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German Pages 255 [127] Year 1991
Otto Pächt
REMBRANDT Herausgegeben von Edwin Lachnit
Prestel
D as Fest des Belsazar, 1629/30 (Detail aus Tafel 14). London, The N ational Gallery
Inhalt Vorwort Artur Rosenauer
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Einleitung
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Das Holländertum R embrandts
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Die Nachtwache
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Farbtafel >Die Nachtwache
>diese Vorlesungen über Aspekte von Rembrandts Kunst von Rechts wegen den Untertitel >Betrachtungen eines Außenseiters< führen « sollten und schränkte dann noch weiter ein: »Mehr als ein Experiment können und wollen diese Vorlesungen also nicht sein.« Die Wiener Hörer wußten diese Bemerkungen cum grano salis zu nehmen, und niemand zweifelte daran, daß Pächt sein >ExperimentThema< kann in diesem Zusammenhang eine bestimmte Gattung, wie die Landschaft oder das Selbstporträt sein, aber ebenso eine formale oder inhaltliche Kategorie wie das >Helldunkel< oder das >Innere Sehen Helldunkel Helldunkel< absetzt. >Rieglisch< ist übrigens auch die Frage nach dem Holländertum Rembrandts, mit der sich Pächt im Laufe seiner Untersuchungen immer wieder, explizit aber in einem eigenen Kapitel und anhand der >Nachtwache< (1933), auseinandersetzt. Das Problem lokaler und auch nationaler Konstanten hat Pächt seit seinen Anfangen beschäftigt, ja fasziniert. Man denke an den Aufsatz über die >Gestaltungsprinzipien der westlichen Malerei Romeinische Kunstgeschiedenis< (1937). Wenn Pächt vom Holländertum Rembrandts spricht, geht es ihm darum, die Haltung Rembrandts zu spezifischen Aufgaben der holländischen Malerei zu untersuchen und zu zeigen, wie er die dieser Kunstlandschaft eigenen Probleme aufgreift, sie aber - anders als seine Zeitgenossen - auf eine oft ungewohnte und neuartige Weise löst. Während es schwer fallt, im frühen, im barocken Rembrandt spezifisch holländische Qualitäten zu erkennen, begegnen uns in den Spätwerken wie im Leningrader Hamanbild oder in der sogenannten Judenbraut, wo Rembrandt den Handlungszusammenhang zugunsten eines Nebeneinanders »von mehr mit sich selbst und ihren Eindrücken beschäftigten Einzelpersonen«
Vorwort
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auflöst, die »gedankenverloren und gefühlsversunken« erscheinen - Eigenschaften, die Pächt schon in Werken des 15.Jahrhunderts, etwa bei Dirk Bouts oder Geertgen van Haarlem nachzuweisen vermag. In knappen Entwicklungsreihen werden anhand der Variationen eines bestimmten Themas die verschiedenen >Gestaltungs-Möglichkeiten< vorgeführt. Ich denke da an die Untersuchungen zur D arbringung, zur Flucht nach Ägypten, zur Tobiasgeschichte oder zu Manoahs. Opfer. Für den Verlorenen Sohn zeigt Pächt die Entwicklung des Themas von den frühen narrativen, >barockenSich-Einsehen Schwarzweißkunstgeschichte< nahm es gelassen hin, daß man die durch Reduktion auf die Schwarzweißdimension zustandegekommenen Abstraktionen analysierte, als ob es sich um die Originale handelte. Stillschweigend appellierte man an die Erinnerung der Betrachter, die irgendwann die farbige Realität der Bilder oder wenigstens verwandter Kunstwerke schon erlebt hatten, und bestenfalls klebte man nachträglich eine Farbbeschreibung auf die farblos konzipierte Stilanalyse, nicht viel anders, als ob man eine Zeichnung oder Graphik anzumalen hätte. Im Falle Rembrandts glaubte man, bei farblosen Reproduktionen eher weniger Gewissensbisse haben zu müssen als sonst; einerseits, weil man sich der Illusion hingab, seine mit Helldunkel operierenden Bilder würden in der Schwarzweißübersetzung relativ wenig verlieren, andererseits, weil man von vornherein nicht hoffen konnte, daß die Vielfalt gebrochener Töne und Farbnuancen Rembrandtscher Gemälde in einem mechanischen Prozeß auch nur annähernd getreu wiedergegeben werden könnte. Allein jetzt, wo schon durchaus gute Farbabbildungen erhältlich sind, sollte man unter Beobachtung gewisser Vorsichtsmaßnahmen auf die farbigen Behelfe doch nicht ganz verzichten. Rembrandts Helldunkel ist im Grunde ein farbiges Helldunkel; es ist nie gleichbedeutend mit monochromer Malerei. Bezeichnend dafür ist schon, daß seine monochromen Bilder nie wirkliche Grisaillen sind, also nicht Grau als den Mittelton zwischen Schwarz und Weiß zur Dominante haben, sondern in einem leicht rötlichen oder grüngelblichen Braun gehalten sind. Bei einer Schwarzweißwiedergabe erscheint dann der Unterschied zwischen einem gemalten und einem radierten Helldunkel gar nicht so groß. Anders ausgedrückt: Bei Unkenntnis der Originale könnte man vermeinen, daß in der Schwarzweißwiedergabe das Wesentliche auch des gemalten Helldunkels gesagt wäre. Allein, man braucht nur eine Schwarzweißwiedergabe der Münchner Kreuzabnahme (Abb. 1) sowohl mit einer farbigen Reproduktion (Farbtafel 33) wie mit der als Bildersatz geschaffenen Radierung (Abb. 2) zu vergleichen, um zu erkennen, daß erstens die Schwarzweißabstraktion keineswegs der Radierung nahekommt, daß letztere etwas ganz anderes ist - vielleicht weniger dramatisch, aber ungleich detailreicher - und daß zweitens in der farbigen Ausführung die Komposition von einer unerhörten dramatischen Konzentration ist, ohne daß aber auf die Nebenstimmen verzichtet wird, die wir in der Schwarzweißwiedergabe nur ganz schwach hören. Im Schwarzweiß ist weder die Differenzierung der Helligkeiten in der zentralen
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Einleitung
Gruppe spürbar, ja kaum das Vorhandensein der das fahle Inkarnat des Leichnams rahmenden Blautöne zu ahnen, noch kommt die wichtige Querverbindung der psychischen Resonanz auf das zentrale physische Geschehen zur Geltung, der Kontrast zwischen dem Manne, der sein Mitleid mit den ringenden Händen eines reuigen Judas oder Petrus äußert, und dem wie eine Tonne aufgepflanzten, völlig gefühlsneutralen, orientalisierten Nicodemus. Auch Werke der Barockmalerei, die weniger schwierig zu reproduzieren sind als Bilder Rembrandts, laufen Gefahr, in Schwarzweiß wiedergaben falsche Stilvorstellungen zu erwecken. So würde man nach den üblichen Abbildungen von Bildern wie Hendrick Terbrugghens Flötenspielern von 1621 4 - also holländischer Malerei knapp vor dem Auftreten Rembrandts-, auf eine eher tonige Malweise schließen, die hauptsächlich mit einem ständigen Fluktuieren von Verdunkelungen und Aufhellungen die voluminösen Figurentypen auflokkert und belebt. Vor dem Original beziehungsweise vor einer Farbwieciergabe müssen wir diese Anschauung stark revidieren. Die Ärmelpartie, die uns im wesentlichen als ein Moment starker Auflichtung erschienen sein wird, deklariert sich jetzt als nicht weniger hell beleuchtet als das schwarzbraune Wams daneben. Mit anderen Worten, die Kontrastwirkung beruht bei diesen Stoffpartien vorwiegend auf dem Gegensatz heller und dunkler Lokalfarben, während beim Inkarnat der Licht-Schatten-Kontrast den Ausschlag gibt. Beim anderen Flötenspieler (Abb. 3) ahnte man, war man auf Schwarzweiß angewiesen, überhaupt nicht, daß die Gewandung buntfarbig sein werde und ihr Rot unsere Blicke mindestens ebenso stark auf sich ziehen würde wie der Lichtauffall auf Brust und entblößter Schulter. Man hat im Geist das Bild einer späteren, tonigeren Entwicklungsphase eingeordnet als der, die es tatsächlich vertritt. Für die Benutzung der Reproduktion läßt sich aus diesem Beispiel folgende allgemeingültige Lehre ziehen: Helligkeit kann zweierlei Ursachen haben, Licht oder helle Gegenstandsfarbigkeit. Was wirklich vorliegt, darüber gibt eine Schwarzweißreproduktion aber keine Auskunft. Also Vorsicht! Zweitens: warme Farben, wie Rot, springen vor, sie haben eine sogenannte Vordergrundstendenz, die in der unfarbigen Abbildung aber überhaupt nicht zum Ausdruck kommt, da Rot dort meistens grau herauskommt. Rot ist aber in Rembrandts Palette eine der wichtigsten Farben. Also doppelte Vorsicht! Das Beste ist, sich bewußt zu bleiben, daß wir von idealen Arbeitsbehelfen noch weit entfernt sind. Der Rekurs zu den Originalen kann und soll uns nicht erspart bleiben.
Das Holländertum Rembrandts
3 H endrick Terbrugghen, Flötenspieler, r621. Kassel, Staatliche Kunstsammlungen
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Jan van Eyck, Rolin-Madonna. Paris, Louvre
In einer der gründlichsten Rembrandtmonographien, jener Horst Gersons aus dem Jahr 1969, wird darauf aufmerksam gemacht, daß zur Zeit Rembrandts die kunstverständigen Kreise Hollands noch nicht zwischen flämischer und holländischer Kunst unterschieden hätten und daß es, wenn wir das tun und . ganz selbstverständlich finden, ein trügerisches Zurückprojizieren späterer historischer Zustände sei. 5 Für die Zeitgenossen Rembrandts habe bloß eine einzig~··niederländische Kunst existiert, die in einer Mannigfaltigkeit städtischer Zentren beheimatet war. Und doch steckt in der uns so geläufigen Unterscheidung ein echter Erkenntniswert, der auch für die beiden Jahrhunderte vor Rembrandt seine Gültigkeit besitzt. Wenn sich die frühesten Beispiele des Gruppenporträts, einer ausschließlich in den holländischen Gebieten gepflegten Kunstgattung, als Enklaven in religiösen Bildern des Haarlerner Meisters Geertgen tot Sint Jans finden, aber bei keinem der flämischen Altniederländer, dann heißt das, daß in der Kunst bereits im 15.Jahrhundert Charakterzüge in Erscheinung getreten sind, die im religiösen und politischen Leben erst sehr viel später zu geschichtlich relevantem Ausdruck gekommen sind. Nun steht es aber durchaus nicht so, daß man innerhalb der altniederländischen Malerei die Künstler jedesmal eindeutig der flämischen oder der holländischen Linie zuweisen könnte. Gerade bei den größten, den Brüdern van Eyck, fallt es schwer, eine Entscheidung zu treffen, auch wenn man die um das Turiner Stundenbuch gruppierten Eyckischen Werke (Abb. 26, 48), in denen man erste Manifestationen holländischen Kunstwollens zu sehen geneigt ist, zunächst ausklammert. 6 Auch daß wichtige biographische Fakten Jan van Eyck uiit Holland verknüpfen -: er stammte aus Maaseyck im Limburgischen und war, ehe er in burgundische Dienste trat, am holländischen Hof im Haag beschäftigt - ist nicht das Entscheidende. Was Jan von allen Südniederländern seines Jahrhunderts trennt, ist die durchgängige Stillebenhaftigkeit aller seiner Bildschöpfungen - gleichgültig, ob es sich um Themen zuständlichen Seins oder um narrative Szenen, um Ereignisbilder handelt. Das Gegenüber des Erzengels Gabriel und der Madonna in der Szene der Verkündigung 7 ist im Wesen um nichts verschieden von dem Gegenüber des Kanzlers Rolin und der thronenden Madonna, die er anbetet (Abb. 4). Auch im Ereignisbild ist paradoxerweise alles Transitorische vermieden; beide Darstellungen sind zeitfrei. Zieht man dazu noch in Betracht, daß im 15.Jahrhundert in den Umsetzungen, die südniederländische Kompositionen von der Hand aus Holland stammender Meister erfahren - etwa in Boutsischen oder anderen holländischen Paraphrasen Rogierscher Bildgedanken -, ein Isolierungswille in Erscheinung tritt, der dazu tendiert, das Bewegungsgeflecht oder -netz des südniederländischen Vorbildes in ein verbindungsloses Nebeneinander von Einzelfiguren zu verwandeln, in dem der Fluß der Handlung zum Stocken kommt, so fühlt man sich berechtigt, in diesem zutiefst Undramatischen, ja Antidramatischen des Bilddenkens ein Spezifikum der holländischen Einstellung zu sehen.
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Das Holländer/um Rembrandts
Wer nun erwarten würde, dieses Spezifikum in der Kunst Rembrandts, des führenden Meisters der Zeit der vollzogenen staatlichen Emanzipation Hollands, zu finden, wird zu seiner Überraschung feststellen müssen, daß dies nicht oder nur selten zutrifft. Rembrandts Erzählkunst, und nicht nur die seiner Frühwerke wie der Reue des Judas oder der Blendung Samsons (Farbtafeln 52, 27), ist eine genuin dramatische; ja sie gehört zu den allerdramatischesten der europäischen Malerei, die in ihrer Art auch der seines großen flämischen Antipoden Rubens nicht nachsteht. Dramatisch im Sinne einer auch zeitlich in einem Höhepunkt erfaßten Spannung; in der Frühzeit ist es häufig jähe Bewegung, deren Schilderung bevorzugt wird, etwa im Bild des Raubes der Proserpina, 8 in der Geschichte von Bileams Esel oder in der Emmausszenc (Farbtafeln 12, 22) . Selbst wenn die Szene von einem geringeren Maß an Momentaneität erfüllt ist, wi.e in der Darstellung des jungen David, der vor Saul die Harfe spielt (Farbtafel 26), haftet den Bildern nichts Stillebenhaftes an wie bei Jan van Eyck, in dem wir ein holländisches Element zu sehen vermeinten. Das eben herangezogene Beispiel, David vor Saul, ist ein besonders interessanter und charakteristischer Fall. Da das Thema nämlich von sich aus wenig spontan Ereignishaftes hergibt - Vorspielen hat eine Weile zu dauern -, sorgt die Lichtbehandlung dafür, die Illusion erregenden Geschehens zu suggerieren. Von der Seite aufwärts fallt das Licht »wie aus einem Scheinwerfer« 9 auf den Kopf und die Brust Sauls, in der der Kampf zwischen Gut und Böse tobt. Und ähnlich ist es bei dem Bild des Raubes der Proserpina und der Blendung Samsons (Farbtafel 27), wo das Licht allerdings noch einen tieferen Sinn hat, mehr ist als bloß Zeigelicht. Immer ist es die Plötzlichkeit des Lichteinfalls oder Angestrahltwerdens, die den Eindruck der Momentaneität des Geschehens entweder steigert oder, wie im Saulbild, überhaupt erst zustande bringt. Der Vergleich mit Blitzlicht-Momentaufnahmen wäre nicht nur beinahe blasphemisch, sondern auch in wichtigen Punkten irreführend, aber in einer Hinsicht sagt er doch etwas Richtiges aus: Das blitzartige Aufhellen vermag das Interesse des Beschauers auf das für die Erfassung des Geschehens Wesentliche zu konzentrieren. Für Caravaggios Lichtauffall hat man das Wort >Schlaglicht < gebraucht; dies gilt auch für Rembrandt. In dessen Malerei kommt hinzu, daß sich die vom Licht schlagartig aus der Anonymität des Dunkels ins Auge gerückten Personen mit allen Fasern ihres Seins an dem Ereignis, das sie erlebt haben sollen, beteiligt zeigen, dieses nicht nur bloß mitmachen, wie in schlecht geschauspielerten Stücken. »Die nach überallhin beweglichen Menschen sind auf eine einzige Aktion konzentriert, der an sich vollständige Raum durch eigenmächtigen Lichteinfall zusammengepreßt ... «10 All dies ist aber wieder diametral dem entgegengesetzt, was Riegl als das Besondere der holländischen Geschehensauffassung im Bild bezeichnet hat, und auch dem, womit ich selbst in meiner Studie der nationalen Konstanten der westlichen Malerei des 15. Jahrhunderts Riegl bestätigen zu können meinte : »Bei den Holländern treten die einzelnen Figuren und Figurengruppen ... durch Gesten zueinander in Beziehung . .. Diese Gesten werden nur zum Teil aus der Aktion der Figuren selbst entwickelt, und auch dann ist an ihnen der Zeichencharakter deutlich ausgeprägt. Das heißt, die Gebärden erscheinen zwar durch die besondere Situation, in der sich die Figuren befinden, einigermaßen motiviert, werden aber ihres handlungsmäßigen Sinnes dadurch wieder entkleidet, daß sie der handelnden Person, deren Gesichtsausdruck völlige Uninteres-
Das Holländer/um Rembrandts
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siertheit an der eigenen Aktion verrät, gleichsam nur äußerlich angeschlossen erscheinen. So wirken diese Gebärden mehr als Anweisung für den Betrachter, sich die isolierten Gruppen oder Einzelfiguren inhaltlich aufeinander bezogen zu denken.« 11 »Völlige Uninteressiertheit an der eigenen Aktion« - wenn dies ein Wesensmerkmal holländischer Bilderzählung ist, dann könnte man danach niemals den Holländer in Rembrandt erkennen. Gelten die als zeitlos holländisch vermuteten Kriterien vielleicht doch nur für die Frühzeit der niederländischen Malerei, nicht aber für die Barockzeit? Sollte sich etwa Rembrandt so restlos mit der unter Italiens Führung stehenden Modeme, mit der vom Barock unabdinglichen Formdynamik identifiziert haben, daß sich zumindest in seinen Frühwerken in erster Linie der Geist der Epoche und nur wenig das Holländerturn ihres Schöpfers manifestiert? Gewiß ist, daß er - von den U trechter Caravaggisten abgesehen, die ja einen krassen Fall von Exterritorialität darstellen - als dramatischer Bilderzähler eine Ausnahmestellung in der holländischen Malerei einnimmt und den Rahmen, oder sollen wir sagen, die Schranken der Kunst seiner eigenen Nation sprengt; gerade er, der sich weigerte, nach Italien zu reisen, wie es in seiner Jugend de rigueur war. Rie 1 war sich der Schwierigkeiten wohl bewußt, Rembrandt in das Bild der holländischen Kunstlandschaft einzuordnen, hat er doch früher und radikaler als jeder andere - und nicht bloß an äußerlichen Entlehnungen - dessen Italianismus oder Romanismus aufgezeigt,ja diesen Italianismus dafür verantwortlich gemacht, daß der Künstler bei seinen Landsleuten zeitweise in Ungnade gefallen ist. Riegl hat geglaubt, dennoch beweisen zu können, daß auch Rembrandt das, was er die unverrückbaren Ziele holländischen Kunstschaffens genannt hat, allezeit erstrebt und, wenn auch auf ganz neuen Wegen, zu erreichen gesucht hat. Im besonderen wollte er demonstrieren, daß Rembrandt den holländischen Idealen auch in dem Tribut treu geblieben ist, den er der nationalsten Kunstgattung, dem Gruppenporträt, zollte; selbst in dem problematischsten seiner Gruppenporträts, der Nachtwache (Farbtafel 2), bei der es so schwer fallt, den Gruppenporträtcharakter herauszufinden. Ich glaube, daß Kurt Bauch in seiner kleinen, aber weitblickenden Monographie der Nachtwache der Wahrheit näher kommt als Riegl, wenn er schreibt: »Aus dem alten Thema ist etwas wie ein Drama geworden.« 12 Da inzwischen auch ganz neue und sehr seltsame Interpretationen des rätselhaften Hauptwerkes vorgebracht worden sind, dürfte es - so ungewohnt und gewagt es erscheinen mag, mit dem exzeptionellsten und umstrittensten aller Bilder Rembrandts zu beginnen - doch das Beste sein, gerade an Hand dieses zentralen Werkes zu versuchen, die Stellung Rembrandts zur holländischen Überlieferung sowie zur gleichzeitigen Kunst seiner Heimat ein wenig zu präzisieren.
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Die Nachtwache
Es gehört zum Schwersten, Kunstwerke zu sehen, die so berühmt sind, daß man sie schon gekannt hat, als man noch nicht recht wußte, was ein Kunstwerk ist. Sie gehören direkt zum Lebensraum, dessen Existenz man einfach hinnimmt und den man so gewohnt ist, daß es einem schier unmöglich ist, zu einem Teil desselben die zum Anschauen unbedingt nötige Distanz zu gewinnen. Das Wenigste, was man tun kann, um sie wieder erlebbar zu machen, ist vielleicht, in einem Gedankenexperiment zu versuchen, beim Anschauen des betreffenden Kunstwerks alles irgendwie und irgendwoher Mitgewußte künstlich auszuschalten. So wollen wir uns fragen, welchen Eindruck Rembrandts sogenannte Nachtwache wohl auf uns machen würde, wenn wir nicht bloß vergäßen, daß dieses Bild ein Gruppenporträt darstellen soll, sondern auch, daß es je so etwas wie ein Gruppenporträt als eine spezielle Kunstgattung gegeben hat. Das Gedankenexperiment ist allerdings eine besonders heikle Sache, denn das, was wir heute sehen, ist vom ursprünglichen Zustand infolge Beschneidung und Nachdunkelung verschieden, muß also auf alle Fälle noch im Geiste ergänzt werden. Der erste Eindruck des Bildes auf unseren imaginären Betrachter dürfte der eines Wirrwarrs einer Masse recht verschiedenartig kostümierter Krieger sein, bei dem es recht lärmend zugeht. Trotz des Gesamteindrucks eines lebhaften
Gerrit Lundens, Kopie der >Nachtwache Soldatentreiben vor den Toren einer holländischen Stadt< betiteln würde. Die Szene hat etwas Momenthaftes, ist in Zeit und Raum individualisiert, könnte ein einmaliges Geschehen wiedergeben - kurz, wollte man das Werk in eine der konventionellen Bildgattungen einreihen, so müßte man es als Historie ansprechen. Und in der Tat hat man auch den Darstellungsmoment als eine Episode eines bestimmten historischen Ereignisses identifizieren wollen, nämlich das Antreten oder den Aufbruch einer Schützenkompanie zum Empfang Marias von Medici, der französischen Königinwitwe, in Amsterdam im Jahre 1638. Die Argumente für diese Deutung sind nicht stichhaltig; aber nicht darauf kommt es jetzt an, sondern darauf, daß man überhaupt eine solche Deutung mit einigem Anspruch auf Plausibilität vorbringen konnte. Befremdend wirkt nur, will man das Bild als Historie
Die Nachtwache
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sehen, daß - abgesehen von der Gemeinsamkeit der Bewegungsrichtung zwischen den beiden Offizieren an der Spitze und den übrigen dahinter und ihrem Tun kein wie immer konkret faßbarer Kontakt zu bemerken ist. Riegl, der die Beziehungslosigkeit zwischen den Anführern und denen, die offenbar die Geführten sein sollen, wohl bemerkt und stark betont hat, glaubt die Annahme, wir hätten es mit der Darstellung eines einheitlichen Geschehens zu tun, dadurch retten zu können, daß er sagt: »Die Schützen gebärden sich eben wie Leute, die genau wissen, daß ihnen nun sofort der Befehl zum Ausmarsch zugehen wird. Jeder beschäftigt sich mit sich selbst oder, genauer gesagt, mit seiner Waffe, und zwar in einer Abwechslung, die nur Rembrandts unerschöpfliche Phantasie zu ersinnen wußte«; und Riegl kommt dann einigermaßen überraschend zu der zusammenfassenden Feststellung:. »Der Befehl des Kapitäns an den Leutnant ist das Thema; die Truppe ist reines Akzidens, gleich einem Hinterraume oder einem landschaftlichen Hintergrunde.« 13 Also hätten wir die Nachtwache doch eher zur Bildgattung des Porträts als zu jener der Historie zu rechnen? Nun wollen wir aber endlich die künstlichen Scheuklappen ablegen, mit denen wir uns beim Erleben des Kunstwerks vor der B.eeinflussung durch Mitgewußtes und Hinzuassoziiertes schützen, das aus sekundären Quellen fließt, wie Dokumenten, verwandten Darstellungen und so weiter. Wir wissen nämlich gar nicht so wenig über den Auftrag, das vereinbarte Programm, die Reaktion der Zeitgenossen auf das fertige Bild und nicht zuletzt über die Art, wie ähnliche Aufträge von Rembrandts Vorläufern oder von gleichzeitigen Künstlern ausgeführt worden sind. Auf dem Torbogen der Nachtwache ist ein ovaler Steinschild zu sehen, der allerdings nachträglich hineingemalt worden sein muß, denn auf der Londoner Kopie fehlt er noch. Er enthält die Namen von achtzehn Amsterdamer Bürgern, Mitgliedern einer Schützenkompanie, die das Bild bei Rembrandt in Auftrag gegeben haben und die mit ihren Physiognomien im Bild verewigt werden wollten; sechzehn von ihnen haben je rno Gulden gezahlt. Wenn man sich die Mühe macht, die im Bild Dargestellten abzuzählen, kommt man auf über dreißig Personen. Wer sich Zeit nimmt, kann dann noch diejenigen heraussuchen, die für ihre Bildnisse nachweislich gezahlt haben. Im Album der Familie des Kapitäns unserer Schützenkompanie steht neben einer summarischen Abbildung der Nachtwache, wie man das Thema des Bildes, wohl in Übereinkunft mit dem Maler, präzisiert hatte : »Skizze der Darstellung, ... in welcher Junker von Purmerlandt als Kapitän seinem Leutnant, Herrn von Vlaerdingen, den Auftrag gibt, mit seiner Bürgerkompanie auszurücken.« 14 Vom Maler war also ein Gruppenporträt verlangt und ferner die Wiedergabe eines bestimmt.e n Anlasses der geselligen Vereinigung des Kollektivs. Wenn sich nichts erhalten hätte als die Worte, die ohne Datum im Familienalbum des Kapitäns Frans Banning Cocq stehen, so ließe sich doch aufgrund der in Riegls unvergleichlicher Studie enthaltenen Periodisierung des holländischen Gruppenporträts ziemlich genau die Zeitphase angeben, in welcher der Auftrag an Rembrandt erfolgt sein kann. Was man von dem damals sechsunddreißigjährigen Maler wollte und erwartete, war nicht ein Gruppenbildnis schlechthin, sondern eines der modernsten Art. Nicht eine mehr oder minder additive Vereinigung der Bildnisse einer Anzahl von Leuten, die sich zum Schutz ihrer engeren oder weiteren Heimat oder aus irgendeinem anderen gemeinnützigen,
, Die NachtwacheDe Staalmeesters< (Die Vorsteher der Tuchmachergilde), 1662. 191,5 x 279 cm. Amsterdam, Rijksmuseum
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>De Staalmeesters< (Detail)
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David mit dem Haupt Goliaths vor Saul , 1627. 27,2x 39,6 cm. Basel, Öffentliche Kunstsammlung. Kunstmuseum
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Bileam und die Eselin, 1626. 63,2x46,5 cm. Paris, Musee Cognacq-Jay
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Christus vertreibt die Wechsler aus dem Tempel, 1626. 43,1x32 cm. Moskau, Puschkin Museum
Das Fest des Belsazar, um 1635. 167 x209 cm. London, The National Gallery
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Christus, 1661. 78,5 x63 cm. München, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
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Ein Christuskopf, um 1656. 25x20 cm. Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz
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Simeon im Tempel, 1627/28 . 55,4x43,7 cm. Hamburg, Kunsthalle
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Samson von Dalila verraten, 1629/30. 61,3 x 50,1 cm. Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz
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Simeon im Tempel, 163 r. 60,9x47,8 cm. Den Haag, Mauritshuis
Christus und die Ehebrecherin, 1644. 83,8x65,4 cm. London, The National Gallery
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Christus in Emmaus, 1648. 68 x 65 cm. Paris, Louvre
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Christus in Emma us, 1629. 37,4x42,3 cm. Paris, Museejacquemart-Andre
] Rembrandts Erziihlkunst
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Selbstbildnis mit Saskia, um 1635. 161 x 13 r cm. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen
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Bild - das spezifisch Rembrandtsche Helldunkel bereits auf den Plan getreten ist. Zunächst ist die Verwendung reflektierenden, glitzernden Lichtes zu beachten: in dem hoch aufgehängten Metallschild, in Turban und Mantelbesatz des Hohenpriesters, vielleicht auch in den Silberlingen am Boden; also selbstleuchtendes Licht, hier allerdings noch durch den Lichteinfall von außen in Szene gesetzt. Möglicherweise soll das Gleißen des Metalls als ein Ausdruckswert des Bösen mitempfunden werden; sicher trägt es zu einer Zerstreutheit der Helligkeiten im Bild bei, und damit zu dem Eindruck einer unruhigen Beleuchtungssituation. Schwache Auflichtungen in der Mitte und rechts lassen das Auge über den Mittelgrund hinaus in die Tiefe dringen, ohne daß man über die Lichtquellen Auskunft erhielte. Entscheidend ist aber noch etwas anderes. Das Licht hat nicht mehr die Aufgabe, eine unkörperliche Folie für die Körperlichkeit einer Figurengruppe zu,bilden; die Gestalten lösen sich nirgends mehr deutlich von dem Raumdunkel, das sie benachbart. Überall gibt es Übergänge ins Unkörperliche, entweder in Form von Raummobiliar oder, wie rechts hinter dem dämonischen Mann, in der Form anderer, nicht mehr klar ausnehmbarer Figuren. Der Gegensatz zwischen Körperlich-Dinglichem und Substanzlos-Freiräumlichem beginnt überwunden zu werden. Die Idee einer innerbildlichen Einheit taucht hier am Horizont auf, in der das Leere und Erfüllte, das Sichtbare und das Unsichtbare, Licht und Finsternis keine unüberbrückbaren Gegensätze mehr darstellen, sondern verschiedene Sättigungsgrade desselben Seins. Noch eines ist zu bemerken: infolge ausgebreiteter Helligkeit ziehen zwei Bildstellen sofort die Blicke auf sich, die Tischplatte mit dem ausgebreiteten Folianten und der große Lichtfleck am Boden, in dem die Silberlinge liegen. Die Lichtpartie links hat eine Dynamik, aus der das Sich-nach-vorne-Bücken und Neigen der Figuren hervorzugehen scheint. Der Lichtfleck am Boden wirkt mehr statisch, was vor allem auch damit zusammenhängt, daß er die Bildmitte einnimmt. Er, und nicht der von Gewissensnot gepeinigte Judas, ist das Zentrum der Menschengruppe. Das heißt, die Bildmitte ist ein Vakuum, welches aber den Judaslohn enthält, den gemeinsamen Nenner der psychischen Beziehungen aller Anwesenden. Eine leere Mitte ist das geistige Zentrum des Bildes: im Grunde doch eine spezifisch holländische Lösung des Problems, Innenwelt durch Ins-Leere-Starren sichtbar zu machen. Wir sind zu sehr in die monographische Analyse eines einzelnen Bildes abgeglitten und müssen nun den Weg zu unserer besonderen Problemstellung zurückfinden, die da hieß: Porträt und Historie. Erinnern wir uns, daß das Personal, mit dem biblische oder andere Geschichte gespielt wurde, mit Hilfe von individuellen, durch Naturstudien gewonnenen Physiognomien regeneriert und revitalisiert worden ist. Es ist noch ein Sonderfall nachzutragen, der die Enttypisierung des Antlitzes Christi betrifft. Die Schwierigkeiten, die Konventionen der Bildtradition zu überwinden, waren natürlich gerade bei der Darstellung des Gottmenschen nahezu unüberwindlich. Jede Verpersönlichung des Christusbildes lief Gefahr, den Gottheitscharakter des Erlösers zu kurz kommen zu lassen. Rembrandt scheint lange auf der Suche nach einem passenden Christustypus gewesen zu sein, ohne sich für einen bestimmten entscheiden zu können. Er hat Anleihen bei italienischen Idealtypen gemacht, deren Strenge durch Beimischung von Leidenspathos gemildert und vermenschlicht erscheint. Bekannt ist die Benutzung eines Renischen Ecce-HomoKopfes (Abb. 24) - es ist geradezu ein Zitat - in der großen Radierung des
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Rembrandts Erzählkunst
Rembrandts Erz ählkunst
Ecce Homo (Abb. 25). Das geschah 1635 in einem Hauptwerk und Gipfelpunkt von Rembrandts frühbarockem Stil. In der klassisch beruhigten Phase der vierziger Jahre taucht ein anderer Christustypus auf, etwa in dem Bild von Christus und der Ehebrecherin von 1644 (Farbtafel 20) oder in der als Hundertguldenblatt bekannten Radierung der gleichen Jahre (Abb. 145). Es ist ein stark idealisierter Typus, ein ausgesprochen >schöner < Christus mit ebenmäßigen, edlen Zügen, das Haar gescheitelt und in Locken bis über die Schulter hinabfallend. Die Forschung vermutet eine italienische Inspirationsquelle in der Art von Leonardos Abendmahlchristus, den Rembrandt aus Kopien und Nachstichen gekannt hat. Münz, der in einer sehr eingehenden Studie die Wandlungen von Rembrandts Christusvorstellung zu schildern versucht hat, denkt auch an eine Vermittlung durch Stiche von Hendrick Goltzius. 24 Allein, das Beispiel, das er bringt und das sich sehr wohl mit Rembrandts langlockigem Christus vergleichen läßt, paraphrasiert Dürer, nicht ein italienisches Vorbild. Und ein Rückgriff auf Dürer bei diesem Thema erscheint sinnvoller als eine Auseinandersetzung mit italienischen Idealtypen. Denn Dürer gelang eine Erneuerung der 24 Guido R eni, Ecce H o mo. D resden, Gemäldegalerie
26 Hubert van Eyck (?), Kopie, Kreuztragung. Budapest, Museum der bildenden Künste
25 Remb randt, Das große >Ecce Homo Wille< angezeigt sein, diesen Begriff aus dem Spiel zu lassen. Das Neue bei Rembrandt ist sein Versuch, durch die szenische Verknüpfung der Figuren, die in ihrem Versonnensein äußerlich voneinander isoliert sind, das sie innerlich gemeinsam Bewegende sinnfällig zu machen; seine Kunst, in seine Geschöpfe, in das in ihrem Inneren Verborgene, hineinschauen zu lassen; uns nicht bloß zu bedeuten, daß sie in Gedanken verloren sind, sondern uns auch diese Gedanken lesen zu lassen. In der frühen Komposition des Jakobssegens wird unser Blick durch die knienden Rückenfiguren der Kinder orthogonal bildeinwärts und steil aufwärts zu dem Disput über das Segnen geführt (Abb. rno). Im Kasseler Bild von 1656 gibt es den in die Tiefe bohrenden Blick nicht mehr. Die Kinder knien hinter der Bettstatt, deren Schrägstellung kaum zur Geltung kommt. Die figürliche Aktion entfaltet sich in einer Raumschicht parallel zur Bildebene. Um die Frontalität des Ganzen, die doch nichts Gestelltes hat, nur ostentativer zu machen, bilden zwei Vorhänge an den Breitseiten des Bildes eine innere Rahmung, ähnlich, wenn auch nicht ganz so wie der gemalte Bildvorhang der ebenfalls im Kasseler Museum hängenden Heiligen Familie (Farbtafel 54), die
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Das innere Sehen
Das innere Sehen
zehn Jahre früher entstanden ist. Ohne daß der innere szenische Zusammenhang zerfallt, entwickelt sich alles in einem Gegenüber zum Betrachter, ist durchgehend auf ihn bezogen. Es ist ein aus dem inneren Zueinander einer Handlung geborenes Familienbild, gewiß kein verschleiertes Gruppenporträt. Es fehlt jeder direkte Appell an den Beschauer, wie z.B. in den Staalmeesters (Farbtafel 9), aber die gerafften Vorhänge erlauben uns doch, ja legen es uns nahe, uns in der Rolle von Zuschauern im Theater zu wähnen. Man macht sich meistens nicht ganz klar, dilß sich die Gestaltungsaufgabe, die sich der große protestantische Maler nicht nur in seinen biblischen Bildern, sondern in seinem künstlerischen Schaffen schlechthin gestellt hat, mit der Problematik, mit der das katholische Mittelalter jederzeit zu ringen hatte, in wesentlichen Punkten berührt: primär Unsichtbares, Hörbares, Spirituelles, zum Teil eigentlich nur mit einem sechsten Sinn Erfahrbares voll anschaulich, optisch sinnfallig zu machen. Rembrandt hat sich wie die mittelalterliche Kunst intensiv mit dem Thema >TheophanieHaman in Ungnade < (Farbtafel 43) ist jede Gestalt mit ihren Gedanken allein; deshalb ist es schwer, das Thema des Bildes zu bestimmen.Ecce Homo< von 1543 zu dem des Prado aus den sechziger Jahren. Auch hier geht der Weg von einer Raumbühne mit Bildtiefe zur Fläche, von einem Hineinversetzen in die Lage eines Augenzeugen zu einem von den imaginierten Personen Angesprochen-Werden; nicht ein Harangieren der Menge mit dem Ausruf »Sehet den Menschen« 77 ist beabsichtigt, sondern ein Anruf an die Seele des einzelnen Gläubigen. Um Mißverständnisse zu vermeiden, möchte ich gleich betonen, daß dieser Vergleich des Rembrandtschen Spätwerkes mit dem späten Ecce Homo Tizians in keiner Weise implizieren soll, Rembrandt habe eine Heroisierung oder gar Glorifizierung Hamans bezweckt, wie unter Hinweis auf den schwer deutbaren gekreuzigten Haman Michelangelos in der Sixtina tatsächlich behauptet wurde. 78 Typologisches Denken lag Rembrandt ferne. Wenn er den Fall Hamans als ein tragisches Thema auffaßte, so tat er es, ohne in der einen oder anderen Richtung eine moralisierende Wertung im Sinn zu haben! Die Unparteilichkeit, mit der Rembrandt noch den Fall eines Bösewichtes darzustellen vermochte, scheint mir gerade das Außerordentliche und menschlich Große an seiner Fassung des Stoffes zu sein. Der Drang zur größtmöglichen Koordination mehrfiguriger Gebilde macht sich in Rembrandts Spätzeit auch in anderen Bildgenres nur zu deutlich kund, zum Beispiel im Gruppenporträt. Ich denke dabei vor allem an das späte Anatomiebild, das 1656 entstanden ist, 1723 aber bis auf ein Fragment zugrundeging: der Anatomieunterricht des Dr. Deyman, des Nachfolgers von Dr. Tulp (Farbtafel 8). Eine sehr summarische Skizze informiert uns über die Komposition (Abb. II9). Von jeher ist die strenge, bei Rembrandt ganz ungewöhnliche Symmetrie der Komposition aufgefallen, von der Riegl sagt, der Nordländer empfinde sie »als ein auf den Beschauer berechnetes Arrangement. «
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Rembrandt, Die Anatomie des Dr. Joan Deyman, Entwurf, 1656, Feder und Bister, Originalgröße. Amsterdam, Rijksprentenkabinet
Farbtafel 7
Damit gehe es auch konform, daß der Leichnam »in senkrechter Verkürzung zum Beschauer ausgestreckt und infolgedessen ... auch der Professor en face zum Bilde herausgewendet« sei. 79 Für Riegl galt nun eine streng symmetrische Anordnung als ein subordinierendes Prinzip - er zitiert zum Vergleich italienische Sacra Conversazione-Bilder -, ich muß daher erklären, warum ich Riegls Terminologie hier nicht folge, sie sogar umkehre. Jantzen hat gezeigt, daß das, was Dr. Tulp im Augenblick der Gruppenporträtaufnahme demonstriert (Farbtafel 7), die Übereinstimmung der anatomischen Realität mit den Darlegungen einer Autorität auf diesem Gebiete ist, nämlich des Andreas Vesalius, dessen Lehrbild im aufgeschlagenen Anatomiefolianten die Hörer des Dr. Tulp mit der Realität vergleichen sollen. 80 Die Aufmerksamkeit der Hörer ist also akustisch auf das Dozieren des Dr. Tulp und optisch auf den Vergleich von Realität und Abbild gerichet. Durch Veranschaulichung einer solchen Konzentration ist aber ein Höchstmaß an Individualisierung der Szene in Raum und Zeit erreicht. Die acht Leute sind zwar nicht einer formalen Ordnung subordiniert, wohl aber ist ihr geistiges Interesse wie die diesem völlig angepaßte körperliche Haltung bis ins einzelne durch die eben vor sich gehende medizinische Demonstration bestimmt. Zwei der Teilnehmer nehmen außerdem noch auf den Betrachter außerhalb des Bildes Bezug, das heißt, sie suchen auch ihn für diesen Anschauungsunterricht zu interessieren. Soviel sich nach der sehr summarischen Kompositionsskizze beurteilen läßt, waren die Teilnehmer der Demonstration in dem ein Vierteljahrhundert später entstandenen Anatomiebild einem vorgegebenen symmetrischen Schema untergeordnet und erst sekundär auf das Demonstrationsobjekt, die Leiche, bezogen (Abb. 119). Die Hörer der Vorlesung scheinen hinter einer Barriere zu
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sitzen oder zu stehen, nur der dem Professor assistierende Diener befindet sich vor ihr. Aber auch er ist dem allgemeinen frontalen Ordnungsschema unterworfen: zur Linken sind nur drei, nicht vier Hörer, er ergänzt die Vierzahl. Um der Demonstration folgen zu können, beugen sich einige der Hörer vor; die Eckfiguren aber blicken zum Bild hinaus. Alles ist primär auf den Beschauer ausgerichtet. Es ist, als ob sich das Kollektiv zum Zweck einer repräsentativen Gruppenaufnahme hinter die Brüstung begeben und dekorativ postiert hätte. Damit wird unweigerlich der Unterrichtsakt ein wenig zum Vorwand der Porträtierung reduziert. Die Zentralisierung aber lockert und mindert notwendigerweise die Konzentration und verwandelt so die Konvergenz auf einen Brennpunkt geistigen Interesses, das Zueinander, in ein Nebeneinander von mehr mit sich selbst und ihren Eindrücken beschäftigten Einzelpersonen. Auch in der Wiedergabe geistiger Aktivität wird nun versucht, eine Spaltung zwischen äußerer Wahrnehmung und innerer Reflexion anzudeuten. In diesem Sinn, als geistige Wesen, sind jetzt die Individuen weit mehr voneinander isoliert als früher, und im Hinblick darauf finde ich es gerechtfertigt, nicht die äußere Zentralisierung zu betonen, sondern von einer koordinativen Komposition zu sprechen. Gegenüber der Anatomie des Dr. Tulp ist der Grund des Beisammenseins zu nicht viel mehr als einem äußeren Vorwand des Porträtiertwerdens von Lehrer und Schülern geworden, zu einer Galerie von Köpfen einer Interessengemeinschaft. In dieser Wandlung sehe ich die Parallele zu der souveränen Bagatellisierung des szenischen Zusammenhanges in der Behandlung der Hamangeschichte (Farbtafel 43). Auch hier ist das Endresultat ein mehrfiguriges Porträt mit Angaben von Resten der Handlungssituation, die zwar keine Interessengemeinschaft, aber die besondere Schicksalsverbundenheit der drei Charaktere motivieren sollen. Erinnern wir uns, daß die Nichtanerkennung der ästhetischen Grenzen der einzelnen Bildgenres sich als ein konstanter Faktor Rembrandtschen Schaffens erwies, daß er im Porträt zur szenischen Belebung, zum Historisieren, in der Historie zum Porträtieren neigte. So könnte man beim Leningrader Bild beinahe von einem historisierend erweiterten Hamanporträt sprechen. Ohne diese Erweiterung wäre es allerdings auch nicht möglich, zum Porträtthema einen Menschen zu nehmen, dessen Augen geschlossen sind. Als Probe aufs Exempel kann ein weiterer Fall eines Zwitters von Porträt und Historie angeführt werden, das unter dem konventionellen Titel >Die Judenbraut < berühmte Doppelbild des Rijksmuseums (Farbtafel 40). Die Gegenüberstellung mit einer Entwurfszeichnung (Abb. 120) macht es mehr als wahrscheinlich, daß es sich nicht um ein einfaches Verlöbnisbild von Rembrandts Sohn Titus und seiner Braut handelt, sondern um eine alttestamentarische Szene, nämlich Isaak und Rebekka, belauscht von Abimelech. 81 In der sehr weit ausgeführten Entwurfszeichnung, in der sich auch Pentimenti finden, ist deutlich im Fensterausblick eine Figur zu sehen, die das Liebespaar bespitzelt. Es ist - wie im Vergleich mit der Komposition in Raffaels Loggien, die als Inspirationsquelle zu gelten hat (Abb. 121), einwandfrei festgestellt werden kann - der Philisterkönig Abimelech, der bei dieser Gelegenheit erfahrt, daß Isaak und die schöne Rebekka, die sich aus Vorsicht als Bruder und Schwester ausgegeben hatten, in Wahrheit Mann und Frau sind. Die Szene ist übrigens nicht gar so selten, wie in der Rembrandtliteratur immer behauptet wird. Sehr ausführlich wird sie bereits in der Wiener Genesis illustriert. 82 Von den vier Episoden, in denen in kontinuierlichem E.rzählungsstil die Geschichte
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Farbcafel 40
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Rembrandt, Isaak und Rebekka, um 165 5- 56, Feder und Bister. Privatbesitz
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Raffael und Werkstatt, Isaak und Rebekka, Fresko (Ausschnitt), 1517-1 9 . Rom , Vatikanische Loggien
dargestellt wird, bringt Raffael natürlich nur eine, den prägnanten Augenblick der Entdeckung des Betrugs. In Übereinstimmung mit der Zeichnung und ihrem Vorbild ist in der Amsterdamer Judenbraut die Frau auf dem Schoß des Mannes sitzend vorzustellen, was bei dem offenen Farbauftrag und dem flächigen Malstil des späten Rembrandt gar nicht der primäre Eindruck ist. Das Sitzen soll auch vom Röntgenbefund bestätigt werden. Hingegen soll vom Philisterkönig, dem Belauscher, den man im Bild vermißt, auch im Röntgenbild keine Spur zu sehen sein. Sollte Rembrandt selbst schon das Szenische abgestreift und, wie einer der besten Rembrandt-Ikonographen vorschlägt, das Liebespaar aus der historienhaften Einkleidung herausgelöst und ins überzeitliche gehoben haben ?83 Für diese Auffassung spricht, daß in der Zeichnung Isaak im Umarmen auch auf Rebekka blickt- zweimal ist ein reines Profil versucht -, wohingegen er im Gemälde im Dreiviertelprofil erscheint, genauso gedankenverloren und gefühlsversunken wie die Frau. Der Unterschied zwischen Zeichnung und ausgeführtem Bild ist nicht so groß wie jener der Liebespaare einer bukolischen Szene von Rubens und eines Genrestückes von Pieter Pietersz, an welchen Beispielen Riegl seinerzeit den Gegensatz flämischen und holländischen Kunstwollens in der Wiedergabe erotischer B_e ziehungen erläuterte. 84 Er kann es nicht sein, denn schließlich sind beide, Zeichnung und Gemälde, Werke desselben Holländers. Aber es ist doch symptomatisch, daß die als Historie konzipierte Rembrandtzeichnung in ihrem Aktivitätsgehalt dem flämischen Werk nähersteht und daß im ausgeführten Bild Rembrandts das spezifiscli Holländische offener zutage tritt; symptomatisch, daß der holländische Meister die für holländische Verhältnisse stürmische Liebesszene der Zeichnung mit einem gefühlsgesättigten, leicht melancholischen Doppelpor:trät abgeklärt hat. Rubens würde nie die bukolische Szene
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Rembrandt, Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1642 , Feder und Bister, laviert, weiße Deckfarbe. Haarlem, Museum Teyler
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Rembrandt, Die H eimkehr des verlorenen Sohnes, 1636, Radierung
entzeitlicht und in ein Hochzeitsbild sublimiert haben. Bei ihm bleiben Ereignisbild und Porträt grundsätzlich verschiedene Aufgaben. Rembrandts Ringen in seiner Spätzeit um ein entze'itlichtes Ereignisbild muß noch bei einem anderen Stoff exemplifiziert werden, weil in diesem Fall jahrzehntelanges Suchen ganz am Ende zu einer triumphalen Problemlösung geführt hat. Damit meine ich das Leningrader Bild von der Heimkehr des verlorenen Sohnes (Farbtafeln 37, 38). Aus dem Gleichnis des verlorenen Sohnes85 hat man im Laufe der Zeit Verschiedenes zur Verbildlichung ausgewählt, mit Vorliebe die Episoden, die das liederliche Leben des Verschwenders und sein Elend in der Verkommenheit schildern, sehr selten aber nur seine Heimkehr in die Arme des Vaters; und dies, obwohl gerade die Schlußepisode, der Empfang des Verlorengeglaubten durch den Vater, den Schlüssel zur Moral der Parabel enthält. Abermals ist es Heemskerck, der in einer zyklischen Folge diese Szene in eine Darstellung gebracht hat, deren Ideen bei Rembrandt auf fruchtbaren Boden gefallen sind (Abb. 122). Illustriert ist die Stelle, in der es heißt: »Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und wurde von Erbarmen bewegt, lief herbei, fiel ihm um den Hals und küßte ihn. «86 In Heemskercks Holzschnitt sieht man den Vater an· der Pforte seines Hauses die
Maerten van Heemskerck, Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, Holzschnitt
Treppen hinabeilen, um den als reuigen Sünder zurückgekehrten Sohn, der vor ihm niedergekniet ist, zu sich emporzuheben. Der Sohn, vollkommen zerknirscht, hat die Arme inbrünstig um Verzeihung flehend erhoben, der Vater ist ganz Erbarmen und Vergeben. Hinter ihnen stehen im Hauseingang drei Gestalten, darunter ein Bärtiger, der auf einen nur ausschnitthaft sichtbar werdenden Bartlosen hinzuweisen scheint. Wahrscheinlich ist damit der gute Sohn gemeint, der sich in der Parabel beklagt, daß um den heimgekehrten Sünder so viel Aufhebens gemacht und für ihn unverdienterweise ein Mastkalb geschlachtet wird, während er, der treu gedient und geschuftet hat, leer ausgehe. Links kann man unter dem Torbogen in der Feme das Schlachten des Mastkalbes erblicken. Rembrandt hat sich in der Radierung von 1636 (Abb. 123) eng an die Heemskercksche Komposition gehalten, in der Hauptgruppe, im Szenarium und selbst in den Nebenepisoden, die proleptisch das zur Feier der Heimkehr anbefohlene Mahl und die Beschwerde des Bruders andeuten. Nur läßt er den bärtigen Mann bereits frische Kleider für den ganz heruntergekommenen Sohn bringen und einen jüngeren Mann, offenbar den braven Bruder, mit prüfender Miene daraufschauen. Das michelangeleske Pathos ist abgestreift, der Ausdruck der Emotionen ist psychologisch vertieft, die Lichtstimmung mit den Mitteln einer mikroskopisch detaillierenden Radiertechnik subtil abgetönt. Im Grunde ist Rembrandts Radierung von 1636 doch nicht mehr als eine sich einer überlegenen Kunstsprache bedienende Nachdichtung der Heemskerckschen Bilderzählung. Die nächste Etappe in Rembrandts Äußerungen zu diesem Thema ist eine großartige, wahrscheinlich 1642 entstandene Federzeichnung, die von Schülerhand durch Lavierung in eine bildmäßig in sich abgeschlossene Komposition verwandelt wurde (Abb. 124). Anstatt die Begegnung von Vater und Sohn bildparallel gegeneinander zu führen, ist die Dynamik einseitig dem Sohn überantwortet, der schräg einwärts kniet und den Kopf an den Schoß des sich
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zu ihm etwas herabbeugenden Vaters lehnt, als ob er sein Gesicht verbergen wolle. Der Vater ist beinahe en face gesehen, mit schräg abfallender Kontur rechts, die in die Rückenlinie des Knienden überleitet, so daß die beiden Figuren in einer Silhouette zusammengefaßt erscheinen, eine erste Vorahnung des Einswerdens von Vater und Sohn im Leningrader Bild. Von rückwärts im Tor lugt ein Junge hervor, die Rückkehr sinnend betrachtend und zugleich die diagonale Bildeinwärtsführung fortsetzend und umkehrend. Die Schräge des hingeworfenen Wanderstabes intoniert in etwas linearer Knappheit eine Diagonale in der Gegenrichtung. Der Tenor des Ganzen ist nun nicht mehr ein Zueinander von Bewegungsimpulsen, sondern Rückkehr in den Schoß des Vaterhauses. Es beginnt nun eine Zeit des Experimentierens. Rätselhaft ist eine Zeichnung, die noch aus den vierziger Jahren stammen dürfte (Abb. 125). Wieder ist es, wie in der ersten Radierung, ein lebhaftes Aufeinanderzukommen, und zwar der Moment, noch ehe die beiden einander in die Arme sinken. Aber das Seltsame ist, daß der Sohn, der niedergekniet ist und sich mit niedergeschlagenen Augen und erhobenen Händen als Sünder bekennt, sich ganz nahe bei der Haustür befindet und der Alte auf sie zuläuft. Ob die Episode ganz links schon eine Andeutung des Schlachtens des Kälbchens sein soll - also etwas, was nicht im gleichen Moment staffinden kann, und wenn es mit dargestellt wird,
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gewöhnlich in räumlicher statt in zeitlicher Feme gezeigt wird-, ist ungewiß . Jedenfalls ist sowohl der räumliche wie der zeitliche Aspekt der Szene mit dem Text schwer in Einklang zu bringen. Im nächsten Jahrzehnt, in dem sich Rembrandt besonders intensiv mit dem Thema beschäftigt zu haben scheint, kehrt das Motiv des mit ausgebreiteten Armen um Vergebung flehenden Sohnes wieder, aber in völlig geänderter Regie (Abb. 126). Der Vater sitzt beim Hauseingang, als der Heimkehrer von tief unten die Treppen heraufkommt. Beide sind frontal gesehen, so daß der Vater sich zur Seite wenden muß, um auf den Ankömmling zu blicken. Hinter der ganz seichten Vorderbühne öffnet sich der Blick auf eine anscheinend weit in die Tiefe sich erstreckende Landschaft, in der man tief unten Reiter ausnehmen kann. Der sitzende Vater widerspricht offen dem Text. Die weite Landschaft mag uns sagen wollen, daß der Sohn aus großen Femen zurückgekehrt sei, aber von der für die Parabel so wichtigen Reaktion des Vaters, seinem Erbarmen, hören wir in der Skizze kein Wort. Aus dem Szenarium der Londoner Zeichnung kann man sich dasjenige der Dresdner Zeichnung entstanden denken (Abb. 127). Eine einzige perspektivische Flucht vereint die Pforte des Hauses und den Ausblick durch das Tor in die Weite, aus der der Vermißte zurückgekehrt ist. Der Vater ist von der Bank aufgestanden, um sich dem Verlorengeglaubten zuzuwenden. Infolgedessen kehrt er uns den Rücken und verdeckt zugleich ein Gutteil der Gestalt und des Gesichtes des Sohnes. Eine Frau im Hauseingang, die Augenzeugin des Vorfalls wird, erhebt die Hände wie zum Gebet. Sie sieht wirklich die Umarmung, wir sehen nur die Kehrseite. Daß wir hier einen weiteren Fall des für den späten Rembrandt so charakteristischen Verstummens des äußeren Geschehens bei
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125 Rembrandt( ?), Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1644-45, Feder und Bister, Lavierung in Chinatusche. Rotterdam, Sammlung van Beuningen
I26 Rembrandt, Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1656, Feder und Bister, laviert. London, Victoria and Albert Museum
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der Umarmung hat aber noch mehr Augenzeugen, denn die Steilordnung der Hauptpersonen hat eine Bildhälfte freigemacht, die gefüllt werden mußte. Hier ragt nun neben einem im Halbdunkel Sitzenden die Gestalt eines bärtigen Mannes in die Höhe, dessen Antlitz hell beleuchtet ist. Sinnend blickt er auf die Szene der barmherzigen Bewillkommnung. Gemeint kann wohl nur der ältere Bruder sein, der in der Parabel seiner Verwunderung darüber Ausdruck gibt, daß der liederliche Bruder, der alles vergeudet hatte, gefeiert wird, wie es ihm, der bei der Scholle geblieben, nie zuteil geworden war. Damit wäre zum ersten Mal in der Bildgeschichte des Themas des verlorenen Sohnes sein Sinngehalt in seiner ganzen Tragweite ins Licht gerückt. Das ist auch dort nicht geschehen, wo Maler wie Barent Fabritius versucht haben, die Geschichte in einer vielszenigen Abfolge auszumalen. Auch dort werden nur die Schicksale des verlorenen Sohnes illustriert, nicht der Sinn der Parabel bewußt gemacht. Das Gleichnis des verlorenen Sohnes ist keine sentimentale Geschichte mit einem happy end; es ist eher eine amoralische Geschichte, die von zwei Brüdern handelt, einem guten und einem schlechten, und von der Belohnung des schlechten - dessen, der es nach der allgemeinen Moral trotz seiner Reue nicht verdient hat. In der überwältigenden Mehrheit aller Darstellungen der Parabel kommt der gute Sohn überhaupt nicht vor. Am ehesten noch ist der für die Parabel wesentliche Vergleich der beiden in einem vielfigurigen Stich Lucas van Leydens angedeutet (Abb. 129), der in synoptischer Form Momente enthält, die uns auch die Lage und Reaktion des guten Sohnes vor Augen führen, nicht nur im Rückblick in die Vergangenheit - Schweinehirt - und Ausblick in die Zukunft - Vorbereitung des Festes -, sondern auch darin, daß der Empfang zwischen zwei debattierende Gruppen gestellt ist. Ganz nahe hinter dem liederlichen Jüngeren ist auch der brave Ältere zu sehen, wie er sich darüber beklagt, daß der Vater im Verzeihen zu weit ginge.
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R embrandt, Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1656- 57 , Feder und Bister, laviert, weiße D eckfarbe. Dresden, Staa tli che Kunstsammlungen
gleichzeitiger Schaustellung einer psychischen Reaktion vor uns haben, brauche ich wohl nicht mehr weiter auszuführen. Die von der Forschung noch etwas später datierte Albertina-Zeichnung überrascht als ein nochmaliger Versuch, das Thema ereignishaft wiederzugeben (Abb. 128) . Alles ist nun ganz flach in der Bildebene selbst entwickelt. Hausfront und Bildebene fallen gleichsam zusammen. Für die Figuren kommen, um in diese Fläche eingeordnet zu werden, nur reines Profil und reines en face in Betracht. Der Vater empfängt den Wiedergefundenen, indem er sich von seiner Bank erhebt. Es ist alles andere als ein stürmisches Entgegeneilen, wie es in der frühen Profildarstellung der Begegnung zu sehen war (Abb. 123). Hart am anderen Bildrand die Augenzeugin, die ihren Blick seitwärts wenden muß, um die Umarmung mitzuerleben. Ereignis und psychische Reaktion werden uns in reinem Nebeneinander vor Augen gestellt. Das letzte Wort Rembrandts zu unserem Thema steht in dem monumentalen Leningrader Bild vor uns, wenige Jahre vor seinem Tod gemalt (Farbtafeln 37, 38). Das Bild ist ein Hochformat und Vertikalisierung ist auch das Leitmotiv der Bildstruktur. Rembrandt hat sich entschieden, die Bildidee der Zeichnung der vierziger Jahre (Abb . 124) wieder aufzunehmen und den Schräganlauf und die Schrägansicht des Sohnes in ein kerzengerades Hochführen und eine totale Rückenansicht zu verwandeln. Man kann die Leningrader Vater-Sohn-Gruppe auch als eine Umkehrung ihres Äquivalents in der Dresdner Zeichnung (Abb. 127) ansehen: dort kehrt der Vater, hier der Sohn dem Betrachter den Rücken. Um die Stummheit der Rückansicht des Vaters in der Zeichnung wettzumachen, hat der en face gesehene Kopf die Augen geschlossen. Die steile Gruppe wird dann noch von der dunklen Toröffnung hinterfangen und durch den Torbogen bekrönt. Aus dem Eingang ins H~us lugen wie gewöhnlich Frauenköpfe hervor, aber nur ~ie im Dämmerlicht auszunehmen. Die Szene
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R embrandt, Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1658- 59, Feder und Bister. Wien , Albertin a
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>>Die Stimme malenGanz-Ohr-Sein< selbst bei einer Figur im verlorenen Profil sinnfällig zu machen. In der Radierung von 1652, die eine radierte Skizze ist, kehrt Rembrandt ZU der traditionellen Idee des inmitten einer Menge von alten Männern lehrenden Knaben zurück (Abb. 138). Wieder ist es ein plattgedrücktes Rund: die zwei sitzenden Rückenfiguren links und rechts, nur in Umrissen skizziert, markieren den vorderen Abschluß, die auf einem Balkon hinter Christus erscheinende Galerie von Köpfen den rückwärtigen. Eigentlich müßte der disputierende Jesusknabe uns den Rücken kehren, wollte er die im Bild Versammelten ansprechen. Es ist hier aber, wie wir es in den Werken der fünfziger Jahre wiederholt beobachten konnten, jene Ausrichtung auf den Beschauer vorgenommen worden, die erst in dessen Bewußtsein aus den Rednern und seinen Zuhörern, aus der Rede und ihrer Wirkung ein Ganzes macht. In der normalen Bildauffassung werden wir, der Beschauer, wie zufällig Zeugen des Geschehens; die Personen im Bild agieren, als ob sie sich um uns gar nicht kümmerten, uns nicht bemerkten. In dem Blatt von 1652 ist die Bildwelt die einer Theaterbühne, in der das gesprochene Wort mehr dem Auditorium vor der Rampe als dem auf der Bühne gilt. Da große Teile der Radierung nur sehr skizzenhaft angelegt sind und es sehr ungewiß ist, ob Rembrandt in dem, was uns heute vorliegt, auch wirklich einen Endzustand gesehen hat, läßt sich schwer sagen, ob der Unterschied zwischen der Detaillierung der Gesichter rechts und den stenographisch knappen Angaben links einer Absicht der Charakterisierung entspricht; ich glaube kaum. Wie Rembrandt beim Charakterisieren der Physiognomie des Lauschenden, eines Auditoriums schlechthin vorgeht, kann man besser in seinen Versionen der Predigten Christi und Johannes des Täufers studieren.
139 Rembrandt, Die Predigt Johannes des Täufers, Rahmenentwurf, um 1655, Feder und Bister, laviert, weiße Deckfarbe. Paris, Louvre
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138 Rembrandt, Christus UQter den Schriftgelehrten, 1652, Radierung
Rembrandt, Die Predigt Johannes des Täufers, um 1637, Kielfeder und Bister, laviert. Privatsammlung
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Als Vorwand für panoramatische Landschaftsbilder ist die Johannespredigt in der niederländischen Malerei der Patiniernachfolge ein aktuelles Thema geworden. Sie ist bereits in der Weltlandschaft der Wiener Taufe Christi von Joachim Patinier zur Belebung des Mittelgrundes benützt worden. In der Zeit des Braunschweiger Monogrammisten ist sie oft die Hauptszene und wird als Gelegenheit zu einer genrehaft detaillierten Darstellung einer Volksmenge verstanden. Das als Kunstwerk bedeutendste Bild einer Johannespredigt des 16.Jahrhunderts ist Bruegels Budapester Gemälde, in dem der Täufer merkwürdigerweise auf den anwesenden Christus weist, demnach zu sagen scheint: »Sehet das Lamm Gottes«. 94 Von der Wirkung der Rede ist wenig zu sehen; die vor Johannes Gelagerten und Stehenden zeigen uns meistens den stummen Rücken, die übrigen sind zu weit entfernt, als daß man ihren Gesichtsausdruck ausnehmen könnte. Die Szene spielt auf einer Waldlichtung mit Ausblick auf eine Flußlandschaft. In der Zeit Lastmans im ersten Drittel des 17.Jahrhunderts füllt die Volksmenge das Bildfeld auf einer emporgestuften Schaubühne, nicht ohne auf der einen Seite einen Ausblick in Landschaftsfernen zu gestatten. Der Landschaft wird nun nicht Lokal-, sondern Zeitkolorit gegeben; Obelisken oder Bildsäulen zeigen uns, daß wir uns noch in der antiken Welt befinden. Aus dieser Tradition kommt RembrandtsJohannespredigt in Grisaille (Farbtafel 46). Wie wir schon wissen, sind Rembrandts Grisaillen keine Schwarzweißmalereien, sondern Hellbraunmalereien, die ins Gelbe und Rötliche changieren, mit gelbgrünen Tönen in der Landschaft. · Es gibt zwei mit der Grisaille von ungefähr 1635 zusammenhängende Zeichnungen, von denen die eine einen Entwurf zum Bild darstellt, die andere, zwecks Anweisung an den Rahmenmacher Jahrzehnte später hergestellt, summarische Angaben der Bildregie des fertigen Werkes bringt (Abb. 139, 140). Jedesmal kommt es dem Zeichner hauptsächlich auf die Akzentverteilung in
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»Die Stimme malen «
»Die Stimme malenPetite Tombe< studieren, einer Predigt Christi, die sich höchstwahrscheinlich nicht auf eine bestimmte Bibelstelle bezieht, sondern die Lehre der Sündenvergebung zum Inhalt hat, also eigentlich eine erfundene Predigt Christi (Abb. 143). Anstatt der barocken Vielfalt und Weitläufigkeit der Johannespredigt finden wir hier knappe Zusammenfassung und vereinfachende, vereinheitlichende Konzentration auf einer seichten, abgestuften Bühne. Die Korona der Zuhörer ist wie zu einer Reliefschicht zusammengepreßt, selbst der Lichthof, der in der frühen Zeichnung von Christus inmitten der Jünger (Abb. 141) sowie in der Johannespredigt das dunklere Figurenrund zusammenhält, ist frontal auf die Stirnwand der Stufe niederge-
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klappt. Durch den dunklen Durchgang rechts neben Christus fallt der Blick auf eine zweite, bildparallele Lichtfläche, die durch eine Häuserwand gebildet wird. Alles ist frontal ausgerichtet, mit Christus als beinahe zentraler Achse. Man weiß, daß sich Rembrandt um diese Zeit mit zentralisierten Kompositionen der italienischen Hochrenaissance, namentlich Raffaels, beschäftigt hat, die er selbstverständlich nur aus Nachstichen kannte. Eine 1652 entstandene Zeichnung des rezitierenden Homer (Abb. 144), inspiriert durch Raffaels Parnaß, enthält die Grundzüge, das Gerüst der Komposition der radierten Predigt Christi. Auch hier ist in den beiden Ecken durch Repoussoirfiguren ein SichAbschirmen der Figuren gegen den Beschauer bewerkstelligt. Eine kreisförmig vorzustellende Gruppierung ist zur Ebenenkomposition eines Figurenfrieses komprimiert. Für all dies sind die frontal artikulierten Kompositionen der Italiener vorbildlich gewesen. Und selbst Rembrandts pfeilerhaft breite Christusfigur borgt die Armhaltung vom Christus der Disputa Raffaels. Die Zuhörerschaft ist allerdings im großen und ganzen die niederländische geblieben, nur ist alles Genrehafte weit gedämpfter, selbst die Kleinkinder plärren nicht mehr, sondern spielen ruhig für sich, auch die Erwachsenen sind stiller geworden. Ein Ton von Andächtigkeit liegt über dem Ganzen, zu dem auch der feierliche Anrufcharakter der Gestik Christi beiträgt. »Stimmung und Andacht wohnen enge beieinander«, hat Riegl einmal gesagt. Der Satz steht in jenem denkwürdigen, bekenntnishaften Aufsatz, der den Titel führt: >Die Stimmung als Inhalt der modernen KunstHundertguldenblatt< bekannte Meisterradierung (Abb. 145). Zwei Seiten des Wesens Christi, auf deren Veranschaulichung man schon in frühchristlicher Zeit den größten Nachdruck legte, sind synoptisch in einer einzigen Szene vergegenwärtigt: Christus als Lehrer und Christus als Thaumaturg und Arzt. Rembrandt hat aus verschiedenen Textstellen des Matthäusevangeliums Anregungen geschöpft, besonders aus Kapitel 19, aber auch aus Kapitel 11. Die Radierung ist nicht in einem Guß entstanden, so festgefügt sie auch scheinen mag. Sie ist in langer, wiederholt unterbrochener Arbeit gewachsen, wahrscheinlich vom Anfang bis zum Ende der vierziger Jahre. Die durch tatsächliche Größe wie erhöhte Postierung alle anderen überragende Gestalt Christi ist der ruhende Pol, in den, magnetisch angezogen, zwei Bewegungsströme münden, und zwar nicht bildparallel, sondern diagonal bildeinwärts und schräg aufwärts. Auch Christi Arme sind nicht flach ausge-
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breitet, sondern auf die schräg auf ihn Zukommenden gerichtet. Was so entsteht und sich zu einer Gruppierung in einer komplexen Organisation verdichtet, ist eben keine dreieckige Form, die sich mit einem Flachgiebel vergleichen ließe, sondern eine dreidimensional pyramidale Aufgipfelung. Wir kennen Rembrandts Vorliebe für ein solches pyramidales Organisationsprinzip schon von seinen Frühwerken her, der Hamburger Darbringung, dem Bild des reuigen Judas oder der Grisaille beziehungsweise Radierung des Christus vor Pilatus von 1635 (Farbtafeln 17, 52, Abb. 25). In der letzteren, einer Mischung von Christus vor Pilatus und Ecce Homo, klingt bereits die Idee der in Christus kulminierenden Figurenpyramide deutlich an. Hinter dem Christus des Hundertguldenblattes steht merkwürdigerweise jener Raffaels aus der Übergabe der Schlüssel an Petrus, der mit imperatorischer Geste das »Weide meine Lämmer« 97 spricht. In Rembrandts Radierung ist dieselbe Gestalt weit schlichter gekleidet, ohne Togaumwurf; und zweitens ist sie durch die Lichtbehandlung völlig entmaterialisiert worden, ist mehr ein selbstleuchtender Körper oder die Lichtvision derer, die nach ihm rufen und ihn anflehen. Man darf das Hundertguldenblatt nicht wie einen Tatsachenbericht lesen, etwa als Verbildlichung der Matthäusstelle, in der es heißt: »Es folgten ihm viele Scharen und er heilte sie dort.« 98 Es ist keine narrative Darstellung bestimmter Begebenheiten, wie der Lazaruserweckung, der Blindenheilung oder der Episode mit der Ehebrecherin. In Wahrheit ist es die Verbildlichung des Gehaltes einiger, zu verschiedenen Zeiten erfolgter Aussprüche Christi, ähnlich wie der Utrecht-Psalter 99 verschiedene Psalterworte simultan illustriert
144 R embrandt, D er rezitierende Homer, 1652, R ohrfeder und Bister. Amsterd am , Six Stichting
143 R embrandt, >La Petite Tombe, , Christus als Lehrer, um 1656, R adierung
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»Die Stimme malen«
oder auf sie anspielt, nur innerlich weit zusammenhängender. Gewiß, links ist die Episode der Segnung der Kinder wiedergegeben, wie sie Matthäus als faktisches Ereignis berichtet: »Hierauf brachte man Kinder zu ihm, damit er ihnen die Hände auflege und über sie bete. Die Jünger verwiesen es ihnen.« In der Tat sieht man Petrus eine Frau abweisen, die ihr Kind zu Jesus bringen will. Richtiger aber ist meines Erachtens, daß uns Rembrandt die Antwort hören lassen wollte, die Jesus bei dieser Gelegenheit gab: »Lasset die Kinder zu mir kommen und wehrt ihnen nicht, denn für solche ist das Himmelreich.« 100 Es mag zunächst wie Wortklauberei erscheinen, wenn gesagt wird, es sei nicht der berichtete Vorfall dargestellt, sondern die Worte Jesu, die er bei dieser Gelegenheit sprach, da das Dargestellte auf beides gut paßt. Aber ich behaupte, daß man das innere Wesen Rembrandtscher Kunst verkennt, wenn man diesen feinen Unterschied nicht macht - denn immer wieder sahen wir, daß Rembrandt darauf aus war, eine Stimme und ihre Wirkung zu >malenHer zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch Ruhe geben.«106 Das verklärende Lichtwunder erhebt die Szene der Verkündigung des Evangeliums der Armut und Barmherzigkeit zum Rang einer Theophanie, einer der Offenbarungen des überirdischen in der irdischen Welt, wie es die Taufe Christi oder die Transfiguration am Berg Tabor ist, einer Theophanie aber, die in den Evangelien unmittelbar nicht vorkommt und die von Rembrandt erdichtet ist. Rembrandts religiöse Dichtung gilt als die Krönung seiner Radierkunst; vielleicht sollte man aber doch hinzufügen, daß er mit ihr die Konkurrenz der Prediger, die er so oft porträtiert hat, erfolgreich besteht und mit dem Hundertguldenblatt nicht nur ein Kunstwerk höchsten Ranges, sondern auch ein bedeutendes Dokument einer an keine Konfession gebundenen Religiosität geschaffen hat.
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Das große Selbstbildnis, 1652. 112x81 ,5 cm. Wien, Kunsthistorisches Museum
r
49
Selbstbildnis, 1640. 93 x 80 cm. London, The National Gallery
50
Jan Six, 1654.
112 x 102
cm. Amsterdam, Six-Stichting
.,
52
51
Das Gleichnis vom Reichen (Der Geldwechsler), 1627. 31,7 x42,5 cm. Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz
Der reuige Judas bringt die Silberlinge zurück, 1629. 79 x ro2,3 cm. England, Privatsammlung
53
Der Mennonitenprediger Anslo und seine Frau, 1641. 176x210 cm. Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz
54
Die Heilige Familie, 1646. 46,5 x 68 ,8 cm. Kassel, Gemäldegalcrr
55
Landschaft mit Steinbrücke, um 1638. 29,5 x42,3 cm. Amsterdam, Rijskmuseum
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Flußlandschaft mit Ruinen, um 1650. 67 x 87,5 cm. Kassel, Gemäldegalerie
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Das Hochzeitsmahl Samsons, 1638. 125,6 x 174,7 cm. Dresden, Staatliche Kunstsammlungen
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Das Hochzeitsmahl Samsons (Detail)
60
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Die Verschwörung des Claudius Civilis. Um 1661/62. r96x309 cm (ursprünglich ca. 55ox550 cm). Stockholm, Nationalmuseum
Die Verschwörung des Claudius Civilis (Detail)
62
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Selbstbildnis, 1660. r rr x 90 cm. Paris, Louvre
Hendrickje t0ffels als Flora, um 1657. roox91,8 cm. New York, The Metropolitan Museum of Art
Die Landschaft
Erinnern wir uns an die zwei Zeichnungen, die zu Rembrandts Grisaillebild der Johannespredigt gehören: die eine ein Kompositionsentwurf für das Bild von 1635, die andere post festum erst in den fünfziger Jahren entstanden, ein Aide-memoire, was das Bild selbst anlangt, aber als Entwurf eines damals neu anzufertigenden Rahmens gedacht (Abb. 139, 140). In der ersten, mit stürmischem Temperament hingeworfenen Skizze ist eine vielteilige Figurenkomposition im Werden, in der zweiten Zeichnung ist zwecks Einspannung in den Rahmen das Gerüst des Bildaufbaus in knappen Zügen festgehalten. Das ei~e Mal wird ausprobiert, wie eine bunt zusammengewürfelte Zuhörermenge auf einer Tiefe wie Höhe besitzenden Raumbühne zu gruppieren wäre, das andere Mal erhalten wir einen Ausblick in eine stark bevölkerte Landschaft. Unwillkürlich hat Rembrandt, als er das zwei Jahrzehnte zurückliegende Werk summarisch reproduzieren wollte, dieses in der Richtung auf ein Landschaftsbild uminterpretiert. Denn in der Zwischenzeit war etwas Unerwartetes und doch folgerichtiges geschehen: Hollands größter Maler, seiner Ausbildung und Anlage nach Historienerzähler und Porträtist, hatte für sich, für seine besondere künstlerische Optik, die Formwürdigkeit der reinen Landschaft entdeckt, jenes Bildgenres, das in der Zwischenzeit von anderen Malern seiner Heimat Künstlern meist weit bescheidenerer Statur - zu einer völlig emanzipierten, autonomen Bildgattung erhoben worden war und als holländische Spezialität Weltgeltung erlangen sollte. Rembrandts Beschäftigung mit der Landschaft als Bildgenre ist auf eine ganz bestimmte Periode beschränkt geblieben, etwa auf die Zeit von den späten dreißiger Jahren bis zur Mitte der fünfziger, und in der Radierung noch auf einen kürzeren Zeitraum, von ungefähr 1640 bis 1652. In seiner Jugend und im Alter scheint sie ihm wenig gesagt zu haben, wohl weil er sich in ihr nicht richtig hat ausdrücken können. Es war eine zu Zeiten heftige Leidenschaft, aber keine dauernde Liebe. Die Gründe für Rembrandts relativ späten Eintritt in den Kreis der Landschaftsmaler sind mehrfacher Natur. Der wohl entscheidende ist aber der, daß zwischen dem allmächtigen Helldunkel und der Landschaft als hauptsächlichem Bildgegenstand nur unter ganz bestimmten Bedingungen, gleichsam in einer Sonderregelung, ein Modus vivendi gefunden werden konnte. Um die Schwierigkeiten der Koexistenz von Helldunkel und Landschaft besser ermessen zu .können, wird es ratsam sein, etwas weiter auszuholen. Es dürfte jedem einleuchten, daß, wer Landschaft darstellen will, Freiraum darstellen muß. Freiraum, das heißt, von Körperlichkeit oder kompakter Masse nicht erfüllten oder verdrängten Raum, also leer gelassenen Raum , das zwischen den Dingen befindliche Etwas und Nichts. Schon an der Malerei des 15.Jahrhunderts läßt sich beobachten, wie die Holländer zum Unterschied von den Südniederländern bei Benützung derselben Bildkompositionen überall größere Intervalle zwischen die Figuren und andere aussonderbare Objekte 63
Homer, 1663.
108
x 82,4 cm (ursprünglich ca.
200 x
r 50 cm) . Den Haag, Mauritshuis
206
Die Landschaft
Die Landschaft
interpolieren und sich nicht davor scheuen, in ihren Bildern ganz beträchtliche Leerstellen klaffen zu lassen, Löcher, die Freiraum und schließlich Luft bedeuten. Allmählich muß man darauf gekommen sein, daß man auch dort, wo man nichts hinmalt, doch faktisch darstellt, nämlich das Unfaßbare, Ungreifbare des freien, unendlichen Raumes, und daß man diesen allein in direkter Gestaltung, durch Aussparen, Auslassen, durch das Passiv-Bleiben des Schaffenden spürbar machen kann. Sieht man eine bildliche Darstellung als einen Spezialfall eines Figur-GrundVerhältnisses an - wobei unter> Figur< nicht nur> menschliche Figur< verstanden werden soll -, so liegt das Spezifische der holländischen Einstellung in der Tendenz zur Aufwertung der Musterintervalle, des Grundes, und ferner in dem mehr oder minder offenen Bestreben, die Kontinuität des Grundes als Äquivalent der Raumkontinuität zur Geltung zu bringen. Im Mittelater und in der Renaissance war die >Figur< des Bildmusters fast gleichbedeutend mit >menschlicher Figurrembrandtisiert < hat, macht uns auf einen weiteren Ahnen von Rembrandts Landschaftskunst aufmerksam (Abb. 149). Wie die meisten von Rembrandts gemalten Landschaften - zum Unterschied von seinen gezeichneten und radierten - sind die weltweiten
Farbtafel 55
149
Hercules Seghers, Landschaft, um 1620- 30. Florenz, Uffizien
209
Panoramen des Hercules Seghers mit wenigen Ausnahmen Landschaftsphantasien, nicht Porträts individueller Örtlichkeiten. Die Natur in diesen Bildern ist, soweit sie gebirgig ist, wild, öde, unfruchtbar und unwirtlich, abschreckend, streckenweise wie ein Trümmerfeld nach einer Erdkatastrophe. Mit seinem Instinkt für das Dramatische hat uns Rembrandt das Gefühl des Aufruhrs zu vermitteln gesucht, dessen Zeugen uns Seghers in dem desolaten Zustand seiner Gebirgsformationen vor Augen stellt, als ob er ein Schlachtfeld nach Abzug der Truppen darzustellen gehabt hätte. Die Universalität der Natur erschöpft sich aber für Rembrandt nicht in der Unendlichkeit der Aussicht, in der Weite der Panoramen. Der Himmel ist für ihn nicht, wie bei den meisten frühen Panoramen seit den Zeichnungen von Goltzius, einfach Folie für die Erde, er wird Mitspieler. Bewölkung ist ein probates Mittel, die Leere des Luftraums zu beleben, die Himmelsfolie zu mustern. Für Rembrandt aber sind Wolken in erster Linie Versatzstücke im dramatischsten Spiel, das es für ihn gibt, im Kampf um das Licht, in der ewigen Auseinandersetzung von Hell und Dunkel, von Licht und Schatten, von Tag und Nacht. So läßt er über Seghers' Felsenwand schwarze, drohende Gewitterwolken aufziehen, welche die Szene umdüstern, tiefe Schatten auf die Erde werfen und eine unstabile, fluktuierende Atmosphäre schaffen. In Rembrandts gemalter Kritik der Landschaftsvision Seghers' sind Himmel und Erde integriert, ist die Kosmogenese nicht abgeschlossen. Die Einbeziehung und Mitsprache des Himmels zwecks Dramatisierung des Landschaftsprospekts ist erst in den dreißiger Jahren ein aktuelles Problem der holländischen Landschaftsmalerei geworden. Sie wurde damals namentlich von Jan van Goyen, zum Teil auch von dem jungen Salomon van Ruysdael propagiert. Um diese Zeit dürfte man auch die oblongen, schmalen Panoramen von Hercules Seghers durch Hinzufügung einer breiten Himmelszone zu modernisieren versucht haben (Abb. 158). Jetzt kann man besser verstehen, daß in diesem historischen Moment, als die holländische Landschaftsmalerei die eben beschriebene Entwicklungsphase erreicht hatte, es Rembrandt in den Sinn kam, ein Wort mitzureden. Wenig später als die Mohrentaufe von 1636 muß die Amsterdamer Landschaft mit der Brücke entstanden sein, die in Rembrandts CEuvre das früheste Beispiel einer nicht mehr biblisch-historisch getarnten, sondern um ihrer selbst willen gemalten Landschaft ist (Farbtafel 55). Wie schon der Titel >Landschaft mit Brücke< andeutet, haben wir es diesmal mit der Wiedergabe einer bestimmten topographischen Situation zu tun, nicht mit einem Pha~tasiegebilde oder einer Weltlandschaft; mit einem Porträt also, das auf einer Naturstudie beruhen könnte, der Aufnahme einer der typischen lokalen Szenerien mit Fluß oder Kanal, Brücke und Baumgruppen, Gehöft und Kirchturm und eventuell ein paar Fischerbooten; mit einer der ländlichen Ansichten, bei denen die menschliche Figur anonym und der anspruchslose Flecken Erde ein Individuum ist. Solch unprätentiöse Ansichten, in denen eine Fähre oder eine steinerne Brücke schon ein >Motiv< ist, hatten Esaias van de Velde und Jan van Goyen bereits zehn bis zwanzig Jahre früher gemalt. Das spezifische künstlerische Problem dieses Landschaftstypus war von diesen Malern bereits klar erkannt worden. Es bestand im wesentlichen darin, daß ein verhältnismäßig schmaler Streifen Ufer, also Land, zwischen zwei kaum artikulierte und auf alle Fälle schwierig zu gliedernde Zonen eingespannt werden mußte, einer schmäleren unten, der Wasserfläche, und einer breiteren oben, dem Luftraum. Die obere Zone ließ sich durch Wolken beleben, das heißt
2IO
Die Landschaft
verräumlichen; hier genügten Andeutungen. Unten aber war das Problem der Illusionierung eines schon am vorderen Bildrand beginnenden Tiefenraums nicht so leicht zu umgehen. Die Frage spitzte sich darauf zU: Wie verkürzt man die Fläche eines Wasserspiegels? Wasser verkleinert sich nicht mit zunehmender Distanz zum Beschauer, und so müssen es Dinge tun, die in ihm schwimmen oder aus ihm aufragen, Boote, Fähren, Brücken. Fast immer erscheinen sie bildparallel, und zwar deshalb, weil so der Größenunterschied gleichsam meßbar wird. Sie leisten das , was die mit Gebüsch bewachsenen Bodenschwellen für die Gliederung von Flachlandschaften tun, eine Schichtenstaffelung oder Stratifikation. In Rembrandts Amsterdamer Flußlandschaft (Farbtafel 55) sieht man ein Boot nahe dem vorderen Bildrand, und dann ein zweites, viel kleiner erscheinendes, unterhalb der Brücke, wodurch wir auch Vergleichsmaßstäbe für die Größe der Brücke und ihre Entfernung vom Betrachterstandpunkt erhalten. Zudem wird Rembrandts Brücke von Licht hinterfangen. So wird sie zu einer Art Tor, das von einer dunklen Nahzone in eine wie durch ein Blitzlicht verursachte Auflichtung im Mittelgrund führt. Wo das Licht wie im Wetterleuchten aufgefallen ist, stehen hellgelbe Töne mit grünlichen Schatten, darunter dehnt sich eine mit Grüngrau durchsetzte, bräunliche Zone aus, davor das trübe Grün des Flusses. Der Himmel ist dort, woher das grelle Licht kam, stark aufgehellt, mit vereinzelten Durchblicken auf blasses Blau, auf der anderen Seite drohend und feindlich dunkle Wolkenballungen. Nirgends Lokalfarben, überall ist die Farbe eine abhängige Variable des Lichtes beziehungsweise der Dunkelheit; die Farben sind hier wirklich, was Goethe von ihnen ganz allgemein sagte: Taten des Lichtes. 110 Die Einheitlichkeit der Farbkomposition kommt nicht durch die Aufoktroyierung eines neutralen Einheitstones zustande, wie er damals bei den zünftigen Landschaftsmalern, allen voran van Goyen, modern war, noch ist der Einheitsnenner die Luftperspektive, welche dieselbe Grundfarbe in verschiedenen Nuancen abwandelt und im Farbwechsel Tiefenraum schafft. Bei Rembrandt zerreißt die Explosion des Lichtes das Blickfeld und wirft die friedliche Gänsemarschabfolge der Tonalitäten über den Haufen. Zugleich wird aber durch das Transitorische der Licht- und Luftstimmung unser Erleben dieser besonderen Landschaft im höchsten Maße individualisiert. An die Stelle der ausnahmslosen Bezogenheit aller Einzelheiten auf den Blickpunkt des Betrachters ist als noch stärkerer Vereinheitlichungsfaktor die Bezogenheit auf den einmaligen und unwiederholbaren subjektiven Erlebnismoment getreten. Von Rembrandt erfahren wir nicht, wie diese Landschaft sozusagen im Normalzustand ausschaut; sie existiert nur in dem inneren Erlebnis, in dem sie uns subjektiv wie eine visionäre Eingebung mitgeteilt wird. So ist sein Landschaftsbild mehr als ein bloßes Augenerlebnis, es ist Natur und Innenwelt zugleich. Einen Höhepunkt Rembrandtscher Landschaft des dramatisch-phantastischen Typus stellt das Bild >Landschaft mit einem Obelisken< des Isabella Stewart Gardner Museums in Boston dar (Abb. 150), das wahrscheinlich 1638 zu datieren ist. 111 Man hätte es ebensogut >Landschaft mit der Rieseneiche< nennen können. Vier Jahre früher hatte van Goyen eine Landschaft gemalt, in der ein knorriger Eichenbaum, dem Wind und Wetter arg zugesetzt haben müssen, eine prominente Rolle spielt (Abb. 151). Unter Bäumen ist er eine Persönlichkeit, deren Gestalt sich unserem Gedächtnis einprägt, ein Paradebeispiel dessen, was das 19.Jahrhundert ein malerisches Motiv genannt hätte. Der Betrachterstandpunkt ist bei van Goyen ein ziemlich naher, so daß nur die
Die Landschaft
21 I
150
Rembrandt(?), Landschaft mit Obelisk, 1638. Boston, Isabella Stewart Gardner Museum
151
Jan van Goyen, Eine mächtige Eiche, 1634. Leningrad, Eremitage
unmittelbare Umgebung der Eiche im Bild Platz finden kann, aber distanziert genug, daß das Blickfeld in der Höhe die Baumwipfel miteinbegreift. Alles in der Umgebung ist der Ausdrucksnote des Protagonisten angepaßt, ist auf sie abgestimmt. So wie der Eichenstamm schief gewachsen ist, wie vom Sturm geknickt, so wirken auch die Dächer des Schuppens und des Gehöfts, die sich knapp dahinter zur Erde ducken, wie verrutscht und verrissen. Der Bewegung der aufsteigenden und absinkenden Diagonalen sekundiert unten, zu Füßen des Baumes, das Hinschlendern des Weges, oben über der zerzausten Baumkrone das Jagen der Wolken. Auch in Rembrandts Bostoner Landschaft ist ein Baum, vielleicht eine Eiche, der unbestrittene Protagonist, auch er ein Individuum, eine Persönlichkeit wie der van Goyens, aber eine aus einem Riesengeschlecht. Es ist keine nahsichtige Szene. Der Augenpunkt ist sehr hoch genommen, wodurch es uns ermöglicht wird, den Blick panoramahaft in die fernste Feme schweifen zu lassen. Auf dem Weg in die Feme, aber noch im hell beleuchteten Mittelgrund, ragt ein Obelisk empor, ein Wahrzeichen der Landschaft, auf das auch der Baumriese, einen seiner Äste wie einen Zeigefinger ausstreckend, weist. Der Obelisk muß sehr hoch sein, denn seine Spitze überschneidet selbst die Linie des Horizonts. Und doch kann er, wie wir ihn sehen, es nicht mit dem Höhenwuchs des Baumes aufnehmen, der knapp vor unseren Augen, fast die ganze Bildhöhe durchmessend, emporschießt und wie ein Wolkenkratzer die Himmelszone zu berühren scheint. Tief zu Füßen des Baumriesen ein paar Staffagefiguren, ein Fußgänger, ein Reiter und ein Hund, zwergenhaft oder insektenhaft klein, zum weiteren Vergleich als Größenmesser dargeboten, um uns mit der menschlichen Gestalt einen vertrauten Maßstab in der unheimlich fremdartigen Natur zur Verfügung zu stellen. Der Baumriese ist nicht pfeilgerade aufgeschossen, gleich über dem Fußboden hat er sich gespalten, ist dann wieder zusammengewachsen, um sich schließlich wieder zu gabeln und mit dem einen seitlichen Auswuchs
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Die Landschoft
Die Landschaft
statt in die Höhe in die Horizontale und in die unermeßliche Bildtiefe abzubiegen. Lebendiger als das starre Menschenwerk des Obelisken vereinigt dieser Eichenzwilling in sich alle Dimensionen des Raumes, und so vermag die Rembrandtsche Landschaft, anders als die begrenzte Örtlichkeit van Goyens, das Gefühl unendlicher Höhen- wie Tiefenflucht zu vermitteln, die Natur wirklich als das All darzustellen. Keine der Landschaften, die Rembrandt in seiner barocken Phase, und zwar gegen das Ende dieser Stilperiode, gemalt hat, ist ein Porträt oder porträthaft. Eine phantastisch-emotionelle Szenerie, Landschaft als Resonanz innerer Erregung, als extrovertierte Innenwelt, kann das nicht sein. Kaum daß Rembrandt für ein Einzelmotiv Naturstudien verwendet hätte, so wie er es in seiner barocken Historienmalerei getan hat. Als er sich aber von der barocken Dramatik losgesagt und sich in einer Art Selbstbesinnung zu einer distanzierteren Schau durchgerungen hatte - man pflegt diese Phase, das Schaffen der vierziger und frühen fünfziger Jahre, die Zeit der Barockklassik zu nennen-, da wurde für ihn zum ersten Mal Landschaft als reines Gegenüber aktuell, wurde Landschaft als solche in ihrer simplen Tatsächlichkeit formwürdig, und die so völlig unpathetische Landschaft seiner holländischen Heimat wurde ein Ansporn zum Porträtieren wie ein menschliches Gesicht, ein Akt oder irgendein Stück Alltagsleben. Anders als seine holländischen Zunftgenossen betrachtete er allerdings als das für die porträthafte Landschaftsdarstellung geeignete Medium nicht das gemalte Bild, sondern die Radierung und selbstverständlich auch die Zeichnung. Damit setzte er aber nur eine Linie fort, die seit ihren Ursprüngen die der Landschaftsdarstellung gewesen war. Denn nicht nur sind die frühesten objektiven Bestandsaufnahmen der holländischen Flachlandschaft durch Hendrick Goltzius Federzeichnungen, Werke eines Künstlers, der, wenn er malte, weit davon entfernt war, ein Sachschilderer zu sein; es ist auch kein Zufall, sondern hat seinen tiefen Sinn, daß die erste bildliche Reportage eines niederländischen Hafens - Dürers Antwerpenansicht aus dem niederländischen Skizzenbuch, jene prophetische Vorwegnahme des holländischen Marinebildes (Abb. 152) - in der reinsten Linientechnik gezeichnet ist, ohne jede Modellierung und andere malerische Zusätze, als streng sachliche und doch transparenteste Berichterstattung.
Die Gegenprobe bei Rembrandt: Als Rembrandt ein Landschaftspanorama des Hercules Seghers in seinen Besitz bekam, malte er, um die leere Luftzone zu beleben, einen sehr >malerischen< Himmel hinzu, mit teilweise starker Bewölkung in kräftigen Helldunkelkontrasten (Abb. 149). In seinen Landschaftsradierungen hat er, mit praktisch einer einzigen Ausnahme, den Luftraum völlig leer gelassen: der unberührte Papiergrund ist Luft, ist Himmel! Graphik war für Rembrandt nicht Malerei und nicht Malereiersatz, es sei denn, er wollte Reproduktionsgraphik herstellen und ein Virtuosenstück liefern. Wie wenige andere Künstler hat er die innere Gesetzlichkeit eines Mediums zu erkennen und die nur in ihm möglichen Wirkungen - und keine anderen - herauszuholen verstanden. Es muß hier sofort hinzugefügt werden, daß Rembrandts Zeichnungen, sobald er stärkere Lavierungen verwendete, seinen Gemälden oft näher stehen als den Radierungen. Von 1640 an muß Rembrandt häufig ins Freie, in die Umgebung Amsterdams gewandert sein, um Einzelheiten der Landschaft, ein Bauernhaus, eine Brücke über einen Kanal, eine Uferzeile und so weiter, aber auch ein landschaftliches Ensemble oder ein Panorama an Ort und Stelle mit der Feder, manchmal unterstützt durch Lavierungen, abzuzeichnen. In vielen Fällen haben diese Naturstudien als Ausgangspunkte für radierte Landschaften gedient oder in solchen Verwendung gefunden, ohne daß sich aber sagen läßt, ~b schon beim Abzeichnen der Gedanke an eine radierte Komposition das Leitmotiv gewesen ist. Meistens haben die Zeichnungen als autonome Kunstwerke zu gelten, auch wenn sie gegebenenfalls den Dienst einer vorbereitenden Skizze haben leisten müssen. Unter den Radierungen lassen sich zwei Hauptgruppen aussondern: eine, die ein nahsichtiges Einzelmotiv, ein Gehöft, eine Mühle, ein Gebüsch, eine Brücke, mit einem seitlichen Ausblick in die uferlose Feme kombiniert, und eine zweite, die die ganze Breite des Bildfeldes - eine überdimensionierte Breite - einer von keinem physischen Hindernis gehemmten panoramatischen Schau überantwortet. In jedem der beiden Fälle ist Rembrandt bemüht, uns dessen bewußt werden zu lassen, daß die Bildebene eine rein optische Ebene ist, ein Fenster, durch das der Blick in die Unendlichkeit des Tiefraumes schweifen kann. Charakteristisch für die erste Gruppe sind Ansichten, in denen das Bildfeld
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Dürer, Der H afen von Antwerpen, 1520, Feder. Wien, Albertina
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Rembrandt, Landschaft mit Obelisk, um 1650, Radierung
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154 Rembrandt, Landschaft mit Gehöft, 1641, R adierung
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Die Landschaft
Die Landschaft
_,
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Später, in Radierungen von 1650 und 1652, hat Rembrandt versucht, der Diagonale wieder Tiefenwertigkeit zu verschaffen, ohne sich jedoch dabei von den Motiven der Flachlandschaft zu trennen. Die perspektivische Sicht läßt die Bilddiagonale erstehen, nicht ein Bergabhang, also nicht eine Eigenart des Darstellungsgegenstandes. Die Ansammlung von Baum, Gebüsch und Haus ist nun weitläufiger und vielteiliger geworden. In der Radierung von 1650 bilden der große, individualisierte Baum vorne und die undifferenzierte Baumgruppe dahinter die Höhe und Mitte des Abstiegs in die Tiefe, während wir mit einer Abfolge von drei giebelgeschmückten und strohgedeckten Bauernhütten, die sich darunter ducken, die niedrigste Stufe und den Erdboden erreichen (Abb. 156). Eine Landstraße in Form dunkler, in der Verkürzung sich verengender Furchen begleitet und akzentuiert die Flucht in die Tiefe. In der ähnlich komponierten Radierung von 1652, die einen ausgesprochen skizzenhaften Charakter hat, haben die wa.l dartig zusammengeschlossenen Baumgruppen die menschlichen Behausungen überwuchert und überschattet (Abb. 155). Der hohe Baum, von dem aus die ganze Waldzunge, sich keilartig verjüngend, seitwärts und in die Tiefe sich erstreckt, hat noch eine durchgliederte Form, die aber nur durch den Kontrast von Lichtbahnen auf einer Sch~ttenfolie herausgearbeitet wird. Der Rest der Waldzunge ist zu einer tiefdunklen Massenform zusammengewachsen, die einzig durch grellen Lichtauffall an einigen Stellen, oben und vorne, plastisch durchmodelliert wird. Alles ist nun auf den absoluten Gegensatz des Schattendunkels innerhalb der Waldzunge und der Helligkeit draußen ausgerichtet; letztere hat auch die Zeichnung der Bodenformation verschluckt. Das heißt, nur in der weißgefleckten dunklen Mittelzone konkretisiert sich die Landschaft, oben wie unten wird sie von leerem Grund eingefaßt. Die Radierung wirkt wie eine Tuschzeichnung, die außer dem Hauptmotiv alles andere als nebensächlich fortläßt.
r-"---· 155 R embrandt, D as Gehöl z, 1652, R adierung
diagonal unterteilt ist. Aber es ist nicht jene Diagonale der dreißiger Jahre, die im Abstieg in die Bildtiefe führt; hauptsächlich ist es eine bildparallele Unterteilung. Die Darstellung beginnt auf der einen Seite mit einem sehr hohen Objekt, einer Windmühle, einem Baum, einem Obelisken oder obeliskartigen Monument (Abb. 153). Dann folgt etwa ein Bauernhaus von mehr breitem als hohem Format, eine hüttenartige Behausung, deren Wände nur wenig aus der Erde emporragen, so daß sie sich wie ein niedriger Sockel für den Trapezaufsatz des Daches ausnehmen. In einem Blatt vermittelt dann noch eine Anhäufung von Erde - vielleicht soll es ein Misthaufen sein - zwischen der schrägen Dachkante und dem Boden (Abb. 154). Alles, was über dem Erdboden emporragt oder sich über ihn erhebt, verläuft so im allmählichen Übergang in den Grund, die Vertikale wird zur Horizontale, und einmal da angelangt, ist der Weg frei bis zur unermeßlichen Weite des Horizonts. Es sind Kompositionen von sehr niedrigem Breitformat und oft sehr großer Länge. Das angedeutete Landschaftsschema leistet für die Flachlandschaft das, was das Elsheimersche für die hügelige oder gebirgige Natur getan hatte (Abb. 64). Dort war sozusagen der Boden selbst schräg gewachsen; ein einziges Landschaftsmotiv, meistens ein bewaldeter Berg oder Hügel, bildete die fallende Diagonale. Bei Rembrandt ist es ein Konglomerat von Substanzen, die von der Senkrechten in die Waagrechte überleiten müssen, und zugleich von der körperlich greifbaren Nähe auf der einen Seite zu dem, was bloß Oberfläche ist und sich schließlich in mattem Dunst verliert. Das gibt stark asymmetrische Kompositionen, was die Verteilung von Hell und Dunkel angeht: alle kräftigen, dunklen Töne sind auf der einen Seite massiert, auf der Gegenseite finden sich die helleren und blassen Valeurs, die sich von der farblosen Leere des Grundes nur wenig abheben. Der Akzent liegt auf den fließenden Übergängen von Hoch zu Niedrig, Dunkel zu Hell, und manifestiert damit die Unzertrennlichkeit der Dimensionen von Raum und Helligkeit.
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( 1
156 Rembrandt, Landschaft mit drei Hütten, 1650, Radierung
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Die Landschaft
Die Landschaft
phantastischen Zusammenschau die Tiroler Alpen - die er selbst nie gesehen hat - direkt an Holland angrenzen lassen. Einige reine Panoramen finden sich aber doch in seinem CEuvre, unter ihnen die Ansichten der Stadt Rhenen, also topographisch identifizierbare, porträthafte Landschaften. Radierung wie Bild wirken als ruhige, stille Schau, aber nur, solange man sie nicht mit der Zeichnung des Goltzius vergleicht. Tut man das, dann merkt man, daß Seghers in den anspruchsvolleren Medien die flache Erdoberfläche malerisch zu verlebendigen gesucht hat. Über die geätzten Linien sind alternierend Streifen in grüner und brauner Farbe gelegt, womit im Endeffekt Wirkungen erzielt werden, die denen der Malerei angeglichen sind. Ferner ist Seghers gegenüber Goltzius angelegentlicher auf Mittel bedacht, das Betrachterauge beim Eintreten in das Blickfeld durch sich verkürzende Wege und ähnliche Motive bildeinwärts zu führen. Erst bei den dunklen Geländestreifen knapp vor dem Horizont tritt völlige Ruhe ein, wird unser Schauen nicht mehr dirigiert. Und hier überschneiden ein Kirchturm und die Flügel einer Windmühle die Linie des Horizonts, doTt wo, des letzten Restes eines Reliefs entkleidet, auch die Erdoberfläche wandartig in die Höhe geht, die illusionierte Tiefe mit der optischen Ebene des Bildes versöhnend. Beide Tendenzen - sowohl die, mit einem Anlauf in das Bildinnere zu beginnen, als auch die, am Schluß, am Horizont die Schau senkrecht hochzuführen - charakterisieren auch Rembrandts Bemühungen um dieses Darstellungsthema; nur hat Rembrandt versucht, mit rein graphischen Mitteln die Probleme des Flachlandpanoramas zu meistem. Von Anfang an scheint er seine Aufgabe darin gesehen zu haben, bei dem Weg in die Bildtiefe die Organisation der Bildebene als der eigentlich künstlerischen Sphäre nicht aus dem Auge zu verlieren, anders gesprochen, Tiefraumwirkung bei äußerster Wahrung des Flächenrapports der Landschaftsgründe in der Bildebene zu erzielen. Im frühesten Beispiel, der um 1640 entstandenen Ansicht von Amsterdam (Abb. 159), forciert Rembrandt sogar die Flächenverbindung der übereinander erscheinenden Bildelemente auf Kosten der Illusion kontinuierlicher Tiefenflucht und unterschlägt den Mittelgrund. Auf einen sich nicht allzuweit bildeinwärts
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Hendrick Goltzius, Dünenlandschaft bei Haarlem, 1603, Feder, braune Tinte. Rotterdam, Museum Boymans-van Beuningen
Der Landschaftstypus der zweiten Gruppe, der des totalen Panoramas, hatte bereits eine vierzigjährige Geschichte hinter sich, als Rembrandt mit ihm zu experimentieren anfing. Wohlgemerkt, die Weltlandschaft hat es in den Niederlanden schon seit Patinier im frühen 16.Jahrhundert und immer wieder bis ins frühe 17.Jahrhundert gegeben. Aber diese ist eine frei erdichtete Landschaft, ihre Universalität ist kunstvoll geplant, nicht wie beim echten Panorama in der spezifischen Optik eines Realitätserlebnisses begründet, in einem natürlichen Weit- und Überblick gleichsam vorgefunden. Auch bevorzugt das echte Panorama einen niedrigen, nicht einen hohen Horizont, wie er der Aufsicht einer Vogelschau entspräche. Das früheste Landschaftspanorama, das als Tatsachenbericht gelten kann, ist eine 1603 datierte Zeichnung des damals dreiundvierzigjährigen Haarlerner Malers Hendrick Goltzius (Abb. 157), der in seinen Gemälden und Stichen zeitlebens dem unrealistischen, manieristischen Kanon verhaftet blieb. Ein Anblick, den jeder Bewohner des flachen Landes tausendmal gehabt haben muß, ist hier - so viel wir wissen, zum ersten Mal - mit porträthafter Treue festgehalten worden. Mit kleinen und kleinsten Strichelchen ist die Weite der Ebene, die sich anscheinend endlos fortsetzt, auf einen verhältnismäßig schmalen Bildstreifen gebannt worden. Das Problem bestand darin, bei der Illusionierung einer rapiden Tiefenflucht ohne die Zuhilfenahme von konzentrisch auf einen Fluchtpunkt weisenden Orthogonalen auszukommen.Jede Andeutung einer Zentralperspektive wäre der Vorstellung einer auch seitlich ins Unendliche verlaufenden Ebene hinderlich gewesen. So mußte eine Sukzession annähernd bild paralleler Horizontalen einspringen, deren Abstand beständig abnimmt. Feldsäume, Bodenschwellen, gebüschbewachsene Furchen bieten den gegenständlichen Anlaß zu dieser Stratifikation der Ebene, die mit der Horizontlinie abbricht, ohne aufzuhören. Ein Minimum an Formangaben, die an sich kein Interesse beanspruchen, die nichts erzählen, schafft ein Maximum an Tiefenräumlichkeit. Die Lehren von Goltzius' Zeichnung haben in den Bildern und namentlich in den um 1630 entstandenen Radierungen von Hercules Seghers reiche Früchte getragen (Abb. 158). Meistens hat Seghers die Flachlandsicht mit wilden Felsengebirgen kombiniert, die seitlich die Sicht verbauen; das heißt er hat in einer
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158
Hercules Seghers, Ansicht von Rhenen, um 1625-30. Berlin , Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz
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Die Landschaft
Die Landschaft
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Rembrandt, Ansicht von Amsterdam , um 1642, Radierung
dehnenden Vordergrund, bei dem der trichterförmige Lauf eines Wassergrabens den Blick in die Tiefe saugt, folgt fast unmittelbar die bildaufwärts weisende Stadtsilhouette, mit der anstelle einer Horizontlinie der Ausblick endet. Dazwischen liegt nur der ganz schmal wirkende Wasserstreifen, zu dem der Mittelgrund gleichsam zusammengeschrumpft ist, und der in seiner völligen Unartikuliertheit die Wendung von einer Tiefen- in eine Höhenbewegung kaum spürbar zu machen hilft. Das entscheidend Neue ist der Ersatz der Horizontlinie durch die Skyline, die Silhouette der Stadt. Denn damit wird automatisch eine Akzentverlagerung in die fernste Feme vollzogen. Und da eine Silhouette das Unkörperlichste ist, bedeutet das zugleich, daß nicht wie beim vorhin besprochenen Landschaftstypus das Greifbarste vorne das Hauptmotiv der Landschaftskomposition bildet, sondern das Distanzierteste und damit eo ipso eine Flächenform. Landschaften mit Stadtsilhouetten sind ein Sonderfall des Landschaftspanoramas und recht besehen keine echten Landschaftsbilder, da in ihnen die Natur nur eine untergeordnete Rolle spielt. Zehn Jahre später, 1651, hat Rembrandt nochmals ein Landschaftspanorama zum Thema einer Radierung genommen (Abb. 160). Diesmal ist es ein reines Landschaftsporträt, aber keines mit äußerlich besonders hervorstechenden Merkmalen, die es leicht machen würden, die betreffende Gegend zu identifizieren. Früher hieß die Radierung >Das Landgut des GoldwägersDas Landgut des Goldwägers>Bürgerherz« übersetzte, hatte den Vorwurf in folgenden Versen formuliert: »Seht hier, wie Bürgerherz und seine Eidverwandten Im Schatten eines Wald's, beim Busch-Bankett Mit einem Schwur sich gegen Rome wandten. «119
Es war nicht das erste Mal, daß dieser Gegenstand verbildlicht wurde. Otto van Veen, Rubens' Lehrer, hatte 1612 ein Geschichtswerk verfaßt, das den Krieg der Bataver mit den Römern behandelte und mit Stichen von der Hand eines Italieners, Antonio Tempesta, illustriert war (Abb. 176). Ein Jahr später malte van Veen selbst eine Serie von zwölf kleinen Bildern, die dasselbe patriotische Thema schilderten und von der Gemeinde des Haag angekauft wurden (Abb. 177). Als Amsterdam mehr als vierzig Jahre später eine monu(llentale Gemäldefolge über den gleichen Stoff bestellte, hat sich Govaert Flinck, wie seine Skizzen beweisen (Abb. 178), an die Interpretation der Vorgänge bei Tempesta und van Veen gehalten. Um vorläufig nur einen Punkt hervorzuheben: die Eidesleistung wird durch Händedruck versinnbildlicht. Rembrandt kann, als er nach seines Schülers Tod den Auftrag für eines der vier bei Flinck bestellten Bilder bekam, nicht allzu lange bis zur Vollendung des monumentalen Bildes gebraucht haben, das eine fünfeinhalb Meter breite Lünette zu füllen hatte. Im Juli 1662 war sein Gemälde in situ. Was sich dann ereignet hat, ist nie völlig aufgeklärt worden. Fest steht nur, daß es ein Zerwürfnis zwischen dem Maler und dem Magistrat gab, daß Rembrandt bereit war, Veränderungen an seiner Komposition vorzunehmen und daß er schließlich sein Werk zurückzog oder zurückbekam. Ob eine gütliche Lösung an neuen finanziellen Forderungen des Malers scheiterte, ist ungewiß. Die Lücke in der Ausstattung des Rathauses wurde dann von einem Maler namens Jürgen Ovens gefüllt, der das von Flinck unvollendet hinterlassene Werk ergänzte und zu Ende malte. Rembrandt aber schnitt aus der Riesenleinwand die zentrale Figurenkomposition heraus und überarbeitete sie, um ihr möglichst den Charakter eines in sich geschlossenen Bildes zu geben. Im 18.Jahrhundert ist das zur selbständigen Einheit gewordene Fragment nach Schweden gewandert, dann der königlichen Akademie in Stockholm vermacht und von dieser dem Nationalmuseum als Dauerleihgabe überlassen worden.
Die Erneuerung des Historienbildes
176 Antonio Tempesta, Die Stammesführer leisten den Treueeid. Illustration zu Otto Vaenius, Batavorum cum Romanis bellum, 1612
178 Govaert Flinck, Die Verschwörung der Bataver (Skizze), um 1659. Hamburg, Kunsthalle
177 Otto Vaenius, Die Verschwörung des Claudius Civilis im Schakerwald, 1612. Amsterdam, Rijksmuseum
179 Rembrandt, Die Verschwörung des Claudius Civilis, um Feder und Bister, laviert, weiße Deckfarbe. München, Staatliche Graphische Sammlung
1660-61,
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Es hat sich eine Federzeichnung mit Lavierungen erhalten - heute in der Münchner Graphischen Sammlung -, die einen Zustand vor der Amputation des Riesengemäldes wiedergibt und als Entwurf der Gesamtkomposition angesprochen werden kann (Abb. 179); wahrscheinlich hat es eine ganze Reihe verschiedenartiger Entwurfsskizzen gegeben. Die Münchner Zeichnung hat selbst einige Pentimenti, ist also Zeuge eines noch experimentellen Stadiums. überraschend ist zunächst, daß die örtliche Situation mit der Beschreibung bei Tacitus, der alle früheren Illustrationen gefolgt waren, in offenem Widerspruch steht. Denn der historische Ort der Verschwörung war der Schakerwald, und die Illustratoren versuchten, ein »Busch-Bankett«, wie Vondel es nannte, darzustellen, wobei sie sich an Bildtypen von Gelagen im freien hielten, die für den Bedeutungskomplex des Liebesgartens oder der Ausschweifungen des verlorenen Sohnes erfunden worden waren. Rembrandt versetzte die Szene unter das Gewölbe eines polygonalen Zentralraumes, der Durchblicke in einen waldigen Freiraum gestattet. Den rückwärtigen Abschluß hat er offenbar nicht als gemauerte Wand geplant, sondern als eine Stoffwand mit Baldachin. Es wurde mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß Rembrandt, als er die Komposition von Leonardos Abendmahl nachzeichnete, sein Vorbild dahingehend veränderte, daß er die mit Fenstern durchsetzte Rückwand durch einen Baldachin ersetzte, 120 die bedeutungssteigernde Attrappe par excellence (Abb. 180). Es ist eine naheliegende Vermutung, daß das unhistorische Szena-
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rium, also Rembrandts Indifferenz gegenüber den zum Gemeingut der Gebildeten gewordenen Ideen vom Schauplatz des Vorgangs, einer der Steine des Anstoßes war, der zum Zerwürfnis zwischen dem Künstler und den Autoritäten geführt hat. Daß er der Bildfabel, entsprechend der ihr zukommenden nationalen Bedeutung, anstatt historischer Treue ein würdigeres Dekorum zu verschaffen suchte, scheint ihm von den Stadtvätern nicht hoch angerechnet worden zu sein. Sieht man sich den Platz an, für den das Werk bestimmt war, so versteht man Rembrandts Wahl des Szenariums nur zu gut. Das Gemälde hatte ein Bogenfeld hoch über einem Doppeltor des Korridors zu füllen. Rembrandt war es ganz offensichtlich daran gelegen, die Illusion einer Raumerweiterung zu erzielen, welche aber mit den amorph-malerischen Formen eines Waldesinneren - man denke nur an den Wald der Franziskusradierung (Abb. 173, 174) - nicht zu verwirklichen war. Das Untektonische einer solchen Landschaftsfolie hätte wohl seinem Empfinden für monumentale Form widersprochen. Der Bedeutungsfolie rückwärts entspricht der monumentale Aufgang zu der eigentlichen Plattform des Geschehens: eine mehrstufige, breite Treppe, gerahmt von urtümlichen Stein- oder Bronzelöwen - was gewiß nicht akkurat im antiquarischen Sinn war, aber sicherlich fahig, das Gefühl eines in grauer Vorzeit spielenden Ereignisses heraufzubeschwören, was man den Garden Parties der Landsknechte von Tempesta oder van Veen wohl kaum nachsagen könnte. Eine Krönungsszene oder Glorifikation hätte nicht eindrucksvoller inszeniert werden können als Rembrandts Geschichtsdrama. Von Tempestas Illustration des Bataverkrieges bis zu Govaert Flincks Entwurf der Verschwörungsszene wurde die Eidesleistung als Handschlag veranschaulicht. Bei Tempesta (Abb. 176) ist die Perspektive der in die Tiefe weisenden Tafel dazu ausgenützt, vorne die Teilnehmer des Gelages noch als sitzende Rückenfiguren zu zeigen, rückwärts hinter dem Tisch die Stammeshäuptlinge, die sich erhoben hatten, auf den seitlich stehenden Führer Civilis zukommen zu lassen, um ihm durch Handschlag Treue und Gefolgschaft in dem bevorstehenden Aufstand zu schwören. Bei Flinck ist die Anordnung umgekehrt (Abb. 178): der Handschlag ist nach vorne verlegt, ein einziger Häuptling, nunmehr wie ein Römer gekleidet, schüttelt die Hand des sitzenden, einen Turban tragenden Civilis, die anderen Teilnehmer am Gelage sind rückwärts noch bei Tisch sitzend angedeutet. Wie aus der Münchner Zeichnung ersichtlich wird, hat Rembrandt zwei radikale Neuerungen eingeführt (Abb. 179). Erstens hat er für die Eidesleistung eine ganz neue Formel gefunden. Bei Tacitus heißt es, daß die Bataver barbaro ritu schworen. Rembrandt verfiel auf die Idee, die Bataver den Schwerteid ablegen zu lassen, einem Brauch entsprechend, der in Rembrandts Tagen noch vom Theater her bekannt war. Diese Prozedur bot für das spezielle Thema den großen Vorteil, daß nicht einer nach dem anderen, sondern mehrere gleichzeitig schwören konnten, beziehungsweise daß die Darstellung eines Kollektiveides möglich wurde. Zweitens hat Rembrandt die eigentliche Schwurhandlung aus dem Gelage ausgesondert, indem er die Tafel nur bis etwa in die Mitte des Bildfeldes reichen ließ, Civilis wie eine monolithische Säule daneben aufpflanzte und auch die ihn Umringenden, die den Schwur leisten, stehend darstellte. Nur einer ist sitzen geblieben, er hat eine Sonderfunktion, nämlich eine große flache Schale wie einen Opfertrunk emporzuhalten. In dieser Fassung ist das Gelage nur
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Rembrandt, Das letzte Abendmahl (nach Leonardo) , um 1635, Rötel. New York, The Metropolitan Museum of Art, Lehman Collection
mehr eine Art Beiwerk, das die näheren Umstände schildert, unter denen es zur feierlichen Zeremonie kam, die den Stein ins Rollen brachte - wie es ja auch im tieferen Sinn der Historie lag. Civilis hatte die Leute zu einem Gelage gelockt, um die an sich träge, stumpfe Masse in die rechte Stimmung zu bringen, dann durch eine zündende Rede - die im Zyklus von van Veen dargestellt ist (Abb. 177) - mitzureißen und schließlich alle durch heiligen Eid zur befreienden Tat zu verpflichten. Rembrandt erst hat dem sakralen Ernst des schicksalsschweren Moments zur vollen Geltung verholfen. Die Richtschnur für einen Stoff dieses Sinngehalts konnten dann nicht mehr die Bildtypen von Tischgesellschaften geben, selbst nicht die Ikonographie des Abendmahls. Rembrandt mußte sich die Vorbilder aus dem Bereich der sakralen Zeremonie holen, aus Szenen, in denen sich die Beteiligten um eine beherrschende Mittelfigur scharen müssen, etwa einer Vermählung Mariä, oder Szenen der Offenbarung des Göttlichen, in denen Christus als Auferstandener oder Prediger die Blicke aller auf sich zieht (Farbtafeln 20, 41, Abb . 145). Nicht umsonst ähnelt die tiaraartige Turbankrone des Civilis der Kopfzier des Tempelhüters der späten Darbringung (Abb. 23). Für die Aufstellung rings um ein geistiges Zentrum lag es für Rembrandt nahe, auf die Lieblingsformel einer der in eine Doppelraumschicht flachgepreßten Zentralkompositionen wie die der >Petite Tombe < (Abb. 143) zurückzugreifen. Die Pentimenti der Münchner Zeichnung geben einen Einblick in den Schaffensprozeß, das allmähliche Herauskristallisieren der Form (Abb. 179). Die tiaraartige Krone des Civilis ist eine Überzeichnung, die über einer turbanartigen Kopfbedeckung eingetragen ist. Dieser nachträgliche Einfall hilft, die Hauptgestalt zu vertikalisieren und ihr alle anderen zu subordinieren. Zugleich
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hat Rembrandt mit derselben Absicht der Subordination unter Civilis die Distanz zwischen diesem und dem die Schale zu ihm emporhaltenden Mann vergrößert, indem er den Schalenträger niedriger erscheinen, sich ducken ließ. Wie die Röntgenaufnahme des ausgeführten Gemäldes beweist, hat Rembrandt den sitzenden Schalenträger in einen knienden abgeändert. Wie ferner die Lavierung zeigt, war diese Gestalt als Repoussoirfigur gedacht, als Teil der Andeutung einer Schattenrampe, wie sie so häufig bei Rembrandt vorkommt; ihre symmetrische Ergänzung auf der anderen Seite ist die stehende Dreiviertelrückenfigur mit dem vordersten aller Schwerter, die das Breitschwert des Führers berühren. Vom Boden her muß auf rational nicht erklärbare Weise starkes Licht emporgestrahlt sein, wie es im fertigen Gemälde vom Tisch ausstrahlt, eine Beleuchtungsweise, für die es im CEuvre Rembrandts manche Analogien gibt, etwa in der Kreidezeichnung von Christus unter seinen Jüngern, die einen Lichthof umschließen, als würde sie ein Lagerfeuer erhellen, oder in der Radierung der >Petite TombeDas Holländertum Rembrandts Corpus Tümpel 1986Das Landgut des Goldwägers< (Radierung)
1652
Das große Selbstbildnis (Wien) Faust (Radierung)
1663
Rembrandt gerät mit der Restzahlung für den Hauskauf in Verzug und muß an mehreren Stellen Schulden machen Aristoteles vor der Büste Homers Die drei Kreuze (Radierung)
um 1666
Haman in Ungnade (Leningrad) Isaak und Rebekka (> Die JudenbrautHieronymus im Gehäuse In: Pantheon, 21 (1963), S. 131-142. 47 Das jüngste Gericht, 1526, Holz, 271 x 185-76 cm, Leiden, Stedelijk Museum De Lakenhal ; abgeb. in M .J. Friedländer, Lucas van Leyden. Hrsg. von F. Winkler, Berlin 1963 , Taf. 50-53. 48 Lot und seine Töchter, r 520, Holz, 58 x 34 cm, Paris, Louvre; abgeb. in M.J. Friedländer (zit. Anm. 47), Taf. 35 . 49 M .J. Friedländer (zit. Anm. 47), S. 94. 50 Münz 1952 I, S. 4. 51 I. Q. van Regteren Altena, Jacques de Gheyn. Three Generations, 3 vols., Den Haag-BostonLondon 1983, III , S.246, Abb. 17. 52 Corpus I C 17 sieht in dem Bild eine alte Kopie nach einem Original Rembrandts von 163 r. 53 Corpus II C 5 r schreibt das Bild dem Umkreis oder der Werkstatt Rembrandts zu und datiert es möglicherweise 1632, oder aber in die späten dreißiger Jahre. 54 »Ich bin, was du sein wirst.«
55 Münz 1952 275. 56 J. S. Held, Rembrandt and the Book of Tobit. In: J. S. Held, Rembrandt's Aristotle and other Rembrandt Studies, Princeton 1969, S. 104-129; bes. S. 127. 57 W. Dilthey, Das Erlebnis und die Dichtung, Göttingen 16 1985.
58 Tobias 10, 1-7. 59 Corpus III C 86 schreibt das Bild dem Umkreis Rembrandts zu und hält einen Zusammenhang
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Anmerkungen mit einem verlorenen eigenhändigen Werk für wahrscheinlich.
60 Der blinde Belisar als Bettler, um 1660, Feder und Bister, 167 x 12 I mm, Berlin, Kupferstichkabinett; Benesch V ro53, Abb. 1270. 61 Lukas 2, 25-32. 62 Vgl. z.B. K. Bauch, >Ikonographischer StilAuferweckung des Lazarus Ecce HomoTobias und der Engel< von Hercules Seghers), 213x284 mm 4. Zustand, B. 56 66 Rembrandt (?) Die Flucht nach Ägypten, 1627 Holz, 27,5x24,7 cm Tours, Musee des Beaux-Arts Tümpel A4 67 Die Flucht nach Ägypten, um 1629 Radierung, 146 x 122 mm r. Zustand, B. 54 68 Die Flucht nach Ägypten (durch die Furt), 1654 Radierung, 91 x 144 mm B. 55
72 Mädchen am Fenster (vermutlich Hendrickje Stoffels), um 1655- 56 Pinselzeichnung, mit Bister laviert, weiße Deckfarbe, 165 x 122 mm Stockholm, Nationalmuseum Ben. 1102 75 Rembrandt (?) Der Zinsgroschen, 1629 Holz, 41,8x32,8 cm Ottawa, The National Gallery of Canada Tümpel As
76 Rembrandt (?) Christus an der Martersäule, um 163 r Leinwand, 76 x 65,4 cm Privatsammlung Corpus C 8 84 Rembrandt (?) Gelehrter im Studio, 1631 Holz, 60,8x47,3 cm Stock holm, Nationalmuseum Tümpel Kr 8 5 Rembrandt (?) Ein Gelehrter in einem Raum mit Wendeltreppe, 1632 Holz, 28,2 x 34,4 cm Paris, Louvre Tümpel 120 87 HI. Hieronymus in der Klause, 1642 Radierung, 150 x 17 3 mm 1. Zustand, B . 105 88 Der Kunsthändler Abraham Francen, um 1658 Radierung, 152x208 mm 2. Zustand, B. 273 89 Jan Six, 1647 Radierung, 245 x 191 mm 4. Zustand, B . 285 90 Faust, um 1652-53 Radierung, 209x 161 mm 2. Zustand, B. 270 92 Die Heilige Familie mit der Katze, 1654 Radierung, 95 x 144 mm 2. Zustand , B. 63
97 Rembrandt und Nachfolger Simeon im Tempel, um 1666-69 Leinwand, 98 x 79 cm Stockholm, Nationalmuseum Tümpel 73 98 Homer, seine Verse diktierend, um 1663 Feder, Bister und Tusche, laviert, 145 x 167 mm Stockholm, Nationalmuseum Ben. 1066 100 Rembrandt (?) Der Segen Jakobs, um 1636 Feder und Bister, 107 x 9 5 mm Privatbesitz Ben. Addenda 7 102 Die Verkündigung an die Hirten, 1634 Radierung, 262x219 mm 3. Zustand, B. 44 103 Der Engel verläßt die Familie des Tobias, 1641 Radierung, 103 x 153 mm 2. Zustand, B. 43 104 Rembrandt (?) Der Engel verläßt die Familie des Tobias, um 1652 Rohrfeder und Bister, 193 x243 mm New York, The Pierpont Morgan Library Ben. 893 105 Rembrandt und Werkstatt Das Opfer Manoahs, 1641 Leinwand, 242x283 cm Dresden, Staatliche Kunstsammlungen Corpus C 83 107 Rembrandt (?) Der Engel verläßt Manoah und seine Frau, um 1639 Feder und Bister, laviert, 145 x 156 mm Paris, Louvre Ben. 179 108 Manoahs Opfer, um 1639 Feder und Bister, 17 5 x 190 mm Berlin, Kupferstichkabinett Ben. 180 109 Rembrandt- Werkstatt ( Willem Drost ?) Manoahs Opfer, um 1655 Kiel- und Rohrfeder, laviert, weiße Deckfarbe, 19ox280 mm Winterthur, Sammlung Oskar Reinhart Ben. 976
Manoahs Opfer, um 1655 Rohrfeder und Bister, 193 x 156 mm Dresden, Kupferstichkabinett Ben. 974
113 Abraham bewirtet die drei Engel, 1656 Radierung, 16ox131 mm B. 29 114 Abraham bewirtet die drei Engel, 1645 Holz, 16x21 cm Aurora Trust Tümpel 21 r 15 Vier unter einem Baum sitzende Orientalen
(Kopie einer indischen Miniatur), um 1654-56 Feder und Bister auf Japanpapier, laviert, 194x 125 mm London, British Museum Ben. II87 116 Jan Lievens (und Rembrandt ?) Das Festmahl Esthers, um 1625 Leinwand, 130,8x163,2 cm Raleigh, The North Carolina Museum of Art Corpus C 2 117 Rembrandt (?) Haman in Ungnade vor Ahasver und Esther, um 1662-65 Feder und Bister, laviert, 122 x 150 mm Budapest, Museum der bildenden Künste Ben . 1067 II8 Der Apostel Petrus, 1632 Leinwand, 81,3 x66,2 cm Stockholm, Nationalmuseum Corpus A 46 119 Die Anatomie des Dr. Joan Deyman (Entwurf), 1656 Feder und Bister, IIOx 133 mm Amsterdam, Rijksprentenkabinet Ben. 1175 120 Isaak und Rebekka, um 1655-56 Feder und Bister, 145x185 mm Privatbesitz Ben. 988 123 Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, 1636 Radierung, 156x136 mm B. 91 124 Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1642 Feder und Bister, laviert, weiße Deckfarbe, 19ox227 mm Haarlem, Museum Teyler Ben. 519
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125 Rembrandt (?) Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1644-45 Feder und Bister, Lavierung in C hinatusche, 177xr80 mm Rotterdam, Sammlung van Beuningen Ben. 562 126 Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1656 Feder und Bister, laviert, l 84 x 248 mm London, Victoria and Albert Museum Ben. lOTI 127 Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1656-57 Feder und Bister, laviert, weiße Deckfarbe, 188x267 mm Dresden, Kupferstichkabinett Ben. 1017 128 Die Heimkehr des verlorenen Sohnes, um 1658- 59 Feder und Bister, 133 x 199 mm Wien, Albertina Ben. 1037 130 Der Mennonitenprediger Cornelis Claesz. Anslo, 1641 Radierung, 186 x l 57 mm 2. Zustand, B. 271 131 Der Mennonitenprediger Cornelis Claesz. Anslo, 1640 Rötel, Bister laviert, weiße Deckfarbe, 246x201 mm Paris, Louvre Ben. 759 132 Jan Cornelisz. Sylvius, 1633 /34 Radierung, 167 x 140 mm 1. Zustand, B . 266 133 Jan Cornelisz. Sylvius (posthumes Porträt), 1646 Radierung, 278 x 188 mm 2. Zustand, B . 280 134 Josef erzählt seine Träume, 1638 Radierung, 108x81 mm 3. Zustand, B. 37 135 Josef erzählt seine Träume, um 1642-43 Feder und Bister, laviert, 175 x 225 mm Privatbesitz Ben. 527 136 Christus unter den Schriftgelehrten, 1630 Radierung, 89x66 mm 3. Zustand, B. 66 137 Christus unter den Schriftgelehrten, um 1652 Rohrfeder, 189x259 mm Paris, Louvre Ben. 885 138 Christus unter den Schriftgelehrten, 1652 Radierung, 126x213 mm 1. Zustand, B. 65 139 Die Predigt Johannes des Täufers (Rahmenentwurf), um 1655 Feder und Bister, laviert, weiße Deckfarbe, 145x204 mm Paris, Louvre Ben. 969
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Verze ichnis der Werk e Rembrandts
140 Die Predigt Johannes des Tä ufers, um 1637 Kielfeder und Bister, laviert, 194x277 mm Privatsa mmlung Ben. Addenda ro
153 Landschaft mit Obelisk, um 1650 Radierung , 83 x 160 mm 1. Zustand, B. 227
168 Der HI. Hieronymus, 1648 Radierung, 179 x 132 mm 2. Zustand, B . 103
141 Christus als Lehrer, 1634 Schwarze und rote Kreide, Feder und Bister, laviert, gehöht in Gouache, 355 x 476 mm H aa rlem, Museum Teyler Ben . 89
154 Landschaft mit Gehöft, 1641 Radierung , 125 x 320 mm B. 226
169 De Omval, 1645 Radierung, r85 x22 5 mm 2. Zustand, B. 209
155 Das Gehölz, 1652 Radierung, 155 x2ro mm 2. Zustand, B. 222
143 >La Petite Tombe< (C hristus als Lehrer), um 1656 Radierung , 155x207 mm B. 67
156 Landschaft mit drei Hütten , 1650 Radierung , 161 x202 mm 3. Zustand, B. 217
170 Der HI. Hieronymus in einer italienischen Landschaft, um 1652 R o hrfeder, laviert, 250 x 207 mm Hamburg, Kun sthalle Ben . 886
144 D er rezitierende Homer, 1652 Rohrfeder und Bister, 255 x 180 mm Am sterdam , Six Stichting B en . 9 13
159 Ansicht von Am sterdam, um 1642 R adierung, 112x 153 m B. 210
145 Das Hundertguldenblatt, um 1642/45 Radierung , 278 x 396 mm r. Zustand, B . 74 146 Predigt Christi (Vo rstudi e zum >Hund ertguldenblatt Das Landgut des Goldwägers