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German Pages 614 [616] Year 1893
REISE UM DIE WELT. ERLEBNISSE UND FORSCHUNGEN IN DEN JAHREN 1832—1836 VON
CHARLES DARWIN. MIT V I E R Z E H N
ABBILDUNGEN
IM
TEXTE.
DEUTSCH VON A. HELRICH.
GIESSEN. J. RICKER'SCHE BUCHHANDLUNG. 1893.
Charles Robert Darwin wurde am 12. Februar 1809 zu Shrewsbury
in West-England
geboren.
Sein Vater war
ein wohlhabender Arzt; seine Mutter starb schon in seinem achten Lebensjahre.
Bereits in jungen Jahren hatte er Sinn
für Naturwissenschaft, möglichen
und
Gegenstande
kameraden
zeichnete
schaften aus.
Vor
Freude, seinen
alle
Schul-
er sich nicht durch glänzende Eigen-
Er studirte in Edinburgh und in Cambridge,
wo er 1831 promovirte. seine
machte es ihm
zu sammeln.
Dreiundzwanzig Jahre a l t , trat er
fünfjährige Reise um die Welt a n ,
während welcher
er sorgfältig alle Erlebnisse und Beobachtungen aufzeichnete. Diese Reise
nennt er »das bei weitem wichtigste Ereigniss
seines Lebens«, und war sie entscheidend für seinen wissenschaftlichen Beruf.
Nach
seiner Rückkehr
bearbeitete
er
das gesammelte Material, gab seine Reisebeschreibung heraus und veröffentlichte, zum Theil in Gemeinschaft mit anderen Gelehrten, die wissenschaftlichen Ergebnisse der Reise.
Im
Jahre 1839 verheirathete er sich mit seiner Cousine Fräulein Emma Wedgwood.
Von
jede Unterbrechung
in stiller Zurückgezogenheit auf seinem
Landsitz Down glücklichsten
1842
bei Beckenham,
an
lebte er beinahe ohne
südlich von London.
Familienverhältnissen,
aber
bei
wenig
In guter
Gesundheit verwandte er dort seine ganze Kraft zu wissenschaftlichen Forschungen und Arbeiten. Sein wichtigstes Werk ist: »Die Entstehung der Arten«, das ihn zwanzig Jahre lang beschäftigte,
bis es zuerst im
Charles Robert Darwin.
Drucke erschien. Ausser dieser Arbeit und den sich ganz auf die Weltreise beziehenden sind besonders folgende seiner Werke zu erwähnen : Bau und Vertheilung der Korallenriffe 1 8 4 2 — Ueber die Befruchtung der Orchideen 1 8 6 2 — Ueber das Wachsen der Kletterpflanzen. 2. Aufl. 1 8 7 5 — Das Variiren der Thiere und Pflanzen unter Cultur 1 8 6 8 — Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl 1 8 7 1 — Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen 1 8 7 2 — Insectenfressende Pflanzen 1 8 7 5 — Die Wirkungen der Kreuz- und Selbstbefruchtung im Pflanzenreich 1 8 7 6 — Die verschiedenen Blüthen bei gleichen Pflanzenarten 1 8 7 7 — Das Bewegungsvermögen der Pflanzen 1 8 8 0 — Die Bildung der Ackererde durch Würmer 1 8 8 1 . Die meisten dieser Schriften sind in mehreren Auflagen erschienen; die grösste Verbreitung von allen hat in England die hier neu übersetzte Beschreibung seiner Reise um die Welt gefunden, welche auch für einen weiteren, nicht nur wissenschaftlichen Leserkreis bestimmt war. Selten wohl ist ein Gelehrter von so reinen Gefühlen wie Darwin beseelt gewesen. Ausgezeichnet durch grosse Liebe zur Wissenschaft, wunderbare Geduld im Denken, Fleiss im Beobachten und Sammeln von Thatsachen, durch Erfindungsgabe und gesundes Urtheil, erlangte er mehr Anerkennung , als er erwartete; wo aber seine Erwartungen doch getäuscht wurden, beruhigte ihn meist sein guter Glaube an sich selbst und das Bewusstsein, sich rechtschaffen bemüht zu haben. Unermesslich und dauernd sind seine Erfolge! In jedem Verkehr liebenswürdig, wohlwollend und bescheiden gewann er viele Freunde und zwang auch seine Gegner zur Achtung. Bis zu seinem Ende wissenschaftlich thätig, starb er am 1 9 . April 1 8 8 2 und wurde mit grossen Ehren am 2 5. April in der Westminster-Abtei bestattet.
VORREDE. Ich habe in der Vorrede zur ersten Auflage dieses Buches und in dem speciell zoologischen Werke von der Reise des Beagle bemerkt, dass auf einen von Kapitän Fitz Roy geäusserten Wunsch, einen Naturforscher an Bord zu h a b e n , und da derselbe dafür einen Theil seiner eigenen Bequemlichkeiten opfern wollte, ich meine Dienste a n b o t Durch die freundliche Vermittelung des Hydrographen, Kapitän Beaufort, wurde ich von den Lords der Admiralität in dieser Stellung bestätigt. Im Bewusstsein, dass ich die günstigen Gelegenheiten, die Naturgeschichte der verschiedenen von uns besuchten Länder zu studiren, ganz dem Kapitän Fitz Roy verdanke, wiederhole ich hier den Ausdruck meiner Dankbarkeit gegen ihn und erlaube mir noch hinzuzufügen, dass ich während der fünf Jahre unseres Zusammenlebens von ihm herzlichste Freundschaft und beständigen Beistand erfahren habe. Ihm und allen Officieren des Beagle werde ich stets die dankbarsten Gefühle bewahren für die unveränderte Freundlichkeit, mit der ich während unserer langen Reise behandelt wurde. Ich benutze auch diese Gelegenheit, Mr. Bynoe, dem Arzt des Schiffes, meinen aufrichtigen Dank für seinen sehr freundlichen Beistand während meiner Krankheit in Valparaiso auszusprechen.
VI
Vorrede.
Dieses Buch enthält in Tagebuchform eine Geschichte unserer Reise und solche naturgeschichtlichen und geologischen Beobachtungen, die von allgemeinerem Interesse sind. Ich habe in dieser Ausgabe vieles bedeutend kürzer gefasst und einiges berichtigt; weniges anderes habe ich hinzugefugt, um das Buch für einen grösseren Leserkreis geeignet zu machen. Ich hoffe aber, alle Forscher werden daran denken, dass sie sich über genaue Einzelheiten in den grösseren Werken, welche die wissenschaftlichen Resultate der Expedition geben, Auskunft holen müssen. Die Zoologie von der Reise des Beagle enthält Arbeiten verschiedener Gelehrter: es sind die »Fossilen Säugethiere« von Professor O w e n , die »Lebenden Säugethiere« von Mr. Waterhouse, die »Vögel« von Mr. G o u l d , die »Fische« von Rev. L. Jenyns und die »Reptilien« von Mr. Bell. Ich habe den Beschreibungen von einer jeden Art einen Bericht über ihre Gewohnheiten und ihre örtliche Verbreitung beigefügt. Diese Arbeiten aber, welche ich den genannten ausgezeichneten Gelehrten verdanke, hätten nicht veröffentlicht werden können ohne die Freigebigkeit der Britischen Regierung, welche die Summe von eintausend Pfund Sterling zur Bestreitung eines Theiles der Kosten bewilligte. Ich selbst habe folgende Arbeiten einzeln herausgegeben : »Bau und Vertheilung von Korallenriffen«, »Die vulkanischen während der Reise des Beagle's besuchten Inseln« und »Die Geologie von Südamerika«. Der sechste Band der »Geological Transactions« enthält von mir zwei Aufsätze über erratische Blöcke und vulkanische Erscheinungen in Südamerika. Die Herren Waterhouse, Walker, Newman und White haben mehrere treffliche Abhandlungen über die von mir gesammelten Insecten veröffentlicht, und ich hoffe, dass noch viele andere später nachfolgen werden. Die Pflanzen von
Vorrede.
VII
den südlichen Theilen Amerikas werden von Dr. J. Hooker in seinem grossen Werke über die Botanik der südlichen Hemisphäre herausgegeben werden. Die Flora des GalapagosArchipels ist Gegenstand eines besonderen Aufsatzes von demselben in den »Linnean Transactions«. ProfessorHenslow hat eine Liste der von mir auf den Keeling-Inseln gesammelten Pflanzen veröffentlicht, und Rev. J. M. Berkeley hat meine Kryptogamen-Pflanzen beschrieben. Die mir von mehreren anderen Naturforschern gewordene grosse Unterstützung werde ich gem noch in diesem und anderen Werken Gelegenheit nehmen anzuerkennen, doch sei es mir gestattet, Herrn Professor Henslow meinen besonders herzlichen Dank für alle seine Güte auszusprechen : er hat mir als Studenten in Cambridge hauptsächlich den Sinn für Naturgeschichte erweckt — er hat während meiner Abwesenheit sich meiner heimgesandten Sammlungen angenommen und mir brieflich nützlichen Rath ertheilt — und seit meiner Rückkehr hat er mir beständig jeden möglichen Freundschaftsdienst erwiesen. Down, Bromley (Kent), Juni 1845.
C. Darwin.
INHALT. Kapitel I. St. Jago (Cap Verdische Inseln) —
Seite
St. Paulsfelscn —
Insel
Fernando Noronha — Brasilien (Bahia)
I
Kapitel II. Brasilien ( R i o de Janeiro)
22 Kapitel i n .
Maldonado an la Piata
46 Kapitel I V .
V o m R i o Negro nach Bahia Bianca
74
Kapitel V . Bahia Bianca
96 Kapitel
VL
V o n Bahia Bianca nach Baenos A y r e s
126
Kapitel VIL V o n Baenos Ayres nach St. F é
146
Kapitel V i n . Banda Orientai (Uruguay) und Patagonien
169
Kapitel IX. Santa Cruz, Patagonien und die Falklandinseln
211 I*
x
Inhalt.
Kapitel X.
Se!,e
Feuerland
243 Kapitel XI.
Feuerland: Magellanstrasse —
K l i m a der südlichen K ü s t e n .
.
274
Kapitel XII. Mittleres Chile
299 Kapitel XIII.
Chiloë und die Chonosinseln
323
Kapitel XIV. Chiloë und .Concepción: das grosse Erdbeben
344
Kapitel X V . Uebergang ü b v die Cordilleren
370
Kapitel X V L Nördliches Chile und Peru
398 Kapitel XVII.
Galapagos-Inseln
440 Kapitel X V I I L
Tahiti und Neuseeland
475 Kapitel XIX.
Australien: Neu-Süd-Wales
—
V a n Diemens Land —
König
Georgs-Sund
508 Kapitel XX.
Keeling-Insel: Korallenbildungen
532
Kapitel XXI. Mauritius — St. Helena — Ascension — Brasilien — Sklaverei —
Rückblick
568
VERZEICHNISS DER ABBILDUNGEN. Seite
II
Conferve aus dem Indischen Ocean
n
18
Kopf des Scheerenschnabels
n
162
n
279
Gelber Pilz von Feuerland Gletscher im Meerbusen von Fenas (Karte)
. . . .
Vögelköpfe von den Galapagos-Inseln
n
292
n
441
n n
Pfmgstinsel (Atoll) im Stillen Ocean Insel Bolabola mit Barrenriff im Stillen Ocean
.
.
.
449 456
n
548
9
552
II
5S4
II
557
II
558 580
Querschnitte der Koralleninseln Vanikoro, Gambier und Querschnitt der Insel Bolabola Querschnitt
derselben
Insel
nach
einer Senkung
als
Atoll gedacht Stück einer vulkanischen Bombe von Ascension
.
.
.
II
TAGEBUCH. ERSTES KAPITEL. Porto P r a y a — R i b c i r a Grande — A t m o s p h ä r i s c h e r Staub mit Infusorien — weise einer S e e s c h n e c k e und eines Tintenfisches — St. P a u l s f e l s e n —
Lebens-
Merkwürdige
Incrustationen — Insekten, als erste Kolonisten auf Inseln — F e r n a n d o N o r o n h a Bahia — Polirte Felsen
—
L e b e n s w e i s e des Diodon —
—
P e l a g i s c h e C o n f e r v e n und
Infusorien — U r s a c h e d e r T r ü b u n g des M e e r w a s s e r s .
ST. J A G O — DIE C A P VERMISCHEN
INSELN.
Nachdem Ihrer Majestät Schiff „Beagle", eine B r i g g von
zehn
Kanonen, unter dem Commando des Kapitäns der K ö n i g l i c h e n Marine, Fitz
Roy,
zweimal
durch
heftige
Südweststürme
zurückgetrieben
worden war, segelten wir am 27. Dezember 1831 von Devonport ab. Der Zweck der Expedition war die in den Jahren 1826 bis 1830 unter Kapitän K i n g begonnene Aufnahme von Patagonien und Feuerland zu vollenden, die K ü s t e n von C h i l e , Peru sowie einige Inseln im Stillen Ocean aufzunehmen, und eine K e t t e chronometrischer Messungen rund um die Erde auszuführen.
A m 6. Januar erreichten wir
Teneriffa; doch hinderte man uns zu landen ans Furcht, wir brächten die Cholera
A m nächsten Morgen sahen wir die Sonne hinter den
zackigen Bergspitzen von Gran Canaria aufgehen und plötzlich den Pik von Teneriffa beleuchten,
während seinen Fuss noch
flockige
W o l k e n verschleierten. Dies war der erste von vielen köstlichen T a g e n , die sich mir unauslöschlich eingeprägt haben.
A m 16. Januar lan-
deten wir in Porto Praya auf St. Jago, der Hauptinsel des Cap Verdischen Archipels. Darwin,
Reise.
1
2
Erstes Kapitel
Von der See aas gesehen, macht die Umgebung von Porto Praya einen sehr öden Eindruck. Das vulkanische Feuer vergangener Zeiten und die sengende Gluth der Tropensonne haben den Boden an den meisten Stellen für den Pflanzenwuchs untauglich gemacht. Der Boden steigt auf in einander folgenden Stufen von Tafelland, mit einigen dazwischen liegenden, abgestumpften, kegelförmigen Hügeln und der Horizont wird durch eine unregelmässige Kette höherer Berge begrenzt. Durch die in jenen Breiten herrschende duftige Atmosphäre erscheint jene Landschaft interessant, so weit Jemand, der eben von einer Seefahrt kommt und zum ersten Mal in einem Hain von Kokospalmen wandelt, irgend etwas anderes beurtheilen kann als sein eigenes Glücksgefühl. Im Allgemeinen würde man diese Insel für sehr uninteressant erklären; aber für denjenigen , der nur die englische Landschaft kennt, besitzt der neue Anblick eines völlig unfruchtbaren Landes eine Grossartigkeit, die durch reichlicheren Pflanzenwuchs beeinträchtigt werden würde. Kaum entdeckt man auf den weiten Lavafeldern ein einziges grünes Blatt; dennoch fristen hier Heerden von Ziegen sowie einige K ü h e ihr Leben. Es regnet sehr selten; aber während einer kurzen Zeit im Jahr fallen heftige Regengüsse und gleich darauf sprosst eine kurzlebige Vegetation aus jedem Spalt. Sie verdorrt schnell und von diesem natürlichen Heu nähren sich jene Heerden. Nun hatte es schon ein Jahr lang nicht geregnet. Als die Insel entdeckt wurde, war die unmittelbare Umgebung von Porto Praya mit Bäumen bewachsen*; die leichtsinnige Zerstörung derselben hat wie auf St. Helena, so auch auf einigen Kanarischen Inseln gänzliche Unfruchtbarkeit zur Folge gehabt. Die breiten, flachbodigen Thäler, von denen viele nur während einiger Tage als Strombetten dienen, sind mit einem Dickicht blattloser Büsche bedeckt. Nur wenig lebende Wesen hausen in diesen Thälern. Der gewöhnlichste Vogel ist ein Eisvogel (Dacelo Jagonesis), der ganz zahm auf den Zweigen der Ricinuspflanze sitzt und von dort auf Grashüpfer und Eidechsen stösst. Er ist lebhaft gefärbt, aber nicht so schön wie * Ich führe dies auf die Autorität von Dr. Diefenbach an, nach seiner UeberSetzung der ersten Ausgabe dieser Reisebeschreibung.
R i b e i r a G r a n d e — S l D o m i n g o (183a)
die
3
europäischen A r t e n ; im F l u g , Lebensweise und W o h n o r t ,
gewöhnlich in den trockensten Thälern ist,
der
besteht gleichfalls ein
grosser Unterschied. Eines T a g e s ritten zwei Offiziere und ich nach Ribeira Grande, einem Dorf einige Meilen*
östlich von Porto Praya.
Thal von St. Martin erreichten,
bot
die Gegend
Bis
wir
das
das gewöhnliche
verbrannte Ansehen; hier aber ruft ein sehr kleiner Wasserlauf einen höchst erfrischenden R a n d üppiger Vegetation hervor. Stunde erreichten wir Ribeira Grande, grosses verfallenes F o r t Hafen
versandete,
und
waren
und eine Kathedrale
war dieses
Städtchen
Nach
einer
überrascht,
zu finden.
der Hauptort
Ehe der
ein der
Insel;
jetzt bietet es einen melancholischen, aber sehr malerischen A n b l i c k dar.
Nachdem wir uns einen schwarzen Padre als Führer und einen
Spanier, der den Franzosenkrieg mitgemacht, als Dolmetscher besorgt hatten, besuchten wir einen Complex von Gebäuden, in welchem eine alte K i r c h e die Hauptstelle und Generalkapitäne zeigten schmuck
Daten war
aus dem
des Vierecks, wuchs.
in
Hier
was
Die Kirche dessen
und
sind
die
Gouverneure
einige der Grabsteine
sechzehnten Jahrhundert**.
das Einzige,
Europa erinnerte.
einnahm.
der Insel bestattet
Der Wappen-
an diesem weltverlorenen Ort an
oder K a p e l l e bildete die eine Seite
Mitte eine
grosse
Gruppe
von
A u f der anderen Seite befand sich ein Hospital,
Bananen das
un-
gefähr ein Dutzend elend aussehender Bewohner zählte. W i r kehrten in die VSnda zum Mittagessen zurück;
und
eine
beträchtliche Anzahl von Männern, Weibern und Kindern, alle kohlschwarz, sammelten sich, uns anzugaffen.
E s war eine sehr lustige
Gesellschaft und A l l e s , was wir sagten oder thaten, erregte ihr herzliches Gelächter.
Ehe wir die Stadt verliessen,
besuchten
wir
die
Kathedrale, die indessen nicht so reich wie die kleinere K i r c h e erscheint; wenn sie sich auch einer kleinen Orgel rühmen konnte, die seltsame Misstöne von sich gab.
W i r belohnten den schwarzen Priester
* Die A n g a b e der Entfernungen ist in e n g l . M e i l e n ; x engl. M e i l e = 1,61 K i l o m e t e r . ** Die C a p Verdischen Inseln wurden 1449 entdeckt. eines Bischofs mit der Jahreszahl
1571;
und
W i r fanden den G r a b s t e i n
ein W a p p e n ,
das
eine
einen D o l c h zeigte, war 1497 datirt.
1*
Hand
und
4
Erstes Kapitel
mit einigen Schillingen, und der Spanier, der ihm gönnerhaft auf den Kopf klopfte, erklärte offenherzig, dass er glaube, es komme nicht so sehr auf die Farbe an. Dann kehrten wir, so schnell uns die Fonies tragen wollten, nach Porto Praya zurück. An einem anderen Tage ritten wir nach dem Dorf St. Domingo, das nahe dem Mittelpunkt der Insel liegt. Auf einer kleinen Ebene, über die wir ritten, wuchsen ein paar verkümmerte Akazien; ihre Gipfel waren durch die regelmässigen Passatwinde in eigenthümlicher Weise gebogen; einige von ihnen sogar rechtwinkelig zum Stamm. Die Richtung der Zweige war genau Nordost bei Nord und Südwest bei Süd, und diese natürlichen "Wetterfahnen müssen die vorherrschende Richtung des Passatwindes anzeigen. Unser Ritt hatte so geringe Spuren auf dem kahlen Erdreich hinterlassen, dass wir hier den Weg verfehlten, nnd den nach Fuentes einschlugen, was wir erst merkten, als wir dort ankamen; doch freuten wir uns später über diesen Irrthum. Fuentes ist ein hübsches Dorf mit einem kleinen Bach; und Alles schien dort gut zu gedeihen, mit Ausnahme allerdings derer, die es am meisten sollten — seiner Einwohner. Die schwarzen, völlig nackten und sehr elend aussehenden Kinder schleppten Bündel von Brennholz, die halb so gross wie sie selbst waren. In der Nähe von Fuentes sahen wir ein grosses Volk von Perlhühnern, ungefähr fünfzig oder sechzig Stück. Sie waren sehr scheu und Hessen sich nicht ankommen und mieden uns wie Rebhühner an einem regnerischen Septembertage, mit hochaufgerichteten Köpfen davonlaufend; verfolgte man sie, flogen sie gleich auf. Die Gegend bei St. Domingo besitzt bei dem überwiegend düsteren Charakter der übrigen Insel eine ganz unerwartete Schönheit. Das Dorf liegt auf der Sohle eines Thals, das durch hohe, zerklüftete Wände von geschichteter Lava begrenzt wird. Das schwarze Gestein bildet einen grellen Gegensatz zu dem leuchtend grünen Pflanzenwuchs, der den Ufern eines kleinen klaren Baches folgt. Es war ein Feiertag und das Dorf voller Landleute. Auf dem Rückwege überholten wir eine Gesellschaft von ungefähr zwanzig schwarzen jungen Mädchen, die höchst geschmackvoll gekleidet waren; denn die schwarze Hautfarbe und das schneeweisse Linnen
Atmosphärischer Staub mit Infusorien (183a)
6
wurde durch farbige Turbans und grosse Tücher prächtig gehoben. Sobald wir uns näherten,
wendeten
sie
sich plötzlich alle um,
breiteten ihre Tücher über den W e g und sangen mit grossem Feuer eine leidenschaftliche Melodie, zu der sie den Takt mit den Händen auf ihre Beine schlugen.
W i r warfen ihnen einige Vintgms zu, die
mit schallendem Gelächter angenommen wurden, und verliessen sie, während sie immer lauter hinter uns her sangen. Eines Morgens war die Aussicht merkwürdig klar; die fernen Berge zeichneten sich mit schärfstem Umriss auf einer schweren Wand von dunkelblauen Wolken ab.
Nach dem Ansehen urtheilend und nach
ähnlichen Erscheinungen in England, setzte ich voraus, dass die Luft mit Feuchtigkeit gesättigt wäre. der Fall.
Thatsächlich war das Gegentheil
Der Hygrometer zeigte eine Differenz von 29,6 Graden
zwischen der Temperatur der Luft und dem Thaupunkt.
Diese
Differenz war beinahe doppelt so gross wie diejenige, welche ich an den vorhergehenden Tagen beobachtet hatte.
Der ungewöhnliche
Grad von atmosphärischer Trockenheit wurde von beständigen Blitzen begleitet. Ist es nicht ein ganz ungewöhnlicher Fall, einen so hohen Grad von Durchsichtigkeit der Luft verbunden mit einem derartigen Zustande des Wetters zn sehen ? Meist ist die Atmosphäre
dunstig, und dies rührt von dem
Fallen eines unmerklich feinen Staubes her, der, wie sich herausstellte,
die
astronomischen
Instrumente
etwas
beschädigt
hatte.
Am Morgen, ehe wir in Porto Praya vor Anker gingen, sammelte ich ein kleines Packet dieses feinen braungefärbten Staubes, welcher durch die Gaze der Windfahne an der Mastspitze schien.
filtrirt
zu sein
Mr. Lyell hat mir auch vier Packete von einem Staub ge-
geben, der auf ein Schiff wenige Hundert Meilen nördlich von diesen Inseln gefallen war. Professor Ehrenberg* hat gefunden, dass dieser Staub zum grössten Theil aus Infusorien mit Kieselschalen und aus kieseligen Pflanzengeweben besteht.
In fünf kleinen Packeten,
die
* Ich kann diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne dankbar die grosse Güte anzuerkennen, mit welcher dieser berühmte Naturforscher viele meiner Proben untersucht hat. Ich habe im Juni 1845 einen ausfuhrlichen Bericht über diesen Staubfall an die Gcological Society geschickt.
6
Erstes Kapitel
ich ihm schickte, hat er nicht weniger als siebenundsechzig organische Formen festgestellt. Die Infusorien sind mit Ausnahme von zwei Meerbewohnern sämmtlich Süsswasserthiere. Mir sind nicht weniger als fünfzehn verschiedene Berichte bekannt geworden, dass Staub auf Schiffe gefallen ist, welche weit draussen im Atlantischen Ocean waren. Nach der Richtung des Windes, zur Zeit als er fiel, und weil er stets während jener Monate gefallen ist, in denen der Harmattan bekanntlich Wolken von Staub hoch in die Luft wirbelt, können wir sicher sein, dass er aus Afrika kommt. E s ist indessen eine sehr seltsame Thatsache, dass, obgleich Professor Ehrenberg viele Arten von Infusorien kennt, die Afrika eigentümlich sind, er keine von diesen in dem Staube gefunden hat, den ich ihm geschickt; wiederum erkennt er zwei Arten darin, von denen er bisher nur wnsste, dass sie in Südamerika leben. Der Staub 011t in solchen Mengen, dass er Alles an Bord schmutzig macht und die Augen verletzt; auch sind in Folge der Verdunkelung der Atmosphäre schon Schiffe gestrandet. Er ist oft auf Schiffe gefallen, die mehrere Hundert und selbst mehr als tausend Meilen* von der Küste von Afrika entfernt und an Stellen, die sechzehnhundert Meilen in nordsüdlicher Richtung entfernt waren. Unter dem Staube, der auf einem Schiff dreihundert Meilen weit vom Lande entfernt gesammelt wurde, fand ich zu meinem Erstaunen zwischen der feineren Substanz Bruchstücke von Steinen, grösser als ein tausendstel Zoll im Quadrat. Nach dieser Thatsache braucht man sich nicht zu wundern, wenn die viel leichteren und kleineren Sporen kryptogamer Pflanzen auf grosse Entfernungen fortgeweht werden. Die Geologie der Insel ist der interessanteste Theil ihrer Naturgeschichte. Bei der Einfahrt in den Hafen sieht man in dem steilen Meeresufer einen vollkommen horizontalen weissen Streifen mehrere Meilen der Küste entlang laufen, in einer Höhe von ungefähr fünfundvierzig Fuss über dem Wasser. Die Untersuchung ergiebt, dass diese weisse Schicht aus Kalkmasse besteht, in welche zahlreiche Muscheln eingebettet sind, von denen die meisten oder * Englische Meilen, wie immer im folgenden.
7
St. Jago — Cap Verdische Inseln (1832)
alle jetzt an der benachbarten K ü s t e leben. Diese Kalkschicht ruht auf altem vulkanischen Gestein und ist von einem Basaltstrom bedeckt, -welcher in das Meer geflossen sein muss, als das weisse Muschelbett noch auf dessen Grunde lag.
E s ist interessant, die Veränderungen
zu verfolgen, welche durch die Hitze
der darüberliegenden L a v a in
der bröckeligen Masse bewirkt worden sind, die stellenweise in einen krystallinischen Kalkstein, und an anderen Stellen in einen kompakten fleckigen
Felsen
verwandelt
worden
schlackenartigen Bruchstücken
ist.
Wo
der K a l k
von
den
der unteren Fläche des Stroms mit
fortgerissen wurde, hat er sich in Gruppen von schönen strahligen Fasern verwandelt, die dem Arragonit gleichen. sich in hintereinander folgenden,
Die Lavaschichten erheben
sanft ansteigendenen Ebenen nach
dem Inneren zu, von wo diese Ströme geschmolzenen Gesteins ursprünglich ausgegangen sind.
So viel ich weiss, haben sich innerhalb der
historischen Zeit
Spuren
keine
vulkanischer
einem Theil von St. Jago gezeigt.
Thätigkeit
in
irgend
Selbst die Gestalt eines Kraters
findet man nur selten an den Gipfeln der zahlreichen roten Aschenhügel;
dennoch lassen sich die neueren Lavaströme an der K ü s t e
nachweisen; sie bilden Klippenreihen von geringerer Höhe, strecken sich aber über die von älteren Ausbrüchen herrührenden hinaus: auf diese W e i s e giebt die H ö h e der K l i p p e n einen ungefähren Masstab für das Alter der Ströme. Während unseres Aufenthalts beobachtete ich die Lebensgewohnheiten einiger Seethiere. hase).
Sehr häufig ist eine grosse A p l y s i a (See-
Diese Seeschnecke ist ungefähr fünf Zoll lang, von schmutzig der
unteren
Fläche oder des Fusses befindet sich eine breite Membran,
gelblicher Farbe und violett geädert.
A u f jeder Seite
die zu-
weilen als eine A r t von Ventilator zu dienen scheint, indem sie einen Wasserstrom Lungen treibt.
über
die
Sie
auf
nährt
dem Rücken
liegenden K i e m e n
oder
sich von den zarten A l g e n , die in dem
schlammigen und seichten W a s s e r zwischen den Steinen wachsen; im Magen dieses Thieres fand ich mehrere kleine Steinchen, wie im Magen eines Vogels. sie
W e n n man diese Schnecke beunruhigt,
eine schön violette Flüssigkeit
einen Fuss im Umkreise f ä r b t
von
sich,
die
das Wasser
giebt auf
A u s s e r diesem Vertheidigungsmittel
8
E n t e s Kapitel
verursacht auch noch eine scharfe Absonderung, welche ober den Körper ausgebreitet ist, bei der Berührung eine heftig stechende Empfindung, ähnlich derjenigen, welche das Anfassen einer Physalia veranlasst. Es interessirte mich sehr, bei verschiedenen Gelegenheiten die Lebensgewohnheiten eines Octopus oder Tintenfisches zu beobachten. Obwohl diese Thiere häufig in den Wassertümpeln waren, die bei der Ebbe zurückblieben, konnte man sie doch nicht leicht fangen. Vermittelst ihrer langen Arme und Sauger vermochten sie ihre Körper in sehr schmale Spalten zu zwängen, und hatten sie sich auf diese Weise festgesetzt, bedurfte es grosser Kraftanstrengung, sie herauszuziehen. Dann wieder schössen sie, das Hinterende voran, pfeilgeschwind von einer Seite des Tümpels zur anderen, gleichzeitig das Wasser durch ihre dunkelkastanienbraune Tinte färbend. Auch entziehen sich diese Thiere der Entdeckung durch eine merkwürdige, chamäleonartige Fähigkeit, ihre Farbe zu wechseln. Sie scheinen ihre Färbung je nach der Art des Bodens zu ändern, über den sie sich bewegen; im tiefen Wasser war ihre gewöhnliche Farbe ein bräunliches Violett; aber wenn man sie auf das Land oder in seichtes Wasser brachte, änderte sich dieser dunkle Farbenton in ein gelbliches Grün. Bei sorgfältiger Untersuchung war die Farbe ein französisches Grau, mit zahlreichen kleinen Flecken von hellem Gelb; die erstere Farbe wechselte in Bezug auf ihre Stärke, die letztere verschwand zeitweise ganz und erschien dann wieder. Die Veränderungen wurden dadurch hervorgebracht, dass W o l k e n , die im Farbenton zwischen Hyazinthroth und Kastanienbraun spielten, beständig über den Körper zogen. Jeder Theil, der einem leichten elektrischen Reiz unterworfen wurde, färbte sich beinahe schwarz; eine ähnliche Wirkung, aber in geringerem Grade, wurde hervorgebracht, wenn man die Haut mit einer Nadel kratzte. Diese Wolken oder dies Erröthen, wie man es nennen könnte, soll durch das abwechselnde Ausdehnen und Zusammenziehen kleiner Zellen entstehen, welche verschieden gefärbte Flüssigkeiten enthalten.* * Siehe Eoc. of Anat. and Physiol., art. Cephalopoda.
Lebensgewohoheiten eines Tintenfisches — Die FeUeninsel St. Paul (1833)
9
Der Tintenfisch zeigte dies Farbenspiel sowohl während des Schwimmens, als wenn er still auf dem Boden lag.
E s unterhielt
mich sehr, die vielen Künste zu beobachten, die ein Tintenfisch anwendete, um der Entdeckung zu entgehen; denn er schien sich vollständig bewusst zu sein, dass ich ihn beobachtete. Nachdem er eine Weile regungslos dagelegen, bewegte er sich verstohlen ein paar Zoll vorwärts,
so wie eine Katze hinter einer Maus, dabei ab und
zu die Farbe verändernd; das dauerte an, bis er eine tiefere Stelle erreicht hatte, dann schoss er vorwärts, einen dunklen Tintenstrom hinter sich lassend, um das Loch zu verbergen, in das er gekrochen war.
"Während ich Seethiere suchte, den Kopf vielleicht zwei Fuss
über dem felsigen Ufer haltend, wurde ich mehr als einmal von einem Wasserstrahl getroffen, der von einem leisen kratzenden Geräusch sei;
begleitet war.
Erst konnte ich mir nicht erklären, was es
endlich entdeckte ich, dass es jener Tintenfisch war, der zwar
in einem Loch versteckt sass, mir aber auf diese Weise Aufenthalt verrieth.
seinen
Dass er die K r a f t besitzt, Wasser zu spritzen,
ist zweifellos; und mir schien, dass er sehr gut zu zielen vermochte, indem er die Röhre oder den Trichter an der Unterseite seines Leibes •erschieden richtete.
Die Schwierigkeit, welche es diesen Thieren
verursacht, ihren K o p f zu tragen, bringt es mit sich, dass sie nicht leicht kriechen können, wenn man sie auf den Boden legt.
Ich
beobachtete, dass einer, den ich in meiner Kajüte hielt, im Dunklen schwach phosphorescirte. D I E F E L S E N I N S E L ST. P A U L .
— A u f unserer Fahrt über
den Atlantischen Ocean legten wir am Morgen des 16. Februar an der Insel St. Paul bei. und 29 0 1 5 ' w. Länge.
Diese Gruppe von Felsen liegt o° 58' n. Br. Sie ist 540 Meilen von der Küste
von
Amerika und 350 von der Insel Fernando Noronha entfernt; die höchste Spitze erhebt sich nur fünfzig Fuss über den Meeresspiegel und ihr ganzer Umfang beträgt nicht ganz drei Viertelmeilen.
Diese
kleine Felskuppe steigt plötzlich aus der Meerestiefe auf. Ihre mineralogische Beschaffenheit ist nicht einfach; an einigen Stellen ist der Fels von feuersteinartiger, an anderen von feldspathartiger Natur mit
10
Erstes Kapitel
dünnen Adern von Serpentin. Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass alle die vielen kleinen Inseln, die im Stillen, Indischen und Atlantischen Ocean weit entfernt von jedem Kontinent liegen, entweder aus Korallen oder ans Eruptivgestein bestehen, mit alleiniger Ausnahme, soviel mir bekannt ist, von den Seychellen und diesem kleinen Felseneiland. Die vulkanische Natur der oceanischen Inseln ist offenbar auch eine Folge jenes Gesetzes und die Wirkung derselben Ursachen, seien es chemische oder mechanische, die es mit sich bringen, dass sich die Mehrzahl der jetzt thätigen Vulkane entweder nahe der Meeresküste oder auf Inseln mitten im Meere befinden. Aus der Feme gesehen, erscheinen die St. Paulsfelsen von glänzend weisser Farbe. Dies rührt theils von dem Koth einer ungeheueren Menge von Seevögeln her und theils von einem Ueberzug einer harten glänzenden Substanz mit perlmutterartigem Schimmer, welche fest auf der Oberfläche der Felsen haftet. Durch ein Vergrösserungsglas betrachtet ergab es sich, dass sie aus zahlreichen, ausserordentlich feinen Schichten bestand, deren Gesammtdicke nur ungefähr einen zehntel Zoll betrug. Sic enthält viel animalische Stoffe und verdankt ihren Ursprung zweifellos der Wirkung des Regens oder des Spritzwassers anf die Excremente der Vögel. Unter einigen kleinen Guanomassen auf Ascensión und den Abrolhos-Inseln fand ich gewisse tropfsteinartige verzweigte Körper,, die augenscheinlich in derselben Weise entstanden waren wie der dünne weisse Ueberzug auf diesen Felsen. Jene verzweigten Gebilde glichen im allgemeinen Aussehen gewissen Nulliporen (einer Familie harter kalkhaltiger Seepflanzen), dass, als ich kürzlich meine Sammlung flüchtig überblickte, ich den Unterschied nicht gewahrte. Die kugeligen Enden der Zweige sind von perlartiger Textur, wie der Schmelz der Zähne, aber so hart, dass sie eine Glasplatte ritzen können. Bei dieser Gelegenheit will ich noch erwähnen, dass an einer Stelle der Küste von Ascensión, wo sich eine ungeheure Anhäufung von Muschelsand befindet, auf die innerhalb der Fluthgrenzen befindlichen Felsen eine Incrustation durch das Seewasser abgelagert wird, die, wie der Holzschnitt zeigt, Aehnlichkeit mit gewissen kryptogamen Pflanzen (Marchantiae) hat, welche man häufig an feuchten Mauem findet.
M e r k w ü r d i g e Incrustationen (183a)
11
D i e Obcrfläche der blätterigen Masse ist schön jenigen
Theile,
welche
sich im Lichte
kohlschwarzer F ä r b u n g , beschattet werden, Incrustation dass
sie
gebildet
blank, und diehaben,
diejenigen jedoch, die durch
sind nur grau.
verschiedenen
vulkanischen
Ich habe Exemplare
Geologen
oder
Härte und Durchsichtigkeit,
gezeigt,
und
feurigen Ursprungs in ihrer Politur,
sind
von
Felsvorsprünge von
dieser
sie meinten wären!
welche
In
alle, ihrer
derjenigen der
schönsten Olivamuschel glcicht, in der Eigenschaft, dass sie unter dem Löthrohr einen liert, zeigt
üblen Geruch
von sich
giebt
und
die Farbe
diese Incrustation eine grosse Aehnlichkeit
Seemuscheln.
Femer
ist
es
von
Seemuscheln
mit
bekannt,
ver-
lebenden dass
die
Theile, welche gewöhnlich von dem Mantel des Thieres bedeckt und beschattet sind, eine blassere Farbe zeigen als diejenigen, welche dem Licht völlig ausgesetzt sind, ganz so wie es sich bei dieser Incrustation verhält.
Wenn
phosphorsaurcr
wir uns oder
als
daran erinnern, kohlensaurer
dass K a l k
entweder
einen B e s t a n d t e i l
als
der harten
Theile wie der Knochen und Schalen aller lebenden Thiere bildet, so ist es eine interessante physiologische Thatsache*, zu sehen, dass Sub* Mr. Horner uiid S i r D a v i d B r e w s t e r h a b e n »eine e i g e n t ü m l i c h e , künstliche, d e r Muschelschalensubstanx ä h n l i c h e Masse« b e s c h r i e b e n (Philosophical Transactions 1836, p. 65).
Sie l a g e r t sich ab in feinen, durchsichtigen, g l a t t polirten, braun ge*
f ä r b t e n Blättchen, die besondere optische E i g e n s c h a f t e n besitzen, an der Innenseite eines G e f ä s s e s , in w e l c h e m Z e u g ,
das erst mit L e i m und dann mit K a l k präparirt
12
Erstes Kapitel
stanzen, die härter sind als der Zahnschmelz, und farbige Oberflächen, die so schön polirt sind wie die einer lebenden Muschel, sich anf unorganischem Wege aus abgestorbener organischer Substanz neubilden und gleichfalls in der Gestalt manche der niedrigen vegetabilischen Gebilde nachahmen. Wir fanden auf St. Paul nur zwei Vogelarten, den Booby und den Noddi.
Ersterer ist eine Art Tölpel, letzterer eine Seeschwalbe.
Beide sind zahm und dumm; sie sind so wenig gewöhnt Besucher zu sehen, dass ich eine beliebige Anzahl mit meinem geologischen Hammer hätte todtschlagen können. auf
den
nackten Felsen;
aber
einfaches Nest aus Seetang.
Der Tölpel legt seine Eier
die Seeschwalbe
baut ein sehr
Neben vielen dieser Nester lag ein
kleiner fliegender Fisch, den das Männchen wahrscheinlich seiner Lebensgefährtin herbeigetragen hatte.
E s war belustigend zu sehen,
mit welcher Schnelligkeit eine grosse und behende Krabbe (Graspus), die in den Felsritzen haust, den Fisch neben dem Neste stahl, sobald wir die brütenden Vögel aufgescheucht hatten. Sir W . Symonds, der zu den wenigen Personen gehört, die hier gelandet sind, theilt mir mit, dass er gesehen hat, wie die Krabben selbst junge Vögel aus den Nestern zerren und sie verspeisen.
Nicht eine einzige
Pflanze, selbst nicht eine Flechte wächst auf diesem Eiland; dennoch wird es von verschiedenen Insekten und Spinnen bewohnt. folgende Aufzählung vervollständigt die Land-Fauna:
Die
es sind eine
Fliege (Olfersia), die auf dem Tölpel lebt; eine Zecke, die als ein Schmarotzer auf den Vögeln kleine
braune
Motte
von
einer
hergekommen
sein muss;
federfressenden
Gattung;
eine ein
Käfer (Quedius) und eine Assel unter dem Vogelmist, und schliesslich
zahlreiche Spinnen,
welche,
Begleitern und Plagegeistern
wie ich
vermuthe,
der Wasservögel leben.
von
jenen
Die häufig
wiederholte Schilderung, dass zuerst stattliche Palmen und andere edle tropische Gewächse,
dann Vögel,
endlich der Mensch Besitz
war, schnell im Wasser umgedreht worden ist. Diese Masse ist viel weicher, durchsichtiger und enthält mehr animalische Substanz, als die natürliche Incrustation von Ascension; aber wir sehen hier wieder die starke Neigung, welche der kohlensaure Kalk besitzt, mit thierischer Substanz eine der Muschelsubstanz ähnliche feste Masse zu bilden.
Fernando Noronha (183a)
13
•on. den Korallenioseln ergreifen, sobald diese sich im Stillen Meer gebildet haben, entspricht wahrscheinlich nicht den Thatsachen. Ich flirchte, es zerstört die Poesie dieser Erzählung, dass koth- und federfressende und schmarotzende Insekten und Spinnen die ersten Einwohner eines neugebildeten oceanischen Landes seien. Der kleinste Felsen in den tropischen Meeren nährt, indem er dem Wachsthum zahlloser Arten von Wasserpflanzen und Thierstöcken einen festen Untergrund giebt, gleichfalls eine grosse Anzahl von Fischen. Die Haifische und die Matrosen in den Booten lagen beständig mit einander im Kampf, wer den grössten Antheil von den an der Angelschnur gefangenen Fischen haben sollte. Ich hörte, dass ein Felsen bei den Bermudas, der viele Meilen draussen im Meere lag, zuerst durch den Umstand entdeckt wurde, dass man Fische in seiner Nähe bemerkte. F E R N A N D O N O R O N H A , 20. Februar. — So weit ich es während der kurzen Stunden, die wir auf jener Insel zubrachten, zu beurtheilen vermochte, ist ihre Bildung vulkanisch, aber nicht aus neuerer Zeit. Das Merkwürdigste auf ihr ist ein kegelförmiger Berg, gegen eintausend Fuss hoch, dessen oberer Theil ausserordentlich steil ist und an einer Stelle über seine Basis hinüberhängt. Das Gestein ist Phonolit und es theilt sich in unregelmässige Säulen. W e n n man eine dieser isolirten Massen betrachtet, ist man zunächst geneigt anzunehmen, sie seien plötzlich in einem halbflüssigen Zustande aufwärts getrieben worden. In St. Helena habe ich indessen festgestellt, dass einige solcher Spitzen von ähnlicher Gestalt und Beschaffenheit sich durch das Herauftreiben des flüssigen Gesteins in nachgebende Schichten gebildet haben, welche letztere auf diese Weise gewissermassen die Formen für diese Riesenobelisken abgegeben hatten. Die ganze Insel ist mit Wald bedeckt, aber in Folge der Dürre des Klimas sieht er nicht üppig aus. Auf der halben Höhe des Berges wurden grosse Massen dieses säulenartigen Gesteins von lorbeerartigen Bäumen beschattet; dazwischen wuchsen andere, die schöne rothe Blüthen, aber kein einziges Blatt trugen; das sah in der Nähe recht hübsch aus.
14
Erstes Kapitel
B A H I A oder SAN S A L V A D O R , B R A S I L I E N , 29. Februar. — Das war ein entzückender Tag! Entzücken freilich ist ein matter Aasdruck für die Empfindungen eines Naturforschers, der zum ersten Male für sich durch einen brasilianischen Wald gewandert ist. Die Eleganz der Gräser, die Neuheit der Schmarotzerpflanzen, die Schönheit der Blüthen, das glänzende Grün des Laubes, vor allem aber die allgemeine Ueppigkeit der Vegetation erfüllten mich mit Bewunderung. An den schattigen Stellen des Waldes herrscht ein ganz widersprechendes Gemisch von Geräusch und Stille. Das Geräusch, welches die Insekten machen, ist so laut, dass man es auf einem mehrere Hundert Meter vom Ufer ankernden Schiff hören kann; und dennoch scheint in dem Waldinnern allgemeine Stille zu herrschen. Dem Naturfreund gewährt solch ein Tag eine innigere Freude, als er je hoffen kann noch einmal zu erleben. Nachdem ich ein paar Stunden herumgewandert war, kehrte ich zu dem Landungsplatz zurück, doch ehe ich ihn erreichte, überraschte mich ein tropisches Gewitter. Ich suchte unter einem Baume Schutz, der so dicht war, dass englischer Regen nie durchgedrungen wäre; aber hier floss nach wenigen Minuten ein kleiner Giessbach den Stamm entlang. Gerade dieser Heftigkeit des Regens müssen wir den grünen Teppich auf dem Boden der dichtesten Wälder zuschreiben; wären die Regengüsse wie diejenigen in kälteren Klimaten, würde der grösste Theil der Feuchtigkeit aufgesogen oder verdunstet sein, ehe er den Boden erreicht hätte. Ich will hier nicht versuchen, den farbenprächtigen Anblick dieses herrlichen Meerbusens zu beschreiben; denn auf der Rückreise haben wir uns noch einmal hier aufgehalten und ich werde dann Gelegenheit finden, davon zu reden. Längs der ganzen Küste von Brasilien, in einer Ausdehnung von mindestens zweitausend Meilen und sicher auch in beträchtlicher Breite landeinwärts, gehört das Gestein, wo überhaupt feste Felsmassen vorkommen, immer zu einer granitartigen Formation. Der Umstand, dass dieses ungeheure Gebiet aus Materialien besteht, von denen die meisten Geologen annehmen, dass sie, wenn erhitzt, unter hohem Druck krystallisirten, giebt Anlass zu vielen merkwürdigen Betrachtungen. Geschah dies unter einem tiefen Ocean ? oder breitete
15
Bahia — Brasilien (1833)
sich eine Decke von Schichten darüber, welche seitdem entfernt worden ist?
K ö n n e n wir glauben, dass irgend eine K r a f t , welche nicht
unendlich lange gewirkt hat, den Granit auf eine Ausdehnung von so vielen tausend Quadratmeilen blossgelegt haben sollte? A n einer nicht weit von der Stadt entfernten Stelle, an der ein Flüsschen in das Meer tritt, beobachtete ich eine Thatsache, welche mit einem von H u m b o l d t * steht.
An
erörterten Gegenstande
in
Verbindung
den Wasserfällen der grossen Ströme des Orinoco,
Nil
und Congo findet man die Syenitfelsen mit einer schwarzen Masse überzogen,
so dass sie aussehen, als wären sie mit Graphit polirt.
Die Schicht ist ausserordentlich dünn, und eine von Berzelius ausgeführte Analyse steht.
e r g a b , dass sie aus Mangan- und Eisenoxyd be-
Beim Orinoco zeigt sie sich an den Felsen, die zeitweise von
der Fluth überspült werden und nur an denjenigen Stellen, an denen die Fluth reissend ist,
oder wie die Indianer
sind schwarz, w o das W a s s e r weiss ist". kräftig brauner haltiger Masse
statt
schwarzer F a r b e ,
zu bestehen.
Kleine
grenzen vor,
„die Felsen
und scheint nur aus eisenBruchstücke
nicht einen richtigen Begriff von diesen die im Sonnenlicht glänzen.
sagen:
Hier ist der Ueberzug von geben
braunen polirten
durchaus Steinen,
Sie kommen nur innerhalb der Fluth-
und da das Flüsschen langsam herunterrieselt,
muss
die Brandung die polirende K r a f t der Wasserfälle in grossen Strömen ersetzen.
In gleicher W e i s e entspricht das Steigen und Fallen
der
Fluth wahrscheinlich den periodischen Ueberschwemmungen, und so werden
die
gleichen W i r k u n g e n
unter
anscheinend
thatsächlich ähnlichen Umständen hervorgebracht. Ursprung dieses Ueberzuges von Metalloxyden,
verschiedenen,
Indessen ist der
welche
wie
an die
Felsen gekittet erscheinen, nicht aufgeklärt, und so viel ich weiss, lässt sich
kein Grund
dafür angeben,
warum ihre Dicke stets die
gleiche bleibt. Eines Tages ergötzte mich das Betragen eines Diodon antennatus (Igelfisch), welcher, nahe am Ufer schwimmend, gefangen wurde.
* Reise i. d. Aequinoct.-Gegenden.
Bd. I.
Es
16
Erstes Kapitel
ist bekannt, dass dieser Fisch durch Aufblasen (einer schlotterigen Haut sich zu einer fast kugeligen Gestalt aasdehnen kann. Nachdem er eine kurze Zeit aus dem Wasser gehoben nnd dann wieder eingetaucht worden war, nahm er eine beträchtliche Menge Wasser nnd Luft durch den Mund und vielleicht auch durch die Kiemenöffnungen auf. Dieser Hergang geschieht auf doppelte Art: die Luft wird verschluckt und dann in die Bauchhöhle gedrängt, während ihren Rücktritt eine äusserlich sichtbare Muskelzusammenziehung hindert: das Wasser indessen tritt in einem sanften Strom durch das offene und bewegungslose Maul ein; die Thätigkeit des Aufnehmens desselben muss also auf Aufsaugung beruhen. Die Haut auf dem Bauche ist viel lockerer als die auf dem Rücken; darum dehnt sich während des Aufblasens die untere Fläche weit mehr aus als die obere, und der Fisch schwimmt in Folge dessen mit dem Rücken nach unten. Cuvier zweifelt, ob der Fisch in dieser Lage schwimmen könne; doch kann er sich so nicht nur in gerader Richtung fortbewegen, sondern sich sogar nach beiden Seiten umwenden. Diese letztere Bewegung wird allein mit Hülfe der Brustflossen bewirkt und der zusammengefallene Schwanz nicht gebraucht. Von dem mit soviel Luft gefüllten Körper waren die Kiemenöffnungen ausser Wasser, doch das mit dem Mund eingesogene Wasser floss beständig durch dieselben aus. War der Fisch eine kurze Zeit hindurch aufgebläht gewesen, so trieb er gewöhnlich Luft und Wasser durch die Kiemenlöcher und den Mund mit beträchtlicher Gewalt heraus. Er konnte willkürlich einen gewissen Theil des Wassers von sich geben, und es ist deshalb wahrscheinlich, dass diese Flüssigkeit zum Theil eingenommen wird, um das spezifische Gewicht zu reglen. Dieser Diodon vermochte sich auf verschiedene Art zu vertheidigen. Er konnte heftig beissen und Wasser auf einige Entfernung hin aus seinem Maule spritzen, wobei er gleichzeitig durch die Bewegung seiner Kiefern ein sonderbares Geräusch hervorbrachte. In Folge des Aufblasens werden die Wärzchen, mit denen seine Haut bedeckt ist, starr und spitz. Aber der merkwürdigste Umstand war, dass e r , in die Hand genommen, eine sehr schöne karminrothe, fadige Masse an der Haut des Unterleibes absonderte,
Bahia — Brasilien (1833)
welche Elfenbein und Papier
17
so dauerhaft färbte, dass die
Farbe
sich bis auf heute in unverminderter Frische erhalten hat. Die Natur und der Zweck geblieben.
dieser Absonderung
Ich habe
sind mir darchaus nnbekannt
von Dr. A l l a n von Forres
gehört,
dass
er
häufig einen Diodon aufgeblasen und lebendig im Magen eines Haifisches schwimmend gefunden, und dass er bei mehreren Gelegenheiten erfahren, dass der Diodon sich nicht nur durch die Magenwände, habe,
sondern durch das
muthet,
die Seiten des Ungeheuers
er auf diese Weise getödtet hätte.
durchgefressen
W e r hätte je ver-
dass ein kleiner weicher Fisch einen grossen wilden Hai-
fisch umbringen könnte? 18. später, wurde
März. als
—
Wir
wir uns
segelten
meine Aufmerksamkeit
des Meeres
erregt.
von Bahia
ab.
Wenige
Tage
nicht weit von den Abrolhosinseln befanden, Bei
durch das röthlichbraune
der Betrachtung
unter
einem
Aussehen schwachen
Vergrösserungsglas schien die ganze Oberfläche des Wassers wie mit gehackten waren.
Stückchen
von
Heu
bedeckt,
deren
Enden
ausgezackt
Es sind winzige, cylinderförmige Conferven, in Bündeln oder
Flössen von je zwanzig bis sechzig Stück.
Mr. Berkeley theilt mir
mit, dass sie dieselbe Spezies sind (Trichodesmium erythraeum), wie jene, die man über weite Strecken des Rothen Meeres ausgebreitet findet nnd von denen der Name Rothes Meer herrührt*). Ihre Zahl muss unermesslich sein: das Schiff fuhr durch mehrere Streifen von ihnen, deren einer ungefähr zehn Meter breit und nach dem schmutzigen Aussehen des Wassers zu urtheilen, mindestens zwei und eine halbe Meile lang war.
Bei fast jeder etwas längeren Seefahrt wird uns
von solchen Conferven berichtet.
Besonders häufig scheinen sie im
Meer bei Australien zu sein, und auf der Höhe von Cap Leeuwin fand ich eine verwandte Spezies.
Kapitän Cook erzählt von seiner
dritten Reise, dass die Matrosen diesem Gebilde den Namen Meersägespähne gegeben hätten. * Montagne, Comptes Rendus, etc., Juillet 1844; und Annal, des Scienc. N a t , Dec. 1844. D a r w i n , Reise.
2
18
E n t e s Kapitel
I n der Nähe des K i e l i n g - A t o l l s im Indischen Ocean beobachtete ich viele kleine Conferven- Massen, von wenigen Quadrat - Z o l l , aus langen, ausserordentlich feinen cylindrischen Fäden bestehend,
dem
unbewaffneten A u g e kaum sichtbar, untermischt mit anderen etwas grösseren Enden
Körpern,
fein
die
an
kegelförmig
beiden
zugespitzt
waren. Zwei mit einander verbundene sind in dem beigegebenen Holzschnitt dargestellt.
Ihre L ä n g e wechselt von 0,04 bis 0,06 und selbst bis
0,08 Z o l l ; ihr Durchmesser von 0,006 bis 0,008 Zoll*.
Nahe
dem
einen Ende des cylindrischen Theiles ist gewöhnlioh eine grüne Scheidewand, aus körniger Masse gebildet, zu sehen, die in der Mitte am dicksten ist.
Meiner Meinung nach ist dies der Boden eines ausserordentlich
zarten, farblosen Säckchens, welches aus einer breiigen Substanz besteht und die äussere Hülse auskleidet, sich aber nicht bis in die äussersten kegelförmigen Spitzen erstreckt.
Bei einigen Exemplaren
wurde die Stelle der Scheidewände von kleinen
aber vollkommenen
K u g e l n einer braunen körnigen Masse eingenommen, und ich konnte den merkwürdigen V o r g a n g beobachten, durch welchen sie entstanden. Die breiige Substanz des inneren Futters ordnete sich plötzlich in Linien, und zwar so, dass einige von einem gemeinsamen Mittelpunkt ausstrahlten; dann fuhr sie fort, sich in unregelmässiger aber schneller Bewegung
zusammen zu ziehen, so dass im Verlauf einer Sekunde
das Ganze zu einer vollkommenen kleinen K u g e l vereinigt war, welche die Stelle der Scheidewand der nun völlig hohlen Hülse
einnahm.
Die Bildung dieser körnigen K u g e l wurde durch jede zufällige Beschädigung beschleunigt. Ich erwähne noch, dass häufig zwei dieser K ö r p e r mit einander verbunden waren, so wie es oben
dargestellt
ist, K e g e l neben K e g e l , an jedem E n d e , an dem sich die K u g e l zeigt. Ich schliesse hier einige andere Beobachtungen a n , welche sich auf die Trübung des Meeres durch organische Ursachen
beziehen.
A n der K ü s t e von Chile, einige Seemeilen** nördlich von Conception, * engl. Zoll (inch); 1 inch = e n g l , l e a g u e s ; 1 1. =
5,5
3,60 c m . Kilometer.
19
Petagische Conferven und Infusorien (1833)
fuhr
der
„Beagle"
eines
Tages
durch
grosse
Streifen
getrübten
W a s s e r s , welches dem eines angeschwollenen Flusses ähnlich sah; und wieder wurde dieselbe Erscheinung, nur noch ausgedehnter einen Grad südlich von Valparaiso, fünfzig Meilen von der K ü s t e entfernt, beobachtet. eine
Etwas von diesem W a s s e r in ein Glas gebracht, zeigte
schwache
röthliche Färbung;
untersuchte
man es unter dem
Mikroskop, so wimmelte es von kleinen Thierchen, die herumschössen und häufig zerplatzten.
Ihre Gestalt ist oval und in der Mitte durch
einen R i n g vibrirender gekrümmter Wimpern zusammengezogen. war indessen sehr schwer sie sorgfältig zu beobachten,
Es
denn fast in
demselben Augenblick, in dem die Bewegung aufhörte, selbst während sie das Gesichtsfeld kreuzten, platzten ihre Körper. Zuweilen platzten beide Enden gleichzeitig; manchmal nur das eine, und eine Menge von grober, körniger, bräunlicher Substanz wurde
herausgestossen.
K u r z ehe das Thier barst, dehnte es sich noch um die Hälfte mehr als seine natürliche Länge aus, und die Explosion erfolgte ungefähr fünfzehn Sekunden, nachdem die schnelle Zunahmebewegung aufgehört hatte: in einigen wenigen Fällen ging ihr für kurze Zeit eine drehende Bewegung um die längere Achse voraus. W a r irgend eine Anzahl der Thiere zwei
in einem Wassertropfen isolirt, starben sie Minuten
schmalere und
auf
Spitze
gewöhnlich
klein
und
diese voran
in
Weise. mit
Hülfe
schnellen
Die
Thiere
ihrer
Stössen.
nach
bewegen
schwingenden Sie
sind
ungefähr sich
die
Wimpern
ausserordentlich
dem unbewaffneten A u g e völlig unsichtbar,
da
sie
nur
einen Flächenraum von ein Tausendstel Zoll im Quadrat einnehmen. Ihre Anzahl
war unermesslich
gross,
denn
der
kleinste
Wasser-
tropfen, den ich absondern konnte, enthielt deren sehr viele.
An
einem Tage kamen wir durch zwei Stellen so gefärbten Wassers, von denen die eine allein sich über mehrere Quadratmeilen erstreckt haben muss.
W e l c h e unberechenbare Zahlen solcher mikroskopischen Thier-
chen mussten das sein! Die Farbe des Wassers glich, von einiger Entfernung gesehen, der eines Flusses, welcher durch rothen Lehmboden geflossen ist; aber im Schatten an den Seiten des Schiffes sah es so dunkel
wie Chokolade
aus.
Die Linie, wo
Wasser sich trafen, war deutlich erkennbar.
das
rothe
und
blaue
D a s W e t t e r war einige 2*
20
E n t e s Kapitel
T a g e vorher windstill gewesen und das Meer zeigte noch mehr als sonst den unendlichen Reichthum an lebenden W e s e n . * Im Meere um das Feuerland, nicht weit von der K ü s t e , habe ich im Wasser schmale Streifen einer lebhaft rothen F a r b e gesehen, welche von einer grossen Zahl von Krustenthieren h e r r ü h r t e n , der Gestalt nach grossen Garneelen ähnlich waren. fänger nennen sie Wallfischfutter. nähren,
weiss ich nicht;
Ob sich Walltische
aber Seeschwalben,
die
Die R o b b e n von ihnen
Cormorans und eine
zahllose Heerde plumper R o b b e n leben an einigen Stellen der K ü s t e hauptsächlich
von diesen
schwimmenden
Krebsen.
Die
schreiben die F ä r b u n g des Wassers stets dem Laich z u ; ich, dass Mehrere Schiff
dies nur bei einer einzigen Gelegenheit Seemeilen
vom
durch Streifen
Galapagos-Archipel
schmutzigen,
der F a l l
entfernt
dunkelgelben
Seeleute doch fand war.
segelte
Wassers;
das diese
Streifen waren einige Meilen lang, aber nur wenige Meter breit und von dem
sie umgebenden
Wasser
deutlichen R a n d unterschieden.
durch
einen buchtigen,
aber
Diese Färbung wurde durch gallert-
artige Kügelchen von ungefähr ein Fünftel Zoll Durchmesser bewirkt, in welchen zahlreiche winzige, sphärisch gestaltete
Eier
eingebettet
lagen, und zwar von zwei deutlich unterschiedenen A r t e n , von denen die einen eine röthliche Farbe und eine von den anderen abweichende Gestalt hatten. Ich vermag nicht einmal eine Vermuthung zu äussern, welcher Art von Thieren diese zwei verschiedenen Eier angehörten. Kapitän Colnell berichtet, dass diese Erscheinung sehr häufig in dem Galapagos-Archipel vorkommt, und dass die Richtung jener Streifen die der Strömungen angiebt; in jenem oben angeführten Fall die Richtung indessen durch den Wind bestimmt. Erscheinung, die ich noch zu erwähnen h a b e ,
wurde
Die einzige andere
ist ein dünner öliger
• Mr. Lesson (Voyage de la Coquille, I, p. 355) erzählt von r o t h e m W a s s e r auf der H ö h e von L i m a , das anscheinend von derselben U r s a c h e h e r r ü h r t e . D e r a u s g e z e i c h n e t e N a t u r f o r s c h e r P e r o n erwähnt in d e r V o y a g e aux T e r r e s Australes nicht w e n i g e r als zwölf Fälle, in denen Reisende von g e f ä r b t e m S e e w a s s e r berichten (vol. 11, 239). D e r A n g a b e von Peron f ü g e n wir noch Humboldt (Reise in die Aequinoct.-Geg.) ; Flinder's Voyage, vol. I, p. 9a ; Labillardiere, vol. I, p. 287 ; Ulloa's V o y a g e ; V o y a g e of the Astrolabe and the Coquille; Captain King's S u r v e y of Australia hinzu.
Getrübtes M e e r w a s s e r (1833)
21
U e b e r z u g auf dem W a s s e r , der R e g e n b o g e n - F a r b e n zeigt. von Brasilien
sah ich eine
A n der K ü s t e
grosse W a s s e r f l ä c h e auf diese W e i s e
ge-
f ä r b t ; die Matrosen schrieben es dem faulenden Leichnam eines W a l l fisches
zu, der wahrscheinlich in nicht allzu grosser Entfernung auf dem
Wasser
trieb.
Stückchen,
Ich erwähne hier nicht die sehr kleinen
auf die ich später z u r ü c k k o m m e
gallertartigen
und die sich häufig im
W a s s e r zerstreut finden, denn sie sind nicht zahlreich g e n u g , um eine V e r ä n d e r u n g der F a r b e zu bewirken. E s sind in den oben angeführten Berichten zwei Umstände, welche merkwürdig
verschiedenen
Körper,
welche die Streifen mit fester B e g r e n z u n g bilden, zusammen?
scheinen:
erstens
wie halten die
In dem
F a l l der gameelenartigen K r a b b e n waren ihre B e w e g u n g e n so zeitig wie die der Soldaten in einem R e g i m e n t .
gleich-
A b e r von einer
be-
wussten Handlung kann bei Eiern oder Conferven, und wahrscheinlich auch nicht bei Infusorien die R e d e sache der L ä n g e
sein.
Z w e i t e n s , w a s ist die U r -
und Schmalheit dieser Streifen?
Diese
Erscheinung
gleicht so sehr derjenigen, die man in j e d e m W a s s e r l a u f beobachten kann, in welchem
die S t r ö m u n g den in den W i r b e l n
gebildeten Schaum in
lange Streifen auflöst, dass ich diese W i r k u n g einer ähnlichen T h ä t i g keit entweder der L u f t - oder der Meeresströmungen zuschreiben muss. Nach
diesen Voraussetzungen
müssen
wir
annehmen,
dass die
schiedenen organischen K ö r p e r in gewissen ihnen günstigen hervorgebracht und dann durch das Eintreten Wasserströmung
entführt
werden.
Doch
des W i n d e s
gestehe
ich,
ver-
Gegenden oder einer
dass
es sehr
schwer ist, sich irgend eine Stelle zu denken, welche die Geburtsstätte von Millionen und aber Millionen von Thierchen könnte:
und Conferven sein
denn wie gelangen die K e i m e an jene Stellen, da j a die er-
zeugenden
Thiere
durch W i n d e
Ocean verstreut werden?
und
Wellen
über
den
ungeheuere
A b e r nach keiner anderen H y p o t h e s e
ich ihre reihenweise A n o r d n u n g verstehen.
Ich will noch
kann
hinzufügen,
dass Scoresby angiebt, dass grünes W a s s e r , welches reich an pelagischen Thieren ist, sich beständig in einem bestimmten Theil des Meeres
findet.
arktischen
ZWEITES KAPITEL. R i o de J a n e i r o — Ausflug nördlich von C a p Frio — Starke Verdunstung — Sklaverei — liotofogo-Bai — L a n d p l a n a r i e n — W o l k e n auf d e m Corcovado — S t a r k e r R e g e n — S i n g e n d e F r ö s c h e — L e u c h t e n d e I n s e k t e n — S p r i n g k r a f t des E l a t e r — B l a u e r D u n s t — Von einem S c h m e t t e r l i n g e v e r u r s a c h t e s G e r ä u s c h — Entomologie — Ameisen — W e s p e , die eine Spinne tödtet — Parasitische Spinne — List e i n e r E p e i r a — H e r d e n - S p i n n e — S p i n n e mit einem unsymmetrischen Gewebe.
RIO DE JANEIRO. 4. April
bis 5. Juli
1832.
— Wenige Tage nach unserer A n -
kauft machte ich die Bekanntschaft eines Engländers, welcher im Begriffe war, seine mehr als hundert Meilen von der Hauptstadt entfernt liegende Besitzung nördlich von Cap Frio zu besuchen.
Mit Freuden
nahm ich seine gütige Aufforderung ihn zu begleiten ao. 8. April. — Unsere Reisegesellschaft bestand aus sieben Personen. Der erste Tagemarsch war sehr interessant.
E s war gewaltig heiss
und als wir die Wälder durchritten, war Alles regungslos mit Ausnahme der
grossen
und
prachtvollen
Schmetterlinge,
welche
träge
herumflatterten. Die sich beim Uebergang über die Hügel hinter Praia Grande bietende Aussicht war herrlich; die Farben von starker Leuchtkraft, der vorherrschende Ton ein dunkeles Blau, der Himmel und der glatte Wasserspiegel der Bucht wetteiferten mit einander an Pracht. Nachdem wir eine Strecke bebauten Landes hinter uns zurückgelassen hatten, betraten wir einen W a l d , der in allen seinen Theilen von nicht zu übertreffender Grossartigkeit war.
Gegen Mittag kamen wir nach
Ithacaia; dies kleine Dorf liegt in einer Ebene und
um das in der
Mitte
die mich durch
gebaute Haus
stehen die Hütten der N e g e r ,
23
Rio de Janeiro (183a) ihre regelmässige Gestalt und L a g e tottendörfer in S ü d a f r i k a erinnerten.
an die A b b i l d u n g e n
der Hotten-
D a der M o n d früh a u f g i n g , be-
schlossen w i r , noch an diesem A b e n d unser Nachtquartier in der L a g o a Marica
zu
nehmen.
B e i m Dunkelwerden
zogen
wir
am F n s s
eines
j e n e r mächtigen, kahlen und steilen Granitfelsen vorbei, die in diesem L a n d e so h ä u f i g vorkommen. Zeit der W o h n o r t
D i e Stelle ist berüchtigt, weil sie lange
einiger entlaufenen S k l a v e n w a r ,
F e l d b a u nahe dem Gipfel ihr elendes Dasein
die durch etwas
fristeten.
Endlich
ent-
deckte man sie; eine A b t h e i l u n g Soldaten w u r d e ausgeschickt und fing die ganze Gesellschaft mit A u s n a h m e einer alteD F r a u , d i e , um nicht wieder in die Sklaverei zurückzukehren, sich v o n dem G i p f e l des B e r g e s herabstürzte.
B e i einer römischen Matrone w ü r d e man es als Freihcits-
liebe preisen; bei einer armen N e g e r i n nennt man es Eigensinn.
unvernünftigen
W i r ritten ein paar Stunden weiter; auf der letzten Strecke
w a r der W e g schwer zu finden, denn er führte durch eine öde G e g e n d von S ü m p f e n und L a g u n e n . licht recht trostlos aus.
D i e Landschaft sah in dem fahlen M o n d -
E i n paar L e u c h t k ä f e r schwirrten an uns
vor-
ü b e r ; eine S c h n e p f e stiess beim A u f f l i e g e n ihren klagenden R u f aus. Das
ferne
und dumpfe T o s e n des Meeres unterbrach k a u m die Stille
der Nacht.
9. April. Nachtlager.
—
Vor
Der W e g
Sonnenaufgang
verliessen
wir
unser
elendes
führte über eine schmale S a n d z u n g e ,
welche
sich zwischen der S e e und den inneren salzigen L a g u n e n hinzieht. grosse A n z a h l schöner sowie
die Fettpflanzen,
fischender welche
Vögel, die
wie R e i h e r
wunderlichsten
und
Formen
Die
Kraniche, zeigten,
verliehen der Landschaft einen R e i z , den sie sonst nicht besessen hätte. E i n i g e der
verkrüppelten B ä u m e
waren
mit Schmarotzerpflanzen
bc-
deckt, unter denen die Schönheit und der köstliche D u f t einiger Orchideen B e w u n d e r u n g erregte. ausserordentlich
heiss;
dem weissen S a n d
war
A l s die S o n n e
der R e f l e x sehr
aufging,
des Lichts
quälend.
Wir
und
wurde
der T a g
der W ä r m e
assen in Mandetiba
Mittag; das Thermometer zeigte 3 0 0 C. im Schatten. sicht auf die fernen bewaldeten H ö h e n ,
die
W a s s e r einer weiten L a g u n e spiegelten,
erfrischte
sich
von zu
D i e schöne A u s -
in dem ganz stillen uns
förmlich.
Da
24
Zweites Kapitel
die dortige V f n d a * sehr gut war und ich von ihr die angenehme, wenn auch seltene Erinnerung an ein vortreffliches Mittagessen bewahrt habe, so will ich aus Dankbarkeit das Haus als Typus seiner Klasse beschreiben.
Diese Gebäude sind oft gross und aus dicken, aufrecht
stehenden Stämmen mit dazwischen geflochtenen Zweigen erbaut und später mit Mörtel beworfen.
Sie sind selten gedielt, und die Fenster
stets ohne Scheiben; aber meist mit guten Dächern versehen.
Bei
allen ist die Vorderseite offen und bildet eine Art von Veranda, in der Tische und Bänke stehen. Die Schlafzimmer schliessen sich an beiden Seiten an und hier können die Reisenden ruhen, so gut es auf einer hölzernen Pritsche geht, die mit einer dünnen Strohmatte bedeckt ist. Die V f n d a steht in einem H o f r a u m , in welchem die Pferde gefüttert werden.
Sobald wir angekommen waren, pflegten wir die Pferde ab-
zusatteln und sie mit Mais zu fiittem; dann mit einer tiefen Verbeugung den Senhor zu fragen, ob er so gut sein wolle, uns etwas zu essen zu geben.
.Alles was Sie wünschen, mein Herr," war die stete Antwort.
Die ersten Male dankte ich übereilt der Vorsehung, uns zu
einem
solchen Biedermann geführt zu haben, doch je länger die Unterhaltung dauerte, je kläglicher wurde die Lage. sein, uns Fische zu geben?" „Nein, Herr." Fleisch?"
„Oder Brot ?"
„O nein, Herr."
„Können Sie so freundlich
„O nein, mein H e r r ! "
„Oder S u p p e ? "
„O nein, Herr." — „Oder
gedörrtes
Im glücklichsten Fall bekamen wir nach
stundenlangem Warten Hühner, Reis und
Farinha.
Doch kam
es
nicht selten vor, dass wir die Hühner fiir unser Abendessen erst selbst durch Steinwürfe tödten
mussten.
Wenn
wir durch Anstrengungen
und Hunger erschöpft schüchtern anzudeuten wagten, dass wir unser Essen zu haben wünschten, gab der Hausherr die hochfahrende und wenn auch wahre, so doch höchst unerfreuliche A n t w o r t : fertig sein, wenn es fertig ist."
„Es
wird
Hätten wir uns weitere Einreden ge-
stattet, würde man uns geheissen haben uns fortzupacken, weil wir zu unverschämt wären.
Die Gastwirthe sind in ihrem Betragen sehr un-
höflich und grob; sie selbst wie ihre Häuser starren oft von Schmutz, fast nirgends giebt es Messer, Gabeln oder Löffel; und ich bin über-
* Venda ist die portugiesische Bezeichnung (tir Wiithshaus.
Rio de Janeiro (1833)
25
z e u g t , dass es in England kein Bauernhaus oder eine Hütte giebt, die jeden Comforts so baar ist.
Im Campos Novos
aber speisten
wir vorzüglich; wir bekamen Mittags R e i s , Geflügel, Biscuit,
Wein
und Branntwein; A b e n d s K a f f e e und zum Frühstück Fisch und K a f f e e . Das
Alles
nebst
gutem
Futter
für die Pferde
Schilling sechs P e n c e für die Person.
kostete
nur
zwei
A l s Jemand aber den W i r t h
dieser Vdnda fragte, ob er nicht wisse, wo eine Peitsche hingekommen sei, die einer aus unserer Gesellschaft verloren hatte, antwortete er unwirsch: „ W i e soll ich das wissen? auf A c h t gegeben?
Warum haben Sie nicht dar-
Die Hunde werden sie wohl gefressen haben.*
Nachdem wir Mandetiba verlassen hatten, setzten wir unseren Weg
durch
fanden
sich
ein
Labyrinth
von
Seen
fort;
in
anderen
Süsswassermuscheln,
in
einigen
derselben
Seemuscheln.
Von
ersterer A r t fand ich eine Limnaea sehr zahlreich in einem S e e ,
in
w e l c h e n , wie die Einwohner mir versicherten, das Meer einmal im Jahre macht.
und
bisweilen
öfter
eintritt und
das Wasser
ganz
salzig
Ohne Zweifel könnten viele interessante Thatsachen in Be-
zug auf See- und Süsswasserthiere in dieser K e t t e von Lagnnen beobachtet werden, welche sich längs der K ü s t e von Brasilien hinziehen. Mr. G a y * berichtet, dass er in der Nähe von R i o A r t e n der marinen Gattungen Solen und Mytilus und der im Süsswasser lebenden A m pullariae im Brackwasser lebend bei einander gefunden habe.
Auch
ich habe in der Lagune nahe dem botanischen Garten, in welcher das Wasser nur etwas weniger salzig als im Meere selbst ist, öfters eine A r t Hydrophilus gefunden, welcher einem in englischen Gräben häufigen Wasserkäfer
sehr
ähnlich
ist;
die einzige
in jenem See
lebende Muschel gehörte einer Gattung an, die man oft in seichten Meerbusen findet. Dann verliessen wir eine W e i l e die K ü s t e und betraten den W a l d .
wieder
Die Bäume waren sehr hoch und mit denen von Europa
verglichen, zeichneten sie sich durch die Weisse ihrer Stämme aus. In meinem Notizbuch finde ich, dass „wunderbare und schöne blühende Schmarotzerpflanzen" mir beständig als die überraschendste Neuheit
* A n n a l e s des S c i e n c e s N a t u r e l l e s for 1833.
26
Zweites Kapitel
in diesen grossartigen Landschaftsbildern auffielen. Bei der Fortsetzung unseres Weges kamen wir durch Weideland, welches durch ungeheuere kegelförmige Ameisenhaufen, die beinahe zwölf Fuss hoch waren, sehr beschädigt war. Sie gaben der Ebene genau das Ansehen der Schlammvulkane von Jorullo, wie sie Humboldt abgebildet hat. Als es schon dunkel war, erreichten wir Engenhodo, nachdem wir zehn Stunden zu Pferde gewesen waren. Während der ganzen Reise hörte ich nicht auf zu staunen, welches Mass von Arbeit die Pferde zu leisten im Stande waren; auch schienen sie sich nach jeder Verletzung schneller zu erholen, wie die von unserer englischen Rasse. Die Vampirfledermaus verursacht oft grosse Unannehmlichkeiten, weil sie die Pferde am Widerrist beisst. Der Schaden ist nicht so schlimm durch den Blutverlust als in Folge der Entzündung, welche der Druck des Sattels nachher verursacht. Die ganze Sache ist vor Kurzem in England angezweifelt worden; aber ich war so glücklich dabei zu sein, als eines dieser Thiere (Desmodus d'orbignyi, Wat.) thatsächlich auf dem Rücken eines Pferdes gefangen wurde. Wir bivouakirten spät Abends nahe von Coquimbo in Chile, als mein Diener bemerkte, dass eines der Pferde sehr unruhig wurde, hinging, um nachzusehen, was die Ursache sei, und da er etwas zu bemerken glaubte, schnell mit der Hand auf den Widerrist fasste und den Vampir griff. Am Morgen war die Stelle, wo der Biss beigebracht war, sofort zu erkennen, da sie etwas geschwollen und blutig aussah. Am dritten Tage aber ritten wir wieder das Pferd, ohne üble Folgen zu veranlassen. 13. April. — Nach drei Tagereisen kamen wir in Soc£go, der Besitzung des Senhör Manuel Figuireda an, der mit einem aus unserer Gesellschaft verwandt war. Das Haus hatte die Gestalt einer Scheune, war aber dem Klima ganz angemessen. Die vergoldeten Stühle und Sophas im Wohnzimmer bildeten einen seltsamen Gegensatz zu den weissgetünchten Wänden, dem Strohdach und den scheibenlosen Fenstern. Mit den Speichern, den Ställen und Werkstätten für die Schwarzen, welchen man verschiedene Handwerke gelehrt hatte, bildete das Haus eine Art von Viereck, in dessen Mitte ein grosser Haufen von Kaffee zum Trocknen lag. Die Gebäude stehen auf
27
Sklaverei (183a)
einer kleinen A n h ö h e , von welcher man das urbar gemachte Land übersieht, das von allen Seiten durch eine W a n d von dunkelgrünen üppigen W ä l d e r n umgeben ist. ist K a f f e e . tragen,
D a s Haupterzeugniss dieser Gegend
Jeder Baum soll durchschnittlich im Jahre zwei Pfund
aber
einige
geben bis acht Pfund.
wird gleichfalls viel angebaut.
Mandioc oder Cassada
Jeder Theil dieser Pflanze ist nütz-
lich ; die Blätter und Stengel dienen als Pferdefutter und die Wurzeln werden zu einem Brei zerrieben, welcher, wenn er trocken und gebacken ist, die Farinha bildet, das Hauptnahrungsmittel der Brasilianer. E s ist eine merkwürdige, wenn auch wohlbekannte Thatsache, der Saft dieser
so
nahrhaften Pflanze
V o r einigen Jahren
in
hohem Grade
giftig
Senhör Figuireda
erzählte
mir, dass er im Vorjahre einen Sack F e i j a ö , das sind Bohnen, Säcke
letztere
Reis
eine
ist.
starb auf dieser nämlichen Fazenda eine K u h ,
weil sie etwas davon getrunken hatte. drei
dass
gesäet
hätte;
ersterer
dreihundertundzwanzigfältige
trug
eine
Ernte.
und
achtzigfältige,
Das
Weideland
nährt eine schöne Rinderheerde und die W ä l d e r sind so wildreich, dass man an jedem schossen hatte.
der drei
vergangenen T a g e
einen Hirsch ge-
Dieser Ueberfluss an Lebensmitteln zeigte sich bei
den Mahlzeiten, bei denen, wenn auch die Tische nicht brachen, die Gäste aber in schwere Bedrängniss kamen, denn man erwartet, dass sie von jedem Gericht essen. Eines Tages, als ich nach meiner Meinung genau berechnet hatte, dass keine Schüssel ungekostet vorübergehen sollte, erschienen zu meinem grössten Schrecken noch unerwartet ein gebratener Puter und ein Schwein in Lebensgrösse.
Während
der
Mahlzeiten war ein Diener damit beschäftigt, mehrere alte Jagdhunde und ein Dutzend kleiner Negerkinder zu verjagen, bei jeder Gelegenheit in das Zimmer krochen. den Gedanken
die
gemeinsam
S o lange man sich
an die Sklaverei fern halten konnte,
lag etwas un-
gemein Anziehendes in dieser einfachen und patriarchalischen Lebensweise : man war der ganzen übrigen W e l t fern und von ihr unabhängig.
Sobald man irgend einen Fremden kommen sieht, wird eine
grosse Glocke geläutet und gewöhnlich eine kleine K a n o n e abgefeuert. Das Ereigniss wird damit den Felsen und Wäldern verkündet, denn sonst ist Niemand da. Eines Morgens ging ich eine Stunde vor Sonnenaufgang
28
Zweite« Kapitel
aus, um die feierliche Ruhe der Landschaft zu bewundern; endlich wurde die Stille durch das geistliche Morgenlied unterbrochen, das alle Schwarzen gemeinsam anstimmten, die gewöhnlich so ihr Tagewerk begannen. Ich zweifle nicht, dass auf einer solchen Fazfinda die Schwarzen ein glückliches und zufriedenes Dasein führen. Sonnabends und Sonntags arbeiten sie für sich, und in diesem fruchtbaren Lande genügt die Arbeit von zwei Tagen, um einen Mann und seine Familie die ganze Woche hindurch zu unterhalten. 14. April. — Nachdem wir Soctgo verlassen hatten, ritten wir nach einer anderen Besitzung am Rio Mac&e, welche das letzte Stück angebauten Landes in jener Richtung ist. Die Besitzung war zwei und eine halbe Meile lang, wie viele Meilen sie breit war, hatte der Eigenthümer vergessen. Nur ein ganz kleiner Theil davon war urbar gemacht, aber fast jeder Acker konnte die mannigfaltigen reichen Erzeugnisse eines Tropenlandes hervorbringen. Bedenkt man die ungeheuere Flächenausdehnung Brasiliens, so verschwindet beinahe das Stückchen angebauten Landes im Vergleich mit dem, das sich noch im Naturzustande befindet; welch eine zahlreiche Bevölkerung wird dies Land dereinst ernähren! "Während der zweiten Tagereise fanden wir den Wald so verwachsen, dass ein Mann mit einem Hiebmesser vorausgehen musste, um die Kletterpflanzen fortzuschneiden. Der Wald war reich an den schönsten Gegenständen, und unter diesen waren die Baumfarren wenn auch nicht durch Grösse, so doch durch ihr frischgrünes Laub und den eleganten Schwung ihrer Wedel, am bewundernswürdigsten. Abends regnete es stark, und obgleich das Thermometer l8° C. zeigte, fror ich doch sehr. Sobald der Regen aufgehört hatte, war es merkwürdig, die starke Verdunstung zu beobachten, welche auf der ganzen Ausdehnung des Waldes anfing. In der Höhe von hundert Fuss waren die Berge in dicken weissen Dunst gehüllt, der wie Rauchsäulen aus den am dichtesten bewaldeten Theilen, insonderheit den Thälera, aufstieg. Diese Erscheinung habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten beobachtet : ich vermuthe, dass dies seinen Grund in der grossen Oberfläche von Laub hat, welches vorher durch die Sonnenstrahlen erwärmt worden ist.
29
Wälder und Wege (1832)
"Während meines Aufenthaltes
auf
dieser Besitzang
wäre
ich
fast Zeuge einer jener grausamen Handlungen geworden, die nur in einem
Sklavenlande
vorkommen können.
In F o l g e eines
Streites
und eines Prozesses stand der Besitzer im B e g r i f f , allen männlichen Sklaven ihre Frauen und K i n d e r zu nehmen und sie einzeln in R i o öffentlich versteigern zu lassen.
Die Rücksicht auf seinen Vortheil,
nicht etwa ein Gefühl des Mitleids, hinderte schliesslich die führung des Planes.
Aus-
A u c h glaube ich, dass der G e d a n k e , wie un-
menschlich es s e i , dreissig Familien zu trennen, die jahrelang einander gelebt hatten,
dem Besitzer nicht einmal
mit
gekommen ist.
Trotzdem möchte ich mich verbürgen, dass er in Bezug auf "Wohlwollen und Humanität das Durchschnittsmass der Menschen übertraf. A b e r man muss zugeben, dass die Verblendung der Selbstsucht und der Eigennutz keine Grenze kennt.
Bei dieser Gelegenheit
möchte
ich eines kleinen unbedeutenden Vorfalles erwähnen, der mich damals lebhafter berührte als die Erzählung von irgend welcher Grausamkeit. Ich setzte auf einer F ä h r e mit einem N e g e r ü b e r , der ganz ungewöhnlich dumm war.
B e i dem Versuche, mich ihm verständlich zu
machen, erhob ich die Stimme und machte Z e i c h e n , wobei ich mit der Hand nahe an sein Gesicht herankam.
Vermuthlich glaubte er,
dass ich zornig wäre und ihn schlagen w o l l t e , denn plötzlich liess er mit ängstlichem A u s d r u c k und halbgeschlossenen A u g e n die Hände sinken-.
Nie werde ich das Gefühl von Ueberraschung, Widerwillen
und Beschämung vergessen, als ich diesen kräftigen Mann sich fürchten sah,
einen nach seiner Meinung auf sein Gesicht gezielten
auch nur abzuwehren.
Schlag
Dieser Mensch war in einem Zustande
der
Erniedrigung aufgewachsen, die schlimmer als die Knechtschaft des hülflosesten Thieres ist.
18. April.
— A u f dem R ü c k w e g e verweilten wir zwei T a g e in
Socfigo, die ich anwendete, um Insekten im W a l d e zu sammeln.
Die
Räume messen im Allgemeinen trotz ihrer Höhe doch nicht mehr als drei bis vier Fuss im U m f a n g e ; doch giebt es natürlich einige wenige von sehr viel grösserer Dicke.
Senhör Manuel machte damals ein
Canoe von 70 Fuss L ä n g e aus einem mächtigen Stamme, sprünglich 1 1 0 Fuss lang und sehr umfangreich gewesen war.
der urWenn
Zweites Kapitel
30
Palmen zwischen gewöhnlichen sich verzweigenden Bäumen wachsen, erhält die Landschaft immer einen Tropencharakter. Den Schmuck dieser W ä l d e r bildet die Kohlpalme, eine der schönsten dieser Pflanzenfamilie. Auf einem Stamm, der so schlank ist, dass man ihn mit den Händen umspannen könnte, wiegt sich ihre schön geformte K r o n e vierzig oder fünfzig Fuss über dem Erdboden.
Die holzigen Schling-
pflanzen, selbst wieder von anderen Kletterpflanzen bedeckt, waren sehr dick; einige, die ich
mass, hatten zwei Fuss im Umfange.
Manche der älteren Bäume boten herabhängenden
durch
die von ihren
und Heubündeln gleichenden
Stränge von
Zweigen Lianen
einen sehr eigenthümlichen Anblick dar. Wendete sich das Auge von dem Laubgewirr oben nach dem Erdboden, so wurde es durch die ausserordentliche Zierlichkeit der Famwedel und Mimosen gefesselt; an einigen Stellen bedeckten letztere die Erde mit einem nur wenige Zoll
hohen Gestrüpp.
Ueberschritt man diesen dichten Mimosen-
teppich, so blieb eine breite Spur zurück, welche durch die Schattenveränderung der sich senkenden sensitiven Fiederblättchen hervorgebracht wurde.
Es ist leicht, die einzelnen Gegenstände anzuführen,
welche unser Entzücken in diesen grossartigen Landschaftsbildern erregen; aber es ist nicht möglich, eine gleichmässige Vorstellung von den Empfindungen der Bewunderung, des Staunens und der Andacht zu geben, welche das Gemüth erfüllen und erheben.
19. April.
— Nachdem wir Socigo verlassen hatten, legten wir
während der ersten zwei Tage den früheren W e g zurück.
Es war
eine sehr mühselige Aufgabe, denn er führte meist über eine blendende, heisse Sandebene nicht weit von der Küste entfernt. dass jedesmal,
Ich bemerkte,
wenn das Pferd seinen Huf auf den feinen kieseligen
Sand setzte, ein leises zirpendes Geräusch entstand.
A m dritten Tage
schlugen wir eine andere Richtung ein und kamen durch das freundliche kleine Dorf Madre de Deos.
Dies ist eine der Hauptverkehrs-
strassen Brasiliens; dennoch war sie in so schlechtem Zustande, dass kein
Fuhrwerk
ausser den
plumpen Ochsenwagen
darauf
vorwärts
kommen konnte. Während unserer ganzen Reise haben wir nicht eine einzige steinerne Brücke passirt, und die aus Holzstämmen zusammengefügten waren oft so baufällig, dass man einen Uniweg machen musste.
31
Wälder und Wege (1833)
um sie zu vermeiden.
Alle Entfernungen sind nur ungenau bekannt.
Statt der Meilensteine sieht man häufig Kreuze an den Strassen, welche die Stelle bezeichnen, wo eine Mordthat geschehen ist.
Am Abend
des 23. kamen wir nach Beendigung unseres hübschen kleinen Ausfluges in Rio an. Während der übrigen Zeit meines Aufenthaltes in Rio wohnte ich in einem Häuschen an der Bolofogobucht.
Man kann sich nichts Ent-
zückenderes denken, als in dieser Art ein paar Wochen in einem so herrlichen Lande zu verleben. Naturbeobachtung
liebt,
Auch in England hat Jedermann, der
den grossen Vortheil,
dass
er bei seinen
Spaziergängen immer etwas findet, das seine Aufmerksamkeit fesselt; aber in diesen fruchtbaren Gegenden, die von Leben strotzen, sind die Gegenstände so zahlreich, dass man darüber kaum zum Spaziergehen kommt. Die wenigen Beobachtungen, welche ich im Stande war zu machen, beschränkten sich fast ausschliesslich auf wirbellose Thiere. Die Existenz einer Spezies der Abtheilung Planaria, die auf dem Lande wohnt, interessirte mich lebhaft.
Diese Thiere sind von so einfachem Bau, dass
Cuvier sie den Eingeweidewürmern beigeordnet hat, obwohl man sie nie in den Körpern anderer Thiere findet. Zahlreiche Arten leben sowohl im Seewasser wie im süssen Wasser; aber die, von welchen ich rede, wurden selbst in den trockneren Theilen des Waldes, unter Stücken verfaulten Holzes gefunden, von dem sie sich, wie ich glaube, nähren. Der allgemeinen Gestalt nach gleichen sie kleinen Wegeschnccken, sind aber im Verhältniss viel schlanker, und einige Arten sind mit Längsstreifen schön gefärbt.
Ihr Bau ist sehr einfach; nahe der Mitte der
unteren oder Kriech-Fläche befinden sich zwei kleine quere Spalten, aus deren vorderer der trichterförmige und sehr reizbare Mund vorgestülpt werden kann.
Noch einige Zeit, nachdem der übrige Körper des
Thicres vollständig todt war, in Folge der Wirkung des Meerwassers oder aus anderer Ursache, behielt dies Organ noch Lebenskraft. Ich
habe
Landplanarien gefunden*.
nicht in
weniger
verschiedenen
als
zwölf
Theilen
verschiedene der
Arten
von
südlichen Hemisphäre
Einige Exemplare, die ich in Van Diemensland bekam,
* Ich habe diese Arten beschrieben und benannt in den Annales of Nat. Hist. X I V . p. »41.
Zweites Kapitel
32
habe ich fast zwei Monate lebendig erhalten, indem ich sie mit verfaultem Holz fütterte.
Nachdem ich eins dieser Thiere quer in zwei beinah
gleichgroße Theile durchschnitten hatte, erlangten beide Stücke nach Verlauf von vierzehn Tagen
die Gestalt vollkommener Thiere.
Ich
hatte indessen den Körper so getheilt, dass eine der Hälften die beiden unteren
OefTnungen enthielt, und die andere also keine.
zwanzig
Tage
nach
der Operation
konnte
Fünfund-
man die vollkommenere
Hälfte von keinem anderen Exemplar unterscheiden.
Die andere Hälfte
hatte an Grösse sehr zugenommen; nach dem hinteren Ende zu hatte sich in der parenchymatösen Körpermasse ein heller R a u m gebildet, in welchem man deutlich die Anlage eines becherförmigen Mundes
er-
kennen konnte; an der Unterseite hatte sich indessen noch kein dementsprechender Schlitz geöffnet.
Wenn nicht die mit unserer Annähe-
rung an den Aequator zunehmende Hitze des Wetters alle Individuen zerstört
hätte,
das Gebilde
so
würde
vollendet
ohne
haben.
Zweifel diese Obgleich
es ein
Experiment ist, war es sehr interessant, das jedes
wesentlichen
anderen Thieres
Organs
zu
aus
dem
beobachten.
Es
diese Planarien zu conserviren;
Entwickelung
so
wohlbekanntes
allmähliche
einfachen ist
letzte
Entstehen
Schwanzende
ausserordentlich
eines
schwierig,
sobald das Aufhören des Lebens den
gewöhnlichen Gesetzen chemischer Zersetzung in Thätigkeit zu treten gestattet,
wird ihr ganzer Körper mit einer Schnelligkeit weich und
flüssig, wie es mir sonst nicht vorgekommen ist. Ich besuchte zuerst den W a l d ,
in welchem diese Planarien zu
finden waren, in Begleitung eines alten portugiesischen Priesters, der mich mit auf die Jagd nahm.
Das Jagdvergnügen bestand darin, einige
Hunde in das Dickicht zu schicken und dann geduldig wartend auf jedes Thier zu schiessen, eines benachbarten
das sich irgend zeigte. Farmers,
brasilianischen Jünglings.
ein
Mit uns war der Sohn
prächtiges Exemplar eines echten
Er trug ein zerrissenes altes Hemde
und
Hosen, den Kopf aber unbedeckt, dazu eine alte Flinte und ein grosses Messer.
Die Gewohnheit Messer zu tragen, ist allgemein, und beim
Durchschreiten der dicken Wälder ist es wegen der Schlingpflanzen beinahe unentbehrlich.
Das häufige Vorkommen von Mordthaten ist
indessen zum Theil der Sitte des Messertragens zuzuschreiben.
Die
33
Rio de Janeiro (1839)
Brasilianer sind mit dem Messer so geschickt, dass sie es auf beträchtliche Entfernung mit Sicherheit zu werfen vermögen und mit genügender K r a f t , um eine tödtliche Wunde beizubringen.
Ich habe häufig
kleine Jungen gesehen, welche diese Kunst als ein Spiel betrieben, und das Geschick, mit dem sie einen aufgestellten Stock trafen, war vielversprechend für Proben ernsterer Art.
Mein Begleiter hatte Tags zu-
vor zwei grosse Bartaffen geschossen; die Thiere haben Greifschwänze, deren Spitze selbst nach dem Tode das ganze Gewicht des Körpers zu tragen vermag. Der eine war auf diese Weise an einem Zweige hängen geblieben, und es war nöthig einen grossen Baum zu fällen, um ihn zu erlangen.
Das
war
schnell bewerkstelligt und Baum und A f f e
fielen mit einem fürchterlichen Krach zu Boden.
Ausser dem Affen
beschränkte sich unsere Jagdbeute auf einige kleine grüne Papageien und ein paar Pfefferfresser. Doch die Bekanntschaft mit dem portugiesischen Padre kam mir zu Statten, denn bei einer anderen Gelegenheit schenkte er mir ein schönes Exemplar der Yagouaroundikatze. Wohl ein Jeder hat von der Schönheit der Umgegend von Botofogo gehört.
Das Haus, in welchem ich wohnte, lag dicht unter dem
vielgenannten Berg Corcovado.
Es ist sehr richtig bemerkt worden,
dass steil aufsteigende kegelförmige Berge für die Formation charakteristisch sind, die Humboldt Gneisgranit nennt. Nichts kann überraschender sein, als die Wirkung dieser mächtigen runden Massen von nacktem Felsen, die aus der üppigsten Vegetation aufsteigen. Mit grossem Interesse beobachtete ich oft die Wolken, die sich vom Meere heranwälzend, gerade unter der höchsten Spitze des Corcovado eine Schicht
bildeten.
Gleich den
meisten
anderen
Bergen
schien auch der Corcovado, wenn so halb verschleiert, sich viel stattlicher zu erheben, als seine wirkliche Höhe, die nur 2300 Fuss beträgt. Mr. Daniell hat in seinen meteorologischen Abhandlungen mitgetheilt, dass eine Wolke zuweilen an einem Berggipfel zu haften scheint, während der Wind darüber streicht. Hier zeigte sich dasselbe Phänomen unter einer etwas anderen Form.
Man sah deutlich, wie sich die
Wolke hinaufkräuselte und mit grosser Schnelligkeit an dem Gipfel vorbeizog, dabei aber an Umfang weder ab- noch zunahm. Die Sonne war dem Untergehen nahe und eine sanfte südliche Brise, die gegen D a r w i n , Reise.
3
34
Zweites Kapitel
die Südseite des Berges wehte, mischte ihre Strömung mit der kälteren L u f t oben;
hierdurch
wurde
der Wasserdampf
verdichtet;
als aber
die leichten Wolkenflocken über den Grat zogen und in das Bereich der wärmeren Atmosphäre des allmählich sich senkenden Nordabhanges kamen, wurden sie sofort wieder aufgelöst. Das Klima war entzückend während der Monate Mai und J u n i ; das ist hier der Anfang des Winters.
Die mittlere Temperatur betrug
nach Beobachtungen, die sowohl Morgens wie Abends neun Uhr angestellt wurden, nur 23 0 C.
E s regnete oft stark, aber die trocknenden
Südwinde machten die W e g e bald wieder gangbar. fiel im Laufe von sechs Stunden
1,6 Zoll Regen.
Eines Morgens Während dieses
Gewitter über die den Corcovado umgebenden Wälder zog, war das Geräusch, das die Regentropfen auf der zahllosen Menge von Blättern hervorbrachten, sehr merkwürdig; man konnte es eine Viertelmeile weit hören,
und es klang wie
Nach
das Rauschen eines grossen Wasserfalles.
den heisseren Tagen
war
es höchst erfrischend im Garten zu
sitzen und den Abend zur Nacht werden zu sehen.
Die Natur wählt
sich in diesen Breiten ihre Sänger aus bescheideneren Kreisen als in Europa.
Ein
kleiner Frosch
von
der Gattung Hyla
sitzt auf einem
Grashalm ungefähr einen Zoll über dem Wasserspiegel und lässt ein angenehmes Zirpen hören; sind mehrere beisammen, so singen sie harmonisch in verschiedenen Tönen.
E s wurde mir ziemlich schwer, ein
Exemplar dieses Frosches zu fangen.
Bei der Gattung H y l a endigen
die Zehen in kleine Saugnäpfe, und ich fand, dass dieses Thier an einer Glasplatte emporkriechen konnte,
auch wenn sie völlig senkrecht ge-
halten wurde. Verschiedene Cicaden und Grillen lassen beständig einen schrillen Lärm erklingen, der aber, wenn durch die Entfernung gemildert, nicht unangenehm ist. Dies Concert fing jeden Abend nach dem Dunkelwerden an und ich lauschte ihm oft lange Zeit, bis meine Aufmerksamkeit durch irgend ein seltsames, vorbeifliegendes Insekt abgelenkt wurde. U m diese Zeit sieht man die Leuchtkäfer von Hecke zu Hecke fliegen,
und in einer dunklen Nacht gewahrt man das Licht bis auf
zweihundert Schritt Entfernung.
E s ist bemerkenswerth,
den
verschiedenen
Glühwürmern,
und
den
Arten
mancherlei
von
Seethieren
(Crustaceen,
dass bei all
leuchtenden Quallen,
Elatern
Nereiden,
Leuchteade Insekten (183a)
einer Koralle
aus der
Gattung
35
Clytia und bei
Pyrosoma),
die
ich
beobachtet habe, das Licht von einer ausgesprochenen grünen Färbung war. (zn
A l l e Leuchtkäfer, die ich hier fing, gehörten zu den Lampyriden welcher Familie auch das englische Glühwürmchen gehört),
und
die grössere Zahl der Exemplare waren Lampyris occidentalis*.
Ich
bemerkte, dass dies Insekt am hellsten strahlte, wenn es gereizt wurde; in den Zwischenzeiten wurden die Hinterleibsringe dunkel.
Das Auf-
blitzen geschah fast gleichzeitig in beiden Ringen, aber man konnte es doch zuerst an dem vorderen wahrnehmen. Die leuchtende Substanz war flüssig und sehr klebrig; kleine Stellen, an denen die Haut zergerissen w a r , blieben hell durch ein leises Flimmern, während unverletzten Theile sich verdunkelten.
die
K ö p f t e man das Insekt,
so
blieben die R i n g e ununterbrochen h e l l , aber nicht so strahlend wie zuvor;
örtliche Reizung mit einer Nadel steigerte immer die L e b -
haftigkeit des Lichtes.
In einem Falle
behielten
die R i n g e
ihre
Leuchtkraft noch vierundzwanzig Stunden nach dem T o d e des Insekts. Nach
diesen Thatsachen
nur die Macht
hat,
wäre
es wahrscheinlich,
für kurze Zeit
das Licht
dass
das
Thier
zu verbergen
oder
auszulöschen, und dass die Entfaltung zu anderen Zeiten nnwillkürlich ist.
Auf
den
schlammigen
und
feuchten Kieswegen fand ich die
Larven dieser Lampyris in grosser A n z a h l ; sie ähneln im Allgemeinen dem W e i b c h e n des englischen Glühwurmes.
Diese Larven besassen
nur schwache Leuchtkraft, stellten sich ganz abweichend von ihren Eltern bei der leisesten Berührung todt und hörten auf zu scheinen, auch
veranlasste
mehrere
von
Reizung
ihnen
keine
neue
sehr eigenthümliche Organe,
denn
geschickten
Saugnäpfe
gleich keit.
als Ich
Vorrichtung ein Behälter fütterte
ich bemerkte
Lichtentfaltung.
eine Zeit lang am Leben; als
sie
für Speichel
Ich
hielt
ihre Schwänze sind
dienen
vermöge
oder
Haftorgane
einer sehr und
oder eine derartige
die Thiere wiederholt mit rohem F l e i s c h ,
jedesmal,
dass
sehr
und
ab und zu das Schwanzende an den
Mund geführt und ein Tropfen auf das Fleisch abgesondert " I c h bin M r . W a t e r h o u s e
zu-
Flüssig-
dankbar
für s e i n e F r e u n d l i c h k e i t ,
s o w i e v i e l e a n d e r e I n s e k t e n b e s t i m m t und m i r a u c h sonst w e r t h v o l l e
wurde,
mir d i e s e s ,
Unterstützung
g e w a h r t zu h a b e n . 3*
36
Zweites Kapitel
w e l c h e s eben verzehrt werden sollte.
T r o t z s o vieler U e b o n g schien
der Schwanz nicht im Stande zu sein, den W e g zum M o n d e zu finden, wenigstens wurde zuerst immer der H a l s berührt, um gewissermassen als W e g w e i s e r zu dienen. Als
wir
uns
in
Bahia
aufhielten,
schien
ein
Elater
oder
Schmidt (Pyrophorus luminosus Iiiig.) das am häufigsten vorkommende leuchtende Insekt zu sein.
A u c h in diesem F a l l e wurde das L i c h t
in F o l g e von R e i z u n g heller. Ich unterhielt mich eines T a g e s damit, das
Springvermögen
dieses
Insekts
zu
beobachten,
Meinung nach n o c h nicht richtig beschrieben i s t * . auf den R ü c k e n bewegte
gelegt
er K o p f
das
meiner
W u r d e der Elater
und schickte er sich zum Springen a n ,
und
Brust
TÜckwärts,
so
dass
so
der Bruststachel
ausgezogen wurde und auf dem R a n d e seiner Scheide ruhte.
Wurde
dieselbe R ü c k w ä r t s - B e w e g u n g fortgesetzt, so wurde der Stachel durch die v o l l e W i r k u n g der Muskeln wie eine elastische F e d e r gebogen, und in diesem A u g e n b l i c k
ruhte
das Insekt auf der Spitze des K o p f e s
und denen der F l ü g e l d e c k e n .
Liess dann diese A n s p a n n u n g plötzlich
nach, so flogen K o p f und Brust in die H ö h e , und es schlug in F o l g e dessen dass
die Basis
das
der F l ü g e l d e c k e n
Insekt
durch
emporgeschnellt wurde.
den
so heftig
Rückprall
ein
gegen die Unterlage, bis
zwei
Zoll
die S c h e i d e des Stachels dienen dazu, den ganzen K ö r p e r des S p r u n g e s im Gleichgewicht zu halten. welche
i c h gelesen
Elasticität
habe,
des Stachels
nicht das R e s u l t a t
hoch
D i e vorspringenden Spitzen des Thorax und
war
gelegt;
nicht ein
genügendes so
während
B e i den Beschreibungen,
plötzlicher
einfacher Zusammenziehung
Gewicht
auf die
Sprung
könnte
der M u s k e l n
ohne
H ü l f e irgend einer mechanischen V o r r i c h t u n g sein. Mehrmals hatte ich den Genuss, Ausflüge
kurze aber höchst
in die U m g e g e n d zu machen.
angenehme
E i n e s T a g e s ging ich nach
dem botanischen G a r t e n , in dem man viele Pflanzen wachsen sieht, die
wegen
ihres
grossen Nutzens
bekannt
sind.
Die
Blätter
des
K a m p h e r s , P f e f f e r s , des Zimmet- und Gewürznelkenbaumes dufteten sehr aromatisch,
und der B i o t b a u m , die Jaca und der M a n g o wett-
* K i r b y ' s E n t o m o l o g y , vol. II. p. 317.
37
R i o de Janeiro (183a)
eiferten in der Pracht ihres Blätterschmuckes. der Umgebung von Bahia erhält beinahe die letztgenannten beiden Bänme.
Die Landschaft in
ihren Charakter
durch
Ehe ich sie gesehen, hatte ich
keine Vorstellung davon, dass Bäume einen so schwarzen Schatten -werfen
konnten.
Beide stehen zu der immergrünen Pflanzenwelt
dieser Klimate in demselben Verhältniss, wie in England Lorbeer und Stechpalme zu dem helleren Grün der Bäume mit Laubwechsel. Auch verdient angeführt zu werden, dass die Häuser in den Tropen von den schönsten Pflanzenformen umgeben sind, weil viele von ihnen zugleich dem Menschen den höchsten Nutzen gewähren.
Wer
kann an der Vereinigung dieser Eigenschaften bei der Banane, der K o k o s - und vielen anderen Palmen, bei dem Orangen- und Brotfruchtbaum zweifeln? Während dieses Tages wurde ich lebhaft an einen Ausspruch von Humboldt erinnert, welcher oft des feinen Dunstes erwähnt, „der ohne die Durchsichtigkeit der Luft zu beeinträchtigen, ihre Farbentöne harmonischer macht und ihre Wirkung mildert.'
Dies ist eine
Erscheinung, die ich nie in den gemässigten Zonen beobachtet habe. In einer kleinen Entfernung von einer halben oder dreiviertel Meilen gesehen, war die Atmosphäre
vollkommen
durchsichtig,
aber in
grösserer Entfernung mischten sich alle Farben zu einem wunderschönen Duft von blassem französischen Grau mit einem kleinen blauen Zusatz.
Die Beschaffenheit der Atmosphäre zwischen dem
Morgen und gegen Mittag, wo diese Wirkung am auffallendsten war, hatte nur geringe Veränderungen erlitten mit Ausnahme ihrer Trockenheit.
In der Zwischenzeit war der Unterschied zwischen dem Thau-
punkt und der Temperatur von 4 0 auf 9,5° gestiegen. Bei einer anderen Gelegenheit machte ich mich früh auf und wanderte nach dem Gavia oder Topsegelberge. Die Luft war herrlich kühl und würzig und die Thautropfen glänzten noch auf den Blättern der grossen lilienartigen Pflanzen, welche die kleinen klaren Bäche beschatteten.
Während ich auf einem Granitblock sass, war es ent-
zückend, die mannigfachen vorbeifliegenden Insekten und Vögel zu beobachten.
Insonderheit schienen die Kolibris solche abgelegene
schattige Plätze zu lieben.
So oft ich diese kleinen Geschöpfe um
38
Zweites Kapitel
eine Blume schwirren sah, mit so schnellem Flügelschlage, dass diese kanm sichtbar waren, erinnerten sie mich an unsere Schwärmer (Sphinx): ihre Bewegungen und Lebensgewohnheiten haben in der That vielfache Aehnlichkeit. Einem Fussweg folgend, kam ich in einen herrlichen Wald, und auf einer Höhe von fünf oder sechshundert Fuss bot sich mir eine von den wundervollen Aussichten dar, die man auf jeder Seite von Rio häufig findet. In dieser Höhe bekommt die Landschaft ihre glänzendste Färbung, und jede Form, jede Farbenschattirung übertrifft an Pracht Alles, was der Europäer je in seinem eigenen Lande gesehen hat, so dass er nicht weiss, wie er seinen Empfindungen Worte verleihen soll. Der allgemeine Eindruck erinnerte mich oft an die reichsten Dekorationen, die ich in der Oper oder grossen Theatern gesehen hatte. Niemals kehrte ich von diesen Ausflügen mit leeren Händen zurück. An jenem Tage fand ich ein Exemplar eines merkwürdigen Pilzes, Hymenophallus genannt. Die meisten Leute kennen den englischen Phallus, der im Herbst die Luft mit seinem widerwärtigen Geruch verpestet, welcher indessen, wie der Entomologe weiss, für manchen unserer Käfer ein lieblicher Duft ist. So war es auch hier; ein Strongylus, von dem Geruch angezogen, liess sich auf dem Pilz nieder, während ich ihn in der Hand trug. Wir sehen hier in zwei verschiedenen Ländern ein ähnliches Verhältniss zwischen Pflanzen und Insekten der gleichen Familien, wenn auch die Arten beider verschieden sind. Wenn die Einführung einer neuen Spezies in ein Land durch den Menschen bewirkt wüd, erleidet jenes Verhältniss oft eine Unterbrechung; als ein Beispiel dafür kann ich anführen, dass die Blätter der Kohl- und Salatpflanzen, die in England so vielen Schnecken und Raupen Nahrung gewähren, in den Gärten von Rio unberührt bleiben. Während unseres Aufenthaltes in Brasilien habe ich eine grosse Zahl von Insekten gesammelt. Einige allgemeine Bemerkungen über die relative Wichtigkeit der einzelnen Ordnungen dürften den englischen Entomologen von Interesse sein. Die grossen und prächtig gefärbten Schmetterlinge bezeichnen die Zone, die sie bewohnen, viel deutlicher als jede andere Thiergruppe. Ich spreche nur von den Tag-
39
Schmetterlinge (1832)
Schmetterlingen; denn die Nachtfalter kommen in viel geringerer Zahl als
in unseren gemässigten Regionen vor,
obwohl
man nach der
Ueppigkeit der Vegetation das Gegentheil erwartet hätte. Sehr überraschend
war
mir
die Lebensweise
des Papilio
feronia.
Dieser
Schmetterling ist nicht selten und hält sich meist in den Orangenhainen auf. stämmen
Obwohl er hoch fliegt, setzt er sich doch oft an Baum-
nieder.
Bei
diesen
Gelegenheiten
ist
der
Kopf
stets
abwärts gerichtet und die Flügel sind in einer horizontalen Ebene ausgebreitet, statt vertikal zusammengeklappt zu sein, wie es gewöhnlich der F a l l ist.
E s ist dies der einzige Schmetterling, bei dem ich
beobachtet habe, dass er seine Beine zum Laufen gebraucht.
D a ich
diese Thatsache nicht kannte, entging mir das Insekt mehr als einmal ;
wenn
hatte,
lief er auf die Seite, gerade wenn ich sie schliessen wollte.
ich
mich
vorsichtig
mit
der
Fangschere
genähert
A b e r noch eigenthümlicher ist der Umsfand, dass diese Spezies die Fähigkeit besitzt, ein Geräusch hervorzubringen.* Manchmal, wenn ein Paar, wahrscheinlich Männchen und Weibchen, einander im Zickzack jagten,
kamen sie bis auf wenige Meter in meine N ä h e ,
und ich
hörte dann deutlich ein knackendes Geräusch, ähnlich dem, das ein Zahnrad unter Federhemmung hervorbringt.
Das Geräusch wurde in
kurzen Zwischenräumen wiederholt und konnte auf ungefähr zwanzig Meter Entfernung vernommen werden; ich bin sicher, dass bei dieser Beobachtung kein Irrthum vorliegt. Ueber das allgemeine Bild Die Zahl
der
sehr kleinen
ordentlich gross**.
und
der Käferwelt war ich dunkelfarbigen K ä f e r
enttäuscht. ist
ausser-
Die Sammlungen in Europa können sich bisher
* Mr. D o u b l e d a y hat kürzlich (vor der Entomological S o c i e t y am 3. März 1845) eine
merkwürdige Bildung
an
den
Flügeln
dieses
Schmetterlinges
vermittelst deren e r dieses G e r ä u s c h hervorzubringen scheint.
beschrieben,
E r s a g t : „ E r zeich-
net sich dadurch aus, dass er an der Basis der Vorderflügel zwischen der Costal- und der S u b c o s t a l a d e r eine A r t von T r o m m e l f e l l hat.
Diese beiden A d e r n haben in ihrem
Inneren ausserdem ein eigenthümliches schraubenartiges D i a p h r a g m a oder G e f ä s s . " In L a n g s d o r f s R e i s e n (1803—07, p. 74) s t e h t , dass auf der Insel St. C a t h e r i n a an der K ü s t e von Brasilien ein S c h m e t t e r l i n g , F e b r u a H o f i m a n n s e g g i , beim
Fliegen
ein G e r ä u s c h w i e mit einer K l a p p e r hervorbringe. ** Ich e r w ä h n e als Durchschnittsmass für die Ausbeute eines T a g e s (33. Juni), an
dem
ich meine A u f m e r k s a m k e i t nicht besonders auf K ä f e r
richtete,
dass i c h
40
Zweites Kapitel
nur rühmen, die grösseren Arten aus den Tropen zu besitzen.
Es
könnte die Seelenruhe eines Entomologen stören, wenn er sich vorstellt, welchen Umfang dereinst ein vollständiges Verzeichniss haben wird.
Die
fleischfressenden
Käfer,
die Carabiden,
finden
äusserst geringer Anzahl zwischen den Wendekreisen; so merkwürdiger im Vergleich mit der Zahl der
sich
in
dies ist um
fleischfressenden
Säugethiere, welche in heissen Ländern so reich vertreten sind. Mich überraschte diese Beobachtung sowohl als ich nach Brasilien kam, als auch, da ich die vielen zierlichen und beweglichen Formen der Harpaliden auf den gemässigten Ebenen des La Plata wieder vorfand. Treten etwa die sehr zahlreichen Spinnen und die räuberischen Hymenopteren (Hautflügler) an die Stelle der fleischfressender Käfer? Die Aasfresser
und
die Brachelytren
(Kurzflügler)
sind
sehr
selten;
andererseits sind die Rüsselkäfer und Chrysomeliden, welche alle für ihren Unterhalt von der Pflanzenwelt abhängig sind, in überraschender Anzahl vorhanden. dener rade in die
Spezies, davon
den
Ich meine damit nicht die Zahl verschie-
sondern
hängt
der
verschiedenen
Ordnungen
(Wanzen),
der
die
der
einzelnen
auffallendste Ländern
Orthopteren
ab.
Individuen,
Charakter Besonders
(Geradflügler)
der
denn ge-
Insektenwelt
zahlreich und
sind
Hemipteren
so wie gleichfalls die mit einem Stachel versehene Ab-
theilung der Hymenopteren
mit Ausnahme vielleicht der Bienen.
W e r zum ersten Mal einen tropischen Wald betritt, erstaunt über die Arbeit
der Ameisen: ausgetretene Wege zweigen sich nach
jeder Richtung ab, auf denen man ein Heer unermüdlicher Fourageure sieht, die einen ausziehend, die anderen heimkehrend, häufig mit Stücken grüner Blätter beladen, die grösser als ihr eigener Körper sind. Eine kleine dunkelfarbige Ameise wandert bisweilen in zahllosen Schaaren.
Eines
Tages bemerkte ich in Bahia, dass viele
achtundsechzig Arten von dieser Ordnung fing. Unter diesen waren nur zwei Carabiden, vier Brachelytren, fünfzehn Rüsselkäfer, vierzehn Chrysomeliden. Siebenunddreissig Arten Spinnen, welche ich nach Hause brachte, dürften beweisen, dass ich der allgemein begünstigten Ordnung der Käfer nicht eine allsugrosse Beachtung schenkte.
41
A m e i s e n s c h warme (1833)
Spinnen ,
Asseln
und
andere
Insekten,
sowie
einige
Eidechsen
in höchster A u f r e g u n g über eine kahle Stelle des Erdbodens liefen. Etwas kleinen hatte,
weiter dahinter war jeder Stengel, Ameisen. theilte
diese W e i s e
er
Nachdem sich
wurden
und
viele
Tode
zu
jedes Blatt schwarz von
jene
eine alte
kahle
Mauer
geschickt
Stelle
Auf
eingeschlossen,
waren wunderbar.
Als
änderten sie die R i c h t u n g
schmalen Zügen wieder die Mauer hinauf.
passirt
herunter.
die armen kleinen Geschöpfe
entrinnen,
die Strasse erreichten,
lief
Zag
Insekten
die Anstrengungen, welche diesem
der
die
und
und
machten, Ameisen
krochen
in
Ich legte einen kleinen
Stein s o , dass er einen der Züge aufhalten musste;
die ganze A b -
theilung griff ihn sofort an und zog sich dann augenblicklich zurück. K u r z darauf versuchte eine andere Abtheilung den A n g r i f f , es ihr auch nicht g e l a n g ,
einen Eindruck zu machen,
Marschlinie gänzlich aufgegeben.
und da
wurde
diese
W e n n sie einen Zoll ausgewichen
wären, hätte die Colonne den Stein umgehen können, und das wäre jedenfalls geschehen, wenn der Stein ursprünglich dort gelegen, aber da sie angegriffen worden waren, wollten die löwenherzigen
kleinen
Krieger nichts vom Nachgeben wissen. Gewisse wespenartige Insekten, die in den Ecken der Verandas Lehmzellen für ihre Larven bauen, kommen häufig in der Umgegend von R i o vor. Diese Zellen füllen sie mit halbtodten Spinnen und Raupen, die sie wunderbarer W e i s e so zu stechen wissen, dass sie gelähmt sind, aber leben bleiben, bis die Eier ausgeschlüpft sind und die Larven sich von dieser entsetzlichen Masse wehrloser, halbtodter Opfer nähren können, ein A n b l i c k , den ein enthusiastischer Naturforscher würdig
und
Tages
einen
erfreulich" Kampf
nennt*.
auf Leben
Es interessirte und
Tod
„merk-
mich sehr,
zwischen
einer
eines Pepsis
(einer W e s p e ) und einer grossen Spinne aus der Gattung Lycosa zu beobachten.
Die W e s p e griff die Spinne plötzlich an und flog dann
w e g ; die Spinne war augenscheinlich verwundet, denn als sie zu ent* Mr. A b b o t (Manuscript
im British
Museum)
machte
diese
Beobachtung
in
G e o r g i a , siehe Mr. A . W h i t e ' s A b h a n d l u n g in A n n a i s of N a t . Hist. vol. II. p. 47a. Lieut. Hutton
beschreibt
im Journal
of
the
Asiatic
S p h e x in Indien, die ähnliche Gewohnheiten hat.
Society
vol. 1. p. 555
eine
42
Zweites Kapitel
fliehen suchte, rollte sie einen kleinen A b h a n g hinunter, hatte
aber
doch noch K r a f t genug, um in ein dichtes Büschel Gras zn kriechen. Bald
darauf kehrte die W e s p e zurück und schien überrascht,
ihr
Opfer nicht gleich zu finden. Dann stellte sie eine regelrechte Suche an, wie nur je ein Hund auf einen Fuchs;
sie nmflog
die Stelle in
kurzen halbkreisförmigen F l ü g e n , während ihre F l ü g e l und Fühler beständig vibrirten. sie doch
So gut sich die Spinne versteckt hatte, wurde
schnell gefunden, und die W e s p e ,
scheinlich vor
den K i e f e m
die sich noch augen-
ihrer Gegnerin fürchtete, versetzte
nach vielem Manövriren zwei Stiche
ihr
auf der Unserseite der Brust.
Nachdem sie mit ihren Fühlern dann sorgfältig die jetzt regungslose Spinne
untersucht
hatte,
Leichnam fortzuschleppen.
machte
sie sich
schliesslich
daran, den
Ich bemächtigte mich aber beider, de»
Tyrannen wie seines Opfers*. Die Zahl
der Spinnen im Verhältniss zu anderen Insekten ist
hier viel grösser als in E n g l a n d ,
vielleicht grösser als die irgend
einer anderen Abtheilung von Gliederthieren.
Die Mannichfaltigkeit
der Arten unter den Springspinnen scheint beinahe unendlich.
Die
Gattung oder vielmehr die Familie Epeira (Kreuzspinnen) ist in vielen charakteristischen Formen vertreten; einige Arten haben spitzige lederartige Panzer, andere verbreiterte und mit domigen Schienen.
Jeder
Pfad in den Wäldern wird durch starke gelbe Gewebe einer
Art
versperrt, die zu derselben Abtheilung gehört, wie Epeira claviceps von Fabricius; von dieser erzählte früher Sloane, dass sie in West-Indien Gewebe anfertige von solcher Stärke, dass sich V ö g e l darin fingen. Eine die lebt
kleine,
hübsche
Spinnenart
mit sehr
langen
Vorderbeinen,
zu einer noch nicht beschriebenen Gattung zu gehören scheint, als Schmarotzer fast auf jedem jener Gewebe.
Ich vermuthe,
dass sie zu unbedeutend ist, um von der grossen Epeira beachtet zu werden und
sich deshalb von den winzigen Insekten nähren darf,
* Don Felix Azara (vol. I. p. 175) erzählt, dass er einen Hautilügler (vermuthlich derselben Gattung) gesehen, der eine todte Spinne durch hohes Gras in gerader Linie nach seinem Neste trug, welches einhundertdreiundsechzig Schritte entfernt lag. Er setzt hinzu, dass die W e s p e , um den W e g zu finden, ab und zu »demi-tours d'environ trois paimes« machte.
Spinnen
welche
an
den Netzfäden
bleiben würden.
hängen
43
(1839)
bleiben
nnd
sonst
unbenutzt
W i r d diese kleine Spinne erschreckt, so stellt sie
sich entweder todt, indem sie die Vorderbeine von sich streckt, oder lässt sich plötzlich von dem Netz herunterfallen. Eine grosse Kreuzspinne, die zu derselben Abtheilung wie Epeira tuberculata und conica gehört, ist ausserordentlich häufig, besonders an trockenen Stellen. Ihr G e w e b e , welches gewöhnlich zwischen den grossen Blättern der gemeinen A g a v e angebracht ist, wird zuweilen in der Nähe des Mittelpunktes noch dadurch verstärkt, dass zwei oder selbst vier Zickzackbänder zwei nebeneinander liegende Strahlen verbinden.
"Wenn sich
irgend ein grosses I n s e k t , eine Heuschrecke oder eine W e s p e
ge-
fangen hat, so versetzt die Spinne es durch eine geschickte Bewegung in sehr schnelle Drehungen,
und indem
sie gleichzeitig von ihren
Sipnnwarzen ein Bündel Fäden ausgehen lässt, schliesst sie ihre Beute in eine Hülle
wie
in
ein Seidencocon
ein.
Dann
untersucht die
Spinne ihr wehrloses Opfer und versetzt ihm den tödtlichen Biss am hinteren Theil des Thorax, zieht sich darauf zurück und wartet geduldig, bis das Gift gewirkt hat.
Die
Heftigkeit des Giftes kann
man nach der Thatsache beurtheilen, dass als ich eine halbe Minute nach der Verwundung das Gespinnst öffnete, ich eine grosse W e s p e völlig leblos fand.
Diese Kreuzspinne sitzt immer mit abwärts ge-
richtetem K o p f nahe der Mitte des Netzes.
W e n n man sie stört, be-
nimmt sie sich verschieden, j e nach den Umständen; Gebüsch
unter ihr,
befindet sich
lässt sie sich plötzlich herunterfallen,
und ich
habe deutlich gesehen, dass das T h i e r , während es noch ganz still sass, den von den Spinnwarzen ausgehenden Faden verlängerte, als V o r bereitung für den Fall. Ist der Boden unter dem Netz unbedeckt, lässt sich die Epeira selten herabfallen, sondern läuft schnell durch einen Mittelgang von einer nach der anderen Seite.
Dauert die Störung
an, führt sie ein höchst merkwürdiges Manöver aus: in der Mitte stehend schüttelt sie das an biegsamen Zweigen befestigte
Gewebe
heftig, bis endlich das Ganze in eine so schnell schwingende Bewegung geräth, dass selbst die Umrisse des Spinnenkörpers undeutlich werden. E s ist bekannt, dass die meisten englischen Spinnen, wenn sich ein sehr grosses Insekt in ihrem Netz gefangen hat,
die Fäden zu
44
Zweites Kapitel
durchschneiden und ihre Beute zu befreien suchen, um ihr Gewebe vor gänzlicher Zerstörung zu retten. Doch habe ich einmal in einem Treibhanse in Shropshire gesehen, dass, als eine grosse weibliche Wespe sich in dem unregelmässigen Gewebe einer ganz kleinen Spinne gefangen hatte, diese mit grösster Ausdauer fortfuhr, den Körper und besonders die Flügel ihrer Beute einzuwickeln. Anfangs versuchte die Wespe noch, wenn auch vergebens, ihre kleine Gegnerin mit dem Stachel zu treffen. Mich dauerte die Wespe und nachdem ich sie sich länger als eine Stunde hatte wehren lassen, tödtetc ich sie und legte sie in das Netz zurück. Die Spinne kam bald wieder, und eine Stunde darauf war ich überrascht zu sehen, dass sie ihre Kiefern in die Oefihung gegraben hatte, durch welche die lebende Wespe ihren Stachel steckt. Ich vertrieb die Spinne ein paar mal, aber während der nächsten vierundzwanzig Stunden sah ich sie immer wieder an derselben Stelle saugend. Durch die Säfte ihrer Beute, die viele Male grösser als sie selbst war, schwoll die Spinne bedeutend auf. Ich will hier noch erwähnen, dass ich bei St. F i Bajada viele grosse schwarze Spinnen mit rubinfarbener Zeichnung auf dem Rücken fand, welche gesellig leben. Die Netze waren vertical angebracht, wie es bei der Gattung Epeira stets der Fall ist; von einander waren sie durch einen ungefähr zwei Fuss breiten Zwischenraum getrennt, aber sie waren sämmtlich an gewissen gemeinschaftlichen Fäden befestigt, welche von bedeutender Länge waren und sich nach allen Theilen der Gemeinde erstreckten. Auf diese Weise waren die Spitzen einiger grossen Büsche durch diese gemeinschaftlichen Netze umhüllt. Azara* hat eine gesellig lebende Spinne in Paraguay beschrieben, von der Walckenaer meint, dass sie ein Theridion sein müsse; wahrscheinlich aber ist es eine Epeira und vielleicht sogar dieselbe Art wie die meine. Doch erinnere ich mich nicht, ein Mittelnest von der Grösse eines Hutes gesehen zu haben, in welches im Herbst, wenn die Spinnen sterben, nach Azara's Bericht die Eier gelegt werden. Da alle Spinnen, die ich sah, von gleicher Grösse waren, müssen sie un* Azara; 3. Reise I, 313
45
Spinnen (1839)
gefähr von demselben Alter gewesen sein.
Diese gesellige Lebens-
weise bei einer so typischen Gattung wie Epeira, und zwar unter Insekten, die so blutdürstig und einsiedlerisch sind, dass selbst die beiden Geschlechter einander angreifen, ist eine sehr auffällige Thatsache. In einem Hochthal der Cordilleren, nahe Mendoza, fand ich eine andere Spinne mit einem eigenthümlich geformten Gewebe.
Starke
Fäden strahlten in vertikaler Ebene von einem gemeinsamen Mittelpunkte aus, wo die Spinne sass; aber nur zwei der Strahlen waren durch ein symmetrisches Maschenwerk verbunden, so dass das Netz statt wie gewöhnlich kreisförmig zu sein, aus einem keilförmigen Segment bestand.
Alle Netze waren auf diese A r t gebaut
DRITTES KAPITEL. Monte Video — Maldonado — Ausflug nach R. Polanco — Lazo und Bolas — Rebh ü h n e r — Baumlosigkeit — Hirsche — C a p y b a r a oder W a s s e r s c h w e i n — T u c u t u c o — Molothrus mit der Lebensweise des K u c k u c k — F l i e g e n f ä n g e r — Spottvogel — A a s f r e s s e n d e Raubvögel — D u r c h den Blitz g e b i l d e t e R ö h r e n — Ein vom Blitz getroffenes H a u s .
MALDONADO. 5. Juli 1832. — Am Morgen früh segelten wir aus dem prächtigen Hafen von Rio de Janeiro. Auf unserer Ueberfahrt nach dem La Plata sahen wir nichts Besonderes, ausser dass wir eines Tages einer grossen Heerde von Tümmlern (porpoises) begegneten, viele Hunderte an Zahl. Die ganze See war von ihnen durchfurcht und sie boten ein eigenthümliches Schauspiel dar, wie sie sich zu hunderten sprungweis, das Wasser durchschneidend, weiter bewegten, so dass der ganze Körper zu sehen war. Während das Schiff neun Knoten in der Stunde lief, vermochten diese Delfine dennoch mit der grössten Leichtigkeit vor dem Bug von einer auf die andere Seite zu kreuzen und dann in gerader Richtung vorwärts zu schiessen. Sobald wir das Mündungsgebiet des La Plata erreichten, wurde das Wetter unbeständig. In einer dunklen Nacht kamen zahlreiche Robben und Pinguine dicht an das Schiff und gaben so wunderliche Töne von sich, dass der wachthabende Offizier meldete, man höre vom Lande her Vieh brüllen. In einer anderen Nacht bot sich uns ein prachtvoller Anblick von natürlichem Feuerwerk dar; die Mastspitzen und die Enden der Raaen erglänzten in St. Elm's Feuer; man konnte sogar die Umrisse des Wimpels erkennen, als ob er mit Phosphor be-
Maldonado (183a)
strichen wäre.
47
Das Meer leuchtete so stark, dass sich
der Pinguine durch
die Fährten
einen feurig glänzenden Streifen abzeichneten,
und die Dunkelheit des Himmels wurde für Augenblicke durch ungemein helle Blitze gelichtet. A l s wir in der Mündung des Flusses waren, interessirte es mich zu beobachten, wie langsam sich die Gewässer des Meeres und des Stromes vermischten.
Letzteres trübe und schmutzig, trieb vermöge
seines geringeren spezifischen Gewichtes auf der Oberfläche des Salzwassers.
Dies zeigte sich sehr auffallend bei dem Kielwasser des
Schiffes, in dem sich ein Streifen blauen "Wassers in kleinen Strudeln mit dem umgebenden Elemente vermischte. 26. Juli.
— W i r gingen bei Monte Video vor Anker.
Während
der beiden folgenden Jahre war der „ B e a g l e " dazu in Anspruch genommen, die äussersten südlichen und östlichen Küsten von Amerika südwärts vom L a Plata aufzunehmen. Um überflüssige Wiederholungen zu vermeiden, will ich diejenigen Auszüge aus meinem Tagebuche mittheilen, die sich auf dieselben Orte beziehen, ohne Rücksicht auf die Reihenfolge, in der wir sie besucht haben. Maldonado liegt auf dem nördlichen Ufer des Plata, unweit des Meeresamies, zu dem er sich erweitert. E s ist ein ganz stilles, weltabgeschiedenes Städtchen von der landesüblichen Bauart, so dass die Strassen einander immer rechtwinkelig schneiden; und in der Mitte hat es eine grosse Plaza, einen Marktplatz, dessen Umfang die Spärlichkeit der Bevölkerung erst recht deutlich macht. E s treibt so gut wie gar keinen Handel und die Ausfuhr beschränkt sich auf etwas Häute und lebendes Vieh.
Die Einwohner sind fast alle Landbe-
sitzer, dazu noch ein paar Krämer und die notwendigsten Handwerker, wie Schmiede und Zimmerleute,
welche beinahe die ganze
Arbeit im Umkreis von fünfzig Meilen besorgen. Sandhügeln,
ungefähr eine Meile breit,
Eine Reihe von
trennt die Stadt von dem
Flusse; auf allen anderen Seiten ist sie von einer offenen, sanft.gewellten Ebene umgeben, die überall mit schönem grünen Rasen bedeckt ist, auf dem zahllose Heerden von Rindvieh, Pferden weiden. angebaut;
ein
Schafen und
Selbst in der Nähe der Stadt ist nur wenig Land paar
aus
Kaktus
und
Agaven
gebildete
Hecken
48
Drittes Kapitel
zeigen, wo etwas Weizen und Mais gebaut ist. Das Aassehen der Gegend am nördlichen Ufer des Plata entlang ist überall das nfimliche. Nur der Unterschied zeigt sich, dass die Granithügel hier etwas kühnere Formen annehmen. Die Landschaft ist sehr nilinteressant; sie wird kaum durch ein Haus, eingefriedigtes Feld oder auch nur durch einen Baum belebt. Nachdem man aber lange auf ein Schiff gebannt gewesen ist, gewährt die Vorstellung einen Reiz, frei über endlose Grasebenen schweifen zu können. Wenn ausserdem die Aussicht auf ein begrenztes Gebiet beschränkt ist, so findet man doch viele anziehende Gegenstände heraus. Einige der kleineren Vögel sind prächtig gefärbt, und der frisch grüne Rasen, der vom Vieh kurz abgeweidet wird, ist durch Zwergblumen geschmückt, unter denen eine, dem Gänseblümchen gleichende, uns wie eine Freundin anheimelte. Was wird ein Blumenfreund dazu sagen, dass ganze Strecken so dicht mit der Verbena melindres bestanden sind, dass sie selbst in der Entfernung prächtig scharlachroth leuchten? Ich verweilte zehn Wochen in Maldonado und brachte in dieser Zeit eine nahezu vollständige Sammlung von Säugethieren, Vögeln und Reptilien zusammen. Ehe ich einige darauf bezügliche Bemerkungen mache, will ich über einen kleinen Ausflug berichten, den ich bis an den Fluss Polanco unternahm, welcher ungefähr siebzig Meilen in nördlicher Richtung liegt. Als Beweis, wie wohlfeil Alles hier zu Lande ist, führe ich an, dass ich täglich nur zwei Dollars oder acht Schilling für zwei Männer mit einem Trupp von ungefähr zwölf Reitpferden bezahlte. Meine Gefährten waren mit Säbeln und Pistolen wohl bewaffnet, eine Vorsichtsmassregel, die mir ziemlich überflüssig schien; aber die erste Neuigkeit, die wir hörten, war, dass Tags zuvor ein Reisender ans Monte Video mit durchschnittener Kehle todt an der Strasse gefunden worden sei, und zwar in der Nähe eines Kreuzes, das von einer früheren Mordthat berichtete. Die erste Nacht schliefen wir in einem abgelegenen kleinen Landhause, und dort machte ich bald die Entdeckung, dass ich im Besitze einiger Gegenstände sei, die unbegrenztes Staunen erregten. In jedem Hause wurde ich gebeten, meinen Compass zu zeigen und mit seiner Hülfe, sowie mit einer Karte die Richtung verschiedener
Unwissenheit der Bevölkerung (1833)
Ortschaften
anzugeben.
Es
dass ich, ein ganz F r e m d e r ,
erregte
die
49
lebhafteste
Bewunderung,
den W e g kannte (denn Richtung und
W e g sind in diesem offenen Lande gleichbedeutend) nach Orten, in denen ich nie gewesen war.
In einem Hause liess mich eine kranke
junge Frau, die bettlägerig war, dringend ersuchen zu ihr zu kommen und ihr den Compass zu zeigen.
W a r ihr Erstaunen gross, so war
für mich die Ueberraschung noch grösser, derartige Unwissenheit bei Leuten zu finden, die Tausende von Rindern und grosse „Estancias" besassen.
Sie ist nur durch den Umstand zu erklären, dass Fremde
selten in diesen abgelegenen Theil des Landes kommen. mich, ob sich die Erde oder die Sonne b e w e g e ;
Man fragte
ob es im Norden
heisser oder kälter wäre; wo Spanien l ä g e ; und viele andere Dinge. Die Mehrzahl
der Bewohner meinten,
dass England,
Nordamerika verschiedene Bezeichnungen
London und
für denselben Ort
wären;
aber die Gebildeteren wussten, dass London und Nordamerika zwei verschiedene, aber dicht bei einander liegende Länder seien, und dass England
eine
grosse
Stadt
in London
wäre!
Ich führte
einige
Schnellzünder bei mir, die ich durch Beissen entzündete; man fand es so staunenswerth,
dass ein Mann mit seinen Zähnen Feuer an-
machen könne, dass sich gewöhnlich die ganze Familie versammelte, es mit anzusehen, und man mir einmal einen Dollar für einen einzigen Zünder bot. Dass ich mir Morgens das Gesicht wusch, erregte grosse Verwunderung im Dorfe L a s Minas, und ein angesehener Handelsmann forschte mich scharf aus wegen dieses sonderbaren Gebrauches und auch wesshalb wir auf dem Schiffe uns den Bart stehen liessen; denn er hatte von meinem Führer gehört, dass wir es thäten. sah mich
sehr misstrauisch
an;
vielleicht
Waschungen der Muhamedaner gehört,
Er
hatte er etwas von den
und da er wusste, dass ich
ein Ketzer wäre, zog er wahrscheinlich daraus den Schluss, dass alle K e t z e r Türken wären. Hause
E s ist allgemein Sitte, in dem ersten besten
um ein Nachtlager
zu bitten.
Die
Bewunderung,
die
der
Compass erregte und meine anderen Taschenspielerkünste kamen mir zu statten, denn mit ihnen, sowie mit den langen Geschichten, die meine Führer von mir erzählten: dass ich Steine klopfte, giftige von unschädlichen Schlangen unterscheiden könnte, Ungeziefer sammelte u. s. w., D a r w i n , Reise.
4
Drittes Kapitel
50
vergalten wir den Lenten ihre Gastfreundschaft. Dies klingt, als wäre ich unter Wilden im Inneren Afrikas gewesen. Banda Oriental* wird sich durch diesen Vergleich nicht geschmeichelt fühlen, aber mir war damals so zu Muth. Am nächsten Tage ritten wir nach dem Dorfe Las Minas. Das Land war etwas hügeliger, aber sonst dasselbe, doch würde ein Bewohner der Pampas gemeint haben, es besässe Hochgebirgscharakter. Das Land ist so dünn bevölkert, dass wir während des ganzen Tages kaum einem einzigen Menschen begegneten. Las Minas ist viel kleiner als selbst Maldonado. Es liegt in einer kleinen Ebene und ist von niedrigen Felsbergen umgeben. Die Bauart ist wie gewöhnlich symmetrisch, und sieht es mit der weissgetünchten Kirche in der Mitte ganz hübsch aus. Die aussenliegenden Häuser stiegen ohne Garten oder Hof aus der kahlen Ebene völlig isolirt auf. Das ist allgemein landesüblich; deshalb sehen aber auch alle Häuser ongemüthlich aus. Ueber Nacht blieben wir in einer Pulperia oder Schänke. Während des Abends stellte sich eine grosse Anzahl Gauchos ein, um Schnaps zu trinken und Cigarren zu rauchen, sehr charakteristische Gestalten, in der Mehrzahl hochgewachsen und hübsch, aber mit hochmüthigem und liederlichem Gesichtsausdruck. Meist tragen sie einen Schnurrbart, und das lange schwarze Haar wallt lockig über den Nacken. Den buntfarbigen Gewändern, den grossen Sporen, die an ihren Hacken klirren, den Messern, die wie Dolche im Gürtel stecken (und häutig in gleicher Weise gebraucht werden), entspricht der Name, den sie fuhren, keineswegs, denn Gauchos bedeutet nichts anderes als Landmann. Ihre Höflichkeit ist übertrieben; sie trinken nie ihren Branntwein ohne die Bitte auszusprechen, dass man ihn kosten möge; aber während sie sich auf das anmuthigste verneigen, scheinen sie ganz bereit, einem den Hals abzuschneiden, falls sich ihnen die Gelegenheit dazu bieten sollte. Am dritten Tage setzten wir unseren Weg, wenn auch mit Unterbrechungen, fort, da ich mich damit beschäftigte, einige Schichten Marmor zu untersuchen. Auf den schönen Grasebenen sahen wir * Alter Name für Uruguay.
51
Beobachtung von Förmlichkeiten (183a)
viele Strausse (Struthio rhea). Einige der Heerden enthielten zwanzig bis dreissig Stück. Wenn die Vögel auf den kleinen Bodenerhebungen standen und gegen den klaren Himmel gesehen wurden, machten sie einen sehr stattlichen Eindruck. Ich habe in keinem anderen Theile des Landes so zahme Strausse gefunden; man konnte bis auf kuize Entfernung an sie heran gallopiren, dann aber breiteten sie ihre Flügel aus, liefen wie mit aufgespanntem Segel vor dem Winde und liessen die Pferde bald hinter sich zurück. Gegen Abend erreichten wir das Haus des Don Juan Fuentes, eines reichen Grundbesitzers, der keinem meiner Gefährten persönlich bekannt war. Nähert man sich dem Hause eines Fremden, ist es Sitte, gewisse Förmlichkeiten zu beobachten: man reitet langsam vor die Thür, bietet a b Grass ein Ave Maria und ehe nicht Jemand herausgekommen ist und zum Absteigen aufgefordert hat, ist es nicht Sitte, auch nur vom Pferde zu steigen; die übliche Antwort des Hausherrn auf das Ave Maria ist: „sin pecado concebida", ohne Sünde empfangen. Hat man das Haus betreten, so wird einige Minuten ein allgemeines Gespräch geführt, ehe man um ein Nachtquartier bittet, das als etwas Selbstverständliches gewährt wird. Der Gast nimmt dann die Mahlzeiten mit der Familie ein, und ihm wird ein Zimmer angewiesen, wo er auf den zum Recado (Sattelzeug, das in den Pampas üblich ist) gehörigen Decken schläft. Es ist merkwürdig, wie gleiche Verhältnisse gleiche Sitten erzeugen. Am Cap der Guten Hoffnung wird ähnliche Gastfreundschaft geübt und beinahe dieselbe Förmlichkeit allgemein beobachtet. Der Unterschied zwischen dem Spanier und dem holländischen Boern zeigt sich indessen darin, das» der Spanier nie seinem Gast eine Frage stellt, welche auch nur im Mindesten gegen die feine Lebensart verstösst, während der biedere Holländer sich erkundigt, wo der Reisende herkommt, wo er hingeht, was er für ein Geschäft treibt und sogar wie viel Brüder, Schwestern oder Kinder er hat. Bald nach unserem Eintreffen in Don Juan's Haus wurde eine der grossen Viehheerden hereingetrieben und drei Thiere zum Schlachten für den eigenen Bedarf ausgewählt. Diese halbwilden Rinder sind sehr lebhaft, und da sie den verhängnissvollen Lazo ge-
4*
52
Drittes Kapitel
nau kennen, mussten die Pferde eine lange und mühselige Jagd auf sie machen. Nachdem wir den primitiven Reichthum an Rindvieh , Menschen und Pferden kennen gelernt, war Don Juan's elende Behausung sonderbar genug. Der Fussboden bestand aus festgestampfter Erde; die Fenster hatten keine Scheiben; im Wohnzimmer standen einige roh gearbeitete Stühle und Schemel und ein paar Tische. Obgleich verschiedene Fremde im Hause waren, bestand das Abendessen nur aus zwei vollgehäuften Schüsseln, die eine mit gebratenem, die andere mit gekochtem Rindfleisch, dazu ein paar Stücken Kürbis; ausserdem gab es kein Gemüse, nicht einmal ein Stück Brot. Die ganze Gesellschaft trank gemeinsam Wasser aus einem grossen irdenen Krug. Dabei besass dieser Mann mehrere Quadratmeilen Landes, das beinahe durchgängig für Getreidebau geeignet war und bei geringer Mühe alle gewöhnlichen Gemüse tragen würde. Wir verbrachten den Abend mit Rauchen, dazwischen wurde etwas zur Guitarre gesungen. Die Signoritas sassen alle in einer Ecke zusammen und speisten auch nicht mit den Männern. Es giebt schon so viele Beschreibungen jener Gegenden, dass es fast überflüssig ist, den Lazo oder die Bolas zu beschreiben. Der Lazo besteht aus einem sehr starken aber dünnen und sorgfältig aus ungegerbtem Leder geflochtenen Seil. Das eine Ende ist an dem breiten Sattelgurt befestigt, welcher das complicirte Geschirr des Recado (des in den Pampas üblichen Sattels) zusammenhält; das andere Ende läuft in einen kleinen Eisen- oder Messingring aus, vermittelst dessen eine Schlinge gebildet werden kann. Will der Gaucho den Lazo benutzen, hält er ein paar kurze Wickel des Seiles in der Zügelhand und in der anderen die lose Schlinge, welche sehr weit gemacht wird und meist einen Durchmesser von acht Fuss hat. Diese wirbelt er um seinen Kopf herum, die Schlinge durch eine geschickte Bewegung des Handgelenkes stets offen haltend. Schleudert er sie dann, so kann er damit jede beliebige Stelle treffen, die er zu erreichen beabsichtigt. Wird der Lazo nicht gebraucht, hängt er aufgerollt am Hintertheil des Sattels. Bolas oder Bälle giebt es zweierlei: die einfachste Sorte, die hauptsächlich für den Straussenfang verwendet wird, besteht aus zwei runden mit Leder
Das Schleudern der Bolas (183a)
bezogenen dünn
Steinen,
geflochtenen
die
durch
Lederriemen
weicht
nur insofern davon a b ,
einem
gemeinsamen Mittelpunkt
die
kleinste
der
drei K u g e l n
einen
nngefähr
verbunden dass in
acht Fuss
sind.
drei
Die
Kugeln
vereinigt sind.
anderen oftmals um seinen K o p f ;
53
der Hand
langen
andere
Art
mit Riemen
Der
Gaucho
und wirbelt
in hält
die
zwei
dann zielt er und schleudert sie
wie K e t t e n k u g e l n in drehender Bewegung durch die Luft.
Sobald
die K u g e l n ihr Ziel treffen, winden sich die Riemen herum, kreuzen einander
und
werden
fest verwickelt.
Die
Grösse und
Schwere
der K u g e l n wechselt, je nach dem Z w e c k , dem sie dienen sollen; sind sie aus Stein und selbst nicht grösser als ein A p f e l , haben sie K r a f t genug, das Bein eines Pferdes zu brechen.
Ich habe hölzerne
K u g e l n von dem Umfange einer Futterrübe gesehen, welche bestimmt waren, Pferde einzufangen, ohne sie zu beschädigen.
Zuweilen sind
die K u g e l n
aus Eisen angefertigt und diese können auf die weiteste
Entfernung
geschleudert
werden.
Die
Hauptschwierigkeit
beim
Gebrauch sowohl des Lazo als der Bolas besteht darin, so gut zu reiten, dass man im gestreckten Galopp und beim plötzlichen Umwenden sie immer so gleichmässig um den K o p f zu schwingen vermag, dass man zielen kann; schnell lernen. und
die K u g e l n
Kugel
zu Fuss könnte Jedermann den Kunstgriff
Eines Tages belustigte ich mich damit zu galoppiren über meinem K o p f e
zufällig an einen Busch stiess;
zu schwingen,
als die freie
da ihre drehende Bewegung
auf diese W e i s e unterbrochen wurde, fiel sie sofort zu Boden und hatte wie durch Hexerei gleich das Hinterbein meines Pferdes umschlungen ; die andere Kugel wurde mir dadurch aus der Hand gerissen und das Pferd völlig gefesselt. altes
erprobtes Thier
und
begriff,
Glücklicherweise war es ein
was
es zu bedeuten hatte;
im
anderen Falle würde es so lange ausgeschlagen haben, bis es an der Erde gelegen hätte.
Die Gauchos wieherten vor Lachen; sie riefen
mir zu, dass sie schon hätten alle A r t e n von Thieren fangen gesehen, aber noch nie, dass ein Mensch sich selbst gefangen hätte. Während der folgenden zwei Tage erreichte ich den entferntesten P u n k t , den ich kennen zu lernen wünschte.
Die Landschaft zeigte
den gleichen Charakter, bis mir zuletzt der schöne grüne Rasen lang-
54
Drittes Kapitel
weiliger wurde als eine staubige Landstrasse.
Ueberall sahen wir
grosse Mengen von Rebhühnern (Nothura major). Diese V ö g e l halten «ich aber nicht in Völkern zusammen, noch verbergen sie sich, wie die englischen.
E s scheint ein sehr einfältiger Vogel zu sein.
Wenn
ein Reiter sie umkreist oder vielmehr in einer Spirale umreitet,
so
dass er sich mit jeder Windung ihnen nähert, kann er ihrer so viele todtschlagen, wie er mag. Schlinge
A m häufigsten werden sie mit einer losen
(oder kleinem Lazo)
gefangen,
die aus dem Schaft
einer
Straussenfeder gemacht und an das Ende eines langen Stockes befestigt Ein Junge auf einem ruhigen alten Pferde kann auf diese W e i s e
ist.
dreissig bis Nordamerika
vierzig V ö g e l fangen
an einem
die Indianer*
Tage
fangen.
Im
den Schneehasen,
arktischen
wenn
er auf
seinem Lager sitzt, indem sie in einer Spirale um ihn herumgehen; die Mitte des T a g e s gilt für die beste Zeit,
wenn die Sonne hoch
steht, und der Schatten des Jägers nicht sehr lang ist. B e i der R ü c k k e h r nach Maldonado schlugen wir einen etwas anderen W e g ein.
In der Nähe von Pan de Acuzar, einem Punkt,
welcher allen denen wohlbekannt ist,
die den Plata hinaufgesegelt
sind, blieb ich einen T a g in dem Hause eines sehr gastfreien Spaniers.
Früh Morgens bestiegen wir die Sierra
de las
alten
Animas.
Im Lichte der aufgehenden Sonne sah die Landschaft fast malerisch aus.
Nach W e s t e n
dehnte
sich
die Aussicht über
unermessliches
Flachland bis an den Berg bei Monte Video aus und östlich über die kleinen Bodenerhebungen bei Maldonado.
A u f dem Gipfel des
Berges befanden sich mehrere kleine Steinhaufen, die augenscheinlich seit vielen Jahren dort gelegen hatten.
Mein Begleiter behauptete,
dass sie von den Indianern aus alter Zeit herrührten. waren denjenigen ähnlich, wenn in den Bergen von W a l e s findet.
Diese Haufen
auch viel kleiner, die man häufig Der W u n s c h ,
ein Ereigniss auf
dem höchsten Punkte der Umgegend zu bezeichnen, scheint ein allgemein menschlicher Trieb zu sein. In unseren Tagen giebt es nicht einen einzigen wilden oder civilisirten Indianer in diesem Theile der Provinz;
auch
ist mir nicht bekannt,
• H e a r n e ' s J o u r o e y p. 383.
dass die früheren Bewohner
Klima und V e g e t a t i o n (183a)
55
irgend welche andere Denkmäler als diese unbedeutenden Steinhaufen auf dem Gipfel der Sien-a de las A n i m a s zurückgelassen hätten. Die
allgemeine
und
beinah gänzliche Baumlosigkeit in Banda
Oriental ist bemerkenswerth. mit
dichtem
Ströme,
Buschwerk
Einige der Felshügel sind theilweise
bedeckt
und
an
den
besonders im Norden von L a s Minas,
nicht selten.
In der Nähe des A r r o y o
liegen,
eine
und
der
Gegend
von
und
die von
Palme Pan
von
den Spaniern
der grossen
sind Weidenbäume
Tapes soll ein Palmenhain
beträchtlicher
de A c u z a r
Ufern
(35
0
Grösse
südlicher
gepflanzten Bäume
sah
ich
Breite).
in
Diese
bilden die einzige
Ausnahme von dem allgemeinen Mangel an Baumwuchs.
Unter den
eingeführten Arten erwähne ich Pappeln, Oliven, Pfirsiche und andere Obstbäume.
Die Pfirsichbäume gedeihen so gut, dass sie den Haupt-
bedarf an Brennholz für die Stadt Buenos A y r e s liefern. gewöhnlich
flache
Länder,
wie
die
Pampas,
Baumwuchs
selten
günstig.
Dies wird
entweder
zeigen
Aussersich
W i n d e oder der Beschaffenheit der A b f l ü s s e zugeschrieben müsseD.
dem
der Gewalt
der
werden
In der Natur des Landes um Maldonado ist indessen kein
solcher Grund ersichtlich; die felsigen H ü g e l bieten geschützte Lagen, welche
sich
der verschiedenartigsten Bodenbeschaffenheit
erfreuen;
der Grund fast jeden Thaies wird von kleinen Wasseradern durchflössen,
und der lehmige Boden scheint geeignet, die Feuchtigkeit zu
bewahren. Allgemeinen
Man hat mit ziemlicher Sicherheit erwiesen*, dass die Stärke
der Bewaldung
im
von der jährlichen Menge
von Niederschlägen abhängt; jedoch in dieser Provinz fällt während des Winters reichlicher und starker R e g e n ;
und wenn der Sommer
auch trocken ist, so ist er es doch nicht in hohem Grade**. finden fast ganz Australien mit hohen Bäumen bewachsen, es
ein sehr viel
trockneres K l i m a
hat;
Wir
obwohl
deshalb müssen wir nach
anderen unbekannten Ursachen suchen. Beschränkten wir unsere Beobachtung auf Südamerika,
würden
wir geneigt sein zu glauben, dass Bäume nur in einem sehr feuchten * Maclaren, art. „America", Encyclop. Britann. ** Azara sagt: „Ich glaube, dass die alljährliche Regenmenge in allen Landern grösser als in Spanien ist".
diesea
56
Drittes Kapitel
K l i m a gediehen, denn die Grenze des Waldlandes folgt in auffälliger Weise
derjenigen der feuchten W i n d e .
Continents,
Im südlichen Theile
des
wo die durch den Stillen Ocean mit Feuchtigkeit
ge-
sättigten W e s t w i n d e vorherrschen, ist jede Insel der zerklüfteten W e s t küste vom 38. Grade bis an die dicht
mit
äusserste Spitze vom
undurchdringlichen W ä l d e r n
bedcckt.
Auf
Feuerlande der Ostseite
der Cordilleren, in denselben Breitegraden, wo blauer Himmel und angenehmes K l i m a beweisen, dass die Atmosphäre durch den Uebergang über das Gebirge ihrer Feuchtigkeit beraubt worden ist, bringen die dürren Ebenen Patagoniens nur spärlichen Pflanzenwuchs hervor. In dem mehr nördlichen Theile des Continents ist innerhalb der Grenzen des beständigen Südostpassatwindes die östliche Seite mit prächtigen Wäldern
geschmückt, während die Westseite von 4 0 südl. Br. bis
32" südl. Br. eine Wüste genannt werden kann.
Auf
dieser West-
küste, nördlich vom vierten Breitegrade, wo der Passatwind Regelmässigkeit
verliert
und zeitweise
fallen, nehmen die in Peru
heftige Regengüsse
seine nieder-
so öden Ufer des Stillen Meeres nahe
am Cap Blanco einen Charakter von Ueppigkeit an, welche Guayaquil und Panama so berühmt macht.
Es nehmen daher in den südlichen
und nördlichen Theilen des Continents die W ä l d e r
und die wüsten
Strecken in Bezug auf die Cordilleren gerade die umgekehrte Stellung ein, und dieses Verhältniss wird offenbar durch die Richtung herrschenden W i n d e bestimmt. es
einen
In der Mitte des Continents
breiten Zwischenstreifen,
der giebt
welcher das mittlere Chile und
die Provinzen von L a Plata umfasst, wo die regenbringenden W i n d e nicht über hohe Berge müssen, und wo das Land weder eine W ü s t e , noch mit Wäldern bedeckt i s t auf Südamerika deihen,
beschränkt,
A b e r wenn man die R e g e l selbst
dass Bäume
das durch regenbringende Winde
nur in einem K l i m a
ge-
feucht gemacht wird,
so
finden wir eine sehr scharf ausgesprochene Ausnahme davon auf den Falklandsinseln. land und haben
Diese Inseln, die in derselben Breite wie
nur zwei- bis
beinahe
geologischer
ein gleichartiges K l i m a bei fast
Bildung,
Feuer-
dreihundert Meilen davon entfernt liegen, bei
günstiger
Lage
übereinstimmender
und
dem
gleichen
torfreichen B o d e n , besitzen aber dennoch nur wenige Pflanzen, die
Maldonado (183a)
57
den Namen Sträucher verdienen, während es in Fenerland nicht möglich ist, auch nur einen Morgen Landes zu finden, der nicht von dichtestem Wald bedeckt ist. In diesem Falle sind sowohl die Richtung der starken Winde wie die Meeresströmungen der Ueberführung von Samen aus Feuerland günstig; das beweisen die Canoes und Baum* Stämme, welche von dort fortgetrieben und häufig an den Küsten von West - Falkland angespült werden. Daher kommt es vielleicht, dass viele Pflanzen beiden Ländern gemeinsam sind; nur in Bezug auf feuerländische Bäume sind selbst die Versuche, sie zu verpflanzen, missglückt. Während unseres Aufenthaltes in Maldonado sammelte ich mehrere Vierfüssler, achtzig Vogelarten und viele Reptilien, einschliesslich neun Arten Schlangen. Von den eingeborenen Säugethieren ist das einzige übriggebliebene, von ziemlicher Grösse, welches häufig vorkommt, der Cervus campestris. Dieser oft in kleinen Rudeln auftretende Hirsch findet sich in grosser Zahl in den Ländern am La Plata und im nördlichen Patagonien. Wenn Jemand dicht am Boden hinkriechend, sich langsam einem Rudel nähert, kommt der Hirsch häufig aus Neugierde dicht heran, um zu recognosciren. Ich habe auf diese Weise von demselben Fleck aus drei von dem nämlichen Rudel erlegt. Obgleich sie so zahm und neugierig sind, sind sie sich doch äusserst schcu , wenn man sich ihnen zu Pferde nähert. Dort zu Lande geht Niemand zu Fuss, deshalb kennt der Hirsch den Menschen als Feind nur, wenn dieser beritten und mit den Bolas bewaffnet ist. In Bahia Bianca, einer neuen Aniiedelung in Nordpatagonien, überraschte es mich zu beobachten, wie wenig sich der Hirsch um den Knall einer Flinte kümmerte; eines Tages schoss ich zehn Mal auf achtzig Schritt Entfernung auf dasselbe Thier, und es crschrak viel mehr über die Kugel, welche das Erdreich aufriss, als über den Knall des Gewehres. Da mein Pulver verschossen war, stand ich auf (ich muss es zu meiner Schande als Jäger bekennen, obwohl ich Vögel im Fluge zu schiessen vermag), und erst bei meinem Rufen lief der Hirsch davon. Die merkwürdigste Thatsache, die ich in Bezug auf diesen Hirsch
58
D r i t t e s Kapitel
berichten kann, ist der ungemein starke und widerwärtige Geruch, den das männliche Thier von sich giebt. Er ist ganz unbeschreiblich { mehrere Male, während ich das jetzt im zoologischen Museum ausgestellte Exemplar häutete, wurde ich dabei yon Ekel fast überwältigt. Ich band das Fell in ein seidenes Taschentuch und trug es so nach Hause; nachdem dies Tuch sorgfältig gewaschen war, brauchte ich es beständig, und es wurde deshalb immer wieder gewaschen; aber während eines Zeitraumes von einem Jahr und sieben Monaten spürte ich den Geruch immer noch deutlich, sobald ich es zuerst auseinander faltete. Dies scheint mir ein üben-aschendes Beispiel für die Dauerhaftigkeit einer Substanz, die dennoch ihrer Natur nach äusserst flüchtig und vergänglich sein muss. Oft, wenn ich eine halbe Meile weit vom Winde ab an einem Rudel vorbeikam, fand ich die ganze Luft durch diese Ausdünstung verpestet. Ich glaube,, dieser Geruch ist bei dem Hirsch am stärksten zu der Zeit, wenn das Geweih vollständig ausgebildet oder frei von der haarigen Haut ist. In diesem Zustande ist das Fleisch selbstverständlich nicht geniessbar, doch versichern die Gauchos, dass der Geruch verginge, wenn es eine Zeit lang in frischer Erde vergraben. Ich habe irgend wo gelesen, dass die Inselbewohner im Norden Schottlands das thranige Fleisch fischfressender Vögel auf dieselbe Weise behandelten. Die Ordnung der Nager ist reich vertreten; allein von Mäusen erhielt ich nicht weniger als acht Arten*. Das grösste Nagethier der W e l t , das Wasserschwein (Hydrochaerus capybara), kommt hier auch häufig vor. Eines, das ich in Monte Video schoss, wog achtundneunzig Pfund; die Länge betrug von der Schnauzenspitze bis zu dem Stummelschwanz drei Fuss zwei Zoll; der Umfaiig in der Breite drei Fuss acht Zoll. Diese grossen Nager besuchen zuweilen die Inseln in der Platamündung, wo das Wasser ganz salzig ist; viel * In Südamerika s a m m e l t e ich im Ganzen siebenundzwanzig A r t e n M ä u s e ; und n o c h dreizehn andere sind aus den W e r k e n von A z a r a und a n d e r e n S c h r i f t s t e l l e r n b e k a n n t . D i e von mir g e s a m m e l t e n sind von Nlr. W a t e r h o u s e in d e n S i t z u n g e n d e r Zoologischen G e s e l l s c h a f t benannt und beschrieben worden. Ich b e n u t z e d i e s e n A n l a s s Mr. W a t e r h o u s e m e i n e n herzlichsten D a n k a u s z u s p r e c h e n , sowie a u c h d e n a n d e r e n zu dieser G e s e l l s c h a f t g e h ö r e n d e n H e r r e n w e g e n ihrer mir bei j e d e r G e l e g e n h e i t bewiesenen g ü t i g e n und s e h r bereitwilligen Untersützung.
59
Capybara oder Wasserschwein (1839)
zahlreicher
aber
und Flüsse. oder
findet
man sie an den Ufern der
Süsswasserseen
In der Gegend von Maldonado leben gewöhnlich drei
vier zusammen.
Bei T a g e liegen
sie zwischen den Wasser-
pflanzen oder weiden dreist auf den grasreichen Ebenen.
Im Magen
und Zwölffingerdarm eines Capybara, den ich öffnete, fand ich eine grosse Menge einer dünnen gelblichen Flüssigkeit, in welcher kaum eine Faser zu unterscheiden war. Theil ein
K r ä h e n - Federkiel
Zähne
Mr. Owen theiit mir mit, dass ein
der Speiseröhre so beschaffen ist, dass kein Stück dicker als und
starken
passiren
Kiefern
kann.
dieses
Von
fem gesehen,
sind die
trefflich
breiten
geeignet,
die
es sich nährt, zu Brei zu
ver-
gleichen sie in Gang und Farbe
den
grossen Wasserpflanzen, von denen arbeiten.
Allerdings
Thieres
Schweinen; sitzen sie aber auf den Hinterbeinen und beobachten sie scharf mit einem Auge jeden Gegenstand, so nehmen sie etwas von der Erscheinung ihrer Verwandten, der Meerschweinchen und Kaninchen an.
Sowohl die Vorder- wie die Seitenansicht ihres
sieht wegen der Höhe ihrer Kinnladen sehr komisch aus. nado waren die Thiere wenig scheu.
Kopfes
In Maldo-
Durch vorsichtiges Anschleichen
kam ich bis auf drei Schritt an vier alte heran.
Diese Zahmheit er-
klärt sich vielleicht dadurch, dass der Jaguar dort seit einigen Jahren ausgerottet ist,
und die Gauchos es nicht der Mühe wert finden das
Wasserschwein zu jagen.
Als ich näher und naher herankam,
sie häufig ihr eigenthümliches Geräusch von sich,
gaben
ein leises, stoss-
weises Grunzen, das nicht viel wirklichen Ton besitzt,
und haupt-
sächlich durch das plötzliche Ausstossen der Luft entsteht: der einzige Ton, der ihm einigermassen ähnlich klingt, ist das erste heisere Bellen eines grossen Hundes.
Nachdem ich diese Vier beinah auf Armlänge
mehrere Minuten betrachtet hatte — und sie mich, — stürzten sie sich in vollem Galopp und mit grossem Ungestüm in das Wasser und bellten dabei. kamen
Nachdem sie eine kurze Strecke untergetaucht waren,
sie wieder
an die Oberfläche, zeigten aber nur gerade den
oberen Theil des Kopfes.
W e n n das Weibchen im Wasser schwimmt
und Junge hat, so sollen diese auf seinem Rücken sitzen.
Man kann
diese Thiere leicht in Mengen tödten, aber ihr Fell ist von geringem W e r t und das Fleisch geschmacklos.
Auf den Inseln im R i o Parana
60 ind
Drittes Kapitel
sie
sehr
häufig;
und
bilden
die
hauptsächliche
Beate
des
Jaguars. Der
Tucutuco
(Ctenomys
Brasiliensis)
ist
ein
merkwürdiges
Thierchen, das man kurz als einen Nager mit Maulwurfsgewohnheiten bezeichnen kann.
E r ist ausserordentlich zahlreich in einigen Theilen
des Landes; aber doch schwer zu erlegen; und er kommt, wie ich glaube, aus der Erde hervor.
An der Mündung seiner Höhlen wirft
es Hügel wie der Maulwurf auf, nur kleinere.
Beträchtliche Strecken
Landes sind durch diese Thiere so unterwühlt, dass die Pferde beim Darübergehen bis über die Hufen einsinken.
Die Tucutucos scheinen
gewissermassen gesellig zu leben; wenigstens halte der Mann, der mir Exemplare verschaffte, sechs zusammengefangen, und er sagte, das sei nicht ungewöhnlich.
Ihren Gewohnheiten nach sind sie Nachtthiere; ihre
Hauptnahrung besteht in Wurzeln, und um diese zu erlangen, wühlen sie ihre flachen aber weit ausgedehnten Höhlen.
Man
erkennt
das
Thier überall an einem eigenthümlichen Geräusch, das es unter Erde hervorbringt.
W e n n man es zuerst hört, wundert man sich sehr; denn
man vermag nicht zu sagen, woher es kommt, noch zu errathen, was für ein Thier es hervorbringt. aber nicht
rauhen,
—
Der Ton besteht in einem kurzen,
näselnden Grunzen,
in schneller Aufeinanderfolge des Thieres* Tucutuco
monoton
welches
ungefähr vier Mal
wiederholt wird:
der Name
ist eine Nachbildung des Klanges.
W o die
Thiere häufig vorkommen, kann man sie den ganzen T a g über hören, und manchmal Zimmer
so
geschickt;
dicht unter den eigenen Füssen.
bewegen es
scheint
sich dies
die
Tucutucos
eine
Folge
Hält man sie im
sowohl
der
langsam
als un-
Auswärtsstellung
ihrer
Hinterbeine zu sein; und weil der Gelenkpfanne ihres Schenkelknochens ein gewisses Band fehlt, sind sie nicht im Stande den kleinsten Sprung zu machen. • Am
Sie stellen sich sehr dumm an, wenn sie zu fliehen ver-
Rio
Negro
in Nordpatagonien
giebt
es
ein T h i e r
von denselben Ge-
wohnheiten, das w a h r s c h e i n l i c h einer verwandten Spezies a n g e h ö r t ; das ich indessen nie g e s e h e n habe. art v e r s c h i e d e n ;
D e r T o n , den sie von sich geben, er wird nur zweimal
ist von dem der Maldonado-
statt drei oder viermal wiederholt, und ist
deutlicher und t i e f e r ; aus der F e r n e g e h ö r t , klingt er ganz so als ob ein kleiner B a u m mit einer A x t g e f ä l l t wurde, dass ich zuweilen in Zweifel über den Ursprung des G e r ä u s c h e s
g e w e s e n bin.
61
Der Tucutuco (1831)
suchen, und wenn sie gereizt oder erschreckt werden, stossen sie ihr Tucutuco einige
aus.
Von
denen,
welche
schon am ersten Tage
ich am Leben erhielt,
ganz zahm
wurden
und versuchten weder zu
beissen noch davon zu laufen; andere waren etwas wilder. D e r Mann, welcher sie gefangen hatte, behauptete, dass man stets und in grosser Anzahl blinde Thiere darunter treffe. das
ich
in Spiritus aufbewahrt habe,
Ein Exemplar,
war in diesem Zustand;
und
Mr. R e i d meint, dass die Erblindung eine Folge der Entzündung der Nickhaut gewesen sei. meinen Finger Kopf,
A l s jenes Thier noch am Leben war, hielt ich
auf Entfernung
von
einem
halben Zoll
Zimmer seinen W e g beinahe so gut wie die anderen. der
von
seinem
ohne dass es im Geringsten darauf achtete: doch fand es im
durchaus
unterirdischen
so häufig auftretende
Lebensweise
Blindheit
In Anbetracht
des Tucutuco kann
diese
nicht für ein sehr ernstliches Uebel
gehalten werden; dennoch erscheint es wunderbar, dass ein Thier ein Organ besitzt, welches so leicht verletzt werden kann.
Wie
würde
Lamarck sich gefreut haben, hätte er diese Thalsache gewusst, als er seine Beobachtungen
(bei
dieser Gelegenheit wohl wahreren
als
ge-
wöhnlich) veröffentlichte über die a l l m ä h l i c h e r w o r b e n e
Blindheit
des Aspalax,
und
Proteus,
eines
unter
eines Reptils,
der Erde
lebenden Nagethieres
das in unterirdischen
mit Wasser
des
gefüllten
Höhlen lebt; bei beiden Thieren befindet sich das Auge in einem fast rudimentären Zustand der Haut bedeckt. ausserordentlich zweifeln,
und Bei
klein,
wird
dem aber
von einer sehnigen Membrane und
gewöhnlichen Maulwurf vollkommen,
obwohl
ist das A u g e
viele
Anatomen
ob es mit dem wirklichen Sehnerv in Zusammenhang steht;
allerdings muss sein Sehvermögen sehr unvollkommen sein, wenngleich es dem Thier wahrscheinlich von Nutzen ist, wenn es seine Höhle verlässt. fläche
Bei dem Tucutuco, der wie ich glaube, nie an die Erdober-
kommt,
ist das Auge an sich grösser, aber oft blind und un-
brauchbar, obwohl dies dem Thier anscheinend keine keiten verursacht.
Lamarck würde gewiss sagen,
Unbequemlich-
dass der Tucutuco
jetzt in den Zustand des Aspalax und Proteus übergeht.
* Philosoph. Zoolog, tom I. p. >41.
Drittes Kapitel
62
In den wellenförmigen Grasebeoen a m Maldonado giebt es ausserordentlich viele V ö g e l verschiedenster Arten.
Hier finden sich mehrere
Spezies einer in Gestalt und Benehmen mit tinserm Staar verwandten Familie,
von denen die eine (Molothrus niger) wegen ihrer Lebens-
gewohnheiten merkwürdig ist. dem auf
Rücken
einer
einer H e c k e
Kuh
Oft sieht man mehrere von ihnen auf
oder
eines
Pferdes;
und
während
sitzen und in der Sonne ihre Federn putzen,
suchen sie bisweilen zu singen oder vielmehr zu zischen. sehr eigenthümlicher T o n , welche
ähnlich dem Aufsprudeln
legt
dieser V o g e l
anderer V ö g e l . worden, mein
E s ist ein Luftblasen,
so schnell unter Wasser aus einer kleinen Mündung
treten, dass ein deutliches Geräusch entsteht. folge
von
dass
Assistent
Auch
wie
mir
der K u c k u c k
sie ver-
heraus-
Der A n g a b e Azara's zuseine Eier
in die Nester
ist verschiedentlich von Landleuten gesagt
es einen V o g e l giebt, im Sammeln,
ein
der diese Gewohnheit hat; und
sehr scharfer Beobachter,
fand ein
N e s t des dortigen Sperlings (Zonotrichia matutina), in dem ein E i lag, das grösser und von anderer Form und F a r b e wie die übrigen war. In Nordamerika giebt es noch eine Spezies von Molothrus (M. pecoris), die eine kuckucksartige Gewohnheit hat und der in jeder Hinsicht der Spezies vom L a Plata nahe verwandt ist, selbst in so unbedeutenden Zügen wie der Gewohnheit, auf dem R ü c k e n des Rindviehs zu sitzen; er unterscheidet sich nur dadurch, dass er ein wenig kleiner ist, und die Eier eine etwas andere Färbung haben.
Diese
grosse Ueberein-
stimmung in Gestalt und in den Gewohnheiten bei den Repräsentanten derselben
Spezies,
die
Continents herkommen,
aus
entgegengesetzten
Theilen
eines
grossen
erscheint stets interessant, wenn sie auch ein
gewöhnliches Vorkommniss ist. M r . Swainson Molothrus
hat
pecoris,
zu
richtig dem
bemerkt*, noch
der
dass
M.
mit Ausnahme
niger
hinzukommt,
K u c k u c k e die einzigen V ö g e l sind, welche man mit R e c h t nennen kann,
nämlich solche,
anderes lebendes
Thier
zum L e b e n bringt,
die
parasitisch
„ w e l c h e gewissermassen sich an
anheften,
des
ein
dessen K ö r p e r w ä r m e ihre Jungen
von dessen Futter
sie
* M a g a z i n e of Z o o l o g y and Botany, vol I. p. 317.
leben,
und
dessen
Tod
63
Mal donado (1839)
während der Zeit ihrer Kindheit den ihrigen zur Folge haben würde." E s ist merkwürdig, dass einige A r t e n , aber nicht alle, sowohl vom Kuckuck wie Tom Melothrus in dieser sonderbaren Gewohnheit ihrer parasitischen Fortpflanzung übereinstimmen, während sie sonst einander in fast jeder anderen Eigenschaft entgegengesetzt sind: der Molothrus ist wie unser Staar ein in hohem Grade geselliger Vogel,
der auf
offenen Ebenen ohne K u n s t oder Versteck lebt: der Kuckuck ist, wie Jeder weiss, ein auffallend scheuer Vogel, der abgelegenes Dickicht aufsucht und sich von Beeren und Raupen nährt. Auch im Körperbau sind diese beiden Gattungen weit von einander verschieden.
Man hat
vielerlei Theorien, sogar phrenologische vorgebracht, um den Ursprung der
Gewohnheit des Kuckucks zu erklären,
Vögel Nester zu legen. Beobachtungen*
seine Eier in
anderer
Nur Mr. Prévost, denke ich, hat durch seine
dieses Rätsel
erhellt: er
findet,
dass der weibliche
Kuckuck, der nach den meisten Beobachtern wenigstens vier bis sechs Eier legt, sich mit dem Männchen begatten muss, jedesmal nachdem er ein oder zwei Eier gelegt hat.
W e n n der weibliche Kuckuck auf
seinen eigenen Eiern sitzen müsste, so würde er entweder auf allen zusammen zu sitzen haben, und daher die zuerst gelegten so lange verlassen müssen, dass sie wahrscheinlich verderben würden, oder er würde jedes Ei oder je zwei Eier, sobald sie gelegt sind, einzeln auszubrüten haben; da aber der Kuckuck sich kürzere Zeit in unserm Lande aufhält, als jeder andere Zugvogel, würde
das Kuckucksweibchen
hinreichende Zeit für auf einanderfolgendes Brüten haben.
nicht
Deshalb
können wir in der Thatsache, dass sich der Kuckuck mehrere Male paart und seine Eier in Zwischenräumen legt, die Ursache dafür erkennen, dass das "Weibchen ihre Eier in andere Vogelnester legt und sie der Fürsorge der Pflegeeltern überlässt. Ich bin sehr geneigt, diese Auffassung für die richtige zu halten, weil ich, wie wir später sehen werden, unabhängig davon zu einem ähnlichen Schluss in Bezug auf den
südamerikanischen
Strauss
gekommen
bin,
dessen
Weibchen,
wenn ich mich so ausdrücken darf, unter einander schmarotzen;
jedes
Weibchen legt nämlich mehrere Eier in die Nester verschiedener anderer
* Vortrag in der Académie des Sciences gehalten, S. l'Institut 1834. p. 418.
Drittes Kapitel
64
Weibchen und der männliche Strauss übernimmt allein die Sorge des Brütens, wie die fremden Pflegeeltern bei dem Kuckuck. Ich will nur noch zwei andere sehr häufig vorkommende Vögel nennen, die durch ihre Gewohnheiten auffallen.
Der Saurophagus sul-
phuratus ist typisch für die grosse amerikanische Klasse der TyrannenFliegenfanger. In Gestalt nähert er sich durchaus den echten Würgern, in seiner Lebensweise lässt er sich aber mit vielen Vögeln vergleichen. Ich habe ihn oft beobachtet,
wie er ein Feld absuchte, über einer
Stelle nach der anderen wie ein Habicht schwebend, und dann weiter gleitend. Sieht man ihn so in der Luft schweben, könnte man ihn aus einiger Entfernung leicht für einen Raubvogel halten; beim
Nieder-
stossen hat er indessen viel weniger Kraft und Geschwindigkeit der Habicht.
wie
Zu anderen Zeiten sucht der Saurophagus die Nähe des
Wassers, und still wie ein Eisvogel lauernd, fängt er jeden kleinen Fisch,
der sich dem Uferrande nähert.
Diese Vögel werden nicht
selten in Käfigen oder auf Höfen mit verschnittenen Flügeln gehalten. Sie lassen sich leicht zähmen und sind sehr belustigend durch ihr drolliges und schlaues Benehmen, das man mir wie dasjenige einer gewöhnlichen Elster geschildert hat.
Der Flug ist wellenförmig,
denn
das Gewicht des Kopfes und des Schnabels erscheint zu schwer für den Körper.
Abends setzt sich der Saurophagus auf einen Busch, oft
dicht am Wege und wiederholt ununterbrochen seinen durchdringenden aber nicht unangenehmen R u f , der sich wie articulirte W o r t e anhört, und den die Spanier mit dem Ausdruck „Bien te veo" (Ich sehe dich wohl) wiedergegeben und den Vogel danach genannt haben. Ein Spottvogel (Minus orpheus) von den Einwohnern calandria genannt, ist bemerkenswert, weil sein Gesang dem aller anderen Vögel des Landes überlegen ist; er ist beinahe der einzige Vogel in Südamerika, bei dem ich beobachtet habe, dass er sich einen Platz wählt zum Zweck des Singens.
Sein Gesang kann dem der Grasmücke ver-
glichen werden, ist aber kräftiger; einige rauhe Töne und einige sehr hohe mischen sich jedoch in sein hübsches Singen. Gesang nur während
Man hört diesen
des Frühlings; zu den übrigen Zeiten ist die
Stimme rauh und durchaus nicht harmonisch.
In der N ä h e von Mal-
donado waren diese Vögel zahm und dreist; sie suchten beständig in
Maldonado (18321
65
grosser Zahl die Gehöfte heim, um an dem Fleisch zu picken, das an den Mauern oder Pfählen aufgehängt war; wollte irgend ein anderer kleiner Vogel gleichfalls an der Mahlzeit theilnehmen, vertrieben sie ihn schnell. Auf den weiten unbewohnten Ebenen von Patagonien lebt eine verwandte Spezies (Orpheus patagonicus d'Orbigny), welche die mit Dornbüschen bewachsenen Thäler bewohnt, scheu ist und auch eine etwas andere Stimme hat. Es scheint mir ein merkwürdiger Umstand zu sein, wie fein diese Unterschiede in den Lebensgewohnheiten sind, dass ich nach diesen allein urtheilend, als ich zuerst diese zweite A r t sah, meinte, sie sei von der Maldonadospezies verschieden. Nachdem ich mir später ein Exemplar verschafft und beide ohne besondere Sorgfalt mit einander verglichen hatte, erschienen sie mir so durchaus übereinstimmend, dass ich meine Meinung änderte; Mr. Gould aber erklärt jetzt, dass sie thatsächlich verschieden sind; ein Schluss, der mit der unbedeutenden Verschiedenheit der Lebensweise, die ihm indessen unbekannt war, übereinstimmt. Die Anzahl, Dreistigkeit und widerwärtigen Gewohnheiten der aasfressenden Raubvögel von Südamerika überrascht denjenigen, der nur die Vögel von Nordeuropa kennt. Zu diesen müssen wir auch zählen vier Spezies des Caracara oder Polyborus, den Truthahngeier, den Gallinazo und den Condor. Die Carnearas werden wegen ihrer Gestalt den Adlern zugerechnet: wir werden bald sehen, wie schlecht sie für einen so hohen Rang passen. In ihren Gewohnheiten ersetzen sie sehr gut unsere Aaskrähen, Elstern und Raben; Vögel, die sonst weit über die ganze übrige Welt verbreitet sind, die jedoch in Südamerika gänzlich fehlen. Um mit dem Polyborus Brasiliensis zu beginnen: so ist er ein gewöhnlicher Vogel und hat eine weite geographische Verbreitung; am häutigsten kommt er auf den grasreichen Savannen von La Plata vor. wo man ihn Garrancha nennt, und er ist auch in den unIruchtbaren Ebenen Patagoniens durchaus nicht selten. In der Einöde zwischen den Flüssen Negro und Colorado lauern Schaaren von ihnen beständig längs der Wege, um sich auf die Leichen der erschöpften Thiere zu stürzen, die da der Anstrengung und dem Durst erliegen. Sind sie schon häufig in dem dürren und offenen Lande und ebenso an dem unfruchtbaren Gestade des Stillen Meeres, so bewohnen sie doch gleich-
Darwin, Reise.
5
66
D r i t t e s Kapitel
falls die feuchten undurchdringlichen Wälder von Westpatagonien
und
Feuerland. In Gemeinschaft mit den Chimangos kommen die Carranchas zahlreich nach den Estancias und Schlachthäusern.
Verendet ein Thier
auf der Ebene, so beginnt der Gallinazo den Schmaus und dann nagen die beiden anderen Spezies des Polyborus die Knochen rein. Trotzdem diese Vögel zusammen demselben Frass nachgehen, sind sie keineswegs Gutfreund miteinander. Wenn der Carrancha ruhig auf einem Ast oder auf der Erde sitzt, umkreist ihn oft der Chimango eine lange Zeit, fliegt bald vorwärts, bald rückwärts,
herauf und herunter,
immer in
einem Halbkreis und sucht jedesmal am Ende des Bogens nach seinem grösseren Verwandten zu hacken.
Der Carrancha kehrt sich wenig daran,
ausgenommen dass er den Kopf aufwirft.
Obwohl sich die Can-anchas
öfters zu mehreren versammeln, leben sie doch nicht gesellig, und an einsamen Stellen sieht man sie einzeln, oder noch häufiger paarweise. Die Garranchas sollen sehr listig sein und eine grosse Anzahl Eier stehlen.
Auch versuchen sie ebenso wie der Chimango den Schorf von
den wunden Rücken der Pferde und Maulthierc abzupicken. Das arme Thier, das mit gesenkten Ohren und gekrümmtem Rücken dasteht, und der darüberschwebende Vogel,
der kaum einen Meter entfernt
den
eklen Bissen beäugelt, geben ein Bild, das Kapitän Head mit dem ihm eigentümlichen Humor und grosser Genauigkeit beschrieben hat.
Diese
falschen Adler tödteu nur selten ein lebendes Thier oder einen Vogel, und ihre geierartige aasfressende Eigenschaft wird Jedem deutlich, der einmal in den wüsten Ebenen Patagoniens eingeschlafen
ist.
Denn
wenn er aufwacht, sieht er auf jedem kleinen Hügel in der Nähe einen dieser Vögel sitzen, der ihn geduldig mit tückischem Blick beobachtet; dies ist ein charakteristischer Zug in dem Landschaftsbilde, dessen sich ein Jeder erinnern wird, der diese Gegenden durchwandert hat. Zieht eine Gesellschaft von .Männern und Hunden auf die Jagd, so werden ihnen tagüber mehrere jener Begleiter folgen. Hat der Vogel gefressen, so tritt der nackte Kropf vor; zu dieser Zeit und auch im Allgemeinen ist der Carrancha träge, zahm und furchtsam.
Sein Flug ist schwer
und langsam wie der der englischen Krähe. E r steigt selten hoch auf; ich habe aber zweimal einen in grosser Höhe mit Leichtigkeit durch die Luft gleiten sehen.
Er läuft — (als Gegensatz zum Hüpfen) —
Aasfressende Raubvögel (183a)
67
doch nicht ganz so flink wie manche seiner Verwandten. Zu Zeiten ist der Carrancha sehr lärmend, aber nicht für gewöhnlich; seine Stimme ist laut, harsch uud eigentümlich, und kann mit dem Ton des spanischen Kehllauts g verglichen werden, dem ein rauhes doppeltes rr folgt; wenn er so schreit, hebt er den Kopf höher und höher bis er zuletzt, den Schnabel weit geöffnet, mit dem zurückgebogenen Schädel hinten fast den Rücken berührt. Diese durchaus wahre Thatsache ist bezweifelt worden; ich habe die Carranchas mehrere Male mit zurückgebogenen Köpfen in einer völlig umgekehrten Stellung gesehen. Auf Azaras hohe Autorität ergänze ich diese Bemerkungen noch dahin, dass der Carrancha sich von Würmern, Muscheln, Schnecken, Grashüpfern und Fröschen nährt; dass er junge I .ämmer durch Zerreissen der Nabelschnur tödtet, und dass er den Gallinazo so lange verfolgt, bis dieser wieder das Aas von sich giebt. das er etwa kürzlich verschlungen hatte. Endlich giebt Azara an. dass sich mehrere Carranchas oft fünf bis sechs zusammenthun, um Jagd auf grosse Vögel, zum Beispiel auf Reiher, zu machen. Alle diese Thatsachen beweisen, dass der Vogel seine Lebensgewohnheiten verschiedenen Verhältnissen anpasst und auch viel Scharfsinn besitzt. Der Polyborus Chimango ist bedeutend kleiner als die zuletzt besprochene Spezies. Er ist thatsächlich ein Allesfresser und verschlingt sogar Brot; auch hat man mir versichert, dass er in Chiloe die Kartoffelfelder häufig beschädigt, indem er die Knollen aufwühlt, nachdem sie gepflanzt sind. Von allen Aasfressern pflegt er der letzte zu sein, der das Gerippe eines gefallenen Thieres verlässt und oftmals kann man ihn zwischen den Rippen einer Kuh oder eines Pferdes wie einen Vogel in einem Käfig sitzen sehen. Eine andere Spezies ist der Polyborus Novae Zelandiae, der auf den Falklandsinseln sehr /ahlreich vorkommt. In vieler Hinsicht gleichen diese Vögel den Carranchas. Sie leben von dem Fleisch todter Thiere und von Meereserzeugnissen, und auf den Ramirez-Felsinseln müssen sie ihre Nahrung ausschliesslich dem Meere entnehmen. Sie sind ausserordentlich dreist und furchtlos und kommen um der Abfalle willen bis dicht an die Häuser heran. Wenn eine Jagdgesellschaft ein Thier 5*
Drittes Kapitel
t¡8
erlegt hat, sammelt sich schnell eine Schaar dieser Vögel, und an allen Seiten auf der Erde sitzend warten sie geduldig,
l^ach dem
Frass geben ihnen die weit hervortretenden nackten Kröpfe ein widerwärtiges
Aussehen.
Sie
greifen
gern verwundete
Vögel a n ;
ein
Cormorán in diesem Zustand, der sich an das Ufer geflüchtet hatte, wurde sogleich von ihnen überfallen und sein Tod durch ihre Schnabclhiebe beschleunigt. Der ,,Beagle" war nur während des Sommers bei den Falklandsinseln, aber die Offiziere des „Adventure", welche den Winter
dort
zugebracht hatten,
berichten
Frechheit und Raubgier dieser Vögel.
viele Beispiele von
der
Sie waren sogar auf einen
schlafenden H u n d gestossen, der neben einem der Herrn gelegen halte und
die Jäger hatten
Mühe es zu hindern,
dass ihnen die ange-
schossenen Gänse vor ihren eigenen Augen fortgeholt wurden. sagt, dass mehrere Chimangos, die darin den Carranchas
Man
gleichen,
vor dem Schlupfloch eines Kaninchenbaues warten, und gemeinsam das Thier anfallen, wenn es herauskommt.
Sie kamen beständig an
Bord des Schiffs, während wir im Hafen lagen; und es war nöthig gut Acht zu geben, dass das Leder nicht von der Takellage, noch das Flcisch oder Wild vom Schiffsspiegel gerissen wurde.
Sie sind
tückisch und neugierig und nehmen alle möglichen Sachen vom Erdboden auf; so schleppten sie auch einen schwarzlackirten Hut beinah eine Meile weit fort, und gleichfalls ein paar von den schweren Wurfkugeln, die zum Einfangen des Viehes gebraucht werden.
Mr. Usborne
erlitt während der Vermessungen einen noch empfindlicheren Verlust; sie stahlen ihm einen kleinen Kater-Compass in rothem Lederkästchen, den
Femer
sind diese Vögel sehr
zänkisch und jähzornig und reissen vor W u t h
er nie wieder bekommen
oft das Gras mit ihren
Schnäbeln
maD sie nicht gesellig
aus.
hat.
Im eigentlichen Sinne kann
nennen; sie steigen nicht in die Höhe; ihr Flug ist schwer und ungeschickt; doch Fasanen.
auf der Erde laufen sie sehr schnell,
ähnlich
wie
Sie sind sehr laut und stossen verschiedene krächzende Töne
aus, der eine klingt wie der der englischen Krähe, deshalb nennen die Robbenfänger sie auch immer Krähen.
Es ist ein eigcnthümlicher
Umstand, dass sie beim Krächzen die Köpfe auf- und rückwärts werfen wie die Carranchas.
Sie horsten auf den Felsklippen der Seeküste,
69
Aasfresseude Raubvogel (1833)
aber nur auf den kleinen benachbarten Inselchen, nicht auf den beiden Hauptinseln;
eine merkwürdige Vorsicht bei einem so wenig scheuen
und furchtlosen Vogel.
Die Robbenfanger sagen, dass dieser Vogel
beim Kochen ganz weiss werde und sehr gut schmecke; es gehört aber Mut dazu, von einer solchen Speise zu kosten. W i r haben
nun nur noch
den Gallinazo zu nennen.
den Truthahngeier (Vultur aura) und
Ersterer ist überall zu finden, wo das Land
cinigermassen feucht ist von Cap Horn bis nach Nordamerika, und im Gegensatz zum Polyborus Brasiliensis und Chimango hat er auch den W e g auf die Falklandsinseln gefunden. sam, oder geht höchstens paarweise.
Der Truthahngeier
lebt
ein-
Man kann ihn schon auf grosse
Entfernung an seinem hohen Aufsteigen und seinem überaus eleganten Klug erkennen.
E r ist als echter Aasfresser bekannt.
A u f der West-
küste von Patagonien, auf den dichtbewaldeten Inselchen und dem zerklüfteten Lande nährt er sich ausschliesslich von dem, auswirft, und von todten Robben. aufhalten,
sieht
atratus) hat ein
man
auch
von dem
was die See
W o sich Robben auf den Klippen
diese vorigen
Geier.
Der
verschiedenes
Gallinazo
(Cathartes
Verbreitungsgebiet,
denn man findet ihn nie südlich des 41 0 S. Br. Azara berichtet, dass es der Ueberlieferung nach diese Vögel zur Zeit der Eroberung nicht in Monte Video gegeben hätte; dass sie aber später den Einwanderern von den nördlicheren Distrikten
hierher gefolgt wären.
Gegenwärtig
sind sie im Thal des Colorado häufig zu finden, das gerade dreihundert Es ist wahrscheinlich,
dass
diese weitere Wanderung seit der Zeit von Azara geschehen ist.
Meilen südlich von Monte Video liegt.
Der
(iallinazo zieht gewöhnlich ein feuchtes Klima vor oder wenigstens die Nähe frischen Wassers; deshalb begegnet man ihm so häufig in Brasilien und L a Plata, während man ihn nicht auf den wüsten dürren Ebenen von Nordpatagonien trifft, ausgenommen in der Nachbarschaft einiger Flüsse.
Diese Vögel verbreiten sich über die ganzen Pampas bis an
den Fuss der Cordilleren; doch habe ich nie einen von ihnen in Chile gesehen: in Peru schont man sie als Strassenreiniger. diese Geier mit Recht gesellig nennen, am Beieinandersein zu haben, samer Beule zu vereinigen.
Auch kann man
denn sie scheinen Vergnügen
und sich nicht nur zum Zweck gemeinA n schönen Tagen kann
man oft eine
70 Schaar von ihnen beobachten, von denen ein jeder Vogel in den anmuthigsten Wendungen beständig und ohne die Fliigel zu schliessen seine Kreise zieht. Dies geschieht offenbar aus Vergnügen an der Bewegung, oder mag mit ihren ehelichen Verbindungen zusammenhängen. Jetzt habe ich alle Aasfresser mit Ausnahme des Condors erwähnt, über den ein Bericht besser seine Stelle findet, wenn wir ein anderes Land besuchen, das seinen Lebensgewohnheiten mehr zusagt, als die Ebenen von La Plata.' In dem breiten Streifen von Sandhügeln, welche die Lagune del Potrero von den Ufem des Plata scheiden, einige Meilen von Maldonado entfernt, fand ich eine Gruppe jener verglasten Kieselröhren, welche dadurch gebildet werden, dass der Blitz in losen Sand fährt.
Diese
Röhren gleichen in allen Einzelheiten denen von Drigg in Cumberland, welche in den Geological Transactions beschrieben worden sind*.
Da
die Sandhügel von Maldonado nicht von Pflanzenwuchs geschützt werden, verändern sie fortwährend ihre Lage.
Aus dieser Ursache ragten die
Röhren über die Oberfläche heraus und zahlreiche in der Nähe liegende Bruchstücke zeigten, dass sie früher in grösserer Tiefe eingesenkt gewesen waren.
Vier solcher Röhren gingen senkrecht in den Sand
hinein; mit meinen Händen grabend, verfolgte ich eine derselben zwei Fuss tief; und wenn man einige Bruchstücke, die augenscheinlich zu derselben Röhre gehört hatten, hinzusetzte, so betrug ihre Länge fünf Fuss drei Zoll. Der Durchmesser der ganzen Röhre war beinah gleichmassig;
deshalb
lässt
sich
annehmen,
noch in viel grössere Tiefe erstreckt hat.
dass
sie
sich
ursprünglich
Diese Maasse sind indessen
klein im Vergleich zu den Röhren von Drigg, von denen eine nicht weniger als dreissig Fuss tief verfolgt wurde. Die innere Oberfläche ist vollkommen verglast, glänzend und glatt. Ein kleines Bruchstück unter dem Mikroskop untersucht, sah wegen der grossen Zahl kleiner eingeschlossener Luft- oder Dampfbläschen wie eine vor dem Löthrohr geschmolzene Metallprobe aus. * G e o l o g . T r a n s a c t i o n s Vol. p.
294.
hat
Dr.
Priestley
II. p. 528.
einige
schmolzenen Quarzstein b e s c h r i e b e n ,
Der Sand ist
In den Philosoph. T r a n s a c t i o n s
unvollkommene
Kieselröhren
die beim G r a b e n
und
in der E r d e
einen
1790 ge-
unter einem
Baum g e f u n d e n worden sind, wo ein Mann vom Blitz getödtet worden war.
71
Blitzröhren ( 1 8 3 2 I
durchaus oder zum grössten Theil kieselig; aber einige Körner sind von schwarzer Farbe und besitzen vermöge ihrer glänzenden Oberfläche ein metallisches Aussehen.
Die Dicke der Röhrenwände
wechselt
zwischen einem Dreissigstel bis einem Zwanzigstel Zoll und beträgt gelegentlich sogar einen Zehntel Zoll.
A n der Aussenseite sind die
Sandkörner gerundet und haben ein leicht glasiges Aussehen; konnte ich ein Zeichen von' Krystallisation erkennen.
nirgends
In ähnlicher
Weise wie die in den Geological Transactions beschriebenen sind die Röhren meist zusammengedrückt und besitzen
tiefe Längsfurchen,
so dass sie einem zusammengeschrumpften Pflanzenstengel oder der Rinde der Ulme oder der Korkeiche sehr ähnlich sind. Ihr Umfang beträgt ungefähr zwei Zoll, aber in einigen Bruchstücken, die cylindrisch und ohne Furchen sind, hat er sogar vier Zoll.
Der Druck
des umgebenden losen Sandes, welcher auf die Röhren einwirkte, so lange sie in Folge der intensiven Hitze noch weich waren, hat offenbar jene Fallen oder Furchen verursacht.
Xach den nicht zu-
sammengedrückten Bruchstücken zu urtheilen, muss der Durchmesser oder das Bohrloch des Blitzes, (wenn ein solcher Ausdruck statthaft ist) ungefähr einen und ein Viertel Zoll betragen haben.
In
Paris ist es M. Hachette und M. Beudant - gelungen, Röhren, welche in den meisten Beziehungen diesen Fulguriten ähnlich sind, zu machen, indem sie starke elektrische Schläge durch feinpulverisiertes Glas leiteten;
setzte man zur Erhöhung der Schmelzbarkeit Salz hinzu,
wurden die Röhren nach allen Dimensionen
grösser.
ihnen aber nicht mit gepulvertem Feldspath und Quarz. pulverisiertes Glas hergestellte Röhre
Iis
gelang
Eine durch
war beinah einen Zoll lang,
nämlich 0,982 und hatte einen inneren Durchmesser von 0,019 Zoll. Wenn wir hören, dass die stärkste Batterie in Paris verwendet wurde und dass ihre Wirkung auf eine Substanz von so leichter Schmelzbarkeit wie Glas nur so winzige Röhren hervorbrachte, müssen wir staunen über die K r a f t eines Blitzstrahls, der den Sand an verschiedenen Stellen treffend, in einem Fall Cylinder von wenigstens dreissig Fuss Länge erzeugt hat, welche an der Stelle, an der sie
* Annales de Chimie et (le Physique, Tom. X X X V I I p. 3 1 9 .
Drittes Kapitel
72 nicht zusammengepresst
sind, eine innere Höhlung von reichlich
einem und einem halben Zoll haben, und noch dazu in einem so schwer schmelzbaren Material wie Quarz! Die Röhren gehen, wie ich vorhin erwähnte, in fast senkrechter Richtung in den Sand.
Jedoch
eine, die weniger regelmässig als
die anderen geformt war, wich von der geraden Linie bei der beträchtlichsten Biegung bis zu dreiunddreissig Grad ab. Röhre
Diese selbe
hatte zwei kleine Zweige ungefähr einen Fuss von einander
entfernt, der eine mit abwärts, der andere mit aufwärts gerichteter Spitze.
Dieser letztere Kall ist merkwürdig, da der elektrische Strom
in einem
spitzen Winkel
von
sechsundzwanzig Grad
richtung sich zurückgewendet haben tnuss.
zur Haupt-
Ausser den vier Röhren,
welchc ich senkrecht stehend fand und unter die Oberfläche verfolgte, fanden sich verschiedene Gruppen von Bruchstücken vor, deren ursprüngliche Stelle zweifellos in der Nähe gewesen sein muss.
Alle
kamen auf einer Fläche von Triebsand vor, die sechzig Schritte lang und zwanzig breit war, zwischen hohen Sanddünen lag und ungefähr eine halbe Meile weit von einer vier- oder fünfhundert Fuss hohen Hügelkette
entfernt war.
Umstand in diesem F a l l ,
Meiner Meinung nach ist der auffälligste wie in dem von Drigg und einem von
Ribbentrop in Deutschland beschriebenen, die Anzahl von Röhren, welche
auf
einem so beschränkten Raum
gefunden wurden.
In
Drigg fand man auf einem Flächenraum von fünfzehn Schritt drei Röhren und ebenso viele kamen in Deutschland vor.
In dem von
mir beschriebenen Fall gab es sicherlich mehr als vier Röhren in einem Raum von sechzig und zwanzig Schritt.
Da es nicht wahr-
scheinlich ist, dass die Röhren durch aufeinander folgende einzelne Schläge hervorgebracht sind, müssen wir annehmen, dass der Blitz, kurz bevor er in die Erde eindringt, sich in verschiedene Zweige theilt. Die Umgebung des R i o Plata scheint elektrischen Erscheinungen besonders ausgesetzt zu sein. Im Jahre 1 7 9 3 * entlud sich eines der zerstörendsten Gewitter, von dem sich der Bericht erhalten hat, über Bueno> Ayres; der Blitz schlug an siebenunddreissig Stellen in der Stadt ein und * Azara':» Reise, Voyage, Vol. I, p. 36.
Fulguriten
tödtete neunzehn Menschen. Reisebeschreibungen Gewitter
an
den
(1832)
73
N a c h Berichten, welche in verschiedenen
vorkommen, bin ich Mündungen
grosser
geneigt zu vermuthen, dass Ströme
häufig
vorkommen.
W ä r e es nicht möglich, dass die Mischung v o n grossen Mengen süssen und salzigen W a s s e r s Selbst
während
das elektrische
Gleichgewicht
unserer gelegentlichen B e s u c h e
stören
könnte ?
in diesem Theil von
Südamerika hörten w i r , dass ein Schiff, zwei K i r c h e n und ein Haus vom Blitz getroffen wären. kurz
nachher;
Monte V i d e o .
letzteres
S o w o h l die K i r c h e wie das H a u s sah ich gehörte
dem
Einige der W i r k u n g e n
Generalconsul
Mr. H o o d
waren m e r k w ü r d i g :
die
in Ta-
pete war u n g e f ä h r einen F u s s breit zu jeder Seite der K l i n g e l d r ä h t e geschwärzt.
D a s M e t a l l war geschmolzen
und o b g l e i c h das Zimmer
gegen fünfzehn F u s s h o c h war, hatten die auf die Stühle und andern M ö b e l herabtropfenden M e t a l l k ü g e l c h e n gebohrt. und sie
die B r u c h s t ü c k e die
Rahmen
eine
R e i h e kleiner
Löcher
E i n T h e i l der Mauer w a r w i e durch Schiesspulver gesprengt, waren mit solcher K r a f t fortgeschleudert, dass
gegenüberliegende
Zimmerwand
durchlöchert
hatten.
Der
eines Spiegels war geschwärzt, und die V e r g o l d u n g musste
verflüchtigt worden sein, denn ein Riechfläschchen, w e l c h e s auf dem Kaminsims zogen,
stand, w a r mit glänzenden metallischen T h e i l c h e n über-
die so fest daran h a f t e t e n , als ob sie aufgeschmolzen wären.
VIERTES KAPITEL. Rio N e g r o
—
Estancias
von Indianern angegriffen —
Vom Rio N e g r o zum Rio Colorado
Salzseen — Flamingos —
—• Heiliger Baum —
Patagonischer Hase
—
Indianerfamilien — General Rosas — Weiterreise nach Bahia Bianca — Sanddünen — Negerlieutenant — Bahia Bianca — Salzincrustationen — Punta A l t a —
Zorillo.
VOM RIO N E G R O N A C H B A H I A B L A N C A . 24. Juli
1833.
am 3. August
Der „Beagle" segelte von Maldonado und kam
auf der Höhe der Rio-Negro-Mündung an.
Dies
ist der Hauptfluss auf der ganzen Küstenstrecke zwischen der Magellansstrasse und dem Plata.
Er fliesst in das Meer ungefähr drei-
hundert Meilen südlich von der Plata-Mündung.
Vor ungefähr fünf-
zig Jahren, unter der alten spanischen Herrschaft, hatte sich hier eine kleine Colonie gebildet, und noch immer ist es der südlichste Punkt (41 0 S. Br.) an dieser Küste von Amerika, der von civilisirten Menschen bewohnt wird. Das Land
in der Nähe der Flussmündung ist im höchsten
Grade öde ; nach Süden zu beginnt eine lange Reihe senkrechter Klippen, die einen Querschnitt der geologischen Bildung der Gegend zeigen.
Die Schichten sind von Sandstein, und eine derselben war
dadurch merkwürdig, dass sie aus einem festeementirten Conglomérat von Bimssteinstücken bestand, welche mehr als vierhundert Meilen von den Anden hergekommen sein müssen.
Die Oberfläche ist über-
all von einem dicken Kieslager bedeckt, das sich weit und breit über die Ebene erstreckt.
Wasser ist äusserst selten, und wo es
vorkommt, ist es fast ausnahmslos brackig.
Der Pflanzenwuchs ist
dürftig; und obwohl es Sträucher verschiedener Art giebt, sind doch
Rio N e g r o (1833)
75
alle mit furchtbaren D o r n e n besetzt, als wollten sie den F r e m d e n warnen, diese unwirtlichen Gegenden zu betreten. Die
Niederlassung
Die Strasse liche
folgt
Gehänge
liegt
achtzehn
Meilen
den F l u s s
der sanft abgedachten K l i p p e ,
des
vom
Rio
Negro
durchströmten
die
vor
einigen Jahren
waren.
Sie widerstanden
einem derselben gegenwärtig fall auf das lebendigste.
gewesen w a r ,
Die
bildet.
„Estancias"
von den Indianern zerstört
mehreren A n g r i f f e n .
nörd-
Thaies
Unterwegs kamen wir an den Trümmern einiger schönen vorbei,
aufwärts.
w e l c h e das
Ein M a n n ,
worden der bei
schilderte mir den V o r -
Bewohner hatten Zeit genug
gehabt,
alle R i n d e r und Pferde in den „ C o r r a l " * , welcher das H a u s umgiebt zu treiben, Indianer
und gleichfalls einige kleine K a n o n e n aufzufahren.
waren
Araucaner
aus
dem
Hundert an der Zahl und sehr gut sie
in zwei A b t h e i l u n g e n
sie
dort
abgesessen
Süden
von
diseiplinirt.
Chile;
Zuerst
erschienen
auf einem benachbarten H ü g e l ;
waren
und
ihre
gingen sie nackt zum A n g r i f f vor.
Pelzmäntel
Die
mehrere nachdem
abgelegt
hatten,
D i e einzige W a f f e der Indianer
ist ein sehr langer Bambus oder Chuzo, mit Straussenfedern verziert, der in eine scharfe Lanzenspitze
endet.
M e i n Berichterstatter schien
sich mit dem grössten Entsetzen an das S c h w i n g e n dieser Chuzos zu erinnern,
mit denen jene
damals anrückten.
Als
sie nahe herange-
k o m m e n , rief der Cazilte Pincheira den Belagerten zu,
sie
ihre W a f f e n ausliefern,
abschneiden.
oder er würde ihnen den H a l s
möchten
D a dies voraussichtlich unter allen Umständen bei ihrem Eindringen geschehen wäre, antwortete man ihnen mit einer Musketensalve. Indianer
wagten
zäunung des
sich
mit
Corrals vor.
grosser Hartnäckigkeit Aber
die Pfosten durch eiserne Nägel
bis
an die
zu ihrer U e b e r r a s c h u n g
Die Ein-
fanden sie
statt durch Lederriemen aneinander
befestigt, und versuchten natürlich vergebens dieselben mit ihren Messern zu durchschneiden.
Dies rettete das L e b e n der Christen: viele der ver-
wundeten
wurden
Indianer
von
ihren
Gefährten
da auch einer der Untercaziken verwundet
* D e r Corral
ist eine
war,
fortgetragen,
und
wurde endlich zum
aus hohen und starken Pfählen gemachte
jedes L a n d g u t oder Estancia besitzt einen solchen als Zubehör.
Einzäunung;
76
Viertes Kapitel
Rückzug geblasen. Sie gingen bis zu ihren Pferden zurück und schienen dort einen Kriegsrath zu halten. Es war eine fürchterliche Pause für die Spanier, da sie alle ihre Munition mit Ausnahmeeiniger weniger Patronen verschossen hatten. Doch plötzlich bestiegen die Indianer ihre Pferde und verschwanden im Galopp. Ein späterer Angriff wurde noch schneller zurückgcschlagen. Ein kaltblütiger Franzose bediente die Kanone; er liess die Indianer nahe herankommen und lichtete ihre Reihen dann mit Kartätschenkugcln; dadurch streckte er neununddreissig nieder, und ein solcher Verlust jagte die ganze Bande in die Flucht. Die Stadt wird sowohl EI Carmen als Patagoncs genannt. Sic ist auf der Höhe einer Klippe gebaut, welche gegen den Fluss liegt; und viele der Häuser sind sogar in den Sandstein gehauen. Der Fluss ist ungefähr zwei- bis dreihundert Meter breit, dabei tief und reissend. Die vielen mit Weidenbäumen bewachsenen Inseln, die flachen Höhenzüge, die sich einer hinter dem anderen an der nördlichen Grenze des breiten grünen Thals erheben, bieten im Licht der hellen Sonne einen ganz malerischen Anblick. Die Zahl der Einwohner übersteigt nicht ein paar Hundert. Diese spanischen Colonien tragen nicht wie unsere britischen die Elemente des Wachsthums in sich selbst. Viele Vollblutindianer wohnen hier, denn der Stamm des Caziken Lucanie hat beständig seine Toldos* dicht an den Grenzen der Stadt. Die Stadtverwaltung sorgt theilweise für ihren Unterhalt, indem sie ihnen die abgetriebenen Pferde giebt; auch verdienen sie etwas Geld durch Anfertigung von Pferdedecken und anderem Reitzeug. Man betrachtet diese Indianer als civilisiert, aber was ihr Charakter durch einen geringeren Grad von Wildheit gewonnen haben mag, wird beinah durch ihre gänzliche Immoralität wieder aufgewogen. Indessen ist bei einigen der jüngeren Männer eine Besserung zu merken; sie sind bereit zu arbeiten, und vor kurzer Zeit hat sich eine Anzahl von ihnen an einer Fahrt zur Robbenjagd betheiligt und sich gut aufgeführt. Sie genossen nun die Früchte
* Toldus werden die Hütten der Indianer genannt.
Patagones (1833)
77
ihrer Arbeit,
dadurch dass sie bunte reine Kleider trugen und sehr
faul waren.
Der Geschmack, den sie in ihrer Kleidung bewiesen,
war bewundernswürdig;
hätte man einen dieser jungen Indianer in
eine Bronzestatue verwandeln können, so würde seine Drapirung von vollendeter Anmuth gewesen sein. Eines Tages ritt ich nach einer Salina, einem grossen Salzsee, welcher fünfzehn Meilen von der Stadt entfernt ist.
Während des
Winters besteht er aus einer seichten Menge von Salzlake, welche sich im Sommer in ein Feld
schneeweissen Salzes verwandelt; in
der Nähe der Ränder ist diese Schicht vier bis fünf Zoll dick; aber gegen die Mitte nimmt die Dicke zu. eine halbe Meile lang und eine breit.
Dieser See war zwei und In der Gegend kommen noch
viel grössere vor, die einen zwei bis drei Fuss dicken Salzboden haben, selbst im Winter wenn Wasser darüber steht. glänzend weisse,
Ebene bietet ein seltsames Schauspiel dar. grosse Menge
Solch eine
glatte Fläche mitten in der braunen,
von Salz diesen
Salinas
trostlosen
E s wird alljährlich eine entnommen,
und
grosse
Haufen, einige hundert Tonnen an Gewicht, lagen zur Versendung bereit
Die Zeit der Arbeit in den Salinas ist gewissermassen die
Erntezeit für Patagones, Ortes ab.
denn
davon
hängt
der Wohlstand
des
Fast die ganze Bevölkerung lagert an dem Flussufer, und
die Leute sind beschäftigt das Salz auf Ochsenwagen fortzuschaffen. Dies Salz ist in grossen Würfeln crystallisirt und ganz merkwürdig rein.
Mr. Trenham Reeks hat die Freundlichkeit gehabt, etwas da-
von für mich zu analysiren: er findet darin nur 0,26 Gips und 0,22 erdige Substanz.
Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass es sich
/.uní Conserviren des Fleisches nicht so gut eignet, wie das Seesalz von den Cap Verdischen Inseln;
ein Kaufmann in Buenos Ayres
sagte mir, dass er es um fünfzig Prozent geringer als jenes schätze. Deshalb wird fortwährend Salz von den Cap Verdischen Inseln eingeführt und mit dem der Salinas vermischt.
Die Reinheit des pata-
gonischen Salzes oder vielmehr die Abwesenheit derjenigen anderen Salztheile, die in allem Meerwasser vorhanden sind, ist der einzige Grund, den man für jenen Mangel angeben kann.
Niemand würde
diesen Zusammenhang vermuthet haben, wäre er nicht kürzlich durch
V i e r t e s Kapitel
78 die
Thatsache
bestätigt
worden*,
dass
diejenigen Salze
sich
am
besten zur Conservirung von Käse eignen, welche die meisten lösbaren Chloride enthalten. Die Ufer des Sees sind aus Schlamm gebildet;
und in diesem
finden sich viele grosse Crystalle von Gips eingelagert, deren einige drei
Zoll
lang
sind,
während
auf
der
schwefelsaurem Natron verstreut liegen. Padre diese
del
sal,
und
Oberflache
die letztere die „Madre";
erzeugenden Salze
sie berichten,
immer an den Rändern
treten, wenn das Wasser zu verdunsten beginnt. schwarz und hat einen fauligen Geruch. Ursache davon nicht vorstellen;
Crystalle
aus
Die Gauchos nennen erstere: der
dass
Salinas
auf-
Der Schlamm ist
Zuerst konnte ich mir die
dann aber bemerkte ich,
dass der
Schaum, welchen der Wind auf das Ufer getrieben hatte, eine grüne Farbe
zeigte,
wie von Conferven herrührend;
ich versuchte etwas
von dieser grünen Substanz nach Hanse zu nehmen, doch durch ein zufälliges Missgeschick glückte es mir nicht.
Einige Theile des Sees
sahen aus der Entfernung rötlich gefärbt aus; vielleicht rührte dies von Infusionsthierchen durch
in
geworfen. leben
her.
An
vielen Stellen
grosser Anzahl auftretende Würmer Wie
zu
vermögen
einer
und dass sie zwischen Krystallen
wohnen
wenn festen
Schlamm auf-
merkwürdig ist e s , dass Geschöpfe in Salzlake zu
saurem Natron und K a l k herumkriechen! Würmern,
war der
oder Aneliden
während und
schwefel-
des langen Sommers die Oberfläche sich
Salzschicht
diesen See
und
Und was wird aus diesen
verhärtet?
brüten
Zahlreiche
hier;
Flamingos
durch ganz Patagonien,
beim
nördlichen Chile und auf den Galapagosinseln traf ich diese V ö g e l überall
an,
wo es solche Salzlachen gab.
Hier sah ich sie herum-
waten und nach Futter suchen, vermuthlich nach jenen den Schlamm aufwühlenden wieder
von
kleine
in
Würmern,
und
Infusorien und sich
Binnensalzsecn
abgeschlossene gemäss
ist.
diese
nähren
Conferven. Welt
von
So
sich haben
wahrscheinlich wir hier
Lebewesen,
die
eine
diesen
Ein winziges Krustenthier, (Cancer sa-
linus) soll in zahllosen Mengen die Salzpfannen von Lymington be-
* B e r i c h t der A g r i c u l t . Chem. Assoc. in der A g r i c u l t . G a z e t t e , 1845 p. 93.
V o m R i o N e g r o zum R i o Colorado (1833)
wohnen*,
doch
dunstung
einen
pfund S a l z haupten,
Dur diejenigen,
in welchen die Soole durch
hohen Grad von Stärke hat,
auf ein halbes Liter "Wasser. dass jeder
Theil
79
der W e l t
Ver-
nämlich ein Viertel-
Da dürfen wir wohl
bewohnbar
ist!
be-
Mögen
es
Seen v o n Salzlake sein,
oder jene unterirdischen unter den Vulkanen
liegenden
warme Mineralquellen
Gewässer
—
—
die weite
Aus-
dehnung nnd die Tiefen des Oceans — die höheren R e g i o n e n
der
Atmosphäre
alle
und
selbst die Oberfläche des ewigen Schnees —
gewähren organischen Wesen Unterhalt. Nördlich Gegend
bei
vom R i o X e g r o , Buenos A y r e s ,
Niederlassung, ist.
Die
die
zwischen
besitzen
vor Kurzem
ihm und der bewohnten
die Spanier nur eine
in Bahia Bianca
Entfernung nach Buenos Ayres
beinah fünfhundert englische Meilen.
errichtet
kleine worden
beträgt in gerader Linie
Da die wandernden Stämme be-
rittener Indianer, welche stets den grössten Theil dieser Länder besassen, in letzter Zeit die einzelnliegenden Estancias sehr belästigt hatten, war von der Regierung von Buenos A y r e s vor Kurzem ein Heer dem
Oberbefehl
Indianer
des
ausrotten
Generals Rosas
sollte.
Die
ausgerüstet
Truppen
lagerten
worden,
unter
das
damals an
die den
Ufern des R i o Colorado, ein Fluss ungefähr achtzig Meilen nördlich vom R i o Negro entfernt. murschirte Ebenen;
er
in
A l s General Rosas Buenos Ayres verliess,
gerader
Richtung
Hess er in
die
noch
unerforschten
grossen Zwischenräumen kleine Abtheilungen
daten, sowie einen Trupp Pferde
¥
durch
und weil das Land von Indianern ziemlich gesäubert war.
Linnaean Trans,
vol. X I
p. 205.
(eine posta) zurück,
K s ist merkwürdig, wie a l l e Umstände
13c/ug a u f die S a l z s e e n in Sibirien und P a t a g o n i e n übereinstimmen. wie P a t a g o n i e n
erst spät
In beiden L a n d e r n beiden I-andern
über den S p i e g e l
nehmen die S a l z l a c h e n
ist
der Schlamm
von Sol-
um eine un-
am U f e r
in
Sibirien scheint
des M e e r e s erhoben worden zu sein. flache
B e c k e n in den Steppen
schwarz
und ü b e l r i e c h e n d ;
ein:
in
unter der
Salzkruste kommt, unvollkommen krystallisirt, s c h w e f e l s a u r e s N a t r o n und s c h w e f e l saure M a g n e s i a mischt. und Ufer.
Die
vor
und
ist der
sibirischen Salzseen
Flamingos
(Edin. N e w .
D a diese anscheinend
schlammige werden
von
Philos. Jour. Jan.
Sand
mit K ö r n e r n
von G i p s
kleinen Krustenthieren X830.) b e s u c h e n
ver-
bewohnt;
gleichfalls
ihre
so g e r i n g f ü g i g e n Umstände in zwei entfernten Conti-
nenten vorkommen, können wir sicher sein, dass sie die notwendigen F o l g e n gemeinsamer U r s a c h e n sind.
Siehe Pallas's Reisen 1793 bis 1794 p. p. 1 2 9 — 1 3 4 .
80
Viertes Kapitel
unterbrochene Verbindung mit der Hauptstadt aufrecht erhalten zu können. Da der „Beagle* bei Bahia Bianca anlaufen wollte, beschloss ich zu Lande dorthin zu gehen und dehnte schliesslich meinen Plan dahin aus, dass ich den ganzen Weg nach Buenos Ayres von Posta zu Posta zurücklegte. 11. August. Ein in Patagones ansässiger Engländer, Mr. Harris, ein Führer und fünf Gauchos, die sich in Geschäften zur Armee begaben, waren meine Reisegefährten. Der Colorado ist, wie ich vorhin sagte, ungefähr achtzig Meilen entfernt, und da wir langsam reisten, waren wir zwei und einen halben Tag unterwegs. Die ganze Gegend verdient kaum anders als Wüste genannt zu werden. Wasser findet man nur in zwei kleinen Brunnen und man nennt es süss; doch selbst in dieser Jahreszeit, während der Regenzeit, war es ganz brackig. Im Sommer muss es ein trauriger W e g sein; schon jetzt war es recht trostlos. So breit das Thal des Rio Negro auch ist, ist es allein aus der Sandsteinebene ausgewaschen worden, denn unmittelbar über dem Ufer, auf dem die Stadt steht, fängt ein Flachland an , das nur durch wenige unbedeutende Thäler und Mulden unterbrochen ist. Ueberall hat die Landschaft denselben wüsten Charakter; auf dem dürren Kiesboden sieht man nur Büschel von braunem versengten Grase und hier und da niedriges Dorngestrüpp. Kurz nachdem wir an der ersten Quelle vorüber waren, erblickten wir einen berühmten Baum, den die Indianer als den Altar des Walleechu verehren. Er steht auf einem holten Theil der Ebene und ist dadurch eine auf grosse Entfernung hin sichtbare Landmarke. Sobald ihn ein Indianerstamm von fern her erblickt, bringen sie ihm durch lautes Geschrei ihre Verehrung dar. Der Baum selbst ist niedrig, weit verzweigt und dornig; dicht über der Wurzel hat er einen Durchmesser von drei Fuss. Er steht allein ohne einen Nachbar, und war allerdings der erste Baum, den wir sahen; nachher trafen wir noch auf einige derselben Art; aber sie waren durchaus nicht häufig. Da es Winter war, trugen diese Bäume kein Laub, aber dafür hatten sie zahlreiche Fäden, an welchen die verschiedenen Weihgeschenke, wie Cigarren, Brot, Fleisch, Stücken von Zeug u. s. w.
81
Vom Rio Negro zum Rio Colorado (1833)
aufgehängt waren.
A r m e Indianer, die nichts anderes zu geben haben,
ziehen nur einen Faden aus ihren Ponchos (Mantel) und binden ihn an den Baum. von T h e e )
Reichere Indianer pflegen Branntwein und Maté ( A r t
in ein gewisses Loch zu giessen, sowie den Tabaksrauch
aufwärts z u
blasen,
und
Wohlgefallen zu bereiten.
meinen dadurch dem Walleechu
grösstes
U m das Bild vollständig zu machen, war der
Baum von den gebleichten Knochen der Pferde umgeben, welche hier als Opfer geschlachtet worden waren.
A l l e Indianer jeglichen Alters und
Geschlechts bringen ihre Weihgeschenke dar; si? glauben, dass dann ihre Pferde nicht ermüden und dass sie selbst Glück haben werden. Der Gaucho, der mir dies erzählte, sagte,
dass er in Friedenszeiten
dies oft mit angesehen, und dass er und andere gewartet hätten, bis die Indianer abgezogen wären, um dem Walleechu die Weihgeschenke zu stehlen. Die Gauchos meinen, dass die Indianer den Baum für den Gott selbst halten; aber es ist viel wahrscheinlicher, dass sie in ihm den Altar sehen.
Die einzige Ursache, aus der ich mir diese W a h l er-
klären kann, ist, dass er als Landmarke auf einem gefährlichen W e g e dient.
Die Sierra de la Ventana ist aus ungeheuerer Ferne sichtbar;
und ein Gaucho erzählte mir, dass als er einst in Gesellschaft eines Indianers einige Meilen nördlich vom R i o Colorado selbe Geschrei ausstiess, das
anzuheben pflegen, dabei hob er die Hand zeigte
darauf
nach
ritt,
dieser das-
sie beim Anblick des fernen Baumes
der Richtung
nach
der Sienra.
dem Haupte
und
A u f die Frage nach
dem Grunde erwiderte der Indianer in gebrochenem Spanisch: erst
die Sierra
sehen".
würdigen Baum
Ungefähr
schlugen wir
sechs Meilen
unser
Nachtlager
von jenem auf; gleich
erspähten die luchsäugigen Gauchos eine unglückliche K u h , sofort nachsetzten,
sie wenige Minuten
heranschleppten und sie schlachteten. wendigen
Bedürfnisse
fiir
Fleisch und Brennholz.
darauf der sie
später mittels ihrer Lazos
Nun hatten wir die vier n o t -
das Leben
W e i d e für die Pferde, Wasser, —
,Zumerk-
,en
el campo",
—
nämlich
(freilich nur eine Schlammpfütze)
Die Gauchos
waren in bester Laune
alle
diese guten Gaben hier vorzufinden, und wir machten uns schnell an die Arbeit mit der armen K u h . D a r w i n , Reise.
Es war die erste Nacht, die ich 6
82
Viertes Kapitel
unter freiem Himmel zubrachte, nur die zum Pampassatte gehörigen Decken
als Bett.
Es liegt ein hoher Reiz in der Unabhängigkeit
des Gaucholebens; in jedem Augenblick im Stande zu sein, das Pferd anhalten und sagen zu können: Die
Todtenstille
der
Steppe,
zigeunerartig um das Feuer
„hier will ich zur Nacht rasten." die
Wacht
haltenden
gelagerten Gauchos
Hunde,
haben
in
die
meiner
Erinnerung ein lebhaftes Bild jener Nacht zurückgelassen, das ich nie vergessen werde. Am
nächsten Tage war
ähnlich.
die Gegend
der oben
beschriebenen
Sie wird nur von wenig Vögeln oder Säugethieren bewohnt.
Gelegentlich
sieht
man
Lama); aber der Aguti füssige Thier,
einen Hirsch,
oder
(Cavia Patagonica)
das in dieser Gegend
ein
Guanaco
unsere Hasen vertritt.
weicht es von jener Gattung in vielen wesentlichen zum Beispiel hat es nur drei Zehen
(wildes
ist das häufigste vierDoch
Punkten
an den Hinterfüssen.
ab;
Auch
wird der Aguti beinah doppelt so gross und wiegt zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Pfund. Steppe;
Der Aguti
es ist charakteristisch
drei schnell hintereinander hüpfen zu sehen.
ist ein treuer Freund
für die Landschaft, ihrer zwei
der oder
in gerader Linie durch diese Wildniss
Man findet sie nördlich bis an die Sierra Tapal-
guen (37 0 30' s. Br.), wo die Ebene plötzlich grüner und feuchter wird; die südliche Grenze ihres Vorkommens ist zwischen Port Desire und St. Julian, wo
indessen kein "Wechsel in der Natur der
Landschaft ist. Es ist eine bemerkenswerte Thatsache, dass obgleich der Aguti jetzt nicht mehr so südlich wie St. Julian vorkommt, Kapitän Wood
von
seiner Reise im Jahre
zahlreich wären.
1670 berichtet,
Welche Ursache kann in einem
dass sie dort so weiten, un-
bewohnten und selten besuchten Lande den Verbreitungskreis eines solchen
Thieres
beschränkt
haben ?
Nach
der
Anzahl,
welche
Kapitän W o o d an einem Tage in Port Desire geschossen hat, müssen sie damals auch viel zahlreicher Viscacha
an Orten, wie in Bahia Bianca, der Aguti
als jetzt gewesen sein.
Wo
die
lebt und ihre Höhlen gräbt, benutzt sie der A g u t i ; aber seine eigenen Höhlen.
wo es keine Viscachas giebt, gräbt Das gleiche sieht man bei der
kleinen Pampaseule (Athene cunicularia), von welcher so oft berichtet
Rio Colorado (1(33)
83
wird, das sie wie eine Schildwache an den Höhleneingängen der Viscachas stände; denn in Banda oriental, in der es keine Viscachas giebt, muss sie ihre eigenen Behausungen selbst aushöhlen. Als wir uns am nächsten Morgen dem Rio Colorado näherten, änderte sich das Aussehen der Landschaft; wir kamen bald auf eine grttne Grasfläche, welche durch ihre Blumen, den hohen Klee und die kleinen Eulen, den Pampas glich. Auch ritten wir an einem schlammigen Sumpf von beträchtlicher Ausdehnung vorüber, der im Sommer austrocknet, dann eine Kruste von verschiedenartigen Salzen erhält und deshalb ein Salitral genannt wird. ET war mit niedrigen Fettpflanzen bedeckt, von derselben Art, wie am Meeresgestade wachsen. Der Colorado war bei der Furt, an der wir ihn kreuzten, nur fünfzig Meter breit; im Allgemeinen muss er beinah doppelt so breit sein. Sein Lauf ist sehr gekrümmt und wird durch Weidenbäume und Rohr bezeichnet; in gerader Linie beträgt die Entfernung siebenundzwanzig Seemeilen, aber zu Wasser fünfundsiebzig. Unsere Ueberfahrt in einem Canoe wurde durch eine ungeheure Heerde von Stuten verzögert, die den Fluss durchschwammen, um einer Truppenabtheilung in das Innere zu folgen. Nie habe ich ein drolligeres Schauspiel gesehen, als diese Hunderte und Hunderte von Köpfen, die alle nach einer Seite gewendet waren, mit gespitzten Ohren, geöffneten und schnaubenden Küstern gerade aus dem Wasser hervorragten, wie eine grosse Schaar Amphibien. Stutenfleisch ist die einzige Nahrung, welche die Soldaten auf dem Marsch haben. In Folge dessen sind die Truppen sehr leicht beweglich, denn es ist erstaunlich, auf wie grosse Entfernungen hin die Pferde in diesen Ebenen getrieben werden können; man hat mich versichert, dass ein unbeladenes Pferd mehrere Tage hintereinander täglich hundert englische Meilen zurücklegen kann. Das Lager des General Rosas war dicht am Flusse und bestand aus einem durch Wagen, Geschütze, Strohhütten u. s. w. gebildeten Viereck. Die Truppen waren fast ausschliesslich Cavallerie, und mich dünkt, es ist noch nie so viel abscheuliches, banditenhaftes Gesindel zusammen gewesen. Die grösste Anzahl der Leute waren Mischlinge von Negern, Indianern und Spaniern. Ich weiss nicht, 6*
84
Vierte* Kapitel
woher es kommt, aber Menschen dieses Ursprungs haben selten einen guten Gesichtsausdnick. Um meinen Pass zu zeigen, suchte ich den Sekretär auf, der mich mit sehr wichtiger und gehcinmissvoller Miene auszufragen anfing. Glücklicherweise aber hatte ich einen Empfehlungsbrief von der Regierung von Buenos Ayres an den Commandanten in Patagones*. Dieser wurde dem General Rosas gebracht, der mir einen sehr verbindlichen Grass ausrichten liess, mit dem der Sekretär holdselig lächelnd und gnädig zurückkehrte. Wir nahmen nun Wohnung in dem Rancho oder Hütte eines merkwürdigen alten Spaniers, der unter Napoleon den Krieg gegen Russland mitgemacht hatte. Zwei Tage blieben wir am Colorado; ich hatte wenig zu thun ; denn das ganze umliegende Land war ein Sumpf, der im Sommer (Dezember), wenn der Schnee auf den Cordilleren schmilzt, vom Fluss überschwemmt wird. Mein Hauptvergnügen bestand darin, die Indianerfamilien zu beobachten, die in den von uns bewohnten Rancho kamen, um Kleinigkeiten zu kaufen. Man meinte, dass General Rosas gegen sechshundert indianische Verbündete habe. Die Männer waren ein grosser, stattlicher Menschenschlag, doch konnte man nachher leicht bei den feuerländischen Wilden sehen, wie hässlich dieselben Züge durch Kälte, Hunger und geringere (Zivilisation werden. Einige Schriftsteller haben bei der Beschreibung der verschiedenen Menschenrassen diese Indianer in zwei Klassen getheilt; das ist entschieden unrichtig. Unter den jungen Weibern, Chinas genannt, konnte man einige sogar fiir schön erklären. Ihr Haar war grob, aber glänzend und schwarz, und sie trugen es in zwei Zöpfen bis an die Hüften hängend. Ihre Farbe war sehr lebhaft und die Augen hatten funkelnden Glanz; Beine, Füsse und Arme waren klein und zierlich geformt, die Fussknöchel und zuweilen auch die Taille mit Ketten von blauen Glasperlen geschmückt. Einige dieser Familiengruppen waren in höchstem Grade interessant. Oft kam eine Mutter mit einer oder zwei Töchtern, alle auf demselben Pferde, nach unsenn Rancho geritten. Sic reiten wie Männer, nur die Kniee höher heraufgezogen, * Ich fühle mich verpflichtet, der Regierung von Buenos Ayres meinen leb härtesten Dank auszusprechen für die Gefälligkeit, mit welcher mir als Naturforscher des »Beagle« Passe nach allen Theilen des Landes ausgestellt worden sind.
Rio Colorado (1633)
85
eine Gewohnheit, die vielleicht daher rührt, dass sie beim Herumziehen auf den beladenen Lastthieren sitzen.
Ks ist das Geschäft der Frauen,
die Pferde auf- und abzupacken, die Zelte für die Nacht aufzuschlagen, kurz sie
sind
wie
die Frauen aller Wilden nützliche Sklaven.
Die
Männer kämpfen, jagen, sorgen für die Pferde und machen das Reitzeug.
Eine ihrer hauptsächlichsten hänslichen Beschäftigungen ist däs
Aneinanderschlagen von zwei Steinen, bis diese rund sind, um Botas daraus
zu
sein W i l d
machen.
Mit
dieser
Beim Kämpfen
versucht
hat,
ihn
das
er zuerst
Gegners zum Sturz zu bringen verwickelt
wichtigen W a f f e fängt der Indianer
und auch sein Pferd,
frei über die Ebene schweift.
mit den Bolas das Pferd seines
und, wenn dieser sich bei dem F a l l
mit dem Chuzo
zu tödten.
W e n n die K u g e l n
sich nur um den Hals oder Leib eines Thieres schwiegen, läuft es damit oft davon und sie gehen verloren. Tage
erfordert, ist
schäftigung. roth
bemalt;
Da das Abrunden der Steine zwei
die Anfertigung
dieser Kugeln eine häufige Be-
Bei vielen der Männer und Weiber waren die Gesichter aber ich habe
nie die horizontalen Streifen gesehen,
welche bei den Feuerländern so häufig sind. darin, Alles
aus Silber zu haben;
ich
Ihr Hauptstolz besteht
sah einen
Caziken,
dessen
Sporen, Steigbügel, Messergriff und Zaum aus diesem Metall gemacht war;
der Kopfzaum und die Zügel bestanden aus Silberdraht,
nicht
dicker wie eine Peitschenschnur, und ein feuriges Ross, das einem so dünnen Zügel gehorchte, Hess das Reiten ungemein elegant erscheinen* General Rosas äusserte den Wunsch mich zu sehen, ein Umstand, dessen ich mich später noch sehr zu freuen hatte.
Er ist ein Mann
von aussergewöhnlichem Charakter und geniesst im Lande
eines be-
deutenden Einflusses, dessen er sich auch wahrscheinlich zum Nutzen und Frommen desselben
bedienen
wird*.
E r soll Eigenthiimer
von
vierundsiebzig Quadratleagues Landes sein und gegen dreihunderttausend Stück Rindvieh besitzen.
Seine Besitzungen sind trefflich verwaltet und
tragen weit mehr Getreide als die übrigen.
Er wurde zuerst bekannt
durch die Gesetze, die er für seine eigenen Estancias erliess, und dadurch
dass er einige Hundert Leute
einexercirte,
so dass
sie den
* L e i d e r ist diese P r o p h e z e i u n g in keiner W e i s e in E r f ü l l u n g g e g a n g e n .
1845.
86
Viertes Kapitel
Angriffen der Indianer erfolgreich zu widerstehen vermochten. Es sind viele Geschichten in Umlauf über die Strenge, mit welcher er seine Gesetze handhabte. Eine derselben war, dass kein Mann, bei der Strafe in den Stock geschlossen zu werden, am Sonntag ein Messer tragen durfte, weil an diesem Tage gespielt und gezecht wurde, in Folge dessen häufig Streit entstand, der bei der allgemeinen Sitte, mit dem Messer zu kämpfen, oft einen tödtlichen Ausgang nahm. Eines Sonntags kam der Gouverneur in Gala, um die Estancia zu besuchen; General Rosas eilte ihm schnell vor die Thür entgegen und hatte wie gewöhnlich das Messer im Gürtel stecken. Der Hausmeister berührte seinen Arm und erinnerte ihn an das Verbot; darauf wandte der General sich an den Gouverneur und sagte, dass es ihm sehr leid thäte, aber er müsse sich zunächst in den Stock scbliessen lassen und, bis er wieder frei wäre, habe er selbst in seinem eigenen Hause keine Gewalt. Nach kurzer Zeit wurde der Hausmeister überredet, den Stock aufzuschliessen und ihn herauszulassen; doch kaum war dies geschehen, als er sich an den Hausmeister wandte und sagte : „Nun hast du die Gesetze übertreten nnd musst jetzt meine Stelle im Stock einnehmen." Eine solche Handlungsweise begeistert die Gauchos, welche alle eine hohe Meinung von ihrer Gleichberechtigung und Würde besitzen. General Rosas ist auch ein vollendeter Reiter — ein Vorzug von nicht geringer Bedeutung in einem Lande, in welchem eine versammelte Armee ihren General nach folgender Probe erwählte: Ein Trupp unzugerittener Pferde, die man in einen Corral (Gehege) getrieben hatte, wurde durch eine Pforte herausgelassen, über welcher sich ein Querbalken befand. Man war übereingekommen, dass wer von dem Balken auf eines der wild herausstürmenden Pferde springen und es ohne Sattel und Zügel nicht nur reiten, sondern auch an die Thür des Geheges zurückbringen könnte, ihr General sein sollte. Derjenige, dem dies Reiterstück glückte, wurde darauf erwählt und ist ohne Zweifel ein geeigneter Anführer für ein derartiges Heer gewesen. Auch Rosas hat diese ausserordentliche Kraftprobe abgelegt. Durch solche Mittel und indem er die Kleidung und Lebensweise der Gauchos annahm, hat er im Lande unbegrenzte Volkstümlichkeit
87
General Rosas (>633)
und
dadurch
despotische Gewalt erlangt.
versicherte mich, dass ein Mann, als
er
verhaftet
wurde,
Ein englischer Kaufmann
der einen anderen ermordet hatte,
und
nach
dem Beweggrund
zur Antwort
gab:
„Er
Rösas, deshalb habe ich ihn umgebracht." der Mörder auf freiem Fuss.
der Blutthat
sprach unehrerbietig
vom
gefragt General
Eine W o c h e darauf war
Das ist zweifellos durch die Partei des
Generals geschehen, nicht durch den General selbst. In der Unterhaltung ist er enthusiastisch, klug und sehr streng, ja er treibt diese Strenge sehr weit. reisser,
denn wie
Ich hörte einen seiner Possen-
die Barone in alter Zeit hält er sich deren zwei,
folgende Geschichte erzählen : , I c h wollte sehr gern ein bestimmtes Musikstück
spielen
hören,
deshalb
dem General und bat ihn darum. denn ich
habe
zu
thun."
ging ich zwei- oder dreimal zu
E r sagte a b e r : „Schere dich fort,
A l s ich das zweite Mal kam,
sagte e r :
,,Wenn du wiederkommst, lasse ich dich bestrafen." A l s ich ihn zum dritten Mal bat, spät;
lachte er.
Ich lief aus dem Zelt,
aber es war zu
er befahl zwei Soldaten mich zu greifen und zu pfählen.
Da
flehte ich ihn bei allen Heiligen des Himmels an, mich freizulassen, aber er wollte nicht; denn wenn der General lacht, schont er keinen, weder Weise noch Narren." klägliches Gesicht,
Der arme Tropf machte noch ein ganz
als er an das Pfählen dachte.
Es ist eine sehr
harte Strafe; vier Pfähle werden in die Erde getrieben, der Mensch dazwischen an Armen und Beinen horizontal aufgehängt, wo man ihn mehrere Stunden sich strecken lässt.
Die Idee dazu ist offenbar der
üblichen Methode, Häute zu trocknen, entlehnt.
Meine Audienz ging
ohne ein Lächeln a b ; ich erhielt einen Pass und Anweisung auf die Regierungs-Postpferde und das gab er mir in der verbindlichsten und zuvorkommendsten Weise. A m Morgen brachen wir nach Bahia Bianca auf, zwei Tagen erreichten.
Nachdem
das wir nach
wir das regelmässige Lager ver-
lassen hatten, kamen wir an den Toldos der Indianer vorüber.
Diese
sind rund wie Backöfen und mit Häuten bedeckt; vor dem Eingang eines jeden war ein spitziger Chuzo in die Erde gesteckt.
Die Tol-
dos waren in besondere Gruppen geschieden, welche zu den Stämmen
88
Vierte« Kapitel
der verschiedenen Caziken gehörten, und diese Gruppen waren wieder in Unterabtheilungen getheilt, je nach der Verwandtschaft der Eigent ü m e r . Mehrere Meilen weit zogen wir dnrch das Thal des Colorado. Die angeschwemmten Ebenen längs des Ufers sahen fruchtbar aus und sollen sich gut zum Getreidebau eignen. Als wir uns vom Flusse nach Norden wendeten, kamen wir bald in eine Gegend, die verschieden von den Ebenen südlich des Flusses war. Das Land blieb immer noch trocken und unfruchtbar, brachte jedoch viele verschiedenartige Pflanzen hervor; das allerdings braune und vertrocknete Gras war reichlicher und nicht soviel Dorngestrüpp vorhanden. Auf einer kurzen Strecke verschwand letzteres ganz und die Ebene besass kein Dickicht, um ihre Nacktheit zu bedecken. Dieser Wechsel in dem Pflanzenwuchs bezeichnet den Anfang der grossen Kalkthon-Ablagerung, welche das weite Gebiet der Pampas bildet und das die Granitfelsen von Banda oriental bedeckt. Von der Magellansstrasse bis zum Colorado auf eine Entfernung von ungefähr achthundert Meilen besteht die Oberfläche des Landes überall aus Geröll, dessen Stücke, meist Porphyr, ihren Ursprung wahrscheinlich den Felsen der Cordilleren verdanken. Nördlich vom Colorado wird diese Schicht dünner; die Geröllsteine sind ausserordentlich klein und hier hört die für Patagonien charakteristische Flora auf. Nachdem wir ungefähr fünfundzwanzig Meilen geritten waren, kamen wir an eine breite Kette von Sanddünen, die sich, so weit das Auge reicht, von Osten nach Westen erstreckt. Da die Sandhügel auf Thon ruhen, gestatten sie die Bildung von kleinen Wasserbecken und liefern in diesem trockenen Lande einen unschätzbaren Vorrath süssen Wassers. Die grossen Vortheile, welche aus den Senkungen und Hebungen des Bodens entstehen, werden uns selten so deutlich gemacht. Die zwei elenden Quellen auf dem langen Wege zwischen dem Rio Negro und dem Colorado wurden durch geringfügige Bodenerhebungen in der Ebene hervorgebracht; ohne diese würde dort auch nicht ein Tropfen Wasser zu finden sein. Die Kette von Sanddünen ist gegen acht Meilen lang, in einer früheren Epoche bildete sie wahrscheinlich den Rand eines grossen Meerbusens, wo jetzt der Colorado fliesst. In diesem Gebiet, in dem sich sichere Be-
89
Bahia Blanca (1833)
weise einer neueren Erhebung des Bodens vorfinden, kann sich Niemand derartigen Betrachtungen entziehen, auch wenn er nur die physikalische Geographie des Landes in Erwägung zieht.
Nachdem wir
den sandigen Landstrich passirt hatten, erreichten wir Abends eines der Posthäuser; und da frische Pferde ziemlich entfernt auf der Weide waren, beschlossen wir hier die Nacht zuzubringen. Das Haus lag unten an einem ein- bis zweihundert Fuss hohen Hügelrücken,
ein
seltenes Vorkommniss
in diesem Lande.
Diese
Posta war unter dem Commando eines in A f r i k a geborenen Negerlieutenants,
zu dessen Ehre ich anfuhren muss,
dass
Colorado und Buenos A y r e s keinen R a n c h o g a b , wie der seine gehalten war.
es
zwischen
der so ordentlich
E r hatte ein Fremdenstübchen und ein
kleines Gehege für Pferde, das aus Stangen und R o h r gemacht w a r ; auch hatte er einen Graben um das Haus gezogen zur Vertheidigung, im F a l l es angegriffen würde. genützt,
wenn
die
Indianer
Das A l l e s hätte ihm indessen wenig gekommen
Haupttrost in dem Gedanken zu l i e g e n , kaufen.
wären;
auch
schien
sein
sein L e b e n theuer zu ver-
V o r kurzer Zeit war eine Indianerbande Nachts in der Nähe
vorbeigekommen; hätten sie die Posta bemerkt, würde unser schwarzer Freund und seine vier Soldaten sicherlich gemordet worden sein. habe nirgends
einen
Ich
höflicheren und gefälligeren Mann wie diesen
Neger kennen gelernt; deshalb war es mir um so peinlicher, dass er sich nicht mit uns zusammensetzen und essen wollte. Sehr früh am Morgen Hessen wir uns die Pferde holen und erfrischten uns wieder durch einen scharfen Galopp.
W i r kamen an
der Cabeza del Bucy vorbei, ein alter Name, den man dem Endtheil eines grossen Sumpfes gegeben hat, der sich von Bahia Bianca bis hierher zieht. Hier wechselten wir die Pferde und ritten dann einige Stunden weit durch Moräste und salzige Sümpfe.
Wir
wechselten
zum letzten Mal die Pferde, und abermals fing das Waten durch den Schlamm
an.
Mein
Pferd
schwarzen Schmutz getaucht,
stürzte ein
und
ich
wurde
ganz
in
den
sehr verdriessliches Missgeschick,
wenn man keine Kleider zum Umziehen hat.
Einige Meilen
von
dem Fort begegneten wir einem Mann, der uns sagte, es wäre eine
Vierte* Kapitel
90
grosse Kanone abgefeuert worden; es ist das Signal, durch welches die Annäherung von Indianern verkündet wird.
Deshalb verliessen
wir sofort die Strasse, ritten am Rande eines Morastes hin, der, wenn man verfolgt wird, die besten Aussichten anf bietet
Entkommen
Wir waren froh innerhalb der Wälle angelangt zu sein und
hörten dort, dass es blinder Lärm gewesen, denn die Indianer hatten sich als freundlich gesinnte erwiesen, die sich zur Armee des General Rosas begeben wollten. Bahia Bianca verdient kaum den Namen eines Dorfes; ein paar Häuser und Baracken für die Truppen sind von einem tiefen Graben und einem befestigten Wall erst seit
umgeben.
Die Niederlassung
besteht
1828 und ihr Wachsthum ist oft gehindert worden.
Die
Regierung von Buenos Ayres hat den Grund und Boden mit ungerechter Gewalt fortgenommen, statt dem guten Beispiel der spanischen Vicekönige zu folgen, welche das Land in der Nähe der alten Niederlassung am R i o Negro den Indianern abkauften. Nothwendigkeit
einer Befestigung;
Daher die
daher die geringe Anzahl
der
Häuser und das wenig kultivirte Land ausserhalb des Festungskreises; selbst das Vieh ist nicht sicher vor den Räubereien der Indianer, wenn es sich über die Ebene hinaus wagt, auf der die Festung steht. Da der Theil des Hafens, in welchem der „Beagle" zu ankern beabsichtigte, fünfundzwanzig Meilen entfernt war, erhielt ich von dem Commandanten einen Führer und Pferde, um nachzusehen, Schiff angelangt sei.
ob das
Nachdem wir die grüne Rasenfläche verlassen
hatten, welche sich am Laufe eines kleinen Bachs hinzog, kamen wir gleich in eine weite flache Wüste, die entweder aus Sand, Salzsümpfen oder blossem Schlamme bestand. Einige Stellen waren mit niedrigem Buschwerk bewachsen,
andere mit jenen Fettpflanzen, die nur ge-
deihen, wo Salz reichlich vorhanden ist.
So schlecht das Land war,
gab es doch Strausse, Hirsche, Agutis und Gürtelthiere in grosser Menge.
Mein Führer erzählte mir, dass er vor zwei Monaten knapp
mit dem Leben davongekommen sei: er war mit zwei Freunden nicht sehr weit von hier auf der Jagd gewesen, als sie plötzlich auf In-
91
Bahia Blanca (1833)
dianer trafen, welche sie verfolgten, einholten und seine zwei Freunde tödteten.
Auch
die Beine seines eigenen Pferdes waren schon von
den Bolas gefangen, aber er sprang ab und durchschnitt die Riemen mit seinem Messer, doch war er dabei genöthigt, um sein Pferd herum zu kriechen Indianer.
und erhielt zwei schwere W u n d e n von den Chuzos der
In den Sattel springend, gelang es ihm, durch bewunderns-
würdiges Geschick
sich
eben
aus
dem Bereich der langen Speere
seiner Verfolger zu halten, die ihm bis nahe an das F o r t nachsetzten. Seit jener Zeit war ein Befehl erlassen, dass Niemand sich weit von der Ansiedlung
entfernen dürfe.
nichts von dieser Sache
und
Ich wusste bei unserm A u f b r u c h
wunderte
Führer einen Hirsch beobachtete,
mich,
wie
sorgfaltig
mein
der von einem entfernten Punkte
aus aufgescheucht zu sein schien. W i r fanden, dass der „ B e a g l e " noch nicht angelangt war, machten uns daher auf den R ü c k w e g ; müdeten, Morgen
mussten
wir
und
aber da die Pferde bald er-
die Nacht auf der Ebene verbringen.
hatten wir ein Gürtelthier gefangen,
das
Am
in seiner Schale
gebraten, zwar vortrefflich schmeckte, aber als Frühstück und Mittagbrod doch nicht genug für zwei hungrige Männer war. war
an der Stelle,
wo
Glaubersalz überzogen
wir
zur Nacht
blieben,
Der Erdboden
mit einer Schicht
und daher natürlich ohne Wasser.
Trotzdem
vermochten viele von den kleineren Nagethieren selbst hier zu leben, und während der halben Nacht hörte ich unter meinem K o p f wunderliche kurze Grunzen des Tucutuco. paar elende Gäule,
und
am
das
Unsere Pferde waren ein
nächsten Morgen
waren
sie
bald er-
schöpft, weil sie nichts zu trinken bekommen hatten; so wurden wir genöthigt
zu Fuss
zu
gehen.
Am
Mittag
fingen
die
Hunde
ein
Hirschkälbchen, das wir brieten; ich ass etwas davon, aber es machte mich unerträglich durstig.
Der Durst war um so quälender, da kürz-
lich gefallener Regen auf dem W e g e Tümpel klaren Wassers zurückgelassen hatte, von dem aber nicht ein Tropfen trinkbar war. hatte
kaum
zwanzig Stunden
nicht getrunken
Theil dieser Zeit starker Sonnenhitze machte mich der Durst sehr schwach.
ausgesetzt
und
war
gewesen,
Ich
nur einen dennoch
W i e Menschen es unter ähn-
lichen Umständen zwei bis drei Tage aushalten,
kann ich mir nicht
Viertes Kapitel
92
vorstellen ; ich muss allerdings zugeben, dass mein Fährer gar nicht darunter litt und sich wunderte, dass mir diese eintägige Entbehrung so beschwerlich fiel. Ich habe mehrfach erwähnt, dass die Oberfläche des Bodens mit Salz inkrustirt ist.
Diese Erscheinung ist von den Salinas ganz ver-
schieden und noch ausserordentlicher.
In vielen Theilen Südamerikas,
überall wo das Klima massig trocken ist, kommen diese Inkrustationen vor;
aber ich habe sie nirgends so zahlreich gesehen wie in der
Nähe von Bahía Blanca.
Das Salz besteht hier und in anderen
Theilen von Patagonien zum grössten Theil aus schwefelsaurem Natron mit etwas gewöhnlichem Salz.
So lange der Boden feucht ist in diesen
Salitrales (wie die Spanier sie unrichtig nennen, weil sie die Substanz irrthümlich für Salpeter halten), sieht man nichts als eine weite, aus schwarzem schlammigen Erdreich bestehende Ebene, welche zerstreut stehende Büschel von Fettpflanzen hervorbringt.
Kommt man dann
nach einer Woche heissen Wetters wieder an einer solchen Stelle vorbei, so ist man überrascht, das Land auf Quadratmeilen hin weiss zu sehen, als wäre leichter Schnee gefallen, der hier und da vom Winde etwas zusammen getrieben.
Diese letzte Erscheinung
wird
hauptsächlich dadurch verursacht, dass bei der langsamen Verdunstung der Feuchtigkeit sich die Salze um welke Grashalme, an Baumstümpfen und Erdschollen in die Höhe ziehen, statt auf dem Gründe der Wasserlachen zu crystallisiren.
Die Salitrales kommen entweder auf ebenen,
sich nur wenige Fuss über den Meeresspiegel erhebenden Flächen vor oder auf angeschwemmtem Lande an Flüssen.
Mr. Parchappe
hat gefunden, dass die Salzinkrustationen auf der Ebene, einige Meilen von der See entfernt, hauptsächlich aus schwefelsaurem Natron mit nur sieben Prozent gewöhnlichen Salzes bestehen, während näher nach der Küste hin das Kochsalz bis zu 37 Theilen auf 100 zunahm. Dieser Umstand könnte wohl zu dem Glauben führen, dass das schwefelsaure Natron in dem Boden aus dem Chlorid erzeugt wird, welchcs während der langsamen und späten Erhebung dieses trockcnen Landes an der Oberfläche zurückgeblieben war.
Dieses ganze Phä-
* D'Orbigny, Voyages dans l'Amcrique Merid. Part. Hist.
Tom. I, p. 664.
93
Bahia Blanca (1833) nomen
verdient die A u f m e r k s a m k e i t der Naturforscher.
saftigen, salzliebenden Pflanzen, von denen bekannt ist, Natron
enthalten,
der schwarze,
Haben
die
dass sie
viel
die Eigenschaft das Chlorid zu zersetzen ?
faulig riechende,
an organischer Substanz
Liefert
überTeiche
Schlamm den Schwefel und schliesslich die Schwefelsäure ? Zwei Tage
später
ritt
ich abermals nach
dem H a f e n ;
als
wir
nicht w e i t von unserm Ziele entfernt waren, entdeckte mein Begleiter, derselbe Mann wie zuvor, drei L e u t e zu P f e r d e jagend.
Sofort stieg er ab
beobachtete sie genau und s a g t e : „Sie reiten nicht wie Christen, und niemand
kann
das F o r t verlassen."
D i e drei J ä g e r
einander heran und stiegen gleichfalls ab.
ritten
auch an
Dann sass einer wieder
auf und ritt über den Hügel, so dass er unsem B l i c k e n entschwand. „Jetzt müssen wir aufsitzen," sagte mein Begleiter. P i s t o l e " und er sah nach seinem Säbel.
„ L a d e n Sie Ihre
„Sind es I n d i a n e r ? "
fragte
ich.
„Quien sabe ?' (wer weiss ?) „falls es nicht mehr wie drei sind,
thut
es
nichts !"
Es
schien
mir,
dass der hinter dem H ü g e l ver-
schwundene Mann den übrigen Stamm herbeihole. Begleiter
darauf
„Quien s a b e ! "
aufmerksam,
erhielt
aber
Dabei liess er niemals ab den
nau zu beobachten.
Ich
I c h machte meinen
nichts zur A n t w o r t
als:
fernen Horizont ge-
hielt seine ungemeine K a l t b l ü t i g k e i t
denn
doch für bedenklich und fragte ihn, warum er nicht umkehre.
Ich
war betroffen, als er antwortete: „ W i r sind auf dem R ü c k w e g , aber in einer Richtung, die uns in die N ä h e eines Morastes bringt, in den wir die P f e r d e so weit treiben können,
wie
dann vertrauen wir unsern eigenen Beinen,
sie
hinein
gehen,
und
daher ist keine Gefahr."
Ich war nicht ganz so zuversichtlich wie er und rieth unsere Schritte zu beschleunigen.
„Nein, nicht ehe sie es thun," versetzte er.
Aber
sobald uns eine kleine Bodensenkung ihren Blicken entzog, galoppirten wir;
sobald sie uns sehen konnten,
ritten
wir im Schritt.
Endlich
erreichten wir ein T h a l und uns nach links wendend galoppirten wir u.ich dem F u s s eines Hügels.
E r gab mir sein P f e r d zu halten, liess
die Hunde sich niederlegen und kroch auf Händen wärts,
um
zu
recognosciren.
brach er in Gelächter aus und kannte
in
ihnen die Gattin
und Füssen vor-
So blieb er eine W e i l e liegen, rief:
„Mugeres!" („Weiber!")
dann E r er-
und die Schwägerin von dem Sohn d e s
94
Viertes Kapitel
Major, welche Stransseneier suchten. Ich habe das Verhalten des Mannes geschildert, weil er des Glanbens war, dass es Indianer seien. Sobald sich dieser komische Inthum herausgestellt hatte, gab er mir hundert Gründe an, weshalb es keine Indianer sein könnten; aber zur Zeit hatte er an keinen derselben gedacht. Nun ritten wir in Frieden und Seelenruhe nach einem niedrigen Vorlande, das Punta Alta heisst, von wo wir fast die ganze Ausdehnung des grossen Hafens von Bahia Bianca übersehen konnten. Die weite Wasserfläche wird durch viele grosse Schlammbänke unterbrochen, welche die Einwohner Cangrejales (Krabbenbänke) nennen, nach der Unzahl kleiner Krabben, welche sie bevölkern. Der Schlamm ist so weich, dass man nicht darauf gehen kann, selbst nicht die kürzeste Strecke. Viele dieser Bänke sind mit hohen Binsen bewachsen, deren Spitzen bei der Fluth allein sichtbar sind. Einmal geriethen wir in einem Boot so weit zwischen diese seichten Stellen, dass wir kaum herauskommen konnten. Nichts war zu sehen als diese flachen Schlammbänke. Der Tag war nicht sehr hell und die Strahlenbrechung stark, oder wie die Matrosen sagten: „die Dinge schienen hoch." Der einzige Gegenstand im Gesichtskreis, der nicht flach erschien, war der Horizont; Binsen sahen wie in der Luft schwebende Büsche aus, Wasser wie Schlammbänke und Schlammbänke wie Wasser. Wir blieben die Nacht in Punta Alta und ich suchte dort nach fossilen Knochen; denn diese Stelle ist wie eine Katakombe für riesenhafte Thiere ausgestorbener Rassen. Der Abend war ganz still und klar; diese Eintönigkeit machte ihn reizvoll, obwohl sonst nur Schlammbänke, Möven, Dünen und einsam fliegende Geier zu sehen waren. Als wir am nächsten Morgen zurückritten, trafen wir auf die ganz frische Spur eines Puma, konnten ihn aber nicht finden. Wir sahen auch ein paar Zorillos oder Skunks (Stinkthiere), widerwärtige Geschöpfe, die aber durchaus nicht selten sind. In der allgemeinen Erscheinung gleicht der Zorillo einem Iltis, nur ist er grösser und verhältnissmässig viel dicker. Seiner Macht bewusst, streift er auch bei Tage über die offene Ebene und fürchtet weder Mensch noch Hund. Treibt man einen Hund zum
Zorillo» (1(33)
95
Angriff, so wird sein Math sofort durch ein paar Tropfen des stinkenden Oels gedämpft, das heftige Uebelkeit und Ausfluss aus der Nase hervorruft. Was einmal dadurch befleckt ist, wird für immer unbrauchbar. Azara sagt, dass man den Geruch auf eine Meile Entfernung wahrnehmen kann; mehr als einmal, als wir in den Hafen von Monte Video kamen und der Wind vom Ufer her stand, merkten wir an Bord des Beagle jenen Geruch. So viel ist gewiss, dass jedes Thier gern dem Zorillo ausweicht.
FÜNFTES KAPITEL. B a h i a B i a n c a — G e o l o g i e — Z a h l r e i c h e ausgestorbene
gigantische Säugethiere
Ihr E r l ö s c h e n in neueren Perioden — L a n g e L e b e n s d a u e r der Thierarten — T h i e r e bedürfen keiner üppigen V e g e t a t i o n — S ü d a f r i k a —
—
Grosse
Sibirische Fossilien
Z w e i S p e z i e s des Strausses — L e b e n s w e i s e des O f e n v o g e l s — Gürtelthiere —
—
Gift-
s c h l a n g e , Kröte, E i d e c h s e — W i n t e r s c h l a f der T h i e r e — L e b e n s w e i s e der S e e f e d e r — K r i e g e und Metzeleien der Indianer — P f e i l s p i t z e , ein U e b e r b l e i b s e l aus der Vorzeit.
BAHIA
BLANCA.
Der „Beagle"' traf hier am 24. August ein und eine W o c h e später segelte er nach dem P l a t a ; doch ich blieb mit Kapitän Fitz R o y ' s Einwilligung zurück, um zu Lande nach Buenos Ayres zu reisen.
Ich
will hier einige Beobachtungen mittheilen, welche ich während dieses Besuchs und bei einem früheren gemacht habe, als der „Beagle" mit der Aufnahme des Hafens beschäftigt war. Die Ebene einige Meilen landeinwärts
von der Küste gehört zu
der grossen Pampasformation, welche zum Theil aus einem röthlichen Thon, zum Theil aus einem in hohem Grade kalkhaltigen Mergel besteht.
Näher der Küste giebt es einige Flächen, welche aus Trüm-
mern der oberen Ebene bestehen, sowie aus Schlamm, Kies und Sand, die
das
Meer während
der langsamen
gespült hat; eine Erhebung, von Schalthieren streuten
noch
rundlichen
lebender Arten
Bimsteinkiesel
haben wir einen Querschnitt
Erhebung
des
Landes
an-
welche durch emporgehobene Schichten
einer
und
bewiesen dieser
durch
die
wird.
später
überall
ver-
In Punta
Alta
gebildeten
kleinen
Ebenen, welche wegen der grossen Zahl und der ungewöhnlichen A r t der darin eingebetteten Ucberreste ist.
riesenhafter
Landthiere interessant
Dieselben sind ausführlich von Professor Owen in dem zoologi-
schen Theil der Reise des „ B e a g l e " beschrieben worden und sind dem
Ausgestorbene Vierfussler (1833)
Museum des College of Surgeons einverleibt.
97
Ich will hier nur eine kurze
Skizze von der Natur dieser F u n d e geben. Erstlich, Theile von drei K ö p f e n und andere K n o c h e n gatherium,
gedrückt wird. Thier. von
Zweitens
den M e g a l o n y x ,
Drittens das S c e l i d o t h e r i u m ,
dem
des M e -
dessen ungeheuere Grösse schon durch den Namen ausein
grosses
verwandtes
auch ein verwandtes
ich ein beinah vollständiges Skelett
erhielt.
Es
Thier,
muss
so
gross w i e ein Rhinoceros gewesen sein: im Schädelbau nähert es sich nach M r . O w e n anderen
am
meisten dem Ameisenfresser vom C a p ,
Beziehungen
auch
Mylodon
Darwinii,
geringerer
Grösse.
Vierfüssler.
wieder
den Gürtelthieren.
doch in
Viertens
eine nahe verwandte Gattimg von nur
Fünftens
ein
anderer r i e s e n h a f t e r
den wenig
zahnloser
Sechstens ein g r o s s e s T h i e r mit einem knochigen abge-
theilten Panzer, sehr ähnlich wie der eines Gürtelthiers.
Siebentens eine
a u s g e s t o r b e n e P f e r d e r a s s e , auf die ich später zurückkommen werde. Achtens d e r Z a h n e i n e s D i c k h ä u t e r s ,
welcher wahrscheinlich mit
der Macrauchenia übereinstimmt, einem grossen Thier mit einem langen Halse wie ein K a m e e l , auf das ich auch wieder zurückkomme. lich der T o x o d o n ,
vielleicht
Schliess-
eines der wunderlichsten T h i e r e ,
das
man je entdeckt h a t ; an Grösse glich es dem Elefanten oder dem M e gatherium, aber M r . O w e n berichtet, dass der Bau seiner Zähne unwiderleglich
beweist,
dass
es
den Nagethieren
nahe
verwandt
war,
deren Ordnung gegenwärtig die meisten der kleinsten Vierfüssler umfasst;
in
vielen Einzelheiten ist es den Dickhäutern verwandt:
nach
der Stellung seiner A u g e n , Ohren und Nasenlöcher zu schliessen war es vermuthlich wie
der Dugong und Manatee ein Wasserthier, denen
es gleichfalls verwandt ist. Ordnungen,
Wie
wunderbar
sind
die
verschiedenen
die jetzt vollständig getrennt sind, in einzelnen Punkten
bei dem B a u des Toxodon mit einander verschmolzen! Die
Ueberbleibsel
einzelne K n o c h e n von
ungefähr
wir
zweihundert
würdiger U m s t a n d , gefunden
dieser
fanden
wurden,
maligen Bewohner D a r w i n , Reise.
dass und
es
neun
Meter
so
grossen
Vierfüssler
und
im Ufer eingebettet auf einem im
Quadrat.
Es
ist
viele verschiedene Spezies
ein
viele Raum merk-
bei einander
beweist, wie zahlreich an A r t e n die ehe-
dieses Landes
gewesen
sein
müssen.
Ungefähr 7
98
Fünftes Kapitel
dreissig Meilen von Punta Alta entfernt in einem Abhang von rother Erde fand ich gleichfalls verschiedene Bruchstücke von Knochen, einige von beträchtlicher Grösse. Zähne eines Nagers,
Unter diesen befanden sich die
an Grösse
und Form
ähnlich, (dessen Lebensgewohnheiten
denen des Capybara
ich schon früher beschrieben
habe), und deshalb wahrscheinlich ein Wasserthier.
Dann fand sich
auch ein Theil des Kopfes einer Ctenomys (Kammratte); die Spezies war von dem Tucutuco verschieden, grosse Aehnlichkeit mit ihm.
hatte
aber im Allgemeinen
Die rothe Erde,
in welcher jene
Ueben-este lagerten, enthält wie die der Pampas nach Professor Ehrenberg ein Salzwasser- und acht Süsswasser-Infusorien, sie ist deshalb wahrscheinlich die Ablagerung einer Flussmündung. Die Ueberreste von Punta Alta waren in geschichtetem K i e s und röthlichem Schlamm eingebettet, ganz so, wie das Meer sie noch heute auf ein flaches Gestade spülen könnte.
Sie waren unter-
mischt mit dreiundzwanzig Arten von Muscheln, von denen dreizehn noch leben und vier andere sehr nahe lebenden Formen verwandt sind*.
Aus dem Umstände, dass die Knochen des Scelidotherium
mit Einschluss der Kniescheibe
sich in ihrer richtigen Lage zu ein-
ander befanden, dann weil der Knochenpanzer
des grossen
dem
Gürtelthier ähnlichen Thiers so wohl erhalten war und mit den Knochen seines einen Beines
zusammengefunden
wurde,
können
wir
mit
Sicherheit darauf schliessen, dass diese Reste noch frisch und durch ihre
Bänder
zusammenhängend
waren,
als
sie
den Muscheln in den Kies eingebettet wurden**.
gemeinsam
mit
Wir haben daher
hier einen guten Beweis dafür, dass zu Lebzeiten der oben aufgezählten riesenhaften Vierfüssler,
die von denen der Jetztzeit ver-
* S e i t dies g e s c h r i e b e n w u r d e , hat Mr. A l c i d e d ' O r b i g n y die M u s c h e l n untersucht und sie a l l e fiir l e b e n d erklärt. * * Mr.
Aug.
Bravard
l ó g i c a s 1857) diese G e g e n d gestorbenen waschen,
Säugethiere
hat
in
einem
spanischen
Werk
(Observationes
Geo-
beschrieben und er glaubt, dass die K n o c h e n der ausaus
der
darunterliegenden
Pampasablagerung
und später mit den noch l e b e n d e n M u s c h e l n e i n g e b e t t e t w u r d e n ;
haben mich seine B e m e r k u n g e n nicht ü b e r z e u g t .
ausgedoch
Mr. B r a v a r d hält die g a n z e un-
g e h e u r e P a m p a s a b l a g e r u n g f ü r eine s u b a e r i a l e Formation wie die S a n d d ü n e n ; eine wie mir scheint unhaltbare T h e o r i e .
Bahia Blanca (1833)
99
schiedeDer sind als die ältesten der tertiären Vierfiissler Europas, das Meer von den meisten seiner gegenwärtigen Bewohner bevölkert war. Wir sehen hier die Bestätigung des merkwürdigen Gesetzes, auf welches Mr. Lyell so oft und so nachdrücklich hinweist; nämlich: dass die Langlebigkeit der Arten bei den Säugethieren im Allgemeinen geringer ist wie die bei den Schalthieren*. Die Grösse der Knochen der urweltlichen Riesenthiere, wie des Megatherium, Megalonyx, Scelidotherium und Mylodon, ist wahrhaft staunenswerth. Die Lebensgewohnheiten dieser Thiere waren den Naturforschern ein völliges Räthsel, bis Professor Owen das Problem mit merkwürdigem Scharfsinn löste **. Die Zähne zeigen durch ihren einfachen Bau, dass diese Megatheroiden von Pflanzenfutter gelebt haben, und vermuthlich von den Blättern und kleinen Zweigen der Bäume; ihre schweren Körper und grossen starken gekrümmten Klauen lassen sie so wenig geeignet für die Fortbewegung erscheinen, dass einige bedeutende Naturforscher wirklich geglaubt haben, dass sie wie die Faulthiere, denen sie nahe verwandt sind, mit abwärts gewendeten Rücken an den Bäumen gehangen hätten, um das Laub zu fressen. Es war eine kühne, um nicht zu sagen abgeschmackte Idee, sich sogar vorsündfluthliche Bäume vorzustellen, deren Zweige stark genug gewesen wären, um Thiere von Elefantengrösse zu tragen. Mit sehr viel grösserer Wahrscheinlichkeit glaubt Professor Owen, dass sie statt die Bäume zu erklettern, die Zweige herabrissen, oder kleinere Bäume entwurzelten und so zu den Blättern gelangten. Die ungeheure Breite und Wucht ihrer Hintertheile, die man sich kaum vorstellen kann, wenn man sie nicht gesehen hat, gereicht ihnen nach dieser Anschauung zu sichtlichem Vortheil, statt ihnen ein Hinderniss zu sein: ihre scheinbare Unbehülflichkeit verschwindet. Wenn sie ihren grossen Schwanz und ihre gewaltigen Fersen, wie einen Dreifuss fest auf den Boden stützten, konnten sie sich ungehindert und mit voller Kraft ihrer
* Principles of Geology vol. IV. p. 40. ** Mr. O w e n entwickelte diese T h e o r i e zuerst in der Zoology of the Voyage of the Beagle und spiiter in seiner A b h a n d l u n g über den Mylodon robustus.
7s
100
Fünftes Kapitel
überaus mächtigen Arme und Klauen bedienen. Festgewurzelt müsste allerdings der Baum gewesen sein, der einer solchen Gewalt hätte widerstehen können! Ausserdem war der Mylodon mit einer langen weit ausdehnbaren Zunge wie die Giraffe versehen, welche, vermöge einer jener schönen Einrichtungen der Natur, so mit Hülfe ihres langen Halses das Laubfutter zu erreichen vermag. Auch will ich erwähnen, dass nach Bruce's Angabe der Elefant in Abessinien bei denjenigen Bäumen, deren Zweige er nicht mit dem Rüssel erreichen kann, den Stamm mit seinen Stosszähnen rund herum von oben nach unten tief einritzt, bis er wackelig genug geworden ist, um ihn umbrechen zu können. Die Schichten, in denen jene fossilen Ueberreste eingebettet sind, liegen nur fünfzehn bis zwanzig Fuss über dem Hochwasserstande; deshalb muss die Erhebung des Landes gering gewesen sein (wenn wir nicht eine eingeschaltete Periode der Senkung annehmen, für die sich keine Beweise vorfinden), seit der Zeit, als jene riesenhaften Säugethiere durch die umliegenden Ebenen schweiften, und die äussere Gestaltung des Landes muss der jetzigen ziemlich gleich gewesen sein. Da liegt die Frage nahe, wie war der Pflanzenwuchs jener Periode beschaffen; war das Land ebenso jammervoll unfruchtbar wie heut zu Tage? Da so viele der miteingebetteten Muscheln mit denen übereinstimmen, welche jetzt in dem Meerbusen leben, war ich anfänglich geneigt anzunehmen, dass die frühere Vegetation der gegenwärtigen ähnlich gewesen sein dürfte; doch würde dies eine übereilte Schlussfolgerung gewesen sein; denn einige derselben Muscheln leben an der üppigen Küste von Brasilien; und im Ganzen ist der Charakter der Meeresbewohner nicht zu brauchen um als Führer bei der Beurtheilung des Charakters der Landbewohner zu dienen. Indessen glaube ich nach den folgenden Erwägungen nicht, dass die Thatsache des Vorkommens vieler riesenhafter Vierfüssler auf den Ebenen um Bahia Bianca an und für sich bewiese, dass die Gegend ehemals einen üppigen Pflanzenwuchs getragen hat; ich zweifle vielmehr nicht, dass das öde Land etwas südlicher nahe dem Rio Negro mit seinen verstreut stehenden stacheligen Bäumen viele und grosse Säugethiere nähren könnte.
Fr nährung der grossen Säugtthiere ^1833)
101
Dass grosse Thiere einer üppigen Vegetation bedürfen, war eine allgemein verbreitete A n n a h m e , die von einem Buch in das andere übergegangen
ist; doch
stehe ich nicht an zu behaupten, dass sie
ganz falsch ist, und dass sie in einigen sehr wesentlichen Punkten die Ansichten der Geologen in Bezug auf die Geschichte der Urwelt irregeleitet hat.
Wahrscheinlich rührt diese vorgefasste Meinung von
Indien und den indischen Inseln h e r , wo Elefantenheerden, herrliche W ä l d e r , undurchdringliche Jungles nach Jedermanns Vorstellung zusammen
gehören.
Schlagen
wir
dagegen
irgend
eine
Reisebe-
schreibung durch den südlichen Theil von Afrika auf, werden
wir
beinah auf jeder Seite den wüsten Charakter des Landes und
den
Reichthum an grossen Thieren erwähnt finden. wird
durch viele Abbildungen
schiedene Theile des Inneren „Beagle" in Capstadt w a r ,
Dieselbe Thatsache
augenfällig gemacht, die über ververöffentlicht worden sind.
Als der
machte ich einen mehrtägigen Ausflug in
das Land, der wenigstens genügte, um mir das, was ich gelesen hatte, noch verständlicher zu machen. Dr. Andrew Smith,
der
an der Spitze seiner kühnen Schaar
kürzlich den Wendekreis des Steinbocks überschritten hat, theilt mir mit, dass, wenn man den ganzen südlichen Theil von Afrika in Betracht zieht, man nicht anstehen kann, es ein unfruchtbares Land zu nennen.
Wohl
giebt es an der südlichen und südöstlichen
Küste
einige schöne W ä l d e r , aber diese ausgenommen, kann der Reisende tagelang durch weite Ebenen wandern, die mit einem kümmerlichen und geringen Pflanzenwuchs bedeckt sind.
Es ist schwer sich eine
genaue Vorstellung von dem Grade der Fruchtbarkeit
eines Landes
¡m Verhältniss zu einem anderen zu machen; aber man kann sicher sagen, dass die von England brachte Vegetation
vielleicht
in einer bestimmten Zeit*
hervorge-
um das Zehnfache die eines gleichen
Flächeninhalts in dem Inneren von Südafrika übertrifft.
Die That-
sache, dass mit Ausnahme der Küste Ochsenwagen nach jeder Richtung hin vorwärts zu kommen vermögen, ohne zeitweise länger als
* Ich will davon die Gesammtmasse ausschliessen, die während einer gegebenen Zeit nach einander hervorgebracht und verzehrt worden ist.
102
Fünftes Kapitel
eine halbe Stunde durch das Fällen von Buschwerk aufgehalten zu werden, giebt vielleicht einen noch deutlicheren Begriff von der Spärlichkeit der Vegetation. Vergegenwärtigen wir uns nun die Thiere, welche diese weiten Ebenen bewohnen, so sehen wir, dass sie ausserordentlich zahlreich und von grüsster Gestalt sind. Wir nennen den Elefanten, drei Arten des Rhinoceros, zu denen nach Dr. Smith wahrscheinlich noch zwei weitere kommen, das Flusspferd', die Giraffe, den Kafferbüffel (bos caffer), — so gross wie ein ausgewachsener Stier — das Elen, welches nur wenig kleiner ist, zwei Zebras, das Quagga, zwei Gnus und verschiedene Antilopen, welche jene Thiere noch an Grösse übertreffen. Man könnte meinen, dass wenn es auch zahlreiche Arten, es immer nur wenige Individuen jeder Spezies gäbe. Durch die Freundlichkeit von Dr. Smith bin ich im Stande zu zeigen, dass es sich ganz anders verhält. Er theilt mir mit, dass er unterm 24sten Breitegrade auf einem Tagesmarsch mit den Ochsenwagen, ohne sich von diesen nach irgend einer Seite weit zu entfernen, gegen hundert bis hundertfünfzig Rhinocerosse sah, die den drei Arten angehörten. Am selben Tage sah er verschiedene Giraffenheerden, zusammen gegen einhundert Thiere, und obwohl man an jenem Tage keinen Elefanten spürte, kommen sie doch auch in jenem Bezirk vor. Etwas über eine Stunde von ihrem Lagerplatze am vergangenen Tage entfernt, erlegte seine Gesellschaft an einer Stelle acht Flusspferde und sah deren noch viele mehr. In demselben Flusse gab es auch Krokodile. Selbstverständlich war es ein Ausnahmefall so viele grosse Thiere dicht bei einander zu sehen, aber es beweist immerhin klar, dass sie in grosser Anzahl vorhanden sein müssen. Dabei beschreibt Dr. Smith das an jenem Tage durchzogene Land als „spärlich bewachsen mit Gras und ungefähr vier Fuss hohen Büschen, dazwischen noch seltener einige Mimosenbäume." Die Wagen konnten beinah in gerader Linie fahren. Ausser diesen grossen Thieren, hat jeder, der nur ein wenig von der Naturgeschichte des Caplands weiss, von den Antilopenheerden gelesen, welche nur mit den Schwärmen von Zugvögeln verglichen werden können. Die grosse Zahl von Löwen, Panthern und Hyänen, sowie die Menge der Raubvögel spricht deutlich für den grossen
103
E r n ä h r u n g d e r Crossen S ä u g e t h i e r e (1833)
Reichthum
an kleineren Vierfusslem: an einem A b e n d
zählte
sieben L ö w e n , die um Dr. Smith's Lagerplatz schlichen.
man
W i e dieser
hervorragende Naturforscher gegen mich bemerkte, muss das Blutbad, dass
täglich in Südafrika angerichtet wird, wahrhaft entsetzlich sein!
Ich
gestehe,
dass es verwunderlich
ist,
wie
eine solche Zahl
von
Thieren in einem Lande bestehen kann, das so wenig Futter hervorbringt.
Die grösseren Vierfüssler schweifen ohne Zweifel durch weite
Gebiete, um es zu suchen, und ihre Nahrung besteht hauptsächlich in Unterholz, das wahrscheinlich viel Nährstoff in geringem Umfang enthält.
A u c h berichtet Dr. Smith, dass die Pflanzen rasch wachsen, so
schnell als ein Theil verzehrt wird, wird auch die Stelle durch Nachwuchs ausgefüllt.
Indessen kann es keinem Zweifel unterliegen, dass
unsere "Vorstellungen von der Futtermenge, welche grosse Säugethiere zu ihrem Bestehen bedürfen, sehr übertriebene sind: man sollte sich daran erinnern, dass das Kameel, ein Thier von nicht geringer Grösse, stets für ein Sinnbild der Wüste gegolten h a t Der Glaube, dass w o es grosse Vierfüssler giebt, der Pflanzenwuchs notwendigerweise würdiger,
Mr. Burchell nichts
ein üppiger sein müsse, ist um so merk-
weil auch der Rückschluss durchaus nicht zutreffend ist. sagte
mir,
dass ihn bei seiner Ankunft in
so sehr in Erstaunen gesetzt
amerikanischen Vegetation
hätte,
im Vergleich
zur
dabei das Fehlen aller grossen Vierfüssler.
Brasilien
als die Pracht der südsüdafrikanischen,
und
In seinen Reisen* hat
er angegeben, dass, falls es genügende Berichte gäbe, der Vergleich des verschiedenen Gewichts einer gleichen Zahl der grössten pflanzenfressenden Vierfüssler jedes Landes ein ausserordentlich interessanter sein würde.
Nehmen wir einerseits den Elefanten**, das Flusspferd,
* T r a v e l s in the Interior of South A f r i c a , vol. II p. 007. ** Der
in E x e t e r
Change
getödtete
Elefant,
auf fiinf und eine halbe T o n n e (1 engl, ton = richtete
weibliche Elefant w o g ,
(in T h e i l e n
gewogen)
1016 Kilogr.) geschätzt.
wie man mir sagte, eine T o n n e w e n i g e r , so dass
wir fiinf Tonnen als Durchschnittsgewicht eines Elefanten annehmen können. s a g t e mir in den Surrey G a r d e n s ,
wurde
D e r abge-
dass ein in Stücken nach E n g l a n d
Man
geschicktes
F l u s s p f e r d , a u f drei und eine h a l b e T o n n e g e s c h ä t z t w o r d e n s e i ; nehmen w i r drei an.
H i e r n a c h können wir auf j e d e s der fünf R h i n o c e r o s s e ,
Tonne rechnen,
vielleicht eine T o n n e
drei
und eine
halbe
auf die G i r a f f e , und eine h a l b e ; T o n n e auf
den Kafferbüffel wie a u f das E l e n (ein g r o s s e r O c h s e wiegt zwischen l a o o — 1 5 0 0 Pfund.)
104
F ü n f t e s Kapitel
die Giraffe, den Kafferbüffel, das Elen,
und mindestens drei, wahr-
scheinlich fünf Spezies des Rhinoceros: und auf der amerikanischen Seite
zwei T a p i r e ,
Peccari und wenden,
den
Guanaco,
das Capybara,
um die Zahl
drei Hirsche,
die Vicuna,
das
(darnach müssen wir uns zu den Affen
zu erreichen),
und stellen wir diese beiden
Gruppen neben einander, kann man nicht leicht zwei Reihen von so verschiedenen Grössenverhältnissen Thatsachen
müssen
wir,
finden.
früheren
Nach den oben erwähnten
Anschauungen
wendigerweise zu dem Schluss kommen,
entgegen*,
noth-
dass bei den Säugethieren
kein naher Zusammenhang zwischen der Kürpergrüssc der Arten und der Menge
des Pflanzenwuchses
der von ihnen bewohnten Länder
besteht In Bezug auf die Anzahl grosser Vierfüssler giebt es gewiss keinen Thcil des Erdballs, den man mit Südafrika vergleichen kann. Nach den verschiedensten zuverlässigen Berichten kann an dem wüsten Charakter jener Länder
nicht gezweifelt werden.
In dem europäischen Theil
unserer Erde müssen wir auf die tertiären Epochen zurückgehen, um einen Zustand der Dinge unter den Säugethieren zu finden, der dem jetzt
am Cap
der
Guten Hoffnung herrschenden
entspricht.
Jene
tertiären Epochen, von denen wir geneigt sind anzunehmen, dass sie einen erstaunlichen Reichthum
an grossen Thieren besassen,
weil
wir die Ueberreste vieler Zeitalter an gewissen Stellen aufgespeichert linden, können schwerlich mehr grosse Vierfüssler gehabt haben als Südafrika gegenwärtig.
Wenn wir uns den Zustand der Flora jener
Dies giebt (nach obiger Schätzung) die
zehn
grössten
ein Durchschnittsgewicht
pflanzenfressenden Säugethiere
von 2,7 Tonne für
von Südafrika.
Wenn man in
Südamerika 1200 Pfund auf die zwei Tapire zusammenrechnet, 550 für den Guanaco und die V i c u n a ,
500 für die drei Hirsche,
300 auf Capybara, Peccari und einen
Affen rechnet, kommen wir auf ein Durchschnittsgewicht von 350 Pfund, das ich noch zu
hoch gegriffen glaube.
D a s Verhältniss
ist
daher wie 6048 zu 250, oder 24
zu 1 für die zehn grössten Thiere aus den beiden Continenten. * Nehmen wir den F a l l a n , dass ein Skelett eines grönländischen Walfisches in fossilem Zustande entdeckt worden wäre, ohne dass man von der Lebensweise eines einzigen Wales etwas gewusst hätte, welcher Naturforscher würde wohl an die Möglichkeit
gedacht
haben,
dass
der Leib
eines
so
riesenhaften Thieres
von
den winzigen Crustaceen und Mollusken ernährt w e r d e , die in den eisigen Meeren des höchsten Nordens wohnen.'
105
Sibirische Fossilien ( 1 8 3 3 )
Zeit vorstellen, sind wir wenigstens genöthigt die vorhandenen A n a logien in Betracht zu ziehen, und nicht als notbwendige Bedingung einen üppigen Pflanzenwuchs zu fordern, wenn wir sehen, dass am Cap der Guten Hoffnung gerade das Gegentheil der Fall ist. W i r wissen*,
dass
die äussersten Regionen
von
Nordamerika,
mehrere Grad jenseits der Zone, in welcher der Erdboden schon in der T i e f e von einigen F u s s beständig gefroren bleibt, von
dicken
und
hohen Bäumen
bedcckt
sind.
mit Wäldern
Desgleichen
sehen
wir in Sibirien Wälder von Birken, Fichten, E s p e n und Lärchen unter einem Breitegrad (64
wachsen, in dem die mittlere Temperatur
der L u f t unter dem Gefrierpunkt bleibt, und die Erde so stark gefroren ist, dass der darin eingebettete Leichnam eines Thieres vollständig wir
erhalten
zugeben,
Krage
bleibt.
dass
kommt,
In Anbetracht
soweit
dieser Thatsachen
die Quantität
die Mehrzahl
der Vegetation
müssen allein
in
der grossen Säugcthicre der späteren
Tertiärepochen in den meisten Ländern von Nord-Europa und -Asien an den Stellen gelebt haben können, an denen ihre Ueberreste jetzt gefunden werden.
Ich spreche hier nicht von der A r t des Pflanzen-
wuchses, der zu ihrer Ernährung nothwendig w a r ; denn da wir B e weise f ü r physische Veränderungen haben, und da jene Thiere ausgestorben
sind,
können
wir auch
annehmen,
dass die A r t e n
der
Pflanzen gleichfalls gewechselt haben. Diese möchte,
ich
hinzufügen
auf die sibirischen im Eise erhaltenen Thiere.
Erwägungen
beziehen
sich
direkt,
wie
Der feste
Glaube an die N o t w e n d i g k e i t , dass eine Vegetation von tropischer Ueppigkeit
dazu
gehört habe,
* Siehe „Zoological Remarks Er
sagt:
„Nördlich
vom
so grosse Thiere zu ernähren,
to Cpt. B a c k s E x p e d i t i o n
5 6 ° n. B. ist der U n t e r g r u n d
das A u f t h a u e n d r i n g t an der Küste
und
by Dr. Richardson"
beständig gefroren;
denn
nicht t i e f e r als drei F u s s , und am B ä r e n s e e
unterm 64. B r e i t e g r a d nicht tiefer als zwanzig Z o l l .
D i e s e r g e f r o r e n e U n t e r g r u n d zer-
stört an und f ü r s i c h den Pflanzenwuchs n i c h t ; denn in e i n i g e r E n t f e r n u n g von der Küste gedeihen Wälder. * * S i e h e Humboldts F r a g m e n s A s i a t i q u e s . p. 386. und Malte B r u n .
Barton's Pflanzengeographic
D e r letztere s a g t , dass die G r e n z e des B a u m w u c h s e s in Sibirien
a u f den 7 a 0 n. B . gesetzt w e r d e n kann.
106
Fünftes Kapitel
die Unmöglichkeit dies mit der Nähe des ewigen Frostes in Einklang zu bringen, war eine der Hauptursachen für die Aufstellung verschiedener Theorien von plötzlichen Revolutionen des Klimas und von ungeheuren Katastrophen, durch welche man ihren Untergang zu erklären suchte. Ich bin weit entfernt anzunehmen, dass das Klima sich nicht verändert hätte, seit der Zeit, in der jene Thicre lebten, die jetzt im Eis begraben liegen. Ich mächte hier nur beweisen, dass so weit die M e n g e der Nahrung a l l e i n in Frage kommt, die urweltlichen Rhinocerosse auch durch die Steppen des mittleren Sibiriens schweifen konnten (die nördlichen Theile waren wahrscheinlich unter Wasser), selbst in ihrer gegenwärtigen Beschaffenheit, so gut wie die gegenwärtigen Rhinocerosse und Elefanten die Kan-os von Südafrika bewohnen. Ich will nun Beobachtungen über die Lebensgewohnheiten einiger der interessantesten Vögel mittheilen, die auf den wüsten Ebenen Patagoniens vorkommen; und zunächst über den grössten von ihnen , den südamerikanischen Strauss. Seine gewöhnlichen Lebensgewohnheiten sind allgemein bekannt. Er nährt sich von Vegetabilien, wie Wurzeln und Gras; aber in Bahia Bianca habe ich zur Ebbezeit wiederholt drei oder vier von diesen Vögeln auf die ausgedehnten, dann trockenen Schlammbänke kommen sehen, um wie die Gauchos sagen, kleine Fische zu fangen. Ist auch der Strauss ein scheuer, vorsichtiger, die Einsamkeit suchender Vogel, und dabei schnellfüssig, wird er doch von den mit Bolas bewaffneten Indianern und Gauchos ohne Schwierigkeit gefangen. Es verwirrt ihn, wenn mehrere Reiter im Halbkreis erscheinen, und er weiss nicht, nach welcher Seite er entrinnen soll. Gewöhnlich zieht der Strauss vor, gegen den Wind zu laufen; doch breitet er zuerst die Flügel aus gleich einem Schiff, das alle Segel aufsetzt. An einem schönen heissen Tage sah ich mehrere Strausse in ein Dickicht von hohem Schilf dringen und sich dort niedergekauert verbergen, bis ich ihnen ganz nahe war. Es ist nicht allgemein bekannt, dass die Strausse leicht in das Wasser gehen. Mr. King theilt mir mit, dass er in der Bucht von San Blas, sowie bei Port Valdes in Patagonien, diese Vögel mehrere Male von Insel zu Insel schwimmen sah. Sie
107
D e r südamerikanische Strauss (1S33)
liefen in das W a s s e r ,
wenn man sie bis an einen bestimmten Punkt
verfolgt hatte oder auch freiwillig, wenn sie nicht erschreckt worden waren;
die
Schritt.
durclischwommene
Beim
Schwimmen
Strecke
mass
ist nur wenig
ungefähr
von
zweihundert
ihrem Körper
über
W a s s e r sichtbar; sie strecken den Hals ein wenig vor und kommen nur langsam vorwärts.
B e i zwei Gelegenheiten sah ich Strausse den
Santa Cruz-Fluss durchschwimmen, wo er gegen vierhundert Schritt breit und die Strömung reissend war. A l s Capitän Sturt den Murrumbidgee-Fluss in Australien hinabfuhr, sah er zwei schwimmende Emus. D i e Einwohner
unterscheiden
selbst
in der Entfernung
leicht
den männlichen von dem weiblichen V o g e l ; ersterer ist grösser und dunkler gefärbt*
und hat einen grösseren K o p f .
Der Strauss, wie
ich glaube der männliche, giebt gelegentlich einen eigenthümlichcn tiefen und
zischenden Ton
mitten
/wischen
von
sich; als ich ihn zuerst hörte und mich
den Sandhügeln
befand, meinte ich, er rührte von
einem wilden Thier her; denn man erkennt nicht leicht bei diesem Ton,
von wo
und wie weit
er herkommt.
A l s wir
uns
in
den
Monaten September und Oktober in Bahia Bianca aufhielten, wurden die Eier weder
in grosser Zahl über das ganze Land hin gefunden.
liegen
sie
nie
ausgebrütet
sie
sind
bildet.
in
einzeln und
einer
Von
verstreut,
von
flachen
den
vier
den
und
Spaniern
Erdgrube Nestern,
werden Huachos
gesammelt, die
in
ich
diesem
genannt;
welche
gesehen
EntFall oder
das
Nest
habe,
ent-
hielten drei je zweiundzwanzig Eier und das vierte siebenundzwanzig. Eines T a g e s jagten wir zu Pferde davon
befanden
sich
vierundvierzig
und fanden vierundsechzig Eier; in zwei
zwanzig
waren verstreute
Huachos.
Die
stimmig
und es liegt kein Grund vor,
Nestern,
Gauchos
die
übrigen
versichern
ein-
ihre A n g a b e n zu bezweifeln,
dass nur der männliche V o g e l die Eier ausbrütet und eine Zeit lang nachher die Jungen begleitet. duckt
* Ein G a u c h o v e r s i c h e r t e m i c h , eine
W e n n derselbe auf dem Neste sitzt,
er sich fest auf den Boden,
Albinovarietät,
wesen wäre.
gesehen
hätte,
dass und
so dass ich selbst beinah über
er einst einen s c h n e e w e i s s e n Strauss, dass
es
ein
sehr
schöner V o g e l
ge-
108
Fünftes Kapitel
einen
geritten bin.
sehr
böse
sind,
Man sagt,
und
sogar
dass sie in dieser Zeit
gefährlich
werden
gelegentlich
können,
dass
sie
Menschen zu Pferde angreifen, nach ihnen mit den Füssen schlagen und
auf sie zu springen
suchen.
Mein
Berichterstatter
zeigte
mir
einen alten Mann, den er einst in grosser Angst vor einem Strauss hatte
fliehen
folgende hatte, wäre
sehen.
Ich
Bemerkung:
finde
,Als
dessen Federn ein Nestvogel.
ich
in
Burchell's Reisen
einen
männlichen
schmutzig waren, Ich
höre auch,
in Südafrika
Strauss
getödtet
sagten die Hottentotten, es
dass der
männliche Emu im
Zoologischen Garten das Nest besorgt, und es scheint daher diese Gewohnheit in der Familie üblich zu sein." Die Strausse hätte
Gauchos
versichern
in ein Nest
beobachtet,
einstimmig,
legen.
Man hat
dass
mehrere
dass vier oder fünf derselben
in der Mitte
Tages nacheinander nach demselben Nest gegangen wären. wähne
nur noch,
dass
weibliche
mir bestimmt erzählt, man des
Ich er-
man auch in Afrika glaubt, dass zwei oder
mehr Strausse in dasselbe Nest legen*.
So seltsam zuerst diese Ge-
wohnheit erscheint, lässt sie sich meiner Meinung nach in sehr einfacher W e i s e erklären.
Die Zahl der Eier in einem Neste wechselt
zwischen zwanzig und vierzig und sogar fünfzig; nach Azara kommen zuweilen selbst siebzig und auch achtzig vor. der ausserordentlich
grossen Anzahl
der Eier
Obgleich es nun nach in
einer Gegend
im
Verhältniss zu den alten V ö g e l n und ebenfalls nach der Beschaffenheit des Eierstocks
des Weibchens
wahrscheinlich
ist, dass es während
der Legezeit sehr viele Eier legt, so muss doch die dazu erforderliche Zeit eine sehr lange sein.
Azara** berichtet, dass ein zahmes Weib-
chen siebzehn Eier gelegt hätte, jedes in einer Zwischenzeit von drei Tagen.
Müsste
der
weibliche
Vogel
seine
Eier selbst
ausbrüten,
würden ehe die letzten gelegt wären, die ersten wahrscheinlich verdorben sein; aber wenn ein jeder einige wenige Eier hintereinander in verschiedene Nester legte, und mehrere W e i b c h e n , wie behauptet wird, sich zusammenthäten,
so würden die Eier in einer Legestclle
* Burchell's T r a v e l s vol. I. p. 280. ** A z a r a vol. I V . p. 173.
109
Der Avestruz Petise (1833)
beinah
alle
von demselben Alter
Zahl der Eier in einem Nest
sein.
W e n n , wie ich glaube, die
im Allgemeinen
nicht grösser ist wie
die Durchschnittszahl, die ein Vogel während der Legezeit legt, muss es so viele Nester wie Weibchen geben und jedes Männchen seinen angemessenen Antheil an der Brütarbeit erhalten; -und zwar während einer Zeit, dem
in der
Legen
noch
die Weibchen nicht
nicht sitzen können, weil sie mit
fertig sind *.
Ich
habe
vorher
von
der
grossen Anzahl von Huachos oder verlassenen Eiern gesprochen, und dass
wir
bei
einer
eintägigen
Suche
zwanzig
derartige
gefunden
hätten.
Es erscheint auffallend, dass so viele auf diese Weise verloren
gehen.
Rührt
es nicht
von der Schwierigkeit
her,
dass sich erst
mehrere Weibchen vereinigen und ein Männchen finden müssen, das bereit ein
ist das Brutgeschäft zu übernehmen?
gewisser
Grad
von
Genossenschaft
Offenbar muss
zwischen
zuerst
mindestens
zwei
Weibchen bestehen, sonst würden die Eier auf den weiten Ebenen zerstreut bleiben und zwar in zu grossen Zwischenräumen, als dass sie das Männchen in ein Nest sammeln könnte. dass
die
verstreuten Eier gelegt wären,
Nahrung zu dienen. denn
wenn
Einige haben gemeint,
um den jungen V ö g e l n zur
In Amerika kann das schwerlich der Fall sein;
man die Huachos auch häufig in verdorbenem und ver-
faultem Zustande findet, sind sie gewöhnlich doch ganz. A l s ich am R i o Negro in Nordpatagonien Gauchos
von
einem
I'etise nannten.
sehr
seltenen V o g e l
war,
reden,
den
hörte
ich
die
sie Avestruz
Sie beschrieben ihn etwas kleiner als den gewöhn-
lichen Strauss
(der dort sehr häufig ist), aber demselben sehr ähn-
lich.
wie
Er
sei,
sie sagten dunkler und gefleckt, die Beine wären
kürzer und tiefer herab, wie bei dem gewöhnlichen Strauss, befiedert. Man fange ihn leichter mit den Bolas als die andere A r t : die wenigen Einwohner, welche beide Arten gesehen hatten, versicherten, dass sie
* Lichtenstein
behauptet
s i c h a u f das N e s t s e t z e n , dem
Legen
kommt chen
mir
sich
fortführen; sehr
und mit
Weibchen
sie zehn o d e r z w ö l f E i e r g e l e g t , und d a s s sie mit
zwar,
unwahrscheinlich
für das Brüten
d e s N a c h t s sitze.
d a g e g e n ( R e i s e n B d . II. p. 25), d a s s d i e
wenn
glaube
vor.
Er
ich,
in
ein
anderes
Nest.
Dies
behauptet, dass vier oder fünf Weib-
einem Männchen zusammenthäten,
und dass dieser
Fünftes Kapitel
110
dieselben aufweite Entfernung hin zu unterscheiden vermöchten. Indessen schienen die Eier dieser kleineren A r t besser als die Vögel bekannt zu sein;
und es erregte Erstannen, dass sie nur unbedeutend kleiner
wie die des Struthio Rhea waren, Form
mit
doch von etwas
einem leichten bläulichen Anhauch.
verschiedener
Diese Art
kommt
höchst selten auf den Ebenen längs des R i o Negro vor; aber anderthalb Grad südlicher sind sie ziemlich häufig. sire in Patagonien Strauss.
Ich
(48° s. B.) waren,
A l s wir in Port De-
schoss Mr. Martens
einen
sah ihn a n , dachte aber unbegreiflicherweise nicht an
den Avestruz Petise, sondern hielt ihn für einen noch nicht ausgewachsenen Vogel der gewöhnlichen Art.
E r wurde gekocht und ge-
gessen, ehe mir die Sache ins Gedächtniss zurückkam.
Glücklicher-
weise waren K o p f , Hals, Flügel, viele der grössten Federn und ein grosser Theil
der Haut bewahrt worden und aus diesen liess sich
ein nahezu vollständiges Exemplar zusammensetzen, dass sich jetzt im Museum der Zoologischen Gesellschaft in London befindet. hat bei Beschreibung
Mr. Gould
dieser neuen Spezies mir die Ehre
erwiesen
ihr meinen Namen beizulegen. Unter den patagonischen Indianern in der Magellanstrasse fanden wir einen Halbindianer, welcher seit mehreren Jahren
mit
diesem
Stamme lebte, aber aus den nördlichen Provinzen gebürtig war. fragte ihn, ob er je von dem Avestruz Petise gehört hätte?
Ich
Darauf
antwortete er: „Nun, es giebt gar keine anderen als solche in diesen südlichen Gegenden." Nestern
des Petise
Er berichtete, dass die Zahl der Eier in den sehr viel geringer,
als diejenigen der anderen
A r t wäre; durchschnittlich nicht mehr als fünfzehn; doch versicherte er, dass sie von mehr als einem Weibchen gelegt wären. Cruz sahen wir mehrere Vögel.
In Santa
Sie waren ausserordentlich scheu;
und ich glaube, sie vermochten den Menschen aus einer Entfernung zu erkennen,
aus der dieser
sie noch nicht unterscheiden konnte.
A l s wir den Fluss hinauffuhren, waren wenige zu erblicken; aber bei unserm
schnellen
und geräuschlosen
Herabfahren beobachteten
viele, theils paarweis, theils ihrer vier oder fünf zusammen. nns auf, dass
dieser Vogel nicht die Flügel
zuerst schnell zu laufen beginnt,
ausbreitet,
wir
E s fiel wenn
er
sowie es die nordliche A r t thut.
Bahia Blanca (1833)
111
Zum Schluss kann ich also sagen, dass der Struthio rhea das Gebiet von L a Plata bewohnt, bis ein wenig südlich über den R i o N e g r o ( 4 1 0 s. B.) und dass der Struthio Darwinii im südlichen Patagonien an seine Stelle tritt; das Land um den R i o Negro bildet gewissermassen ein neutrales Gebiet. seines Aurenthalts zu bekommen,
Mr. A . d'Orbigny* bat sich während
am R i o Negro sehr bemüht einen solchen V o g e l
ohne
dass es ihm jedoch geglückt ist.
Schon lange
vorher wusste Dobrizhoffer, dass es zwei Sorten Strausse gäbe. sagt:
Er
,Ferner müsst ihr wissen, dass die Emus in Grösse und Ge-
wohnheiten denn die,
in
verschiedenen
welche
Gegenden
von
einander
abweichen;
die Ebenen von Buenos A y r e s und Tucuman be-
wohnen, sind grösser, und haben schwarze, weisse und graue F e d e r n ; diejenigen nahe der Magellanstrasse ihre weissen Federn
endigen
sind kleiner und schöner, denn
in eine schwarze und ihre
schwarzen
ebenfalls in eine weisse Spitze." Ein hier
sehr
seltsamer
häufig; in
seiner
kleiner Vogel Lebensweise
Tinochorus
und
seinem
halb Wachtel, halb Schnepfe, so verschieden ander sind.
Man
findet
rumieivorus Aussehen
diese Beiden
ist
ist er
von ein-
den Tinochorus überall im südlichen Süd-
amerika, wo es unfruchtbare Ebenen oder offenes trockenes Weideland
giebt
Paarweise
oder in kleinen
Schwärmen
sucht
er
die
ödesten Gegenden auf, wo kaum ein anderes lebendes W e s e n existiren kann. Boden,
Nähert man sich ihnen, ducken sie sich dicht auf den
von dem sie sehr schwer zu unterscheiden sind.
W e n n sie
ihr Futter suchen, gehen sie langsam, mit weit gespreizten Beinen. A u f den W e g e n und sandigen Plätzen baden sie sich im Sande und suchen bestimmte Plätze auf, an denen man sie T a g für T a g finden kann; und wie Rebhühner
fliegen
sie nur gemeinsam auf.
In allen
diesen Hinsichten, in dem muskulösen Magen, der für Pflanzennahrung
* Bei lichen
meinem Aufenthalt
am Rio N e g r o
A r b e i t e n dieses Naturforschers.
Mr.
hörte
Alcide
ich
viel von den
d'Orbigny
hat
unermüd-
während
der
Jahre 1825—1833 verschiedene g r o s s e T h e i l c S ü d a m e r i k a ^ bereist und eine Sammlung zusammen g e b r a c h t ; er veröffentlicht j e t z t die Resultate seiner F o r s c h u n g e n mit einer G r o s s a r t i g k e i t ,
die
ihn sofort unter den A m e r i k a r e i s e n d e n in die erste
R e i h e und nur hinter Humboldt stellt.
112
Fünftes Kapitel
geschaffen ist, dem gewölbten Schnabel und den fleischigen Nasenlöchern , den kurzen Beinen und Tinochorus
dem Bau des F u s s e s , zeigt
eine nahe Verwandtschaft mit den Wachteln.
man jedoch
den Vogel
fliegen
sieht, ändert
der
Sobald
sich seine ganze Er-
scheinung; die langen spitzen von den Hühnervögeln so verschiedenen Flügel, der unregelmässige Flug, der klagende Laut, den er im Augenblick des Aufsteigens hören Schnepfe.
Die Jäger
auf
lässt, dem
erwecken die Vorstellung einer , Beagle"
insgesammt kurzschnäblige Schnepfe.
nannten
ihn
deshalb
Dieser Gattung, oder vielmehr
den Stelzvögeln ist er zugehörig, wie sein Skelett beweist. Der Vögeln
Tinochorus
ist
nahe verwandt.
noch
einigen
anderen
südamerikanischen
Zwei Spezies der Gattung Attagis gleichen
in fast jeder Hinsicht den Schneehühnern in ihren Gewohnheiten; die eine Art lebt im Feuerlande jenseits der Waldgrenze,
die
andere
dicht unter der Schneegrenze auf den Cordilleren des mittleren Chile. Ein Vogel von einer anderen nahe verwandten
Gattung,
Chionis
alba, ist ein Bewohner der südlichen Polargegenden; er nährt sich von Seetang und Muscheln auf den von der Flut bespülten Klippen. Obwohl er keine Schwimmfiisse h a t , unerklärlichen Gewohnheit
findet
man ihn in Folge einer
oft weit draussen auf See.
Diese kleine
Familie von Vögeln gehört zu denjenigen, welche durch ihre mannigfache Verwandtschaft mit anderen Familien dem systematischen Naturforscher gegenwärtig nur Schwierigkeiten bereiten, die jedoch schliesslich dazu beitragen können, den grossen Plan zu offenbaren, der den gegenwärtigen und vergangenen Zeiten gemeinsam ist, und nach dem alle organischen W e s e n geschaffen sind. Die Gattung Fumarius umfasst verschiedene Arten, lauter kleine Vögel, In
die am Boden
leben
ihrem Körperbau können
glichen werden.
Gegenden
bewohnen.
Die Ornithologen haben sie gewöhnlich den Baum-
läufern zugerechnet, gewohnheiten
und trockene
sie mit keiner europäischen Form ver-
obwohl
abweichen.
sie von jener Familie in allen Lebens-
Die am besten bekannte Spezies ist der
gewöhnliche Ofenvogel von La P l a t a ,
der Casara
oder Baumeister
der Spanier.
Das N e s t , von dem er seinen Namen hat, ist an den
am meisten
ausgesetzten
Stellen
angebracht,
wie z. B.
oben
auf
Der Ofenvogel (1833)
einem P f a h l ,
einem
113
nackten Felsblock oder einem Cactus.
E s ist
aus Schlamm und kleinen Stücken Stioh gebaut und hat starke dicke Mauern
in der Gestalt
gleicht
einem flachen Bienenkorb.
es durchaus
einem Backofen
oder
Die Oeffnung ist gross und gewölbt und
ihr gerade gegenüber in dem Nest steht eine Scheidewand, welche beinah bis an das D a c h reicht und einen
Gang oder Vorzimmer
zu
dem eigentlichen Nest bildet. Eine andere und kleinere Spezies des Furnarius (F. cunicularius) gleicht
dem
Gefieders, der
Ofenvogel
drolligen A r t
Aehnlichkeit meister,
in
der
allgemein
rüthlichen
Färbung
des
in dem eigenthümlich schrillen, wiederholten Schrei und in
kurzen A n s i t z e n
nennen
obwohl
die
Spanier
sein Nestbau
ihn
zu rennen. Casarita,
Wegen
dieser
kleinen
Bau-
ein durchaus verschiedener ist.
Der
Casarita baut sein Nest am Ende einer langen
den
cylindrischen Höhle,
welche sich horizontal fast sechs Fuss unter der Erde hinziehen soll. Mehrere Landleüte sagten mir, dass sie als Knaben versucht hätten die Nester auszugraben, es ihnen aber kaum je gelungen wäre, das linde
des Ganges
zu
erreichen.
Der V o g e l
wählt
dazu
niedrige
Böschungen von festem sandigen Erdreich an der Seite eines W e g e s oder eines Baches.
Hier
(in Bahia Bianca)
sind
die Mauern
um
die Häuser aus getrocknetem Schlamm erbaut, und mir fiel auf, dass eine, welche den Hof meiner W o h n u n g umgab, an mindestens zwanzig Stellen runde Löcher zeigte. A l s ich den Eigenthümer nach der Ursache fragte, klagte mehrere
er bitter
über den kleinen Casarita,
bei ihrer Arbeit
beobachtet habe.
von
denen
ich später
E s ist merkwürdig zu
sehen, wie unfähig diese Vögel sein müssen, einen BegrifT von Dicke zu bekommen, denn obwohl sie beständig über die niedrige Mauer tlogen,
fuhren
sie vergeblicherweise
fort, sie zu durchlöchern,
da
sie dieselbe für einen trefflichen A b h a n g zur A n l e g u n g eines Nestes hielten.
Ich
zweifle nicht,
der anderen Seite
der
dass jeder V o g e l , so oft er wieder an
durchbohrten Mauer
an das Tageslicht kam,
über dieses wunderbare Ereigniss höchst erstaunt war. Ich wähnt.
habe
schon alle in diesem Lande häufigen Säugethiere er-
V o n Gürtelthieren giebt es drei Arten, nämlich den Dasypus
minutus, hier Pichy genannt, den Dasypus villosus oder Peludo und D a r w i n , Reise.
8
114
Fünftes Kapitel
den Apar. Der erstere kommt zehn Grad weiter südlich vor, als die anderen Arten; eine vierte Spezies, die Mulita, kommt nicht so weit nach Süden wie Bahia Bianca. Die vier Spezies haben nahezu gleiche Lebensgewohnheiten; doch ist der Peludo ein Nachtthier, während die drei anderen bei Tage über die Steppen wandern und Käfer, Wurzeln, Larven und sogar kleine Schlangen fressen. Der Apar, gewöhnlich Mataco genannt, zeichnet sich dadurch aus, dass er nur drei bewegliche Gürtel hat; der Rest seines in Schilder getheilten Harnischs ist nahezu unbeweglich. Er vermag sich zu einer vollkommenen Kugel zusammenzurollen, wie eine Art der englischen Asseln. In diesem Zustand ist er vor allen Angriffen der Hunde sicher; denn da der Hund nicht im Stande ist, ihn ganz in das Maul zu nehmen, versucht er in die eine Seite zu beissen, und die Kugel entschlüpft ihm. Die glatte harte Schale des Mataco bietet eine noch bessere Schutzwehr als die spitzen Stacheln des Igels. Der Pichy bevorzugt einen sehr trockenen Boden. Die Sanddünen an der K ü s t e , wo er monatelang keinen Tropfen Wasser trinken kann, sind sein Lieblingsaufenthalt. Er sucht der Aufmerksamkeit zu entgehen, indem er sich dicht an den Boden schmiegt. Während einer Tagereise in der Nähe von Bahia Bianca sah man gewöhnlich mehrere zusammen. Doch so bald man sie bemerkte und sie fangen wollte, musste man beinahe vom Pferde stürzen, denn in lockerem Sande grub sich das Thier so schnell ein, dass die Hinterbeine schon verschwanden, ehe man abgestiegen war. Es ist fast schade, solche niedliche Thierchen zu tödten; denn wie ein Gaucho sagte, während er. sein Messer auf dem Rücken von einem Mataco wetzte: „Son tan mansos" („sie sind so sanft"). An Reptilien giebt es mancherlei Arten. Eine Schlange (ein Trigonocephalus oder Cophias)*, muss nach der Grösse des Kanals in ihren Giftzähnen sehr gefahrlich sein. Im Gegensatz zu anderen Naturforschem macht Cuvier sie zu einer Unterart der Klapperschlange und stellt sie zwischen letztere und die Viper. Zur Bestätigung dieser Ansicht führe ich eine Beobachtung an, die mir sehr * M. Bibron nennt sie T. crepitans.
115
Eine merkwürdige Kröte (1833)
merkwürdig und belehrend scheint, da sie zeigt, wie jede charakteristische Eigenschaft, obgleich sie in gewissem Grade von dem Bau unabhängig
sein kann,
ändern.
die Neigung hat sich ganz allmählich zu ver-
Der Schwanz dieser Schlange endet in eine nur wenig ver-
breiterte Spitze; während das Thier dahinschlüpft, bewegt es beständig das letzte Stück, und da dieses an das dürre Gras und Gestrüpp stösst, verursacht
es ein
raschelndes Geräusch,
sechs Fuss Entfernung vernehmen kann.
welches man deutlich auf S o oft man das Thier reizte
oder überraschte, schüttelte es den Schwanz und diese Schwingungen waren
ungemein
schnell.
Selbst so lange
der todte Körper noch
Reizbarkeit behielt, war die Neigung zu dieser gewohnheitsgemässen Bewegung erkennbar.
Dieser Trigonocephalus hat daher in mancher
Hinsicht den Bau einer Viper mit den Gewohnheiten einer Klapperschlange;
das Rasseln
werkstelligt.
wird
indessen auf eine einfachere Weise be-
Der Gesichtsausdruck dieser Schlange ist abschreckend
und boshaft; die Pupille besteht aus einem vertikalen Schlitz in einer fleckigen,
kupferfarbenen Iris; die Kiefer sind breit an der Basis und
die Nase habe
endet in einem
dreieckigen Vorsprung.
Ich glaube, ich
nie etwas Hässlicheres gesehen, ausgenommen vielleicht einige
Vampyrfledermäuse.
Dieser
abschreckende Eindruck kommt
meiner
Meinung nach daher, weil die einzelnen Gesichtstheile im Verhältniss zu einander etwas Menschenähnliches
haben und wir dadurch einen
Masstab für die Hässlichkeit gewinnen. Unter
den Froschlurchen (Batrachia)
fand ich nur eine
kleine
Kröte (Phryniscus nigricans), welche durch ihre Farbe sehr auffallend war.
Man
erhält
eine
richtige
Vorstellung
von ihrem
Aussehen,
wenn man sich denkt, sie wäre zuerst in schwärzeste Tinte getaucht und getrocknet worden, und dann über ein zinnoberrothes, frisch gestrichenes Brett gekrochen, so dass sie sich die Fussohlen und Theile des Unterleibes Spezies, richtige
roth beschmiert
hätte.
Wäre
sie eine unbenannte
sollte man sie Diabolicus nennen, denn sie schien mir das Thier, um Eva's Ohren
zu predigen.
Statt ein Nachtthier,
wie andere Kröten zu sein und sich in feucht - dunklen Löchern zu verbergen, kriecht sie bei der Tageshitze durch die trockenen Sanddünen und dürren Ebenen, in denen nicht ein Tropfen Wassers zu 8*
Fünftes Kapitel
116 finden ist.
Jedenfalls ist die Kröte zu ihrer Feuchterhaltung auf den
Thau angewiesen, der -wahrscheinlich durch die Haut aufgesogen wird; denn bekanntlich besitzt die Haut dieser Reptilien grosses Absorptionsvermögen.
In Maldonado fand ich eine an einem beinah so
trockenen Platze wie der Boden in Babia Bianca, und mit der A b sicht dem kleinen Xhierchen etwas Gutes zu thun, trug ich es nach einem Wassertümpel, aber nicht nur war es unfähig zu schwimmen, sondern wäre sogar ohne Hülfe bald ertrunken. Von Eidechsen gab es vielerlei Arten; tretus multimaculatus würdig.
ist
durch
doch nur ein Procto-
seine Lebensgewohnheiten
merk-
E r lebt auf dem kahlen Sand dicht an der Meeresküste,
und ist durch seine gemischte Färbung, denn die bräunlichen Schuppen sind mit Weiss,
gelblichem Roth und einem schmutzigen Blau ge-
tüpfelt, kaum von dem Erdreich zu unterscheiden.
Erschreckt man
ihn, so sucht er sich der Entdeckung zu entziehen, indem er sich todt stellt, die Beine ausstreckt, den Körper platt drückt und die Augen schliesst; wenn man ihn weiter beunruhigt, gräbt er sich schnell in den lockeren Sand.
Ihres abgeplatteten Körpers und der
kurzen Beine wegen kann diese Eidechse nicht schnell laufen. Ich will hier einige Bemerkungen über den Winterschlaf Thiere in diesem Theil von Südamerika beifügen.
der
A l s wir zuerst
in Bahia Bianca ankamen, am 7. September 1832, dachten wir, dass die Natur in diesem sandigen und trockenen Lande kaum ein einziges lebendes Wesen hervorgebracht hätte.
Doch fand man beim
Graben in der Erde verschiedene Insekten, grosse Spinnen und auch Eidechsen in halb erstarrtem Zustande.
A m fünfzehnten begannen
einige Thiere zu erscheinen und am achtzehnten, (drei Tage vor dem Aequinoctium),
zeigte Alles
den Beginn
des Frühlings
an.
Die
Ebenen schmückten sich mit den Blüthen eines rothen Sauerklees, von
wilden
Erbsen,
Oenotheren
fingen an Eier zu legen.
und
Geranien,
und
die
Vögel
Zahlreiche Insecten, Lamellicornen und
Heteromeren, letztere merkwürdig wegen ihres tief gefurchten Körpers, krochen langsam umher; während das Geschlecht der Eidechsen, die ständigen Bewohner des Sandbodens, überall herumhuschten.
Binnen
Bahia Blanca (1833)
der ersten
117
elf Tage, so lange die Natur noch schlief, betrug die
mittlere Temperatur nach Beobachtungen, die alle zwei Stunden an Bord des „Beagle*
1 0 0 C., und in der Mitte des
angestellt wurden
Tages stieg das Thermometer selten über -}- 1 3 0 C.
A n den elf
folgenden Tagen, an denen alle lebenden Geschöpfe zu neuem Dasein erwachten, betrug die mittlere Temperatur -(- 1 5 0 C., und schwankte in der Mitte des Tages zwischen 15 und 20
Hier genügte also
eine Steigerung von fünf Grad in der mittleren Temperatur und ein grösserer Unterschied von höchster Wärme, um die Lebensthätigkeit zu erwecken.
In Monte Video, das wir gerade verlassen hatten, war
die mittlere Temperatur in den dreiundzwanzig Tagen zwischen dem 26. Juli und dem 19. August nach 276 Beobachtungen -}- 1 5 ° C . , 1 8 0 C. und der kälteste - 4 - 8 ° .
der mittlere wärmste Tag
niedrigste Thermometerstand war 20 0 C.
stieg er zuweilen auf
Der
5 ° C., und während des Tages Trotz dieser hohen Temperatur
lagen fast alle Käfer, verschiedene Gattungen von Spinnen, Schnecken, Landschalthiere, Kröten und Eidechsen noch erstarrt unter den Steinen. Dennoch haben wir gesehen, dass in Bahia Bianca, welches nur vier Grad südlicher liegt und deshalb ein nur wenig kälteres Klima hat, dieselbe Temperatur mit einem etwas geringeren höchsten Wärmegrad hinreichte,
alle Gattungen lebender Wesen aufzuwecken.
Das
beweist, wie fein das Reizmittel zur Erweckung der Thiere aus dem Winterschlaf dem Klima
der Gegend angepasst ist,
nicht auf der absoluten Hitze beruht.
und dass es
Es ist wohl bekannt, dass inner-
halb der Tropen das Ueberwintern oder richtiger gesagt das Uebersommern der Thiere nicht durch die Temperatur, sondern durch die Zeiten der Dürre bedingt wird. mich zuerst,
Nahe bei R i o Janeiro wunderte ich
dass einige T a g e ,
nachdem kleine Niederungen
Wasserpfützen verwandelt worden waren,
in
ich diese von vielen aus-
gewachsenen Muscheln und Käfern belebt fand, die dort im Sommerschlaf gelegen haben mussten.
Humboldt erzählt die merkwürdige
Begebenheit, dass eine Hütte über einer Stelle errichtet worden war, an der ein junges Crocodil in dem verhärteten Schlamme eingebettet lag.
Er setzt hinzu:
„Die Indianer finden oft ungeheure Boas,
die
sie Uji oder Wasserschlangen nennen, in demselben totenähnlichen
118
Fünftes Kapitel
Zustand. Um sie wieder zu beleben, müssen sie gereizt oder mit Wasser benetzt werden.' Ich will nur noch ein anderes Thier erwähnen, einen Zoophyten, (ich glaube Virgularía Patagónica), eine Art von Seefeder. Es besteht aus einem dünnen, geraden, fleischigen Stamm mit abwechselnden Reihen von Polypen an jeder Seite, welcher eine elastische kalkige Achse von acht Zoll bis zu zwei Fuss Länge umgiebt. Dieser Stamm ist an dem einen Ende abgestumpft, aber an dem anderen endigt er in einem wurmförmigen fleischigen Anhang. Die kalkige Achse, welche dem Stamme Halt giebt, kann man an diesem Ende bis zu einem einfachen mit einer körnigen Masse angefüllten Gefäss verfolgen. Zur Ebbezeit konnte man hundert dieser Zoophyten mit ihrem abgestutzten Ende einige Zoll über die Oberfläche des schlammigen Sandes wie Stoppeln hervorragen sehen. Berührte man sie leise oder fasste man sie derb a n , zogen sie sich mit grosser Kraft zurück, so dass sie beinahe oder auch vollständig verschwanden. Hierbei muss die sehr elastische Achse, an dem unteren Ende, das von Natur leicht gekrümmt ist, gebogen werden, und ich glaube, es ist nur mittelst dieser Elasticität, dass der Zoophvt im Stande ist, wieder durch den Schlamm an die Oberfläche zu kommen. Jeder Polyp hat, trotzdem er dicht mit seinen Brüdern vereinigt ist, einen besonderen Mund, Körper und Fangarme. An einem grossen Exemplar muss es viele Tausende dieser Polypen geben, und dennoch sehen wir sie sich einheitlich bewegen; sie besitzen auch eine Centraiachse, die mit einem etwas unklaren Circulationssystem in Verbindung steht, und die Eier werden in einem von den einzelnen Individuen getrennten Organ erzeugt*. Da ist wohl die
* Die H o h l r ä u m e , in welche sich die fleischigen Abtheilungen d e s Stielendes fortsetzten, w a r e n mit einer gelben breiigen Masse a n g e f ü l l t , w e l c h e , u n t e r dem Mikroskop untersucht, eine ausserordentliche E r s c h e i n u n g darbot. D i e Masse bestand aus a b g e r u n d e t e n , h a l b durchsichtigen, u n r e g e l m ä s s i g e n K ö r n e r n , die zu T h e i l c h e n von verschiedener Grösse vereinigt waren. Alle solche T h e i l c h e n und die einzelnen K ö r n e r besassen das Vermögen schneller B e w e g u n g ; g e w ö h n l i c h b e w e g t e n sie sich um verschiedene A c h s e n , manchmal j e d o c h f o r t s c h r e i t e n d . D i e B e w e g u n g war schon bei schwacher Vergrösserung s i c h t b a r ; a b e r selbst bei d e r s t ä r k s t e n konnte ihre U r s a c h e nicht entdeckt werden. Sie war s e h r v e r s c h i e d e n
119
S c e f e d e r (1833)
Frage erlaubt, was ist ein Individuum?
E s ist immer interessant, den
Ursprung der wunderbaren Erzählungen der alten Reisenden aufzufinden;
ich zweifle nicht, dass die Eigenschaften der Virgularia
Erklärung
eines
solchen Falles
auf seiner Reise 1601
sind.
die
Capitän Lancaster berichtet
von der Insel Sombrero in Ostindien:
„Wir
fanden im Seesand einen kleinen Zweig,
der wie ein junger Banm
wuchs, und als wir ihn brechen wollten,
schrumpfte er
zusammen,
zog sich in die Erde und versank, wenn man ihn nicht sehr fest hielt.
Pflückt man ihn ab,
so findet man, dass ein grosser W u r m
seine W u r z e l ist, und j e mehr der Baum in die Höhe wächst, desto mehr verkleinert
sich
Baum
ist,
geworden
W e i s e gross. das
ich
ganz zum
er in der Erde und wird auf diese
Diese Umwandlung ist eines der seltsamsten Wunder,
auf allen
diesen Baum
der W u r m , und wenn der W u r m wurzelt
meinen Reisen
gesehen habe; denn wenn man
ausreisst, solange er noch jung
ist und
die
Blätter
und R i n d e abstreift, wird er ein harter Stein, der getrocknet ganz wie weisse Koralle aussieht:
so wird dieser W u r m zweimal in ver-
schiedene Naturen verwandelt. W i r sammelten ihrer viele und brachten sie nach Hause." Während ich in Bahia Bianca auf den „Bcagle" wartete, wurde der Ort beständig durch die Gerüchte von Kämpfen und Siegen der Truppen des General Rofas mit den wilden Indianern in Aufregung gehalten.
Eines
Tages
kam
die H e i d u n g ,
dass
eine kleine A b -
theilung, welche eine der Postas auf dem W e g e nach Buenos A y r e s bildete, ermordet worden sei.
A m nächsten Tage kamen dreihundert
Mann vom Colorado unter dem Befehl des Kommandanten Miranda. Ein grosser Theil davon waren Indianer, (mansos oder zahme), zum
Stamme
des
Caziken Bernantio
gehörten.
von dem U m l a u f der Flüssigkeit in den elastischen S a c k , A c h s e enthielt.
Sie
blieben
die über
der das dünne E n d e d e r
Bei anderen G e l e g e n h e i t e n , wenn ich k l e i n e S e e t h i e r e unter d e m
M i k r o s k o p untersuchte, habe ich T h e i l c h e n von breiiger Masse, oft von b e d e u t e n d e r (»rosse unmittelbar nach ihrer A b l ö s u n g eine drehende B e w e g u n g a n n e h m e n sehen. Ich habe g e g l a u b t , ich weiss n i c h t , ob mit R e c h t , dass diese k ö r n i g b r e i i g e M a s s e eben im B e g r i f f war, sich in E i e r umzubilden.
Sicherlich schien dies bei d e m vor-
l i e g e n d e n Z o o p h y t e n der Fall zu sein. * K e r r ' s Collection of V o y a g e s vol. VIII. p. 119.
120
Fünftes Kapitel
Nacht und man konnte sich kaum etwas Barbarischeres und Wilderes vorstellen als den A n b l i c k ihres Bivouacs.
Einige tranken Branntwein
bis zur Sinnlosigkeit, andere schluckten das wanne B l u t der für ihr Nachtessen voll
und
geschlachteten übel
Rinder
wieder von sich
herunter,
und
gaben es
über-
und waren mit Blut und Schmutz
beschmiert. Nam simul expletus dapibus, vinoque sepultus Cervicem inflexam posuit, jacuitque per antrum Immenstis, saniem eructaus, ac frusta cruenta Per somnum commixta mero. (Virgil, Aen. III.)
A m Morgen
brachen
sie nach dem Schauplatz des Mordes auf,
mit dem Befehl der „rastro* bis nach Chile führte. in die
oder Spur
zu folgen, selbst wenn sie
Später hörten w i r ,
grossen Fampas
entwichen
dass die wilden Indianer
seien, und die Spur aus irgend
einem Grunde nicht gefunden worden war. sagt diesen Leuten
eine ganze Geschichte.
Ein Blick auf die Spur Angenommen sie unter-
suchen die Spur von tausend Pferden, so errathen sie bald die Zahl der Reiter,
indem sie sehen,
wie
viele gallopiert haben; nach der
Tiefe der anderen Eindrücke beurtheilen sie, wie viele mit Lasten bepackt gewesen sind, an der Unregelmässigkeit der Hufspur, wie sehr sie ermüdet waren; an der Beschaffenheit der Kochstellen, ob
die
Verfolgten eilig gewesen sind, nach dem allgemeinen Aussehen, wie lange es her ist, seitdem sie die Stelle passirten.
Einen Rastro von
zehn bis vierzehn Tagen halten sie noch für ganz frisch genug um verfolgt zu werden.
"Wir hörten auch, dass Miranda von dem west-
lichen Ende der Sierra Ventana in direkter Linie auf die Insel Cholechel marschirt wäre, die siebzig Leagues (ca. 390 Kilometer) den R i o Negro aufwärts liegt;
das sind zwei- bis dreihundert englische
Meilen und zwar durch ein völlig unbekanntes Land. Truppen der W e l t sind so unabhängig?
Welche anderen
Mit der Sonne als Führer,
Stutenfleisch zur X a h r u n g , den Satteldecken als B e t t , würden diese Männer, so lange sie ein wenig W a s s e r haben, bis an das Ende der W e l t dringen. Ein
paar Tage
banditenmässig
später sah
aussehenden
ich eine andere Abtheilung dieser
Soldaten,
zu einer Expedition
gegen
Kriegszug gegen die Indianer (1833)
«inen
Iodianerstamm
Aufenthalt
an
den
kleinen Sahnas
durch einen gefangenen Caziken
121 ausrücken,
dessen
verrathen worden
war.
Der Spanier, welcher, den Befehl fiir diese Unternehmung brachte, war
ein
sehr
intelligenter
Mann.
Er
schilderte
angesteckt und unterhalten, um welche sich die Weiber und Kinder als Znschauer sammelten. Die Cacadu-Männer und König GeorgsMänner bildeten zwei gesonderte Parteien und tanzten gewöhnlich abwechselnd. Ihr Tanzen bestand darin, dass sie seitwärts oder im Gänsemarsch auf einem freien Platz herumliefen und heftig alle zugleich mit den Füssen stampften. Dies Stampfen begleiteten sie mit einer A r t von Grnnzen, mit dem Zusammenschlagen ihrer Keulen und Speere und mit verschiedenen anderen Geberden, wie Ausstrecken der
531
König Georgs Sund (1836)
Arme und Rumpfbeugungen.
E s war ein ganz wüstes barbarisches
Schauspiel und nach unseren Begriffen durchaus sinnlos; aber wir sahen, dass die schwarzen Weiber und Kinder ihm mit dem grössten Vergnügen zuschauten.
Vielleicht bedeuteten diese Tänze ursprünglich
bestimmte Handlungen, wie etwa Kriege und Siege; einer der Tänze wurde Emutanz genannt, weil dabei jeder Mann einen Arm gekrümmt wie den Hals jenes Vogels hochhielt.
Bei einem anderen Tanze ahmte
ein Mann die Bewegungen eines im Walde grasenden Känguruhs nach, während ein anderer herankroch und so that, als ob er jenen mit dem Speer ersteche.
Wenn beide Stämme zusammen tanztep, dröhnte der
Boden unter ihren schweren Tritten und die Luft hallte wider von ihrem wilden Geschrei.
Jeder von ihnen schien hocherfreut; und di«
fast nackten Gestalten, wie sie bei dem lodernden Feuerschein sich alle in schauderhaftem Einklänge bewegten, gaben ein vollkommenes Bild einer Festlichkeit unter den niedrigsten Barbaren.
In Feuerland
haben wir viele merkwürdige Ereignisse im Leben der Wilden mit angesehen; aber ich glaube, keines, bei dem die Eingeborenen so froh und unbesorgt waren.
Nachdem der Tanz vorüber war, setzten
sich alle in einem grossen Kreise auf die E r d e , und der gekochte Reis und Zucker wurden zur allgemeinen Freude vertheilt. Nach
mehreren
unliebsamen
Verzögerungen
durch
schlechtes
Wetter verliessen wir am 14. März froh darüber den König Georgs Sund und nahmen unseren Curs nach der Keeling-Insel.
Leb wohl,
Australien 1 Du bist ein viel versprechendes K i n d und wirst zweifellos eiDSt
als mächtige Fürstin im Süden herrschen; aber du bist zu gross
und ehrgeizig zur Liebe, und doch nicht gross genug zur Verehrung. Ich scheide ohne Schmerz oder Bedauern von deinen Gestaden,
34*
mmmmmmm ZWANZIGSTES KAPITEL. Die Keeling-Insel — Kigenthümliches Aussehen — Dürftige Flora — Anschwemmung von Samen — Vögel und Insekten — Quellen mit Ebbe und Fluth — Felder von todten Korallen — Steine durch Baumwurzeln fortgeführt — Grosse Krabbe — Stechende Korallen — Korallenfressender Fisch — Korallenbildungen — Laguneninseln oder Atolle — Tiefe, in welcher riffbildende Korallen leben können — Weite Gebiete, mit verstreuten niedrigen Koralleninseln — Senkung ihrer Grundlagen — BarrenrifiTe — Saumriffe — Verwandlung von Saumriffen in Barrenriffe und in Atolle — Beweise für Veränderungen der Höhenlage — Durchbrüche in den Barrenriffen — Maldiven-Atolle, ihr sonderbarer Bau — Todte und versunkene Riffe — Senkungsund Erhebungsgebiete — Lage der Vulkane — Langsames aber sehr beträchtliches Sinken.
DIE KEELING-INSEL: —
1. April.
KORALLENBILDUNGEN.
W i r kamen in Sicht von den Keeling- oder Cocos-
inseln, welche im Indischen Ocean und ungefähr 600 Meilen von der K ü s t e von Sumatra entfernt liegen. (oder Atolle)
von Korallen
Es sind dieses Laguneninseln
gebildet,
Niedrigen Archipel passirten.
ähnlich
denen,
die wir
im
A l s das Schiff in dem Einfahrtscanal
war, kam Mr. Liesk, ein dort wohnender Engländer, in seinem Boote heran.
Die Geschichte der Bewohner dieser Insel ist in möglichst
wenigen Worten folgende:
V o r ungefähr neun Jahren brachte Mr.
Hare, ein nichtsnutziger Mensch, von den ostindischen Inseln
eine
A n z a h l malayischer Sklaven hierher, die sich jetzt mit den Kindern auf mehr als einhundert vermehrt haben.
Bald darauf kam aus E n g -
land Kapitän R o s s hier an, der vorher mit seinem Kauffahrteischiffe diese Inseln besucht hatte, und brachte seine Familie und seine ganze Habe mit sich, um sich hier niederzulassen; mit ihm kam Mr. Liesk, welcher Steuermann auf seinem Schiffe gewesen war.
Die malayischen
K e e l i n g - Insel (1836)
533
Sklaven entliefen von dem kleinen Eiland, wo sich Mr. Hare an* gesiedelt hatte, und schlössen sich Kapitän Ross an. Schliesslich sah sich Mr. Hare genöthigt, das Land zu verlassen. Die Malayen sind jetzt dem Namen nach Freie und sind jedenfalls, vas ihre persönliche Behandlung angeht, nicht schlechter daran; sonst aber werden sie meist als Sklaven angesehen.
Wegen ihrer
Unzufriedenheit, wegen der wiederholten Umsiedelungen von Eiland zu Eiland und wohl auch wegen etwas ungeschickter Verwaltung wollen die Dinge hier zu keinem rechten Gedeihen kommen.
Ausser
dem Schwein giebt es auf der Insel kein vierfüssiges Hausthier, und das wichtigste Pflanzenproduct ist die Cocosnuss.
Der ganze Wohl-
stand hängt hier zu Lande von der Cocospalme ab: die einzigen Ausfuhrartikel sind Cocosöl und die Nüsse selbst, die nach Singapore und Mauritius versandt werden, wo sie meist gerieben zur Bereitung von Curry benutzt werden.
Auch die sehr fetten Schweine werden
fast nur mit Cocosnüssen gefüttert, ebenso die Enten und anderes Geflügel.
Sogar eine grosse Landkrabbe hat von der Natur das
Werkzeug mitbekommen, diese sehr nützliche Frucht zu öfinen und zu fressen. A u f dem ringförmigen Riff der Laguneninsel liegen fast fiberall in seiner ganzen Ausdehnung längliche Eilande.
A n der nördlichen,
oder windsicheren Seite ist eine Oeffnung, durch welche die Schiffe nach dem Ankerplatze innerhalb des Riffes gelangen können.
Als
wir dort einliefen, hatten wir einen seltsamen und recht hübschen Anblick, die Schönheit lag jedoch ganz in dem Farbenspiele des Wassers.
Das seichte, klare und stille Wasser der Lagune ruht zum
grössten Theile auf einem Grunde von weissem Sande und zeigt, wenn die senkrechte Sonne darauf scheint, die lebhafteste grüne Farbe. Dieser mehrere Meilen weite, glänzende Wasserspiegel ist überall abgegrenzt; auf der einen Seite von den dunkelen, wogenden Gewässern des Oceans durch eine schneeweisse Brandungslinie, und auf der anderen von dem blauen Himmelsgewölbe durch Streifen Landes, welches die flachen Kronen der Cocospalmen überragen.
W i e einzelne
weisse Wolken im Himmelsblau einen schönen Gegensatz bilden, so auch die dunkleren Korallenstreifen in dem smaragdgrünen Wasser
Zwanzigstes Kapitel
534 der Lagune.
A m nächsten Morgen, nachdem wir vor A n k e r gegangen,
begab ich mich an das Land der Direktionsinsel.
Der Streifen trockenen
Landes ist nur wenige Hundert Schritt breit; auf der Seite nach der Lagune ist ein weisser, kalkiger Strand, der in diesem, heissen K l i m a eine furchtbare Hitze ausstrahlt;
und an der Aussenküste dient
eis
fester, breiter und flacher Korallenfelsen dazu, die Gewalt des offenen Meeres zu brechen.
A u s s e r in der Nähe der Lagune, wo es
etwas
Sand giebt, besteht das L a n d ganz aas abgerundeten Korallenstücken. A o f solch einem losen, trockenen und steinigen Boden vermag allein das Tropenklima einen kräftigen Pflanzenwuchs hervorzubringen.
Man
konnte nichts Anmuthigeres sehen, als wie auf einigen der kleineren Eilande die
jungen
und ausgewachsenen Cocospalmen, ohne ihrem
Ebenmaass zu schaden, zusammen einen kleinen Wald bildeten.
Ein
Ufer von blendend weissem Sande fasste diese Feeninseln ein. Ich
will nun
einen Abriss
der
Naturgeschichte
dieser
Inseln
geben, welche gerade wegen ihrer Dürftigkeit ein besonderes Interesse besitzt.
Auf
den
ersten Blick
scheinen
alle
Bäume
Cocospalmen
zu sein, doch giebt es noch fünf oder sechs andere Arten.
Davon
erreicht e i n Baum eine sehr beträchtliche Grösse, ist jedoch wegen der Weichheit seines Holzes nicht zu gebrauchen; liefert treffliches Holz für den Schiffsbau. die Zahl der Pflanzen ausserordentlich aus unbedeutenden Kräutern.
ein anderer aber
Ausser den Bäumen
beschränkt
und besteht
ist nur
In meiner Sammlung, welche wohl so
ziemlich die ganze Flora umfasst, sind 20 Arten, ausser einem Moose, einer Flechte und einem Pilze.
Dazu müssen noch zwei Bäume ge-
rechnet werden, von denen der eine damals nicht blühte, und von dem anderen habe ich nur gehört. einziger Baum vorhanden
und
V o n letzterer A r t ist nur
wächst
er
nahe
am Strande;
Zweifel ist das Samenkorn von den Wellen dort angespült E i n e Guilandina wächst auch nur auf einem der Eilande.
ein ohne
worden.
In der ge-
nannten Anzahl sind das Zuckerrohr, die Banane, einige andere Gem ü s e , Obstbäume und eingeführte Grasarten nicht einbegriffen.
Da
die Inseln ganz aus K o r a l l e n bestehen und einst blosse vom W a s s e r bespülte R i f f e gewesen sein müssen, so können alle ihre Landerzeugnisse nur durch die Meereswellen hergeführt worden sein.
Dem ent-
Keeling-Insel (1836)
535
sprechend hat die kleine Flora ganz den Charakter von einem Asyl für Obdachlose: nach Professor Henslow's A n g a b e gehören von jenen 20 A r t e n 19 zu verschiedenen Gattungen, und diese zu nicht weniger als 16 F a m i l i e n ! * In Holman's ** Reisen findet sich von Mr. A. S. K e a t i n g ,
der
ein Jahr auf diesen Inseln weilte, herrührend ein Verzeichniss von verschiedenen weiss,
Samen
und anderen
Gegenständen,
von
dass sie an den Strand gespült worden sind:
denen
man
„Samen und
Pflanzen von Sumatra und Java sind durch die "Wellen auf der W i n d seite der Inseln angetrieben worden.
Darunter fanden sich Kimiri,
der auf Sumatra und der Halbinsel Malacca heimisch ist; Cocosnüsse von Balci,
die
man an ihrer Grösse und F o r m
erkennt;
Dadass,
welchen die Malayen mit dem Pfeiferwein zusammen pflanzen,
weil
letzterer sich um dessen Stamm schlingt und sich mit seinen Stacheln daran festhält; der Seifenbaum; die Ricinuspflanze; Stämme der Sagopalme, und verschiedene A r t e n von Samen, den malayischen Ansiedlem auf den Inseln unbekannt.
V o n allen diesen glaubt man, dass sie
von dem Nordwestmonsun an die K ü s t e
von Neuholland und von
dort durch den Südostpassat an diese Inseln getrieben worden sind. Grosse Mengen von javanischem Teakholz gleichfalls gefunden worden,
ausserdem
und von
riesige
Gelbholz
sind
Stämme der rothen
und weissen Ceder und des blauen Gummibaumes in vollkommen gesundem Zustande.
A l l e harten Samen, wie die der Schlinggewächse,
haben ihre Keimkraft behalten; aber die weicheren A r t e n , unter ihnen der Mangostin, sind unterwegs verdorben.
A u c h Fischercanoes, offen-
bar aus Java, sind bisweilen an den Strand getrieben worden." ist sehr interessant so zu entdecken,
Es
wie grosse Samenraengen aus
verschiedenen Ländern über den weiten Ocean geschwemmt
werden.
Nach Professor Henslow's Meinung sind fast alle Pflanzen, die ich von diesen Inseln mitbrachte, an den Küsten im ostindischen Archipel gewohnliche Arten.
Nach der Richtung der W i n d e und Strömungen
scheint es jedoch kaum möglich, dass die Samen auf directem W e g e
* Diese Pflanzen sind in den Annais of Nat. Hist. Vol. I, 1838, p. 337 beschrieben. »• Holman's Reisen, Vol. IV, p. 378.
Zwanzigstes Kapitel
536
hierher g e k o m m e n sein können.
W e n n sie nach Mr. K e a t i n g ' s sehr
wahrscheinlicher V e r m u t h u n g zuerst an die K o s t e gelangten
und
von
dort
von N e u - H o l l a n d
mit Erzeugnissen j e n e s Landes zusammen
wieder fortgeschwemmt wurden, so müssen die Samen, ehe sie keimten, eine R e i s e von 1800 bis 2400 Meilen gemacht haben. Chamisso*
bei
seiner Beschreibung
des R a d a c k - A r c h i p e l s ,
westlichen T h e i l e des Stillen O c e a n s , berichtet,
„dass das M e e r
im an
diese Inseln die S a m e n und Früchte vieler B ä u m e bringt, von denen die meisten hier noch nicht wachsen.
D e r grösste T h e i l dieser Samen
scheint noch nicht die K e i m k r a f t verloren zu haben.*
E s sollen auch
Palmen und Bambus, irgend woher ans der heissen Zone, und nordische Fichtenstämme an den Strand geschwemmt worden sein: diese F i c h t e n mussten
aus
ungeheuerer
höchst interessant
Ferne
kommen.
Diese
Thatsachen
sind
M a n kann nicht daran z w e i f e l n , dass, w e n n
es
dort L a n d v ö g e l g ä b e , welche die Samen a u f p i c k t e n , sobald sie angetrieben werden, und sie einen für ihr W a c h s t h u m geeigneteren B o d e n fänden,
als
Laguneninseln
die mit
losen K o r a l l e n b l ö c k e , der Zeit
auch
die
abgelegenste
eine sehr viel reichere F l o r a
der
besitzen
würde, als es jetzt der F a l l ist. D a s Verzeichniss der Landthiere ist sogar noch dürftiger, als das der Pflanzen.
Einige
der Eilande
sind
von R a t t e n
bewohnt,
die
durch ein gestrandetes Schiff von Mauritius hierher gebracht wurden. M r . W a t e r h o u s e hält diese Ratten für dieselbe A r t , wie die e n g l i s c h e ; sie sind aber kleiner und von hellerer F a r b e . lichen
Landvögel;
Phillipensis),
denn
obgleich
sie
eine
Schnepfe
ausschliesslich
Es
und in
giebt keine
eine dem
l e b e n , gehören zu der Ordnung der Sumpfvögel.
Ralle
trockenen
wirk-
(Rallus Grase
V ö g e l dieser Ord-
nung sollen auf verschiedenen der kleinen niedrigen Inseln im S t i l l e n Ocean vorkommen.
A u f Ascension,
w o es keinen Landvogel
giebt,
wurde eine R a l l e (Porphyrio simplex) nahe dem Gipfel eines B e r g e s geschossen; es war offenbar ein einzelner verirrter V o g e l .
A u f Tristan
da Cunha, w o nach Carmichael nur zwei L a n d v ö g e l sind, giebt es ein Wasserhuhn.
H i e m a c h glaube ich, dass die S u m p f v ö g e l , nächst d e n
* Kotzebue's Eiste Reise, Vol. III, p. 155.
K e e l i n g - I n s e l (1836)
537
unzähligen schwimmfüssigen Arten, gewöhnlich die ersten Kolonisten auf kleinen isolirten Eilanden sind.
Ich will hinzufügen, dass jedes»
mal, wenn ich Vögel, die keine Seevögel waren, weit draussen auf dem Meere sah, sie stets dieser Ordnung angehörten; und deshalb werden sie naturgemäss wohl die frühsten Kolonisten auf jedem entlegenen Stücke Landes sein. Von Reptilien sah ich nur eine kleine Eidechse. Mühe, alle Arten von Insekten zu sammeln. welche zahlreich waren, gab es 13 Spezies.*
Ich gab mir
Ausser den Spinnen, Darunter war nur ein
einziger Käfer, Von einer kleinen Ameise wimmelte es zu Tausenden unter den losen trockenen Korallenstücken, und war sie das einzige wirkliche Insekt, das zahlreich vorhanden.
Obwohl die Erzeugnisse
des Landes spärlich sind, so finden sich in den Gewässern des umgebenden Meeres organische Wesen in fast unendlicher Zahl.
Chamisso
hat eine Laguneninsel im Radack - Archipel naturgeschichtlich
be-
schrieben,** und es ist merkwürdig, wie sehr ihre Bewohner an Zahl und Art denen der Keeling - Insel gleichen.
Es
giebt dort eine
Eidechse und zwei Sumpfvögel, nemlich eine Schnepfe und einen Brachvogel.
Von Pflanzen finden sich 19 Arten,
eines Famkrauts;
mit Einschluss
und einige von ihnen sind dieselben, die hier
wachsen, obgleich jener Fleck so ungeheuer weit und in einem anderen Ocean liegt. Die langen Streifen Landes, welche die länglichen Eilande bilden, ragen nur so hoch, als die Brandung Stücke von Korallen werfen und der Wind kalkhaltigen Sand anhäufen kann.
Die feste Fläche
von Korallenfelsen an der Aussenseite bricht vermöge ihrer Breite das erste Ungestüm der Wellen, welche sonst in einem Tage diese Eilande und alle ihre Erzeugnisse fortspülen würden.
Meer und
Land scheinen hier um die Herrschaft zu kämpfen: und obwohl die terra firma hier Fuss gefasst hat, halten die Bewohner des Wassers * Die 13 Spezies gehören zu den folgenden Ordnungen: Zu den Coleóptera ein kleiner Elater; Orthoptcra ein Gryllus und eine Blatta; Hemiptera eine A r t ; Homoptera zwei; Neuroptera eine Chrysopa; Hymenoptera zwei Ameisen; Lepidoptera nocturna eine Diopaea und ein Pterophorus (?); Díptera zwei Arten. • * Kotzebue's Erste R e i s e , Vol. III, p. m .
538
Zwanzigstes Kapitel
ihr Anrecht für wenigstens ebenso gut. Ueberall begegnet man Einsiedlerkrebsen von mehr als einer Art, * auf dem Rücken die Muschelschalen tragend, die sie von dem benachbarten Strande gestohlen haben. Zu unseren Häuptern sitzen auf den Bäumen zahlreiche Tölpel, Fregattvögel und Seeschwalben; man kann das Gehölz wegen der vielen Nester und des üblen Geruchs einen Seevögelhorst nennen. Die Tölpel sitzen auf ihren kunstlosen Nestern und sehen einen mit dummen, doch ärgerlichen Blicken an. Die Noddys (Tröpfe) sind, wie ihr Name sagt, dumme Thierchen. Ein reizender Vogel ist aber die kleine schneeweisse Seeschwalbe, welche nur wenige Fuss über uns sanft dahinschwebt und mit ihren grossen schwarzen Augen uns ruhig forschend anblickt. Es gehört wenig Phantasie dazu, um bei diesem leichten und zierlichen Körper an eine verzauberte Märchengestalt zu denken. Sonntag 3. April. Nach dem Gottesdienste begleitete ich Kapitän Fitz Roy nach der Ansiedlung, welche einige Meilen entfernt an der Spitze eines Eilandes liegt, welches dicht mit hohen Cocospalmen bestanden ist. Kapitän Ross und Mr. Liesk wohnen in einem grossen scheunenartigen Hause, das an beiden Seiten offen und mit Matten aus geflochtener Baumrinde behangen ist. Die Häuser der Malayen liegen längs dem Ufer der Lagune. Der ganze Ort bot einen ziemlich traurigen Anblick, und keine Gärten zeugten von sorgfältiger Pflege und gedeihender Kultur. Die Malayen stammen von verschiedenen Inseln im Ostindischen Archipel, sprechen aber alle dieselbe Sprache: wir sahen Leute von Borneo, Celebes, Java und Sumatra. In der Farbe gleichen sie den Tahitianern, denen sie auch sonst ähnlich sind. Doch sahen einige der Frauen ganz chinesisch aus. Im allgemeinen gefielen mir sowohl ihre Gesichter als auch der Klang ihrer Stimmen. Sie schienen sehr arm, und in ihren Häusern
* Die grossen Klauen oder Scheeren einiger dieser Krebse sind auf das trefflichste so eingerichtet, dass sie beim Zunickziehen einen Deckel fiir die Schale bilden, der beinah so vollkommen ist wie der andere ursprünglich dazu gehörende des Muschelthiers. Man versicherte mir, und soweit meine Beobachtungen reichen, fand ich es bestätigt, dass gewisse Arten von Einsiedlerkrebsen stets gewisse Arten von Muscheln benutzen.
Keeling - Insel (1836)
fehlte alles Geräth;
539
ihre Kinder aber sahen rund und fett aus,
und
ist offenbar Kokosnuss und Seeschildkröte keine schlechte K o s t . A u f dieser Insel liegen die Brunnen, von denen die Schiffe "Wasser nehmen.
Zuerst erscheint es nicht wenig auffallend, dass dies süsse
Wasser regelmässig mit der Fluth steigt und sinkt, und hat man sogar gedacht, der Sand könne durch Filtriren das Salz aus dem Seewasser entfernen.
Solche Fluthquellen sind auf einigen der niedrigen Inseln
in Westindien häufig. Der feste Sand oder das poröse Korallengestein ist wie ein Schwamm von Salzwasser durchdrungen; doch der auf die Oberfläche fallende R e g e n sinkt ein bis zum Niveau des umgebenden Meeres, sammelt sich dort und verdrängt eine gleiche Menge Salzwasser. W i e das Wasser in dem unteren Xheile der grossen schwammartigen Korallenmasse
mit der Fluth steigt und sinkt, so auch
das
Wasser nahe der Oberfläche; und dieses bleibt süss, wenn die steinige Masse hinreichend dicht ist, um eine stärkere mechanische Vermischung zu verhindern;
wo aber der Boden aus grossen losen Blöcken mit
offenen Zwischenräumen besteht, ist das W a s s e r , wenn ein Brunnen gegraben wird, brackig. Nach dem Mittagessen blieben würdigen zuwohnen.
abergläubischen Handlung Ein
grosser
hölzerner
wir noch d a ,
um
einer
von malayischen Weibern Löffel,
dem
Kleider
merkbei-
angelegt
wurden, sollte, auf das Grab eines todten Mannes gebracht, bei Vollmond dort von einem Geist besessen werden, und dann tanzen und herumspringen.
Nach den erforderlichen Vorbereitungen fing der von
zwei W e i b e m
gehaltene Löffel zu zappeln an und tanzte im T a k t ,
während die Weiber und Kinder dazu sangen.
Es
war
ein
sehr
thörichtes Schauspiel, aber Mr. Liesk behauptete, dass viele Malayen an diese Geistererscheinung glaubten.
Dieser Spuk begann erst nach
Aufgang des Mondes, und es war wohl des Bleibens werth, zu sehen, wie die helle Scheibe so milde durch die langen Zweige der Cocospalmen, die der Abendwind leise bewegte, schien. Solche Empfindungen und Erlebnisse in den Tropen sind so entzückend, dass sie fast jenen uns theuereren heimischen gleichkommen, welche unsere besten Gefühle erregen. Den nächsten Tag beschäftigte ich mich damit, den sehr interessanten, doch einfachen Bau und Ursprung dieser Inseln zu unter-
540
Zwanzigstes Kapitel
suchen. Da das Wasser ungewöhnlich still war, watete ich über die äussere Fläche todten Gesteins bis zu den lebenden Korallenbänken, an denen sich die Wellen des offenen Oceans brechen. In einigen der Rinnen und Löcher gab es schöne grüne und andersfarbige Fische; auch die Formen und Farben Tieler Zoophyten waren wundervoll. Wohl kann man in Entzückung gerathen über die Unzahl organischer Wesen, von denen die tropischen Meere, so überreich an Leben, wimmeln; ich meine aber, dass jene Naturforscher, welche mit bekannten Worten die unterseeischen mit tausend Schönheiten geschmückten Grotten beschrieben haben, doch eine etwas übertriebene Sprache gebrauchten. 6. April. Ich begleitete Kapitän Fitz Roy nach einer Insel an dem entferntesten Theile der Lagune; der Kanal, der dorthin führte, war ausserordentlich schwierig und wand sich durch Felder zierlich verzweigter Korallen. Wir sahen mehrere Meerschildkröten, und zwei Boote waren mit ihrem Fange beschäftigt. Das Wasser war so klar und seicht, dass, wenn auch die Schildkröte zuerst schnell taucht und den Blicken entschwindet, doch in einem Canoe oder Segelboot die Verfolger nach nicht sehr langer Jagd nachkommen. Ein Mann, der am Bug bereit steht, stürzt dann augenblicklich durch das Wasser auf den Rücken der Schildkröte zu, klammert sich mit beiden Händen an die Schale am Nacken und lässt sich von ihr fortschleppen, bis das Thier erschöpft ist und gefangen wird. Es war sehr interessant der Jagd zuzuschauen, wie die Boote herumfuhren, und die Männer sich kopfüber in das Wasser stürzten, um ihre Beute zu fassen. Kapitän Moresby erzählte mir, dass im Chagos - Archipel, in diesem selben Ocean, die Eingeborenen durch ein schauderhaftes Verfahren die Schale vom Rücken der lebenden Schildkröte lösen. „Man bedeckt sie mit glühenden Holzkohlen, wodurch sich die äussere Schale aufwärts biegt; dann wird sie mit einem Messer gewaltsam losgeschnitten und, ehe sie erkaltet, zwischen Brettern glatt gepresst. Nach diesem barbarischen Verfahren lässt man das Thier wieder in sein heimisches Element, wo sich nach gewisser Zeit eine neue Schale bildet; doch ist dieselbe zu dünn, um von irgend welchem Nutzen zu sein, und das Thier bleibt immer matt und kränklich."
Keeling-Insel (1836)
541
Als wir am Ende der Lagune angekommen waren, überschritten wir ein schmales Eiland und fanden eine starke Brandung an der Windseite der Küste. Ich kann es kaum erklären, doch hat für mich der Aussenstrand dieser Laguneninseln eine ganz besondere Grossartigkeit. Es ist da eine Einfachheit in diesem dammartigen Strande, in dem Saume von grünen Büschen und hohen Cocospalmen, in der festen Fläche von todtem Korallengestein, die hier und da mit grossen losen Bruchstücken bestreut ist, und in dem Streifen tobender Sturzwellen, die durcheinander rasen. Der Ocean, der seine Wasser auf das breite Riff schleudert, erscheint wie ein unbesiegbarer allmächtiger Feind; dennoch sehen wir, dass ihm Widerstand geleistet und er sogar besiegt wird durch Mittel, die einem zuerst recht schwach nnd unwirksam scheinen. Nicht, dass der Ocean des Korallenfelsens schont; die grossen, über das Riff verstreuten Bruchstücke und die angehäuften am Strande, wo die hohen Cocospalmen aufwachsen, sprechen deutlich für die unnachgiebige Gewalt der Wellen. Noch werden irgend welche Ruhepausen gewährt. Die langen Wogen, die der sanft aber stetig in einer Richtung und weit her wehende Passatwind mit sich bringt, verursachen eine Brandung, welche an Gewalt fast der gleicht, die in gemässigten Regionen durch einen Sturm hervorgerufen wird, und welche nie zu toben aufhört. Es ist unmöglich diese Wogen zu sehen, ohne zu der Ueberzeugung zu kommen, dass jede Insel, auch aus dem härtesten Gestein, sei es Porphyr, Granit oder Quarz, zuletzt nicht widerstehen kann und von solcher Gewalt zertrümmert werden muss. Dennoch bleiben diese niedrigen, unscheinbaren Koralleneilande und sind siegreich; denn hier nimmt noch eine andere Macht als Widersacher am Kampfe theil. Die organischen Kräfte scheiden die Atome des kohlensauren Kalkes nach und nach aus den schäumenden Sturzwellen und vereinigen sie zu einem symmetrischen Bau. Mag der Sturm tausend grosse Bruchstücke losreissen, was bedeutet das gegenüber der vereinten Arbeit von Myriaden von Baumeistern, die Tag und Nacht, Monat um Monat bei der Arbeit sind? So sehen wir hier, dass der weiche gallertartige Körper eines Polypen durch die Wirkung der Lebensgesetze die grosse mechanische Kraft der Wogen eines Oceans besiegt, der weder die Kunst des Menschen,
542
Zwanzigstes Kapitel
noch die unbelebten Werke der Natur erfolgreich widerstehen können. Erst spät Abends kehrten wir wieder an Bord zurück; denn wir verweilten lange in der Lagune, um die Korallenfelder nnd die riesengrossen Muscheln der Chaîna ru untersuchen; wenn in letztere ein Mensch seine Hand hineinsteckte, würde er sie, so lange das Thier lebt, nicht wieder herausziehen können. Ich war sehr überrascht, am oberen Ende der Lagune eine weite Fläche, beträchtlich grösser als eine Quadratmeile, zu finden, welche mit einem Walde zierlich verzweigter Korallen bedeckt war, die zwar noch aufrecht standen, aber sämmtlich todt und brüchig waren. Zuerst konnte ich mir die Sache durchaus nicht erklären; dann kam ich darauf, dass es folgenden seltsamen Zusammenhang hatte. Es muss jedoch vorausgeschickt werden, dass die Korallen es nicht überleben können, auch nur für kurze Zeit im Sonnenschein der Luft ausgesetzt zu werden, deshalb wird die Grenze ihres Wachstums nach oben hin durch den niedrigsten Wasserstand bei Springfluthen bestimmt. Aus alten Seekarten geht hervor, dass die lange Insel auf der Windseite ehemals durch breite Kanäle in mehrere Eilande getheilt war, was auch durch den Umstand bestätigt wird, dass die Bäume an diesen Stellen jünger sind. Bei der früheren Beschaffenheit des Riffs trieb starker Wind mehr Wasser über die Barre und trug zur Hebung des Wasserspiegels in der Lagune bei. Jetzt ist die Wirkung aber gerade umgekehrt; denn das Wasser innerhalb der Lagune wird nicht nur nicht durch Zuflüsse vermehrt, sondern wird selbst durch die Stärke des Windes herausgetrieben. Daher kommt es, dass die Fluth am oberen Ende der Lagline bei starkem Winde nicht so hoch wie bei Windstille steigt. Diese Unterschiede des Niveaus, wenn sie zweifellos auch sehr gering sind, haben, meiner Meinung nach, das Absterben jener Korallenwälder verursacht, die bei der früheren offeneren Beschaffenheit des Riffs die höchstmögliche Grenze in ihrem Wachsthum nach oben erreicht hatten. Einige Meilen nördlich von Keeling liegt ein anderes kleines Atoll, dessen Lagune beinah ganz mit Korallenschlamm angefüllt ist. Kapitän Ross fand dort in dem Conglomérat an der äusseren Küste ein
543
Keeling - Insci (1836)
abgerundetes Stück Grünsteiii, Kopf;
etwas
grösser als
ein
menschlicher
er und seine Leute wunderten sich darüber so, dass sie es
mitnahmen und als Merkwürdigkeit aufbewahrten.
Das Vorkommen
dieses einzelnen Steines, wo sonst auch die kleinsten Theilchen nur kalkig sind,
ist jedenfalls sehr räthselhaft.
D i e Insel ist kaum j e
besucht worden, noch ist es wahrscheinlich, dass ein Schiff dort gescheitert.
In Ermangelung einer besseren Erklärung kam ich zu dem
Schlüsse, dass der Stein, in den Wurzeln eines grossen Baumes verwickelt, dorthin gekommen sein müsse;
bedachte ich indessen
die
grosse Entfernung von dem nächsten L a n d e , und wieviele Umstände dagegen waren,
dass ein Stein so fest umschlungen würde, ferner
wie der Baum vom Meere fortgerissen, so weit geschwemmt,
dann
sicher gelandet, und wie der Stein zuletzt so eingebettet worden sein rausste, dass er gefunden werden konnte, dann wurde mir fast bange, an eine offenbar so unwahrscheinliche A r t des Transportes zu glauben. E s war mir daher höchst interessant zu finden, dass Chamisso,
der
mit R e c h t geachtete Naturforscher, welcher Kotzebue begleitete, berichtet,
dass die Bewohner des R a d a c k -Archipels, einer Gruppe von
Laguneninseln
mitten im Stillen O c e a n ,
sich Steine
zum Schärfen
ihrer Werkzeuge verschafften, indem sie an den Wurzeln von Bäumen nachsuchten, welche an den Strand getrieben wurden.
Offenbar muss
dieses öfter vorgekommen sein, da es Gesetze gab, dass solche Steine dem Häuptling gehören, und dass ein Jeder bestraft werden
solle,
der sie zu stehlen suche.
dieser
In Anbetracht der isolirten L a g e
kleinen Inseln mitten im weiten Ocean — von jedem
anderen
Lande
(die
ihrer grossen Entfernung
Korallenbildungen
ausgenommen),
welche bestätigt wird durch die Werthschätzung eines jeglichen Steines seitens der Bewohner,
die so kühne Seefahrer sind,* —
sowie der
Langsamkeit der Strömungen im offenen Meere, erscheint das V o r kommen von so beförderten Steinen ganz wunderbar.
E s mögen Steine
oft so fortgetragen werden; und wenn die Insel, auf der sie stranden, noch aus anderen B e s t a n d t e i l e n als K o r a l l e n gebildet ist, werden sie
* Einige Eingeborene, die Kotzebue nach Kamtschatka gebracht hatte, sammelten dort Steine, um sie in ihre Heimath mitzunehmen.
544
Zwanzigstes Kapitel
kaum Aufmerksamkeit erregen noch ihren Ursprung jemals vermuthen lassen. Ausserdem mag diese Art der Beförderung lange der Entdeckung entgehen, da Bäume und besonders mit Steinen beladene gewöhnlich unter der Oberfläche schwimmen. In den Fjorden von Feuerland werden grosse Mengen Treibholz an den Strand geworfen; doch sieht man sehr selten einen Baum auf dem Wasser schwimmen. Diese Thatsachen können vielleicht etwas Licht auf das Vorkommen einzelner Steine, sowohl eckiger als abgerundeter, weifen, die man bisweilen in feinen Ablagerungsschichten eingebettet findet. An einem anderen Tage besuchte ich die Westinsel, auf welcher der Pflanzenwuchs vielleicht üppiger als auf irgend einer der anderen war. Gewöhnlich stehen die Cocospalmen einzeln; hier aber wuchsen die jungen dicht neben den hohen alten und bildeten mit ihren langen gebogenen Wedeln die schattigsten Lauben. Nur die es erlebt haben, wissen, wie herrlich es ist, in solchem Schatten zu sitzen und die kühle wohlschmeckende Cocosmilch zu trinken. Auf dieser Insel giebt es eine grosse buchtähnliche Fläche von feinstem weissen Sande; sie ist durchaus eben und wird nur bei Hochwasser von der Fluth bespült; von dieser grossen Bucht dringen kleinere Arme tief in die umgebenden Wälder ein. Diese glänzend weisse Fläche von Sand, anstatt Wasser, um deren Rand die Cocospalmen ihre schlanken, schwankenden Stämme erhoben, gewährte einen eigenthümlicheD und sehr hübschen Anblick. Ich habe schon vorher einer Krabbe erwähnt, die von Cocosnüssen lebt; sie ist auf allen Theilen des trockenen Landes sehr häufig und erreicht eine erstaunliche Grösse; sie ist nahe verwandt oder gleichartig mit Birgos latro. Das vordere Beinpaar endigt in sehr grosse und schwere Scheeren, und das letzte Paar ist mit anderen solchen versehen, die aber schwächer und viel schmaler sind. Man sollte es auf den ersten Blick für ganz unmöglich halten, dass eine Krabbe eine harte noch mit der Faserhülle bedeckte Cocosnuss zu öffnen vermag; aber Mr. Liesk versichert, dass er es öfters mit angesehen hat. Die Krabbe fangt damit an, dass sie Faser auf Faser von der Hülle abreisst und stets von dem Ende, an welchem sich die drei Augenlöcher befinden; ist dies geschehen, so beginnt sie mit ihren schweren Scheeren auf eines der drei Augenlöcher zu hämmern, bis
K e e l i n g «Insel (1836)
eine Oeffnung da ist.
545
Dann dreht sich die Krabbe um und holt mit
Hülfe der hinteren schmalen Scheeren die weisse albuminöse Substanz heraus.
Dies scheint mir der seltsamste Fall von Instinkt, von dem
ich je gehört habe, und gleichfalls von Anpassung in der Gestaltung zwischen zwei ihrer Natur nach offenbar so wenig zusammen passenden Geschöpfen, wie eine Krabbe und eine Cocosnuss.
Der Birgos ist
seinen Gewohnheiten nach ein Tagthier; doch soll er jede Nacht an die See gehen, zweifellos wohl um seine Kiemen anzufeuchten.
Die
Jungen werden auch am Ufer ausgebrütet und leben dort eine Zeit lang.
Diese Krabben wohnen in tiefen Löchern, welche sie unter den
Baumwurzeln graben, und wo sie erstaunliche Mengen von den losen Fasern der Cocosnusshülle anhäufen, auf denen sie wie auf einem Bette ruhen.
Die Malayen machen sich dies manchmal zu Nutzen
und sammeln die
faserige Masse, um sie zu Matten zu verwenden.
Diese Krabben schmecken sehr gut; ausserdem haben die grösseren unter ihrem Schwänze eine beträchtliche Menge Fett, das geschmolzen manchmal
soviel als eine Quartflasche voll von klarem Oele giebt.
Einige Schriftsteller haben behauptet,
der Birgos
klettere
auf die
Cocospalmen, um Nüsse zu stehlen; ich bezweifle stark die Möglichkeit; doch der Pandanus würde es eher können.*
Mr. Liesk sagte
mir, dass der Birgos auf diesen Inseln nur von den herabgefallenen Nüssen lebe. Kapitän Moresby theilte mir mit, dass diese Krabbe die Chagosund Seychellengruppe, aber nicht den diesen benachbarten MaldivenArchipel bewohne.
Ehemals war sie zahlreich auf Mauritius, jetzt
werden aber nur wenige und kleine dort gefunden.
Im Stillen Ocean
soll es diese oder eine ihr in der Lebensweise nahe verwandte A r t ** auf einer einzelnen Koralleninsel geben, die nördlich von den Gesellschaftsinseln liegt.
Zum Beweise für die ungemeine K r a f t des vor-
deren Scheerenpaares erwähne ich, dass Kapitän Moresby eine solche Krabbe in eine starke Blechbüchse sperrte,
die Zwieback enthalten
hatte, und den Deckel mit Draht fest machte; doch das Thier bog
* Siehe P r o c e e d i n g s of Z o o l o g i c a l S o c i e t y , 1832, p. 17. ** T y e r m a n and Bennett, V o y a g e etc., vol. II, p. 33. D a r w i n , Reise.
35
546
Zwanzigstes Kapitel
den Rand um und entschlüpfte. Beim Umbiegen hatte es wirklich viele kleine Löcher durch das Blech hindurchgestossen. Ich war sehr überrascht zwei Korallenarten von der Gattung Millepora zu finden (M. complanat» und M. alcicornis), welche stechen oder brennen konnten. Die steinigen Aeste oder Platten, wenn eben aus dem Wasser genommen, fühlen sich rauh an und sind nicht schleimig, haben aber einen starken und unangenehmen Geruch. Die stechende Eigenschaft scheint je nach den Stücken verschieden zu sein: rieb oder drückte man ein Stück auf die empfindliche Haut des Gesichtes oder Armes, so hatte man gewöhnlich ein stechendes Gefühl, das nach einer Sekunde kam und nur einige Minuten anhielt. Eines Tages jedoch, als ich mein Gesicht mit einem der Zweige nur leicht berührte, empfand ich den Schmerz sofort; er steigerte sich wie gewöhnlich nach einigen Sekunden, dauerte mehrere Minuten heftig an und war noch nach einer halben Stunde zu spüren. Die Empfindung war so stark wie die von einer BreDnnessel; glich aber mehr derjenigen, welche das Berühren der Physalia oder Seequalle verursacht. Auf der zarten Haut des Armes entstanden kleine rothe Flecke, welche aussahen, als ob sich wässerige Blasen bilden würden, aber das geschah nicht. Mr. Quoy erwähnt das Gleiche von der Millepora; und ich hörte von stechenden Korallen in Westindiea Viele Seethiere scheinen diese Eigenschaft des Stechens zu haben; ausser der Physalia noch viele Quallen und die Aplysia oder Seeschnecke der Cap Verdischen Inseln; in dem Bericht über die Reise der „Astrolabe" wird eine Actinie oder Seeanemone, sowie eine biegsame der Sertularia verwandte Koralline als im Besitze dieser Angriffsoder Vertheidigungsmittel genannt. Im Ostindischen Meere soll ein stechender Tang gefunden werden. Zwei Arten Fische von der Gattung Scarus, die hier häufig sind, nähren sich ausschliesslich von Korallen; beide sind von glänzend blaugrüner Farbe; der eine kommt nur in der Lagune vor, der andere in der äusseren Brandung. Mr. Liesk versicherte uns, er habe wiederholt gesehen, dass ganze Schwärme dieser Fische mit ihren starkknochigen Kiefern an den Spitzen der Korallenzweige knabberten: ich untersuchte die Eingeweide von mehreren und fand sie von einer
547
K e e l i n g - I n s c i (1836)
gelblichen, kalkigen und sandigen Masse aasgedehnt Die schleimigen widerwärtigen von
Holothurien
den chinesischen
nähren
sich,
nach
(unseren
Seesternen
Feinschmeckern
so
Dr. Allan's Angabe,
verwandt),
welche
geschätzt
werden'
hoch
grössten Theils
auch
von
K o r a l l e n ; und der Knochenapparat ihrer K ö r p e r scheint dazu w o h l geeignet.
Diese
muscheln
und
abgestorbener Erzeugung
Holothurien,
die
nereidenartigen Koralle
des
durchbohren,
feinen weissen
ähnlich
der im
sieht,
nassen
müssen
nach
zahlreichen jeden
sehr
Bohr-
Block
wirksam
beitragen,
bedeckt.
Zustande
bestand jedoch
die
welche
Schlammes
Boden und die Ufer der Lagune Schlamme,
Fische,
Würmer,
von
zu
der
welcher
den
Eine Probe von diesem
gestossener Professor
Kreide
auffallend
Ehrenberg's
Unter-
suchung theilweise aus kieselschaligen Infusorien.
12. April.
A m Morgen verliessen wir die Lagune, um nach Isle
de France (Mauritius) zu segeln.
Ich war froh, dass wir diese Inseln
besucht hatten: solche Bildungen nehmen zweifellos einen hohen R a n g unter den Wundern
dieser W e l t
ein.
Nur 2000 Meter vom Ufer
entfernt fand Kapitän Fitz R o y mit einer Lothleine von 7200 Fuss Länge keinen
Grund;
seeischen B e r g ,
diese
Insel bildet
dessen A b h ä n g e
vulkanischen K e g e l .
also einen hohen
unter-
steiler sind als die der steilsten
D e r tellerförmige Gipfel ist nahezu zehn Meilen
breit, und jedes einzelne Theilchen,* vom kleinsten bis zum grössten Felsstück in diesem grossen A u f b a u , der jedoch im Vergleich mit vielen anderen Laguneninseln klein ist, trägt den Stempel organischer Anordnung.
W i r staunen bei den Berichten von Reisenden über die
riesigen Verhältnisse der Pyramiden und anderer grosser Ruinen, aber wie furchtbar unbedeutend sind die grössten von ihnen im Vergleich zu
diesen
Steinbergen,
welche
durch
den
winziger und zarter Thierchen entstanden sind! das nicht
sofort
dem
körperlichen
Auge,
Betrieb
verschiedener
Dies ist ein Wunder,
wohl
aber
beim
Nach-
denken dem A u g e des Geistes offenbar wird. • Ich nehme natürlich die E r d e a u s , w e l c h e dorthin g e b r a c h t i s t , und getrieben haben.
a u c h einige S t ü c k e
zu Schiff von J a v a und M a l a c c a
von Bimsstein, den die W e l l e n an-
F e r n e r muss a u c h das eine Stück Grünstein v o n d e r nördlichen
Iosel ausgenommen w e r d e n .
35*
Zwanzigstes Kapitel
548
Ich will nun einen ganz kurzen Bericht über die drei grossen Klassen von Korallenriffen geben: nemlich, Atolle, Barrenriffe und Saumriffe, und will meine Ansichten* über ihre Bildung
erklären.
Fast jeder Reisende, der über den Stillen Ocean gefahren ist, hat sein unendliches Erstaunen über die Laguneninseln oder Atolle, wie ich sie hinfort mit ihrem indischen Kamen nennen werde, geäussert und einen Versuch ihrer Erklärung gemacht. 1605
stammt die Aeusserung
Schon aus dem Jahre
von Pyrard de Laval:
,C'est
une
meruille de voir chacun de ces atollons enuironni d'un grand banc de pierre tout autour, n'y ayant point d'artifice humain." beigegebene Abbildung
Die hier
der Pfingstinsel im Stillen Ocean, die der
trefflichen Reisebeschreibung des Kapitäns Beechey entnommen ist, giebt nur einen schwachen Begriff von dem eigenthümlichen sehen eines Atolls:
Aus-
es ist eines von kleinstem Umfang, und die
schmalen Eilande sind alle zu einem Ring vereint.
Die ungeheuere Weite des Oceans und das Toben der Brandung, im Gegensatz zu dem niedrigen Lande und dem glatten hellgrünen Wasser in der Lagune, kann sich kaum jemand vorstellen,
der es
nicht gesehen hat. Die Reisenden früherer Zeit meinten, dass die korallenbauenden Thiere instinktiv ihre grossen Kreise bauten,
um sich
in
ihrem
* Dieselben sind zuerst im Mai 1837 der Geologischen Gesellschaft vorgetragen, und seitdem zu einem besonderen Buche „Bau und Vertheilung der K o r a l l e n r i f f e " weiter ausgeführt worden.
Korallenbildungen
549
Inneren einen Schutz zu schaffen; dies entspricht aber so wenig der Wirklichkeit, dass vielmehr jene festen Arten, von deren Wachsthum an dem freiliegenden Aussenstrande gerade das Bestehen des R i f f s abhängt, in der Lagune selbst, wo andere zart verzweigte A r t e n gedeihen, schauung
nicht leben können. viele A r t e n ,
Ferner
welche
müssten sich bei
besonderen
dieser
An-
Gattungen und Familien
angehören, zu einem Zwecke vereinigen; und von einer solchen V e r einigung findet sich in der ganzen Natur kein einziges Beispiel. am
meisten
verbreitete
Annahme
ist,
dass
die
Atolle
auf
Die unter-
seeischen Kratern ruhen; bedenkt man aber die Gestalt und Grösse von einigen derselben, die A n z a h l , Nähe und gegenseitige Lage von anderen,
so verliert dieser Gedanke seine Wahrscheinlichkeit;
beispielsweise
hat
Richtung
geographische
44
das A t o l l
Suadiva
im
Meilen
und
Durchmesser 34
nach
denn
nach
einer
einer
anderen;
R i m s k y ist 54 und 20 Meilen lang und breit und hat einen sonderbar buchtigen R a n d ;
das B o w - A t o l l ist 30 Meilen lang und durch-
schnittlich nur sechs breit; das Menschikoff-Atoll besteht aus drei vereinigten
oder
Theorie
ganz unanwendbar
miteinander
verbundenen auf
die
Atollen.
Sodann
ist diese
nördlichen Maldiven-Atolle im
Indischen Ocean (von denen ein«£ 88 Meilen lang und zwischen
10
und 20 breit ist), denn sie sind nicht wie gewöhnliche Atolle von schmalen
Riffen umsäumt,
kleiner A t o l l e ;
und
sondern
von
einer
Unzahl
besonderer
andere kleine A t o l l e steigen aus den grossen,
lagunenartigen Wasserflächen in ihren Mitten auf.
E i n e dritte und
bessere Theorie ist von Chamisso aufgestellt worden, welcher dachte, weil die Korallen gegen das offene Meer hin am kräftigsten wachsen, — was zweifellos der F a l l ist, — dass die der
gemeinsamen
Grundfläche
aus
früher als
äusseren alle
Ränder
anderen
von
Theile
emporwüchsen,
und dass sich daraus die ring- oder schalenförmige
Gestalt erkläre.
A b e r wir werden sogleich sehen, dass diese sowie
die Kratertheorie einen sehr wichtigen Umstand ausser A c h t nemlich: worauf haben die
riffbildenden
lässt,
K o r a l l e n , welche in grosser
Tiefe nicht leben können, ihren festen Bau gegründet? Zahlreiche Tiefmessungen wurden von K a p i t ä n Fitz R o y an der steilen Aussenseite des Keeling-Atolls sorgfältig ausgeführt, und stets
Zwanzigstes Kapitel
550
fanden sich bis za einer Tiefe von zehn Faden* in dem präpariiten Talg unten am Senkblei Eindrücke von lebenden Korallen, doch war es sonst ganz rein, als ob es anf einen Rasenteppich gefallen wäre; mit zunehmender Tiefe nahmen die Eindrücke ab, aber die anhaftenden Sandtheilchen mehr und mehr zu, bis es zuletzt klar war, dass der Grund aus einer glatten Sandlage bestand; oder um den Vergleich mit dem Rasen weiterzuführen: die Grashalme wurden dünner und dünner, und der Boden zuletzt so unfruchtbar, dass nichts mehr darauf gedieh.
Nach diesen Beobachtungen, die durch viele andere
bestätigt werden, kann man mit Sicherheit folgern, dass die grösste Tiefe, in welcher Korallen Riffe bauen können, zwischen 20 und 30 Faden ist.
Nun giebt es ungeheuere Gebiete im Stillen und Indischen
Oceane, in denen eine jede Insel von Korallen gebildet ist und nicht höher aufragt, als die Wellen Bruchstücke schleudern und die Winde Sand aufhäufen können.
So ist die Gruppe der Radack-Atolle ein
unregelmässiges Viereck von 520 Meilen Länge und 240 Meilen Breite; der Niedrige Archipel ist eine Ellipse, 840 Meilen in seiner Längs- und 420 Meilen in seiner Queraxe; es giebt andere kleine Gruppen und einzelne niedrige Inseln zwischen beiden Archipelen, welche zusammen in der That einpn langgedehnten Meeresraum von mehr als 4000 Meilen einnehmen, in welchem nicht eine einzige Insel über die bezeichnete Höhe hinausragt.
Ferner giebt es im Indischen
Ocean eine Wasserfläche von 1500 Meilen Länge, welche drei Archipele umschliesst, in denen eine jede Insel niedrig und von Korallen gebildet ist.
Aus der Thatsache, dass die riffbildenden Korallen nicht
in grossen Tiefen leben können, geht mit unbedingter Sicherheit hervor, dass überall in jenen weiten Gebieten, wo jetzt ein Atoll ist, sich ursprünglich eine Grundlage, nicht tiefer als 20 bis 30 Faden unter der Oberfläche befunden haben muss. E s ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass breite, hohe, isolirte und steil abfallende Bänke von Ablagerungen, in Gruppen und Reihen (hunderte von Meilen lang) zusammen entstanden sein sollten dort in den centralen und tiefsten Theilen des Stillen und Indischen Oceans, in ungeheuerer Entfernung * Ein Faden =
1,83 Meter.
551
Korallenbildungen
von einem Festlande, wo das Wasser vollkommen klar ist.
Ebenso
unwahrscheinlich ist es, dass die unterirdischen K r ä f t e überall in obengenannten weiten Gebieten unzählige grosse Felsbänke bis zu einer Höhe von 20 bis 30 Faden (oder 120 his 180 Fuss) unter dem Meeresspiegel emporgehoben haben sollten und keine einzige Spitze darüber hinaus; denn wo auf der ganzen Erdoberfläche ist eine Gebirgskette zu finden, die auf einer L ä n g e von nur wenigen hundert Meilen ihre vielen Gipfel gleichmässig, bis auf einige Fuss, zu einer bestimmten H ö h e ansteigen lässt und auch nicht eine einzige Spitze darüber hinaus ?
W e n n also die Grundlagen, von denen die atollbildenden K o -
rallen aufwuchsen, nicht aus Ablagerungen bestanden, und wenn sie nicht zu der erforderlichen Höhe hochgehoben wurden, so müssen sie nothwendiger W e i s e dorthin gesunken sein; und damit ist die Schwierigkeit mit einem Male gelöst.
Denn wie Berg auf Berg und Insel auf
Insel langsam unter W a s s e r sank, entstanden auch nach einander neue Grundflächen für das Wachsthum der Korallen.
E s ist unmöglich,
hier auf alle nothwendigen Einzelheiten einzugehen, ich wage es aber, einen Jeden herauszufordern,* auf irgend eine andere Art zu erklären, wie es möglich ist, dass zahlreiche Inseln über weite Meeresflächen zerstreut sind — alle Inseln niedrig sind — alle von Korallen gebildet sind, welche unbedingt eine Grundlage in einer begrenzten Tiefe unter der Oberfläche erfordern. Ehe wir zu der Erklärung kommen, wie atollformige Riffe ihre eigenthümliche Gestalt erhalten, müssen wir nns zu der zweiten grossen K l a s s e , nemlich den Barrenriffen wenden.
Diese dehnen sich entweder
in geraden Linien gegenüber den U f e m eines Festlandes oder einer Insel aus oder umringen kleinere Inseln; in beiden Fällen sind sie von dem Lande durch einen breiten und ziemlich tiefen Wasserarm getrennt, welcher der Lagune innerhalb eines Atolls entspricht.
Es
ist merkwürdig, wie wenig Beachtung man diesen umringenden Barren-
* E s ist b e m e r k e n s w e r t h , dass Mr. L y e l l schon in der ersten A u s g a b e seiner „Principles of G e o l o g y " d e n Schluss z o g , dass im Stillen M e e r e die S e n k u n g Ter. hältnissraässig grösser als die E r h e b u n g g e w e s e n sein müsse, da das vorhandene L a n d im V e r g l e i c h e zu den a u f die Bildung desselben hinwirkenden K r ä f t e n , nemlich das W a c h s e n von K o r a l l e n und die v u l k a n i s c h e T h ä t i g k e i t , im G a n z e n k l e i n ist.
Zwanzigstes Kapitel
552
riffen geschenkt hat; und doch sind es wahre Wunderbauten.
Die
folgende Abbildung stellt einen Theil der Barre dar, welche die Insel Bolabola im Stillen Ocean umringt, von einem der spitzen Gipfel in ihrer Mitte aus gesehen.
In diesem Falle ist die ganze Linie des Riffes
zu Land geworden; gewöhnlich trennt aber ein schneeweisser Streifen von
starker Brandung,
nur
hier und dort
mit einem kleinen von
Cocospalmen bestandenen Eilande, die dunklen wogenden Gewässer des Oceans von der hellgrünen Fläche des Lagunenkanals.
Die stillen
W a s s e r dieses Kanals bespülen meistens einen Rand von niedrigem angeschwemmten Boden,
der
mit den
schönsten Erzeugnissen
der
Tropenwelt reich bedeckt ist und am Fusse der schroffen Felsberge der mittleren Insel liegt. Solche umringenden Barrenriffe giebt es in allen Grössen, von drei Meilen bis zu nicht weniger als 44 Meilen im Durchmesser; und dasjenige, das der einen Seite von Neu-Caledonien vorgelagert ist und dessen beide Enden umringt, ist 400 Meilen lang.
Jedes Riff schliesst
eine, zwei oder mehrere felsige Inseln von verschiedener H ö h e ein, in einem Falle sogar 12 einzelne Inseln.
Das R i f f läuft in grösserer
oder geringerer Entfernung von dem umschlossenen Lande herum; bei den Gesellschaftsinseln meistens in einer Entfernung von einer bis drei oder vier Meilen; aber bei Hogoleu liegt das Riff an der Südseite 20 Meilen von
und an der entgegengesetzten oder Nordseite 14 Meilen
den eingeschlossenen Inseln entfernt.
A u c h die Tiefe in dem
Lagunenkanal wechselt sehr; 10 bis 30 Faden können als Durchschnitt
553
Koralt enbi 1 düngen
gelten;
aber bei Vanikoro giebt es Stellen, die nicht weniger
56 Faden oder 363 Fuss tief sind.
als
Nach Innen fällt das R i f f sanft
in den Lagunenkanal a b , oder endigt in eine senkrechte Maaer,
die
manchmal 200 bis 300 Fuss tief unter das W a s s e r hinabreicht; an der Aussenseite
steigt das Riff wie ein A t o l l ganz ausserordentlich steil
aus den grössten Tiefen des Oceans auf.
W a s kann es seltsameres
als diese Gebilde geben ? W i r sehen eine Insel, welche sich mit einer Burg, auf einem hohen unterseeischen Berge gelegen, vergleichen lässt, geschützt durch eine hohe Korallenmauer, die immer nach aussen und bisweilen auch nach innen steil abfällt, oben einen breiten flachen R a n d hat und hier und da von engen Thoren durchbrochen ist, durch welche -die grössten Schiffe in den weiten und tiefen Ringgraben einfahren können. Was
das wirkliche
Korallenriff angeht,
so besteht
nicht
der
geringste Unterschied in der allgemeinen Grösse, dem Umriss, der Gruppirung zwischen
und
einem
selbst
in
ganz
Barrenriff und
geringen
Einzelheiten
einem Atoll.
des
Baus
Der Geograph
Balbi
hat treffend bemerkt, dass eine umringte Insel ein A t o l l ist, aus deren Lagunen hohes Land aufragt; entfernt man das L a n d aus der Mitte, so bleibt ein richtiges A t o l l . A b e r woher kommt es, dass diese R i f f e so weit entfernt von den Ufern der eingeschlossenen Inseln aufsteigen?
E s kann nicht sein,
-dass die Korallen nicht nahe am Lande wachsen; denn die Ufer in dem Lagunenkanale,
wenn
sie nicht von angeschwemmtem
Boden
umgeben sind, werden oft von lebenden Riffen umsäumt; und
wir
werden sogleich sehen, dass es eine ganze K l a s s e giebt, welche ich Saumriffe genannt habe wegen ihres dichten Anhaftens an den Ufern sowohl von Festlanden als Inseln. •die
riffbildenden
Wieder fragen wir, worauf haben
Korallen, die nicht in grossen Tiefen leben können,
ihre Ringbauten aufgeführt? Dies ist offenbar die grosse Schwierigkeit, ebenso wie bei den Atollen, welche gewöhnlich übersehen worden ist. Man wird das deutlicher beim Betrachten der folgenden Querschnitte erkennen,
welche wirkliche,
in
nordsüdlicher Richtung durch die
Inseln Vanikoro, Gambier, und Maurua mit ihren Barrenriffen gezogene sind;
dieselben
sind
sowohl in H ö h e als in seitlicher
Ausdehnung
Zwanzigstes Kapitel
554
nach demselben Maassstabe von einem viertel Zoll zn einer Meile gezeichnet. Bemerkt soll noch werden, dass man die Querschnitte auch in jeder anderen Richtung von diesen Inseln oder von vielen anderen umringten Inseln hätte machen können, und sie würden im Ganzen stets dasselbe Bild gegeben haben. Hält man jetzt fest, dass riffbildende Korallen nicht in einer grösseren Tiefe als von 20 bis 30 Faden leben können, und dass der Maassstab so klein ist, dass die an der rechten Seite gezeichneten Lothmasse eine Tiefe von 200 Faden anzeigen, worauf sind dann diese Banenriffe gegründet?
x. Vanikoro. a. Gambierinseln. 3. Maurua. Die horizontale Schrafftrung zeigt die Barrenrifle und die Lagunenkanäle an. Die schräge Schraffirung über dem Meeresspiegel ( A A ) zeigt die wirkliche Gestalt des Landes, die schräge Schraffirung unter dieser Linie ihre wahrscheinliche Fortsetzung unter Wasser.
Sollen wir annehmen, dass jede Insel von einem kragenartigen unterseischen Felsrande oder von einer grossen Bank von Sediment umgeben ist, welche plötzlich da endet, wo das Riff endet?
Hätte
das Meer früher die Inseln stark mitgenommen, ehe sie durch die Riffe geschützt waren, und so um dieselben in geringer Tiefe unter Wasser einen Absatz geschaffen, so würden die gegenwärtigen Ufer ohne Unterschied sehr steile Abhänge haben; aber das ist nur sehr selten der Fall.
Ausserdem ist es bei dieser Anschauung nicht möglich
Korallenbildungen
555
zu erklären, warum die Korallen wie eine Mauer auf dem alleräussersten Rande hochgewachsen sein sollten, wobei sie oft einen breiten Wasserraum frei Hessen, der zu tief für das Wachsthum der Korallen war.
Die Anhäufung von Ablagerungen in grosser Aus-
dehnung rings um diese Inseln, die gewöhnlich da am weitesten sind, wo die eingeschlossenen Inseln am kleinsten sind, ist in hohem Grade unwahrscheinlich, zumal bei ihrer ausgesetzten Lage in den mittleren und tiefsten Theilen des Oceans. Bei dem Barrenriff vonNeu-Caledonien, welches sich 150 Meilen über die Nordspitze der Insel in derselben geraden Linie hinaus erstreckt, in welcher es der Westküste vorgelagert ist, scheint es kaum glaublich, dass eine Bank von Ablagerungen sich in so gerader Richtung einer hohen Insel gegenüber bilden und über ihr Ende hinaus so weit in das offene Meer ragen sollte.
Wenn wir
schliesslich auf andere oceanische Inseln blicken von ungefähr derselben Höhe und ähnlicher geologischer Beschaffenheit, die aber nicht von Korallenriffen umringt sind, so können wir lange vergebens nach einer so geringen Tiefe wie 30 Faden in ihrer Umgebung suchen, ausgenommen ganz nahe am Ufer, denn das Land, das steil aus dem Wasser aufsteigt, wie es die meisten der umringten und nicht umringten oceanischen Inseln thun, fällt auch unter dem Wasser gewöhnlich steil ab.
Worauf, frage ich wieder, sind dann diese Barrenriffe ge-
gründet?
Warum liegen sie mit ihren breiten und tiefen Kanälen,
die Festungsgräben gleichen, so weit von dem eingeschlossenen Lande ? Wir werden bald sehen, wie leicht diese Schwierigkeiten verschwinden. Wir kommen jetzt zu unserer dritten Klasse, den Saumriffen, welche nur wenige Bemerkungen erfordern.
W o das Land unter
Wasser steil abfällt, sind diese Riffe nur wenige Meter breit und bilden nur ein Band oder einen Saum um das Ufer; wo das Land aber unter dem Wasser sanft abfällt, dehnt sich das Riff weiter aus, zuweilen bis zu einer Meile vom Lande, doch in solchen Fällen zeigen die Lothungen ausserhalb des Riffs immer, dass auch die unterseeische Fortsetzung des Landes sanft geneigt ist.
Thatsächlich erstrecken
sich die Riffe nur bis zu einer Entfernung vom Ufer, in welcher eine Grundlage in der erforderlichen Tiefe, nicht über 20 bis 30 Faden, gefunden wird.
Was das wirkliche Riff angeht, so unterscheidet es
556
Zwanrig»tes Kapitel
sich nicht wesentlich von dem, das eine Barre oder ein Atoll bildet; es ist indessen meist von geringerer Breite und haben sich daher selten Eilande darauf gebildet. Weil die Korallen kräftiger an der Aussenseite wachsen, und weil die nach innen gespülten Ablagerungen schädlich wirken, ist der Aussenrand des Riffes sein höchster Theil, und zwischen ihm und dem Lande befindet sich gewöhnlich ein seichter, sandiger, nur einige Fuss tiefer Kanal. "Wo sich Ablagerungen bis nahe an die Oberfläche aufgehäuft haben, wie in einigen Theilen von Westindien, werden sie manchmal von Korallen umsäumt, und gleichen solche Bildungen dann in gewisser Hinsicht den Laguneninseln oder Atollen, ebenso wie Saumriffe, welche sanft abfallende Inseln umgeben, bis zu einem gewissen Grade den Barrenriffen gleichen. Keine Theorie über die Bildung von Korallenriffen, welche nicht die drei grossen Klassen einbegreift, kann als genügend gelten. Wie wir gesehen haben, sind wir dazu genöthigt worden, an die Senkung jener weiten Gebiete zu glauben, welche übersäet sind mit niedrigen Inseln, von denen nicht eine über die Höhe hinaus ragt, bis zu welcher Winde und Wellen feste Gegenstände schleudern können, und die doch von Thieren aufgebaut worden sind, die eine Grundlage verlangen, und zwar eine in nicht grosser Tiefe. Nehmen wir dann «ine von Saumriffen umgebene Insel an, die in ihrem Baue keine Schwierigkeit bietet und lassen wir diese Insel mit ihrem Riffe (welche durch die ganzen Linien der folgenden Zeichnung dargestellt wird), langsam sinken. Jetzt während die Insel sinkt, entweder ein paar Fuss auf einmal oder ganz unmerklich, können wir mit Sicherheit folgern nach dem, was wir über die dem Wachsthum der Korallen günstigen Bedingungen wissen, dass die lebenden Korallenmassen, welche von den Wellen am Rande des Riffes überspült werden, bald wieder die Oberfläche erreichen werden. Doch ganz allmählich wird das Wasser über das Ufer vordringen, die Insel wird niedriger und kleiner werden und der Raum zwischen der Innenkante des Riffes und dem Strande entsprechend breiter. Ein Querschnitt des Riffes und der Insel in diesem Zustande, nach einer Senkung von einigen hundert Fuss, wird durch die punktirten Linien angegeben. Wir nehmen an,
557
Korallenbildungen
dass sich Koralleneilande auf dem R i f f e gebildet haben, und dass ein Schiff in dem Lagunenkanal ankert.
Dieser Kanal wird mehr oder
weniger tief sein, je nach dem Maasse der Senkung, nach der Menge der Ablagerungen und dem "Wachsthume der zart verzweigten Korallen, welche dort gedeihen. jeder Hinsicht
Der Querschnitt gleicht in diesem Zustande in
einem durch eine umringte Insel gezogenen:
in der
That ist es ein wirklicher Querschnitt (im Maassstabe von 0,517 Zoll zu einer Meile) von Bolabola,
einer Insel im Stillen Ocean.
Jetzt
können wir sogleich verstehen, warum umringende Barrenriffe so weit von den Ufern gegenüber abliegen.
W i r können auch wahrnehmen,
A A A u s s e n k a n t e n des Saumriffcs auf dem M e e r e s s p i e g e l . —
B 6 die U f e r der um-
säumten Insel. A ' A ' A u s s e n k a n t e n des R i f f e s nach periotle, j e t z t in eine
Barre
seinem A u f w a c h s e n während einer S e n k u n g s -
mit Eilanden v e r w a n d e l t . —
u m r i n g t e n Insel. — C C NB.
In dieser wie der f o l g e n d e n Z e i c h n u n g
B ' B ' die U f e r der j e t z t
Lagunenkanal. konnte
das Sinken des L a n d e s nur
durch eine scheinbare H e b u n g des M e e r e s s p i e g e l s dargestellt w e r d e n .
dass eine Linie,
senkrecht von der Aussenkante
des neuen R i f f e s
herabgezogen zu der Grundlage von festem Gesteine unter dem alten Saumriffe, jene geringe Tiefengrenze, bis zu welcher bauende Korallen leben können, um ebenso viele Fuss überschreiten wird, als die Senkung betragen hat: —
denn die kleinen Baumeister haben ihre wall-
artige Masse aufgebaut, während das Ganze sich senkte,
auf einem
Grunde, der aus anderen Korallen und deren verdichteten Ueberresten bestand.
So schwindet die Schwierigkeit über diesen wichtigen Punkt,
die so gross erschien. Hätten wir statt einer Insel das Ufer eines mit Riffen umsäumten Festlandes angenommen und uns vorgestellt, es sei gesunken, so würde
558
Zwanzigstes Kapitel
offenbar in Folge davon, wie bei Australien oder Neu-Caledonien, eine grosse, gerade, durch einen breiten und tiefen Kanal vom Lande getrennte Barre entstanden sein. Nehmen wir nun das neugebildete umringende Barrenriff, dessen Querschnitt in der nächsten Zeichnung mit ganzen Linien dargestellt ist, und welcher, wie ich schon gesagt habe, in Wirklichkeit der von der Insel Bolabola ist, und lassen wir es weiter sinken. So wie das Barrenriff langsam untersinkt, werden die Korallen sich kräftig weiter nach oben entwickeln; aber wie die Insel sinkt, wird das Wasser Zoll um Zoll am Ufer steigen — die einzelnen Berge werden zuerst Inseln innerhalb eines grossen Riffes bilden — und endlich wird auch
A ' A ' Aussenkanten des Barrenriffcs auf dem Meeresspiegel, mit Eilanden darauf. — B ' B ' die Ufer der eingeschlossenen Insel. — C C Lagunenkanal. A " A " Aussenkanten des jetzt in ein Atoll verwandelten Riffes. — C' die Lagune des neuen Atolls. NB. Nach dem richtigen Verhältnisse ist die Tiefe des Lagunenkanals und der Lagune sehr übertrieben.
die letzte und höchste Spitze verschwinden. In dem Augenblicke, in welchem dies geschieht, ist ein vollständiges Atoll da: ich habe gesagt, man nehm« das hohe Land aus der Mitte eines umringenden Barrenriffes, und man hat hier ein Atoll, und das Land ist fort. Wir können jetzt einsehen, woher es kommt, dass Atolle, welche aus umringenden Barrenriffen entstanden sind, diesen in der allgemeinen Grösse, Form und Art ihrer Gruppirung gleichen und auch nach ihrer Lage in einfachen oder doppelten Reihen; denn man kann sie ungefähre Umrisskarten der versunkenen Inseln nennen, Aber denen sie
Korallenbildungen
559
liegen. "Wir können ferner sehen, warum die Atolle in dem Stillen und Indischen Ocean sich in Linien ausdehnen, die der allgemein herrschenden Richtung der hohen Inseln und grossen Küstenlinien dieser Meere parallel laufen. Deshalb wage ich zu behaupten, dass durch die Theorie des Aufwärtswachsens der Korallen während des Sinkens des Landes* alle Hauptzüge jener wunderbaren Bildungen, der Laguneninseln oder Atolle, welche so lange die Aufmerksamkeit der Seefahrer erregten, wie auch der nicht weniger wunderbaren Barrenriffe, ob diese nun kleine Inseln umringen oder sich auf hunderte von Meilen vor die Ufer eines Festlandes lagern, so auf einfache "Weise erklärt sind. Man kann fragen, ob ich irgend einen direkten Beweis für das Sinken der Barrenriffe oder Atolle beibringen kann; aber man muss dabei bedenken, wie schwer es ist, überhaupt eine Bewegung zu erkennen, die darauf ausgeht, den betroffenen Theil unter dem Wasser zu verbergen. Nichtsdestoweniger bemerkte ich auf dem Keeling-Atoll überall an der Lagune alte Cocosbäume, welche unterhöhlt waren und umstürzten; an einer Stelle wurden die Grundpfähle eines Schuppens, von dem die Bewohner versicherten, dass er vor sieben Jahren gerade über der Hochwasser - Marke gestanden habe, jetzt täglich von jeder Fluth bespült: auf meine Erkundigung erfuhr ich, dass drei Erdbeben, von denen eines sehr stark gewesen, während der letzten zehn Jahre verspürt worden sind. Bei Vanikoro ist der Lagunenkanal auffallend tief; kaum irgend etwas alluvialer Boden hat sich am Fusse der hohen eingeschlossenen Berge angesammelt, und auffallend wenige Eilande sind durch Aufhäufung von Trümmern und Sand auf dem wallartigen Barrenriffe entstanden; diese und einige ähnliche Thatsachen bringen * Es gewährte mir eine grosse Befriedigung folgende Stelle in einer kleinen Schrift von Mr. Couthouy, einem der Naturforscher bei der grossen Antarktischen Expedition der Vereinigten Staaten, zu finden: „Nachdem ich persönlich eine grosse Zahl von Koralleninseln besucht und acht Monate auf solchen vulkanischen Inseln zugebracht habe, welche Strand- und theilweise umringende Riffe haben, darf ich mir erlauben auszusprechen, dass meine eigenen Beobachtungen mich von der Richtigkeit von Mr. Darwin's Theorie überzeugt haben." — Doch sind die Naturforscher dieser Expedition in einigen Punkten über die Korallenbildungen mit mir verschiedener Meinung.
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Zwanzigstes Kapitel
mich zu dem Glauben, dass diese Insel sich kürzlich gesenkt haben und das Riff aufwärts gewachsen sein muss: hier sind ebenfalls Erdbeben häufig und sehr heftig. Bei den Gesellschaftsinseln dagegen, wo die Lagunenkanäle fast verschlammt sind, wo viel niedriges alluviale» Land angeschwemmt worden ist, und wo sich an manchen Stellen lange Eilande auf den Barrenriffen gebildet haben — lauter Vorgänge, welchebeweisen, dass die Inseln sich neuerdings nicht gesenkt haben —, werden nur sehr selten schwache Erdstösse verspürt. Bei diesen Korallenbildungen, wo Land und Wasser um die Herrschaft zu ringen scheinen, muss es immer schwer sein, zwischen den Wirkungen zu entscheiden, welche durch eine veränderte Richtung der eintretenden Fluth und welche durch eine geringe Senkung hervorgerufen werden. Dass viele dieser Riffe und Atolle mancherlei Veränderungen unterworfen sind, ist sicher; auf manchen Atollen scheinen sich die Eilande in neuerer Zeit sehr vergrössert zu haben; auf anderen sind sie theilweise oder ganz fortgewaschen worden. Die Bewohner einiger Xheile des Maldiven-Archipels kennen genau das Datum von dem ersten Entstehen mancher Eilande; in anderen Theilen sind jetzt auf überspülten Riffen Korallendickichte, und geben Löcher, die einst Gräber waren, Zeugniss von früher bewohntem Lande. Es ist schwer, an häufige Wechsel in den Fluthbewegungen eines offenen Oceans zu glauben; dagegen haben wir in den Erdbeben, von welchen die Eingeborenen auf einigen Atollen berichten, und in den grossen Spalten, die man auf anderen Atollen bemerkt hat, deutliche Beweise von Veränderungen und Störungen, die in den unterirdischen Regionen vor sich gehen. Es erhellt aus unserer Theorie, dass Küsten, die nur von Riffen umsäumt sind, nicht merklich gesunken sein können; und deshalb müssen sie, seit ihre Korallen gewachsen sind, entweder so geblieben oder gehoben worden sein. Nun ist es bemerkenswerth, wie allgemein man durch das Vorhandensein emporgehobener organischer Ueberreste beweisen kann, dass die umsäumten Inseln höher geworden sind: und insofern ist es ein indirektes Zeugniss zu Gunsten unserer Theorie. Dieses fiel mir besonders auf, als ich zu meinem Erstaunen bemerkte, dass die Beschreibungen, welche die Herren Quoy und Gaimard
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Korallenbildungen
gegeben haben, nicht wie es von ihnen geschehen, auf Riffe im Allgemeinen angewandt werden können, sondern nur auf die Saumriffe. Doch wanderte ich mich nicht mehr, als ich später ersah, dass durch einen seltsamen Zufall alle die verschiedenen, von jenen ausgezeichneten Naturforschern besuchten Inseln, wie man aus ihren eigenen Angaben entnehmen kann, binnen einer neueren geologischen Epoche gehoben worden sind. Nicht nnr die grossartigen Erscheinungen im Bau der Barrenriffe und Atolle, und ihre Aehnlichkeit untereinander in Gestalt, Umfang und anderen Eigenthümlichkeiten lassen sich durch die Senkungstheorie erklären, — welche Theorie wir allein schon, gerade für die betreffenden Gebiete, gelten zu lassen gezwungen sind, aus der Notwendigkeit, Grundlagen in erforderlicher Tiefe für die Korallen zu finden — sondern auch viele Einzelheiten im Bau und Ausnahmefälle können so leicht erklärt werden. Ich will nur wenige Beispiele mittheilen: Bei den Barrenritfen hat man es längst mit Verwunderung bemerkt, dass die Durchfahrten durch das Riff genau Thälern auf dem eingeschlossenen Lande gegenüberliegen, selbst in Fällen, wo das Riff vom Lande durch einen Lagunenkanal getrennt ist, welcher viel breiter und tiefer als die eigentliche Durchfahrt ist, und es daher kaum möglich erscheint, dass die sehr geringen Mengen von Wasser oder Sediment, welche von dort herunter kommen, den Korallen an dem Riffe schaden können. Nun wird jedes Riff von der Klasse der Saumriffe stets durch eine schmale Gasse vor der Mündung des kleinsten Baches durchbrochen, auch wenn dieser während des grössten Theils des Jahres trocken ist; denn Schlamm, Sand und Kies, die gelegentlich heruntergeschwemmt werden, vernichten die Korallen, auf denen sie sich ablagern. Daher, wenn eine so umsäumte Insel sinkt, werden wohl die meisten jener engen Gassen durch das Wachsen der Korallen nach aussen und oben geschlossen werden, aber die, welche nicht zuwachsen (und einige müssen stets offen bleiben wegen des Sediments und des unreinen Wassers, das aus dem Lagunenkanal abfliesst), werden noch immer den oberen Theilen jener Thäler gerade gegenüber liegen, an deren Mündungen ursprünglich die Fundamental- und Saumriffe durchbrochen waren. D a r w i n , Reise.
36
562
Zwanzigstes Kapitel
"Wir können leicht verstehen,
wie eine Insel,
vor der nur an
einer Seite, oder solche, vor deren einer Seite and zugleich um ein Ende
oder um
beide Enden herum Barrenriffe liegen,
nach einer
lang andauernden Senkung entweder in ein einziges wallartiges Riff, oder in ein Atoll, von welchem ein grosser gerader Sporn vorspringt, oder in zwei oder drei Atolle, die durch geradlinige Riffe mit einander verbunden sind, verwandelt werden kann, — alle diese Ausnahmefälle kommen thatsächlich vor.
D a die riffbildenden Korallen Nahrung
bedürfen, da sie anderen Thieren zur Nahrung dienen, sie durch Sediment getödtet werden, sie auf lockerem Boden nicht zu haften vermögen und leicht in eine Tiefe hinabgerissen werden,
aus der sie
nicht hochwachsen können, dürfen wir uns nicht wundern,
dass die
R i f f e sowohl eines A t o l l s als einer Barre manchmal Lücken bekommen. So ist die grosse Barre von Neu-Caledonien lückenhaft und an vielen Stellen unterbrochen;
es würde daher dieses grosse Riff nach einer
lang andauernden Senkung nicht ein grosses 400 Meilen langes Atoll, sondern eine K e t t e oder einen Archipel von Atollen
hervorbringen,
von fast ganz gleicher Ausdehnung, wie die des Maldiven-Archipels. Ferner ist bei einem A t o l l , das einmal an gegenüberliegenden Seiten durchbrochen ist, wegen der wahrscheinlich durch die Lücken hindurchgehenden Meeres- und Fluthströmungen es äusserst unwahrscheinlich, dass die Korallen, besonders während anhaltender Senkung, je wieder im Stande sein sollten, den R a n d zu ergänzen;
geschieht das aber
nicht beim Sinken des Ganzen, so wird das eine A t o l l in zwei oder mehrere getheilt werden. Atolle,
Im Maldiven - Archipel giebt es bestimmte
so zu einander gelegen und durch unergründliche oder sehr
tiefe K a n ä l e von einander getrennt (der K a n a l zwischen dem R o s s und Ari-Atoll ist 150 F a d e n ,
und der zwischen den nördlichen und
südlichen Nillandoo-Atollen 200 F a d e n tief), dass man sie unmöglich auf einer Karte sehen kann, ohne zu glauben, dass sie einst in noch näherer Beziehung zu einander gestanden haben.
A u c h ist in eben
demselben Archipel das Mahlos-Mahdoo-Atoll durch einen gegabelten, 100 bis 132 Faden tiefen K a n a l in einer Weise getheilt, dass es kaum zu sagen ist, ob man es, genau genommen, als drei besondere A t o l l e oder ein grosses noch nicht völlig getheiltes A t o l l bezeichnen soll.
Korallenbildungen
563
Ich will nicht mehr auf viele Einzelheiten eingehen; ich muss nur noch bemerken, dass der merkwürdige Bau der nördlichen Maldiven-Atolle (wenn man den freien Zutritt des Meeres durch ihre durchbrochenen Ränder in Betracht zieht) eine einfache Erklärung erhält durch das nach oben und nach aussen "Wachsen der Korallen, welche ursprünglich sowohl auf kleinen abgesonderten Riffen in ihren Lagunen (wie solche in den meisten Atollen vorkommen)
als auch
auf abgebrochenen Xheilen der linienförmigen Randriffe (wie solche jedes Atoll gewöhnlicher Art begrenzen) ihre Grundlage hatten. kann nicht umhin,
noch einmal auf die Eigenthümlichkeit
Ich dieser
complicirten Gebilde hinzuweisen, —• eine grosse sandige, meist gehöhlte Scheibe steigt steil aus dem unergründlichen Ocean auf; ihre mittlere Fläche ist besetzt und ihr R a n d symmetrisch eingefasst mit ovalen Becken von Korallengestein, welche gerade bis an die Oberfläche des Meeres reichen, manchmal mit Pflanzenwuclis bedeckt sind und jedesmal einen See von klarem Wasser enthalten! Noch auf eines will ich näher eingehen: da von zwei benachbarten Inselmeeren die Korallen in dem einen gedeihen und in dem anderen nicht, und da so viele früher erwähnte Bedingungen ihr Dasein beeinflussen, würde es eine unerklärliche Erscheinung sein, wenn während der "Veränderungen, denen E r d e , Luft und Wasser unterworfen sind, die riff bildenden Korallen auf irgend einer Stelle oder einem Gebiet beständig weiter lebten.
Da nun nach unserer Theorie
die Gebiete, auf denen es Atolle und Barrenriffe giebt, sich senken, sollte man gelegentlich abgestorbene und unter dem Wasser befindliche Riffe finden. Auf allen Riffen ist, weil das Sediment aus dem Lagunenkanal nach der Leeseite oder der windgeschützten Seite hinausgeschwemmt wird, jene Seite dem dauernden kräftigen Wachsthum der Korallen am wenigsten günstig, weswegen an der Leeseite nicht selten im Riffe abgestorbene Strecken vorkommen; und wenn diese auch noch ihre eigenthümliche wallartige Gestalt behalten haben, sind sie jetzt in verschiedenen Fällen doch mehrere Faden unter die Oberfläche gesunken.
Die Chagosgruppe erscheint aus irgend einem Grunde, viel-
leicht weil die Senkung zu schnell gewesen ist, gegenwärtig dem Wüchse der Riffe sehr viel weniger günstig als früher: an einem Atoll 36*
564
Zwanzigstes Kapitel
ist eine Strecke seines RandrifFes von neun Meilen Länge todt und überfluthet; bei einem zweiten ragen nar einige wenige ganz kleine lebende Spitzen über die Oberfläche; ein drittes und viertes sind ganz todt und versunken; ein fünftes ist nur noch eine Ruine, deren frühere Gestalt kaum noch zu erkennen ist.
Auffallend ist, dass in allen
diesen Fällen die todten Riffe oder Teile von Riffen in nahezu derselben Tiefe liegen, nemlich sechs bis acht Faden unter dem Meeresspiegel, als ob sie durch eine einheitliche Bewegung hinabbefordert worden wären.
Eines dieser ,halb versunkenen Atolle", wie Kapitän
Moresby sie nennt (dem ich für viele unschätzbare Mittheilungen verpflichtet bin), ist von ungeheuerer Grösse, nemlich 90 Seemeilen im Durchmesser in einer und 70 Meilen in anderer Richtung, und ist in vieler Beziehung ausserordentlich merkwürdig.
Da aus unserer Theorie
hervorgeht, dass neue Atolle gewöhnlich in jedem neuen Senkungsgebiet entstehen, könnte man zwei gewichtige Einwände dagegen erheben; nemlich, dass die Atolle an Zahl unendlich zunehmen müssten und zweitens, dass in alten Senkungsgebieten jedes einzelne Atoll unendlich an Dicke zunehmen müsste, wenn keine Beweise für ihre gelegentliche Zerstörung
angeführt werden könnten.
So haben wir
die Geschichte dieser grossen R i n g e von Korallengestein von ihrem ersten Ursprung an verfolgt durch ihre regelmässigen Veränderungen und durch die gelegentlichen Unfälle, welche ihre Existenz bedrohen, bis zu ihrem Absterben und ihrer schliesslichen Vernichtung. Meinem Werke über „Korallenbildungen" habe ich eine Karte beigegeben, auf der ich alle Atolle dunkelblau, die Barrenriffe hellblau und die Saumriffe roth bezeichnet habe.
Diese letzteren R i f f e
sind gebildet worden, während das Land unverändert blieb, oder wie es nach dem häutigen Vorkommen emporgehobener organischer Ueberreste den Anschein hat, während es langsam aufstieg; Atolle und Barrenriffe sind andrerseits während der gerade
entgegengesetzten
Senkungsbewegung aufgewachsen, welche Bewegung sehr allmählich vor sich gegangen und bei den Atollen so gewaltig tiefgehend gewesen sein muss, dass in weiten Meeresräumen jeder Berggipfel untergegangen ist.
Nun sehen wir auf dieser Karte, dass die blass- und dunkelblau
bezeichneten Riffe, welche in Folge derselben Bewegung entstanden sind,
Korallenbildungen
565
im allgemeinen offenbar nahe bei einander liegen. Auch sehen wir, dass die beiden blauen Gebiete eine weite Ausdehnung haben und dass sie abseits von den langgedehnten rothfarbigen Küsten Hegen; diese beiden Umstände konnte man naturgemäss schon folgern aus der Theorie, dass die Natur der Riffe bestimmt worden ist durch die Natur der Erdbewegung. Es verdient Beachtung, dass in mehr als einem Falle, wo einzelne rothe und blaue Kreise sich einander nahe kommen, ich beweisen kann, dass Schwankungen der Oberfläche stattgefunden haben; denn in diesen Fällen sind die rothen oder umsäumten Kreise Atolle, welche ursprünglich nach unserer Theorie während einer Senkung gebildet, später aber wieder hochgehoben worden sind; und andrerseits bestehen einige der hellblauen oder umringten Inseln aus Korallengestein, das zu seiner gegenwärtigen Höbe befördert sein rauss, ehe jene Senkung, während der die bestehenden Barrenriffe aufwuchsen, stattfand. Andere Forscher haben mit Verwundem bemerkt, dass Atolle zwar über ungeheuere Strecken der Oceane hin die gewöhnlichsten Korallenbildungen sind, sie in anderen Meeren aber, wie in Westindien, gänzlich fehlen: wir können jetzt die Ursache davon gleich erkennen; denn wo es keine Senkung gegeben hat, können keine Atolle entstanden sein; und in dem Falle von Westindien und von einigen Theilen Ostindiens wissen wir, dass diese Strecken sich binnen der neueren Periode gehoben haben. Die grösseren rothen und blauen Gebiete sind sämmtlich lang gedehnt, und zwischen den beiden Farben ist ein gewisser Grad von Abwechselung, als ob das Steigen der einen das Sinken der anderen ausgeglichen hätte. Erwägt man die Beweise für neuere Erhebung sowohl an den umsäumten Küsten, als auch an einigen anderen (z. B. von Südamerika), wo keine Riffe sind, so kommen wir zu dem Schlüsse, dass die grossen Continente meistentheils Erhebungsgebiete sind: und dass, nach der Natur der Korallenriffe, die mittleren Theile der grossen Oceane Senkungsgebiete sind. Der ostindische Archipel, das zerrissenste Land der W e l t , ist in den meisten Theilen ein Erhebungsgebiet, wird aber umgeben und durchzogen, wahrscheinlich in mehr als einer Richtung, von schmalen Senkungsgebieten. Ich habe auf
566
Zwanzigstes Kapitel
derselben Karte die vielen bekannten thätigen Vulkane mit scharlachrothen Punkten bezeichnet. Ihr vollständiges Fehlen in jedem der grossen Senkungsgebiete, sowohl den dunkel- als den hellblauen, ist sehr auffallend; und nicht weniger so ist das Zusammentreffen der wichtigsten vulkanischen Bergketten mit den rothgefarbten Theilen, von denen wir Anlass haben zu glauben, dass sie entweder lange unverändert geblieben, oder häufiger noch in neuerer Zeit gehoben worden sind. Obgleich sich einige wenige scharlachrothe Punkte in keiner sehr grossen Entfernung von einzelnen blaufarbenen Kreisen finden, so liegt doch kein einziger thätiger Vulkan näher einem Inselmeer oder nur einer kleinen Gruppe von Atollen, als mehrere hundert Meilen. Es ist darum eine auffallende Erscheinung, dass auf den Freundschaftsinseln, die aus einer Gruppe emporgehobener und dann theilweise zerstörter Atolle bestehen, zwei Vulkane, und vielleicht auch mehr, wie historisch überliefert, in Thätigkeit gewesen sind. Andrerseits sind wohl die meisten Inseln im Stillen Ocean, welche von Barrenriffen umringt sind, vulkanischen Ursprungs, oft noch mit deutlich gebliebenen Kratern, aber bei keinem weiss man etwas von einem Ausbruch. Daher geht aus diesen Fällen hervor, dass an denselben Stellen Vulkane in Thätigkeit gerathen und erlöschen, je nachdem hebende oder senkende Bewegungen dort vorherrschen. Zahllose Thatsachen könnten angeführt werden, um zu beweisen, dass emporgehobene organische Ueberreste überall häufig vorkommen, wo es thätige Vulkane giebt; aber bevor man beweisen konnte, dass in Senkungsgebieten Vulkane entweder fehlten oder unthätig waren, wäre der an sich so wahrscheinliche Schluss, dass ihre Vertheilung von dem Steigen oder Sinken der Erdrinde abhinge, doch gewagt gewesen. Aber jetzt, denke ich, können wir diese wichtige Schlussfolgerung ohne weiteres zulassen. Werfen wir zum Schlüsse noch einen Blick auf die K a r t e und vergegenwärtigen wir uns die gemachten Angaben über die emporgehobenen organischen Ueberreste; wir müssen dann staunen über die ungeheuere Ausdehnung der Gebiete, welche binnen einer geologisch nicht fernen Periode Veränderungen ihrer Oberfläche nach oben oder unten erfahren haben. Auch ergiebt sich, dass die hebenden
Korallenbildungeo
567
und senkenden Bewegungen fast denselben Gesetzen folgen. Ueberall auf den mit Atollen übersäeten Gebieten, wo nicht ein einziger Berggipfel über dem Spiegel des Meeres zurückgeblieben ist, muss die Senkung eine ungeheuer grosse gewesen sein. Ausserdem muss das Sinken, gleichviel ob es andauernd oder mit Zwischenräumen geschah, die genügend lang für die Korallen waren, um ihre lebenden Bauten wieder bis zur Oberfläche aufzuführen, nothwendigerweise ausserordentlich langsam vor sich gegangen sein. Dieser Schluss ist wahrscheinlich der wichtigste, den man aus dem Studium der Korallenbildungen herleiten kann: und es ist schwer denkbar, wie man auf andere Weise je auf ihn gekommen sein würde. Ich kann auch nicht ganz übergehen, dass wahrscheinlich früher grosse Archipele mit bergigen Inseln da waren, wo jetzt nur Korallenringe kaum die weiten Meeresflächen unterbrechen: etwas Licht wird dadurch auf die Vertheilung der Bewohner von anderen hohen Inseln geworfen, die jetzt in so bedeutender Entfernung von einander inmitten grosser Oceane übrig geblieben sind. Die riffbauenden Korallen geben uns in der That wunderbare Kunde von unterirdischen Schwankungen; wir sehen in jedem Barrenriff einen Beweis, dass das Land sich dort gesenkt hat, und in jedem Atoll ein Denkmal von einer jetzt verschwundenen Insel. So können wir, gleich einem Geologen, der seine zehntausend Jahre gelebt und einen fortlaufenden Bericht über die vorkommenden Veränderungen geführt hat, eine Uebersicht gewinnen über die Vorgänge, durch welche die Oberfläche der Erdkugel umgestaltet, und Land und Wasser vertheilt worden ist.
EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL. Mauritius — Grosser kraterförmiger Ring von Bergen — Hindus — St. Helena — Geschichte der Veränderungen in der Vegetation — Ursache des Aussterbens der Landschalthiere — Ascension — Entartung der eingeführten Ratten — Vulkanische Bomben — Infusorienschichten — Bahia — Brasilien — Pracht der tropischen Landschaft — Pernambuco — E i g e n t ü m l i c h e s Riff — Sklaverei — Rückkehr nach England — Rückblick auf unsere Reise.
VON MAURITIUS NACH
29.
April.
A m Morgen
ENGLAND.
umsegelten
wir
die Nordspitze
von
Mauritius oder Isle de France.
Dieser erste Anblick der Insel entsprach
den Vorstellungen,
sich nach
den vielen bekannten
Be-
schreibungen von ihrer landschaftlichen Schönheit gemacht hatte.
Die
sanft
ansteigende
die
man
Ebene
der Pompelmusen
mit ihren
vereinzelten
Häusern und den hellgrün schimmernden grossen Feldern von Zuckerrohr bildete den Vordergrund. auf,
Das brillante Grün fiel um so mehr
da diese Farbe gewöhnlich nur aus sehr geringer
kenntlich ist.
Entfernung
Gegen die Mitte der Insel erhoben sich Gruppen be-
waldeter Berge aus der herrlich angebauten E b e n e ; ihre Gipfel waren, wie
es
so häufig bei
altem vulkanischen Gestein der F a l l ist, in
schärfste Spitzen ausgezackt.
W e i s s e "Wolkenmassen lagerten um diese
Zinnen, wie zum Gefallen der fremden Gäste.
Die Insel mit ihren
geneigten Küstenrändem und den Bergen in der Mitte, alles machte einen Eindruck von vollendeter A n m u t h ; die Anordnung war,
wenn
ich den Ausdruck gebrauchen darf, von schönstem Ebenmasse. Den grössten Theil des nächsten Tages verbrachte ich damit, dass ich in der Stadt herumging und verschiedene Leute besuchte.
Die
Stadt ist von beträchtlicher Grösse und soll 20000 Einwohner z ä h l e n ;
569
Mauritius (1836)
die Strassen sind sehr sauber und regelmässig.
Obwohl die Insel
seit so vielen Jahren unter englischer Herrschaft steht, ist der Charakter der Stadt ganz französisch; die Engländer sprechen französisch mit ihren Dienstboten, und die Läden sind alle französisch; ich glaube •wirklich, dass Calais oder Boulogne viel anglisirter sind.
Es giebt
dort ein sehr hübsches kleines Theater, in dem Opern ausgezeichnet gegeben werden.
Wir sahen auch zu unserm Verwundern grosse,
wohl versehene Buchläden — Musik und Bücher zeigten an, dass wir uns der alten civilisirten Welt näherten; denn in der That sind sowohl Australien wie Amerika neue Welten. Die verschiedenen Menschenrassen, welche sich in den Strassen bewegen, gewähren in Port Louis das interessanteste Schauspiel. Sträflinge aus Indien werden für Lebenszeit hierher verbannt; gegenwärtig sind ihrer gegen 800 hier und sie werden bei verschiedenen öffentlichen Arbeiten verwendet.
Ehe ich diese Leute sah, hatte ich
keine Ahnung, dass die Bewohner von Indien so vornehme Erscheinungen waren.
Ihre Haut ist ausserordentlich dunkel, und viele der älteren
Männer hatten grosse Schnurr- und andere Barte von schneeweisser Farbe; dieses und dazu noch das Feuer ihres Ausdrucks gab ihnen «in ganz achtunggebietendes Aussehen.
Die Mehrzahl war wegen
Mord und der schlimmsten Verbrechen verbannt; andere aus Ursachen, welche man kaum als sittliche Fehler ansehen kann, so wie Nichtbeachtung der englischen Gesetze aus abergläubischen Gründen.
Diese
Leute betragen sich gewöhnlich ruhig und anständig; nach ihrem Auftreten, ihrer Sauberkeit, der strengen Beobachtung ihrer eigenthümlichen religiösen Bräuche war es unmöglich, sie mit denselben Augen anzublicken wie unsere elenden Sträflinge in Neu-Süd-Wales. 1. Mai.
Sonntag.
Ich machte einen ruhigen Spaziergang längs
der Meeresküste im Norden der Stadt.
Die Ebene ist dort ganz un-
angebaut; sie besteht aus einem Feld von schwarzer Lava, dessen Unebenheiten durch grobes Gras und Gebüsch, letzteres meistens Mimosen, ausgeglichen werden.
Die Gegend könnte man ein Mittel-
ding zwischen den Galapagosinseln und Tahiti nennen, aber dies würde nur sehr wenigen Leuten eine deutliche Vorstellung geben. eine sehr angenehme Gegend.
Es ist
Doch besitzt sie weder die Reize von
570
Einundzwanzigstes K a p i t e l
Tahiti, noch die Grossartigkeit Brasiliens. A m nächsten Tage bestieg ich La Pouce, einen Berg, der nach einem daumenähnlichen Vorsprung so genannt wird, und welcher sich dicht hinter der Stadt zu einer Höhe von 2600 Fuss erhebt.
Die Mitte der Insel besteht aus einem
grossen Tafellande, das von alten basaltischen Bergen umgeben ist, deren Schichten sich dem Meere zuneigen. besteht
Die mittlere Plattform
aus verhältnissmässig neuen Lavaströmen, hat eine ovale
Gestalt und ist 13 geographische Meilen breit in ihrer kürzeren Axenlinie.
Die äusseren umgrenzenden Berge gehören zu der Klasse von
Gebilden, die man Erhebungskrater nennt, und die nicht wie gewöhnliche Krater, sondern durch eine grosse und plötzliche Erhebung entstanden sein sollen.
Mir scheinen ganz unüberwindliche Bedenken gegen diese
Ansicht zu bestehen; andererseits kann ich kaum glauben, dass hier und anderswo diese kraterförmigen Randberge
nur die Grundreste
ungeheuerer Vulkane sein sollen, deren Gipfel entweder fortgesprengt oder durch unterirdische Abgründe verschlungen worden sind. Von unserem hohen Standpunkte genossen wir eine vorzügliche Aussicht über die Insel.
Man sah auf dieser Seite recht gut angebautes
Land, das in Felder getheilt war, und auf dem viele Farmhäuser lagen. Es wurde mir jedoch versichert, dass von dem ganzen Lande bisher nichts mehr als die Hälfte nutzbar gemacht sei; ist dies der Fall, so wird, in Anbetracht der jetzt schon grossen Zuckerausfuhr, diese Insel in einer späteren Zeit, wenn sie dicht bevölkert ist, von grossem Werthe sein.
Seit England sie in Besitz hat, erst 25 Jahre soll sich
die Ausfuhr von Zucker um das fünfundsiebzigfache gesteigert haben. Eine Hauptursache Landstrassen.
ihres Gedeihens ist der treffliche Zustand
der
Auf der benachbarten Isle de Bourbon, die noch unter
französischer Herrschaft ist, sind die Strassen in demselben elenden Zustande, wie sie auch hier noch vor ein paar Jahren waren. die
französischen Bewohner
grossen Nutzen
von
dem
Obgleich steigenden
"Wohlstand ihrer Insel gehabt haben müssen, ist die englische Regierung doch keineswegs beliebt. 3. Mai.
Am Abend hatte Kapitän Lloyd, der Surveyor-General,
welcher durch seine Untersuchungen der Landenge von Panama bekannt ist, Mr. Stokes und mich nach seinem Landhause geladen, das am
Mauritius (1836)
571
Rande der Wilheim-Ebenen etwa sechs Meilen von Port Louis liegt. W i r blieben zwei Tage an diesem entzückenden Orte ; beinah 800 Fuss über dem Meere gelegen, war die L u f t kühl und frisch, und es gab nach allen Seiten hin wunderschöne Spaziergänge. Dicht dabei durchzog eine ungeheuere Schlucht bis zu einer Tiefe von 500 Fuss die Lavamassen ,
welche
in geringem
Gefalle von
der mittleren
Plattform
heruntergeflossen waren.
5. Mai. welche
Kapitän L l o y d
einige
Meilen
Korallenfelsen dorthin
brachte
südlicher
untersuchen
könnte.
durch hübsche Gärten
uns nach der Rivière
liegt,
damit
Wir
ich
kamen
einige auf
noire,
gehobene
dem
Wege
und schöne Felder von Zuckerrohr,
die zwischen den mächtigen Lavablöcken lagen.
Die W e g e waren
von Mimosenhecken eingefasst, und in der Nähe mancher Häuser gab es Alleen von Mangobäumen. Bisweilen hatten wir Aussichten, zugleich auf die zackigen Berge und auf das bebaute Land, die ausserordentlich malerisch waren, und wir fühlten uns beständig versucht, auszurufen: „ W i e schön, sein Leben an solch einem stillen Orte zuzubringen!" Kapitän L l o y d
besass einen Elephanten und hatte ihn uns für die
Hälfte des W e g e s mitgegeben, damit wir einen R i t t auf echt indische A r t machten.
A m meisten fiel mir dabei der ganz geräuschlose Tritt
des Thieres auf.
Dieser Elephant ist gegenwärtig der einzige auf der
Insel; aber es heisst, dass man mehrere kommen lassen will.
9. Mai.
W i r segelten von Port Louis a b , liefen beim Cap der
Guten Hoffnung an, und am 8. J u l i gelangten wir auf die Höhe von St. Helena.
Diese Insel,
deren wenig
einladender Anblick
so oft
beschrieben worden, steigt steil wie eine grosse schwarze Feste aus dem Meere auf.
In der Nähe der Stadt ist, um die natürliche Festung
noch zu verstärken, jede Lücke zwischen den schroffen F e l s e n mit kleinen Forts und Kanonen besetzt.
Die Stadt zieht sich ein flaches
und schmales Thal hinauf; die Häuser sehen ordentlich aus, und stehen zwischen ihnen hier und da einzelne grüne Bäume.
A l s wir uns dem
Ankerplatz näherten, hatten wir einen überraschenden Anblick:
ein
unregelmässiges Kastell krönte den Gipfel einer steilen Anhöhe und, von vereinzelten Fichten umgeben, ragte es kühn gen Himmel. A m nächsten Tage verschaffte ich mir eine Wohnung nur einen
572
Einundzwanxigstes K a p i t e l
Steinwurf weit von dem Grabe Napoleons,* sie war aasgezeichnet in der Mitte gelegen, und konnte ich mich allen Seiten hin Ausflüge machen.
W ä h r e n d der vier T a g e , die ich hier blieb, wanderte ich
von Morgen bis A b e n d auf der Insel umher und 'untersuchte ihre geologische Geschichte.
Meine Wohnung
lag ungefähr 2000 Fuss
hoch; das W e t t e r war kalt und stürmisch mit beständigen Regengüssen ; und ab und zu war die ganze Gegend durch dichte W o l k e n verschleiert. Nahe der K ü s t e ist die rauhe L a v a ganz kahl; in den mittleren und höheren Theilen ist durch die Zersetzung des Feldspathgesteins ein thoniger Boden entstanden, welcher, wo er nicht mit Pflanzenwuchs bedeckt ist, breite bunte Streifen zeigt.
In dieser Jahreszeit bringt
das von beständigen Regengüssen feuchte Land eine besonders lebhaft grüne W e i d e hervor, welche weiter nach unten allmählich abnimmt und zuletzt schwindet. Unter dem 16. Breitegrade und auf der geringen Höhe von 1 500 Fuss ist man erstaunt, eine Vegetation zu finden, die einen entschieden britischen Charakter hat.
Oben auf den H ü g e l n
stehen unregelmässige Gruppen von schottischen Fichten, und über die A b h ä n g e verstreut sind dichte Ginstergebüsche, mit hellgelben Blüthen bedeckt. die
Viele Trauerweiden sieht man an den Ufern der Bäche, und
Hecken
Früchten.
bestehen
aus Brombeerbüschen
mit
ihren
schwarzen
W e n n wir bedenken, dass die Zahl der Pflanzen, welche
jetzt auf der Insel gefunden werden, 746 beträgt, und dass von diesen nur 52
einheimische A r t e n ,
die anderen alle eingeführt sind,
und
davon die meisten aus England, so verstehen wir den Grund für den britischen Charakter der Vegetation.
Viele dieser englischen Pflanzen
scheinen hier besser als in ihrer Heimat zu gedeihen; auch manche von entgegengesetzten Himmelsstrichen, aus Australien, kommen sehr gut fort.
Die vielen eingeführten Species müssen mehrere heimische
A r t e n verdrängt haben; und nur auf den höchsten und steilsten Bergrücken ist jetzt die urheimische Flora vorherrschend. * N a c h den Bänden von Beredsamkeit, die über diesen G e g e n s t a n d v e r b r e i t e t w o r d e n s i n d , ist es g e f ä h r l i c h , das G r a b auch nur zu erwähnen.
Ein
moderner
S c h r i f t s t e l l e r häuft a u f die arme kleine Insel f o l g e n d e T i t e l : G r u f t , G r a b , P y r a m i d e , F r i e d h o f , Grabstätte, K a t a c o m b e , S a r c o p h a g , Minaret und M a u s o l e u m I
573
St. Helena (1836)
Zu
dem
englischen oder noch mehr welschen Charakter
der
Gegend tragen auch die zahlreichen Hütten und kleinen weissen Häuser bei, die bald tief unten in den Thälern, bald hoch oben auf den Bergen liegen.
Einige der Aussichten sind überraschend, zum Beispiel die in
der Nähe von Sir W . Doveton's Hause, wo die Spitze des Berges Lot kühn über einem dunklen Fichtenwalde hervorragt, und die rothen verwitterten Berge der Südkäste den Hintergrund bilden. Blickt man von einer Anhöhe auf die Insel, so fällt einem zuerst die Zahl der Strassen und Forts auf: die auf staatliche Anlagen verwandte Arbeit scheint, wenn man die Eigenschaft als Gefängniss ausser Acht lässt, ganz unverhältnissmässig zu der Grösse und dem Werthe der Insel. E s giebt so wenig ebenes oder nutzbares Land, dass man sich wundert, wie so viele Bewohner, gegen 5000, hier ihren Unterhalt finden könDen.
Die unteren Klassen oder die freigelassenen Sklaven, welche
wohl furchtbar arm sind, klagen über Mangel an Arbeit. Wegen der Verringerung der Beamtenzahl, seitdem die Insel von der Ostindischen Gesellschaft aufgegeben worden ist, und weil deshalb viele der wohlhabenderen Leute von hier fortgezogen sind, wird die Armuth wahrscheinlich noch zunehmen.
Das Hauptnahrungsmittel der Arbeiter-
Bevölkerung ist Reis mit etwas gesalzenem Fleisch; da aber die Insel keinen von diesen beiden Artikeln hervorbringt,
sondern dieselben
mit Geld bezahlt werden müssen, leiden die Armen schwer unter den niedrigen Löhnen.
Jetzt, da die Leute den Segen der Freiheit ge-
messen, ein Recht, das sie durchaus zu schätzen wissen, wird ihre Zahl wahrscheinlich schnell wachsen: was soll dann aus dem kleinen Staate St. Helena werden ? Mein Führer war ein ältlicher Mann, der in seiner Jugend Ziegenhirt gewesen war und jeden Steg zwischen den Felsen kannte.
Er
war von sehr gemischter Rasse, hatte aber trotz seiner dunklen Hautfarbe nicht den unangenehmen Ausdruck eines Mulatten. E r war sehr höflich und ruhig, und so scheinen die meisten Leute der unteren Klassen hier zu sein.
Mir klang es seltsam, einen fast weissen, an-
ständig gekleideten Mann mit Gleichmuth von den Zeiten sprechen zu hören, als er noch Sklave war.
Mit diesem Gefährten, der unser
Mittagsessen und ein Horn voll Wasser trug, was durchaus nöthig ist,
574
Einundzwanzigstes Kapitel
denn alles Wasser in den niederen Thälero ist salzig, machte ich täglich weite Ausfinge. Unterhalb des oberen
grünen Kreises
wilden Thäler ganz öde und unbewohnt.
in der Mitte sind die
Für den Geologen gab es
hier hochinteressante Ansichten, welche die aufeinander folgenden Veränderungen und mannigfaltigen Störungen zeigten.
Nach meiner
Meinung hat St. Helena als Insel schon seit sehr langen Zeiten bestanden:
indessen sind noch schwache Anzeichen für die Erhebung
des Landes vorhanden.
Ich glaube, dass die mittleren höchsten Gipfel
Randtheile eines grossen Kraters sind, dessen südlichere Hälfte ganz von den Meereswellen fortgerissen ist: ausserdem ist da ein äusserer Wall
von schwarzen basaltigen Felsen, ähnlich den Küstenbergen
von Mauritius, welche älter als die centralen vulkanischen Massen sind. Auf den höheren Theilen der Insel kommt eine Muschel zahlreich in dem Boden eingebettet vor, die man lange Zeit für eine Meerart hielt. Sie ist aber eine Cochlogena oder Landmuschel von sehr eigenthümlicher F o r m ; * mit ihr zusammen fand ich sechs andere Arten und an einer anderen Stelle eine achte Art.
E s ist merkwürdig, dass man
keine von ihnen jetzt lebend findet. Ihr Aussterben ist wahrscheinlich durch die gänzliche Vernichtung der Wälder verursacht, wodurch sie Nahrung und Schutz verloren, wie solches im Anfange des vorigen Jahrhunderts geschah.
Die Geschichte der Veränderungen, welche mit
den gehobenen Ebenen von Longwood und Deadwood vor sich gegangen sind, wie sie General Beatson's Bericht über die Insel angiebt, ist ausserordentlich seltsam. Beide Ebenen, heisst es, wären in früheren Zeiten bewaldet gewesen und wurden deshalb „das grosse Holz" genannt.
Noch im Jahre 1 7 1 6 gab es viele Bäume, aber 1724 waren
die alten Bäume meist gefallen, und da man die Ziegen und Schweine dort frei herumlaufen liess, waren auch alle jungen Bäume vernichtet worden.
Aus den amtlichen Berichten geht auch hervor, dass an
Stelle der Bäume dort unerwartet nach ein paar Jahren ein grobes * E s verdient B e a c h t u n g , dass alle diese vielen Muscheln, die ich an einer Stelle f a n d , sich als deutliche Varietäten von den gleichartigen an einer anderen Stelle gefundenen unterschieden.
St. Helena (1836)
575
Gras aufsprosste, das sich dann über die ganze Fläche verbreitete.* General Beatson fügt hinzu, „diese Ebene ist jetzt mit schönem Rasen bedeckt und das beste Weideland der Insel geworden". Der Flächenraum, der früher mit Wald bedeckt gewesen ist, wird auf nicht weniger als 2000 Morgen Landes angegeben; jetzt findet man dort kaum einen einzigen Baum.
E s heisst weiter, dass 1709 eine Menge abgestorbener
Bäume in Sandy Bay gewesen seien; diese Stelle ist jetzt so gänzlich wüst, dass nur ein so zuverlässiges Zeugniss mich glauben lassen kann, dass dort je Bäume gewachsen sind.
Die Xhatsache, dass die
Ziegen und Schweine alle jungen Bäume, die aufsprossten, vernichtet haben, und dass die alten, die vor ihren Angriffen sicher waren, im Laufe der Zeit vor Alter abgestorben sind, scheint klar erwiesen zu sein. Die Ziegen sind 1502 eingeführt worden; und man weiss, dass sie sechsundachtzig Jahre später zur Zeit von Cavendish ausserordentlich zahlreich waren.
Mehr als hundert Jahre später, im Jahr
1731,
als das Unheil schon vollständig und nicht wieder gut zu machen war, wurde ein Befehl erlassen, alle wild herumlaufenden Thiere zu tödten. Es ist sehr interessant so zu erfahren, dass die Einfuhrung der Thiere auf St. Helena im Jahre 1501 erst, nachdem zweihundert und zwanzig Jahre verstrichen waren, das ganze Aussehen der Insel veränderte: denn 1502 waren die Ziegen eingeführt, und 1724 heisst es, „die alten Bäume wären meist gefallen".
E s ist wohl zweifellos, dass dieser
grosse Wechsel in der Vegetation nicht nur bei den Landschalthieren ein Aussterben von acht Arten veranlasste, sondern ebenso auch auf eine Menge von Insekten wirkte. St. Helena, das so fern von jedem Continente mitten in einem grossen Oceane liegt, hat seine eigene Flora, und erregt besonderes Interesse. Die acht Landschalthiere, die zwar jetzt ausgestorben, und eine noch lebende Succinea sind hier eigenthümliche Arten, die man sonst nirgends findet. Nach Aussage von Mr. Cuming ist hier jedoch eine englische Helix gemein, deren Eier zweifellos mit einer der vielen eingeführten Pflanzen hergekommen sind.
Mr. Cuming sammelte an
der Küste sechzehn Arten von Seemuscheln, von denen sieben, so * Beatson's St. Helena.
Einleitung p. 4.
576
Einundzwanzigstes Kapitel
viel er weiss, auf diese Insel beschrankt sind. Vögel und Insekten* sind, wie man sich denken kann, wenig zahlreich; und ich glaube sogar, dass alle Vögel erst in den letzten Jahren eingeführt worden sind. Rebhühner und Fasanen sind ziemlich viele da: die Insel ist viel zu englisch, um nicht strengen Jagdgesetzen unterworfen zu sein. In einem Falle geschieht hier durch diese Verordnungen mehr Unrecht, als es wohl selbst in England vorkommt. Die armen Leute pflegten früher eine Pflanze zu verbrennen, die auf den Küstenfelsen wächst, und die aus ihrer Asche gewonnene Soda nach auswärts zu verkaufen; aber ein strenger Erlass verbot dieses Verfahren, und gab als Grund an, dass die Rebhühner sonst nirgends nisten könnten 1 * U n t e r diesen w e n i g e n Insekten fand ich zu meiner V e r w u n d e r u n g e i n e n kleinen Aphodius (nov. spec.) und einen O r y c t e s , welche beide unter Mist s e h r zahlreich waren. Als die Insel entdeckt w u r d e , besass sie sicherlich keinen Vierfussler, — mit A u s n a h m e vielleicht einer M a u s : es ist d a h e r schwer auszumachen, ob diese m i s t f r e s s e n d e n I n s e k t e n später durch Zufall e i n g e f ü h r t worden s i n d , o d e r w e n n sie urheimisch s i n d , wovon sie f r ü h e r lebten. An den U f e r n des P l a t a , wo von den unzähligen R i n d e r n und P f e r d e n die schönen Grasflächen reich g e d ü n g t s i n d , sucht man v e r g e b l i c h nach den vielen Arten von M i s t k ä f e r n , die in E u r o p a so h ä u f i g sind. Ich fand nur einen Oryctes (die Insekten dieser G a t t u n g leben in E u r o p a g e w ö h n l i c h von f a u l e n PflanzenstoiTen) und zwei Arten von P h a n a e u s , die an solchen Stellen vorkommen. Auf der e n t g e g e n g e s e t z t e n Seite d e r Cordilleren, in C h i l o e , ist eine a n d e r e A r t von P h a n a e u s ausserordentlich z a h l r e i c h , die d e n R i n d e r m i s t in grossen E r d k u g e l n im Boden vergräbt. Vermuthlich war es vor d e r E i n f ü h r u n g d e r R i n d e r m e n s c h l i c h e r K o t h , den die G a t t u n g P h a n a e u s beseitigte. In E u r o p a sind die K ä f e r , die von den Stoffen l e b e n , welche bereits zum Lebensu n t e r h a l t a n d e r e r und g r ö s s e r e r T h i e r e gedient haben, so zahlreich, dass es d a v o n weit über hundert v e r s c h i e d e n e A r t e n g e b e n muss. In A n b e t r a c h t d e s s e n , und d a ich w a h r g e n o m m e n h a b e , wie viel solcher Nährstoffe auf den E b e n e n von L a P l a t a verloren g e h e n , s c h i e n mir dies ein Beispiel d a v o n , dass der Mensch j e n e K e t t e u n t e r b r o c h e n hat, w o d u r c h so viele T h i e r e in ihrer H e i m a t h an e i n a n d e r g e b u n d e n sind. In Van D i e m e n ' s L a n d fand ich indessen vier Species von O n t h o p h a g u s , zwei von A p h o d i u s und eine v o n einer dritten G a t t u n g , m a s s e n h a f t im K u h m i s t ; d o c h g a b es R i n d v i e h daselbst erst seit zweiunddreissig J a h r e n . Vor dieser Zeit w a r e n das K ä n g u r u h und einige a n d e r e kleine T h i e r e die einzigen S ä u g e t h i e r e : und ihr D u n g ist s e h r verschieden von dem ihrer N a c h f o l g e r , die der M e n s c h e i n g e f ü h r t h a t . In E n g l a n d sind die meisten Mistkäfer in ihrer E r n ä h r u n g b e s c h r ä n k t , d a s h e i s s t : sie k ö n n e n nicht unterschiedslos die Spende j e d e s S ä u g e t h i e r s zu i h r e m Unterhalt g e b r a u c h e n . D i e V e r ä n d e r u n g in den G e w o h n h e i t e n , wie sie in V a n D i e m e n ' s L a n d s t a t t g e f u n d e n h a b e n muss, ist d a h e r h ö c h s t m e r k w ü r d i g . I c h bin dem R e v . F . W. H o p e , d e r mir hoffentlich g e s t a t t e t , ihn meinen L e h r e r in d e r Entomologie zu n e n n e n , s e h r v e r p f l i c h t e t , dass er mir die N a m e n o b i g e r I n s e k t e n gegeben hat.
St. Helena (1836)
577
Auf meinen Wanderungen kam ich mehr als einmal über die von tiefen Thälern begrenzte Grasebene, wo Longwood liegt. fern gesehen gleicht es einem stattlichen Landsitze.
Von
Davor liegen ein
paar angebaute Felder, dahinter sieht man einen glatten Hügel von buntem Felsgestein, welcher der Flagstaff heisst, und die schwarze eckige Masse des Barn. Im Ganzen war es ein ziemlich öder und uninteressanter Anblick. Die einzige Unbequemlichkeit, unter der ich auf meinen Spaziergängen zu leiden hatte, waren die ungestümen Winde. Eines Tages fiel mir ein merkwürdiger Umstand auf: ich stand am Rande einer Ebene, wo eine grosse Klippe etwa tausend Fuss tief steil abfiel, und sah in der Entfernung von wenigen Metern nach der Windseite eine Seeschwalbe, welche gegen eine sehr starke Brise ankämpfte, während die Luft dort, wo ich stand, ganz ruhig war.
Ich
näherte mich dem Rande da, wo der Luftstrom von der Klippenwand nach oben abgelenkt zu werden schien, streckte den Arm aus und fühlte sogleich die ganze Gewalt des Windes: eine unsichtbare, zwei Meter breite Scheidewand trennte vollkommen ruhige Luft von starkem Winde. Ich hatte so viel Freude an meinen Wanderungen zwischen den Bergen und Felsen von St. Helena, dass ich am Morgen des I4ten ungern in die Stadt herunterstieg.
Vor 1 2 Uhr war ich an Bord,
und der „Beagle" ging unter Segel. Am 19. Juli erreichten wir Ascension. Wer schon eine vulkanische Insel gesehen hat, die unter einem heissen Himmelsstrich liegt, wird sich leicht ein Bild von Ascension machen.
Man denke sich glatte
kegelförmige Berge von hellrother Färbung, mit meist abgestumpften Gipfeln, die einzeln aus einer ebenen Fläche von rauher schwarzer Lava aufsteigen. Ein Hauptberg in der Mitte der Insel sieht wie der Vater der kleineren Kegel aus.
E r heisst der Grüne Berg und hat
den Namen von einem leisen grünen Schimmer, welcher zu jener Jahreszeit von dem Ankerplatz kaum bemerkbar war.
Die schwarzen
Küstenfelsen, die von einer wilden und stürmischen See gepeitscht wurden, thaten das übrige zu der völligen Trostlosigkeit des Anblicks. Die Ansiedlung liegt nahe am Strande;
sie besteht aus ver-
schiedenen Häusern und Kasernen, die durcheinander liegen, aber D a r w i n , Reise.
37
Einundiwanzigstes Kapitel
578
gut ans weissen Quadersteinen gebaut sind.
Die einzigen Bewohner
sind englische Seesoldaten und einige von Sklavenschiffen befreite Neger, welche von der Regierung besoldet und beköstigt werden. E s lebt nicht eine Privatperson auf der Insel.
Viele der Seesoldaten
schienen mit ihrer Lage wohlzufrieden; es ist ihnen lieber, ihre 2 1 Jahre am Lande, wie es auch sei, als auf einem Schiffe zu dienen; und so würde ich als Seesoldat auch denken. A m nächsten Morgen bestieg ich den 2840 Fuss hohen Grünen Berg und wanderte von dort quer durch die Insel nach dem Vorgebirge an der Windseite.
Eine gute Fahrstrasse führt von der
Strandansiedlung nach den Häusern, Gärten und Feldern, welche nahe am Gipfel des mittleren Berges liegen.
Neben dem Wege stehen
Meilensteine, und sind da auch Cisternen, aus denen jeder durstige Wanderer gutes Wasser trinken kann.
Aehnliche Sorgfalt ist überall
in der Niederlassung angewendet, besonders auch hinsichtlich der Quellen, so dass kein einziger Tropfen Wasser verloren geht: die ganze Insel Iässt sich mit einem grossen Schiffe vergleichen, dass in vorzüglicher
Ordnung
gehalten
wird.
Ich
musste den
regen
Fleiss
bewundem, der mit solchen Mitteln solche Erfolge erzielt hatte, zugleich aber auch bedauern, dass er nicht besser verwendet worden war.
Mr. Lesson hat ganz Recht mit seiner Bemerkung, dass allein
Engländer daran denken konnten, die Insel Ascension nutzbar zu machen; jedes andere Volk würde sie nur als einen befestigten Platz im Weltmeere halten. Nahe dieser Küste wächst nichts; weiter landeinwärts sieht man hin und wieder eine grüne Ricinuspflanze und dann als echte Wüstenkinder einige Grashüpfer. In den höheren Gegenden der Mitte wächst stellenweise etwas Gras, und das Ganze hat viel Aehnlichkeit mit den unwirklichsten Gebirgsgegenden von Wales.
Aber so dürftig die
Weide erscheint, dennoch finden dort 600 Schafe, viele Ziegen, einige Kühe und Pferde ausreichendes Futter.
Von einheimischen Thieren
sind Landkrabben und Ratten in grosser Zahl vorhanden.
Ob die
Ratte wirklich urheimisch ist, kann allerdings bezweifelt werden; es giebt nach der Beschreibung von Mr. Waterhouse zwei Abarten: eine schwarze, mit schönem glänzenden Felle, lebt auf den grasigen Höhen;
Ascension (1836)
579
eine andere braune, weniger glänzend und mit längeren Haaren, lebt nahe der Ansiedlung an der Küste.
Diese beiden Varietäten sind um
ein Drittel kleiner als die gewöhnliche schwarze Ratte (Mus rattus), haben eine andere Farbe und ein anderes F e l l , unterscheiden sich aber sonst nicht wesentlich.
Ich zweifle kaum, dass diese Ratten
(wie die gemeine Maus, welche hier auch ausgeartet ist) eingeführt worden sind und sich, ebenso wie auf den Galapagosinseln, infolge der neuen Lebensbedingungen verändert haben; daher unterscheidet sich auch die Abart auf den Höhen der Insel von der am Strande. Einheimische V ö g e l giebt es nicht; doch das Perlhuhn, von den Cap Verdischen Inseln hierher gebracht, ist häufig, und auch das gewöhnliche Huhn,
das gleichfalls verwildert ist.
Einige Katzen,
die man ur-
sprünglich losgelassen hatte, um die Ratten und Mäuse zu vertilgen, haben sich so vermehrt, dass sie eine grosse Plage geworden sind. Die Insel ist ganz baumlos und steht auch sonst in jeder Hinsicht weit hinter St. Helena zurück. Einer meiner Ausflüge brachte mich an die südwestliche Spitze der Insel. aber
Der T a g
keineswegs
war klar und
heiss; dabei erschien die Insel
in lächelnder Schönheit,
nackter Hässlichkeit an.
sondern
starrte
Die Lavaströme sind mit kleinen
mich in Hügeln
bedeckt und sind von einer Rauheit, die sich geologisch nicht leicht erklären
lässt.
Die
Zwischenräume
werden
durch
Schichten
Bimsstein, A s c h e und vulkanischem Tufstein verdeckt.
von
A l s ich zur
See an dieser Seite der Insel vorbeifuhr, konnte ich mir nicht denken, was die weissen Flecke über die ganze Ebene hin sein könnten: ich fand nun, dass es Seevögel waren, die hier so unbesorgt schliefen, dass man selbst Mittags an sie herangehen und sie greifen konnte. Diese V ö g e l waren die einzigen lebenden Wesen, welche ich während des ganzen
Tages
sah.
Obwohl nur wenig W i n d war, tobte
am
Strande eine starke Brandung über die zertrümmerten Lavafelsen. Die Geologie dieser Insel ist in vieler Hinsicht interessant. verschiedenen Stellen
bemerkte
ich vulkanische B o m b e n :
An
das sind
Lavaklumpen, welche in flüssigem Zustande durch die L u f t geschleudert worden sind und dadurch eine kugelige oder birnförmige Gestalt angenommen haben.
Nicht nur ihre äussere Form, sondern mehrfach
37*
580
EinundzwanzigstesJKapitel
zeigt auch ihre innere Bildung in sehr seltsamer Weise, dass sie sich auf ihrer luftigen Bahn gedreht haben müssen. Die innere Bildung einer dieser Bomben wird ganz genau durch die Abbildung eines Bruchstückes hier wiedergegeben. Der Kern ist grobzellig, und nehmen die Zellen nach aussen hin an Grösse ab; diese Masse ist von einer Schale von einem drittel Zoll Dicke umgeben, welche aus festem Stein besteht und noch von einer äusseren Kruste feinzelliger Lava bedeckt wird. Ich denke, es kann da kein Zweifel sein, dass erstens die äussere Kruste sich schnell in dem Zustande abkühlte, in dem wir sie jetzt sehen; dass zweitens die noch flüssige Lava im Innern durch
die Centrifugalkraft, welche die Drehung der Kugel erzeugt hatte, gegen die äussere abgekühlte Kruste gedrängt wurde und so die feste Steinschale bildete, und dass endlich die Centrifugalkraft, indem sie den Druck in den mittleren Xheilen der Bombe verringerte, den erhitzten Dämpfen gestattete, ihre Zellen auszudehnen und so die grobzellige Masse in der Mitte zu bilden. Ein aus der älteren Reihe vulkanischer Gesteine gebildeter Berg, welcher irrthümlicherweise als Krater eines Vulkans angesehen worden,
581
Ascension (1836)
ist bemerkenswerth wegen seines breiten, etwas vertieften und runden Gipfets, der durch viele auf einander folgende Schichten von Asche und feinen Schlacken aufgefüllt worden ist.
Diese tellerförmigen
Schichten treten am Rande zu Tage und bilden vollkommene buntfarbige Ringe, welche dem Berggipfel ein sehr phantastisches Aussehen verleihen; einer dieser Ringe ist weiss und breit und gleicht einer Reitbahn, in welcher Pferde getummelt worden sind; darnach ist der Berg „des Teufels Reitschule" genannt worden.
Ich habe Stücke
aus einer dieser tuffartigen Schichten von rosa Färbung mitgebracht, und es ist eine sehr merkwürdige Thatsache, dass Professor Ehrenberg sie beinah ganz aus organischer Masse bestehend fand; er entdeckte darin einige kieselschalige Süsswasserinfusorien, und nicht weniger als 25 verschiedene Gräsern.
Arten
kieseliger Pflanzengewebe, namentlich
von
Wegen der Abwesenheit jedes kohlenstoffhaltigen Bestan-
des glaubt Professor Ehrenberg, * dass diese organischen Körper durch das vulkanische Feuer hindurch gegangen und in dem Zustande, in dem wir sie jetzt sehen, ausgeworfen worden seien.
Das Aussehen der
Schichten liess mich glauben, dass sie unter Wasser abgelagert worden, jedoch die ausserordentliche Trockenheit des Klimas nöthigte mich zu der Annahme, dass starke Regengüsse wahrscheinlich während eines grossen Ausbruchs gefallen waren und so einen zeitweisen See gebildet hatten, in den die Asche fiel. Doch man kann jetzt auch denken, dass dieser See nicht nur vorübergehend bestand.
Jedenfalls
können wir überzeugt sein, dass in einer früheren Epoche das Klima und die Erzeugnisse von Ascension sehr verschieden von dem waren, was sie jetzt sind.
W o finden wir auf dem ganzen Erdenrund eine
Stelle, an der wir bei genauem Nachforschen nicht Spuren jenes endlosen Kreislaufes von Veränderungen entdecken, denen diese Erde unterworfen war und ist und sein wird? Wir verliessen Ascension und segelten nach Bahia an der Küste von Brasilien, um die chronometrischen Messungen rund um die Erde zu vollenden.
Wir kamen dort am I. August an und blieben vier
Tage, während dessen ich verschiedene weite Spaziergänge machte. Zu meiner Freude empfand ich an der tropischen Landschaft ein ganz * Abhandlungen der Kgl. Akad. d. Wiss. zu Berlin.
April 1845.
582
Einundzwanzigstes Kapitel
unvermindertes Wohlgefallen, auch ohne den R e i z der Neuheit. Eindruck
eines
solchen Landschaftsbildes wird
Der
scheinbar durch
so
einfache Mittel hervorgerufen, dass es werth ist, näher darauf einzugehen, um zu zeigen, von wie geringen Umständen wunderbare NaturSchönheit abhängt. Das Land ist eine flache Ebene, etwa 300 Fuss über dem Meere, und ist überall von flachbodigen Thälern durchzogen.
Diese Bildung
ist bei einem granitischen Lande merkwürdig; aber sie findet sich fast durchgehend in allen jenen weicheren Formationen, aus denen Ebenen gewöhnlich bestehen.
Der Boden ist ganz mit verschiedenen Arten
stattlicher Bäume bedeckt; dazwischen liegen Flecke angebauten Landes, aus denen Wohnhäuser, K l ö s t e r und Kirchen aufragen.
In den
Tropen verliert sich die wilde Ueppigkeit der Natur selbst nicht in der nächsten Umgebung grosser Städte; denn der natürliche Pflanzenwuchs von den Hecken und an den Abhängen ist bei weitem grossartiger und malerischer, als was menschliche K u n s t geschaffen. an wenigen Stellen
zeigt
sich der
hellrothe Erdboden
im
Nur
starken
Gegensatze zu dem A l l e s bedeckenden grünen Pflanzenschmucke.
Am
Rande der Ebene hat man einen weiten Blick über den Ocean und über die grosse Bucht
mit ihren niedrig bewaldeten Ufern,
zahlreiche Boote und Canoes ihre weissen Segel zeigen. die Aussicht meist sehr beschränkt;
in der
Sonst
ist
folgt man den ebenen Pfaden,
so hat man nach beiden Seiten nur gelegentliche Durchblicke auf die bewaldeten Thäler unten.
Die Gebäude, vornehmlich die kirchlichen,
sind in einem eigenthümlich phantastischen Stil aufgeführt. sämmtlich weiss getüncht,
Sie sind
sodass sie im Schein der hellen Mittags-
sonne gegen den blassblauen Himmel am Horizont ganz gespenstisch aussahen. Solcher A r t ist ein tropisches Landschaftsbild, aber es ist aussichtslos, den allgemeinen Eindruck wiedergeben zu wollen.
Gelehrte
Naturforscher schildern diese Xropengegenden gewöhnlich, indem sie eine Menge Dinge nennen Z u g anführen.
und von jedem einen
charakteristischen
Gelehrte Reisende mögen vielleicht dadurch bestimmte
Begriffe bekommen; aber welcher andere Mensch, der eine Pflanze in einem Herbarium sieht, kann sich ihre Erscheinung vorstellen, wenn
Brasilien (1836)
583
sie in ihrem heimischen Boden wächst?
W e r kann, weil er aus-
erlesene Pflanzen in einem Treibhause gesehen hat, sich einige davon zu riesigen Waldbäumen vergrössert denken,
und dazu andere
einem undurchdringlichen Dickicht verflochten?
zu
W e r wird beim Be-
trachten bunter ausländischer Schmetterlinge und sonderbarer Cicaden in einer Insektensammlung mit diesen leblosen Körpern Vorstellungen verbinden von dem unaufhörlichen Gezirpe der letzteren und dem leisen Flattern der anderen? — und doch sind sie dieser Xropenwelt an den stillen, heissen Sonnentagen ein nothwendiges nie fehlendes Zubehör! Gerade wenn die Sonne am höchsten steht, bietet sich hier das wunderbarste Schauspiel; dann verbirgt das dichte prächtige Laub des Mango den Boden im dunkelsten Schatten, während die oberen Zweige durch die Lichtfülle in leuchtendem Grün erscheinen.
In den gemässigten
Zonen ist es anders — dort ist die Vegetation weder so dunkel noch so reich, und es sind die Strahlen der untergehenden Sonne, deren rother, purpurner oder gelber Schein die Schönheiten jener Himmelsstriche erhöht. A u f den schattigen Pfaden ruhig dahinwandelnd, wunderte ich immer neue Erscheinungen, nach Worten für meine Gefühle. um denen,
sah und be-
und vergeblich suchte ich
Jeder Ausdruck war zu schwach,
die keine Tropengegenden
gesehen,
den entzückenden Empfindungen zu geben.
einen Begriff von
Ich habe gesagt,
dass
die Pflanzen in einem Treibhause durchaus keine richtige Vorstellung von der Vegetation geben;
doch muss ich darauf zurück kommen.
Das ganze Land ist ein verwildertes und verwahrlostes, überwuchertes Riesentreibhaus,
das die Natur für sich geschaffen, das der Mensch
aber in Besitz genommen und es mit hübschen Häusern und regelmässigen Gärten verziert hat.
W i e sehr würde jeder Naturfreund
wünschen, wenn es möglich wäre, Planeten zu sehen!
die Landschaften eines anderen
Jedem Europäer aber kann man getrost sagen,
dass nur wenige Grade von seinem Heimathsboden ihm die Herrlichkeiten einer anderen W e l t offen stehen.
Bei meinem letzten Spazier-
gang blieb ich immer wieder stehen, um diese Schönheiten anzustaunen und mir die Eindrücke möglichst dauernd einzuprägen.
W o h l wird
die Gestalt des Orangenbaumes, der Palmen, des Mangobaumes, der
Einundzwanzigstcs Kapitel
584
Baumfarne und der Banane mir klar und bestimmt in der Erinnerung bleiben;
aber die tausend Schönheiten, welche sie zn einem Ganzen
vereinen,
werden schwinden;
Kindheit
ein unbestimmtes
6. August.
nur wie von einem Märchen aus der
wunderschönes Zauberbild wird bleiben.
A m Nachmittag gingen wir in See, um direkt nach
den Cap Verdischen Inseln zu segeln. aber,
und am
W i d r i g e W i n d e hinderten uns
12. A u g u s t liefen wir P e r n a m b u c o
an,
Stadt an der K ü s t e Brasiliens, unterm 8. Grad s. Br.
eine
grosse
W i r ankerten
ausserhalb des R i f f e s , doch bald kam ein Lootse an Bord und brachte uns in den inneren Hafen, wo wir dicht an der Stadt lagen. Pernambuco
ist auf einigen schmalen und niedrigen Sandbänken
erbaut, die von einander durch seichte Salzwasserkanäle getrennt sind. Die
drei Stadttheile
miteinander
sind
verbunden.
Strassen sind e n g , hoch und düster.
durch Die
zwei
Stadt
ist
schlecht gepflastert
lange
hölzerne
durchweg
Pfahlbrücken
abscheulich;
und schmutzig;
die
die Häuser
D i e Regenzeit war kaum vorüber, und deshalb war
die U m g e g e n d , die sich nur wenig über den Meeresspiegel erhebt, ganz überschwemmt,
und alle
meine V e r s u c h e ,
weitere Spaziergänge
zu
machen, missglückten. Das
flache
Sumpfland,
auf dem P e r n a m b u c o liegt,
ist
in der
Entfernung von einigen Meilen umgeben von einem Halbkreise driger H ü g e l oder vielmehr von dem R a n d e einer E b e n e , 200 F u s s über dem Meere liegt. einen E n d e dieses Halbkreises.
Die alte Stadt Olinda liegt an dem Eines T a g e s nahm ich ein B o o t und
fuhr auf einem der Kanäle dorthin, und schien
mir diese alte Stadt
ihrer L a g e nach angenehmer und sauberer als Pernambuco. erwähnen,
Ich muss
was mir hier zum ersten M a l e nach beinah fünfjährigem
Herumreisen weigerte
nie-
die etwa
begegnete,
nemlich
unhöfliches B e n e h m e n :
man
ver-
mir auf grobe A r t an zwei verschiedenen Häusern die Er-
laubniss, durch die Gärten nach einem unbebauten H ü g e l zu gehen, w o h i n ich der A u s s i c h t wegen wollte, und erst an einem dritten Hause wurde es mir ungern gestattet. Brasilianern geschah,
E s ist mir noch lieb, dass dies von
die ich nicht leiden m a g ; —
auch herrscht in
ihrem L a n d e Sklaverei, ein Zeichen sittlicher N i e d r i g k e i t hätte sich bei dem blossen Gedanken
geschämt,
eine
E i n Spanier solche
Bitte
Brasilien (1836)
585
abzuschlagen oder sich unhöflich g e g e n einen F r e m d e n zu
betragen.
D e r K a n a l , auf dem wir nach Olinda hin und von dort zurückfuhren, war a u f beiden Seiten von M a n g r o v e n u m g e b e n , im K l e i n e n
aus den fetten S c h l a m m b ä n k e n
Grün
dieser Büsche
beide
gedeihen
die wie ein W a l d
aufwuchsen.
Das
helle
erinnerte mich stets an üppiges K i r c h h o f s g r a s :
bei fauligen A u s d ü n s t u n g e n ;
dieses kündet den
er-
folgten T o d , jenes nur zu oft den erfolgenden. D a s Merkwürdigste, w a s ich in jener G e g e n d sah, w a r das R i f f , w e l c h e s den H a f e n bildet.
Ich b e z w e i f l e , ob es in der ganzen W e l t
eine andere natürliche Bildung giebt, die ein so künstliches A u s s e h e n hat.* Ufer
E s läuft mehrere Meilen l a n g in durchaus gerader L i n i e dem parallel
und
nicht weit d a v o n entfernt.
Es
wechselt in der
B r e i t e zwischen 3 0 und 60 Schritt, seine Oberfläche ist eben und glatt, und es besteht aus undeutlich geschichtetem harten Sandstein. Fluth
gehen die W e l l e n darüber h i n w e g ,
Bei
bei E b b e bleibt es
oben
t r o c k e n ; es gleicht einem von C y k l o p e n gebauten Schutzdamm. dieser K ü s t e
werden
durch
die Meeresströmungen
dem L a n d e schmale Streifen und B ä n k e von losem S a n d e und
An
beständig
längs
gebildet,
liegt auf einem solchen zum T h e i l die Stadt P e r n a m b u c o .
früheren
Zeiten
scheint
ein
langer
Durchsickern kalkhaltiger F l ü s s i g k e i t
Streifen
dieser
Art
durch
In das
gefestigt und später allmählich
gehoben worden zu sein; die äusseren loseren T h e i l e wurden während dieses P r o c e s s e s von den Meereswellen fortgewaschen, und der feste K e r n blieb zurück, so wie wir ihn jetzt sehen. gewühltem Bodensatz und N a c h t
gegen
die
beschwerten W o g e n steile Aussenseite
O b w o h l die mit auf-
des offenen Oceans dieses Steinwalls
Tag
wüthen,
wissen doch die ältesten Lootsen nicht, dass man j e eine V e r ä n d e r u n g daran bemerkt
hätte.
würdigste E r s c h e i n u n g
Diese Dauerhaftigkeit
ist weitaus die
in seiner G e s c h i c h t e :
sie wird b e d i n g t durch
eine zähe,
wenige Zoll dicke Schicht kalkiger M a s s e ,
entstanden
ist durch das aufeinander folgende A n w a c h s e n
merk-
welche und
ganz Ab-
sterben kleiner Serpulamuscheln, zusammen mit einigen w e n i g e n E n t e n -
* Ich habe diese Barre genau beschrieben im London and Edinb. Phil. Mag. vol. XIX (1841) p. 357.
586
Einundzvanzigstes Kapitel
muscheln und Nulliporen.
Diese Nulliporen sind harte, sehr einfach
organisirte Meerespflanzen und spielen eine entsprechend wichtige R o l l e bei der Beschützung der obersten Theile von Korallenriffen jenseits oder innerhalb der Brandung, wo die wirklichen Korallen bei dem nach aussen Wachsen der Hauptmasse absterben, weil ile der Sonne und Luft ausgesetzt werden. Diese unbedeutenden organischen Wesen, besonders die Serpulen, haben den Bewohnern von Pernambuco grosse Dienste geleistet, denn ohne ihren schützenden Beistand wäre die Sandsteinbarre unfehlbar längst fortgewaschen, und ohne Barre gäbe es keinen Hafen. A m 19. August verliessen wir endlich die Gestade Brasiliens, und ich will Gott danken, wenn ich nie wieder ein Sklavenland zu besuchen brauche.
Noch heutigen Tages, wenn ich einen fernen
Schrei höre, erinnert es mich mit schmerzlicher Lebhaftigkeit daran, wie ich beim Vorbeigehen an einem Hause bei Pernambuco herzzerreissende Klagelaute hörte; ich konnte nicht zweifeln, dass hier ein armer Sklave gemartert wurde; doch fühlte ich mich ohnmächtig wie ein Kind und durfte nicht einmal etwas dagegen sagen.
Ich
musste argwöhnen, dass diese Klagelaute von einem Sklaven kamen, weil ich in einem anderen Falle dessen sicher war. Nahe bei R i o de Janeiro wohnte ich einer alten Dame gegenüber, welche sich Daumenschrauben für die Finger ihrer Sklavinnen hielt
Ich wohnte in einem
anderen Hause, wo ein junger Mulattensklave in einer Weise täglich und stündlich geschimpft, geschlagen und gequält wurde, um selbst ein Thier zur Verzweifelung zu bringen.
Ich habe gesehen, wie ein
Knabe von sechs oder sieben Jahren (ehe ich es hindern konnte) dreimal mit einer Reitpeitsche über den blossen Kopf geschlagen wurde, weil er mir ein nicht ganz sauberes Glas Wasser gereicht hatte; und ich sah seinen Vater schon vor dem Blicke seines Herrn zittern.
Die letzteren Grausamkeiten erlebte ich in einer spanischen
Kolonie, wo die Sklaven, wie immer behauptet worden ist, besser behandelt
werden als von Portugiesen, Engländern oder
europäischen Völkern.
anderen
Ich habe in R i o de Janeiro gesehen, dass ein
sehr kräftiger Neger sich fürchtete, einen scheinbar nach Gesichte gezielten Schlag abzuwehren.
seinem
Ich war zngegen, wie ein gut-
Sklaverei
587
müthiger Mann gerade dabei war, die Männer, Frauen und Kinder vieler Familien für immer zu trennen, welche lange zusammen gelebt hatten.
Ich unterlasse es, die vielen grauenhaften Scheusslichkeiten
auch nur kurz anzuführen, die mir glaubwürdig berichtet sind, und würde ich obige empörende Einzelheiten nicht erwähnt haben, hätte ich nicht mehrmals Leute getroffen, welche sich durch den angeborenen Frohsinn des Negers so täuschen Hessen, dass sie die Sklaverei für ein erträgliches Uebel hielten.
Solche Leute haben meist nur die
Häuser der oberen Klassen besucht, wo die Haussklaven gewöhnlich gut behandelt werden, und haben nicht wie ich unter den niederen Klassen gelebt.
Sie fragen die Sklaven dann nach ihrer Lage, be-
achten aber nicht, dass es ein recht dummer Sklave sein muss, der nicht bedenkt,
dass seine Antwort wohl seinem Herrn zu Ohren
kommen mag. Man hat angeführt, dass eigenes Interesse übermässige Grausamkeit verhindere; als ob eigenes Interesse unsere Hausthiere schützte, welche viel unwahrscheinlicher als erniedrigte Sklaven den Zorn ihrer grausamen Herren erregen werden.
Dies ist eine Behauptung, welche
der ewig grosse Humboldt in edler Entrüstung mit schlagenden Beweisen widerlegt hat.
Man hat oft versucht, die Sklaverei zu ent-
schuldigen und die Lage der Sklaven mit der unserer ärmeren Landleute verglichen: wenn das Elend unserer Armen keine Naturnothwendigkeit, sondern eine Folge unserer Einrichtungen ist, so versündigen wir uns schwer; was das aber mit der Sklaverei zu thun hat, kann ich nicht verstehen; ebenso gut kann man den Gebrauch der Daumenschraube in einem Lande damit rechtfertigen, indem man darauf hinweist, dass in einem anderen die Leute an einer schrecklichen Krankheit gelitten haben.
W e r um den Sklavenbesitzer besorgt ist, aber kein Herz f ü r
den Sklaven h a t , scheint sich nie in die Lage des letzteren hineinzudenken : welch trostloses Dasein ohne jede Hoffnung auf ein Anderswerden!
Man stelle sich doch vor, was solch Schicksal bedeutet,
das einem beständig droht, das liebste zu rauben, — sein W e i b und seine Kinder, welche die Natur selbst einen Sklaven drängt, sein eigen zu nennen, von sich gerissen und wie Vieh an den ersten Bieter verkauft sehen zu müssen!
So etwas geschieht und wird entschuldigt
Einundzwaiuigstes Kapitel
588
von Menschen, welche ihren Nächsten wie sich selbst lieben wollen, die an Gott glauben und beten, dass sein Wille anf Erden geschehen möge.
Das Blut erstarrt einem in den Adern, denkt man daran, dass
wir Engländer und unsere amerikanischen Stammesgenossen mit ihrem Prahlen machen!
von Freiheit
sich so schuldig gemacht haben und noch
Ein tröstlicher Gedanke bleibt es nnr, dass wir wenigstens
grössere Opfer als andere Völker gebracht haben, um unser Unrecht zu sühnen. Am letzten Tage des August ankerten wir zum zweiten Male bei Porto Praya im Cap Verdischen Archipel; von da gingen wir weiter nach den Azoren, wo wir sechs Tage blieben.
A m 2. Oktober 1836 er-
reichten wir die heimischen Gestade und in Falmouth verliess ich den „Beagle", nachdem ich beinah fünf Jahre an Bord des guten kleinen Schiffes gelebt hatte. Unsere Reise ist beendet, und ich will eine kurze Rückschau auf die Vorzüge und Nachtheile, die Freuden und Leiden unserer Weltumsegelung halten.
Wenn mich Jemand um Rath fragen würde,
ehe er eine lange Seereise unternähme, würde meine Antwort sich darnach
richten,
ob
er eine bestimmte Neigung für irgend eine
Wissenschaft besässe, die auf diese Weise gefördert werden könnte. Ohne Zweifel gewährt es grosse Befriedigung, verschiedene Länder und die vielen Menschenrassen zu sehen; aber die Annehmlichkeiten wiegen die Unannehmlichkeiten nicht auf. Man muss noch auf anderen Gewinn, wenn auch späten, rechnen können, der nützliche Früchte bringt. Viele der Entbehrungen sind ganz offenbar; so fehlt der Verkehr mit alten Freunden und der Anblick der Orte, mit denen alle unsere liebsten Erinnerungen
auf
das engste verknüpft sind.
Allerdings
werden diese Verluste zeitweise ersetzt durch das unerschöpfliche Vergnügen, sich den langersehnten Tag der Rückkehr vorzustellen. Wenn, wie die Dichter sagen, das Leben ein Traum ist, so bin ich gewiss, dass es bei einer Seereise diese Traumgesichte sind, welche am besten helfen, die lange Nacht zu überwinden. Andere Entbehrungen, die man zuerst nicht empfindet, werden nach einiger Zeit sehr störend, besonders der Klangel an Raum, an Abgeschiedenheit und an Ruhe. Das ermüdende Gefühl beständiger E i l e ; das Entbehren aller kleinen
Rückblick
Bequemlichkeiten,
589
der Mangel an Familienverkehr, von Mnsik und
allen anderen geistigen Genüssen sind weitere Uebel.
Wenn ich so
Geringfügiges erwähne, so beweist es, dass wirkliche Beschwerden, ausser bei Unglücksfällen, im Seeleben nicht mehr vorhanden sind. In
den
letzten
Erleichterung
60 Jahren
sind
weiter Seereisen
erstaunliche
Fortschritte
gemacht worden.
Selbst
in
der
noch zu
Cook's Zeiten hatte ein Mann, der seinen häuslichen Herd verliess und solche Fahrt unternahm, harte Entbehrungen zu ertragen.
Jetzt
kann eine Yacht, mit allen Bequemlichkeiten des Lebens ausgestattet, die Erde
umsegeln.
Auch abgesehen von den bedeutenden Ver-
besserungen im Schiffbau und in den Hilfsmitteln der Schifffahrt: die ganze Westküste von Amerika, ist zugänglich und Australien ist das Haupt einer neuen Welt geworden.
W i e verschieden ist die
Lage eines Schiffbrüchigen im Stillen Ocean heutzutage von der Zeit Cook's!
Seit seiner Reise ist die civilisirte Welt um eine neue
Hemisphäre vermehrt worden. Wenn Jemand sehr an Seekrankheit leidet, so soll er dies nicht leicht nehmen. Ich spreche aus Erfahrung; es ist kein geringes Uebel, das etwa nach einer Woche überstanden ist.
Wer aber Freude an
der Seefahrtskunst hat, kann sicher seinen Wünschen in vollem Maasse genügen.
Aber man muss bedenken, wieviel Zeit bei einer weiten
Seereise auf dem Wasser zugebracht wird, im Verhältniss zu den Tagen im Hafen.
Und was sind die gerühmten Herrlichkeiten des
unbegrenzten Oceans? sagt.
Gewiss
Eine langweilige Wasserwüste, wie der Araber
hat man
zuweilen
entzückende
Schauspiele.
Eine
Mondnacht mit klarem Himmel und dem dunklen glänzenden Meere, die weissen Segel von der weichen Luft des sanft wehenden Passatwindes
geschwellt;
eine Windstille,
wenn
die
leise schwankende
Wasserfläche spiegelglatt ist, und alles still ist, und nur dann und wann die Segel anschlagen.
Wohl ist es werth, einmal eine Bö zu
sehen, wie sie kommt und an Wuth und Stärke zunimmt, oder einen schweren Sturm mit heulendem Wind und berghohen Wellen.
Ich
gestehe aber, dass ich mir unter einem rechten Sturm etwas noch Grossartigeres, Erschreckenderes gedacht hatte.
Ein unvergleichlich
schöneres Schauspiel ist ein Gewittersturm auf dem Lande: die schwanken-
590
Einundzwanzigstes Kapitel
den Bäume, die wilde Flucht der Vögel, der dunkle Schatten und das grelle Licht, das Prasseln des Regens, alles verkündet den Kampf der entfesselten Elemente. Auf dem Meere fliegt der Albatross und der kleine Sturmvogel, als ob der Sturm ihnen recht zu Gefallen wäre, die Wellen steigen und fallen, wie in Erfüllung ihrer gewohnten Thätigkeit, das Schiff allein mit seinen Insassen scheint der Gegenstand seiner Wuth zu sein. An einer entlegenen stürmischen Küste ist der Eindruck freilich sehr verschieden; aber dann sind es mehr Gefühle des Schreckens als staunender Bewunderung. Blicken wir nun auf die Lichtseiten des Erlebten. Die Freude an den schönen Gegenden und dem allgemeinen Aussehen der verschiedenen von uns besuchten Länder war zweifellos die dauerndste und beste Quelle des Genusses. Wahrscheinlich übertreffen manche Theile von Europa alles, was wir gesehen haben, an malerischer Schönheit. Doch es gewährt ein stets wachsendes Vergnügen, den Landschaftscharakter verschiedener Länder zu vergleichen, und das unterscheidet sich bis zu einem gewissen Grade von dem blossen Bewundern ihrer Schönheit. Es kommt dabei mehr auf das Erkennen einzelner Züge in jedem Landschaftsbilde an: mich dünkt, dass Jemand, der in der Musik jede Note kennt, wenn er auch das nöthige Gehör hat, eine Melodie vielmehr gemessen wird; und ebenso wird der, welcher in einer schönen Landschaft die einzelnen Theile prüft und erkennt, einen besseren und volleren Gesammteindruck haben. Deshalb sollte ein Reisender Botaniker sein; denn bei jeder Landschaft bilden Pflanzen die Hauptzierde. Grosse nackte Felsgruppen von eigenthümlichen und wilden Formen mögen wohl einen erhabenen Anblick gewähren, aber sie werden bald eintönig; sind sie glänzend und bunt gefärbt, wie in Nord-Chile, so erscheinen sie phantastisch; aber mit grüner Vegetation bekleidet, werden sie immer ein gefälliges, wenn nicht sehr schönes Bild geben. Wenn ich sagte, dass die landschaftliche Schönheit mancher Theile von Europa wahrscheinlich alles übertrifft, was wir gesehen haben, so nehme ich als etwas besonderes die tropischen Länder aus. Ein Vergleich ist nicht möglich, und habe ich mich schon öfters über die Grossartigkeit dieser Gegenden ausgelassen. Da die Stärke der
Rückblick
591
Eindrücke gewöhnlich von früheren "Vorstellungen abhängt, mag ich hinzufügen, „Humboldts
dass die meinigen von den lebhaften Schilderungen in Reisen
in die Aequinoctialgegenden"
herrührten,
die
bei weitem alles andere, was ich darüber gelesen habe, übertreffen. Aber trotz so hoher Erwartungen wurde ich auch nicht im geringsten enttäuscht, weder bei meinem ersten noch bei meinem letzten Landen an Brasiliens Küsten. Von allem, was ich gesehen habe, hat mir nichts einen so tiefen Eindruck
hinterlassen als jene mächtigen, von Menschenhand noch
nicht entstellten Urwälder; sowohl in Brasilien, wo die Lebenskraft überall und unendlich ist, als auch in Feuerland, wo Tod und Verfall herrscht.
Beide sind Tempel mit den mannigfachen Erzeugnissen von
Gottes Natur angefüllt;
Niemand kann in diesen Einsamkeiten un-
gerührt bleiben, und ohne zu empfinden, dass in dem Menschen noch mehr als nur der Odem
seines Körpers ist.
"Wenn ich an diese
vergangenen Erlebnisse zurückdenke, so steigen mir oft die Ebenen von Patagonien vor den Augen auf, und doch werden diese Ebenen von Allen traurig und öde genannt. Bezeichungen beschreiben:
Man kann sie nur mit negativen
ohne Wohnstätten,
ohne "Wasser, ohne
Bäume, ohne Berge, bringen sie nur wenige Zwergpflanzen hervor. Warum also, und es geht mir nicht allein so, bleiben diese trockenen Wüsten
einem so fest im Gedächtniss ?
Warum
haben
die noch
ebneren, aber grünen und fruchtbaren Pampas, die der Menschheit Nutzen bringen,
nicht den gleichen Eindruck gemacht?
Ich kann
diese Gefühle kaum erklären: aber es muss zum Theil daher kommen, dass sie der Phantasie
ein freies Feld lassen.
Die Ebenen
von
Patagonien sind grenzenlos, denn sie sind kaum passirbar, und daher unbekannt; man sieht es ihnen an, dass sie unverändert seit Jahrhunderten
so gewesen sind,
und scheint auch ihrem
Bestehen kein Ziel gesetzt zu sein.
zukünftigen
W e n n , wie die Alten glaubten,
der flache Erdkreis von einer unpassirbaren Wasserfläche oder von Wüsten
von unerträglicher Gluth umgeben wäre, wer würde nicht
auf diese dem menschlichen Wissen gesetzten äussersten Grenzen mit tiefen, aber unbestimmbaren Gefühlen hinblicken? Endlich sind von Naturschauspielen die Aussichten von hohen
592
Einundzwanzigstes Kapitel,
Bergen zwar in einem Sinne gewiss nicht schön, aber sehr eindrucksvoll. Wenn man von dem höchsten Kamme der Cordillera herabblickt, so staunt man, durch kleinliche Einzelheiten ungestört, über die gewaltigen Verhältnisse der umgebenden Massen. Von lebenden Wesen erregt vielleicht nichts so sicher Verwunderung, wie der erste Anblick eines Wilden in seiner heimischen Umgebung — des Menschen in seinem niedrigsten und ursprünglichsten Zustande. Man denkt viele Jahrhunderte zurück und fragt sich, können unsere Vorfahren Menschen wie diese gewesen sein? — Menschen, deren Geberden und Ausdruck uns weniger verständlich sind wie die der Hausthiere; Menschen, welche nicht den Instinkt dieser Thiere besitzen, noch menschliche Vernunft zeigen, oder nur Fertigkeiten, die eine Folge jener Vernunft sind. Ich halte es nicht für möglich, den Unterschied zwischen dem wilden und dem civilisirten Menschen zu beschreiben oder zu schildern. Es ist der Unterschied zwischen einem wilden und einem zahmen Thier — und unser Interesse an dem Anblick eines wilden Menschen ist zum Theil dasselbe —, weswegen Jedermann sehen möchte, wie der Löwe in der Wüste jagt, der Tiger seine Beute im Dickicht zerreisst, oder das Rhinoceros über die wilden Ebenen Afrikas trabt. Zu dem merkwürdigsten, was wir sonst gesehen haben, mag man rechnen das Kreuz des Südens, die Magellan's Wolke und andere Sternbilder der südlichen Hemisphäre, — die Wasserhose — die Gletscher mit ihren blauen Eisschichten, die über das Meer hinabhängen, — die Lagunen - Inseln mit den riffbildenden Korallen, — die Vulkane in Thätigkeit — und die grausigen Wirkungen eines heftigen Erdbebens. Diese letzten Erscheinungen besitzen vielleicht ein besonderes Interesse für mich, weil sie mit der geologischen Bildung des Erdballes eng zusammenhängen. Ein Erdbeben muss aber auf jeden Menschen einen gewaltigen Eindruck machen: die Erde, welche wir von Kindheit an für ein Sinnbild des Sicheren und Festen hielten, hat wie ein dünner Boden unter unseren Füssen geschwankt; wir sehen die mühsamen Menschenwerke in einem Augenblicke zerstört und fühlen die Armseligkeit unseres ganzen Könnens. Die Liebe zur Jagd soll dem Menschen angeboren sein — ein
Rückblick
Rest von instinktiver Neigung.
593
Wenn dem so ist, so bin ich sicher,
dass das Wohlgefallen an dem Leben im Freien, mit dem Himmel als Dach und der Erde als Tisch, auch daher rührt: es ist der Wilde, der zu seinen freien und ursprünglichen Gewohnheiten zurückkehrt. Ich blicke immer gern auf unsere Bootfahrten und meine Landreisen durch unbewohnte Gegenden zurück; sie gewährten mir grösstes Vergnügen, wie sie es in civilisirten Ländern nicht gethan hätten.
Ich
zweifle nicht, dass jeder Reisende sich des Wonnegefühls erinnert, als er zum ersten Male die Luft eines fernen Himmelstriches athmete, wo civilisirte Menschen selten oder noch nie gewesen waren. Man kann auf einer langen Seereise noch andere Quellen des Genusses finden, welche von einer vernünftigeren Art sind. Die Karte der Welt bekommt ein ganz anderes Aussehen: sie wird ein Bild mit sehr verschiedenen und lebenden Gestalten. Jeder Theil hat seine richtigen Verhältnisse; man sieht nicht Continente für Inseln an, oder Inseln, welche grösser als manche Königreiche in Europa sind, für blosse Flecke.
Afrika oder Nord- und Südamerika sind
wohlklingende,
leicht auszusprechende Namen; aber nicht ehe man wochenlang an verhältnissmässig kurzen Strecken ihrer Küste entlang gesegelt ist, bekommt man einen vollständigen Begriff, welche grossen Flächen in unserer weiten Welt diese Namen bezeichnen. Nach dem jetzigen Zustande ist es unmöglich, keine grossen Erwartungen von der Zukunft einer beinahe ganzen Hemisphäre zu hegen.
Die Fortschritte nach der Einführung des Christenthums in
der ganzen Südsee sind wahrscheinlich einzig in der Weltgeschichte. Um so mehr überrascht es, dass nur 60 Jahre früher Cook,
dessen
vortreffliches Urtheil Niemand bestreiten wird, zunächst keine Veränderung erwartete.
Diese Besserungen sind aber dann erfolgt durch
die menschenfreundliche Gesinnung der britischen Nation. In demselben Erdviertel erhebt sich, ja man kann sagen, hat sich Australien zu einem grossen Mittelpunkt der Civilisation erhoben, und wird in nicht ferner Zeit als Herrscherin über die südliche Hemisphäre walten.
Unmöglich kann ein Engländer auf jene fernen
Kolonien ohne grossen Stolz und Genugthuung hinblicken. Das Hissen D a r w i n , Reise.
38
Einundxwanrigstes Kapitel
594
der britischen Flagge scheint als sichere F o l g e Wohlstand, Gedeihen und Civilisatlon nach sich zu ziehen. Zum Schlüsse glaube ich, dass nichts für einen jungen Naturforscher so förderlich sein kann, als eine R e i s e in ferne Länder.
Sie
reizt und stillt zugleich zum Theil jenes Verlangen und jene Sehnsucht, die wie Sir J . Herschel sagt, ein Mann stets fühlt, auch wenn jeder
körperliche
Sinn
völlig befriedigt
ist.
Die Anregung
durch
neue Dinge und die Aussichten auf Erfolg treiben ihn zu vermehrter Thätigkeit.
D a femer eine R e i h e vereinzelter Thatsachen bald un-
interessant wird, leitet die Gewohnheit des Vergleichens zu allgemeinen Gesichtspunkten.
Andererseits aber, da der Reisende meist nur kurze
Zeit an jedem Orte bleibt, können seine Beschreibungen gewöhnlich nur
Skizzen,
nicht in
das
Einzelne
gehende Beobachtungen
sein.
Daher kommt, wie ich zu meinem Schaden erfahren habe, die beständige Neigung, die Lücken im Wissen durch ungenaue und oberflächliche Hypothesen auszufüllen. Doch ich habe zu viel Freude auf meiner Reise erlebt, dass ich nicht jedem Naturforscher rathen sollte (wenn er auch nicht erwarten darf, so angenehme Reisegefährten wie ich zu finden), jede Gelegenheit zu benutzen,
um
eine R e i s e anzutreten,
sonst aber auch eine lange Seefahrt.
womöglich zu Lande,
E r mag sicher sein,
dass er
keinen Schwierigkeiten und Gefahren begegnen wird, ausser in seltenen Fällen beinah so schlimmen, als er vorher befürchtete.
Auch W e l t -
weisheit sollte eine R e i s e ihm lehren: gutmüthige Geduld, Rücksicht auf Andere, Gewöhnung selbstständig zu handeln und jede Gelegenheit auszunutzen.
Kurz er sollte etwas von den charakteristischen Eigen-
schaften der meisten Seeleute annehmen. Das Reisen soll ihm auch Misstrauen lehren; aber er wird zu gleicher Zeit gewahr werden, wie viele wirklich wohlwollende Menschen es giebt,
mit denen er nie vorher
in Berührung gekommen ist oder später kommen wird, und die trotzdem bereit sind, ihm den uneigennützigsten Beistand zu leisten.
SACHREGISTER. D i e e i n g e k l a m m e r t e n Seitenzahlen beziehen sich auf d i e A n m e r k u n g e n . A a s g e i e r 65. 1 4 3 . 3 1 9 . Abrolhosinseln 17. A c o n c a g u a , V u l k a n 300. 345. A f f e n mit G r e i f s c h w ä n z e n 33. A f r i k a ist in d e n südlichen, wüsten T h e i l e n r e i c h an g r o s s e n T h i e r e n 1 0 1 . Aguti 8a. A l b e m a r l e - I n s e l 444. A l l u v i u m , g e s c h i c h t e t e s 373. — s a l z h a l t i g e s , bei P e r u 430. A l t w e i b e r s o m m e r 190. A m b l y r h y n c h u s cristatus 455. 467. — D e m a r l i i 458. A m e i s e n in B r a s i l i e n 40. — auf der K e e l i n g - I n s e l 537. A m e i s e n l ö w e (520). A n a s M a g e l l a n i c a 337. A n b l i c k der A n d e n 376. A n s c h w e m m u n g von Pflanzensamen a. d. G a l a p a g o s - I n s e l n 464. Ansteckungskrankheiten 5x3. A n s t r e n g u n g beim R e i t e n 233. A n t a r k t i s c h e Inseln 294. Antipoden 492. Apfelbäume von Valdivia 351. A p i r e s ( B e r g a r b e i t e r ) 403. A p l y s i a 7. A p t e n o d y t e s demersa 337. Armado, Fisch 16a. Ascension 5 7 7 . A s p a l a x , Blindheit desselben 6t. A t e m b e s c h w e r d e n hoch auf den Anden 380. A t h e n e c u m c u l a r i a 82. 149. A t o l l e 548 u. ff. Attagis n a . A u g e n des T u c u t u c o u. M a u l w u r f e s 6 1 .
A u s b u c h t u n g e n oder S c h l ü n d e in N . - S . Wales 515. A u s t e r , r i e s e n h a f t e 203. A u s s t e r b e n d e r E i n g e b o r e n e n in A u s t r a lien 5 1 a . 527. — der T h i e r e in A u s t r a l i e n 5 1 9 . — der M u s c h e l n a u f St. H e l e n a 574. — von T h i e r a r t e n 206—309. A u s t r a l i e n 508 u. ff. — B a r r e n r i f f e 558« A v a 484.
B a h i a (Brasilien) 1 4 . 5 8 1 . — Bianca 89—125. B a l d H e a d (S.-VV.-Australien) 530. B a l l e n a r in C h i l e 4 1 a . B a n d a Oriental 169. Banks* B e r g 250. B a r r e n r i f f e von K o r a l l e n 5 5 1 , 5 6 1 . B a s a l t p l a t e a u von P a t a g o n i e n 2 1 5 . Bathurst 5 2 1 . B ä u m e , a n g e s c h w e m m t e mit Steinen 543. — D a u e r i h r e s g ä n z l i c h e n V e r f a l l s 356. — versteinerte 392, 4 1 7 . B a u m f a r n e 289. 529. Baumlosigkeit der Pampas 55. B a u t e n , I n d i a n i s c h e , in den C o r d i l l e r e n 431 u. ff. B e a g l e c a n a l 358. Behringstrasse, Fossilien 157. B e k l e i d u n g der F e u e r l ä n d e r 3 5 3 . Bellender Vogel 341. B e m a l u n g der F e u e r l ä n d e r 263. B e n c h u c a 390. B e r g e von T a h i t i 481 u. ff. B e r g l e u t e 308. 3 1 4 . 400. 40t.
38*
596
Sachregister.
Bergwerke 307. 40z. 408. Berkeleysund 324. Beständigkeit der organischen T y p e n ao6. Bevölkerung von L a Plata 49. 186. Bewegung in einer körnigen Masse (118). „Bien te veo" 64. Birgos latro 544. Blaue Berge in N. S.-Wales 514. Blätter, ihr Fallen v. d. Bäumen (379). Blindheit des Tucutuco 60. Blitz, vom, gebildete Röhren 71. Blitzschläge 73. Blöcke, erratische 304. aas. 393. Bolabola, Insel 55a. 547. Bolas 53. 133. Bomben, vulkanische 580. Bramador 437. Brandung, starke, der See 349. Brasilien 14. 11—45. 583. Brücke, natürliche 395. Brunnen bei Iquiquc 430. — mit Ebbe und Fluth 539, Buchen 379. 333. Buenos A y r e s 144. Bulimus in der Wüste 410. Button, Jemmy 346.
Cacteen («96). 309 443. Cactornis 448. 467. Caliao 431. Calodera 149. Calosoma 188. Camarhynchus 449. 467. Campana 303. Canis antarcticus 230. — fulvipes 3 3 1 . Cannibalismus der Feuerländer 354. Cap Horn 351. Capybara 58. 340. — ein ihm ähnliches fossiles Nagethier 98. Capstadt 1 0 1 . Caracara oder Carrancha 65. Cardy 149. 176. Castro auf Chiloe 328. 347. Casuchas (Schutzhäuser) 396. Cathartcs 69. 220. 336. Cauquenes, heisse Quellen von, 3 1 1 . Cavia Patagonica 83. Cervus campestris 57. Ceryle Americana 164. Chacao auf Chiloe 325. Chagos-Atolle 563. Charakter der Organismen auf d. Galapagos-lnscln, amerikanisch 465.
Charlesinsel (Galapagos) 443. Cheucau 339, 340. Chile (Mittleres) 399 u. ff. — (Nördliches) 398 u. ff. Chiloe 388. 333 u. ff. 345 u. ff. Chionis isa. Chonos-Archipel 333. — Thierwelt 340. Cladonia 439. Cocosnuss, wichtigstes Product der Keeling-Insel 533. Colias edusa 188. Colonia del Sacramiento 1 7 1 . Concepción in Chile 357. Conferven, pelagische 18. Conglomerat in den Cordilleren 378. — v. d. S. Ventana 130. Conurus mur. 164. Copiapó, Stadt 419. — T h a l von 413. Coquimbo 404. Corcovado, Vulkan 344. — (Wolken) 33. Cordilleren, Anblick derselben 305. 336. 376. — bei Copiapó 436. — verschiedene Erzeugnisse an d. Ostund Westseite 386. — Flüsse 374. — Geologie 377. 393, — Pässe über die 371. — Thalbildung 373. Cormorán, Fische fangend 336. Corral, Schlachtplatz für Vieh zu Buenos A y r e s 144. Coseguina, Vulkan 345. Ctenomys Brasiliensis 60. — fossile 98. Cucao auf Chiloe 348. Cuentas, Sierra de las 177. Cumbre oder Wasserscheide der Cordilleren 396. Cynara 143.
D a c e l o Jagonesis 3. Dasypus, drei Arten 1 1 3 . Deinornis 504. Desmodus 36. Despoblado, Thal 419. Diodon 15. Disteln 1 4 1 . 147. 176. Doriseier (338). Dunst von den Wäldern 28. Dunstwolken nach dem R e g e n 28.
Sachregister. Durchbrüche in den Korallenriffen 561. Durchsichtigkeit der Luft 5. — der Luft in den Anden 385. Dürre, grosse, in den Pampas 157. Ebenen am Fusse der Anden von Chile3io. Eidechsen xi6. — weit verbreitet 452. Eier, kleine, im Meerwasser so. Eimeo, Insel 480. Eingeborene von Australien 5 1 1 — 5 3 1 . Einsiedlerkrebse 538. Eisberge schwimmende 223. 267. 292. Eisenoxyd an Felsen 15. Eissäulen 384. Eisvogel (Königsfischer) 2. 164. Elater 36. Electricität der Luft in den Anden 385. Elefant, sein Gewicht (103). St. Elm's Feuer 46. Entdeckung der Metalladern in d. Cordilleren 375. Entomologie v. Brasilien 39. — der Galapagos-Inseln 451. 463. — der Keeling-Insel 537. Entre Rios 153. Entstehung ganzer Gebirgsketten 368. Epeira 42. 44. Erdbeben von Callao 435. — von Concepción 357 u. ff. — bei Coquimbo 404. — auf der Keeling-, Vanikoro- und den Gesellschafts-Inseln 559. — an d. Südwestküste v. S. Amerika 291. — von Valdivia 356. — das Felsstücke umhergeschleudert 236. — Richtung der Bewegungen 363. — u. Vulkane 367. — ihre Wirkungen auf Felsgestein 304. — Wirkungen auf d. Meeresboden 362. — Wirkung auf Quellen 312. — und Wetter 415. Erdboden, gefrorener 105. 294. Erhebung der Cordilleren 374. 379. — des Erdbodens in neuerer Zeit 438. — des Küstenlandes vonBahiaBlancagÖ. — der chilenischen Küsten 301. 351. 363. 366. 399. 407. 422. — der Küste von Peru 436. — der Pampas 154. — von Patagonien 203. 438. — bei den Saumriffen von Korallen 560. Erhebungskrater 570. Erzmühlen 315. Estancia, Werth einer 172.
597
Falklandinseln 224—242. — Fehlen von Bäumen 56. — Klima 287. — Raubvögel 68. — Torf der 339. — Zahmheit der Vögel 473. Fauna der Galapagos-Inseln 447. Februa 39. Fenchel, wilder 142. Fett in Menge gegessen 140. Fernando Noronha 13. 442. Feuererzeugung 232. 483. Feuerland 243—298. — Klima und Erzeugnisse 287. Feuerländer 243—273. Fieber in Peru 431. Fisch, der Geräusch macht 162. Fische des Galapagos-Archipels 462. — Korallen fressende 546. Fläche, fast ebene, bei S. Fé 151. Flamingos 78. Flechten auf losem Sand 429. Fliegenfänger 64. Flöhe 408. Flora der Galapagosinseln 442. 464. 468. — der Keeling-Insel 534. — von St. Helena 572. Flussbett, erhöhtes 424. Flüsse in den Cordilleren 374. — ihre durchbrechende Kraft 215. 380. Fortbewegung v.Steinen durch Flüsse 215. Fortschaffung erratischer Blöcke 222.293. Fossile Säugethiere 96. 15z. 184. Fossile Töpferwaare 437. Freundschaftsinseln 566. Frio, Cap 22. Frömmigkeit der Tahitianer 485. Frosch, zirpender 34. Froschblase 453. Frösche und Kröten fehlen auf den oceanischen Inseln 451. Fuchs von Chiloe 331. Fuchs der Falklandinseln 230. Fuegia Basket 247. Furnarius 1 1 2 .
Galapagos-Inseln 440 u. ff. Gallegos, Fluss mit fossil. Knochen (205) Gallinazo 65. Gänse der Falklandinseln 237. Gauchos 50. 181. 185. — Fleischnahrung derselben 140. Gebirgsketten, Entstehung von 368. Gefrorener Erdboden 105.
598
Sachregister.
Geographische Verbreitung d.Thiere 1S5. Geologie v. Bahia Bianca 96. — von Brasilien 14. — der Cordilleren 377. 392. — der Pampas 1 5 3 . — von Patagonien 903. 314. — von St. J a g o 6. — der St. Pauls Felsen 9. Georgia 394. Geospiza 449. 467. Gerolle, geschichtetes 373. — weit vom Ursprung entfernt 1*9. Geröllschichten von Patagonien 88. 303. Geruchs vermögen der Aasgeier 320. Gesellschaftsinseln 560. Gesellschaftszustände in Australien 593. Gesundheitsverhältnisse in d. Tropen 432. Gewicht grosser Vierfüssler (103). Gewitter 7a. Gips, grosses L a g e r von 377. — im Salzsee 78. — ind. Tertiärschichten Patagoniens 203. — in Verbindung mit Salzbei Jquique 430. Gleichheit und Cmlisirung 372. Gletscher unterm 46° 50' s. Br. 393. — in den Cordilleren 384. — in Fcuerland 367. — und Schneegrenze in S.-Amerika 390. Glockenberg 303. Glühwürmer 34. Golderz 3 1 5 . Good-Successbay 243. Gottesdienst auf Tahiti 490. Granit der Cordilleren 378. Granitberge 335. Graspus 12. Grausamkeit gegen Thiere 180. Grünsteinmassen 304. Guanaco 197. — fossiler 305. Guantajaya, Salpeterwerke von 429. Guardia del Monte 141. Guasco 4 1 1 . Guasos von Chile 306. Guava in Tahiti 477. Gunnera scabra 3 3 1 . Gürtelthicre 1 1 3 . — fossile 154. 185.
Himantopus 136. Hirsche $7* x 5®* Hobart Town 535. Hochliegende Muscheln 303. Hogeleu, Barrenriff von $$3. Holothuriea, Korallen fressende 547. Huacas 435. 437. Hügel, brüllender, 437. Hungersnoth der Feuerländer 354. Hydrochaerus capybara 58. H y l a 34. Hymenophallus 38.
H a g e l w e t t e r 138. Haifisch von einem Diodon getodtet 17. Hängebrücken 3 1 1 . Heilmittel der Gauchos 152. Heuschrecken 389.
K ä f e r von Feuerland 383. — im Meere 189. — auf Pilzen 38. — der Tropen (39). Kaktusse 309. 443.
J a g u a r 160. Jajuel, Bergwerk 307. Jamesinsel (Galapagos) 445. Ibis 196. Incas-Brücke 395. 43t. Incrustationen an Küstenfelsen 1 1 . 13. Indianer, ihr Abnehmen 134. — Angriffe von 75. 90. 134. — der Pampas 1x9. 125. — wilde, nördlich von V a l d m a 353. Indianergräber 301. 333. Indianische Alterthümer in L a Plata 54. Infusorien auf Ascension 581. — in Korallenschlamm 547. — im Meer 19. 193. — in den Pampas 98. >54. — in Patagonien 303. — im Staub 5. — in weisser Farbe (363). Insekten von Feuerland 38a. — der Galapagos-Inseln 451. 463. 467. — der Keeling>Insel 537. — als erste Kolonisten auf Inseln 13. — im Meere 189. — Patagoniens 303. 387. — von St. Helena 576. Inselbucht (Bay of Islands) bei Neuseeland 493. Inseln, oceanische, vulkanische so. Instincte von Vögeln 1 1 3 . Jodsalze bei Iquique 43t. Iquique 437. J u a n Fernandez, Flora von 464. — Vulkan auf 366.
Sachregister. Kalk in K r y s t a l l e verwandelt 7. — schwefelsaurer 78. Kalkabgüsse von Baumrweigen 530. Kalkincrustationen auf Asceasion xo. Kameelartige fossile Thiere 205. Kaninchen, wildes, auf den Falklandinseln 299. Kannibalismus 354. Kartoffel, wilde 337. Käse, Salze rur Conservinmg von 78. Katers Pik 959. Katze, K r a u e n an Bäumen 1 6 1 . Katzen, verwilderte 143. 579. Katzenfleisch 139. Kaurifichte 503. Keeling-Insel 539 u. ff. 559. Kelp oder Seetang 983. Kieselröhren vom Blitz gebildet 70. Kiesmassen von Patagonien 903. Klapperschlange, eine ihr ähnliche Art 115Klarheit der Luft in den Anden von Chile 304. Klima der antarktischen Inseln 995. — von Feuerland und den Falklandinseln 287. — der Galapagosinseln 440. 446. Klimawechsel in Chile 433. Knochen als Brennmaterial 931. — des Guanaco zusammengehäuft 199. — fossile 97. «5*. 155. 184. — neuere in den Pampas 159. Kolibris in Chile 39z. — in Feuerland 988. — von Rio de Janeiro 37. Kondors 917. 9a 1. 319. König Georgs Sund 599. Korallen, todte 549. 563. Korallenbildungen 539 u. fT. Koralleninseln 475. Korallenriffe 548 u. ff. Korallinen 939. Krabbe auf dem St. Pauls Fels 1 9 . — die sich von Cocosnüssen nährt 544. Krankheiten, eingeschleppte 5 1 3 . Krater auf den Galapagosinseln 440. Kriegsliebe der Neuseeländer 495. Kröte 1 1 5 . Kröten fehlen auf den oceanischen Inseln 45»Krustenthiere des Meeres 199. Kuckuckähnliche Gewohnheiten des Melothrni 63.
599
L a g o s tomus 147. Laguneninseln 475. 533. 548 u. ff. Laich auf dem Meerwasser 20. Lama 197. Lampyris 35. Landarbeiter in Chile 316. Landmuscheln 410. 574. 575. Landschnecken 410. Langlebigkeit von Schalthieren 99. Lauch auf Neuseeland 504. Lazo 59. 189. 995. Leiche, gefrorene 295. Leichenfeier auf Neuseeland 506. Lepus Magellanicus 230. Leuchtkäfer 34. Lima 43«. 434. — Erhöhung eines Flussbettes bei 423. Limnaea in brakigem Wasser 95. LIanos 353. Lorenzo, San, Insel 436. Low's Hafen 337. Luftseglerspinnen 190. Luftströmungen, verschiedene, an der Magellanstrasse 974. Lund und Clausen über fossile Thiere Brasiliens 155. 906. Luxan 389. Lycosa 4z.
Bfacquarie, Fluss 59t. Macrauchenia 97. 905. Macrocystis pyrifera 983. Madrina (Leitmaulthier) 379. Magdalenencanal 985. Magellanstrasse 974. Maldiven-Atolle 549. 560. 563. Maldonado 47. M a s s e , körnige, Bewegung in derselben (>18). Mässigkeit der Tahitianer 386. Mastodon 151. 154. Maulthiere 372. Mauritius 568. Mäuse der Galapagos-Inseln 447. — Verbreitung von 340. — verschiedene an d. entgegengesetzten Seiten der Anden 385. — und Eidechsen als Wüstenbewohner 425Maypu, Fluss 374. Meer, offenes, seine Bewohner 193. Meerleuchten 193. Megalonix 97. 99, 156. Megatherium 97. 99. 156.
600
Sachregister.
Mendoza 389. 39t. Menschenfurcht derThiere ein alllmählich erworbener Instinct 474. Menschenrassen, ihr Alter in Südamerika 433— ihr Aussterben 519. Metalladern, ihre Entdeckung in den Cordilleren 375. Mexican. Hochebene 156. Miasma 431. Millepora 546. Mimosen 30. Mimus 64. 467. 471. Missionare auf Neuseeland 501. Mistkäfer (576). Molothrus 6a. Monte Video 47. 169. Mount Sarmiento 376. 986. Mount Tarn 978. Muscheln des Galapagos-Archipels 462. — auf St. Helena 574. — fossile, in den Cordiiieren 378. — hochliegende 98. 100. 153. 903. 301. 3 5 1 . 3 6 6 . 407. 436.
— tropische bei Feuerland 288. — Zersetzung von 436. Mylodon 97. 99. 156. 185. Myopotamus Coypus 340.
Nagethiere in Amerika 58. 9x3. — fossile 97. Nasenreiben 499. Natron, schwefelsaures 78. am Boden 92. Negerin mit einem Kröpfe 371. Negerlieutenant 89. Neu-Caledonien, Riffe von 55». 555. 562. Neuseeland 492 u. ff. Neu-Süd-Wales 509. Niata-Rinder 173. Niedriger Archipel 475. Nothura major 54. Notopoden 199. Nulliporen, ihnen ähnliche Gebilde xo. — riffschützende 586.
Obstbäume, ihre südliche Grenze 989. Octopus 8. Ofenvogel 1x2. Oeliger Ueberzug auf dem Meere 20. Olfersia 12. Opetiorhynchus 341. Opuntia Darwimi (196).
Opuntien 309. 449. Orangenbäume, selbstgesäete 143. Ornithorhynchus 590. Osorno, Vulkan 324. 396. 344. Otter 340. Oxyurus 981. 341.
P a l l a s ' Reise in Sibirien (79). Palmen in Chile 303. — in L a Plata 55. — ihre südliche Grenze 289. — ihr Fehlen auf den Galapagos-Inseln 444 Pampas, die, nicht ganz eben 1 4 8 . 1 5 0 . 1 7 1 . — Geologie derselben 153. X85. — ihre Südgrenze 88. — Veränderungen derselben 143. Pampaseule 82. 149. Pampaswanze 390. Papageien 164. 288. Papilio feronia 39. Paranastrom 150. 165. 175. — Inseln darin 160. Parlamentsversammlung auf Tahiti 490. Pas, Befestigungen der Neuseeländer 494. Passatwind 4. Pässe in den Cordilleren 394. Patagones 76. Patagonien's Fauna und Flora 196, 202. — Geologie 203. 388. Patagonier 275. Pelacanoides Berardi 343. Penas, Meerbusen von 292. Pepsis 41. Perlhühner 4. 579. Pemambuco 584. Peru 428 u. ff. Peuquenes-Kamm 378. Pfeilspitze, alte C24. 491. Pferd, fossiles 97. 154. Pferde» durch Dürre getödtet 159. — ihre Fähigkeit zu schwimmen 170. — der Häute wegen geschlachtet 183. — schwer zu treiben 1 3 1 . — Vermehrung d. südamerikanischen 276. — wilde, auf den Falklandinseln 997. Pferdebändiger 179. Pferdefleisch als Nahrungsmittel 120. Pferdemist) seinEinfluss auf den Pflanzen* wuchs X4X. Pfirsichbäume selbstgesäete 143. Pflanzen d. Galapagos-Inseln 442. 464.468. — auf der Keeling-Insel 534.
Sachregister. Pflanzen auf St.Helena 5 7 3 . Phonolith a. F. Noronha 1 3 . Phosphoresciren von Insecten und Seethieren 3 5 . — einer Koralline 3 4 1 . — des Meeres 1 9 3 . Ptryniscus 115. Pilz, essbarer 3 7 9 . Pinguin 3 3 7 . Planana 3 1 . Plata, la 4 6 . Polirte Felsen in Brasilien 1 5 . Polyborus Brasiliensts 6 5 . — : Chimango 6 7 . — Novae Zelandiae 6 7 . Polypen 3 3 9 . 3 4 0 . Ponsonbysund 3 6 3 . Port Desire J 9 5 . 2 0 2 . Fluss bei 1 3 7 . — Famine 3 7 6 . Port St. Julian 2 0 2 . Portillo-Kamm 3 7 8 . 3 8 3 . Porto Praya 3. Potrero Seco 4 1 3 . Prairien, ihr Pflanzenwuchs 1 4 0 . Procellaria gigantea 3 4 3 . Proctotretus xx6. Proteus, Blindheit desselben 6 1 . Protococcus nivalis 3 8 1 . Pteroptochos, zwei Arten 3 x 9 . Puffinus cinereus 3 4 9 . Puma i 6 x . 3 x 8 . 3 x 8 . Pumafleisch X39. Punta Alta 9 4 . 9 6 . — Gorda 1 5 4 . 4 3 0 . Pyrophorus luminosus 3 6 . ifcuarz auf den Falklandinseln 3 3 3 . — der Sierra Tapalguen 138. Quarzgestein von der Sierra V e n t a n a i 3 o . Quedius 13. Quellen, heisse, 3 1 z , Quillota 3 0 x. Quintero 3 0 1 . Quiriquina, Insel 3 5 7 .
Radack-Atolle 5 5 0 . Rana Mascariensis 4 5 2 . Ratte der Keeling-Insel 5 3 6 . — das einzige uretngeborene Thier auf Neuseeland 5 0 4 . — auf Ascension 5 7 8 . Raubvögel 6 5 .
601
Rebhühner 5 4 . Regen in Chile, früher reichlicher 4 3 3 . — bei Coquimbo 3 9 9 . 4 x 0 . 4 x 3 . — bei Rio de Janeiro 3 4 . — in Peru 4 3 0 . 4 3 1 . — seine Wirkung auf den Pflanzenwuchs 400. — und Erdbeben 4 x 5 . Regenpfeifer, langbeiniger X 3 6 . Regierung d. Feuerländer 3 5 6 . Reitkunst der Gauchos x 8 i . Religion der Feuerländer 2 5 5 . Reptilien, ihr Fehlen auf Feuerland und den Falklandinseln 3 8 3 . — der Galapagos-Inseln 4 5 t. Revolution in Buenos Ayres 1 6 6 . Rhinocerosse, gefrorene xo6. 2 9 6 . — in Steppengegenden xos. Rhynchops nigra 1 6 2 . Ribeira Grande 3 . Riesenpatagonier 3 7 5 . Riff von Pernambuco 5 8 3 . Rimsky-Atoll 5 4 9 . Rinder, schwer zu treiben 13X. — wilde, auf den Falklandinseln 2 2 5 — 2 3 8 . Rindvieh, sein Einfluss auf den Pflanzenwuchs 1 4 1 . — kennt sich unter einander 173. — merkwürdige Rasse 1 7 3 . — verschwenderischerVerbrauch vonx77. Rio Chupat 1 3 7 . — Colorado 8 3 . — de Janeiro 33. — Negro 7 4 . 1 7 7 . — Piata, Gewitter am 7 3 . — Salado X 4 0 . — Sauce 1 2 6 . — de las Vacas 3 9 4 . Rosas, General 8 3 . x s 3 . 1 6 6 . Rückblick auf die Reise 5 8 8 . Ruinen von Callao 4 3 5 . — Indianische, in den Cordilleren 4 2 1 . 4 3 5 . Salinas auf den Galapagosinseln 4 4 6 . — in Patagonien 7 7 . 303. Sali trai es 9 3 . Salpeterwerke 4 3 8 — 4 3 z . Salz und Pflanzenkost 1 3 1 . Salzincrustationen 9 2 . Salzkruste am Erdboden 4 3 0 1 Salzseen 7 7 . 2 0 2 . 4 4 6 . Samen vom Meere angeschwemmt 5 3 5 . San Carlos auf Chiloe 3 4 4 . San Pedro, Wälder von 3 3 2 .
38**
602
Sachregister.
Sanddüpen 88. Sandstein von Neu-Süd-Wales 5*4. Sandsteinriff von Pernambuco 583. Sand wich-Archipel, keine Frösche 452. Sandwich-Inseln 294. Santa Cruzfluss 2 1 1 . Sant Domingo (Cap Verd. Ins.) 4. St. F é 1 5 1 . St. Helena 571. Einführung von Branntwein 386. St. J a g o , am Cap Verde 1. 432. St. Maria, Insel, ihre Erhöhung 363. 366. St. Pauls Felsen 9. St. Salvador 14. Santiago in Chile 310. Sauerampfer a. Neuseeland 505. Saugethiere, fossile 96. 1 5 1 . 155. 184. 205. Saumriffe von, Korallen 555. Saurophagus sulphur. 64. Scarus, Korallen fressender 546. Scelidotherium 97. 99. Schäferhunde 178. Scheerenschnabel 162. Scheerenschwanz 164. Schildkröten 452. 466. 540. Schlamm, kreideähnlicher mit Infusorien 547Schlange, giftige «14. Schluchten auf Tahiti 481 u. ff. Schmetterlinge, die Geräusch hervorbringen 39. — in grossen Schwärmen 188. Schnabelthier 520. Schnee, rother 381. — Wirkung desselben auf Felsen 376. Schneegrenze und Gletscher in SüdAmerika 290. 381. 383. Schneehase 54. Schneesturm auf den Cordilleren 383.426. Scytalopus Magellanicus 281. 342. See, brakiger 25. — ein durch Erdbeben gebildeter 438. — mit schwimmenden Inseln 3x4. Seefeder xx8. 240. Seeeidechse 456. Seethiere, südliche 192. Senkung der chilenischen Küsten 407. — der Cordilleren 379. 393. — von Patagonien 205. — der Küste von Peru 436. Senkungs- und Erhebungsgebiete der ErdOberfläche 565. Serpulae, riffschützende 585. Sibirien, Thiere im Eise erhalten 296. — und Patagonien (79).
Sibiriens Zoologie im Vergleich mit der von Nord-America 157. Sibirische Thiere, ihre einstige Ernährung 105. Silurformation auf den Falklandinseln 233. Silurus 162. Sinken von Korallenriffen 551 u. ff. Sittlichkeit der Tahitianer 486. 488. Sklaverei 23. 27. 28. 586. Skorpion (197). Spinnen im Kampf mit Wespen 41—44. — auf der Keeling-Insel 537. — auf den St. Pauls Felsen 12. Spinnengewebe 190. Spottvogel 74. 467. 47X. Staub, feiner 5. Stech-Korallen 546. Steine, durchbohrte 177. 316. — in Baumwurzeln angeschwemmt 543. Steinströme auf den Falklandinseln 234. Stinkthiere 94. Sträflinge in Australien 524. — indische, auf Mauritius 569. Strausse 51. xo6. Strausseneier 135. Strongylus 38. Struthio Darwinii xxx. Strutio R h e a 51. 1 1 0 . Sturm in den Cordilleren 426. Stürme auf See 257. 258. 332. Sturmvögel 342. Suadiva-Atoll 549. Süsswasser im Meere 47. Syenitfelsen, polirte 15. Sydney 508,
Taguataguasee 314. Tahiti 476. Talcahuano bei Concepción 357. Tambillos, Ruinen von 421. Tapacolo und Turco 320. Tapalguen, Sierra, niedrige Quarzhügel X38._
Tasmanien 526. Tätowirung 477. 503. Temperatur von Feuerland 287. Tercero, Rio 1 5 1 . Terrassen (stufenförmige) bei Coquimbo 405. — in den Thälern der Cordilleren 373. — von Patagonien 204. 2x6. Tertiärformation in Chile 407. — der Pampas 96. 154. 184. — von Patagonien 203.
Sachregister. T e r u - T e r o 136. Testudo nigra 452. T h a l von St. Cruz 216. — trockenes, bei Copiapö 420. Thalausbuchtungen in N e u - S ü d - W a l e s 515T h a l e r in Chile 373. 419. — von T a h i t i 482. 487. T h e o r i e von der Bildung von Korallenriffen 556. Theristicus melanops 196. Thierkörper, gefrorene 105. T h i e r w e l t der Chonosinseln 340. Tinamus (134). Tinochorus 11 x. Tintenfisch 8. T o l l w u t h 417 u. ff. T ö p f e r w a a r e , fossile indianische 437. T o r f b i l d u n g 338. Toxodon 97. 151. 154. 184. Travertin mit A b d r ü c k e n von Baumblättern 528. T r e s Montes 333. Trichodesmium 17. Trigonocephalus 1x4. Tristan da Cunha 473. Trochilus 321. Trockenheit, atmosphärische 5. — der L u f t in den Cordilleren 385. Tropenlandschaft 582. T r ü b u n g des Meerwassers 17. Truthahngeier (Truthahnbussard) 69. 220. 336Tuamotuinseln 475. Tucutuco 60. — fossiler 98. Tuffkrater 440. Tupungato, B e r g g r u p p e 383. Turco 319. Tümmler (porpoises) 46. Tyrannus savana 164.
Ueberschwemmungen 159. Ueberwintern (Uebersommern der T h i e r e ) 117. Unkräuter, europäische auf Neuseeland .S04. Ureinwohner von Australien 5 x 1 — 5 3 1 . Ursachen des Aussterbens von Säugethieren 206. 207. 209. Uruguay, FIuss 163. — — von der V i s c a c h a nicht überschritten 148. 175. Uspallata-Pass 391.
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V a l d i v i a 351 u. ff. Valparaiso 299. 370. V a m p i r 26. V a n Diemen's Land 525 u. ff. Vanellus cayanus 136. V a n e s s a cardui 189. Vanikoro (Barrenriffe) 553. 554. 559« Vegetation auf den entgegengesetzten Seiten der Cordilleren 386. — von St. H e l e n a 575. — von Tahiti 479. 484. — üppige, nicht nöthig für den Unterhalt grosser T h i e r e XQI. Ventana, Sierra 127. Veränderungen in der Vegetation d e r Pampas 143. V e r b e n a melindres 48. Verbreitung der Frösche 452. — der Säugethiere in A m e r i k a 155. V e r m e h r u n g der P f e r d e in Süd-Amerika 276. Verschiedenheit der Landschaft an der Magellanstrasse 274. Vertheilung der Thierarten an den entg e g e n g e s e t z t e n Seiten d. A n d e n 322. Vertreibung der Eingeborenen von V a n Diemen's Land 526. Verwandtschaft zwischen fossilen und lebenden T h i e r e n 205. V i e h , durch die D ü r r e getödtet 158. X74. Vierfüssler, fossile 96. 151. 154. 184. 205. — grosse, verlangen keine üppige V e g e tation X03. ihr G e w i c h t (103). V i l l a Vicencio 391. Virgularía Patagónica 1x8, 240, V i s c a c h a 82. 147. V ö g e l des Chonos-Archipels 340 u. ff. — der Galapagos-Inseln 447. 467. 471. V u l k a n e 324. 344. 367. — ihr F e h l e n in Senkungsgebieten 566. V u l k a n i s c h e Inseln xo. V u l t u r aura 69. 220. 336.
W a i m a t e auf Neuseeland 497. 501. Waiomio auf Neuseeland 506. W ä l d e r auf Chiloe 332. 338. 347. — von Feuerland 249. 288. 338. — auf Neuseeland 503. — in Neu-Süd-Wales 510. — von V a l d i v i a 352. 356. — ihr F e h l e n in L a P l a t a 56. Walfische, hochspringende (266). Walfischthran auf dem Meerwasser 21.
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Sachregister.
Walleechu-Baum 80. Wassermangel zu Iquique 428. Wasserschwein 58. Wasservögel, ihre grosse Verbreitung 450. Wechsel in der Fauna von Amerika 206. — in der Vegetation auf St. Helena 575Weideland vom Rindvieh umgewandelt 141. Wellen von fallendem Eis verursacht 267. 291. — grosse, des Meeres bei Erdbeben 361. 365Wellenbrecher von Tang 284. Wellington, Mount 528. Werth der Bergwerke in Chile 409. Wespen, Spinnen tÖdtende 40—44. Westindien, Korallenriffe 556. 565. — Meeresboden 518. — Zoologie 157. Wetter und Erdbeben 415. Wigwambucht 252. Wind auf den Cordilleren 382. Wintersrinde 279. 332. Wogen von fallendem Eis verursacht 267. 291. Wolken auf dem Corcovado 33. — niedrig hängende 433. Woollya 263.
Wüsten in Chile 412. — in Peru 430.
Y a q u i l 314. Yeso, Valle del 377. York Minster 246. Zählen des Viehs 173. Zahmheit der Vögel 471. Zersetzung von Muscheln 436. Ziegen als Zerstörer des Pflanzenwuchses auf St. Helena 575. Ziegenknochen 199. Zonotrichia 62. Zoologie der Chonosinseln 340. — von Feuerland 280. — der Galapagos-Inseln 447. — von St. Helena 575. — der Keeling-Insel 536. Zoologische Provinzen von Amerika 156. Zoophyten 118. — der Falklandinseln 239. Zorillo oder Skunk 94, Zusammenhang zwischen Erdbeben und Wetter 415. Zusammentreffen, erstes, mit Wilden in Feuerland 244.
Druck von Oskar Bonde in Altenburg.