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German Pages 440 [870] Year 1804
durch
Deutsch land, Dänemark/ Schweden, Norwegen und einen Theil von Italien, in den Jahren 1797. 179s» 1799«
Dritter Theil.
Mit einem Titelkupfer. Zweyte verbesserte Ausgabe. Leipzig,
bey Georg Joachim Göschen,
1804.
Inhalt des
dritten Theiles.
Erster
Brief S.
Ueberfahrt von Vstadt nach Stralsund — die Inseln Rügen und Hiddensee — Stralsund — Bevölkerung vort Schwedisch - Pommern — Schwedisch - Pommern über haupt — Greifswald — Anklam — Uckermünde — Stettin — eine Geschichte für Reisende—Pyritz — Soktin — Neudamm —Cüstrin —Frankfurt an der Oder^ Zibichen — Crossen — Naumburg am Bober — Sa gan — Bunzlau — Ueber Niederschlesien überhaupt — Lauban und die Gegend umher.
Zweyter
Brief.
Reise nach Meffersdorf— Marklissa — Schwerts — Wiegandsrhal — Meffersdorf — Tafelfichte — Friedland in Böhmen — Reibersdorf — Zittau — der Oywin —* Herrnhuth — das Brüderhaus — das Schwestern haus — Begrabnißstatte—Unitatssynode — die Lands-" kröne — Görlitz — Orgel — Nathe — Königshayn — Königshayner Berge — Bachs berühmteste Zeich nung — Fabriken der Oberlausitz. 22
Dritter
Brief.
Steife von Lauban in das Schlesische Riesengebirge — Greiffenberg — Greiffenstein — Hirschberg — Warm brunn — der Kynast — das Prellersche Vitriolwerk — der Zackenfall — der Kuchelfall — die neue Baude — die Bauden am Riesengebirge — die Schneegründe —
3
Inhalt. das große Rad — Ursprung der Elbe — Schreibers hau — Stondorf — Seydorf — St. Annenkirche — Steinseifen — Kahls Modell vom Rresengeblrge — Buchwald — Schmiedeberg — Landshut - Kloster Grlffau — Aderübach - Waldenburg—Fürstensteln — Schweldmtz — Jobtenberg Breslau. 44
Vierter
Brief.
Breslau —- Garve - allgemeine Ansicht — Modell vom Rresengeblrge — Bctteley — Domslau — Iordansmühle — Nrmpsch — Straßen durch das Rresengebirge — Größe und Bevölkerung von Schlesien — Pro dukte —- Menschen — Unruhen im Riesengebirge — Frankenstein — Stadt und Festung Silberberg — Glatz — Stadt — Festung — Land — noch etwas über das Rresengebirge Lewien — Nachod — Schloß — Iaromirz — Festung Pleß oder Iosephsstadt — Königinngratz — Chlumetz — Schloß des Gra fen von Kinsky — Kolin — Prag. 69
Fun fter
Brief.
Prag — Allgemeine Ansicht — Pallaste - Kirchen — der Dom — erne Böhmische Predigt — Temkrrche Tycho Brahe — Iacobskirche — Sternwarte — Uni versitätsbibliothek - ein Zauberbuch — Buchladen — Zeitgeist - Geschmack — Geister- und Wundergeschichten - Reisebeschwerden des Paffes wegen — der Lobkowitzische Garten — Groß - und Klein - Venedig — Sammlung des Grafen von Hartig — der Kaiserliche Pallast — das große Schauspielhaus — Böhmisch Brot — Deutsch - Brot — Aussicht auf die ganze Kette des Rresengebirgeö — Weinland m Mahren und Oester reich —- Wein/ese — Weinkeller auf dem Felde — Jnaym — Aussicht auf die Styrischen Gebirge - an dere Berggruppen —Annäherung von Wien —der Kah lenberg — Städte in Böhmen — Landstraße. 91
Sechster
Brief.
Schwierigkeit in Wien unterzukommen — Privatwoh nungen für Fremde — Dornbach — Belvedere —
Inhalt. Schönbrunn — Bastion hinter der Kaiserlichen Burg— der Augarten — der Prater — neue und große ®er Haude, die seit einigen Jahren entstanden find — Ver änderung aufdem Stephanöplatze — dre Mrllersche Kunst sammlung - das Kaiserliche Naturalicncabrnet. in
Siebenter
Brief.
Porcellaufabrike — Jahrmarkt — über Oesterrerchische Waaren - Fabriken — das Universitatsgebaude — großer Saal — physischer Hörsaal — anatomischer Hörsaal — Sternwarte Universitätsbibliothek Naruraliensammlung — Theresianum — Capucinerkloster — Schule der Wundarzte — Stiftung für Taub stumme. 127
Achter
Brief.
Ueber die ^kunst zu Wiek — Kunstsammlungen — die Lichtensternische — die des Grafen von Truchses — All gemeine Bemerkungen über Italiänische Gemählde außerhalb Italien — Sammlung auf dem Schönbornschen Gartenhause — auf dem Gartenhause des Fürsten von Kaumtz - die Sammlung des Grafen von Fries — des Grafen von Lamberg — eben desselben Griechische (Etrurische) Vasen — van der Nullsche Sammlung — Birkenstocksche — Harrachsche — Herzog Albertsche. 145
Neunter
Brief.
Kunst und Künstler — Klagen — wie weit diese gerecht sind, oder nicht — die Akademie — dre Bildhauer Zauner und Fischer — Statue Josephs II. — Fischers anatomische Resultate. 16a
Zehnter
Brief.
Bevölkerung von Wien — Sterblichkeit — Einige Data über die Oesterreichischen Staaten — Verlust und Ge winn durch den Französischen Krieg und den Frieden von Campo Formrdo - Galizien — Polrzey - gehei me Polizey — gemeine Stadtpolizey — Ordnung und Sicherheit —schnelles Fahren — Beleuchtung — Rei nigung der Gassen — Preis der ersten Nothwendigker-
Inhalt. ten des Lebens — künstliche Brennziegel — öffentliche An stalten und Stiftungen — Hospitäler und Krankenhäu ser — Feueranstalten — Eckartshausens Andachtsbuch. 166
Elfter
Brief.
Wiener Censur — Anzeiger der verbothenen Bücher — Geschichte der Censur unter Joseph II. — Zustand der selben unter der gegenwärtigen Regierung — ihr jetzi ger Zustand — wie man sich Bücher verschafft Eng lische Bücher — Leihbibliotheken — Zeitungen — ge schriebene — Griechische-Hoffmanns Predigerkritik — Wirkung der Censur auf dre Gerstesproducte des Lan des — über Preßfreyheit — Unterschied im literari schen Geschmacke der Norddeutschen und Oesterreichi schen Völker—wenig Verbindung zwischen Süddeutsch land und Ncrddeutschland in Rücksicht auf den Bücher markt — Wien nur halb eine Deutsche Stadt - 197
Zwölfter
Brief.
Reformen Josephs II. — vieles war schon unter Maria Theresia gethan worden — Fasten — Kirchengebräu che — der Schwatzcommiffarius — wächserne Abbil dungen in den Kirchen — Crucifixe, Marien - und Heiligenbilder — Rosenkränze — Klöster- und Kirchen schätze eingezogen — Josephs letzte Tage — Josephs Nachfolger — Leopold II. — Geist der gegenwärtigen Regierung — die Theologie kann wieder in einigen Klö stern studiert werden — Wiens Gaffen werden nicht mehr von öffentlichen Verbrechern gereiniget — Sim plicität der regierenden Familie — Franz II. — reli giöse Duldung -r keine Einschränkungen in Rücksicht auf Geburt 222
Dreyzehnter Brief. Das Carneval, oder Fasching — worin seine hauptsäch lichsten Freuden bestehen — Bälle — Maskeraden, oder die Redoute — das Carneval unter den niedern Stän den—öffentliche Tanzsäle — die Mehlgrube — die neue Welt — Kaffeehäuser — Schlittenfahrten - 254
Inhalt.
Vierzehnter
Brief.
Das Theater — fünf Bühnen — Burgtheater — Thea ter in der Karnthergaffe — die Schauspieler und Schauspleterinnen - das Trauerspiel zu Wien — Herr von Äoflcbue, Theatersecretar — neue Theaterregierung — Deutsche Oper — Italiänische — Ballet — dre Thea ter in den Vorstädten — das auf der Wieden — in der Leopoldsstadt - in der Iosephsstadt — das Wiener Pu blicum in Rückfichtauf die Bühne — Me. Unzelmann — dre Hetze — Concerte — Haydns Schöpfung — Hän dels Messias 273
Fünfzehnter Brief. Die Russische Armee zu Schönbrunn — Coffaken — Calmücken — die Europäisch gekleideten Regimenter — Krankenwagen — der große Eisgang zu Wien — Be merkungen über Wetter und Clima — Grade der Kälte — Spätes Frühjahr in und um Wien^ 293
Sechzehnter Brief. Wien ein ganz vorzüglicher Ort für Fremde — was ein Fremder, der hier angenehm leben will, braucht — Syeisehäuser — Tables d’Höte — nothwendiger Auf wand / den die Gesellschaft mit sich bringt — Bestim mung einer Summe — die Gesellschaft in ihren ver schiedenen Ständen, Classen und Abstufungen — wer sind die Wiener? — Kleidung — Spiel — Verzierung des Innern der Häuser — Tafel — Juweliers in gro ßen Häusern — Unterscheidungslinie —kein greller Ab stich — erster und zweyter Adel - Herren von — über Kartenspiel überhaupt — besondere Abendgesellschaf ten bey dem Grafen von Fries — über Empfang, den Fremde finden 315
Siebzehnter Brief. Ueber das weibliche Geschlecht zu Wien insbesondere — ihre Schönheit — Kleidung — Sittlichkeit — scurrilische Schriften über Wien und Ausfälle aller Art —über die Aergerchronik —Umgang der beyden Geschlechter — über große Städte überhaupt — find wir bester, oder
schlimmer, als unsere Vorfahren? — übertrieberre An gaben und mancherley Geschichten, die über Wien er zählt worden find — Vieles wird als Sitte eines Ortes angegeben, was bloß seltene Ausnahme ist 355
Achtzehnter Brief. Wien ist eine reiche Stadt und muß als solche beurtheilt werden — der Lurus am gehörigen Orte hat auch fernen Nutzen — Unterschied desselben zu Wien und in England — die Familie eines großen Hauses — die Therhüther — die Hausmeister — hat der Luxus in Wien abgenommen? — der WechselcurS —Ducaten und ihr Werth — Sechsund Zwölfkreuzer — Luxus der Ta fel — Fresserey — Vergleichung nut einigen andern Or ten — jährliche Consumtion — der Wiener ist kein Tnnker — Anmerkung über den allgemeinen Charakter ganzer Völker 370
Neunzehnter Brief. Wiener Sprache — Diminutiven in l man schreibt sehr unrichtig - Französisch — Italiänisch — Englisch — das Theater keine Schule für dre Sprache — das große Wiener Publicum in Rücksicht auf Politik — der Erz wiener — Reise nach Laxenburg — Vöölau — Schönau — Baaden — Herligenkreuz — Rückweg nach Wren 395
Reise durch
Deutschland,
Dänemark,
Schweden,
Norwegen und einen Theil von Italien,
in
den Jahren 1797. 1798* und 1799.
Dritter
Küttners R. 3« Th.
Theil.
I
Erster Brief. Ueberfahrt von Astadt nach Stralsund — die Inseln Rügen und Hiddensee — Stralsund — Bevölkerung von Schwe disch - Pommern — Schwedisch - Pommern überhaupt — Greifswald — Anklam — Uckermünde — Stettin — eine
Geschichte für Reisende — Pyritz — Soktin — Neudamm —
Cüstnn — Frankfurt an der Oder — Aibichen — Eroffen — Naumburg am Bober — Sagan — Bunzlau — Lauban und die Gegend umher.
Stralsund den 8. Sept. 1798.
Ä?ir gingen gestern Abends um sechs Uhr unter Se
gel, und landeten heute Nachmittags um ein Uhr; also achtzehn Meilen in neunzehn Stunden; wenigstens wird diese Ueberfahrt achtzehn deutsche Meilen gerechnet.
Stunden brachten wir
im Angesichte
des
Landes
Acht zu,
denn die Insel Rügen war schon mit Tages Anbruche zu sehen; allem sie wurde bald durch eine andere, Hid
densee, verdeckt, so wie wir uns der Mündung der
Oder allmählich näherten.
Nachdem wir etliche Stun
den an dieser hingefahren waren,
wieder näher,
entgegen
liegenden
kamen wir Rügen
zwischen dieser Insel und
und
Seite
der ihr
von Schwedisch - Pommern
mußten wir die übrige Zeit laviren. —
Da, wo Rü
gen dem festen Lande am nächsten ist, beträgt die Breite des Wassers eine halbe Meile.
Angenehm ist es,
daß man auf allen diesen nördli
chen Gewässern, nähmlich den Bellen, und dem Sunde,
Erster Brief.
4
zu Vstadt und zu Stralsund seinen Fuß aus dem Fahr zeuge gerade auf das feste Land setzt,
während daß an
in Großbritannien
den allermehresten Ueberfahrtsorten
das Ein- und Ausschiffen unter die Hauptbeschwerden
der Seefahrt gerechnet werden kann.
Man wird in
einem offenen Boote oft naß und elendiglich umherge worfen.
Aber Sie erinnern sich, daß die Ostsee keine
Ebbe und Fluth hat, und daß hier die Meereshöhe, mit wenigen Ausnahmen,
einmahl so ziemlich wie das
andere ist, so daß man die Landungsplätze darnach ein
richten kann; während daß die Packetboote an den Eng
lischen Küsten mehrentheilö weit vom Lande liegen blei
ben, besonders wenn sie zur Zeit der Ebbe ankommen. Gehen sie aber wieder ab,
so laufen sie ebenfalls vor
läufig ein Stück in das Meer hinaus, um ihrer Ab
fahrt auf alle Fälle gewiß zu seyn.
Um sie also zu er
reichen, muß man sich eines Bootes bedienen, das offen
und Winde und Wetter ausgesetzt ist.
Was soll ich Ihnen von Stralsund sagen? Und etwas muß ich doch von einer Stadt sagen,
der man
gemeiniglich 12 bis 13,000 Einwohner gibt,
die die Hauptstadt von Schwedisch - Pommern genannt wird,
und einen Handel trerbt, der nicht zu verachten ist. Zch habe die Gassen in verschiedenen Richtungen durch wandert, bin auf den Wällen umhergegangen und habe mich umgesehen, so weit als mir es die Schildwachen
erlaubten,
die für des Commendanten Gras wachten;
habe den hauptsächlichsten Punct der Festung untersucht
und bin in allen Theilen gen. —
des Hafens spazieren gegan
Vor zwanzig Zähren hatte ich einen Bogen
über das Gesehene geschrieben. —
Von
der Seeseite
her zeigt sich diese Stadt wirklich sehr hübsch, und hat mehrere ansehnliche und — wenn Sie wollen, ein paar
schöne Kirchen.
In den Gaffen,
die nicht eben auf
das reinlichste gehalten werden, findet man eine Menge
guter Häuser, worunter sich das des Gouverneurs ganz
Im Hafen sahe ich weit mehr als ich zeityer in Hafen (in Schweden und
vorzüglich auszeichnet.
Schiffe,
zu sehen gewohnt gewesen bin,
Dänemark nähmlich) wenn
ich
Stockholm,
Kopenhagen
und
Gothenburg
ausnehme.
Hier ist, laßt mir so eben der Wirth sagen, unser „Schwedisch - Pommersch - Rügianischer Staats; Calender
auf das Zahr der Christen 1798 rc. von Andr. Hut
ten, Königl. Prof, der Mathematik und Astronomie zu Greifswald." —
Dieß Merkchen ist ein kleiner Quar
tant; und, da ein königlicher Professor seinen Nahmen
dazu hergibt, so sollten die Angaben, finden, wohl so ziemlich zuverlässig seyn.
die sich darin Der Verfas
ser setzt die ganze Bevölkerung von Schwedisch-Pom mern
im Z. 1796
auf
109,066
Seelen,
nähmlich
30,770 in den Pommerschen Städten, 1437 in Ber gen, 951 in Garz, 52,035 auf dem Lande in Pom mern, 21,244 auf dem Lande in Rügen, und 2579 Männer, Weiber und Kinder der Soldaten in der Gar
nison,
wodurch vermuthlich die Garnison von Stral
sund gemeint ist,
denn
erklärt hat sich der Verfasser
da man doch denken möchte, außerhalb Stralsund Soldaten seyn sollten. weiter nicht,
daß auch Die Be
völkerung dieser letztem Stadt setzt er, ohne die Garni son, blos mit 10,907 Seelen an;
die von Greifswald
mit 5463, Wolgast mit 3496 und Barth mit 3145.
Stralsund ist, wie Sie wissen, zu allen Zeiten eine
Festung gewesen.
Unter der letzten Regierung ist viel
an ihrer Verbesserung und Erneuerung gearbeitet wor den, besonders an der Wasserseite, so daß man sie jetzt für einen sehr festen Ort hält. — von Festungen,
(worunter die
Zch verstehe nur wenig
so viel ich ihrer auch allermehrcsten
gesehen habe;
von Vauban
gehören;)
aber mich dünkt, das; ich von der Landseite nichts gest-
Erster
6 hen habe,
Brief.
das ich nicht an vielen andern Festungen
besser gefunden hätte, so daß ich, bey einer Belagerung
im neuern Style,
würde. —
so gar viel diesem Orte nicht trauen
Das Rathhaus von Stralsund ist ein
sonderbares, schönes gothisches Gebäude, in einem ganz eigenen, sehr ungewöhnlichen Style. —
Wir wohnen
im goldenen Löwen, einem ziemlich guten Wirthshause. Anklam, den 9. Sept.
Schwedisch-Pommern ist im Ganzen ein besseres Land,
als man zu sehen erwarten sollte,
wenn man
bedenkt, daß entfernte und durch ein Meer getrennte Besitzungen gewöhnlich nicht auf die sanfteste Art ge handhabt werden.
Aus solchen Provinzen geht immer
ein Theil des baren Geldes in die Hauptstadt,
aus der
es nie wieder zurückfließt, weil es sich — zwar über
das übrige Land, aber selten über die entlegene, vom Meere getrennte Provinz verbreitet. Auch ist der Bo
den von Schwedisch-Pommern nicht ganz schlecht, und bey weitem nicht so sandig, als einige andere Provin zen, die in diesem Himmelsstriche liegen.
Die Dörfer
schienen mir recht gut zu seyn, und mochten denn frey
lich wohl auch dadurch gewinnen, daß
ich zeither an
die Schwedischen gewöhnt war. Wir kamen heute Vormittags nach Greifswald,
einer recht artigen, freundlich aussehenden Stadt.
Die
Kirchen, das vorzüglichste Universitätsgebäude und eine Menge Privathauser sind ansehnlich, und das Ganze hat ein gefälliges Aeußeres. — Die Universität scheint den unbedeutendsten Theil der Stadt auszumachen; auch höre
ich, daß die Zahl der Studenten merklich unter hundert seyn soll. Indessen scheint die Regierung sie nicht ganz zu vernachlässigen, und ich fand unter andern eine nicht
unansehnliche Sternwarte, recht gut in die Augen fällt.
deren Aeußeres wenigstens
Die Schiffe kommen bis an die Stadt,
und zwi
schen dieser und dem eigentlichen Hafen, der nicht weit davon ist, sah ich ihrer eine ziemliche Anzahl von verschie
dener Größe. —
Dicht dabey ist ein Salz werk, das
beträchtlich seyn soll.
Die Gradirhäuser indessen sind
nur klein.
Wir erreichten noch denselben Abend Anklam, die erste Preußische Stadt, dicht an der Grenze.
man
Hier findet
ein beträchtliches Gewerbe und große Thätigkeit.
Ich sahe hier mehr Schiffe, als ich in irgend einem Har fen der Schwedischen Mittelstädte gefunden habe,
und
das Ganze hat ein weit freundlicheres Ansehen, als so manche andere der kleinern Städte,
ßischen Staaten kenne.
die ich in den Preu
Zn der That gehört sie, nach
Stettin, unter die vorzüglichsten in Preußisch - Pommern. Zch sahe manches sehr gute Haus, und Menschen,
Sonntagskleidung sehr anständig war. —
deren
Wir über
nachteten im Kronprinzen, einem recht guten Hause. Stettin, den n. Sept.
Kaum waren wir gestern ein paar Meilen gefahren,
als der zunehmende Sand uns erinnerte, wo wir waren und wohin wir gehen. Indessen ist doch dieser Theil von Pommern besser, als der Theil von Brandenburg, den man zwischen Berlin und Wittenberg, zwischen Berlin und Dresden, (oder auch zwischen Pommern und Schle
sien, über Frankfurt an der Oder,)
durchackert.
Man
bleibt auf dieser Straße immer in der Nähe des Meeres,
und nahmentlich des frischen Haffs, bekommt es aber nur selten zu sehen.
Am meisten sahe ich davon, als wir
ungefähr auf der nähmlichen Linie mit U s e d o m waren, einer Stadt, die auf der andern Seite des ftischen Haffs liegt. Zu Mittage kamen wir nach Uckermünde, abermahls ein anständiges, nicht schlechtes Städtchen, das
Erster
8
Brief.
feinen Hafen und seine Schiffahrt hat. —
Zm Engli
schen Hause, wo wir während des Pferdewechsels ab traten,
fand ich Alles so reinlich und freundlich,
ich mein Vergnügen darüber ausdrückte. ich auch das ganze Haus sehen,
wo
daß
Dafür mußte ich
sehr gute
Schlafzimmer fand. Wir kamen dann durch viele Waldung, größtentheils
Nadelholz, und über vielen Sand, nach Falkcnwal-
de, einem Dorfe, wo wir freylich nicht zum Besten waren, wo wir aber doch lieber bleiben wollten, als in der Nacht nach Stettin gehen. —
Heute früh hatten
wir nur noch zwey Meilen zu machen, auf denen es ebenfalls nicht an Sande fehlte. Stettin ist eine sehr hübsche und — was man
in diesem Lande so selten findet — lebhafte Stadt.
hat eine Menge guter,
ziemlich breiter Gaffen,
Sie sehe
viele recht hübsche Hauser, und einige, die man in vielen Städten Pallaste nennen würde. Die Oder gehet durch die Stadt, und ist zugleich der Hafen.
Dieser
ist, so wie der zu Magdeburg, mahlerisch schön.'
Ich
sah eine Menge Schiffe, und zwar Seeschiffe, während
daß Magdeburg bloß ein Hafen für die Elbfahrt ist; Stettin hingegen hat, so wie Hamburg, beydes, die Fluß- und Seefahrt.
Die Oder hat hier eine beträcht
liche Tiefe, so daß ungefähr alle die Schiffe, für die
der Hafen von Stralsund nicht zu seicht ist, hier herauf kommen können.
viel nicht sagen,
auch bis
Freylich will das so gar
denn das Meer vor Stralsund
viele Meilen weit äußerst seicht,
ist
so daß ich mehrere
Stunden, ehe wir noch landeten, den Boden sehen konnte. (Dieß ist eine der Ursachen, warum unsere Schwedi
sche Postjacht so gebaut war, wie ich sie Ihnen be
schrieben habe.)
Die Schiffe müssen sich also genau
in dem Fahrwasser halten,
welches zum Theil durch
Tonnen, noch häufiger durch Neisser, oder kleine ver dorrte Bäume, auf beyden Seiten bezeichnet ist. —
Auch vor Vstadt ist
das Meer
seicht;
Postjacht, ob sie schon nichts anders thut,
und die
als daß sie
aus dem nähmlichen Meere hin und Herfahrt, jedes Mahl auf beyden Seiten Lootsen ein.
nimmt
An manchen
Orten war das Fahrwasser auf der deutschen Seite belweitem nicht hundert Schuhe breit.
Die Gegend um Settin ist sehr angenehm,
und die hohen Ufer, welche die Oder auf der einen Seite hat, gewähren hübsche Aussichten.
Wir machten,
nicht ohne Genuß, einen Spaziergang auf ein nahe ge legenes Fort, das, nebst einigen andern Werken,
Stadt bedeckt.
die
Der Fluß ist bald breiter, bald schma
ler und hat, über und unter der Stadt, mehrere In seln,
die sich angenehm bilden und das Liebliche der
Aussicht vermehren.
Kurz, Stettin und seine Gegend
umher, sein Handel, sein Wohlstand, seine Heiterkeit und Lebhaftigkeit machen ein Ganzes, das wohl ver
dient, daß ein Reisender hier länger weilt,
als unser
Plan es zuläßt. Schön ist der Platz, mit den daran stoßenden Spaziergängen, auf welchem die Statue Friedrichs II. zu Fuße, in moderner Uniform steht.
Die Arbeit ist
recht gut, (ich glaube von Schadow;) auch hat der Künstler die Steifheit der Kleidung durch einen rück
wärts geworfenen Mantel gebrochen.
Als ich bey
der hiesigen Zacobuskirche vor
beyging und sie offen fand, machte ich einen Gang durch dieselbe, und sahe ein großes, sehr hübsches Gebäude, in einem Style, wie man jetzt schwerlich mehr Kirchen bauen
wird.
Ucberhaupt scheinen die Protestantischen Völker in
diesem Puncte sehr haushälterisch zu werden! Vor nicht gar vielen Zähren schlug das Wetter in eine der hiesigen
Kirchen und sie brannte ab.
Anstatt die Mauern auszu-
io
Erster
Brief.
bessern und das Gebäude wieder herzustellen, trug man es
rein ab.
Zu läugncn ist es freylich wohl nicht,
daß eine
große Menge der ältern Städte mehr Kirchen haben, als
die Einwohner je bedurften, auch angenommen, daß, bei der nähmlichen Bevölkerung, rere waren, als jetzt. —
der Kirchengeher sonst meh
Wer das Costume der hiesi
gen Geistlichkeit durch mehr als ein Jahrhundert hindurch zu sehen wünscht, der findet in dieser Jacobskirche eine
doppelte Reihe von Portraits in Lebensgröße. völkerung von Stettin mit den Vorstädten Gebäuden,
die zur Stadt gehören,
Menschen gesetzt.
Die Be
und andern
wird auf 22,000
Darunter ist aber das Militär, wel
ches gegen 5000 Personen ausmacht, mit begriffen. Folgende
Geschichte will ich — nicht gerade zur
Warnung geben — denn ich sehe nicht wohl ein, wie ich
die Sache ganz vermeiden konnte — wohl aber mag sie dem reisenden Leser ein Bewegungsgrund seyn, seine Vor sichtsmaßregeln zu nehmen.
Da in Schweden keine Münze zu haben ist, so
wird natürlich jeder Fremde sich selbst die Frage aufwer
fen , womit er seine Rückreise fortzusetzen habe? Ich ver
langte von unserm Stockholmer Banquier einen Wechsel auf Stralsund;
allein diesen konnte er so wenig geben,
als Gold oder Silber.
Stralsund, hieß es, schickt zwar
sehr viele Güter nach Schweden, empfängt aber sehr we nig aus diesem Lande zurück.
Wir haben also wohl da
hin zu bezahlen^ aber nichts von daher zu empfangen. (Etwas Trägheit mochte freylich dabey seyn, denn zwi schen Stockholm und Stralsund müssen doch Wechselge
schäfte aller Art gemacht werden.)
Wechsel auf Hamburg. die Schwierigkeit,
Er gab uns einen
Nun kannte ich zwar sehr, wohl
Papier an Orten zu verkaufen,
man nicht weiter bekannt ist; dere Wahl und nahm
wo
allein ich hatte keine an
sechzig Pfund Sterling auf ein
sehr bekanntes Haus in Hamburg , nebst einem Empfch-
^ungsbriefe nach Stralsund.
Hier setzte ich das Schwe
und
dische Papier um, das ich noch hatte,
dieser Gelegenheit,
fand bey
man auch in dieser Stadt kei
daß
nen großen Vorrath von barem Gelde besaß, und we nig Lust bezeigte, meinen Hamburger Wechsel zu kaufen. Ein Stetttner Kaufmann,
den ich in Schweden hatte
kennen lernen, versicherte mich, daß ich ihn zu Stettin leicht umsehen könnte, und gab mir noch überdieß einen
Brief an sein Haus.
glaubte nun, vollkommen
Zch
geborgen zu seyn,, wurde von dem Gesellschafter meines
Bekannten höflich empfangen,
aber den Wechsel konnte
er selbst eben so wenig gebrauchen, als Mittel finden,
ihn umzusetzen. —
auf diese Art kein Geld
Da ich
erheben konnte, zeigte ich ihm sogenannte Circulating Notes von einem der ersten Hauser in London, mit den dazu gehörigen
Legitimationen,
die Handschrift desjenigen steht,
worauf denn auch
sie ausgefer-
für den
tiget wurden, so daß man diese auf der Stelle verglei chen kann.
sagte,
Der Mann
diese wären recht gut,
wenn man nur gerade wüßte,
wer sie brauchen könnte.
Zch
sie ja nur nach
erwiederte:
schicken,
Man dürfte
und zeigte
Haus ***
Berlin
ihm auf der Liste der Orte das
„O, da das so ist, so sind
Berlin. —
Sie auf einmahl geborgen;
diese Handlung hat auch
hier ein Haus (vermuthlich eine Commandite) und an
dieses
wurde ich denn
Geld
für eine fünf und zwanzig Pfund-Note.
Das
Circularschreiben wurde gelesen und wieder gelesen.
Frey
geschickt.
Zch
verlangte
bloß
lich war alle mögliche Wahrscheinlichkeit da, daß die in Kupfer gestochenen und
versehenen Wechsel,
mit Hammerley's
sowohl
mit der Handschrift des
als
das
Empfängers,
Handschrift
Circularschreiben die man denn
gegen eine neue auf der Stelle vergleichen konnte, nicht falsch waren; auch mochte der Mann den Wechsel wohl
gebrauchen können, denn er schien Lust dazu zu haben;
Erster
ir
Brief.
allein Kaufleute gehen sicher, und so hieß eS: „Wir dür fen keine Geschäfte machen, als die, auf welche wir an gewiesen sind, und wir haben die Firma dieses Hauses
nur unter der Bedingung." —
Ich verlor kein zweytes
Wort; allein anstatt über Cüstrin und Frankfurt nach Schlesien zu gehen, nöthigte uns dieser Vorfall, unsern Weg über Berlin zu nehmen, welches gar nicht in un
Schon hatte ich für die Berliner
serm Plane war.
Straße die Pferde bestellt, als mein Stettiner Bekannter noch Abends ankam,
den Hamburger Wechsel mir ab
nahm, bedauerte was geschehen war, und mit Höflichkeit seinen Gesellschafter entschuldigte, der, wie er sagte, Be denklichkeiten hatte, weil er den Aussteller in Stockholm
nicht kannte. Das Hotel de Prusse zu Stettin ist ein recht gutes Haus.
Man sagt mir, auch im Englischen Hause
sey man nicht übel. Bunzlau, auch Alt-Bunzlau, den 16. Sept.
in Schlesien,
Wir verließen Stettin den zwölften und gingen über
Pyritz (fünf Meilen) nach Soktin, (drey Meilen) wo wir bey guter Zeit ankamen.
Bis hierher ging Alles
sehr erträglich, und unsere Reise durch Pommern dünkte
uns nichts weniger, als langweilig, oder unangenehm. Zwar fanden wir weder das Land, noch die Städte so gut,
wie zwischen Stettin und dem Meere;
aber wir
kamen durch keine unfreundlichen Gegenden, die Straßen waren erträglich, die Postknechte förderten.
Allein von
Soktin aus bis hierher habe ich im vollen Maße gefühlt,
daß wir wieder in den ächten langsamen Strichen von Deutschland sind, in Rücksicht der elenden Straßen so wohl als des ewigen Aufenthalts, den man bey jedem Pfcrdewechsel findet. Gewöhnlich waren wir fünfzehn bis sechzehn Stunden auf der Straße, um sechs Meilen
zu machen, und auf dem Wege von Soktin nach Frank furt, welcher acht Meilen beträgt, brachten wir neunzehn
Stunden zu.
In Schweden machten wir oft sechs deut
sche Meilen in weniger als fünf Stunden, den Aufent halt des Pferdewechselns mit eingerechnet. Soktin liegt an einem kleinen See,
deutend.
der das Ein
Die Stadt ist unbe
förmige ferner Lage etwas bricht.
Wir fanden auf der Post erträgliche Zimmer
und eine ziemlich gute Dewirthung.
Von Soktin bis Neu dämm sind drey Meilen, und zwey nach C ü st r i n. Die Lage dieser Festung ist merkwürdig und hat etwas Ungewöhnliches.
Das flache Bett der Oder und die niedrige Gegend umher machen,
daß dieser Fluß sich hier sehr ausbreitet und die Gestalt eines kleinen Sees annimmt,
schwimmen scheint.
in welchem Cüstrin zu
Wir wurden lange mit der Ueber-
fahrt aufgehalten und noch länger mit dem Pferdewechsel;
indessen hofften wir doch um neun Uhr in Frankfurt ein weil ich mir die Straßen um diese Handels
zutreffen,
stadt herum nicht ganz schlecht denken konnte, und weil ich meinte, daß sich die drey Meilen wohl in fünf Stun
den würden zurücklegen lassen:
wobey ich meinen Maß
stab nach den drey vorhergehenden Tagen nahm,
aber etwas zugab,
doch
denn zwischen Stralsund und Neu
damm brauchten wir zu drey Meilen selten viel mehr, als wohl aber gelegentlich weniger. Wir
vier Stunden,
brachten neun Stunden damit zu,
Uhr in der Nacht an.
und kamen um ein
Zch weiß nicht, ob ich irgendwo
einen tiefern Sandboden,
als südlich und nördlich von
Frankfurt auf einer Strecke von vielen Meilen gesehen habe. Ist Zhr Wagen schwer, so arbeiten sich die Räder
einen Fuß tief in den Sand,
die Pferde gehen einen
langsamen Schritt, und müssen alle zehn Minuten von
der schweren Arbeit ausruhen und Athem schöpfen.
An
ganz kleinen Anhöhen erwartete ich, daß die Pferde den
Erster Brief.
14
Wagen nicht würden hinauf ziehen können.
( Wir haben
auf dieser Reise ein paarmahl acht Pferde über Berge
gehabt, über die man leichter fahren könnte, als über die kleinen Anhöhen dieser Sandwüste.) Frankfurt an der Oder,
obschon in Rücksicht
auf ihren Handel und ihre Messen eine merkwürdige und
hat nur wenig Anziehendes für den Rei
wichtige Stadt,
senden, sucht,
der keine Bekanntschaft unter den Einwohnern
unter denen sich manche interessante Menschen fin
den sollen.
Wir gingen in den Gassen umher,
und freu
ten uns der vielen großen und ansehnltchen Hauser und
der Aussicht von der Brücke auf den Fluß.
Unserm Kleist
zu Ehren, der in meinen Augen noch immer einer unserer
vorzüglichsten Dichter ist,
besuchte ich das einfache Denk
mahl, das ihm die Freymaurer auf dem Gottesacker ha
ben sehen lassen;
und mit dem nähmlichen Gefühle sah
ich den Ort, wo der edle Prinz von Braunschweig retten wollte und ertrank.
Die Stelle ist durch ein hübsches
Denkmahl von,weißem Marmor bezeichnet.
uns nachher in eine Kirche, verewigen soll. die Menschen,
Man führte
wo ein Gemählde diese That
Es ist von Rode,
welcher vergaß,
die er da aufgestellt hat,
daß
darum, daß es
gemeine Leute sind, nicht eben plump und grob gezeichnet
werden mußten, und daß die Figur des Prinzen keinesweges dieses Contrastes bedurfte.
Ohne den Leichnam
des Letztem würde es einer Bauerscene aus der Nieder ländischen Schule gleichen.
sein graugrünes,
Uebrigens dünkt mich,
daß
unangenehmes Colorit in diesem Ge
mählde noch widerlicher auffällt,
als in vielen andern,
die ich von diesem Künstler gesehen habe.
Da hier eine
Universität ist, dachte ich, ich müßte doch die öffentlichem
Hör- und Ceremoniensale besehen.
Zch ließ mir sie auf
schließen: eine Mühe, die ich mir hätte ersparen können.
Nachdem wir ein paar Stunden in Frankfurt um hergewandert waren,
gingen wir abermahls durch eine
schreckliche Sandwüste und erreichten nach sieben oder acht Stunden das drey
Meilen entlegene Zibichen,
ein
armseliges Dorf, mit einem armseligen Hause des Post
halters.
Dann machten wir noch drey andere Meilen
bis Crossen, wo wir erst in der Nacht ankamen, der acht Pferde ungeachtet, die man uns vorspannte, ohne
jedoch die Bezahlung für so viele zu verlangen.
Zn einer Menge Gegenden der Preußischen Staa
ten sind es die Pferde der Bürger, oder der Bauern, die die Extrapösten fahren. Der Postmeister, oder Posthat
ter hat weiter nichts damit zu thun, als daß er sie bestellt und von jedem ein Gewisses bekommt. Braucht man
nun z. E. sechs Pferde, beordert,
so werden zwey Bauern dazu
deren vielleicht jedek viere hat;
diese werden
dann mit einander emig, ihren ganzen Zug anzuspannen; der Reisende bekommt acht Pferde und bezahlt für sechs. Dieses geschiehet besonders auch, wenn er mit einer un
gleichen Zahl ankommt, als drey oder fünf.
Man gibt
ihm dann häufig vier, sechs / und auch achte.
Von Crossen gingen wir den izten nach Naum burg am Bober, noch immer durch vielen Sand, der den Reisenden, auf dieser Seite, weit nach Schle sien hinein verfolgt.
Aber das Land wird allmählich bes
ser, die Dörfer ansehnlicher,
die Bevölkerung größer;
und kurz, mich dünkt, ich bemerkte an mancherley Din gen, daß ich nicht mehr in der Mark war.
Naumburg, ein unbedeutendes Städtchen, hat, an einer kleinen Anhöhe, eine angenehme Lage.
Noch
angenehmer und freundlicher zeigt sich in der Tiefe Chri
stianstadt, getrennt wird,
welches von jenem bloß durch den Bober der hier die Grenze zwischen Schlesien
und der Niederlausitz macht.
Einige Meilen von Naumburg liegt Grünberg, das, wie Sie wissen, durch seine Weinberge berühmt ist. Ich hoffe, daß es bessere Weine erzeugt,
als der, den
i6
Erster
Brief.
man uns hier unter diesem Nahmen vorsetzte.
Der war
nicht zu trinken. Wer durch die Einöden zwischen Cüstrin und Zibichen gereist ist, sollte von Naumburg aus ein Stück We
ges zu Fuße machen.
Eine größere Fruchtbarkeit, ein
etwas besserer Anbau, als was ich zeither gesehen hatte;
die ich auf der
vieles Laubholz und die grünen Wiesen,
andern Seite des Bobers in der Lausitz entdeckte, gaben
mir einen Genuß, der gewiß von der relativen Art war; denn am Ende hatte ich das, was ich hier fand,
an tau
send Orten gesehen und werde es wieder sehen. Auch die sechs Meilen dieses Tages brachten uns
erst in der Nacht nach Sagan, einer ziemlich artigen
Stadt, die, so wie die ganze Herrschaft,
oder, wenn
es so besser klingt, das Fürstenthum, dem Herzoge von
Curland (er ist seitdem gestorben) gehört, der, unter der Landeshoheit des Königes, gewisse Rechte übt, die hauptsächlich die Polizei) betreffen.
Im weißen Löwen,
einem ziemlich guten Wirthshause, fand ich eine her zogliche Verordnung, die den Preis der mehresten Dinge
bestimmt: und obschon die Wirthe sich darin zu helfen wissen, so war doch die Rechnung für unser Essen,
Nachtlager und Frühstück nicht mehr als 2 Rthlr. 10 gr. die wohlfeilste, die wir auf dieser ganzen Reise gehabt
hatten, (und auch in der Folge bekommen haben.) ' Und doch war die Bewirthung besser,
als an vielen andern
Orten, wo weit mehr gefordert wurde.
Wir besahen den folgenden Morgen die Stadt und
einige Kirchen, worunter ein paar sehr ansehnlich und reich verziert sind.
Wir
wünschten,
das herzogliche
Schloß zu sehen, und fanden ein großes,
Gebäude,
stattliches
in dessen Hofe wir einige Zeit umhergingen,
ehe wir ein menschliches Wesen ausfindig machen konnten. Daß die Familie nicht hier war,
wußte ich vorher.
Endlich fand sich jemand, um uns zu sagen, daß er
durchaus nicht erlaubt ist, das Schloß zu sehen.
Wir
gingen denn durch den Hof und durch ein anderes Thor hinaus, ward.
wo ich von der Höhe einen Garten gewahr Während daß wir noch da standen,
auf den Garten
herabsahen,
und theils
theils die Aussicht über
haupt betrachteten, folgte uns der Mann aus dem Schlosse, nicht etwan, um uns in den Garten zu begleiten,
son
dern uns zu sagen, daß auch in diesen der Eintritt durch aus verbothen ist.
Von hier nach Bunzlau sind auf dem geraden Wege sechs Meilen.
Allein außerdem,
daß er schlecht ist,
machte der Postmeister Schwierigkeiten; und so gingen wir über Sprottau, (zwey Meilen) und von da nach Bunzlau (fünf Meilen.)
hier bey
Wir wohnten
Stephan, der ein ziemlich gutes Haus halt.
Lanban, den 17 Sept.
Bunzlau,
Bunzlau am Bober,
auch bis
weilen Alt-Bunzlau genannt, ist unter den kleinern Schlesischen Städten, die ich bis hierher gesehen habe,
die lebhafteste, angenehmste, volkreichste. Man zählt Für das Zahr 1791 gibt
hier über 4000 Seelen.
Herr Zöllner 3984 an. —
die be
Der Tuchhandel,
kannten irdenen Gefäße und einiger anderer Verkehr,
geben den Einwohnern einen Wohlstand, der sich auf mancherlei) Art zeigt.
Die bekannten Gefäße, die von
dieser Stadt den Nahmen führen, gehören wirklich un
ter das beste, was ich in der Art kenne.
Eigentlich ist
es nichts als gemeine Töpferarbeit, wird auch von ein
zelnen Meistern, und nicht fabrikmäßig getrieben.
Aber
diese Leute haben einen feinen Thon, geben ihrer Arbeit etwas mehr Vollendung, und gebrauchen bessere Farben,
als andere Töpfer gewöhnlich zu thun pflegen,
und so
liefern sie, und wohlfeil, mancherley Küchen- und TaM'uttnvrS R. 3- Th.
2
18 fetgefäße,
Erster
die
man an
Brief.
vielen Orten Fayence nennen
würde. Von Bunzlau nach Lauban ist ein abscheulicher Weg von vier Meilen; aber die Gegend ist interessant und hin und wieder mahlerisch.
So wie man sich Lauban nähert,
zeigt Alles, daß man in das Land der Industrie kommt. Die Ansicht der Stadt von dieser Seite ist schön und,
fast möchte ich sagen, groß.
Doch von dieser und ihren
Gegenden nachher. DerStrich vonSchlesien zwischen Cros sen und Lauban ist, im Ganzen, ein hübsches, ziem lich bevölkertes und wohlangebautes Land.
Die Dörfer
sind besser, als sie gewöhnlich in der Mark Brandenburg
sind und in allen den kleinen Städten, durch die ich gekom
men bin, zeigt sich ein gewisser Erwerb, und eine Nah rung, die nicht bloß mit den ersten Bedürfnissen zu käm
pfen hat.
Aber man würde sich einen sehr falschen Be
griff von Schlesien machen,
wenn man dieses Land nach
den vierzehn oder fünfzehn Meilen,
men bin, beurtheilen wollte.
durch die ich gekom
Obschon besser, als manche
Striche in den südöstlichen Theilen, so steht doch dieser in Rücksicht auf Boden, Anbau und Kunftfleitz weit zurück, wenn man ihn mit den Provinzen vergleicht, die zwischen
der Oberlausitz,
Böhmen,
Glaz und Breslau liegen.
Der untere Theil des Landes, durch das ich gekommen
bin, hat noch zu viel Sand, um die Arbeit des Land mannes hinlänglich zu belohnen,
und das Volk,
größtentheils aus Katholiken besteht,
Lebhaftigkeit, noch Thätigkeit,
das
scheint weder die
noch den Kunstflerß zu
haben, die den Einwohner des Landes auszeichnen, das
dem Riesengebirge näher liegt.
Ueberall sah ich Crucifixe,
und das Volk scheint sich noch sehr mit dem Rosenkränze und den Ceremonien seiner Religion zu beschäftigen. Dieser ganze Strich von Schlesien wird sehr wenig besucht, denn er liegt an keiner der großen Landstraßen,
und führt nicht einmahl von einem wichtigen Orte zum andern. Die Straße von Frankfurt nach Breslau liegt
in einer andern Linie, und, um nach Lauban, Görlitz, Zittau u. s. w. zu gehen, nimmt man mehrentheils den durch die Nicverlausttz, wohin man gleich von Frankfurt abgeht. Auf den Posten, so wie in den Wirths
Weg
häusern, bemerkt man an mancherley Dingen, wie we nig die Leute gewohnt find, Fremde zu sehen.
Daher
mögen auch die billigen Preise kommen, welche von denen
auf mehr befahrenen Straßen sehr verschieden sind.
Was die Verzögerung auf den Posten betrifft, so ist sie hier, wie in den mehresten Provinzen der Preußi schen Monarchie und ungefähr wie in Norddeutschland überhaupt.
Za, sie glauben es recht gut gemacht zu ha
ben, wenn sie den Reisenden innerhalb einer Stunde be fördern.
Vermuthlich war es sonst noch schlimmer,
so gab die Regierung einen Befehl,
und
daß man niemanden
langer, als eine Stunde aufhalten sollte.
Diesen aber
nimmt man auf eine Art, die wohl schwerlich die Absicht
der Regierung seyn konnte!
Es ist gerade,
als hatte
sie befohlen, man solle keine Post in weniger als einer
Stunde nach der Ankunft abfahren lassen. oft, wenn ich die Leute ein wenig trieb,
Oft,
sehr
erhielt ich zur
Antwort, daß wir ja noch keine Stunde da gewesen wä ren.
In dieser Welt ist immer eins die Wirkung deö
andern! Die Straßen sind wenig befahren; folglich kann
man keine Pferde für die wenigen Extraposten bereit hal ten, die gelegentlich kommen.
Die Postmeister haben
entweder gar keine, und müssen sie im Orte auftreiben;
oder die wenigen, die sie hin und wieder halten, sind auf dem Felde, oder auf der Weide.
bracht und gefüttert sind,
Ehe diese herbey ge
ehe der Postillon sich angetlei-
det und von Frau und Kindern Abschied genommen hat,
welches ich oft in Norddeutschland gesehen habe, vergeht
freylich gar leicht eine Stunde.
Zn Böhmen und Oe>ter-
Erster
20
Brief.
reich hingegen, wo die großen Straßen sehr besucht wer
den, steht eine gewisse^Zahl von Pferden beständig ange
schirrt, und die Postillons sind geklewct.
Fünf, sechs,
acht Minuten ist die Zeit, in der man gewöhnlich beför
dert wird; äußerst selten bin ich auf den großen Straßen «ine viertel Stunde aufgehalten worden, und wenn man
einen reitenden Courier hat, so hält der Postknecht mit
feinen Pferden schon auf der Straße,
ehe man noch
ankommt. Lauban, den ig- Sept.
Ich habe den heutigen und einen großen Theil des
gestrigen Tages damit zugebracht,
diese Stadt und ihre
Gegenden zu besehen.
Letztere habe ich über alle Erwar
tung schön gefunden,
obschon diese ziemlich hoch gespannt
war.
Welche liebliche mit Häusern, Bäumen und Men
schen angefüllte Thaler! Zn dem Sächsischen Erzgebirge
findet man hin wieder etwas Aehnliches; aber die For men deS Landes sind nicht so schön, das Nahe nicht so
mild, fruchtbar und baumreich, und die fernen Gebirge
nicht so erhaben.
Die Bauart ist ungefähr die nähmliche,
die Sie im Erzgebirge finden,
auch stehen die Häuser
einzeln, jedes von seiner kleinen Wiese, Krautgarten und
Obstbäumen umgeben: wodurch die Dörfer, die wirklich sehr groß sind, ungeheuer werden. — Der zwar kleine, aber lebhafte Queis rauscht in den Thälern hin, und be lebt die Landschaft. —
Hier hört man das Geräusche
des Webers, dessen Leinwand in die entferntesten Welt theile geht; dort spannt der Tuchmacher seine Arbeit auf; weiterhin sticht das schöne Weiß der Bleichen mit dem
frischen Grün der Bäume und des Rasens ab. — Schon gestern war ich auf drey Anhöhen,
nicht weit von der
Stadt, welche sammt und sonders vortrefliche Aussichten
gewähren.
Immer ist die Landschaft durch die große
Kette des Riesengebirges bekränzt, das man, mit einem Blicke, in der Lausitz, in Schlesien und in Böhmen sieht.
Auch die Stadt Lauban gefällt mir! reinlich,
größtentheils
von Stein gebaut,
Sie ist hat
eine
Menge großer und ansehnlicher Häuser, und, was noch mehr ist, sie ist nicht so todt, als die Sächsischen Mit
telstädte mehrentheils sind.
Außer einem ziemlich allge
meinen Wohlstände, gibt es hier mehrere Häuser, ein ansehnliches Vermögen besitzen.
die
Gleichwohl sind die
hiesigen Fabriken seit einiger Zeit nicht im besten Gan
daß einige Häuser mehr
ge, und man versichert mich,
von dem ehemals Erworbenen leben, als von dem, was sie jetzt gewinnen. Sonderbar ist es,
daß
die mehresten Einwohner
keinen Begriff von der Volksmenge der Städte haben,
die sie bewohnen!
Büsching seht die Bevölkerung von
Lauban auf gooo Seelen.
Das ist offenbar zu viel.
Zch verhandelte diesen Artikel heute mit mehrern Män nern, die sonst wohl unterrichtet waren und fand,
daß
einer 4000, einer zwischen 4 und 5000, und ein drit
ter noch eine andre Zahl angab.
Endlich setzte sie ein
Rathsherr, welcher versicherte, daß er, als solcher, es
wisse, auf 5600: und diese Zahl stimmt auch mit eininigen andern Beobachtungen überein,
die ich gemacht
habe. Herr Weiner hat in feinem Hause eine Samm
lung von Zeichnungen hängen,
wovon einige recht gut
sind; mir aber wurden sie vorzüglich dadurch interessant, daß sie größtentheils Gegenstände aus dem Riesenge
birge und aus den Gegenden enthalten, die wir so eben zu bereisen denken.
rr-
Zweyter Brief. Reise nach Meffersdorf—Markliffa - Gchwerta —Wiegandüthal — Mefferödorf— Tafelstchte — Fnedland in Böhmen —
Reibersdorf — Irrtau — der Oywin — Herrnhuth — das Brüderhaus — das Schwesternhaus — Begrabnrßstatte — Umratssynode — die Landskrone — Görlrtz — Orgel —
Rathe — Konigshayner Berge — Backs berühmteste Zeich nung — Fabriken der Oberlausty.
Zittau, den 20. Sept.
Wir mietheten zu Lauban einen leichten Wagen, nah men nur einen Bedienten mit und gingen vorgestern nach Meffersdorf, wohin man drey Meilen rechnet; es
möchten aber wohl vier Postmeilen seyn. Der ganze Weg ist so, daß wir mit dem Englischen Wagen schwer lich durchgekommen seyn würden;
auf alle Falle hatte
er durch diese Ausflucht für unsere weitere Reise merk lich von seinem Werthe verloren. —
Wenn der Weg
schlecht ist, so ist die Gegend desto angenehmer. Man kommt fast nie aus den Dörfern heraus, die kein Ende
zu haben scheine^,
die alle einer Zdylle gleichen und
von einem wohl angebauten Lande umgeben smd.
Da
bey bleibt Ihnen fast beständig das Riesengebirge im Ackge, dem Sie Sich immer mehr und mehr nähern. Sonderbar fiel mir auf,
das Städtchen Marklrssa
das sehr mit Menschen angefüllt zu seyn scheint,
und wo jedes zweyte Haus ein Schild aushangen hat,
das irgend einen Handwerker, irgend w Gewerbe be-
Die Gegend um diese kleine Stadt herum
zeichnet. gehört
die bevölkertsten
unter
in
den Chursachstschen
Weiter hin kamen wir an das DorfSchwer-
Staaten.
ta, so schön als mahlerischer und dichterischer sich nicht leicht eines denken laßt.
Es ziehet sich langst einem
engen romantischen Thäte hinauf, in dessen Tiefe ein
kleiner Bach in beständigen Fällen herabmurmelt. Da ich immer sehr viel zu Fuße gehe, so kehre
unter irgend einem Vorwande,
ich gern,
ten der Landleute ein,
in die Hüt
um ihr Inneres sowohl als die
Eben stand ich an einem
Art der Menschen zu sehen.
Scheidewege, während daß der Wagen noch weit hin
ter mir zurück war, und, unentschlossen, welchen ich nehmen sollte, fragen.
ging ich in das nächste Haus,
um zu
Gleich bey Eröffnung der Thür fielen mir eine
Menge Instrumente in die 2lugen.
Es war die demü
thige Wohnung eines von jenen Mechanikern, derglei
chen die Bergländer fast überall erzeugen, und die mehrentheils ihre eigenen Lehrer sind.
Der Mann hatte
eine gewisse Bildung, aber sein Aeußeres war das eines
Landmannes, auch war alles, was ich in seinem Häus
chen sahe,
sehr an,
diesem Stande
angemessen.
Er lag mir
ihm eine elektrische Lampe abzukaufen, die er
14 Rthlr. both;
und da ich ihm sagte,
wie lästig so
ein Artikel einem Reisenden ist, so sollte ich wenigstens
eine kleine Elektrisirmaschine nehmen, die er für 5 Rthlr.
(wahrhaftig wohlfeil genug!) lassen wollte. nachher, noch
daß,
zwey
außer
diesem,
andere Mechaniker wohnen,
Geschicklichkeit besitzen.
Ich erfuhr
im nähmlichen Dorfe,
welche große
In der That sah ich bey dem
Herrn von Gersdorf einen, großen Schrank voll In strumente, die alle zu Schwerta, das ihm gehört, ver fertiget waren.
Zn der letzten halben Stunde
einen dicken Wald,
kamen wir durch
und so wie wir diesen zurückgelegt
Brief.
Zweyter
24 hatten,
lag
vor unsern Augen jene herrliche Aussicht,
von der ich schon mehrmals Beschreibungen gelesen hatte,
und die ich nur anzeigen will,
beschreiben laßt.
weil sie sich nicht wohl
Aber sie gehört unter die schönern
und reichern, die ich irgendwo gesehen habe.
Sie ist
daß sie mich an die
erhaben, und doch dabey so mild,
glü klichern Ebenen von. Genf und der Lombardey,
an
der Südseite der Alpen,
der
Marktflecken
erinnerte.
Wiegandsthal,
Hier
mit
dem
liegt
Schlosse
Meffersdorf und einem Dörfchen, dessen obere Hau
ser schon den ersten Abhang der Tafelfichte erreichen. Sie machen zusammen für das Auge ein Ganzes aus, und bilden den Vorgrund zu dem erhabenen, lieblichen Gemählde.
reichen,
Herr von Gersdorf,
die genannten Orte gehören,
hen, als wir bey ihm ansprachen.
Speisesaale und lud uns,
dem
wollte eben zur Tafel ge Er kam aus dem
mit der Hospiralitat eines
Dergländers, zum Niedersihen ein.
da das Wetter ziemlich günstig
Tag die Tafelfichte ersteigen,
Wir wollten aber,
war,
noch denselben
und glaubten,
daß wir
unsere Mahlzeit geschwinder im Wirihshause abfertigen
würden, als bey dem Herrn des Ortes.
Aber die Ein
und ich fand eine liebenswürdige Familie, die die Eleganz der Städte
ladung für den Abend nahmen wir an,
mit den Annehmlichkeiten und der Ruhe des Landlebens
zu verbinden weiß.
Herr
von Gersdorf,
langst zu sehr daran gewöhnt worden ist,
nannt zu werden,
der schon
öffentlich ge
als daß ich ihm hier meine Ent
schuldigung darüber machen sollte, ist ein Mann von
ausgebreiteten Kenntnissen, der hier in wahrer philoso
phischer Ruhe zu leben scheint,
und sich mit den Wis
senschaften und Künsten beschäftiget. von
mathematischen
sehr wichtig,
und
physischen
Seine Sammlung Instrumenten rst
und sein Minerali-ncabinet soll unter die
ausgesuchtesten gehören,
die man bey Privatleuten in
Zweyter Deutschland findet.
Brief.
Zch sage soll, denn ich bin weder
Kenner genug, noch hatte ich hinlängliche Zeit, um es
Er wohnt in einem
nach seinem Verdienste zu würdigen.
großen,
rott Geschmack meublirten Gebäude,
wo alles
Ordnung, Anstalt und edle Einfalt athmet. Der Abend, den ich in dieser Familie zubrachte, that meinem Her zen wohl.
Also auch ich bin auf der Tafelfichte gewesen! Und dieses lagen zu können, ist ungefähr das Hauptsäch
lichste, was mir davon übrig bleibt.
Die schönsten Aus
sichten finden sich allemahl auf mäßigen Höhen, nicht auf
hohen Bergen.
Also hat die Natur, auch in dieser Rück
dafür gesorgt,
sicht,
daß ihre schönsten Genüsse nicht
theuer zu erkaufen sind.
Alles, was in der Natur groß
und schön ist, wird klein und platt, so bald ich es von
einem hohen Berge herabsehe, und ein ungeheures Land um mich her erscheint wie ein gemahlter Bodenteppich.
Wo ist das Vergnügen,
Orte aufzusuchen,
die sechs,
acht und zehn Meilen weit von Ihnen entfernt sind? Hier, sagt Ihr Führer, ist Bautzen.
Ich kann es mit
bloßen Augen nicht sehen, und habe Mühe, es mit dem
Fernrohre zu finden, denn je mehr das Glas vergrößert, desto schwerer wird das Finden.
Endlich entdecke ich ein
paar Spitzen, welche Kirchthürme dieser Stadt sind. — Der größte Vortheil, den das Ersteigen hoher Gipfel ge währt, ist, daß man die großen Bergreihen entdeckt, die
in niedrigern Gegenden nlcht zu sehen sind, und so einen allgemeinen Begriff von der Geographie des Landes be
kommt.
Die
Tafel sichte
Rücken hinauf fruchtbar,
bewachsen.
ist
bis
auf
ihren höchsten
und mit Gras und Daumen
An vielen Orten fand ich sie sumpfig, selbst
auf den obersten Höben.
Dieß ist gerade auch
Fall mit den Irischen und Wattistschen Gebirgen.
wir ihre höchste Hohe erreichten,
der
Ehe
kamen wir an einen
Zweyter
Ld
Brief.
Stein, der die Lausitz, Schlesien und Böhmen scheidet.
Sonst stand eine Fichte dabey, woher wohl dieser Berg
Wenn
den Nahmen Tafelfichte bekommen haben mag. man ihre höchste Höhe erreicht hat,
immer,
daß
findet man noch
die Aussicht keinesweges unbeschränkt ist,
weil dieser Berg oben nicht spitzig,
sondern breit und
Man muß also umhergehen und von seinem
flach ist.
Führer die vortheilhaftesten Standpuncte sich zeigen las
sen, um entweder die Lausitz, oder Schlesien, oder Böh men am besten zu sehen. —
Buchen wachsen bis auf
eine beträchtliche Höhe an diesem Berge hinauf. — Er ist, nach Herrn v. Gersdorf, 3545 Pariser Schuh über der Meeresfläche; also noch nicht so hoch, als der Fich
telberg bey Wiesenthal an der Sächsischen und Böhmi schen Grenze, dessen Höhe, nach eben demselben, 3731
ist. —
Wir wohnten in einem Bäurischen, aber rein
lichen Wirthshause.
Platz ist nicht viel; aber mit allem
andern hatten wir Ursache zufrieden zu seyn. Man findet Meffersdorf weder auf den Landkarten,
noch in Büsching, wohl aber Wiegandsthal. sache
davon ist wohl,
daß nur
kleine Zahl von Häusern, Nahmen führen;
Die Ur
das Schloß und eine
nach dem Berge zu,
diesen
das Uebrige macht den eben genann
ten Marktflecken aus.
Daß Handel hier getrieben wird,
versteht sich, denn diese Orte liegen an der Böhmischen
und
Schlesischen Grenze,
Berge den Schleichhandel.
und überdieß
befördern
die
Es sollen wirklich ein paar
Häuser hier seyn, die recht hübsche Geschäfte machen. Auch wird hier Verschiedenes fabricirt. Zittau, den 21, Sept.
Eine halbe Stunde Weges fersdorf
an
brachte uns von Mef
die Böhmische Grenze,
wo
ich
Städtchen Neustadt sogleich gewahr ward, weder in der Lausitz, noch in Schlesien waren.
in dem
daß wir Seine
Unreinlichkeit
Armuth machen
und
einen
auffallenden
Coittrast mit den Lausitzer Städtchen und Dörfern, wo
zwar kein Reichtbum, aber durchaus ein gewisser Grad von Wohlstand herrscht, und wo auch die ärmste Hütte ein gewisses reinliches Ansehen h,at, das für das Wohl
seyn ihrer Besitzer bürgt.
Weiter
Städtchen,
hin
kamen
wir nach Friedland,
dus etwas besser ist,
und nahe an welchem,
ein
als das vorhergende,
auf einer Anhöhe,
der Graf
von Clamm Gallas ein stattliches Schloß hat.
Es ist
in dem Style des mittlern Zeitalters gebauet und endi get oben in einem hohen Thurme, der, so wie das rittermäßige Ansehen des Ganzen, eine gute Wirkung
macht.
Allein man hat dieses alte, hohe Schloß unbe
aber innerhalb der Ringmauern, oder, wenn Sie wollen, der Festung, ein quem gefunden und gleich darunter,
modernes Wohnhaus gebaut. K Die Aussicht auf dem obersten Theile ist schön,
und hat etwas Auffallendes,
indem der Abfall des Hügels auf der einen Seite fast senkrecht ist.
Der
besaß
berühmte Wallenstein
diese
Herrschaft in der ersten Hälfte des Zozährigen Krieges; 1634 kam sie an das Haus Gallas. —
Nicht weit
wo der Graf von Clamm Gallas hübsche Anlagen hat machen lassen.
von hier liegt das Bad Liebwerda,
Eine Stunde Weges weiter hinaus kamen wir wie der in die Oberlausih, und bald darauf nach Reibers
dorf.
Auf diesen vier Meilen von Meffersdorf nach
Reibersdorf bleibt man immer
sengebirges,
in der Nahe des Nie-
ohne jedoch viel über Berge zu kommen.
Eine solche Lage, welche schöne,
auch ferne Aussichten,
und doch bequeme Spaziergänge gewährt,
ist gerade
was man für einen Landsitz wünscht, oder suchen sollte,
und Reibersdorf, der vorzüglichste Sitz
ministers Grafen von Einsiedel, große Schönheiten.
des Cabinets-
hat von dieser Seite
Das Schloß,
ein Gebäude
deö
Zweyter
28
ist groß und in einem guten
gegenwärtigen Grafen, Geschmacke,
Brief.
bequem und schön.
und das Innere ist
Besonders sind hier viele und
reiche Zimmer für Frem
de, während daß die für die Familie das Gepräge einer
edlen und zierlichen Einfalt tragen. zimmern hat man eine
Aus den Mittel
Aussicht auf Zittau.
liebliche
Die Düchersammlung ist sehr ansehnlich;
aber von den
Schätzen der Kunst, die hier aufbewahrt werden, konnte
als die verschlossenen Schränke,
ich nichts sehen,
weil
ich die Kränkung hatte, die Familie nicht hier zu fin den. — Die Gärten sind nicht gar groß'» desto an
sehnlicher sind die Wirthschaftsgebäude, die der jetzt le
bende Graf ebenfalls aufgeführt hat, und die dem Gan zen ein großes,
stattliches Ansehen geben. —
Hier
brauet man schon seit vielen Jahren ein vortreffliches
Bier, das unter dem Nahmen des Reibersdörfer Dop
pelbieres bekannt ist.
Seit einigen Jahren aber wird
auch eine andere Art gebraut,
welche noch stärker ist.
Dieses Letztere ist von allen Bierartrn, dem festen Lande getrunken habe,
die ich je auf
dasjenige,
dem besten Englischen Ale am meisten gleicht. unter andern auch die Eigenschaft,
welches
Es hat
daß es sich viele
Jahre lang hält.
Von Reibersdorf hatten wir noch eine kleine Meile bis hierher.
Zittau, Görlitz und Budißin in der Lausitz,
und Chemnitz,
Freyberg, Naumburg und
Plauen in
Sachsen sind die besten, ansehnlichsten und freundlichsten
Städte der chursächsischen Lande, am. meisten.
scheinen
nach Dresden und
Dieser letztem gleicht Zittau in der Bauart
Leipzig.
Eine Menge großer und stattlicher Häuser
hier mehr die Residenzstadt eines Fürsten von
mittlerer Größe, als einen Ort anzudeuten, der haupt
sächlich durch Fabriken besteht.
Gleichwohl liegen noch
eine Menge Häuser, von dem siebenjährigen Kriege her, in Asche,
werden auch wohl noch lange Zeit Brand-
stätten bleiben, weil es hier an hinlänglicher Bevölke rung fehlt. —
Noch immer ist die Hauptkirche nicht
vollendet, und erhält doch schon beträchtliche Ausbesse rungen,, weil der Thurm so elend gebaut ist,
daß er
sinkt und die Kirche nach sich zieht. Zn
Rücksicht auf Handel
und
Fabriken gehört
Zittau unter die wichtigern Orte der Sächsischen Lande.
Seine Lage an der Böhmischen Grenze gibt ihm einen
beträchtlichen Zwischenhandel und seine Linnenerzeugnissr gehören unter die ansehnlichsten der Oberlausitz.
(Von
den lehtern wurden im Jahre igoi durch 19 Handels
häuser 13,605 Centner ausgeführt.)
(Seitdem
ist in
Zittau ein artiges, bequemes und zweckmäßiges Schau
spielhaus errichtet worden.
Einige wohlhabende Ein
wohner entwarfen den Plan durch Aktien, fanden bald
eine Menge Thcilnehmer und kauften dazu eine Brand stätte in einer bequemen Lage.)
Die Gegenden um Zittau herum sind außerordent
lich schön, und biethen herrliche Aussichten dar; ist Letzteres nicht
doch
der Fall unmittelbar um die Stadt
herum, wo das Land etwas versteckt ist. Wir gingen gestern, eine Meile weit, nach dem Oywin, ein Werk der Kunst, und weit mehr noch der Natur, das mich überrascht hat.
Ein einzeln ste
hender, fast senkrechter Felsenberg, der unten seine her vorspringenden Substructionen weiser Architekt,
hat,
(gerade wie
der auf Festigkeit sieht,
ein
bauen soll)
auf einer mäßigen Höhe eine moderne Kirche, und auf der Spitze die Trümmern
eines
sehr
alten Klosters.
Dicht am Berge wohnt der Schulmeister, welcher der öffentlich bestallte Cicerone des Ortes ist, und dessen Frau mir sagte, daß der Berg der beste Theil des Dienstes wäre. Von des Schulmeisters Wohnung ge
hen schöne, steinerne Stufen, die theils belegt, theils
in den natürlichen Felsen gehauen sind, nach einer klei-
ao
Brief.
Zweyter
nen Kirche,
die von einem Geistlichen bedient wird,
der eine Stunde weit davon auf der entgegengesetzten
Seite von hohen Bergen wohnt. ser Kirche ist nicht geurauert,
chen Felsen gehauen; nen Klang hat,
Die eine Seite die
sondern aus dem natürli
da aber ein solches Gebäude kei
und man den Prediger nicht verstand,
mußte man auch diese Seite in der Folge Felsenwand eine Kluft ist. —
Stufen,
weiter
von dem
diesem und der
nun zwischen
Felsen trennen, so daß
Wir gingen nun, auf
bis an eine Thür,
die den
ganzen
obern Berg so verschließt, daß auch nicht einmahl ein Daß der Schulmei
.Hund herauf, oder herab kann.
ster dafür sorgt,
daß
diese
bleibt, versteht sich! —
Thür
immer verschlossen
Die Stufen und Gebäude
werden von dem Zittauer Rathe sehr wohl unterhalten, und die Frau Schulmeisterinn thut durch Kehren und Auf
räumen das Uebrige;
daß
so,
alle Wege und Platze
em niedliches, freundlrches Ansehen haben. Dr. Pesch eck zu
Zittau
hat eine Beschreibung
von dem Oywin geliefert, die dick genug ist, um einen Gulden zu kosten. Diese hatte unsere Führerinn, denn der Mann hielt eben Schule, daß sic über jeden Fleck,
so auswendig
gelernt,
jede Mauer und jedes Ge
wölbe eine genaue Nachricht lieferte. —
„Hier hatten
die Mönche ihren großen, und dort ihren kleinern Kel ler zum täglichen Gebrauch!
Hier standen ihre Pferde,
und dort wohnte das Gesinde" rc. rc.
Die Ruinen deS
Klosters so wohl als des alten Schlosses, welches noch vor dem Kloster existirt haben soll, sind wirklich recht
hübsch. Besonders schön ist die Kirche, die theils aus großen gevierten Steinen gebaut, theils aus dem Fel sen gehauen ist. — Zn einem kleinen,
modernen Hause essen die Zit
tauer oft eine Mahlzeit, die sie mitbringen, und wozu
der Schulmeister alles nöthige Geschirr und Tafelzeug
liefert. Dier, Wein und Brot findet man auch bey ihm, so
wohl als Wasser zu Kaffee und Thee, wozu er eine kleine
Küche auf dem Berge hat. —
Man wird sehr angelegen,
schießen zu lassen, wozu ein eigener Kanonier bestellt ist, welcher immer stch einfindet, so bald er Fremde bemerkt.
Der Schulmeister liefert das Pulver, und hat zu diesem
Behufe eine eigene Pulverkammer auf dem Berge. Schießen macht eine große Wirkung,
Das
indem der Knall
in den umliegenden Bergen rings herum wiederhallt. — Auf einem ebenen, reinlich gehaltenen Platze wird unter
freyem Himmel öfters getanzt. — Auf der obersten Spitze des Berges steht ein kleines Lusthaus, hauptsächlich der
Aussicht wegen. —
Man hat von dem ganzen Berge
ein radirtes Blatt in buntgewaschener Manier, das ihm aber nicht Gerechtigkeit widerfahren läßt.
Gleichwohl
zwey Thaler dafür zu for
trug man kein Bedenken,
dern. — Das Dorf und alles an dem Oywin herum ist äu
ßerst romantisch, und auf dem Rückwege hat man vor
treffliche Aussichten. —
Verzeihen Sie, daß ich mich
so lange bey einem Gegenstände aufgehalren, den ich wirk lich mit Liebe gesehen habe. einer Stadt kaum einen Ort,
Zch wüßte in der Nähe wohin sich eine in jeder
Rücksicht so angenehme Landpartie machen ließe. —
Wir
fanden zu Zittau im Engel ein ziemlich gutes Wirthshaus.
Görlitz, den 23. Sept.
Wir verließen Zittau gestern früh, um nach Herrnhuth zu gehen.
Dieser Ort liegt auf der Landstraße
nach Löbau, und ist von diesem anderthalb Meilen und zwey von Zittau entfernt.
So viel wenigstens lassen sich
die Postmeister bezahlen. —
Ich machte den Tag noch
einige Besuche, und ging dann in den Abendgottesdienst, der in einem kurzen Gesänge und in einer langen Vorle^
Zweyter
32
Brief.
fung aus dem Alten Testamente bestand.
Ich fand die
Sprache so deutlich, so allgemein verständlich, und dabey so männlich und rein,
daß ich nicht begriff, was das für
eine Uebersehung seyn könnte,
bis der Geistliche an eine
Stelle kam, die im Alten Testamente nicht stehen konnte. Ich erfuhr nachher, daß das Gelesene nicht eine Ueber-
setzung, sondern ein Auszug war, worin alles Anstößige, Schmutzige,
Alles mit unsern Sitten,
Begriffen und
Grundsätzen nrcht Uebereinstimmende weggelaffen ist. . Ue ber das Anziehende des Herrnhuthischen Gottesdienstes,
über die Einrichtung ihrer Bcthhauser und über die edle Emfalt des Ganzen sage ich nichts, weil das allgemein bekannt ist.
(Ich gebrauche immer den Ausdruck Herrn
huther, weil er gewöhnlich und allgemein verstanden ist.
Sie selbst aber nennen sich vereinigte Evangelische Brüder und, collectivisch, die Evangelische Brüdergemeinde.) —rDen übrigen Theil des Ztbendö brachte ich bey einem Schweizer zu, der von der Gemeinde ist, und bey dem ich mich über mancherley unterrichtete. —
Frober-
gers Briefe über Herrnhuth werden hier geschützt, und wurden von einigen Brüdern sehr empfohlen.
Der Ver
fasser ist ein Lutherischer Geistlicher in der Nachbarschaft. Heute früh besahen wir Alles, was ein Fremder ge
wöhnlich hier aufsucht: und da muß ich gestehen, daß ich Alles unter meiner Erwartung fand. Vermuthlich war es meine eigene Schuld!
Aber wir haben in Sachsen von
unserer Kindheit an so viel von Herrnhuth und Herrnhu ther Arbeit gehört, daß wir uns leicht einen Begriff da
von machen, dem das, was der Ort ist, und unter seinen Verhältnissen seyn kann, nicht entspricht.
Herrnhuth ist
kein schöner Ort, hat nicht das überaus Nette und Rein
liche, das wir von allem erwarten, was Herrnhuthisch heißt, und das ich zu Christiansfeld in Schleswig wirk
lich fand. unbedeutend.
Die allermehresten Gebäude sind klein und Indessen haben verschiedene Personen von
Stande und einige Kaufleute sehr niedliche Häuser.
Das
Reus,.sche und das Wohnhaus des Lehnsherrn, sind groß und schön. Der Ort ist klein, und soll nicht über 2000 Seelen halten; er ist aber im Zunehmen. Das B r ü d e r h a u s, d. h. das, wo die unverhei-
rathctcn Mannspersonen für die allgemeine Rechnung der
Gesellschaft arbeiten,
und Aeußem. lich;
ist unansehnlich in seinem Innern
Hier schlaft und speist man gemeinschaft
doch hat man die Tafel zu verschiedenen Preisen,
und jeder wählt, je nachdem er mehr oder weniger ver zehren will, oder kann. Die mehresten sind Handwerker, deren )eder sein besonderes Geschäft hier treibt. Das
vorzüglichste Verdienst der hiesigen Arbeiten einer gewissen Nettigkeit, Fabrik betrachtet, von
ist diese Stiftung
kleinem Umfange.
besteht in
Vollendung und Dauer.
Als
unansehnlich und
Jeder verheirathete Meister,
wenn er nicht besondere Ursache hat, in das Drüderhaus
zu treten, arbeitet zu Hause mit seinen Gesellen und Lehr burschen auf eigene Rechnung,
gerade wie an allen an
dern Orten, wo Innungen sind.
Von getheilter Arbeit
weiß man hier eben so wenig, als von Betreibung irgend
eines Geschäftes im Großen.
Selbst diejenigen, welche
im Druderhause, und also für die Rechnung der Gemein heit arbeiten, machen kein Ganzes aus; jeder ist für sich
und bekommt eine verhaltuißmäßige Bezahlung für das, was er liefert. Hier finden also keine Vortheile Statt, welche die Gesellschaft in den Stand setzten, wohlfeiler verkaufen zu können, als andere Orte. Da aber die hier verfertigten Waaren im Ganzen etwas besser sind, als sie
im Durchschnitt in andern Städten gemacht werden,
sind sie nothwendig theurer.
so
In der That fand ich Alles,
was wir kauften, oder wovon ich den Preis erfragte, sehr theuer. Der Ruf der Herrnhuther Waaren gründet sich also auf die Vollendung und Dauer, welche man in den Kunsterzeugnissen der gewöhnlichen deutschen Mittel-
Zweyter
34
Brief.
städte nicht in dem Maße findet.
Da aber die Letzter»
in mehreren Artikeln sich auch gebessert haben, so finden
die Herrnhnther Waaren weder den leichten Absatz, noch
den Gewinnst mehr, Jahren hatten. —
den sie vor zwanzig und dreyßig Ich besuchte mehrere Handwerker,
die auf eigene Rechnung arbeiten, und sahe einige sehr hübsche Artikel, die jedoch nicht vorzüglicher waren, als
unsere bessern Handwerker zu Berlin, Leipzig,
Braun
schweig u. s. w. sie jetzt liefern. Im Schwesternhause dünkte mich Alles auf
einem bessern und größern Fuße zu seyn!
Ein ansehnli
cheres Aeußeres, bessere Speisesäle, feinere Schlafzim
mer,
ein mehr niedlicher und freundlicher Anblick des
Ganzen.
Hier wohnen die
unverheiratheten Schwe
stern, und arbeiten, so wie die Brüder, auf Rechnung
Sie speisen,
der Gesellschaft.
so wie jene,
gemein
schaftlich.
Was am meisten Eindruck auf mich machte, war die Begräbnißstätte, die auf einer Anhöhe liegt,
von der man die schönste Aussicht hat, die sich in der Nähe um Herrnhuth findet. Es ist ein großer, grün eingefaßter und
von Alleen durchschnittener Platz,
auf
welchem jedes Grab seinen flach liegenden Stein hat, der den Nahmen und das Vaterland des Abgeschiedenen
bezeichnet,
nebst dem Jahre,
in welchem er heim-
ging, oder, wie ich es weit häufiger fand, entschlief.
Was mich sehr interessirte, waren die Todten in großen Hauptlinie,
Menschen
ungefähr in der Mitte.
aus allen Ländern
von- Europa,
möchte ich sagen, aus allen Weltthetlen.
nige waren aus Herrnhuth selbst. —
der
Es sind
und fast
Nur sehr we
Auf der obersten
Höhe dieses Gottesackers hat man eine Art von Pa villon, oder, wenn Sie wollen, einen kleinen hölzernen
Thurm erbaut, von dem die Aussicht vorzüglich schön ist.
daß unser Wirth, der sich ange
Es fiel mir auf,
bothen hatte, mich in das Bethhaus zu begleiten, mir
nachher einen Mann brachte, dessen gute Kleidung und Ton nicht wohl einen Menschen
Geld herum führt.
der für
andeuteten,
Er kam den andern Morgen wie
der und ging mit uns an alle Orte,
dre wir zu sehen
wünschten. Als ich nachher einen Herrn von meiner Bekanntschaft fragte, wer der Mann wäre, und ob ich
ihm Geld anbiethen könnte?
war die Antwort:
„Kei-
nesweges! Es ist ein privatisirender Bruder, der von
der Gemeinde angestellt ist, Fremde zu begleiten." Wissen Sie wohl, daß die oberste Regierung aller
der Welt
Herrnhuthischen Gemeinden Dorfe,
eine halbe Stunde von hier,
Es heißt Berthelsdorf,
jetzt
in einem
ihren Sitz hat?
und ist der eigentliche Geburts
ort der ganzen Gemeinde; denn dorthin zog Zinzendorf
die ersten Mahrischen Brüder.
Man nennt diese Obern
die Unitätssynode, die gewöhnlich aus zwölf, dreyzehn, bis vierzehn Personen besteht,
und die nie einen Nach
festgesetzten, bleibenden Ort ihrer Residenz hat.
dem sie zehn, oder zwölf Zahre die ganze Herrnhuther welt unumschränkt regiert
hat,
Wahl aus, wozu sie irgend willkührlich ist.
schreibt
sie eine neue
einen Ort bestimmt,
der
Dahin schicken nun die Brüdergemein
den aus allen Theilen der Welt Repräsentanten, welche,
aus .sich selbst,
eine neue Unitatesynode wählen,
diese regiert nun wie die vorige.
und
Die Mitglieder die
ser Synode bleiben beständig beysammen, sich keinen andern Geschäften widmen.
und können
Es scheint, die
deutsche Nation hat dabey ein eben so großes Uebergewicht,
als die Italienische im Cardinalscollegium hat;
ja alle Mitglieder der jetzt versammelten Synode sind, wie ich höre, Deutsche.
Zweyter Brief.
36
den 22. Sept.
Görlitz,
Wir verließen Herrnhuth gestern Nachmittag. gefähr
eine
halbe Meile,
ehe
man
Un
erreicht,
Görlitz
kommt man zu Pfaffendorf ganz dicht an den Fuß der Landskrone, eines hohen, einzeln stehenden Ber
ges,
der von allen Seiten eine große Wirkung macht,
und höher zu seyn scheint, als er wirklich
ist.
hatte mir sehr empfohlen, ihn zu ersteigen,
und dieses
Man
Geschäft auf unserm Reise-Plane als die Sache eines halben Tages angeseht.
uns und Görlitz,
Jetzt lag der Berg zwischen
von welcher Stadt man viel weiter
auf seine Spitze hat, als von hier.
Uhr,
Es war eben vier
und der Himmel vollkommen heiter.
anhalten,
Ich ließ
fand einen Führer auf der Stelle,
schickte
den Wagen nach Görlitz, erstieg in drey viertel Stun
den die Spitze, verweilte eine halbe Stunde und ging dann auf der entgegengesetzten Seite in die Stadt, wo ich um sechs Uhr ankam.
Die Aussicht von der Landskrone,
deren Höhe
mit der Tafelfichte und andern Theilen des Riesenge-
birges in gar keine Betrachtung kommt,
gehört unter
diejenigen, die mir auf dieser ganzen Reise am meisten Vergnügen gemacht haben. So ist es immer! die schönsten Genüsse der Natur sind keinesweges diejenigen, die man am theuersten erkauft. —
Jemand *) hat
den Einfall gehabt, einen festen, steinernen Thurm auf
der Spitze dieses Berges zu erbauen,
von dem man
denn die Aussicht von allen Seiten ganz frey hat.
ist von ungeheuerm Umfange,
weil
Sie
dieser Berg nicht
*) Es war der verstorbene Herr von Mayer, der eine Harmonika - Claviatur und einen Euphon erfand. Man rühmt seine Gelsteskraft und Herzensgute. Das obige Gebäude aber hat er nicht auf eigene Kosten, sondern durch eine Unterzeichnung von mehreren zu Stande ge bracht.
Zweyter
Brief.
nur von keinen höhern beherrscht wirb,
frey steht,
daß nichts,
37
sondern auch so
in einer Runde von mehreren
Meilen, dem Auge Grenzen seht.
Uebrigens erscheint
der angeführte Thurm als eine Zierde
des Berges von
allen Seiten, wenn man ihn in der Entfernung betrach tet, dient zu einem Obdache, wenn man von einem un erwarteten Regen überrascht wird, und gewahrt den Görlitzern noch einige andere Annehmlichkeiten zu ihren
Lustpartien.
Der Weg in die Stadt hinab ist ziemlich
bequem, und zum Theil gemacht und unterhalten.
Auch
höre ich, daß man häufig Gebrauch davon macht, und daß selbst Frauenzimmer die Landskrone oft und gern ersteigen. Görlitz z den 23. Sept.
Ein hiesiger Einwohner hatte die Gefälligkeit, uns heute früh in der Stadt herum zu führen,
und das
Merkwürdigste in der Gegend umher zu zeigen. Die Natur hier ist nicht ohne Schönheiten; aber die Ge genden um die Stadt kommen denen von Lauban und Zittau bey weitem nicht bey; auch hat der Ort selbst
nicht das freundliche Ansehen der Letztem. —
Wir be
sahen und hörten die berühmte Orgel, die wirklich,
das wichtigste Werk dieser Art ist, das ich in Europa kenne. — Dey Hrn. Rathe, nach der Harlemer,
einem geschickten Künstler, der sich seit einiger Zeit hier
auMlt, sahen wir gute Zeichnungen, die mir auch dar weil sie eine Menge merkwürdi ger Gegenden und Scenen dieser Landstriche darstellen.
um interessant waren,
Rach
der Mahlzeit
fuhren wir nach Königs
hayn, einem Dorfe, das eine Melle von hier entfernt ist,
wo wir einen Führer bdkamen,
der uns in die
Berge begleitete, die von diesem Dorfe die Königs
hayner heißen.
Was man hier siehet, ist im Grunde
das nähmliche als der Greiffenstein bey Ehrenfrieders-
38
Zweyter
Brief.
dorf in dem Sächsischen Erzgebirge. Es sind aufge häufte Granitmaffen auf dem Rücken eines Berges, mit dem Unterschiede, daß diese hier viel dicker und umfangender, die auf dem Greiffensteine hingegen viel fei ner und höher sind. Der Granit ist schlecht und grob und, wie mich dünkt, noch schlechter, als der in Sach sen. Indessen kann ich mich in dieser Vergleichung ir ren, weil es möglich ist, daß mein Auge durch den schönen Schwedischen Granit, den ich zwey Monathe lang beständig vor mir gehabt habe, jeht verwöhnt ist. Die Aussicht hier ist schöner, als die vom Greif fensteine, weil das'ganze Land interessanter ist.— Auf einer dieser Granitmassen hat man dem Andenken des Herrn von Schachmann eine große Säule von der nähmlichen Steinart errichtet. Dieser Mann, der letzte seines Nahmens, war der Eigenthümer von Königs hayn, welches jeht seiner Witwe gehört, die das Schloß selten bewohnt, es aber in sehr baulichem Stande erhält. Ich ließ mir die Zimmer öffnen, weil in einem dersel ben das Original von Dachs so berühmt gewordener Zeichnung hängt jnayat ev apüubia, oder, wie er, ohne Rücksicht auf den Dorischen Dialekt, geschrieben hat „Kai " le. Das E tück gefiel so sehr, daß schon Dach selbst mehrere dopten davon machen mußte, die man denn im Grunde wie so viele Originale betrachten kann. Eine davon tst mit 300 Rthlrn. bezahlt worden. Dieser Umstand hat vermuthlich die Frau vott Schachmann bewogen, eine weit größere Summe für ihre Zeichnung zu fordern, weil diese die erste seyn soll, die Bach über diesen Gegenstand gemacht hat. Ich suchte hier bloß dieses Stück auf, fand aber noch nebenher ein überaus artiges und sehr bewohnbares Haus, das ich mit vielem Vergnügen sah. Die Kunstsammlung ist unbedeutend; doch sind einige gute Stücke da. — Im Garten steht ein hübsches, aber etwas sonderbares Denk-
Brief.
Zweyter
mahl,
das
39
ihrem Gemahl hat
die Eigenthümerin
er
richten lassen.
Ueber die
Entstehung und sonderbare Erscheinung
dieser Granitmassen ist
Sie sind
wohl kein Zweifel.
die letzten Ueberbleibsel größerer Berge,
die zusammen
hingen, von denen aber alles zerstört ist,
bis auf diese
Hartern Massen,
länger wider
welche der Verheerung
Aber auch selbst von diesen ist ein gro
standen haben.
ßer Theil zerstört,
wie die herumliegenden Steine glei
cher Natur zeigen;
auch werden die noch
aufrecht ste
henden Theile immer mehr und mehr durch die Hand der Zeit
und ihre eigene Schwere gestürzt, gerade wie
die auf dem Greiffensteine.
Blitz und Erdbeben,
sich, daß eine Periode von Veränderung zeigt.
so langsam vor
hundert Jahren nur wenig
Ich habe in einer
von Annaberg einen Kupferstich gesehen,
alten Chronik
von dem Greiffensteine
der nun über hundert Jahre alt ist,
freylich die gegenwärtige Erscheinung
aus gleicht.
ohne
Aber freylich gehet,
diese Vernichtung
und dem
nicht mehr durch
Indessen findet man auf dem Kupferstiche
gewisse sehr in die Augen fallende Steinmassen,
den Umsturz drohen,
und
welche
die ich noch vor zwey Jah
ren in der Natur gesehen habe,
immer drohend
und
Daß übrigens diese Granit
doch sich erhaltend. —
massen hier, so wie die des Greiffensteines auf weniger
harten Steinarten ruhen,
ist bekannt, und setzt die Sy
stematiker nicht mehr in Verlegenheit, wie ehemahls.
Auf dem Wege von Görlitz nach Königshayn liegt, dicht an der Stadt, das einst berühmte heilige Grab.
Seitdem man das Original selbst für ein Machwerk spä
terer Zeiten erklärt hat, kann die Copie davon wohl nicht
mehr sonderlich interessiren.
Darüber ist kein Zweifel,
daß es genau nach dem gemacht ist, welches man im fünf zehnten Jahrhunderte in Palästina zeigte. zierungen und
alles,
was dazu gehört,
Figuren, Ver ist höchst ge-
40
Zweyter
schmacklos,
und trägt im stärksten Grade das Gepräge
Brief.
des schlechtesten Styles des mittlern Zeitalters.
.Ich fand
einen Mann dabey angestellt, der es mit vieler Oehlung zeigte, und in dem ich eher einen abergläubischen Katho liken, als einen protestantischen Gdrliher ;u sehen glaubte.
— Wir smd hier im Hirsche, einem guten Wirthshause.
Lauban, den 24 Sept.
Die Gegend zwischen Görlitz und Lauban ist nicht
so schön und fruchtbar, als die Theile der Oberlausttz, die ich näher am Riesengebirge gesehen habe. Kiefern wälder und Sand wechseln mit Getreidefeldern ab, und die Bevölkerung,
obschon noch immer sehr ansehnlich,
kommt der in den mehr bergigen Gegenden nicht gleich.
Wenige Striche Deutschlands biethen mannigfalti gere und interessantere Gegenstände, auf einer Ausflucht von-sechs bis sieben Tagen an, als der, den wir eben
durchwandert haben.
Eine schöne und zum Theil erha
bene Natur, große Bevölkerung, Wohlstand, Frucht barkeit und Anbau, drey bis vier hübsche Städte, einige schöne Rittergüter und ein guter Menschenschlag voller
Thatigkett und Kunstfleiß!
Zch
habe der
berühmten Fabriken
der Ober
lausitz, auf dieser Reise, nur wenig gedacht, theils weil sie bekannt genug sind, theils, weil sie, als ein Gan
zes, wenig in die Augen fallen. Sie werden hier, wie in Zrland, Schlesien und fast in jedem andern Lande,
wo man sie findet, so betrieben, daß sie, in der ersten Instanz, nichts zusammenhängendes haben und eine
Kramerey
sind.
zwischen
dem Weber
Die Weberey ist
und dem Kaufmanns
leicht zu
Betreibung erfordert kein Capital.
erlernen,
und ihre
Ein Weberstuhl und
etwas Garn ist hinreichend für den ersten rohen Anfang.
Brief.
Zweyter
4t
Daher findet man auf dem Lande fast in jeder Hütte einen Stuhl, worauf aber freylich sehr verschiedentlich
gearbeitet wird.
Manche empfangen das Garn, beson
ders das feinere, von dem Kaufmanne;
andere weben
auf eigene Rechnung und verkaufen ihre Waare, so gut Zeder Kaufmann hat eine gewisse Zahl
sie können.
die ihm ihre Producte bringen,
von Webern an sich,
ohne gerade an ihn gebunden zu seyn; oder er laßt sie zum Theil durch Factors aufkaufen, welche eine
werbclasse zwischen
Er
dem Kaufmanne und dem Weber
ausmachen, und sich mehrentheils sehr gut stehen. Mancher Weber macht zugleich den kleinen Krämer und verfuhrt seine Waare,
anstatt sie dem Kaufmanne zu
überlassen, auf Markte und Messen.
Hierbey kauft er
vielleicht etwas bey seinen Nachbarn auf, die bey ihrem
Stuhle bleiben und keine Markte besuchen. —
Nur
die letzte Behandlung der Waaren geschiehet fabriken mäßig und wird
einigermaßen
im Großen
Hier kommen wir denn in die Hauser,
bereyen und Niederlagen der Kaufleute, Sie wollen,
der Fabrikanten.
betrieben.
Bleichen, Faroder,
wenn
Dergleichen steht man
in und bey Zittau, Lauban, Görlitz, Bautzen u. s. w. Manche dieser Kaufleute machen große Geschäfte und besitzen ein ansehnliches Vermögen, obschon diese Fabri
ken seit geraumer Zeit, und besonders durch den gegen wärtigen Krieg etwas zurückgekommen sind. sonst
einen
großen Absatz
nach Spanien
Sie hatten und Süd-
America.
Dieser Zweig ist seit mehreren Zähren im
Verfalle.
Ein anderer Umstand, der den Linnenfabri
ken sehr geschadet hat,
sind
die immer gemeiner wer
denden Baumwollenzeuge, die in so vielen Artikeln des Lebens an die Stelle des Linnen getreten sind. — Endlich theilen vielleicht diese Fabriken,
auf einen
gewissen Grad, ihr Schicksal mit allen alten Stiftun-
Zweyter
42 gen.
Brie f.
Es gibt eine Rotation in der Welt,
eine ewige
Veränderung und Abwechselung, welche nie erlaubt, daß
gewisse Dinge Jahrhunderte lang den nähmlichen Ganz gehen. Ein beständiger Besitz ist nicht in der Natur der Dinge! Wo ist jetzt der Purpur der Alten, und
wo sind die Irischen Poplins, die einst allgemein
als
ein Artikel des Lurus bekannt waren? Zch weiß nicht, welcher Ztalienischer Dichter im fünfzehnten Jahrhun derte seiner Geliebten ein Kleid von Poplin verspricht.
Freylich paßt dieß nicht auf Linnenartikel,
Leben so allgemein gebraucht werden; auch bedenken, daß
welche im
aber man muß
diese Kunst eine der allgemeinsten
ist, und daß der Bauer in manchen Ländern,
nesweges
unter
die
civilisirten gehören,
die kei-
sie versteht.
Hierzu kommen die vielen neuern Fabriken dieser Zlrt,
die nach und nach angelegt worden sind, und welche
natürlich mit den alten concurriren. Ein anderer Nahrungszweig, den die Lausitz, und besonders Görlitz, lange besessen hat, sind die Tuchfa
briken!
Seit zehn und
mehr
Jahren sind
hauptsächlich in Rücksicht auf Feinheit,
bessert worden.
So wie die Schafzucht,
führung Spanischer Widder,
diese,
merklich ver
durch Ein
veredelt worden ist, hat
auch die feinere Wolle in den Sächsischen Staaten zu
genommen, und die Tuchmacher haben nach und nach
ihre Waaren so verbessert, daß sie jetzt Arbeiten liefern, wovon die feinern Arten den mittlern Holländischen nicht nachstehen.
Zu Görlitz und Lauban werden Tücher ver
fertiget, wovon die Leipziger Elle drey Thaler und drüber
kostet *).
*)
Uebrigens ist auch dieser Zweig mehr in den
Auch in verschiedenen Sächsischen Städten macht man jetzt sehr fernes Tuch. Es gibt mehrere, die ein Tuch liefern, wovon dre Elle zu Leipzig mit vier
Zweyter
Brief.
43
Handen einzelner Meister, als daß er fabrikmäßig behan delt würde. Thalern und etlichen Groschen bezahlt wird. (Seit dem habe lch tn der Neuen Lausitzrschen Monathüschrift gelesen, daß man auch zu Lauban — Marz 1302. Tücher verfertiget, wovon die Elle fünf Thaler kostet. — Auch habe ich erfahren, daß dre GörUtzer Tuch macher blaue Tücher verfertigen, wovon dre Elle fünf ins sechs Thaler kommt.)
Dritter Brief, Reise von Lauban in das Schkefische Riefengebirge — Grerf-
fenberg — Grerffenstein — Hirschberg — Warmbrunn — der Künast — das Prellersche Vitriolwerk — der Zackenfall — der Kuchelfall — die neue Baude — die Schnee
gründe — das große Rad — Schreibershau — Stondorf —
Seydorf — St. Annenkirche — Steinseifen — Kahls Mo
dell vom Rresengebirge — Buchwald — Schmiedeberg — Landshut - Kloster Griffau — Aderübach — Waldenburg —
Fürstenstein — Schweidnrtz — der Jobtenberg.
Hirschberg, den 26. Septbr. 1798.
Wir kamen von Lauban nach Greiffenberg (zwey Mei
len) durch ein sehr interessantes Land,
das auch vier
Meilen weiter, bis Hirschberg, entweder das nähmliche blieb, oder durch größere Bevölkerung nur noch inter
essanter wurde.
Ich
sahe auf dem ganzen Wege eine
Menge großer und stark bewohnter Dörfer, einen rei
chen Anbau und überall Spuren des Kunstfleißes.
Auf
der ersten Station ist der Weg ziemlich schlecht, wird
aber besser,
so wie man weiter kommt.
(Wenn man
überlegt, wie schlecht die Wege im Ganzen durch Nord
deutschland und auch zum Theil in Niederschlesien sind, so läßt sich der, welcher von Greiffenberg über Hirsch
berg,
Schmiedeberg,
Landeshut,
Schweidnitz nach Breslau führt,
nen.
Das Land
oder Landshut und unter die guten rech
selbst ist von Lauban bis Schweidnitz
größtentheils schön und mahlerisch.
Greiffenberg ist eine kleine, aber lebhafte, freundliche Stadt, voller Thätigkeit und Geschäfte. Zhr hauptsächlichstes Erzeugniß ist Leinwand; doch macht sie auch andere Geschäfte. Das in einiger Ferne davon gelegene Schloß Greiffenstein kann man auf dem Wege nach Hirschberg besuchen, von welchem es eine halbe Stunde rechts liegt. Es bauet sich sehr roman tisch und groß auf einem Hügel, von dessen obschon unbeträchtlicher Hohe man eine vortreffliche Aussicht hat. Man muß vorläufig mit dem Postmeister, oder dem Postillon sich über den Umweg vergleichen. Wer Nach mittags zu Greiffenberg ankommt, thut am besten, da zu übernachten, und das Schloß mit Muße zu besehen. Aber freylich ist dann sein Nachtlager nicht so gut, als das, welches er zu Hirschberg findet. Hirschberg hat eine ganz eigene, besondere Lage, dergleichen ich nirgends sonst gesehen habe! Umgeben von einer großen Menge kleiner Hügel, hat es in seiner Nähe eine Mannigfaltigkeit von Aussichten, die jedm besondern Spaziergang von den übrigen unterscheiden. Wir bestiegen heute ein paar Hügel, und hatten auch schon gestern Abend zwey besucht. Zn welcher Rich tung man auch gehet, so kommt man in herrliche Ge genden, denn diese Stadt liegt ganz in den Bergen, die ich als die Vormauern des Niesengebirges, dem man hier sehr nahe ist, betrachte. Das ganze Land umher ist, wie Alles, was ich zwischen Lauban und Hirschberg gesehen habe, außerordentlich bevölkert. Gleichwohl soll diese letztere Stadt nicht 7000 Seelen enthalten. Herr Zöllner gibt 6334 Personen; seitdem aber hat sich die Bevölkerung um etwas vermehrt. Aber ein großer Theil der Menschen, die für Hirschberg arbeiten und von Hirschberg leben, wohnen auf Dörfern, die so dicht an die Stadt stoßen, daß sie überall wie ein Theil dersel ben erscheinen. Hier gibt es der reichen und wohlha-
Dritter
46
Brief.
benden Kaufleute eine große Menge, und dieser Ort wird, nebst Breslau, als die erste Handelsstadt von Schlehen In der Oberlausitz traf ich mehrere Manner, welche behaupteten, Hirschberg wäre, in Rückstcht auf
betrachtet.
den Umfang der Geschäfte,
wichtiger als Stettin und
Frankfurt an der Oder.
Zch sahe heule früh eine sehr wichtige Zuckersie de re y, in der acht-und dreyßig Personen beständig ar
beiten. Zu Hamburg ist eine von zehn bis zwölf Perso nen schon nicht unbeträchtlich. Aber sollten Sie wohl
glauben, daß letzt das Pfund des besten Zuckers hier auf der Stelle sechs und sechzig Kreuzer kostet! — (Fünfzehn
Schlesische Kreuzer verhalten sich zu fünfzehn Kaiserlichen
gerade wie vier Preußische Groschen zu vier Sachgschen, das heißt,
der Schlesische Kreuzer und der Preußische
Dreyer verhalten sich gegen einander wie der Oesterreichi sche Kreuzer zu einem Dreyer Conventionsgeld.
Der
ganze Unterschied ist, daß der Schlesier und Oesterreicher nach Kreuzern,
der Brandenburger und
Sachse nach
Dreyern rechnet, und daß die Oesterreichtschen Kreuzer und
die Sächsischen Dreyer sich nach dem Conventionsfuße richten, während daß in Schlesien das Geld nach dem
Gehalte des Münzfußes in den Preußischen Staaten ge
prägt wird.) In Hirschberg findet man viel gute Gesellschaft, und
ich kenne selbst einige sehr gebildete Männer.
Wir mach
ten unter andern die Bekanntschaft eines hiesigen Kauf
mannes,
der lange in England gewesen ist,
und die
Sprache dieses Landes mit großer Leichtigkeit redet, und
eben so ziemlich gut und richtig schreibt, wie ein Reiseplan in die Hohen des Riesenbirges bewieß, den er die Güte
hatte, für uns zu entwerfen. Hirschberg hat seit mehreren Zähren einen Stadt
director (Schönau), der für diesen Ort und sein Ge
biethe sich sehr viel Verdienst erworben hat.
Durch seine
Sorgfalt und unter seiner Anführung sind in zwey Ber
gen, nahe bey der Stadt, eine Menge Anlagen gemacht worden, die wenigstens zeigen, daß die hiesigen Bürger
viel Empfänglichkeit für so etwas haben,
denn vieles ist
auf individuelle Kosten gemacht worden, und selbst Hand werker haben das und jenes anlegen taffen.
Den einen,
der ganz nahe bey der Stadt ist, nennt man Pflanz berg,
Cavalierberg,
Derg schlechtweg.
Favratberg,
auch
den
Der Helikon, oder Hausberg
ist weiter, und von ungleich größerem Umfange. Man kam auf den Einfall, den Helikon dem Apollo und den
Musen zu widmen, und da der Berg von Natur viele Abtheilungen und Spitzen hat, so wieß man einer jeden
der zehn Gottheiten einen eigenen District an.
Zn jedem
Striche, der einer,Muse zugeeignet ist, hangt ein Bret
an irgend einem Baume, auf dem der Nahme der Muse steht, welche da regiert, nebst ein paar lateinischen Versen. Z. E. Melpomene — cui liquidam pater vocem cum cithara dedit. —
tatur et astra. —
Urania — quae caeli motus Scru-
Terpsichore invitat!
puella choreas etc.
duc laeta
Dey der letztem Muse ist ein geeb
neter mit Planken belegter Platz, auf dem man gelegent
lich tanzt.
Mehrentheils sind die Striche, die man jeder
Muse angewiesen hat, ihr sehr gut angepaßt.
So nimmt
Urania den höchsten Theil des Berges ein, der in einem
steilen, nackten Felsen endiget.
Erato hat ihren Sitz in
einer dunkeln, romantischen, zur Liebe geschaffenen Partie
u. s. w.
Man mag das Spielerey nennen,
wenn Sie
wollen; auch paßt es weder auf unsere Zeiten, Religion und Sitten, noch ist es für die größere Zahl der Menschen,
die diesen Ort besuchen.
Aber ich habe eine alte Vorliebe
für alles Classische und besonders für die Griechische My
thologie; und ein paar Verse aus Horaz machen mir im mer Vergnügen, so daß ich selten eine solche Aufschrift
vorüber gehe, ohne sie zu lesen.
Und dann bin ich, wie
Dritter
48
Brief.
Sie wissen, nicht ausschließlich, so wenig als ich eS in meinem Herzen finden könnte,
daneum für einen Tempel,
ist.
jedesmabligen Muse
man hier findet,
aller Stände
Bürger
oder für die Statue der
Die Trsche und Danke, die
sind eben so zahlreich, als die Aus
sichten mannigfaltig sind. die
mich über das Bret lu
das freylich nur ein armselrges Succe-
stig zu machen,
An schönen Tagen kommen in
freuen sich und trinken ihren
großer Menge
heraus,
Kaffee,
sie eine
wozu
Menge kleiner Kamine errichtet haben. Hlrschberq, den 28
Sept.
Wir gingen gestern von hier nach Schreibersh a u, einem Dorfe, das zwey, oder, wie die Post sagt,
zwey und eine halbe Meile entfernt ist.
Eme Meile
von Hirschberg kommt man nach Warmbrunn, einem ziemlich ansehnlichen Marktflecken,
wo
Schafgotsch seinen vorzüglichsten Sitz hat.
der Graf von Das Wohn
gebäude ist ganz neu, hat zwey ansehnliche Flügel, und
gehört unter die größern Schlösser, die ich in Deutsch land gesehen habe.
Fast das gesammte Land,
diesem Theile des Riesengebrrges liegt,
Grafen.
das in
gehört diesem
Wahrend daß seine Güter sich bis auf den
halben Weg nach Schmiedeberg erstrecken, reichen sie, auf der andern Seite, bis nach Meffersdorf und an
die Sächsische Grenze. Warmbrunn ist seit einigen Jahren durch eine
warme Quelle sehr berühmt geworden, deren Tugenden wider die Gicht groß seyn sollen.
Ich höre, daß in
den letzten Sommern immer über 400 Gäste hier ge wesen sind.
Die Lage des Ortes, und mehr noch das
Land umher sind reihend.
guter Häuser,
Auch sehe ich eine Menge
die zum Empfange der Fremden bereit
sind, welche aber, wie es an solchen Orten gewöhnlich
der Fall ist,
ihre Wohnungen mit sehr hohen Pressen
Man baut jetzt hier, was sie die
bezahlen müssen. —
Gauerie nennen, ein sehr hübsches Gebäude zu Bällen, Spersesälen rc.
Der Künstler Maywald, der sehr artig in Stahl
und Stein schneidet,
halt sich noch immer hier auf.
Sein gewöhnlicher Preis für ein Wapen von mäßiger
Größe, oder für eine Figur ist ein Louisd'or. ses Geld hat seine Arbeit großes Verdienst.
Für die Er zeigte
mir zwey Folianten von Abdrücken nach seinen Arbei ten,
und ich fand sehr viel Gutes darunter;
aber mit
den bessern Englischen und Italiänischen Steinschneidern mufi man ihn nicht vergleichen.
Freyüch ist auch der
Unterschied der Preise ungeheuer. Für ein Wapen mit Krone und Schildhaktern bezahlt man einem guten Englischen Meister,
der jedoch noch nicht in den ersten
Rang gehört, fünfzehn, zwanzig, auch fünf und zwan
zig Guineen.
Was man dort für acht bis zehn Gui
neen hat, gehört unter das Mittelmäßige. Eine halbe Stunde weiter kamen wir nahe an den Fuß des Berges, worauf der Künast, ein altes Berg
schloß, steht, von dem man eine reihende Aussicht hat.
Viele lassen
auf dem alten Schlosse einen Pötter,
oder
kleine Kanone abfeuern, und belustigen sich an dem Wie-
verhalle, den die Berge umher verursachen.
Ganz unten am Dorfe Schreibershau liegt das Prellersche Vitriolwerk, das in vielen Rücksichten Auf
Es ist, wie man mir sagt, das
merksamkeit verdient.
erste, das in den Preußischen Staaten errichtet worden ist, und hat auch jetzt noch nur ein zweytes sehr kleines
zum Nebenbuhler. ten dieses Reiches,
Es versorgt die sämmtlichen Staa und könnte, wie mich der Gesell
schafter des Herrn Preller versicherte, sich sehr leicht noch mehr ausbreiten. — Das Erz, welches Schwe
fel und Eisen enthält,
wird aus Bergwerken gehöhlt,
die vier Meilen weit entlegen sind. Kuttners N. 3- Th.
Dieß hat seine Un4
50
Dritter Brief.
bequemlichkeiten; allein der Fleck, auf welchem die Fa brik steht, ist wieder des Holzes wegen sehr gut gele gen, das hier wohlfeil und in Menge zu haben ist. Die Klafter Fichten oder Kiefern kostet einen Thaler acht Groschen. — Herr Schaul, in Abwesenheit des Herrn Prellers, hatte die Gefälligkeit, uns das ganze Werk sehr umständlich zu zeigen, und was mir vorzüg lich daran auffiel, war die äußerst ökonomrsche Art, mit der es betrieben wird, und die mancherley Vor theile, die man in dieser Rücksicht angebracht hat. Hier geht nichts verloren, kein Tropfen Vitriolwasser kommt um, und selbst das Caput mortuum wird nicht weg? geworfen. Alles geht aus einer Gestalt in die andere; aus einem großen Theile des Caput mortuum wird sogenannte Englische rothe Farbe gemacht, und selbst das, welches durch alle Processe gegangen ist, gibt noch sehr guten Dünger ab. Man macht hier den gemeinen grünen und weißen Vitriol, so wohl als den feinen blauen, Vitriolöhl, VLtriolsaure, Scheidewasser, Englisches Roth und Schwefel. Alles wird in den Gebäuden der Fabrik verfertiget, selbst die Töpfe und thönernen Röhren, die so gut seyn sollen, daß sie auch außerhalb gesucht werden. Die Masse Vitriol, die jährlich hier gemacht wird, beträgt ungefähr 6000 Centner. Wir bekamen, gleich nach unserer Ankunft zu Schrei bershau, einen Führer, der uns noch denselben Tag an den Zackenfall, und von da an den Kuchelfall brachte. Dieß sind zwey kleine Flüsse, oder Bäche, die recht artige Falle machen, und für diejenigen, die die Schweiz nicht gesehen haben, sehr interessant seyn müs sen. Im nördlichern, mittlern und westlichen Deutsch land weiß ich nichts dieser Art, und in so fern ver dienen sie den Ruf, den sie haben. Aber mit den Was serfallen der Schweiz vergleiche man sie ja nicht, weder
mit den großen, wie dem bey Schafhausen, Laufenburg
u. s. w. noch mit den mittlern, wie Pissevache, dem un tersten Faüe des Reichenvaches re. noch mit den hohen, wie dem Schachenfalle,
andern,
dem Staubbache
und zwanzig
die alle die beyden Schlenschen in jeder Rücksicht Die Gegend, in der sich die beyden hiesi
übertreffen.
gen Fälle befinden,
ist äußerst wild und romantisch, so
wie die sämmtlichen Berge und Thaler zwischen Schrei
bershau und den ganz hohen Gipfeln, die sich hinter die
sem Orte erheben. Schuh hoch.
Der Kuchelfall ist kaum über hundert
Diejenigen irren sich gewiß, die die Höhe
des Zackenfalles auf zwey hundert setzen;
auch gibt ihm
Herr von Gersdorf nur wenig über hundert Pariser Fuß. Wir hatten die Wahl, die Nacht in einem einsamen, hoch an einem Berge gelegenen Hause zuzubringen, und
von Butter, Brot und Milch zu leben,
oder auf dem
Vitriolwerke zu speisen, wozu wir eingeladen waren, und
in dem Wirthshause zu Schreibershau zu übernachten.
Denen f
die nicht sehr gut zu Fuße sind,
erstere, weil sie sich dadurch den Weg,
rathe ich das
den sie in zwey
Tagen zu machen haben, um eine und eine halbe Meile abkürzen.
Wir zogen das Letztere vor,
ein paar Meilen mehr gehen,
weil wir lieber
als uns einem schlechten
Nachtlager unterwerfen wollten, wodurch man nicht nur
die Ruhe einer Nacht verliert, sondern auch Kraft und Muth für den nächsten Tag sich raubt.
Wir kehrten also
nach einem Gange von sechs Stunden in das Vitriolwerk zurück, sahen dieses mit Muße, nahmen eine späte Mahl
zeit ein,
und
Wirthshause.
fanden ein
erträgliches
Nachtlager im
Dafür mußten wir den folgenden Tag ei
nen Theil Weges, den wir schon gemacht hatten, noch ein mahl durchwandern. Wir machten uns den acht und zwanzigsten mit Ta
ges Anbruch auf den Weg,
und erreichten nach etwas
mehr als zwey Stunden, die sogenannte neue Baude.
52
Dritter
Brief.
Mit dem Nahmen Bauden bezeichnet man einige Hauser, die an den höchsten Höhen des Riesengebirges liegen, und wo man gewohnt ist. Fremde aufzunehmen, ohne jedoch etwas mehr für sie zu veranstalten, als was ich oben ge sagt habe. Die Bewohner der Bauden sind Landleute, die auf diesen unwirthbaren ^Höhen mit einer gewrssen Zahl von Vieh leben; zugleich ziehen sie einigen Gewinn von den Reisenden, die im Sommer bey ihnen einkehren, und mehr noch von den vielen Schleichhändlern, die in diesen Bergen ihr Wesen treiben, und von denen die Bauden des Nachts voll sind. Man heihet hier fast das ganze Zahr hindurch, und ich fand die Stube so warm, daß ich kaum athmen konnte und genöthiget war, sie bald wieder zu verlassen, um frische Luft zu schöpfen. Wir wünschten uns jetzt Glück, hier die Nacht nicht zugebracht zu haben, wo wir in dem heißen Zimmer es nicht hätten aushalten können, während daß wir uns auf dem Heubo den, den viele der Stube vorziehen, nicht würden haben erwärmen können. — Außer Gras wächst hier nichts, und diese Leute müs sen die wenigen Bedürfnisse, die sie etwan haben, von unten herauf bringen. Das Haus, von dem ich rede, muß wenigstens 3500 Schuhe über dem Meere erhaben seyn. In weniger als einer Stunde erstiegen wir den höchsten Gipfel des Berges, kamen über die sogenannten Blausteine, welche nackte Felsen sind, an die Schnee gründe, in die wir denn von oben herabsahen. Frey lich haben sie ihren Nahmen daher, daß der Schnee den größten Theil des Zahres hindurch da liegen bleibt; ( der aber doch endlich schmilzt; auch fanden wir ganz und gar keinen;) allein sie sind hauptsächlich deswegen merkwür dig , weil sie aus sonderbaren, fast senkrechten Felsenwän den bestehen, an denen sich wiederum einzelne Felsenspitzen wie große Thürme erheben. Von der einen Seite gleichen sie der Hälfte eines Craters; aber ausgebrannte Vulkane
sind es, wie einige glauben, gewiß nicht. —
Wir be
stiegen hierauf das sogenannte große Rad, welches
eine der höchsten Spitzen des Riesengebirges ist, dessen Höhe
auf
von Gersdorf
Herr
4661
und
Pariset
Schuhe über dem Meere setzt.
Von dieser Spitze gingen wir ein Stück Weges
und
»bieder zurück,
dann über
die Böhmische Grenze,
um an den Ursprung der Elbe zu kommen, welche hier
nichts anders ist,
als kleine Rinnen Wasser,
die von
Höhen herabkommen, hier und da in Pfützen oder klei
nen Sümpfen sich sammeln, und dann nach ungeheuern Gründen zulaufen,
die man die Elb gründe nennt.
Gleich am Rande des ersten großen Grundes stürzt sich das gesammelte Wasser vielleicht zwey
hundert Schuhe
tief über nackte, fast senkrechte Felsen herab, und das nennt man den Elb fall. ich fand nur wenig
selten viel mehr da seyn, tigen Regen,
es wird auch
und
es sey
wohl
denn nach einem hef
oder unmimlbar nach schnellem Thauwet
Es ist äußerst beschwerlich,
ter im Frühjahre.
zu steigen,
Er ist sehr mahlerisch, aber
Wasser,
hinab
Fall von unten zu sehen,
um diesen
und
man bedarf dazu eben so sehr der Hande, als der Füße. — Wir besahen noch
einige Aussichten,
auf die neue Baude zurück,
gingen
dann
kamen nach etwas mehr
als acht Stunden wieder nach Schreibershau/ und fuh ren sogleich nach Hirschberg. Von der neuen Baude bis auf den Rücken
Berges hinauf,
und so
weiter fort,
fand
des
ich überall
weiße Stangen, welche die Bewohner der Bauden, auf beyden
Seiten unterhalten
müssen.
Sie dienen, den
Weg zu bezeichnen, wenn die Berge mit Schnee,
Wolken bedeckt sind.
Der Verkehr über
ist größer, als man erwarten sollte.
sehr betretene Pfade,
oder
diese Höhen
Zch fand mehrere
welche die Verbindung
zwischen
den Schlesischen und Böhmischen Dörfern machen,
die
Dritter
54
Brief.
auf beyden Seiten dieser Gebirge liegen.
Eigentlich kön
nen diese Menschen nur wenige Geschäfte mit einander
abzumachen haben;
allein der Schleichhandel vermehrt
die Verbindung, und so werden diese Paffe auch im Win ter offen erhalten. Wer keinen Wagen bey sich hat, den er zu Schrei bershau wieder zu finden sucht, und eine eigentliche Derg^-
reise
machen will,
übernachtet
den ersten Tag in der
neuen Baude, geht den zweyten über den Eibfall und
das große Rad zum Zager zu St. Peters,
und so
immer auf und an den Bergen fort bis an die S ch n e e-
koppe, von der er nach Schmiedeberg herab kommt. Von hier kann er wieder nach Hirschberg
zurückgehen,
oder, wenn ihn sein Weg weiter führt, seinen Wagen an den letztem Ott kommen lassen, welcher auf dem geraden
Wege nur zwey Meilen von Hirschberg entfernt ist.
Wenn ich Ihnen meine Meinung überhaupt über diese zweytägige Dergreise sagen soll, so habe ich ste aller
dings mit vielem Vergnügen
und
Interesse
gemacht.
Hohe Berge haben immer etwas Anziehendes, und die reine Luft,
die man dä einathmet, gibt dem Körper eine
gewisse Schnellkraft und der Seele jene Erhebung, jenes
eigene Gefühl,
das man nie in der Ebene kennt.
fühlt sich begeistert,
Man
ohne gerade den besondern Gegen
stand nennen zu können, der das bewirkt. — den Wasserfalle find immer sehenswerth,
ben interessiren den Naturforscher,
Die bey
die Schneegru
und
der Ursprung
eines so großen Flusses, als die Elbe, ist denn doch auch
ein Gegenstand,
der die Neugierde reiht.
man den Vortheil,
Dabey hat
Warmbrunn und das ganze schöne
Thal zwischen Hirschberg und Schreibershau zu sehen. Aber die hbhern
Regionen der Berge selbst find nicht
schön, und von dem Anziehenden und Interessanten der
Schweizerhöhen haben fie nur sehr wenig.
Die Formen
sind weder romantisch, noch vorzüglich mahlerisch,
und
der Boden ist kahl,
rauh und unfruchtbar auf Höhen,
auf denen man in. der Schweiz noch durch Waldung,
Wiesen, das schönste Grün und den üppigsten Wuchs aller Arten von Kräutern und Blumen entzückt wird. In dieser Rücksicht haben schon fast alle Gebirge deS
südlichen Deutschlands einen großen Vorzug vor dem Riesengebirge, auf dessen nördlicheren Breite ein schwe
rerer Himmel ruht. —
Einige Höhen, auf denen wir die Schnee koppe in ihrer Größe und Fülle zu sehen. Aber ich uns befanden, gaben mir den Vortheil,
weiß auch, was ich von ihr zu erwarten habe, und fühle kein Verlangen, sie zu ersteigen. Uebrigens sind wir auch schon zu weit in der Jahreszeit vorgerückt;
und, obschon dieser Herbst vorzüglich schön ist, so kann man doch des Morgens nicht oft auf einen ganz unbe wölkten Himmel, rechnen.
Endlich verdient auch das interessante Dorf Schrei ber sh au, daß ich seiner mit ein paar Worten gedenke.
Es liegt sehr mahlerisch an einem Hügel, an welchem es sich in einer langen Strecke hinauf zieht. Oben theilt es sich in ein paar kleinere Orte, die aber andere Nahmen haben.
Seine Einwohner sind, wie fast überall, voller Thä
wo der Boden die Menschen nicht nährt,
tigkeit und Erfindsamkeit. Armuth;
Man sieht die Hütte der
aber ihr Bewohner ist oft ein sehr gebilde
ter Mensch, und treibt die Künste, die man sonst nur in den Städten zu suchen gewohnt ist.
das Verzeichniß aller der Dinge seyn, Dorfe verfertiget werden!
Lang würde
die in diesem
Mir sey es genug, Ihnen
bloß die Gtaswaaren und Glasschneidereyen, mancherley musikalische
und
andere Instrumente
Menge von Holzwaaren zu nennen. Bergkünstler war sein
eigener Lehrer;
und
eine große
Mancher dreser
Kmder lernen
vom Vater, und noch andere erwerben sich Fähigkeiten durch Beobachtung ihres Nachbars. — Der Gasthof
Dritter
56
Dries.
ist ungefähr was man von einer Dorfschenke erwarten
kann.
Wir fanden ein gutes Nachtlager,
und hätten
vielleicht noch mehr gefunden, wenn uns nicht die Hospitalitat des Herrn Schaul bis hierher gefolgt wäre.
Wir waren im weißen Rosse zu Hirschberg ziem
lich woyl.
Indessen hätte ich in einer Stadt,
Diese, ein besseres Haus erwartet. Man hat noch ein zweytes;
wie
Auch war es theuer.
es soll aber zwischen bey
den wenig Unterschied seyn. Schmiedeberg, den 29
Wir verließen Hirschberg heute
früh und kamen
über Stondorf und Stein seifen deberg in einem leichten Wagen,
thousand natural Shocks
Sept.
nach Schmie
der die ruffs and
auszuhalten gewohnt war,
während daß ich den Neisewagen auf dem geraden Wege schickte, der nur zwey Meilen ist.
Auf dem unsrigen
machten wir drey Meilen. Dieser ganze Strich liegt in den Bergen, und zwar nahe am Fuße der höchsten Höhen des Riesengebirges. Wir kamen zuerst nach Stondorf, wo ein Graf von Reuß seinen Sih hat. Die Anlagen sind beträchtlich
und interessant, ohne daß gerade viel Aufwand gemacht
worden wäre, denn die Natur hat in diesem ganzen Lande gethan, was keine Englische Gartenkunst hervor bringen , und kein Englisches Gold erkaufen kann.
Alles,
was ich im Niesengebirge gesehen habe, ist wirklich ein
herrliches Land!
Die Garten des Grafen
sind freylich sehr wild,
von Reuß
aber eben darum romantisch:
und überdieß hat man von mehreren Flecken ganz vor treffliche Aussichten, dergleichen in diesem Lande alle An
höhen gewahren. Wir fuhren dann über einen abscheulichen Weg (es
ist keine Landstraße) nach Seydorf,
wo man einen
Führer nimmt, der die Reisenden auf die sogenannte St.
Annenkirche bringt.
Drese liegt an dem obern Ab
hange eines ziemlich langen Berges, und hat weiter nichts
Merkwürdiges, ^als daß man auf dem ganzen Wege dahin
eine weite und schone Aussicht genießt,
die man aber auf
andern Höyen in diesen Theilen des Riesengebirges auch Ja die Kirche liegt etwas verdru.k,t, und
haben würde.
würde aiso nichts einmahl die Mühe
Hinaussieigens
lohnen, wenn sich nicht von da innerhalb einer Viertel stunde die oberste Höhe des Berges erreichen ließe.
Am
Ende fragten wir einander doch, warum man uns wohl
eigentlich hierher geschickt habe? Allein es scheint, daß-eS einer von den Delustigungsorten der'Hirschberger ist, wel
che Landpartien nach dieser Kirche,
oder vielmehr nach
dem daran gelegenen Jägerhause machen, wo sie vortreff liche Forellen finden,
wahrend daß sie die übrigen Spei
sen nebst dem Weine aus der Stadt mitbringen.
Auf
diese Art verwechselt der Emheimische sehr oft das, was ihm Vergnügen macht, mit dem,
was den Fremden in-
teressiren kann. Auch schien unser Führer an den (^Zang der Geschäfte gewöhnt zu seyn, und wunderte sich nicht
wenig, daß wir bey dem Jager nicht abtreten, und bep der Kirche von dem besten Wasser im Lande nicht trinken
wollten. Zum letztern waren wir zu erhitzt. — Ein mahl im Jahre wird in dieser Kirche katholischer Gottes dienst gehalten.
W:r kamen nach Steinseifen, ein überaus schön gelegenes Dorf, wo wir aber weiter nichts aufzusuchen
hatten,
als
Modell vom
das
Riesengebirge,
das ein gemeiner Landmann, Kahl, gemacht hat. gibt wenig Dinge,
Es
die ich mit so vielem Vergnügen sehe,
als Modelle aller Art, hauptsächlich aber von Berglän
dern.
Ein einziger Blick gibt Ihnen mehr und richttgere
Begriffe, als hundert Beschreibungen und die umsiand-
lichsten Karten.
Das, wovon ich jetzt rede, ist nur von
58
Dritter
Brief.
Lehm, Thon und etwas Holz, und wird in einer elenden hölzernen Hütte aufbewahrt, in der ich nicht auf recht stehen konnte. Es ist zu bedauern, daß der Mann so schlechte und unbewegbare Materialien wählte, oder wohl vielmehr wählen mußte, denn das Ding ist wirk lich gut gemacht/ paßt vollkommen zusammen und soll überaus genau und richtig seyn. Es enthält aber nur einen klernen TKeil des Riesengebirges, und von der Böhmischen Seite gar nichts. Dre Schneekoppe liegt ungefähr in der Mitte des ganzen Modells, und von da erstreckt es sich etliche Meilen weit auf beyden Sei len. Der Künstler ist todt; sein Sohn aber hat deS Vaters Kunstgeist geerbt und macht von Holz Kühe, Pferde, Hunde, Katzen rc. Diese gehen, sagt er, so sehr, daß er uns nicht ein einziges Stück von seiner Arbeit zeigen könnte. Ein Kaufmann des Ortes nähme ihm Alles ab und führte es nach Frankfurt u. f. w. Dafür brachte er einige Käfer und Insekten herbey, welche die Natur nachahmen sollten, aber sehr geschmack los gemacht waren. — Zch wußte, daß Kahl, der Vater, nach seinem ersten Modelle ein anderes von bes serem Stoffe für den König gemacht hat, und fragte den Sohn, ob er auch eins machen könne, und wie viel er dafür verlange? Er forderte 500 Rthlr. — In diesem Dorfe gibt es eine Menge Arbeiter in Eisen, die einen ansehnlichen Verkehr haben. Zwischen Steinseifen und Schmiedeberg liegt Buch wald, ein Sih des Grafen von Reden, mit sehr großen Anlagen. Zch besuchte ihn, von Schmiedeberg aus, noch denselben Nachmittag und — sahe wirklich etwas Neues. Nur in der Schweiz ließe sich so etwas hervorbringen; aber dort macht man wenig Englische Anlagen, weil man das Geld nicht dazu hat, und der Boden theuer ist. Nun ist der ganze Strich zwischen Hirschberg und Schmiedeberg der interessanteste und erha-
bendste des ganzen Riesengebirges!
höchsten Gipfeln
nächsten.
vorzüglich
und
Hier ist man den
der Schneekoppe am
Von jeder Höhe ist also hier zu Lande die
Aussicht unendlich groß.
Denken Sie Sich nun Anla
gen in einem so von der Natur geformten Lande, und
Sie bekommen, was kein Drown hervörbringen, kein Engländer mit-Millionen erkaufen kann.
Schmiedeberg ist ein allerliebster,
offener Ort,
mit einer großen Menge sehr guter Häuser,
die theils
wohlhabenden, theils reichen Leuten gehören.
Kaufleute,
die ein Vermögen von 100,000 Thalern haben, gibt es in
den Städten am Riesengebirge mehrere.
Jemand
wollte mir von Millionairs reden; allein dieses ist wohl bey zwey Drittel übertrieben.
Aber ausgemacht ist es,
daß große Geschäfte in diesem ganzen Theile des Rie
daß
man in jeder Stadt
mehrere sehr reiche Häuser findet,
und daß der Wohl
sengebirges gemacht werden, stand allgemein ist.
Gleichwohl gehört
unter die theuersten in Schlesien,
Lebens stehen hier ungleich höher,
nen Bedürfnisse des
als in vielen Theilen von Deutschland. immer!
dieser Strich
und viele der gemei
So wie sich
Aber so ist es
das Geld in einer Gegend ver
mehrt, wird es wohlfeiler, d. h. der Preis aller Dinge
steigt.
Uebrigens ist es in allen Bergländern, die stark
bewohnt sind, theurer,
als in den Ebenen,
weil meh
rere Bedürfnisse mühsam dahin gebracht werden müssen. — Auch in unsern Rechnungen in den Wirthöbäusern
bemerkte ich einen großen Unterschied gegen Niederschlesie«. —
Die Bevölkerung von Schmiedeberg betragt
über 3500 Seelen;
Herr Zöllner gibt für d. I. 1-91
die Zahl 3250 an; aber die Zahl der Menschen, die in
der Gegend
umher leben und für die Stadt arbeiten,
ist beträchtlich.
Von dieser
Stadt
aus
lichsten die Schneekoppe.
besucht man am gewöhn
Sie läßt sich von
verr
Dritter
6o
schiedenen Seiten ersteigen,
nächsten.
Brief. aber hier ist man ihr am
Man rechnet vier Stunden bis auf die H a m-
pels'Baude, welche, nach Herrn von Gersdorf, 3819
Pariser Schuhe über Mtn Meere ist.
Die Schneekoppe
selbst seht er aüf 4949 solcher Schuhe.
Andere geben die
runde Summe von Zooo , einige noch meht, und emer,
ich habe vergessen wer, nimmt über 5700 an.
Die Al^
gäbe des Herrn von Gersdorf gehört unter die niedrigsten, und wenn man auch nur die Mittelzahl der mehresten An gaben nimmt, so bekommt man immer reichlich über 5000
Schuh. Auf alle Fälle ist sie viel höher als alle Berge in den Fränkischen, Rheinischen, Sächsischen und Westphälischen Kreisen und nach den Schweihergebirgen, den Pyrenäen, Apenninen und einigen Gipfeln der Carpathischen Gebirge,
der höchste in Europa.
Man
geht gewöhnlich auf die Hampels Baude an einem Nach mittage,
schläft da einige Stunden und ersteigt dann
vor Sonnen-Aufgang die Spitze.
Es regnete heute früh,
und man verspricht sich für Morgen das nähmliche.
Aber
auch bey schönem Wetter in dieser Zahrszeit sind früh die
Bergspitzen selten von Wolken ganz frey, ja diese blerben
Uebrigens hatten wir
oft den ganzen Tag darauf liegen.
diese Arbeit nicht zu unterneh Wir wohnten hier bey Mascard, der ein klei
schon längst beschlossen, men. —
nes , aber ziemlich gutes Haus hält.
Landshut, den 30. Sept.
Wir hätten gern diesen Morgen Friesenstein ge
sehen, eine merkwürdige Felsenwand, die ungefähr auf dem halben Wege zwischen Schmiedeberg und Landshut
etwas seitwärts liegt.
Schon mehrere meiner Schleilschen
Bekannten hatten mich aufmerksam darauf gemacht, und
ein Einwohner von Schmiedeberg, an den wir empfohlen waren, sprach davon als von einem großen Natnrwun-
der. —
Es regnete, und wir wollten nicht einen Fuß
weg durch nasses Gras machen. Der Derg,
über den der Weg von Schmiedeberg
nach Landshut geht, gehört unter die höhrrn Fahrstraßen
von Europa.
Die Straße ist gutgebaut, und ziemlich
wohl unterhalten, wenigstens auf der Seite von Schmie deberg.
Die Station ist von zwey Meilen.
So wie
man diesen Berg zurückgelegt hat, endigen sich die ganz großen Scenen des Riesettgebirges:
Zwar
bleibt man
noch immer in den Bergen, und Lanbshut ist ganz davon umgeben; auch sieht man hier noch die Schneekoppe, und
hat überhaupt sehr schöne Aussichten.
Die Stadt kommt
Hirschberg und Schmiedeberg nicht gleich. auch hier manches gute Haus,
und Wohlstand,
Charakteristik
die-
Indessen ist
und man findet Thätigkeit aller
Schlesischen
Die Bevölkerung soll etwas
Städte am Riesengebirge:
über 3000 Seelen betragen.
Herr Zöllner gibt 2966 für
Wir sind mit dem Hause zum
d. I. 1791 an. —
schwarzen Raben recht wohl zufrieden.
Waldenburg, den 1. Oct.
Wir verließen -heute früh Landshut mit Tages - An
bruche,
denn wie-hatten sechs
mancherley zu sehen.
Metten zu machen und
Zch hatte für den ganzen Tag einen
leichten Postwagen gemiethet, und den unsrigen mit dem Gepäcke und den Bedienten nach Waldenburg geschickt,
welches
auf dem
Landshut ist.
geraden Wege nur drey Meilen
von
Eigentlich hatte ich den Reisewagen von
dem letzten One geraden Weges nach Schweidnitz schicken können, wo wir morgen eintreffen werden;
allein da hät
ten wir uns mit wenigstens einem Bedienten und etwas
Gepäcke beladen müssen.
Jetzt waren wir nur zwey Per
sonen, und hatten Ursache, mit unserer Poftchaise zufrie
den zu seyn,
denn wir legten die sechs Meilen, die zum
61
Dritter
Brief. in sieben
Theil über einen abscheulichen Weg führten,
Stunden zurück, so daß uns alle übrige Zeit zum Sehen blieb.
Diese letzte Ausflucht gehört mit zum Ganzen einer Reise durch das Riesengebirge, und hiermit ist diese Berg-
reise geendiget, über die wir vierzehn Tage zugebracht fyvben, und womit man sehr wohl drey Wochen ausfüllen
Wir haben Alles gesehen,
kann.
was
wir zu sehen
wünschten; aber an einigen Orten und bey mehreren Ge
genständen würden wir mit Vergnügen uns langer aufge halten haben, wenn wir in einer frühern Jahreszeit hier
her gekommen waren. Wir kamen heute früh zuerst nach Grissau, (auch
Grüfsau) ein großes Cisterzienser-Kloster, mit einem Lnfulirten Abte, das wirklich gesehen zu werden verdient.
Man hat vor mehreren Zähren angefangen, es neu zu erbauen,
und das nach einem Plane von Große,
der
mich in diesen Zeiten, die den Klöstern so ungünstig sind,
überraschte.
Selbst die Architektur, die in Deutschland
in Gebäuden dieser Art noch ziemlich barbarisch ist, hat viel Gutes und Schönes.
Indessen, ist doch in der Farbe
und in den äußern Verzierungen immer etwas, auf das gelindeste. Klosterartig nennen will.
das ich,
Die Kir
chen sind mit Farben und Zierathen beladen und für die
große Menge berechnet, auf die so etwas nie seine Wir
kung verfehlt.
Das Stift hat große Einkünfte, besitzt
etliche Städte und eine Menge Dörfer. Wir kamen dann an das Städtchen Schönberg,
das zwey Meilen von Landshut ist, und eine dritte Meile brachte uns nach Adersbach in Döhmen.
Dieß war
das viertemahl, daß wir auf dieser Dergreise nach Böh men kamen, oder wenigstens die Grenze berührten. Aders
bach ist ein schlechtes Dorf; aber die daran liegenden Fel sen werden so häufig besucht, daß ich in dem Buche, in
welches man die Fremden sich einschreiben laßt, sechs und dreyßig Sollseiten mit den Nahmen der Personen be schrieben fand, die bloß diesen Sommer den Ort besucht haben. Die Hälfte dieser Seiten war freylich mit Versen und Zlusrufungen angefüllt; aber es blieben der Nahmen doch immer mehrere hunderte. Ich bemerkte, daß^ von zehn Handschriften immer neun sehr schlecht, und daß die Verse, Ausrufungen und Bemerkungen größtentheils schalen, pöbelhaften Witz enthielten, oder altväterisch fromm waren. Ueberhaupt werden die Gegenden des Riesengebirges weit mehr besucht, als ich mir vorstellen konnte. Auf dem Oywin bey Zittau sah ich auch an die zwanzig Folioseiten von Nahmen, die in diesem Zahre niedergeschrieben waren, (und ungefähr eben so zahlreich fand ich nachher die Gesellschaft, die diesen Sommer das Schloß Fürstenstein besucht hatte.) Ich habe so viel gesehen, und ohne Unterlaß zeigt mir die Natur immer wieder etwas Neues. Nichts, das mir noch irgendwo vorgekommen tst, gleicht den Fel sen von Adersbach. Ich weiß nichts, das ich mit diesen Steinpfeilern vergleichen könnte, denn selbst die Granit säulen bey Königshayn und auf dem Greiffensteine sind doch so sehr von diesen verschieden. Ungeheure Felsen massen, die sich, ohne alle Vorbereitung, schnurgerade aus einer grünen Wiese, aus einer vollkommenen Ebene erheben, und wovon einige an die 200 Schuh hoch seyn sollen! Und dann ihre Menge, die ein Labyrinth bildet, in welchem man sich verlieren könnte! Jede scheint für sich allein zu existiren, ist mit keiner andern verbunden, hat-keine horizontale Ueberlage, sondern bildet eine isolirte, mehrentheils von allen Seiten senkrechte.Felsensäule. Ich gebrauche das Wort Säule, oder Pfeiler,- weil mir kein anderes einfttllt, aber einen anschauenden Begriff geben diese Wörter nicht; denn einige dieser Felsenmaffen sind von größerm Umfange, als die größten Kirchthürme.
Dritter
64
Brief.
Auch sieht man hier nichts von jener Verwüstung,
die
wo
Da
ich sonst überall fand,
ist,
ich
Felsensaulen sahe.
etwan ein paar Flecke ausgenommen,
abgestürztes, nichts^Umgefallenes.
nichts Her
Manche stehen aus
dem grünen Grase hepvor wie künstliche Pfeiler,
Baumeister,
deren
nachdem er sein Werk vollendet hatte, es
sorgfältig von dem Unrathe säuberte, der durch dessen Er
richtung entstand. an einander,
An manchen Orten stehen sie so nahe
daß man so eben nur durchkommen kann.
— Der Mann
vom
Wirthshause
kleinen
hat einen
Bach, der zwischen einem Theile dieser Felsen läuft, in Ufer eingeschlossen, und da, beynahe unwegsam macht,
Eingang in bey
Der
diese Gegend hat eine verschlossene Thüre,
deren Ocffnung
vorhalt und
wo die Nässe den Strich mit Planken belegt.
Zhr Führer Ihnen
um einen kleinen
Beytrag
eine Büchse für diese den
Ressenden, so nützliche Arbeit bittet.
Man stellt sich vor, daß diese Felsen nichts anders als Gerippe von Bergen sind, deren lockere Erde vom Wasser nach und nach weggespült,
gerissen worden ist. natürlichste Art,
oder gewaltsam ab
Dreß ist freylich die einfachste und da wir
die Erscheinung zu erklären,
nun einmahl alles erklären müssen.
Aber wo hat die
Natur je Berge geformt, die auf und zwischen solchen Fessensaulen ruhten? Ueberall sagt uns der Bergmann
das Gegentheil!
Und
wie sind in diesem Berge diese
Felsen entstanden, so mannigfaltig, so senkrecht, so schön zugehauen?
O, lieber Freund, wir haben noch
nicht Data genug,
Entstehung unserer kleinen Erdkugel zu
nigen,
die einmahl eins
die Bestätigung desselben, Brbel annimmt,
lange
um vollständige Systeme über die Dieje
bilden.
haben, finden freylich überall so wie ein jeder,
der die
er gehöre übrigens zu welchem Glau
ben er wolle, seine Religion in der Bibel findet. aber nur ein demüthiger Forscher
ist,
Wer
und bloß das
was Andere sagen, ohne selbst eine entschie
verfolgt,
dene Meinung zu haben, der wird ohne Unterlaß Dinge in der Natur sehen, die allen Theorien und Geogvnien Folgendes gehört ganz hieher. — Herr de Luc war diesesZahr zu Berlin, wo er gewal
widersprechen. —
tig über sein System angegriffen wurde.
haft aus,
Er hielt stand
sich denn das von einem Systematiker
wie
nicht anders erwarten läßt,
und die Berliner harten,
um ihn seiner Irrthümer vollkommen
zu überführen, nichts weiter zu thun, als ihn an das Riesengebirge zu
verweisen, wo er die vollständigste Widerlegung finden würde.
Er kam, wie mir Herr * * * sagte,
und —
fand sein System vollkommen bestätiget. Der Graf von Blümär hat zu Adersbach ein
großes, plumpes Wirthshaus gebauet, mit einer Menge
von Zimmern, die zwar geräumig sind, viele Menschen zu fassen, deren Znneres aber von der äußersten Armuth des Wirthes zeugt, der für das bloße Haus 120 Gul
den Pacht gibt,
und erklärt,
wäre, dabey auszukommen.
daß es ihm unmöglich
Unsere Mahlzeit war ma
ger, und der Schmutz, der überall hervorblickte, trug
keinesweges dazu bey, sie zu würzen. Zu Friedland kamen wir wieder nach Schlesien, und zwey Meilen weiter nach Waldenburg,
nachdem
wir wieder in eine ziemlich gute Straße eingefallen waren. Waldenburg war mir als ein Städtchen be
kannt, das sich seit einiger Zeit gehoben, und einen be trächtlichen Antheil an
den Schlesischen Linnenfabriken
hat. Aber ich erstaunte, eine Menge großer und vor trefflicher Häuser, und darunter einige von einer sehr guten Bauart
zu sehen.
Zch ging noch
eine halbe
Stunde umher, fand eine sehr hübsche neue Kirche, in einem guten Style, und erstieg dann eine kleine An
höhe, nahe bey der Stadt, wo ich die Bemerkung be
stätiget fand, die ich schon bey meiner Einfahrt gemacht Kuttners N. 3- Th.
5
66
Dritter
Brief.
hatte, daß diese reinliche, artige Stadt auch eine sehr angenehme Lage hat. Waldenburg macht jetzt sehr ansehn liche Geschäfte, hat mehrere wohlhabende und einige reiche Handelshäuser, und eine Gesellschaft, in der sich artige, sehr gebildete Menschen befinden. — Wir waren im Wirthshause zum blauen Rosse recht wohl; nur muß man an solchen Orten nicht die Zierlichkeit und die Art größerer Städte erwarten. Breslau, den 3. Oct.
Wir gingen gestern von Waldenburg nach Schweid nitz und übernachteten in einem armseligen Hause zu Gniegwitz, weil wir uns am Tage verspätet hatten, und Breslau nicht mehr erreichen konnten. Zwischen Waldenburg und Schweidnitz liegt, nahe an der Landstraße, das Schloß Fürstenstein, das dem Grafen von Hoberg gehört. Dieser Sitz hat in seinem Aeußern eine gewisse Größe, und das Innere ent spricht dieser in so fern, daß es, ohne gerade prächtig zu seyn, sehr gute, zierlich und geschmackvoll meublirte Zim mer enthält. Besonders gefiel mir die Wahl der Kupfer stiche, womit vier Zimmer reichlich behangen sind. Eins enthält nichts als Aussichten von der Schweiz, alle in bunter Manier; ein anderes fast nichts als Englische Ge genstände in Englischen Stichen; ein drittes, Aussichten von Frankreich und Italien. In einem Cabinette hängen ein Dutzend Oehlgemählde von Reinhardt, die lauter Gegenden aus dem Rtesengebirge vorstellen. Die € tandpuncte zu allen diesen Gemählden hat der Künstler vor trefflich gewählt; aber sie haben kein gutes Colorit. UebrigenS ist dieser Reinhard nicht mit dem zu verwechseln, der sich lange in Rom aufgehalten hat, wo er, so viel ich weiß, noch ist. Von diesem Letzter«, Mechau und Dies ist das große und interessante Werk Italiänischer Aussich ten, das Frauenholz zu Nürnberg in Verlag hat.
Die Lage von Fürstenstein ist groß und edel, uni> auf der einen Sette außerordentlich wild.
Ein sogenann
tes altes Schloß, dem man es aber freylich noch ansteht,
daß es erst kürzlich erbauet worden ist,
erhebt sich aus
dnnkelm Nadelholze auf der Spitze eines steilen Berges,
und macht für das Wohnhaus eine treffliche Zfusstcht. Man hakte mir die hiesigen Anlagen sehr gerühmt; allein bis jetzt ist noch nicht viel gethan worden: und in der
That ist die Natur hier so, daß man wenig zu thun braucht. — UebrigenS ist dieser Graf einer von den vie len Schlesischen Edelleuten, die den größten Theil ihrer
Zeit auf ihren Gütern zubringen, und da, anstatt sich in den Hauptstädten zu verlieren und an den Höfen eine un tergeordnete Rolle zu spielen,
in einer Art von Größe
leben, die der Sommerexistenz de« Englischen Adels nicht
unähnlich ist. Von nun an verloren wir allmählich das Riesenge birge, und das Land wurde mit jedem Schritte niedriger, nur daß wir noch den hohen Zobtenberg im Auge hatte»,
den wir auch erst auf der andern Seile von Schweidnitz
verloren. —
Wir kamen an das Städtchen Freyburg
und sahen, etwas weiter hin, rechts, ein Bergwerk, das unsere Aufmerksamkeit darum erregte, weil wir es hier fanden, wo das Land wieder anfängt, eben zu werden,
und weil wir in dem Riesengebtrge selbst so gar wenige bemerkt hatten.
Schweidnitz,
so berühmt durch die Belagerun
gen, die es zu verschiedenen Zeiten aushalten mußte, ist
denn bod) mehr eine befestigte Stadt, als eine eigentliche Festung.
Zd) fand aud> hier mehrere große und gute
Häuser, vermißte aber die Reinlichkeit,
Heiterkeit" und
den allgemeinen Wohlstand, den nur Handel und Fabri ken gewähren: und diese scheinen sich mit einer zahlreichen Garnison und der militärischen Oberherrschaft
vertragen.
nicht zu Gleichwohl ist Schweidnitz nicht ganz ohne
Dritter Brief.
65 Handel,
bringt auch mehrere Kunsterzeugntsse hervor,
besonders allerhand Leder und vorzüglich Eorduan.
ist seine Bevölkerung nicht unbeträchtlich, im Z. 1788
aber
2865
zählte man hier 8983 Seelen,
zur
gehörten.
Garnison
Auch
denn schon wovon
Demungeachtet
steht es an Geschäften und Erwerb mehreren weniger be völkerten Städten weit nach.
Etwan eine Meile über Schweidnitz hinaus, kamen wir dem Zobtenberg, oder wie die Leute hier sagen,
Zotenberg, ganz nahe, und mit ihm endigten sich alle die großen und erhabenen Scenen, in denen ich zeither ge
wandelt hatte.
Wenn man bedenkt, daß das Land, in
welchem dieser Berg sich erhebt, auf drey Seiten ganz flach und auf der vierten nur wenig erhaben ist, so ist die Höhe von 2224 Pariser Schuh über der Meeres
fläche, die man ihm gibt, ungeheuer.
Es ist bekannt,
daß hohe Berge immer mit andern zusammenhängen, und daß man auch an die höchsten nur dann erst kommt,
wenn man eine Menge kleinere zurückgelegt hat.
einzelner Berg
im
von
flachen Lande
Ein
1000 Schuh
senkrechter Höhe ist schon eine sehr ungewöhnliche Er
scheinung.
Daher kommt denn auch die Wirkung, die
der Zobten von allen Seiten her macht! Ueberall zeigt er sich wie ein ungeheurer Riese, der darum so gar
groß ist, weil sich nichts in seiner Nähe findet, das man mit ihm vergleichen kann. Ich sah ihn schon zwischen Sprottau und Bunzlau, letztere Stadt erreichten;
Lauban,
lange
ehe wir die
dann zwischen Bunzlau und
und gestern und heute ist er uns fast nicht
aus den Augen gekommen. —
Von nun an verlor
sich das Land in eine große Ebene,
die nur hin und
wieder von kleinen Anhöhen durchschnitten wird: und so ungefähr ist die ganze Gegend um Breslau herum.
Vierter Brief. Breslau
Garve — allgemeine Uebersicht der Stadt —
Modell vom Riesengebirge — Betteley — Domslau — Jordansmühle —
Nimpsch —
Straßen
durch das Riesenge
birge — Größe und Bevölkerung von Schlesien — Pro
dukte —. Menschen — Unruhen int Riesengebirge — Fran kenstein — Stadt und
Festung
Silberberg
—*
Glatz —
Stadt — Festung — das Land — noch einiges über das
Riesengebirge — Lewien— Nachod — Schloß — IaroMrz — Festung Pleß,
öder Iosephsstadt — Königinngratz —
Chlumetz: Schloß des ^Grafen von Kinsky — Kolin.
Prag, den iL. Oct. 1798.
Ä)ir kamen gestern früh bey Zeiten von Ä n i e g w i tz (drey Meilen) hier an, und einer meiner ersten Gänge war zu unserm Ga xv e. Der Bediente, der vermuth lich schon längst nicht mehr gewohnt ist, fremde Gesich ter bey seinem Herrn zu sehn, schien verlegen zu seyn, ob er mich melden-sollte. Ich verstand ihn, kündigte mich als einen alten Bekannten an und schickte meinen Nahmen ein. Ich wußte ungefähr, welche Trauerscene ich zu erwarten halte, und doch erschrack ich, als Garve, so. wie die Thür aufging, mir. zurief: „Sie sehen einen elenden Menschen!" Er lag auf dem Dette, welches er schon seit geraumer Zeit nicht mehr verlassen hat. Zch hatte ihn seit mehr als zwanzig Jahren nicht ge sehen, und Sie können denken, wie ich ihn verändert
so fand!
Vierter
Brief.
Ich erinnerte ihn an die schönern Tage früherer
Zeiten, an seinen Aufenthalt in Leipzig, an die Freunde, die er noch dort hat — und nach den ersten Augen blicken, die erschütternd für ihn zu seyn schienen,
fand
sich die Heiterkeit" und Ruhe des Geistes wieder bey
ihm ein, die ihn bey allen seinen Leiden, den schrecklichstm, die ich mir denken kann, nie verlassen haben.
Die Unterredung wurde bald lebhaft,
und ich fand,
was ich freylich schon aus Briefen an einige seiner Freunde wußte, daß er noch an allem, was die mensch; liche Gesellschaft angeht, den lebhaftesten Antheil nimmt, mit seinen Zeitgenossen fortrückt,
und in keinem Fache fremd ist, .das. im weiten Reiche der Wissenschaft bis
hierher.Aufmerksamkeit erregt hat.
Meine Reise in die
Nordischen Reiche interesstrt« ihn sehr, und er that eine
Meng« Fragen an
mich, nicht wie einer,
der seiner
Auflösung entgegen sieht und ihre Beschleunigung sehn
lich wünscht, sondern wie ein rüstiger Wanderer, der
jede Erfahrung eines Andern gierig aufsammelt, um sie auf seiner eigenen Reise zu benutzen. —
Nachher kam
ein junger Edelmann zu ihm, der viel um ihn zu seyn scheint, und wir sprachen noch eine güte Weile von man cherley Gegenständen. —
Zch verließ ihn mit unaus
sprechlicher Wehmuth. Garve gehört unter die sehr we nigen, die ich Philosophen für das Leben nenne; Er
hat, wie Sokrates, die Philosophie vom Himmel her
abgerufen , und die Gesellschaft damit verschönert.
Er
verliest' dir Sphären metaphysischer Spitzfindigkeiten und
wandte.die Philosophie auf jeden Gegenstand des bür
gerlichem Lebens an.
Zch werde ihn nie wieder scheu!
und wo »st irgend einer feiner . Freunde, der den'Dulder
noch, lange zu sehen ivünscht, füt den jede Hoffnung in
diesem Leben' verfchwundcn ist!' *
Herr Man so, den
ich heute kennen lernte, versicherte mich, daß stlr.seinen Nachlaß schon längst'gesorgt, und'alles in den Händen
feiner Freunde geordnet wäre.
wir schon
seine
lehtern Werke
Zn der That würden
nicht
erhalten haben,
wenn sie nicht durch die Güte und Theilnahme dieser Freunde, worunter Herr Manso das meiste thut, in die
Welt gefördert worden wären.
So sehr mir die kleinern Schlesischen Städte ge fallen haben, so wenig hat das Aeusiere von Breslau
anziehendes für mich.
Es ist eine unreine,
alt und
in der selbst die großen und
traurig aussehende Stadt,
schönen Häuser von außen so räucherig und rostig sind,
daß man beynahe vergißt, schöne Stadt seyn würde,
und putzte.
daß Breslau wirklich eine wenn man sie aufräumte
Die öffentlichen Plätze sind geräumig, und
die Gaffen ziemlich breit: welches denn auch sehr nöthig
ist,
weil die Häuser drey, vier und fünf Stockwerke
Höch sind, das Erdgeschoß ungerechnet. Der Hatzfeldische Pallast
Hauptstadt von Europa
würde
bemerkt werden,
andere Gebäude sind sehr ansehnlich.
in
jeder
und einige
Mehrere katholi
sche Kirchen sind schön, aber mit Altären,
Gemählden,
Gold und kleinlichem Tand ungeheuer überladen.
Zn
dem großen, zum Theil prächtigen und mit Denkmäh ern verzierten Dom ist sehr wenig, das sich von Sei ten der Kunst empfiehlt.
Zwar nennt man Zhnen die
Hessische Capelle wegen ihrer Dildhauerarbeit, und die Statue der heiligen Elisabeth auf einem Altare.
Beyde zeichnen sich freylich vor dem übrigen
auS; aber wie vieles hätte nicht auch hier der Kenner
»roch zu erinnern! — Auch von Statuen und andern öffentlichen Werken in den Gassen und auf den Plätzen ist wenig Merkwürdiges, das Denkmahl ausgenommen,
das die Familie Tauenziehn dem vor einigen Zähren
verstorbenen Grasen dieses Nahmens und Gouverneur von Breslau auf einem Spaziergange hat errichten
Vierter
72
Brief.
Er commandierte in Breslau während der Be
lassen.
lagerung im Zahre 1760. Die
schön,
Aussicht
vom
hiesigen
Rathsthurme ist so
als sie nur über ein reiches,
aber flaches Land
In der Ferne sieht man den Zobtenberg
seyn kann.
und einige andere,
worunter auch die Kchneekoppe ist.
Letztere ist aber nur bey einer sehr klaren Luft zu sehen;
ich wenigstens konnte
sie nicht erkennen. Kriegs - und Domainenkammer zeigte man uns ein hölzernes Modell vom Rie In
der
sengebirge, von Kahl, men hat.
wofür er 600 Rthlr. bekom
Hat der Mann das Werk zwey- oder drey
mahl gemacht? Ich wußte zeither nur von einer Copie,
die Kahl für den König verfertigte, und die in der Aka demie der Künste zu Berlin aufgestellt seyn soll.
Oder
ist
diese letztere, und die, welche ich hier sahe, die nähmliche? Unser Führer konnte mir nichts Zuverlässi
ges darüber sagen. Dem sey wie ihm wolle, was ich hier sahe, ist ungleich besser gearbeitet und mit mehre rem Geschmacke ausgeführt, als das Original, dqs uns
der Sohn zu Steinseifen zeigte. Nicht weit vom Hafen, oder Packhofe stehen C a-
sernen von großem Umfange,
und sind schöner und
reinlicher, als alle andere, die ich in den Preußischen Staaten gesehen habe. Nach der letzten Zählung sollen in Breslau 60,000 Seelen gefunden worden seyn. Ist diese Angabe rich
tig, so hat die Bevölkerung dieser Stadt in den letzten Jahren nicht zugenommen; denn Herr Zöllner zählt schon im Zahre 1791 — 60,500 Menschen.
Die Zimmer, die wir in den sieben Bergen, wel
ches hier der beste Gasthof seyn soll, noch unbesetzt fan den, waren für uns nicht zureichend. Wir fuhren in das nächste beste, wurden da eben so wenig befriediget, und ließen uns endlich durch Empfehlung,
da meine
eigenen Kenntnisse nicht weiter gingen, in den goldenen
Zepter bringen,
wie ich nachher erfuhr,
welcher,
vierte oder fünfte Wirthshaus ist.
das
Unsere hiesigen Be
kannte schienen sich zu wundern, als ich es ihnen nannte. Es ist ein schmutziges Haus; sonst sind wir zufrieden.
Wenn ich einen Augenblick zu Hause bin,
werde ich
von Juden,
Obst- und
Soldaten,
kleinen Krämern,
Blumenmädchen überlaufen, gewesen bin.
wie ich es noch nirgends
Und dabey hat man Mühe, sie wieder auS
dem Zimmer zu bringen, besonders die letzter», welche,
wie es scheint, außer ihren vorgezeigten Waaren, noch andere abzusetzen haben.
Die mehresten sind elende Ge-
schkpfe; wenn durchaus nichts zu thun ist, betteln sie.
Ueberhaupt scheint die Zahl derjenigen Bettler, die nicht
unmittelbar unter dem Commando der Bettelvögte ste hen, hier ungeheuer zu seyn,
so wie mich überhaupt
dünkt, daß ich zu Breslau, neben dem Reichthume der höhere und bessern Stände,
Anzeigen von großer Ar
muth bemerkt habe. T-inipsch, im Fürstenthum Brieg,
den 5 jpct.
Wir verließen Breslau heute früh, zwey Meilen bis Domslau,
mühle, und zwey hierher.
drey
Unser
und machten
bis Zordans-
natürlicher Weg
wäre über Jäcsiirndorf und Troppau, Ollmütz und Brün
gewesen, auf welchem wir nach Wien sieben und zwan zig Meilen kürzer gekommen wären und eine ziemlich gute Straße gehabt hätten.
Allein Herr * * wünschte,
Prag zu sehen, und darin hatte er auch nicht unrecht.
Die Zahl von Meilen,
die wir auf dieser Seite mehr
zu machen haben, sind die geringste Betrachtung, und
nach Wien kommen wir noch immer zeitig genug, da
wir vermuthlich den ganzen Winter dort zubringen werden. Ueberdieß bringt uns diese Straße durch die Gebirge der
Vierter
74
B r, e f.
Grafschaft Glatz, die man als einen Theil des Riesengr-
birges betrachten kann, ob sie schon gewöhnlich nicht dazu gerechnet werden: und ich erinnere mich, daß ein Böhmi scher Graf, den -ich einst in Carlsbad kannte, und mit dem ich immer viel vom Riesengebirge sprach, mir ganz vorzüglich auch die Grafschaft Glatz zu besuchen empfahl.
Ich
habe
schon
weiter oben erinnert,
daß die
Straßen zwischen den Städten Gretffenstein, Hirschberg, Schmiedeberg, Landshut u; s. w. bis Breslau durchaus
sehr erträglich, und hin und wieder recht gut sind.
Von
Schmiedeberg so wohl als von Landshut geht ein Weg nach Trarztenau in Döhmen, welcher über Kbniginngräh
nach Kolin, und von da südlich nach Wien und nördlich nach Prag führt.
Also geht von Breslau aus ein ziem
lich guter, fahrbarer Weg bis an die Böhmische Grenze, welcher denn auch, am Riesengebirge hin und nach Lau-
ban zu, so ziemlich bis an die Oberlausitz reicht.
Es ist
fast durchaus eine Chaussee, die schon Friedrich der Zweyte Freylich besteht sie hin und wieder bloß aus Sand und Kies, ist aber doch immer sehr fahr
hat machen lassen.
bar, und, in Vergleichung mit den Wegen, die ich in
der Lausitz und zwischen Frankfurt und Lauban fand, vor trefflich.,
Der Entwurf war, durch ganz Schlesien eine
Chaussee zu führen; allein unter der letzten Regierung ist
Alles so langsam: gegangen und so sehr vernachlässiget worden, daß mehr noch zu thun übrig bleibt, als was schon
gemacht ist.
So fqnden wir z. E. von Breslau aus zwar
die ersten fünf Meilen sehr erträglich, kamen aber dann zwischen Zordansmühle und
Nimpsch auf einen so ab--
scheulichen Weg, daß ich nicht glaubte, wir würden den
Wagen unzerbrochen-auf die letzte Station bringen. Sechs Pferde hatten schwere Arbeit. —
Das Land war auf
diesen sieben Meilen, verglichen mit dem, aus welchem wir kürzlich gekommen waren, wenig interessant, größtentheils stach, übrigens ziemlich wohl angebaut.
Aber.
Vierter
Brief.
75
schon nähern wir uns wieder erhabenern Scenen, und
die hohen Gebirge, welche Glatz von Döhmen trennen, zeigen sich in der Ferne. Wir kamen diesen ganzen Tag durch nichts als Dörfer, und selbst das Städtchen
Nimpsch, der beste Ort, den ich heute gesehen habe, ist sehr unbedeutend.
Wir wohnen im Schwane, einem
kleinen und nicht sonderlichen Hause. Büsching setzt die Größe votti Preußischen Schlesien nebst der Grafschaft Glatz auf 642, Zöllner
aber, vermuthlich nach neuern und bessern Nachrichten, auf 685 Geographische Luadralmetlen. Büsching fetzt
die Bevölkerung im Zahre
1755 auf — 1,163,355 Menschen. 1774 auf — 1,372,754 —
1791
-
-
lung ,
1799
-
-
—
Zöllner gibt nach ei
ner wirklichen Zählung im Zahre 1,747,065 Menschen, (und nach der Zah die ich seitdem gesehen habe, fan
den sich im Iahte 1,884,632 Menschen, ohne das Militär.)
Welch eine ungeheure Zunahme im Verlaufe von in welche noch überdieß der siebenjährige Krieg fällt! Nun ist es bekannt, daß ein
vier und vierzig Zähren,
großer Theil diese- Landes sehr schlecht bewohnt und eben so schlecht angebaut ist.
Man schließe also auf
die außerordentliche Bevölkerung und Industrie einiger
anderen Striche, die den Abfall ersetzen müssen: und diese sind denn vorzüglich die Gegenden am Riesengebirge, die ich so eben bereist habe.
Auch in Rücksicht
auf Mannigfaltigkeit der Er
zeugnisse und Verschiedenheit der Naturscenen ist Schle
sien ein äußerst merkwürdiges Land, und im Norden von Deutschland gibt es keine Provinz von so geringem Umfange, die ihm darin gleich käme.
schen sind nicht weniger interessant,
Und die Men und zeichnen sich
Vierter
76
Brief.
von andern, die unter der nähmlichen Breite leben, auf
eine vortheilhafte Art aus.
hat,
in den Theilen,
Mich dünkt, der Schlesier
ihn gesehen habe,
wo ich
als alle die Völker,
größere Lebhaftigkeit,
eine
die zwischen
ihm und der Nordsee unter der nähmlichen Breite woh nen;
eine Einbildungskraft,
die ihn immer vorwärts
und eine Thätigkeit,
die auf die Verbesserung
treibt,
bürgerlichen
feiner
Lage abzweckt.
Er ist gesellig, und
schätzt vorzüglich die Künste und Wissenschaften, die un
mittelbar auf
das
tägliche Leben wirken und
Gesellschaft den meisten Einfluß haben.
der Unterschied seyn zwischen dem Schlesier,
Gegenden am Niesengebirge,
und dem,
auf die
Ungeheuer soll
der die
der das Land
an der Pohlnischen Grenze bewohnt. —. Wer sich um
ständlicher fleißige,
über mit
Schlesien
unterrichten will,
großer Sorgfalt
geschriebene
lese das Werk des
Hrn. Probst Zöllner. Von den Unruhen in
am Riesengebirge,
Zeitungen gelesen,
gehört habe.
einigen Schlesischen Dörfern
haben Sie vielleicht mehr in den
als ich
an
Ort und Stelle darüber
Gleichwohl bin ich durch mehrere Striche
gekommen, wo Unruhen gewesen waren, aber durch kei
nen,
wo ich noch
Truppen gefunden hätte.
Die Ur
theile derer,
mit denen ich in den Städten darüber re
fielen
über den Grund und Ungrund der Klagen
dete,
äußerst verschieden aus.
Mit Leuten niederer Stände
trat ich nicht gern in Unterredungen darüber ein;
doch
mußte ich auf Dörfern und von den Postillons ein paarmahl davon hören.
merkt,
Und
da habe ich denn so viel be
daß diese Leute ziemlich allgemein den unglückli
chen Gedanken haben,
es werde ihnen ihr Recht nicht
geschehen, so lange der König nicht selbst komme.
Ver
gebens stellte ich ihnen vor, daß eist König nicht überall
seyn könnte.
Sie antworteten: Minister, Cvmmissarien
Vierter
Brief.
7
eht eine Caserne und ebenfalls voll
Vierter
167
Brief.
Franzosen. — Ich fand an dem schwarzen Adler ein gutes und billiges Wirthshaus.
Gestern Vormittags verließen wir Görz, und nah men unsern Weg etwas höher am Flusse hinauf, wir den Tag vorher gethan hatten.
Dadurch
als
kamen
wir nicht wieder an die Fahre, sondern an die Drücke, welche über einen sehr mahlerischen Strich des Lisonzo gehet,
so wie überhaupt der größte Theil des Weges,
der nicht ganz der nähmliche war,
den wir vorher ge
macht hatten, ob wir schon bis an die Thore von Gradisca zurückgingen, sehr schön ist. — Meilen bis
Nogareto,
Wir hatten vier
einem kleinen Orte im ehe
mahligen Venezianischen Gebiethe, und drey andere bis Udine. —
Dieser ganze Strich Landes ist eben,
man schon
die hohen Alpen beständig zur Rechten hat.
ob
Das flache Land ist ziemlich wie das, das ich Ihnen zwischen Monfalcone, Gradisca u. s. w. beschrieben habe, nur daß sich hin und wieder etwas
mehr Kornfelder
und Weiden finden.
Sacile,' den giften May. Utitet
den
Mittelstädten Italiens
Range weiß ich kaum eine,
hatte,
als Udine.
vom
zweyten
die mir so wohl gefallen
Wenn man Padua als die vierte
Stadt des Venezianischen Gebiethes betrachtet, und Vi cenza als die dritte, so ist Udine wohl die fünfte; allein
Vicenza
berühmt,
ist vorzüglich nur wegen der vielen Gebäude
die Palladio dort aufgesührt hat,
und also
freylich eine sehr schöne Stadt; aber in andern Rücksich ten ziehe ich ihr Padua und Udine
finde ich nicht jene todte Erschlaffung,
vor.
Zu Udine
welche die meh-
resten Italiänischen Mittelstädte charakterisirt, nicht jene offenbaren Spuren von Verfall, die immer mehr zeigen, was der Ort gewesen ist, als was er jetzt ist. Eine Bevölkerung von siebzehn bis achtzehn tausend Seelen
Alerter
i6z gibt
dieser
Stadt
eine große Lebhaftigkeit,
Betriebsamkeit da ist,
und die
daß etwas Handel und eine
Menge ihrer Läden zeigt, selten findet.
Brief.
die man in diesen Provinzen so
Ich bemerkte mehrere Buchhandlungen,
wovon eine sehr reichlich versehen war.
Zn fünf ver
schiedenen Läden waren Landkarten und
allerhand Ku
pferstiche ausgehängt. Eis,
Zn einem Kaffeehause fand ich
sehr
artige Zimmer und ziemlich wohlgeklcidete
Menschen,
und in dem Laden eines Zuckerbeckers be
merkte ich eine Menge Leckereycn und Delicateffen, wie
man sie sonst nur in größern Städten findet.
Auch
sahe ich, daß die Handwerker Arbeit hatten, daß man eine Menge Kutschen, Chaisen und mancherley Meuhlen
verfertigte,
und daß mehrere Häuser abgeputzt,
oder neu verziert wurden: lauter Dinge, die ich in den Italiänischen Mittelstädten nicht zu sehen gewohnt bin.
das
Man führte uns in
Schauspiel-
oder
Opernhaus, und ich fand es so, wie ich in Deutsch
land nur sehr wenige kenne.
ein großer,
Gleich beym Eingänge ist
anständiger Saal,
ten und weilen können.
wo die Zuschauer abtre
Zu Berlin und selbst in bcii
ersten Schauspielhäusern von Wien muß man in einem wo Sie umhergcdrängr
elenden,
engen Raume stehen,
werden,
und der Zugluft ausgesetzt sind,
etwa auf Zhren Wagen warten müssen.
wenn Sie Ein anderer
Beweis von dem Wohlstände von Udine ist,
daß die
Logen vom ersten, zweyten und dritten Range alle vcr-
Miethet sind. Zch ging in den bequemen und geräumi gen Gallericn umher, die um jedes Stockwerk herum laufen , und fand über jeder Loge den Nahmen der Ei genthümer, welche Männer aus der Regierung, Kauf
leute, noch häufiger aber Edelleute sind.
Der Pallast des ehemahligen Luogotenente (so heißt die höchste obrigkeitliche Person) ist in einem überaus großen und prächtigen Style gebauek.
und bekommt noch ein ganz besonderes Ansehen von Großheit dadurch, daß er auf einer beträchtlichen An höhe steht. Aber diesem Gebäude sieht man es sehr an, daß es seit einer langen Reihe von Zähren vernachläs siget worden ist, und daß die Venezianischen Regenten mehr hierher kamen, um Geld zu machen, als um die Würde und Größe aufrecht zu erhalten, die ihre Vor fahren gründeten. — Das schönste von diesem Pallaste ist jeht die herrliche Aussicht, die man da nach allen Seiten hin hat. Man übersieht eine reiche, wohlange baute Pläne, in der sich an der Nordseite hohe, mit Schnee bedeckte Alpen erheben. Es ist sonderbar, daß in Italien, von einem Ende des Landes zum andern, gewisse Gebräuche so allgemein sind, die uns widerlich und ekelhaft Vorkommen! Hier, so wie zu Bologna, auf dem Capitol zu Rom und an mehreren andern Orten, wohnen die gemeinen Verbre cher im nähmlichen Pallaste mit der höchsten obrigkeit lichen Person des Ortes. Der Senator von Rom hat sie gerade unter seinen Fenstern, so wie sie hierzu Udine in dem untersten Stockwerke des Pallastes sind. Die Fenster dieses Gefängnisses gehen auf die Terrasse, w» die Aussicht gerade am schönsten ist, und wo man am liebsten weilen möchte. So wie sie jemanden gewahr werden, machen sie einen fürchterlichen Lärm, und ru hen nicht eher, als bis man etwas in alle die Deutel oder Säckchen gesteckt hat, die sie von den verschiedenen Fenstern der Gefängnisse an Bindfäden herablassen. So oft man zu dem Senator von Rom ging, mußte man die Gefängnisse passiren und ihre rauhe Musik hören. Außer dem Pallaste des Luogotenente gene rale (das war sein ganzer Titel) ist der des Erzbischofes der ansehnlichste. Es gibt aber auch hier eine Menge sehr guter Privatgebäude. Zn einem der selben, wclcbes sonst gar nicht vorzüglich ist, befindet
i;e>
v t c f.
Vierter
sich eine Capelle,
die wegen ihrer Bildhauerey gesehen
zu werden verdient.
Es sind vier Wände in alto ri-
lievo von weißem Marmor,
und von der Hand des
Bildhauers Torretti, der in diesen Arbeiten einen gro
ßen Meister zeigt,
ob man schon
Schule ihnen sehr deutlich ansieht.
die
Venezianische
Sie enthalten i)
Mariens Besuch bey Annen, 2) Zachariae, der den Nahmen seines Sohnes ausspricht, 3) Mariens Vor stellung im Tempel, und 4) ihre Reinigung. Der Ei genthümer des Hauses heißt Torreani. Die Cathedralkirche ist von innen ein schönes
Gebäude,
und hat sehr gute Basreliefs in Holz;
des
marmornen Fußbodens und der vielen Altare nicht zu
gedenken,
denn diese sind den mehresten Ztaliänischen
Kirchen gemein. Unter den Häusern sind Arcaden, steinernen Säulen,
theils
Pfeilern
die theils auf
ruhen.
—
In
Deutschland spricht man häufig die zweyte Sylbe dieser
Stadt lang aus; hier zu Lande habe ich sie nie anders, Alt Udine nennen hören. — Man erbauet nicht weit von hier eine Art von Strohwein, wovon
aber
der vortrefflich ist,
die halbe Flasche mit zwey Gulden im
Wirthshause angeseht wurde. Der traurige Friede,
der vor zwey Jahren zwi hat
schen Oesterreich und Frankreich geschlossen wurde,
von Udine seinen Nahmen, vermuthlich, weil diese Stadt bekannter ist, als das Dorf Campo formido, oas einige auch hier Campo formio nennen, wo er eigent
lich unterschrieben worden ist. Der Erzherzog Carl wohnte
das rch gestern inne hatte, und Buonaparte zu Passeriano, einem schönen Land
zu Udine in dem Zimmer,
sitze des damahligen Dogen Man ini,
über Udine hinaus, wöhnlich, wollte,
näher an Venedig.
zwölf Meilen Da,
wie ge
die eine Partey nicht zu der andern kommen
so wählte man das Dorf Campo formido..
Las vier Meilen von Udine und acht von Passeriano liegt.
Die Landstraße nach Venedig geht mitten durch
dieses
Dorf,
wo man mir ein ziemlich unbedeutendes
Haus zeigte, in welchem der Friede geschlossen worden ist. Desto mehr redete man von Passeriano, als ei
nem Landsitze, der seines Gleichen nicht hatte: und, da er nicht weit von der Straße abliegt, so machten wir die
sen kleinen Umweg.
Zn der That besteht er aus einer
Menge von Gebäuden in einem sehr großen Style, und, wenn ich einige Landsitze im Kirchenstaate, Caserta, die
gewöhnliche Residenz des Königs von Neapel, und etwa zwey Sitze des Königs von
Sardinien ausnehme,
so
wüßte ich wirklich in Italien wenig Gebäude auf dem
Lande,
die ihm
gleich kamen.
Auch das Innere des
Hauses empfiehlt sich durch Großheit des Planes und
durch die Anlagen einiger Zimmer; aber die Verzierungen, und besonders die Meublen sind so, daß sie mit denen in den
Englischen Landhäusern vom zweyten und dritten
Range nicht zu vergleichen sind,
auf die Seite geschafft,
llebrigens mag vieles
und manches durch den letzten
großen Besuch beschädiget, oder zu Grunde gerichtet wor den seyn. Was mir in diesen Gebäuden am meisten Vergnügen
machte, war am Ende doch die Aussicht, die man aus einigen der obern Zimmer hat.
Sie ist reihend und geht
über eine weit«, fruchtbare Ebene und gegen Mitternacht
auf die hohen Alpen, wovon die nächsten nach St. Da niele zu, einem kleinen Orte, der sich sehr hübsch am
Fuße dieser Berge zeigt,
etwa fünfzehn Italiänische Mei
len entfernt sind. Auch die Gärten, im Französischen Style, sind von
großem Umfange.
Am Ende aber hat auch der schönste
Italiänische Landsitz immer etwas Trockenes, und die un
geheuern Steinmassen,
die hohen Pfeiler und Arcaden
imd Porticos benehmen mir jeden Gedanken des Ländli-
171
Vierter
Brief.
chen. — Ich erfuhr hier, daß der Eigenthümer gewöhn lich zwey Mahl des Jahres auf zehn oder zwölf Tage hierher kam: woraus ich denn sah, wenn ich es nicht schon sonst gewußt hätte, daß der Doge von Venedig doch nicht so sehr ein Gefangener war, als man im Auslande sich insgemein vorstellt.
Auf diesem Landsitze wohnte der Obcrgeneral Buona parte, mit seiner Gemahlinn und so vielen Generalen und OfficierS, daß diese weitläuftigen Gebäude sie mtt Mühe faßten.
Wir wechselten Pferde nahe bey Passeriano, zu C odroipo, einem Flecken, drey Deutsche Meilen von Udine. — Bald nachher kamen wir an den Tagliamento, der von allen den häßlichen und breiten Flüssen, die ich Ihnen beschrieben habe, der beschwerlichste ist. Sein ganz mit Steinen bedecktes Bett ist hier reichlich über eine Italiänische Meile breit. Zugleich gaben mir eine Menge Lastwagen, deren, wie ich nachher erfuhr, zwey und fünfzig waren, eine traurige Aussicht für unsere Tagereise. Allein der Unterofstcier, der sie anführte (denn es waren lauter Wagen mit Lebensmitteln für die Kaiser liche Armee in Italien beladen) war sehr höflich und ließ uns zuerst fahren. — „ Sie müßten ja sonst, sagte er, den ganzen Tag hier warten." — Dieß war buchstäblich wahr; denn nach der Art, wie man hier über den Tagliamento geht, halte ich es für unmöglich, zwey und fünfzig Wagen in einem Tage überzusetzen. Zuerst hatten wir eine äußerst beschwerliche Fahrt über die lockern, auf einander gehäuften Steine, womit das trockene Bett des Flusses angefüllt war; dann kamen wir an einen reißenden Strom, über den wir auf einer Fähre setzten, die so übel eingerichtet ist, daß es ein langes Geschäft war, den Wa gen darauf zu bringen. Hierauf fuhren wir wieder eilt Stück Weges über Steine, durch einen trockenen Theil
des Flußbettes, bis wir an den zweyten Strom kamen,
wo wir keine Barke fanden,
wohl aber mehrere Leute,
welche hier angeßellt sind, den Reisenden durchzuhelfen. Ein Anführer ging voraus, und zeigte bey Postknechten den Weg an, wie sie ihn fahren mußten, und einige starke Männer wadeten im Wasser und hielten den Wagen auf
beyden Seiten, weil der Fluß auch hier gewaltsam dahin strömt. Wir waren nun wieder im Trockenen, allein noch
immer im Bette des Flusses, immer auf lockern, oft hoch aufgethürmten^ Steinen. Endlich kamen wir an den drit ten Strom, wo wir abermahls eine Darke fanden; un endlich hatten wir noch eine große Strecke auf Steinen zu
fahren, ehe wir das jenseitige Ufer erreichten. Aber selbst mit diesem ungeheuern Bette ist der Fluß
nicht
zufrieden!
Wenn
der Schnee auf den Bergen
durch eine schnelle Hitze im Früh;ahre schmilzt, so füllt der Tagliamento nicht nur dieses ganze Bett, sondern überschwemmt noch überdieß einen großen Strich Landes, der dadurch für allen Anbau unbrauchbar wird, wie ich aus dem Sande sehe, womit der Boden weit und breit
hier bedeckt ist.
Es versteht sich von selbst, daß der Fluß
alsdann ganz und gar nicht zu passiren ist.
Zm Winter hingegen hat er mehrentheils so wenig Wasser, daß man, ohne allen Beystand von Fahrzeugen,
durch ihn geht
und fährt. Stellen Sie Sich vor, daß der Preis dieser Uebersahrt nicht bestimmt ist! So etwas sieht der Veneziani schen Regierung vollkommen ähnlich,
und das war ein
Theil der Freyheit, die man dem Volke ließ, mit Frem
den zu thun, was sie für gut fanden.
(Die Oesterreichi
sche Regierung hat in diesem Lande noch wenig abgeändert.) Man bezahlt für die Ueberfahkt „ Quello ch’e
giusto•• (was recht ist) wie sich einer der Fährleute aus-
drückl«: und dieses Giusto betrug im gegenwärtigen Falle
1*4
r i e f.
Vielter
fünfzig Lire, oder zehn Gulden *).
Nach vielem Zanken,
Schreyen, Fluchen und gegenseitigen Drohungen nahmen sie mit dem vierten Theile vorlieb.
Zwischen dem ersten und zweyten Strome begegneten wir mehreren Hunderten Französischer Gefangenen,
die
grösitentheils ein unbeschreiblich elendes Ansehen hatten. Manche standen ganz nackt da und rangen sich das Hemd aus, in welchem sie so eben durch den Fluß gewadet wa
ren.
Sehr
wenige
trugen
Monturen;
Schuh und
Strümpfe waren fast gar nicht unter ihnen zu sehen.
Manche hatten schlechterdings nichts auf dem Körper als ein Paar Beinkleider und ein Mittelding von einer .Jacke
und Hemde, zu grob, um letzteres zu seyn, und nicht stark genug,
um den Nahmen der erstem zu erhalten.
Ich fragte einen Kaiserlichen Unterofficier, der am Wasser
stand, woher es käme, daß sie so gar lumpig und bettel-
haft aussahen? — „0, sagte er, die, welche in Festun gen, in Städten, und kurz, durch Capiti^lation gefangen
werden, behalten alles, was sie haben; wenn wir sie aber nach einer Action im Felde, im Walde kriegen, so wird
ihnen alles abgenommen, auch das Hemd, wenn es ein
gutes ist.
Das ist nun einmahl so der Gebrauch; sie ma
chen es uns auch nicht anders." — Aber auch selbst die, welche eine Montur trugen, und denen also nicht alles ab-
genommen war, hatten so wenig Habseligkeiten, daß ich mich nicht mehr über die äußerste Leichtigkeit und Bewegsamkeit einer Französischen Armee wundere.
Hierzu Sa eile fand ich wieder alle Gassen, alle Plätze,
alle Spaziergänge voll von diesen Gefangenen.
Man sagt mir, es wären ihrer, für diese Nacht, nicht weniger als neun hundert hier. — (Zwischen Treviso und
Mestre begegneten wir abermahts mehreren Hunderten auf *) Die Venezianische Lira beträgt gerade 12 Kaiserliche Kreuzer.
der Landstraße.)
Ein sehr großer Theil dieser Kriegsge
fangenen sind Cissalpiner.
Auch sie sahen so aus, daß ich
von den allerwenigsten mir würde haben tramen lassen,
daß ste Soldaten wären, wenn ich nicht immer eine kleine
Cocarde bemerkt hatte, die sie auf einem dreyeckigen, oder runden Hute, aus einer Freyheitskappe, oder Nachtmütze trugen.
Ern zerlumpteres, nackteres, elenderes Gesindel
Manche schienen nicht sechzehn
ist mir nie vorgckomrnen. Zahre alt zu seyn.
Man sagt mir,
sie.seyen für das
Bannat bestimmt, und alle werden zu Fuße befördert, die Ossicrers wie die Gemeinen.
Die lchtern haben vom Kai
ser täglich vier Kreuzer und ein halbes Brot, und damit müssen sie reisen! —
Eme sehr kleine Zahl Oesterreichischer Scharfschützen ist die ganze Bedeckung, unter der man sie nach ihrer Be
stimmung schickt.
Zch wunderte mich darüber,
bekam
aber zur Antwort, daß diese hinreichend sey, denn wohin,
sagte man, wollten sie denn laufen? Sie müßten betteln, oder verhungern; und da sie gar nichts haben, so sind sie
ihrer vier Kreuzer täglich wenigstens gewiß.
Ueberdieß
würden die Bauern, die keine Parteylichkeit für sie füh
len, sie gar bald einfangen und ausliefern. — Wenn sie Rasttag haben, läßt man sie frey herumge
hen, ohne alle Bedeckung, wie ich es zu Sacile sah. Dev Französische Theil dieser Gefangenen mißbraucht diese Frey
heit gar sehr! Zn den Kreuzgängen eines Denedictinerklosters zu Treviso waren schlechterdings alle Wände beschrie ben.
Alle diese Sentenzen, Verse, Klagen und Anmer
kungen, die ich da sah, zeigten genugsam den Geist dieser Leute, welcher durchaus Unverschämtheit und Anmaßung
verrieth. Mit diesen Menschen scheint es eine ausgemachte Sache zu seyn, daß Frankreich ganz Europa unterjochen
und zu Republiken machen muß. Rache. — Italiänische
Viele athmeten auch
Aufschriften sah ich
fast keine,
entweder weil die Cissalpiner sich fürchteten, ihre Zmper-
176
Alerrer
D r i « f.
tinenzen in der Landessprache zu schreiben, oder weil sie noch nicht ä la hauteur de la revolution sind. oder, welches wohl das wahrscheinlichste ist, — weil sie nach Italiänischer Gewohnheit und Erziehung, weder lesen noch schreiben können. Em Theil dieses Geschreibsels mochte wohl von Ofstciers kommen, und diese >.nd, ro e ich höre, grösitentheils Franzosen, nicht Ciffalpiner. — Noch muß ich anmerken, daß von allen den Hunderten, und vielleicht Tausenden, denen wir in Krain, am Tagliamenlo, zu Sacile und bey Treviso begegneten, nicht ein einziger, ohne Ausnahme, uns je um etwas angesprochen hat. Mestre, an den Venezianischen Lagunen, den isten Iuny.
Von Udine 'nach Codroipo sind drey Deutsche Meilen, zwey nach Valvassone, einem unbedeutenden Städtchen, drey nach Pordenone und zwey nach Sacile. — Zn Rücksicht auf die drey lehtern dieser Stationen sind alle Postkarten, die ich gesehen habe, falsch! Selbst die beste nicht ausgenommen, die ich über Süddeutschland und die daran stoßenden Länder kenye, welche Artarta zu Wien 1798 unter dem Titel „Nmeste und vollständige Postkarte von ganz Deutschland, den Niederlanden, Pohlen, Ungarn und den angränzem den Theilen Frankreichs und Ztaliens" herausgegeben hat. — Diese Karte hat unter andern den Vorzug, daß sie die sämmtlichen Kaiserlichen Lande in sich faßt, nebst allen neu erworbenen Besitzungen. Sie ist dabey gut ge, stöchen, deutlich und für das Auge angenehm, und kostet zu Wien drey Gulden, auf Leinwand, mit einer Capsel. Pordenone ist ein unbedeutendes Städtchen, hat aber doch mehrere sehr gute und ansehnliche Häuser, der» gleichen man in kleinern Städten nur in Ztalien findet, and besonders im Venezianischen. Die Sache würde mir nsch mehr auffallen, wenn ich nicht wüßte, daß di« Edel»
Vierter
Brief.
177
teure der Terra Ferm a sehr wenig nach Venedig gin gen, wo fte ganz und gar nicht angesehen waren. Sie blleben auf ihren Gütern, und hatten, außer diesen, gewöhnltch noch ein Haus in irgend einer Stadt, wo sie andere Edelleute trafen, die mit ihnen in der nähmlichen Lage waren, und mit denen sie der Langenweile des Land lebens entflohen, welches der Jtaliäner sehr wenig zu schätzen weiß. Sa eile ist auffallend eine von den Ztalianischen Städten, welche durch eine Menge Spuren zeigen, daß sie einst bessere Tage gesehen haben. Seine Stadtmauer, Thürme und Drücken, so wie der ehemahlige Pallast des Podesta dienen jetzt bloß zu mahlerischen Gegenständen, die dem Auge gefallen und das Herz mit Wehmuth fül len. Ein schöner Fluß, die Livenza, der sich sonderbar in dem allen herumschlingt, grüne Wiesen umher, ein üppi ger Epheu, der auf den Trümmern wächst, und jene star/ ke, reiche Italiänische Vegetation, die sich in den Ge sträuchen und zahlreichen Bäumen umher äußert, zogen Mtch mit wundersamer Gewalt an. Zch wanderte über zwey Stunden lang umher, bis der einbrechende Abend mich in das Posthaus zurückrief, u'o ich, seines armseli gen Ansehens ungeachtet, eine erträgliche Mahlzeit und ein gutes Bett fand. — Ueberhaupt bin ich auf dieser ganzen Straße zwischen Triest und Venedig in kein Wirthshaus gekommen, das ich geradezu schlecht nennen könnte. Zu Udine und Treviso ist man sehr wohl. Das schlechteste Haus, in dem wir gewesen sind, ist vielleicht das zu Sacile, und das hätten wir vermeiden können, wenn wir nicht lieber mit Muse reisen und uns Umse hen, als drey Meilen weiter nach Conegliano hätten ge hen wollen, wo wir noch denselben Abend ein sehr gutes Wirthshaus erreichen konnten. Dieses Conegliano ist kein schlechter Ort, ob schon fei# Castello und seine einst schönen Mauern jetzt Jtürrneti 9t. 4- LH. *2
*78
Vierter
Brief.
verfallen sind. Die Gegend umher ist allerliebst, und zeichnet sich von dem ganzen übrigen Striche auch da durch aus, daß mehrere Hügel theils in der Nahe, theils dicht an der Stadt sich befinden, von denen man herrliche Aussichten auf eine fruchtbare Ebene, sowohl als auf die hohen Berge gegen Norden hat. Ich ge noß dieser Aussicht von dem alten Schlosse, und wen dete mich dann noch auf einen andern Hügel, auf wel chem ich cm artiges Landhaus fand. Solcher Häuser gibt eö hier herum mehrere, die vortreffliche Lagen haben. Von Conegliano sind drey Deutsche Meilen nach Treviso, und eben so viele nach Mestre. Ich ha be alle Fernen in Deutschen Meilen angegeben, weil man von Wien nach Venedig, so wie in allen kaiser lichen Staaten, nach Posten rechnet, deren jede zwey Deutsche Meilen hält, oder halten soll. Man sagt nicht zwey oder drey Meilen, sondern eine, oder eine und eine halbe Post. Gerade so zählt auch der Ztaliäner. Berechnet man diese Posten nach Meilen, so sind sie einander nicht immer gleich. Wir Norddeut schen rechnen auf die Oesterreichische Post zwey Mei len; sie sind aber sehr klein. Zwey solcher Meilen werden nicht viel mehr als eine und eine halbe gemes sene Sächsische ausmachen, und viere derselben werden kaum drey Meilen gleich seyn, wie man sie in gewis sen Strichen von Westphalen und auch in einigen Han növerschen Landen findet. Zn Oesterreich und Döh men glaubt man schon schlecht gefahren zu werden, wenn man länger als eine Stunde über eine Meile zubringt. Zm Venezianischen haben wir auf dem gan zen Wege hierher die Post in weniger als zwey Stun den zurückgelegt. Wer in dieser Jahreszeit nur fünf Posten des Tages macht, hat über drey Stunden Zeit, hier und da zu weilen und sich umzusehen, o^ire gera-
d« sehr früh auszureisen. Wollte man aber in dieser Jahreszeit unausgeseht fortgehen, so könnte man zwir schen Sonnenaufgang und Untergang sieben bis acht Posten zurücklegen.
Der Jtaliäncr rechnet feine Posten zu acht bineun Italiänischen Meilen! Viele sind kaum acht, und andere wiederum über neun. Allein diese Meilen sind selten gemessen, auch aus einer Provinz in die andere keiuesweges sich gleich. Kurz, ich habe nie zu etwa» Gewissem darüber kommen können. — Herr DutenS, der das bekannte Itineraire herausgegeben hat, reiste mit einem Wegmesser, und nahm sich die Mühe, die wahre Lange einer jeden Post zu bestimmen. Allein ich finde in seinen Angaben oft einen so großen Unter» schied zwischen Post und Post, daß ich unmöglich glau» den kaun, er habe immer richtig beobachtet. So ist z. E. die Entfernung von Monfrliee nach Padua eine und eine halbe Post, von da nach Dolo eben so weit, und das nähmliche wieder nach Fusino. Gleichwohl gibt er diese drey Entfernungen, für deren jede das nähmliche bezahlt wird, zu zwölf, zehn und neun Mei» len an. Zwischen Conegliano und Treviso gehet man über den Piave, den dritten großen Fluß zwischen Triest und Venedig! Auch er hat ein ungeheures Bett, und verwüstet zu gewissen Zeiten das Land weit und breit umher. Indessen hat man, auf einem gewissen Strü che, in dem großen Dette ein kleineres ihm angewie» fett, und auf beyden Seiten einen Damm gemacht, innerhalb welchem er, den größten Theil des Zahres hindurch, läuft. So fanden wir ihn jeht und passir» len ihn auf einer Schiffsbrücke, die aus fünf und zwanzig Fahrzeugen besteht. Ihre Länge mag etwa acht hundert Schuh seyn.
Vierter
igo
Brief.
Diese drey Flüsse, der Lisonzo, Tagliament» und
Piave,
Feldzüge,
jetzt
sind nicht
so
bekannt
durch Buonaparte'«
nur für die Provinzen,
durch
die sie fließen, so gut wie verloren, sondern sie thun auch großen Schaden, und bedecken mit ihren Steinen und ihrem Sande ein Stück Land, daß, wenn ich alle dir
kleinern Flüsse dazu rechne, dir auch «in große« Bett
einnehmen, und doch einen beträchtlichen Theil des Jah
res hindurch kernen Tropfen Wasser haben, «ine Stre cke herauskommt, die vielleicht auf dreyßig Deutsche Q.uadratmeilen beträgt.
An Schiffahrt ist hier nicht
zu gedenken; denn außerdem, daß diese Flüsse mit «i< ner fürchterlichen Schnelligkeit laufen, haben auch die
größten davon zu gewissen Zertrn nicht Wasser genug für irgend eine Art von Fahrzeugen. Auch lassen sich
keine Landungsplätze an Strömen anbringen, die heute eine Ztaltänische Meile, und über acht Tage nicht hun
dert Schritte breit sind. Sie sind am größten, wenn der erste Frühlingsthau mit schneller, großer Hitze ein
fällt; sie werden übermahl- beträchtlich, wenn die Hitze im Sommer lange anhält, und auf den Bergen Vie ten, oder allen noch übrigen Schnee schmelzt. Dey
kaltem und trockenem Wetter im Winter kann man al
lenfalls zu Fuße durchwaden.
Einige
de^
kleinern
Flüsse, die ihre Nahrung nicht aus den großen, mit ewigem Schnee bedeckten Alpen ziehen, sind im hohen
Sommer, und selbst schon jetzt, ganz trocken. Treviso wird von manchen, in Rücksicht auf Wichtigkeit, der Stadt Udine gleich geschätzt. Ich fin de «inen beträchtlichen Unterschied zum Nachtheil der «rstern, die mehr das Bild darstellt von dem, was sie
gewesen, als von dem, was sie jetzt ist. Das große Rathhaus zu Treviso, die vielen großen und ansehnli
chen Kirchen, eiuig« andere öffentlich« Gebäude und
eine Menge beträchtliche, anspruchsvolle Häuser von Privatpersonen zeigen deutlich, daß einst Reichthum in dieser Stadt gemein wat. Aber jetzt sehe ich merkliche Spuren von Armuth und finde nicht jene Betriebsam keit und Thätigkeit, ja nicht einmahl jene Reinlichkeit, die mir zu Udine gefiel. Büschings Beschreibung von Treviso dünkt mich also zu vortheilhaft. Indessen ist doch auch hier ein zahlreicher Adel, und der das Be dürfniß fühlt, sich zu belustigen. Ich sahe eine Men ge Kaffeehäuser und zwey Theater. — Die sehr große und alte Kirche des Benedictinerkiosters, St. Nico las, verdient gesehen zu werden, so wie die bischbfliche und einige andere. — Ueber den Piaveselle gehen hier Brücken. — Die Post ist ein gutes und sehr theures Wirthshaus. Der Strich Landes zwischen Treviso und Mestre, drey Deutsche Meilen lang, gehört unter die auffallend sten, die ich irgendwo gesehn habe. Sie glauben auf diesem ganzen Wege, daß Sie Sich den Thoren einer der großen Europäischen Hauptstädte nähern. Wirklich sieht hier alles viel versprechender aus, als ein eben so langer Strich Landes vor Paris, auf der Seite von St. Denis. Die Gegend ist schön, und darum wähl ten sie die Venezianischen Großen und Reichen vorzüg» lich zu ihren Landsitzen. Einer stößt, so zu sagen, an den andern, und viele darunter sind, in ihrer Art, groß und prächtig. Manche tragen freylich Zeichen des Verfalles; indessen sind doch die mehresten ziemlich an ständig unterhalten. Daß ein ntit Landhäusern so besetzter Strich wohl angebaut ist, versteht sich von selbst. Wiesen, etwas Getreide, Reben, viele Obstbäume und andere, ganz vorzüglich aber Maulbeerbäume und Gartengewächse. Der Boden ist hier kostbar; denn außer dem, was die Gärten und Landhäuserwegnehmen, bekommt das übri-
igi
Vierter
Brief.
ge Land dadurch einen hohen Werth, daß der Dauer es sehr leicht findet, seine Erjeugniffe abzusetzen, weil alle Bedürfnisse der Stadt Venedig vom festen Lande herbeygeschaft werden müssen. Ueberdieß hat man von Treviso, so gut wie von Mestre, den Wassertransport. Die Gärten sind größtentheilS von mäßigem Um fange, und sammt und sonders in einem Geschmacke, den nun auch der. Deutsche zu verachten gelernt hat. Zch verachte nichts, was in seiner Arr gut ist; aber freylich jiehe ich den wahren Englischen Styl unend lich vor. ES ist auffallend, daß man zwischen Treviso und Mestre auch nicht den geringsten Begriff von die sem Style zu haben scheint: ein offenbarer Deweiß, daß alle diese Landhäuser und Gärten schwerlich von der gegenwärtigen Generation angelegt sind, und daß Wan in diesem Artikel, wie in allen andern, hier bloß von dem Reichthum« und den Thaten seiner Vorfah ren lebt. Venedig den aten Jun». Mestre ist ein überaus lebhafter Ort, und scheint stark bevölkert zu seyn, ob ich schon lachm mußte, als mir der Gastwirth von sechzehn tausend Seelen sprach. «Hier ist Regsamkeit und Ztaliänischer Lerm genug, und an der Wafferseite wimmelt eS von Menschen. Der Canal, der von hier in die Lagunen geht und eine Länge von drey Ztaliänischen Meilen hat, ist voller Boote und Gondeln und zeigt eine überaus angenehr we Lebhaftigkeit. An beyden Seiten desselben geht ei ne breite Straße, die mit vielen Häusern besetzt ist, worunter sich einige Landhäuser befinden, die Venezia nern gehören. Am Ende verliert sich dieser so besetzte Canal in eine traurige, sumpfige Gegend, die zum Theil Znseln bildet, auf denen «in grobes, schlechtes
Gras wächst,
und
zwischen welchen man durchfährt,
um in die Lagunen zu kommen.
Hier beträgt die Län
ge der Lagunen bis Venedig kaum vier Meilen.
Man
rechnet von Mestre nach Venedig eine Post.
Wir
machten den ganzen Weg in zwey Stunden, ob wir schon
den Wind gegen uns hatten; aber freylich rudern diese Gondoliere mit großer Kraft und Schnelle. Wegen der Kürze der Ueberfahrt bedient man fich
hier sehr der Gondeln, welche zwischen Venedig und Fu-sina, oder Padua nicht sehr in Gebrauch smd.
Preis ist von der Regierung festgesetzt.
Der
Für neun und
«in halb Lire, d. h. für Fl. 1, 54, hat man eine Gon
del und vier Leute zum Rudern.
Dieß ist eine sehr klei
ne Summe; aber dafür erwarten sie wenigstens noch ei nen Gulden Trinkgeld. Am Ende ist es doch die wohl feilste Fahrt, die ich seit langer Zeit gemacht habe. Es versteht sich, daß «in solches Fahrzeug keinen Wagen ein nehmen kann, den man zu Mestre zurücklaßt.
Ueberhaupt nimmt nicht leicht jemand seinen Wagen mit nach
Venedig, er müßte denn von dieser Stadt aus einen ganz
entgegengesetzten Weg, z. E. nach Chioggia, nehmen wollen. Wir werden nach Padua gehen, und da wäre unser gerader Weg von Venedig über Fustna; allein wir wollen lieber nach Mestre zurückkehren, als den Wagen
mit yns nach Venedig führen, oder zu Lande nach Fusi» na oder Padua bringen lassen. Ehe man ganz in die Lagunen einläuft, kommt man an einen Thurm mit einem Hause, wo sich eine kaiserlich« Wache mit einem Officier befindet. Nun noch einige allgemein» Bemerkungen über das
Land zwischen Triest und Venedig! —
Gleich bey den
Ufern des Timavo fängt jene Ebene an, die sich, fast ununterbrochen, bis Mestre, und von da bis Padua
und andere Gegenden, in verschiedenen Richtungen, ersircckl.
Nur hin und wieder finden sich in diesem um
«84
Vierter
Vries.
geheuer» Striche einige unbedeutende Erhöhungen, und man kann im Ganzen sagen, daß es eine schnurgera de Ebene ist. Sie scheint ursprünglich unter dem Nteere gestanden zu haben, und ein Geschenk jener Flüsse zu seyn, so wie Holland seinen Ursprung dem Rhein und der Maas, Niederägypten dem Nil und ein Theil von Norbdeutschland der Elbe, der Oder und andern Wassern wahrscheinlich zu danken haben. Diese Veneziar Nische Ebene ist aber darum vorzüglich auffallend, weil sie so sonderbar mit den Alpen absticht, von denen sie vermuthlich ihr Daseyn hat, und deren Höhe den Schweizeralpen vom zweyten Range gleich ist. Al« ich vor vierzehn Tagen die Küste des Histerreich« befuhr, gedachte ich der prächtigen Aussicht auf diese bcschneyten Höhen läng« dem Adriatischen Meere hin, t>N dessen Ufern sie sich zu erheben schienen. Ich wuß te freylich wohl, daß «S in der Nähe dieses MerreS keine Gebirge in der angeführten Richtung gibt; aber das wußte ich nicht, daß der größer« Theil fünfzig und fechtig Ztaliänssche Meilen davon entfernt, und daß selbst die allernächsten noch immer über dreyßig Mei len vom Meere entlegen sind. Die Wahrheit ist, daß dze allerhöchsten und ansehnlichsten dieser Gebirge, die, in der Ferne gesehen, am Adriatischen Meere zu liegen scheinen, keine andern, al« jene Alpen von Oberkärnthen sind, welche vom Loibel westwärts nach Villach, Ct. Paternion und Lienz im Pusterthale laufen, und sich hier und da bis an die Venezianische Grenze herabziehcn, und nahmentlich nach Ponteba Veneka. Von da weg machen sie die Grenze des Venezianischen GebiethS, OberkärnthenS und Tyrol«, doch so, daß die höchsten und eigentlichen Alpen immer in Tyrol und Kärnthen liegen. An diese höchsten mit Schnee bedeck ten Gipfel stoßen gegen Süden andere, die noch im mer sehr hoch sind, auf denen aber jetzt der Schnee
Vierter
Brief.
schon sehr geschmolzen war. Die niedrigern von die sen sind noch immer von einer ansehnlichen Höhe, und ich betrachte sie als die Brustwehr, oder Voralpen der eigentlichen Alpen, ungefähr wie den Rigi und Pila» tuöberg in der Schweiz, auf welchen im Sommer der Schneej auch verschwindet. Nun, auch diese Voral pen sind noch immer in einer Ferne von dreyßig bi< vierzig Ztalränischen Meilen vom Meere, und selbst da, wo ich ihnen am nächsten kam, nähmlich zu Udi ne, Codroipo und Conegliano, waren sie noch zwölf bis fünfzehn Meilen nördlich von mir. Es sind un geheure, schwere Felsenmaffen, auf deren Gipfel we der Holz, noch sonst etwas wächst. Zhr Anblick, de» man auf dieser ganzen Reise nie verliert, macht einen überaus angenehmen Abstich mit der großen, ganz fla chen, grißtentheils wohl angebauten und fruchtbaken Ebene, die sich bis an das Meer erstreckt. Mil eini gen Ausnahmen ist der Charakter dieser ganzen Plä ne der nähmliche: eS ist ein Land, wie ich es Ihnen schon zwischen Mv.lsalcone, Görz und Nogareto be schrieben habe, — angebaute Felder, die «ingeschlossen sind, und auf denen man Bäume in regelmäßigen Rei hen zieht, woran der Weinstock emporwächst, und in Festonen von einem zum andern läuft. Wein und Seide scheinen der vorzüglichste Ertrag dieser großen Ebene zu seyn, ohne jedoch Getreide, Gartengewächse und Daumfrüchte aller Art auszuschließen. Hin und wieder sah ich auch Olivenbäum«; Fei gen in großer Menge. Beym ersten Anblicke eines solchen Landes ist der Bewohner des Nordens geneigt, auSzurufen: „Glückliches Landvolk, baS auf dem nähm lichen Felde zur nähmlichem Zeit, die Frücht« der Erde zu seiner Nahrung, Blätter für seine Seidenwürmer, Wein, Obst, und selbst etwas Oehl wachsen sieht!" — Bep dem allen scheint der Dauer in diesem ganzen
186
Vierter
Brief.
Striche nicht» weniger, als reich, ja mehrenthetl« nicht einmahl wohlhabend zu seyn. — Doch sind die Dörfer meistens- gut gebaut, und die Häuser von Stein und mit Ziegeln gedeckt. Es war ein ganz eigener Genuß für mich, in der Architektur auch der geringsten und elendesten Häuser je» ne bessern Formen und schöne Verhältnisse zu finden, die hier sehr gemein find, und von denen man in Deutsch« land noch immer keinen Begriff hat. Zch weiß nicht, ist dieser Strich Italiens besser gebaut, als mancher andere, und hat Palladio auch auf d«e Dörfer dieses Theiles des Venezianischen Gebiethes seinen Einfluß gehabt; oder fiel mir dieser Styl so vsrzüglich auf, weil «ch seit fünf Zähren wieder in Deutschland gelebt habe; — aber mich dünkte, ich hätt« nie auf einer so langen Strecke Landes, so viele Häuser von einer schönen Form und von so gu ten , feinen Verhältnissen gesehen, als zwischen Görz und Venedig. Und die Gebäude des Landvolks waren gera de diejenigen, die mir in dieser Rücksicht am meisten «uffielen. Alle Knaben und Mädchen, die man in diesem gan zen Lande auf dem Felde beym Viehhüthen antrifft, ma chen Profession vom Betteln. Sie laufen oft aus ei ner beträchtlichen Ferne querfeldein, und wissen geschickt ihren Weg so zu nehme», daß sie auf der Straße den Fleck, auf welchem fle ihren Posten fassen, immer etwas früher erreichen, als der Wagen des Reifenden. Sie knien dann nieder, bis man ihnen ziemlich nahe kommt; auf einmahl springen die Knaben auf, schlagen Räder auf der Straße hin, und das mit so vieler Geschicklich keit und Schnelle, daß sie durch ihr Räderschlagen eben so viel Weg machen, als der Wagen im vollen Laufe. Und nun erst kommen sie, mit dem Hute in der Hand, an den Schlag. Da Kupfermünze hier zu Lande leicht zu haben ist, so wäre es hart, so viele Anstrengung und
Mühe nicht zu belohnen; aber man muß sich mit einem großen Vorrathe versehen, wenn man allen geben will. Hätte ich alle die Knaben und Mädchen gezählt, die uns anbettelten, ich glaube, daß ich manchen Tag auf fünf« zig gekommen wäre. — Eben so wird man von Bett» lern aller Art verfolgt, wenn man in einem Dorfe ein wenig anhält. Zhre Beharrlichkeit und das Geschrey, womit sie die Gabe zu erzwingen suchen, sind ermüdend. Frische Butter ist in dieser ganzen Gegend nicht zu haben, so wie bo^ überhaupt ein in Italien fast unbe. kannter Artikel des Luxus ist. Käse und Milch ist alles, was man hier von der Kuh zieht. Wer Butter haben will, erhält sie geschmolzen und eingelegt, aus Gegenden, die reicher an guten Weiden sind, als diese. — Indes« sen kamen wir hin und wieder durch kleine Striche, wo ich sehr wenig Reben und angebautes Feld, wohl aber große Weiden fand, die übrigens schlecht waren, und ver« nachlässiger schienen. Es fehlt diesem Lande fast überall an Wasser; und doch wird vielleicht noch manches Zahrzrhend, wo nicht Zahrhundert vergehen, ehe man lernt, wie im Mailändischen, die Alpenstrime in gehörige Bet ten einzuschließen, und in unzähligen Canälen auf die Felder zu leiten»
r«8
Fünfter Brief. Um Venedig kennen zu lernen, muß man es zu Lande
durchgehen, sowohl al- zu Wasser befahren — die Pfer de des Lyssppus — mancherley Veränderungen In der
Stadt durch die letzte Revolution — das große Zeughaus — traurige Veränderungen daselbst — St. Giorgio mag.
giort — Detteley — Armuth unter den bessern-«Standen
— Pesaro — Pellegrini — Venedig eine zu Grunde ge richtete Stadt — doch immer noch ein wichtiger Ort — etwa- von den Kirchen — das neue Opernhaus la Fenice
— Fahrt nach Malamocco und Palestrina — der Molo — die Inseln auf den Lagunen — Conova's Psyche im
Pallafie Mancini — Allgemeine Bemerkungen.
Venedig den zten Juny 1799. V^eine Absicht ist diese- Mahl nicht, Ihnen eine um ständliche Beschreibung von Venedig zu liefern. Man hat die Briefe darüber, die ich Ihnen vor fünf Jahren schrieb, als ich mich einen ganzen Monath hier aufhielt; aber wenn Sie auch diese nicht hätten, so wäre Ihnen doch diese Stadt durch mehr als eine Deschreibutrg genugsam bekannt. Das, worauf ich jetzt
vorzüglich meine Aufmerksamkeit richten werde, sind die Veränderungen, die ich hier finde, i>4 h. diejenigen, die die Französisch« Revolution und die Oestrrrrichische Be, sihnehmung dieses Staates hervorgebracht haben. Ne benher werde ich einige Gegenstände berühren, die mir merkwürdig scheinen, weil sie, auch bey einem zweyten Besuche in dieser Stadt, mich in einem hohen Grad« intereffirte». Ais «ch das letzte Mahl hier war, fuhr ich gewöhn lich in unserer Gondel umher, und endigte mehrentheils am Markusplatze, von welchem ich, nach einem kleinen Spaziergange, zu Fuße nach Hause ging. Die ser Weg nach Hause war ungefähr immer der nähmli che, so wie die Gegenstände, die ich täglich auf dem Platze sahe, nach acht oder zehn Tagen mir wenig Ab wechselung mehr gewährten. Die Folge davon war, daß ich Venedig nur halb kennen lernte. Dieses Mahl fing ich damit an, daß ich in den ersten Tagen gar kein« Gondel bestieg, sondern, ohne alle Führung, in der Stadt ümherging, wobey ich jedoch einen gewissen Plan befolgte, den ich mir nach dem Grundrisse der Stadt, nach dem Laufe des großen Canals und nach einigen Hauptgebäuden machte, deren ich mich von vo rigen Zeiten her erinnerte. Es war natürlich, daß ich mich in einer so verworrenen, enge gebauten Stadt, wie Venedig ist, verirrte, daß id) mich oft von denen, die mir begegneten, zurecht weisen lassen mußte, oder daß ich, wenn mir das Ding endlid) zu lang wurde, mich von der ersten besten Gondel, deren man auf al le» Canälen eine Menge findet, nach Hause fahren ließ. Auf diese Art lernte ich in rin paar Tagen Ve nedig und seine verschiedenen Theil« besser kennen, als vor fünf Zähren in einem ganzen Monathe. Die Landseiten und die Wasserseiten dieser Stadt sind sehr von einander verschieden, und niemand lernt beyde
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F ü n f t c r
B r i e f.
ganz kennen, als wer sie zu Wasser und zu Lande in al len Richtungen durchwandert. Unter andern, stieß ich auf einige ziemlich geräumige Plätze, von denen ich in dieser Wasserstadt nrcht den geringsten Begriff hatte. Man mache es hier wie man will, immer kommt mau wieder auf den Markusplah! Zch habe ihn vor fünf Zähren auswendig gelernt, und jetzt meine De, kanntschaft mit ihm schon vollkommen wieder erneuert. — Zn der berühmten M a r k u s k i r ch e werde ich keine Veränderungen gewahr, als daß über dem Hauptthore die vier schönen metallenen Pferde fehlen, die man im mer dem Lysippus zugeschrieben hat. Die Geschichte die ser Pferde, wie sie Rannusius und andere (wahr oder falsch) erzählen, ist wahrhast lustig und ein wahres Com< pendium menschlicher Ungerechtigkeit und Gewaltthä tigkeit. Zuerst sollen sie auf Augusts Triumphbogen zu Rom gestanden haben, dann auf Nero's, und in der Folge auf Domitian's verpflanzt worden seyn. Zunächst setzte man sie auf Trajan's Dogen, von wo sie Constan tin der Große auf den seinigen bringen ließ. Als er nachher den Sih der Regierung änderte, wurden die Pferde nach Constantinopel geführt. Zm Zahre 1204 nahmen die Venezianer diese Stadt ein, und fanden die berühmten Pferde auf dem Hippodromus, von wo sie nach Venedig gebracht wurden, gerade wie die Fran, zosen sie vor zwey Zähren nach Paris geschleppt haben. Zch trete keinesweges in die historische Richtigkeit dieser Pferdegeschichte ein, und setze bloß hinzu '(denn hier ist Raum zu Muthmaßungen) daß alle Wahrscheinlichkeit da ist, daß diese Pferde ursprünglich in Griechenland (und warum nicht von Lysippus, wie man gewöhnlich glaubt?) gemacht waren, und von den Erzräubern der alten Welt, den Römern, nach Ztalieu gebracht wurden.
Fünfter Brief.
»yr
Nahe an der Marknskirche steht ein Thurm, de» man, von seiner großen Uhr, den U h r e n t h u r m nennt. Auf diesem war das Wappen von Venedig, d. h. ein gro» ßer Löwe (Sinnbild des Apostels Markus) vor welchem »in Doge kniete. Beyde wurden, nach löblichem neu fränkischen Gebrauche, herabgeworfen. Der Löwe wur de nachher ausgebessert, frisch vergoldet und wieder auf gestellt; aber dir arme Doge hat keine Barmherzigkeit gefunden. Auf den drey Masten auf dem Markus platze, welche die Königreiche Cypern, Caudia und Negropont anzeigen, weht jetzt die kaiserlich« Flagge, die sich sehr wohl mit den vielen Löwen verträgt, die man aller Orten wieder hergestellt hat, und denen sie alle unschuldige Ehre läßt. Ueberhaupt scheint die kai serliche Regierung die Löwen mit schonender Milde zu behandeln. Auf den zwey großen Granitsäulen, die auf der Piacetta, d. h auf dem Theile des MarkusPlatzes stehen, wo er nach dem großen Tanale zu of fen ist, sieht man zwar noch den Löwen und den heiligeü Theodor, wie sonst; allein der erstere ist jetzt nur von Holz; den metallenen, sehr schön gearbeiteten, haben die Franzosen weggeführt. Zn den Proruratie nuove, d. h. der Seite des Markusplatzes, der von Sansovino gebaut ist, und in welchen ehemahls den Proeuratori di S. Mario ihre Wohnung angewiesen war, sind jetzt mehrere kaiser liche Regierungskammern, während daß die ungeheuern Säle des großen Rathes, des Senates und des Squitinio leer stehen und zu gar nichts gebraucht werden. Oesterreichische Simplicität fand sie vermuthlich wegen ih rer Größe unbequem. — Eben so stehen auch die eigentr lichen Wohnzimmer des ehemahligen Doge leer.
i«p
Künste r Brief.
Zn den verschiedenen Gallerien des herzoglichen Pal« lastee bemerkte ich, daß-alle die Löwenköpfe abgebrochen sind, in deren Rachen man unter der porigen Regierung die geheimen Anklagen warf. Die Aufschriften, die sich ehemahls unter diesen Löwenköpfen befanden, und welche anzeigten, was für Obrigkeiten man bey jedem Rachen verklagen konnte, sind rein auögekratzt. Alles das ge schah in den Zeiten der Demokratie, und nicht sowohl von den Franzosen selbst, als von den Venezianischen Jakobinern. Aus den verschiedenen Sälen des herzoglichen Palla sit« haben die Franzosen nicht mehr, als sechs oder sieben Gemählde geraubt, entweder, «eil sie nichts als die er sten Meisterstücke aufsuchten, oder, welches wahrscheinli cher ist, weil ihnen dir Gegenstände nicht gefielen; denn fast alle diese Gemählde enthalten nichts anders, als die Siege und berühmten Thaten der aristokratischen Republik Venedig. Von vielen Stücken mögen sie wohl auch den ganzen hohen Werth nicht gekannt haben, st ivie man überhaupt sagt, daß sie, anstatt manches we niger guten Gemähldes, welches sie genommen, das bes sere haben stehen lassen. Privateigenthum haben die Franzosen hier nicht an getastet, wie ich. durchaus höre und in allen Pallästen bestätiget finde, die ich bis hierher besucht habe. Der schönsten und bekanntesten Werke erinnere ich mich selbst noch sehr genau, und habe sie wieder gefunden. So war ich kürzlich in dem Pallaste Pisani Morandi, wo der berühmte Paul Veronese ist, der Alexander den Gro ßen und die Familie de« Darius vorstellt, sowohl als da« sonderbare Gemählde von Piacetta, das Darius Tod enthält. Ich fand beyde wieder. — Zn diesem Hause wohnte die Bürgerinn Buonaparte. Er selbst ist nicht nach Venedig gekommen.
Fünfter
Brief.
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Wir ließen und gestern auf das Zeughaus rudern, wo sonst ein Officiant saß, von dem man auf der Stelle die Erlaubniß erhalten konnte, alles zu sehen. Allein
hier erfuhr ich, daß wir uns deßwegen an seine Excellenz
den Seeminister Querini wenden müßten.
Zch schickte
denn in sein Departement in den Procuratie nuove,
und erhielt zur 2fntwort, daß wir in Person erscheinen und unsern Paß mitbringen müßten.
Das thaten wir
denn, und nach einigen ziemlich umständlichen Formali täten erhielten wir den gedruckten und unterschriebenen
Erlaubnisschein.
Zch kam nun im Zeughause selbst an, und machte die Reise durch die verschiedenen Theile desselben, gerade
als ob alles noch so Ware, wie ich es einst hier sahe.
Dreß ist der Theil von Venedig, wo die Verheerungen, die die Neufranken
sind. —
Die
angcrichtet haben, am sichtbarsten
Löwen,
die vor dem Eingänge stehen,
und die man einst aus Athen hierher brachte, haben sie
nicht weggenommen, es sey nun , daß sie sie nicht schön genug fanden, oder daß sie ihnen zu schwer waren.
Sie
sind alle vier von weißem Marmor, alle von übernatürlir
cher Größe: einer derselben, welcher liegt, ist vom Schwänze bis an dad Ende seiner Vorderfüße elf Schuh, sechs Zoll lang.
Desto mehr raubten sie ans dem Zeug
hause selbst! Außer fünf guten und brauchbaren Kriegs schiffen nahmen sie den ganzen Vorrath von Dingen aller 2(vt, die zur Ausrüstung einer Flotte gehören; als Kano
nen, Kugeln, Flinten, Dxgen, Taue, Stricke, Segel, Hanf, Anker, ja sogar Ruder und hnnderterley ?trtiket
von Eisen zum mannigfaltigen Bedarf der Schiffahrt. Alle diese Säle und Niederlagen sehen denn jetzt sehr traurig aus, und zeigen in seiner ganzen Nacktheit das
verfallene Ansehen dieses einst größten von Europa's Zeug, Hausern.
Nur hin und wieder sieht man neuen Vorrath,
wovon ich nachher reden werde. Äuttners R. 4» Th.
Cs ist wirklich ein grau-
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Fünfter
Bries.
fer Ztnblick, diesen Theil von Venedig zu sehen, der über eine Italiänische Meile im Umfange hat. Schon unter der vorigen Regierung war das Zeughaus seit einer lan gen RcihL von Jahren vernachlässiget worden; die Ma schine war zu groß für die gesunkenen Kräfte des Staa tes, um in ihren mannigfaltigen Theilen aufrecht erhattess zu werden; und nun durch die letzte Plünderung und Verwüstung ist es in einem Zustande, das; ich fest glaube, Millionen Gulden würden nicht znreichen, alle diese Ge bäude wieder herzustellen und die ganze ungeheure Ma schine in vollen Gang zu bringen. Der Kaiser hat noch nicht wieder bauen lassen, scheint aber doch das Werk aus einen gewissen Grad aufrecht er halten zu wollen. Er hat in dem zahlreichen Personale nichts geändert, ob man schon sagt, daß die Zahl der Ar beiter und sämmtlichen Personen, die dazu gehören, über zwey tausend sey. Dieß ist die runde Zahl, die man seit vielen Jahren immer angab; alleiy schon vor fünf Jahren sagte mir jemand ins Ohr, daß wirkUch nicht mehr als fünfzehn hundert Personen da wären, und ein Venezraner, dem ich es erzählte, meinte, daß auch von dieser Summe noch etwas abginge. Indessen fand ich die Arbeiter in allen Departements in voller Thätigkeit, und es schien mir, als ob die Regierung entschlossen sey, sich einige Stärke zur See zu geben, und eme Macht zu erschaffen, die bisher dem Hause Oesterrerch fremd war. Hauptsächlich ist man beschäftiget^ klemere Fahrzeuge entweder zu bauen, oder wieder herzustellen, und sie mit allen nöthigen Artikeln,zu versehen, die denn hler von den verschiedenen Arbeitern verfertiget werden. In den Sälen, wo ehemahls dre Waffen standen/ findet sich schon wieder ein ansehnlicher Vorrath! Man hat die reiche Eroberung hierher geschickt, die der Gene ral Klenüu ganz kürzlich am Po machte, so wie auch vie les Gewehr, das man zu Peschiera, Brescia u. f. w. ge-
Fünfter
funden hat.
Brief.
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Hier wird es ausgelesen: das gute und.
brauchbare wird geputzt und in reinlichen Sälen aufge« stellt; von andern nimmt man das beste Eisenwerk, Mes
sing u. s. w. und versieht es mit neuem Holze; noch an,
deres wird zusammen geschlagen. — Auch von Corfu hat man einen Waffenvorrath hierher gebracht, so daß ich vermuthe, daß hier
in kurzem ein artiges Zeug
haus, nähmlich nur für den Landdienst, wieder entste hen wird. Zn dem Saale, in welchem das beste Gewehr auf«
gestellt ist, befindet sich das schone Denkmahl, das die Republik ihrem Helden Emo setzen ließ. Es ist von
weißem Marmor, und von Canova's Hand.
An einer
Sel)iffssäule (Columna rostrata) sitzt eine Fama und schreibt des Ritters Nahmen in goldenen Buchstaben dar
auf.
Oben schwebt ein Sieg und krönt sein Brustbild
mit einem Kranze.
Mich bünkt, eS ist eins der schön
sten Werke, die ich von diesem vortrefflichen Künstler ge
sehen habe. Sie wissen, daß die ehemahlige Regierung beständig eine gewisse Anzahl von Kriegsschiffen hier bauen ließ,
an denen man zwar regelmäßig, aber sehr langsam ar
Man fand ihrer immer sechs, -sicben bis acht, deren keines ganz fertig war, und welche die Franzosen
beitete.
folglich nicht gebrauchen konnten, da sie nicht lange ge
nug hier blieben, um sie vollendet zu sehen.
Alle diese
haben sie zu Grunde gerichtet, so viel sie vermochten, und die Kürze der Zeit ihnen erlaubte; denn, da sie so gar
viel wegzuschaffen hatten, so war ihnen jeder Augenblick kostbar.
Sie nahmen also die Gestelle weg', die sich auf
beyden Seiten eines Schiffes finden, bis man es vom Stapel laufen läßt, und so fielen diese schweren Maschi nen auf eine Seite und wurden unbrauchbar.
Von an
dern zerhackten sie den Kiel und vernichteten die großen Dalken, an denen das Steuepruder befestiget wird. Ei-
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Fünfter
Brief.
nige Schiffe zerschlugen sie ganz, und noch andere ver senkten sie. Die letztern hat man seitdem wieder aus dem Wasser gezogen, und die erstem bessert man aus: womit es freylich sehr langsam geht, wert man sich jetzt mehr mit kleinern Kriegsschtffen, besonders mit Kanonen booten, beschäftiget. Zn allem, was man wegnahm, oder zu Grunde richtete, war, bis hierher, ein gewisser Zweck, und, die Ungerechtigkeit weggerechnet, ließ sich weiter nichts gegen die Lache sagen. Aber nebenher vernichtete man eine Menge Dinge aus bloßem kindischen Muthwillen, und aus der diesen Neufranken ganz eigenen Arroganz, die nicht nur jede Regierung, die von der ihrigen verschieden ist, umstoßen wollte, sondern auch alle Spuren zu vertil gen wünschte, die von den alten Regierungen übrig sind. Die Markuslöwen also und die Figuren der Dogen wa ren hier der ewige Gegenstand ihrer Verfolgung, so wie es in Frankreich die Dentnrähler ihrer ehemahligen Kö nige waren: und davon steht man denn auch in diesem Zeughause mehrere Beweise. Unter andern war für sie der Ducentoro ein großer Stern des Anstoßes. Die ses reiche und, in seiner Art, merkwürdige Gebäude, obx schon ein sehr schlechtes Schiff, mußte denn auf alle Art entstellt werden! Die größern gehauenen Figuren wur den herabgeworfen, die vielen kleinen Basreliefs und all das Schnitzwerk, welches reichlich vergoldet war, wur den abgebrochen, und das Gold heruntergekraht. Ueberdieß beschädigte und durchlöcherte man hin und wieder das Ganze. Das ist der Zustand, worin man jetzt dieses Schiff sieht; und da dem Hause Oesterreich wenig daran gelegen seyn kann, so wird es in ein paar Zähren ganz zusammenfallen. Um einem jeden Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen, muß ich erinnern, daß die mannigfaltigen Verheerungen, die ich beschrieben habe, nicht allein auf die Rechnung
der Franzosen zu seken sind; vieles thaten die Veneziani schen Demokraten, dre ächten wtedergebornen Krnder der Neuen Repubhca Veneta Democratica.
Venedig, den 7ten Iuny.
Auch bin ich wieder zu St. Giorgio Maggio re gewesen. Sie wissen, daß dieß eine besondere Znsel ist, die ganz von einem Benedictinerkloster, und dem, was dazu gehört, eingenommen wird, ob sie schon eine Meile im Umfange hat. Mit Vergnügen sah ich die Kirche wieder, die ich immer für eine von Palladios schönsten Werken zu Venedig gehalten habe, weil sie weniger überladen ist, als so viele andere: und dabey wird sie ungemein reinlich gehalten. Ihre Gemählde hat man ihr gelassen, so wie die schönen hölzernen Basreliefs im Chore, welche die Geschichte des heiligen Benedict vorstellen. Aber im Speisesaale hing die berühmte Hochzeit von Cana, die man sür Paul Veronese's Meisterstück hielt. Unglücklicher weise war es auf Leinwand, wie die mehresten Ge mählde zu Venedig, und so stand eS unter den Arti keln der Kunstbeute, die die Franzosen hier machten, oben an. Jetzt ist dieser Speisesaal geschlossen, und mit Salz und Getreide für die Armee angefüllt. Auch in den Kreuzgängen sah ich eine Menge Mehlfasser und mehrere Wachen von kalserlichen Soldaten. In den weitläuftigen und angenehmen Gärten die ser Znsel waren sonst große Baume, unter denen die Venezianer sich oft labten und spazieren gingen (denn wer konnte so etwas mehr schätzen, als die Einwohner einer Stadt, wie Venedig?) Die Neufranken haben sie niedergehauen. Vorzüglich berühmt war die Düchersammlung die ses Klosters ! Hier waren nicht nur seltene und kost-
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Fünft er
Dries.
bare Werke in Menge, sondern auch viele Handschrif ten und sogenannte Principes, oder Ausgaben von
1400.
Hiervon haben die Franzosen das Mehreste und
Beste weggeführt.
Was zurückbleibt, wird gewöhnlich,
nach einem solchen Unfälle, vorzüglich werth, und so
zeigte mir unser Führer,
mit sichtbarem Wohlgefallen,
einige gerettete Seltenheiten, und darunter einen schö
nen Livius von 1470. Daß zu Venedig schon längst
große
Armuth
und viel Betteley war, ist bekannt; aber beydes
hat sehr zugenommen,
wofür sich denn eine Menge
llrsachen angeben lassen. Der Markusplatz und alle Kirchen schwärmen jetzt von Bettlern, die dem Frem den unaussprechlich beschwerlich sind, weil'sie ihn am meisten verfolgen.
Geduld
Ich gestehe, daß ich bisweilen alle
verliere, wenn ich bemerke,
wie man unter
zwanzig bis dreyßig Personen zum Ziele gemacht und verfolgt wird.
Sie
laufen Zhnen nach, von einem
Ende des langen Markusplatzes bis zum andern, mit einer Hartnäckigkeit,
die beleidigend
ist,
wenn man
sicht, daß sie die Einwohner des Ortes in der nähm
lichen Zeit ruhig ihren Weg gehen lassen. ist Las nicht ein Ort zum Geben.
Gleichwohl
Man thue das nur
mit einigen wenigen, und man ist sicher, das ganze Heer von Bettlern zur Seite zu haben, die Ihnen bald die Lust benehmen werden, auf dem Platze um-
herzugchen. Aber es gibt eine andere Art von Armen, deren Anblick und Geschichte auch ein unempfindliches Herz
rühren muß.
Gleich am ersten Tage unserer Ankunft
sah ich auf der Rialto, Drücke ein Frauenzimmer in
schwarze Seide gekleidet.
Auf einer Stufe der Brü
cke lag ein kleines Kind auf einem Dette.
Die Mut
ter kniete auf dem harten Srcrne, in ihrer Rechten eix ne« Wedel, womit sie dre Fliegen von dem Krude ab
Da ich seine Länge und Breite von verschie denen Reisenden immer sehr verschiedentlich angegeben gefunden habe, so nahm ich mir die Mühe, ihn zu messen. Er verdient es wohl, denn er ist wahrschein lich der größt« Saal in Europa , der von keinem Pfei ler, von keiner Säule unterstützt wird. Zch fand sei ne Länge inwendig zwey hundert und sieben und fünf# zig Englische Schuh, neun Zoll, und seine Breite sechs und achtzig Schuh, acht Zoll. — Westminsterhall in London ist, nach Martin, zwey hundert und siebzig Schuh lang und vier und siebzig breit, folglich nicht ganz von so großem Umfange, als dieser hier, wohl aber höher. Da de la Lande den Saal zu Padua gar viel größer angibt, als ich ihn gefunden habe, so muß er das Gebäude von außen gemessen, oder von Hörensa gen niedcrgcschrieben haben. Die Unreinlichkeit auf den Gallerten an beyden Seiten dieses Saales ist so groß, als jemahls. Zch glaubte, die Oesterreichische Regierung würde in dieser Rücksicht etwas mehr Reinlichkeit eingesührt haben, wie mich das wirklich zn Venedig der Fall zu seyn dünkte. Hier liegt der Menschenkoth in hohen Haufen aufgethürmt. Der an daS Rathhaus (eigentlich Palazzo del la Rag io ne genannt) stoßende Paüast des ehemah,
ligen Podesta steht jetzt leer, und ty den Pallast des Capitano hat man Soldaten einquartiert. Beyde Gebäude sind fett vielen Zähren entsetzlich vernachlässi get worden, und der letztere ist in einem elenden Zustande. Die Universitätsgebäude habe ich dieses Mahl nicht gesehen! Das Interessanteste, das ich vor fünf Jahren darin fand, war der Physiksaal, und die ser ist seit Jahr und Tag verschlossen, seitdem man den Professor als einen Jakobiner verjagt, und keinen neuen gemacht hat. — Vor mehreren Jahren starb der hiesi ge Bischof, und auch er ist noch nicht ersetzt. Aber die Sternwarte habe ich besucht, welche sich aus einem'hohen Thurme des ehemahligen Castello be findet. Das Ganze ist noch in sehr guter Ordnung ers halten, mit schönen, steinernen Treppen und einem in Fresco gemahlten Saale. .Die Instrumente befinden sich in der Wohnung des Professors, welche tiefer liegt. Al ich hier vor fünf Jahren einen schönen und großen Mauerquadranten von Ramsdenfand, mein te ich, es wäre eine Seltenheit, deren sich keine zweyte Sternwarte auf dem festen Lande von Europa rühmen könnte; wirklich ist mir auch seitdem kein zweyter vorge kommen. Sonst sind nicht viele Instrumente hier. Aber reihend isis die 2lussicht aus die reiche, fruchtr bare, trefflich angebaute Pläne, die auf einer Seite für das Auge endlos, auf der andern von den Euganischen Gebirgen und dann von den hohen Alpen eingeschloffen ist. Da alle Felder mit Bäumen besetzt sind, an denen man Reben mit Festonen zieht, so gleicht die ganze Ebene einem Lustwalde, aus dem die Ktrchthürme der Dörfer und die vielen Landhäuser angenehm hervorragen. Noch muß ich einer Spazierfahrt gedenken, die wir gestern nach Battaglia machten, einem Bade, da-
13»
S e ch S 1 r r Brief.
sieben Meilen von hier an der Landstraße von Ferrara liegt. Der ganze Weg geht durch ein angenehmes, fruchtbares Land, das auch durch eine große Menge von Landhäusern belebt wird. Man kann zu Wasser und zu Lande gehen. — Battaglia ist eine kleine Stadl, in welcher die Bäder nur wenig Platz einnehmen. Sie sind alle von Marmor, und werden sehr reinlich gehal» ten. Man bezahlt jedes Mahl eine Lira, oder zwölf Kreuzer, welches denn freylich gar viel wohlfeiler ist, als unsere Deutschen Bäder. Ein Schlammbad kostet zwey Lire. Das Wohnhaus enthält nicht über sechzig oder siebzig Zimmer, die alle bloß geweißt sind, und einen Fußi boden von Scagliuola, ein Bett, einen Tisch, eine Com, mode und einige Stühle haben. Sie sind alle einander gleich, einfach, aber reinlich, und kosten durch die Dank täglich zwey Lire; «in Brdientenzimmer, zehn Soldi, d. h. sechs Kreuzer. Wer an der allgemeinen Tafel speist, bezahlt für die Mittagsmahlzeit fünf Lire (einen Gul, den.) Wer zu-Abend speisen will, muß sich das Es« sen auf das Zimmer bringen lassen, und den Preis selbst bestimmen. 2« emem Kaffeehause, das sich im nähmlichen Ge« bände befindet, ist ein Dillard und ein Saal zu Gesell« schäft und Spiel- Tanzsäle und dergleichen kennt man hier nicht. — Fünfzig Dadegäste, die auf einmahl hier sind, betrachtet man schon alü eine ansehnliche Ge« seüschaft. Finden sich mehrere «in, so gehen sie in ein HauS, außerhalb der Stadt, wo auch einige Däder und Zimmer sind. Das Ganze gehört dem Marquis Esten« se Sel vatieo, der «S gewöhnlich an einen Paduaner verpachtet. Dieser Marquis besitzt, einige hundert Schritte von dem Städtchen, ern Schloß, das höchst angenehm aus einem Hügel liegt, und eine vortreffliche Aussicht hat.
Das Städtchen, so wie das Schloß und die übrigen Gebäude, liegt nicht weit vom Fuße der Euganifchen Ge birge, welche einen angenehmen Anblick geben. Mir ge fiel die ganze Gegend außerordentlich, so wie die Nettig keit und Ncuilichkeit, di« ich hier fand, und die in Ita lien so selten find. Ein Badegast kann seinen ganzen Aufwand leicht berechnen, und Sie werden ihn sehr unbedeutend finden, wenn Sie alles zusammen nehmen. Sonst waren die Bäder von Abano berühm ter, welche ebenfalls in der Nähe der Euganifchen Ge birge liegen, fünf Meilen von Padua; jetzt wird Bat taglia mehr besucht. Abano soll eine romantischere La ge haben. — Aus der gewöhnlichen Zahl der Bade gäste, so wie aus der ganzen Einrichtung und dem Mangel an geräuschvollen Belustigungen, sehen Sie leicht, daß diese Bäder, ob man schon viel davon re den hört, kcinesweges mit unserm Pyrmont, Spaa, Carlsbad, ja nicht einmahl mit Wißbaden, Lauchstädt, Schlangenbad, Wilhelmsbad und andern ähnlichen zu vergleichen sind. — Das Wasser zu Battaglia ist heiß; das zu Abano, wie ich höre, noch heißer. Das erste re wird vorzüglich in rhevmatischen Uebeln, alten Wun den und dergleichen gerühmt, hat aber nicht den unan genehmen Geruch der Schwefelbäder. — Einst be schrieb ich Ihnen die berühmten Bäder von Pisa und Lucca, und fand sie auch, mit den unsrigen verglichen, nur unbeträchtlich.
Vicenza, den izten Juny. Es ist doch sonderbar, daß mir in diesen Gegen den alles schöner, besser, gefälliger vorkommt, als vor fünf Jahren! Die Zahl der guten und ansehnlichen Häuser, die man an der Landstraße zwischen Padua und Vicenza sieht, hat sich seitdem gewiß nicht ver-
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S e ch s t e r
Brief.
mehrt, auch ihr äußerer Anblick nicht verschönert, (denn hier ist nichts im Steigen und ZuneKmen) und doch fiel mir die Menge dieser Häuser auf, so wie das mehrentheils fruchtbare und angebaute Land. Dieser ganze Strich leidet gelegentlich sehr viel durch Ueberschwemmungen! Dreß ist der Fall noch weit mehr mit dem Lande zwischen Mestre und Pa dua, wo ich einen großen Theil des urbaren Bodens unter Wasser fand, und eint Menge Getreidefelder, wovon das Korn schon zum Theil verdorben war. Ein großer Strich der Gegend um Battaglia stand eben falls unter Wasser. Nicht nur anhaltender Regen, sondern auch die Winter, in denen viel Schnee auf den Bergen gefallen ist, bringen diese Wirkung hervor, besonders wenn der ©ebnet sehr schnell schmilzt. Für das Ange machen diese zum Theil unter Wasser ste henden Gegenden keine übele Wirkung; auch hat man diesem Umstande das schöne Grün zu danken, das sonst im Monathe Zuny diese Striche von Ztalien nicht mehr ziert. Daö gegenwärtige Zahr ist gegen das von 1794 unbeschreiblich zurück; den dritten und vierten Zuny war man damahls in der Gegend von Vicenza in vol ler Ernte, und ein großer Theil des Roggens war schon geschnitten. Zetzt, den fünfzehnten des nähmli chen Monaths, ist er noch ganz grün, und man sagt mir, daß unter vierzehn Tagen noch an keine Ernte zu denken ist. Von Padua nach Slesigo ist eine Post, und eben so viel nach Vicenza. Wir machten diesen Weg in weniger als vier Stunden, und kamen vor elf Uhr hier an. — Zch habe diese Stadt avermahlS in allen Richtungen durchwandert, und bestätige heyte das Urtheil, das ich damahls über Palladio fällte. Er war ein großer Baukünstler, und hat den gesunke-
nen Geschmack seiner Zeitgenossen merklich wieder ge hoben und verbessert; aber von der Correctheir und Einfalt der Griechen ist er sehr abgewichen, und hat gewisser Maßen einen neuen Styl eingeführt, der um so stärker wirkte, je verführerischer er ist. — Auffallend ist immer der große Styl, in welchem dreyßig oder vierzig Privathäuser dieser Provinzialstadt gebaut sind, und wovon einige vor, andere nach Palladio's Zeit errichtet wurden. Und in diesem Style fährt man fort, die wenigen neuen Häuser zu bauen, die man jetzt hier steht. Eins, das erst vor ein paar Zähren vollendet worden, und einem Venezianischen Advocaten, Cordoloni, gehört, ist überaus schön und in einem sehr guten Geschmacke. Es hat eine doppelte Säulenord nung, und über dieser ein Attisches Stockwerk. Kurz, Palladio, der ein Vicentiner war, scheint dem Orte ei ne eigene Richtung und einen Schwung in der Bau kunst gegeben zu haben, wofür diese Stadt, in andern Rücksichten, nicht bedeutend genug scheint. Wir gingen über den Campo Marzo auf den berühmten Hügel, wo man die Madonna del Monte verehrt, und auf welchen ein Arc adengang führt, der von der Stadt bis an die Kirche geht. Zch steute mich der schönen Gegend, noch mehr aber einer Aussicht, die man uns aus eini gen Zimmern des Klosters zeigte, und die ich vor fünf Zähren nicht gesehen hatte. Hier wird die reiche, la chende Ebene durch grüne Hügel schon unterbrochen; in einiger Ferne steht man ziemlich hohe Berge, und noch weiter hinaus die Alpen. Es ist eine Ausstcht, wie man ste nur in Ztalien sehen kann. — Zn einem Zimmer dieses Klosters wurde ich durch einen großen Paul Veronese überrascht, der so schön ist, als ich we nige gesehen habe. Er erinnerte mrch lebhaft an das Meisterstück, die Hochzeit von Cana, in St. Giorgio
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Sechster
Brief.
maggiore. Man hatte es zur Zeit der Revolution ver steckt, und die Gerstli^en meinten, die Franzosen müß ten es nicht gekannt baden. Diese Männer waren sehr gefällig, und gingen so weit, uns das wunderthätiqe, vom Apostel Lukas gemahlte MarrenbUd sehen zu taffen, um dessen willen die Ktrche, das Kloner und der fast zwey Meilen lange Arcadengang cnrwbtet jin& Nach dem man alle die Ueberhange und den mannlgfattlgen Putz abgenommen hatte, sah td) zu meiner Verwun derung/statt eines dürren, schwarzen, elenden GestchtS, (dies; ist der Charakter der sogenannten Portratts von Lukas, der ein sehr schlechter Mahler war) eine liebliche Marte, mit vollen Wangen und weißen und rothen Farben. Id) war nahe genug, um den Werth der Mahlerey zu beurtheilen; ste dünkte mich nicht schlecht, und trug den Charakter der neuern Lombards fd)cn Schule. An solche Kleinigkeiten stoßen sich aber die Gläubigen nicht; im Gegentheile, das Wunder wird dadurch nur größer, daß sid) das Gemählde so neu und frisch erhalten hat. Lin Theil dieser Kirche ist mit Gemählden ex voto ungefüllt, deren ganz eigenes Schicksal fast überall ist, daß sie von elenden Sudlern, gemacht werden. — Endlich hängt hier auch em ganz neues recht gutes Bild von einem Franzosen. — Sonst besaß die Ma donna and) einen großen Schatz von Silberwerk, den die Neufranken rein ausgeplündert haben; und das nähmliche thaten sie mit allen andern Kirchen von Vicenza. Anstatt wieder durch die Arcaden herabzugehen, nahmen wir einen andern sehr schönen Weg, der aufKosten der Stadt unterhalten wird, und unten m einem Bogen von Pal ladio endiget, welcher nach der sogenannten Porta aurea zu Pola beynahe copiert ist. Um wie viel der
Künstler hier den Griechen näher kommt, um so viel schöner ist dieser Dogen, als der, welcher auf dem Cam, po Marzo steht, und ebenfalls von Palladio ist. Der Palazzo della Ragione, oder das Rath» Haus, ist von Palladio, in Dorischer und Ionischer Ord nung, und, meines Erachtens, schöner als der zu Pa dua, obschon der Salone, oder obere Saal, bey wen tem nicht so groß ist. Die Unreinlichkeit ist hier wir dort. Der Pallast des ehemahligen Podesta brannte vergangenen Winter zum Theil ab, und wird nun wohl so bald nicht wieder aufgebaut werden. — Zm Vorbeygehen trat ich in acht oder zehn Kirchen, und fand !hr Inneres, ungeachtet dessen, was sie durch die Revo» lnrion gelitten haben, mehrentheils schön, reinlich und wohl unterhalten. In allen waren Gläubige in Men ge; denn Bethen und Betteln macht auch hier die Exi» stenz eines großen Theils der Einwohner aus. Beson ders findet man die Bettler unter den Arcade», die zur Madonna del Monte führen. Die^Seidenfabrik, die dem HauseFranceschini gehört, ist sehr ansehnlich und beschäftiget eine große Zahl von Händen. Die Seidenmühlen, die vom Wasser getrieben werden, scheinen mir wichtiger als die, welche ich zu Derby und Leyden gesehen habe. Die nähmliche» Maschinen spinnen in drey verschiedenen Stockwerken. — Hier macht man auch geblümte und figurirtr Seidenzeuge, ungefähr wie zu Tours. — Das große und sehr ansehnliche neue Gebäude, das die Fami lie Franceschini kürzlich hier hat errichten lassen, verdient in der That den Nahmen eines Pallastes, hat aber we, nig Geschmack. Auch hier fanden sich die Jakobiner größtentheils un ter dem Adel; indessen wundert mich das weniger, als zu Venedig, denn der hiesige Edelmann war bloß ein
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S c ch s r e r
Brief.
Venezianischer Unterthan, machte nicht einen Theil der souveränen Republik aus. — Ich habe bey Venedig anzumerken vergessen, daß man uns mehrere Palläste von dortigen Edelleuten zeigte, in denen der Pöbel, zu Anfänge der Revolution, Alles zu Grunde richtete, weil ihre Eigenthümer Zacobiner waren. Die Stimmung des gemeinen Volkes scheint auch zu Padua und Vicenza so ziemlich die nähmliche gewesen zu seyn, wie zu Vene dig. — Manchmahl fällt uns eine tiefgedachte Wahr heit sonderbar auf, weil sie aus dem Munde eines unge bildeten, einfachen Mannes kommt. So sagte unser hiesiger Lohnbedienter, ein Gentiluomo würde immer ein Gentiluomo bleiben, und daß der gemeine Mann arbeiten und im Schweiße seines Angesichtes sein Brot verdienen müßte, die Regierung möchte demokrattsch, oder aristokratisch seyn. Wir wohnen hier zur Königinn von England, und sind so ziemlich zufrieden. Der Scudo soll etwas bes ser seyn. Verona, den i7ten Juny.
Wir kamen gestern zu Mittage hier an, und haben einen und einen halben Tag recht angenehm hingebracht. — Ich schickte in dieser Stadt einst nach einem Lohnbe dienten, und bekam einen Grafen aus dem alten Hause von.Devilaqua, der den Cicerone von Verona machte. Ein angenehmes Gemische von Bescheidenheit und ein facher Würde, womit dieser Mann die zwey widerspre chendsten Dinge, seine hohe Geburt und seine jetzige bür gerliche Lage, in eine Art von Einklang zu bringen wuß te, machten mir ihn so interessant, daß ich mich seiner mit Vergnügen erinnerte. Zch ließ ihn also gleich nach unserer Ankunft wieder hohlen, und erfuhr bey der Gele genheit, daß zwey Brüder hier sind, die die nähmliche
Sechster
Brief.
239
Profession treiben, welche Alles ist, was sie von ihrem Vater, der sie znerst ausübte, geerbt haben. Nach eini^4i Erklärungen, die ich gab, verstand man gar bald, welchen ich meinte; und ich sahe den nähmlichen Mann wieder, dessen Schicksal mich vor fünf Zähren so sehr intcressirte. Er ist wirklich ein vortrefflicher Cicerone für diese Stadt, und hat die ausgebreitetsten Kennt nisse von allem, was sie einschlreßt. Unter seiner Lei tung haben wir gestern und heute ;eden Augenblick be nutzt, und ich habe mehrere Dinge genauer gesehen, die mich bey einer früheren Reise weniger anzogen. Unter den nördlichen Städten Ztaliens ist Verona noch immer eine der vorzüglichsten, und enthält so manches aus den ältern und muttern Zeiten, das in verschiedenen Rücksichten intercsslrt. Das alte, berühmte Amphitheater zog mich letzt ganz vorzüglich an weil durch das von Pola meine Aufmerksamkeit darauf nur desto stärker erregt wor den war /und ich mehrere Dinge daran aufs neue zu un tersuchen hatte. Beyde sind einander sehr entgegenge setzt, denn von dem zu Pola ist die äußerste Ring mauer noch vollkommen übrig, während daß man von dieser hier nur ein ganz kleines Stück noch sieht; da gegen ist daö Innere zu Verona ganz und wohl untere halten; zu Pola hingegen davon gar nichts mehr sicht bar. Ich fand hier eine sonderbare Entehrung dieses edlen Gebäudes, und welche zugleich auf eine lächerli che Werse den Unterschied zwischen antiker Größe und moderner Kleinheit anschaulich darstellte. Man hatte auf der Arena ein kleines Theater errichtet, wo eine armselige Truppe eine Farce bey vollem Tageslichte auf führte. Die Zuschauer saßen unter freyem Himmel auf einem Theile der Stufen umher. Diese und das Theater zusammen nahmen nicht den zwanzigsten Theil
J4°
Sechster Brief.
des ganzen Gebäudes ein, und machten eine vvükomi mene Carrikalur unserer Zeiten. Noch war man hier voll von den Siegen, die die Oesterreicher kürzlich unter den Mauern von Verona erfochten haben. Zch ließ mir die Stellung der Ar» meen und einige merkwürdige Orte zeigen, die man von einem Theile der Stadtmauern vollkommen über» sehen kann. Die Veroneser ergriffen bey dieser Gele» genheit eine entschiedene Partey, und zeigten vortreff liche Gesinnungen gegen das HauS Oesterreich. Eine Menge Einwohner schickten ihre Wagen in daS Feld und ließen die Verwundeten darin abhohlen. In der Stadt wurden diese in Privathäuser gebrächt und auf daS beste verpflegt; anderer Züge von gutem Willen zu geschweigen. Lin Verehrer von Shakespear wird nicht leicht durch Verona gehen, ohne daß ihm Romeo und Zuliet ein fielen. Man will noch das Haus wissen, daS der ei nen der verfeindeten Familien gehörte, und man zeigte mir eS einst. Ich kam dieses Mahl wieder mit un serm Cicerone darauf zu reden, und er führte uns in «in Kloster, wo man den Sarg zu besitzen glaubt, in welchen Zuliet gelegt worden seyn soll, nachdem sie für tobt gehalten wurde. Wir sahen ihn in dem Garten eines Klosters, wo sich eine Weibsperson fand, die mit der Geschichte sehr vertraut war, und, nach Art dieser Leute, viel umständliches zu erzählen wußte. Un ter andern machte sie uns auf einige Löcher aufmerk/ sam, die man in den Sarg gebohrt hätte, damit e< dem Mädchen nicht an Luft fehle, wenn sie wieder zu sich selbst käme. Was ich da sahe, ist ein plumpeStück Arbeit von Stein, und kann eben so wohl ein Wassertrog, als ein Sarg gewesen seyn. Zndessen zeigt das Alles, daß diese Geschichte sich beständig hier
erhalten hat, ob man schon nichts Authentisches mehr darüber weiß. Wir wohnen in zwey Thürmen und sind recht wohl. Deseuzano, den igten Iuny. Von Verona nach Castel nuovo sind drey Deutsche Meilen, und eben so viel hierher. Sie sind klein, denn ob wir uns schon zu Peschiera etwas aufgehalten hatten, so kamen wir doch noch vor zwölf Uhr hier an. Unser Zweck war eigentlich, den schönen Garda see zu sehen, und dazu mischte sich etwas Neugierde, Peschiera zu besuchen, eine Festung, die mir einst höchst unbedeutend vorkam, die aber seit einiger Zeit be rühmt geworden ist, und von der ich zu Wien immer ge hört hatte, daß sie von den. Franzosen sehr verstärkt und mit neuen Werken vermehrt worden wäre. — Em Ma jor von der Garnison, den ich von ungefähr traf, führte uns auf den Wällen herum und zeigte uns Alles, was wir zu sehen wünschten. Da sand ich denn freylich, daß die Franzosen einige neue Werke angelegt hatten; sie sind aber keinesweges von Wichtigkeit, und dabey ist die Arbeit höchst elend. Die kleine Garnison, die darin lag, würde sich nicht lange haben halten können; allein General Kray gab ihr eine gute Capitulation, weil ihm daran lag, die sen Paß hier so geschwind als möglich frey zu haben, und weil er die Truppen, die er vor die Festung hätte legen müssen, anderweitig brauchte. In dem kleinen Hafen von Peschiera sahe ich eine Flotte von Kriegöschlffen, die so ziemlich wie Englische Cutters gebaut sind, und auf jeder Seite vier Kanonen haben. Die Franzosen baueten sie, und machten großen Gebrauch davon auf dem Gardasee. Jetzt sind sie unnütz; indessen mögen doch die Oesterrercher einige Absichten da mit haben, denn ich sahe auf einigen derselben eine Menge Küttners R. 4. Tl).
16
Soldaten, die sehr beschäftiget zu seyn schienen. Auch bemerkte ich, daß man an der Verbesserung der Festungs werke arbeitete. — Der Sfttncio, der hier aus dem See kommt, ist vollkommen klar, und hat jene schöne, meergrüne Farbe, die man an den Schweizerseen findet, und die dem Auge so angenehm ist. Zu Peschiera steht man nur ein Stück vom Garda see; der Reisende geht also gewöhnlich nach Desenzano, weil man da seine ganze Länge vor sich hat und ihn das Auge bis weit hinauf nördlich, wo er von hohen Bergen eingeschlossen ist, verfolgen kann. Mir war er ein alter, wohlbekannter Freund, dessen außerordentliche Schönhei ten das Reihende der Neuheit ersetzten. So wie wir zu Desenzano ankamen, miethete ich so gleich ein Doot, in dem wir auf die sogenannte Villa des Catullus bey Sarmione fuhren. Zch untersuchte die großen Ueberreste dieser Gebäude dieß Mahl viel um ständlicher, als vor fünf Zähren, und habe nicht den ge ringsten Zweifel darüber, daß es ein altrbmisches Gebäude ist. Die ganze Anlage und Natur dieser Trümmern zeigt offenbar, daß ste einem Römer gehörten, deren Einrich tungen und Bedürfnisse von den unsrigen sehr verschieden waren, und die also ganz anders bauten, als wir. Ob ich schon so ziemlich alle Römische Gebäude ge sehen habe, von denen sich noch Ueberbleibsel in Italien befinden, so habe ich immer viel Schwierigkeiten gehabt, mir einen deutlichen Begriff von der innern Einrichtung eines Hauses zu machen; und die weitläuftigen und gro ßen Trümmern, die ich heute wieder gesehen habe, sehen mich nur noch mehr in Verlegenheit. Die ungeheure Menge von Gewölben, die nicht über zwölf Schuh breit, nur einige Schuh länger und überaus hoch sind, und die nichts weniger als angenehme Zimmer gewesen seyn kön nen; ihr Mangel an Verbindung unter einander, die bloß durch eine allgemeine Gallerte Statt gehabt hat; die gänz-
ltche Abwesenheit altes Lichtes; die ganze sonderbare Vertheitung aller dieser Behältnisse; — dann die sehr langen,
fast ganz dunkeln Gewölbe, die sich wieder in kleinere öff nen, welche ganz und gar kein Licht haben, und nie ha ben konnten; und endlich ein Gewölbe, oder unterirdischer
Gang, dessen Ende ich nicht berechnen kann, weil Dun kelheit,
Nässe und Desorgniß,
mich zu verlieren,
mir
nicht erlaubten, weit vorwärts darin zu gehen, von dem man aber mir sagt, daß es sich bis an den See hinabziehe,
und welches denn folglich mehrere hundert Schuh lang seyn muß: — alles das und anderes mehr ist mir uner-
klarbar. — Zch weiß gar wohl, daß in dem untersten Theile ihrer Häuser, oder in den Substructionen sehr viel
Platz für Bader, Wasserbehälter und die große Menge ihrer Sclaven war; mit dem allen aber kann ich mir doch
nicht die vielen und sonderbaren Behältnisse erklären, die
ich in allen diesen Gebäuden gefunden habe. — Ucbrigens mag dieses hier dem Catullus, oder wem es sonst will, gehört haben, so viel ist gewiß, daß der Besitzer ein rei cher Mann war. Auffallend ist es, daß diese herrliche Lage, im Verlaufe von so vielen Jahrhunderten, nieman den gerecht hat, hier wieder zu bauen.
Ich selbst ziehe
die Aussichten vor, die dem Auge in der Nahe angenehme Gegenstände darsteltett, und würde mich deßwegen nie ganz dicht an die Ufer eines Sees betten; wer aber das Weite, Große und Erhabene liebt, findet in Italien kaum
eine Lage, wie diese, und dabey alle Vortheile eines süd lichen Climas, auf einen Grad, den man Unter dieser Breite kaum erwarten sollte. Die Berge, die diesen See einschließen, si^ld höher und kühner, als die, welche.die allermehresten Seen von Italien umgeben: und von Ca-
tulls Hause kann man hinauf bis in die Alpenhöhen sehen,
die sich am Ende des Sees erheben. Von dieser Villa ging ich zu Fuße nach Sar-
mione durch einen Wald von Olivenbaumen,
die hier
vortrefflich gedeihen und ein Oehl geben, das man unter die bessern von Italien rechnet. — So unbedeutend auch das Städtchen ist, so fallt es doch überaus schön in die Augen, und der halbverfallene Sitz des ehemahligen Venezranischen Podesta hat ein Ansehen von Großheit, das, vom See gesehen, eine herrliche Wirkung macht. — Ei gentlich liegt Sarmione auf einer Halbinsel; jetzt aber, da das Wasser hoch steht, ist es ganz vom festen Lande getrennt. — Wir hatten unser Boot hierher kommen las sen, und machten nun noch eine lange Fahrt nördlich in den See hinaus, und sahen Garda, la Cisi, ein gro ßes Camaldulenserktoster in der Nahe, P eschiera, und eine Menge anderer Orte, die sich alle an dem Ufer des Sees sehr angenehm zeigen. Wir wohnen auf der alten Post (Posta vecchia) wo wir Zimmer mit einer Gallerie haben, von der man den größten Theil des Sees übersehen kann.
Saturn, in Tyrol, den 20. Juny. Dor fünf Zähren kehrte ich von Desenzano nach Ve rona zurück, weil man mir gesagt hatte, daß ein großer Englischer Reisewagen von Castelnuovo nach Volargni nicht gut würde durchkommen können. Es ist falsch! Zch fand den Weg freylich schlecht, aber er ist jetzt in dieser ganzen Gegend nicht sonderlich, und dabey ist das Land von Castelnuovo nach Volargni weit interessanter, als der Strich auf der Straße von Verona dahin. Wir blieben lange in der Nahe des Gardasees, genossen mehrere schöne Aussichten, und kamen im Ganzen durch ein überaus ro mantisches und dabey stark bevölkertes und wohl angebau tes Land. Besonders mahlerisch fand ich die Gegend bey Volargni, am Flusse Adige, oder Etsch, über den wir auf einer Fähre gingen, die an einem Seile läuft. Diese Gegend wird man gar nicht gewahr, wenn man von Ve rona durch diesen Ort Lehr.
Volargni, oder Volargine ist ein unbedeuten
der Flecken.
Wir speisten hier,
wider unsere Gewohn
heit, ;u Mitraqe, und fanden auf der Post, deren Aeußeres nicht versprechend ist, eine sehr gute Dewirthung. — Man gab uns einen Strohwein, der hier gemacht wird,
und der, wie alle Weine dieser Art, süß ist, aber einen vortrefflichen Geschmack und vielen Geist hat.
Zch ziehe
ihn dem vor, welchen man in der Gegend von Udine un
gefähr auf die nähmliche Art macht.
Ueberhaupt ist der ganze Strich, durch den wir seit drey Tagen
gekommen sind, ein gutes Wemland.
Desenzano.,
Volargni,
Zu
Roveredo und Trient gab man
uns einen gemeinen Tafelwein, den man in den Wirths häusern von Venedig gern mit vier bis fünf Lire die Fla
sche bezahlen würde. Reisende kaum,
Zn dieser letztem Stadt weiß der
was er
trinken soll.
Der Portwein,
oder Oporto, den man für zehn, und der Claret, (Bour-
deaux) den man für zwölf Lire verkaufte, waren wirklich
nicht trinkbar; der Montepulciano, den man noch am be-sten dort bekommt, und wovon die Flasche vier £tre kostet, ist für Personen, die nichts als Wem zu trinken gewohnt
sind,
zu hitzig.
Trinkbares Dier war dieses Mahl zu
Venedig gar nicht zu haben, auch nicht Englisches, wel ches sonst sehr gewöhnlich dort war.
Zu Verona gab man
uns verdorbenen Porter, die Flasche für acht Lire.
Zwar gehörten Volargni und Peri zu dem ehemahli gen Venezianischen Staate, nach der politischen Geogra
phie; aber nach der physischen fängt hier das eigentliche
Tyrol an. schen
denen
Ungeheure, fast senkrechte Felsenwände, zwi
nichts,
Straße Platz haben,
als
die Etsch
und
eine schmale
schließen den Eingang, und schei
nen das Land vor jedem feindlichen Anfalle zu versper ren.
Bald nachher kommt man an
den geschlossenen
Paß, wo die Straße theils aus dem Felsen genommen,
theils von dem Flusse herauf gemauert ist.
Die Vene-
zianer verstärkten hier die Natur noch durch Kunst, in dem sie ein Thor und eine Art von Schlosse errichteten. Einige Mauern, in welchen schlechte Wohnungen sind, steigen über hundert Schuh an dein senkrechten Felsen hinan. So kommt man nach Peri, oder Beri, welches die letzte Penezianische Station ist. — Ala, oder Alla ist die erste Oesterreichische. Zwischen beyden be findet sich Borghetta, ein Städtchen, in dessen Nähe ein Pag ist, welchen die Natur fast eben so fest ge macht hat, als den auf der Venezianischen Seite. Als ich vor fünf Zähren diese Straße kam, hielt ich es sür unmöglich, daß ein Feind hier durchdringen könnte, wofern man ihn nicht gutwillig einlassen wollte. Eben daS glaubte ich von dem Passe bey Bardo und her Festung gleiches Nahmens im Piempntesischen Herzoglhume Aosta; dennoch haben die Franzosen beyde passirt: und noch ist das vielen, die diese Gegend ken nen, ein Räthsel. Weiter hinauf nach Norden ist Tyrol nicht so gut von der Natur vertheidiget, als hier, wenigstens sind diese Pässe nicht so beschwerlich; und doch fand General Buonaparte, daß es nicht thunlich war, viel weiter als Trient vorzudringen. Er kehrte um und nahm einen andern Weg. Roveredo hat eine Menge sehr guter, ansehnli cher Häuser, und ist stark bewohnt, ob ich mich schon kaum überzeugen kann, daß hier vierzehn tausend Ein wohner sind, wie mehrere Angaben sagen. Hier findet man jene Lebhaftigkeit und Regsamkeit, die eine Folge des Kunstfleißes und des Handels sind. — Wir wohn ten in der Rose, und befanden uns da ziemlich wohl; auch ist hier noch rin zweytes Wirthshaus, das recht gut seyn soll. Zn den allermehresten Orten-, durch die wir gekom men sind, fand ich die Leute noch mit dem Abspinncn
bet Seide beschäftiget,
so wie vor fünf Jahren;
war es damabts früher im Jahre.
nur
Allein die Seiden
ernte dauert sehr Lange: und dann ist dieses Jahr alles spater, als gewöhnlich. —
Wenn man die Seide von
der Puppe ganz abgewunden hat,
so gibr man sie mit
dem darin befindlichen Wurme den Hühnern.
Ich fand
in einem Dorfe, daß man diese abgewundenen Puppen
vor allen Hausern sorgfältig trocknete, Aufmerksamkeit
erregte.
so daß es meine
Da erfuhr ich denn,
daß in
dem ganzen Porfe keine Hühner waren, und daß, bis
wieder welche
man
gessen.
die Puppen aufgehoben
bekäme,
Die Franzosen hatten alles rein aufge
werden sollten.
Dieß war
in dem Theile,
der zeither zu Cis
salpinien gehörte, und der, nach der Aussage der Land-
leute, von seinen Freunden, zum Abschiede,
fast über
all beraubt und geplündert worden war. Sonst waren Schlachtfelder Gegenstände, neugieriger Reisender aufsuchte;
die ein
allein in diesem unseli
gen Kriege haben sie sich so ins Unendliche vervielfälti
In der Nahe
get, daß man gleichgültig dagegen wird. von
Verona
sind
ihrer drey
vom vergangenen April.
Nicht weit von der Borghetta
noch
ist ein anderes,
eins zeigte ryav mir heute früh
Noch
sahe
ich
im
und
bey Caliano.
Posthause von Aquaviva eine
Menge Löcher, die die Kugeln gemacht hatten. Die,
welche nicht in
der Schweiz gewesen sind,
können bey Saturn einen kleinen, recht artigen Wasser fall sehr wohlfeil
ten Weges vom
sehen.
Er ist innerhalb zehn Minu
Wirthshause zur Krone,,
stürzet sich
etwa zwey hundert Schuh von einer senkrechten
wand herab,
Felsen
und macht eine sehr mahlerische Wirkung.
Allein zu gewissen Zeiten fehlt es an Wasser, -r- Dicht
daneben ist ein sehr romantischer Fußweg,
Rücken
der steilen Berge führt,
der auf den
die fast unzugänglich
Sechster
248
scheinen.
Brief,
Und doch findet man Dörfer auf den ersten
Höhen, und weiter hinauf reiche Weiden.
Auch
Trient
dünkt mich dieses
und ansehnlicher, als vor fünf Zähren.
Mahl schöner Es finden sich
wirklich hier eine Menge sehr guter Häuser,
und meh
rere, die einige Ansprüche auf den Nahmen von Pallästen machen. — Die Cathedralkirche ist ein fei nes Gothisches Gebäude,
fthen zu werden verdient.
mit einem Innern,
—
das ge-
Die Kirche St. Ma
ria maggtore ist diejenige, in welcher die berühmte Kirchenversammlung gehalten wurde. Das Gemählde,
worauf alle die heiligen Väter der großen Versammlung
vorgestellt sind,
ist nicht nur an sich sehr merkwürdig,
sondern hat auch einiges Verdienst als Kunstwerk.
Die
Basreliefs in einem feinen weißen Marmor unter der Orgel sind
ten
von einer sehr guten Hand. —
Von Sei
der Architektur verdient diese Kirche nicht das Lob,
das ihr in einigen Reisebeschreibungen gegeben wird. Dieß ist
Zakrzehend
ein böses Jahrhundert,
für die Geistlichen!
parte und andere Franzosen wohnten
des Bischofes;
oder vielmehr
Der General Buona
in dem Pallaste
und da er ein Mahl daran gewöhnt
und eingerichtet war,
hat auch der Kaiser regelmäßig,
schon seit eilliger Zeit, eine gewisse Zahl von Soldaten
darin gehalten. —
Ich bestieg abermahls den Thurm
und freute mich der schönen Aussicht, die er gewährt.
Die Muttersprache der mehresten Einwohner von Trient ist noch immer Italiänisch. Viele verstehen Deutsch nebenher, aber nicht alle. — Im Gasthause zum goldenen Adler ist man recht wohl.
Lauis, von Trient,
Stadt.
oder auch Nevis,
die nächste Station
ist eine kleine, . nicht ganz unansehnliche
Botzen, oder Bolzano, den 21. Iuny. Wir haben beute nur eine kleine Tagereise gemacht,
um Zeit zu haben, diese Stadt, oder vielmehr die Ge
gend umher zu besehen. Neu markt, ein unbedeutendes
die erste Station von Salurn,
Städtchen,
ein Dorf. —
zweyte,
und Brandsol,
Der ganze Weg »st schön und
romantisch; überall hohe Berge,
angebaute
Thäler
ist die
und fruchtbare,
wohl
Doch sind die Thäler,
dazwischen.
durch die wir heute kamen, vorzüglich enge, und die stei
oder vielmehr Felsen,
len Berge,
entweder ganz nackt,
wachsen.
die sie einschließen,
oder bloß mit kleinein Holze be
und wieder hängen diese Felsen so über
Hiir
die Straße herab, daß man froh ist, wenn inan sie im
Rücken
hat.
Diese
Besorgniß
ist
ganz ohne
nicht
Grund, denn wir wissen historisch, daß ein Theil dieser Felsen sich gelegentlich ablöst,
und die darunter liegende
Der Augenschein bestät»get,
Gegend bedeckt.
was die
denn der Gräuel der Verwüstung, den
Geschichte sagt,
man hin und wieder in diesen Thaler», findet, zeigt ge
nugsam ,
daß
diese Verheerungen öfterer Statt finden,
als die Geschichte ihrer gedenkt.
Dieß ist besonders der
Fall im Frühjahre und nach heftigen Regengüssen.
Der
Umsturz dieser Felsen »st mehrenthcils gewaltsam;
aber
die Vorbereitung dazu ist regelinäßtg, bleibend und im
mer fortwirkend.
Das Wasser bearbeitet sie ohne Un
terlaß, trennt die Massen von einander, untergräbt ihre
Grundpfeiler,
und bringt sie zu einrin langsamen und
späten, aber sichern Sturze. Meine
daß
Meinung
über
sie seit Jahrtausenden
men sind,
eine Menge Gebirge ist, ohne Unterlaß herabgekom
und noch immer fortfahren,
niedriger zu
werden,
indeß die Thäler sich in gleichem Verhältnisse
erhöhen.
Herr Ramond de Carboniere behauptet
Sechster
25 o
Brief.
das Nähmliche in seiner Reise durch die Pyreneen, und
das
im
1773 zu Wien
Zahre
„Nachrichten von den
erschienene
Werkchen
Eisbergen in Tyrol" gibt eine
Menge Thatsachen, welche beweisen, daß das vorzüglich
der Fall in dieser Provinz ist. —
Die Einwohner nen
nen diese herabfallenden Felsenstücke Murren;
trocken
herabkommen,
trockene Murren,
wenn sie von einem Waldstrome,
wenn sie und nasse,
oder durch
eine Ueberschwemmung herabgetrieben werden.
irgend In den
Gegenden, wo sich die großen Gletscher finden, sind die Verwüstungen sehr häufig.
oder mit dem Ztaliänischen
Botzen, Bolzano,
liegt an
Nahmen,
dem Zusammenflüsse des
Eisack
welcher letztere mehrentheils sehr un
und des Talfers,
bedeutend ist, aber doch ein großes und theuer unterhal
tenes Bett hat,
und worüber
das er bisweilen füllt,
hier eine lange, ansehnliche Brücke geht. — Etwas un ter der Stadt vereiniget
und verliert seinen
sich der Eisack mit der Etsch
—
Nahmen.
die hohen Berge umher,
Diese drey Wasser,
die reiche, üppige Vegetation,
der schöne Anbau des Landes,
wo es sich bauen läßt,
und die unzähligen auf den Bergen und Hügeln umher zerstreuten Häuser,
machen die ganze Gegend um Bo
tzen angenehm und interessant.
Viele dieser Häuser auf
dem Lande sind sehr ansehnlich und gehören den reichen Bewohnern der Stadt, die sich gegen die Sommerhitze dahin flüchten.
doch
Manche liegen sehr hoch,
und werden
noch als Land - oder Lusthäuser betrachtet und ei
nen Theil der heißen Jahreszeit hindurch bewohnt. Wir machten einen Spaziergang nach Grieß, ei nem ansehnlichen Kloster nicht weit von der Stadt, des
sen größten
Theil aber die Väter zu einem Militärspi-
tale haben räumen
müssen.
Ich
ging
dann noch ein
Stück weiter auf der Straße nach Meran, welche zu gleich auch der Weg nach
Glurens und einem Theile
von Graubündten ist. Dieser ganze Strich Landes soll sehr interessant seyn, und wäre jetzt, da die übrige Schweiz nicht offen ist, ganz besonders zu einer Berg reise geeignet. Man könnte von hier zunächst die Graf schaft Worms, das obere und untere Engadin und dann einige andere Theile von Graubündten, wie man eS am besten fände, besuchen, endlich durch einen Theil des Innthals herab nach Znnspruck kommen. Ich kenne keine umständlichen Nersebeschrelbungen von diesen Berglandern, habe aber von verschiedenen Kaiserlichen Officiers gehört, daß man eine schöne Schweizernatur da fände, und daß das Ganze weit mehr eine Reise dahin verdiente, als manche bekanntere und darum berühmtere Gegenden. Auf meinem Wege nach Meran bewunderte ich die reich angebauten Hügel, welche am Fuße höherer Berge liegen, und wo mehrere sehr gute Weinarten wachsen, die insgemein für die besten in Tyrol gehalten werden. Botzen ist eine sehr wichtige Stadt und vielleicht der ansehnlichste Handelsort in Tyrol; aber sie ist we der schön, noch stark bevölkert. Sie hat weniger als zehn tausend Einwohner, vielleicht nicht über neun tau send. Als Stadt ist Roveredo schöner, auch wohl be trächtlicher durch seine Fabriken; aber Botzen treibt ei nen sehr wichtigen Zwischenhandel, besonders mit Eng? lischen Waaren, die in Tyrol einen freyern Umlauf zu haben scheinen, als in mehreren andern Staaten der Oesterreichischen Monarchie, und die zugleich auch durch die Hande der hiesigen Kaufleute nach Italien gehen. Es gibt hier eine Menge beträchtlicher Häuser, die sehr umfangende Geschäfte machen. Das Mercantilmagistratshaus, das sich in mehreren Reisebeschreibungen angezeigt findet, ist frey lich ein großes, schwerfälliges Gebäude; das ist aber auch Alles, was sich davon sagen laßt. Ein großer
Sechster
252
Brief.
Theil desselben dient zu Niederlagen,
und seht hat der
Kaiser viel Mehl und andere zur Armee gehörige Dinge
hier niedergelegt. — Auf der Post fanden wir ein vor
treffliches Wirthshaus,
und,
gegen andere,
schlechtere
gehalten, sehr billige Preise. Sterzittgen, den 22sten Iuny. Zwischen
das
Botzen und Brixen besuchte ich wieder
Capucinerkloster
zu
Clausen,
das
eine
kleine Gemähldesammlung besitzt, die freylich ihren größ ten Werth daher erhält, daß sie sich gerade hier findet. Sie kommt, so wie die Stiftung des ganzen Klosters,
von einer Königinn von Spanien, die eine Prinzessinn
und einen Beichtvater aus diesen Gegenden hatte, der sie denn zu dieser Handlung der Gottseligkeit vermochte. Sie stiftete, zu Anfänge von Pfalz - Neuburg war,
dieses Jahrhunderts, das Kloster, wo jetzt neun Vater und drey Brüder sind,
und schenkte,
ausser den Ge
mählden, einen ansehnlichen Schatz von Gold - und Silbergeschirre. Ein paar Gebethbücher, auf Perga ment geschrieben und mit einer Menge Miniaturmahle
reyen verziert, sind wirklich sehr schön, und würden von manchen Liebhabern theuer bezahlt werden.
Eins davon
ist das Meßbuch Carls n, von dem diese Königinn die
Witwe war. Diesen Capucinern gegen über liegt auf einem Hü gel das alte Schloß Seben,
sches Bild macht,
welches ein mahleri
jetzt ein Kloster von Benedictinerin-
nen ist, und einst die Residenz der Bischöfe von Brixen war.
Brixen hat zwar einige gute Häuser, wenig von dem Ansehen einer Stadt.
sonst aber
Es gleicht den
ehemahligen Hauptflecken der demokratischen Cantone der
Schweiz.
Zch
liebe dieses Gemische von städtischem
und ländlichem Ansehen,
und habe gewöhnlich in die-
fett Orten mehr Reinlichkeit gefunden,
als in dm ei
gentlichen Städten.
Der Bischöfliche Pallast ist ansehnlich und groß, Hal aber weiter nichts, das Aufmerksamkeit ver diente. —
Die Hauptkirche ist schön und auch des
wegen merkwürdig, weil sie fast ganz von Tyroler Mah lern verziert ist. Hier finden sie Gemählde von allen Unterbergern, deren, wenn ich nicht irre, vier wa
ren.
Christoph, den man zu Rom unter dem Nahmen
Don Christoforo kannte,
war von Pius dem VI
sehr begünstiget, und hat die mehresten Säle des Mu seo Pio -Clementino verziert.
Einerseiner Ver
wandten starb vergangenes Jahr zu Wien. —
Auch
ist in dieser Kirche ein ziemlich gutes Crucifix von Schöpf, einem Schüler Knollers, (sammt und son
ders Tyroler.)
Er lebt noch und hält sich zu Inn-
spruck auf. Wir speisten zu Drlxen im Elephanten zu Mittage, einem unansehnlichen Hause, wo aber Alles sehr gut war. Man gab uns das Wasser und den Wein in
Eis,
und mit jedem Teller wurden Messer und Gabel
gewechselt.
Solche Begriffe von Eleganz und Luxus,
die man in manchem guten Privathause nicht findet,
fallen
sonderbar auf.
Gleichwohl erfuhr ich nachher,
daß nicht dieser, sondern das Kreuz der beste Gasthof des Ortes ist. Aber ich würde immer dieses Haus em pfehlen, um einer gewissen Gutmüthigkeit und Geflissen heit willen,
die der Wirth auffallend zeigte,
sonst in Tyrol noch viel allgemeiner waren,
und die als man
sie jetzt findet. Die Spitzen aller Berge um Brixen herum, derer,
auch
die so zu sagen über die Stadt hängen, waren
noch mit Schnee bedeckt.
Von den Grenzen des Vero-
nesisches Gebiethes an bis nach Brixen habe ich alle
hohe Dergspihen mehr oder weniger in diesem winterli-
Brief.
Sechster
554
chen Gewände gesehen, das sie vor fünf Zähren, volle
vierzehn Tage früher, nicht mehr hatten. Schon auf den höhern Gipfeln am Gardasee, nicht weit von De-
senzano,
sahe ich Schnee,
setzt fort bis hierher,
und so dauerte es unausge
nur mit dem Unterschiede,
daß
die Berge allmählich rauher wurden und der letztere sich
immer tiefer herab zeigte.
Dem ungeachtet findet man,
bis m die Gegenden von Brixen,
noch immer Spuren
eines südlichen Climas, und selbst auf den letzten Orten vor dieser Stadt gibt es viel Wein, so daß man ganze Hügel damit bedeckt sieht.
Aber es ist
der Deutsche,
wo man unter den Reben auch noch Getreide und Gartenfrüchte zieht.
und nicht mehr der Ztalianische Dau,
Auch stößt man noch hin und wieder auf Feigenbäume,
und besonders auf Castanien,
die hier sehr wohl gedei
hen und groß und schön wachsen.
Aber von Brixen an
hört Alles das schnell auf, und man bemerkt mit jedem Schritte, daß man sich der hohen Gebirgskette nähert, welche
sich
zwischen
Sterzingen
und
Steinach
Abend gegen Morgen durch das Land zieht,
von
auf der
einen Seite mit der Schweiz, auf der andern mit dem
Loibel zusammenhängt, und dann einen Theil der Kärnthner und Krainerischen Alpen ausmacht.
Alles wird rau
her und wilder. Alles ist auffallend später,
die feinern
Fruchtbäume hören auf, und endlich findet man nichts,
als Stauden und Nadelholz. Mittewald, die nächste Station von Brixen,
liegt in einem ängstlich engen Thäte,
das durch die
schwarzen Fichten, welche die steilen Berge auf beyden
Seiten bedecken, noch trauriger wird. Man kommt dann nach Sterzingen, gende Station,
eine Ebene bildet,
bedeckt ist. Berge aus,
die fol
wo dieses enge Thal sich öffnet und
die mit guten Wiesen und Weiden
Aber desto trauriger sehen hier die höhern die dieses Thal von allen Seiten einschlie-
Brief.
Sechster
255
und die jetzt noch tief herab mit Schnee bedeckt
fien,
sind.
Wer die Lage und
den Lauf dieser Berge kennt,
wird sich über alles das nicht wundern, wohl aber viel leicht
darüber,
Stadt
findet,
daß
er hier eine nicht unbeträchtliche
die
mehrere
tausend
Seelen
enthalt.
Freylich sucht man zu Sterzingen vergebens die Fa briken von Messern, Scheeren, Sicheln und Degenklin
gen, von denen einige meiner Neisebücher reden; aber macht man Sensen,
Artikel von Eisenwaaren,
wohl
Sicheln und einige andere auch allenfalls einige Messer
und Gabeln zum Hausbedarf der Bewohner dieser rau
hen Gegenden. Von
hier gehet ein Fußpaß in das Salzburgische,
der aber acht Stunden lang über hohe,
unwirthbare
Berge führt.
Schönberg, den 23sten Iuny. Von Sterzingen bis Brenner, einem Dorfe auf
der Höhe des Berges dieses Nahmens, sind zwey Mei len,
auf denen man Ihnen zwey Pferde zulegt.
Die
ser Berg kommt mit dem Loibel, in Rücksicht auf Höhe,
Schwierigkeit der Ueberführt und Wichtigkeit des Stra
ßenbaues in gar keine Vergleichung.
Da ich den leh-
tern noch im frischen Andenken hatte,
dünkte mich der
Brenner sehr unbedeutend, hohe Derg ist,, über von Italien nach
ob es schon der einzige sehr
den man auf der ganzen Straße
Wien kommt.
den höchsten Rücken,
Auch ist er bis auf
nähmlich da,
wo die Landstraße
bewohnt und bis auf einen gewissen Grad ange
geht,
baut. — Der Roggen hat so eben geblüht. Der Eisack bleibt Zhr treuer Gefährte his nahe
an das Dorf Brenner, von
einem
macht.
wo er
sich zur linken Hand
Berge herabstürzt und einen artigen Fall
Hier ist es,
wo die Wasser sich scheiden,
so
daß ein Fluß in die Donau, der andere in das Adria tische Meer geht. Zu Brenner wurden wir, wider die Gewohnheit der Oesterreichischen Posten, etwas aufgehalten, und, damit wir es desto gleichmüthiger ertrügen, both uns die Frau des Posthalters vortreffliche Forellen an, Fi sche, wie man sie nur in hohen Bergländern findet. Während diese gesotten wurden, zeigte man uns eine Reihe sehr guter, reinlicher Zimmer, versehen mit vor trefflichen Betten und mit allem, was ein billiger Rei sender verlangen kann. Von dem Pofthause zu Brenner bis Steinach find zwey Meilen, wenigstens bezahlt man so viel; wir machten sie aber in weniger, als einer und einer halben Stunde, weil die ganze Station bergab gebt. Dafür bezahlt man aber auch nicht mehr, wenn man von unten herauffahrt, nur daß man zwey Pferde mehr nehmen muß, als womit man kam. Die nächste Station ist Schönberg, ein Dorf auf einem Berge, dessen herrliche Lage mir noch von einer frühern Reise lebhaft im Gedächtnisse war. Zch freute mich, daß wir schon um drey Uhr hier ankamen, denn wir hatten den Ueberrest des Tages dazu bestimmt, diese schöne Gegend zu genießen. Zch möchte jedem Reisenden vorschlagen, das nähmliche zu thun, um so mehr, da auch das Wirthshaus sehr erträglich ist. Außerhalb der Schweiz kenne ich, ohne Ausnahme, keinen Fleck, der den schönen Regionen der Schweizer alpen so nahe käme, wie dieser^. Ganz jenes schöne Grün, jener volle Wuchs von Gras und Bäumen, jene allgemeine Fruchtbarkeit, jener sorgfältige Anbau, mit dem guten Ansehen der Häuser und ihrer Besitzer, welche so klar beweisen, daß die Industrie hier belohnt wird. — Und dann das erhabene Schauspiel jener ungeheuern Fel senmassen, die den Horizont von mehreren Seiten schlie-
ßen, und nie eine andere Decke kennen, als von Schnee. 3« der That liegt er jetzt noch in reichen Massen auf allen den höhern Bergen, während daß die niedern bis auf die Gipfel hinauf bewachsen sind. Ein wenig tiefer hinab, als das Posthaus, ist ein Fleck, auf den ich alle Liebhaber der großen Naturscenen aufmerksam machen möchte. Außer allem dem, was man weiter oben in der Nahe des Gasthofes sieht, öffnet sich hier noch ein langes Thal, das einen freyen Blick in die eigentlichen Alpen ertaubt, d. h. in die jenigen Tyrolergebirge, welche mit ewigem Eise und Schnee bedeckt sind. Unter diesen erkennet man auf erner beträchtlichen Höhe einen Gletscher. Es ist der, welcher über Neu st ist hinaus liegt, und den man im hohen Sommer (aber jetzt noch nicht) von Schön berg aus besuchen kann. Manche nennen ihn den Stubayer - Gletscher, weil das Thal, in welchem er liegt, von Stubay seinen Nahmen hat. Die lange ungeheure Felsenkette, die sich nördlich von Znnspruck erhebt, und wovon die Martinswand, (berühmt durch die fabelhafte Gemsenjaqd Kai ser Maximilians I,) einen Theil macht, sieht man hier so deutlich und, dem Anscheine nach, so nahe, daß auch ein geübtes Auge betrogen wird, und man kaum glauben kann, daß das weiteste Thal von ganz Tyrol, sammt der Stadt Znnspruck, unten dazwischen liegt.
Innspruck, den 24fien Iuny.
Es war vom Anfänge her unser Zweck, auf dieser Reise, einen oder den andern Tyroler-Gletscher zu se hen: und da sie zeither äußerst wenig besucht worden und größrenrheils noch unbeschrieben sind, so fing ich schon zu Botzen an, Erkundigungen einzuziehen, und Äutrners R. 4. LH. 17
2Z8
Sechster
Brief.
auf sechs Stationen, so wohl als zu Znnspruck, habe ich mit verschiedenen Mannern geredet, die wenigstens etwas von diesem großen Eisgebirge gesehen hatten. Das Resultat davon rst dieß: Wenn Sie von Botzen nach Znnspruck, von da, durch das Innthal, nach Nauders, dann weiter nach Glurens, und von da wie der nach Botzen Linien ziehen, so schließen Sie den größten Theil der Ejsmasse ein, die sich in Tyrol be findet, und mit zehn verschiedenen Nahmen benennt wird, je nachdem Sie Sich ihr von diesem, oder von jenem Orte nähern. Zwar liegen noch mehrere Gletscher zwischen dem Brenner, dem Erzstifte Salzburg und dem Pusterchalc; allein sie sind gegen jene, die man zusammen fast wie eine einzige ungeheure Etsmasie betrachten kann, nur von geringer Bedeutung. Ich will mwh also bloß bey dem aufhalten, was ich durch die vier Linien ein geschlossen habe. Zn diesem großen Striche Landes er heben sich die höchsten Tyroler Alpen, die jetzt noch weit unzugänglicher sind, als die der Schwcitz, und deren ewiger Schnee eine Eismasse erzeugt hat, die in vielen Richtungen nach den Thälern hinablänft, in wel che sich diese Alpen öffnen. Zeder Theil dieser Eis, mässe bekommt gewöhnlich den Nahmen des Ortes, dem er am nächsten liegt; und wirklich siehet man etwas ganz anderes, wenn man von Botzen aus über Meran dahin geht, als wenn man von Schönberg, oder vom Jnnthale aus diese Berge bereist, oder bloß mit der Ansicht sich begnügt, die die Eismasse da, wo man ihr am nächsten ist, gewahrt. Man kann also schon von Botzen aus einen Glet scher besuchen, indem man über Steran geht, wo man noch überdieß das Passeirthal und den merkwürdigen Passeirsee mitnehmen kann. Allein der Weg von Me ran ist lang und beschwerlich, und auf der ganzen
Sechster
Brief.
259
Strecke keine gute Herberge zum Uebcrnachten. — Noch schlimmer und beschwerlicher ist der Weg von Drixen aus. — Von Sterzingen ist er kürzer, doch hat man auch acht Stunden bis an den Gletscher, den sie dort den Schnee berg nennen, und ebenfalls kein Wirthshaus auf dem Wege. — Von Steinach aus kommt man ihm näher; auch kann man da vier Stunden lang reiten, größtentheilS in der Ebene, nach Geschnitz, oder/ wtc man hier sagt, G sch nitz, und von da bleibt nur noch eine Meile zu Fuße zu machen. Das beträgt also in al lem zwölf Stunden, die man wohl in einem Tage zurücktegen kann, so daß man Abends wieder zu Stei nach in einem erträglichen Wirthshause ist. Ich harte hier wirklich schon Pferde und Führer gemiethet, und beschlossen, die Nacht zu Steinach zuzubringen, und den folgenden Morgen um vier Uhr aufzubrechen, als ein Landmann, der lange zugehört hatte, mir end lich sagte, er sey nur vor ein paar Tagen an dem Gletscher gewesen, und habe ihn noch so ganz mit Schnee bedeckt gefunden, daß schlechterdings nichts dar an zu sehen wäre. Ern anderer bestätigte diese Aus sage, und nach dem, was ich dieses Zahr selbst von den vielen mit Schnee bedeckten Bergen gesehen habe, konnte ich sie sehr leicht glauben. Auch hatte der Mann, der zum Führer dienen sollte, und der von Geschnitz war, mir schon vorher gesagt, daß er das befürchtete. Von Schönberg auö kann man den Gletscher besu chen, nach welchem man in der Gegend des Pysthauses eine so schöne Aussicht hat, und den sie dort den Stubayer nennen. Der Gastwirth kennt ihn sehr ge nau, denn er hat selbst ernen Antheil daran, und schickt jährlich einen Theil seines Viehes dahin. Er rechnete die Ferne von Schönberg acht Stunden; folglich müßte
26»
Sechster
Brief.
man zu Neustift übernachten, wo man ziemlich schlecht wäre. —
Herr von Stolz, der Hofrichter dieses Di»
stricts, der zu Schönberg wohnt, kam sehr verbindlich zu mir, da er gehört hatte, daß ich Nachricht über den Gletscher einzog, ehe noch der Gastwirth zu Haufe war,
und rieth uns, einen andern Weg zu wählen.
Wir sollten nähmlich von Znnspruck ans das Znnthal
hinaufgehen,
und entweder zu Zlxam, oder Sellrein
übernachten.
Ersteres ist zwey, das andere vier Stun
den von Znnspruck, und an beyde kann man fahren. Zu Sellrein
ist ein Bad, und von da sind höchstens
noch drey Stunden Weges bis auf den Gletscher, den
man den Lisens, oder auch den Sellreincr Gletscher nennt.
Unter dem erstem Nahmen hat man einen Ku«
pferstich davon, den ich zu Znnspruck sah.
Der Wirth
im goldenen Adler kennt ihn genau, und wollte uns bis Sellrein in seiner Kutsche fahren lassen. Während daß wir noch
darüber anstanden, rieth
mir einer meiner hiesigen Bekannten, lieber den Glet
scher zu besuchen, welcher nicht weit vom Cisterzienserkloster Stambs liegt. Ä8ir könnten, sagte er, auf dem Kloster übernachten, und zu dem Ende both er uns einen Brief an den Prälaten.an. Aber zu,
gleich äußerte auch er die Desorgniß, daß wir für die ses Zahr ganze sechs Woche» zu srühe wären, und daß
wir nichts sehen würden, als eine ungeformte Masse von Schnee.
Ueber Stambs hinaus liegt ein Ort Oeh, wovon das Oetzkhal den Nahmen hat, und durch dieses Thal
muß man sich dem Gletscher nahen, wenn man daS Schönst« und Znteressanteste davon sehe» will. Aon dieser Seite hat ihn auch Herr Walcher besucht, der die oben angeführten „Nachrichten von den Eisbergen in Tyrol" herausgegeben hat.
Da er aber nur dieses
Thal und das Paffeirthal gesehen hat, so ist seine B«
Sechster Brief.
r6r
schreibung weit entfernt, eine allgemeine von allen Ansichten und Seiten zu seyn. Er zeigt auch dieses in der Vorrede selbst an. Das also, was man von andern Seiten her sieht, ist, meines Wissens, noch immer unbeschrieben. Auch bedaure ich, daß er so gar nichts über die Mittel und Wege gesagt hat, die Reise zu machen: und das ist bey solchen Wanderungen gerade eine Hauptsache. Ei ne Menge Naturschönheiten werden als unzugangbar betrachtet, — nicht, weil man wirklich nicht dazu kom men kann, sondern weil sich von irgend einem gegebe nen Orte der Weg in einem Tage nicht hm und her machen laßt, und der Reisende kein Mittel weiß, sich ein Nachtlager zu verschaffen. Ueberhaupt läßt der, welcher bloß auf seinem Zimmer liest, wenig sich träu men, welche Schwierigkeiten sich finden, so bald man von der gewöhnlichen, betretenen Straße abgeht. Zn der Schweiz war das Mehreste so zugänglich, darum, weil jedermann Ihnen sagen konnte, wo Sie Ihr Nachtlager zu nehmen hätten. Daran fehlt es nun bis jetzt in den Tyroler Alpen noch ganz! Fast jedes auch nur erträgliche Nachtlager ist noch eine weite Stre cke von dem Gegenstände entfernt, den Sie zu sehen wünschen; und nur der Settreiner Gletscher kann ohne große Anstrengung und ohne vieles Hin-und Hergehen am nähmlichen Tage gesehen werden, wenn man zu Sellrein im Dade übernachtet. — Von dem Stubayer-Gletscher (Sie wissen nun, was ich mit den verschiedenen Benennungen sagen will) kann man im hohen Sommer über das Eis nach SetU rein gehen, so wie man auf einer andern Seite nach Meran hinabkommen kann; ja, nach dem, was man wir zu Steinach vom Geschnitz - Gletscher, und zu Schönberg vom Stubayer-Gletscher sagte, bin ich ge wiß, daß nicht nur beyde die nähmlichen sind, sondern ^uch, daß die Ansichten, die man von dem einen wrt
L6r
Sechst er
Brief.
dem andern der genannten Orte hat, nicht gar weit von
einander entfernt seyn können.
Wären diese Gegenden von
den Liebhabern zeither
mehr besticht worden, so würden wir mehrere Beschrei bungen haben; man würde von dem Werthe der ver
schiedenen Ansichten urtheilen können, und wissen, wo man am mehresten, oder auf die leichteste Art sähe,
und wie man die verschiedenen Theile in einige Verbin dung, oder in ein Ganzes bringen könnte.
Auch wür
de dann hier und da ein erträgliches Nachtlager sich
finden, wo jetzt entweder gar keines, oder eine elende Hütte ist. Auch von Seiten
Schwierigkeiten!
der Sprache finden
sich einige
Die nächsten Anwohner dieser Alpen
reden ein Deutsch, das dem, der blosi die geschriebene Sprache versteht, fast ganz unverständlich ist. Dieß ist
zum Theil, nur in einem geringern Grades auch der Fall an einigen Orten in der Schweiz; aber dort fin det man Führer, die das Ding schon längst als ein Handwerk treiben, und die in der Deutschen, und zum
Theil auch Französischen Sprache sich auf mehr als ei ne Art auszudrücken wissen.
Was endlich die Ansichten betrifft,
dio man von
der Graubündner Seite her von diesen Eisbergen har, so habe ich darüber gar nichts erfahren können.
Uebri-
gcns wird auch das Wenige, das ich hier geliefert ha be, schon zu einem Leitfaden dienen, mit dem man
sich eine Art von Plan machen, und weitere Nachrich ten einziehen kann. Auch über die Höhe der Tyroler Berge wissen wir
jetzt noch sehr wenig.
Die mehresten sind nie gemes
sen worden. Hier haben Sic die Höhe von einigen wenigen nach Walcher, woraus Sie aber schon sehen
werden, daß sie zum Theil unter die ansehnlichsten von
Europa gehören.
Sechster
D r 4 e f.
LöZ
Der Paley-Kogel ist über der Meeresfläche 9/7 i8 Schuh Der Glöckner 11,500 — Der Ortele 12,000 —Zch habe irgendwo gelesen, daß Hacqvet glaubt, der Ortele werde dem Mont blanc nicht gar viel nach geben. Vieles wäre da wohl zu sehen, was man in der Schweiz nicht findet! Mir scheint es, daß diese Gletscher hier weit größern Veränderungen unterworfen find, als dort, und daß die Tyroler Alpen häufig, nur gar zu häufig, Verheerungen in dre Thäler bringen, die die Schweiz, zu threm Glücke, weit weniger kennt. — Ich selbst habe von den Tyroler Eisbergen nichts get sehen, als die Ansicht, die man bey Schönberg davon hat; denn ehe wir noch Znnspruck verließen, ^am ein Bauer von Sellrein, welcher erzählte, daß er eben vom Gletscher käme, und ihn noch ganz in eine un geformte , unzugängliche Schneemasse eingewickelt M funden habe.
Jnnspruck, den 25 Juny.
Das Landvolk, das ich zwischen Drixen und dieser Stadt gesehen habe, ist ein starker, handfester Schlag. Die Weibspersonen schienen mir besonders schwerfällig, kurz und untersetzt, hatten aber dabey sehr wenig Du sen. Die Gesichtsfarbe beyder Geschlechter ist in ei nem hohen Grade, was die Engländer ruddy nennen, etwa kirschroth, die Farbe der strotzenden Gesundheit. Die Mannspersonen sind nicht garstig; aber unter den Weibern habe ich feint Schönheiten gesehen, und ihre Kleidung ist häßlich. Sie tragen wollene Strümpfe, die wie Stricke aussehen, welche man Rollenweise auf einander gelegt hat. Um die Wade herum sieht ein
3 64
SechSterDrief.
solcher Fuß ungefähr dreymahl so dick aus, wie ein gewöhnlicher. Diese Strümpfe sind ohne Socken, so daß der eigentliche Fuß nackt in den Schuh geht. Dabey tragen sie ungeheure Zottelmühen von Baum« wolle. Diese sind so dick, und enthalten so viel Stoff, daß das Stück drey Gulden kostet. Hin und wieder setzen sie auf diese noch einen Hut, der denn, so wie die Hüte der Mannspersonen, gewöhnlich grün i|L Der Qberrock der Weiber besteht aus unzähligen Fal, len, und gibt ihnen das Ansehen, als ob sie ein hal» des Dutzend trügen. Und das ist die Kleidung, in der ich sie mitten im Sommer sah. Auf dem Brenner, und an beyden Seiten dieses Berges suchte ich mit verschiedenen Lairdleuten in Ge spräche zu kommen, sand eS aber mit den mehrcsten unmöglich, weil wir einander gegenseitig nicht zur Hälf te verstanden. Zwischen Schönberg und Znnspruck steht eine Inni ge Lateinische Inschrift, welche uns sagt, daß diese Straße zuerst von den Römischen Legionen geöffnet, nachher durch die Züge der Kaiser, die sich zu Rom krönen ließen, berühmt geworden wäre; daß das Was ser sie oft zerstört, daß man sie immer wieder gemacht habe, und daß sie endlich, als Joseph II aus Frank, reich zurückkam, in den jetzigen Stand gesetzt worden wäre. — Wirklich ist diese Straße zwischen Jnnspruck und Schönberg, sowohl als die über den ganzen Bren ner, ein schönes, edles Werk. — Oben, über der Hauptaufschrift, hat man auch die Reise des Pahstcs gefeyert, der hier durchging, zwar in classischem Latein, aber etwas lächerlich, wenn man die Figur bedenkt, die er in den Oesterreichischen Staaten machte. Die Worte sind: „Anno 1732. quo Pius VI Pont. Max. Vienna redux Oeniponte a M. Elisabet A. A. ho■pitio honorifico exceptuaTirolim numineSuo
implens ß. Id. Maji beic iter fecit. —" Zy Ztalien bin ich auf eine Menge Aufschriften gestoßen, die man dieser Reise zu Ehren gemacht hatte; aber da hieß es gewöhnlich „ religionis caussa proficiscentem etc.“ — Uebrigens Hal man schon viele Mühe, diese doppelte Aufschrift hier zu lesen, während daß eS eine Menge' Zlltrömischer gibt, die noch vollkommen deutlich sind. Die Neuern sind doch oft so gar klein! Da ich am Artikel der Straßen bin, so muß ich Ihnen eine anzcigen, die durch einen Theil von Tyrol führt, und von der ich schon vor mehreren Jahren in der Schweiz reden hörte. Sie geht von hier durch ei nen großen Theil des Znnthales über den Arlsberg nach Pludenz, Feldkirch.u. s. w. und endiget sich, an den Grenzen von Graubündten, zu Balzers. Man sollte denken, so etwas müßte landkundig seyn; gleiche wohl habe ich sehr oft der Existenz dieser Straße wi dersprechen hören, kann mich auch nicht erinnern, daß ich sie auf irgend einer Postkarte bestimmt angegeben gefunden hätte. Zu einer andern Zeit hieß es, die Re gierung hätte sie in diesem Kriege vernichten lassen, um dem Feinde das Land auf dieser Seite zu verschließen. Erst hier zu Jnnsprück erfuhr ich durch einige Kaiser» Uche Officiers mit Gewißheit, daß sie cxistirt, in dem Laufe, den ich eben angegeben habe, daß sie ziemlich wohl unterhalten ist, und daß die Wirthshäuser, die daran liegen, sich feit diesem Kriege merklich gebessert haben. Eben so war es zum Theil mit der Straße, welche Von Salzburg über Radstadt nach Spital in Kärnthen geht, von wo aus man entweder nach Klagenfurt, oder durch das Pusterthal in Tyrol nach Italien reisen kann. Auch ihre Existenz habe ich oft bezweifeln hören, auch sie findet sich nicht auf mehreren Postkarten, die gar
2 66
Sechster
nicht alt sind. —
Brief.
Sie geht über die hohe Alpenkette
von Salzburg und Kärnthen, ist aber für jeden Wa,
gen fahrbar; ja
zu Klagenfurt sahe ich eine große,
schwere Diligence, die regelmäßig, zu bestimmten Ta gen, zwischen dieser Stadt und Salzburg läuft. Seit
einigen Zähren ist diese Straße ein großer Erwerbs zweig für die Einwohner des Erzbißt^ums, besonders
für die Kuhrleute gewesen.
Eine Menge Waaren, die
zwischen Triest und Norddeutschland gehen, sind aus die
ser Straße verführt worden.
Jnnspruck, den 2 6sten Iuny. Ich habe drey Tage sehr angenehm in dieser Stadt und in einem der schönsten Thäler von Europa zugebracht.
Znnspruck ist wirklich ein sehr hübscher Ort von etwa zwölf lausend Einwohnern. Da es die Hauptstadt und der Sih der Landesregierung ist, so findet sich hier na türlich eine gewisse Gesellschaft zusammen, die aus Edel leuten, Officiers und mehreren Arten von Beamten zu
sammengesetzt ist.
Die Zahl der Kaufleute ist gegen
Botzen und Roveredo nur unbeträchtlich,
so wie der
Handel von Znnspruck nicht wichtig ist.
Doch findet
man
einige
Häuser
hier,
ansehnliche Geschäfte
die
machen. Der Hof trägt wenig zur Belebung, oder Belusti gung der Gesellschaft bey, indem die Erzherzoginn Eli sabeth sehr ruhig und eingezogen lebt, und nur an ge
wissen Tagen des Zahres, und auch dann nur eine we nig zahlreiche Gesellschaft empfängt.
Sie wohnt in ei
nem sehr ansehnlichen und guten Pattaste, den Maria Theresia einst bauete und zu ihrem Witwensitze bestimm
te.
Zm ersten Stocke sind die Kammern der Regierung,
und im zweyten die Zimmer der Fürstinn, die, wie es
bey der Erzherzoglichen Familie gewöhnlich ist, sehr ein
fach verziert und meublirt sind.
Ein einziges darunter
Sechster
267
Brief.
zeichnet sich aus; man nennt es den Riesensaal, wett er
sonst mit mythologischen Geschichten bemahlt war, wor unter sich riesenförmige Figuren befanden.
Er ist grosi,
von guten Verhältnissen, hat eine gemahlte Decke, und ist ganz mit Scagliuola ausgelegt. Er könnte schön, und, wenn Sie wollen, prächtig genannt werden, wenn
er nicht mit einer Menge größtentheils sehr mittelmäßi
ger Portraits behangen wäre, die die ganze Oesterreichi sche Familie, groß und klein,, aus den letzten vierzig oder fünfzig Zähren vorstellen. Der Schloßgarten, der nahe am Pattaste ist, bie
thet einen angenehmen Spaziergang dar, und von einer kleinen Erhöhung hat man da eine angenehme ?lnesichr
auf das Land. Die berühmte bronzene Statue Leopolds V,
der eigentlich das Pferd das schönste
ist,
steht
an seit
zwey Zähren vor dem Pallaste, auf dem Platze, den man den Rennplatz nennt. Zch weiß nicht, ob lch unter den modernen Arbeiten dieser Art ein schöne res Pferd gesehen habe.
Künstler nennen.
Niemand kann mir hier den
Doch sagt man,, es sey ein Tyroter
gewesen. Das Merkwürdigste in der Francistanerkirche sind,
außer
den metallenen Statuen,
deren
Werth
unter
einandersehrverschieden ist, die vier und zwan zig Basreliefs in weiße-m Marmor, die sich
am Grabmahle
Maximilians I
befinden.
Sie sind von Colin, oder wie er sich nennt, Coli nns, einem Künstler aus Mecheln, Zahr
1566.
Sie sind schön,
und tragen da§
haben
aber
offen
bare Spuren der Deutschen, oder Niederländischen Schu
le, und zeigen sehr deutlich, daß der Künstler kern Ztaliäner war. Das ehemahlige Zesuitencollegium ist jetzt der Uni
versität gewidmet, die hier ihre Hörsale und eine recht
Sechster Brief.
=68
Letztere ist täglich offen,
artige Düchersammlung hat.
und hat ein Lesezimmer, das bequem ist.
Eine Menge Häuser zu Znnspruck haben etwas Eigenes, das seinen großen Nutzen und zugleich viel
Angenehmes hat.
Auf dem Rücken der Dächer ruht
eint Gallerie, auf der ein paar Fässer sichen, wer mit Wasser ungefüllt seyn sollen.
die im»
Dadurch sieht
man sich in den Stand gesetzt, bey Fcuersgcfahr nicht nur über das ganze Dach zu gebiethen, sondern auch
auf die Häuser seiner Nachbarn zu spielen. Dieß ist um so wichtiger, da fast alle Häuser dieser Stadt
mit Schindeln gedeckt sind.
Nebenher genießt man
von diesen Gallericn einer herrlichen Auc-sicht;
denn
alle umliegende Berge sind so hoch, daß mqn von der
geringste» Erhöhung, mitten in der Stadt, sie üben
sehen kann. Eben das gilt auch von den beyden Drücken, wovon die eine in der Stadt, die ande re und
in
einer
von
kleinen
denen
Ferne
beyden
außerhalb
men
recht
derselben
ist,
hübsche Aussicht
ten hat.
Zn der Zohannis/kirche sind zwey gute Fresco-
gemählde von Schöpf, einem Tyroler Künstler, dessen ich schon zu Drixen gedacht habe.
DaS Stadtthor auf der Seite von Schönberg
ist recht hübsch; aber es ist eine Nachahmung der Triumphbögen zu Nom. Fast alles Gute, was man in der Art sieht, ist Nachahmung der Antike; das aber, was von dem Style der Alten abweicht und original ist, fällt
mehrentheils geschmacklos aus. Das Haus der Stände ist ein großes ansehn liches Gebäude, aber von schlechtem Geschmacke. Das ist auch der Fall mit mehreren Privatgebäuden, die von dem Gemeinen abweichen,
Baukunst haben.
und einige Ansprüche auf
Der schlechte Styl fällt alsdann nur
desto mehr in die Augen.
Sechster
Brief.
269
Da ich fast drey ganze Tage hier zugebracht habe,
so können Sie leicht denken, daß ich die Gegenden um
Znnspruck genossen habe.
Alles ist groß und schön hier
umher; die geringste Anhöhe, die Sie ersteigen, belohnt rerchlich Ihre Bemühung.
war
Ich
auch
wieder auf dem
schön gelegenen
Schlosse Ambras, eine Stunde von hier. tigsten Sachen wurden
einigen
vor
D^e wich
Zähren,
wegen
der Nahe der Franzosen, eingepackt, und sind es seit
dem geblieben.
Indessen sieht man noch immer die
merkwürdige Sammlung
von
Rüstungen,
die
einer
großen Menge von Fürsten, und Helden des fünfzehn
ten und sechzehnten Jahrhunderts gehörten.
Alles zur
sammen, was man jetzt hier noch zeigt, ist doch kaum
wichtig genug/
einen Professor aus der Stadt zu be
mühen, der mit dem Fremden
welches
herauefahrt,
sonst, da der Ort mehr aufzuweisen hatte, nicht der
Fall war. —
Das Schloß selbst ist jetzt ein Milü
tarhospital, und voll von verwundeten Soldaten. — Die Offwiers, die ich zu
Znnspruck
kennen
lernte,
klagten sehr über Mangel an guten Wundärzten beder kaiserlichen Armee; daß sie schlecht bezahlt wären;
daß man eine Menge Barbiergesellen und
Pfuscher,
zum Theil aus Nothwendigkeit gedrungen, aufgenomr men habe; daß manches Glied abgeschnitten werde,
das dle bessere Kunst erhalten würde; und daß diese Leute manchen braven Soldaten aufopfertcn, der geret
tet werden könnte. Nahe bey der Stadt,
liegt das
auf
einer
andern Seite,
schöne und wichtige Kloster Weilau, in
dessen Nähe die Sil einen zwar künstlichen und nicht großen, aber hübschen Wassersall macht.
Die
gend umher
Von dem
kleinen
ist groß und mahlerisch. —
Landschlosse
der
alten
Fürsten
Tyrols,
Ge
das
270
Sechster Brief.
;cht «in höchst unbedeutendes Ding ist, hat man ei ne herrliche Zlusficht. Wir besuchten es, der Lage we, gen, und das verschafte uns einen Spaziergang, der mir der merkwürdigste von allen denen war, die ich im Verlaufe dieser drey Tage gemacht habe.
Siebenter Brief. Land zwischen Innspruck und Salzburg — Halle — Bol
ters — Schwatz — Bergwerke bey Schwatz — Ratten berg — Wergl — Elmau — St. Iohannes — Mayde-
ring — Uncken — Salzburg — der Mönchsberg — der Eapucinerberg — der Fürst — Herr von Moll — Hallein — Salzwerke — Golling — Werfen —
St. Iohannes
— Allgemeine Beschreibung des Landes — Bevölkerung — Wirthshäuser —
die Lendt — Schmelzhütten —
La..d zwischen Lendt und Hof — Gastein — Bad — Was serfall —
Bergwerke in den Rauriser Alpen — Beck mit
seinem Hüttenwerke — das Pinzgau — eingefallener Berg — Daxenbach — Zell — der Zetlersee — Saalfelden —
zweyerley
Arten
von
Landschaft im Salzburgischen ~
Frauenwies — der Hofmahler Nesselthaler — sehr einfa che Art, das Heu zu trocknen — Probstey Berchtesgaden
— Verpachtung der Salzwerke an Bayern — Bartholo
maussee — Leopoldscrone bey Salzburg — Allgemeine Bemerkungen über dre Bewohner dieser Provinzen.
Uncken an der Grenze von Tyrol und Salzburg, innerhalb zwey Meilen von Salzburg, den 28 Iuny 1799.
der schönen Natur zu Gefallen reist, kann, außer halb der Schweiz, schwerlich eine so lange und anhalten-
Siebente’t
Brief.
de Strecke merkwürdiger Gegenden finden, als die, wel, che wir seit zehn Wochen in Oesterreich, Steyermark, Kärnthen, Krain, im Herzogthume Venedig und in der Grafschaft Tyrol durchwandert haben.
Welch eine herr
liche Natur, welche Mannigfaltigkeit von Gegenständen! Unter diesen Provinzen setze ich Tyrol eben an, denn von seinen südlichsten Grenzen an, bis an den Ort, auS dem ich Ihnen jetzt schreibe, ist es, auf der ganzen langen Strecke, in der ich es durchreist habe, unausgesetzt «in sehr interessantes Land. Von Znnspruck aus steht
man der großen, erhabenen Gegenstände weniger; aber auch selbst in diesem Striche wüßte ich kaum eine halb«
Stunde Weges, der nicht mehr oder minder Schönheiten
hätte.
Dieser letztere Theil aber ist von dem südlichen
Tyrol, oder auch von dem Theile, welcher nördlich und
westlich vom Brenner liegt, sehr verschieden.
Die Ber
ge, obschon noch immer sehr hoch, sind weniger steil,
und viel« bis an die Spitzen mit Holzung und GraS be wachsen. Noch größer ist der Unterschied in dem Clima und den Erzeugnissen.
Die Weinrebe, der Feigen - Mandel-
und Ca^anienbaum sind verschwunden, und selbst unsere nördlichen Fruchtbäume gedeihen, so wie man weiter stimmt, weniger und weniger.
An Getreide ist keines»
weges Ueberfluß, und über Wergl, St. Johannes k. hinaus wird nicht so viel erbaut, als die Einwohner be
dürfen.
Der Boden verlangt, um Korn zu erzeugen,
vielen Dünger, und an diesem fehlt es.
Desto schöner
ist das Grün, das diese Gegenden belebt, die Wiesen und Weiden, das viele Holz und die mannigfaltige Form
der Berge.' —
Die Städte und Flecken sind wohl ge
baut und ansehnlich, und die Dörfer, die eine Menge
guter Häuser haben, gleichen den Schweizerdörsern von
der Mittelart, und zum Theil denen im Sächsische» Erz
gebirge, wo gewöhnlich jedes Haus feine Wiese und eine
Art von Garten um sich her hat. — Die Viehzucht ist der wichtigste Ertrag dieser Thäler. Käse macht man we nig, und er ist nicht von vorzüglicher Güte, weil man an den mehresten Orten die Sahne erst abrahmt. Die Haupt sache ist hier Butter, die geschmolzen und in großer Menge nach Italien, zum Theil auch nach Deutschland verschickt wird. Von Jnnspruck aus behält das Thal noch auf etliche Meilen die nähmliche Weite, d. h. ungefähr eine halbe Deutsche Meile. Dann wird es enger, und öffnet sich nur hin und wieder, und so dauert es fort, bis man in die Ebene kommt, in welcher Salzburg liegt. Drey kleine Stunden von Jnnspruck kommt man nach Halle, wo das bekannte und wichtige Salzwerk ist. Man sieht hier eine Menge guter Häuser, und der ganze Ort hat ein Ansehen von Wohlstand, das Vergnügen macht. — Zu Volkers, zwey Meilen von Znnspruck, ist ein Pferdewechsel, und ein anderer zwey Meilen wei ter, zu Schwatz. Dieser große, aus vielen guten, an sehnlichen Häusern bestehende Flecken, ist durch das un geheure Gebäude merkwürdig, das der Graf von Tanne berg hier besitzt. Ich hätte es eher für eine große Abtey gehalten. Nicht weit davon hat der nähmliche Graf auch ein ansehnliches Schloß, das romantisch auf einem Hügel liegt, aber vernachlässiget zu seyn scheint. — Auch sind in dieser Gegend ein paar ansehnliche Klöster, welche, mit den Privatgebäuden, dieser Landstrecke ein belebtes, eivtlisirres Ansehen geben. Nahe bey Schwatz sind die bekannte» Bergwerke, deren große aufgeworfene Halden genug beweisen, wie lange und wie fleißig man sie schon bearbei tet hat. Ein Stollen mit dazu gehörigen Hütten und Ma, schinen ist dicht an der Landstraße. Die Schächte sieht man in einiger Höhe: und auch ihre Halden zeigen, wie sehr sie bearbeitet worden sind. Sie geben Silber und KUttnrr« St. 4. rb 18
Siebenter
274
Kupfer.
—
Brief.
Jcb bemerkte in dieser Gegend weit und
breit, das; die Kirchthürme sehr vieler Dörfer mit Kupfer
gedeckt waren; aber ich fand keinen einzigen, darunter, dem
diese Ehre kürzlich wiederfahren wäre, nnd alle hatten das Grün des Alters,
das dieses Metall mit der-Zeit am
nimmt. Man hat Mittel gefunden, es leichter, als sonst,
in der Ferne abzusetzen, und dadurch ist sein Preisen Hause gestiegen. Kurz ehe man in das Städtchen Rattenberg kommt, öffnet sich dem Auge eine schöne Aussicht in das Ziller that, in welches man, ununterbrochen, fast bis
an das Ende sieht, wo es durch hohe Berge begrenzt ist, auf denen noch sehr viel Schnee lag. — Die Ziller, die hier aus dem Thäte heraus kommt, und um die Stadt herum fließt, ist schon ein ansehnliches Wasser, wenigstenin diesem Augenblicke, und vermehrt die Schönheit dieser
lieblrchen Gegend.
—
Das Thal wird sogleich wieder
enge, und ziehet sich zwischen hohen, alpenartigen Bergen durch, bis nach Werg l, wo sich mehrere Thaler öffnen. Da wir nie lange Tagereisen machen, und gestern bey Zeiten zu Wergl ankamen/ so machte ich noch einen
Spaziergang, und fand eine reihende, romantische Ge gend umher. Sie wird fast einzig von Landleuten be wohnt, und kein Güterbesiher, kein reicher Stadt
bürger scheint hier an Schönheiten Antheil nehmen zu wollen, die freylich nur wenige Monathe im Zahre ge
nießbar seyn mögen. — Es fällt einem auf, in einem so
entlegenen Dorfe ausgemahlte Zimmer, Wachslichter, Tor ten nnd mehrere Arten von Weinen zu finden; aber dafür
erhielten wir auch vom Postmeister eine höchst übertrie bene Rechnung.
Von Wergl kamen wir heute früh über eine schwere,
bergige Straße,
auf der' man uns,
vermöge Patents,
sechs Pferde einspannte, durch ein schönes, noch immer von hohen Bergen Fingeschlossenes Thal, wovon aber das
Siebenter Ctima ziemlich rauh ist.
Brief.
27z
Es sind zwey Meilen bis El
mau, zwey bis St. Johannes, zwey bis Way be
ring und zwey und zwey drittel bis Uncken. Auf die sem ganzen Wege sah ich sehr wenig Getreide, und noch weniger'Fruchtbäume; aber herrliche Wiesen und Weiden, majestätische Berge von mannigfaltiger Form, und romantische Felsen.
große,
Zu St. Johannes hat der Dechant von Chiemsee
ein
Haus,
in welchem die Erzherzogin Elisabeth von
Znnspruck alle Jahre einen Theil des Sommers zubringt» Dreses Jahr wird sie die Reise zwey Mahl machen müssen,
denn sie war schon vor zwey Monathen hier, als die Fran zosen in Tyrol einbrachen. — Hier ist ein gutes Wirths
haus, auch zum Uebernachten.
Way dcring,
das auf den Karten, die ich bey
mir habe, als ein nicht Tyrolischer Ort angegeben wird,
ist Oesterreichisch,
und die letzte Post gegen Salzburg.
Von hier aus ist das Thal sehr enge, und bey Uncken
stehen die Berge so r^ahe an einander, daß fast nichts von Ebene übrig bleibt, als das Felsenbette, in welchem die
Sala braust, und selbst dieses ist so abschüssig, daß der
Fluß in unablässigen Fallen sich herabstürzt. — Auch hiev, ist man recht wohl auf der Post,
nur muß man nicht
chöne Zimmer suchen.
Salzburg, den 30. Juny. Von Uncken nach Salzburg macht man, ohne Pferds zu wechseln, vier Meilen, zu denen wir volle sechs Stun den brauchten, ungeachtet des Vorspannes, den wir fük
dre erste, kleinere Hälfte des Weges bekamen.
Aber die
Lange dieser Stätion, und die vielen Berge Machen eine kleme Fütterung nöthig. — Ehe man nach Reichen hall kommt, sthßt man an die Straße, die von Traunstein emfallt, auf der ich
einmahl nach Salzburg kam, da ich von München nicht
276
Siebenter
Brief.
die gerade Straße, sondern über den Chiemsee gegangen war. — Zch besah damahls die Salzwcrke von Reichen» hall; allein man thut jetzt sehr geheimnißvoll damit. Uebrigens ist es nicht die Bearbeitung des Salzes, son dern die mancherley Maschinen, die man hier angelegt hat, und das Druckwerk, wodurch man die Sohle über hohe Berge nach Traunstein treibt, wodurch diese Stadt interessant wird *). Die weite, obschon von hohen Bergen eingeschlossent Ebene, in welcher die Stadt Salzburg liegt, zog mich durch ihre Schönheit unaussprechlich an, als hätte ich sie nie gesehen. Die nähmlichen Gefühle haben mich auch gestern Und heute den ganzen Tag begleitet, da ich von mehreren Anhöhen dieser Stadt und von verschiedenen Seiten das reitzende Land übersah, das diesem Orte eine Lage gibt, wie sie wenig andern zu Theil geworden ist. Salzburg selbst betrachte ich als eine derartigsten, reinlichsten und niedlichsten Städte in Deutschland. Die große Zahl guter, sehr ansehnlicher Gebäude, die vielen schönen Gassen, die Menge der öffentlichen und großen Brunnen, einige Kirchen, der Pallast des Fürsten, das Haus der Stände, die Ställe, die Reitschule rc. alles zeigt, daß diese Stadt schon längst und anhaltend einet weisen Regierung genossen hat, die von der Thätigkeit und Arbeitsamkeit des Volkes unterstützt worden ist. Hier ist so gar nichts, das Sie an eine Priesterregierung erin nert, und einer der auffallendsten Züge dieses Erzbisthu» mes ist, daß in dem ganzen Lande überaus wenig Klöster find. Sie ist klein; aber die mehresten Häuser haben,
*) Rach Herrn von Riedl ist der höchste Punct dieser Was serleitung über 1000 Schuh höher, als die Stadl Rei» chenhall, wozu noch die Tiefe de« Salzbrunnens selbst kommt. Ihre Länge beträgt vier Meilen. Ein gemeiner Zimmermann, Reifenstul, führte das Werk unter Mari» miljan I. au».
Siebenter
Brief.
»77
mit dem Fußboden, vier Stockwerke, und manche fünf.
Ihre Bevölkerung soll gegen fünfzehn tausend Mensche»
seyn. Was die Stadt Salzburg nur einzig in ihrer Art
macht, ist der Felsen, berste, wie eine Stadtmauer, von einer Wasserseite bis zur andern umgibt, und den man den
Mönchsberg nennt.
Die Nordseite, oder eigentliche Stadt
hatte also nur zwey Eingänge, nähmlich an den beyde»
Enden des Felsens, wo er an den Fluß stößt.
Zn diesem
Zahrhunderte aber hat ein Erzbischof den Felsen durchgra ben lassen,
und eine schöne Durchfahrt geöffnet, die vier
hundert und zwanzig Schuh lang, zwey und zwanzig breit,
und sechs und dreyßig hoch ist.
Es ist ein edles, erhabe
nes Werk, und die aus dem Felsen gehauenen architekto
nischen Verzierungen der beyden Thore oder Eingänge sind
in einem guten Geschmacke. Zm Innern steht das Dildniß des Erzbischofes, mit der Aufschrift: „Te Saxa loquun-
tur.“
An den beyden Seiten sind zwey marmorne Me-
busenköpfe, welche, so wie das Brustbild des Fürsten, die
Einfalt der aus dem Felsen gehauenen Architektur etwa» stören. — Die Statue des heiligen Siegmund über dem -ußern Thore, mit allen ihren kriegerischen Parapherna-
lien, fällt zwar in die Augen; allein man hätte mit we niger» Kosten etwas Geschmackvolleres und Zweckmäßige»
machen können,
Was ursprünglich die Form dieser sonderbaren Felsen wand gewesen seyn mag, läßt sich jetzt nicht mehr unter
scheiden; man hat sie allmählich so sehr bearbeitet, daß sie fast durchaus senkrecht ist. Sie wurde nähmlich wie eine
Stetngrube gebraucht, indem man immer, aber nach ei
ner gewissen Ordnung, von ihr abhauete, was man jede» Mahl brauchte.
Die ansehnlichsten Gebäude der Stadt
sind daraus errichtet, und noch diese Stunde arbeitet man daran, und gibt ihr immer mehr und mehr die senkrechte
Linie, und di« Gestalt.'einer ungeheuern Mauer.
ES ist
Siebenter
278
Brief.
also jetzt recht eigentlich die Stadtmauer, und eine größere, stärkere und prächtigere hatte nie eine Stadt des Alter thums.
Sie muß an manchen Orten sechs,
acht hundert Schuh dick seyn, und drüber.
sieben, bis
Ihre Höhe
ist verschieden; an einigen Orten soll sie nur hundert und fünfzig bis zwey hundert, an andern drey bis vier hundert
Fuß seyn.
Oben
auf sind Hauser,
Gärten, Wiesen,
Waldung und selbst Getreidefelder, einige Magazine und
Festungswerke,
außer.der eigentlichen Citadelle,
welche
daran stößt, und die ich hier nicht mit rechne, — weil
sie höher liegt, und weil man die Spitze, worauf sie steht, den Schloßberg nennt.
Hier soll die Höhe mehr als sechs
hundert Schuh über der Stadt seyn. - Jedermann kann
auf diesem Felsen spazieren gehen, und einen angenehmern Gang und eine schönere Aussicht können Sie Sich nicht
leicht denken.
Da übersehen Sie die ganze Stadt, den
Fluß viele Meilen weit,
und die ganze reiche,
schöne
Ebene, mit den ustjähligen zerstreuten Häuserü und den
vielen Dörfern, die alle ein Ansehen von Reinlichkeit und Wohlstand haben, das mich entzückt; die hohen Berge, und die mit Schnee bedeckten Alpen nicht zu vergessen. —
Von der Citadelle auf dem Schloßberge genießt man die Aussicht noch unbeschränkter.
Dieser Felsenwand gegenüber liegt, auf der andern
Seite des Flusses, den man beydes Salza und Salzach nennt, der sogenannte Capucinerberg, von beträcht licher Höhe, unzugänglich, auf der einen Selle, durch seine senkrechte Steile, und eingeschlossen, auf der andern,'
durch eine Mauer.
Man muß, um hinaufzugehen, eine
besondere Erlaubniß haben, wozu der Fremde einen Bogen
mit seinem Nahmen einschickt, welcher, ich glaube, vom Hofmarschalle
unterschrieben
zurückgegeben wird.
Zch
weiß nicht, wozu diese Form abzweckt, denn der Berg ist
im Grunde nichts, als ein eingeschlossener Wald, auf des sen obersiem Theile ein kleines, armselig befestigtes Schloß
steht,
von dem man aber die schönste Aussicht hat, die
die Gegend um Salzburg gewährt. — Am untern Theile dieses Berges liegt das Capu-
cinerkloster, von dem die Höhe ihren Nahmen hat,
und dessen Gärten zwar eine beschränkte, aber nach immer eine sehr schöne Aussicht gewähren. Der gegenwärtige Fürst und Erzbischof ist ein Graf von Coloredo, Bruder des Fürsten dieses Nahmens.
Er
regiert schon seit acht und zwanzig Jahren, und hat ein Ansehen von Gesundheit und Kraft, die dem Lande nocklange die Fortdauer seiner weisen Regierung versprechen.
Er scheint geliebt zu seyn, und würde es noch mehr wer
den, wenn er die Jagd nicht so sehr liebte, und die dahin gehörenden Gesetze mit etwas weniger Strenge ausübte. (Auf einer Reise, die wir nachher durch das Landmäch
ten, hörte ich ein paar Mahl darüber klagen.)
Wir lernten hier einen Domherrn kennen, der sehr
viel von den Schönheiten dieses Erzbisthums erzählte, an die ich um so williger glaubte, da das, was ich bey einer frühern Reise selbst davon gesehen habe, mit seiner Be schreibung vollkommen übereinstimmte.
Ich sprach nach her darüber mit dem Herrn Kammerdirecior von Moll, welcher die Finanzen dieses Landes handhabt, und dieser
bestimmte uns vollkommen zu der Reise, gab mir auch ein allgemeines Empfehlungsschreiben, von welchem ich bey
den verschiedenen Civil- Kamcral- und Dergbeamten des Fürsten im Lande umher Gebrauch machen sollte.
Herr
von Moll ist der Verfasser des mineralogischen Journals,
das unter diesem Nahmen herauskommt, und ein Mann, dessen Bekanntschaft,
so wie seine Sammlungen, in fb
vielen Rücksichten interessant ist. Wildbad in Gastein, in den südlichen Alpen von Salzburg, den aten July.
Ich habe zu Salzburg einen leichten Wagen und
zwey Pferde gemiethet, womit wir gestern sehr früh ab-
35«
Siebenter
Dries.
fuhren und schon um acht Uhr zu Hallern waren. —' Zch sreuete mich, dieses schöne Bergwerk wieder zu sehen, wovon der Schacht über zwölf hundert Schuhe tief seyn
M.
Du
,
den Mr für Wb MtWtt fanden,
hält, wie man mir sagt, drey hundert taufend Eimer. Solcher Sale, oder, wie sie eigentlich heißen, Sinkwcrke,
gibt es hier drey und dreyßig, wovon der größte gegen sieben hundert tausend Ermer halten soll, der aber gerade
jeht voll Wasser war.
Sie sind alle ohne Säulen, oder
srgrnd eine Art von Unterstützung, Man laßt das Was ser, wie bekannt, an dem Salzfelsen nagen, bis es sechs und zwanzig Procent hält, da es denn durch'Röhren in hie Salzpfannen, die sich in der Stadt befinden, geleitet wird, und durch einen Prozeß geht, der, mit einigen 2lbwechselungen und mehr oder weniger Localvortheisen, über
all der nahmsiche ist. — Die Zahl der hier angesiellten
Menschen soll sich auf elf hundert und vierzig besaufen, hie sammt und^sonders schlecht bezahlt sind. Man macht gegen vier hundert tausend Centner Salz jährlich, wovon
mehr als zwey Drittel an Bayern verkauft werden, und zwar zu einem geringen Preise, der durch ölte Vertrage
festgesetzt ist.
Der
Churfürst gewinnt sehr ansehnlich
durch diesen Handel, indem er nicht nur sein Land, föne Hern auch andere Provinzen damit versorgt. — In der Stadt zählt man vier tausend sechs hundert Einwohner. Das Wetter war hell, und ich sah, was ich vorher
Nicht bemerkt hatte, daß die ganze Gegend an diesem Salzberge in höchstem Grade romantisch und mahlerisch ist.
Hohe, senkrechte,
sonderbar geformte Felsen, mit
Gestrüppe und mannigfaltigen Baumen hin und wieder
bewachsen, und dann zwischen inne Wiesen und angebau tes Feld; Häuser, die mehrentheils von Holz sind, und eine mahlerische Form haben, und endlich drey Wasser
fälle , die alle in einer geringen Ferne von einander zu se hen sind. Sie haben nicht das Große mehrerer Wasser-
fälle in der Schweiz, sind auch bisweilen so klein, daß man sie zu gewissen Zetten wvhl gar nicht bemerken würd«.
Aber ,eht waren sie reich an Wasser und würden alle bvty
ichr Mschc ZeiäMNgrn abgcbtn. — Wir sanden dann auf der Post eine artige Mahlzeit, mit gutem Weine,
und reiften um zwölf Uhr weiter.
Von Hallein nach Golling sind zwey Postmeilen, Md zwey und eine halbe nach Werfen.
Von da rechnet
man noch zwey Meilen nach St. Zohannes, wo wir Übernachteten. Wir machten den ganzen Weg mit den nähmliche» Pferden in weniger, als zehn Stunden. DiS Werfen geht eine regelmäßige Landstraße, die mit Postpferden belegt ist, und die von da über Nadstadt und über die Salzburgischen und Kärntheralpen nach Klagenfurt
führet. Das Land bis St. Johannes ist so ziemlich
das nähmliche, wie zwischen Jnnspruck und Salzburg, d. h. schöne Thäler, bald enger, bald weiter, von hohen
Gebirgen eingeschlossen, hinter denen sich noch höhere er heben, die mit Schnee bedeckt sind; fruchtbare Wiesen weniger Getreide, noch weniger Frucht bäume; Holzung bis auf die Spitzen her ersten Berge,
und Weiden,
und nackte Felsen auf den höher». — Mes har ein lachen des, liebliches Ansehen, einen Strich zwischen Golling und Werfen ausgenommen, welcher fürchterlich wild ist,
und dessen ich weiter unten gedenken werde.
Das Land
ist sonst
sehr fruchtbar, und zeigt einen Anbau, der viel leicht nicht so groß in der Wirklichkeit ist, als er dem Auge
zu seyn scheint. In der That fehlt es diesem ganzen Erzstifte
an Händen, und man sagt mir, daß es sich nie vollkom men von den verschiedenen Auswanderungen erhohlt hat,
besonders von der, zn welcher die Protestanten, unter dem Erzbischöfe Firmian, vor sechzig Jahren genöthiget wurden. Man schätzt die Zahl dieser Vertriebenen auf dreyßig tausend Dkenschen.
Indessen fällt dieser Mangel
Siebenter
2Z2
Brief.
an ausgebreiteterer Cultur dem Auge nicht auf, dem Alles
umher grün und belebt erscheint, und welches selbst be trächtliche Höhen auf die eine oder die andere Art bewach sen sieht. — Wirklich ist das ganze Land schlecht bevöl
kert, denn ryan rechnet nicht mehr als 198/000 Menschen;
allein hierbey muß man bedenken, daß ein großer Theil
dieser Landstrecke aus hohen, ganz unbewohnten und un angebauten Alpengipfeln besteht, so daß, wenn man diese die Bevölkerung der niedrigen und bessern
wegrechnete, Striche
doch
Salzach,
wohl
ein,
ziemlich
ansehnlich
wäre.
dem Anscheine nach wenigstens,
trächtlicher Fluß,
Die be
bleibt des Reisenden beständiger Ge
fährte, und belebt, durch sein Brausen in einem untiefen Bette, die romantische Landschaft.
Nahe bey Werfen liegt eine kleine Festung auf einem
einzeln stehenden Hügel. Weiter hinaus, wo die große Landstraße aufhört, wird das Land allmählich wilder, und ein Theil der Straße ist von Hotz ^gemacht.
Auch gehet
man oft eine beträchtliche Strecke Weges über eine Art
von Drücken, durch die man den zu steilen Felsen, welche es zu kostspielig gewesen wäre auszuhauen, oder zu spren
gen, nachgeholfen hat.
Zu Werfen traten wir auf kurze Zeit in einem erträg
lichen Wirthshause ab, und zu St. Johannes fanden wir Alles, was ein billiger Reisender in diesen entlegenen, we nig besuchten Bergstrichen nur verlangen kann.
Vorzüg
lich fiel mir zu Werfen das Brot auf, ohne Ausnahme,
das schönste und weißeste, das ich je gesehen habe. (Auch in den übrigen Wirthshäusern, durch das ganze Land, fand ich das Brot unausgeseht gut, immer vom schönsten
Weihen und auf das sorgfältigste zubereitet. Artikel des Luxus,
Es tst ein
der hier ziemlich allgemein zu seyn
scheint, und den der König von Schweden nie zu sehen
bekommt.) — Fast in allen Gegenden von Salzburg und
dem nördlichen Tyrol findet man einen Ofener und Oester-
Siebenter
283
Brief.
reicher Wein, die oft besser sind, als man sie in den Wie
ner Speisehäusern haben kann.
Forellen haben wir noch
überall bekommen, und in diesen Dergländern sind sie ganz vortrefflich.
Was aber die Reinlichkeit betrifft, so ziehe
ich die geringsten dieser Wirthshäuser den mehresten Zta-
lianischen vor. so herzig,
Dabey sind diese Leute so gutmüthrg und
und immer zufrieden mit dem,
was man
ihnen gibt. Heute früh gab der Kutscher den Pferden,ein kleines
Futter zu Lendt.
Da wir wieder hier durchkommen
werden, so ergriff ich diese Gelegenheit, die Zimmer zu
besehen, und fand drey bis vier, in denen allenfalls auch Zu Hof
fin verwöhnter Reisender übernachten kann. —
cutterten wir zu Mittage, und da sah ich Zimmer und Betten,
wie man sie oft auf den besuchtesten Landstraßen
nicht findet. (Eben so waren auch noch zwey andere beschaf fen, in die wir in der Folge kamen.) — Was ist es eigent lich, das diese Wirthshäuser so gut macht,die fern von allen
Pässen und Landstraßen, in wilden, unbesuchten Gebirgen liegen? —
Es laßt sich nur dadurch erklären, daß die
Eigenthümer wohlhabende Landwirthe sind, die i^r Ver gnügen und ihren Stolz darin finden, wohlversehene Zim
mer zu halten, von denen sie, so wie von der Gastwirth schaft überhaupt, nicht leben; die aber dem Reisenden zu Dienste stehen, der von ungefähr diesen Weg kommt. —
Endlich werden Sie mich natürlich so weit verstehen, daß Alles, was ich hier sage, verhältnißmäßig ist.
Eleganz
und feinen Geschmack muß man freylich nicht suchen, wohl
aber Bequemlichkeit, Reinlichkett und alles,
was wahr
haft gut ist, ja selbst einen gewissen Luxus von einer eige nen ?lrt, und den ich den rustischen nennen möchte.
So
finde ich z. E. in den mehresten dieser Zimmer einige Bil
der,
mancherley geschnitzte Figuren von Holz, reichver
zierte altväterische Meublen, die vor hundert Zähren für
sehr schön mögen gegolten haben; ein geschnitztes Crucifix
984
Siebenter
Brief.
«in wohlgepuhtes Christkind, eine reichverzierte Madonne, Früchte von Wachs, oder Stein, einen Vorrath von Glä sern , auch wohl von Porcellan, oder einen noch größern von wohlgescheuerten zinnernen Kannen, Kaffeegefäßen u. s. w. Oehlgemählde von Erzbischöfen sieht man in diesem Lande auch sehr häufig. — Von St. Johannes hatten wir heute früh drey Smnden bis Lendt, oder, wie man eigentlich sagt, in die Lendt, wo ich Schmrlzwerke, einen Zainhammer und andere Arbeiten in Eisen fand. Man bringt hier das mehreste Erz aus, das weiter hinauf in den Alpen gegraben wird. Dicht an der Drücke, über welche die Straße geht, ist ein Wasserfall, der auch neben den schönen der Schweiz picht verächtlich seyn würde. Ich erstieg einen Felsen in der Nähe und bekam eine vortreffliche Aussicht auf diesen Fall. Von nun an verliert man die Salzach und bekommt -ik Gastein zum bleibenden Gefährten. Von Lendt aus geht man über eine Stunde fast un ausgesetzt bergauf. Dieß ist ein äußerst interessanter Theil der Reise, und im höchsten Grade wild, romantisch und groß. Hier ist ein enges Thal zwischen mehrentheils senk rechten Felsen, oft so enge, daß nichts als die Straße und der Fluß, der in beständigen Wasserfällen herabstürzt, Platz darin finden. Ja an manchen Orten ist nicht ein mal so viel Ebene, um eine Fuhrstraße anzubringen; da her ist sie theils aus dem Felsen genommen, theils ruht sie auf fortdauernden hölzernen Drücken. Der Fluß macht mehrere schöne Fälle, deren Staub wie eine Wolke in die Höhe steigt. Wo die Felsen nur ein wenig von der senk rechten Linie abweichen, so sind sie auch mit Bäumen und zum Theil mit sehr schönen und hohen bewachsen. Nir gends habe ich so große Ahornbäume gesehen, als in die sem Striche. Hin und wieder ist die Gegend fürchterlich
schön! Das dunkle, nackte Grau dieser schroffen Felsen macht gegen den weißen Schaum des Flusses, der gewalt sam an seine Wände anschlagt, einen sonderbaren Abstich; Sie bemerken erne gewisse Dunkelheit um sich her, sehen auf, und erstaunen über die Höhe, die Sie einschließt. Schon glaubt man, hier sey das Ende alles weitern Fortschreitens, als auf einmahl ein angenehmes Thal sich öff net, dessen Weite, Bevölkerung und Anbau wunderbar mit dem engen Passe absticht, aus dem man so eben ge kommen ist. Hier sind nicht nur schöne Wiesen, Weiden Und Holzung, sondern es wird auch Getreide erbauet. Ungefähr in der Mttte dieses Thales liegt der Flecken Hof, mit mehreren recht guten Hausern. Ich bemerkte hier ein kleines Wasser, das von einem sehr hohen Felsen berge herabkommt, und von dem ich begriff, daß es hinter dem Orte einen Fall bilden muß, der mir nicht sichtbar war; ich suchte ihn auf, und fand wirklich einen sehr hübschen Wasserfall, zu dem aber der Zugang beschwerlich, und der so in Felsen versteckt ist/ daß man ihtt nicht zu seinem größten Vortheile sehen kann» Nach der Mahlzeit machten wir noch eine Stunde Weges in diesem Thäte, und kamen dann auf eine Anhöhe, von der man das Wildbad in Gastein mit seinem prächti gen Wasserfalle übersieht. (Zch habe dieses Bad sonst Gastein genannt; das ist aber nicht genau gesprochen/ denn der letztere Nahme kommt dem ganzen Districte zu. Auch heißt der Fluß, der sich durch dieses Ländchen stürzt, nicht die Gastein, ob man schon diesen Nahmen auf eini gen Karten findet, sondern die Ache.) — Hätten wir bey dieser Reise keinen andern Zweck gehabt, als bloß dieses Bad zu sehen, so würde es in der That kaum der Mühe und Kosten lohnen? Außer dem Hause des Erzbischofesdem Spirale und der Kirche habe ich nicht ein steinernes Gebäude gesehen. Die beyden Wirthshäuser sind vott Hol» und höchst altväterisch, und ein drittes, das für 5r$
28-
Siebenter
inere Gäste ist,
Brief.
soll noch schlechter seyn.
Häuser sind elend,
Alle übrigen
und haben keine Zimmer,
Fremde vermiethet werden können.
die
an
Fünfzig bis sechzig
Personen werden elendiglich in den beyden Wirthshäusern jusammengedrangt, und für mehrere Gaste ist hier nicht
Platz. — Herr * * und ich mußten mit einem einzigen
und nicht großen Zimmer vorlieb nehmen, und der Be diente (wir haben nur einen mit uns) wurde in ein Loch gesteckt,
das er noch überdieß mit mehrerer Gesellschaft
theilen muß.
UebrigenS ist unser Zimmer reinlich, und
die Mahlzeit sehr gut.
Was sich aber auch über dieses Bad und die Gasthöfe sagen ließe,
so vergißt man das Alles bey dem Anblicke
der großen und romantischen Natur und eines Wasserfalles,
der den schönsten der Schweiz nichts nachgibt, und wovon ein Tbeil unter unserm Fenster herabbrüllt.
Die Gastein,
oder vielmehr, die Gasteiner ?tche, ein ziemlich beträchtli cher Bergstrom, stürzt, sich hier in einem Felsenbette über
zwey Absätze herab, deren jeder einen besondern Fall bil det,
und jeder ist so schön, daß ich nicht weiß, welchem
ich den Vorzug geben soll.
Sie sind beyde im größten
Style und machen vortreffliche Gemählde,
wie ich auf
dem Fürstlichen Schlosse zu Salzburg sahe.
Das Wasser
"kommt mit solcher Wuth herab, daß es den ganzen Ort
mit seinem Gebrülte füllt, welches Anfangs eine nicht an genehme Störung macht, weil man dem Getöse nirgends
entgehen kann. — Die Höhe des Falles ist 270 Fuß.
Sonst theilte sich dieser Fluß; allein man hat ihn an der einen Seite des Fürstlichen Hauses eingedammt, und
nur so viel davon durchgelaffen,
als zu einem kleinen,
allerliebsten Wasserfalle nöchig ist,
der durch seine Nähe-
die Speisekammer des Fürsten kühlt, und seinem Wasser und Weine eine Kalte geben, muß,
wie nur immer dis
Wirkung des Eises sie hervorbringen kann. — Das Haus
selbst ist ein steinernes, ansehnliches Gebäude, wo der Erz bischof gelegentlich einige Zeit im Sommer zubringt *).
Es liegt in der menschlichen Natur eine gewisse Neu gierde, die mw immer über das gegenwärtige hmaustreibt,
und die sich bey Kleinigkeiten, so wie bey wichtigern Ge genständen, äuücxt.
Wenn wir das scheinbare Ende einer
Sache sehen, so möchten wir gern wissen, was darüber hinaus ist»
So sehe tch nie ein Wasser von einem Berge
sich herabstürzen, daß ich nicht wünschte, das scheinbare
Ende des Berges zu ersteigen, verfolgen.
und den Fluß weiter zu
Zm gegenwärtigen Falle fchien dieß etwas
schwer zu seyn-, denn ich sahe nichts als schroffe Felsen
wände um mich her.
Noch stand die Sonne hoch, und
ich wünschte die obern Regionen zu sehen.
Man zeigte
mir einen kleinen Fußweg, der sich in einem Zickzack nahe
an dem Fürstenhause in die Höhe zieht.
Ich befand mich
*) Die Aufschrift an diesem Hause scheint der ganzen Bade gesellschaft eine angenehme Hospitalitat zu versprechen!
Sotifeiis Gastuni Foutibus utentium cominodo et pro* speritati Hieionvmus ArcLiep. 179Ich cvnstruikte NUN die Worte „utentium cominodo“ durch „commodo coi um, qui uxuntur, seil. Fontibus Gastuni.“ — Dreß affür sagte ich, ist für die BadegästeHier wird der Ort seyn, wo sie sich zu Frühstück, Thee, Spiel und
Unterhaltung versammeln; oder vielleicht finden wohl gar gewiffe Leute ihre Wohnung hier, wenn der Eigenthümer nicht gegenwärtig ist. Der Erzbischof aber cvnstrmrt das ganz anders! Er meint „commodo ytentium, i. 0.
commodo eorum,
qui utuntur,
seil, hac domo;“
mit andern Worten: „für sich und seine Leute! " — Die Ellipsis, durch dle hac domo weggelaffen ist, dünkte mich etwas hart und unelasftsch. — Da denn das Pu blicum ganz und gar keinen Antheil an diesem Hause und kerne Art von Genuß davon hat, warum stehet denn da, fragte ich den Wirth, diese Aufschrift, dre ich denn nach meiner Art verdeutschte?*—„O ich weiß recht gut, war die Antwort, was sie bedeutet; sie ist schon von mehreren Fremden auf die nähmliche Art mißverstanden worden."
sehr bald über dem Wasserfalle, entdeckte mehrere anders
die unten in einer schaudervollen Tiefe brüllten, und ging an schroffen Felsen immer weiter, bis ich mich auf einmahl in einem ganz ebenen, recht artigen Thale fand, in wel chem ich eine Menge Häuser, eine ansehnliche Kirche und
einen sehr guten Fahrweg entdeckte.
Wirklich geht hier
eine Brücke über den Fluß, und eine gemachte Fahrstraße auf der andern Seite des Wasserfalles hinab. Das Dorf
heißt an der Beck, oder Böckstein, und enthält die Poch - und Waschhäuser der Bergwerke, die weiter hinauf auf den Höhen liegen. Das berühmte Wasser des Gasteiner Wildbades ist heiß, und hat überaus wenig Geschmack.
Sein großes
Verdienst ist jene außerordentliche Feinheit und Leichtigkeit,
die man nur in den Wassern der hohen Alpen findet, tute z. E. zu Pfeffers.
Man rühmt es in allen Arten von
Glieder- und Nervenkrankheiten, alten Wunden, Kräm
pfen und Lähmungett.
Es wird getrunken; noch häufiger
aber badet man. — An öffentlichen Anstalten fehlt es hier
ganz! Der Bäder sind nur wenige, so daß mehrere Per
sonen im nähmlichen Wasserbehälter sitzen Müssen, wie im Leukerbade im Walliserlande. —
An öffentliche Belusti
gungen ist nicht zu denken, und am ganzen Orten ist nicht
einmahl ein Saal, in dem die Gesellschaft sich versammeln könnte.
Za es fehlt sogar an einem anständigen Platze,
an welchem dieienigen, die das Wasser trillken, es schöpfen können.
Modegesellschaft findet sich also hier sehr wenigs
und zum bloßen Vergnügen bleibt wohl niemand über ein paar Tage. Hof, den Sten July, eine Meile vom Gasteiner Wildbade.
Dier Stunden Wegs vom Dade finden sich Golvund Silberbergwerke auf einer Höhe, von der ich nicht
glaubte, daß sie solche Metalle erzeugen könnte.
Unser Weg zu diesen Bergwerken führte uns durch Has Dorf an der Beck, oderDöckstein, das ich gestern
von ungefähr entdeckte, und von dem ich Ihnen geschrie ben habe.
Es liegt eine Stunde vom Gasteiner Dade,
an dem Fuße jener hohen Alpen, welche Salzburg von Oberkärnthen trennen, und gehört unter die höchsten in
Europa.
Von da gingen wir beynahe drey Stunden w
ausgesetzt bergauf.
Kaum hatten wir eine Stunde We
ges den Berg hinauf gemacht, als ich schon Schnee unter
mir bemerkte.
Allmählich nahm er zu; wir fanden un
sern Weg rechts und links reichlich damit versehen, und
mußten endlich selbst über beträchtliche Schichten gehen. Hier ist man schon in einer Region, wo keine Bäu me, keine Gesträuche mehr wachsen! Nichts, als ein we
nig mageres Gras, nackter Felsen und, mehr als beydes,
Schnee, tiefer, unabsehbarer Schnee. — In dieser trau
rigen Gegend arbeiten mehr als zwey hundert Menschen in den Bergwerken. —
Man empfängt die Fremden in
einer Hütte, über welche hinaus die Schächte einige hun
dert. Schritte höher liegen. —
Auch auf der entgegengesetzten Seite dieser Atpenhöhen wird etwas Erz gewonnen, und, um es nicht über den ganzen Rücken herüber zu bringen, hat man einen Derg, auf eine Stunde Weges lang durchgraben, und
mit Wasser gefüllt, so daß man mit niedrigen Booten dar
in fahrt.
—
Reisende besehen gewöhnlich dieses Werk,
und das war auch unsere Absicht; allein wir hatten fast
den ganzen Weg bis an den Canal über Schnee machen müssen, und der, welchen wir schon vorher gemacht hat
ten,
und welchen wir auf unserm Rückwege nicht vermei
den konnten, war uns so beschwerlich gewesen, daß wir
nicht auch diese zweyte Reise im Schnee und eine Wasser-
fahrt im Berge damit verbinden wollten. Ja wohl! „Wenn ein Theil der Menschen wüßte, wie der andere lebt!" Das ist oft gesagt worden, und es
Kärrner- R. 4. LH.
*9
Siebenter Brief.
390
ist gut,
daß man es sich bisweilen wiederhohlt.
Stellen
Sie Sich bas Leben dieser Menschen ver, die einen Theil
ihrer Zeit unter der Erde und den übrigen aus und unter dürren Felsen zubringen, wo sie jetzt, im Monathe Zuly, noch auf allen Seiten von Schnee umgeben sind, und
sich nicht aus einer Hütte in die andere bewegen können,
(denn viele wohnen auf diesen Höhen) ohne auf diesem
Elemente zu wandeln. —
Alle Bedürfnisse des Lebens
müssen heraufgebracht «erden, wie es sich von selbst ver steht; ja sogar das Holz und die Kohlen, die man in den
Gruben braucht, kommen au« der Tiefe, wozu man sich einer großen und schwerfälligen Art von Pferden bedient, die, wie ich höre, im Lande fallen.
Sonderbar ist die Art, wie diese Erze ausgebracht werden.
Auf der Höhe, nicht weit von den Gruben, ist
ein HauS, wo'da« Erz mit dem Hammer zerschlagen, ge
lesen, und dann in Haufen bis zum nächsten Winter hin gelegt wird.
in Säcke,
Kommt diese Jahreszeit, so packt man es die unten mit Schweins- oder Hundefellen
benäht sind, und so wird es von Menschen den Berg hin« ab auf dem Schnee in das Dorf an der Deck geschleift. Hier wird es gepocht und gewaschen und dann volle vier
Meilen weiter, nach Lendt, geschafft, wo die Schmelz
öfen find, deren ich gestern gedachte. — Das Gold wird gleich zu Deck ausgebracht. — Diese Verfahrungsart ist kostspielig!
Man ist also
auf eine neue gefallen, zu der schon alle Vorbereitungen
fertig sind, und dir man unverzüglich in Ausübung brin gen wird. Sie ist wirklich bemerkenswerth! Man hat von dem Stollen den Derg hinab bis nach Deck Röhren
gezogen, in welchen jetzt Wasser läuft, woran es oben
auf den Bergen nicht fehlt.
Von nun an wird denn al
les Erz gleich auf den Höhen gepocht und gewaschen, und dann in diese Röhren gestürzt, in denen es, durch
Siebenter Brief.
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Hülfe des hineingelassenen Wassers, bis nach Beck ge trieben werden soll. Das Hüttenwerk, oder die Arbeitehäuser in diesem Dorfe schienen mir alle sehr wohl eingerichtet, reinlich und zweckmäßig. — Man wollte eben eimae Gold abheben, als wir von den Gruben Herabtamen, das wir denn mit ansehen sollten. Allein man wartete auf jemanden, und in der Ungewißheit, wie lange dadauern möchte, gingen wir herab, nachdem wir vorher die sehr hübsche Kirche, die eine Art von Rotunda ist, genauer besehen hatten- — Die höchste der Gruben soll, nach Herr von Mall 8233 Schuh über der Meererfläche seyn. — Das Gold das man gewinnt, ist sehr unbeträchtlich. — Das Sil ber muß acht Loth im Centner Erz halten, sonst wird cs nicht ausgebracht. Ungeachtet diese Bergwerke so entle gen und so schwer zu ersteigen sind, so werden sie boch, ihrer Seltenheit wegen, von den Neugierigen besucht. Man hält ein Buch, worein man den Fremden seinen Nahmen zu schreiben bittet. Das, welches man unö vorlegte, war den r4sten Zuny dieses Zahres angesangen, und mein Nahme war der siebzehnte oder achtzehnte. Einige hatten Sinnsprüche dazu geschrieben, worunter der „Auri Sacra Fames, quo non mortalia cogis pectora “ hier gewiß im höchsten Grade paffend und buch stäblich anwendbar war. Die südliche, südöstliche und südwestliche Grenzen des Erzbisthums Salzburg sind durch eine hohe Alpen» kette eingrschlossen, wovon der Berg, in welchem sich die Gruben finden, einen Theil macht, und zwar den, wele chen man die Rauriserkette nennt. Diese Gebirge sind noch sehr wenig besucht worden, und ihre Höhen sind nicht bekannt; doch hat man Ursache, zu glauben, daß die höchsten Spitzen nicht viel weniger als zehn tausend Schuh über der Meeresfläche seyn können. Einige dar/
2yr
Siebenter
Brief.
unter mögen sogar diese Höhe merklich übersteigen! So soll z. E. das Hochhorn, oder der hohe Nan über zehn tausend sechs hundert seyn. Sie sind zum Theil ganz unwegsam und mit ewigem Schnee bedeckt. Jetzt las sen sich die eigentlichen Schneeberge von ihren nie drigern Brüdern nicht wohl unterscheiden, denn in diesem Augenblicke sind alle Berge dieses Landes auch von der zweyten Größe noch mit diesem Elemente be deckt, wovon nur der geringste Theil dieses Jahr schmelzen wird. Dieß wird auch wohi der Fall mit de nen seyn, auf welchen man sonst in diesem Monathe kei nen mehr bemerkt. Selbst um die Stadt Salzburg her um sieht man noch viele Berge im weißen Gewände. So unwirthbar auch diese Höhen sind, so gibt cs doch einige Fußpässe, die über dieselben gehen. Da hat man z. E. einen beschwerlichen Weg, der von dem Dor fe an der Deck nach Kärnthen, und einen andern, der in das Zillerthal führt, dessen ich letzthin auf meinem Wege von Jnnspruck nach Salzburg gedacht habe. Der nach Kärnthen fällt in die Straße ein, die von Klagenfurt durch das Pusterthal läuft. Die Wasserfälle sind in diesen Bevgen eben so ge mein, als in der Schweiz, besonders jetzt, da die Hitze des Monathes July einen Theil der ungeheuern Schnee masse schmelzt, die vergangenen Winter gefallen ist. In dem Thäle, in welchem Deck liegt, bemerkte ich ihrer dre.y, die alle von hohen Bergen herabkamen und wovon einer höchst mahlerisch war. Ich sah diesen letztem, als ich von dem Bergwerke auf einem steilem Wege herab kam , als der ist, auf welchem wir Hinaufstiegen. Cs ist der eigentliche Weg der Bergleute, die ihn vorziehen, weil er naher ist. Der andere ist ziemlich wohlgemacht und gut unterhalten, und, so lange wir nicht über Schnee zu gehen hatten, fand ich dabey keine Beschwerde, als was man bey dem Ersteigen aller hohen Berge fühlt.—
Brief.
Siebenter
«93
Der steilere Weg ist zu gewissen Zeiten wegen der Lauwinen sehr gefährlich.
Man hat deßwegen an den
Orten, wo sie gewöhnlich herabkommen, eine Mauer an
der Dergseite aufgeführt, von welcher ein Dach hervorläuft, über das die Lauwinen wegglitschen, während die Menschen sicher unter demselben gehen.
Der ganze Strich von dem Dorfe an der Lendt bis an das Bad und weiter hinauf heißt das Gastein.
Es gibt darin keinen Weg zum Fahren, als den, durch
welchen wir gekommen sind.
Das ist nun eben nicht
daß man
auffallend; aber bewundernswürdig ist es,
den großen und kühnen Gedanken faßte, den zu ma
chen, den ich Ihnen gestern beschrieben habe, und der für ein kleines Land wirklich eine riesenmaßige Unter
nehmung ist. — Sonst ging der Weg von Lendt über die Berge. 1534 ließ ein Erzbischof diese merkwürdi ge Straße brechen. Da es uns gestern im Wirthshause zu Hof sehr
gefiel, und es nur eine Meile vom Gasteiner Wild bade entlegen ist, so fuhren wir noch diesen Zlbend
hierher.
Zell, den 4ten July. Mit
vielem
noch einmahl den
Interesse ging
ich diesen
merkwürdigen Weg,
nach der Lendt führt.
Morgen
der von Hof
Man theilt diesen lehtern
Ort in den obern und untern.
Zn dem
untern sind
die Schmelzwerke, deren ich letzthin gedacht habe und
welche die wichtigsten im Lande seyn sollen; im obern steht ein ansehnliches Haus, das dem Fürsten gehört und
vom Bergverweser bewohnt wird.
Non der Lendt gehet ein Fußpfad über die hohen
Alpen nach Kärnthen, über Rauris und Heiligenblut. Man
rechnet von hier zwölf starke Stunden bis an
Siebenter
294
Brief.
den letztem Ort, der zwischen dem Rauriser und Fu, fdwr
Taurn liegt. —
Eine Menge Berge im südli
chen Salzburg führen den Nahmen Taurn, welcher ei
ne ansehnliche Spitze oder Giebel, etwa was man in Schweiz Horn nennt, bedeuten muß.
Hier find,
außer den genannten, der Krümbler-der Windisch< der Gafreiner: der Radstadter-Taurn und andere mehr.
Dre mehresten dieser Berge hatten Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Bley, Schwefel.
Auch gibt es, außer
den Bergwerken, die ich gestern besuchte, verschiedene an
dere. — Gemsen finden sich hin und wieder auf den Höhen; an manchen Orten ziemlich häufig. Von Lendt wandten wir uns westlich, men, an einem schaudervollen Berge hin,
und ka
in ein gro
ßes und schönes Thal, das man den Pinzgau nennt,
und das über sechs Meilen lang ist.
Die Höhe die
ses Thales, das mehr als zwey tausend Schuhe über dem Meere erhaben ist, macht sein Clima etwas rauh,
und läßt die feinern Früchte und Pflanzen nicht fort kommen; sonst aber ist es überaus fruchtbar, und sei
ne Einwohner gehören untrer die reichern Landleute des Erzstiftes. Cs ist sehr angebaut, und tragt, in guten Zähren, so viel Getreide, als seine Einwohner bedür fen; in schlechtern aber muß man cinführen.
hauptsächlichste Ertrag ist die Viehpicht.
Der Man macht
wenig Käse, und diesen nicht gut, weil man die Mitch erst abrahmt; aber desto mehr Schmalz, oder ausger laffene Butter, weiche in großen Massen in das Aus land geht.
wie in Tyrol.
Kurz, man verfährt hier mit der Milch
Niemand versucht, bessern Käse zu bex
reiten, als seine Vorfahren, und sie zu einen Aus fuhrartikel zu machen. Die Antwort ist immer: „Wir sind es einmahl so gewohnt/'
Manche setzen noch hin
zu: „Unsere Fütterung ist nicht so gut, wie die in der
Schweiz, und so würden unsere Käse jenen nie bey-
kommen." — Gleichwohl ist baS Rindvieh in allen diesen Thalhöhen sehr schön, nicht so groß wie in der Schweiz, aber wohl gebaut, fleischig und von ei ner schönen, glänzenden Haut. Die Farbe ist mehrenkheils roth. Der vorzüglichste Reichthum der Pinzgauer aber besteht in der Pferdezucht, die die beste im Lande ist. Diese Pferde werden sehr gesucht, und drey hun dert Gulden, auf der Stelle, ist kein ungewöhnlicher Preis für ein schönes Thier von vier Jahre», zwey hundert Gulden ist ein Mittelpreis; was für hundert und fünfzig' verkauft wird, betrachteti man als eine schlechtere Art. Die Salzach durchfließt die ganze Länge des Pinzgaues, empfängt zu Lendt die Gastein und bleibt der beständige Gefährte des Reisenden, der über St. Johannes und Werfen nach Salzburg geht. Selbst da, wo wir diesen Fluß heute verließen, bey Fischhorn, ist er noch immer ein ansehnliches Bergwasser, das mit reißender Schnelle herabbraust, und das Land umher mit seinem Getöse füllt. Ueberhaupt werden alle die» se Thäler durch ihre Wasser sehr lebhaft; denn außer den größern Flüssen kommt man ohne Unterlaß an kleine Bäche, die auf allen Seiten sich von den Ber gen herabstürzen, und zum Theil sehr mahlerische Fälle machen.
Hätte ich die Schweiz nicht gesehen, nicht mehr mahls und in allen ihren Theilen durchwandert, ich würde von dieser ganzen Reise durch das Land Salz burg mit Entzücken sprechen. Es ist wirklich eine Art von Alpenreise, und nichts gleicht so sehr den Schwei zerthälern, als diese. Auch die Bauart der Häuser, die mehrentheils sehr gut sind, ist hie nähmliche. Die Besitzungen find theis durch grüne Hecken, theils
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Siebenter
Brief.
durch hölzerne Geländer eingeschloffen, und alles hat ein Ansehen von Bequemlichkeit und Wohlstand. Wenn man eine gewisse Zahl von Landwirthen im Pinzgaue, und hin und wieder in einigen andern Stri chen qusnimmt, die ein Vermögen haben, wie man es selten unter Landleuten findet, so find die übrigen nicht reich; denn sie haben weder Handel, noch Fa, briken, und selbst ihre Landeserzengnisse können sie, wegen ihrer Lage, nicht mit Leichtigkeit und auf die vortheilhafteste Art absehen; aber sie haben, was sie bedürfen, vielleicht mehr als die Schweizer der klei nern Cantone, und nirgends sieht man eine Spur von Elend. Sie sind freundlich, gefällig und so höf lich, daß es mir oft wehe thut, wenn ich sehe, wie jedermann, so wie wir vorbeyfahren, von seinem Sih aufsteht, und die Männer mit entblößtem Haupte eine lange Weile un- nachsehen. Ihre Häuser haben fast durchaus ein oberes Stock werk, sind mehrentheils von Holz, und scheinen sehr warm zu seyn. Tine, auch zwey, ja wohl gar drey Seiten haben oben Gallerien, welche hervorspringen, und unten einen bedeckten Platz lassen. Dieser Plah ist hier zu Lande, so wie in dem ganzen Striche zwi schen Znnspruck und Salzburg, mit kleingehgcktem Hot ze angefüllt- Sie wissen es so künstlich und präcis zu schichten, daß es dem Hanse zu einer doppelten, ja
*) Ich rede von Zeiten, die nicht mehr sind! Die grü nen lieblichen Thaler von Unterwalden, das roman tische Land Uri und mehrere andere Striche der einst glücklichen Schweiz sind in Wüsteneyen verwandelt, wo die wenigen übr:g gebliebenen Einwohner fich nue Mühe des Hungers mvcbrt1,? und gegen die er sten Bedürfnisse kämpfen.
Siebenter
Brief.
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dreyfachen Mauer dient, weil man es öfters in meh reren Schichten hinter einander stellt. Für die Fenster
läßt man gerade so viel Oeffnung, als die Größe eines jeden beträgt, wodurch freylich die untern Zimmer sehr
dunkel werden, weit ste, auf diese Art, in einer Wand
stehen, die oft mehrere Schuh dick ist. — So wie in mehreren Gegenden der Schweiz, hat
man auch hier keine großen Scheunen, oder Heuböden in der Nähe des Wohnhauses. Man errichtet dafür eine Menge kleiner Gebäude, die in den Feldern, und
zum Theil auch auf den Bergen umher zerstreut sind,
und welche dem Lande ein lebhaftes und bevölkerteAnsehen geben. — Diese Hütten sind sehr einfach. Man legt ganze Tannenstämme so über einander, daß sie sich in den vier Winkeln kreuzen; auf drese Art
bleibt zwischen jedem Stamme und seinen zwey Nach
barn ein leerer Raum, kann.
welchen die Luft durchstreichen
Kurz, sie sind gerade so gemacht, wie die Mei,
senkasten, in denen die Knaben auf unsern Dörfern diese Vögel fangen, nur daß diese einen Deckel, jene ein Dach haben. Zn diesen Hütten wird das Heu, so wie es getrocknet
Winter liegen bleibt.
ist, aufgehoben, wo es bis zum
Zn der rauhen Zahreszeit, wenn
alle Beschäftigungen im Felde aufhören, ist es eine der regelmäßigen Winterarbeiten, die Früchte des Som,
mers aus Schlitten nach und nach in die Häuser zu bringen. Ein anderer Theil dieser Zeit wird ange wandt, Holz zu hauen, und es von den Höhen herab zuschleifen.
Der Holzverbrauch ist sehr groß, denn die
se Leute, wie alle achte
Bergbewohner,
größten Theil des Zahres hindurch.
heihen den
Auf dem einen
der Bergwerke, die ich gestern in den Rauriser Alpen besuchte, wurden wir in die sogenannte Herrenstube geführt, welche eigentlich für Fremde ist, und ich fand
298
Siebenter Brief.
sie geheitzt. Zch ging nachher in die Knappenstube, wel che noch heißer war. Bald nachdem wir die obere Lendt verlassen hatten, sithren wir an dem Abhange eines DergeS herum, dessen «ine Seite vor wenig Zähren herabgesunkcn ist. Man nennt die Gegend die Embacher Plaike. Die Catastro« phe muß fürchterlich gewesen seyn, denn noch >ctzt sieht man einen entsetzlichen Greuel der Verwüstung. Elli Theil des Berges löste sich ganz oben ab, überwältigte alles umher bis in die Tiefe, und füllte selbst das Bett des Flusses. Dieser mag freylich seitdem vieles wieder weggewaschen haben; indessen ist doch noch bis jetzt ein Damm geblieben, der dreyßig bis vierzig Schuh höher seyn mag, als das ehemahlige Bett des Flusses. Die Folge davon ist, daß dieser beynahe eine viertel Meile aufwärts geschwellt, und drey oder vier Mahl so breit geworden ist, als er vorher war. Dabey stießt er auf dieser Strecke so ruhig, daß er einem kleinen See gleicht. Eine Menge Fichte«, die sonst am Ufer standen, steht man jetzt weit hinein im Flusse; ste sind alle verdorrt. Miele hat man seitdem abgehauen. Durch diesen Damm hat der untere Theil des Flusses einen größern Abfall be kommen, und so brauset er in einem langen Falle herab. Das Schlimmste von dem Dergfalle ist letzt, daß bey anhaltendem Regen noch diesen Augenblick Erde und Steineherabkommen, und diese Straße, welche auf je den Fall gefährlich ist, sehr unsicher machen. Ein Pferd, das ausglitfchl oder scheu wird; ein Zufall am Wagen, — und Sie sind unwiederbringlich verloren. Der Doi den unter Ihnen ist weich und locker, gibt ohne Unter laß nach, und Ihnen zur Seite ist der jähe Abhang, der in dem Flusse endiget. Noch muß ich von diesem Flusse anmerken, daß die Einwohner seinem schnellen Laufe und seiner Wuth fast tm ganzen Lande durch ihre Industrie Grenzen gesetzt
Siebenter Brief.
199
haben, so daß er ihnen nur wenig S6)aden thut. Wie würde der Anwohner des Tagliamento erstaunen, wenn er diesen Dergstrom sähe, der regelmäßig größer ist, als jener in gewöhnlichen Zeiten. Aber hier zu Lande wirb kein Stückchen guter Erde ungebraucht gelassen, unl» Alles, was des Anbaues fähig ist, gleicht einem Engli» scheu Garten. Wir kamen nm rilfUhr nachDäxenbach, auch Ta» xenbach, einem romantisch gelegenen Flecken, wo wir im Gasthofe in einem einfachen, aber reinlichen Zimmer ei» ne erträgliche Mahlzeit fanden. Drey Stunden weiter kamen wir hierher nach Zell, einem Flecken, welcher dem daran liegenden See seinen Nahmen gibt. — Wir hatten unsere Tagereise so zugeschnitten, daß wir schon tun vier Uhr hier ankamen, um den übrigen Theil des Tages auf dem See zuzubringon, der wirklich außeror dentlich schön ist. Allein es regnete, und ich habe meine Zeit mit Schreiben ausgefüllt, bis vor einer Stunde, da das Wetter sich aufklärte. Dieser See gehört durchaus unter die schöner», die ich gesehen Habel Ich möchte oft Vergleichungen an stellen ; aber es gibt nicht zwey Gegenstände in der Na tur , die einander auf einen hohen Grad ähnlich wären. Ich würde diesen See mit dem Sempacher vergleichen; aber die Berge, die den von Zell umgeben, sind ungleich höher, so daß er ein Ansehen von Großhett hat, das je nem fehlt. Dafür sieht man am Sempacher wieder an dere Züge, die man hier vermißt. Der hiesige mag et was über eine Meile lang und höchstens eine halbe Mei le breit seyn. Dieß ist gerade der Umfang, der einen See interessant macht, weil man auf allen seinen Ufern jeden größern Gegenstand deutlich sehen kann. — Als wir von Däxenbach heraufkamen, fuhren wir durch eine lange, sumpsige Ebene, so daß ich wenig Schönheit von dieser Seite des Sees erwartete, indem seine Ufer da
Siebenter
zoo
ganz flach sind.
Brief.
Als ich ihn aber von Zell auS sahe,
fand ich diese Ufer rings um von Bergen umgeben, die so groß und majestätisch sind, daß die Ebene vollkommen
zu Nichts verschwindet, und die Berge, auch auf der flae chen Seite, gerade vom Ufer des Sees sich zu erheben scheinen.
Die, welche ihn zunächst umgeben, sind schön
angebaut, bis auf ihre höchsten Spitzen grün und mit Waldung bewachsen, und in der Ferne sicht man die be-
schneyten Alpen. Sie werden lachen, daß ich immer wieder auf die Wirthshäuser komme; aber da sehe ich so häufig etwas, daS sich mit diesen Gegenden nicht zusammen reimt.
Zch
schreibe jetzt in einem großen Zimmer, jwo drey ungeheu
re Betten stehen; nebenan sitzt Herr ** in einem an
dern, wo auch ein Paar ausgeschlagen
sind, und das
Nähmliche findet sich noch in einem dritten. Die Bett stellen, Schränke, Thüren, Fenster — alles ist mit bäu
rischem Schnitzwerk verziert und^vergoldet, und auf den Cvmmoden steht Glas, Zinn und Porcellan. — „Aber was macht man, fragte ich, mit allen den Zimmern und Betten, da ich weiß, daß wenig Reisende hier durchge, O! Hierher kommt niemand! Das Alles
hen?" —
hat die Frau vor vielen Zähren zugebracht, und düs ist seitdem so stehen geblieben. —
Diese Liebe zum Vorra-
the scheint den Bewohnern hoher Dergländer eigenthüm
lich zu seyn, und mehr oder weniger haben alle Landleu te etwas davon.
Zn der Schweiz habe ich häufige Bey
spiele davon gefunden, und zu Däxenbach sahe ich von
ungefähr «inen Schrank, der mit großen Ballen von Leinwand, Zwillich, Stoffen zu Kleidern und was weiß
ich angefüllt war. — „Meine Mutter hat mir es hin terlassen, sagte der ziemlich junge Eigenthümer, und ich
hoffe nun, bis an meinen Tod genug zu haben.",— Zu Zell gab man uns eine Mahlzeit von vielen Schüsseln, worunter ein Pudding, Ragout u. s. w. waren. — Wo
Siebenter
Brief.
3©i
her kommen den Leuten diese Begriffe, wenn sie auch
reich genug sind, den Stoff dazu im Hause zu haben? sind sie so ängstlich, zu gefallen und
— Und dabey
alles recht zu machen, wie sie sich ausdrücken, als wenn der Erzblschvf bei; ihnen eingekehrt wäre, oder als ob sie durch unsere Durchfahrt grosie Summen zu gewin nen dächten. — Gleichwohl war die Rechnung von unserm letzten Nachtlager, mit Mahlzeit und Fnihstück, nicht mehr als zwey Fl. sechs und fünfzig Kreuzer, d. h. ein Thaler, fünfzehn
Groschen Conventionsgeld; und
das Stubenmädchen küßt Ihnen |är sechs und dreyßig Kreuzer die Hand und, wenn Sie diese zurückziehen,
den Nock. —
Bisweilen
erinnern einen diese Leute
an einen Luxus, der orientalisch ist.
So stand der
Wirth zu Hof mit einer großen Maschine an unserm
Tische,
und wedelte die Fliegen weg,
wir speisten.
während daß
Man ist bey diesen Leuten wie ein Gal
in den Zeiten der Patriarchen.
Utiefen den 6 July. Wir verfolgten heute früh den Zillersee bis an sein
Ende, und kamen, auf einer ziemlich ebenen Straße,
drey Stunden Weges, nach Saalfelden. Thal ist von hohen Gebirgen
Auch dieses
umgeben, doch frucht
bar, angebaut und mahlerisch schön.
Zch bin wirklich
an Ausdrücken verlegen, um Ihnen einen Begriff von dem Lande zu geben, durch das wir seit sechs Tagen
gegangen sind!
Es ist überall schön, aber ich finde
hauptsächlich zwey Arten von Landschaft.
Die eine be
steht aus ziemlich breiten, fruchtbaren und angebauten Thälern, deren Berge an den
Seiten
mit
Wiesen,
Weiden und Waldung gekleidet, und oft bis auf eine beträchtliche Höhe bewachsen sind.
Nur die höchsten
Berge bestehen in diesen Thälern aus ganz nackten Fel-
301
Siebenter
Brief.
feit, deren Steile und Wildheit jeden Versuch der In
Die zweyte Zlrt von Land
dustrie vereiteln würde.
schaft besteht aus ganz engen, von säst senkrechten Fel sen eingeschlossenen Pässen, und Thälern, die mehr ro mantisch und groß, als angenehm, oder gefällig sind. Unter diese Rubrik gehören die Striche zwischen Golling und Werfen, zwischen der Lendt und Hof, und
«in Theil des Landes zwischen Saalfelden und Uncken, durch das wir heute gekommen sind. Besonders ist der Strich zwischen Golling und Werfen eine der wilde
sten und erhabensten Scenen, die ich irgendwo gesehen habe.
Das Wüthen der Salzach in der engen Tiefe
ist grausenvoll, wenn man von der Straße hinabsteht,
die senkrecht darüber hängt.
Die Felsen sind eine Art
von weißgrauem Marmor.
Mitten auf der Straße
kommt man an einen Paß, dergleichen ich in diesem
Lande noch zwey andere gesehen habe, und die alle drey Lueg heißen. Es ist ein Gebäude, das den
schmalen Raum zwischen dem Flusse und dem schroffen Felsen einnimmt, und durch welches man also fahren muß. Dey dem ersten kam ein Mann heraus, und
fragte — nicht nach unserm Passe, nicht nach unserm Nahmen, auch nicht, was die 2lbsicht unserer Reise
wäre, sondern — „nach unserm Charakter."
Am zwey,
ten dieser Pässe, zwischen Lendt und Hof, zeigte sich
ein Invalide, zog
den Schlagbaum auf, und blieb
mit entblößtem Haupte stehen, bis wir dnrchgefahren
waren, ohne irgend eine Frage zu thun, oder etwas zu verlangen. — Ich kann nicht erfahren, wozu diese Pässe eigentlich nützen, einen ausgenommen, durch den
wir heute kamen, und der ganz nahe an der Tyroler Grenze liegt. Er soll die Ausfuhr solcher Artikel vere
hindern, die zu gewissen Zeiten gesperrt sind. — Sol»
cher Pässe gibt es noch mehrere in Tyrol.
Gpecialkarten sind sie
angezeigt,
und
Auf den
heißen
häufig
ebenfalls Lueg, welches ein altes Deutsches Wort seyn muß, das die Lage und die Natur eines solchen Pas ses anzcigt. — Vielleicht kommt es von dem alten lut« gen (sehen, aufschauen.) . Auch das Schloß in dem Feie senloche, eine Meile von Adelsberg, heißt Lueg. Sollten Sie wohl glauben, daß ein Theil dieser Berge selbst dem daran wohnenden Landvolke unju» gänzlich ist! Die Gegend um Saalfelden ist von dem obern See im Ländchen Bcrchtolsgaden bloß durch ei ne Bcrgreihe getrennt, die gar nicht breit, oder tief ist; gleichwohl können sie nicht anders als durch einen langen Umweg, der voll« acht Stunden beträgt, dahin kommen: und auch selbst dieser ist ein höchst beschwerlicher Paß. Für uns, die wir der Fahrstraße folge», ist es ein Umweg von zehn Meilen. Ueberhaupt gibt cs aus den südlichen Theilen deS Erzstistes Salzburg nicht mehr, als zwey Fahrstraßen; die eine, die wir nach Gastein genommen haben, und unser Rückweg von der Lendt hierher, welcher unS bey Loser« auf die große Tyroler Landstraße brachte, und dann über Uncken und Reichenhall geht. Ueber die beyden letztem Orte ginge» wir auch vor acht Tagen, als wir von Jnnspruck kamen. Dieß also ist die Ur sache, warum wir uns wieder in dem nähmlichen Hause befinden, in welchem wir kürzlich übernachteten. Von Saalfelden kommt man durch daS Thal Frauenwiese, gewöhnlicher Frane »wies, in wel chem ein unbedeutender Ort gleiches Nahmens liegt. Dicht am Wirthshause macht ein Dergbach, den sie, glaube ich, den Dießbach nennen, zwey überaus schö ne Fälle, wovon der obere groß und prächtig, der u»x lere lieblich und mahlerisch schön ist. — Einen un gleich größern hatten wir kurz vorher dicht an der Landstraße gesehen, eine Stunde, ehe wir Frauenwiese erreichten.
SL eben ter
304
Brief.
Kurz, dieses ganze Land ist äußerst reich an Was sersüllen und Auöstchtcn, die sammt
und
sonders so
schön sind, d