Reichsgerichts-Entscheidungen in kurzen Auszügen / Zivilsachen: Band 131 [Reprint 2022 ed.] 9783112637869


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German Pages 66 [132] Year 2022

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Table of contents :
Bon dieser Sammlung erschienen folgende Bändchen
1. Aufwertung. Schuldscheindarlehen. Gesetzesauslegung
2. Erwerb eines Geschäfts mit der Firma. Fehlerhafte Eintragung im Handelsregister. Mitverschulden. Rechtsunkenntnis
3. Hüchstbetragshypothek. Gesamthypothek. Feststellungsklage
4. Stempelabgabe. Vertragsschlutz. Bedingung
5. Aktiengesellschaft. Gründungszustand. Schuldübernahme. Vermögensübernahme
6. Besetzung des Gerichts. Vorsitz
7. Industrieobligalion. Anleihe. Auslosung. Tilgungshypolhek. Abzahlungshypothek
8. Schutzgebiet. Aufwertung. Währungswechsel. Anwendung fremden Rechts
9. Aufwertung. Stichtag. Vereinbarung über Anwendung des Gesetzes. Erwerb
10. Grundstücksverkehr. Stillschweigende Genehmigung. Bindung des Gerichts
11. Wasserrecht. Anschüttung
12. Öffentlicher Glaube des Grundbuchs. Personengleichheit
13. Krankenkasse. Haftung für Vertrauensärzte. Mitverschulden
14. Reklame. Unlauterer Wettbewerb
15. Rheinische Goldklausel
16. Verzicht auf Ruhegehalt
17. Roggenhypothek. Teilabtretung
18. Gesellschaft. Auseinandersetzung. Geschäftsgrundlage. Aufwertung. Verwirkung
19. Grundstücksverkehr. Nachträgliche Genehmigung
20. Werksparkasse. Aufwertung
21. Prozeßfrist. Prozetzaebühr. Armenrecht
22. Berufungsverfahren. Versäumnisurteil
23. Heimstätte. Konkurs. Feststellungsklage
24. Zusammenstoß von Kraftfahrzeugen. Übungsfahrt, überholen. Mitverschulden. Entlastungsbeweis. Feststellungsklage. Tatbestand. Bezugnahme
25. Enteignung. Entschädigung
26. Beamter. Unfallfürsorge. Reichsbahn. Gesetzesauslegung
27. Anliegerbeilräge. Konkursvorrecht. Gesetzesauslegung
28. Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Nichtigkeit von Gesellschastsbeschlüssen. Bilanzgenehmigung. Überbewertung
29. Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Pfändung von Geschäftsanteilen. Übereignung. Haftung
30. Feuerversicherung. Hypothek
31. Notfristzeugnis. Auslagen. Prozetzgebühr
32. Aufwertung. Bedingte Schuldübernahme
33. Grunddienstbarkeit. Anlage. Unterhaltung. Vertragsauslegung. Treu und Glauben. Schadenersatz
34. Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Schiedsspruch. Etimmverpflichtung. Verbotene Handlung
35. Vorläufige Vollstreckbarkeit. Vollstreckung. Vergleichsverfahren. Schadenersatz
36. Kraftwagen. Schadenhastung. Beförderung
37. Aktiengesellschaft. Bilanzanfechtung. Falsche AuSkunftserteilung. Gewinn- und Verlustrechnung. Stille Rücklagen
38. Bergleichsordnung. Stichtag. Aufrechnung. Anhängigkeit
39. Berleilungsverfahren. Rangvorbehalt. Feststellungsklage. Zwischenrechl
40. Versetzung in den Ruhestand. Umbildung einer Behörde
41. Personengleichheil bei Gesellschaften. Kundenfinanzierung. Gute Sillen. Selbsthilferecht. Talbeslandsermiltlung
42. Aufwertung. Vergleich. Treu und Glauben. Verwirkung. Stichtag
43. Aufwertung. Schuldübernahme. Zwangsversteigerung
44. Gefälligkettssparbuch. Schadenersatz. Beamtenhaftuttfi. Vertretungsmacht. Auskunfterteilung
45. Aufwertung. Zuständigkeitsbestimmung. Ausländisches Recht. Abgetretene Gebiete. Oberschlesien
46. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Parteiverzicht
47. Öffentlicher Weg. Lichtreklame. Rechtsweg. Domaine public
48. Mietvertrag. Wettbewerb. Verkehrssitte
49. Krankenkassen. Kassenarzt. Verjährung. Lffentlichrechtliche Verpflichtung. Verzicht. Vergleich. Erfüllungsgehilfe. Vertragsauslegung. Unterhaltsansprüche
50. Öffentliche Urkunde. Gegenbeweis. Aufklärungspflicht des Gerichts
51. Stempelabgabe. Schuldverschreibung. Werlpapiersteuer. Höchstbetragshypothek. Zinsen
52. Stempelabgabe. Schuldverschreibung
53. Elblotse. Reederhastung
54. Forderung. Unechte Abtretung. Vertretung. Aufwertung. Ausgleichsanspruch
55. Preußische Gemeindeforstbeamte. Hoheitsrecht. Lebenslängliche Anstellung
56. Stempelabgabe. Mietvertrag
57. Beamtenrecht. Ruhegehalt. Wartestandszeit. Gesctzesauslegung
58. Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Umstellung. Auswertung von Slammeinlagen. Verwirkung
59. Hypothekablösung
60. Betriebserfindung. Diensterfindung
61. Bau auf fremdem Grundstück. Beseitigungsanspruch. Geschäftsführung ohne Auftrag
62. Revisionsbegründungsfrist
63. Gerichtskosten. Streilgenosse
64. Zwangshypolhek. Anfechtung. Rangeinräumung
65. Zwischenurteil. Grundurteil. Kaufvertrag. Sachmangel. Fluchtlinie. Öffentlich-rechtliche Beschränkung. Wertminderung. Untersuchungspflicht. Vertragsauslegung. Fiskus. Verschulden beim Vertragsschlutz. Beweis des ersten Anscheins
66. Lebensversicherung. Ausländisches Versicherungsunternehmen. Gewinnanteil. Bestimmte Geldsumme. Wertanspruch. Nichtigkeit. Aufwertung
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Reichsgerichts-Entscheidungen in kurzen Auszügen / Zivilsachen: Band 131 [Reprint 2022 ed.]
 9783112637869

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ReichsgerichtsEntscheidungen in kurzen Auszügen Herausgegeben vom

Deutschen Richterbund

Zivilsachen — Band 131

19 3 1 München, Berlin und Leipzig 3. Schweitzer Verlag (Arthur Sellier).

Printed in Germany Druck von Dr. F. P. Datterer & Eie., Freising-München

Bon dieser Sammlung erschienen folgende Bändchen:

I. Zivilsachen:

Bd.

76-100 101—120 121—130

je RM. je RM. je RM.

. . . ... ...

n

76—130| mit 5^. 81—130> Reg. zus. n 91—1301 83 1 zus. 101—130 zus. Gesamtregister zu Bd. 83—119 . . . .

Serien:

II. Strafsachen:

Bd.

45—55 56—60 61—64

45—64 Serie: Gesamtregister zu Band 45—60 Gesamtregister zu Band 45—60

... ... ... mit . . . .

0.80 1.2.—

RM. 55.RM. 52.— RM. 45.RM. 38.— RM. 6.—

je RM. je RM. je RM.

0.80 1.2.-

. zus. NM. 22.— . . RM. 3.70

Jedes Bändchen entspricht einem Bande der amtlichen Sammlung.

1. Aufwertung. Schuldscheindarlehen. GesetzesauslegUNg. (BGB. 88 126, 371, 952; AnlAblG. §§ 30, 40.)

Die Reichsversicherungsanstalt für Angestellte gewährte vor dem Krieg der Stadt Potsdam ein Darlehen von 3 Millionen Mark. Ihrer Klage auf aufgewertete Zinsen wurde der Einwand entgegengehalten, daß es sich um ein Schuldscheindarlehen im Sinne des Anleiheablösungsgejetzes handle. Die Klage wurde abgewiesen. Das Reichs­ gericht nahm Anlaß, seine bisherige Rechtsprechung über den Begriff des Schuldscheindarlehens neu zu überprüfen. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ist der Schuldschein eine die Schuldverpflichtung begründende oder bestätigende, vom Schuldner zum Zwecke der Beweissicherung für das Bestehen der Schuld ausgestellte Urkunde. Für den Dar­ lehensschuldschein im Sinne des Anleiheablösungsgesetzes ist aber noch weiter zu verlangen, daß er für sich allein geeignet sein muß, den Beweis des wesentlichen Inhalts der Schuldverpflichtung zu erbringen. Demgemäß wurde ein Schuldscheindarlehen nicht für gegeben erachtet in einem Fall, in dem zunächst ein Darlehensvorvertrag ge­ schlossen und dann der Empfang des Darlehens bestätigt worden war; der Vorvertrag enthielt keinen Beweis für die Darlehensverpflichtung, der Empfangsbestätigung fehlten Bestimmungen über die Fälligkeit und Verzin­ sung, also über wesentliche Bedingungen des Darlehens. Zwar konnte durch beide Urkunden zusammengenommen der Darlehensbeweis geführt werden; eine solche innere Zusammengehörigkeit zweier Urkunden genügt aber nicht, um einen Schuldschein im Sinne des Anleiheablösungsge­ setzes für gegeben zu erachten. Das folgt schon daraus, daß die Schuldscheine mit den Schuldverschreibungen und verzinslichen Schatzanweisungen auf eine Stufe gestellt sind. Nur dann, wenn in dem einen Schriftstück auf eine unmittelbar und dauernd beigefügte Anlage zur Ergän­ zung seines Inhalts Bezug genommen wird, können beide Urkunden als eine Einheit betrachtet werden, nicht aber schon dann, wenn ein Schriftstück erst im Zusammenhalt mit einer anderen, mit ihm äußerlich nicht verbundenen Urkunde den wesentlichen Inhalt der Verpflichtung er­ kennen läßt. Die mögliche Zweiteilung von Haupt- und Zinsforderung bei einer Schuldverschreibung läßt sich hiegegen nicht anführen, da bei jeder dieser Urkunden der

wesentliche Inhalt der Verpflichtung sich aus der Urkunde selbst ergibt. Das Anleiheablösungsgesetz ist ein Ausnah­ megesetz; das Anwendungsgebiet seiner Vorschriften, so­ weit sie die Rechte der Gläubiger einschränken, ist so eng zu begrenzen, als dies nach Wortlaut und Zusammenhang des Gesetzes erforderlich erscheint. Grundsätzlich ist daran festzuhalten, daß der Gesetzgeber, wenn er einen Eingriff in bestehende Rechte vornimmt, sich deutlich darüber aus­ sprechen muß, unter welchen Voraussetzungen und in wel­ chem Umfang der Rechtsverlust eintreten soll. Hat er seinem Willen eine Fassung gegeben, die dem gewollten Zweck nicht vollständig entspricht, so muß es ihm über­ lassen bleiben, die unvollständige Anordnung durch eine neue gesetzliche Vorschrift zu ergänzen. Die mehrfach er­ hobene Forderung, im § 30 AnlAblG. die Worte „über die Schuldscheine ausgestellt sind" zu streichen, wurde ab­ gelehnt, weil damit die Rechtslage der Gläubiger eine Verschlechterung erfahren würde. Hiernach wurde kein An­ laß gefunden, von der bisherigen Rechtsprechung abzu­ gehen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Zins- und Tilgungsplan, der von den Parteien unter­ schriftlich vollzogen worden war, zusammen mit dem Dar­ lehensvorvertrag, dem er nach dessen ausdrücklicher Vor­ schrift beigeheftet werden sollte, eine Einheit darstellte, die alle Merkmale eines Schuldscheins, insbesondere auch ein Empfangsbekenntnis enthielt, wurde gebilligt. (IV, 17. No­ vember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 1—12. Vgl. Bd. 57 S. 262; Bd. 105 S. 289; Bd. 107 S. 291; Bd. 116 S. 170; Bd. 117 S. 59; Bd. 127 S. 46, 86, 169; Bd. 129 S. 325. 2. Erwerb eines Geschäfts mit der Firma. Fehlerhafte Eintragung im Handelsregister. Mitverschulden. Rechts­ unkenntnis. (BGB. 88 254, 276, 839; HGB. 8 25.) Ein Handelsgeschäft wurde mit der Firma erworben; der Übergang der Forderungen und Schulden wurde ausge­ schlossen. Bei der Eintragung im Handelsregister unter­ blieb infolge eines Versehens der Vermerk, daß die For­ derungen und Schulden nicht übergingen. Der Erwerber wurde von mehreren Gläubigern seines Vorgängers in Anspruch genommen und mußte sie befriedigen. Seine Klage gegen den preußischen Staat auf Schadenersatz drang in zwei Rechtszügen durch. Das Reichsgericht wies

sie ab. Das Berufungsgericht hatte ein Verschulden des Klägers bei der Unterlassung von Einwendungen gegen die unrichtige Eintragung verneint, weil ihm billiger­ weise Kenntnis in Registersachen nicht zuzumuten sei; bei der Klarheit des Rechtsvorgangs und der Einfachheit der Erledigung durch das Gericht habe er gar nicht annehmen können, daß ein Versehen vorkomme. Das Reichsgericht erklärte, daß hierbei das Maß der Sorgfalt verkannt sei, das jeder im Geschäftsleben stehende Kaufmann der Erle­ digung seiner Rechtsangelegenheiten widmen muß. Der Kläger mußte sich, als er das Geschäft unter Ausschluß der Haftung für die Schulden erwarb, über die Tragweite der zugrundeliegenden Vorschrift vergewissern; wenn er das getan hätte, hätte er erkennen müssen, daß er das angestrebte Ziel nur erreichte, wenn die Eintragung und Bekanntmachung vorschriftsmäßig erfolgte. Er mußte sich darum über die Eintragungen und Bekanntmachungen eigene Kenntnis verschaffen. Wer im heutigen Geschäfts­ leben steht, darf sich nicht dahinter verschanzen, daß er nicht die nötige Kenntnis von den Einrichtungen der ge­ richtlichen Register habe und darum die zu seiner Benach­ richtigung ihm gemachten Mitteilungen nicht richtig prü­ fen könne. Von ihm muß auch, besonders bei der viel­ fachen Überlastung gerichtlicher Behörden, verlangt wer­ den, daß er die ordnungsmäßige Erledigung gerichtlicher Eintragungen mit nachprüft; es stellt eine Verletzung der im Verkehr gebotenen Pflicht dar, wenn er selbst un­ tätig bleibt und sich auf das richtige Arbeiten der Be­ hörden ohne weiteres verläßt. Es bedarf des Vorliegens besonderer Umstände, damit im Einzelfall das Unterblei­ ben einer eigenen Nachprüfung als entschuldbar ange­ sehen werden kann. Solche waren nicht nachgewiesen. Es genügte auch nicht, daß der Vertrag notariell beurkundet und durch den Notar beim Registergericht angemeldet wor­ den war. Daß das Verschulden des Klägers nicht schwer war, machte nichts aus; es genügt auch ein leichtes Ver­ schulden, um die Abweisung einer auf Beamtenhaftung gestützten Klage zu begründen. (III, 25. November 1930.) Amtl. Sammlg. S. 12—16. Vgl. Bd. 75 S. 142.

3. Hüchstbetragshypothek. Gesamthypothek. Feststel­ lungsklage. (BGB. 88 1113, 1132, 1190; ZPO. 8 256.)

Für Forderungen und Ansprüche, die einer Aktiengesellschaft zustanden oder zustehen würden, wurde auf zwei Grund­ stücken einer G.m.b.H. je eine Höchstbetragshypothek von 200000 Feingoldmark bestellt. Ein nachfolgender Gläu­ biger bestritt die Zulässigkeit der Eintragungen, weil die beiden Hypotheken als selbständige Einzelhypotheken zur Sicherung eines und desselben Forderungskreises bestellt seien. Die Aktiengesellschaft klagte auf Feststellung der Gültigkeit; das Interesse an einer alsbaldigen Feststellung begründete sie damit, daß die Zwangsversteigerung der Grundstücke bevorstehe. Diese fand auch bald nach Einrei­ chung der Klage statt. Die Grundstücke wurden der Aktien­ gesellschaft zugeschlagen. Diese meldete zur Berücksichti­ gung bei der Verteilung des Versteigerungserlöses auf die eine Hypothek 200000 Reichsmark, auf die andere 120000 Reichsmark an. Im Verteilungsplan wurden ihr auf die erste Hypothek 80000 Reichsmark, auf die zweite 40000 Reichsmark zugeteilt; diese Beträge behielt die Aktienge­ sellschaft von der Barzahlung, die sie als Ersteigerin zu leisten hatte, zurück. Der nachfolgende Hypothekgläubiger widersprach der Zuteilung und klagte gegen die Aktienge­ sellschaft mit dem Anträge, diese zur Zahlung von 80000 Reichsmark und 40000 Reichsmark zu verurteilen. Mit Rücksicht aus diese Klage verneinte das Landgericht in der Feststellungsklage ein Interesse der Klägerin auf alsbal­ dige Feststellung und wies sie ab. Das Berufungsgericht bejahte zwar das Feststellungsinteresse, hielt aber die strei­ tigen Höchstbetragshypotheken für von Anfang an inhalt­ lich unzulässig und verwarf die Berufung. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Grundsätzlich können für eine Forderung nicht mehrere selbständige Hypotheken, seien es Verkehrshypotheken oder Sicherheitshypotheken, bestellt werden. Die Haftung mehrerer Grundstücke für eine For­ derung kann nur so begründet werden, daß alle Grund­ stücke mit einer Gesamthypothek belastet werden, oder so, daß die Forderung in ziffernmäßige Teile zerlegt und für jeden dieser Teile ein Grundstück belastet wird. Beide Wege stehen auch zur Verfügung, wenn mehrere Grund­ stücke zur Sicherheit einer Forderung in der Form von Höchstbetragshypotheken belastet werden sollen. Es ist möglich, an allen Grundstücken eine auf den Höchstbetrag lautende Gesamthypothek zu bestellen; möglich ist es aber

auch, die Forderung in entsprechend viele Teile zu teilen und für jeden einzelnen Teil eine entsprechend niedriger bemessene Höchstbetragshypothek auf jedem Grundstück ein­ zutragen. Für die Arresthypothek ist der zweite Weg aus­ drücklich vorgeschrieben. Die Höchstbetragshypothek bietet aber noch weitere Möglichkeiten. Ihre Eigenart besteht darin, daß nur der Höchstbetrag die Haftung bestimmt, im übrigen aber die Feststellung der Forderung Vorbehalten wird; anerkannt ist ferner, obwohl eine ausdrückliche ge­ setzliche Vorschrift fehlt, daß die Höchstbetragshypothek, ohne ihre Einheitlichkeit einzubüßen, zur Sicherheit meh­ rerer selbständiger Forderungen dienen kann oder auch zur Sicherheit eines ganzen Kreises von Forderungen, die von vorneherein nur nach bestimmten Gattungsmerk­ malen bezeichnet werden, etwa in der Art, daß, wie im vor­ liegenden Fall, die Hypothek für alle aus einer bestimmten Geschäftsverbindung erwachsenen oder erwachsenden For­ derungen haften soll. Soll nur eine einzige Forderung ge­ sichert werden (etwa das künftige Schlußguthaben aus einem Kontokorrentverhältnis) so ist es möglich, von vorne­ herein die künftige, zur Zeit ihrer Höhe nach noch nicht feststellbare Forderung in einen Grundbetrag und den diesen übersteigenden Rest zu teilen und zu bestimmen, daß für den Grundbetrag das eine Grundstück, für den Restbetrag das andere haften soll. Eine solche Teilung kam aber im vorliegenden Fall deshalb nicht in Frage, weil nicht eine einzelne Forderung, sondern ein ganzer Kreis selbständiger Forderungen gesichert werden sollte. Rach dem vom Be­ rufungsgericht festgestellten und auch in der Eintragungs­ bewilligung sowie den Eintragungen zum Ausdruck gekom­ menen Parteiwillen sollte es der Klägerin überlassen bleiben, die Forderungen später auf die einzelnen Grund­ stücke zu verteilen; auch das war als zulässig anzuer­ kennen. Der für gewöhnliche Hypotheken geltende Grund­ satz, daß von vorneherein genau bestimmt oder bestimmbar sein muß, für welche Forderungen eine Hypothek haftet, ist für Höchstbetragshypotheken schon damit durchbrochen, daß hier die Feststellung der Forderung Vorbehalten ist und daß also dem Gläubiger ein Verfügungsrecht darüber zukommt, für welche der Forderungen, die der Hypothek unterfallen, er die Haftung des Grundstücks in Anspruch nehmen will. Demgemäß widerstreitet es auch dem Begriff

der Höchstbetragshypothek nicht, wenn dem Gläubiger mehrere nur dem Höchstbetrag nach bestimmte, unter sich selbständige Hypothekrechte zur Verfügung gestellt werden mit der Befugnis, seinerzeit nach seinem Ermessen seine Forderung oder seine mehreren Forderungen auf die mehreren Hypotheken zu verteilen und zu bestimmen, für welchen Teil die eine und für welchen Teil die andere Hypothek haften soll. So lag die Sache hier. Im Endergebnis sollte also keine der zu sichernden. Forderungen durch mehrere Einzelhypotheken gesichert sein, sondern jede einzelne Forderung nur durch eine einzige Hypothek, die von der Klägerin zu bestimmen war. Die Bestellung der beiden Hypotheken verstieß also nicht gegen zwingende Grundsätze des Hypothekenrechts; die Eintragungen waren nicht inhaltlich unzulässig. Dar­ nach erwies sich auch die Feststellungsklage als sachlich begründet und der Widerspruch des Beklagten im Zwangs­ versteigerungsverfahren als unberechtigt. (V, 29. Novem­ ber 1930.) Amtl. Sammlg. S. 16—24. Vgl. Bd. 84 S. 277; Bd. 98 S. 106; Bd. 113 S. 233; Bd. 118 S. 164. 4. Stempelabgabe. Vertragsschlutz. Bedingung. (BGB. § 158; PrStempStG. § 3, Tarifst. 7 und 21.) Eine Fabrik, die Gefrieranlagen herstellte, ließ bei Bestellungen ein ge­ drucktes Formblatt unterzeichnen, das schon ihre vorge­ druckte Unterschrift enthielt; der Schlußsatz lautete aber, daß der Vertrag erst nach erfolgter Gegenbestätigung der Fabrik in Kraft trete. Es wurde die Stempelabgabe für Werkverdingungsverträge eingehoben. Die Klage auf Rückgabe hatte Erfolg. Wenn der Schlußsatz als Bedin­ gung aufzufassen war, lag Stempelpflicht vor; von einer Bedingung im Rechtssinn konnte aber nicht die Rede sein. Es ist rechtlich ausgeschlossen, das bloße Wollen eines Vertragsteils zur Bedingung zu machen; wer sich nur für den Fall verpflichtet, daß er will, 'gibt eine ver­ pflichtende Erklärung noch nicht ab. Das traf hier zu. Die Klägerin hatte sich die Entschließung Vorbehalten, ob sie mit den Bestellern überhaupt Verträge abschließen wollte. Daß auf den Bestellscheinen ihre Unterschrift sich befand, hatte kein entscheidendes Gewicht; der Inhalt der Schriftstücke ergab mit Deutlichkeit, daß die Klägerin nicht gebunden sein wollte. Die Erklärungen waren nur als

Angebote anzusehen; solche sind nicht stempelpslichtig.(VII, 5. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 24—27. Vgl. Bd. 72 S. 385; Bd. 104 S. 100, 307; Bd. 117 S. 89; Bd. 124 S. 336. 5. Aktiengesellschaft. Gründungszustand. Schuldüber­ nahme. Vermögensübernahme. (HGB. §§ 25, 188, 200;

BGB. § 419.) Zur Übernahme des Handelsgeschäfts einer Kommanditgesellschaft aus Aktien wurde eine Aktienge­ sellschaft gegründet. Diese betrieb das Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma weiter; die Übernahme der Haftung für bisherige Schulden wurde aber durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen. Der Anschluß der Haf­ tung wurde in das Handelsregister nicht eingetragen; in der Bekanntmachung der Eintragung der Aktiengesellschaft wurde er aber veröffentlicht. Ein Gläubiger der Kom­ manditgesellschaft klagte gegen die Aktiengesellschaft. Dieser berief sich darauf, daß ihm der Ausschluß der Schuld­ übernahme durch die persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft mitgeteilt worden sei. Das Be­ rufungsgericht gab der Klage statt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Eine Fortführung des Handels­ geschäfts der Kommanditgesellschaft unter derselben Firma war gegeben, wenn auch der früheren Firma die Be­ zeichnung „Aktiengesellschaft" beigefügt worden war. Das Berufungsgericht war davon ausgegangen, daß der Aus­ schluß der Haftung nicht in das Handelsregister einge­ tragen und nach der Eintragung der Aktiengesellschaft dem Gläubiger der Kommanditgesellschaft nicht mitgeteilt worden sei. Das Reichsgericht entschied aber, daß es ge­ nügte, wenn nach Abschluß des Gesellschaftsvertrags die Mitteilung erfolgt war. Allerdings entstand die Aktien­ gesellschaft als solche erst mit der Eintragung in das Han­ delsregister; daraus folgte aber nicht, daß die vorhergegangenen Rechtshandlungen, insbesondere die Übernahme des Vermögens der Kommanditgesellschaft, keine Rechts­ wirkung hatten. Es ergab sich vielmehr ein Schwebe­ zustand, der mit der Eintragung sein Ende erreichte. Wäh­ rend dieses Schwebezustands bestand eine rechtliche Bin­ dung der Gründer; diese bildeten eine Gesellschaft bürger­ lichen Rechts, die mit der Eintragung der Aktiengesell­ schaft in diese überging. War aber der Vertrag über die Veräußerung des Handelsgeschäfts der Kommandit-

gesellschaft in rechtlich bindender Form zustande gekommen, so stand auch der Mitteilung durch den Veräußerer an den Gläubiger nichts im Wege. Zu prüfen war übrigens, ob sich nicht eine Haftung nach bürgerlichem Recht ergab, weil die Aktiengesellschaft das ganze Vermögen der Kom­ manditgesellschaft übernommen hatte. (II, 9. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 27—31. Vgl. Bd. 113 S. 306. 6. Besetzung des Gerichts. Vorsitz. (GVG. §§ 62, 66, 117.) Ein Senatspräsident wurde im April 1929 infolge des Ausscheidens eines anderen Abgeordneten in den Reichstag berufen. Seitdem führte der älteste Rat an seiner Stelle den Vorsitz. Bei dieser Regelung verblieb es auch im Jahr 1930. Das Reichsgericht erklärte das für zulässig. Als Mitglied des Reichstags bedurfte der Senatspräsident zur Ausübung dieser Tätigkeit keines Urlaubs; er war aber stets in der Lage, sein Amt als Vorsitzender des Senats auszuüben, wenn und soweit ihm seine Tätigkeit als Abgeordneter dazu Zeit ließ. Bei längeren Vertagungen des Reichstags und für den Fall seiner Schließung oder Auflösung konnte und mußte vom Standpunkt der Geschäftsverteilung aus mit der Füh­ rung des Vorsitzes durch ihn gerechnet werden. Dem­ nach mußte ihm trotz seiner Eigenschaft als Abgeordneter der Vorsitz im Senat übertragen werden und die Führung des Vorsitzes durch den ältesten Rat konnte nur als vor­ übergehend und aushilfsweise angesehen werden. (IX, 10. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 31—32.

7. Jndustrieobligalion. Anleihe. Auslosung. Tilgungshypolhek. Abzahlungshypothek. (AufwG. §§ 25, 29, 33, 36, 50; DurchfVOzAufwG. Art. 36, 40.) Eine Aktien­ gesellschaft gab im Jahre 1905 eine Anleihe aus, die aus Schuldverschreibungen auf den Inhaber im Nennwert von 1000 Mark bestand. Den Ausgabebedingungen zufolge waren jährlich 600000 Mark für Verzinsung und Til­ gung aufzuwenden. Nach Durchführung der Aufwertung wurden die Schuldverschreibungen auf 150 Goldmark fest­ gesetzt; die Auslosungen wurden nicht wieder ausgenom­ men. Die Klage auf Vornahme der Auslosungen wurde in allen Rechtszügen abgewiesen. Für die Rückzahlung, Ver­ zinsung und Tilgung von aufgewerteten Jndustrieobligationen sind die entsprechenden Vorschriften über auf-

gewertete Hypotheken anzuwenden, soweit nicht die Reichs­ regierung etwas anderes bestimmt. Bei Hypotheken wird zwischen Tilgungshypotheken und Abzahlungshypotheken unterschieden; eine Tilgungshypothek liegt vor, wenn die Tilgungsbeträge in der Form von prozentualen Zu­ schlägen zu den Zinsen zu zahlen sind, eine Abzahlungs­ hypothek, wenn eine Zahlung der Hauptsumme in Teilbe­ trägen vereinbart ist, neben denen im Falle der Verzins­ lichkeit die Zinsen zu entrichten sind. Für die Tilgungs­ hypotheken ruht die Leistungspflicht bis zum 1. Januar 1926, für die AbzahlungsHypotheken bis zum 1. Januar 1932. Der Hypothek ist nicht die einzelne Schuldverschrei­ bung, sondern die Anleihe als solche gleichzustellen, so daß also die Rückzahlung einzelner Schuldverschreibungen im Wege der Auslosung oder Kündigung als Tilgung eines Teiles der Anleihe erscheint. Art. 36 DurchfBO. be­ stimmt, daß, wenn Teilbeträge einer Anleihe nach den Ausgabebedingungen von Zeit zu Zeit zurückzuzahlen sind, die Feststellung der zurückzuzahlenden Schuldver­ schreibungen, soweit sie bis zum 31. Dezember 1931 zu erfolgen hat, einheitlich erst im Laufe des Jahres 1931 stattzufinden braucht, gleichviel, wie nach den Bedingungen die einzelnen Schuldverschreibungen zu ermitteln sind, die jeweils zur Rückzahlung gelangen. Das gilt insbesondere, wenn im Wege der Auslosung festzustellen ist, auf welche Schuldverschreibungen sich die jeweils zurückzuzahlenden Teilbeträge der Anleihe verteilen. Der Aufwertungsbe­ trag für diese Schuldverschreibungen ist (ebenso wie jener der Abzahlungen bei einer Abzahlungshypothek) bis zum 1. Januar 1932 gestundet. Art. 40 DurchfBO. bestimmt ergänzend, daß die Verpflichtung zur Leistung von Til­ gungsbeträgen ebenfalls an der Stundung bis zum 1. Ja­ nuar 1932 teilnimmt, so daß die bis dahin planmäßig zu zahlenden Tilgungsbeträge nachzuzahlen sind. Ohne diese Vorschrift würde neben dem § 25 AufwG. auch § 29 zur Anwendung kommen; nach diesem ruht aber die Ver­ pflichtung zur Leistung von Tilgungsbeträgen nur bis zum 1. Januar 1926, ist also von da an in der Höhe dey aufgewerteten Sätze wieder zu erfüllen. Die Aktiengesell­ schaft brauchte daher weder vor dem 1. Januar 1932 Rückzahlungen zu leisten noch Auslosungen früher als im Laufe des Jahres 1931 vorzunehmen. Die Regierung

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Zivilsachen Bd. 131

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hielt sich mit dem Erlaß des Art. 40 DurchfVO. innerhalb des gesetzlichen Rahmens. Im allgemeinen ist ihr zwar keine Ermächtigung erteilt, von den gesetzlichen Vorschrif­ ten abzuweichen; § 36 AufwG. gibt ihr aber eine solche Er­ mächtigung für die Regelung der Rückzahlung, Verzin­ sung und Tilgung von Jndustrieobligationen. (IV, 4. De­ zember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 33—41. Vgl. Bd. 117 S. 146; Bd. 127 S. 40. 8. Schutzgebiet. Aufwertung. Währungswechsel. An­ wendung fremden Rechts. (BGB. § 242; AufwG. § 63.)

Im Jahre 1911 wurde in Deutsch-Südwestafrika zwischen zwei Deutschen eine Darlehensschuld begründet; die ver­ einbarte hypothekarische Sicherstellung unterblieb. Der Gläubiger, der nach dem Krieg nach Südwestafrika zu­ rückgekehrt war, verlangte von dem in Deutschland ver­ bliebenen Schuldner die Rückzahlung des Darlehens in Reichsmark und zwar nach einem Umrechnungssatz, der durch die englische Regierung im Jahre 1920 für das frühere deutsche Schutzgebiet eingeführt worden war und nach welchem alle früheren Schulden zum Kurs von 20 Mark = 1 Pfd. Sterling zahlbar gemacht werden sollten. Das Berufungsgericht unterstellte die Forderung als Markforderung dem deutschen Aufwertungsrecht, er­ achtete das Darlehen als Vermögensanlage und wertete es auf 25o/o auf. Im Ergebnis trat das Reichsgericht bei. In den deutschen Schutzgebieten galten die dem bürger­ lichen Recht angehörenden Vorschriften der Reichsgesetze, nicht aber die dem öffentlichen Recht angehörenden Wäh­ rungsgesetze. Durch eine Verordnung des Reichskanzlers vom 1. Februar 1905 wurde in den Schutzgebieten mit Ausnahme von Deutsch-Ostafrika und Kiautschau die Reichsmarkrechnung eingesührt; die sämtlichen Münzen, die im Reichsgebiet gesetzliche Zahlungsmittel waren, sollten es hiernach auch in den Schutzgebieten sein, da­ gegen bestand kein Annahmezwang im Privatverkchr für Reichskassenscheine und Reichsbanknoten. Dabei blieb es auch in der Folgezeit. Hiernach galt in Deutsch-Südwest­ afrika die deutsche Währung mit einigen Abweichungen. Durch den Wechsel der Herrschaft wurde hieran nichts ge­ ändert; die Verfügung der englischen Regierung vom Ja­ nuar 1920 griff aber mit der Umrechnungsnorm von der Währungsseite her auch schuldrechtlich in das bestehende

Darlehensverhältnis ein. Das Berufungsgericht wollte diese Verfügung außer Anwendung lassen, weil die in deutscher Mark begründete Schuldverbindlichkeit mangels Unterwerfung der Parteien unter das jeweilige südwest­ afrikanische Recht nach deutschem Recht zu beurteilen sei. Diese Erwägung traf nicht den Kern der Frage. Wenn beim Inkrafttreten der englischen Verfügung Gläubiger und Schuldner örtlich dem Machtbereich der englischen Regierung unterstanden hätten, wäre die Verfügung, also auch die Umrechnungsnorm, für sie bindend geworden und hätte kraft völkerrechtlicher Grundsätze auch von den deutschen Gerichten aner­ kannt werden müssen. Das traf aber nicht zu. Es handelte sich um eine Markschuld, die auch nach Abtren­ nung eines Teils des einheitlichen Währungsgebiets in Mark weiter bestehen konnte und daher die Anknüpfung an das deutsche Aufwertungsrecht von vorneherein in sich trug. In Frage kam nur, ob für die Anwendung der eng-lischen Verfügung der Erfüllungsort oder der Wohnsitz des Schuldners maßgebend war. Hiefür kam es vor allem auf den Parteiwillen an. Wenn zwei deutsche Reichs­ angehörige ein Schuldverhältnis in deutscher Währung in deutschem oder unter deutscher .Hoheit stehendem Ge­ biet und unter der Herrschaft deutschen Rechts begründen, ist in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte zu mut­ maßen, daß sie sich für die Abwicklung ihrer Schuldver­ hältnisse dem deutschen Recht und niemals einer auslän­ dischen Rechtsordnung unterwerfen wollten. Die Tatsache allein, daß der ehemals deutsche Erfüllungsort unter fremde Herrschaft geraten ist, änderte nichts daran, daß nach deutschem internationalem Privatrecht das Schuld­ verhältnis nach wie vor deutschem Recht unterstand. Ge­ genüber diesem Recht konnte ein anderes sich nur durch­ setzen, wenn es vom Parteiwillen ausgenommen wurde oder wenn es das deutsche Recht kraft eigenen Hoheitsrechts zu beseitigen vermochte. Das Schuldverhältnis von der währungsrechtlichen Seite aus zu ändern lag nun nicht schon dann in der Macht der neuen Regierung, wenn der Erfüllungsort unter ihre Gebietshoheit kam; maß­ gebend konnte vielmehr die Umrechnungsnorm der neuen Regierung für die Parteien nur dann werden, wenn sie kraft ihrer Gebietshoheit imstande war, die fortdauernde

Geltung deutschen Rechts durch eine entgegenstehende Vor­ schrift auszuschließen. Das war nur dann möglich, wenn beide Parteien ihrem örtlichen Herrschaftsbereich unter­ standen oder sich dem neuen Recht unterwarfen. Diese Voraussetzungen fehlten. Demgemäß war die Anwend­ barkeit der Rechnnngsnorm zu verneinen. Da in Deutsch­ land für solche Schuldverhältnisse eine besondere Bestim­ mung nicht getroffen war, fand die deutsche Aufwertungs­ gesetzgebung auf sie Anwendung. Es machte nichts aus, daß die Schuld in Hartgeld hätte erfüllt werden müssen; die Schuld war gleichwohl eine Markschuld alter Wäh­ rung. Mit dem Wesen der Geldschuld ist es aber unverein­ bar, daß sie mit Hartgeld alter Währung, das außer Kurs gesetzt ist, zu tilgen wäre; das wäre gleichbedeutend mit einer Erfüllung in reinen Gattungssachen. (IV, 18. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 41—50. Vgl. Bd. 107 S. 80, 122; Bd. 108 S. 303.

9. Aufwertung. Stichtag. Vereinbarung über Anwen­ dung des Gesetzes. Erwerb. (AufwG. §§ 1, 2, 5, 9, 10,15, 62.) Im September 1922 wurden vier Grundstücke ver­ kauft; für einen Kaufpreisrest von 500000 Mark wurde eine Gesamthypothek auf ihnen bestellt. Die Hypothek wurde am 27. Mai 1924 eingetragen. Der Verkäufer klagte auf Aufwertung der Hypothek und der persönlichen Forde­ rung. Der Beklagte gab zu, für 100000 Mark zur Auf­ wertung verpflichtet zu sein. Das Berufungsgericht gab der Klage in vollem Umfang statt. Das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Die Hypothek war vor dem 14. Fe­ bruar 1924 begründet, aber erst nach diesem Zeitpunkt eingetragen worden. Die Frage, ob das Aufwertungsgesetz für sie gelte, hatte das Berufungsgericht nicht entschieden. Es hatte daraus, daß der Beklagte für 100000 Mark seine Verpflichtung zur Aufwertung anerkannt hatte, die Folgerung gezogen, daß beide Teile über die Anwendung des Aufwertungsgesetzes einig seien. Das erklärte das Reichsgericht für rechtsirrig. Gegen die Wirksamkeit einer Verabredung, wonach eine Forderung nach dem Aufwer­ tungsgesetz zu behandeln ist, besteht kein Bedenken; im vor­ liegenden Fall lagen aber auf Seite des Beklagten nur Rechtsausführungen vor, aus denen sich nicht die Ab­ sicht ergab, mit dem Gegner eine bindende Vereinbarung über die Anwendung jenes Gesetzes herbeizuführen. Dem-

gemäß war zu prüfen, ob das Aufwertungsgesetz zur An­ wendung zu kommen hatte. Hiefür genügte nicht, daß die Einigung über die Begründung der Hypothek vor dem 14. Februar 1924 stattgefunden hatte; das Aufwertungs­ gesetz sagt ausdrücklich, daß bei der Berechnung des Gold­ markbetrags als Grundlage der Aufwertung ein Erwerb außer Betracht bleibt, der nach dem 13. Februar 1924 stattgefunden hat. In diesem Zeitpunkt muß also der Er­ werb des Anspruchs vollendet gewesen sein. Der Begriff des Erwerbs ist in rechtlichem, nicht in wirtschaftlichem Sinne zu verstehen. Dem steht nicht entgegen, daß im Falle der Aufwertung einer Kaufgeldforderung aus einem Vertrag, bei dem das Angebot und die Annahme zeitlich auseinanderfallen, der Tag des Angebots zugrunde zu legen ist; das ist beim Mangel einer ausdrücklichen Ge­ setzesvorschrift als Wille der Parteien nach Treu und Glauben anzunehmen. Ebenso ist auch schon für die Aus­ wertung einer Kaufgeldforderung entschieden worden in einem Fall, in dem der Mangel der Form durch Auflas­ sung und Eintragung geheilt wurde. Ein solcher Weg ist aber bei der Prüfung des Erwerbs eines dinglichen Rechts verschlossen. Für eine Kaufgeldforderung, die nach dem 31. Dezember 1908 begründet worden war, ist allerdings entschieden worden, daß das maßgebende Gewicht auf den Zeitpunkt der Begründung der persönlichen Forderung und nicht auf jenen der Eintragung der Hypothek falle; hier war aber die Hypothek schon vor dem 14. Februar 1924 eingetragen worden. Im vorliegenden Fall fehlte es an einer durch Hypothek gesicherten Forderung im Sinne des § 9 AufwG.; die Frage der Aufwertung war also nach allgemeinen Gesichtspunkten zu prüfen. (VI, 8. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 51—56. Vgl. Bd. 113 S. 345; Bd. 115 S. 6, 16; Bd. 118 S.346; Bd. 120 S. 256; Bd. 121 S. 76, 167. 10. Grundstücksverkehr. Stillschweigende Genehmi­ gung. Bindung des Gerichts. (PrGrVerkG. §§ 6, 7.)

Im Januar 1923 wurde ein Grundstück in Berlin verkauft. Der Kaufpreis wurde unrichtig beurkundet. Am 25. Juli 1923 wurde der Vertrag genehmigt, am 3. August 1923 der Käufer als Eigentümer eingetragen. Am 2. Juli 1928 beantragte er die Genehmigung des wirklich vereinbarten RGE. Zivilsachen Bd. 131.

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Kaufvertrags. Der tottag ging am 4. Juli beim zustän­ digen Bezirksamt ein; dieses verlangte am 9. Juli die Vorlage weiterer Belege. Der Käufer beschwerte sich. Am 18. August wies der Oberpräsident das Bezirksamt an, das Genehmigungsverfahren einzuleiten; die Verfügung ging dem Bezirksamt am 23. August zu. Dieses erteilte am 27. August eine Bescheinigung dahin, daß der Genehmi­ gungsantrag vom 23. August an als ordnungsgemäß ge­ stellt gelte; am 12. September versagte es die Genehmi­ gung. Die Beschwerde des Käufers wurde verworfen. Schon vorher hatten die Verkäufer auf Berichtigung des Grundbuchs und Herausgabe des Grundstücks geklagt. Das Kammergericht hatte die Klage abgewiesen mit der Be­ gründung, daß schon am 4. Juli 1928 ein ordnungsmäßi­ ger Genehmigungsantrag beim Bezirksamt eingegangen sei und daß demgemäß nach Ablauf von drei Wochen seit diesem Tag die Genehmigung als stillschweigend erteilt zu gelten habe. Dieser Auffassung trat das Reichsgericht nicht bei. Zwar hat das Gericht selbständig zu prüfen, ob die Genehmigung durch dreiwöchiges Schweigen nach ord­ nungsmäßig gestelltem Genehmigungsantrag eingetreten ist; durch Feststellungen oder Rechtsansichten der Genehmi­ gungsbehörde ist es in dieser Hinsicht nicht gebunden. Anderseits hat aber das Gericht dann, wenn die Ver­ waltungsbehörde die Genehmigung erteilt oder verweigert hat, das diesen Bescheiden vorangegangene Verfahren nicht nachzuprüfen, ist insbesondere an den durch die Behörde bescheinigten Zeitpunkt des Eingangs eines die Frist von drei Wochen in Gang setzenden ordnungsmäßigen Geneh­ migungsantrags gebunden. Im gegebenen Fall hatte das Bezirksamt bescheinigt, daß der Genehmigungsantrag erst am 23. August gestellt worden sei. Dem stand die Verfü­ gung des Oberpräsidenten nicht entgegen; dieser hätte das Bezirksamt nicht zur Einleitung des Verfahrens an­ weisen können, wenn die Genehmigung schon als erteilt anzusehen gewesen wäre. Demnach war das Gericht bei der Prüfung des Fristablaufs an die Auffassung des Be­ zirksamts über den Beginn der Frist gebunden. Davon, daß das Bezirksamt den Tag willkürlich festgesetzt habe, konnte keine Rede sein. (V, 10. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 56—60. Vgl. Bd. 117 S. 365; Bd. 119 S. 359; Bd.121 S. 376.

11. Wasserrecht. Anschüttung. (PrALR. I, 9 §§ 225, 244, 270; II14 § 21; II16 § 8; PrStromBauVerwG. vom 20. August 1883.) Der preußische Staat ließ im Jahre 1879 einen Spreearm ausbaggern uni) den ausgehobenen Boden an der Wasserseite eines Grundstücks ablagern. Der Eigentümer des Grundstücks nahm auch das Eigentum an dem hierdurch geschaffenen Land für sich in Anspruch. Die Eigentumsklage des Staates wurde in zwei Rechts­ zügen abgewiesen. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Da beide Parteien sich als Eigentümer ansahen, handelte es sich um einen Rechtsstreit des bürgerlichen Rechts und der Rechtsweg war zulässig. Die Untergerichte hatten eine Anlandung im Sinne des preußischen Strom­ bauverwaltungsgesetzes für gegeben angenommen und die­ ses Gesetz rückwirkend angewendet. Das Reichsgericht er­ klärte, daß eine Anlandung nicht vorliege. An- oder Auf­ schüttungen, die unmittelbar durch menschliche Bodenbe­ wegung geschaffen werden, fallen nicht unter diesen Be­ griff; hierunter sind nur Änderungen des Ufers zu ver­ stehen, die ohne menschliche Nachhilfe oder infolge von Anlagen im Strombett durch allmähliche Anspülung ent­ stehen. Als künstlich geschaffenes neues Landgrundstück schied das streitige Land aus dem Bereich des öffentlichen Flusses aus, verlor die Eigenschaft einer dem Verkehr entzogenen Sache und erlangte die Befähigung, Gegenstand freien Eigentums zu sein. Da es zunächst herrenlos war, unterlag es dem Aneignungsrecht des Staates. Ob eine solche Aneignung stattgefunden hatte, war noch zu prüfen. Es bestand auch die Möglichkeit, daß der Staat dem Be­ klagten stillschweigend das Eigentum überlassen hatte; wenn der BeÜagte das behauptete, mußte er einen 44 jährigen ruhigen Besitz nachweisen. (V, 10. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 60—63. Vgl. Bd. 28 S. 209; Bd. 71 S. 63; Bd. 87 S. 26.

12. Öffentlicher Glaube des Grundbuchs. Personen­ gleichheit. (BGB. § 892.) Ein Grundstück wurde an eine Aktiengesellschaft veräußert und auf sie umgeschrieben; da ein ungenehmigter Schwarzkauf vorlag, erstritt der Ver­ käufer feine Wiedereintragung als Eigentümer. Während die Aktiengesellschaft eingetragen war, wurde das Grund­ stück mit einer Grundschuld zugunsten einer G. m. b. H. belastet; der Geschäftsführer und einzige Gesellschafter der

G. in. b. H. war zugleich Bevollmächtigter der Aktien­ gesellschaft. Er trat die Grundschuld an seinen Bruder ab. Gegen diesen klagte der Eigentümer des Grundstücks auf Löschung der Grundschuld. Das Berufungsgericht gab der Klage statt. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß bei der Bestellung der Grundschuld Gleichheit der beteiligten Personen (Aktiengesellschaft und G. m. b. H.) gegeben war, ließ sich nicht halten. Als ausschlaggebend war ange­ sehen worden, daß der Bevollmächtigte der Aktiengesell­ schaft wirtschaftlicher Beherrscher des Grundstücks war, da ihm von der Aktiengesellschaft der Auflassungsanspruch abgetreten worden war; dabei war aber unbeachtet ge­ blieben, daß für die Abtretung des Auflassungsanspruchs die behördliche Genehmigung mangelte. Diese Erstreckung eines an sich berechtigten Rechtsgedankens überschritt in der Beiseiteschiebung der bestehenden rechtlichen Gestal­ tung die zulässige Grenze. Auf der Erwerberseite bildete allerdings die formale rechtliche Verschiedenheit zwischen der G. m. b. H. und ihrem Geschäftsführer und alleinigen Gesellschafter kein Hindernis für die Ausschaltung des § 892 BGB.; für die Veräußererseite konnte aber nicht zu­ gegeben werden, daß der Bevollmächtigte der Aktiengesell­ schaft in solchem Grad wirtschaftlicher Herr des Grund­ stücks war, daß es erlaubt erschienen wäre, unter Nichtbe­ achtung des Eigentums der Aktiengesellschaft Personen­ gleichheit auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts der Grund­ schuldbestellung anzunehmen. Durch die Erteilung der Voll­ macht war die Aktiengesellschaft, von schuldrechtlicher Bin­ dung abgesehen, nicht gehindert, ihrerseits noch frei über das Grundstück zu verfügen; sie konnte sich auch auf die mangelnde Genehmigung der Abtretung des Auflassungs­ anspruchs berufen. Bei solcher Sachlage konnte die Aus­ schaltung des § 892 BGB. nicht als gerechtfertigt aner­ kannt werden. Hatte hiernach die G. m. b. H. auf Grund des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs die Grundschuld unanfechtbar erworben, so war die Klage hinfällig. (V, 10. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 64—67. Vgl. Bd. 119 S. 126; Bd. 127 S. 341.

13. Krankenkasse. Haftung für Vertrauensärzte. Mit­ verschulden. (BGB. 88 254, 276, 278, 831; RVO. §§ 1269, 1270, 1305, 1518.) Ein Arbeiter, der Mitglied einer Orts­ krankenkasse war, erkrankte außerhalb des Kassenbezirks.

Die Kasse gewährte zunächst Krankengeld und trug die Kosten der ärztlichen Behandlung, verlangte aber nach zwei Monaten, daß der Versicherte in ihren Bezirk zurück­ kehre. Er leistete Folge, erklärte aber, daß er noch nicht völlig hergestellt sei. Die Kasse wies ihn an ihren Ver­ trauensarzt zur Untersuchung; dieser erklärte ihn für ge­ sund und arbeitsfähig. Darauf stellte die Kasse ihre Lei­ stungen ein. Mehrere Wochen später erlitt der Arbeiter einen Blutsturz; es wurde eine fortgeschrittene Lungen­ erkrankung festgestellt. Durch eine Entscheidung des Ober­ versicherungsamts wurde eine Krankenhilfe auf die Dauer von 39 Wochen seit dem Beginn der ersten Erkrankung zugesprochen. Mit der Begründung, daß das Leiden sich zufolge ungenügender Behandlung wesentlich verschlechtert habe und daß völlige Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei, klagte der Arbeiter gegen die Kasse aus Schadenersatz. Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Rechtsweg war zulässig, da es sich um Schadenersatzansprüche wegen schuldhaften Ver­ haltens der Organe und Angestellten der Kasse handelte. Eine Haftung der Kasse für ein etwaiges pflichtwidriges Verhalten ihres Vertrauensarztes hatte das Berufungs­ gericht verneint, weil sie ihrer Pflicht genügt habe, in­ dem sie den Kläger dem Vertrauensarzt zur Untersuchung überwies. Bei dieser Auffassung war die besondere Stel­ lung des Vertrauensarztes nicht berücksichtigt. Sie ist von der des Kassenarztes wesentlich verschieden. Der Kassen­ arzt wird den Kassenmitgliedern zur Erfüllung der der Kasse obliegenden Fürsorgepflicht zur Verfügung gestellt; der Vertrauensarzt dagegen hat Nachuntersuchungen im Interesse der Kasse vorzunehmen, wenn Zweifel an der Notwendigkeit weiterer Behandlung bestehen. Da seine Entscheidung maßgebend ist, also die Arbeitsfähigkeit oder ihr Gegenteil verbindlich feststellt, hat er mit der Behand­ lung selbst nichts zu tun; er entscheidet nur, ob die Kasse weitere Leistungen zu bewirken hat. Der mit der Nach­ untersuchung eines Patienten beauftragte Vertrauensarzt ist daher von der Kasse zu einer Verrichtung bestellt, die ihr im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht selbst obliegt und die sie nicht ohne weiteres auf einen anderen, den Vertrauens­ arzt, abschieben kann; die Kasse haftet also nach § 831 BGB. grundsätzlich für den Schaden, den dieser Arzt dem

Patienten widerrechtlich zufügt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Kasse nicht in der Lage ist, die erforderliche Untersuchung des Patienten durch ihre Or­ gane vornehmen zu lassen, sondern sich dazu eines appro­ bierten Arztes bedienen muß. Daß der Arzt widerrechtlich handelt, wenn er die Untersuchung nicht mit der erforder­ lichen Sorgfalt vornimmt, kann nicht zweifelhaft sein. Im gegebenen Falle wußte der Arzt, welche Folge seine Be­ scheinigung über den Gesundheitszustand des Klägers ha­ ben werde; die sorgfältige Untersuchung war daher Rechts­ pflicht, ihre Unterlassung ein widerrechtliches Handeln. Die Untersuchung bezog sich nicht nur auf die Arbeitsfähig­ keit des Klägers, sondern auch auf seinen sonstigen Ge­ sundheitszustand. Arbeitsfähig ist nur der Versicherte, der ohne Gefährdung seiner Gesundheit arbeiten kann. Bei einer Nachuntersuchung durch den Vertrauensarzt kommt es nicht darauf an, ob die Krankheitserscheinungen besei­ tigt sind, die zur Krankmeldung geführt haben, sondern auch darauf, ob nicht sonstige Krankheitserscheinungen er­ kennbar geworden sind, welche die Arbeitsfähigkeit auf­ heben. Dementsprechend hatte der Vertrauensarzt beim Kläger auch eine längere Untersuchung vorgenommen; wenn er dabei oberflächlich verfuhr, handelte er wider­ rechtlich und fügte dem Kläger einen Schaden zu, soferne bei alsbaldiger Feststellung des Leidens eine Heilung oder doch eine Verhinderung weiterer Verschlechterung möglich war. Die beklagte Kasse hatte sich darauf berufen, daß sie zu einer Heilstättenbehandlung nicht verpflichtet sei. Das konnte sie nicht entlasten. Wenn das Leiden des Klägers durch den Vertrauensarzt festgestellt worden wäre, hätte der Kläger, soferne die Kasse nicht selbst seine Aufnahme in eine Lungenheilstätte angeordnet hätte, sich an die zustän­ dige Versicherungsanstalt der Invalidenversicherung wen­ den und diese zum Eingreifen veranlassen können; keines­ falls wäre anzunehmen gewesen, daß der Kläger trotz ärztlicher Bescheinigung ohne eine sein Leiden zum Still­ stand bringende ärztliche Behandlung geblieben wäre. Da das durch die Bescheinigung des Vertrauensarztes ver­ hindert wurde, lag ein ursächlicher Zusammenhang zwi­ schen dieser und dem Fortschreiten seines Leidens vor. Die Kasse konnte sich darum von der aus § 831 BGB. folgenden Haftung nur durch den Nachweis sorgfältiger

Auswahl des Vertrauensarztes befreien. Das Berufungs­ gericht führte hierüber aus, daß der Vertrauensarzt von der Kasse als gewissenhaft bezeichnet worden sei und daß gegen seine Zuverlässigkeit kein faßbarer Einwand geltend gemacht werden könne. Dabei war verkannt, daß nicht der Kläger, sondern die Kasse beweispflichtig war, daß die Eigenschaft des Vertrauensarztes als praktischer Arzt nicht genügte, um die Kasse des Beweises sorgfältiger Aus­ wahl zu überheben und daß der dem Vertrauensarzt im vorliegenden Fall gemachte Vorwurf völlig ausreichte, um Bedenken gegen seine Eignung zum Vertrauensarzt und demgemäß wohl auch gegen eine sorgfältige Auswahl zu rechtfertigen. Auf die Frage, ob die bei der Bestellung des Vertrauensarztes erforderliche Mitwirkung der Ärztever­ tretung ausreichte, um eine sorgfältige Auswahl sicher­ zustellen, ging das Reichsgericht nicht ein, da sich die Haftung der Kasse schon aus dem Gesichtspunkt der Ver­ tragsverletzung ergab. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§§ 276, 278) über die Haftung bei mangel­ hafter Vertragserfüllung und über die Haftung für das Verschulden von Erfüllungsgehilfen, finden auch auf öf­ fentlichrechtliche Vertragsverhältnisse Anwendung, soferne nicht die Besonderheit des öffentlichen Vertragsverhält­ nisses eine Ausnahme im Einzelfall rechtfertigt. Die aus­ drückliche Überweisung eines Versicherten an den Ver­ trauensarzt der Kasse zur Nachuntersuchung auf Arbeits­ fähigkeit begründet über das öffentlichrechtliche Verhältnis der allgemeinen Fürsorgepflicht hinaus eine besondere Verpflichtung bestimmten Inhalts, nämlich zu sorgfältiger, sachgemäßer Untersuchung. Es liegt ein öffentlichrecht­ liches Vertragsverhältnis vor, dessen Zweck keineswegs erreicht werden könnte, wenn man den in § 278 BGB. ent­ haltenen Rechtsgrundsatz außer Anwendung lassen wollte. Die von der Kasse angeordneten besonderen Untersuchun­ gen sind nicht reine Verwaltungsmaßregeln, sondern die­ nen der Erfüllung der der Kasse obliegenden Vertrags­ pflicht, der Fürsorge für ihre Mitglieder. Ob es sich um pflichtmäßig Versicherte oder freiwillig beigetretene Mit­ glieder handelt, ist gleichgültig. Die Kasse haftet in beiden Fällen für die Tätigkeit des Vertrauensarztes und kann sich nicht darauf berufen, daß sie bei der Auswahl des Arztes sorgfältig gehandelt habe. Die beklagte Kasse hatte

sich auch darauf berufen, daß der Kläger die Verschlimme­ rung seines Leidens selbst verschuldet habe, weil er sich nicht alsbald nach ihrer Ablehnung weiterer Hilfe ander­ weitig in ärztliche Behandlung begeben habe. Das Reichs­ gericht erklärte, daß der Kläger sich zunächst auf das Gut­ achten des Vertrauensarztes verlassen durfte. Wenn er im Vertrauen auf dieses Gutachten von weiteren Maßnahmen absah, konnte man ihm daraus keinen Vorwurf machen. (IX, 8. November 1930.) Amtl. Sammlg. S. 67—75. Vgl. Bd. 112 S. 293; Bd. 113 S. 296; Bd. 118 S. 41; Bd. 120 S. 163. 14. Reklame. Unlauterer Wettbewerb. (UnlWG. §§ 1, 3, 14; BGB. § 826.) Eine Anzahl von Kraftomnibussen in Berlin ist zum Zwecke der Reklame mit dem Wort „Chlorodont" versehen. Andere Kraftomnibusse tragen an der Stirnseite die Aufschrift „Odol", an den Längsseiten die Aufschrift „.... Ja, aber Odol ist besser." Die Re­ klamen bezogen sich auf Mundwasser, die von zwei ver­ schiedenen Gesellschaften hergestellt wurden. Die Herstelle­ rin von Chlorodont klagte gegen die Herstellerin von Odol auf Unterlassung der Reklame mit dem Satz „.... Ja, aber Odol ist besser". Sie behauptete, daß manchmal Om­ nibusse mit beiden Reklamen zusammenträfen, so daß der beanstandete Satz auf Chlorodont bezogen werde. In zwei Rechtszügen drang die Klage durch; das Reichsgericht wies sie ab. Die beanstandete Reklame war von der beklagten Gesellschaft schon früher ohne Bezug auf bestimmte Wett­ bewerbsgegner gebraucht worden. In dem Gebrauch eines Komparativs oder Superlativs in der Reklame kann eine Beschaffenheitsangabe oder ein Werturteil enthalten sein; es ist aber auch möglich, daß darin nur eine reklamehafte Übertreibung zum Ausdruck kommt. Der Verkehr hat sich daran gewöhnt, Reklamen im Superlativ als marktschreie­ rische Anpreisungen ohne tatsächlichen Hintergrund hinzu­ nehmen. Die beanstandete Reklame hatte in ihrer über­ raschenden Eindringlichkeit etwas Schlagkräftiges und fiel gerade durch ihre absonderliche Fassung auf; es war aber anzunehmen, daß das Publikum darin nichts anderes sah als eine eigentümliche Gestaltung rein formaler und per­ sönlicher Reklame und sie nicht anders bewertete als über­ treibende Superlative (Odol — das beste für die Zähne). Daran konnte auch der Umstand nichts ändern, daß viel-

leicht gelegentlich Wagen mit beiden Aufschriften zusam­ mentrafen und daß dadurch die beanstandete Reklame eine Beziehung zu Chlorodont bekam. Es war damit zu rech­ nen, daß auch der am wenigsten intelligente Teil des Straßenpublikums die beanstandete Reklame nicht als eine Angabe, eine irreführende tatsächliche Behauptung, son­ dern nur als reklamehafte Satzbildung ohne eigentlichen Wesensinhalt zweifelsfrei erkennen werde. (II, 12. De­ zember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 75—78. 15. Rheinische Goldklausel. (PrAGzBGB. Art. 25; AufwG. § 1; Code civil Art. 1156, 1162, 1602, 1654, 1895.) Im Jahre 1885 wurde in Köln ein Grundstück ver­ kauft. Der Kaufpreis von 14 000 Mark sollte in deutschen Reichsgoldmünzen gezahlt werden; er wurde gestundet und durch eine Hypothek in gleicher Höhe gesichert. Der Ver­ käufer behielt sich vor, bei Nichterfüllung der den Kauf­ preis betreffenden Verbindlichkeiten auf Auflösung des Vertrags zu klagen; auch dieses Recht wurde in das Grund­ buch eingetragen. Im Juni 1919 wurde die Schuld heim­ bezahlt; die Hypothek wurde im August 1919 gelöscht, nicht aber das Auflassungsrecht. Die Klage auf Einwilligung in die Löschung dieses Rechts drang in allen Rechtszügen durch. Ihr Erfolg hing von der Auslegung der Verein­ barung ab, daß die Schuld in deutschen Reichsgoldmünzen zahlbar sei. War die Schuld als gewöhnliche Geldschuld anzusehen, so hatte die Beklagte nichts mehr zu bean­ spruchen; war sie aber wertbeständig vereinbart, hatte sie also nicht die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand, so war sie durch die Zahlung in Papiermark nicht getilgt. Nach dem Code civil ist im Zweifel ein Vertrag gegen den auszulegen, der sich etwas ausbedungen, und zum Vorteil dessen, der eine Verbindlichkeit übernommen hat; zweideutige Kaufverträge sind gegen den Verkäufer auszulegen. Der Kaufvertrag sagte nur, daß der Kauf­ preis in Reichsgoldmünzen zu zahlen sei, nicht aber, wie es gehalten werden sollte, wenn die Zahlung in Reichs­ goldmünzen nicht ausführbar war oder wenn die Verein­ barung dieser Zahlungsart für unverbindlich erklärt wurde. Die Beklagte hatte behauptet, daß in Köln und im ganzen Rheinland eine für ihr Verhalten sprechende Verkehrssitte bestehe. Hierüber hatte das Berufungsgericht Beweis erhoben, war aber nicht zu der Überzeugung ge-

langt, daß die Vereinbarung in der Zeit, da sie getroffen wurde, regelmäßig im Sinne der Beklagten verstanden wurde. Daß die Klausel in den Vertrag ausgenommen wurde, obwohl damals für anderes als Währungsgeld kein Annahmezwang bestand, ließ sich damit erklären, daß auch sonst erfahrungsgemäß oft vertraglich nochmal festgelegt wird, was im Gesetz schon bestimmt ist, besonders in For­ mularverträgen; übrigens mußten zu der Zeit, da der Vertrag geschlossen wurde, auch Taler noch für drei Mark in Zahlung genommen werden. Einen Nachweis dafür, daß die rheinische Goldklausel anders als im Sinn einer Goldmünzklausel auszulegen war, hatte die Beklagte nicht erbracht. (VI, 15. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 78—86. Vgl. Bd. 50 S. 145; Bd. 103 S. 384; Bd. 107 S. 400; Bd. 121 S. 112. 16. Verzicht auf Ruhegehalt. (RBeamtG. § 100) Die vermögensrechtlichen Ansprüche der Beamten auf Zahlung ihres Gehalts, Wartegelds oder Ruhegehalts gehören dem öffentlichen Recht an. Daraus folgt, daß die privatrecht­ lichen Vorschriften, nach denen man über vermögensrecht­ liche Ansprüche grundsätzlich frei verfügen kann, auf sie nicht ohne weiteres Anwendung finden können, weil hier wichtige öffentliche Belange in Frage stehen. Ob ein Ver­ zicht auf solche Ansprüche rechtswirksam ausgesprochen wer­ den kann oder nicht, wurde nicht entschieden; überwiegend wird die Frage für den Fall bejaht, daß der Beamte nicht diesen Verzicht für sich allein ausspricht, sondern auf seine Beamtenstellung überhaupt verzichtet. In dieser Hinsicht besteht ein allgemeines Gewohnheitsrecht, daß der Be­ amte jederzeit seine Entlassung fordern kann, wenn er auf Titel, Rang, Gehalt und Pensionsansprüche verzichtet und seine Amtsgeschäfte vollständig erledigt hat. Das er­ gibt sich aus der Notwendigkeit, einen Beamten, der seiner Stellung seine ganze Persönlichkeit widmen soll, nicht länger gegen seinen Willen in einem Amte zu halten, das er nicht mehr bekleiden will. (III, 16. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 87—88. Vgl. Bd. 96 S. 302.

17. Roggenhypothek. Teilabtretung. (BGB. §§ 952, 985,1151; RG. über wertbeständige Hypotheken § 1.) Bon einer Hypothek über den Preis von 10000 Zentnern Rog-

gen wurde ein Teil im Werte von 40000 Reichsmark abgetreten. Der Erwerber trat den Teilbetrag an eine Aktiengesellschaft ab, die ihm dafür Geld vermitteln sollte; diese erhielt das Geld von einer G. m. b. Sgv der sie den Teilbetrag weiter abtrat und den Hypotheken­ brief übergab. Die Aktiengesellschaft unterschlug das Geld. Der Gläubiger der Roggenhypothek klagte nun gegen die G. m. b. H. auf Herausgabe des Hypothekenbriefes. In zwei Rechtszügen wurde die Klage abgewiesen. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Die Abtretung eines Teils der Hypothek war nicht schon deshalb unzulässig, weil der abgetretene Teil je nach dem Stand des Roggen­ preises jeweils einen anderen Bruchteil des Ganzen ergab. Dem Begriff des Teiles widerstreitet es nicht, ein Ganzes von beweglichem Wert in zwei Stücke zu spalten, deren eines einen bestimmten Festwert hat, während das andere sich auf den jeweils verbleibenden Rest beschränkt, wobei es allerdings im ungünstigsten Fall auf den Wert Null heruntersinken kann. Notwendig ist aber, daß der abge­ trennte Teil in sich selbständig ist und seinen eigenen Weg unabhängig von dem Stammrecht gehen kann. Daran fehlte es im vorliegenden Fall. Ob der abgetretene Teil den Betrag von 40000 Reichsmark erreichte, konnte je­ weils nur nach Feststellung des maßgebenden Roggen­ preises errechnet werden; der abgetretene Teilbetrag konnte also niemals völlig losgelöst von dem Stammrecht be­ stehen. Der Teilabtretung hatte auch der Grundstückeigen­ tümer nicht zugestimmt. Seine Zustimmung war nötig, weil die Teilung in seine Rechtslage eingriff. Diese ge­ staltete sich verschieden, wenn eine Zahlung auf die un­ geminderte Roggenhypothek oder auf den abgezweigten Teilbetrag geleistet wurde. Erfolgte die Zahlung auf das Stammrecht, so erwarb der Eigentümer eine auf Roggen­ preis lautende Eigentümergrundschuld, erfolgte sie dageauf den abgezweigten Teilbetrag, so entstand für ihn eine feststehende, auf Reichsmark lautende Eigentümergrund­ schuld und er ging des Vorteils verlustig, daß sich der Wert seiner Eigentümergrundschuld bei steigendem Roggen­ preis erweiterte. Hiernach war der Kläger trotz der Teil­ abtretung noch Gläubiger der vollen Roggenhypothek und somit Eigentümer des Hypothekenbriefes. Seinem Her­ ausgabeanspruch hatte die Bettagte den Einwand ent-

gegengesetzt, daß ihr ein Recht zum Besitz zustehe. Dieser Einwand war an sich begründet, denn der Kläger war mit der Weitergabe des Briefes an einen zu seiner Beleihung bereiten Gläubiger einverstanden gewesen; der Kläger hatte aber behauptet, er habe sich mündlich die Zustimmung zu der Beleihung Vorbehalten. Wenn das zutraf, konnte die beklagte Gesellschaft sich dem Kläger gegenüber nicht dar­ auf berufen, von der Aktiengesellschaft ein Recht aus den Besitz des Hypothekenbriefes erlangt zu haben. (V, 17. De­ zember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 88—92.

18. Gesellschaft. Auseinandersetzung. Geschäftsgrundlage. Aufwertung. Verwirkung. (BGB. §§ 119, 123, 242.) Eine offene Handelsgesellschaft, die aus zwei Gesell­ schaftern bestand, wurde im Jahre 1921 aufgelöst. Zum Gesellschaftsvermögen gehörte ein Grundstück und eine Schuldverschreibung einer Stadt. Die Teilung wurde in der Weise vorgenommen, daß der eine Gesellschafter die Schuldverschreibung, der andere das Grundstück übernahm und der erste dem zweiten zum Ausgleich noch einen Bar­ betrag auszahlte. Der erste Gesellschafter focht die Aus­ einandersetzung an, weil sein Anteil viel geringer im Werte geworden sei als jener des anderen Gesellschafters; er klagte auf Vornahme einer neuen Auseinandersetzung, hilfsweise auf Zahlung eines nach freiem richterlichem Er­ messen aufzuwertenden Auseinandersetzungsguthabens. In zwei Rechtszügen wurde die Klage abgewiesen. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Das Berufungsgericht hatte angenommen, daß beide Parteien gleiche Teile hatten erhalten sollen und auch erhalten hätten, da zur Zeit der Auseinandersetzung beide Teile gleichwertig ge­ wesen seien. Das wurde vom Reichsgericht nicht ge­ billigt. Das Verlangen auf Vornahme einer neuen Aus­ einandersetzung war allerdings ungerechtfertigt; mit ihm verfolgte der Kläger nicht einen ihm auf Grund der Aus­ einandersetzung zukommenden Leistungsanspruch, sondern den Anspruch auf die Auseinandersetzung selbst, den er, nachdem einmal die Teilung erfolgt war, nicht deshalb erneuern konnte, weil dabei die Geldentwertung nicht be­ rücksichtigt worden war. Wohl aber stand dem Kläger für den Fall fehlerhafter Teilung ein Ausgleichsanspruch zu, ein Anspruch auf Zahlung des ihm nach Berichtigung des Teilungsplans auf Grund einer anderen Bewertung der

Vermögensstücke gebührenden Betrags. Bei der Ausein­ andersetzung waren die einzelnen Vermögensstücke in Pa­ piermark umgerechnet worden, ohne daß ihr innerer Wert berücksichtigt -wurde. Bei verständiger Würdigung der Sachlage wäre die Einigung der Parteien nicht so erfolgt und der Beklagte konnte sich auf die an sich sicher gewollte Endgültigkeit der Auseinandersetzung nicht berufen, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen. Eine Bereicherung des einen Gesellschafters auf Kosten des anderen sollte gerade durch die Halbierung der Vermögensmasse aus­ geschlossen werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Bewertung der Vermögensstücke in Papiermark sich auf ungefähr die gleichen Zeiten gründe und daß daher die eingestellten Zahlen auch denselben inneren Wert darstellten, beruhte auf einer Verkennung der Wesens­ verschiedenheit der zugeteilten Gegenstände. Die Schuld­ verschreibung lautete auf inländisches Geld, das der Ge­ fahr des Wertverfalls in stärkstem Maße ausgesetzt war; die Grundstücke standen zur Zeit der Auseinandersetzung niedrig im Wert, hoben sich aber in der Folgezeit. Darnach war das von den Parteien zur Ermittlung ihres An­ teils eingeschlagene Verfahren grundsätzlich falsch, indem es die Schuldverschreibung und das Grundstück gleichmäßig nach dem damaligen Verkehrswert in Papiermark an­ setzte. Deswegen brauchte das Ergebnis der Teilung nicht notwendig falsch zu sein; doch konnte man zu einer Ent­ scheidung nur gelangen nach Prüfung der damaligen inne­ ren Werte der verteilten Vermögensstücke. Bei der Schuld­ verschreibung war zu prüfen, welchen Geldwert sie zur Zeit der Auseinandersetzung hatte, ob sie umsetzbar war und darnach dem Kläger ermöglichte, sich Barmittel zu verschaffen, die den damaligen Wert des Grundstücks überwogen. Wegen des Grundstücks war zu berücksichtigen, daß solche zu jener Zeit außerordentlich niedrig bewertet wurden. Erst hienach ließ sich feststellen, ob die vom Kläger behauptete, für die Gegenwart offenbar gegebene Unbilligkeit auch schon für die Zeit der Auseinander­ setzung als vorhanden anzunehmen war. Die seit der Tei­ lung verstrichene lange Zeit stand einer Nachprüfung des Abkommens nicht entgegen, da es sich nicht um ein Ge­ schäft des täglichen Lebens, sondern um eine für beide Teile lebenswichtige Vereinbarung handelte; auch der Um-

stand, daß das Abkommen schon erfüllt war, machte nichts aus, wohl aber war zu berücksichtigen, daß der Beklagte dem Klageanspruch wegen verspäteter Geltendmachung den Einwand der Verwirkung entgegengesetzt hatte. Alles das bedurfte noch der Prüfung. (II, 19. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 92—96. Vgl. Bd. 103 S. 329; Bd. 112 S. 329; Bd. 115 S. 201; Bd. 122 S. 200. 19. Grundstücksverkehr. Nachträgliche Genehmigung.

(BGB. 88 184, 873, 891; PrGrBerkG. § 1.) Im November 1922 verkaufte P. ein Grundstück in Berlin an A. Der Kaufpreis wurde unrichtig beurkundet. Die Auflassung wurde in den Vertrag mit ausgenommen. A. wurde am 5. Mai 1923 als Eigentümer eingetragen, ohne daß sein Erwerb behördlich genehmigt worden war. Am 14. Ja­ nuar 1927 bot A. das Grundstück U. zum Kauf an und bewilligte und beantragte gleichzeitig die Eintragung einer Vormerkung für diesen zur Erhaltung des Rechts auf Auf­ lassung und einer Grundschuld für sich selbst. Die Vor­ merkung und die Grundschuld wurden am 5. März 1927 eingetragen. Am 9. Juli 1928 nahm U. das Angebot an. Inzwischen war P. mit Ansprüchen auf das Grundstück gegen A. vorgegangen. Er hatte zunächst die Eintragung von Widersprüchen gegen das Eigentum des A. und die Grundschuld erwirkt, weil A. mangels behördlicher Ge­ nehmigung das Eigentum nicht erworben habe; dieje Widersprüche waren im September und Oktober 1927 ein­ getragen worden. Durch ein Versäumnisurteil war A. ver­ urteilt worden, die Berichtigung des Grundbuchs auf P. als Eigentümer zu bewilligen, das Grundstück an ihn herauszugeben, die Grundschuld an ihn abzutreten und ihm den Brief herauszugeben. Auf Grund dieses Urteils wurde P. am 15. November 1928 wieder als Eigentümer eingetragen; der Grundschuldbrief, der sich damals noch beim Notar befand, wurde hinterlegt. P. klagte nun gegen U. auf Einwilligung in die Löschung der Vormerkung und in die Herausgabe des Grundschuldbriefs. Das Landge­ richt gab der Klage statt. Während der Rechtsstreit in der Berufung anhängig war, wurde die behördliche Ge­ nehmigung zu der Auflassung vom November 1922 er­ teilt. Daraufhin wies das Kammergericht die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der Kläger stützte

seine Ansprüche auf das Eigentum am Grundstück, für das zu feinen Gunsten seine Eintragung im Grundbuch sprach. Die Entscheidung des Rechtsstreits hing vor allem davon ab, welche Rechtswirkung die nachträglich erteilte Genehnehmigung auf die Eigentumsverhältnisse am Grundstück hatte. Durch sie wurde die Auflassung vom November 1922 von der ihr bis dahin anhaftenden schwebenden Unwirksamkeit befreit und rückwirkend voll wirksam ge­ macht. Fraglich war nur, ob das Grundstückseigentum^ ohne daß es einer wiederholten Eigentumsumschreibung bedurfte, schon mit der Eintragung vom 5. Mai 1923 auf A. übergegangen war, so daß durch die auf Grund des Versäumnisurteils vorgenommene Wiedereintragung des Klägers am 15. November 1928 das Grundbuch unrich­ tig geworden war und A. sich im Wege der Rückberich­ tigung als Eigentümer eintragen lassen konnte. Das Berufungsgericht hatte die Frage bejaht; das Reichsge­ richt verneinte sie. Zur rechtsgeschäftlichen Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gehören zwei Dinge: wirksame Auflassung und wirksame Eintragung des Er­ werbers. Beide Erfordernisse müssen zeitlich Zusammen­ treffen und gleichzeitig vorhanden sein, wenn der Er­ werber Eigentümer werden soll. Fällt die zunächst erklärte Auflassung vor der Eintragung wieder fort, so macht die Eintragung den Erwerber nicht zum Eigentümer. Fällt die Eintragung des Erwerbers durch Grundbuchberich­ tigung fort, ehe eine wirksame Auflassung vorliegt, so kann der ehemals eingetragene Erwerber nur auf Grund einer neuen, nicht mehr auf Grund der aus dem Grund­ buch beseitigten Eintragung Eigentümer werden, auch wenn nachträglich eine rechtswirksame Auflassung erfolgt. Das gilt auch bei der rückwirkenden Genehmigung der Auflassung. Diese Genehmigung konnte weder daran et­ was ändern, daß bis zu ihrer Erteilung eine wirksame Auflassung fehlte, das Grundbuch seit der Eintragung des Erwerbers unrichtig war und zu Recht auf den Ver­ äußerer berichtigt wurde, noch konnte sie die Tatsache aus der Welt schaffen, daß bei ihrer Erteilung die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch fehlte, also niemals eine wirksame Auflassung und eine wirksame Eintragung gleich­ zeitig vorhanden waren. Wie alle gesetzlichen Fiktionen darf auch die Fiktion der Rückwirkung nicht überspannt

werden. Sie muß §alt machen vor Tatsachen, auf die sie sich nach ihrer begrenzten gesetzlichen Wirksamkeit nicht erstreckt und die sie darum auch nicht eliminieren kann. Eine solche Tatsache war hier die Beseitigung der Ein­ tragung des Erwerbers im Grundbuch. Es ging nicht an zu sagen, mit der Genehmigung vom 3. Juli 1929 sei nicht nur die Auflassung vom November 1922 von Anfang an gültig geworden, sondern auch die am 15. No­ vember 1928 beseitigte Eintragung des A. vom 5. Mai 1923 sei noch vorhanden gewesen und habe im Verein mit der geheilten Auflassung das ihm bis zum 3. Juli 1929 unstreitig fehlende Eigentum mit Rückwirkung auf den 5. Mai 1923 verschafft. Durch die Genehmigung vom 3. Juli 1929 war zwar die Auflassung vom 23. November 1922 rückwirkend geheilt worden; zum Eigentumserwerb des A. fehlte es aber an einer mit dieser wirksam ge­ wordenen Auflassung zeitlich zusammenfallenden Eintra­ gung. Somit war der Kläger nicht nur buchmäßiger, sondern wahrer Eigentümer des Grundstücks geblieben. (V, 20. Dezember 1931.) Amtl. Sammlg. S. 97—101. Vgl. Bd. 123 S. 327; Bd. 125 S. 53. 20. Werksparkasse. Aufwertung. (AufwG. §§ 63, 64; DurchfVOzAufwG. vom 8. Juli 1926 Art. 14, 18.) Bei einer Fabrik war eine Werksparkasse eingerichtet. Der Diener des Fabrikeigentümers legte dort auf Veranlas­ sung seines Dienstherrn seine Ersparnisse an. Er tat das auch, nachdem die Fabrik in eine Aktiengesellschaft über­ gegangen war. Nach Erlaß des Aufwertungsgesetzes stellte die Aktiengesellschaft Antrag auf Aufwertungsentscheidung. An dem Verfahren beteiligten sich nur wenige Sparer. Zwischen diesen und der Aktiengesellschaft wurde ein Ver­ gleich geschlossen, wonach die Sparguthaben auf 8Oo/o des Goldmarkbetrags aufgewertet wurden. Der Diener des früheren Eigentümers hatte an dem Vergleich nicht teil­ genommen, verlangte aber dementsprechende Aufwertung seines Guthabens. Seine Klage drang in allen Rechts­ zügen durch. Der Vergleich war von der Spruchstelle für allgemein verbindlich erklärt worden. Damit stand allerdings noch nicht fest, daß er auch für den Kläger wirksam war; die Spruchstelle hatte nur darüber zu ent­ scheiden, ob die Kasse als Werksparkasse zu gelten hatte, wieweit ihre Mittel aus freiwilligen Zuwendungen des

Arbeitgebers herrührten, ob sie ihr Vermögen gesondert verwaltet und angelegt hat, wie hoch die Aufwertung zu bestimmen war und wie die Guthaben fällig werden soll­ ten. In den Rahmen dieser Zuständigkeit fiel die Be­ stimmung des Personenkreises der Kassengläubiger nicht, wenn auch die Spruchstelle, um über die Eigenschaft der Kasse als Werksparkasse und den Aufwertungssatz sach­ gemäß zu entscheiden, sich ein Bild von der Zahl der Beteiligten und der Höhe ihrer Guthaben machen mußte. Die Frage, ob auch der Kläger an der Werksparkassenauf­ wertung teilnahm, war also vom Gericht zu entscheiden, zumal die beklagte Aktiengesellschaft die Haftung nur für die Werksparkassenaufwertung übernommen hatte. Die Einlagen solcher Sparkassen haben fast überall dazu ge­ dient, in den gewerblichen Betrieben als Kapital zu ar­ beiten oder Sachwerte zu beschaffen; daneben war auch ihr sozialer Charakter von Bedeutung. Es lag in der Na­ tur der Sache, daß sich solche Spareinrichtungen nicht streng an die Betriebszugehörigkeit der Sparer banden. Einlagen der Familienangehörigen der Arbeiter wurden regelmäßig ebenso angenommen wie solche der Arbeiter selbst und konnten dann auch nicht anders behandelt wer­ den. Der Gesetzgeber wollte nicht unmittelbar die Ar­ beiter begünstigen, sondern den Kreis der Sparer bei den Werksparkassen, der sich nach der Einrichtung solcher Kassen ungefähr und wenigstens sozial (aber nicht aus­ nahmslos) mit dem Kreis der Sparer aus den Beleg­ schaften deckte. Die soziale Stufe des Klägers war un­ gefähr jene der Arbeiterschaft; demnach gehörte er zu den Sparern, denen das Gesetz die Sonderstellung zu­ weisen wollte. (VIII, 22. Dezember 1930.) Amtl. Sammlg. S. 101—107. Vgl. Bd. 114 S. 86; Bd. 115 S. 145. 21. Prozeßfrist. Prozetzaebühr. Armenrecht. (ZPO. §§ 222, 519.) Gegen eine ore Klage abweisendes Urteil wurde Berufung eingelegt. Der Klägerin wurde zum Nach­ weis der Einzahlung der Prozeßgebühr eine Frist bis zum 1. Juni 1930 bestimmt. Am 23. Mai reichte sie ein Gesuch um Bewilligung des Armenrechts ein; dieses wurde abgelehnt. Der Beschluß wurde ihr am 11. Juni zugestellt. Am 7. Juli zahlte sie die Gebühr ein. Das Kammergericht verwarf die Berufung als unzulässig. Die RTC. Zivilsachen Dd. 131.

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Revision hatte keinen Erfolg. Durch die rechtzeitige Ein­ reichung eines Armenrechtsgesuchs wird der Lauf der Frist bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung des auf das Gesuch ergehenden Beschlusses gehemmt. In­ folge der Hemmung kommt der urspünglich bestimmte Tag des Ablaufs nur noch zur Errechnung des neu zu be­ stimmenden Ablauftags in Betracht. Die Vorschrift, daß eine Frist nicht an einem Sonntag oder allgemeinen Feier­ tag endet, kommt nicht zur Anwendung, wenn der ur­ sprünglich bestimmte Ablauftag auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag fällt, sondern nur, wenn das für den infolge der Hemmung sich errechnenden Ablauftag zu­ trifft. Diese Auffassung entspricht dem Zweck der Vor­ schrift, die nur eine Hinausrückung des Fristablaufs für den Fall vorsehen will, daß der letzte Tag der Frist infolge der gesetzlichen Feiertagsruhe nicht zur Vornahme der an die Frist gebundenen Handlung ausgenützt wer­ den kann. Das Berufungsgericht hatte angenommen, daß der zur Zeit der Einreichung des Armenrechtsgesuchs noch übrige Fristteil 9 Tage oder bei Mitzählung des Tages der Einreichung 10 Tage betragen habe, die Frist somit äußersten Falls 14 -j- 10 Tage nach dem 11. Juni, also am 5. Juli abgelaufen sei. Die Klägerin hatte dagegen ausgeführt, daß die ihr gesetzte Frist, da der 1. Juni ein Sonntag war, am 2. Juni geendigt habe; somit sei die Frist infolge der durch das Armenrechtsgesuch verursachen­ den Hemmung nicht 14 -s- 10, sondern 14 -s- 11 Tage nach dem 11. Juni, also am 6. Juli und, da dieser Tag wieder ein Sonntag war, am 7. Juli abgelaufen. Das Reichsgericht erklärte die Berechnung des Kammergerichts als zutreffend. (VII, 2.Jan.1931.) Amtl.Sammig.S.107-108. 22. Berufungsverfahren. Versäumnisurteil. (ZPO. § 542.) In einem Rechtsstreit um Anteil an einer Pro­ vision wurde der Klage stattgegeben. Der Beklagte legte Berufung ein. Im Verhandlungstermin vor dem Beru­ fungsgericht blieb der Kläger aus. Die Berufung wurde durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Da es sich um ein un­ echtes Bersäumnisurteil handelte, war die Revision zu­ lässig. Wird gegen den im Termin nicht erschienenen Berufungsbeklagten ein Versäumnis urteil beantragt, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Berufungs-

klägers für zugestanden zu erachten, soweit es der nicht­ erschienenen Partei rechtzeitig durch Schriftsatz mitgeteilt war und soweit ihm das festgestellte Sachverhältnis nicht entgegensteht. Festgestellte Sachverhältnisse sind die im Tatbestand des ersten Urteils festgestellten Behauptun­ gen und Erklärungen der Partei sowie die aufgenommenen Beweise. Das Landgericht hatte angenommen, daß zwi­ schen den Parteien ein Gesellschaftsvertrag geschlossen wor­ den sei. Der Berufungskläger hatte dagegen vorgebracht, daß nicht über alle Punkte eine Einigung zustandegekommen sei. Eine solche Behauptung war in den Schrift­ sätzen des Berufungsklägers nicht enthalten; demzufolge hätte das Berufungsgericht sie auch nicht als zugestanden ansehen können, wenn es sich um eine tatsächliche Be­ hauptung gehandelt hätte; das Vorbringen war aber nur als Rechtsausführung zum Briefwechsel und zu den Zeu­ genaussagen anzusehen. In der Berufungsbegründung war mit Anerbieten von Zeugenbeweis neu vorgetragen, daß Zeugen, auf deren Aussagen sich das Urteil des Landgerichts stützte, an dem Ausgang des Rechtsstreits nicht unbeteiligt seien. Das Berufungsgericht hatte unter­ stellt, daß die benannten Zeugen die vom Berufungskläger behaupteten Tatsachen bestätigt haben würden; es hatte aber ausgeführt, daraus könne nicht geschlossen werden, daß die beschworenen Aussagen der anderen Zeugen un­ richtig seien, zumal diese Aussagen auch durch eine Reihe weiterer Beweise gestützt würden. Hierin lag keine Pro­ zeßrechtsverletzung, auf der das Urteil beruhen konnte. Die Rüge war auch nicht mehr zulässig; es handelte sich um die Verletzung einer Verfahrensvorschrift und hiesür gilt die Vorschrift, daß schon die schriftliche Revisions­ begründung die Bezeichnung der Tatsachen enthalten muß, die den Mangel ergeben. (II, 2. Januar 1931.) Amtl. Sammlg. S. 109—113. Vgl. Bd. 95 S. 137.

23. Heimstätte. Konkurs. Feststellungsklage.

(R.-

HeimstG. §§ 11, 20; KO. §§ 1, 3, 14, 43; ZPO. §§ 256, 766.) über das Vermögen des Besitzers einer Reichsheim­ stätte wurde das Konkursverfahren eröffnet. Er klagte auf Feststellung, daß die Heimstätte nicht zur Konkurs­ masse gehöre. Das Landgericht wies die Klage ab; das Reichsgericht gab ihr statt. Die Zulässigkeit der Fest3*

stellungsklage war auch vom Landgericht bejaht worden; der Kläger wollte nicht nur Erinnerungen gegen das Zwangsvollstreckungsverfahren erheben, sondern alle künf­ tig möglichen Versuche ausschließen, die Heimstätte zu­ gunsten der Konkursgläubiger zu verwerten. Die Klage war deshalb zuzulassen, ohne daß geprüft zu werden brauchte, unter welchen Voraussetzungen sich der Gemein­ schuldner gegen die Besitznahme eines nicht zur Konkurs­ masse gehörigen Gegenstandes durch den Konkursverwal­ ter mit der Klage wenden kann. Die Konkursmasse um­ faßt das gesamte, einer Zwangsvollstreckung unterliegende Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröff­ nung des Verfahrens gehört. Die Zwangsvollstreckung in eine Heimstätte wegen einer persönlichen Schuld des Heimstätters ist unzulässig; zur Verwirklichung dinglicher Belastungen dagegen ist sie nicht untersagt. Insoweit hat man sich damit begnügt, durch Einschränkung der Be­ lastungen sowie durch Ausgestaltung des Heimfalls- und Vorkaufsrechts des Ausgebers tunlichst zu verhüten, daß sich dazu Anlaß ergibt. Diese rechtliche Möglich-keit hat für das Konkursverfahren keine Bedeutung, weil dieses nur zur Befriedigung der persönlichen Gläubiger des Ge­ meinschuldners dient. In zwei Fällen erlaubt das Reichs­ heimstättengesetz auch persönlichen Gläubigern den Zu­ griff: einmal darf wegen einer Schuld, die schon beim Erwerb der Heimstätte bestanden hat, bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Erwerb die Zwangsvollstreckung durch Eintragung einer Sicherungshypothek und, wenn die Schuld fünf Jahre nach der Eintragung dieser Hy­ pothek noch nicht getilgt ist, die Zwangsversteigerung be­ antragt werden; außerdem bleiben die Vorschriften über die Beitreibung öffentlicher Abgaben unberührt. Die erste Ausnahme ist getroffen, um die alten Gläubiger des Heim­ stätters nicht ganz von dem darin angelegten Vermö­ genswert auszuschließen; sie müssen ihre Rechte in be­ stimmter Frist wahren und sich während einer langen Schonfrist, die dem Schuldner die Erhaltung der Heim­ stätte ermöglichen soll, mit einer Sicherheit begnügen. Auch die zweite Ausnahme kann nur schonend stattfin­ den; nach der Reichsabgabenordnung ist die Zwangsver­ steigerung und Zwangsverwaltung in eine von dem Schuldner bewohnte Kleinsiedlung, also auch in eine Heim-

stätte, wenn der Heimstätter ein Inländer ist, nur mit dessen Einwilligung zulässig (§ 345 RAbgO.). Das Kon­ kursverfahren, das zur gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger dient, ergreift aber nur das durch Einzel­ vollstreckung allen Gläubigern zugängliche Vermögen. § 11 RHeimstG. sieht allerdings eine Veräußerung der Heim­ stätte durch den Konkursverwalter vor; doch kann diese Bestimmung, die vielleicht nur auf ein Redaktionsver­ sehen zurückzuführen ist, nicht dahin ausgelegt werden, daß sie den im § 20 RHeimstG. klar ausgesprochenen Aus­ schluß der Zwangsvollstreckung durchbricht, zumal wenn man den Zweck des Reichsheimstättengesetzes würdigt. Der Heimstätter steht mit Bezug auf die Verfügung und die Verwertung der Heimstätte hinter dem gewöhnlichen Grundeigentümer zurück; aber dafür soll ihre Nutzung ihm und den ©einigen eine gegen die Wechselfälle des Lebens gesicherte Heimat bieten und dadurch die Grund­ lage eines gesunden Familienlebens gewähren. Deshalb wird die Heimstätte nach dem Grundgedanken des Heim­ stättenrechts nicht nur gegen den Heimstätter selbst, son­ dern mit unerläßlichen Ausnahmen auch gegen seine Gläu­ biger geschützt. Der sozialpolitische Gedanke, der damit verwirklicht werden soll, richtet sich nicht nur gegen die Einzelvollstreckung, sondern muß sich erst recht bewähren, wenn die Not des Heimstätters am größten wird und es zum Konkursverfahren kommt. Anders aufgefaßt würde die gesetzliche Regelung die persönlichen Gläubiger gerade veranlassen, das Verbot der Einzelvollstreckung durch den Konkursantrag gegenstandslos zu machen. (V, 3. Januar 1931.) Amtl. Sammlg. S. 113—118. Vgl. Bd. 37 S. 398.

24. Zusammenstoß von Kraftfahrzeugen. Übungsfahrt, überholen. Mitverschulden. Entlastungsbeweis. Fest­ stellungsklage. Tatbestand. Bezugnahme. (BGB. §§ 254, 276, 823; KFG. §§ 7, 9, 17; KFVO. §§ 18, 19; ZPO. §§ 256, 313.) Auf einer Landstraße stieß ein Kraftwagen mit einem Kraftrad, das er überholen wollte, zusammen. Der Kraftwagen hatte eine Geschwindigkeit von 80 Kilo­ metern, das Kraftrad eine solche von 20 Kilometern. Der Fahrer des Kraftrades wollte in einen links von der Straße abzweigenden Feldweg einbiegen. Er hatte kurz zuvor sich nach dem Kraftwagen umgesehen, der etwa 150

Meter von ihm entfernt war; ein Hupenzeichen hatte der Kraftwagen nicht gegeben. Durch den Zusammenstoß wurden die beiden Fahrer schwer verletzt; auch die Fahr­ zeuge wurden beschädigt. Der Fahrer des Kraftwagens klagte auf Schadenersatz; der Fahrer des Kraftrads erhob eine Widerklage mit dem gleichen Anspruch. Das Beru­ fungsgericht erklärte den Klageanspruch in voller Höhe, auch soweit nur Feststellung verlangt war, für gerecht­ fertigt und wies die Widerklage ab. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Die Revision erhob zunächst die Verfahrensrüge, daß nach dem Tatbestand des ange­ fochtenen Urteils bestimmte Strafakten Gegenstand der Verhandlung gewesen seien, ohne daß angegeben war, welche Bestandteile dieser Akten vorgetragen worden waren. Diese Rüge war an sich begründet, weil der Tatbestand, auch soweit er eine Bezugnahme enthielt, Klarheit über das schassen muß, was in Wirklichkeit Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist; zur Aufhebung des Urteils könnte eine solche Rüge aber nur dann führen, wenn sie in Beziehung zu einem bestimmten Prozeßvor­ gang gesetzt, wenn insbesondere die prozeßwidrige Erledi­ gung oder Übergehung von Beweisanträgen gerügt oder Ungewißheit über das Parteivorbringen geltend gemacht würde. In dieser Hinsicht hatte die Revision nichts vor­ gebracht. Sie war aber als sachlich begründet anzuerken­ nen. Der Kläger handelte in besonders grober Weise fahr­ lässig, verstieß auch schon gegen § 18 KFVO., wenn er mit der ungeheuren Geschwindigkeit von 80 Kilometern den Beklagten überholen wollte. Beim Überholen eines an­ deren Fahrzeugs muß der Kraftwagenführer schon unter Berücksichtigung der allgemein im Verkehr erforderlichen Sorgfalt besondere Vorsicht beachten; in einer früheren Entscheidung ist ausgesprochen, daß der Kraftwagenfuhrer mit Rücksicht auf zwei vor ihm Hersahrende Radfahrer eine so mäßige Geschwindigkeit hätte einhalten müssen, daß er seinen Wagen jederzeit hätte zum Stehen bringen können, falls die Radfahrer aus irgendwelchen Gründen zum An­ halten gezwungen waren oder in eine Seitenstraße ein­ biegen wollten. Das Berufungsgericht hatte das Ver­ halten des Klägers deshalb für gerechtfertigt angesehen, weil der Beklagte nach ihm umgesehen, aber kein Zeichen gegeben hatte, daß er vom Weg abbiegen wollte; der Feld-

weg sei für den Kläger nicht sichtbar gewesen. In diesen Ausführungen fand das Reichsgericht eine völlige Verkennung der Sachlage. Bei der Geschwindigkeit, die der Kläger einhielt, erreichte er den Beklagte in etwa 5—6 Sekunden. Es war nicht zu ersehen, wie der Kläger sich in diesem ganz geringen Zeitraum ein irgendwie sicheres Bild da­ von machen konnte, wie sich der Beklagte verhalten würde. Auch das Übersehen der Wegekreuzung war wohl wesentlich auf die übermäßige Geschwindigkeit zurückzuführen, die der Kläger anwenden zu dürfen glaubte. Mochte er darauf nicht zu achten haben, so lange auf der Strecke keine Men­ schen verkehrten, deren Leben in Gefahr geraten konnte: davon, daß er auf Kreuzungswege auch dann nicht zu achten brauchte, wenn er im Begriff war, einen Kraftrad­ fahrer zu überholen, konnte keine Rede sein. Der Kläger hatte auch kein Hupenzeichen gegeben, ehe er den Be­ sagten überholte. Dieses Zeichen war nicht dadurch über­ flüssig geworden, daß der Beklagte einige Sekunden vor dem Zusammenstoß sich umgesehen hatte; wenn es über­ haupt einen Zweck haben sollte, hätte es früher gegeben werden müssen und wenn es in diesem Fall toegeu der großen Entfernung nicht wirksam gewesen wäre, hätte sich daraus ergeben, daß die Fahrgeschwindigkeit zu groß war. Die Feststellung des Berufungsgerichts, es spreche nichts dafür, daß der Kläger mit der Handhabung seines Wagens nicht vollkommen vertraut gewesen sei, konnte nur für die Begründung der Widerklage aus unerlaubter Handlung, nicht aber aus dem Kraftfahrzeuggesetz in Betracht kom­ men, da dieses dem Krastwagenführer die Pflicht zur Ent­ lastung in vollem Umfang zuschiebt. Das Berufungsge­ richt hatte aber in dieser Hinsicht den Streitstoff nicht er­ schöpfend gewürdigt. In den beigezogenen Strafakten war eine polizeiliche Auskunft enthalten, daß der Kläger kein Rennfahrer sei und sich zu einem solchen auch nicht eigne, da ihm an der rechten Hand vier Finger fehlten. Auf Grund dieser Auskunft hatte der mit der Sache befaßte Einzelrichter des Berufungsgerichts Nachforschungen ge­ pflogen und einen Augenschein eingenommen; das Be­ rufungsgericht hatte sich aber damit nicht befaßt. Es hätte hieran um so weniger vorübergehen dürfen, als durch Zeu­ genaussagen festgestellt war, daß der Kläger den Renn­ wagen erst zwei Tage vor dem Unfall gekauft, früher aber

nur einen kleinen Opelwagen gefahren hatte. Der Be­ klagte hatte außerdem eine gutachtliche Äußerung vorge­ legt, worin ausgeführt war, ursächlich für den Unfall sei das falsche Handeln des Klägers gewesen, der, bisher nur vertraut mit den Eigenschaften seines Keinen Opelwagens, gegenüber dem ihm plötzlich entgegentretenden Hindernis bremsend darauf zuhielt, statt mit Geistesgegenwart rechts hinter dem einbiegenden Beklagten vorbeizufahren. Das Berufungsgericht hätte hiernach prüfen müssen, welches Verfahren der Kläger hätte einschlagen müssen und zwar bei Anwendung der größten, für den Kraftwagenführer gebotenen Aufmerksamkeit, die über die gewöhnliche Sorg­ faltspflicht hinausgeht und auch in der Not des Augen­ blicks das zur Abwendung der Gefahr erforderliche Mittel ergreift, und ob der Kläger trotz seiner körperlichen Be­ hinderung die gewählte Maßnahme sachgemäß durchge­ führt hatte. Vorher hätte noch festgestellt werden müssen, ob er sich nicht selbst schuldhast dadurch in diese Lage brachte, daß er trotz der körperlichen Behinderung einen Rennwagen benutzte, dessen Bedienung ihm nicht geläufig war, und ob er nicht unter diesem Gesichtspunkt zu beson­ derer Vorsicht, namentlich bei der Fahrgeschwindigkeit, ver­ anlaßt war. § 254 BGB. setzt nicht voraus, daß das Ver­ schulden des Beschädigten gerade beim schädigenden Ereig­ nis hervorgetreten sein muß, soferne es nur bei der Ent­ stehung des Schadens mitgewirkt hat. Auch die Frage wäre zu prüfen gewesen, ob es sich nicht um eine Übungs­ fahrt zu Rennzwecken handelte. Solche Fahrten sind auf öffentlichen, dem allgemeinen Verkehr dienenden Straßen ohne besondere polizeiliche Maßnahmen unzulässig und der Fahrer hat es sich selbst zuzuschreiben, wenn er hierbei im Zusammentreffen mit anderen Benutzern der Straße zu Schaden kommt. Was das Verschulden des Beklagten an­ ging, so war zu prüfen, ob er beim Umsehen nach dem Kläger die Geschwindigkeit, mit der dieser fuhr, erkennen und damit rechnen konnte, daß dieser ihn schon nach eini­ gen Sekunden erreicht haben werde. Schließlich wies das Reichsgericht noch darauf hin, daß ein keine Summe nen­ nender Feststellungsanspruch nicht für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt werden kann. (IV, 5. Januar 1931.) Amtl. Sammlg. S. 119—125. Vgl. Bd. 96 S. 131; Bd. 120 S. 155.

25. Enteignung. Entschädigung. (PrEnteignG. § 8.) Zum Zwecke emes Bahnbaues wurde von einem Grund­ stück, auf dem eine Gärtnerei betrieben wurde, ein Streifen enteignet. Bei der Festsetzung der Entschädigung wurde be­ rücksichtigt, daß die Bewirtschaftung des durch die Bahn von dem Gärtnereianwesen abgetrennten Teils des Grund­ stücks einen jährlichen Mehraufwand verursache; dieser Mehraufwand wurde zu 5o/o kapitalisiert. Die Kleinbahn­ gesellschaft, die auf Herabsetzung der Entschädigungssumme geklagt hatte, wandte sich m ihrer Revision dagegen, daß die künftige Entwicklung der Verhältnisse nicht berücksich­ tigt worden sei; nach dem für die Stadt aufgestellten Be­ bauungsplan sei damit zu rechnen, daß nach zehn Jahren eine Bebauung der in der fraglichen Gegend liegenden Grundstücke eintreten werde, wobei aber der Grundbesitz der Beklagten nicht bebaut werden dürfe. Die Revision hatte keinen Erfolg. Für die Festsetzung der Entschädigung war der Tag der Besitzeinweisung der Klägerin maßge­ bend. Damals stand der Bebauungsplan der Stadt noch nicht rechtskräftig fest. Nach diesem Zeitpunkt liegende Er­ eignisse, die von außen herantreten und nicht etwa in der Beschaffenheit des Grundstücks selbst ihre Grundlage ha­ ben (z. B. die in gewisser Zeit bevorstehende Erschöpfung der Bodenschätze) müssen grundsätzlich unbeachtet bleiben. Das gilt namentlich von einem erst bevorstehenden Be­ bauungsplan, besonders dann, wenn sich die Ausgestaltung des Plans und seine praktischen Auswirkungen für die einzelnen beteiligten Grundstücke als noch durchaus nicht sichere zukünftige Ereignisse darstellen. (VII, 6. Januar 1931.) Amtl. Sammlg.