der Brief Clärchens vom 18. März scheint erst später fertig geworden und auf besonderen Wunsch Jacobis zu den übrigen noch hinzugefügt worden zu sein (s. Auserles. Br. I, 238). 81  JBW I,2.41,30 –42,11. 77

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sterbliches Wesen zu meiner Sy l l i gesessen. […] Zum Portraitmalen habe ich überhaupt nicht das mindeste Geschick, ich müßte denn im höchsten Grade verliebt seyn, wo man alle Muskeln und Nerven der Geliebten sich dermaßen anorganisirt, daß man ihre Regungen stärker als die eigenen fühlt. Aber, lieber Gott, was ist weniger Portrait, als eben diese Malerei? Aber das wonniglichste Thun des Menschen ist es, wie mein Eduard in der Folge oft genug sagen und zeigen wird.  82 Hier ist noch nicht von der Note die Rede, die der gefürchteten Mißdeutung einen Riegel vorschieben sollte – möglicherweise ein Indiz dafür, daß diese später entstand, vielleicht sogar einen entsprechenden Hinweis Sophie von La Roches aufgreifend. Doch dies ist, aufgrund der Überlieferungslage, nur eine Möglichkeit unter vielen. Übrigens aber konnte J. die Lektüre seiner Romane als ›Schlüsselromane‹ durch seine Vorsichtsmaßnahmen keineswegs verhindern. Vielmehr trieb die ›Entschlüsselung‹ der Romanpersonen sowohl unter den Zeitgenossen als auch – und noch mehr – in der Forschungsliteratur wilde Blüten hervor. So etwa schrieb Luise Mejer am 13. Mai 1782 aus Celle an Heinrich Christian Boie: Vor einigen Tagen besuchten mich Willichs. Sie sagten mir, daß, Amalia in Alwils Papieren, Friz Jacobi Frau sei. Klärchen, und Leonore, seine zwei Schwestern Eduard Alwil, He i n s e. Es folgen ähnliche Ausführungen zum Woldemar.  83 Anders als die von Luise Mejer erwähnten Willichs sah Wieland in Allwill nicht Heinse, sondern Goethe; Friedrich Stolberg sollte sich bei der Lektüre der Spätfassung im Frühjahr 1792 diesem Urteil ausdrücklich anschließen: Wie wahr schrieb Dir aber Wieland, daß Allwill Göthe sey! Ich begreife nicht, wie Göthe Dir das verzeihen kann! Ich sehe ihn, wie Dich im Clerdon.  84 Tatsächlich belegt der Kommentar, daß sowohl in den Briefen befindliche Aussagen über Goethe in die Beschreibung des Charakters von Allwill Eingang fanden – übrigens ebenso einige Parallelen zur Werther-Figur – wie auch manche Eigenheiten des Heinseschen Charakters. Zugleich aber gehen in die Allwill-Figur, wie der Stellenkommentar eindrücklich belegt, zahlreiche Parallelen aus J.s eigener Biographie wie auch – im Falle von Allwills Kindheit – Verhaltensweisen seines zweitältesten Sohnes Georg Arnold ein. Eine einfache und eindimensionale Zuordnung des Allwill zu einer realen Person geht also fehl. Hierauf hat bereits Terpstra, der 1957 die erste kommentierte Allwill-Edition veröffentlichte, unter Hinzuziehung der damals vorliegenden Forschungsergebnisse hingewiesen. Das dieser Diskussion gewidmete Kapitel trägt nicht zufällig den Titel Allwill, Goethe, Jacobi und Heinse.  85 Den   JBW I,2.41,12–23.   Zitiert nach JBW II,2.360; dort nach der Handschrift. 84  Friedrich Leopold zu Stolberg an J., 13. April 1792, JBW I,9.262,24–26 . 85 Terpstra 30–47; zu Heinse besonders 38–42. Und in diesem wie in vielen anderen Fällen war das Terrain für diese Sicht auch bereits bereitet durch die Dissertation von Adolf Holtzmann aus dem Jahre 1878 Ueber Eduard Allwills Briefsammlung; vgl. besonders 45–58 das Kapitel V. Allwill, Goethe und die Briefstellen. – Siehe auch Friedrich Heinrich Jacobi: Woldemar. Introd., trad. e commento storicocritico di Serenella Iovino. Padova 2000 (Archivio di Filosofia, Biblioteca; Bd 24). 82

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Höhepunkt des solcher Differenziertheit zuwiderlaufenden Entschlüsselungs- ja Identifizierungsbegehrens dürfte Lothar Baus’ Veröffentlichung »Woldemar« und »Allwill« alias Johann Wolfgang Goethe. Authentische Schilderungen von F. H. Jacobi über Goethe, Henriette von Roussillon und deren empfindsame Freunde  86 aus dem Jahr 1989 darstellen. Aber auch schon Adolf Holtzmann hatte es in seiner Dissertation von 1878 Ueber Eduard Allwills Briefsammlung recht weit getrieben, wie Hans Schwartz referiert und kommentiert: In einem anderen Zusammenhange kommt Holtzmann zu dem Schluß, daß Brief XI der Werke [Amalia an Sylli, 20. März] am 4. Dezember 1774 verfaßt sei, weil Goethe an diesem Tage das darin für Allwill (s. W. I, 92) festgelegte Alter hatte. Wie wenig zwingend das ist, leuchtet ein.  87 Holtzmann ist aber in seinen ›Entschlüsselungen‹ in Wahrheit sehr viel differenzierter, als diese Passage nahelegt. So weist er bestimmte, ihm überzogen scheinende Deutungen zurück  88 und hebt hervor, daß in die Allwill-Figur zwar Charakteristika Goethes eingegangen sind, aber auch die anderer Personen und Figuren.  89 Die Reaktion Wielands auf die erste Lieferung für den Merkur ist zwiespältig: Überschwenglichem Lob folgt die, in eine Schmeichelei des Autors gekleidete, durchaus tiefgreifende Kritik: Dein Allwill hat mir bei der Correctur der Probe­bogen große Freude gemacht. Was für eine herrliche Existenz ist die Deinige mitten unter allen diesen edlen und guten Geschöpfen, die Dein ganzes Leben zu einem Drama von der interessantesten Art machen? Wo hat jemals ein Dichter solchen Stoff gehabt? Was für Materialien! Was für eine Composition hättest du daraus machen können! Vermuthlich hat Dir unser Dämon eingegeben, es nicht zu thun; denn was für eine arme Figur hätte wir Andern neben Dir gemacht!  90 Mit dieser Kritik greift Wieland auf ein Gespräch mit Goethe über J.s Allwill zurück, in welchem Goethe – sich eines Gleichnisses bedienend – eben diese mangelnde dichterische Bearbeitung des Stoffes moniert hatte, wie aus dem Brief Wielands an Johann Heinrich Merck vom 13. Mai 1776 hervorgeht: Die A l l w i l l s Pa p p ie r e haben diesmal soviel Plaz weggenommen, daß verschiedene Recensionen liegen bleiben mußten. Desto beßer für Euer Liebden! Was dünckt Euch übrigens von dem Manne, der so herrliche Materialien roh verkauft, und soviel daran hätte gewinnen können, wenn er sie verarbeitet hätte? Er ist gleich einem Manne, der auf seinem Gut einen köstlichen Marmorbruch von schönem milchweißen Marmor gefunden hätte, und weil er sich nun nicht die Mühe nehmen möchte, oder es nicht erwarten könnte, ihn zu brechen, und in großen Stücken auf die Ebne herabzuführen, und dann zu behauen, 158, Anm. 177: Heinse viene visto da più parti come una delle figure ispiratrici per il personaggio del giovane Allwill. 86  Homburg a. d. Saar 1989. 87 Schwartz: Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«, 10. Siehe Holtzmann: Ueber Eduard Allwills Briefsammlung, 47. 88  Ib., 15 f. 89  Ib., 46 und 52. 90  Christoph Martin Wieland an J., 10. Mai 1776, JBW I,2.43,26–32.

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und zu glätten, und Götter und Helden, und Wohnungen für Götter draus zu machen, käm er mit Brecheisen und Hammer, schlüge alles kurz und klein zusammen, und brächt’s uns Schubkarren weise angefahren. / Das Gleichnis ist, wie Ihr seht, aus Göthens Hirnkasten, und paßt wie alle seine Gleichniße, nur gar zu wohl. Es ist würcklich ein unbegreif lich Ding, wie man solchen Stoff lieber in Gestalt eines planlosen, unzusammenhängenden Hauffens vermischter Pappiere heraus und hundert hungrigen armen Schluckern von Autoren (die freylich alle Finger darnach lecken werden) Preiß geben, als ein We r c k daraus machen mag, das ære perennius gewesen wäre, und wovor währlich [!] die Agathons und manche andre berühmte Wercklein unsrer Zeit gewaltig zusammengesuncken seyn würden. Sic me servavit Apollo, sollt ich also ruffen, und Gott dancken. Aber s o kan ich nicht dencken. Mach’ ein Ding wer will, das gilt mir gleich, wenn ich nur die Freude habe, es gemacht zu sehen.  91 Merck selbst geht – in Fortsetzung dieser Wielandschen Ausführungen – mit J.s Werk noch weit drastischer ins Gericht. In seinem Paroxysmus von gestern Abend den 9ten Jun. 1776, den er Wieland mit seinem Brief vom 10. Juni 1776 übersandte (korrekt wohl: in der zweiten Maihälfte; siehe die nachfolgende Anm.), ist zu lesen: […] A propos von sich selber besch–ßen. Das kan ich aus Allwills Papiren beweisen, wie eckelhaft der dem Dritten ist Wenn Einer seinen eignen Unrath frißt Und das Publikum drauf zu Gaste lädt, Zu sehen wie’s ihm zu Gesichte steht. So sehr er uns gern bereden will, Er habe der Stärk’ und Liebe die Füll, so sinds doch Phrases allzumal Statt runder Figuren ists nur ä Gemahl Kein wahr Vermögen, nur ä Geprahl! Schand ists, wie er sich apotheosirt, Die Weibleins herzt, unterm Arme führt, und diese zuweilen ihn beten an, Auf den Knien ruffen: der g r o s s e Mann! So dann wir auch hier zum Viertenmal lesen wie er im Wald so empfindsam gewesen Und dem armen Mann seinen Karren gehoben; Pfui Teufel! wer mag sich so kindisch loben Wenn Einer nicht Friz Jakobi ist, Der gar das Gold aufm Rok nicht vergißt! ___

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 Wieland-BW VI,1.129,4–26.



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Höret aber Herr u. Bruder Mein! wie konnt es Euch immer fallen ein so ein Mensch käm mit Euch in Vergleich. Ihr wäret der Arm’ u. Er der Reich’! Das Gleichnis mit dem   M a r m o r B r u che. Das stünde zwar gut in irgend einem Buche. Hier aber paßts gewiß nicht ein. Zu Pulver zerklopft mags immer seyn. Nur Marmor nicht. A l l eTa g s G e s t e i n ! Und denn, so stekt der Kerl seinen Span An Goethes grosem FeuerHeerd an, Verkündigts als sein eigen Feuer. Dort wars Gefühl, hier wirds Geleyer. Wenn Werther im hohen Grase liegt Und von der Natur in Wonne gewiegt Von innrer Seeligkeit was verschwazt wirds hier in Phrasen aufgekrazt Und aufgehangen an die Wand Wie jeder L o c u s c o m m u n i s entstand. – Genug von dem Kerl! –  92 Vermutlich Anfang Juli 1776 übersandte J. die Fortsetzung des Romans für den Merkur an Wieland.  93 Dieser gibt in seinem antwortenden, nur unvollständig überlieferten Brief vom 14. Juli in durchaus verärgertem Ton an, daß er – im Sinne einer Selbstzensur des Merkur-Herausgebers – eine politisch brisante Passage gestrichen habe: – – In Deinen letzten Allwill’s-Papieren werde ich mit Deiner Erlaubniß einige garstige Zeilen über den Dienst großer Herren wegstreichen. Gott weiß, wie Du, mit dem Bewußtseyn Deiner und meiner Verhältnisse, so was hinschreiben, und mir schicken kannst, daß ich’s drucken lasse.  94 Da der zweite, im Teutschen Merkur gedruckte Teil des Romans, der im Juliheft erschien, lediglich den Brief Eduard Allwill an Clemenz   Johann Heinrich Merck: Gesammelte Schriften. Bd 3. 1776–1777. Hg. von Ulrike Leuschner unter Mitarbeit von Amélie Krebs. Göttingen 2012. 18,29 –20,69, Kommentar 198 f. Siehe auch Wieland-BW V.511 und 512,33 –513,73 und Merck: Briefwechsel Bd I.656–659. Dort ist der Paroxysmus datiert auf etwa 20. Mai 1776. Siehe zu Wielands Reaktion seinen Brief an Merck vom 31. Mai 1776, W ­ ieland-BW VI,1.131,13–17 und 132,63 f. : […]; aber mehr als Danck für den Paroxysmus! Ihr könnt gar nicht glauben, welch ein Fressen so was für mich ist. Und Ihr seyd doch der einzige Koch in der Welt, der es machen kan. Ich hätte nur toll werden mögen, daß Göthe nicht gleich da war, mit mir zu schmausen. […] Von A l l w i l l ein andermal. Ihr geht gottlos mit ihm um – und das ist nicht fein! es bleibt aber alles u n t e r u n s . 93  Die Datierung ergibt sich aus der Klage J.s in seinem Brief an Wieland vom 21. Juli 1776, JBW I,2.44,18–20. 94  JBW I,2.44,6–9. 92

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von ­Walberg umfaßt und auch die weitere überlieferte Bemerkung Wielands (im Folgenden zitiert) sich auf diesen Brief bezieht, wird die monierte und gestrichene Stelle sich vermutlich in demselben befunden haben. J. stimmt in seinem Antwortbrief dem Eingriff Wielands ausdrücklich zu: Daß Du in meinem letzten Allwill’s-Papiere [man beachte den die vorangegangenen Überlegungen stützenden Singular! CG] die Stelle über den Fürstendienst ausstreichen willst, ist mir ganz recht. Für mich hätte ich gleichwohl nichts davon zu befahren.  95 Zur Einschätzung dieser nicht überlieferten, von Wieland – mit J.s Einverständnis – gestrichenen Passage mag interessant sein, daß die Adelskritik im Brief Eduard an Clerdon, der bereits in der Iris gedruckt wurde, wohl beide Herausgeber anstandslos ­passierte.  96 Ansonsten lobt Wieland die übersandte Fortsetzung des Allwill: Für alles Uebrige habe Dank im Namen aller guten Menschen, besonders für das herrliche Ideal, wozu Dir Dein Weib, die Göttin, gesessen hat, und für alles Herrliche, was Du da zum ersten Male, seitdem man schreibt, von der ehelichen Liebe der braven Weiber gesagt hast. Alles das ist eigentlich Wo r t G o t t e s , wie’s Göthe nennt; und also soll auch Gott die Ehre davon haben und nicht Du – –  97 J. stimmt diesem Vergleich mit seiner Ehefrau Helene Elisabeth zu, nimmt die Entschlüsselung aber sogleich zum Anlaß – ähnlich wie bereits im Brief an Sophie von La Roche vom 18. März 1776 –, jede weitere Unterstellung, reale Personen zu portraitieren, entschieden zurückzuweisen: Freilich hat Betty zu meinem Ideal gesessen; so eigentlich gesessen, daß ich sie ein paar Mal dazu an meinen Schreibtisch geholt. Uebrigens aber protestire ich gegen alle weitere Application, sowohl im Vergangenen als Zukünftigen. Ein Maler kann nach seiner eigenen Gestalt einen Alexander malen, so daß ihm das Bild sehr ähnlich ist, bis auf einige veränderte Züge, die gerade diejenigen sind, die das Bild zum Alexander machen; eben so nach seiner Tochter oder Frau, von mittelmäßiger Schönheit, eine Phryne oder – das häßlichste Weibsbild. Eben so viel Dichtung, und noch mehr, ist bei Schilderung der Situationen möglich, oder schleicht sich ein, ­w issentlich oder unwissentlich. – –  98 Auch im Hinblick auf diese zweite Allwill-Lieferung differieren Wielands an J. adressierte Resonanzen ganz erheblich von jenen, die er anderenorts, insbesondere im Briefwechsel mit Johann Heinrich Merck, äußert. Doch gilt es immerhin zu bedenken, daß der Brief an J. vom 14. Juli nur als Auszug, möglicherweise sogar sehr stark verkürzt, von Roth überliefert wurde. Die nicht gedruckten und nicht überlieferten Passagen des Briefes könnten kritische Mitteilungen Wielands enthalten haben. Da Wieland jedoch noch in seinem Brief an J. vom 27. Januar 1777 nur jenen einen Kritikpunkt wiederholt, den er bereits in seinem Brief zur ersten Allwill-Lieferung für den Teutschen Merkur genannt hat, daß nämlich J. seinen Stoff nicht genügend durchgearbeitet habe bzw. mit diesem zu verschwen  Brief vom 21. Juli 1776, JBW, I,2.44,27–29.   Siehe im edierten Text, oben 25,17–20 und 26,4–21. 97  Brief vom 14. Juli 1776, JBW I,2.44,9–15. 98  J. an Christoph Martin Wieland, 21. Juli 1776, JBW I,2.45,4–12. 95

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derisch umgegangen sei,  99 ist es höchst unwahrscheinlich, daß der Brief etwas von jener heftigen Kritik enthalten hat, die Wieland in seinem Brief an Merck vom 24. Juli 1776 äußert: Im Nächsten Julius […] wird ein abermaliges Allwills Pappier, ihre Galle gewaltig rege machen. Es sind Rodomontaden drinn, die würklich nicht zum Dulden sind. ’S ist mir eingefallen, ob man nicht irgend einen supponirten Leser an Hrn. Eduard Allwill über diesen Brief schreiben, und ihm im Nahmen der ehrsamen Welt, die nicht die Ehre hat zu seinem auserwählten Club zu gehören, einige demüthige Zweifel über einet und andre von seinen Gasconaden besonders seinen Ausfälle auf die Philosophen vortragen zu lassen. Aber am Ende dürft ichs, in dem Verhältnis worinn ich mit ihm stehe, doch nicht drucken lassen, und was hälfs also. Ich kan das ewige Ve r a ch t e n andrer und H a d e r n mit Andern, und Ve r g l e ichu n g zum Vor­theil des einen und Nach­theil des Andern auch an Ihrem Götzen Herder nicht leiden.  100 Über die Entstehung und Bearbeitung sowie die Zusendung der Allwill-Teile für die letzte Veröffentlichung im Dezemberheft des Merkur geht aus den Briefen nichts hervor.  101 Ausnahme ist der nicht überlieferte Brief J.s an Wieland vom 1. Mai 1776, der dem Herausgeber des Auserlesenen Briefwechsels J.s, Friedrich Roth, noch vorgelegen haben muß und von dem dieser schreibt: Die Stelle z. B. in Allwill’s Papieren S. 186–198 (Werke Th. 1.) ist wörtlich aus einem Briefe an Wieland vom 1. Mai 1776; […].  102 Demnach wäre der größte Teil des Briefes Eduard Allwill an Luzia***. – im edierten Text der Abschnitt 58,10 bis 65,20 – zunächst Teil eines Briefes an Wieland gewesen und hätte Anfang Mai 1776 bereits vorgelegen, wäre aber erst im Dezemberheft des Teutschen Merkur erschienen. Schon im Juli 1776 hatte sich J. bei Wieland beklagt, daß er außer von ihm von niemandem etwas über die Aufnahme des Allwill im Publikum er-

  Brief vom 10. Mai 1776, JBW I,2.43,30–32.  Wieland-BW VI,1.135,29–41. 101  Da in dem Briefwechsel zwischen Wieland und J. – aber auch in weiteren Quellen – kein Hinweis auf die Fertigstellung oder Übersendung des letzten, im Dezemberheft des Merkur erschienenen Allwill-Teils zu finden ist, legt sich der Gedanke nahe, daß dieser – die letzten drei Briefe von D2 enthaltende – Teil bereits zusammen mit dem im Juliheft erschienenen Brief Eduard Allwill an Clemenz von Wallberg an den Herausgeber des Merkur übersandt, jedoch erst ein halbes Jahr später gedruckt wurde. Tatsächlich bezieht Terpstra die Kritik Wielands an J.s Ausfall auf die Philosophen in seinem Brief an Merck vom 24. Juli 1776 (s. o.) auf diesen letzten, erst im Dezember erschienenen Romanteil (Terpstra 116). Dies ist jedoch meines Erachtens keineswegs zwingend, denn auch im Hinblick auf jenen Brief, der im Juliheft erschien, kann von einem Ausfall auf die Philosophen gesprochen werden; siehe z. B. im edierten Text, oben 48,33 f., 51,8. Mein Einwand läßt sich zudem dadurch stützen, daß Wieland in besagtem Brief an Merck sich ganz ausdrücklich nur auf den Juli-Beitrag bezieht. 102  ABW II.49, in einer Fußnote zum Brief J.s an J. A. H. Reimarus vom 29. Dezember 1790. Der hier erwähnte Brief J.s an Wieland ist weder bekannt, noch wurde in JBW I,2 oder I,4 auf ihn verwiesen; auch im Wieland-Briefwechsel ist er nicht angeführt.  99 100

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fahre.  103 Auch Wieland selbst schien als Herausgeber des Merkur an Mitteilungen über die Rezeption des Allwill interessiert gewesen zu sein. Dies geht aus seiner brieflichen Anfrage an Goethes Mutter, Katharina Elisabeth Goethe, vom 31. Dezember 1776 hervor: Liebes Mütterchen, wenn’s Euch nicht zuviel Mühe macht, so schreibt mir doch im engesten Vertrauen, was meine Base Max La Roche macht, und wie ihrs geht – item was die gescheidten Leute bey Euch zu A l l w i l l s Pa p p ie r e n sagen? – Den Verfaßer kennt Ihr doch. Bruder Wolf und Ich beklagen nichts dabey, als daß Bruder Friz nicht Gnade von Gott gehabt hat, eine C o m p o s it ion aus dem herrlichen Stoff zu machen, den er vor sich hat. Wenn man dem wunderbaren Kerl so was davon zu verstehen giebt, so weiß er gar nicht was man ihm sagt; er meynt nehmlich, sein Ding s e y eine Composition – das ist eben das Närrische von der Sache. Indessen so wie es ist, kommt mirs immer vor wie ein ganzer Tisch voll Schachteln und Büchsen unter einander her, in denen allen was drinn ist das man gern hat und brauchen kan – Bänder, Spitzen, Confect, Bonbons, Rhabarber, Polychrestpillen, Pomeranzenschaalen, Seiffenkugeln, Schuhwachs, u. Gott weiß was alles. Ich sehe wohl daß die Vergleichung nicht so ganz paßt, dann würklich sind in diesen Allwills Pappieren herrliche Sachen; und seine Schreibart, sein Ausdruk (die Ungleichheiten abgerechnet) ist meist so lebhaft und glänzend, oft so kräftig und warm und seelvoll daß nichts drüber ist.  104 Ob Wieland eine Antwort auf diese Anfrage erhielt und, wenn ja, wie sie ausfiel, ist nicht bekannt. Bekannt hingegen ist, was er auf J.s – bloß erschlossene – Anfrage vom 15. Januar 1777 (also kurz nach Erscheinen des Dezemberheftes mit dem letzten Allwill-Teil), »was Goethe zu den drei letzten Briefen aus Eduard Allwills Papieren gesagt habe«,  105 antwortete: Was Göthe zu den drey lezten Briefen gesagt hat? / – N ich t s ! – / […] / Auch Herder sagt nichts von Allwills Pappieren. Als ich ihn einst fragte, entschuldigte er sich damit, er hätte sie noch nicht gelesen, […]. […] Laß es gut seyn! für den stärksten Beyfall aller Leser, die nur einigermaßen einer solchen Lectüre wie Deine Allwills Pappiere gewachsen sind, bin ich Dir gut. Alles was man dran aussezt, ist daß Du zu verschwenderisch mit Deinem herrlichen Stoffe seyst. Dein Werk verhält sich gegen die Arbeit von uns andern wie Englisches Silberzeug gegen französisches. Die Leute hättens gern leichter an Gewicht, und mehr façon.  106 Der kritischen Aufnahme im Weimarer Umfeld stehen einige positive Rezeptionen gegenüber. So ließ Johann Georg Hamann in seinem ersten Brief an J. vom 12. August 1782, mit welchem er auf die Zusendung der Vermischten Schrif  Brief vom 21. Juli 1776, JBW I,2.44,29 –453: Das schöne Lob, das Du dem Rest meines Briefes ertheilst, hat mich unendlich gefreut. Außer meinem Hause bist Du der einzige, von dem ich ein Urtheil über meine Arbeiten erfahre; ich lebe hier, als wenn ich gar nicht zu Deutschland gehörte. 104 Wieland-BW V.579. 105  JBW I,2.50,28 f. Es handelt sich um eine Paraphrase des erschlossenen Briefteils. 106  Christoph Martin Wieland an J., 27. Januar 1777, JBW I,2.51,5–9. 103



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ten – mithin auch des dritten Allwill-Drucks – durch Claudius reagierte, seinen Adressaten wissen: Ich erinnere mich wenigstens A l l w i l l s Pa p ie r e im Mercur mit so viel Antheil gelesen zu haben, daß ich recht sehr wünschte, den Verfasser davon zu wißen – und dieser so lange unbefriedigte Wunsch wurde auf eine desto angenehmere Art durch den Autor selbst t h ä t i g beantwortet.  107 J. antwortete ihm hierauf: Ich wußte schon von unserm Gevatter Claudius, daß Sie Allwills Papiere mit Antheil gelesen hatten.  108 Auch von Gotthold Ephraim Lessing weiß J. an Moses Mendelssohn zu berichten: Mein günstiges Schicksal gab, daß ihn Allwills Papiere intereßierten; daß er mir, erst durch Reisende, manche freundliche Botschaft sandte, und endlich im Jahre 79. an mich schrieb.  109 Entsprechend war in der Vorrede zur Ausgabe des Allwill in den Vermischten Schriften (D3) zu lesen: Leßings zuvorkommende Freundschaft hatte ich diesen abgerissenen Blättern zu verdanken.  110 Schließlich berichtet Georg Forster in einem Brief an J., daß Johann Leopold Neumann (1745–1813), der die Libretti zu zwei Opern Johann Gottlieb Naumanns (1741–1801) schrieb und den er in Dresden kennenlernte, J. unbekannterweise als den Verfasser von Allwills Papieren anbetete.  111 J. selbst hat sich in seinen Briefen auch mehrfach dazu geäußert, wie er bestimmte Aspekte und Partien seines Werkes verstanden wissen wollte. So schrieb er am 25. Oktober 1779 an Georg Forster: Grüßen Sie Lichtenbergen von mir und sagen Sie ihm, ich möchte gern wissen, ob ihm ahnde, daß er mir gut seyn könne. Wenn er mich etwa der Empfindelei […] oder der Geniesucht im Verdacht haben sollte, so lesen Sie ihm nur Luciens Brief aus dem December des Merkurs 1776 vor; […].  112 Und mit demselben Bezugspunkt heißt es im Brief an Johann Albert Heinrich Reimarus vom 23. Oktober 1781: Mir däucht, man braucht nur den Eingang von Luziens Briefe gelesen zu haben, um sich des Beyfalls, den man Allwills Zügellosigkeit gegeben haben möchte, bis ins Innerste der Seele zu schämen.  113   JBW I,3.46,10–13.   Brief vom 16. Juni 1783, JBW I,3.162,7. 109  Brief vom 4. November 1783, JBW I,3.228,27. – Siehe Gotthold Ephraim Lessing an J., 18. Mai 1779, JBW I,2.96,5–10. Der Reisende mag J.s Bruder Johann Georg gewesen sein, der im April 1779 Lessing in Wolfenbüttel begegnet ist. Siehe Richard Daunicht: Lessing im Gespräch. Berichte und Urteile von Freunden und Zeitgenossen. München 1971. 473. Siehe auch J. an Gotthold Ephraim Lessing, 1. Juni 1780, JBW I,2.142,4 f. mit Anm. 110  VS 5 ( JWA 7.112,34 f. ). 111  Brief vom 17. Dezember 1784 (aus Wilna), JBW I,3.402,32. – Der Kommentar ( JBW II,3) verweist auf die anonyme Ausgabe im Teutschen Merkur (D2) und nicht auf die unter J.s Namen publizierten Vermischten Schriften, die unterdessen auch erschienen waren. Möglicherweise wurde das Wort unbekannterweise so gedeutet, daß Neumann den Verfassernamen nicht gekannt hat. Damit käme als Bezugspunkt der Aussage nur die anonyme Publikation in Frage. 112  JBW I,2.118,14–19. 113  JBW I,2.356,3–5. 107

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Eine Fortsetzung des Romans im Teutschen Merkur war geplant und auch ausdrücklich von dem Herausgeber der Zeitschrift gewünscht, wie Wieland den Autor wissen ließ: Ich werde für alles dankbar seyn, was Du mir zum M.erkur beysteuern wirst. Aber Allwills Pappiere, Allwills Pappiere – wo möglich noch für den Jenner! – unsre Herzogin-Mutter kan’s kaum erwarten, was ihr Günstling Allwill dem frommen, orthodoxen, über mißlungene Liebe piquirten Mädel Luzey rispostiren wird.  114 Doch zu einer solchen Fortsetzung kam es nicht mehr. Eine Erläuterung zum Abbruch findet sich im Februarheft des Teutschen Merkur von 1777. Dort heißt es: Schreiben an den Herausgeber des Teutschen Merkurs. / Ich kann Ihnen die Fortsetzung von Allwills Papieren noch nicht schicken, denn noch immer ist das verschwundne Hefft nicht wieder bey der Hand. Sie wissen, was *** für ein Mensch ist. Verlohren acht’ ich es nicht. Denken Sie weiter nicht daran; sprechen Sie mir wenigstens nicht mehr davon, denn ich ärgere mich von selber genug. Sie wissen, wie ernstlich ich Sie bat, mir im Jänner und Februar Raum genug zu lassen; und nie hätte ich die letzten Briefe hergegeben, wenn ich mir nur von weitem hätte vorstellen können, daß ich mit der Folge würde säumen müssen. Eh’ ich jene hergab, schloß ich ein ziemliches Bündel Briefe, die vor ihnen zu stehen gehörten, aus Aerger über voreiliges Gewäsche, das mir den Rhein herunter war in | die Ohren gezischelt worden, wieder in mein Pult; nun hat mich das Schicksal noch viel schlimmerem ausgesetzt. Man kann’s nicht verhindern, die Mephistophelesse und die Dummköpfe müssen ihr Gutes hienieden empfangen; sie müssen wohl einmal ihre Freude haben.  115 Die Nicht-Fortsetzung des Romans findet in diesem Schreiben also zunächst einmal eine fiktive Erklärung, die sich der fortgeführten Herausgeberfiktion bedient: Die zur Publikation bereits im Januar- und Februarheft 1777 des Merkur bestimmten weiteren Briefe seien nicht zur Hand, weil der ( fiktive) Herausgeber von Allwills Papieren sie verlieh und nicht mehr rechtzeitig zurückerhielt. Hierauf folgt eine sich angeblich auf andere Briefe der Sammlung beziehende Aussage, die eine abweichende, nicht fiktive Erläuterung für die Unterbrechung angibt und die nahelegt, daß J. – womöglich über Sophie von La Roche (Ehrenbreitstein bei Koblenz), auch vielleicht über Johanna Fahlmer (Frankfurt am Main) – von der Kritik ­Mercks erfahren hat,  116 der in der Korrespondenz J.s mehrfach unter dem Pseudonym ­Mephistopheles angesprochen wird.  117   Christoph Martin Wieland an J., 27. Januar 1777, JBW I,2.51,5–9.   Der Teutsche Merkur. 1777, Februar, 154 f. 116  So auch Holtzmann: Ueber Eduard Allwills Briefsammlung, 39. – Im Goethe- und Schiller-Archiv der Klassik Stiftung Weimar werden neben Mercks eigenhändiger Fassung noch zwei weitere Abschriften aufbewahrt. Diesen Hinweis verdanke ich Ulrike Leuschner. 117  Siehe Georg Forster an J., 10. Oktober 1779, JBW I,2.113,5–8 : Jede Zeile von Ihnen ist mir u dem Publikum schätzbar, die Mephistophileße mögen krächzen was sie wollen. Siehe hierzu J.s Antwort vom 25. Oktober 1779, JBW I,2.118,36 – 119,3: … Der Ausdruck Mephistopheles, dessen Sie sich bedienen, bringt mich 114

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Am Ende des Jahres 1777 – und zwar in einer Fußnote zu Beginn des letzten Teils des Woldemar-Erstdrucks Freundschaft und Liebe. Eine wahre Geschichte, von dem Herausgeber von Eduard Allwills Papieren – wird eine Fortsetzung des Allwill im Teutschen Merkur in Aussicht gestellt, der Zeitpunkt aber ausdrücklich ungewiß gelassen: Anstatt des 2ten Theils von Freundschaft und Liebe, welcher, mit dem Ersten, auf Johannis besonders gedruckt erscheinen soll, werde ich von neuem Stücke von A l l w i l l s Pa pie r e n in den teutschen Merkur geben, und zwar nur solche, welche für sich ein Ganzes ausmachen. Wie bald aber die Beyträge aus A l l w i l l s Pa p ie r e n wieder ihren Anfang nehmen werden, kann ich nicht bestimmt ver­ sprechen.  118 Zur selben Zeit, Ende des Jahres 1777, entstand die erste Fassung von Goethes dramatischer Grille in sechs Akten Der Triumph der Empfindsamkeit, die am 30. Januar 1778 im Weimarer Hoftheater uraufgeführt wurde. Darin verliebt sich der Prinz in eine Puppe, die – wie das Ende des Stücks zeigt – ausgestopft ist mit Werken der Empfindsamkeit. Während es sich in der Spätfassung von 1787 lediglich um den Siegwart (eine Klostergeschichte), die Nouvelle Héloïse Rousseaus und den Werther handelt, befanden sich in der Erstfassung dort auch Goethes Stella und J.s Allwill sowie dessen Freundschaft und Liebe, die Erstfassung des Woldemar also.  119 c)  Entstehungsgeschichte und zeitgenössische Rezeption zu D3 Die Vorbereitung der Ausgabe seiner Vermischten Schriften, die ursprünglich auf (mindestens) drei Bände geplant war, von denen die ersten beiden den Woldemar enthalten sollten,  120 fiel zusammen mit J.s Entschluß, seine Autorschaft – soweit es seine Romane betraf – zu beenden. So jedenfalls läßt es sich seinem Brief an Gotthold Ephraim Lessing vom 28. November 1780 entnehmen, in welchem er seinen Adressaten auffordert, ihm bei diesem Beenden insofern behilflich zu sein, als er doch mithelfen solle, aus den Veröffentlichungen J.s das Aufhebenswerte auszuwählen, damit dieses separat erscheine. Vom Allwill ist in diesem Brief gleich in zweifacher Weise die Rede: Zum einen zitiert J. aus einem späten Verriß der in der Iris erschienenen Allwill-Fragmente (D1) in der Allgemeinen deutschen Bibliothek, die im Brief wie ein Initial zur Beendigung der Autorschaft erscheint: Ich auf die Vermuthung, daß ich Ihnen wohl mündlich davon gesagt habe; denn wir pf legten ihn [ Johann Heinrich Merck] so zu nennen, weil Goethe, obgleich sein Freund, ihn unter diesem Nahmen im Faust geschildert hat. – Siehe ferner Zoeppritz I.22 f. FN. 118  Freundschaft und Liebe. In Der Teutsche Merkur. 1777, 4. Vierteljahr, 246–247. Ib., 247 FN. 119  Siehe WA I.17.348: (Lesarten) Gieb her. T h o m a s I m g a r t e n ! A d e l s t a n u n d Rö s c h e n ! A l l w i l l s Pa p i e r e ! F r e u n d s c h a f t u n d L i e b e ! Stel la ! 120  J. an Gotthold Ephraim Lessing, 28. November 1781, JBW I,2.226,3–14.

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bekam am verwichenen Mitw.och sechs Bände der A.llgemeinen D.eutschen B.ibliothek auf einmal von meinem Buchbinder zurück, und fand in der VIten Abtheilung des Anhangs S. 3423 in einer Rezension der Iris, folgende Stelle: »Was aber die Leserinnen mit dem unnatürlichen bombastischen Zeuge, genannt: Allwills Papiere, (»sie sind im Merkur noch einmal abgedruckt«) machen sollten, werden sie ohne Zweifel so wenig gewußt haben als wir. Dieser K r a f t t o n sticht gar sonderbar mit dem übrigen we ich l iche n Wesen der sanften Iris ab.« Dieses Urtheil, und der Ton worin es gesagt ist, haben mich befremdet und geschmerzt. Ich glaubte in dem Falle zu seyn von niemand in der Welt ein solches zu erwarten zu haben. Nun habe ich seit dem allerhand Betrachtungen angestellt, und am Ende den Entschluß gefaßt, alle dergleichen Händel kurz und gut mit einem male abzuthun; das ist, meine Autorschaft niederzulegen.  121 Zum anderen skizziert er in diesem Brief bereits, was er selbst für aufhebenswert hält – und damit für wert, in die Ausgabe seiner Vermischten Schriften aufgenommen zu werden: Anstatt des 3ten Bandes wollte ich dann Allwills Papiere, und was sonst unter meinen Schriften etwa noch des Auf hebens werth seyn möchte geben. Ich habe immer Syllis 3ten Brief an Clerdon; Allwills Brief an Clerdon, und besonders Allwills Brief an Luzie nebst der Antwort, für etwas so gutes gehalten, als ich zu machen im Stande bin, und vermuthlich je seyn werde. Wenn dies also so schlechtes Zeug ist, als Nikolai behauptet, so muß ich nicht nur ein Mensch ohne alles Talent sondern, ohne allen Verstand und ohne allen Geschmack seyn. Ob außer diesen 2 letzten Briefen und den 5 ersten noch etwas in Allwills Papieren der Erhaltung würdig sey, muß ich Sie, mein lieber Leßing zu entscheiden bitten. Sie finden im Aprill [!] Juli und Dezember des Merkurs 76 alles beysammen. Ich glaube nicht daß, außer den angeregten Stücken, unter dem übrigen, etwas des Auf hebens werth ist.  122 Von dem Druck und dem prospektiven Erscheinungstermin des nunmehr ersten Bandes seiner Vermischten Schriften schrieb J. dann am 17. August 1781 an Sophie von La Roche mit Verweis auch auf die Rolle Lessings: Ich laße gegenwärtig einige Bändchen vermischte Schriften drucken, wovon der erste Band auf der nächsten Meße erscheinen wird. Er enthält das Stück Philosophie des Lebens und der Menschheit, in welchem ich ansehnliche Verbeßerungen gemacht, und ihm den Titel: d e r K u n s t g a r t e n gegeben habe; und Allwills Papiere, wenigstens um ⅓ abgekürzt. Ich habe an diesen Allwills Papieren mit vorzüglicher Liebe gefeilt, weil ich ihnen meine erste Bekanntschaft mit Leßing, der nach dem verborgenen Verfaßer derselben mit Eifer geforscht hatte, zu danken habe. Er ließ mich, wenige Wochen vor seinem Ende, da er schon nicht mehr schreiben konnte, durch einen Freund, angelegentlich ermahnen, dieses Werk doch nicht liegen   Ib., JBW I,2.225,28–33. – Zur von J. zitierten Rezension siehe Allgemeine deutsche Bibliothek. Anhang zu Bd 25–36, 1780, 6. Abt., 3426. J. zitiert weitgehend wörtlich; vgl. JBW II,2.241, Anm. zu 225,23. 122  Ib., JBW I,2.226,14–25. 121



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zu laßen.  123 Ganz ähnlich heißt es dann in der Vorrede zum gedruckten Werk: An dem würklich vorhandenen habe ich gebeßert wie sich an dergleichen beßern läßt, und nicht allein manche einzelne Stelle, sondern halbe und ganze Briefe völlig ausgestrichen. Vielleicht gewinnt mir dieses einige auch der strengeren Leser. Der gelinderen habe ich nicht wenige, selbst unter den würdigsten Männern Deutschlands angetroffen. Auch L e ßi n g s zuvorkommende Freundschaft hatte ich diesen abgerissenen Blättern zu verdanken. Ich schreibe das zu meiner Rettung, im Fall man mich, wegen der | förmlichen Herausgabe eines so unerheblichen Werkleins, verwegener Eitelkeit bezüchtigen sollte.  124 Die im Brief erwähnte Kürzung um ein Drittel erreichte J. vor allem durch die komplette Streichung zweier Briefe (dazu im Folgenden mehr). Daß er an dem Text mit vorzüglicher Liebe gefeilt hatte, davon zeugen die zahlreichen marginalen Veränderungen, die im Variantenapparat vermerkt sind.  125 Der Druck dieses Bandes, der – durch Claudius vermittelt – bei dem Ver­ leger Gottlieb Löwe in Breslau erschien, geschah unter der Aufsicht von Matthias Claudius bei dem Hamburger Ratsdrucker Carl Wilhelm Meyn. Wie es zu dieser Konstellation kam, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Der zitierte Brief J.s an Lessing von Ende November 1780 legt noch die Kortensche Buchhandlung nahe, bei der J. – wie er selbst angibt – wegen der Fortsetzung des Woldemar unter Vertrag stand.  126 Warum die Vermischten Schriften dann doch nicht dort verlegt wurden, ist unklar. Möglicherweise waren mangelnde Fortschritte am Woldemar hierfür verantwortlich. Jedenfalls mag es eine Nachfrage J.s bei Claudius gegeben haben, die dessen Verleger zum Gegenstand hatte. Eine mögliche Gelegenheit war J.s Aufenthalt in Wandsbeck im Jahre 1780, als er seine beiden ältesten Söhne, die von Matthias Claudius erzogen worden waren, dort abholte.  127 Mindestens zwei Hinweise belegen die Rolle von Claudius und den Druckort. Zum ersten schickte Claudius am 19. Oktober 1781 den ersten Band der Vermischten Schriften an Herder mit den Zeilen: Das Buch ist hier in Hamburg gedruckt unter meiner Direktion […] und er [ J.] hat mir aufgetragen es Euch zu ­schicken nebst einem freundlichen Gruß […].  128 Zum zweiten ist wenigstens ein Exemplar einer Ausgabe überliefert, die ein anderes, wohl eingeklebtes,  129 Titelblatt mit dem Impressum Hamburg, / gedruckt von C. W. Meyn, E. Hochedl.   JBW I,2.336,3–12. – Siehe zu Lessings Ermunterung auch den Brief J.s an Elise Reimarus vom 15. März 1781, JBW I,2.284,10. 124  VS 5 f. ( JWA 7.112,29 –113,3 ). 125  Einige Abweichungen dürften sich allerdings auch dem fehlerhaften Druck verdanken. Siehe hierzu das dem Druckfehlerverzeichnis vorgesetzte und unpaginierte Nachschreiben in D3, JWA 7.114,1–18. 126  Siehe JBW II,2.226,3–9 und 226,37 –227,6 . 127  Siehe F. H. und S. H. Jacobi an Amalia von Gallitzin, 15. Juli 1780, JBW I,2.157 und J. an J. J. W. Heinse, 20., 23. und 24. Oktober 1780, JBW I,2.200–205. 128  Matthias Claudius: Briefe an Freunde. Hg. von Hans Jessen. Berlin 1938 ( = Briefe I). 284. 129  Siehe Donovan / Lüchow: »Viel Wahres und viel Scharfsinniges«. 17 FN 14. 123

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Hochw. Raths Buchdrucker. / 1781. enthält.  130 Die beiden Claudius-Forscherinnen Siobhán Donovan und Annette Lüchow sind diesem Fund nachgegangen und haben beide Auflagen mit folgendem Ergebnis verglichen:  131 Beide Drucke sind bis auf das Titelblatt satzidentisch. Auch für die Titelblätter wurden dieselben Lettern und dieselbe Zierleiste verwandt, wobei der Satz für die einzelnen Bestandteile des Titels ebenfalls fast identisch ist, nur der Durchschuß zwischen den Zeilen wurde verändert, und – dies als einziges auch für das bloße Auge merklich – das Impressum. Statt der zwei Zeilen »Breslau bey Löwe. / 1781.« finden wir auf dem Titelblatt drei Zeilen für das Hamburger Impressum. Beide Ausgaben müssen also vom gleichen Satz abgezogen und mit verschiedenen Titelblättern versehen worden sein. Dabei scheint der größere Teil der Auf lage den Breslauer Titel zu tragen, der Bestandteil des ersten Bogens ist. Das Titelblatt mit dem Hamburger Impressum wurde dagegen separat gedruckt und bei einem kleineren Teil der Auf lage gegen das Breslauer Titelblatt ausgetauscht. Da für das Hamburger Titelblatt – abgesehen vom Impressum – die Lettern nicht neu gesetzt wurden, ist dieses wohl nicht nachträglich geschehen, sondern in derselben Druckerei und noch während des Herstellungsprozesses. Daß es sich bei dem Druckort um Hamburg handelt, geht nicht nur aus Claudius’ Brief an Herder, sondern auch aus der Art der beiden Impressen hervor: Das eine nennt den Verleger Löwe, das andere heißt ausdrücklich »gedruckt bey W. C. Meyn«.  132 Donovan und Lüchow gehen ferner davon aus, daß das umfangreiche Druckfehlerverzeichnis, das auf die Vorrede J.s folgt, sowie einige vorhergehende Ausführungen hierzu von Claudius stammen. Dies schließen sie aus der bereits teilweise zitierten Aussage von Claudius im Brief an Herder: Das Buch ist hier in Hamburg gedruckt unter meiner Direktion, wie Ihr wohl an dem Druckfehlerverzeichnis abnehmen werdet, […].  133 Sie ziehen immerhin in Erwägung, daß Claudius hiermit selbstkritisch andeutet, daß er es mit der Überwachung des Drucks nicht so genau genommen hatte.  134 Merkwürdig erscheint mir, daß die Autorinnen J.s Autorschaft, die wohl jeder, der das Vorwort und die Ausführungen zum Druckfehlerverzeichnis liest, intuitiv unterstellen würde, nicht einmal als Möglichkeit zulassen. Unabhängig von der Frage der Autorschaft gibt das dem Druckfehlerverzeichnis vorausgehende Nachschreiben einen interessanten Einblick in einige weitere Details der Drucklegung der Vermischten Schriften: Der Verfaßer folgender   Es befindet sich in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg unter der Signatur R 79 j 1 b 1; siehe ib., 17 FN 11. 131  Siehe ib., 17 FN 12: Kollationiert wurden die Titelblätter und einige Textseiten, indem die gewählten Seiten der einen Ausgabe auf Folie kopiert und dann auf die entsprechenden Seiten der anderen Ausgabe gelegt wurden. Bis auf die Titelblätter konnten sie vollständig in Deckung gebracht werden. 132  Ib., 6. 133  Claudius: Briefe an Freunde, 284. 134  Donovan / Lüchow: »Viel Wahres und viel Scharfsinniges«. 9. 130



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zwey Aufsätze hat die Abschriften davon, ehe sie zum Abdrucken weggeschickt wurden, nicht durchsehen können. Da er keine eigene Handschrift mehr hatte, so mußte beym Kunstgarten das Museum, und bey Allwills Papieren der Merkur zum Grunde gelegt werden. Die Verbeßerungen waren auf besondere Blätter geschrieben; aber wie sorgfältig dieselben auch bezeichnet waren, so ist doch manches übersehen worden. / Die grammatikalischen Fehler, die mir aufgestoßen sind, habe ich in dem folgenden Verzeichniß angezeigt; der übrigen Schreibfehler aber, und der Unrichtigkeiten in der Interpunktion (zumal in Allwills Papieren) waren zuviel als daß man sie sämtlich hätte ausziehen können. Da ich von wenigen Lesern hoffen darf, daß sie auch nur die angemerkten Fehler alle ver­beßern: so habe ich diejenigen, welche einen e r he b l iche n M i ßve r s t a n d ve r u r s a ch e n , und s chwe r l i ch d ü r f t e n w a h r g e n o m m e n we r d e n , mit einem † bezeichnen laßen. Ich bitte den Leser, sich die Mühe zu geben, und wenigstens diese zu ändern.  135 Im Oktober 1781, dies belegen die Briefe von Claudius ebenso wie jene von J., wurde der erste Band der Vermischten Schriften an Freunde und Bekannte verschickt: Claudius sorgt unter anderem für die Auslieferung an Herder und Hamann  136, vermutlich auch an J. A. H. Reimarus und den Hamburger Raum; J. versandte Exemplare an Johann Caspar Lavater in Zürich und Amalia Fürstin von Gallitzin in Münster.  137 An Lavater schrieb er am 10. Oktober 1781: Hier der erste Theil meiner vermischten Schriften. In dem G e s p r ä ch habe ich ansehnliche Veränderungen gemacht. In Allwill’s Papieren – außer daß ich zwei Briefe ganz ausgestrichen habe – wenig, aus einer Art von Religiosität. In diesen Blättern ist Etwas, dem ich mehr als mir selbst glaube. Etwas Aehnliches fühlte Lessing dabei, und ließ mich kurz vor seinem Tode, als er schon blind war, noch ermahnen, nichts daran zu bessern.  138 Lavater antwortete am 26. Oktober 1781 mit den Worten: Dank Ihnen, lieber Jacobi, […] für Ihr Geschenk Ihrer Vermischten Schriften, die mir, so weit ich sie las, unbeschreiblich wohl thaten, und aus denen ich verschiedene Blumen in   VS nach Seite 6, ungezählt ( JWA 7.114,1–18 ).   J. an J. G. Hamann, 16. Juni 1783, JBW I,3.162,7. Siehe auch Hamann an J. F. Hartknoch, 8. und 9. Dezember 1781, ZH IV.349,9–19, auch zitiert in JBW II,4.507, Brief Nr. 726.1. Hamann wiederum sorgte für die Verteilung einiger Exemplare in Königsberg; siehe Hamann an J., 28. September, 2. und 3. Oktober 1785, JBW I,4.189,35–37. 137  J. an Amalia von Gallitzin, 12. Oktober 1781, JBW I,2.351,21–23 : Lesen Sie, meine liebe Amalia, an e i n e m h e i t e r e n Tage, meinen Kunstgarten, in welchem Sie ansehnliche Verbeßerungen finden werden; u lesen Sie auch Allwills Papiere. – Siehe auch J. an Lorenz Westenrieder, 6. November 1781, JBW I,2.372,8 f. : […]; hernach Allwills Papiere, an denen ich auch gefeilt u die ich um ⅓ verkürzt habe. Ich schicke Ihnen das Buch, so bald es die Preße verläßt. (Hier ergibt sich beiläufig die Frage, ob der Brief nicht vordatiert werden müßte.) – Auch Heinse gegenüber hatte J. wohl schon die Übersendung des ersten Bandes seiner Vermischten Schriften angekündigt; siehe Wilhelm Heinse an J., 27. Oktober 1781 (aus Rom), JBW I,2.365,20. 138  JBW I,2.349 f. 135

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meinen Pontius pf lücken will; […].  139 Bei den in J.s Schreiben erwähnten gestrichenen Briefen handelt es sich um Amalia an Sylli und Lenore von Wallberg an Sylli, die im Aprilheft des Teutschen Merkur des Jahres 1776 auf den Seiten 47–65 erschienen waren.  140 Friedrich Roth, der Herausgeber des Auserlesenen Briefwechsels, hatte gemutmaßt, daß diese Briefe der Sorge J.s, der Leser würde meinen, er wolle sich selbst im Clerdon ein Denkmal setzen, geopfert wurden.  141 Dies mag im Falle der Ausgabe in den Vermischten Schriften (D3) insofern von größerer Bedeutung gewesen sein, als diese Ausgabe des Allwill erstmals nicht anonym erschien. Passend zur Tilgung der Briefe wurde in D3 auch die Note getilgt, die ja gemäß J.s Brief an Wieland vom 20. April 1776 dem Zweck dienen sollte, die befürchtete Fehldeutung genau jener gestrichenen Briefe zu verhindern.  142 Auch an Moses Mendelssohn schickte J., wohl vermittelt über Christian Wilhelm Dohm, ein Exemplar seiner Vermischten Schriften mit der auf dem Umschlag notierten Widmung: Für Herrn Moses Mendelssohn. Auf der Innenseite ist zu lesen: Dem ehrwürdigen Mendelssohn, von deßelben vieljährigem dankbaren Schüler, dem Verfasser. Pempelfort, den 23. Oct. 1781.  143 Mendelssohn hatte das Exemplar mit einigen kritischen Bemerkungen zurück an Dohm geschickt, der es ihm am 25. November abermals zusandte mit den Worten: H. Jacobi hatte seine Schrift Ihnen bestimmt, daher sie wieder beykömmt. Da er durchaus Wahrheit und strengen Tadel haben wollte, so werden ihm Ihre Anmerkungen wohl recht seyn, die mir ungemein treffend scheinen.  144 An J. schrieb Dohm am 18. Dezember 1781: Mendelssohn ist sehr mit ihrem Briefe zufrieden, nur wünscht er etwas mehr Einfachheit des Styls. Sie hätten, meynt er, zu sehr nach glänzenden Ausdruck, Antithesen und besonders zum Schluß einer Gedankenreihe nach Pointen gestrebt.  145 Die ausführlichste und im Hinblick auf J.s Reaktion wirkungsvollste Kritik war diejenige von Johann Albert Heinrich Reimarus in seinem – nur in Auszügen überlieferten – Brief an J. vom 10. Oktober 1781: – – Ich habe mich gefreut, daß Sie im letzten Briefe von Allwills Papieren das Gegengift gegen die vorher   ABW I.335.   Siehe oben 27–37. 141  Siehe ABW I.238 FN: Unter den, für das vierte Stück des deutschen Merkurs 1776 bestimmten, Briefen aus Allwill’s Papieren war einer von Lenore an Sylli, der Nachrichten aus Cleedon’s [sic] Geschäftsleben gab, von denen der Verfasser wohl fürchten mochte, daß sie zu einer mißgünstigen Deutung Anlaß geben könnten, wenn sein Name einmal bekannt würde. Siehe auch JBW II,2.36, Anm. zu 42,4 f. 142  Siehe JBW I,2.42,4–11. 143  Siehe Ludwig Geiger: Das projectirte Denkmal Moses Mendelssohns (1788). In Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland. Bd 4, 1890, 303 f. Ib., 304. Demnach handelt es sich um das von der G.öritz-L.übek-Stiftung verwahrte Exemplar der ›Vermischte[n] Schriften von F. H. Jacobi‹, Breslau 1781. Siehe auch JBW II,2.367, Anm. zu 392,19. 144  Siehe JubA 13.29 und 355. 145  JBW I,2.392,19–22. Siehe auch die Kommentarstelle zu diesem Brief, JBW II,2.367, Anm. zu 392,19. 139 140



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angepriesene Herrschaft der Leidenschaften gegeben. Aber das Gift war doch zu stark, zu feurig zugerichtet, und ich fürchte, daß nur dieses den leichtesten Eingang in die jugendlichen Herzen, die schon so sehr darnach gestimmt sind, gewinnen möge. Mich dünkt, wir müßten bey unseren Sittenlehren hauptsächlich darauf sehen, wohin sich unser Jahrhundert neige. Unmenschlichkeit ist es nicht mehr; aber Ausschweifung der Begierden in Wollust. Daher rechne ich die beliebten Romane des Fielding unter die schädlichsten unserer Zeit; denn überall herrschen darin die kaum versteckten Grundsätze: Alle Tugend und Reinheit der Seele ist Betrügerey oder Grimasse; der liederliche ist der einzig gute Charakter, und das wären wir alle, wenn wir uns nicht verstellten. – Da kann man denn schön mahlen, wie daraus Wohlwollen u. s. f. f ließe. Dieß aber ist nicht wahr; denn Liederlichkeit führt den Jüngling von einem Laster zum andern. Also, ihr feurigen Köpfe oder Herzen, hütet euch doch, den verhangenen Zügel so zu empfehlen; man kommt doch ungleich schneller vom Fleck, auch wohl zum Ziele, wenn man nicht stürzt. – –   146 J. antwortete auf diese Kritik von Reimarus am 23. Oktober 1781 mit einem sehr ausführlichen Brief, in welchem er nicht nur seinen Allwill gegen die vorgebrachte Kritik verteidigt und erklärt, sondern überdies seine Vorstellung von der Aufgabe eines Schriftstellers darlegt: Doch im Ernste, mein Lieber, Sie haben mich in eine Art von Bestürzung gesetzt. / Daß Sie, gerade S ie in ­A llwills Papieren s e he n und n ich t sehen würden, was sich aus Ihrem Briefe vermuthen läßt: dieß ist eine Vorstellung, in die ich mich je länger je weniger zu finden weiß. / Das Gift darin soll zu stark, zu feurig zugerichtet seyn, um dem Gegengifte zu weichen? / | Ich denke es ist vornehmlich von den zwey letzten Briefen die Rede: und da kann ich Ihnen nicht sagen in welchem Grade meine Empfindung der Ihrigen widerspricht. Mir däucht, man braucht nur den Eingang von Luziens Briefe gelesen zu haben, um sich des Beyfalls, den man Allwills Zügellosigkeit gegeben haben möchte, bis ins Innerste der Seele zu schämen. Und nach diesem Eingange, wie wird Allwill nicht verfolgt auf jedem Irrwege; wie siegend, und wie mörderlich? Machen Sie die Probe an jungen Leuten, die nur Seele genug haben um beyde Briefe zu faßen; geben Sie ihnen das Buch in die Hand, und merken Sie genau auf die Würkung. Wenn diese nur einmal unter hunderten anders ist als ich behaupte: so will ich alles gethan haben; so will ich selber kommen und dem Nero deutscher Litteratur, dem Sieger bey den Ratzenbergerischen Spielen mein Haupt zu Füßen legen.  147 / Daß   JBW I,2.350,8–24. Siehe auch die zugehörige Kommentarstelle, wo die Passagen des Romans benannt sind, auf die Reimarus sich bezogen haben wird. 147  Die oben zitierte Kritik Wielands an Allwills Schmährede gegen Grundsätze und die stoische Philosophie wird man wohl als Zeichen dafür werten dürfen, daß dieses Mißverständnis von Reimarus – wenn es denn eines war – keineswegs so außergewöhnlich war. Siehe Wieland an Merck, 24. Juli 1776, Wieland-BW V.531 f. (oben zitiert). Siehe dieselbe Kritik in der im Folgenden zitierten Rezension der Spätfassung von 1792 (D4 ) in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen, 95. St., 16. Juni 1792, 947–952. 146

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ich den Charackter des Allwill so glänzend entworfen, und alles hinein gelegt habe was sich von löblichen Dingen nur in etwa damit reimen ließ: das ist gewiß nicht zum Nachtheil der guten Sache geschehen. Um bey dieser seltsamen Gattung von Schwärmern nur einiger Maaßen Gehör zu finden, muß man sich beweisen als einen aus ihrer Mitte, als einen der zu allem was sie hochschätzen reichlich den Zeug hat, und der auch nicht zu zärtlich ist um so gar Ottern und Kröten in die Hand zu nehmen, und mit eigenen Augen zu betrachten, und mit eigener Seele zu schätzen i n ­s e i n e m e i g e ne n S e y n e i n j e d e s D i n g.  148 / [.|. .] Selbst mein Wildfang, mein Allwill ist weit davon entfernt‚ » d e r A u s s chwe i f u n g d e r B e g ie r d e n i n Wo l lu s t« das Wort zu reden. So wie er ist kann er vieleicht an den Galgen oder auf das Rad kommen: schwerlich aber | seinen Geist beschäfftigen, vergnügen u aufgeben wie ein Sardanapal, wie ein Wollüstling. Doch hat ihn Luzie, wie mir däucht, auch an dieser Seite wund genug gehauen. / Was den Punkt der Grundsätze angeht, so kann ich nicht anders als Ihnen gerade heraus versichern, daß ich den Schriftsteller nicht kenne, der die Nothwendigkeit derselben gründlicher, mannigfaltiger, auffallender dargethan, u sie beßer eingeschärfet hätte, als es überall von mir geschehen ist. Und zwar hilft dasjenige nicht am wenigsten dazu, was Allwill selbst dagegen vorzubringen scheint. Man sieht, die verhüllte Wahrheit brennt ihm wie Feuer ins Eingeweide. Oft ist der Geck mit sich selbst auch nur im Mißverstande. Daß bloße Maximen, bloße gesunde moralische Meinungen noch lange keine würksame Grundsätze sind, und daß letztere nicht eher da seyn können, bis der Tugendhafte Character, bis die entschiedene Oberhand der beßeren Neigungen selbst schon da ist – dieser Meynung bin ich mit.  149 Zu dem in diesem Brief ebenfalls ausführlich dargelegten Selbstverständnis J.s als Schriftsteller, mit welchem er der zeitgenössischen Kunstauffassung verbunden ist, es nicht besser machen zu wollen – und zu sollen – als die Natur, fügt sich auch seine Aussage im Brief an Forster vom 5. November 1781: Was in den letzten Briefen von Allwill’s Papieren geleistet ist, – entgegengesetzte Empfindungen, Neigungen, Systeme, mit der Treue, mit dem u n p a r t he i i s che n E i f e r dargestellt – ist, so viel ich weiß, von mir das erste Mal geschehen. Ich weiß nicht, was Kräftigeres gegen die sogenannte Genieseuche geschehen konnte; auch haben die feinen Nasen es nur zu gut gerochen.  150 Den schon gegenüber Forster und Reimarus empfohlenen Brief von L u z ie a n E d u a r d A l l w i l l empfahl er auch seinen Lesern in der Vorrede zu den Vermischten Schriften, nicht ohne mit einem Seitenhieb auf wenig wohlmeinende Leser zu enden: Will jemand dasselbe etwa nur mit einem Blick ansehn, und er meynt es ehrlich; so bitte ich ihn den Brief von Luzie an Allwill   JBW I,2.355,27 –356,21 (Text nach Berichtigung im Kommentar korrigiert). Es folgen hier eineinhalb Seiten zu den Aufgaben eines Schriftstellers, zu J.s Intention und Überzeugung. 149  JBW 357,35 –358,14 (Text nach Berichtigung im Kommentar korrigiert). 150  JBW I,2.370,21–25. 148



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aufzuschlagen, welcher der letzte in der Sammlung ist. Hat er aber andre Absichten; nun so mag er blättern, bis er findet was er sucht: Nachäffung, Geniesucht, Empfindeley – was nur Verachtung zuwege bringen, vernünftige Leute abschrecken, und eigener Prüfung in den Weg treten kann.  151 Die berühmteste Aussage J.s, seine Autorintention betreffend, stammt aus seinem ersten Brief an Johann Georg Hamann vom 16. Juni 1783. (Hamann hatte etwa ein Jahr zuvor die Zusendung der Vermischten Schriften durch Claudius zum Anlaß für einen ersten Brief an J. genutzt.  152 ) Hierin eröffnet J., daß, sowohl bey’m Allwill, als bey dem Woldemar u dem Kunstgarten, mein Hauptgegenstand gewesen ist, Beyträge zur Naturgeschichte des Menschen zu liefern. Mir deucht unsre Philosophie ist auf einem schlimmen Abwege, da sie über dem Erklären der Dinge, die Dinge selbst zurück läßt; wodurch die Wißenschaften freylich sehr deutlich, u die Köpfe sehr hell, aber auch in demselben Maße leer u seicht werden. Nach meinem Ur­theil ist das größeste Verdienst des Forschers: D a s e y n z u e n t hü l l e n . Erklärung ist ihm Mittel, Weg zum Ziele, n ä ch s t e r – niemals l e t z t e r Zweck. Sein letzter Zweck ist, was sich nicht erklären läßt; das Einfache, das Unauf lösliche. – Hievon Ein u Andres darzustellen, ins Auge zu bringen: überhaupt, S i n n z u r e g e n , u durch A n s ch a u u n g zu überzeugen, war meine Absicht: ich wollte, was im Menschen der Geist vom Fleische unabhängiges hat, so gut ich könnte, ans Licht bringen, u damit der KothPhilosophie unserer Tage, die mir, von Kindesbeinen an ein Gräuel war – wenigstens meine Irreverenz bezeigen. Viele haben sich an der Ehrlichkeit womit ich hiebey das Suum cuique befolgte, gestoßen, so daß ich selbst zu fürchten angefangen, ich sey vielleicht nicht Manns genug mein Vorhaben auszuführen.  153 Auch außerhalb der Briefwechsel stieß der erste Band der Vermischten Schriften – und damit die dritte Ausgabe von J.s erstem Roman Eduard Allwill – auf ein Echo. So erschien in der Beilage der Hamburgischen Neuen Zeitung Nr. 189 vom 27. November 1781 unter der Rubrik Gelehrte Sachen eine Rezension des ersten Bandes der Vermischten Schriften,  154 von der J. gegenüber Georg Forster behauptet: Sie ist zuverläßig von dem biedern Asmus [ = Matthias Claudius], […].  155 In dieser kurzen Rezension heißt es zum Allwill: Die Papiere von Allwill haben keinen so bestimmten Plan, sondern sind mehr aufs Gerathewohl hingeworfene Brocken, wiewohl der letzte Brief der guten Lucie am   VS 6 ( JWA 7.113,4–10 ).   Brief vom 12. August 1782, JBW I,3.46 f. 153  JBW I,3.163,1–18. 154  Donovan / Lüchow: »Viel Wahres und viel Scharfsinniges«. 11. Ib., 19, FN 37 heißt es ohne weiteren Verweis, die Rezension sei ebenfalls in der Staats- und gelehrten Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten erschienen. 155  Brief vom 5. November 1781, JBW I,2.370,6 . – Donovan / Lüchow: »Viel Wahres und viel Scharfsinniges«. 13–16, stützen diese Identifizierung J.s durch zahlreiche Kriterien, die Eigenheiten von Matthias Claudius bezeichnen. 151

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Ende eine sehr nüzliche Lehre einschärft, und die alberne Geniesucht: sich keinem Gesetz noch Regel unterwerfen, und lieber immer nach eignem hohen Dünkel handeln zu wollen, sehr nachdrücklich züchtigt.  156 Auch Georg Forster hatte sich angeboten, für eine Rezension der Vermischten Schriften in den Göttingischen Anzeigen von Gelehrten Sachen zu sorgen.  157 Tatsächlich erschien dort 1782 im 7. Stück (17. Januar) des ersten Bandes auf den Seiten 53 bis 54 folgende, von Georg Forster verfaßte Anzeige: Breslau. / Vermischte Schriften von Friedrich Heinrich Jacobi. Erster Theil. Octav 268 S. Dieser enthält: den Kunstgarten, ein philosophisches Gespräch, welches bereits im Deutschen Museum vorigen Jahrs erschienen ist; und Eduard Allwills Papiere, einen Briefwechsel, dessen ersten Entwurf wir ehedem im Deutschen Merkur gelesen haben. Beyde Aufsätze liefert der Verf. hier ganz umgearbeitet. Sein Gegenstand im erstern ist praktische Philosophie des Lebens, Erwägung der Mittel, dessen Mühseligkeiten abzukürzen, und wo möglich, unpartheyische Schätzung menschlicher Bedürfnisse; er prüft dabey die Meynungen der Philosophen, und die Vor­ ur­theile der Welt. Seine Entwickelung der Lehre des Helvetius ist so gut, als Widerlegung, und ein Wort zu seiner Zeit. Ueberall blickt Eifer um Wahrheit und warmes Tugendgefühl durch die historische Einkleidung hervor, die von eigenthümlicher Sprache und Malerey im Ausdruck einen lebhaften und anmuthigen Anstrich erhält. In Allwills Papieren wird das Thema fortgesezt, im engern Bezug auf die Liebe und mit strafender Beredsamkeit gegen das zügellose Geniewesen neuerer Zeiten. Mit einiger Verzögerung wurden die Vermischten Schriften auch in der Allgemeinen deutschen Bibliothek rezensiert.  158 Hierzu schrieb J. am 18. Mai 1785 an Johann Georg Hamann: In dem IVten Theile des Anhangs sind endlich auch meine vermischte Schriften beurtheilt worden; ziemlich gnädig, aber mit einem albernen Hiebe begleitet, der vermuthlich Herdern treffen soll.  159 Die Rezension lautet: Man kennt und schätzt diesen Schriftsteller voll Kraft in Gedanken und Ausdruck, voll Originalität, voll edlen Gefuhles für Freyheit und Tugend. Diese Eigenschaften fesseln an ihn, und gewinnen ihm Herz und Liebe, wenn man auch nicht immer mit seinen,   Ib., 12; vgl. auch JBW II,2.345 f., Anm. zu 370,5.   Siehe Georg Forster an Christian Gottlob Heyne, 15. Dezember 1781, Georg Forsters Werke. Sämtliche Schriften, Tagebücher, Briefe. 18 Bde. Hg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR. Zentralinstitut für Literaturgeschichte. […] Berlin 1958–2003. Bd XIII.360. Zitiert nach JBW II,2.363, Anm. zu 388,15. 158 Allgemeine deutsche Bibliothek. Anhang zu Bde 37–52, 1785, Dritte Abteilung, 1440–1442. Die Rezension selbst ist nicht mit einem Namenskürzel ver­ sehen, aber die hierauf folgende, was bedeuten könnte, daß beide vom selben Rezensenten stammen. Die dort benutzte Autorenchiffre Cz. deutet auf Johann Erich Biester (1749– 1816); vgl. G[ustav Friedrich Konstantin] Parthey: Die Mitarbeiter an Friedrich Nicolai’s Allgemeiner Deutscher Bibliothek nach ihren Namen und Zeichen in zwei Registern geordnet. Berlin 1842. 2 f. und 36. So auch JBW II,4.563. 159  JBW I,4.102,5–8. 156 157



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oft schneidend vorgetragenen, Urtheilen übereinstimmen sollte. – Diese Sammlung enthält: / I.   D e n K u n s t g a r t e n , ein ph i l o s o ph i s ch e s G e s p r ä ch . Es folgt hier eine sehr positive Besprechung desselben sowie einige Textauszüge. / II. E d u a r d A l l w i l l s Pa pie r e (Standen schon im Merkur) Wir haben nie glauben können, daß es einen solchen Menschen in der Natur gebe, noch weniger eine ganze Gesellschaft davon, wie hier vorkömmt. Was überspanntes Geniewesen, schwärmerisches Frey­heits­gefühl und Hinwegsetzung über alle Schranken und Pf lichten Verführerisches haben kann, liest man in den ersten Briefen; bis im letzten sich die sanftere Stimme der Wahrheit erhebt, und unwiderstehlich lehrt, daß Un s chu l d u n d Re i n i g ke it d e s He r z e n s nur allein Glück und Frieden geben kann. Zu der hier ausgelassenen, sehr positiven Rezension der Woldemar-Fortsetzung Der Kunstgarten paßt auch das Lob, das Christian Garve in seinem Brief an J. vom 24. Juni 1786 diesem Stück der Vermischten Schriften zollt. Da­ gegen wird von ihm der Allwill kritischer beurteilt: Andre Aufsätze in eben diesen vermischten Schriften enthielten sowohl starke Gedanken, als lebhafte Empfindungen; aber (Sie erlauben mir, daß ich Ihnen sage, was ich denke, wenn ich auch falsch denke) sie scheinen mir in den Sachen nicht eben den Grad von Wahrheit und Natur und im Ausdrucke nicht eben die Leichtigkeit zu haben.  160 Im Jahr 1783 erschien bei dem bekannten Karlsruher Raubdrucker Christian Gottlieb Schmieder ein nicht autorisierter Nachdruck der Vermischten Schriften. J. gibt in seinem Brief an seinen neuen Verleger Georg Joachim Göschen vom März 1786 an, daß er nicht genau wisse, in welchem Umfang dieser Nachdruck dem Verleger der Vermischten Schriften, Gottlieb Löwe in Breslau, geschadet haben mag.  161   JBW I,5.270,27–31.   Brief vom 29. März 1786, JBW I,5.132,5 f. : Wie er [Löwe] mit den Vermischten Schriften gefahren ist, weiß ich nicht. Der Carlsruher Nachdruck kann ihm Schaden gethan haben. Terpstra geht irrtümlich davon aus, daß es sich um einen erlaubten Abdruck handelt; siehe Terpstra 316. – Göschen wurde auch ein Opfer von Schmieder und hat sich im Intelligenzblatt des Journals des Luxus und der Moden 2, 1787, Oktober, LXXVIII, in sehr scharfem Tone gegen die Geschäfts­ praktiken von Schmieder ausgesprochen: C h r i s t i a n G o t t l i e b S c h m i e d e r in Carlsruhe hat die beyspiellose Bosheit begangen, und 6 neue Bücher aus meinem Verlage auf einmal nachgedruckt. Ich klage diesen Menschen hiermit öffentlich eines unerhörten Raubes an und warne jedermann der so unglücklich ist mit Ihm in Geschäften zu stehen oder in Verhältniße zu kommen sich für diesen Bösewicht wohl in Acht zu nehmen. Ein Mann ohne Redlichkeit, ohne Ehre, ohne Gewißen ist der gefährlichste Mensch in jedem Verhältniße des Lebens. Ich hoffe, daß jeder redliche Buchhändler | gegen diese That den größten Unwillen faßen wird. Sollte sich aber jemand mit dem Verkaufe dieser Nachdrücke beschmutzen so werd´ ich, so bald ich Beweise davon erhalte, ihn in öffentlichen Blättern, als Helfershelfer und Mitgenoßen dieses Diebes nennen. / G . J . G ö s c h e n   / Buchhändler in Leipzig. 160 161

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EDUARD ALLWILLS BRIEFSAMMLUNG 1. Überlieferung A. Drucktexte D4

Titelblatt: Eduard Allwills / Briefsammlung/ herausgegeben / von / Friedrich Heinrich Jacobi / mit einer / Zugabe von eigenen Briefen / [Motto:] Tel est l’effet de la vérité: on la repousse; mais / en la repoussant on la voit, & elle pénètre. / Garat le jeune. / Erster Band. / Königsberg, / bey Friedrich Nicolovius. / 1792. XXXI, 323 S. Der Text ist in Fraktur gesetzt, fremdsprachige Wörter (Englisch, Französisch, Latein) in Antiqua, auch einige Zitate in griechischer Schrift. Hervorhebungen innerhalb der Fraktur sind zumeist durch Sperrung, teils – vor allem zu Beginn bis zur E i n l e it u n g – auch durch Schwabacher oder vergrößerte Schrift vorgenommen. In den Briefen und in der Zugabe. An Erhard O** findet sich nur in wenigen Fällen doppelte Hervorhebung; in dieser steht ein Zitat sogar in Versalien. Eingerückte Zitate in Versform sowie die Datums-, Wochentags- und Tageszeitangaben, auch die Fußnoten sind in kleinerem Schriftgrad gesetzt. Die Nummern und Titel der Briefe sind in größerem Schriftgrad gesetzt. Auf der Rückseite des oben beschriebenen Titelblatts [I] folgen auf S.[II] das Motto aus Macbeth mit Eschenburgs Übersetzung, sodann auf den Seiten [III], [V] und [VI] die Widmung an Johann Georg Schlosser, ferner auf den Seiten [VII–XXV] die Vorrede. S. [XXVI] ist nicht beschrieben; hieran schließt sich S. [XXVII] mit dem in großem Schriftgrad gesetzten Zwischentitel Allwills Briefsammlung. mit dem Motto aus Kants Critik der Urtheilskraft sowie auf der Rückseite [XXVIII] den beiden Motti aus Goethes Tasso und Platons Convivium an. Römisch paginiert ist die kurze Einleitung. (S. XXIX–XXXI); das anschließende Verzeichnis der Druckfehler wäre als S. [XXXII] zu zählen. Der Haupttext beginnt auf S. [1] mit dem ersten Brief (I. Sylli an Clerdon); er endet auf S. 279 in der vierten Zeile; darunter steht ein Motto aus Plutarch sowie das griechische, mit Diotima unterzeichnete Motto, wiederum aus Platons Convivium. S. [280] ist wiederum nicht beschrieben; auf S. [281] folgt der Zwischentitel Zugabe. / An Erhard O**. sowie ein Motto aus Ciceros De Legibus und auf der ebenfalls blind paginierten Rückseite [282] ein weiteres Platon-Zitat, diesmal aus dem Philebus. An die Zugabe (S. 283–318) schließen sich noch das Verzeichniß der Briefe auf den Seiten 319 f. sowie die Uebersetzung der griechischen Stellen. auf den Seiten 321–323 an. Rezensionen in: Neue allgemeine deutsche Bibliothek. 1793, Bd 5, St. 1, 152–155 (wohl von Schatz in Gotha). Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen. 95. St.: 16. Juni 1792, 947–952 (wohl von Johann Georg Heinrich Feder).



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Titelblatt: Friedrich Heinrich Jacobi’s / Werke. / Erster Band. / Leipzig, bey Gerhard Fleischer d. Jüng. / 1812. XVI, 404 S. Die Rückseite des Titelblatts [II] ist nicht bedruckt; auf den Seiten [III] sowie [V–VI] folgt die Widmung an Johann Georg Schlosser; hieran schließen sich auf den S. [VII]–XX die Vorrede / zu der Ausgabe von 1792. sowie die Nachschrift / im Jänner 1812. (S. [XXI]) mit nicht bedruckter Rückseite, gefolgt vom Verzeichnis Inhalt / des ersten Bandes. auf den S. [XXIII]–XXIV. Es dient hier sowohl als Verzeichnis der Briefe des Allwill als auch der drei weiteren in diesen Band aufgenommenen Abhandlungen Zufällige Ergießungen eines einsamen Denkers, Die feinste aller Haderkünste, eine Anekdote und Swifts Betrachtung über einen Besenstiel, und wie sie entstanden ist sowie ferner der zwölf Briefe an Verschiedene. Hierauf folgt der Haupttext auf den Seiten [1]–253, beginnend mit dem Zwischentitel Allwills Briefsammlung. und dem darunter stehenden Motto aus Goethes Tasso. Der Text des Allwill ist in Fraktur gesetzt, fremdsprachige Wörter (Englisch, Französisch, Latein) in Antiqua, auch einige Zitate in griechischer Schrift. Hervorhebungen innerhalb der Fraktur sind durch Sperrung vorgenommen. Eingerückte Zitate in Versform sowie die Datums-, Wochentags- und Tageszeitangaben, auch die Fußnoten sind in einen kleineren Schriftgrad gesetzt, die Überschriften der V ­ orrede, der Nachschrift und der Inhaltsanzeige wie auch der nachfolgende Zwischen­titel und die Überschrift Einleitung sowie die Überschriften der einzelnen Briefe hingegen in vergrößertem Schriftgrad und gesperrt. Auf den Text des Allwill folgen die eben genannten Abhandlungen und Briefe; die Uebersetzung der griechischen Stellen, die den Schluß von D4 bildet, ist hier nicht aufgenommen. Den Beschluß des Bandes bildet eine nicht paginierte Druckfehler-Anzeige. Sie umfaßt 42 Einträge, von denen jedoch nur die ersten 26 den Allwill betreffen. Die Druckgeschichte von D5 ist allerdings weit komplexer, als diese Beschreibung erkennen läßt. Jan Ulbe Terpstra hat auf der Grundlage eines Vergleichs von 38 Exemplaren dieser fünften Fassung signifikante Abweichungen zwischen den Exemplaren festgestellt, die ihn dazu veranlaßten, drei chronologisch anzuordnende Druckgruppen zu unterscheiden. Die erste Druckgruppe, die er E1 nennt, enthält ein Druckfehlerverzeichnis im Umfang von 23 Verbesserungen. Sie enthält ferner auf den Seiten 107–108 eine Passage, die in den anderen Druckgruppen gestrichen und abgeändert wurde: […] und siehe die Sonne, wie sie eben über das Eck meines lieben blauen ­Tisches sich herbey macht. Ich bin Punkt drey aufgestanden; und das haben mir die häßlichen Katzen mit ihrem Poltern und Schreyen angethan. Sonst schlafe ich leicht über dem Lärm selbst wieder ein, und bleibe nachher im Schlafe; aber die Erinnerung an Clerdons Posse machte mirs so lächerlich, daß ich vollends aus dem Schlummer kam. Da entschloß ich mich denn kurz und gut zum Aufstehen. Der hierin enthaltene Verweis auf Clerdons Posse hat in D5 seinen Bezugspunkt verloren, da diese Stelle gestrichen wurde (siehe oben 152,25 –154,20 und Variantenapparat). Es ist daher naheliegend, mit Terpstra anzunehmen, daß in den ersten gedruckten Exemplaren diese Stelle ver-

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sehentlich stehenblieb, in den späteren dann richtig gestrichen wurde. Für die Annahme, daß dieser Druck, von dem Terpstra neun Belegexemplare vorliegen hatte, die früheste der drei Druckgruppen repräsentiert, spricht zudem, daß sie ein weniger umfangreiches Druckfehlerverzeichnis enthält. (Ein Exemplar dieser Druckgruppe konnte ich nicht einsehen, wohl aber eine Mischform zwischen E1 und E2; siehe das Folgende.) Die zweite Druckgruppe, die Terpstra E2 nennt, enthält eine – nicht paginierte – D r u ck f e h l e r - A n z e i g e im Umfang von 42 Verbesserungen, in welcher, so Terpstra, die 23 aus E1 enthalten sind. Die in E1 versehentlich nicht gestrichene Passage zu den Katzen und zu Clerdons Posse ist hier nicht mehr enthalten. Wie in E1 folgt auch in E2 am Ende des Druckfehlerverzeichnisses die Notiz: Ungleichheiten in der Rechtschreibung, die hie und da durch Schuld des Abschreibers vorkommen, werden der eigenen Verbesserung des Lesers überlassen. Zusätzlich findet sich in E2 noch eine Nachricht an den Buchbinder, welche die Reihenfolge der ersten Seiten betrifft: Die I n h a l t s a n z e i g e ist unmittelbar hinter den Haupt-Titel zu heften. Darauf folgt der besondere Titel A l l w i l l s B r ie f s a m m lu n g , mit dem Motto, dann Z u e i g nu n g , Vo r r e d e , N a ch s ch r e i b e n und E i n l e it u n g in der Ordnung, wie sie in der Inhaltsanzeige angegeben sind. Diese Anweisung widerspricht allerdings der in der Druckgruppe E2 vorhandenen Paginierung der Eingangspartien durch römische Zahlen. Das in der Mikrofiche-Edition des Saur-Verlags Bibliothek der deutschen Literatur (München 1994, insgesamt 19963 Mikrofiches) aufgenommene Exemplar (FN. 02023/001 und 02024/002) entspricht ebenso dieser Druckgruppe E2 wie auch das Exemplar der UB Leipzig (Sign.: 99 G 6981.1). Ebenso zu E2 zu rechnen ist der wohl am weitesten verbreitete Nachdruck, der 1968, 1976 und 1980 in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt, erschien, wie auch der 2001 im Syndikat-Verlag (Berliner Buchdienst) erschienene. Letzterer weist allerdings zwei Besonderheiten auf: Es fehlt die Nachricht an den Buchbinder und die Überschrift der Widmung an Johann Georg Schlosser wurde versehentlich zweimal hintereinander gedruckt: auf der Rückseite des Haupttitelblatts und auf der gegenüberliegenden nächsten Seite. Allerdings scheinen auch Mischformen zu existieren: Das in der – zur ULB Halle gehörenden – Bibliothek des Interdisziplinären Zentrums für die Erforschung der Europäischen Auf klärung (IZEA) befindliche Exemplar mit der Signatur Dd 2157 etwa enthält zwar noch die von D4 stammende, in D5 aber referenzlos gewordene Stelle zu den Katzen und Clerdons Posse; aber bereits in diesem Exemplar umfaßt das Druckfehlerverzeichnis 42 Einträge. Wie Terpstra auch selber betont, handelt es sich bei den drei von ihm identifizierten Druckgruppen also um Idealtypen, neben denen zahlreiche Mischformen überliefert sind. Streng genommen handelt es sich hier aber zum Teil nicht um eine Mischform von zwei Druckgruppen, sondern von zwei ›Bindegruppen‹: Die nachträglich angefertigten Druckfehler­ verzeichnisse wurden damals ja zumeist als lose Blätter ausgegeben – wie ja auch die Texte nicht als Bücher, sondern als Druckbogen ausgegeben und nachträglich gebunden wurden. Bei diesem Verfahren konnte es leicht vorkommen, daß etwa das Druckfehlerverzeichnis zu E2 mit den Bogen von E1 zusammengebunden wurde.



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Die dritte Druckgruppe, die Terpstra E nennt, enthält kein Druckfehlerverzeichnis; die Korrekturen sind vielmehr eingearbeitet. Die in E2 gestrichene Passage ist hier ebenfalls gestrichen. Innerhalb dieser letzten und offensichtlich spätesten Druckgruppe enthalten allerdings einige Exemplare Fehler, die in E1 und E2 nicht enthalten sind; beide betreffen das Inhaltsverzeichnis: So ist in E2 der Name ­A malia durchgängig mit einem a endend geschrieben, während er in E bei der ­ersten Nennung ( = Nr. VII) mit einem e endet. Zudem ist im Inhaltsverzeichnis in einigen Exemplaren der Brief Nummer IX versehentlich mit der Nummer XI bezeichnet, so daß diese Nummer zweimal im Inhaltsverzeichnis erscheint. Ein Exemplar dieser Druckgruppe befindet sich in der ULB Halle (Signatur: 13 WA 1972a; in diesem Exemplar fehlen die Widmung und die Vorreden) und als Digitalisat im Internet unter Google Books (URL: http://books.google.de/books?id = 4s9aIl68CtYC&printsec= frontcover&hl = de&source = gbs_ge_summary _r&cad = 0#v = onepage&q&f=false. Ein weiteres Exemplar dieser dritten und letzten Druckgruppe befindet sich in der Bibliothek des IZEA (Sign. Dd 2157a); dieses enthält jedoch ein Inhaltsverzeichnis, in welchem anstelle der Nummer IX. nicht die Nummer XI. gedruckt wurde. In dem Exemplar, das dem Digitalisat (Google Books) zugrunde liegt, ist die Überschrift der Widmung nicht auf eine separate Seite, sondern auf der unpaginierten Seite [VII] direkt über den Beginn der Widmung gesetzt, so daß sich auch ein anderer Seitenumbruch ergibt (… hin­ gegen zu lassen. | Doch mir kommt …). In E, also der chronologisch letzten Druckstufe, sind die Vorrede und die Nachschrift zur Vorrede sehr viel enger gesetzt, was zur Folge hat, daß in diesen Exemplaren die Vorrede lediglich die Seiten [XI]–XVI umfaßt; die Nachschrift im Jänner 1812. steht auf S. XVI unmittelbar unter dem Ende der Vorrede zu der Ausgabe von 1792. Es folgt nochmals der Zwischentitel Allwills Briefsammlung., diesmal ohne Motto, blind paginiert als S. 1. Nach der freien Rückseite beginnt der Text mit der Einleitung. ([3]–5), und hieran schließt sich ohne weitere Leerseite auf S. [6] der Brief I. Sylli an Clerdon an. Erst hier sind somit die einzelnen Partien in der Reihenfolge paginiert und gebunden, die der dem Druckfehlerverzeichnis in den Exemplaren von E2 angefügten Nachricht an den Buchbinder. entspricht, sich aber in der Druckgruppe E2 wegen der dort vorhandenen Paginierung nicht verwirklichen ließ. Insbesondere die Paginierung der zweiten Seite der Inhaltsangabe mit der Ziffer XXIV stand der Bindeanweisung entgegen. Erst die Exemplare der dritten Druckgruppe enthalten ein Inhaltsverzeichnis, das der gewünschten Reihenfolge auch durch eine neue Paginierung Rechnung trägt: [III]–IV. Der Verzeichnung der Varianten aus D5 im Variantenapparat in JWA 6,1 wurde der in der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, Darmstadt, erschienene Nachdruck zugrunde gelegt. Es handelt sich hierbei um ein Exemplar der am weitesten verbreiteten Druckgruppe E2. Die in diesem Nachdruck verzeichneten Druckfehler sind (soweit sie den Allwill betreffen) im Variantenapparat vermerkt. Denn anders als Terpstras Ausgabe des Allwill, der D5 zugrunde liegt, orientiert sich die Edition in JWA 6,1 an der ursprünglichen, 1792 veröffentlichten Version dieser späten Fassung. Für sie ist die von Terpstra berichtete – und für den Kommentar nachvollzogene – komplexe Druckgeschichte nicht in gleicher Weise

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relevant wie für seine Edition der Fassung von 1812. Auch deshalb sind die von Terpstra aufgelisteten späteren, nicht von J. autorisierten Nachdrucke (Raubdrucke, spätere Nachdrucke des Verlags Fleischer) in JWA 6,1 nicht berücksichtigt worden. Die von J. autorisierte Druckgeschichte des Allwill endet mit der Fassung von 1812. Rezensionen in: Göttingische gelehrte Anzeigen. 159. St.: 3. Oktober 1812, 1588–1592 (wohl von Friedrich Bouterwek). Heidelbergische Jahrbücher der Litteratur. 1813, Nr. 50, 785–799 (wohl von Mayer, Appellationsgericht in Frankfurt). Allgemeine Literatur-Zeitung. Januar 1816, Nr. 20, 153–157. Hermes oder kritisches Jahrbuch der Literatur. Bd XIV, 1822, 255–339. B.  Handschriften (von Walter Jaeschke) H1

III. Clerdon an Sylli. Den 4ten Marz. Bayerische Staatsbibliothek München, Schenkiana I,5,12. Dieses Doppelblatt von der Hand J.s enthält die wahrscheinlich letzte Vorstufe zu der Reinschrift, die dem Druck des Briefes Clerdons an Sylli vom 4. März in D4 zugrunde gelegen hat. Der Signatur der Bayerischen Staatsbibliothek ist der Vermerk angefügt: (am Schluß). Der Text des Manuskripts beginnt mit der römischen Ziffer III. am oberen Rand von S. 1r; er endet etwas oberhalb der Mitte von S. 2v. Das Manuskript enthält zahlreiche Streichungen und Ergänzungen in der Randspalte. Die beiden Blätter sind in der Mitte gefalzt; J. hat zunächst die linken Spalten beschrieben und in der rechten Spalte Ergänzungen notiert. H2h2 An Erhard O**. in der Zeile darunter: (So gut als aus Allwills Papieren). Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf, Signatur 63.5936 Dieses Manuskript im Quartformat ist aus mehreren, zu verschiedenen Zeiten entstandenen Teilen zusammengefügt. Zum überwiegenden Teil ist es von J. geschrieben (H2); ein Blatt liegt in Abschrift von Schreiberhand vor (h2). Die Seiten sind – vermutlich von J. – als 1–20 paginiert; diese Zählung erfaßt jedoch nicht die nachträglich eingelegten Blätter. Den Rahmen (H2) bildet ein Manuskript von J.s Hand, beginnend mit einem einzelnen Blatt (S. 1–2) und einem Doppelblatt (S. 3–6). Am unteren Rand von S. 1 ist links in sehr kleiner Schrift von fremder Hand der Name des Verfassers notiert: F r ie d r i ch He i n r i ch J a c o b i . Unter dem Text von S. 2 ist mit Bleistift die Signatur notiert: 63.5936. An S. 6 schließt sich auf einem nachträglich eingebundenen Blatt (S. 7/8) die Abschrift h2 an (Eben, […] So wenig der).  162 Sie endet mit der – unter einem unleserlich gemachten Wort stehenden – Reklamante un-, als Verweis auf das Wort unendliche auf S. 9, mit der der dritte Hauptteil dieses Manuskripts (S. 9–20), wiederum   Siehe oben 225,12 –228,14.

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in J.s Handschrift, beginnt. Am Anfang steht ein Doppelblatt mit Innenlage; die Außenlage umfaßt die S. 9/10 und 15/16, die Innenlage die S. 11–14. In die Innenlage ist ein weiteres einzelnes, nicht paginiertes Blatt mit der nachgetragenen Note zu S. 12 eingelegt, das hier als S. 12a gezählt wird. Ein weiteres Doppelblatt enthält die S. 17–20. Den Text von S. 9 hat J. jedoch insgesamt unleserlich gemacht und durch ein eingelegtes, nicht in die Paginierung einbezogenes Doppelblatt ersetzt, das hier als Bl. 9a–d gezählt wird. S. 9d ist nicht vollständig beschrieben; unter dem Text­ ende (abdrücken konnte.  163 ) hat J. als Reklamante das Wort Nicht notiert – als Hinweis für den Übergang auf die erste Zeile von S. 10 der ursprünglichen Paginierung: Nicht ein kahler Fels […].  164 Auf S. 12 hat J. nachträglich eine Fußnote eingefügt; die ersten Wörter ( Plato nennt es u. s. w.  165 ) hat er ähnlich einer Reklamante am schmalen unteren Rand notiert und den Text der Fußnote auf dem eingefügten Blatt 12a nachgetragen. Am oberen Rande dieses Blattes hat J. vermerkt: Note zu S. 12 (in eine geschweifte Klammer eingefaßt). Darunter folgen die Bezugswörter – Gabe der Weißagung und ein Asterisk mit Klammer und Punkt; diese Angabe ist von der darunter stehenden Fußnote durch eine über die ganze Breite des Zeilenspiegels gezogene Linie abgetrennt. Es folgt der Text der Fußnote: *) Plato nennt es, […] s. den Philebus.  166 Die Rückseite dieses Blattes ist nicht beschrieben. Hierauf folgt auf den S. 13–20 der Schlußteil dieses Manuskripts. In H2h2 und ebenso in h3 sind die Unterstreichungen zum Teil am Anfang und Ende mit einem senkrechten An- bzw. Abstrich versehen. Da die so unterstrichenen Wörter in D4 doppelt hervorgehoben sind, ist diese Form der Unterstreichung ebenfalls als doppelte Hervorhebung aufgefaßt worden; daneben findet sich aber auch noch doppelte Unterstreichung. Diese beiden Formen der doppelten Hervorhebung werden bei der Edition nicht unterschieden. Einige Korrekturen sind mit rötlicher Tinte ausgeführt; sie werden im Apparat verzeichnet. h3

An Erhard O**. in der Zeile darunter: ( S o g u t a l s a u s A l l w i l l s Pa p ie r e n ) . Zentralbibliothek Zürich, Lavater-Archiv, Signatur FA Lav. Ms. 515.238. Bei diesem Manuskript handelt es sich um eine Abschrift, die vor der Publikation der Zugabe. An Erhard O** in D4 an Lavater übergeben worden ist; siehe hierzu die Ausführungen zur Entstehungsgeschichte.  167 Sie umfaßt 20 Seiten, von Schreiberhand geschrieben, jedoch mit einzelnen Korrekturen und Ergänzungen von der Hand J.s. Zu Beginn des Manuskripts, links am oberen Rand, ist das Datum, unter das J. diese Abschrift gestellt hat, in der auch sonst in der Briefsammlung

  Siehe oben 232,3.7.   Siehe oben 232,7. 165  Siehe oben 234,37–41. 166  Siehe oben 234,40–41. 167  Siehe unten 338–342. 163

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­ avaters üblichen Weise mit dickerer Tinte wiederholt, vermutlich zum Zwecke der L zeitlichen Einordnung: 28. Jan. 1791. Dieses – dem Text der Abschrift angehörende und auch schon in H2 vorhandene – Datum bezeichnet sicherlich nicht den Zeitpunkt der Übergabe dieser Abschrift an Lavater, sondern der ursprünglichen Niederschrift der Abhandlung. Die S. 1–19 dieses Manuskripts sind – wahrscheinlich im Zuge der Niederschrift – gezählt worden; S. [20] ist nicht beschrieben und auch nicht in die Zählung einbezogen. Auch hier ist – wie bei H2 – auf S. 12 nachträglich eine Fußnote eingefügt. Wie dort, so hat J. auch in h3 nachträglich mit etwas dickerem Federstrich einen Asterisken mit Klammer als Fußnotenzeichen in den Text eingefügt und die ersten Worte der Fußnote (Plato nennt es u. s. w.  168 ) am unteren Rande der Seite, ähnlich einer Reklamante, notiert, und auch hier folgt der Text der Fußnote auf einem weiteren eingefügten, nicht paginierten Blatt (hier gezählt als 12a). Am oberen Rande dieses Blattes hat J. – wie auch in H2 – vermerkt: Note zu S. 12 (in eine geschweifte Klammer eingefaßt); hierauf werden – nun jedoch von der Hand des Abschreibers – zunächst die Bezugswörter wiederholt: – Gabe der Weißagung, gefolgt von einem Asterisken mit Klammer und einer über die ganze Breite des Zeilen­spiegels gezogenen Trennlinie. Darunter schließt sich der Text der Fußnote an: *) Plato nennt es, […] s. den Philebus.  169 Anders als im Manuskript H2 läuft der Text der Fußnote hier von S. 12a r auf S. 12a v hinüber.

  Siehe oben 234,37.   Siehe oben 234,41.

168 169



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2.  Entstehungsgeschichte und zeitgenössische Rezeption A. Drucktexte a)  Entstehungsgeschichte und frühe Rezeption zu D4   170 Etwas über elf Jahre nach jenem Brief J.s an Lessing, in welchem er die Niederlegung seiner (Roman-)Autorschaft ankündigte,  171 erschien bei dem Verleger Friedrich Nicolovius in Königsberg eine neue, um neun bislang noch in keiner Fassung gedruckte  172 und um die Zugabe. An Erhard O** erweiterte Ausgabe seines Romans unter dem Titel Eduard Allwills Briefsammlung. Vage angekündigt hatte J. eine Fortsetzung des Allwill bereits in seiner Vorrede zur Ausgabe in den Vermischten Schriften von 1781 ( = D3): Wie diese Materialien entstanden und wie sie ins Publicum gekommen sind, verlohnt sich | jetzo nicht der Mühe zu erzehlen. Künftig ehender, wenn ich bey mehrerer Muße und dem Genuße einer beßern Gesundheit, den Versuch machen sollte, was ich   Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Kommentarbandes lag der Briefwechsel J.s für die Jahre 1762 bis Juni 1788 in sieben Text- und vier Kommentarbänden bereits historisch-kritisch ediert vor. Somit bildete eine publizierte Gesamtedition die Grundlage des Editorischen Berichts für D1 bis D3. Dagegen ist die Quellenbasis für die hieran anschließenden Jahre schwieriger. Es lagen mir aufgrund meiner langjährigen Mitarbeit an der Edition des Jacobi-Briefwechsels zwar bereits nahezu fertige, durchsuchbare WordDateien für die Jahre Juli 1788 bis Dezember 1790 ( = JBW I,8, inzwischen erschienen) sowie für die hieran anschließenden Jahre 1791 bis September 1794 ( = JBW I,9 und I,10) vor. Auch für die folgende Zeitspanne – Oktober 1795 bis Dezember 1798 ( = JBW I,11) – lagen mir immerhin bereits sämtliche nur im Druck überlieferten Briefe sowie sämtliche Briefe bis einschließlich April 1795 in elektronischer Form vor, da ich sie selbst im Jahr 2013 an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig erarbeitet hatte (wobei die erste Abschrift der nur im Druck überlieferten Briefe weitgehend von einer wissenschaftlichen Hilfskraft geleistet wurde). Doch für die anschließenden Jahre ab 1799 konnte ich nur auf die gedruckten Briefe, soweit sie in weit verstreuten Ausgaben überliefert sind, zurückgreifen. Dies ist lückenlos nur für die Jahre 1811 und 1812 geschehen, in welchen D5 entstand und publiziert wurde. Eine überaus hilfreiche Grundlage hierfür war die von Dr. Jürgen Weyenschops angefertigte und bis 2012 von ihm beständig aktualisierte Briefliste in Form einer Excel-Datei. Sie war Grundlage einer systematischen Sichtung des Briefwechsels J.s in den Jahren 1811 und 1812, wobei aber nur die gedruckten Briefe konsultiert werden konnten. Somit ist davon auszugehen, daß vor allem der Editorische Bericht zu D5 nach Beendigung der Edition des Briefwechsels Friedrich Heinrich Jacobis (geplant für 2027) noch die ein oder andere Ergänzung erfahren wird. 171  J. an Gotthold Ephraim Lessing, 28. November 1781, JBW I,2.225,28–33. 172  Siehe Anm. zu 91,20–21. Vgl. auch Holtzmann: Ueber Eduard Allwills Briefsammlung, 25. Abweichend hiervon zählt J. in seinem Brief an Charles Truemann ( = Graf d’Angiviller) vom 11. Oktober 1796 nur acht neue auf, da er den XIII. vergißt; siehe ABW II.239. Ebenfalls abweichend ist die Angabe des Rezensenten in der Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek, 1793. Bd 5, St. 1. 153, der zehn neue Briefe anführt, weil er den VII. auch unter die neuen rechnet, obgleich er in D2 bereits gedruckt war und nur in D3 fehlt. 170

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von diesen Materialien noch besitze zu sichten, zu ordnen, und dem gesammten Vorrath nicht eine dichterische, sondern nur eine philosophische Ründung zu geben.  173 Unter den neuen Partien der Fassung von 1792 (D4 ) befinden sich solche Briefe, die zur ursprünglichen Konzeption des Romans   174 gehört haben könnten, deren Entwürfe oder erste Fassungen teils möglicherweise in die Entstehungszeit von D1 und D2 fallen und / oder die Teil jenes Konvoluts waren, das J. sowohl in seiner Erklärung zur Nicht-Fortsetzung des Romans im Teutschen Merkur (D2) von 1777 als auch im Vorwort zur erneuten Ausgabe in den Vermischten Schriften von 1781 erwähnt.  175 Insbesondere in der oben zitierten Erklärung vom Februar 1777 ist nicht nur von verschiedenen Briefkonvoluten die Rede, sondern auch von ihrer Position im Werk. Einen Anhaltspunkt für die Annahme, daß in D4 auch ursprüngliche Konzeptionen realisiert wurden, stellt beispielsweise der Umstand dar, daß J. in D2 auf einen Brief verweist, der nicht schon in D2, wohl aber dann in D4 enthalten ist.  176 Wie weit aus den Entstehungsphasen von D1 und D2 stammende Konzepte und Briefentwürfe aber tatsächlich in D4 eingingen, muß fraglich bleiben, zumal selbst dann, wenn es zu Beginn des Jahres 1777 wirklich so geplant war, sich fünfzehn Jahre später doch eine ganz andere Zusammenstellung und Reihenfolge hätten ergeben können; nach J.s eigener Auskunft auch wohl ergeben haben.  177 Ein Indiz für eine solche Änderung in der Komposition könnte man etwa in der Tatsache erblicken, daß in der Frühfassung des Romans zu Beginn des Briefes von Sylli an Lenore und Clärchen ausgesagt wird: Ich habe kürzlich   VS 4 f. ( JWA 7.112,22–28 ).   Siehe J. an Goethe, 26. August 1774, JBW I,1.250,23–25. Siehe auch oben 90,9 –91,3. 175  Siehe Der Teutsche Merkur. 1777, Februar, 154 f. (zitiert im Editorischen Bericht zu D2) sowie VS 4 f. ( JWA 7.112,22–28 ). Es ist dort von Materialien und von dem gesammten Vorrath die Rede. – Vgl. auch, was der Herausgeber des Auserlesenen Briefwechsels J.s, Friedrich Roth, in dem auf den 24. August 1824 datierten Vorbericht schrieb; siehe ABW I.V: Die größte [Lücke] ist wohl durch Jacobi’s Befehl, der auf das gewissenhafteste vollzogen worden ist, entstanden, eine Anzahl Briefe, die er für die Fortsetzung des Allwill zurückgelegt hatte, sogleich nach seinem Tode zu verbrennen. Der Umstand, daß Roth Briefe, die Teil (einer Fortsetzung) des Allwill-Romans hätten werden sollen, unter jene rechnet, die einen Verlust für die von ihm herausgegebene Briefausgabe bedeuten, erscheint seltsam. Oder waren es echte Briefe, aus denen J. Passagen in den Roman einbauen wollte, wie er es oftmals tat? Könnten es dann unter anderem auch die nicht überlieferten Briefe von Goethe sein (siehe JBW I,2.XVII, Nr. 391 bis 422)? – Vgl. auch den Editorischen Bericht zu D2 und D3. 176  Siehe Anm. zu 12,4. Es handelt sich um den Brief Nr. III. ( C l e r d o n a n Sy l l i, 4. März); siehe oben 101–103. 177  Siehe in der Vorrede oben 90,9 –91,1. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Schwartz: Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«, 10: Belege dafür, daß Jacobi Aufzeichnungen aus dieser Zeit für seine Ausgabe 1792 benutzt hat, lassen sich nirgends finden. Die Möglichkeit besteht. Aber dann ist das Alte so umgearbeitet und mit Neuem so durchsetzt, daß eine Herausschälung – mit Ausnahme einer kurzen Stelle – unmöglich ist. 173 174



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an ­C l e r d o n , an Euch und zweymahl an A m a l i a geschrieben; […],  178 wobei die genannten Briefe in der Sammlung nicht vertreten waren, während diese Stelle in der Spätfassung lautet: Ich habe dreymal hintereinander nach C** geschrieben; […]    179, was sich auf Syllis Briefe an Clerdon beziehen läßt, die in beiden Fassungen den Eingang des Romans bilden.  180 Unter den neuen Partien finden sich aber auch solche Briefe, die erst zu einem späteren Zeitpunkt, womöglich erst im Rahmen der Wiederaufnahme der Arbeit an dem Roman vor dessen erneuter Publikation, entstanden sein können, wobei J. allerdings auch hier auf Vorarbeiten, zumindest auf eine umfangreiche Materialsammlung, zurückgreifen konnte, wie er in seiner Vorrede zu D4 schreibt.  181 Zu den sicher erst nach D3 entstandenen Teilen gehört etwa der Brief Nr. XV. Cläre an Sylli. in welchem J., eingebettet in eine Klavierszene, seine bereits 1787 in der Beylage. Ueber den Transscendentalen Idealismus dem David Hume beigefügte Kritik der Kantischen Transzendentalphilosophie wiederholt – allerdings ohne den Namen Kants zu erwähnen. Im selben Brief ist auch eine erstmals in D4 gedruckte Passage aus Johann Georg Hamanns Brocken zitiert, die J. erst nach Hamanns Tod, vermutlich im November 1788, von dessen Sohn Johann Michael aus dem Königsberger Nachlaß erhalten hat.  182 Auch die Zugabe. An Erhard O** entstand zu einem späteren Zeitpunkt, wofür nicht nur die Datierung auf den 28ten Jänner 1791 spricht, sondern ebenfalls die Bezugnahme auf die Ausgabe des Journal de Paris vom 14. Januar 1791.  183 Eine erste Spur der Arbeit an diesem Text, die zugleich zu den beiden Daten vom Januar paßt,  184 gibt der Brief J.s an Johann Caspar Lavater vom 7. März 1791, in welchem es heißt: Ich schreibe itzt an ein paar Bogen wider die Ph i l o s o ph ie d u j ou r im weitesten Verstande, unter dem Titel: »An Erhard O, so gut, als aus Allwills Papieren.« Komme ich damit zu Ende, so wird es Dir bald.  185 Lavater meldet in seinem Antwortbrief vom 15. März 1791 auch sogleich sein Interesse an: Sende oder bringe mir doch bald das an Erhard O…. Ich nähre mich so herzlich gern mit allen Antiphilosophien d u j ou r.   186 Die Abhandlung ist Lavater jedoch nicht von J. zugesandt worden, sondern eher ungeplant in seine Hände gelangt: bei dem Besuch des Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg und seiner Reisegesellschaft bei Lavater in Zürich, von Ende August bis Anfang September 1791. Am 16. Oktober 1791 schrieb Georg Heinrich ­Ludwig   Oben 52,19 f..   Oben 145,23. 180  Siehe zu solcherlei Veränderungen auch die Vorrede, oben 91,20–31 sowie die Anm. zu 145,12–13. 181  Siehe oben 90,9 –91,3. 182  Siehe die Anmm. zu 167,36 und 168,33–35. 183  Siehe oben 221,1 und Anm. zu 225,14 –226,4. 184  Siehe hierzu auch J. an J. F. Kleuker, 27. Februar 1792, JBW I,9.217,22 f. : Er ist wirklich um die Zeit seines Datums geschrieben, aber nachher noch sehr, und ich fürchte fast zu viel bearbeitet worden. 185  JBW I,9.21,6–8. 186  JBW I,9.23,6–7. 178

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Nicolovius aus Genf an J.: Mit deiner Epistel an Erhard O*** habe ichs arg gemacht. Aber schilt mich so gut du kannst. Lavater konnte unter der ewigen Zerstreuung der er jeden Tag von Morgen bis Abend ausgesetzt ist, gar nicht dazu kommen, sich die Epistel von mir vorlesen zu lassen. Den letzten Abend erinnerte ich ihn daran, aber da wollte er mit uns reden, sagte nachher die Augen thäten ihm bey Licht wehe, er könne den Aufsatz also nicht bis morgen früh lesen, ich sollte ihn ihm geben, und er wollte ihn mir gleich nachschicken. Ich war in der äussersten Verlegenheit. Sollte ich ihn durch dein Misstrauen kränken? Oder sollte ich ihm Misstrauen zeigen? Ich gab ihm also die alte Abschrift die ich noch aus Emkendorf hatte. Nun aber hat er sie noch immer, u ausser einen Zettel, den Stolberg hier von ihm bekommen hat, haben wir seitdem nichts von ihm gehört. Schilt mich, lieber Vater ich bitte dich so sehr ich kann. Schilt mich, nur schweige nicht.  187 Diese Episode legt zweierlei nahe: zum ersten, daß Lavater die Epistel bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte, zum zweiten, daß Nicolovius den Auftrag von J. erhalten hatte, Lavater mit der Epistel bekannt zu machen. Entsprechend setzt J. in dem Brief vom 25. April 1792, der die Übersendung des gedruckten Werkes an Lavater begleitete, dessen Vertrautheit mit dem Text voraus: Die Zugabe, welche Du großentheils schon kennst, mußt Du hier in ihrer verbesserten Gestalt noch einmal lesen.  188 Mitte Mai 1791 lag offenbar nicht nur das Manuskript, sondern bereits eine überarbeitete Fassung des Manuskriptes vor, wie aus J.s Brief an seinen Verleger und den Verleger der Zeitschrift Neues Deutsches Museum, Georg  Joachim Göschen, vom 18. Mai 1791 hervorgeht: Ich hörte vor ganz kurzem, das Museum würde mit dem Juni auf hören, u wollte es nicht glauben, weil Sie mir geschrieben hatten, es höbe sich. Jetzt ist mir diese Nachricht aber durch einen Freund bestättigt worden, der einen Aufsatz von mir in Händen hatte, u dem ich schrieb, er sollte ihn Boien [Heinrich Christian Boie, der Herausgeber der Zeitschrift] fürs Museum schicken. Vielleicht erfahre ich künftigen Donnerstag das Gewiße. Höre ich daß das Museum noch fortgesetzt wird, so sende ich sogleich eine saubere Abschrift meines Aufsatzes mit der reitenden Post an Sie ab. Denn das war die Abrede, daß nicht die Handschrift, die Boien mitgetheilt wurde, sondern eine, die ich unmittelbar an Sie schicken würde, abgedruckt werden sollte, weil ich das Ding fast durchaus neu bearbeitet habe. Es heißt: a n E r h a r d O –. S o g u t a l s a u s A l l w i l l s Pa pie r e n . Ich melde Ihnen dieses allein deswegen, damit, wann etwa B. Ihnen die Handschrift geschickt hätte, um dies Stück noch in den Juni zu bringen, Sie es nicht abdrucken laßen. Ich möchte überhaupt hier nicht gern derjenige seyn, der die Thüre zumacht.  189 Hieraus ergibt sich für die Zugabe eine erste Entstehungszeit von Ende Januar bis zum Mai 1791. Die von Peter-Paul Schneider aufgezeigten Parallelen zwischen den Ein­tragungen zu Beginn der Kladde IV der überlieferten Notizbücher J.s, die J.   JBW I,9.103,15–27.   JBW I,9.272,12–13. 189  JBW I,9.34,14–27. 187

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gemäß Deckelaufschriften am 20. bzw. 29. März 1791 begann, und der Zugabe. An Erhard O** bestätigen diesen Entstehungszeitraum.  190 Da jedoch die Zeitschrift mit dem 6. Stück ( Juni) des vierten Bandes von 1791 tatsächlich eingestellt wurde, erschien J.s Zugabe nicht an dem zunächst von ihm vorgesehenen Ort. Aus einem Brief an Johann Friedrich Kleuker vom 6. Juni 1791 geht hervor, daß J. zunächst plante, diese gemeinsam mit zwei anderen Schriften noch im Herbst zu publizieren: In dem Zeitraume von Ostern habe ich denn doch etwas ausgearbeitet, und ich war im Begriff diesen kleinen Aufsatz ins Museum zu schicken, als ich erfuhr, daß diese Monathsschrift mit dem Juni abermals ein Ende nehmen werde. Ihr mit meinem Aufsatze gleichsam die Augen zuzu­d rücken, stund mir nicht an. Er soll nun mit zwey andern, welche ich diesen Sommer auszuarbeiten hoffe, auf die nächste Messe kommen.  191 Dieser Plan zerschlug sich allerdings. Im Rahmen der Arbeit an der Neuausgabe des Allwill von 1792, die wohl zu Beginn des Jahres 1792 – oder wenig zuvor – einsetzte, entschied sich J. dann offenbar, auch diese Epistel a n E r h a r d O –., deren inhaltliche Nähe zum Allwill ja bereits in ihrem ursprünglichen Titel angezeigt worden war ( S o g u t a l s a u s A l l w i l l s Pa p ie r e n ), in die Neuausgabe in Form einer Zugabe aufzunehmen. In der Vo r r e d e erklärt er hierzu: Ich frage also jedweden, ob er die Familienähnlichkeit zwischen dem Schreiben an Erhard O** und den Briefen der Allwillischen Sammlung sich zu leugnen unterfangen werde? / Jenes Schreiben ist durchaus philosophischen Inhalts, hat aber gar nicht die philosophische Einrichtung, welche den Angriff vo n A u s s e n eben so bequem macht, als die Vertheidigung n a ch Aussen, und daher bey Feinden und Freunden gleich beliebt und wohl gelitten ist. / Warum fehlt ihm diese bessere Einrichtung? Ich sage, sie fehlt ihm deswegen, weil es ein Stück der Allwillischen Sammlung ist, das nur Reisaus genommen hatte. Es konnte aber für sich allein nicht bestehen; kam zurück, und wurde als eine Zugabe angenommen. Sie wurde allerdings nicht unverändert angenommen, sondern wurde erneut Gegenstand einer Überarbeitung. J. sandte das Manuskript am 27. Februar 1792 an seinen Freund Johann Friedrich Kleuker mit der Bitte um eine kritische Sichtung: Hier, mein liebster Freund, der Aufsatz, wovon ich Ihnen schon einmahl vor einiger Zeit, ich weiß nicht mehr | wann, und neulich wieder geschrieben habe. Er ist wirklich um die Zeit seines Datums geschrieben, aber nachher noch sehr, und ich fürchte fast zu viel bearbeitet worden. Lesen Sie ihn mit ganz unbefangenem Gemüth, und schreiben Sie sich den ersten Eindruck, den Sie davon empfangen, auf. Hernach prüfen Sie ihn kritisch, und theilen Sie mir sowohl Ihr erstes Ur­theil, als Ihre nachherigen Anmerkungen mit. Ich wünschte, daß Sie sichs einen rechten Ernst mit dieser Durchsicht seyn ließen. Aber viel Zeit kann ich Ihnen dazu nicht geben. Der Drucker sitzt mir auf dem Halse […]. Also wäre es mir   Siehe Peter-Paul Schneider: Die »Denkbücher« Friedrich Heinrich Jacobis. Stuttgart-Bad Cannstatt 1986 (Spekulation und Erfahrung: Abt. 2, Untersuchungen; Bd 3). 82 und 324–333, dort auch 324 f. zu den überlieferten Handschriften. 191  JBW I,9.39,14–20. 190

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lieb, wenn ich schon morgen über 8 Tage das Sendschreiben an Erhard O** mit Ihren Anmerkungen begleitet zurückerhalten könnte. Es werden denn doch noch ein paar Tage damit hingehen, daß ich die Verbesserungen, die Sie mir rathen werden, anbringe. Wenn es Ihnen aber nicht möglich ist, mit Ihrer Kritik so geschwinde fertig zu werden, so verschieben Sie die Zurücksendung noch einen Posttag, denn mir ist zu viel daran gelegen, daß dieser Aufsatz von Fehlern so sehr gereinigt werde, als es sich thun läßt, da ich ohne dem genug mit ihm anstoßen werde.  192 Kleuker antwortete ihm ausführlich am 3. März 1792: Ihr letzter lieber Brief, M. Th., nebst dem beykommenden Manuscript (Zugabe zu Allwills Briefsammlung) überraschte mich ehegestern dermaßen angenehm, daß ich Alles liegen ließ und sämmtliche Stunden meiner Muße bis diesen Augenblick dazu anwandte, das Manuscript dreymal zu lesen, darüber nachzudenken und dasjenige zu Stande zu bringen, was ich Ihnen darüber sagen wollte und konnte. / Wäre dies das Erste gewesen, was ich von Ihnen zu lesen bekommen hätte, und Sie wären mir völlig unbekannt gewesen – dies wird wenigstens der Fall derer seyn, die Sie lesen werden, wenn wir nicht mehr schreiben – so würde ich am Ende zu mir selbst gesagt haben: der Mann verdient, wie wenige, studiert zu werden. Er redet aus dem tiefsten Bewußtseyn und für dasselbe; er denkt über die Dinge, worüber gedacht zu werden verdient, als einer, dem es um die Wahrheit selbst zu thun ist, der es sich sauer darum werden ließ, beym Suchen nicht ermüdete, weil er ahndete und hoffte, daß sich etwas finden würde, was des Suchens und Nichtablassens werth wäre; der nicht Leichtes für schwer, noch Schweres für leicht hält; der so sehr alles versucht hat, daß er weder mehr zu täuschen ist, | noch sich selbst täuscht, noch andere täuschen will, auch bis zu einem Standpunkte fortgerückt, auf dem er vieles braucht, um zu ur­ theilen, alles brauchen kann und ganze Massen übersiehet; dessen Gedanken keinen gelehrten Marktpreis haben, weil sie andern Ursprungs sind. Was hat er sonst geschrieben, um diese Frucht seines Geistes durch jene und jene durch diese zu verstehen? Er wird überall, auch wenn er von den heterogensten Dingen sprach, Etwas von seinem Selbst mitgetheilt haben. So würde ich zu mir selbst sprechen, wenn ich als Leser in dem angenommenen Falle gewesen wäre, und dies war diesesmal der natürlichste, den ich annehmen wollte und konnte. / Wenn ich von dem mir mitgetheilten auf das Übrige schließen darf, so wird der Gehalt dieses 2ten Theils, aber nicht die Denkart ihres Verfassers gegen den ersten abstechen. Auch was den S t y l betrifft. Dieser beweist vollendete Kunst, und daß es dem Verfasser nicht möglich war, auch nur eine Zeile sich selbst vergessend, oder der Parade wegen, zu schreiben. Nur möchte man hie und da weniger Aphoristisches und Vorenthaltenes, mehr Negligee gleichsam und leichte Evidenz wünschen, um desto schneller fortzukommen. Der TotalEindruck würde verstärkt werden, wenn die Aufmerksamkeit nicht beym Einzelnen zu verweilen und sich anzustrengen hätte. / Ohngeachtet Ihre   JBW I,9.217,20 –218,4.

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Philosophie mehr voraussetzt, um verstanden und annehmlich gefunden zu werden, als alle C o d ic e s der neuesten Weisheit: so wird sie doch für manchen Reize haben, der in den Kantischen Sandwüsten weder gern verdursten, noch sich verirren und berauben lassen möchte. Vor allem wird es darauf ankommen, ob Folgendes, was ich beim zweiten Lesen für mich selbst zunächst angemerkt habe, den Geist der Schrift und den Zweck des ganzen Vortrags ausdrückt.  193 Der Antwortbrief   J.s vom 16. März 1792 zeigt, daß er die Anmerkungen Kleukers zu einer weiteren Überarbeitung nutzte und überdies mit Kleukers Rezeption der Zugabe höchst zufrieden war: Hier, mein Liebster, die versprochene Fortsetzung, aber nicht der versprochene Brief, weil ich unpäßlich bin. / Schon aus den drei Blättern von Erhard O**, die Sie hier erhalten, werden Sie sehen, daß ich ein Autor bin, der sich sagen und weisen läßt. | Ihren Auszug aus meiner Epistel habe ich bewundert, und Schenk hat ihn bewundert. Er ist vollkommen richtig.  194 Bei der in diesem Brief erwähnten versprochene[n] Fortsetzung handelt es sich um den zweiten Teil der Lieferung des Allwill-Drucks, die J. bereits in seinem Brief an Kleuker vom 27. Februar angekündigt hatte: Der Drucker sitzt mir auf dem Halse, und Morgen über 8 Tage werde ich mit dem Manuscript, das ich noch für ihn habe, zu Ende seyn. In demselben Brief führt J. zu jenem Manu­script genauer aus: Doch noch mehr [werde ich Anstoß erregen] mit einem andern [Aufsatz], den Sie in dem Bündchen [!] finden werden, wovon ich Ihnen Freytag über 8 Tage den größten Theil schon werde überschicken können. Das Ganze wird 20 oder 21 Bogen betragen, und ohngefähr ⅓ davon ist alt, aber doch sehr renovirt und verbessert.  195 Die Übersendung eines ersten Teils erfolgte dann am 10. März 1792: Ich […] schicke Ihnen heute nur die 14 ersten Bogen meines Buches, über die ich unaussprechlich ungeduldig bin Ihr Urtheil zu erfahren. Freytag schicke ich wieder 4 Bogen; aber die Vorrede, die ein Hauptstück ist, wird erst heute über – – Tage folgen können. Gerne hätte ich Sie diese zuerst lesen lassen, aber meine Ungeduld war zu groß, diese 14 Bogen in Ihren Händen zu wissen und zu erfahren, was sie für einen Eindruck auf Sie machen, als daß ich hätte abwarten können, daß alles beysammen wäre.  196 Das Allwill-Manuskript der Fassung von 1792 wurde somit Anfang März 1792 abgeschlossen und ging zeitgleich in den Druck. Doch wann hatte J. die Arbeit am Allwill aufgenommen? Einen ersten Hinweis, der aber noch keine ­Assoziation des Allwill weckt und somit auch einen verworfenen ursprünglichen   JBW I,9.236,28 –237,35. – An dieser Stelle findet sich in der Edition von Henning Ratjen, in welcher die Briefe an Kleuker überliefert sind, in einer Fußnote der Hinweis: Der Auszug Kl. aus Jacobi’s Schrift, und Kl. Anmerkungen sind hier weggestrichen worden. Siehe Johann Friederich Kleuker und Briefe seiner Freunde. Im Anhange zwei Briefe Imm. Kants an Hamann. Hg. von H[enning] Ratjen. Göttingen 1842. 169. 194  JBW I,9.252,5–8. 195  JBW I,9.218,4–8. 196  JBW I,9.242,28 –243,3. 193

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Plan bezeichnen könnte, findet man in J.s Brief an Kleuker vom 15. Januar 1792. In diesem heißt es: Die Überbringerinn dieses Blattes, Fräulein von Busche, wird Ihnen sagen, wie ich lebe, und daß es mir auch den Winter hindurch an Zerstreuungen nicht gefehlt hat. Zwischen durch benutze ich jeden Augenblick, um auf die Jubilate-Messe ein Bändchen vermischte Schriften fertig zu haben. Wenn es immer angeht, so plage ich Sie durch Über­ sen|dung von ein paar der wichtigsten Aufsätze in der Handschrift, damit ich Ihr belehrendes Ur­theil vor dem Abdruck benutzen könne!  197 Erst aus einem zwei Tage später, am 17. Januar, gemeinsam mit seiner Halb­schwester Susanne Helene (Lene) an Amalia Fürstin von Gallitzin in Münster verfaßten Brief geht hervor, daß es sich bei dieser Arbeit und geplanten Publikation um eine vielfach erweiterte neue Ausgabe des Allwill-Romans handelt: [von Lenes Hand:] Das ärgste für den armen Fritz aber, u was seiner Gesundheit wirklich schadet, ist, daß er auf die Ostermeßen noch ein Buch liefern soll. Der Buchhändler Nicolovius in Königs|berg, Bruder des wackern jungen Mannes den Sie kennen, hat ihn so dringend darum angelegen ihm etwas von sich in Verlag zu geben, daß er endlich nachgeben mußte, besonders aus Freundschaft für den Bruder.  198 Nun wekt es ihn schon morgens um 4 Uhr u treibt ihn den ganzen Tag mit angst jeden ruhigen Augenblick aufzusuchen, der ihm von der belebung seiner Gäste übrig bleibt. Ein g a n z ne ue s Buch giebt es zwar nicht; aber viele neue Briefe zu Allwills Papiere die wieder aufgelegt werden; u manch neues in Woldemar, deßen Ende jedoch im Stecken bleiben wird. Die schöne Stelle Ihres Plato, werden Sie auch in einem dieser neuen Briefe finden, Sie gehört unter Fritzens Lieblingsstellen, weil er so oft das Prickeln u stechen fühlt, das unerträglich seyn u ihm einen wirklichen Taranteln Tanz drohen würde, sähe er nicht schon die schönen Flügel sich entfalten, die ihn heben werden, wenn der niederwerfende Schwindel beginnen will. – – – / [von J.s Hand:] Lene ist abgerufen worden, [./. .] Lene hat Ihnen von dem Buche, welches ich auf   JBW I,9.159,24–30. – Zu dieser Zeitangabe paßt auch, was J. am 5. Mai 1792 bei der Übersendung des gedruckten Werkes an Elise Reimarus schrieb; siehe JBW I,9.287,9–11: Nehmen Sie zugleich dieses Buch, dessen Ausarbeitung mir den vorigen Winter verschönert, oder vielmehr schön gemacht hat. Da sich jedoch vor Januar keine Spuren der Arbeit am Allwill finden lassen und J. in seinem Brief an Charles Truemann ( = Graf d’Angiviller) vom 11. Oktober 1796, ABW II.239, rückblickend schrieb, daß er die (alten) Briefe 1792 wieder durchsah (Je les revis en 1792, […].), muß wohl das Jahr 1791 nicht mit einbezogen werden. Anders sieht dies Schwartz: Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«, 57. – Vgl. im übrigen auch J. an Georg Arnold Jacobi, 30. Januar und 1. Februar 1792, JBW I,9.181,10–12 : Zwischen durch mußte ich […] eine Arbeit für den Druck unternehmen, mit der ich noch nicht sehe, wie ich fertig werden will, u doch auf J u b i l a t e durchaus fertig werden muß. 198  Friedrich Nicolovius war der Bruder jenes Georg Heinrich Ludwig Nicolovius, der ein Freund Johann Michael Hamanns war, von dessen Vater, Johann Georg Hamann, besonders geschätzt wurde und während der Entstehungszeit des Allwill (D4 ) in der Funktion eines Hofmeisters die Familie Stolberg auf der Reise nach Italien begleitete, bei der auch J.s Sohn Georg Arnold anwesend war. 197



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Jubilate zu liefern versprochen habe, geschrieben. Dieser erste Band wird nichts v Woldemar, sondern nur den mehr als verdoppelten Allwill, u außer­dem noch ein paar Episteln enthalten. Ich denke viel an Sie bey meiner Arbeit, u hoffe sie soll Ihnen Freude machen, wenigstens dem größten Theile nach.  199 Der Umstand, daß hier von mehreren Episteln die Rede ist und von einem mehr als verdoppelten Allwill, während in dem Brief an Kleuker vom 27. Februar nur ein Drittel des Manuskripts als alt bezeichnet wird und nur noch das Sendschreiben an Erhard O** erwähnt ist, könnte ein Beleg dafür sein, daß einige Allwill-Briefe zu jenem Zeitpunkt (Mitte Januar 1792) – wie die Zugabe – als Anlagen oder Beilagen gedacht waren, die auf den eigentlichen (Roman-)Text folgen sollten. Allerdings ist auf dem Titelblatt der Druckfassung auch von einer Z u g a b e vo n e i g e n e n B r ie f e n die Rede – nicht nur von e i n e r Epistel. Auf diese Phase der Über- und Erarbeitung des Allwill für einen erneuten Druck im Jahr 1792 blickte J. in seinem Brief an Charles Truemann ( = Graf d’Angiviller), der das Werk ins Französische übersetzen wollte, vom 11. Oktober 1796 zurück: Je les [ les lettres] revis en 1792, les retouchai et y en ajoutai de nouvelles. Les nouvelles sont la 3me, 10me, 11me, 15me, 16me, 17me, 19me. Quant aux anciennes, il s’en faut bien que je les aye corrigées au point d’en être content. J’aurais dû à peu près tout refaire, et cela ne valait pas la peine; car d’aucune maniere cette rhapsodie ne pouvait devenir un ouvrage régulier; ce sont des débris, des décombres, l’on ne sait de quoi. Aussi quand en 1792 je pris mon recueil en main pour le relire, les premières lettres me déplurent tellement, que je jettai le volume bien loin de moi dans un coin avec une véritable colère. On me persuade après un couple de jours de le reprendre. Alors je lus la lettre d’Allwill à Clément, à présent la 9me du recueil. Cette lettre malgré ses défauts me saisit tellement, me fit une impression si extraordinaire et si profonde, que je résolus de | conserver l’ouvrage dont elle faisait partie. Dans ce même moment je passais à un autre extrême; je ne crus plus avoir le génie qui m’avoit inspiré en 1775. Je m’essayai et fis la lettre d’Amélie à Sylli, la 11me du recueil, qui je crois en est une des meilleures. Alors je repris courage et j’arrangerai le mieux que je pus mon premier volume. Cela fait, j’entrepris la régénération de Woldemar qui me conduisit plus loin que je n’avais pensé.  200 Demnach wäre der elfte Brief der Sammlung, Amalia an Sylli, derjenige unter den neuen Briefen, der von J. 1792 zuerst verfaßt worden ist. Aus der Phase der konzentrierten Arbeit am Allwill, wie sie von Lene Jacobi in dem oben zitierten Brief an Amalia von Gallitzin beschrieben ist, finden sich keine weiteren Briefstellen, die von der Arbeit am Allwill zeugen. Nur ein fast unvermeidlicher Seufzer in J.s Brief an Georg Forster vom 9. Februar 1792: Ich habe Nicolovius in Königsberg ein Bändchen auf die Messe versprochen, das muß durchaus fertig seyn, und will nicht fertig werden.  201 Am Ende   JBW I,9.163,23 –164,12.   ABW II.239–240. 201  JBW I,9.188,1–3. – Siehe auch das Briefzitat Ende FN 197. 199

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des Monats Februar hat es eine nicht überlieferte Korrespondenz J.s mit seinem Königsberger Verleger Friedrich Nicolovius über den genauen Titel der Publikation gegeben, auf die J. in seinem Brief an Georg Joachim Göschen vom 28. März 1792 Bezug nimmt: Ich werde auch erscheinen mit einem Bande Allwill, den Nicolovius verlegt. Er hat mich an Sie gewiesen, um den Titel in den Meßcatalogus zu besorgen. Der Titel ist folgender. E d u a r d A l l w i l l s B r ie f s a m m lu n g , h e r a u s g e g e b e n vo n F.  H . J a c o b i , m it e i n e r Z u g a b e vo n e i g e n e n B r ie f e n . E r s t e r B a n d .  / Einen etwas andern Titel hatte ich vor 4 Wochen Nicolovius angegeben, u diesen wird er wahrscheinlich an die Weidmannische Buchhandlung besorgt haben; sorgen Sie also daß dieser zurückgenommen, u der rechte eingerückt werde. Ich habe vor 8 Tagen, da ich den Brief v Nicolovius, der mich an Sie wies, noch nicht hatte, an den Buchdrucker Summer, deßen Adreße mir Nicolovius einmahl, um ihm etwas zu schicken gegeben hatte, eben dieser Sache wegen geschrieben. Vielleicht ist also die Austauschung des rechten Titels gegen den falschen schon geschehen; ich bitte Sie aber recht sehr nachfragen zu laßen.  202 Die ersten Bogen des Allwill übersandte J. am 10. März 1792, also am selben Tag, an dem auch die erste Lieferung an Kleuker abging, nach Neapel an seinen Sohn Georg Arnold und mit ihm an Friedrich Leopold zu Stolberg, an dessen Ehefrau und an den Hofmeister ihrer Kinder und Reisebegleiter Georg Heinrich Ludwig Nicolovius: Erst heute vor 8 Tagen, da ich das Packet an Nicolovius abfertigte, ertheilte ich Befehl nach dem Ort zu fragen, bis zu welchem man frankieren könne; u da hörte ich zu meiner großen Freude, daß man von hier aus bis Mantua bezahlen könne. Auf der Stelle entschloß ich mich nun, Euch den Allwill, in 3 Portionen, mit der Briefpost zu schicken. Die erste Portion wäre schon Mittwoche abgegangen, wenn mir nicht zu meinem großen Verdruß ein Besuch in die Quere gekommen wäre, der mich zwang die Post zu versäumen. Hier erscheinen 9 Bogen, u Mittwoche sollen die 9 folgenden abgehen. Daß ich das Porto von Mantua bis Neapel ersetze, wird sich wohl von selbst finden. Das Exemplar gehört Euch allen gemeinschaftlich, doch so daß Papa Stolberg als Lehnsherr darüber zu disponieren habe, und ihm das dominium proprium nie streitig gemacht werde. […] / […] Mittwoche hörst du wieder von mir, u erhältst eine Portion Allwillsbriefe, die sich wird sehen laßen dürfen. Grüße aus allen deinen Kräften in meine Seele Stolberg, Stol­ berginn u Bruder Jonathan.  203 Anders als angekündigt gehen am Mittwoch, dem 14. März, nur fünf Bogen auf den Weg nach Italien: Ihr erhaltet dießmahl nur fünf Bogen, aber in diesen fünf Bogen auch das Wichtigste, was Ihr noch zu erwarten habt. In dem übrigen ist nichts ganz neues mehr, ausgenommen die Vorrede. Diesen ganzen Rest schicke ich heute über 8 Tage ab. Er wird 8 Bogen betragen. / Ich kann heute mehr nicht schreiben, weil ich arge Kopfschmerzen habe, und mit diesen Kopfschmerzen doch noch einen Correcturbogen durchsehen muß, und zwar mit doppelter An  JBW I,9.257,3–16.   JBW I,9.242,5–23.

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strengung, weil auch Herr Schenk heftige Kopfschmerzen hat.  204 Stolbergs Antwort vom 13. April (im Folgenden zitiert) belegt, daß diese ersten beiden Postsendungen wohl den gesamten Romantext, außer den letzten beiden Briefen und der Vorrede, umfaßten. Die Versendung der noch ausstehenden Teile des Romans verzögerte sich erneut, wie der Brief an Georg Arnold vom 24. März zeigt, da der in (Köln-) Mülheim ansässige Drucker Johann Conrad Eyrich, mit dem J. seit der Erstausgabe des Spinozabuches im Jahre 1785 zusammenarbeitete, die gedruckten Bogen nicht übersandte: Die fehlenden 8 ¼ Bogen sind vorigen Posttag nicht abgegangen u gehen heute wieder nicht ab, weil Eyrich ein Schlingel ist, der mich hat sitzen laßen.  205 Erst am Mittwoch, dem 28. März, übersendet er den Rest meiner Briefsammlung nach Italien.  206 Eine Resonanz auf die Zusendungen noch zur Zeit der Drucklegung durfte J. aus Italien kaum erwarten, und selbst Kleukers Resonanz auf die ihm in zwei Lieferungen am 10. und 16. März zugesandten Bogen sollte wohl keinen Einfluß auf die Textgestaltung mehr nehmen können. Dasselbe gilt noch mehr von Georg Forster, dem J. am 31. März 1792 ein Exemplar des Allwill mit dem Worten zusandte: Außerordentliches genug i n e i ne m a n d e r n Ve r s t a n d e erhalten Sie mit dem einliegenden Bande. Ich will gern zufrieden seyn, wenn Sie nur unter dem Lesen nicht mehr Mißvergnügen als Vergnügen empfinden. Wenn Sie mir r e ch t a u f r ich t i g sagen wollten nach dem Lesen, wie es Ihnen dabei ergangen ist, und welchen Eindruck vom Ganzen Sie zuletzt behalten haben, so würde ich es Ihnen herzlich danken. Geben Sie aber Ihr Exemplar nicht weiter; denn da es noch lange hin ist bis Pfingsten, so könnte über den Inhalt ein mir unangenehmes vorläufiges Gerede entstehen und sich verbreiten.  207 Zur Ostermesse 1792 erschien dann die überarbeitete und stark erweiterte Fassung des Allwill, allerdings nicht, wie der ja vielfach korrigierte Titel ausweist, mit einer Zugabe von eigenen Briefen, sondern lediglich mit der in Briefform verfaßten Zugabe. An Erhard O**. Die Auflage umfaßte 1000 Exemplare.  208   JBW I,9.250,27 –251,4.   JBW I,9.254,5–7. 206  JBW I,9.255,21. 207  JBW I,9.258,32 –259,2. Siehe Forsters Dank in seinem Brief vom 6. April 1792, JBW I,9.260,22–24. 208  Darüber, zu welchem Zeitpunkt diese Auflage vergriffen war, lassen sich in den Quellen unterschiedliche Angaben finden. So war gemäß J.s Auskunft in seinem Brief an Jean Paul vom 30. April und 1. Mai 1801, Zoeppritz I.291, die Auflage im Jahr 1801 noch nicht vergriffen. J.s Quelle war eine Auskunft des Verlegers Friedrich Perthes. Vgl. dagegen J. an Jens Baggesen, 23. November 1796, in Karl Baggesen u.a. (Hg.): Aus Jens Baggesen’s Briefwechsel mit Karl Leonhard Reinhold und Friedrich Heinrich Jacobi. 2 Bde. Leipzig 1831. Ib., Bd II.148: Zu Lübeck gab ich Trentlenburger auf, Ihnen den Allwill zu senden, empfahl es ihm dringend, und war sehr verwundert, da ich meine Rechnung erhielt, dies Buch nicht darauf zu finden. Nun suchte ich bei den hiesigen Buchhändlern. Alle sagten mir aber, die Auf lage wäre vergriffen. Ich konnte Dies nicht glauben, da mir Nicolovius nichts davon geschrieben hatte, und ich habe mich an ihn selbst gewandt, aber 204 205

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In der zweiten Aprilhälfte und Anfang Mai sandte J. Exemplare des gedruckten Werkes (D4 ) an Freunde und Bekannte, so am 18. April an Georg Christoph Lichtenberg,  209 am 25. April an Lavater  210 und am 5. Mai an Elise Reimarus, zugleich an ihren Bruder, den Hamburger Arzt Johann Albert Heinrich Reimarus.  211 Forster erhielt am 7. Mai einen Brief von J., der ein Exemplar des Allwill enthielt, welches zur Weiterleitung bestimmt war, für die Forster auch am 10. Mai sorgte: Ihr Buch, liebster Jacobi, ist an Herrn Prof. Schmid ohne Verzug abgegangen, obgleich ich Ihnen erst heute die Nachricht darüber ertheile.  212 Weitere Exemplare gingen nach Münster;  213 versprochen waren ferner Exemplare für Göschen und seine Ehefrau.  214 Auch Goethe, Rehberg    215 und das Ehepaar Herder erhielten wohl ein Exemplar. Am 27. Mai schickte J. sein Buch an den Anatomen Samuel Thomas Soemmerring in Mainz für dessen Ehefrau.  216 In den das Buch begleitenden Briefen an Lichtenberg und Lavater empfiehlt J. vor allem die Beylage, An Erhard O**, die Anmerkung in der Vorrede, und etwa den XVten Brief bzw. erbittet ein Urteil besonders zu diesen.  217 In mehreren Briefen weiß J. von positiven Resonanzen zu berichten, so etwa von Rehberg,  218 Göschen,  219 Pestalozzi;  220 auch Sophie Gräfin zu Stolberg    221 und G. H. L. Nicolovius  222 bekunden ihren Beifall. Eine ausführlichere Resonanz läßt der Brief J.s an Sophia Reimarus vom 6. und 7. August 1792 erahnen. Doch die Antwort J.s ist auf meinen schon vor neun Wochen geschriebenen Brief noch keine Antwort erhalten. Ich schaffe aber auf irgend eine Weise das Buch. Auch die Auskunft in der Vorrede zum vierten Band der Werke, JWA 1.[335],21–24, legt nahe, daß der Allwill im Jahr 1811 seit längerem vergriffen war und immer noch nachgefragt wurde. 209  JBW I,9.270,5–9. 210  JBW I,9.272,11–16 . 211  JBW I,9.287,9–13. 212  JBW I,9.306,15–16 . Siehe auch Georg Forsters Werke XVII.834 und die Einträge ins Postbuch vom 7. und 10. Mai. Der Kommentar weist aus, daß es sich um Christian Heinrich Schmid (1746–1800) handelt, seit 1771 Professor der Poesie und Beredsamkeit in Gießen. 213  J. an Amalia von Gallitzin, 24. April 1792, JBW I,9.271,19–21; vgl. auch J. an Amalia von Gallitzin, 29. Mai 1792, JBW I,9.351,24–26 (dort ist ein Exemplar für Sprickmann erwähnt). 214  JBW I,9.257,17–19. 215  J. an Kleuker, 18. Juni 1792, JBW I,10.31,3–4. 216  JBW I,9.310,12–14. 217  JBW I,9.270,8–9 und 272,12–15. 218  J. an Kleuker, 18. Juni 1792, JBW I,10,3–4. 219  J. an Göschen, 4. November 1793, JBW I,10.281,30. 220  J. an Pestalozzi, 24. März 1794, JBW I,10.342,26–27. 221  Sophie Gräfin zu Stolberg an J., 11. Februar 1794, JBW I,10.319,25–27. 222  G. H. L. Nicolovius an J., 4. November 1792, JBW I,10.138,3–6 : Dein Brief an Erhard O*** ist mir heute Abend lindernder Balsam für diese Verstimmung gewesen, Balsam wie noch nie. Er hat mich wieder mit mir selbst eins gemacht, und Vertrauen zu Dem, der mich geschaffen hat, aufs Neue in meine Seele ausgegossen.



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so spielerisch-scherzhaft gehalten, daß eine zuverlässige Erschließung der Aussagen seiner Korrespondentin weitgehend unmöglich ist. Sehr deutlich aber nimmt J. den Brief zum Anlaß, um seine Adressatin um Mitteilung über die Aufnahme seines Allwill in den Hamburger Kreisen zu bitten.  223 Von solchen, teils nur vermittelt überlieferten Urteilen abgesehen, finden sich im Briefwechsel J.s auch eine Reihe ausführlicher Würdigungen, eine der ersten, in Teilen durchaus kritischen, etwa im Brief Friedrich Stolbergs aus Italien vom 13. April 1792: … . . Wir hatten gehoft mit der heutigen Post die Fortsetzung des Allwills zu erhalten. Wir haben nur bis dahin, wo Allwills Brief an Lucia anfängt. Ich bedarf nicht Dir zu sagen, bester Jacobi, wieviele und welche Freuden uns dieses Büchlein macht. Und doch geht es mir damit wie Johannes in der Offenbarung mit dem Buche, welches er, wie wir das Deinige, ve r s ch l a n g . Es schmeckte ihm anfangs süsse wie Honig, und dann gab es ihm Grimmen im Leibe. Des Honiges und des Honigseimes ist sehr vieles, und von der edelsten Art drinnen. Aber die Metaphysik, in welche das böse Clärchen uns so ganz unvermerkt, mit einer Miene von stumpfnäselnder Truglosigkeit hineinverwickelte, gab uns etwas Grimmen. Amalia ist ein Engel in weiblicher Bildung, ein so reiner und edler Engel, wie sie | auch würklich nur in weiblicher Bildung hienieden erscheinen. Clerdon ist mir so lieb, aber s o l ie b, daß er mir immer in Deiner Gestalt vor Augen leibt und lebt. Wie wahr schrieb Dir aber Wieland, daß Allwill Göthe sey! Ich begreife nicht, wie Göthe Dir das verzeihen kann! Ich sehe ihn, wie Dich im Clerdon. Der lezte Brief von Silly an Amalia ist mir auch unaussprechlich lieb. – Als ich die Briefe des ersten Heftes gelesen hatte, war ich einen Augenblick schwanger mit einem Dank der poetischen Muse, zu der Du zurückkehrest und die Du nie hättest verlassen sollen! … . . Und da ich nun den andern Heft laß, und die Grimmen bekam, da avortirte ich … . . / Verstehe mich aber recht, bester Bruder! Ich vermesse mich ganz und gar nicht, etwas gegen Deine Metaphysik einzuwenden, nur hier und im stumpfnäselnden Schnabel, dem ich auf einem ganz andern Wege sehr gut geworden war, machte sie mich stutzig. Und macht es auch p a r r e f l e c t io n noch … . .  224 Die Rede vom ersten und vom andern Heft bezieht sich wohl auf die am 10. und 14. März nach Italien gesandten neun bzw. fünf Bogen. Die in dem Brief geäußerte Kritik (Metaphysik […] im stumpfnäselnden Schnabel) dürfte sich auf den XV. Brief der Allwillschen Sammlung beziehen, auf jenen Brief also, der in verschlüsselter Form die Kritik J.s an der Kantischen Transzendentalphilosophie enthält, die er im Kern bereits in seiner Beylage. Ueber den Transscendentalen Idealismus (1787) veröffentlicht hatte. Auf diesen bezieht sich J. auch, die Kritik von Stolberg aufgreifend, in dem Brief an seinen Sohn Georg Arnold nach Italien vom 26. Mai 1792: Wenn ich munter bin schreibe ich dann auch an Vater Stolberg u vertheidige mich

  JBW I,10.98,12–33.   JBW I,9.262,12 –263,8. – Die Punkte stehen für von Zoeppritz ausgelassene Briefpassagen. 223 224

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wegen des XVten Briefes im Allwill, von dem ich behaupte, daß er der einzige wirklich dichterische in der ganzen Sammlung ist.  225 Sehr viel distanzierter als das Lob und Kritik gleichermaßen enthaltende Urteil Stolbergs fiel die Reaktion Goethes vom 15. Juni 1792 aus, der am 16. April 1792 J. um die Zusendung des Allwill gebeten hatte:   226 Daß dir dein Alwill bey neuer Durchsicht zu schaffen gemacht hat glaub ich gern. Ich bin selbst davon recht eigentlich angegriffen worden. Es ist eine sonderbare Jugend in dem Ganzen und das Indefinite der Composition und der Ausführung giebt einen großen Reiz.  227 Im selben Monat hat sich auch Friedrich Schiller für die neue Allwill-Ausgabe interessiert. Am 10. Juni 1792 schrieb er an Theodor Körner: Man sagt mir hier viel Gutes von Allwills Papieren die neu heraus gekommen sind, […]. Sieh doch nach, ob etwas daran ist. Körner antwortete ihm am 7. Juli: Allwills Briefe habe ich gelesen, und halte sie für ein merkwürdiges Product eines vorzüglichen Kopfs. Einzelne Briefe, besonders der von | Lucien an Allwill, verrathen eine Meisterhand. Andere sind vernachläßigt, oder überspannt. Ueberhaupt fehlt dem ganzen Werke ein gewisses Gepräge der Vollendung. Die Form des Romans ist dem philosophischen Zwecke zu merklich subordinirt, und zerstreut gleichwohl die Aufmerksamkeit zu sehr, so daß weder der Philosoph noch der Kunstliebhaber befriedigt werden wird. Vielleicht sollte sich der Verfasser nicht begnügen die vorhandenen philosophischen Materialien unter die sprechenden Personen zu ver­ thei­len, sondern vor der Ausarbeitung den philosophischen Zweck ganz bey Seite legen, und sich für gewisse gegebene Charaktere einen Roman ausdenken, der f ü r s i ch interessant wäre. Alsdann ließe sich bey der Ausführung eines solchen Kunstwerks das Verdienst der Darstellung mit dem philosophischen Gehalte verbinden. – An Kunsttalente fehlt es ihm nicht. Seine Amalie ist brav geschildert. Auch Sylli hat feine und geistvolle Züge. Nur ist sie durch ihr weinerliches Wesen ermüdend. Allwill ist oft zu sehr das gewöhnliche Ideal von KraftGenie. Clärchen ist eine Art von Wagstück, ein Geist von männlicher Ausbildung ohne Nach­theil der Weiblichkeit. Aber Lucie hat besonders eine eigne Erhabenheit durch Grazie möglichst gemildert. – Der philosophische Innhalt wird den Kantianern nicht gefallen. Aber sie mögen nur widerlegen, nur die Blößen des Gegners zeigen, wenn es ausgemacht bleiben soll, daß in i h r e m Systeme gar keine Blößen zu finden wären. Ich hasse den allein selig machenden Glauben in der Philosophie.  228 Um dieselbe Zeit hatte auch der Philosoph Karl Leonhard Reinhold dem dänischen Dichter Jens Baggesen seine Wertschätzung des Allwill mitgeteilt: Indeß   JBW I,9.309,12–15.   JBW I,9.268,22. 227  JBW I,10.29,12–15 – Vgl. hierzu J. an Kleuker, 3. August 1792, JBW I,10.94, 28–32 : Goethe […] ist sehr mit dem neuen Allwill zufrieden, und schrieb mir, das Lesen dieses Buches hätte ihn recht eigentlich angegriffen. 228  NA 26.144,21–23 und 34 I.168,34 –169,23. 225

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habe ich durch die neue, mit elf Briefen vermehrte Ausgabe von Allwill’s Papieren ein Paar Tage in einer Art von himmlischer Wonne zugebracht, die nur selten durch schiefe Philosopheme des Jacobi’schen Supernaturalismus unterbrochen wurde.  229 Anders äußert sich etwa einen Monat später der Adressat dieser Zeilen: Noch vor Deiner ersten Recommandation hatte ich A l l w i l l ’s neue B r ie f s a m m lu n g einmal allein, und einmal vorgelesen. Es war gerade das erste Buch, das ich mir für diese Messe notirt hatte. Daß ich den Schriftsteller J a c o b i kenne – und, natürlich! liebe – danke ich meiner Sophie, deren Lieblingslecture Allwill’s Papiere, der Kunstgarten, und zum Theil auch Woldemar schon früher war. Ich lese dieses Alles mit Entzücken; aber, sonderbar genug, ohne Zufriedenheit. Nur hier und da ist meine Vernunft ebenso befriedigt als mein Herz. Jacobi’s beste Werke sind eigentliche Kritiken des Herzens. Ich möchte nur, daß er mit deutlicherem Selbstbewußtsein schriebe, und daß er es selbst einsähe, daß der richtige Weg des reinen Herzens parallel mit der Chaussée der reinen Vernunft läuft! Doch vielleicht würde er dadurch an Inspiration verlieren, was er durch kälteres Denken gewönne.  230 Ausführlich und positiv äußern sich Caroline und Johann Gottfried Herder in ihrem gemeinsam verfaßten Brief an J. vom 11. Juli 1792. Sie befanden sich zu dem Zeitpunkt zur Kur in Aachen und standen in engem Kontakt mit J. und dessen Familie in Aachen und Vaels, darunter J.s in Aachen lebender ältester Sohn Johann Friedrich, und der Familie von Clermont, aus der J.s Ehefrau (und die seines Sohnes) stammte: Wir sind gestern bis zum 19. Brief in Allwills Pa­ pieren gekommen; das waren die Augenblicke wo er sich selbst vergessen hatte. Unsre Einstimmung mit Ihnen ist mir wunderbar neu, u. mein Mann rief einigemal aus: wie kann Er glauben daß ich verschieden mit ihm denke! ich wollte auch, ich hätte Striche gemacht; da wäre mirs wie F r it z e C le r m o n t gegangen. Aber wenn Sie nicht bald der Sy l l i helfen, so kann ich keinen Brief mehr von ihr lesen – das ist unverantwortlich, ein Geschöpf sich so marternd zu machen – das thut ja Gott nicht – ich werde recht mit ihnen schmälen – – ein Einziges Mittel habe ich, ich schnüre mein Herz fest zu, wenn ihre Briefe kommen – o wie gern bin ich mit A m a l i a , auf ihrem Wege liegt auch mein Leben u. Glück. – Doch von allem mündlich – welch ein aufgedeckter Schatz des innern Menschen ist darinnen! […] / Herder: Diese Worte sind herzlicher Dank, lieber Jacobi, [.|. .] Wie uns Deine Briefe thun, hat meine Frau angedeutet; denn sagen läßt sich doch das nicht. Ich wiederhole ihr Wort: »es ist ein aufgedeckter Schatz des innern Menschen darinnen«, u. hier sind Schätze guter Menschen. Was bei den Briefen besonders wohlthut, ist, daß immer mehr angedeutet als gesagt wird; es ist ein tiefes Meer menschlicher Seelen, worauf sich unauf hörlich Wellen bewegen, u, jedes Subjekt ist in seiner Art so ganz, so einzeln.  231   Brief vom 11. Juni 1792, Baggesen: Briefwechsel Bd I.196.   Brief von Baggesen an Reinhold, 4, 6. und 7. Juli 1792, ib., 215 f. 231  JBW I,10.82,15–25 und 83,1. 6–12. 229

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Etwas überfordert gibt sich Lavater in seinem Brief vom 7. August 1792, der sich auch, J.s Wunsch entsprechend, besonders zur Anmerkung in der Vorrede und zum XV. Brief äußert: Die A l l w i l l i a n a hab’ ich mehrmals gelesen, vorgelesen, ausgezogen, benutzt, und damit gewuchert; das ist alles, was ich drüber sagen kann. Ich danke dem Ve r f a s s e r und S che n ke r gleich herzlich. Ich bin nicht scharfsinnig genug, die sehr philosophisch ausgedrückt scheinende, wegen Mangel der Beyspiele für mich nicht populare Anmerkung in der Vorrede so klar zu verstehen, dass ich darüber zu ur­ thei­len wage. Wenn Du mir dasselbe mündlich | sagen würdest, würd ich es verstehen. So geht es mir beynahe mit dem XV. Brief, den ich zu verstehen meyne, wenn ich ihn lese – und, so bald ich ihn in meine Sprache übersetzen will – unübersetzbar finde. Was ich nicht Lavaterisieren kann, ist mir nicht ganz verständlich. / Wollte Gott, ich hätte Deinen philosophischen Kopf – ich wollte Deine Philosophie so verständlich machen, wie ein zwölfjähriges Kind.  232 Vergleichbare Probleme mit gewissen Partien des Romans scheint auch Franz von Fürstenberg gehabt zu haben, von dem es in einem Brief von G. H. L. Nicolovius an J. heißt: F ü r s t e n b e r g sagte mir, […] außer dem Briefe voll Metaphysik, wäre ihm in A l l w i l l Alles so schön gewesen, daß er das Buch oft wieder fortgelegt hätte, weil er sich desselben in einer nicht ganz ruhigen Stimmung unwerth gehalten. Nachher habe er es mit ganzer Seele gelesen und genossen …  233 Ähnliche Schwerpunkte in der Rezeption zeigt auch die Rezension des Buches in der Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek. 1793, Bd 5, St. 1, 152– 155.  234 Nach einer kurzen Rekapitulation der Druckgeschichte des Allwill und der Benennung der neuen Briefe, lobt der Rezensent (153): Keiner derselben [der neuen Briefe] ist ohne mannichfaltige Schönheiten, vorzüglich aber haben dem Rec. Amaliens Briefe gefallen, die am reinsten sind von schwärmerischen Grillen, voll gesunder Vernunft, ächter, tiefer Empfindung und den reizendsten Gemälden häuslicher Glückseligkeit. Das Räsonnement, die Sophismen der jungen Philosophin Clare und des jungen Philosophen Allwill (15. B.) epitomire, commentire, refutire, wer da Lust hat: Rec. haßt alles Streiten, von dem vorauszusehen ist, daß es zu keinem Ende führen wird. Sylli ist eine weinerliche, etwas langweilige Schwärmerin, doch ist auch in ihren Briefen viel Gutes und Vortref liches. Es folgt als Beispiel ein langes Zitat aus Syllis Brief an Amalia (Nr. XIX.), in welchem ein Loblied auf die Festigkeit eines biederen Charakters gesungen wird.  235 Hierauf (154) grenzt sich der Rezensent von einer früheren Rezension des Allwill in der Allgemeinen deutschen Bibliothek, auf die er eingangs kurz verwiesen   JBW I,10.105,16–27.   Undatierter Brief (nach dem 16. Oktober 1793), JBW I,10.278,4–7. 234  Die Chiffre H, die unter die Rezension gesetzt ist, gehört gemäß Parthey zu Schatz in Gotha; siehe Parthey: Die Mitarbeiter an Friedrich Nicolai’s Allgemeiner Deutscher Bibliothek. 61 und 24; vgl. auch 41. 235  Siehe oben 184,16–23 und 184,30 –185,11. 232 233



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hatte, ab, in welcher behauptet wurde, daß es in der Natur keinen Menschen, wie diesen Allwill, geben könne.  236 Dagegen behauptet er: Er [der Rezensent] selbst kennt mehr als Eine Person, auf die die meisten Züge des hier aufgestellten Gemäldes mit geringen Veränderungen passen. Er zitiert dann im Folgenden – hier und da mit (der Rolle seiner Redesituation geschuldeten) leichten Abwandlungen – einen längeren Passus zur Charakterisierung Allwills aus demselben Brief Syllis an Amalia.  237 Nach kurzer Erwähnung der versprochenen weiteren Bände geht der Rezensent abschließend auf die Zugabe ein: Die Z u g a b e an E r h a r d O** war dem Rec., wie er aufrichtig genug ist, zu gestehen, eine Finsterniß, durch die ihm nur sparsam ein heller Stern leuchtete. Z. B. S. 307. »Wie Sokrates Unwissenheit wider Trotz und Lüge in die Schlacht führen und im Hinterhalte die Wahrheit haben, das ist groß! Aber es ist nicht groß für die Wahrheit aller Wahrheit zu achten: es gebe keine Wahrheit. Der ganze Mensch muß seicht und schaal geworden seyn, wenn er zu sich selbst sagen, und dabey guter Dinge bleiben kann; ich bin nichts; ich weiß nichts; ich glaube nichts.« – Oder S. 316. »Werde ich es sagen, endlich laut sagen dürfen, daß sich mir die Geschichte der Philosophie je länger desto mehr als ein Drama entwickele, worin Vernunft | und Sprache die Menächmen spielen. Dieses sonderbare Drama, hat eine Katastrophe, einen Ausgang, oder reihen sich nur immer neue Episoden an? Ein Mann, den nun alles, was Augen hat, groß nennt, und der in seiner Größe fünf und zwanzig Jahre früher schon da stand, aber in einem Thale, wo die Menge über ihn wegsah, nach Höhen und geschmückten Bühnen[,] dieser Mann schien den Gang der Verwickelung dieses Stücks erforscht zu haben, und ihm ein Ende abzusehen. Mehrere behaupten, es sey nun schon dies Ende gefunden und bekannt. Vielleicht mit Recht … Und es fehlte nur noch an einer Kritik der S p r a ch e , die eine M e t a ­ k r it i k der Vernunft seyn würde, um uns alle über Metaphysik eines Sinnes werden zu lassen.« – – Was sagen Sie hierzu, Hr. Hofrath …, Hr. Rath …, Hr. Professor … u. s. w. ? Wie sie da stehen? Was sie für Gesichter machen! / H . Anfang August war J. auch bereits eine Rezension seines Allwill in den ­Göttingischen gelehrten Anzeigen bekannt, denn an Kleuker schrieb er am 3. August: Auch dem guten Göttingischen Recensenten hat es [das Buch] Kopf brechen verursacht.  238 Gemeint ist wohl die ausführliche Rezension in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen. 95. St.: 16. Juni 1792, 947–952. Diese Rezension stammt von dem Göttinger Philosophieprofessor Johann Georg Heinrich Feder (1740–1821). An seinen Sohn Georg Arnold, der in Göttingen studierte, schrieb J. entsprechend am 23. November 1792: Sage ihm [Feder], seine Recension des Allwill habe mir große Freude gemacht, u

  Siehe die oben erwähnte und zitierte Kurzrezension von D3 in der Allgemeinen deutschen Bibliothek. 237  Siehe oben 191,10–36 . 238  JBW I,10.94,31–32 . 236

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ich würde ihm gewiß nächstens schreiben, antworten, danken, u. s. w.  239 Anders als in der eben angeführten Rezension aus der Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek enthält diese eine umfangreiche, ohne lange Zitate auskommende Besprechung des philosophischen Gehalts des Werkes – auch im Rekurs auf frühere philosophische Werke J.s. Der Rezensent hebt zunächst hervor, daß sein Urteil nicht durch frühere Rezensionen beinflußt sei. Er vermutet dann, wie der gemeine Haufe kritischer Leser dasselbe classificiren werde, nämlich als My s t ic i s m u s . Zudem vermutet er, daß manchem Leser nicht alles in dem Buch vollkommen verständlich sein dürfte – auch ihm selber nicht verständlich sei. Aber vieles hat Rec. gewiß verstanden, und so verstanden, daß er den reichhaltigen und hohen Sinn, der oft in wenigen Worten liegt, mit Bewunderung auffaßte. Die Natur der ganzen Arbeit bringt es so mit sich, daß nicht nur die Formen der Einkleidung mit einander abwechseln und bisweilen gegen einander abstechen müssen, sondern auch der objective Gehalt der Vorstellungen selbst. Aber wie das ästhetisch-artistische Verdienst hiebey zu beurtheilen Rec. andern überläßt: so schien es ihm wenigstens nicht schwer, bey allen jenen Abwechslungen und Gegensätzen, die einem solchen Kunstwerke nöthige l o g i s ch e und m o r a l i s ch e E i n he it im Ganzen immer zu entdecken. Selbst die Spöttereyen, Necke­ reyen, oder wie sie im Buche selbst heißen, Ruchlosigkeiten des jungen Allwills, so wie die trübseligen Ahndungen | und Aeußerungen der erhaben schwärmenden Silly, helfen die moralischen Hauptwahrheiten, auf welche die Bestimmung dieser Schrift gerichtet zu seyn scheint, tiefsinnig hervorziehen. Und eine dieser Hauptwahrheiten, vielleicht kann man sagen, die G r u n d w a h r he it , in welcher sich die andern alle vereinigen und befestigen, ist ebendieselbe, die in allen Schriften des Verf. das Haupt­ dogma, oder den C a n o n seiner Philosophie, auszumachen scheint: daß wir doch nicht verschmähen mögen, was uns Wahres und Gutes g e g e b e n ist, und uns, wenn wir nur wo l l e n , mit aufrichtiger, reiner L ie b e es wollen, g e g e b e n we r d e n k a n n ; es nicht verschmähen darum, weil wir es nicht selbst gemacht haben, nicht machen können, und daher nicht begreifen, wie es gemacht und gegeben werden kann; nicht, u m u n s e r B u ch ­s t a b e n­w e r k r e i n z u e r h a l t e n , den lebendigen, und allein belebenden Geist in uns und in der ganzen Natur, mit Gewalt zurückweisen (S. 176.). Nach der Identifizierung dieser Grundwahrheit wendet sich der Rezensent zunächst dem XV. Brief und der in ihm enthaltenen Kantkritik zu. Wie der Verf. diese Grundregel menschlicher Philosophie, zur Entkräftung des Idealismus anwende, ist durch seine Haupt­schrift über diese Materie schon bekannt. Und eben diese Anwendung macht auch einen beträchtlichen Theil der gegenwärtigen Briefe aus. Nicht allen Verehrern des neusten Id e a l i s m u s und der r e i n e n Ph i l o s o ph ie möchte es wohl recht gefallen, wie hier d ie Philosophie aufgeführt wird, die sehr tiefsinnig herausbringt, daß, weil wir nur mit den Augen sähen, und mit den   JBW I,10.148,2–3. Aus den Jahren 1793 und 1794 ist kein Brief J.s an Feder bekannt. 239



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Ohren hörten, wir auch nichts sähen, als unsere eigenen Augen, und nichts hörten, als unsere eigenen Ohren S. 141 oder deren allein w a h r h a f t e s Nicht-Nichts ein allgegenwärtiges und ewiges N ich t s d a h i n t e r f ü r d e n M e n s che n ist S. 150 die ein r e i n e s S e he n , ohne Etwas, | was gesehen wird, und ein r e i n e s Wo l l e n , oh n e einen bestimmten Zweck, ein reines Vermögen z u leben, vo n und z u nichts, als die tiefste, e i g e n t l i ch s t e Wu r z e l alles Sehens, Wollens und Lebens anerkannt wissen will S. 160. 294 ff. Doch man kann dergleichen h a r t e Re d e n , wenn man sie nicht der bekannten Ursache, g r o b e n M i ßve r s t ä n d n i s s e n , zuschreiben will, hier auch wohl nur für S che r z halten. Vor dem Hintergrund dieser Kritik sieht der Rezensent in der Präsentation und Kritik des Allwillschen Standpunktes die Auslotung eines – ebenfalls in die Irre führenden – Gegenmodells: Gewiß ist es, daß diese der rein speculativen sich widersetzende Philosophie des G e g e b e n e n , F ü h l b a r e n , L e b e n d i g e n , hier nicht immer in ihrer orthodoxesten Form erscheint; sondern auch in einigen, besonders einer der gefährlichsten Mißdeutungen der­ selben, im System des jungen Kraftmannes A l l w i l l . Der Verf. hat es schon mit seinem f ü r u n d w i d e r d ie m e t a ­p h y s i s che F r e y he it bewiesen, daß er es mit dem geschicktesten Dialektiker im Felde der Metaphysik aufnehmen kann. Hier vertheidigt Allwill im Br. XX. das System der ungebundensten Sinnlichkeit, auf eine Weise, die diesen Brief zu einem der gef ährlichsten Producte für manchen jungen Leser machen könnte. Aber es folgt unmittelbar darauf eine Antwort, welche die wirksamste Entkräftung desselben enthält, die, nach des Rec. Einsicht, in der vorliegenden Beziehung sich geben ließ. In eben diesem Briefe heißt es zwar von Allwills Character: D ie Un g e r e i m t h e it i h r e s We s e n s w i d e r s t e h t a l l e m B e g r i f f u .  s . w. Aber so wenig der Verf. dadurch wird haben zu erkennen geben wollen, daß er seinen Allwill selbst für eine Caricatur halte: so wenig wird wohl irgend ein Leser ihn dafür erklären, der das Verhältniß unserer classificirenden Begriffe zu den Mannichfaltigkeiten der Natur kennt. Dritter und letzter Schwerpunkt der Rezension ist die Zugabe. An Erhard O**: Am tiefsten dringt der Verf. in die Metaphysik der Natur und der Sitten ein in der Zugabe an F. [!] O. | Gern zeichnete Rec. einige der Stellen aus, bey welchen sein Nachdenken am längsten verweilte. Aber um das, was er dafür oder dawider gedacht hat, verständlich zu machen, würde er weitläuftiger werden müssen, als die Bestimmung dieser Blätter erlaubet. Der Hauptzweck, sieht man leicht, geht immer auf die gründliche Aufdeckung des Unterschiedes zwischen der wirklichen Natur und unsern abstracten Begriffen. Aber indem der Verf. auf der einen Seite zeigt, daß er die Schwächen der Wissenschaft oder des Glaubens aus bloßen abstracten Begriffen, so gut als einer, kennt, bewahrt er vor den Abwegen auf der andern Seite, sowohl des erklärten auf sein Nichtswissen und Nichtglauben stolzen Skepticismus, als überhaupt der hochwissenschaftlich seyn sollenden Herabwürdigung dessen, was zwar h ö ch s t m e n s ch l ich und ve r nü n f t i g , aber nicht g e o m e t r i s ch e r we i s l ich ist S. 314. Hiebey ein verdienter und verdienstlicher

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Seitenblick auf gewisse ph i l o s o phe s e n r a g é s , die zwischen Religion und Aberglauben nicht mehr zu unterscheiden wissen, und unverschämt oder unverständig genug sind, an L o c ke sich anschließen zu wollen S. 291. Im Zusammenhange, in welchem es hier vorkömmt, kann es nicht leicht mißverstanden werden; wenn auf die Frage, hat er mich mit ­H ä n d e n gemacht, dieser Geist und Gott S. 315, es heißt: dem Frager mit diesen Worten antwortet die Vernunft ein festes J a . – Eine a b s o lu t e Billigung des grobsinnlichen Anthropomorphismus wird schwerlich jemanden hierinne zu liegen scheinen. Am meisten Erläuterungen bedürften wohl noch die Sätze S. 297, ob sie gleich ihrem wesentlichen Inhalte nach schon in frühern Schriften des Verf. stehen; daß F o r m des Lebens und der Tr ie b zum Leben, | und L e b e n selbst im W i r k l iche n nur eins seyn; daß diese Form im Daseyn zu erhalten, sich in ihr auszudrücken, der ­u n b e d i n g t e Zwe ck d e s G r u n d t r ie b s und das Princip aller Selbstbestimmung in der Kreatur sey. (Man vergl. Ue b e r d ie L e h r e d e s S p i n o z a zweyte Ausg. S. XLII ff.) Eine Hauptfrage hiebey würde nämlich die werden; ob in d e r Form, d e m Trieb, die zur W i r k l ich ke it und I n d i v i d u a l it ä t bestimmt sind ( o m n i m o d e d e t e r m i n a t a ) alles gleich nothwendiger Gegenstand des Triebes und Zweck sey? So mochte es Allwill in seinem System verstehen. So gewiß nicht der Verf. Dieser sagt vielmehr auch hier ausdrücklich, daß die Macht der Begriffe und des vernünftigen Theiles unserer Natur über die Sinnlichkeit unleugbar sey. Und an andern Orten unterscheidet er bey den Tr ie b e n das Ur s p r ü n g l iche und Ew i g e vom Vo r ü b e r g e he n d e n . Wie der Rezensent in der Neuen allgemeinen deutschen Bibliothek hebt auch der Verfasser dieser Rezension hervor, daß einige Aussagen der Zugabe unverständlich bleiben und weiterer Aufklärung bedürfen: Aber einige der hier vorkommenden Sätze veranlassen denn doch durch ihre Unbestimmtheit einige Dunkelheit. Vo l l e Klarheit und Bestimmtheit wird hier niemand fordern, der dem Verf. bis hieher folgen kann. Einige weitere Auf klärung aber würde wohl von dem Satze ausgehen, daß, nur mittelst Festhaltung des A l l g e m e i n e n , im E i n z e l n e n Zusammenhang und Form erhalten werden kann; einem Satze, der in diesen Briefen oft genug vorleuchtet, das Wesen der Vernunft und die Stütze jeder Philosophie bezeichnet; ob er gleich einen andern Sinn gewinnt, oder eine andere Einkleidung annimmt, in der Id e e n­p h i l o s o ph ie des Plato, der Z a h le n ph i l o s o ph ie des Pythagoras, in der Philosophie des groben Materialismus, und b e y m S pi n o z a .   240 Nach Erscheinen des Allwill wandte sich J. der Neubearbeitung seines zweiten Romans Woldemar zu, die dann auch 1794 erschien – übrigens zu Beginn der Vo r r e d e mit einem Verweis auf die Seiten XIII bis XIX des Allwill, was Wilhelm von Humboldt in seiner Rezension eben dieser Woldemar-Ausgabe auf-

240

952.

  Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 95. St., 16. Juni 1792, 947–



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greifen sollte.  241 Diese Ausgabe wurde von dem französischen Emigranten in Holstein, Charles Vanderbourg (1765–1827), ins Französische übersetzt und erschien bei Jansen in Paris im vierten Jahr der Revolution ( = 1795).  242 Vielleicht sich dies zum Vorbild nehmend, teilte ein anderer französischer Emigrant in Holstein, nämlich der dort unter dem Namen Charles Trueman[n] lebende Graf d’Angiviller, J. vermutlich im Frühherbst 1796 mit, daß er plane, den Allwill ins Französische zu übersetzen. In dem langen, für den Editorischen Bericht schon mehrfach genutzten Brief J.s an den Grafen d’Angiviller weist J. auf die großen Schwierigkeiten einer Übersetzung gerade solcher Werke wie des Allwill hin und rät ihm eigentlich recht nachdrücklich von dem Unternehmen ab: – Je n’ai pas besoin de vous dire combien j’ai été touché de votre entreprise de traduire Allwill. – / Je vous ai dit que je le croyais intraduisible; je le crois encore: pour le transporter dans une autre langue, il faudrait le refaire.  243 Eine Übersetzung des Allwill kam auch tatsächlich nicht zustande. In den Jahren zwischen D4 und D5 (1792 bis 1812) wird im Briefwechsel J.s oftmals auf den Allwill Bezug genommen, von J. selbst zumeist, um die eigene Position zu verdeutlichen. Ein Beispiel ist der Brief an Johanna Schlosser vom 21. Februar 1793, in welchem J. die Prinzipien der Kantischen Moralphilosophie mit seiner eigenen Position vergleicht: Daß ich dich ehrlich unterrichtet, und dir den wahren Geist der Kantischen Moralphilosophie oder Moraltheologie vorgetragen habe, mußt du mir auf mein Wort glauben. Jeder andre wird dir bestätigen, daß der Hauptgrundsatz der Kantischen Moralphilosophie, d ie Un a b h ä n g i g ke it d e s P r i n c i p s d e r S it t l i ch ke it vo n d e m P r i n c i p d e r S e l b s t l ie b e s e y. Daß Kant die Annahme dieses Grundsatzes so weit durchgesetzt hat, erweckt in mir die lebhafteste Freude; denn was die He r leitung und H i n leitung dieses Grundsatzes im Ganzen seines Systems noch Irriges an sich haben mag, wird bald weggeräumt seyn, und ist es schon zum Theil. | Mir einmal ist alles an der Wahrheit dieses Grundsatzes gelegen, dessen Festsetzung und Verbreitung das Ziel aller meiner philosophischen Bemühungen von jeher gewesen ist, wie ich es auch jüngst noch öffentlich in der Vorrede zu Allwills Briefsammlung gesagt habe.  244 Auch seinem jüngsten Sohn, Carl Wigand Maximilian, erklärte

  Siehe JWA 7.206 f. sowie ALZ, Bd 3, Nr. 315–317, 26. und 27. September 1794, Sp. 801–807 und 809–821, hier 802 f. 242  Woldemar, par F. H. Jacobi. Traduit de l’Allemand par Ch. Vanderbourg. 2 Bde. [Mit einer Einleitung und einem Nachwort des Übersetzers.] Paris an IV [1795]. 243  Brief vom 11. Oktober 1796, ABW II.238. So beginnt J. seinen Brief, um dann später in demselben, auf den Seiten 240 bis 243, seine Überzeugung von der Unübersetzbarkeit des Allwill weitläufig darzulegen. 244  JBW I,10.212,1–12. Vgl. die identische Formulierung im dritten Brief der Zufälligen Ergießungen eines einsamen Denkers, die im übrigen ebenfalls im ersten Band der Werkausgabe von 1812, in welcher auch der Allwill ( = D5) erschien, von J. (erneut) herausgegeben wurden; siehe JWA 5,1.221,31 –222,11 sowie den zugehörigen Variantenapparat. 241

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J. die Grundsätze seiner eigenen Philosophie nicht zuletzt unter Verweis auf den Allwill bzw. auf die Zugabe. An Erhard O**.  245 Ebenso war Allwill auch Bezugspunkt anderer, die sich positiv auf J.s Werk bezogen. So forderte z. B. Friedrich Schiller in seinem ersten Brief an J. diesen zur Mitarbeit an den Horen unter Hinweis auf Allwill und Woldemar auf: Hochwohlgebohrner / Hochzuverehrender Herr Geheimer Rath / Es ist ein zu alter und zu lebhafter Wunsch in mir, einen Mann zu begrüßen, deßen herrlicher Genius schon längst meine Huldigung hat, als daß ich die gegenwärtige Veranlaßung dazu nicht mit Freuden ergreifen sollte. Beiliegendes Blatt unterrichtet Sie von einer litterarischen Unternehmung, die sowohl durch die Anzahl als das bekannte Verdienst der dazu getretenen Mitarbeiter etwas nicht gemeines in diesem Fache zu leisten verspricht. Dieser schöne Bund von Geistern würde aber unvollkommen seyn, wenn der Verfaßer von Allwills Briefsammlung und Woldemars sich davon ausschließen sollte.  246 Am Beispiel des Allwill registriert Johann Gottlieb Fichte im August 1795 sogar die Übereinstimmung seiner philosophischen Überzeugungen mit denjenigen J.s: Ich habe diesen Sommer in der Muße eines reizenden Landsitzes Ihre Schriften wieder gelesen, und abermals gelesen, und nochmals gelesen, und bin allenthalben, besonders im Allwill, erstaunt über die auffallende Gleichförmigkeit unserer philosophischen Ueberzeugungen.  247 Anders hat dies J. einige Jahre später gesehen, denn im Februar 1799 schrieb er an Karl Leonhard Reinhold: Sehr gern aber möchte ich, daß Sie mit ganz gesammeltem Gemüth meine Epistel an Erhard O. hinter Allwills Briefsammlung noch einmal durchlaufen. Ich bin vor einiger Zeit veranlaßt worden, sie wieder zu lesen, und habe gefunden, daß das Geheimniß der Identität und Verschiedenheit zwischen mir und Fichte, unserer Sympathie und Antipathie, in keiner meiner anderen Schriften so vollständig enthalten ist.  248 Neben solchen Bezugnahmen finden sich im Briefwechsel J.s auch intensive, aufgrund einer persönlichen Identifizierung mit der Allwill-Figur nachgerade existenzielle Auseinandersetzungen mit diesem Werk, so etwa im Briefwechsel J.s mit Jens Baggesen von Oktober und November 1797. J. hatte ihm in seinem Brief vom 21. und 26. Oktober 1797 mit verstörender Offenheit geschrieben: Reinholds schwankender Unglaube an Dich, und was ich von ihm über Dich hörte, ließ mich ziemlich unbewegt; aber ganz ähnliche Urtheile von Niebuhr   Brief vom 11. April 1794, JBW I,10.347,15–20 : Die Quelle der Weißheit ist das Göttliche in unsrer Natur, welches aus nichts anderm entlehnt, nicht herbey vernünftelt werden kann, sondern überall p r i m i t i v und allein d u r c h s i c h s e l b s t ist. Ich verweise dich auf meine Epistel an Erhard O, S 308 u 9 der Allwillschen Briefsammlung, und auf die Note eben daselbst S 310–11. 246  Brief vom 24. August 1794, JBW I,10.370,3–12. 247  Fichte an J., 30. August 1795, ABW II.207. Siehe auch Fichte-GA III,2, 391,16–20. 248  Brief vom 26. Februar 1799, RLW 244. So auch in Jacobi an Fichte (1799); siehe JWA 2.200,8–13, hier zitiert in Anm. zu 219,2. 245



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erschütterten mich. Von diesem erfuhr ich erst, welchergestalt alle Deine Freunde Dich aufgegeben, und unter diesen auch Ernst Schimmelmann. Sie zählen Dich zu der Menschenclasse, die ich in Allwill’s Briefsammlung S. 217–220 beschrieben habe, und sie zweifeln daran, daß ein Mensch, mit dem es dahin gekommen, je wieder umkehren könne. Es war schon vorher im Allgemeinen die Rede von Allwill gewesen bei Reinhold, wo Thibaud und Niebuhr mit uns zu Nacht speisten. Niebuhr wollte durchaus nicht, daß ich Allwill’n sich bekehren und mit Clärchen sich verheirathen ließe. Es wäre zu weitläufig, und auch hier nicht ganz an seiner Stelle, Dir den Gang dieser Unterredung, die sehr interessant wurde, zu erzählen. Eines witzigen Einfalls von Thibaud muß ich doch erwähnen. Er sagte nämlich, Niebuhr wäre, wie es schiene, der Lehre von der Ewigkeit der Höllenstrafen zugethan. Meine Schwester Lene nahm den lebhaftesten An­theil an diesem Streite, und hat ihn nachher noch mit Niebuhr erneuert, da er behauptete, wenn ich der Allwill’schen Briefsammlung jene Ausführung gäbe, so würde sie fast unvermeidlich ein höchst gefährliches Buch werden.  249 Baggesen antwortete ihm am 24. November 1797: Daß ich zu der Menschenclasse gehöre, die Du mit der Feder eines Herzumseglers und Seelentiefenergründers (Allwill S. 218. 219) beschrieben hast, leugne ich nicht, gestehe ich Dir, gestand ich Dir und Lenen, und werde es Euch immer gestehen, aber nicht einem jeden der Schule entsprungenen Halbindiewelt­ hineingucker, der in diesem Geständnisse m e h r oder we n i g e r finden muß, als darin liegt. Junge Salmasiusse, und vielleicht sogar alte Newtone, werden nicht leicht jene gedrungene Beschreibung in Deinem Allwill – was sage ich? alle seine Papiere gehörig würdigen. B e w u n d e r n setzt nicht immer genaue Würdigung des Bewunderten voraus. Ich meines Orts gestehe demüthig, daß ich vor fünf Jahren Deinen Allwill nicht verstand; aber ich glaube ihn jetzt zu gut zu ve r s t e h e n , um selbst einem Pascal in Niebuhr’s Alter, mit Niebuhr’s Menschenkenntniß und mit Niebuhr’s Gelehrsamkeit seine völlige Schätzung zuzutrauen. Mir ist das Ur­theil über seine Unbekehrbarkeit, die Behauptung, daß seine Verheirathung mit Clärchen Dein Buch zu einem höchst gefährlichen Buche machen würde, ein hinlänglicher Beweis, daß junge Menschen nicht gar zu genau wissen, was das wol für eine Menschengattung sei, die Du beschrieben hast. Ich sage Dir: Wenn Du Deinem Allwill n ich t jene Ausführung gibst, so vergreifst Du Dich gegen den Gott in Dir, gegen Dein eigenes Herz, gegen die Wahrheit; denn Dein Allwill ist kein Göthe. Gott hat zwar Beide g e z e ich n e t – und die Menschen thun zwar wohl daran, sich vor beiden z u hü t e n – und besonders thun die beiden Helden selbst wohl daran, sich vor sich selbst zu hüten; aber die umgekehrte, in die Erde niederbrennende Fackel ist ein anderes Zeichen, als die links und rechts herumgeschwungene. Die erste muß erlöschen und rauchen; die letztere ist fast immer in Gefahr des Erlöschens; aber der näm|liche Schwung, der es ihr droht, facht die Flammen an. Ich möchte von den Menschengattungen, wozu D e i n   Baggesen: Briefwechsel, Bd II.228 f.

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A l l w i l l , und n ich t D e i n G ö t he , gehört, sagen, daß Gott sie gleich, aber die eine vo r n , die andere h i n t e n , gezeichnet habe. Das unterscheiden aber wenige lebendige Büchersammlungen.  250 Auf eine andere Weise intensiv hat die Allwill-Lektüre auf Jean Paul gewirkt, der am 3. August 1802 an J. schrieb: Die Stelle im Allwill, wo Du von poetischer Auf lösung in lauter unmoralische Atonie (Gesetzesfeindschaft) durch lauter Ref lexion sprichst, gab mir die erste Idee des Titan’s; du konntest nicht nur einen Roquairol dichten, sondern hast es schon gethan.  251 Im selben Jahr erschien im von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling und Georg Wilhelm Friedrich Hegel herausgegebenen Kritischen Journal der Philosophie (Bd 2, St. 1, 1–189) Hegels polemische Abhandlung Glauben und Wissen oder die Ref lexionsphilosophie der Subjectivität, in der Vollständigkeit ihrer Formen, als Kantische, Jacobische, und Fichtesche Philosophie, in welcher der Abschnitt B. die Jacobische Philosophie behandelt (63–137). Zu den Romangestalten J.s heißt es dort vernichtend (129 f.): Sonst aber kann man, da Jacobi für sittliche Schönheit dem Begriffe und der Objectivität zuwider ist, sich darüber allein an Gestalten halten, in denen er seine Idee der sittlichen Schönheit klar machen wollte. Der Grundton aber dieser Gestalten ist dieser bewußte Mangel an Objectivität, diese an sich selbst festhängende Subjectivität, die beständige, nicht Besonnenheit, sondern Ref lexion auf seine Persönlichkeit, diese ewig auf das Subject zurückgehende Betrachtung, welche an die Stelle sittlicher Freyheit höchste Peinlichkeit, sehnsüchtigen Egoismus und sittliche Siechheit setzt; ein Betrachten seiner selbst, welches mit schöner Individualität eben die Verwandlung vornimmt, die mit dem Glauben vorging, nemlich durch dieß Bewußtseyn individueller Schönheit sich das Bewußtseyn der aufgehobenen Subjectivität und des vernichteten Egoismus zu geben, aber durch dieß Bewußtseyn gerade die höchste Subjectivität und innern Götzendienst gesetzt und | sie zugleich gerechtfertigt zu haben. Wie wir bey den Dichtern, welche erkennen, was ewig und was endlich und verdammt ist, bei den Alten, Dante, und an dem schon in seinem Leben eine Zeitlang der Hölle hingegebenen Orest bey Göthe die Verdammniß der Hölle ausgesprochen finden, nemlich als das ewige Verbundenseyn mit der subjectiven That, das Alleinseyn mit seinem eigenen sich selbst Angehörigen, und die unsterbliche Betrachtung dieses Eigenthums, so sehen wir an den Helden Allwill und Woldemar eben diese Qual der ewigen Beschauung ihrer selbst nicht einmal in einer That, sondern in der noch größern Langeweile und Kraftlosigkeit des leeren Seyns, und diese Unzucht mit sich selbst, als den Grund der Katastrophe ihrer unromanhaften Begebenheiten dargestellt, aber zugleich in der Auf lösung dieß Princip nicht aufgehoben, und auch die unkatastrophirende Tugend der ganzen Umgebung von Charakteren wesentlich mit einem Mehr oder Weniger jener Hölle tingirt.  Baggesen: Briefwechsel, Bd II.242 f. – Zur weiteren Allwill-Rezeption Baggesens siehe auch Terpstra 126 FN 29. 251  ABW II.314. 250



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Franz von Baader gibt in seinem Brief an J. vom 3. Januar 1798 eine sehr detaillierte Deutung einer Allwill-Stelle (S. 309 des Werkes) und nimmt die Lektüre des Allwill zudem zum Anlaß, J. zur Fortsetzung desselben zu ermuntern: Könnte ich doch ein gleiches von einem zweiten Bande Eduard Allwills sagen, und möge doch bald dieses Werk (dessen Anfang mir so vieles ist) vollendet sein!  252 Anlaß für diese Ermunterung war vermutlich die Ankündigung einer Fortsetzung in der Vorrede zu D4. Tatsächlich wurde den Lesern dort der Eindruck vermittelt, daß die Arbeit an dem zweiten Band des Allwill zu diesem Zeitpunkt schon so gut wie abgeschlossen war. So beginnt etwa die Vorrede mit den Worten: Wie es A l l w i l l n gelingen konnte, der ganzen Sammlung dieser Briefe habhaft zu werden, und sie zu seinem Eigenthum zu machen, darüber geben die zwey ersten Bände noch kein Licht, […].  253 Und weiterhin heißt es in derselben: Er [der Herausgeber] sammelte zu seinem Werke mit einer Liebe, die ihn von der Ausführung desselben entfernte. Nun ist er zu alt geworden, um an eine Vollendung nach dem ersten Plane zu denken; aber gewiß liefert er noch einen zweyten Band; und höchst wahrscheinlich einen dritten. / Der zweyte Band, welcher schon auf Johanni erschienen wäre, wenn nicht kluge Männer anders gerathen hätten, enthält die Epoche von Clerdons Abwesenheit, die man in diesem ersten angekündigt findet.  254 Es handelt sich hier um einen der wenigen Einblicke in die Komposition einer Fortsetzung des Allwill, die nie realisiert wurde. In D5 wird das Ausbleiben des in der Vorrede zu D4 versprochenen zweiten Bandes erläutert: Zwanzig Jahre sind verf lossen, seit die obige Vorrede geschrieben wurde; und es ist kein zweyter Theil des Allwill ans Licht getreten. Ich müßte allzuviel von mir und meinen Schicksalen erzählen, wenn ich genügend erklären wollte, wie ich verhindert worden auszuführen, was einst so theurer Vorsatz war. Es wird indessen, wie ich hoffe, denjenigen, so diese Ausführung gewünscht, die gegenwärtige Sammlung aller meiner Schriften, der schon gedruckten, die ich der Erhaltung, der noch ungedruckten, die ich der Mittheilung werth geachtet, mancherley Ersatz darbieten.  255 Auf J.s ausdrücklichen Wunsch wurden nach seinem Tode die gesammelten Materialien, die auch bereits in der Vorrede zu D3 erwähnt waren, verbrannt.  256 b)  Entstehungsgeschichte und frühe Rezeption zu D5 Anders als oftmals in der Forschungsliteratur behauptet – zumindest suggeriert – wird, widmete sich J. der Herausgabe seiner Werke bei dem Verleger Gerhard Fleischer dem Jüngeren in Leipzig nicht erst als Folge des in seiner Heftigkeit singulären   Franz von Baader’s sämtliche Werke Bd XV. Leipzig 1857. 172–179. Ib., 172.   Siehe oben 87,2–4. 254  Siehe oben 90,9 –91,7. 255  Siehe oben 92,29–37. 256  Siehe ABW I.V und den Editorischen Bericht zu D . 3 252

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und auch persönlich verletzenden Angriffs von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling auf J. und dessen zur Herbstmesse 1811 erschienene Schrift Von den göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung, des Angriffs, der wenig später zum Rücktritt J.s vom Amt des Präsidenten der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften, das er seit deren Wiedereröffnung im Jahre 1807 bekleidete, führte.  257 Vielmehr war die Herausgabe der Werke schon zuvor geplant und auch für die Einzelbände in Teilen durchkonzipiert worden. Schon am 25. Juni 1811 schrieb Jean Paul (Friedrich Richter) an J.: Wie sehn’ ich mich mit so vielen nach deinen versprochnen Werken! Wie fruchtbar würde dein warmer Regen auf so manche dürre Wissensfelder fallen!  258 Ob J. vor dem Erscheinen bzw. der Drucklegung seiner letzten größeren und separat erschienenen Schrift Von den göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung an dem ersten Band der Werkausgabe – und somit auch am Allwill – gearbeitet hat, ließ sich nicht ermitteln. Im Druck war die Schrift Von den göttlichen Dingen offenbar Anfang September 1811, denn am Ersten des Monats schrieb J. an Goethe: Möchtest du in einer kleinen Schrift von mir, die gegenwärtig unter der Presse ist, auch einiges finden, das dir behagte. Sie enthält einen großen Theil der Geschichte meiner Wanderung durch ältere und neuere Lehrmeinungen und Systeme.  259 Allerdings hatte er das Manuskript wohl bereits im Mai 1811 beendet.  260 Anfang November des Jahres schickt J. ein Exemplar der Göttlichen Dinge an Jakob Friedrich Fries.  261 Der Brief an Friedrich Bouterwek (1766–1828) vom 9. November 1811 handelt sehr ausführlich von diesem neuen Werk und enthält recht genaue Schilderungen von dem angriffigen Betragen Schellings gegenüber J. in Publikationen und in Vorträgen an der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften.  262 Hinsichtlich des ersten Bandes der Werkausgabe heißt es in diesem Brief an Bouterwek vom 9. November 1811 überaus aufschlußreich: Zur Leipziger Ostermesse wird der erste Band meiner sämmtlichen Werke erscheinen. Ich fange, nach dem Wunsche meines Verlegers, mit Allwill an. Zu jedem Bande gebe ich verschiedenes, was noch nicht im Druck erschienen ist.  263 Auch im Vorbericht zum IV. Band der Ausgabe seiner Werke von 1819 erläutert J. die Reihenfolge der in der Werkausgabe erscheinenden Texte und exponiert dabei den Allwill in besonderer Weise: Deutschlands Lage im Jahre 1811, als   Ausführlich hierzu im Brief an Goethe vom 28. Dezember 1812, Goethe – Jacobi 256 f. 258  Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Hg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Abt. 3 [ = Briefe], Bd 6. Briefe 1809– 1814. Hg. von Eduard Berend. Berlin 1952. 206 f. 259 Goethe-Jacobi 251. 260  Siehe J. an Fries, 6. Mai 1811, in Jakob Friedrich Fries. Aus seinem handschriftlichen Nachlasse dargestellt von Ernst Ludwig Theodor Henke. Leipzig 1867. 318. 261  Henke: Fries, 319. 262  Friedr. Heinr. Jacobi’s Briefe an Friedr. Bouterwek aus den Jahren 1800 bis 1819. Mit Erläuterungen herausgegeben vom Obergerichts-Rath Dr. W. Mejer. Göttingen 1868. 136–138. 263  Ib., 138. 257



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diese Sammlung unternommen wurde, und die einen nahen Untergang alles gelehrten öffentlichen Verkehrs drohende Zeit, riethen dringend, solche Schriften, welche seit vielen Jahren im Buchhandel vergriffen waren und noch immer häufig begehrt wurden, namentlich E d u a r d A l l w i l l s B r ie f s a m m lu n g und das G e s p r ä ch ü b e r Id e a l i s m u s u n d Re a l i s m u s , zuvörderst herauszugeben, und ihnen theils im Druck noch nicht erschienene, theils | in Zeitschriften zerstreute oder als Flugschriften verloren gegangene Aufsätze beyzugesellen. Wegen Allwills Briefsammlung mochte ich leicht nachgeben, da ihr Alters wegen voranzutreten gebührte und sie nur wider sich hatte, daß sie unvollendet geblieben. Außerdem enthält sie wirklich den ächten allgemeinen Schlüssel zu meinen Werken, sowohl was den Inhalt angeht, als den Vortrag. Der Leser wolle nachsehen, was hierüber in der Vorrede zu Allwill S. XI–XIII. gesagt ist.  264 Das Erscheinen von Eduard Allwills Briefsammlung im ersten Band der Werkausgabe hatte demnach einerseits vor allem ökonomische Gründe – der Verleger wollte offenbar die vergriffenen und nachgefragten Werke zuerst drucken –, andererseits aber auch solche inhaltlicher Art. In die konkreten Arbeitsprozesse gibt erstmals der Brief an Friedrich Jacobs vom 10. Januar 1812 Einblick: Zur Jubilate-Messe wird der erste Band meiner sämmtlichen Werke erscheinen. Roth steht mir treulich bei mit seinem Geist und seinen Augen; ich würde ohne dieses schlechterdings nicht fertig. Um ihm nicht zu viel zuzumuthen, habe ich auch Niethammer noch zu Hülfe gerufen.  265 Von Schelling’s grimmigen Ausfall gegen mich ist dann in J.s Brief an Fries vom 23. Februar 1812 die Rede,  266 somit zu einem Zeitpunkt, als die Werk­ ausgabe bereits geplant und die Arbeit an deren erstem Band begonnen war. Diese Arbeit scheint J. auch trotz des Schellingschen Angriffs fortzusetzen, denn an Niethammer schrieb er im darauffolgenden Monat: Der hierbei kommende Brief soll den ersten Theil meiner Werke schließen. Mir ist nicht wohl bei ihm zu Muth, weil er so arg im Heuschrecken-Styl geschrieben ist. Ich habe Zeit satt zu Ihnen zu kommen und Ihre Meinung zu hören, wenn Sie mir nur die Stunde melden wollen, in der ich Sie am wenigsten störe.  267 Zu welchem Zeitpunkt genau der Druck der Ausgabe begann, ließ sich nicht ermitteln. Die von Terpstra akribisch dargelegten Varianten dieses Drucks mit der idealtypischen Unterscheidung dreier, chronologisch anzuordnender Druckgruppen, neben denen aber zudem eine Vielzahl von Mischformen existiert, konnte durch

  JWA 1.[335],18–33.   ABW II.428 f. 266  Henke: Fries, 320. Vgl. auch im Brief von Fries vom 25. März 1812, dort ist von Schellings schändliche[r] Schmähschrift die Rede. Gemeint ist: F. W. J. Schel­ ling’s Denkmal der Schrift von den göttlichen Dingen ec. des Herrn Friedrich Heinrich Jacobi und der ihm in derselben gemachten Beschuldigung eines absichtlich täuschenden, Lüge redenden Atheismus. Tübingen 1812. 267  Brief vom 22. März 1812, ABW II.429 f. 264 265

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eigene Analysen bestätigt werden.  268 Terpstra zieht aus seinen Ergebnissen folgenden Schluß: Besonders die Druckfehlerverhältnisse und die Behandlung des Katzenrelikts deuten darauf hin, daß während eines (in jener Zeit nicht ungewöhnlichen) etappenmäßigen, langsamen Druckens die Korrektur äußerst aktiv gewesen sein muß. Es sei in diesem Zusammenhange darauf hingewiesen, daß J. an einer starken philologischen Akribie litt, während anderseits seine Augenkrankheit ihm das Lesen zur Qual machte. Sodann kann die Mitarbeit an der Ausgabe durch Niethammer und Roth verwirrend gewirkt haben: noch abgesehen von den Druckereikorrektoren arbeiteten drei Gelehrte an dieser Ausgabe!  269 Zu Anfang des April scheint der größte Teil der Arbeit am ersten Band der Werkausgabe so gut wie abgeschlossen zu sein, denn J. widmet sich bereits Reiseplänen und den nächsten Bänden der Ausgabe, wie sein Brief an Fries vom 2. April 1812 erhellt: Ich gehe damit um, eine Reise nach Heidelberg zu machen, und zwar so, daß ich zu Ende des Mai bei Ihnen zu sein hoffe. Ich werde Sie dann um allerlei Rath für die Herausgabe meiner Werke zu bitten haben. Der erste Theil erscheint zur Ostermesse. Er enthält den Allwill, die zufälligen Ergießungen eines Denkers, ziemlich umgearbeitet und mit einem noch ungedruckten Briefe vermehrt; dann noch Briefe an Verschiedene. Der zweite soll das Werk über die Lehre des Spinoza und Jacobi wider Mendelssohn’s Beschuldigung enthalten. Der dritte das Gespräch über Idealismus und Realismus, das Sendschreiben an Fichte und mancherlei noch ungedrucktes. Wegen des Gespräches über Idealismus und Realismus bin ich sehr verlegen, wie ich es damit halten und wie ich es bevorreden soll. Diese Schrift ist besonders wichtig wegen der Wirkung, die sie gehabt hat. Sie hat Fichte und Schelling die Eier gelegt, die sie nachher ausgebrütet haben.  270 Goethe stellte er den ersten Band bereits Mitte April 1812 in Aussicht: Nächstens wirst du wieder etwas von mir erhalten, den ersten Band meiner Werke. Er wird dir den alten, » s o t r e ue n F r e u n d « noch lebhafter vergegenwärtigen, als die Schrift von den göttlichen Dingen.  271 Tatsächlich ausgeliefert wurde der Band dann aber erst in der zweiten Maihälfte. An Bouterwek schrieb J. am 23. Mai 1812: Ungefähr zugleich mit diesem Briefe werden Sie den ersten Theil meiner Werke, von Leipzig aus, erhalten. Da Sie das Mehrste von dem, was er enthält, schon kennen: so darf ich Ihnen 268  Siehe den Abschnitt Überlieferung zu D . – Die falsche Reihenfolge der Ein5 gangsseiten des Bandes kommentierte auch der Rezensent in den Göttingischen gelehrten Anzeigen (159. St.: 3. Oktober 1812, 1592): Eine Verwirrung ist beym Abdruck der ersten Bogen dieses Bandes dadurch entstanden, daß unmittelbar nach dem Titelblatte die Zueignung des Allwill an den verstorbenen Schlosser, hierauf die Inhaltsanzeige für den ganzen Band, dann Allwill’s Briefsammlung und das Uebrige folgt, was nicht zum Allwill gehört. 269 Terpstra 320. 270  Henke: Fries, 322 f. – Die hier geplante Reihenfolge der Schriften hat J. später geändert. 271  Brief vom 16. April 1812, Goethe – Jacobi, 252.



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kaum zumuthen, ihn vom Anfang bis zu Ende durchzulesen; und doch wünschte ich, daß Sie es thäten, und, nachdem Sie es gethan, mein Recensent würden.  272 Der Band enthält neben einer gegenüber der Fassung von 1792 nur wenig überarbeiteten  273 Ausgabe des Allwill auf den Seiten 1 bis 253 (die Zugabe hiervon auf den Seiten 227 bis 253) noch folgende Schriften: Zufällige Ergießung eines einsamen Denkers, Die feinste aller Haderkünste, eine Anekdote, und Swifts Betrachtungen über einen Besenstiel und wie sie entstanden ist. Hierauf folgen Briefe an Verschiedene, insgesamt XII., wovon die letzten acht aus dem Briefwechsel mit Johann Georg Hamann stammen. Hervorzuheben ist die Bedeutung mehrerer Briefe für den Allwill und für J.s Selbstverständnis als Schriftsteller. So enthält der III. Brief – ein Auszug aus einem Briefe von D. R. vom 10. Oct. 1781 – die Kritik von Johann Albert Heinrich Reimarus an J.s Allwill-Ausgabe in den Vermischten Schriften ( = D3).  274 Dieser Brief ist nur in dieser Druckfassung und somit auch nur als dieser Auszug überliefert. Hieran schließt sich J.s Antwort auf diese Kritik vom 23. Oct. 1781 an, in welcher J. den Allwill verteidigt – auch unter Verweis auf sein Verständnis der Aufgabe eines Schriftstellers.  275 Direkt hierauf folgt der erste Briefwechsel zwischen Johann Georg Hamann und J.: Hamanns Brief vom 12. August 1782, mit welchem er auf die Zusendung der Vermischten Schriften (D3) reagierte,  276 und J.s Antwort vom 16. Juni 1783, die neben der Antwort an Reimarus das wohl ausführlichste Dokument seines Selbstverständnisses als Autor bietet.  277 Beide Antwortbriefe enthalten wichtige Ausführungen auch zum Allwill.  278 Von Jean Pauls Reaktion auf den Band ist leider aus dieser Zeit nichts überliefert. In seinem Brief vom 6. Mai 1812 ist noch nicht von diesem, sondern nur von den Göttlichen Dingen und Schellings Schmähschrift die Rede.  279 Sein nächster Brief an J. vom 15. August 1812 handelt nur von seinen Anmerkungen zum David Hume.  280 J. hatte ihn kurz zuvor sehr nachdrücklich zu solchen Anmerkungen aufgefordert.  281 Dazwischen lag die erste persönliche Begegnung in   Jacobi: Briefe an Friedr. Bouterwek, 142–144.   Siehe den Variantenapparat sowie Schwartz: Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«, 58, der insbesondere hervorhebt: Außerdem ist 1812 ein Schwank über die Entstehung des nächtlichen Katzengeschreis aus Brief XIII entfernt worden. Siehe hierzu die Überlieferung zu D5. Eine rasche Orientierung über die bedeutenderen Veränderungen gewährt die englische Edition von George di Giovanni, die jeweils unter dem Text diese Änderungen vermerkt; siehe Jacobi: The Main Philosophical Writings and the Novel Allwill, 379 ff. 274  WW I.351 f. ( JBW I,2.350,8–24 ). 275  WW I.352–358 ( JBW I,2.355,16 –360,16 ). 276  WW I.359–362 ( JBW I,3.46,1 –47,14 ). 277  WW I.363–367 ( JBW I,3.161,28 –164,24 ). 278  Oben zitiert im Editorischen Bericht zu D . 3 279  Jean Paul: Sämtliche Werke. Bd  III,6.263 f. 280  Ib., 288 f.; vgl. JWA 2.452 f. 281  Siehe J. an Jean Paul, 10. August 1812, Jean Paul: Sämtliche Werke. Bd IV,6. 321. 272

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Nürnberg vom 2. bis zum 6. Juni 1812, bei welcher Gelegenheit man gewiß über den ersten Band der Werkausgabe und somit über den Allwill gesprochen haben wird – vielleicht sogar in jenem, im Brief vom 15. August erwähnten Wirthshaus in Erlangen.  282 Für die Übersendung eines Exemplars an Karl Leonhard Reinhold hatte J. offenbar auch gesorgt, denn Anfang August erkundigt er sich bei diesem: Den ersten Theil meiner Werke wirst Du erhalten haben; er enthält nur weniges, was Du nicht schon kennst.  283 Etwa zur selben Zeit äußert sich auch Georg Heinrich Ludwig Nicolovius zur neuen Ausgabe des Allwill: Ich danke Dir […] herzlich und täglich dafür. Der Allwill ist mir wie neu, und enthüllt mir mannichfaltigere Reize. Auch die Sprache erscheint mir ausgezeichnet schön und eigenthümlich, wirklich nicht wie das Werk Eines Mannes, sondern wie die charakteristischen Töne eines herrlichen, fast nur in und mit einander lebenden Kreises. Welche Denkmäler einer schönen Zeit, die dahin ist, stehen überdem für mich fast auf jeder Seite!  284 Mitte September nimmt J. in einem Brief an Christian Weiß über den Gottesbegriff in doppelter Weise auf den XV. Brief des Allwill Bezug, indem er nämlich zunächst – neben anderen Werken – auf diesen ausdrücklich verweist und dann die dort verwendete Terminologie aufgreift: Auch mein Freund Fries, und Sie, mein Bester; Ihr beyde verweiset mich am Ende auf ein bloßes N i ch t - N i ch t s , das ich für das allein wahre e n s e n t iu m annehmen soll, bey Strafe ein Phantast, ein Bilderdiener, ein Abgötter u. s. w. zu heißen.  285 Friedrich Schlegel bedankt sich verspätet am 7. November 1812 für den ersten Band der Werke: Ich muß mich selbst anklagen, daß ich es so lange aufgeschoben habe, Ihnen für Ihren gütigen Brief und für den 1ten Theil der gesammelten Werke meinen warmen Dank zu sagen.  286 Und er fährt etwas später fort: Den ersten Theil der Werke habe ich mit vieler Freude empfangen.  287 Näherhin äußert er sich dann aber nicht zum Allwill, sondern zu J.s Briefwechsel mit Johann Georg Hamann, soweit er in dem Band bereits enthalten ist. Schließlich fügt er noch hinzu: Hr. v. Humboldt, der sich recht wohl befindet, und den ich oftmals sehe, hat den 1 ten Theil der Werke noch nicht erhalten. Er empfiehlt sich Ihrem freundschaftlichen Andenken.  288 Auch von Goethe scheint J. bis zum Ende des Jahres keine Resonanz auf den ersten Band der Werkausgabe erhalten zu haben, denn am 28. Dezember 1812

  Jean Paul: Sämtliche Werke Bd IV,6.426 (EB 70): Jean Paul, der vom 1. bis 28. Juni nach Nürnberg reiste, traf Jacobi dort vom 2. bis 6. Juni. – Vgl. die Nachschrift zum Brief vom 15. August. 283  Brief vom 4. August 1812, Zoeppritz II.91. 284  Nicolovius: Denkschrift Nicolovius, 202 f. 285  Brief vom 18. September 1812, Zoeppritz II.100 f. 286 Zoeppritz II.104. 287  Ib., 106. 288  Ib., 107. 282



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schrieb er ihm: Den 1sten Theil meiner Werke wirst du erhalten haben.  289 Dieser Brief ist insofern aufschlußreich, als er – gerade hinsichtlich der Arbeit an der Werkausgabe – einen Einblick in die Lebens- und Arbeitssituation J.s gewährt: Der im Jahre 1810 aus Nürnberg hierher versetzte OberfinanzRath von Roth hatte sich gleich damals wie ein Sohn mir angeschmiegt, und mir geholfen, den Verlust des heiteren, mir so werthen und ganz ergebenen Jakobs zu verschmerzen. Unsere Freundschaft wuchs seitdem mit jedem Tage. Jetzt schlug ich ihm vor, den durch Maxens Wegziehen in meinem Hause leer werdenden Raum mit seiner Frau und seinen zwey Kindern einzunehmen. Mit Freuden nahm er und nahm sein verstand- und gemüthvolles junges Weib das Anerbieten an; und so habe ich nun wieder Kinder und Kindeskinder bey mir und um mich.  290 Die kurze und sich als Anzeige verstehende Rezension in den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen (Göttingische gelehrte Anzeigen. 159. St.: 3. Oktober 1812, 1588–1592) – Verfasser ist vermutlich Friedrich Bouterwek, den J. um eine Besprechung gebeten hatte (s. o.) – beginnt mit einem Lob und einer allgemeinen Charakterisierung der Schriften J.s als solchen, die den Verstand um das Gefühl ergänzen und damit erst eine philosophische Erkenntnis ermöglichen, die über den bloßen und geistig begrenzten Lehrbuchcharakter hinausreicht (1588): Es gibt eine Art zu philosophiren, in welcher zugleich mit dem denkenden Kopfe der ganze Mensch erscheint. J. wird in diesem Genre der Philosophie eine hervorragende Rolle zugesprochen (1589): Dieses Talent nun, für die Wahrheit überhaupt zu begeistern, und das Interesse für die höchsten Gegenstände des Denkens in dem Gefühle aufzuregen, mit welchem das geistige Leben des Menschen anfängt, möchte noch wohl kein Schriftsteller in einem höheren Grade besessen haben, als derjenige, dessen Werke wir hier anzeigen. Der Rezensent unterscheidet dann zwey Classen der Verwirklichung jener Art von Philosophie, wobei die erstere in J.s philosophischen Schriften realisiert sei. Die zweyte Classe der Schriften des Verf. pf legt man den D e u t s che n Ro m a ne n beyzuordnen. Ihre äußere Aehnlichkeit mit dem Roman fällt in | die Augen. Aber man kann, unsers Erachtens, diesen Schriften nicht leichter Unrecht thun, als, wenn man ihren Werth nach der Theorie des Romans beurtheilen will. Wo der Hauptzweck der Darstellung ist, in bestimmter philosophischer Hinsicht das Innerste des Menschen zu entfalten, da möchte wohl die Form des Romans in der Ausführung immer hinter der Idee zurückbleiben; denn, wo das Allgemeine in der Darstellung vorherrscht, da wird das Individuelle kalt; und wo das Individuelle durch seine Lebenswärme das Interesse am meisten fesselt, da tritt das Allgemeine, und mit ihm die Philosophie, in Schatten zurück. Aber wenn denn nun auch die Romane des Verf., als Romane betrachtet, den Forderungen der Critik nicht Genüge thun, so ist doch in diesen Romanen ein wesentlicher Theil der Philosophie des Verf. enthalten. (1589 f.) Im Folgenden wird noch beiläufig erwähnt, daß besonders die Darstellungsart in  Goethe-Jacobi 258.   Ib., 257 f.

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den Romanen dieses Schriftstellers nicht [von Mängeln] frey gesprochen werden kann (1591). Demgegenüber wird die Bedeutung der Schriften J.s für die Entwicklung der Philosophie besonders hervorgehoben (1590): Noch in diesem Augenblicke wirken die Schriften des Verf. besonders mit, der Philosophie in Deutschland den characteristischen Umschwung zu geben, durch den sich seit ungefähr dreyßig Jahren [also seit dem Erscheinen der Erstausgabe der Kritik der reinen Vernunft im Jahre 1781] die philosophische Litteratur der Deutschen von der des Auslandes wesentlich unterscheidet. Eine eigentliche Besprechung der Inhalte dieses ersten Bandes der Werkausgabe findet ausdrücklich nicht statt. Der Rezensent bekennt nur allgemein, in den Gedanken des Verf. die Kraft und Fülle des wahren Genies, und in seinem Style, einige Züge abgerechnet, die schönste Energie und eine nicht selten classische Vollendung wahrzunehmen (1591). In den Heidelbergischen Jahrbüchern der Litteratur erschien 1813 (Nr. 50) auf den Seiten 785–799 eine sehr ausführliche Rezension zum ersten Band der Werkausgabe, in der die Besprechung des Allwill großen Raum einnimmt (786–795). Im Brief an Luise Gräfin Stolberg vom 2. September 1816 stellt J. anläßlich einer Rezension des dritten Bandes der Werkausgabe den Rezensenten vor: Dieser Rezensent heißt Mayer und ist bei dem Appellationsgericht in Frankfurt angestellt. In den Heidelberger Jahrbüchern unterzeichnet er sich J. M. O.  291 In demselben Brief lobt J. diese Rezension ausdrücklich: Treff lich mitunter, ja wohl größtentheils, hatte derselbe Mann schon über den 1ten Band meiner Werke in denselben Jahrbüchern geredet (1813, Nr. 50).  292 Die alles andere als oberflächliche Rezension ist ganz aus dem Gesichtspunkt eines positiven Christen geschrieben, der J.s Theologie als letztlich unbefriedigend verwirft. Er beginnt mit der Unterscheidung zweier Arten von Rezension: eine rationalistisch-moralistische, und eine christlich-religiöse und entscheidet sich explizit für letztere. An den Beginn seiner Ausführungen setzt er einige lobende und kritische Aussagen zu J. und zu dessen Anliegen und Weg allgemein, die bereits die Grundtendenz dieser Rezension enthalten. So heißt es etwa Seite 786 f.: Er [ J.] nimmt die ihm verliehene Kraft redender Kunst zu Hülfe, wie er sie an seinem eigenen warmen Herzen und tiefen Verstand, wie er sie an den besten Mustern ausgebildet hat, um seine Fürsprache für Tugend und Wahrheit, für das Daseyn eines Ewigen, Göttlichen, in mancherley reizenden Formen zu entwickeln. Er steht in einer praktischen Vernünftig­ keit, welche die unmoralische Sophistik aus den Winkeln hinausleuchtet, und in Hader mit dem Aberglauben lebt. Aber sie streift unter letzerm Namen auch ab, was ihr forthelfen könnte, und zieht sich furchtsam in sich selbst zurück. – Dieser Geist ist gleichsam das Kind der sogenannten Auf klärung, das die boshaften Schwächen seiner Mutter f lieht, und dem entfernten Vater, dem Glauben, nachreist, ohne ihn zu erreichen. Er hält sich endlich selbst für den Glauben und für die Erkenntniß, weil er 291

 Zoeppritz II.132.  Zoeppritz II.132.

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sich und sein Streben so gut fühlt, obgleich er sein Nichtwissen gesteht, und umringt sich gern mit den Denkern des griechischen Altertums, die ihn durch Form und verwandtes Begehren ansprechen, und schöpft aus ihrem Mund Göttersprüche. […] Er will bloß Reinmenschliches; | in diesem erblickt er den Spiegel des unendlichen Wesens, dessen einzige Offenbarung in seiner eigenen Brust seyn soll. Das Sittengesetz allein ist ihm Stimme Gottes, alles Andre nur damit übereintreffende, vorüberwankende Erscheinung, Gestaltung des Einen in der Vielheit; und er wähnt selber das Eine, Uebersinnliche zu ergreifen mit schrankenlosem Gemüth, indem er doch die edle Beschränktheit neben sich um ihren Frieden beneiden muß. Sich selbst stellt J., so der Rezensent weiter, sehr getreu in dieser Weise dar, und mit Blick schon auf den Allwill fährt er fort: Die Figuren, die er schafft, sind meistens von ihm abgeschattet; bey wenigen treten einzelne Züge dieses Characters als gut oder böse mit auffallender Stärke hervor. Sie alle aber, indem sie ihre Umgebungen mit einer Art von Vergötterung überschimmern, sind im Herzen, je edler und größer sie erscheinen, desto ärmer an Seligkeit. Rec. hat hier besonders die A l l w i l l i s ch e B r ie f s a m m lu n g im Auge, welche die größere Hälfte dieses ersten Bandes einnimmt. Am originellsten und gediegensten sind hier unter den Charakteren die, welche in leichten Umrissen vorübergehn, wie z. B. E r d i g und G ie r i g s t e i n ; die, welche für gewöhnlich handeln und schreiben, verschwimmen mehr in einander, und in den Character ihres Urhebers. Am gelungensten unter diesen ist bekanntlich der Held des fragmentarischen Briefromans E d u a r d A l l w i l l , dieser Günstling der Natur, der aus frühem Tugendsinn in die Stricke sophistischer Sinnlichkeit fällt, und die plastische Selbstschilderung seiner feinen Verworfenheit in seinem Brief an L u c ie , und Luciens hochweibliche Rettung der Tugend und Unschuld gegen eine | zweydeutige Moral des Genusses, Meisterstücke. Wir scheuen uns billig, ein Spätlingsurtheil über das Treff liche, das in diesen gepriesenen Stücken liegt, in die Welt zu schicken. Im übrigen umlagert, bey aller Lebendigkeit, jene Figuren ein gewisser Tod; und es ist nicht bloß die verwaiste Sy l l i , der kein Trost blühen will, sondern sie haschen sämmtlich nach Etwas, was ihnen der Verf. nicht wohl geben kann, weil es ihm selber fehlt. Die Täuschungen eines vergoldeten Alltagslebens machen den tragischen Grund des Ganzen nicht unsichtbar, der mehr oder minder hervortritt: die tiefe Bedürftigkeit des sich selbst überlassenen Menschenherzens. Der Rezensent mutmaßt im weiteren, daß J. nicht, wie er selbst vorgibt, Menschheit wie sie ist, vor Augen stellt, sondern vielmehr eine durch seine eigene Wahrnehmung, sein eigenes Denken und Fühlen geprägte und geformte Menschheit. Der Rezensent stellt die Probleme einer Tugendlehre und Moralphilosophie, die ohne einen geoffenbarten Gott auskommen will, sehr nachdrücklich und mit einem deutlich tragischen und trostlosen Zug dar (vor allem 789). Vor dem Hintergrund solcher Wertungen wendet sich der Rezensent den Figuren im Allwill und deren sozialem Miteinander zu: auch fällt es auf, daß J. in Zeichnung seiner Gesellschaftswelt oft so dicht bey dem Aechten vorbeystreift, ohne daß es ihn festhalten kann. Man darf nicht sagen, daß er damit in offenbarer

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Feindschaft steht; er möchte es sogar haben; die Gottseligkeit hat aber bey ihm einen andern Ton angenommen, der ihm hinderlich ist. Jene krankhafte Sentimentalität der spielenden Personen, die sich nach C l e r d o n s Rath (S. 15) zusammenraffen und Hülfe in sich selbst suchen soll, spannt sich dann vergeblich zu metaphysischen Speculationen in einer oft emporgetriebenen, dunkeln Sprache, und ist nicht erfreulich, wenn sie sich mit umständlichen Tändeleyen wie mit Blumenkleidern bewirft. Solche Menschen scheinen beständig zu fragen: Da ich ein Gott bin, warum bin ich nicht glücklich? Es folgt ein längerer Passus, in welchem hintereinander die Aussagen der Romanfiguren – Clerdon, Clärchen, Lenore und Sylli – zitiert werden, um das Ungenügen und Zwiespältige, letztlich Heillose, ihres Seelenweges zu demonstrieren. Bey aller Schnödigkeit, in die er geräth, ist die consequenteste, wahrste Figur immer Allwill, und macht das praktisch Ungenügende auf sich selbst ruhender Moral augenscheinlich. Nicht bloß daß er, der Mensch voller Leben und Liebe, im IX. Brief an Clemens von Wallberg sehr charakteristisch die Moral ins Angesicht schilt, und von einem todten Meer der Unbestimmtheit und Richtungslosigkeit redet; sondern seine Geschichte ist hier merkwürdig. Consequent nennen wir ihn, sofern das gemeinschaftliche System in ihm seinen Ausweg unterwärts nimmt, und das, wo nicht mit Recht, doch mit Entschuldigung, wenn man ihm den gebahnten Ausgang nach oben abschneidet. Der Weg einer Umkehr des reuigen Sünders, wofür die Bibel zahlreiche Beispiele bietet, scheint, so der Rezensent, dem Protagonisten von J. nicht zugedacht zu sein. Lucies Anklage der Flitterphilosophie, des Selbstbezugs, der Abweisung aller Form, pflichtet der Rezensent bei, weist jedoch das in Aussicht gestellte Gegenmittel zurück (792): Aber dies soll nun durch G r u n d s ä t z e gebessert werden, durch O b e r m a ch t d e s G e d a n ke n s ü b e r s i n n l iche Tr ie b e ; jedoch Grundsätze, worauf baust du sie? und jene Obermacht, wo kaufst du sie? Es gibt nur einen einzigen Weg, wo ihre Erwerbung sicher, und der kalte Grundsatz Leben und Liebe wird. Wo auch das Gemüth nie in Gefahr geräth, sich selber für den Grundsatz, für die Obermacht und für die Tugend zu halten. Ob diesen Weg der Vollkommenheit und Glückseligkeit unser Verf. einmal a­ nderwärts eröffnen wird, müssen wir in der Fortsetzung der Werke sehen. In der Folge wendet sich der Rezensent der Zugabe an Erhard O** zu. Seiner bisherigen Tendenz gemäß, wonach J.s Theologie immer unbefriedigend bleiben muß, weil sie sich die Quelle biblischer Offenbarung versagt, kontrastiert er die in die ›richtige‹ Richtung weisenden – etwa auf den göttlichen Urheber deutenden – Aussagen J.s in der Zugabe mit der gewissermaßen verarmten (und als verarmte nicht funktionierenden) Religion J.s (792 f., 793): Jacobis Gottheit aber ist ein ausgehobener Begriff aus der Schule der Offenbarung, und weil diesem Begriff Zubehör und Boden genommen wird, so verschwebt er wieder in das dunkle, unpersönliche T he io n , welchem in der Griechischen Philo­ sophie veredelte Untergötter des Mythus und | Dämonen zur herabreichenden Leiter dienen mußten. Diese Leiter ist bey J. rein entbildet und verf lößt; […]. Zugleich aber denkt [ J.] zu gründlich, um nicht zu finden,



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daß für unser Denkvermögen das Formlose keine volle Wesenheit hat, und wir Erklärungen brauchen, die nur auf dem Wege der Vorstellung oder Anschauung erlangt werden. Er glaubt aber auswählen zu dürfen, was ihm genug scheint. Gleichwohl ist von dieser Seite seine Philosophie nur einer geistreichen Klage ähnlich, und sein Leid vermehrt sich dadurch, daß er geliebte Menschen nicht in den Kreis seiner hohen, manchmal triumphirenden Ahndungen herüberziehen kann. So ergehe es ihm beispielsweise mit dem Adressaten seiner Zeilen, Erhard O**. Gegen die vernichtende Tendenz einer revolutionären Vernunft wolle J. gewisse Glaubensinhalte retten, bleibe jedoch bei der Formulierung eines Begehrens stehen, ohne gleichzeitig auch für Nahrung sorgen zu können. Wieder werden Passagen aus der Zugabe zitiert, denen der Rezensent als positiver Christ seine Zustimmung nicht versagen kann, um sogleich wieder das Unzureichende hervorzukehren (794 f.): Vortreff lich; aber diese Ahndung und dieser Glaube haben nicht, sondern sie wollen haben, und wenn sie sich selber die Befriedigung versagen, welche die ewige Liebe vermöge ihrer heiligen Natur ihnen reichen m u ß (denn wo ist ein Vater, der seinem Kind nicht Brod gäbe? Matth. 7, 9–11.), so begreifen wir den Starrsinn nicht, welcher mit Gewalt verschmachten will. [.|. .] Denn bloß die historische Offenbarung hat einen persönlichen, lebendigen, von keines Menschen Vernunft willkührlich gebildeten Gott, […]. Die menschliche Vernunft kann, so der Rezensent, nur zwei ungenügende Arten von Gottheiten hervorbringen: einen abstrakten (gedachten, aber nicht angeschauten) Gott und den Gott als Fetisch. Dem setzt er zum Abschluß seiner Allwill-Rezension (795) den geoffenbarten Gott der christlichen Religion entgegen. Auch in der Allgemeinen Literatur-Zeitung vom Januar 1816 (Nr. 20) findet sich in den Spalten 153 bis 157 der erste Teil einer Rezension des ersten Bandes der Werkausgabe J.s von 1812, der auch die Ausführungen zum Allwill enthält. Vorangestellt sind einige allgemeine Bemerkungen. Sie heben den hohen Wert der Schriften J.s in diesen Zeiten hervor, wobei die Charakteristik der Zeit – der Wiener Kongreß war gerade beendet – unverkennbar antifranzösische und restaurative Züge trägt. J. wird eine optimale Mittelposition zwischen den Extremen des blossen Räsonnirens, das als oberf lächlich[] charakterisiert wird, und der Phantasterey, des Aberglauben[s] und des Obscurantismus, dem krankhafte Züge eignen, angesiedelt (154): Wider eine solche Krankheit des Verstandes sind die vorliegenden Werke unsers Schriftstellers eben so gut, wie gegen das f lache Räsonniren gerichtet, […]. Auch in stilistischer Hinsicht werden die Werke J.s gelobt: Sie seien nicht nur Ausdruck einer Sorgfalt, sondern be­säßen zugleich etwas eigenthümlich Schönes und Gediegenes […], wodurch er den grössten Mustern unsrer Sprache sich anreiht. Die Besprechung des Allwill beginnt mit einigen allgemeinen Hinweisen, die sich größtenteils den Hinweisen J.s in der Vorrede verdanken, um dann den Hauptzweck des Werkes zu benennen (154 f.): Der Zweck liegt klar genug vor Augen, die Darstellung nämlich eines Charakters, ausgerüstet mit den herrlichsten Eigenschaften, voll Empfänglichkeit für den gesammten Kreis des Menschenlebens und seine Bedeutung, auch für alles Wahre, Gute und Schöne, aber ohne sittliche Harmonie, | und dadurch in sich selber zu Grunde gehend. Ein

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solcher Charakter hat grosse innere Wahrheit, es wird durch ihn allerdings die Menschheit, wie sie ist, vor Augen gestellt (Vorr. S. XIII.). Sodann hebt der Rezensent hervor, daß Allwill sowohl dichterisch als auch von philosophischer Bedeutung sei und greift in diesem Zusammenhang J.s eigene Formulierung auf (155): es sollte dieses Werk kein eigentlicher Roman dichterischer Phantasie, sondern mit Dichtung gleichsam nur umgeben seyn, […]. Der Rezensent lobt, daß auf diese Weise die Resultate der philosophischen Ref lexion gleichsam ins Leben übersetzt werden. Besonders gelungen sei dies in den beiden letzten Briefe[n] der Sammlung. Hervorgehoben wird schließlich noch der Brief an E r h a r d O** als Zugabe, der in grösserer philosophischer Allge­ meinheit die Grundüberzeugung des Vfs. [entwickelt], die unerschütterliche Wahrheit des Uebersinnlichen, als den Kern alles menschlichen Daseyns, […]. Die Besprechung des Allwill endet mit einem längeren Zitat aus dem XIX. Brief (Sylli an Amalia), in welchem die von Allwill repräsentierte Gattung von Menschen in allgemeiner Weise charakterisiert wird (siehe im edierten Text, oben 191,8–36 ): Zum einen wird hierin ein Zusammenhang hergestellt zwischen den herausragenden Kräften und Talenten eines Charakters und dessen Hang zu unmoralischem Verhalten (Gewaltthätigkeit, Unterdrückung). Zum anderen wird dieser Zusammenhang als Weg beschrieben, an dessen Ende steht: »[…] Der ganze Mensch, seinem sittlichen Theile nach, ist Po e s ie geworden; und es kann dahin mit ihm kommen, dass er alle Wahrheit verliert, und keine ehrliche Faser an ihm bleibt. Die Vollkommenheit dieses Zustandes ist ein eigentlicher My s t i c i s m u s d e r G e s e t z e s f e i n d s ch a f t , und ein Q u ie t i s m u s d e r Un s it t l ich ke it .« Im Jahr 1822 erschien im XIV. Band der Zeitschrift Hermes oder kritisches Jahrbuch der Literatur auf den Seiten 255 bis 339 eine weitläufige Besprechung der Werkausgabe J.s, die ausdrücklich keine Rezension sein wollte, sondern eine Würdigung der Leistung J.s für die deutsche Philosophie (257). Der Schwerpunkt dieser Würdigung liegt entsprechend auf den philosophischen Werken J.s; auf den Allwill wird in diesen Zusammenhängen ab und an verwiesen (z. B. 267, 285 f., 309 f., 326, 329–332; letztere stehen im Kontext der Besprechung der praktischen Philosophie J.s). Erwähnenswert ist die Würdigung | als K ü n s t l e r (333 f.), die ihren Ausgang von dem sehr harte[n] Urtheil Friedrich Schlegels nimmt: Es ist wahr, daß Jacobi nicht die Objectivität anderer genialischen Künstler, z. B. Göthe’s, besitzt; und auch, was Schlgel vom blosen »Nachbilden« sagt, mag in gewissem Maße seine Richtigkeit haben, da (wie Köppen in dem angeführten Aufsatze erzählt  293 ) die Personen des Allwill und Woldemar in Jacobi’s Umgebung sich wirklich größtentheils wiederfinden ließen. Aber s o e n g , wie Schlegel, möchten wir doch Jacobi’s Talent auf keine Weise einschränken. In Woldemar tritt vielleicht der Zweck der D a r s t e l lu n g in vielen Stellen hinter den ph i l o s o ph i s ch e n zurück,   Siehe Friedrich Köppen: Zehnter Brief: Erinnerungen an Friedrich Hein­ rich Jacobi. In Ders.: Vertraute Briefe über Bücher und Welt. Leipzig 1820. 367– 405. Ib. 387: Einer Sage gemäß waren die Personen im Allwill und Woldemar Jacobis wirkliche Umgebungen, […]. 293



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und Allwills Briefsammlung ist ihm in Bezug auf jenen weit vorzuziehen; aber in beiden, und besonders in der Letzteren finden sich doch so manche Charaktere meisterhaft geschildert, die von den in jenem Ur­theile bezeichneten kaum eine Aehnlichkeit an sich tragen. Und in der D a r s t e l lu n g aller, und besonders derer, welche Jacobi selbst in irgend einem Grundtone des Gemüthes gleichgestimmt sind, tritt auf das deutlichste das Gepräge der Meisterhand hervor, welche die eigenthümliche Größe des d a r s t e l l e n d e n Künstlers (nicht des e r f i n d e n d e n ) ausmacht. Mögen einige Situationen für seinen Pinsel zu schwer gewesen, und daher nur mit schwachen unvollkommenen Zügen mehr angedeutet als ausgeführt worden seyn (er stellte sich überall die schwierigsten Aufgaben): die meisten gewiß tragen keine Spur der ängstlichen Kleinbildnerei des blos nachahmenden Künstlers an sich. Wenige genialische Pinselstriche – und das Bild steht l e b e n d i g und – vo l l e n d e t vor unserer Seele; denn hat der Künstler, wie gesagt, nur Umrisse gegeben, so sind doch diese aus dem tiefsten und innersten Wesen des Darzustellenden gebildet und laden uns ein, ja drängen und z w i n g e n uns, das Mangelnde durch ein lebendiges Schaffen unserer e i g e n e n Einbildungskraft zu ersetzen. Und darin ist Jacobi unserm großen Meister der poetischen Darstellung ähnlich, steht ihm viellleicht von allen deutschen Schriftstellern am nächsten. Nicht in Bezug auf den Um f a n g seiner Darstellungen (denn dieser ist freilich sehr beschränkt), nicht in der e i g e n t hü m l ich d ich t e r i s che n (d. h. erfindenden, selbstschaffenden) Kraft (sie fehlt ihm vielmehr fast ganz, denn er zeichnet nur nach der Natur); aber was er nach der Natur wirklich | darzustellen unternimmt, das spiegelt auch in seiner Darstellung wieder a l s N a t u r sich ab, wird unter seinen Händen wieder l e b e n d i g und erhält dadurch den unnennbaren und durch nichts Anderes ersetzbaren Reiz der unendlichen Fülle, der Un e r s ch ö p f l ich ke it für das dichterische Gemüth und den philosophisch beobachtenden Geist, der uns immer wieder mit neuer Liebe und mit neuem Entzücken zu ihm zurückzieht. Jacobi war zwar unfähig ein vollendetes Kunstwerk zu schaffen (Allwill ist unvollendet, und Woldemar künstlerisch gewiß nichts weniger, als ein harmonisches Ganze), eben weil ihm der aus sich selbst bildende und umbildende Genius fehlte; aber sind auch seine Romane, als G a n z e betrachtet, ohne dichterisches Leben (vielleicht eben, weil sie aus seinem philosophischen Leben hervorgegangen), so erheben sie sich doch in der Schilderung einzelner Charaktere und Scenen zu einer begeisterten und begeisternden Höhe desselben. (334 f.; vgl. auch 336) Verwiesen sei abschließend noch auf J.s eigene Bezugnahme auf den Allwill in seiner Vorrede, zugleich Einleitung in des Verfassers sämmtliche philosophische Schriften, die er der Ausgabe des David Hume im zweiten Band seiner Werkausgabe, die 1815 erschien, ihn aber bereits kurz nach dem Erscheinen des ersten Bandes beschäftigte, voranstellte. Er führt dort seine Kritik an der Kantischen Transzendentalphilosophie aus und verweist in der zugehörigen Fußnote auf den Allwill: S. Th. I. den 15ten Brief in Allwills Sammlung, wo vielleicht anschaulicher und begreif licher, als sonst irgendwo in meinen Schriften,

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hervortritt, was mir die absolute Objectivität bedeute. Ich verweise besonders auf S. 134. 135.  294 Ob die Tatsache, daß J. bis zu seinem Tode Materialien zur Fortsetzung des Allwill aufbewahrte (mit der Verfügung allerdings, sie im Falle seines Todes zu verbrennen, was auch geschah), als Hinweis darauf gedeutet werden darf, daß J. bis zuletzt den Gedanken an eine Fortsetzung des Werkes nicht aufgegeben hatte,  295 muß letztlich fraglich bleiben. B.  Handschriften zur Zugabe. An Erhard O** (von Walter Jaeschke) H2h2 und h3 Über die Entstehungszeit und den zeitlichen Zusammenhang der beiden Manuskripte H2h2 und h3 liegen keine sekundären Nachrichten vor. Beide Manuskripte enthalten nahe Vorstufen zu D4; sie sind fraglos vor der Publikation von D4 niedergeschrieben worden, doch läßt sich nicht exakt bestimmen, mit welchem zeitlichen Abstand. Sehr wahrscheinlich sind sie nicht lange zuvor, sondern im Jahr 1791 oder in den unmittelbar vorausgehenden Monaten entstanden. Das zeitliche Verhältnis dieser beiden, über weite Strecken im Wortlaut identischen Manuskripte läßt sich nicht auf den ersten Blick erkennen. Einerseits liegt die Annahme nahe, daß h3 eine Abschrift von H2h2 sei; es wäre unplausibel anzunehmen, J. habe ein bereits in der Hand eines Abschreibers vorliegendes Manuskript nochmals niedergeschrieben – und zudem mit solchen Korrekturen, die in h3 bereits in den Text integriert sind. H2h2 wäre somit also eine frühere Stufe des Textes. Doch andererseits ist der Text von H2h2 mehrfach gegenüber h3 abgewandelt, zudem mit zwei erheblichen Erweiterungen, und sowohl durch diese Abänderungen einzelner Wörter oder Passagen als auch durch diese Erweiterungen steht der Text von H2h2 deutlich näher an D4D5 als an h3, so daß man H2h2 als eine spätere Entstehungsstufe des Textes ansehen muß. Dieser vermeintliche Widerspruch läßt sich durch die Annahme auflösen, daß in dem jetzt vorliegenden Manuskript H2h2 mehrere Entstehungsstufen zu unterscheiden sind, die sich aber zu zwei Hauptstufen zusammenfassen lassen. Wie oben bereits bemerkt, enthält H2 zahlreiche Passagen, in denen J. Text nicht allein gestrichen, sondern durch eine dicke spiralförmige Linie (nahezu) unleserbar gemacht hat. Diese Passagen lassen sich jedoch mit Hilfe von h3 weitgehend entziffern, und dies erlaubt es, das zeitliche Verhältnis von H2h2 zu h3 zu bestimmen: Die von J. unleserlich gemachten Passagen sind – soweit sich noch erkennen läßt – fast aus  WW II.37 ( JWA 2.391,38–41), vollständig zitiert in Anm. zu 157,2. Zu den von J. genannten Seiten siehe oben 168,15–24. 295  So Schwartz: Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«, 57: In der Tat hatte Jacobi die ernste Absicht, die Briefsammlung noch zu erweitern; er hat sich Briefe, die er dazu zu verwenden gedachte, zurückgelegt und bis an sein Lebensende auf bewahrt. Nach seinem Tode sind sie seiner eigenen Anweisung gemäß verbrannt worden (Auserles. Br. I, Einl. S. V). 294



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nahmslos identisch mit h3, während die Überarbeitungen, die J. an die Stelle des ursprünglichen Textes von H2 setzt, diejenigen Passagen sind, deren Wortlaut näher an D4 steht als h3. J. hat also zunächst H2 niedergeschrieben und – wie unten gezeigt werden wird – an einigen Stellen überarbeitet; in diesem Arbeitsgang ist auch h2 entstanden. Diese erste Fassung – sie sei H2h2 (I) genannt – hat der Abschrift h3 zugrunde gelegen. h2 enthält auf S. 7 sogar noch eine Fußnote, die nicht in h3 eingegangen ist. J. hat sie unleserlich gemacht und am unteren Rande durch eine ausführlichere Fußnote ersetzt, die sich auch in h3 findet.  296 Auch die erste Fassung von h2 ist somit älter als h3. Im Zuge der weiteren Arbeit an seiner Abhandlung hat J. – wie soeben gezeigt – zunächst übereinstimmende Korrekturen sowohl an H2 als an h3 vorgenommen – etwa die oben beschriebene,  297 inhaltlich übereinstimmende und auch formal analog gestaltete Einfügung der langen Fußnote zu Platons Philebus. Danach hat J. – zu einem nicht bekannten Zeitpunkt – h3 abschreiben lassen und diese Abschrift Ludwig Nicolovius mitgeteilt, der sie Anfang September 1791 bei seinem Besuch in Zürich Lavater auf dessen Bitte hin überlassen hat. Nicolovius bezeichnet sie im Brief an J. vom 16. Oktober 1791 als die alte Abschrift die ich noch aus Emkendorf hatte.  298 Wann er sie erhalten hat, ist nicht mehr zu rekonstruieren; da er jedoch mit der Reisegesellschaft des Grafen Stolberg bereits im Juni Holstein verlassen hat, muß er sie spätestens zu diesem Zeitpunkt in Händen gehabt haben.  299 J. hingegen hat die Arbeit an dieser Abhandlung fortgesetzt und eine neue, teils abgeänderte, teils erweiterte Fassung von H2 hergestellt, die hier als H2 (II) bezeichnet sei. Dies geht auch aus dem eben genannten Brief an Georg Joachim Göschen hervor; an ihn schreibt J. am 18. Mai, daß er das Ding fast durchaus neu bearbeitet habe.  300 Es läßt sich jedoch nicht mehr bestimmen, zu welchem Zeitpunkt J. die weiteren Überarbeitungen vorgenommen hat, durch die H2h2 (II) über den Wortlaut von h3 hinausgeht – wann etwa das oben beschriebene Blatt 9a–d mit der erheblichen Texterweiterung an die Stelle der ursprünglichen Seite 9 getreten und wann die Abschrift, die ebenfalls eine markante Erweiterung gegenüber h3 aufweist,  301 angefertigt worden ist. Bekannt ist nur, daß sich diese Überarbeitungen bis in den März 1792 hinziehen. Denn am 27. Februar 1792 schreibt J. an Johann Friedrich Kleuker: Hier, mein liebster Freund, der Aufsatz, wovon ich Ihnen schon einmahl vor einiger Zeit, ich weiß nicht mehr wann, und neulich   Siehe oben 225,43 –226,37: auf natürliche Gefühle … Täuschungen.   Siehe oben 299 f. 298  JBW I,9.103,15–25. – Vgl. zu diesen und den folgenden Ausführungen die Entstehungsgeschichte der Zugabe. An Erhard O**; siehe oben 303–307. 299  Nicolovius ist aber wohl nicht der Freund, von dem J. am 18. Mai 1791 Göschen mitteilt, daß er einen Aufsatz von mir in Händen hatte, u dem ich schrieb, er sollte ihn Boien fürs Museum schicken – denn Boie hat die Handschrift von diesem Freund erhalten; siehe JBW I,9.34,15–21. Es ist aber auch nicht auszuschließen, daß es sich bei dem Freund doch um Nicolovius handelt und Boie über ihn eine zusätzliche Abschrift – neben der an Lavater übergebenen – erhalten hat. 300  JBW I,9.34,23. 301  Siehe oben 227,16–31. 296 297

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wieder geschrieben habe. Er ist wirklich um die Zeit seines Datums geschrieben, aber nachher noch sehr, und ich fürchte fast zu viel bearbeitet worden. Lesen Sie ihn mit ganz unbefangenem Gemüth, und schreiben Sie sich den ersten Eindruck, den Sie davon empfangen, auf. Hernach prüfen Sie ihn kritisch, und theilen Sie mir sowohl Ihr erstes Urtheil, als Ihre nachherigen Anmerkungen mit. Ich wünschte, daß Sie sichs einen rechten Ernst mit dieser Durchsicht seyn ließen. Aber viel Zeit kann ich Ihnen dazu nicht geben. Der Drucker sitzt mir auf dem Halse, und Morgen über 8 Tage werde ich mit dem Manuscript, das ich noch für ihn habe, zu Ende seyn. Also wäre es mir lieb, wenn ich schon morgen über 8 Tage das Sendschreiben an Erhard O** mit Ihren Anmerkungen begleitet zurückerhalten könnte. Es werden denn doch noch ein paar Tage damit hingehen, daß ich die Verbesserungen, die Sie mir rathen werden, anbringe. Wenn es Ihnen aber nicht möglich ist, mit Ihrer Kritik so geschwinde fertig zu werden, so verschieben Sie die Zurücksendung noch einen Posttag, denn mir ist zu viel daran gelegen, daß dieser Aufsatz von Fehlern so sehr gereinigt werde, als es sich thun läßt, […]. Ganz nach J.s Wunsch sendet Kleuker ihm bereits am 3. März 1792 einen Auszug aus J.s Abhandlung und seine Vorschläge zur Überarbeitung – doch hat der Herausgeber seiner Briefe, Henning Ratjen, es für gut befunden, diese Materialien dem Druck von Kleukers Brief nicht beizugeben; seitdem sind sie verschollen. Daß J. von ihnen Gebrauch gemacht hat, geht aus seinem Dank an Kleuker vom 16. März 1792 hervor: Schon aus den drei Blättern von Erhard O**, die Sie hier erhalten, werden Sie sehen, daß ich ein Autor bin, der sich sagen und weisen läßt.  302 Da J. sicherlich nicht H2h2 (II), sondern eine Abschrift an Kleuker gesandt haben wird, werden Spuren seiner Änderungsund Ergänzungsvorschläge in den im Variantenapparat nachgewiesenen Partien zu finden sein, in denen D4 von H2h2 (II) abweicht. Verwiesen sei etwa auf den nicht in H2h2 (II) enthaltenen Satz: S a l o m o, ein Kö n i g und ein Weiser, sagt im P r e d i g e r, einem c a n o n i s che n Buche: »Es ist ein Unglück das ich sah unter der Sonne, nämlich Unverstand, d e r u n t e r d e n G e w a l t i g e n gemein i s t .   303 Das hier in den Grundlinien skizzierte Verhältnis der Manuskripte H2h2 und h3 zueinander sei noch an einigen Beispielen näher veranschaulicht. Einen ersten Hinweis gibt ein charakteristischer Abschreibefehler in dem der Zugabe vorangestellten Cicero-Zitat: Von den drei mit quem eingeleiteten Satzteilen in H2 ist in h3 der Passus quem dierum noctiumque vicissitudines, übersehen worden – ein Hinweis auf den sekundären Charakter von h3 gegenüber H2. Eine weitere Bearbeitungsform – die zeitgleiche Änderung von H2 und h3 durch J. – zeigt seine Revision von S. 9 der ursprünglichen Fassung H2 (I). In der Passage, in der J. diese übereinstimmende Korrektur vornimmt, stimmt der ursprüngliche, ( fast) unlesbar gemachte Text von H2 (I) – wie und soweit der Vergleich mit h3 erkennen läßt – mit h3 überein: Sinnesart, Geschmack, und jene unergründliche Energie, die sich als sinnliche und bedingte im Charakter dar  JBW I,9.252,5–6.   Siehe oben 227,29–31.

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stellt, und das Geheimniß der Freyheit u. (H2 (I): und) der Sklaverey e i ne s j e d e n enthält – das entscheidet. Diese Fassung hat J. sowohl in h3 als auch in H2 in seiner Handschrift am Rande mit Einfügungszeichen verändert zu: Sinnesart, Geschmack, und jene wunderbare innerliche B i l d u n g s k r a f t , jene unergründliche Energie, die, a l l e i n t h ä t i g , ihren Gegenstand bestimmt, ergreift, festhält, u. (H2 (I): und) (Fortsetzung nach der ursprünglichen Fassung von h3: das Geheimniß der Freyheit u. (H2 (I): und) der Sklaverey e i n e s j e d e n (in h3 über der Zeile: i n s b e s o n d e r e ausmacht – in H2 (I) über der Zeile: ins besondre ausmacht) das entscheidet. (Die Schreibweise der einzelnen Wörter von H2 ist wegen der Tilgung nicht mehr stets mit Sicherheit zu erkennen.) J. hat also diese in beiden Manuskripten gleichlautende Veränderung zu einem Zeitpunkt vorgenommen, als die Abschrift h3 bereits hergestellt, aber noch in seiner Hand gewesen ist. Die Druckfassung D4 lautet hier nochmals leicht unterschiedlich: Was die e i g e ne Sinnesart … das entscheidet.  304 Ein zu dem eben beschriebenen Verhältnis von h3 und H2 (I) analoges Verhältnis zeigt sich in den Schlußpartien beider Manuskripte. Nach Gabe der Weißa­ gung!  305 (S. 12) fügt J. in h3 einen Asterisken mit Klammer als Fußnotenzeichen ein und notiert am unteren Rande, unterhalb des Zeilenspiegels, als Fußnote: Plato nennt es u. s. w. Diese Fußnote führt J. auf einem eingelegten, nicht paginierten Blatt aus: Unter der Überschrift Note zu S. 12 (in eine geschweifte Klammer eingefaßt) sowie nach der Wiederholung der Bezugsworte – Gabe der Weißagung *) und einem, über die ganze Zeilenbreite gezogenen Abgrenzungsstrich folgt die Fußnote: *) Plato nennt es, […] s. den Philebus.  306 – In H2 notiert er auf S. 12 unten auf die gleiche Weise die Einfügung der Fußnote und führt diese Fußnote ebenfalls auf einem eingelegten, nicht paginierten Blatt aus. h3 ist somit nicht eine bloße Abschrift von H2 (I); vielmehr hat es eine Arbeitsphase gegeben, in der J. die beiden ihm vorliegenden, übereinstimmenden Fassungen, sowohl H2 (I) als auch h3, nochmals in übereinstimmender Weise überarbeitet hat. Nach der Übersendung von h3 an Nicolovius hat J. jedoch weitere Änderungen an H2 (I) vorgenommen. In den meisten Fällen hat er mit h3 identischen Text von H2 (I) unleserlich gemacht und durch neuen Text ersetzt, den er später D4 zugrunde gelegt hat. So hat er etwa an die Stelle des in h3 und H2 (I) gleichlautenden Satzes: Das Ich , das wir Seele nennen, ist selbst nur Erscheinung, doch eine Erscheinung, näher dem Wesen. in H2 (II) – teils über der Zeile, teils am unteren und am seitlichen Rande – die Sätze gesetzt: Alles prägen wir nach unserem Bilde, und dies Bild ist eine wechselnde Gestalt; jenes Ich, das wir unser S e l b s t nennen, eine zweydeutige Geburt aus Allem und aus Nichts: die e i g e n e Seele nur Erscheinung … D o ch e i n e d e m We s e n n ä h e r ko m m e n d e E r s ch e i nu n g !   307 Diese Fassung von H2 (II) stimmt nahezu vollständig mit D4 überein.

  Siehe oben 228,20 –229,5.   Siehe oben 234,37–41. 306  Siehe oben 234,20 –235,26 . 307  Siehe oben 223 f., Variantenapparat zu 223,23 –224,3, 223,23 und 224,2–3. 304 305

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Der wichtigste Eingriff dieser Art findet sich H2 S. 9: Sie beginnt ursprünglich mit den Wörtern unendliche Raum, und sie endet mit den Wörtern der Tod.  308 Diese gesamte Seite hat J. – wie oben beschrieben – unlesbar gemacht und statt dessen das nicht in die Paginierung einbezogene Doppelblatt [9a–d] eingefügt. Zu Beginn dieses Doppelblattes, auf den Seiten [9a] und [9b] oben hat er zunächst den in H2 (I) unlesbar gemachten Text in gering fügiger Variation wiederholt, doch im Anschluß daran, etwa von der Mitte der S. [9b] bis zum Ende auf S. [9d], hat er den Text bedeutend erweitert durch die Einfügung der Passage Uebrigens, da […] abdrücken konnte.  309 Ein analoges Verhältnis zeigt sich bei allen anderen Überarbeitungen. Durch diese Veränderungen ist die neue, erweiterte, oben im Variantenapparat rekonstruierte Fassung H2 (II) entstanden, die sich markant von h3 unterscheidet. Diese Fassung H2 (II) hat J. – mit nochmals kleineren Varianten, die ebenfalls oben im Variantenapparat verzeichnet sind – der Druckfassung D4 zugrunde gelegt.

  Siehe oben 228,14 –229,20 ; vgl. den Textkritischen Apparat zu 232,3.   Siehe oben 229,21 –232,3.

308 309

KOMMENTAR

EDUARD ALLWILLS PAPIERE 3,2–7  Wie viel Nebel … Handschrift. ] In D3 ist Göthe als Verfasser genannt; siehe oben 3,18. Johann Wolfgang Goethe: Dritte Wallfahrt nach Erwins Grabe im Juli 1775. WA I,37.323. Es handelt sich um den Erstdruck dieser Zeilen. J. zitiert, wie er selbst angibt, aus der ihm vorliegenden Handschrift. Siehe WA I,38.407 und JBW I,2.24,23. Siehe zum Erstdruck des gesamten Textes: Neuer Versuch über die Schauspielkunst. Aus dem Französischen [LouisSébastien Mercier, Du theatre ou nouvel essai sur l’art dramatique 1773, 1775 von Heinrich Leopold Wagner verdeutscht]. Mit einem Anhang aus Goethes Brieftasche. Leipzig 1776. 483–508 [ = Anhang aus Goethes Brieftasche]. Ib., 496–499, Zitat 497. – J. hatte die Handschrift Anfang August 1775 von Goethe erhalten; siehe J. an Goethe, 12. August 1775, JBW I,2.24,23–28 : Ich habe die Wallfart und das Lied; u. nie fühlte ich deinen Geist dem meinigen näher; diese Blätter sind mir E r f ü l lu n g u. Verheissung; Lohn des Glaubens, u. mächtige Stärkung in ihm – Herrlich daß mann aus so weiter Entfernung einander so wahrhaftig erscheinen kann, daß die Gegenwart inniger ist, als es Tausendmal die leibhaftige war. Wie ich Dich an mein Herz Drüke, lieber Unsichtbarer! 3,8 –7,17  Vorbericht. … F. ] Der Vorbericht folgt stark dem Duktus der Vorrede (Preface) Rousseaus zu seinem 1761 erstmals erschienenen Briefroman Julie ou La Nouvelle Heloise. Siehe J[ean] J[acques] Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloise. Lettres de deux Amans, Habitans d’une petite Ville au pied des Alpes. Recueillies et publiées par […] / Troisieme édition originale, revue & corrigée par l’Editeur. Tome premier. Amsterdam 1769 (Oeuvres de J. J. Rousseau. Tome Quatrieme. Amsterdam 1769.) Unpaginiert. 3,9–10  die fünf ersten … erschienen.] Eduard Allwills Papiere. In Iris. 1775, Bd 4, St. 3: September, [193]–236. Dieser Erstdruck endet mit der Beylage zu Clerdons Briefe. Eduard an Clerdon; siehe oben 22–26. – Die Frauenzeitschrift Iris wurde von J.s älterem Bruder Johann Georg herausgegeben. Redakteur war der Dichter Wilhelm Heinse, der zeitweise in J.s Haushalt lebte. Die ersten vier Bände der Zeitschrift sowie Nachdrucke dieser Bände erschienen in Düsseldorf (1: 1774; 2–4: 1775; Nachdrucke: 1775), die letzten vier Bände 1776 bei Haude und Spener in Berlin. 3,10  Besitzer dieser Sammlung] Es handelt sich um eine für die Brief­ romane der Zeit typische Herausgeberfiktion. Schon die Briefromane Samuel Richardsons – Pamela, or Virtue Rewarded (1740), Clarissa, or the History of a Young Lady (1748) und The History of Sir Charles Grandison (1753/54) – bedienten sich dieser Herausgeberfiktion. Siehe zudem das Vorwort Rousseaus zu

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seinem Briefroman La Nouvelle Héloïse; siehe Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloïse (1769). Zweiter Absatz der unpaginierten Preface: Quoique je ne porte ici que le titre d’Editeur, j’ai travaillé moi-même à ce livre, & je ne m’en cache pas. Ai-je fait le tout, & la correspondance entiere estelle une fiction? Gens du monde, que vous importe? C’est sûrement une fiction pour vous. (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.5.) – Dt.: [ Jean Jacques] Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden, aus einer kleinen Stadt am Fusse der Alpen; gesammelt und herausgegeben durch Johann Jacob Rousseau. […] Aus dem Französischen übersetzt [von Johann Gottfried Gellius]. 5 Bde. Leipzig 1761. Teil I. (im zweiten Absatz der unpaginierten Vorrede): Ob ich gleich hier bloß den Namen eines Herausgebers führe, so habe ich doch selbst mit an dem Buche gearbeitet, und mache daraus kein Geheimniß. Habe ich es darum ganz verfertigt, und ist der ganze Briefwechsel erdichtet? Weltleute, was liegt euch daran? Für euch ist er gewiß Erdichtung. – Vgl. auch [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), [3] (Erster Teil, [Vorwort]): Was ich von der Geschichte des armen Werthers nur habe auffinden können, habe ich mit Fleiß gesammlet, und leg es euch hier vor, und weis, daß ihr mir’s danken werdet. 3,17  W.] Christoph Martin Wieland, Herausgeber der Zeitschrift Der Teutsche Merkur und Verfasser dieser Fußnote. 4, 3–4  Journal fürs Frauenzimmer.] Gemeint ist die Zeitschrift Iris; siehe Anm. zu 3,9–10. 4,28–36  Mit den philosophischen … waren.] Siehe (im Kontext einer Rechtfertigung seines Allwill gegen die von dem Adressaten geäußerte, nur in Teilen überlieferte Kritik an dem Roman) J. an Johann Albert Heinrich Reimarus, 23. Oktober 1781, JBW I,2.356,37 –357,4 : Dann aber, was kann ihm [dem Menschen] förderlicher seyn, als den ganzen Inhalt seiner Natur, so klar, so vollständig, so unverstellt als möglich vor Augen zu haben. Lehrreiche Fabeln mögen gut seyn; aber reine Geschichte, wenn sich dieselbe gleich nicht der Moral wegen zugetragen hat, behauptet dennoch ihren höheren Wert. Und im selben Brief 358,20–34 : Derjenige ist in meinen Augen allein der gefährliche Schriftsteller, der seinen Leser um den wahren Werth der Dinge betrügt: d e r ph i l o s o ph i s che o d e r m o r a l i s che Mü n z e r.  / Ganz dichte an ihm, steht, nach meinem Ur­theil, der moralische A l che m i s t , der mich vieleicht im ganzen Ernste reich machen will, aber nichts desto weniger, wenn ihm mein Enthusiasmus aushält, mein ganzes Vermögen in Rauch verwandeln, mich zuverläßig noch ärmer machen wird, als der falsche Münzer. / Für unverwerf lich aber halte ich denjenigen – für der unschuldigsten einen, wenn er gleich nicht der nützlichste heißen kann – der mir jedes Ding in seiner eigenen wahren Gestalt; jede menschliche Kraft in ihrem w a h r e n w ü r k l iche n M a a ß e zu zeigen bemüht ist; ohne erbaulicher seyn zu wollen, als es die ganze liebe Schöpfung selber ist: der treue Naturforscher; der unbefangene Seher. In diesem Sinne auch J. an Johann Georg Hamann, 16. Juni 1783, JBW I,3.163,24 –163,28 : Ich glaubte, und ich glaube noch, daß ein Gedicht nicht moralischer zu seyn braucht, als die Geschichte im eigentlichen Verstande; nicht erbaulicher,



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als die würkliche Natur. Daß ich kein falscher Münzer gewesen bin, das weiß ich; und gewiß habe ich den moralischen Allchimisten nicht spielen wollen. – Siehe auch die Formulierung in der Vorrede von 1792, oben 89,34–36. 4, 39  In der Allg. d. Bibl. Th. 26. S. 343.] [ J. K. A. Musäus:] Rezension zu [C. F. Blanckenburg:] Versuch über den Roman. In Allgemeine Deutsche Bibliothek. 1775. Bd 26, 342–351. Ib., 343: So geringfügig auch manchem die Unternehnehmung [!] des V. vorkommen möchte, eine Theorie über den Roman zu schreiben, da diese Gattung von Schriften immer noch eher zu den Auswüchsen der Litteratur als zu den wahren Produkten derselben pf leget gezählet zu werden: […] Der Verfasser der Rezension ist aus der Sigle Ilr erschlossen, die Mu s a e u s in Weimar benutzte; siehe Parthey: Die Mitarbeiter an Friedrich Nicolai’s Allgemeiner Deutscher Bibliothek. 42. 6,24–26  Der sonderbare Gemüths-Zustand … erscheint] Siehe oben 8,4–11 mit Anm. zu 8,7. 6, 30–31  Amalia, deren gleich … gedacht wird] Siehe oben 11,30. 7,10–14  Worte aus Lavater … unzähligen.«] Johann Caspar Lavater: Sämtliche kleinere Prosaische Schriften vom Jahr 1763–1783. 3 Bde. Winterthur 1784–85. Bd III.230: 20. / Wer Alles seh[e]n will, sieht nichts; Wer Alles thun will, thut nichts; Wer mit Allen redet, redet mit Keinem – Rede mit Einem allein und du redest mit Unzähligen. Lavater ließ den (von ihm gekürzten oder von J. ergänzten) Text erstmals in dieser Ausgabe aus dem Jahre 1785 drucken. Er datiert aber danach aus dem Februar [1774]. Der Passus ist Teil des Manuskripts für Freunde (219–250), das unterzeichnet ist Schriebs zu Zürich / den 18ten September 1774. Der diesem übergeordnete Abschnitt lautet: Zweyter Abschnitt. Vermischte Schreiben, Auszüge und Fragmente von Briefen, die theils mit, theils ohne Wissen des Verfassers gedruckt worden (217). Zum Manuskript für Freunde heißt es erläuternd (220): Diese Schreiben waren erst Monatsweise als Manuskript an eine Menge Freunde gesandt – nachher ohne Wissen und gegen die Absicht des Verfassers publiziert – und mit der gewöhnlichen Manier von dem rohern – mit vieler Freude und Liebe von dem edlern Theile des Publikums aufgenommen wor|den. […] / Küßnach den 24. Brachmonats 1785. – Demnach ist davon auszugehen, daß J. diese Textpassage jenen Manuskripten an […] Freunde entnommen und ohne Wissen des Autors erstmals in D2 veröffentlicht hat. Neben einer postalischen Übersendung Lavaters an J. wäre es auch denkbar, daß J. die zitierte Passage direkt von Lavater erhalten hat, als dieser – gemeinsam mit Goethe – im Sommer 1774 (Wuppertal-) Elberfeld und Düsseldorf besuchte; siehe JBW II,1, Anm. zu 242,24 (zur Begegnung zwischen J. und Lavater, ib., 220 f.). Auch ein Transfer über die pietistischen Kreise in Mülheim (an der Ruhr) und Elberfeld, mit denen sowohl J. als auch Lavater in Kontakt standen (Hasencamp, Jung-Stilling, Caspari), wäre denkbar. Aus der Zeit vor D2 ist nur ein Brief Johann Caspar Lavaters an J. vom 2. September 1774 bekannt und überliefert, der aber keinen Aufschluß gibt; siehe JBW I,1.257. 7,14–15  in Schaftesbury etwas … gelesen] Konnte nicht nachgewiesen werden. Vgl. aber Schanze: Jacobis Roman »Eduard Allwills Papiere«, 327 f.: Mit scheinbarer Sorglosigkeit (»ich glaube in Shaftesbury etwas ähnliches

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gelesen zu haben«) wird die Tradition dieser Symboltheorie nachgewiesen: Shaftesbury’s »Moral grace«, »sittliche Grazie« ist das Zauberwort, in dem sich individuelle Erfahrung (»Erlebnis«) und allgemeine Bedeutung »lebendig« verbinden. 8,7  Milzsucht] Milzsucht ist ein Synonym für Hypochondrie, die als Modekrankheit der Aufklärungszeit bezeichnet werden kann. Zu ihren hauptsächlichen Symptomen gehörten schwermütige Gemütszustände sowie Probleme des Verdauungsapparates. Darüber hinaus wurden ihr unzählige andere Symptome zugeschrieben. – Die Hypochondrie oder Milzsucht war in der Antike noch Teil der Melancholie, worauf auch die Etymologie verweist: Innerhalb der Humoral­ patho­logie galt die Milz als Produktionsstätte der schwarzen Galle (melaina chole, μέλαινα χολή), und die Milz liegt unter dem Brustknorpel (hypo chondros, ὑπό χόνδρος). Auch das englische Wort spleen hat hier seinen Ursprung, da es sich aus dem griechischen Ausdruck für Milz (σπλήνα) herleitet. – J. hat die zeit­genössischen Diskussionen um Hypochondrie und Milzsucht, vapours und vapeurs intensiv rezipiert; siehe J. an Marc Michel Rey, 28. August 1767, JBW I,1.41,1–7. Siehe auch seine Selbstbekenntnisse zu Hypochondrie ( J. an Philipp Erasmus Reich, 12. März 1771, JBW I,4.318,10 f.) und Milzsucht ( J. an Johann Wolfgang ­G oethe, 6. November 1774, JBW I,1.268,24 ). – Siehe auch Anm. zu 12,14. 9,7 aufjug] eigentlich: aufiug. aufjagte, so auch D5. Siehe Dt. Wb. 10.2213 (Jagen). – Die durch D2 und D3 überlieferte Variante auffieng legt sich von der Bedeutung her nicht nahe, und ohnehin kehrt J.s Neuausgabe des Allwill von 1792 (D4 ) zu aufjug zurück; siehe oben 98,7. 9,11  um Trost bange] Siehe Jesaja 38,17. 9,20–27  Ich sehe die … wieder ] Shakespeare: Macbeth. IV,1. Siehe Shakespear Theatralische Werke. Aus dem Englischen übersezt von Herrn Wieland. Bd VI. Zürich 1765 ( JBW II,1.298). Darin 167–303: Das Trauer­ spiel, vom Macbeth. Ib., 250: V ie r t e r A u f z u g .  / E r s t e S c e n e .  / [Regie­anwei­sung:] (Eine finstre Höle; in deren Mitte ein grosser Kessel über einem Feuer steht.) / Donner und Blize. Die drey Hexen treten auf, und ermuntern sich zu ihrem Vorhaben; alsdann gehen sie unter einem seltsamen Zauber-Spruch rund um den Kessel herum, und werfen die mancherley Ingredienzen zu ihrer Bezauberung, (z. ex. Frosch-Zehen, Otter-Zungen, Eidexen-Beine, Fledermaus-Haar, Wolfs-Zahn, Schierlings-Wurzeln, Ziegen-Galle, die Leber von einem Juden, die Nase von einem Türken, und die Lippe von einem Tartar u. s. w.) in den Kessel; nachdem alles genug gekocht hat, wird das D e c o c t u m mit eines Säuglings Blut abgekühlt, und das Zauberwerk ist fertig. Hierauf erscheint Hecate mit drey andern Hexen, giebt ihren Beyfall zu dem was gemacht worden, und befiehlt ihnen, einen Tanz und Gesang um den Kessel anzufangen; dieses geschieht mit Musik, und hierauf erscheint in der / Zwe y t e n S c e ne  / Macbeth. / […] In dieser Szene (250–258) treten nun nacheinander drei Erscheinungen hervor: 1. Eine Erscheinung von einem bewafneten Haupt steigt aus dem Boden empor – begleitet von [Regieanweisung:] (Donner und Bliz.) (Ib., 252.) 2. Eine Erscheinung von einem blutigen Kinde steigt empor – ebenfalls von [Regieanweisung:] (Donner.) begleitet. (Ib., 253.) 3. Die



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Erscheinung von einem gekrönten Kinde; mit einem Baum in der Hand, steigt empor – auch diese von [Regieanweisung:] (Donner.) begleitet. (Ib., 253.) Danach versinkt der Kessel. M a cb e t h .  / Ich will befriedigt seyn. Versagt ihr mir’s, so fall’ ein | ewiger Fluch auf euch! Laßt michs wissen. Warum sinkt der Kessel? und was für ein Getön ist das? / [Regieanweisung:] (Man hört einen Marsch von Hautbois.) / 1. He xe. / Erscheint! / 2 . He xe. / Erscheint! / 3.   He xe . / Erscheint! / A l l e .  / Erscheint vor ihm, und härmt sein Herz! / Kommt wie Schatten, und verschwindet wieder. / Acht Könige, von Banquo geführt, erscheinen einer nach dem andern, und gehen langsam bey Macbeth vorbey; der lezte hält einen Spiegel in der Hand. (Ib., 254 f.) Der Auftritt der Hexen endet gemäß der Regieanweisung mit: ( Mu s i k . Die He xe n machen einen Tanz und verschwinden.) (Ib., 256.) (William Shakespeare: Das Trauerspiel, vom Macbeth. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Zürich 1993 ( William Shakespeare: Theatralische Werke in 21 Einzelbänden. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Hg. von Hans und Johanna Radspieler; Bd 15). 76–81.) 9, 30–33  Man sieht leicht … Der Herausgeber. ] Diese Fußnote in D1 stammt vermutlich – wie auch die spätere, oben 24,33–36 – von dem Herausgeber der Iris, Johann Georg Jacobi. Hierfür spricht auch, daß beide in D2 nicht mehr aufgenommen wurden. 10,1–3  Und dazu dann … Lustbarkeit!] Dieser Passus legt nahe, daß J. sich auf eine konkrete Aufführung bezieht, die er besucht hat. Siehe hierzu »Im Allgemeinen und denkwürdig in historischer Beziehung«. Georg Arnold Jacobis Lebenszeugnisse fortgesetzt und um eigene Erinnerungen ergänzt von Victor Friedrich Leopold Jacobi. Bearbeitet von Cornelia Ilbrig. Düsseldorf 2010 (Veröffentlichungen des Heinrich-Heine-Instituts. Herausgegeben von Sabine Brenner-Wilczek). 24: Zweimal wöchentlich war uns in dem Winter der Besuch des Schauspiels gestattet, dieses war in jener Zeit als die Gestalt des deutschen Dramas und Singspiels einfacher war, das Publikum sich noch öfter Wiederholungen aus den beschränkten Repertorien gefallen lassen mußte und mit ungemindertem Zulauf gefallen ließ, und dem Schau­ spieler daher mehr Frist für seine Studien gelassen war; auch in kleinern Städten war daher das Theater häufig besser, als es jetzt fast überall erscheint […] Siehe auch Frank Vogl: Düsseldorfer Theater vor Immermann. In Düsseldorfer Jahrbuch 36 (1930/31), 1–180. Ib., 24 ff. 10,4–9  Doch so abentheuerlich … Gespenst?] Siehe dasselbe Motiv in [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 125 (Zweiter Teil, Werther an Lotte, 20. Januar 1772): Wenn Sie mich sähen meine Beste, in dem Schwall von Zerstreuung! Wie ausgetroknet meine Sinnen werden, nicht Einen Augenblik der Fülle des Herzens, nicht Eine selige thränenreiche Stunde. Nichts! Nichts! Ich stehe wie vor einem Raritätenkasten, und sehe die Männgen und Gäulgen vor mir herumrükken, und frage mich oft, ob’s nicht optischer Betrug ist. Ich spiele mit, vielmehr, ich werde gespielt wie eine Marionette, und fasse manchmal meinen Nachbar an der hölzernen Hand und schaudere zurük. (WA I,19.96 f.) – Zur Aufnahme des Werther im Jacobi-Kreis siehe J. an Goethe, 21. Oktober 1774, JBW I,1.­263–266.

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10,14–15  das Zimmer gegen … hat.] Dies entspricht der Aussicht aus J.s Arbeitszimmer in dem Haus am Flinger Tor (Neustr. 16); siehe [ Johann Georg Jacobi:] An **. In Iris. 1776. Bd 6, St. 2, 360–366. Ib., 360: Diesen Augenblick sitz’ ich in dem Hause meines Bruders, in seinem Cabinette von Kupferstichen. Das Zimmer geht auf den mit Linden besetzten Wall, über dessen Brustwehr ich weit hinausseh’, in die Spatziergänge vor die Stadt, auf die rings herum zerstreuten Landhäuser, und weiter auf die Berge, deren Buschwerk, mit seinem falben und falberen Grau, nachdem ein dichteres oder dünneres Wölkchen vor die Sonne zieht, in derselben sich verändert. Siehe auch Georg Arnold Jacobi: Lebenszeugnisse, 21: […], und ein gemiethetes Haus an dem, nach Pempelfort ausgehenden Flinger-Thor bezogen, welches vorn und auf einer Seite nach der Straße und hinten mit dem ersten Stock auf den Stadtwall ausgehend, nach allen [Seiten] eine lichte Lage hatte; an der Wallseite aber über die Festungswerke und die diese gegen Morgen umkränzenden Gärten und Lustanlagen hinaus in die überall bebaute Umgegend und die daran sich schließende Gebirgskette die lustigste Aussicht darbot, […] – Zimmer und Aussicht sind auch beschrieben in J. an Goethe, 26. August 1774, JBW I,1.247,17–21; siehe Anm. zu 18,7–25. Siehe auch J. an Sophie von La Roche, 24. September 1776, JBW I,2.45,28 –46,6. 10,29  Trost und Verheißung] Zum Motiv des seelischen Aufgerichtet-Werdens durch die Natur siehe auch J. an Goethe, 12. August 1775, JBW I,2.25,13– 28 : Das Zusammenziehen des Innersten, das peinliche Krümmen, um v. allen Seiten ab ein wenig Asche über die Gluth im Mittel zu s­chütteln – Du kennst es – So schlich ich vorgestern am Abend eine Anhöhe hinan. Es hatte den ganzen Tag geregnet, regnete noch da ich ausging: nun verdünnte sich die Luft; sanftes Sonnenlicht nahm den ganzen Himmel ein, theilte die Wolken, strahlte nicht sondern schwebte hernieder; Felder, Wiesen, Gebüsche richteten sich empor u. umzingelten mich; alles, die ganze Natur ein Bild der Erquickung, des Trostes, der Verheissung. Meinen Lebensgeistern ward’s Brüderlich. Ich erreichte den Gipfel. Nicht mehr mich windend u. krümmend um Löschung zu sammeln, aufgerichtet stand ich, daß die hallenden Winde die Asche wegfachten, u. mir die Gluth ins Angesicht f log. – Ha unzerstörbar D o ch , obschon hinfällig. – Bangst mein Herz, zagst, gedenkst in Abgrund zu schwindeln, willst davon, hinunter, w i l l s t u. kannst nicht sinken, wirst immer wieder aufgeschwungen v. unendlicher Kraft in Dir. – Ja neüe Himmel, u. neüe Er­ den, u. da müßen erst die Sterne fallen u. die Sonne sich verfinstern u. der Mond zu Blut werden. 10,29  Fülle des Herzens] Mt 12,34b. – Die Wendung spielt eine bedeutende Rolle im Rahmen pietistischer Frömmigkeit und ist im Wortschatz der Empfindsamkeit und des Sturm und Drang allgegenwärtig. Siehe August Langen: Der Wortschatz des deutschen Pietismus. 2., erg. Aufl. Tübingen 1968. 22 f. Die Wendung findet sich etwa im empfindsamen Briefwechsel zwischen Johann Georg Jacobi und Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Siehe auch [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 125 (zitiert in Anm. zu 10,4–9 ) sowie J. an So-



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phie von La Roche, 28. Oktober 1774, JBW I,1.267,14–16 : […]; bald also, liebste Sophie, bald sehen wir uns wieder. Dann rede ich auch mit Ihnen aus der Fülle meines Herzens von Werthers Leiden. Siehe auch Friedrich Leopold Graf[en] zu Stolberg: Ueber die Fülle des Herzens. In Deutsches Museum. 1777. Bd 2, St. 7: Juli, 1–14. 11,11  Weg über die Wälle] Siehe Anm. zu 10,14–15. 12,4  Ihren eben erhaltenen Brief ] Der Brief ist nicht Teil des Romans; siehe die Herausgeberfiktion oben 3,10 –4,2 und 4,5–8 ; siehe für D1 auch 3,19–35. In D4 ist der Brief enthalten; siehe oben 101–103. 12,12 Hyacinthe] Mit der Hyazinthe verbindet sich eine Vielzahl an symbolischen Bedeutungen. Besonders prägend dürfte die Erzählung aus Ovids Metamorphosen (X 162–219) gewesen sein, wonach Hyacinth, der Geliebte des Apoll, nachdem er durch einen Diskuswurf getötet, in eine Blume verwandelt wurde. Die Hyazinthe wäre demnach auch Symbol einer den Tod überwindenden Liebe. 12,14 Nerven] Siehe auch 15,29, 16,9, 18,24. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte sich in der Medizin ein neues, auf den Nerven basierendes Erklärungsmodell physiologischer und pathologischer Vorgänge durch. Grundlegend hierfür war die Unterscheidung des Schweizer Arztes und Naturforschers Albrecht von Haller, der an der Universität Göttingen lehrte, zwischen der Irritabilität der Muskelfasern und der Sensibilität der Nervenfasern. Auch die Hypochondrie wurde als Krankheit der Nerven gedeutet. Das einflußreiche Werk von Robert Whytt Observations on the nature, causes, and cure of those disorders which have been commonly called nervous, hypochondriac, or hysteric (Edinburgh 1765) hatte J. in französischer Übersetzung (Paris 1767) bei seinem Buchhändler bestellt und das Titelblatt des zweiten Bandes mehrfach reklamiert (siehe J. an Marc Michel Rey, 28. August 1767, JBW I,1.41,1–3 sowie an denselben, 5. Juli 1768, JBW I,1.60,8 f. und 7. Oktober 1768, JBW I,1.60,28 f.). Die Ausgabe enthielt auch die Exposition anatomique des nerfs, avec figures, par M. Alexandre Monro (siehe JBW II,1.57, Anm. zu 41,1). Den Nerven kam, wie der Unter­titel des englischen Originals bereits andeutet (To which are prefixed some Remarks on the Sympathy of the Nerves) die Fähigkeit der Sympathie zu: Auf der Ebene des Körpers bedeutete dies die Möglichkeit der Vernetzung räumlich disparater Körperregionen. Diese Vorstellung der durch die Sensibilität der Nerven hergestellten Fähigkeit zur Mit-Empfindung wurde auf intersubjektive – d. h. ­soziale und moralische – Zusammenhänge übertragen. Das nerventheoretische Konzept fand weite Verbreitung auch im nicht-medizinischen Diskurs der Zeit. Siehe etwa die Beschreibung der Rezeption von Goethes Clavigo im Brief J.s an Wieland vom 27. August 1774, JBW I,1.252,25–30 : In der That begriff ich nicht, wie das Stück noch weiter fortgehen könnte; wähnte, alle Nerven meines Herzens seyen verbraucht, nun müsse das Herz mir erkalten; aber da faßt er mir sie bündelweise, frische, unberührte Nerven, und hieß mein Herz glühen und schlagen, immer heftiger und höher, bis es bebte, bis es brach und ich verging. – Siehe auch J. an Christoph Martin Wieland, 8. und 11. Juni 1777, JBW I,2.62,16–19 : Pinto hat nicht so gar Unrecht: die Nerven, die Nerven! Es ist eine fatale Sache darum, zumal wenn man solche Ankertaue von Nerven hat, wie ich, und dabei so reizbar, wie

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eine Drahtsaite; es ist gar kein Rath bei einer solchen verzweifelten Organisation. 12,16–21  So pf leg ich … und Liebe.] Siehe J. an Goethe, 12. August 1775, JBW I,2.25,7 f. : Lieber! was ist’s doch, daß wir uns so seelig fühlen, wenn Wohlthun unmittelbar v. uns ausgeht, es sey aus Gestalt oder Geist? 13,25  Ihr wißt ja meine Geschichte zum Theil] Siehe oben im Vorbericht 5,4–19 und 6,9–21. 14,23–24  was dreymal geschehen … krähet. ] Mt 26,34 und 26,69–75. 14, 30  Grille] Grille ist ein häufig verwendetes Wort im 18. Jahrhundert. Es steht in Beziehung zur Hypochondrie (siehe Anm. zu 8,7), die auch Grillenkrankheit genannt wurde, sowie zu einer übersteigerten Einbildungskraft und zum Typus des Schwärmers, der insbesondere die Romane des 18. Jahrhunderts bevölkerte. 15, 3  Gang im Kranen ] Gemeint ist der Gang im Tretrad, mit dem der Kran (auch: Krahn) betrieben wurde. Siehe den Artikel Krahn, oder Kran, oder Krannich, Lat. G e r a n iu m in Zedlers Universallexicon 15.1730 f. Ib., 1731: Man hat vornehmlich zweyerley Arten Krahne, den Frantzösischen, welchen man in und um Paris bey dem Bauen häuffig gebrauchet, und den Teutschen, der zu Ausladung derer Schiffe angewendet wird. Bey jenem lieget das hohle Tret-Rad mit der Welle und dem völligen KrahnBalcken auf der Spitze des Gerüstes, und können diejenigen, die in dem hohlen Rade lauffen, so bald die Last in die Höhe gezogen, sich selbst damit umdrehen, und die Last auf den Platz bringen, dahin man sie haben will. Bey den Teutschen hingegen ist der Krahn-Balcken an einer stehenden Welle unter einem Dache befestiget, an welcher er sich mit sammt einen Theil des Daches umdrehet. An der Welle selbst aber sind zwey hohle Tret- oder Trampel-Räder. […] Siehe auch den sehr ausführlichen und um zahlreiche Abbildungen ergänzten Artikel Krahn in Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 46.545–613. – Die hier von J. benutzte metaphorische Verwendung wird im Dt. Wb. mit einem Briefzitat aus dem Jahre 1832 belegt; siehe Dt. Wb. 11.2017. Sie findet in den Wendungen vom Hamsterrad oder der Tretmühle bis heute ihre Fortsetzung. 15,18–20  Worten unsers lieben … Lage.«] Oliver Goldsmith: The Vicar of Wakefield, a tale, supposed to be written by himself. Salisbury /  London 1766. Das Werk erschien bereits im selben Jahr in zwei weiteren Auflagen und in verschiedenen Nachdrucken, im darauffolgenden in französischer und deutscher Übersetzung. – J. zitiert wörtlich aus der deutschen Übersetzung von Johann Gottfried Gellius: Der Landpriester von Wakefield. Ein Märchen, das er selbst soll geschrieben haben. Aus dem Englischen. Zweyte Auf lage. Leipzig 1768. 144.– Der Landpriester von Wakefield gehörte auch zur Lektüre von Werther und Lotte: siehe [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 34 f. (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 16. Juni 1771): Ich bemühte mich, meine Bewegungen über diese Worte zu verbergen. Das gieng freylich nicht weit, denn da ich sie mit solcher Wahrheit | im Vorbeygehn vom Landpriester von Wakefield vom *) – reden hörte, kam ich eben ausser mich, […]. (WA I,19.30.)



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15,22–23  »Kein Leiden ist … bey.« ] Siehe Goldsmith: Der Landpriester von Wakefield. 225: Das fünfundzwanzigste Kapitel. / Es giebt keinen Zustand, so elend er auch scheint, der nicht von einer Art von Troste begleitet wäre. – Als Vorlage aber diente J. wohl: J[ohann] P[eter] Uz: Poetische Werke. 2 Bde. Leipzig 1768 (KJB 3178). Bd I.32 (Erstes Buch): D ie Z u f r ie d e n he it . Dein Geist wird sich zu keiner Zeit In feiger Ungeduld verlieren, Wenn du der Weisheit folgst, die, ohne fehl-zu führen, Mit Rosen ieden Pfad bestreut. Schilt nicht des Himmels Tyranney: Von ihm kömmt unser wenigst Leiden. Kein Zustand ist so hart: ein Chor der stillen Freuden Gesellt sich ihm mitleidig bey. In D4 wurde das Zitat dem Wortlaut dieses Textes vollständig angeglichen; siehe oben 107,11 f. 15,24–26  wer nicht weiß … erquickt.] Möglicherweise handelt es sich um ein Sprichwort, das aber nicht nachgewiesen werden konnte. 16,26  schweben im Limbus] Limbus ist der Vorhof der Hölle, in welchem jene Seelen schweben, die ohne eigenes Verschulden vom Himmel ausgeschlossen sind. Ihre einzige ›Schuld‹ ist, daß sie durch ihre Lebenszeit vor Christus bzw. durch ihr Versterben vor der Taufe nicht an dem Erlösungswerk teilhaben können. – Siehe Zedlers Universallexicon 17.1251: L i m b u s I n f a n t u m ; ist nach derer Catholischen Lehre ein Ort nahe bey der Hölle, wo sich die ohne Tauffe gestorbene Kinder auf halten, und von der Erb-Sünde gereiniget werden sollen. / L i m b u s Pa t r u m , ist, wie die Catholischen lehren ebenfalls ein Ort nahe bey der Hölle, wo die Väter des alten Testaments so lange des seligen Anschauen GOttes haben entbehren müssen, bis sie Christus durch seine Höllenfahrt erlöset hat. – In Dante Alighieris Göttlicher Komödie (Divina Commedia, Inferno, Vierter Gesang) begegnet der Dichter im Limbo (ib., Vers 44 f.) unter anderem den bedeutenden Gestalten der griechischen und römischen Antike: Dichtern und Philosophen, Feldherrn und Politikern, auch den großen Frauengestalten der Antike. Es ist kein Ort der Plagen und Qualen, wohl aber jener einer unerfüllbaren Sehnsucht (ib., Vers 28 und 42). 17,6–7  ich weiß, Sie … unbeantwortet.] Siehe komplementär den Beginn von Syllis Brief an Clerdon vom 8. März; oben 12,3 f. mit Anm. zu 12,4. 17,12–14  Die unwiderstehliche Wonne … haben.] Siehe komplementär Syllis Brief an Clerdon vom 7. März; oben 10 f. Die Beschreibung Clerdons bezieht sich auf denselben Tag (gestrigen). 17,14 –18, 3  Mich hat sie … Liebe. ] Siehe die Beschreibung desselben Tages im Brief Syllis an Clerdon vom 7. März; oben 10,12 –11,8. 17,27–18, 3  Gleich im ersten … Liebe. ] Diese Romanpassage stimmt weitgehend überein mit einer Passage in J.s Brief an Johann Wolfgang Goethe vom 21. Oktober 1774, JBW I,1.265,28–37: Gleich bey’m Erwachen heute

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früh fuhr mir über’s Angesicht der Schauer, von dem du weißt, wie er hinabzittert, eindringt, zum auf lösenden Leben wird im Busen, und den ganzen E r d e n s oh n tödtet. – Tod, schöner, himmlischer Jüngling! / Der endliche Geist wird immer bedürfen, immer streben, erringen, sammeln und verzehren: aber wenn er nun einen Augenblick den diesseitigen Grenzen entrissen wird, von den jenseitigen noch keinen Drang fühlen kann, und im seeligen Genuß allein sein Daseyn hat: o der unnennbaren Wonne! Wie er da so herrlich schwebt der Liebende, ein Theil des Allgenugsamen, alles selbständig, alles ewig mit ihm, und er ewig in allem. Nahezu wortgleich im Brief an Christoph Martin Wieland, 13. November 1774, JBW I,1.270,5–21. – Vgl. dasselbe Motiv in [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 9 f. (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 10. Mai 1771): […], und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns all nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Allliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält. Mein Freund, wenn’s denn um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und Himmel ganz in meiner Seele ruht, wie die Gestalt einer Geliebten; dann sehn ich mich oft und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem | Papier das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes. Mein Freund – Aber ich gehe darüber zu Grunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen. (WA I,19.8.) 17, 31–32  Tod, schöner, himmlischer | Jüngling!] Die Imagination des Todes als Jüngling geht auf die von Gotthold Ephraim Lessing in seiner Schrift Wie die Alten den Tod gebildet (1769) und – in ausdrücklichem Anschluß an diesen – von Herder in seiner gleichnamigen Abhandlung (1774) verworfene christliche Darstellung des Todes als Skelett, als Knochenmann und auf die diesem entgegengestellte Wiederbelebung antiker Todesvorstellungen zurück. Die Herdersche Schrift hatte J. wohl in seinem Brief an Christoph Martin Wieland vom Juli 1775 erwähnt; siehe JBW I,2.21,9 und 22,23. Siehe [ Johann Gottfried Herder:] Wie die Alten den Tod gebildet? In Hannoverisches Magazin […]. 1774. Bd 12, St. 95: 28. November 1774, Sp. 1505–1520, und St. 96: 2. Dezember 1774, Sp. 1521–1532. – Johann Georg Jacobi gibt in der Iris einen Auszug (704) aus dieser zweiteiligen Abhandlung, versehen mit einer Einleitung, in welcher auch Lessings Schrift vorgestellt wird; siehe [ Johann Georg Jacobi:] Zur Damenbibliothek. / Wie die Alten den Tod gebildet? In Iris. 1776. Bd 7, 703–722. Ib., 704 f.: Vorlängst schrieb ein großer Alterthums-Forscher, um welchen die It a l ie n e r zwischen ihren herrlichen Denkmalen der alten Kunst, an denen sie täglich ihre Augen und ihren Geist üben können, uns Deutsche zu beneiden Ursache haben, eine Untersuchung gleiches Inhalts. (*) [FN: Wie die Alten den Tod gebildet: eine Untersuchung von Gotthold Ephraim Leßing. Berlin, 1769. bey Voß.] Er bewies gegen einen andern Gelehrten: d a ß d ie a l t e n K ü n s t l e r | d e n To d , d ie G o t t he it d e s To d e s , n ich t a l s e i n S ke l e t vo r g e s t e l l t h a b e n .  / »Sie stellten ihn als den Zwillingsbruder des Schlafes vor, und stellten beyde, den Tod und den Schlaf, mit der Aehnlichkeit unter sich vor, die wir



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an Zwillingen so natürlich erwarten. Auf einer Kiste von Cedernholz, in dem Tempel der Ju n o zu E l i s , ruhten sie beyde als Knaben in den Armen der Nacht. Nur war der eine weiß, der andre schwarz; jener schlief, dieser schien zu schlafen, beyde mit über einander geschlagenen Füßen.« / Eben diese Zwillinge sieht man auf Grabsteinen und an Begräbniß-Urnen, wie junge G e n ie n gestaltet, die auf eine umgekehrte Fackel sich stützen. Auf andern Grabsteinen findet man Einen von beyden allein, und auf einem marmornen Sarge zeigt sich »ein gef lügelter Jüngling, der in einer tiefsinnigen Stellung, den linken Fuß über den rechten geschlagen, neben einem Leichname stehet, mit seiner Rechten und dem Haupte auf einer umgekehrten Fackel ruhet, die auf die Brust des Leichnams gestützet ist, und in der Linken, die um die Fackel herabgreift, einen Kranz mit einem Schmetterlinge hält« – Ib., 707 f.: Die Gerippe, die sich auf alten Denkmählern zeigen, sind L a r ve n , das, was bey uns G e s p e n s t e r sind, herumirrende abgeschiedne Seelen böser Menschen. / Herr L e ßi n g schließt seine Untersuchung mit folgendem Wunsche: »da auch sie (die Religion) uns versichert, daß der Tod der Frommen nicht anders als sanft und erquickend seyn könne; so seh’ ich nicht, was unsre Künstler abhalten sollte, das scheußliche Gerippe wiederum aufzugeben, und sich wiederum in den Besitz jenes besseren Bildes zu setzen. Die Schrift redet selbst von einem Engel des Todes: | und welcher Künstler sollte nicht lieber einen Engel, als ein Gerippe bilden wollen? / Nur die mißverstandne Religion kann uns von dem Schönen entfernen: und es ist ein Beweis für die wahre, für die richtig verstandne wahre Religon, wenn sie uns überall auf das Schöne zurückbringt« / Ich kehre nun wieder zu der Schrift des Ungenannten: / W ie d ie A l t e n d e n To d g e b i l d e t ? / Schon der Gedanke »To d sey den Griechen in der Vorstellungsart ihrer Kunst nichts als ein Jü n g l i n g gewesen, der in ruhiger Stellung mit gesenktem trübem Blicke die Fackel des Lebens neben dem Leichname auslöscht,« schon der Gedanke hat so Etwas Anmuthiges, Beruhigendes und Sanftes, daß wir ihm gut werden und gern dabey verweilen, wenn er auch nicht einmal mit alle dem Reichthum von Gelehrsamkeit und den Grazien der Schreibart begleitet erschiene, in welchen ihn uns die Lessingsche Abhandlung eben des vorgesetzten Titels würklich darstellt. Im Erstdruck befindet sich an dieser Stelle eine Fußnote mit dem Hinweis: Wie die Alten den Tod gebildet? Berlin 1769. 18,7–25  Mit dem ersten … leben.] Siehe die Parallele in Syllis Brief an Clerdon vom 7. März; oben 10,25–27 und 11,9–16. Diese Romanpassage stimmt weitgehend überein mit einer Passage in J.s Brief an Johann Wolfgang Goethe vom 26. August 1774, JBW I,1.247,17 –248,11: Am verwichenen Sonntag sitzend am Fenster meines Wallzimmers, schauend bey hellem Sonnenglanz rund um mich her in die vor mir verbreitete herrliche Gegend, schoß mir auf einmahl, wie ein Blitz, in die Seele der Gedanke, welch ein sündlich Wesen es doch sey, diese herrliche Pracht Gottes so, über Wäll und Gräben hin, nur zu beschielen; nur etwa am Abend ein wenig daran vor­ bey zu schleichen, da doch nichts wehre, sich hinein zu lagern in diese Herrlichkeit ganze Tage lang; sich anzukleiden über und über mit dieser

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Pracht Gottes; zu genießen das seinige, den weiten offenen Himmel, und die große offne Erde. / Meinem frommen Weibe, den Mädchen und Rost [ = Heinse] entdeckt ich ohnverzüglich, wie mir geschehen, und wie ich gehorchen wolle der Stimme, die mich geweckt. Da schwur Rost bey seinem Haupte, sie sey des Altvaters, | woll’ ihr folgen. Die Mädchen beschlossen uns den ersten Tag zu begleiten; und Betti erbot sich, uns, gegen Mittag, in den nächsten Wald Speise zu bringen; dort sollten wir uns zu ihr versammeln. / Am Dienstag, bey Anbruch des Tages, zogen wir aus, und nahmen Besitz von den grünen Wiesen, und von den rieselnden Bächen, und von den schattichten Höhen; und es hüpfte in unserm Blut, und trotzte in unsern Gebeinen, und pochte auf unserm Busen, und schauerte in unsern Haaren, und jauchzte, klang und sang in jeder unserer Nerven Liebe, Lust und Macht zu leben. Da schmiegten die Mädchen sich an mich, hier am Fuße des Berges, auf dessen Gipfel ich schreibe, in einer (anderthalb Stunden weit von Düsseldorf entfernten) herrlichen Gegend […] – Vgl. dasselbe Motiv in [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 20 (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 26. Mai 1771): Ohngefähr eine Stunde von der Stadt liegt ein Ort, den sie Wahlheim *) nennen. Die Lage an einem Hügel ist sehr interessant, und wenn man oben auf dem Fußpfade zum Dorfe heraus geht, übersieht man mit Einem das ganze Thal. (WA I,19.16.) – Der Bezug auf die Altväter, auf das einfache, natürliche Leben der Patriarchen, findet sich auch mehrfach in Goethes Werther; siehe [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 11 (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 12. Mai 1771) und 48 (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 21. Juni 1771). 18,28–29  Eduard Allwill] Der Protagonist wird hier erstmals namentlich ­genannt. Zuvor erschien sein Name nur im Titel und im Vorbericht; siehe oben 7,4. 18, 30–31  Sie erkundigten Sich … Eduard?] Der Brief ist nicht Teil des Romans; siehe die Herausgeberfiktion oben 3,10 –4,2 und 4,5–8. 18, 33–34 unbegreif liches Durcheinander von Mensch] Auch Goethe beschreibt Werther als einen jungen unsteten Menschen; siehe [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 33, FN (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 16. Juni 1771). (WA I,19.29.) – Siehe auch J. an Christoph Martin Wieland, 8. und 11. Mai 1774, JBW I,1.233,19–22: Nachsten Posttag schreibe ich Ihnen mehr von Göthe, dem wir, seiner gegenwärtigen Äußerungen ohngeachtet, nicht zu viel gutes zutrauen dürfen, denn er ist u bleibt ein zügelloser, unbändiger Mensch. 19,10–13, 20,17–21, 21,11–16.23–26, 22,9–12  Sein Vater erzählte … anders gespielt] Siehe J[ohann] W[olfgang] Göthe: Claudine von Villa Bella. Ein Schauspiel mit Gesang […]. Berlin 1776 (KJB 3001). 16–18: S e b a s t i a n . / Du hättest den Buben sehn sollen, wie er so heran wuchs; er war zum fressen. Kein Tag verging, daß er uns nicht durch die lebhaftesten Streiche zu lachen machte; und wir alten Narren lachten über das, was künftig unser grösster Verdruß werden sollte. Der Vater wurd nicht satt, von | seinen Streichen, seinen kindischen Heldenthaten erzählen zu hören. Immer hatt’ er’s mit den Hunden zu thun; keine Scheibe der Nachbarn, keine Taube war vor ihm sicher; er kletterte wie eine Katze



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auf ­Bäumen und in der Scheuer herum. Einmal stürzt er herab; er war acht Jahr alt; ich vergesse das nie; er fiel sich ein großes Loch in Kopf, ging ganz gelassen zum Entenpfuhl in Hof, wusch sich’s aus, und kam mit der Hand vor der Stirn herein, und sagte mit so ganz lachendem Gesicht: Papa! – Papa! – ich hab ein Loch in Kopf gefallen! Eben als wollt er uns ein Glük notificiren, das ihm zugestoßen wäre. / G o n z a l o. / Schade für den schönen Muth, den glüklichen Humor des Jungens! / S e b a s t i a n .  / So ging’s freilich fort; Je älter er ward, ie toller. Statt nun das Zeug zu lassen, statt sich zu fügen, statt seine Kräfte zu Ehren der Familie und seinem Nuz zu verwenden; trieb er einen unsinnigen | Streich nach dem andern; belog und betrog alle Mädgen, und ging endlich gar auf und davon; begab sich, wie wir Nachricht haben, unter die schlechteste Gesellschaft, wo ich nicht begreife, wie er’s aushält; denn er hatte immer einen Grund von Edel­muth und Großheit im Herzen. Siehe MA I,2.78–121. – Zu J.s Bekanntschaft mit dem erst im Frühjahr 1776 erschienenen Werk siehe das Folgende auf der Grundlage HA IV.580 und MA I,2.727 f.: Goethe hatte das Singspiel im Jahr 1774 begonnen, dem Jahr, in welchem er im Juli J. erstmals in Düsseldorf besuchte (siehe JBW II,1.218–224, Anm. zu 242,24 ) und in welchem, nach Goethes Abreise, J. mit der Abfassung seines Allwill-Romans begann ( J. an Goethe, 26. August 1774, JBW I,1.249,13 f.). In der Zeit des gemeinsamen Zusammenseins wurden Texte Goethes von diesem selbst – auch vor einem größeren Kreis – vorgelesen, vornehmlich Balladen (siehe JBW II,1.222 f., Anm. zu 242,24 ), unter anderem die Ballade Es war ein Buhle frech genung, die später Bestandteil des Werkes wurde. Das dann zunächst nicht ausgeführte Werk wurde im April 1775 von Goethe erneut aufgenommen; Anfang Juni sandte er das Manuskript an Karl Ludwig von Knebel nach Weimar. Das Werk erschien im Frühjahr 1776. – J. hielt sich etwa vom 8. Januar bis zum 5. Februar 1775 bei Goethe in Frankfurt am Main auf (siehe JBW II,1.241, Anm. zu 274,3, sowie JBW II,1.248, Anm. zu 292,4). Goethes Briefe an J. von April bis Oktober 1775 sind nicht überliefert; sie könnten als Beilagen Abschriften von Werken enthalten haben. 19,14–15  kein Kind guter Hofnung] Siehe die Parallele in J.s autobiographischen Aussagen, JWA 2.40,9 –41,11: Diese meine philosophische Idiosynkrasie verursachte mir früh eine Menge unangenehmer Begegnungen. Dummheit wurde mir beständig, und sehr häufig Leichtsinn, Hartnäckigkeit und Bosheit vorgeworfen. Aber weder Schimpfworte, noch die härtesten Behandlungen konnten mich von meinem Uebel heilen. Man gewann nur so viel, daß ich selbst eine sehr schlechte Meinung von meinen Geistesfähigkeiten bekam, die mich um so mehr drückte, da sie mit der brennendsten Begierde nach philosophischen Einsichten verknüpft war. […] An einem Morgen, da ich es nach der Lehrstunde wagte, den vor­t ref­ lichen Mann [Le Sage] wegen eines wissenschaftlichen Anliegens um Rath zu fragen, erkundigte er sich umständlicher nach der Ein­thei­lung meiner Stunden, und jedem Gebrauch meiner Zeit. Er wunderte sich, da er hörte, daß ich keinen Unterricht in der Philosophie nähme, sondern sie blos für mich triebe. Ich versicherte ihn, ich wäre von so schwerem und langsamem Begriff, daß ich bey jedem auch dem deutlichsten Lehrer zurück­

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bliebe, folglich aus dem Zusammenhange käme, und nur meine Zeit verlöre. – »Vou s ê t e s m a l i n ! « sagte L e S a g e lächelnd. – Ich wurde über und über roth, wie eine Flamme, und stammelte eine Betheurung nach der andern heraus, daß ich im Ernst gesprochen hätte. Ich versicherte, daß ich von Natur der unfähigste Mensch wäre, der je gebohren worden, und allein durch den hartnäckigsten Fleiß etwas von meiner Dummheit überwunden hätte. Ich war reich an Erläuterungen und Beyspielen, die Wahrheit meiner Aussage zu bekräftigen, und es recht augenscheinlich zu machen, daß es mir durchaus an glücklichen Anlagen fehle; an Penetration, an Einbildungskraft, an allem. L e S a g e that verschiedene Fragen, die ich mit der Treuherzigkeit eines Kindes beantwortete. Er faßte darauf meine Hand in seine beyden Hände, und drückte sie mit einer Bewegung, die ich noch fühle. – Siehe auch Friedrich Roth: Nachricht von dem Leben Friedrich Heinrich Jacobi’s, ABW I.VII f.: Friedrich Heinrich wurde sehr lange für minder begabt gehalten, als sein um zwei Jahre älterer Bruder Johann Georg, der in der Folge nur durch Lieder einen Ruf, jedoch einen schönen und dauernden, erlangt hat. Den älteren zog der Vater vor, weil der Unterricht ihm anschlug, den er mit seinem Bruder größtentheils von einem steifen und mürrischen Hauslehrer erhielt; wogegen der jüngere von dem Unmuthe des Vaters über seine geringen Fortschritte, die großentheils dem Mangel an gutem Willen und besonders an Ehrbegier beigemessen wurden, viel zu leiden hatte. Selbst die Ergebung, womit er die Zurücksetzung ertrug und, als ihm gebührend, hinnahm, vermehrte des Vaters Mißvergnügen, der von seinem ruhigen, emporstrebenden Selbstgefühle gar nichts in seinem zweiten Sohne fand. – Siehe ferner J. an Johann Wolfgang Goethe, 6. November 1774, JBW I,1.268,6–13 (hier zitiert in Anm. zu 59,31–60,10 ) sowie JWA 1.13,21–24 ( = LS) und JWA 1.389, Anm. zu 13,21–22. 19,23 –20,16  Gegen sein sechstes … sperrte.] J.s. zweitältester Sohn Georg Arnold wurde am 21. März 1768 geboren, hatte mit Johann Friedrich einen zwei Jahre älteren Bruder und war zum Zeitpunkt der Niederschrift des Romans 6 Jahre alt. Von ihm heißt es im Brief Johann Heinrich Schenks an Johann Georg Hamann vom 11. Juli 1786, JBW I,5.294,28 –295,27: Da ich einmahl im ­G e s p r ä che mit Ihnen bin, so will ich mich auch noch meines Versprechens entledigen, das ich Ihnen in Absicht unseres hiesigen Johann Georg [richtig: Georg Arnold] gethan. Ich wähle Geschichte, lieber als Raisonnement, weil sie aus jenem den jungen Menschen vielleicht beßer und bestimmter als aus diesem werden kennen lernen. Sehr zusammenhängend und sehr ausführlich wird diese Geschichte nicht seyn, weil ich mich sowohl wegen der Zeit, als wegen des Raumes einschränken muß. / Der junge Mensch ist bey einem übrigens ziemlich grob gebauten Körper mit äußerst reizbaren Sinnen und einer sehr empfänglichen Einbildungskraft geboren, so daß seit seiner frühesten Kindheit jeder nur etwas auffallende Ge|gen­stand ihn leicht in seine Gewalt bekam, und der alte Zauber sich nicht eher löste bis ein neuer an die Stelle trat. Er war ein Knabe von 5. Jahren, als ich ihn kennen lernte. Damahls war der Soldatenstand sein



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höchstes Ideal von Glückseligkeit; er war in jede Uniform und in jede Flinte verliebt, machte mehr als einmahl sein Bündelchen zusammen, um von seinem Vater hinweg in die Caserne zu ziehen, und als zuletzt der Zufall wollte, daß ein junger Offizier, der ihn liebgewonnen, ihm zuweilen Unterricht im Exercieren gab, so gieng würklich sein Entzücken darüber fast zum Unsinn, und der Vater mußte seiner Bekanntschaft mit diesem übrigens sehr liebenswürdigen Offizier Einhalt thun, um ihn nur einiger maßen in das Gleis der Vernunft zurückzubringen. Die ­SoldatenGrille wurde durch die Tragikomanie verdrängt. Je wüthender und mörderlicher es in einem Trauerspiele hergieng, desto baß behagte es ihm; er schaffte sich einen ganzen Vorrath von Giftbechern, Dolchen und andern Mordgewehren an, womit er unter fürchterlichen Deklamationen, einsam, zwischen seinen 4. Wänden ein g e he i m e s Gericht an allen denjenigen vollzog, die es mit ihm zu verderben das Unglück gehabt hatten. Insonderheit schob er gerne seine Widersacher, wie der Wirth im Götz v Berlichingen die Reuter, mittelst dazu erwählter Repräsentanten (der Stühle und Bänke auf seiner Stube) mit voller Aeußerung seiner Kraft zur Thür hinaus. Aber so wie er als Soldat vor dem Knall einer Pistole sich die Ohren verstopfte, und bey dem Manövrieren der Truppen, das übrigens seine höchste Lust war, sobald man Pulver auf die Pfanne schüttete, den Reisaus nahm, eben so ergieng es ihm mit seiner Theater Herzhaftigkeit im würklichen Streit mit seinen Gespielen. Püffe zu ertragen, wenn gleich auch er ihrer ertheilen konnte, war ihm viel zu schmerzlich, und lieber zog er sich aus einem solchen Scharmützel in seine Stube zurück, um dort seine Rache nach gewohnter Weise ohne Gefahr zu befriedigen. Mitten unter allen seinen Grillen hatte er manche lucida intervalla, […]. 20,12–13  ihm der Kopf gebrochen werden sollte] Das sogenannte ›Willen brechen‹ war ein Ziel der Pädagogik der Aufklärungszeit. Im Pietismus galt es als Voraussetzung für den Heilsweg; siehe Andreas Gestrich: Ehe, Familie, Kinder im Pietismus. Der »gezähmte Teufel«. In Glaubenswelt und ­Lebenswelten. Göttingen 2004 (Geschichte des Pietismus, 4). In Zusammenarbeit mit Ruth Albrecht u. a. hg. von Hartmut Lehmann. 498–521, besonders 512–517. 21,8 tummelte] taumelte; siehe Dt. Wb. 2.1516. 22, 3–8  mit ganzer Seele … wälzte] Diese Romanstelle hat autobiographischen Charakter, wie Veröffentlichungen J.s aus den 1780er Jahren belegen. Siehe in der Erstausgabe der Spinozaschrift ( = LS) von 1785, JWA 1.13,13–17: Ich gieng noch im polnischen Rocke, da ich schon anfieng, mich über Dinge einer andern Welt zu ängstigen. Mein kindischer Tiefsinn brachte mich im achten oder neunten Jahre zu gewissen sonderbaren – Ansichten (ich weiß es anders nicht zu nennen) die mir bis auf diese Stunde an­k leben. In der Beylage III zur zweiten Ausgabe der Spinozaschrift von 1789 führt J., aufgrund einer Bemerkung in einer Rezension August Wilhelm Rehbergs, hierzu näher aus, JWA 1.216,10 –217,17: Es war nehmlich jenes S o n d e r b a r e , eine von allen religiösen Begriffen ganz unabhängige Vorstellung endloser Fortdauer, welche mich in dem angezeigten Alter, bey dem Nachgrübeln

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über die Ewigkeit a  p a r t e a n t e , unversehens mit einer Klarheit anwandelte, und mit einer Gewalt ergriff, daß ich mit einem lauten Schrey auffuhr, und in eine Art von Ohnmacht sank. Eine sehr natürliche Bewegung zwang mich, sobald ich wieder zu mir selbst kam, dieselbige Vorstellung in mir zu erneuern, und der Erfolg war ein Zustand unausprechlicher Verzweif lung. Der Gedanke der Vernichtigung, der mir immer gräßlich gewesen war, wurde mir nun noch gräßlicher; und eben so wenig konnte ich die Aussicht einer e w i g d a u r e n d e n Fortdauer ertragen. / Es würde ermüdend für den Leser seyn, wenn ich die Geschichte dieser sonderbaren Plage hier umständlich fortsetzen wollte. – Erläutern möchte ich sie nicht, wenn ich es auch könnte. Genug, ich brachte es allmählig dahin, seltener davon ergriffen, und, nach einigen Jahren, ihrer ganz los zu werden. Nun vergaß ich auch bald jede Vorsorge, die ich bisher angewendet hatte, sie von mir entfernt zu halten, und glaubte zuletzt nicht mehr, daß sie das Eigene wirklich haben könnte, wodurch sie mir so furchtbar geworden war. / Ohngefähr von meinem siebenzehnten bis in mein drey und zwanzigstes Jahr hatte ich mich in diesem letzteren Zustande befunden, als auf einmal die alte E r s che i nu n g wieder vor mich trat. Ich erkannte ihre Eigene gräßliche Gestalt, war aber stand|haft genug, sie fest zu halten für einen zweyten Blick, und wußte nun mit Gewißheit, s ie w a r ! sie war, und hatte ein in dem Maaße objectives Wesen, daß sie jede menschliche Seele, in welcher sie Daseyn erhielt, gerade so wie die meinige afficieren müßte. / Seitdem hat diese Vorstellung, ohngeachtet der Sorgfalt, die ich beständig anwende sie zu vermeiden, mich noch oft ergriffen. Ich habe Grund zu vermuthen, daß ich sie zu jeder Zeit willkührlich in mir erregen könnte, und glaube, es stünde in meiner Macht, wenn ich sie einige Male hintereinander wiederholte, mir in wenig Minuten dadurch das Leben zu nehmen. / Wieviel man nun auch hievon möchte abziehen wollen, so wird es doch immer merkwürdig bleiben, daß eine vom Menschen selbst in ihm hervorgebrachte b l o s s p e c u l a t i ve Vo r s t e l lu n g auf ihn selbst so fürchterlich zurück wirken könne, daß er die Gefahr, sie zu erwecken, mehr scheut, als jede andere Gefahr. – Vgl. auch Anm. zu 89,6–7. 22,8  wie er endlich … geworden] Auch diese Aussage hat autobiographischen Charakter. J. trat im jugendlichen Alter einer pietistischen Vereinigung bei, die sich die Feinen nannte. Siehe Friedrich Roth: Nachricht von dem Leben Friedrich Heinrich Jacobi’s, ABW I.VIII f.: So wenig Eingang bei Jacobi der übrige Unterricht zu finden schien, so hervorstechend war die Aufmerksamkeit und Neigung, womit er den Religions-Unterricht empfing. Die ganze Thätigkeit seines Geistes war nun darauf gerichtet. Er hatte von Kindheit an, mehr als jeden andern, den Umgang einer Person gleiches Alters, die eine Halbschwester seiner früh verstorbenen Mutter war, geliebt; jetzt ließ er diese oft allein mit seinem Bruder die Comödien, welche dieser machte, spielen, und las unterdessen, mit einer frommen Dienstmagd seines Vaters, religiöse Schriften. Als er confirmirt war, schloß er sich einer frommen Gesellschaft an, die sich d ie F e i n e n nannte, und nahm eifrig Theil an ihren Versammlungen. Es waren dieses ernstliche,



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aber vergebliche Versuche, von jener Qual eines frühzeitigen Tiefsinnes, deren er in den Briefen über die Lehre des Spinoza gedenkt, durch glaubige Andacht frei zu werden. 22,29  bey gutem Humor.] In guter Verfassung. Diese war noch auf der Grundlage der antiken Säftelehre (Humoralpathologie) gedacht: als ein Gleichgewicht und eine gute Beschaffenheit der vier Körpersäfte (humores): Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. 23,10  fahre mit meiner Juno … Wolken] Motive dieses Bildkomplexes könnte J. den in der Düsseldorfer Gemäldegalerie ausgestellten Bildern entnommen haben. Siehe Nicolas de Pigage: La Galerie Electorale de Dusseldorff ou Catalogue Raisonné et Figuré de ses Tableaux […] [2. Bd: Estampes du Catalogue raisonné et figuré des Tableaux de la Galerie Électorale de Dusseldorff; die Kupferstiche stammen aus der Werkstatt von Christian von Mechel]. 2 Bde. Basel 1778. 23,10  mit meiner Juno ] Hier vermutlich bloß: mit meiner Göttin, mit meiner Angebeteten. Analog zum griechischen Götterpaar Zeus und Hera ist Juno die weibliche Hälfte des römischen Götterpaares Iuppiter und Iuno. Iuno galt als Schutzgöttin der Frauen, der Geburt und der Ehe. 23,17–18  Rolands Thaten] Siehe Lodovico Ariosto: Orlando furioso. 4 Teile. Parigi 1768 (KJB 3202; vgl. auch KJB 3600). Vermutlich sind hier die Taten eines Liebenden gemeint: Auf der Suche nach Angelica, der von ihm Geliebten, begeht Roland zahlreiche Heldentaten, ist ein siegreicher Kämpfer gegen das vielgestaltige Böse und befreit mehrere Frauen (Gesänge VIII, IX, XI–XV, XVIII–XX). Nach der Entdeckung der Liebe Angelicas zu Medor verfällt er dem Wahnsinn, der sich unter anderem in einer jedes menschliche Maß übersteigenden Zerstörungswut äußert (Gesänge XXIII–XXIV). – Sowohl Wilhelm Heinse als auch Friedrich August Clemens Werthes, die beide dem Jacobischen Hause nahestanden (siehe JBW I,1.236), haben dieses Werk ins Deutsche übersetzt. Siehe [Ludovico Ariosto:] Der rasende Roland. Erster Gesang. In Der Teutsche Merkur. 1774, Bd 6, St. 3: Juni, 293–320 (der Übersetzung von F. A. C. Werthes ist auf den Seiten 288 bis 292 ein Vorbericht des Herausgebers, also Wielands, vorangestellt) sowie [Friedrich August Clemens Werthes:] L. Ariosts rasender Roland aus dem Italiänischen übersezt. Bern 1778. Siehe [ Johann Jakob Wilhelm] H[einse]: Erster Gesang Von Ariosts wüthendem Roland. In Iris. 1776, Bd 8, St. 3: März, 897–924; der Übersetzung ist auf den Seiten 893 bis 896 eine kurze Einführung Heinses vorangestellt. Die vollständige Übersetzung erschien erst 1782/83 (KJB 3203). Siehe auch Heinse an Gleim, 11. Juni 1776, Heinse-SW 9.278: Wegen der Zukunft bin ich unbesorgt. Ich übersetze itzt, in den Stunden, wo ich selbst keine Lust und Liebe habe, zu zeugen, zu schaffen, und zu bilden, den Orlando furioso meines göttlichen Ariost, der mir unsägliche Freude macht. Und das geht mir so geschwind und leicht von der Hand, daß ich in einem halben Jahre, wenn’s mein Vorsatz wäre, und wenigstens in einem ganzen Jahre zum bloßen Zeitvertreib, mit allen 46 Gesängen desselben, sammt Ariosts Leben und einem kleinen Kommentar, völlig fertig zu seyn, gedenke. […] Ich übersetz’ in einem Tag’ oh ne Mü he 50 Stanzen, einen

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halben Gesang; ich habe den Ariost so oft gelesen, daß es mir Spiel und abschreiben ist. 23,22 Clarissen] Clarissa Harlowe ist die tugendhafte Protagonistin in einem der im 18. Jahrhundert breit rezipierten und mustergültigen Briefromane des englischen Schriftstellers Samuel Richardson (1689–1761). Siehe S[amuel] Richardson: Clarissa. Or, the History of a young Lady. Vol. I–VII. London 1748. (London 1749 und 1751 in erweiterten Fassungen.) Vgl. KJB 2887 ( = französische Ausgabe; Dresden 1751–1752). – Zum Inhalt: Clarissa wird von dem unmoralischen Aristokraten Robert Lovelace zu verführen versucht. Sie widersteht allen seinen Verführungskünsten und bewahrt noch unter den widrigsten Umständen – so wird sie auch von ihren Eltern verstoßen – ihre Tugend. Unter dem Einfluß eines von ihm verabreichten Betäubungsmittels vergeht sich Lovelace schließlich an ihr. Clarissa zerbricht daran, verkümmert und stirbt am Ende. 23,22 Clementinen] Clementina ist ebenfalls die tugendhafte Protagonistin in einem im 18. Jahrhundert breit rezipierten Briefroman Samuel Richardsons. Siehe [Samuel Richardson:] The History of Sir Charles Grandison. Vol. I–VII. London [1753] und 1754. Vgl. KJB 2888 ( = französische Ausgabe; Göttingen, Leiden sowie Leipzig 1756). – Zum Inhalt: Der tugendhafte Held des Briefromans, Sir Charles Grandison, verhindert durch Zufall die Entführung von Harriet Byron durch den unmoralischen Sir Hargrave Pollexfen. Es kommt zu einer Annäherung der beiden, doch Grandison fühlt sich Clementina, Tochter aus einem Adelshaus in Bologna, bereits verbunden. Eine Heirat scheitert aber daran, daß Clementina auf der Konversion Grandisons besteht. Als dieser ablehnt, fordert sie ihn auf, in seine Heimat zurückkehren und dort eine Frau seines Glaubens zu ehelichen. Dies geschieht auch, so daß es zu einer Verbindung Grandisons mit Harriet kommt. Das sich verdunkelnde Schicksal von Clementina lastet jedoch auf Grandison. Am Ende aber kann sich Clementina aus den Verstrickungen lösen, besucht das Paar in England und zeigt sich beiden freundschaftlich ver­ bunden. 23,23 Julien] Julie ist die tugendhafte Protagonistin in dem im 18. Jahrhundert breit rezipierten und auch für J.s Romanschaffen vorbildlichen Briefroman JeanJacques Rousseaus. Siehe J[ean] J[acques] Rousseau: Lettres de deux Amans, Habitans d’une petite Ville au pied des Alpes. Recueillies et publiées par […]. [Schmutztitel: Julie, ou la nouvelle Heloïse]. 6 Teile. Amsterdam 1761. Vgl. KJB 3375 ( = Ausgabe Genf 1780). Ab 1764 erschien das Werk unter dem Titel La Nouvelle Héloïse, ou lettres de deux amans […] – Zum Inhalt: Der Briefroman handelt von der leidenschaftlichen Liebe zwischen Julie d’Étanges und ihrem Hauslehrer Saint-Preux, denen aufgrund der gesellschaftlichen Schranken keine eheliche Verbindung möglich ist. Julie heiratet daher Herrn de Wolmar; der verzweifelte Saint-Preux begibt sich auf eine Weltreise. Auf Einladung von Herrn de Wolmar kehrt Saint-Preux in die Gemeinschaft zurück. Der Ehemann zielt ab auf eine allmähliche Läuterung der leidenschaftlichen Gefühle, so daß ein glückliches Zusammenleben in einer ›Menage à trois‹ möglich wäre. Dieses Ideal erweist sich jedoch als brüchig. Im Diesseits ist die Leidenschaft nicht völlig zu besiegen. Die vollkommene Tugend läßt sich erst im Jenseits verwirklichen. Julie ringt beständig um die Tugend und stirbt am Ende.



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24,5–8  jener Amerikanischen Wilden … machen.] Siehe Jean Jacques Rousseau: Discours sur l’origine et les fondemens de l’inégalité parmi les hommes. Amsterdam 1762 (Oeuvres diverses de Mr. J. J. Rousseau […] Tome second.). 32: Il seroit affreux d’être obligé de louer comme un être bien-faisant celui qui le premier suggera à l’habitant des rives de l’Orenoque l’usage des ces ais qu’il applique sur les tempes de ses enfans & qui leur assurent du moins une partie de leur imbécilité, & de leur bonheur originel. Siehe Jean-Jacques Rousseau: Schriften zur Kulturkritik. Eingelei­ tet, übersetzt und hg. von Kurt Weigand. 5. Aufl. Hamburg 1995 (Philosophische Bibliothek; Bd 243). 109 und 129: Es wäre schrecklich, wenn wir denjeni­ gen als ein wohltätiges Wesen preisen müßten, der als erster dem Bewohner der Ufer des Orinoko den Gebrauch jener Hölzer aufredete, die er an den Schläfen seiner Kinder anbringt, und die sie wenigstens eines Teils ihrer Einfalt und ihres ursprünglichen Glücks versichern. – Siehe auch [Paul Thiry d’Holbach:] Systême de la Nature ou Des Loix du Monde Physique & du Monde Moral. Par M. Mirabaud. […] 2 Teile. Londres 1770 (KJB 804). T. I.152: On nous dit que des sauvages pour applatir la tête de leurs enfans la serrent entre deux planches, & l’empêchent par là de prendre la forme que la nature lui destinoit. Dt.: Paul Thiry d’Holbach: System der Natur oder von den Gesetzen der physischen und der moralischen Welt. Übersetzt von Fritz-Georg Voigt. Frankfurt am Main 1978. 129 ( = Kap. I,9): Man sagt, daß die Wilden den Kopf ihrer Kinder, um ihn abzuf lachen, zwischen zwei Bretter einklemmen; auf diese Weise hindern sie ihn, die Form anzunehmen, die ihm von Natur aus bestimmt ist. 24,16  Aspasia ] Aspasia von Milet (ca. 470 bis 420 v. Chr.), zweite Frau des Perikles, Philosophin und Rednerin. In Platons Dialog Menexenos nennt Sokrates sie seine Lehrerin in der Rhetorik (235e). Dagegen wurde sie in griechischen Komödien als Hetäre dargestellt. Plutarch nennt beide Seiten (Perikles 24). – Im Umkreis J.s scheint die negative Seite nicht von Belang gewesen zu sein. Wilhelm Heinse etwa verwendet Aspasia als Synonym für ›Philosophin‹ oder ›gebildete Frau‹, denn die von ihm als solche bezeichneten Frauen – Johanna Fahlmer und Sophie von La Roche – dürften von ihm hochgeschätzt worden sein: Siehe Heinse an J. G. Jacobi, 23. Februar 1776, Heinse-SW 9.266: […] das, so jugendlich es auch war, doch die Aspasien Fahlmer und Hompesch höchlich erfreute. Siehe auch: Heinse an Gleim ( fingierter Brief über die Düsseldorfer Gemäldegalerie vom August 1776), Heinse-SW 9.319: […] oder lieber geradeswegs weiter von Bensberg über das schöne Neuwied zur Aspasia der Sternheim. Siehe auch Wilhelm Heinse an Johann Wilhelm Ludwig Gleim, 15. Februar 1776, Heinse-SW 9.262: so schön, als ob der Liebe Tempe da / Alcibiaden zubereitet sey / Von Phrynen und Aspasien – 24,17  Danae ] In der griechischen Mythologie Tochter des Königs Akrisios und der Euridike und Mutter des Perseus; siehe Apollodor 2,2 und Homer: Ilias. 14.319–320. Als Perseus von einer Reise zurückkehrte, fand er seine Mutter als Schutzflehende am Altar, um sich so der Zudringlichkeit des Königs Poly­dektes zu entziehen (Apollodor 2,4). Weil sie durch den in einen Goldregen verwandelten Göttervater Juppiter schwanger wurde, war sie in der mittelalterlichen Malerei

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Sinnbild für die unbefleckte Empfängnis Marias; sie symbolisiert Reinheit und Keuschheit. – Danae ist auch eine der zentralen Gestalten in Christoph Martin Wielands Roman Geschichte des Agathon, der 1766/67 Frankfurt und Leipzig (richtig: Zürich) in zwei Teilen in erster, 1773 in Leipzig in vier Teilen in zweiter Fassung erschien. J. hat insbesondere die Publikation der zweiten Fassung mit kritischen Kommentaren begleitet; siehe die Briefe an Wieland vom 20. August und vom 27. Oktober 1772, JBW I,1.160 f. und 168–170. In dem in der griechischen Antike spielenden, mit moralphilosophischen Diskussionen durchsetzten Roman ist Danae eine Hetäre, die im Auftrag des materialistisch gesinnten Hippias den idealistischen Agathon verführen soll. Die Verführung gelingt, jedoch so, daß – vorübergehend – ein empfindsam-tugendhaftes Liebesverhältnis zwischen Agathon und Danae entsteht. In der zweiten Fassung entscheidet sich Danae am Ende für ein Leben in Keuschheit. 24,17  Phyllis ] Siehe Ovid: Heroides, 2. Brief (Phyllis an Demophoon). Phyllis ist dort die Tochter des thrakischen Königs Sithon, die aus Verzweiflung über das lange Fernbleiben ihres Geliebten Demophoon, der geschworen hatte, zu ihr zurückzukehren und der sie gebeten hatte, auf ihn zu warten, ihren Freitod plant. Ihr Brief ist die Anklage einer treuen, liebenden, aber von ihrem Geliebten enttäuschten, sich betrogen wähnenden Frau. 24,17  Melinde ] Melinde ist der Titel und die tugendhafte Protagonistin einer frühen Verserzählung Wielands. Siehe [Christoph Martin Wieland:] Erzählungen. Heilbronn 1752. 81/83–99. Siehe auch [Christoph Martin] Wieland: Poetische Schriften. Bd 1. Zürich 1762. 265–280. – Melinde verkörpert Tugend, Unschuld und eine mit dem Namen der Zärtlichkeit belegte reine Liebe. Sie wird Opfer einer Verführung, droht ihre Unschuld zu verlieren, bleibt jedoch im entscheidenden Moment standhaft und wählt am Ende ein Leben in Keuschheit. 24,22  Zauberstab des großen Merlins] Merlin war Zauberer und Prophet am Hofe des mythischen Königs Artus. Mit dem Zauberstab ist das Schwert Ex­cali­bur gemeint, das Merlin für König Artus anfertigte. – Wieland hat sich des Stoffes in den 1770er Jahren mehrfach angenommen. Siehe etwa Geron, der ­Adelich. Eine Erzählung aus König Artus Zeit. In [Christoph Martin] Wieland: Neueste Gedichte vom Jahre 1770 bis 1777. Neue, verbesserte Auflage. Carlsruhe 1777. 264–305. Auf die Erzählung folgen ib., 306 ff. Einige Er­ läuterungen zu dem besserm [!] Verständniß des vorstehenden Gedichts: 314–317 zu Merlin, 317 f. zu Schwerdt, wo es 318 heißt: König Artus seines [sein Schwert] hieß E s c a l i b o r. Es war ein Werk von Merlins Zauberkunst. Dies erschien – wohl erstmals – in Der Teutsche Merkur. 1777, Januar, 3–16 und Februar, 105–129; die Erläuterungen zu Merlin dort 136–138, zu Schwerdt 138 f. 24,25  Hörner, Fischschwänze oder Krallen] Hörner, Schwanz und Hufe sind die klassischen Attribute einer Teufelsgestalt. 24, 33–36  Die Amerikanische Wilden … Der Herausgeber. ] Da diese Anmerkung in D2 gestrichen wurde und der fiktive Herausgeber von Allwills Papieren im Vorbericht nicht als Herausgeber, sondern als Besitzer bezeichnet wird, stammt dieser erläuternde Zusatz wohl von dem Herausgeber der Iris, Johann Georg Jacobi. Siehe auch 9,30–33.



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25,4  neue Wassermaschine in dem Bergwerke] Diese in der Frühen Neuzeit beständig weiter entwickelten Maschinen dienten dazu, das beim Bergbau eindringende Wasser abzuschöpfen. Siehe Zedlers Universallexicon 53.638– 645. Ib., 641 (Bezug: Wassermaschine, L e h m a n n s): Giebet unsäglichen Nutzen. an erster Stelle: 1) Im Bergbau, alle ersoffene Gruben zu gewaltigen, und wo keine Künste, aus Mangel oder wenigem Aufschlag­wasser anzubringen, und die Künste selbst die Wasser folglich nicht mehr zu halten vermögend sind, da doch so dann durch diese erfundene Maschine jeder Zeche Hülffe geschiehet, und mehrere Ertztteufe erlangen, folglich reichhaltigere Anbrüche erhalten, und mit Wasserloosung und Ausbeute gebauet werden kan, wodurch der Zehnden augenscheinlich erhöhet, und mehrere Bergleute gefördert, auch nothwendig Ausbeute geschaffet werden muß. / 2) Fördern auch diese aus der Grube gehobenen Wasser über dieses Ertzte, und schaffen Bergloosung. – Siehe zum Einsatz solcher Maschinen im Bergbau auch Goethe an J., 9. September 1788, JBW I,8.55,19–22, sowie Goethe an Christian Gottlob Voigt, 16. August 1788, WA IV,9.11: Mit Freuden höre ich daß alles so gut geht daß Sie alles zu Ihrer Zufriedenheit getroffen haben. Das Rad muß würcklich eine ansehnliche Maschine seyn und sich ehrwürdig in der Finsterniß herumdrehen. Daß Sie einige ­Lachter schon gewältigt haben, ist auch ein guter Anfang. 25,7–30 Ohngefehr … erwiesen hätte.] Auch in Goethes Werther hilft der Protagonist der Angehörigen eines niederen Standes und reflektiert kritisch das übliche Verhalten von Standespersonen. Siehe [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 12 f. (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 15. Mai 1771): Die geringen Leute des Orts kennen mich schon, und lieben mich besonders die Kinder. Eine traurige Bemerkung hab ich gemacht. Wie ich im Anfange mich zu ihnen gesellte, sie freundschaftlich fragte über dieß und das, glaubten einige, ich wollte ihrer spotten, und fertigten mich wol gar grob ab. Ich ließ mich das nicht verdriessen, nur fühlt ich, was ich schon oft bemerkt habe, auf das lebhafteste. Leute von einigem Stande werden sich immer in kalter Entfernung vom gemeinen Volke halten, als glaubten sie durch Annäherung zu verlieren, und dann giebts Flüchtlinge und üble Spasvögel, die | sich herabzulassen scheinen, um ihren Ueber­muth dem armen Volke desto empfindlicher zu machen. / Ich weiß wohl, daß wir nicht gleich sind, noch seyn können. Aber ich halte dafür, daß der, der glaubt nötig zu haben, vom sogenannten Pöbel sich zu entfernen, um den Respekt zu erhalten, eben so tadelhaft ist, als ein Feiger, der sich für seinem Feinde verbirgt, weil er zu unterliegen fürchtet. / Lezthin kam ich zum Brunnen, und fand ein junges Dienstmädgen, das ihr Gefäß auf die unterste Treppe gesetzt hatte, und sich umsah, ob keine Camerädin kommen wollte, ihr’s auf den Kopf zu helfen. Ich stieg hinunter und sah sie an. Soll ich ihr helfen, Jungfer? sagt ich. Sie ward roth über und über. O nein Herr! sagte sie. – Ohne Umstände – Sie legte ihren Kringen zurechte, und ich half ihr. Sie dankte und stieg hinauf. (WA I,19.10 f.) – Der Ur-Götz mit dem Titel Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand, abgefaßt im November und Dezember 1771, enthält dieselbe Szenerie wie

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der Allwill – ein umgestürzter Karren und das Aufeinandertreffen des niederen mit dem höheren Stand – allerdings mit umgekehrter Rollenverteilung und einer gänzlich anderen Darstellung des niederen Standes. Siehe Der junge Goethe Bd II.142: F u h r m a n n . Nein geh! Es war hübsch von ihm und hat mich von Herzen gefreut, wie er geritten kam und sagte: liebe Freund, seyd sogut, spannt eure Pferd aus und helfft mir meinen Wagen von der Stell bringen. Liebe Freund sagt er, wahrhafftig es ist das erstemal dass mich so ein vornehmer Herr lieber Freund geheissen hat. / B a u e r. Dancks ihm ein spitz Holz; wir mit unsern Pferden waren ihm willkommner als wenn ihm der Kayser begegnet wär. Stack sein Wagen nicht im Hohlweeg zwischen Tühr und Angel eingeklemmt. Das Vorderrad biss über die Axe im Loch, und’s hintere zwischen ein Paar Steinen gefangen; er wusst wohl was er taht wie er sagte liebe Freund. Wir haben auch was gearbeit biss wir ’n herausbrachten. Das vom Ritter empfangene Trinkgeld kommentieren die Bauern so: Das lassen wir uns freylich ietzt schmecken. aber ein grosser Herr könnt mir geben die Meng und die Füll, ich könnt ihn doch nicht leiden ich binn ihnen allen von Herzen gram, […] Diese Szene ist weder in der Erstausgabe des Götz von 1773 noch in der zweiten Ausgabe von 1774 enthalten. Die frühe Fassung erschien erstmals 1832 in Band 42 der Ausgabe letzter Hand. Siehe hierzu FA I,4.127 f. und 709. Dennoch ist es durchaus möglich, daß J. im Rahmen der persönlichen und freundschaftlichen Kontakte zu Goethe 1774/1775 in Düsseldorf und Frankfurt am Main Einsicht in dieses Manuskript erhielt. Für den ebenfalls im Jahre 1771 entstandenen Text Zum Schäkespears Tag ist dies z. B. nachweisbar. Siehe Anm. zu 64,14. 25,18  meine goldene Einfassung] Es könnte die goldene Einfassung eines Gewandes oder Accessoires gemeint sein. Vgl. Ex 28,13. In Johann Heinrich Mercks Schmähgedicht auf den ersten Allwill-Druck in Wielands Teutschem Merkur heißt es hierzu, Wieland-BW 5.512,53: Der gar das Gold aufm Rok nicht vergißt! – Siehe oben 276. 26,5 ausgegreitscht] Dt. Wb. 9.95: greitschen, vb., nebenform zu grätschen. Das Wort wird dort erläutert mit Verweis auf diese Stelle im Allwill. 26,10 Engelländer] Wohl ein besonders gutes und teures Pferd. Siehe auch Journal des Luxus und der Moden. 1791, Bd 6, Juli, 397 f. und August, 460 f.: In der Rubrik Equipagen werden dort unter anderem englische Pferde vorgestellt. 26,19–20  alle die Schimpfworte … geängstiget] Siehe oben 25,21–24. 27,5–6  englische Pferde] Siehe Anm. zu 26,10. 28,17  eigenen Gram] Siehe oben 5,4–13 und 6,9–21. 28,22 Donau] Die Donau ist mehrfach als Referenzpunkt der Region genannt; siehe oben 38,5 und 54,12. 28,23  zween Vetter-Franzens-Cameraden] Konnte nicht nachgewiesen werden. Eventuell Spielkameraden aus der ferneren Verwandtschaft. Fehlt in D4. 28,28 Topinambu] Etwa: ›einfältiger Mensch‹. Siehe Paul-Emile Littré: Dictionnaire de la langue française. 6 Bde und Suppl. Chicago 1987. Ib., 6.6356: t o p i n a m b ou x […] Nom d’un peuple du Brésil, qu’on a quelquefois employé pour désigner des gens grossiers et ignorants. Voire chez



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les Grecs, qui pour nous Sont pires que Topinamboux, S c a r r. Virg. V. J’ai traité de Topinamboux Tous ces beaux censeurs, je l’avoue, Qui, de l’antiquité si follement jaloux, Aiment tout ce qu’on hait, blâment tout ce qu’on loue, B oi l . Epigr. XXV. / Boileau en a fait un adjectif: Et l’Académie, entre nous, Souffrant chez soi de si grands fous, Me semble un peu topinamboue, E pi g r. XXV. Siehe auch C. M. Wieland an J. H. Merck, 14. und 15. Mai 1778, Wieland-BW 7.59: Ich habe, seitdem mich Friz Jacobi verlassen und aufgegeben hat, einen so innigen Eckel vor allem was einer Verbindung mit einem Genie, Bel-Esprit, und Prätendenten an das eine oder andre ähnlich sieht, in den Leib gekriegt, daß ich lieber mit Schneidern und Schustern, Topinambous und Hottentotten als mit Leuten, die Prose und Verse drucken lassen, umgehen möchte. 28,28–29 Virtuoso] Hier wohl: Musiklehrer. Neben einer allgemeineren Verwendungsweise (ein Meister seiner Kunst) war im 18. Jahrhundert auch eine engere gebräuchlich: als Synonym für einen (herausragenden) Musiker. Siehe Dt. Wb. 26.372–374. Siehe auch J. an Wieland, 8. und 11. Juni 1777, JBW I,2.62,2. – J.s ältester Sohn Johann Friedrich Jacobi lernte zu dem Zeitpunkt der Niederschrift des Allwill bereits das Geigenspiel: Siehe den Schattenriß, der den Jungen mit der Geige zeigt. In Kurt Christ: Bewahren durch Entsagen. Das Jacobi-Depositum im Goethe-Museum Düsseldorf. Eine Ausstellung zum 80. Geburtstag von Helmut Jacobi. Düsseldorf [1991]. 39, sowie H. E. Jacobi an Goethe, 9. Dezember 1773, JBW II,1.201: Fritz u. Georg lassen vielmahl für die Violine danken. Siehe auch J. an Heinse, 20., 23. und 24. Oktober 1780, JBW I,2.208,29–32: Er [Georg Arnold] hat zu Wandsbeck das Violon­ cello­spielen lernen, und überraschte mich mit seiner geheim gehaltenen Kunst sehr angenehm in einem Conzert. Fritz hat sich auf der Geige mit gutem Erfolge geübt. 28, 30  Ouverture vom Deserteur] Le Déserteur ist eine komische Oper (opéra comique) in drei Akten von Pierre Alexandre Monsigny (1729–1817), Libretto von Michel Jean Sedaine, Erstaufführung in der Comédie Italienne in Paris am 6. März 1769. Sie zählt zu Monsignys bedeutendsten Werken. Siehe MGG2 Personenteil 12.362–365. 28, 30  Lucile] Lucile ist eine komische Oper (opéra comique) von André Ernest Modeste Grétry (1741–1813), Libretto von Marmontel, Erstaufführung in der Comédie Italienne in Paris am 5. Januar 1769. Inhaltlich steht sie als senti­ men­ta­les Familiendrama, in welchem das Landleben idealisiert und die Standes­ gegen­sätze überwunden werden, ganz in der Tradition der Empfindsamkeit. Die Oper erfreute sich in ganz Europa einer großen Popularität. Siehe MGG2 Per­ sonen­teil 7.1595. 29, 3  abgestümpften Haare] Siehe Adelung 1.121 f.: A b s t ü m p f e n /, und abstumpfen, verb. reg. act. 1) Stumpf machen. Das Beil; den Degen abstümpfen; im Hochdeutschen ungewöhnlich. Besonders 2) der Spitze oder der scharfen Ecke berauben. […] – Es könnte ein kurzer Pony gemeint sein, der zu jener Zeit als Kinderhaarschnitt wohl üblich war: Vgl. das im Stadtmuseum Düsseldorf aufbewahrte Bildnis des etwa fünfjährigen Jean Paul Brewer (geboren um 1782); siehe Anke Hufschmidt (Hg.): Planspiele 1716–1795.

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Stadtleben und Stadtentwicklung im 18. Jahrhundert [Ausstellung im Stadtmuseum Düsseldorf]. Ostfildern-Ruit 2006. 120 (Exponat 237). 29,15 Neglige] Ende des 18. Jahrhunderts verstand man darunter eine legere Kleidung im englischen Stil, die den empfindsamen Idealen von Natürlichkeit und Freiheit entsprach. Siehe Journal der Moden. 1787, Bd 2, Januar, 19–20: 2) Englische Dame im Negligee. / Hier ists eigentlich, wo die Engländerinnen durchaus original sind. Die größte Simplicität die von der Hand der Natur selbst vorgezeichnet scheint, giebt ihnen den originellen Reiz, der so sehr für sie einnimmt. […] / Die junge Dame die wir auf Taf. 2. Fig. 2. liefern, ist im Undress, oder Negligee. Sie trägt einen ziemlich großen feinen Strohhuth, auf die eine Seite gesetzt. Er ist mit weißen [!] Tafft gefüttert, und mit einer sogenannten Honigwaben-Frisur (Honey-comb trimming) von Flor eingefaßt. Auf den Kopf, den ein rosa Band mit einer gesperrten großen Schleife umfaßt, | ist gleichfalls weißer Flor gepufft. Die Haare sind um den ganzen Kopf ein lockigter Krepp, und hinten gleichfalls lockigt f liegend, und ungepudert. Das Halstuch ist von Flor, ziemlich groß und mit dreyfacher breiter Fulbala. Sie trägt einen ganz einfachen rosa Atlas-Rock mit langen engen Aermeln, und plattirten oder Perlenmutterknöpfen. / Zu dieser Kleidung werden gewöhnlich schwarze Atlas-Schuhe, so wie auch die großen Mode-Brust-Bouquets getragen. Siehe auch Journal der Moden. 1786, Bd 1, März, 123 f.: Das männliche Negligé, oder, um uns des rechten Kunstworts zu bedienen, der Mann en Chenille, ist | wie wir schon im vorigen Stücke sagten; eigentlich die männliche Mode-Puppe; weil das Negligé keine conventionelle Etikette voraussetzt, und jedem Erdensohne volle Freyheit läßt, sich nach eigener Phantasie, Wahl und Laune, geschmackvoll oder geschmacklos, anständig und schön, oder geckenhaft und lächerlich zu kleiden. Ib., 125: Der Mann ist en Negligé, sobald er im Frack oder Surtout, und zu seinen täglichen Arbeiten und Geschäften bequem gekleidet ist. Siehe auch ib., 3 (1788), Juli, Zwanzigste Tafel sowie 290 und 295. 29,24 Schokolaten-Topf ] Siehe Zedlers Universallexicon 5.2169: C h o c o l a t e n -To p f f , ist ein länglicht-runder küpferner Topff, auf einem breiten Fuß stehend, und forn her mit einer Schnautze, der Deckel aber mit einem Loche versehen, worinnen der Qvirl steckt, mit welchem man die Chocolate qvirlt. 29, 31–32  meine Toilette gemacht] Frisieren und Ankleiden. 30, 3  wie du neulich schriebst] Der Brief ist nicht Teil des Romans; siehe die Herausgeberfiktion oben 3,10 –4,2 und 4,5–8. 30,5–6  Guido und Maratti … gemacht haben] Gemeint sind die italienischen Maler Guido Reni (1575–1642) und Carlo Maratti (1625–1713); der Hinweis ist somit anachronistisch. Bezugspunkt sind wohl die Bilder von Kleinkindern, die sich – als komplementäre Bilder arrangiert (faisant pendant) – an der dritten Wand des zweiten, nach Gerard Dow benannten Saals der Düsseldorfer Gemäldegalerie befanden. Sie war eine der bedeutendsten im deutschsprachigen Raum und zog viele Besucher an. Siehe Pigage: La Galerie Electorale de Dusseldorff. Die Publikation umfaßt einen Band Erläuterungen und einen



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weiteren Band mit den von Christian von Mechel in Basel angefertigten Kupferstichen. Im Erläuterungsband haben die einzelnen Säle ein eigenes Zwischentitelblatt und sind separat paginiert. Die Beschreibung der erwähnten Bilder befindet sich auf der Seite 28 der Erläuterungen zum zweiten Saal: Nº. 98. Planche VIIIe. / Un enfant jouant avec un / oiseau, / par le guide. / Guido Reni. Peint sur toile. / Haut de 1. pied 8. pouces; Large de 1. pied 11. pouces. / Figures entières, de grandeur naturelle. / Il est nu, couché sur un lit couvert de draps blancs: son dos & sa tête sont appuyés sur des coussins blancs: il tient un fil auquel est attaché un chardonneret qui vole, & qui est l’objet de toute son attention. Le fond du Tableau est le rideau même du lit qui est de couleur violette. / Ce morceau est très-gracieux: il est peint d’une manière vague & transparente. Il est du bon tems de ce Maître. | Nº. 99. Planche VIIIe. / Un enfant endormi, / faisant pendant du précédent, / par Charles Maratte. / Carlo Maratti. / Peint sur toile. / Haut de 1. pied 9. pouces; Large de 2. pieds 1. pouce. / Figure entière, de grandeur naturelle. / Il est couché en plein air sur une draperie blanche changeante, & dort profondément. On voit au-dessus de sa tête un bout de draperie bleue servant de rideau. Le font du Tableau est un paysage, qui n’est qu’esquissé. / Ce morceau peint largement, fait une jolie étude de dessin & de carnation. Siehe die Abbildung dieser beiden Bilder oben im Anhang an den Textband JWA 6,1. – Das Motiv des Zeichnens von Kindern findet sich auch in Goethes Werther. Siehe [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 21 (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 26. Mai 1771). (WA I,19.17.) 30,10 Gutsel] Bonbon. – Siehe die Parallelstelle in Syllis Brief; oben 16,10 f.. 30,16–33  den Mann sehen … den Mann ] Vgl. dasselbe Motiv in Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloise (1769). Bd II.159 (4. Teil, 1. Brief, Mme. de Wolmar an Mme. d’Orbe): Mais quand nous sommes seuls, il ne se promene qu’avec moi; il quitte peu sa femme & ses enfans, & se prête à leurs petits jeux avec une simplicité si charmante, qu’alors je sens pour lui quelque chose de plus tendre encore qu’à l’ordinaire. Ces moments d’attendrissement […]. (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.402.) – Dt.: Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden (1761). Teil IV.11: Wenn wir aber allein sind, geht er nie ohne mich; er verläßt seine Frau und seine Kinder selten, und mischt sich mit einer so treuherzigen Gefälligkeit in ihre Spiele, daß ich alsdenn etwas zärtlichers, als gewöhnlich, gegen ihn empfinde. Diese Augenblicke voller Rührung […]. – Vgl. auch [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 16 (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 17. Mai 1771): Noch gar einen braven Kerl hab ich kennen lernen, den fürstlichen Amtmann. Einen offenen, treuherzigen Menschen. Man sagt, es soll eine Seelenfreude seyn, ihn unter seinen Kindern zu sehen, deren er neune hat. (WA I,19.13.) 31,7  herrlich] Dt. Wb. 10.1147: freudigen gemüts, fröhlich. 31,23  deinem lezten Briefe] Der Brief ist nicht Teil des Romans; siehe die Herausgeberfiktion oben 3,10 –4,2 und 4,5–8.

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31,27–28  Von der endlichen Ankunft … Nachricht.] Auch diese Mitteilung ist nicht Teil des Romans; siehe die Herausgeberfiktion oben 3,10 –4,2 und 4,5–8. 31, 32  drey Carolins] Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 7.676 f.: Carolin, C a r l i n , ein Name verschiedener Münzsorten, welche von Fürsten, die den Namen C a r l geführt haben, geschlagen worden. […] Die deutschen C a r o l i ne n i n G o l d , oder C a r l d ’ O r, sind sonderlich in den vordern deutschen Reichslanden, in der Churpfalz, Churbaiern, Hessen, Würtenberg etc. gangbar, und betragen nach dem sogenannten Conventionsfuß 6 Rthlr. 8 Gr. (nach dem 24 Guldenfuß aber 11 Gulden) Im Handel und Wandel sind sie von den französischen neuen oder Schild-Louis d’ Or ( L ou i s ne u f s ) nur um ein sehr geringes am Werthe unterschieden. 31, 33  Tabatiere] Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 179.280: Tabatière, die Französische Benennung der Tabaksdose. Vgl. auch den Artikel Tabaksdose, ib., 179.111–113. – Durch Laurence Sternes Briefroman A Sentimental Journey through France and Italy. By Mr. Yorick. (1768), der zu den meistgelesenen Werken in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gehört ( J. besaß eine englische Fassung von 1775 und eine deutsche Übersetzung von 1775/76; KJB 2906 bis 2908), war der Schnupftabaksdose im Rahmen empfindsamer Verhaltensmuster eine besondere Bedeutung zugewachsen. In dem Kapitel Die Tabaksdose (The Snuff Box) schenkt der empfindsame Reisende Yorick dem alten Mönch Lorenzo seine Schnupftabaksdose aus Schildplatt und erhält als Gegengabe dessen Dose aus Horn, die ihm fortan als Sinnbild für und Ermahnung zu Freundschaft und Tugend gilt. – In der Folge gehörte die Schnupftabaksdose (Lorenzo-Dose) zum essentiellen Bestandteil empfindsamer Accessoires; siehe J[ohann] G[eorg] J[acobi]: Ueber die Empfindung. In Iris. 1775, Bd 4, St. 1: Juli, 5–16. Ib., 7: Bey dieser Stelle sieht manche von meinen iungen Leserinnen vielleicht in ihrer Stube sich um, sieht auf ihrem Putztisch’ eine gesprungne Lorenzo-Dose; auf dem Arbeit-Tisch’ einen Yo r i c k , auf dem Clavier e m p f i n d s a m e Lieder, e m p f i n d s a m e Briefchen im Nähe-Beutel, an der Wand e m p f i n d s a m e Schattenriße, und ihr eignes e m p f i n d s a m e s Aug’ im Spiegel. – Dabei kam den Brüdern Jacobi wohl eine besondere Rolle bei der Etablierung dieser Mode zu; siehe [ J. A. von Ittner:] Leben Joh. Georg Jacobi’s. Von einem seiner Freunde. Zürich 1822. ( = J. G. Jacobi’s sämmtliche Werke. Bd 8.) 42–45: Zwischen dem Zeitpunkt von dem Jahre 1769 bis 1771 muß ich der chronologischen Folge willen die Geschichte mit den sogenannten L o r e n z o - D o s e n einschieben, zu welchen J a c o b i zufälliger Weise Anlaß gab. Er war bey seinem Bruder in Düsseldorf; sie lasen mit einander Yoriks empfindsame Reisen, und kamen auf die rührende Geschichte des Franziskaner-Bruders L o r e n z o, welcher Yorik um | ein Almosen ansprach, von ihm hart abgewiesen wurde, dann aber durch sein sanftmüthiges Betragen dem Engländer Reue über die empfindliche Bitterkeit einf lößte, nachher zum Zeichen der Versöhnung eine schildkrötene Dose aus seiner Hand geschenkt bekam und ihm die seinige von Horn überreichte. […] Das dadurch erweckte Gefühl war



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ihnen zu süß, um es nicht durch ein in die Sinne fallendes Zeichen festzuhalten. In dieser Absicht kauften sie sich hörnerne Tabacksdosen, und ließen den Namen L o r e n z o darauf einlegen. Sie theilten einige derselben | ihren Freunden mit, um, wenn je einer aus ihrer Gesellschaft sich durch Hitze überwältigen ließe, der andere ihm die Dose darbieten möge, als symbolische Erinnerung, auch bey der größten Heftigkeit zur sanften Mäßigung zurückzukehren. / Eine solche Dose schickte nun der Dichter J a c o b i auch seinem Freunde G l e i m nach Halberstadt, begleitet von einem Schreiben (vom 4ten April 1769). Bald darauf ward diese Epistel in dem Hamburger Correspondenten abgedruckt. Wie erstaunte J a c o b i nicht, als, gleich nach ihrer Erscheinung, fast alles, was sich zur feinern Welt rechnete, zumahl in Ober- und Niedersachsen, nach einer L o r e n z o - D o s e sich umsah. Die Drechsler fanden den Einfall für ihren Erwerb vortreff lich; mehrere Kauf leute machten daraus eine Sache der Spekulation, und bald wurden die hörnernen Dosen nicht nur durch ganz Deutschland, sondern auch bis nach Dänemark und Lief land als Handelsgegenstand versendet. Ein deutscher Reichsgraf, wie J a c o b i | in einer Note bey der Zürcher neuen Ausgabe seiner Werke anführt, ließ sogar das Eisenblech, das ihm seine Bergwerke lieferten, zu L o r e n z o - D o s e n verarbeiten. Jetzt erkannte erst J a c o b i seine Schwärmerey, in welcher er versprochen hatte, jedem, der ihm eine solche Dose darbieten würde, brüderliche Vertraulichkeit zu beweisen. Er fieng an einzusehen, wie geschwind dergleichen Symbole ihre wahre Bedeutung verlieren, und endlich in eiteln Modetand ausarten. – Auch in dem im Düsseltal gelegenen Trappistenkloster, das ein Besucherziel für Reisende und Gäste des Hauses Jacobi war, wurden von den Mönchen Schnupftabaksdosen (aus Papier Maché) produziert. Siehe Clemens von Looz-Corswarem: Die »Speckermönche« in Düssel­thal in der öffentlichen Wahrnehmung des 18. Jahrhunderts. In Jörg Engelbrecht und Stephan Laux (Hg.): Landes- und Reichsgeschichte. Festschrift für Hansgeorg Molitor zum 65. Geburtstag. Bielefeld 2004 (Studien zur Regionalgeschichte; Bd 18). 261–280. Ib., 274. 31, 35 Tischblatt] Tischplatte. Siehe Dt. Wb. 21.512 sowie Adelung 4.607 f. 31, 35 Guirlande] Eine bestimmte Bemalung von Gebrauchsgegenständen zu ihrer Verzierung. Siehe den in Anm. zu 31,33 erwähnten Artikel Tabaksdose in Krünitz: Oekonomische Encyklopädie. 32,1  Du wirfst mir vor] Ein Brief mit solchem Inhalt ist nicht Teil des Romans; siehe die Herausgeberfiktion oben 3,10 –4,2 und 4,5–8. 32,21–22  Capitano Tempesta ] Der Capitano, eine Art prahlender Soldat, gehört zum festen Bestandteil der typisierten Rollen der italienischen Commedia del’Arte. Er konnte etwa näher charakterisiert sein durch die Epitheta spaventa, rodomonte, coccodrillo oder bombardone etc., wohl auch tempesta. Siehe Silvio D’Amico: La Commedia dell’Arte. In Ders. (Hg.): Storia del Teatro Italiano. Mailand 1936. 103–136. Ib., 115 f.: Altra maschera tipica di quell’età, ma con precedenti ultraclassici, quella del Capitano […]. Nel secolo d’Ariosto e di Cervantes, mentre le imprese degli eroici cavalieri naufragavano nell’umorismo o nel ridicolo, i capitani Spaventa da Vallinferna,

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Rodomonte, Matamoros, Coccodrillo, Bombardone, Scaricabombardone, Spez|zaferro, Spaccamonte, Fracassa, Bellavita, Zerbino, anche variando il costume secondo l’ora e il luogo ma rimanendo identici sotto gli atteggiamenti militareschi e fanfaroni, confessarono nel grottesco l’insofferenza italiana della magniloquente vanagloria dei dominatori spagnoli. – Von dem zweitältesten Sohn J.s ist überliefert, daß er als Kind mit großer Passion Soldat spielte. Siehe im Brief Johann Heinrich Schenks an Johann Georg Hamann vom 11. Juli 1786, JBW I,5.294,28 –295,27 (hier zitiert in Anm. zu 19,23 –20,16 ). 32, 35–36  wohlconduisierten Gesellschaft] Soviel wie ›wohlgesittete Gesellschaft‹. 33,2 Spieltisch] Der Spieltisch gehörte zu den geselligen Zusammenkünften der Zeit. 33,21 Phaeton] Eine Kutschenart. Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 112.485 f.: Ph a e t o n […] 2) Ein hoher Wagen, dessen Kasten ganz oder zum Theil offen ist, und welcher seinen Nahmen daher hat, weil er der Vorstellung, die man sich von dem Sonnenwagen machte, ähnlich ist. Unter 1) ist erläutert, daß gemäß der griechischen Mythologie Phaeton seinem Vater Apoll (nach Euripides und Ovid: Helios) die Gewährung des Wunsches abgerungen hatte, den Sonnenwagen lenken zu dürfen. Die im weiteren beschriebenen Figuren 6549 und 6550 zeigen eine englische und eine deutsche Variante solcher Kutschenart. 33,22 Galla-Livree] Festliche Kleidung der Dienerschaft. Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 15.714 f.: G a l l a , Fr. G a l a oder G a l e, ein spanisches Wort, welches an einigen Höfen üblich ist, eine Festlichkeit, festliche Pracht, oder prächtige Kleidung zu bezeichnen. […] / Zu der G a l l a erscheint jedermann, der die E n t r é e bey Hofe hat, nach Maßgabe des Ansagens, in prächtiger Kleidung für sich, seine Equipage und Bedienten, und machet bey den höchsten Herrschaften Cour. […] Die G a l l a - L i v r e e der Bedienten, die G a l l a - K u t s ch e e t c . müssen von verhältnißmäßiger Wichtigkeit, und nach einem guten Geschmacke eingerichtet seyn. 33,24–25  blauen Tische] Vgl. hierzu Anna Catharina Charlotte (Lotte) Jacobi an J. G. Jacobi, 30. Dezember 1774, in Julius Heyderhoff: Die Hausgeister von Pempelfort. Familien- und Freundschaftsbriefe des Jacobihauses. In Goethe und das Rheinland. Rheinische Landschaft, rheinische Sitten, rheinische Kunstdenkmäler. Zeitschrift des Rheinischen Vereins für Denkmalpf lege und Heimatschutz 25, 1932, H. 2. 203–269. Ib., 217: Die Glocke ist halb sechs, unser Lämpchen helle geputz [!], der Ofen eingeheitzt, die beyden Einhörnchen [gemeint sind J.s Halbschwestern Lotte und Susanne Helene (Lene)] haben sich bereitz an ihr blaues Tischen gesetzt, […]. 34,10 Zeitung] In der ursprünglichen, zu jener Zeit bereits veraltenden Bedeutung von kunde, botschaft, nachricht; siehe Dt. Wb. 31.590–595, ib., 591. 34, 36  Eingesessenen] Einwohner. Siehe Adelung 1.1747 f. 35, 3 Grundsaßen] Siehe Adelung 3.1281 f.: D e r S a ß, […] von dem Zeitworte sitzen, der da sitzet, und figürlich in gewöhnlicherm Verstande, ein Einwohner, Besitzer. Es ist für sich allein veraltet, kommt aber noch in



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vielen Zusammensetzungen vor. (S. Amtssaß, Beysaß, Kanzelleysaß, Erbsaß, Freysaß, Hintersaß, Haussaß, Holzsaß, Kothsaß, Landsaß, Schriftsaß, Untersaß u. s. f.) wo die nähere Beschaffenheit des Einwohners oder Besitzers durch die erste Hälfte des Wortes bestimmet wird. […] 35,11 Nothpfennig] Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 102.711: Nothpfennig, Geld, welches man auf einen dringenden Noth­fall aufsparet, zum Unterschiede von einem E h r e n p f e n n i g e und Z e h r ­p f e n n i g e . 36,23 Raspelhause] Dt. Wb. 14.141: Raspelhaus, n. zuchthaus, worin die übelthäter mit schweren holzraspeln, und an diese angekettet, farbhölzer zerkleinern musten. In Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 120.710 wird das zu raspelnde Holz als Brasilienholz bezeichnet. Es wurde unter anderem zum Färben verwendet. 36,26  Siamoisinen Schürzchen] Siehe Krünitz: Oekonomische En­ cyklopädie, 153.549: S i a m oi s e , der Name verschiedener leinewandartiger Zeuge. Man unterscheidet besonders im Handel drei Gattungen. 1) Eine Art gestreifter Leinwand, welche an einigen Orten in der Normandie, vornämlich zu Rouen und in dessen Gegend, dergleichen an verschiedenen Orten in dem Lande Coux, theils aus leinenem und wollenem, theils aber, und gewöhnlicher, aus leinenem und baumwollenem Garne gemacht wird. Man hat solches mit Streifen von verschiedener Farbe und verschiedener Breite, die nach der Breite des Zeuges laufen; die Breite dieses Zeuges ist gemeiniglich ½ oder ¹⁄₁ Pariser Elle. Man gebraucht sie zu Vorhängen, Teppichen über Tische und Stühle etc. Schürzen, Unterfutter unter Schlafröcke, zu Unterröcken für Frauensleute, Hals- und Schnupftüchern. […] Von der Gattung Nr. 1. wird sehr viel in Deutschland fabricirt. Die vorzüglichsten Fabrikorte sind Barmen und Elberfeld, wo man starke Siamesische Manufakturen noch zu Anfange des gegenwärtigen [des 19., der Band erschien 1830] Jahrhunderts fand; jetzt scheint dieses Zeug unter diesem Namen nicht mehr vorhanden zu seyn. 36,26  Cattunen Halstuch] Cattun bzw. Kattun ist ein aus Baumwolle hergestellter Stoff; er kann weiß oder farbig sein. Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 36.10–184. Erwähnt sind in diesem Artikel auch Halstücherund Schnupftücher-Manufacturen (ib., 36.12). 37,20 Stumpfnäschen] Siehe Dt. Wb. 20.77 f. (Artikel S t u m p f n a s e ) Die dort angeführten Beispiele legen nahe, daß mit diesem Wort die Bedeutung ›unbedarft‹ oder ›naiv‹ verbunden ist. 37,21  Donnervogel ] Adler. Siehe Dt. Wb. 2.1256. 37,23  dem so etwas nicht läßt.] Siehe auch oben 37,19 f. Soviel wie: dem so etwas nicht (zu Gesicht) steht. Siehe Dt. Wb. 12.228 (Artikel L a s s e n ): es läszt, mit bestimmendem zusatze, es steht, kleidet: vor dem spiegel be­ur­ thei­len, wie es ihm lasse. 37,25  so früh aufs Land sollten] Ausflüge auf das Land, ein Landhaus oder ein Garten vor den Toren der Stadt, bildeten sich im 18. Jahrhundert als Merkmale bürgerlichen Lebensstils heraus. Die Familie Jacobi hielt sich oft bei dem Vater Johann Conrad in Pempelfort auf, einem Landgut unmittelbar vor den Toren

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der Stadt Düsseldorf (siehe z. B. Heinse an Gleim, 14. Mai 1776, Heinse-SW 9.276). Nach dem Ankauf und Umbau des Pempelforter Geländes durch J. zog die Familie jedes Frühjahr in das Landhaus, um im Herbst wieder in das Stadthaus zurückzukehren. 38,5–6  »Mädchen, laßt euch die Freude schmecken«] [Charles-Simon Favart:] Das Rosenmädchen oder das Fest der weiblichen Tugend ein Singspiel in drey Aufzügen aus dem Französischen übersetzt [mit Musik]. Frankfurt am Main 1772. 47. Dort, Anfang des ersten Auftritts im zweiten Aufzug, ist es die erste Zeile einer A r ie. Die Übersetzung stammt von Johann Heinrich Faber, die Komposition von Egidio Romoaldo Duni. Das Singspiel wurde zu den komischen Operetten gerechnet. 38,23–24  Briefe von Sylli … dran.«] In D3 ist an dieser Stelle in einer Fußnote verwiesen auf: Die Briefe vom 6ten, 7ten und 8ten März. Siehe oben 8–16. 38,25 Tante] Siehe die Fußnote oben 29 f. 38,26 Bosket] Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 6.248: Bosquet, ein Lustgebüsch oder Lustwäldchen, das z. E. in einem großen Garten angelegt ist; […]. 38,29 Rasenbank] Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 120.691: Rasenbank, in den Gärten und andern freyen Plätzen, ein mit Rasen belegter Sitz, sowohl mit als ohne Rücklehne, d ie G r a s b a n k . 39,20–21  Wohl glaub ich … hast] Siehe oben 12,5–8. 39,26 Pf laumfedern] Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 12.372 f. [Artikel Feder]: F l a u m f e d e r n […] nen|net man die leichte­ sten und weichsten Federn unten am Bauche des zahmen sowohl als wilden Gef lügels, welche keine Kiele haben. 39, 34 –40, 3  wie Jacob, … schleppen?] Gen 32,25–30. 40,11  Arria lächelte auch] C. Plinius Caecilius Secundus: Epistulae. III,16. – Siehe Plinius Caecilius Secundus, Gaius: Les lettres de Pline le jeune. Nouvelle édition, revue et corrigée. 2 Bde. Paris 1760 (KJB 2772). 228: Son mari, & son fils, étoient en même-temps attaqués d’une maladie, qui paroissoit mortelle. Le fils mourut. C’étoit un jeune homme d’une beauté, d’une modestie, qui charmoient; & plus cher encore à son pere & à sa mere par de rares vertus, que par le nom de Fils. Arria donna de si bons ordres pour les obsèques, que le pere n’en sçût rien. Toutes les fois même qu’elle entroit dans la chambre de son mari, elle lui faisoit entendre, que leur fils se por|toit mieux. Souvent pressée de dire comment il étoit, elle répondoit, qu’il n’avoit pas mal dormi; qu’il avoit mangé avec assez d’appétit. Enfin, lorsqu’elle sentoit qu’elle ne pouvoit plus retenir ses larmes, elle sortoit; elle s’abandonnoit à sa douleur; & après l’avois soulagée, elle rentroit les yeux secs, le visage serein, comme si elle eût laissé son deuil à la porte. Siehe C. Plinius Caecilius Secundus: Sämtliche Briefe. Lateinisch / Deutsch. Übersetzt und hg. von Heribert Philips und Marion Giebel. Nachwort von Wilhelm Kierdorf. Stuttgart 2005. 207: (3) Ihr [Arrias] Mann, Caecina Paetus, und ihr Sohn waren krank, beide, wie es schien, lebensgefährlich. Der Sohn starb; er war ein Mensch von außergewöhnlicher



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Schönheit und gleichem Ehrgefühl, seinen Eltern wegen seiner anderen Eigenschaften nicht weniger teuer, als weil er ihr Sohn war. (4) Sie besorgte für ihn die Bestattung und hielt das Leichenbegängnis so ab, daß ihr Mann nichts merkte; ja sooft sie sein Schlafzimmer betrat, tat sie so, als lebe der Sohn noch und es gehe ihm sogar besser; und sehr oft antwortete sie; wenn er sich nach dem Befinden des Jungen erkundigte: »Er hat gut geschlafen, er hat mit großem Appetit gegessen.« (5) Wenn dann die lange zurückgehaltenen Tränen die Oberhand gewannen und hervorstürzten, ging sie hinaus; erst dann überließ sie sich ihrem Schmerz; hatte sie sich ausgeweint, trocknete sie die Augen und kehrte mit gefaßter Miene zurück, als ob sie ihren Verlust draußen zurückgelassen hätte. 40,20–28  Auf der Zunge … sprechen an.] Vgl. dasselbe Motiv in Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloïse (1769), wo Rousseau die innige Zärtlichkeit zwischen Julie und ihrer Kusine Claire beschreibt. I.142 (1. Teil, 38. Brief, St. Preux an Julie): Dieux! quel ravissant spectacle ou plutôt quelle extase, de voir deux Beautés si touchantes s’embrasser tendrement, le visage de l’une se pencher sur le sein de l’autre, leurs douces larmes se confondre, & baigner ce sein charmant comme la rosée du Ciel humecte un lis fraîchement éclos! J’étois jaloux d’une amitié si tendre; je lui trouvois je ne sais quoi de plus intéressant qu’à l’amour même, & je me voulois une sorte de mal de ne pouvoir t’offrir des consolations aussi cheres, sans les troubler par l’agitation de mes transports. Non, rien, rien sur la terre n’est capable d’exciter un si voluptueux attendrissement que vos mutuelles caresses, & le spectacle de deux amans eût offert à mes yeux une sensation moins délicieuse. (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.115.) – Dt.: Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden (1761). Teil I.191 f.: Gott! Was für ein entzückender Anblick, oder vielmehr, welche himmlische Freude war das nicht, als ich sah, wie zwo solche einnehmende Schönheiten einander zärt|lich umarmten, wie der einen Gesicht auf den Busen der andern sich neigte, wie ihre freundschaftlichen Thränen sich vermischten, und diesen reizenden Busen benetzten, so wie der Thau vom Himmel eine frisch aufgebrochene Lilie. Ich beneidete eine so zärtliche Freundschaft; ich fand darinnen ich weis nicht was rührenders, als bey der Liebe selbst; und gewisser maßen war ich unzufrieden mit mir selbst; daß ich dir nicht eben so angenehmen Trost darbieten konnte, wenn ich ihn nicht zugleich durch meine stürmischen Entzückungen stören wollte. Nein, nichts, nichts auf der Welt ist fähig, so rührende Zärtlichkeit zu erregen, als eure beiderseitigen Liebkosungen; und bey dem Anblicke zweyer Verliebten hätten meine Augen bey weitem nicht so viele Annehmlichkeit empfunden. 41,28 Sangboden] Siehe Zedlers Universallexicon 31.745: Resonanzboden, oder Sangboden, ist der obere subtile Boden eines Instruments, über welchem die Saiten sind, es seyn gleich Darm- oder Drat­ saiten. 42,10–12  was Amalia jüngst … einhauchen.] Siehe oben 32,15–21. 42,15  Frau von Reinach] Bei Frau von Reinach handelt es sich sehr wahrscheinlich um die gleiche Person, die oben 29 Fußnote, Frau von Steinach

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genannt wird. Eine der beiden Schreibweisen ist wahrscheinlich durch einen Lesefehler des Setzers entstanden; J. hat sie aber auch in D3 beibehalten. In D4 heißt es an beiden Stellen Reinach; siehe oben 120,35 und 127,1. 42,26 –43, 35  Note. … F. ] Mit dieser Note, die in D4 getilgt ist, wollte J. einer fehlgehenden Lektüre vorbeugen, die die im Roman dargestellten Personen mit den Mitgliedern der Familie Jacobi identifiziert und ihn damit in den Verdacht einer unangenehmen Selbstbeweihräucherung brächte. Siehe J. an Wieland, 20. April 1776, JBW I,2.42,4–11: Daß diese [die Note] jetzt gleich erscheine, daran ist mir des Schlusses halber alles gelegen. Rost hat mir bange gemacht, es könnte hier in der Gegend etwa einen albernen Menschen geben, der, wenn er erführe, daß ich den Allwill geschrieben, auf den Gedanken geriethe, ich schilderte meine Familie; oder einen boshaften, der sich bemühte, es wahrscheinlich zu machen. Der Argwohn, daß ich Clerdon seyn wollte, und mich selbst so sähe, wie jenen Amalia und die Wallberg, ist eine Sache, bei deren bloßer Vorstellung mir der kalte Schweiß ausbricht. 42,27  Ich] Ich ist hier der fiktive Herausgeber von Eduard Allwills Papieren: Siehe den Ich-Erzähler im Vorbericht, z. B. oben 4,5 sowie die identische Unterschrift F. (oben 7,17 und 43,35). 42,28–29  dessen Unterredung über … Heloise] Diese Unterredung ist in der Ausgabe der Nouvelle Héloise von Rey aus dem Jahre 1761 nicht enthalten; siehe die Entstehungsgeschichte in der nachfolgenden Anm. In der von J. benutzten Werkausgabe von 1769 (siehe JBW II,1.295) ist sie dem zweiten Band ( = dem dritten Teil) vorangestellt: Siehe Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloise (1769). II.III–XXXV: Préface / de Julie / ou / Entretien sur les Romans. (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.7–30.) 42,29 –43,1  gern dem Leser ganz übersetzte] Möglicherweise war J. entgangen, daß bereits eine Übersetzung von Johann Gottfried Gellius aus dem Jahre 1761 existierte, die auch die Unterredung (Entretien) enthält: Siehe Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden (1761). Teil III.III–LIV. Ib., III: Zweyte Vorrede / zur / Julie, / oder / Unterredung über die Romanen. Die entsprechenden Passagen dieser Übersetzung sind den folgenden Anmerkungen beigefügt. – Erstmals war die Unterredung in der bei Duchesne im Februar 1761 publizierten Ausgabe enthalten; Rey übernahm diese Erweiterung in alle folgenden Ausgaben. Siehe zur Entstehungsgeschichte und zum Erstdruck des Textes: Jean-Jacques Rousseau: Julie ou la Nouvelle Héloïse. Édition présentée, établie et annotée par Henri Coulet. 2 Bde. [Paris] 1993. Ib., 1.62: L’édition originale Rey 61 ne comportait qu’une Préface de six feuillets, qui était déjà dans MsR. Mais Rousseau fit savoir à M. M. Rey, le 14 mars 1759, au moment même où il commençait la copie destinée à l’impression (MsR): »J’ai fait un écrit sur les Romans que j’intitulerai peut-être P r é f a c e d e Ju l ie , mais que je n’entends point imprimer avec cet ouvrage, et qui n’en doit faire partie en aucune manière, et que je me réserve le droit de faire imprimer où et quand bon me semblera comme un ouvrage appartenant à moi seul.« Rey ayant pris du retard (c’est du moins ce que Rousseau lui reprochera) dans la fabrication du livre, Rousseau sera tenté



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de publier l’ E n t r e t ie n s u r l e s Ro m a n s avant le roman lui-même, puis renoncera à ce projet. L’ E n t r e t ie n parut finalement chez Duchesne en février 1761 et Rey le reproduisit aussitôt et l’ajouta aux exemplaires de l’édition qui venait de sortir encore en dépôt chez lui, et à ceux des tirages ultérieurs. Siehe auch Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.LXII f. und II.1341–1343. 43, 3–22  Dieser legt seinem … f ließen.«] Die Rollenverteilung der Aussagen und der Argumentationsgang des Originals weichen von J.s Darstellung ab. 43, 3–8  Dieser legt seinem … Werk sey.] Siehe hierzu auch die folgenden Anmerkungen sowie die in ihrem Kontext stehenden Aussagen. Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloïse (1769). Bd II.I–XXXV: Préface de Julie, ou Entretien sur les Romans. Ib., XXXII f.: N . […] Les déclamations, les répétitions, les contradictions, les éternelles rabâcheries; où est l’homme capable de mieux faire qui pourroit se résoudre à faire si mal? Où est celui qui auroit laissé la choquante proposition que ce fou d’Edouard fait à Julie? Où est celui qui n’auroit pas corrigé le ridicule du petit bon-homme qui voulant toujours mourir a soin d’en avertir tout le monde, & finit par se porter toujours bien? […] Cette Julie, telle qu’elle est, doit être une créature enchanteresse; tout ce qui l’approche doit lui ressembler; tout doit | devenir Julie autour d’elle; tous ses amis ne doivent avoir qu’un ton; mais ces choses se sentent, & ne s’imaginent pas. Quand elles s’imagineroient, l’inventeur n’oseroit les mettre en pratique. Il ne lui faut que des traits qui frappent la multitude; ce qui redevient simple à force de finesse, ne lui convient plus. Or c’est là qu’est le sceau de la vérité; c’est là qu’un œil attentif cherche & retrouve la nature. / R . Hé bien, vous concluez donc? / N . Je ne conclus pas; je doute, & je ne saurois vous dire combien ce doute m’a tourmenté durant la lecture de ces lettres. Certainement, si tout cela n’est que fiction, vous avez fait un mauvais livre: mais dites que ces deux femmes ont existé; & je relis ce Recueil tous les ans jusqu’à la fin de ma vie. (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.28 f.) – Dt.: Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden (1761). Teil III.XLVIII f.: N. […] Das Gepredige, die Wiederholungen, die Widersprüche, die ewigen Pimpeleyen, wo ist der Mensch, welcher fähig ist, es besser zu machen, der sich entschließen könnte, es so schlecht zu machen? Wo ist derjenige, welcher den anstößigen Vorschlag würde | gelassen haben, den der Narr Eduard Julien thut? Wo ist derjenige, welcher das Lächerliche des kleinen Biedermannes nicht würde geändert haben, der immer sterben will und Sorge trägt, es aller Welt zu melden, aber damit auf höret, daß er sich immer wohl befindet? […] Diese Julie, so wie sie ist, muß ein bezauberndes Geschöpf seyn; alles, was ihr nahe kömmt, muß ihr gleichen; alles um sie herum muß Julie werden; alle ihre Freunde müssen nur einen Ton haben: allein, diese Dinge lassen sich empfinden und nicht aussin|nen. Wenn sie sich auch aussinnen ließen: so würde der Erfinder sich nicht getrauen, sie anzuwenden. Er brauchet nur Züge, welche die Menge rühren. Was durch viele Feinheit schlecht und einfältig wird, schicket sich für ihn nicht. Nun ist da das Siegel der Wahrheit; da suchet und findet auch ein aufmerksames

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Auge die Wahrheit. / R . Nun wohl, Sie schließen also? / N. Ich schließe nicht; ich zweifele; und ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr mich dieser Zweifel bey dem Durchlesen dieser Briefe gemartert hat. Gewiß, wenn alles das nur Erdichtung ist, so haben Sie ein schlechts Buch gemacht: aber sagen Sie, daß diese beyden Frauenspersonen gelebet haben; und ich lese diese Sammlung alle Jahre wieder bis an das Ende meines Lebens. 43,8–17  »Die Natur … als die Natur.«] Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloïse. II.XXXII ( = Préface de Julie, ou Entretien sur les Romans): La nature qui n’a pas peur qu’on la méconnoisse change souvent d’apparence, & souvent l’art se décele en voulant être plus naturel qu’elle: c’est le Grogneur de la Fable qui rend la voix de l’animal mieux que l’animal même. Ce recueil est plein de choses d’une mal-adresse que le dernier barbouilleur eût évitée. […] Où est celui qui n’eût pas commencé par se dire: il faut marquer avec soin les caracteres; il faut exactement varier les styles? Infailliblement avec ce projet il auroit mieux fait que la Nature. (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.28.) – Dt.: Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden (1761). Teil III.XLVIII f.: N . […] Die Natur, welche nicht fürchtet, daß man sie verkenne, verändert zuweilen das Ansehen; und die Kunst verräth sich oftmals dadurch, daß sie natürlicher seyn will, als sie. Der Grunzer in der Fabel giebt die Stimme des Thieres besser von sich, als das Thier selbst. Diese Sammlung ist voller Dinge von einer solchen Ungeschicklichkeit, welche der geringste Schmierer würde vermieden haben. […] | […] Wo ist derjenige, der sich nicht zuerst gesaget hätte, man muß die Charaktere sorgfältig bezeichnen; man muß die Schreibart genau verändern? Unfehlbar würde er es bey diesem Entwurfe besser gemacht haben, als die Natur. 43,17  besser gemacht, als die Natur] Siehe Anm. zu 4,28–36. 43,18–22  »Ich beobachte … f ließen.«] Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloïse (1769). Bd II. XXXII ( = Préface de Julie, ou Entretien sur les Romans): J’observe que dans une société très-intime, les styles se rapprochent ainsi que les caracteres, & que les amis confondant leurs ames, confondent aussi leurs manieres de penser, de sentir, & de dire. ( Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.28.) – Dt.: Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden (1761). Teil III.XLIX: Ich beobachte, daß in einer sehr vertrauten Gesellschaft die Schreibarten einander so nahe kommen, als die Gemüthsarten, und daß die Freunde, da sie ihre Seele vermengen, auch ihre Arten zu denken, zu empfinden und zu sagen vermengen. 44,1  Clemenz von Wallberg] Der Adressat dieses Briefes wurde im Vorbericht (siehe oben 6 f.) nicht erwähnt; es handelt sich um den Cousin von Lenore und Clärchen von Wallberg (siehe oben 46,27) und um den Bruder Syllis (siehe oben 54,17 sowie 147,35). Zu den Familienverhältnissen siehe auch 6,38 –7,20 ( = Variantenapparat). 44,4 T**] Teufel. 44,5 Bet|tel] das Erbettelte, wertloses Zeug. Siehe Dt. Wb. 1.1726 f. (Bet­ tel). Ib., 1727 (als Fazit): Die ausgehobnen stellen zeigen, dasz die vorstel-



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lung des bettelns leicht übergieng in die der gebettelten, und dann überhaupt einer werthlosen, geringen sache. es heiszt von verschmähter gabe, ohne dasz dabei an »betteln« gedacht wird, verächtlich: »ich warf ihm den ganzen bettel vor die füsze; das ist ja nur ein bettel!« 44,9–21  denn im Grunde … Betteley. ] Siehe Anm. zu 67,22–27. 46,21–24  Einen Anschlag … ansehen kann.] Auf diese Passage nimmt J. in seinem rechtfertigenden Brief an Johann Albert Heinrich Reimarus vom 10. Oktober 1781 Bezug, JBW I,2.357,35 –358,2: Selbst mein Wildfang, mein Allwill ist weit davon entfernt » d e r A u s s chwe i f u n g d e r B e g ie r d e n i n Wol lu s t« das Wort zu reden. So wie er ist kann er vieleicht an den Galgen oder auf das Rad kommen: schwerlich aber | seinen Geist beschäfftigen, vergnügen u aufgeben wie ein Sardanapal, wie ein Wollüstling. 46,27  deinen Cousinen] Lenore und Clärchen von Wallberg. 47,15  eheliche Liebe ] Siehe hierzu Wielands Aussage zum Allwill-Manu­ skript in seinem Brief an J. vom 14. Juli 1776, JBW I,2.44,9–15: Für alles Uebrige habe Dank im Namen aller guten Menschen, besonders für das herrliche Ideal, wozu Dir Dein Weib, die Göttin, gesessen hat, und für alles Herrliche, was Du da zum ersten Male, seitdem man schreibt, von der ehelichen Liebe der braven Weiber gesagt hast. Alles das ist eigentlich Wo r t G o t t e s , wie’s Goethe nennt; und also soll auch Gott die Ehre davon haben und nicht Du – – 48, 32–33  die alten Republikaner … hiengen.] Siehe J. an F. F. W. M. von Fürstenberg, JBW I,1.119,32 –120,20 : Wie anders waren hierin die Griechen beschaffen! Die Kunst die Sitten zu vergnügen hatten sie überaus viel weiter als wir getrieben; sie hingen auch starker als wir an diesen Vergnügungen, und gestanden offenherzig wie groß ihr Werth für sie sey: kam aber der Ruf des Vaterlandes oder der Ehre vor ihr Ohr, so übernahmen sie ohne Wiederwillen Arbeit und Beschwerde, und liefen freudiger den Gefahren und dem Tode entgegen, als sie zu ihren Spielen gingen. […] / Was haben nun w i r wohl an die Stelle dieses edlen das Herz und den Geist erhebenden Enthusiasmus für Vaterland und Ehre zu setzen? – Ich sehe nicht daß wir vernünftiger Weise etwas anderes als Heilige werden können. Es mag angehen daß wir einen jungen Menschen dazu bereden eine Maulschelle anzunehmen ohne sie in diesem Leben wiederzugeben, oder eine sonstige Entschädigung dafür zu erhalten; aber der ungereimteste Anschlag von der Welt wäre es, in unseren Zeiten einen Aristides, einen Epaminondas, einen Timoleon bilden zu wollen. / Nichts desto weniger bringen die Beyspiele der großen Männer aus dem Alter­thume selbst unter uns noch die glücklichsten Wirkungen hervor. 48, 33 –49, 3  unsern mächtigen Philosophen, … gram sind] Siehe Anm. zu 61,22. 49, 3–4  unbeschränkten göttlichen Wohlwollen] Siehe oben 44,9–21 mit Anm. 50,1 Hiob] Hiob 1. Die im nachfolgenden Text entwickelte Vision einer Prüfung Amalias ist analog zu der im ersten Kapitel des Buches Hiob erzählten Prüfung Hiobs durch Gott konstruiert.

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50, 3 Mückensäuger] D4: Mückenseiger. Siehe Dt. Wb. 12.2613: Mückenseiger, m. nach der biblischen Formel Matth. 23,24 […] Bezeichnung eines übelwollenden Kleinigkeitskrämers […]. 51,2 Wildfang] J. nennt – in dem rechtfertigenden Brief an J. A. H. Reimarus – Allwill seinen Wildfang. Zitiert in Anm. zu 46,21–24. 51,8–10  Unsere Philosophen … Athem aus.] In seinem (ersten) Brief an J. G. Hamann vom 16. Juni 1783 erläutert J. seine Absichten als Autor der Romane Eduard Allwill und Woldemar. In diesem Zusammenhang heißt es, JBW I,3.163,3–6 : Mir deucht unsre Philosophie ist auf einem schlimmen Abwege, da sie über dem Erklären der Dinge, die Dinge selbst zurück läßt; wodurch die Wißenschaften freylich sehr deutlich, u die Köpfe sehr hell, aber auch in demselben Maße leer u seicht werden. 52,1–2  ich, der ich … lieben kann?] Vgl. hierzu J.s kurz nach dem Erstdruck des Allwill in der Iris ( = D1) datierenden Brief vom 16. Oktober 1775 (Adressat unbekannt), der die Form eines spontan festgehaltenen Erweckungserlebnisses trägt, JBW I,2.27,21–33: Die Philosophen analysiren, und räsonniren, und expliziren, welcher Maassen es zugehe daß wir erfahren: / Etwas sey außer uns. / Ich muß der Leute lachen, unter denen auch ich gewesen bin. / Ich öffne Aug’ und Ohr, oder ich strecke meine Hand aus, und fühle in demselbigen Augenblick unzertrennlich: D u und Ich ; Ich und D u . / Würde alles was ausser mir ist von mir getrennet, so versänk’ ich in Fühllosigkeit, in Tod. D u , Du! giebst das Leben. / Nur noch irrdisches Leben zwar: aber wie viel ist das nicht schon; wie hang ich daran? / Jedwedes Ding also Lebensquelle; Stütze der e i g e ne n E x i s t e n z d e s a n d e r n ein liebes D u . / D u , verlass mich nicht; verlass mich nicht, oder ich vergehe! 52,8  Abschied von Nannchen] Siehe oben 45,20 f.. Obgleich es im Folgenden (Z. 15 f.) von ihr heißt: In Clerdons Familie hängt alles gewaltig an ihr, spielte sie bislang in den Briefen noch keine Rolle. 52,19–20  Ich habe kürzlich … geschrieben] Der Briefroman enthält zu Beginn drei Briefe Syllis an Clerdon (siehe oben 8–16). Weitere Briefe Syllis gehen diesem Brief an Lenore und Clärchen nicht voraus. Siehe hierzu die Herausgeberfiktion im Vorbericht und damit den inszenierten Fragmentcharakter des Briefromans, oben 4,5–12. – In D4 heißt es dagegen: Ich habe dreymal hintereinander nach C** geschrieben (siehe oben 145,23), was sich auf die drei Sylli-Briefe zu Beginn des Romans beziehen läßt. 53,1 Gliederpuppe] Siehe oben 10,4–9. 53,11  meines Processes] Siehe oben 6,14–17. 53,23–34  eine Gestalt zum Vorschein … Mensch] Es darf davon ausgegangen werden, daß J. zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Physiognomik Lavaters bekannt war, die eine regelhafte Entsprechung zwischen der physischen Beschaffenheit eines Gesichtes und dem Charakter einer Person behauptet. Lavater hat diese Zusammenhänge in seinen physiognomischen Schriften an zahlreichen Beispielen illustriert. Siehe Johann Caspar Lavater: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe […] Mit vielen Kupfern. [zweiter Bd: Mit vielen Kupfertafeln.] Versuch 1–4. Leipzig /  Winterthur 1775–1778 (KJB 904). Der erste Band erschien 1775, der zweite



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1776. Ob J. auch den bereits 1772 in Leipzig erschienenen Lavater-Text Von der Physio­g nomik kannte, konnte nicht ermittelt werden. Zur Bekanntschaft J.s mit Lavater siehe auch Anm. zu 7,10–14. 53, 30 schlapt] D3 und D4: schlappt (siehe oben 146,33). Dt. Wb. 15.487: Schlappen […] 1) schlaff sein, lose hängen […] 54, 3–4 anfrischen] auffrischen. Siehe Dt. Wb. 1.333 (Artikel Anfrischen): Doch ist uns heutzutage »anfrischen« nicht sowol ermuntern, als auffrischen, erfrischen, neu beleben, erquicken und anfachen, […] 54,17  mein Bruder] Siehe die erläuternde Fußnote in D4, oben 147,35: Clemens von Wallberg. 55,4 Ehrenreich] Groß geschriebenes Adjektiv im Sinne von ›an Ehren reich‹. 55,15–16 einen Besessenen … handeln] Diese Zuschreibung stimmt überein mit der Beschreibung Goethes durch Heinse und J. kurz nach dessen Aufenthalt in Düsseldorf; siehe J. an C. M. Wieland, 27. August 1774, JBW I,1.251,14–16 : Göthe ist, nach Heinse’s Ausdruck, Genie vom Scheitel bis zur Fußsohle; ein B e s e s s e n e r, füge ich hinzu, dem fast in keinem Falle gestattet ist, willkührlich zu handeln. Zur hier erwähnten Aussage Heinses siehe Heinse an Gleim und Klamer Schmidt, 13. September 1774, Heinse-SW 9.225. 56,10  Ihr langes Sendschreiben] Der Brief ist nicht Teil des Romans; siehe die Herausgeberfiktion oben 3,10 –4,2 und 4,5–8. 56,14–22  Landesherrliche Portrait … gepanzerten Erdengottes] Aufgrund des Umstands, daß J. bis ins Detail Gegebenheiten seiner Umgebung in seinen Roman aufnimmt (siehe etwa die Anmm. zu 10,14–15, 30,5–6 und 33,24– 25 ), legt sich die Vermutung nahe, daß hier Spezifika des Rathaussaales in Düssel­ dorf aufgenommen wurden. Über die historische Ausstattung des Saales ließ sich leider nichts ermitteln. Einen goldbefransten Baldachin ebenso wie einen Landesherrn in Rüstung zeigt etwa das Portrait von Johann Wilhelm (1658–1716), Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg, ein Ölgemälde von Jan Frans Douven (1656–1727), der 1682 als Hofmaler an die Düsseldorfer Residenz kam (Stadtmuseum Düsseldorf, Signatur: SMD.B820; siehe Deutsche Digitale Bibliothek). Das Bild entstand nach 1708. Aufgrund der Maße des Bildes (89 × 53,5 cm) muß allerdings wohl ein repräsentativer Gebrauch wie in einem Rathaussaal ausgeschlossen werden. 56,16–17 Ihro *–*–, titulo pleno] titulo pleno (wörtlich: mit vollem Titel) steht stellvertretend für die Angabe sämtlicher Herrschaftstitel und standesgemäßer Anredeformen, auf deren ausdrückliche Nennung an dieser Stelle bewußt verzichtet wird. 56,23–30  als Du mit aller Weisheit … hattest.] Die Weisheit, der gebläute[] Staal und die Eule verweisen auf die Göttin Athene, die – dem Mythos zufolge – in voller Rüstung aus dem Haupt des Zeus sprang. Sie ist die Göttin des Krieges und der Weisheit; die Eule ist ihr Symbol. – Motive dieses Bildkomplexes könnte J. den in der Düsseldorfer Gemäldegalerie ausgestellten Bildern entnommen haben. Siehe Pigage: La Galerie Electorale de Dusseldorff. 56,29 ungepf lückt] ungerupft. Siehe Dt. Wb. 13.1771: Pf lücken, […] / 1) spitz angefaszt ausziehen, zupfen, rupfen (haare, federn) […]

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56, 30 –57, 3  Gewiß hattest Du … Fels.] Motive dieses Bildkomplexes könnte J. den in der Düsseldorfer Gemäldegalerie ausgestellten Bildern entnommen haben. Siehe Pigage: La Galerie Electorale de Dusseldorff. 56, 33 –57,1 Seraphimsf lügel] Jes 6,2–7. 57,12 Tafft] Dt. Wb. 21.26: Taffet, tafft, taft, […] leichtes glattes seidenzeug […] Eine ausführliche Beschreibung der Beschaffenheit und Herstellung des Stoffes findet sich in Adelung 4.517 (Táffet). 57,14–17  Ptolomäische Epicycloide … Cirkuls zurück.] Eine Epicycloide ist eine Kurve, die ein beliebiger Punkt auf dem Umfang eines Kreises beschreibt, wenn dieser Kreis auf einer geraden Bahn (oder auch auf einer anderen geometrischen Figur, z. B. einem anderen Kreis) rollt. Von Ptolomäus wurde diese Bewegungskurve zur Beschreibung von Planetenbewegungen in seinem geozentrischen Weltbild benutzt. Siehe Zedlers Universallexicon 8.1392–1396. Ib. 1392: E p ic yc lu s , wird in der alten Astronomie ein Circel genennet, in dessen Pe r i ph e r ie sich der Pl a n e t beweget, indem der Mittel-Punct desselben Circels selbsten in der Pe r i phe r ie des E c c e n t r ic i fortrückte. Da nemlich die Planeten nach einiger Zeit wieder an dem Orte des Himmels erschienen, wo sie vorher gewesen waren, so wurde man gleich gewahr, daß ihre Bewegung nicht in einer geraden, sondern krummen und zwar in sich selbst lauffenden Linie geschehen müsse. Nun war die bekannteste der Circel; daher setzte man die Figur der Planeten-Bahn c i r c u l a r ; doch konnte derselbe nicht einerley Mitttel[!]-Punct mit dem Mittel-Puncte der Erden haben, weil die Obseruationes darthaten, daß die Planeten der Erden bald nahe bald weiter von ihr weg waren. Hieraus verfiel man auf die Circulus Eccentricos, oder auf die c i r c u l a r e Bahn derer Planeten, deren Mittel-Punct mit dem Mittel Puncte der Erden nicht überein kam. Mit dergleichen Eccentrico kam man noch so ziemlich mit der Bewegung der Sonne zu rechte, […]. Allein bey denen Bewegungen derer Planeten wollten diese Eccentrici keines Weges hinlänglich seyn, indem diejenigen Ph a e n o m e n a , von denen wir jetzo wissen, daß sie von der Bewegung der Erde um die Sonne herrühren, sich daraus nicht wollten erklären lassen. Man nahm derowegen an, die Planeten bewegten sich nicht selbst in dem ihnen a d s i g n i r t e n E c c e n t r ic o, sondern in der Pe r i phe r ie eines andern Circels, dessen Mittel-Punct aber in der Pe r i ­ phe r ie des E c c e n t r ic i sich bewegte. Dieser wurde nun E pic yc lu s genennet, […]. – Vgl. auch J. an Wieland, 27. Oktober 1772, JBW I,1.171,16–26: Unser Leben gleicht einer Ptolomäischen Epicycloide; da sind Inclinationen und Declinationen ohne Ende; aber wir kommen immer wieder in die Peripherie unsers Zirkels zurück. Es belustigt mich nicht wenig, wenn ich mich der Zeiten erinnere, wo ich bei einer jeden Sinnesänderung, die ich erfuhr, dachte, ich hätte einen großen Schritt näher zur Weisheit ge­ than, und mich wunderte, wie ich wenige Tage, ja oft nur wenige Stunden vorher noch ein so großer Thor seyn konnte. Nachdem ich aber einige Mal, abwechselnd, in dem, was mir Thorheit gedäucht hatte, wieder zum weisen Manne, und in dem, was mir Weisheit gedünkt hatte, wieder zum Thoren geworden war, da lernte ich die Sache besser einsehen.



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57,28–29  Ein Schelm thut mehr … Sprüchwort.] Siehe J[oseph] Eiselein: Die Sprichwörter und Sinnreden des deutschen Volkes in alter und neuer Zeit. Zum erstenmal aus den Quellen geschöpft, erläutert und mit Einleitung versehen. Freiburg 1840. 547: E i n S ch e l m , d e r m e r t u t , a l s e r k a n n ! Vo l k s m . Vgl. auch J. an F. Kobell, 27. Februar 1776, JBW I,2.40,7–11: Seitdem ist mir’s noch weit heller aufgegangen, daß sich Alles von selbst macht; Liebe nur muß da seyn, Bedürfniß, Drang. Auch vermag wirklich jedweder so viel, als er braucht; und wer mehr thun will, wird, nach dem alten deutschen Sprüchworte, zum Schelm. 57, 31  Epictet ] Epiktet (um 50–138) war ein Stoiker der Spätantike. Seine Lehre ist überliefert durch seinen Schüler Arrian unter dem Titel Lehrgespräche (diatribai, Dissertationes). Breite Rezeption fand ein von Arrian angefertigter Auszug aus diesen unter dem Titel Handbüchlein (Enchiridion). Dieses enthält eine Sammlung von Verhaltensnormen des von Leidenschaften und Affekten freien stoischen Weisen (Ideal der Apathie). Vgl. KJB 2673 und 3635. 57, 37  Furchten ] In der Barockliteratur war die Furchte neben die Furcht bei denselben Autoren, z. B. Opitz oder Hoffmannswaldau, gebräuchlich. Zu finden ist diese Form bisweilen auch noch im 18. Jahrhundert, z. B. bei Herder. Siehe Dt. Wb. 4.683 f. und 695. 58,1–2  Euern innern Sinn ] Im Umkreis der für J. bedeutsamen englischen Moralphilosophie – z. B. Shaftesbury und Francis Hutcheson – war der ›innere Sinn‹ der ›moral sense‹, das ›moralische Gefühl‹. 58,8 Gegrein] Substantivierte Form von greinen = weinen. Siehe Dt. Wb. 9.53. 58,10 –65,20  Um die Lehren … Leben und Liebe] Siehe Anm. zu 195,21–202,23. 58,29–30  fortdaurenden Gemüthsruhe] Siehe Anm. zu 57,31. 59,11 künstlicher] Hier nicht im heutigen Sinne als Gegensatz zu ›natürlich‹, sondern im Sinne von ›kunstvoll‹. Siehe Adelung 2.1835 (Artikel K ü n s t l ich ). 59,14  Tacht ausspreitet] Soviel wie ›Docht zerfasert‹; entsprechend heißt es statt dessen auch in D4 Docht ausspreitet […]; siehe oben 196,26. 59,21  veste Grundsätze] Vgl. hierzu J.s Selbstauslegung in seinem – gegen die Kritik des Allwill gerichteten – Brief an Johann Albert Heinrich Reimarus vom 23. Oktober 1781, JBW I,2.358,4–14 : Was den Punkt der Grundsätze angeht, so kann ich nicht anders als Ihnen gerade heraus versichern, daß ich den Schriftsteller nicht kenne, der die Noth­wendig­keit derselben gründlicher, mannigfaltiger, auffallender dargethan, u sie beßer eingeschärfet hätte, als es überall von mir geschehen ist. Und zwar hilft dasjenige nicht am wenigsten dazu, was Allwill selbst dagegen vorzubringen scheint. Man sieht, die verhüllte Wahrheit brennt ihm wie Feuer ins Eingeweide. Oft ist der Geck mit sich selbst auch nur im Mißverstande. Daß bloße Maximen, bloße gesunde moralische Meinungen noch lange keine würksame Grundsätze sind, und daß letztere nicht eher da seyn können, bis der Tugendhafte Character, bis die entschiedene Oberhand der beßeren Neigungen selbst schon da ist – dieser Meynung bin ich mit. Siehe auch J. an Johanna Schlosser,

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10. November 1779, JBW I,2.125,24 –126,11: Ich berufe mich auf die Empfindung eines jeden Menschen: in welchen Augenblicken er sich selbst am höchsten geschätzt hat? – Zuverläßig in denjenigen Augen­blicken, wo ihm das Vermögen am gegenwärtigsten war, einen b e s t ä n d i g e n Vorsatz zu faßen, Herr über sich selbst zu seyn. Am verächtlichsten hingegen in denen Augenblicken, wo er seinen Entschlüßen zuwider handelte, wo ihn seine Grundsätze verließen, wo ihn das Gegenwärtige verschlang, Sinnlichkeit die Oberhand bekam; wo er der dummen Geistlosen Materie ähnlich wurde, die nur Druck und Stoß des Augenblicks, fremde unmittelbare Gewalt regiert und formt. – In der Beurtheilung anderer folgen wir unabläßig eben dieser Regel. Je übereinstimmiger mit sich selbst wir einen Menschen sehn, je größer ist unsere Hochachtung für ihn; je widersprechender mit sich selbst, je größer unsere Verachtung. »Diese Consequenz, sagt Lessing, vermöge welcher man voraussagen kann, wie ein Mensch in einem gegebenen Falle reden oder handeln werde, ist es, was den Mann zum Manne macht, ihm Charackter und Stetigkeit giebt; diese großen Vorzüge eines denkenden Menschen. Charackter und Stetigkeit berichtigen so gar mit der Zeit die Grundsätze; denn es ist unmöglich daß ein Mensch lange nach G r u n d s ä t z e n handeln kann, ohne es wahrzunehmen wenn sie falsch sind. Wer viel rechnet, wird bald merken, ob ihm ein richtiges Einmaleins beywohnt oder nicht.« – Eben so wahr ist es im Ge­ gen­theil, daß ein Mensch ohne Grundsätze, oder der seinen Grundsätzen nicht getreu ist, nur ein nichtswürdiger Bube seyn kann, und allmählig bis unter das Vieh hinabsinken muß. Er wird es um so viel schneller, je mehr und je heftigere Neigungen in ihm wohnen, welche nicht nur den Menschen, sondern auch sogar das Thier in ihm, mit sich selbst uneins machen. 59, 31  Mit dem Unsinn!] Wohl im Sinne von: ›Fort mit dem Unsinn!‹ In D4 (siehe oben 197,8 ) heißt es statt dessen: O, ja wohl! 59, 31–60,10  bin ja mehr als einer … sogar!] Diese Romanpassage stimmt weitgehend überein mit einer Passage in J.s Brief an Johann Wolfgang Goethe vom 6. November 1774, JBW I,1.268,6–15: Alsdann soll dir, in dieser oder jener Stunde, erzählt werden, in was für Feßeln man mir, von Kindesbeinen an, Geist und Herz geschmiedet; wie man alles angewendet, meine Kräfte zu zerstreuen, meine Seele zu verbiegen. Dennoch ward mir viel von meiner Beylage bewahrt, und drum weiß ich, an wen ich glaube. Der einzigen Stimme meines eigenen Herzens horch ich. Diese zu vernehmen, zu unterscheiden, zu verstehen, ist mir Weisheit; ihr muthig zu folgen Tugend. So bin ich frey; und wie viel köstlicher als die Behaglichkeiten der Ruhe, der Sicherheit, der Heiligkeit ist nicht die Wonne dieser Freyheit! Siehe auch J. an Wieland, 13. November 1774, JBW I,1.270,10–14. 60,17  schöne Seele] Die schöne Seele ist ein Kernbegriff der Empfindsamkeit. Sie ist der Inbegriff empfindsamer Tugend. In seinem Brief an den Grafen Chotek vom 16. Juni 1771, der eine ganz im empfindsamen Stil verfaßte Beschreibung des empfindsamen Congreßes auf Ehrenbreitstein zum Inhalt hat, gibt J. mit Blick auf Sophie von La Roche eine ideale Beschreibung der schönen Seele. Siehe JBW I,1.110.



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60,19  Philosophien des Lebens] Siehe auch oben 60,29. Der Begriff Philo­sophie des Lebens ist in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stark ver­breitet. Im Kern beinhaltet er eine Abkehr von der rationalistischen Schulmetaphysik und eine Hinwendung zur Lebenspraxis des Menschen. Anthropologie und Psychologie (im Sinne einer Erfahrungsseelenkunde) entwickeln sich in diesem Zusammenhang. Siehe beispielsweise [Gottlob Benedikt von Schirach:] Ueber die moralische Schönheit und Philosophie des Lebens. Reden und Versuche. Altenburg 1772. 162–164: Mit der reinsten Aufrichtigkeit meiner Absicht, der menschlichen Gesellschaft nützlich zu werden, wünschte ich, daß man, vor allen andern Theilen der Weltweisheit, die Ph i l o s o ph ie d e s L e b e n s bearbeitete. Ich verstehe | darunter nicht die gewöhnlichen M o r a l s y s t e m e , sondern nehme diese als den Grundbau an, und will, daß man von dar weiter auf die besondern Erscheinungen unsrer Seele Achtung gebe, daß man, nicht nach angenommenen Sätzen, sondern nach der Erfahrung, von der Natur des Menschen die Menschen unterrichte, den Beobachtungsgeist schärfe, und auf die bürgerliche Gesellschaft besonders richte, daß man sich Anmerkungen über diese oder jene ungewöhnliche Handlung, Vorfall, Denkungsart sammle, und nachher darüber nachdenke, daß man die Ursachen und Wirkungen so vieler unerklärter Erscheinungen aufsuche und zu entdecken trachte. Siehe hierzu J.s in D4 artikuliertes Selbstverständnis als Autor, Menschheit wie sie ist, erklärlich oder unerklärlich, auf das g e w i s s e n h a f t e s t e vor Augen zu stellen (siehe oben 89,31–33). Siehe auch den Untertitel seines zweiten Romans Woldemar in der Ausgabe von 1779: Eine Seltenheit aus der Naturgeschichte sowie den Titel der Fortsetzung des Woldemar im Deutschen Museum desselben Jahres: Ein Stück Ph i l o s o ph ie d e s L e b e n s u n d d e r M e n s ch h e it , JWA 7.2 und JWA 7.117,7–8. 60, 32–33  in dem Rade … dreht.] Siehe oben 15,3 mit Anm. 60, 35  nach dem Buchstaben ] J.s Grundimpetus ist gegen alles (kausal-) mechanische Denken, vor allem auf dem Gebiet der Moral, gerichtet. Die Maschinen-Metaphern (siehe 60,31 und Anm. zu 61,30–31) sowie der Geist-BuchstabeTopos, nach welchem der Geist immer das Lebendige und Individuelle, der Buchstabe das Abstrakt-Allgemeine ist, finden sich in J.s. Schriften häufig. Siehe auch oben 61,9, 142,17–19, 174,3–7, 188,36 –189,1. 60, 35 Eludiert] Siehe Goethe-Wörterbuch 3.49: eludieren […] etw umgehen, wirkungslos machen (durch Täuschungsmanöver, Spitzfindigkeiten, Verzögerungstaktik ua), einer Anforderung, Anordnung ausweichen […]. In D4 (siehe oben 198,8 ) daher auch: Um g e h t , […]. 61,15–16 vervortheilten] übervorteilten. Siehe Dt. Wb. 25.2062. Das Beispiel aus dem Allwill ist angeführt unter der Bedeutung: [1)] b) meist in dem sinne, dasz demjenigen, der vervortheilt wird, dadurch ein unrecht geschieht: ›verunrechten, beleidigen‹ […]. 61,22  unbeweglichen Sittenbesteller] Vgl. zu einer solchen stoischen Philosophie etwa Christian Thomasius: Von der Kunst Vernünftig und Tugendhaft zu lieben, Als dem eintzigen Mittel zu einem glückseeligen, galanten und vergnügten Leben zu gelangen; Oder: Einleitung Der Sitten-Lehre

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[…] Halle 1726. 84–86 (Das 2. Hauptstück / Von der grösten Glückseelig­ keit des Menschen): 62. Hierzu [zur Glückseeligkeit] wird er aber gar leicht gelangen können, wenn er aus dem ersten Capitel wieder|holet, daß das Wohlseyn aller Dinge in einer r u h i g e n und nach Gelegenheit des Wesens der Dinge, m ä ßi g ve r ä n d e r l iche n B e we g u n g bestehe. Woraus denn sofort folget, daß alle u n r u h i g e u n d a l l z u ve r ä n d e r l i che G e d a n cke n des Menschen böse seyn; hingegentheil aber in einem r u h i g e n Ve r l a n g e n u n d m ä ßi g s ich ve r ä n d e r n d e n G e d a n cke n des Menschen seine wahre, einige und gröste Glückseeligkeit bestehe. / 63. Und diese ist, worauf die alten Welt-Weisen, die das höchste Gut in einer G e m ü t h s - Ru he oder in einer B e lu s t i g u n g d e s G e m ü t h s gesucht haben, ihr Absehen gerichtet. […] | 65. Sie ist demnach nichts anders als eine r u h i g e B e lu s t i g u n g , we l che d a r i n ne n b e s t e he t , d a ß d e r M e n s ch we d e r S ch m e r t z e n n o ch F r e u d e ü b e r e t w a s e m p f i n d e t , u n d i n d ie s e m Z u s t a n d e s i ch m it a n d e r n M e n s che n , d ie e i ne d e r g le iche n G e m ü t h s - Ru he b e s it z e n , z u ve r e i n i g e n t r a ch t e t . 61,24–28  System der Glückseligkeit, … Kraft.] Vgl. hierzu J. im Brief an Johann Albert Heinrich Reimarus, 23. Oktober 1781, JBW I,2.357, in welchem J. die Ausgabe des Allwill in den Vermischten Schriften gegen die Kritik von Reimarus verteidigt: Eine vollständige Lehre von unsern Begierden (das Wort Begierde in seinem weitesten Umfange genommen) würde zugleich die beste Moral seyn; und es ist eine jede wahre Moral nur minder oder mehr eine solche Begierden-Lehre. Diese Lehre aber, wenn sie dem Verstande auch nicht den mindesten Zweifel übrig ließe, würde dennoch keine Theorie der Glückseeligkeit an die Hand geben, die es in der That für alle u jede Menschen wäre. 61, 30–31  Melodie auf die Walze … genagelt]  J. nutzt das Bild einer mechanisch funktionierenden Spieluhr. Solche Uhren erfreuten sich im 18. Jahrhundert großer Beliebtheit. Sie funktionierten mittels einer mit Stahlstiften bestückten Tonwalze, deren Anordnung eine Melodie erzeugt. Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 158.291: S p ie lu h r, Uhren, welche vermittelst einer Walze oder eines Walzenwerkes Stücke spielen. Man hat drei Gattungen Spieluhren, nämlich: Harfenuhren, Flötenuhren und Glockenuhren. An den zuerst angeführten Uhren werden die senkrecht aufgezogenen me­ tallenen Saiten von kleinen Hämmern angeschlagen. Das Musikstück wird auf eine Walze durch eingesteckte Stifte abgesetzt, die jeder eine Note vorstellen. Ein an die Seite beigelegtes Spielwerk von Rädern treibt die Musik. Wenn die Uhr ein Stück lange genung gespielt hat, so wird die Walze, die nur in so weit hohl ist, daß sie auf eine Spindel von Eisen gesteckt werden kann, abgezogen, und eine andere, mit einem andern Stücke besetzte Walze an ihrer Stelle auf die Spielwelle gesteckt. – Zur hier benutzten metaphorischen Verwendung siehe Anm. zu 60,35. 62,12–15  Ja, fallen werde ich … Gängelwagen!] Desselben Bildes bediente sich Immanuel Kant 1784 in seinem berühmten Aufsatz Beantwortung der Frage: Was ist Auf klärung? In Berlinische Monatsschrift 1784, St. 12:



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Dezember, 481–494. Ib., 482 (A 482): Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben, und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperreten, wagen durften: so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern, und schreckt gemeiniglich von allen ferneren Versuchen ab. Der Gängelwagen als Bild für ein Zwangssystem ist verbreitet; siehe Dt. Wb. IV.1246, wo allerdings weder die Allwill- noch die Kant-Stelle erwähnt sind und auch keine weitere, die es in dieser Weise (gehen – fallen – laufen lernen) als Metapher für den Erziehungsals Aufklärungsprozeß ausführt. 62,25  auf dem Rade sterben] Das sogenannte Rädern war in Mittelalter und Früher Neuzeit eine grausame Hinrichtungsmethode, bei welcher der Körper des zum Tode Verurteilten auf ein großes Wagenrad gebunden wurde, nachdem ihm zuvor mit dem Rad die Gliedmaßen gebrochen worden waren. 62, 31 sachtsinnigen] Adjektiv zu Sachtsinn, milder Sinn, wohl vor allem im norddeutschen Raum gebräuchlich; siehe Dt. Wb. 14.1609. Siehe auch Krünitz: Oekonomische Enzyclopädie, 136.280; hier Synonym zu sanftmüthig. 62, 34 geschoren] Im Sinne von ›geplagt‹. Siehe Adelung 3.1421–1424 (besonders Abschnitt 2.). 63,27–31  »O, wer hat … ermordete.«] Shakespeare: Othello. V,2. Siehe Shakespear Theatralische Werke. Aus dem Englischen übersezt von Herrn Wieland. Bd VII. Zürich 1766. Darin 177–403: Othello, der Mohr von Venedig. Ein Trauerspiel. Ib., 386 f. (V,7): Aemilia. / O, wer hat diese entsezliche That gethan? / Desdemona. / Niemand, ich selbst, lebe wohl; bringe meinem gütigen Gemahl meinen lezten Gruß; o, lebe wohl. / [Regieanweisung: Sie stirbt.] / Othello. / Wie, wie sollte sie ermordet worden seyn? / Aemilia. / O Gott! wer weiß das? / Othello. / Ihr hörtet’s, sie sagte selbst, ich sey’s nicht gewesen. / Aemilia. / Sie sagte so, ich kan nichts anders sagen. | Othello. / Sie ist als eine Lügnerin zur Hölle gefahren; ich war’s, der sie ermordete. ( William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Ein Trauerspiel. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Zürich 1993. (William Shakespeare: Theatralische Werke in 21 Einzelbänden. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Hg. von Hans und Johanna Radspieler; Bd 18. ) 181 (V,7).) 64,9 Pomeranzen] Orangen. Siehe Dt. Wb. 13.1994. 64,14  Zonam temperatam] Vgl. auch J. an Wieland, 11. August 1773, JBW I,1.206,9–15: Nicht wahr, mein lieber Wieland, alle Zeuge – es müßten denn bloß Futter- oder Kittelzeuge seyn – haben eine unschöne Seite, die man die verkehrte nennt. Man betrachte das schönste, reichste Stoff von hinten, wie es da aussieht; und so muß es doch da aussehen, wenn es von vorn so schön und reich aussehen soll, wie es wirklich aussieht. Die zona torrida muß brennen, und Lappland muß einfrieren, wenn wir einen gemäßigten Erdgürtel haben sollen. J. scheint sich hier an Goethe anzulehnen, in dessen kleinem, ganz im Sinne des Sturm und Drang verfaßten Text Zum

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Schäkespears Tag es heißt, MA I,2.414,17–22: Das was edle Philosophen von der Welt gesagt haben, gilt auch von Schäkespearen, das was wir bös nennen, ist nur die andre Seite vom Guten, die so nothwendig zu seiner Existenz, und in das Ganze gehört, als Zona torrida brennen, und Lapland einfrieren muß, daß es einen gemäßigten Himmelsstrich gebe. Der Text entstand 1771, erschien jedoch 1858 erstmals im Druck. Vermutlich jedoch hat sich zur Zeit der Entstehung des Allwill bereits eine Abschrift im Hause Jacobi befunden. Siehe MA I,2.834: Der Text geht auf die Handschrift von 1771 zurück […]. Sie war im Besitz von Helene Jacobi, der Stiefschwester von Fritz Jacobi. 64,16 Kegelschieben] Kegeln. Siehe Dt. Wb. 11.393. 64,16–17  Taroc, à l’hombre] Ein Kartenspiel, in der Regel für drei Spieler, das Elemente zweier Kartenspiele vereint: des Tarock und des L’Hombre. Siehe Journal des Luxus und der Moden. 1788, Bd 3, August, 297–309 (endet mit der Bemerkung: (die Fortsetzung kann folgen. *)): »I. / Philosophische Phantasien / über / das beliebteste Spiel unsers Jahr/hunderts. / Alle Unterhaltungsspiele, sie seyen noch so scharfsinnig erdacht, sind dem Wechsel der M o d e unterworfen. Die, welche sich, in Vergleichung mit andern, am längsten in Ansehen erhalten, und besonders in cultivirten Ständen die meisten Hände und Köpfe beschäftigen, verdienen ohne Zweifel die Achtsamkeit des philosophischen Beobachters der Menschen in vorzüglichem Grade. Ganz besonders hat demnach das noch immer allgemein unter uns beliebte L’Hombre*) [Fußnote zum Beleg des spanischen Ursprungs des Spiels] Anspruch auf diese Achtsamkeit; denn | kein Conversationsspiel hat sich fast das ganze laufende Jahrhundert hindurch so anhaltend in Präeminenz erhalten, keines hat in so verschiedenen Zeitläuften so augen­scheinlich über den gewaltsamen Wechsel der Moden den Sieg davon getragen, keines gewinnt bis diese Stunde noch fortan so viele neue Verehrer, als eben dieses Lieblingsspiel unsrer Herrn und Damen in adelichen und bürgerlichen Ständen. Siehe ferner ALZ, Nr. 194  a, 13. August 1788, Sp. 416: Hamburg, b. Herold: Das neue königl. L’Hombre, nebst Anweisung, wie Quadrille, Piquet, Taroc etc. nach jetziger Art zu spielen sind. Zwölfte verbesserte und vermehrte Auf lage. 1788. 285 S. 8. (12 gr.) 64,29–33  Ein Mensch, … gemäß?] Vgl. hierzu J. im Brief an Johann Albert Heinrich Reimarus, 23. Oktober 1781, JBW I,2.357, in welchem J. die Ausgabe des Allwill in den Vermischten Schriften gegen die Kritik Reimarus’ verteidigt: Will ich nun edle Neigungen hervorbringen, so muß ich edle Gegenstände haben die ich zeigen und womit ich sie bewürken kann; denn wir wißen doch am Ende weiter nichts als unsre Vo r s t e l lu n g e n zu denken, u wo kein Gegenstand ist, da ist gar nichts. Habe ich die Gegenstände oder edleren Empfindungen nicht, oder weiß ich die moralischen Gläser nicht zu schleifen für denjenigen der jene Gegenstände mit bloßen Augen zu sehen nicht vermag, so ist alle andre Mühe vergebens. 65, 3  System der Grundsätze] Siehe Anm. zu 59,21. 65,11 Huldinnen] Grazien, an Anmut reiche Frauen; siehe Dt. Wb. 10.1893.



Kommentar387

65,13  allgütigen Mutter] Natur. 65,17–18 reverberiren] Zurückschlagen, (Lichtstrahlen) zurückwerfen. In D4 heißt es entsprechend: zurückprallen; siehe oben 202,20 f. 65,29  Luzie an Eduard Allwill ] J. hat die Bedeutung dieses Briefes später mehrfach benannt und hervorgehoben: siehe J. an J. G. A. Forster, 25. Oktober 1779, JBW I,2.118,14–19 : Grüßen Sie Lichtenbergen von mir und sagen Sie ihm, ich möchte gern wissen, ob ihm ahnde, daß er mir gut seyn könne. Wenn er mich etwa der Empfindelei […] oder der Geniesucht im Verdacht haben sollte, so lesen Sie ihm nur Luciens Brief aus dem December des Merkurs 1776 vor; […]. Siehe ferner J. an Johann Albert Heinrich Reimarus, 23. Oktober 1781, JBW I,2.356,3–5: Mir däucht, man braucht nur den Eingang von Luziens Briefe gelesen zu haben, um sich des Beyfalls, den man Allwills Zügellosigkeit gegeben haben möchte, bis ins Innerste der Seele zu schämen. 66,7  Meine herzliche Epistel an Sie] Siehe Anm. zu 56,10. 66,19–20  auf Ihrer lichten Stirn’ … Kohle ward] In D4 heißt es an dieser Stelle lediglich: […], Ihre lichte Stirne dunkel wurde, […]. Siehe oben 203,25 f.. 66, 31–32 Centauren] In der antiken Mythologie Wesen, die halb Pferd und halb Mensch (Mann) waren; Oberkörper und Kopf waren menschlich. 67,9–12  Unschuldiges, Himmel … wagt.] Siehe Anm. zu 72,24–26. 67,13–15  Sie sind ein unbehagliches … Denken.] Siehe oben 54,15 – 55,11. 67,22–27  »Verträglich, nachsehend, tolerant,« … kindisch.] Siehe bereits oben 44,9–21. J.s Kritik an einer zu weitgehenden Toleranz ist ein wiederkehrendes Motiv in seinen Briefen. Vgl. hierzu den Brief an C. M. Wieland vom 10. Juli 1773, JBW I,1.191, und den Brief von J. W. L. Gleim vom 18. Juli 1773, JBW I,1.197, wo dieser J. mit den Worten zitiert: Eine unbeschrenckte Toleranz […] setzt eine so sehr vervielfachte Sympathie voraus, bey deren fertigen Application man nothwendig s e l b s t z u m S chu r ke n we r d e n m u ß. – In diesem Sinne sollte sich J. auch viele Jahre später anläßlich des Freundschaftsbruches mit Friedrich Leopold zu Stolberg in einem Brief an dessen Schwägerin Luise vom 10. November 1800, Zoeppritz 2.239, äußern: Wahrlich nur der könnte ohne Ausnahme tolerant seyn, dem nichts heilig wäre. Siehe schließlich auch GD 87–89 ( JWA 3.59 f.) sowie J. an Heinrich Christian Boie, 31. Januar 1788, JBW I,7.86,7–16. 68,13–19  Wer nicht für … Mann.«] Siehe oben 75,23–35 mit Anm. 68,21–22 Ein Clodius … spielen will.] Publius Clodius Pulcher (um 92–52 v. Chr.) war Politiker der späten römischen Republik und gehörte der Partei der Popularen an. Er war Gegner Ciceros und setzte vielfach seine Interessen mittels Schlägertrupps durch, die etwa auch die Häuser seiner Gegner in Brand setzten. – Marcus Iunius Brutus (85–42 v. Chr.) war ebenfalls Politiker der späten römischen Republik und einer der Mörder Caesars. Er war ein Anhänger und Verteidiger der Republik und unterstützte die Partei der Optimaten gegen das Triumvirat. Er war zudem ein enger Freund Ciceros, mit welchem er auch in einem (überlieferten) Briefwechsel stand. Sowohl die Schriften Ciceros als auch die Werke Shakespeares

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(Julius Cäsar) und Voltaires (La Mort de César) haben zu einem positiven Bild der Persönlichkeit des Brutus beigetragen. 69,4–9  Das Böse zu meiden … alles!] Siehe Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloise (1769). Bd I.412 (Bd 1, 2. Teil, Brief XXI): Mais comment connoître tout le monde dans un si grand pays, et que peut faire de plus la bonté d’âme séparée de la véritable vertu, dont le plus sublime effort n’est pas tant de faire le bien que de ne jamais mal faire? (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.277.) – Dt.: Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden (1761). Teil II.221: Allein wie wollte man in einem so großen Lande iedermann kennen, und was kann die Güte eines Herzens mehr thun, das von der wahren Tugend getrennt ist, deren höchste Staffel nicht sowohl diese ist, Gutes zu stiften, als vielmehr, niemals Uebels zu thun? – Siehe auch J[ean] J[acques] Rousseau: Émile, ou De l’Éducation. […] Tome premier. La Haye 1762. 245 f.: La seule leçon de morale qui convienne à l’enfance et la plus importante à tout âge, est de ne jamais faire de mal à personne. Le précepte même de faire | du bien, s’il n’est subordonné à celui-là, est dangereux, faux, contradictoire. […] O quel bien fait nécessairement à ses semblables celui d’entre eux, s’il en est un, qui ne leur fait jamais de mal! De quelle intrépidité d’ame, de quelle vigueur de caractere il a besoin pour cela! (Rousseau: Œuvres complètes. Bd IV.340.) – Dt.: Jean-Jacques Rousseau: Emil oder Über die Erziehung. Vollständige Ausgabe. In neuer deutscher Fassung besorgt von Ludwig Schmidts. Paderborn u. a., 6. unveränderte Aufl. 1983. 86 (2. Buch): Die einzige Sittenlehre, die der Kindheit zusteht und die für jedes Alter gleich wichtig ist, ist die, niemals jemandem etwas Böses zuzufügen. Selbst das Gebot, Gutes zu tun, ist gefährlich, falsch und widersprüchlich, wenn es jenem nicht untergeordnet ist. […] Wieviel Gutes erweist aber notwendigerweise der – wenn es ihn gibt – seinen Mitmenschen, der ihnen niemals etwas Böses zufügt! Welche Seelen- und Charakterstärke gehört dazu! 69,10–14  Ein vortref licher Schriftsteller … ausgenommen.«] Sinngemäß etwa Cicero: De officiis. I.16–17. Siehe M[arcus] Tullius Cicero: Opera Omnia ex recensione Iacobi Gronovii […] Cura Io. Augusti Ernesti. Editio secunda, priori longe emendatior. 4 Bde. Halae 1756–1757 (KJB 2634). Bd IV.810: [16.] Ut enim quisque maxime perspicit, quid in re quaque verissimum sit, quique acutissime, & celerrime potest & videre, & explicare rationem, is prudentissimus, & sapientissimus rite haberi solet. quocirca huic, quasi materia, quam tractet, & in qua versetur, subjecta est veritas [17.] Reliquis autem tribus virtutibus necessitates propositæ sunt ad eas res parandas tuendasque, quibus actio vitæ continetur: ut & societas hominum, conjunctioque servetur; & animi excellentia magnitudoque cum in augendis opibus, utilitatibusque & sibi, et suis comparandis, tum multo magis in his ipsis despiciendis eluceat. Ordo autem, & constantia, & moderatio, & ea, quæ sunt his similia, versantur in eo genere, ad quod est adhibenda actio quædam, non solum mentis agitatio. His enim rebus, quæ tractantur in vita, modum quendam & ordinem adhibentes, honestatem & decus conservabimus. – Dt.: Marcus Tullius Cicero: Vom rechten Han-



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deln. Lateinisch und deutsch. Hg. und übersetzt von Karl Büchner. 4. Aufl. München / Zürich 1994 (Sammlung Tusculum). 17: 16. Je mehr nämlich einer durchschaut, was in jeder Sache am wahrsten ist, und wer am schärfsten und schnellsten den Zusammenhang sehen und entwickeln kann, der pf legt mit Recht als der Klügste und Weiseste zu gelten. Daher ist dieser Tugend gleichsam als Stoff, den sie behandeln und in dem sie sich betätigen soll, die Wahrheit unterworfen. 17. Den drei übrigen Tugenden aber ist die Notwendigkeit auferlegt, die Dinge zu bereiten und zu schützen, in denen die Handlung des Lebens beschlossen liegt: daß die Gemeinschaft und Verbindung der Menschen bewahrt wird und Rang und Größe des Geistes sowohl in der Vergrößerung der Mittel und der Beschaffung nützlicher Dinge für sich und die Seinen, als auch noch viel mehr in eben ihrer Verachtung hervorleuchten. Ordnung aber, Beständigkeit, Mäßigung und was ihnen ähnlich ist, gehören in die Art, in der eine gewisse Handlung, nicht nur die Betätigung des Geistes anzuwenden ist. Indem wir nämlich an die Dinge, die im Leben behandelt werden, ein bestimmtes Maß und Ordnung wenden, werden wir die Ehrbarkeit und schönen Anstand bewahren. 69,20–21  Sie glauben ja … alles] Siehe oben 60,5–13. 69,21–22  wann es sich am freyesten fühlte] Siehe Anm. zu 75,23–35. 70,20–22  Sie sind gerade … verlangt] Siehe oben 64,8–11. 70,21 Oranienbaum] Orangenbaum. 70,28–29  Eines Sinnes seyn mit Natur! ] Siehe oben 59,3. 71,8  Scheidekünsteln] Scheidekünstler ist der Chemiker, im übertragenen Sinne auch der Analytiker. Siehe Dt. Wb. 14.2400. Hier ist wohl nicht zuletzt der Vertreter der Leibniz-Wolffischen Schulmetaphysik gemeint. 71,13  Philosophie des Lebens] Siehe oben 60,19 mit Anm. und 60,29. 71,21  der alten Weisheit] Siehe unter anderem die von Allwill attackierte Lehre der Stoiker, oben 57,30 –58,19. 72,6–8  Wie ich sagte … w a g t . ] Siehe Anm. zu 72,24–26. 72,24–26  muß unstät und f lüchtig … w a g t . ] Gen 4,12–15. Siehe auch oben 67,9–12 und 72,6–8. – Vgl. vor dem Hintergrund der (zeit­genössischen) Identifizierung Allwills mit Goethe den Editorischen Bericht sowie Johann Wolfgang Goethe an Johann Christian Kestner, etwa 12. Juni 1773, Goethe: Briefe. Bd 2,I.32,18–21: Und ihr seyd geseegnet wie der Mann, der den Herren fürchtet. Von mir sagen die Leute der Fluch Cains läge auf mir. Keinen Bruder hab ich erschlagen! Und ich dencke die Leute sind Narren. J. schreibt somit seiner fiktiven Gestalt Allwill Eigenschaften zu, die (halb-)öffentlich auch Goethe zugeschrieben wurden. 72, 32 –73,6  Ach, die Bedürfnisse … M e u c h e l m ö r d e r ! ] Vgl. hierzu [ Johann Caspar Lavater:] Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Joh[ann] George Zimmermann. Dritter und letzter Band. Zürich 1773 (KJB 313). 29 ( = 13. Brief = Von der Erhöhung der Geisteskräfte): […] – die L e i d e n s ch a f t e n ! die L e i d e n s ch a f t e n ! Diese Mörderinnen der Vernunft! Diese Tyranninnen der Weisheit! – […] – Vgl. ferner [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 100 f. (Erster Teil, Werther an Wilhelm,

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30. August 1771): Wenn ich so bey ihr [ = Lotte] gesessen bin, zwey, drey Stunden, und mich an der Gestalt, an dem Betragen, an dem himmlischen Ausdruk ihrer Worte geweidet habe, und nun so nach und nach alle meine Sinnen aufgespannt werden, mir’s düster vor den Augen wird, ich kaum was noch höre, und mich’s an die Gurgel faßt, wie ein Meu|chelmörder, dann mein Herz in wilden Schlägen den bedrängten Sinnen Luft zu machen sucht und ihre Verwirrung vermehrt. (WA I,19.79.) 74,2–4  er sagt nicht: … That. ] Vgl. zu diesem Leitsatz der ›wahren‹ Empfindsamkeit etwa Joachim Heinrich Campe: Ueber Empfindsamkeit und Empfindelei in pädagogischer Hinsicht. Hamburg 1779. 11: Weiter: – w a h r e E m p f i n d s a m ke it i s t i m m e r Ta t e n r e i ch , s o o f t d ie Um s t ä n d e e s e r l a u b e n ; E m p f i n d e le i h i n g e g e n i m m e r m ü s s i g , […] 74,5–33  Vor einigen Monathen … grüßen.] Vergleichbares sollte J. viele Jahre später von seinem Schwager, dem Tuchfabrikanten Johann Arnold von Clermont (1728–1795), schreiben; siehe J. an Elise Reimarus, 27. Dezember 1795, ABW II.213 f.: Er war ein merkwürdiger, und in seinem Kreise ein wirklich großer Mann. Seiner weisen Standhaftigkeit, die ihn voriges Jahr beim Einfall der Franzosen nicht aus der Stelle weichen ließ, verdankt seine und meine Familie, und verdanken noch zwei andere mit uns verbundene Familien, die Erhaltung ihres Wohlstandes. Man schreibt mir, daß in der ganzen Gegend seines Aufenthalts lautes Wehklagen um ihn sey. Ich habe ihn mehrmals mit einem Fürsten aus der Patriarchen-Zeit verglichen, und einen ähnlichen Eindruck mußte ein jeder, der ihn in seinem Wesen sah, empfangen. Johann Arnold von Clermont hatte die Tuchfabrik seines Vaters Esaias (teils noch gemeinsam mit seiner Mutter) geleitet und – um den Beschränkungen des Zunftrechts, aber auch der Diskriminierung von Protestanten in Aachen zu entgehen – in Vaals, einem kleinen Ort westlich von Aachen, einen neuen Produktions- und Wohnort geschaffen; siehe Josef Liese: Das klassische Aachen. 2 Bde. Aachen 1936 und 1939 (Aachener Beiträge zur Heimatkunde; Bde 17 und 20). Bd I.85: […] fing er [ J. A. von Clermont] im Jahre 1761 an, seine Wohn- und Fabrikgebäude in Vaals zu errichten und hat seit diesem Jahre bis an seinen Tod 1795 diesen Ort mit so manchen andern Gebäuden und Wohnhäusern verschönert, daß derselbe vorzüglich dadurch aus einem vormals sumpfigen, mit schlechten Hütten besetzten Dorfe eines der schönsten der ganzen Gegend wurde […]. Georg Forster, der, mit einem Empfehlungsschreiben J.s ausgestattet, im Frühjahr 1790 gemeinsam mit Alexander von Humboldt Vaals besuchte und die Wohnhäuser und Fabrikanlagen besichtigte, widmet dem Gesehenen in seiner Reisebeschreibung viel Raum und lobt das Werk von Clermonts; siehe Georg Forster: Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich im April, Mai und Junius 1790. In Georg Forsters Werke IX.96: Die Anlagen des Herrn vo n C l e r m o n t zeichnen sich hier besonders wegen ihres Umfanges und ihrer Zweckmäßigkeit aus, und seine Fabrik beschäftigt in Vaals, Aachen und Burscheid gegen hundert und sechzig Weber. Dreißig Jahre sind hinreichend gewesen, die Volksmenge und den Wohlstand eines unbedeutenden



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Dörfchens unbeschreiblich zu vergrößern, […]. Wohin man sieht, erblickt man jetzt große Fabrikgebäude. 75,17–19  Gar alle Grundsätze … Unsinn.] Siehe oben 59,21–31 und 62,28 –63,33. 75,23–35  Auch nehmen wir … triumphirender?] Siehe auch oben 69,21 f. und 76,8–18. J. spricht hier eine seiner auch anderenorts formulierten Überzeugungen aus; so z. B. im Brief an Johanna Schlosser (bis 1778: Johanna Fahlmer) vom 10. November 1779, JBW I,2.125, hier zitiert in Anm. zu 59,21. 76, 3–7 Als Portia … vermöchten.] Shakespeare: Julius Caesar. II,1. Siehe Shakespear Theatralische Werke. Aus dem Englischen übersezt von Herrn Wieland. Bd IV. Zürich 1764. Darin 3–163: Julius Caesar, ein Trauer­spiel. Ib., 56: (II,3): B r u t u s . / Ihr seyd mein getreues und ehrenvolles Weib, mir so theuer, als das Blut, das in meinem Herzen wallt. | Po r t i a . / Wenn diß wahr wäre, so würd’ ich euer Geheimniß wissen. Ich bin ein Weib, es ist wahr; aber ein Weib, das Brutus würdig hielt, es zu seiner Gemalin zu machen; ein Weib, das die Welt würdig schäzt, Cato’s Tochter zu seyn. Glaubt ihr, ein solcher Gemal und ein solcher Vater machen mich nicht stärker als mein Geschlecht? Sagt mir eure Anschläge, ich will sie nicht verrathen. Ich habe eine Probe über meine Standhaftigkeit gemacht, indem ich mir selbst eine Wunde gemacht, hier im Schenkel; kan ich diese mit Geduld tragen, und sollte meines Gemals Geheimnisse nicht tragen können? (William Shakespeare: Julius Cäsar, ein Trauerspiel. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Zürich 1993 (William Shakespeare: Theatralische Werke in 21 Einzelbänden. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Hg. von Hans und Johanna Radspieler. Bd 9). 48 f.) 76,8–18  überall sehen wir … Unanständigkeit. ] Siehe Anm. zu 75,23–35. 76,19–22  was Sie am Anfange … Weisheit werde.] Siehe oben 57,17–27. 78,2  Montagne ] Michel Eyquem de Montaigne (1533–1592), französischer Schriftsteller und Philosoph, Jurist und Politiker. Hauptwerk: Essais. 3 Bde. 1580 ff. 78, 3 –79,16  Der treuherzige Montagne … finden kann.«] Die hier angeführten Paraphrasen und Zitate stammen aus dem 1. Kapitel des III. Buchs der Essais von Montaigne, das den Titel De l’utile & de l’honneste trägt. 78, 3–7  Der treuherzige Montagne … werden.] Eine exakte Entsprechung dieser Passage konnte nicht gefunden werden. Siehe aber [Michel Eyquem de] Montaigne: Essais […], Avec les Notes de [Pierre] Coste. Nouvelle Édition. T. 1–10. Londres 1754 (KJB 3336). Tome VII. 119: Si je dois servir d’instrument de tromperie, que ce soit au moins sauve ma conscience. Je ne veux estre tenu Serviteur ny si affectionné, ny si loyal, qu’on me treuve bon à trahir personne. Qui est infidelle à soi-mesme, l’est excusablement à son maistre. (Montaigne: Les Essais. Édition conforme au texte de l’exemplaire de Bordeaux […] Ediert und kommentiert von Pierre Villey. Mit einem Vorwort hg. von V.-L. Saulnier. 3 Bde. 2. Aufl. Paris 1992. Bd II.794.) – Dt.: Michel de Montaigne: Essais. Erste moderne Gesamtübersetzung von Hans Stilett. 3 Bde. [München] 2002. Bd III.17: Falls man mich als Werkzeug eines Betrugs mißbrauchen will, bleibe wenigstens mein Gewissen rein! Ich möchte keineswegs als so ergebner und gehorsamer Diener gelten, daß

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man mich für tauglich hält, jemanden zu verraten. Nur wer sich selbst untreu ist, hat einen Rechtfertigungsgrund, es auch gegenüber seinem Herrn zu sein. 78,7–11  Man muß eine … könnte?] Eine exakte Entsprechung dieser Passage konnte nicht gefunden werden. Siehe aber Montaigne: Essais (1754). Tome VII. 135: Nous ne pouvons pas tout. Ainsi comme ainsi nous faut-il souvent, comme à la derniere anchre, remettre la protection de nostre vaisseau à la pure conduitte du Ciel. A quelle plus juste necessité se reserve-il? Que luy est-il moins possible à faire, que ce qu’il ne peut faire qu’aux despens de sa foy & de son honneur? choses, qui à l’adventure luy doivent estre plus cheres que son propre salut, & que le salut de son Peuple. Quand les bras croisez, il appellera Dieu simplement à son ayde, n’aura-il pas à esperer, que la divine bonté n’est pour refuser la faveur de sa main extraordinaire à main pure & juste? (Montaigne: Les Essais (1992). 799 f.) – Dt.: Montaigne: Essais (2002). Bd III.26: Wir vermögen nicht alles. So oder so müssen wir unser Schiff oft der alleinigen Führung des Himmels anvertraun. Sie ist unser letzter Rettungsanker. Auf welch zwingendere Notlage will unser Fürst denn warten? Was ist ihm unmöglicher zu tun, als was er nur auf Kosten seiner Glaubwürdigkeit und Ehre tun kann – Dinge, die ihm doch teurer sein sollten als sein eigenes Wohl, ja als das seines Volks? Darf er, wenn er einfach Gott um Beistand anruft, nicht darauf hoffen, daß dessen himmlische Güte seinen fromm gefalteten, reinen Händen die allmächtige Handreichung ihrer Gnade keinesfalls versagen werde? 78,12 Epaminondas] Epameinondas (um 420–362 v. Chr.), thebanischer Feldherr, der durch die Wahl einer spezifischen Schlachtordnung bei L ­ euktra 371 v. Chr. die Spartaner besiegte; in der Schlacht bei Mantineia fiel er. Von den Schriftstellern der Antike wurde die Größe des Epaminondas hervorgehoben. Siehe auch J. an J. K. Lavater, 21. November und 6. Dezember 1781, JBW I,2.383, 27–29 : Das vortref liche Gespräch im Plutarch über den Socratischen Dä­ mon, m e h r a b e r ü b e r d e n E p a m i n o n d a s , lesen Sie einmahl bey guter Musse im Original oder in der Übersetzung von A m io t . 78,12–21  Hiernächst erwähnt er … verschonte] Montaigne: Essais (1754). Tome VII.140 f.: J’ay autrefois logé Epaminondas au premier rang des hommes excellents: & ne m’en desdy pas. Jusques où montoit-il la consideration de son particulier devoir? qui ne tua jamais homme qu’il eust vaincu: (28) qui pour ce bien | inestimable de rendre la liberté à son Pays, faisoit conscience de tuer un Tyran, ou ses complices sans les formes de la Justice: & qui jugeoit meschant homme, quelque bon Cytoyen qu’il fust, celuy qui entre les ennemis & en la bataille, n’espargnoit son amy & son hoste. (Montaigne: Les Essais (1992). 801.) Zu den von Montaigne benutzten antiken Quellen ib., 1308: Epaminondas: Montaigne le connaît surtout par Plutarque, Pé l o pi d a s , E s p r it f a m i l ie r d e S o c r a t e , et sans doute C o r n . Ne p o s , E p a m i n o n d a s . Siehe auch ib., 1311. – Dt.: Montaigne: Essais (2002). Bd III.29: Bereits an andrem Ort habe ich Epaminondas an die Spitze der vortreff lichsten Männer gestellt, und das nehme ich nicht zurück. Bis zu welcher Vollendung trieb er doch, was er sich als seine per-



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sönliche Pf licht setzte! Niemals machte er einen Menschen nieder, den er besiegt hatte; nicht einmal um des unschätzbaren Gutes willen, seinem Land die Freiheit zurückzugewinnen, brachte er es über sein Gewissen, einen Tyrannen oder dessen Helfershelfer ohne rechtmäßiges Verfahren zu töten; und er hielt jeden für einen Schuft (er mochte sonst ein noch so guter Bürger sein), der auf dem Schlachtfeld einen Freund oder Gastfreund unter den Feinden nicht verschonte. 78,21–79,10  »Gräßlich von Eisen … zu können.«] Montaigne: Essais (1754). Tome VII.141 f.: Horrible de fer & de sang, il va fracassant & rompant une Nation invincible contre tout autre, que contre luy seul: & gauchit, au milieu d’une telle meslée, au rencontre de son hoste & de son amy. Vrayement | celuy-là proprement commandoit bien à la guerre, qui luy faisoit souffrir le mors de la benignité, sur le point de sa plus forte chaleur, ainsi enf lammée qu’elle estoit, & toute et escumeuse de fureur & de meurtre. C’est miracle, de pouvoir mesler à telles actions quelque image de Justice; mais il n’appartient qu’à la roideur d’Epaminondas, d’y pouvoir mesler la douceur & la facilité des mœurs les plus molles, & la pure innocence. (Montaigne: Les Essais (1992). 801 f.) – Dt.: Montaigne: Essais (2002). Bd III.29 f.: Mit Blut und Eisen Schrecken verbreitend, geht Epaminondas daran, ein feindliches Volk zu zerschmettern, das für jeden andren unbesiegbar war, und dann hält er mitten im | Kampfgetümmel plötzlich ein, weil er auf einen Freund oder Gastfreund stößt! Dieser Mann, der die Kandare der Rücksichtnahme so dem vor Wut und Mordgier schäumenden Krieg im Augenblick seiner f lammendsten Hitze aufzuzwingen vermochte, erwies sich damit wahrhaftig als dessen oberster Herr und G ­ ebieter. Es gleicht an sich schon einem Wunder, einen Abglanz von Gerechtigkeit in solche Kampf handlungen fallen zu lassen; ausschließlich der inneren Kraft des Epaminondas aber blieb es vorbehalten, dem die Sanftmut und Menschenfreundlichkeit der denkbar weichherzigsten Gesittung beizugesellen, lauter durch und durch. 78,25–40  sich ein Gewissen … haben konnte.«] Die letzten drei, dem Schlußpassus des ersten Kapitels des dritten Buches von Michel de Montaignes Essais entnommenen Textpassagen sind in der überarbeiteten Ausgabe des Allwill der Vermischten Schriften von 1781 ( = D3) anders übersetzt und in D4 nochmals neu. Es könnte sich hierbei um eine korrigierte bzw. neue Übersetzung J.s oder eines ihm zuarbeitenden Helfers handeln. (Siehe hierzu die Bemerkung von ­Terpstra: Die B-Fassung (2879 ) ist hier wörtlicher und vollständiger.) Es ist aber auch möglich, daß J. sich hierbei – oder auch umgekehrt: in der früheren Übersetzung – an eine zeitgenössische Übersetzung anlehnte. Die in seiner Bibliothek vorhandene Montaigne-Ausgabe lag seit 1754 in deutscher Übersetzung vor: Michaels Herrn von Montagne Versuche, nebst des Verfassers Leben, nach der neuesten Ausgabe des Herrn Peter Coste ins Deutsche übersetzt. 3 Teile. Leipzig 1753–1754. Diese Ausgabe war jedoch nicht die Vorlage; siehe den Neudruck: Michel de Montaigne: Essais [Versuche] nebst des Verfassers Leben nach der Ausgabe von Pierre Coste ins Deutsche übersetzt von Johann Daniel Tietz. 3 Teile. Zürich 1992. Teil II.752, 764, 767 f., 770.

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79,10–16  »Wenn es Größe … kann.«] Montaigne: Essais de M ­ ontaigne (1754). Tome VII.144: Si c’est grandeur de courage, & l’effect d’une vertu rare & singuliere, de mespriser l’amitié, les obligations privées, sa parole, & la parenté, pour le bien commun, & obeïssance du Magistrat: c’est assez vrayement, pour nous en excuser, que c’est une grandeur, qui ne peut loger en la grandeur du courage d’Epaminondas. (Montaigne: Les Essais (1992). 802.) – Dt.: Montaigne: Essais (2002). Bd III.31: Wenn man es als Seelen­ größe und Werk einer besonderen, einer außergewöhnlichen Tugend ansieht, Freundschaft und persönliche Bindungen, Verwandtschaft und das gegebne Wort um des Gemeinwohls und des Gehorsams vor der Obrigkeit willen zu mißachten, ist es für unsre Unfähigkeit zu solcher Größe wahrlich Rechtfertigung genug, daß sie nicht einmal in der Seelen­g röße des Epaminondas Aufnahme fand. 79,17–37  Nun die Anekdote … brauchtest. ] Anekdote bedeutete im 18. Jahrhundert vor allem: eine wahre Geschichte. Hierzu konnte nichts ermittelt werden. 80,5  So fieng ich an] Siehe oben 66,14 f. 80,11 Zeuch] Ziehe. Siehe Dt. Wb. 31.825. – In D4 (siehe oben 216,12 f.) heißt es statt dessen: […] und entzünde den Strahl in meinem Auge, […]. 80,20–34  Aber es kam … bald!] Vgl. hierzu auch Göthe: Clavigo. Ein Trauerspiel […]. Leipzig 1774. 12 f. ( = I. Akt): M a r ie. […] Clavigos Liebe hat mir viel Freude gemacht, vielleicht mehr als ihm die meinige. Und nun – Was ist’s nun weiter? Was ist an mir gelegen? | an einem Mädchen gelegen, ob ihm das Herz bricht? Ob es sich verzehrt und sein armes junges Leben ausquält? (WA I,11.55.) – Zu J.s Rezeption des Clavigo siehe seinen Brief an Wieland vom 27. August 1774, JBW I,1.252,25–30, hier zitiert in Anm. zu 12,14. EDUARD ALLWILLS BRIEFSAMMLUNG 83,8–10  Tel est l’effet … jeune.] Journal de Paris. 1789, Nr. 225 (13. August), 1016 f.: Dix-huit Curés ont commencé par signer, sur le bureau, leur consentement à l’abolition des dixmes en nature; &, au grand étonnement de tous ceux qui avoient assisté à la séance d’hier au soir, tout le Clergé, d’un mouvement unanime, a donné le même consentement. M. l’Archevêque de Paris & M. le Cardinal de la Rochefoucault en ont fait la déclaration au nom de tous, en ajoutant que le Clergé s’en remettoit entièrement à la justice de la Nation sur le traitement à faire | aux Membres du Clergé qui se dépouillent. / Voilà l’effet de la vérité; on la repousse, mais en la repoussant on la voit & elle pénètre. Quelle différence de la séance d’hier au soir à l’ouverture de celle de ce matin! Come les hommes paroissent doux & heureux, lorsqu’ils se réunissent dans les mêmes sentimens de justice! – Es handelt sich um einen kommentierten Bericht über die Sitzung der Nationalversammlung vom 11. August 1789. J. zitiert diese Stelle ebenfalls in seinem Brief an Karl Leonhard Reinhold vom 7. November



Kommentar395

1789, JBW I,8.317,26 f. Dort gibt er an, die Stelle vor einigen Tagen gelesen zu haben. – Dominique Joseph Garat (1749–1833) war seit 1789 gewählter Vertreter des Dritten Standes in den Generalständen und berichtete im Journal de Paris über die Debatten der Versammlung. Der Zusatz le jeune ergab sich wohl aus dem Umstand, daß er einen älteren Bruder mit demselben Vornamen (Dominique) hatte. 83,11  E r s t e r B a n d .] Weitere Bände sind nicht erschienen; zu deren Planung siehe Anm. zu 87,4 und den Editorischen Bericht. 84,1–3  Though all things … Sc. III.] The Plays of William Shakspeare. In Ten Volumes. With the Corrections and Illustrations of Various Commentators; to which are added Notes by Samuel Johnson and George Steevens. The second Edition, Revised and augmented. 10 Bde. London 1778 (KJB 2890). Vol. IV.574 f. (Act IV, Scene III): Though all things foul would wear the brows of grace, | Yet grace must still look so. 84, 3–6  Wenn auch alle … Ue b e r s .] William Shakespear’s Schauspiele. Neue Ausgabe. Von Joh. Joach. Eschenburg, […] 12 Bde. Zürich 1775–1777 (KJB 2892). Bd V (1776). 370. 85,1–5  An / den Herrn Geheimenrath / Schlosser / in / Carlsruhe.] Johann Georg Schlosser (1739–1799) aus Frankfurt am Main, war Jurist, Staatsbeamter und ein politischer und philosophischer Schriftsteller der Aufklärung in Emmendingen und Karlsruhe, lebte ab 1796 bei seiner Tochter in Eutin, ist aber 1797 zum Syndicus der Stadt Frankfurt am Main ernannt worden und wieder dorthin gezogen. Er war von 1773–1777 mit Goethes Schwester Cornelia verheiratet und nach deren Tod ab 1778 mit J.s etwa gleichaltriger Stieftante und Jugendfreundin Johanna Fahlmer. J.s Tochter Clara Franziska (1777–1849) wurde vom Frühjahr 1791 bis zum Herbst 1792 im Hause Schlosser gemeinsam mit der Tochter Luise erzogen. (Siehe auch Maria A. Schlosser: Liebstes bestes Claerchen! Briefe von Goethes Nichte Lulu Schlosser aus Karlsruhe 1792–1794. Karlsruhe 1982.) In das Jahr der Veröffentlichung von D4 fällt auch der Besuch der Familie Jacobi bei den Schlossers, um die Tochter nach Düsseldorf zurückzuholen. – Schlosser ist mit zahlreichen seiner Schriften in der Bibliothek J.s vertreten; siehe etwa Johann Georg Schlosser: Kleine Schriften. 6 Bde. Basel 1779–1793 (KJB 3147). Die Bände 1 bis 5 erschienen bis 1787. Schlosser trat auch als Übersetzer antiker Autoren hervor, so z. B. von Aristoteles (KJB 2622) und Platon (KJB 2760). 86,1–19  Es ist wider … J a c o b i .] Widmung an Johann Georg Schlosser. Schlosser hat sich mit seinen Schriften kritisch-reformerisch in die Debatten seiner Zeit eingebracht und dabei auch Konfrontationen – etwa mit der Geistlichkeit oder seinem Landesherrn – nicht gescheut. Seine Schrift Seuthes oder der Monarch. An Jacobi., die 1788 in Straßburg erschien (KJB 1667), ist J. gewidmet. Die Widmung lautet: An / Hrn. Geheimenrath Fr. H. Jacobi / in Düsseldorf. / Spät, Mein Lieber, habe ich Dich gefunden, aber mit keinem meiner Jugendfreunde, habe ich die Freuden des Morgens meines Lebens so gerne getheilt, als ich mit Dir theile, jeden männlichen Gedanken meines Abends. Ich widme Dir hier einige, die mir einfielen, als mir neulich der Genius unsrer Zeiten erschien, mit seinem beredten Mund und seinen gelähmten Flügeln! | Sokrates wird mir verzeihen, daß ich seinen Nahmen wieder mißbrauche; Du aber, der Du so innig gefühlt hast, daß das Recht

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der Menschheit, auf etwas ganz anderm ruhe als auf der Gewalt, wie man uns neulich überreden wollte; Du wirst hier und da finden, wie brüderlich und innig sich unsre besten Gefühle paaren. / Carlsruh, den 1. Jenner 1788. / S ch l o s s e r. 86,12–13  Von heut und … verhüllt.] Sophokles: Antigone. 451–459. Siehe Sofokles übersetzt von Christian Graf zu Stolberg. 2 Bde. Leipzig 1787 (KJB 2809). Bd II.36: Antigonä. Zeus hat mir nichts, und die Gerechtigkeit, Die bei den Todesgöttern wohnt, mir nichts Verkündet. Sie sind’s, die dies Urgesez Den Menschen gaben, und ich achte dein Gebot so kräftig nicht, dass ich das Recht, Das ungeschrieb’ne, feste, Götterrecht, Verlezen sollte, die ich sterblich bin! Von heut’ und gestern ist’s nicht; ewig ist Sein Leben, und sein Ursprung ist verhüllt. 86,18  Pe m p e l f o r t ] Pempelfort ist der Name des in unmittelbarer Nähe der Stadt Düsseldorf gelegenen Landsitzes, den J. von 1778 an mit seiner Familie vom Frühjahr bis zum Herbst bewohnte, 1788 zum ausschließlichen Wohnort bestimmte, 1790 nach eigenen Plänen und mit hohem finanziellen Aufwand gänzlich umbaute und am 28. September 1794 auf der Flucht vor den französischen Revolutionstruppen für immer verließ. Der erste überlieferte Brief J.s aus Pempelfort datiert vom 8. Juli 1778; siehe JBW I,2.76. 87,2–4  Wie es A l l w i l l n … machen] Siehe hierzu den Titel des Romans und die auch bereits in D1 und D2 verwendete Herausgeberfiktion; siehe oben 3,10 –4,2 und 4,5–8. Im Unterschied zu D1 und D2 ist J. in D4 allerdings auf dem Titelblatt als Herausgeber genannt. Zu dieser Identifizierung des Herausgebers mit J. passen dann auch die bereits vor D4 von J. publizierten autobiographischen Details; siehe oben 88,32–36 mit Anm. 87,4  die zwey ersten Bände] J. hatte offenbar zwei bis drei Bände geplant; siehe oben 91,1–3. Tatsächlich blieb es bei diesem einen Band des Allwill. Siehe hierzu die Nachschrift zu dieser Vorrede in D5; siehe oben 92,29–37. Entsprechend wurde dieser Satzteil in D5 abgeändert in: gibt das Vorliegende. 87,5  der Herausgeber] Siehe zu dieser Herausgeberfiktion oben 87,2–5 mit Anm. zu 87,2–4. 87,10 –8831  Lieber will er … begreift.] J. spielt in dieser Vorrede mit der Ambivalenz von Echtheit und Fiktion, wie sie sich unter anderem aus der Herausgeberfiktion ergibt, die typisch für die Briefromane der Zeit ist; siehe Anm. zu 3,10. Insbesondere die Vorreden Jean-Jacques Rousseaus zu seinem Briefroman La Nouvelle Héloïse spielen auch mit dieser Ambivalenz; siehe die Anmm. zu 3,8 –7,17, zu 3,10 sowie oben 42,26 –43,22 mit Anmm. Siehe zu weiteren Beispielen Werner Wolf: Ästhetische Illusion und Illusionsdurchbrechung in der Erzählkunst. Theorie und Geschichte mit Schwerpunkt auf englischem illusionsstörenden Erzählen. Tübingen 1993.



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88, 32–36  Ich schlage demnach … fährt.] Vgl. hierzu J. an Moses Mendelssohn, 4. November 1783, JBW I,3.227,21 f. : Ich gieng noch im polnischen Rocke, da ich schon anfieng, mich über Dinge einer andern Welt zu ängstigen. Der Brief ist Teil der Spinozaschrift J.s; siehe Anm. zu 22,3–8. Vgl. ebenfalls J. an Johann Georg Hamann, 16. Juni 1783, JBW I,3.163,12–15 (die Aussage bezieht sich auf seine Intention als Romanautor): ich wollte, was im Menschen der Geist vom Fleische unabhängiges hat, so gut ich könnte, ans Licht bringen, u damit der Koth-Philosophie unserer Tage, die mir, von Kindesbeinen an ein Gräuel war – wenigstens meine Irreverenz bezeigen. 89,1–3  Dieses Anliegen … gräßlich war.] Siehe oben 22,3–8 mit Anm. 89,6–7  Also schon als … Mystiker] J. schreibt hier dem Herausgeber, der er gemäß dem Titelblatt selber ist, zu, was er in D2 Allwill zugeschrieben hatte; siehe oben 22,3–8, wobei die Parallelstellen in anderen Werken (siehe die zugehörige Anm.) bereits den autobiographischen Charakter dieser Zuschreibungen hatten offenkundig werden lassen. Diese Ausführungen bilden den Ausgangspunkt für das folgende philosophische Selbstbekenntnis J.s. 89, 31–33  Menschheit wie sie ist … sollte.] Vgl. hierzu J. an Johann Georg Hamann, 16. Juni 1783, JBW I,3.162,37 –163,3: Eh ich hierauf spezieller antworte, muß ich überhaupt erinnern, oder vielmehr eröffnen, daß, sowohl bey’m Allwill, als bey dem Woldemar u dem Kunstgarten, mein Hauptgegenstand gewesen ist, Beyträge zur Naturgeschichte des Menschen zu liefern. Mir deucht unsre Philosophie […]. Der Passus wurde von J. für den Abdruck des Briefes im ersten Band der Ausgabe seiner Werke von 1812, in welchem auch der Allwill ( = D5) erschien, abgewandelt; siehe WW I.364: Ich antworte hierauf: meine Absicht bey Woldemar wie bey Allwill ist allein diese: Menschheit wie sie ist, begreif lich oder unbegreif lich, auf das gewissenhafteste vor Augen zu legen. Mir däucht, unsere Philosophie […] (siehe die Fortsetzung in Anm. zu 90,1–2 ). 89, 34–36  Erbaulicher als die … seyn] Siehe Anm. zu 4,28–36. 89, 37 und 90,11–35  Ich nenne I n s t i n k t … werde.] Diese Fußnote druckt J. erneut im Anhang 2. zu seinem Sendschreiben Jacobi an Fichte; siehe JF 95 f. ( JWA 2.252 f.; siehe dort auch 698, Anm. zu 252,14–16 ). 90,1–2  Denn daß so viel … könnten.] Vgl. hierzu J. an Hamann, 16. Juni 1783, JBW I,3.163,3–10 : Mir deucht unsre Philosophie ist auf ei­ nem schlimmen Abwege, da sie über dem Erklären der Dinge, die Dinge selbst zurück läßt; wodurch die Wißenschaften freylich sehr deutlich, u die Köpfe sehr hell, aber auch in demselben Maße leer u seicht werden. Nach meinem Ur­theil ist das größeste Verdienst des Forschers: D a s e y n z u e n t hü l l e n . Erklärung ist ihm Mittel, Weg zum Ziele, n ä ch s t e r – niemals l e t z t e r Zweck. Sein letzter Zweck ist, was sich nicht erklären läßt; das Einfache, das Unauf lösliche. Die letzten Zeilen findet man auch in J.s Darstellung seines Gesprächs mit Lessing über die Lehre des Spinoza, die er unter dem Datum des 4. November 1783 für Moses Mendelssohn verfaßte (siehe JBW I,3.237,15–18 ) und die dann als Teil seiner Schrift Ueber die Lehre des Spinoza 1785 veröffentlicht wurde (siehe JWA 1.29,20–24 ). 90,27  A f f e c t der Vernunft.] Siehe JWA 2.698, Anm. zu 253,2.

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90,28 das He r z der blossen Vernunft] Siehe JWA 2.698, Anm. zu 253,3. 91,1  Vollendung nach dem ersten Plane] Ein Plan zu einem Roman in Briefen ist in dem Brief J.s an Goethe vom 26. August 1774 erwähnt, der sich eindeutig auf den Allwill bezieht; siehe JBW I,1.250,23–25. Diese Aussage ist der erste Hinweis überhaupt auf J.s Romanschaffen. Dieser erste Plan ist aber nicht mehr rekonstruierbar. Siehe zu den überlieferten Daten den Editorischen Bericht. 91,1–3  aber gewiß liefert … dritten.] Siehe Anm. zu 87,4. 91,4–7  Der zweyte Band, … findet.] Es handelt sich hier um einen der wenigen Einblicke in die Komposition einer Fortsetzung des Allwill, die nie realisiert wurde. Auf J.s ausdrücklichen Wunsch wurden nach seinem Tode die gesammelten Materialien, die auch bereits in der Vorrede zu D3 erwähnt sind, verbrannt. Siehe ABW I.V und den Editorischen Bericht. 91,12 –92,19  Wäre der angebliche Herausgeber … zu haben.] Siehe zu diesem Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit auch die Vorreden Rousseaus zu seinem Briefroman La Nouvelle Héloïse; siehe die Anmm. zu 3,10 und zu 87,10 – 88,31. 91,20–21  eilf Briefe … erscheinen] J. gibt am Ende von D4 ein Verzeichniss der Briefe (siehe oben 243), das insgesamt – ohne die Zugabe – XXI Briefe umfaßt. Von diesen sind neun Briefe erstmals in D4 enthalten, nämlich Nr. III (oben 101–103), Nr. X (oben 136–139), Nr. XI (oben 139–145), Nr. XIII (oben 149–155), Nr. XV (oben 157–171), Nr. XVI (oben 171–176), XVII (oben 177 f.), Nr. XVIII (oben 179–182), Nr. XIX (oben 183–193). 91,22–23  jene zehn Briefe] Aus der vorausgehenden Anmerkung ergibt sich bereits, daß es sich bei den erneut gedruckten Briefen um insgesamt zwölf Briefe handeln muß. Es sind die Briefe I, II, IV, V, VI, VII, VIII, IX, XII, XIV, XX und XXI. – Zwei der in D2 gedruckten Briefe wurden für D3 gestrichen, einer wurde aber in D4 wieder aufgenommen. 91, 35 –92,2 die Z u g a b e … E r h a r d O**] Siehe oben 219–241. 92,26–27  Leser, wie gefall … m i r ?] Friedrich von Logau: Sinn­ gedichte. Zwölf Bücher. Mit Anmerkungen über die Sprache des Dichters herausgegeben von C. W. Ramler und G. E. Lessing. Leipzig 1759. 312 ( = Zehntes Buch, Nr. 120). Siehe auch die ein Jahr vor D4 erschienene neue Ausgabe: Friedrich von Logau: Sinngedichte, aufs neue überarbeitet, mit drey Büchern vermehrt, und mit Anmerkungen begleitet von Karl Wilhelm Ramler. 2 Teile. Leipzig 1791. Teil II.378. 92,29–37  Nachschrift / i m J ä n ne r 1812 . / … J a c o bi .] Es han­ delt sich um einen Zusatz in D5, der das Ausbleiben weiterer, in der vorliegenden Vo r r e d e angekündigter Bände zum Gegenstand hat. Siehe Anm. zu 87,4. 93,2–7  Die Natur … 168. 170).] Dies ist kein wörtliches Zitat, sondern eine Zusammenfassung und Auslegung der Seiten 167 bis 170 aus der Critik der Urtheilskraft, I. Theil: Critik der ästhetischen Urtheilskraft, Erster Abschnitt: Analytik der ästhetischen Urtheilskraft, Drittes Buch: Deduktion der ästhetischen Urtheile, § 42: Vom intellectuellen Interesse am Schönen. Siehe Immanuel Kant: Critik der Urtheilskraft. Berlin / Libau 1790 (KJB 850). 167 f.: Da es aber die Vernunft auch interessirt, daß die Ideen (für die sie im moralischen Gefühle ein unmittelbares Interesse bewirkt) auch



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objective Realität haben, d. i. daß die Natur wenigstens eine Spuhr zeige, oder einen Wink gebe, sie enthalte in sich irgend einen Grund eine gesetzmäßige Uebereinstimmung ihrer Producte zu unserm von allem Interesse unabhängigen Wohlgefallen (welches wi r a   p r io r i für jedermann als Gesetz erkennen, ohne dieses auf Beweisen gründen zu können) anzunehmen: so muß die Vernunft an jeder Aeußerung der Natur von einer dieser ähnlichen Uebereinstimmung ein Interesse nehmen; folglich kann das Gemüth über die Schönheit der N a t u r nicht nachdenken, ohne sich dabey zugleich interessirt zu finden. Dieses Interesse aber ist der Verwandschaft nach moralisch und der, so es am Schönen der Natur nimmt, kann es nur sofern an demselben nehmen, als er vorher schon sein Interesse am Sittlichguten wohlgegründet hat. Wen also die Schönheit der Natur unmittelbar interessirt, bey dem hat man Ursache wenigstens eine Anlage zu guter moralischen Gesinnung zu vermuthen. / Man wird sagen: diese Deutung ästhetischer Urtheile auf Verwandschaft mit dem moralischen Gefühl sehe gar zu studirt aus, um sie für die wahre Auslegung | der Chiffernschrift zu halten, wodurch die Natur in ihren schönen Formen figürlich zu uns spricht. Allein erstlich ist dieses unmittelbare Interesse am Schönen der Natur wirklich nicht gemein, sondern nur denen eigen, deren Denkungsart entweder zum Guten schon ausgebildet ist, oder dieser Ausbildung vorzüglich empfänglich ist und dann führt die Analogie zwischen dem reinen Geschmacksurtheile, welches, ohne von irgend einem Interesse abzuhängen, ein Wohlgefallen fühlen läßt, und es zugleich a p r io r i als der Menschheit überhaupt anständig vorstellt, mit dem moralischen Ur­theile, welches eben dasselbe aus Begriffen thut, auch ohne deutliches, subtiles und vorsetzliches Nachdenken, auf ein gleichmäßiges unmittelbares Interesse an dem Gegenstande des ersteren, so wie an dem des letzteren; nur daß jenes ein freyes, dieses ein auf objective Gesetze gegründetes Interesse ist. Dazu kommt noch die Bewunderung der Natur, die sich an ihren schönen Producten als Kunst, nicht blos durch Zufall, sondern gleichsam absichtlich, nach gesetzmäßiger Anordnung und als Zweckmäßigkeit ohne Zweck, zeigt, welchen letzteren, da wir ihn äußerlich nirgend antreffen, wir natürlicher Weise in uns selbst und zwar in demjenigen was den letzten Zweck unseres Daseyns ausmacht, nämlich der moralischen Bestimmung suchen (von welcher Nachfrage nach dem Grunde der Möglichkeit einer solchen Naturzweckmäßigkeit aber allererst in der Teleologie die Rede seyn wird). Ib., 169 f.: Die Reize in der schönen Natur, welche so häufig mit der schönen Form gleichsam zusammenschmelzend angetroffen werden, sind entweder zu den Modificationen des Lichts (in der Farbengebung) oder des Schalles (in den Tönen) gehörig. Denn diese sind die einzigen Empfindungen, welche nicht blos Sinnengefühl, sondern auch Ref lexion über die Form dieser Modificationen der | Sinne verstatten und so gleichsam eine Sprache, die die Natur zu uns führt und die einen höhern Sinn zu haben scheint, in sich enthalten. – Euler nennt das Zitat stark verkürzt und sinnentstellend paraphrasiert ( Werner Euler: Friedrich Heinrich Jacobis philosophische Briefsammlung. In Gideon Stiening und Robert

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Vellusig (Hg.): Poetik des Briefromans. Wissens- und mediengeschicht­ liche Studien. Berlin 2012 (Frühe Neuzeit, Bd 176). 181–218. Ib. 198). 94,1–5  Das Urbild … A .  II, S c . 2.] Torquato Tasso. Ein Schauspiel von Goethe. Leipzig 1790 (KJB, XIV). 71 (II. Akt, 1. Szene): Mit meinen Augen hab’ ich es gesehn, Das Urbild jeder Tugend, jeder Schöne; Was ich nach ihm gebildet, das wird bleiben: Tancredens Heldenliebe zu Chlorinden, Erminiens stille nicht bemerkte Treue, Sophroniens Großheit und Olindens Noth. Es sind nicht Schatten, die der Wahn erzeugte, Ich weiß es, sie sind ewig, denn sie sind. (WA I,10.149,1097–1104.) – Zum Einfluß des Tasso auf J. vgl. dessen Widmung des Woldemar von 1794: An Goethe. JWA 7.207,14–20. 94,6–10  ΗΑ Ολυμπος ηυλει, … p.  257. ] Platonis Philosophi quae exstant Graece ad editionem Henrici Stephani accurate expressa cum Marsilii Ficini interpretatione[.] Accedit varietas lectionis Studiis Societatis Bipontinae. 11 Bde. Biponti 1781–1787 (KJB 2754). Bd X (1787). 257. – Siehe hierzu aus der Übersetzung der griechischen Stellen am Ende von D4 (244,2–7): Auf dem Titelblatt nach der Vorrede: ΗΑ Ολυμπος ηυλει u. s. w.  / Was Olympos spielte, nenne ich Stücke des Marsyas; denn dieser war sein Lehrer. Daher jenes Stücke ein guter Flötenspieler oder eine schlechte Flötenspielerinn spielen mag; weil sie göttlich sind, so setzen sie für sich allein in Begeisterung und offenbaren, wem Götter und Religion Bedürfniß sind.

94,10  Ed. Bip.] Editio Bipontina. J. bezieht sich in D4 mehrfach auf die Zweibrücker Ausgabe der Werke Platons (siehe oben 175,26–28, 220,6, 232,24 sowie die vorausgehende Anm.), die 1781 bis 1787 – also zwischen der Publikation von D3 und D4 – von den beiden, am Zweibrücker Gymnasium lehrenden Alt­ philo­logen Friedrich Christian von Exter und Johann Valentin Embser herausgegeben wurde. Sie enthielt den griechischen Text nach der 1578 in Genf von Henri Estienne (Henricus Stephanus) gedruckten Ausgabe und die lateinische Übersetzung sowie den lateinischen Kommentar von Marsilio Ficino (Marsilius Ficinus), in einer Vertikalsynopse dargeboten. 95,1  E i n l e i t u ng .] In D2 sind diese Ausführungen zum Personal des Romans Teil des Vorberichts; siehe oben 5,4 –7,5. 97,7  Milzsucht] Milzsucht ist ein Synonym für Hypochondrie, die als Modekrankheit der Aufklärungszeit bezeichnet werden kann. Zu ihren hauptsächlichen Symptomen gehörten schwermütige Gemütszustände sowie Probleme des Verdauungsapparates. Darüber hinaus wurden ihr unzählige andere Symptome zugeschrieben. – Die Hypochondrie oder Milzsucht war in der Antike noch Teil der Melancholie, worauf auch die Etymologie verweist: Innerhalb der Humoralpathologie galt die Milz als Produktionsstätte der schwarzen Galle (melaina chole, μέλαινα χολή), und die Milz liegt unter dem Brustknorpel (hypo chondros, ὑπό χόνδρος). Auch das englische Wort spleen hat hier seinen Ursprung, da es sich aus dem griechischen Ausdruck für Milz (σπλήνα) herleitet. – J. hat die zeitgenössischen Dis-



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kussionen um Hypochondrie und Milzsucht, vapours und vapeurs intensiv rezipiert; siehe J. an Marc Michel Rey, 28. August 1767, JBW I,1.41,1–7. Siehe auch seine Selbstbekenntnisse zu Hypochondrie ( J. an Philipp Erasmus Reich, 12. März 1771, JBW I,4.318,10 f.) und Milzsucht ( J. an Johann Wolfgang Goethe, 6. November 1774, JBW I,1.268,24 ). – Siehe auch Anm. zu 104,16. 98,7 aufjug] aufjagte, so auch D5. Siehe Dt. Wb. 10.2213 (Jagen). – Die durch D2 und D3 überlieferte Variante auffieng legt sich von der Bedeutung her nicht nahe. 98,21–28  Ich sehe die … w ie d e r.] Shakespeare: Macbeth. IV,1. Siehe Shakespear Theatralische Werke. Aus dem Englischen übersezt von Herrn Wieland. Bd VI. Zürich 1765 ( JBW II,1.298). Darin 167–303: Das Trauer­ spiel, vom Macbeth. Ib., 250: V ie r t e r A u f z u g .  / E r s t e S c e ne.  / [Regieanweisung:] (Eine finstre Höle; in deren Mitte ein grosser Kessel über einem Feuer steht.) / Donner und Blize. Die drey Hexen treten auf, und ermuntern sich zu ihrem Vorhaben; alsdann gehen sie unter einem seltsamen Zauber-Spruch rund um den Kessel herum, und werfen die mancherley Ingredienzen zu ihrer Bezauberung, (z. ex. Frosch-Zehen, Otter-Zungen, Eidexen-Beine, Fledermaus-Haar, Wolfs-Zahn, Schierlings-Wurzeln, Ziegen-Galle, die Leber von einem Juden, die Nase von einem Türken, und die Lippe von einem Tartar u. s. w.) in den Kessel; nachdem alles genug gekocht hat, wird das D e c o c t u m mit eines Säuglings Blut abgekühlt, und das Zauberwerk ist fertig. Hierauf erscheint Hecate mit drey andern Hexen, giebt ihren Beyfall zu dem was gemacht worden, und befiehlt ihnen, einen Tanz und Gesang um den Kessel anzufangen; dieses geschieht mit Musik, und hierauf erscheint in der / Zwe y t e n S c e ne  / Macbeth. / […] In dieser Scene (250–258) treten nun nacheinander drei Erscheinungen hervor: 1. Eine Erscheinung von einem bewafneten Haupt steigt aus dem Boden empor – begleitet von [Regieanweisung:] (Donner und Bliz.) (Ib., 252.) 2. Eine Erscheinung von einem blutigen Kinde steigt empor – ebenfalls von [Regieanweisung:] (Donner.) begleitet. (Ib., 253.) 3. Die Erscheinung von einem gekrönten Kinde; mit einem Baum in der Hand, steigt empor – auch diese von [Regieanweisung:] (Donner.) begleitet. (Ib., 253.) Danach versinkt der Kessel. M a cb e t h .  / Ich will befriedigt seyn. Versagt ihr mir’s, so fall’ ein | ewiger Fluch auf euch! Laßt michs wissen. Warum sinkt der Kessel? und was für ein Getön ist das? / [Regieanweisung:] (Man hört einen Marsch von Hautbois.) / 1. He xe. / Erscheint! / 2 . He xe. / Erscheint! / 3. He xe .  / Erscheint! / A l l e .  / Erscheint vor ihm, und härmt sein Herz! / Kommt wie Schatten, und verschwindet wieder. / Acht Könige, von Banquo geführt, erscheinen einer nach dem andern, und gehen langsam bey Macbeth vorbey; der lezte hält einen Spiegel in der Hand. (Ib., 254 f.) Der Auftritt der Hexen endet gemäß der Regieanweisung mit: ( Mu s i k . Die He xe n machen einen Tanz und verschwinden.) (Ib., 256.) (William Shakespeare: Das Trauerspiel, vom Macbeth. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Zürich 1993 ( William Shakespeare: Theatralische Werke in 21 Einzelbänden. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Hg. von Hans und Johanna Radspieler; Bd 15). 76–81.)

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98,29–31  Und dazu dann … Lustbarkeit!] Dieser Passus legt nahe, daß J. sich auf eine konkrete Aufführung bezieht, die er besucht hat. Siehe hierzu »Im Allgemeinen und denkwürdig in historischer Beziehung«. Georg Arnold Jacobis Lebenszeugnisse fortgesetzt und um eigene Erinnerungen ergänzt von Victor Friedrich Leopold Jacobi. Bearbeitet von Cornelia Ilbrig. Düsseldorf 2010 (Veröffentlichungen des Heinrich-Heine-Instituts. Herausgegeben von Sabine Brenner-Wilczek). 24: Zweimal wöchentlich war uns in dem Winter der Besuch des Schauspiels gestattet, dieses war in jener Zeit als die Gestalt des deutschen Dramas und Singspiels einfacher war, das Publikum sich noch öfter Wiederholungen aus den beschränkten Repertorien gefallen lassen mußte und mit ungemindertem Zulauf gefallen ließ, und dem Schauspieler daher mehr Frist für seine Studien gelassen war; auch in kleinern Städten war daher das Theater häufig besser, als es jetzt fast überall erscheint […] Siehe auch Frank Vogl: Düsseldorfer Theater vor Immermann. In Düssel­dorfer Jahrbuch 36 (1930/31), 1–180. Ib., 24 ff. 99,1–6  Doch so abentheuerlich … Gespenst?] Siehe dasselbe Motiv in [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 125 (Zweiter Teil, Wer­ ther an Lotte, 20. Januar 1772): Wenn Sie mich sähen meine Beste, in dem Schwall von Zerstreuung! Wie ausgetroknet meine Sinnen werden, nicht Einen Augenblik der Fülle des Herzens, nicht Eine selige thränenreiche Stunde. Nichts! Nichts! Ich stehe wie vor einem Raritätenkasten, und sehe die Männgen und Gäulgen vor mir herumrükken, und frage mich oft, ob’s nicht optischer Betrug ist. Ich spiele mit, vielmehr, ich werde gespielt wie eine Marionette, und fasse manchmal meinen Nachbar an der hölzernen Hand und schaudere zurük. (WA I,19.96 f.) – Zur Aufnahme des Werther im Jacobi-Kreis siehe J. an Goethe, 21. Oktober 1774, JBW I,1.263–266. 99,12–13  das Zimmer gegen … hat.] Dies entspricht der Aussicht aus J.s Arbeitszimmer in dem Haus am Flinger Tor (Neustr. 16); siehe [ Johann Georg Jacobi:] An **. In Iris. 1776. Bd 6, St. 2: [keine Monatsangabe], 360–366. Ib., 360: Diesen Augenblick sitz’ ich in dem Hause meines Bruders, in seinem Cabinette von Kupferstichen. Das Zimmer geht auf den mit Linden besetzten Wall, über dessen Brustwehr ich weit hinausseh’, in die Spatziergänge vor die Stadt, auf die rings herum zerstreuten Landhäuser, und weiter auf die Berge, deren Buschwerk, mit seinem falben und falberen Grau, nachdem ein dichteres oder dünneres Wölkchen vor die Sonne zieht, in derselben sich verändert. Siehe auch Georg Arnold Jacobi: Lebenszeugnisse, 21: […], und ein gemiethetes Haus an dem, nach Pempelfort ausgehenden Flinger-Thor bezogen, welches vorn und auf einer Seite nach der Straße und hinten mit dem ersten Stock auf den Stadtwall ausgehend, nach allen [Seiten] eine lichte Lage hatte; an der Wallseite aber über die Festungswerke und die diese gegen Morgen umkränzenden Gärten und Lustanlagen hinaus in die überall bebaute Umgegend und die daran sich schließende Gebirgskette die lustigste Aussicht darbot, […] – Zimmer und Aussicht sind auch beschrieben in J. an Goethe, 26. August 1774, JBW I,1.247,17–21; siehe Anm. zu 18,7–25. Siehe auch J. an Sophie von La Roche, 24. September 1776, JBW I,2.45,28 –46,6.



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99,27  Trost und Verheißung] Zum Motiv des seelischen Aufgerichtet-Werdens durch die Natur siehe auch J. an Goethe, 12. August 1775, JBW I,2.25,13– 28 : Das Zusammenziehen des Innersten, das peinliche Krümmen, um v. allen Seiten ab ein wenig Asche über die Gluth im Mittel zu schütteln – Du kennst es – So schlich ich vorgestern am Abend eine Anhöhe hinan. Es hatte den ganzen Tag geregnet, regnete noch da ich ausging: nun verdünnte sich die Luft; sanftes Sonnenlicht nahm den ganzen Himmel ein, theilte die Wolken, strahlte nicht sondern schwebte hernieder; Felder, Wiesen, Gebüsche richteten sich empor u. umzingelten mich; alles, die ganze Natur ein Bild der Erquickung, des Trostes, der Verheissung. Meinen Lebensgeistern ward’s Brüderlich. Ich erreichte den Gipfel. Nicht mehr mich windend u. krümmend um Löschung zu sammeln, aufgerichtet stand ich, daß die hallenden Winde die Asche wegfachten, u. mir die Gluth ins Angesicht f log. – Ha unzerstörbar D o ch , obschon hinfällig. – Bangst mein Herz, zagst, gedenkst in Abgrund zu schwindeln, willst davon, hinunter, w i l l s t u. kannst nicht sinken, wirst immer wieder aufgeschwungen v. unendlicher Kraft in Dir. – Ja neüe Himmel, u. neüe Erden, u. da müßen erst die Sterne fallen u. die Sonne sich verfinstern u. der Mond zu Blut werden. 99,27–28  Fülle des Herzens] Mt 12,34b. – Die Wendung spielt eine bedeutende Rolle im Rahmen pietistischer Frömmigkeit und ist im Wortschatz der Empfindsamkeit und des Sturm und Drang allgegenwärtig. Siehe August Langen: Der Wortschatz des deutschen Pietismus. 2., erg. Aufl. Tübingen 1968. 22 f. Die Wendung findet sich etwa im empfindsamen Briefwechsel zwischen Johann Georg Jacobi und Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Siehe auch [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 125 (zitiert in Anm. zu 99,1–6 ) sowie J. an Sophie von La Roche, 28. Oktober 1774, JBW I,1.267,14–16 : […]; bald also, liebste Sophie, bald sehen wir uns wieder. Dann rede ich auch mit Ihnen aus der Fülle meines Herzens von Werthers Leiden. Siehe auch Friedrich Leopold Graf[en] zu Stolberg: Ueber die Fülle des Herzens. In Deutsches Museum. 1777. Bd 2, St. 7: Juli, 1–14. 100,7  Weg über die Wälle] Siehe Anm. zu 99,12–13. 101,2  C l e r d o n a n Sy l l i .] Dieser Brief ist in D2 nicht enthalten. Siehe aber oben 12,4. 101,11  Deine wenigen Zeilen vom 28. Februar] Der Brief ist nicht Teil des Romans. 101,16–17  einen Brief von mir] Der Brief ist nicht Teil des Romans. 104,14 Hyacinthe] Mit der Hyazinthe verbindet sich eine Vielzahl an symbolischen Bedeutungen. Besonders prägend dürfte die Erzählung aus Ovids Metamorphosen (X 162–219) gewesen sein, wonach Hyacinth, der Geliebte des Apoll, nachdem er durch einen Diskuswurf getötet, in eine Blume verwandelt wurde. Die Hyazinthe wäre demnach auch Symbol einer den Tod überwindenden Liebe. 104,16 Nerven] Siehe auch 107,18.27 und 109,33–34. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzte sich in der Medizin ein neues, auf den Nerven basierendes Erklärungsmodell physiologischer und pathologischer Vorgänge durch. Grundlegend hierfür war die Unterscheidung des Schweizer Arztes und Natur-

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forschers Albrecht von Haller, der an der Universität Göttingen lehrte, zwischen der Irritabilität der Muskelfasern und der Sensibilität der Nervenfasern. Auch die Hypochondrie wurde als Krankheit der Nerven gedeutet. Das einflußreiche Werk von Robert Whytt Observations on the nature, causes, and cure of those disorders which have been commonly called nervous, hypochondriac, or hysteric (Edinburgh 1765) hatte J. in französischer Übersetzung (Paris 1767) bei seinem Buchhändler bestellt und das Titelblatt des zweiten Bandes mehrfach reklamiert (siehe J. an Marc Michel Rey, 28. August 1767, JBW I,1.41,1–3 sowie an denselben, 5. Juli 1768, JBW I,1.60,8 f. und 7. Oktober 1768, JBW I,1.60,28 f.). Die Ausgabe enthielt auch die Exposition anatomique des nerfs, avec figures, par M. Alexandre Monro (siehe JBW II,1.57, Anm. zu 41,1). Den Nerven kam, wie der Untertitel des englischen Originals bereits andeutet (To which are prefixed some Remarks on the Sympathy of the Nerves) die Fähigkeit der Sympathie zu: Auf der Ebene des Körpers bedeutete dies die Möglichkeit der Vernetzung räumlich disparater Körperregionen. Diese Vorstellung der durch die Sensibilität der Nerven hergestellten Fähigkeit zur Mit-Empfindung wurde auf intersubjektive – d. h. soziale und moralische – Zusammenhänge übertragen. Das nerventheoretische Konzept fand weite Verbreitung auch im nicht-medizinischen Diskurs der Zeit. Siehe etwa die Beschreibung der Rezeption von Goethes Clavigo im Brief J.s an Wieland vom 27. August 1774, JBW I,1.252,25–30 : In der That begriff ich nicht, wie das Stück noch weiter fortgehen könnte; wähnte, alle Nerven meines Herzens seyen verbraucht, nun müsse das Herz mir erkalten; aber da faßt er mir sie bündelweise, frische, unberührte Nerven, und hieß mein Herz glühen und schlagen, immer heftiger und höher, bis es bebte, bis es brach und ich verging. – Siehe auch J. an Christoph Martin Wieland, 8. und 11. Juni 1777, JBW I,2.62,16–19 : Pinto hat nicht so gar Unrecht: die Nerven, die Nerven! Es ist eine fatale Sache darum, zumal wenn man solche Ankertaue von Nerven hat, wie ich, und dabei so reizbar, wie eine Drahtsaite; es ist gar kein Rath bei einer solchen verzweifelten Organisation. 104,18–23  So pf lege ich … und Liebe.] Siehe J. an Goethe, 12. August 1775, JBW I,2.25,7 f. : Lieber! was ist’s doch, daß wir uns so seelig fühlen, wenn Wohlthun unmittelbar v. uns ausgeht, es sey aus Gestalt oder Geist? 105,22  Ihr wißt ja meine Geschichte zum Theil] Siehe oben in der E i n l e it u n g 95. 106,16–17  w a s d r e y m a l g e s che he n … k r ä he t .] Mt 26,34 und 26,69–75. 106,23  Grille] Grille ist ein häufig verwendetes Wort im 18. Jahrhundert. Es steht in Beziehung zur Hypochondrie (siehe Anm. zu 97,7), die auch Grillenkrankheit genannt wurde, sowie zu einer übersteigerten Einbildungskraft und zum Typus des Schwärmers, der insbesondere die Romane des 18. Jahrhunderts bevölkerte. 106,28  G a n g i m K r a h n e ] Gemeint ist der Gang im Tretrad, mit dem der Kran (auch: Krahn) betrieben wurde. Siehe den Artikel Krahn, oder Kran, oder Krannich, Lat. G e r a n iu m in Zedlers Universallexicon 15.1730 f. Ib., 1731: Man hat vornehmlich zweyerley Arten Krahne, den



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Frantzösischen, welchen man in und um Paris bey dem Bauen häuffig gebrauchet, und den Teutschen, der zu Ausladung derer Schiffe angewendet wird. Bey jenem lieget das hohle Tret-Rad mit der Welle und dem völligen Krahn-Balcken auf der Spitze des Gerüstes, und können diejenigen, die in dem hohlen Rade lauffen, so bald die Last in die Höhe gezogen, sich selbst damit umdrehen, und die Last auf den Platz bringen, dahin man sie haben will. Bey den Teutschen hingegen ist der Krahn-Balcken an einer stehenden Welle unter einem Dache befestiget, an welcher er sich mit sammt einen Theil des Daches umdrehet. An der Welle selbst aber sind zwey hohle Tret- oder Trampel-Räder. […] Siehe auch den sehr ausführlichen und um zahlreiche Abbildungen ergänzten Artikel Krahn in Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 46.545–613. – Die hier von J. benutzte metaphorische Verwendung wird im Dt. Wb. mit einem Briefzitat aus dem Jahre 1832 belegt; siehe Dt. Wb. 11.2017. Sie findet in den Wendungen vom Hamsterrad oder der Tretmühle bis heute ihre Fortsetzung. 107,7–9  Worten unsers lieben … Lage.«] Oliver Goldsmith: The Vicar of Wakefield, a tale, supposed to be written by himself. Salisbury /  London 1766. Das Werk erschien bereits im selben Jahr in zwei weiteren Auflagen und in verschiedenen Nachdrucken, im darauffolgenden in französischer und deutscher Übersetzung. – J. zitiert wörtlich aus der deutschen Übersetzung von Johann Gottfried Gellius: Der Landpriester von Wakefield. Ein Märchen, das er selbst soll geschrieben haben. Aus dem Englischen. Zweyte Auf lage. Leipzig 1768. 144.– Der Landpriester von Wakefield gehörte auch zur Lektüre von Wer­ther und Lotte: siehe [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 34 f. (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 16. Juni 1771): Ich bemühte mich, meine Bewegungen über diese Worte zu verbergen. Das gieng freylich nicht weit, denn da ich sie mit solcher Wahrheit | im Vorbeygehn vom Landpriester von Wakefield vom *) – reden hörte, kam ich eben ausser mich, […]. (WA I,19.30.) Die Übersetzung ist in D4 leicht abgewandelt gegenüber D2 (siehe oben 15,18–20 ); somit weicht J. in D4 von der Gellius-Übersetzung ab. 107,11–12  »Kein Zustand ist … bey.«] Siehe Goldsmith: Der Landpriester von Wakefield. 225: Das fünfundzwanzigste Kapitel. / Es giebt keinen Zustand, so elend er auch scheint, der nicht von einer Art von Troste begleitet wäre. – Als Vorlage aber diente J. wohl: J[ohann] P[eter] Uz: Poetische Werke. 2 Bde. Leipzig 1768 (KJB 3178). Bd I. 32 (Erstes Buch): D ie Z u f r ie d e n he it . Dein Geist wird sich zu keiner Zeit In feiger Ungeduld verlieren, Wenn du der Weisheit folgst, die, ohne fehl-zu führen, Mit Rosen ieden Pfad bestreut. Schilt nicht des Himmels Tyranney: Von ihm kömmt unser wenigst Leiden. Kein Zustand ist so hart: ein Chor der stillen Freuden Gesellt sich ihm mitleidig bey.

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107,14–15  wer nicht weiß … erquickt.] Möglicherweise handelt es sich um ein Sprichwort, das aber nicht nachgewiesen werden konnte. 108,9  schweben im Limbus] Limbus ist der Vorhof der Hölle, in welchem jene Seelen schweben, die ohne eigenes Verschulden vom Himmel ausgeschlossen sind. Ihre einzige ›Schuld‹ ist, daß sie durch ihre Lebenszeit vor Christus bzw. durch ihr Versterben vor der Taufe nicht an dem Erlösungswerk teilhaben können. – Siehe Zedlers Universallexicon 17.1251: L i m b u s I n f a n t u m ; ist nach derer Catholischen Lehre ein Ort nahe bey der Hölle, wo sich die ohne Tauffe gestorbene Kinder auf halten, und von der Erb-Sünde gereiniget werden sollen. / L i m b u s Pa t r u m , ist, wie die Catholischen lehren ebenfalls ein Ort nahe bey der Hölle, wo die Väter des alten Testaments so lange des seligen Anschauen GOttes haben entbehren müssen, bis sie Christus durch seine Höllenfahrt erlöset hat. – In Dante Alighieris Gött­ licher Komödie (Divina Commedia, Inferno, Vierter Gesang) begegnet der Dichter im Limbo (ib., Vers 44 f.) unter anderem den bedeutenden Gestalten der griechischen und römischen Antike: Dichtern und Philosophen, Feldherrn und Politikern, auch den großen Frauengestalten der Antike. Es ist kein Ort der Plagen und Qualen, wohl aber jener einer unerfüllbaren Sehnsucht (ib., Vers 28 und 42). 108,16–17  Du lässest … unbeantwortet.] Siehe komplementär den Beginn von Syllis Brief an Clerdon vom 8. März; oben 104,4–6 mit Anm. zu 104,5. 108,23–24  Die unwiderstehliche Wonne … haben.] Siehe komplementär Syllis Brief an Clerdon vom 7. März; oben 99 f. Die Beschreibung Clerdons bezieht sich auf denselben Tag (gestrigen; siehe oben 108,23). 108,24 –109,13  Mich hat sie … L ie b e.] Siehe die Beschreibung desselben Tages im Brief Syllis an Clerdon vom 7. März, oben 99,10 –1004. 109,5–13  Gleich im ersten … L ie b e .] Diese Romanpassage stimmt weitgehend überein mit einer Passage in J.s Brief an Johann Wolfgang Goethe vom 21. Oktober 1774, JBW I,1.265,28–37: Gleich bey’m Erwachen heute früh fuhr mir über’s Angesicht der Schauer, von dem du weißt, wie er hinabzittert, eindringt, zum auf lösenden Leben wird im Busen, und den ganzen E r d e n s oh n tödtet. – Tod, schöner, himmlischer Jüngling! / Der endliche Geist wird immer bedürfen, immer streben, erringen, sammeln und verzehren: aber wenn er nun einen Augenblick den diesseitigen Grenzen entrissen wird, von den jenseitigen noch keinen Drang fühlen kann, und im seeligen Genuß allein sein Daseyn hat: o der unnennbaren Wonne! Wie er da so herrlich schwebt der Liebende, ein Theil des Allgenugsamen, alles selbständig, alles ewig mit ihm, und er ewig in allem. Nahezu wortgleich im Brief an Christoph Martin Wieland, 13. November 1774, JBW I,1.270,5–21. – Vgl. dasselbe Motiv in [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 9 f. (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 10. Mai 1771): […], und fühle die Gegenwart des Allmächtigen, der uns all nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Allliebenden, der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält. Mein Freund, wenn’s denn um meine Augen dämmert, und die Welt um mich her und Himmel ganz in meiner Seele ruht, wie die Gestalt einer Geliebten; dann sehn ich mich oft und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest du dem | Papier das einhauchen,



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was so voll, so warm in dir lebt, daß es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes. Mein Freund – Aber ich gehe darüber zu Grunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen. (WA I,19.8.) 109,9–10  Tod, schöner, himmlischer Jüngling!] Die Imagination des Todes als Jüngling geht auf die von Gotthold Ephraim Lessing in seiner Schrift Wie die Alten den Tod gebildet (1769) und – in ausdrücklichem Anschluß an diesen – von Herder in seiner gleichnamigen Abhandlung (1774) verworfene christliche Darstellung des Todes als Skelett, als Knochenmann und auf die diesem entgegengestellte Wiederbelebung antiker Todesvorstellungen zurück. Die Herdersche Schrift hatte J. wohl in seinem Brief an Christoph Martin Wieland vom Juli 1775 erwähnt; siehe JBW I,2.21,9 und 22,23. Siehe [ Johann Gottfried Herder:] Wie die Alten den Tod gebildet? In Hannoverisches Magazin […]. 1774. Bd 12, St. 95: 28. November 1774, Sp. 1505–1520, und St. 96: 2. Dezember 1774, Sp. 1521–1532. – Johann Georg Jacobi gibt in der Iris einen Auszug (704) aus dieser zweiteiligen Abhandlung, versehen mit einer Einleitung, in welcher auch Lessings Schrift vorgestellt wird; siehe [ Johann Georg Jacobi:] Zur Damenbibliothek. / Wie die Alten den Tod gebildet? In Iris. 1776. Bd 7, 703–722. Ib., 704 f.: Vorlängst schrieb ein großer Alterthums-Forscher, um welchen die It a l ie n e r zwischen ihren herrlichen Denkmalen der alten Kunst, an denen sie täglich ihre Augen und ihren Geist üben können, uns Deutsche zu beneiden Ursache haben, eine Untersuchung gleiches Inhalts. (*) [FN: Wie die Alten den Tod gebildet: eine Untersuchung von Gotthold Ephraim Leßing. Berlin, 1769. bey Voß.] Er bewies gegen einen andern Gelehrten: d a ß d ie a l t e n K ü n s t l e r | d e n To d , d ie G o t t he it d e s To d e s , n ich t a l s e i n S ke l e t vo r g e s t e l l t h a b e n .  / »Sie stellten ihn als den Zwillingsbruder des Schlafes vor, und stellten beyde, den Tod und den Schlaf, mit der Aehnlichkeit unter sich vor, die wir an Zwillingen so natürlich erwarten. Auf einer Kiste von Cedernholz, in dem Tempel der Ju n o zu E l i s , ruhten sie beyde als Knaben in den Armen der Nacht. Nur war der eine weiß, der andre schwarz; jener schlief, dieser schien zu schlafen, beyde mit über einander geschlagenen Füßen.« / Eben diese Zwillinge sieht man auf Grabsteinen und an Begräbniß-Urnen, wie junge G e n ie n gestaltet, die auf eine umgekehrte Fackel sich stützen. Auf andern Grabsteinen findet man Einen von beyden allein, und auf einem marmornen Sarge zeigt sich »ein gef lügelter Jüngling, der in einer tiefsinnigen Stellung, den linken Fuß über den rechten geschlagen, neben einem Leichname stehet, mit seiner Rechten und dem Haupte auf einer umgekehrten Fackel ruhet, die auf die Brust des Leichnams gestützet ist, und in der Linken, die um die Fackel herabgreift, einen Kranz mit einem Schmetterlinge hält« – Ib., 707 f.: Die Gerippe, die sich auf alten Denkmählern zeigen, sind L a r ve n , das, was bey uns G e s p e n s t e r sind, herumirrende abgeschiedne Seelen böser Menschen. / Herr L e ßi n g schließt seine Untersuchung mit folgendem Wunsche: »da auch sie (die Religion) uns versichert, daß der Tod der Frommen nicht anders als sanft und erquickend seyn könne; so seh’ ich nicht, was unsre Künstler abhalten sollte,

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das scheußliche Gerippe wiederum aufzugeben, und sich wiederum in den Besitz jenes besseren Bildes zu setzen. Die Schrift redet selbst von einem Engel des Todes: | und welcher Künstler sollte nicht lieber einen Engel, als ein Gerippe bilden wollen? / Nur die mißverstandne Religion kann uns von dem Schönen entfernen: und es ist ein Beweis für die wahre, für die richtig verstandne wahre Religon, wenn sie uns überall auf das Schöne zurückbringt« / Ich kehre nun wieder zu der Schrift des Ungenannten: / W ie d ie A l t e n d e n To d g e b i l d e t ? / Schon der Gedanke »To d sey den Griechen in der Vorstellungsart ihrer Kunst nichts als ein Jü n g l i n g gewesen, der in ruhiger Stellung mit gesenktem trübem Blicke die Fackel des Lebens neben dem Leichname auslöscht,« schon der Gedanke hat so Etwas Anmuthiges, Beruhigendes und Sanftes, daß wir ihm gut werden und gern dabey verweilen, wenn er auch nicht einmal mit alle dem Reichthum von Gelehrsamkeit und den Grazien der Schreibart begleitet erschiene, in welchen ihn uns die Lessingsche Abhandlung eben des vorgesetzten Titels würklich darstellt. Im Erstdruck befindet sich an dieser Stelle eine Fußnote mit dem Hinweis: Wie die Alten den Tod gebildet? Berlin 1769. 109,17–34  Mit dem ersten … leben.] Siehe die Parallele in Syllis Brief an Clerdon vom 7. März; oben 99,23–25 und 100,5–12. Diese Romanpassage stimmt weitgehend überein mit einer Passage in J.s Brief an Johann Wolfgang G ­ oethe vom 26. August 1774, JBW I,1.247,17 –248,11: Am verwichenen Sonntag sitzend am Fenster meines Wallzimmers, schauend bey hellem Sonnenglanz rund um mich her in die vor mir verbreitete herrliche Gegend, schoß mir auf einmahl, wie ein Blitz, in die Seele der Gedanke, welch ein sündlich Wesen es doch sey, diese herrliche Pracht Gottes so, über Wäll und Gräben hin, nur zu beschielen; nur etwa am Abend ein wenig daran vorbey zu schleichen, da doch nichts wehre, sich hinein zu lagern in diese Herrlichkeit ganze Tage lang; sich anzukleiden über und über mit dieser Pracht Gottes; zu genießen das seinige, den weiten offenen Himmel, und die große offne Erde. / Meinem frommen Weibe, den Mädchen und Rost [ = Heinse] entdeckt ich ohnverzüglich, wie mir geschehen, und wie ich gehorchen wolle der Stimme, die mich geweckt. Da schwur Rost bey seinem Haupte, sie sey des Altvaters, | woll’ ihr folgen. Die Mädchen beschlossen uns den ersten Tag zu begleiten; und Betti erbot sich, uns, gegen Mittag, in den nächsten Wald Speise zu bringen; dort sollten wir uns zu ihr versammeln. / Am Dienstag, bey Anbruch des Tages, zogen wir aus, und nahmen Besitz von den grünen Wiesen, und von den rieselnden Bächen, und von den schattichten Höhen; und es hüpfte in unserm Blut, und trotzte in unsern Gebeinen, und pochte auf unserm Busen, und schauerte in unsern Haaren, und jauchzte, klang und sang in jeder unserer Nerven Liebe, Lust und Macht zu leben. Da schmiegten die Mädchen sich an mich, hier am Fuße des Berges, auf dessen Gipfel ich schreibe, in einer (anderthalb Stunden weit von Düsseldorf entfernten) herrlichen Gegend […] – Vgl. dasselbe Motiv in [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 20 (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 26. Mai 1771): Ohngefähr eine Stunde von der Stadt liegt ein Ort, den sie Wahlheim *) nennen. Die Lage



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an einem Hügel ist sehr interessant, und wenn man oben auf dem Fußpfade zum Dorfe heraus geht, übersieht man mit Einem das ganze Thal. (WA I,19.16.) – Der Bezug auf die Altväter, auf das einfache, natürliche Leben der Patriarchen, findet sich auch mehrfach in Goethes Werther; siehe [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 11 (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 12. Mai 1771) und 48 (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 21. Juni 1771). 110,2  A l l w i l l ] Der Protagonist wird hier erstmals namentlich genannt. Zuvor erschien sein Name nur im Titel und in der E i n l e it u n g ; siehe oben 96,12. 110, 3 Phaeton] Eine Kutschenart. Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 112.485 f.: Ph a e t o n […] 2) Ein hoher Wagen, dessen Kasten ganz oder zum Theil offen ist, und welcher seinen Nahmen daher hat, weil er der Vorstellung, die man sich von dem Sonnenwagen machte, ähnlich ist. Unter 1) ist erläutert, daß gemäß der griechischen Mythologie Phaeton seinem Vater Apoll [nach Euripides und Ovid: Helios] die Gewährung des Wunsches abgerungen hatte, den Sonnenwagen lenken zu dürfen. Die im weiteren beschriebenen Figuren 6549 und 6550 zeigen eine englische und eine deutsche Variante solcher Kutschenart. 110,15 unbegreif liches Durcheinander von Mensch] Auch Goethe beschreibt Werther als einen jungen unsteten Menschen; siehe [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 33, FN (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 16. Juni 1771). (WA I,19.29.) – Siehe auch J. an Christoph Martin Wieland, 8. und 11. Mai 1774, JBW I,1.233,19–22: Nachsten Posttag schreibe ich Ihnen mehr von Göthe, dem wir, seiner gegenwärtigen Äußerungen ohngeachtet, nicht zu viel gutes zutrauen dürfen, denn er ist u bleibt ein zügelloser, unbändiger Mensch. 110,16–20, 111,21–26, 112,10–14.22–25, 113,1–5  Sein Vater erzählte … anders gespielt] Siehe J[ohann] W[olfgang] Göthe: Claudine von Villa Bella. Ein Schauspiel mit Gesang […]. Berlin 1776 (KJB 3001). 16–18: S e b a s t i a n . / Du hättest den Buben sehn sollen, wie er so heran wuchs; er war zum fressen. Kein Tag verging, daß er uns nicht durch die leb­ haftesten Streiche zu lachen machte; und wir alten Narren lachten über das, was künftig unser grösster Verdruß werden sollte. Der Vater wurd nicht satt, von | seinen Streichen, seinen kindischen Heldenthaten erzählen zu hören. Immer hatt’ er’s mit den Hunden zu thun; keine Scheibe der Nachbarn, keine Taube war vor ihm sicher; er kletterte wie eine Katze auf Bäumen und in der Scheuer herum. Einmal stürzt er herab; er war acht Jahr alt; ich vergesse das nie; er fiel sich ein großes Loch in Kopf, ging ganz gelassen zum Entenpfuhl in Hof, wusch sich’s aus, und kam mit der Hand vor der Stirn herein, und sagte mit so ganz lachendem Gesicht: Papa! – Papa! – ich hab ein Loch in Kopf gefallen! Eben als wollt er uns ein Glük notificiren, das ihm zugestoßen wäre. / G o n z a l o. / Schade für den schönen Muth, den glüklichen Humor des Jungens! / S e b a s t i a n .  / So ging’s freilich fort; Je älter er ward, ie toller. Statt nun das Zeug zu lassen, statt sich zu fügen, statt seine Kräfte zu Ehren der Familie und seinem Nuz zu verwenden; trieb er einen unsinnigen | Streich nach dem andern; belog

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und betrog alle Mädgen, und ging endlich gar auf und davon; begab sich, wie wir Nachricht haben, unter die schlechteste Gesellschaft, wo ich nicht begreife, wie er’s aushält; denn er hatte immer einen Grund von Edelmuth und Großheit im Herzen. Siehe MA I,2.78–121. – Zu J.s Bekanntschaft mit dem erst im Frühjahr 1776 erschienenen Werk siehe das Folgende auf der Grundlage HA IV.580 und MA I,2.727 f.: Goethe hatte das Singspiel im Jahr 1774 begonnen, dem Jahr, in welchem er im Juli J. erstmals in Düsseldorf besuchte (siehe JBW II,1.218–224, Anm. zu 242,24 ) und in welchem, nach Goethes Abreise, J. mit der Abfassung seines Allwill-Romans begann ( J. an Goethe, 26. August 1774, JBW I,1.249,13 f.). In der Zeit des gemeinsamen Zusammenseins wurden Texte Goethes von diesem selbst – auch vor einem größeren Kreis – vorgelesen, vornehmlich Balladen (siehe JBW II,1.222 f., Anm. zu 242,24 ), unter anderem die Ballade Es war ein Buhle frech genung, die später Bestandteil des Werkes wurde. Das dann zunächst nicht ausgeführte Werk wurde im April 1775 von ­G oethe erneut aufgenommen; Anfang Juni sandte er das Manuskript an Karl Ludwig von Knebel nach Weimar. Das Werk erschien im Frühjahr 1776. – J. hielt sich etwa vom 8. Januar bis zum 5. Februar 1775 bei Goethe in Frankfurt am Main auf (siehe JBW II,1.241, Anm. zu 274,3 sowie JBW II,1.248, Anm. zu 292,4). Goethes Briefe an J. von April bis Oktober 1775 sind nicht überliefert; sie könnten als Beilagen Abschriften von Werken enthalten haben. 110,21  kein Kind guter Hofnung] Siehe die Parallele in J.s autobiographischen Aussagen, JWA 2.40,9 –41,11: Diese meine philosophische Idiosynkrasie verursachte mir früh eine Menge unangenehmer Begegnungen. Dummheit wurde mir beständig, und sehr häufig Leichtsinn, Hartnäckigkeit und Bosheit vorgeworfen. Aber weder Schimpfworte, noch die härtesten Behandlungen konnten mich von meinem Uebel heilen. Man gewann nur so viel, daß ich selbst eine sehr schlechte Meinung von meinen Geistesfähigkeiten bekam, die mich um so mehr drückte, da sie mit der brennendsten Begierde nach philosophischen Einsichten verknüpft war. […] An einem Morgen, da ich es nach der Lehrstunde wagte, den vor­ tref ­l ichen Mann [Le Sage] wegen eines wissenschaftlichen Anliegens um Rath zu fragen, erkundigte er sich umständlicher nach der Eintheilung meiner Stunden, und jedem Gebrauch meiner Zeit. Er wunderte sich, da er hörte, daß ich keinen Unterricht in der Philosophie nähme, sondern sie blos für mich triebe. Ich versicherte ihn, ich wäre von so schwerem und langsamem Begriff, daß ich bey jedem auch dem deutlichsten Lehrer zurückbliebe, folglich aus dem Zusammenhange käme, und nur meine Zeit verlöre. – »Vou s ê t e s m a l i n ! « sagte L e S a g e lächelnd. – Ich wurde über und über roth, wie eine Flamme, und stammelte eine Be­theu­r ung nach der andern heraus, daß ich im Ernst gesprochen hätte. Ich versicherte, daß ich von Natur der unfähigste Mensch wäre, der je gebohren worden, und allein durch den hartnäckigsten Fleiß etwas von meiner Dummheit überwunden hätte. Ich war reich an Erläuterungen und Beyspielen, die Wahrheit meiner Aussage zu bekräftigen, und es recht augenscheinlich zu machen, daß es mir durchaus an glücklichen Anlagen fehle; an Penetration, an Einbildungskraft, an allem. L e S a g e that verschiedene Fragen,



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die ich mit der Treuherzigkeit eines Kindes beantwortete. Er faßte darauf meine Hand in seine beyden Hände, und drückte sie mit einer Bewegung, die ich noch fühle. – Siehe auch Friedrich Roth: Nachricht von dem Leben Friedrich Heinrich Jacobi’s, ABW I.VII f.: Friedrich Heinrich wurde sehr lange für minder begabt gehalten, als sein um zwei Jahre älterer Bruder Johann Georg, der in der Folge nur durch Lieder einen Ruf, jedoch einen schönen und dauernden, erlangt hat. Den älteren zog der Vater vor, weil der Unterricht ihm anschlug, den er mit seinem Bruder größtentheils von einem steifen und mürrischen Hauslehrer erhielt; wogegen der jüngere von dem Unmuthe des Vaters über seine geringen Fortschritte, die großentheils dem Mangel an gutem Willen und besonders an Ehrbegier beigemessen wurden, viel zu leiden hatte. Selbst die Ergebung, womit er die Zurücksetzung ertrug und, als ihm gebührend, hinnahm, vermehrte des Vaters Mißvergnügen, der von seinem ruhigen, emporstrebenden Selbstgefühle gar nichts in seinem zweiten Sohne fand. – Siehe ferner J. an Johann Wolfgang Goethe, 6. November 1774, JBW I,1.268,6–13 (hier zitiert in Anm. zu 197,9–21) sowie JWA 1.13,21–24 ( = LS) und JWA 1.389, Anm. zu 13,21–22. 110,28 –111,20  Gegen sein sechstes … sperrte.] J.s. zweitältester Sohn Georg Arnold wurde am 21. März 1768 geboren, hatte mit Johann Friedrich einen zwei Jahre älteren Bruder und war zum Zeitpunkt der Niederschrift des Romans 6 Jahre alt. Von ihm heißt es im Brief Johann Heinrich Schenks an Johann Georg Hamann vom 11. Juli 1786, JBW I,5.294,28 –295,27: Da ich einmahl im G e s p r ä che mit Ihnen bin, so will ich mich auch noch meines Versprechens entledigen, das ich Ihnen in Absicht unseres hiesigen Johann Georg [richtig: Georg Arnold] gethan. Ich wähle Geschichte, lieber als Raisonnement, weil sie aus jenem den jungen Menschen vielleicht beßer und bestimmter als aus diesem werden kennen lernen. Sehr zusammenhängend und sehr ausführlich wird diese Geschichte nicht seyn, weil ich mich sowohl wegen der Zeit, als wegen des Raumes einschränken muß. / Der junge Mensch ist bey einem übrigens ziemlich grob gebauten Körper mit äußerst reizbaren Sinnen und einer sehr empfänglichen Einbildungskraft geboren, so daß seit seiner frühesten Kindheit jeder nur etwas auffallende Ge|genstand ihn leicht in seine Gewalt bekam, und der alte Zauber sich nicht eher löste bis ein neuer an die Stelle trat. Er war ein Knabe von 5. Jahren, als ich ihn kennen lernte. Damahls war der Soldatenstand sein höchstes Ideal von Glückseligkeit; er war in jede Uniform und in jede Flinte verliebt, machte mehr als einmahl sein Bündelchen zusammen, um von seinem Vater hinweg in die Caserne zu ziehen, und als zuletzt der Zufall wollte, daß ein junger Offizier, der ihn liebgewonnen, ihm zuweilen Unterricht im Exercieren gab, so gieng würklich sein Entzücken darüber fast zum Unsinn, und der Vater mußte seiner Bekanntschaft mit diesem übrigens sehr liebenswürdigen Offizier Einhalt thun, um ihn nur einiger maßen in das Gleis der Vernunft zurückzubringen. Die SoldatenGrille wurde durch die Tragikomanie verdrängt. Je wüthender und mörderlicher es in einem Trauerspiele hergieng, desto baß behagte es ihm; er schaffte sich einen

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ganzen Vorrath von Giftbechern, Dolchen und andern Mordgewehren an, womit er unter fürchterlichen Deklamationen, einsam, zwischen seinen 4. Wänden ein g e h e i m e s Gericht an allen denjenigen vollzog, die es mit ihm zu verderben das Unglück gehabt hatten. Insonderheit schob er gerne seine Widersacher, wie der Wirth im Götz v Berlichingen die Reuter, mittelst dazu erwählter Repräsentanten (der Stühle und Bänke auf seiner Stube) mit voller Aeußerung seiner Kraft zur Thür hinaus. Aber so wie er als Soldat vor dem Knall einer Pistole sich die Ohren verstopfte, und bey dem Manövrieren der Truppen, das übrigens seine höchste Lust war, sobald man Pulver auf die Pfanne schüttete, den Reisaus nahm, eben so ergieng es ihm mit seiner Theater Herzhaftigkeit im würklichen Streit mit seinen Gespielen. Püffe zu ertragen, wenn gleich auch er ihrer ertheilen konnte, war ihm viel zu schmerzlich, und lieber zog er sich aus einem solchen Scharmützel in seine Stube zurück, um dort seine Rache nach gewohnter Weise ohne Gefahr zu befriedigen. Mitten unter allen seinen Grillen hatte er manche lucida intervalla, […]. 111,16–17  ihm der Kopf gebrochen werden sollte] Das sogenannte ›Willen brechen‹ war ein Ziel der Pädagogik der Aufklärungszeit. Im Pietismus galt es als Voraussetzung für den Heilsweg; siehe Andreas Gestrich: Ehe, Familie, Kinder im Pietismus. Der »gezähmte Teufel«. In Glaubenswelt und Lebenswelten. Göttingen 2004 (Geschichte des Pietismus, 4). In Zusammenarbeit mit Ruth Albrecht u. a. hg. von Hartmut Lehmann. 498–521, besonders 512–517. 112,8 tummelte] taumelte; siehe Dt. Wb. 2.1516. 112, 35 –113,1  mit ganzer Seele … hieng] Siehe zum Vergleich in D2: oben 22,3–8 mit Anm. Diese Passage wurde stark verkürzt und gemäßigt. 113,1  wie er im … geworden] Auch diese Aussage hat autobiographischen Charakter. J. trat im jugendlichen Alter einer pietistischen Vereinigung bei, die sich die Feinen nannte. Siehe Friedrich Roth: Nachricht von dem Leben Friedrich Heinrich Jacobi’s, ABW I.VIII f.: So wenig Eingang bei Jacobi der übrige Unterricht zu finden schien, so hervorstechend war die Aufmerksamkeit und Neigung, womit er den Religions-Unterricht empfing. Die ganze Thätigkeit seines Geistes war nun darauf gerichtet. Er hatte von Kindheit an, mehr als jeden andern, den Umgang einer Person gleiches Alters, die eine Halbschwester seiner früh verstorbenen Mutter war, geliebt; jetzt ließ er diese oft allein mit seinem Bruder die Comödien, welche dieser machte, spielen, und las unterdessen, mit einer frommen Dienstmagd seines Vaters, religiöse Schriften. Als er confirmirt war, schloß er sich einer frommen Gesellschaft an, die sich d ie F e i n e n nannte, und nahm eifrig Theil an ihren Versammlungen. Es waren dieses ernstliche, aber vergebliche Versuche, von jener Qual eines frühzeitigen Tiefsinnes, deren er in den Briefen über die Lehre des Spinoza gedenkt, durch glaubige Andacht frei zu werden. 113,21  bey gutem Humor.] In guter Verfassung. Diese war noch auf der Grundlage der antiken Säftelehre (Humoralpathologie) gedacht: als ein Gleichwicht und eine gute Beschaffenheit der vier Körpersäfte (humores): Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle.



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113, 31  fahre mit meiner Ju n o droben auf den Wolken] Motive dieses Bildkomplexes könnte J. den in der Düsseldorfer Gemäldegalerie ausgestellten Bildern entnommen haben. Siehe Nicolas de Pigage: La Galerie Electorale de Dusseldorff ou Catalogue Raisonné et Figuré de ses Tableaux […] [2. Bd: Estampes du Catalogue raisonné et figuré des Tableaux de la Galerie Électorale de Dusseldorff; die Kupferstiche stammen aus der Werkstatt von Christian von Mechel]. 2 Bde. Basel 1778. 113, 31  mit meiner Ju n o ] Hier vermutlich bloß: mit meiner Göttin, mit meiner Angebeteten. Analog zum griechischen Götterpaar Zeus und Hera ist Juno die weibliche Hälfte des römischen Götterpaares Iuppiter und Iuno. Iuno galt als Schutzgöttin der Frauen, der Geburt und der Ehe. 114,7–8  Rolands Thaten] Siehe Lodovico Ariosto: Orlando furioso. 4 Teile. Parigi 1768 (KJB 3202; vgl. auch KJB 3600). Vermutlich sind hier die Taten eines Liebenden gemeint: Auf der Suche nach Angelica, der von ihm Geliebten, begeht Roland zahlreiche Heldentaten, ist ein siegreicher Kämpfer gegen das vielgestaltige Böse und befreit mehrere Frauen (Gesänge VIII, IX, XI–XV, XVIII–XX). Nach der Entdeckung der Liebe Angelicas zu Medor verfällt er dem Wahnsinn, der sich unter anderem in einer jedes menschliche Maß übersteigenden Zerstörungswut äußert (Gesänge XXIII–XXIV). – Sowohl Wilhelm Heinse als auch Friedrich August Clemens Werthes, die beide dem Jacobischen Hause nahestanden (siehe JBW I,1.236), haben dieses Werk ins Deutsche übersetzt. Siehe [Ludovico Ariosto:] Der rasende Roland. Erster Gesang. In Der Teutsche Merkur. 1774, Bd 6, St. 3: Juni, 293–320 (der Übersetzung von F. A. C. Werthes ist auf den Seiten 288 bis 292 ein Vorbericht des Herausgebers, also Wielands, vorangestellt) sowie [Friedrich August Clemens Werthes:] L. Ariosts rasender Roland aus dem Italiänischen übersezt. Bern 1778. Siehe [ Johann Jakob Wilhelm] H[einse]: Erster Gesang Von Ariosts wüthendem Roland. In Iris. 1776, Bd 8, St. 3: März, 897–924; der Übersetzung ist auf den Seiten 893 bis 896 eine kurze Einführung Heinses vorangestellt. Die vollständige Übersetzung erschien erst 1782/83 (KJB 3203). Siehe auch Heinse an Gleim, 11. Juni 1776, Heinse-SW 9.278: Wegen der Zukunft bin ich unbesorgt. Ich übersetze itzt, in den Stunden, wo ich selbst keine Lust und Liebe habe, zu zeugen, zu schaffen, und zu bilden, den Orlando furioso meines göttlichen Ariost, der mir unsägliche Freude macht. Und das geht mir so geschwind und leicht von der Hand, daß ich in einem halben Jahre, wenn’s mein Vorsatz wäre, und wenigstens in einem ganzen Jahre zum bloßen Zeitvertreib, mit allen 46 Gesängen desselben, sammt Ariosts Leben und einem kleinen Kommentar, völlig fertig zu seyn, gedenke. […] Ich übersetz’ in einem Tag’ oh ne Mü he 50 Stanzen, einen halben Gesang; ich habe den Ariost so oft gelesen, daß es mir Spiel und abschreiben ist. 114,12 Clarissen] Clarissa Harlowe ist die tugendhafte Protagonistin in einem der im 18. Jahrhundert breit rezipierten und mustergültigen Briefromane des englischen Schriftstellers Samuel Richardson (1689–1761). Siehe S[amuel] Richardson: Clarissa. Or, the History of a young Lady. Vol. I–VII. London 1748. (London 1749 und 1751 in erweiterten Fassungen.) Vgl. KJB 2887

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( = französische Ausgabe; Dresden 1751–1752). – Zum Inhalt: Clarissa wird von dem unmoralischen Aristokraten Robert Lovelace zu verführen versucht. Sie widersteht allen seinen Verführungskünsten und bewahrt noch unter den widrigsten Umständen – so wird sie auch von ihren Eltern verstoßen – ihre Tugend. Unter dem Einfluß eines von ihm verabreichten Betäubungsmittels vergeht sich Lovelace schließlich an ihr. Clarissa zerbricht daran, verkümmert und stirbt am Ende. 114,12 Clementinen] Clementina ist ebenfalls die tugendhafte Protagonistin in einem im 18. Jahrhundert breit rezipierten Briefroman Samuel Richardsons. Siehe [Samuel Richardson:] The History of Sir Charles Grandison. Vol. I–VII. London [1753] und 1754. Vgl. KJB 2888 ( = französische Ausgabe; Göttingen, Leiden sowie Leipzig 1756). – Zum Inhalt: Der tugendhafte Held des Briefromans, Sir Charles Grandison, verhindert durch Zufall die Entführung von Harriet Byron durch den unmoralischen Sir Hargrave Pollexfen. Es kommt zu einer Annäherung der beiden, doch Grandison fühlt sich Clementina, Tochter aus einem Adelshaus in Bologna, bereits verbunden. Eine Heirat scheitert aber daran, daß Clementina auf der Konversion Grandisons besteht. Als dieser ablehnt, fordert sie ihn auf, in seine Heimat zurückkehren und dort eine Frau seines Glaubens zu ehelichen. Dies geschieht auch, so daß es zu einer Verbindung Grandisons mit Harriet kommt. Das sich verdunkelnde Schicksal von Clementina lastet jedoch auf Grandison. Am Ende aber kann sich Clementina aus den Verstrickungen lösen, besucht das Paar in England und zeigt sich beiden freundschaftlich verbunden. 114,13 Julien] Julie ist die tugendhafte Protagonistin in dem im 18. Jahrhundert breit rezipierten und auch für J.s Romanschaffen vorbildlichen Briefroman JeanJacques Rousseaus. Siehe J[ean] J[acques] Rousseau: Lettres de deux Amans, Habitans d’une petite Ville au pied des Alpes. Recueillies et publiées par […]. [Schmutztitel: Julie, ou la nouvelle Heloïse]. 6 Teile. Amsterdam 1761. Vgl. KJB 3375 ( = Ausgabe Genf 1780). Ab 1764 erschien das Werk unter dem Titel La Nouvelle Héloïse, ou lettres de deux amans […] – Zum Inhalt: Der Briefroman handelt von der leidenschaftlichen Liebe zwischen Julie d’Étanges und ihrem Hauslehrer Saint-Preux, denen aufgrund der gesellschaftlichen Schranken keine eheliche Verbindung möglich ist. Julie heiratet daher Herrn de Wolmar; der verzweifelte Saint-Preux begibt sich auf eine Weltreise. Auf Einladung von Herrn de Wolmar kehrt Saint-Preux in die Gemeinschaft zurück. Der Ehemann zielt ab auf eine allmähliche Läuterung der leidenschaftlichen Gefühle, so daß ein glückliches Zusammenleben in einer ›Menage à trois‹ möglich wäre. Dieses Ideal erweist sich jedoch als brüchig. Im Diesseits ist die Leidenschaft nicht völlig zu besiegen. Die vollkommene Tugend läßt sich erst im Jenseits verwirklichen. Julie ringt beständig um die Tugend und stirbt am Ende. 114, 31–115,1  jener Amerikanischen Wilden … machen.] Siehe Jean Jacques Rousseau: Discours sur l’origine et les fondemens de l’inégalité parmi les hommes. Amsterdam 1762 (Oeuvres diverses de Mr. J. J. Rousseau […] Tome second.). 32: Il seroit affreux d’être obligé de louer comme un être bien-faisant celui qui le premier suggera à l’habitant des rives de l’Orenoque l’usage des ces ais qu’il applique sur les tempes de ses enfans & qui leur assurent du moins une partie de leur imbécilité, & de leur bonheur originel. Siehe Jean-Jacques Rousseau: Schriften zur Kulturkritik.



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Eingeleitet, übersetzt und hg. von Kurt Weigand. 5. Aufl. Hamburg 1995 (Philosophische Bibliothek; Bd 243). 109 und 129: Es wäre schrecklich, wenn wir denjenigen als ein wohltätiges Wesen preisen müßten, der als erster dem Bewohner der Ufer des Orinoko den Gebrauch jener Hölzer aufredete, die er an den Schläfen seiner Kinder anbringt, und die sie wenigstens eines Teils ihrer Einfalt und ihres ursprünglichen Glücks versichern. – Siehe auch [Paul Thiry d’Holbach:] Systême de la Nature ou Des Loix du Monde Physique & du Monde Moral. Par M. Mirabaud. […] 2 Teile. Londres 1770 (KJB 804). T. I.152: On nous dit que des sauvages pour applatir la tête de leurs enfans la serrent entre deux planches, & l’empêchent par là de prendre la forme que la nature lui destinoit. Siehe Paul Thiry d’Holbach: System der Natur oder von den Gesetzen der physischen und der moralischen Welt. Übersetzt von Fritz-Georg Voigt. Frankfurt am Main 1978. 129 ( =  Kap. I,9): Man sagt, daß die Wilden den Kopf ihrer Kinder, um ihn abzuf lachen, zwischen zwei Bretter einklemmen; auf diese Weise hindern sie ihn, die Form anzunehmen, die ihm von Natur aus bestimmt ist. 115,9  Aspasia ] Aspasia von Milet (ca. 470 bis 420 v. Chr.), zweite Frau des Perikles, Philosophin und Rednerin. In Platons Dialog Menexenos nennt Sokrates sie seine Lehrerin in der Rhetorik (235e). Dagegen wurde sie in griechischen Komödien als Hetäre dargestellt. Plutarch nennt beide Seiten (Perikles, 24). – Im Umkreis J.s scheint die negative Seite nicht von Belang gewesen zu sein. Wilhelm Heinse etwa verwendet Aspasia als Synonym für ›Philosophin‹ oder ›gebildete Frau‹, denn die von ihm als solche bezeichneten Frauen – Johanna Fahlmer und Sophie von La Roche – dürften von ihm hochgeschätzt worden sein: Siehe Heinse an J. G. Jacobi, 23. Februar 1776, Heinse-SW 9.266: […] das, so jugendlich es auch war, doch die Aspasien Fahlmer und Hompesch höchlich erfreute. Siehe auch: Heinse an Gleim ( fingierter Brief über die Düsseldorfer Gemäldegalerie vom August 1776), Heinse-SW 9.319: […] oder lieber geradeswegs weiter von Bensberg über das schöne Neuwied zur Aspasia der Sternheim. Siehe auch Wilhelm Heinse an Johann Wilhelm Ludwig Gleim, 15. Februar 1776, Heinse-SW 9.262: so schön, als ob der Liebe Tempe da / Alcibiaden zubereitet sey / Von Phrynen und Aspasien – 115,9  Danae ] In der griechischen Mythologie Tochter des Königs Akrisios und der Euridike und Mutter von Perseus; siehe Apollodor 2,2 und Homer: Ilias. 14.319–20. Als Perseus von einer Reise zurückkehrte, fand er seine Mutter als Schutzflehende am Altar, um sich so der Zudringlichkeit des Königs Polydektes zu entziehen (Apollodor 2,4). Weil sie durch den in einen Goldregen verwandelten Göttervater Juppiter schwanger wurde, war sie in der mittelalterlichen Malerei Sinnbild für die unbefleckte Empfängnis Marias; sie symbolisiert Reinheit und Keuschheit. – Danae ist auch eine der zentralen Gestalten in Christoph Martin Wielands Roman Geschichte des Agathon, der 1766/67 Frankfurt und Leipzig (richtig: Zürich) in zwei Teilen in erster, 1773 in Leipzig in vier Teilen in zweiter Fassung erschien. J. hat insbesondere die Herausgabe der zweiten Fassung mit kritischen Kommentaren begleitet; siehe die Briefe an Wieland vom 20. August und vom 27. Oktober 1772, JBW I,1.160 f. und 168–170. In dem in der griechischen Antike spielenden, mit moralphilosophischen Diskussionen durchsetzten Roman

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ist Danae eine Hetäre, die im Auftrag des materialistisch gesinnten Hippias den idealistischen Agathon verführen soll. Die Verführung gelingt, jedoch so, daß – vorübergehend – ein empfindsam-tugendhaftes Liebesverhältnis zwischen Agathon und Danae entsteht. In der zweiten Fassung entscheidet sich Danae am Ende für ein Leben in Keuschheit. 115,10  Phyllis ] Siehe Ovid: Heroides, 2. Brief (Phyllis an Demophoon). Phyllis ist dort die Tochter des thrakischen Königs Sithon, die aus Verzweiflung über das lange Fernbleiben ihres Geliebten Demophoon, der geschworen hatte, zu ihr zurückzukehren und der sie gebeten hatte, auf ihn zu warten, ihren Freitod plant. Ihr Brief ist die Anklage einer treuen, liebenden, aber von ihrem Geliebten enttäuschten, sich betrogen wähnenden Frau. 115,10  Melinde ] Melinde ist der Titel und die tugendhafte Protagonistin einer frühen Verserzählung Wielands. Siehe [Christoph Martin Wieland:] Erzählungen. Heilbronn 1752. 81/83–99. Siehe auch [Christoph Martin] Wieland: Poetische Schriften. Bd 1. Zürich 1762. 265–280. – Melinde verkörpert Tugend, Unschuld und eine mit dem Namen der Zärtlichkeit belegte reine Liebe. Sie wird Opfer einer Verführung, droht ihre Unschuld zu verlieren, bleibt jedoch im entscheidenden Moment standhaft und wählt am Ende ein Leben in Keuschheit. 115,15  Zauberstab des großen Merlin] Merlin war Zauberer und Prophet am Hofe des mythischen Königs Artus. Mit dem Zauberstab ist das Schwert Excalibur gemeint, das Merlin für König Artus anfertigte. – Wieland hat sich des Stoffes in den 1770er Jahren mehrfach angenommen. Siehe etwa Geron, der Adelich. Eine Erzählung aus König Artus Zeit. In [Christoph Martin] Wieland: Neueste Gedichte vom Jahre 1770 bis 1777. Neue, verbesserte Auflage. Carlsruhe 1777. 264–305. Auf die Erzählung folgen ib., 306 ff. Einige Erläuterungen zu dem besserm [!] Verständniß des vorstehenden Gedichts: 314–317 zu Merlin, 317 f. zu Schwerdt, wo es 318 heißt: König Artus seines [sein Schwert] hieß E s c a l i b o r. Es war ein Werk von Merlins Zauberkunst. Dies erschien – wohl erstmals – in Der Teutsche Merkur. 1777, Januar, 3–16 und Februar, 105–129; die Erläuterungen zu Merlin dort 136–138, zu Schwerdt 138 f. 115,17–18  Hörner, Fischschwänze, oder Krallen] Hörner, Schwanz und Hufe sind die klassischen Attribute einer Teufelsgestalt. 115,27  die neue Wassermaschine in dem Bergwerke zu D***] Diese in der Frühen Neuzeit beständig weiter entwickelten Maschinen dienten dazu, das beim Bergbau eindringende Wasser abzuschöpfen. Siehe Zedlers Universal ­lexi­ con 53.638–645. Ib., 641 (Bezug: Wassermaschine, Lehmanns ): Giebet unsäglichen Nutzen. an erster Stelle: 1) Im Bergbau, alle ersoffene Gruben zu gewaltigen, und wo keine Künste, aus Mangel oder wenigem Aufschlagwasser anzubringen, und die Künste selbst die Wasser folglich nicht mehr zu halten vermögend sind, da doch so dann durch diese erfundene Maschine jeder Zeche Hülffe geschiehet, und mehrere Ertztteufe erlangen, folglich reichhaltigere Anbrüche erhalten, und mit Wasserloosung und Ausbeute gebauet werden kan, wodurch der Zehnden augenscheinlich erhöhet, und mehrere Bergleute gefördert, auch nothwendig Ausbeute geschaffet werden muß. / 2) Fördern auch diese aus der Grube gehobe-



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nen Wasser über dieses Ertzte, und schaffen Bergloosung. – Siehe zum Einsatz solcher Maschinen im Bergbau auch Goethe an J., 9. September 1788, JBW I,8.55,19–22, sowie Goethe an Christian Gottlob Voigt, 16. August 1788, WA IV,9.11: Mit Freuden höre ich daß alles so gut geht daß Sie alles zu Ihrer Zufriedenheit getroffen haben. Das Rad muß würcklich eine ansehnliche Maschine seyn und sich ehrwürdig in der Finsterniß herumdrehen. Daß Sie einige Lachter schon gewältigt haben, ist auch ein guter Anfang. 115, 30 –116,17 Ungefähr … erwiesen hätte.] Auch in Goethes Werther hilft der Protagonist der Angehörigen eines niederen Standes und reflektiert kritisch über das übliche Verhalten von Standespersonen. Siehe [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 12 f. (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 15. Mai 1771): Die geringen Leute des Orts kennen mich schon, und lieben mich besonders die Kinder. Eine traurige Bemerkung hab ich gemacht. Wie ich im Anfange mich zu ihnen gesellte, sie freundschaftlich fragte über dieß und das, glaubten einige, ich wollte ihrer spotten, und fertigten mich wol gar grob ab. Ich ließ mich das nicht verdriessen, nur fühlt ich, was ich schon oft bemerkt habe, auf das lebhafteste. Leute von einigem Stande werden sich immer in kalter Entfernung vom gemeinen Volke halten, als glaubten sie durch Annäherung zu verlieren, und dann giebts Flüchtlinge und üble Spasvögel, die | sich herabzulassen scheinen, um ihren Ueber­ muth dem armen Volke desto empfindlicher zu machen. / Ich weiß wohl, daß wir nicht gleich sind, noch seyn können. Aber ich halte dafür, daß der, der glaubt nötig zu haben, vom sogenannten Pöbel sich zu entfernen, um den Respekt zu erhalten, eben so tadelhaft ist, als ein Feiger, der sich für seinem Feinde verbirgt, weil er zu unterliegen fürchtet. / Lezthin kam ich zum Brunnen, und fand ein junges Dienstmädgen, das ihr Gefäß auf die unterste Treppe gesetzt hatte, und sich umsah, ob keine Camerädin kommen wollte, ihr’s auf den Kopf zu helfen. Ich stieg hinunter und sah sie an. Soll ich ihr helfen, Jungfer? sagt ich. Sie ward roth über und über. O nein Herr! sagte sie. – Ohne Umstände – Sie legte ihren Kringen zurechte, und ich half ihr. Sie dankte und stieg hinauf. (WA I,19.10 f.) – Der Ur-Götz mit dem Titel Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand, abgefaßt im November und Dezember 1771, enthält dieselbe Szenerie wie der Allwill – ein umgestürzter Karren und das Aufeinandertreffen des niederen mit dem höheren Stand – allerdings mit umgekehrter Rollenverteilung und einer gänzlich anderen Darstellung des niederen Standes. Siehe Der junge Goethe Bd II.142: F u h r m a n n . Nein geh! Es war hübsch von ihm und hat mich von Herzen gefreut, wie er geritten kam und sagte: liebe Freund, seyd sogut, spannt eure Pferd aus und helfft mir meinen Wagen von der Stell bringen. Liebe Freund sagt er, wahrhafftig es ist das erstemal dass mich so ein vornehmer Herr lieber Freund geheissen hat. / B a u e r. Dancks ihm ein spitz Holz; wir mit unsern Pferden waren ihm willkommner als wenn ihm der Kayser begegnet wär. Stack sein Wagen nicht im Hohlweeg zwischen Tühr und Angel eingeklemmt. Das Vorderrad biss über die Axe im Loch, und’s hintere zwischen ein Paar Steinen gefangen; er wusst wohl

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was er taht wie er sagte liebe Freund. Wir haben auch was gearbeit biss wir ’n herausbrachten. Das vom Ritter empfangene Trinkgeld kommentieren die Bauern so: Das lassen wir uns freylich ietzt schmecken. aber ein grosser Herr könnt mir geben die Meng und die Füll, ich könnt ihn doch nicht leiden ich binn ihnen allen von Herzen gram, […] Diese Szene ist weder in der Erstausgabe des Götz von 1773 noch in der zweiten Ausgabe von 1774 enthalten. Diese frühe Fassung erschien erstmals 1832 in Band 42 der Ausgabe letzter Hand. Siehe hierzu FA I,4.127 f. und 709. Dennoch ist es durchaus möglich, daß J. im Rahmen der persönlichen und freundschaftlichen Kontakte zu Goethe 1774/1775 in Düsseldorf und Frankfurt am Main Einsicht in dieses Manuskript erhielt. Für den ebenfalls im Jahre 1771 entstandenen Text Zum Schäkespears Tag ist dies z. B. nachweisbar. Siehe Anm. zu 64,14. 116,4–5  meine goldene Einfassung] Es könnte die goldene Einfassung eines Gewandes oder Accessoires gemeint sein. Vgl. Ex 28,13. In Johann Heinrich Mercks Schmähgedicht auf den ersten Allwill-Druck in Wielands Teutschem Merkur heißt es hierzu, Wieland-BW 5.512,53: Der gar das Gold aufm Rok nicht vergißt! – Siehe oben 276. 117,1 Engländer] Wohl ein besonders gutes und teures Pferd. Siehe auch Journal des Luxus und der Moden. 1791, Bd 6, Juli, 397 f. und August, 460 f.: In der Rubrik Equipagen werden dort unter anderem englische Pferde vorgestellt. 117,10–11  alle Schimpfworte … geängstigt] Siehe oben 116,8–10. 118,29 Donau] Die Donau ist mehrfach als Referenzpunkt der Region genannt; siehe oben 156,4 und 147,16 sowie 182,4 und 185,21. 118, 34 Topinambu] Etwa: ›einfältiger Mensch‹. Siehe Paul-Emile Littré: Dictionnaire de la langue française. 6 Bde und Suppl. Chicago 1987. Bd 6.6356: t o p i n a m b ou x […] Nom d’un peuple du Brésil, qu’on a quelquefois employé pour désigner des gens grossiers et ignorants. Voire chez les Grecs, qui pour nous Sont pires que Topinamboux, S c a r r. Virg. V. J’ai traité de Topinamboux Tous ces beaux censeurs, je l’avoue, Qui, de l’antiquité si follement jaloux, Aiment tout ce qu’on hait, blâment tout ce qu’on loue, B oi l . Epigr. XXV. / Boileau en a fait un adjectif: Et l’Académie, entre nous, Souffrant chez soi de si grands fous, Me semble un peu topinamboue, E pi g r. XXV. Siehe auch C. M. Wieland an J. H. Merck, 14. und 15. Mai 1778, Wieland-BW 7.59: Ich habe, seitdem mich Friz Jacobi verlassen und aufgegeben hat, einen so innigen Eckel vor allem was einer Verbindung mit einem Genie, Bel-Esprit, und Prätendenten an das eine oder andre ähnlich sieht, in den Leib gekriegt, daß ich lieber mit Schneidern und Schustern, Topinambous und Hottentotten als mit Leuten, die Prose und Verse drucken lassen, umgehen möchte. 118, 34 Virtuoso] Hier wohl: Musiklehrer. Neben einer allgemeineren Verwendungsweise (ein Meister seiner Kunst) war im 18. Jahrhundert auch eine engere gebräuchlich: als Synonym für einen (herausragenden) Musiker. Siehe Dt. Wb. 26.372–374. Siehe auch J. an Wieland, 8. und 11. Juni 1777, JBW I,2.62,2. – J.s ältester Sohn Johann Friedrich Jacobi lernte zu dem Zeitpunkt der Niederschrift des Allwill bereits das Geigenspiel: Siehe den Schattenriß, der den Jun-



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gen mit der Geige zeigt. In Kurt Christ: Bewahren durch Entsagen. Das Jacobi-Depositum im Goethe-Museum Düsseldorf. Eine Ausstellung zum 80. Geburtstag von Helmut Jacobi. Düsseldorf [1991]. 39, sowie H. E. Jacobi an Goethe, 9. Dezember 1773, JBW II,1.201: Fritz u. Georg lassen vielmahl für die Violine danken. Siehe auch J. an Heinse, 20., 23. und 24. Oktober 1780, JBW I,2.208,29–32: Er [Georg Arnold] hat zu Wandsbeck das Violoncellospielen lernen, und überraschte mich mit seiner geheim gehaltenen Kunst sehr angenehm in einem Conzert. Fritz hat sich auf der Geige mit gutem Erfolge geübt. 119,1  Ouvertüre vom Deserteur] Le Déserteur ist eine komische Oper (opéra comique) in drei Akten von Pierre Alexandre Monsigny (1729–1817), Libretto von Michel Jean Sedaine, Erstaufführung in der Comédie Italienne in Paris am 6. März 1769. Sie zählt zu Monsignys bedeutendsten Werken. Siehe MGG2 Personenteil 12.362–365. 119,1  Lücile] Lucile ist eine komische Oper (opéra comique) von André Ernest Modeste Grétry (1741–1813), Libretto von Marmontel, Erstaufführung in der Comédie Italienne in Paris am 5. Januar 1769. Inhaltlich steht sie als sentimentales Familiendrama, in welchem das Landleben idealisiert und die Standesgegensätze überwunden werden, ganz in der Tradition der Empfindsamkeit. Die Oper erfreute sich in ganz Europa einer großen Popularität. Siehe MGG2 Per­ sonenteil 7.1595. 119,23  im Neglige] Ende des 18. Jahrhunderts verstand man darunter eine legere Kleidung im englischen Stil, die den empfindsamen Idealen von Natürlichkeit und Freiheit entsprach. Siehe Journal der Moden. 1787, Bd 2, Januar, 19–20: 2) Englische Dame im Negligee. / Hier ists eigentlich, wo die Engländerinnen durchaus original sind. Die größte Simplicität die von der Hand der Natur selbst vorgezeichnet scheint, giebt ihnen den originellen Reiz, der so sehr für sie einnimmt. […] / Die junge Dame die wir auf Taf. 2. Fig. 2. liefern, ist im Undress, oder Negligee. Sie trägt einen ziemlich großen feinen Strohhuth, auf die eine Seite gesetzt. Er ist mit weißen [!] Tafft gefüttert, und mit einer sogenannten Honigwaben-Frisur (Honey-comb trimming) von Flor eingefaßt. Auf den Kopf, den ein rosa Band mit einer gesperrten großen Schleife umfaßt, | ist gleichfalls weißer Flor gepufft. Die Haare sind um den ganzen Kopf ein lockigter Krepp, und hinten gleichfalls lockigt f liegend, und ungepudert. Das Halstuch ist von Flor, ziemlich groß und mit dreyfacher breiter Fulbala. Sie trägt einen ganz einfachen rosa Atlas-Rock mit langen engen Aermeln, und plattirten oder Perlenmutterknöpfen. / Zu dieser Kleidung werden gewöhnlich schwarze Atlas-Schuhe, so wie auch die großen Mode-Brust-Bouquets getragen. Siehe auch Journal der Moden. 1786, Bd 1, März, 123 f.: Das männliche Negligé, oder, um uns des rechten Kunstworts zu bedienen, der Mann en Chenille, ist | wie wir schon im vorigen Stücke sagten; eigentlich die männliche Mode-Puppe; weil das Negligé keine conventionelle Etikette voraussetzt, und jedem Erdensohne volle Freyheit läßt, sich nach eigener Phantasie, Wahl und Laune, geschmackvoll oder geschmacklos, anständig und schön, oder geckenhaft und lächerlich zu kleiden. Ib., 125: Der Mann

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ist en Negligé, sobald er im Frack oder Surtout, und zu seinen täglichen Arbeiten und Geschäften bequem gekleidet ist. Siehe auch ib., 3 (1788), Juli, Zwanzigste Tafel sowie 290 und 295. 119, 33 Schokolaten-Topf ] Siehe Zedlers Universallexicon 5.2169: C h o c o l a t e n -To p f f , ist ein länglicht-runder küpferner Topff, auf einem breiten Fuß stehend, und forn her mit einer Schnautze, der Deckel aber mit einem Loche versehen, worinnen der Qvirl steckt, mit welchem man die Chocolate qvirlt. 120,8–9  mein Kopf zurecht gemacht] In D2 heißt es: meine Toilette gemacht. Siehe oben 29,31 f. mit Anm. 120,22  wie Du neulich schriebst] Der Brief ist nicht Teil des Romans; siehe die Herausgeberfiktion oben 87,2–5. 120,23–24  Portraits … die Albano von ihm gemacht] In D2 heißt es statt dessen: aus denen Portraits kennst, die Guido und Maratti von ihm gemacht haben. Siehe 30,5 f. mit Anm. – Francesco Albani (auch: Albano) (1578–1660), italienischer Maler aus Bologna. Motive aus der antiken Mythologie verbanden sich in seinen Bildern mit idyllischen Landschaftsdarstellungen. Seine zahlreichen Kinder sollen ihm als Vorbilder bzw. Modelle – insbesondere für die Darstellung von Amoretten – gedient haben. Siehe vor dem Hintergrund des auffälligen Anachronismus J.s die Aussagen über den Maler Johann Friedrich Eich (1748–1807), der seit etwa 1779 in Düsseldorf arbeitete, aus seinem Briefwechsel: Wilhelm Heinse an J., 15. September 1781, JBW I,1.342,35–37: Der goldne Eich wird nun bald in allen den jungen Sproßen zum Alban sich mahlen können. Siehe auch Johann Wilhelm Ludwig Gleim an J., 4. November 1781, JBW I,2.369,26 : Wäre doch der neue Kindermahler Eich Alban itzt bey uns […]. Siehe auch Heinse-SW 9.409. 120,28 Gutsel] Bonbon. – Siehe die Parallelstelle in Syllis Brief, oben 107,28 f.. 120, 33 –121,12  wie unser Clerdon … M e i ne n ! ] Vgl. dasselbe Motiv in Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloise (1769). Bd II.159 (4. Teil, 1. Brief, Mme. de Wolmar an Mme. d’Orbe): Mais quand nous sommes seuls, il ne se promene qu’avec moi; il quitte peu sa femme & ses enfans, & se prête à leurs petits jeux avec une simplicité si charmante, qu’alors je sens pour lui quelque chose de plus tendre encore qu’à l’ordinaire. Ces moments d’attendrissement […]. (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.402.) – Dt.: Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden (1761). Teil IV.11: Wenn wir aber allein sind, geht er nie ohne mich; er verläßt seine Frau und seine Kinder selten, und mischt sich mit einer so treuherzigen Gefälligkeit in ihre Spiele, daß ich alsdenn etwas zärtlichers, als gewöhnlich, gegen ihn empfinde. Diese Augenblicke voller Rührung […]. – Vgl. auch [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 16 (Erster Teil, Wer­ ther an Wilhelm, 17. Mai 1771): Noch gar einen braven Kerl hab ich kennen lernen, den fürstlichen Amtmann. Einen offenen, treuherzigen Menschen. Mann sagt, es soll eine Seelenfreude seyn, ihn unter seinen Kindern zu sehen, deren er neune hat. (WA I,19.13.) 121,22 herrlich] Dt. Wb. 10.1147: freudigen gemüts, fröhlich.



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121, 37–122,1  Deinem jüngsten Briefe] Der Brief ist nicht Teil des Romans; siehe die Herausgeberfiktion oben 87,2–9 und 88,32 f.. 122,4  Du wirfst mir vor] Ein Brief mit solchem Inhalt ist nicht Teil des Romans; siehe die Herausgeberfiktion oben 87,2–9 und 88,32 f. 122,20  Bombacino] In D2 heißt es statt dessen Garbetto. In der beigefügten Fußnote findet sich die Erklärung: Sylli’s Hündchen. Siehe 32,29.38. 122,27 Spieltisch] Der Spieltisch gehörte zu den geselligen Zusammenkünften der Zeit. 123,7–8  B r ie f e vo n Sy l l i ! … andre.«] In D3 ist an dieser Stelle in einer Fußnote verwiesen auf: Die Briefe vom 6ten, 7ten und 8ten März. Siehe oben 38,33–34 sowie 97–100 und 104–108. 123,11 Tante] Siehe die Fußnote oben 120,35–37. 123,12 Bosket] Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 6.248: Bosquet, ein Lustgebüsch oder Lustwäldchen, das z. E. in einem großen Garten angelegt ist; […]. 123,15 Rasenbank] Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 120.691: Rasenbank, in den Gärten und andern freyen Plätzen, ein mit Rasen belegter Sitz, sowohl mit als ohne Rücklehne, d ie G r a s b a n k . 124,6–7  Wohl glaube ich … hast] Siehe oben 104,7–10. 124,12 Pf laumfedern] Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 12.372 f. [Artikel Feder]: F l a u m f e d e r n […] nen|net man die leichtesten und weichsten Federn unten am Bauche des zahmen sowohl als wilden Gef lügels, welche keine Kiele haben. 124,20–23 wie J a c o b, … schleppen?] Gen 32,25–30. 124, 31  Arria lächelte auch.] C. Plinius Caecilius Secundus: Epistulae. III,16. – Siehe Plinius Caecilius Secundus, Gaius: Les lettres de Pline le jeune. Nouvelle édition, revue et corrigée. 2 Bde. Paris 1760 (KJB 2772). 228: Son mari, & son fils, étoient en même-temps attaqués d’une maladie, qui paroissoit mortelle. Le fils mourut. C’étoit un jeune homme d’une beauté, d’une modestie, qui charmoient; & plus cher encore à son pere & à sa mere par de rares vertus, que par le nom de Fils. Arria donna de si bons ordres pour les obsèques, que le pere n’en sçût rien. Toutes les fois même qu’elle entroit dans la chambre de son mari, elle lui faisoit entendre, que leur fils se por|toit mieux. Souvent pressée de dire comment il étoit, elle répondoit, qu’il n’avoit pas mal dormi; qu’il avoit mangé avec assez d’appétit. Enfin, lorsqu’elle sentoit qu’elle ne pouvoit plus retenir ses larmes, elle sortoit; elle s’abandonnoit à sa douleur; & après l’avois soulagée, elle rentroit les yeux secs, le visage serein, comme si elle eût laissé son deuil à la porte. Siehe C. Plinius Caecilius Secundus: Sämtliche Briefe. Lateinisch / Deutsch. Übersetzt und hg. von Heribert Philips und Marion Giebel. Nachwort von Wilhelm Kierdorf. Stuttgart 2005. 207: (3) Ihr [Arrias] Mann, Caecina Paetus, und ihr Sohn waren krank, beide, wie es schien, lebensgefährlich. Der Sohn starb; er war ein Mensch von außergewöhnlicher Schönheit und gleichem Ehrgefühl, seinen Eltern wegen seiner anderen Eigenschaften nicht weniger teuer, als weil er ihr Sohn war. (4) Sie besorgte für ihn die Bestattung und hielt das Leichenbegängnis so ab, daß

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ihr Mann nichts merkte; ja sooft sie sein Schlafzimmer betrat, tat sie so, als lebe der Sohn noch und es gehe ihm sogar besser; und sehr oft antwortete sie; wenn er sich nach dem Befinden des Jungen erkundigte: »Er hat gut geschlafen, er hat mit großem Appetit gegessen.« (5) Wenn dann die lange zurückgehaltenen Tränen die Oberhand gewannen und hervorstürzten, ging sie hinaus; erst dann überließ sie sich ihrem Schmerz; hatte sie sich ausgeweint, trocknete sie die Augen und kehrte mit gefaßter Miene zurück, als ob sie ihren Verlust draußen zurückgelassen hätte. 125,8–15  Auf der Zunge …fanden Worte.] Vgl. dasselbe Motiv in Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloïse (1769), wo Rousseau die innige Zärtlichkeit zwischen Julie und ihrer Kusine Claire beschreibt. I.142 (1. Teil, 38. Brief, St. Preux an Julie): Dieux! quel ravissant spectacle ou plutôt quelle extase, de voir deux Beautés si touchantes s’embrasser tendrement, le visage de l’une se pencher sur le sein de l’autre, leurs douces larmes se confondre, & baigner ce sein charmant comme la rosée du Ciel humecte un lis fraîchement éclos! J’étois jaloux d’une amitié si tendre; je lui trouvois je ne sais quoi de plus intéressant qu’à l’amour même, & je me voulois une sorte de mal de ne pouvoir t’offrir des consolations aussi cheres, sans les troubler par l’agitation de mes transports. Non, rien, rien sur la terre n’est capable d’exciter un si voluptueux attendrissement que vos mutuelles caresses, & le spectacle de deux amans eût offert à mes yeux une sensation moins délicieuse. (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.115.) – Dt.: Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden (1761). Teil I.191 f.: Gott! Was für ein entzückender Anblick, oder vielmehr, welche himmlische Freude war das nicht, als ich sah, wie zwo solche einnehmende Schön­heiten einander zärt|lich umarmten, wie der einen Gesicht auf den Busen der andern sich neigte, wie ihre freundschaftlichen Thränen sich vermischten, und diesen reizenden Busen benetzten, so wie der Thau vom Himmel eine frisch aufgebrochene Lilie. Ich beneidete eine so zärtliche Freundschaft; ich fand darinnen ich weis nicht was rührenders, als bey der Liebe selbst; und gewisser maßen war ich unzufrieden mit mir selbst; daß ich dir nicht eben so angenehmen Trost darbieten konnte, wenn ich ihn nicht zugleich durch meine stürmischen Entzückungen stören wollte. Nein, nichts, nichts auf der Welt ist fähig, so rührende Zärtlichkeit zu erregen, als eure beiderseitigen Liebkosungen; und bey dem Anblicke zweyer Verliebten hätten meine Augen bey weitem nicht so viele Annehmlichkeit empfunden. 126,17 Sangboden] Siehe Zedlers Universallexicon 31.745: Resonanzboden, oder Sangboden, ist der obere subtile Boden eines Instruments, über welchem die Saiten sind, es seyn gleich Darm- oder Drat­ saiten. 126, 32–34  was Amalia jüngst … einhauchen.] Die Parallelstelle in D2 (siehe oben 42,10–12 ) bezieht sich zurück auf 32,15–21; in D4 ist diese Bezugsstelle nicht mehr enthalten. 127,1  Frau von Reinach] Siehe 120,35–37. In D2 und D3 hieß es an der früheren Stelle (oben 29 FN) Steinach, an der Parallelstelle zu der hier kommen-



Kommentar423

tierten (oben 42,15) Reinach. Eine Differenz, die vermutlich auf einen Setzer­ fehler zurückzuführen ist. Siehe Anm. zu 42,15. 127,13  Clemens von Wallberg] Der Adressat dieses Briefes wurde in der E i n l e it u n g (siehe oben 96) nicht erwähnt; es handelt sich um den Cousin von Lenore und Clärchen von Wallberg (siehe oben 130,13) und um den Bruder Syllis (siehe oben 147,24.35). Zu den Familienverhältnissen siehe auch 6,38 –7,20 ( = Variantenapparat). 127,17 Bettel] das Erbettelte, wertloses Zeug. Siehe Dt. Wb. 1.1726 f. (Bet­t el). Ib., 1727 (als Fazit): Die ausgehobnen stellen zeigen, dasz die vorstellung des bettelns leicht übergieng in die der gebettelten, und dann überhaupt einer werthlosen, geringen sache. es heiszt von verschmähter gabe, ohne dasz dabei an »betteln« gedacht wird, verächtlich: »ich warf ihm den ganzen bettel vor die füsze; das ist ja nur ein bettel!« 128,2–4  Indessen, Lieber, … B e t t e l e y ! ] Siehe Anm. zu 204,20–25. 130,7–10  Einen Anschlag … ansehen kann.] Auf diese Passage nimmt J. in seinem rechtfertigenden Brief an Johann Albert Heinrich Reimarus vom 10. Oktober 1781 Bezug, JBW I,2.357,35 –358,2: Selbst mein Wildfang, mein Allwill ist weit davon entfernt » d e r A u s s chwe i f u n g d e r B e g ie r d e n i n Wol lu s t« das Wort zu reden. So wie er ist kann er vieleicht an den Galgen oder auf das Rad kommen: schwerlich aber | seinen Geist beschäfftigen, vergnügen u aufgeben wie ein Sardanapal, wie ein Wollüstling. 130,13  Deinen Cousinen] Lenore und Clärchen von Wallberg. 131,2  E he l iche L ie b e ] Siehe hierzu Wielands Aussage zum AllwillManuskript in seinem Brief an J. vom 14. Juli 1776, JBW I,2.44,9–15: Für alles Uebrige habe Dank im Namen aller guten Menschen, besonders für das herrliche Ideal, wozu Dir Dein Weib, die Göttin, gesessen hat, und für alles Herrliche, was Du da zum ersten Male, seitdem man schreibt, von der ehelichen Liebe der braven Weiber gesagt hast. Alles das ist eigentlich Wo r t G o t t e s , wie’s Goethe nennt; und also soll auch Gott die Ehre davon haben und nicht Du – – 132,24–25  die alten Republikaner … hiengen.] Siehe J. an F. F. W. M. von Fürstenberg, JBW I,1.119,32 –120,20 : Wie anders waren hierin die Griechen beschaffen! Die Kunst die Sitten zu vergnügen hatten sie überaus viel weiter als wir getrieben; sie hingen auch starker als wir an diesen Ver­ gnügungen, und gestanden offenherzig wie groß ihr Werth für sie sey: kam aber der Ruf des Vaterlandes oder der Ehre vor ihr Ohr, so übernahmen sie ohne Wiederwillen Arbeit und Beschwerde, und liefen freudiger den Gefahren und dem Tode entgegen, als sie zu ihren Spielen gingen. […] / Was haben nun w i r wohl an die Stelle dieses edlen das Herz und den Geist erhebenden Enthusiasmus für Vaterland und Ehre zu setzen? – Ich sehe nicht daß wir vernünftiger Weise etwas anderes als Heilige werden können. Es mag angehen daß wir einen jungen Menschen dazu bereden eine Maulschelle anzunehmen ohne sie in diesem Leben wiederzugeben, oder eine sonstige Entschädigung dafür zu erhalten; aber der ungereimteste Anschlag von der Welt wäre es, in unseren Zeiten einen Aristides, einen Epaminondas, einen Timoleon bilden zu wollen. / Nichts

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desto ­weniger bringen die Beyspiele der großen Männer aus dem Alter­ thume selbst unter uns noch die glücklichsten Wirkungen hervor. 132,25–30  unsern mächtigen Philosophen, … gram sind.] Siehe Anm. zu 198,28–29 132, 31  unbeschränkten göttlichen Wohlwollen] Siehe oben 128,2–4. 133, 32 Hiob] Hiob 1. Die im nachfolgenden Text entwickelte Vision einer Prüfung Amalias ist analog zu der im ersten Kapitel des Buches Hiob erzählten Prüfung Hiobs durch Gott konstruiert. 133, 34 Mückenseiger] Siehe Dt. Wb. 12.2613: Mückenseiger, m. nach der biblischen Formel Matth. 23,24 […] Bezeichnung eines übelwollenden Kleinigkeitskrämers […]. 134, 34–35  So opferten … wußten.] Dieser Zusatz findet sich nur in D5. Pelasger wurden von den Schriftstellern der Antike die Ureinwohner Griechenlands genannt. Zur Aussage J.s über die Pelasger siehe Herodot: Historiae. II,52. Siehe Herodot: Historien. Griechisch-deutsch. Hg. von Josef Feix. 2 Bde. München / Zürich 1988. Bd I.247: Die Pelasger haben in früheren Zeiten, wie ich in Dodona persönlich erfahren habe, alle Opfer unter Gebeten an die Götter dargebracht, ohne den einzelnen Gott mit Beinamen oder Namen anzurufen. Sie kannten eben diese noch nicht. Sie nannten sie aber Götter danach, daß sie allen Dingen Ordnung verliehen, und jegliches richtig verteilten. Erst viel später erfuhren sie die Namen der anderen Götter, die aus Ägypten stammten – der Name Dionysos gelangte noch viel später zu ihnen –, und darauf fragten sie wegen dieser Benennungen in Dodona an. Dieses Orakel gilt nämlich als das älteste bei den Griechen, und es war zu jener Zeit auch das einzige. Auf die Anfrage der Pelasger bei dem Orakel in Dodona, ob sie die Götternamen aus der Fremde annehmen sollte, antwortete das Orakel, sie sollten es tun. Seitdem also opferten sie, indem sie diese Götternamen anwendeten. Von den Pelasgern übernahmen sie später die Griechen. Die zu kommentierende Stelle ist also nicht so eng auszulegen, daß die Pelasger gar keine Götter kannten; siehe Terpstra 338 f., Anm. 41. Gemeint ist vielmehr, daß der Polytheismus und Anthropomorphismus der griechischen und römischen Götterwelt ihnen noch fremd war. 135,2 Wildfang] J. nennt – in dem rechtfertigenden Brief an J. A. H. Reimarus – Allwill seinen Wildfang. Siehe Anm. zu 130,7–10. 135,8–10 Unsere Ph i l o s o ph e n … Athem aus.] In seinem (ersten) Brief an J. G. Hamann vom 16. Juni 1783 erläutert J. seine Absichten als Autor der Romane Eduard Allwill und Woldemar. In diesem Zusammenhang heißt es, JBW I,3.163,3–6 : Mir deucht unsre Philosophie ist auf einem schlimmen Abwege, da sie über dem Erklären der Dinge, die Dinge selbst zurück läßt; wodurch die Wißenschaften freylich sehr deutlich, u die Köpfe sehr hell, aber auch in demselben Maße leer u seicht werden. 136,5–6  ich, der ich … lieben kann?] Vgl. hierzu J.s kurz nach dem Erstdruck des Allwill in der Iris ( = D1) datierenden Brief vom 16. Oktober 1775 (Adressat unbekannt), der die Form eines spontan festgehaltenen Erweckungserlebnisses trägt, JBW I,2.27,21–33: Die Philosophen analysiren, und räsonniren, und expliziren, welcher Maassen es z ugehe daß wir erfahren: / Etwas



Kommentar425

sey außer uns. / Ich muß der Leute lachen, unter denen auch ich gewesen bin. / Ich öffne Aug’ und Ohr, oder ich strecke meine Hand aus, und fühle in demselbigen Augenblick unzertrennlich: D u und Ich ; Ich und D u .  / Würde alles was ausser mir ist von mir getrennet, so versänk’ ich in Fühllosigkeit, in Tod. D u , Du! giebst das Leben. / Nur noch irrdisches Leben zwar: aber wie viel ist das nicht schon; wie hang ich daran? / Jedwedes Ding also Lebensquelle; Stütze der e i g e ne n E x i s t e n z d e s a n d e r n ein liebes D u . / D u , verlass mich nicht; verlass mich nicht, oder ich vergehe! 136,11  D e m s e l b e n .] Eduard Allwill an Clemens von Wallberg. 136,12–13  drey Wochen … langen Brief ] Die Briefe IX. und X. der Sammlung – beide Eduard Allwill an Clemens von Wallberg – sind un­datiert und befinden sich zwischen den Briefen vom 14. und vom 20. März. Weitere Briefe von Allwill an Clemens von Wallberg sind nicht Teil des Romans. 136,14  Brief an Luzie] Dieser Brief ist nicht Teil des Romans. Er ist allerdings Gegenstand eines anderen Briefes; siehe oben 136,19 –137,5. 136,14  wovon Du weißt] In D2 heißt es in einer in D4 fehlenden Nachschrift zum ersten der beiden Briefe von Eduard Allwill an Clemens von Wallberg, oben 52,6–8 : Grüsse Luzie. Ich schreibe ihr noch diese Woche. Vielleicht hat sie dir den Brief gezeigt, worinn ich ihr meinen Abschied von Nannchen erzählte. 136,15  über meine Geschichte mit N a n n che n ] Siehe oben 129,1 f. : Die merkwürdige Entwickelung meines Romans mit N a n n che n , worüber ich Dir eine eigene lange Epistel schreiben wollte? 136,16  Auf diese habe ich schon Antwort] Dieser Brief Luzies an Eduard Allwill ist nicht Teil des Romans. Inhalt und Form des Briefes sind aber zum Teil aus diesem Brief erschließbar. Siehe 137,5–7.21–32 und 139,2–4. 137,9–10  dem edlen G ä n s e s pie l ] Das Gänsespiel ist eines der ältesten Brettspiele. Es konnte jedoch – ähnlich dem ebenfalls erwähnten Spiel von der blinden Kuh – auch ein Spiel sein, in welchem die Spieler selbst und nicht die Spielsteine die Gänse darstellen. Siehe Dt. Wb. 4.1278. Siehe auch Goethes Gedicht Das Leben ist ein Gänsespiel im West-östlichen Divan; WA I,6.82 ( Buch der Betrachtungen) und Erläuterung HA II.604 f. 137,16 inclement] inclemens, lat. hart, streng. Hier in Anspielung an den Namen Clemens, der wörtlich ›sanftmütig‹ oder auch ›mild‹ bedeutet. 137,29  en chauve-souris] chauve-souris, franz. Fledermaus. Sie war auch eine der möglichen Verkleidungen im venezianischen Karneval: ein dunkler Domino mit Kapuze und schwarzer ganzer Maske; siehe Meyers Großes KonversationsLexikon 3 (1905) 906. – Terpstra – und, ihm folgend, der Allwill-Übersetzer di Giovanni – verweisen hier auf die Fabeln von La Fontaine La Chauve-souris et les deux Belettes und La Chauve-Souris, le Buisson, et le Canard, in welchen die Fledermaus für Zweideutigkeit und Unaufrichtigkeit steht. [ Jean de La Fontaine:] Fables choisies, mises en vers par […], avec un nouveau commentaire par [Pierre] Coste. Nouvelle Édition, ornée de figures en taille douce. 2 Bde. Paris 1787 (KJB 3302). Bd I.107 f. ( = Buch II, Nr. 5) und Bd II.273 f. ( = Buch XII, Nr. 7).

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138,6 schiert] bekümmert. Schieren ist eine Nebenform von scheren, die hier in der Bedeutungsvariante von kümmern, bekümmern gebraucht ist. Siehe Dt. Wb. 14.2576, Abschnitt I.5 b. Siehe auch J. an Christoph Martin Wieland, 11. Februar 1775, JBW I,1.292,8 f. : Alles, was hier mich schiert und petzt, […]. 138,15–17  Darf ich das … nährte?] Siehe oben 129,1–2. 138, 34  Das taugt ihr nicht] Hier wohl im Sinne von ›Das ziemt ihr nicht‹, ›Das kommt ihr nicht zu‹. Siehe Dt. Wb. 21.196, Abschnitt II.1 a. 139,15  Alle haben Dir geschrieben] In der zugehörigen Fußnote ist verwiesen auf den VIIIten Brief. Diesen Brief haben Cläre (Clärchen), Clerdon und Lenore an Sylli geschrieben; siehe oben 123–127. 140,25–26  liebe Stelle in … Kindesgleichen.] Siehe oben 107,18–30. 140,29  Mädchen von Heimfeld] Lenore und Cläre; siehe oben 120, 10.35–37. 140, 33–34  Du bist auch … verlorst] Siehe oben 95,32 f.. Terpstra (339, Anm. 46) verweist auf das verwandte Motiv in Rousseaus Nouvelle Heloïse, wo Julie ihre Nichte Claire bei sich haben möchte, um mit ihr die Mutterfreuden zu teilen. Siehe Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloise (1769). Bd II.154 f. ( = Quatrieme Partie, Lettre I.) ( Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.400.) 140, 36  Du hast selbst … auch thue.] Rousseau hat in seinem Erziehungsroman Émile ou De l’education, zu Beginn des ersten Buches, das Stillen als eine Pflicht der Mütter definiert. Siehe Emile, ou de l’Éducation. Par J. J. Rousseau, […] Tome premier. Geneve 1780 (Collection complete des œuvres de J. J. Rousseau, […]. Tome Septieme. Geneve 1782) (KJB 56). 22 f.: D’où vient cet usage déraisonnable? D’un usage dénaturé. [gemeint ist: die Kinder fest zu umwickeln, so daß sie keine Bewegungsfreiheit mehr haben] Depuis que les meres, méprisant leur premier devoir, n’ont plus voulu nourrir leurs enfans; il a falu les confier à des femmes mercenaire, qui, se trouvant ainsi meres d’enfans étrangers pour qui la nature ne leur disoit rien, n’ont cherché qu’à | s’épargner de la peine. Il eût falu veiller sans cesse sur un enfant en liberté: mais quand il est bien lié, on le jette dans un coin sans s’embarrasser de ses cris. (Rousseau: Œuvres complètes. Bd IV.255.) – Dt.: Rousseau: Emil oder Über die Erziehung. 17 (1. Buch): Woher kommt dieser widersinnige Brauch? Von einem naturwidrigen Brauch. Seitdem die Mütter, pf lichtvergessen, ihre eigenen Kinder nicht mehr stillen wollen, müssen sie sie gewinnsüchtigen Frauen anvertrauen. Diese geben sich natürlich keine Mühe, da sie als Mütter fremder Kinder keinen Naturtrieb in sich fühlen. Ein ungewickeltes Kind müßte man unauf hörlich behüten; ein gewickeltes wirft man in die Ecke und kümmert sich nicht um sein Geschrei. 141,23–26  Wo Du mit … Bon-Bon] Siehe oben 107,18–30. 141,26–28  Der ist da … a n g e f a n g e n h a t .] Siehe oben 86,12 f. mit Anm. sowie Anm. zu 182,11. 141, 34–35  alles käme von der Eigenliebe] Hier spielt J. wohl vor allem auf Helvetius und dessen zuerst 1758 in Paris anonym erschienenes Hauptwerk De



Kommentar427

l’Esprit an. Siehe [Claude-Adrien Helvetius:] De l’Esprit. 2 Teile. Amsterdam /  Leipzig 1759 (KJB 771). Vgl. auch J.s Auseinandersetzung mit Helvetius im Kunstgarten, JWA 7.162 und 170. 142,5–6 herumtummelten] Siehe oben 112,8 mit Anm. 142,17–19  es ist der Instinkt … Vater.] Iup(p)iters (griech. Zeus) Vater war Saturn (griech. Kronos), der Herrscher der Titanen, des alten Göttergeschlechts. Iupiter / Zeus sperrte Saturn / Kronos in den Tartaros, welcher zur Unterwelt gehörte. Siehe Homer: Ilias. 8,203 f. Siehe auch oben 159,18 f. : […], womit er meine arme Vernunft gern gefangen nähme, […] – Zum Geist-BuchstabeTopos siehe Anm. zu 188,36 –189,1. 142, 30 tüschte] Siehe Adelung 4.715 f.: tuschen, mundartlich auch tüschen: mit Geberden und Worten glimpf lich zum Stillschweigen bringen, und in weiterm Verstande, glimpf lich Einhalt thun. 144,21–24  eine Urkunde verschafft … a l t w i r d .] Diese Romanpassage hat Adolf Holtzmann 1878 zu der Vermutung veranlaßt, daß J. diesen Brief am 4. Dezember 1774 verfaßt habe, weil Goethe an diesem Tage das darin für Allwill (s. W. I, 92) festgelegte Alter hatte. Siehe Schwartz: Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«, 10, sowie Holtzmann: Ueber Eduard Allwills Briefsammlung. 47. 145,12–13  Die Mädchen … einen Brief von Dir] Siehe den nachfolgenden Brief vom 14. März (oben 145–149), der hier, die Chronologie durchbrechend, auf einen Brief vom 20. März folgt. 145,23  Ich habe dreymal … geschrieben] Anders als die Variante der Frühfassung läßt sich diese Auskunft auf die drei Sylli-Briefe beziehen, die den Beginn des Romans bilden; siehe oben 8–16 bzw. 97–100 und 104–108. Siehe dagegen 52,19 f. und die zugehörige Anm. 146,4 Gliederpuppe] Siehe oben 99,3–6. 146,14–15  meines bösen Rechtshandels] Siehe oben 95,26–29. 146, 27–147, 3  eine Gestalt zum Vorschein … Mensch] Es darf da­ von ausgegangen werden, daß J. zu diesem Zeitpunkt bereits mit der Physiognomik Lavaters bekannt war, die eine regelhafte Entsprechung zwischen der physischen Beschaffenheit eines Gesichtes und dem Charakter einer Person behauptet. Lavater hat diese Zusammenhänge in seinen physiognomischen Schriften an zahlreichen Beispielen illustriert. Siehe Johann Caspar Lavater: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe […] Mit vielen Kupfern. [zweiter Bd: Mit vielen Kupfertafeln.] Versuch 1–4. Leipzig / Winterthur 1775–1778 (KJB 904). Der erste Band erschien 1775, der zweite 1776. Ob J. auch den bereits 1772 in Leip­zig erschienenen Lavater-Text Von der Physiognomik kannte, konnte nicht ermittelt werden. Zur Bekanntschaft J.s mit Lavater siehe auch Anm. zu 7,10–14. 146, 33 schlappt] Dt. Wb. 15.487: Schlappen […] 1) schlaff sein, lose hängen […] 147,7 anfrischen] auffrischen. Siehe Dt. Wb. 1.333 (Artikel Anfrischen): Doch ist uns heutzutage »anfrischen« nicht sowol ermuntern, als auffrischen, erfrischen, neu beleben, erquicken und anfachen, […].

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148,24–25 einen B e s e s s e ne n … handeln.] Diese Zuschreibung stimmt überein mit der Beschreibung Goethes durch Heinse und J. kurz nach dessen Auf­enthalt in Düsseldorf; siehe J. an C. M. Wieland, 27. August 1774, JBW I,1.251,14–16 : Göthe ist, nach Heinse’s Ausdruck, Genie vom Scheitel bis zur Fußsohle; ein B e s e s s e ne r, füge ich hinzu, dem fast in keinem Falle gestattet ist, willkührlich zu handeln. Zur hier erwähnten Aussage Heinses siehe Heinse an Gleim und Klamer Schmidt, 13. September 1774, Heinse-SW 9.225. 149,26–27  Du weißt … kommen wollten] Siehe oben 145,12–15. Es handelt sich um den Brief Nr. XII.; siehe oben 145–149. 150,1  sie Dir geschrieben] Siehe oben den Brief Nr. XI, 139–145. 150,6  Was Du von Allwill schreibst] Siehe oben 147,19 –148,29. 150,8  etwas über die Schnur gienge] Die entsprechende Redensart lautet Über die Schnur hauen und bedeutet übertreiben, zu weit gehen. Siehe Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. 2 Bde. Freiburg u. a. 1973. Bd II.879. Siehe auch Eiselein: Die Sprichwörter und Sinnreden des deutschen Volkes. 554: Ue b e r d ie S ch nu r h a ue n . Vo l k s m . 152,10–11  keinen Ochsen, … sehen kann.] Deuteronomium 25,4 heißt es: Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden. Das Sprichwort bedeutet: Man soll jemandem, der Arbeit leistet, seinen gerechten Lohn nicht versagen. (Ein Wahlspruch, der bis heute nichts von seiner Relevanz verloren hat und allzu häufig mißachtet wird. CG) Siehe auch 1. Kor 9,9 und 1. Tim 5,18. 152,12–13  vom Geheimschreiber … empor geschwungen] Es handelt sich hier um Positionen und Funktionen innerhalb frühneuzeitlicher Verwaltungsstrukturen. Siehe Adelung 3.1653 (Artikel Schreiber): Der Geheimschreiber, welcher doch jetzt unter dem Nahmen eines Secretärs am bekanntesten ist. In noch engerer Bedeutung werden in den Collegiis oder obrigkeitlichen Ämtern alle diejenigen Schreiber genannt, welche mit der Feder dienen und keine Räthe sind. Siehe Adelung 1.990 (Artikel Beysitzer): Ein Rath in einem Collegio, welcher nebst dem Präsidenten die Ur­theile über die vorkommenden Sachen sprechen hilft; besonders ein solcher Rath in einem Gerichte. Die Benennung ist an vielen Orten anstatt des ehemahligen Nahmens der Schöppen aufgekommen, der aber auch noch hin und wieder üblich ist. 152,25 Nachtessen] Abendessen. Siehe Dt. Wb. 13.174. Siehe auch J. an Lavater, 21. Januar 1788, JBW I,7.74,23. 152, 32 Cabriolet] Eine zweirädrige Kutsche von sehr leichter Bauart, die einspännig gefahren und von dem Besitzer selbst gelenkt wurde. Sie setzte sich etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts durch. Siehe Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 7.501. Siehe auch Journal des Luxus und der Moden. 1991, Bd 6, September, 522 f.: In der Rubrik Equipagen wird dort vorgestellt Das Englische Cabriolet vom neuesten Geschmacke. 153,29–30  Pommade, wovon einem die Haare wachsen] Offenbar war dergleichen Pommade zu jener Zeit Gesprächsthema. Siehe Goethe an Johanna Fahlmer, (30. März 1775?), GB 2,I.181,18 f. : Ich bitte Sie um eine Portion H a a r w a ch s e n m a che n d e Pomade und um das Rezept.



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153, 31  Front à la grecque] A la grecque war ein neuer, etwa ab 1788 aufkommender Modestil, der sich an der griechischen Antike orientierte. Zu den entsprechenden Kleidern wurden die Haare teilweise in die Stirn fallend getragen. 154,9  M a d a m e A m o n ] Konnte nicht nachgewiesen werden. 154,21  was ist die Glocke?] Wieviel Uhr ist es? Siehe Adelung 3.725 f. 154,25  blauen Tisches] So auch im Folgenden 155,1 f.. Vgl. hierzu Anna Catharina Charlotte (Lotte) Jacobi an J. G. Jacobi, 30. Dezember 1774, in Julius Heyderhoff: Die Hausgeister von Pempelfort. Familien- und Freundschaftsbriefe des Jacobihauses. In Goethe und das Rheinland. Rheinische Landschaft, rheinische Sitten, rheinische Kunstdenkmäler. Zeitschrift des Rheinischen Vereins für Denkmalpf lege und Heimatschutz 25, 1932, H. 2. 203–269. Ib., 217: Die Glocke ist halb sechs, unser Lämpchen helle geputz [!], der Ofen eingeheitzt, die beyden Einhörnchen [gemeint sind J.s Halbschwestern Lotte und Susanne Helene (Lene)] haben sich bereitz an ihr blaues Tischen gesetzt, […]. 155,10  B e y l a g e z u L e n o r e n s B r ie f e .] Diese B e y l a g e war in D2 unter dem Titel N a ch s ch r e i b e n vo n C l ä r ch e n . (siehe oben 37,10 ) dem in D4 gestrichenen Brief Lenore von Wallberg an Sylli (siehe oben 33–37) angehängt. 155,20 Stumpfnäschen] Siehe Dt. Wb. 20.77 f. (Artikel S t u m p f n a s e ) Die dort angeführten Beispiele legen nahe, daß mit diesem Wort die Bedeutung ›unbedarft‹ oder ›naiv‹ verbunden ist. 155,21  D o n n e r vo g e l ] Adler. Siehe Dt. Wb. 2.1256. 155,23  dem so etwas nicht läßt.] Siehe auch oben 155,19 f. Soviel wie: dem so etwas nicht (zu Gesicht) steht. Siehe Dt. Wb. 12.228 (Artikel L a s s e n ): es läszt, mit bestimmendem zusatze, es steht, kleidet: vor dem spiegel beurtheilen, wie es ihm lasse. 155,25  so früh aufs Land sollten] Ausflüge auf das Land, ein Landhaus oder ein Garten vor den Toren der Stadt, bildete sich im 18. Jahrhundert als Merkmal bürgerlichen Lebensstils heraus. Die Familie Jacobi hielt sich oft bei dem Vater Johann Conrad in Pempelfort auf, einem Landgut unmittelbar vor den Toren der Stadt ­Düsseldorf (siehe z. B. Heinse an Gleim, 14. Mai 1776, Heinse-SW 9.276). Nach dem Ankauf und Umbau des Pempelforter Geländes durch J. zog die Familie jedes Frühjahr in das Landhaus, um im Herbst wieder in das Stadthaus zurückzukehren. 156,4–5  »Mädchen, laßt euch die Freude schmecken.«] [Charles-Simon Favart:] Das Rosenmädchen oder das Fest der weiblichen Tugend ein Singspiel in drey Aufzügen aus dem Französischen übersetzt [mit Musik]. Frankfurt am Main 1772. 47. Dort, Anfang des ersten Auftritts im zweiten Aufzug, ist es die erste Zeile einer A r ie. Die Übersetzung stammt von Johann Heinrich Faber, die Komposition von Egidio Romoaldo Duni. Das Singspiel wurde zu den komischen Operetten gerechnet. 156,17–18  Die verläumderischen Nachrichten … Briefe] Siehe oben 151,36 –152,24. 157,2  Cläre an Sylli.] J. verweist in seinen Schriften mehrfach auf diesen Brief als eine anschauliche Erläuterung seiner Kritik an der Kantischen Transzendentalphilosophie. Siehe EKP 1 (ein handschriftlicher, ebenso wie die Kant-Epistel

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selber an Matthias Claudius adressierter Zusatz, JWA 2.123,31–34 ): Zu meh­ rerer Erläuterung können in Allwills Briefsammlung die Briefe N XV. und XVI dienen. Siehe VE 36 f. ( = WW II.36 f.; JWA 2.391,18–30.33–41): So führt der Weg der Kantischen Lehre nothwendig zu einem System absoluter Subjectivität, gefällt aber eben deßwegen dem erklärenden Verstande, den man den philosophirenden nennt, und der zuletzt doch nicht erklärt, sondern nur vertilgt; und hat w i d e r sich nur die von diesem Wege abmahnende, nicht erklärende, sondern positiv offenbarende, unbedingt entscheidende Vernunft, oder den n a t ü r l iche n Ve r nu n f t g l a u b e n . Der Weg der Jacobischen Lehre, indem er zu einem System absoluter Objectivität eben | so nothwendig führt, mißfällt dem an dem Begreif lichen allein sich haltenden Verstande, (er nennt sich wohl auch die philosophirende Ve r nu n f t ), und hat für sich nur die nicht erklärende, unmittelbar offenbarende Vernunft, oder den n a t ü r l iche n Ve r nu n f t g l a u b e n . Hierzu die Fußnote: Entweder sind alle Erkenntnisse, letzten Ortes, objectiv, d. h. sie sind Vorstellungen von etwas unabhängig von dem vorstellenden Subject Vorhandenen, so daß sie auch in dem göttlichen Verstande anzutreffen seyn müssen, nur nicht auf eine eingeschränkte, endliche, sondern auf eine alle Verhältnisse zugleich umfassende, unendliche Weise, oder es giebt überall keine wahrhaft objectiven Erkenntnisse – keine Welt, keinen Gott. S. Th. I. den 15ten Brief in Allwills Sammlung, wo vielleicht anschaulicher und begreif licher, als sonst irgendwo in meinen Schriften, hervortritt, was mir die absolute Objectivität bedeute. Ich verweise besonders auf S. 134. 135. Siehe oben 168,15–24. 157,5–6  Lenorens Brief … Nachschreiben] Briefe XIII und XIV; siehe oben 149–156. 157,10–12  Clerdon hat den Auftrag … lange] Auch hierzu finden sich Parallelen in J.s Biographie: So hat er in den Jahren 1773 und 1774 im Auftrag des Kurfürsten Karl Theodor und in seiner Eigenschaft als Hofkammerrat bzw. als Ober-Zoll-Commissarius ( JBW II,1, Anm. zu 292,6) das Herzogtum JülichBerg bereist, um eine Bestandsaufnahme von Handel und Gewerbe zu geben. Die Ergebnisse dieses Berichts sind in einem umfassenden Bericht niedergelegt und überliefert. Siehe Acta die von I h r o C hu r f ü r s t l i ch e n D u r ch l a u ch t z u P f a l t z H ö ch s t d e r o HofCammerrathen Jacobi gnädigst aufgetragene Comission, das Commerzium der beyden Herzogthümer Jülich und Berg zu untersuchen, betreffend. Siehe hierzu JWA 4.482–484 und 486. – Im Jahr 1779 wurde J. von dem unterdessen aufgrund der Erbfolge zum Regenten in Bayern bestimmten Karl Theodor an den Hof nach München beordert, um dort Vergleichbares zu leisten. Dies scheiterte jedoch. J. wurde aus dem Dienst entlassen und kehrte nach nur vier Monaten aus München zurück nach Düsseldorf. Siehe JWA 4.487 und 490 f. 157,15–21  Warum hat allein … werden.] Platon: Phaedrus. 246c, 251b–c. Siehe in der von J. benutzten (siehe oben 175,29 f. mit Anm.) Übersetzung Kleukers: Werke des Plato. [Übersetzt von Johann Friedrich Kleuker.] 6 Bde. Lemgo 1778–1797 (KJB 2755). Bd III.210 f.: In diesem Zustande ist nun die ganze Seele innigst regsam und auf kochend. Und gleichwie Kinder, denen



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die Zähne hervorbrechen wollen, | allerlei Jucken und schmerzhafte Züge an den Geicheln empfinden, eben so gehet es einer Seele, wenn ihr das Gefieder ausbrechen will. Das Hervorschiessen der jungen Federn macht ihr Hize, Juckungen und fieberhafte Angst. – Auf dieses Motiv des Phaedrus nimmt J. auch in seinem Brief an Goethe vom 28. April und 8. Mai 1784 Bezug; siehe JBW I,3.314,10–12. 158,1–4  Denn gesetzt, … käme] Siehe [ Johann Caspar Lavater:] Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Joh[ann] George Zimmermann. […] 2 Teile. 2. Aufl. Zürich 1770 (KJB 314). Teil II.167–170 ( = 11. Brief: Von der Vollkommenheit des himmlischen Cörpers), besonders 170: Ich werde Millionen Meilen In einem Augenblick durcheilen, Wenn ich aus Licht gebildet bin! Ich überschreite die Planeten, Geh von Cometen zu Cometen, Von Sonne schnell zu Sonne hin! Mir f liehen zehnmal zehntausend Sterne Zurück, gewehnten Funken gleich. Seyd, Freunde, mir undeutlich ferne; Ich will, und bin bey Euch! Vgl. Johann Caspar Lavater: Ausgewählte Werke in historisch-kritischer Ausgabe. Bd II: Aussichten in die Ewigkeit 1768–1773/78. Hg. von Ursula Caflisch-Schnetzler. Zürich 2001. 315. 158,20–27  Er hat ein Buch … s e l b s t .] Bei dem erwähnten Buch handelt es sich um das zuerst 1713 in London erschienene Werk von George Berkeley: Three Dialogues between Hylas and Philonous. Die beschriebene Vignette findet sich aber erst in der französischen Übersetzung von 1750, die sich im Besitz J.s befand: Siehe [George Berkeley:] Dialogues entre Hylas et Philonous, dont le but est de démontrer clairement la réalité et la perfection de l’entendement humain, la nature incorporelle de l’âme et la providence immédiate de la Divinité … Trad. de l’anglois. Amsterdam 1750 (KJB 555). 1. Der Kupferstich ist nachgebildet in The Works of George Berkeley […] Collected and edited with prefaces and annotations by Alexander Campbell Fraser […] 3 Bde. Oxford 1871. Ib., I.251. Der Übersetzer, Abbé Jean Paul de Gua de Malves, hat der französischen Ausgabe eine einführende Bemerkung vorangestellt, begleitet von drei Kupferstichen, die die Hauptidee eines jeden der drei Dialoge symbolisieren sollen (ib., 250). Dieser Zusammenhang wird dann auch jeweils erläutert. Das von J. beschriebene Bild ist dem ersten Dialog zugeordnet und hat folgende Erläuterung erhalten: L’Auteur expose dans le premier Dialogue le sentiment du Vulgaire et celui des Philosophes, sur les qualités secondaires et premieres, la nature et l’existence des corps; et il prétend prouver en même tems l’insuffisance de l’un et de l’autre. La Vignette qu’on voit à la tête du Dialogue, fait allusion à cet objet. Elle représente un Philosophe dans son cabinet, lequel est distrait | de son travail par un enfant qu’il apperçoit se voyant lui-même dans un miroir, en tendant les mains

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pour embrasser sa propre image. Le Philosophe rit de l’erreur où il croit que tombe l’enfant; tandis qu’on lui applique à lui-même ces mots tirés d’Horace: Q u id r i d e s ? … f a b u l a d e t e N a r r a t u r. – Die Dialogues wurden weit stärker rezipiert als die kurz zuvor publizierten Werke Essay towards a New Theory of Vision (1709) und Treatise Concerning the Principles of Human Knowledge (1710). Anders als diese wurden sie ins Französische und ins Deutsche übersetzt (ib., 250). 158, 31–34  alles, was er … Ohren.] Der englische Philosoph George Berkeley (1685–1753) vertrat in seinen Werken den Standpunkt, daß es eine vom wahrnehmenden Bewußtsein unabhängige Außenwelt nicht gibt: Esse est percipi. Siehe [Georg Berkeley:] A Treatise concerning the principles of human knowle[d]ge, […] Dublin 1710 (KJB 556). Neben diesem Hauptwerk besaß J. eine Reihe anderer Schriften Berkeleys (vgl. KJB 552–555), darunter auch eine französische (1750) sowie eine deutsche (1756) Übersetzung von Three Dialogues between Hylas and Philonous. Der Titel der deutschen Übersetzung erhellt den zeitgenössischen Rezeptionskontext der Berkeleyschen Philosophie: Samlung der vornehmsten Schriftsteller die die Würklichkeit ihres eignen Körpers und der ganzen Körperwelt läugnen. Enthaltend des Berkeleys Gespräche zwischen Hylas und Philonous, und des Colliers Allgemeinen Schlüssel. Uebersetzt und mit wiederlegenden Anmerkungen versehen nebst einem Anhang worin die Würklichkeit der Körper erwiesen wird von Jo­h [ann] Christ[ian] Eschenbach […] Rostock 1756 (KJB 554). 159,2–3  wie Rinald seinen … Schild] Rinald und sein Schild sind ein weiteres Mal erwähnt 161,27. In D5 heißt es an beiden Stellen Ruggiero. – In Torquato Tassos Epos Das befreite Jerusalem (La Gerusalemme Liberata) ist Rinaldo ein berühmter Kreuzritter. Er hat viele Abenteuer zu bestehen, unter anderem wird er von der ihn liebenden Zauberin Armida auf einer magischen Insel gefangengehalten. Als er sein Konterfei in seinem blinkenden Schild erblickt, kehrt er zur Besinnung zurück und verläßt die Insel. Siehe Das befreyte Jerusalem von Torquato Tasso. 4 Bde. Mannheim 1781 (KJB 3401) (Die Übersetzung stammt von Wilhelm Heinse.) Bd 4.20–23 (16. Gesang, 29. und 30. Strophe). Ib., 20 (Vers 29): Tal si fece il garzon, quando repente Dell’arme il lampo gli occhj suoi percosse. Quel sì guerrier, quel sì feroce ardente Suo spirto a quel fulgor tutto si scosse: Benchè trà gli agj morbidi languente, E trà i piaceri ebbro, e sopito ei fosse. Intanto Ubaldo oltra ne viene, e’l terso Adamantino scudo ha in lui converso. Ib., 21: 29. / So geberdete sich der Jüngling, als auf einmal der Blitz der Waffen ihm in die Augen schlug; dieser sein so kriegerischer, so brennend muthiger Geist wurde ganz von diesem Glanz aufgetrieben, ob er gleich in weichlichem Leben schmachtend und in Vergnügen trunken eingeschlummert war. Unterdessen kömmt ihm U b a l d entgegen, und hat den glatten diamantnen Schild auf ihn gerichtet.



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Ib., 22 (Vers 30): Egli al lucido scudo il guardo gira; Onde si specchia in lui qual siasi, e quanto, Con delicato culto adorno: spira Tutto odori, e lascivie il crine, e’l manto: E’l ferro, il fero aver non ch’altro, mira Dal troppo lusso effeminato accanto. Guernito è sì, chè inutile ornamento Sembra, non militar fero instrumento. Ib., 23: 30. / Er wendet den Blick auf den leuchtenden Schild; weß­wegen er sich darin spiegelt, wer er ist, und wie sehr mit weichlichem Putz geschmückt Haar und Gewand und Schwerd alles Duft und Wollust von sich athmet; er sieht, daß er das Schwerd, geschweige das andre, vor allzu­ großer Ueppigkeit weibisch an der Seite hat. Es ist so eingefaßt, daß es eine unnütze Zierrath scheint, kein blutdürstiges kriegerisches Werkzeug. 159,4–22  Aber ich kann … auch böse.] Vgl. hierzu J. an Johann Wolfgang Goethe, 13. und 14. Dezember 1785, JBW I,4.277,28–33: Er [Kant] behauptet freylich sie [das Daseyn einer Materiellen Welt] könne auch nicht einmahl g e g l a u b t werden, weil wir nur E r s che i nu n g e n haben von – N ich t s , d a s e r Etwas n e n n t . – Ich gebe Dir hiemit den Schlüßel zu dem ganzen System, und seinen wahren K e r n , den Kant selbst noch nicht gekostet hat. – Siehe auch DH1 120–122 ( JWA 2.61,4–19 ): Wenn | unsere Sinne uns gar nichts von den Beschaffenheiten der Dinge lehren; nichts von ihren gegenseitigen Verhältnissen und Beziehungen; ja nicht einmal, daß sie ausser uns (im transcendentalen Verstande) würklich vorhanden sind: und wenn unser Verstand sich blos auf eine solche gar nichts von den Dingen selbst darstellende, o b j e c t i v p l a t t e r d i n g s l e e r e Sinnlichkeit bezieht, um d u r ch a u s s u b j e c t i ve n Anschauungen, nach d u r ch a u s s u b j e c t i ve n Regeln, d u r ch a u s s u b j e c t i ve Formen zu verschaffen: so weiß ich nicht, was ich an einer solchen Sinnlichkeit und einem solchen Verstande habe, als daß ich damit lebe; aber im Grunde nicht anders wie eine Auster damit lebe. Ich bin alles, und ausser mir ist im e i g e n t l iche n Verstande Nichts. Und Ich, mein Alles, bin denn am Ende doch auch nur ein l e e r e s B l e n d we r k von Etwas; d ie F o r m e i n e r F o r m ; gerade so ein Gespenst, wie die andern Erscheinungen die ich Dinge nenne, wie die ganze Natur, ihre Ordnung und ihre Gesetze. – Und ein sol|ches System darf mit lauter Stimme und in vollen Chören angepriesen werden, als wenn es das längst erwartete Heil wäre, das in die Welt hat kommen sollen. J. zitiert diese Passage selbst in einer FN seiner 1802 erschienenen kantkritischen Schrift Ueber das Unternehmen des Kriticismus, die Vernunft zu Verstande zu bringen, und der Philosophie überhaupt eine neue Absicht zu geben; siehe UK 12 f. ( JWA 2.268,21–40 ). – Vgl. ferner EKP 7 ( JWA 2.128,19–26 ) und UK 24 ( JWA 2.276,12 f.), 28 ( JWA 2.278,21) und 31 ( JWA 2.280,6 f.). 159,10–11 Nichtsdahinter f ü r u n s ] Siehe oben 163,8 f. : N ich t s d a h i n t e r f ü r d e n M e n s che n . Siehe auch EKP 17 ( JWA 2.137,2 ).

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159,14 Gespenstern … Gespenster] Siehe oben 163,8 f.. Siehe auch EKP 7 ( JWA 2.128,33). 159,19 Spückeding] Spukgestalt, Gespenst. Siehe Dt. Wb. 17.214 (Artikel Spukding), wo auch regionale Formen wie niederdeutsch spoikeding oder ostwestfälisch spökeding angeführt sind. Die Form Spückeding auch in Christian Ludewig Hahnzog: Predigten wider den Aberglauben der Landleute. Magdeburg 1784. 392. 159, 37 Ruggiero] Ruggiero ist eine Figur in Ludovico Ariostos Epos Der rasende Roland (Orlando furioso), dessen historischer Hintergrund die Kriege Karls des Großen gegen die sogenannten Sarazenen bilden. Auch er muß zahl­reiche Abenteuer bestehen. Unter anderem rettet er sich vor dem Angriff eines Falken, in­ dem er ihm sein glänzendes Schild entgegenhält. Heinse hatte die Übersetzung des Werkes noch in Düsseldorf begonnen; der erste Gesang war bereits 1776 in der Iris erschienen; siehe Anm. zu 114,7–8. Roland der Wüthende ein Heldengedicht von Ludwig Ariost […] Aus dem Italiänischen aufs neue übersetzt durch Wilhelm Heinse. 4 Teile. Hannover 1782–1783 (KJB 3203). Teil 1.249 f. ( = Achter Gesang.): Roger [Ruggiero] kam, wie ich sagte, sich verstellend, auf dem Rabikan [seinem Pferd] gerüstet zum Thore; fand die Wache außer Gewehr, und behielt, als er unter ihnen anlangte, das Schwert nicht an der Seite. Den todt, den in schlech|ten Umständen lassend, sprengt er über die Brücke, und hat das Gatter zertrümmert; nimmt den Weg zum Walde; reitet aber wenig, als ihm einer von den Bedienten der Fee aufstößt. […] Der Bediente hat Raubvogel, Hund und Pferd an seiner Seite und setzt sie gegen Roger ein, der zu unterliegen droht. Ib., 251: Roger zieht endlich gezwungen vom Leder; und droht, damit er solcher Beschwerlichkeit los werde, bald den Bestien, bald dem Schlingel mit der Schärf und Spitze des Schwerts. Das ungestümme Pack machts ihm aber immer saurer; das hat da, das dort die ganze Straße eingenommen. Roger sieht die Schande und den Schaden, die daraus erfolgen werden, wenn sie ihn länger auf halten. Er weiß, daß ein jedes Wenig mehr, das er da bleibt, er Alzinen [die Fee, die ihn verzauberte] auf dem Nacken haben wird. Schon hört man gewaltigen Lerm von Trompeten, Trommeln und Glocken in allen Thälern. Gegen einen Knecht ohne Waffen, und gegen einen Hund das Schwert zu gebrauchen, scheint ihm zu unedel. Besser und kürzer ists also, daß er den Schild heraus nehme, den Atlas gemacht hatte. Er zog ihn aus der rothen Seide, worin er nun schon viele Tage gesteckt hatte. Das Licht that die tausendmal erfahrne Wirkung, wie es in die Augen traf. Der Jäger bleibt ohne Sinne; es fällt der Hund und das Pferd, es fallen die Federn, die den Vogel nicht in der Luft halten können. Vergnügt läßt Roger sie dem Schlaf zur Beute. 160,27–36  daß wir, nach … Etwas wäre.] Vgl. hierzu auch EKP 36 ( JWA 2.152,37–40 ). Siehe auch UK 57 FN ( JWA 2.296,26–39 ) das Beispiel des Riechens. 161,1  N i ch t - Etwas] N i ch t - Etwas oder N i ch t - Nichts (siehe auch 161,29, 162,1 u. ö.) sind die Worte, die J. hier im Rahmen seiner Kritik der Kantischen Transzendentalphilosophie für das Ding-an-sich benutzt, dessen Unhaltbarkeit – schon innerhalb des Systems selbst – er bereits in seiner Beylage. Ueber



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den Transscendentalen Idealismus dargelegt hatte, die seiner 1787 publizierten Schrift David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus angehängt war; siehe JWA 2.103–112 sowie unten Anm. zu 162,2–7. 161,20–21  ursprünglichen Instinkt, … a n f ä n g t ] Vgl. zu einer solchen Erkenntnis aus unmittelbarer Anschauung auch J.s Brief an einen unbekannten Adressaten vom 16. Oktober 1775, JBW I,2.27,21–33, hier zitiert in Anm. zu 52,1–2. Vgl. auch J. an Immanuel Kant, 16. November 1789, AA XI.101 f. (WW III.530 f.): Und es entspringen diese Erkenntniße, nach meiner Meynung, aus der unmittelbaren Anschauung, welche das vernünftige Wesen von sich selbst, von seinem Zusammenhange mit dem Urwesen, und einer Abhängigen Welt hat. Bey der Frage, ob diese Erkenntniße wirkliche oder nur eingebildete Erkenntniße sind; ob ihnen Wahrheit, oder Unwißenheit und Täuschung entspreche, wird die Verschiedenheit Ihrer und meiner Ueberzeugung auffallend. Zu einem solchen I n s t i n k t siehe auch oben 162,23–26. 161,29  N ich t - Nichts] Siehe Anm. zu 161,1. 161, 34 Minerva] Minerva ist das römische Pendant der griechischen Göttin Athene. Sie sprang in voller Rüstung aus dem Haupt des Zeus / Iuppiter. Sie ist für die Kriegskunst zuständig, aber auch Göttin der Weisheit. (Siehe Anm. zu 56,23–30.) In der Odyssee nimmt sie sich in Gestalt des Mentor Odysseus’ Sohn Telemachos an und berät ihn. Diese Konstellation ist in François Fénelons Les Aventures de Télémaque aufgegriffen. Vgl. KJB 249 und KJB 3275. 162,2–7  Jedes Wort, … u nve r m it t e l t .] Siehe hierzu J.s Kritik an der Kantischen Transzendentalphilosophie in der Beylage. Ueber den Transscendentalen Idealismus, DH1 221–223 ( JWA 2.109,5–26 ): Indessen wie sehr es auch dem Geiste der Kantischen Philosophie zuwider seyn mag, von | den Gegenständen zu sagen, daß sie E i n d r ü cke auf die Sinne machen, und auf diese Weise Vorstellungen zuwege bringen, so läßt sich doch nicht wohl ersehen, wie ohne diese Voraussetzung, auch die Kantische Philosophie zu sich selbst Eingang finden, und zu irgend einem Vortrage ihres Lehrbegriffs gelangen könne. Denn gleich das Wort Sinnlichkeit ist ohne alle Bedeutung, wenn nicht ein distinctes reales Medium zwischen Realem und Realem, ein würkliches Mittel vo n Etwas z u Etwas darunter verstanden werden, und in seinem Begriffe, die Begriffe von aussereinan|der und verknüpft seyn, von Thun und Leiden, von Causalität und Dependenz, a l s r e a l e r u n d o b j e c t i ve r B e s t i m m u n g e n schon enthalten seyn sollen; und zwar dergestalt enthalten, daß die absolute Allgemeinheit und Nothwendigkeit dieser Begriffe als frühere Voraussetzung zugleich mit gegeben sey. Ich muß gestehen, daß dieser Anstand mich bey dem Studio der Kantischen Philosophie nicht wenig aufgehalten hat, so daß ich verschiedene Jahre hintereinander die Critik | der reinen Vernunft immer wieder von vorne anfangen mußte, weil ich unauf hörlich darüber irre wurde, daß ich oh ne jene Voraussetzung in das System nicht hineinkommen, und m it jener Voraussetzung darinn nicht bleiben konnte. […] Siehe auch DH1 226–227 ( JWA 2.111,9–30 ): Ich frage: wie ist es möglich die Voraussetzung von Gegenständen, welche Eindrücke auf unsere Sinne

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machen, und auf diese Weise Vorstellungen erregen, mit einem Lehrbegriffe zu vereinigen, der alle Gründe, worauf diese Voraussetzung sich stützt, zu nichte machen will? Man erwäge, was gleich zu Anfang dieses Aufsatzes gezeigt worden: daß der Raum und alle Dinge im Raum nach dem Kantischen System in uns, und sonst nirgendwo | vorhanden sind; daß alle Veränderungen, und sogar die Veränderungen unseres eigenen innerlichen Zustandes, wovon wir doch durch die Folge unserer Gedanken unmittelbar gewiß zu seyn glauben, nur Vorstellungsarten sind, und keine objectiv würkliche Veränderung, kein solches Aufeinanderfolgen weder in uns noch ausser uns beweisen; man erwäge, daß alle Grundsätze des Verstandes nur subjective Bedingungen ausdrücken, welche Gesetze unseres Denkens, aber keinesweges der Natur an sich, sondern ohne allen wahrhaft objectiven Inhalt und Gebrauch sind: man erwäge diese Punkte gehörig, und besinne sich, ob man neben ihnen wohl die Voraussetzung von Gegenständen, welche Eindrücke auf unsere Sinne machen, und auf diese Weise Vorstellungen zuwege bringen, könne gelten lassen. Man wird es unmöglich können, wenn man nicht jedem Worte eine fremde Bedeutung, und ihrer Zusammenfügung einen ganz mystischen Sinn beylegt. – Siehe auch DH  1 35 f. ( JWA 2.152,15 –153,10 ) und UK 14 ( JWA 2.269,18 f.). 162,12–19  Sie fußen, … gegeben ist.] Siehe oben 161,20 f. mit Anm. 162,19–26  Dieses aber … ein Gräuel.] Den Ausgangspunkt von J.s 1787 erschienener Schrift David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus bildete die Kritik an dem Begriff des Glaubens, wie J. ihn in seinem Werk Ueber die Lehre des Spinoza in Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn (1785) verwendet hatte. Siehe DH1 16 f. ( JWA 2.18,17–33): Er. Sehen Sie hier, S. 173., steht ausdrücklich, »daß Sie einen unbedingten blinden Glauben empfehlen, dadurch dem Protestantismus seine stärkste Stütze, nemlich den uneingeschränkten Forschungsgeist und Vernunftgebrauch« – / Ich. Lesen Sie: d e m H y p e r k r y p t o Je s u it i s m u s s e i ne s t ä r k s t e S t ü t z e , n e m l i ch d e n u n e i n g e s ch r ä n k t e n Verdrehungsgeist, u n d G e b r a u ch d e r M e n t a l r e s e r v a t io n , Wo r t ­s ch r a u b e r e y u n d W i n d b e u t e l e y – / Er. »entreissen, und a l s o die Rechte der Vernunft und der Religion d e n A u s s p r ü che n e i ne r menschlichen Autorität unterwerfen.« – In der zu dieser Stelle gehörigen Anmerkung steht noch deutlicher: »daß ihre Theorie von Glauben und Offenbarung den C a t h o l ic i s m u s befördere, | und bey Prüfung der Religionswahrheiten den Gebrauch der forschenden Vernunft ve r s ch r e ye – daß Sie durch eine l i s t i g e Abänderung der bisher gebräuchlichen Worte, z u r A ne r ke n nu n g e i n e r menschlichen Autorität bereden wollen.« 163,24  Opernscene von Majo] Giovanni Francesco de (auch Gian Francesco di) Majo (1732–1770), neapolitanischer Komponist von Kirchenmusik und Opern, schrieb Opern u. a. für Livorno, Venedig, Turin, Rom, Wien, Madrid, Mannheim. Gehörte neben Traetta, Gluck und Jommelli zu den Reform-Komponisten. Siehe MGG2 Personenteil 11.886–890. 163, 31–164,26  Allwill schlägt … zurecht – – –] Ähnliche Szenen könnten sich im Hause J.s mit Wilhelm Heinse in jener Rolle, die hier im Roman



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dem Protagonisten Allwill zukommt, zugetragen haben. Hierfür spricht nicht nur, daß Heinse ein exzellenter Klavierspieler und Musikkenner war und als solcher auch im Hause Jacobi hervortrat (während J. kein großer Musikkenner war), sondern auch, daß sich vergleichbare Passagen in Heinses Musikroman Hildegard von Hohenthal und im Frankfurter Nachlaß Heinses finden lassen. Allerdings stammen die Aufzeichnungen aus dem Jahr nach der Veröffentlichung von D4; siehe Johann Jakob Wilhelm Heinse: Die Aufzeichnungen – Frankfurter Nachlass. 5 Bde. München / Wien 2003–2005. Bd II.581: Vom Januar an 1793. / bis zum 12. April. / zu Düsseldorf. Und der Musikroman erschien erst 1795/96; siehe [ Johann Jakob Wilhelm Heinse:] Hildegard von Hohenthal. 3 Teile. Berlin 1795–1796 (KJB 3014). Zudem greift Heinse – und J. im Allwill – sowohl hinsichtlich der Auswahl der besprochenen Werke und Werkpassagen (z. B. Rezitative und Arien) und Komponisten als auch hinsichtlich ihrer Wertung auf mehrere Musikschriftsteller zurück, zeigt sich also vertraut mit den gängigen und populären Wertungen; siehe Heinse: Aufzeichnungen, Bd IV.601 f. und 604. – In Heinses Roman werden mehrfach die Kompositionen unterschiedlicher Musiker vorgetragen, verglichen und bewertet. So etwa im ersten Teil des Romans das Salve regina (siehe auch Heinse: Aufzeichnungen, Bd II.595) von Pergolesi, dem Londoner Bach ( = Johann Christian Bach) und Francesco Majo; siehe Wilhelm Heinse: Hildegard von Hohenthal. Erster und zweiter Theil. Leipzig 1903 ( = Heinse-SW 5). 84–86. Im Vergleich mit Bach wird Pergolesi dabei als wahrer empfunden (ib., 84), Bach als theatralisch und prunkvoll. Ib., 84: »Gefühlvolle Menschen, denen es in dieser Welt wirklich übel geht, und die sich nach etwas Besserm sehnen, würden ohne Zweifel mehr in den Ausdruck des Pergolesi einstimmen. Aber auch bloß als Musik betrachtet, ist ohne Vergleichung mehr Kern und schöne Natur in seiner Komposizion.« Im Anschluß an Pergolesi und Bach wird dasselbe Werk von Majo vorgetragen und findet den meisten Beifall (ib., 85). Ib., 86: »Hohe, süße Schönheit muß an und für sich schon bey allen Künsten sehr in Anschlag gebracht werden. Dieß gilt bey diesem Werk in vollem Maaße. Pe r g o l e s i übertrift ihn vielleicht, und kaum, bey einer oder zwey Stellen im Ausdruck; M a j o aber steht an Schönheit weit über ihm. Bey dieser ersten Hauptstelle steht er auch an herzergreifendem Ausdruck im begleiteten Recitativ, welches für die Worte viel natürlicher ist, über seinem deßwegen allgemein bewunderten Landsmann. Der letztere gleicht in seinem Ausdruck einer leidenden abgehärmten Matrone; und M a j o der schönsten Tochter der Niobe.« Im zweiten Teil des Romans wird Jommellis Oper Olimpiade sehr detailliert anhand ausgewählter Szenen besprochen (ib., 186–191), wobei immer wieder vergleichend auf Pergolesi Bezug genommen wird. Die im Allwill verglichene Arie Se cerca, se dice ist dabei auch Gegenstand der Betrachtung, ib., 189: »Die Arie darauf: Se cerca, se dice, ist ein Meisterstück von Ausdruck und musikalischer Schönheit; sie gehört unter das Vortref lichste der Italiänischen lyrischen Bühne.« (So auch Heinse: Aufzeichnungen, Bd II.600.) Auf den Durchgang durch die einzelnen Szenen folgt – wie auch im Allwill – ein Vergleich mit Pergolesi; siehe ib., 191 f.: H i l d e g a r d wollte den anderen Morgen die ganze Oper für sich durchstudiren; und beyde sangen jetzt nur die zwey

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großen Scenen mit dem Duett: ne’ giorni tuoi felici; und der Arie: Se cerca, se dice, nachdem H i l d e g a r d ihren Bruder und F e ye r a b e n d e n dazu gerufen hatte. / Alsdann wurden dieselben Scenen von Pe r g o l e s i , und alles, was noch von ihm da war, auf Verlangen der Mutter herbeygehohlt, und die erstern damit verglichen. / Man kam darin überein, daß Pe r g o l e s i Ne’ giorni tuoi felici für seine Zeiten ganz vortref lich ausgedrückt hätte; Jo m e l l i ihn aber an Würde und ächtem Ausdruck der zwey ersten Verse überträfe, so wie in den folgenden / Ah! che parlando [alternativ: tacendo] o dio! tu mi trafiggi il cor, Pe r g o l e s i göttlich wäre, und Jo m e l l i ihm nachstehen müsse. / Man wiederhohlte die Melodie besonders, und die Melodie mit Begleitung noch einmal von beyden recht mit Lauterkeit und Besonnenheit; und es entstand folgendes Ur­theil: / »Wenn man unpartheyisch das Ganze betrachtet; so gleicht die Komposizion von Pe r g o l e s i einem schönen Gemählde von R a ph a e l , und bleibt in ihrer Einfachheit wahrer und keuscher, als die von Jo m e l l i , in welcher schon Uebertreibung, und nicht genug Wahrheit, inzwischen weit mehr Fülle von Musik ist.« / Lockmann fuhr fort: »Eben so ist das Se cerca von Pe r g o l e s i ganz Raphaelisch, so recht die Natur in ihrer nackten Unschuld. | Ich glaube nicht, daß die Musik seiner Zeit etwas Schöneres dieser Art aufzuzeigen hat.« / »Wahr ist es jedoch, Jo m e l l i ’s Schönheiten sind beym letztern von edlerer und höherer Natur, die Formen weit kräftiger, gebildeter, und – athletischer, möcht’ ich sagen. Pe r g o l e s i ’s Formen sind mehr schäfermäßig, der Ausdruck desgleichen; es fehlt die höhere durchgearbeitete Kunst und Menschheit.« / »Die übrigen Arien, die ich noch von Pe r g o l e s i aus dieser Oper gesehen habe, kommen aber den zwey Stücken bey weitem nicht gleich; sie sind wohl klar, aber meistens leer.« / Pe r g o l e s i überhaupt ist kein Meister, der mit Jo m e l l i ’n zu vergleichen wäre. Sein Genie, so viel aus dem zu sehen ist; was wir von ihm haben, war von geringem Umfang, und nicht von großer Kraft und Stärke. Das Leiden guter schwacher Menschen drückt er hauptsächlich, aber auch ganz vortref lich aus; und so Hofnung von Rettung. Von dem Tragischen eines Tr a e t t a , Jo m e l l i , G lu ck steht er sehr weit ab.« Das meiste hiervon bereits wörtlich in Heinse: Aufzeichnungen, Bd II.601 f. – Auch die Oper Ifigenia in Tauride von Majo ist in Heinses Frankfurter Nachlaß ausführlich besprochen im Vergleich mit der Oper gleichen Namens von Jommelli; siehe Heinse: Aufzeichnungen, Bd II.589–593. Zu den auch im Allwill hervor­ gehobenen Partien siehe ib., Bd II.591 f.: Das Recitativ: Chi resister potria, ist auch im Jomelli tref lich, aber ohne Vergleich breiter, natürlicher und schöner im Majo. Der Text selbst ist hier noch gut. Im Majo ist die Scene die achte Akt. 2. / Doch ist schon etwas kleinliches, empfindelndes in der Begleitung beym Jomelli zu der Stelle Sospendi o madre i rimproveri tuoi, le tue querele. Wie schön bittet sie dagegen im Majo! Jomelli liebt zuweilen die Mahlerey einzelner Stellen und Worte; und dieß zerstreut meistens den Ausdruck des Ganzen, und fällt ins | kleinliche. Das dolente, spigottita, pallida, lacera, insanguinata haben beyde tref lich ausgedrückt, doch Majo natürlicher, schöner, und mit mehr Mannichfaltigkeit. / Bey



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Anfang der Arie Ombra cara, che intorno t’aggiri, frena il pianto, sospendi i lamenti hat die Iphigenia des Majo den wahren Ausdruck einer bis zur Schwärmerey tiefgerührten und ergriffnen Seele; die Töne der Melodie sind eigentlicher Accent griechischer Grazie. Jomellis vier lange Takte auf Ombra, und zwey auf cara, die ersten ganz in demselben Tone, sind übertrieben, affectirt, bloß theatralisch, und außer der Natur; sie dienen nur, damit sich eine schöne starke Kehle und Brust dabey produziren kann; und so ist die Mahlerey auf dem intorno gewiß hier kleinlich, und fast eben so kleinlich der Audruck auf sospiri und f lebili accenti; in der Mitte läßt er gar acht Takte lang das Wort ombra auf zwey Tönnen halten. Del tuo scempio ist nicht zum besten von Jomelli in drey Achteltakt abgesetzt. Majo geht viel vortref licher in der Einheit der Empfindung wie in einem Strome fort; und was Schönheit und Neuheit der Musik betrift, findet gar keine Vergleichung statt; Jomelli ist mager und armseelig dagegen. Siehe auch ib., IV.590. 163, 33–34  Die Oper heißt Iphigenia] Giovanni Francesco de Majo: Ifigenia in Tauride. Oper in drei Akten. Libretto von Mattia Verazi. Uraufführung Hoftheater Mannheim am 5. November 1764. Komponiert im Auftrag des Kurfürsten Karl Theodor. Siehe MGG2 Personenteil 11.887 und Heinse: Aufzeichnungen, Bd IV.587, Anm. zu 589. Siehe auch Terpstra 342, Anm. 57. 163,34–35  Anfangsworte des Rezitativs … potria] Siehe Heinse: Aufzeichnungen, Bd IV.590: Akt 2, Szene 8: ›Wer widerstehen können wird‹ […]. 163, 34–35  darauf folgende Arie … t’agiri] Siehe Heinse: Aufzeichnungen, Bd IV.590 (Akt 2. Szene 8): ›Theurer Schatten, der du herumschwebst, weine nicht, halte ein mit Klagen.‹ 164,2  Arie von Io m e l l i … dice] Niccolò Jommelli (1714–1774), neapolitanischer Komponist von Kirchenmusik und Opern. Er schrieb Opern u.a. für Neapel, Florenz, Venedig, Rom, Padua, Bologna, Wien und wirkte als Hofkapellmeister in Stuttgart (1753–1769). Er gehörte neben Traetta, Gluck und de Majo zu den Reform-Komponisten. Siehe MGG2 Personenteil 9.1148–1159 und Heinse: Aufzeichnungen, Bd V.703. Die erwähnte Arie Se cerca, se dice (›Wenn er sucht, wenn er sagt‹) ist die Arie des Megakles in der 9. Szene des 2. Aktes der dreiaktigen Oper L’Olimpiade, die Jomelli für Stuttgart schrieb, wo sie am 11. Februar 1761 in prunkvoller Ausstattung uraufgeführt wurde; siehe Heinse: Aufzeichnungen, Bd IV.601 und 596. Siehe Olimpiade. Stuttgart 1783 (Recueil des operás composés par Nicolas Iomelli). 164,4–5  viel ältere … von Pe r g o l e s e ] Giovanni Battista Pergolesi (1710–1736), italienischer Komponist von Kirchenmusik und Opern; siehe MGG2 Personenteil 13.309–319. Die erwähnte Arie Se cerca, se dice (›Wenn er sucht, wenn er sagt‹) gehört zur 10. Szene des 2. Aktes seiner Oper L’Olimpiade; siehe Heinse: Aufzeichnungen, Bd IV.604. Diese Oper in drei Akten (Libretto: Metastasio) ist sein berühmtestes Bühnenwerk und wurde im Januar 1735 in Rom uraufgeführt; ib., III.775 und MGG2 Personenteil 13.312 und 313. Die im Allwill gesungene und besprochene Arie gehörte zu den berühmtesten dieser Oper, die einhellig als Pergolesis Meisterwerk angesehen wird; siehe MGG2 Personenteil 13.316.

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164,13  die heilige Cäcilia] Cäcilia von Rom ist die Schutzheilige der Musiker. 165,2–4  Gewiß hatte Sancho Pansa … hätte.] Siehe [Miguel Cervantes Saavedra:] Leben und Thaten des weisen Junkers Don Quixote von Mancha. Neue Ausgabe 6 Teile. Weimar / Leipzig 1775 und 1777. Teil IV.530 f. ( = 36. Kapitel): Geseegnet sey der Mann, der den Schlaf erfand; den Mantel, der alle menschliche Sorgen bedeckt; die Speiße | für jeden Hunger; den Trank für jeden Durst; das Feuer, das jeden Frost vertreibt; die Kühlung, die jede Hitze mildert; die Münze, für die man Alles in der Welt kaufen kann; und die Wage, die Könige und Schäfer, Kluge und Narren einander gleich macht. Nur ein einziges Uebel hat der Schlaf, wie ich mir habe sagen lassen; nemlich daß er dem Todte so gleich ist; denn zwischen Einem der da schläft, und einem Todten ist gar ein geringer Unterschied. – Terpstra hält es für wahrscheinlich, daß J. die fragliche Stelle aus Lawrence Sternes Roman Tristram Shandy kannte (Terpstra 343, Anm. 58), aus dem er auch im Folgenden zitiert, wofür spricht, daß J. dieses Werk Sternes sehr gut kannte, während Cervantes bei ihm so gut wie keine Rolle spielte, wie Briefwechsel und Bibliothek belegen. Siehe [Laurence Sterne:] Tristram Schandis Leben und Meynungen. 9 Teile. Hamburg 1774 (KJB 2910). (Die Übersetzung stammt von Johann Joachim Christoph Bode.) Teil 4.122 ( = 15. Kap.): »Gott ehre mir den Mann,« sagte S a n s a [!] Pa n ch a »der die hübsche Sache erfunden hat, die sie Schlaf nennen. – Ein Mensch liegt so sanft drunter, als obs ein Mantel wäre.« Siehe auch [Laurence Sterne:] The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman. 9 Bde. London / Dublin 1759/1760–1767 ( JBW II,3). Bd IV (1761).117 ( = Kap. 15): – »God’s blessing, said S a n ch o Pa n c a , be upon the man who first invented this self-same thing called sleep –– it covers a man all over like a cloak.« 165,20 –166, 32  Rufen Sie sich … Nichts wäre.] Auch in seiner an Mat­ thias Claudius gerichteten Epistel über die Kantische Philosophie, deren Abfassung in das Jahr vor dem Erscheinen von D4 fiel (gemäß Editorischem Bericht November und Dezember 1791; siehe JWA 2.461; Erstdruck in JWA 2), nutzt J. mehrfach zur Erläuterung der Kantischen Philosophie das Beispiel des Klavierspiels; siehe JWA 2.124,31–125,16, 127,12–37, 143,24–27. Siehe für die Passage 165,31–166,13 besonders JWA 2.127,13–37. 166,7–8  N ich t - N ich t s ] Siehe Anm. zu 161,1. 166, 33–34  ungedruckten Aufsatze] Siehe die Anm. zur Fußnote 167,36 – 168,35. 167,1–35  »Unsere Vernunft … seyn könnte.«] Es handelt sich um veränderte und teils in der Reihenfolge umgestellte Auszüge aus Johann Georg Hamanns zu dem Zeitpunkt noch unveröffentlichten Brocken, die in engen Zusammenhang mit Hamanns Londoner Tagebuch Biblische Betrachtungen gehören; siehe N I.298,18–20 ; 299,28 f. 7–13. 14–18 ; 305,24–26. 19–22 ; 308,32–36. Siehe auch Johann Georg Hamann: Londoner Schriften. Historisch-kritische Neuedition von Oswald Bayer und Bernd Weißenborn. München 1993. Ib., 406,11–13: Unsere Vernunft ist jenem blinden thebanischen Wahrsager Tieresias ähnlich, dem seine Tochter Manto den Flug der Vögel beschrieb; er prophe-



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zeyte aus ihren Nachrichten. Ib., 407,15 f. : Un s e r e G e d a n ke n s i n d n ich t s a l s F r a g m e n t e. Ja unser Wissen ist Stückwerk. Ib., 406,29–36 : D ie s ich t b a r e Welt mag noch so eine Wüste in den Augen eines zum Himmel erschaffenen Geistes seyn, die Brodte, die uns Gott hier aufträgt, mögen noch so unansehnlich und kümmerl. aussehen, die Fische noch so klein seyn, s ie s i n d g e s e e g n e t und wir mit denselben von einem Allmächtigen, Wunderthätigen, Geheimnisvollen Gott, den wir Christen als den unsrigen nennen; weil er sich selbst so in der grösten De­muth und Liebe offenbart hat. Ib., 407,1–6 : Ist es nicht unser Geist selbst, der in der Tiefe seines Elends dies Zeichen seines hohen Ursprunges ver­räth, und sich als einen Schöpfer über die sinnlichen Eindrücke erhebt, der sie fruchtbar macht, der selbige zu einem Gerüste baut um den Himmel zu ersteigen, oder sich Götzen schafft, für die er Ziegel brennt, und Stoppeln zusammen sucht. Ib., 413,21–24 (§ 4): D ie s e philosophische Neugierde, die sich über den Ursprung des Bösen so sehr wundert und beunruhigt sollte man fast f ü r e i n d u n ke l B e w u s t s e y n d e s G ö t t l . E b e n b i l d e s i n u n s . [ e r e r ] Ve r nu n f t a n s e he n , […]. Ib., 413,17–20 (§ 4): Niemand ist gut als der einige Gott. An statt also zu fragen: wo kommt das Böse her? sollten wir die Frage vielmehr umkehren, und uns wundern, daß endliche Geschöpfe fähig sind gut und glücklich zu seyn? Ib., 417,5–9 (§ 8): A l le Erscheinung[en] der Natur sind Träume, Gesichter, Räthsel, die ihre Bedeutung, ihren geheimen Sinn haben. Das Buch der Natur und der Geschichte sind nichts als C h y f e r n , verborgene Zeichen, die eben den Schlüssel nöthig haben, der die heil. Schrift auslegt und die Absicht Ihrer Eingebung ist. – Zum Umgang J.s mit Hamanns Text siehe Terpstra 343 f., Anm. 59 sowie Hamann: Londoner Schriften, 29, Anm. 84. Terpstra hat in seinem Allwill-Kommentar die starken Abweichungen benannt und darauf aufmerksam gemacht, daß ihnen der Umstand gemeinsam ist, jene Passagen zu vermeiden, die Ausdruck eines positiven Christentums, einer christlichen Offen­ barungs­religion sind. – Vgl. im übrigen den Stellenkommentar in Hamann: Londoner Schriften, 539–541. 167, 36 und 168, 33–35  Der Herausgeber … mitgetheilt werden.] In D5 ist in dieser Fußnote auch der Verfasser Johann Georg Hamann mitgeteilt; siehe oben 168,39 ( = Variantenapparat). – Nach dem Tod Johann Georg Hamanns in Münster am 21. Juni 1788 bemühte sich J. sehr darum, nicht nur in den Besitz seines Briefwechsels mit Hamann, sondern auch von dessen Nachlaß zu kommen, den er herauszugeben beabsichtigte. Hierüber gibt der Briefwechsel J.s mit Hamanns Sohn Johann Michael aus der Zeit nach Hamanns Tod Aufschluß. Siehe Johann Michael Hamann an J., 22. Juli 1788, in Heinrich Weber (Hg.): Neue Hamanniana. Briefe und andere Dokumente. München 1905. 170 (Regest) (vgl. JBW I,8.14,2–4 ): Fast alle Handschriften Hs. befinden sich in den Händen der Fürstin. »Was sich hier an nachgelassenen Schriften ge­ fun­den hat, beläuft sich vorderhand auf 28; unter denselben ist auch sein ausgearbeiteter Lebenslauf, […]. Siehe auch Johann Michael Hamann an J., 22. August 1788, ib., 172 (Regest) (vgl. JBW I,8.44,28–30 ): […] aus dem Nachlaß erwähnt er die b i b l i s che n B e t r a ch t u n g e n , die »wohl keinen

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andern Wert haben, als daß sie vielleicht die besten Aufschlüsse über die Revolution seines Kopfes in England geben. […] Den Lebenslauf legt J. M. in die Hände Jacobis. Siehe auch Johann Michael Hamann an J., 22. Oktober 1788, ib., 172 f. (Regest) (vgl. JBW I,8.77,5–9 ): Königsberg, den 22. Oktober 1788. Joh. Mich. übersendet die Manuskripte seines Vaters an Jacobi, darunter die Lebensbeschreibung. »Sie deucht mir ein ebenso merkwürdiges Phänomen als Hallers Tagebuch zu sein, von dem Kant viel Auf hebens macht, freilich aus seinem eigenen Gesichtspunkt. […] – Siehe auch J. an Johann Friedrich Kleuker, 5. Dezember 1788, JBW I,8.109,14–26 : Die Hamannsche Schrift, woraus ich Ihnen neulich eine Stelle mittheilte, ist unvoll­endet geblieben; aber ich habe nun ein vollständiges Werk von ihm über die Bibel erhalten, welches er im Jahre 1758 zu London in 5 Wochen Zeit geschrieben hat. Während dieser 5 Wochen hat er die ganze Bibel durchgelesen und dieses dicke Buch Betrachtungen darüber geschrieben. Unmittelbar nachher setzte er seinen Lebenslauf bis auf diesen Zeitpunkt seiner gänzlichen Sinnesänderung auf. Mit welchem Interesse ich letzteren gelesen habe, kann ich nicht ausdrücken. Künftig mehr darüber. Auch die Betrachtungen und einige kleine bald nachher gemachte Entwürfe sind ein wahrer Schatz, wenigstens für mich. Ich finde überall denselbigen Geist, dieselbige Denkungsart, dieselbigen Überzeugungen. Geist Gottes, den der Mensch empfangen muß, ist der Schlüssel zu allem, mit ihm findet man die überzeugendsten Beweise gerade da, wo man, ohne ihn, die unauf löslichsten Zweifel sieht. Siehe auch J. an Nicolovius, 14. Januar 1790, Weber: Neue Hamanniana, 174 (Regest) (vgl. JBW I,8.346,21–23): Dieser Schrift [über Hamann] sollte alsdann die vollständige Sammlung von Hamanns Werken folgen, die ich auf Subskription zum Vorteil seiner Kinder herausgeben würde. – Zur Überlieferung und den Erstdrucken siehe N I.323–327. 168,8–9  »an eye full … . responses.«] Siehe [Sterne:] The Life and Opinions of Tristram Shandy. Bd VIII (Dublin 1765).220 f. ( =  Kap. 15): Now of all the eyes, which ever were created – from your own, Madam, up to those of Ve nu s herself, which certainly were as venereal a pair of eyes as ever stood in a head ––– there never was an eye of them all, so fitted to rob my uncle To b y of his repose, as the very eye, at which he was looking – it was not, Madam, a rolling eye – a romping or a wanton one – nor was it an eye sparkling – petulant or imperious – of high claims and terrifying exactions, which would have curdled at once that milk of human nature, of | which my uncle To b y was made up – but ’twas an eye full of gentle salutations – and soft responses ––– speaking – not like the trumpet stop of some ill-made organ, in which many an eye I talk to, holds coarse converse – but whispering soft – like the last low accents of an expiring saint –« Siehe auch [Sterne:] Tristram Schandis Leben und Meynungen. Teil 8.102 f. ( = 25. Kap.): Nun war von allen Augen, die jemals geschaffen sind – von Ihren eignen, Gnädige Frau, bis auf die Augen der Venus hinzu welches doch, wahrhaftig! ein so buhlend Paar Augen waren, als jemals in einem Kopfe gestanden – kein einziges Auge so geschickt, meinen Oncle Toby um seine Ruhe zu bringen, als gerade das-



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selbige Auge, in welches er da hineinsah. Es war kein rollendes Auge, | Madame – kein tobendes, oder muthwilliges – – auch wars kein funkelndes Auge – kein drohendes oder befehlendes Auge – das stracks viel fodern und ertrotzen wollte – das hätte auf Einmaal jene Milch der menschlichen Natur gerinnen gemacht, aus der mein Oncle Toby gemolken war – sondern es war ein Auge voll sanften Grusses – und lieblicher Antworten. Es sprach – nicht wie ein Trompetenregister in einer schlechtgebaueten Orgel, in welchem Tone manches Auge, dem man Etwas sagt, eine kreischende Unterredung führt – sondern lispelte leise, – gleich dem leisen Röcheln einer sterbenden Heiligen – 168,10–11  plötzlich meine Hand … küßte] Eine vergleichbare Situation – ein plötzlicher, leidenschaftlicher Handkuß am Klavier – findet sich auch in Rousseaus Briefroman La Nouvelle Héloïse; siehe J[ean] J[acques] Rousseau: La Nouvelle Héloïse, ou Lettres de Deux Amans. Habitans d’une petite Ville au pied des Alpes; Recueillies et publiées par […]. Tome IV. Geneve 1780 (Collection complete des œuvres de J. J. Rousseau […]. Tome Sixieme. […] Geneve 1782) (KJB 56). 121 (VIe partie, Lettre II: De Madame d’Orbe à Madame de Wolmar): C’étoit un soir qu’il nous accompagnoit ce duo si simple & si touchant de Leo, v a d o a m o r i r, b e n m io. Tu chantois avec assez de négligence, je n’en faisois pas de même; &, comme j’avois une main appuyée sur le clavecin, au moment le plus pathétique & où j’étois moi-même émue, il appliqua sur cette main un baiser que je sentis sur mon coeur. Je ne connois pas bien les baisers de l’amour; mais ce que je peux te dire, c’est que jamais l’amitié, pas même la nôtre, n’en a donné ni reçu de semblable à celui-là. (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.643 f.) – Dt.: Rousseau: Die Neue Heloise, oder Briefe zweyer Liebenden (1761). Teil VI.19 f.: An einem Abend accompagnirte er uns bey dem so ungekünstelten und rührenden Duette des L e o : Mein schönster Freund! ich sterbe. Du sangst sehr gleichgültig; ich nicht also. Meine Hand war auf den Flügel gelehnt. Bey der zärtlichen Stelle, | da auch ich am meisten gerührt war, drückte er auf diese Hand einen Kuß, den ich bis im Herzen fühlte. Ich verstehe mich nicht recht auf die Küsse der Liebe; so viel aber kann ich sagen, niemals hat die Freundschaft, auch selbst die unsrige, einen solchen gegeben oder empfangen. 168,19–20  ein alter Dichter … Tr a u m .] Pindar: Pythische Oden. VIII.95–97. Siehe Pindari quae extant … cum interpretatione Latina. 2 Teile. Glasguae 1770 (KJB 2753). Bd I.238: Eπάμεροι. τί δέ τις; τί δ’ οὔτις; Σκιᾶς ὄναρ ἄνθρωποi. ἀλλ’ ὅταν αἴγλα Δίοσδοτος ἔλθηι, Λαμπρὸν ἔπεστι φέγγος ἀνδρῶιν, Καὶ μείλιχος αἴων. Pindars Pythische Siegshymnen. Mit erklärenden und kritischen Anmerkungen verdeutscht von Friedrich Gedike […] Berlin / Leipzig 1779. 211: Menschen – Wesen Eines Tags – was sind wir? was nicht? – Traum eines

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Schatten. Doch wenn vom Zeus uns Ruhmes Glanz uns kömmt, dann umschimmert uns stralendes Licht, und frölich f liehet das Leben hin. 168,29–30  in das Buch … zu wollen] [Sterne:] The Life and Opinions of Tristram Shandy. Bd III (1761).173 ( =  Kap. 37): Nature had been prodigal in her gifts to my father beyond measure, and had sown the seeds of verbal criticism as deep within him, as she had done the seeds of all other knowledge – so that he had got out his penknife, and was trying experiments upon the sentence, to see if he could not scratch some better sense into it. J. bezieht sich auf diese Passage ebenfalls in seinem Brief an J. A. H. Reimarus vom 29. und 21. Dezember 1790, JBW I,8.463,10–14. Siehe auch [Sterne:] Tristram Schandis Leben und Meynungen. Teil 3.179 ( = 37. Kap.): Die Natur war mit ihren Gaben gegen meinen Vater ausserordentlich verschwenderisch gewesen, und hatte den Saamen der Wort­k ritik eben so tief in ihn gesäet, als die Saamen aller übrigen Wissenschaften; – So, daß er sein Federmesser herauszog, und mit der Phrasis eine Erfahrung anstellte, ob er nicht einen bessern Verstand hinein radiren könnte. 168, 36–37  Diese letzten Worte … anzuspielen.] Siehe Anm. zu 168, 29–30. 169,4–5  Gespräche, worin dies vorkommt] Gemeint ist der platonische Dialog Phaedrus; siehe Anm. zu 157,15–21 und oben 173,18 –175,17 mit Anmm. 169,6  Ion ? ] In den von J. benutzten Platon-Ausgaben (siehe oben 175,26–30 mit Anmm.): Editio Bipontina: Platonis Philosophi quae exstant, Bd IV (1783).177–203. Übersetzung von Kleuker: Platon: Werke. Bd I.505–530 (Ion, oder von der Poesie). Siehe auch die Bezugnahme oben 175,28 mit Anm. 169,6 Theages?] Dieser Dialog wird heute nicht mehr (sicher) Platon zugerechnet. Er war aber in den von J. benutzten Platon-Ausgaben (siehe oben 175,26–30 mit Anmm.) enthalten: Editio Bipontina: Platonis Philosophi quae exstant, Bd II (1782).1–25. Übersetzung von Kleuker: Platon: Werke. Bd I.325–350 (Theages oder von der Weisheit). – Siehe zum Theages auch oben 171,24 bis 173,17 mit Anmm. 169, 30  wie Du versicherst, … ihm ist] Siehe etwa oben 147,19 –148,3. 170,9–10  Deine Briefe vom 18ten und 20ten] Diese Briefe von Sylli – wie aus dem Folgenden hervorgeht: an Clerdon und an Amalia gerichtet – sind nicht Teil des Romans. 171,1  Brief an mich von Allwill] Siehe den nachfolgenden Brief Nr. XVI; siehe oben 171–176. 171,9  s ie D i r d e n 2 0 t e n g e s ch r ie b e n ] Siehe den Brief Nr. XI, oben 139–145. 171,24  T he a g e s ] Siehe Anm. zu 169,6. 171,24–25  glühend von Begierde … Weisheit zu lernen.] Platon: Theages. 121d und 122e. 171,26 –172,2  Um ihn zu prüfen … wären.] Platon: Theages. 125a–b und 127d–128b, besonders aber 130e. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd I.349: So verhält es sich also, T he a g e s , mit unserm ­Umgange. Wenn es dem Gotte lieb seyn sollte, wirst du sehr stark und sehr schnell zunehmen; wenn das aber nicht, so auch nicht. Siehe daher zu, ob es viel-



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leicht nicht sicherer für dich seyn möchte, von einem jener Männer dich unterrichten zu lassen, welche selbst Gewalt haben über den Vor­theil, wodurch sie den Menschen beförderlich sind: – viel sicherer, sage ich, als bei mir, was auch erfolgen möchte, (auf gutes Glück) dieses zu versuchen. 171,26  M a n n m it d e m G e n iu s ] Platon: Theages. 128d. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd I.343 f.: Das göttliche Loos hat mir einen Dämon beschieden, der mich gleich von meiner Kindheit an bis jetzt begleitet hat. Dieser aber ist eine göttliche Stimme, die, wenn sie sich hören läßt, mir allezeit andeutet, wenn ich mich von dem, was ich vorhabe, abwenden soll, niemals aber | mich wozu antreibt. Und wenn einer meiner Freunde mir etwas offenbart, und diese Stimme läßt sich alsdenn hören, so räth sie eben dawider, und läßt es nicht ausführen. Und hievon will ich euch Zeugen anführen. Dieses erfolgt dann. 172, 3–6  Des Sokrates Widerstand … redet;] Platon: Theages. 125e und 128b–c. 172,6–11  denn ich kenne … als sie.] Platon: Theages. 128c. In der Über­setzung Kleukers: Platon: Werke. Bd I.343: Denn ich kenne einige, die mit mir entweder gleiches Alters, oder auch noch etwas älter sind, als ich, welche, ehe sie mit diesem Umgang hatten, nichts taugende Leute waren, nachdem sie aber in seine Gesellschaft gekommen sind, so sind sie in sehr kurzer Zeit viel besser geworden, als alle diejenigen, die sonst besser waren, als sie. – Die bessernde Wirkung der bloßen Nähe eines guten Menschen ist auch Thema der Briefe J.s. Dort wird diese Wirkungsmächtigkeit der schönen Seele zugesprochen, dem Tugend­ideal der Empfindsamkeit, die J. und seine Zeitgenossen in Sophie von La Roche verkörpert sahen. Siehe J. an Sophie von La Roche, 9. Oktober 1773, JBW I,1.214,20–23: In Ihrem Anschauen, meine Freundin, reiniget sich mein Herz je mehr und mehr. Kein trügerischer, Ekelschwangerer Genuß soll es forthin von seinem Ziele entfernen; in w a h r e n Ahndungen inniger Vereinigung soll es harren, bis es Leben erwerbe und gebe. – Siehe auch im Roman oben 126,33 f.. 172,14–26  Er selbst habe … berührten.«] Platon: Theages. 130d–e. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd I.348 f.: Hat dich denn, wandte ich ein, diese Kraft plötzlich, oder nach und nach, verlassen? Nach und nach, war seine Antwort. Und wie sie noch bei dir wohnte, fragte ich weiter, hattest du sie als einer, der etwas von mir lernte, oder auf eine andere Art? Ich will es dir sagen, Sokrates, erwiederte er, so unglaublich es zwar ist, bei den Göttern! unglaublich, aber dennoch wahr. / Ich habe nämlich, wie du auch selbst weißt, nie etwas von dir gelernt; aber ich nahm zu, so oft ich bei dir war, auch wenn ich nur in demselben Hause mit dir lebte, gesetzt, daß es nicht in demselben Gemache des Hauses | war: und noch vielmehr, schien es mir, gewann ich, wenn ich, in demselben Zimmer des Hauses mit dir, dich ansahe, wenn du redetest, vielmehr alsdenn, als wenn ich sonst wohin sahe. Am allermeisten aber und aufs höchste nahm ich zu, so oft ich selbst bei dir saß, und wir uns nahe berührten. Nun aber, fügte er hinzu, ist alle jene Kraft und Fertigkeit von mir gewichen. – Siehe auch Platon: Theages. 129e–130a.

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172,15  Enkel des A r i s t i d e s ] Er war ein Enkel des Aristides und hieß selbst auch Aristides. Siehe Platon: Theages. 130a. 172, 30–40  ja verschiedene unter … berührend.«] Ob die abweichenden Übersetzungen in D5 sich erneuten Übersetzungsbemühungen J.s, Gesprächen mit Übersetzern klassischer Texte wie Friedrich Stolberg und Johann Heinrich Voß – etwa in der gemeinsamen Eutiner Zeit zwischen 1796 und 1800 bzw. 1805 – oder inzwischen erschienenen Übersetzungen verdanken, konnte nicht geklärt werden. Ausgeschlossen werden konnte eine Übernahme aus der zwischen D4 und D5 erschienenen Übertragung desselben Werkes durch J.s Freund und Eutiner Nachbarn Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. Siehe Auserlesene Gespräche des Platon übersetzt von Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. 3 Bde. Königsberg 1796– 1797 (KJB 2758). Bd II.24 und 28 f. 173,2–3  da ich vorgestern … Ihre Hand ergriff ] Siehe oben 168,9–14 und 169,14. 173,8–14  »Wir müssen also … machen.«] Dies ist der Schlußpassus des Dialogs. Siehe Platon: Theages. 131a. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd I.349 f.: T h . Jetzt scheint es mir freilich, o Sokrates, daß wir auf diese Art verfahren müssen. Wir müssen durch Umgang mit einander den Willen des Dämons versuchen; und wenn er uns günstig ist, so ist dieses das beste; wenn aber nicht, so wollen wir sogleich überlegen, was | wir zu thun haben, ob wir eines andern Gesellschaft suchen sollen, oder ob wir selbst das Göttliche, was dir beiwohnt, durch Gebete und Opfer und jedes andere Mittel, was die Gottessprecher vorschreiben, zu gewinnen suchen. D. Wolle nicht ferner, o Sokrates, dich dem Knaben hierin widersetzen; denn Theages redet wohl. S . Nun wenn es euch denn scheint, daß wir es so machen müssen, so wollen wir es so machen. 173,15–16 Theages … E i ne s von G o t t g e le it e t e n ] Aus theos / θεός (Gott) und agein / ἀγειν (leiten). Siehe auch in der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd I.330, FN: Der von Gott geleitet wird. 173,18–19  Ph ä d r u s ] In den von J. benutzten Platon-Ausgaben (siehe oben 175,26–30 mit Anmm.): Editio Bipontina: Platonis Philosophi quae exstant, Bd X (1787). 277/279–390. Übersetzung von Kleuker: Platon: Werke. Bd III (1783).143/145–286 (Phädrus oder vom Schönen). 173, 20 –175,17  Dieser Phädrus war … u n d g e w i ß.«] Von den im Folgenden angeführten Passagen aus dem Phädrus heißt es in der am Ende eingefügten Fußnote; siehe oben 175,31–33: Der Herausgeber, nachdem er mit Mühe und Verdruß die durch den ganzen Phädrus zerstreuten Stellen, worauf Allwill Bezug nimmt, zusammengelesen hat, […]. Terpstra (344 f., Anm. 65) nennt den ersten, nicht in Anführungszeichen gesetzten Teil eine stark kürzende Wiedergabe des platonischen Dialogs […] 227a– 243b; von dem zweiten, in Anführungszeichen gesetzten, heißt es, daß er, obgleich in solche gesetzt und somit ein wörtliches Zitat suggerierend, keines sei: Es sind aber nur »Halb­zitate«; oft direkt anklingend, meist kürzend, manchmal erweiternd und in persönlicher Umgestaltung Hauptgedanken oder Einzelheiten des Dialogs wiedergebend. Vgl. hierzu o. c. 244a6– 245c3.



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173,20–25  Dieser Phädrus war … gesagt wurde.] Platon: Phaedrus. 227a–c. Die Rede des Lysias: ib., 230e–234c. 173,26–28  Sokrates nöthigte … seicht.] Platon: Phaedrus. 228d–e und 234d–235a. 173,29 –174,2  Es laufe beim Lysias … R a s e r e y.] Platon: Phaedrus. 235e–236a. 174, 3–7 Diese S e it e … vertheidigt werden.] Siehe zum Geist-Buchstabe-Topos bei J. die Anm. zu 188,36 –189,1 sowie oben 142,17–19. 174,8–10  Phädrus zwang ihn … wahr machte.] Platon: Phaedrus. 236d–e. – Was die Gegenrede des Sokrates beweisen soll, ist vor der eigentlichen Rede benannt. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd III.170: Es war also ein Knabe, oder besser ein Jüngling, lieblich und überaus schön. – Er hatte gar viele Liebhaber; und einer davon war sehr lustig. Dieser liebte den schönen Jungen, so sehr einer ihn lieben konnte, und doch machte er ihm weiß, er liebte ihn nicht. Da er nun einst um seine Gunst buhlte, so predigte er ihm vor, wer sollt’ es wohl glauben? daß man dem Liebenden nicht so willfahren müsse, als dem, der nicht liebt. Dies bewies er ihm so! Die Rede des Sokrates folgt Phaedrus. 237b–241d. 174,8–9  Sokrates sich verhüllte] Platon: Phaedrus. 237a. 174,11–14  Nach geendigter Rede … lästern müssen.] Platon: Phaedrus. 242e und 243b. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd III.187 f.: Denn ich werde nicht warten, bis mich die Götter als einen Lästerer der Liebe strafen, sondern mich vorher wieder mit ihr aussöhnen durch einen förmlichen | Widerruf, und zwar mit entblöstem Angesicht, nicht verhüllt, wie vorhin, da ich mich schämte. Siehe auch ib., 186. 174,15–20  »Ich kann es … anzubeten.] Platon: Phaedrus. 244a. Zum Beginn der Gegenrede des Sokrates in der Übersetzung Kleukers siehe Platon: Werke. Bd III.190. Ib., auch das Lob der Raserei: Es ist falsch, wenn behauptet wird, daß jemand, dem ein Liebhaber bereit stehet, diesem doch nicht folgen, sondern dafür einen Nichtliebhaber erwählen müsse, weil der Liebhaber gleichsam raset, dahingegen der Nichtliebhaber besonnen ist. Dies liesse sich nur alsdann behaupten, wenn Raserei schlechthin ein Uebel wäre. Allein die allergrößten Güter werden uns vermittelst der Raserei zu Theil, es versteht sich vermittelst der heiligen, die ein Geschenk der Gottheit ist. 174,21–26  Was aller menschlichen … Vogelf lug.] Platon: Phaedrus. 244a–d. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd III.191 f.: So sehr nun die Wissenschaft der Augurien (Muthmassung des Zukünftigen nach bedeutenden Vorzeichen) von der Weissagungskunst, so wohl dem Namen als der Verrichtung nach, an Vollkommenheit und Adel übertroffen wird, um so | viel edler ist auch, nach dem Zeugniß der Alten, die göttliche Raserei als die blos menschliche Besonnenheit. In dem diesem vorausgehenden Abschnitt heißt es: Denn auch diejenigen Spähungen der Zukunft, welche von Unbegeisterten nach dem Fluge der Vögel und nach andern bedeutenden Vorzeichen angestellt werden, und wobei der menschliche Geist blos muthmaßend verfährt, hießen ehemals Verstand und Kenntniß der

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Augurien, […]. Siehe auch ib., 190: Aus dem Munde der Prophetin zu Delphi und der heiligen Personen zu Dodona sind viele vortreff liche Orakel gekommen, die so wohl in besondern als allgemeinen Angelegenheiten die wohlthätigsten Dienste gethan haben. 174,27–34  Wenn der Gott … Würde.] Platon: Phaedrus. 245b. Der Dialog Platons bleibt in diesem Kontext positiv; siehe in der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd III.193: Wir wollen aber gerade das Gegentheil zu beweisen uns angelegen seyn lassen, nämlich daß diese Art von Raserei den Menschen zum größten Glük von den Göttern ertheilt sey. 174, 34 –175,4  Siehe jenen Thoren … nichts seyn.] Platon: Phaedrus. 245a. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd III.192: Kommt hingegen jemand ohne diese unmittelbare Begeisterung der Musen vor den Tempel der Dichtkunst, und glaubt, blosse Kunst werde hinreichen, ihn zum Dichter zu machen; so wird er wie ein Todter unter Lebendige kommen: und sein Dichten als eines blos Vernünftigen wird gegen die bef lügelten Sprüche der Begeisterten wie Nichts seyn. 175,9–12  und hingegen den … Rasenden verspottet.] Platon: Phaedrus. 249c–d. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd III.206: Hieher gehört also, was sich überhaupt von der vierten Art der Raserei sagen läßt, wonach jemand beim Anblik der Schönheit auf Erden sich der wahrhaften Schönheit des vorigen Lebens erinnert; und indem er dadurch zugleich bef lügelt wird, immer gern auff liegen will. Ob er nun gleich dazu noch nicht vermögend ist, so richtet er seinen Blik doch schon aufwärts, wie ein Vogel, der sich in die Höhe schwingen will. Da er indessen aus Verlangen nach dem was oben ist alles Irrdische zu klein findet, so muß er sich dafür einen Schwärmer oder Rasenden nennen lassen. Allein eben diese Raserei ist so wohl für den Besizer als Theilnehmer derselben die beste von allen Arten des Enthusiasmus, weil sie gleichsam aus dem besten Stoffe gemacht ist und wer zu folge dieser Entzückung das Schöne liebt, führt eigentlich den Namen eines Liebhabers. 175,16–17  u n z u ve r l ä ßi g d e n … u n d g e w i ß.«] Platon: Phaedrus. 245c. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd III.193 f.: Dieser Be-| weis wird freilich den Rohen unzuverlässig, den Klugen aber sicher und gewiß scheinen. – 175,26  Tom. III. p. 245. c.] Siehe Plato: Opera quae extant omnia. Ex nova Ioannis Serrani interpretatione, perpetuis eiusdem notis illustrata: quibus & methodus & doctrinae summa breuiter & perspicuè indicatur. Excvdebat Henr. Stephanvs, cvm privilegio caes. Maiest. [Paris] 1578. Bd III.245. 175,26–27  Im Griechischen … c o n t e n t i o s u s , ] Platonis Philosophi quae exstant. Editio Bipontina Bd X.318: ἡ δὲ δὴ ἀπόδειξις ἔσται δεινοῖς μὲν ἄπιστος, σόφοις δὲ πιστὴ. – demonstratio autem erit contentiosis quidem incredibilis, sapientibus vero contra. 175,27–29 im Ion , … übersetzt.] Platonis Philosophi quae exstant. Editio Bipontina Bd IV.182: ΣΩ. Οὐκοῦν ὁ αὐτὸς γίγνεται δεινὸς περὶ ἀμ­ φο­τέ­ρων; – S o. An non ipse idem in utrisque peritus est? – Vgl. Plato: Opera quæ extant omnia. Bd I.532.



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175,29–30  K l e u ke r hat wie … Allwill.] Zur gemeinten Stelle siehe Anm. zu 175,16–17. 175,29–30  dem Herausgeber für seinen Freund Kleuker] Der erste Brief J.s an den Osnabrücker Theologen und Philologen Johann Friedrich Kleuker (1749–1827) datiert vom 2. August 1781 (siehe JBW I,2.329 f.). Er hat ihn gemeinsam mit seinem Bruder Johann Georg verfaßt, der offenbar bereits engere Kontakte zu Kleuker unterhielt. Der Kontakt bricht von da an nicht mehr ab. Insbesondere in die Diskussion um J.s Ausgaben seiner Schrift Ueber die Lehre des Spinoza – 1785 und 1789 – wurde Kleuker intensiv einbezogen; siehe JBW I,4.57–61 sowie die Briefe J.s an Kleuker vom 10. März 1789 und vom 22. April 1789, JBW I,8.191 f. und 206 f. J. besuchte Kleuker zudem auf seiner Norddeutschlandreise im Juni 1789; siehe J. an Kleuker, 29. Mai 1789 und 3. Juni 1789, JBW I,8.231 f. und 246 f. Kleuker erhielt 1798 – auch durch die Vermittlung J.s – einen Ruf als Professor für Theologie an die Universität Kiel. 175, 34–35  So scheint Allwill … wußten.] Siehe oben 174,25 f.. Die hier angedeutete Streitsache verweist wohl auf eine Diskussion unter den Altphilologen. Im Freundes- und Korrespondentenkreis J.s finden sich zahlreiche Übersetzer von Klassikern der griechischen Antike, unter ihnen neben dem erwähnten Kleuker auch Johann Heinrich Voß, Friedrich Leopold Graf zu Stolberg und Johann Georg Schlosser. 177,21  kam in Wochen] Die Wochen bezeichneten traditionell die Zeit der Niederkunft bzw. im Kindbett, meist sechs Wochen; siehe Dt. Wb. 15.2794 (Artikel Sechswochenfrau). Vgl. auch das seit dem 17. Jahrhundert gebräuchliche Wort Wöchnerin (Dt. Wb. 30.963); siehe auch Wochenbett. 177, 30  S. den XVten Brief … 168.] Siehe oben 170,9. 177, 31  S. den VIIIten Brief.] Siehe oben 123–127. 178,21–23  Einst, vor Jahrhunderten … Schuppen!] Apg 9,11 und 9,17–18. 178,26  mein Bruder] Clemens von Wallberg. Siehe oben 147,35. 178, 30  S. den IIIten Brief.] Siehe oben 103,1 f. 178, 30  S. den VIIten Brief.] Siehe oben 117–122. 179,27  M o n t a i g ne ] Siehe Anm. zu 78,2. Dieser Bezug auf Montaigne sowie ein weiterer in der Zugabe (229,23–25) treten in D4 neben das bereits in D2 enthaltene Montaigne-Zitat am Ende des Romans. 179, 33  S. Seite 168.] Siehe oben 170. 180,23 sachtsinnig] Adjektiv zu Sachtsinn, milder Sinn, wohl vor allem im norddeutschen Raum gebräuchlich; siehe Dt. Wb. 14.1609. Siehe auch Krünitz: Oekonomische Enzyclopädie, 136.280; hier Synonym zu sanftmüthig. 180, 32 Der VIIte dieser Sammlung.] Siehe oben 117–122. 180, 33  S. den XIIten Brief. S. 112.] Siehe oben 146,17. 181,14 anstreichen] Siehe Dt. Wb. I.492 (die an vierter Position angeführte Bedeutung; vgl. auch die fünfte): (mich) anschmiegen. 182,11  A n t i g o n e ] Siehe bereits 86,12–13 mit Anm. 182,13  Xenophons Gastmahl] Das Gastmahl des Xenophons. Aus dem Griechischen übersetzt. Lemgo 1774. Vgl. KJB 2847. Im achten Kapitel (76–92) hält Sokrates eine Rede, die der unkörperlichen Liebe vor der körper­lichen

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den Vorzug gibt. Ib., 79: Fast sollte man auch glauben, daß die irdische Venus nur eine Liebe zu dem Körper erweckt, die himmlische hingegen eine Liebe zur Seele, zur Freundschaft und zu guten Handlungen. Ib., 80: Und damit er desto vergnügter über meinen Beifall seyn möge, will ich ihm zeigen, daß die Seelenliebe auch viel besser ist, als die Liebe zum Körper. Ohne Freundschaft, wie wir alle wissen, hat keine Art des Umgangs einigen Werth. Ib., 84: Wie sehr es auch für einen freyen Mann unanständig ist, den Körper mehr als die Seele zu lieben, will ich nun zeigen. Ib., 86: Auch aus unserer Fabellehre, mein lieber Kallias, habe ich große Lust dir zu zeigen, wie sehr nicht Menschen allein, selbst Götter und Helden die Seelenfreundschaft höher schätzen, als körperliche Liebe. Zu den Vorzügen der Seelenliebe – als der reineren – siehe auch 81 und 84. 182, 33 Edmund] Das jüngste Kind von Amalia. Siehe oben 120,13. 183, 32 Den XIten dieser Sammlung.] Siehe oben 139–145. 185,18–19  mein Arbeitsbeutel] Siehe Dt. Wb. 1.543: Arbeitsbeutel […] worin die frauen zeug zum nähen und stricken tragen. 185, 33  nach Maratti] Siehe die Anmm. zu 30,5–6 und zu 120,23–24 sowie die Tafeln in JWA 6,1. Dazu im folgenden Textabschnitt; siehe oben 186,9–11. 186,5  bis an das Capitel von Allwill] Die Aussagen zu Allwill bilden den Schluß des XI. Briefes; siehe oben 144,1–145,11. 186,29 Schreibtisch … Sopha] Solche leicht tragbaren Tische waren damals offenbar Mode, und es war beabsichtigt, sie vor Sopha oder Kanapee transportieren zu können. Siehe Journal des Luxus und der Moden. 1787, Bd 2, Februar, 64: 1) Ein leichtes Arbeits-Tischgen für Damen. / Dieß kleine überaus artige und zierliche Meuble, dessen Zeichnung wir auf Taf. 3 liefern, ist eine Erfindung der hiesigen Fürstl. privl. Blumen-Fabrick. Da das ganze Tischgen so leicht ist, daß es selbst nur ein Paar Pfunde wiegt, so dient es freylich nicht dazu schwere Gegenstände, sondern nur einen Arbeits-Beutel, oder sonst ein ander leichtes Stück, aus Luft gewebter, Damens-Arbeit zu tragen, vor das Kanapee zu setzen, und hauptsächlich ein Damen-Zimmer zu decoriren. 187,11–12  Mu t t e r, riefst Du; … Mu t t e r ! ] Siehe oben 140,35. 187,18–20  Du hattest noch … l a s s e a l l e s ] Siehe oben 140,27–32. 187,26–27  Daß ich Mutter … dieses vorzusagen?] Siehe oben 140,33–35. 187, 32–33  noch nicht meine Schwester] Hier wohl im Sinne von ›Schwägerin‹ gemeint. Die Ehemänner von Sylli und Amalia sind bzw. waren die Brüder August und Heinrich Clerdon. Siehe oben 95,12–19 und 96,3–5. 188, 36 –189,1  »es sey der Instinkt … zu bringen« ] J.s Grundimpetus ist gegen alles (kausal-)mechanische Denken, vor allem auf dem Gebiet der Moral, gerichtet. Die Maschinen-Metaphern (siehe 198,4 und Anm. zu 198,37 –199,1) sowie der Geist-Buchstabe-Topos, nach welchem der Geist immer das Lebendige und Individuelle, der Buchstabe das Abstrakt-Allgemeine ist, finden sich in J.s. Schriften häufig. Siehe auch oben 198,17, 142,17–19, 174,3–7. 189,2  F e n e l o n ] François de Salignac de La Mothe Fénelon (1651–1715), Erzbischof von Cambrai und französischer Schriftsteller. J. hat Fénelon erst spät für



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sich entdeckt. 1785 hatte er dessen Werke noch nicht gelesen, und die Lektüre des Jahres 1787 hat in der zweiten Ausgabe des Spinoza-Buches keine nennenswerten Spuren hinterlassen; siehe J. an Johann Gottfried Herder, 9. Februar 1785, JBW I,4.40. Dagegen bezieht sich J. in den Spätfassungen seiner Romane von 1792 und 1794 mehrfach auf Fénelon. Die zu J.s Bibliothek gehörende Ausgabe der Werke Fénelons, die 1787 und 1791/92 in Paris erschien (KJB 249), paßt zu diesen Lektürephasen. Allerdings belegen (auch) die Anstreichungen in früheren Ausgaben J.s Lektüren; vgl. KJB 250 und 251. Ebenso zeugen seine Notizbücher von der intensiven Lektüre Fénelons zur Zeit der Arbeit an den Spätfassungen der Romane; siehe Schneider: Denkbücher, 252 f. (in der Kladde IV aus der Zeit vom 20. März 1791 bis Mitte/Ende 1792 und in der Kladde V aus der Zeit von Ende 1792 bis Ende 1794; ib., 82 f.). Insbesondere rezipiert J. Fénelons Idee einer pur amour; siehe ib. sowie J. an Wilhelm von Humboldt, 2. September 1794, JBW I,10.395,28–33: In der gedachten nicht zu Stande gekommenen Vorrede sollte auch der Spruch des Fenelon am Ende, a u s d e m F e ne l o n erläutert und gerechtfertigt werden. Sie finden wohl in der dortigen Bibliothek oder bey einem Freunde die Oeuvres spirituelles de Fénélon. Lesen Sie, mir zu Lieb’ und mir zu Ehren, im ersten Theile den kleinen Aufsatz sur le pur amour, und sagen Sie mir nachher, ob dieser Mystiker viel von Kant zu lernen hatte. Der empfohlene kleine Aufsatz findet sich zu Beginn des zweiten Bandes der Œuvres spirituelles von 1731 (vgl. KJB 251). 189, 3–6  »Der Mensch … für Nichts.«] François de Salignac de La Motte Fénelon: Œuvres philosophiques, ou Demonstration de l’Existence de Dieu […] Nouvelle Édition. 2 Bde. Amsterdam 1731 (KJB 250). Bd I.177: ô renversement de tout l’homme! l’homme n’a des yeux que pour voir des ombres; & la Vérité lui paroît un fantôme. Ce qui n’est rien, est tout pour lui: ce qui est tout, ne lui semble rien. 189,10–27  »Wärest Du … Auge entzieht.«] Ib., 176 f.: Si vous étiez un corps stérile, impuissant, & inanimé, tel qu’une f leur qui se f létrit, une Rivière qui coule, une maison qui va tomber en ruine, un Tableau qui n’est qu’un amas de couleurs, pour fraper l’imagination, ou un métail inutile qui n’a qu’un peu d’éclat: ils vous apercevroient, & vous attribueroient follemens la puissance de leur donner quelque plaisir, quoiqu’en effet le plaisir ne puisse venir des choses inanimées, qui ne l’ont pas, & que vous en soiez l’unique source. Si vous n’étiez donc qu’un Etre grossier, fragile, & ­inanimé, qu’une masse sans vertu, qu’une ombre de l’Etre: votre Nature vaine occuperoit leur vanité; vous seriez un objet pro­portionné à leurs pensées basses & brutales. Mais parce que | vous êtes trop au dedans d’eux-mêmes, où ils ne rentrent jamais: vous leur êtes un Dieu caché. Car ce fond intime d’eux mêmes est le lieu le plus éloigné de leur vûë, dans l’égarement où ils sont. L’ordre & la beauté que vous répandez sur la face de vos Créatures, sont comme un voile qui vous dérobe à leurs yeux malades. 190,2–3  D u w ä h l t e s t L e b e n … I s m e ne. ] Sophokles: Antigone. 555. Siehe Sofokles übersetzt von Christian Graf zu Stolberg. Bd II.44: Antigonä. / Du wähltest Leben, und ich wählte Tod.

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190,10–12  Und hiemit, … a n g e f a n g e n .] Siehe 86,12 f. mit Anm. so­ wie das hier vorausgehende Zitat aus der Antigone des Sophokles. 190,25  den Punkt von Allwill in Deinem Briefe] Siehe Anm. zu 186,5. 190, 34  S. den XIIten Brief.] Siehe oben 147,19 –149,22. 191,7–8  »Hüte Dich vor … gezeichnet hat!« ] Siehe die Anmm. zu 209,16–19. 192,10–11 Beber (tremblers)] So wurden am französischen Hof die Quäker bezeichnet, eine religiöse Gruppierung, die in England Mitte des 17. Jahrhunderts entstand. Aus ihr gingen später die sogenannten Shaker hervor, eine christliche Freikirche, zu deren Ritualen der Gottesverehrung eine Art Schütteltanz gehörte. Die protestantische Sekte, die sich durch eine hohe Arbeitsethik auszeichnete, gründete ihre ersten Gemeinden in den USA in den 1780er Jahren. 193,1–14  Es scheint, daß … gewesen wäre.] Vgl. hierzu auch J. an J. G. A. Forster, 13. November 1779, JBW I,2.129: Es scheint, je leichter wir alle Falten des Menschlichen Herzens durchdringen, je fertiger sind wir auch, uns in jedem besondern Falle zu täuschen. Wir erdichten Menschen, daß sie aussehen, als müßten sie irgendwo lebendig seyn, und aus den würklichen Menschen machen wir uns etwas, das sehr viel von einem bloßen Hirngespinnste hat. Kein Wunder, da fast jeder Charackter von unendlichem Umgange ist. Da legt unsere Einbildungskraft uns gleich hundert Plane vor, aus denen wir denjenigen wählen, der uns am besten ansteht. Fällt aber die persönliche Beziehung weg und wir tragen hernach blos unsere Beobachtungen zusammen, dann ist kein Mensch gewesen, der es besser gewußt hat, als wir. Kontext ist Goethes Verunglimpfung von J.s zweitem Roman Woldemar vor der Weimarer Hofgesellschaft auf Schloß Ettersberg und der daraus folgende Freundschaftsbruch mit Goethe. 193,17  Pa p a A l l w i l l ] Siehe zum Alter Allwills oben 144,14–34. 193,20  Ihr langes Sendschreiben] Der Brief ist nicht Teil des Romans. Anders als in D2 ist sein Inhalt allerdings Gegenstand anderer Briefe; siehe oben 136,16, sowie den gesamten Brief Nr. X von Eduard Allwill an Clemens von Wallberg (136–139). 193,24–32  L a n d e s he r r l iche Po r t r a it … gepanzerten Erden­ gottes] Aufgrund des Umstands, daß J. bis ins Detail Gegebenheiten seiner Umgebung in seinen Roman aufnimmt (siehe etwa die Anmm. zu 30,5–6, 99,12–13 und 154,25), legt sich die Vermutung nahe, daß hier Spezifika des Rathaussaales in Düsseldorf aufgenommen wurden. Über die historische Ausstattung des Saales ließ sich leider nichts ermitteln. Einen goldbefransten Baldachin ebenso wie einen Landesherrn in Rüstung zeigt etwa das Portrait von Johann Wilhelm (1658–1716), Kurfürst von der Pfalz, Herzog von Jülich-Berg, ein Ölgemälde von Jan Frans Douven (1656–1727), der 1682 als Hofmaler an die Düsseldorfer Residenz kam (Stadtmuseum Düsseldorf, Signatur: SMD.B820; siehe Deutsche Digitale Bibliothek). Das Bild entstand nach 1708. Aufgrund der Maße des Bildes (89 × 53,5 cm) muß allerdings wohl ein repräsentativer Gebrauch wie in einem Rathaussaal ausgeschlossen werden. 193,26 Ihro – –] In D2 heißt es an dieser Stelle: Ihro *–*–, titulo pleno. Siehe 56,16–17 mit Anm.



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193, 32 –194,7  als Du mit aller Weisheit … hattest.] Die Weisheit, der gebläute[] Staal und die Eule verweisen auf die Göttin Athene, die – dem Mythos zufolge – in voller Rüstung aus dem Haupt des Zeus sprang. Sie ist die Göttin des Krieges und der Weisheit; die Eule ist ihr Symbol. – Motive dieses Bildkomplexes könnte J. den in der Düsseldorfer Gemäldegalerie ausgestellten Bildern entnommen haben. Siehe Pigage: La Galerie Electorale de Dusseldorff. 194,6 ungepf lückt] ungerupft. Siehe Dt. Wb. 13.1771: Pf lücken, […] / 1) spitz angefaszt ausziehen, zupfen, rupfen (haare, federn) […] 194,8–13  Gewiß hattest Du … Fels.] Motive dieses Bildkomplexes könnte J. den in der Düsseldorfer Gemäldegalerie ausgestellten Bildern entnommen haben. Siehe Pigage: La Galerie Electorale de Dusseldorff. 194,11 Seraphimsf lügel] Jes 6,2–7. 194,22 Tafft] Dt. Wb. 21.26: Taffet, tafft, taft, […] leichtes glattes seidenzeug […] Eine ausführliche Beschreibung der Beschaffenheit und Her­ stellung des Stoffes findet sich in Adelung 4.517 (Táffet). 194,24–27  Ptolemäische Epicycloide … Zirkels zurück.] Eine Epicycloide ist eine Kurve, die ein beliebiger Punkt auf dem Umfang eines Kreises beschreibt, wenn dieser Kreis auf einer geraden Bahn (oder auch auf einer anderen geometrischen Figur, z. B. einem anderen Kreis) rollt. Von Ptolomäus wurde diese Bewegungskurve zur Beschreibung von Planetenbewegungen in seinem geozentrischen Weltbild benutzt. Siehe Zedlers Universallexicon 8.1392–1396. Ib. 1392: E p ic yc lu s , wird in der alten Astronomie ein Circel genennet, in dessen Pe r i ph e r ie sich der Pl a n e t beweget, indem der Mittel-Punct desselben Circels selbsten in der Pe r i phe r ie des E c c e n t r ic i fortrückte. Da nemlich die Planeten nach einiger Zeit wieder an dem Orte des Himmels erschienen, wo sie vorher gewesen waren, so wurde man gleich gewahr, daß ihre Bewegung nicht in einer geraden, sondern krummen und zwar in sich selbst lauffenden Linie geschehen müsse. Nun war die bekannteste der Circel; daher setzte man die Figur der Planeten-Bahn c i r c u l a r ; doch konnte derselbe nicht einerley Mitttel[!]-Punct mit dem Mittel-Puncte der Erden haben, weil die Obseruationes darthaten, daß die Planeten der Erden bald nahe bald weiter von ihr weg waren. Hieraus verfiel man auf die Circulus Eccentricos, oder auf die c i r c u l a r e Bahn derer Planeten, deren Mittel-Punct mit dem Mittel Puncte der Erden nicht überein kam. Mit dergleichen Eccentrico kam man noch so ziemlich mit der Bewegung der Sonne zu rechte, […]. Allein bey denen Bewegungen derer Planeten wollten diese Eccentrici keines Weges hinlänglich seyn, indem diejenigen Ph a e n o m e n a , von denen wir jetzo wissen, daß sie von der Bewegung der Erde um die Sonne herrühren, sich daraus nicht wollten erklären lassen. Man nahm derowegen an, die Planeten bewegten sich nicht selbst in dem ihnen a d s i g n i r t e n E c c e n t r ic o, sondern in der Pe r i phe r ie eines andern Circels, dessen Mittel-Punct aber in der Pe r i ­ phe r ie des E c c e n t r ic i sich bewegte. Dieser wurde nun E pic yc lu s genennet, […]. – Vgl. auch J. an Wieland, 27. Oktober 1772, JBW I,1.171,16–26: Unser Leben gleicht einer Ptolomäischen Epicycloide; da sind Inclinationen und Declinationen ohne Ende; aber wir kommen immer wieder in die

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Peripherie unsers Zirkels zurück. Es belustigt mich nicht wenig, wenn ich mich der Zeiten erinnere, wo ich bei einer jeden Sinnesänderung, die ich erfuhr, dachte, ich hätte einen großen Schritt näher zur Weisheit gethan, und mich wunderte, wie ich wenige Tage, ja oft nur wenige Stunden vorher noch ein so großer Thor seyn konnte. Nachdem ich aber einige Mal, abwechselnd, in dem, was mir Thorheit gedäucht hatte, wieder zum weisen Manne, und in dem, was mir Weisheit gedünkt hatte, wieder zum Thoren geworden war, da lernte ich die Sache besser einsehen. 195,1–2  E i n S che l m t hu t m e h r … Sprüchwort.] Siehe J[oseph] Eiselein: Die Sprichwörter und Sinnreden des deutschen Volkes in alter und neuer Zeit. Zum erstenmal aus den Quellen geschöpft, erläutert und mit Einleitung versehen. Freiburg 1840. 547: E i n S ch e l m , d e r m e r t u t , a l s e r k a n n ! Vo l k s m . Vgl. auch J. an F. Kobell, 27. Februar 1776, JBW I,2.40,7–11: Seitdem ist mir’s noch weit heller aufgegangen, daß sich Alles von selbst macht; Liebe nur muß da seyn, Bedürfniß, Drang. Auch vermag wirklich jedweder so viel, als er braucht; und wer mehr thun will, wird, nach dem alten deutschen Sprüchworte, zum Schelm. 195,4–5  E p ic t e t ] Epiktet (um 50–138) war ein Stoiker der Spätantike. Seine Lehre ist überliefert durch seinen Schüler Arrian unter dem Titel Lehrgespräche (diatribai, Dissertationes). Breite Rezeption fand ein von Arrian an­ gefertigter Auszug aus diesen unter dem Titel Handbüchlein (Enchiridion). Dieses enthält eine Sammlung von Verhaltensnormen des von Leidenschaften und Affekten freien stoischen Weisen (Ideal der Apathie). Vgl. KJB 2673 und 3635. 195,11  F u r ch t e n ] In der Barockliteratur war die Furchte neben die Furcht bei denselben Autoren, z. B. Opitz oder Hoffmannswaldau, gebräuchlich. Zu finden ist diese Form bisweilen auch noch im 18. Jahrhundert, z. B. bei Herder. Siehe Dt. Wb. 4.683 f. und 695. 195,12  e u r e n i n n e r n S i n n ] Im Umkreis der für J. bedeutsamen englischen Moralphilosophie – z. B. Shaftesbury und Francis Hutcheson – war der ›innere Sinn‹ der ›moral sense‹, das ›moralische Gefühl‹. 195,18 Gegreine] Substantivierte Form von greinen = weinen. Siehe Dt. Wb. 9.53. 195,21–202,23  Um die Lehren … Leben und Liebe] Zu diesem Passus schrieb Friedrich Roth, der Herausgeber des Auserlesenen Briefwechsels J.s, in einer Fußnote zum Brief J.s an J. A. H. Reimarus vom 29. Dezember 1790, ABW II.49: Die Stelle z. B. in Allwill’s Papieren S. 186–198 (Werke Th. 1.) ist wörtlich aus einem Briefe an Wieland vom 1. Mai 1776; […] Dieser Brief ist weder bekannt, noch wurde in JBW I,2 oder I,4 auf ihn verwiesen. Auch in der Ausgabe des Briefwechsels von Wieland ist er nicht angeführt; siehe Wieland-BW. 196,6  fortdaurenden Gemüthsruhe] Siehe Anm. zu 195,4–5. 196,24 künstlicher] Hier nicht im heutigen Sinne als Gegensatz zu ›natürlich‹, sondern im Sinne von ›kunstvoll‹. Siehe Adelung 2.1835 (Artikel K ü n s t l ich ). 196,26 ausspreitet] Soviel wie ›zerfasert‹. 196, 34  feste Grundsätze] Vgl. hierzu J.s Selbstauslegung in seinem – gegen die Kritik des Allwill gerichteten – Brief an Johann Albert Heinrich Reimarus vom



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23. Oktober 1781, JBW I,2.358,4–14 : Was den Punkt der Grundsätze angeht, so kann ich nicht anders als Ihnen gerade heraus versichern, daß ich den Schriftsteller nicht kenne, der die Nothwendigkeit derselben gründlicher, mannigfaltiger, auffallender dargethan, u sie beßer eingeschärfet hätte, als es überall von mir geschehen ist. Und zwar hilft dasjenige nicht am wenigsten dazu, was Allwill selbst dagegen vorzubringen scheint. Man sieht, die verhüllte Wahrheit brennt ihm wie Feuer ins Eingeweide. Oft ist der Geck mit sich selbst auch nur im Mißverstande. Daß bloße Maximen, bloße gesunde moralische Meinungen noch lange keine würksame Grundsätze sind, und daß letztere nicht eher da seyn können, bis der Tugendhafte Character, bis die entschiedene Oberhand der beßeren Neigungen selbst schon da ist – dieser Meynung bin ich mit. Siehe auch J. an Johanna Schlosser, 10. November 1779, JBW I,2.125,24 –126,11: Ich berufe mich auf die Empfindung eines jeden Menschen: in welchen Augenblicken er sich selbst am höchsten geschätzt hat? – Zuverläßig in denjenigen Augen­blicken, wo ihm das Vermögen am gegenwärtigsten war, einen b e s t ä n d i g e n Vorsatz zu faßen, Herr über sich selbst zu seyn. Am verächtlichsten hingegen in denen Augenblicken, wo er seinen Entschlüßen zuwider handelte, wo ihn seine Grundsätze verließen, wo ihn das Gegenwärtige verschlang, Sinnlichkeit die Oberhand bekam; wo er der dummen Geistlosen Materie ähnlich wurde, die nur Druck und Stoß des Augenblicks, fremde unmittelbare Gewalt regiert und formt. – In der Beurtheilung anderer folgen wir unabläßig eben dieser Regel. Je übereinstimmiger mit sich selbst wir einen Menschen sehn, je größer ist unsere Hochachtung für ihn; je widersprechender mit sich selbst, je größer unsere Verachtung. »Diese Consequenz, sagt Lessing, vermöge welcher man voraussagen kann, wie ein Mensch in einem gegebenen Falle reden oder handeln werde, ist es, was den Mann zum Manne macht, ihm Charackter und Stetigkeit giebt; diese großen Vorzüge eines denkenden Menschen. Charackter und Stetigkeit berichtigen so gar mit der Zeit die Grundsätze; denn es ist unmöglich daß ein Mensch lange nach G r u n d s ä t z e n handeln kann, ohne es wahrzunehmen wenn sie falsch sind. Wer viel rechnet, wird bald merken, ob ihm ein richtiges Einmaleins beywohnt oder nicht.« – Eben so wahr ist es im Gegentheil, daß ein Mensch ohne Grundsätze, oder der seinen Grundsätzen nicht getreu ist, nur ein nichtswürdiger Bube seyn kann, und allmählig bis unter das Vieh hinabsinken muß. Er wird es um so viel schneller, je mehr und je heftigere Neigungen in ihm wohnen, welche nicht nur den Menschen, sondern auch sogar das Thier in ihm, mit sich selbst uneins machen. 197,9–21  bin ja mehr als … Tugend!] Diese Romanpassage stimmt weitgehend überein mit einer Passage in J.s Brief an Johann Wolfgang Goethe, 6. November 1774, JBW I,1.268,6–15: Alsdann soll dir, in dieser oder jener Stunde, erzählt werden, in was für Feßeln man mir, von Kindesbeinen an, Geist und Herz geschmiedet; wie man alles angewendet, meine Kräfte zu zerstreuen, meine Seele zu verbiegen. Dennoch ward mir viel von meiner Beylage bewahrt, und drum weiß ich, an wen ich glaube. Der einzigen Stimme meines eigenen Herzens horch ich. Diese zu vernehmen, zu

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unter­scheiden, zu verstehen, ist mir Weisheit; ihr muthig zu folgen Tugend. So bin ich frey; und wie viel köstlicher als die Behaglichkeiten der Ruhe, der Sicherheit, der Heiligkeit ist nicht die Wonne dieser Freyheit! Siehe auch J. an Wieland, 13. November 1774, JBW I,1.270,10–14. 197,25  schöne Seele] Die schöne Seele ist ein Kernbegriff der Empfindsamkeit. Sie ist der Inbegriff empfindsamer Tugend. In seinem Brief an den Grafen Chotek vom 16. Juni 1771, der eine ganz im empfindsamen Stil verfaßte Beschreibung des empfindsamen Congreßes auf Ehrenbreitstein zum Inhalt hat, gibt J. mit Blick auf Sophie von La Roche eine ideale Beschreibung der schönen Seele. Siehe JBW I,1.110. 197,27  Philosophieen des Lebens] Siehe auch oben 198,2. Der Begriff Philosophie des Lebens ist in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stark verbreitet. Im Kern beinhaltet er eine Abkehr von der rationalistischen Schulmetaphysik und eine Hinwendung zur Lebenspraxis des Menschen. Anthropologie und Psychologie (im Sinne einer Erfahrungsseelenkunde) entwickeln sich in diesem Zusammenhang. Siehe beispielsweise [Gottlob Benedikt von Schirach:] Ueber die moralische Schönheit und Philosophie des Lebens. Reden und Versuche. Altenburg 1772. 162–164: Mit der reinsten Aufrichtigkeit meiner Absicht, der menschlichen Gesellschaft nützlich zu werden, wünschte ich, daß man, vor allen andern Theilen der Weltweisheit, die Ph i l o s o ph ie d e s L e b e n s bearbeitete. Ich verstehe | darunter nicht die gewöhnlichen M o r a l s y s t e m e , sondern nehme diese als den Grundbau an, und will, daß man von dar weiter auf die besondern Erscheinungen unsrer Seele Achtung gebe, daß man, nicht nach angenommenen Sätzen, sondern nach der Erfahrung, von der Natur des Menschen die Menschen unterrichte, den Beobachtungsgeist schärfe, und auf die bürgerliche Gesellschaft besonders richte, daß man sich Anmerkungen über diese oder jene ungewöhnliche Handlung, Vorfall, Denkungsart sammle, und nachher darüber nachdenke, daß man die Ursachen und Wirkungen so vieler unerklärter Erscheinungen aufsuche und zu entdecken trachte. Siehe hierzu J.s in D4 artikuliertes Selbstverständnis als Autor, Menschheit wie sie ist, erklärlich oder unerklärlich, auf das g e w i s s e n h a f t e s t e vor Augen zu stellen (siehe oben 89,31–33). Siehe auch den Untertitel seines zweiten Romans Woldemar in der Ausgabe von 1779: Eine Seltenheit aus der Naturgeschichte sowie den Titel der Fortsetzung des Woldemar im Deutschen Museum desselben Jahres: Ein Stück Ph i l o s o ph ie d e s L e b e n s u n d d e r M e n s ch h e it , JWA 7.2 und JWA 7.117,7–8. 198,5–6  im Rade … dreht.] Siehe oben 106,28 mit Anm. 198,8  nach dem B u ch s t a b e n ] Siehe Anm. zu 188,36 –189,1. 198,24 vervortheilten] übervorteilten. Siehe Dt. Wb. 25.2062. Das Beispiel aus dem Allwill ist angeführt unter der Bedeutung: [1)] b) meist in dem sinne, dasz demjenigen, der vervortheilt wird, dadurch ein unrecht geschieht: ›verunrechten, beleidigen‹ […]. 198,28–29  unbeweglichen Sittenbesteller] Vgl. zu einer solchen stoischen Philosophie etwa Christian Thomasius: Von der Kunst Vernünftig und Tugendhaft zu lieben, Als dem eintzigen Mittel zu einem glück-



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seeligen, galenten und vergnügten Leben zu gelangen; Oder: Einleitung Der Sitten-Lehre […] Halle 1726. 84–86 (Das 2. Hauptstück / Von der grösten Glückseeligkeit des Menschen): 62. Hierzu [zur Glückseeligkeit] wird er aber gar leicht gelangen können, wenn er aus dem ersten Capitel wieder|holet, daß das Wohlseyn aller Dinge in einer r u h i g e n und nach Gelegenheit des Wesens der Dinge, m ä ßi g ve r ä n d e r l iche n B e we g u n g bestehe. Woraus denn sofort folget, daß alle u n r u h i g e u n d a l l z u ve r ä n d e r l iche G e d a n cke n des Menschen böse seyn; hin­gegen­ theil aber in einem r u h i g e n Ve r l a n g e n u n d m ä ßi g s i ch ve r ä n d e r n d e n G e d a n c ke n des Menschen seine wahre, einige und gröste Glück­seelig­keit bestehe. / 63. Und diese ist, worauf die alten Welt-Weisen, die das höchste Gut in einer G e m ü t h s - Ru he oder in einer B e lu s t i g u n g d e s G e m ü t h s gesucht haben, ihr Absehen gerichtet. […] | 65. Sie ist demnach nichts anders als eine r u h i g e B e lu s t i g u n g , we l che d a r i n n e n b e s t e he t , d a ß d e r M e n s ch we d e r S ch m e r t z e n n o ch F r e u d e ü b e r e t w a s e m p f i n d e t , u n d i n d ie s e m Z u s t a n d e s ich m it a n d e r n M e n s che n , d ie e i ne d e r g l e iche n G e m ü t h s - Ru he b e s it z e n , z u ve r e i n i g e n t r a ch t e t . 198, 31–35  Sy s t e m d e r G lü c k s e l i g ke it … Kraft.] Vgl. hierzu J. im Brief an Johann Albert Heinrich Reimarus, 23. Oktober 1781, JBW I,2.357, in welchem J. die Ausgabe des Allwill in den Vermischten Schriften gegen die ­Kritik von Reimarus verteidigt: Eine vollständige Lehre von unsern Begierden (das Wort Begierde in seinem weitesten Umfange genommen) würde zugleich die beste Moral seyn; und es ist eine jede wahre Moral nur minder oder mehr eine solche Begierden-Lehre. Diese Lehre aber, wenn sie dem Verstande auch nicht den mindesten Zweifel übrig ließe, würde dennoch keine Theorie der Glückseeligkeit an die Hand geben, die es in der That für alle u jede Menschen wäre. 198, 37–199,1  Melodie auf die Walze … genagelt] J. nutzt das Bild einer mechanisch funktionierenden Spieluhr. Solche Uhren erfreuten sich im 18. Jahr­hundert großer Beliebtheit. Sie funktionierten mittels einer mit Stahlstiften bestückten Tonwalze, deren Anordnung eine Melodie erzeugt. Siehe Krünitz: Oeko­no­m ische Encyklopädie, 158.291: S p ie lu h r, Uhren, welche vermittelst einer Walze oder eines Walzenwerkes Stücke spielen. Man hat drei Gattungen Spieluhren, nämlich: Harfenuhren, Flötenuhren und Glockenuhren. An den zuerst angeführten Uhren werden die senkrecht aufgezogenen metallenen Saiten von kleinen Hämmern angeschlagen. Das Musik­ stück wird auf eine Walze durch eingesteckte Stifte abgesetzt, die jeder eine Note vorstellen. Ein an die Seite beigelegtes Spielwerk von Rädern treibt die Musik. Wenn die Uhr ein Stück lange genung gespielt hat, so wird die Walze, die nur in so weit hohl ist, daß sie auf eine Spindel von Eisen gesteckt werden kann, abgezogen, und eine andere, mit einem andern Stücke besetzte Walze an ihrer Stelle auf die Spielwelle gesteckt. – Zur hier benutzten metaphorischen Verwendung siehe Anm. zu 188,36 –189,1. 199,14–18  Ja, fallen werde ich … Gängelwagen!] Desselben Bildes bediente sich Immanuel Kant 1784 in seinem berühmten Aufsatz Beantwortung

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der Frage: Was ist Auf klärung? In Berlinische Monatsschrift 1784, St. 12: Dezember, 481–494. Ib., 482 (A 482): Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben, und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperre­ ten, wagen durften: so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einigemal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern, und schreckt gemeiniglich von allen ferneren Versuchen ab. Der Gängelwagen als Bild für ein Zwangssystem ist verbreitet; siehe Dt. Wb. IV.1246, wo allerdings weder die Allwill- noch die Kant-Stelle erwähnt sind und auch keine weitere, die es in dieser Weise (gehen – fallen – laufen lernen) als Metapher für den Erziehungsals Aufklärungsprozeß ausführt. 199,28  auf dem Rade sterben] Das sogenannte Rädern war in Mittelalter und Früher Neuzeit eine grausame Hinrichtungsmethode, bei welcher der Körper des zum Tode Verurteilten auf ein großes Wagenrad gebunden wurde, nachdem ihm zuvor mit dem Rad die Gliedmaßen gebrochen worden waren. 200,25–29  »O, wer hat … ermordete.«] Shakespeare: Othello. V,2. Siehe Shakespear Theatralische Werke. Aus dem Englischen übersezt von Herrn Wieland. Bd VII. Zürich 1766. Darin 177–403: Othello, der Mohr von Venedig. Ein Trauerspiel. Ib., 386 f. (V,7): Aemilia. / O, wer hat diese entsezliche That gethan? / Desdemona. / Niemand, ich selbst, lebe wohl; bringe meinem gütigen Gemahl meinen lezten Gruß; o, lebe wohl. / [Regieanweisung: Sie stirbt.] / Othello. / Wie, wie sollte sie ermordet worden seyn? / Aemilia. / O Gott! wer weiß das? / Othello. / Ihr hörtet’s, sie sagte selbst, ich sey’s nicht gewesen. / Aemilia. / Sie sagte so, ich kan nichts anders sagen. | Othello. / Sie ist als eine Lügnerin zur Hölle gefah­ren; ich war’s, der sie ermordete. (William Shakespeare: Othello, der Mohr von Venedig. Ein Trauerspiel. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Zürich 1993. (William Shakespeare: Theatralische Werke in 21 Einzelbänden. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Hg. von Hans und Johanna Radspieler; Bd 18.) 181 (V,7).) 201,9 Pomeranzen] Orangen. Siehe Dt. Wb. 13.1994. 201,14  Zonam temperatam] Vgl. auch J. an Wieland, 11. August 1773, JBW I,1.206,9–15: Nicht wahr, mein lieber Wieland, alle Zeuge – es müßten denn bloß Futter- oder Kittelzeuge seyn – haben eine unschöne Seite, die man die verkehrte nennt. Man betrachte das schönste, reichste Stoff von hinten, wie es da aussieht; und so muß es doch da aussehen, wenn es von vorn so schön und reich aussehen soll, wie es wirklich aussieht. Die zona torrida muß brennen, und Lappland muß einfrieren, wenn wir einen gemäßigten Erdgürtel haben sollen. J. scheint sich hier an Goethe anzulehnen, in dessen kleinem, ganz im Sinne des Sturm und Drang verfaßten Text Zum Schäkespears Tag es heißt, MA I,2.414,17–22: Das was edle Philosophen von der Welt gesagt haben, gilt auch von Schäkespearen, das was wir bös nennen, ist nur die andre Seite vom Guten, die so nothwendig zu seiner Existenz, und in das Ganze gehört, als Zona torrida brennen, und Lap-



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land einfrieren muß, daß es einen gemäßigten Himmelsstrich gebe. Der Text entstand 1771, erschien jedoch 1858 erstmals im Druck. Vermutlich jedoch hat sich zur Zeit der Entstehung des Allwill bereits eine Abschrift im Hause J.s befunden. Siehe MA I,2.834: Der Text geht auf die Handschrift von 1771 zurück […]. Sie war im Besitz von Helene Jacobi, der Stiefschwester von Fritz Jacobi. 201,16–17  Taroc, à l’hombre] Ein Kartenspiel, in der Regel für drei Spieler, das Elemente zweier Kartenspiele vereint: des Tarock und des L’Hombre. Siehe Journal des Luxus und der Moden. 1788, Bd 3, August, 297–309 (endet mit der Bemerkung: (die Fortsetzung kann folgen. *)): »I. / Philosophische Phantasien / über / das beliebteste Spiel unsers Jahr/hunderts. / Alle Unterhaltungsspiele, sie seyen noch so scharfsinnig erdacht, sind dem Wechsel der M o d e unterworfen. Die, welche sich, in Vergleichung mit andern, am längsten in Ansehen erhalten, und besonders in cultivirten Ständen die meisten Hände und Köpfe beschäftigen, verdienen ohne Zweifel die Achtsamkeit des philosophischen Beobachters der Menschen in vorzüglichem Grade. Ganz besonders hat demnach das noch immer allgemein unter uns beliebte L’Hombre*) [Fußnote zum Beleg des spanischen Ursprungs des Spiels] Anspruch auf diese Achtsamkeit; denn | kein Conversationsspiel hat sich fast das ganze laufende Jahrhundert hindurch so anhaltend in Präeminenz erhalten, keines hat in so verschiedenen Zeitläuften so augenscheinlich über den gewaltsamen Wechsel der Moden den Sieg davon getragen, keines gewinnt bis diese Stunde noch fortan so viele neue Ver­ ehrer, als eben dieses Lieblingsspiel unsrer Herrn und Damen in adelichen und bürgerlichen Ständen. Siehe ferner ALZ, Nr. 194a, 13. August 1788, Sp. 416: Hamburg, b. Herold: Das neue königl. L’Hombre, nebst Anweisung, wie Quadrille, Piquet, Taroc etc. nach jetziger Art zu spielen sind. Zwölfte verbesserte und vermehrte Auf lag. 1788. 285 S. 8. (12 gr.) 201, 31–202,2  Ein Mensch, … gemäß?] Vgl. hierzu J. im Brief an Johann Albert Heinrich Reimarus, 23. Oktober 1781, JBW I,2.357, in welchem J. die Ausgabe des Allwill in den Vermischten Schriften gegen die Kritik Reimarus’ verteidigt: Will ich nun edle Neigungen hervorbringen, so muß ich edle Gegenstände haben die ich zeigen und womit ich sie bewürken kann; denn wir wißen doch am Ende weiter nichts als unsre Vo r s t e l lu n g e n zu denken, u wo kein Gegenstand ist, da ist gar nichts. Habe ich die Gegenstände oder edleren Empfindungen nicht, oder weiß ich die moralischen Gläser nicht zu schleifen für denjenigen der jene Gegenstände mit bloßen Augen zu sehen nicht vermag, so ist alle andre Mühe vergebens. 202,5–6  Sy s t e m der Grundsätze] Siehe Anm. zu 196,34. 202,16  allgütigen Mutter] Natur. 203,2  L u z ie a n E d u a r d A l l w i l l ] J. hat die Bedeutung dieses Briefes später mehrfach benannt und hervorgehoben: siehe J. an J. G. A. Forster, 25. Oktober 1779, JBW I,2.118,14–19 : Grüßen Sie Lichtenbergen von mir und sagen Sie ihm, ich möchte gern wissen, ob ihm ahnde, daß er mir gut seyn könne. Wenn er mich etwa der Empfindelei […] oder der Geniesucht im Verdacht haben sollte, so lesen Sie ihm nur Luciens Brief aus

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dem D ­ ecember des Merkurs 1776 vor; […]. Siehe ferner J. an Johann Albert Heinrich Reimarus, 23. Oktober 1781, JBW I,2.356,3–5: Mir däucht, man braucht nur den Eingang von Luziens Briefe gelesen zu haben, um sich des Beyfalls, den man Allwills Zügellosigkeit gegeben haben möchte, bis ins Innerste der Seele zu schämen. 203,11–12  Meine herzliche Epistel an Sie] Dieser Brief Luzies an Allwill ist weder in D2 noch in D4 enthalten, doch während er in D2 nur kurz erwähnt ist (siehe 56,10 mit Anm.), ist er in D4 Gegenstand eines hinzugekommenen längeren Briefes von Eduard Allwill an Clemens von Wallberg; siehe 136–139. Siehe Anm. zu 193,20. 204,5 Centauren] In der antiken Mythologie Wesen, die halb Pferd und halb Mensch (Mann) waren; Oberkörper und Kopf waren menschlich. 204,20–25  »Verträglich, nachsehend, tolerant … kindisch.] Siehe bereits oben 128,2–4. J.s Kritik an einer zu weitgehenden Toleranz ist ein wiederkehrendes Motiv in seinen Briefen. Vgl. hierzu den Brief an C. M. Wieland vom 10. Juli 1773, JBW I,1.191, und den Brief von J. W. L. Gleim vom 18. Juli 1773, JBW I,1.197, wo dieser J. mit den Worten zitiert: Eine unbeschrenckte Toleranz […] setzt eine so sehr vervielfachte Sympathie voraus, bey deren fertigen Application man nothwendig s e l b s t z u m S chu r ke n we r d e n m u ß. – In diesem Sinne sollte sich J. auch viele Jahre später anläßlich des Freundschaftsbruches mit Friedrich Leopold zu Stolberg in einem Brief an dessen Schwägerin Luise vom 10. November 1800, Zoeppritz 2.239, äußern: Wahrlich nur der könnte ohne Ausnahme tolerant seyn, dem nichts heilig wäre. Siehe schließlich auch GD 87–89 ( JWA 3.59 f.) sowie J. an Heinrich Christian Boie, 31. Januar 1788, JBW I,7.86,7–16. 205,6–12  Wer nicht für … Mann.«] Siehe oben 212,5–17 mit Anm. 205,14–15 Ein C l o d iu s … spielen will!] Publius Clodius Pulcher (um 92–52 v. Chr.) war Politiker der späten römischen Republik und gehörte der Partei der Popularen an. Er war Gegner Ciceros und setzte vielfach seine Interessen mittels Schlägertrupps durch, die etwa auch die Häuser seiner Gegner in Brand setzten. – Marcus Iunius Brutus (85–42 v. Chr.) war ebenfalls Politiker der späten römischen Republik und einer der Mörder Caesars. Er war ein Anhänger und Verteidiger der Republik und unterstützte die Partei der Optimaten gegen das Triumvirat. Er war zudem ein enger Freund Ciceros, mit welchem er auch in einem (überlieferten) Briefwechsel stand. Sowohl die Schriften Ciceros als auch die Werke Shakespeares (Julius Cäsar) und Voltaires (La Mort de César) haben zu einem positiven Bild der Persönlichkeit des Brutus beigetragen. 205,22 Maulschellen] In D2 heißt es hier Ohrfeigen; siehe oben 68,29. 205,29–35  d a s B ö s e z u m e i d e n ! … alles!] Siehe Rousseau: Julie, ou la Nouvelle Heloise (1769). Bd I.412 (Band 1, 2. Teil, Brief XXI): Mais comment connoître tout le monde dans un si grand pays, et que peut faire de plus la bonté d’âme séparée de la véritable vertu, dont le plus sublime effort n’est pas tant de faire le bien que de ne jamais mal faire? (Rousseau: Œuvres complètes. Bd II.277.) – Siehe auch J[ean] J[acques] Rousseau: Émile, ou De l’Éducation. […] Tome premier. La Haye 1762. 245 f.: La seule leçon de morale qui convienne à l’enfance et la plus importante à tout âge,



Kommentar461

est de ne jamais faire de mal à personne. Le précepte même de faire | du bien, s’il n’est subordonné à celui-là, est dangereux, faux, contradictoire. […] O quel bien fait nécessairement à ses semblables celui d’entre eux, s’il en est un, qui ne leur fait jamais de mal! De quelle intrépidité d’ame, de quelle vigueur de caractere il a besoin pour cela! (Rousseau: Œuvres complètes. Bd IV.340.) – Dt.: Jean-Jacques Rousseau: Emil oder Über die Erziehung. Vollständige Ausgabe. In neuer deutscher Fassung besorgt von Ludwig Schmidts. Paderborn u. a., 6. unveränderte Aufl. 1983. 86 (2. Buch): Die einzige Sittenlehre, die der Kindheit zusteht und die für jedes Alter gleich wichtig ist, ist die, niemals jemandem etwas Böses zuzufügen. Selbst das Gebot, Gutes zu tun, ist gefährlich, falsch und widersprüchlich, wenn es jenem nicht untergeordnet ist. […] Wieviel Gutes erweist aber notwendigerweise der – wenn es ihn gibt – seinen Mitmenschen, der ihnen niemals etwas Böses zufügt! Welche Seelen- und Charakterstärke gehört dazu! 205, 37–206, 3  Ein vortref licher Schriftsteller … a u s g e n o m m e n . «] Sinngemäß etwa Cicero: De officiis. I.16–17. Siehe M[arcus] Tullius Cicero: Opera Omnia ex recensione Iacobi Gronovii […] Cura Io. Augusti Ernesti. Editio secunda, priori longe emendatior. 4 Bde. Halae 1756–1757 (KJB 2634). Bd IV.810: [16.] Ut enim quisque maxime perspicit, quid in re quaque verissimum sit, quique acutissime, & celerrime potest & videre, & explicare rationem, is prudentissimus, & sapientissimus rite haberi solet. quocirca huic, quasi materia, quam tractet, & in qua versetur, subjecta est veritas [17.] Reliquis autem tribus virtutibus necessitates propositæ sunt ad eas res parandas tuendasque, quibus actio vitæ continetur: ut & societas hominum, conjunctioque servetur; & animi excellentia magnitudoque cum in augendis opibus, utilitatibusque & sibi, et suis comparandis, tum multo magis in his ipsis despiciendis eluceat. Ordo autem, & constantia, & moderatio, & ea, quæ sunt his similia, versantur in eo genere, ad quod est adhibenda actio quædam, non solum mentis agitatio. His enim rebus, quæ tractantur in vita, modum quendam & ordinem adhibentes, honestatem & decus conservabimus. – Dt.: Marcus Tullius Cicero: Vom rechten H ­ andeln. Lateinisch und deutsch. Hg. und übersetzt von Karl Büchner. 4. Aufl. München / Zürich 1994 (Sammlung Tusculum).17: 16. Je mehr nämlich einer durchschaut, was in jeder Sache am wahrsten ist, und wer am schärfsten und schnellsten den Zusammenhang sehen und entwickeln kann, der pf legt mit Recht als der Klügste und Weiseste zu gelten. Daher ist dieser Tugend gleichsam als Stoff, den sie behandeln und in dem sie sich betätigen soll, die Wahrheit unterworfen. 17. Den drei übrigen Tugenden aber ist die Notwendigkeit auferlegt, die Dinge zu bereiten und zu schützen, in denen die Handlung des Lebens beschlossen liegt: daß die Gemeinschaft und Verbindung der Menschen bewahrt wird und Rang und Größe des Geistes sowohl in der Vergrößerung der Mittel und der Beschaffung nützlicher Dinge für sich und die Seinen, als auch noch viel mehr in eben ihrer Verachtung hervorleuchten. Ordnung aber, Beständigkeit, Mäßigung und was ihnen ähnlich ist, gehören in die Art, in der eine gewisse Handlung, nicht nur die Betätigung des Geistes anzuwenden

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ist. Indem wir nämlich an die Dinge, die im Leben behandelt werden, ein bestimmtes Maß und Ordnung wenden, werden wir die Ehrbarkeit und schönen Anstand bewahren. 206,9–10  Sie glauben ja … alles] Siehe oben 197,18–21. 206,11  wann es sich am freyesten fühlte] Siehe Anm. zu 212,5–17. 207,9–11  S ie sind gerade … verlangt] Siehe oben 201,8–11. 207,10 Oranienbaum] Orangenbaum. 207,18  E i ne s S i n ne s s e y n m it N a t u r ! ] Siehe oben 196,15 f. 207, 33–34  Scheidekünsteln] Scheidekünstler ist der Chemiker, im übertragenen Sinne auch der Analytiker. Siehe Dt. Wb. 14.2400. Hier ist wohl nicht zuletzt der Vertreter der Leibniz-Wolffischen Schulmetaphysik gemeint. 208, 3–4  Philosophie des Lebens] Siehe oben 197,27 mit Anm. und 198,2. 208,12  der alten Weisheit] Siehe unter anderem die von Allwill attackierte Lehre der Stoiker, oben 195,4–31. 209,16–19  unstät und f lüchtig … w a g t .] Gen 4,12–15. Die Wiederho­ lungen dieser Bibelstelle in D2 (siehe 67,9–12 und 72,6–8 ) sind in D4 gestrichen. – Vgl. vor dem Hintergrund der (zeitgenössischen) Identifizierung Allwills mit ­G oethe den Editorischen Bericht sowie Johann Wolfgang Goethe an Johann Christian Kestner, etwa 12. Juni 1773, Goethe: Briefe. Bd 2 I.32,18–21: Und ihr seyd geseegnet wie der Mann, der den Herren fürchtet. Von mir sagen die Leute der Fluch Cains läge auf mir. Keinen Bruder hab ich er­schlagen! Und ich dencke die Leute sind Narren. J. schreibt somit seiner fiktiven Gestalt Allwill Eigenschaften zu, die (halb-)öffentlich auch Goethe zugeschrieben ­wurden. 209,24–30  Ach, die B e d ü r f n i s s e … M e u c h e l m ö r d e r ! ] Vgl. hierzu [ Johann Caspar Lavater:] Aussichten in die Ewigkeit, in Briefen an Herrn Joh[ann] George Zimmermann. Dritter und letzter Band. Zürich 1773 (KJB 313). 29 ( = 13. Brief = Von der Erhöhung der Geisteskräfte): […] – die L e i d e n s ch a f t e n ! die L e i d e n s ch a f t e n ! Diese Mörderinnen der Vernunft! Diese Tyranninnen der Weisheit! – […] – Vgl. ferner [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 100 f. (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 30. August 1771): Wenn ich so bey ihr [ = Lotte] gesessen bin, zwey, drey Stunden, und mich an der Gestalt, an dem Betragen, an dem himmlischen Ausdruk ihrer Worte geweidet habe, und nun so nach und nach alle meine Sinnen aufgespannt werden, mir’s düster vor den Augen wird, ich kaum was noch höre, und mich’s an die Gurgel faßt, wie ein Meu|chel­ mörder, dann mein Herz in wilden Schlägen den bedrängten Sinnen Luft zu machen sucht und ihre Verwirrung vermehrt. (WA I,19.79.) 210,18–19  er sagt nicht: … T h a t .] Vgl. zu diesem Leitsatz der ›wahren‹ Empfindsamkeit etwa Joachim Heinrich Campe: Ueber Empfindsamkeit und Empfindelei in pädagogischer Hinsicht. Hamburg 1779. 11: Weiter: – w a h r e E m p f i n d s a m ke it i s t i m m e r Ta t e n r e ich , s o o f t d ie Um s t ä n d e e s e r l a u b e n ; E m p f i n d e le i h i n g e g e n i m m e r m ­ ü s s i g , […] 210,21–211,14  Vor einigen Monathen … grüßen.] Vergleichbares sollte J. viele Jahre später von seinem Schwager, dem Tuchfabrikanten Johann Arnold von Clermont (1728–1795), schreiben; siehe J. an Elise Reimarus, 27. Dezem-



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ber 1795, ABW II.213 f.: Er war ein merkwürdiger, und in seinem Kreise ein wirklich großer Mann. Seiner weisen Standhaftigkeit, die ihn voriges Jahr beim Einfall der Franzosen nicht aus der Stelle weichen ließ, verdankt seine und meine Familie, und verdanken noch zwei andere mit uns verbundene Familien, die Erhaltung ihres Wohlstandes. Man schreibt mir, daß in der ganzen Gegend seines Aufenthalts lautes Wehklagen um ihn sey. Ich habe ihn mehrmals mit einem Fürsten aus der Patriarchen-Zeit verglichen, und einen ähnlichen Eindruck mußte ein jeder, der ihn in seinem Wesen sah, empfangen. Johann Arnold von Clermont hatte die Tuchfabrik seines Vaters Esaias (teils noch gemeinsam mit seiner Mutter) geleitet und – um den Beschränkungen des Zunftrechts, aber auch der Diskriminierung von Protestanten in Aachen zu entgehen – in Vaals, einem kleinen Ort westlich von Aachen, einen neuen Produktions- und Wohnort geschaffen; siehe Josef Liese: Das klassische Aachen. 2 Bde. Aachen 1936 und 1939 (Aachener Beiträge zur Heimatkunde; Bde 17 und 20). Bd I.85: […] fing er im Jahre 1761 an, seine Wohn- und Fabrikgebäude in Vaals zu errichten und hat seit diesem Jahre bis an seinen Tod 1795 diesen Ort mit so manchen andern Gebäuden und Wohnhäusern verschönert, daß derselbe vorzüglich dadurch aus einem vormals sumpfigen, mit schlechten Hütten besetzten Dorfe eines der schönsten der ganzen Gegend wurde […]. Georg Forster, der, mit einem Empfehlungsschreiben J.s ausgestattet, im Frühjahr 1790 gemeinsam mit Alexander von Humboldt Vaals besuchte und die Wohnhäuser und Fabrikanlagen besichtigte, widmet dem Gesehenen in seiner Reisebeschreibung viel Raum und lobt das Werk von Clermonts; siehe Georg Forster: Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich im April, Mai und Junius 1790. In Georg Forsters Werke IX.96: Die Anlagen des Herrn vo n C l e r m o n t zeichnen sich hier besonders wegen ihres Umfanges und ihrer Zweckmäßigkeit aus, und seine Fabrik beschäftigt in Vaals, Aachen und Burscheid gegen hundert und sechzig Weber. Dreißig Jahre sind hinreichend gewesen, die Volksmenge und den Wohlstand eines unbedeutenden Dörfchens unbeschreiblich zu vergrößern, […]. Wohin man sieht, erblickt man jetzt große Fabrikgebäude. 211, 33 –212,1  Aber zur Menschheit … reden.] Siehe oben 196,34 – 197,8 und 199,31–200,31. 212,5–17  Auch nehmen wir … triumphierender?] Siehe auch oben 206,9–11 und 212,28 –213,6 ]. J. spricht hier eine seiner auch anderenorts formulierten Überzeugungen aus; so z. B. im Brief an Johanna Schlosser (bis 1778: Johanna Fahlmer) vom 10. November 1779, JBW I,2.125, hier zitiert in Anm. zu 196,34. 212,22–26 Als Po r t i a … vermöchten.] Shakespeare: Julius Caesar. II,1. Siehe Shakespear Theatralische Werke. Aus dem Englischen übersezt von Herrn Wieland. Bd IV. Zürich 1764. Darin 3–163: Julius Caesar, ein Trauerspiel. Ib., 56: (II,3): B r u t u s .  / Ihr seyd mein getreues und ehrenvolles Weib, mir so theuer, als das Blut, das in meinem Herzen wallt. | Po r t i a . / Wenn diß wahr wäre, so würd’ ich euer Geheimniß wissen. Ich bin ein Weib, es ist wahr; aber ein Weib, das Brutus würdig hielt, es zu

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seiner Gemalin zu machen; ein Weib, das die Welt würdig schäzt, Cato’s Tochter zu seyn. Glaubt ihr, ein solcher Gemal und ein solcher Vater machen mich nicht stärker als mein Geschlecht? Sagt mir eure Anschläge, ich will sie nicht verrathen. Ich habe eine Probe über meine Standhaftigkeit gemacht, indem ich mir selbst eine Wunde gemacht, hier im Schenkel; kan ich diese mit Geduld tragen, und sollte meines Gemals Geheimnisse nicht tragen können? (William Shakespeare: Julius Cäsar, ein Trauerspiel. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Zürich 1993 (William Shakespeare: Theatralische Werke in 21 Einzelbänden. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Hg. von Hans und Johanna Radspieler. Bd 9). 48 f.) 212,28 –213,6  überall sehen wir … Unanständigkeit.] Siehe oben 212,5–17 mit Anm. 213,7–10  am Anfange Ihres Briefes … Weisheit wird.] Siehe oben 194,18–27. 214,17  M o n t a i g n e ] Michel Eyquem de Montaigne (1533–1592), fran­ zösischer Schriftsteller und Philosoph, Jurist und Politiker. Hauptwerk: Essais. 3 Bde. 1580 ff. 214,19 –215,13  Der treuherzige M o n t a i g n e … haben konnte.«] Die hier angeführten Paraphrasen und Zitate stammen aus dem 1. Kapitel des III. Buchs der Essais von Montaigne, das den Titel De l’utile & de l’honneste trägt. 214,19–23  Der treuherzige M o n t a i g n e … werden.] Eine exakte Entsprechung dieser Passage konnte nicht gefunden werden. Siehe aber [Michel Eyquem de] Montaigne: Essais […], Avec les Notes de [Pierre] Coste. Nouvelle Édition. T. 1–10. Londres 1754 (KJB 3336). Tome VII. 119: Si je dois servir d’instrument de tromperie, que ce soit au moins sauve ma conscience. Je ne veux estre tenu Serviteur ny si affectionné, ny si loyal, qu’on me treuve bon à trahir personne. Qui est infidelle à soi-mesme, l’est excusablement à son maistre. (Montaigne: Les Essais. Édition conforme au texte de l’exemplaire de Bordeaux […] Ediert und kommentiert von Pierre Villey. Mit einem Vorwort hg. von V.-L. Saulnier. 3 Bde. 2. Aufl. Paris 1992. Bd II.794.) – Dt.: Michel de Montaigne: Essais. Erste moderne Gesamtübersetzung von Hans Stilett. 3 Bde. [München] 2002. Bd III.17: Falls man mich als Werkzeug eines Betrugs mißbrauchen will, bleibe wenigstens mein Gewissen rein! Ich möchte keineswegs als so ergebner und gehorsamer Diener gelten, daß man mich für tauglich hält, jemanden zu verraten. Nur wer sich selbst untreu ist, hat einen Rechtfertigungsgrund, es auch gegenüber seinem Herrn zu sein. 214,23–28  Man muß eine … könnte?] Eine exakte Entsprechung dieser Passage konnte nicht gefunden werden. Siehe aber Montaigne: Essais (1754). Tome VII. 135: Nous ne pouvons pas tout. Ainsi comme ainsi nous faut-il souvent, comme à la derniere anchre, remettre la protection de nostre vaisseau à la pure conduitte du Ciel. A quelle plus juste necessité se reserve-il? Que luy est-il moins possible à faire, que ce qu’il ne peut faire qu’aux despens de sa foy & de son honneur? choses, qui à l’adventure luy doivent estre plus cheres que son propre salut, & que le salut de son Peuple. Quand



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les bras croisez, il appellera Dieu simplement à son ayde, n’aura-il pas à esperer, que la divine bonté n’est pour refuser la faveur de sa main extraordinaire à main pure & juste? (Montaigne: Les Essais (1992). 799 f.) – Dt.: Montaigne: Essais (2002). Bd III.26: Wir vermögen nicht alles. So oder so müssen wir unser Schiff oft der alleinigen Führung des Himmels anvertraun. Sie ist unser letzter Rettungsanker. Auf welch zwingendere Notlage will unser Fürst denn warten? Was ist ihm unmöglicher zu tun, als was er nur auf Kosten seiner Glaubwürdigkeit und Ehre tun kann – Dinge, die ihm doch teurer sein sollten als sein eigenes Wohl, ja als das seines Volks? Darf er, wenn er einfach Gott um Beistand anruft, nicht darauf hoffen, daß dessen himmlische Güte seinen fromm gefalteten, reinen Händen die allmächtige Handreichung ihrer Gnade keinesfalls versagen werde? 214,29–38  Hiernächst erwähnt er … verschonte.] Montaigne: Essais (1754). Tome VII.140 f.: J’ay autrefois logé Epaminondas au premier rang des hommes excellents: & ne m’en desdy pas. Jusques où montoit-il la consideration de son particulier devoir? qui ne tua jamais homme qu’il eust vaincu: (28) qui pour ce bien | inestimable de rendre la liberté à son Pays, faisoit conscience de tuer un Tyran, ou ses complices sans les formes de la Justice: & qui jugeoit meschant homme, quelque bon Cytoyen qu’il fust, celuy qui entre les ennemis & en la bataille, n’espargnoit son amy & son hoste. (Montaigne: Les Essais (1992). 801.) Zu den von Montaigne benutzten antiken Quellen ib., 1308: Epaminondas: Montaigne le connaît surtout par Plutarque, Pé l o pi d a s , E s p r it f a m i l ie r d e S o c r a t e , et sans doute C o r n . Ne p o s , E p a m i n o n d a s . Siehe auch ib., 1311. – Dt.: Montaigne: Essais (2002). Bd III.29: Bereits an andrem Ort habe ich Epaminondas an die Spitze der vortreff lichsten Männer gestellt, und das nehme ich nicht zurück. Bis zu welcher Vollendung trieb er doch, was er sich als seine persönliche Pf licht setzte! Niemals machte er einen Menschen nieder, den er besiegt hatte; nicht einmal um des unschätzbaren Gutes willen, seinem Land die Freiheit zurückzugewinnen, brachte er es über sein Gewissen, einen Tyrannen oder dessen Helfershelfer ohne rechtmäßiges Verfahren zu töten; und er hielt jeden für einen Schuft (er mochte sonst ein noch so guter Bürger sein), der auf dem Schlachtfeld einen Freund oder Gastfreund unter den Feinden nicht verschonte. 214, 38 –215,13  »Schrecklich seinen Waffen … konnte.«] Diese Passage ist in D2 und D3 abweichend übersetzt. Siehe oben 78,21–79,16 und die Anm. zu 78,25–40. 214, 38 –215,7  »Schrecklich in seinen … Unschuld!] Montaigne: Essais (1754). Tome VII.141 f.: Horrible de fer & de sang, il va fracassant & rompant une Nation invincible contre tout autre, que contre luy seul: & gauchit, au milieu d’une telle meslée, au rencontre de son hoste & de son amy. Vrayement | celuy-là proprement commandoit bien à la guerre, qui luy faisoit souffrir le mors de la benignité, sur le point de sa plus forte chaleur, ainsi enf lammée qu’elle estoit, & toute et escumeuse de fureur & de meurtre. C’est miracle, de pouvoir mesler à telles actions quelque image de Justice; mais il n’appartient qu’à la roideur d’Epaminondas, d’y

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­ ouvoir mesler la douceur & la facilité des mœurs les plus molles, & la p pure innocence. (Montaigne: Les Essais (1992). 801 f.) – Dt.: Montaigne: Essais (2002). Bd III.29 f.: Mit Blut und Eisen Schrecken verbreitend, geht Epaminondas daran, ein feindliches Volk zu zerschmettern, das für jeden andren unbesiegbar war, und dann hält er mitten im | Kampf­getümmel plötzlich ein, weil er auf einen Freund oder Gastfreund stößt! Dieser Mann, der die Kandare der Rücksichtnahme so dem vor Wut und Mordgier ­schäumenden Krieg im Augenblick seiner f lammendsten Hitze aufzuzwingen vermochte, erwies sich damit wahrhaftig als dessen oberster Herr und Gebieter. Es gleicht an sich schon einem Wunder, einen Abglanz von Gerechtigkeit in solche Kampf handlungen fallen zu lassen; ausschließlich der inneren Kraft des Epaminondas aber blieb es vorbehalten, dem die Sanftmut und Menschenfreundlichkeit der denkbar weichherzigsten Gesittung beizugesellen, lauter durch und durch. 215,7–13  Wenn es Größe … konnte.«] Montaigne: Essais (1754). Tome VII.144: Si c’est grandeur de courage, & l’effect d’une vertu rare & singuliere, de mespriser l’amitié, les obligations privées, sa parole, & la parenté, pour le bien commun, & obeïssance du Magistrat: c’est assez vrayement, pour nous en excuser, que c’est une grandeur, qui ne peut loger en la grandeur du courage d’Epaminondas. (Montaigne: Les Essais (1992). 802.) – Dt.: Montaigne: Essais (2002). Bd III.31: Wenn man es als Seelen­g röße und Werk einer besonderen, einer außergewöhnlichen Tugend ansieht, Freundschaft und persönliche Bindungen, Verwandtschaft und das gegebne Wort um des Gemeinwohls und des Gehorsams vor der Obrigkeit willen zu mißachten, ist es für unsre Unfähigkeit zu solcher Größe wahrlich Rechtfertigung genug, daß sie nicht einmal in der Seelengröße des Epaminondas Aufnahme fand. 215,14–34  Nun die A ne kd o t e … brauchtest. ] Anekdote bedeutete zu der Zeit vor allem: eine wahre Geschichte. Hierzu konnte nichts ermittelt ­werden. 216,4–5  So fieng ich an] Siehe oben 203,20 f. 216,22 –217, 3  Aber es kam … bald!] Vgl. hierzu auch Göthe: Clavigo. Ein Trauerspiel […]. Leipzig 1774. 12 f. ( = I. Akt): M a r ie. […] Clavigos Liebe hat mir viel Freude gemacht, vielleicht mehr als ihm die meinige. Und nun – Was ist’s nun weiter? Was ist an mir gelegen? | an einem Mädchen gelegen, ob ihm das Herz bricht? Ob es sich verzehrt und sein armes junges Leben ausquält? (WA I,11.55.) – Zu J.s Rezeption des Clavigo siehe seinen Brief an Wieland vom 27. August 1774, JBW I,1.252,25–30, hier zitiert in Anm. zu 104,16. 217,4–7  Il y a … Plutarque.] Les Oeuvres Morales et Meslees de Plutarque, Translatees de Grec en François, reueuës & corrigees en ceste seconde Edition en plusieurs passages par le Translateur [ Jacques Amyot]. 2 Tomes in je 3 Vol. Paris 1574. Bd II,III.679: […]: excepté qu’il y a difference en ce, que le Soleil monstre sur terre à ceulx qui ont des yeulx, autant les laides que les belles choses, & l’amour n’est la lumiere que des belles seulement, […]. Das Zitat findet sich in der Abhandlung De l’amour, ib., 654–690.



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217,8–10  Θεος ανθρωπῳ … ανθρωπους. Διοτιμα.] Platon: Convivium. 203a. Siehe Editio Bipontina: Platonis Philosophi quae exstant, Bd X.230. – Terpstra (351, Anm. 99) beschreibt die Abweichungen J.s korrekt wie folgt: Statt του (δαιμονιου) hat der Normaltext τούτου. Ferner hat J. zwischen den ersten beiden Wörtern δε ausgelassen, weil er sein Zitat aus dem Zusammenhang löst. – Siehe hierzu aus der Uebersetzung der griechischen Stellen. am Ende von D4 oben 244,10–12: G o t t l ä ß t s ich n ich t ( u n m it t e l b a r ) m it d e m M e n s ch e n e i n , s o n d e r n nu r d u r ch Ve r m it t e lu n g d e s D ä m o n s h a b e n G ö t t e r m it M e n s che n Um g a n g u n d Un t e r r e d u n g . 219,2  Zugabe. An Erhard O**.] Vgl. die inhaltlichen Ausführungen zu dieser Zugabe in der Vorrede, oben 91,34 –92,15 sowie JF 13 ( JWA 2.200,8–13): Das Geheimniß der Identität und Verschiedenheit zwischen Fichte und mir, unserer philosophischen Sympathie und Antipathie, müßte, deucht mir, jedem offenbar werden, der nur die einzige Epistel an Erhard O., hinter A l l w i l l s B r ie f s a m m lu n g , recht zu lesen und sie durchaus zu verstehen sich bemühen wollte. So auch im Brief an Karl Leonhard Reinhold vom 26. Februar 1799; siehe RLW 244. 219, 3–10  Quid est enim … II.7] Cicero: De legibus. II,7 § 16. In Cicero: Opera IV.764 f. (KJB 2634) J. zitiert exakt. J. zitiert dasselbe später in seinem Brief an Fichte; siehe JWA 2.223,32–38. In D5 ist es dagegen ge­strichen. – Dt.: Marcus Tullius Cicero: Drey Bücher Von den besten Gesetzen aus dem Lateinischen übersetzt und mit einigen Anmerkungen auch einer Abhandlung Von den Fetialen des alten Roms herausgegeben von Johann Michael Heinze. Dessau / Leipzig 1783 (KJB 2644). 69 f.: Denn was ist wahrer, als daß sich niemand thörigter Weise anmassen soll, Er habe zwar Verstand und Vernunft, aber auser ihm, sey weder im Himmel noch in der ganzen Welt dergleichen anzutreffen; | daß es thörigt ist, wenn einer glaubt, was er mit aller seiner Vernunft und Klugheit kaum begreift, das werde ohne allen Verstand in Bewegung gesetzt. Wen die herrliche Ordnung der Gestirne, wen der Wechsel der Tage und Nächte, wen die gemässigte Wärme und Kälte der verschiedenen Monate, wen endlich die uns zu gut wachsenden Früchte der Erde zu keiner Dankbarkeit bewegen, wie darf man den noch vor einen Menschen halten? 220,1–6  Βουλει δητα … p. 244.] Platon: Philebus. 28e–29a. Siehe Editio Bipontina: Platonis Philosophi quae exstant, Bd IV.244 f. Siehe auch die Uebersetzung der griechischen Stellen., die J. in D4 anfügt (in D5 fehlt sie); oben 244,13–32. Hier läßt J. zum besseren Verständnis gegenüber dem griechischen Zitat einige Zeilen vorausgehen (28d–28e), die auch in griechischer Sprache zitierten Zeilen sind aber in der deutschen Übersetzung optisch hervorgehoben. – Die Übersetzung Kleukers, die J. für bestimmte Platon-Zitate nachweislich genutzt hat (oben 238,20 –239,28 ), ist hier abweichend; siehe Platon: Werke. Bd I.397. Der gesamte Dialog Philebus oder von der Wollust ib., 351/353–482. – PeterPaul Schneider hat darauf verwiesen, daß J. in seinem Notizbuch (Kladde IV) den Philebus nach der deutschen Übersetzung Kleukers und nach der französischen von Dacier (KJB 2627) zitiert; siehe Schneider: Denkbücher Jacobis, 332.

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221,1  Den 28ten Jänner 1791.] Der im Editorischen Bericht, oben 303, zitierte Brief J.s an Lavater vom 7. März 1791, in dem J. sich erstmals auf den Text An Erhard O bezieht, läßt die Datierung als Beginn der Abfassung der Zugabe wahrscheinlich sein. Vgl. auch den Editorischen Bericht zu D4. 221, 3  A n t e d i lu v i a n e r ] Wörtlich etwa: ›[Menschen] vor der Überschwemmung‹. Gemäß dem Alten Testament eine andere Gattung Mensch, die vor der Sintflut existierte und die sich unter anderem durch riesenhafte Größe auszeichnete. Siehe Gen 6,4. 221,13  Dein ganzer Brief!] Wie im übrigen Roman wird auch hier auf einen vorangegangenen, nicht aber in der Briefsammlung enthaltenen Brief Bezug genommen. 223,10–11  Du fragst … Wa s i s t Wa h r h e it ? ] Vgl. zu dieser Frage auch J. an Friedrich Leopold Graf zu Stolberg, 14. Dezember 1789, JBW I,8.336,21 f. : Was ist Wahrheit! Kant weiß es und Reinhold kann es sogar jedermann bedeuten. Vgl. auch J. an J. K. Lavater, 30. Januar 1790, JBW I,8.350,23–28 : Ich bin jetzt mit Vorarbeiten zu zwei Schriften beschäftigt. Die Eine soll Hamanniana heißen, und über die zwei Fragen hauptsächlich rouliren: 1) Was hatte der Mann für Meinungen? 2) Wie kann man solche Meinungen haben? Die Form soll die eines Beitrags zur Geschichte der Philosophie seyn. Der Titel der andern Schrift ist: Ph i l o s o ph i s che E r ö r t e r u n g der Frage: Wa s i s t Wa h r h e it ? – Wenn mir nur Gott etwas mehr Gesundheit schenken wollte. Siehe auch JWA 2.457 f. 223,13–14  jenes ewig verschlingenden … Werthern erschien] Siehe [Goethe:] Die Leiden des jungen Werthers (1774), 95 (Erster Teil, Werther an Wilhelm, 18. August 1771): Ich sehe nichts, als ein ewig verschlingendes, ewig wiederkäuendes Ungeheuer. (WA I,19.76,13–15.) Vgl. [ Johann Wolfgang] Goethe: Leiden des jungen Werthers. Leipzig 1787. 78. J. hat sich in seinen Briefen und Schriften mehrfach auf dieses Bild bezogen, um die pantheistische Gottesvorstellung abwertend zu beschreiben. Siehe J. an A. von Gallitzin, 27. Juli 1781, JBW I,2.327. Ganz ähnlich heißt es im Brief J.s an J. G. Herder vom 13. November 1784, JBW I,3.384, von einem Gott ohne Erbarmung: Ja, ich fürchte mich nicht, ihn zu lästern, ihn ein scheußliches Thier zu nennen, das in einem ewigen Fressen, Ausspeien und Wiederfressen seiner selbst da ist, ohne Selbst und Anderes. 223,14–17  wie ehmals dem Brutus … N a m e ! «] Shakespeare: Julius Caesar. IV,3 (und V,5). Siehe Shakespear Theatralische Werke. Aus dem Englischen übersezt von Herrn Wieland. Bd IV. Zürich 1764 ( JBW II,1.298). Darin 3–163: Julius Caesar, ein Trauerspiel. Ib., 136 f.: (IV,7): [Regieanweisung: Der Geist des Cäsars tritt auf.] / [Brutus.] / Wie dunkel diese Fakel brennt! – – ha! – – wer kommt hier? Ich denke, es ist die Schwäche meiner Augen, die diese ungeheure Gestalt hervor bringt – – Es geht auf mich zu – – Bist du etwas? Bist du irgend ein Gott, ein böser oder ein guter Genius, du, der mein Blut erstarren und mein Haar emporstehn macht? Sage mir, was bist du? / Geist. / Dein böser Genius, Brutus. / Brutus. / Warum kommst du? / Geist. / Dir zu sagen, daß du mich zu Philippi wieder sehen sollst. | Brutus. / So werd’ ich dich also wieder sehen – – /



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Geist. / Ja, zu Philippi. / [Regieanweisung: [Der Geist geht ab.]] (William Shakespeare: Julius Cäsar, ein Trauerspiel. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Zürich 1993 (William Shakespeare: Theatralische Werke in 21 Einzelbänden. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Hg. von Hans und Johanna Radspieler; Bd 9). 118.) Siehe auch William Shakespear’s Schauspiele. Neue Ausgabe. Von Joh. Joach. Eschenburg, […] 12 Bde. Zürich 1775–1777 (KJB 2892). Bd IX. (1777). 323–442. Ib. 423. – Siehe Dio Cassius. XLVII.49, in Dio Cassius: Römische Geschichte […] Aus dem Griechischen übersetzt von Johann Augustin Wagner […] 4 Bde. Frankfurt am Main 1783– 1787 (Sammlung der neuesten Uebersetzungen der griechischen prosaischen Schriftsteller […] T. 4, Bde 1–4) (KJB 2631a). Bd II.411 f.: Brutus war auf eine sichere Anhöhe entkommen, und versuchte es, sich in sein Lager durchzuschlagen. Aber dies vermochte er nicht; er hörte überdem, einige seiner Soldaten hätten | sich an die Sieger ergeben, und so sah er alle Hoffnung schwinden, gab nun alles verloren, hielt es unter seiner Würde, sich gefangen zu geben, und Selbstmord war auch sein Entschluß. Mit erhabener Stimme sprach er dem Herkules die Worte nach: / Elender Heldenmuth! nur leeres Wort / bist du; / Ich dein Verehrer, suchte mehr als / Wort – / Doch immer fröhntest du nur blindem / Glück.« / und bat dann einen der Umstehenden, ihm das Schwert durch die Brust zu stoßen. Siehe auch Cassius Dio: Römische Geschichte. Übersetzt von Otto Veh. 5 Bde. Zürich / München 1985–1987. Bd III.203: »O arme Tugend, bloß ein Name, während ich / als Werk dich übte, dientest du nur dem Geschick!« (ω τλημον αρετή, λόγος αρ ησθ, εγω δέ σε ως εργονησκουν συ δ’αρ εδούλευες τυχη.) 224,9–11  jenem Beherrscher Assyriens … Stande war.] J. verweist in der Fußnote auf Daniel. II. Siehe Dan 2,1–3. Mit dem Beherrscher Assyriens ist Nebukadnezar gemeint. 224,17–18  Man hat M i l t o n … lasse.] Milton: Paradise Lost. I,62 f. Siehe John Milton: Paradise lost. A poem in twelve books. […] With Historical, Philosophical, and Explanatory Notes. Translated from the French of The learned Raymond de St Maur. And Various critical Remarks and Observations, from Mr. Addison […]. A new edition. 2 Bde. London 1775 (KJB 2883). Bd I.3: As one great furnace f lam’d, yet from these f lames / No light, but rather darkness visible / […]. – Darkness visible ist ein berühmtes Oxymoron des Miltonschen Epos. Bereits die frühen Kritiker haben sich hierauf als ein Beispiel für die ungewöhnliche, den Zeitgenossen auch oft anstößige, neuartige Sprache Miltons bezogen. Siehe beispielsweise Dr. Bentley’s Emendations on the Twelve Books of Milton’s Paradise Lost. London 1732. 2: [Line] 63 f o r Darkness visible, r e a d a transpicuous Gloom[.] Richard Bentley ist für seine Zeile-für-Zeile-Korrektur der nach seiner Auffassung unglücklichen Formulierungen in Miltons Paradise Lost kritisiert und belächelt worden. Exemplarische Kritiken für das 18. Jahrhundert stammen von Joseph Addison und Samuel Johnson. Addison veröffentlichte die seine 1712 in 18 Beiträgen in dem Wochen­magazin The Spectator (KJB 172); siehe John T. Shawcross (Ed.): Milton. The Critical Heritage. 1628–1801. 2 Vols. London 1970–1972.

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Bd I.147–220. Die Beiträge Addisons erschienen im 18. Jahrhundert auch mehrfach als Separatdruck; siehe Joseph Addison: Notes Upon the Twelve Books of Paradise Lost. London 1719. Zur Kritik Johnsons siehe Samuel Johnson: Life of Milton (1779). – John Milton (1608–1674), englischer Dichter und Sekretär Cromwells. 224,20–22  Non valet … c. 28.] Cicero: Tusculanae disputationes. I,27 (§ 67). In Cicero: Opera. IV.296 (dort tatsächlich, wie von J. angegeben, Kapitel 28): non valet tantum animus, ut se […] ipse videat. at, ut oculus, sic animus se non videns, alia cernit. non videt autem, quod minimum est, formam suam. fortasse: quamquam id quoque: […]. J. zitiert also getreu, wenn auch mit Abweichungen bei Interpunktion sowie Groß- und Kleinschreibung. Die Hervorhebungen stammen von ihm. – Dt.: Marcus Tullius Cicero: Gespräche in Tusculum. Lateinisch-deutsch mit ausführlichen Anmerkungen neu herausgegeben von Olof Gigon. 2. verbesserte Aufl. München 1970. 65: Die Seele ist nicht tüchtig genug, sich selbst zu sehen; aber wie das Auge, so sieht auch der Geist zwar nicht sich selbst, wohl aber andere Dinge. Er sieht nicht seine eigene Gestalt, was das wenigste ist – oder vielleicht sieht er sogar das; […]. 225,9–11  vielleicht zum … Erde] Siehe Anm. zu 225,21–22. 225,11  eines neuen Himmels … Erde] Siehe Apk 21,1, Joel 3,4 u. 4,15 sowie Mt 24,29. 225,12–14  die jüngsten Blätter … Hauptstadt gebracht.] Gemeint ist das Journal de Paris, das J. wohl über Georg Forster bezog; siehe Forster an J., 4. August 1790, JBW I,8.424,9–14 : Die beikommenden Blätter des Jou r n a l d e Pa r i s hätten Sie schon vorgestern bekommen, wenn nicht L e r ou x auf die ausgebliebenen Blätter vergeblich gewartet hätte. Er hat darum wieder geschrieben. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir den Vortheil des Durchlesens zukommen laßen, und mache gewis keinen Aufenthalt. Solche Aufträge sind mir sehr willkommen, denn es ist kein Zeitverlust dabei. Siehe KJB 130; dort die Jahrgänge 1789 bis 1791. Siehe auch die zahlreichen Notizen und Exzerpte aus dem Journal de Paris in J.s Notizbuch aus den Jahren 1789–1797 (Stadtmuseum Düsseldorf, Uf 23). – Zur hier deutlich werdenden Kritik J.s an der Französischen Revolution siehe vor allem sein Bruchstück eines Briefes an Johann Franz Laharpe, das auf den 5. Mai 1790 datiert ist und erstmals 1815 im zweiten Band der Werkausgabe gedruckt wurde; siehe WW II.[513] –544 ( JWA 5.171–183). 225,14 –226,4  die vierzehnte Nummer … raison)«.] Journal de Paris. 1791, Nr. 14 (14. Januar), 56: Aussi-tôt que Locke a paru, aucune illusion n’a plus été assez solide pour servir de fondement à quelque chose: rien ne tiendra désormais que ce qui sera bâti sur ces principes immuables, sur ces rocs éternels de la nature, en quelque sorte mis à nud par les démonstrations rigoureuses de la raison. 225,16–20  The opinions … G ib b o n.] Siehe Edward Gibbon: The History of the Decline and Fall of the Roman Empire […] A new edition. 6 Vols. London 1783 (KJB 1802). Bd I.48 f. ( = Chapter II). Die Einfügung – (than those of the Stoics and Platonists) –, die korrekt den Bezug zum



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vorausgehenden Text herstellt, stammt von J., ebenso wie die Hervorhebungen. Das Zitat fehlt in D5. 225,21–22  Aether und Luft … der Dinge.] Siehe Hesiod: Theogonie. 123–125. 225, 30–41  den Nahmen Burke … gelesen haben] Journal de Paris. 1791, Nr. 14 (14. Januar), 55 f.: J’ai jetté les yeux au l’ouvrage de M. Burke pour voir comment un anglois s’y prendroit pour décrier une Constitution très libre. Aux premières phrases sur lesquelles je suis tombé, j’ai vu qu’il aime que nos vertus soient fondées sur nos illusions. Je n’ai pas voulu en savoir davantage; tout son livre m’a été expliqué. / […] On est tenté de croire que, si M. Burke avoit lu le Gouvernement civil de Locke avant de faire son livre, il l’eût brûlé. Il peut se faire pourtant que M. Burke dise de Loke, c’e s t u n M é t a ph y s ic ie n ; & ç’en est un en effet, & bien redoutable aux | illusion. Hier folgt nun der in Anm. zu 225,14 –226,4 zitierte Passus. 225, 31  Garat] So auch Zeile 39. Siehe Anm. zu 83,8–10. 225,40–41  Locke … über das bürgerliche Regiment] [ John Locke:] Two Treatises of Government: In the former, The false Principles, and Foundation of Sir Robert Filmer, And his Followers, are detected and overthrown. The latter is an Essay concerning the True Original, Extent, and End of Civil Government. London 1690. Der im Titel angegebene zweite Essay ib., 215–271 (recte: 215–467). 226,14–15  neuer Himmel … neue Erde] Siehe Anm. zu 225,11. 227,20–21  Bellum est … possunt!] Cicero zugeschrieben. 227,22 Cromwell] Oliver Cromwell (1599–1658) baute während des englischen Bürgerkriegs zwischen Krone und Parlament (1642–1648) – von mis­ sionarischem Eifer getrieben – eine Elitetruppe aus Puritanern, die sogenannten ›Ironsides‹, auf, die für das Parlament kämpften und 1648 bei Preston siegten. 1649 folgten die Hinrichtung des Königs (Karl I.) und die Abschaffung der Monarchie. Diese Vorgänge wie auch die nachfolgende Herrschaft Cromwells (ab 1653 als ›Lord­protektor‹) waren von ›Säuberungsaktionen‹ (des Parlaments, Katholikenverfolgung in Irland) begleitet und mündeten in eine Militärdikatur der Puritaner. – Eine mögliche Quelle für J. war David Hume: The History of England, from the invasion of Julius Caesar to the revolution in 1688. […] A new edition, with the Author’s last corrections and improvements. To which is prefixed, A short account of his life, written by himself. 8 Vols. London 1782 (KJB 1855). Zu Cromwell vor allem Bd 7, Kap. LVII und XLI. 227,23–24  sein königlicher Nachfolger] Nachfolger Cromwells war – nach dessen Tod und der Wiederherstellung der Monarchie durch General Monk – Karl II. (1660–1685). Er war am Hof Ludwigs XIV. erzogen worden und ahmte den französischen Absolutismus nach. Unter seiner Herrschaft wurden die Puritaner verfolgt und die anglikanische Staatskirche restauriert. 227,29–31  Salomo, ein Kö n i g … g e m e i n ist.«] Terpstra verweist auf Pred 10,5, betont aber die sehr freie Wiedergabe bzw. Abwandlung der Bibelstelle durch J. Vgl. daher auch Pred 7,19.

472 Anhang

227, 39–40  politischen Gesinnungen eines Mirabeau und Barnaya] Honoré Gabriel de Riquetti, comte de Mirabeau (1749–1791), französischer Poli­ tiker, Schriftsteller und Publizist. Mirabeau kam in den Anfangs­jahren der Französischen Revolution eine bedeutende Rolle zu. Er war Abgeordneter des Dritten Standes in den Generalständen, wurde 1790 Präsident des Jakobinerclubs und 1791 Präsident der Nationalversammlung. Er starb plötzlich am 2. April 1791, möglicherweise durch Gift. Mirabeau trat für die Abschaffung der Adelsprivilegien und für die Auflösung der Kirchengüter ein. Siehe zur Rezeption einer früheren Schrift Mirabeaus durch J. auch seine Abhandlung Ue b e r u n d b e i G e l e g e n ­h e it d e s k ü r z l ich e r s ch ie ne ne n We r ke s , D e s l e t t r e s d e C a che t e t d e s p r i s o n s d ’ é t a t (1783), JWA 4.367–425. – Barnaya wird in Darstellungen der Französischen Revolution am Rande erwähnt; Näheres konnte nicht ermittelt werden. 228,5–6  Auf dem Vorhange steht: Alleinige Vernunft!] Unter der Mirabeau zugeschriebenen Phrase une maniere fixe d’être gouverné par la seule raison kritisiert J. in seinem Bruchstück eines Briefes an Johann Franz Laharpe (siehe Anm. zu 225,12–14 ) die Vernunftfixiertheit und den Vernunft­ begriff der französischen Revolutionäre; siehe JWA 5.172,2. 37. Die reine Vernunft ( pu r e r a i s o n ) ist nach seiner Auffassung ni législatrice, ni exécutrice, mais purement judiciaire und vermag damit all das nicht, was die Revolutionäre aus ihr hervorbringen oder durch sie erzeugen möchten; siehe JWA 5.172,11 f.. Auch in seinen Briefen nimmt J. wiederholt auf diese Phrase Bezug; siehe beispielsweise J. an Georg Forster, 14. Oktober 1789, JBW I,8.303,8–11: Gott wolle uns Deutsche nur vor einer solchen »m a n iè r e f i xe d ’ ê t r e g ou ve r né p a r l a r a i s o n« bewahren, wozu Mirabeau zuerst seiner Nation, hernach uns andern allen verhelfen wollte; ersterer auch wirklich nun in so weit verholfen hat. 228,10  Ἑν και παν!] Wörtlich: ›Eins und Alles.‹ Unter diesem Schlüsselsatz des Pantheismus wurde die Lehre Spinozas rezipiert: die Behauptung einer Identität von Gott und Welt, von denkender und ausgedehnter Substanz. Siehe JWA 1.16,20 und den ausführlichen Kommentar hierzu ib., 392 f. 228,11  Οὐδεν και παντα!] Wörtlich: ›Nichts und Alles.‹ Vgl. hierzu Johann Georg Hamann an J., 14. und 15. November 1784, JBW I,3.387,34 mit Anm. in JBW II,3.357 sowie J. an Hamann, 11. Januar 1785, JBW I,4.16,29–37. 228,14 –232, 3  So wenig der … abdrücken konnte.] Diesen Passus druckt J. erneut im Anhang 3. zu seinem Sendschreiben Jacobi an Fichte; siehe JF 97–100 ( JWA 2.253–255). 229,5–10  Es entscheidet … siegenden A f f e k t s .] Peter-Paul Schneider hat die Vorstufen dieser Textpassage in den Notizbüchern J.s (IV. Kladde) genau nachgezeichnet; siehe Schneider: Denkbücher, 328 f. 229,21–22  da dem Menschen … werden kann] Diese hier nur angedeutete Meinungslehre entfaltet J. im zweiten Brief seiner Zufälligen Ergießungen eines einsamen Denkers in Briefen an vertraute Freunde, die erstmals 1795 in Schillers Zeitschrift Die Horen und erneut im ersten Band der Werkausgabe erschienen, der auch den Allwill enthielt; siehe JWA 5.197–215, bes. 201–203. Der Brief trägt das Datum 22. Februar 1793. Ib., 201,6 f. : Die M e y nu n g ,



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sagen wir, beherrscht als Königinn die Welt; jedem Menschen ist die seine lieber als sein Leben; […]. 229,23–25  Toute opinion … mangeln.] Montaigne: Essais. I.XIV. In J.s Ausgabe ist es, wie er richtig angibt, das XL. Kapitel des ersten Buches; siehe Montaigne: Essais (1754). Tome III.9 ( = Livre I, Chap. XL). (Montaigne: Les Essais (1992). I.53.) – Dt.: Montaigne: Essais. (2002). Bd I.82: Jede Überzeugung kann so stark sein, daß Menschen bereit sind, ihr Leben dafür zu opfern. 231,4  TOTUM PARTE PRIUS ESSE, NECESSE EST.] Aristoteles: Politica. 1253a 20. Siehe Aristoteles: Politicorum libri 8. Cum perpetua Danielis Heinsii in omnes libros paraphrasi. Accedit accuratus rerum index. Lugduni Batavorum 1621 (KJB 2621). Bd I.2. J. beruft sich in seinen Schriften wiederholt auf dieses Axiom; siehe JWA 2.538, Anm. zu 50,2–3. 231,18–21  Denn wo ist … im Tode!] Die Überzeugung, daß die Natur Gott verbirgt und einzig der ( freie) Mensch Gott offenbart, ist vor allem Thema der letzten großen Schrift J.s; siehe Friedrich Heinrich Jacobi: Von den göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung. Leipzig 1811 ( JWA 3). 232,4–6  Animi … quam aliorum.] Platon: Epistulae. 311c–d ( = II. Brief). Die zugehörige Fußnote gibt an: Plat. Ep. II. Ed. Bip. Tom. XI. p. 66. In der von J. angegebenen Ausgabe lautet die lateinische Übersetzung von Ficinus abweichend; siehe Editio Bipontina: Platonis Philosophi quae exstant, Bd XI.66: […] quoniam optimi sic forte divinant, deterrimi autem nequaquam. Validiora vero sunt divinorum virorum praesagia, quam aliorum. – Siehe hierzu Terpstra 353, Anm. 109: Merkwürdig ist, daß die lat. Wiedergabe der D-Fassung, trotz gleicher Fußnote, nicht den Wortlaut der Übersetzung-Ficinus gibt, welche in der von J. mehrfach zitierten Ausgabe»Bipont.« (vgl. [101]; Bd. XI, 1787, S. 66) abgedruckt wird. Also stimmt J.’s Quellenangabe in D nicht zu seinem Zitat. Ich habe nicht ermitteln können, welche lat. Übersetzung hier zitiert wird – übrigens ergibt eine, wenn auch unvollständige, Durchsicht alter Platoübersetzungen, daß mit dieser Übersetzung-Ficinus oft sehr frei geschaltet wurde. Der Katalog der Bibliothek Friedrich Heinrich Jacobis (KJB), der Terpstra noch nicht zur Verfügung stand, gibt ebenfalls keine Anhaltspunkte hinsichtlich einer von J. möglicherweise benutzten, weiteren lateinischen Übersetzung. – In D5 ist eine Übersetzung beigefügt (WW I.240 f.); siehe oben 232,26–29 ( = Variantenapparat): So weissagen, schreibt Platon an Dionysius, die tref lichsten Seelen; das Gegen­theil die niedrigsten. Entscheidender sind aber die Weissagungen der göttlichen Männer, als die der andern. 233,2  Räthsel meiner unheilbaren Unwissenheit] Zu dieser Unwissenheit vgl. das Sendschreiben Jacobi an Fichte; siehe JF VIII, 1, 28, 39 u. ö. ( JWA 2.192,5–7, 194,9 f., 208,19–22, 215,5). 234,20 –235,26  Plato nennt es … S. den Philebus. ] Zu W ie d e r e r i n ­ n e r u n g (234,20 ) siehe Platon: Philebus. 36b: μεμνῆσθαι. Es folgt eine sehr freie kurze Zusammenfassung von ib. 35. 235,1–236, 3  Genug, Erhard … w a s m a ch s t d u ? ] In seinem Sendschreiben Jacobi an Fichte verweist J. auf diese Passage des Allwill; siehe JF 39

474 Anhang

( JWA 2.215,13–15): Mein N ich t -Wißen habe ich in allen meinen Schriften zur Schau getragen; ich habe mich gerühmt, unwißend zu seyn der­ gestalt mit W i ß e n , in so hohem Grade vollkommen und ausführlich, daß ich den bloßen Zweif ler verachten dürfte. 236,4–6  Wie Sokrates … das ist Groß!] Siehe Platon: Apologie. 21d. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd III.304. 237,11–239,28  Plato äussert sich … Muse.«] Es vermischen sich hier Referenzen auf konkrete Passagen des Philebus mit Grundgedanken des Platonischen Dialogs und deren Interpretation durch J. Im Folgenden werden jene Passagen, die sich konkreten Passagen zuordnen lassen, gesondert kommentiert. 237,15–17  Er setzt einen G o t t … W i l l e n s .] Siehe Platon: Philebus. 26e und 28d–30e. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd I.389 und 397–401. 237,18–20 Im P h i l e b u s … werden kann.] Siehe Platon: Philebus. 24a–25a. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd I.386 f. 237,27–238,11  Darum muß in … Empfindung.] Siehe Platon: Philebus. 66a–c. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd I.481. 238,20 –239,28  »Allein werden nun … philosophischen Muse.«] Platon: Philebus. 67b. Hier handelt es sich um das Ende des Dialogs. In der Übersetzung Kleukers: Platon: Werke. Bd I.481 f.: S. Allein werden nun nicht zuerst alle Ochsen und Pferde und das sämt|liche übrige Vieh widersprechen, weil sie blos der Lust nachjagen? Eben ihnen glauben so viele, wie Wahrsager den Vögeln, und urtheilen daher, daß die Wollüste die köstlichsten Güter zum Leben wären; ja sie glauben, daß die Lusttriebe der Thiere viel ansehnlichere Zeugen für die Wahrheit wären, als alle eingegebene Reden einer philosophischen Muse. J. hat sich hier also eindeutig der Übersetzung Kleukers bedient. – In D5 ist abweichend übersetzt; siehe oben 238,36–41. 238,1–240,20  Aber wie hat … zu werfen.] Vgl. hierzu im Brief J.s an J. A. H. Reimarus vom 29. Dezember 1790, JBW I,8.462,16–35: Das mögliche Daseyn endlicher Wesen, womit, (nach | meiner Philosophie) Zeit und Raum, nebst den Formen unseres Denkens, auf eine begreif liche Weise gegeben sind, ist für mich das Geheimniß aller Geheimnisse. Aber so wenig Ewigkeit durch Zeit hervorgebracht, dargestellt, oder erfüllt werden mag, so wenig kann vergängliches Wesen die Seele der Natur, Lebendiges nur eine Modification des Unlebendigen, vernünftiges Daseyn nur eine Zufälligkeit von Einschränkung, eine leere Form, und nichtige Erscheinung seyn. Darum glaube ich an einen Gott, der ein Geist ist, und erkenne mich als sein Geschöpf. H a t e r m ich m it H ä n d e n g e m a ch t ? Ja! Denn hier, wo jeder, auch der entfernteste Versuch, durch Ana­logieen einer wirklichen Einsicht näher zu kommen, dem Irr­thum entgegenschreitet, ist der hart anthropomorphistische Ausdruck, als offenbar symbolisch, der Vernunft – die entgegengesetzte Wirkungsarten nie kann assimiliren wollen, – der liebste. Auch habe ich nie begriffen, wie eine maschinistische Vorstellungs-Art erhabener und dem höchsten Wesen angemessener, als eine anthropomorphistische seyn sollte. Der Glaube an



Kommentar475

Gott ist uns allein in dem Geheimnisse unserer Freiheit, ohne welche sogar Euklids er|stes Postulat nicht denkbar wäre, gegeben. Darum dringt sich dieser Glaube allen Menschen auf, und wir müssen, durch den geilsten Mißbrauch des Vermögens willkürlicher Bezeichnung, alles Leben erst verloren, ich möchte sagen verhurt haben, ehe wir ihn los werden können. 240,12  Euklids erstes Postulat] Siehe Euklid: Die Elemente. Nach Heibergs Text aus dem Griechischen übersetzt und hg. von Clemens Thaer. 5 Teile. Leipzig 1984 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1933, Ostwald’s Klassiker der exakten Wissenschaften). Bd I.2 (I. Buch): Po s t u l a t e .  / Gefordert soll sein: / 1. Daß man von jedem Punkt nach jedem Punkt die Strecke ziehen kann, / […] Vgl. KJB 2674. 240,21–24  Werde ich … spielen] Vgl. hierzu auch Hamann an J., 2. November 1783, JBW I,3.224,25–28 : Ich […] halte mich jetzo an das sichtbare E l e m e n t , an dem Organo oder Criterio – ich meyne S p r a che . Ohne Wo r t , keine Vernunft – keine Welt. Hier ist die Qvelle der S ch ö p f u n g und Re g ie r u n g . Siehe auch Hamann an Herder, 8. Dezember 1783, ZH V 108,6 sowie Johann Georg Hamann: Metakritik über den Purismum der Vernunft (1784), N III.284,24 : Der dritte höchste und gleichsam empirische Purismus betrift also noch die Sprache, das einzige erste und letzte Organon und Kriterion der Vernunft, […]. 240,23  die Menächmen] In einem Lustspiel von Plautus (Menaechmi) (Zwillings-)Brüder, die beide den Namen Menächmus tragen und deren große Ähnlichkeit zu Verwechslung und Verwirrung führt. Shakespeares Komödie der Irrungen (1589/93) ist die wohl bedeutendste Wiederaufnahme dieses Stoffes. 240,25–26  S. das Schauspiel … heißt.] Titus Maccius Plautus: Menaechmei. Siehe Maccii Plauti Comoediae superstites viginti ad optimas editiones collatae; accedit index rarioris et obsoletae latinitatis studiis Societatis Bipontinae. Editio accurata. 2 Bde mit je 2 Teilbänden. Biponti 1779– 1780 (KJB 2769). Bd 1,2 (1779), 293–364. – William Shakespear’s Schauspiele. Neue Ausgabe. Von Joh. Joach. Eschenburg, […] 12 Bde. Zürich 1775–1777 (KJB 2892). Bd IV (1775).283–379: Die Komödie der Irrungen. – Regnard: Les Ménechmes ou les Jumeaux (1705). Siehe [ Jean-François] Regnard: Œuvres […], avec des avertissemens et des remarques sur chaque pièce. Par M. G*** Nouvelle édition. 4 Bde. Paris 1789–1790 (KJB 3362). Bd III.399–514 (Les Ménechmes, ou Les Jumeaux). 241,1–2  Dieses sonderbare Drama … Episoden an?] Vgl. hierzu auch J. an Goethe, 12. April 1791, JBW I,9.31,14–16 : Da du Schauspieldirektor bist, so laß dich fragen ob du etwas von der Catastrophe eines alten Stücks weist, worin Vernunft und Sprache die Menächmen spielen. Oder hat es vielleicht keine Catastrophe, und spielt nur so fort. 241, 3–8, 16–19  Ein Mann, den … aufgegeben hat.] Immanuel Kant: Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral. Angebunden an Moses Mendelssohn: Abhandlung über die Evidenz in Metaphysischen Wissenschaften, welche den von der Königlichen Academie der Wissenschaften in Berlin auf das Jahr 1763.

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ausgesetzten Preis erhalten hat […]. Nebst noch einer Abhandlung über dieselbe Materie, welche die Academie nächst der ersten für die beste gehalten hat. Berlin 1764 (KJB 965). AA II.273–301. Erschien ib., in lateinischer Fassung, KJB 967 (Dissertatio de evidentia principiorum metaphysices, theologiae naturalis et philosophiae moralis). 244,2  Auf dem Titelblatt … u. s. w.] Siehe oben 94,6–10. 244,8–9  Am Schlusse … u. s. w.] Siehe oben 217,8–10. 244,13–14  Auf dem Titelblatt … u. s. w.] Siehe oben 220,1–6.

LITERATURVERZEICHNIS

Das Literaturverzeichnis enthält die Werke J.s sowie die Schriften, die in J.s Text sowie im Editorischen Bericht und im Kommentar der Bandherausgeberin genannt sind. Verfassernamen werden in der heute gebräuchlichen Schreibweise angegeben. Mehrere Titel eines Verfassers erscheinen in der Reihenfolge  – Gesamtausgaben  – Teilausgaben  – Einzeltitel in alphabetischer Reihenfolge Bei anonym erschienenen Schriften wird der Verfassername, soweit er zu ermitteln ist, in eckige Klammern gesetzt. Soweit die Schriften im Katalog der Bibliothek J.s verzeichnet sind, wird die Katalogsigle KJB mit numerus currens mitgeteilt. 1. Quellen zu Eduard Allwill: für die Textedition berücksichtigte Druckfassungen: [ Jacobi, Friedrich Heinrich:] Eduard Allwills Papiere. In: Iris. Band 4, 3. Stück. September 1775, [193]–236. ( = D1) [ Jacobi, Friedrich Heinrich:] Eduard Allwills Papiere. In: Der Teutsche Merkur. April 1776, 14–75, Juli 1776, 57–71, Dezember 1776, 229–262. ( = D2) Jacobi, Friedrich Heinrich: Vermischte Schriften. Erster Theil. Breslau: Löwe, 1781. Darin [145]–268: Eduard Allwills Papiere. ( = D3) Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung herausge­ geben von Friedrich Heinrich Jacobi mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Erster Band. Königsberg: Friedrich Nicolovius, 1792. [II]–323. ( = D4 ) Jacobi, Friedrich Heinrich: Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Erster Band. Leipzig: Gerhard Fleischer d. Jüng., 1812. Darin [III]–406: Allwills Briefsammlung. ( = D5) für die Textedition berücksichtigte Handschriften: III. Clerdon an Sylli. Den 4ten Marz. Bayerische Staatsbibliothek München, Schenkiana I,5,12. ( = H1) An Erhard O**. Heinrich-Heine-Institut, Düsseldorf, Signatur 63.5936. ( = H2h2) An Erhard O**. Zentralbibliothek Zürich, Lavater-Archiv, Signatur FA Lav. Ms. 515.238. ( = h3)

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weitere Drucke und Editionen: Jacobi, Friedrich Heinrich: Vermischte Schriften. Erster Theil. Carlsruhe: Schmieder, 1783. (Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter; 118. Theil). (Raubdruck zu D3) Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwill’s Briefsammlung mit einer Zugabe von einigen [!] Briefen. Neueste Ausgabe. Wien: Leopold Grund, 1817. (Nachdruck von D5) Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Herausgegeben von Friedrich Heinrich Jacobi mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Ausgabe letzter Hand. Leipzig: Gerhard Fleischer, 1826. (Nachdruck von D5; enthält nur den Roman mit Zugabe) Jacobi, Friedrich Heinrich: Ausgewählte Werke. Neue Ausgabe. Dritter Band. Leipzig: Ernst Fleischer, 1854. [1]–170. (Nachdruck von D5) Friedrich Heinrich Jacobis »Allwill«. Textkritisch herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Jan Ulbe Terpstra. Groningen / Djakarta: Wolters, 1957. (Leittext: D5) ( = Terpstra) Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Papiere. Faksimiledruck der erweiterten Fassung von 1776 aus Chr. M. Wielands »Teutschem Merkur«. Mit einem Nachwort von Heinz Nicolai. Stuttgart: Metzler, 1962. Jacobi, Friedrich Heinrich: Allwill. A cura di Paolo Bernardini. Milano 1991. ( = D4 ) Jacobi, Friedrich Heinrich: The Main Philosophical Writings and the Novel Allwill. Translated from the German, with an Introductory Study, Notes, and Bibliography by George di Giovanni. Montreal / Kingston u. a. 2009 (McGillQueen’s studies in the history of ideas; Bd 18) (First edition 1994). 379–496, 618–624 und 643. ( = D4 ) weitere Quellen: Addison, Joseph: Notes Upon the Twelve Books of Paradise Lost. London 1719. Allgemeine Deutsche Bibliothek. Hg. von Friedrich Nicolai. Berlin / Stettin 1765–1796. Allgemeine Literatur-Zeitung. Hg. von Christian Gottfried Schütz und Friedrich Justin Bertuch. Jena / Leipzig 1785–1803, 1804–1849 Halle / Leipzig. Ariosto, Lodovico: Orlando furioso. 4 Teile. Parigi 1768 (KJB 3202). – Der rasende Roland. Erster Gesang. [Übersetzt von Friedrich August ­Clemens Werthes] In Der Teutsche Merkur. 1774, Bd 6, St. 3: Juni, 293– 320. – L. Ariosts rasender Roland aus dem Italiänischen übersezt [von Friedrich August Clemens Werthes]. Bern 1778. – Erster Gesang Von Ariosts wüthendem Roland. [Übersetzt von Johann Jakob Wilhelm Heinse] In Iris. 1776, Bd 8, St. 3: März, 897–924. – Roland der Wüthende ein Heldengedicht von Ludwig Ariost. Aus dem Italiänischen aufs neue übersetzt durch Wilhelm Heinse. 4 Teile. Hannover 1782–1783 (KJB 3203).



Literaturverzeichnis479

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480 Anhang

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482 Anhang

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486 Anhang

Pindari quae extant […] cum interpretatione Latina. 2 Teile. Glasguae 1770 (KJB 2753). – Pindars Pythische Siegshymnen. Mit erklärenden und kritischen Anmerkungen verdeutscht von Friedrich Gedike […] Berlin / Leipzig 1779. Plato: Opera quae extant omnia. Ex nova Ioannis Serrani interpretatione, perpetuis eiusdem notis illustrata: quibus & methodus & doctrinae summa breuiter & perspicuè indicatur. Excvdebat Henr. Stephanvs. [Paris] 1578. – Platonis Philosophi quae exstant Graece ad editionem Henrici Stephani accurate expressa cum Marsilii Ficini interpretatione[.] Accedit varietas lectionis Studiis Societatis Bipontinae. 11 Bde. Biponti 1781–1787 (KJB 2754). – Werke des Plato. [Übersetzt von Johann Friedrich Kleuker.] 6 Bde. Lemgo 1778–1797 (KJB 2755). – Auserlesene Gespräche des Platon übersetzt von Friedrich Leopold Graf zu Stolberg. 3 Bde. Königsberg 1796–1797 (KJB 2758). [Plautus, Titus Maccius:] Maccii Plauti Comoediae superstites viginti ad optimas editiones collatae; accedit index rarioris et obsoletae latinitatis studiis Societatis Bipontinae. Editio accurata. 2 Bde mit je 2 Teilbänden. Biponti 1779–1780 (KJB 2769). Plinius Caecilius Secundus, Gaius: Les lettres de Pline le jeune. Nouvelle édition, revue et corrigée. 2 Bde. Paris 1760 (KJB 2772). – Sämtliche Briefe. Lateinisch / Deutsch. Übersetzt und hg. von Heribert Philips und Marion Giebel. Nachwort von Wilhelm Kierdorf. Stuttgart 2005. Ratjen, H[enning] (Hg.): Johann Friederich Kleuker und Briefe seiner Freunde. Im Anhange zwei Briefe Imm. Kants an Hamann. Göttingen 1842. Regnard, [ Jean-François]: Œuvres […], avec des avertissemens et des remarques sur chaque pièce. Par M. G*** Nouvelle édition. 4 Bde. Paris 1789–1790 (KJB 3362). Reinhold, Karl Leonhard: Karl Leonhard Reinhold’s Leben und litterarisches Wirken, nebst ei­ner Auswahl von Briefen Kant’s, Fichte’s, Jacobi’s und andrer philosophirender Zeitgenossen an ihn. Hg. von Ernst Reinhold. Jena 1825. ( = RLW) Richardson, S[amuel]: Clarissa. Or, the History of a young Lady. Vol. I–VII. London 1748. – The History of Sir Charles Grandison. Vol. I–VII. London [1753] und 1754. Richter, Jean Paul Friedrich: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Hg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Dritte Abteilung [ = Briefe]. Bd 6. Briefe 1809–1814. Hg. von Eduard Berend. Berlin 1952. – Vierte Abteilung [ = Briefe an Jean Paul]. Hg. von der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Bayreuth durch Christian Begemann, Markus Bernauer und Norbert Miller. Bd 6. Berlin 2012.



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488 Anhang

– The Plays of William Shakspeare. In Ten Volumes. With the Corrections and Illustrations of Various Commentators; to which are added Notes by Samuel Johnson and George Steevens. The second Edition, Revised and augmented. 10 Bde. London 1778 (KJB 2890). – Theatralische Werke in 21 Einzelbänden. Übersetzt von Christoph Martin Wieland. Hg. von Hans und Johanna Radspieler. Zürich 1993 (Neuausgabe des Erstdrucks: Shakespear Theatralische Werke. Aus dem Englischen übersezt von Herrn Wieland. Zürich bey Orell, Geßner, und Comp. 1762– 1766). – William Shakespear’s Schauspiele. Neue Ausgabe. Von Joh. Joach. Eschen­ burg, […] 12 Bde. Zürich 1775–1777 (KJB 2892). Shawcross, John T. (Ed.): Milton. The Critical Heritage. 1628–1801. 2 Vols. London 1970–1972. Soemmerring, Samuel Thomas: Werke. Hg. von Jost Benedum und ­Werner Friedrich Kümmel; Akademie der Wissenschaften und Literatur, Mainz. Stuttgart u. a. 1990 ff. Bd 19/II ( = Briefwechsel, 1784–1792. Teil II: Januar 1787–Oktober 1792. Hg. und erläutert von Franz Dumont). [Sophokles:] Sofokles übersetzt von Christian Graf zu Stolberg. 2 Bde. Leipzig 1787 (KJB 2809). [Sterne, Laurence:] The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman. 9  Bde. London / Dublin 1759 / 1760–1767. – Tristram Schandis Leben und Meynungen. [Übersetzt von Johann Joachim Christoph Bode.] 9 Teile. Hamburg 1774 (KJB 2910). Tasso, Torquato: Das befreyte Jerusalem von […]. [Übersetzt von Jakob Wilhelm Heinse.] 4 Bde. Mannheim 1781 (KJB 3401). Der Teutsche Merkur. Hg. von Christoph Martin Wieland. Weimar 1773– 1789. Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünftig und Tugendhaft zu lieben, Als dem eintzigen Mittel zu einem glückseeligen, galenten und vergnügten Leben zu gelangen; Oder: Einleitung Der Sitten-Lehre […] Achte Auf lage, verbessert und corr. […] Halle 1726. Uz, J[ohann] P[eter]: Poetische Werke. 2 Bde. Leipzig 1768 (KJB 3178). Weber, Heinrich (Hg.): Neue Hamanniana. Briefe und andere Dokumente. München 1905. Wieland, Christoph Martin: Briefwechsel. Hg. von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Institut für deutsche Sprache und Literatur (seit 1968: durch Hans Werner Seiffert; seit 1975: Hg. von der Akademie der Wissenschaften der DDR durch Hans Werner Seiffert; seit 1990: Hg. von der Akademie der Wissenschaften, Berlin, durch Sieg fried Scheibe; seit 1993: Hg. von der Berlin-Brandenburgischen Wissenschaften durch Sieg fried Scheibe). 20 Bde. Berlin 1963–2007. ( = Wieland-BW) [–] Erzählungen. Heilbronn 1752. – Poetische Schriften. Bd 1. Zürich 1762.



Literaturverzeichnis489

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490 Anhang

weitere Literatur: Adelung, Johann Christoph: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen. […] 4 Bde. Wien 1811 ( = Adelung). – Benutzt wurde: lexika.digitale-sammlungen.de/adelung/ online/angebot D’Amico, Silvio: La Commedia dell’Arte. In Ders. (Hg.): Storia del Teatro Italiano. Mailand 1936. 103–136. Daunicht, Richard: Lessing im Gespräch. Berichte und Urteile von Freunden und Zeitgenossen. München 1971. Eiselein, J[oseph]: Die Sprichwörter und Sinnreden des deutschen Volkes in alter und neuer Zeit. Zum erstenmal aus den Quellen geschöpft, erläutert und mit Einleitung versehen von […]. Freiburg 1840. Geiger, Ludwig: Das projectirte Denkmal Moses Mendelssohns (1788). In Zeitschrift für die Geschichte der Juden in Deutschland. Bd 4, 1890, 303 f. Gestrich, Andreas: Ehe, Familie, Kinder im Pietismus. Der »gezähmte Teufel«. In Glaubenswelt und Lebenswelten. In Zusammenarbeit mit Ruth Albrecht u. a. hg. von Hartmut Lehmann. Göttingen 2004 (Geschichte des Pietismus, 4). 498–521. Hufschmidt, Anke (Hg.): Planspiele 1716–1795. Stadtleben und Stadtentwicklung im 18. Jahrhundert [Ausstellung im Stadtmuseum Düsseldorf]. Ostfildern-Ruit 2006. Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, oder allgemeines System der StaatsStadt- Haus- u. Landwirthschaft, in alphabetischer Ordnung; von D. Johann Georg Krünitz. Berlin 1773–1858. – Benutzt wurde: Oeconomische Encyklopaedie online. www.kruenitz1.uni-trier.de Langen, August: Der Wortschatz des deutschen Pietismus. 2., erg. Aufl. Tübingen 1968. Littré, Paul-Emile: Dictionnaire de la langue française. 6 Bde und Suppl. Chicago 1987. Looz-Corswarem, Clemens von: Die »Speckermönche« in Düsselthal in der öffentlichen Wahrnehmung des 18. Jahrhunderts. In Jörg Engelbrecht und Stephan Laux (Hg.): Landes- und Reichsgeschichte. Festschrift für Hansgeorg Molitor zum 65. Geburtstag. Bielefeld 2004 (Studien zur Regionalgeschichte, Bd 18). 261–280. Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik […] begründet von Friedrich Blume, hg. von Ludwig Finscher. 2., neubearbeitete Ausgabe. 26 Bde. Kassel / Basel / Stuttgart 1994–2008. (MGG2) Parthey, G[ustav Friedrich Konstantin]: Die Mitarbeiter an Friedrich Ni­ colai’s Allgemeiner Deutscher Bibliothek nach ihren Namen und Zeichen in zwei Registern geordnet. Berlin 1842. Röhrich, Lutz: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. 2 Bde. Freiburg u. a. 1973. Steiger, Robert: Goethes Leben von Tag zu Tag. Eine dokumentarische Chronik. Bd I: 1749–1775. Zürich 1982.



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PERSONENVERZEICHNIS

Das Register erfaßt nur die historischen Personen aus dem gedanklichen oder persön­ lichen Umkreis Jacobis, die im edierten Text, im Editorischen Bericht oder im Kommentar namentlich genannt sind oder auf die Jacobi in eindeutiger Weise anspielt, etwa durch Personalpronomina. Biblische Gestalten werden mit entsprechendem Hinweis aufgeführt; ein Urteil über ihre Historizität ist damit nicht beabsichtigt. Nicht berücksichtigt sind Personennamen, die Bestandteil eines zitierten Titels sind (z. B. Spinoza in Ueber die Lehre des Spinoza …), sowie die Namen von Herausgebern, Übersetzern und Verlegern in bibliographischen Angaben. Recte gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf den Textteil ( JWA 6,1), kursiv gesetzte auf den Anhang ( JWA 6,2). Abel (biblische Gestalt) 67 Addison, Joseph  469f. Albano, Francesco (Albani)  120, 420 Amico, Silvio d’  369 Amyot (Amiot), Jacques  392, 466 Anna Amalia, Herzogin von Sachsen-Weimar und Eisenach  282 Apollodor  361, 415 Ariosto, Lodovico  359f., 369, 413, 434 Aristides  377, 423, 446 Aristoteles  395, 473 Arria d. Ä.  40, 124, 372, 421f. Arrian  381, 454 Aspasia von Milet  24, 115, 361, 415 Baader, Franz von  325 Bach, Johann Christian  437 Baggesen, Jens  311, 314f., 322–324 Baggesen, Sophie  315 Barnaya, N. N.  472 Bentley, Richard  469 Berkeley, George  158, 431f. Biester, Johann Erich  261, 292 Blanckenburg, Christian Friedrich von  262, 345

Bode, Johann Joachim Christoph  440 Boie, Heinrich Christian  274, 304, 339, 387, 460 Bouterwek, Friedrich  298, 326, 328f., 331 Brewer, Jean Paul  365 Brutus, Marcus Iunius  68, 76, 205, 212, 223, 387f., 391, 460, 463, 468f. Burke, Edmund  225, 471 Busche, N. N. von  308 Cäcilia von Rom  440 Caecina Paetus, Aulus  372f., 421f. Sohn des Vorigen  372f., 421f. Caesar, Caius Iulius  150, 387, 460, 468, Campe, Joachim Heinrich  390, 462 Caspary (Caspari), Anton Philipp (?)  345 Cervantes Saavedra, Miguel  369, 440 Chotek von Chotkowa und Wognin, Johann Rudolph Graf  382, 456



Personenverzeichnis493

Cicero, Marcus Tullius  219, 224, 294, 340, 387–389, 460f., 467, 470f. Claudius, Matthias  261–263, 281, 285–287, 291, 430, 440 Clermont, Johann Arnold von  390, 462f. Clermont, Esaias  390, 463 Clermont, Friederike (Fritze) von  315 Clermont, Helene Margarethe, geb. von Huyssen  390, 463 Clermont (Familie)  315 Clodius Pulcher, Publius  68, 205, 387, 460 Cornelius Nepos  392, 465 Cromwell, Oliver  227, 470f. Dante Alighieri  324, 351, 406 Dio Cassius  469 Dionysius I. von Syrakus  232 Dohm, Christian Wilhelm  288 Douven, Jan Frans  379, 452 Dow, Gerard  366 Duni, Egidio Romoaldo  372, 429 Eich, Johann Friedrich  420 Epaminondas  78f., 214f., 377, 392–394, 423, 465f. Epiktet  57, 195, 381, 454 Eschenbach, Johann Christian  432 Euklid 240, 475 Euripides  370, 409 Eyrich, Johann Conrad  305, 307, 311, 340 Fahlmer, Johanna Katharina ­Sybilla, verh. Schlosser  265, 269, 282, 358, 361, 391, 395, 412, 415, 428, 463 Favart, Charles-Simon  372, 429 Feder, Johann Georg Heinrich  294, 317f. Fénélon, François de Salignac de La Mothe  189, 435, 450f.

Fichte, Johann Gottlieb  258, 322, 328, 467 Ficinus, Marsilius  175, 400, 473 Fielding, Henry  289 Forster, Georg  261, 281f., 290– 292, 309, 311f., 387, 390, 452, 459, 463, 470, 472 Fries, Jakob Friedrich  326–328, 330 Fürstenberg, Franz Friedrich ­Wilhelm Maria von  316, 377, 423 Gallitzin, Amalia Fürstin von  285, 287, 308f., 312, 468 Garat, Dominique Joseph (le jeune)  82f., 225f., 395 Garat, Dominique (älterer Bruder Dominique Joseph Garats)  395 Garve, Christian  293 Gibbon, Edward  225f., 470 Gleim, Johann Wilhelm Ludwig  267–270, 272, 348, 359, 361, 369, 372, 379, 387, 403, 413, 415, 420, 428f., 460 Gluck, Christoph Willibald  436, 438f. Gobel, Jean Baptiste Joseph (Bischof von Paris)  394 Goethe, Cornelia, verh. Schlosser  395 Goethe, Johann Wolfgang (von)  3, 94, 254, 261f., 264– 270, 272, 274–278, 280, 283, 294f., 302, 312–314, 323f., 326, 328, 330f., 336, 343–356, 363–365, 367, 377, 379, 382, 385, 389f., 394f., 398, 400–411, 417–420, 423, 425, 427f., 431, 433, 452, 455, 458, 462, 466, 468, 475 Goethe, Katharina Elisabeth  280 Goldsmith, Oliver  350f., 405 Göschen, Georg Joachim  293, 304, 310, 312, 339

494 Anhang

Göschen, Johanna Henriette, geb. Heun  312 Grétry, André Ernest Modeste  365, 419 Haller, Albrecht von  349, 404, 402 Hamann, Johann Georg  267, 280, 287, 291f., 303, 307f., 329f., 344, 356, 370, 378, 397, 411, 424, 440–442, 468, 472, 475 Kinder des Vorigen  442 Hamann, Johann Michael  303, 308, 441f. Hartknoch, Johann Friedrich d. Ä.  287 Hasenkamp (Hasencamp), Johann Gerhard  345 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich  324 Heinse (Rost), Johann Jakob Wilhelm  254, 264, 266–270, 272–275, 285, 287, 343, 354, 359, 361, 365, 372, 374, 379, 408, 413, 415, 419f., 428f., 432, 434, 436–439 Helvetius, Claude-Adrien  292, 426f. Herder, Caroline  312, 315 Herder, Johann Gottfried  279f., 285–287, 292, 312, 315, 352, 381, 407, 451, 454, 468, 475 Herodot  424 Hesiod  471 Heyne, Christian Gottlob  292 Hiob (biblische Gestalt)  50, 133, 377, 424 Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von  381, 454 Holbach, Paul Henri Thiry d’  361, 415 Homer  361, 415, 427 Hompesch-Bollheim, Maria ­Theresia von  361, 415 Horaz, Quintus Horatius Flaccus  432

Humboldt, Alexander von  390, 463 Humboldt, Wilhelm von  263, 320, 330, 451 Hume, David  471 Hutcheson, Francis  381, 454 Ittner, J. A. von  368 Jacobi (Familie)  371f., 374, 390, 395f., 429, 463 Jacobi, Anna Catharina Charlotte (Lotte)  274, 354, 370, 429 Jacobi, Carl Wigand Maximilian (Max)  266, 321, 331 Jacobi, Clara Franziska (Cläre)  395 Jacobi, Georg Arnold  274, 285, 308, 310f., 313, 317, 348, 356, 365, 370, 402, 411, 419 Jacobi, Helene Elisabeth (Betty), geb. von Clermont  274, 278, 315, 354, 365, 377, 419 Jacobi, Johann Conrad  356, 411, 429 Jacobi, Johann Friedrich  285, 315, 356, 365, 411, 418f. Jacobi, Johann Georg  257, 266, 269, 272, 281, 343, 347f., 352, 356, 358, 361f., 368–370, 402f., 407, 411f., 415, 429, 449 Jacobi, Susanne Helene (Lene)  274, 285, 308f., 323, 370, 386, 429, 459 Jacobs ( Jakobs), Friedrich  327, 331 Jakob, Jacob (biblische Gestalt) 39, 124 Jansen, Hendrik J.  321 Jean Paul siehe Richter, Johann Paul Friedrich Jesus von Nazareth (Christus)  351 Johann Wilhelm, Kurfürst von der Pfalz, Herzog von JülichBerg  379, 452



Personenverzeichnis495

Johannes (biblische Gestalt)  313 Jommelli ( Jomelli), Niccolò  164, 436–439 Jung-Stilling, Johann Heinrich  345 Kain (Cain) (biblische Gestalt) 67, 389 Kant, Immanuel  93, 241, 294, 303, 307, 313, 318, 321, 337, 384f., 398, 429f., 433–436, 440, 442, 451, 457f., 468, 475 Karl der Große  434 Karl I. (König von England)  471 Karl II. (König von England)  471 Karl Theodor (Kurfürst von der Pfalz und von Bayern)  430, 439 Kestner, Johann Christian  389, 462 Kleuker, Johann Friedrich  175, 303, 305–312, 314, 317, 339f., 430, 442, 444–449, 467, 474 Klopstock, Friedrich Gottlieb  268 Knebel, Karl Ludwig von  355, 410 Kobell, Franz Innocenz Josef  381, 454 Köppen, Friedrich  336 Körner, Theodor  314 La Fontaine, Jean de  425 La Harpe, Jean-François (Laharpe, Johann Franz)  470, 472 La Roche, Maximiliane (Max)  280 La Roche, Sophie von  262, 265, 267–270, 272–274, 278, 282, 284, 348f., 361, 382, 402f., 415, 445, 456 La Rochefoucauld, Dominique de  394 Lavater, Johann Caspar  7, 158, 267, 287, 299f., 303f., 312, 316, 339, 345, 378f., 389, 392, 427f., 431, 462, 468

Le Sage, Georges Louis  355f., 410 Lessing, Gotthold Ephraim  281, 283–285, 287, 301, 352f., 382, 397, 407f., 455 Lichtenberg, Georg Christoph  281, 312, 387, 459 Locke, John  225f., 320, 470f. Logau, Friedrich von  398 Löwe, Gottlieb  285f., 293 Ludwig XIV. (König von Frankreich)  471 Majo, Giovanni Francesco de  163, 436–439 Maratti, Carlo  30, 185, Tafel 2*, 366f., 420 Marmontel, Jean-François  365, 419 Mayer, N. N.  298, 332 Mechel, Christian von  359, 367, 413 Mendelssohn, Moses  281, 288, 397, 475 Mercier, Louis-Sébastien  343 Mejer, Luise  274 Merck, Johann Heinrich  266, 272f., 275–279, 282f., 289, 364f., 418 Milton, John  224f., 469f. Mirabaud siehe d’Holbach Mirabeau, Honoré Gabriel de Riquetti, comte de  472 Monck (Monk), Georg, 1. Duke of Albemarle  471 Monro, Alexandre  349, 404 Monsigny, Pierre Alexandre  365, 419 Montaigne, Michel Eyquem de  78, 179f., 214, 229, 391–394, 449, 464–466, 473 Müller, Friedrich (gen. Maler ­Müller)  268f. Musäus, Johann Karl August  345 Naumann, Johann Gottlieb  281 Neumann, Johann Leopold  281

496 Anhang

Nebukadnezar  469 Newton, Isaac  323 Nicolovius, Georg Heinrich ­Ludwig  303f., 308, 310, 312, 316, 330, 339, 341, 442 Nicolovius, Matthias Friedrich  257, 301, 308–311 Niebuhr, Barthold Georg  322f. Niethammer, Friedrich Immanuel  327f. Opitz, Martin  381, 454 Ovid, Publius Ovidius Naso  349, 362, 370, 403, 409, 416 Pascal, Blaise  323 Pergolesi, Giovanni Battista  164, 437–439 Perikles  361, 415 Perthes, Friedrich  311 Pestalozzi, Johann Heinrich  312 Pigage, Nicolas de  359, 366, 379f., 413, 453 Pindar  443 Platon  94, 157, 169, 173, 175, 220, 232, 234, 237f., 294, 299f., 308, 320, 339, 341, 361, 395, 400, 415, 430, 444–448, 467, 473f. Plautus, Titus Maccius  240, 475 Plinius Caecilius Secundus, Gaius  372, 421 Plutarch 217, 294, 361, 392, 415, 465f. Porcia (Portia, Porcia Catonis)  76, 212, 391, 463f. Ptolemaeus (Ptolomäus)  57, 194, 380, 453 Pythagoras  320 Raffael (Raphael, Raffaelo Santi)  438 Regnard, Jean-François  240, 475 Rehberg, August Wilhelm  312, 357 Reich, Philipp Erasmus  346, 401

Reimarus, Elise  285, 308, 312, 390, 462 Reimarus, Johann Albert Heinrich  279, 281, 287–290, 312, 329, 344, 377f., 381, 384, 386f., 423f., 444, 454, 457, 459f., 474 Reimarus, Sophia  312 Reinhold, Karl Leonhard  258, 311, 314f., 322f., 330, 394, 467f. Reni, Guido  30, Tafel 3*, 366f., 420 Rey, Marc Michel  253f., 346, 349, 374f., 401, 404 Richardson, Samuel  262, 343, 360, 413f. Richter, Johann Paul Friedrich ( Jean Paul)  258, 311, 324, 326, 329f. Roth, Friedrich  262, 278f., 288, 302, 327f., 331, 356, 358, 411f., 454 Roth (Familie)  331 Rousseau, Jean-Jacques  42, 253f., 262, 283, 343f., 360f., 367, ­373–376, 388, 396, 398, 414, 420, 422, 426, 443, 460f. Salmasius, Claudius (Claude de Saumaise)  323 Salomo (biblische Gestalt) 227 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph  324, 326–329 Schenk, Johann Heinrich  307, 311, 356, 370, 411 Schiller, Friedrich  314, 322, 472 Schimmelmann, Ernst  323 Schirach, Gottlob Benedikt von  383, 456 Schlegel, Friedrich  330, 336 Schlosser, Johann Georg  85, 294–296, 328, 395f., 449 Schlosser, Johanna  321, 381, 391, 395, 455, 463 Schlosser, Luise (Lulu)  395 Schmid, Christian Heinrich  312 Schmidt, Klamer  270, 379, 428



Personenverzeichnis497

Schmieder, Christian Gottlieb  293 Sedaine, Michel Jean  365, 419 Shaftesbury, Anthony-Ashley Cooper, 3. Earl of  7, 345f., 381, 454 Shakespeare, William  240, 346f., 385–387, 391, 395, 401, 458, 460, 463f., 468f., 475 Soemmerring, Margarethe ­Elisabeth, geb. Grunelius  312 Soemmerring, Samuel Thomas  312 Sokrates  171–174, 236, 238, 244, 317, 361, 395, 415, 445–447, 449 Sophokles  396, 451f. Spinoza, Baruch (Benedict) de 90, 320, 397, 472 Sprickmann, Anton Matthias  312 Sterne, Laurence (Lawrence)  368, 440, 442–444 Stolberg-Stolberg, Christian Graf zu  396, 451 Stolberg-Stolberg, Friederike Luise Gräfin zu, geb. von Reventlow  332, 387, 460 Stolberg-Stolberg, Friedrich ­Leopold Graf zu  274, 303f., 310f., 313f., 339, 349, 387, 403, 446, 449, 460, 468 Stolberg-Stolberg, Sophie ­Charlotte Eleonore Gräfin zu, geb. von Redern  310, 312 Stolberg-Stolberg (Familie)  308, 339 Stolberg-Stolberg (Kinder)  310 Summer (Buchdrucker)  310

Tacitus, Publius Cornelius Tacitus  261 Tasso, Torquato  432 Thibaut (Thibaud), Anton ­Friedrich Justus  323 Thomasius, Christian  383, 456 Timoleon  377, 423 Traetta, Tommaso  436, 439 Trueman[n], Charles (= Charles Claude de la Billarderie, comte d’Angivillier)  263f., 268, 301, 308f., 321 Uz, Johann Peter  351, 405 Vanderbourg, Charles  321 Verazi, Mattia  439 Voigt, Christian Gottlob  363, 417 Voltaire  388, 460 Voß, Johann Heinrich  446, 449 Weiß, Christian  330 Werthes, Friedrich August ­Clemens  359, 413 Westenrieder, Lorenz  287 Whytt, Robert  349, 404 Wieland, Christoph Martin  3, 257f., 266–280, 282, 288f., 313, 344, 346f., 349, 352, 354, 359, 362, 364f., 374, 377, 379f., 382, 385, 387, 391, 394, 401, 404, 406f., 409, 413, 415f., 418, 423, 426, 428, 453f., 456, 458, 460, 463f., 466, 468f. Willich (Familie?)  274 Xenophon 182