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German Pages 436 [440] Year 2015
„Über die Alpen und über den Rhein …“
Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen
Neue Folge
Band 37
„Über die Alpen und über den Rhein …“
Beiträge zu den Anfängen und zum Verlauf der römischen Expansion nach Mitteleuropa Herausgegeben von Gustav Adolf Lehmann und Rainer Wiegels
AKADEMIE FORSCHUNG
Vorgestellt von Gustav Adolf Lehmann durch Rundschreiben vom 26.03.2015.
ISBN 978-3-11-035447-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-040830-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-040846-1 ISSN 0930-4304 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Michael Peschke, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt Gustav Adolf Lehmann und Rainer Wiegels Einführung 1 Rainer Wiegels Fern von Germanien Römische Grenzpolitik in Ägypten und Arabien zu Beginn der Herrschaft des Augustus 9 Felix Bartenstein Die römischen Feldzüge in Hispanien nach 27 v. Chr. 69 Peter Kuhlmann Die literarische Überlieferung zu den Drususfeldzügen und das vierte Buch der Oden des Horaz 87 Sabine Hornung Das spätrepublikanische Militärlager bei Hermeskeil (Lkr. Trier-Saarburg) Überlegungen zu den Auswirkungen der römischen Eroberung auf die spätlatènezeitliche Besiedlung im Treverergebiet 103 Johannes Heinrichs Wanderungen versus Genozid Einheimische Verbände im nordgallischen Raum unter römisch bestimmten Rahmenbedingungen 133 Norbert Hanel Zwischen Agrippa und Drusus – Roms Intervention am Niederrhein in den Jahren 19 und 12 v. Chr. Historische Quellen und archäologische Zeugnisse 165 Frank Berger Charakteristische Münzreihen der Drusus-Ära 177 Klaus Grote Die römischen Militäranlagen der augusteischen Germanienfeldzüge und Hinweise auf spätere Vorstöße im Werra-Leine-Bergland rings um Hedemünden 191
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Inhalt
Armin Becker Die römische Okkupation des Rhein-Main Gebietes und der Wetterau unter Augustus 225 Stefanie Martin-Kilcher Archäologische Spuren der römischen Okkupation zwischen Alpen und Hochrhein und die städtische Besiedlung der civitas Helvetiorum im 1. Jh. v. Chr. 235 Matthieu Demierre, Thierry Luginbühl et Murielle Montandon Militaria tardo-républicains au Col des Etroits (Jura vaudois, Suisse) Données et essai d’analyse 283 Michel Reddé Befunde und Erkenntnisse zu den römischen Militäranlagen am Oberrhein in augusteischer und tiberischer Zeit 299 Peter Rothenhöfer und Michael Bode Wirtschaftliche Auswirkungen der römischen Herrschaft im augusteischen Germanien 313 Heiko Steuer Landschaftsorganisation, Siedlungsnetz und Dorfstruktur in der Germania in den Jahrzehnten um Christi Geburt 339 Michael Geschwinde und Petra Lönne Römische Militärpräsenz in der Germania Magna aus archäologischer Perspektive Das Fallbeispiel Harzhorn 375 Günther Moosbauer Archäologisch überlieferte Schlachtfelder der Antike 393 Allgemeines Personen- und Ortsnamen – Verzeichnis 404 Materialien – Methoden – Begriffe 408 Stellen-Register zu antiken Schriftzeugnissen 410 Inschriften 411 Papyri 411 Farbige Abbildungen zu den Beiträgen 413
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Einführung
Der vorliegende Band enthält die ausgearbeiteten Vorträge, die auf dem internationalen Kolloquium „Über die Alpen und über den Rhein…“ vorgetragen wurden, das vom 28. – 30. 11.2012 in Göttingen von der Kommission „Imperium und Barbaricum“ der Göttinger Akademie der Wissenschaften – mit tatkräftiger Unterstützung des Archäologischen Instituts und des Althistorischen Seminars der Georg-August-Universität – veranstaltet worden ist. Der Band wurde am am 22. 12. 2014 von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen zur Aufnahme in die Reihe der Abhandlungen angenommen. Die Herausgeber danken hier allen beteiligten Institutionen für ihre großzügige und effektive Unterstützung bei der Durchführung des Kolloquiums. Ein ganz besonderer Dank aber gilt allen Kolleginnen und Kollegen, die mit ihren Vorträgen zum erfolgreichen und harmonischen Verlauf der Veranstaltung beigetragen haben und die Ergebnisse ihrer Forschungen in diesem Band der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zugänglich machen.1 Als die Kommission „Imperium und Barbaricum“ im Sommer des „Jubiläumsjahres“ 2009 über die Konzeption für dieses Kolloquium beriet, bestand Konsens darin, dass diesmal – im Unterschied zu den 2004 und 2009 (jeweils in Osnabrück) durchgeführten Tagungen2 – nicht die Varus-Katastrophe, sondern im Hinblick auf die historisch-archäologische Zeitstufe der Militäranlagen von Hedemünden3 die Drusus-Feldzüge und generell die Anfänge der römischen Expansion nach Mitteleuropa, unter den spezifischen Rahmenbedingungen des frühen augusteischen Principats, im Mittelpunkt der Beiträge und Diskussionen stehen sollten. Dabei war man sich darüber im Klaren, dass Aspekte und Fragestellungen der mit dem Kampfplatz von Kalkriese besonders eng verbundenen „antiken Schlachtfeld-Archäologie“ auch
1 Leider konnten B. Tremmel (Münster/W.; zum neu entdeckten Lager an der Lippe aus der DrususZeit in Olfen-Sülsen, s.u. S. 7 u. A 10) und W. Zanier (München; zu den römischen Alpen-Feldzügen und den Funden am Septimer-Pass und vom Döttenbichl (s.u. die Skizze im Beitrag Nr. 16 von G. Moosbauer S. 397) ihre Kolloquiumsvorträge nicht mehr ausarbeiten (siehe jetzt auch: U. Zanier, Der spätlatène- und frühkaiserzeitliche Opferplatz auf dem Döttenbichl südlich von Oberammergau. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 62, 2015). 2 S. G. A. Lehmann/R. Wiegels (Hrsgg.), Römische Präsenz und Herrschaft im Germanien der augusteischen Zeit. Der Fundplatz von Kalkriese im Kontext neuer Forschungen und Ausgrabungsbefunde. Abhandl. Akad. der Wiss. Göttingen, Phil.-Hist. Kl., 3. Folge, 279 Göttingen 2007); vgl. ferner R. Wiegels (Hrsg.), Die Varusschlacht – Wendepunkt der Geschichte? (Stuttgart 2007) sowie G. Moosbauer / R. Wiegels (Hrsgg.), Fines imperii – imperium sine fine? Römische Okkupations- und Grenzpolitik im frühen Principat. Beiträge zum Kongress in Osnabrück vom 14. bis 18. September 2009. Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption (OFAA) 14 (Rahden / Westf. 2011). 3 S. die umfassende Publikation, die Kl. Grote vorgelegt hat: Römerlager Hedemünden. Der augusteische Stützpunkt, seine Außenanlagen, seine Funde und Befunde, in: Veröffentlichungen der archäologischen Sammlungen des Landesmuseums Hannover Bd. 53, 2012.
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im Rahmen der neuen Tagung nicht zu kurz kommen würden. Tatsächlich bot das Kolloquium auch Gelegenheit zur Information und Diskussion über die aktuellen und spektakulären Befunde und Funde, welche seit 2008 durch weiträumige Prospektionen von Schauplätzen einer mehrere Phasen umspannenden römisch-germanischen Auseinandersetzung im 3. Jh. n. Chr. bei Kalefeld (Lkr. Northeim) bekannt geworden sind. Vor diesem Hintergrund, aber auch angesichts der im Umkreis von Hedemünden inzwischen erfassten Spuren von intensiv genutzten römischen Marschwegen und Sicherungsanlagen im Werratal und Leinegebiet (s. hierzu Kl. Grote (im Beitrag Nr. 8 S. 191ff.) - ist deutlich geworden, dass weit über die Drusus-Phase hinaus mit einer noch lange fortwirkenden Vertrautheit der römischen Führung mit den naturräumlichen Wege-Verhältnissen auch im Inneren Germaniens und einer entsprechenden Kohärenz ihrer militärisch-strategischen Vorstellungen zu rechnen ist.4 Wie sich inzwischen gezeigt hat, stehen die archäologisch erschlossenen Kampfplätze an und auf dem Harzhorn sowie am Kahlenberg in unmittelbarem Zusammenhang mit dem großen Germanien-Feldzug des Soldatenkaisers Maximinus Verus (Thrax) vom Sommer 235 n. Chr.5 Ungeachtet der damit für den Leine-Werra-Bereich bereits eröffneten Perspektiven stellt nun jedoch die ganz aktuelle, im Beitrag von Kl. Grote in einem knappen Exkurs (S. 218f.) vorgestellte Entdeckung eines großräumigen römischen Marschlagers bei Hachelbich am Kyffhäuser (östlich von Sondershausen) eine große Überraschung dar, die mit einer außerordentlichen Bereicherung unseres historisch-archäologischen Fundstätten-Bildes einhergeht.6 Nicht minder faszinie4 Dass schon in der vor-kaiserzeitlichen Phase in weiten Teilen Germaniens ein überregional nutzbares Wege-Netz bestand, hat H. Steuer bereits vor geraumer Zeit unter Beweis gestellt; s. dazu seine in diesem Band dargelegte Position (in Beitrag Nr. 14 S. 339ff.); s. auch den kritischen Überblick von D. Timpe, Wegeverhältnisse und römische Okkupation Germaniens (1989) Ndr. In: Ders., RomanoGermanica. Römisch-germanische Begegnungen in der späten Republik und frühen Kaiserzeit. Voraussetzung, Konfrontationen, Wirkungen. Gesammelte Studien, München 2006, 114-146. 5 S. in diesem Band den Beitrag Nr. 15 von M. Geschwinde und P. Lönne sowie die einschlägigen Beiträge in dem Band zur Ausstellung in Braunschweig „Roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn“, (Hrsgg.) H. Pöppelmann, K. Deppmeier und W. D. Steinmetz (Darmstadt 2013). S. ferner auch den kritischen Überblick von G. Moosbauer, Beitr. Nr. 16 in diesem Band S. 393ff. und die umfassende Untersuchung von R. Wiegels zu den Heeresformationen Roms an Rhein und oberer Donau in der Zeit des Alexander Severus und Maximinus Thrax, in: Klio 96, 2014, 93-143. 6 Sollte sich bei dem bislang östlichsten römischen Fundplatz in der Germania, der vermutlich bereits im Hermunduren-Gebiet lag, der erkennbare „Zeitkorridor“ (2. Hälfte des 1. Jh. n. Chr.) weiter eingrenzen lassen und mit deutlicheren Indizien auf die Phase des Germanien- / Chatten-Krieges unter Kaiser Domitian in den Jahren 83 – 85 n. Chr. verweisen, so würde von diesen Bodenfunden her auch neues Licht auf eine große und schon lange als irritierend und schmerzlich empfundene Lücke in unserer literarischen, gegenüber Domitian notorisch feindselig-tendenziösen Überlieferung fallen. Die knappen Notizen in dem unmittelbar zeitgenössischen Strategemata-Werk des kriegserfahrenen (und hochrangigen Senators) Sex. Iulius Frontinus zu den unter Domitians Oberbefehl und Präsenz durchgeführten Feldzügen (Strat. 1, 1, 8 u. 3, 10; 2, 3, 23 u. 11, 7; 4, 3, 14) stellen hier bislang nur ein schwaches Gegengewicht dar; immerhin wird daraus deutlich, dass in diesen Kriegsjahren mit gro-
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rend sind in dieser Hinsicht die Überlegungen und Rückschlüsse, die Fr. Berger in seinem Beitrag (Nr. 7, S. 177ff.) auf der Basis aktueller Kartierungen der FundmünzenBestände vorträgt. Überraschende Entdeckungen haben in den letzten Jahren aber auch für die Ära Caesars und die erste nach-caesarische bzw. früheste augusteische Phase neue Erkenntnisse und Einblicke in die historischen Vorgänge sowohl am Ostrand Galliens und am Rhein als auch im Bereich der Alpenpässe ermöglicht: Hier bieten die Beiträge von S. Hornung, der Entdeckerin und Ausgräberin des längerfristig, d.h. zumindest über einige Monate besetzten römischen Lagers bei Hermeskeil im Hunsrück (Nr. 4 S. 103ff.) und von A. Becker (Nr. 9 S. 225ff.) zu den Marschlager-Spuren an der Lahn, vor allem im Limburger Becken, zusammen mit Hinweisen im Beitrag von St. Martin-Kilcher (Nr. 10 S. 235ff.), wichtige Informationen zum derzeitigen Stand der international voranschreitenden archäologischen Exploration und Forschung in den genannten Gebieten. So dokumentiert das römische Lager von Hermeskeil, in Sichtverbindung (und direkter Konfronation?) mit dem spät-latènezeitlichen, treverischen oppidum „Hunnenring“ von Otzenhausen, die politisch-militärisch angespannte Lage im ostgallischen Treverer-Gebiet, in dem Caesar im Sommer 50 v. Chr. (nach mehrjährigen Kämpfen ab 54 / 53 v. Chr.) schließlich seine gesamte Armee hatte aufmarschieren lassen, um hier demonstrativ das Ritual der Lustration zu vollziehen und damit den siegreichen Abschluss des Gallischen Krieges zu feiern (A. Hirtius BG 8, 52, 1).7 Darüber hinaus bietet der Beitrag von S. Hornung auf breiter Materialbasis noch einen Ausblick auf die primär von der Aufrichtung der römischen Herrschaft bestimmten sozio-ökonomischen und regionalen Entwicklungen im Bereich civitas der Treverer von der ersten nach-caesarischen Phase bis in die mittel-augusteische Zeit. Was die (noch relativ schwachen) Spuren einer frühen römischen Präsenz im Lahn-Gebiet bei Limburg betrifft, so steht hier neben einer Zuordnung der Bodenfunde zu dem zweiten Rhein-Übergang Caesars 53 v. Chr. (mit einem etwas längeren Aufenthalt des Feldherrn und seines Heeres im Gebiet der Ubier) auch ein Zusammenhang mit den in unserer historiographischen Überlieferung leider nur knapp notierten, jedenfalls aber auch mit großem militärischen und technischen Aufwand durchgeführten Straf-Expeditionen des M. Vipsanius Agrippa und M. Vinicius (36 bzw. 25 v. Chr.) gegen rechtsrheinische Stammesgruppen zur Diskussion. Die große historische Bedeutung der sogenannten Agrippa-Phase - vor allem im Hinblick auf die Maßnahmen, die der inzwischen zum Mitregenten avancierte Schwiegersohn des Augustus ßem Truppen-Einsatz gekämpft wurde und auch weiträumige Operationen durchgeführt worden sind - u. a. mit der Anlage mehrerer limites über Strecken von 120 Meilen (ca. 180 km) hinweg - bis in die unwegsamen refugia-Bereiche der gegnerischen Stämme hinein: Frontin. strat. 1, 3, 10. 7 S. Hornung möchte hier freilich eher an eine konkrete Verbindung des Hermeskeil-Lagers mit dem von Caesar im BG geschilderten Feldzug von 53 v. Chr. (oder mit den Kämpfen im Sommer 51 v. Chr.) denken.
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während seines zweiten Gallien-Kommandos (20 u. 19 v. Chr.) rechts und links der Rheinlinie in Angriff nahm - tritt in der Studie von J. Heinrichs (Nr. 5 S. 133ff.), aber auch in dem Beitrag von N. Hanel (Nr. 6 S. 165ff.), deutlich hervor. Sowohl für das in der älteren Forschung strittig diskutierte Eburonen-Problem, als auch für das Datum und den politischen Hintergrund der Überführung des Ubier-Stammes auf das linke Rheinufer werden von Heinrichs neue Aspekte herausgearbeitet. Dies gilt ferner für die Gründe und Anlässe der immer wieder aufbrechenden Konflikte an der römischen „Rheinfront“ mit dem großen Stammesverband der Sugambrer, die schließlich den Anstoß für die Eröffnung der intensiv vorbereiteten Drusus-Feldzüge gegeben haben. Eine methodisch-kritische Bestandsaufnahme zu den archäologischen Spuren einer ständigen römischen Militärpräsenz, die sich an der Rheinlinie (vornehmlich am Niederrhein) der „Agrippa-Phase“ (ca. 20/19 – 16 v. Chr.) zuordnen lassen, stellt das Hauptanliegen des Beitrags von N. Hanel dar (S. 165ff.). Im Zentrum steht hier die Frage, ob sich im Fundgut dieser Episode mithilfe einer differenzierten „FeinChronologie“ eine Abgrenzung von dem breit ausgeprägten Fundhorizont der Ära der Drusus-Feldzüge (und ihrer unmittelbaren Vorbereitung) vornehmen lässt. Dabei wird deutlich, dass Hanels kritische Überlegungen zu den wichtigsten Fundplätzen dieser Zeitstufe eine eindrucksvolle Bestätigung in dem von Fr. Berger erarbeiteten Überblick finden, in welchem die Kriterien und Befunde konkret vorgestellt werden, die im Hinblick auf die Münz-Chronologie für diese Phase von grundlegender Bedeutung sind (S. 177ff.): Leider fand sich im gedrängten Programm des Kolloquiums keine Gelegenheit mehr, näher auf die Fundsituation im Bereich des großen römischen (aber nur relativ kurzzeitig besetzten) Standlagers auf dem Petrisberg bei Trier einzugehen, dessen Errichtung durch dendro-chronologische Bestimmung fest in die Ära der Aufstände von 30 / 29 v. Chr. einzuordnen ist.8 Auch in der nach-caesarischen Phase bildeten zumindest Teilgruppen des Treverer-Stammes einen anti-römischen Unruheherd in Ost-Gallien, der über enge Verbindungen vor allem zu germanischen Gruppen im main-suebischen Raum verfügte. Bezeichnenderweise wurde daher die Obhut über die bereits 18/17 v. Chr. im Zuge der von Agrippa initiierten, überregionalen Heerstraße (von Lugdunum aus bis anden Niederrhein) errichtete Brücke über die Mosel bei Trier erst nach dem erfolgreichen Abschluss der Drusus-Feldzüge an den hier neu geschaffenen Zentralort der civitas Treverorum übergeben, was offenbar in direktem Zusammenhang steht mit einem gleichzeitig einsetzenden Bevölkerungsabzug aus dem treverischen oppidum auf dem Titelberg (Lux.).9 8 Vgl. hierzu auch die Hinweise im Beitrag von N. Hanel (S. 166, mit weiterführenden Literaturangaben). 9 Vgl. hierzu bereits die Hinweise von H. Heinen, Augustus in Gallien und die Anfänge des römischen Trier, in: Trier – Augustus Stadt der Treverer (Mainz 1984; Rheinisches Landesmuseum Trier), S. 32ff. S. ferner H. Löhr, Zum Stand der Untersuchungen im frühesten römischen Militärlager auf dem Petrisberg bei Trier; Arch. Rheinland-Pfalz 2004 S. 36ff. und schließlich J. Lorscheiser – Niebergall, Die
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Komplementär zu den Entwicklungen am Nieder- und Mittelrhein verhält sich der von St. Martin-Kilcher (S. 235ff.) gebotene Überblick über die Verbindung von dosierter römischer Militärpräsenz in den im Aufbau befindlichen städtischen Siedlungsplätzen des Helvetier-Landes zwischen Hochrhein und Alpen. Aus diesem materialreichen Überblick und den von M. Demierre, Th. Luginbühl und M. Montandon (Nr. 11, S. xy) behandelten römischen militaria-Funden von der Ära Caesars bis in frühaugusteische Zeit im Bereich des Col des Etroits am Nordwestrand des Waadtländer Juras, wird deutlich, dass es im Rahmen der vollständigen Einbindung des HelvetierLandes in die provinziale Herrschaftsstruktur noch zu erheblichen Konflikten und militärischen Interventionen gekommen ist, die in unseren Schriftquellen weithin unerwähnt geblieben sind. Diese Befunde legen überdies den Schluss nahe, dass den großräumig konzipierten römischen Unterwerfungsfeldzügen im Alpenraum gegen Vindeliker und Raeter (von 16/15 – 14 v. Chr., s. u.) bereits eine ganze Reihe von lokal und regional begrenzten Auseinandersetzungen vorausging. In der Oberrhein-Region – südlich des militärischen Aufmarschraums im Mainzer Gebiet – lässt sich demgegenüber erst die Haltern-Phase (nach 6 / 5 v. Chr.) in Spuren erfassen, wie M. Reddé (Nr. 12, S. XY) zeigen konnte. Am Anfang des Kolloquium-Bandes aber sollte in problemorientierten historischen Überblicken und Fallstudien – grundsätzlich „fern von Germanien“ – der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Grenz- und Expansionspolitik des römischen Oikumene-Reiches mit der Übernahme des imperium proconsulare für die „unbefriedeten Provinzen“ (27 v. Chr.) definitiv in eine Hand, d.h. in die eifersüchtig gehütete Zuständigkeit des Princeps und seines engsten Vertrautenkreises, gelegt worden ist. Dementsprechend muss die historische Interpretation hier stets eine Vielzahl von politischen Faktoren und Querverbindungen in Erwägung ziehen und zugleich mit einem extremen Quellen-„Notstand“ ringen. Denn nur selten gelangten in der Folgezeit überhaupt noch wirklich verbindliche Berichte und entscheidungsrelevante Informationen an die politische Öffentlichkeit des Senats in Rom und damit auch in die ‚Reichweite’ der literarisch-historiographischen Überlieferung. Andererseits stellte gerade die Außen- und Grenzpolitik in den ersten beiden Jahrzehnten des Principats im Hinblick sowohl auf die Machtsicherung nach Innen als auch auf die stets aufmerksam betriebene Dynastie-Politik des Augustus ein besonders wichtiges Betätigungs- und Bewährungsfeld für das neue Herrschaftssystem dar. Auf den hier angedeuteten Problembereich geht R. Wiegels in seinem Beitrag (Nr. 1, S. 9f.) mit einer kritischen Würdigung der allgemeinen politischen Rahmenbedingungen sowie einem Überblick über die aktuelle Forschungsdiskussion näher ein und verbindet diesen mit konkreten Analysen einerseits zu den weit über den ägyptisch-äthiopischen Grenzraum hinaus geführten römischen Vorstößen gegen das Reich von Meroe und andererseits zu dem Arabien-Feldzug des Aelius Gallus (25/24 v. Anfänge Triers im Kontext augusteischer Urbanisierungspolitik nördlich der Alpen, Wiesbaden 2009, bes. S. 109ff.
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Chr.): Dabei wird deutlich, dass man das (chronologisch rasch aufeinander folgende) Geschehen in diesen beiden Rand- und Grenzräumen schwerlich auf einen in politisch-strategischer Hinsicht gemeinsamen Nenner bringen kann. Lässt sich das Vorgehen gegen die Äthiopier als eine (allerdings exzessiv) auf Abschreckung setzende Grenzsicherungspolitik verstehen, so bleiben bei der schließlich vor Mariba (Marib/Jemen) scheiternden Expedition des Aelius Gallus viele Fragen offen: Ging es primär um den Gewinn reicher Ressourcen und eine effektive Kontrolle über die „Weihrauchstraße“ (von Süd-Arabien bis an das Mittelmeer) oder um die Sicherung der schon von den Ptolemäern genutzten Seehandelsrouten aus dem Roten Meer nach Süd-Indien oder ging es mit dem Ziel einer militärisch-machtpolitischen Demonstration um die „Erschließung“ eines Raumes, an dem auch das Partherreich, der Großmacht-Rivale Roms im Osten, Interesse zeigte? Damit stellt der Feldzug des Aelius Gallus in die Arabia Felix - über den Rahmen von „normaler“ Grenz- und Vorfeldpolitik und des Strebens nach Kriegsbeute und Ressourcen-Gewinn hinaus – ein Unternehmen dar, dessen Deutung und Bewertung nicht ohne Berücksichtigung der „Großen Politik“, d.h. der imperialen Auseinandersetzung Roms mit dem Partherreich, erfolgen sollte. Immerhin kam es auf dieser Ebene nur wenige Jahre später (20 v. Chr.) - durch wechselseitig eingesetzten militärischen Druck und geschickte Diplomatie - zu einem ersten, folgenreichen Ausgleich zwischen den beiden Großmächten. Diese politische Motivation schließt sekundäre, durchaus willkommene Zielsetzungen nicht aus. Gerade im Blick auf zeitgleiche Vorgänge an anderen Grenzabschnitten wird dann in Frage gestellt, dass es eine simple, allgemein gültige und die gesamte augusteische Epoche umfassende (d.h. „einheitliche“) Grenzstrategie gegeben habe. Vor diesem (hypothetisch umrissenen) Hintergrund liegt der Kriegsschauplatz in Nordwest-Spanien, auf den sich Augustus 27 v. Chr. unmittelbar nach der Übernahme seines imperium proconsulare begeben hat, nicht nur geographisch weitaus näher an dem rechtsrheinischen Germanien und dem Alpenraum. Der Wunsch nach Arrondierung und anhaltender Befriedung der gesamten Iberischen Halbinsel liegt hier, wie F. Bartenstein in seinem Beitrag (Nr. 2, S. 69ff.) betont, als primäre politisch-militärische Motivation sehr nahe. Bis zu einem gewissen Grade spielte dabei aber wohl auch die Aussicht, aus den Minenerträgen der Kantabrer und Asturier zusätzlichen Gewinn ziehen zu können, eine Rolle. Von erheblicher Bedeutung ist ferner der von Bartenstein aus dem aktuellen Forschungsstand in der Exploration der einschlägigen Bodenfunde in Asturien und Gallaecien gezogene Schluss, dass die erst in der zweiten Phase der Kämpfe (unter Agrippa) errungenen, definitiven Erfolge der Römer auf einer Strategie des zangenartigen Zusammenwirkens von Heer und See-Streitkräften beruhten. Nach diesem militärischen Konzept sind bekanntlich von der römischen Führung in der mehrjährigen Vorbereitungsphase der Drusus-Feldzüge höchst aufwendige Kanal- und Deichbau-Arbeiten (für den Schiffsweg der fossa Drusina zwischen Rhein und IjsselMeer) begonnen und zum in Abschluss gebracht worden. Auch hat die entsprechend ausgerüstete römische (Rhein-) Flotte auf diesem Kriegsschauplatz - nach Ausweis
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der Schriftquellen zumindest in den Feldzugsjahren 12 und 11 v. Chr. - mehrfach koordinierte Vorstöße über die Nordsee-Ströme bis tief in das germanische Binnenland unternommen. Dagegen lässt sich das strategische Konzept, mit dem es den Römern - abgesehen von dem spektakulären Vormarsch des Drusus 9 v. Chr. (von Mainz aus bis an die Elbe) - schließlich gelungen ist, das Kerngebiet der Sugambrer in den Feldzugsjahren 10 – 8 / 7 v. Chr. von den Verbündeten abzutrennen und planmäßig zu zernieren, allein aus den Bodenfunden in der Lagerkette entlang der Lippe-Linie vom Rhein bis zum Haupt-Waffenplatz in Oberaden (nordöstlich von Dortmund) erfassen. Mit der 2011 / 2012 gelungenen Entdeckung des Standlagers bei Olfen-Sülsen (durch Bettina Tremmel) ist hier auf dem Süd-Ufer der Lippe eine störende Lücke zwischen Haltern und Oberaden endlich geschlossen worden.10 In koordinierten, weiträumig von Süden und Norden her ineinander greifenden Zangenangriffen hatten zuvor bereits die beiden Stiefsöhne des Augustus, Tiberius und Drusus, gegen Raeter und Vindeliker entscheidende Erfolge erringen können.11 In diesem Zusammenhang ist es historisch durchaus relevant, dass P. Kuhlmann in seinem Beitrag (Nr. 3, S. 87ff.) aufzeigen kann, wie sehr in den „Drusus-Oden“, die Horaz sehr wahrscheinlich auf persönlichen Wunsch des Augustus hin gedichtet und in das vierte Oden-Buch (14/13 v. Chr.) aufgenommen hat, die Würdigung der persönlichen, militärischen Leistungen der beiden jungen Feldherren mit entsprechenden Konnotationen an die dynastie-politischen Interessen im Herrscherhaus angepasst worden ist. Diese auf feine Nuancen ausgerichtete Interpretation stimmt mit den allgemeinen Darlegungen im Beitrag von R. Wiegels (s. o.) bestens überein. In dem Beitrag von P. Rothenhöfer und M. Bode (Nr. 13, S. 313ff.) wird der Blick auf neue Zeugnisse zur ökonomischen Situation im rechtsrheinischen Raum nach der von Tiberius 8 v. Chr. schließlich erreichten deditio aller west-elbischen Stämme gerichtet. Auch wenn vielleicht noch nicht alle Fragen zur Provenienz der plumbum Germanicum-Bleibarren aus dieser Zeit restlos geklärt sind, lässt sich doch aus dem 10 Was die (bislang vorliegenden) Informationen über die datierenden Beifunde sowie über Umfang und Position des Standlagers betrifft, lässt sich Olfen-Sülsen, an einer wichtigen Lippe-Furt gelegen, nach Umfang und Funktion offenbar gut mit den militärischen Stationen Beckinghausen (an der Lippe bei Oberaden), Rödgen (Wetterau) und Hedemünden (Lager-Anlage I) vergleichen. Das Standlager von Olfen-Sülsen ist chronologisch - wie die Stationen in Rödgen und Hedemünden - offensichtlich fest mit dem Fundhorizont von Oberaden verbunden. 11 Vgl. dazu die Übersicht von G. Moosbauer u. S. 397f. - Die engen Verbindungen zwischen den einerseits von Oberitalien (über den Septimer-Pass) und andererseits vom Hochrhein und Bodensee aus operierenden Legionen zeigt sich offenbar auch im Fundgut des wohl um 15 v. Chr. angelegten Standlagers bei Dangstetten am Hochrhein (mit Zeugnissen für die Präsenz von Teilen der 19. Legion): s. bes. die Materialvorlagen und Analysen von U. Ehmig (im Rahmen der von G. Fingerlin begründeten Dangstetten-Publikation): Dangstetten IV. Die Amphoren. Untersuchungen zur Belieferung einer Militäranlage in augusteischer Zeit und den Grundlagen archäologischer Interpretation von Fund und Befund, Forschungen u. Berichte zur Vor- und Frühgeschichte von Baden-Würtemberg 117 (Stuttgart 2010).
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in dieser Studie diskutierten Fundmaterial insgesamt der Schluss ziehen, dass die römische Führung sich, nach Abschluss aller Kampfhandlungen, im Zuge der anstehenden deditio-Verfahren um eine möglichst genaue politische und ökonomische Bestandsaufnahme in den Territorien der unterworfenen germanischen Stämme bemüht hat und diese umgehend für ihre finanziellen Interessen zu nutzen suchte. Der in Nordwest-Spanien (El Bierzo, vom Februar 15 v. Chr. ) epigraphisch belegte Auszug aus den Neuordnungsmaßnahmen des Augustus (s. Bartenstein S. 77f.) lässt in diesem Zusammenhang erkennen, wie minutiös die augusteische Führung - auf der Basis sorgfältig überprüfter Informationen - im Rahmen erneuter deditio–Regelungen in die Verhältnisse bei den unterworfenen Stämmen und Gemeinden eingegriffen hat. Die Ergebnisse von Rothenhöfer und Bode fügen sich jedenfalls gut in das seit längerem schon von H. Steuer (Nr. 14, S. 339ff.) - auf einer allerdings zeitlich und räumlich erheblich breiteren Basis - entworfene Bild, wonach für die Jahrzehnte der römischen Expansion und Herrschaft unter Augustus keinesfalls generalisierend von einem dürftigen „Armenhaus“ im rechtsrheinischen Germanien die Rede sein kann. Zumindest wird man im Hinblick auf das küstennahe Nord-Deutschland ebenso wie auf die Gebiete westlich und östlich von Weser und Elbe nicht von einer nur dünn besiedelten und weithin unzugänglichen „Urwald-Zone“ - ohne ökonomisches Potential und erkennbare soziale Strukturen - sprechen dürfen. Die Herausgeber sind davon überzeugt, dass sich aus den in diesem Band versammelten Beiträgen für den aufmerksamen Leser keineswegs der Eindruck einer bloßen Summierung von Einzelaspekten ergeben wird. Intendiert war vielmehr, eine fachlich weit ausgreifende Zwischenbilanz über die in raschem Fortschritt befindlichen topographisch-archäologischen und historischen Forschungen im mitteleuropäischen Raum in der frühen und mittleren augusteischen Ära vorzulegen - verbunden jedoch mit einem zeitlich und räumlich erweiterten Ausblick, der unter anderem auch Schlaglichter auf die römisch-germanischen Beziehungen und Auseinandersetzungen von der Ära Caesars bis zum großen Germanien-Zug des Maximinus Verus (Thrax) im Sommer 235 n. Chr. werfen sollte. Über die hier umrissene Zielsetzung hinaus erhoffen sich die Herausgeber - und dies durchaus mit Zuversicht - dass sich aus den Beiträgen unseres Kolloquium-Bandes auch Ausgangspunkte, auf unterschiedlichen Gebieten, für neue und fruchtbare historische und archäologisch-topographische Forschungsarbeiten ergeben mögen. G.A. Lehmann
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Fern von Germanien Römische Grenzpolitik in Ägypten und Arabien zu Beginn der Herrschaft des Augustus
Fragestellung und Problemskizze Untersuchungen zur römischen Grenzpolitik in der Zeit des Principats neigen dazu, sich auf Ereignisse und Prozesse in bestimmten Regionen des Reiches zu beschränken, ohne dass bei den Schlussfolgerungen immer die Schicksalsgemeinschaft des Imperiums insgesamt und insbesondere die inneren Vorgänge im Machtzentrum in Rom mit den von dort ausgehenden Folgen und Auswirkungen auf die politischen und militärischen Verhältnisse in den Randgebieten des Reiches gebührend berücksichtigt würden. Dieses ist nicht allein der gewaltigen räumlichen Ausdehnung des Imperium Romanum geschuldet mit seinen unterschiedlichen geographischen, politischen, militärischen, wirtschaftlichen und zivilisatorischen Voraussetzungen in den verschiedenen Grenzzonen. Unverkennbar ist die häufig zu beobachtende eingeschränkte Sicht auf historisch relevante Vorgänge und Veränderungen in den einzelnen Reichsteilen entscheidend bedingt – oder zumindest mit bedingt – durch eine neuzeitliche, nicht zuletzt nationale Perspektive. Allerdings wird man nicht in Abrede stellen wollen und können, dass die verschiedenen Regionen des römischen Reiches auch ihre eigene Geschichte hatten, wobei jedoch die Abgrenzung solcher Regionen voneinander ihrerseits nicht unproblematisch ist. Der Rückgriff auf antike Verwaltungseinheiten ist eine zwar naheliegende und auch nicht ungerechtfertigte Bezugsgröße, die aber nicht für alle Ereignisse und geschichtlichen Prozesse in gleichem Maße bestimmend war. Eine genauere Analyse der Interdependenz zwischen den Vorgängen in Rom und den verschiedenen Teilen des gesamten Imperiums kann aber zweifellos dazu beitragen, ebenso die Bedeutung von einzelnen Ereignissen im Rahmen des historischen Gesamtprozesses besser und angemessener einzuschätzen wie auch das Maß an wechselseitiger Betroffenheit und Abhängigkeit. Auch dürfte sie zumindest infrage stellen, ob und inwieweit stark generalisierende Einschätzungen der römischen Grenzpolitik in augusteischer Zeit sinnvoll und gerechtfertigt sind, zumal diesbezügliche Urteile in der Forschung teilweise erheblich differieren. Was die Frühzeit des Principats betrifft, so verfolgte Augustus in der Grenzpolitik nach Ansicht der einen eine grundsätzlich defensive Strategie,1 nach Ansicht anderer war 1 So die Urteile u. a. von Meyer (1961) bes. 2, wonach Augustus „mit Entschiedenheit die Außenpolitik auf eine grundsätzliche Defensive umgestellt“ habe, oder Seager (1980) 103 ff. Vgl. zu Meyer bes. Brunt (1963) und seine etwas modifizierten Ansichten in der bedenkenswerten Übersicht bei Brunt (1990/2).
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im genauen Gegenteil dazu diese Politik im Kern offensiv ausgerichtet;2 nach einem weiteren, zugegeben etwas merkwürdigen Urteil war sie einer ‚offensiven Defensive‘ verpflichtet.3 Einige sehen diese Grenzpolitik vor allem von wirtschaftlichen, andere von politisch-herrschaftlichen Interessen bestimmt; nach Meinung der einen war sie pragmatisch ausgerichtet, nach anderen folgte sie ideellen bzw. ideologischen Vorgaben.4 Dabei orientieren sich die Urteile häufig vor allem an der römischen Germanienpolitik, was für die deutschsprachige Forschung nicht überraschen kann, aber auch ihren sachlichen Grund in der spektakulären clades Variana des Jahres 9 n. Chr. hat.5 Bereits an dieser Stelle sei aber die Ansicht vertreten, dass derartige tendenzi2 Hingewiesen sei nur auf die diesbezügliche ‚klassische‘ Position von L. v. Ranke aus dem 19. Jahrhundert, welche er etwa in seiner „Weltgeschichte“ vertrat. Aus neuerer Zeit siehe neben anderen etwa Earl (1969) 150 ff.; Wells (1972) 3 ff.; Brunt (1978); Gruen (1986) 51 ff.; Gruen (1990) (differenzierter – s. hier Anm. 10); Brunt (1990/2) (mit Sympathie für die Position von Harris [1979]); Mehl (1994) 431 ff., welche den in republikanischen Wertvorstellungen wurzelnden imperialen römischen Anspruch auf Herrschaft betonen, dem Augustus zu entsprechen suchte. Dabei urteilt Mehl a.O. 464, dass durch die Aufrechterhaltung des Weltherrschaftsanspruchs die Römer in eine Welt des Trugs und des Selbstbetrugs geführt worden seien. Welwei (1986) bes. 120 erkennt ebenfalls im römischen Denken einen Weltherrschaftsanspruch, welcher die Existenz konkurrierender Mächte ausschloss, versteht das sich dahinter verbergende Wertesystem aber als Weltherrschaftsideologie. In ähnliche Richtung argumentiert auch Bringmann (1977), der zwischen einem ideologischen Imperialismus und einer praktischen, extensiv ausgelegten Sicherheitspolitik Roms unterscheidet. Speziell zur jüngeren Diskussion über die römische Strategie gegenüber Germanien Deininger (2000) mit der dort verzeichneten Literatur. 3 Wie es z.B. Stier (1975) 3 ff., bes. 33 für die von Rom angestrebte Donau-Elbe-Linie annimmt. Gelegentlich ist auch von einer defensiven Expansion die Rede, um die seit 1 ½ Jahrhunderten geführte „Imperialismusdebatte“ zu umgehen, in die auch an dieser Stelle nicht eingegriffen werden soll. Notiert sei aber, dass die Diskussion um einen „defensiven Imperialismus“ Roms, welche Klassifizierung angeblich Th. Mommsen vorgenommen haben soll, nicht auf diesen selbst zurückgeht, sondern auf entsprechende Zuschreibung durch spätere, insbesondere angelsächsische Historiker, vgl. dazu Baltrusch (2005) bes. 206. Im Übrigen vgl. zu dieser alten Diskussion, die sich nicht nur, aber in besonderem Maße auf die Zeit der römischen Republik bezieht, neben anderen etwa Flach (1976) bes. 1-4 und 37-41 mit grundsätzlichen Überlegungen, Baltrusch (2008) bes. 164 ff. oder neuerdings Erskine (2010) bes. 4 ff. mit umfangreichen Quellen- und Literaturverweisen. 4 Weithin prägend für die Vertreter einer römischen Weltherrschaftsidee bzw. -ideologie in augusteischer Zeit war und ist Verg., Aen. 1,278 f.: his ego nec metas rerum nec tempora pono: / imperium sine fine dedi. – Gegenläufige Erklärungen zu Roms Ausgreifen im Mittelmeerraum und zum Erringen der „Weltherrschaft“ in republikanischer Zeit finden sich schon in den viel zitierten Aussagen bei Cic., rep. 3,35: Noster autem populus sociis defendendis terrarum iam omnium potitus est, oder Cic., off. 2,26 f. mit der Folgerung: Itaque illud patrocinium orbis terrae verius quam imperium poterat nominari; dagegen etwa Polyb., 1,3,6; 3,3,9; 15,9,2; 15,10,2: … τῆς ἄλλης οἰκουμένης τὴν ἡγεμονίαν καὶ δυναστείαν ἀδήριτον αὑτοῖς τε καὶ τῇ πατρίδι περιποιήσουσιν usw. Im Sieg gegen Hannibal habe Rom den entscheidenden Schritt zur Verwirklichung seines Ziels der Weltherrschaft getan. Zu entsprechenden weiteren antiken Vorstellungen, besonders zur „Oikoumene“, siehe eingehend schon Vogt (1942), dort bes. 187-189 zu Zeugnissen der augusteischen Zeit. 5 Dazu etwa Christ (1977); Timpe (1998); Wiegels (2009); vgl. jetzt auch den kritischen Überblick von Timpe (2012).
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ell monokausale Erklärungen und Verallgemeinerungen bzw. schlichte Alternativen der komplexen historischen Realität nicht gerecht werden. Sie sind eher als simplifizierende, von außen herangetragene Deutungsmuster anzusehen und ignorieren weitgehend, dass wir es selbst für den in historischer Rückschau vergleichbar kurzen Zeitraum des augusteischen Principats mit einer bewegten, ereignisreichen und aus damaliger Sicht im Hinblick auf die abzusehenden Folgen selbst für die nähere Zukunft durchaus offenen Phase der römischen Geschichte zu tun haben.6 Angesichts des großen Umfangs gewonnener Territorien von Ägypten über Nordwestspanien, die Alpenländer, Raetien, Noricum, Pannonnien und Mösien bis hin zu Galatien unter Einschluss von Lykaonien und Teilen von Pisidien, Paphlagonien und Gebieten von Pontos und dem offensichtlich nach und nach verstärkt angestrebten Ziel eines römischen Germanien bis zur Elbe wird man sicherlich nicht in Abrede stellen können, dass der Erwerb neuer, von Rom direkt abhängiger und kontrollierter Gebiete zu den politisch durchaus erwünschten, jedenfalls nicht ausgeschlossenen Zielen römischer Grenzpolitik gehörte oder zumindest gehören konnte, allerdings wiederum auch nicht um jeden Preis oder in ausschließlicher Folge ideologischer Vorgaben wie Weltherrschaftsphantasien. Diesen mögen Literaten und bestimmte Kreise in der Öffentlichkeit angehangen haben, aber es ist zweifelhaft, ob sie mehr als nur begrenzten Einfluss auf eine an den Realitäten ausgerichtete Politik genommen haben. Imperium und pax, Eroberung und Befriedung, waren in römischer Sicht bekanntlich keine Gegensätze, sondern gehörten untrennbar zusammen und boten somit eine elastische Folie, auf deren Hintergrund die Tagespolitik ihre Berechtigung nachweisen konnte. So konnte Augustus in seinem sorgfältig redigierten Tatenbericht gegen Ende seines Lebens rückblickend verkünden, dass die Schließung des Ianustempels am 11. Januar 29 v. Chr. erfolgte cum per totum imperium populi Romani terra marique esset parta victoriis pax.7 Diese wohl auch offizielle Version des Jahres 29 v. Chr. enthält ein wertorientiertes Verständnis römischer Politik, das zwar sicherlich nicht ohne 6 Vgl. auch Erskine (2010) 48: „Rome´s empire developed over centuries. Consequently different factors are likely to have been at work at different times; Rome itself was not static nor was the way it interacted with others.“ Grundsätzliche Überlegungen zur römischen Geostrategie im Germanien der Okkupationszeit, die auch darüber hinaus bedenkenswert und von Bedeutung sind, bei Timpe (2006). – Zu Recht moniert schon Flach (1976) 2 an der Geschichtsauffassung des Polybios dessen Vorentscheidung, „dass er die Absichten von dem Ausgang, ciceronisch gesprochen: die consilia von den eventus, herleitet.“ Eben dieses gilt auch für viele moderne Urteile. 7 RgdA 13: Ianum Quirinum, quem claussum esse maiores nostri voluerunt, cum per totum imperium populi Romani terra marique esset parta victoriis pax, cum prius quam nascerer a condita urbe bis omnino clausum fuisse prodatur memoriae, ter me principe senatus claudendum esse censuit; vgl. Fasti Praenest. ad (11. Januar) ann. 29 v. Chr. (Ehrenberg/Jones [1955] 45); Liv. 1,19,3; Suet., Aug. 22; Cass. Dio 51,20,4; Oros. 6,20,1. – Zum zweiten Mal wurde der Ianus-Tempel im Jahr 25 v. Chr. nach dem Cantabrischen Krieg geschlossen, vgl. Cass. Dio 53,26,5. Von weiteren entsprechenden Aktionen erfahren wir allerdings nichts, vgl. aber noch Cass. Dio 54,36,2 zu einer diesbezüglichen Autorisierung nach Senatsbeschluss aus dem Jahr 10 v. Chr., die aber wohl nicht umgesetzt wurde. Vgl. ferner Hor., ep. 2,1,253 ff.
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Verwurzelung in allgemeinen Überzeugungen und in Hinsicht auf entsprechende Erwartungen geäußert wurde, aber zugleich für Auslegungen und Konkretisierung erheblichen Spielraum bot.8 Dass die im Symbolakt der Schließung des Ianustempels mit ihrer Begründung zum Ausdruck gebrachte politische Maxime einer Aussöhnung von victoria und pax die Realität – vorsichtig ausgedrückt – allenfalls perspektivisch stark verkürzt widerspiegelt, wird man vor allem auch angesichts der Bilanz der Grenzpolitik Roms nach den folgenden ca. 40 Jahren in Frage stellen dürfen.9 Denn es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Türen des Ianustempels in der Regierungszeit des Augustus durchweg offen standen.10 Angemerkt sei aber, dass an der zitierten Stelle der Res Gestae nicht vom orbis terrarum,11 sondern vom imperium Romanum die Rede ist, womit die Aussage in erster Linie auf den inneren Zustand des Reiches nach der Bürgerkriegszeit zielt. Jedoch erlaubt die flexible Formulierung auch den Schluss, dass nach dieser Ansicht zwischen kriegerischen, imperialen Vorgehensweisen und freiwillig eingegangenem oder auch oktroyiertem Frieden, den man auch wertneutraler als erstrebte oder erzwungene „Ruhe“ bezeichnen kann, kein Widerspruch besteht.12 Der hier skizzierte Problemzusammenhang wird gewissermaßen noch überhöht durch die Frage nach einer „Makrostrategie“ Roms bzw. – in der Formulierung von E. Luttwak in seiner stark beachteten, wenngleich auch kritisch aufgenommenen Studie – nach einer „Grand Strategy of the Roman Empire“.13 Gemeint ist damit „die syste8 Vgl. dazu auch Rosenstein (2007). 9 Daran ändert auch nichts die Beschwörung des Friedensgedankens bei den Dichtern wie etwa bei Vergil (ecl. 4,4 ff.; 4,37 ff.; Aen. 1,291), Horaz (epod. 16,41 ff.; c. 4,15,17 f.; c. saec. 57 f.) oder Ovid (fasti 1,721 f.; 4,407 f.), um nur einige Belege zu zitieren. Zudem enthalten die Dichtungen dieser und weiterer Autoren auch ganz andere Töne. Diese Ambivalenz zeigen auch die Münzprägung und Staatsmonumente mit ganz verschiedener Programmatik. – Sarkastisch zum innenpolitischen Prozess Tacitus (ann. 3,28,2): sexto demum consulatu Caesar Augustus, potentiae securus, quae triumviratu iusserat, abolevit deditque iura, quis pace et principe uteremur. Acriora ex eo vincla …; vgl. auch Luc., Phars. 1,670: cum domino pax ista venit. 10 Vgl. auch Cass. Dio 54,36,2. – Zum traditionellen Herrschaftsgedanken der römischen Aristokratie, dem sich auch Augustus nicht entziehen wollte und konnte, und zur unverkennbaren Ambivalenz der Quellezeugnisse vgl. etwa die knappe Skizze von Gruen (1986) und insbesondere Gruen (1990), welcher die „Differenz zwischen Rhetorik und Realität“ in augusteischer Zeit herausarbeiten will. Das Thema ist im Übrigen vielfach und in allen möglichen Facetten von der Forschung aufgegriffen worden. 11 Zu bedenken ist dabei immer, dass Römer wie Griechen unter orbis terrarum (Kreis der Länder) bzw. oikoumene (bewohnte/zivilisierte Erde) nicht die Welt im geographischen Sinn verstanden. – Zur politischen Ideologie eines orbis terrarum unter römischer Herrschaft vgl. auch Liv. 21,30,10; 34,58,8: Rom: caput orbis terrarum und das römische Volk: princeps orbis terrarum populus; vgl. ferner Hor., c. 4,15,13 ff., wonach sich die maiestas imperii von einem Ende der Welt zum anderen erstreckt. 12 Zu den politischen Auswirkungen umfassender imperialer Herrschaftsvorstellungen in der späten römischen Republik bis in die Zeit des Principats vgl. auch Timpe (1962) und Timpe (1965) bes. 208 f., vor allem mit Bezug auf die Partherfrage. 13 Luttwak (1976).
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matische Anordnung der physischen Machtmittel eines Staates auf der Basis einer stringenten Konzeption“,14 wobei die physischen Machtmittel nicht nur das militärische Potential, sondern auch die fiskalischen und weitere strukturelle Machtmittel einschließen. Nach Auffassung von A. Eich liegt der entscheidende Grund für Roms spezielle „grand strategy“ über die gesamte Kaiserzeit hinweg mit weitreichenden und letztlich unausweichlichen Folgen in dem Entschluss des Princeps Augustus, das Bürgerheer der Republik in eine Berufsarmee umzuwandeln. Zu ihren Aufgaben habe daher die permanente Führung fiskalischer Erfassungskriege gehört, in deren Zuge u. a. territoriale Lücken geschlossen und die fiskalischen Potentiale der eroberten Gebiete systematisch und zentral erfasst worden seien. In einer Art „zweiten Eroberung“ sei dann das Prinzip der fiskalischen und militärpolizeilichen Durchdringung einerseits auf das gesamte bestehende Imperium angewandt und zweitens in großen Expansionsbewegungen über die Grenzen hinausgetragen worden.15 Wie unschwer zu erkennen, sind es nach dieser Interpretation vor allem fiskalische Aspekte, welche – ausgehend von der Heeresversorgung – als grundsätzlich und langfristig dominierende Faktoren die „Makrostrategie“ Roms bestimmten. Dieses führt sogar zu der Ansicht, dass „mit dem Scheitern des Zugriffs auf die Germania libera (und anderer Expansionspläne) … die Balance zwischen langfristigen Heereskosten und der territorialen Einnahmebasis dauerhaft verfehlt [wurde] … Da entscheidende Erfolge ausblieben, lief die Uhr des Imperiums langsam, aber sicher ab.“16 Unstrittig bedeutet der Abschluss eines längeren Prozesses von einem Milizheer zu einer Berufsarmee an der Wende von der Republik zum Prinzipat einen entscheidenden Einschnitt in die politische und soziale Geschichte Roms. Dennoch ist gegenüber der Ansicht eines 14 So die Zusammenfassung von Eich (2009) 561, der den Grundthesen von Luttwak positiv gegenübersteht. Siehe auch Kagan (2006) 333, die „grand strategy“ wie folgt definiert: „Grand Strategy is primarily concerned with a state’s allocation of resources among various military and policy goals and is inextricably intertwined with politics, diplomacy, economics and questions of peace and war.“ Was die römischen Truppenbewegungen betrifft, so würden die erhaltenen Quellen zeigen, „that emperors decided how to allocate resources empire-wide to meet objectives, and thus thought about grand strategic issues even if they did not recognize the concept or engage in long-term planning.“ – Kritisch gegenüber dem Konzept einer „grand strategy“ aus jüngerer Zeit u. a. Whittaker (1994) bes. 62 ff. und Whittaker (2004). Aber Whittaker wendet sich unseres Erachtens auch zu Recht gegen die zu Luttwaks Ansicht diametral entgegengesetzte These von Mann (1974), wonach die römischen Grenzlinien „little more than an accident“ waren, die dort gezogen wurden, bis zu welchem Punkt die römische Kriegsmaschinerie reichte. Whittaker (1994) 85 antwortet auf die selbst gestellte Frage: „Why did Roman frontiers stop where they did?“ wie folgt: „But despite Mann’s valid criticism of Luttwak’s scientific strategic frontier, I have to say I find the alternative of accidental boundaries equally unsatisfactory, since even unconscious decisions are determined by factors that can be explained rationally. Although we may be able to agree that Roman generals and emperors never sat down and worked out a grand military strategy, it is perfectly possible to make a structural and behavioral analysis of the choices they did make for their frontiers.“ Die unterschiedlichen Positionen beruhen nicht zuletzt auf den verschiedenen Abstraktionsebenen, von denen ausgegangen und mit denen argumentiert wird. 15 Eich (2009) 611 in der Zusammenfassung. 16 Eich (2009) 611.
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über Jahrhunderte sich erstreckenden, in gewissem Sinn geradlinigen, teleologischen historischen Prozesses trotz mancher überzeugender Analysen im Detail Skepsis angebracht. Verführerisch ist die Neigung von Historikern, aktuell weitgehend offene Entscheidungssituationen nach ihren Folgen, also ex eventu zu beurteilen. Dies ist auch keineswegs zu tadeln, sondern das Vorrecht geschichtlicher Urteile, sofern man nicht post hoc mit propter hoc allzu leichtfertig gleichsetzt. Wie zu zeigen sein wird, waren die Voraussetzungen für die römische Grenzpolitik im Principat des Augustus nach Zeit und Raum ganz verschieden, was generalisierenden Schlussfolgerungen enge Grenzen setzt.17 Es versteht sich jedenfalls von selbst, dass sich römische militärische und politische Strategien an den Bereichen orientierten, auf die sie ausgerichtet waren. Diese Bereiche aber waren von ganz unterschiedlicher Natur, unabhängig zudem von den Vorstellungen und dem Wissen, welches man von diesen besaß und deren Realitätsgehalt zudem begrenzt oder falsch sein mochte; jedoch vermochte auch dieses auf eigene Art und Weise Zielvorstellungen und Handeln nachhaltig zu beeinflussen. Dass solche Faktoren neben manchen anderen in die Überlegungen der Verantwortlichen einflossen und die konkreten Planungen und Entscheidungen maßgeblich bestimmten, darf man zweifellos voraussetzen. Schwierigkeiten bereitet es allerdings, aus den Ergebnissen von Handlungen – soweit sie denn bekannt sind – die Anteile von konsequenter Planung, Zufällen, Zwängen oder veränderten Umständen zu bestimmen. Nicht von ungefähr lassen die Quellen Spielräume der Interpretation, welche auszufüllen vielfach gar nicht oder nur bis zu einem gewissen Maß im strittigen Diskurs gelingt. Die geographischen und poltischen Voraussetzungen im ägyptisch-arabischen Raum – in sich höchst verschieden – und das Wissen darum in Rom waren unvergleichbar mit denen über die Germania magna zur gleichen Zeit. In neueren Untersuchungen wird mit Recht betont, dass im Unterschied zur Republik die in der Zentrale in Rom beim Princeps zusammenlaufenden Fäden der Reichspolitik dazu führten, dass Entscheidungen in den einzelnen Grenzbereichen nicht zuletzt in Rücksicht auf die Gesamtlage des Imperiums getroffen wurden. Aber als eine wichtige Frage bleibt diejenige nach den generellen oder im gegebenen Fall konkreten Handlungsspielräumen der Verantwortlichen vor Ort, die nicht unbedingt und zu allen Zeiten gleich gewesen sein müssen; damit verbunden ist auch die Frage nach dem Verhältnis der Organe der Reichsadministration zu den Provinzbewohnern,18 17 Weitgehend lösen von der Konzeption einer Grand Strategy, die er zwar in der bereits zugespitzten Form, nämlich der „Annahme einer rationalen, defensiven und geplanten römischen Grenzstrategie“ (S. 2), zum Ausgangspunkt seiner weiteren Überlegungen gewählt hat, möchte sich Linz (2009) bes. 9-20 (mit der Diskussion in der Forschung, vor allem auch der Studie von Luttwak). Dieser aus der Politikwissenschaft entnommenen und auf die historische Analyse übertragenen Konzeption möchte er ein anderes Konzept entgegensetzen, welches ihm sachgerechter erscheint, nämlich dasjenige einer „Außenpolitischen Kultur“, s. bes. 21-29 oder 263 ff. (Schlussbetrachtung über die Kultur der römischen Ostpolitik). 18 Dieses ist ein zentrales Anliegen der materialreichen Untersuchung von Jördens (2009), auf die wir im Folgenden noch mehrfach zurückkommen werden.
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aber auch diejenige nach allgemeinen Richtlinien, welche grundsätzlich die Grenzpolitik bestimmten; eine andere ist diejenige nach den Zielen und Erwartungen sowie bis zu einem gewissen Grad auch nach den Zwängen, welche mit einzelnen Maßnahmen im Zuge ihrer Durchführung verbunden waren oder auch diesen zugrunde lagen, eine weitere diejenige nach den von den Zeitgenossen geforderten und erwarteten Reaktionen auf Vorgänge und unvorhergesehene Ereignisse außerhalb des direkten Herrschaftsbereichs; schließlich ist etwa zu fragen nach dem Maß an Betroffenheit in verschiedenen Regionen von Ereignissen in einem mehr oder weniger weit entfernten Reichsteil. Weiteres wäre im Einzelfall zu bedenken. Im Folgenden soll der Blick bewusst weg von Germanien auf den Osten des Imperiums, und zwar auf Ägypten und den arabischen Bereich gerichtet und diese Politik zumindest ansatzweise mit Vorgängen an anderen Grenzabschnitten des Reiches verglichen werden,19 wobei die Kenntnis der Ereignisgeschichte in Gallien, im Alpengebiet und am Rhein in augusteischer Zeit und die von der Forschung viel behandelte römische Germanienpolitik dieser Epoche in ihren Grundzügen als bekannt vorausgesetzt wird.20 Im Fokus der aktuellen Diskussion auf dem Göttinger Colloquium Ende 2012 stand bewusst nicht die endlos diskutierte Varusschlacht, sondern vor allem die voraufgehende Geschichte, welche nicht einfach als „Vorgeschichte“ zu den Ereignissen 9 n. Chr. gewertet werden darf. Jedoch sollten auch größere historische Linien und eine Ausweitung der räumlichen Perspektive nicht ausgeklammert werden. Die folgenden Überlegungen zu Roms Vorgehen am östlichen Grenzabschnitt sollen sich auf das Jahrzehnt nach Actium 31 v. Chr. mit einem kurzen Ausblick bis an die Zeitenwende beschränken. Dass wir dabei wieder einmal weitgehend der römischen Perspektive folgen, ist weniger der Sache selber als der Quellenlage geschuldet und muss dementsprechend hingenommen werden. Ob sich aus der Fokussierung 19 Es kann selbstverständlich nicht das Ziel dieser Skizze sein, alle Aspekte der römischen Ostpolitik dieser Zeit umfassend zu berücksichtigen. Vielmehr geht es darum, einige Aspekte dieser Politik – soweit sie Ägypten und Arabien betreffen – gleichsam auf dem Hintergrund der Germanienpolitik in demselben Zeitabschnitt und im Vergleich zu dieser aufzudecken. Selbst dann muss allerdings eingeräumt werden, dass die Flut an Veröffentlichungen zu den zahlreichen Detailfragen inzwischen so angewachsen ist, dass deren umfassende Auswertung im Rahmen dieser Studie weder angezielt noch möglich ist. Stattdessen wird vor allem ein direkter Bezug auf die Quellen genommen, soweit dieses möglich und sinnvoll erscheint. – Besonders hingewiesen sei in unserem Zusammenhang noch auf die erst nach Abschluss dieses Beitrags erschienene Göttinger Dissertation von F. Bartenstein (2014) zur Grenzpolitik Roms nach 31 v. Chr., deren Ergebnisse hier nicht mehr im Einzelnen berücksichtigt werden konnten. 20 Neue Erkenntnisse zur Geschichte des Raumes zwischen Alpen und Nordsee in römischer Zeit wird man wohl in erster Linie von der Archäologie erwarten dürfen. Überraschende Funde der jüngeren Vergangenheit zeigen denn auch, dass diese Erwartungen nicht enttäuscht wurden und werden. So ist soeben ein weiteres, vielleicht augusteisches Lager bei Löhne in Niedersachsen entdeckt worden, jedoch müssen genauere Untersuchungen des Platzes abgewartet werden. Es lässt sich daher vorerst auch nicht absehen, ob sich aus der Entdeckung grundlegende neue historische Erkenntnisse ableiten lassen.
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auf Ägypten und Arabien interessante Vergleiche auch zum Vorgehen Roms an Rhein, Donau und im Alpenraum oder auch an anderen Grenzabschnitten wie in Hispanien oder Britannien ziehen lassen, bleibt abzuwarten. Es ist aber zu hoffen, dass sich im Zuge der Erörterung wenigstens einige Hinweise zur Klärung der Frage nach dem Maß an wechselseitiger Betroffenheit von Vorgängen an verschiedenen Grenzabschnitten und nach grundlegenden grenzpolitischen Strategien der römischen, letztlich vor allem kaiserlichen Zentrale ergeben.
Rahmenbedingungen: Octavian/Augustus, das Heer und die innere Politik nach Actium Am 2. September 31v. Chr. hatte Octavian, der nach dem Tod seines Adoptivvaters Caesar dessen Namen als Verpflichtung und politisches Signal übernommen hatte, nicht zuletzt durch die Feldherrnkunst des Agrippa in der Seeschlacht bei Actium über Antonius gesiegt, sieben Tage danach kapitulierte auch die Landarmee seines Gegners gegen die Zusicherung, an späteren Landzuweisungen ebenso beteiligt zu werden wie die Truppen des Siegers. Etwa ein Jahr später, am 1. August 30 v. Chr., scheiterte auch der letzte Versuch des Antonius vor Alexandria, das Blatt noch zu wenden. Am Sieg beteiligt war auch C. Cornelius Gallus mit Truppen aus Afrika. Er hatte vier Legionen des Antonius übernommen und war von der Cyrenaika aus nach Besetzung der Hafenstadt Paraitonion/Marsa Matruh (ca. 300 km westlich von Alexandria) erfolgreich gegen Ägypten vorgedrungen.21 Noch in demselben Jahr wurde er zum ersten Präfekten von Ägypten ernannt.22 Mit dem Selbsttod des Antonius war dann das Ringen um die persönliche Vorherrschaft in Rom endgültig zugunsten von Octavian entschieden. Wie von der Forschung mit Recht wiederholt betont wurde, bestand eines der größten Probleme des Siegers von Actium in der weiteren Verwendung bzw. Versorgung der eigenen Truppen sowie derjenigen des Antonius. Schätzungen zufolge standen nach Actium ca. 230 000 Mann unter dem Kommando Octavians, nicht eingerechnet eine große, aber unbekannte Zahl von Hilfstruppen, die wohl mehrheitlich in ihre Heimatländer zurückgeschickt wurden. Nach Cassius Dio wurde ein großer Teil der Legionen sofort aufgelöst.23 Im Zuge dieser Maßnahmen wurden viele Soldaten aus dem Heer des Antonius in die Legionen Octavians eingereiht, die überalterten Bürger aus beiden Heeren jedoch zunächst ohne Abfindung entlassen und vorwiegend nach Italien, aber auch in die Provinzen zurückgeschickt, da ihnen Octavian wegen ihrer unzuverlässigen Haltung nach dem Krieg gegen Sextus Pompeius miss21 Cass. Dio 51,9,1-4; vgl. Plut., Ant. 79; Oros. 6,19,15. Vgl. ferner Flor. 2,21,9; Zonar. 10,31. 22 S. dazu weiter unten mit Anm. 62. 23 Cass. Dio 51,3,1-5.
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traute. Der Aufruhr der enttäuschten Veteranen 30 v. Chr. konnte erst durch die Autorität des Agrippa24 und dann durch Zugeständnisse des Octavian beigelegt werden, als er in demselben Jahr in Brundisium/Brindisi italischen Boden betrat. Bei dieser Gelegenheit „machte der junge Caesar [= Octavian] allen Geldgeschenke; denen aber, die ihm alle Feldzüge hindurch gedient hatten, ließ er auch noch Land zuweisen“.25 Davon waren neben den ehemaligen Soldaten des Antonius auch diejenigen des Lepidus nicht ausgeschlossen.26 Bis 29 v. Chr. wurden wohl einschließlich der bereits nach Naulochos im Jahr 36 v. Chr. aus dem Heer ausgeschiedenen Veteranen 120 000 Mann entlassen, von denen dann jeder nach dem Tatenbericht des Augustus 1000 Sesterzen als Abfindung erhielt.27 Die Ansiedlungen der Veteranen in Italien führten zwar einmal mehr zu Enteignungen, die aber durch Entschädigungszahlungen an die betroffenen Bewohner zumindest abgemildert wurden; teilweise wurden die Expropriierten auch in Übersee angesiedelt.28 Ein wichtiges Anliegen dieser Maßnahmen bestand darin, nicht nur für den Augenblick, sondern auf Dauer die Kontrolle über die unruhige und im Verlauf der Bürgerkriege nicht immer leicht zu kontrollierende Soldateska zu behalten, die ihr Machtpotential und ihre Ansprüche selbstbewusst durchzusetzen gelernt hatte.29 Nach Cassius Dio wurden 19 v. Chr. nach einer weiteren Meuterei die letzten Bürgerkriegsveteranen entlassen.30 Es waren also in erster Linie die nach Actium neu rekrutierten Soldaten, welche in den Legionen die Kriegslast in den letzten zwei, teilweise auch drei vorchristlichen Dezennien an den verschiedenen Grenzabschnitten zu tragen hatten. Nach der zwischenzeitlichen Reduktion der Gesamtzahl an Legionen auf zunächst 26 Einheiten, deren grundlegende Disposition im Imperium nach einer Notiz bei Orosius31 vielleicht schon bei dem kaum einen Monat währenden Aufenthalt Octavians in Brundisium 30 v. Chr.32 festgelegt wurde, bestand das römische Heer nach der Annexion Galatiens 25 v. Chr. aus 28 Legionen, zu denen noch etwa 150 000 Mann an Hilfstruppen hinzu gerechnet werden müssen. Zusammen genommen war dieses dennoch eine erstaunlich geringe Zahl, 24 Cass. Dio 51,4,1. 25 Cass. Dio 51,4,5. 26 Hygin., de limit. constituend. p. 177 Lachmann. 27 RgdA 15,3. ‒ Zu den Entlassungen nach Naulochos Schmitthenner (1958) 195 f. 28 In RgdA 3,3 vermerkt Augustus, dass von ihm mehr als 300 000 Soldaten in Neugründungen angesiedelt worden seien; nach RgdA 16,1 beliefen sich die Aufwendungen des Princeps für Grund und Boden bei den Entlassungen aus dem Heer der Jahre 30 v. Chr. und 14 v. Chr. in Italien auf ungefähr 600 Millionen Sesterzen und in den Provinzen auf weitere ca. 260 Millionen Sesterzen. Vgl. ferner Suet., Aug. 17,3; Cass. Dio 51,4 f. 29 Vgl. dazu Schmitthenner (1960) bes. 16 f. Zur grundsätzlichen Problematik des Verhältnisses zwischen Militär und Politik im frühen Principat und zu den Militärreformen des Augustus vgl. den inhaltsreichen Beitrag von Raaflaub (1987) mit der Zusammenfassung auf S. 303-307 sowie reichen Literaturverweisen. 30 Cass. Dio 54,11,5. 31 Oros. 6,19,14. 32 Suet., Aug. 17; Cass. Dio 51,5,1.
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die nunmehr nach Übernahme des Principats des Augustus im Jahr 27 v. Chr. und Aufteilung der Verantwortung für die Provinzen zwischen Princeps und Senat in den militärisch gefährdeten, durchweg im Außenbereich des Imperiums gelegenen Gebieten stationiert wurden.33 Für eben diese Provinzen mit starken Truppenkontingenten übernahm jetzt der Princeps Augustus die Verantwortung, wenngleich auch nicht über alle mit Legionen ausgestattete Reichsgebiete.34 13 v. Chr. wurden die Dauer des Militärdienstes und die Abfindung der Soldaten mit Geld anstelle von Landzuweisung neu geregelt,35 was insbesondere von der italischen Landbevölkerung mit Erleichterung zur Kenntnis genommen wurde, da man stets Enteignungen fürchten musste; auch noch ein Jahr zuvor war von Augustus in Italien und in den Provinzen Land zur Ansiedlung von Veteranen aufgekauft worden. Von rund 400 Millionen Sesterzen berichtet Augustus in seinem Tatenbericht, die er selber für die finanzielle Abfindung der Veteranen bei den offenbar umfangreichen Entlassungen der Jahre 7-2 v. Chr. aufgewandt habe.36 Dass die scharf kalkulierte Größe des Heeres auch durch die Kosten bedingt war, versteht sich von selbst, und dieses lassen auch verschiedene Maßnahmen wie die Verlängerung der Dienstdauer für die Garde von 12 auf 16 Jahre, für Legionäre von 16 auf 20 Jahre und für Auxiliarsoldaten von 20 auf 25 Jahre im Jahr 5 n. Chr. oder die Einrichtung des aerarium militare 6 n. Chr., aber auch die auffallend häufigen Aufgebote von evocati über die gesamte Regierungszeit des Augustus hinweg erkennen. Dieses aber bedeutet zugleich, dass die Verwendung der stehenden Truppen im Einzelfall genau zu überdenken und an dem erhofften Ziel zu messen war. Dass die inneren Probleme in Rom und damit die Machtfrage nach Actium und in den Folgejahren nicht auf einen Schlag gelöst waren, lässt sich durch manche Begebenheiten belegen. Dieses gilt auch für die Zeit nach dem im Januar 27 v. Chr. mit dem Senat geschlossenen Kompromiss. Die Stabilität der neuen Herrschaft blieb noch auf längere Zeit durchaus prekär; der wiederholt schlechte Gesundheitszustand des Princeps gab Raum für Spekulationen für ein ‚Danach‘, und geplante und aufgedeckte Anschläge auf den Princeps, aber auch wiederholte Unruhen in der Hauptstadt Rom sind Anzeichen für eine nach wie vor bestehende Opposition gegen das neue Regime. Darauf im Einzelnen einzugehen, ist hier nicht der Ort. Hervorzuheben ist allerdings, dass die Kompetenzen für den Princeps zunächst auf 10 Jahre beschränkt waren. In den Jahren 18 und 13 v. Chr. wurden sie dann für weitere 5 Jahre, 8 v. Chr., 3 n. Chr. und 13 n. Chr. erneut für jeweils 10 Jahre verlängert. Zweifellos bedeuteten insbesondere die ersten Verlängerungen der Gewalten als Präzedenzfälle jeweils eine kritische Situation für die neue Herrschaftsordnung und damit für die Person des Princeps, bei der ebenso Rechenschaft über die bisherigen Taten abzulegen wie auch die Berechtigung 33 Zu Einzelheiten s. den Überblick bei Ritterling (1924/25) 1216 ff. 34 Vgl. dazu Cass. Dio 53,12, wenngleich teilweise anachronistisch; ferner Strab.16,3,25 = 840 C zu den unter Verantwortung des Senats im Jahr 22 v. Chr. stehenden Provinzen. 35 Cass. Dio 54,25,5 f. 36 RgdA 16,2.
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und damit Legitimität der Weiterführung der auf den Princeps vereinten Gewalten nachzuweisen war. Nicht von ungefähr weilten Augustus und die Mitregenten wie Agrippa oder später Tiberius aus diesem Anlass stets persönlich in Rom. Es lässt sich leicht zeigen, dass diese zunächst kritischen Jahre auch Auswirkungen auf die Grenzpolitik im Allgemeinen und die Germanienpolitik im Besonderen hatten. Allerdings war die innere und äußere Lage des Imperiums zu den jeweiligen Zeitpunkten, zu denen die Verlängerung der Gewalten des Princeps anstand, in manchen Hinsichten grundlegend verschieden. Dieses betrifft nicht zuletzt die Stabilität der neuen Herrschaft, so dass bei einem konkreten Vergleich nicht zuletzt die wesentlichen Unterschiede ins Auge fallen würden.
Ägypten und der Osten nach Actium Nach dieser Skizze einiger politischen Rahmenbedingungen, welche auch für Entscheidungen in der römischen Grenzpolitik maßgebend waren, sei der Blick genauer auf den Osten und das Dezennium nach Actium gelenkt, wobei zunächst allgemein auf das Verhältnis Roms zu Parthien bzw. Armenien hinzuweisen ist, das aber nicht im Mittelpunkt der folgenden Erörterung stehen soll. In den unmittelbaren Folgejahren nach dem Sieg Octavians fehlten zweifellos Mittel und Bereitschaft, um die seit Carrhae 53 v. Chr. und den frühen 30er Jahren weiter offene Partherfrage oder auch das damit eng verbundene Armenienproblem militärisch zu lösen. Zudem war der Osten durch die jahrelangen Bürgerkriege wirtschaftlich ausgepresst, wie nicht nur aus verschiedenen Bemerkungen und Berichten bei Appian hervorgeht.37 Die innere Schwäche des Partherreichs infolge von Thronwirren kam daher Octavian entgegen, der erfolglose Prätendent Tiridates unterstellte sich römischem Schutz, und Phraates lieferte sogar seine Söhne und Enkel als Geiseln aus.38 Zu einem direkten militärischen Eingreifen in Parthien oder Armenien bestand daher weder eine Notwendigkeit noch die Absicht, zumal durch Tiberius an der Spitze einer Armee Tigranes in Armenien auf den vakanten Thron gesetzt werden konnte.39 Auf dieser Linie liegt 37 App., b. c. passim. Von den zahlreichen Belegen aus der Zeit der Bürgerkriege sei nur App., b. c. 5,5-9 hervorgehoben; auf weitere Textstellen einzugehen, erübrigt sich. 38 RgdA 32, 1 f.: Ad me supplices confugerunt reges Parthorum Tiridates et postea Phrates regis Phratris filius … Ad me rex Parthorum Phrates Orodis filius, filios suos nepotesque omnes misit in Italiam, non bello superatus, sed amicitiam nostrum per liberorum suorum pignora petens; Cass. Dio 51,18,3; vgl. 53,33,1. S. ferner RgdA 33 und Hor., epist. 1,12,27 f.: ius imperiumque Phraates Caesaris accepit genibus minor – das erste Buch der Episteln des Horaz erschien 20 v. Chr. – Zur Partherfrage nach 30 v. Chr. und der diesbezüglich umfangreichen Forschungsliteratur s. etwa Linz (2009) 55 ff. unter der Überschrift: „Zurückhaltung im Osten“. 39 RgdA 27,2; Vell. 2,94,4; Cass. Dio 54,9,4; Strab. 17,1,54 = C 821; Tac., ann. 2,3; Ioseph., ant. 15,105. – Vgl. auch die Münzprägung mit Armenia capta bzw. Armenia recepta RIC I2 Aug. 513 ff; BMCRE I, Aug. 671 ff.; ferner Hor., ep. 1,12,26 f.
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auch die später als großen Sieg gefeierte friedliche Übereinkunft mit den Parthern mit der dabei erfolgten Rückgabe der im Krieg des Crassus verlorenen Feldzeichen und der Gefangenen.40 Es ging also 20 v. Chr. um diplomatische und damit pragmatische Lösungen, wie auch immer dieselben ideologisch verbrämt und durch Wort und Bild propagandistisch verpackt wurden. Diese Diskrepanz ist jedenfalls auch ein Indiz für ein ambivalentes Verhältnis zwischen realistischer Einschätzung des Möglichen im Grenzraum und Rücksichtnahme auf die Mentalität und Lage vor allem im Zentrum der Macht in Rom. Mit Parthien und der dort etablierten Dynastie der Arsakiden ließen sich aber auch trotz andauernder, massiver Rivalität und des immer wieder aufflammenden Problems der Kontrolle über die Herrschaft im Pufferstaat Armenien wesentlich einfacher verlässliche diplomatische Abmachungen treffen als mit den oft schwachen Repräsentanten von instabilen Herrschaften im Vorfeld anderer Grenzabschnitte wie etwa weithin im Bereich der Germania magna. Wiederum anders war die Ausgangslage für die Beziehungen Roms zu Ägypten. Offiziell war der Krieg Octavians gegen das Ptolemäerreich und dessen Königin Kleopatra geführt worden. Die Einziehung des Landes als römische Provinz war angesichts der dortigen Herrschaftsstruktur und der politischen Vergangenheit der jüngeren Zeit für Rom fast eine logische Folge. Octavian trat an die Stelle des Pharao,41 der vor Ort von einem Präfekten aus dem Ritterstand, der gleichsam als Vizekönig fungierte, vertreten wurde. Ungeheure Reichtümer fielen dem siegreichen jüngeren Caesar in die Hände. Die Beute im Zuge der Annexion wird auf 1 Billion HS geschätzt. Sie stammte aus königlichem beweglichen und unbeweglichen Besitz, Vermögen, das sich zum Teil schon Kleopatra kurz vor ihrem Ende gewaltsam von ihren Gegnern und aus den Tempelschätzen angeeignet hatte, aber auch aus Abgaben von Offizieren und Angehörigen der ägyptischen Oberschicht.42 Die Höhe an jährlichen Tributen soll etwa dieselbe gewesen sein wie Caesar sie Gallien auferlegt hatte, d.h. angeb40 RgdA 29,2; Vell. 2,91,1; Cass. Dio 54,8,1 ff.; Ov., fast. 5,579 ff.; Suet., Aug. 21,3; Suet., Tib. 9,1. – Der Senat beschloss einen Triumph; ein entsprechender Ehrenbogen wurde auf dem Forum errichtet; die Münzprägung feierte die Rückgabe der Feldzeichen mit Siegesdarstellungen (RIC I2 Aug. 521 ff.: BMCRE I Aug. 410 ff. und 679 ff.), und auf weiteren Objekten wie auf der Panzerstatue des Augustus von Prima Porta wurde die Vereinbarung mit den Parthern mittels Unterwerfungsszenen repräsentativ vor Augen geführt. Tatsächlich handelte es sich aber um foedus, societas oder amicitia, vgl. RgdA 29,2; Strab. 16,1,28 = C 748 f.; Vell. 2,100,1; Oros. 6,21,24. – Auch in der zeitgenössischen Dichtung hat sich bekanntlich die Siegesideologie nachhaltig niedergeschlagen. Die wiederhergestellte Ehre Roms wurde so dem Bewusstsein breiter Bevölkerungskreise nachhaltig eingeprägt. – Der propagandistische Aufwand steht in bemerkenswertem Gegensatz zu demjenigen, der zuvor bei der Rückgewinnung früher verlorener Feldzeichen getrieben wurde, vgl. nur die eher beiläufige Erwähnung in RgdA 29,1: Signa militaria complura per alios duces amissa devictis hostibus recepi ex Hispania et Gallia et a Dalmatis, wobei wir nur im letzten Fall die genaueren Umstände des Verlustes – nämlich durch Gabinius 49 v. Chr. – kennen. 41 Zum Prozess der völligen Angleichung mit dem Pharao in den Kulten Ägyptens s. Hölbl (2000) 14 ff. – Systematische Überlegungen zum augusteischen „Erbe“ des Ptolemäerreiches bei Huzar (1988). 42 Cass. Dio 51,5,4 f.
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lich 40 Millionen HS,43 eine im Verhältnis zu der voraufgegangenen Ausplünderung vergleichsweise gering erscheinende Summe, die aber nach der wirtschaftlichen Erholung der Provinz offenbar angehoben wurde. Nach Cassius Dio sank in Rom aufgrund des enormen Geldzuflusses der Zinssatz von 12% auf 4%.44 Die Erneuerung der Bewässerungssysteme, die Octavian durch das Militär vornehmen ließ, diente auch eigenen Interessen, um auf diese Weise auch die Kornzufuhr nach Rom langfristig zu sichern.45 Nach einer allerdings späten Quelle erhielt Rom jährlich 20 Millionen modii Getreide aus Ägypten,46 was nach einer Bemerkung bei Flavius Iosephus ausreichte, um Rom vier Monate voll zu versorgen.47 Der wirtschaftliche Aspekt bildete offenbar einen wichtigen, keinesfalls aber ausschließlichen Faktor für die formelle Einverleibung Ägyptens unter römische Herrschaft. Unruhen in Ägypten mit Gefährdung der Getreideversorgung von Rom würden sich jedoch immer auch nachhaltig auf die Stabilität des Principats als Herrschaftsform auswirken.48 Grundsätzlich ist es ist nicht unrealistisch anzunehmen, dass ein Großteil der Aufwendungen für das Heer, die Staatskasse und das Volk von Rom, worüber Augustus gegen Ende seines Lebens so penibel Rechenschaft ablegte,49 aus den Einkünften aus Ägypten beglichen wurde. Wie tief Rom in das Wirtschaftsgefüge der Provinz eingriff, ist umstritten und kaum zuverlässig festzustellen. Römischer Handel mit Ägypten, Südarabien und weiter mit Indien50 hat als solcher jedenfalls durchweg in privaten Händen gelegen, wobei der 43 Vell. 2,39,2; dazu Suet., Caes. 25,1. 44 Cass. Dio 51,21,5. 45 Strab. 17,1,3 = C 787 f.; Suet., Aug. 18,2; Cass. Dio 51,18,1; vgl. dazu Alston (1995) 79-81. – „Das Verhältnis zum Wasser in Ägypten“ wird von Jördens (2009) 399-439 ausführlich über die gesamte Zeit des römischen Ägypten hinweg abgehandelt. 46 Epit. de Caes. 1,6. 47 Ioseph., bell. Iud. 2,386. 48 Allerdings war zu dieser Zeit die Stadt Rom von den Getreideeinfuhren aus Ägypten keineswegs vollständig abhängig. Insofern kann dieses nur ein Argument neben anderen gewesen sein; vgl. auch weiter unten. 49 Siehe bes. RgdA 15-18. 50 Siehe dazu Hor., ep. 1,1,45: der unermüdliche Kaufmann, der nach Indien reist. – Nach Strab. 2,5,12 = C 118 segelten z. Zt. der Statthalterschaft des Aelius Gallus in Ägypten jährlich 120 Schiffe allein von Myos Hormos/Quşar nach Indien, während unter den Ptolemäern nur wenige diese Reise gewagt hätten. Zu Schiffsreisen nach Indien in römischer Zeit s. den Bericht bei Plinius (n. h. 6,101-106), den Periplus Maris Erythraei und Ptolemaios (bes. Einleitung und Buch 7); dazu kommen archäologische und numismatische Zeugnisse. – Zum Indienhandel in römischer Zeit vgl. etwa Charlesworth (1951); Wheeler (1954); Thorley (1969); Charlesworth (1970); Warmington (1974); Raschke (1978), Schmitthenner (1979) mit einem Überblick über die ältere Forschung; Young (2001) 28 ff, mit Karte 2.1; McLaughlin (2010) 23 ff., besonders 25 ff. zu den Handelsrouten und der intensiven Nutzung durch Kaufleute in römischer Zeit. – Zu den Funden römischer Münzen in Indien Turner (1989). Zum Seehandel zwischen Rom und Indien vgl. verschiedene, allerdings nicht auf die augusteische Zeit beschränkte Beiträge in Begley/de Puma (Hrsg.) (1991), darin vor allem Sidebotham (1991). Jüngst zum Orienthandel und den diesbezüglichen Routen Sidebotham (2011) 190 ff. und bes. 206 ff.: „Commercial Networks and Trade Costs“. – Vom Indienhandel in gewisser Weise zu trennen ist der Arabienhandel, der eigenen Regeln,
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Staat allerdings durch Steuern und Zölle, wie einer 25%igen Importsteuer, beträchtlichen Gewinn abschöpfte.51 Andererseits kontrollierte er aber auch direkt vor allem den Bergbau (Gold, Amethyst, aber auch die bedeutenden Steinbrüche [Porphyr]) im Wüstenbereich östlich des Nils, von wo aus die Verbindungen zum Roten Meer durch Anlage bzw. Verbesserung der Kommunikationswege (Caravanrouten) mittels befestigter Wachtposten und durch eigens gebohrte Brunnen (hydreumata) sowie den Bau von Zisternen gesichert und damit leichter und intensiver nutzbar wurden.52 Wie Strabon, der ein guter Kenner der Verhältnisse in Ägypten war, berichtet, bildeten zunächst – wie in Syrien53 – drei Legionen die Besatzung des Landes, dazu kamen neun römische Kohorten und drei Alen.54 M. Speidel konnte nachweisen, dass wenngleich auf teilweise denselben Routen im Roten Meer wie der Indienhandel, folgte, vgl. etwa Young (2001) 34 ff.; McLaughlin (2010) 61 ff. 51 Zum Zollwesen eingehend Jördens (2009) 355 ff. Hier auch zu dem von Plinius (n. h. 6,84) erwähnten vectigal maris Rubri, das wohl nicht zuletzt vor allem im Zusammenhang des Indienhandels zu sehen ist, und zu Annius Plocamus, dem Freigelassenen eines Pächters dieses vectigal, den ungünstige Winde auf einer Reise weit nach Osten bis nach Taprobane (Ceylon) abgetrieben hatten. Die hieraus resultierenden Kontakte haben dann unter Claudius erstmals zu einer ceylonesischen Gesandtschaftsreise nach Rom geführt. Offenbar war die Familie des Pächters bereits in augusteischer Zeit im ägyptisch-arabischen Bereich tätig, wie aus einer Bilingue aus einer Station zwischen Koptos/ Quft und Berenike Trogodytiké/Medinet-el Haras hervorgeht (SEG XIII 614 = AE 1954, 121); s. dazu vor allem Jördens (2009) 356 mit Anm. 5 und weiterer Literatur. Zahlreiche Ostraka aus Berenike belegen eine Zollstation, die sich in Koptos befand. Ebenfalls von Interesse ist das sog. Nikanor Archiv aus Koptos, das ein kleineres Familienunternehmen im Handel zumindest in der Zeit 6-62 n. Chr. belegt. 52 Strab. 17,1,45 = C 815 beschreibt eindringlich den Fortschritt gegenüber der früheren (ptolemäischen) Zeit durch die römische Maßnahmen, indem er besonders mit Fokus auf die Verbindung zwischen Koptos und Myos Hormos feststellt: „Früher zogen die mit Kamelen Reisenden (bloß) nachts, indem sie nach den Sternen sahen, und reisten wie zu Schiff, indem sie Wasser mitnahmen, jetzt hat man aber in große Tiefe gegraben und Brunnen eingerichtet und auch für das Regenwasser, obgleich es spärlich ist, dennoch Zisternen angelegt.“ – Vgl. etwa Sidebotham et alii (2008), dort auch u.a. zu Geographie, Klima und Bevölkerung S. 21 ff., und zuletzt ausführlich Sidebotham (2011) mit Fokus auf Berenike einschließlich des Hinterlandes, s. etwa 66; 85 f.; 125 ff.; 147 ff.; 162 ff.: „Roman Military Sites“ im Umfeld. Zu offiziellen Maßnahmen und Eingriffen Roms (Straßenbau; Begleitschutz [arabische Bogenschützen]; bewachte Wasserstellen) s. auch Plin., n. h. 6,102 ff.; dazu schon Charlesworth (1951) bes. 133; 138 f. und jüngst Sidebotham (2011) 66; 85 f. Vgl. ferner Brun/Cuvigny (Hrsg.) (2003) und Adams (2007) 210 ff. zu den Aktivitäten der römischen Armee im östlichen Wüstenbereich Ägyptens. Seit dieser zusammenfassenden Publikation haben sich offenbar die diesbezüglichen Zeugnisse (Ostraka) noch erheblich vermehrt. 53 Ioseph., ant. 17,286; bell. Iud. 2,40. 54 Strab. 17,1,12 = C 797; 17,1,30 = C 807. – Ausgangspunkt der Forschungen zum römischen Heer in Ägypten bis Diokletian ist das klassische Werk von Lesquier (1918). Ergänzungen zu einzelnen Zeugnissen u. a. von Daris (1956) und Daris (1988/1). Ausführlich zu den römischen Hilfstruppen in Ägypten der frühen und hohen Kaiserzeit Daris (1988/2) mit Auflistung S. 750 ff., ferner Maxfield (2000) mit regionaler Differenzierung innerhalb der Provinz. Letzte Aktualisierungen mit kritischer Sichtung neuerer Forschungen bei Daris (2005). Weitere Literatur im Folgenden. Einzelnachweise für bestimmte Kontingente aus frühaugusteischer Zeit sind allerdings nur sporadisch überliefert. – Zur Rolle der römischen Armee innerhalb der Gesellschaft Ägyptens s. Alston (1995) 163 ff. Zumindest angemerkt
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die Legionen in Alexandria (bzw. dem unmittelbar benachbarten Nikopolis), Babylon (dem alten Kairo) und in Theben (beim heutigen Luxor) lagen;55 von den neun Kohorten an Hilfstruppen standen nach Strabon drei in Alexandria, drei am ersten Katarakt in Syene/Aswan56 und die übrigen drei je nach Bedarf verteilt im Land.57 Ähnlich dissei allerdings an dieser Stelle, dass Alston seinen eigenen Beitrag zur Forschungsgeschichte reichlich hoch bewertet, wenn er feststellen zu können meint (161): „The study provides a new context for writing about the Roman army. We have seen that the traditional models used to explain the evidence for the Roman army are inadequate. We cannot consider the army in isolation from the society in which it was formed or the society in which it operated.“ Bei aller Sympathie in der Sache tut sie doch der voraufgegangenen Forschung der eigenen Profilierung zuliebe erheblich Unrecht; einen kleinen Beitrag zum Thema, bezogen auf Ägypten, liefert schon Daris (1994). – Zu den Aspekten von Tradition und Transformation des römischen Heeres in Ägypten s. Haensch (2010) mit reichen, aktuellen Literaturhinweisen. 55 Speidel (1982), bes. 317 f.; vgl. auch Ritterling (1924/25) 1224; 1362; 1506 f.; 1793. Ihre Verteilung auf die drei Standorte ist umso unsicherer, als wir neben der legio III Cyrenaica und der legio XXII Deiotariana Nummer und Namen der dritten Legion nicht kennen. Dass es sich um die legio XII (Fulminata) gehandelt habe, ist vorerst eine unbewiesene Vermutung. 56 Zu den um Syene gruppierten Truppen und deren Aufgabe s. Maxfield (2000) 410 ff.; zur strategischen Position Maxfield (2009). – Die Station am ersten Nilkatarakt wird zumeist als Grenze zum meroitischen Reich angesehen, s. aber Hofmann (1977) 196 und mit ausführlichen Literaturangaben Locher (1999) 252 ff. sowie Locher (2002) 73 mit Anm. 4. Danach stand der sogenannte Triakontaschoinos (Dreißigmeilenland) in Unternubien in einer Erstreckung von ca. 315 km entlang des Nils zwischen dem ersten und zweiten Katarakt spätestens seit der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. unter ägyptischer Kontrolle. Hieran hätten dann die Römer nahtlos angeknüpft. Gegen die Vorstellung von Locher (2002) 7 f. mit Anm. 4, dass zur Zeit der römischen Eroberung Ägyptens Unternubien einschließlich des Dodekaschoinos Teil des Ptolemäerreiches gewesen sei, wendet sich Hölbl (2004) 15 f., der darauf verweist, dass die Aussage der Gallus-Stele (s. weiter unten mit Anm. 80 f.), wonach dieser als Präfekt von Ägypten erstmals ein Heer jenseits des Nilkataraktes in ein Gebiet geführt habe, in das weder vom römischen Volk noch von den ägyptischen Königen jemals der Krieg vorgetragen worden war, nur verständlich sei, wenn die Kontrolle über dieses Gebiet inzwischen den Ptolemäern entglitten war. Auch die weitere Mitteilung ebendort, dass Gallus einen Lokalherrscher (tyrannos) über das Dreißigmeilenland eingesetzt habe, welches „zu Äthiopien“ gehört, deute in diese Richtung. S. auch schon Kirwan (1977) 13 und 19 f. zur Situation vor dem Ausgreifen Roms in frühaugusteischer Zeit. Nach Cass. Dio 51,15,5 versuchte Caesarion, Sohn von Caesar und Kleopatra, 30 v. Chr. vergeblich, sich vor den Häschern Octavians bei den Äthiopiern in Sicherheit zu bringen. Ausweitung römischen Einflusses, also herrschaftliche Interessen als Motiv für Roms Ausgreifen über die Grenze bei Aswan hinaus vermutet Burstein (1988) 17. Nach Prokop., hist. 1,19,29 wurde die südliche Grenze Roms im Niltal 297 n. Chr. wieder bis zum ersten Katarakt bei Philae zurückgenommen. – Einen umfassenden historischen Längsschnitt über die Geschichte der „Frontier Region between Ancient Nubia and Egypt“ legt Török vor (2009). 57 Zu den im östlichen Wüstengebiet Ägyptens stationierten Kohorten vgl. Speidel (1977) und Maxfield (2000) bes. 410 ff. und 429 f. mit einem umfassenderen historischen Überblick. Sie dienten dem Schutz der Bergbaugebiete sowie der Routen zwischen Nil und den Häfen am Roten Meer, während die isolierten Oasen der Libyschen Wüste in der Frühzeit der römischen Herrschaft offenbar keines besonderen militärischen Schutzes bedurften. Dagegen durchzogen das östlich des Nils gelegene Wüstengebiet verschiedene, durch Militärposten gesicherte Routen. Zu den nach Roms Ausgreifen nach Nubien dort eingerichteten Garnisonen (u.a. Talmis/Kalabsha, Pselchis/Dakka, Hiera Sykami-
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loziert waren die drei Alen.58 Bis zum Jahr 23 n. Chr. war nach dem Zeugnis des Tacitus eine Legion abgezogen worden,59 zwei Legionen – die legio III Cyrenaica und die legio XXII Deiotariana – wurden in bzw. bei Alexandria konzentriert.60 Dieses geschah wohl noch in der Zeit des Augustus oder zu Beginn der Herrschaft des Tiberius. Strabon vermerkt, dass die Ägypter kein kriegerisches Volk seien und dass das Gebiet durch Wüsten und hafenlose Küsten mit schwachen Nachbarstämmen abgeschottet sei,61 so dass nur 24.000 römische Soldaten zum Schutz ausreichten, von denen dazu ein Drittel im unruhigen griechischen Alexandria stationiert war. Als es dennoch in der Thebais wegen des Steuerdrucks im Jahr 29 v. Chr. zu einer Revolte kam, wurde eine Legion nach Theben verlegt, nicht aber um ein neues Operationsfeld zu öffnen, sondern um den Schutz des Besitzstandes abzusichern. Eine ähnliche Funktion war der Legion im alten Kairo im Nildelta zugedacht, einem zentralen Punkt zur Abwehr massiver feindlicher Einfälle aus Asien oder aus dem Raum von Alexandria, während im Westen die ausgedehnte Wüste das Niltal abschottete. Die militärischen Dispositionen sind also unverkennbar als eine Reaktion auf innere Unruhen und auf potentielle, aus geschichtlicher Erfahrung abgeleitete Bedrohungen anzusehen.
C. Cornelius Cn. f. Gallus, praefectus Aegypti Zum ersten ritterlichen Präfekten des tributpflichtigen Ägypten hatte Octavian 30 v. Chr. C. Cornelius Cn. f. Gallus ernannt,62 der im Alexandrinischen Krieg von Afrika aus an der Eroberung Ägyptens maßgeblich beteiligt gewesen war.63 Geboren 69/68 v. Chr. in Forum Iulii – sehr wahrscheinlich dem heutige Fréjus, aber auch ein anderer Ort dieses Namens ist nicht völlig auszuschließen – und aus sehr einfachen Verhältnissen stammend,64 war Gallus als Mitschüler Vergils schon früh auch mit Octavian befreun-
nos/El-Maharaqa – bis ca. 200 km flussaufwärts von Syene), die aber offenbar nur mit Detachements von den in ihrem Hauptlager in Syene unter gemeinsamem Kommando stationierten drei Einheiten besetzt waren, s. Speidel (1988); Maxfield (2000) 414 ff. 58 In Syene wird die Stationierung der ala Apriana vermutet, vgl. Maxfield (2000) 411. 59 Tac., ann. 4,5: cetera Africae per duas legiones, parique numero Aegyptus … coercita. 60 Zur frühen Geschichte der legio III Cyrenaica und der legio XXII Deiotariana neben Ritterling (1924/25) 1506 f. bzw. 1791 ff. noch Sanders (1941) bes. zur legio III Cyrenaica; Devijver (1974) bes. 455; Keppie (1984) 134; 142 ; 206 und dazu Wolff (2000) bzw. Daris (2000), jeweils mit den neueren Dokumenten und der entsprechenden Literatur. 61 Strab.17,1,53 = C 819. 62 Strab. 17, 1,53 = C 819; Suet., Aug. 66,1; Cass. Dio 51,17,1; Serv., Verg. ecl. 10,1; Donat., Verg. ecl. praef. 63; Eutr. 7,7; Fest., brev. 13,3; Amm. 17,4,5: Aegypti procurator (sic!); Hieron., chron. 187; Ol. p.162,24 usw. – Vgl. PIR2 C 1369. 63 S. oben S. 16 mit Anm. 21. 64 Suet., Aug. 66,1: ex infima fortuna.
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det.65 Er gilt als Schöpfer der römischen Liebeselegie. Nur wenige Originalverse sind von ihm erhalten, darunter ein paar Epigramme bzw. Reste davon auf einem Papyrus aus dem in Nubien auf einem Hügel gelegenen Primis/Qaşr Ibrim, das 25/24 v. Chr. nach den römischen Vorstößen in den Süden für wenige Jahre als Kastell für eine römische Truppe ausgebaut worden war.66 In einem vollständig erhaltenen Epigramm erwartet Gallus, dass er von großen Erfolgen Caesars lesen werde und von Tempeln der Götter, die mit reichen Beutestücken nach einem Triumph geschmückt wurden … cum tu [Caesar] maxima Romanae pars er historiae. Vermutet wird, dass hier auf den bevorstehenden Partherfeldzug Caesars 45/44 v. Chr. angespielt wird.67 In einem anderen Fragment wird die nequitia seiner geliebten Lycoris = Cytheris, die mit Antonius verbandelt war, beklagt. In den Werken Vergils, aber auch bei anderen Dichtern wird Gallus mehrfach lobend erwähnt. Auf Vermittlung des Gallus wurde nach Philippi 42 v. Chr. der Besitz Vergils vor der Beschlagnahme geschützt. Als triumvir agris dividendis war er zusammen mit Asinius Pollio und Alfenus Varus mit der Verteilung von Land an die Soldaten des Octavian beauftragt worden.68 Dieses allein belegt die Vertrauensstellung, welche Gallus lange Zeit bei Octavian innehatte. Augustus kündigte ihm aber offenbar noch vor seiner eigenen Abreise zum hispanischen Kriegsschauplatz, die im Spätherbst 27 v. Chr. erfolgte, die Freundschaft auf (renuntiatio amicitiae) und untersagte ihm nach Anklage durch Valerius Largus, einem ehemaligen Gefährten und Vertrauten des Gallus, den Zugang zu seinem Haus und zu den ihm als Princeps unterstellten Provinzen.69 Dieses hatte offenbar ein wahres Kesseltreiben gegen den Gestürzten zur Folge. Nach Cassius Dio … griffen ihn nunmehr auch zahlreiche andere Persönlichkeiten an und reichten gegen ihn eine Menge schriftlicher Klagen ein. Der Senat aber entschied einmütig, dass Gallus durch die
65 Suet., Aug. 66,1 f.; Serv., Verg. ecl. 10 praef.; Prob., v. Verg. 9-10 B; s. ferner etwa PIR2 C 1369. – Zusammenfassend zu seinem Leben bis zu seiner Ägyptenpräfektur jüngst etwa Stickler (2002) 14-16. 66 Anderson et alii (1979). – Zu der Höhenbefestigung Primis und den archäologischen Spuren des römischen Militärs ebendort sowie im Umfeld s. Alexander (1988) 77 ff.; Horton 1991, 268 ff.; s. dazu auch weiter unten S. 48 f. – „Nubien“ ist ein rein geographischer Begriff, der im Mittelalter geprägt wurde. Seine Herkunft ist umstritten. Die Route nilaufwärts war seit alters her eine wichtige Verbindungslinie durch die angrenzenden Wüstengebiete zu den Schätzen Zentralafrikas, vgl. nur Kirwan (1957) 13 f. mit der Kartenskizze; Kirwan (1977) 14 (Map I). 67 Luther (2002) 37 sieht in den Fragmenten einen Hinweis auf Gallus als „Teil des Systems und Wegbereiter der Prinzipatsideologie.“ – Zum Dichter Gallus, der stark von Kallimachos beeinflusst war, s. etwa Crowther (1983); Manzoni (1995). 68 Donat., v. Verg. 19 = 65-70 B; Donat., Verg. ecl. praef. 63; Prob., v. Verg. 4-10 B. 69 Suet., Aug. 66,2: … (Cornelium Gallum) ob ingratum et malivolum animum domo et provinciis suis (Augustus) interdixit; Cass. Dio 53,23,6: … ἠτιμώϑη ὑπὸ τοῦ Αὐγούστου … – Vgl. zur Freundschaftskündigung in der Zeit zwischen Republik und Principat grundsätzlich Kierdorf (1983), speziell zu Gallus ebd. 223-225; ferner allgemein Rogers (1959), zu Gallus bes. 227 ff.; Daly (1979) 296 ff. Zur „GallusAffäre“ in diesem Zusammenhang eingehend Stickler (2002) 51-55 mit Hinweis auf die Folgen für den betroffenen Ritter; s. aber auch weiter unten.
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Gerichtshöfe verurteilt und mit Verbannung (sc. aus Rom und Italien) und Verlust seines Vermögens, das Augustus zu übergeben sei, bestraft werden solle, worauf er sich selbst tötete.70
Die eigentlichen Ursachen für die Entfremdung des Dichters von Augustus bleiben in den Berichten ebenso unklar wie die tieferen Gründe für die folgenden Anklagen und das senatus consultum. Abberufen worden war Gallus von seinem Statthalterposten wohl schon vor Januar 27 v. Chr.71 Die Quellen deuten in erster Linie auf persönliche Gründe für seinen Sturz und lassen nicht erkennen, dass dieser mit seinem Verhalten in Ägypten in unmittelbarem Zusammenhang stand, wenngleich er sich in dieser Provinz offenbar recht selbstherrlich mittels Statuen und Inschriften in Szene setzte und dabei wenig sensibel verfuhr.72 Jedenfalls verfiel sein Andenken nicht einer formellen damnatio memoriae, und auch seine Werke wurden weiterhin öffentlich gewürdigt.73 70 Cass. Dio 53,23,6 f.; 24,1; Suet., Aug. 66,2: … Gallo … et accusatorum denuntionibus et senatus consultis ad necem conpulso …; vgl. Amm. 17,4,5 mit irrigen Angaben zum gesamten rechtlichen Verfahren; Hieron., chron. p. 164,6-9 zum Jahr 27 v. Chr.: Cornelius Gallus Foroiuliensis poeta a quo primum Aegyptum rectam supra diximus XLIII aetatis suae anno propria se manu interfecit; Serv. Verg., ecl.10,9 und georg. 4,1, wo es unter anderem heißt: nam laudes Galli habuit locus ille, qui nunc Orphei continet fabulam, quae inserta est, postquam irato Augusto Gallus occisus est. Ferner Suet., de gramm. 16,1 p. 112 Reiff.: Q. Caecilius Epirota [Grammatiker und Freigelassener des T. Pomponius Atticus, mit dessen Tochter, Frau des Agrippa, er Ehebruch begangen haben soll] suspectus in ea et ob hoc remotus, ad Cornelium Gallum se contulit, … quod ipsi Gallo inter gravissima crimina ab Augusto obiicitur. Letzteres mag seit längerem die Gerüchteküche in Rom beschäftigt haben. Agrippa ließ sich spätestens 28 v. Chr. von Caecilia Attica scheiden, mit der er seit etwa 37 v. Chr. verheiratet war und ehelichte Marcella, die Nichte Octavians. Da Gallus seit 30 v. Chr. in Ägypten war, kann die Affäre – sofern der Realität entsprechend – nur in den 30er Jahren stattgefunden haben, den Vorgang in die Zeit nach seiner Abberufung von der praefectura Aegypti und Rückkehr nach Rom zu verlegen, fällt unter chronologischen Gesichtspunkten schwer, ist aber nicht unmöglich. Wie Sueton (de gramm. 16,2 p. 112 Reiff.) berichtet, hat Epirota noch nach dem Selbsttod des Gallus in Rom eine Schule errichtet. Vgl. dazu auch Syme (1986) 36 mit Anm. 25; 143 f.; 314. – Nach Cass. Dio 53,23,7 erfolgte der Selbsttod des Gallus im Jahr 26 v. Chr., aber die Chronologie der einzelnen Vorgänge vom Sturz bis zum Selbsttod des Gallus ist nicht sicher, s. dazu Jameson (1968) 79 und im Folgenden. 71 Vgl. zur Amtsverwaltung der frühen Statthalter u. a. Strab. 17,12,1 = C 797. – Aus Cass. Dio 53,13,2 wäre zu folgern, dass Gallus noch im Januar 27 v. Chr. in seinem Amt bestätigt wurde, aber die diesbezügliche Chronologie ist problematisch, vgl. auch weiter unten mit Anm. 110. 72 Cassius Dio (53,23,5 f.) vergleicht sein anmaßendes Verhalten mit dem bescheidenen des Agrippa und bemerkt: Ganz anders Cornelius Gallus, den die erwiesene Ehre zu Übermut (Hybris) verleitete: Er erging sich in vielfachen, respektlosen Äußerungen über Augustus und ließ sich auch zahlreiche tadelnswerte Handlungen zuschulden kommen. So ließ er in fast ganz Ägypten Standbilder von sich errichten und Verzeichnisse seiner sämtlichen Taten auf den Pyramiden anbringen. Dieses soll dann der formale Anklagepunkt und Grund für die Ächtung gewesen sein, besagt aber nicht zwingend eine Kompetenzüberschreitung. Nach der wenig präzisen Angabe bei Sueton (Aug. 66,2 – oben Anm. 69) soll für Augustus der „undankbare und übelwollende Charakter“ des Gallus der Grund für die Entfremdung von Augustus gewesen sein; vgl. auch im Folgenden. 73 Unter anderem Boucher (1966) bes. 56 f. oder Alföldy (1990) 78 ff. Anders Bresciani (1989) 93 ff.; vgl. auch Stickler (2002) 58 Anm. 232 mit weiterer Literatur. – In den Amores (1,15,29 f.) rühmt ihn
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Abb. 1: Geographische und politische Skizze Ägypten – Nubien - Arabien
Eine dieser angeblich selbstverherrlichenden, zweifellos aber selbstbewussten Inschriften wurde vor etwa 50 Jahren zwar nicht auf einer Pyramide, aber auf dem Ovid: Gallus kennt man im Westen, und Gallus kennt man im Osten / und mit Gallus ist auch seine Lycoris bekannt. Im Jahr 19 v. Chr., dem Todesjahr des Tibull, wünscht Ovid (am. 3,9,63 f.) dem Verstorbenen, dass er im Elysium nicht nur dem Calvus und Catull, sondern auch dem Gallus begegnen möge, si falsum est temeratae crimen amicitiae. Insgesamt wird Gallus von Ovid sechsmal erwähnt.
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aus Alexandria stammenden vaticanischen Obelisken entdeckt,74 den Caligula nach Rom hatte bringen lassen, wo er zur spina im neuen Circus umfunktioniert wurde. In den beiden gleichlautenden, anscheinend kurz nach dem Tod der Kleopatra zu datierenden und mit Bronzebuchstaben auf zwei gegenüberliegenden Seiten des Obelisken eingelegten Inschriften heißt es: Iussu Imp(eratoris) Caesaris divi f(ilii) / C(aius) Cornelius Cn(aei) f(ilius) Gallus / praef(ectus) fabr(um) Caesaris divi f(ilii) / Forum Iulium fecit. Gallus war also noch nicht praefectus Aegypti.75 Das in der Forschung lange Zeit umstrittene Forum Iulium, welches Gallus fertigstellte und auf dem der Oberlisk ursprünglich stand, war zweifellos das Forum Iulium in Alexandria,76 dessen Errichtung bereits von Kleopatra VII. begonnen worden war und dann von Gallus auf Befehl des Octavian vollendet wurde.77 Noch deutlicher geht der Selbstanspruch des Gallus aus der auf den 16. April 29 v. Chr. datierten, viel behandelten Inschrift vom Philae-Tempel hervor. Diese war 1896 in zwei Teile zersägt und eingepasst in ein Sandsteinpflaster, das als Fundament des Altars vor dem 13/12 v. Chr. eingeweihten Tempel des Augustus diente, in sekundärer Verwendung aufgefunden worden. In dem dreisprachigen Text (hieroglyphisch – griechisch – lateinisch) dieser Stele, die von einer geflügelten Sonnenscheibe und einem Reiter, der einen Barbaren niederschlägt, bekrönt ist,78 rühmt sich Gallus, als erster Praefekt von Alexandria und Aegypten die abgefallene Thebais innerhalb von 15 Tagen zweimal besiegt und fünf Städte erobert zu haben,79 ferner mehrere Führer gefangen genommen und das Heer über den (wohl zweiten) Nilkatarakt hinaus geführt zu haben, wohin weder durch das römische Volk noch durch die Könige Ägyptens bis dahin die Waffen getragen worden seien; in Philae habe er zudem Gesandte des Königs der Äthiopier empfangen 74 Zum Obelisken eingehend Alföldy (1990). 75 AE 1964, 255 = AE 1980, 46 = AE 1987, 103 = AE 1991, 63 = AE 1994, 1815. 76 Vgl. die schematischen Pläne bei Alföldy (1990) 44, Abb. 11 und 48, Abb. 12. 77 Zur umstrittenen Identifizierung des Forum Iulium ausführlich Alföldy (1990) 38-49 und mit der Zusammenfassung (S. 47): Gallus „ließ … auf Befehl seines Herrn die unter Kleopatra begonnenen, im Sommer des Jahres 30 v. Chr. schon weitgehend vollendeten Arbeiten für die Errichtung eines neuen Repräsentationsplatzes … abschließen und stellte den neuen Baukomplex als eine Schöpfung Oktavians hin.“ Vgl. auch Alföldy (1991) bes. 297 ff. Mit guten Gründen erschloss er aus dem Text der Inschrift(en) im Vergleich mit republikanischen Gewohnheiten als Standort des Obelisken das Forum Iulium in Alexandria, das später zum Forum Augustum umgewidmet wurde, wo dieser als Gnomon einer monumentalen Sonnenuhr gedient haben mag. Vgl. auch Herklotz (2007) 22; bes. 270 f.; 282. 78 Im Giebelfeld sind auf der rechten Seite die Götter von Philae: Osiris, Isis und Horus und auf der linken Seite die Götter von Elephantine: Chnum, Satet und Anubis dargestellt. 79 Genannt werden die Städte Boresis/? (nördlich von Koptos), Koptos/Quft, Keramike/Medamut, Diospolis Magna/Theben und Ophieum/Luxor(?), vgl. dazu Herklotz (2007) 172 f. mit den Belegen in Anm. 320. Der rasch unterdrückte Steueraufstand in der Thebais, von dem auch Strab. 17,1,53 = C 819 (vgl. auch die Anspielung bei Amm. 17,4,3-5: Ausplünderung der Thebais durch Gallus) berichtet, fällt also in den Beginn der Statthalterschaft des Gallus. Zuvor soll Gallus nach dem Bericht bei Strabon noch die abgefallene Stadt Heroopolis durch einen Angriff weniger Leute eingenommen haben. – Vgl. hierzu und zum Folgenden die geographische Skizze in Abb. 1. Für topographische Details muss auf die Sekundärliteratur und die dortigen Pläne verwiesen werden.
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und diesen in die Schutzgemeinschaft Roms (tutela) aufgenommen; dazu habe er in der Pufferzone zwischen Meroë und Ägypten in Unternubien, dem sog. Triakontaschoinos, einen Dynasten eingesetzt. Diese Maßnahme unterstreicht, dass das Gebiet zwar unter römischer Kontrolle stand, aber wie an anderen Grenzabschnitten einem in seinem Herrschaftsbereich unabhängigen Vasallen überantwortet wurde.80 Die Inschrift weihte er den Dii patrii und dem Nilus adiutor, wobei die Dii patrii neben dem Nilus adiutor kaum die römischen, sondern die ägyptischen Götter meinen, die gleichsam „evoziert“ werden.81 Der in dieser Inschrift zum Ausdruck gebrachte Anspruch des Gallus dürfte sich in der Sache noch im Rahmen dessen bewegt haben, was der Actium-Sieger einem in seinem Auftrag agierenden Statthalter an dieser Schnittstelle von Republik und Monarchie einzuräumen bereit war. Es ist nicht zu sehen, dass er durch solche Demonstration seiner persönlichen Erfolgsgeschichte bereits die Toleranzschwelle von Octavian allzu stark strapaziert hätte, der darin seine eigene Stellung gefährdet oder zumindest stark relativiert gesehen hätte. Auch gibt es keine Anzeichen dafür, dass Gallus etwa seine Kompetenzen überschritten hätte,82 denn die 80 Vgl. auch weiter oben mit Anm. 56. Die diplomatischen Beziehungen mit dem Königreich der Äthiopier signalisieren ein zu dieser Zeit vergleichsweise gutes Verhältnis zwischen Rom und Meroë, allerdings auf der Grundlage römischer Überlegenheit im Grenzabschnitt. Vgl. auch Kirwan (1977) bes. 20 f. mit Hinweis auf eine übliche Praxis Roms der Grenzsicherung durch Einrichtung von Protektoraten bei gleichzeitiger Einforderung von Tributzahlungen. Etwas anders akzentuiert Herklotz (2007) 142 f. das Vorgehen des Gallus. Es zeige, „dass er den Triakontaschoenos als eine spezielle administrative Einheit wiederherstellen wollte, die an die Thebais angeschlossen sein sollte, um einen meroitischen Vorstoß abzublocken und alle Verbindungen zwischen Oberägypten und Meroë als potentiellen Alliierten gegen die römische Herrschaft zu durchtrennen. Mit dem Besitz des Gebietes war auch die Kontrolle über die Handelswege und die Goldbergwerke verbunden“ (143). Nach dieser Interpretation waren neben herrschaftlich-politischen auch wirtschaftliche Motive für das Vorgehen des Gallus maßgebend. 81 Vgl. dazu auch Cresci Marrone (1993) 150 ff.; Rohr Vio (1997) 285 ff. und 303 f. – Text der Inschrift s. CIL III 1414, 5 = ILS 8995 = IGRRP 1, 1293 = IGLPhilae 2, 128 = AE 1992, 1725 = AE 1997, 1569; FHN 2, 163165. Hier nur die durch die Schriftgröße hervorgehobene lateinische Version: C(aius) Cornelius Cn(aei) f(ilius) Gallus [eq]ues Romanus pos rege[s] / a Caesare deivi f(ilio) devictos praefect[us Ale]xandreae et Aegypti primus defectioni[s] / Thebaidis intra dies XV quibus hostem v[icit II] acie victor V urbium expugnator Bore[se]/os Copti Ceramices Diospoleos Meg[ales Op]hieu ducibus earum defectionum interc[e]/ptis exercitu ultra Nili catarhacte[n trad]ucto in quem locum neque populo / Romano neque regibus Aegypti ar[ma s]unt prolata Thebaide communi omn[i]/um regum formidine subact[a] leg[atis re]gis Aethiopum ad Philas auditis eoq[ue] / rege in tutelam recepto tyranno Tr[iacontas]choen[i] inde Aethiopiae constituto die[is] / Patrieis et Neil[o adiut]ori d(onum) d(edit). – Zu den nicht unerheblichen Abweichungen in den drei sprachlichen Versionen s. u.a. Treu (1973) 225 f.; Hauben (1976); Burstein (1988) 17 f.; Herklotz (2007) 236 ff. sowie aktuell Hoffmann et alii (2009) und Hoffmann (2010). Umfangreiche Literaturanbgaben und dazu eine Textanalyse von É. Bernand finden sich auch in IGLPhilae 2, 128. Weitere Quellenverweise mit Literatur einschließlich Übersetzungen bei Herklotz (2007) 123 mit Anm. 45. 82 In diesem Zusammenhang sei aber auch auf die dubiosen Umstände beim Prozess gegen den Proconsul von Macedonien, M. Primus (sein Gentilname ist unbekannt), im Jahr 23 v. Chr. verwiesen, der beschuldigt wurde, ohne Ermächtigung durch den Senat Krieg gegen die Odrysen geführt zu haben, sich dann aber auf Weisungen des Augustus bzw. von dessen Schwiegersohn Marcellus berief, was
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Niederschlagung von Aufständen gehörte selbstverständlich zu seinen Aufgaben als Statthalter Ägyptens. Auch das weitere Vorgehen mit Angriffen nach Süden über den ersten Nilkatarakt hinaus wird von Octavian ausdrücklich oder stillschweigend als notwendige Sicherungsmaßnahme gebilligt worden sein, jedenfalls wurde sie nach den uns bekannten Quellen dem Gallus nicht zum Vorwurf gemacht. Neuerdings wurde vermutet, dass Gallus wegen Vorbereitung eines Aufstandes von Ägypten aus in Ungnade fiel. In diesem Zusammenhang wird einem 1971 aufgefundenen Papyrus großes Gewicht beigemessen, dessen Interpretation allerdings umstritten ist.83 Wiederholt wurde die fragmentarische Mitteilung als Beleg für eine Insurrektion angesehen, was aber andererseits auch energisch bestritten oder in Frage gestellt wurde.84 Einbezogen in die Diskussion wird auch eine knappe Bemerkung im Kommentar des Servius zu den Eklogen Vergils, wo von einer Verschwörung des Gallus gegen Caesar Augustus aber vor Gericht in Abrede stellte (Cass. Dio 54,3,2-4). Der Verteidiger des Primus, Murena (wohl verwandt, aber nicht identisch mit dem Consul desselben Jahres A. Terentius Varro Murena, s. Arkenberg [1993]), wurde selbst kurz darauf angeklagt, in eine Verschwörung gegen Augustus verwickelt zu sein und nach seiner Verurteilung auf der Flucht von den Häschern des Augustus getötet. Im Fall des Primus spielten Kompetenzüberschreitungen eine entscheidende Rolle, in welche Augustus zu Recht oder zu Unrecht hineingezogen wurde bzw. hineingezogen werden sollte; vgl. zum Prozess Levick (1975); Lacey (1980). Als Konsequenz dieses Konfliktes unterstellte Augustus bald darauf die makedonischen Legionen dem moesischen Heereskommando. Zum kritischen Verhältnis zwischen Senat und Princeps in diesem Jahr, in welchem Augustus ernsthaft erkrankte und sein Ableben zu befürchten stand, s. Lacey (1985). 83 P. Oxy. XXXVII 2820. Erstveröffentlichung durch Lobel (1971), danach verschiedene Leseverbesserungen und Konjekturen. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem historischen Werk, der von Lobel etwas irreführend in dem Sammelband 37 der Oxyrrhynchi Papyri, der eigentlich Dichterfragmenten vorbehaltenen ist, eingereiht wurde und nach dem Erstheraugeber in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. datiert. Ausführlich dazu Stickler (2002) 28 ff. in Auseinandersetzung mit der früheren Forschung. 84 Positiv zur Theorie eines geplanten Aufstandes Stickler (2002) 27 ff., 35 ff. und öfters; zusammenfassend ebd. 111. Stickler zufolge ist die Mitteilung in dem Papyrusfragment, in welchem von Vorbereitungen eines militärischen Unternehmens unter Nutzung der ehemaligen Flotte Kleopatras und von Vorbereitungen des Abfalls einer Person die Rede ist, auf Cornelius Gallus zu beziehen und nicht auf Aelius Gallus, wie gelegentlich angenommen wurde. Danach habe Gallus im Winter 28/27 v. Chr. seinen verräterischen Plan gefasst, sei dann in der ersten Hälfte 27 v. Chr. abberufen und in der zweiten Jahreshälfte verurteilt worden. Ihm folgt Hölbl (2004) 16 f. Schon Treu (1973) bes. 227 ff. hatte aus dem aufgefundenen Papyrus hochverräterische Absichten des Gallus herauslesen wollen, was aber bereits kurz darauf von der Forschung zurückgewiesen wurde, vgl. etwa Lewis (1975); Luppe (1978); Geraci (1983) 170 ff.; Hauben (1984); Lewis (1987). Es wird aber auch argumentiert, dass es sich bei dem Papyrus überhaupt nicht um einen im engeren Sinn historischen, sondern um einen mythologischen Text handelt, wofür allerdings wenig spricht. Neuerdings wieder offener gegenüber der Möglichkeit eines von Gallus geplanten Aufstandes gegen Octavian Herklotz (2007) 238 ff., 243 sowie 405 f., die zudem erneut auf die Nachricht bei Strab. 17,1,53 = C 819 über einen Steueraufstand in der Thebais verweist, den Gallus niedergeschlagen hat und der möglicherweise durch des Gallus Maßnahmen erst veranlasst gewesen sein könnte; zudem macht Stickler (2002) 25 darauf aufmerksam, dass bei Hieron., chron. 188 die Mitteilung vom Tod des Gallus direkt neben der Information stehe: Thebae Aegypti usque ad solum erutae. Vgl. zur Sache zuletzt noch Jördens (2009) bes. 51 mit Anm. 137.
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Augustus die Rede ist, in welchen Verdacht der Statthalter geraten sei.85 Es fragt sich aber, warum auf eine solche (geplante) Erhebung zunächst (nur) mit einer renuntiatio amicitiae durch Caesar/Octavian bzw. Augustus geantwortet wurde, und ebenso erscheint es befremdlich, dass dieses nicht aus den zeitlich näher stehenden Quellen kenntlich wird. Auch die chronologische Abfolge mit Abberufung des Gallus, seiner problemlosen Rückkehr nach Rom (!) und danach Prozess wäre nur schwer zu verstehen. Hinzu kommt, dass eine andere späte Quelle, nämlich Ammianus Marcellinus, einen ganz anderen Grund für das richterliche Verfahren benennt. Ihr zufolge soll Gallus aufgrund umfangreicher Unterschlagungen und Erpressungen in der Thebais in Rom gerichtlich wegen Diebstahls und Ausplünderung der Provinz belangt worden sein und sich aus Furcht vor dem Zorn der Nobilität, dem der Kaiser die Angelegenheit zur Aburteilung überlassen hatte, ins Schwert gestürzt haben.86 Aber schon das hier berichtete Verfahren kann in dieser Form nicht stattgefunden haben, und von einem entsprechenden Anklagepunkt weiß zumindest die übrige erhaltene Überlieferung nichts zu berichten.87 Hier kann auch die nachträgliche Auffüllung von Wissenslücken in der antiken Geschichtsschreibung eine Rolle gespielt haben. Allerdings wird man nicht bestreiten können, dass hinter der renuntiatio und dem gerichtlichen Verfahren handfeste und plausible Gründe gestanden haben müssen. Unabhängig von allen denkbaren realen Vergehen des Gallus mag allerdings dessen Selbstinszenierung, mit der er eher den Maximen republikanischer Proconsuln folgte als den neuen Machtverhältnissen, beim Actium-Sieger angesichts der eigenen, noch keineswegs gefestigten Herrschaft ein gewisses Misstrauen zur Folge gehabt haben, aber dieses muss selbstverständlich Spekulation bleiben.88 Immerhin wurde sicherlich nicht ohne Grund ein Verbot für Senatoren und hochrangige Angehörige des Ritterstandes (equites illustres) erlassen, ohne ausdrückliche Genehmigung des Princeps die ägyptische Provinz zu betreten, aber es sollte auch kein Bewohner Ägyptens, insbesondere aus Alexandria, in Rom zum Senator ernannt werden, Bestimmungen, die bis in die severische Zeit Gültigkeit besaßen.89 Cassius Dio vermerkt dazu: 85 Serv., Verg. ecl. 10,1. Es heißt dort: Hic (sc. Gallus) primo in amicitiis Augusti Caesaris fuit; postea cum venisset in suspicionem, quod contra eum coniuraret, occisus est. Die beabsichtigte coniuratio des Gallus war nach dieser Aussage aber ein bloßer „Verdacht“ mit fraglichem Realitätsgehalt. Stickler (2002) 25 ff. legt diesem Zeugnis angesichts seiner grundsätzlichen Ansicht über den Sturz des Gallus verständlicherweise größeres Gewicht bei, als es gemeinhin geschieht. 86 Amm. 17,4,5. 87 Anders auch in diesem Punkt die Ansicht von Stickler (2002) 24 ff. 88 Vgl. eine typisch Syme’sche Formulierung (Syme [1986] 7): „… Cornelius Gallus … came to grief through ambition and imprudence – or from Caesar’s need to discard an exorbitant partisan.“ Ferner Syme (1986) 32. – Nach Herklotz (2007) 234 ff., 243 und 405 hatte Gallus seine Kompetenzen zu stark ausgenutzt und ließ sich für seine errungenen Siege auf unrömische Art wie ein König feiern. Augustus konnte dies nicht hinnehmen und rief daher seinen ehemaligen Freund nach Rom zurück. 89 Cass. Dio 51,17,3. – Nach Manfredini (1986) 13 f. und 18 f. könnte es sich auch um grundsätzliche Bestimmungen gehandelt haben, die nicht nur senatores und equites illustres einschlossen, s. dazu auch Jördens (2009) 36 f. mit Anm. 86.
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Mit Rücksicht auf die Menschenfülle in Stadt (πóλεις) und Land (χώρα), auf die unstete, unbändige Wesensart der Bevölkerung, auf die Bedeutung der Getreideversorgung und den allgemeinen Wohlstand wagte er (sc. Augustus) nicht, das Land einem Senator anzuvertrauen, ja er gestattete nicht einmal einem Mann von solch einem Rang, sich dort aufzuhalten, es sei denn, dass er ihm selbst die Erlaubnis dazu erteilte. Andererseits ließ er aber auch keinen Ägypter als Senator in Rom zu. 90
In die Begründungen sind offenbar auch anachronistische Aspekte eingeflossen wie die Betonung der Rolle Ägyptens für die Getreideversorgung Roms, ein Problem, welches in der späten Republik und in der Frühzeit des Principats in dieser Form offenbar noch nicht bestand.91 Stattdessen dürften geostrategische Überlegungen die wesentliche Rolle gespielt haben; außerdem ist der Verbotscharakter nicht so singulär, wie er auf den ersten Blick erscheinen mag.92 Es besteht jedoch kein Grund, den Sturz des Gallus und seinen Selbsttod unmittelbar mit einem – auch nicht zu belegenden – Überschreiten seiner Kompetenzen als Statthalter in Ägypten zu verbinden.93 Wie weiter oben gezeigt, war es nach Cassius Dio die Hybris des Gallus, welche ihm von Valerius Largus zum Vorwurf gemacht wurde und seinen Sturz endgültig besiegelte, nicht die Ausübung seiner Funktion als Statthalter.94 Sein allgemeines Verhalten, nicht seine konkreten politischen und 90 Cass. Dio 51,17,1 f. – Zum speziellen Status von Ägypten s. auch Tac., ann. 2,59,3: Nam Augustus inter alia dominationis arcana vetitis nisi permissu ingredi senatoribus aut equitibus Romanis inlustribus seposuit Aegyptum, ne fame urgeret Italiam, quisquis eam provinciam claustraque terrae ac maris quamvis levi praesidio adversus ingentes exercitus insedisset; ferner Tac., hist. 1,11,1 mit Rückblick auch auf Erfahrungen aus über einem Jahrhundert : Aegyptum copiasque, quibus coerceretur, iam inde a divo Augusto equites Romani obtinent loco regum: ita visum expedire, provinciam aditu difficilem, annonae fecundam, superstitione ac lascivia discordem et mobilem, insciam legum, ignaram magistratuum, domi retinere; Philo, Flaccus 19,158 aus der Zeit des Tiberius: Ägypten wird als größte aller kaiserlichen Besitzungen bezeichnet. – Zur Auswahl der Präfekten aus dem Ritterstand Kienast (1999) 186 Anm. 117; Brunt (1983) 61-63. Jördens (2009) 9 sieht bereits in der Ernennung des ritterlichen Gallus zum ersten Präfekten Ägyptens eine grundsätzliche Entscheidung für die Übertragung der Statthalterschaft in dieser Provinz an einen eques Romanus in den folgenden drei Jahrhunderten, mag dieses vielleicht auch zunächst nur als Übergangslösung gegolten haben. Zum Verbot für Senatoren und equites illustres, Ägypten zu betreten, ausführlich Jördens (2009) 36 ff. – Ein Ritter als praefectus Aegypti dürfte in der Zeit kurz nach Actium eine zusätzliche Garantie gegen einen zweiten Antonius im Osten mit möglichen Verbindungen in den Senat hinein gewesen sein, s. auch Jördens (2009) 50 f. 91 Jördens (2009) 37 mit weiterer Literatur in Anm. 88. 92 Jördens (2009) 38 ff. 93 Anders etwa Herklotz (2007) 231 f., die den Entzug der Freundschaft des Augustus zu Gallus direkt mit seiner Abberufung verbindet. 94 Cass. Dio 53,23,5-7. – Rohr Vio (1997) erkennt vor allem in der Weihung der Inschrift von Philae an den Nilus adiutor neben den Dii patrii einen Affront gegen römische Traditionen und gegen Octavian als den Sieger von Actium über Ägypten. Mit Verweis u. a. auf die bekannte Elegie Tibulls an Messalla (Tib. 1,7) und das sog. Carmen de bello Actiaco et Alexandrino (P. Herc. 817) sieht sie in dieser Weihung eine allzu deutliche Nähe zu Antonius („pantheon filoantoniano“ – S. 306), was in Rom nachhaltig missbilligt worden sei. Sie gelangt zu dem Schluss (S. 309): „… la dedica formulata al Nilo
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militärischen Taten begründeten den Vorwurf gegen ihn, wobei sich allerdings ein solches als unangemessen eingeschätztes Verhalten nicht ganz von einer politischen Ebene trennen lässt. Ovid erwägt ein crimen temeratae amicitiae. Rund drei Jahrzehnte später erinnert Ovid (trist. 2,445 f.) aus seinem Exil am Schwarzen Meer an Gallus: Non fuit opprobrio celebrasse Lycorida Gallo, sed linguam nimio non tenuisse mero.95 Sueton notiert die renuntiatio amicitiae unter der Rubrik „Freundschaften“ des Princeps, die dieser nicht leicht schloss, an denen er dann aber festhielt. Ausnahmen machten danach Salvidienus Rufus, den er bis zum Konsulat, und Cornelius Gallus, den er bis zum Präfekten Ägyptens befördert hatte, obwohl beide aus niederen Verhältnissen stammten. Im Unterschied aber zu Rufus, den er dem Senat wegen eines geplanten Putsches zur Aburteilung übergab, entzog er dem Gallus ‚nur‘ die Freundschaft.96 Dieses weist nicht gerade auf ein gravierendes formelles Fehlverhalten des Präfekten. Wieweit nach dem Selbsttod des Gallus das tränenreiche Selbstmitleid des Princeps über sein Los, „dass er alleine nämlich Freunden nicht so sehr zürnen dürfe, wie er wolle“, echt oder gespielt bzw. kalkuliert war, bleibe dahingestellt. Dennoch sind auch die nach der renuntiatio amicitiae seitens des Augustus auf breiter Front einsetzenden Anklagen sowie das senatus consultum als Auslöser für den Selbsttod des Gallus mysteriös. Weder sind die Anklagepunkte noch das Verfahren als solches vor dem Senat unstrittig.97 Ein Teil der Forschung vermutet hinter dem Vorgehen des Senats gegen Gallus durch Valerius Largus allgemeine politische und standesspezifische Gründe, die sich gegen den ritterlichen Emporkömmling und indirekt auch gegen den Princeps richteten, welcher einen Ritter und keinen Angehörigen des ordo senatorius mit der bedeutenden Statthalterschaft von Ägypten betraut hatte und auch weiterhin so zu verfahren beabsichtigte. Der Entzug der Freundschaft zu Gallus durch Augustus bot danach dem Senat einen willkommenen Anlass, eigene
adiutor nella stele di Phylae potrebbe aver assunto un ruolo importante nell’impianto accusatorio e contribuito ad accreditare i sospetti di ‚fronda‘ insinuati nei confronti dell’imputato.“ Es bleibt aber festzuhalten, dass diese Zusammenhänge nirgends direkt bezeugt sind. 95 Ov., am. 3,9,63 f. bzw. Ov., trist. 2,445 f. 96 Suet. Aug. 66,2; ; vgl. auch Suet., de gramm. 16,1 f. p. 112 Reiff. (oben Anm. 69). 97 Bauman (1967) 181: „… neither the charge nor the form is clear.“ Vgl. auch Daly (1979) 298 ff. – Nach Ansicht von Bleicken (1962) 33 und Volkmann (1969) 117 f. muss dem Bericht bei Cass. Dio 53,23,7 zufolge der Senat (als etablierter Gerichtshof) direkt an dem folgenden Prozess und dem Urteil beteiligt gewesen sein, beide allerdings mit unterschiedlichen Folgerungen, was die genaue Form der Beteiligung betrifft. Dem hat Kunkel (1969) 228 ff. dahingehend widersprochen, dass zu dieser Zeit noch nicht von einer Tätigkeit des Senats als Gerichtshof die Rede sein könne. In Einzelfällen wurde der Senat vielmehr in die Entscheidungsfindung einbezogen. Im vorliegenden Fall habe der Senat nach der renuntiatio amicitiae Gallus gleichsam mit vorauseilendem Gehorsam vorverurteilt; der eigentliche Prozess mit formellem Schuldspruch erfolgte dann durch die quaestiones; s. dazu auch Stickler (2002) 56 ff.
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Ansprüche demonstrativ durchzusetzen und ein Exempel zu statuieren.98 Allerdings muss auch dieser Schluss hypothetisch bleiben.99
Exkurs: M. Licinius Crassus, proconsul Macedoniae et Achaiae Die heikle innenpolitische Situation der Jahre unmittelbar nach Actium lässt sich auch am Verhalten des M. Licinius Crassus und den Reaktionen Octavians darauf ablesen.100 Crassus stand zunächst auf Seiten des Sex. Pompeius und danach des 98 Schon Bleicken (1962) 33 hatte mit Recht betont, dass die renuntiatio amicitiae durch Augustus kein formelles Strafurteil war, faktisch allerdings einer Vorverurteilung gleichkam. Vgl. auch Boucher (1966) 50: „Sans cette disgrâce, Gallus n’eût pas pu être inquiété par les sénateurs“; s. auch ebd. 53; ähnlich schon Sattler (1960) 11. Die tieferen Gründe für die renuntiatio amicitiae durch Augustus und für die formellen Anklagen gegen Gallus stehen danach zwar in einem Zusammenhang, sind aber nicht deckungsgleich. – Nach der These von Daly (1979) spielten allgemeine politische Gründe eine Hauptrolle für die Anklagen gegen Gallus. Er formuliert (S. 291): „Its controlling assumption is that the destruction of Gallus both was an effect of and had an effect on the power struggle that culminated in the establishment of the Principate.“ Der Prozess gegen Gallus wurde seiner Meinung nach nicht vor den Quästionen, sondern im Senat geführt, der ehemalige Statthalter wurde dann auf Grund einer lex maiestatis verurteilt, s. ausführlich S. 303 ff. in Auseinandersetzung auch mit Bauman (1967) 171 ff.; vgl. ferner Bauman (1980) bes. 147-149; dazu aber weiter oben mit Anm. 97; s. auch Stickler (2002) 60 ff., der allerdings von objektiven Verfehlungen des Gallus ausgeht (s. weiter oben S. 30 f.) und dementsprechend schließt, dass Augustus den ehemaligen Statthalter, welcher sich seiner Absetzung widersetzt habe und militärische Maßnahmen für einen Aufstand in Gang gesetzt habe, weder schonen wollte noch im Sinne der Sicherung seiner Herrschaft schonen konnte. Zu bedenken gilt es auch, dass der Prozess stattfand, als der Princeps nicht mehr in Rom weilte und zum hispanischen Kriegsschauplatz abgereist war, eine willkommene Gelegenheit von Kritikern und Gegners des neuen Machthabers. Allerdings gab auch dann der Princeps die Zügel für die politischen Abläufe in Rom nicht aus der Hand. Stickler (2002) 59 unterstreicht zudem mit Kunkel (1969) 283 die Bedeutung des Gallus-Prozesses als des ersten Repetundenprozesses gegen einen eques Romanus, womit der Senat die Möglichkeit hatte, „durch Schaffung juristischer Fakten seine Bedeutung für das Gesamtimperium – auch die kaiserlichen Provinzen – unter Beweis zu stellen, und obendrein seinen Hass gegen einen Parteigänger des Augustus auszuleben.“ – Sánchez Sanz (2014) 7 nimmt sogar an, der Senat habe im Verhalten des Gallus die Absicht gesehen, dass dieser Ägypten vom Reich trennen wolle. Ein solcher Zusammenhang ist aber durch nichts zu belegen. 99 Dazu etwa Boucher (1966) 37; 54; Daly (1979) 299 ff. mit dem Schluss (S. 299): „… what the Senate felt toward him [sc. Gallus] was not jealousy but envy“, ferner (S. 301): „… Augustus’ specific exclusion of Gallus from his provinces gave the Senate its opening to vent the hostility it harbored toward both men“, oder zugespitzt (S. 311): „Gallus was a victim not so much of his own folly as of crossfire from Augustus’ jealousy and the Senate’s envy.“ 100 Schon Syme (1939) 309 ff. setzte die beiden Vorgänge um Gallus und Crassus in Parallele zueinander. Beide seien im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um die Macht in dieser Zeit zu sehen, welche schließlich zur Etablierung des Principats führten. Ob auch persönliche Beziehungen zwischen beiden Familien bestanden, lässt sich nicht nachweisen. Zu unsicher ist jeder diesbezügli-
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Antonius, wechselte aber offenbar kurz vor Actium über zur Partei des Octavian und erhielt 30 v. Chr. mit jenem (cos. IV) den ordentlichen Konsulat.101 In den beiden folgenden Jahren amtierte er als proconsul Macedoniae et Achaiae und kämpfte erfolgreich gegen Daker und Bastarner, wobei er mit eigener Hand den König Deldo tötete und große Teile der Bastarner vernichtete. Nach Unterwerfung Moesiens und Feldzügen in Thrakien zog er gegen die Geten, wobei ihm die Rückgewinnung der Feldzeichen gelang, welche C. Antonius 62 v. Chr. verloren hatte.102 Bereits im Winter 29/28 beschloss der Senat einen Triumph für Octavian und Crassus, den der nachmalige Princeps jedoch für sich ablehnte.103 Die Niederlegung der spolia opima im Tempel des Iupiter Feretrius wurde Crassus allerdings untersagt,104 dagegen wurde ihm aber entgegen der Aussage bei Cassius Dio der Ehrentitel eines imperator von Octavian nicht verweigert.105 Die Ansicht, dass sich stattdessen der nachmalige Princeps aus diesem Anlass zum siebten Mal zum imperator hatte akklamieren lassen,106 trifft offenbar nicht zu, denn diese Auszeichnung steht wohl im Zusammenhang mit der Eroberung von Alexandria 30 v. Chr.107 Jedoch scheint die Durchführung des Triumphes des Crassus in Rom herausgezögert worden zu sein, denn er triumphierte erst am 4. Juli 27 v. Chr. ex Thraecia et Geteis, zu einem Zeitpunkt also, als Augustus bereits zum hispanischen Kriegsschauplatz abgereist war, sicherlich eine durchaus gewollte Terminierung.108 Danach verschwindet Crassus aus der Überlieferung.
che Schluss aus der Inschrift CIL VI 21308 aus der Grabanlage der Crassi, die uns den Namen einer Verstorbenen Licinia P. f. Galli (uxor) überliefert. 101 Die Eckdaten seiner Laufbahn mit Belegen in PIR2 L 186. 102 Ausführlich zu seinen militärischen Erfolgen Cass. Dio 51,23,2-51,27,1; ferner Liv., per. 134 f.; Flor. 2,26. 103 Cass. Dio 51,25,2. 104 Cass. Dio 51,24,4 nach entsprechenden religiösen Recherchen mit willkommenem Ergebnis für den neuen Machthaber, s. dazu Rich (1996). 105 Cass. Dio 51,25,2; vgl. aber IG II2 4118 = ILS 8810 (Athen); AE 1928, 44 (Thespiae). 106 ILS 881. – Vgl. auch Cass. Dio 51,25,2, der bemerkt, dass nach Meinung einiger Leute der Titel dem Crassus bewusst verweigert worden sei. 107 Vgl. die monumentale Siegesinschrift AE 1977, 778 = AE 1992, 1534 = AE 1999, 1448 aus Nicopolis in Achaia, kaum zweifelhaft aus der Mitte des Jahres 29 v. Chr., in der sich Octavian als [cons]ul [quintum i]mperat[or se]ptimum bezeichnet. Vermutlich wurde das Monument von ihm persönlich eingeweiht (vgl. dazu Suet., Aug. 18,2), als er im Sommer 29 von Samos über Korinth nach Rom zurückkehrte. Dort feierte er vom 13. bis 15. August 29 v. Chr. seinen dreifachen Triumph de Dalmatis, ex Actio Aegyptoque, vgl. RgdA 4,1-3; Fasti triumph. Barberini ad ann. 29 = Inscr. It. XIII/1 p. 344 f.; Liv., epit. 133; Cass. Dio 51,21,5-8. Die siebte Akklamation Caesars d. J. dürfte daher bereits 30 v. Chr. erfolgt sein und kann sich nicht auf die Erfolge des Crassus beziehen. Vgl. auch CIL VI 873 = 31188a = ILS 81 (Rom) aus 29 v. Chr.: Senatus populusque Romanus Imp(eratori) Caesari divi Iuli f(ilio) co(n)s(uli) quinct(o) co(n)s(uli) designn(ato) sext(o) imp(eratori) sept(ies) re publica conservata. – Zur Sache überzeugend Schumacher (1985) 209 ff. 108 Dazu auch Syme (1986) 32; 211 und bes. 273 ff.
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Der Arabienfeldzug des praefectus Aegypti Aelius Gallus Vermutlich 28 v. Chr., spätestens aber 27 v. Chr. trat Aelius Gallus109 die Nachfolge des Cornelius Gallus als Präfekt Ägyptens an.110 Im Frühjahr oder Sommer 26 v. Chr. unternahm er auf Weisung des Augustus einen Kriegszug, welcher ihn tief nach SüdArabien führte und der nach einigen erzwungenen Unterbrechungen im Herbst 25 v. Chr. abgebrochen wurde.111 Über diesen berichtet vor allem Strabon, der anscheinend 27 v. Chr. oder im darauffolgenden Winter, jedenfalls aber vor dem Feldzug nach Arabien im Gefolge seines Freundes Aelius Gallus diesen auf einer Nilreise bis Syene und zu den Grenzen Äthiopiens begleitet hatte.112 Aber auch in den Res Gestae, beim älteren Plinius, bei Iosephus und Cassius Dio wird das Ausgreifen in bislang weithin unbekannte Räume gewürdigt.113 Zudem finden sich Anspielungen darauf auch in 109 Sein Praenomen M(arcus) oder eher L(ucius) ist nicht gesichert. Sein adoptierter Sohn war L. Aelius Seianus. Zur Laufbahn des Gallus s. die Übersicht in PIR2 A 179. 110 Die Chronologie der ersten Statthalterschaften von Ägypten ist umstritten; die Datierungen bei Cassius Dio werden teilweise mit Recht angezweifelt. Nach Bastianini (1975) 267 war C. Cornelius Gallus von 30 bis 26 v. Chr. praefectus Aegypti, ohne aber die problematischen Zeitangaben bei Cassius Dio zu diskutieren; sein Nachfolger Aelius Gallus amtierte danach bis 24 v. Chr. und dessen Nachfolger Petronius bis 22 v. Chr. Anders – und jetzt weitgehend akzeptiert – die chronologische Abfolge der praefecti nach Jameson (1968) 71 ff., bes. 75-79, die einen Zusammenhang zwischen dem Arabienfeldzug des Gallus und dem äthiopischen Feldzug des Petronius ablehnt; vgl. auch Brunt (1975) 142; Bastianini (1980) 75 mit Anm. 2 (nicht ganz klar die Eckdaten, angeblich aber Übernahme der Datierungen von Jameson); Sidebotham (1986/1) 120 = Sidebotham (1986/2) 590. Danach wurde Cornelius Gallus „spätestens“ 27 v. Chr., vermutlich aber früher, als praefectus Aegypti von Aelius Gallus abgelöst, vgl. schon Scullard (1963) 217: vermutlich 28 v. Chr. abgelöst und Prozess gegen C. Gallus 27 v. Chr.; ähnlich dann auch Syme (1939) 309 ff. Bereits etwa im Herbst 25 v. Chr. folgte nach Jameson Petronius dem Aelius Gallus als Statthalter von Ägypten nach, der seinerseits mindestens bis 22 v. Chr., vermutlich aber noch etwas länger im Amt blieb. Diese teilweise um ein Jahr höheren Datierungen als früher angenommen werden zwar bis heute von der Forschung nicht allenthalben akzeptiert – vgl. zuletzt etwa Sánchez Sanz (2014) passim –, jedoch sind die von Jameson vorgebrachten Argumente unseres Erachtens überzeugend, so dass sie auch hier zugrunde gelegt werden. 111 Zur Datierung vgl. etwa Raschke (1978) 871 Anm. 901; Bowman (1986) 40; Sidebotham (1986/1) 120 = Sidebotham (1986/2) 590; Sidebotham (1996) 794; Kennedy (1996) 711 u. 722; Stickler (2002) 90 ff.; Herklotz (2007) 173 – durchweg nach Jameson (1968) bes. 76 ff. Anders Buschmann (1991) 85 mit Anm. 1, der an der traditionellen Datierung 25/24 v. Chr. gegen Jameson (1968) festhält. Luther (1999) 168 f. trennt zeitlich eine gescheiterte Flottenexpedition im Winter 27/26 v. Chr. von dem Feldzug über Land nach Arabien im folgenden Winter. Dass seine Funktion als praefectus Aegypti im Zusammenhang mit dem Arabienfeldzug erwähnt wird, nicht aber bei Plinius oder Flavius Josephus, ist irrelevant. 112 Strab. 2,5,12 = C 118. Zur Chronologie Jameson (1968) 78: „… it is likely to have been before the Arabian campaign…“ Nach Stickler (2002) 90 ff. hat Aelius Gallus noch im Jahr 27 v. Chr. die Nilreise unternommen. Es handelt sich um eine der üblichen Konventsreisen des Praefekten in die einzelnen Gaue Ägyptens, s. dazu u. a. Jördens (2009) 94. 113 Strab. 16,4,22-24 = C 780-782; RgdA 26,5; Plin., n. h. 6,160 ff.; Ioseph., ant. 15,317; Cass. Dio 53,29,3-8.
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der Dichtung.114 Das Unternehmen fand offenbar große Beachtung in der römischen Öffentlichkeit.115 Dass Süd-Arabien als Ziel des Kriegszuges von Augustus und damit von der Zentrale in Rom ausdrücklich vorgegeben war, geht aus der nachträglichen stolzen Mitteilung in den Res gestae des Princeps Augustus und aus Strabons Bericht hervor, wo es heißt: Diesen (sc. Aelius Gallus) sandte Augustus Caesar, damit er sowohl diese (sc. die Araber) als auch die äthiopischen Völkerschaften und Gegenden erforsche, da er sah, dass die neben Ägypten liegende Troglodytenküste jenen benachbart und der die Araber von den Troglodyten scheidende arabische Meerbusen sehr schmal sei. Daher plante er, die Araber entweder (friedlich) für sich zu gewinnen oder sie zu unterwerfen. Auch war es ein wichtiger Grund, dass sie seit alter Zeit im Rufe großen Reichtums standen, da sie ihre Gewürze und kostbaren Steine gegen Silber und Gold umtauschten und von dem Empfangenen nichts an Auswärtige abgaben. So hoffte er denn, entweder reiche Freunde zu erwerben oder reiche Feinde zu besiegen. Auch ermutigte ihn die Hoffnung auf die Nabatäer, welche seine Freunde waren und ihn in allem zu unterstützen versprachen. 116
Erstes Ziel war das Gebiet der Sabäer, über das ein wichtiger Strang des Handels mit orientalischen Spezereien (Gewürze, Weihrauch, Seide) lief. Von dort wurde die Ware entweder über das Rote Meer an die ägyptische Ostküste mit der wichtigsten Hafenstadt Berenikeoder über die Zwischenstationen bei den Nabatäern, denen daher eine wichtige Bedeutung zukam, in den Westen verhandelt.117 Die wichtigsten Routen, 114 Etwa bei Hor., c. 1,29,1 ff.; 1,35,40; Verg., Aen. 7, 603-605; 8,704-706; Prop. 2,10,13-18 (Parthien, Indien, Arabien). 115 Eingehend zur Expedition des Aelius Gallus nach Arabien mit eigener Akzentsetzung Marek (1993) mit der früheren Literatur. Nicht unerwähnt bleibe die erste größere Studie zum Arabienzug des Aelius Gallus aus der Feder von H. Krüger (1869). Neuere Analysen finden sich unter anderem bei Mayerson (1995), Simon (2002) oder Sánchez Sanz (2014). Weiteres s. im Folgenden. 116 Strab. 16,4,22 = C 780 (die Übersetzung folgt im Wesentlichen derjenigen von A. Forbiger, Wiesbaden 2005). In RgdA 26,5 heißt es: Meo iussu et auspicio ducti sunt [duo] exercitus eodem fere tempore in Aethiopiam et in Ar[a]biam, quae appel[latur] Eudaemon … In Arabiam usque in fines Sabaeorum pro[cess]it exercitus ad oppidum Mariba. 117 Vgl. dazu und zur politischen Rolle des Nabatäerreiches in (früh-)augusteischer Zeit Negev (1977) bes. 549 ff. mit direktem Bezug auf die einzelnen Quellenzeugnisse; ferner Bowersock (1983) 45 ff. – Zum Verhältnis zwischen Rom und dem Nabatäerreich in spätrepublikanischer Zeit Sartre (1979) bes. 49-53: „Conclusions“. Sartre unterstreicht, dass die Nabatäer nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen an friedlichen Verhältnissen interessiert waren und weder Syrien bedrohten noch den allgemeinen Handel durch Räuberunwesen. Entscheidend für die Auseinandersetzungen zwischen 65 und 30 v. Chr. waren stattdessen Ruhm- und Erwerbsgier der römischen Magistrate im Osten. Vgl. auch MacAdam (1986) passim sowie den historischen Überblick von Funke (1989) bes. 8 ff. mit einer grundlegenden Analyse der Situation in römischer Zeit bis zur Einrichtung der Provinz Arabien unter Traian 106 n. Chr. und ausführlicher Quellendokumentation sowie entsprechenden Literaturverweisen. – Zu den wichtigsten vier Völkern und Herrschaften (ethne) im südarabischen Raum in augusteischer Zeit (Strab. 16,4,2 = C 768) s. u. a. Hoyland (2001) 40. Es sind dieses die Minäer mit der bedeutendsten Stadt Qarnaw/Karna, die Sabäer mit ihrer Hauptstadt Marib/Mariaba, die Qatabanen mit Könissitz in
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welche Syrien und Südarabien verbanden, waren traditionell zwar Karwanenstraßen, die im Landesinneren verliefen, allerdings verloren sie nach und nach an Bedeutung, als im Verlauf des 1. Jahrhunderts v. Chr. die Handelsroute über das Rote Meer mit Verbindungen sowohl in den mediterranen Raum hinein als auch nach Indien an Bedeutung stark zunahm. Jetzt wurden die Hafenstädte am Roten Meer wichtiger, und zugleich sanken Macht und Einfluss der unmittelbar an den Karawanenrouten angrenzenden Völkerschaften und Städte, sofern es ihnen nicht gelang, auch an der Küste Fuß zu fassen. Die große Bedeutung der Hafenstädte für den Handel belegen auch verschiedene Nachrichten im Periplus, und dieses gilt auch für die Häfen an der ägyptischen Ostküste wie vor allem Myos Hormos und Berenike mit gut gesicherten Verbindungen durch die östlichen Wüstengebiete Ägyptens mit dem Niltal. Nach Strabons Mitteilung gehörte bereits damals zu den Zielvorgaben für Aelius Gallus auch Äthiopien, ein Unternehmen, das dann erst sein Nachfolger im Amt des Präfekten, C. Petronius, in Angriff genommen hat. Offenbar erwartete man in Rom einen glänzenden Erfolg in diesem sagenumwobenen Bereich fernab der Hauptstadt Rom.118 Neben den politischen und militärischen Zielen, die auch die innere Machtlage in Rom im Auge hatte, waren es nach Strabon auch wirtschaftliche Motive, die allerdings nicht zu hoch veranschlagt oder gar als allein ursächlich angesehen werden dürfen, welche den Anlass zur Expedition gaben.119 Dieses alles war mit einer „Erkundung“ (Γάλλον … διαπειρασόμενον) von Land und Leuten verbunden, über die man in Rom bis dahin anscheinend nur begrenztes Wissen besaß,120 aber ‚Forscherdrang‘ war sicherlich nicht das eigentliche Ziel der Expeditionen nach Arabien und Äthiopien.121 Timna/Tamna und schließlich die Hadramiten mit ihrem Zentralort Shabwa/Sabata. Zu den Handelsrouten und Karawanenwegen ausführlich Young (2001) bes. 27 ff. und 90 ff. sowie McLaughlin (2010) jeweils mit ausführlichen Literaturverweisen. 118 Schon 29 v. Chr. hatte Vergil mit Blick wohl auf das Vorgehen seines damaligen Vertrauten Cornelius Gallus mit vorauseilendem Lob auf Octavian gemeint: … Jetzt schon an Asiens fernstem Gestad vertreibst du als Sieger / weit von den Burgen Roms die kriegsgebrochenen Inder … (georg. 2,171 f.); … Caesar indes, der gewaltige, schleudert am tiefen / Euphrat Blitze im Krieg. Als Sieger gibt er Gesetze / willigen Völkern, so strebt er hinan die Bahn zum Olympus … (georg. 4,560-562) (Übers.: J. u. M. Götte, Darmstadt 1995). 119 Handelsinteressen Roms als Motiv für den Feldzug werden von Marek (1993) bes. 125-138 abgelehnt, s. dazu auch weiter unten. Vgl. dagegen aus neuerer Zeit etwa Hoyland (2001) 44 f., Simon (2002) 312 ff., welcher das große Interesse Roms an einer direkten Verbindung nach Indien betont, um den extrem teuren Zwischenhandel für Spezereien zu vermeiden oder zumindest zu beschränken; vgl. dazu Plin., n. h. 12,32,63-65. Neuere Erörterungen etwa bei McLaughlin (2010) bes. 71 oder Sánchez Sanz (2014) 2 ff. 120 Strab. 16,4,22 = C 780; vgl. auch Strab. 2,5,12 = C 118 mit Hinweis darauf, dass jetzt die Gebiete am Arabischen Golf bis nach Indien besser bekannt geworden seien als zuvor (πολὺ μᾶλλον καὶ ταῦτα ἔγνωσται τοῖς νῦν ἤ τοῖς πρὸ ἡμῶν), andererseits Strab. 16,4,24 = C 782, wonach der Feldzug des Aelius Gallus keinen großen Wissenszuwachs über die Gegend zur Folge hatte. Von Verhältnissen, die im Zusammenhang mit dem Feldzug erforscht und zur Kenntnis gebracht wurden (explorata … rettulit), berichtet auch Plin., n. h. 6,160 ff. 121 Nicht zu überzeugen vermag die möglicherweise aus der Wortwahl bei Strabo gezogene Schlussfolgerung von Bleicken (1998) 338, wonach das Unternehmen „eher als eine Forschungsexpedition
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Ob der Bericht bei Strabon über den letztlich gescheiterten Vorstoß in allem der Realität entspricht, wird man bezweifeln dürfen, auch bleiben topographische Einzelheiten unklar. So soll es schon beim Schiffsbau gravierende Fehler gegeben haben, als Gallus zunächst 80 große Zwei- und Dreiruderer bauen ließ, die sich für den bevorstehenden Kriegszug als nicht verwendungsfähig erwiesen. Schließlich brach das Heer mit 130 Transportschiffen von Kleopatris (Arsinoë)/ Klysma (Suez) am Nordende des Golfs von Suez nach Leuke Kome auf, einem großen Handelsplatz und Hafen am südlichen Eingang des Golfes von Akaba und im Gebiet der Nabatäer gelegen.122 Aufgeboten waren 10 000 Fußsoldaten der Römer aus Ägypten und bundesgenössische Truppen, darunter 500 Juden, die Herodes zur Unterstützung geschickt hatte, und ebenso 1.000 Nabatäer, die der schwache König Obodas (II.)123 dem Befehl seines Stellvertreters (ἐπίτροπος) Syllaios unterstellt hatte.124 Ob die Hilfskontingente von Rom angefordert worden waren oder wegen der Aussicht auf Macht- und Landgewinn von den socii mehr oder weniger in eigener Initiative geschickt wurden, bleibe dahingestellt, wenngleich Letzteres allein wenig wahrscheinlich ist. Jedenfalls musste ein landeskundiger Führer den Römern sehr willkommen sein. Als die Römer 15 Tage nach dem Aufbruch Leuke Kome erreichten, hatten sie viele Schiffe durch Schiffbruch, keines aber durch feindliche Einwirkung verloren. Entscheidender waren noch Krankheiten im Heer, welche dasselbe so schwächten und dezimierten, dass Gallus den gesamten Sommer 26 v. Chr. bis zum Winter dort verweilte, um die Truppen wieder kampfbereit zu machen. Nach dem Bericht bei Strabon waren diese unglücklichen Umstände und auch der folgende verlustreiche Kriegszug auf die Hinterlist des auf eigene Machterweiterung sinnenden Syllaios zurückzuführen, der die Römer zunächst veranlasst haben soll, eine Kriegsflotte zu bauen, die sich danach als nutzlos erwies. Sodann soll er die Versorgungsflotte an klippenreichen zur Ausmessung der östlich von Ägypten und Syrien gelegenen Landmasse denn als Expansionskrieg gedacht [war]“, wobei zudem die Alternative fragwürdig ist. Allerdings hindert das nicht, dass die Erkundung einer neuen Welt (orbis novus) schon als solche sachlich wie propagandistisch von erheblicher Bedeutung war und in der Öffentlichkeit größte Beachtung fand, wie etwa die Trostschrift an Livia (cons. ad Liv. 20; 314; 391; 457) im Hinblick auf Germanien bezeugt. 122 Zur Diskussion um die Lage dieses einst bedeutenden Handelsplatzes an der arabischen Küste s. Jördens (2009) 356 Anm. 6. Kritisch gegenüber früheren Ansichten Buschmann (1991) 86-88 und Lokalisierung in der Gegend von Yanbu` al Bahr gegenüber von Berenike Trogodytike. Ausführlich zuletzt Nappo (2010) 335 ff., der sich mit einem Teil der Forschung für eine wahrscheinliche Identifizierung mit al-Wajh und gegen Aynuna am Golf von Aquaba ausspricht. 123 Seit 30 v. Chr. Herrscher; er regierte bis 9 v. Chr. – Nach Krüger (1869) 11 war die Streitmacht viel zu schwach, als dass mit ihr hätte Arabia felix erobert werden können. 124 Strab. 16,4,23 = C 780; s. auch Ioseph., ant. 15,317: 500 ausgewählte Kämpfer aus der Leibgarde des Herodes. – Nach Marek (1993) 121 mit Anm. 2 waren vermutlich die beiden Legionen III Cyrenaica und XXII Deiotariana zur Expedition herangezogen worden, jedoch werden diese in den Quellen nicht ausdrücklich genannt. Aus Strab. 17,1,54 = C 820 geht nur hervor, dass ein Teil der Schutzmacht Ägyptens am Kriegszug beteiligt war. Um welche Truppen bzw. Truppenteile der drei (!) in Ägypten stationierten Legionen (s. weiter oben mit Anm. 55) es sich genau gehandelt hat, muss offen bleiben.
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und hafenlosen Küstenstrecken entlang dirigiert haben, was große Verluste zur Folge hatte, und schließlich das Heer auf Umwegen durch wasserlose Wüstengegenden geführt haben in der Absicht, einige arabische Stämme und Städte zu gewinnen, um nach dem Untergang der Römer seine eigene angestrebte Herrschaft zu erweitern.125 Unklar ist, ob auch die Gefährdung eigener nabatäischer Handelsinteressen bei einem römischen Erfolg die zwielichtige Haltung des Syllaios mit bestimmt hat. Aber der ganze Bericht ist in hohem Maße tendenziös und beinhaltet schwer verständliche Einzelheiten.126 Ph. Mayerson kommt unabhängig von den Täuschungsmanövern des Syllaios zu einem kritischen Urteil über die Kampagne des Gallus und dessen militärische Kompetenz: Seiner Meinung nach konnte Gallus nicht mehr als 200 Schiffe innerhalb von vier oder sechs Monaten gebaut und ausgerüstet haben,127 und er schließt: „It is further evident that he undertook the expedition without seeking information regarding alternative routes, both by land and sea, and the nature of the terrain of Arabia. Bungling and naïve he may have been, but the likelihood is that he lacked military experience in the field… .“128 Jedenfalls fragt man sich, warum Gallus nicht bessere oder zumindest mehrfach kontrollierte Informationen von ägyptischen oder nabatäischen Händlern über die möglichen Routen und auch Risiken für die Versorgung eines größeren Heeresverbandes eingeholt hat. Dieses war nach Abbruch des Unternehmens und bei der Rückführung der Truppen nach Alexandria mit Einschiffung derselben in Egra/Mada’in Salih (?), Überfahrt nach Myos Hormos 129 Marsch nach Koptos/Quft und Fahrt Nil abwärts offenbar anders, denn, wie Strabon vermerkt, brauchte es dazu nur 60 Tage im Gegensatz zu den 6 Monaten des Vormarsches.130 Strabon will offenbar als Freund des Gallus131 diesen von der Verantwortung für den Fehlschlag frei sprechen und versteigt sich sogar zu der Behauptung, dass Gallus ohne den Verrat des Syllaios ganz Arabia Felix132 unterworfen hätte und der Nabatäer später eben wegen dieses Verhaltens und anderer Verbrechen hingerichtet worden sei.133 Der hier von Strabon hergestellte Zusammenhang ist jedoch ganz unglaubwür125 Strab.16,4,22-24 = C 780-782. 126 Zur Ereignisgeschichte und den geographischen Details s. bes. Marek (1993) 138-147, leider ohne Kartenbeilage. 127 Mayerson (1995). Kritisch hierzu Jördens (2009) 419 mit Anm. 96-99, die dem Bericht von der Vorbereitung der Flottenexpedition durch Aelius Gallus in Kleopatris bei Strab. 16,4,23 = C 780 den Vorzug gibt gegenüber dem nicht zuletzt auf Plut., Ant. 69,4 f. gestützten Verdikt von Mayerson (1995) 23: „… it is evident that Gallus could not have built and equipped over 200 ships in a period of four or even six months.“ 128 Mayerson (1995) 23 f. 129 Zum Ort Sidebotham (2011) 184-186. 130 Strab. 16,4,24 = C 782. 131 S. etwa Strab. 2,5,12 = C 118. 132 Zur Bezeichnung Arabia felix (beata), gr.: ἡ εὐδαίμων Ἀραβία, im Gegensatz zu Arabia deserta, gr.: ἡ ἔρημος Ἀραβία, schon Müller (1896) 345 mit den Belegen. 133 Strab. 17,1,53 = C 819; s. schon 16, 4,24 = C 782.
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dig, denn Syllaios weilte später noch in Rom bei Augustus und wurde nach dem ausführlichen Bericht bei Iosephus erst 5 v. Chr. aus ganz anderen Gründen zum Tode verurteilt, als es zum Streit zwischen ihm und Herodes gekommen war.134 Einzelne Erfolge wurden zwar von den Römern auf ihrem Vormarsch erzielt wie die Einnahme von Negrana im heutigen Wady Nedschran oder Athlula/Barakish (Baraqish)135, wohin eine Besatzung gelegt wurde und von wo eine lateinisch-griechische Bilingue mit Nennung eines römischen Reiters P(ublius) Cornelius stammt;136 jedoch musste das Unternehmen schließlich nach einem Misserfolg vor Mari(a)ba/ Marib im Gebiet der Sabäer137 abgebrochen und das Heer über Ägyptens Küste nach Alexandria zurückgeführt werden.138 Dieses ist die Version Strabons.139 Allerdings ist 134 Vgl. dazu Stein (1931); Bowersock (1983) bes. 50 ff. 135 In praeislamischer Zeit YTL. Der Name mag als Yathil oder Yatill (bei der Ğawf-Oase) zu transkribieren sein, s. Wissmann (1976) 314 f.. Die Gleichsetzung mit Athroula bei Strabon (16,4,24 = C 782) bzw. Athloula bei Cassius Dio (53,29,8) ist allenthalben unstrittig. 136 Zu den Einzelheiten des Zuges Strab. 16,4,24 = C 781 f.; vor allem zu den Ereignissen im Sabäerreich s.auch Wissmann (1976) 313-318 mit den Karten Abb. 1 und 2. – Inschrift aus Barakish: SEG XXVII (1980) 1005; Costa (1977), dazu aber Bowersock (1983) 148-153 mit Taf. 13 und Datierung des Monumentes gegen Costa in frühaugusteische Zeit; Marek (1994). Die rechts und unten abgebrochene Grabinschrift (unwahrscheinlich ist eine Weihinschrift, s. Bowersock [1983] 149 f.) nennt einen Reiter (eques) einer unbekannten Einheit. Allem Anschein nach bestand der gleichlautende, schlichte lateinische und griechische Text jeweils nur aus zwei Zeilen, so dass am Ende des griechischen Textes nur eine Zeile fehlt. Die genaue Größe der Lücke auf der rechten Seite bleibt dagegen unsicher, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass in der ersten Zeile lediglich der Namensrest von Cornel[ius --- mit Filiation oder Cognomen oder beidem fehlt; in der zweiten Zeile folgt nach eques, abgesetzt durch Interpunktion, ein nicht sicher zu ergänzender Buchstabe, am ehesten ein N (oder M) sowie möglicherweise folgend eine Grabformel wie h(ic) s(itus) e(st) mit der griechischen Entsprechung. Die lateinische Version ist mit wesentlich größeren, aber wenig professionellen Lettern in die Platte eingraviert, welche in ein größeres Monument eingefügt gewesen sein muss. 137 Im heutigen Jemen, eine wichtige Station für den Handel von Weihrauch und Myrrhe. Vgl. auch die Geschichte der Königin von Saba. Generell zum arabischen Handel mit Weihrauch und Myrrhe Groom (1981) bes. 1 ff. und 55 ff. (griechische und römische Quellen; auch zum Zug des Aelius Gallus und geographischen Details). – Zur Überlieferung des Stadtnamens Marsiaba/Marsyaba bei Strabon gegenüber Mari(a)ba in RgdA und bei Plinius s. Marek (1993) 144. 138 Während Bowersock (1983) 47 die Expedition des Gallus als „terrible desaster“ und Kienast (1999) 335 dieselbe als „totalen Fehlschlag“ bewerten, urteilet Sidebotham (1986/1) 127 und 130 etwas anders. Seiner Meinung nach hatte sich Rom erfolgreich als Ordnungsmacht im erythräischen Raum etabliert. Aber erst 106 n. Chr. gelang Rom durch Traian mit Einrichtung einer provincia Arabia die direkte Kontrolle der arabischen Halbinsel. Er war der erste und letzte Kaiser, der im Verlauf der Partherkriege 114-117 n. Chr. den Persischen Golf erreichte und eine Flottenstation errichten ließ, von der aus man auch Indien erreichen konnte, vgl. Eutr. 8,3,2; dazu Schmitthenner (1979) 101: „…Trajan concluded rather than initiated a development when he ordered the Arabian kingdom of the Nabataeans to be annexed as a province in A. D. 106. As a client kingdom, it had functioned as a terminus for both the Red Sea traffic and the caravan commerce of South-eastern Arabia under the lucrative control of Rome.“ 139 Strab. 16,4,24 = C 782. Angeblich musste die Belagerung bereits nach sechs Tagen wegen Wassermangels abgebrochen werden. Zweifel an dieser Version bei Jameson (1968) 70 f. und Luther (1999)
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der Zug des Gallus bis zu seinem Scheitern vor Marib von der Forschung nach eingehender Quellenkritik infrage gestellt worden. Bei Plinius gehört Marib zu den von den Römern zerstörten Städten.140 Chr. Marek kommt zu dem Ergebnis, dass der römische Vorstoß über Marib hinaus nach Osten erfolgte und dass das Weihrauchland Hadramaut mit der Stadt Šabwa im Südosten des heutigen Jemen das Ziel des Unternehmens gewesen sei. Der Kriegszug des Gallus sei nicht auf einer Landroute nach Süden entlang der Küste erfolgt, sondern das Heer sei vielmehr bis nach Arabia felix bzw. Eudaimon Arabia, dem heutigen Aden, gesegelt, was die großen Verluste zur See erklären würde; von dort aus sei es dann nach Osten ins Landesinnere marschiert, aber hier wegen des Wassermangels gescheitert.141 Cassius Dio berichtet relativ kurz über den Feldzug, ohne im Übrigen Syllaios überhaupt zu erwähnen, und fasst im Rückblick zusammen: Damals aber fanden sie (d.h. die Barbaren, also die Bewohner Arabiens) in der Krankheit einen Bundesgenossen, so dass sie nicht nur ihren eigenen Besitz zurückgewinnen, sondern auch noch ihre Gegner, soweit sie überlebten, aus dem Lande vertreiben konnten. Es waren das die ersten Römer und, wie ich glaube, auch die einzigen, welche in kriegerischer Absicht eine so große Strecke des dortigen Arabien durchzogen, kamen sie doch bis zu dem so genannten Ort Athlula, einem berühmten Platz. 142
Ob der Rückzug von Augustus befohlen oder aus der Not erzwungen war, bleibt zwar offen, jedoch fehlen zumindest Hinweise für eine Order aus Rom.143 Aber dieses ist ohnehin keine grundsätzliche Alternative. In den Res Gestae wird der Zug gegen die Arabia Felix wie der gleich näher zu besprechende gegen Äthiopien als politisch-militärischer Erfolg gefeiert, 169. Mit Sabotageakten der einheimischen Bevölkerung, welche für den Rückzug maßgeblich verantwortlich waren, rechnet Sidebotham (1986/1) 127 = Sidebotham (1986/2) 598. 140 Plin., n. h. 6,160. Als entfernteste Stadt auf dem Feldzug wird dort Caripeta genannt, s. dazu Wissmann (1976) 471-474. – Zu archäologisch nachzuweisenden Zerstörungsspuren in Marib Wissmann (1976) 424-426. 141 Marek (1993) bes. 143-147; knapper Überblick auch bei Hölbl (2000) 16. 142 Cass. Dio 53,29,7 f. – Eindrücklich wird bei Cass. Dio 53,29,4 ff. die dramatische Lage des römischen Heeres aufgrund der Wüstenlandschaft, Sonne, unverträglichen Wassers, Krankheit und feindlicher Angriffe geschildert, was zum Verlust des größten Teils der Streitmacht geführt habe. In den Worten von Mommsen (1886) 610: „Die Araber hinderten ihn (sc. Aelius Gallus) nicht, wohl aber Arabien.“ 143 Förmliche Abberufung des Statthalters durch Augustus und nicht Wassermangel vermuten u.a. Jameson (1968) 76 f. und Luther (1999) 164 ff.; 169 als Grund für den Rückzug. Dagegen dezidiert Marek (1993) 142 f. Dazu zuletzt noch Sánchez Sanz (2014) 7 f., der ähnlich wie auch Sidebotham (1986) 127 nicht einen völligen Misserfolg des Unternehmens erkennen kann. Anders wiederum Simon (2002) 311 ff., der einen völligen Misserfolg des Feldzugs konstatiert angesichts seiner ursprünglichen Zielsetzung, einen autonomen römischen Seehandel mit Indien zu etablieren. Mit dem Fehlschlag habe Rom erkannt, dass der Orienthandel nicht auf militärische Eroberung und die direkte und teure Kontrolle von Mittelsmännern basieren könne.
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… insofern große Truppenkontingente beider Völker in offener Feldschlacht niedergehauen und mehrere Städte eingenommen wurden. Und weiter: In Äthiopien gelangte man bis zur Stadt Nabata (= Napata), die in nächster Nähe von Meroë liegt; in Arabien drang das Heer in das Gebiet der Sabäer vor bis zur Stadt Mariba.144
Dass damit die Erfolge schön geredet wurden, liegt auf der Hand. Von wirtschaftlichem Nutzen und entsprechenden Erfolgen ist in diesem Zusammenhang verständlicherweise keine Rede. Diesbezügliche Ziele dürften nicht unwichtig, aber doch eher von sekundärer Bedeutung gewesen sein; sie lassen sich aber auch nicht von den politischen Aspekten im engeren Sinn trennen.145 Sie wahrzunehmen und zu nutzen, 144 RgdA 26,5. Napata/Karīma am Ǧabal Barkal liegt nahe dem 4. Katarakt. In RgdA 26,5 wird Napata als Stadt in der Nähe von Meroë (am sechsten Katarakt gelegen) bezeichnet. Dieses war die jüngere Hauptstadt des dortigen Reiches, ein Zentrum für Eisenverhüttung. In Wirklichkeit aber beträgt die Entfernung zwischen den beiden Städten nach Plinius (n. h. 6, 184 f.) 430 Meilen! – Nur beiläufig sei erwähnt, dass aus dieser Gegend, nämlich aus Musawwarat es-Sufra (Sudan), südlich von Meroë, die wohl bislang am weitesten südlich aufgefundene lateinische Inschrift stammt, die ein römischer Reisender im 3./4. Jahrhundert bei seinem Besuch des meroitischen Tempels ca. 1000 km außerhalb der Grenze des Imperiums erstellte, vgl. CIL III 83 = AE 1999, 1718 = AE 2006, 1636. Zu den römischen archäologischen Funden im Großraum Arabien und Nubien, also außerhalb des Imperium Romanum, vgl. etwa die Übersicht bei Coarelli (1965) bes. 1015 ff. mit der entsprechenden Literatur. 145 Vorwiegend ökonomische Interessen als Ziel des Feldzugs postulieren etwa Schmitthenner (1962) 61; Thorley (1969) 211 ff.; Miller (1969) 13 ff.; Warmington (1974) 14 f. – diese Vorstellung schon in der Erstauflage des Buches (1928); Negev (1977) bes. 560 ff. nach der Überlieferung bei Strabon; Raschke (1978) 647; Schmitthenner (1979); Sidebotham (1986/1) 121 und 177 = Sidebotham (1986/2) 592; Sidebotham (1989) 493 f.; Buschmann (1991), der S. 85 zusammenfasst: „Die Vorstellung, dass wirtschaftliche Motive hinter der Expedition des Aelius Gallus … nach Südarabien im Auftrag des Augustus stehen, hat sich in der Forschung weitgehend durchgesetzt.“ S. ferner Sidebotham (1996) 794; Hölbl (2000) 16; Young (2001) 100 ff.; Simon (2002) 309 ff.; Schlange-Schöningen (2005) 130, der rein wirtschaftliche Motive vermutet, auf Grund derer Rom in Arabien Klientelfürstentümer etablieren wollte, sowie – in etwas anderer Perspektive – Eich (2009). Ähnlich auch zuvor Bowersock (1983) 46, der meint, dass zu Beginn seiner Herrschaft „Augustus showed considerable interest in imperial expansion“, und er verbindet dieses im konkreten Fall mit wirtschaftlichen Interessen. S. auch Buschmann (1991) 86, dem zufolge das Ziel zwar nicht die Provinzialisierung Südarabiens, aber die Etablierung einer konkreten Form von ‚indirect rule‘ zur Sicherung der Handelsinteressen war. – Dem ist entgegenzuhalten, dass das Rom der Kaiserzeit keine isolierte und systematische Wirtschafts- und Handelspolitik betrieb, sondern dass dieselbe durchweg in die generellen politischen Planungen integriert war. Ob Rom an der arabischen Küste festen Fuß fasste oder nicht, wird den Handel als solchen kaum betroffen, sich jedoch auf indirekte Einnahmen (Zölle usw.) ausgewirkt haben, vgl. nicht zuletzt Strab. 17,1,13 = C 798; dazu Sidebotham (2011) 251 ff. Ganz fraglich ist, ob aus Plin., n. h. 6,101: quippe omnibus annis navigatur (sc. nach Indien) sagittariorum cohortibus inpositis; etenim piratae maxime infestabant auf offizielle Schutztruppen Roms geschlossen werden kann, die denjenigen vergleichbar wären, welche die Landroute in Ägypten zwischen Koptos und Berenike sicherten; vgl. zu Letzteren CIL IX 3083 und CIL X 1129: praefecti (montis) Berenicidis, dessen erster Amtsinhaber allerdings erst für das Jahr 11 n. Chr. bezeugt ist. Strab. 16,3,23 = C 180 zeiht Aelius Gallus eines Fehlers, als er bei Kleopatris die Zeit mit dem Bau einer nutzlosen Flotte vergeudete, denn die Araber seien nicht einmal zu Lande tüchtige Krieger, geschweige zur See, sondern Händler und Kaufleute. Dieses spricht nicht gerade für eine akute Gefahr durch Piraterie, s. aber Sidebotham (2011) 63. Auch ohne
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blieb in der Folgezeit offenbar – wie gesagt – in erster Linie privaten Unternehmern vorbehalten, wovon der römische Staat allerdings mittelbar profitierte. Folgt man der Argumentation von Chr. Marek, waren aktuelle politische Interessen maßgebend, die sich gegen das Partherreich richteten mit dem Versuch, „einen reichen Klientelstaat der Parther, den man in der südlichen Nachbarschaft ihres Kernlandes lokalisierte, zu schwächen.“146 Jedenfalls hatte Rom im arabischen Raum deutlich Präsenz gezeigt; nach einer Mitteilung im Periplus maris Erythraei eines Anonymus – wohl aus der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.147 – hätten Homeriten und Sabäer wiederholt Gesandtschaften nach Rom mit Geschenken geschickt.148 Freilich bleiben Datierung und Einzelheiten unklar. Veranlasst wurden solche Gesandtschaften offenbar von offizieller Seite, denn Strabon, Plinius und der Periplus berichten von staatlicher Kontrolle des Handels durch verschiedene südarabische Staaten.149 Im Gegensatz dazu sind Anzahl, Routen und Charakter – ob privat oder offiziell – von Gesandt-
direkte staatliche Kontrolle und militärischen Schutz durch Rom florierte der Handel nach Arabien und Indien, s. etwa Plin., n. h. 6,101; 6,162; 12, 84. Grundlegende Überlegungen zur Einflussnahme der römischen Verwaltung auf den erythräischen Seehandel bei Sidebotham (1986/1) 78 ff.: „Regulations, Traders and Taxes“. – Verschiedene Aspekte der römischen Wirtschaft zur Zeit des Principats werden bei Scheidel (Hrsg.) (2007) 543 ff. (Kap. VI und VII) behandelt; vgl. auch den Überblick neueren Datums von Scheidel (2012). 146 Marek (1993) 152. Ebd. 151 f. der Versuch einer Rekonstruktion der wechselvollen Ereignisse ab Ende 30 v. Chr. im Verhältnis zwischen Rom und dem Partherreich. Ähnliche politische Motive für den Feldzug vermutet Luther (1999) bes. 165 ff. Tendenziell zustimmend auch Jördens (2009) 423 mit Anm. 119. Anders akzentuiert Buschmann (1991) 92, der zusammenfassend meint: „Rom beabsichtigte mit seinem Feldzug, Südarabien unter politische Kontrolle zu bekommen. Parthische Einflussnahmen in Südarabien spielten dabei keine Rolle. … Der eigentliche Gegner Roms in Südarabien war also der neue Staat Himyar [am Eingang des Golfs von Aden – R. W.], aus dessen Hand der Handel genommen werden sollte. Diese Ziele wurden nicht erreicht, und so muss die Expedition auch weiterhin als Fehlschlag angesehen werden.“ – Zu den Erwartungen in Rom in der Sicht und Sprache der Dichter Hor., carm. 1,29,1-9; 1,35,29-32 (Britannien sowie das Rote Meer und die Morgenländer in einem Argumentationsbogen zusammengefügt); 1,35,38-40 (Massageten und Arabien) – das erste Odenbuch erschien 23 v. Chr.; Verg., Aen. 6,794-800: …super et Garamantas et Indos | proferet imperium – iacet extra sidera tellus,| extra anni solisque vias, ubi caelifer Atlas | axem umero torquet stellis ardentibus aptum … etc.; Prop. 2,13-18. Dazu Meyer (1961) 44 ff. – Militärisch von erstrangiger Bedeutung für eine Front gegen Parthien war allerdings die Provinz Syria, wo Rom stets eine starke Truppenmacht unterhielt. Die im Osten gelegenen Klientelfürstentümer von Kappadokien (nach Caesars Tod teilweise Syrien zugeschlagen, vgl. Schmitt [2005] 189 ff.), Pontos und der Kommagene sollten ebenso der Grenzsicherung dienen wie Armenien, dessen indirekte Kontrolle zwischen Rom und Parthien aber stets strittig und damit prekär blieb. 147 Siehe zum Text mit Einführung Schoff (1912); Huntingford (1980); Casson (1989); Marek (1993) bes. 128-132. Eine Datierung ins 2. Jahrhundert n. Chr., wie verschiedentlich vorgeschlagen wurde, überzeugt nicht. Der Periplus mit vielen wichtigen und interessanten Details auch zum Handel auf dem Roten Meer ist die einzige derartige Schrift eines Kaufmanns aus der Antike. 148 Per. mar. Er. 23. 149 Strab.16,4,19 = C 778; Plin., n. h. 12,30,54; Per. mar. Er. 19; 32.
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schaften aus Indien zu den Römern nicht genau zu ermitteln.150 Gefeiert wird dieses allerdings in den Res Gestae: ad me ex India regum legationes saepe (!) missae sunt non visae ante id tempus apud quemquam Romanorum ducem.151 Mit einer dieser Gesandtschaften soll Augustus 26/25 in Tarraco/Tarragona während des spanischen Feldzugs zusammengetroffen sein,152 eine andere (?) könnte ihn 20 v. Chr. in Samos aufgesucht haben. In der Version des Strabon heißt es: „Auch die jetzt aus Ägypten auf dem Nil und durch den Arabischen Meerbusen nach Indien schiffenden Kaufleute sind noch selten bis zum Ganges gekommen … Aber auch von dort kam nur aus einem Ort und von einem König … eine Gesandtschaft mit Geschenken zum Kaiser Augustus…“153, eine dritte mag 11 v. Chr. nach Rom gekommen sein, als dort erstmals Tiger gezeigt wurden.154 Herausgestellt werden die Freundschaftsgesuche von Scythen und Indern auch bei Sueton: Indos etiam ac Scythos auditu modo cognitos pellexit ad amicitiam suam populique Romani petendam und bei späteren Autoren.155 Von Kontakten in umgekehrte Richtung durch römische Gesandtschaften hören wir allerdings nichts.156
Die Feldzüge des P. Petronius, praefectus Aegypti, nach Nubien Dass Aelius Gallus vor allem wegen seines Misserfolges als Präfekt von Ägypten abgelöst wurde, wird man begründet annehmen dürfen. Zu seinem Nachfolger ernannte Augustus P. Petronius,157 der anscheinend bereits Ende 25 v. Chr. in Ägypten weilte und in der Folgezeit zwei Strafexpeditionen gegen die Äthiopier unternahm, von denen die erste im Frühjahr oder Frühsommer 24 v. Chr., die zweite 22 v. Chr. abgeschlossen
150 Das Thema „Rom und Indien“ hat die Gelehrtenwelt seit dem Ende des 18. Jahrhunderts beschäftigt, vgl. dazu auch oben Anm. 50. Speziell zu indischen Gesandtschaften s. etwa Schmitthenner (1979) bes. 104 f. 151 RgdA 31,1. 152 Oros. 6,21,19 f.; Hieron., chron. 188. 153 Strab. 15,1,4 = C 686; vgl.15,1,73 = C 719. 154 Plin., n. h. 8,25,65; Suet., Aug. 43,4. 155 Suet., Aug. 21,6; vgl. Eutr. 7,10; De vir. ill. 79,5; Aur. Vict., Caes. 1,9; Oros. 6,21,19. 156 Dubios und kaum glaubhaft ist Flor. 2,34,62, wonach auch die Chinesen Gesandte geschickt hätten, s. dazu etwa die quellenkritische Untersuchung von Bessone (1996). 157 Zu seiner Funktion als praefectus Aegypti Cassius Dio 54,5,4 ff. (mit fehlerhaftem Praenomen Caius, s. aber Bagnall [1985] auf Grund eines Papyrus: Publius Petronius; dazu Geraci [1986]); Plin., n. h. 6, 181 f. (korrekt: P. Petronius); Ioseph., ant. 15,299 ff., bes. 307. Indirekt aber auch Strab. 17,1,3 = C 788 und 17,1,53 = C 819 sowie die im Folgenden zu diskutierenden Feldzugsberichte.
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wurde.158 Auch über diese Feldzüge sind wir am besten durch Strabon unterrichtet.159 Wie aus den militärischen Dispositionen Roms hervorgeht, galt Oberägypten in dieser Zeit eigentlich als relativ friedlich, so dass die drei Kohorten in Syene zu genügen schienen, um diese Grenzregion zu kontrollieren.160 Aber eben diese Kohorten waren von den Äthiopiern wohl im Herbst 25 v. Chr. angegriffen worden, als sich noch ein Teil der römischen Armee Ägyptens auf dem Feldzug des Aelius Gallus nach Arabien befand. Syene, Philae und Elephantine wurden von den Angreifern im Sturm genommen, Gefangene weggeführt und die Statuen des Augustus niedergerissen. Petronius zog darauf mit 10 000 Infanteristen und 800 Reitern gegen angeblich 30 000 Feinde und vertrieb sie in das ca. 115 km südlich von Aswan gelegene äthiopische Pselchis/ Dakka (Dakke), welche Stadt er nach einer siegreichen Schlacht einnahm. Zuvor hatte der Präfekt eine Gesandtschaft zu den Äthiopiern nach Pselchis geschickt und die Rückgabe der Beute gefordert sowie die Darlegung plausibler Gründe, weshalb sie den Krieg angefangen hätten. Der erste Teil der Forderung bezieht sich offenbar vor allem auf geraubte Kaiserstatuen; was die Gründe betrifft, so führten die Äthiopier zu ihrer Verteidigung an, dass sie Unrecht von den Nomarchen („Gauvorstehern“) erlitten hätten, was Petronius mit dem Hinweis zurückwies, dass nicht diese, sondern der Kaiser Herr des Landes sei. Weiter heißt es: „Als sie drei Tage Bedenkzeit verlangten und nichts von dem taten, was sie sollten, rückte er (sc. Petronius) vor und zwang sie zur Schlacht.“161 Bemerkenswert ist, dass von dem von Cornelius Gallus eingesetzten tyrannos keine Rede mehr ist.162 Strittig diskutiert wird in der Forschung die Frage, was die Äthiopier zu ihrem Angriff auf die oberägyptischen Orte, der offenbar für Rom angesichts des zuvor weitgehend friedlichen Miteinanders unerwartet erfolgte, veranlasst hat. In seiner umfassenden Analyse der Vorgänge hat zuletzt J. Locher eine plausible Lösung des Problems
158 Zum Problem der Abfolge der ersten praefecti Aegypti s. weiter oben mit Anm. 110. – Ein wichtiges Zeugnis für die Anwesenheit des Petronius in Ägypten 25 v. Chr. und erste militärische Erfolge noch in diesem Jahr oder unmittelbar an der Wende 25/24 v. Chr. liefert Strabon (17,1,54 = C 820), der berichtet, dass gefangene Äthiopier zu Augustus gesandt worden seien, als dieser gerade erst aus Hispanien und dem dortigen Krieg gegen die Cantabrer nach Rom zurückgekehrt war, was nach Cassius Dio (53,28,1) im Frühjahr 24 v. Chr. erfolgt sein muss, da Augustus seinen 10. Konsulat wegen Erkrankung nicht rechtzeitig in Rom antreten konnte. 159 Strab. 17,1,53 ff. = C 819-821; dazu Plin., n. h. 6,181 f. (nur der erste Feldzug); Cass. Dio 54,5,4 ff. (fasst die beiden Feldzüge zusammen ohne chronologische Differenzierung); vgl. auch RgdA 26,5 mit ausdrücklichem Hinweis auf die Autorisierung der Unternehmungen durch den Princeps: Meo iussu et auspicio ducti sunt exercitus … 160 Seit alters her bestand an der Südgrenze Ägyptens zwar die Gefahr nubischer Angriffe aus Zentral-Afrika mit dem bedeutenden Reich von Kusch, aber zur Zeit der Herrschaftsübernahme von den Ptolemäern durch Rom schienen die Beziehungen friedlich zu sein, vgl. auch weiter oben S. 23 f. mit Anm. 80. 161 Strab. 17,1,54 = C 820. 162 S. auch Hölbl (2004) 17.
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erarbeitet.163 Er geht von der Feststellung aus, dass es drei voneinander abzugrenzende Gruppen der Äthiopier gab, von denen die erste die meroitischen Αỉθίοπες, die zweite nomadische Αỉθίοπες (Beduinen) und die dritte in Unternubien lebende Αỉθίοπες waren. Nur Letztere können für den Überfall verantwortlich gewesen sein.164 Der Bericht des Strabon lasse keine Zweifel, dass Unternubien territorialer Bestandteil des römischen Imperiums war; der Angriff der Äthiopier habe sich offenbar gegen die Gauverwaltung in Unternubien gerichtet. Locher verweist auf einen Passus in der Inschrift des C. Cornelius Gallus aus Philae, wonach der Praefekt in der Triakontaschoinos einen Vasallen (τύραννος) eingesetzt habe, womit Rom auf eine direkte Herrschaft über dieses Gebiet verzichtet habe.165 Zur damaligen Zeit bestanden keine Konflikte mit dem meroitischen König, mit dessen Gesandten Gallus ja entsprechend der Aussage in derselben Inschrift in Philae in friedlicher Absicht zusammengetroffen war. Zwischen April 29 und Herbst 25 v. Chr. muss aber die von Cornelius Gallus erlassene Ordnung für Unternubien wieder aufgehoben und das Gebiet der Gauverwaltung von Elephantine unterstellt worden sein, eine Maßnahme, welche nur von Aelius Gallus – wohl bei seinem Besuch in Philae 27/26 v. Chr. – durchgeführt worden sein kann. Sie dürfte die Reaktion der in Unternubien ansässigen Αỉθίοπες provoziert haben, die nicht bereit waren, den Verlust ihrer Privilegien ohne weiteres hinzunehmen.166 Strabon weiß zu berichten, dass nach dem raschen Sieg der Römer gegen militärisch unterlegene Gegner einige Äthiopier in die Stadt Pselchis getrieben wurden, andere in die Wüste flohen und wieder andere auf einer Insel im Nil Zuflucht suchten. Als Petronius sie lebend gefangen genommen hatte, stellte er fest, dass sich darunter auch Offiziere der Kandake, der Königin der meroitischen Äthiopier,167 befanden. Die Gefangenen wurden unverzüglich nach Alexandria geschickt, also nicht versklavt, sondern in Geiselhaft genommen, und das wohl unbefestigte Pselchis168 erobert. Nur wenige Äthiopier sollen sich gerettet haben, viele waren in den Kämpfen gefallen.169 Bemerkenswert ist die Erwähnung von militärischen Führern aus Meroë, was darauf hinweist, dass jetzt auch das Königreich in die militärische Auseinandersetzung eingriff, wenngleich nicht mit einem eigenen Heer, sondern mit geschulten Komman-
163 Locher (2002). 164 Zur Bevölkerung im Dodekaschoinos vgl. Burkhardt (1985). 165 S. den lateinischen Text der Inschrift hier Anm. 81. 166 So Locher (2002) bes. 94 f. in der Zusammenfassung seiner diesbezüglichen Ergebnisse. 167 Kandake ist kein Individualname, wie man nach Strabons Bericht annehmen könnte, sondern die Bezeichnung für „Königin“. Die Identifizierung derselben bereitet allerdings nach wie vor Probleme, s. Locher (2002) 110 f. – Zur Geschichte Meroës und zum meroitischen Staat s. Török (1986) und Török (1988). 168 Zu Pselchis s. Locher (2002) 98 mit der Literatur in Anm. 65; ferner Maxfield (2000) 416 ff. mit Hinweis auf dort entdeckte Inschriften (Ostraka und Graffiti) mit Nennung von frühen Kohorten. 169 Strab. 17,1,54 = C 820.
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deuren.170 Dennoch muss dieses von Petronius als hinreichender Grund angesehen worden sein, nunmehr direkt gegen das Reich von Meroë vorzugehen. Daher marschierte er nilaufwärts zunächst zu der ca. 250 km südlich von Aswan gelegenen, von Natur aus gut befestigten Stadt Primis/Qaşr Ibrim, die er einnahm, und dann weiter nach Napata/ Karīma am Ǧabal Barkal, eine Königsresidenz der Äthiopier am vierten Nilkatarakt, wo sich der Sohn der Kandake aufgehalten hatte, dann aber geflohen war. Obwohl die Kandake eine Gesandtschaft schickte, um ein Freundschaftsabkommen zu schließen, und Gefangene sowie die in Syene geraubten Kaiserbildnisse zurückgeben wollte, zerstörte Petronius Napata.171 Primis ließ er noch verstärken, legte dort eine 400 Mann starke Besatzung, ausgestattet mit Lebensmitteln für zwei Jahre, hinein und marschierte nach Alexandria zurück, „weil er das dahinter liegende Land für unwegsam hielt.“172 Mit Primis besetzte Rom einen militärischen Vorposten in diesem Gebiet.173 Von den zahlreichen Gefangenen sandte Petronius 1000 zu Augustus, der gerade von dem hispanischen Kriegsschauplatz nach Rom zurückgekehrt war, viele andere verkaufte er in die Sklaverei.
170 In dem verkürzten Bericht über die Feldzüge des Petronius bei Cassius Dio (54, 5,4 ff.; vgl. Xiph., epit. 91,11 ff.) heißt es, dass die äthiopischen Angreifer von der Kandake angeführt wurden, was wohl auf Flüchtigkeit oder Missverständnis des Autors zurückzuführen ist, dessen Beschreibung der militärischen Vorgänge gleichfalls in mancher Hinsicht schief und gegenüber dem vertrauenswürdigeren Bericht bei Strabon weniger glaubhaft ist. 171 Demonstrativ nennt auch Augustus in RGdA 26 die Stadt. – Mit diesem Angebot der Kandake wird verständlich, dass die Äthiopier vor Pselchis der Forderung des Petronius nach Rückgabe der geraubten Kaiserbildnisse gar nicht nachkommen konnten. Zum zufälligen Fund des Kopfes einer Bronzestatue des Augustus in Meroë, die bewusst auf entwürdigende Weise unter der Schwelle des Aufgangs zu einem Tempel als Dokument des Triumphes begraben worden war, s. Locher (2002) 112 f. mit der weiteren Literatur und Diskussion der Datierungsproblematik in den Anmerkungen; ferner Hölbl (2004) 17 f. mit Abb. 17. Auf eine Siegesstatue mit gefangenen Kriegern, darunter auch einem Römer, verweist Burstein (1988) 20. 172 Strab. 17,1,54 = C 820; vgl. auch Cass. Dio 54,5,4: Einnahme von Napata und Zurücklassen einer Wache an einem anderen Ort; ferner Plin., n. h. 6,181 f., der mehrere Städte auflistet, welche von Petronius zerstört wurden und die noch zu seiner Zeit verlassen waren; genannt werden Pselchis/ Dakka, Primis/Qaşr Ibrim, Bocchin/Ballana, Forum Cabusis/Faras, Attenia/Mirgissa und Stadissim/ Saras, also Städte Unternubiens bis zum zweiten Katarakt. Eigens erwähnt er noch die Zerstörung von Napata (am 4. Katarakt) und vermerkt, dass der südlichste Punkt, den die römischen Truppen erreichten, 870 Meilen südlich von Syene/Aswan lag, was allerdings viel zu weit ist. Nach Hofmann (1977) 198-201 und Török (1988) 176 f. sei es unwahrscheinlich, dass Petronius die Strecke von Alexandria nach Napata und zurück in 6-7 Monaten zurückgelegt habe, es handele sich danach um eine propagandistische Erfindung, anders aber Locher (2002) 107-109, auch zur problematischen Überlieferung, s. ferner Stickler (2002) 97; ohne Entscheidung Luther (2002) 33 Anm. 17 mit der älteren Literatur; eher skeptisch in Bezug auf einen tief nach Nubien reichenden Feldzug Herklotz (2007) 144 mit Anm. 133. 173 Dass die dort stationierten Soldaten auch gegen äthiopische Räuberbanden (Strab. 17, 1,53 = C 819) eingesetzt wurden, mag der Fall gewesen sein, der Hauptzweck war dieses sicherlich nicht. – Irrig und missverständlich ist auch die Angabe in RGdA 26, wonach Napata nahe bei Meroë lag. Die beiden Orte liegen ca. 270 km (Luftlinie) auseinander.
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Einem Angriffsversuch der zweifellos meroitischen, nicht unternubischen Äthiopier auf das befestigte Primis kam Petronius mit einem zweiten Feldzug wohl 22 v. Chr. zuvor, sicherte den Ort erneut und schickte schließlich die Gesandten der Kandake, die um Verhandlungen nachsuchten, nach Samos,174 wo Caesar war und von wo er nach Syrien gehen wollte, nachdem er den Tiberius nach Armenien entsandt hatte. Und nachdem sie [sc. die Gesandten] alles erlangt hatten, um was sie baten, erließ er ihnen auch die Abgaben (φóροι), die er ihnen auferlegt hatte.175
Was genau es mit den φóροι auf sich hat, welche der Princeps den Äthiopiern erließ, ist in der Forschung umstritten. Zumeist geht man davon aus, dass es sich um Abgaben gehandelt hat, die den Meroitern etwa im Zuge des Vordringens Roms bis Napata auferlegt worden waren; anders allerdings J. Locher, der meint, dass es sich nur um Abgaben gehandelt haben kann, welche vom praefectus Aegypti den unternubischen Äthiopiern abverlangt worden waren, und auch die weiteren Zugeständnisse des Kaisers an die Äthiopier können sich nur auf Unternubien bezogen haben und dürften die Wiederherstellung der alten Organisationsstrukturen (Lokalautonomie) vor dem Eingreifen des Aelius Gallus und dann des Petronius betroffen haben.176 Die erstaunlich moderate Entscheidung war zweifellos sehr bewusst kalkuliert, um die 174 Locher (2002) 118 f. betont, dass jetzt, wo es sich um einen „Reichskrieg zwischen Rom und Meroë“ handelte, nicht mehr der praefectus Aegypti in eigener Kompetenz, sonders die Zentrale in Rom, also der Princeps, für alle entsprechenden Regelungen verantwortlich war, weshalb die Gesandten der Kandake zu dem damals auf Samos weilenden Augustus geschickt wurden. 175 Strab. 17,1,54 = C 821.Der summarische Bericht bei Cass. Dio 54,5,4 f. enthält diesbezüglich keine zusätzlichen Informationen von Belang; die Gesandtschaft der Äthiopier zum Princeps nach Samos, wo dieser sich im Herbst 21 v. Chr. – und später im Winter 20/19 v. Chr. – aufhielt, wird nicht erwähnt. 176 Locher (2002) 120-125. Dort auch zum Fortbestehen der römischen Besatzung in Primis, den Spuren römischer Präsenz in Unternubien vor allem bis Pselchis und zu folgenden diplomatischen Kontakten zwischen Rom und Meroë, die auf ein friedliches Nebeneinander schließen lassen. Hölbl (2004) 17 weist darauf hin, dass die Römer in Primis sehr bald mit dem Ausbau eines Kultzentrums begannen, und er schließt: „Wir dürfen somit annehmen, dass Petronius die Reichsgrenze entweder beim zweiten Katarakt oder bei Primis selbst auf Dauer einrichten wollte … Ob Primis sofort nach der Beschränkung der römischen Souveränität auf das Zwölfmeilenland aufgegeben oder noch einige Zeit als militärischer Außenposten gehalten wurde, ist fraglich.“ Die Grenze zwischen Rom und Meroë lag bei Hiera Sykaminos/El-Maharaqah, ca. 135 km südlich des ersten Nilkatarakts bei Syene/Aswan, und schloss somit das Gebiet des seit ptolemäischer Zeit sogenannten Dodekaschoinos mit ein. Vgl. zu den diesbezüglichen strategischen Überlegungen Roms und zum Verlauf der Militärrouten Kirwan (1957) 15, der auf S. 18 annimmt, dass im Grenzort ein Handelsplatz entstand, von wo u. a. Erze (bes. Gold), Felle, Gewürze, Sklaven und auch wilde Tiere ins römische Reich importiert wurden. S. auch Kirwan (1977) 25 f. mit Hinweis auch auf besonders begehrte Handelswaren wie Elfenbein, Ebenholz und vor allem das seit alters her für Nubien berühmte Gold. Die Quellen dokumentieren zwar teilweise eine spätere Zeit, im Prinzip besitzen sie zweifellos auch schon für die augusteische Zeit Geltung. Zum allmählichen Niedergang von Meroë gegenüber Aksum und zum wachsenden Handelsverkehr entlang der Ostküste Afrikas, welche Route gegebenenfalls leichter zu befahren war als diejenige den Nil aufwärts, s. Kirwan (1977) 28 ff.
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politische Kontrolle am Südrand Ägyptens auch ohne unverhältnismäßig großen und kostspieligen militärischen Aufwand zu behalten. Mit ihr wurden jedenfalls die früheren, eher offensiven Pläne aufgegeben. Nach dem Bericht des Strabon hatte Augustus bereits dem Aelius Gallus als Ziel vorgegeben, sowohl die arabischen als auch die äthiopischen Völkerschaften zu „erforschen“.177 Dieses dürfte im Zusammenhang mit der Partherpolitik Roms in dieser Zeit zu sehen sein. Möglicherweise ordnet sich in diese Absicht auch die Rücknahme bestimmter Privilegien an Unternubien durch Aelius Gallus gegenüber den Regelungen seines Vorgängers Cornelius Gallus ein. Ob die Militäraktion der Äthiopier gegen Syene, Elephantine und Philae nur eine Reaktion auf den Widerruf von Privilegien seitens Rom war oder man in Kenntnis des Gallus-Feldzuges nach Arabien auch weitergehendes Ausgreifen Roms tief nach Nubien hinein befürchtete, was Petronius dann ja auch tat, lässt sich aus den Quellen nicht eindeutig klären.178 Allzu weit geht aber die Auffassung, dass das Vorgehen Roms gegen Arabien und Nubien Bestandteil eines grandiosen imperialistischen Programms zur Rechtfertigung des neuen politischen Systems gewesen sei.179 Dass imperiale – nicht imperialistische – Denk- und Handlungsvorgaben bei den grenzpolitischen Entscheidungen eine Rolle spielten, wird man allerdings gerne einräumen wollen. Wie beim Arabienfeldzug des Aelius Gallus dürften aber auch beim Feldzug gegen die Äthiopier wirtschaftliche Gründe nicht ausschlaggebend gewesen sein und allenfalls in politisch-herrschaftliche Zielsetzungen eingegangen sein. Einmal mehr wird man auch zwischen Erwartungen einer mehr oder weniger informierten Öffenlichkeit in Rom und konkreter Politik zu unterscheiden haben. Von einem „Scheitern“ Roms in Äthiopien kann jedenfalls keine Rede sein.180
177 Strab.16,4,22 = C 780. Es verwundert daher nicht, dass Arabien und Äthiopien im Tatenbericht des Augustus (RgdA 26,5) gleichsam in einem Atemzug genannt werden. Der Feldzug nach Äthiopien wird hier sogar demjenigen nach Arabien vorgeschaltet, die Angabe erhebt also keinen genauen chronologischen Anspruch, präsentiert die Feldzüge aber als sachliche Einheit. 178 So besonders Jameson (1968) 79-84, die dann das Scheitern des Petronius bei seinem Versuch, eine direkte politische und militärische Kontrolle über Nubien zu errichten, konstatiert, was in der offiziellen Propaganda kaschiert worden sei. Unternubien blieb aber fest in römischer Hand, und ein ernsthafter Versuch, sich auch des Reiches von Meroë zu bemächtigen, lässt sich aus den Quellen nicht entnehmen. In der Folgezeit blieben die Beziehungen zwischen Rom und Meroë friedlich, vgl. auch Kirwan (1957) 16 ff. 179 Schmitthenner (1979) 104 kommentiert den zusammenfassenden Bericht zum Vorgehen gegen Äthiopien und Arabien in RgdA 26,5 wie folgt: „Whether Gallus opened the attack in 26 B. C. and Petronius in 25, or each one year later, cannot alter the fact that the two campaigns were part of the grandious programme to justify the new system, the Principate, by an expansive imperialism which Augustus himself served with the utmost personal exertion, after the internal compromise of January 27 B. C., in Gaul, Spain and almost in Britain.“ Ähnlich argumentiert auch Jameson (1968). 180 So aber Jameson (1968) 82-84, vgl. oben Anm. 178.
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Grundzüge imperialer Politik nach 27 v. Chr. Nach dem zweiten äthiopischen Feldzug des Petronius wohl 22 v. Chr. waren sowohl die innenpolitische Lage in Rom als auch die primären reichspolitischen Zielsetzungen andere als noch ca. 5 Jahre zuvor. Nach dem ersten, nicht krisenfreien Quinquennium der zunächst auf 10 Jahre befristeten Herrschaft des Augustus stand im folgenden Abschnitt, der von D. Kienast mit „Konstituierung eines neuen Saeculum“ überschrieben ist, die weitere innere Festigung der Macht des Princeps mit der entscheidenden Klärung des Verhältnisses zum Senat – unter anderem mittels einer lectio senatus 18 v. Chr. – im Vordergrund der römischen Politik. Es scheint so, dass die Grenzpolitik weniger in einer noch weiter reichenden Ausdehnung des Imperiums als vielmehr in der Konsolidierung und Arrondierung des vorhandenen Herrschaftsbereiches bestand. Dieses schloss unterschiedliche, der jeweiligen Situation angepasste Maßnahmen zur Kontrolle von Gebieten jenseits des direkt verwalteten Herrschaftsbereiches selbstverständlich nicht aus. Die Jahre zwischen 27 und 23 v. Chr. waren geprägt durch eine imperiale Politik, welche sowohl der Beschäftigung einer übergroßen Zahl an Soldaten Rechnung trug als auch der allgemeinen Erwartungshaltung insbesondere der führenden Schichten des Senats, aber auch weiter Bevölkerungskreise entsprach. Antwort darauf waren der Asturer- und Cantabrer-Krieg im nordwestlichen Hispanien, der zumindest erwartete, vielleicht auch bereits geplante Britannien-Feldzug, die Einverleibung und Umwandlung des Königreichs Galatien zur Provinz im Jahr 25 v. Chr., territoriale Abmachungen mit Iuba, dem Klientelkönig von Mauretanien, in demselben Jahr, die Unterwerfung der Salasser, verschiedene, allerdings schlecht bezeugte Feldzüge seiner Stellvertreter gegen Germanen, darunter eine „Strafexpedition“ des M. Vinicius in das Gebiet der Germania magna,181 die Anlage von Soldaten-Kolonien im Osten wie im Westen des Reiches und eben auch die Feldzüge nach Arabien und Äthiopien.182 Es wäre aber verfehlt, Rom auf ein einziges, lupenreines politisches und strategisches Konzept in der Grenzpolitik festlegen zu wollen, es kann sich nur darum handeln, dominante Faktoren herauszuarbeiten, die sich ihrerseits an einem Bündel innerer und äußerer Voraussetzungen orientierten und dementsprechend auch gegebenenfalls verändern konnten.183 181 Cass. Dio 53,26,4 zum Jahr 25 v. Chr. Die „Strafaktion“ erfolgte demnach wegen der Tötung römischer Händler; sie führte zur 8. imperatorischen Akklamation des Princeps. In dem Dezennium nach Actium war der Erwerb von militärischem Ruhm unter den nobiles noch ungebrochen. Ab 27 v. Chr. befand sich der jetzt zum Princeps gekürte Augustus noch in Konkurrenz zu potentiellen Rivalen. – Allgemein zu den Ereignissen an der Rheingrenze zwischen Caesar und Drusus Timpe (1975/2), zu der „Strafaktion“ ebd. 129 ff. 182 In diesem Zusammenhang wäre auch das undurchsichtige Geschehen im Zusammenhang mit dem Odrysen-Feldzug des M. Primus eigens zu überdenken. 183 Auch wenn Actium 31 v. Chr. und die Begründung des Principats 27 v. Chr. zweifellos einschneidende Zäsuren in der Geschichte Roms waren, wäre es im Zusammenhang mit umfassenderen, grenz-
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Die auf Ausgleich angelegten Entscheidungen des Princeps gegenüber Äthiopien im Jahr 22 v. Chr. lassen eher auf eine defensive Politik schließen. Sie erfolgten offenbar in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Ostpolitik Roms in dieser Zeit. 22 v. Chr. war Augustus nach Sizilen gereist und von dort im folgenden Frühjahr über Griechenland nach Kleinasien übergesetzt, wobei er auch in die der Verantwortung des Senats unterstellten Provinzen, wie Achaia und Bithynien, aber offenbar auch Asia regulierend eingriff.184 Von hier aus suchte er dann umfassend die Angelegenheiten im Osten zu regeln, bevor er den folgenden Winter wieder auf Samos verbrachte.185 Mit den Parthern wurde jenes Übereinkommen erzielt, mit dem die bei Carrhae 53 v. Chr. verlorenen Feldzeichen an Rom zurückgegeben wurden, was bekanntlich mit größtem Propagandaaufwand durch Bauten, Münzprägung, Inschriften und den Schreibgriffel der Dichter als bedeutender militärischer Sieg gefeiert wurde, aber eine diplomatische Übereinkunft in beiderseitigem Interesse war.186 Geordnet wurden auch die Verhältnisse in Kommagene und Iudaea sowie nicht ohne militärischen Druck diejenigen in Armenien.187 Cassius Dio bewertet die damalige Grenzpolitik und Strategie wie folgt: Augustus verwaltete die unterworfenen Länder nach römischem Herkommen, während er den verbündeten Völkern eine Regierung nach ihrer Väter Art erlaubte. Er hielt es auch nicht für wünschenswert, den erstgenannten Gebieten etwas hinzuzufügen oder den letzteren Bereich durch Neuerwerbungen auszudehnen, sondern hielt es für richtig, sich genau mit dem bereits vorhandenen Besitz zufrieden zu geben. Diese seine Auffassung ließ er auch den Senat wissen.
politischen Konzepten und diesbezüglichen Maßnahmen nicht verkehrt, auch die Feldzüge Octavians 35-33 v. Chr mit in die Überlegungen einzubeziehen, was hier unterbleiben muss. Dazu eingehend Schmitthenner (1958) bes. 190-200; 218-222 und 233 f. (Zusammenfassung). 184 Cass. Dio 54,7,2-5. – In den Jahren 23/22 v. Chr. hielt sich Augustus im Osten auf (Mytilene auf Lesbos). Erneut geschah dieses 16/15 bis Winter 14/13 v. Chr. Der Princeps war sichtlich bemüht, durch seine persönliche Anwesenheit oder diejenige seines engsten Vertrauten Agrippa die römischen Ansprüche im Osten zu sichern. 185 Aufschlussreich ist die differenzierte und gemäß den Gegebenheiten abgewogene Politik des Princeps gegenüber den verschiedenen Herrschaftsbereichen im kleinasiatischen Raum, die keine unmittelbaren Gebietserweiterungen erkennen lässt, sehr wohl aber die Sicherung des römischen Einflusses. 186 Eingehende Analysen der Bedeutung von Carrhae 53 v. Chr. und den Folgen bis in die Zeit des Augustus finden sich bei Timpe (1962) und Timpe (1975/1). Als Augustus 22 v. Chr. in den Osten aufbrach, erwartete die Öffentlichkeit den schon von Caesar 44 v. Chr. in Aussicht gestellten Partherfeldzug, bei dem Antonius zur Zeit des Triumvirats gescheitert war. Die angespannte Situation in Rom einerseits und die innere Schwäche des Partherreichs andererseits führten zu dem Kompromiss mit Rückgabe der Feldzeichen, was dann von Rom als siegreicher Feldzug ausgegeben wurde, vgl. auch Gruen (1990) 396-399, der S. 398 f. folgert: „The princeps knew the limits of Rome’s effective authority in the East and stayed within them. But … Augustus projected the image of a conqueror who extended Roman sovereignty to the East.“ – S. auch weiter oben mit Anm. 40. 187 Hierzu u.a. Cass. Dio 54,9,2-7, nicht ohne verhaltene Kritik an Tiberius, der damals auf Anweisung des Augustus eine militärische Aktion gegen Armenien durchführte.
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Deshalb unternahm er wenigstens zur damaligen Zeit keinen Krieg, verlieh vielmehr einige Fürstentümer …188
Unstrittig waren es pragmatische grenzpolitische Maßnahmen zu einer Zeit, als die Stadt Rom nicht frei von Unruhen war und Machtfragen innerhalb des Führungszirkels keineswegs als auf Dauer entschieden erachtet werden mussten.189 Am 27. April 19 v. Chr. feierte Cornelius Balbus ex Africa den letzten Triumph eines Mitglieds der Nobilität, der nicht Angehöriger des Kaiserhauses war,190 ex eventu allerdings ein weiterer Beleg dafür, dass die Konsolidierung der Principatsherrschaft voranschritt und nicht mehr rückgängig zu machen war.191
Ausblick In der Folgezeit aber zeigt sich, dass die eher defensive Grenzpolitik mit verstärktem Fokus auf territoriale Abrundung und inneren Ausbau der Grenzregionen nicht von Dauer war und unter veränderten Voraussetzungen wieder in eine offensivere Strategie umschlug, was nicht nur für den Osten gilt. Hierauf kann an dieser Stelle nur mit einem kurzen Ausblick hingewiesen werden. Zunächst verschwinden zwar für fast 188 Cass. Dio 54,9,1 f. zum Jahr 20 v. Chr. 189 Auf die Analyse der inneren Verhältnisse in Rom an der Wende vom 3. zum 2. Jahrzehnt v. Chr. muss hier verzichtet werden. Hingewiesen sei aber auf die Übergabe der Provinzen Cyprus und Gallia Narbonensis in die Verantwortung des Senats als einen demonstrativen Akt zum Beweis der Ernsthaftigkeit des Willens des Princeps, ‚befriedete‘ Provinzen wieder der Verantwortung des Senats zu übergeben. 190 Fasti Capit. ad ann. 19 = Inscr. It. XIII/1 p. 86 f. – Vor ihm war es L. Sempronius Atratinus, der am 12. Oktober 21 v. Chr. ebenfalls als proconsul ex Africa triumphierte, s. Fasti triumph. Capit. ad ann. 21 = Inscr. It. XIII/1, p. 86 f.; Fasti triumph. Barberin. ad ann. 21 = Inscr. It. XIII/1, p. 344 f.. Beide amtierten als proconsules auspiciis suis, während nach 27 v. Chr. die Legaten der sogenannten ‚kaiserlichen Provinzen‘ auspiciis principis agierten, dem folglich auch im Falle eines entsprechenden Sieges der Titel eines imperator zustand. Zwei Jahre zuvor waren die proconsules M. Nonius Gallus und Statilius Taurus wegen ihrer auspiciis suis erzielten Erfolge gegen Treverer und Stämme im nördlichen Hispanien als imperatores akklamiert worden (Cass. Dio 51,20,5), und dieses gilt auch trotz seines erst am 25. Januar 26 v. Chr. durchgeführten Triumphes ex Hispania für Sex. Appuleius (Fasti triumph. Capit. ad ann. 26 = Inscr. It. XIII/1 p. 86 f.; fasti Barberin. ad ann. 26 = Inscr. It. XIII/1 p. 344 f.), da er seine Statthalterschaft bereits Mitte 28 v. Chr. angetreten hatte und erst im folgenden Jahr durch den ersten legatus Augusti pro pratetore in Hispanien, C. Antistius Vetus, abgelöst worden war. – Vgl. dazu auch Schumacher (1985) 212 f. 191 Bekanntlich war Tiberius der nächst folgende Triumphator, der am 1. Januar 7 v. Chr. ex Germania und am 23. Oktober 12 n. Chr. ex Pannonis Dalmatisque triumphierte. Augustus selber feierte nach seinem triplex triumphus keinen weiteren Triumph, wurde aber bis zu seinem Tod insgesamt 21 Mal zum imperator akklamiert. Kaiserlichen Legaten wurde nach 27 v. Chr. weder ein Triumph noch eine imperatorische Akklamation zugebilligt, stattdessen wurden sie gegebenenfalls mit den ornamenta triumphalia ausgezeichnet.
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zwei Jahrzehnte Ägypten und der arabische Raum weitgehend aus den „Schlagzeilen“ der antiken Historiker. Dann aber wurde mit großer Sorgfalt von langer Hand nach diplomatischen Absicherungen ein Orientfeldzug unter Führung des Adoptivsohnes des Augustus, C. Caesar, geplant und 1 v. Chr. in Gang gesetzt. Den mit prokonsularischem Imperium ausgestatteten Prinzen192 begleiteten dabei ausgewählte Berater und militärische sowie landeskundige Experten.193 Gaius hatte sich als präsumtiver Nachfolger des Princeps194 zunächst den Donautruppen vorgestellt,195 bevor er dann über Samos weiter in die östlichen Provinzen u. a. mit dem Ziel reiste, die erneut ausgebrochenen Spannungen zwischen Rom und dem Partherreich wegen Armenien zu beheben. Bei der feierlichen Verabschiedung des 19jährigen Prinzen im Frühjahr 1 v. Chr. durch Augustus soll dieser die Götter angerufen haben, dass diesem die Popularität des Pompeius, der Wagemut des Alexander und die glückhafte Tyche beschieden sein mögen.196 Letzteres war ein vergeblicher Wunsch, starb C. Caesar doch 4 n. 192 Cass. Dio 55,10,18 = Zonar. 10,36; Tac. ann. 2,42,2; vgl. auch Vell. 2,101 f.; Suet., Tib. 12,1. 193 Einer von diesen Begleitern war M. Lollius, ein Vertrauter des Octavian schon seit der Triumviratszeit. Er war 25 v. Chr. als praetorischer Legat des Augustus nach dem Tod des Königs Amyntas und Annexion von dessen Reich für die Organisation der neu eingerichteten Provinz Galatien verantwortlich gewesen (u. a. Eutr. 7,10,2; Ruf. Festus 11,2; Cass. Dio 53,26,3; Strab. 12,5,1 = C 567 [die beiden letztgenannten Quellen ohne ausdrückliche Erwähnung des Lollius]) und wohl auch für die Umwandlung der dortigen Truppen in die allerdings erst später, aber jedenfalls vor 5 v. Chr. als iusta legio übernommene und in Alexandria stationierte legio XXII Deiotariana. 21 v. Chr. wurde er zunächst zum alleinigen Konsul gewählt, 19/18 v. Chr. kämpfte er in Thrakien erfolgreich gegen die Berser (Cass. Dio 54,20,3), bevor er wohl 17 oder 16 v. Chr. zum konsularischen Statthalter in Gallien ernannt wurde (Cass. Dio 54,20,5). Dort erlitt er dann mit der legio V eine Niederlage gegen Usipeter, Tencterer und Sugambrer, wobei ein Adler verloren ging, der aber anscheinend bald darauf wieder zurückgegeben wurde (nach Suet., Aug. 23: eine Niederlage maioris infamiae quam detrimenti). Die clades Lolliana wurde wohl erst ‚berühmt‘ im Licht der späteren clades Variana und der Feindschaft zwischen ihm und C. Caesar, dann aber auch besonders mit Tiberius (Suet., Tib. 12 f. und Tac., ann. 3,48; dazu aber auch die äußerst negative Charakterisierung seiner Person durch den ‚Höfling‘ des Tiberius, Velleius Paterculus [2,102,1]; s. aber auch Plin., n. h. 9,117 f.). Augustus jedenfalls hat seinem Legaten die Niederlage offenbar nicht persönlich angekreidet, da er ihm weiter vertraute. Denn 1 v. Chr. stellte der Princeps den Lollius seinem Enkel bei dessen Ostmission als comes et rector (Suet. Tib. 12,3) an die Seite, doch kam es zum Zerwürfnis zwischen beiden, und C. Caesar kündigte dem wohl zu dominierend agierenden Lollius 2 n. Chr. die Freundschaft auf (Plin., n. h. 9,118), wobei anscheinend auch Intrigen seitens der Parther und anderer Dynasten eine Rolle gespielt haben, jedoch bleiben Einzelheiten im Dunklen. Wenige Tage später starb Lollius vermutlich durch Selbsttod (Plin., n. h. 118; anders Vell. 2,102,1: cuius mors intra paucos dies secuta fortuita an voluntaria fuerit ignoro). – Zur Person und ihrer ambivalenten Beurteilung in der Antike s. Groag (1927). 194 Vgl. die Textpassage auf dem Kenotaph des C. Caesar in Pisa (CIL XI 1421 = ILS 140, Z. 13 f: … C(aium) Caesarem … iam designatum iustissumum ac simillumum parentis sui virtutibus principem. 195 Vgl. Cass. Dio 55,10,17 (Exc. Vales. 180): Gaius übernahm den Befehl über die Legionen in friedlicher Absicht; er führte nämlich keinen Krieg, nicht weil es an einem solchen gefehlt hätte, sondern weil er in Ruhe und Sicherheit das Kommandieren erlernen wollte. Die gefährlichen Unternehmen wurden hingegen anderen übertragen. 196 Plut., mor. 207 E; bei Plut., mor. 319 D f. ist Alexander durch Scipio ersetzt. – Zur Siegesideologie in Rom in der Sprache der Dichter s. Ov., ars. 1, 177-228 (übers. N. Holzberg, Darmstadt 1999): Seht,
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Chr. bei Kämpfen in Armenien an einer Verwundung nach einem Anschlag auf ihn im voraufgegangenen Jahr.197 Nach Orosius lautete sein Auftrag: ad ordinandas Aegypti Syriaeque provincias missus.198 1 oder eher 2 n. Chr. kam es bei einer persönlichen Zusammenkunft zwischen C. Caesar, der 1 n. Chr. zum consul in absentia gewählt worden war, und dem Partherkönig Phraates V. zu einer Übereinkunft,199 auf Grund derer Ariobarzanes als König in Armenien eingesetzt wurde, jedoch scheint man in Rom dem Frieden nicht getraut zu haben, da wenig später noch von C. Caesar ein Feldzug gegen die Parther geplant wurde, der aber wegen seines Todes nicht mehr zur Ausführung kam.200 Zeitweise hielt sich C. Caesar zu beiden Seiten der Roten Meeres auf, also sowohl auf der ägyptischen als auch auf der arabischen Seite, was dem Vorgehen des Aelius Gallus ca. 25 Jahre zuvor ähnelt.201 Plinius notiert mit anderer Akzentuierung des Auftrags, als bei Orosius zu lesen, dass der Kriegszug gegen Parther und Araber gerichtet war.202 Auch er vergleicht das Ergebnis mit demjenigen des Zuges des schon rüstet sich Caesar, den Rest der Welt zu bezwingen. / Äußerster Orient, jetzt kommst du in unsre Gewalt. / Parther, jetzt büßt du. Frohlockt im Grab, ihr vom Stamme des Crassus, / freut euch, ihr Feldzeichen: Frech trug euch die Hand des Barbaren (177-180) … / Wie der Römer die Brust und der Parther den Rücken zeigt, künd‘ ich, / und wie der Feind seinen Pfeil abschießt vom fliehenden Pferd. / Der du fliehst, um zu siegen, was bleibt als Besiegtem dir, Parther … (209-211). Es folgt die Erwartung eines Triumphes. 197 Tac., ann. 1,3,3 unterstellt auch die Möglichkeit eines Anschlages auf C. Caesar durch Livia, was aber sicherlich nicht mehr als ein Gerücht war. 198 Oros. 7,3,4; vgl. Vell. 2,101,1: in Syriam missus; Plin., n. h. 6,141: … iturus [sc. C. Caesar] in Armeniam ad Parthicas Arabicasque res; Tac., ann. 2,4,1: componendae Armeniae deligitur; vgl. auch Suet., Aug. 64,1; Ov., ars 1,195 ff. – Zu Recht ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass später Germanicus zu einer ähnlichen Mission in den Osten des Imperiums geschickt wurde, wo er 19 n. Chr. starb. 199 Vgl. dazu die farbige Schilderung des Velleius Paterculus (2, 101,1 f.), der bei dieser Begegnung zwischen C. Caesar und dem Partherkönig auf einer Insel im Euphrat vor Ort war. 200 Zur Übereinkunft mit Phraates s. RgdA 27,2 (ohne namentliche Nennung des parthischen Königs); Vell. 2,101 f.; Cass. Dio 55,10a,5; Tac., ann. 2,4. – Zu den weiteren Plänen Sen., ad Polyb. 15,4. – Vgl. dazu auch mit jeweils weiterführender Literatur Kienast (1999) 345 f. oder Linz (2009) 72 ff. im Rahmen des mit „Ökonomische Großmachtpolitik“ (!) überschriebenen Kapitels, auf welche Einordnung hier nicht näher eingegangen werden soll soll und kann. Zu einer bemerkenswerten Inschrift aus den schlecht belegten Jahren nach 1 n. Chr. aus Messenien s. AE 1967, 458 = SEG XXIII (1968) 206; dazu Zetzel (1970). 201 Schmitthenner (1979) 105 mit Anm. 146 und Verweis auf Bowersock (1971) 227, der aus dem Text des decretum auf dem Kenotaph des C. Caesar in Pisa (CIL XI 1421 = ILS 140, Z. 7 ff.: … C. Caesarem … quem ultra finis extremas populi Romani bellum gerens …) auf einen Kriegszug des C. Caesar in seinem in absentia ausgeübten Konsulatsjahr 1 n. Chr. im Bereich des Roten Meeres schließt. Vgl. auch Barnes (1974); Romer (1978); Romer (1979). 202 Plin., n. h. 6,141; vgl. auch Plin., n. h. 2,168; 6,160; 12,55 f.; 32,10 zu einem militärischen Vorgehen gegen die Araber durch C. Caesar, wobei topographische Einzelheiten allerdings angesichts des schwankenden Gebrauchs von Arabia nicht ganz eindeutig sind. Im vorliegenden Zusammenhang dürfte der sinus Arabicus am wahrscheinlichsten mit dem Golf von Akaba zu identifizieren sein. Wie Plinius berichtet, verfasste König Iuba von Mauretanien libri ad eum de expeditione Arabica. Inhaltliche Einzelheiten sind unbekannt. Dass C. Caesar von Arabien fasziniert war, erwähnt Plinius (n. h. 12,56). Dieses dürfte er mit manchen Zeitgenossen geteilt haben.
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Aelius Gallus und stellt fest, dass C. Caesar im Gegensatz zu Gallus allenfalls einen kurzen Blick nach Arabien geworfen habe.203 Wie Gallus so scheiterte letztlich auch C. Caesar, was zwar den Orienthandel nicht weiter tangierte, zumal dieser wesentlich über Land via Palmyra lief, aber die strategischen Überlegungen, welche wahrscheinlich schon bei dem Kriegszug des Aelius Gallus eine zentrale Rolle gespielt haben, konnten einmal mehr nicht realisiert werden.
Eine – durchaus vorläufige – Bilanz Die Grenzpolitik des Princeps im Westen des Imperiums (Hispanien, Germanien) und im Balkanraum wird von D. Kienast im Gegensatz zur derjenigen im Osten als „ausgesprochen expansiv“ beurteilt.204 Zugleich wird von ihm aber auch das in der Forschung immer noch umstrittene Problem thematisiert, „ob Augustus von einer festen geopolitischen Konzeption ausging, die eine systematische Arrondierung des Imperiums und die Errichtung einer festen, leicht zu verteidigenden Reichsgrenze zum Ziel hatte, oder ob die Eroberungskriege des Augustus doch einen sehr viel stärker situationsbedingten Charakter trugen, als man gemeinhin annimmt.“205 Eine eigene ausdrückliche Stellungnahme erfolgt von Kienast nicht.206 In den rund 40 Jahren von Actium bis zur clades Variana 9 n. Chr., als die Grenzzonen an Rhein und oberer Donau nach und nach immer stärker in das Zentrum der römischen Politik, aber auch des Interesses der Öffentlichkeit rückten – einer Öffentlichkeit, welche in besonderem Maße an den Taten der Angehörigen des Kaiserhauses interessiert war –, agierte und reagierte Rom mit unterschiedlichen Zielsetzungen und der jeweiligen Situation angepassten, konkreten militärischen und politischen Maßnahmen. Dieses gilt für alle großen Grenzabschnitte des Imperiums. Bei genauerem Hinsehen haben aber nach den Bürgerkriegen und der Entscheidung im Machtkampf in Rom die Vorgänge an entfernten anderen Grenzabschnitten diejenigen im ägyptisch-arabischen Raum kaum beeinflusst. Insofern bleibt die als solche bemerkenswerte und erstaunliche universale Schicksalsgemeinschaft des Imperiums207 auf die Bewahrung der politischen Einheit des Reichs und Durchsetzung des Friedens 203 Plin., n. h. 6,160: Romana arma solus in eam terram adhuc intulit Aelius Gallus ex equestri ordine; nam C. Caesar Augusti filius prospexit tantum Arabiam. 204 Kienast (1999) 350. 205 Kienast (1999) 350; der erste Teil der Alternative mit Bezug auf eine Ansicht von A. Heuß in dessen „Römische Geschichte“. 206 S. aber Kienast (1999) 368, wo auf eine „großräumige Konzeption“ des Augustus angesichts des gleichzeitigen Vorgehens in Illyricum und in Germanien in der Zeit des älteren Drusus und des Agrippa bzw. Tiberius geschlossen wird. 207 Vgl. dazu schon Polyb. 1,3,3 f. für den Zeitraum 220-216 v. Chr: Geschichte ist zu einem organischen Ganzen geworden, so dass Ereignisse in Italien und Afrika verwoben sind mit solchen in Asien und Griechenland und alles auf ein einziges Ende hinsteuert.
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(pax) unter Führung des Princeps bei tätiger Mithilfe vor allem von Senat, Ritterstand und Heer beschränkt. In bestimmten Bereichen trat dazu ein das Reich umspannender wirtschaftlicher Austausch. Allerdings kannte die römische Politik ebenso wenig wie die moderne eine strikte Trennung zwischen ökonomischen und politischmilitärischen Aspekten, so dass es sachfremd wäre, römische Grenzpolitik alternativ auf wirtschaftliche oder politische Motive zurückzuführen.208 Die unter dem Schirm des Imperium Romanum weitgehend gelebte Selbständigkeit der Regionen beruhte nicht auf einer starren und unveränderlichen Struktur. Sie bildeten und blieben nicht in jeder Hinsicht und auf Dauer eine unauflösliche Einheit, wobei die Abgrenzung solcher Regionen voneinander nicht generell, sondern nur im konkreten Einzelfall angemessen und begründet gelöst werden kann. Was zudem für die eine Region strukturbildend war, musste nicht für die nächste gelten, wie sich umgekehrt aber auch nicht jede Region in jeder Hinsicht von anderen unterschied. Innenpolitische Vorgänge und Entscheidungen konnten sich zwar auch auf das gesamte Imperium auswirken. Gerade an dem hier behandelten Beispiel aus der Frühphase des Principats und mit Blick auf andere Grenzabschnitte des Imperiums als die Rheinfront zeigt sich aber auch, dass die konkrete römische Grenzpolitik nicht einfach generellen und allgemeingültigen Prämissen bzw. Strategien folgte. Sie war im hohen Maße situationsbedingt und wurde von komplexen Faktoren bestimmt, wobei Entscheidungen ebenso von der aktuellen Lage in Rom hinsichtlich Herrschaftsgestaltung und Herrschaftssicherung mit der entsprechenden Rücksicht auf die Ansprüche und Mentalität der Führungsschichten und des Militärs, aber auch des stadtrömischen Volkes beeinflusst wurden wie von der konkreten Lage am jeweiligen Grenzabschnitt des Imperiums. Umfassende Leitlinien mögen zwar auf einer vergleichsweise allgemeinen Ebene auf die Grenzpolitik eingewirkt haben, beeinflussten aber im konkreten Fall lediglich als einer von mehreren Faktoren die konkreten Entscheidungen. Das Gewünschte dem Machbaren anzupassen, war – wie stets – eine wesentliche Aufgabe auch der römischen Politik. Wie auch immer man das viel diskutierte Vermächtnis des Augustus an Tiberius, nämlich das consilium coercendi inter terminos imperii209, interpretieren will, ob als ernst gemeinten Rat und Auftrag an Tiberius aus berechtigter Sorge, ob – wie Tacitus meint – aus Furcht oder Neid erteilt wegen einer möglichen Relativierung des Nachruhms des eigenen Lebenswerkes und der Erfolge als Mehrer des Reiches und propagator oder propugnator imperii210, oder ob lediglich als Erfin208 Bezeichnend ist die vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts neu ausgefochtene Forschungsdiskussion über die grundsätzlichen Kriegsziele Roms, welche die einen mit römischem Imperialismus und ökonomischen Zielen als integralem Bestandteil verbanden, andere jedoch eben diesen Zusammenhang verneinten. Vgl. dazu beispielhaft Harris (1979) bes. 54 ff. und North (1981); anders dagegen u. a. Finley (1973) bes. 157 f., der in Abrede stellt, dass Rom jemals Krieg mit vorwiegend ökonomischen Zielsetzungen geplant und geführt habe. 209 Tac., ann. 1,11,4; vgl. Cass. Dio 56,33,5 f. 210 RgdA 26,1: Omnium provinciarum populi Romani, quibus finitimae fuerunt gentes quae non parerent imperio nostro, fines auxi.
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dung des Tiberius, um eigenen Entscheidungen auf eine besondere Autorität gründen zu können,211 eine sichere Aussage hierzu lässt sich kaum treffen und ist wie sooft nicht zuletzt von der Perspektive des (modernen) Interpreten abhängig.212 Schon Thukydides folgerte bei seiner Analyse des Wesens von Politik, dass allgemein akzeptierten Werten zu folgen politisch durchaus opportun sei, im Zweifelsfall aber würden andere Erwägungen wie vor allem der Nutzen die entscheidende Rolle spielen. Allenfalls lässt sich an den Fakten messen, inwieweit derartigen Idealen oder auch Ideologien, globalen Zielsetzungen und Wertvorstellungen aus Überzeugung gefolgt wurde oder dieselben zu sachfremden Zwecken mit begrenzter Gültigkeitsdauer instrumentalisiert wurden, aber derartige Rückschlüsse sind immer auch mit einigen Unsicherheiten behaftet. Schon einleitend wurde darauf verwiesen, dass es stets ein heikles Unterfangen ist, aus den eventus auf die consilia der Handelnden zu schließen.213 Wie zur Grenzpolitik des Augustus an Rhein und Donau sind die Ansichten in der Forschung zur Orientpolitik des ersten Princeps kontrovers. In der Sicht der einen wird sie als offensiv und imperialistisch, in der Sicht anderer als defensiv und verhandlungsbereit beurteilt. Bei genauerem Zusehen zeigt sich aber, dass das Vorgehen Roms hier wie an anderen Grenzen des Imperiums in manchen Hinsichten situationsbedingt war, wenngleich nicht frei von übergreifenden Wertvorstellungen. Es war abhängig von der innenpolitischen Lage, aber auch von der jeweils aktuellen Situation „an der Front“, welche sich vielfach geändert hat und dementsprechend adhoc-Reaktionen Roms auslöste. Entsprechend unserer eingangs geäußerten Ansicht ist nicht zu erkennen, dass die Grenzpolitik Roms in augusteischer Zeit in der Praxis einer umfassenden militärischen und politischen Konzeption folgte, die sich in gleicher Weise auf alle geographischen Bereiche des Imperium Romanum erstreckte und jenseits von sehr allgemeinen Zielsetzungen auf verbindlichen und konkrete Handlungsanweisungen beruhte. Diesbezügliche Aussagen in den Quellen bleiben vage, und eine „Grand Strategy“ ist auch nicht durch das aktuelle Vorgehen Roms an den verschiedenen Grenzabschnitten nachzuweisen, sei es an Rhein und Donau oder auch im Orient. Römische Expansion und imperiale Politik erfolgten weit weniger aufgrund einer generellen Zielsetzung als häufig angenommen.214 In Folge dessen 211 Dazu etwa Ober (1982) oder Kienast (1999) 373-377. 212 Diese Positionsgebundenheit gilt selbstverständlich auch für die antiken Autoren und ihr Urteil über die entscheidenden politischen Handlungsträger. Verwiesen sei nur auf Tacitus, der zu Beginn seiner Annalen eine zwiespältige Bewertung des Lebenswerkes des ersten Princeps vermittelt, indem er Pro und Contra in der Bewertung des Principats des Augustus durch die Zeitgenossen gegenüberstellt, dabei aber der negativen Bewertung einen deutlich größeren Raum zubilligt, vgl. Tac., ann. 1,9,3-5 und 1,10. 213 Vgl. oben mit Anm. 5 und Bezug auf Flach (1976) 2. 214 In der Bilanz seiner Untersuchung gelangte Isaac (1990) 416 zu dem Schluss, dass römische Expansion „was an aim in itself and therefore opportunistic. Rome expanded where it could, not where it should.“ Mit dieser Position suchte er eine tief verwurzelte und verbindliche Grundeinstellung Roms mit dessen konkretem Vorgehen zu versöhnen. Was Germanien betrifft, so sei in diesem Zusammenhang noch einmal auf die differenzierte Analyse von Timpe (2006) verwiesen.
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verwoben sich stets verschiedene konkrete Interessen bei einer Entscheidung zur Kriegsführung oder deren Abbruch. Territorialer Erwerb spielte jedenfalls eine untergeordnete Rolle gegenüber herrschaftlicher Kontrolle.215 Entsprechend verschieden waren die Mechanismen und Formen, mit denen diese Kontrolle durchgesetzt wurde. Sicherung des Friedens innerhalb des Imperiums und an seinen Grenzen sowie imperialer Erfolg dort, wo er möglich und kalkulierbar war, dienten sicherlich auch der Festigung der Herrschaft des Princeps als solcher, im Übrigen war aber das Wohlergehen der Provinzialen eher Folge einer gegebenenfalls auch zwangsweise gesicherten pax Romana als ein eigenständiges politisches Ziel der römischen Zentrale.
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215 Das Gegenteil lässt sich auch nicht aus der bekannten Aussage in RgdA 26,1 über die allenthalben erweiterten fines imperii (hier Anm. 210) herauslesen.
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Die römischen Feldzüge in Hispanien nach 27 v. Chr.1 Die gallischen und spanischen Provinzen und ebenso Germanien habe ich befriedet, ein Gebiet, welches durch den Ozean von Gades bis zur Mündung der Elbe umschlossen wird.2
Mit dieser Aussage von riesiger Ausdehnung und gewaltiger Bedeutung beschreibt Augustus seine Erfolge im Westen des Imperium Romanum. Eigentlich geht er sogar über den Westen hinaus, denn er beschreibt annähernd die gesamte Atlantikküste Kontinentaleuropas. In diesem Beitrag wird in erster Linie derjenige Abschnitt der augusteischen Darstellung näher betrachtet werden können, welcher sich auf den Norden der Iberischen Halbinsel bezieht, der sich zu Beginn der Herrschaft des Augustus noch nicht unter römischer Herrschaft befand. Dabei soll – soweit es geht – versucht werden, dem Eingangszitat aus dem Tatenbericht des Augustus zu folgen. Allerdings ist der Tatenbericht des Augustus nicht die alleinige antike Quelle, die uns über den Kantabrischen und Asturischen Krieg3 berichtet, und auch die moderne Forschung – namentlich die spanische Archäologie – erweitert beständig unser Wissen über deren Ereignisse und 1 Der hier vorliegende Aufsatz basiert auf dem im Rahmen des Kolloquiums gehaltenen Vortrag. In ihm sollen in der gebotenen Form die Grundlinien der augusteischen Politik gegenüber dem Norden Spaniens dargelegt und verschiedene Tendenzen der Forschung skizziert werden. Dem interessierten Leser sei als ausführlichere Lektüre der entsprechende Teil der Dissertationsschrift „Bis ans Ende der bewohnten Welt. Die römische Grenz- und Expansionspolitik in der augusteischen Zeit“, Quellen und Forschungen zur Antiken Welt 59 (München 2014) des Autors empfohlen. Darüber hinaus sind folgende Werke als grundlegend zu empfehlen: A. Schulten, Los Cántabros y Astures y su guerra con Roma (Madrid 1943; ND Santander 2000); W. Schmitthenner, Augustus’ spanischer Feldzug und der Kampf um den Prinzipat, Historia 11, 1962, 29-85; R. Syme, The Conquest of North-West Spain, in: Legio VII Gemina (León 1970) 83-107 = E. Badian (Hrsg.), Ronald Syme. Roman Papers 2 (Oxford 1979) 825-854; N. Santos Yanguas, La conquista romana del N.O. de la Península Ibérica, Latomus 41, 1982, 5-49; I. Rodà, The Cantabrian Wars and the Reorganization of North Hispania: Between Literary Sources, Epigraphy and Archaeology, in: Á. Morillo Cerdán – J. Aurrecoechea Fernández (Hrsg.), The Roman Army in Hispania. An Archaeological Guide (León 2006) 53-84; Á. Morillo Cerdán, The Roman Military Occupation in the North of Hispania: War, Military Deployment and Cultural Integration, in: G. Moosbauer – R. Wiegels (Hrsg.), Fines imperii – imperium sine fine? Römische Okkupations- und Grenzpolitik im frühen Principat. Beiträge zum Kongress „Fines imperii – imperium sine fine?“ Osnabrück 14.–18. September 2009 (Rahden 2011) 11-26. 2 RG 26. 3 Florus bezeichnet sein anschließendes Kapitel (33) im zweiten Buch in der Überschrift dergestalt: Bellum Cantabricum et Asturicum. Allerdings hat sich in der modernen Forschung immer mehr der Begriff der Kantabrischen Kriege durchgesetzt, eine Bezeichnung, die wohl den verschiedenen Phasen der Auseinandersetzungen durch die Benutzung des Plurals gerecht wird, aber gleichzeitig den Kantabrern ein Alleinstellungsmerkmal zuweist, das in diesem Ausmaß nicht gerechtfertigt ist.
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das Vorgehen der römischen Armeen in den gebirgigen Regionen Kantabriens und Asturiens. Im Folgenden wird sowohl auf Vorbedingungen, Gründe, Verlauf und archäologische Hinterlassenschaften dieser Kampfhandlungen als auch auf deren Nachgang in Bezug auf den weit gefassten Begriff der Romanisierung eingegangen werden.
Der Weg in das bellum Cantabricum et Asturicum Wie es aber dazu kam, dass römische Legionen in den Norden Spaniens marschierten, wollen wir uns zuerst anschauen. In Rom hatte nach der langen Zeit der blutigen Bürgerkriege ein Mann die Oberhand gewonnen: Octavian, der Adoptivsohn des großen Caesar. Die Januar-Sitzungen des Senats im Jahre 27 v. Chr. regelten das Wie dessen, was uns gleichermaßen als Grundlage und Beginn der römischen Kaiserzeit bekannt ist. Octavian wurde zu Augustus, dem ‚Erhabenen‘, die Provinzen wurden zwischen ihm und dem Senat aufgeteilt, eine Teilung, die Augustus faktisch den Oberbefehl über die verbliebenen Legionen übertrug. Das Heer der Bürgerkriege wurde von 60 auf etwa 28 Legionen nahezu halbiert. Als Inhaber des imperium proconsulare für seine, die caesarischen, Provinzen verfügte er auch nach den formaljuristischen Gesichtspunkten der (wieder hergestellten) römischen Republik über deren Oberbefehl. Auf Augustus lasteten aber auch viele Erwartungen im Außenpolitischen, die von vielen Dichtern dieser Zeit ausgedrückt wurden, hatte er sich seine Meriten bislang in den vorangegangenen innerrömischen Auseinandersetzungen verdient. Die an ihn gestellten Erwartungen kreisten jedoch zuvörderst um die Eroberung Britanniens, einer noch unerledigten Aufgabe aus dem Portfolio des vergöttlichten Caesar.4 Augustus begab sich in diesem Bereich nicht in die Nachfolge seines Adoptivvaters, als er sich auf den Weg nach Tarraco/Tarragona, der Hauptstadt der gleichnamigen spanischen Provinz5, machte, um dort sein achtes Konsulat anzutreten. Weshalb folgte er nicht auf den Plänen Caesars und setzte nach Britannien über? Aus der Zeit der Bürgerkriege sind uns etliche Zeugnisse aus den römischen Triumphalakten bekannt, die nahelegen, dass die Gebiete der Kantabrer und Asturer, Ausgangspunkt für etliche Einfälle dieser in römisches Territorium gewesen sind. Diese Einfälle hatten jeweils die militärischen Aktionen der unten aufgeführten Statthalter in Spanien zur Folge: a) Cn. Domitius Calvinus, Prokonsul beider Spanien 39-37 v. Chr. b) C. Norbanus Flaccus, Prokonsul beider Spanien 36-35 v. Chr. 4 Cass. Dio 53, 22, 5. 5 Die Bezeichnung der beiden caesarischen Provinzen auf der Iberischen Halbinsel unterliegt einer gewissen Unschärfe. Die Provinz Hispania Tarraconensis kann gleichwohl als Hispania citerior angesprochen werden, während die Hispania ulterior zusätzlich als Lusitania bezeichnet werden kann, während die senatorische Provinz Hispania ulterior durch den Zusatz Baetica unterschieden wird.
c) d) e) f)
Die römischen Feldzüge in Hispanien nach 27 v. Chr.
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L. Marcius Philippus, Prokonsul beider Spanien 34 v. Chr. C. Calvisius Sabinus (cos. 39 v. Chr.), Prokonsul beider Spanien 29 v. Chr. T. Statilius Taurus (cos. 37 v. Chr.), Prokonsul beider Spanien 28 v. Chr. Sextus Appuleius (cos. 29 v. Chr.), letzter Prokonsul beider Spanien 27 v. Chr.
Die genauen Vorgänge und ihre Akteure und Ziele seitens der Iberischen Stämme kennen wir jedoch nicht.6 Jedoch berichten uns Strabon, Livius und Cassius Dio, dass diese Feldzüge auch in Zusammenhang mit den Unruhen stehen, die damals das römische Aquitanien heimsuchten; und anhand des Münzspiegels des Schlachtfeldes von Andagoste/Cuartango, Álava lässt sich dieses ebenfalls in den Zeitraum des Triumvirats einordnen.7 Im berühmten Absatz über die Wiedergewinnung römischer Feldzeichen im Tatenbericht des Augustus8 werden – über die bekannte Parthersentenz hinaus – Spanien und Gallien genannt. Dies alles wirft ein immer stärker werdendes Licht auf dieses Randgebiet des römischen Imperiums zu einer Zeit, in der die antiken Autoren vor allem den Kampf um die Macht in Rom selbst beschreiben, während dessen Auswirkungen oft hintergründig behandelt werden. Insgesamt ergibt sich für den gerade eben zum Augustus gewordenen Octavian folgende Lage: Im Jahrzehnt vor dem Jahr 27 v. Chr. zeigte sich der Norden der Iberischen Halbinsel sowie der Westen Galliens alles andere als ruhig. Dies erforderte die besondere Aufmerksamkeit der römischen Statthalter der spanischen Provinzen und fortlaufende Militäraktionen, die in Rom durch entsprechende Ehrungen öffentliche Anerkennung erfuhren. Die unruhige Situation auf der Iberischen Halbinsel hatte vermutlich das Eingreifen des Augustus als direkte Folge nach sich gezogen und eben die nachweislich in der Dichtung vagierende Invasion Britanniens zumindest in 6 RE VI (1909) 2043-2045 s. v. e) Fasti triumphorum (triumphales) (H. Schön) und CIL I². Siehe allgemein zum römischen Triumph: E. Künzl, Der römische Triumph. Siegesfeiern im antiken Rom (München 1988). 7 Die antiken Quellen: Strab. 3, 4, 10, Liv. per. 134, Cass. Dio 53, 22, 5. Zur Einordnung des Schlachtfeldes siehe: J. A. Ocharán Larrando – M. Unzueta Portilla, Andagoste (Cuartango, Álava): Un nuevo escenario de las guerras de conquista en el norte de Hispania, in: Á. Morillo Cerdán (Hrsg.), Arqueología militar romana en Hispania. Anejos de Gladius 5 (Madrid 2002) 311-325; A. Martínez Velasco, Campamentos romanos de campaña en el extreme oriental del Cantábrico, in: Á. Morillo Cerdán – N. Hanel – E. Martín (Hrsg.), Limes XX. Estudios sobre la frontera romana – Roman Frontier Studies, Anejos de Gladius 13, 1 (Madrid 2009) 365-374. 8 RG 29: Signa militaria complura per alios duces amissa devictis hostibus recepi ex Hispania et Gallia et a Dalmateis. Parthos trium exercitum Romanorum spolia et signa reddere mihi supplicesque amicitiam populi Romani petere coegi. Ea autem signa in penetrali, qoud est in templo Martis Ultoris, reposui. „Zahlreiche Feldzeichen, die durch andere Feldherren verlorengegangen waren, habe ich nach dem Sieg über die Feinde zurückerhalten, und zwar in Spanien und Gallien und von den Dalmatiern. Die Parther habe ich dazu gezwungen, mir die Beutestücke und die Feldzeichen dreier römischer Heere zurückzugeben und bittflehend um die Freundschaft des römischen Volkes nachzusuchen. Diese Feldzeichen ließ ich im innersten Raum des Mars-Ultor-Tempels aufstellen.“
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den Hintergrund gedrängt. Die Gebiete der Asturer und Kantabrer bildeten darüber hinaus auch die Ausnahme in der ansonsten flächendeckenden römischen Herrschaft im Westen Europas. Der finalen Bereinigung dieser Ausgangslage zugunsten des römischen Imperiums trägt Augustus in seinem Tatenbericht Rechnung, wenn er sich auf die gesamte Küstenlinie des atlantischen Europa bezieht: … ein Gebiet, welches durch den Ozean von Gades bis zur Mündung der Elbe umschlossen wird.
Nach der schlussendlich erfolgreichen Eroberung des spanischen Nordens kann dem Beginn seiner Aussage getrost zugestimmt werden, wobei dessen Ende an anderer Stelle einer genaueren Untersuchung unterzogen werden muss. Der Verlauf der Eroberung wird im sich anschließenden Kapitel zu betrachten sein.
Eroberungen Die genauen Vorgänge der Eroberung während der Kantabrischen Kriege beschreibt Augustus nicht. Dafür müssen die Beschreibungen von Florus, Orosius und Cassius Dio herangezogen werden. Die Darstellungen der ersten beiden Autoren behandeln die Feldzüge zusammenhängend, während die Ausführungen des Cassius Dio jeweils aus seiner annalistisch aufgebauten Arbeit stammen.9 Bei allen Eigenheiten und Unterschieden, die diese Quellen enthalten, sind sie sich doch einig darüber, dass die Kämpfe in den Jahren 26 bis 19/16 v. Chr. grausam und erbittert geführt worden sind. Blutige Schlachten und tragische Selbstmorde wechseln sich ab mit perfiden Hinterhalten, schwierigen Belagerungen sowie Episoden von Verrat und Treue. Aufgrund der Komplexität der Darstellung der einzelnen Operation durch unsere antiken Gewährsmänner können die exakten Einzelheiten hier nicht erschöpfend diskutiert werden. Allerdings wird hier zumindest der grobe Rahmen der Abläufe exerpiert dargelegt. Zur Unterwerfung der Kantabrer und Asturer ließ Augustus insgesamt nachfolgende sieben Legionen plus die dazugehörigen Hilfstruppen aufmarschieren: I Augusta, II Augusta, IV Macedonica, V Alaudae, VI Victrix, IX Hispana, X Gemina. Ihre Anzahl entspricht etwa einem Viertel der noch im Dienst stehenden römischen Truppen nach der Reduzierung der Armeestärke nach dem Ende der Bürgerkriege. Die versammelten Truppen begannen mit den Kampfhandlungen wahrscheinlich im Frühjahr des Jahres 26 v. Chr., da Augustus Rom noch 27 v. Chr. verlassen hatte und
9 Flor. 2, 33, 46-60; Oros. 6, 21, 1-11; Cass. Dio 53, 25, 2 und 53, 25, 5-53 für 25 v. Chr.; Cass. Dio 53, 29, 1-2 für 24 v. Chr.; Cass. Dio 54, 5, 1-3 für 22 v. Chr.; Cass. Dio 54, 11, 1-6 für 19 v. Chr.
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in Tarraco/Tarragona sein achtes Konsulat antrat.10 Das Hauptquartier befand sich in Segisama/Sasamón und die römischen Truppen marschierten, in drei Heeressäulen organisiert, unter den Statthaltern der beiden caesarischen Provinzen in Spanien, C. Antistius Vetus (Hispania citerior) und P. Carisius (Hispania ulterior), gegen die Feinde. Die Kampfhandlungen des ersten Jahres konnten aber trotz ihrer erbitterten Ausführung noch keine Entscheidung herbeiführen. Im Jahr 25 v. Chr. griffen dann die Asturer aktiv in das Geschehen ein, und vor allem Carisius machte auf den Schlachtfeldern mehrfach von sich reden. Jedoch zeichnete er sich nicht nur im Militärischen aus. Ihm oblag weiterhin die Gründung der Veteranenkolonie Augusta Emerita/Mérida aus Entlassenen der legiones V Alaudae und X Gemina. Als Augustus am Ende des Jahres wieder nach Rom zurückgekehrt war, schloss er publikumswirksam die Tore des Janus-Tempels zum Zeichen, dass im Reich wieder Frieden eingekehrt war.11 Zumindest interpretierte Augustus die Zeichen der Zeit in diesem Sinne. Er konnte auf diesem Wege zudem eindrucksvoll die Botschaft an das römische Publikum richten, dass es ihm gelungen war, einen außenpolitischen Erfolg errungen zu haben. Die Situation in Kantabrien und Asturien konnte ihn das allerdings auch glauben machen, da bis zum Herbst des Jahres 24 v. Chr. keine Vorkommnisse bekannt sind. Nach der Ernte kam es jedoch dazu, dass die Kantabrer ein Détachement des aktuellen Statthalters der Hispania citerior in einen Hinterhalt zu locken vermochten, indem sie ihm angeboten hatten, ihm Getreide und andere Güter zu übergeben. Die so Getäuschten und schließlich Ermordeten rächte Lamia mittels der Verheerung ihrer Ländereien. Den Gefangenen ließ er die Hände abhacken. Der immer noch amtierende Statthalter der Hispania ulterior, P. Carisius, wurde ebenfalls vom Widerstandsgeist der Einheimischen heimgesucht. In seinem Falle hatten sich die Asturer gegen ihre neuen Herren erhoben. Die Kantabrer schlossen sich ihnen an und nutzten das Machtvakuum, welches durch den verspäteten Amtsantritt des C. Furnius in der Hispania citerior entstanden war. Gegen Ende des Jahres (22 v. Chr.) waren die Rebellen wieder einmal niedergerungen. Doch berichten die Quellen, dass Marcus Agrippa, mit dem imperium proconsulare für die kaiserlichen Provinzen ermächtigt, zum finalen Schlag ausholen musste, um den Kantabrern die deditio, die endgültige Kapitulation, abzunehmen. Nach einigen Disziplinierungsmaßnahmen der eigenen Legionen – unter anderem musste eine Legion ihren Ehrennamen ablegen –, die sich zuvor geweigert hatten, erneut an Kampfhandlungen gegen den gefürchteten Feind teilzunehmen, gelang es unter 10 Oros. 6, 21, 1. Zu der Stelle und ihrem Mangel bei der Konsulatszählung siehe: D. Magie, Augustus’ War in Spain (26-25 B.C.), ClPhil 15, 1920, 323-339, 326-327. 11 RG 13: „Der Tempel des Janus Quirinus, der nach dem Wunsch unserer Vorväter geschlossen sein sollte, wenn im gesamten römischen Reichsgebiet zu Wasser und zu Lande durch Siege errungener Friede herrschte – dies soll, so wird überliefert, vor meiner Geburt seit Gründung der Stadt überhaupt erst zweimal geschehen sein –, dieser Tempel wurde, während ich der erste Mann des Staates war, auf Anordnung des Senats dreimal geschlossen.“
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der Führung des Agrippa wieder einmal, die Kantabrer zu unterwerfen. Dieses Mal wurden sie jedoch aus ihren angestammten Siedlungsgebieten herausgelöst und in den Ebenen angesiedelt, um ihnen die Möglichkeit zu erschweren, die unzugänglichen Gebiete zu ihrem Vorteil zu nutzen. Schon aus dieser Regelung erwuchsen wohl die Ordnungsgrundlagen der Konvente, die aus späterer Zeit bekannt sind.12 Die Jungmannschaften wurden in eigenen Einheiten zusammengefasst und dienten fortan als Hilfstruppen für die römischen Legionen, zumeist weit entfernt von ihrer Heimat und auch in den Alpen und in Germanien, wie andere Aufsätze dieses Bandes noch belegen werden.
Abb. 1: Übersichtskarte zur Belagerung von La Espina del Gallego – M. 1 : 300 000.
Gerade die langwierigen Belagerungen der antiken Quellen konnten in jüngster Vergangenheit durch spektakuläre archäologische Neufunde von La Espina del Gallego 12 Vgl. Abb. 6.
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in Kantabrien eindrucksvoll bewiesen werden.13 Speziell die dortige Einkesselung der indigenen Höhenfestung von La Espina del Gallego durch römische Lageranlagen wirft ein Schlaglicht auf das Vorgehen der römischen Armee im Felde.
Abb. 2: Operationsradius der römischen Lager von El Cantón und Cildá bei einer Belagerung des einheimischen castro Espina del Gallego – M. 1 : 25 000.
Dazu zählen die Anlagen von El Cantón, El Campo de las Cercas und die (mehrphasige) Belegung der Spitze des Höhenzuges Cildá. Neben den großen Anlagen bei El Campo de las Cercas (Doppellegionslager; 18ha) und Cildá (Hauptlager 5ha; insgesamt 22ha) versperrt das kleinere Lager von El Cantón (oval; ca. 0,7ha) den direkten Zugangsweg zur indigenen Anlage. Die Rückzugsfeste – wie auch folgerichtig die zuletzt genannten römischen Lager – befinden sich zudem an und in exakt dem Tal, das auch heutzutage noch als Hauptverkehrsverbindung zwischen der Küstenregion Kantabriens an der Biskaya und der Provinz Castilla y León dient, dem Tal des Río Besaya. Unter anderem verlaufen die wichtigsten modernen Überlandwege und Schnellstraßen A 67/N-611 in selbigem.
13 Siehe zu den Befunden und Funden sowie ihrer Bewertung: E. Peralta Labrador, Die augusteische Belagerung von La Espina del Gallego (Kantabrien, Spanien), Germania 79, 2001, 21-42. Eduardo Peralta Labrador greift in diesem Aufsatz auf seine jahrelange Erfahrung mit römischen Militäranlagen vor allem in Kantabrien zurück.
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Abb. 3: Verteilung der römischen Militäranlagen im Norden Spaniens während der Kantabrischen Kriege.
Die römischen Belagerer richteten ihre Aufmerksamkeit aber nicht nur nach innen auf die einzunehmende Höhenfestung. Sie umgaben ihren Belagerungsring fernerhin mit Sicherungskastellen in Cotero del Medio und Cotero de Majoro, die die weitere Peripherie nach außen bewachten und kontrollierten, und somit das System der Belagerungsanlagen vervollständigten. Inwiefern die Absicherung im Nachhinein noch Bestand hatte, ist nicht bekannt, während die Bedeutung des indigenen Lagers von Espina del Gallego für die Beherrschung der Region durch die Belegung mit einer römischen Garnison unterstrichen wird.14 Die sowohl von Florus15 als auch von Orosius16 geschilderte Belagerung der Bergfestung von Aracelium/Racilium findet in dieser Situation eventuell ihren Widerhall in den archäologischen Befunden. Der Statthalter und Befehlshaber Gaius Antistius Vetus habe im Jahre 25 v. Chr. versucht, mit seiner Armee vom Hauptquartier Segisama/Sasamón aus nach Norden vorzurücken. Dabei sei ihm der Weg von einer kantabrischen Höhensiedlung aus versperrt worden, und er musste diese belagern. Die Einnahme gelang ihm schließlich unter Zuhilfenahme der römischen Flotte. Dies mag sich auf den ersten Blick merkwürdig ausnehmen, da sich die Vorgänge ungefähr 25km von der Küste entfernt ereignet haben. Das genaue Vorgehen bleibt uns derzeit noch verborgen, allerdings ist damit zu rechnen, dass die Flotte römische Truppen in den Rücken der Kantabrer von La Espina del Gallego gebracht hat (Campo de las Cercas?), um diese in ihren Abwehrstellungen festzusetzen und vom Nachschub abzuschneiden. Kenntnis von diesen amphibischen Einsätzen erhalten wir wiederum von Florus und Orosius.17 Allgemein ist davon auszugehen, dass die maritimen 14 Peralta Labrador 2001, 27, 31, 33. 15 Flor. 2, 33, 50. 16 Oros. 6, 21, 7. 17 Flor. 2, 33, 49; Oros. 6, 21, 4. Diese Darstellungen werden ergänzt durch Plin. nat. 4, 111.
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Einheiten es den Römern erlaubten, die Kontrolle über die Räume des Kampfgebietes zu verstärken, indem sie Truppen schnell verlegen und versorgen konnten; ein Vorgehen, das sich später auch an den Küsten und auf den Flüssen Germaniens als wirkmächtig erweisen sollte. Neben den soeben ausführlicher behandelten befinden sich noch weitere Lagerund Befestigungsanlagen in Castillejo, La Muela, El Cincho, La Loma und La Poza18; einige der römischen Anlagen wurden nachweisbar bis ins Jahr 15 n. Chr. genutzt. Allesamt belegen sie aber zweifelsfrei das Bestreben, die gangbaren Wege zwischen den Atlantikhäfen Portus Blendius/Suances, Portus Victoriae Iuliobrigensis/Santander und Portus Amanum Flaviobriga/Castro Urdiales und den ohnehin römischen Gebieten südlich der Kantabrischen Kordillere zu besetzen und zu sichern. Diese Taktik schnitt die Festungen der Asturer und Kantabrer auf den Bergspitzen effektiv vom Nachschub ab und verlegte ihnen mögliche Ausfall- und Ausweichwege. Im Ergebnis sollte sie sich als erfolgreich erweisen, und die eroberten Gebiete konnten neu geordnet und infrastrukturell sowie kulturell in das Imperium Romanum eingegliedert werden.
pacavi Die Phase der Befriedung selbst sollte die römischen Legionen allerdings noch einige Jahrzehnte lang in Anspruch nehmen. Mit gutem Grund können die aktiven Angriffe der Römer Ende der zwanziger Jahre vor der Zeitenwende als beendet gelten. Jedoch musste Agrippa, im Rahmen seines prokonsularischen Imperiums und seines Aufenthaltes in Gallien, schon im Jahre 19 v. Chr. einen Aufstand der Kantabrer niederschlagen. Diese – mittlerweile in den Status von Sklaven gezwungen – hatten ihre neuen Herren erschlagen und erzwangen sogar massive Disziplinierungsmaßnahmen innerhalb der müden römischen Legionen seitens Agrippa. Letzten Endes mussten sie sich dennoch der römischen Übermacht geschlagen geben. Der Aufstand des Jahres 19 v. Chr. sollte aber nicht das endgültige Aufbäumen der Kantabrer bedeuten. Noch ein Mal – drei Jahre später – versuchten sie, ihre Freiheit wiederzuerlangen; erneut erfolglos.19 Die Regelungen, die Augustus im darauffolgenden Frühling in Narbonne selbst für kleinste Untereinheiten der beteiligten Stämme traf, sind uns durch das Edikt von El Bierzo20 seit kurzem eingehend bekannt. Detailliert trifft er persönlich u.a. Ent18 Einen Überblick über die römischen Anlagen in Spanien mit weiterführender Literatur liefert folgender Sammelband: Á. Morillo Cerdán – J. Aurrecoechea Fernández (Hrsg.), The Roman Army in Hispania. An Archaeological Guide (León 2006). Einen guten Zugang zu vielen weiteren Artikeln und Aufsätzen bietet: . 19 Siehe oben die Beschreibung im Kapitel Eroberungen. 20 Der Text und die Übersetzung folgen der allgemein anerkannten Lesart von: G. Alföldy, Das neue Edikt des Augustus aus El Bierzo in Hispanien, ZPE 131, 2000, 177-205 und dessen entsprechende
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scheidungen über Steuerentlastungen für treu gebliebene Stammesgruppen und die Bestrafung der Insurgenten eben durch die Verpflichtung die Steuerlast der gerade Entlasteten noch zusätzlich zu übernehmen. Die Inschrift bietet die Möglichkeit, einen tiefen Einblick in die Verwaltungspraxis der Provinzen während der Frühzeit der augusteischen Herrschaft zu erhalten. Einerseits informierten die Legaten Augustus eben auch über kleinste Ereignisse und Tendenzen innerhalb des eigenommen Gebietes – sicher nicht nur wegen und während der letzten Erhebung –, sodass er im Stande war, darüber Entscheidungen treffen zu können, und andererseits zeigt uns die bloße Existenz der Inschrift auf ihrem bronzenen Träger, dass diese Entscheidungen auch in die betreffenden Regionen gebracht und dort ausgestellt wurden. Den Sonderstatus von Kantabrien und Asturien in diesen und wohl noch den folgenden Jahren verdeutlich die enthaltene Nennung der provincia Transduriana. Dieses „Aufgabengebiet jenseits des Duero“ scheint explizit auf die besonderen Bedürfnisse und Erfordernisse eines zu befriedenden Gebietes zugeschnitten gewesen zu sein, welches einem Legaten des Augustus unterstellt gewesen ist. Sein Auftrag war es sicherlich, die nötigen Schritte einzuleiten, um das ihm übertragene Gebiet mit allen Konsequenzen in das Imperium zu integrieren, und diese zudem zu kontrollieren; kulturell, fiskalisch und als Rekrutierungsreservoir für die Armee. Die Statthalter der beiden caesarischen Provinzen in Hispanien konnten sich also wieder den notwendigen Amtsgeschäften in Friedenszeiten zuwenden. Imp(erator) Caesar Divi fil(ius) Aug(ustus) trib(unicia) pot(estate) | VIII[I] et pro co(n)s(ule) dicit: | Castellanos Paemeiobrigenses ex | gente Susarrorum desciscentibus | ceteris permanisse in officio cog- | novi ex omnibus legatis meis, qui | Transdurianae provinciae prae- | fuerunt. Itaque eos universos im- | munitate perpetua dono; quosq(ue) | agros et quibus finibus possede- | runt Lucio Sestio Quirinale leg(ato) | meo eam provinciam optinente[m], | eos agros sine controversia possi- | dere iubeo.| Castellanis Paemeiobrigensibus ex | gente Susarrorum, quibus ante ea | immunitatem omnium rerum dede- | ram, eorum loco retituo castellanos | Aiiobrigiaecinos ex gente Gigurro- | rum volente ipsa civitate; eosque | castellanos Aiiobrigiaecinos om- | ni munere fungi iubeo cum | Susarris. | Actum Narbone Martio | XVI et XV K(alendas) Martias M(arco) Druso Li- | bone, Lucio Calpurnio Pisone | co(n)s(ulibus). Imperator Caesar Divi filius Augustus, Inhaber der tribunizischen Vollmacht das 8. Mal und Prokonsul, sagt: Ich erfuhr von allen meinen Legaten, die der jenseits des Duero liegenden Provinz vorstanden, daß die Paemeiobrigenses genannten Castrobewohner aus der Volksgruppe der Susarri, während die übrigen (Gemeinden) abtrünnig wurden, in Gehorsam blieben. Deshalb beschenke ich sie alle für immer mit Lastenfreiheit; und ich befehle, daß sie jene Ländereien unter deren damaligen Grenzen, welche sie zu der Zeit besaßen, zu der mein Legat Lucius Sestius Quirinalis die erwähnte Provinz verwaltete, ohne irgendwelche Anfechtungen besitzen. Seite der Epigraphischen Datenbank Heidelberg, zuletzt aktualisiert „Ende Mai 2002“, unter (09.11.2013). Vgl. weiterhin auch: J. S. Richardson, The New Augustan Edicts from Northwest Spain, JRA 15, 2002, 411-415; M. del Rosario Hernando Sobrino, El bronce de El Bierzo y la „Tabula“ de El Caurel, Gerión 20.2 (2002) 577-584.
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Den Paemeiobrigenses genannten Castrobewohnern aus der Volksgruppe der Susarri, denen ich zuvor die Freiheit von allen Lasten gegeben habe, ordne ich an ihrer Stelle die Aiiobrigiaecini genannten Castrobewohner aus der Volksgruppe der Gigurri, entsprechend dem Willen der (betroffenen) Gemeinde selbst, zu; und ich befehle, daß jene Aiiobrigiaecini genannten Castrobewohner sämtliche Lasten zusammen mit den Susarri tragen. Entschieden in Narbo Martius am 14. und am 15. Februar, als Marcus (Livius) Drusus Libo und Lucius Calpurnius Piso Konsuln waren.
Das Edikt enthält jedoch noch weitere interessante Aspekte und Besonderheiten, die weit über den schlichten Informationsgehalt als Dokument für die Befriedung hinaus gehen und auch in das folgende Kapitel der Provinzialisierung überleiten.21
Provinzialisierung Die Eingliederung der neueroberten Gebiete im Norden der Iberischen Halbinsel begann direkt nach der – zuerst nur angenommenen – Unterwerfung der Gegner. Die Veteranenkolonie Augusta Emerita Mérida verdeutlicht einerseits beispielhaft das Vorgehen des Augustus bei der Entlohnung langgedienter Soldaten mit Land und andererseits die gefühlte Notwendigkeit, unweit der Grenze zu einem Gebiet, das noch nicht endgültig als befriedet gelten konnte, über eine kampferprobte Reserve für Notfälle verfügen zu können. Die Neugründung florierte und die Stadt erfuhr eine reichhaltige architektonische Ausstattung und die Anbindung an das römische Straßensystem. Der Ausbau des Straßensystems veranschaulicht besonders die verschiedenen Phasen der Anbindung an die bestehenden Provinzen. Während zur Zeit des Augustus (Abb. 4) lediglich eine rudimentäre Anbindung vorgenommen wurde, vernetzte sich das Wegenetz zunehmend unter seinem Nachfolger Tiberius (Abb. 5).
21 Sämtliche Aspekte behandelt die o.g. Untersuchung von G. Alföldy kenntnisreich und erschöpfend.
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Abb. 4: Das Straßensystem unter Augustus
Zudem wurden die Eroberungen einer neuen Einteilung unterzogen. Das Land wurde in Konvente eingeteilt, welche jeweils mit einem Hauptort versehen wurden, um den Einzug der fälligen Steuern zu erleichtern und einen festen Versammlungsort für die Institutionen der regionalen Selbstverwaltung zu schaffen. Die Abgabe der Steuern ist zudem ein Vorgang, der sich auch im Edikt von El Bierzo wiederfinden lässt. Der kooperative, einheimische Adel wurde in die Führungspositionen eingesetzt und war im Gegenzug dafür verantwortlich, die Steuern bei seinen Untertanen einzutreiben und diese an die römische Finanzadministration abzugeben. Ein altbekanntes Verfahren der römischen Herrschaft, welches sich schon oft bewährt hatte, hatten die einheimischen Herrschaftsschichten nur wenige Einbußen in ihrer Machtposition hinnehmen müssen – etwa die Entscheidungsfreiheit über die Außenpolitik und die
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Abb. 5: Das Straßensystem unter Tiberius
Armee –, deren Einheiten sich fortan als Auxilien der römischen Legionen verdingen mussten oder durften. Zwar unterstanden diese Einheiten dem römischen Oberkommando, die direkten Befehlshaber (im Rang eines Präfekten) konnten aber wiederum den einheimischen Herrschaftsschichten entstammen und wurden in der römischen Kunst des Krieges unterwiesen und somit noch enger an die römischen Gepflogenheiten gebunden.22 Diese Strategie war zumeist von Erfolg gekrönt, wenn auch der Fall 22 Siehe zu den Hilfstruppen unter Augustus: D. Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch ³(Darmstadt 1999) 325-331. Jedoch ist nicht anzunehmen, dass die zwangsrekrutierten Truppen von Beginn an über volle Souveränität innerhalb ihrer jeweiligen Einheit verfügten. Zudem war die Erreichbarkeit des römischen Bürgerrechts ein weiterer Anreiz für den Verbleib innerhalb der Auxiliareinheiten, denn schon unter Claudius wurde jedem Auxiliarsoldaten nach 25 Jahren Dienstzeit dieses Privileg zuteil. Vgl.: ders. 325-326 m. Anm. 20.
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des Arminius die berühmte Ausnahme bildet und im fiktiven Dialog zwischen ihm und seinem romtreuen Bruder Flavus über die Weser hinweg literarisch thematisiert wird.23
Abb. 6: Die administrative Organisation der Iberischen Halbinsel nach Augustus
Den Weg dieser aus Nordspanien stammenden Krieger zusammen mit den legiones V Alaudae, I und II Augusta hat Maria Paz García-Bellido anhand von Münzfunden in Zentraleuropa nachgewiesen, und vor allem im Alpenraum verdichten sich die Nachweise über eine Beteiligung nordspanischer Auxilien. Es ist anzunehmen, dass diese gerade wegen ihrer Erfahrungen im Gebirgskampf dort eingesetzt wurden.24 23 Tac. ann. 2, 9-10. Das Ereignis soll im Jahr 16 n. Chr. stattgefunden haben. 24 M. Paz García-Bellido, Numismatic Documentation on the Arrival of Spanish Troops in Gallia and Germania during the Augustan and Tiberian Period, in: G. A. Lehmann – R. Wiegels (Hrsg.), Römische Präsenz und Herrschaft im Germanien der augusteischen Zeit: der Fundplatz von Kalkriese im Kontext neuerer Forschungen und Ausgrabungsfunde. Beiträge zu der Tagung des Fachs Alte Geschichte der Universität Osnabrück und der Kommission „Imperium und Barbaricum” der Göttinger Akademie der Wissenschaften in Osnabrück vom 10. bis 12. Juni 2004 = AbhGöttingen Dritte Folge, 279 (Göttingen 2007) 161-181.
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Das Ende der Welt Die Eroberung der Iberischen Halbinsel wurde über den geographischen Rahmen hinaus betrieben. Ganz im antiken Sinne wurde der militärische Erfolg und damit einhergehend die Erweiterung der römischen Einflusssphäre durch Altäre kenntlich gemacht. L. Sestius Quirinalis, welcher uns durch das El Bierzo-Edikt als augusteischer Legat für die Provinz jenseits des Duero bekannt ist, errichtete am äußersten westlichen Ende Europas Altäre für Augustus.25 Dies berichten uns zumindest die Quellen. Demnach ist zu folgern, dass die drei Altäre des Sestius der antiken Tradition folgten und eben diese Einflusssphäre, die Oikumene, sichtbar begrenzten, hier die Oceanus-Grenze. Als griechische Beispiele hierfür können die zwölf Altäre von Alexander dem Großen am Hyphasis/Beas (Osten) und am Iaxartes/Syr Darja (Norden) dienen. An der Donau (Westen) hatte er vor dem Aufbruch nach Kleinasien ebenfalls Altäre errichten lassen.26 Aber auch die weitere augusteische Zeit bedient sich der Errichtung von Altären und tropaea, denkt man etwa an die drusischen jenseits der Elbe. Als anschauliches Relikt sei an dieser Stelle auf das Tropaeum Alpium verwiesen, welches sich – vom Mittelmeer aus gut sichtbar – an die Hänge der französischen Seealpen anschmiegt.27 Zudem ist die Inschrift durch Plinius überliefert.28 Die Aufzählung der unterworfenen Stämme und das Lob für Augustus und seine beiden Stiefsöhne Drusus und Tiberius für ihre Leistungen während der Alpenfeldzüge verdeutlichen deren weitere Funktion, der des Siegesmonumentes.29 Trotz der Abwesenheit jeglicher materieller Reste der Tres Arae Sestianae ist daher mit einiger Sicherheit anzunehmen, dass diese in der Tradition der so gearteten Siegesmonumente der augusteischen Zeit standen und gleichermaßen den Ruhm der Domus Augusta in die Öffentlichkeit projizierten und den Einflussbereich Roms im Westen, nur begrenzt durch den weiten Ozean, anzeigten.
25 Plin. nat. 4, 111; Mela 3, 13; Ptolem. 2, 6, 3; Geogr. Rav. 308, 1. Eine hervorragende Analyse von Altären und deren Bedeutung im Allgemeinen und im Speziellen im Norden Spaniens von: A. Grüner, Die Altäre des L. Sestius Quirinalis bei Kap Finisterre. Zur geopolitischen Konstruktion des römischen Herrschaftsraums, MM 46, 2005, 247-266. 26 Diod. 17, 95, 1; Plut. Alex. 62; Curt. 9, 3, 19; Iust. 12, 8; Plin. nat. 6, 62; Philostr. Ap. 2, 43; Arr. an. 5, 29, 1-2. 27 Vgl. zum Tropaeum Alpium: J. Formigé, Le trophée des Alpes (La Turbie) (Paris 1949) und N. Lamboglia, Il trofeo di Augusto alla Turbia ³(Bordighera 1965). 28 Plin. nat. 3, 136-137. 29 Noch während Augustus sich in Spanien aufhielt, ist es notwendig geworden, den Alpenstamm der Salasser durch Aulus Terentius Varro Murena bekämpfen zu lassen. Diese wurden von ihm vollständig besiegt und unterworfen. Allerdings erscheinen sie in der Inschrift des Tropaeum Alpium so, dass der Eindruck entstehen könnte, Tiberius und Drusus sei dies gelungen. Vgl. zum Alpenfeldzug 25 v. Chr.: Cass. Dio. 53, 22, 5 und 53, 25, 2-3.
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Fazit: … ein Gebiet, welches durch den Ozean von Gades bis zur Mündung der Elbe umschlossen wird. Resümierend lässt sich festhalten, dass der Einsatz des Augustus in Asturien und Kantabrien mehrere unbestreitbare Folgen hatte: Erstens fand die lange Phase der Eroberung der Iberischen Halbinsel unter Augustus ihr Ende. Rechnet man den gesamten Zeitraum seit dem Beginn des Zweiten Triumvirats als Ganzes zusammen, in denen die „Prokonsuln der beiden Spanien“ und ihre augusteischen Nachfolger mit ihrem Armeen in Asturien und Kantabrien im Felde standen, kommt man immerhin auf 20 Jahre. 20 Jahre, die den Abschluss einer vor über 200 Jahren begonnenen Unternehmung bildeten, während derer sich römische Armeen zuerst mit den Phöniziern und dann mit den Einheimischen herumschlugen und sich förmlich abkämpfen mussten.30 In regelmäßigen Abständen mussten auch Invasoren aus Nordafrika zurückgeschlagen werden. Einige große Gestalten der römischen Geschichte verdienten sich ihre Lorbeeren auf der Iberischen Halbinsel: die Brüder Publius und Gnaeus Cornelius Scipio, Marcus Porcius Cato der Ältere, Tiberius Sempronius Gracchus, um nur einige zu nennen. Der große Caesar gewann schließlich seine letzte Schlacht 45 v. Chr. in Munda. Zweitens resultierte aus dem Erfolg seines Adoptivsohnes Augustus die Eingliederung der letzten nicht-römischen Gebiete auf der Iberischen Halbinsel in das Imperium Romanum. Eine Leistung, die, wie wir gesehen haben, sowohl administrativ, kulturell, fiskalisch als auch infrastrukturell erfolgte. Die immer bessere Anbindung an das Mittelmeer erfolgte zu großen Anteilen auch wegen des Reichtums an Bodenschätzen, über den die Region verfügte, und noch heute verfügt.31 Die unbestreitbare Tatsache der geologischen Akkumulation natürlicher Ressourcen spielt schon seit Beginn der Erforschung der Eroberung Kantabriens und – in diesem Bereich bedeutungsvoller – Asturiens eine wichtige Rolle, wird aber nie als ausschlaggebende Begründung bemüht, sondern vielmehr den politischen Zwängen und Zielen untergeordnet.32 30 Die Geschichte der Mühsale Roms wird dargestellt von: M. Luik, Der schwierige Weg zur Weltmacht. Roms Eroberung der Iberischen Halbinsel 218 – 19 v. Chr. (Mainz 2005). 31 Vgl. zur Bedeutung der Minen: Flor. 2, 33, 60; Ios. bell. Iud. 2, 16, 4; Strab. 3, 3, 4 und 3, 2, 9; Diod. 5, 35-38 und Plin. nat. 33, 78: „Wie einige angaben, liefern auf diese Art Asturien, Galläzien und Lusitanien jährlich 20´000 Pfund, wobei Asturien die größte Menge hervorbringt. In keinem anderen Teil der Welt hat diese Ergiebigkeit so viele Jahrhunderte angedauert.“ Vgl. weiterhin die Untersuchungen von: R. F. J. Jones – D. G. Bird, Roman Gold-Mining in NorthWest Spain, II: Workings on the Rio Duerna, JRS 62, 1972, 59-74; F. J. Sánchez Palencia – M. D. Fernández Posse – A. Orejas – I. Sastre – M. Ruiz del Árbol, Roman Gold Mines of the North-Western Hispania, in: Á. Morillo Cerdán – J. Aurrecoechea Fernández (Hrsg.), The Roman Army in Hispania. An Archaeological Guide (León 2006) 127-150. 32 Gelegentlich wird der Anteil der wirtschaftlichen Interessen bei der Entscheidungsfindung des Augustus höher bewertet, als es hier der Fall ist: A. Eich, Der Wechsel zu einer neuen grand strategy
Die römischen Feldzüge in Hispanien nach 27 v. Chr.
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Die Gründe für Augustus, direkt nach seiner formalrechtlichen Machtabsicherung im Senat 27 v. Chr. sein Augenmerk auf Spanien zu richten, sind wohl in der Tatsache zu suchen, dass er bislang kein wirkliches Prestige in der Bekämpfung nichtrömischer Feinde errungen hatte. Wenn er sich dieses denn wirklich verdienen wollte, lieferten ihm die Asturer und Kantabrer einerseits durch ihr unruhiges Verhalten während der dreißiger Jahre einen Anlass und andererseits bildeten ihre Gebiete den einzigen Stachel, der im Westen des römischen Imperiums die Außengrenze unnötig verlängerte und es im Umkehrschluss notwendig machte, hier wichtige Ressourcen – sprich Legionen – zu stationieren, um die römischen Provinzen zu schützen. Die isolierte Lage an der Oceanus-Grenze garantierte weiterhin, dass dort ein begrenztes Unternehmen zu erwarten war. Kein unbekanntes Hinterland immenser Ausdehnung bot sich als Rückzugsgebiet an, kein unkalkulierbarer Feind konnte in die Kampfhandlungen mit hineingezogen werden. Die etwa zeitgleiche Expedition des Aelius Gallus in den heutigen Jemen bspw. bot diese Überschaubarkeit nicht. Unbekannter waren die sich anschließenden Territorien, unberechenbarer die mächtigen Parther in ihrer Nachbarschaft und somit begrenzter Truppenaufgebot und Drohpotential. Augustus wollte offenbar in dieser frühen Phase nach der Übernahme der Macht vermeintlich kontrollierbare Unternehmungen nach außen unternehmen und gleichzeitig seine Stellung nach innen mit seinen Erfolgen weiterhin konsolidieren. Wurden denn nach Abschluss der Kampfhandlungen in Spanien Truppenverbände nicht mehr benötigt, wurden sie an andere Außengrenzen – etwa die Alpen oder an den Rhein – verlegt. Dies schonte gleichermaßen den Militärhaushalt und stellte sicher, dass den wenigen verbliebenen Legionen auch weiterhin die Möglichkeit gegeben wurde, sich zu beweisen. Und mit ihnen ihre neuen Anführer aus dem Haus des Augustus, etwa seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius, aber auch enge Vertraute wie Marcus Agrippa. Folglich nutzte Augustus geschickt die Gelegenheit, die ihm Asturer und Kantabrer sowie deren spezielle Randlage boten, um einerseits eine unruhige Außengrenze zu befrieden und durch diesen Erfolg gleichzeitig sein Ansehen in Rom zu steigern. Schließlich befriedete er die gallischen und spanischen Provinzen und ebenso Germanien … , ein Gebiet, welches durch den Ozean von Gades bis zur Mündung der Elbe umschlossen wird.33
unter Augustus und seine langfristigen Folgen, HZ 288, 2009, 561-611, 568. Zur Bedeutung der reichhaltigen Edelmetallvorkommen in Nordspanien s. u. a.: D. Magie, Augustus’ War in Spain (26-25 B.C.), ClPhil 15, 1920, 323-339, 328; R. Syme, The Spanish War of Augustus (26-25 B. C.), AJPh 55, 1934, 293-317, 295 und Anm. 4; W. Schmitthenner, Augustus’ spanischer Feldzug und der Kampf um den Prinzipat, Historia 11, 1962, 29-85, 52; F. Diegos Santos, Die Integration Nord- und Nordwestspaniens als römische Provinz in der Reichspolitik des Augustus. Von der konsularischen zur hispanischen Ära, in: ANRW II. 3 (Berlin 1975) 523-571, 559; D. Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch ³(Darmstadt 1999), 559. 33 RG 26.
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Abbildungsnachweis Abb. 1: E. Peralta Labrador, Die augusteische Belagerung von La Espina del Gallego (Kantabrien, Spanien), Germania 79, 2001, 23 Abb. 1. Abb. 2: E. Peralta Labrador, Die augusteische Belagerung von La Espina del Gallego (Kantabrien, Spanien), Germania 79, 2001, 39 Abb. 14. Abb. 3: Á. Morillo Cerdán, The Roman Military Occupation in the North of Hispania: War, Military Deployment and Cultural Integration, in: G. Moosbauer – R. Wiegels (Hrsg.), Fines imperii – imperium sine fine? Römische Okkupations- und Grenzpolitik im frühen Principat. Beiträge zum Kongress „Fines imperii – imperium sine fine?“ Osnabrück 14.–18. September 2009 (Rahden 2011) 14 Abb. 1. Abb. 4: J. Lostal Pros, Los Miliarios de la Provincia Tarraconense (Zaragoza 1992) 390 Karte 2 (Zeichnung J. Fernández). Entnommen aus: A. Nünnerich-Asmus, Straßen, Brücken und Bögen als Zeichen römischen Herrschaftsanspruchs, in: W. Trillmich – T. Hauschild u. a. (Hrsg.), Hispania Antiqua. Denkmäler der Römerzeit (Mainz 1993) 132 Abb. 61. Abb. 5: J. Lostal Pros, Los Miliarios de la Provincia Tarraconense (Zaragoza 1992) 391 Karte 3 (Zeichnung J. Fernández). Entnommen aus: A. Nünnerich-Asmus, Straßen, Brücken und Bögen als Zeichen römischen Herrschaftsanspruchs, in: W. Trillmich – T. Hauschild u. a. (Hrsg.), Hispania Antiqua. Denkmäler der Römerzeit (Mainz 1993) 147 Abb. 72. Abb. 6: F. Beltrán Lloris – F. Marco Simón, Atlas de Historia Antigua (Zaragoza 1987) Abb. 58 (Zeichnung J. Fernández). Entnommen aus: A. Nünnerich-Asmus, Augusteische Brücken in Spanien – Symbole der ‚Pax Augusta’, MM 36, 1995, 250 Abb. 3.
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Die literarische Überlieferung zu den Drususfeldzügen und das vierte Buch der Oden des Horaz Historischer Kontext der Gedichte: Augustus – Horaz – Drusus-Feldzüge Die Feldzüge von Augustus’ Stiefsöhnen Drusus und Tiberius im keltisch-germanischen Alpenraum werden im vierten Odenbuch des augusteischen Dichters Horaz (65-8 v. Chr.) erwähnt und literarisch ausgestaltet. Das vierte Odenbuch wurde wohl nach der Rückkehr des Augustus nach Rom, d.h. im Jahr 13 v. Chr., publiziert.1 Innerhalb des vierten Buches wiederum werden die Siege von Drusus und Tiberius gegen die (Vor-)Alpenstämme der Vindeliker und Räter (15 v. Chr.) in den beiden Oden 4,4 und 4,14 thematisiert. Wie die Horazvita des Sueton nahelegt, gehen die beiden Drususgedichte auf die Initiative des Augustus zurück, der vermutlich nach der schmachvollen Niederlage des Lollius gegen die Sugambrer 16 v. Chr. (sog. clades Lolliana), die mit dem Verlust der römischen Feldzeichen einherging, positive Militärpropaganda gut gebrauchen konnte (Suet. Vit. Hor. 2): Scripta quidem eius usque adeo probavit (…), ut non modo Saeculare carmen componendum iniunxerit, sed et Vindelicam victoriam Tiberii Drusique, privignorum suorum, eumque coegerit propter hoc tribus Carminum libris ex longo intervallo quartum addere [Augustus] war von [Horazens] Fortwirken so überzeugt (…), dass er ihn aufforderte, nicht nur ein Gedicht zur Säkularfeier zu verfassen, sondern auch eines anlässlich des Sieges seiner Stiefsöhne Drusus und Tiberius über die Vindeliker; und er drängte ihn, deswegen seinen drei Gedichtbüchern nach einer langen Unterbrechung ein viertes hinzuzufügen.
Zwar wird die Historizität dieser Angabe gelegentlich in Zweifel gezogen,2 zumal sich Augustus von 16-13 v. Chr. in Gallien auf Inspektionsreisen befand und somit im Jahr des Sieges über die Vindeliker 15 v. Chr. gar nicht in Rom war;3 allerdings sollte eine Übermittlung von Augustus’ Wünschen durch Boten nicht unmöglich gewesen sein. Insofern scheinen die Angaben des Sueton zumindest nicht unglaubwürdig zu sein. Sie passen ohnehin gut zum literarischen Gesamtkontext der Horazgedichte und fügen sich auch in die weiter unten vorgenommene Interpretation der beiden DrususGedichte ein. Horaz präsentiert sich nämlich speziell im vierten Odenbuch eher als 1 Thomas 2011: 5-7. 2 So etwa Kießling/Heinze 1964: 403. 3 Dazu Kiernan 1999: 77.
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Dichter des Friedens und der leichten Muse, wie gleich das Eingangsgedicht 4,1 klar macht. Insofern fallen die beiden Drusus-Oden bei einer Gesamtlektüre des vierten Odenbuches als relativ erratische Fremdkörper auf,4 was dann gut zur Annahme passen würde, es handele sich bei diesen Gedichten eher um Auftragswerke.5 Interessant und für die Deutung der Gedichte nutzbar ist auch die Tatsache, dass sich Drusus (und Tiberius) zum mutmaßlichen Abfassungszeitpunkt der Gedichte (15 v. Chr.) ebenfalls nicht in Rom aufhielten. Somit stellt sich die Frage, wer eigentlich die Adressaten der Gedichte waren. Kießling/Heinze vermuteten in ihrem alten Standardkommentar zu Horazens Oden, die betreffenden Gedichte seien an das „römische Volk“ als Zielpublikum gerichtet – wen immer man unter „dem Volk“ zu verstehen hat.6 Die neueren Forschungen haben jedoch den höchst komplexen (auch sprachlich) Duktus der Gedichte herausgestellt, so dass man heute im Allgemeinen nur von einem kleinen gebildeten Kreis als Hörer ausgeht;7 im Grunde können es eigentlich nur die Umgebung des Augustus selbst und natürlich die Dichterkollegen des Horaz – also Personen wie Tibull, Vergil, Properz oder auch Ovid – gewesen sein.8 In der Umgebung des Princeps spielte im Jahr 15 sicher Augustus’ Gattin Livia eine herausragende Rolle, die ebenfalls mit guten Gründen als Auftraggeberin der Gedichte vermutet wurde.9 Livia hatte ihre beiden Söhne Drusus und Tiberius aus der früheren Ehe mit Tiberius Claudius Nero in die neue Verbindung mit Augustus gebracht. Allerdings hatte Augustus trotzdem zunächst nicht Drusus und Tiberius adoptiert und zu seinen potenziellen Nachfolgern erklärt, sondern die Söhne seiner Tochter Iulia (aus der vorherigen Ehe mit Scribonia) und ihres Ehemanns Agrippa, d.h. Gaius und Lucius. Livia muss diese Bevorzugung ihrer Stiefenkel als Zurücksetzung ihrer eigenen Söhne aus der gens Claudia empfunden haben, so dass sie tatsächlich ein großes Interesse an zwei panegyrischen Gedichten auf ihre eigenen Söhne aus claudischem Haus gehabt haben dürfte.10 Einen Hinweis darauf, wie kompliziert die innerfamiliären Beziehungen im Hause des Augustus waren, könnte auch die Inschrift auf dem monumentalen, um 7/6 v. Chr. fertiggestellten Tropaeum Alpium von La Turbie bei Monaco geben. Als Tiberius und Drusus v.a. die Vindeliker und Raeter besiegt hatten, ließ Augustus zwar auf dem riesigen Siegesmal eine Inschrift anbringen, in der die 46 (!) Stämme aufgezählt werden, die seine Stiefsöhne im Alpenraum besiegt hatten. Allerdings fehlt jeder Hinweis auf die eigentlichen beiden Feldherren in der Inschrift; dafür heißt es (CIL V 7817):11 4 Ausführlich zu Struktur und Thematik des vierten Odenbuches Ludwig 1961; Kerkhecker 1988. 5 Vgl. dazu Lyne 1995: 195f. 6 Kießling/Heinze 1964: 404; so noch Kreinecker 1971: 72. 7 Zur mündlich-auditiven Rezeption von Literatur vgl. generell Binder 1995 (speziell zu Horaz ebd. 273-277). 8 Vgl. Lefèvre 1993: 285; Glei 1995: 335f. 9 So etwa Wili 1948: 364. 10 Zu dem Problem Glei 1995: 336f. 11 Der Text der Inschrift ist auch überliefert bei Plinius, Nat. Hist. 3,136.
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Imp(eratori) Caesari divi filio Aug(usto) pont(ifici) max(imo) …, quod eius ductu auspiciisque gentes Alpiae omnes … sub imperio p(opuli) R(omani) sunt redactae … …, weil unter seiner [= Augustus’] Führung und Befehlsgewalt alle Alpen-Stämme unter die Herrschaft des römischen Volkes gezwungen worden sind.
Auch wenn in solchen Ehreninschriften selbstverständlich der Princeps als eigentlicher Oberbefehlshaber eine herausragende Rolle spielte, drängt sich hier der Eindruck auf, als habe Augustus eine allzugroße Ehrung für die beiden eigentlich nicht als Nachfolger vorgesehenen Stiefsöhne vermeiden wollen. Horaz also stand vor der schwierigen Frage, wie eine angemessene Panegyrik auf die zweifelsohne wichtigen und verdienstvollen Siege des Drusus und Tiberius auszusehen hätte. Dabei musste er vermutlich eine Gratwanderung zwischen einem Übermaß an Panegyrik, das sicher Livias Wünschen entgegengekommen wäre, aber Augustus’ Absichten nicht entsprochen hätte, ebenso vermeiden wie eine komplette Ignorierung der explizit geäußerten Wünsche aus der Umgebung des Princeps. Da Horaz wieder nach dem Zeugnis des Sueton mit Augustus sehr vertraut war12 und die Befindlichkeiten des Prinzeps genau gekannt haben muss, konnte Horaz diese komplizierte Aufgabe in angemessener Form erfüllen.
Die literarische Form der Drusus-Oden Die beiden hier behandelten Oden gehören zu den Gedichten, die in der Horazforschung im Vergleich zu den übrigen Oden nur wenig Wertschätzung erfahren haben und die zudem recht konträre, zwischen Ironie13 und ernst gemeintem Herrscherlob schwankenden Beurteilungen mit teilweise negativen Wertungen erfahren haben.14 Ein Grund dürfte der oben skizzierte Entstehungskontext sein, der die Gedichte für einige Forscher als Auftragslyrik und plumpe Panegyrik erscheinen lässt, in denen der Dichter weit hinter seinen poetischen Möglichkeiten zurückgeblieben sei.15 Ein weiterer Grund könnte in der auffällig komplizierten Form liegen, die einen unmittelbaren inhaltlichen Zugang zu den Oden erschweren. Zwar sind Horazens Oden im Ganzen ohnehin aufgrund ihrer sprachlichen Struktur eher komplex und bewusst nicht für ein ungebildetes Ohr konzipiert,16 allerdings sind die übrigen Oden des 12 Suet. Vit. Hor. 1f. 13 So etwa Johnson 1969 (zumindest für c. 4,4); eine durchgehende antiaugusteische Kritik sieht Seager 1993. 14 Dazu Thomas 2011: 10-20; McNeill 2001: 135; Lowrie 1997: 345; Putnam 1986: 4; zum besonderen Charakter der beiden Oden im Vergleich zum übrigen vierten Buch vgl. auch White 1993: 130. 15 Typisch hierfür die Bemerkungen bei Lefèvre 1993: 287; Kreinecker 1971: 97-99. 16 Vgl. Horazens Selbstäußerung in Epist. 1,1,19: Odi profanum vulgus et arceo „Ich hasse das gemeine Volk und distanziere mich von ihm“.
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vierten Buches, v.a. die die hier behandelten Gedichte rahmenden Oden 4,3/5 und 4,13/15 sprachlich deutlich leichter zu verstehen. Bei einer rein auditiven Rezeption dürften die Oden 4,4 und 4,14 einem ungebildeten Plebejer wahrscheinlich mehr oder weniger unverständlich gewesen sein, wie die Untersuchung zeigen wird. Ein weiteres auffälliges und für die Interpreten überraschendes Merkmal der beiden Gedichte ist neben der komplexen Sprache die Anlehnung an den frühgriechischen Dichter Pindar und seine Siegesgedichte,17 obgleich Horaz die Nachahmung Pindars noch in Ode 4,2 explizit für sich abgelehnt hatte;18 hinzukommen epische Homer- und Vergil-Reminiszenzen, die den Gedichten einen vordergründig heroischen Charakter verleihen. Schließlich fällt in beiden Gedichten auch das fast komplette Fehlen der 1. Pers. Sg. bzw. eines explizierten lyrischen Ichs auf, das in den anderen Gedichten sehr präsent ist. Dies gibt den beiden Oden etwas vergleichsweise Unpersönlich-Distanziertes.
Ode 4,4: panegyrische Elemente Die Ode 4,4 ist mit 76 Versen die längste aller Oden im 4. Buch mit folgender Struktur: 1-16 (16vv.)
17-24 (8vv.)
25-48 (24vv.)
49-72 (24vv.)
Vergleiche: Adler Löwe
Sieg über die Vindeliker
Leistungen der Hannibal-Rede: gens Claudia Vergleich Eiche-Drusus
73-76 (4vv.) Lob auf die gens Claudia
Den Anfang macht ein breit ausgeführter Vergleich des Drusus mit dem Adler als Vogel Jupiters19 und mit einem jungen Löwen als kampfbereitem Raubtier (4,1-16); dann folgt der Sieg über die Vindeliker (4,17-24). Im mittleren Teil (4,25- 48) wird die angeborene Kraft der gens Claudia – also auch der Vorfahren des Drusus – erwähnt 17 Dazu Syndikus 1973: 319-321; Castagna 1989; zum vierten Odenbuch speziell Binder 2008: 82-87. 18 Im Gedichteingang (c. 4,2,1-4) warnt der Sprecher, jeder Pindar-Nachahmer werde zwangsläufig ein ähnliches Schicksal erleiden wie Icarus; anschließend (c. 4,2,27-32) beschreibt Horaz seinen eigenen Anspruch im Gegensatz zu Pindars Stil: (…) ego apis Matinae more modoque grata carpentis thyma per laborem plurimum circa nemus uuidique 30 Tiburis ripas operosa paruus carmina fingo. „Ich dichte (dagegen) wie die Biene vom Matinus, die mühselig sehr viel Thymian sammelt, am Hain und den Ufern des feuchten Tibur fleißig und bescheiden meine Lieder“. 19 Vgl. Glei 1995: 338. Der Vergleich scheint insgesamt von Pindars erster Pythischer Ode (Pind. Pyth. 1,5-9) angeregt zu sein; vgl. Binder 2008: 178.
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und mit einem Beispiel aus der Geschichte, nämlich dem Sieg des Claudius Nero gegen die Truppen Hannibals am Fluss Metaurus 207 v. Chr. ausgeführt. Den letzten Teil des Gedichts (4,49-72/76) nimmt eine Rede des Kriegsgegners Hannibal ein, der den Tod seines Bruders Hasdrubal im Kampf gegen Rom beklagt und gleichzeitig in einem an Pindar angelehnten Gleichnis die unzerstörbare Kraft des römischen Volkes mit einer Eiche vergleicht (c. 4,4,57f.): duris ut ilex tonsa bipennibus nigrae feraci frondis in Algido (…) wie eine Eiche, die von einer harten Doppelaxt behauen ist, auf dem fruchtbaren Berg Algidus mit seinem dunklen Laub (…).
Das lat. Wort ilex “Eiche” entspricht gr. δρῦς “Eiche” in Pindars 4. Pythischer Ode (264f.)20 für Arkesilaos von Kyrene und klingt lautlich zugleich an Drusus an.21 So ergibt sich die Assoziation, Drusus sei gleichsam die Eiche Roms. Schließlich folgt noch ein Lob der unbegrenzten Leistungsfähigkeit des Claudischen Hauses in der letzten Strophe. Vordergründig handelt es sich also – wenn man nur den groben Inhalt des Gedichts in dieser Weise betrachtet – um eine klare Panegyrik auf den Sieg des jungen Drusus gegen die Vindeliker 15 v. Chr., die wiederum an das typisch römische gentilizische Prinzip einer quasi über Generationen hinweg vererbbaren virtus anschließt. Auch die offenbar intendierte Parallelisierung des Jupiter mit Augustus passt gut hierzu, scheint sie doch das gute Einvernehmen zwischen dem Götterkönig bzw. Princeps und seinem die Blitze tragenden Adler bzw. dem Bannerträger Drusus zu symbolisieren. Hierzu passt weiter die quantitative Verteilung panegyrischer Teile, die den größten Teil des gesamten Gedichts einnehmen und sich wiederum zu großen Teilen auf die gens Claudia beziehen, der Drusus über den ersten Mann seiner Mutter Livia entstammt. Insofern verwundert es nicht, dass die Ode im Allgemeinen entsprechend als panegyrische Ode auf die Leistungen des Drusus interpretierte wurde und wird. Die auffällige Betonung der claudischen und nicht der julischen Familie könnte schließlich auf den ersten Blick den Wünschen Livias entsprochen haben.
20 Bei Pind. Pyth. 4,264-269 schließt sich das Gleichnis an die Erwähnung des Ödipus als Exempel für eine auch größtem Leid trotzende Persönlichkeit an; in dem Vergleich erscheint die Eiche als Baum, der zwar gefällt wird, aber trotzdem z.B. als tragende Säule in einem Gebäude noch Nutzen bringt. Bei Horaz ist das Gleichnis insgesamt sogar noch etwas optimistischer angelegt als bei Pindar selbst, wie Binder 2008: 176f. zeigt. 21 Zum lautlichen Anklang Putnam 1986: 96.
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Ode 4,4: merkwürdige Elemente Bei genauerem Hinsehen ergeben sich allerdings in dem Gedicht einige Merkwürdigkeiten, die diesen panegyrischen Gesamteindruck konterkarieren. Das beginnt mit der eigentümlichen Syntax des ersten, fürs Hören sehr unübersichtlichen Satzes, der sich immerhin über mindestens 18 Verse hinstreckt, dessen Ende man aber je nach Interpunktion auch erst in V. 28 sehen kann.22 Der Name des Drusus fällt auch überhaupt erst in V. 18, so dass lange für einen ersten Hörer/Leser des Gedichtes unklar bleibt, wer in der Ode genau gefeiert wird; allerdings ist eine solche Unklarheit untypisch für Horazens sonstige Oden, in denen in der Regel in den ersten Versen der Adressat bzw. die gepriesene Person genannt wird.23 Sonderbar ist ferner, dass im Gleichnis in der ersten Strophe der Adler (= Drusus) nicht direkt als Diener des Zeus, sondern eher als Diener seines homoerotischen Lieblings Ganymed erscheint. Dieser junge Adler (bzw. Drusus) wird dann in der dritten Strophe näher beschrieben: Dort erscheint er als noch ängstlich, aber auch als Räuber harm- und wehrloser Schafe, und es heißt von ihm (c. 4,4,11f.): nunc in reluctantis dracones egit amor dapis atque pugnae; bald trieb ihn die Gier nach Speise und Kampf gegen widerstrebende Schlangen.
Dieses Bild vom Adler, der eine Schlange als wehrhaftes Beutetier in seinen Klauen hält, lässt sich auf eine Stelle in Homers Ilias zurückführen (Hom. Il. 12,200-250):24 Dort erscheint den auf die Griechen einstürmenden Trojanern unter Hektor ein Unheils-Omen in Form eines Adlers von links, der eine Schlange in seinen Klauen hält. Die Schlange beißt den Adler allerdings in Hals und Brust und besiegt ihn schließlich. Hektors Berater Polydamas deutet dieses Omen richtig als Warnung der Götter vor einem weiteren Kampf, denn die Schlange als vermeintliches Beutetier versinnbildlicht hier die scheinbar unterliegenden Griechen, der Adler dagegen die nur scheinbar siegreichen Trojaner.25 Für den gebildeten und mit Homers Ilias vertrauten Hörer muss dieses Gleichnis im Kontext von Drusus’ Siegen daher merkwürdig wirken, denn konsequenterweise drängt sich hier der Vergleich des Drusus mit dem homerischen Adler auf. Dies würde letztlich eine Parallelisierung mit dem unterlegenen trojanischen Kriegsherrn Hektor implizieren. Falls der Vergleich im Horaztext eine Funktion besitzen sollte, legt eine konsequente Anwendung der intertextuel22 Satzende nach V. 18 hat z.B. Borszák in seiner Horaz-Ausgabe (1984); dagegen setzen Thomas (2011) oder Kytzler (1992) in seiner zweisprachigen Ausgabe den Punkt erst nach V. 28. 23 Z.B. im vierten Odenbuch die Gedichte 5 (Augustus), 13 (Lyce), 14 (Augustus), 15 (Augustus). 24 Die Parallele vermerkt Thomas 2011: 133. 25 Hom. Il. 12,216-227: Polydamas gibt hier eine ganz unzweifelhafte Interpretation der Erscheinung als warnendes Götterzeichen.
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len Anspielung auf den homerischen Prätext diese Deutungsmöglichkeit zumindest nahe. Sonderbar ist bei näherer Betrachtung ferner der folgende Vergleich des Drusus mit einem jungen Löwen (4,4,13-16), der im Begriff ist, ein Reh (lat. caprea) zu reißen. Dies ist zwar eine raubtiertypische Handlungsweise, stellt aber auf der anderen Seite auch keine echte Heldentat dar, die Mut bewiese.26 Insofern ist gerade ein solcher Vergleich nicht wirklich geeignet, die vordergründig intendierte Gesamtaussage zu stützen. Sprachlich kompliziert wird hier zudem das Opfertier zum Subjekt der Strophe,27 so dass der Rezipient auch noch aus der Perspektive des Opfers die bevorstehende Tötung wahrnimmt. Damit kommt eher Mitleid mit dem wehrlosen Tier auf als Bewunderung für den vermeintlichen Mut des Löwen, was eigentlich die intendierte Funktion des Gleichnisses sein sollte (c. 4,4,13-16): qualemue laetis caprea pascuis intenta fuluae matris ab ubere iam lacte depulsum leonem dente nouo peritura uidit:
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so wie ein Reh auf der Suche nach fruchtbaren Weidegründen und gleich durch den Zahn sterbend den von der reichen Milch seiner seiner gelbmähnigen Mutter vertriebenen Löwen erblickt.
Die folgenden vier Strophen (c. 4,4,22-36) geben in der Art des Pindar relativ allgemeine Reflexionen über das Verhältnis von angeborender roher Kraft (vim: c. 4,4,33) und zivilisierender Wirkung durch Erziehung (rectique cultus: c. 4,4,34). Anknüpfungspunkt ist hier natürlich die in den Tiergleichnissen (Adler, Löwe) illustrierte und im Eichen-Vergleich indirekt zu assozierende Kraft von Drusus und Tiberius, die im Gedicht mehrfach Nerones genannt werden (c. 4,4,28; 37). Die antike Etymologie identifizierte nero als sabinisches Wort mit der Bedeutung “stark; kräftig”.28 Doch bedarf diese rohe Kraft der neronischen bzw. claudischen Jugend erst der Erziehung im Hause des “väterlichen Augustus” (quid Augusti paternus / in pueros animus Nerones ), um in die richtigen Bahnen gelenkt zu werden. Hier wird also gleichsam das eher rohe Haus der Claudier durch einen Spross der Julier gebändigt und, wie die Verse 35f. insinuieren, von möglichem schuldhaftem Verhalten abgehalten: utcumque defecere mores, / indecorant bene nata culpae (“sobald die rechte Sitte schwindet, befleckt Schuld die eigentlich guten Gene”).
26 Ähnlich schon Reckford 1960: 24. 27 Beobachtet auch von Lowrie 1997: 328. 28 So überliefert bei Suet. Tib. 1,2, der über Tiberius schreibt: inter cognomina autem et ‚Neronis’ assumpsit, quo significatur lingua Sabina ‚fortis atque strenuus’ („unter den Beinamen nahm er jedoch auch den des Nero an, worunter man in der sabinischen Sprache ‚stark und kräftig’ versteht“); in der modernen Forschung wird nero etymologisch an gr. ἀ-νήρ “Mann” angeschlossen.
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Genau in der Mitte der Ode (c. 4,4,37ff.) setzt der Sprecher dazu an, ein historisches Exempel aus der Geschichte der gens Claudia auszuführen, um die ererbte virtus der Claudier am Beispiel des Sieges gegen Hasdrubal zu beweisen. Allerdings wird diese Ankündigung eigentlich nicht eingelöst; vielmehr folgen in Strophe 11 (c. 4,4,4144) erst die karthagischen Verwüstungen in Italien und dann in Strophe 12 (4,4,45-58) recht unvermutet die heldenhafte Rolle des populus Romanus: Trotz der Kriegsmühen konnten sich die Römer schnell wieder regenieren und bauten auch gleich ihre zerstörten Heiligtümer wieder auf: fana deos habuere rectos (“die Heiligtümer besaßen wieder ihre aufgerichteten Götterstatuen”; c. 4,4,47), was zugleich an das sakrale Restaurationsprogramm des Augustus erinnert. Der Bezug zu Augustus und dem mit ihm eng verbundenen populus Romanus wird fortgeführt in der anschließenden HannibalRede (c. 4,4,50-72/76): Dort erwähnt Hannibal in einem für einen karthagischen Sprecher eher erstaunlichen Rekurs auf Vergils Aeneis (unterstrichen),29 wie die Aeneaden bzw. die Trojaner nach dem Fall Trojas ihre Heiligtümer und Familienmitglieder nach Italien retteten und dort wieder zu Kraft und Mut fanden (c. 4,4,53-60): Gens, quae cremato fortis ab Ilio iactata Tuscis aequoribus sacra natosque maturosque patres 55 pertulit Ausonias ad urbes (…) Das Volk, das tapfer aus dem niedergebrannten Troja, umhergeworfen in den tyrrhenischen Meereswogen, seine Heiligtümer, Kinder und betagten Väter zu den italischen Städten trug.
Hier erscheint die pietas der Römer und angesichts der mythologischen Anspielungen auch die der Julier als das eigentliche Erfolgsrezept für Rom; von den Claudiern ist dagegen nicht mehr die Rede. Es folgt in der nächsten Strophe das bereits oben kurz besprochene Gleichnis mit der Eiche (lat. ilex), das intertextuelle Bezüge zu Pindars vierter Pythischer Ode aufweist. Betrachtet man hier den pindarischen Prätext genauer, wirkt auch dieser vordergründig panegyrische Vergleich ambivalent. Direkt nach dem Eichengleichnis folgen nämlich bei Pindar allgemeine Reflexionen darüber, dass die Erschütterung eines Staatswesen leichter sei als es wieder aufzubauen, sofern nicht ein Gott (hier konkret: Apollo) die Führung übernehme (Pind. Pyth. 4,272-277). Für einen literarisch versierten römischen Leser ergibt sich hier eine weitere mögliche Verbindung mit dem Restaurations- und Wiederaufbauprogramm des Augustus, dessen öffentlich inszenierter Haus- und Schutzgott Apollo war.30 Implizit werden durch die intertextuelle Anspielung auch zivilisatorische Leistungen und Frieden (~ Augustus) höher gewertet als etwaige militärische Aktionen, die wiederum das herausragende Charakteristikum der Claudier darstellen. 29 Zu den Parallelen vgl. Glei 1995: 340. 30 Hierzu gut Binder 2008: 176-178.
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Doch letztlich ist auch die Rolle der Römer in Hannibals Rede ambivalent: Sie fungieren nicht nur als die pii Troiani des Mythos, sondern ab 4,4,61 auch als die historischen Feinde und Besieger der Karthager. Hannibal vergleicht sie gar mit dem mythischen Monster der Hydra, das Hercules zu besiegen versucht – der römische Leser/Hörer mag wieder über Hannibals gute Kenntnis der griechisch-römischen Mythologie staunen. In den Versen 69-72 kommt nicht nur die römische Sieghaftigkeit (hier ja speziell durch Claudius Nero) zum Ausdruck, sondern auch (und zwar aus der Perspektive des besiegten Karthagers als Gegner Roms) die Verzweiflung über die karthagische Niederlage und den Tod des Bruders Hasdrubal; so ruft Hannibal aus (c. 4,4,70-72): (…) occidit, occidit spes omnis et fortuna nostri nominis Hasdrubale interempto. dahin, dahin ist jegliche Hoffnung und das Glück unseres Namens, da Hasdrubal getötet ist.
Erst in der letzten Strophe der Ode kommt die Rede wieder auf die Claudier – fast hätte Hannibal bzw. Horaz sie vergessen, könnte man als Leser vermuten. Allerdings ist hier nicht mehr klar, ob noch Hannibal spricht oder der eigentliche Sprecher der Ode.31 Aufgrund der evidenten Uneindeutigkeit ist wohl eine bewusste Ambiguität vonseiten des Autors zu vermuten: Auf diese Weise verschmilzt die Stimme des Gedicht-Sprechers mit der des karthagischen Sprechers und römischen Gegners, was wiederum erstaunt, aber zu dem von Horaz offenbar intendierten Perspektiven-Wechsel passt, den der Rezipient in dieser Ode immer wieder vorzunehmen gezwungen wird. Jedenfalls heißt es hier auf der einen Seite, dass “die Hände der Claudier alles vermögen” (c. 4,4,73: nihil Claudiae non perficient manus), allerdings stehen die Claudier unter dem Schutz Jupiters, d.h. auch des Augustus, der sicher durch die Gefahren des Krieges führt. Damit ist die eigentlich als Drusus-Panegyrik firmierende Ode von Augustus gerahmt und innerlich durchdrungen, und genau wie in der Tropaeum-Inschrift von La Turbie ist Augustus die eigentliche Hauptfigur, während die beiden Neronen Drusus und Tiberius vornehmlich als nützliches, aber in ihrer Rohheit auch ambivalentes Beiwerk erscheinen. Die militärischen Tugenden der beiden Feldherren werden hier – zwar subtil, aber m.E. doch auch erkennbar – in Frage gestellt; gelobt werden hingegen eher zivile bzw. bürgerliche Tugenden wie die Macht der Erziehung, die Regenerationskraft nach einem Krieg und natürlich die pietas. Dies würde dann auch gut in den Rezeptionskontext des gesamten vierten Odenbuches passen: In c. 4,3 hatte sich nämlich der Sprecher des Gedichts in der Eingangs-Priamel gegen den
31 Zu der seit antiker Zeit (Porphyrio) existenten Diskussion und den unterschiedlichen Auffassungen vgl. Thomas 2011: 150; Glei 1995: 339.
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Wert sportlicher und militärischer Leistungen ausgesprochen und ihnen die geistigen Werte der Dichtung entgegengestellt (c. 4,3,1-12): Quem tu, Melpomene, semel nascentem placido lumine uideris, illum non labor Isthmius clarabit pugilem, non equus impiger curru ducet Achaico uictorem, neque res bellica Deliis ornatum foliis ducem, quod regum tumidas contuderit minas, ostendet Capitolio; sed quae Tibur aquae fertile praefluunt et spissae nemorum comae fingent Aeolio carmine nobilem.
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Wen du, Melpomene, einmal bei der Geburt mit sanftem Blick angesehen hast, den wird nicht sportliche Leistung bei den Isthmischen Spielen als Faustkämpfer berühmt machen, nicht wird ihn das schnelle Ross | auf dem achäischen Wagen als Sieger führen, noch wird ihn Kriegsruhm als Feldherrn, geschmückt mit delischem Lorbeer, | auf das Kapitol begleiten, weil er die heftigen Drohungen von Königen niedergeschmettert hat. Stattdessen werden ihn die Wasser, die am fruchtbaren Tibur vorbeifließen und das dichte Laub der Haine durch äolischen Gesang berühmt machen.
Die in den beiden ersten Strophen angesprochenen Leistungen entsprechen genau dem von Drusus (und Tiberius) repräsentierten Wertekodex. Insofern werden durch diese Art von Leserlenkung für einen Rezipienten des gesamten vierten Buches, der die Oden in der Reihenfolge der Ausgabe linear liest, die militärischen Leistungen der beiden Feldherren ohnehin bereits im voraus relativiert. In dem auf Ode 4 folgenden Gedicht c. 4,5 wiederum findet sich ein klares Augustus-Lob,32 in dem besonders die zivilen Tugenden und vor allem die Segnungen der pax Augusta gepriesen werden (c. 4,5,21-24), nämlich u.a. mos, lex, casta domus, proles. Aufgrund dieser Rahmung der hier behandelten Ode 4,4 wird dem Leser auf mehreren Ebenen suggeriert, nicht die in c. 4,4 vordergründig gepriesenen militärischen Leistungen gegen die feindlichen Alpenstämme, sondern ganz andere Werte stünden im Zentrum des vierten Odenbuches. Durch diese Art der Anordnung wirkt Ode 4,4 in der Tat so erratisch, wie es die frühere Forschung auch immer wieder gespürt und geäußert hat.33
32 Vgl. zu diesem Aspekt Kamptner 2001. 33 Hierzu passt etwa der Kommentar bei Lefèvre 1993: 287; vgl. auch Glei 1995: 333 zum Problem.
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Ode 4,14: ein Lob auf Augustus und den Frieden Diese Beobachtungen lassen sich zum größten Teil in ähnlicher Weise auch in der zweiten hier zu besprechenden Ode c. 4,14 wiederfinden. Auch hier gestaltet sich der syntaktische Bau des ersten Satzes so komplex, dass selbst ein lateinischer Muttersprachler erst beim zweiten Lesen/Hören die syntaktische Struktur vollständig verstanden haben dürfte: Beim ersten Hören bleibt nämlich unklar, ob es sich bei dem Anfang quae cura patrum…aeternet um einen Relativsatz mit inkorporiertem Bezugswort oder um einen Vergleich oder um einen direkten (zutreffende Variante) oder indirekten Fragesatz handelt. In dieser ersten Strophe wird gleich ganz offen Augustus apostrophiert (c. 4,14,3: Auguste), der also rein formal dann auch der Adressat des panegyrischen Gedichts sein muss. Er erscheint in der zweiten Strophe zunächst auch als Sieger über die Vindeliker (c. 4,14,7f.): quem legis expertes Latinae Vindelici didicere nuper dich, Augustus, haben die gesetzlosen Vindeliker eben gerade kennengelernt.
Die Vindeliker erscheinen als gesetzlos und somit unzivilisiert, was umgekehrt die Rolle des Augustus als zivilisierenden Schützers von Recht und Gesetz impliziert. Augustus ist wiederum derjenige, der dem Drusus die Soldaten liefert, mit denen er die Stämme der Genauni und Breuni besiegt hat (c. 4,14,9f.). Im Folgenden gerät Drusus’ älterer Bruder Tiberius, der die Raeter im Alpenraum besiegt hat, in den Vordergrund der Darstellung. Der Sprecher rühmt die militärische Kraft des Tiberius im Kampf gegen die Raeter und unterstreicht diese Leistungen durch einen sprachlich sonderbar verdrehten Vergleich in Strophe 7 (c. 4,14,25-32): Sic tauriformis uoluitur Aufidus, qui regna Dauni praefluit Apuli, cum saeuit horrendamque cultis diluuiem meditatur agris, ut barbarorum Claudius agmina ferrata uasto diruit impetu primosque et extremos metendo strauit humum sine clade uictor,
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So wälzt sich auch der stiergestaltige (Fluss) Aufidus, der durch das Gebiet des Daunus in Apulien fließt, wenn er wütet und auf eine furchterregende Überschwemmung für die bebauten Felder sinnt, wie auch der/ein Claudier (Tiberius) die bewaffneten Truppen der Barbaren in ungeheurem Ansturm auseinandersprengt und die Vor- und Nachhut dahinmähend siegreich ohne eigene Verluste zu Boden niedermetzelt.
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Die “so-wie”-Relation “normaler” epischer Vergleiche ist vertauscht, so dass hier “der Claudier”, wie man Claudius auch verstehen kann, bzw. Tiberius in die Rolle der sonst zum Vergleich herangezogenen Tiere oder Naturphänomene rückt: Typischerweise lauten etwa homerische Vergleiche z.B. ὥς τις λέων “wie ein Löwe” o.ä.34 Da das im Vergleich hervorgehobene Merkmal hier die furchterregende Kraft oder Gewalt ist, wird durch die von Horaz gewählte Syntax Tiberius selbst zum Maßstab dieser rohen Kraft, an der sich sogar die Naturgewalt messen lassen muss. Die Passage wirkt überhaupt ausgesprochen martialisch und lässt den Hörer fast erstarren. Die militärische Kraft des Tiberius parallelisiert der Sprecher mit der Zerstörungswut des Flusses Aufidus, der durch die Heimat des Horaz (Venusia/Apulien) fließt. Das heißt, für den realen Autor Horaz kann dieser Vergleich kaum positiv konnotiert sein, kannte er doch sicher aus eigener Erfahrung die zivilisationsfeindliche und damit quasi barbarische Kraft der zerstörerischen Gewalt des Wassers. Somit erscheint militärische virtus trotz des vorgeblich epischen Lobs durch den Sprecher für den Rezipienten eher wie destruktive Kriegswut. Es kommt hinzu, dass die Passage, wie schon Michael Putnam bemerkt hat, aufgrund einiger signifikanter Schlüsselwörter (regna, culti agri, barbarus) deutliche intertextuelle Bezüge zu Vergils erster Ecloge aufweist, die wiederum das gebildete und mit Vergil persönlich eng verbundene Publikum am Hof im Ohr gehabt haben kann.35 Diese Ecloge zeichnet sich durch die Kritik aus dem Munde des Hirten Meliboeus an den Folgen der Bürgerkriege oder von Krieg im Allgemeinen für die leidende Landbevölkerung und durch die Sehnsucht nach Frieden aus. Die Parallelstelle lautet (Verg. Ecl. 1,67-71): en umquam patrios longo post tempore finis pauperis et tuguri congestum caespite culmen, post aliquot, mea regna videns, mirabor aristas? impius haec tam culta novalia miles habebit, barbarus has segetes. Ach, werde ich denn jemals nach langer Zeit die heimatlichen Gefilde und das mit Rasen bedeckte Dach der armen Hütte, mein Königreich, wiedersehen und mich danach über (ein paar noch vorhandene) Ähren wundern? Ein ruchloser Soldat wird diesen so gepflegten Neu-Acker besitzen, ein Barbar diese Saaten (im Fettdruck die Parallelen).
Der horazische Sprecher in Ode 14 preist weiter die weltumspannende Herrschaft des Augustus (c. 4,14,45-51) und beendet die Ode mit der Beschwörung des Friedensschlusses (c. 4,14,51f.):
34 Die gedruckten Übersetzungen vertauschen entsprechend um der leichteren Lesbarkeit willen die „so-wie“-Relation des Originals, wodurch allerdings der von Horaz offensichtlich intendierte Charakter des Satzbaus verloren geht: Vgl. Kytzler 1992: 245 oder Putnam 1986: 238. 35 Putnam 1986: 245-247.
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te caede gaudentes Sygambri conpositis venerantur armis. dich verehren die schlachtenliebenden Sugambrer, nachdem Frieden geschlossen wurde.
Ab V. 33 geht die Ode ohnehin formal in eine Art Hymnus auf den damit quasi göttlich verehrten Augustus über, wie die Epiklesen im Gebets- bzw. Hymnenstil verdeutlichen (c. 4,14,33ff.: te copias, te consilium et tuos…, te Cantaber…, te profugus, (…). Zugleich wird aber in dieser Ode auch klargemacht, dass alle Sieghaftigkeit von Augustus und seinen Truppen abhängig ist. Augustus erscheint hier als derjenige, der militärische Siege – wie hier über Vindeliker und Raeter – zivilisatorisch umsetzt, indem er Recht und Gesetz sowie Frieden in der gesamten Oikumene garantiert. Diese Leistungen stehen in den Gedichten nicht im Zusammenhang mit seinen beiden Stiefsöhnen. Falls ein Leser der Ode 4,14 noch im Zweifel über die Friedensprogrammatik des Horaz sein sollte, wird durch die Fortsetzung der Lektüre in 4,15 noch einmal die offenbar primäre Intention des vierten Odenbuches in Erinnerung gerufen (c. 4,15,1-4): Phoebus uolentem proelia me loqui uictas et urbes increpuit lyra, ne parua Tyrrhenum per aequor uela darem. (…) Phoebus hat mich, als ich gerade von Kriegen dichten wollte und von besiegten Städten, mit der Leier getadelt, damit ich meine kleinen Segel für das Tyrrhenische Meer setze.
Die kleinen Segel stehen hier für die kleine lyrische Form, das Meer für den großen epischen Stoff über Kriege und Heroen.36 Das ganze Gedicht preist im Folgenden explizit die Segnungen der Pax Augusta und entfaltet Bilder, die an die Darstellung der später eingeweihten Ara Pacis Augusti auf dem Marsfeld erinnern. Somit schließt das vierte Odenbuch wie es begonnen hat: Horaz inszeniert sich selbst als Dichter der leichten Muse und des Friedens.
Fazit: Zwei Verständnis-Ebenen Der Blick ins vierte Odenbuch hat gezeigt, dass Horaz zwar vordergründig durch seinen Sprecher in den Gedichten 4,4 und 4,14 die militärischen Siege des Drusus und Tiberius über die Vindeliker und Raeter preist, dass aber zugleich diese militärischen Leistungen bei einer intertextuellen Lektüre der Gedichte zumindest in ihrem Wert auch in Frage gestellt werden. Offene Kritik dürfte natürlich kaum intendiert gewesen sein, insofern träfe es nur begrenzt zu, hier von echter “Ironie” zu sprechen. Horaz 36 Vgl. Thomas 2011: 260-262 zur Metaphorik.
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macht jedoch (ähnlich wie Vergil in seiner Aeneis oder den Eclogen) dem Rezipienten klar, unter welchen Opfern und mit welchem Leid militärische Siege erkauft sind und dass es auch eine Perspektive der Opfer gibt. Er überlässt die positive Rolle des Friedensherrschers dem Augustus, während die Stiefsöhne für das moralisch angreifbare Kriegshandwerk zuständig sind. Formales Merkmal beider Gedichte ist eine für die Oden singuläre komplizierte und den Sinn beim ersten Lesen/Hören verunklarende Sprache. Sie dient hier durchaus dazu, das unmittelbare Textverständnis beim Leser/Hörer zu blockieren und die Kritik nicht als zu plakativ erscheinen zu lassen. Der Verzicht auf ein sprachlich-formal klar hervortretendes “Ich” signalisiert weiter die innere Distanz zu dem panegyrischen Inhalt der Gedichte auf einer ersten oberflächlichen Verständnisebene. Auf einer zweiten Verständnis-Ebene, die sich einmal durch die mehrfach eingenommene Opferperspektive und zum anderen durch die wohl auch für zeitgenössische Leser nur bei einer Recherche nachvollziehbaren intertextuellen Vergleiche erschließt, ergibt sich eine deutliche Distanzierung des Dichters von den vordergründig gepriesenen Kriegstugenden der Feldherren und eine eher zivile und zum übrigen Odenbuch passende Friedensprogrammatik. Zugleich beleuchten die Gedichte in subtiler Weise das persönliche und sicher komplizierte Verhältnis des Augustus zu seinen Stiefsöhnen: Zwar werden ihre Siege auftragsgemäß gelobt, wie es Augustus wünschte – wohl auch, um seiner Gattin Livia und ihrer Familie entgegenzukommen. Horaz hütet sich freilich, daneben die öffentliche Selbstinszenierung des Augustus als des eigentlichen Anführers zu ignorieren. Horaz nimmt dabei wohl auch Rücksicht auf die um 15 v. Chr. noch geltenden Nachfolgewünsche des Augustus, die Drusus und Tiberius eben nicht berücksichtigen. Instruktiv zur augusteischen Familien-Inszenierung ist übrigens neben der Inschrift von La Turbie auch ein Denar aus Lugdunum/Lyon, der 15 v. Chr. anlässlich der Siege im Alpenraum geprägt wurde: Nur Augustus erscheint auf der Vorderseite mit Bild und Legende (DIVI F AVGVSTVS); auf der Rückseite sitzt der Princeps als der eigentliche imperator (IMP X) erhöht auf einem curulischen Sessel und nimmt aus den Händen der beiden (namentlich nicht genannten) ihm huldigenden Stiefsöhne den Siegeslorbeer entgegen – deren eigene Leistung erscheint hier nicht.37
37 Zur Deutung vgl. Glei 1995: 341; Mannsperger 1991: 387; Bilder bei: Mannsperger 1991: Tafel 56,1.
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Sabine Hornung
Das spätrepublikanische Militärlager bei Hermeskeil (Lkr. Trier-Saarburg) Überlegungen zu den Auswirkungen der römischen Eroberung auf die spätlatènezeitliche Besiedlung im Treverergebiet Im Rahmen des Forschungsprojektes „Mensch und Umwelt – Besiedlungsgeschichte, Kulturlandschaftsgenese und sozialer Wandel im Umfeld des Oppidums „Hunnenring“ von Otzenhausen“ werden seit 2010 Prospektionen und Ausgrabungen im Bereich eines in der Gemarkung Hermeskeil (Lkr. Trier-Saarburg) liegenden Erdwerkes durchgeführt, das Archäologen wie Heimatforscher aufgrund seiner nur durch den heutigen Baumbestand beeinträchtigten Sichtbeziehung zum etwa 5 km entfernten „Hunnenring“ bereits seit rund 200 Jahren beschäftigt. Im bewaldeten Gelände läßt sich ein bis zu 1 m hoch erhaltener, etwa Nordwest-Südost verlaufender Wall auf mehr als 400 m Länge verfolgen. Neben einer abgerundeten Ecke ist auch die nordöstliche Schmalseite der Anlage noch auf etwa 300 m Länge erhalten, wohingegen die Befestigungen in den westlich angrenzenden Ackerflächen durch den Pflug vollständig eingeebnet sind. Der südliche Teil des Erdwerkes wurde beim Bau eines Sportplatzes unbeobachtet zerstört. Bereits im 19. Jahrhundert hat man die Anlage aufgrund ihrer charakteristischen Spielkartenform als römisches Militärlager ansprechen wollen; eine nähere Untersuchung unterblieb jedoch aus unterschiedlichsten Gründen1. Bei der erstmaligen Vermessung auf Initiative W. Dehns im Jahre 1941 war das leicht trapezoide Erdwerk durch die partielle Überackerung bereits stark in Mitleidenschaft gezogen2. Daher lieferte auch eine erneute Aufnahme 1983 unter K.-H. Koch keine neuen Erkenntnisse3. Die Anlage galt weiterhin als undatiert und konnte auch funktional nicht näher angesprochen werden. Im Rahmen erster Sondagen unter Leitung von T. Fritsch und H. Nortmann (Terrex gGmbH bzw. Rheinisches Landesmuseum Trier) konnte 2005 / 2007 an der Südostseite ein dem gut erhaltenen Erdwall vorgelagerter und heute vollständig verfüllter Spitzgraben nachgewiesen werden. Allerdings erlaubte das spärliche Fundmaterial auch weiterhin weder eine eindeutige zeitliche Ansprache, noch abschließende Aussagen zur Funktion der Anlage4. Lediglich der in der Grabenverfüllung entdeckte Rand einer Amphore des Typs Dressel 1B ließ erstmals eine potentiell frühe Datierung möglich erscheinen.
1 Zur älteren Forschungsgeschichte ausführlich Hornung, Hermeskeil, S. 206. 2 Dehn, Hermeskeil, S. 5 Abb. 2. 3 Koch / Schindler, Burgwälle, S. 122f., Plan 80. 4 Vgl. Fritsch, Hermeskeil.
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Abb. 1: Verbreitung der bei den Prospektionen eingemessenen Amphorenscherben mit dem Grundriß des Militärlagers von Hermeskeil, Lkr. Trier-Saarburg (Grafik D. Rieth).
Systematische Begehungen im Rahmen des oben genannten Forschungsprojektes hatten schließlich den Nachweis einer weiträumigen Streuung von Amphorenscherben in den überackerten Arealen der Fundstelle zur Folge (Abb. 1). Deren Verbreitung orientierte sich nach Ausweis geophysikalischer Prospektionen eng am Verlauf der Befestigungen des Erdwerkes und erhärtete somit die These einer Datierungsrelevanz dieser Funde. Auf Basis der geomagnetischen Messungen war es zudem erstmals möglich, den vollständigen Grundriß der Anlage zu rekonstruieren und in der Folge mit Hilfe gezielter Grabungen, in deren Zuge sich auch der bereits vermutete militärische Charakter zweifelsfrei bestätigte, den Kenntnisstand systematisch zu erweitern. Neben einem Hauptlager mit innerer Untergliederung konnte ein nach Nordwesten hin anschließender Annex nachgewiesen werden, der eine Quelle umfaßte. Die rund 400 m nordwestlich des Lagers erfaßte flächige Amphorenstreuung bezeichnet die Lage einer etwa 5 ha großen unbefestigten Siedlung der Spätlatènezeit, mit der erstmals in der Region die Existenz solcher dorfartiger Zentren faßbar wird. Mit dieser Siedlung ist auch ein nach Ausweis der Fundstreuung recht ausgedehntes Gräberfeld unmittelbar südlich des Militärlagers in Verbindung zu bringen, dessen Belegung
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spätestens im 2. Jh. v. Chr. beginnt und aufgrund von Streufunden potentiell bis in das 4. Jh. n. Chr. gereicht haben dürfte.5
Die Befestigungen des Hauptlagers Das Hauptlager besitzt eine annähernd quadratische Grundform mit Langseiten von 440 m bzw. noch 420 m (im Bereich der südlichen Ecke erschweren rezente Eingriffe eine abschließende Beurteilung) und Schmalseiten von jeweils 410 m Länge (Abb. 2). Dies entspricht einer Innenfläche von rund 18 ha. Charakteristisch für die römische Militärarchitektur ist die abgerundete Form der Ecken, welche auch im Zuge der Grabungen 2013 an der Nordecke des Hautlagers bestätigt werden konnte (Abb. 6, unten). Aufgrund eines wegen der steinigen Verfüllung der Lagergräben nur geringen magnetischen Kontrastes bereitete die Lokalisierung der Tore mittels Geophysik Probleme. An der südwestlichen Schmalseite, unweit der Westecke, ließ sich recht deutlich eine Unterbrechung des Umfassungsgrabens erkennen, deren Deutung als Lagerzugang im Zuge der Grabungen 2011 abgesichert werden konnte. Ein weiteres Tor zeichnete sich in einer im Winter 2012/2013 durchgeführten hochauflösenden Geomagnetik etwa in der Mitte der nordwestlichen Langseite ab6. Weder an der Südost-, noch an der Nordostseite lassen sich dagegen Zugänge sicher lokalisieren, da hier in der Magnetik bzw. den erhaltenen Wällen keinerlei Unterbrechungen zu erkennen sind. Weitere Tore dürften daher im Bereich der Wirtschafts- bzw. Forstwege zu suchen sein, welche die Befestigungen queren. Bei ihrer Anlage wurden vermutlich bereits bestehende Lücken im Wall gezielt genutzt. Die äußere Lagerbefestigung bestand aus einem Wall mit vorgelagertem Spitzgraben, dessen Erhaltung jeweils in starkem Maße durch die rezente Flächennutzung bestimmt wird. Während in den Sondagen 2005/ 2007 in bewaldetem Gelände an der Südostseite des Hauptlagers eine Grabenbreite von 2,5 m bzw. eine Tiefe von 1,64 m nachgewiesen werden konnte und auch der Wall auf 0,9 m Höhe erhalten war7, ist in den Ackerflächen mit Erosionsverlusten von bis zu 0,5 m zu rechnen. So konnte in der Grabung 2010 an der nordwestlichen Langseite ein noch 2,1 m breiter und rund 1,2 m tiefer Spitzgraben mit leicht asymmetrischem Böschungswinkel von 45 bzw. 52 Grad dokumentiert werden (Abb. 3a, siehe Farbteil). Jenseits einer 0,3-0,4 m breiten Berme folgten auf noch 1,85 m Breite die Reste des Wallkörpers.
5 Zu den Befunden und Funden der Grabungen in Hermeskeil ausführlich: Hornung, Hermeskeil; dies. Aktuelle Forschungen; dies. Ostgallien. 6 An dieser Stelle sei K. Rassmann und D. Wigg-Wolf für ihre Unterstützung herzlich gedankt. 7 Fritsch, Archäologische Forschungen, S. 62f. Abb. 18; ders., Hermeskeil. – Allerdings ist nach Ausweis kleinflächiger Sondagen auch im heute bewaldeten Areal der antike Laufhorizont nicht erhalten.
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Abb. 2: LIDAR-Scan und Geomagnetik des Militärlagers bei Hermeskeil (LIDAR-Scan mit frdl. Genehmigung des Landesamt f. Vermessung und Geobasisinformation Rheinland-Pfalz, Grafik: D. Rieth / S. Boos). Umzeichnung der Lagerstruktur mit Lage der Grabungsflächen 2010-2014 (Grafik: S. Hornung).
Auffälligerweise waren die Befestigungen im Bereich des Tores an der südwestlichen Schmalseite mit Grabenbreiten von 3-3,5 m und Tiefen von 2,18 m bzw. 1,6 m vergleichsweise etwas größer dimensioniert (Abb. 3b, siehe Farbteil). Dies ist möglicherweise durch die Nähe zu einem unmittelbar außerhalb des Lagers verlaufenden Weg zu erklären, dessen spätlatènezeitliche Nutzung anhand des vom 2. Jh. v. Chr. bis in das 4. Jh. n. Chr. kontinuierlich belegten, sich etwa parallel zu dieser Trasse erstreckenden Gräberfeldes nachzuweisen ist. Teile der Nekropole scheinen bei Errichtung des Lagers planiert worden zu sein, da im Zuge jüngster geomagnetischer Prospektionen Reste mindestens eines möglichen Kreisgrabens in der Lagerinnenfläche nachgewiesen werden konnten, der zugleich auch eine potentiell bis in die Frühlatènezeit zurückreichende Belegung des Gräberfeldes wahrscheinlich macht8. Bei der vermutlich bis in die Neuzeit genutzten Wegetrasse (Abb. 2) handelt es sich um die direkte Verbindung zum nur 5 km entfernten Oppidum „Hunnenring“ (Abb. 10) von Otzenhau8 Vgl. beispielsweise auch die Befunde in der Nekropole „Croix du Rebout“ vor den Toren des Oppidums Bibracte (dép. Nièvre / Saône-et-Loire, F), wo Hinweise auf die Existenz eines möglicherweise augusteischen Militärlagers zutage kamen. Pernet u. a., Militaria, S. 124f.
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sen (Lkr. St. Wendel, Saarland). Bemerkenswerterweise ließen sich bislang nur für die Gräben der Südwestseite sekundäre Eingriffe im Bereich der Grabensohle als Hinweise auf eine Instandsetzung der Befestigungen nachweisen. Während sich am östlichen Grabenkopf ein 0,7-0,8 m breites und 0,6 m tiefes, keilförmiges Putzgräbchen deutlich abzeichnete, konnte auf der gegenüberliegenden Seite eine wannenförmige Vertiefung von 1,3 m Breite und 0,6 m Tiefe dokumentiert werden (Abb. 3b, siehe Farbteil).
Abb. 4: Übersicht des Torbefundes der Grabung 2011 mit Verbreitung der Schuhnägel (Grafik: D. Rieth).
Vor allem die Torgrabung 2011 lieferte wesentliche Hinweise auf Details der Wallkonstruktion (Abb. 4). An den Graben schloß hier zunächst eine 0,3-0,5 m breite Berme an, die sich im Übersichtsfoto deutlich als etwas hellere Verfärbung abzeichnete. Gleiches galt für den nahezu vollständig abgepflügten, ehemals etwa 3,5-3,6 m breiten Wall, dessen Front vermutlich mit Rasensoden befestigt war. Auf der Rückseite des Walles zeigte das Erdreich auf maximal 0,6 m Breite eine starke Rötung durch Hitzeeinwirkung. In diesem Bereich fanden sich die Überreste eines verbrannten Flechtwerks in horizontaler Lage über der alten Oberfläche. Vermutlich war die Rückseite des Walles mit einer mattenartigen Holzkonstruktion hinterfangen, die nach der Brand-
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zerstörung umkippte und von nachrutschendem Material des Wallkörpers überdeckt wurde9. Dies geschah mit einiger Wahrscheinlichkeit im Zuge einer systematischen Niederlegung der Anlage durch die römische Armee. Eine große Zahl von verbrannten Zweigen vor allem aus den unteren Schichten der Grabenverfüllung sowie eine in der Lagerinnenfläche etwa auf Höhe der bereits gestörten alten Oberfläche festzustellende Streuung von Holzkohleflittern sprechen vermutlich für die Existenz einer Brustwehr vergleichbarer Konstruktion. Bei dem Tor selbst handelte es sich um einen 3,1-3,3 m breiten Durchlaß in den Befestigungen, der eine bis an die Grabenränder heranreichende Pflasterung aufwies, so daß hier das antike Laufniveau noch teilweise erhalten war. Die Steinsetzung begann etwa auf Höhe der äußeren Grabenkante und verzweigte sich auf der Innenseite des Lagers T-förmig, um in südöstlicher bzw. nordwestlicher Richtung auf rund 1,5 m Breite dem Wallverlauf zu folgen. Hierbei ließ sich anhand von Reparaturen eine längerfristige Begehung der Torgasse wahrscheinlich machen. Während die ursprüngliche Pflasterung aus regelmäßig gesetzten Steinplatten bestand, konnten verschiedentlich Ausbesserungen nachgewiesen werden, für die man ein unregelmäßigeres Material verwendet hatte. Da keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Fundspektrum des Bauhorizonts (vor allem den Schuhnägeln) und dem des jüngsten Nutzungshorizonts vorliegen, dürfte das Lager von den gleichen Einheiten über einen längeren Zeitraum hinweg frequentiert worden sein. Hinweise auf eine militärische Sekundärnutzung liegen bislang nicht vor. Im gesamten Torbereich kamen keine Pfostengruben zutage, so daß hier trotz der vergleichsweise guten Befunderhaltung keine archäologischen Hinweise auf Türme oder eine schwere Torkonstruktion vorliegen. 10 Auch ein zusätzliches Annäherungshindernis, z. B. in Form von titulum oder clavicula, konnte nicht nachgewiesen werden.
Hinweise auf die Nutzung des Hauptlagers In Zusammenhang mit der Frage nach der Nutzung verschiedener Teile des Hauptlagers ist vor allem der Nachweis einer parallel zur nordöstlichen Schmalseite verlaufenden inneren Untergliederung von Interesse, die das obere Drittel der Anlage abtrennt. Diese zeichnete sich als streifenförmige Anomalie ähnlich dem äußeren Umfassungsgraben in der Geomagnetik ab und war ausschlaggebend für die Wahl der Grabungsfläche 2010 an der Nahtstelle beider Strukturen (Abb. 2). Da der Befund 9 Vgl. allerdings auch die Hinweise auf eine Holz- oder Reisigunterlage unter der Wallaufschüttung des Lagers II von Hedemünden, die mit dem Bauwerk verbrannte und zu einer Verziegelung der alten Oberfläche führte. Zudem scheinen die Reste eines lehmverstrichenen Flechtwerks aus dem Graben zu einer Brustwehr oder einer verzimmerten Wallfront gehört zu haben. Grote, Hedemünden, S. 61f. 10 Auch im Bereich der 2013 ergrabenen Nordecke des Lagers konnte kein Turm nachgewiesen werden.
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hier jedoch aus Zeitgründen lediglich randlich erfaßt werden konnte, wurde er mittels einer zweiten Sondage etwa 150 m weiter südöstlich, in bewaldetem Gelände abgesichert, wo oberirdisch keinerlei Auffälligkeiten festzustellen waren. Anstelle eines Spitzgrabens kam an dieser Stelle ein flacher, teilweise abgetreppter Sohlgraben von bis zu 4,5 m Breite zutage (Abb. 5, siehe Farbteil). Nach Süden hin schloß ehemals ein Wall an, dessen Existenz jedoch lediglich anhand des Schichtverlaufs der Grabenverfüllung nachgewiesen werden konnte. Auch hier scheint die stark humose Durchmischung des Materials aus den untersten Schichten für eine vermutlich mit Rasensoden befestigte Konstruktion zu sprechen. Dieses innere Wall-GrabenSystem schloß unmittelbar an die äußeren Befestigungen an und kann auch aufgrund einer vergleichbaren Stratigraphie der Grabenverfüllung als Teil des ursprünglichen Lagers angesehen werden. Der Gesamtbefund ähnelt strukturell dem wohl unter Q. Fulvius Nobilior 153/152 v. Chr. errichteten Lager III von Renieblas (prov. Soria, E). Hier wird aufgrund der vom benachbarten Hauptlager abweichenden Barackenformen eine Stationierung von Auxilien im Bereich des Annex angenommen11, was ähnlich auch für den etwa 6 ha großen, nordöstlichen Teil des Lagers von Hermeskeil in Betracht zu ziehen sein dürfte, zumal Caesar selbst in den Commentarii de bello Gallico verschiedentlich Zweifel an der Loyalität der gallischen Hilfstruppen äußert12. Diese These scheint sich auch anhand der im Zuge systematischer Detektorprospektionen geborgenen Funde zu bestätigen, die hier meist gallischer Provenienz waren13. Dagegen stammt die überwiegende Zahl der republikanischen Münzen aus dem größeren Teil des Hauptlagers, in dem entsprechend die römischen Truppen stationiert gewesen sein dürften. Bislang liegen keine gesicherten Hinweise auf hölzerne Gebäude in der Innenfläche vor, so daß vorerst von einer Unterbringung der Soldaten in Zelten auszugehen ist14.
Der Annex Das Militärlager von Hermeskeil verfügte über einen weiteren Annex, der an die nordwestliche Langseite des Hauptlagers anschloß und eine unregelmäßige Grundform mit rund 12 ha Fläche besaß. Im Nordosten setzte er auf etwa 230 m Länge die Flucht 11 Luik, Weltmacht, S. 55f. Abb. 73. – Auch das seinerseits bislang nicht zweifelsfrei zu datierende Lager von Liercourt-Érondelle (dép. Somme, F) besitzt eine vergleichbare Binnengliederung. Hasel grove, Enclosure, S. 513. 12 Vgl. z. B. BG VI 7, 6-7. 13 Neben mehreren Potins und Quinaren fanden sich ein Ringknopfgürtelhaken sowie ein drahtförmiger Goldfingerring. 14 Allerdings fehlen auch die von anderen Fundstellen in zum Teil größerer Zahl vorliegenden Zeltheringe.
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der Befestigungen des Hauptlagers exakt fort, während die 370 m lange Nordwestseite leicht in westliche Richtung von der Hauptachse abwich. Eine weitere, etwa parallel zum südlich an das Lager angrenzenden Weg verlaufende Struktur in der Geomagnetik, die im Sommer 2014 mittels einer Sondage untersucht werden konnte, ist mit einer Befestigung abweichender Konstruktion in Verbindung zu bringen, welche den Annex nach Südwesten hin abriegelte15. Ihr Verlauf läßt sich aufgrund der Überprägung durch die bis in die Neuzeit genutzte Hohlwegtrasse jedoch lediglich punktuell verfolgen. Dagegen handelt es sich bei der von der Südwestecke des Annex in dessen Innenfläche ziehenden linearen Anomalie nach Ausweis der aktuellen Grabungen nicht um eine Befestigung, sondern gleichfalls um einen Altweg.
Abb. 6: Planum 2 der Grabungen 2012 (Plan) und 2013 (Foto) mit der Nordecke des Lagers (rechts) und dem Kopf des Annexgrabens (links: dunkel gestrichelt) sowie den lagerzeitlichen Grubenbefunden 6 und 11 am südlichen Rand der Grabung 2012. Die roten Punkte in der Fläche von 2012 markieren lagerzeitliche Funde (Plan: A. Braun; Foto: H. Förstermann).
Die Zugehörigkeit des Annex zum Hauptlager konnte im Rahmen einer 2012 durchgeführten Sondage am östlichen Kopf des Annexgrabens sowie anhand eines Schnittes an der Annex-Nordwestseite (Sommer 2014) bestätigt werden. Der Aufbau der Befestigungen entsprach hierbei, ebenso wie die Stratigraphie der Grabenverfüllung, exakt den in den übrigen Grabungen dokumentierten Befunden. Mit rund 13 m war der Durchgang zwischen Annex und nördlicher Lagerecke auffallend breit, so daß zwei potentiell an die Rückfront des ehemaligen Wallkörpers am Kopf der Annexbefestigung anschließende längliche Gruben möglicherweise auf die Existenz einer 15 Die abschließende Auswertung der Befunde steht allerdings noch aus.
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hölzernen Konstruktion zur Sicherung des Durchganges hindeuten könnten (Abb. 6). Ihre lagerzeitliche Datierung ist anhand der Funde aus den Grubenverfüllungen gut nachzuweisen. Ferner waren in der unmittelbar anschließenden Grabungsfläche des Jahres 2013 recht schwach zwei schmale, von der nördlichen Lagerecke in Richtung Annex führende streifenförmige Verfärbungen zu erkennen. Allerdings bereitet die Deutung dieses nur noch auf wenigen Zentimetern Tiefe erhaltenen Befundes insofern Probleme, als durch die in diesem Bereich sehr starke Erosion mit Verlusten von mindestens 0,5 m zu rechnen ist. Auf welche Weise der Durchgang zwischen Lagerecke und Annex gesichert war, muß daher vorerst offen bleiben.
Abb. 7: Ausgewählte Keramikfunde aus Hermeskeil. – 1-6: Fein- und Grobkeramik der Grabung 2010, Hauptlager; 7-9 Grob- und Schwerkeramik der Grabung 2012, Annex; 10-11 Amphoren (Grafik: A. Braun).
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Das umfangreiche keramische Fundmaterial der Grabung 2012 lieferte erste Hinweise darauf, daß für den Annex eine vom benachbarten Hauptlager abweichende Funktion in Betracht zu ziehen sein könnte, was nicht zuletzt auch durch die Integration einer Quelle in die Befestigungen untermauert zu werden scheint. Bemerkenswert ist in Bezug auf das geborgene Fundmaterial vor allem ein signifikantes Überwiegen von Grob- und Schwerkeramik, welches sich auch in der Sondage 2014 bestätigte und möglicherweise für eine Unterbringung des Trosses in diesem Bereich spricht. Zwar wird diese These im Zuge weiterer Forschungen zu erhärten sein, dennoch erscheint im Vergleich hierzu das weitgehende Überwiegen von Feinkeramik in den Grabungen am Hauptlager signifikant. Auffälligerweise stammt der überwiegende Teil der Funde aus den unteren Verfüllschichten des Grabens und kam überwiegend auf dessen Innenseite zutage (Vgl. die Kartierung der Funde aus der Grabung 2012 in Abb. 6). Dies scheint dafür zu sprechen, daß das Material potentiell auf dem Wall abgelagert wurde und von dort nach Aufgabe der Befestigungen bzw. deren Verfall in den Graben herabrutschte – ein Befund, der in vergleichbarer Form bislang in sämtlichen Grabungsflächen beobachtet werden konnte.
Fundmaterial und Datierung Das keramische Fundmaterial des Militärlagers von Hermeskeil wird recht deutlich durch spätlatènezeitliche Ware dominiert16. Hierbei handelt es sich durchgehend um ein für die Stufe LT D2 charakteristisches Typenspektrum, darunter Terrinen mit ausladendem Rand und Randlippe (Abb. 7,1-2), Fragmente von schlanken Bechern bzw. Tonnen (Abb. 7,4), grobkeramische Schalen mit mehr oder weniger stark einbiegendem Rand (Abb. 7,5-6.8) sowie grobe Töpfe, Näpfe und dolienartige Vorratsgefäße (Abb. 7,7.9). Die mit zahlreichen Wandscherben vertretene, eher dünnwandige Drehscheibenware mit gut geglätteter, schwärzlich-brauner Oberfläche ist in der Region vor allem in LT D1b und LT D2a geläufig17. Importierte Keramik fand sich in Form von Amphorenfragmenten, die überwiegend der Form Dressel 1 angehören. Zwar läßt sich hierbei die Mehrzahl der bestimmbaren Stücke dem Typ Dressel 1B zuordnen (Abb. 7,11), es sind jedoch auch Exemplare des Typs Dressel 1A bzw. 1A/B vertreten (Abb. 7,10), was für eine potentiell frühe Datierung des Lagers von Hermeskeil zu sprechen scheint. Darüber hinaus fanden sich 16 Inwiefern es sich um ortsfremde Ware handelt, ist meist nicht eindeutig zu bestimmen. Es fanden sich jedoch u. a. Scherben muschelgemagerter Ware, die z. B. auch im westlichen Treverergebiet geläufig ist, bzw. Fragmente von Graphittonkeramik. 17 Zur Bestimmung ausführlich Hornung, Hermeskeil, S. 214f. – zu Vergleichen siehe Metzler, Titelberg, S. 387-394 bzw. Hornung / Rieth, Chronologie, S. 73. Hinsichtlich einer Datierung der Spätlatènekeramik bereitet allerdings die unbekannte Provenienz der Funde Probleme, da in Bezug auf chronologische Entwicklungen mit erheblichen regionalen Unterschieden zu rechnen ist.
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der Fuß einer Amphore des Typs Lamboglia 2 sowie Henkelfragmente von Amphoren der Form Dressel 2-4 aus der Tarraconensis18. Somit macht das Amphorenspektrum von Hermeskeil eine Datierung des Militärlagers um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. wahrscheinlich. Darüber hinaus fällt hier das vollständige Fehlen der in augusteischer Zeit geläufigen Ölamphoren bzw. von arretinischer Sigillata auf, die auf dem Trierer Petrisberg zumindest vereinzelt vertreten ist. In Hinblick auf die Frage der Datierung sind nicht zuletzt auch die zwischenzeitlich rund 90 Schuhnägel von Interesse, die zum großen Teil aus der Torgrabung 2011 stammen. Hierbei ist ein deutliches Überwiegen des vor allem in spätrepublikanischem Kontext geläufigen Typ D nach der anhand des Materials aus Alesia definierten Typologie festzustellen, welcher durch ein Kreuz und 4 Noppen auf der Unterseite des Kopfes gekennzeichnet wird (Abb. 8, siehe Farbteil)19. Deutlich langlebiger sind im Vergleich hierzu die Vertreter des Typ C mit einer umlaufenden Noppenreihe, die bereits das Schuhnagelspektrum des Trierer Petrisberges dominieren, während hier der Typ D nur noch mit recht wenigen Exemplaren vertreten ist20. Im drususzeitlichen Komplex Hedemünden läßt sich schließlich ein signifikantes Überwiegen des Typ C feststellen; Typ D fehlt dagegen gänzlich (Abb. 8)21. Bemerkenswerterweise sind auch für die verschiedenen Lager von Alesia deutliche Unterschiede in der Zusammensetzung des Schuhnagelspektrums zu erkennen, so daß die Zeichnung der Unterseite des Nagelkopfes evtl. als herstellertypisch anzusehen sein dürfte22. Lediglich für Lager B fällt hier ein dem Befund aus Hermeskeil vergleichbares Überwiegen des Typs D auf23. Auch die chronologische Signifikanz des Kopfdurchmessers der Schuhnägel wurde jüngst bereits von M. Poux und S. Martin-Kilcher betont24, da sich deren Größe im Laufe der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. deutlich reduziert. Hierbei ist vor allem das Gesamtspektrum eines Fundkomplexes aussagekräftig, wobei die Durchmesser in Hermeskeil zwischen 14 und 26 mm variieren – bei einem Schwerpunkt um 1,8 cm – und somit Vergleiche zum Material der Fundstellen des Gallischen Krieges, insbesondere zu Alesia (Alise-Sainte-Reine, dép. Côte d’Or, F), erlauben (Abb. 9). Da die im Bereich der Torgrabung 2011 entdeckten Schuhnägel weder in Bezug auf die Häufigkeit verschiedener Typen, noch deren Größe signifikante Abweichungen zwischen den verschiedenen Nutzungsphasen des Pflasters erkennen lassen, spricht dies recht eindeutig für eine längerfristige Nutzung des Lagers durch ein und dieselbe Einheit. 18 Frdl. Mitteilung F. Olmer. Letztere sind in Bibracte ausschließlich aus LT D2b-zeitlichem Kontext belegt. Olmer, Amphores, S. 137. 19 Brouquier-Reddé / Deyber, Fourniment, S. 304. 20 Frdl. Mitteilung H. Löhr. 21 Grote, Hedemünden, S. 253-261. – Vgl. auch die Schuhnägel aus Dangstetten und Haltern. Volken, Clous, S. 339; Poux, Militaria, S.380. 22 Volken, Clous, S. 340; Poux, Militaria, S. 379 23 Brouquier-Reddé / Deyber, Fourniment, S. 304. 24 Poux, Militaria, S. 376-381; Martin-Kilcher, Römer, S. 35. 38 Abb. 9b.
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Abb. 9: Größenvergleich der Schuhnägel verschiedener caesarisch-augusteischer Fundstellen (nach Martin-Kilcher, Römer, S. 38 Abb. 9a mit Ergänzung).
Ein zeitlicher Ansatz des Militärlagers um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. wird auch durch zwei 14C-Datierungen an verkohlten Zweigen vom Flechtwerk der Wallkonstruktion gestützt. Der kleinere der beiden Zweige wurde mit einem Radiokarbonalter von 2078 ± 30 Jahren gemessen, woraus sich ein kalibriertes Alter von 156-134 (15,4 %) bzw. 115-48 v. Chr. (52,9 %) im 1σ-Intervall ergibt. Im 2σ-Intervall liegt das Datum mit 92,5 % Wahrscheinlichkeit zwischen 183 und 37 v. Chr., aber auch die Bereiche zwischen 28-21 v. Chr. (1,1 %) sowie 10 v. Chr.-1 n. Chr. (1,8 %) sind nicht völlig auszuschließen. Bei dem etwas dickeren Zweig war dagegen ein im Vergleich geringfügig höheres Alter zu erwarten. Dies bestätigte das mit 2107 ± 30 Jahren gemessene Radiokarbonalter der Probe, welches einem kalibrierten Alter von 175-91 (63,5 %) bzw. 68-60 v. Chr. (4,8 %) im 1σ-Intervall entspricht. Das Datierungsintervall im 2σ-Bereich liegt somit zwischen 200-46 v. Chr. (95,4 %). Da sich eine aufgrund der Schwankungen in der Kalibrationskurve theoretisch mögliche Frühdatierung ausschließen läßt, sind die 14C-Datierungen ihrerseits ein Hinweis darauf, daß das Militärlager bei Hermeskeil mit großer Wahrscheinlichkeit in der Zeit des Gallischen Krieges bzw. spätestens während der 40er Jahre v. Chr. angelegt worden sein dürfte; sie unterstützen somit die archäologische Datierung. In diesen zeitlichen Rahmen fügt sich letztlich auch die Münzreihe des Lagers nahtlos ein, welche durch gallische Potins und Quinare sowie ungeteilte republikanische Asses dominiert wird25. Ähnlich bemerkenswert ist das Mühlsteinspektrum 25 Zum Vorkommen der Asses jüngst Martin, Monnaies, S. 938f. – Die weiterführende Auswertung der erst im Zuge jüngster Prospektionen entdeckten Münzen kann erst nach Abschluß der Restaurierungsarbeiten erfolgen.
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aus Hermeskeil. Hier zeigt das Vorkommen von Drehmühlen des Spätlatène-Typs aus Mayener Basaltlava, daß sich die stationierten Truppen potentiell bereits über einige Zeit hinweg im Absatzgebiet der Mayener Steinbrüche bewegt haben könnten. Gleichzeitig sind auch Mühlen zentralfranzösischer Provenienz vertreten, darunter eine auffallend leichte, nur 33 cm große Legionärsmühle aus grobporiger Basaltlava26. Diese Beobachtungen sind nicht zuletzt auch in Hinblick auf die Frage nach der präzisen Datierung des Lagers von Hermeskeil bzw. der Verbindung mit einer der in den Commentarii de bello Gallico genannten Kampagnen von Interesse. Diesbezüglich kann jedoch auch ein Blick in das Umfeld bzw. der Bezug zu benachbarten archäologischen Denkmälern wesentliche Hinweise liefern.
Das Militärlager von Hermeskeil im Kontext benachbarter Fundstellen Im Hinblick auf die Frage nach der Funktion des Militärlagers von Hermeskeil ist nicht zuletzt seine Lage von Interesse. Das sanft nach Nordwesten hin abfallende Plateau, dessen höchster Punkt bei 611,7 m über NN liegt, bietet über das angrenzende Kerbtal der Prims hinweg einen direkten Sichtkontakt mit dem nur etwa 5 km entfernten „Hunnenring“ von Otzenhausen. Beide Denkmäler waren über die das Lager im Süden passierende Wegeachse unmittelbar miteinander verbunden, welche zu Füßen des Oppidums den Wasserlauf querte (Abb. 10). Dank einer Reihe von Sondagen, die zwischen 2006 und 2011 im Rahmen des Forschungsprojektes „Mensch und Umwelt“ durchgeführt wurden, läßt sich die besiedlungsgeschichtliche Entwicklung des spätlatènezeitlichen Zentrums zwischenzeitlich recht präzise nachvollziehen27. Nachdem bereits für die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. mit dem Bau einer ältesten Abschnittsmauer auf dem Dollberg zu rechnen ist, entstand vermutlich in einer frühen Phase von LT D1b ein erster Ringwall mit Befestigungen des Typs Ehrang. Dieser umfaßte neben dem sogenannten Annex auch eine unmittelbar am Rande des Hauptplateaus verlaufende ältere Nordmauer mit vorgelagertem Graben (Abb. 11, links), die im Zuge der Errichtung eines leicht nach Norden verschobenen jüngeren Ringwalles auf der oberen Plateaukante planiert wurde. Dessen Mauern erbrachten ihrerseits Hinweise auf eine Zweiphasigkeit. Hierbei wurde die jüngste Ausbauphase durch eine Konstruktion des Typs Ehrang – allerdings mit rückwärtiger Rampe – an den seitlichen Plateaurändern sowie den heute noch auf 10 m 26 Mangartz, Basaltlava-Abbau, S. 119 nennt unter Verweis auf die Auswertung der Mühlen aus den Kastellen Saalburg und Zugmantel durch D. Baatz für die klassischen Legionärsmühlen üblicherweise Durchmesser zwischen 35 und 37 cm. – Eine ausführliche Publikation der Analysen an den Mühlsteinfunden aus Hermeskeil durch T. Gluhak ist derzeit in Vorbereitung. 27 Zusammenfassend Hornung, Ostgallien, S. 81-89.
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Höhe erhaltenen Nordwall als Befestigung des Typs Fécamp gekennzeichnet (Abb. 11, rechts). Eine im Fundament der westlichen Randbefestigung niedergelegte Nauheimer Fibel mit Zickzackverzierung erlaubt gemeinsam mit weiteren keramischen Funden eine recht präzise Datierung der jüngsten Wehrmauer in die Zeit um 80-60 v. Chr.28.
Abb. 10: Lagebeziehung des Oppidums „Hunnenring“, des spätrepublikanischen Militärlagers Hermeskeil und des römischen Tempelbezirks mit vicus „Auf dem Spätzrech“ bei Schwarzenbach, Gem. Nonnweiler, Lkr. St. Wendel (LIDAR-Scan mit frdl. Genehmigung des LVermGeo Rheinland-Pfalz; Grafik: S. Hornung). 28 Hierzu ausführlich: Hornung, Deponierung; Hornung / Rieth, Chronologie.
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Abb. 11: Die spätlatènezeitliche Besiedlungsentwicklung des Oppidums „Hunnenring“ von Otzenhausen, Lkr. St. Wendel. Angegeben ist der Verlauf der Befestigungen sowie als Schraffur die maximale Größe der besiedelten Fläche (LIDAR-Scan mit frdl. Genehmigung des LKVK Saarland, Grafik: S. Hornung).
Die Besiedlungsentwicklung des Oppidums „Hunnenring“ läßt enge Bezüge zu den recht unterschiedlichen topographischen Gegebenheiten in der Innenfläche der beiden Ringwälle erkennen (Abb. 11). Die Mauern der älteren Befestigung umschlossen neben dem nur rund 3-4 ha großen Hauptplateau des Dollberges auch ein eiszeitliches Blockfeld, welches an dessen Flanken hinabzieht. Die zum Teil sehr steilen Hänge waren für eine Besiedlung nicht geeignet, entsprechend konzentrieren sich die Befunde aus der Initialphase des Oppidums auf maximal 3 ha Fläche im Bereich des Hauptplateaus bzw. konkret im Umfeld einer erst im 2. Jahrhundert n. Chr. errichteten aedicula, die allerdings nach Ausweis möglicher spätlatènezeitlicher Votive potentiell in der Nachfolge einer eisenzeitlichen Kultstätte stehen könnte29. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt läßt sich die Anwesenheit metallverarbeitender Handwerker nachweisen. Mit Errichtung des jüngeren Ringwalles stand eine nunmehr deutlich größere Siedlungsfläche zur Verfügung. Im Rahmen mehrerer Sondagen konnte eine bis an den Fuß des Nordwalles heranreichende Besiedlung der späten Stufe LT D1b und der Stufe LT D2a nachgewiesen werden. Offenbar ist im Laufe der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. nach Ausweis der nunmehr auf bis zu 9 ha vergrößerten Siedlungsfläche mit einem deutlichen Bevölkerungszuwachs zu rechnen. Gleichzeitig
29 Es fanden sich u. a. ein bronzenes Radmodell sowie in einer Grube auch ein goldener Fingerring, der in einer Gefäßscherbe deponiert worden war. Fritsch, Archäologische Forschungen, S. 44.
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läßt sich anhand eines Anstieges mediterraner Importe in Form von Weinamphoren30 eine wirtschaftliche Blüte der Siedlung fassen. Recht deutlich zeichnet sich anhand des keramischen Fundmaterials ein jüngster LT D2a-zeitlicher Fundhorizont des „Hunnenrings“ ab, der durch das Vorkommen von Hoppstädter Kelchen und Kugeltonnen gekennzeichnet wird31. Dagegen fehlen Leitformen der folgenden Stufe LT D2b, wie z. B. die gestreckten Tonnen, völlig. Die Münzreihe des Oppidums wird durch die überregionalen Potinserien der Leuker und Remer (Scheers 186 bzw. 191) sowie treverische Potins (Scheers 200) und Quinare (Scheers 54 und 55) dominiert, denen ein Augenstater Scheers 30/V auf die Legende POTTINA an die Seite zu stellen ist – allesamt Prägungen der Stufen LT D1/D2a32. Nach Ausweis der archäologischen Funde brach die Siedlungstätigkeit somit um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. relativ plötzlich ab, wobei keinerlei Hinweise auf eine Zerstörung des Oppidums vorliegen. Eine einzelne Hirtius-Prägung kam im Bereich einer innerhalb des jüngeren Ringwalles gelegenen Quelle zutage und darf daher trotz ihrer potentiell jüngeren Datierung nicht notwendigerweise als Indiz für eine weiterführende Kontinuität der Besiedlung gewertet werden33. Bezüglich der Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen dem Niedergang des „Hunnenrings“ und der Errichtung eines Militärlagers in Hermeskeil sind nicht zuletzt einige im Umfeld des römischen Heiligtums auf dem Dollberg entdeckte Waffen von Interesse, die allerdings ohne Befundkontext im Bereich der Humusschicht zutage kamen. Sowohl für eine Pilumspitze, als auch eine Reihe von Speer- und Pfeilspitzen mit vierkantiger Dornschäftung lassen sich Vergleiche aus spätrepublikanischer Zeit anführen34. Es bleibt also zu fragen, inwiefern diese als Indiz für kriegerische Auseinandersetzungen der Bevölkerung des Oppidums mit dem römischen Militär, sonstige Kontakte oder sogar eine Frequentierung des „Hunnenrings“ durch römische Soldaten zu werten sein könnten. Eine weitere Fundstelle vermag das anhand der Befunde aus dem Oppidum gewonnene Bild zusätzlich zu ergänzen. Nur etwa 1,3 km südöstlich des „Hunnenrings“ konnte im Umfeld eines bereits in den Jahren 1984/85 durch die saarländische Denkmalpflege erforschten gallo-römischen Umgangstempels in der Flur „Auf dem Spätzrech“, Gemarkung Schwarzenbach (Gem. Nonnweiler, Lkr. St. Wendel), auf maximal 8 ha Fläche ein bescheidener römischer vicus mit Streifenhausbebau30 Neben dem dominierenden Typ Dressel 1B sind auch Amphoren der Typen Dressel 1A und Lamboglia 2 vertreten. Frdl. Mitteilung F. Olmer. – Vgl. auch Hornung, Ostgallien, S. 112f. 31 Hornung, Ostgallien, S. 45. 32 Fritsch, Archäologische Forschungen, S. 48f. mit Abb. 8. – Frdl. Mitteilung D. Wigg-Wolf. – Allerdings bleibt in diesem Zusammenhang die insgesamt sehr geringe Zahl von Münzen vom „Hunnenring“ zu betonen. 33 Gilles, Fundmünzen, S. 50 Nr. 49,2. 34 Fichtl, Présence militaire, S. 164-166. – Vgl. Reddé u. a., Ausgrabungen, S. 147ff. mit Abb. 36,1-2; Poux, Militaria, bes. S. 338f. – Sievers, Deux sites, S. 58f. 61ff. Nr. 50-51 stellt den Pfeilspitzen Vergleiche aus Osuna gegenüber und wertet diese als Indiz für die Präsenz iberischer Auxilien.
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ung (Abb. 12) und Hinweisen auf Metallverarbeitung (u. a. Devotionalienherstellung) sowie evtl. auch Töpferei nachgewiesen werden35. Während mit einem Einsetzen der Besiedlung frühestens in spätaugusteisch-tiberischer Zeit zu rechnen ist, reichen die Wurzeln des Heiligtums selbst bis in die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. zurück36. Dies zeigt sich primär anhand des keramischen Materials aus den Grabungen 1984/85, in denen latènoide Ware etwa die Hälfte des gesamten Fundbestandes ausmachte. Zu den chronologisch ältesten Stücken gehören Hoppstädter Kelche mit nach innen schräg abgestrichener Randlippe, welche noch in die Stufe LT D2a datieren37. Ihnen ist ein ältester Münzhorizont des Heiligtums an die Seite zu stellen, der durch zwei treverische Quinare (Scheers 54 und 55) sowie eine etwas jüngere Hirtius-Prägung (Scheers 162/I) gekennzeichnet wird, die in augusteischer Zeit in der Regel nicht mehr in Umlauf waren38.
Abb. 12: Der römische vicus „Auf dem Spätzrech“ bei Schwarzenbach, Gem. Nonnweiler, Lkr. St. Wendel (nach Hornung u. a., Spätzrech, Abb. 2). 35 Hornung u. a., Spätzrech; Jung, Untersuchungen; Jung, Spätzrech. 36 Burger, Umgangstempel; ders., Pilgerheiligtum; Miron, Tempel; Hornung, Ostgallien, S. 140-143. 37 Gleser, Studien, S. 94. 198. – Vgl. auch Thoma, Brandgrab, S. 39-41 mit Abb. 19 (Die Kelche mit nach innen schräg abgestrichener Randlippe entsprechen Form 1, Var. A.). – Auf dem benachbarten „Hunnenring“ ist diese späte Form der Hoppstädter Kelche praktisch nicht vertreten. 38 Loscheider, Münzwesen, S. 93. 184ff. – Eine weitere Bronzemünze mit Einhieb ist in Folge des schlechten Erhaltungszustandes nicht mehr eindeutig zu bestimmen. – Vgl. Burger, Umgangstempel, S. 97.
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In die Stufe LT D2b deuten ein Halskelch vom Typ Wederath39 sowie eine größere Zahl handgefertigter Schalen, Töpfe und Näpfe, die allerdings noch bis weit in das 1. Jahrhundert n. Chr. hinein weiter vorkommen. Das mit 83 % des Bestandes an latènoider Keramik deutliche Überwiegen solch grober Ware gegenüber feiner Drehscheibenware scheint insofern selbst von chronologischer Relevanz, als auch in den Gräberfeldern der Region für die Zeit nach dem Gallischen Krieg ein signifikantes Überwiegen handgemachter Keramik zu verzeichnen ist40. Nach Ausweis des Fundmaterials setzte also die Nutzung des Heiligtums „Auf dem Spätzrech“ etwa um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. ein, ohne daß mit diesen frühen Aktivitäten konkrete Baustrukturen zu verbinden sind und sich eine geringfügige zeitliche Überschneidung mit der Besiedlung des „Hunnenrings“ sicher ausschließen läßt. Dennoch erscheint es durchaus bemerkenswert, daß für das Oppidum selbst bis zur Errichtung der aedicula (also zwischen etwa 50 v. Chr. und dem frühen 2. Jh. n. Chr.) keine kultische Kontinuität beobachtet werden kann, die dagegen in den treverischen Oppida Martberg, Titelberg, Kastel-Staadt und Wallendorf regelhaft faßbar wird41. Das Phänomen einer Verlagerung von kultischen Mittelpunkten in verkehrsgünstigere Tallagen läßt sich zwar seinerseits in Gallien häufiger beobachten, diese geht jedoch zeitnah immer auch mit einer Verlagerung des Besiedlungsschwerpunktes einher. So markierte beispielsweise die Entstehung eines Heiligtums auf dem Plateau de Mazeroie oberhalb von Nasium (dép. Meuse, F) schließlich den Beginn einer sukzessiven Aufgabe des benachbarten Oppidums von Boviolles zugunsten der im Umfeld des Heiligtums neu entstehenden Talsiedlung42. Im Falle des „Hunnenrings“ läßt sich dagegen keine direkte Siedlungskontinuität „Auf dem Spätzrech“ beobachten. Nach der Aufgabe des Oppidums vergingen wohl mehr als 50 Jahre, bis sich erneut ein lokales Zentrum innerhalb des kaiserzeitlichen Siedlungsgefüges herausbildete. Somit spiegeln die Befunde der dem Militärlager benachbarten spätlatènezeitlichen und römischen Fundstellen für das Hochwaldgebiet eine bemerkenswerte Dezentralisierung um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr., die nach Ausweis der bislang zur Verfügung stehenden chronologischen Indizien grundsätzlich mit einer römischen Militärpräsenz in Hermeskeil in Verbindung stehen könnte. Die These einer potentiellen Störung von Siedlung und Bevölkerung läßt sich anhand der Grabfunde aus der Mikroregion weiter untermauern, die vor allem in 39 Gleser, Studien, S. 94. 203. In Hoppstädten gehören die Becher der Form 203 zu Inventargruppe 3, besitzen jedoch einen gerundeten Rand. – Miron, Frauengrab, S. 223f. sieht diese Verzierung als typisch für eine Spätphase von LT D2 an. Vgl. auch Miron, Horath, S. 47 Anm. 139; ders., Eisenzeit, S. 161 Abb. 4 (als Leitform von LT D2b unter Verweis auf ein nicht sicher ansprechbares Stück mit Rollrädchenverzierung bei Haffner, Gräberfeld, Abb. 11,8). – Vergleichbar auch die Becher der Form A2.4 bei Metzler, Titelberg, S. 388. 40 Miron, Frauengrab, S. 227 zu Wederath; Gleser, Studien, S. 223 zu Hoppstädten. 41 Nickel u. a., Martberg; Metzler, Sanctuaire; Nortmann, Heiligtum; Krauße 2006, Wallendorf; Fernández-Götz, Heiligtümer. 42 Dechezleprêtre u. a., Oppidum; Hornung, Ostgallien, S. 563-569.
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Bezug auf die Bestattungen der lokalen Oberschicht signifikante Entwicklungen zeigen. So konnte R. Gleser für das Gräberfeld von Hoppstädten-Weiersbach (Lkr. Birkenfeld) ein vollständiges Fehlen der männlichen Wagenfahrerelite in LT D2b herausarbeiten, während gleichzeitig ein Zuzug neuer Gruppen mit eigener Führungsschicht und ein signifikantes Überwiegen von Frauen- und Kinderbestattungen faßbar zu werden scheint43. In dem der lokalen Elite vorbehaltenen Bestattungsareal wurde in LT D2b nur ein einziges Wagengrab angelegt, das bemerkenswerterweise einer Frau gehörte. Aus diesem Befund schließt Gleser darauf, daß die männlichen Angehörigen dieser Führungsschicht möglicherweise andernorts verstarben und bestattet wurden, wobei vor dem Hintergrund der chronologischen Indizien ein Zusammenhang mit den Ereignissen des Gallischen Krieges durchaus in Betracht zu ziehen ist. Während sich in Hoppstädten für die Stufe LT D2b zudem ein signifikanter Rückgang der Waffengräber beobachten läßt, ist in Wederath (Lkr. Bernkastel-Wittlich) im Bestattungsareal der führenden Familie nach dem Gallischen Krieg sogar ein vollständiges Fehlen von Gräbern mit Vollbewaffnung zu verzeichnen44. Auch im direkten Umfeld des „Hunnenrings“ fehlen in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. die zuvor anhand einer Beigabe importierter Amphoren faßbaren Bestattungen der lokalen Elite (Abb. 13, siehe Farbteil). Deren Führungsrolle dürfte – wie z. B. im Falle eines etwa am Übergang LT D2a/b angelegten Schwertgrabes mit einheimischem Geschirrsatz und Amphorenfragment aus Hermeskeil45 – auf Ebene der Sippe oder bestenfalls lokalen Gruppe anzusiedeln sein. Eine potentiell übergeordnete Elite wird möglicherweise mit einem nicht systematisch erforschten Holzkammergrab mit vollständiger Amphore aus Schwarzenbach faßbar, wenngleich hier die unzureichende Befundbeobachtung eine Beurteilung letztlich erschwert46. Allerdings spiegelt das Fehlen von Gräbern mit Amphorenbeigabe aus der Zeit nach Mitte des 1. Jh. v. Chr. im Grunde primär einen wirtschaftlichen Niedergang der Region als folgerichtige Konsequenz der Aufgabe des Oppidums – also somit die mangelnde Verfügbarkeit von Südimporten – und läßt daher nicht notwendigerweise auch auf eine tiefgreifende Störung der lokalen Elite schließen.
Überlegungen zur historischen Perspektive Angesichts der im Umfeld des Militärlagers von Hermeskeil faßbaren Hinweise auf einen Umbruch in der Besiedlungs- und Gesellschaftsentwicklung der Region und seiner räumlichen Beziehung zum benachbarten Oppidum „Hunnenring“ bleibt zu fragen, inwiefern sich der archäologische Befund mit der historischen Überliefe43 Gleser, Studien, S. 233. 240f. 243. 256. 44 Ebd. S. 365. 45 Fritsch, Waffengrab. 46 Hornung, Region, S. 10f.; dies., Ostgallien, S. 115-120.
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rung vereinbaren läßt. In diesem Zusammenhang erscheint es von Bedeutung, daß die bereits zuvor erwähnten Ausbesserungen in der Pflasterung der Torgasse des Hermeskeiler Lagers, deutliche Abnutzungsspuren auf der Oberseite der Steinplatten, die Putzgräbchen im Bereich der südwestlichen Lagerumfriedung, als auch der vergleichsweise hohe Anfall an Funden (vor allem an Keramik und Mühlsteinen) recht geschlossen für eine Präsenz römischer Truppen über mehrere Wochen oder vielmehr Monate hinweg sprechen. Es dürfte sich daher vor dem Hintergrund der chronologischen Indizien vermutlich um ein Feldlager aus der Zeit des Gallischen Krieges gehandelt haben. Gegen die These eines Winterlagers47 scheint die Lage von Hermeskeil zu sprechen, das trotz seiner Nähe zu einem Verkehrsknotenpunkt – der Kreuzung zweier Nord-Süd bzw. Ost-West verlaufender Überlandverbindungen – über keine direkte Anbindung an die für den Handel und somit auch die Versorgung von Truppen viel geeignetere Moselachse verfügte. Auch das geringe agrarische Überschußpotential des Hochwaldes macht eine solche Standortwahl unwahrscheinlich. Ähnliches gilt wohl in Zusammenhang mit der für das Jahr 50 v. Chr. belegten lustratio im Treverergebiet48. Für das Jahr 54 v. Chr. berichtet Caesar von einer Spaltung des Stammes in die Parteien des romtreuen Adeligen Cingetorix und des romfeindlichen Indutiomarus49. Caesars aktive Unterstützung der prorömischen Fraktion hatte im Winter 54/53 v. Chr. erstmals kriegerische Auseinandersetzungen eines Teiles der Treverer mit Rom zur Folge50. Trotz einer raschen Beseitigung des Anführers Indutiomarus setzten dessen Verwandte den Kampf fort und wurden 53 v. Chr. von drei Legionen unter der Führung des Legaten Titus Labienus geschlagen51. Der in Details in Bezug auf die Verortung des Winterlagers von Labienus etwas widersprüchliche oder lückenhafte52 Bericht des Prokonsuls erlaubt im Grunde keine eindeutige Lokalisierung dieser Auseinandersetzungen. Ähnliches gilt auch für einen weiteren Feldzug des Labienus 51 v. Chr., der nunmehr mit Hilfe zweier Legionen in einer Reiterschlacht den Widerstand der Treverer brechen konnte53. Zwischen 46 und 44 v. Chr. sind aus den historischen Quellen erneut Unruhen in Gallien zu erschließen54. Allerdings fehlt jeglicher Hinweis auf eine aktive Beteili47 Für den Winter 53/52 v. Chr. ist ein Winterlager des Labienus im Treverergebiet belegt. – BG VI 44, 3. 48 BG VIII 52, 1. 49 BG V 3, 2-3. 50 Diese Ereignisse werden jedoch traditionell im Bereich des Winterlagers von Labienus lokalisiert, welches vermutlich an der Maas zu suchen sein dürfte. Vgl. jüngst zusammenfassend Heinrichs, Eburonen, S. 213f. 51 BG VI 7, 6-7. 52 Es wird nicht erwähnt, wann Labienus dieses Winterlager verließ, was in Bezug auf die Lokalisierung der Auseinandersetzungen entsprechend erhebliche Probleme bereitet. 53 BG VIII 24,3. 25. 54 Titus-Livius, Periochoe 114. – Vgl. auch Cicero, Philipp. III, 15, 37-38; Cicero, Att. XIV 1. XIV 4. Hierzu bereits Fichtl, Présence militaire.
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gung der Treverer, so daß letztlich sowohl die schriftliche Überlieferung, als auch die archäologischen Funde aus den Grabungen eine Verbindung des Militärlagers von Hermeskeil mit den Ereignissen des Gallischen Krieges 53 oder 51 v. Chr. wahrscheinlich machen. Hierbei kann potentiell die Größe der Anlage sowie die Zusammensetzung des Fundmaterials weiterführende Hinweise liefern. Sofern sich die funktionale Ansprache der verschiedenen Lagerareale in Zukunft weiter bestätigt, stand zur Unterbringung der römischen Legionäre eine Fläche von rund 12 ha zur Verfügung. Daß die bereits von Polybios Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. veranschlagte Größe eines Lagers für zwei Legionen von 36 ha55 gerade in der Zeit des Gallischen Krieges nicht als Referenz herangezogen werden kann, hängt primär mit einer in Folge der Auseinandersetzungen nur schwer abschätzbaren Truppenstärke zusammen56. Zudem war man wohl auch bemüht, die Kampfkraft der Truppen vor dem Feind zu verbergen und reduzierte daher die Lagergröße mittels Verkleinerung von Straßen und Freiflächen. Vor diesem Hintergrund können primär die Militärlager des Gallischen Krieges als Vergleiche dienen. Allerdings bereitet in der Regel die Lückenhaftigkeit des Forschungsstandes erhebliche Probleme. So hat man z. B. das rund 42 ha große Lager von Berry-au-Bac / Mauchamp (dép. Aisne, F) verschiedentlich als Schauplatz der für das zweite Kriegsjahr 57 v. Chr. belegten Reiterschlacht an der Aisne angesehen57. In diesem Falle wäre mit einer Stationierung von acht Legionen zu rechnen, so daß Hermeskeil – die Richtigkeit der oben angeführten Überlegungen zur Nutzung der verschiedenen Lagerareale vorausgesetzt – mit gut einem Viertel der Fläche potentiell als Stützpunkt zweier Legionen auf ca. 12 ha58 und zugehöriger Auxilien auf ca. 6 ha gedient haben könnte. Allerdings sind Datierung und Ansprache von Berry-auBac nicht gänzlich unumstritten59, so daß dieser Vergleich mit einer Restunsicherheit behaftet bleibt, wenngleich die archäologisch nachgewiesenen Strukturen recht gut mit den von Caesar selbst in den Commentarii beschriebenen zu vergleichen sind. Im Falle von Alesia fällt allgemein die recht bescheidene Innenfläche der einzelnen
55 Zwar weichen die längerfristig besetzten Standlager mit fester Innenbebauung in Details von dieser Konzeption ab, folgen aber dennoch ähnlichen Prinzipien. Johnson, Kastelle, S. 38-40. 56 So führten die beiden Legionen, mit denen der Prokonsul im Winter 54/53 v. Chr. Q. Cicero zur Hilfe kam, zusammen weniger als 7.000 Mann. BG V 49, 7. 57 BG II 5, 4-6. 6, 1. – Vgl. jüngst Haselgrove, Enclosure, S. 512f. mit Anm. 58; Reddé u. a., Fortifications, S. 225-227. 58 Bemerkenswerterweise liegen mit Estissac / Beauregard und Neuville-sur-Vannes / Brévaire (beide dép. Aube, F) bzw. Folleville / Le blanc Mont (dép. Somme, F) drei ebenfalls etwa 12 ha große Lager vor. Während die beiden erstgenannten zeitlich nicht näher anzusprechen sind, kann Folleville allgemein in caesarisch-augusteische Zeit datiert werden. Reddé u. a., Fortifications, S. 274f. 279. 344. 59 Demoule / Ilett, Settlement unter Verweis auf Funde des 2. Jh. n. Chr. aus dem vermeintlichen nördlichen castellum, das jedoch als römische Siedlung anzusprechen sein dürfte. Das Vorkommen von claviculae darf nach Ausweis der Befunde aus Alesia nicht als Argument gegen eine caesarische Datierung angeführt werden. Vgl. dagegen noch Wightman, Gallia Belgica.
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Lager auf, da selbst die vergleichsweise größten Lager B und C kaum mehr als 7 ha umfassen60. In Hinblick auf die Frage einer präzisen Datierung scheint nicht zuletzt das gehäufte Auftreten von Mühlsteinen bzw. Fragmenten derselben aus Mayener Basaltlava von Interesse, die zwischenzeitlich mehr als 50 % des Gesamtbestandes ausmachen61. Ein derartig hoher Prozentsatz kann möglicherweise als Hinweis darauf gewertet werden, daß sich die römische Armee bereits über einen längeren Zeitraum hinweg, potentiell seit mehreren Jahren, im Absatzgebiet der Mayener Brüche aufhielt. Diese Tatsache spräche für einen zeitlichen Ansatz des Lagers von Hermeskeil am Ende des Gallischen Krieges, nach mehreren Jahren Feldzügen in den belgischen Gebieten. Eine Verbindung mit der Kampagne des Jahres 51 v. Chr. dürfte vor diesem Hintergrund geringfügig wahrscheinlicher sein als eine Datierung in das Jahr 53 v. Chr., was sich zudem auch recht gut mit den oben formulierten Gedanken zur Stärke der in Hermeskeil stationierten Truppen vereinbaren ließe. Letztlich bleiben derartige Überlegungen jedoch vorerst hypothetisch.
Zu den Auswirkungen der römischen Eroberung im Treverergebiet Über das Beispiel des benachbarten Oppidums „Hunnenring“ hinaus bleibt zu fragen, inwiefern die römische Eroberung im Treverergebiet einen signifikanten Einschnitt in der Entwicklung von Siedlung und Bevölkerung markierte. Diesbezüglich sind vor allem Funde und Befunde aus den Oppida von Interesse, welche es erlauben, einen Prozeß wirtschaftlichen Strukturwandels während des 1. Jh. v. Chr. nachzuzeichnen. Am Donnersberg (Gem. Dannenfels, Donnersbergkr.), dessen Ansprache als treverisches Oppidum allerdings umstritten ist, wird bereits seit dem Übergang von LT D1b zu LT D2a, also um 80/70 v. Chr., ein ökonomischer Niedergang faßbar (Abb. 14, oben), der sich in einem Besiedlungsrückgang, einem Abbrechen des Münzzuflusses sowie einem Rückgang des Importstromes äußert62 und in ähnlicher Form z. B. auch für die Altburg bei Bundenbach (Lkr. Birkenfeld) im mittleren Hunsrück zu beobachten ist63. Diese Entwicklung geht mit einem Bedeutungsverlust der Rheinachse zugunsten der unmittelbar an die Gallia Transalpina angebunden Achse Rhône-
60 Reddé u. a., Fortifications, S. 188; Reddé / von Schnurbein, Alésia. 61 Allerdings ließ sich die Bestimmung nur für zwei große Mühlsteinfragmente mittels geochemischer Analysen absichern. Weitere, z. T. sehr kleinteilige Fragmente können nur makroskopisch angesprochen werden. 62 A. Zeeb-Lanz sei an dieser Stelle für die Möglichkeit einer Einsichtnahme in das Fundmaterial aus den Grabungen herzlich gedankt. – Hornung, Ostgallien, S. 235-238; Wigg-Wolf , Donnersberg, S. 409f. 63 Hornung, Ostgallien, S. 255-258.
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Saône-Obermosel64 und der Konsolidierung des innergallischen Wirtschaftsraumes einher.
Abb. 14: Die Entwicklung der treverischen Oppida. Oben: LT D2a; unten: LT D2b (Karten: S. Hornung).
Im Zuge dieser Entwicklung erlebten der Titelberg in Luxemburg (Pétange, Kt. Eschsur-Alzette, L) und der Martberg bei Pommern an der Mosel (Lkr. Cochem-Zell) einen raschen Aufstieg (Abb. 14, oben)65. Letzterer läßt sich anhand eines signifikanten Bevöl64 In diesem Sinne auch Gleser, Studien, S. 340. 65 Zur Entwicklung der treverischen Oppida bereits Hornung, Roms Legionen; dies. Ostgallien, bes. S. 229-254.
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kerungszuwachses in LT D2a, der Hinweise auf Münzprägung und des reichen Fundmaterials (z. B. an Fibeln und Münzen) gut fassen. Im Falle von Wallendorf (Eifelkr. Bitburg-Prüm) fällt es bislang noch schwer, die Besiedlungsentwicklung des Oppidums zuverlässig zu beurteilen; allerdings sprechen alle Indizien für einen wirtschaftlichen Bedeutungsverlust spätestens um die Mitte des 1. Jh. v. Chr., der sich in ähnlicher Weise auch am Martberg abzeichnet (Abb. 14, unten). Im letzteren Falle illustriert z. B. das Überwiegen handgefertigter Keramik in LT D2b einen Niedergang der handwerklichen Produktion in der Zeit nach dem Gallischen Krieg.66 Ein parallel zu vermutender Rückgang der Siedlungstätigkeit ist hier jedoch bislang nur vage zu erkennen. Auch in Kastel-Staadt (Lkr. Trier-Saarburg) erlaubt der Forschungsstand vorerst keine abschließende Beurteilung. Hier ist lediglich eine Kontinuität der Besiedlung nach der römischen Eroberung zu betonen, wobei die frührömische Siedlung, anders als in der Spätlatènezeit, nicht mehr die gesamte Innenfläche des Oppidums einnahm67. Insgesamt erscheint es bemerkenswert, daß die Besiedlung aller südlich der Mosel gelegenen spätlatènezeitlichen Befestigungen spätestens am Übergang LT D2a/b abbricht. Demgegenüber erlebte einzig der Titelberg in der Zeit nach dem Gallischen Krieg eine wirtschaftliche Blüte (Abb. 14, unten)68. Die darin faßbare ökonomische Polarisierung zugunsten des westlichen Treverergebietes findet nicht zuletzt auch in der Verbreitung von Importamphoren der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. Ausdruck (Abb. 15).
Abb. 15: Verbreitung der importierten Amphoren im Treverergebiet (Karte: S. Hornung, nach Gleser, Studien, S. 336 Abb. 54; S. 340 Abb. 56, mit Ergänzungen). 66 Helfert, Keramik, S. 396. 67 Frdl. Mitteilung H. Nortmann. 68 Metzler, Titelberg, S. 569f. erwähnt diesbezüglich die Prägung der Arda- und Hirtius-Serien.
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In diesem Zusammenhang sind Hinweise auf die Existenz eines römischen Handelsstützpunktes im Bereich des sogenannten Militärlagers auf dem Titelberg von Interesse, dessen Wurzeln möglicherweise sogar in die Zeit vor dem Gallischen Krieg zurückreichen69. Wesentliche kulturelle Impulse setzte in diesem Falle auch die Präsenz römischer Legionäre und Auxiliare, die von LT D2b bis in augusteische Zeit anhand zahlreicher Militaria faßbar wird70. Am Martberg läßt sich die Errichtung einer 107 x 103 m großen Spitzgrabenumfriedung trotz ihrer charakteristischen Spielkartenform vorerst nicht abschließend mit römischem Militär in Verbindung bringen. Anhand der numismatischen Befunde datiert D. Wigg-Wolf ihren Bau in die 50er oder spätestens die 40er Jahre v. Chr.71; die wenigen Militaria vom Martberg stammen jedoch wohl geschlossen aus augusteischer Zeit72. Bemerkenswert erscheint vor allem die Tatsache, daß die Entwicklung des Heiligtums bei Anlage des Spitzgrabens episodenartig unterbrochen wurde, was evtl. gegen eine von M. Thoma favorisierte Deutung als Versammlungsplatz73 und für einen Militärstützpunkt – möglicherweise auch hier zur gezielten Kontrolle des Handels – spricht, wie sie zwischenzeitlich für zahlreiche gallische Oppida immer klarer faßbar wird.
Fazit Mit dem Militärlager von Hermeskeil liegen im Treverergebiet erstmals Hinweise auf eine römische Truppenpräsenz im Horizont des Gallischen Krieges vor74. Die Anlage ist vermutlich als Feldlager anzusprechen und könnte mit den Feldzügen des Jahres 51 v. Chr., evtl. auch 53 v. Chr. in Verbindung zu bringen sein, die sich wohl primär gegen eine romfeindliche Gruppierung innerhalb des Stammes der Treverer richteten. Daß die Herausbildung zweier politischer Fraktionen potentiell durch gegenläufige wirtschaftliche Entwicklungen in verschiedenen Teilen des Stammesgebietes begünstigt wurde, die allerdings bereits in der Zeit um 80/70 v. Chr. ihren Anfang nahmen, bestätigt ein Blick auf die politischen Verhältnisse in Gallien zur Zeit des Gallischen 69 Metzler / Gaeng, Goeblange, S. 519-528. 70 Fichtl, Présence militaire, S. 164; Metzler, Titelberg, S. 348ff.; ders., Sanctuaire, S. 266. 71 Nickel u. a., Martberg, S. 290f. 72 Hornung, Ostgallien, S. 247. 73 Thoma, Tempelbezirk. 74 Zwei neu entdeckte Militärlager bei Limburg an der Lahn lassen sich derzeit nur allgemein in spätrepublikanische Zeit datieren und könnten ggf. die These einer Lokalisierung der bei Caesar erwähnten Rheinübergänge im Bereich des Neuwieder Beckens stützen. Die zeitliche Ansprache der vermutlich jüngeren Anlage basiert auf drei Schuhnägeln des spätrepublikanischen Typs und einer Reihe von Amphorenscherben des Typs Dressel 1; dagegen lieferte das ältere Lager kein hinreichend präzise datierbares Fundmaterial. Möglicherweise vermag die Auswertung des Fundmaterials aus einer einheimischen Siedlung, welche von dem jüngeren Lager geschnitten wird, genauere Informationen zu liefern. Frdl. Mitteilung S. Schade-Lindig.
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Krieges. Vor allem wirtschaftsstarke Stammesverbände, wie z. B. die Remer und Häduer, nahmen hier traditionell eine romfreundliche Haltung ein – sofern dem nicht konkrete politische Ambitionen entgegenstanden. Sie gehörten – ebenso wie der Westen des Treverergebietes – aufgrund der infrastrukturellen Gegebenheiten zu den Profiteuren einer bereits seit LT D2a zunehmend engeren wirtschaftlichen Anbindung Zentralgalliens an den mediterranen Raum. Demgegenüber geriet der Osten des treverischen Territoriums mit der Konsolidierung der innergallischen Wirtschaftszone, deren wesentliche Strukturen im Laufe von LT D2 geschaffen wurden, in ein ökonomisches Abseits – ein Prozeß, der mit einiger Wahrscheinlichkeit auch Migrationen von Einzelpersonen und Gruppen in Richtung der prosperierenden Gebiete und Zentren zur Folge hatte75. Letztlich bereitet es vor diesem Hintergrund einige Probleme, die Auswirkungen des Gallischen Krieges im Einzelfalle zuverlässig zu isolieren. Gerade am „Hunnenring“ könnte der Besiedlungsabbruch etwa am Übergang von LT D2a/b grundsätzlich auch vor dem Hintergrund der oben beschriebenen wirtschaftlichen Entwicklungen zu sehen sein. Lediglich die Tatsache, daß das Oppidum recht plötzlich und vollständig verlassen wurde und nicht nahtlos eine Verlagerung zugunsten einer in verkehrsgünstiger Lage neu entstehenden Siedlung (so z. B. im Falle des Martberges und dem an der Mosel gelegenen vicus Cardena) erfolgte, ist möglicherweise als erster Hinweis auf einen tatsächlichen Bruch in der Besiedlungsentwicklung zu verstehen. Dieses Beispiel zeigt jedoch eindrucksvoll, daß punktuelle Krisenereignisse mit den der Archäologie zur Verfügung stehenden Mitteln bestenfalls sehr bedingt erfaßt werden können.
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75 Vgl. hierzu ausführlich Hornung, Ostgallien.
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Das spätrepublikanische Militärlager bei Hermeskeil (Lkr. Trier-Saarburg)
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Sabine Hornung
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Johannes Heinrichs
Wanderungen versus Genozid Einheimische Verbände im nordgallischen Raum unter römisch bestimmten Rahmenbedingungen Für Thomas Fischer (Köln) zum 25.9.2014
Verschiebungen größerer Bevölkerungsgruppen 103/2 v. - 15 n. Chr.1 Sie waren keine Seltenheit.2 Damit einher ging der Zerfall politischer Einheiten und die Entstehung neuer Verbände: Namen verschwanden, andere traten neu hervor, die Menschen überlebten in den meisten Fällen. Genozid im Wortsinn - verstanden als systematische, auf Vollständigkeit zielende physische Eliminierung ganzer Verbände - fand, soweit für uns nachvollziehbar, nicht statt, auch dann nicht, wenn unsere Quellen dies behaupten. Verluste in Schlachten und unter der Zivilbevölkerung dürften allerdings erheblich gewesen sein.3 1 Eine ausführliche, mit Karten, Abbildungen, Tabellen und Literaturhinweisen versehene Darstellung, die in Teilen die hier behandelten Entwicklungen abdeckt, ist jüngst erschienen: Heinrichs 2013. Der leicht erreichbare Text erlaubt es, hier eine Kurzfassung zu geben, um die argumentativen Linien klarer hervortreten zu lassen. - Für Hilfe auf unterschiedlichen Ebenen danke ich U. Klöppel, Aarbergen sowie D. Kossmann und G. Weiler, beide Köln. 2 Wolters 1990, 175 ff.; ders. 2000, 162 ff. 3 Verwiesen sei beispielshalber auf Angaben zu Verlusten der Nervier 57 v. Chr. (Gall. 2.28.1 sq.): prope ad internecionem gente ac nomine Nerviorum redacto … ex sescentis ad tres senatores, ex hominum milibus LX vix ad quingentos qui arma ferre possent sese redactos (Caesar ist vorsichtig genug, dies Gesandten der Nervier in den Mund zu legen; tatsächlich kann sich der Verband 54 am AmbiorixAufstand beteiligen - Gall. 5.38.3 - und 52 an der Erhebung des Vercingetorix- ib. 7.75.3) und unter Usipeten/Tenkterern (ib. 4.15.3): (Germani) reliqua fuga desperata magno numero interfecto reliqui se in flumen praecipitaverunt atque ibi timore, lassitudine, vi fluminis oppressi perierunt. nostri ad unum omnes incolumes perpaucis vulneratis ex tanti belli timore, cum hostium numerus capitum quadrigentorum triginta milium fuisset, se in castra receperunt (Caesar behauptet nicht etwa, dass die Gesamtzahl beider germanischer Verbände (430.000) identisch sei mit den Opfern der Schlacht - suggeriert dies aber -, während auf römischer Seite überhaupt niemand fällt). Nimmt man Caesars Zahlen ernst und lässt sich von seiner Sprache beeindrucken, so führt dies unweigerlich zu Problemen, auch an vielen anderen Orten, es sei denn, die gallischen Druiden hätten Erfahrungen mit Drachenzähnen besessen und γηγενέες (A.R. 3.1354 ff.) heraufbeschwören können oder, wie Deukalion (und Pyrrha), andere Arten von Erdgeborenen mit Felsstücken gesät (vgl. Ov. met. 1.260 ff.). Bei der Angabe feindlicher Verluste verdient Caesar umso weniger Glauben, je martialischer seine Sprache wird, nur: im allgemeinen findet er Glauben! Schätzungen der Opfer des gesamten Gallischen Kriegs sind insofern m.E. überhöht, etwa bei Jehne 2008, 70 und Will 1992, 96 ff. Caesar soll hier überhaupt nicht entschuldigt,
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Johannes Heinrichs
Die Reihe überlieferter Ab- und Zuwanderungen ist lang. Sie reicht von den Atuatukern, hervorgegangen aus von Kimbern und Teutonen in den Räumen Aachen und Namur zurückgelassenen Teilgruppen (Caes. Gall. 2.4.2, um 103/2 v. Chr.)4 über Caesars Germani cisrhenani (ib. 2.4.10; 6.32.1; hinzu kommen die Segni: ib. 6.32.1),5 die 55 v. Chr. angeblich niedergemetzelten oder im Rhein ertrunkenen Usipeten und Tenkterer (ib. 4.11 - 15),6 die 53 und 51 v. Chr. keineswegs „ausgerotteten“ (!) Eburonen (ib. 6.31 - 34)7 bis zu den Umsiedlungen der augusteischen Zeit, von den Batavern
sein Krieg verharmlost werden; es geht um das generelle hermeneutische Problem der Verlustangaben in vielen antiken Quellen (Herodot ist ein weiteres Beispiel; die persischen Verluste 480/79 fallen so verheerend aus, weil am Ende der Invasion realistische Zahlen stehen: es waren wohl annähernd dieselben wie zu Beginn). Richtungsweisend sind mehrere Beiträge in Welch, Powell (eds.) 1998, die verdeutlichen, worum es geht: nicht etwa Apologien für militärisch-politische Akteure, sondern realistische Daten. - Anders als vielen heutigen Forschern war das Problem einigen antiken Zeitgenossen bewusst, nur finden diese keine Beachtung: So spottet Lukian, mit Blick auf den Partherkrieg des Lucius Verus: “Ferner erschwindelte er (scil. ein karrikierter Historiker) die Zahl der Toten, im Widerspruch zu den übersandten Berichten unserer Feldherrn: Bei (Dura) Europos seien an Feinden 70.036 gefallen, zuzüglich 200, an Römern nur 2, und an Verwundeten habe es 9 gegeben. Wenn ich so etwas lese, weiß ich nicht, wie jemand so etwas hinnehmen kann, wenn er bei gesundem Verstand ist” (Luk. hist. conscr. 20 fin.; vgl. die kommentierte Ausgabe von H. Homeyer, München 1965, 218 f., mit Beispielen aus der römischen Historiographie, die allerdings Caesar sämtlich in den Schatten stellt). Das alles hat so viel mit realem historischen Geschehen zu tun wie der alttestamentarische Bericht über den völlig unbeschadeten Durchzug der Israeliten durch das Rote Meer bei gänzlichem Untergang der pharaonischen Streitmacht. Historisch relevant sind solche Berichte gleichwohl, indem sie Erwartungen des zeitgenössischen Publikums beleuchten - oder die Intention der Autoren, Sachverhalte zu dissimulieren - in Caesars Bericht über Usipeten und Tenkterer (s.o.) einen eklatanten Bruch des (ungeschriebenen) Völkerrechts durch den Prokonsul: triumphale Erfolge ‘geben’ Recht. Zudem war Caesar bestrebt, mit seinen Berichten militärische Erfolge zu konstruieren, die denjenigen seines Rivalen Pompeius im Osten entsprechen, sie womöglich noch übertreffen sollten (s.u., Anm. 55). Endlich: So empörend Caesars Zahlen für heutige Leser auch sind, rechtfertigen sie doch nicht den Begriff des Genozids, denn Caesar beabsichtigt nach eigenem Anspruch nicht, “eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören”, wie die juristiche Definition von Genozid lautet (nach Raphael Lemkin - mit Blick auf deutsche Verbrechen ab 1939 in Polen - und der UN-Resolution 260 vom 12.1.1951; Details und Beispiele aus der jüngeren Geschichte - zuletzt Ruanda, Sabra/Schatila, Srebrenica - gibt der fundierte wikipedia-Artikel ‘Völkermord’ [Januar 2014]). Dergleichen ist Caesar nicht vorzuwerfen: Er ist ein Fall für kritische Historiker, nicht für Richter in Den Haag. 4 Heinrichs 2009/1, 277 - 299; ders. 2013, 32 - 46. 5 v. Petrikovits 1986; Timpe 1998, 184 f.; Wolters 2000, 16 - 21. 6 Heinrichs2006/2, 574; Roymans 2004, 127 - 34: die dort vorsichtig versuchte Erklärung menschlichen Knochenmaterials exakt am von Caesar angegebenen Schlachtort (vgl. fig. 7.13: Mündung der Maas in den Rhein/Waal) mit Menschenopfern in einem (späteren) Tempel vertritt er heute nicht mehr. 7 Heinrichs 2008/1, 219 - 28; zustimmend Fischer, Trier 2014, 41 (Eburonen); vgl. bereits Eck 2004, 41 ff.; der inkriminierte Begriff (Galsterer 1990, 117; Joachim 1999/2000, 160) aus dem Vokabular wilhelminischer Kolonialisten (oder ihrer geistigen Erben 20 Jahre später) gehört einfach nicht mehr in den heutigen wissenschaftlichen Diskurs.
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(frühe 30er Jahre: 38 v. Chr.?),8 über die Ubier (19 v. Chr.)9 zu den Cugernern (8/7 v. Chr.);10 der Cherusker Segestes, der 15 n. Chr. mit seinem Anhang Aufnahme vetere in provincia fand (Tac. ann. 1.58.5), bildet allenfalls noch einen Nachtrag.11 Die Fülle der Beispiele lässt weitere erwarten, die nicht überliefert sind. Ergeben sich Fälle, in denen Wanderungen nicht explizit überliefert sind, bedarf es mithin keiner grundsätzlichen Skepsis, im Gegenteil: Mobilität ist eine nahe liegende Möglichkeit, muss allerdings in jedem Einzelfall erörtert werden. Das Phänomen soll an Fallbeispielen untersucht werden, die teils dem caesarischen Modell des vorgeblichen Genozids folgen (Usipeten und Tenkterer, Eburonen: damit wurden republikanische Erwartungen erfüllt, denen auch ein Caesar genügen musste), teils die augusteische Praxis der organisierten, vertraglich geregelten Umsiedlung bezeugen (Bataver, Ubier, Cugerner): Jenseits ideologischer Verbrämung sind die in der zweiten Gruppe zusammengestellten Beispiele Ausdruck von Realpolitik, die der führende Mann durchsetzen konne, als tresvir oder princeps; anders als Caesar war er nicht lediglich ein wichtiger Spieler, sondern der Herr des Spiels. Beiden Fallgruppen gemeinsam sind Wanderungen als Konsequenz militärischen oder diplomatischen Handelns. Sie vollzogen sich zuweilen in Formen und mit Ergebnissen, die von heute gängigen Vorstellungen abweichen. Wenngleich in den Zwischenüberschriften einige Verbände besonders prominent erscheinen, so fügen sie sich doch in Prozesse ein, die weitere, kleinere Gruppen einschließen und letztlich zu sehr komplexen Vorgängen führen. Diese werden von der römischen Tradition nicht oder nur schlaglichtartig beleuchtet, zuweilen aber über archäologische und numismatische Funde nachvollziehbar, wenn man zudem naturräumliche und geländebedingte Konstanten einbezieht.
8 Der Vorgang markiert einen so klaren Bruch mit der caesarischen Strategie der Abwehr von Einwanderung ganzer Verbände in den Raum westlich - im Norden: südlich - des Rheins, dass an höchster Stelle darüber entschieden worden sein muss. Die nötigen Verhandlungen waren schwerlich einem ‘normalen’ Statthalter anvertraut. So deutet einiges auf Agrippas erste gallische Statthalterschaft um 38 v. Chr. Auch der archäologische Befund im frühesten Siedlungskern einer protobatavischen Gruppe von Zuwanderern aus dem hessischen Raum, westlich von Nijmegen und nördlich von s’ Hertogenbosch, bei Lith und Kessel, stützt diesen Ansatz, nach Art und annähernder Zeitstellung der Objekte (Münzen, Fibeln, Gürtelhaken, Schwerter u.a.): Roymans 2004, 103 ff. 9 Heinrichs 2006/1, 358 f. und 2008/1, 225 ff.; Eck 2004, 46 ff. 10 Heinrichs 2001 passim und 2005/2, 126. 11 Wie man vor dieser Serie die Abwanderung markomannischer Verbände nach SO in den böhmischen Raum und die römische Reaktion darauf verstehen soll, ist eine weit schwierigere Frage.
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1 Zur Umsiedlung der Ubier 19 v. Chr.: nachträgliche Sanktionierung eines voraufgehenden Prozesses oder einmalige Aktion? Fast immer erhalten neu konstituierte Verbände neue Namen. Unschwer nachvollziehbare Fälle sind in der Region Xanten die Cugerner und im Raum Aachen-Maastricht-Nordeifel die Sunuker. Beide tragen Namen vom gleichen Bildungstyp, abgeleitet wahrscheinlich nach Rindern und Schweinen, wenngleich onomastische Fragen meist nicht sicher zu klären sind.12 In beiden Fällen dürfte es mit Rinderzucht und Schweinemast am ehesten um bedeutende Wirtschaftsfaktoren gehen. Dieses Bildungsschema gilt nicht für die Ubier, deren Name meist wiedergegeben wird mit ‚die Üppigen‘, im Sinn von: ‚die über das normale Maß hinaus Bevorzugten‘ (vgl. lat. ubertas); etwas derart Positives weist gewöhnlich auf eine Eigenbezeichnung.13 Einzig die Ubier behaupten den bereits vor ihrer Umsiedlung bezeugten Namen.14 Darin liegt ein Indiz für ein Fortbestehen politischer Strukturen des Gesamtverbands, an dem der Name hing. Wären nur Teile der Ubier unter ihren jeweiligen principes15 umgesiedelt worden und andere unter anderen principes verblieben, so wären anstelle des Gesamtnamens zweifellos vorhandene Partikularnamen regionaler Einzelverbände zu erwarten, wie vielleicht im Fall der Bataver. Vorstellbar wären aber auch eine gänzlich neue Bezeichnung, nach dem Modell der Cugerner oder Sunuker.16
12 Rübekeil 1996, 1338, vgl. Wolters 2001, 164 A. 92. Skeptisch, aber abwägend Neumann 1986, 112 f. (Cugerni), 114 f. (Sunuci) 115 f. (Atuatuci) und 119 (Supeni). Er schlägt teils andere Herleitungen und Bedeutungen vor, im zuletzt genannten Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit. 13 Rübekeil 1996, 1335. Zimmer 2006 erörtert vorsichtig mehrere Möglichkeiten. 14 Caes. Gall. 4.3.3 (z. Jahr 55 v. Chr.) und ab da häufig. 15 Den Begriff als solchen gebraucht Caesar für die Ubier einmal (Gall. 4.11.3: principes ac senatus), wie auch für vergleichbare germanische Verbände (Gall. 4.15 4: principes maioresque natu: Usipeten/ Tenkterer) und für die Germanen insgesamt (ib. 6.23.5: principes regionum atque pagarum). Vgl. bei den Galliern die Remer (ib. 2.5.1: senatus, principes), vielleicht die Bellovaker (2.14.4: consilii principes: unklar, ob technisch gebraucht) und weitere ungenannte Verbände, die Vercingetorix für seine Sache gewinnen möchte (ib. 7.31.1: principes), vgl. generell Wenskus 1977, 409 - 28. Wenn Caesar freilich die Begriffe senatus und populus für die Haeduer in unmittelbarer Nachbarschaft gebraucht (Gall. 7.32. 5), so drängen sich die römischen Verhältnisse auf und die politische Sprache seiner Heimat, in die er die gallischen und die germanischen Verhältnisse überträgt. Die Prominenz des Begriffs princeps verdient dann umso mehr Beachtung. Vgl. Heinrichs 2003, 325 f. und Eck 2004, 61. 16 Ein weiterer Fall sind vielleicht die Sopeni (It. Ant. p. 373, ‘diejenigen oberhalb’?, eher aber eine Verschreibung, vgl. Neumann 1968, 119) im Raum Zülpich 69/70 n. Chr. - wenn es sie denn wirklich gegeben hat.
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Karte 1: Raum nördlich der Mittelgebirge (Heinrichs 2013, 17, modifiziert)
Noch problematischer ist die Annahme, die Zuwanderung der Ubier sei von Kleinstgruppen, Sippen oder gar nur Familien, getragen gewesen und habe sich über einen längeren Zeitraum vollzogen, an dessen Ende eine nachträgliche Sanktionierung durch Agrippa erfolgt sei.17 Dies hätte eine Atomisierung des ursprünglichen Ver17 Galsterer 1990, 117 ff. In diesem Sinn ließe sich allenfalls Tacitus‘ knappe Bemerkung verstehen (ann. 12.27.1): „gentem scil. Ubiorum Rhenum transgressam in fidem acceperat, scil. Agrippa: den Volksverband (scil. der Ubier), der den Rhein überschritten hatte, hatte er (scil. Agrippa) in die römische fides aufgenommen.“ Dies besagt allerdings nicht, dass Agrippa eine über längere Zeit hinweg fortgesetzte Zuwanderung von Kleingruppen nachträglich sanktioniert hätte, vielmehr wird festgestellt, dass er den in einem einmaligen Akt bereits vollzogenen Übergang des Gesamtverbands rechtlich sanktionierte. Dies aber ist ausgeschlossen, aus Sachgründen: Als souveräne Macht, als die Rom
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bands bewirkt und damit den Wegfall des ursprünglichen Namens. Dessen Erhalt belegt umgekehrt einen einmaligen Akt der Umsiedlung unter Beibehaltung der politischen Strukturen.
1.1 Voraussetzungen und Vorgeschichte: Ubier und ‚Sueben‘ (Chatten) Auch der numismatische Befund spricht gegen Zuwanderung der Ubier in einem längeren Prozess. Eines der beiden bei den Ubiern gebräuchlichen Münznominale bestand in silbernen Quinaren des Typs Scheers 57.18 Deren Prototyp wurde als sehr seit dem Ende des Gallischen Kriegs im linksrheinischen Raum auftrat, konnte es dergleichen nicht zulassen, schon weil durch nachträgliche Anerkennung eines Akts, der Roms Herrschaftsanspruch ignoriert hatte, Schwäche bekundet und ein Präzedenzfall geschaffen worden wäre. Bekanntlich ist Caesar in mehreren solcher Fälle dezidiert eingeschritten. So muss angenommen werden, dass Tacitus ungenau, weil stark verkürzt formuliert. Im Kontext der Stelle geht es ihm ja nicht um Ereignisse des Jahrs 19 v. Chr., sondern um das Interesse der jüngeren Agrippina an Köln 50 n. Chr.: Es rührt schon von ihrem Großvater Agrippa her, der die Ubier 70 Jahre zuvor über den Rhein geholt und mit ihnen ein foedus geschlossen hatte. Die Reihenfolge der beiden Handlungen ist hier für Tacitus irrelevant und rechtfertigt an dieser Stelle keine exkursartige Formulierung, die den eigentlichen Bericht unterbrochen hätte. Insofern darf man die in der Partizipialkonstruktion angelegte Vorzeitigkeit nicht überbewerten. Das Richtige findet sich bei Strabon (4.3.4): „welche scil. die Ubier Agrippa mit ihrer Zustimmung (nicht etwa unter Anwendung militärischen Zwangs) über (den Rhein) geholt hatte: οὓς μετήγαγεν Ἀγρίππας ἑκόντας.“ Hier geht die einvernehmliche, per foedus geregelte Zustimmung der Ubier ihrem Übertritt über den Rhein voraus. 18 Typologische-metrologische Übersicht (Abfolge der wichtigsten Emissionen), in Photos: SchulzeForster 2005, 179 ff.; in Umzeichnungen: ib. 167 (jetzt auch Ziegaus 2010, 156); chronologisch arrangiert: ib. 168, mit datierten Emissionszeiträumen. Die letzte, jüngste Münze (ib. 180, III C, Nr. 13, 1.20g) stammt nach Finderangaben aus einem Außenbereich des Dünsbergs, wie wiederholte Nachfragen von J. Schulze-Forster ergaben, doch ist dies fragwürdig; sie ist stempelgleich mit einem der jüngsten Ex. aus Mariaweiler (Taf. 1, Nr. 9, vgl. Nr. 10); alle weiteren Exemplare dieser späten Emissionen stammen von linksrheinischen Fundorten (Neuss - Selssche Ziegeleien: vgl. Heinrichs 1999/2, 69 ff.; Nörvenich, Düren-Mariaweiler, Erftstadt-Erp: ders. 2003, 329, Taf. 4 m. Nachweisen S. 344; die beigegbenen Seriennummern sind bedeutungslos, sie gehen zurück auf eine umfangreiche Photo- und Datensammlung, die ich 2006 vernichtet habe, um rechtliche Probleme zu vermeiden; die zeitliche Abfolge des Materials nach Gruppen ist jedoch in mehreren Karten festgehalten: Heinrichs 2005/1, 209 - 213). Das verläßlich verbürgte Material vom Dünsberg bricht ab mit einer Prägung (Abb. bei SchulzeForster 2006, Taf. M 13, Nr. 249, ferner - als Vergleichsstück - in Heinrichs 2006/3, 34, Abb. 5, 1), die ein stempelgleiches Pendant bei Mariaweiler hat als dort frühester Quinar des Typs Scheers 57 II (hier Taf. 1, Nr. 1). Die linksrheinisch relevanten Emissionen fehlen am Dünsberg, auch in Waldgirmes. Eine systematische Zusammenstellung entsprechenden Materials war in Zusammenarbeit mit dem Bonner Münzkabinett geplant, kam aber nicht zustande und ist nach zwischenzeitlich abgerissenen Kontakten heute nicht mehr möglich (s.o.): Durchaus nachvollziehbar ist, dass unkontrollierte private Suchaktivitäten nicht toleriert werden können; andererseits sind wichtige Quellen verloren gegangen, was im Vergleich mit europäischen Nachbarregionen zu Verzerrungen geführt hat und künftig führen wird (vgl. Heinrichs 2003, 333- 336: Anhang 1), mit der Konsequenz notwendig unzutreffender Schluss-
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einheitliche Prägegruppe zunächst an wahrscheinlich nur einem Ort hergestellt, wohl im Dünsberg-oppidum nördlich von Gießen. Von dort stammt eine längere Reihe entsprechender Fundmünzen, etliche aus einer stratifizierten Grabung im Bereich eines Zangentors.19 Jens Schulze-Forster hat das Material aufgenommen und zu einer relativen Abfolge geordnet. Die zunächst geringe Varianz erklärt sich technisch, durch ein Patrize-Matrize-Verfahren zur Gewinnung neuer Prägestempel. Dies änderte sich geradezu bruchhaft mit dem Ende der eigentlichen Besiedlung des Dünsbergs - es gab allerdings eine Phase der Nachbesiedlung, worauf noch einzugehen sein wird. Auf ikonographisch wie technisch einwandfreie Quinare folgten ikonographisch ‚verwilderte‘ Stücke, teils mit Merkmalen, die auf technische Schwierigkeiten bei der Herstellung von Stempeln schließen lassen. Die Münzbilder sind mitunter seitenverkehrt, resultierend aus direkter Übertragung von Modellmünzen in neue Stempel. Die damit betrauten Handwerker waren offenbar keine Experten, auch besaßen sie nicht die nötigen Feinwerkzeuge. Am Dünsberg begegnen derartige, jüngere Münzen nicht mehr. So ist anzunehmen, dass die ‚Verwilderung‘ ursächlich zusammenhängt mit der Aufgabe des oppidum durch die dort ursprünglich siedelnde Gruppe. Diese verblieb noch eine zeitlang in der Region, u.a. wohl an Punkten unweit Waldgirmes und Gießen, und prägte Münzen, die technische Probleme bekunden.20 Nach Schulze-Forster geschah dies am ehesten zu Beginn des letzten Drittels des 1. Jhs v. Chr.21 Vom Dünsberg liegen zwar keine jüngeren, ‚verrohten‘ Quinare mehr vor, wohl aber Münzen des zweiten bei den Ubiern gebräuchlichen Nominals: Regenbogenschüsselchen der Nordgruppe (Typ Kellner IX).22 Untergruppen aus der Zeit nach dem Gallischen Krieg weisen an unterschiedlichen Stellen des Münzbilds Beizeichen in Form kleiner Ringe auf. Am Dünsberg begegnen entsprechende Münzen bereits in folgerungen auch in der wissenschaftlichen Forschung. Immerhin konnte bis vor einem Jahrzehnt einiges Material aus dem Raum westlich von Köln gesammelt und kartiert werden, vgl. etwa meine Kartierung von Fundorten ib. 276, Karte 2b (Stand 2002/3). Wie in Göttingen eindrucksvoll vorgeführt und in diesem Band dokumentiert, sind von anderen Bodendenkmal-Behörden intelligente Lösungen gefunden worden, nicht nur im Hinblick auf Hedemünden und das Harzhorn. 19 Rittershofer, Schlott 2001, vgl. Heinrichs 2003, 319 ff. 20 Beispiele: Eck 2004, 35, Abb. 13 b (Avers). 51 Abb. 19 b. 56 Abb. 3 b (Revers); Heinrichs 2005/1, 215 - 217 (zu Abb. 2.4 ist als weiteres Ex. - sinngemäß Nr. 22 - nun hinzuzufügen: Münzzentrum Rheinland, Solingen, Aukt. 164, Jan. 2013, 66 (1.17g): der auf den anderen Stücken erkennbare Stempelriß parallel oberhalb des rechten Arms ist auch auf diesem Stück vorhanden: frdl. Auskunft durch Wolfram Weiser, Köln); eng verwandt, wenn nicht ebenfalls stempelgleich ist ein Ex. aus der Sammlung Flesche: Ziegaus 2010, 155 Nr. 409. 21 Schulze-Forster 2001, 21; 2005, 168 ff. sowie Heinrichs 2003, 319 ff. 22 Tabellarische Übersicht über die typologische und relativ-chronologische Entwicklung: Heinrichs 2003, 280. Beispiele der Lith-Gruppe in guten Photos bei Roymans 2004, 191 (weitere Informationen hat mir Nico Roymans seither mündlich mitgeteilt). Für die Bochumer Gruppe gibt es neue Beizeichen, die z.T. erhaltungsbedingt noch unsicher sind, einige bei Roymans, Creemers, Scheers 2012, 206 f., weitere sind unpubliziert.
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kupferdominiertem Metall. Sie datieren wahrscheinlich in die Phase nach Abzug der ursprünglichen Bewohner und gehen dann auf die neuen Herren zurück.
Karte 2: Verbreitung von Quinaren Scheers 57 (nach Heinrichs 2003, 273 Karte 2a, modifiziert; vgl. ders. 2005/1, 209 ff.) Wegekorridore zeichnen sich ab südlich parallel der oberen und mittleren Lippe (zwischen Paderborn und Beckinghausen) und nördlich davon zwischen Kalkriese und Nijmegen (bei Ahlde und Empe, vgl. Heinrichs 2003, 276, Karte 2b, Fundorte in der Legende; Stand 2002, Funde seither nicht mehr berücksichtigt, vgl. A. 18)
Ebenso markierte Münzen, doch in noch besserem Metall und demnach etwas früherer Zeitstellung, wurden im frühesten batavischen Siedlungskern bei Kessel-Lith
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(nördlich von s‘ Hertogenbosch) gefunden.23 Nach ihrem Modell entwickelte sich in der Folgezeit die Regionalprägung der sog. Lith-Gruppe.24 Sieht man als deren Träger jene ursprünglich chattischen Zuwanderer an, die nicht allzu lange nach dem Gallischen Krieg aus dem hessischen Raum an den Niederrhein gelangten (Tac. Germ. 29.1), so treten am Dünsberg nach Abzug der früheren (ubischen) Bewohner dieselben Leute (Chatten) hervor. Damit zeichnet sich ab, dass vermutlich in den 20er Jahren die ubischen Höhenoppida, unter ihnen der Dünsberg, von den Ubiern geräumt werden mussten und von chattischen Gruppen übernommen wurden, von denen etwa ein Jahrzehnt zuvor (s.o.) Teile an den Niederrhein gelangt waren. Der numismatische Befund findet durch mitgebrachte Fibeln Bestätigung (s. Karte 5, unten).25 Die Lage der verdrängten Ubier in ihren neuen Flachlandsiedlungen muss sich weiter verschlechtert haben, in Fortsetzung der bereits von Caesar konstatierten Entwicklung (Gall. 4.16). Ihre Kerngruppen überschritten dann im Jahr 19 v. Chr. den 23 Roymans 2001, 93 - 145; ders. 2004, 67 - 101. Mittlerweile datieren Roymans, Dijkman 2012, 179 ff. den Beginn der Untergruppe Lith etwas früher, eventuell noch in die Endphase des Gallischen Kriegs. Für die frühesten Stücke erscheint dies plausibel, zumal im Raum Gießen mehrere Exemplare in Silber gefunden wurden, etwa in einer Lahnfurt bei Heuchelheim, zwischen Wetterau und Dünsberg, nahe bei Waldgirmes: Kappel 1982/83, 192 m. Abb. 36.3; heute im Oberhessisches Museum Gießen (Wallenfels’sches Haus), vgl. Heinrichs 2003, 277, A. 29. Die Prägung könnte also rechtsrheinisch eingesetzt haben, so dass es sich bei den frühesten Lith-Stücken tatsächlich um von dort in den Raum nördlich von s’ Hertogenbosch mitgebrachte Münzen handeln würde. Auch Stücke mit den neuen, ‘Maastrichter’ Beizeichen wurden am Dünsberg angetroffen, s. Roymans, Dijkman 2012, 183, fig. 12 und 13, weitere Stücke sollen im selben Gebiet gefunden worden sein und ungemeldet in Privatsammlungen liegen. Für diese Emissionen könnte also Entsprechendes gelten, zumal sie auch bei LithKessel und Empel vertreten sind (ib.). --- Warum es umgekehrt im weiteren Dünsberg-Gebiet keine eburonischen Statere des Typs Scheers 31 I zu geben scheint, wie Roymans, Dijkman 2012, 186 A. 40 einwenden, ist eine berechtigte Frage, deren Beantwortung momentan allerdings verfrüht erscheint: klüger ist es, die weitere Zukunft abzuwarten. Dass die Eburonen über germanische Vertragstruppen verfügten wie auch die Treverer (die sie vermittelt hatten) und sogar Caesar selbst im Krisenjahr 52 (Tausend 1988), teilt uns Caesar selbst mit, und die Ubier fühlten sich von Caesars zweitem Rheinübergang 53 v. Chr zu Recht bedroht (zu diesen Entwicklungen siehe meinen Aufsatz 2008/1). Aber Münzen dieser drei ‘Dienstherrn’ fehlen bisher im fraglichen rechtsrheinischen Raum, jedenfalls in signifikanten Mengen. Vielleicht waren größere Komplexe geschlossen an Gefolgsherrn gelangt, die sie zusammenhielten und nicht in Einzelstücken veräußerten, wie dies weiter westlich geschah. Vielleicht erfolgte die Anwerbung aber überhaupt nicht gegen Münz’geld’, sondern gegen Zusicherung eines signifikanten Beuteanteils: Römische Waffen und Ausrüstung waren sicherlich bei den Germanen nicht minder begehrt als Gold. Aber dieses sind rein hypothetische Überlegungen. Wie gesagt, sollte man Geduld haben. Nur muss mit aller Deutlichkeit festgestellt werden: die vertrauensvolle Zusammenarbeit privater ‘Finder’ mit den zuständigen Bodendenkmalbehörden, welche Roymans, Dijkman als Ursache für die Bergung des Horts von Maastricht-Amby schildern (ib. 171 ff.), findet im Westen Deutschlands leider nicht statt. Verbreitunskarten wie die aktuelle für den Typ Scheers 31 (ib. 177, fig. 6) wird es für das Gebier östlich der belgischen Grenze niemals geben. 24 Topographische Situation: Roymans 2004, 103 ff.; 127 fig. 7.13. 25 Roymans 2004, 119 ff.
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Rhein, aus freier Entscheidung, wenngleich nicht ohne Not - niemand gibt angestammte Gebiete mit den Gräbern der Vorfahren aus bloßem Streben nach wirtschaftlicher Verbesserung auf. Der Zweck der Aktion lag darin, dem wachsenden Druck der Chatten zu entgehen und sich mit Billigung der Römer in einer einmaligen Übersiedlung im Raum Köln niederzulassen, im Rheinabschnitt zwischen Krefeld und dem Vingstbach (wenig südlich der Ahr) und im westlichen Hinterland. Ihr bisheriges Land fiel wahrscheinlich an die Chatten. Offenbar duldeten diese aber verbliebene Ubierreste, die eventuell unter dem Namen Cubii - sofern es sich nicht lediglich um eine Verschreibung handelt - in einem gesonderten Gebiet zusammengefasst wurden (Frontin. strat. 2.11.7).
1.2 Datierung in Agrippas zweite gallische Statthalterschaft: ubische Quinare westlich von Köln Im Kölner Raum entfällt das früheste Stratum an mitgebrachten Münzen auf jene ‚verwilderten‘ Stücke, die nach Preisgabe der Höhenoppida entstanden sind.26 In der Folgezeit ergaben sie Modelle für neue, leichtere Prägungen aus geringerem Silber, die aber technisch wie ikonographisch wieder verbessert waren und eine Rückkehr zu geordneteren Verhältnissen bekunden. Auch dieser numismatische Befund belegt eine späte Landnahme in einer einzigen Aktion, denn bei Zuwanderung vieler kleiner Gruppen über einen längeren Zeitraum hinweg wäre ein früher einsetzendes, stärker differenziertes Spektrum an Fundmünzen zu erwarten. Das nachvollziehbare ist zu jung für Agrippas erste gallische Statthalterschaft ca. 38 v. Chr. - ein Vergleichsmaßstab ist das Material bei Lith-Kessel -, passt jedoch mühelos zur zweiten um 19 v. Chr. Mit der Umsiedlung der Ubier setzten Agrippa und Augustus eine Politik fort, die etwa ein Jahrzehnt zuvor mit der Anweisung des Raums nördlich von s‘ Hertogenbosch an proto-batavische Chatten begonnen hatte und die mit der mehr oder minder zwangsweisen Ansiedlung der nachmaligen Cugerner im Raum Xanten ihren Abschluss finden sollte. Die Umsiedlung der Ubier beruhte dann nicht - oder doch nicht ausschließlich - auf dem Wunsch, bedrängten Freunden in einer akuten Notlage zu helfen, zumal es sich bei der ubischen amicitia zu Rom weitgehend um ein caesarisches Konstrukt handelt.27
26 Vereinzelte Stücke sind wenig älter, vgl. hier Taf. 1, Nr. 1 (und 2), doch besagt dies wenig, da stets mit einem gewissen Anteil an Altstücken zu rechnen ist; sie bestätigen gewissermaßen die Regel. Besser unbeachtet bleibt ein Stück des älteren Typs Scheers 57 I, das von privater Seite bei Bornheim gefunden worden sein soll, kontextlos in Ackerland; es wurde dem Bonner Münzkabinett überlassen und ungeprüft publiziert. 27 Heinrichs 1999/1, 287 ff.
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1.3 Die Ubier als stabilisierender Faktor (ut arcerent) vor dem Hintergrund der Trierer Moselbrücke In Wirklichkeit wurde die römische Seite zur Aufnahme der Ubier veranlasst durch das Germanenproblem: Wie zuvor die Bataver, sollten 19 v. Chr. die Ubier Sicherungsaufgaben übernehmen. Sie wurden gerade damals erforderlich, denn Agrippas neue Fernstraßen erleichterten nicht nur römischen Truppen rasche Bewegungen an den Niederrhein, sie begünstigten in umgekehrter Richtung auch germanische (sugambrische) Angreifer auf ihrem Weg in das Innere Galliens. Fundierungshölzer der Trierer Moselbrücke ergeben dendrochronologisch Fälldaten im Winter 18/7 v. Chr.28 Die von Lyon nach Norden geführte Straße hatte damals die südliche Eifel erreicht. Zeitgleich entstanden ubische Siedlungen westlich des Rheins, um germanische Angreifer abzuwehren: ut arcerent, wie es später Tacitus (Germ. 28.4) ausdrücken sollte. Die Umsiedlung der Ubier war also kein römisches beneficium, sondern ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, zu einem Zeitpunkt, der in die römische Planung passte, aber für die Ubier zu spät kam: ihre oppida waren damals bereits verloren.
2 Der linksrheinische Siedlungsraum der Ubier und die Sugambrer 2.1 Besiedlungsverhältnisse im Kölner Raum während des Gallischen Kriegs und in der Folgezeit Bei ihrer Ankunft im Kölner Raum können die Ubier dort keinen annähernd intakten politischen Verband angetroffen haben. Dieser wäre erwartungsgemäß integriert worden, mit Impulsen zum Umbau politischer Strukturen, vielleicht sogar zu einer neuen Benennung. Nach den archäologischen und archäobotanischen Befunden gelangten die Ubier aber geradezu in siedlungsleere Wald- und Heidegebiete.29 Das überrascht, denn die Jülicher und die Euskirchener Lößbörden in den westlichen und südlichen Teilen des linksrheinischen Ubierlands sind sehr fruchtbar. Wenn sie damals gleichwohl brach lagen, muss dies gravierende Gründe gehabt haben. Schon zur Zeit des Gallischen Kriegs erwähnt Caesar, der auf dem Weg zum Rhein mehrfach das fragliche Gebiet passierte, keinen dort ansässigen Verband. Und als er im Jahr 53 das Land der Eburonen ebenso systematisch wie erfolglos durchkämmte, 28 Cüppers 1990. Zusammenfassend Eck 2004, 46 - 62, vgl. Heinrichs 2006/1, 358 f.; 2003, 336 f. (Anhang 2: Umsiedlung ubischer Gruppen 19 v. Chr. und Aufsiedlung des Kölner Raums). 29 Zusammenfassend Heinrichs 2013, 60 - 69.
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sandte er keine Legionen von dem zentral gelegenen Atuatuca (Eburonum: unweit westlich von Tongeren) nach Osten (Gall. 6.33): Er wusste, dass es dort niemanden zu töten oder fangen und nichts zu verwüsten gab.30 Geht man von den Angaben aus, die Caesar in anderen Kontexten zur Lage des Eburonenlands macht, bestätigt sich dies: Es kann nicht weit über die Maas nach Osten hinausgereicht haben, wenn man im Süden von einem Teil der Ardennen absieht. Auch die Kartierung von Fundorten eburonischer Goldstatere belegt dies: Östlich der Maas im Raum Maastricht brechen die westlich davon sehr dichten Funde ab.31 Daran scheitern Versuche, die Siedlungsleere im Kölner Raum auf Caesars Vernichtung der Eburonen zurückuführen. Sie muss anders erklärt werden,32 denn der Kölner Raum war schwerlich herrenlos. Wer ihn kontrollierte, hatte offenbar ein Interesse an Siedlungsleere. Verbreitung eburonischer Goldstatere Scheers 31 I und II (Roymans 2004, 35, fig. 4.3)
Scheers 31 I a: geprägt ca. 54 v. Chr. im ursprünglichen Siedlungsraum (Karte: südliche Ellipse); Untertyp I b: Roymans, Dijkman 2012, 176, fig. 5
Scheers 31 II: geprägt nach 50 v. Chr. (meist) im Raum nördl. s‘ Hertogenbosch (Karte: nördlicher Kreis)
30 Heinrichs 2013, 55 ff.; hier, Karten 2 und 3. 31 Aktuelle Kartierng bei Roymans, Dijkman 2012, 177, fig. 6. Der dort und in früheren Karten eingezeichnete FO 25 (Inden) sollte beim gegenwärtigen Kenntnisstand unbeachtet bleiben: Eine dort gefundene keltische Goldmünze ist nicht sicher verifizierbar, da die Münze bei der kürzlich (2008) vorgenommenen Materialaufnahme für FMRD VI 2/1, S. 387 - 404 (Komplexe 2208 - 2216, bearb. v. B. Päffgen) offenbar weder vorlag noch in Grabungsbericht oder Fundakten nachvollziehbar war, sonst wäre sie sicherlich aufgenommen worden. Immerhin soll nach mündlicher Aussage des Ausgräbers während der Ausgrabungen eine keltische Goldmünze in einer merowingerzeitlichen Bestattung angetroffen worden sein (im Mund eines Skeletts: vielleicht handelte es sich um einen merowingischen Tremissis?). Jedenfalls gehört die Goldmünze in einen anderen historischen Kontext und hat mit den Strukturen um die Mitte des 1. Jhs v. Chr. nichts zu tun. Ein weiterer eburonischer Stater der Klasse II, angeblich von einer “römischen Fundstätte” wenig nördlich von Düren, ist ebenso wenig gesichert, s.u. A. 43: oberflächlich treten solche Fundstätten regelhaft durch tegulae hervor, die zu dieser Zeit ‘Findern’ als Anhalt dienten. Tegulae aber fanden im fraglichen Raum erst ab spätneronischer Zeit Verwendung. Natürlich könnte es eine vorrömische Vorgängerstruktur geben, doch sind solche im fraglichen Raum nicht bekannt. So bietet sich derzeit die Alternative eines vereinzelten, erst relativ spät an seinen Fundort gelangten Altstücks oder einer fingierten Finderangabe zur Steigerung des Preises bei heimatkundlich interessierten Sammlern. 32 Heinrichs 2013, 60 ff.
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Karte 3: Verbreitung eburonischer Goldstatere Scheers 31 I und II (Roymans 2004, 35, fig. 4.3). Keine sicheren Fundorte gibt es im Kölner Raum westlich der Maas bis zum Rhein; der dort von Roymans eingezeichnete FO 33 ‚Inden‘ ist fragwürdig und daher hier getilgt, vgl. A. 31, ferner A. 42, zu einem angeblichen FO bei Düren. Aktualisierte, um zahlreiche neue FO westlich der Maas erweiterte Kartierung, welche die frühere bestätigt - soweit man auch dort Inden (FO 25) eliminiert - bei Roymans, Dijkman 2012, 177, fig. 6, vgl. bereits Creemers, Scheers 2007, 174, fig. 126.
2.2 Interessen der Sugambrer am Kölner Raum: Waldweiden und Wegekorridor nach Westen als natürliche Fortsetzung des Hellwegkorridors Warum dies so gewesen sein könnte, ergibt sich aus Caesars Ödland-Theorie, die auf die Germanen generell zielt (Gall. 6.23.1 f.): (Germanischen) Verbänden gilt es als größtes Verdienst, wenn in möglichst weitem Umkreis um ihre Kerngebiete das Land verwüstet ist und brach liegt. Sie betrachten es als Ausweis militärischer Stärke, wenn ihre Nachbarn … weichen müssen und niemand es wagt, sich in ihrer Nähe neu niederzulassen.
Der Kölner Raum dürfte ein solcher Fall von Ödland sein. Durchsetzen konnten diesen Zustand nur die östlich des Rheins benachbarten Sugambrer. Ihr Siedlungs-
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kern lag damals zwischen Lippe und Wupper, zwischen dem Rhein und der Höhe von Oberaden. Ihr Einflussbereich erstreckte sich jedoch weit darüber hinaus: im Norden bis etwa auf Höhe von Nijmegen, im Süden bis zur Sieg, nach Osten auf unbekannte Distanz. Nur im Westen schließt Caesar vorgelagerte Gebiete der Sugambrer aus, doch ist kaum anzunehmen, dass ihre Ansprüche tatsächlich am Rhein endeten, wie dies Caesars Darstellung suggeriert.33 Ihr Interesse an dem Raum westlich des Rheins ergibt sich aus ihrem Vorgehen im Jahr 53 v. Chr. (Gall. 6.35 ff.): Caesar zufolge hätten auch die Sugambrer von der römischen Vergeltung an den Eburonen profitieren wollen. Mit nicht weniger als 2000 Reitern hätten sie den Rhein überschritten und sich zum nächstgelegenen Teil des eburonischen Gebiets begeben, um sich an den Plünderungen zu beteiligen. Nachdem sie allerdings durch einen Gefangenen von der Nähe des römischen Lagers erfahren hätten, seien sie weiter als ursprünglich geplant vorgerückt. Aus reiner Beutegier hätten sie das römische Lager überraschend angegriffen und um ein Haar genommen - so weit Caesars Bericht.34 Er enthält Auffälligkeiten. Die Sugambrer und ihre neuen Verbündeten, Usipeten und Tenkterer, überschreiten den Rhein mit gleich 2000 Reitern. Wer über eine solche Streitmacht verfügt, bedarf nicht erst der römischen Einladung, er kann sich jederzeit holen, was er möchte. Dazu bedarf es allerdings eher Fußtruppen und Transportkapazitäten. Reiter sind nötig, um große Distanzen rasch zurückzulegen und überraschend anzugreifen. Die Reiter finden den Weg nach Westen rasch - über eine Distanz von reichlich 90 km, die auf direkter Linie Köln und Maastricht trennt - erst dort begann der eburonische Bereich. Für das letzte Stück zum römischen Lager in nur drei Stunden Entfernung bedurfte es dann keiner einheimischen Anregung - die einzig den Zweck verfolgt, Caesar zu entschuldigen: Eine solche Verkettung unglücklicher Zufälle konnte er schließlich nicht voraussehen, musste sich also nicht - zum wiederholten Mal - mangelnde Voraussicht vorwerfen lassen. Tatsächlich hatte er den Angriff der Eburonen und ihrer germanischen Södner im Jahr 54 und den Angriff der Sugambrer, Usipeter und Tenkterer im Folgejahr 53 durch leichtsinnige Planung provoziert. Die Überraschung, die das Auftauchen der Germanen vor dem römischen Lager auslöst, spricht jedenfalls für einen zielgerichteten Vorstoß: Hätten die Sugambrer unterwegs
33 Caesars Forderung nach Auslieferung der Usipeten und Tenkterer weisen die Sugambrer brüsk ab (Gall. 4.16.4): „Die Herrschaft des römischen Volks ende am Rhein. Wenn er (Caesar) es für unbillig erachte, dass wider seinen Willen Germanen nach Gallien herüberkämen, warum fordere er dann, dass ihm irgendetwas an militärischer Befehlsgewalt oder politischem Einfluss jenseits des Rheins zustehe?“. Also der Rhein als Grenze zwischen römischem und sugambrischen Bereich? Das besagen die Worte der Sugambrer, aber es ist Caesar, der sie formuliert - vgl. bereits die Ariovist beigelegten Argumente Gall. 1.44.8 ff. 34 Im allgemeinen findet Caesars Darstellung Glauben, vgl. etwa Wolters 2001, 154 f. Gegenposition: Heinrichs 2008/1, 223 ff.
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Zeit für Plünderungen verwandt, so hätte Kunde davon zum römischen Lager dringen müssen und man hätte dort Vorkehrungen für einen eventuellen Angriff getroffen. Auf einen von Anfang an zielgerichteten Angriff weist denn auch das massive Aufgebot. Es kann nur dem römischen Lager gegolten haben, das den Troß mehrere Legionen unter einer starken Bedeckung beherbergte, nicht weit westlich von Tongeren.35 Der Stadort war bekannt, denn zum gleichen Platz hatten die Eburonen schon im Vorjahr angeworbene germanische Truppen bestellt, was sich bei den rechtsrheinischen Germanenverbänden herumgesprochen haben dürfte.36 Die Sugambrer, deren Reitern das westliche Vorfeld des Kölner Raums bekannt gewesen sein muss, kannten mithin Ziel und Weg. Caesars Truppen in Atuatuca entgingen nur knapp der Katastrophe, der potenziell zweiten an gleicher Stelle. Von den Eburonen und ihren germanischen Hilfstruppen waren dort eben erst 15 römische Kohorten aufgerieben, zwei Legionsadler erbeutet worden - sie fehlen bis heute. Eine erneute Niederlage hätte Caesar gezwungen, den Raum nördlich von Eifel und Ardennen aufzugeben. Dabei hätten die Sugambrer behauptet, was Caesar verschweigt - und aus ideologischen Gründen geradezu bestreiten muss: ihr Vorfeld westlich des Rheins, also in einem Raum, der als Bestandteil Galliens von Rom als neuer Vormacht aller Gallier beansprucht wurde.37 Kontrolle über den Kölner Raum strebten die Sugambrer aus zwei Gründen an: Generell waren die Germanen zwar auch Ackerbauern, jedenfalls für den Eigenbedarf. In erster Linie aber waren sie Viehzüchter, wie denn Vieh über den Bedarf hinaus ihren eigentlichen Reichtum darstellte. Daher brauchten gerade die reichen Eliten weite Gebiete an Wald- und Heideland, das einmal abgefressen einige Zeit benötigte, um sich zu regenerieren. Also waren Reservegebiete erforderlich, die niemand ackerwirtschaftlich bebauen durfte, denn das hätte sie ja viehwirtschaftlicher Nutzung entzogen. Wenn die Sugambrer auch westlich ihres Siedlungskerns Reserveräume beanspruchten und diese, in Caesars Diktion, ‚veröden‘ ließen, so war dies eine wirt35 Atuatuca Eburonum, Ort der vernichtenden Niederlage der beiden römischen Legionen 54 v. Chr. und Standort des römischen Gesamtlagers im Folgejahr, lag vermutlich nahe bei Perniciacum (man beachte den Ortsnamen)/Braives, wenig westlich von Tongeren, im Korridor der späteren römischen Fernstraße. Zur Lokalisierung hier, Karte 1, Punkt 20, insgesamt Heinrichs 2008/1. 36 Es ist ungewiss und nicht einmal wahrscheinlich, dass sugambrische Gruppen dazugehört hatten, denn die Vermittlung germanischer Söldner war, wie Caesar suggeriert, durch Treverer erfolgt (Gall. 6.5.4). Dies spricht für den Raum südlich der Sugambrer. Caesars erster Rheinübergang hatte sich zwar gegen diese gerichtet, war aber vor dem Ambiorix-Aufstand erfolgt, mithin aus anderen Ursachen, die Caesar benennt (Gall. 4.16.1 f.). Auch zeigt Caesars Reaktion auf den eburonischen Aufstand, dass er die Sueben im Bereich der Ubier und sogar diese selbst der Unterstützung verdächtigte: Um das mindeste zu sagen, hatten sie Gruppen der Sueben (Chatten) nicht am Durchzug durch ihr Gebiet nach Westen gehindert. Auch der Münzhort Fraire II weist in diese Richtung: siehe Heinrichs 1999/1, 281 ff., zum Hort aktuell Scheers, Creemrs 2012. 37 Darin kannten sie sich offenbar gut aus. So wird man an die Stelle von Beute primär politische Ziele setzen müssen. Tatsächlich ging es um die Rückgewinnung der Kontrolle über den Kölner Raum: zuletzt Heinrichs 2013, 60 - 66.
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schaftliche Notwendigkeit. Seit der kürzlich erfolgten Anweisung von ‚Ödland‘ östlich des Rheins an Usipeten und Tenkterer muss die Zone westlich des Stroms sogar noch an Bedeutung gewonnen haben. Zu dem ökonomischen tritt ein geopolitisches Moment: Durch den Kölner Raum verlief ein natürlicher Wegekorridor nach Westen. Wer ihn kontrollierte, beherrschte den Weg vom Rhein nach Gallien. Er bildete die natürliche Fortsetzung des HellwegKorridors, der von Paderborn zum Rhein führte, durch den zentralen Teil des sugambrischen Kerngebiets. Um derart weite Strecken zu kontrollieren, waren Reiter erforderlich. Im Jahr 53 konnten die Sugambrer (samt Verbündeter) 2000 davon aufbieten - für einen rechtsrheinischen Verband ein ungewöhnlich starkes Aufgebot. Allerdings: nicht nur die Römer dachten strategisch. Indem sie proto-batavischen Chatten und den Ubiern Grenzregionen ihres nordgallischen Bereichs zuwiesen, versicherten sie sich deren militärischer Potentiale. Dasselbe taten die Sugambrer mit den Usipeten und Tenkterern, die über 800 Reiter verfügten. Aus der militärischen Stärke der Sugambrer ergaben sich in der Folgezeit wiederholt militärische Verwicklungen mit Rom, letztlich bis zur Umsiedlung der sugambrischen Kerngruppen in den Raum Xanten 8/7 v. Chr. Die Sugambrer avancierten zum in augusteischer Zeit problematischsten Germanenverband am Niederrhein.38
3 Bereich zwischen Rur und Maas: die Vorgeschichte der Sunuker Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Umsiedlung der Ubier in den Kölner Raum: Darin darf man eine konkrete Reaktion auf die Versuche der Sugambrer sehen, ihre linksrheinischen Ansprüche durch fortgesetzte Einfälle zu behaupten. Um diesen möglichst effektiv zu begegnen, siedelten die Ubier zwar auch rheinnah, doch nur an strategisch wichtigen Punkten: in Bonn unweit der Siegmündung; im Kölner Norden, bei Worringen und Blumenberg, gegenüber der Wuppermündung; und in Neuss, bei der Erftmündung. Diese Flüsse öffneten das Land von Osten hin zum Rhein oder vom Rhein aus nach Westen.39 Relevant ist ferner der Raum Brühl (wenig südlich von Köln), denn ab da gab es eine Route über das Vorgebirge hinweg nach SW. Diese wurde weiter westlich durch ubische Siedlungen bei Nörvenich und Zülpich gesperrt, jeweils an der Fernstraße Lyon-Trier-Neuss.40
38 Zeugnisse: Heinrichs 2001, 84 ff. und 2005/2, 127. 39 Instruktive Karte: Eck 2004, 20 f. 40 Karte 1, Punkte 7 und 8.
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Daraus ergibt sich, dass das römisch-ubische Defensivkonzept den Raum westlich des Rheins einbezog. Ließen sich hier sugambrische Reiterverbände stoppen, so wurde zum einen das neue ubische Siedlungsland verteidigt, zum anderen ein Vordringen der Germanen nach Westen und SW verhindert. Eine allzu tief reichende Defensive war allerdings nicht möglich, sie hätte die ubischen Kräfte zersplittert. So blieben hinter dem ubischen Bereich die westlichen Teile des ehemals ‚sugambrischen Ödlands‘ frei - und waren durch die rheinwärts siedelnden Ubier geschützt. Hiervon profitierten die späteren Sunuker. Über ihre Identität und Herkunft verlautet in den schriftlichen Quellen nichts, doch liegt aussagekräftiges archäologisches Material vor. Daraus herleitbare Ergebnisse können hier freilich nur knapp referiert werden.
3.1 Raum Lith-Kessel-Empel (nördl. s’Hertogenbosch) seit 55 v. Chr.: Menapier, Eburonen, Chatten Caesars Vertreibung der Eburonen 53 und 51 v. Chr. - die Wiederholung zeigt, dass der erste Schlag kein entscheidendes Ergebnis gebracht hatte - löste nördlich von Eifel und Ardennen neue Dynamik aus. In der Einsicht, dass sie immer wieder mit Schlägen der Römer zu rechnen hatten, wichen größere Eburonengruppen in Räume aus, die durch Funde eburonischer Statere ausgewiesen sind. Hierzu gehörte auch das nachmalige Batavergebiet im Norden. Es bot sich umso mehr an, als es Ende der 50er Jahre weitgehend siedlungsleer gewesen sein dürfte, seitdem Caesar im Herbst 55 Usipeten und Tenkterer von dort abgedrängt hatte. Das damals frei werdende Land hat der proconsul sicherlich nicht den Menapiern zurückgegeben, die sich feindlich verhielten, sondern sozusagen als ‚speererworben‘ betrachtet, als ager publicus. Bevor hier die proto-batavischen Chatten angesiedelt wurden, lag das Land weitgehend öde. Nach aller Erwartung dürften einige Kleingruppen der Menapier zurückgekehrt sein, zu wenig, um politische Kontinuität zu bewirken. Hinzu kamen eburonische Auswanderer. In der Folgezeit setzten sie hier die Prägung ihrer Goldstatere fort, die zunehmend degenerierten, ein generelles Merkmal im gallischen Raum der Nachkriegszeit.41 Mit Ankunft der Chatten verschlechterte sich die Lage der bereits ansässigen Mischbevölkerung. Die Chatten kamen als römische foederati und übernahmen in römischen Diensten militärische Aufgaben. Im Gegenzug erhielten sie Land, das sie von den Leuten, die es bewirtschafteten, einfordern konnten. Diese gerieten zwangsläufig in Abhängigkeit, Teile von ihnen mussten sicherlich abwandern, weil die geringen Bodenerträge nicht für alle ausreichten.
41 Scheers 1977, 109 ff.
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Karte 4: Fluchträume der Eburonen seit 53 v. Chr. (Heinrichs 2008/1, 230 - vgl. 207 ff. - und 2013, 57)
3.2 Abwanderung von Bevölkerung infolge der Ansiedlung protobatavischer Chattengruppen Eine probate Möglichkeit ergab sich seit der Stabilisierung der Verhältnisse im Raum westlich der neu angesiedelten Ubier, in der Nordeifel und im nördlich vorgelagerten Flachland zwischen Rur und Maas. Der Weg aus dem neuen Bataverland in die fraglichen Gebiete westlich der Ubier führte quer durch das Sumpfgebiet des Kempener Landes, dann ruraufwärts bis in den Bereich der Nordeifel. Getragen wurde die Zuwanderung nicht von einem geschlossenen politischen Verband, sondern von Kleingruppen. Sie vollzogen im Schutz der Ubier prozesshaft eben das, was für die ubische Landnahme ausgeschlossen werden muss: eine allmähliche Landnahme.42 42 In FMRD VI 2.1, 270 (2138) zitiert H. Komnick aus den Akten des Bonner Münzkabinetts (postal. Mitt. v. 10.8.1999): “In einschl. Kreisen war lange Zt. ein gefütterter Eburonen-Stater verkäuflich, Typ Scheers 31 […] Röm. Fundst. paar Kilom. nördlich Düren. Gewicht: Etwas über 4 Gramm, ebenf. leicht schüsself.” Im Anschluß bringt er seine Zweifel an der Fundprovenienz zum Ausdruck, mit Recht, denn die Verbreitung des Typs (hier Karte 2) scheint einen derart weit östlich gelegenen Fundort auszuschließen. Die Angabe ist dennoch nicht prinzipiell auszuschließen, wenn man bedenkt, dass es sich um ein subaerates, leichtes Exemplar handeln soll. Entsprechende Stücke sind innerhalb des
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Karte 5: Verbreitung (ubisch-chattischer) Fibeln Almgren 18 (Völling 18A: Untertyp Dünsberg) Zu erwarten sind entsprechende Fibeln für Nörvenich, vgl. A. 47: hier lag ein früher ubischer vicus. Zur Lage von Nörvenich vgl. Karte 1. Zum Lippe-Mündungsgebiet vgl. generell Reichmann 2007.
Die Römer können nicht sonderlich beunruhigt gewesen sein, denn die Zuwanderer stellten anders als Usipeter und Tenkterer (zuvor die von Ariovist organisierten Germanengruppen im Raum Strasbourg und dann auch die Ubier) keine militärisch relevanten Faktoren in unmittelbarer Nähe der Rheingrenze dar, trugen vielmehr dazu bei, das Land wirtschaftlich zu erschließen und Einkommen zu erwerben, wovon sie an Rom Tribut bezahlen konnten. Dies zu regeln, brauchte Rom Ansprechpartner, daher muss es an der Herausbildung politischer Strukturen unter den Zugewanderten jüngeren, in der Folgezeit des Gallischen Kriegs ausgeprägten Untertyps nicht selten, vgl. Roymans, Derks 1994, 114 ff. (unter den 22 Ex. von Empel dürften sich neben zwei erkannten weitere unerkannte Statere in ‘Bronze’ befinden, d.h. subaerate Münzen). Demnach wäre die Münze nicht etwa im ursprünglichen Siedlungsgebiet der Eburonen geprägt, sondern wahrscheinlich im ‘Fluchtraum 1’, bei Lith/Kessel (Karte 3). Von dort könnte die Münze mit abwandernder Bevölkerung in den Dürener Umkreis gelangt sein, wie auch Schüsselfibeln und vielleicht Regenbogenschüsselchen (jenes aus Elektron, hier Taf. 1, Nr. 11 und mehrere Ex. mit Beizeichen Kringel re. oder li. der obersten Kugel der Pyramide: Roymans m/q), die bei Mariaweiler angetroffen wurden. Auf diesen Fundort könnte die vage Provenienzangabe des Finders zutreffen, denn das vicus-Areal liegt tatsächlich wenige km nördlich des Dürener Zentrums. In diesem Fall, der allerdings nicht beweisbar ist, wäre der ‘eburonische’ Stater nicht etwa ein Indiz für Kontakte zum eigentlich eburonischen Raum oder gar für eine Zugehörigkeit der Dürener Gegend, vielmehr für Zuwanderung dorthin aus dem Raum nördlich von s’ Hertogenbosch. Man muss allerdings damit rechnen, dass der FO fingiert wurde. Vgl. ferner oben A. 31.
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ein Interesse gehabt haben. So wurden aus den zugewanderten und weiter zuwandernden Gruppen, auch aus dem eigentlich gallischen Raum, die Sunuker.43 Ihre führenden Leute mussten für Roms Vertreter bequem ansprechbar sein, möglichst insgesamt und nahe beim Legatensitz Köln. Gemäß dem augusteischen Modell, das am Niederrhein mit römisch vorgegebenen und geförderten Vororten seit 7 v. Chr. mit Unterstützung der östlich des Rheins entbehrlich gewordenen Truppen durchgesetzt wurde, erhielten auch die Sunuker einen politischen Mittelpunkt. Gemäß der angesprochenen Bedürfnisse Roms kann er nicht in Aachen gelegen haben: dieser vicus lag ausgesprochen verkehrsfeindlich und in zu großer Entfernung zur römischen Rheinzone. Sicherlich verwandte Rom erhebliche Anstrengungen darauf, den Aachener vicus rasch und aufwändig zu errichten, als Kurort für Angehörige seiner Legionen (und Auxilien) im niedergermanischen Raum. Neue Ergebnisse der Aachener Stadtarchäologie haben dies in sehr beeindruckender Weise aufgezeigt.44 Aber als Vorort der Sunuker kam Aachen von vornherein nicht in Frage. Es bedurfte eines Ortes, der verkehrsgünstig weiter östlich, näher an der römisch dominierten Rheinzone lag und an diese gut angebunden war. Ein idealer Platz liegt auf dem westlichen, sunukischen Rurufer, bei Düren-Mariaweiler.45
3.3 Fundmaterial aus dem augusteischen vicus bei Düren-Mariaweiler (Marcodurum): ein Modell zur Genese der Sunuker Objekte, die auf die neu Zugewanderten weisen, wurden im Areal eines dort gelegenen, bereits augusteischen vicus gefunden, der etwa zeitgleich mit Waldgirmes, Aachen und Köln im 1. Jz. vor der Zeitwende einsetzt. Eine stratifizierte Grabung hat dort bisher nicht stattgefunden. Immerhin gab es Erdaufschlüsse während des zweiten Weltkriegs, die auf Hypokausten und Fundamente führten, in den 1950er Jahren wurden gemauerte Pfeilerfundamente aus zerschlagenen Weihesteinen aus dem Boden entfernt. Dabei konnte Karl-Victor Decker, ehemaliger Obercustos am Mittelrheinischen Landesmuseum Mainz, über mehrere Meter hin Grundmauern verfolgen und einen Raum mit einer Apsis feststellen.
43 Weisgerber 1968, 417 ff. 44 Zuletzt Keller 2004; Schaub 2011 und 2013. 45 Karte 1, Punkte 11. Ob dies mit Rom abgestimmt war oder gar auf römische Initiative hin geschehen ist, muss offen bleiben. Die Karte 11 des Barrington-Atlas ist in ihrem nordöstlichen Viertel stark lückenhaft und weist so gravierende Fehler auf, dass sie nur mit großer Vorsicht benutzt werden kann.
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Fragmente aus Mariaweiler
Karte 6: Verbreitung von Schüsselfibeln Lith-Kessel (Heinrichs 2006, 90)
Oberflächenfunde kamen seit dem Beginn der Tiefpflügphase in großem Umfang hinzu, darunter weit mehr als die derzeit dokumentierten 960 Münzen und 62 Fibeln.46 46 Dem Vernehmen nach gibt es in privaten Sammlungen weiteres Material von erheblichem Umfang; Teile davon wurden veräußert. Nach Umfang und Art vergleichbares Material wurde schon früh - bereits 1907 von Schoop erwähnt, vgl. FMRD VI 2, 185 - in großem Umfang von mehreren Plätzen bei Nörvenich aufgelesen, darunter sicherlich auch Fibeln. Einige davon dürften auf den Typ Almgren 18 A (Völling) in der Variante Dünsberg entfallen sein, doch nichts davon ist dokumentiert oder gar erhalten, vgl. die Fundleere an entsprechenden Fibeln im linksrheinischen Ubiergebiet (hier Karte 5). Wie die von Anfang an stärker beachteten Münzen sollten aber nach aller Erwartung auch Fibeln von der umgesiedelten Bevölkerung mitgebracht worden sein. Da sie trachtspezifisch und noch vorrömisch waren, spielten sie im Handel mit benachbarten Gruppen offenbar keine Rolle; im Fundgut etwa des Nörvenich regional benachbarten Mariaweiler vicus hat sich nicht ein einziges solches Stück erhalten (der Jülicher vicus setzt für typologisch vorrömische Fibeln etwas zu spät ein, die Lage des frühen Zülpicher vicus ist nicht bekannt). Vergleichbares gilt auch für die vorrömischen Münzen aus dem Nörvenicher Umkreis, wenngleich diese Fundgattung infolge ihrer auffälligen Form (Regenbogenschüsselchen) weit besser bezeugt ist. Ein nach Typen und Umfang dem Mariaweiler vicus (und Waldgirmes) vergleichbares Spektrum ergibt sich für den wichtigsten der Nörvenicher Fundplätze, eine agrarwirtschaftlich genutzte Fläche zwischen Alt-Oberbolheim und Nörvenich, im Kern gelegen zwischen Neffelbach und heutiger B 477, die im fraglichen Abschnitt etwa der römischen Fernstraße Lyon-Trier-Neuss (dann -Köln) entspricht. Das Areal liegt ca. 24 km südwestlich des Kölner Zentrums,
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Unter den zahlreichen weiteren Funden gibt es Faltenfragmente einer lebensgroßen vergoldeten Bronzestatue. Von besonderem Interesse sind die typologisch noch vorrömischen Fibeln, denn sie weisen auf eine spezifische Tracht der ersten Bewohner - oder der im Umland siedelnden Bevölkerung. Die Reihe beginnt mit fünf Schüsselfibeln.47 Davon gehören drei einer Untergruppe an, die primär im Raum nördlich von s‘ Hertogenbosch auftritt; nach außerhalb sind nur wenige Exemplare gelangt. Von den beiden anderen Untertypen begegnet der eine primär im friesischen Bereich (Untertyp Bozum; etliche Exemplare wurden noch in Bentumersiel angetroffen), der andere (Heerlen) einmal mehr im Siedlungskern der Bataver, dann von der Maas ruraufwärts. Damit tritt die Herkunft jedenfalls einer bedeutenden Teilgruppe der frühesten Siedler hervor, die zunächst wohl verstreut auf Gehöften wohnten, dann aber, kaum ohne römische Initiative, einen zentralen Ort gründeten. Ihre Zuwanderung dürfte also der Ortsgründung im 1. Jz. v. Chr. um ein weniges voraufgehen. Betrachtet man die Ansiedlung der Ubier 19 v. Chr. als Voraussetzung, so ergibt sich für diese Vorphase etwa ein Jahrzehnt. Dieser vicus, in dem wir wahrscheinlich den von Tacitus zum Herbst 69 n. Chr. erwähnten vicus Marcodurum sehen dürfen (hist. 4.28.2),48 war vermutlich der Vorort der Sunuker. Die dort gemachten Funde beleuchten nun diesen neuen Verband, an dem über ihre Fibeln nachweisbar Menapier und Friesen beteiligt waren, nicht aber Chatten, die einen anderen Fibeltyp mitbrachten. Auch ehemalige Eburonen, für die allerdings kein spezifischer Fibeltyp bekannt ist, könnten sehr wohl vertreten gewesen sein. So gelangten einige von ihnen denn endlich doch noch in den Raum, der ihnen in der Bonner Forschung immer wieder zugewiesen wird. Aber als Eburonen werden sie sich damals kaum mehr verstanden haben. Dürfen wir angesichts dessen von Genozid sprechen?
ca. 12 km nördlich vom heutigen Zülpich. Seit den 1960er Jahren ist es von privaten Suchaktivitäten betroffen. Die Funde verblieben teils in private Sammlungen, teils gelangten sie in den Handel, teils konnten sie für das Bonner Münzkabinett von dessen ehemaligem Leiter Volker Zedelius erworben werden (Zedelius 1989). Eine archäologische Bestandsaufnahme oder Gesamtprospektion fehlt. Die derzeit erreichbaren Münzen sind aufgelistet in FMRD VI 2.1, 185 - 243, darunter der von Zedelius erworbene Komplex (FMRD 192 ff., Holger Komnick). Unpublizierte Neufunde des Geschichtsvereins der Gemeinde Nörvenich liegen dem Bonner Münzkabinett vor, darunter mindestens ein Ex. des wichtigen (epigraphen) “Nörvenich-Typus” (Zedelius 1989) ubischer Kleinerze (unpubliziert). 47 Heinrichs 2006/3, 78 ff. 48 Heinrichs 2006/4 (bisher noch nicht erschienen).
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Fragment aus Mariaweiler
Typ Bozum-Bentumersiel (Fragment aus Mariaweiler)
Karte 7: Verbreitung von Schüsselfibeln Heerlen (Heinrichs 2006, 90)
4 Caesar und die Eburonen: ein antikes Genozid? Die Frage nach der Verwendbarkeit des Begriffs ist eingangs dieser Arbeit gestellt und gleich in eine Fußnote verbannt worden (A. 3), bewußt: Der Begriff ‚Genozid‘49 49 Galsterer 1990, 117: “Die Kölner Bucht taucht mit einem Genozid aus dem Dunkel der Vorgeschichte auf, als nämlich Caesar die zwischen Maas und Rhein sitzenden Eburonen wegen eines Überfalls auf das Legionslager Atuatuca weitgehend ausrotten ließ.” Im selben Sinn argumentiert Joachim 1999/2000, 157 ff. und 2007, 54. Beide sprechen ausdrücklich von Genozid, andere umschreiben den Begriff, vgl. u. vielen a. Gechter 1991, 431 und Knörzer 1999, 42. Mit der nötigen Vorsicht formulieren Roymans, Dijkman 2012, 186: “…the Eburones were struck by merciless Roman punitive campaigns in 53 and 51, which amounted in fact to an attempt at genocide.” Dies kann man so sehen, doch scheint mir selbst dabei zu wenig unterschieden zwischen Caesars Absichten - in der Darstellung, nicht im tatsächlichen Handeln - und der historischen Realität; recht eigentlich ging es dem proconsul um Ambiorix und andere führende Eburonen, die hinreichend Autorität besaßen (und durch den Erfolg
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ist modern, zudem juristisch definiert. Ihn auf antike Ereignisse zu beziehen, deren Überlieferung tendenziös und lückenhaft ist, verbietet sich; dies unkommentiert und ohne jegliches Problembewußtsein zu tun, entspricht nicht den Mindestanforderungen an Historiker. Das Problem besteht aber nicht nur auf terminologischer Ebene - es bringt keine Verbesserung, den inkriminierten Begriff zu ersetzen durch ‚Völkermord‘ oder gar ‚Ausrottung‘ (s.o.). Dies verdeutlicht das wohl prominenteste Beispiel der Eburonen: Als die caesarischen Legionen im Sommer 53 v. Chr. gegen ihr Land anrückten - mit hinreichender Vorwarnzeit, denn sie kamen vom Rhein her (Gall. 6.29 ff.)50 - fanden sie ein weitgehend entvölkertes Gebiet vor. Die Menschen hatten sich geflüchtet in Regionen, die für schwer gerüstete römische Truppen unzugänglich waren: in die Bergwälder der Ardennen, in die ausgedehnte Sumpfzone des Kempener Landes, auf die Inseln der Mündungssysteme von Rhein/Maas (Gall. 6.31.2 f., vgl. Karte 3). Die Eburonen verfügten nicht einmal über befestigte oppida und praesidia, in die sie sich bei Gefahr hätten zurückziehen können,51 wie dies einige Jahre zuvor die Atuatuker (vergeblich) versucht hatten (Gall. 2.29 ff.). Die Eburonen hatten im Vorjahr gegen real schwache römische Truppen - eine Rekrutenlegion und Teile einer zweiten, die wohl primär zu Ausbildungszwecken zugeordnet war - einen spektakulären Sieg errungen, nicht ohne römische Fehlentscheidungen und mit Hilfe germanischer Truppen aus dem rechtsrheinischen Raum. Aber der vergleichsweise kleine Verband hatte gegen Caesars Kernheer keinerlei Chance. Ambiorix warnte (Gall. 6.31.1 f.), die Menschen flohen, vorübergehend. Caesar lief ins Leere, zwei Jahre später musste er sein Strafgericht wiederholen. Er lernte: Konnte er der Menschen nicht habhaft werden, so traf er sie, indem er er ihre wirtschaftlichen Grundlagen zerstörte - und damit die Autorität der verantwortlichen eburonischen Politiker untergrub:
von Atuatuca noch gesteigert hatten), um künftig Widerstand zu organisieren. Dieser Personenkreis war gefährlich und durfte deshalb nicht mit Schonung rechnen. Aber warum hätte Caesar darüber hinaus das Land gänzlich entvölkern sollen? Immerhin, der Anspruch auf ein solches Vorhaben wurde Caesar durch die öffentliche Meinung Roms vorgegeben, zumal er sich mit seinen commentarii als idealer Heerführer empfehlen wollte. Dazu gehörte unverzichtbar - wie es dann in seiner klassischen Form Vergil formulieren sollte - das debellare superbos (Aen. 6.853). Nach Caesars Stilisierung war der eburonische Angriff auf Atuatuca eine Mischung gewesen aus Treulosigkeit, Hinterhältigkeit und Überschätzung der eigenen Möglichkeiten, in einem Wort: superbia. Caesars Rolle war damit vorgegeben, und er spielt sie in den commentarii. Wie weit er sie in reales Handeln umsetzte, ließ sich in Rom nicht kontrollieren. Realpolitisch durfte er sich damit trösten, dass er zwar die Schuldigen des Jahres 54 nicht angemessen bestrafen konnte, dennoch aber ihre Autorität zerstört hatte: Künftig würden die Eburonen diesen Leuten nicht mehr folgen, da sie die Konsequenzen erfahren hatten. Aus Schaden wird man klug: die Eburonen würden ruhig bleiben. 50 Heinrichs 2008/1, 220 ff. (mit Anhang 2). 51 Caes. Gall. 6.34.1, vgl. Heinrichs 2009/1, 292 f.
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… quem (scil. Ambiorigem) perterritum ac fugientem cum redigi posse in suam potestatem desperasset, proximum suae dignitatis esse ducebat adeo fines eius vastare civibus aedificiis pecore, ut odio suorum Ambiorix, si quos fortuna reliquos fecisset, nullum reditum propter tantas calamitates haberet in civitatem. (Hirt. Gall. 8. 24.4). Da Caesar die Hoffnung aufgegeben hatte, den in Angst und Schrecken auf der Flucht befindlichen Ambiorix in seine Gewalt bringen zu können, hielt er es für das nächstbeste für seine Würde als Feldherr, das Gebiet (des Ambiorix) was Bewohner, Gebäude und Vieh anbetrifft so sehr zu verwüsten, daß Ambiorix durch den Hass der Seinen, wenn von ihnen das Schicksal einige übriggelasen hätte, keine Rückkehrmöglichkeit haben würde wegen des so außerordentlich großen Unglücks, das seinen Verband getroffen hatte.
Auch die Eburonen lernten: Die konkret Gefährdeten - und diejenigen, die es sich leisten konnten - verließen mit ihren Familien und Angehörigen ein Land, in dem ihnen Vergleichbares immer wieder drohte (vgl. Karte 3). Wer sich allerdings im Jahr 54 nicht besonders exponiert hatte und nach den römischen Verwüstungen zurückkehrte, blieb künftig unbehelligt. Nach der offiziellen Sprachregelung waren die Eburonen vernichtet, die römischen Legionen gerächt, Caesars dignitas wiederhergestellt. Der römische proconsul hatte seine Ziele erreicht. Ungewollt und unerwartet hat er aber darüber hinaus einem historischen Irrtum Vorschub geleistet, indem seine commentarii „eine sehr populäre und von der rheinischen Forschung wiederholt vorgetragene Theorie“ (Thomas Fischer) begründeten.52 Demnach wurden die Eburonen physisch vernichtet, worauf sich im Westteil ihres Gebiets (tatsächlich handelt es sich hier um das eburonische Gebiet insgesamt) die Tungrer als Neuankömmlinge etablierten und sich in augusteischer Zeit auch politisch konstituierten,53 im rheinwärts gelegenen Ostteil aber Sunuker und Ubier. Die neue Ordnung erhob sich gewissermaßen auf den Gräbern der Eburonen - und Caesar wurde zum Völkermörder. Das Urteil ist falsch - und ungeachtet der vielfältigen Grausamkeiten und Verbrechen, die man dem proconsul für die Phase des Gallischen Kriegs anlasten muss, ungerecht. Auch die Eburonen haben zweifellos einen hohen Blutzoll bezahlt, aber ausgelöscht wurden sie ebenso wenig wie die Nervier, Atuatuker, Usipeten und Tenk-
52 Fischer, Trier 2014, 41, s.v. Eburonen. 53 Zum status quaestionis Raepsaet 2013.
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terer54 - die Liste lässt sich fortsetzen.55 Die Eburonen gingen in neuen Verbänden unter neuen Namen auf, wobei im Fall der Tungrer besondere Skepsis angebracht erscheint. Geradezu auszuschließen ist die „Theorie der rheinischen Forschung“ für das Gebiet zwischen Maas und Rhein im Raum Maastricht-Köln.56 Wie die immer dichtere Kartierung eburonischer Fundmünzen zeigt und Caesars verstreute Angaben bei gründlicher Lektüre seiner commentarii belegen,57 haben die Eburonen niemals substantiell östlich der Maas gesiedelt. Hier gibt es bisher keine archäologischen oder numismatischen Funde und Befunde, die klar auf sie hinweisen.58 54 Laut Caesar hatten sie vor ihrem Übergang nach Nordgallien non longe a mari quo Rhenus influit (Gall. 4.1.1) im Winter 56/5 v. Chr. auch das dem Rhein (Waal) nördlich vorgelagerte Land der Menapier besetzt (Gall. 4.4). Aus diesem Bereich wurden sie 55 v. Chr. von den Römern nicht verdrängt, wanderten aber wohl mehrheitlich aus freier Entscheidung in südlicher Richtung in Gebiete nördlich des sugambrischen Siedlungskerns ab, von wo aus sie ab 8/7 v. Chr. den von den Sugambrern geräumten Bereich übernahmen. Das weiter südlich gelegene Land - das ehemals ubische Siebengebirge und Striche südlich davon, in letzter Konsequenz bis zum Taunus - hatten sie wohl schon früher in Besitz genommen, vgl. Heinrichs 2006/2, in auffälliger Übereinstimmung mit Caesars Plänen (Gall. 4.8.3). Auch dieser Teil der caesarischen Neuregelung am Nieder- und Mittelrhein wurde dann realisiert durch Verschieben von Bevölkerung, also Wanderung, nicht Genozid (s.o., Anm. 3). Martialische Rhetorik, berechnet auf eine am Image des Pompeius orientierte Wirkung, sollte die römischen Zeitgenossen beeindrucken. Bis heute steht sie einem angemessenen Verständnis der realen Ereignisse entgegen. 55 S.o., A. 3. 56 Entsprechend vorsichtig drückt sich etwa Weissgerber 1968, 419 aus, deutlich skeptisch sogar Timpe 1975, 132 ff. Neuerdings wird ein Massaker im Raum zwischen Maastricht und Köln bestritten von Heinrichs 2008/1 passim und Fischer, Trier 2014, 41, vgl. bereits Eck 2004, 41 ff. Zurückhaltend interpretieren den Rückgang an Kulturpflanzen- Pollen seit Mitte des 1. Jhs v. Chr. im Raum Jülich Bunnik, Kalis u.a. 1995, 172, vgl. Scheers 1996, 32, die allerdings die wirtschaftlichen Potenziale des Kölner Raums unterschätzt. 57 Heinrichs 2008/1, 203 ff. m. Karte 1. 58 Joachim 1999/2000, 160 ff. Die dort angeführten Siedlungen waren befestigt und entsprechen schon deshalb nicht dem Bild, das Caesar von der Siedlungsweise der Eburonen überliefert - abgesehen davon, dass die Bevölkerung sich beim Anrücken der römischen Legionen in unwegsame Gebiete flüchtete; wer solche Rückzugsgebiete auf allen Flanken besaß, benötigte keine stark befestigten Siedlungen, allenfalls Fluchtburgen - eine davon dient Caesars Truppen 54 und 53 als Lager. Stark befestigte Siedlungen aber machen solche Fluchtburgen überflüssig. Darüber hinaus schließt der numismatische Befund in Niederzier Eburonen als Bewohner aus: Wie hätte eine solche Dorfgemeinschaft (oder ein reicher Einzelner) an einen größeren Komplex süddeutscher Regenbogenschüsselchen kommen sollen? Dagegen fehlen die aktuellen eburonischen Goldstatere aus den 50er Jahren des 1. Jhs v. Chr. gänzlich: Vgl. die Fundkarte eburonischer Statere der Klasse I (hier Karte 2), die auf Simone Scheers zurückgeht. Gestützt darauf hat die belgische Numismatikerin sehr plausibel dargelegt, dass Caesars missverständliche Angabe zum Zentrum des Eburonenlands: Eburones, quorum pars maxima est inter Mosam et Rhenum (Gall. 5.24.4) nicht auf den Raum zwischen Maastricht und Köln zielt, sondern aus Caesars damaliger Perspektive (im Raum Paris) auf den Bereich zwischen dem Maasabschnitt Namur-Lüttich im Süden und dem Rhein (Waal) im Norden, westlich von Lith-Kessel: dort mündete zu Caesars Zeit die Maas in den Rhein, der ab da als nördliches Pendant fungieren konnte (vgl. Karte 2). Da Caesar dort eben erst die Usipeten und Tenkterer über den Rhein zurückgedrängt hatte (Gall. 4.15.2: ad confluentem Mosae et Rheni), war er mit den geographischen Verhält-
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Die Fundleere zwischen Maas und Rhein (nicht erst) seit dem Gallischen Krieg lässt sich nicht mit der überholten Vorstellung eines caesarischen Genozids erklären. Man muss nach neuen Lösungen suchen. Ihre Richtung wird durch neue Funde - frühe Fibeln aus Düren-Mariaweiler - immerhin vorgegeben. Letztlich ist es einmal mehr Caesar selbst, der mit seinen Auskünften über die Sugambrer weiter hilft - in diesem Fall wider Willen. Jedenfalls gehörte der Raum zwischen Köln und (nahe)59 Maastricht niemals den Eburonen. Wer hier nach ihnen sucht, braucht auch künftig viel Geduld - und ein Publikum, wie es Caesar (mit Blick auf Pompeius) erhofft und Lukian verspottet hat.60
nissen im fraglichen Raum vertraut, während nach unseren, an heutigen Verhältnissen orientierten Vorstellungen die aktuell dem Waal südlich vorgelagerte Maas Probleme bereitet. Zu dieser Frage ausführlich Heinrichs 2001, 73 ff. (Anhang 3) und 2008/1, 205 ff. 59 Es ist unwahrscheinlich, dass die Maas als Grenze fungierte, zumal von festen, linearen Grenzen ohnehin nicht auszugehen ist. Erst die römische Administration hat solche eingeführt, schon weil davon die Zuständigkeit von Statthaltern und die Berechnung von Tribut abhing. Zuvor bestanden weit eher Grenzzonen (Heinrichs 2013, 22 f.), wobei größere, schiffbare Flüsse wie die Maas Verkehrsadern, nicht Trennlinien darstellten. Dass im fraglichen Abschnitt zu beiden Seiten des Flusses Gruppen siedelten, die sich als eburonisch verstanden - wenn dies in vorrömischer Zeit denn wirklich entscheidend war (Timpe 1978, 122 und 1998/2; vgl. Wenskus 1961, 299 ff.) -, ist eine nicht unplausible Erwartung. Weiter über die engere Uferzone hinaus nach Osten dürften diese Gruppen allerdings kaum gereicht haben. 60 Luk. hist. conscr. 19 f., zitiert in A. 3.
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Münztafeln Tafel 1: siehe Farbabbildungen auf Seite 417
Tafel 2: Lahnau-Waldgirmes: Quinare (Scheers 57 II, Nr. 1 - 5) und Regenbogenschüsselchen der Nordgruppe (Kellner IX C, Nr. 6 - 14, unmaßstäbl.; aus: Wigg-Wolf 2003, 222, Abb. 1). Vergleichsmaterial aus Düren-Mariaweiler auf S. 407 f.
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Johannes Heinrichs
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Wanderungen versus Genozid
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Norbert Hanel
Zwischen Agrippa und Drusus – Roms Intervention am Niederrhein in den Jahren 19 und 12 v. Chr. Historische Quellen und archäologische Zeugnisse In den beiden Jahrzehnten vor der Zeitenwende begann ein historischer Prozess, der für den Raum vom Rhein bis zur Elbe und die dort siedelnden Stämme von folgenschwerer Bedeutung war. Vorboten des Vordringens Roms in diese Regionen zeichneten sich bereits im Gallischen Krieg unter C. Iulius Caesar ab, als zum ersten Mal römische Truppen in die linksrheinischen Gebiete u. a. gegen Eburonen und Treverer sowie bei Strafexpeditionen über den Rhein vorstießen1. Im vorliegenden Beitrag soll die Frage behandelt werden, inwieweit sich bei unserem heutigen Kenntnisstand ein archäologischer Fundhorizont abzeichnet, der den Zeitraum zwischen der zweiten Statthalterschaft des Marcus Vipsanius Agrippa (20/19 v. Chr.) in der Gallia Comata und dem Beginn der Drusus-Feldzüge 12 v. Chr. abdeckt. M. Vipsanius Agrippa (*63 – †12 v. Chr.) übernahm als erfahrener Feldherr und Weggefährte des Augustus in den Jahren 39/38 v. Chr. seine erste Statthalterschaft in der Gallia Comata2. Umstritten ist in der Forschung, welche Maßnahmen Agrippa in dieser Amtszeit durchführte, die die Regionen am Rhein betrafen. Gesichert ist, dass Agrippa nach C. Iulius Caesar als zweiter Feldherr den Rhein überschritten hatte3. Der genaue Ort des Brückenschlags ist den Schriftquellen nicht zu entnehmen; archäologische Zeugnisse fehlen bislang. Die Vermutung von Ma. P. García-Bellido4, dass wegen der großen Zahl an Vienna-Münzen und Prägungen aus der Hispania citerior bereits während der ersten Statthalterschaft des Agrippa römische Truppen auf dem Kops Plateau von Nijmegen stationiert waren, bestätigt sich anhand des übrigen Fundmaterials nicht5. Da während der Statthalterschaft des Agrippa der Fokus der Aktivitäten weitgehend auf den inneren Angelegenheiten in Rom lag, wird von den * Für Hinweise und rege Diskussion danke ich besonders Wolfgang Ebel-Zepezauer (Bochum), Gabriele Rasbach und David Wigg (beide Frankfurt/Main). W. Ebel-Zepezauer stellte mir darüber hinaus freundlicherweise sein unpubliziertes Manuskript zu den Ausgrabungen im Militärlager Lünen-Beckinghausen zur Verfügung. Es versteht sich von selbst, dass die Genannten nicht in allen Punkten die Ansichten des Verfassers teilen. 1 Wolters 1990, 56–76; Reddé 2008. 2 Roddaz 1984, 66–80. 3 Cass. 48, 49, 2–3. 4 García-Bellido 2004, 123–125; García-Bellido 2007, 165–168; 5 van Enckevort 1997, 555 f.; Kemmers 2007, 185.
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meisten Forschern ansonsten eine eher zurückhaltende Tätigkeit Agrippas im Osten Galliens angenommen. Die in den Schriftquellen überlieferten, jedoch meist nicht genauer datierten Maßnahmen (Umsiedlung der Ubier auf die linke Rheinseite, Fernstraßenbau) werden deshalb mehrheitlich seiner zweiten Statthalterschaft, etwa 20 Jahre später, zugeschrieben6. Konkrete archäologische Zeugnisse für die Anwesenheit römischer Truppen im linksrheinischen Gebiet liegen zusätzlich zu den wenigen schriftlichen Nachrichten seit geraumer Zeit mit dem Militärlager auf dem Petrisberg bei Trier vor. Diese durch neue Ausgrabungen untersuchte, ungefähr 50 ha große Anlage wird mit einer Textstelle bei Cassius Dio in Verbindung gebracht7: Für die Jahre 30/29 v. Chr. erwähnt er einen Aufstand der Morini und Treverer gegen Rom, der Unterstützung durch Germanen (wohl Sueben) fand. Der Legat des Augustus M. Nonius Gallus und der Prokonsul der Gallia Comata C. Carrinas konnten diese Rebellion niedergeschlagen und die Sueben über den Rhein zurückwerfen. Eichenhölzer, die auf dem Petrisberg gefunden wurden und dendrochronologisch in das Frühjahr 30 v. Chr. datieren, stehen damit im Einklang. Soweit dies den Vorberichten zu entnehmen ist, unterstützt auch das archäologische Fundmaterial vom Trierer Petrisberg diese frühe Datierung8. Die zweite Statthalterschaft des M. Vipsanius Agrippa in der Gallia Comata fällt in die Jahre 20/19 v. Chr.9. In dieser Zeit soll er verschiedene Maßnahmen veranlasst haben, darunter die freiwillige Umsiedlung der Ubier auf das linke Rheinufer ebenso wie den Ausbau des innergallischen Straßennetzes, u. a. der Straße von Lugdunum an den Rhein10. Wie wichtig die Maßnahmen und Unternehmungen des M. Agrippa für die Präsenz Roms im Osten Galliens waren, zeigte sich bereits nach etwa drei Jahren, als sich auf der rechten Rheinseite die germanischen Stämme der Tencteri, Usipites und Sugambri unter ihrem König Maelo gegen den stärker werdenden römischen Einfluss erhoben. In einer ersten Phase wurden in ihren Stammesgebieten 20 Centurionen gekreuzigt, die möglicherweise Tribute eintreiben und Aushebungen durchführen sollten11; Falls die Zahlenangabe bei Florus richtig ist, würde dies den Verlust eines Drittels der Centurionenbelegschaft einer Legion bedeuten. 6 Timpe 1975, 129–131; Eck 2004, 47; Wiegels 2007, 50 f.; v. Schnurbein 2011, 75 f.; Lehmann 2011, 19 f. – Anders v. Petrikovits 1978, 53. 7 Cass. 51,20,5; 51, 21,5-6. 8 Bereits Loeschcke 1939, 111 f.; Schönberger 1985, 431 A 31. – Vgl. jetzt Löhr/Trunk 2008. 9 Roddaz 1984, 383–402; Kienast 2009, 356. 10 Strab. 4, 6, 11; zum Bau von Straßen an den Rhein unter der zweiten gallischen Statthalterschaft des Agrippa: v. Petrikovits 1978, 54; Kienast 2009, 356, 506; Eck 2004, 46–62; Rathmann 2003, 20–22; Rathmann 2004, 3 f.; Gechter 2007, 89; Heinrichs 2003, 336 f. – Zweifel, ob der Straßenbau auf die 1. oder 2. Statthalterschaft zurückgeht, z. B. bei Schönberger 1985, 324. – In diesem Zusammenhang ist die dendrochronologische Einordnung der hölzernen Moselbrücke bei Trier in die Jahre 18/17 v. Chr. von Bedeutung: Hollstein 1980, 135; Hollstein 1984, 180 f.; Reddé 2008, 21; Kienast 2009, 497 Anm. 181. 11 Cass. 54, 20, 4; Strab. 7, 1, 4; Flor. 2, 30, 24, Schol. Hor. carm. 4,2,36. – Timpe 1975, 136 f., Wolters 2004, 26; Wiegels 2008, 50. – Dagegen Eich 2009, 584 f., der Rekognoszierungen annimmt.
Zwischen Agrippa und Drusus – Roms Intervention
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Da die Offiziere nach D. Timpe wahrscheinlich nicht allein agierten, sondern von Legionären begleitet wurden, ist eventuell mit kleinen römischen Stützpunkten auf der rechten Rheinseite zu rechnen, von denen sich bislang keine Spuren erhalten haben12. Nach der Hinrichtung der Centurionen überschritten Sugambri, Tencteri und Usipites gemeinsam den Rhein, um in linksrheinischen Gebieten zu plündern. Hier trafen die Germanen auf M. Lollius und seine Truppen. M. Lollius († 2 n. Chr.) war legatus in der Gallia comata und Kommandeur einer legio V13. Zunächst kam es zu einem Gefecht mit der römischen Kavallerie, die aus dem Hinterhalt angegriffen und in die Flucht geschlagen wurde. Als sich M. Lollius mit seinen Truppen den Germanen entgegenstellte, wurde die legio V besiegt und ihr Adler erbeutet. Bei der zeitlichen Einordnung dieser Ereignisse geht die Forschung heute mehrheitlich vom Jahr 16 v. aus, auch wenn weiterhin das Jahr 17 v. Chr. diskutiert wird14. Laut den antiken Autoren war die Niederlage, die mit seinem Namen verbunden ist (clades Lolliana), weniger verlustreich als – wegen des Verlusts des Legionsadlers – schmachvoll15. Die Örtlichkeit des Kampfgeschehens ist noch nicht archäologisch nachgewiesen16; sie wird zwischen Rhein und Maas angenommen: Einige Forscher suchen sie am Niederrhein im Raum Neuss, andere in jüngster Zeit – ohne konkrete Anhaltspunkte – bei Tongeren17. Ferner ist in der Forschung umstritten, um welche 5. Legion es sich handelte, da in den Quellen der Legionsbeiname nicht genannt wird. Die Mehrheit der Wissenschaftler vermutet, dass die unter Caesar ausgehobene legio V Alaudae bereits nach dem Ende der Kantabrerkriege 19 v. Chr. und vor dem Jahr 17 v. Chr. zusammen mit weiteren Truppen in den Norden des Römischen Reichs transloziert wurde, wobei in der spanischen Forschung das Fehlen von Zeugnissen dieser Truppe in den Folgejahren mit deren Abzug nach Germanien begründet wird; allerdings fehlen bislang auch hier für drei Jahrzehnte entsprechende Hinweise18. Dagegen vertritt José Manuel Roldán Hervás die Meinung, dass die 5. Legion erst um 15 v. Chr. die Iberische Halbinsel verlassen hätte; damit käme sie für die Lollius-Niederlage nicht in Betracht. Letztlich muss m. E. offen bleiben, wie lange die legio V Alaudae auf der Iberischen 12 Timpe 1975, 136 f. 13 PIR2 L 311 (L. Petersen). 14 Timpe 1975, 140 Anm. 43; Christ 1977, 185 f.; Eck 2004, 63 f.; Wiegels 2008, 54; Lehmann 2011, 23. 15 bes. Vell. 2, 97, 1; Suet. Aug. 23,1; Cass. 54, 20, 4-6; Obseq. 71; Krinagoras, Anth. Pal. 9, 291; ferner Hor. Carm. 4, 2, 34-36, Prop. 4, 6, 77. 16 So auch Wiegels 2008, 68 Anm. 16: gallisches Provinzgebiet. 17 Zum Raum Neuss: Heinrichs 2002, 92; Kemmers 2008, 170. – Zu Tongeren: Moosbauer, 2009, 25; Rudnick 2010, 13. 18 Syme 1933, 19, Syme 1970, 104; Wells, 1972, 95 Anm. 1; Le Roux 1982, 73 Anm. 302 bis (vielleicht 17 v. Chr.), 74 Anm. 313 (unsicher); Keppie 1984, 159; Franke 2000, 40 f.; García-Bellido 2004, 152; 280; Morillo 2006, 87; Morillo 2011, 17 Anm. 9; Wiegels 2008, 50 f.; Eich 2009, 584. – Die Hispanischen Prägungen aus Emerita Augusta und Corduba in Süddeutschland („Germania superior / Raetia“) bringt García-Bellido 2007, 170 in Verbindung mit der legio V Alaudae, die dorthin um 19 v. Chr. verlegt sein soll; der Beweis hierfür steht m. E. allerdings aus.
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Halbinsel verblieb, bevor sie nach Germanien disloziert wurde19: Ihre Anwesenheit am Niederrhein ist in den Schriftquellen erstmals bei Tacitus im Zusammenhang mit der Meuterei der römischen Truppen im Jahr 14 n. Chr. belegt20. Auch die legio V Gallica wurde mit der clades Lolliana in Verbindung gebracht21; sichere Hinweise gibt es allerdings nicht. Insgesamt lässt sich den knappen römischen Schriftzeugnissen entnehmen, dass nichts für eine Vernichtung einer legio V spricht22; im Gegenteil, Suetonius (Suet. Aug. 23,1) bezeichnet sie: sed Lollianam maioris infamiae quam detrimenti. Ob die betroffene Legion die legio V Alaudae war, ist nicht sicher. Augustus brach kurze Zeit nach der Lollius-Niederlage nach Gallien auf und marschierte mit seinen Truppen in Eilmärschen gegen die Germanen, ohne dass es zu einer Schlacht kam23. Die Sugambrer und ihre Verbündeten zogen sich wieder in ihre Stammesgebiete zurück, schlossen Frieden und stellten Geiseln24. Ob es in diesem Zusammenhang zur Rückgabe des Legionsadlers kam, wird zwar gemeinhin wegen des Fortbestehens der legio V Alaudae postuliert, das ist aber in den Quellen nicht explizit erwähnt25. Augustus blieb mehrere Jahre bis 13 v. Chr. in Gallien, wobei in der Forschung kontrovers diskutiert wird, inwieweit dieser Aufenthalt und die vorausgegangene Niederlage des M. Lollius einen fundamentalen Wechsel in der augustischen Germanienpolitik impliziert. An dieser Stelle kann keine Gesamtbeurteilung der komplexen strategischen Lage gegeben werden, da sowohl innen- (familien- und finanzpolitisch) als auch außenpolitische Faktoren (Offensive, Imperialismus, weitere Kriegsschauplätze) eine Rolle spielten, die nicht nur Germanien am Niederrhein, sondern auch den Alpenraum, die nördliche Iberische Halbinsel und den Balkanraum betrafen: Auf diese Gemengelage, die – zumindest aus heutiger Sicht der Forschungen – keine eindeutigen Zielsetzungen und keine geradlinige Grenzpolitik des Augustus im Norden des Imperiums erkennen lässt, ist immer wieder verwiesen worden26. 19 So bereits Le Roux 1980, 74 Anm. 313 - Roldán Hervás 1997, 199. 20 Tac. ann. 1, 31,3; 45,1; Hanel 1995, 317. 21 Domaszewski, A. v. 1892, 189; Lehmann 2011, 24 Anm. 23. 22 Vgl. auch Wiegels 2008, 68 Anm. 18; Lehmann 2011, 23. – Anders z. B. Schönberger 1985, 324; Wolters 1990, 141, Wolters 2004, 26; Gechter 2003, 146; Gechter 2007, 89. 23 Vell. 2, 97, 1; Cass. 54, 20, 6; 21, 1. 24 Cass. 54, 20, 6. 25 Kraft 1978, 55; Christ 1977, 187; Wiegels 2007, 58 mit Hinweis auf R. Gest. divi Aug. 22; Wiegels 2008, 51. 26 Timpe 1975, 146 f.; Christ 1977, 149–151; 200–203 bereits ausführlich mit den methodischen Schwierigkeiten, die immer noch aktuell sind. – Zu den innenpolitischen Aspekten: Wiegels 2008, 53; Deininger 2000; Eck 2004, 64, jüngst Lehmann 2011, 31–36. – Zum Alpenvorland: Zanier 1999, 100–102; Nuber 2010, 59. – Zu den Kantabrerkriegen: Peralta Labrador 2003, García-Bellido 2004, 312; Morillo 2009, 239–243, Morillo 2011, 13–16. – Zu den Ereignissen in Illyricum: Šašel Kos 2011, 107–110. – Zum Gesichtspunkt der fiskalischen Ressourcenerschließung jüngst Eich 2009, bes. 581–590, sowie zum Aspekt der territorialen „Lückenschließung“ in den Randgebieten des Reichs: Eich 2009, 567; 571.
Zwischen Agrippa und Drusus – Roms Intervention
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Während auf der einen Seite ein fundamentaler Wechsel von einer tendenziell defensiven Grenzpolitik hin zu einer offensiven Phase mit der clades Lolliana und dem Beginn der Drusus-Feldzüge angenommen wird27, geht die konträre Forschungsmeinung davon aus, dass Augustus Pläne für die Eroberung Germaniens bereits Jahre vor der clades Lolliana gefasst hatte, die unter Drusus maior mit immer weiterausgreifenden Feldzügen östlich und nördlich des Rheins umgesetzt wurden28. In den letzten Jahren wurde der Versuch unternommen, den Beginn der römischen Okkupation am Niederrhein anhand der archäologischen Zeugnisse neu zu interpretieren. Einerseits hatte Jan Kees Haalebos einige frühe Befunde und Funde des Militärlagers von Nijmegen-Hunerberg publiziert29. Fleur Kemmers analysierte andererseits die Münzen und besonders den frühen Münzhorizont30. Die Auswertung dieses Münzhorizonts ergab, dass Prägungen der römischen Republik und der so genannten Übergangszeit vorherrschen; dabei handelt es sich um Divos Iulios, Copia- und Viennaprägungen. Es schließen sich die Münzen der frühesten Nemausus- (Serie 1) und Münzmeisterserien (Serie 2) mit wenigen Exemplaren an. Dagegen fehlen Münzen der Prägestätte Lugdunum sowie hispanische Bronzemünzen (z. B. aus Calagurris, Zaragoza, Celsa etc.)31. Vor allem die zuletzt genannten Prägungen werden mit Truppenbewegungen von der Iberischen Halbinsel an den Rhein und mit den Drusus-Feldzügen ab dem Jahr 12 v. Chr. in Verbindung gebracht; Truppen, die bis ungefähr 19 v. Chr. in die Kantabrerkriege des Augustus eingebunden waren, waren offensichtlich beim Bestehen des frühen Militärlagers auf dem Hunerberg von Nijmegen noch nicht stationiert32. F. Kemmers konnte überzeugend darlegen, dass das frühe Münzspektrum auf einen Zeithorizont vor den Drusus-Feldzügen weist, wobei sie die Lagergründung in die Zeit der zweiten Statthalterschaft des Agrippa in Erwägung zieht; auf jeden Fall ist beim derzeitigen Kenntnisstand weder ein Zusammenhang mit dem Oberaden-Horizont noch mit dem jüngeren Haltern-Horizont möglich. Ein weiteres wichtiges Indiz für eine Errichtung des Lagers Hunerberg vor 12 v. Chr. ist die Abwesenheit drususzeitlicher Gegenstempel33. Anders als der Ausgräber vermu-
27 Kienast 2009, 332 f. mit der älteren Literatur; Wolters 1990, 152; Wolters 2004, 26–29. 28 z. B. Wells 1972, 46, 95; Kunow 1987, 34; Wolters 1990, 157; eine Kombination von defensiver und offensiver Ausrichtung vertritt Deininger 2000, 771; Wiegels 2008, 54; Kienast 2009, 357; jüngst Eich 2009, 580 (spätestens 25 v. Chr.). 29 Haalebos 1995, 11; 24; Haalebos 2002, 406. Eine Vorlage aller frühen Keramikfunde vom Hunerberg besonders der frühesten Sigillata steht aus: Roth-Rubi 2006, 19 f.; Eschbaumer 2010, 23. 30 Kemmers 2006, 57–62; Kemmers 2008. 31 Kemmers 2006, 57; 59 f.; Kemmers 2007, 189–191. 32 Kemmers 2007, 189; García-Bellido 2007, 165. 33 Kemmers 2007, 193 Anm. 41. – Gechter 2010, 100 spricht sich jüngst für eine Datierung kurz vor den Drusus-Feldzügen aus.
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tet34, wird man bei einer Größe von 42 ha das Militärlager von Nijmegen-Hunerberg allenfalls als Zweilegionenlager deuten35. Schon seit längerer Zeit wird der Fundort von Neuss-Gnadenthal mit seinen Spuren zahlreicher römischer Militäranlagen als ältester Stützpunkt am Niederrhein angesehen36. Diese Datierung basiert vor allem auf der Auswertung der Münzreihe und der frühesten Sigillata-Gefäße; demnach wurde die erste Anwesenheit römischer Truppen vor den Drusus-Feldzügen, etwa in die Jahre 16–12 v. Chr. angenommen37. Verf. konnte zeigen, dass es trotz dieses frühen Fundmaterials vor Ort nicht möglich ist, eine feinchronologische, teilweise jahrgenaue Abfolge der verschiedenen augustischen Militäranlagen zu erstellen38. Jüngst postulierte Johannes Heinrichs eine einheimische ubische Siedlung unter den frühen römischen Militärlagern, deren archäologischen Zeugnisse durch die jüngeren römischen Anlagen zerstört worden seien. Ausgangspunkt seiner Überlegungen sind vor allem fünf keltische Silberquinare des Typs Scheers 57 (sogenannte Quinare vom Typ ‚tanzendes Männchen‘). Diese Münzen sind beim Lehmstechen auf dem Gelände der ehemaligen Ringofenziegelei von Heinrich Sels an der Kölner Straße in den Jahren 1889 bis vor 1904 gefunden worden. Zu den genauen Fundumständen wurden damals keine Aufzeichnungen getätigt, d.h. es lässt sich aus heutiger Sicht generell nur das Gebiet zwischen dem Neusser Nordkanal und der Kölnerstraße (Bundesstraße 9) bestimmen. Allerdings ist überliefert, dass die Münzen in Vergesellschaftung zahlreicher römischer Funde (Münzen, Keramik etc.) geborgen wurden39. Typologisch gehören diese Silberquinare in die Prägephasen Heinrichs 2, 3 und 540. Wegen fehlender Fundorttreue scheidet der Quinar 1 als älteste Emission aus. Auch die Exemplare aus den Prägephasen 3 und 5 lassen sich nach der Theorie Heinrichs nicht mit einer einheimischen Vorgängersiedlung vereinbaren, da sie wegen ihrer Datierung (wenig nach 15 v. Chr. bzw. 15–1 v. Chr.) bereits in den Neusser Lagerhorizont gehören würden. M. E. zeigen die Funde mittlerer und jüngerer Emissionen Scheers 57 in römischen Militärlagern bzw. Siedlungsplätzen wie Oberaden- und Lahnau-Waldgirmes, dass diese nahtlos vom einheimischen in den frühen römischen Münzumlauf überwechseln konnten41. 34 Haalebos 2002, 405; auch Eich 2009, 584. – Vgl. jedoch Haalebos 2002, 406, wo er „wenigstens 10000 Mann“ annimmt, was etwa der Sollstärke zweier Legionen entspricht. 35 Zur Größe frühprinzipatzeitlicher Zweilegionenlager, siehe den Stützpunkt von BergkamenOberaden: Schönberger 1985, 331, 448 A 11; Kühlborn 2008, 73; zum neronischen Zweilegionenlager Vetera castra I: Hanel 1995, 306. 36 Hanel 2002; Gechter 2003, 147–149; Gechter 2007, 89. 37 Chantraine 1982, 43 f., Ettlinger 1983, 100 f.; 107; Gechter 2007, 89, Gechter 2010, 97–100. 38 Hanel 2002, bes. 499 zu den methodischen Problemen. – Anders jüngst Gechter 2010, 98 f. anhand verschiedener Kleinfunde. 39 Zur Lage vgl. Koenen 1897, 1–3; Strack 1904, 451. 40 Heinrichs 2002, 80–85. 41 Zu Bergkamen-Oberaden: Ilisch 1992, 179; 200 Nr. 363; Ebel-Zepezauer 2013, 253 schließt für das Oberadener Exemplar einen Zusammenhang mit einer vorlagerzeitlichen einheimischen Siedlung
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Auch die Annahme, das Vorkommen einheimischer Keramik im Areal der frühen Neusser Lager mit einer ubischen Ansiedlung in situ zu erklären, ist nicht stimmig. Vielmehr zeigen diese handgemachten Gefäße in den meisten Fällen nur den Austausch von Gütern mit der einheimischen Bevölkerung vor allem in der Frühphase der römischen Okkupation an; über die konkrete Lage der einheimischen Siedlung, d.h. zeitlich vor den römischen Militärlagern, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft oder in weiterer Entfernung, ist damit in den meisten Fällen keine Aussage möglich42. Solange nicht konkrete Baubefunde vorliegen, sollte von einer einheimischen Siedlung unterhalb der römischen Militärlager, d.h. vor deren Errichtung, keine Rede sein. Die Auswertung der italischen Sigillaten aus den Militärlagern von Moers-Asberg (Asciburgium) durch Pia Eschbaumer ergab, dass vielleicht auch dieser Militärstützpunkt schon vor den Drusus-Feldzügen angelegt wurde. Allerdings ist die Bearbeiterin sehr vorsichtig bei der zeitlichen Einordnung der Gründungszeit: Während sie einmal das genaue Gründungsdatum vor 12 v. Chr. offen lässt43, setzt sie in einer weiteren Publikation die Errichtung von Asciburgium mit den Lagern von NijmegenHunerberg und Neuss gleich, als deren gemeinsames Gründungsdatum sie „bald nach der clades Lolliana (17/16 v. Chr.)“ vermutet44. Eine Erklärung der Anfangsdatierung könnte im Fall von Asciburgium möglicherweise eine erneute Durchsicht der Münzfunde bringen45. Auf die Frage „Gibt es einen archäologischen Fundhorizont zwischen Agrippa und den Drusus-Feldzügen am Niederrhein?“ kommen bei derzeitigem Stand der Forschungen und bei kritischer Analyse von Funden und Befunden lediglich zwei bzw. drei Fundplätze in Frage, die vor den Beginn der Militäroperationen des Drusus maior 12 vor der Zeitenwende datiert werden können. In Neuss sind es in erster Linie die frühesten italischen Sigillaten, die eine vordrususzeitliche Anwesenheit römischen Militärs belegen, wobei diese keinem der ausgegrabenen Militärlager mit Sicherheit zugewiesen werden können. In Nijmegen beruht der frühe Zeitansatz des Lagers Hunerberg allein auf der frühen Münzreihe; eine vollständige Publikation der frühen Keramikfunde, besonders der italischen Sigillaten steht noch aus. Beim Militärstandort Asciburgium wird jüngst aufgrund der Auswertung der Sigillaten eine Einrichtung vor den Drusus-Feldzügen und nach der Lolliusniederlage in Erwägung gezogen. Grundsätzlich bedeutet es, die Aussagekraft sowohl der Münzen als auch der Terra sigillata für eine jahrgenaue Datierung bzw. selbst für eine kurze Zeitspanne nicht aus. – Dagegen sind die Scheers 57-Münzen aus Lünen-Beckinghausen ausschließlich in den vorrömischen Siedlungshorizont zu stellen: Ebel-Zepezauer 2013, 252 f. – Zu Lahnau-Waldgirmes: Heinrichs 2002, 81 Anm. 35; Wigg 2003, 228–230; Rasbach 2007, 334 f. M. E. ist nach dem archäologischen Befund ein Verlust unmittelbar während der Errichtung des Siedlungsplatzes vorstellbar. 42 Vegas 1975, 39 f.; Hanel 1995, 226; Rasbach 2007, 334 zur Vergesellschaftung der frühesten römischen Keramik mit einheimischer Gefäßkeramik in geschlossenen Befundkomplexen. 43 Eschbaumer 2011, 30. 44 Eschbaumer 2010, 79, 81; Eschbaumer 2011, 21 f. 45 Siehe vorerst Gorecki 1981, 19.
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von drei bis vier Jahren zu überfordern, wie dies die Schriftquellen in vielen Fällen erlauben. Konkrete Ergebnisse lassen sich z. B. mit Hilfe gut datierbarer Inschriften oder jahrgenaue Dendrodaten gewinnen. Damit ist eine enge Verzahnung der verschiedenen wissenschaftlichen Fächer unausweichlich, um die Gefahr von Zirkelschlüssen zu vermeiden. Auf jeden Fall müssen die derzeit gewonnenen Erkenntnisse durch künftige Untersuchungen weiter erhärtet werden. Aus allgemeinen Erwägungen ist sowohl für den Bau der Fernstraße von Lugdunum an den Rhein unter der Statthalterschaft des M. Vipsanius Agrippa als auch bei den Truppenbewegungen des M. Lollius zur Bekämpfung der über den Rhein übergesetzten Germanenstämme eine Kette römischer Lagerplätze (Marsch- und Winterlager) im linksrheinischen Gebiet zu postulieren, die Spuren im Boden hinterlassen haben müssen, sich aber bislang dem archäologischen Nachweis entziehen46. Dies gilt gleichermaßen für die caesarischen und nachcaesarischen Feldzüge in dieser Region; solche Militärlager können sowohl auf in den Schriftquellen genannte als auch auf bislang unbekannte militärische Operationen hinweisen47. Gut dokumentierte Neuentdeckungen wie z. B. das Militärlager von Hermeskeil48 werden dazu beitragen, unsere Kenntnisse zu diesem Abschnitt der römischen Okkupationsgeschichte Germaniens Schritt für Schritt zu erweitern.
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Charakteristische Münzreihen der Drusus-Ära1 1 Charakteristische Münztypen der Drusus-Ära Zur Definition der charakteristischen Münzreihen der Drususzeit müssen die Münzreihen aus dem Münztypen zusammengestellt werden, die „in“ der Drususzeit in Gebrauch waren. Dies sind zunächst einmal alle Gold-, Silber- und Kupfermünzen, deren Präge- und Ausgabedatum vor 9 v. Chr. liegt (Abbildungen der Münzen – Abb. 1-12 – siehe Farbteil). Aus der Reihe der Typen bildet sich die Münzreihe. Als charakteristisch kann man eine Münzreihe aber nur bezeichnet werden, wenn sie sich an Fundplätzen befindet, die kurz vor oder in der Drususzeit enden. Dies sind in Nordwestdeutschland die Plätze Oberaden mit Beckinghausen, Olfen, Rödgen und Hedemünden, am Oberrhein Dangstetten und am Niederrhein das Lager des Hunerbergs in Nijmegen. Andere Plätze wurden zwar auch vor oder in der Drususzeit angelegt, dauerten aber darüber hinaus fort. Sie alle liegen am Rhein (Nijmegen, Kops Plateau, Vetera I, Asciburgium, Novaesium, Ara Ubiorum/ CCAA, Bonna, Mogontiacum) und wurden meist 13/12 v. Chr. im Zuge der Vorbereitungen zur Drususoffensive angelegt. Diese Fundstellen beinhalten auch Münzreihen der Drususzeit, die aber durch längere Verwendung der Münzen über die Drususzeit hinaus und den Zustrom späterer Münzen bis zur Unkenntlichkeit verschleiert sind. Als Münztypen der Drususzeit lassen sich definieren: Goldmünzen der späten Republik, der „Übergangszeit“ von 44 v. Chr. bis 31 v. Chr. und des Augustus bis Prägedatum 9 v. Chr. Goldmünzen wurden in diesem Zeitraum eher unregelmäßig und fallweise ausgeprägt. Generell erfolgte die Prägung in eher kleinem Umfang. Goldmünzen spielen bei den Münzreihen der Drususzeit östlich des Rheins keine Rolle. Silbermünzen, in der Regel Denare, aber auch Quinare der Römischen Republik, der Übergangszeit und des Augustus bis 9 v. Chr. Diese Silbermünzen sind generell gängiges Zahlungsmittel in drususzeitlichen Komplexen. Es darf davon ausgegangen werden, dass das Stipendium zu großen Teilen in Denaren ausgezahlt wurde. Es betrug zur Zeit des Augustus bekanntlich 225 Denare, ausgezahlt dritteljährlich zu 75 Denaren. Dies entspricht etwa 10 Assen am Tag. Über die Art der Auszahlung oder Verbuchung sind wir nur wenig unterrichtet. Es stellt sich die Frage: Wurde bar ausgezahlt? Wenn ja, mit welchen Münzsorten? Wie war die Belieferungssituation der Heereskassen? Wie war in diesen Kassen das Verhältnis von altem Geld zu neu geprägten Münzen? Wie geschah die Auszahlung und Handhabung der Kupfermünzen, die in sehr ansehnlicher Menge in den Lagern in Gebrauch waren? Eine besondere Charakteristik haben die Silbermünzen in den Fundplätzen der Drususzeit nicht. 1 Leicht überarbeitete Fassung des Vortrags, der am 29. November 2012 auf dem Kolloquium „Über die Alpen und über den Rhein“ im Archäologischen Institut der Universität Göttingen gehalten wurde.
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Schlußmünzen sind die Denartypen RIC 167-173 mit IMP X, geprägt 15/13 v. Chr. in Lugdunum. Ihr Vorkommen in den Lagern der Drususzeit weist nach, dass zumindest eine Teilversorgung mit frischen Münzen der Fall war. Die eigentlichen Leitstücke der Drusus-Ära sind die Kupfermünzen. Es handelt sich ganz überwiegend um Kupfermünzen im Nominal eines As. Es ist eine gewisse Besonderheit militärischer Plätze in Nordeuropa, dass diese Kupfermünzen in erheblicher Menge auch als Halbwert vorkommen, wobei die As-Münze mechanisch in der Mitte geteilt wurde. Die Handhabung der römischen Kupferprägung im ganzen 1. Jahrhundert v. Chr. ist ebenso interessant zu betrachten wie disparat. Seit Einführung der Denarwährung im Jahr 211 v. Chr. wurden lange Zeit hindurch Silber- und Kupfermünzen in Jahresserien gemeinsam ausgegeben. Später aber wurde die Kup ferprägung weniger und schließlich in der Stadt Rom im Jahr 84 v. Chr. ganz eingestellt2. Maßgebliches Nominal dieser Kupferprägung war das As mit seiner charakteristischen Janus/Prora-Darstellung. Diese Stücke blieben in Gebrauch, wurden aber wegen Ihrer intensiven Verwendung im Laufe von teilweise 100 Jahren immer glatter und verschliffener. Die Janus/Prora-Asse sind die ältesten Kupfermünzen in Fundkomplexen der Drusus-Ära. Von gewisser Bedeutung ist die um 38 v. Chr. in großem Umfang Divos IuliusMünze (RPC 620-621; Cra 535). Der Prägeort ist ungewiss, vermutlich geschah die Prägung in Italien, aber nicht in Rom. Der Münztyp kommt in Gallien und am Rhein meist zusammen mit den Vienna/Copia-Prägungen (siehe unten) vor3. Spätestens in den frühen 30er Jahren machte sich ein Mangel an Kupfermünzen bemerkbar. Die Antwort darauf gleicht einem Provisorium. Augustus begegnete der Nachfrage durch eine erhöhte Produktion großer bleihaltiger Kupfermünzen in einigen provinzialen Münzstätten Südgalliens4. Weit über ihren eigenen Bedarf hinaus wurden dort Münzen im Gewicht von 16 bis 20 Gramm geprägt, die in Fundkomplexen überwiegend in mechanisch halbierter Form vorkommen. Es sind die Münzen aus der Colonia Copia Felix Lugdunum (Lyon), geprägt 37/36 v. Chr. (RPC 514-515), aus der Colonia Iulia Viennensis (Vienne), geprägt 36 v. Chr. (RPC 517), aus Narbo (Narbonne), geprägt 40 v. Chr. und Arausio (Orange), geprägt um 30/29 v. Chr. (RPC 533). Die Stücke aus Copia, Vienna und Arausio tragen als Bild die abgewandten Köpfe des Octavian und des Agrippa sowie eine Prora auf dem Revers. Damit stehen sie bildlich in der Folge der vor 40 Jahren eingestellten Janus/Prora-Asse. Die nach dem Unzialstandard geprägten schweren Asse der 30er Jahre könnten in den 20er Jahren bei der Reform des Kupferkleingeldes geteilt worden sein. Das Halbstück galt nun als As, wobei sich das Münzbild mit den beiden Köpfen auch optisch zur Teilung eignete. Doch könnte die Teilung schon vorher, schlichtweg aus Kleingeldmangel, 2 Wolters 1999, S. 132. 3 RPC, siehe: Burnett/ Amandry/ Ripolles 1992. Zur Beurteilung der DIVOS IVLIVS-Prägung vor allem Kaenel 1999, S. 366-369. 4 Wolters 1999, S. 133.
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vorgenommen worden sein5. Auf jeden Fall bilden diese südgallischen Kupfermünzen, vor allen die von Vienna, den Kleingeldbestand an den Militärplätzen bis ca. 18/ 15 v. Chr. Die Ablösung der südgallischen Kupfermünzen geschah geradezu abrupt durch einen anderen südgallischen Münztyp, den Nemausus I-As. In großen Mengen, gewiss auf imperatorische Veranlassung hin, wurde dieser Typ ab 16/15 v. Chr. in der Colonia Nemausus (Nîmes) ausgeprägt6. Diese Prägung geht mit der Produktion der stadtrömischen Münzmeisterserie einher. So wie diese den Kleingeldmangel in Italien beseitigten, so waren die Nemaususstücke für den Münzumlauf in Gallien gedacht. Darüber hinaus kann der Eindruck entstehen, dass die massenhafte Aufprägung von Nemausus I in Hinsicht auf die Vorbereitung der Drusus-Unternehmungen initiiert wurde7. Die Wiederherstellung einer geordneten Kupferprägung, zumindest auf der italischen Halbinsel, erfolgte durch geldpolitische Maßnahme der 20er Jahre. Die Verwaltung veranlasste die sog. Münzmeisterprägung8 mit umfangreicher Ausmünzung von Sesterzen, Assen und Quadranten ab 23/22 v. Chr. bis etwa in die Jahre um 4/2 v. Chr. Münzen dieser Emissionen gelangten in kleinem Umfang in die Militärplätze der Drususzeit. Sie wurden allerdings auch nach der Drususzeit noch weiter geprägt. Zu dieser Zeit, vor allem im ersten nachchristlichen Jahrzehnt, bestand die Versorgung an Kupfermünzen für die Truppen am Rhein vornehmlich aus Lugdunum-Assen. Doch auch hier sind die Münzmeisterstücke wiederum in kleinem Umfang Bestandteil der spätaugusteischen Münzreihen. Eine erstaunliche Verwendung erfahren die Münzmeisterstücke in den ersten Regierungsjahren des Tiberius. Sie wurden in großen Mengen an den Rhein gebracht und dienten dort der Besoldung. Viele der Stücke tragen darüber hinaus Gegenstempel, die auf Germanicus oder Tiberius hinweisen9. Aus diesen Zusammenhängen wird deutlich, dass die Münzmeisterprägungen für die Münzreihen der Drususzeit kaum eine Rolle spielen können.
Münzen aus Spanien In Spanien geprägte Silber und vor allem Kupfermünzen finden sich in den meisten Militärplätzen am Rhein und östlich des Rheins (z.B. Dangstetten, Oberaden, Rödgen, Vetera, Novaesium, Haltern, Nijmegen-Kops Plateau) stets in geringer Anzahl. Ihnen hat Carmen Garcia-Bellindo große Beachtung geschenkt10. Ihren Beobachtungen 5 Dazu ausführlich Wolters 1999, S. 142. 6 RPC 523, vgl. zum Umlauf auch Berger 1996, S. 41-44. 7 So auch Rageth/ Zanier 2010, S. 265 mit Anm. 67. 8 Wolters 1999, S. 119-132; Rageth/ Zanier, 2010, S. 265 Anm. 70; Küter 2014. 9 Berger 1996, S. 39. 10 Garcia-Bellido 1996; Garcia-Bellido 2004; Garcia-Bellido 2007.
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zufolge kamen spanische Münzen nur in den Beuteln von Soldaten verlegter Einheiten aus Spanien, wo diese Münzen Bestandteil ihres regelmäßigen Stipendiums waren, nach Westen. Damit sind diese Münzen Zeugnis der Ankunft spanischer Legionen und Auxilia in den Lagern. Die Einfallspforte der spanischen Münzen ist das Kops Plateau in Noviomagus11. Hier kommen die ersten Truppen aus Gallien an den Rhein, zur Vorbereitung der Drususfeldzüge. Die Masse der Münzen besteht zwar schon aus Nemausus-Prägungen, doch ältere Stücke sind noch überdurchschnittlich vertreten. Gegenüber 692 Nemausus-Stücken gibt es immerhin 80 Vienna/Copia- und 38 Republikbronzen. Damit einher geht ein recht hoher Anteil spanischer Kupfermünzen der DIVI F Serien12. Auf dem Titelberg in Luxemburg weisen die Münzen auf die Ankunft spanischer Truppen um 19-13 v. Chr. hin13. Eine zweite Einfallspforte ist Germania superior/ Raetia, wohin 17 v. Chr. eine spanische Legion, die legio V alaudae, geschickt wurde14. Münzen von Emerita liegen in Dangstetten, Augst, Windisch, Hüfingen, Rottweil, Kempten, Pfach, Augsburg-Oberhausen und Burghöfe vor15. Generell aber sind spanische Münzen in den Funden immer in der Minderheit gegenüber gallischen Prägungen, mit denen (teilweise) die aktuellen Stipendia gezahlt wurden. Nach den Cantabrischen Kriegen konnten im Zuge der spanischen Provinzialorganisation und der Einrichtung der Hispania ulterior Baetica seit 13 v. Chr. Truppenteile von der iberischen Halbinsel abgezogen werden. Die Reorganisation der Verwaltung belebte die Prägungen in Celsa (RPC 273-277), Bilbilis (RPC 391f.), Segobriga (RPC 472), Osca (RPC 283f.), Caesaraugusta (RPC 304-313) und Ercavica (RPC 459) mit neuen Legende AVG DIVI F. Diese Titulatur wurde auf Münzen in Rom 17 v. Chr. eingeführt (RIC 337-342) und in Lugdunum 15 v. Chr. (RIC 162 ff.). Garcia-Bellindo16 vermutet den Prägebeginn von AVG DIVI F in Spanien im Jahr 13 v. Chr., Burnett hingegen halten die Einführung dieser Titulatur in Spanien schon ab 17 v. Chr., parallel mit Rom, für wahrscheinlich17.
2 Die Fundplätze mit Münzreihen der Drusus-Ära Zur Hervorhebung der Münzreihen der Drusus-Ära können nur solche Militärplätze in die Betrachtung einbezogen werden, die spätestens mit dem Ende der Drusus-Unternehmungen auch wieder aufgegeben wurden. Es gibt an der Rheingrenze eine ganze 11 Garcia-Bellido 2007, S. 165-168. 12 Van der Vin 2002. 13 Garcia-Bellido 2007, S. 169f. 14 Garcia-Bellido 2007, S. 170, Fig 5. 15 Garcia-Bellido 2007, S. 172 Fig. 6. 16 Garcia-Bellido 2007, S. 164. 17 Burnett/ Amandry/ Ripolles 1992, S. 110.
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Anzahl von Lagern mit längerer kontinuierlicher Belegung. Novaesium, das älteste Lager der Rheingrenze, wurde noch vor der Drususzeit angelegt, reicht sogar bis ins 3. Jahrhundert. Vetera I, Asciburgium, Bonna und Mogontiacum entstanden im Zuge von Drusus Feldzug-Vorbereitungen, waren aber auch weit darüber hinaus belegt. Das 19 v. Chr. gegründete Oppidum Ara Ubiorum/ CCAA (Köln) wurde erst nach der Zeitenwende zum Garnisonsort. Für die Münzreihen der Drususzeit verbleiben somit die fünf Plätze Hunerberg in Nijmegen am Niederrhein sowie Dangstetten an Oberrhein und die drei rechtsrheinischen Orte Oberaden, Rödgen und Hedemünden, denen sich in Zukunft Olfen an der Lippe hinzugesellen wird.
Nijmegen-Hunerberg Das große Legionslager auf den Hunerberg in Nijmegen wurde vermutlich im Jahre 19 v. Chr. während der zweiten Statthalterschaft des Agrippa angelegt18. Die jüngste Münze des Hunerbergs datiert von 15 v. Chr. Bemerkenswert ist die Abwesenheit jeglicher spanischer Kupfermünzen in diesem Lager19. Aufgrund der Münzevidenz schlägt Fleur Kemmers eine Auflassung des Hunerberg-Lagers um 15/12 v. Chr. vor, also noch vor der Drususzeit20. Die Identifizierung der zugehörigen Münzen wurde erschwert durch eine längere Teilbelegung in der Nordostecke des Lagers und eine Wiederbelegung in flavischer Zeit21. Der Münzbestand des Legionslagers ist: 11 Silbermünzen bis zu einem Quinar von 29/27 v. Chr., 202 Kupfermünzen, davon 96 schwer identifizierbare Republikbronzen, wovon wiederum 80 halbiert sind und 61 keltische Münzen22. Von den römischen Kupfermünzen sind 35 von Copia, 30 von Vienna, 23 Divos JuliusPrägungen, 12 Nemausus I und 7 Münzmeisterstücke23.
Dangstetten Die Gründung der Anlage erfolgte im Anschluss an den Alpenfeldzug wohl 15 v. Chr., um den militärischen Aufmarsch des Drusus vorzubereiten. Hier waren Teile der 19. Legion stationiert, die zum Heeresverband des Drusus gehörten. Nach 9/8 v. Chr. war
18 Haalebos 1995; Haalebos 1999; Kemmers 2005; Kemmers 2007. 19 Kemmers 2005, S. 59 und Kap. 8; Kemmers 2007, S. 189. 20 Kemmers 2007, S. 193. 21 Zur Problematik Kemmers 2007, S. 186-188. 22 Der Begriff „keltische Münzen“ wurde aus Gründen der Tradition beibehalten. Es steht außer Frage, dass viele der hierunter subsummierten Typen eher rheingermanischer Bevölkerung zuzuschreiben sind. Die keltischen Münzen wurden in die vorliegende Betrachtung nicht einbezogen. 23 Kemmers 2007, S. 187-189.
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das Lager nicht mehr belegt24. Da dort Lugdunumasse ebenso fehlen wie Nemausus I-Asse mit Gegenstempel, käme sogar eine frühere Aufgabe in Betracht25. Das Münzinventar von Dangstetten besteht aus 2 ganzen und 17 halben Janus/Prora-Assen, 5 ganzen und 15 halben Vienna/Copia-Münzen, 81 ganzen und 88 halben Nemausus I-Assen, 17 Nemaususstücken als Barschaft, 19 ganzen und drei halben Münzmeisterstücke, 6 keltischen Münzen, 10 Denaren und drei Quinaren26.
Hedemünden Das erst in jüngerer Zeit identifizierte Römerlager von Hedemünden27 wurde um 11-9 v. Chr. gegründet. Es bestand nur wenige Jahre und wurde vermutlich schon 8 oder 7 v. Chr. aufgegeben. Die Ausgrabungen erbrachten 24 Kupfermünzen, darunter mindestens 13 Nemausus I-Asse, ein Vienna-Stück, eine Münzmeisterprägung und zwei rheingermanische Münzen. Bei den fünf Silbermünzen von Hedemünden ist bemerkenswert, dass sich eine frührömische Didrachme (Cra 29/3, geprägt 215/214 in Süditalien) in eindeutigem Fundkontext befand. Auf der anderen Seite der Chronologie findet sich in Hedemünden auch der jüngste Denartyp der Drususzeit aus Ludgunum mit der Datierung “IMP X” (RIC 167, geprägt 15/13 v. Chr.). Nördlich von Hedemünden wurde im Jahr 1855 eine größere Menge römischer Denare samt einem zerbrochenen Tongefäß gefunden28. Nur zwei Denare davon konnten dem Typ nach identifiziert werden, sie stammen aus dem frühen 1. Jahrhundert v. Chr.
Olfen29 Bei Olfen-Sülsen wurde vor wenigen Jahren ein als Nachschubstation genutztes Kastell entdeckt, das zugleich, ähnlich wie in Beckinghausen, einen Lippeübergang bewacht. Von der Zeitstellung her gehört es in den Horizont von Oberaden (11-8/7 v. Chr.), wovon es 20 km und damit einen Tagesmarsch entfernt liegt. Von den über 109 Münzen bilden die 78 Nemausus I-Stücke den größten Anteil, zudem fanden sich bisher sieben Denare und drei Quinare.
24 Fingerlin 1998, S. 9. 25 Kemmers 2007, S. 192. 26 Fingerlin 1986; Fingerlin 1998. 27 Grote 2012. 28 FMRD VII 7039. 29 Nach Informationen der Ausgräberin B. Tremmel; siehe Einführung.
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Oberaden Das große Militärlager von Oberaden wurde im Spätsommer 11 v. Chr. angelegt. Die Größe der Anlage lässt eine Belegung mit mindestens zwei Legionen als wahrscheinlich erscheinen. Spätestens im Jahr 8 v. Chr. wurde das Lager von den Truppen planmäßig aufgegeben und niedergelegt. Aus dem Lager von Oberaden sind vier Vienna-Münzen, eine aus Narbo, eine aus Arausio und 302 aus Nemausus, davon 70 barbarisierte, bekannt. 41 Nemaususasse haben einen Gegenstempel, davon 37 ein Rad. Weiterhin gibt es drei Münzmeisterasse, acht Kupfermünzen aus Spanien (Calagurris, Caesaraugusta, Celsa, Segobria) und elf keltische Münzen. Der Bestand an Silbermünzen beträgt 34 Denare30.
Beckinghausen Das Uferkastell von Beckinghausen lag an einem Steilufer über der Lippe. Dort konnte ein Flussübergang ebenso kontrolliert werden wie der Transport auf dem Fluss. Die Anlage von Beckinghausen datiert zeitgleich mit Oberaden, also von 11 bis 8 v. Chr. Von dort gibt es drei Nemaususasse, einen Denar (RIC 82a, Spanien, 19 v. Chr.) und neun rheingermanische Münzen31.
Rödgen Die Anlage von Rödgen diente als Militärversorgungslager für ein Vordringen römischer Einheiten aus der Wetterau nach Norden. Es wurde um 10 v. Chr. angelegt und wenig später durch Brand planmäßig wieder aufgegeben. An Münzen fanden sich in Rödgen fünf Denare, 24 Nemaususasse und zwei Münzmeisterstücke32.
Darstellung der Münzreihen Die Münzreihen der Drusus-Ära können aus der Zusammenstellung derjenigen Münztypen entwickelt werden, die in Militärkomplexen vorkommen, die mit oder kurz nach der Drusus-Ära abschließen. Die visuelle Umsetzung (Abb. 1) zeigt, dass die Münzreihen der Drusus-Ära in der Lage sind, eine relative Chronologie der Militärplätze anzudeuten.
30 FMRD VI 5081; Ilisch 1991a; Ilisch 1991b. 31 FMRD VI 5049. 32 FMRD V 2158.
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Abb. 1: Verteilung der Kupfermünztypen in den Militärlagern der Drususzeit
Das „Leitfossil“ dieser Betrachtung ist der Nemausus I-Typ. Je größer der Anteil an Nemausus I im Lager, umso jünger ist der Fundplatz bzw. umso später wurde er aufgegeben. Den Auftakt bildet Nijmegen-Hunerberg. Dieses Lager datiert noch vor die Drusus-Zeit. Die große Anteil der Janus, Vienna, Copia und Divos Julius-Münzen zeigt, wie ein militärischer Münzbestand vor Drusus aussah33. Einige wenige Nemaususasse sind schon da, deren Beginn mit 16/15 v. Chr. angenommen wird. Dies unterstreicht die Aufgabe des Lagers um 14/13 v. Chr. herum. In Dangstetten machen die Nemaususasse ¾ des Bestandes aus, hingegen in Oberaden 97 %. Hinzu kommt, dass viele Nemaususstücke in Oberaden einen Gegenstempel tragen, kein Stück in Dangstetten aber einen solchen hat. Diese Kombination unterstreicht die Annahme, dass das Dangstetten eindeutig früher als Oberaden aufgegeben wurde. Dangstetten war nötig für die Planungen und den Beginn der Unter33 Werner Zanier (Rabeth/ Zanier 2010, S. 269-271) sieht aufgrund des Anteils der Republikasse und der Halbierungen das Militärlager auf dem Septimerpass in zeitlicher Nachbarschaft zu NijmegenHunerberg. Das Fehlen der südgallischen Bronzemünzen und vor allem früher Nemausus-Prägungen erklärt er mit verschiedenen Versorgungswegen beider Plätze. Aufgrund eines Lugdunum-As und eines 11-12 n. Chr. geprägten As unter 43 Kupfermünzen nimmt er eine wenn auch sporadische Belegung des Platzes bis etwa 20 n. Chr. an. Ist es nicht denkbar, dass das Septimerlager nur in den beiden Sommermonaten der Jahre 16 und 15 v. Chr. während der Alpenfeldzüge Bestand hatte?
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nehmungen, Oberaden für deren spätere Durchführung und Beendigung. Dazwischen liegt Hedemünden, was trotz der statistisch kleinen Zahl deutlich wird. In Hedemünden sind wir auch räumlich mitten im Geschehen. Es stellt einen, wenn nicht gar den Knotenpunkt der militärischen Unternehmungen des Drusus dar, wurde naturgemäß erst nach dem Auf- und Einmarsch nach Germanien angelegt und bei der Aufgabe, noch vor Oberaden, niedergelegt. In Oberaden befinden wir uns in der Spätzeit der Drusus-Ära. Der Feldherr war tot, sein Heer zog sich planmäßig an den Rhein zurück und Oberaden war vielleicht einer der letzten Plätze östlich des Rheins, nur einige Tagesmärsche vom Strom entfernt, der aufgegeben wurde. Zu diesem Zeitpunkt, den Jahren 9/8 v. Chr., wurden die Nemausus I- Stücke umfassend zu Entlohnungen verwendet. Die älteren Stücke bilden nur noch einen Bodensatz von 2 % des Lagerbestandes. Die Münzreihen verdeutlichen anschaulich, in welcher Geschwindigkeit ein Münzbestand ausgetauscht werden kann. „Austausch“ ist dabei wohl der falsche Begriff. Es ist nicht bekannt, ob alte Kupfermünzen eingezogen und zum Zweck der Neuprägung eingeschmolzen wurden, wie es später bei Denaren belegt ist34. Unter der Annahme, dass Nijmegen-Hunerberg im Jahre 14. v. Chr. und Oberaden im Jahre 8 v. Chr. aufgegeben wurden, sind es nur sechs Jahre, in denen ein alter Münzbestand verschwunden ist und eine neue Münze sich zu immerhin 97 % durchgesetzt hat. Dieses Beispiel zeigt auch, wie außerordentlich schnell gerade neu ausgegebene Kupfermünzen sich im Geldumlauf ausbreiten.
3 Die Funde von Münzen der Drusus-Ära in Nordwestdeutschland Der Verfasser hat in einer älteren Arbeit35 bei geringerer Materialbasis bereits versucht, aus dem Fundvorkommen augusteischer Münzen Erkenntnisse zu Präsenz und Bewegungen römischen Militärs zur Zeit des Augustus in Nordwestdeutschland zu gewinnen. Die Kartierung der Kupfermünzenfunde der Drususzeit36 endete weitgehend an der Weser, wie auch die Verbreitung späterer Münzen der Augustuszeit37. Dieses Bild hat sich deutlich erweitert, vor allem im Raum zwischen Weser und Elbe.
34 Wolters 1999, S. 401. 35 Berger 1992. 36 Berger 1992, S. 52 Abb. 25. 37 Berger 1992, S. 71 Abb. 29; S. 77 Abb. 32; S. 115 Abb. 42.
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Gold- und Silbermünzen Die Kartierung (Abb. 2) erfasst alle römischen Aurei und Denare, Schatzfunde und Einzelfunde mit Zeitstellung bis zur Drusus-Ära.
Abb. 2: Fundstellen von römischen Denaren und Aurei der Drususzeit
Doch lässt sich damit diese Zeit nicht fixieren, da die Denare der Römischen Republik ohne jegliche Zäsur auch in der Zeit des Augustus und bis weit ins 1. nachchristliche Jahrhundert hinein im Münzumlauf dominierten. Das vorliegende Fundbild zeigt im Grunde genommen generell die Gebiete römischer Präsenz zur Zeit des Augustus, ohne jedwelche chronologische Unterscheidung. Aussagen speziell zur Drusus-Ära lassen sich daraus nicht ableiten. Die römischen Militärlager markieren die beiden Einfallpforten nach Germanien. Der maßgebliche Weg geht vom Niederrhein entlang der Lippe an die mittlere Weser. Das ostwestfälische Becken an der oberen Ems bis zum Teutoburger Wald erscheint durch die vielen Funde als vertrautes Aufmarschgebiet. Ems und Unterweser könnten als weitere Versorgungswege gedient haben. Die siedlungsfeindliche Landschaft an der oberen Weser ist fundleer. Von Westfalen scheint die Verbindung nach Hedemünden zu weisen. Auch die Militäranlagen am Mittelrhein und in der Wetterau dienten dem Vormarsch nach Norden in Richtung Hedemünden. Doch nach wie vor ist Nordhessen erstaunlich fundarm. Hedemünden stellt sich als Kreuzungspunkt dar. Nach Süden weisen Funde an die Fulda und nach Norden geht es über die Wasserscheide ins Leinetal mit vielen Denarfunden. Die für die Drususzeit anzunehmende Verbindung zur Elbe kann von Hedemünden werraaufwärts bis in die Gegend von Treffurt
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geführt haben, von dort über die Wasserscheide des Hainich in das Mühlhäuser Becken. Die Gegend von Unstrut und Thüringer Becken weist viele Denarfunde aus. Entlang der Saale führt diese Verbindung schließlich an die Elbe.
Kupfermünzen Die römischen Kupfermünzen haben den großen Vorteil, dass sie in zeitlichen Schichtungen auftreten. Mit aller Vorsicht kann sogar zwischen früher und später Drususzeit unterschieden werden, diese vertreten durch Nemausus-Asse, jene durch die Vienna-Stücke. Beide zusammen genommen ergeben jedenfalls ein Bild, dass, falls man überhaupt Truppenbewegungen der Drususzeit ausserhalb der Militäranlagen lokalisieren will, einige Tendenzen aufzeigt (Abb. 3). Das Aufmarschgebiet entlang der Lippe ist deutlich von den Funden unterlegt, was in Nordhessen wiederum nicht der Fall ist. Das gesamte nördliche Niedersachsen mit den Unterläufen von Ems, Weser und Elbe scheint keine Rolle zu spielen. Das hessische Gebiet zwischen Rödgen und Hedemünden ist wiederum eher fundarm. Von hier kommt ein eigenartiges Fundstück, das noch einer Erklärung harrt (Abb. 4). Es ist eine runde dicke Bleischeibe, deren eine Seite eindeutig das Rückseitenbild der Münzen von Nemausus zeigt. Fundort ist die Wüstung Holzheim bei Fritzlar38.
Abb. 3: Fundstellen von römischen Kupfermünzen der Drususzeit
38 Wand 2002, Taf. 22,9.
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Interessant werden die Beobachtungen an der mittleren Weser und östlich davon. Eine Gruppe älterer Kupfermünzen zeigt von der Weser nördlich des Harzes entlang zur Elbe. Das Lager Hedemünden hat je einen Nemausus I-Fund nördlich und südlich, was dem Verlauf der von Klaus Grote ermittelten Militärstraßen entspricht39. Das Leinetal hat ausweislich der Münzfunde – wir verweisen auch auf die Denare – eine durchaus wichtige Rolle gespielt. Beim jetzigen Kenntnisstand sieht es so aus, dass Hedemünden ein Zentralpunkt der Drusus-Ära in Norddeutschland war. Damit stellt sich die Frage, wie es von Hedemünden aus Richtung Elbe weiterging. Weisen die Denarfunde werraaufwärts in das Thüringer Becken, so könnten die Kupfermünzen eher in das Leinetal und dann nördlich des Harzes entlang weisen. Ein ferner Fundpunkt an der Elbe wäre hier die Gegend von Tangermünde. Beide Strecken können begangen worden sein, und beide schließen sich nicht aus. Auch in Zukunft werden die Münzreihen der Drusus-Ära den Weg zu weiteren Zusammenhängen und Anlagen weisen.
Abb. 4: Holzheim. Fund aus der Dorfwüstung
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39 Grote 2012, S. 17; 193-217.
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Abbildungsnachweis Im Text: F. Berger (Abb. 1-3); Wand 2002, Taf. 22,9 (Abb. 4). Im Farbteil: Peus 408 (Abb. 1); RNL2013 (Abb. 2); Gemini X, 415 (Abb. 3); Künker 216 (Abb. 4); Gemini X (Abb. 5); Ponterio 148 (Abb. 6); ArtCoins6 (Abb. 7); MM 38.128 (Abb. 8); Rauch 12.756 (Abb. 9); NAC 64 (Abb. 10); Peus 404 (Abb. 11); Nac 64 (Abb. 12).
Klaus Grote
Die römischen Militäranlagen der augusteischen Germanienfeldzüge und Hinweise auf spätere Vorstöße im Werra-Leine-Bergland rings um Hedemünden Dieser Beitrag skizziert das Ergebnis eines über zehn Jahre andauernden Forschungsprojektes der Kreisarchäologie des Landkreises Göttingen im Gebiet um Hedemünden an der Werra. Nach der Entdeckung römisch-augusteischer Militäranlagen im Jahr 2003 und während der daraufhin folgenden Untersuchungen wurden im Umkreis der hier einst strategisch wichtigen Werrafurt und beiderseits längs des frühgeschichtlichen Überlandweges von Mainz zur Elbe zusätzliche flankierende Prospektionen angesetzt. Letztere erfolgten unter Einsatz einer systematischen – vorerst stichprobenhaft gebliebenen – Detektorprospektion, der konventionellen archäologischen Feldbegehungen, der Erfassung mit LIDAR-Geoscanning, der Auswertung des verfügbaren Luftbildbestandes und Durchführung eigener Befliegungen. Dazu kam die Einbeziehung des für Südniedersachsen erfreulich guten Kenntnisstandes zur historisch-geografischen Wegeforschung. Das Gesamtprojekt ist mit dem Ausscheiden des Verfassers aus dem Dienst als Kreisarchäologe vorerst beendet, eine Weiterführung ist z. Zt. nicht geplant, wäre aber wünschenswert und sehr lohnend. Daher soll nachfolgend der Versuch unternommen werden, anhand der archäologischen Bilanz zu ersten Aussagen über die möglichen Abläufe der römischen Germanienunternehmungen, von den augusteischen Feldzügen unter Drusus bis zum Vorstoß unter Kaiser Maximinus Thrax 235 n. Chr., im südniedersächsisch-nordhessischen Bergland rings um Hedemünden zu gelangen.
Oberadenhorizont: Der komplexe Stützpunkt Hedemünden Die römischen Anlagen auf dem Burgberg im unteren Werratal bei Hedemünden (Abb. 1), die 2003 entdeckt und in der Folge bis 2012 archäologisch untersucht wurden, konnten nach Bewertung aller Befunde und determinierenden Funde als mehrteiliger Lagerkomplex aus der kurzen Zeitspanne der frühen Germanienfeldzüge unter Drusus herausgestellt werden.1 1 Zusammenfassende Literatur zum Hedemündener Lager, zu den nachfolgend ebenfalls angesprochenen Außenanlagen des „Kring“ und des Postens bei Mollenfelde, zum frühgeschichtlichen Überlandweg von Mittel- und Nordhessen nach Südniedersachsen und weiter zur Elbe, zur Durchführung
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Abb. 1: Werratal bei Hedemünden. In Bildmitte der Burgberg mit dem augusteischen Römerlager.
Bestandteile sind das Hauptlager I auf der Berghöhe, ein Annexlager II, Außenbereiche III bis VI, darunter mit der großen Fläche IV auf dem Ostabhang ein angegliedertes mutmaßliches Marschlager.2 Bereits kurze Zeit nach der Entdeckung kamen im Umkreis bis 5 km Entfernung zwei weitere, offenkundig in der gleichen Zeit angelegte Militärplätze hinzu (Abb 2, siehe Farbteil): –– Der alt bekannte, aber bis 2006 als mittelalterlich fehlgedeutete Ringwall „Kring“ auf dem Ravensberg im Kaufunger Wald bei Oberode, als Rest eines abgebrannten Holz-Erde-Bauwerks mit vorgelagertem (Spitz-)Graben aus augusteischer Zeit, im engeren vermutlich aus den Drususfeldzügen und damit aus gleichem Zusammenhang wie das Hedemündener Hauptlager, mit einer ovalen Innenraumfläche von rund 4.000 qm Größe. Der „Kring“ liegt 2,5 km südöstlich des Lagers Hedemünden entfernt auf der gegenüberliegenden, südlichen Talseite des Werratales.3 –– Der 2006 entdeckte Posten am östlichen Rande des Kreidebergs, auf der niedersächsisch-hessischen Landesgrenze in den Gemarkungen Mollenfelde und Berlepsch-Ellerode, rund 5 km nordöstlich des Lagers Hedemünden.4 des Forschungsprojektes Hedemünden: Grote 2012; ders. 2014. Spezielle Befunde und darüber hinaus gehende Ausführungen werden einzeln durch Anmerkung nachgewiesen. 2 Hedemünden FSt. 5, Stadt Hann. Münden, Ldkr. Göttingen. 3 Oberode FSt. 1, Stadt Hann. Münden, Ldkr. Göttingen. 4 Mollenfelde FSt. 4, Gde. Friedland, Ldkr. Göttingen, sowie Berlepsch-Ellerode FSt. 7, Werra-Meißner-Kreis.
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Das Lager Hedemünden, der „Kring“ und der Kleinposten beziehen sich in ihrer Platzwahl auf den Verlauf eines fossilen Überlandweges, so dass sie in direkter Linie miteinander verbunden sind. Es handelt sich um ein Teilstück des einstigen überregional bedeutsamen Fernweges, der vom Rhein-Maingebiet und der Wetterau kommend durch Mittelhessen nach Nordhessen führte, den Kaufunger Wald überstieg, bei Hedemünden die Werra überquerte und weiter nach Nordosten in Richtung südliches Leinetal verlief, um dann – alternativ nördlich oder südlich – um den Harz herum letztlich die Mittelelbe zu erreichen. Damit dürfte auch der Verlauf, zumindest der Hauptmarschsäule, des Drusus-Feldzuges 9 v. Chr. von Mainz zur Elbe – und zurück – beschrieben sein (Abb. 4, siehe Farbteil). Die drei Anlagen sind nach der Dekade erster Maßnahmen zur Geländeerfassung, der Prospektionen (Fundprospektion, Geophysik, LIDAR/Airborne Laserscanning) und der Serie repräsentativ vorgenommener Probegrabungen, hinsichtlich ihrer inneren wie auch untereinander bestehenden Funktionen vorerst nur eingeschränkt mit relativierten Wahrscheinlichkeiten zu beurteilen. Dennoch können nachfolgend mehrere qualitative Aussagen objektiv getroffen werden, die vor allem die Befunde bei Hedemünden, und dort vor allem das Hauptlager I auf dem Burgberg, charakterisieren. Die engere Datierung auf die Jahre zwischen 11/10 bis 8/7 v. Chr. beruht in Hedemünden wie im „Kring“ auf dem Spektrum der Fundmünzen (und ihrer Gegenstempelungen), zudem auf einer Serie von C14-Untersuchungen. Der übrige Fundbestand an Metallobjekten, insbesondere der Militaria, an speziell geformten Sandalennägeln, an Schmuck- und Trachtteilen sowie an Keramikbruch fügt sich problemlos in die mittelaugusteische Zeit ein. Hinweise auf jüngere Belegungen der Plätze während der Okkupationszeit oder während späterer römischer Gemanienvorstöße sind nicht vorhanden.5
Der Kern des Stützpunktes: Das Lager auf dem Hedemündener Burgberg (Abb. 3, siehe Farbteil) Ausweislich dieser Datierungen und anderer Details des Fund- und Befundspektrums sind in Hedemünden mindestens das Hauptlager I, das Annexlager II und der Außenbereich III nach archäologischem Maßstab gleich alt; geringe Zeitunterschiede 5 Was nicht den Ausschluss derartiger Nachnutzungen bedeuten muss, da archäologische Überreste der Varus- und Germanicus-zeitlichen Feldzüge in der Germania offensichtlich kaum identizierbar sind, im Gegensatz zu den quellenmäßig überlieferten Geschehnissen, aber auch im Gegensatz zu den frühen, Drusus-zeitlichen Vorstößen und deren häufigeren Stand- und Marschlagernachweisen. Vgl. dazu von Schnurbein 2013.
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des Bauablaufs bzw. der Abbruch- oder Zerstörungsmomente sind wahrscheinlich, dürften aber alle innerhalb des erschließbaren Lagerzeitkorridors von 3 bis 5 Jahren liegen.
Abb. 5: Hedemünden Römerlager. Westlicher Wallverlauf des Hauptlagers I.
Die für den Lagerbereich I vollständig und für II zum Großteil erhaltenen Wall- und Grabeneinschließungen lassen sich aufgrund ihrer Holz-Erde-Baukonstruktionen, ihrer Maße und auch der Spitzgrabenprofile als römische Wehranlagen erkennen (Abb. 5). Deren Eigendatierung ist durch die Überlagerung vorlaufender jüngereisenzeitlicher Siedlungsreste stratigrafisch ebenso gesichert wie über römische Pioniergroßgeräte, und zwar sechs Dolabrae, zwei Dechselhämmer, eine Schaufel, die auf der vom Wallkörper überschütteten Altoberfläche gefunden wurden. Sie befanden sich in offenkundiger primärer Depotlage, niedergelegt während des Befestigungsbaus, d.h. nicht in umgelagerter Sekundärlage nach Wallversturz aus einer älteren Nutzungsphase am Platz o. ä. Dazu kommen entsprechende C14-Daten für das WallPalisaden-Bauholz. Ältere, vorrömische Wehranlagen sind auf dem Burgberg trotz der fortifikatorisch günstigen Topografie darüber hinaus nicht nachgewiesen. Der rund 3,2 Hektar Innenraum einschließende Lagerbereich I enthält die Spuren einer fast flächendeckenden Bebauung und Nutzung. Nachgewiesen sind diese über mehrere Befundebenen. Eine ergibt sich aus der dichten, feinkartierten Fundverteilung – überwiegend der Metallobjekte (Abb. 6, siehe Farbteil) – und deren Aussagen zur Verteilung einzelner Fundgruppen (Militaria, Bauteile, Zeltheringe, Werkzeug und Gerät, technische Abfälle u. a.). Eine andere Ebene ergibt sich aus der Kartierung der Lage von rund 2000 großen Sandsteinblöcken, die überall in der Fläche teilweise
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bis 60 cm aus dem Boden herausragen und primär auf geomorphologische Vorgänge des letzten Glazials zurückgehen, zum Teil aber lineare, rechtwinklige und auch rechteckig geschlossene Konfigurationen mit überwiegend einheitlicher Ausrichtung erkennen lassen (Abb. 7).
Abb. 7: Hedemünden, Hauptlager I. Freigelegte Steinreihe mit Ecke, Fundamentlage unter der ehemaligen Holzkonstruktion des nordöstlichen Großgebäudes (Grabungsfläche 32, 2006).
Alles dies ergänzt sich schließlich durch die Ergebnisse der Magnetometerprospektion, deren ermittelte linien- und fleckförmige Anomalien auf festere Baukörper, Gruben usw. verweisen Die drei Befundebenen führen bei gemeinsamer Projektion zur weitergehenden, bestätigenden Fokussierung der Standorte (holz-)gebauter Strukturen. Gestützt wird dies direkt durch die Vergesellschaftung mit zahlreichen typischen Baueisen (Klammern, Beschläge, große Nägel u. a.). Die Steinbefunde können hier mit hoher Wahrscheinlichkeit, in mehreren Fällen auch gesichert, als Überreste der einstigen massiven Substruktionen für daraufgestellte Holzgefüge aufgefasst werden, in der Funktion als Legsteinreihen, trockenmauerartige Unterbauten zum Niveauausgleich oder zur Bodenunterlüftung, auch als einzelne Punktfundamente für Holzständer. Mehrere der Großsteine weisen eingearbeitete Balkenauflagemulden auf. Demgegenüber zeigt sich für die Freiflächen dazwischen eine signifikante Verteilung von Zeltheringen, teilweise in situ – und manchmal in Doppelanordnung – senkrecht im Boden steckend. Die Probegrabungen zur Kontrolle ausgewählter Baubefunde zeigten überwiegend positive Ergebnisse. So sind stützende Steinunterfütterungen ebenso nachweisbar wie Hochkantstellungen von plattigen Großblöcken, dazu
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kommen unter der heutigen – und antiken – Oberfläche vorgefundene weitere, ergänzende Steinreihungen. Diese zeigen ebenso orthogonale Netz- bzw. Gittermuster und dienten vermutlich als eingegrabene Unterfütterungen für Schwellbalken (Abb. 8).
Abb. 8: Hedemünden, Hauptlager I. Schwellrahmenunterfütterung aus Steinen. Mutmaßlicher Bereich der Mannschaftsunterkünfte (Grabungsschnitt 71, 2010).
Letztlich sind in mehreren der Baustrukturen Herdstellen und Gruben mit römischem Fundinhalt vorhanden. Die Fluchtung der Grubenkonturen ist zumeist mit den Steinsetzungen gleichlaufend. Anhand der vorgenannten Befunde und Grabungen lassen sich ansatzweise auch die Positionen von Großbauten rekonstruieren (Abb. 9). Angedeutet bzw. angeschnitten sind Baukörper im Südwesten des Lagers I (Horreum? ca. 1400 qm Grundfläche), im südlichen mittleren Innenraum (mehrere Bauten, vermutlich dabei auch Mannschaftsunterkünfte) oder ganz im Norden (zwei Bauten mit 1500 und 400 qm Größe). Sicherer ist dagegen die Festlegung einer auffälligen quadratischen Baustruktur mit rund 40 m Kantenlängen etwas nördlich der Mitte im Lager I (Abb. 10, siehe Farbteil). Mehrere Probeschnitte ergaben hier die Hinweise auf einen steingesetzten und mit Sandalennägeln gespickten Umgangsweg, mit einer wohl unbebauten, offenen Innenhoffläche.
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Abb. 9: Digitales Modell der Innenbebauung des Hauptlagers I. Rekonstruktionsvorschlag. Realisierung durch M. Sättele, Digitale Archäologie Freiburg.
Der neutral als Zentralbau bezeichnete Befund zeigt an seinen vier Flanken weitere schemenhafte Annexräume. Durch die prominente Lage fast im Zentrum, auf dem am höchsten aufgewölbten Innenraumbereich und mit Spuren eines einstigen Plateauunterbaus, kann von einem funktional herausragenden Gebäudekomplex ausgegangen werden. Unterstrichen wird dies von der auffälligen Verdichtung der engeren umgebenden Fundstreuung, so auch der Münzen und anderer Sonderfunde. Diskutiert wird eine Funktion als Principia, aber auch – zurückhaltender, skeptischer – als Sakralbau, etwa als sehr großer, einstweilen beispielloser Umgangstempel. Über das Spektrum des Fundmaterials, das auch einen Bestand typischer Werkzeuge für die Eisen-, Holz- und Lederbearbeitung enthält, und über deren Verteilung im Lager I lassen sich diese spezialisierten Handwerke belegen. Gleich nördlich hinter dem Zentralbau ist der Platz einer Lagerschmiede lokalisiert. Zum Komplex der Nahrungsversorgung und –bereitung zählen Fundbelege für verkohltes Getreide, Drehmühlsteine, Olivenöl- und Weinamphorenscherben, außerdem ein ergrabener Backofen. Die überwiegend im Zuge der Fundprospektion per Detektor in Einzelaufnahme erfassten, daneben auch während der Probegrabungen geborgenen Metallfunde erreichten bis Ende 2012 die Gesamtzahl von 2.600 gesichert römischen Objekten. Die große Menge resultiert aus mehreren Umständen: 1. Die Hauptbereiche des Lagers I, II und III befinden sich seit der Lagerauflassung offenkundig ununterbrochen unter Waldbedeckung, somit sind zumindest keine Störungen und Verluste durch Übera-
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ckerung oder Überbauung entstanden, die antike Oberfläche und die untertägigen Befunde sind inklusive der nichtorganischen Lagerabfälle weitgehend erhalten. 2. Die Detektorprospektion wurde über alle zehn Forschungsjahre intensiv, in der Summe mit 6–10 kompletten Begehungen der waldbedeckten Flächen, durchgeführt. 3. Die Detektorprospektion richtete sich auf alle Metalle ab der Größenordnung 2 mm aufwärts, wodurch der sehr hohe Anteil von über 90 % nur für Eisenobjekte bedingt ist. Überwiegend handelt es sich um Sandalennägel sowie um typisches Abfallmaterial aus Alltagsleben und Bauschutt. Wie die Grabungen gezeigt haben, ist darüber hinaus mit weiterem kleinteiligem Fundmaterial in erheblichen Mengen zu rechnen. In Anbetracht der Nutzungsdauer des Standlagers und der ansatzweise zu errechnenden Größe der Stammbesatzung von 300 bis 500 Personen, auch bei Annahme einer planmäßigen, gewaltlosen Auflassung, erscheint die vorgefundene Menge zurückgelassener Objekte plausibel. Unter Würdigung aller genannten Merkmale ist der Befund bei Hedemünden als Wehranlage des römischen Militärs zu interpretieren. Nachweisbare Baureste ehemaliger fester Holzkonstruktionen, Gruben-, Keller- und Ofenbefunde, Besiedlungsabfälle des militärischen, alltäglichen und spezialisiert-handwerklichen Charakters sprechen zumindest am Hauptlager I für ein Standlager. Ob der gesamte, bislang auf mindestens acht Hektar Größe nachgewiesene, darüber hinaus auf vermutlich 26 Hektar erkennbare, nach ersten Indizien eventuell noch größere Befundkomplex in den drei bis fünf Jahren auch fertig aufgebaut und eingerichtet war, muss offen bleiben. Über die Funktionen der Einzelbereiche, letztlich aber des gesamten Standortes Hedemünden besteht keine abschließende Gewissheit. Die Orientierung an dem strategisch bedeutsamen Übergangspunkt des Fernweges Mainz-Nordhessen-Leinetal-Harzraum-Mittelelbe/Saale über den schiffbaren Oberweser-Werralauf ist vor dem Hintergrund der logistischen Flankierungsmaßnahmen während der Drusus-Feldzüge6 absolut plausibel. Über den Fluss und die Nordsee war eine schiffsgestützte Nachschubversorgung aus der linksrheinischen Provinz ermöglicht. Ein entsprechendes Versorgungslager wurde an dieser Stelle vor der Entdeckung seit längerem erwartet. Das mutmaßliche Horreumsgebäude im Südwestbereich des Lagers I sowie bestimmte Elemente innerhalb des Fundmaterials geben in der Tat Hinweise auf eine zumindest hoch anteilige Funktion als Versorgungs- und Nachschubbasis. Im Fundbestand könnten hierfür beispielsweise die Scherben schwerer Öl- und Weinamphoren mit südspanischer und süditalischer Provenienz herangezogen werden; sie dürften mit ihren Inhalten aus Gewichtsgründen eher auf dem Wassertransportweg als im fußmarschierenden Tross oder durch Saumtiere herangebracht worden sein.7 Demgegenüber ist der repräsentative, verhältnismäßig große Zentralbau mitsamt 6 Vgl. Florus, epitom. 2, 30, 26; desgl. Lehmann 2012, 291. 7 Dennoch sind Transporte von schweren Waren, auch von Amphorenlieferungen, über Landwege und sogar Passhöhen nicht ausgeschlossen, wenn eine nähere Landwegdistanz in Konkurrenz zum viel weiteren Wassertransport trat; dazu zuletzt Ehmig 2012.
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seiner umgebenden, fundauffälligen Freifläche im Lager I für das Gebäudeensemble eines reinen Versorgungslagers ungewöhnlich und bemerkenswert. Hier zeichnet sich eine weitere dominante, vermutlich administrativ und repräsentativ – eventuell auch kultisch - aufgewertete Funktion innerhalb des Hauptlagers I ab. All dies sind Überlegungen lediglich auf Grundlage der vorgefundenen Realien und ihrer vordergründigen Interpretationen. Darüber hinausgehende, ebenso intendierte Funktionsschwerpunkte sind anzunehmen, aber noch spekulativ. So lag der Stützpunkt einerseits innerhalb der zeitgenössischen kleinen Hedemündener Siedlungskammer der jüngereisenzeitlichen ländlichen Bevölkerung, andererseits auf halbem Wege – je eines Tagesmarsches - zwischen den beiden größeren (im fraglichen Zeitraum noch elbgermanischen?) Siedlungsgebieten des unteren Fuldatales/ Umkreis Kassel und des südlichen Leinetales/Harzvorlandes (Abb. 11, siehe Farbteil). Eine beherrschende Präsenz der römischen Armee zur nachhaltigen Kontrolle der eroberten Gebiete – wohl auch zur Fouragebeschaffung daraus - war hier sicherlich erforderlich. Ebenso bot sich der Platz durch seine Lage im Knoten verschiedener anderer, hier zusammenlaufender Fern- und Nahwege als günstiger Treff- und Verteilerpunkt von Handels-, Reise- und militärischen Marschrouten geradezu an. Manche Verortungen besonderer Ereignisse und Lokalitäten aus der historischen Überlieferung nach Hedemünden bleiben dagegen reine Gedankenspiele. Dies gilt beispielsweise für eine Gleichsetzung mit dem großen, von Drusus 11 v. Chr. im – neuen – Gebiet der Chatten errichteten Lager,8 ebenso für das Sterbelager des tödlich verunglückten Drusus im Spätsommer 9 v. Chr., das auf dem Rückmarsch halbwegs zwischen Elbe-Saale-Raum und dem Ausgangsort Mainz zu suchen ist. Spekulativ ist auch die Gleichsetzung mit dem von Ptolemaios in seiner Geographie aufgeführten, vermutlich tatsächlich irgendwo im Oberweserraum zu suchenden Ort Munitium9 oder sogar mit den Tropaea Drusi. Gelegentlich geäußerte Vermutungen, dass es sich nicht um eine römische Militäranlage, sondern um einen germanischen Kult- und Opferplatz gehandelt haben könnte, auf dem Beutegut aus Kämpfen gegen die römische Armee geopfert wurde (etwa wie am Döttenbichl bei Oberammergau in Oberbayern), lassen sich durch die Befundlage nicht stützen. Aus der üblichen Terminologie antik überlieferter10 oder facharchäologisch heute verwendeter Benennungen11 für die römischen Militäranlagen, insbesondere im germanischen Okkupationsbereich, ist vorerst keine angemessene Charakterisierung für Hedemünden greifbar. Neutral kann von einem Militärlager gesprochen werden, und je nach Teilfunktionen darin und auch nach wechselnden Abläufen innerhalb der 8 Cassius Dio 54, 33,4., entsprechend dem großen Lagerbau in Oberaden an der Lippe-Linie. 9 Kleineberg et al. 2010, 47 (Nr. 70). 10 Zumeist als castra, castra legionis, castrum, hiberna; bei kleinen Anlagen auch als statio, custodia, paesidium, burgus. 11 Im deutschen Sprachraum überwiegend als Lager, speziell als Standlager, Legionslager, Marschlager, Feldlager, Truppenlager, Kohortenlager, Alenkastell, Numeruskastell, Versorgungslager, Nachschublager, Übungslager und andere; auch als Kaserne, Festung, Fort, Posten.
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Bestandsdauer und der Jahreszeiten können zusätzliche Bezeichnungen wie Vorratslager, Versorgungs- und Nachschubbasis, Etappenstation, Refugium, Truppenlager oder Marschlager zutreffen. Impliziert wären immer auch die Ebenen der allgemeinen imperialen Präsenzdemonstration, der nachhaltigen Behauptung des eroberten Raumes, der Verwaltung und des Kultes. Gemeinsam mit den unten beschriebenen Marschlagerspuren, mit dem Nachbarlager des „Kring“ und dem Posten bei Mollenfelde ergibt sich offenkundig eine komplexere, netzwerkartige Struktur, die zutreffender – und weiterhin neutral – als „Stützpunkt“ bezeichnet werden sollte.12
Benachbartes Lager „Kring“ Stärker sind momentan noch die Aussagen bezüglich der Ringwallanlage „Kring“ eingeschränkt (Abb. 12).
Abb. 12: Kleinlager „Kring“ im Kaufunger Wald bei Oberode. Nordöstlicher Wallverlauf.
Seit der Identifikation als römisch-augusteischer, drususzeitlicher Platz im Jahre 2006 liegt zwar ein aussagekräftiges Fundmaterial vor, das im wesentlichen der flächendeckenden, dennoch nicht gleichermaßen intensiv wie in Hedemünden durchgeführten Detektorprospektion verdankt wird. Die ersten Grabungsschnitte seitens 12 Ähnlich dazu von Schnurbein 2011, 79 f.
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der Kreisarchäologie Göttingen erbrachten aber noch keine qualitativen Befundaussagen, etwa zur Innenbebauung und Funktion der Anlage. Abgesehen von der durchgeführten Erfassung per LIDAR-Geoscan für den Platz und sein weiteres Umfeld (Abb. 13, siehe Farbteil) – als Anschlussfläche an die Hedemündener Anlagen – bleibt die ganze Bandbreite geophysikalischer und archäologischer Prospektion, auch für das Umfeld, ein Desiderat für die Zukunft. Folgende Aussagen dürften bisher als abgesichert gelten: Der Ringwall enthält die inneren, verbrannten Holzeinbaureste einer ursprünglichen Holz-Erde-Konstruktion, für den vorgelagerten Graben ist eine Spitzgrabenform zumindest angedeutet. Im flach aufgewölbten Innenraum sind über Metallkrampen und Zeltheringe die Hinweise auf Holzbauten und Zelte gegeben. Eine Brandschicht, über Einzelpartikel hinausgehende Brandlehmbelege, Gruben und andere Parameter für Bebauung und Aktivitäten fehlen aber bislang. Trotz vorkommender Großsteine sind keine anthropogenen Konfigurationen wie im Lager I in Hedemünden erkennbar. Nahe dem einzigen Tor befand sich der Platz einer Schmiede für die Eisenbearbeitung (auch für einfaches Damaszieren). Das sonstige Fundmaterial enthält u. a. Militaria (Katapultbolzen, Lanzenschuhe, eine Beinschiene/Ocrea), Handwerksgeräte für Eisen- und Holzbearbeitung, Wagen- und Anschirrungsteile für Zugtiere, eine Gefangenenfessel, Fragmente der Buntmetalltoreutik, ein Bleilot sowie zahlreiche Sandalennägel der augusteischen Form. Mehrere Fragmente stammen von importierten Großgefäßen (dickwandigen Amphoren); Reste von einheimischer jüngereisenzeitlicher Keramik fehlen. Zwei Münzfunde verweisen in den Oberadenhorizont: ein Denar für Augustus (RIC 288, geprägt in Rom 19/18 v. Chr.), und ein Nemausus-As der ersten Serie, mit Gegenstempel IMP (Nîmes 16 – 8 v. Chr.). Die C14-Daten vom Holz aus dem Wall sowie von der Schmiedestelle stützen den Zeitansatz. Das plateauartige, nördlich vorgelagerte Gelände von ca. einem halben Hektar Größe ist ausweislich der Streufunde in unbekannte Außenaktivitäten einbezogen gewesen. Funde anderer Perioden, die eine Vor- oder Nachnutzung des „Kring“ andeuten, sind bis auf den Wald-üblichen, dünnen Fundschleier frühneuzeitlicher Kleinteile nicht vorhanden. Nach all dem muss auch für den „Kring“ davon ausgegangen werden, dass es sich um eine römische Militäranlage gehandelt hat, die aufgrund aller Merkmale, ihrer Datierung und der zu Hedemünden spiegelbildlichen Lage südlich der Werra im engen Zusammenhang mit dem Stützpunkt an der Flussfurt zu sehen ist. Der mit ca. 4.000 qm ungewöhnlich kleine Innenraum ist aber durch ein in den Baumaßen groß dimensioniertes, in einem Guss errichtetes Befestigungswerk derart geschützt, dass nicht mehr von einer nur kurzfristig genutzten Einrichtung, sondern von einem kleinen Standlager ausgegangen werden kann, worauf bereits die Eisenkrampen von festen Holzgebäuden hinweisen. Über dessen ehemalige Funktion und die Mannschaftsstärke der reliquatio kann beim derzeitigen Kenntnisstand nur spekuliert werden. Dabei dürften zwei besondere Umstände eine Rolle spielen: Die Anlage befand sich mit mehr als zwei Kilometer Distanz einsam und weitab von der umgebenden einheimischen Besiedlung, wurde im geschlossenen Waldumfeld des Kau-
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funger Waldes und dabei auf rund 390 m NN, also noch etwa 180 m höher als das Hauptlager I bei Hedemünden, errichtet. Zweitens ist die Platzwahl ganz offenkundig durch den exakt hier durchlaufenden und metergenau festlegbaren, oben mehrfach genannten Fernweg bestimmt, der ausweislich eines urgeschichtlichen Befundensembles auf dem nördlichen „Kring“-Vorgelände, so eines urnenfelderzeitlichen Metallhortes und einer kleinen Gruppe noch nicht näher bestimmbarer Steinhügel (-gräber), wohl schon lange vorher bestanden hat. Während der römischen Präsenz ist der Weg aufgrund der zahlreichen Nachweise von augusteischen Sandalennägeln, eines Pugios und anderen Objekten hin zur Werrafurt und zum Hauptlager Hedemünden stark frequentiert worden. Mit letzterem muss daher ein direkter, durch die 2,5 km lange Wegeverbindung und optische (wohl auch akustische) Signalgebungsmöglichkeit bestens abgesicherter Zusammenhang bestanden haben. Die Lage auf dem Ravensbergplateau, am oberen Ende des steilen Wegeanstiegs auf den Kaufunger Wald, macht die Funktion als „Umschwang“, als Vor- oder Umspannstation für den durchziehenden Truppen-, Handels- und Personenverkehr am besten plausibel. Ein Vor- oder Außenposten, Wegekontrolle, praesidium, mansio oder mutatio, specula/ burgus speculatorius – dies alles dürfte für das kleine Lager des „Kring“ zutreffend sein, auch wenn der Befund einstweilen für die römischen Germanienfeldzüge singulär bleibt.
Jüngere oder unklare römische Anlagen und Präsenz im unteren Werratal- und Leinegebiet: Marschlager und Kommunikationsposten? Marschlager Über den komplexen Stützpunkt aus Hedemündener Lager, „Kring“ und vorgeschobenem Posten bei Mollenfelde hinaus sind im gleichen Gebiet durch die intensive Geländeprospektion archäologische Spuren ermittelt, die auf weitere römische Anlagen schließen lassen, deren augusteische Datierung aber nicht feststeht. Da der Überlandweg mit seiner Werraüberquerung bei Hedemünden nach Lage der Dinge (Hauptrichtung von Mainz zur Mittelelbe) sehr wahrscheinlich auch während der späteren Militäroperationen, insbesondere in spätaugusteischer und tiberischer Zeit - bis zu den Germanicus-Feldzügen – genutzt wurde, muss in dieser strategisch wichtigen Lagesituation mit wiederholten römischen Auftritten gerechnet werden. Das gilt ebenso für römische Operationen, die während der Chattenkriege des 1. Jahrhunderts auch den nordhessischen Werraraum erreicht haben dürften,13 und nicht zuletzt für 13 Lehmann 2012, 296 ff.; siehe auch unten.
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den Feldzug um 235 n. Chr. unter Maximinus Thrax, der durch die Schlachtfeldspuren am Harzhorn bei Oldenrode und am Kahlberg bei Kalefeld, Ldkr. Northeim – auf gleicher Überlandtrasse – dokumentiert ist.14 Insofern sind römische Lager- oder Postenspuren zu erwarten, dann aber auch zeitlich zu differenzieren und zu schichten. Hinweise auf Marschlager sind in der Nachbarschaft des Hedemündener Lagers wie auch des Postens bei Mollenfelde vorhanden. Bei dem rund 20 Hektar großen, plateauartig verflachten Lagerbereich IV am östlichen Burgberghang bei Hedemünden dürfte es sich um eine zeitgleich mit dem Hauptbereich I–III vorgehaltene Einrichtung gehandelt haben (Abb. 3). Die streckenweise noch flach ausgebildeten Befestigungsspuren des annähernd rechteckig zugeschnittenen Areals lehnen sich an die Hauptbefestigungen an, zusammen stellt der Befundkomplex auf dem Burgberg eine funktionale und topografische Einheit dar.
Abb. 14: Angeschnittener Spitzgraben eines mutmaßlichen Marschlagers. Hedemünden FSt. 175. Baugrubenprofil im Gewerbegebiet „Drususring“ zwischen Ort und Römerlager (2011).
Nach ersten Prospektionsergebnissen (LIDAR, Luftbildauswertungen, Magnetometrie) und Grabungsschnitten sind in der heute überackerten Innenraumfläche diffuse Befundstrukturen erkennbar, außerdem liegt ein zahlenmäßig geringes Fundmaterial, auch mit einem Beleg für Terra sigillata, vor. Die Verifizierung der Befunde und eine Datierung der Anlage bleiben aber zukünftigen Untersuchungen vorbehalten.
14 Dazu Fuhrmann und Steinmetz 2013, Abb. 1; Meyer und Moosbauer 2013.
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Rund 1 km weiter östlich - und direkt an die ehemalige Überlandwegtrasse angebunden - sind im lößbedeckten Talgrund zwischen Burgberg und Ortslage Hedemünden bei Erdarbeiten die Spitzgrabenbefunde eines möglichen Marschlagers angeschnitten worden (Abb. 14). Die Grabenprofile entsprechen in Form und Dimensionierung dem bekannten Duktus frühkaiserzeitlicher Anlagen. Da an einer Stelle sechs Spitzgräben nebeneinander verlaufen, könnte der Platz mehrphasig sein. Vergesellschaftetes Fundmaterial fehlt, eine Datierung des Befundes war noch nicht möglich.
Abb. 15: Augusteischer Posten auf dem Kreideberg bei Mollenfelde/Berlepsch-Ellerode, Verlauf des römischen Marschweges und mutmaßliche Marschlager. Digitales Geländemodell (nach LIDAR/Airborne Laserscan).
Weiter nordöstlich deutet sich in 5 km Entfernung am Überlandweg ein nächstes Ensemble an. Unterhalb des augusteischen kleinen Postens auf dem Ausläufer des Kreidebergs bei Mollenfelde sind im flach aufgewölbten Gelände neben dem Rittergut Ellerode die Luftbildbefunde von zwei mutmaßlichen Marschlagern erkennbar (Abb. 15). Beide überschneiden sich partiell, weisen Rechteckformen mit abgerundeten
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Ecken auf und umschließen Innenflächen von mindestens 14,5 Hektar und 9,5 Hektar. Streckenweise ist der Kantenverlauf als Parallellinie eines Doppelgrabens ausgebildet. Auch hier fehlen bislang Funde und weitergehende Untersuchungen. Sollte sich die Einschätzung als Marschlager bestätigen, ist ein Zusammenhang mit dem rund 500 m entfernt gelegenen Posten wahrscheinlich. Letzterer wird aufgrund seiner herausgehobenen topografischen Lage direkt auf der fundmäßig abgesicherten Wegelinie und mit Fernsicht in fast alle Richtungen, als Wege- und Kommunikationsposten für die optische oder akustische Signalgebung (specula) angesprochen. Die Überreste im Boden deuten auf ein Bauwerk in Holz-Lehm-Konstruktion hin, der Platz zeigt keine Befestigung. Allerdings sind hier auch Fundbelege, insbesondere Sandalennägel aus wohl spät- bis nachaugusteischer Zeit ebenfalls vorhanden, so dass es sich um eine wiederholt genutzte Stelle gehandelt haben wird.
Abb. 16: Bergkuppe des Lohkopfes nordöstlich von Hedemünden. Blick vom ehemaligen Überlandweg nach N. Auf der Kuppe Fundkonzentration eiserner Schuhnägel, Platz eines mutmaßlichen Signalpostens. Nr. 3 in Karte Abb. 23.
Auch bei der Analyse der Luftbildserien – Senkrechtaufnahmen der Landesvermessung seit 1958, eigene Befliegungen – konnten im Untersuchungsgebiet auf freien Ackerflächen an mehreren Stellen Hinweise auf mögliche Marschlager gefunden werden. Es handelt sich um lineare Bewuchs- oder Verfärbungsbefunde, die großflächige rechteckige Strukturen mit abgerundeten Ecken andeuten. Obwohl diese am Boden noch zu überprüfen sind, passen sie mit ihrer Lage in einigen Fällen gut zur Erwartung Zu nennen sind:
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–– Diffuse und verstreut in der Talebene von Hedemünden vorhandene Verfärbungsbefunde. –– Eine Rechteckstruktur mit abgerundeten Ecken auf der flachen Anhöhe des Hohenschleifen am östlichen Fuldatalrand oberhalb der historischen Furt von Spiekershausen, Ldkr. Göttingen, am Überlandweg zwischen Kassel und Hedemünden. –– Eine gleichartige Struktur in der Leinetalebene westlich von Rosdorf, Ldkr. Göttingen, in einem Bogen des Bachverlaufs der Rase, im Bereich einer jüngerkaiserzeitlichen Siedlungsstelle, wenige Meter benachbart befindet sich eine kleine, wohl spätrömische Fundstelle des 4. Jahrhunderts mit Follis (nach 330 n. Chr.) und Sandalennägeln; dazu unten.
Abb. 17: Lohkopf bei Hedemünden. Platz eines mutmaßlichen Signalpostens auf der Kuppe (Aufwölbung in der Bildmitte). Nr. 3 in Karte Abb. 23.
Signalposten? Im Rahmen der Geländeprospektion konnte per Metalldetektoreinsatz im Arbeitsgebiet eine Gruppe spezieller Fundplätze erkannt werden. Es handelt sich um Kleinfundstellen, deren auffällige Lage in herausragender Topografie, auf isolierten und teilweise sehr kleinflächigen Bergkuppen, oder an markanten Punkten direkt auf alten Wegelinien, für den Charakter als ehemalige Kommunikationsposten spricht. Auf diesen wie auf begleitenden Wegeabschnitten stellen eiserne Schuhnägel – quasi als determinierende Leitobjekte – die Hauptfundmenge dar (Abb. 16–20).
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Abb. 18: Ecksberg bei Dahlenrode, Ldkr. Göttingen. Auf der Kuppe Fundkonzentration eiserner Schuhnägel, Platz eines mutmaßlichen Signalpostens. Nr. 14 in Karte Abb. 23.
Begünstigt waren die Suchbedingungen wegen großflächiger, durch frühere Rodungen nicht beeinträchtigter Waldgebiete. Grabungen an den Plätzen haben noch nicht stattgefunden, und erst vereinzelt sind Bau- und Brandspuren nachgewiesen. Daher können Aussagen zur Beschaffenheit, Funktion und Zeitstellung vorerst nur auf der Fundanalyse beruhen. Hinzu treten Überlegungen zur Einbettung in die Siedlungslandschaft und in das historische Verkehrswegenetz. Bis Jahresbeginn 2014 wurden im Berg- und Hügelland des unteren Werratales und oberen Leinetales 13 derartige Fundstellen ermittelt15 (Abb. 22 unten und 23 im Farbteil). Im nördlich angrenzenden Leinebergland sind in den letzten Jahren im Raum Einbeck16 und Eldagsen17 mehrere Plätze mit gleichartigen Schuhnägeln festgestellt worden, die für die angesprochene Thematik eine Rolle spielen dürften. Das gilt ebenso für die Prospektionsergebnisse zwischen Oberharz und Leine rings um das
15 Die Prospektionen im Gebiet des hessischen Werra-Meißner-Kreises wurden in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Außenstelle Marburg, durchgeführt. Herrn Dr. K. Sippel sei für die hervorragende Zusammenarbeit gedankt. 16 Burgberg bei Negenborn und Burg Grubenhagen bei Rotenkirchen, beide Stadt Einbeck, Ldkr. Northeim. Mitteilung von S. Teuber M.A., Stadtarchäologie Einbeck. 17 Unterhalb der Barenburg bei Eldagsen, Stadt Springe, Region Hannover (Cosack 2007, vgl. Abb. 35 u. 36); sowie vereinzelt in der Barenburg (Cosack 2008, vgl. Abb. 165 – 168). Dort werden sie allerdings dem latènezeitlichen Fundbestand zugeschrieben.
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Schlachtfeldensemble von 235 n. Chr. am Harzhorn bei Oldenrode und am Kahlberg bei Kalefeld im Ldkr. Northeim.
Abb. 19: Ecksberg bei Dahlenrode. Kuppe mit dem Platz des mutmaßlichen Signalpostens. Nr. 14 in Karte Abb. 23.
Die als Posten vermuteten Stellen sind aufgrund der beobachteten Fundumstände, der Fundverteilung und der in wenigen Fällen vergesellschafteten oder eng benachbart geborgenen Beifunde als echte archäologische Befunde zu interpretieren. Ein selektives Prospektionsergebnis – etwa durch Bevorzugung besonderer Bergkuppen oder bekannter Wegetrassen – liegt nicht vor, da sich die Durchführung stichprobenhaft auf alle Oberflächenformen der bewaldeten Landschaft richtete und dabei überwiegend ohne Ergebnis blieb. Mittelalterliche und frühneuzeitliche Fundstellen wie z. B. Wüstungen, Burgen und Glashüttenplätze blieben bezeichnenderweise ohne Schuhnagelfunde. Der einzige Fall mit der Burgstelle Grubenhagen bei Rotenkirchen, Ldkr. Northeim (Nr. 17 auf der Karte Abb. 23) dürfte sich derart erklären, dass die Nägel nicht direkt aus der Ruine stammen, sondern als separates Ensemble von dem ohnehin topografisch hoch gelegenen und als Posten geeigneten Bergkopf auf dem Ahlsburg-Kamm geborgen wurden. Leider wird die Prospektion seit 2014 nicht fortgeführt und bleibt daher fragmentarisch.
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Abb. 20: Hengstberg bei Groß Lengden, Ldkr. Göttingen. Auf der Kuppe Fundkonzentration eiserner Schuhnägel, Platz eines mutmaßlichen Signalpostens. Nr. 10 in Karte Abb. 23.
Typologisch gehören die hier angesprochenen Schuhnägel (Abb. 21) nicht mehr dem bekannten Formenspektrum des reichsweiten, spätrepublikanischen bis augusteisch-frühkaiserzeitlichen römischen Militärumfeldes an. In dieser frühen Phase können anhand ihrer Größen, massiv spitzkegeligen Köpfe und unterseitigen Stegund Noppenausbildungen noch Differenzierungen vorgenommen werden, und zwar zeitlich wie wohl auch regional. Soweit momentan überschaubar scheint stattdessen ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. ein einheitlicher, indifferenter Nageltyp mit flachen, zum Teil buckelförmigen Köpfen ohne Noppen aufzutreten, der fast ohne Unterschied bis mindestens in das 4. Jahrhundert durchläuft.18 Dieser Typ fehlt noch in den augusteischen Anlagen von Hedemünden, vom „Kring“ und auf deren Wegeverbindung im Kaufunger Wald, tritt aber mit mehreren Exemplaren – und in einigen Fällen mit dem „typologischen Relikt“ letzter Noppenausbildungen – gemeinsam mit den Altformen auf dem Posten von Mollenfelde auf.
18 Die weitere Formenentwicklung von Schuhnägeln und die Verwendung von Schuhnägeln während der nachfolgenden mittelalterlichen Zeiten an sich ist noch nicht zu überblicken. Es hat den Anschein, dass der Gebrauch mit der Spätantike deutlich nachlässt oder sogar ganz abbricht. Erst in der frühen Neuzeit sind genagelte Schuhe zunehmend üblich, vor allem auch in der Militärausstattung und bei geländegängigen Berufsgruppen (Forstwirtschaft, Holzfällerei). Zusammenfassend: Poux 2008; Martin-Kilcher 2011; Grote 2012, 253 ff.
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Abb. 21: Hedemünden, Lohkopf. Beispiele eiserner Schuhnägel vom mutmaßlichen Posten. Nr. 3 auf Plan Abb. 23.
Für zeitliche Einordnungen sind in der Region mehrere Befunde zu benennen, die aber ohne Absicherung durch ein qualitatives Grabungsergebnis nur erste Anhaltspunkte sind und noch keine definitive Festlegung erlauben – bei aller Wahrscheinlichkeit einer zuweilen zwingend erscheinenden, unmittelbaren Fundvergesellschaftung (unter 0,3 m Funddistanz). Erschwerend kommt hinzu, dass manche Beifunde offensichtlich im Widerspruch zur erwarteten Datierung stehen. –– Ulfen FSt. 9, Hang des Ottilienberges (Stadt Sontra, Werra-Meißner-Kreis): Schatzfund von zwölf spätrepublikanischen Denaren, in den Boden gekommen sehr wahrscheinlich erst in augusteischer Zeit. Schuhnägel direkt dabei und im Umkreis bis ca. 60 m Entfernung.19 –– Hitzerode, Weidscher Kopf, sog. Römerschanze (Gemeinde Berkatal, Werra-Meißner-Kreis, Abb. 24): Kniefibel Form Almgren 138/140/141, RKZ B2/C1, 2. Hälfte 2. Jahrhundert bis 1. Hälfte 3. Jahrhundert, wohl rhein-weser-germanisch. Direkte Zusammenlage mit Schuhnägeln. Im Umkreis auf dem Bergplateau: Rest einer Wall-Graben-Abschnittsbefestigung, um 1790 angeblich mehrere augusteische Münzfunde,20 in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts als Detektorfund vermutlich von hier ein römischer Münzfund der tiberischen Zeit21 (Abb. 25): Münzmeis19 Der vor und um 2004 geborgene Münzhort ist noch unpubliziert, die freundliche Mitteilung darüber verdanke ich Herrn Dr. K. Sippel, Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Marburg). Dem Eigentümer des Münzhortes, Herrn G. Brandau in Waldkappel-Bischhausen, danke ich ebenfalls für weitere Informationen. Die Münzreihe reicht von einem anonymen Denar um 157/156 v. Chr. bis zu einem Denar für Sextus Pompeius (42/40 v. Chr.). Bereits bei der Münzbergung wurden lt. G. Brandau einzelne Schuhnägel beobachtet. - Auf dem Bergplateau befinden sich auch die Reste einer spätmittelalterlichen Wallfahrtskapelle. Ein Zusammenhang zwischen dieser und den Schuhnägeln besteht ausweislich der davon abweichenden Fundverteilung offenkundig nicht. 20 Schreiber 1849, 23; Schubert 2003 (FMRD V, Nr. 3). 21 Hinweis von Dr. K. Sippel, LAD Hessen (Marburg), die Münze ist dort unter Bad Sooden-Allendorf FSt. 13 erfasst. Weiterführende Hinweise verdanke ich den Herren G. Rademacher, Bad Sooden-Allendorf, und S. Forbert, Witzenhausen. Dazu auch Forbert 2014.
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ter-As des Augustus, RIC 373, Rom 16 – 6 v. Chr., Vorderseite mit Gegenstempel CAESR in Ligatur, Typ Werz 61.67/2 (des Germanicus Julius Caesar, 14 – 16 n. Chr.).
Abb. 22: Hedemünden, Blick über das Römerlager (Vordergrund) nach NO. Römische Fundstellen und mutmaßliche Signalposten beiderseits des ehemaligen Überlandweges (ca. heutiger Verlauf der A7).
–– Berlepsch-Ellerode, Hübenberg (Werra-Meißner-Kreis, Abb. 26): Eiserner Lanzenschuh, frühgeschichtlich. Direkte Zusammenlage mit Schuhnägeln. –– Rosdorf FSt. 84 (Gemeinde Rosdorf, Ldkr. Göttingen): Follis (Konstantin I), nach 330 n. Chr. Direkte Zusammenlage.22 Angrenzend Siedlungsplatz der jüngeren Kaiserzeit, außerdem Luftbildspuren eines eventuellen Marschlagers. –– Negenborn, Burgberg (Stadt Einbeck, Ldkr. Northeim, Abb. 27): Eiserne Pilumspitze (?), ältere Kaiserzeit. Zusammenlage mit Schuhnägeln, innerhalb des vorrömisch-eisenzeitlichen (MLT) Burgwalls FSt. 1.23 –– Eldagsen, Barenburg (Stadt Springe, Region Hannover): Mittellatènezeitliche Burganlage und nordwestlicher Abhang des Burgberges,24 Fragment einer römi-
22 Grote 2005. 23 Freundliche Mitteilung durch S. Teuber M.A., Stadtarchäologie Einbeck. 24 Cosack 2007, 320 f. und Abb. 33, 35 u. 36.
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schen Pilumspitze?25 Katapultbolzen?26 Allgemeine Zusammenlage mit Schuhnägeln in der großen Fundfläche.
Abb. 24: Hitzerode, Werra-Meißner-Kreis, Weidscher Kopf/Römerschanze (Hintergrund Mitte). Blick vom Werratal. Auf der Bergkuppe Platz eines mutmaßlichen Signalpostens. Nr. 1 auf Plan Abb. 23.
–– Oldenrode, Harzhorn (Ldkr. Northeim): Römisch-germanisches Schlachtfeld, um 235 n. Chr. Verlustfunde vom Kampfgeschehen und Streufunde auf Wegeabschnitten,27 direkte Zusammenlage mit zahlreichen Schuhnägeln. Im Falle der Fundstelle von Ulfen im Werra-Meißner-Kreis sind die spätrepublikanischen (augustuszeitlich deponierten?) Denare für einen plausiblen Zusammenhang mit den Schuhnägeln zu alt, falls man nicht – wie beim Posten von Mollenfelde – den angenommenen Frühbeginn dieser Nagelform bereits in das frühe 1. Jahrhundert setzt und für die Münzen einen entsprechenden jahrzehntelangen Nachlauf annimmt. Die nicht gesicherte platzgenaue Zusammenlage der Schuhnägel mit den mutmaßlichen augusteischen Münzfunden auf der Römerschanze bei Hitzerode dürfte tatsächlich keine Rolle spielen, da hier der unmittelbare Beifund einer Fibel den kleinen Nagelkomplex wohl in die Zeit um oder kurz nach 200 datiert. Ganz allgemein zeichnen 25 Cosack 2008, Abb. 180, 373. 26 Cosack 2008, Abb. 179, 13 u. 134. 27 Geschwinde und Lönne 2013, 283. Cosack 2007, 321 f. vermutet hier eher die Überreste des Schuhwerks der germanischen Kampfgruppen.
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sich unter Einbeziehung der Hedemündener Lagerbefunde zwei zeitliche Schwerpunkte ab:
Abb. 25: Hitzerode, Werra-Meißner-Kreis. Augusteischer Münzmeister-As RIC 373, Gegenstempel CAESR, Typ Werz 61.67/2 (Germanicus, 14 – 16 n. Chr.). Fundort sehr wahrscheinlich Weidscher Kopf/Römerschanze, Nr. 1 auf Plan Abb. 23 im Farbteil. Foto: S. Forbert, Witzenhausen. (stark vergößert)
1. Die augusteische bis frühtiberische Phase der Okkupationszeit und der Germanicusfeldzüge (ca. 11/10 v. Chr. bis ca. 16 n. Chr.); 2. die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts (bis zum Germanienfeldzug 235 n. Chr. unter Maximinus Thrax). Für eine dazwischen liegende, weitere Phase der Chattenfeldzüge von Caligula bis Domitian (zwischen ca. 40–89 n. Chr.) fehlen momentan noch Belege. Der neue Fund eines mutmaßlichen Marschlagers bei Hachelbich nahe Sondershausen im südlichen Harzvorland, das eventuell in den domitianischen Germanienkrieg zu stellen ist (dazu unten), und der Fundplatz von Rosdorf mit dem Follis von ca. 330 n. Chr. zeigen aber auch, dass das Bild weit vielschichtiger sein dürfte.
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Abb. 26: Berlepsch-Ellerode, Werra-Meißner-Kreis, Hübenberg. Auf der Bergkuppe Fundkonzentration eiserner Schuhnägel, mutmaßlicher Signalposten. Nr. 15 auf Plan Abb. 23.
Abb. 27: Negenborn, Ldkr. Northeim, Burgberg (Bildmitte links). Platz eines mutmaßlichen Signalpostens. Nr. 12 auf Plan Abb. 23.
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Die beim jetzigen Kenntnisstand notwendigerweise noch ohne Differenzierung nach Zeitphasen vorgenommene Kartierung der Fundstellen lässt einen strangförmigen Verlauf zwischen dem unteren Werratal und dem südlichen Leinetal erkennen, was – wie oben gesagt – kein Phantombefund einer selektiven Prospektion ist (Abb. 23). Der Verlauf folgt weitgehend genau, und dabei immer wieder alternierend die Flankenseiten wechselnd, der fossilen Linie des überregionalen Fernweges. Auch Einzelabschnitte des Weges selbst sind im bewaldeten Gelände über die Schuhnagelstreuung markiert. Das gilt besonders für eine rund 800 m lange Strecke auf dem Nordabhang des Rieschenberges zwischen Mollenfelde und Mariengarten (Abb. 28), d.h. auf dem Wegeabstieg von der Hochfläche zum südlichen Leinetal. Es fällt auf, dass die jüngeren Schuhnagelformen in beiden augusteischen Anlagen – Burgberg bei Hedemünden und „Kring“ – nicht nachgewiesen sind, was realer Befund sein dürfte. Ebenso fehlen sie auf der rund 2 km langen Fernwegstrecke im Kaufunger Wald zwischen beiden Lagern. Demnach wäre zumindest für den Abstieg vom Kaufunger Wald zur Werrafurt für die nachaugusteische Zeit eine partielle Wegeverlagerung vorstellbar. Das Fehlen im Hauptlager von Hedemünden erklärt sich dagegen zwanglos durch dessen abseitige Hochlage, die nach der Lagerauflassung später nicht mehr frequentiert werden musste.
Römische Marschwege? Ansonsten übernehmen die jüngeren Schuhnagel-Fundvorkommen eine gleichartige archäologische Leit- und Nachweisfunktion wie für die Zeiten des augusteischen Stützpunktes. In dieser Konsequenz deuten sich ergänzend zum immer wieder angesprochenen Überlandweg nun auch andere, abzweigende Wegeverläufe an, die nach Geländebeschaffenheit (Höhenweg) oder gemäß verkehrs- und siedlungsgünstigen Landschaftskorridoren gut geeignet und nachvollziehbar sind. Durch Untersuchungen zur historischen Verkehrsgeografie können hier bereits ältere, in Einzelfällen sogar als vor- oder frühmittelalterlich ausgewiesene Hauptwegeläufe – überörtlich und auch überregional – herausgearbeitet werden.28 Ob diese auch schon in römischer Zeit vorhanden waren, ist offen, aber wahrscheinlich, da für die spätlatènezeitlichen bis jüngerkaiserzeitlichen Siedlungslandschaften im mittleren und oberen Leinetal, im unteren Fuldatal, im unteren Werratal, im Untereichsfeld und im südlichen Harzvorland/Goldene Aue eine eng vernetzte Infrastruktur mit zahlreichen örtlichen Verbindungswegen vorausgesetzt werden kann. Daraus und aus den topografisch vorgegebenen Geländekorridoren dürften die Fernverbindungen über die Zeiten und nach Bedarf hervorgegangen sein – was dann dem römischen Vormarsch
28 Denecke 1969; ders. 1987.
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die bekannten und zielführenden Leitlinien vorgeben konnte.29 Neben dem SW-NOÜberlandweg mit seiner Werraüberquerung handelt es sich im Wesentlichen um folgende Hauptrichtungen, die einen Bezug zum Stützpunkt Hedemünden und zur Lage der Posten haben (vgl. Karte Abb. 23): 1. Ein Weg im begehbaren Werratal flussaufwärts ab Hedemünden Richtung SO, unter streckenweiser Umgehung von schwierigen Talabschnitten und Verlauf durch Nebentalsysteme und Höhenwege, bis zum Wiederanschluss an die obere Werra im Raum Creuzburg/Herleshausen; hierzu passen die Posten von Hitzerode/Römerschanze und Ulfen/Ottilienberg. 2. Eine Hauptrichtung, die vom Überlandweg nach Osten abzweigt und dabei dem oberen Leinetal bergauf folgt, Anschluss an die Flusslinie der Wipper nimmt und der langen Berglinie des Dün und der Hainleite folgt, um über den Anschluss an die schiffbaren Flüsse der unteren Unstrut und Saale letztlich die Mittelelbe zu erreichen. Dieser überregionale und mittelalterlich-frühneuzeitlich gut dokumentierte Wegeverlauf dürfte während des Drusus-Feldzuges zur Elbe 9 v. Chr. – als Rückweg oder Marschlinie parallel zur nördlichen Harzumgehung – eine Rolle gespielt haben.30 Vielleicht trifft dies ebenso für einen jüngeren römischen Vorstoß irgendwann im 1. Jahrhundert/Beginn des 2. Jahrhunderts zu; entsprechende Hinweise in Gestalt des neu entdeckten Marschlagers von Hachelbich werden zukünftig zu verifizieren sein (dazu unten). 3. Eine Richtung, die vom Überlandweg im südlichen Leinetal etwa im Gebiet zwischen Friedland und Rosdorf nach NO abzweigt. Der Verlauf führt über landschaftlich vorgegebene Korridore in die Siedlungsgebiete des Untereichsfeldes und des südwestlichen Harzvorlandes. In optimaler Lage dazu der Posten auf dem Hengstberg bei Groß Lengden (Gde. Gleichen, Ldkr. Göttingen). 4. Ein Weg von der Hedemündener Furt aus nach NW, durch die Schedener Senke und über die Dransfelder Hochfläche Richtung N in den Raum Uslar und in das Wesertal bei Bodenfelde. 5. Ein nur etwa 6 – 8 km langer Wegeabschnitt, der nordöstlich von Hedemünden bei Deiderode/Dahlenrode vom Überlandweg abzweigt und nach Norden über die Anhöhe der Emme an Jühnde vorbei führt; etwa bei Rosdorf erreicht er wieder den breiten Leinetalgraben und den Hauptfernweg. Die eventuell schon urgeschichtliche Wegetrasse ist u. a. durch bronzezeitliche Grabanlagen (Grabhügel, Urnenfriedhof) und eine spätlatène-frühkaiserzeitliche Siedlung markiert, aber in historischer Zeit nicht mehr besonders hervorgehoben erkennbar. Auf den Weg und dabei vor allem auf dessen Abzweigung vom Fernweg ist der Posten vom Ecksberg bei Dahlenrode orientiert. Auch die Trasse selbst ist im Waldgebiet der Emme anhand der Schuhnagelstreuung streckenweise festlegbar. Auffällig sind 29 Für Anregungen und Hinweise danke ich den Herren Helmut Saehrendt, Kassel, und Dr. Klaus Sippel, Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Marburg) ganz herzlich. 30 Siehe Abb. 4. Dazu auch Bode 2013, 12.
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dabei die Nagelfunde auf vier älterbronzezeitlichen Grabhügeln, die in ihrer aufgereihten Lage den Verlauf des Weges nachzeichnen. Es wird abzuwarten sein, ob und wie sich diese beschriebenen Wegeverbindungen auch als römische Marschlinien bestätigen lassen. Dazu kommt, dass natürlich weitere überörtliche Verbindungen auch durch die benachbarten Landschaften bestanden, die mit Hedemünden nicht unmittelbar in Bezug stehen. Dazu zählen die Hauptwege, die sich auf das Kasseler Becken beziehen und von dort aus nach NNW (in den Diemelraum, Warburger Börde und weiter zum Lippegebiet) oder nach SO durch das nordhessische Bergland zwischen Fulda und Werra ausgerichtet haben.
Abb. 28: Deiderode, Ldkr. Göttingen, Rieschenberg. Auf der dammartigen Muschelkalk-Schichtrippe Verlauf des Überlandweges, mit Fundstreuung eiserner Schuhnägel. Nr. 19 auf Plan Abb. 23.
Ebenso ist im südlichen Leinetal ein altes, auch vormittelalterliches Geflecht von Hauptwegen rekonstruierbar, das besonders die hier eher schwierigen W-O-Verbindungen aufgenommen hat, beispielsweise ab ca. Northeim nach Westen über den Raum Uslar/Südsolling zur Weser (Anschlüsse dort an Weserquerungen zwischen Karlshafen/Herstelle, Beverungen, Höxter/Corvey, Holzminden/Bevern, mit weiterlaufenden Passagen ins westfälische Gebiet). Aus allen diesen Bereichen liegen römische Funde, insbesondere Münzen augusteischer Zeitstellung bis in das 4. Jahrhundert vor, deren historische Interpretation vor nun aktuellem Hintergrund zu prüfen ist. Die Modellvorstellung, dass die römischen Vorstöße in das Innere Germaniens nur auf einlinigen Haupttrassen geführt worden sind, ist unter Berücksichtigung der landschaftli-
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chen, klimatischen Verhältnisse und deren zuweilen negativen Auswirkungen auf die wenig belastbaren Wege ohnehin kaum plausibel und wird zunehmend modifiziert. Die Annahme von streckenweise getrennt marschierenden Heeresabteilungen auf Parallelrouten, wodurch größere germanische Siedlungslandschaften erfassbar wären und die Verproviantierung auf dem Vormarsch auf eine breitere Basis gestellt wäre, hat dagegen viel für sich und könnte durch die hier vorgestellte Befundlage erhärtet werden. Eine gezielte archäologische Prospektion der mutmaßlichen Wegekorridore wäre ein erster Schritt, um weitere Funde und Befunde – Posten, evtl. Marschlager, römisch frequentierte Wegespuren – zu einem solchen Szenario zu erhalten.
Exkurs: neu entdecktes Marschlager bei Hachelbich am Kyffhäuser Verstärktes Augenmerk gilt dabei nicht nur wie bisher dem SW-NO-Hauptweg, sondern auch dem unter 2 genannten W-O-Korridor südlich des Harzes in Richtung Elbe. Hier konnte im Wippertal östlich von Sondershausen, in der Nähe des Kyffhäusers, durch die Geländeforschungen des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Weimar, unter Leitung durch Mario Küßner, seit 2010 der Platz eines vermutlich frühkaiserzeitlichen Marschlagers herausgearbeitet werden.31 Entdeckt während der Rettungsgrabungen auf der Umgehungsstraßenbaustelle, befindet sich das Lager im OSO der Ortslage von Hachelbich, Gde. Kyffhäuserland, Nordthüringen, im Ackergelände am südlichen Rand des Wippertales auf den flach auslaufenden Nordabhängen der Hainleite. Eine W-O-führende fossile Überlandwegelinie verläuft hier vor der Südflanke des Lagers und erreicht weiter östlich nach rund 10 km die wichtige Landmarke des Kyffhäusermassivs bei Bad Frankenhausen, die landschaftlichen Durchgangskorridore der „Diamantenen Aue“ und der „Goldenen Aue“ sowie das Unstruttal. Form und Größe der Anlage sind noch nicht vollständig erschlossen. Über die inzwischen mehrjährigen Probegrabungen, Magnetometerprospektionen und Luftbildauswertungen ist bislang der Verlauf des Spitzgrabens der S- und der O-Flanke mit der südöstlichen Lagerecke gesichert, damit ein Innenraum von mindestens 600 m x 500 m Größe (= 30 Hektar). Gemäß der topografischen Situation könnte sich letztlich eine Größe von knapp 50 Hektar ergeben. In der O-Flanke bildet die Magnetik ein Titulum-Tor ab. Im Innenraum konnten die Reste von acht eingegrabenen Backöfen – liegend-zweiteilige Form – aufgedeckt werden, weitere Ofenstellen sind vermutlich magnetografisch angezeigt. C14-Datierungen daraus wie aus Holz im Spitzgraben ergaben einen nur weit gefassten Zeitkorridor von der Mitte des 1. Jahr31 Freundliche Mitteilungen durch Mario Küßner. Desgl. Vortrag durch diesen am 25. 4. 2014 im Rahmen des Fünften Kolloquiums „Römer in Norddeutschland“ im Landesamt für Denkmalpflege Hannover. Ansonsten: Küssner 2014.
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hunderts bis zum Anfang des 2. Jahrhunderts, aber ebenso auch allgemein des 2./3. Jahrhunderts. Diesen Zeitstellungen entsprechen weitere Objekte aus Eisen und Buntmetall. Münzfunde und römische Importkeramik liegen noch nicht vor. Die wenigen eisernen Schuhnägel gehören zur nachaugusteischen Form mit flachen, nicht weiter profilierten Köpfen ohne unterseitige Noppen oder Stege, sie gleichen damit den oben beschriebenen Exemplaren von den Wegespuren und mutmaßlichen Signalposten. Vorbehaltlich weiterer Grabungen und Datierungen könnte sich ein Zusammenhang mit den Chattenfeldzügen der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts herausstellen: so mit den Maßnahmen 50/51 oder 58 n. Chr., beide – auch – von Mainz ausgehend; so besonders mit den Feldzügen ab 83 n. Chr. (bis 88/89 n. Chr.) unter Kaiser Domitian.32 Ein Marschlager für eine Truppenstärke von etwa zwei Legionen ist hier am Nordsaum der Chattia bzw. schon im hermundurischen Gebiet strategisch durchaus plausibel, wenn man die Herkunftrichtung aus Mainz und dem ca. fünf bis sechs Tagesetappen entfernten Hedemünden betrachtet. Für den jüngeren möglichen Zeitansatz wäre ein Bezug zu den Vorgängen um das Harzhorn-Ereignis 235 n. Chr. denkbar. Dass auch vereinzelt ältere wie jüngere, mittelalterliche bis frühneuzeitliche Funde vorkommen, dürfte dem vorbeiführenden langzeitigen Hauptweg geschuldet sein. Dennoch zeigt ein Fundschwerpunkt der jüngeren vorrömischen Eisenzeit, dass der Platz eventuell durch einheimische Besiedlung vorgenutzt worden ist und somit das Freigelände für den Lagerbau geboten hat. Auch westlich von Hachelbich ist in rund 1 km Entfernung kaiserzeitliches Siedlungsgelände bekannt.
Zusammenfassung Als Ergebnis kann festgehalten werden: Der verkehrsgeografische Übergangsraum durch die nordhessisch-südniedersächsische Berglandschwelle beiderseits der Hedemündener Werra-(Oberweser-) Flussquerung hat hinsichtlich der römischen Germanienfeldzüge unter Drusus mit dem dortigen Stützpunkt erste klare Züge angenommen. Ohne die Einrichtung vergleichbarer infrastruktureller und logistischer Fixpunkte haben sich offenkundig auch spätere, nicht mehr auf Eroberung ausgerichtete Germanienvorstöße auf gleichem Wegekorridor – eventuell sogar auf derselben, alten Wegetrasse – vorwärts bewegt, zumindest während der von Mainz ausgehenden Operationen. Dafür scheinen fallweise auch flankierende Linien aus Kommunikationsposten angelegt worden zu sein,33 und zwar auf topografisch dafür geeigneten, nicht weit vom Marschweg entfernten Hochlagen, Bergkuppen usw., in Gestalt von holzge32 Vgl. unten Anm. 39. 33 Für das augusteische Innergermanien vgl. Salač und von Carnap-Bornheim 2009, 130 f., ebenso Bode 2013, 9 ff Als seit längerem bekannte Postenanlage, sogar mit kleiner Wallumschließung, vgl. den Platz auf der Sparrenberger Egge bei Bielefeld; Bérenger 2011; dazu auch Zelle 2008, 157 f., desgl. von Schnurbein 2012, 140.
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bauten Türmen für die optische oder akustische Signalübermittlung. Aufgrund der Zwischendistanzen von mindestens 1,7 km muss wohl von Lichtzeichen mit einem Feuer ausgegangen werden,34 wie auf der Trajanssäule mehrfach dargestellt (Abb. 29).
Abb. 29: Darstellung von zwei römischen Kommunikationsposten mit Fackeln für Feuerzeichen. Trajanssäule, Rom, Anfang 2. Jahrhundert.
Die exakte zeitliche Einordnung und die Verifizierung der dafür vorgeschlagenen Fundplätze als römische Anlagen stehen sicher noch für lange Zeit aus und bleiben ein Desiderat.35 Da das Hedemündener Gebiet seit den Drususfeldzügen sehr wahrscheinlich dem Nordbereich des chattischen Siedlungsraumes zuzurechnen ist bzw. seit dem 1. Jahrhundert zum Grenzgebiet gegen das nördlich anschließende cheruskische Stammesgebiet wurde, können hier mehrere der gegen die Chatten gerichteten Unternehmungen36 in Frage kommen: –– Der Feldzug 15 n. Chr. unter Germanicus in chattische Siedlungsgebiete, mit Brückenbau über die Eder und Zerstörung Mattiums und Vormarsch bis in die Cheruskis. Durch den oben vorgestellten Germanicus-gegengestempelten Münzfund
34 Schon seit der griechischen Antike angewandt, vgl. aus der Tragödie Orestie, Verse 280 ff. (458 v. Chr.) von Aischylos: „Von Feuer zu Feuer flog hierher die Flammenpost“, mit Aufzählung der einzelnen Turmposten am Ende des Trojanischen Krieges; dazu Oberliesen 1987, 24 f., auch: Aschoff 1989, 21 f. - Vgl. für das 2. Jahrhundert v. Chr. zum Punischen Krieg den Bericht von Polybios (Historia 10, 45 ff. = je Buchstabe des Alphabets ein eigenes Feuersignal). - Für die Kette aus Postentürmen des germanischen Limes zwischen Taunus und Odenwald, ebenso am vorverlegten Odenwald-Neckarlimes wie längs des rätischen Limes, ist zumeist eine Sichtverbindung gegeben. Bei der spätrömischen Postenkette des Donau-Iller-Rhein-Limes der Zeit etwa zwischen 260 bis 400 n. Chr. – beispielsweise zwischen Basel und dem Bodensee – sind Zwischenabstände von 1,5 bis 1,8 km erkennbar. 35 Nicht auszuschließen ist letztlich auch die Möglichkeit, dass es sich um einheimisch-germanische (chattische, cheruskische, hermundurische) Posten im Sinne einer organisierten, gegen Rom oder die Nachbarstämme gerichteten Gebietsverteidigung gehandelt hat. Dies halte ich allerdings in Anbetracht der vorliegenden Befundbasis inzwischen für sehr unwahrscheinlich. 36 Zusammenfassend in Bezug auf Hedemünden: Lehmann 2012, 296 ff.
–– –– –– –– –– ––
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vom Weidschen Kopf auf den Werratalhöhen bei Bad Sooden-Allendorf37 dürfte ein Hinweis auf einen Zusammenhang mit diesem oder dem nachfolgenden Feldzug vorliegen. Ob ein Lugdunum-As der Altarserie 2 (Prägezeit 9 – 14 n. Chr.), das aus dem Umkreis von Hann. Münden stammt, ebenfalls als Verlust aus den Germanicuszügen zu werten ist, muss offen bleiben.38 Die enorme historische Bedeutung dieser Münzfunde liegt auf der Hand. Der Feldzug im Herbst 16 n. Chr. unter dem Legaten C. Silius. Germanien-Offensive 39 bis 41 n. Chr. unter C. Caesar Augustus Germanicus („Caligula“), vor allem der Vorstoß 41 n. Chr. unter dem Legaten Galba. Der Feldzug 50/51 n. Chr. unter dem Legaten P. Pomponius Secundus. Umfassende Militäraktionen innerhalb der rechtsrheinischen Germania 58 n. Chr., ausgehend von Vetera und von Mainz. Chatten-Feldzüge 83 bis etwa 85 und 88/89 n. Chr. unter Kaiser Domitian.39 Der Feldzug in die Germania 235 n. Chr. unter Kaiser Maximinus Thrax führte von Mainz ausgehend offenkundig über Hedemünden bis in das norddeutsche Flachland. Doppel-Schlachtfeld auf dem Überlandweg, etwa 60 km Marschstrecke NNO von Hedemünden entfernt, am Harzhorn bei Oldenrode und am Kahlberg bei Kalefeld im Ldkr. Northeim.
Zu diesen Operationen kommen vermutlich weitere, schriftlich nicht überlieferte Unternehmungen zwischen Rhein, Main, Weser-Werra und Elbe-Saale, letztlich bis zur Konsolidierung des Limes. Bei aller Schwierigkeit der genaueren Datierung der bisher ermittelten Postenfundstellen im Hedemündener Umkreis fällt doch auf, dass für das gesamte 2. Jahrhundert die Belege fehlen – in gleicher Weise, wie dieser Zeitraum hier offensichtlich ohne militärische Konflikte zwischen Römern und Germanen blieb.
37 Fundstelle Hitzerode/Weidscher Kopf (Römerschanze) bei Bad Sooden-Allendorf, mit Abb. 25. Vgl. auch Lehmann 2012, Anm. 57. 38 Städt. Museum Hann. Münden. Bei Grote 2012, 303 mit Abb. 319 fälschlich als Stück der 1. Altarserie dargestellt. Norbert Mersch, Köln, und Frank Berger, Frankfurt, ist die Neubewertung zu verdanken. 39 Laut Frontin (Strateg. I 3, 10) hat Domitian dabei im chattischen Gebiet limites auf 120 Meilen Strecke anlegen lassen. Es dürfte sich um eine Postenkette gehandelt haben. Ob im Zuge des Haupt-Feldzuges 83 n. Chr. auch das nördliche Hessen erreicht wurde, ist nicht überliefert; der Vorstoß wurde noch im selben Jahr beendet. Ein Sesterz des Domitian (RIC 358), 1958 in Dankelshausen, Ldkr. Göttingen, in der Schedener Senke gefunden (auf dem oben als Nr. 4 bezeichneten Hauptverbindungsweg; Jünemann 1958, 3 Abb. 4), könnte ein Verluststück des römischen Militärs gewesen sein.
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Klaus Grote
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Abbildungsnachweis Abb. 1, 5, 12, 14, 16 – 21, 24, 26 – 28: Fotos Verfasser. Abb. 2 – 4, 6 – 8, 10, 11, 13, 15: entnommen aus Grote 2012. Abb. 9: M. Sättele, Digitale Archäologie Freiburg, 2009. Abb. 22, 23: Verfasser. Abb. 25: Foto S. Forbert, Witzenhausen.
Armin Becker
Die römische Okkupation des Rhein-Main Gebietes und der Wetterau unter Augustus Die literarischen Quellen ermöglichen nur einen eingeschränkten Einblick in die Zustände östlich des Rheins vor und während des Vorrückens des Germanenkönigs Ariovist nach Gallien. Aus den wenigen Nachrichten1 wird jedoch deutlich, dass zum einen Stämme östlich des Rheins unter suebische Oberhoheit gerieten, dass sie diesen Tribut zahlen mussten oder sogar ganz zum Verlassen ihrer ursprünglichen Siedlungsgebiete gezwungen wurden. Dabei zeigt das Vorgehen Ariovists in Gallien, dass ein solches Übergewicht nicht notwendigerweise durch kriegerische Zerstörungen ausgedrückt werden musste, sondern sich auch in Form von archäologisch nicht fassbaren Tributen oder Landabtretungen äußern konnte.2 Gleichzeitig versuchten gallische Stämme häufig, germanische Gruppen als Söldner anzuwerben. Beide Faktoren führten immer wieder zu Vorstößen in Gebiete westlich des Rheins. Die lateinischen Quellen nennen diese Stämme nach der Festlegung Caesars Germanen, die griechischen sprechen teils von Germanen, teils von Kelten.3 Rom reagierte auf diese Vorstöße zunächst in Form und Umsiedlungen und zwischen 12 und 7 v. Chr. mit einer Reihe von Feldzügen in das östlich des Rheins gelegene Gebiet. An deren Ende standen wiederum Bevölkerungsverschiebungen, die von Rom entweder selbst veranlasst oder doch zumindest geduldet wurden. Insgesamt gesehen erwecken die Schriftquellen zwischen Caesar und 7 v. Chr. den Eindruck einer hochdynamischen Zeit östlich des Rheins, die von Wanderungen, Kriegszügen und Siedlungsverlagerungen geprägt gewesen zu sein scheint.4 1 Vgl. nur Cic., Att. 1,19,2; Caes., b. G. 1,1,3-4; 28,4; 31,4-16; 36,7; 54,1; 2,3,4; 3,11,1-2; 4,1,1-2; 3,1-4; 4,1-7; 6,1-4; 7,4; 8,1-3; 16,1-8; 19,1-4; 5,2,4; 5,29,6; 55,1-2; 6,2,1-3; 7,1-7; 8,7; 9-10; 29,1-2; 35,4-6; 8,7,5; 10,4; 21,1; Strabon 4,3,3-4; 7,1,3-4; Sueton, Aug. 21,1; Tib. 9,2; App., Celt. 18, 3; Cass. Dio 38,34-35; 39,47-48; 40,32; 48,49,3; 51,20,5; 51,21,6; 53,26,4; 54,11,1-2; 36,3. Allgemein: D. Timpe, RGA 7, 1989, s. v. Entdeckungsgeschichte, 347 - 362. 2 Caes., b. G. 1,31,10; 36,4; 44,2. 3 Vgl. Ed. Norden, Die germanische Urgeschichte in Tacitus Germania, Darmstadt 41959, 101 f.; F. Frahm, Die Entwicklung des Suebenbegriffs in der antiken Literatur, Klio 23, 1930, 181 – 210; P. Kehne, Wer war Feind, wer war Partner Roms in der Kontaktzone Rhein – Main – Lahn während der caesarisch – augusteischen Germanienpolitik? In: Kontaktzone Lahn. Studien zum Kulturkontakt zwischen Römern und germanische Stämmen, hrsg. v. K. Ruffing, A. Becker u. G. Rasbach, Wiesbaden 2010, 37; A. Becker, Γερμανία bei Cassius Dio, Gymnasium 119, 2012, 63-73. 4 Neuere Literatur in Auswahl: K. Christ, Caesar und Ariovist (zuerst 1974), in: Ders., Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte Bd. 1, Darmstadt 1982; 92-133; Ders., Zur augusteischen Germanienpolitik (zuerst 1977), in: Ders., Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte Bd. 1 (w. o.), 183 - 239; ders., Waldgirmes. Historische Aspekte der neuen Ausgrabungen im mittleren Lahntal. In: H. Heftner/K. Tomaschitz (Hrsg.), AD FONTES! Festschrift für Gerhard Dobesch (Wien 2004) 487-492; D. Timpe, Zur Geschichte der Rheingrenze zwischen Caesar und Drusus (zuerst 1975), in: Ders., Römisch-
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Armin Becker
Die archäologischen Quellen scheinen diesem Bild nach den neuesten Untersuchungen nur eingeschränkt zu entsprechen. So konnte Michael Meyer nachweisen, dass spezifisch elbgermanische Elemente im Fundgut und in den Bestattungssitten auch während der Übergangszeit auf den Raum östlich der Weser/Werra konzentriert waren.5 In den Gebieten westlich dieser Grenze waren die einschneidenden Veränderungen, die sich nach dem Zusammenbruch der oppida fassen lassen und sich auch in dem Auftreten überregionaler Elemente der Übergangszeit manifestieren, nach Meyer Folge einer Neuorientierung einheimischer Bevölkerungsgruppen.6 Eine elbgermanisch-suebische Überschichtung ist in diesem Raum nach Meyer nicht zu belegen.7 Im Rhein-Main Gebiet und in der Wetterau existierten demgegenüber sogar dezidiert spätlatènezeitliche Elemente bis in die augusteische Zeit weiter und wurden germanische Begegnung in der späten Republik und frühen Kaiserzeit, München/Leipzig 2006, 147170; ders., Mitteleuropa in den Augen der Römer, Bonner Jahrbücher 207, 2007, 5-32; ders., Römische Geostrategie im Germanien der Okkupationszeit, in: Ders., Römisch-germanische Begegnung (w. o.), 265-317; ders., Die „Varusschlacht“ in ihren Kontexten. Eine kritische Nachlese zum Bimillennium 2009, HZ 294, 593 - 652; W. Eck, Augustus und die Großprovinz Germanien, Kölner Jahrbuch 37, 2004, 11 - 22; ders., Germanien – eine Provinz unter Augustus, in: I. Piso (Hrsg.), Die römischen Provinzen. Begriff und Gründung, Cluj-Napoca 2008, 165 – 178; K.-P. Johne, Die Römer an der Elbe. Das Stromgebiet der Elbe im geographischen Weltbild umd im politischen Bewusstsein der griechisch-römischen Antike, Berlin 2006; Die Varusschlacht. Wendepunkt der Geschichte? Hrsg. v. R. Wiegels, Stuttgart 2007; G. A. Lehmann/R. Wiegels (Hrsg), Römische Präsenz und Herrschaft im Germanien der augusteischen Zeit. Der Fundplatz Kalkriese im Kontext neuerer Forschungen und Ausgrabungsbefunde, Göttingen 2007; G. A. Lehmann, Imperium und Barbaricum. Neue Befunde und Erkenntnisse zu den römisch-germanischen Auseinandersetzungen im nordwestdeutschen Raum - von der augusteischen Okkupationsphase bis zum Germanien-Zug des Maximinus Thrax (235 n. Chr.), Österr. Akad. Wiss., Phil.-Hist. Kl., Sb, 821. Bd., Wien 2011; H. Schneider (Hrsg.), Feindliche Nachbarn. Rom und die Germanen, Köln/Weimar/Wien 2008; R. Wolters, Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius, Varus und das römische Germanien, München 2008; J. – S. Kühlborn u. a., Rom auf dem Weg nach Germanien: Geostrategie, Vormarschtrassen und Logistik. Internationales Kolloquium in Delbrück-Anreppen vom 4. bis 6. November 2004, Bodenaltertümer Westfalens 45, Mainz 2008;V. Salač/J. Bemmann (Hrsg.), Mitteleuropa zur Zeit Marbods, Prag/Bonn 2009; 2000 Jahre Varusschlacht. Imperium, Konflikt, Mythos, 3 Bde., Stuttgart 2009; Kontaktzone Lahn (wie Anm. 3); E. Baltrusch u.a. (Hrsg.), 2000 Jahre Varusschlacht. Geschichte - Archäologie - Legenden, Topoi 7, Berlin 2012. 5 M. Meyer, Mardorf 23, Lkr. Marburg-Biedenkopf. Archäologische Studien zur Besiedlung des deutschen Mittelgebirgsraumes in den Jahrhunderten um Christi Geburt, Berliner Archäologische Forschungen 5, Rahden/Westf. 2008, 208 -214 m. Abb. 160 - 167. 6 M. Meyer, Mardorf 23 (w. Anm. 5), 256: “Die römische Präsenz und die damit verbundene Umstrukturierung links des Rheins bewirkte in den Gebieten rechts des Rheins einen neuartigen Interaktionsraum mit einer neuen, ungewohnten und ausgesprochen deutlichen Grenze nach Westen” und 257: “Am Anfang dieser Prozesse steht also der Zusammenbruch der Oppida und die damit möglicherweise zusammenhängende - linksrheinische - römische Präsenz, die als mittelbares Resultat tiefgreifende Veränderungen im rechtsrheinischen Gebiet anstößt. Diese Veränderungen bewirken die Entstehung eines sozial, ökonomisch und kulturell einheitlichen Interaktionsraumes, dessen westliche Grenze durch die Römer vorgegeben ist.” 7 M. Meyer, Mardorf 23 (w. Anm. 5), 256 - 258; ders., Elbgermanen im Westen? Zu den Elementen des Großromstedter Horizonts zwischen Rhein und Werra, in: Salač/Bemmann (wie Anm. 4), 445 -451.
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erst ab der tiberischen Zeit von der Rhein-Weser-Germanischen Kultur abgelöst.8 Von besonderem Interesse ist dabei die Entwicklung auf dem Dünsberg bei Gießen.9 Die Besiedlung dieses Oppidums scheint erst im zweiten Jahrzehnt v. Chr. abzubrechen, Jens Schulze-Forster konnte darüber hinaus anhand der Verlagerung der Prägung des jüngsten Quinartyps des „Tanzenden Männleins“ eine Übersiedlung von Teilen der Bewohner ins Rheinland wahrscheinlich machen.10 Die weite Verbreitung dieses Münztyps warnt jedoch m. E. davor, seine Prägung zu eng an einen einzelnen Stamm zu binden.11 Schulze-Forster selbst hat in diesem Zusammenhang vorsichtig vom „Ubier-Modell“12 gesprochen, d.h. dass von den Römern Stämme als Germanen bezeichnet wurden, die archäologisch nicht oder zumindest in augusteischer Zeit noch nicht als germanisch zu identifizieren sind. Trifft diese Annahme für weitere Stämme während der Übergangszeit gerade in dem Raum westlich von Weser und Werra zu, so würde dies bedeuten, dass Siedlungsverlagerungen innerhalb dieses Raums in einem archäologisch sehr ähnlichen Umfeld stattfanden und somit durch die Archäologie kaum nachweisbar wären. Gleichzeitig verdeutlichen gerade die archäologischen Quellen, dass Rom trotz der nivellierenden Benennung sämtlicher Stämme östlich des Rheins als Germanen, dort auf eine differenzierte Bevölkerung getroffen ist. Die römischen Befunde in dem hier interessierenden Rhein-Main Gebiet und der Wetterau legen dabei nahe, dass die römische Herrschaftsorganisation auf diese Unterschiede auch regional differenziert eingegangen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn angesichts der Befunde von Waldgirmes nicht mehr jeder Spitzgraben unbedingt als Beleg für eine militärische Anlage zu werten ist. Vor diesem Hintergrund zeigt die römische Präsenz in Hessen unter Augustus und Tiberius deutliche Besonderheiten.13 Dies betrifft zum einen die Vgl. jedoch: M. Seidel, Zur Besiedlungsgeschichte Hessens in der spätesten Latène und frühen Römischen Kaiserzeit, in: Salač/Bemmann (wie Anm. 4), 436. 8 M. Seidel, Die jünger Latènezeit und ältere Römische Kaiserzeit in der Wetterau, Fundberichte aus Hessen, 34/35, 1994/1995 (2000), 108 -124, bes. 114 u. 117 f. Ders., Zur Besiedlungsgeschichte (wie Anm. 7), 434 - 438. 9 K.-F. Rittershofer, Ausgrabungen 1999 bis 2003 am keltischen Oppidum auf dem Dünsberg bei Gießen, BerRGK 85, 2004, 7 - 36. 10 J. Schulze-Forster, Der Dünsberg bei Gießen - keltisches Oppidum oder germanischer Ringwall? Neue Ergebnisse zur historischen Rolle des Dünsbergs, hessenArchäologie 2002, 87 -90. 11 Schulze-Forster (wie Anm. 10), 89 m. Abb. 100. 12 Schulze-Forster (wie Anm. 10), 90; ders., Kelten, Germanen, Ubier, Chatten? Zur ethnischen und historischen Deutung spätlatènezeitlicher Fundgruppen in Hessen, BerKAL 10, 2008/2009, 17 - 25; ders., Der Dünsberg und die jüngsten keltischen Münzen in Hessen, in: Die Kelten und Rom: Neue numismatische Forschungen, hrsg. v. J. Metzler u. D. Wigg-Wolf, SFMA 19, Mainz 2005, 159 - 181. 13 A. Becker, Die Römer an der Lahn. Die Ausgrabungen in Waldgirmes, in: H. Schneider (Hrsg.), Feindliche Nachbarn (wie Anm. 4), 114 f.; ders., Waldgirmes. Praesidium, oppidum, colonia? In: Kontaktzone Lahn (wie Anm. 3), 10 -12; ders., Germanicus und die Chatten. Waldgirmes und der Feldzug 15 n. Chr., BerKAL 10, 2008/2009, 52 f. Th. Mattern, Regionale Differenzierungen in den augusteischen Germanienfeldzügen, in: Kontaktzone Lahn (wie Anm. 3), 67 -75; S. von Schnurbein, Augustus in Germanien. Archäologie der fehlgeschlagenen Eroberung, in: E. Baltrusch u.a. (wie Anm. 4), 146. Vgl.
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Größe der bisher identifizierten Anlagen. Danach kommen nur zwei Lager als Standorte größerer Truppenkontingente in Betracht. Im Falle des 21 ha großen temporären Lagers bei Lahnau-Dorlar ist dabei von einer wiederholten Nutzung auszugehen.14 Bei dem zweiten Truppenlager handelt es sich um das 37 ha große Lager Marktbreit im heutigen Bayern15. Die Lage des Platzes am Main macht deutlich, dass er vermutlich nicht nur von Mainz aus gegründet wurde, sondern auch über den Main versorgt werden sollte. Das Rhein-Main Gebiet hätte damit zum gesicherten Hinterland der Anlage gehört. In der Regel wird Marktbreit mit dem 6 n. Chr. begonnenen Feldzug gegen Marbod in Verbindung gebracht, während Bernd Steidl es als geplanten Nachfolger für den Standort Mainz interpretiert hat.16 Auffällig erscheint in diesem Zusammenhang, dass östlich des Rheins bisher nur in Marktbreit und in Anreppen in Holz errichtet Badegebäude nachgewiesen wurden. Anreppen diente vermutlich für die Feldzüge 4 und 5 n. Chr. als Basis des Tiberius, was sich zum einen in einer herausragenden logistischen Funktion, zum anderen aber auch in einer luxuriösen Architektur für Tiberius und seinen Stab manifestierte. Eine Badeanlage würde diesen Charakter in Anreppen gut unterstreichen. In Marktbreit ist eine herausragende logistische Funktion dagegen bisher nicht zu erkennen. Die Anlage eines Badegebäudes würde beim derzeitigen Forschungsstand wohl ebenfalls besser zu einer beabsichtigten Funktion als zukünftigem Hauptquartier passen.17 Keiner der übrigen in Hessen G. Rasbach/A. Becker, Zwischen Mittelrhein und Elbe. Einheimische Siedlungsplätze und römische Präsenz, in: Die Varusschlacht (wie Anm. 4), 95 - 101 u. A. Becker, Die Wetterau- und die Lahntrasse. Stand derm archäologischen Forschungen. In: J. – S. Kühlborn u. a. (wie Anm. 4), 37-47. 14 S. von Schnurbein/H.-J. Köhler, Dorlar ein augusteisches Römerlager im Lahntal, Germania 72, 1994, 193 - 203; A. Becker, Germanicus und die Chatten (wie Anm. 13), 48 - 51. 15 M. Pietsch/D. Timpe/L. Wamser, Das augusteische Truppenlager Marktbreit. Bisherige archäologische Befunde und historische Erwägungen. Mit einem Beitr. v. H. Becker, BerRGK 72, 1991, 264 - 324; Th. Fischer, Römische Militärlager und zivile Siedlungen in Germanien zwischen Rhein und Elbe zur Zeit Marbods (von der Drusus-Offensive 12/9 v. Chr. bis zur der Aufgabe der römischen Eroberungspläne 17 n. Chr.). Ein aktueller Überblick, in: V. Salač/J. Bemmann (wie Anm. 4), 516. 16 B. Steidl, Mainfranken in den beiden Jahrhunderten um Christi Geburt, in: Spätlatènezeit und frühe römische Kaiserzeit zwischen Alpenrand und Donau. Akten Kolloq. Ingolstadt 2001, hrsg. v. C.Hüssen/W. Irlinger/W. Zanier, Kolloquien zur Vor- und Frühgeschichte 8, Bonn 2004, 229 - 233; ders., Mainfranken zwischen Kelten und Germanen, in: A. Fritz u. a. (Hrsg.), Zwischen Kelten und Germanen. Nordbayern und Thüringen im Zeitalter der Varusschlacht, München und Weimar 2009, 143 - 149; ders., Nordbayern zur Zeit Marbods, in: V. Salač/J. Bemmann (wie Anm. 4), 479 - 483. Zum Feldzug 6 n. Chr. und seinen möglichen Routen: V. Salač, 2000 Jahre seit dem römischen Feldzug gegen Marbod und methodische Probleme der Erforschung der älteren römischen Kaiserzeit in Böhmen und Mitteleuropa, in: V. Salač/J. Bemmann (wie Anm. 4), 126 – 134. 17 P. Bidwell, Timber baths in Augustan and Tiberian fortresses, in: Limes XVIII. Proceedings of the XVIIIth international Congress of Roman Frontier Studies, ed. Ph. Freeman/J. Bennett/Z. T. Fiema/B. Hoffmann, BAR IS 1084, 2 Bde., Oxford 2002, 471 f. geht von einer allgemeinen Nutzbarkeit der Badegebäude aus. Vergleicht man jedoch das Größenverhältnis der Thermen zu den Lagergrößen von Marktbreit und Anreppen mit den Größenverhältnissen der Bäder zu den Größen einiger der bei H. v. Petrikovits, Die Innenbauten römischer Legionslager während der Prinzipatszeit, Abh. d. rheinischwestfälischen Akad. d. Wiss. 56, Opladen 1975 zusammengestellten Legionslager (Vindonissa [Tafel
Die römische Okkupation des Rhein-Main Gebietes und der Wetterau unter Augustus
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bekannten römischen Stützpunkte dieser Zeit erreichte die Größe eines Legionslagers. Dies gilt auch für die beiden gegenwärtig ältesten Lager bei Limburg. Es handelt sich um zwei temporäre Anlagen ohne feste Innenbauten. Das ältere, 10 ha große Lager wurde errichtet als eine nordöstlich benachbarte spätlatènezeitliche Siedlung noch bestand, während das jüngere, mindestens 4 ha große Lager erst nach Aufgabe der Siedlung angelegt wurde. Auf der Basis der gefundenen Sandalennägel werden beide Lager vorläufig als caesarisch datiert.18 Die Auswertung und Publikation sind Gegenstand eines interdisziplinären Forschungsprojektes der hessenArchäologie, dessen Ergebnis für eine endgültige Bewertung abzuwarten ist. Die Fragen, ob die bisher nachgewiesenen Lagergrößen für die Heere, die Caesar 55 und 53 v. Chr. über den Rhein führte angemessen waren und ob das untere Lahntal, dessen Nutzung bisher vor allem in den Bereichen Kommunikation und Logistik gesehen wurde, als Vormarschweg eines Mehrlegionenheeres geeignet war, werden daher an dieser Stelle nicht weiter diskutiert. Neben den Mustern auf den Unterseiten der Nagelköpfe ist der Durchmesser der Nägel ein weiteres, chronologisch signifikantes Kriterium. Er verringerte sich allmählich von Werten zwischen 30 und 10 mm in caesarischer Zeit auf Werte zwischen 15 und unter 10 mm in spätaugusteischer Zeit. In den ab 15/12 v. Chr. gegründeten Lagern östlich des Rheins sind Nägel mit einem größeren Durchmesser als 15 mm nicht mehr nachgewiesen.19 Die Gelegenheiten, die zwischen Caesar und dem Beginn der Drususfeldzüge zur Anlage römische Stützpunkte im unteren Lahntal geführt haben könnten, sollen daher hier noch einmal kurz betrachtet werden. Zu nennen sind dabei die beiden Rheinüberschreitungen des Agrippa 37 v. Chr. und des M. Vinicius 25 v. Chr. sowie die zweite Statthalterschaft des Agrippa in Gallien 20/19 v. Chr.20 8], Neuss [Tafel 6], Caerleon [Tafel 3], Lorch [Tafel 10], Lambaesis [Tafel 12]) so spricht dies m. E. eher für ein zumindest Anfangs eingeschränktes Nutzungsrecht. 18 http://articles.hessen-archaeologie.de/cgi-bin/home.pl?id=1275&category=1&event=View; http://articles.hessen-archaeologie.de/cgi-bin/home.pl?id=1347&category=1&event=View. Vgl. jetzt: J. Meyer/S. Schade-Lindig, Bronzezeitliche Kreisgräben - versteckt in den Pixeln der Geophsik, hessenArchäologie 2012 (2013), 54-59, 55 Abb. 1; E. Schallmayer/S. Schade-Lindig/J. Meyer, Mit den Kelten kommen die Römer - Militäranlagen an der Lahn bei Limburg-Eschhofen. 19 M. Poux, L’empreinte du millitaire césarien dans les faciès mobiliers de La Tène finale. Caractérisation, chronologie et diffusion de ses principaux marqueurs, in: Sur les traces de César. Militaria tardo-républicains en contexte gaulois. Actes de la table ronde Glux-en-Glenne 2002, sous la direction de M. Poux, Collection Bibracte 14, Glux-en-Glenne 2008, 376 - 381; St. Martin-Kilcher, Römer und gentes Alpinae im Konflikt - archäologische und historische Zeugnisse des 1. Jahrhunderts v. Chr., in: G. Moosbauer/R. Wiegels (Hrsg.), Fines imperii - imperium sine fine? Römische Okkupations- und Grenzpolitik im frühen Principat, Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 14, Rahden/Westf. 2011, 35, 38 Abb. 9 a u. b, 53 f. m. Abb. 24; K. Grote, Römerlager Hedemünden. Der augusteische Stützpunkt, seine Außenanlagen, seine Funde und Befunde, Veröffentlichungen der archäologischen Sammlungen des Landesmuseums Hannover 53, Dresden 2012, 253 - 261. 20 Timpe, Zur Geschichte der Rheingrenze (wie Anm. 4), 147 - 170; A. Becker, Rom und die Chatten, Darmstadt/Marburg 1992, 87 - 99; P. Kehne, Wer war Feind (wie Anm. 3), 41 - 51.
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Sollte schließlich zumindest für eines der beiden Lager doch noch eine Datierung in den Oberaden-Horizont in Betracht kommen, so wäre auch eine Verbindung mit dem von Drusus 11 v. Chr. angelegten Lager ἐν Χάττοις παρ’ αὐτῷ τῷ Ῥήνῳ (Cass. Dio 54, 33, 4) erneut zu diskutieren.21 Während zum Vorstoß des M. Vinicius keine neuen Interpretationen vorliegen, sind die Aktivitäten Agrippas von besonderem Interesse. In einer seiner beiden Statthalterschaften fand die Umsiedlung der Ubier aus ihren Wohnsitzen östlich des Rheins in die Kölner Bucht statt. Die Ansiedlung der Chatten im ehemaligen Ubiergebiet dürfte mit dieser Umsiedlung in Verbindung stehen. Der archäologische Befund des Dünsbergs legt dabei die zweite Statthalterschaft als Datum der Umsiedlung nahe. Ein römischer Stützpunkt im Limburger Becken könnte sehr gut sowohl mit der Umsiedlung der Ubier als auch mit der Überwachung von neu angesiedelten Chatten in Verbindung stehen. Die bislang bekannte Größe beider Lager spricht dagegen eher gegen einen Zusammenhang mit einem mit starken Truppen durchgeführten Feldzug. Da die Erwähnung der insula Batavorum bei Caesar wahrscheinlich als späterer Einschub anzusehen ist22, fand die Ansiedlung der Chatten vielleicht sogar erst kurz nach der Abspaltung der Bataver statt. Auf Grund der Münzfunde nimmt Fleur Kemmers eine Belegung des Lagers in Nimwegen zwischen 19 und 15/12 v. Chr. an23, so dass sich in diesen Maßnahmen vielleicht tatsächlich eine erste Organisation der Rheingrenze unter Agrippa fassen lässt.24 Von den übrigen Anlagen dienten die Lager tiberischer Zeit in Südhessen noch am ehesten rein militärischen Zwecken. Ihrer Datierung nach gehören sie jedoch bisher in die Zeit nach 16 n. Chr. und stehen damit für die römische Kontrolle der Rheinebene auch nach dem Abbruch der Germanicusfeldzüge.25 Das Lager in Bad Nauheim-Röd21 H.- G. Simon, Die Funde aus den frühkaiserzeitlichen Lagern Rödgen, Friedberg und Bad Nauheim, in: H. Schönberger/H. - G. Simon, Römerlager Rödgen, Limesforschungen 15, Berlin 1976, 247 - 249; Becker, Chatten (wie Anm. 20), 144 f.; Kehne, Wer war Feind (wie Anm. 20), 51 f. 22 Becker, Chatten (wie Anm. 20), 94 – 97. 23 F. Kemmers, A military presence on the Lower Rhine before Drusus’ campaigns, in: Lehmann/ Wiegels, Römische Präsenz (wie Anm. 4), 193. 24 Timpe, Zur Geschichte der Rheingrenze (wie Anm. 4), 157 - 164; Becker, Chatten (wie Anm. 20), 93 - 98; N. Roymans, Ethnic Identity and Imperial Power. The Batavians in the early Roman Empire, Amsterdam 2004, 23 - 26, 55 - 61; Kehne, Wer war Feind (wie Anm. 20), 49 - 51. Vgl. J. Heinrichs, Ubier, Chatten, Bataver. Mittel- und Niederrhein ca. 70-71 v. Chr. anhand germanischer Münzen, in: Kontinuität und Diskontinuität. Germania inferior am Beginn und am Ende der römischen Herrschaft, Kolloquium Nijmegen 2001, hrsg. v. Th. Grünewald/S. Seibel, RGA Erg. Bd. 35, Berlin/New York 2003, 266 - 344. 25 N. Hanel, Die neuentdeckten Militärlager bei Trebur-Geinsheim (Hessen) und die römische Okkupation des nördlichen hessischen Rieds, mit einem Münzbeitrag von D. G. Wigg, in: Roman Frontier Studies 1995, hrsg. v. W. Groenman-van Wateringe u. a., Oxbow Monograph 91, Oxford 1997, 41 - 45; ders., Die frühkaiserzeitlichen Militärlager bei Trebur-Geinsheim (Südhessen). Überlegungen zu ihrem Münzspektrum und zu ihrer strategischen Funktion, in: R. Wiegels (Hrsg.), Die Fundmünzen von Kalkriese und die frühkaiserzeitliche Münzprägung, Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 3, Möhnesee 2000, 171 - 177; A. Heising, Die Chronologie der frühkaiserzeitlichen
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gen26 wurde als Nachschubbasis für den Vorstoß 9 v. Chr. genutzt, eine vergleichbare Funktion für die folgende Zeit könnte Höchst besessen haben. Der Platz lag oberhalb der Mündung der Nidda in den Main. Die Nidda war in der Antike ganzjährig bis Nida, saisonal vielleicht sogar noch weiter flußaufwärts schiffbar.27 Damit dürfte Höchst auch angesichts der oben diskutierten Rolle des Mains als Nachschubroute für Marktbreit für die gesamte römische Logistik in Mittel- und Nordhessen eine zentrale Rolle gespielt haben.28 Eine augusteische Militärpräsenz in Lich-Arnsburg ist auf Grund der Funde wahrscheinlich, im Befund jedoch bisher nicht nachgewiesen.29 Das Lager in Brechen-Oberbrechen wird nach weiteren Grabungen im Zusammenhang mit der Prospektion nach Bodenschätzen gesehen.30 Eine rein zivile römische Präsenz in WiesMilitärlager bei Trebur-Geinsheim, hessenArchäologie 2008, 73 - 76; Th. Maurer, Das nördliche Hessische Ried in römischer Zeit. Untersuchungen zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte im rechtsrheinischen Vorfeld von Mainz vom 1. bis 5. Jahrhundert n. Chr., Frankfurter Archäologische Schriften 14, Bonn 2011, 51 - 59, 250 - 262; 386 f.; ders., Das Hessische Ried: Archäologie und Geschichte einer Landschaft an der Grenze des Römerreiches, in: Die Römer im Rhein-Main-Gebiet, hrsg. v. F. M. Ausbüttel u. a., Stüttgart 2012, 75 - 77. Unter den Münzen aus Stockstadt am Rhein (Maurer [w. o.] 386 f.) befinden sich 5 Asse der 1. Altarserie von Lugdunum (RIC 230), ein zugehöriger Befund ist bislang nicht bekannt. 26 Schönberger/Simon, Römerlager Rödgen (wie Anm. 21). Zum folgenden: Rasbach/Becker und Becker, Wetterau (wie Anm. 13) sowie S. von Schnurbein, Germanen und Römer im Vorfeld des Obergermanischen Limes, BerRGK 87, 2006, 19 - 40; ders., Römische und indigene Strategien der Herrschafts- und Friedenssicherung - Germanien -, in: Moosbauer/Wiegels, Fines imperii (wie Anm. 19), 75 - 85; “Chattenland”. Forschungen zur Eisenzeit in Hessen. Beiträge zum Forschungskolloquium Marburg 19. - 21. November 2009. Prof. Dr. Otto-Herrman Frey zum 80. Geburtstag gewidmet, BerKAL 10, 2008/2009; A. Abegg/D. Walter/S. Biegert, Die Germanen und der Limes. Ausgrabungen im Vorfeld des Wetterau-Limes im Raum Wetzlar-Gießen, Römisch-Germanische Forschungen 67, Mainz 2011; E. Schallmayer, Römer in Hessen - Facetten der jüngsten Forschung von den Kimbern und Teutonen bis zur Spätantike, in: Ders., Neustart. Hessische Landesarchäolgie 2001 - 2011, hessenArchäologie Sb. 2, Stuttgart 2012, 188 - 192. 27 M. Eckholdt, Schiffahrt auf kleinen Flüssen Mitteleuropas in Römerzeit und Mittelalter, Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums 14, Oldenburg/Hamburg/München 1980, 89. 28 Simon, Zur Zeitstellung der frühkaiserzeitlichen Funde aus Höchst, in: Schönberger/Simon, Römerlager Rödgen (wie Anm. 21), 243 - 247; P. Fasold, Von Augustus bis Aurelian. neue Forschungen zum römischen Frankfurt, in: Die Römer im Rhein-Main-Gebiet (wie Anm. 24), 42 f.; P. Eschbaumer/A. Faber/P. Fasold, Auf den Spuren der Römer in Höchst, in: A. Hampel/E. Wamers, Fundgeschichten. Archäologie in Frankfurt 2012/2013, Frankfurt 2013, 38 f. 29 B. Steidl, Frühkaiserzeitliche Funde vom Gelände des Limeskastells und Vicus “Alteburg” bei Lich - Kloster Arnsburg, Kr. Gießen, Saalburg Jahrbuch 47, 1994, 65 - 70; St. Bender, Schon wieder römische Lager. Neue Befunde nördlich des Kastells Arnsburb bei Lich-Muschenheim (Landkreis Gießen), hessenArchäologie 2001, 72 f.; H.-M. von Kaenel/C. Wenzel, Arnsburg “Alteburg”: Kastell und vicus mit monumentalem Zentrum und Umwehrung, in: P. Henrich (Hrsg.), Perspektiven der Limesforschung, Beitr. zum Welterbe Limes 5, Stuttgart 2010, 106. 30 F.-R. Herrmann, Numismatik und Archäologie. Vorbericht über ein neu entdecktes römisches Lager bei Oberbrechen (Kreis Limburg-Weilburg), in: R. Cunz (Hrsg.), Fundamenta Historiae. Geschichte im spiegel der Numismatik und ihrer Nachbarwissenschaften. Festschrift Niklot Klüßendorf, Veröffentlichungen der urgeschichtlichen Sammlungen des Landesmuseums zu Hannover 1, Hanno-
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baden31 erscheint vorstellbar, für Bad Nauheim32 ist eine ähnliche Interpretation trotz der Existenz eines Spitzgrabens nicht auszuschließen. Darüber hinaus liegen frühe römische Funde aus einer einheimischen Siedlung in Echzell33 vor, in Niederweimar34 wurden römische Keramikformen von einheimischen bzw. germanischen Siedlern nachgeahmt. Von zentraler Bedeutung für die Interpretation aber auch für die Datierung der augusteisch-tiberischen Okkupation in Hessen ist schließlich die Siedlung in Lahnau-Waldgirmes. Das über steinernen Fundamentmauern errichtete Forum und das darin aufgestellte Statuenensemble belegen eindrucksvoll die Absicht Roms, sich in den Gebieten östlich des Rheins dauerhaft zu etablieren.35 Gleichzeitig erbrachte die Untersuchung zweier 8 und 11 m tiefer Brunnen wichtige dendrochronologische Daten sowohl für den Beginn als auch für das Ende dieser Absicht. Das Holz für beide Brunnen wurde zwischen 4 und 2 v. Chr. geschlagen. Die Gründung von Waldgirmes lag somit deutlich vor der Statthalterschaft des Varus. Das Gründungsdatum von
ver 2004, 435 - 445; M. Jae/V. Rupp, Römischer Bergbau rechts des Rheins schon in augusteischer Zeit? hessenArchäologie 2010, 70 - 74. 31 H.-G. Simon, Zu den frühkaiserzeitlichen Anlagen in Wiesbaden, Germania 41, 1963, 328 - 238; ders., Probleme der Anfangsdatierung von Wiesbaden, in: Schönberger/Simon, Römerlager Rödgen (wie Anm. 21),236 - 243; H. U. Nuber, Ein stratigraphischer Aufschluß im Bereich der “Wiesbadener Moorschicht”, Fundberichte aus Hessen, 19/20, 1979/1980, 645 - 677; A. Becker, RGA 19, s. v. Mattiacum, 440 - 443. 32 H.- G. Simon, Die Funde (wie Anm. 21), 205 - 236; V. Rupp, Römische Quellfassung im keltischen Salinengebiet von Bad Nauheim, hessenArchäologie 2003, 93 - 96. Vgl. B. Kull (Hrsg.), Sohle und Salz schreiben Geschichte. 50 Jahre Landesarchäologie. 150 Jahre Archäologische Forschung in Bad Nauheim, Mainz 2003. 33 B. Steidl, Frühkaiserzeitliche germanische Besiedlung in der Wetterau, in: V. Rupp (Hrsg.), Archäologie in der Wetterau, Friedberg 1991, 217 - 233. 34 L. Fiedler/S. Gütter/A. Thiedmann, Frühkaiserzeitliche Siedlungsfunde aus Niederweimar bei Marburg, Germania 80, 2002, 135 - 168; S. Gütter/Ch. Meiborg/A. Thiedmann, Siedlungen auf dem Kies in Weimar-Niederweimar, hessenArchäologie 2002, 46 - 48; S. Gütter/Ch. Meiborg, Neues aus der Kiesgrube: Ausgrabungen 2003 in Niederweimar, hessenArchäologie 2003, 71 - 73. 35 Literatur in Auswahl: A. Becker, Lahnau-Waldgirmes. Eine augusteische Stadtgründung in Hessen, Historia 52, 2003, 337-350; ders., Lahnau-Waldgirmes. Eine römische Stadtgründung im Lahntal aus der Zeit um Christi Geburt. In: Lehmann/Wiegels, Römische Präsenz (wie Anm. 4), 321-330; ders., Germanicus an der Lahn? – Die Ausgrabungen 2008/09 in Lahnau-Waldgirmes, hessenArchäologie 2009 (2010), 75 – 78; ders., Germanicus und die Chatten (wie Anm. 13); ders./G. Rasbach, Die spätaugusteische Stadtgründung in Lahnau-Waldgirmes. Archäologische, architektonische und naturwissenschaftliche Untersuchungen. Mit Beitr. v. S. Biegert, Th. Brachert, Th. Keller, A. Kreuz u. U. Schreiber, Germania 81, 2003, 147 - 199; S. v. Schnurbein, Augustus in Germania and his new ‚town’ at Waldgirmes east of the Rhine. JRA 16, 2003, 93-107; ders., Augustus in Germanien. Archäologie der fehlgeschlagenen Eroberung, in: Baltrusch u. a. (wie Anm. 4), 135 - 148; ders., Zum Ende von Haltern, Archäologisches Korrespondenzblatt 43, 2013, 91 - 98.
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Waldgirmes spricht darüber hinaus für den Beginn des sog. Halternhorizontes ab 7/5 v. Chr.36 Die Verfüllung von Brunnen 2 enthielt neben Statuenbruchstücken, darunter den vergoldeten Pferdekopf, auch Teile einer Leiter, deren Holz zwischen Herbst 9 n. Chr. und Frühjahr 10 n. Chr. geschlagen wurde. Eine Zerschlagung der Statuen im Zusammenhang mit Ereignissen nach der Varusschlacht müßte somit bedeuten, dass das Holz für die Leiter sofort nach dem Ende der Wachstumsperiode 9 n. Chr. geschlagen wurde und unmittelbar darauf die Leiter angefertigt wurde. Anschließend wäre die neue Leiter sofort nach der Versenkung der Statuenbruchstücke und der Mühlsteine ebenfalls in den Brunnen geworfen worden. Ein Statuenfragment unter der Straßendecke belegt zudem, dass der westliche Teil der Straße in Waldgirmes nach Zerschlagung der Statuen ausgebaut wurde. Es erscheint somit möglich, dass auch noch weitere Ereignisse, wie etwa die Unruhen und Meutereien beim Tode des Augustus für die Zerschlagung der Statuen verantwortlich waren. Belegt ist in jedem Fall der Ausbau von Waldgirmes zwischen 9 und 16 n. Chr., was zumindest an diesem Ort eine Ausdehnung des „Halternhorizontes“ auf nach 9 n. Chr. bis spätestens 16 n. Chr. nahelegt. Mit dieser Datierung ist auch die germanicuszeitliche Präsenz in Friedberg37 nicht mehr isoliert und mit Mainz-Kastel38 käme sogar noch eine weiterer Fundort hinzu, falls sich der Bogen tatsächlich als germanicuszeitlich erweisen sollte. Versucht man dieses Bild zusammenzufassen, so zeigt sich, dass die römischen Stützpunkte in Hessen überwiegend nicht nur relativ klein waren, sondern auch differenzierte, von reinen Truppenstandorten abweichende Funktionen besaßen. Daneben traten mit Waldgirmes, Wiesbaden und vielleicht auch Bad Nauheim primär zivile Plätze. Ihrer Funktion nach gehören solche Anlagen in die Zeit nach der Eroberung und stehen für die Organisation und die beginnende Verwaltung des eroberten Gebiets. Während in Westfalen für das Jahr 9 n. Chr. nur Haltern als fest ausgebauter Stützpunkt belegt ist39, ist dies in Hessen für Waldgirmes gesichert. Da jedoch in Höchst, Bad Nauheim, Brechen-Oberbrechen und Wiesbaden die Funde kein vorzeitiges 36 S. von Schnurbein, Untersuchungen zur Geschichte der römischen Militärlager an der Lippe, BerRGK 62, 1981, 39 - 44; ders., Zur Datierung der augusteischen Militärlager, in: Die römische Okkupation nördlich der Alpen zur Zeit des Augustus. Kolloquium Bergkamen 1989, BAW 26, Münster 1991, 1 -5. 37 Simon, Funde (wie Anm. 21), 157 - 205 38 H. G. Frenz, Drusus Maior und sein Monument zu Mainz, JbRGZM 32, 1985, 394 - 421; ders., Der römische Ehrenbogen von Mainz-Kastel, Nassauische Annalen 100, 1989, 1 - 16; ders., Zur Zeitstellung des römischen Ehrenbogens von Mainz-Kastel, Archäologisches Korrespondenzblatt 19, 1989, 69 - 75; H. Bellen, Der römische Ehrenbogen von Mainz-Kastel. Ianus Germanici aut Domitiani? Archäologisches Korrespondenzblatt 19, 1989, 77 - 84; W. D. Lebek, Die Mainzer Ehrungen für Germanicus, den älteren Drusus und Domitian (Tab. Siar. Frg. I 26 - 34; Suet. Claud. 1,3), Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 78, 1989, 45 - 82. 39 Der allerdings zunehmend Aufgaben in den Bereichen Logistik und Verwaltung übernahm. Ob Plätze wie Barkhausen oder die Sparrenberger Egge längerfristig besetzt waren, muss offen bleiben (von Schnurbein, Römische und indigene Strategien [wie Anm. 26], 79).
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Ende innerhalb des Halternhorizontes nahelegen40, ist eine römische Belegung auch dieser Plätze im Jahr 9 n. Chr. nicht auszuschließen, bei Wiesbaden, Höchst und Bad Nauheim erscheint mir dies sogar als wahrscheinlich.41 Zudem lässt sich bezweifeln, ob die Wetterau und das Rhein-Main Gebiet von den Ereignissen nach der Varusschlacht überhaupt betroffen waren. Derzeit jedenfalls deuten gerade die Befunde von Waldgirmes darauf hin, dass dieser Raum das Aufmarschgebiet des Germanicus und nicht seine erste Eroberung darstellte. Der Aufbau der römischen Herrschaft erscheint damit in Hessen deutlich weiter fortgeschritten als in Westfalen. Eine der wahrscheinlichen Ursachen dürfte in den eingangs geschilderten Unterschieden in der Zusammensetzung der einheimischen Bevölkerung gelegen haben. Darüber hinaus erscheint es wahrscheinlich, dass das Rhein-Main Gebiet und die Wetterau auch nach der Aufgabe der römischen Stützpunkte 16 n. chr. zumindest indirekt weiterhin unter römischer Kontrolle standen.42
40 Wie dies etwa für Anreppen der Fall ist (von Schnurbein, Augustus in Germanien [wie Anm. 35], 143). 41 Sollte es sich in Brechen-Oberbrechen tatsächlich um ein Lager zur Prospektion von Bodenschätzen handeln, war die Besetzung des Platzes wohl nur kurzfristig. 42 A. Becker, Adventus Chattorum: Zum Feldzug des P. Pomponius Secundus 49/50 n. Chr., MBAH 27, 2009, 1 - 10.
Stefanie Martin-Kilcher
Archäologische Spuren der römischen Okkupation zwischen Alpen und Hochrhein und die städtische Besiedlung der civitas Helvetiorum im 1. Jh. v. Chr. Der Beitrag geht der Frage nach, wie sich städtische Siedlungen in der helvetischen civitas seit dem gallischen Krieg bis an den Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. entwickelten und inwiefern die römische Okkupation darauf einwirkte, die bekanntlich von Westen aus Gallien und von Süden über die Alpen erfolgte1. Das helvetische Siedlungsgebiet erstreckte sich damals, soweit wir wissen, im Raum südlich des Hochrheins. Durch die geographische Lage zwischen Alpen und Rhein bildete es ein Scharnier nach Norden und Osten, besass aber als östlichste der gallischen civitates zugleich einen starken Bezug nach Westen (Abb. 1)2. An mehreren Orten ist die Entwicklung der städtischen Siedlungen mit neuen Befunden zu verfolgen, die Reihe und Kenntnis der archäologischen Funde aus jener Zeit vermehrt sich. Verschiedentlich finden sich ausserdem Spuren von römischem Militär. Im Vorspann wird an die schriftlichen Überlieferungen zur römischen Okkupation im untersuchten Raum und an die Möglichkeiten der archäologischen Datierung erinnert. Ausserdem ist auf neue Forschungen zu den Militaria jener Zeit hinzuweisen.
1 Es werden hier für die helvetische civitas und mithin einen an die Zentralalpen anschliessenden Raum einige Fragen weiterverfolgt, die sich bei den weiträumig untersuchten Belegen von Konflikten im 1. Jahrhundert v. Chr. im Alpenraum ergaben (Martin-Kilcher 2011; dort zahlreiche Belege, die hier nicht nochmals aufgeführt werden). - Für diese Übersicht zur städtischen Besiedlung danke ich einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen für wertvolle Auskünfte, namentlich Regula Ackermann (St. Gallen), Hansjörg Brem (Frauenfeld), Caroline Brunetti (Lausanne), Daniel Castella (Avenches), Eckhard Deschler-Erb (Basel), Hugo Doppler (Baden), Christa Ebnöther (Bern), Regine Fellmann Brogli (Brugg/Windisch), Anne Geiser (Lausanne), Jasmin Gerig (Luzern), Gilbert Kaenel (Lausanne), Thierry Luginbühl (Lausanne), Marie-France Meylan (Avenches), Michael Nick (Freiburg/Bern), Olivier Paccolat (Sion), Marianne Ramstein (Bern), Stephan Schreyer (Zürich), Caty Schucany (Bern), Werner Stöckli (Bern), Jürgen Trumm (Brugg/Windisch), François Wiblé (Martigny), Renata Windler (Zürich), Dölf Wild (Zürich), Rudolf Zwahlen (Bern). 2 Fichtl 2012, 66ff.; zuletzt die Übersicht bei Kaenel 2012.
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Abb. 1: Gallien. Die civitates in caesarischer Zeit. Die Abgrenzungen beruhen teils auf mittelalterlichen Diözesengrenzen. Die helvetische civitas bildet das am weitesten nach Osten vorgeschobene Territorium; die Ausdehnung bis zum Bodensee ist aber unwahrscheinlich. Fichtl 2012, 65.
1 Schriftliche Überlieferungen zur Eroberung der Zentralalpen und des nördlichen Alpenvorlands vom Gallischen Krieg bis Augustus Die erste schriftlich überlieferte – und wie aus Caesars drittem Buch des bellum Gallicum zu erfahren – gescheiterte Eroberung der Zentralalpen im Jahr 57 v. Chr. stand unter der Verantwortung eines seiner Generäle, Servius Galba3. Bemerkenswert ist, dass Galba seine Truppen von Norden her durch das Wallis über die Alpenpässe nach 3 bg 3,1-6. – Vgl. die wertvolle Zusammenstellung der schriftlichen Quellen für den Zentralalpenraum von Tarpin et al. 2000; ausserdem Martin-Kilcher 2011.
Archäologische Spuren der römischen Okkupation zwischen Alpen und Hochrhein
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Süden führen wollte, wobei die Route über den Grossen St. Bernhard angesichts des Ausgangsorts Octodurus mit Sicherheit vorgesehen war. Trotz des Wallis im Rücken muss er sich nach „einer Anzahl erfolgreicher Gefechte und der Eroberung mehrerer feindlicher Stützpunkte“ 4 sowie nach einigen Friedensregelungen recht sicher gefühlt haben. Und er war in der Lage, den einheimischen Veragrern einen Teil des Siedlungsareals ihres Hauptorts Octodurus (Martigny) für den Bau eines Winterlagers wegzunehmen. Doch der Friede war trügerisch. Galba und mit ihm Teile der 12. Legion und einige Reiterabteilungen entgingen der Erstürmung des noch unfertigen Lagers durch die Walliser-Stämme der Uberi, Seduni und Veragri nur mit Not. Allein die westlichste civitas, die Nantuates um Tarnaiae (Massongex) beteiligten sich laut Caesar nicht an der Erhebung (wohl auch, weil Galba dort zwei Kohorten stationiert hatte), und Galba marschierte danach durch das Gebiet der Nantuaten ins sichere Winterquartier bei den benachbarten Allobrogern in der römischen Provinz Narbonensis5. Ein Jahr zuvor, zu Beginn des gallischen Kriegs, waren die Helvetier und ihre Verbündeten von Caesar bei Bibracte im Burgund geschlagen und die Überlebenden nach ihrer deditio in die Heimat zurückgeschickt worden6. Damit und mit dem von Rom (wohl von Caesar) aufoktruierten foedus stand das Gebiet des heutigen Schweizerischen Mittellandes nicht nur unter römischer Kontrolle, sondern wie Gallien (dessen östlichster Teil die helvetische civitas darstellte, Abb. 1) unter römischer Herrschaft, die aber ihre durchorganisierte Form erst im Laufe der augusteischen Zeit erhielt. Die Helvetier sandten im Jahr 52 v. Chr., wie übrigens andere gallische Stämme auch, dem vereinigten gallischen Heer unter Vercingetorix 8000 Mann und setzten sich damit offen über das foedus hinweg. Einige Jahre danach folgten die beiden nördlichsten Koloniegründungen Caesars: die colonia Iulia Equestris (erst später überliefert: Noviodunum) am Genfersee und die colonia Raurica am Rhein. Die Beinamen von Iulia equestris und das erst in augusteischer Zeit überlieferte emerita der Kolonie Raurica erinnern an militärische Kolonisten7. Die Kolonie am Genfersee wird aufgrund der Abwägung schriftlich überlie-
4 bg 3,1. 5 Dazu aufschlussreiche Befunde aus Massongex VS (Haldimann et al. 1991): Hier wurden ein ca. 1 m tiefer Graben (Siedlungsrand?) und anschliessende Siedlungshorizonte mit Resten von Holz-/ Fachwerkarchitektur gefasst. Zwar ergab die ausgegrabene Fläche keine grösseren Grundrisse, dafür aber ein aussagekräftiges Profil: Noch während der Benutzungszeit des Grabens erscheint um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. (in Horizont C) auf einem einheimischen Gefäss ein Graffito in Lateinischer Schrift eingeritzt! (von welcher Hand?; zuvor war in der Region ein lepontisches Alphabet in Gebrauch). Während des nächstjüngeren Horizonts D wird der Graben aufgegeben und danach von Siedlungsschichten überlagert. Erst diese Horizonte E und F zeigen charakteristische früh- bis mittelaugusteische Sachkultur. Der archäologische Befund spricht für eine ununterbrochene Besiedlung und zugleich für Veränderungen in der Zeit um 40-20 v. Chr. 6 bg 1,27. 7 Vgl. Frei-Stolba 1999.
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ferter Faktoren kurz vor 44 v. Chr., also noch zu Lebzeiten Caesars angesetzt8. Aus der Grabinschrift eines der Generäle Caesars, des L. Munatius Plancus in Gaeta geht indessen hervor, dass er die Kolonien Lugdunum und Raurica gegründet hatte. Für Lyon ist die Gründung im Jahr 43 gesichert9. Für Raurica denkt man an 44/43, weil Plancus damals als Statthalter in Gallien u.a. gegen Raeter/Gallier kämpfte und dafür einen Triumph erhielt10. In das gleiche System wird die für Bibracte im Burgund überlieferte Colonia Iulia Pollia Florentina gehört haben; weil allerdings nur eine einzige späte Quelle davon berichtet und die Haeduerhauptstadt – offenbar ohne den Status einer Kolonie – in augusteischer Zeit nach Autun (Augustodunum) verlegt wurde, bleibt unklar, ob eine deductio wirklich stattfand; ein e silentio-Argument dagegen ist aber keineswegs abzuleiten11.
Abb. 2: Bibracte. Der im Zentrum der Stadt auf dem Mont Beuvray, dem Hauptort der Haeduer entdeckte Baukomplex mit basilikaler Halle und offenem Platz wurde aufgrund der Stratigraphie und Funde in der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. errichtet und bereits in augusteischer Zeit wieder abgetragen. Späte Quellen überliefen in Bibracte eine Colonia Iulia Pollia Florentina; ein derartiger Baukomplex könnte dazu passen. Szabo et al. 2007.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein im Zentrum von Bibracte entdeckter Baukomplex mit basilikaler Halle und offenem Platz, dessen Errichtung aufgrund der Stratigraphie und Funde in die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. zu datieren ist und der
8 Zuletzt von althistorischer Seite Frei-Stolba 1999, 439ff. - Zu den neuen archäologischen Befunden und Funden jetzt Brunetti/Henny 2012, bes. 71ff.76ff. 9 Desbat (Hrsg.) 2005 und jetzt Desbat 2012. 10 Frei-Stolba 1999, 54ff.; Tarpin et al. 2000, 107. - Einer Gründung erst unter Augustus durch den (betagten) Munatius Plancus, wie M. Poux in Desbat (Hrsg.) 2005, 15ff. vorschlägt widersprechen nicht nur die inschriftlich verbürgte Neugründung (nuncupatio) in Augst durch einen Verwandten des Augustus, sondern auch die überlieferten Beinamen der colonia Raurica; vgl. Schwarz/Berger 2000. - Zur Gründung der colonia Raurica noch immer die Überlegungen von Martin 1971. 11 Martin 1971, Anm. 15. – Zu ersten augusteischen Siedlungsstrukturen und Horizonten in Autun – Augustodunum jetzt Mouton-Venault/Delor-Ahü 2012.
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bereits in augusteischer Zeit wieder abgetragen wurde (Abb. 2)12. Wie auch immer der an ein Forum erinnernde mediterrane Bau funktional einzuordnen sein wird, beide Teile der Anlage boten Platz für Versammlungen und gemeinschaftliche, öffentliche Anlässe.
Abb. 3: Agrippastrassen nach Strabo 4,6,11 (Lyon als Ausgangspunkt aller vier Strassenachsen): „... Mais il existe également, si on laisse à main gauche Lougdounon et le pays au-dessus, une bifurcation au coeur même du Poenin: elle mène, après la traversée du Rhodanos ou du lac Lèmenna, aux plaines des Helouèttioi. De là, un passage traverse la montagne Ioras et conduit chez les Sèkoanoi et les Liggonai: en traversant le territoire de ceux-ci, deux branches se séparent qui gagnent aussi bien le Rhênos que l’Océan“. (Übersetzung Thollard 2009, 67). Karte S. Martin-Kilcher/S. Kaufmann, IAW Bern. 12 Vorerst Szabo et al. 2007; die Datierung in das mittlere 1. Jahrhundert v. Chr. und in voraugusteische Zeit ist aufgrund stratigraphischer Argumente und der Funde bestätigt. – In der Haeduerhauptstadt spricht Caesar nach 52 v. Chr. Recht (bg VIII, 4,2), dafür brauchte es zweifellos einen adäquaten Rahmen! – Vgl. eine ähnliche Halle auf dem Hauptplatz des Magdalensbergs in einer voraugusteischen Phase: Piccottini 1986.
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Der nach der Ermordung Caesars entflammte Bürgerkrieg machte sich den erhaltenen schriftlichen Nachrichten zufolge in den tres Galliae und im Alpenraum wenig bemerkbar, soweit nicht Strassen und Übergänge betroffen waren13. Mehr zu schaffen machten in Gallien immer wieder aufflackernde Aufstände verschiedener civitates mit ihren Verbündeten, aber auch Einfälle germanischer Stämme, überliefert vor allem nördlich und östlich des Mittelrheins14. Gallien erlebte damals eine Zeit des Umbruchs und zugleich den Aufbau römischer Provinzstrukturen durch Agrippa (Statthalter 39-38 und 20-18 v. Chr.) und Octavian/Augustus persönlich, der sich bereits 40 v. Chr., dann in den Jahren 27-23 sowie 16-13 längere Zeit in Gallien aufhielt (Abb. 3). Die Weihung des Lyoneraltars durch Drusus im Jahr 12 v. Chr. markiert symbolisch den Abschluss der Provinzialisierung.
Abb. 4: Schriftlich überlieferte militärische Aktionen der Römer im und um den Alpenraum zwischen 58 und 7/6 v. Chr. Martin-Kilcher 2011, Abb. 4.
Die schriftlich überlieferten Ereignisse betreffen auch im Alpenraum (Abb. 4) bekanntlich fast immer Siege oder glücklich verlaufene Aktionen; Gegenteiliges erfährt man – wenn überhaupt – zwischen den Zeilen15. Nach dem schriftlich erstmals für 57 v. Chr. überlieferten Kampf der Römer um die Zentralalpen und ihre Durchgänge überliefern hier die jüngsten Nachrichten die Gründung der Colonia Augusta Praetoria (Aosta) 13 Anschaulich die Briefe von Plancus an Cicero: Walser 1957; weitere Quellen zum Alpenraum bei Tarpin et al. 2000. - Zu den wichtigen überregionalen Strassenverbindungen (Agrippastrassen) vgl. auch Thollard 2009, bes. 66ff. 14 Aufstände in Gallien: Metzler 1995, Abb. 295; bei den Germanen: Tausend 2009. 15 Dazu Tarpin et al. 2000; Martin-Kilcher 2011.
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im Jahr 25 v. Chr. und den Sommerfeldzug des Jahres 15 v. Chr. Dieser von Horaz und anderen besungene Feldzug fand in den schriftlichen Quellen breiten Widerhall, stand er doch unter der Verantwortung zweier kaiserlicher Prinzen. Er führte zur Arrondierung des Reichsgebiets zwischen Helvetiern und Norikern. Aber erst um 8/7 v. Chr. liess Augustus am südlichsten Alpenübergang, hoch über Monaco und dem Mittelmeer, das Tropaeum Alpium errichten.
2 Fragen der archäologischen Datierung Die Zeitspanne von Caesar bis Augustus hat erst in den letzten zwei Jahrzehnten ein archäologisches Profil gewonnen. Zuvor hatte man sich in den hier interessierenden Gebieten zwischen Gallien und dem Alpenbogen nur wenig mit der Chronologie anhand stratifizierter Grabungsbefunde und –funde jener Zeit befasst. Zudem wurde die fast 50-jährige Regierungszeit des Augustus – sozusagen aus einer rechtsrheinischen Perspektive – oft als ein Block „nach 15/12 v. Chr.“ angesehen, weil die römische Herrschaft ab dem zweiten Jahrzehnt v. Chr. überall im Nordwesten greifbar wird und zugleich die als römisch zu erkennende Sachkultur erstmals in Massen erscheint. Diese Blickweise änderte sich mit neuen Grabungen und mit Forschungen, die seit den 1990er Jahren insbesondere – aber nicht nur - von den europäischen Projekten zur späten Eisenzeit und zum bellum Gallicum und seinen Folgen in Bibracte im Burgund ausgehen und das 2. sowie vor allem das 1. vorchristliche Jahrhundert anhand neuer Befunde und Kontexte untersuchen16. Dazu kommen Forschungen aufgrund stratifizierter Befunde im Rhonetal – insbesondere Lyon, aber auch etwa in Valence – sowie in Narbonne17. In Norditalien stehen zahlreiche Grabfunde mit reicher Ausstattung zur Verfügung18; für den Ostalpenraum sei hier die Stadt auf dem Magdalensberg erwähnt19. Auch Schiffsfunde aus dem Mittelmeer haben das Spektrum erweitert20. Aus diesem breiten Mehrwert an Materialkenntnis, in dem Import16 Zuletzt Barral/Fichtl (Hrsg.) 2012. – Für Nordgallien werden neue wichtige Aussagen von den Grabungen im sog. „camp“ auf dem Titelberg zu erwarten sein: vorerst J. Metzler et al., in: Sous nos pieds : archéologie au Luxembourg 1995-2010. Cat. Musée National d‘Histoire et d‘Art (Luxembourg 2011); Metzler/Gaeng (in Vorbereitung) und ausserdem von den wichtigen Grabungen auf dem Trierer Petrisberg, die hoffentlich bald umfassend bearbeitet werden können: vorerst Löhr/Trunk 2008. 17 Lyon: Desbat 2012. - Valence: Maza/Silvino 2011. - Narbonne: Sanchez 2009. 18 Als Beispiele die Nekropolen von Oleggio (Spagnolo Garzoli 1999) und Ornavasso (Graue 1974; Martin-Kilcher 1998). 19 Die beste publizierte Stratigraphie mit untersten (erfassten) Siedlungsphasen der Zeit vor und nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. bei: Zabehlicky-Scheffenegger/Schindler-Kaudelka 1980. – Allgemein der Überblick bei Dolenz et al. 2007. 20 Als Beispiele Skerki Bank, um 80/70 v. Chr. (McCann 2004); die Madrague de Giens, um 70/60 v. Chr. (Tchernia et al. 1978; Hesnard 2012); Camarat 2, um 50/40 v. Chr. (Foy/Nenna, Hrsg., 2001, 103f.); La Tradelière, um 30 v. Chr. (Pollino 1986; Feugère/Leyge 1989; Foy/Nenna, Hrsg., 2001, 105
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keramik eine bedeutende Rolle spielt, lassen sich weiträumig bewertbare chronologische Cluster und Entwicklungen erkennen21, wenn auch in den Gebieten nördlich der Alpen die Importe jener Jahrzehnte meistens ein weniger breites Spektrum als im Süden umfassen. - Zugleich bildet aber diese epochale Sattelzeit eine Schnittstelle zwischen der prähistorischen und der römischen Archäologie. Die engere Vernetzung der Kenntnisse und Diskussion der Arbeitsmethoden bleibt weiterhin ein Desiderat22. In Siedlungen stellt Keramik den häufigsten Fundstoff dar. Deshalb bilden deren Formen – dem Vorkommen in stratifizierten Grabungsbefunden entsprechend - das Rückgrat der relativen Chronologie. Die regionalen Fazies, aber auch Veränderungen bei den Importen spielen eine wichtige Rolle. Nichtkeramische Funde werden den aufgrund der Keramik erarbeiteten Horizonten zugeordnet. Oft umgekehrt verhält es sich dagegen mit Grabfunden, bei denen nicht selten Trachtbestandteile oder Bewaffnung die relative Chronologie erkennen lassen. Dies erschwert eine Horizontierung der Fundgattungen. Für die absolute Datierung werden - quellenkritisch betrachtet - römische Münzen und Münzreihen (in der ausgehenden Republik insbesondere gut erhaltene Denare) als termini post quos (tpq) herangezogen23. Fixpunkte und ein grosses Potential für die Zukunft bieten gute Dendrodaten24; ohne gerade diese Hilfe bleiben angesichts der selektiven schriftlichen Überlieferung Verbindungen archäologischer Befunde mit schriftlich überlieferten Ereignissen problematisch und immer kritisch zu hinterfragen. Die Forschungsgeschichte zeigt, dass an historisch überlieferte Jahreszahlen gekoppelte Datierungen archäologischer Funde dem Fortschritt in Befundkritik und Materialkenntnis oft nicht standhalten, und dass zudem ein überliefertes Datum zu einer Attraktion und Kumulierung von Datierungen führen kann25. Es bleibt festzustellen, dass archäologische Befunde als solche nicht aufs Jahr genau datiert werden können und der einzelne Befund oder Fund ohne weitere Angaben nur in eine relative Reihe eingeordnet werden kann26. Deshalb strebt die Archäologie mit ihren Methoden zunächst die Gliederung einer Reihe von Fundver– im Vergleich mit Comacchio deutlich älter); Comacchio, um 20 v. Chr. (Berti 1990; García Bellido 1998). 21 Beispiele jetzt in Barral/Fichtl (Hrsg.) 2012 (darin Beiträge von A. Desbat zu Lyon, von Ph. Barral zu Besançon). 22 Ein Ansatz bei Barral/Fichtl (Hrsg.) 2012; vgl. auch Kaenel et al. (Hrsg.) 2005. 23 Als Beispiel Stöckli 2010. 24 Beispielsweise bei der Analyse der Funde aus dem 30/29 v. Chr. belegten römischen Lager vom Petrisberg oberhalb Trier (vgl. oben Anm. 16). 25 Dies gilt etwa im Alpenraum für die Jahre 16/15 v. Chr., in den Nordwestprovinzen für die Zeit um 260 oder – früher – für die Zeit um 400: Diskussionen der Folgen bei Martin-Kilcher 2011; Kuhnen (Hrsg.) 1992; Martin 1979. 26 Eine Ausnahme und besondere Kategorie bilden in der ausgehenden Republik die mit dem Namen des Feldherrn beschrifteten und teils im Kontext eines Kampfgeschehens gefundenen Schleuderbleie, bei denen sich dank allenfalls erhaltener schriftlicher Quellen das Ereignis feststellen und aufs Jahr genau datieren lässt. Dadurch werden auch die vergesellschafteten Objekte datiert, vgl. hier Abb. 4. –
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gesellschaftungen an. Mittels einer Seriation bzw. der Definition typischer Vergesellschaftungen lassen sich innerhalb eines Fundplatzes/einer Region relativchronologisch bestimmbare Horizonte herausarbeiten. Die darin öfters vorhandenen (oder durch cross-dating zu erreichenden) absolutchronologischen Marker wie Münzen und Importe bieten quellenkritisch zu bewertende tpq. Bei etlichen der im hier betrachteten Zeitraum ebenfalls interessierenden Buntmetallprägungen der ausgehenden Republik und der frühaugusteischen Zeit ist allerdings der Beginn der Prägezeit nicht absolutchronologisch gesichert, sondern durch historische (und archäologische) Erwägungen gewonnen, wie etwa die lange Diskussion um die Nemausus-Prägungen veranschaulicht27. Für die Archäologie haben zwar Münzen und Münzreihen einen enormen Wert; wesentlich mehr Aussagen sind aber zu erwarten, wenn die zugehörigen archäologischen Kontexte bekannt und analysiert sind.
3 Militaria der Zeit von Caesar bis Augustus Für einige archäologische Befunde und Funde der hier interessierenden Zeit stehen jedoch aufgrund des Fundorts und ihres Kontexts, sogar von Beschriftungen (Schleuderbleie) und von Dendrodaten tatsächlich absolutchronologische Anhaltpunkte zur Verfügung, die sie schriftlich überlieferten Ereignissen jener Jahrzehnte der ausgehenden Republik und der beginnenden Kaiserzeit zuweisen lassen (Abb. 5): die Zerstörungen und schrecklichen Kampfüberreste in Valencia (75 v. Chr.)28, die Gräben vor Alesia (52 v. Chr.)29, das kurzfristig belegte Lager auf dem Petrisberg bei Trier (dendrodatiert 30/29 v. Chr.)30, das Lager Oberaden (dendrodatiert 11 bis 8/7 v. Chr.)31 oder das Schlachtfeld von Kalkriese (9 n. Chr.)32. Das jeweilige Fundspektrum bietet zugleich eine gewisse Basis für Vergleiche mit anderen Befunden, ohne dass aber eine gleich präzise Datierung Dazu mit weiterer Lit. Martin-Kilcher 2011 und seither insbesondere Benedetti 2012; Lopez Vilar 2013; Verdin/Chataigneau 2013. 27 Vgl. Kemmers 2006; 2008. Besombes 2008. – Besten Dank für Auskünfte an F. Kemmers (Frankfurt). - Münzreihen können auch in der hier interessierenden Zeit sehr gute Anzeiger der relativen Chronologie bilden, doch beruhen die oft engen absoluten Datierungen zunächst auf Anteilen von Prägungen, die, mit anderen Fundplätzen verglichen, historische Überlieferungen und archäologische Chronologiekonzepte (mit einer Gefahr von Zirkelschlüssen auf beiden Seiten) verbinden. - Auch im Fall von Nijmegen-Hunerberg müssten die Resultate der Ausgrabungen und die Funde aus den Strukturen bearbeitet und mit den Münzen verglichen und publiziert werden – vorerst Niemeijer 2013.. 28 Zuletzt Alapont Martín et al. 2009; Ribera i Lacomba/Jiménez Salvador 2012, bes. 90ff. Ein Depotfund von 195 Denaren aus der Zerstörungsschicht gibt einen tpq von 77 v. Chr. 29 Reddé/von Schnurbein 2001; 2008. 30 Vorbericht Löhr/Trunk 2008. 31 Kühlborn 1992. 32 Zusammenfassend mit Lit. in: 2000 Jahre Varusschlacht (2009). Die Reihe der Denare unterstützt die Datierung auf 9 n. Chr. – Vgl. auch die Bemerkungen zum Ende von Haltern bei von Schnurbein 2013.
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Abb. 5: Kombinationen charakteristischer Waffen und Kleiderzubehörs aus datierten Fundplätzen des 1. Jahrhunderts v. Chr. im Vergleich mit entsprechenden Funden aus dem zentralen Alpenraum. Es sind jeweils die tpq der Denare vermerkt (dd=dendrodatiert). Martin-Kilcher 2011, Abb. 24, ergänzt.
möglich ist, oder umgekehrt gesagt: für eine jahrgenaue Datierung braucht es entweder gesicherte Dendrodaten oder eine direkt nutzbare schriftliche Überlieferung, s.o. Dies ist bisher im Gebiet zwischen den Zentralalpen und dem Hochrhein nicht der Fall. Dennoch können durch die Vergesellschaftung von Funden und weiträumige Vergleiche verschiedener Waffen und Kleidungsbestandteile Aufschluss geben über Konflikte zwischen Römern und einheimischen Stämmen wie auch allgemein zur römischen Militärpräsenz während der Frühphase der Okkupation. Miteinander assoziiert, lässt sich auch ausserhalb von Lagern römisches Militär erkennen. Matthieu Poux hat 2008 die Bewaffnung und Kleidung des Militärs zur Zeit Caesars ausführlich aufgrund von Funden und Befunden in Gallien diskutiert33 und Susanne Sievers, von Alesia ausgehend, die gallische und römische Bewaffnung untersucht34. Eine Reihe aussagekräftiger Befunde mit Militaria (oft handelt es sich um Geschosse, die im Boden blieben) und Kleidungsbestandteilen des 1. Jahrhunderts v. Chr. unter anderem aus dem Alpenbogen habe ich 2009 zusammengestellt, um der Frage nach Abläufen bei der Eroberung des Alpenraums in den Jahrzehnten nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. nachzugehen35. Hier seien einige aussagekräftige Gattungen
33 Poux 2008. – Vgl. auch Pernet 2010. 34 Sievers 2008. 35 Martin-Kilcher 2011.
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zusammengefasst und neue Funde aufgeführt, weil sie auch für die Frage der Militärpräsenz in und bei Siedlungen herangezogen werden können (vgl. Abb. 5):
Schleuderbleie und dreiflüglige Pfeilspitzen: Ergänzend und erneut ist auf die massierte Präsenz teils beschrifteter Schleuderbleie von Caesar bis in die Zeit des Bürgerkriegs hinzuweisen. Die Beschriftung mit dem Namen eines Feldherrn (bisher jüngste Belege stammen aus der Nähe von Agen in Südwestgallien und sind, mit dem Namen Agrippas als imperator versehen, Kämpfen des Jahres 38 v. Chr. zuzuweisen36) oder der Bezeichnung einer Legion stellt sich immer deutlicher als ein kurzlebiges Phänomen heraus (Abb. 5)37. Aber auch insgesamt nehmen Schleuderbleie im Waffenspektrum seit dem 2. Jahrzehnt v. Chr. steil ab, das immerhin durch zahlreiche und unterschiedliche Militärplätze bekannt ist. Im umfangreichen Material von Dangstetten fehlen sie, selbst wenn man einwenden kann, es handle sich um ein Lager und nicht um Reste eines Kampfgeschehens38. In Kalkriese schliesslich zählt man bisher trotz zahlreicher Waffen und Waffenteilen nur 3 Stück39. Die schlanken dreiflügligen Pfeilspitzen (bzw. die damit kämpfenden Einheiten) erscheinen im Westen in nachcaesarischer Zeit und werden auch in augusteischer Zeit verwendet. Erst in Dangstetten und in Haltern kommen auch breite dreiflüglige Spitzen vor.
Schuhnägel: Seit Caesar gehören die grossen, schweren Schuhnägel der ersten Generation genagelter caligae zur Kleidung römischer Soldaten. Nägel mit über 1,5 cm Durchmesser und bestimmten Mustern auf der Unterseite können den Schuhen der caesarischen und voraugusteischen Zeit zugerechnet werden, wie neuere Untersuchungen etwa anhand von Funden vom Titelberg und aus dem Lager bei Hermeskeil im Gebiet der Treverer zeigen40. Derartigen frühen Formen entsprechen beispielsweise mehrere 36 Verdin/Chataigneau 2013. 37 Vgl. Anm. 26. – Die Schleuderbleibe vom Septimerpass mit Markierung der LEG X scheinen nach Auskunft von M. Seifert, Chur, mit einem Stempel flach eingeschlagen und nicht in der Form gegossen, wie Martin-Kilcher 2011, 41 mit Anm. 49 annahm. Sicherheit darüber könnte aber nur eine metallographische Untersuchung geben. Ich habe deshalb die entsprechende Position in der Tabelle Abb. 5 mit einem Fragezeichen markiert. 38 Fingerlin 1986; 1989. 39 Vgl. Rost/Wilbers-Rost 2012 und Germania 70, 1992, 361 Abb. 6,4-6. Vielen Dank an A. Rost und S. Wilbers-Rost für weitere Auskünfte. 40 Ich konnte vor einigen Jahren sämtliche Schuhnägel von Dangstetten ausmessen; keiner übertrifft 1,4 cm, vgl. Martin-Kilcher 2011, 38ff. – Für Auskünfte zum Titelberg danke ich J. Metzler herzlich. – Zu Hermeskeil vgl. Beitrag von S. Hornung in diesem Band; ihr danke ich für weitere Informationen.
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Schuhnägel vom Col des Etroits und vom Septimerpass, aber auch aus Gebäuderesten auf 1400 m ü.M. im Aostatal41.
Scharnierbogenfibel – Aucissafibel: Frühe Schuhnägel finden sich öfters in Verbindung mit Scharnierbogenfibeln (Typ Alesia). Diese erste römische Scharnierfibel überhaupt ist m.E. eine Erfindung der caesarischen Zeit im östlichen Oberitalien42 und war zunächst eine Männer-Mantelfibel. Im (mittel)augusteischen Lager Dangstetten steht unter den Scharnierfibeln eine Minderheit von Scharnierbogenfibeln den zahlreichen daraus entwickelten Aucissafibeln gegenüber; in Oberaden (dendrodatiert 11-8/7 v. Chr.) findet sich nur noch die Aucissafibel43. Diese jüngere Fibel war übrigens in vielen Siedlungen verbreitet und wurde von Männern und Frauen getragen, ebenso wie bald auch genagelte Schuhe.
Einschub - ein Grabfund aus Sion VS und die neue Zeit: In diesem Zusammenhang vermittelt das Grab einer jungen Frau aus dem dritten Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. Einblick in eine Gesellschaft im Wandel im Alpenraum (Abb. 6)44. Grabform und Grabsitte der bei Sion (Sedunum), dem Hauptort der Seduni im Mittelwallis gefundenen Körperbestattung entsprechen der lokalen Tradition. Der Toten war eine Börse beigelegt mit regionalen Bronzemünzen aus der Zeit um und bald nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Neben dem Kopf standen ein einheimisches Hochgefäss und ein aus Oberitalien importierter Teller. Als Schmuck trug sie u.a. typische Walliser Fussringe und eine einheimische Fibeltracht, aber bei den drei Fibeln handelt es sich um römische Scharnierbogenfibeln. Textilreste an den Fibeln wurden von Antoinette Rast als südalpines Köpergewebe identifiziert45. Die Walliserin trug also nicht nur fremde, römische, sondern Männerfibeln, die mit grösster 41 Martin-Kilcher 2011, Abb. 9.14.15 und Th. Luginbühl et al. in diesem Band. – Zum Septimer seither: Zanier/Rageth 2012 und W. Zanier in diesem Band. – Vgl. ferner mehrere Exemplare aus Gebäuden in Plan del Bosco, Gem. Pré Saint-Didier: Boll. Soprintendenza beni e attività culturali valle Aosta 5, 2008, 34 (freundl. Hinweis O. Paccolat, Sion). Armirotti/Framarin 2012. 42 Zum Aufkommen auch Martin-Kilcher 2011, 34 mit Anm. 24. - Frühe Formen dieser geschmiedeten Fibel besitzen stets einen nach oben gebogenem Fuss und seitliche Knöpfe an der Scharnierachse, doch gibt es bald zahlreiche Variationen und Ateliers, in denen derartige Scharnierfibeln gefertigt wurden (und gerade im Alpenraum auch grosse, massive Spätformen). Man müsste diesen variantenreichen Fibeln aufgrund geschlossener Kontexte nachgehen. 43 Dazu Stöckli 2010, Abb. 7; Martin-Kilcher 2011, Abb. 24 (wobei leider aus Oberaden bisher nur wenig Metallfunde publiziert sind). 44 Curdy 2009, 134ff. Ganz allgemein bieten im Wallis und Tessin Grabsitten einer traditionsverbundenen Bevölkerung aufschlussreiche Einblicke in die Veränderungen des 1. Jahrhunderts v. Chr.: Martin-Kilcher 1998. - Oberitalien: die wichtige Nekropole von Oleggio: Spagnolo Garzoli 1999; zu Ornavasso vgl. Anm. 18. 45 A. Rast, in: Curdy 2009, 186.
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Abb. 6: Sion. Grab einer einheimischen jungen Frau. Sie trägt auf den Schultern anstelle traditioneller Kleiderverschlüsse zwei römische Scharnierbogenfibeln (Typ Alesia) als Verschluss des Hauptkleids („Peplos“), das nach Untersuchung der Textilreste ein südalpines Gewebe war. Curdy 2000; 2009.
Wahrscheinlichkeit zuvor von Soldaten genutzt wurden. Vielleicht wurde gar ein südländischer Männermantel zum einheimischen Frauenhauptkleid umgearbeitet46. 46 Ein ähnliches Phänomen in einer jüngeren Übergangszeit im 5. Jahrhundert: junge germanische Frau mit spätrömischem Männergürtel in Schleitheim SH: Ruckstuhl 1988.
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Man darf spekulieren, wie die Frau zu den Fibeln und dem Stoff gekommen ist. Ganz eindeutig belegt aber das Grab Veränderungen bisheriger kultureller Strukturen und neue Elemente im Erscheinungsbild der Menschen selbst, jenseits von Küche und Tisch, wo die Aufnahme neuer Elemente bereits seit längerer Zeit im Gang war47.
Fixierung der Pilumspitzen und breite dreiflüglige Pfeilspitzen in mittelaugusteischer Zeit: Eine weitere Neuerung der mittelaugusteischen Zeit ist die Fixierung der Pilumspitze mit einer pyramidalen, massiven Zwinge48. Dazu kommen neue, breite Formen dreiflügliger Pfeilspitzen (s.o.).
Münzen: Nur punktuell können hier Münzen aufgeführt werden, die eine eigene und ergänzende Untersuchung verdienten. Im betrachteten Zeitraum spielen vor allem gut erhaltene römische Denare der späten Republik eine Rolle49, aber auch gut erhaltene vollständige Buntmetallmünzen der voraugusteischen Zeit (Abb. 750).
Abb. 7: Benken-Kastlet SG. Gut erhaltener As Octavian, geprägt in Lyon um 36 v. Chr. M. 1:1. Diaz Tabernero 2009.
47 Dazu auch Martin-Kilcher 1998. 48 Martin-Kilcher 2011, 45. 49 Vgl. etwa Stöckli 2010. 50 Diaz Tabernero 2009: Römische Republik, Übergangszeit, Octavian Lugdunum, As, 36 v. Chr. (?). - Vs. IMP CAESAR · DIVI · F · DIVI · [IVLI]; Kopf des Caesar mit Lorbeerkranz n. l. und barhäuptiger Kopf des Octavian n. r., dazwischen Lorbeerzweig. - Rs. COPIA; Prora n. r. mit einem Auge und einem Delphin, darüber meta und grosser Stern. RPC I, S. 151, Nr. 515. -18,467 g, 30,2-31,1 mm, 45°, BR, A 2/1, K 1/1.
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4 Städte und Kleinstädte in der civitas Helvetiorum von spätkeltischer bis an den Beginn der Kaiserzeit Ein Blick zurück zeigt, dass im früheren 1. Jahrhundert v. Chr. neue Befestigungen errichtet wurden, teils über älteren Siedlungsschichten und damit als Verkleinerungen. In Yverdon-les-Bains ist die mächtige Anlage dendrodatiert 81/80 v. Chr., d.h. zu Beginn der Stufe Latène D2. Wahrscheinlich während derselben Generation erfolgten der Bau des sog. inneren Südwalls von Bern-Engehalbinsel, sowie der Bau der Abschnittswälle von Vindonissa und auf dem Basler Münsterhügel51. Keine schriftlichen Quellen geben Auskunft über die Gründe. Mittlerweile ist in der helvetischen civitas eine Reihe spätkeltischer städtischer Siedlungen mit Befunden/Funden der Stufe Latène D2(a und b) bekannt und damit ein Vergleich mit der Situation zu Beginn der römischen Kaiserzeit möglich. Zwar kennen wir zweifellos nicht alle städtischen Siedlungen und Zentren jener Zeit52, und es sind erst wenige architektonische Siedlungsbefunde im Detail zu überblicken. Mit Unsicherheiten ist ferner zu rechnen, weil bei früheren Grabungen in römischen Städten nicht immer bis auf den gewachsenen Boden hinunter gegraben wurde und gerade kleinere vici („agglomérations secondaires“) wenig erforscht sind. Gegenüber noch vor zehn Jahren ist jedoch die archäologische Quellenlage wesentlich breiter geworden und erlaubt Einsichten in die städtische Siedlungsentwicklung zwischen Caesar und Augustus. Dabei interessieren hier die erste Generation nach dem gallischen Krieg, um 50/4020 v. Chr. (Abb. 8) und die nachfolgende, um 20 v. Chr.-10 n. Chr. (vgl. Abb. 18, unten). Die nach ihrer geographischen Lage von West nach Ost aufgeführten Orte geben zugleich Hinweise, welche baulichen Elemente zu erwarten sind: nämlich regional unterschiedliche Lehm- und Fachwerkarchitektur, sowie weiterer Holzbau. Gefragt wird, ob und wo nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. eine durchgehende Besiedlung nachzuweisen ist und wie sie sich manifestiert, ab wann in den Städten unseres Gebiets die in römischer Zeit typische Bebauung mit regelmässigen insulae bzw. die aneinandergebauten Streifenhausreihen aufkommt und schliesslich ob in städtischen Siedlungen Hinweise auf römisches Militär jener Jahrzehnte vorhanden sind. - Die im Raurikergebiet gelegene colonia Raurica am Rhein, die nach Ausweis von Funden in und beim spätlatènezeitlichen oppidum von Basel-Münsterhügel angelegt wurde, figuriert zwar auf der Karte Abb. 8, wird aber hier nicht näher einbezogen53. 51 Nachweise s.u. 52 Gemäss Caesar (bg 1,5) haben die Helvetier beim Auszug des Jahres 58 v. Chr. zwölf oppida und 400 vici abgebrannt, doch bleibt offen, welche helvetischen Siedlungen aus römischer Sicht als „vicus“ bezeichnet wurden. - In die Zeit um 60 v. Chr. datierbare und damit eventuell mit „58“ zu verbindende Brandschichten haben sich übrigens bisher nicht gefunden: Kaenel 2012, 66ff. 53 Basel-Münsterhügel, mutmasslicher Ort der ersten colonia Raurica (zu den Grundlagen: Martin 1971): Die gegen Ende von Latène D1 erbaute spätkeltische Befestigung ist nach der Mitte des 1. Jahr-
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Abb. 8: Städtische Siedlungen in der civitas Helvetiorum, ca. 50/40-20 v. Chr. Schwarz ausgefüllten Zeichen: Besiedlung während der hier interessierenden Zeit nachgewiesen. Kartiert sind die bis heute bekannten kaiserzeitlichen Städte und Kleinstädte (Kreise) sowie die beiden Koloniestädte (Quadrate) am Genfersee und am Rhein. In kursiver Schrift: Antiker Name überliefert. Diese Situation wird mit der Spätlatènezeit verglichen: oppida (Dreiecke). In der benachbarten civitas der Sequaner und Rauriker sind jeweils nur die Hauptorte eingetragen. Ausserdem figuriert die Doppelanlage von Altenburg/Rheinau. - Hochgestellte Rechtecke: Rein militärische Anlagen, zu denen in jenen Jahrzehnten wahrscheinlich auch Sermuz zählte. Die Walenseetürme und die Anlage beim Col des Etroits befinden sich nahe oder direkt an der Grenze der/zur helvetischen civitas.Wichtige Orte befinden sich regelhaft an Kreuzungspunkten von Verkehrswegen und an „points de rupture de charge“. Abstände von 30-35 km, die etwa einer Tagesreise entsprechen, sind mehrfach zu registrieren. Die grossen Städte liegen im westlichen Teil der civitas. Zwischen Ost und West wirkt sich im Raum zwischen Solothurn und Olten eine alte Kulturgrenze aus, die in römischer Zeit beispielsweise anhand von Kochgeschirr erfasst wird (Schucany 2012).S. Martin-Kilcher/S. Kaufmann, IAW. hunderts v. Chr. nicht mehr in Funktion; augusteische Siedlungshorizonte ziehen darüber weg (Deschler-Erb 2011 und mündliche Auskunft). - Siedlungsgruben und wenige Holzbaureste im Zeithorizont 40-20 sind bisher vorab entlang der östlichen Zugangsstrasse nachgewiesen, darunter römisches Militär durch Waffen und Kleiderbestandteile; diese Befunde bezeugen die Kontrolle des Zugangswegs: vgl. Martin-Kilcher 1999, 150; Deschler-Erb 2011. – Zu den spätlatènezeitlichen Funden aus der kaiserzeitlichen Koloniestadt Augst, die zeitlich den uns interessierenden Horizont nicht erreichen, aber die frühe Bedeutung der Durchgangsstrassen spiegeln vgl. jetzt Vogel-Müller et al. 2013.
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Colonia Iulia Equestris [Noviodunum] (Nyon VD) Lange Zeit diente diese caesarische Koloniegründung am Genfersee als ein Beispiel dafür, dass die voraugusteischen coloniae an Genfersee und Rhein nur de iure und nicht de facto gegründet worden seien54, ein Axiom allerdings, das auf mangelnder Grabungstätigkeit einerseits und Datierungsproblemen des archäologischen Fundstoffs andererseits fusste. Inzwischen haben in Nyon trotz schwierigster Erhaltungsbedingungen verschiedene Aufschlüsse im erhöht gelegenen, heute dicht bebauten Stadtzentrum Befunde und Funde aus der Mitte und zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. zutage gebracht. Unter der römischen Basilika wurden (parallel zu den jüngeren Bauten ausgerichtete?) älteste Holzbaustrukturen ab etwa der Mitte des 1. Jahrhundert v. Chr. festgestellt55 und damit zweifellos gründungszeitliche Bebauung der colonia, deren keltischer Name ja „Neustadt“ bedeutet (woraus sich die Frage nach der Lokalisierung einer bisherigen Stadt ergibt). Der Bau der ersten Basilika wird aufgrund der Stratigraphie und der Keramik in spätaugusteisch/frühtiberische Zeit datiert56. R. Frei-Stolba hat an eine Passage bei Lukian erinnert, die von Truppen Caesars am Ufer des Genfersees während des Marsches zum Rubikon im Jahr 50 v. Chr. spricht57. – Unter den archäologischen Funden, die auf römisches Militär hinweisen, sind zwei Scharnierbogenfibeln aufzuführen58.
Lousonna ( Lausanne VD) Grösster helvetischer vicus der römischen Epoche, an wichtiger Wasser- und Land strasse. Es ist möglich, dass in Lousonna eine Verlagerung von einem in Spornlage gelegenen, leider nur durch Einzelfunde erschlossenen oppidum im Bereich der Altstadt von Lausanne an den See hinunter stattfand59, wobei das Seeufer allerdings schon längst besiedelt und genutzt wurde, wie ein späteisenzeitliches Gräberfeld zeigt60. Ab der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. sind parzellierte Siedlungseinheiten im römischen vicus (Abb. 9)61 und erste Installationen im Westheiligtum bezeugt62. Die 54 z.B. Frei-Stolba 1976, 338ff., auch als Folge der damaligen deutlich zu späten Datierung der Spätlatènzeit. Dazu jetzt Kaenel 2012, 66ff.124ff. 55 Brunetti/Henny 2012, bes. 21ff. 56 Brunetti/Henny 2012, 44. 57 Frei-Stolba 1999. 58 Dank an V. Rey-Vodoz, Nyon, für Unterlagen. 59 Kaenel 2012, 136. 60 Die Publikation ist in Vorbereitung. Freundliche Mitteilung G.Kaenel, Lausanne. 61 Berti Rossi/May Castella 2005, 26ff.257. 62 Martin-Kilcher 2008, 255.
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Besiedlung mit aneinander gebauten Streifenhäusern beginnt jedoch erst in spätaugusteischer Zeit (états 3ff.)63. Unter den Funden kennt man frühe italische Terra sigillata aus dem Horizont 40-20 v. Chr., also Importe aus der Zeit vor der neuen Urbanisierung64. In einer Grube mit einer frühen spanischen Amphore fand sich eine Scharnierbogenfibel65 - ein Hinweis auf Militär zu jener Zeit? Da die Kleinfunde nicht untersucht sind, bleibt die Frage nach Militaria offen.
Abb. 9: Lousonna. Beispiel für Parzellierung und Bebauung um 40-20 v. Chr. Berti Rossi/May Castella 2005, Fig. 14.
Eburodunum (Yverdon-les-Bains VD) Altes eisenzeitliches Zentrum und Kontrollpunkt an einer wichtigen Strassenkreuzung, ausserdem Kreuzung von Land- und Wasserweg. Die zuvor mit einer einfachen Palissade umgebene, überraschend kleine keltische Siedlung am südlichen Ausfluss des Neuenburgersees wird 81/80 v. Chr. (Dendrodaten) durch eine mächtige Pfostenschlitzmauer befestigt (ca. 4 bis höchstens 8 ha)66. Die Befestigung wird bald nach 50 v. Chr. aufgegeben, der Ort aber – in vielleicht geringerer Intensität – durchgehend besiedelt. Zwar verursachte offenbar ein Anstieg des Seespiegels die teilweise Überschwemmung, zeitgleiche Siedlungsaktivitäten sind aber durch Funde bezeugt; die zugehörigen Strukturen können - wie vielenorts 63 Berti Rossi 2005, 39ff. 64 Ettlinger 1983, 100f.; Kaenel et al. 1980, 145ff. 65 Kaenel et al. 1980, Taf. 40, 472. 66 Ph. Curdy, in: Brunetti 2007, 609.
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- verwischt und zerstört worden sein durch mächtige Planien und Baugrundvorbereitungen der augusteischen Zeit. Die eigentliche römische vicus-Bebauung folgt zu Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr.67. Eine Brücke zwischen Eburodunum und Aventicum (bei Payerne VD) ist dendrodatiert 70/69 v. Chr.68, ein Beleg dafür, wie in römischer Zeit wichtige Verkehrsachsen – so auch die Agrippastrassen – bestehenden Verbindungen, die die topographischen Gegebenheiten effizient zu nutzen wussten, folgten.
Aventicum (Avenches VD) Avenches liegt an der wichtigen Westost-Fernstrasse und besitzt einen nahen Zugang zum Wasserweg Neuenburgersee-Bielersee-Aare69. Im westlichen Teil der späteren römischen Stadt befinden sich ein Sakralbereich und Gräber ab dem späteren 2. Jahrhundert v. Chr. Die Frage nach einer spätkeltischen Besiedlung des Hügels, auf dem die mittelalterliche Stadt steht, ist noch immer nicht beantwortet. Auf der Flur „sur Fourches“70, unmittelbar am Fuss des Hügels und an der Fernstrasse, konnten vor wenigen Jahren Siedlungsreste (welcher Art?) der Zeit um ca. 80-50/40 v. Chr. untersucht werden.71 Speziell sind die Beschläge von zwei Zugtierjochen eines spätlatènezeitlichen Wagens (als Materialhort). Aus diesem Areal stammt ferner eine Fibel vom Typ Jezerine, eine Variante mit Pressblechdekor. Ein verwandtes Exemplar wurde im einheimischen Heiligtum von Martigny VS gefunden72. Die in der Gallia Cisalpina entwickelte Form zeigt Verwandtschaft mit späten Nauheimer Fibeln, aber auch mit einigen Varianten der Scharnierbogenfibel (Typ Alesia): Datierung des Typs Jezerine ca. 60-40/30 v. Chr.73, während Scharnierbogen67 Brunetti 2007, bes. 260ff.: Horizont D ist verbunden mit der Errichtung der Befestigung (dendrodatiert 81/80 v. Chr.): Späte Variante einer Nauheimerfibel mit gegittertem Fuss (Kat. 978). - Horizont E2: „bâtiment st 149“, aus Brandschutt des Gebäudes, der ins zweite Viertel 1. Jahrhundert v. Chr. gehört; allerdings mit wenig Material, u.a. Stilus (Kat. 988). - Horizont E1: Füllung der Wehrgräben = Aufgabe der Befestigung um 50/40 v. Chr. (rote Warzenlampe; gestreckter Dornenbecher; Amphore Dressel 1B; frühe Flügelfibel Kat. 982). - Horizont E3: Abbruch der Befestigung, südlicher Sektor (späte Campana oder schwarze Arretina Lamb. 5/7). Datierung wie Horizont E1. - Horizont F1: Niveaus oberhalb des Befestigungs-Abbruchschutts. Gemischt; jüngste Elemente tpq As Augustus 15 v. Chr. (Kat. 997). Arretinisches Service 1c neben früheren Formen von TS; nur 1x TS-Imitation. - Horizont F2: Planie bei der Installation des vicus: wie Horizont F1, bis spätaugusteische oder frühtiberische Zeit. Verschiedene TS-Imitationen, Vepotalus radial gestempelt. 68 Kaenel 2012, 92. 69 Vgl. de Pury-Gysel 2011; Kaenel 2012, 80. - Zu den keltischen Münzen Nick 2013. 70 Büntgen et al. 2008. – Zu den Münzen jetzt Nick 2013, 173f. 71 2014 weitere SLT-Siedlungsreste am Fuss des Hügels (freundl. Mitt. M.-F. Meylan). 72 Rey-Vodoz 1986, Nr. 40. 73 Mit deutlich zu später Datierung: Demetz 1999, 194. Vgl. dazu auch Božič 2008, 47. - Der Fundpunkt in Hüfingen an der oberen Donau ist beachtenswert: Rieckhoff 1975, Nr. 5.
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fibeln bis um etwa 20 v. Chr. getragen wurden. - Auf der Flur „Pré Vert“ kam als Einzelfund eine breiter Katapultbolzen zu Tage, der durchaus mit spätrepublikanischen Formen vergleichbar ist74. Zwei Kilometer südlich von Avenches liegt die befestigte Anhöhe Bois-de-Châtel (ca. 10 ha), die nach Lesefunden im 1. Jahrhundert v. Chr. (Latène D2) belegt ist; eine Nutzung – wohl zur Zeit von Sermuz – deuten u.a. einige Münzen und eine eiserne Fibel Almgren 65 an75. Die Funktion der Anlage bleibt aber mangels Grabungen unklar. Das grosse Oppidum auf dem Mont Vully ist dagegen älter (Latène D1/allenfalls bis frühes D2) und wird hier nicht berücksichtigt76. Mit dem Mont Vully, Yverdon, Sermuz und dem Ort der späteren römischen Hauptstadt Aventicum zeichnet sich aber ein geballtes helvetisches Machtzentrum im Bereich des Neuenburgersees, der Wasser- und Landstrassen ab.
Petinesca und Umfeld (Studen und Port BE) Der Jensberg (Jäissberg), dessen Etymologie nicht geklärt ist, bildet einen Bergrücken am Südostrand des Bielersees mit Weitblick über die Wasser- und Landstrassen. Auf dem Jensberg lag ein grosses befestigtes oppidum (ca. 35 ha, Abb. 10). Alte, wenig systematische Grabungen im Wallbereich überliefern kaum Funde; Latène D1 ist aber durch Münzen nachgewiesen77. Bisher zu wenig berücksichtigt ist die Tatsache, dass ein grosses, mehrteiliges Heiligtum der römischen Zeit im Südbereich des ehemaligen keltischen oppidum lag – eine Verbindung, die von etlichen oppida Galliens bekannt ist. Leider ist das ummauerte Heiligtum nur durch kleine Sondierschnitte an gemauerten Bauten gefasst78; Beginn und Dauer des sakralen Platzes bleiben deshalb bisher unbekannt. Auf einer unteren Terrasse und entlang der wichtigen Mittellandachse erstreckte sich seit Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. der römische vicus mit Streifenhäusern79, doch lassen sich nahe der Strasse dank Keramik (Südimporte!) bereits Aktivitäten des zweiten Jahrzehnts v. Chr. nachweisen80. 74 Voirol 2000, pl. 1, 11. 75 Kaenel 2012, 80 und mündliche Mitteilung; zu den Münzen Nick 2013, 178f. 76 Zu beiden Anlagen Kaenel 2012, 74ff. – Denkbar ist, dass nach 50/40 v. Chr. in der bestehenden Befestigung von Bois-de-Châtel (zeitweilig/kurze Zeit) Militär stationiert war. Grabungen könnten Klarheit schaffen! 77 Kaenel 2012, 74. 78 Martin-Kilcher 2008, 256f.; R. Zwahlen, Arch. Kanton Bern 2010; 2012. 79 Zwahlen 2002, 182, die Anlage des vicus betreffend. 80 Zwahlen 2002, Taf. 2 (Ensemble V-499) enthält ältere Keramik aus dem „Horizont Dangstetten“. Nach briefl. Auskunft R. Zwahlen muss es sich entweder um ein Bauopfer oder um ein Hundegrab gehandelt haben: „V-499 ist eine flache Grube direkt am Rand der ersten Strasse, am zukünftigen Siedlungs-Eingang. In ihr lag unter einem grossen Stein ein vollständiges Hundeskelett. Der Hund lag mit dem Kopf von der Siedlung abgewendet, d.h. mit „Blick“ auf das was sich auf der Strasse dem
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Abb. 10: Petinesca. Das spätlatènezeitliche oppidum auf dem Jensberg mit dem mehrteiligen römischen Heiligtum (dessen Beginn nicht bekannt ist) im Südbereich und die Lage des römischen vicus auf einer unteren Geländeterrasse und entlang der wichtigen Durchgangsstrasse. LIDAR-Bild Archäologischer Dienst des Kantons Bern.
Vom oppidum auf dem Jensberg führte ein direkter Weg nach Port (portus), das nahe bei einem Übergang über die alte Zihl und in einer wichtigen Zone von Wasser- und Landwegen liegt. Bei den Juragewässerkorrektionen des 19. Jahrhunderts kamen dort zahlreiche Waffen zu Tage, die seit der Frühlatènezeit in sakraler Absicht deponiert worden waren. Das Spektrum läuft aus mit einigen spätkeltischen und spätrepublikanischen Waffen (u.a. ein spätkeltischer Helm des eponymen Typus Port und ein früher gladius, Abb. 11).
Vicus nähert“; vgl. ferner einen nicht näher lokalisierbaren ACO-Becher aus einer Altgrabung (abgebildet bei H.-M. von Kaenel, Arch. Schweiz 1, 1978, Beilage „Archäologie im Grünen“).
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Abb. 11: Port. Beispiele von im Gewässer deponierter Waffen der späten Eisen- bis frühen Kaiserzeit. Wyss et al. 2002.
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Dazu kommen vereinzelte frühkaiserzeitliche Waffen und etwas spätrepublikanisches und frühkaiserzeitliches Bronzegeschirr81.
Brenodurum (Bern-Engehalbinsel) An der Wasserstrasse der Aare. Strassenverbindungen zur Ostwest-Achse durchs Mittelland sowie nach Süden zu mehreren Alpenpässen, die ins Wallis (und nach Italien) führen. Im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. war das 140 ha grosse oppidum ein bedeutender Zentralort vielleicht eines pagus; wohl im frühen 1. Jahrhundert v. Chr. wurde die Befestigung mit dem sog. inneren Südwall, einer Pfostenschlitzmauer, deutlich verkleinert82. Am südlichen Siedlungsrand und zugleich an der höchsten Stelle der Halbinsel befand sich seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. ein grosses Heiligtum: neben Gräben und Gruben mit Resten von Opfern fanden sich auch – verstreut durch die Planie beim Bau eines kaiserzeitlichen Tempels – Weihungen von Waffen, darunter spätkeltische Typen, u.a. ein Helm vom Typ Port (vgl. Abb. 11). Unter den Fibeln befindet sich eine Scharnierbogenfibel, dazu kommen weitere Anhaltspunkte für römisches Militär (Abb. 12 und 13)83. Im Zeithorizont 40-20 v. Chr. produzierten Töpfereien neben einheimischen Formen u.a. frühe pompejanischrote Platten84, was - vorerst neutral gesagt - auf die Anwesenheit von Zugezogenen aus Oberitalien oder/und dem Rhonetal hinweist. Am Südwestrand (auf der Flur „Zehndermätteli“) und nahe einem Aareübergang muss sich beschriebenen Funden nach zu schliessen ein augusteischer Militärstandort (oder –Schutthügel?) befunden haben; der Horizont „Dangstetten“ ist durch TSStempel gesichert85. Wie sich die römische vicus-Bebauung mit Streifenhäusern entwickelte, ist mangels ausreichender Grabungen bis auf die untersten Schichten noch nicht zu sagen. Erste Sondagen in einem zentralen Bereich zeigten jedoch unter/neben einem Streifenhaus ältere Siedlungsspuren, darunter eine kleine Grube mit Keramik aus der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Ohne flächige Grabung lassen sich diese Strukturen allerdings nicht mit der Orientierung der kaiserzeitlichen Streifenhäuser in Verbindung bringen86.
81 Wyss et al. 2002. 82 Kaenel 2012, 67ff. Wichtig als tpq ist das Grab mit Nauheimerfibeln unter dem Inneren Südwall (ebd. 72). 83 Martin-Kilcher 2005; Müller 2010. 84 Horisberger 2005. 85 Martin-Kilcher 2011, 56f. 86 Ebnöther/Wyss 2004, bes. 290.
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Abb. 12: Bern-Engehalbinsel. Waffen und Fibeln der späten Eisenzeit bis zur frühen Kaiserzeit aus dem grossen Heiligtum am Südrand des oppidum und des späteren vicus. Müller 2010.
Brenodurum harrt einer gründlichen Bearbeitung. Schon jetzt aber illustrieren für die hier interessierende Zeit des 1. Jahrhunderts v. Chr. die Befunde und Funde die Bedeutung des Orts und der Strasse, mit Verbindungen nach Süden über die Alpenpässe.
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Auf dem Belpberg, einem Inselberg ca. 15 km südlich von Bern, wurde ein Denarhort mit tpq 42 v. Chr. gefunden87. Das vor wenigen Jahren entdeckte, nicht namentlich bekannte oppidum bei Roggwil BE mit Funden (auch) der Stufe Latène D2 liegt an einer Nebenstrasse südwestlich von Olten und wird hier nicht einbezogen; an dieser Stelle entstand kein römischer vicus88.
Vindonissa (Windisch und Brugg AG) Der Ort befindet sich an strategisch wichtiger Lage: hier kommen schiffbare Flüsse zusammen und kreuzen sich zwei Fernstrassen – darunter ein Ast der bei Strabo beschriebenen Agrippa-Strassen in Gallien (vgl. Abb. 2 und 8). Vindonissa ist bisher in der Forschung in erster Linie als Legionslager des 1. Jahrhunderts n. Chr. bekannt, hat aber eine ältere Geschichte. Am Zusammenfluss von Aare und Reuss liegt die befestigte spätkeltische Siedlung mit Pfostenschlitzmauer. Als Bauzeit der Befestigung spricht vieles für frühes Latène D2, d.h. die ersten Jahrzehnte des 1. Jahrhunderts v. Chr.89. Die Fläche beträgt wenigstens 4-5 ha, doch ist die Grösse nicht sicher berechenbar, weil die Reuss Teile weggerissen hat und die Ausdehnung bis hinunter zur vorauszusetzenden Brücke/Übergang über die Reuss - zweifellos bei Gebensdorf - noch unklar bleibt. Durch den Südwall des römischen Legionslagers geschützt, blieben westlich der Befestigung und etwas südlich der Durchgangsstrasse geringe Teile eines spätkeltischen Gräberfelds mit Brandbestattungen erhalten, die der entwickelten Stufe Latène D2 (darunter Knotenfibelpaar aus Eisen mit durchbrochenem Fuss90, Reste mehrerer Amphoren Dressel 1) und der Übergangszeit zur römischen Epoche zuzuweisen sind und auf dem zweifellos BewohnerInnen des oppidum bestattet waren91. Im Innern des oppidum konnten erst vereinzelte spätlatènezeitliche Siedlungsreste gefasst werden92. Wenige Aufschlüsse zeigen ganz ähnlich orientierte, an einer Strasse liegende Holzbaureste der spätkeltischen (Latène D2(b)) und der augustei-
87 Stöckli 2010; Nick 2013, 172. 88 Ramstein 2010. – Vielen Dank an M. Ramstein, Bern, für die Möglichkeit, Funde und Befunde anzusehen. 89 Pauli 2004; 2007. - Die bei Pauli 2007 gezeigten Funde unter dem Wall, darunter eine Nauheimer Fibel und eine Amphore Dressel 1B, lassen sich m.E. an den Beginn von Latène D2 datieren. Damit entfallen die Überlegungen bei Pauli 2004, 19 und Trumm 2010, 40, wonach die Pfostenschlitzmauer eventuell erst um oder nach der Mitte des 1. Jahrhunderts, d.h. „nach Bibracte“ zu datieren wäre. 90 Jetzt abgebildet bei Trumm/Flück 2013, 413 (Fi1.3.6.13, alle aus Grab 23). 91 Vorerst Trumm 2010, 40. – Vielen Dank an J. Trumm und R. Fellmann, die mir eine Autopsie der noch unbearbeiteten Funde ermöglichten. 92 Roth 2000. Die Schichten der Siedlungsreste und der Befestigung lassen sich nicht horizontieren.
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schen Zeit93. Die Befunde aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. sind aber leider oft zerstückelt, ja teilweise nur als Einzelfunde in Ablagerungen der augusteischen und jüngeren Phasen fassbar. Nach der Verteilung der Münzen, darunter etliche keltische Münzen und teils Quinare, hat H. Doppler 1977 eine voraugusteische Besiedlung westlich der Befestigung postuliert94. Bei den teils grossangelegten Bauarbeiten für das Legionslager und vorausgegangener Anlagen wurden jedoch die älteren Ablagerungen durch Planien, Materialentnahmegruben und Gräben gestört und zweifellos teilweise abgetragen: Ausgedehnte Grabungen im Südteil des späteren Lagers („Breite“) erbrachten unter den Metallfunden der vorlagerzeitlichen Holzbauperioden einige spätlatènezeitliche Stücke, ebenso vereinzelte Amphoren Dessel 1 sowie vor- bis frühaugusteische Keramik95. In welchem Zusammenhang diese Reste (und die Münzen) zu beurteilen sind, wird anhand erhaltener Befundsituationen zu klären sein. Neue Grabungen im Bereich des Südtors haben wiederum vereinzelte Fibeln der Stufe Latène D2(b) sowie zwei Fibeln vom Typ Alesia erbracht96. Der Graben des oppidum war spätestens zu Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. komplett verfüllt. Keramik aus einer zwar abgesunkenen, aber deutlich nach Aufgabe des Grabens eingefüllten Schicht datiert in mittel- und spätaugusteische Zeit: Die Funde liegen unter der umgelegten Flechtwand eines bereits nach der Aufgabe des Grabens errichteten Hauses97. Der römische vicus Vindonissa als Nachfolgesiedlung erhält aber erst langsam Konturen und überliefert vorerst kaum bauliche Informationen aus der Frühzeit98. Westlich des oppidum und an der wichtigen Verkehrsachse wurden im zweiten Jahrzehnt v. Chr. – zweifellos unter militärischer Führung und Absicht - u.a. grosse Vorratsbauten erstellt. Unter den Funden aus diesen vorlagerzeitlichen Baustrukturen befinden sich einige verstreute Stücke, die der späten Latène- und der voraugusteischen Zeit zuzuweisen sind. Allfällige zugehörige Strukturen fehlen (bisher), doch können sie durch die römischen Lager und umliegende Bauten überprägt bzw. 93 Roth 2000. 94 Doppler 1977. - Die keltischen Münzen müssen auch im Lichte der Neufunde neu bewertet werden. Vielen Dank für Informationen an H. Doppler und M. Nick. 95 Berücksichtigt man in Hagendorn et al. 2003 allein die (vorlagerzeitlichen) HP 1-4: z.B. Teile von Spätlatènefibeln: Taf. 47, 15.17; 49, 78-81; Keramik Mitte und drittes Viertel 1. Jahrhundert v. Chr.: frühe pompejanischrote Platte Taf. 6, 93; speziell geglättete Tonnen Taf. 7, 117.118; 26, 424; auch unter den bols de Roanne können sich Exemplare aus jener Zeit befinden, vgl. Taf. 11, 189; 23. Dazu kommen wenigstens 3 Amphoren Dressel 1, vgl. ebd. 360f. - Zu den Münzen oben Anm. 93. 96 Trumm/Flück 2013, Abb. 337, Fi70.71 (aus einer älteren Holzbauperiode, einmal aus einem Pfostenloch). 97 Ettlinger 1972. Wie die Grabungen 2002-2004 belegen, stammen die Funde nicht aus der untersten Füllung, sondern lagen weit oben unter einer umgelegten, in den Graben gekippten Holzflechtwand eines erst nach der Einfüllung des Grabens errichteten Hauses. Zwei darüberliegende Holzbalken ergaben Dendrodaten von 26 n. Chr.: Pauli 2004, 24f.; 2007. Leider war es bei diesen neuen Grabungen nicht möglich, bis zur Sohle des 7 m tiefen Grabens zu graben; die Tiefe wurde mit Bohrungen erfasst. 98 Trumm 2011, bes. 6f.; Schucany 2011.
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zerstört worden sein. - Unter den wenigen frühen Militaria bleibt eine Reihe einflügliger Pfeilspitzen aus dem Nordteil des späteren Lagers vorläufig ohne bewertbaren stratigrafischen Konnex99. Mit der Anwesenheit von römischem Militär in den Jahrzehnten nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. ist aber zu rechnen100. Stationiertes römisches Militär ist ab dem 2. Jahrzehnt v. Chr. gesichert. Offensichtlich hat man diesen strategisch wichtigen Platz auch im Zusammenhang mit Versorgung und Logistik genutzt.
Turicum (Zürich) Am Seeausfluss des Zürichsees, an der Route via Walensee nach Italien gelegen, bildete der Platz zeitweise und gerade in der ausgehenden Eisenzeit/frühen Kaiserzeit einen wichtigen Siedlungspunkt zwischen Oberitalien und dem Rhein und den Routen nach Westen und Norden. Spätkeltisches oppidum (etwa 7 ha) auf und an einem Sporn zwischen Sihl und Limmat. An Baustrukturen sind bisher Reste eines Grabens sowie von Holzbauten und Gruben erfasst worden, ausserdem Reste eines (frührömischen) Grabens101. Stratigraphisch und durch Funde ist eine durchgehende Besiedlung bis in römische Zeit nachgewiesen. Die Baustrukturen von zwei spätlatènezeitlichen Siedlungshorizonten (Latène D2) scheinen wie die römischen Bauten auf die Durchgangsstrasse ausgerichtet102. - Römisches Militär, darunter auch aus Oberitalien, ist im Horizont 40-20 v. Chr. (und danach) belegt, wie Befunde auf dem Lindenhof und am nördlichen Sporn (Oetenbachgasse) zeigen103. Die Rolle des höhergelegenen Üetlibergs in der Spätlatènezeit ist nicht klar; die auch topographisch weit höher gelegene Anlage ist tendenziell älter als der Lindenhof104.
Vitudurum (Oberwinterthur) An der wichtigen Westost-Achse gelegen. Aus der Spätlatènezeit sind bis jetzt keine Siedlungsreste bekannt105. Möglicherweise wird die Analyse der Münzen aus Vitudu99 Simonett 1940, 3 Abb. 3; Deschler-Erb et al. 2008, Abb. 1. – Der (bereits alt defekte?) frühe Dolch aus der augusteischen Brandschicht von HP 3 (Hagendorn 2003, 392ff. [Beitrag A. Huber]) kann dem Zeithorizont 40-20 v. Chr. angehören. 100 Mehrere Scharnierbogenfibeln, zuletzt anlässlich von Grabungen beim Südtor, s.o. Anm. 95. 101 Gute Übersicht bei Balmer 2009; 2010. – Für weitere Auskunft danke ich D. Wild, Zürich. 102 Balmer 2009, Abb.185.191. 103 Balmer 2009, bes. 156ff.; Balmer 2010; z.B. das aus Oberitalien mitgebrachte frühe Model zur Herstellung von ACO-Bechern: Balmer 2009, 119 Abb. 156.157. 104 Kaenel 2012, 89. 105 Ein Grabfund (Latène D1): Jahrb. Schweiz. Ges. Urgesch. 24, 1943, 139ff.
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rum und Umgebung diesbezüglich Hinweise geben können. Bereits die ersten erfassten Bauten des vicus (mit Dendrodaten ab 4 v. Chr.) entsprechen Streifenhäusern, die auf die Strasse ausgerichtet sind106. Im Jahr 7/8 n. Chr. (Dendrodaten) wurde das ganze Westquartier mit wenigstens zwei Dutzend Häusern errichtet, also noch während der zweiten hier betrachteten Generation, was nicht nur hinsichtlich der Bauleistung (Hilfe durch Militär?, das für jene Zeit am Ort durch Funde, aber nicht etwa bauliche Strukturen belegt ist107), sondern interessantere Fragen nach der Herkunft der neuen BewohnerInnen aufwirft. In welchem Zusammenhang ein in Resten gefasster Spitzgraben mit einigen frühkaiserzeitlichen Importen im Bereich des heutigen Winterthur an der gleichen Fernstrasse zu sehen ist, lässt sich noch nicht sagen108. Das sehr wahrscheinlich ausserhalb des helvetischen Territoriums gelegene, grosse oppidum Altenburg/Rheinau wird hier nicht einbezogen. In römischer Zeit folgte keine städtische Besiedlung109.
5 Militaria und römisches Militär in der civitas Helvetiorum Es geht um Spuren von römischem (oder in römischen Diensten stehendem) Militär während der Generation nach 50/40 bis etwa um 20 v. Chr.
Abb. 13: Verbreitung spätrepublikanischer Waffentypen (a) und Fibeln vom Typ Alesia (b) im Gebiet der heutigen Schweiz (erstellt 2003). Deschler-Erb et al. 2008, Fig. 5.6.
106 Im Licht neuer Untersuchungen entgegen den Annahmen bei Rychener 1988, 47ff., der für die erste Bauphase einzelne Baukörper erschloss. 107 Pauli-Gabi/Ebnöther/Albertin 2002. – Zu den Kleinfunden Deschler-Erb 2007; Obrecht 2007. 108 Jauch 2003-2005, bes. 176.181f. 109 Zur Chronologie (anhand der Münzen) zuletzt Nick, 2012, 556ff.; Kaenel 2012, 87f.
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Abb. 14: Auf der Karte der Siedlungen 50/40-20 v. Chr. (vgl. Abb. 8) sind spätrepublikanische Waffen bzw. Militaria M sowie Scharnierbogenfibeln (Typ Alesia) SBF, eine Fibel des Typs Jezerine JEZ und grosse Schuhnägel GS eingetragen. Nachweise im Text S. 245ff. Karte S. Martin-Kilcher/S. Kaufmann IAW.
Bei der 2008 publizierten Karte spätrepublikanischer, römischen Soldaten zuweisbarer Militaria (Abb. 13a)110 fällt erstens die Leere in der heutigen Westschweiz auf und zweitens, dass für fast alle spätrepublikanischen Militaria ein „jüngerer Fundzusammenhang“ postuliert wird. Dies hängt m.E. mit Problemen der Datierung111, aber auch mit Problemen des stratigraphischen Kontexts zusammen112. Die damit verglichene Verbreitung der wohl in der Tat grösstenteils von römischen 110 Deschler-Erb et al. 2008, Abb. 1.2; die zusammengestellten, publizierten spätrepublikanischen Militaria haben auf einer Doppelseite Platz (darunter befinden sich auch Funde aus dem augusteischen Lager Dangstetten). 111 Vgl. die oben S. 242 angesprochene Attraktion an „15 v. Chr.“. 112 Für die Walenseetürme, deren Errichtung aufgrund der Funde um 30 v. Chr. zu datieren ist (Martin-Kilcher 2011, 46ff.) sind aufgrund der Stratigraphie am Biberlikopf möglicherweise zwei kriegerische Ereignisse nachzuweisen, wobei das frühe pilum mit Widerhakenspitze zum ersten gehörte (ebd. 48). – Im Falle der Pfeilspitzen mit Widerhaken von Vindonissa sind die stratigraphischen
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Soldaten getragenen Scharnierbogenfibeln (Typ Alesia) im Gebiet der heutigen Schweiz umfasst wenige Fundorte (Abb. 13b)113. Bei dieser ersten römischen Scharnierfibel (vgl. S. 246) ist die Verbindung mit römischem Militär höchst wahrscheinlich, denn sie ist als Verschluss eines Männermantels verwendet worden. Auf der ergänzten Abb. 14 sind die Scharnierbogenfibel (SBF) und die identisch verwendete, in unserem Gebiet sehr seltene Fibel Typ Jezerine (JEZ) sowie zusätzlich die grossen Schuhnägel (GS) kartiert. Zusammen mit den zwei – zwar ausserhalb einer städtischen Siedlung entdeckten – römischen Denarhorten vom Belpberg südlich von Bern und von Bruggen SG (beide mit tpq 42 v. Chr.) ergibt sich ein etwas dichteres Bild von Funden, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit römischem Militär zu verbinden sind114. Doch bestätigt auch die aktualisierte Karte, dass im Untersuchungsgebiet Nachweise für Waffen, die von Truppen aus dem Süden und damit von römischem Militär aus den Jahrzehnten um/nach 50 bis um 20 v. Chr. benützt wurden, schmal bleiben. Die geringe Zahl mag mit der Mobilität jeweils kurzfristig anwesender und eher kleiner militärischer Einheiten zusammenhängen und mit einer noch nicht so umfassenden Versorgungsorganisation, wie man sie hier seit (mittel)augusteischer Zeit und der Standarmee kennt. Zudem scheint es, dass damals in Siedlungen generell wenig rezyklierbares Material im Boden liegen blieb.
Militär ausserhalb von Siedlungen und an Strassen Von Prospektionen und Grabungen im Alpenraum erwarten wir entscheidende Aufschlüsse nicht nur zur Nutzung der Alpenstrassen, sondern auch zur Siedlungsgeschichte während der späten Eisenzeit und am Übergang zur römischen Epoche. Im Wallis und in den benachbarten italienischen Südalpentälern konnten in den letzten Jahren in den teils befestigten Siedlungsstellen auf rund 1400 bis 2600 m Höhe prospektiert und gegraben werden115. Aufgrund erster Indizien wie Keramik und Schuhnägel werden sie der späten Eisen- bis frühen Römerzeit zugewiesen. Leider sind bisher
Verhältnisse ganz unklar (vgl. dazu Simonett 1940); bei etlichen der von Deschler-Erb/Pernet 2008 abgebildeten Stücken aus Vindonissa handelt es sich um alte Streufunde. 113 Deschler-Erb et al. 2008, Abb. 6. 114 Liegen andere jenen Jahrzehnten zuweisbare Waffen oder Kleiderbestandteile vor, ist an Auxilien zu denken. Deshalb berücksichtige ich hier endlatènezeitliche Fibelformen wie die frühe Kragenfibel oder gewisse späte Knotenfibeln nicht weiter. Sie sind ausserdem weniger klar geschlechtsbezogen als Scharnierbogenfibeln und wurden als Männermantelfibel eher von Galliern bzw. Einheimischen getragen (vgl. Sermuz). - Importe wie Keramik und Amphoren in den städtischen Siedlungen können auch die einheimische Oberschicht aufzeigen. 115 Vielen Dank an O. Paccolat für Auskünfte und Literatur (Juli 2012).
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nur wenige Funde veröffentlicht116. Aus dem zentralen Alpenraum werden hier nur die Befunde an der Septimerstrasse und an der damit zusammenhängenden Walensee-/Zürichseeroute kurz aufgeführt, die ich bereits 2011 diskutiert habe. Für Jura und Mittelland sind die Befunde beim Col des Etroits (vgl. den Beitrag M. Demierre et al. in diesem Band) und die Anlage bei Sermuz oberhalb von Yverdon zu erwähnen (s. u.).
Septimerpass und -strasse Umwallte Anlage oberhalb der Passstrasse sowie Strassentrassen auf der Seite Graubündens. Waffen, darunter etliche Schleuderbleie, (militärische) Gerätschaften, Kleidungsbestandteile, Schuhnägel sowie Münzen an verschiedenen Stellen117. Diese und weitere Funde wurden grösstenteils ohne stratigraphischen Zusammenhang entdeckt; von den Bearbeitern werden sie den Alpenfeldzügen der Jahre 16/15 v. Chr. zugeordnet118. Eine weiträumige chronologische Analyse ähnlicher Befunde im ganzen Alpenraum zwischen Spanien und Slowenien zeigt aber, dass es sich dabei nicht um Zeugnisse aus einem bis zwei Jahren handelt, sondern um Überreste mehrerer Ereignisse, die sich vor allem nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis in spätaugusteisch-tiberische Zeit abspielten, mit einer deutlichen Massierung zwischen etwa 40/30-10 v. Chr.119. Bemerkenswert ist ein kleines Depot mit 4 spätrepublikanischen Denaren (tpq 55 v. Chr.)120, an die ein Altfund vom nahen Septimerpass selbst (46/45 v. Chr.) anschliesst121. Darüber hinaus belegen deutlich ältere und jüngere Gegenstände, dass die Passstrasse über den Septimer und die Anlage eine lange Geschichte haben.
116 Zum „mur de Hannibal“ oberhalb Liddes VS, am Aufgang zum Grossen St. Bernhard: Andenmatten/Paccolat 2012; Plan del Bosco oberhalb Aosta; Montan Tane oberhalb des Aufgangs zum Theodulpass: Boll. Soprintendenza beni e attività culturali valle Aosta 5, 2008, 34 (freundlicher Hinweis O. Paccolat). - Vom Grossen St. Bernhard sind mittlerweile ebenfalls einige wenige Funde bekannt., und in den untersten Schichten der wichtigen Strasse durchs Wallis bei Sitten (Pfyngut) kamen rund 200 Schuhnägel zu Tage, von denen etliche dem grossen Typus zuzuweisen sind: Paccolat 2011, bes. 100ff. und Katalog 355ff. (allerdings sind die Rückschlüsse in Bezug auf Metrologie und Gewicht ebd. 333ff. weit überzogen). 117 Vgl. zuletzt die Vorberichte Rageth 2010; Rageth/Zanier 2012. 118 Zuletzt Rageth 2010; Zanier 2012. 119 Vgl. Martin-Kilcher 2011 mit weiteren Angaben. – Für Nordspanien seither etwa Serna Gancedo/ Martínez Velasco 2010. 120 Rageth 2010; Rageth/Zanier 2012 (nach freundlicher Auskunft W. Zanier sind die beiden älteren Denare leicht abgegriffen, während die beiden jüngeren Denare geringe Zirkulationsspuren zeigen). 121 Martin-Kilcher 2011, 43 Abb. 17.
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Walenseetürme und –strasse Drei massiv gemauerte Türme, die ältesten gemauerten Bauten nördlich der Zentralalpen, befinden sich am Ausfluss des Walensees und kontrollieren im Grenzbereich der helvetischen civitas die Route von den Bündnerpässen zum Zürichsee und ins Mittelland. Eine nochmalige Durchsicht aller Funde - Waffen und Importe - sprechen für ihre Errichtung um 30 v. Chr. 122. Dafür spricht ferner die 2011 nicht abgebildete Quantifikation der Dünnwandkeramik mit ihrem geringem Anteil an Modelkeramik, jedoch grösserem Anteil an früheren Typen (Abb. 15)123.
Abb. 15: Walenseetürme. Quantifikation der Fragmente und Typen der ausnahmslos importierten Dünnwandkeramik aus den drei Befestigungen. Stratigraphische Anhaltspunkte beim Biberlikopf weisen auf (wenigstens) zwei Ereignisse hin (Anm. 111). Tabelle S. Martin-Kilcher.
Man sollte beim allein noch genügend erhaltenen Turm auf dem Biberlikopf prospektieren und graben, auch um abzuklären, ob sich die zwei kriegerischen Ereignisse bestätigen, denn laut Grabungsunterlagen fand sich ein pilum mit Widerhakenspitze im Bereich der Bauschicht, während mehrere dreiflüglige Pfeilpitzen im oberen Bereich einer Kulturschicht lagen124. Ohne neue Grabungen wird sich auch die Frage nicht klären lassen, gegen wen die in südalpiner Mauertechnik errichteten Bauwerke zuerst gerichtet waren (beim pilum mit Widerhakenspitze denkt man an gentes alpinae, „Raeter“). Die gut erhaltene Octaviansmünze (38 v. Chr.) aus dem nahen Benken SG an der Strasse vom Walensee zum Zürichsee gehört in den gleichen Zusammenhang (Abb. 7)125.
122 Zuletzt ausführlich Martin-Kilcher 2011, 45ff. – Vor kurzem wurden die Grabungsnotizen von R. Laur-Belart wiedergefunden, ohne dass sich aber wesentliche neue Aspekte ergeben. Besten Dank an P.-A. Schwarz und U. Niffeler, Basel, für die Möglichkeit der Einsichtnahme. 123 Bestimmung und Auszählung S. Martin-Kilcher 2010; vgl. ferner Roth-Rubi et al. 2004. 124 Martin-Kilcher 2011, 48. 125 Zur Münze Diaz Tabernero 2009.
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Col des Etroits In den Jahrzehnten nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. lässt sich im näher betrachteten Raum römisches Militär an einer Route der bei Strabo beschriebenen Agrippa-Strassen (Abb. 2) im Grenzbereich zwischen den civitates der Helvetier und Sequaner nachweisen: ein Sporn oberhalb der Passenge war zur Zeit der „grossen Schuhnägel“ befestigt, und Waffen- sowie Trachtbestandteile der ausgehenden Republik weisen römisches Militär nach. Wurfwaffen zeigen, dass auch Konflikte ausgetragen wurden126.
Yverdon – Sermuz Auf einem Sporn gelegene Befestigung (Fläche 7 ha) mit ausgezeichneter Fernsicht, nur 2,5 km südlich von Yverdon (Abb. 16). Oberhalb der wichtigen Achse durch das helvetische Mittelland – auch diese bei Strabo als Agrippa-Strasse erwähnt, vgl. Abb. 2. Über einer älteren Wallanlage wurde ein murus Gallicus errichtet (im Schnitt gegraben; Zeitpunkt der Errichtung nicht bekannt); die Nutzung im Innern belegen bisher – immerhin nicht wenige – Prospektionsfunde, die ins mittlere bis dritte Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. gehören. Das hier besonders interessierende Spektrum des dritten Viertels ist aber gut vertreten: u.a. mit Scharnierbogenfibeln und frühen Kragenfibeln sowie grossen Schuhnägeln. Neue Prospektionen seit 2007 erweitern das Spektrum127. Im keramischen Spektrum scheinen gegenüber Yverdon Importe besser vertreten; Importkeramik ist allerdings bei Prospektion leichter erkennbar als regionale braungraue Ware. Aufschlussreich sind die bislang 139 Münzen, darunter etliche Silbermünzen128. Dazu kommt der Neufund eines Münzstempels für Denare des C. Naevius Balbus (79 v. Chr.)129. Ein solcher Denar fand sich übrigens im Depotfund vom Belpberg BE130 und in Bruggen SG, beide mit tpq 42 v. Chr.131. Nach den sehr wenigen jüngeren Funden zu schliessen wurde die Befestigung um etwa 30/20 v. Chr. aufge lassen
126 Martin-Kilcher 2011, 40f. 127 Curdy 2007 und Auskunft C. Brunetti. 128 Curdy 2007, 572 und Liste S. 589f.: 37 keltische Quinare, d.h. 80% der keltschen Münzen bestehen aus Silber, nur 3 aus Bronze und 8 Potin. Einen ähnlichen Anteil Silbermünzen zeigt die Befestigung von La Chaussée Tirancourt in Nordgallien (Sold für „römische“ Soldaten/Auxilien?). - Dazu kommen in Sermuz nicht weniger als 57 republikanische Münzen (7 Denare, 50 Bronze, davon aber 46 halbiert). – Zu den Münzen auch Nick 2013, 172. 129 A.Geiser, Bull. Association Amis du Cabinet des Médailles Lausanne 24, 2011, 4-15. 130 von Kaenel 1981, 24. – Dazu Stöckli 2010, 106ff. 131 von Kaenel1981, 60. – Dazu Stöckli 2010, 106ff.
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Abb. 16: Sermuz oberhalb Yverdon. Lage der Befestigung oberhalb der Durchgangsstrassen und Auswahl an aussagekräftigen Prospektionsfunden (Importkeramik, Fibeln) der Zeit zwischen 50-30/20 v. Chr. M. 1:3. Curdy 2007.
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(tpq nach Denaren: 32/31 v. Chr., gut erhaltener Legionsdenar M. Anton) und sporadisch erst in spätaugusteischer und tiberischer Zeit wieder aufgesucht132. Der historische Zusammenhang der Erbauung, insbesondere die Frage, wer und auf wessen Anweisung den murus gallicus wann („nach 58 v. Chr.“ bleibt vorläufig eine nicht verifizierbare Hypothese) erbaute, muss offen bleiben, solange nicht Flächengrabungen und entsprechende Auswertungen vorliegen. Hingegen spricht vieles für eine militärische Besatzung im dritten Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. Darunter möchte man aufgrund (bisher weniger) Fibeln und Kleidungsbestandteile römisches und gallisches/einheimisches Militär identifizieren (also Legionäre und Hilfstruppen, entweder zeitgleich oder auch nacheinander). Vgl. dazu eine Nachricht bei Tacitus hist. I, 67,5 im Zusammenhang mit den Ereignissen während des Dreikaiserjahrs: ...rapuerant pecuniam missam in stipendium castelli, quod olim Helvetii suis militibus ac stipendiis tuebantur... (Soldaten der damals in Vindonissa stationierten 21. Legion rauben den Sold); das bei Tacitus erwähnte, von den Helvetiern unterhaltene Kastell könnte in der Gegend von Vindonissa gelegen haben. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Helvetier mehrere solcher castella mit Besatzung unterhielten/unterhalten mussten. Zur ebenfalls befestigten Anhöhe Bois-de-Châtel oberhalb Aventicum s. oben.
Militär in städtischen Siedlungen Hinweise für die erste Generation finden sich an mehreren Orten, wie oben ausgeführt. Zusammen mit den hier nicht kartierten Importen in den städtischen Siedlungen und den nur am Rand herangezogenen römischen Münzen offenbaren sich Südkontakte, die direkt (Militaria, Kleiderbestandteile) mit der römischen Okkupation zusammenhängen oder indirekt als deren Auswirkung anzusehen sind. Bis zur Etablierung der Provinzialverwaltung und zur Verlagerung der Staatsmacht in die zivilen Munizipien im Verlauf der augusteischen Epoche stand demnach die einheimische Bevölkerung in und bei ihren Zentralorten, zeitweise oder stetig, unter militärischer Kontrolle. Dass diese Truppen nicht allein aus Gallien, sondern auch aus Oberitalien und damit über die Alpenpässe herangeführt wurden, legen archäologische Befunde und Funde nahe. Zu diesem System gehörten als Kristallisationspunkte – und nicht als einsame Vorposten – die Koloniegründungen der voraugusteischen Zeit, Iulia Equestris [Noviodunum] und Raurica, in die eine nicht bekannte Anzahl von Kolonisten (Veteranen) geführt wurde. Ein Teil mag zwar in den Bürgerkrieg zurückberufen worden sein, ein anderer aber muss, wie die Funde nahelegen, als mobile Einheiten bei Bedarf zur 132 Curdy 2007, 571 (mit etwas anderer Enddatierung): Münzen: nur 2 augusteische und 1 tiberische Prägung; recht viel halbierte Republik-Asse; Keramik: nur 1 Drack 21; übrigens: TSital. Kat. 1172 ist kein Service 1b, sondern eine arretinische Frühform und gehört demnach ans Ende der übergangszeitlichen Nutzung. – Angabe zur Erhaltung des Denars des M. Anton: Dank an A. Geiser, Lausanne.
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Kontrolle und Besatzung einheimischer Zentralorte gedient haben, nicht anders als in den übrigen Gebieten Galliens133.
Abb. 17. Die städtischen Siedlungen und baulich nachgewiesenen militärischen Anlagen, ca. 20v. Chr.-10 n. Chr. – Vgl. Abb. 8. S. Martin-Kilcher/S. Kaufmann IAW.
Während der folgenden Generation zwischen etwa 20 vor bis 10 nach Chr. lässt sich römisches Militär zwar weiterhin in und bei mehreren städtischen Siedlungen nachweisen, wie die oben aufgeführten Beispiele illustrieren134. Erstmals entsteht aber in und um Vindonissa eine Konzentration, die eine veränderte Taktik und auch weitere Ziele anzeigt (vgl. Abb. 17). Das neue militärische Zentrum Vindonissa ist auch ein Knotenpunkt zum Rhein, nach Zurzach/Tenedo und Dangstetten und weiter nach
133 Vgl. auch die Überlegungen für Nordgallien bei Reddé 2008 sowie Martin-Kilcher 2011. 134 Auf der Karte Abb. 19 werden allein die baulich und mit Funden nachgewiesenen Strukturen der Generation 20 v.-10 n. Chr. eingetragen; auf eine Kartierung von Einzelbelegen wird verzichtet, da für diesen Zeitraum quantitativ und qualitativ weit mehr Unterlagen zur Verfügung stehen, die eine eigene Untersuchung verlangen.
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Norden135, es ist im vicus Vitudurum und zweifellos auch in Turicum präsent und schliesst später den Kurort Aquae Helveticae/Baden ein. Inwieweit damals nach Westen mit den offenbar ohne spätkeltische Vorläufersiedlungen zu Beginn des 1. Jahrhunderts n. Chr. gegründeten vici des Aaretals in Olten und Solothurn Verbindungen bestanden, müsste überprüft werden. - Die archäologischen Zeugnisse militärischer Präsenz in den (helvetischen) Städten und Kleinstädten der beginnenden Kaiserzeit wären eine zusammenfassende Untersuchung wert.
6 Kontinuität und Veränderung Bisher wurden oppida und andere Siedlungen der späten Eisenzeit oder dann römische Städte und Kleinstädte oft getrennt betrachtet und Hinweise auf eine Kontinuität wenig differenziert136. Heute ermöglicht die archäologische Evidenz erstmals, im Verlauf der zwei Generationen nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Abläufe zu erkennen (Karten Abb. 8 und 17). Im grossen Ganzen bleiben die bisherigen spätkeltischen Städte und Kleinstädte der helvetischen civitas weiter bestehen (ohne die bereits früher aufgegebenen Anlagen auf Anhöhen/Bergen). Sie waren zumindest seit Latène D2(a), also dem früheren 1. Jahrhundert v. Chr., durchgehend besiedelt, oder ein allfälliger Unterbruch war so kurz, dass er archäologisch – bisher – nicht nachweisbar ist137. Die wichtigen und meist grösseren Städte liegen weiterhin im westlichen Teil der civitas. Diese Verteilung, der übrigens auch die zeitgenössische ländliche Besiedlung folgt138, ist zweifellos durch die Lebensmittelpunkte der Aristokratie und ihren Verbindungen zu anderen ostgallischen civitates139 sowie die Nähe zur kapitalen Achse Rhone-Rhein140 geprägt. Über das Gebiet östlich des Zürichsees ist für die Stufe Latène D2 (mit Ausnahme des oppidum Altenburg/Rheinau, s.o.) noch wenig bekannt, doch scheint damals diese Landschaft – im Gegensatz zu Latène D1 (ca. 150-80 v. Chr.) – wenig besiedelt gewesen zu sein.
135 Dangstetten liegt direkt am rechtsheinischen Ufer, an einem sicher schon früher genutzten Rheinübergang. Man darf sich die Frage stellen, ob das Lager allein für Operationen nach Norden genutzt wurde, oder ob nicht der Schutz der Wasserstrasse Rhein mit dem Rheinübergang eine ebenso wichtige Rolle spielten. 136 Deutlich beim Vergleich SPM IV Eisenzeit (Basel 1999) mit SPM V Römische Zeit (Basel 2005), hier immerhin die Karte Abb. 49 mit einer Gegenüberstellung von spätkeltischen und römischen Städten. 137 Zur Frage von Brandschichten des Jahres 58 v. Chr. vgl. Kaenel 2012, 66ff. – Weggeräumte Brandschichten müssen sich allerdings im archäologischen Befund nicht abzeichnen. 138 Carrard 2009. 139 Man denke etwa an die Camilli; vgl. Kaenel/Martin-Kilcher 2002 mit Lit. 140 Desbat/Martin-Kilcher 1989.
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Bald nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. erfolgte aber die wohl gezielte Niederlegung von Befestigungsmauern, nachgewiesen in Yverdon und Basel, vielleicht auch in Vindonissa - oder dort etwas später? Im Zeithorizont 40-20 v. Chr. ist eine städtische Besiedlung in Form parzellierter Bebauung nachzuweisen, bisher am klarsten in Lousonna mit an der Hauptstrasse orientierten und ziemlich regelmässigen, aber eher locker gesetzten Holzbaustrukturen (Abb. 9). Belege für rechteckige insulae sind noch nicht gesichert und wären im Vergleich mit Strukturen aus Lyon141 am ehesten in den coloniae zu erwarten. Darauf scheinen die unter der Basilika entdeckten Strukturen in der colonia Equestris tatsächlich hinzuweisen. Zu öffentlichen Gebäuden liegen noch keine Unterlagen vor, jedoch Befunde und Funde in Heiligen Orten wie in Lousonna und Brenodurum (s.u.). Erst während der zweiten Generation nach dem gallischen Krieg (20 v.–10 n. Chr.) veränderte sich der Rahmen, die Stadt selbst grundlegend: Die archäologische, teils durch Dendrodaten gestützte Evidenz für die regelmässige „trame urbaine“, die ausgemessene parzellierte Stadt mit rechteckigen insulae bzw. mit eng stehenden Streifenhausreihen weist frühestens ins zweite Jahrzehnt v. Chr. bis in die Jahre vor und bald nach der Zeitenwende: Augusta Rauracum (archäologische Befunde im Verlauf des zweiten und ersten Jahrzehnts v. Chr.; punktuelle Dendrodaten bisher zwischen 20/10 v. Chr.; 6 v. Chr.); Aventicum (archäologische Befunde eher im 1. Jahrzehnt v. Chr.; punktuelle Dendrodaten bisher 5 n., 6/7 n. Chr.); Vitudurum (ganzes Westquartier dendrodatiert im Jahr 7/8 n. Chr.; ältere Dendrodaten 4 v. Chr.)142: Städte und Kleinstädte an wichtiger Lage werden demnach zur gleichen Zeit ausgebaut. Einige Befunde und Funde weisen jedoch auf Vorbereitungen hin. Eine Münzrolle mit gut erhaltenen Denaren und Quinaren aus einer untersten Schicht der nahe einer Geländekante liegenden insula 17 in Augst (tpq 25/23 v. Chr.)143 weist auf eine Anwesenheit von Römern hin, vielleicht Militär aus dem nahen Basel? Es ist denkbar, dass bereits um 20 v. Chr. die geeignete Stelle einer neuen Stadtanlage erkundet wurde. Mit dem Städtebau selbst unmittelbar vorangehende „Bauplatzinstallationen“ und Aktivitäten sind die schwer interpretierbaren, nicht orientierten Holzstrukturen und Installationen zu verbinden, die unterhalb ältester Bebauungen in Augst, aber auch in Oberwinterthur angetroffen wurden144. Die bisherigen archäologischen Befunde zeigen einen gewaltigen Bauboom um und nach der Zeitenwende. Weitere interessante Fragen stellen sich, etwa woher die Leute kamen, die sich in den Städten nie-
141 Desbat (Hrsg.) 2005, 104. 142 Augusta Rauracum: Berger 2012, 183; Aventicum: de Pury-Gysel 2006, 25; Vitudurum: Karte bei Martin-Kilcher 2008, Abb. 14. 143 Augst: Martin 1977, 10f. - Weiter östlich gibt ein Fund mit 12 Denaren aus Kempten im Allgäu (tpq 29 v. Chr.) zu diskutieren: Ziegaus 2000, 21 mit Abb. 16. – Ein Fund von subaeraten bzw. ohne Silber geprägten Münzen mit tpq 26/23 v. Chr. aus Lousonna (Geiser 1999) dürfte dagegen zum Kleingeldumlauf des frühen vicus gehört haben. 144 Pauli-Gabi et al. 2002, 73ff.
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derliessen145. Archäologische Auskünfte darüber können beispielsweise Keramik, Fibeln als Kleidungsbestandteile und Grabsitten geben.
Ein Fazit Wie die Entwicklung der städtischen Siedlungslandschaft illustriert, hat die Okkupationsmacht Rom seit etwa der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. neue Prioritäten gesetzt, die Auswirkungen auf die regionale Schicht der grundbesitzenden Aristokratie hatte. Der Status einiger Städte wurde verändert: Aventicum, Hauptort der Helvetier, wird später ebenfalls Kolonie146. Die etwas exzentrische colonia Equestris/Nyon ist, mit Vienne verbunden147, mehr dem Allobrogergebiet und der Narbonensis zugewandt als der helvetischen civitas. Die anderen spätkeltischen Zentren – oppida – werden hingegen kleinstädtische vici, auch die ehemals wichtigen Orte Eburodunum (Yverdon) und Brenodurum (Bern-Engehalbinsel). Ausdruck der neuen Prioritäten ist auch die augusteische Neugründung der colonia Raurica – die nuncupatio durch einen Verwandten des Augustus ist inschriftlich belegt148 an verkehrsgeographisch den neuen Zeiten angepasster Stelle, 10 km vom alten Zentrum am Basler Rheinknie entfernt. Sie findet Entsprechungen, vor allem in augusteischer Zeit, in Wiedergründungen bisheriger spätkeltischer Zentralorte an nun verkehrsgeographisch offener Lage149. Falls eine Vorgängersiedlung von Aventicum auf dem Hügel lag, den heute die mittelalterliche Stadt bedeckt – Hinweise für die spätkeltische Besiedlung sind bisher an seinem Fuss vorhanden – , ist auch für die mittel- bis spätaugusteische römische Stadtanlage von Aventicum an eine kleinräumige Verlagerung zu denken. Interessant in diesem Zusammenhang ist ein Frauengrab des 2. Jahrzehnts v. Chr., das unter der insula 20 zutage kam150. Man muss aber stets im Auge behalten, dass der gesamte Südteil der römische Stadt in heute geschütztem und demzufolge archäologisch kaum erschlossenen Gebiet liegt. Die bisher ältesten Funde aus den vici Solothurn und Olten gehören dagegen ins frühere 1. Jahrhundert n. Chr.151. Diese beiden Orte möchte man wegen ihrer verkehrsgeographischen Lage an der Strassenachse Gallien-Rätien (eine der Agrippastrassen, vgl. Abb. 2) mit der Anlage des vicus Vitudurum vergleichen. Etliche Kleinstädte an 145 Politische Anreize? Umsiedlungen? Landflucht? 146 Es wäre interessant, im Zusammenhang mit dem Aufstieg von Aventicum mehr über die Rolle der aristokratischen Familien zu wissen; vgl. Kaenel/Martin-Kilcher 2002. 147 Frei-Stolba 1999. 148 Zuletzt Berger 2012, 19. 149 Vgl. Mont Beuvray/Bibracte – Autun/Augustodunum, Titelberg - Trier/Augusta Treverorum; Lugudunum – übrigens kein civitas-Hauptort - liegt jedoch von Anfang an an sehr wichtigen Verkehrswegen und wird Metropole. Dazu allg. Fichtl 2000. 150 Blanc/Meylan Krause 1997, 58. 151 Schucany 1999.
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in der Kaiserzeit weniger wichtigen Strassen scheinen erst in claudischer Zeit bzw. um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. gegründet oder ausgebaut worden zu sein (Marsens FR, Sursee LU, Kempraten SG152). Allerdings könnten künftige Grabungen das Bild modifizieren.
Abb. 18: Thun-Allmendingen. Kopffragment mit Bohrloch für einen metallenen Priesterkranz von der etwa 2,5 m grossen Kalksteinstatue eines Togatus (1) im Vergleich mit einem Kaiserpriester aus Velia (2) in Unteritalien. Man beachte die hochsitzende Tragweise des Priesterkranzes. Martin-Kilcher 2008, Abb. 8.
Der Umbau von den spätkeltischen, befestigten Städten zu den zunächst offenen provinzialrömischen Städten und Kleinstädten seit der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. ist als ein Prozess153, als Folge der neuen Herrschaft und Politik, aber auch als Teil des Kulturwandels zu verfolgen. Er begann unter dem wachsamen Auge römischen Militärs, worauf Funde und Befunde wie beim Paar Sermuz – Yverdon, vielleicht Boisde-Châtel – Avenches sowie in Bern, Basel, Vindonissa und Zürich hinweisen. Am Neu- und Ausbau selbst dürfte das Militär etwa mit Logistik, aber auch mit Bautrupps beteiligt gewesen sein, selbst ohne Vermessung oder Architektur einzubeziehen. Man 152 Vielen Dank für Auskünfte an M.-F. Meylan, R. Ackermann, J. Gerig. 153 Reddé 2013, 123 spricht von „rythme de changement“, bei stärkerer Gewichtung der Rolle des Militärs.
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denke an die Niederlegung von Befestigungsmauern – typische Massnahme einer Okkupationsmacht – oder später den Bau des ganzen Westquartiers von Vitudurum im Jahr 7/8 n. Chr. mit über zwei Dutzend Häusern. Doch formten nicht nur Rom und seine Truppen die Anlage der Städte und Kleinstädte. Einen Kontrapunkt zur römischen Okkupation bilden nämlich die mehrteiligen Sakralorte am städtischen Siedlungsrand, ihre topographische Lage und Entwicklung154: Bei mehreren Zentralorten – durchgehend besiedelten und soweit wir wissen aufgelassenen – blieb der Platz dieses wichtigen einheimischen Heiligtums konstant. Im Fall etwa von Petinesca wurde das frühere oppidum wohl verlassen; das mehrteilige kaiserzeitliche Heiligtum (dessen Beginn nicht bekannt ist) befindet sich aber im Randbereich des alten keltischen oppidum, weit oberhalb des römischen vicus (Abb. 10), und in Brenodurum bleibt das grosse Heiligtum auf der höchsten Stelle der Halbinsel in der Aareschlaufe seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. ein bedeutender Sakralort. Mit dem Bau des inneren Südwalls kommt dieser Platz an den Südrand des verkleinerten oppidum und danach des vicus. In Aventicum hat man an der Stelle der weitläufigen sakralen Zone am Westrand der römischen Stadt spätkeltische Bestattungen und Opfergruben gefunden. Diese Heiligtümer und sakralen Zonen am Siedlungsrand bilden einen wichtigen Faktor der Kontinuität. Noch bei später angelegten städtischen Siedlungen dürfen sie nicht fehlen (vgl. Marsens/Riaz Tronche-Belon). Neben den von der Okkupationsmacht Rom durchgesetzten Veränderungen in der Gewichtung der städtischen Siedlungslandschaft und der militärischen Kontrolle steht deshalb auf der anderen Seite die (verbliebene) einheimische, grundbesitzende Aristokratie. Mit ihren Kontakten gaben diese Familien – bald als römische Bürger und Amtsträger des römischen Staats – den Takt an, man denke an die helvetischen Camilli, Iuli, Decimi...)155. Sie trugen dazu bei, die römische Herrschaft zu verfestigen und zugleich Traditionen zu bewahren oder anzupassen. Einen Vertreter dieser Aristokratie fassen wir südlich von Bern im Heiligtum von Thun-Allmendingen in einer späteren Generation im zweiten Viertel des 1. Jahrhunderts n. Chr. bildlich: Die Reste der überlebensgrossen, sehr qualitätvollen Kalksteinstatue eines Togatus zeigen einen älteren Mann mit Priesterkranz, einen Wohltäter oder den Stifter dieses Heiligtums in der Nähe des vicus Thun (Dunum?) an der Strasse über die Alpenpässe ins Wallis und nach Italien (Abb. 18)156. Spätere inschriftliche Dokumente im Raum um Brenodurum und bis zu den Alpenpässen illustrieren den engen Zusammenhang zwischen der helvetischen Aristokratie in Aventicum und den Gebietskörperschaften der regiones157. 154 Für die civitas Helvetiorum und von der römischen Zeit her gesehen Martin-Kilcher 2008. Allgemein vgl. Goudineau (Hrsg.) 2006; van Andringa 2008. 155 Zu weiteren, noch nicht romanisierten Aristokratennamen der spätkeltischen Zeit vgl. Kaenel 2012, 131f. 156 Martin-Kilcher/Schatzmann (Hrsg.) 2009, 244ff. 157 Martin-Kilcher/Schatzmann (Hrsg.) 2009, 249ff.
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Die städtische Siedlungslandschaft und mit ihr das Netz der Verkehrswege blieb seit spätkeltischer Zeit stabil, wurde aber wesentlich erweitert, wie der Vergleich der Karten Abb. 8 und 17 illustriert. Die Gewichtung der städtischen Zentren – bis hin zur räumlichen Verlagerung – veränderte sich hingegen nach Gesichtspunkten Roms. Die neue Ordnung der civitates in Gallien seit Caesar, Agrippa und Augustus hat Einfluss genommen auf die städtischen Siedlungen, die Teilstämme, ja vielleicht auch auf die Grenzen des Territoriums selbst158. Die innere gesellschaftliche Ordnung blieb und stützte so den Prozess.
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Matthieu Demierre, Thierry Luginbühl et Murielle Montandon
Militaria tardo-républicains au Col des Etroits (Jura vaudois, Suisse) Données et essai d’analyse
1 Découverte du site, prospections et fouilles de diagnostic Réalisée par le groupe Caligae1 sous mandat de l’Archéologie cantonale vaudoise, la découverte de militaria gaulois et romains dans le secteur du Col des Etroits (Sainte-Croix, Canton de Vaud, Suisse) a révélé l’existence d’un site jusqu’alors ignoré, dont l’intérêt historique a rapidement été reconnu (Montandon 2006). Confié à l’Institut d’archéologie et des sciences de l’Antiquité (IASA) de l’Université de Lausanne, ce mobilier a fait l’objet d’un rapport à l’Archéologie cantonale vaudoise (Demierre 2007), qui a confirmé son caractère « exceptionnel » et motivé une campagne de fouille de diagnostic, réalisée dans le cadre d’un partenariat universitaire réunissant des étudiants de Lausanne, Genève et Neuchâtel durant l’été 2008 (Luginbühl et al. 2010). Figures 1 et 7, voir planches couleur; fig. 2 à 6 voir en fin d'article.
2 Le Col de Etroits : données topographiques et historiques Situé au nord-ouest de la ville actuelle de Sainte-Croix, le Col des Etroits offre l’un des meilleurs passages pour franchir le Jura et constitue le chemin le plus court pour relier Yverdon (ou Avenches) à Besançon via Pontarlier. Le Col, à proprement parler, se trouve au point de contact le plus bas (environ 1150 m) entre le plateau de SainteCroix, à l’est, tourné en direction du Plateau suisse, et celui de l’Auberson, à l’ouest, qui permet de gagner le Jura français. Nous ne nous étendrons pas ici sur la géologie et la géomorphologie du secteur, dont la topographie est principalement marquée par la présence d’un profond vallon 1 Groupe de recherche de la région de Sainte-Croix au bénéfice d’une autorisation cantonale de prospection. Présidente : Murielle Montandon (L’Auberson). Membres : Robert Jaccard, Josette Joseph, Paul-André Joseph et Marianne Reymond.
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orienté nord-est/sud-ouest, qui longe un éperon abrupt avant de filer en direction du nord-ouest. Ce vallon, dont tous les axes anciens ont emprunté le tracé, débouche par le passage d’Entre Roches face à la petite éminence du Franc Castel, connue pour être le site d’un château bourguignon détruit par les Bernois en 1536. Ce point de passage obligé a notamment servi de frontière entre la Savoie et la Bourgogne de 1319 à 1383, tandis que différents autres secteurs du Col ont fait l’objet d’aménagements défensifs du Moyen Age à la Seconde Guerre Mondiale, avec notamment d’importants systèmes de bunkers et de défenses anti-char2.
3 Données archéologiques 3.1 Mobilier de prospection Les prospections au détecteur à métaux réalisées dans le secteur du Col des Etroits par le groupe Caligae ont livré un abondant mobilier métallique de la fin du second âge du Fer et du début de l’époque romaine. Ce matériel provient principalement de l’éperon bordant le passage obligé d’Entre Roches, dans la partie occidentale du Col, et constitue un ensemble très significatif d’artefacts liés à une occupation militaire tardo-républicaine et, probablement, à l’existence préalable d’un castellum laténien. La présence militaire romaine sur le site est principalement révélée par la découverte de plus de 200 clous de caligae dont le dessous de la tête présente une grande variété de reliefs géométriques et globulaires (fig. 2, 1). Leur diamètre, oscillant entre 15 et 20 mm avec une majorité d’exemplaires entre 18 et 19 mm, est similaire aux dimensions relevées pour les clous des sites de la Guerre des Gaule (Alésia, Uxellodunum) et de la campagne des Alpes comme le Septimerpass dans les Grisons, tandis qu’ils sont absents des camps du limes rhénan3. La même distribution chronologique peut être formulée pour les types à croix et à globule présents sur les clous de notre corpus. De l’armement offensif caractéristique de la même période a également été mis au jour dans la partie nord-est du site avec notamment : –– trois extrémités de pilum tordues et frappées constituées d’une tige de section ronde terminée par une extrémité pyramidale (fig. 2, 2-4), –– une pointe de flèche à soie du type « Numance » défini par A. Deyber (2008), présent à Alésia et dans les faciès de camps augustéens, mais également attestés sur des sites plus anciens (Osuna et Numance, notamment),
2 Etude des sources et archives relatives au secteur par J. Joseph (cartulaire de Hugues de Chalon notamment). 3 Voir Poux 2008, p. 376-381.
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–– un trait de catapulte à douille et à extrémité de section quadrangulaire dont le diamètre (27 mm) et le poids (85 g) sont proches des exemplaires augustéens de Haltern4, –– un fer de lance de tradition gauloise à échancrures du type court de S. Sievers5, attesté de La Tène moyenne à l’époque augustéenne avec des parallèles à Haltern6 et sur l’oppidum de La Chaussée-Tirancourt7. Le faciès militaire du site est en outre complété par un lot d’objets traditionnellement associés à l’armée romaine en raison de leur contexte de découverte comme: –– une sardine de tente (fig. 2, 8) comportant encore un anneau en connexion, fréquent sur les camps militaires républicains (Numance, Caceres el Viejo) et augustéens (Haltern, Dangstetten ou Rodgen)8, –– une agrafe de ceinturon à bouton rectangulaire et anneau triangulaire (fig. 2, 9), interprétable comme un élément de suspension de spatha9 ou de pugio10, –– une base de boîte à sceau en forme de bourse (fig. 2, 9), dont la forme est représentée dans le corpus de camps tardo-républicains ou de sites dont le degré d’acculturation est fortement marqué11, –– trois fibules fragmentaires de type Alésia considérées comme des parures liées au port du manteau du soldat césarien avec deux exemplaires à arc de tôle ogival inorné de type Metzler 21a12 (fig. 2, 10-11) et une variante de ce type (fig. 2, 12) qui comporte un bouton rapporté à son extrémité (Metzler 22), caractéristique des formes intermédiaires entre le type d’Alésia et celui d’Aucissa dont l’apparition est située vers 30/20 avant notre ère avec des occurrences sur le site de Dangstetten13. L’absence du pied sur les deux premiers exemplaires n’exclut toutefois pas qu’ils appartiennent tous à la variante évoluée du type. Le lot de parure est complété par une bague à intaille du type 2a de H. Guiraud14 apparaissant au milieu du 1er s. av. J.-C. et ornée d’une intaille à motif de cavalier soulignée par un paillon de style perlé lisse (fig. 3, 3), connu dès la même période avec un pic de fréquence durant le règne d’Auguste15. Deux ressorts de fibule laténienne à quatre spires et corde externe haute (fig. 3, 1-2) sont également 4 Harnecker 1997, Taf. 80, no 858-859 et no 862-863. 5 Sievers 2001, p. 157. 6 Harnecker 1997, Taf. 76, 801. 7 Brunaux et al. 1990. 8 Poux 2008, p. 391-391. 9 Parallèle à anneau circulaire dans la tombe 9 de la Rue Saint-Antoine à Feurs, notamment. Voir Riquier 2008, p. 194-195, fig. 14, no 3. 10 Fourreau miniature de la Cathédrale de Genève. Voir Demierre et Poux 2009, pl. 2, 3, p. 187. 11 Abauzit et Feugère 1993. 12 Metzler 1995, p. 225-233. 13 Metzler 1995 : p. 234. 14 Guiraud 1989, p.181. 15 Gercke 1970, p. 29, Taf. 60, no 369, Guiraud 1988, Pl. XXXIX, 559.
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caractéristiques de LTD2 et de l’époque augustéenne, sans qu’il soit possible de leur attribuer un type défini en l’absence de l’arc. Le reste du mobilier mis au jour en prospection semble attester une véritable occupation du site avec notamment du mobilier lié à la sphère culinaire comme un fragment de manche de simpulum de type Pescate16 (fig. 3, 4), un crochet de crémaillère torsadée (fig. 3, 5), deux fragments de couteau (fig. 3, 6-7) ainsi qu’une attache d’anse de seau à tête de bovidé en ronde bosse (fig. 3, 8), caractéristique des seaux ornés de tradition gauloise17. De massifs clous de construction (fig. 3, 12-13), dont la taille (plus de 160 mm) laisse entrevoir la présence de bâtiments à étages, pourraient correspondre à l’aménagement de tours de guet si l’on se réfère aux exemplaires similaires des tours du Walensee comme Fitzbach ou Schänis18. Le site livre en outre trois monnaies, à savoir deux demi-as républicains (fig. 3, 10-11, type de fragmentation fréquent à la fin de la République et au début du règne d’Auguste19 et un bronze carnute à l’oiseau et au lézard (fig. 3, 10) du type LT 6077, imité d’un denier de Titus Claudius Titus f. Ap. n. frappé à Rome en 79 av.J.-C.20 La présence de ce type dans le corpus des fouilles d’Alésia permet de lui attribuer une datation à LTD2 lato sensu21.
3.2 Fouilles de diagnostic 2008 La campagne de fouille de l’été 2008 a permis d’ouvrir des sondages de diagnostic dans trois secteurs du Col : –– sur un fossé encore visible de nos jours barrant l’extrémité de l’éperon dominant le vallon et l’ancienne voie, auprès duquel des clous de construction et de chaussure tardo-républicains avaient été retrouvés en prospection, –– sur le rebord méridional du même éperon, à l’aval duquel une part importante des armes avaient été découvertes, et –– sur un imposant mur en pierre sèche coupé par une voie, à l’amont de l’éperon, connu dans certaines traditions orales sous le nom de « Mur d’Hadrien »22 (voir fig. 1). La découverte des clous de chaussure à globules sous « l’agger » du fossé, réalisé lors de son creusement, permet de supposer sa contemporanéité ou sa postériorité à l’oc16 Castoldi et Feugère 1991, type A, variante lisse, fig.3 et p. 64-65 17 Vidal 1976. 18 Roth-Rübi et al. 2004, pl. 5 et 8. 19 Geiser et Mühlemann 1999, p. 308-309. 20 RRC 383/1 = RCV 310. 21 Fischer et Gruel 2001, nos 488-505. 22 M. Montandon et J. Joseph dans Luginbühl et al. 2011.
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cupation tardo-républicaine du site. Outre huit exemplaires de ce type de revêtement de semelle (fig. 4, 2-4), la fouille des niveaux colluvionnés en contrebas du fossé a livré deux grands clous de construction romains (fig. 4, 5-6), une attache servant probablement à la fixation d’une paragnathide ou d’une cuirasse (fig. 4, 1) et un bord de gobelet à parois fines italique de type Mayet II, attribuable selon toute vraisemblance au 3e quart du 1er siècle avant notre ère23. Les sondages ouverts sur le flanc sud du même éperon ont livré moins de mobilier, presque exclusivement représenté par de gros clous de chaussure à croix et globules sans qu’aucune structure significative n’ait pu être mise en évidence. A environ 250 m au nord-est (et à l’amont) de l’éperon, l’intervention sur le « Mur d’Hadrien » et sur la voie qui le traverse n’a pas permis de déterminer avec précision la chronologie de ces structures assurément anthropiques. En effet, seule la surface de cette imposante construction, réalisée en blocs de calcaire et barrant la partie haute du Col24, a pu être fouillée, ne fournissant que des clous de chaussure tardo-républicains associés à des clous de ferrure médiévaux comme éléments datants (fig. 4, 11-13). Bien que la présence de clous à globules au-dessus de ce mur puisse être dans certains cas liée à des phénomènes de colluvionnement (secteur en forte pente), il demeure néanmoins probable que cette structure ait déjà existé lors de l’occupation tardo-républicaine du site. L’axe viaire qui traverse cette structure livre un assemblage similaire, aussi bien dans sa levée de soutènement que dans les différentes recharges de la voie. La découverte en surface d’un fragment de tonnelet de La Tène finale (fig. 4, 7) de même que celle de clous de chaussure romains (fig. 4, 8-10) corroborent l’hypothèse d’une fréquentation et peut-être d’une occupation de cette partie du site durant le 1er siècle avant notre ère.
4 Essai d’analyse historique La topographie du site, le mobilier mis au jour en prospection et les résultats des fouilles de diagnostic permettent de proposer différentes hypothèses quant à la fréquentation et aux aménagements protohistoriques et antiques du Col des Etroits. Certainement connu et employé dès la Préhistoire25, ce col n’avait pas livré d’attestation de fréquentation ancienne avant les prospections du groupe Caligae et la découverte des deux dépôts de l’âge du Bronze, dont le plus important, découvert dans l’étroit
23 Catégorie d’importation attestée dans des contextes pré-augustéens ou augustéens anciens à Genève (60-40 av. J.-C.), Lousonna (40-20) et Yverdon (horizon E 1). Voir Brunetti et al. 2007, p. 218 et Luginbühl et Schneiter 1999, p. 39-49. 24 Ouvrage globalement parallèle aux courbes de niveau. 25 Luginbühl, Cramatte et Hoznour dir. 2013, p. 37-40.
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passage d’Entre Roches, comprend des fragments d’une épée de type Vernaison et un marteau à douille (dépôt de type Bühl-Briod)26. C’est toutefois bien le 1er siècle avant notre ère qui marque le pic de fréquentation du Col, dont l’essor pourrait être situé au début de LTD2 en prenant en considération l’apparition des fibules à ressort à corde externe haute et les autres éléments laténiens (pointe de lance à échancrures, attache de seau). Les objets de tradition gauloise de notre corpus entrent toutefois également dans une fourchette chronologique plus restreinte située entre la Guerre des Gaules et la campagne des Alpes, notamment représentée par les clous de chaussure, les as républicains fractionnés et les fibules de type Alésia, dont la variante à pied à bouton rapporté. Ces derniers marqueurs constituent autant d’arguments pour situer la fin de la fréquentation du site au début de la période augustéenne (vers 30/20 avant notre ère). Le mobilier laténien découvert sur l’éperon et dans la partie haute du site pourrait laisser supposer que le Col était occupé par un castellum gaulois durant le 1er siècle avant notre ère, auquel le « Mur d’Hadrien » pourrait être lié. Situés en contrebas du passage principal du Col, l’éperon et ce dernier aménagement n’offrent une protection que contre un adversaire venant de l’ouest (voir fig. 1), comme en témoigne l’ensemble des fortifications plus récentes du secteur, qui ont toutes été réalisées par les pouvoirs du « côté suisse » (Savoie, Berne, Confédération helvétique). En suivant cet argumentaire, ce poste militaire « indigène » serait donc attribuable au peuple helvète et devait protéger la frontière entre ce peuple et celui des Séquanes (Jura français) en servant peut-être de péage. Cette hypothèse ne peut être démontrée en l’état des données, même si les établissements de frontière du territoire rauraque constituent un parallèle qui paraît pertinent27. La répartition spatiale (fig. 7) et la taxonomie de l’armement offensif (pila, pointe de lance et trait de catapulte), dont la plupart des éléments sont pliés, avec des extrémités frappées (voir fig. 2, 2 à 6), semblent indiquer sans guère de doute une prise d’assaut de l’éperon. Leur concentration sur le flanc nord-est de cette éminence, mais sur le côté occidental du Col, s’expliquerait aisément par une attaque venant de l’ouest et remontant le défilé d’Entre Roche pour atteindre un niveau permettant de prendre « à revers » les défenses de l’éperon (tactique compréhensible au vu de la topographie, mais offrant l’assaillant à un « feu croisé » des défenseurs). Le site ayant été attaqué avec des pila légionnaires, l’hypothèse que ces découvertes témoignent de la prise d’un fortin helvète par l’armée romaine paraît de loin la plus probable, d’autant que les troupes engagées semblent avoir ensuite stationné sur le Plateau suisse (oppidum de Sermuz notamment, voir infra), mais les données disponibles ne permettent pas d’exclure d’autres scénarios, comme celui d’un affrontement entre Séquanes (encore indépendants ou révoltés) et troupes romaines progressant depuis l’intérieur de la 26 Demierre 2009, fig. 34. Ce type de dépôts est caractérisé par des associations d’armement, de stock métallique et d’outils, souvent en série (Verger 1992). 27 Jud 1998.
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Séquanie ou entre deux factions romaines durant les guerres civiles dans le cadre d’opérations qui n’auraient pas laissé de traces dans les sources littéraires. Relevons encore que s’il ne semble faire aucun doute qu’un affrontement ait bien eu lieu au Col des Etroits entre 50 et 30/20 avant J.-C., son ampleur ne peut être restituée et ne doit pas être surestimée au vu de la faiblesse quantitative de l’armement offensif « en contexte de champ de bataille » de notre corpus (sept individus). Quels qu’aient été les causes et le déroulement de cet affrontement, le nombre tout à fait exceptionnel de même que la diversité typologique des clous de chaussure mis au jour indiquent clairement le passage de très nombreux légionnaires, dont le stationnement sur le site, durant un laps de temps indéterminable, est attesté par la découverte de militaria et d’artéfacts fréquents dans les camps militaires. La répartition de l’équipement militaire non offensif (agrafe de ceinturon, attache de paragnathide ou de cuirasse, sardine de tente, boîte à sceau) et des artéfacts liés au bâti (clous de construction) ainsi qu’à la vie quotidienne (ustensiles culinaires, monnaies) s’oppose clairement à celle de l’armement offensif et permet de supposer l’existence d’un poste de garde, peut-être muni d’une tour de guet, à l’extrémité occidentale de l’éperon (fig. 7). Il est par ailleurs probable que l’axe emprunté et peut-être en partie aménagé par les légionnaires de cette époque ait été raccordé au système de voies mis en place par Agrippa28 et qu’il soit mentionné dans un passage de Strabon (Géographie IV.6.11)29 : « Mais on peut aussi, laissant à gauche Lugdunum et les territoires en amont de cette ville, bifurquer dans le Poenin même, traverser le Rhône ou le lac Léman pour gagner les plaines helvètes et de là, par un col qui franchit le Mont Jura, atteindre le pays des Séquanes et des Lingons, où la route se divise en deux branches, l’une pour le Rhin, l’autre pour l’Océan ». Cette hypothèse est corroborée par les monnaies retrouvées lors des investigations de l’Inventaire des voies suisse (IVS) entre le Col et le débouché de l’axe qui le traverse dans la plaine (commune de Vuiteboeuf)30, soit un quinaire séquane à la légende Togirix de LTD2, deux deniers républicains frappés en 135 et 58 av. J.-C., un as de Lyon et un dupondius de Vienne émis à partir de 36 av. notre ère et un demi-as de Nîmes de la classe II, frappé dès 27 av. J.-C.31 Ce faciès est très similaire à celui de l’oppidum de Sermuz (3 km au sud-est d’Yverdon), qui comprend près de 50 % de monnaies républicaines, dont de nombreux as coupés32, et dont les liens avec les Etroits semblent confirmés par la découverte de 90 clous de chaussure à relief, dont 29 à croix et à globules très semblables à ceux du Col.
28 Séjours en Gaule entre 40 et 37, puis entre 20 et 18 avant J.-C. Voir notamment Roddaz 2005 et article de S. Martin-Kilcher dans le présent volume. 29 Passage fondé sur des commentaires aujourd’hui perdus d’Agrippa. 30 Schneider et Vogel 1997. 31 Schneider 2003, p. 327. 32 Geiser 1998.
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Ces données semblent donc bien inviter à identifier le col mentionné par Strabon comme celui des Etroits et permettent de penser que l’axe qui le traversait était l’un des itinéraires transjurassiens les plus importants durant la fin de l’époque gauloise et jusqu’au milieu de la période augustéenne. Cette voie pourrait par ailleurs avoir été celui emprunté en 43 avant J.-C. par Decimus Brutus lors de sa fuite conduisant à sa capture par le chef gaulois Camilus, que D. van Berchem situait au Col de Jougne33. Concurrencé par ce dernier passage, où sera aménagée une voie « impériale »34, le Col des Etroits demeure cependant fréquenté durant le Haut-Empire, comme le prouvent les nombreux clous de chaussure romains de dimensions variées retrouvés sur les différents axes qui le traversent et dont la suite du tracé du côté suisse est désormais globalement repérée jusqu’à son débouché dans la plaine grâce aux recherches du groupe Caligae. Nous ne nous étendrons pas ici sur l’importance historique de la découverte aux Etroits de militaria romains antérieurs au dernier tiers du 1er siècle avant notre ère et, donc, à la date de 16/15 avant J.-C., traditionnellement retenue comme celle de l’intégration du territoire helvète dans le monde provincial romain35. Relevons néanmoins que ces éléments corroborent d’autres indices, comme le faciès monétaire atypique et la découverte de clous de caligae similaires à ceux des Etroits sur l’oppidum de Sermuz ou le brusque développement de certaines agglomérations helvètes, comme Lousonna, dès le début du dernier tiers du 1er siècle avant notre ère36, pour penser que cette « annexion » a eu lieu sensiblement plus tôt, assurément avant 20 et probablement déjà vers 35/30 avant J.-C.
33 Evénement notamment mentionné par Appien, Guerres civiles, III, 98). Voir van Berchem 1982, p. 55-66 et Martin-Kilcher 2011, p. 41 (note 45). 34 Mottaz 1986. 35 Voir notamment Fellmann 1992, p. 20 et 431. Faute de nouvelles données, la question de la date de cette intégration n’est pas abordée dans les synthèses plus récentes sur la Suisse romaine. Voir notamment Flutsch et Rossi dir. 2002, p. 46-51, et Flutsch 2005, p. 35-36. 36 Voir notamment Luginbühl et Schneiter 1999, p. 153, et Berti Rossi et May Castella 2007.
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Figures
Fig. 2: Col des Etroits. Clous de chaussure. (M. Demierre).
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Fig. 3: Armement offensif et équipement militaire (M. Demierre). 1-3: pointes de pilum.4: pointe de flèche.5:trait de catapulte. 6: pointe de lance à échancrures. 7: sardine de tente. Fer.
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Fig.4: Equipements militaires, parures et activités culinaires (M.Demierre). 1:attache de pugio.2:boîte à sceau. 3-5:fibules et variante de fibule de type Alésia. 6-7:fibules filiformes.8: bague à intaille.9:crochet de crémaillère. Base-cuivre,exceptè 6 à 9,fer.
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Fig. 5: Autres catégories de mobilier (M. Demiere) 1 : manche de simpuium. 2-3:fragments de couteau.4: attache de seau à tête de bovidé. S: bronze carnute. 6-7:demi-as républicains.8-9:clous de construction. Fer,excepté 1 et 4 à 7, base-cuivre.
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Fig. 6: Mobilier issu des fouilles. (M. Demierre) 1 : attache de cuirasse ou de paragnathide. 2-4,8-12: clous de chaussure tardo-républicain. 5-6: clous de construction. 13: clou de chaussure romain. Fer, excepté 1, base-cuivre.
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Militaria tardo-républicains au Col des Etroits (Jura vaudois, Suisse)
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Befunde und Erkenntnisse zu den römischen Militäranlagen am Oberrhein in augusteischer und tiberischer Zeit* Mit Bezug auf die berühmten, von Florus (II, 30) erwähnten castella Drusiana glaubte J.-J. Hatt, mehrere solcher Kastelle in der elsässischen Ebene lokalisieren zu können und zwar, von Süden nach Norden, in Basel, Kembs, Kunheim-Biesheim, Straßburg und Forstfeld1. Was Straßburg betrifft, so übernahm er lediglich eine alte Idee, die bereits von R. Forrer dargelegt wurde2 und die er sein ganzes Leben verteidigte, indem er sich vor allem auf die angebliche Datierung einer Inschrift eines Reiters der ala Petriana (CIL XIII 11605) stützte – willkürlich auf das Jahr 12-10 v. Chr. datiert – statt auf eine schlüssige, aus dem archäologischen Material gewonnene Untersuchung3. H. Schönberger hatte sich 1985 mit viel größerer Vorsicht geäußert: „Solange das Fundmaterial von Strasbourg nicht ausreichend bearbeitet ist, lässt sich wirklich Sicheres zu seinem Anfangsdatum nur mit Vorbehalt sagen. Im Augenblick sieht es aus, als ob es in der Zeit von Haltern beginnt, aber nicht früher“4. Die jüngste Veröffentlichung des Straßburger Bandes der Carte Archéologique de la Gaule (CAG) hat leider nicht die Frage nach dem militärischen Ursprung der Stadt geklärt. Dieses hängt mit dem Prinzip dieser Reihe zusammen, die alte und neue archäologische Befunde in einer vorläufigen Bestandsaufnahme zusammenstellt, ohne auf die primäre Dokumentation einzugehen. Man muss daher die dort vertretenen Synthesen und verschiedenen, gelegentlich nebeneinander stehenden Interpretationen in diesem Band mit Vorsicht zur Kenntnis nehmen5. Was andere Standorte in der elsässischen Ebene betrift, wie Forstfeld oder Kembs, so wissen wir heute nicht viel Neues. Im Fall von Kembs ist das Lager noch nicht lokalisiert, wenn auch ein Reitergrabstein und Militaria, darunter viele Teile von Pferdegeschirr, die Hypothese eines Militärpostens wahrscheinlich machen. Allerdings muss die Datierung für den Moment offen bleiben6. Für die Militärposten * Ich möchte Herrn Prof. Rainer Wiegels für die Übersetzung des Textes aus dem Französischen danken. 1 Hatt, L’Alsace celtique et romaine, S. 32. 2 Forrer, S. 6. 3 Zuletzt siehe: Hatt, Argentorate. Strasbourg, S. 11. Seit Conrad Cichorius, Ala, in : RE, I,1, 1894, 1244 und zuvor bereits Wilhelm Henzen, Rhein. Jahrb. XIII, 80 vermutet man, dass der Name dieser Einheit, weiterhin bekannt als Ala Gallorum Petriana mit diversen Beinahmen, vermutlich auf den Präfekten Germanicus, T. Pomponius Petra, zurückgeht, dessen Karriere von einer Inschrift aus Regium Lepidum gut bekannt ist (CIL XI, 969). Laut Demougin, Prosopographie n° 247 ist es wahrscheinlich, dass dieser Teil seiner Karriere zwischen 11 und dem Tod des Prinzen datiert. Cf. Spaul, Ala2, S.180-181. 4 Schönberger, Die römischen Truppenlager, S. 335. 5 Baudoux et al., CAG Strasbourg. 6 Zu der Stele: Wiegels, Ein Reitergrabstein; zu den Militaria: Fort, Militaria.
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von Ehl und Ungersheim-Thurwald, die H. Schönberger nennt, fehlt eine eingehende und moderne archäologische Untersuchung. Derselbe Autor vermutet auch – und zwar berechtigterweise –, dass eine augusteische Datierung für Limburg aus Mangel an Belegen nicht gesichert ist; er selbst bevorzugte eine spätere Datierung7. Weder er noch J.-J. Hatt konnten in ihrer Zeit die neuen Ergebnisse der Ausgrabungen von Oedenburg oder die grundlegende Studie von E. Deschler-Erb zum Domhügel von Basel kennen8. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchung hatte ich selbst in einem Artikel von 2005 zusammengefasst9, doch mehrere neue Erkenntnisse erlauben uns heute, meine Schlussfolgerungen zu den Anfängen der römischen militärischen Okkupation in der elsässischen Ebene zu präzisieren. Für Strasbourg selbst wurde das Material der frühen Schichten aus den alten Ausgrabungen von St. Martin neu untersucht, womit er teilweise einen bereits von H. Schönberger geäußerten Wunsch erfüllte10. Bevor wir die wichtigsten Schlussfolgerungen dieser Studie zusammenfassen, müssen wir zunächst auf einige methodische Probleme eingehen. Abgesehen von den alten – zumeist zufälligen – Entdeckungen aus der Zeit von R. Forrer, wäre es illusorisch, die gesamten archäologischen Funde der Nachkriegszeit aus Straßburg im Detail zu analysieren. Obwohl sie in knapper Form „veröffentlicht“ wurden, haben wir für die Ausgrabungen unter dem Dom und der rue du Sanglier im Jahr 1948 oder in der Kirche von Saint-Etienne in den Jahren 1948 und 1956 und in der Saint-Médard Gasse 1953 keine Dokumentation, die uns erlauben würde, den archäologischen Kontext, die Stratigraphie der Keramik und Münzen miteinander in Bezug zu setzen11. Der Grund liegt zweifellos in der von J.-J. Hatt seit 1948 verfolgten Methode, der eine Chronologie als gegeben voraussetzte anstatt die Datierung aus der Analyse des Materials herzuleiten, so dass a priori „Brandhorizonte“ mit wichtigen, in den Textquellen erwähnten historischen Ereignissen in Zusammenhang gebracht wurden12. Darüber hinaus wurde das Phänomen der „Weiterverwendung“ von J.-J. Hatt weitgehend ignoriert, wie J. Baudoux betont, der einen Großteil des keramischen Materials aus alten Grabungen neu untersucht hat, so dass die Schichten oft um 20-30 Jahre „verjüngt“ werden müssen im Vergleich zur traditionellen Datierung. So enthällt die berühmte „augusteische“ Schicht aus der ruelle Saint-Médard Terra Sigillata aus der Zeit nach 30 n. Chr., und die sogenannte „Brandschicht von
7 Schönberger, S. 336. 8 Deschler-Erb, Der Basler Münsterhügel. 9 Reddé, Où sont passés les castella Drusiana, S. 69-87. 10 Martin, Les niveaux romains. 11 Ausgrabungen bei der Kathedrale und in der rue du Sanglier: Hatt, Le passé romain de Strasbourg. Ausgrabungen von Saint-Étienne : Hatt, Découverte et Hatt, Rapport provisoire sur les fouilles de 1956. Ausgrabungen in der ruelle Saint-Médard : Hatt, Les fouilles de la ruelle Saint-Médard. Die komplette Bibliographie findet sich in CAG 67/2. 12 Hatt, Le passé romain.
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70“ enthält Elemente aus domitianischer Zeit13. A.-M. Adam, der das angeblich prähistorische Material des Ortes untersucht hat, kam zu dem Schluss, dass dieses Material eher den ersten römischen Schichten zugeordnet werden muss und nicht einer hypothetischen keltischen Siedlung, für die es keine Belege gibt14.
Abb. 1: Verortung des Materials der frühen Schichten in Strasbourg, nach St. Martin.
Unter diesen Bedingungen gibt es keine andere Lösung als die ältesten Fundzusammenhänge einen nach dem anderen mit Hilfe der wichtigsten Merkmale neu zu untersuchen, so wie es St. Martin gemacht hat, wohl wissend, dass diese Revision des Materials keine Wunder bringt. Diese Untersuchung, die so sorgfältig wie möglich am gesamten zur Verfügung stehenden Material durchzuführen war, erscheint mir 13 Baudoux, in : CAG 67/2, 74. 14 Anne-Marie Adam, Le secteur de Strasbourg à l’époque protohistorique, in : CAG 67/2, 54.
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dennoch sehr aufschlussreich. Sie erlaubt, einige grundlegende Fakten deutlich zu machen: –– Zum gegenwärtigen Zeitpunkt findet sich der früheste Befund nordwestlich vom zukünftigen Legionslager der VIII. Legion (Abb. 1). –– Der älteste numismatische Siedlungsbefund scheint nicht früher zu sein als allenfalls das Ende von Haltern und muss daher eher an den Beginn von Tiberius‘ Regierungszeit datiert werden, obwohl eine solche präzise Angabe mit Vorsicht genossen werden sollte, da sie auf der Untersuchung eines relativ überschaubaren archäologischen Materials aus alten Ausgrabungen basiert (Abb. 2). Der Vergleicht der Münzhistogramme mit denen anderer früher tiberischer Orte, wie Velsen, Köln-Alteburg und Windisch-Legionslager, zeigt eine grosse Ähnlichkeit im Profil. Darüber hinaus sind etwa 38% der Terra Sigillata Stempel Pisaner Herkunft, was charakteristisch für einen Horizont nach Haltern ist, während Töpfer von Arezzo Signaturen „in planta pedis“ fehlen; 60% der Töpfer finden sich auch in Velsen I und Köln-Alteburg (Abb. 4). –– Nichts aber beweist bisher die Existenz von typischen militärischen Strukturen außerhalb des späteren Lagers der VIII. Legion. Es kann auch sein, dass sich das erste Lager von Argentorate nicht auf der Insel befand, wo später das Münster errichtet wurde, was der fest etablierten historiographischen Tradition widersprechen würde. Allerdings sollte man nicht die beiden Spuren einer Umwallung ignorieren, welche zum einen J.-J. Hatt in der rue Saint-Médard, zum anderen M.-D. Waton am Standort der ehemaligen Druckerei Istra beobachtet haben15 (Abb. 3). Im letzteren Fall wird eine tiberische Datierung vermutet, aber eine detaillierte Untersuchung des archäologischen Materials fehlt bisher. Anzumerken ist jedoch, dass keine dieser vermuteten Spuren von Umwallungen für die Unterbringung einer ganzen Legion ausreichen würde, während das Vorhandensein von Ziegeln und Inschriften der II. Legion deren Installation an diesem Ort vor Claudius‘ britannischen Feldzügen wahrscheinlich macht16. Die jüngsten, von G. Kuhnle durchgeführten Ausgrabungen auf dem Gelände des ehemaligen Grenier d‘Abondance und in der rue Brûlée bestätigen diese Annahmen17. Im ersten Fall haben sich die Recherchen auf einen Teil der Umwallung der achten Legion konzentriert. Sie belegen die Existenz einer ersten Holz-Erde-Mauer aus der Zeit nach Neros Regierungszeit und stammen wahrscheinlich aus den 90er Jahren. Aber die frühesten darunterliegenden Schichten scheinen nicht vor der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. zu datieren – eine Chronologie, die durch die Ausgrabungen 15 Waton, Un nouveau système défensif à Strasbourg. 16 Reddé, L’histoire militaire de Strasbourg à la lumière des textes et des inscriptions, in : CAG 67/2, 110-113. 17 Ausgrabungen INRAP 1999-2000 (Grenier d’Abondance) und 2008 (Rue Brûlée). Die beiden Ausgrabungsberichte sind nicht publiziert; eine Synthese ist in Bearbeitung durch G. Kuhnle.
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in der rue Brûlée, die sich auf eine zuletzt von den Baracken VIII. Legion besetzten Fläche konzentrierten, bestätigt wird.
Abb. 2: Stempel auf Ziegeln der frühen Schichten in Strasbourg, nach St. Martin.
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Abb. 3: Plan der Ausgrabung von Istra, nach M.-D. Waton.
Diese Ausgrabungsstätte befindet sich im Innern des Teiles der Umwallung, den M.-D. Waton am Standort der ehemaligen Druckerei Istra untersucht hat, was dazu einlädt, die topographischen und zeitlichen Beziehungen zwischen diesen beiden eng benachbarten Orten zu überdenken. Auch diese Untersuchung muss noch in Angriff
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genommen werden; sie würde eine detaillierte Analyse des aus den frühen Schichten der Ausgrabung von Istra stammenden Materials erfordern18.
Abb 4: Vergleichende Diagramme der Münzen von Strasbourg, frühe Stufen, mit Windisch, Velsen 1 und Köln-Altenburg, nach St. Martin.
Die jüngsten Ausgrabungen von Oedenburg belegen ebenso eine militärische Besatzung, die nicht früher als in das zweite Jahrzehnt n. Chr. datieren kann. Die noch unveröffentlichten Forschungen aus dem Gebiet der zivilen Siedlung im Norden und Westen des Hügels Altkirch haben keine früheren Schichten aus vorrömischer oder augusteischer Zeit erwiesen, so dass die ersten sicheren chronologischen Indikatoren aus dem Gebiet der Heiligtümer und des Riedgrabens stammen (Abb. 5). Sie bestehen aus Holz, dessen Fälldatum um 3-4 n. Chr. liegt, und spätaugusteischer Keramik19. Diese allerersten Indikatoren, deren Chronologie durch die Numismatik bestätigt wird, scheinen sich gleichwohl auf den Bereich der Heiligtümer zu beschränken. Sie belegen eine Nutzung des Areals vor der Errichtung des ersten Militärlagers (B), das wir anhand von Keramik und Münzen auf die Jahre 15-20 n. Chr. datieren können20. Das Fällen einer großen Zahl an Bäumen im Frühjahr 19 n. Chr. markiert den systematischen Ausbau der Ufer des Riedgrabens, eine Arbeit, deren Ausmaß sicherlich eine
18 Ein willkommener Überblick zu den neuesten Forschungen findet sich im Ausstellungskatalog von Schnitzler / Kuhnle, Strasbourg-Argentorate. 19 Reddé (dir.) et alii, Oedenburg II, S. 101-117. 20 Reddé (dir.), Oedenburg I, S. 199-200, 243-248, 403-404.
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militärische Beteiligung anzeigt und somit ein Indiz für die Ansiedlung von Soldaten ist21.
Abb. 5: Vereinfachter Übersichtsplan von Oedenburg, nach M. Reddé.
Das Lager B, das durch Lager A zerstört wurde, ist leider nur sehr unvollständig bekannt. Seine Dimensionen, zwischen 3,24 und 3,78 ha, sind untypisch sowohl für ein Legionslager als auch für ein Kohortenkastell. Man sollte daher in Betracht ziehen, dass es vielleicht eine Ala beherbergte, jedoch kann dies weder durch die Architektur der einen ausgegrabenen Baracke noch durch reichlich vorhandenes Pferdegeschirr oder einen epigraphischen Fund belegt werden. Die Metallobjekte sprechen genausogut für ein Lager einer gemischten Einheit aus Legionären und Hilfstruppen, was durchaus typisch ist für diese Epoche, auch wenn diese Vermutung nicht bewiesen werden kann. Bei der derzeitigen Befundlage muss deshalb ein endgültiges Urteil offen bleiben. Das andere große Legionslager im oberrheinischen Becken ist Windisch, wo wir die chronologische Abfolge der ersten Anlagen durch verschiedene neuere Ausgra21 Reddé (dir.), Oedenburg II, S. 37-48.
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bungen besser verstehen können, und zwar vor allem durch die Ausgrabungen von Windisch-Breite und des keltischen Walles. Letzterer, offenbar um oder kurz nach 50 v. Chr. erbaut22, wurde wohl beim Bau des Legionslagers eingeebnet, was A. Hagendorn um 14 n. Chr. datiert23. Wir haben es ab dieser Zeit wohl mit der ganzen XIII. Legion zu tun. Vor dieser Periode war die Situation eine andere: Die Analyse des archäologischen Materials zeigt trotz des Fehlens von epigraphischen und literarischen Quellen deutlich, dass kleine militärische Abteilungen seit dem zweiten Jahrzehnt v. Chr. in Vindonissa anwesend waren, und zwar sowohl in dem Oppidum selbst als auch am Fuße desselben24. Diese allererste augusteische Phase, vor der Gründung des so bezeichneten „Schrägen Lagers“ findet ihre Parallele in Basel auf dem Domhügel. Nach einer detaillierten Studie des gesamten an diesem Ort ausgegrabenen Materials hat E. DeschlerErb im Horizont III, der um 30-25 v. Chr. beginnt, die Präsenz regulärer Soldaten der römischen Armee nachgewiesen, und zwar vor allem für die Zeit von Dangstetten und der Alpeneroberung. Diese Soldaten, deren Anzahl relativ begrenzt war, haben sich mit der Zivilbevölkerung vermischt, da sie, obwohl der späteisenzeitliche murus gallicus geschliffen worden war, kein Lager im eigentlich Sinn hatten (dafür gibt es jedenfalls keine Belege)25. Man kann sich natürlich fragen, ob wir das gleiche Muster der Besatzung nicht auch in Limburg wiederfinden, einem kleinen, rechtsrheinischen Oppidum nördlich des Kaiserstuhls, und ob diese Form der „militärischen Präsenz“ inmitten der indigenen Bevölkerung nicht in dieser Region eine wichtige Phase vor der Installation von großen Militäreinheiten darstellte26. Allgemeiner gesagt, verweist das auf eine bereits von J. Metzler formulierte Hypothese zur Militärpräsenz in der Zeit nach Caesars Eroberung von Gallien und auf die Situation, die wir heute auf dem Titelberg erkennen können27. Das könnte auch als konzeptioneller Rahmen dienen, um die vielen römischen Militaria in vorrömischen Oppida zu erklären, wie M. Poux gezeigt hat28. Wir müssen noch andere Faktoren kurz in Erinnerung rufen, bevor wir eine Synthese wagen: die mögliche Installation eines castellum vor den Toren der römischen Kolonie Augst unter Tiberius29 und den Militärposten Konstanz, der um 20 gegründet wurde30. Es ist nicht notwendig, auf diese mittlerweile gut bekannten Nachweise weiter einzugehen. Nützlich erscheint es jedoch, an das fast völlige Fehlen von archäo22 Pauli-Gabi, Ausgrabungen. 23 Hagendorn et alii, Zur Frühzeit von Vindonissa, S. 464-465. 24 Flück, Östlich des « Keltengrabens”. 25 Deschler-Erb, Der Basler Münsterhügel, S. 239-247. 26 Wendling, Sasbach am Kaiserstuhl. 27 Metzler, Das treverische Oppidum, S. 519-528. 28 Poux, Sur les traces de César. Ich habe meine eigene Interpretation im Nachwort dieses Werkes gegeben. 29 Deschler-Erb et alii, Das frühkaiserzeitliche Militärlager. 30 Mayer-Reppert, Römische Funde.
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logischen Fundorten in der elsässischen Ebene zu erinnern, die für die augusteische Zeit charakteristisch sind. Auf Grund der Analyse des gesamten keramischen Materials der Spätlatènezeit und der frühen römischen Besatzungszeit konnte M. Zehner das Überdauern von prähistorischen Elementen bis in die frühe Regierungszeit des Tiberius feststellen31. Es gibt jedenfalls nur wenige Siedlungen, die früh, also noch vor dem Beginn des 1. Jh. n. Chr., „romanisert“ wurden32, und die aktuellen, noch unveröffentlichten umfangreichen Ausgrabungen des Vicus Horbourg-Wihr widersprechen dieser Beobachtung nicht33, ebensowenig jene von Oedenburg. Man muss eine detailliertere Analyse der jüngsten Forschungen der verschiedenen archäologischen Teams von Brumath abwarten, um eine bessere Vorstellung von der Entwicklung der Hauptstadt der Triboker zu gewinnen.34 In Bezug auf ländliche Siedlungen erkennt man mancherorts (z.B. Houssen, Vendenheim, Ensisheim, Benfeld und Sierentz) eine Siedlungskontinuität zwischen der Spätlatène- und der Römerzeit, aber ohne eine deutliche Veränderung der materiellen Kultur oder der Siedlungsformen35. Obwohl archäologische Forschungen seit langem in dieser Region vernachlässigt wurden, können unsere offensichtlichen Wissenslücken alleine nicht den Gesamteindruck einer „verzögerten Romanisierung“ erklären. Können wir anhand dieser archäologischen Evidenz eine historische Skizze von Roms frühen militärischen Dispositionen im oberrheinischen Becken erstellen? Es scheint mir heute ziemlich offensichtlich, dass wir keine Belege haben, die eine dauerhafte Stationierung regulärer Einheiten unterhalb von Basel vor dem Ende von Augustus‘ Regierungszeit beweisen können. In Basel selbst und in Windisch scheint die Anwesenheit von Soldaten, vermutlich ab dem Horizont von Dangstetten, gut belegt zu sein, aber das war eine Installation kleiner Abteilungen an der Seite der Zivilbevölkerung in einem von einheimischer Kultur und Gesellschaftsstrukturen geprägten Umfeld. Ob es sich um Legionäre oder Hilfstruppen oder um beide handelt, wird noch reichlich Stoff für Diskussionen bieten. Wir stellen fest, dass die Gründung der ersten echten Römerlager erst mit dem Regierungswechsel von Augustus zu Tiberius kurz vor oder kurz nach 14 n. Chr. erfolgte. In Straßburg übrigens müssen wir zweifellos das angeblich „augusteische“ Lager der ala Petriana im Zentrum der Stadt
31 Zehner, La céramique de la Tène finale. 32 Flotté et alii, Les agglomérations antiques d’Alsace. 33 Flotté, Horbourg-Wihr. 34 Die Ausgrabungen, die 2009 in der Rue Rampont unter der Leitung von P. Flotté (PAIR) stattfanden, haben ergeben, dass die ersten datierbaren Schichten vom Ende des letzten vorchristlichen bis zum Beginn des 1. Jh. n. Chr. reichen. Eine Ausstellung, die vor kurzem im Museum in Strasbourg stattgefunden hat und die sich mit Brumath beschäftigte, zeigte die neuesten archäologischen Befunde, aber die Datierung der ersten Schichten wurde nur mit ‚augusteisch‘ ohne weitere Spezifizierung angegeben (Schnitzler 2015, 90). Der Bestand an Lagern (Marschlagern?), der auf Luftbildaufnahmen in der Umgebung des Ortes beobachtet wurde, ist nicht datiert (ibid., 58-59). 35 Zehner, Habitats de plaine.
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vergessen; bislang fehlt jedenfalls jeglicher sachlicher Nachweis für eine solch frühe Befestigung. Das bringt uns zurück zur Analyse der wenigen verfügbaren historischen Quellen, die uns jedoch keine Präzisierung der Chronologie erlauben, wie dieses bisweilen behauptet wurde. Dies ist meist eine Frage der Interpretation: Die berühmte Passage, in der Tacitus (Ann. I, 37) die Revolte nach Augustus‘ Tod beschreibt, zeigt, dass die II. und die XIII. Legion einen Teil der „oberen Armee“ waren, aber das bedeutet nicht, dass sie bereits in ihrem späteren, permanenten Lagern stationiert waren, die eine in Straßburg 36, die andere in Windisch37. Dennoch ist diese Interpretation nicht völlig von der Hand zu weisen, wenn man den materiellen Befund und die frühesten Gebäudespuren in Windisch bedenkt, wie von A. Hagendorn vorgeschlagen wurde. Letztere nimmt an, dass die Truppen mit dem Bau des Lagers vor Augustus‘ Tod begonnen hätten, diesen dann unterbrochen und erst viel später, vermutlich 16 n. Chr., nach den Offensiven des Germanicus, fortgesetzt hätten38. Diese Hypothese ist nicht abzuweisen, aber sie hängt natürlich von Faktoren ab, die ebenso unsicher wie subtil sind. Man vergisst in diesem Zusammenhang leicht, dass die militärische Situation in diesem Teil des Reiches ganz anders war als in der Germania Inferior. Die dauerhafte Installation von großen permanenten Einheiten an den Ufern des Rheins südlich von Straßburg resultiert wahrscheinlich nicht aus einer gravierenden Bedrohung. Wir sehen außerdem zehn oder fünfzehn Jahre nach der Gründung Oedenburgs die ersten Villen in der badischen Ebene39, also östlich des Rheins, und es ist unbestreitbar, daß die militärische Präsenz in einer Region, die bisher kaum romanisiert war, die Transformation der lokalen Gesellschaften beschleunigte. Es ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, diese Ereignisse im Sinne einer „Großen Strategie“ und als Ergebnis der politischen Umwälzungen nach Tiberius‘ Regierungsantritt zu deuten. In diesem Teil Obergermaniens, wo die indigene Bevölkerung östlich des Rheins ziemlich spärlich war40, war die potenzielle Bedrohung für die römische Welt überhaupt nicht vergleichbar mit der Situation in Niedergermanien. Um die römische Militärpolitik und die entsprechenden Dispositionen südlich von Mainz besser einschätzen zu können, wäre es wichtig, die frühe Entwicklung von Worms41 und Speyer42 genauer zu verstehen. Auch hier ist die kritische Analyse der archäologischen Hinterlassenschaft aus der Frühzeit der militärischen Okkupation dieser Region ein wichtiges Desiderat der archäologischen Forschung.
36 Diese Belegung wurde aus sechs Grabinschriften (CIL XIII 5975-5978, 11628, AE 1998, 983) und einen Graffito auf einem Ziegel erschlossen (R. Forrer, Strasbourg-Argentorate, S. 282). 37 CIL XIII, 5206 ; Speidel, Die römischen Schreibtafeln, n° 5. 38 Hagendorn, Zur Frühzeit, S. 464-465. 39 Insbes. jene von Heitersheim; cf. Seitz, Villen. 40 Wieland, Die Spätlatènezeit, S.238. 41 Zu Worms, s. jetzt Grünewald, Unter dem Pflaster, S. 32-41. 42 Zu Speyer, s. Bernhard, Militärstationen.
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Wirtschaftliche Auswirkungen der römischen Herrschaft im augusteischen Germanien* Im Geschichtswerk des Cassius Dio finden sich zu den Entwicklungen in Germanien vor und im Jahr 9 n. Chr. folgende Bemerkungen: … und römische Soldaten lagen dort in Winterquartieren, und man begann eben mit der Anlage von Städten. Die Barbaren selbst passten sich den neuen Sitten an, gewöhnten sich an die Abhaltung von Märkten und trafen sich zu friedlichen Zusammenkünften.1 Lange hat diese sehr knappe Zustandsbeschreibung keine besondere Aufmerksamkeit gefunden. Erst mit der Entdeckung und Ausgrabung einer im Aufbau befindlichen rund 8 ha großen zivilen Siedlung bei Lahnau-Waldgirmes2 fand die Angabe über die Anlage von Städten eine eindrucksvolle materielle Bestätigung. Dies sollte Anlass sein, auch den anderen Entwicklungen verstärktes Interesse entgegen zu bringen. Insbesondere die Bemerkung, dass sich die Barbaren an das Abhalten von Märkten gewöhnt hätten, verweist darauf, dass auch im Bereich des ökonomischen Lebens Veränderungen einsetzen. Die wohl spektakulärsten neuen Aspekte hierzu lieferten in den letzten Jahren Bleibarren, die den raschen Zugriff der Römer auf Ressourcen Germaniens dokumentieren.
plumbum Germanicum für Rom Dank der Tatsache, dass in römischer Zeit auf Bleibarren in der Regel die Namen der Produzenten resp. Besitzer und zuweilen auch Produkt- bzw. Herkunftsbezeichnungen angebracht wurden, sind sie wichtige Zeugnisse, die in Verbindung mit den Ergebnissen naturwissenschaftlicher spektrometrischer Analyseverfahren (Bleiisotopenanalyse, Spurenelementanalyse) zur Provenienzbestimmung Aussagen zum * Vorliegender Beitrag versteht sich als Anstoß, die wirtschaftlichen Entwicklungen im römischen Germanien unter Augustus stärker in den Focus der Wissenschaft zu rücken. Die Darstellung wäre ohne den Rat und die bereitwilligen Auskünfte zahlreicher Kollegen nicht möglich gewesen. Dank gilt unseren Mitstreitern im DFG-geförderten Projekt Corpus der römischen Bleibarren für Informationen und Kritik, Norbert Hanel (Köln) und Andreas Hauptmann (Bochum). Wiederholt sind bislang unveröffentlichte Ergebnisse dieses Forschungsprojekts in das Kapitel zum römischen Bleibergbau eingeflossen. Fragen zu numismatischen Sachverhalten beantworteten bereitwillig Johannes Heinrichs (Köln) und David Wigg-Wolf (Frankfurt), Fritz Mangartz (Mayen) danke ich für Auskünfte zur römischen „Industrie“-landschaft im Raum Mayen, Vera Rupp (Glauberg) und Leif Hansen für ihre sachkundigen Bemerkungen zu den Grabungen im Salinenstandort Bad Nauheim. G. A. Lehmann und R. Wiegels schulde ich Dank für die Einladung zu dem Kolloquium in Göttingen, J. Hollaender (München) für seine Unterstützung bei der Anfertigung der Abbildungen. 1 Dio 56, 18, 1-2. 2 Zu Waldgirmes siehe Becker 2007 und Rasbach 2007, beide mit weiterer Literatur.
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antiken Bergbau und Handel erlauben. Zu unterscheiden sind Inschriften, die bei der Produktion des Barrens mit angebracht wurden, meist in Form von in Kartuschen angelegten Gussinschriften, und späteren Markierungen durch Stempeleindrücke oder Graffiti. Gussinschriften nennen dabei meist die Produzenten des Bleis, wobei es sich sowohl um Einzelunternehmer als auch in societates zusammengeschlossene Personen handeln kann, während Stempelmarkierungen zumeist späteren Besitzern oder Kontrollvorgängen zugeschrieben werden. Daneben können Gussinschriften aber auch ausdrücklich den Eigentümer eines Bergwerks benennen: metallo Caesaris Augusti3 – aus dem Bergwerk des Caesar Augustus, oder metallo Messallini – aus dem Bergwerk des Messallinus.4 Andererseits existieren auch Barren, die lediglich durch einen oder mehrere Stempel gekennzeichnet sind. Demnach kann ein Produzent zur Kennzeichnung auch Stempel eingesetzt haben. Für Germanien eröffnet die Fracht zweier antiker Schiffswracks, von denen das eine im Jahr 1989 in der Rhônebucht bei St.-Maries-de-la-Mer, das andere 1997 an der Nordküste Sardiniens bei Rena Maiore (Aglientu, Prov. Olbia-Tempio) entdeckt wurde (Abb. 1), gänzlich neue Einblicke in die Nutzung regionaler Metallerzlagerstätten.5 Bei Saintes-Maries-de-la-Mer konnten 99 Barren geborgen werden.6 Das durchschnittliche Gewicht dieser Barren liegt bei rund 54-55 kg, woraus sich ein Gesamtgewicht der Bleifracht von nahezu 5,5 t ergibt. Die Maße der einzelnen Barren (Länge Unterkante x Breite Unterkante x Höhe) betragen ungefähr 51/52 x 11 x 11/12 cm. Typologisch lassen sie sich in zwei Gruppen untergliedern: Die eine besteht aus acht länglich-pyramidenstumpfförmigen Barren mit flachem Rücken (Abb. 2,1), auf dem in einer Kartusche in erhabenen Lettern der Produzentenname und eine Waren- bzw. Herkunftsbezeichnung zu lesen ist: L(ucii) Flavi(i) Veruclae plumb(um) Germ(anicum) – (Produkt des) Lucius Flavius Verucla, germanisches Blei. Diese Inschrift war bereits in der Gussform mit angelegt und gehört damit in die Sphäre der Produktion der Rohmetallbarren.
3 IMS IV 136, vgl. auch 135. 4 Unpubliziert, siehe demnächst P. Rothenhöfer et al., metalla pretium victoriae: Illyricum. New light on Roman Mininig on the Balkans in the Age of Augustus (in Vorbereitung). 5 Sämtliche hier erwähnten Bleibarren wurden im Rahmen des Projekts Corpus der römischen Bleibarren in den Jahren 2009 bis 2011 aufgenommen und zum Teil auch naturwissenschaftlich beprobt. 6 Eine erste Materialvorlage erfolgte durch Long – Domergue 1995, naturwissenschaftliche Daten liefern Trincherini et al. 2001. Deren Auflösung der Herkunftsangabe ist falsch, die daraus folgenden Interpretationsversuche hinsichtlich der Provenienz des Bleis – in die Diskussion möglicher Herkunftsgebiete bezogen sie das römische Germanien nicht ein – und der Datierung (flavisch) haben sich als nicht haltbar erwiesen, siehe kritisch Rothenhöfer 2003 und Bode et al. 2009, bes. 182-3.
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Abb. 1: Bergbauregionen im römischen Germanien und Fundorte von Schiffswracks mit plumbum Germanicum-Barren. (1) Briloner Hochfläche/Sauerland (2) Bergisches Land (Lüderich, Engelskirchen-Bliesenbach) und Siebengebirge (Königswinter-Bennerscheid/Hennef-Altglück) (3) Nordeifel (Mechernich-Kall-Keldenich; Stolberg) (4) St.-Maries-de-la-Mer (5) Rena Maiore
Die zweite Gruppe umfasst die restlichen 91 Barren. Diese sind von länglicher Gestalt mit rundem Rücken (Abb. 2, 2). Sie entsprechen damit einem Typus, der charakteristisch ist für die römische Produktion in den hispanischen Blei-/Silberminen bei Carthago Nova (Cartagena, Prov. Murcia) in den beiden Jahrhunderten vor und nach der Zeitenwende. Während diese ein Standardgewicht von rund 100 libra besitzen (ca. 32,5 kg), sind die Barren des Wracks bei St.-Maries-de-la-Mer deutlich schwerer. Darüber hinaus unterscheiden sie sich von den Barren aus dem Raum Cartagena durch das Fehlen von in Kartuschen angelegten Gussinschriften. Durch Markierungen mit dem Stempel L•FL•VERV oder der Variante L•FL•VE lassen sie sich aber zweifellos dem gleichen Produzenten, Lucius Flavius Verucla, zuordnen (Abb. 2,3). Des Weiteren finden sich auf ihnen wiederholt Stempel mit dem Namenszug EROTIS in zwei Stempelvarianten.7 Da Eros ein im römischen Sklavenmilieu weit verbreiteter Name ist,8 dürfte es sich also eher um Kontrollstempel als um eine Besitzerkennzeichnung handeln. In wessen Diensten jener Eros stand, bleibt unklar. Stempelüberschneidungen zeigen, dass die Erotis-Stempel nach den Markierungen L•FL•VERV oder L•FL•VE angebracht wurden.
7 Long – Domergue 1995, 813 Fig. 10, 2a-b und 824-5. 8 Vgl. etwa die Auflistung in Solin 1996, 284-9.
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2.1
2.2
2.3
2.4 Abb. 2: Barren aus der Produktion des Lucius Flavius Verucla, Wrack St.-Maries-de-la-Mer: (2,1) pyramidenstumpfförmger Barren mit Gussinschrift in Kartusche (2,2) Barren mit rundem Rücken und Stempelungen (2,3) Produzenten-Stempel L•FL•VERV und L•FL•VE auf Barren mit rundem Rücken (2,4) IMP CAES-Stempel
Auf nahezu allen 99 Barren des Wracks finden sich dann noch IMP CAES = Imp(eratoris) Caes(aris)-Stempelmarkierungen. Der Markierungsvorgang erfolgte auch hier unter Einsatz zweier verschiedener Stempel (Abb. 2,4). Von allen Stempeln wurden sie zuletzt aufgebracht, wie sich erneut aus Stempelüberschneidungen ergibt. Aus ihrem Aufbringen ist der Schluss zu ziehen, dass diese Rohmetallbarren in den Besitz des Prinzeps übergegangen waren.9 Für die weitere Interpretation ist entscheidend, wie sich dieser Vorgang vollzog. Die Vorstellung, der Kaiser hätte das Metall in Germanien 9 Long – Domergue 1995, 832. Rothenhöfer 2003, 278-9 und 283-4.
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aufkaufen und dann den weiten Weg in den Mittelmeerraum transportieren lassen, erscheint wenig plausibel. Schließlich hätte er große Mengen Blei aus den hispanischen Provinzen oder von Sardinien, wo er ausweislich der Bleibarreninschrift CIL X 8073,1 über Bergwerksbesitz verfügte, zweifellos kostengünstiger besorgen lassen können. Vielmehr liegt folgende Erklärung deutlich näher: Unter Heranziehung von Bestimmungen aus der lex metallis dicta kann man diese Stempel als Hinweis werten, dass es sich wohl um die Abgabe – bzw. um einen Teil derselben – des Betreibers an den Eigentümer des Bergwerks handeln dürfte.10 Setzt man dies voraus, dann muss mit kaiserlichem Bergwerksbesitz in den germanischen Provinzen gerechnet werden. Bestätigt wird diese Schlussfolgerung durch die Barren des Wracks bei Rena Maiore. Auf ihnen ist die Gussinschrift Augusti Caesaris Germanicum zu lesen.11 Lucius Flavius Verucla ist sonst nur noch durch das 13 kg schwere Endstück eines weiteren pyramidenstumpfförmigen Bleibarrens aus seiner Produktion bekannt (Abb. 3).12 Auf dem Rücken ist noch der Beginn der Kartuscheninschrift zu lesen: L•FLA- - -. Diese ist analog zu den vollständig erhaltenen Barren aus dem Wrack bei St.-Mariesde-la-Mer zu L. Fla[vi Veruclae plumb. Germ.] zu ergänzen. Darüber hinaus findet sich auf der erhaltenen Schmalseite noch der Stempeleindruck L•FL•VE, der ebenfalls auf den gleichen Unternehmer zu beziehen ist. Gefunden wurde dieses Endstück Anfang des 20. Jahrhunderts im westfälischen Heppen, einem Ortsteil von Bad Sassendorf (Kreis Soest), und damit rund 100 km östlich des Rheins.13 Bleiisotopenanalysen in Kombination mit Spurenelementbestimmungen ergaben, dass der Soester Barren sehr ähnliche Messwerte wie seine Pendants aus dem Wrack St.-Maries-de-la-Mer in der Rhônebucht besitzt (Abb. 4).14 Unterstrichen wird dadurch noch einmal die Zusammengehörigkeit der Barrengruppe. Darüber hinaus gelangten durch den Fundort auch nahegelegene Bleierzlagerstätten im nördlichen Sauerland in den Focus der Untersuchungen. Tatsächlich korrespondieren die Werte dieser Barrengruppe u. a. mit den Bleiisotopenwerten von Lagerstätten im Raum Brilon (Hochsauerlandkreis) (Abb. 4). Eine entsprechende Provenienz ist nicht auszuschließen.15 Bei aller Vorsicht legt die räumliche Nähe von Bad Sassendorf-Heppen zu den Lagerstätten auf der Briloner Hochfläche eine Involvierung des L. Flavius Verucla in die 10 IRCPacen 143. In § 5 findet sich die Formulierung: ex more pars dimidia fisco salva sit. Zur lex metallis dicta Flach 1979 und Lazzarini 2001. Vgl. ferner die Bemerkungen von Günther 2012. 11 Ricardi – Genovesi 2002; Hanel – Rothenhöfer 2005; Rothenhöfer – Bode 2012, 355-6. 12 Burghofmuseum Soest (Inv.-Nr. 83-3729). Rothenhöfer 2003; Besnier 1921 Nr. 50; Stupperich 1980 Nr. 103; ders. 1984, 77; Horn 1987, 601 Abb. 515; Bode et al. 2009, 181 (D 135/1); Pfeffer 2009; CRFB Bd. 7, 64 IX-11-1/3.1. 13 Schulten 1917, 88-91. 14 Vorläufig noch Bode et al. 2009, 181 (D 135/1) und Rothenhöfer –Bode 2012, Abb. S. 358-9. 15 Da allerdings die Bleierzlagerstätten der Nordeifel, deren Ausbeutung ebenfalls in augusteischer Zeit einsetzte, vergleichbare Isotopenwerte besitzen und auch die Spurenelementgehalte keine Unterscheidung beider Lagerstätten zulassen, muss eine mögliche Herkunft aus dortigen Lagerstätten bei Kall-Keldenich/Mechernich oder Aachen-Stolberg/Breinigerberg mit ins Kalkül gezogen werden. Zu deren Nutzung ausführlich Rothenhöfer 2013.
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Ausbeutung dieser Bleierzvorkommen nahe. Vorstellbar wäre dies nur in den Jahren der augusteischen Okkupation Germaniens. Tatsächlich spricht ein epigraphisches Detail – die Verwendung eckiger Interpunktionszeichen im Stempel L•FL•VE – und die Buchstabenformen für diese frühe Zeitstellung.16 Unter dieser Prämisse bekäme dann auch die Errichtung des römischen Kastells bei Rüthen-Kneblinghausen (Abb. 5) einen neuen Sinn: Es hätte der Überwachung bzw. der Sicherung des Abbaureviers auf der Briloner Hochfläche gedient.17
Abb. 3: Barrenfragment aus der Produktion des Lucius Flavius Verucla, gef. bei Bad SassendorfHeppen (Kr. Soest)
Bleierze finden sich im Briloner Raum oberflächennah in Klüften, Spalten und Erznestern des dort anzutreffenden devonischen Massenkalks. Ihre Ausbeutung im Mittelalter in Form von oberflächennahem Schachtpingenbergbau, der nur bis zum Grundwasserspiegel betrieben werden konnte, ist gut dokumentiert.18 Mittlerweile ist durch Funde von Kleinbarren jedoch auch von Abbau im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. auszugehen.
16 Darauf wies bereits A. Schulten in der Erstveröffentlichung hin, siehe Schulten 1917, 90. Vgl. Rothenhöfer 2003, 281-2. 17 Hanel – Rothenhöfer 2005, 61-2. Vgl. Rudnick 2008. 18 Z. B. Köhne 2004.
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Abb. 4: Bleiisotopenverhältnis-Diagramm mit Werten der im Text besprochenen Bleibarrengruppen im Vergleich mit den in jener Zeit möglichen Herkunftsgebieten. Der analytische Fehler der Messungen der römischen Bleibarren entspricht bis auf einige Ausnahmen der Größe der Symbole. Lit. zu herangezogenen Vergleichswerten findet sich in Bode et al. 2009.
Abb. 5: Karte nördliches Sauerland und Lipperegion
Bei diesen Kleinbarren handelt es sich um durchschnittlich 8-10 cm hohe, ca. 1,5-2 cm dicke und rund 400 g schwere trapezförmige, rechteckige oder auch ovale Objekte mit oberständiger Durchlochung (Abb. 6).19 Da gleichartige Objekte weder aus dem angrenzenden Niedergermanien noch aus anderen Regionen der Germania magna bekannt geworden sind und das Verbreitungsgebiet relativ eng umgrenzt das Nord19 Zu dieser Fundgattung grundlegend Rothenhöfer 2004 und 2007.
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sauerland und Teile der nördlich angrenzenden Bördenzone umfasst, liegt der Schluss auf eine regionale Produktion nahe. Unterstrichen wurde dies durch die Ergebnisse von Bleiisotopenmessungen an mehreren Dutzend Kleinbarren (Abb. 4).20
Abb. 6: Kleinbarren (1.-2. Jh. n. Chr.) aus einheimischer Produktion. Fundort ist die Wüstung Düggeler bei Brilon-Osterhof (Hochsauerlandkreis)
Diese Kleinbarren wurden u. a. als Lesefunde in einheimischen Siedlungen in unmittelbarer Nähe von Bleierzvorkommen, z. B. bei Bad Wünnenberg-Bleiwäsche (Kr. Paderborn), Brilon-Altenbüren oder –Fülsenbecke (Hochsauerlandkreis), oder wiederholt in Siedlungen zwischen Paderborn und Unna, in deren Nähe auch Solquellen existieren, gefunden.21 Bislang existiert kein Beleg, dass derartige Kleinbarren bereits in der Phase der römischen Okkupation des rechtsrheinischen Germanien produziert wurden. Soweit Datierungsanhalte vorliegen, dürften die Kleinbarren im weiteren Verlauf des 1. bis möglicherweise ins 3. Jahrhundert im Umlauf gewesen sein.22 Hervorzuheben ist, dass das Phänomen dieser einheimischen Bleiproduktion für das germanische Barbaricum exzeptionell ist. Blei war im germanischen Raum weder in der vorrömischen Epoche ein Gebrauchsmetall noch finden sich Bleigegenstände in germanischen Siedlungen der Römischen Kaiserzeit. Dies und der Umstand, dass typologische Ähnlichkeiten zwischen einheimischen Kleinbarren mit trapezförmi20 Bode et al. 2007, 117-120. 21 Siehe den Katalog in Rothenhöfer 2007, 54-5. 22 Ibid. 51.
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gem Umriss und massiven römischen länglich-pyramidenstumpfförmigen Barren, die einen trapezförmigen Querschnitt besitzen, bestehen, waren Anlass, die Ursprünge dieser Produktion in der kurzen Phase der römischen Okkupation zu verorten. Der Schluss liegt nahe, bei der einheimischen Produktion von Blei könnte es sich um eine Fortführung römischer Bergbautätigkeit aus augusteischer Zeit handeln, nunmehr jedoch in Eigenregie und – da die Kleinbarren nicht in standardisierter Form produziert wurden – mit deutlich niedrigeren Produktionsmengen.23 Es spricht einiges dafür, dass Lucius Flavius Verucla in augusteischer Zeit Geschäfte in Germanien betrieb. Die oben getroffenen Schlussfolgerungen, dass es zu dieser Zeit eine umfangreiche Bleiproduktion gegeben haben und dass von der Existenz kaiserlicher metalla im unterworfenen Germanien ausgegangen werden muss, konnte durch Funde weiterer Barren germanischer Provenienz im Wrack von Rena Maiore zweifelsfrei belegt werden.24 Auch dieses Wrack hatte mehrere Tonnen Blei an Bord. Typologisch lässt sich die Bleibarrenladung in zwei Gruppen unterteilen: Die erste besteht aus 42 länglich-pyramidenstumpfförmigen Barren mit der Kartuscheninschrift AVGVSTI CAESARIS GERMANICVM, deren Gewicht durchschnittlich bei rund 65 kg liegt (Abb. 7,1), d .h. zusammen macht das rund 2,8 t Blei aus Germanien. Anzuschließen an diesen Komplex ist ein Barren, der auf dem Rücken lediglich die zweifache Stempelung Pudentis Germ(anicum) trägt (Abb. 7,2).25 Die zweite Gruppe setzt sich aus mehreren Dutzend ziegel- bis plattenförmigen (Abb. 8), in einigen wenigen Fällen auch kuchenförmigen Bleibarren zusammen, die nur mit kleinen Zahlenmarkierungen
23 Ibid. 52-3. Einheimische Kleinbarrenproduktion und die Herstellung römischer Barren brachte Pfeffer 2012, 91-2 zusammen. Demnach sollte um die Mitte des 1. Jahrhunderts die Produktion des Bleis in germanischer Hand gelegen haben; die Kleinbarren seien dann im Hellwegbereich von römischen Unternehmern zu „römischen Großbarren“ umgeschmolzen worden. Diese These ist jedoch zu verwerfen, denn sie widerspricht zum einen den Strukturen römischer Bergwerksorganisation, wie sie auch in den Stempelmarkierungen der Barren durchscheint; zum anderen bleibt der Autor für die von ihm postulierte Datierung des Heppener Barrenfragments in die Mitte des 1. Jahrhunderts jegliche Anhaltspunkte schuldig; ferner ist zu bedenken, dass der Fundniederschlag an Kleinbarren in einem solchen Falle erheblich größer gewesen sein sollte. Es wären ungeheure Mengen an Kleinbarren notwendig gewesen, um etwa das Material für eine Schiffsladung wie die von St.-Maries-dela-Mer bereit zu stellen: Rein rechnerisch wären bei einem Idealgewicht von 400 g pro Kleinbarren dafür 13.750 Stücke nötig gewesen. Da davon auszugehen ist, dass zahlreiche vergleichbare Ladungen unbeschadet ihr Ziel im Mittelmeerraum erreichten, wäre diese Zahl zu vervielfachen. Die einheimischen Abbau- und Produktionsstrukturen hätten in diesem Falle höchst effektiv sein müssen. Aus dem Fundmaterial zeichnet sich aber das Gegenteil ab. 24 Vorläufig noch Riccardi – Genovesi 2002, die sich dort für eine Herkunft der Ladung von der Iberischen Halbinsel aussprechen; S. Genovesi, in: Hanel – Rothenhöfer 2005, 58-9, dort auch mit dem Bezug der Augusti Caesaris Germanicum-Barren auf das römische Germanien. Eine Vorlage des Wracks durch S. Genovesi in den BAR Int. Series ist seit langem angekündigt. 25 Vgl. Hanel – Rothenhöfer 2005, 58-9 mit Abb. 4-5.
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Abb. 7,1: Bleibarren aus einem römischen Wrack bei Rena Maiore (Aglientu). Laut der Gußinschrift AVGVSTI CAESARIS GERMANICVM stammen sie aus Blei-/Silberbergwerken des Augustus in Germanien. – 7,2: Bleibarren aus dem Wrack bei Rena Maiore (Aglientu) mit der doppelten Stempelmarkierung PVDENTIS GERM. – 7,3: Römisches Bleifragment (Lesefund) aus Brilon-Altenbüren (Hochsauerlandkreis) mit der Namensmarkierung PVDENT[IS].
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versehen waren (rund 1,5 t Blei).26 Auch bleiisotopisch unterscheidet sich diese Gruppe signifikant von den plumbum Germanicum-Barren aus Bergwerken des Augustus. Möglicherweise wurden sie in einer südgallischen Lagerstätte produziert. Diese Beobachtungen erlauben den Schluss, dass man die Bleiladung des Wracks offensichtlich im Auslaufhafen aus unterschiedlichen Teilladungen zusammenstellte. Auf fast allen Barren mit der Gußinschrift Augusti Caesaris Germanicum finden sich folgende Stempel: L•VAL•RVF und CFHI•CHCI. Diese sind auf den einzelnen Barren meist in mehrfacher Ausführung zu beobachten. Die Auflösung der letzteren Marke ist unklar. Da die Stempel aber nur auf den Schalseiten aufgebracht wurden, sind sie wohl einem Kontrollvorgang, der an bereits gestapeltem Material durchgeführt wurde, zuzuordnen. Die L•VAL•RVF-Stempel hingegen sind nur auf den Längsseiten eingedrückt. Sie dürften damit früher eingeschlagen worden sein als die Markierungen auf den Schmalseiten. Aufgrund der Gussinschrift ging W. Eck noch davon aus, dass Augustus durch eigenes Personal Blei- und Silberproduktion betreiben ließ.27 In diesem Falle könnte es sich bei L(ucius) Val(erius) Ruf(us) eventuell um einen Beauftragten des Augustus handeln, der die Produktion überwachte. Eine weitere Möglichkeit – ein Händler, der Blei aus Minen des Augustus aufgekauft hatte – ist auszuschließen, denn einige – wenn auch nur vereinzelte – IMP-Stempel auf den Schmalseiten zeigen an, dass die Barren auch weiterhin kaiserlicher Besitz waren.28 Eine dritte, hier favorisierte Lösung ist, dass es sich bei L(ucius) Val(erius) Ruf(us) – analog zu L. Flavius Verucla – um einen Betreiber von Minen in Germanien, die Eigentum des Augustus waren, handelt. Anders als bei den Barren aus der Produktion des Verucla wäre dann der an den Eigentümer abzugebende Teil der Produktion direkt beim Guss der Objekte auch mit dessen Namen und der Herkunftsbezeichnung versehen worden. Als potentielle Produktionsgebiete in Germanien kommen laut Bleiisotopenanalyse wiederum die Briloner Hochfläche oder die Nordeifel in Frage. Seit langem ist bekannt, dass in der Nordeifel mit Schwerpunkten bei Kall-Keldenich (Kreis Euskirchen) im Bereich des sogenannten Mechernicher Trias-Dreiecks und bei AachenStolberg/Breinigerberg (Kreis Aachen) bereits in römischer Zeit Bleierze abgebaut wurden.29 Beginn, Dauer, Intensität und Strukturen des Abbaus lagen aber bis vor kurzem weitgehend im Dunkeln.30 Lange glaubte man aufgrund von „keltischen“ Münzfunden, die man im Verlauf des 19. Jahrhunderts in Schächten und Halden gemacht hatte, an einen bereits „keltischen“, d.h. vorrömischen Abbau. Dagegen zeigte die Analyse dieser Münzfunde in Zusammenhang mit archäologischen Beob26 In einigen wenigen Fällen sind zudem Buchstabengraffiti angebracht worden. 27 Eck 2004, 76. 28 Zu erwähnen ist ferner der singuläre Stempel LMD, dessen Bedeutung im Dunkeln bleibt. 29 Zum Beispiel Davies 1935, 176-7. 30 Zuletzt ausführlich Rothenhöfer 2012. Siehe auch den Überblick in ders. 2005, 77-100, besonders 88-94 (Blei). Hinsichtlich der Nordeifel veraltet sind die kurzen Ausführungen von Brüggler – Gechter in AiR 2011, 368.
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achtungen auf regionalen Fundstellen der ausgehenden Eisenzeit, wo Bleiobjekte nicht zum Inventar gehören, und naturwissenschaftlichen Untersuchungen von Bleiablagerungen in den Sedimenten von Eifel-Maaren, dass der Bergbau erst im vorletzten Jahrzehnt vor der Zeitenwende einsetzte.31 Dass es dabei auch zur Einrichtung eines oder mehrerer kaiserlicher Bergbaubezirke kam, belegen zwei Bleibarren aus der Regierungszeit des Tiberius (14-37 n. Chr.).32 Der eine wurde 2008 in Tongeren, der andere 1983 in der Rhônebucht gefunden. Deren gleichlautende Gussinschriften lauten: Imp(eratoris) • Ti(berii) Caesaris • Aug(usti) • Germ(anicum) • TEC. Sie stammen damit aus Bergwerken, die – wie die oben erwähnten Barren des Augustus – Teil des patrimonium principis waren und in Germanien lagen. Bleiisotopenanalysen verweisen auf die Nordeifel oder das Sauerland als Produktionsgebiet. Aus historischen Gründen scheidet das Sauerland aber als Herkunftsregion aus. Somit belegen diese Barren eindeutig, dass in der Nordeifel unter Tiberius kaiserliche Bleigruben lagen.33 Da der Bleierzabbau in der Nordeifel unter Augustus einsetzte, dürften die Grubenbezirke bereits unter diesem als metallum, das zum Privatvermögen des princeps zählte, eingerichtet worden sein.34 Auf die Existenz von Besitztümern des Augustus und seines Nachfolgers Tiberius im römischen Germanien beiderseits des Rheins konnte bereits durch die Anwesenheit eines anonymen dispensator divi Augusti et Ti. Caesaris geschlossen werden, der in einem monumentalen Grabbau bei Köln bestattet worden ist. In dieser Funktion oblag ihm im Auftrag seines Herrn die Verwaltung von Finanzgeschäften.35 Dazu sollten werden auch die Einkünfte aus den metalla des Augustus und seines Nachfolgers gehört haben. 31 Detailliert Rothenhöfer 2013. Zur Beobachtung von Anomalien im Schwermetallgehalt in den Sedimenten mehrerer Eifel-Maare siehe Schettler – Romer 1998, 795: Vor ca. 2000 Jahren wurde plötzlich über die Atmosphäre ein Vielfaches an Blei in die Gewässer eingetragen und dort einsedimentiert. Da die Isotopenwerte des abgelagerten Bleis denen der Lagerstätten im Norden der Eifel entsprechen, ist diese drastische Veränderung nur durch einen schnell einsetzenden, massiven Abbau regionaler Bleierze und durch deren Verhüttung, bei der Blei in die Atmosphäre freigesetzt wird, zu erklären. Ausdrücklich weisen die Geowissenschaftler darauf hin: “There is no pre-Roman anthropogenic Pb anomaly in the sediments. Therefore, Celtic Pb and Ag mining in the Northwestern Eifel before the Roman occupation seems to have been insignificant or absent”. Hinzuweisen ist ferner auf Bleifunde aus dem Lager von Dangstetten (15-9 v. Chr.), deren Material qua Bleiisotopenanalyse Lagerstätten in der Nordeifel (das Sauerland ist aus historischen Gründen auszuschließen) zugewiesen werden kann, siehe Durali-Müller et al. 2009, 140. 32 Barren aus Tongeren: Raepsaet 2011 und Raepsaet – Raepsaet 2013. – Barren aus der Rhônebucht: AE 1992, 913. Raepsaet 2011, 188-9. 33 Raepsaet 2011 bringt aufgrund der letzten drei Buchstaben in der Gussinschrift des Barrens, TEC, die sie als Herkunftsangabe deutet, auch eine mögliche Herkunft aus dem belgischen Dorf Theux (südwestlich von Eupen gelegen) in die Diskussion ein, in dessen Umgebung ebenfalls Bleierzvorkommen bekannt sind. Die Interpretation von TEC als Herkunftsangabe erscheint hier aber höchst fragwürdig. 34 Zu dieser Kategorie von Bergwerksbesitz siehe die Bemerkungen von Raepsaet – Raepsaet 2013. 35 Belegt durch IKöln2 267. Vgl. Eck – Hesberg 2003, 195.
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Abb. 8: Ziegelförmiger Bleibarren aus dem Wrack bei Rena Maiore. Er stammt wahrscheinlich aus gallischen Minen.
Wie für die Augusti Caesaris Germanicum-Bleibarren und die Barren aus dem Wrack St.-Maries-de-la-Mer lag anfangs auch für den Barren mit dem Stempeleindruck Pudentis Germ(anicum) die Vermutung nahe, dass er hinsichtlich seines Bleiisotopenspektrums der gleichen Gruppe zuzuordnen ist.36 Nicht zuletzt der Fund eines kleines Fragments, auf dem der römische Name PVDENT[IS] zu lesen ist (Abb. 7,3) und das offensichtlich als Altmetall in einer einheimischen Siedlung des 1./2. Jahrhunderts bei Brilon-Altenbüren verloren ging, führte zu dieser Annahme.37 Um so erstaunlicher gestaltete sich das Ergebnis der naturwissenschaftlichen Analysen: War das kleine Bleifragment aus Brilon-Altenbüren mit der Pudens-Beschriftung sehr wahrscheinlich aus lokalem, sprich Briloner Blei gefertigt, so traf dies für den Bleibarren nicht zu. Die Isotopenverhältnisse deuten vielmehr auf eine Lagerstätte im Rechtsrheinischen hin, nicht allzu weit entfernt von Köln (Abb. 4). Sie korrelieren gut mit den Werten von Erzen des Lüderich bei Bergisch-Gladbach (Abb. 9). Dass dort bereits die Römer Bergbau auf Blei und Silber betrieben, konnte durch montanarchäologische Grabungen bestätigt werden.38 Michael Gechter datierte anhand einiger Keramikfragmente die dortigen Abbauaktivitäten in die erste Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Die Ergebnisse aus den montanarchäologischen Untersuchungen können nun durch den Pudens-Barren aus dem Wrack von Rena Maiore wesentlich ergänzt werden. Es scheint also dort in augusteischer Zeit wenigstens ein Unternehmer – jener besagte Pudens – tätig gewesen sein. Dass der gleiche Pudens wohl auch im Raum Brilon 36 Gewichtsmäßig liegt er mit 78,6 kg deutlich über dem Durchschnitt der Augusti Caesaris Germanicum-Barren. 37 Zusammen mit anderen Abfallresten aus Blei und Kleinbarren aus lokaler einheimischer Produktion wurde es durch einen ehrenamtlichen Mitarbeiter der Außenstelle Olpe des WMfA bei einer Begehung aufgelesen. Neujahrsgruß WMfA 2004, 52-3 mit Abb. 15. Hanel – Rothenhöfer 2005, 55-58. 38 Körlin – Gechter 2003. AiR 1997, 91-2; 2000, 88-90; 2001, 67-9; 2002, 105-6; 2011, 388.
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wirtschaftliche Interessen hatte, wäre nicht ungewöhnlich. Ein vergleichbarer Fall ist aus Britannien bekannt, wo ein Tiberius Claudius Trifer(na?) in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts sowohl in den Mendip Hills (Somerset) als auch in Derbyshire aktiv war.39 Für den Lüderich postulierte M. Gechter aufgrund des bei den Grabungen erfassten Keramikspektrums einen Abbau durch römisches Militär. Und tatsächlich können die beiden Bleibarren, die in Haltern gefunden wurden, aufgrund ihrer Isotopendaten ebenfalls diesem Abbaugebiet zugewiesen werden. Auf einem der beiden Barren wurde mit einem Meißel L XIX = l(egio) XIX, eingeschlagen. Sicher ist nur, dass mit dieser Markierung der Besitzer (und/oder der Empfänger) des Barrens angezeigt wird. Ob Soldaten dieser Legion auch in den Abbau involviert waren, bleibt unklar. Denn letztlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser und der zweite Barren auch von zivilen Produzenten stammen könnten. Neben dem Lüderich sind noch zwei weitere rechtsrheinische Abbaustellen bekannt: Engelskirchen-Bliesenbach im Bergischen Land40 und Königswinter-Bennerscheid/Hennef-Altglück im Siebengebirge. Römischer Abbau ist aufgrund des Keramikspektrums jeweils für die ersten Jahrzehnte nach der Zeitenwende belegt ist, doch liegt die Vermutung nahe, dass der Abbau bereits um die Zeitenwende eingesetzt haben dürfte. Bei Königswinter-Bennerscheid ist ein Tagebauzug bekannt, der im 19. Jahrhundert bei einer Breite von bis zu 32 m noch eine Länge von 1000 m und eine Teufe bis zu 12 m besaß. In dessen Umfeld belegen Keramikfunde das Bestehen einer ca. 3 ha großen einheimischen Siedlung, in der ausweislich von Bleischlacken, Bleiglätte und Bleigussresten unter römischer Aufsicht auch Blei und Silber gewonnen wurde. Eher Überwachungs- denn Schutzfunktion kommt dabei einer kleinen Wall-GrabenAnlage zu, die im gleichen Areal bestand.41
Binnenländische Gewinnung von Salz Kurz erwähnt wurde bereits, dass im Hellweggebiet zwischen Unna und Paderborn, d.h. im nördlichen Vorfeld des Sauerlandes (Süd-Münsterländer Salzquellen-Bezirk), die Korrelation von Fundorten einheimischer Kleinbarren aus Blei, die ins 1. bis 3. Jahrhundert datiert werden, und Solequellen ins Auge sticht. Salzgewinnung unter Einsatz von Keramik (Briquetage) ist für die vorrömische Eisenzeit in Werl belegt.42
39 Siehe RIB 2404.7.8-9 aus den Mendip Fields und 41-45 aus Derbyshire. 40 Gechter 2002, 30 mit Anm. 13. AiR 1997, 91-2. Davies 1935, 179. 41 Rothenhöfer 2005, 91. Gechter 2002, 26-29. AiR 2011, 368 mit Abb. 2; 1996, 45-47. BJ 199, 1999, 437. 443; 77, 1884, 210. 42 Neujahrsgruß WMfA 1999, 50. Leidinger 1983.
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Befunde aus der kurzen Phase der römischen Okkupation sind bislang noch nicht bekannt geworden. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass in der römischen Provinz Britannia der Einsatz großer Bleipfannen bei der Gewinnung von Salz gut belegt ist. In Soest konnte die Salzgewinnung mittels Siedepfannen aus Blei für das Frühmittelalter (5.-7. Jh.) nachgewiesen werden, ältere Schichten sind archäologisch aufgrund eindringenden Grundwassers nicht mehr erfasst worden.43 Allerdings könnten die großen Mengen an Bleischlacken und -verarbeitungsresten, die in einer germanischen Siedlung der älteren römischen Kaiserzeit in Soest ‚Am Ardey’ zutage kamen und auf spezialisierte handwerkliche Tätigkeiten hinweisen, als Reste einer einheimischen Salzgewinnungsindustrie eine plausible Erklärung finden.44 Zukünftige Forschungen haben zu klären, ob in der Phase der augusteischen Okkupation eine neue Salzgewinnungstechnik unter Einsatz von Bleipfannen eingeführt wurde. Die Nutzung der Solequellen liegt nahe, insbesondere zur Versorgung der großen Zahl römischer Soldaten in den benachbarten Lagern des Lipperaums. Während eindeutige Nachweise für die Nutzung der Solequellen des Hellwegraumes in augusteischer Zeit und den darauf folgenden Jahrhunderten noch ausstehen, sind Aktivitäten am Salinenstandort Bad Nauheim in der Wetterau mittlerweile für die Okkupationszeit durch Dendrodaten von Hölzern, die in Quellsohlebecken verbaut waren, zweifelsfrei nachgewiesen. Das Quellgebiet der Usa-Talaue war bereits in der La Tène-Zeit ein bedeutendes Produktionszentrum für Salz.45 Welchen Umfang die Aktivitäten in augusteischer Zeit besaßen, ist allerdings offen, da Aufarbeitung und Auswertung von Funden und Befunden noch abzuwarten sind. Es würde jedoch nicht verwundern, wenn die Nutzung durch die in der Nachbarschaft stationierten römischen Einheiten stimuliert wurde.46
Nutzung und Erschließung regionaler Steinsorten Bei den Grabungen in den Römerlagern von Haltern, Oberaden, Anreppen und Barkhausen fanden sich auch Mühlsteine aus Basaltlava. Provenienzanalysen anhand der Haupt- und Spurenelementzusammensetzung führten zu dem Ergebnis, dass diese aus Lavabrüchen des Bellerberg-Vulkans bei Mayen in der Osteifel stammen.47 Als Abbaugebiete nachgewiesen sind die Ettringer Lay, das Kottenheimer Winfeld und das Mayener Grubenfeld. Insbesondere der Fund aus Oberaden zeigt, dass römische 43 Jülich 2007a und 2007b. 44 Pfeffer 2012. 45 Hansen (im Druck). Einer Überschlagsschätzung zufolge könnte die jährliche Produktionsmenge in der Latènezeit bei 16 t gelegen haben, vgl. Saile 2013, 214. 46 Zum Versorgungslager Rödgen Schönberger – Simon 1976; 47 Gluhak 2010.
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Autoritäten spätestens zu Beginn der Germanienfeldzüge des Drusus oder sogar kurz davor auf das Abbaugebiet aufmerksam geworden waren.48 Offensichtlich hatten die Römer rasch die Vorzüge des porösen Mayener Basalts für den Einsatz in Mühlwerkzeugen erkannt. Diese lagen darin, dass mit entsprechenden Handdreh- und Kraftmühlen nicht nur deutlich schneller, sondern auch mit geringerem Kraftaufwand als mit Mühlen aus anderen Gesteinssorten Korn für den täglichen Verbrauch gemahlen werden konnte. Dieser Vorteil war sicherlich ausschlaggebend dafür, dass entsprechende Mühlen innerhalb der im römischen Germanien operierenden römischen Militärverbände rasch Verbreitung fanden.
Abb. 9: Karte mit im Text genannten Orten: (1) Briloner Hochfläche (2) Soest (3) Engelskirchen-Bliesenbach (4) Lüderich bei Bergisch Gladbach (5) Königswinter-Bennerscheid/HennefAltglück (6) Nordeifel (Mechernich/KallKeldenich; Stolberg) (7) Mayen (8) Waldgirmes (9) Bad Nauheim
Römische Hand- und Kraftdrehmühlen waren zu dieser Zeit allerdings neuartige Produkte für die dort tätigen Steinbrecher und -metzen, denn latènezeitliche Mahlwerkzeuge wie die sogenannten Napoleonshüte sind von gänzlich anderer Gestalt. Es ist deshalb zu vermuten, dass im zweiten Jahrzehnt v. Chr. eine Reorganisation des Steinbruchbetriebs und der Mühlsteinproduktion stattfand, so dass sichergestellt war, dass das römische Militär mit einer entsprechend hohen Zahl qualitätvoller Mahlsteine ausgerüstet werden konnte.49 In der Osteifel existieren ferner große Tuffsteinvorkommen vulkanischen Ursprungs, deren Ausbeutung in augusteischer Zeit einsetzte.50 Der älteste Beleg sind die Polsterquader des sogenannten Ubiermonuments in Köln, das 4/5 n. Chr. errichtet wurde.51 Da im weiteren Verlauf des 1. Jahrhunderts bis mindestens Anfang des 2. Jahrhunderts wiederholt Abordnungen des Militärs inschriftlich dokumentiert sind, die zur Gewinnung von Baustein in die Tuffbergwerke im Brohltal und bei Kruft abkommandiert waren, könnte die Erschließung der Vorkommen durch römisches Militär in Gang gesetzt worden sein. Allerdings mahnen die Kenntnisse über die
48 Schaaf 2010. 49 Ebd. 50 Rothenhöfer 2005, 105-6 mit zahlreicher Literatur. 51 Siehe Thomas 1999, 940-945 mit weiterer Literatur.
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Strukturen im Bleibergbau dazu, eine mögliche Gewinnung durch zivile Unternehmer bereits in augusteischer Zeit nicht auszuschließen.
Anstöße zur Schaffung einer Geldwirtschaft im römischen Germanien Neben der Erschließung regionaler Bodenschätze verdient ein weiteres Phänomen besondere Aufmerksamkeit, da es große Tragweite für die Entwicklung der Wirtschaft in den germanischen Provinzen Roms besaß. Es handelt sich um die in augusteischer Zeit ergriffenen Maßnahmen zur Forcierung des Prozesses der Monetarisierung des regionalen Wirtschaftsraums.52 Allgemein gilt die Verfügbarkeit von Münzen als ein konstituierendes Moment für die Entwicklung des Waren- und Handelsaustauschs. Dass man sich dessen bereits in der Antike bewusst war, offenbart eine Bemerkung des Tacitus, der um 100 n. Chr. bei den Germanen zwischen dem einfachen und älteren Tauschhandel (simplicius et antiquius permutatione mercium utuntur) und dem monetarisierten Handelsverkehr (commercium) unterscheidet.53 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass das Vorhandensein von Münzen an sich noch kein konstituierendes Element einer monetarisierten, d.h. einer auf der Verwendung von Münzen als Austauschmittel beruhenden Wirtschaft ist. Von zentraler Bedeutung sind vielmehr Menge und Art der umlaufenden Münzen. Als die Römer in das rechtsrheinische Germanien vorstießen, waren Münzen dort – wie auch in den linksrheinischen Gebieten an Mittel- und Niederrhein, die bereits unter römischer Herrschaft standen – in vielen Regionen durchaus bekannt.54 Wo späteisenzeitliche Münzen vorhanden waren, konstituierten sie aber noch keine voll monetarisierte Ökonomie. Goldene bzw. goldhaltige Regenbogenschüsselchen, Silbermünzen wie z. B. Triquetrumstatere oder Quinare, die bis weit in die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. geprägt wurden, waren für alltägliche Transaktio-
52 Vgl. zusammenfassend für den Kölner Raum Rothenhöfer 2005, 201-7. 53 Tac. Germ. 5, 3. 54 In der Spätlatènezeit ist jedoch von erheblichen regionalen Unterschieden auszugehen. In Süddeutschland etwa kommt in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. die einheimische Münzprägung zum Erliegen; Gruppen aus dem hessischen Raum, die nach der Mitte des Jahrhunderts an den Niederrhein auf römisches Herrschaftsgebiet umsiedeln, behalten in ihrer neuen Heimat die Prägung eigener Typen bei; ganze Regionen entlang der Nordseeküste wiederum scheinen bereits außerhalb der Sphäre spätkeltischen Münzgebrauchs gelegen zuhaben. Vgl. z. B. Nick 2006, passim. Wigg 1996. Roymans – Aarts 2009 für die Niederrheinregion.
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nen kleinen Umfangs ungeeignet, auch wenn ihr Feingehalt im Verlauf der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. zum Teil extrem abnahm.55 Ansatzpunkte für die im Folgenden entwickelten Überlegungen bilden vor allem die Münzspektren in den augusteischen Militärlagern. F. Kemmers schlug aufgrund der Fundmünzen für das rund 42 ha große Militärareal auf dem Hunerberg bei Nijmegen eine Belegung für die Jahre 19 bis 15/12 v. Chr. vor.56 Neben dem relativ hohen Anteil römischer Bronzenominale, unter denen sich wiederum eine größere Zahl halbierter Münzen (80 Exemplare) befindet, ist auch eine nicht unerhebliche Menge sogenannter keltischer Prägungen bemerkenswert. Rund die Hälfte von diesen machen AVAVCIA (Scheers 217 Typ 1)-Kleinstbronzen aus. Da ihr Hauptverbreitungsgebiet im zentralbelgischen Raum liegt und ihre Emission noch in die Zeit vor der Stationierung römischer Truppen am Rhein fällt, schlagen N. Roymans und J. Aarts vor, in ihnen eine vorrömische tribal issue der Tungrer zu sehen.57 Ein vorrangig ökonomisches Motiv für ihre Prägung, die Produktion von small change, lehnen sie ab. Doch gerade diese Funktion dürften die Münzen später erfüllt haben, als das erste Lager auf dem Hunerberg errichtet wurde. Dafür spricht die dort gefundene Menge. Dem Mangel an Kleinstnominalen, wie er in den Halbierungen von römischen AE-Nominalen offenbar wird, versuchte man auch durch die Verwendung dieser einheimischen, regional bereits vorhandenen Bronzen entgegenzuwirken. Der Mangel an bronzenen Kleinstnominalen bleibt ein Charakteristikum auch für die beiden Jahrzehnte vor und nach der Zeitenwende. Ein Versuch, diesem Phänomen aktiv entgegenzuwirken, muss im Verlauf der erfolgreichen Feldzüge des Drusus und Tiberius nach 10 v. Chr. gestartet worden sein, wie sich aus dem massenhaften Auftreten sogenannter „Aduatuker“-Kleinerze (Scheers 217 Typ II und III) ergibt. Sie werden zum zahlenmäßig stärksten einheimischen Münztyp im römischen Germanien. Ist ihr Anteil im Münzspektrum des Lagers Oberaden (11-8 v. Chr.) noch ausgesprochen gering,58 so ist er an jüngeren Standorten wie zum Beispiel Anreppen und Haltern bezüglich der Gesamtheit der AE-Münzen bedeutend. Ihr hoher Anteil in Anreppen (64% aller Bronzemünzen), lokale Varianten wie sie z. B. in Haltern beobachtet wurden und schließlich der Fund einer Tüpfelplatte vom Kops Plateau in Nijmegen geben Anlass zu der Vermutung, dass sie in bzw. in direktem Umfeld der Lager hergestellt wurden.59 Ihren Umlaufhöhepunkt erreichen diese einheimischen Kleinerze
55 Beispielhaft zum Prozess des Feingehaltverlustes Roymans – Aarts 2009, 13 (niederrheinische Triquetrum-Statere). Vgl. ebd. 6 zur Diskussion um die Funktion spätlatènezeitlicher Münzen im Norden Galliens. 56 Kemmers 2007, 192-192. Vgl. auch Kemmers 2006. 57 Roymans – Aarts 2009, 17-18 (mit Verbreitungskarte in Fig. 14) schlagen vor, to associate the production to the formative phase of the Tungri tribal confederation. 58 Ilisch 1992. 59 Roymans – Aarts 2009, 18. Wigg-Wolf 2009, 369. Haltern: Scheers 1996, 22. Ilisch 1999, 285. Nijmegen: Van Enckevort – Joosten 2002.
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noch im Verlauf des letzten Jahrzehnts vor der Zeitenwende, bereits im folgenden Jahrzehnt werden sie in römischen Kontexten seltener.60 Für ihre Interpretation von Bedeutung ist, dass sie wie die zeitgleich im Trevererraum ausgebrachten Germanus Indutilli L-Kleinerze (RPC I 506) in Material und Gewicht ein Äquivalent zum niedrigsten römischen Bronzenominal, dem Quadrans, bilden. Die Vermutung liegt nahe, dass der Anstoß zu ihrer Prägung von römischen Autoritäten ausging, die dadurch auf den akuten Mangel an Kleinstnominalen primär im Bereich der Lager und deren Umfeld reagierten.61 Für die römischen Soldaten, die vorrangig in Denaren und Asses entlohnt wurden, aber auch für ihre Handelspartner ergab sich nun die Möglichkeit zu Handelsgeschäften auf niedrigster Stufe, d.h. für die Abwicklung alltäglicher Austauschgeschäfte. Das Bedürfnis nach verfügbaren Kleinstnominalen ist als Zeichen für entsprechend niedrige Marktpreise zu werten. Sie dürften selbstverständlich nur für lokale Produkte gegolten haben. Für den einzelnen Soldaten wie auch für das gesamte Heer dürfte durch die Verfügbarkeit von AEKleinstmünzen der Zugang zum heimischen Markt deutlich erleichtert worden sein, zugleich dürfte damit auch die lokale Produktion gestärkt bzw. stimuliert worden sein. In diesem Sinne lässt sich der Anstoß zur massenhaften Ausbringung der „Aduatuker“-Kleinerze auch als eine Maßnahme zur Forcierung der ökonomischen Integration des germanischen Raums ins römische Reich werten.62 Die Verfügbarkeit von „Aduatuker“- und bronzenen ARDA-Münzen in Waldgirmes63, wo ein hoher Anteil handgemachter germanischer Keramik enge Verbindungen mit Bewohnern des Umlandes dokumentiert, erleichterte zweifellos auch Austauschprozesse und das Markttreiben in dieser jungen Siedlung. Teil des dortigen Münzspektrums sind ferner acht Imitationen von Assen der ersten Altarserie von Lugdunum, die auf einen generellen Kleingeldmangel im römischen Germanien um die Zeitenwende hindeuten.64 Es könnte ein Indiz sein, dass die im römischen Germanien verfügbare Geldmenge nicht oder nur schwer mit der Dynamik eines sich entwickelnden Marktes mithalten konnte. Mit dem Blick auf die weitere Entwicklung im 1. Jahrhundert n. Chr. in den linksrheinischen Gebieten ist freilich darauf hinzuweisen, dass der Prozess der Monetarisierung sich dort über Dekaden hinzog65, im Rechtsrheinischen durch die militärischen Ereignisse jedoch ein abruptes Ende fand. Diese Feststellung gilt jedoch auch für andere Bereiche. Hinsichtlich des Sektors der Landwirtschaft ist davon auszugehen, dass im Umfeld der Militärlager sehr früh neue Bewirtschaftungsformen einsetzten. Ein Indiz hierfür ist der Nachweis des Anbaus von Dinkel in der Umgebung des Standorts Oberaden.66 In der auf Subsistenz 60 Ilisch 1992, 180. Ders. 1999, 284 ff. 61 Heinrichs 2000. 62 Vgl. ebd. 63 Zu den Funden Wigg 2009, 369. 64 Ebd. D. Wigg-Wolf zieht sogar in Erwägung, dass es sich um lokale Nachahmungen handeln könnte. 65 Siehe beispielhaft für das südliche Niedergermanien Rothenhöfer 2005, 203-7. 66 Kučan 1981, 149-162. Ders. 1992. Vgl. Rothenhöfer 2005, 60 und 73.
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ausgerichteten vorrömischen Landwirtschaft zählten Nacktgerste, Emmer, Saathafer und Roggen zu den Hauptanbaufrüchten. Die ertragreiche und robuste Getreideart Dinkel kam offensichtlich im Gefolge des römischen Militärs nach Germanien. Westlich des Rheins avancierte sie im Verlauf des 1. Jahrhunderts zum Hauptgetreide, parallel zur Ausbreitung der auf Überschussproduktion ausgerichteten villae rusticae.67 Östlich des Rheins aber kam es nach 9 n. Chr. zu keiner Übernahme des Dinkels. Die einheimische Landwirtschaft verharrte auf Subsistenzniveau.
Abb. 10: Grabstein u. a. für M. Petronius Flosclus aus Köln.
Einführung und Anbau des Dinkels sollten natürlich primär der Versorgung des Militärs dienen. Dessen Nachweis bereits in Oberaden fügt sich in ein Bild, wonach man 67 Vgl. Rothenhöfer 2005, 45-75.
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auf römischer Seite bestrebt war, sich so schnell wie möglich regionale Ressourcen nutzbar zu machen, um die kostenintensive Versorgung des Heeres mit Gütern aus dem Mittelmeerraum und Gallien zu reduzieren bzw. die Abhängigkeit von diesen zu verringern. Ein weiterer Aspekt ist, dass die römischen Armeeangehörigen eine bedeutende Konsumentengruppe bildeten. Ihre Versorgung mit Gütern des täglichen Verbrauchs und mit Waren, die sie aus ihren Herkunftsgebieten gewohnt waren, zog – ebenso wie der Aufbau urbaner Siedlungen und die Ausbeutung regionaler Bodenschätze – Händler, Unternehmer und Handwerker an. Von den Möglichkeiten, die sich im römischen Germanien auch jenseits des Bergbaus bieten konnten, zeugt beispielhaft die mit (M) P FLOS gestempelte Feinkeramik. Sie wurde an zahlreichen Orten von Anreppen und Haltern bis Mainz gefunden und belegt damit einen weiträumigen Absatz regional erzeugter Produkte bereits um bzw. kurz nach der Zeitenwende.68 Mit guten Gründen identifizierte A. Kakosche den im Stempel genannten Unternehmer mit dem auf einem Kölner Grabstein erwähnten, aus Brixellum/Brescello in Oberitalien stammenden M(arcus) Petronius Flosclus (Abb. 10).69 Dass dieser sich in der noch jungen Siedlung aufhielt bzw. niederließ, ist ein Zeichen für die ökonomische Strahlkraft des frühen Köln. Sehr wahrscheinlich organisierte er Produktion und weiträumigen Absatz seiner Ware im römischen Germanien mit Hilfe von Angehörigen seiner familia, von denen mindestens zwei liberti auf besagtem Grabstein genannt sind. Festzuhalten bleibt, dass in augusteischer Zeit das römische Germanien von einer nicht geringen ökonomischen Dynamik erfasst wird. Die bedeutendste Triebfeder entsprang anfangs zweifellos der Notwendigkeit, die römischen Truppen möglichst aus dem Land heraus zu versorgen und dazu regionale Ressourcen zu erschließen; von römischer Seite wurde hierzu entwickeltes Know-how eingesetzt und Produktionsstrukturen geschaffen, wie sie bislang im germanischen Raum unbekannt waren. Von der um bzw. nach 8 v. Chr. einsetzenden Urbanisierungspolitik mit der Gründung neuer Siedlungen wie z. B. dem oppidum Ubiorum, Waldgirmes oder dem Ausbau von Haltern, für deren Durchführung ebenfalls auf regionale Baumaterialien zurückgegriffen werden musste, dürften ebenfalls starke ökonomische Impulse ausgegangen sein. Die Möglichkeiten, die sich in einem derart dynamischen Raum ergaben, zogen wiederum geschäftstüchtige Unternehmer, Händler und Handwerker aus dem Süden an. Die einheimische Bevölkerung blieb von diesen Entwicklungen sicherlich nicht unberührt. Die von Dio erwähnte Etablierung von Märkten im römischen Germanien unter Augustus muss im Licht der hier skizzierten Beispiele als Andeutung größerer ökonomischer Entwicklungen verstanden werden.
68 Siehe Biegert – Schnurbein 2003. 69 Köln2 411. Kakosche 2006.
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Peter Rothenhöfer und Michael Bode
Abbildungsnachweis Abb. 1, 9: J. Hollaender, München; Abb. 4 und 6: M. Bode, Bochum; Abb. 3: Stadtarchäologie Soest; Abb. 7,2: WMfA Olpe; Abb. 10: P. Rothenhöfer/RGM Köln; die restlichen Abb.: DAI-Objektdatenbank Corpus der römischen Bleibarren.
Heiko Steuer
Landschaftsorganisation, Siedlungsnetz und Dorfstruktur in der Germania in den Jahrzehnten um Christi Geburt 1 Vorbemerkungen Während der Tagung „Römische Präsenz und Herrschaft in Germanien der augusteischen Zeit“ im Jahr 2004 habe ich über ein ähnliches Thema gesprochen und kann einige Ergebnisse hier deshalb knapp zusammenfassen.1 Ich habe erläutert, dass die Besiedlungsdichte in den ersten Jahrhunderten n. Chr. in der Germania beachtlich groß war und dass die Dörfer aus 10 und mehr Gehöften oft in Blickverbindung zueinander lagen. Ein ausgebautes Wegenetz verband die Siedlungen miteinander. Die aufgrund der archäologischen Befunde errechneten Bevölkerungsgrößen und die daraus erschließbaren Heeresstärken zeigen, dass den römischen Legionen ohne Schwierigkeiten beachtliche germanische Militärverbände entgegengestellt werden konnten. Meine These war und ist, dass deshalb schließlich auch der Versuch Roms aufgegeben wurde, die Germania zur Provinz umzugestalten. Mächtiger Gegendruck und die andersartige zivilisatorische Struktur schlossen eine vergleichbare Eroberung wie in der Gallia mit ihren Zentralorten aus, die besetzt werden konnten und womit die Oligarchien der Stämme in den Griff zu bekommen waren. Man kann sich die Lage im damaligen Germanien gut vorstellen, wenn man als Analogie die gegenwärtigen Verhältnisse in umkämpften, zerfallenden Staaten beobachtet: Sie bilden nicht nur geschlossene Territorien mit Grenzen und einer entsprechend verteilt siedelnden Bevölkerung, sondern die Länder werden überlagert von beweglichen kriegerischen Personengruppen aus ehemaligen Stammesverbänden unter Kriegsherren/Warlords, die wechselnde Areale besetzen und mit denen kaum dauerhaft Verträge zu schließen sind. Das Thema bleibt aber zu diskutieren, und ich habe im Titel die Hierarchie formuliert: Dorfstruktur, Siedlungsgefüge und gesamte Landschaftsorganisation.2 Auch frühgeschichtliche Landschaften sind nicht einfach Ansammlungen von Siedlungsnetzen samt Wegeverbindungen zwischen den Dörfern, sondern nicht nur nach Meinung der Forschung soziale und mentale Konstrukte.3
1 Steuer 2007. 2 Siedlungs-, Gehöft- und Hausformen 2005. – Ähnlich jetzt die Habilitationssschrift von Hans-Jürgen Nüsse 2014, oder auch Meyer (Hrsg.) 2010: Haus – Gehöft – Weiler – Dorf . 3 Settlement and Landscape 1999, S. 329 als Überschrift für eine Sammlung von Beiträgen: „The landscape seen as a social and mental construct“, S. 331 „Ordering landscapes“ (Herschend 1999),
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Heiko Steuer
Wie waren die Siedlungen, das Siedlungsnetz und die Landschaft zur Zeit der römischen Invasionen strukturiert, wie haben sich Herrschaft und Stammesgruppierungen in der Landschaft manifestiert? Worauf stießen die römischen Truppen beim Marsch durch die Landschaften? Es zeigt sich, dass die militärische Dominanz Roms sich nicht so unmittelbar im archäologisch fassbaren Siedlungsbild ausdrückt. Manche Kartenbilder suggerieren aber, dass Rom auf dem Weg war, Norddeutschland zur Provinz zu machen; Einfärbungen beziehen entweder die Landschaften südlich der Nordseeküste mit ein oder sogar alle Gebiete bis zur Weser.4 Aufgrund des unterschiedlichen archäologischen Forschungsstandes kann man auch nicht nur die beginnenden Mittelgebirgszone, also von Kalkriese bis Hedemünden betrachten, sondern es muss erlaubt sein, für analogisches Vergleichen weiter nach Norddeutschland und Jütland sowie in die Niederlande auszugreifen, weil dort die Zahl und der Umfang der ausgegrabenen Siedlungen wesentlich größer ist als im Binnenland. Den Forschungsstand in Südniedersachsen fasst Klaus Grote in seinem Buch über das Römerlager Hedemünden zusammen, ergänzt durch eine Karte (Abb. 1 entspricht Abb. 11 des Aufsatzes von Klaus Grote im Farbteil).5 Der Süd-Nord verlaufende, 40 km lange und bis 10 km breite Leinetalgraben war eine offene, flächig besiedelte Landschaft. Die nachgewiesenen Siedlungsplätze liegen dicht an dicht, nur wenige Kilometer auseinander. Aber: „Allerdings liegen aus fast allen genannten Orten keine oder nur sehr ausschnitthafte, zudem ältere Untersuchungen vor, sodass hier vermutlich auf lange Zeit keine detaillierten Aussagen möglich sind“.6 Die Landschaft machte es den römischen Truppen beim Durchmarsch durch das weitgehend gerodete und verkehrsoffene Gebiet leicht,7 weil alle Möglichkeiten zum Fouragieren, Plündern und Zerstören der maßgeblichen Siedlungen wie Dörfer, Burganlagen (?) und andere Zentral-/Kultorte gegeben waren.8 Die Situation bei Kalkriese ist ähnlich. Zu Füßen des Berges verlief seit eh und je und auch weiterhin ein viel begangener Verkehrsweg.9 Und nahebei gab es in der fruchtbaren Landschaft germanische Siedlungen, die hier wenigstens teilweise archäologisch erschlossen sind, und Joachim Harnecker meint: „Kalkriese war kein germanischer Urwald – Was Siedlungsfunde über den Ort des Schlachtgeschehens verraten“.10 Mehrere Siedlungsplätze, die mit Sicherheit zur Zeit der Schlacht bestan4 Beispielsweise Eck 2009, S. 143 Abb. 2. 5 Grote u.a. 2012, S. 310 ff. mit Karte Abb. 325. 6 Grote u.a. 2012, S. 311 Anm. 42. 7 Das Klischee vom undurchdringlichen germanischen Urwald zieht sich bis in die neueste wissenschaftliche Literatur, vgl. dazu Steuer 2007, S. 337 und neu Fried 2014, S.10. – Was man unter umfassender Bewaldung versteht, ist relativ: Heute ist Deutschland immerhin zu einem Drittel noch und wieder mit Wald bedeckt 8 Grote u.a. 2012, S. 311. 9 Schlüter / Wiegels 2000. 10 Harnecker 2009, S. 89-91 mit Karte S. 88.
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den, sind archäologisch in der Hangsandzone am Fuß des Kalkrieser Berges erfasst (Abb. 2).
Abb. 2: Siedlungen zu Füssen des Kalkrieser Berges während der späten Eisenzeit und der frühen Römischen Kaiserzeit (nach Harnecker 2009, S.88 Abb. 1 – verändert).
In der Siedlung beim Hof Dröge wurden zudem Fundmaterialien und Metallschrott geborgen, die zeigen, dass hier Plünderungsgut von Schlachtfeldern weiterverarbeitet wurde.11 Einige zweischiffige Hausgrundrisse der Siedlung Dröge sind dokumentiert. Nicht weit entfernt ist zuvor schon bei Engter, Stadt Bramsche, eine germanische Siedlung ausschnitthaft ausgegraben worden,12 wobei jedoch immerhin Hausgrundrisse von 15 bis 20 m Länge erkannt werden konnten, ebenfalls zumeist zweischiffig. Jürgen Pape hat seinerzeit eine Karte erstellt, die zwei Hauslandschaften in der Germania abbildet:13 Im Süden zum Mittelgebirge hin dominieren zweischiffige Häuser – also mit einer Pfostenreihe in der Mitte unter dem Giebelverlauf –, deren Verbreitung sich auch weit nach Westen über den Rhein ins Gebiet der Bataver erstreckt. Im Norden zur Küste hin herrschen die dreischiffigen Wohn-Stall-Häuser vor.
11 Harnecker 2009, S. 91 mit Abb. 3. – Wie die Kommunikation im Netz der germanischen Siedlungen funktioniert hat, belegen die Fragmente der Reiterstatue aus der römischen „Stadtgründung“ Waldgirmes, die in verschiedenen Dörfern der näheren und weiterern Umgebung ausgegraben worden sind: Schäfer / Schroth 2009; Schnurbein 2011, S. 95-97. 12 Pape 1993, S. 307-321, hier S. 309 mit Abb. 3. 13 Pape 1993, S. 313 mit Abb. 4.
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Heiko Steuer
Abb. 3: Archäologisch erforschte Siedlungen der späten Eisenzeit und Römischen Kaiserzeit in Jütland (nach Møller-Jensen 2010, S. 198 Fig. 1 – verändert).
Aber alle diese Befunde reichen nicht aus, um ein einigermaßen vollständiges Bild des Siedlungsmusters in der Germania zu gewinnen. Deshalb ist ein Blick auf die Küstenzone, nach Jütland und in die Niederlande notwendig. Die Zahl meist fast vollständig ausgegrabener Siedlungen, wobei Flächen von 15 bis 20 Hektar abzudecken waren, ist in den wenigen letzten zehn Jahren außerordentlich angestiegen, so dass die älteren zusammenfassenden Publikationen von Georg Kossack14 oder der Göttinger Akademie-Kommission15, beide aus dem Jahr 1997, schon deutlich überholt sind. Für das mittlere Jütland zeigt eine Karte aus dem Jahr 2010, zusammengestellt von Erik Møller-Jensen, wie die ausgegrabenen Siedlungsplätze geballt in oft weniger als 5-10 km Entfernung auseinander liegen (Abb. 3).16 Für dänische Landschaften gibt es 14 Kossack 1997. 15 Beck / Steuer (Hrsg.) 1997, darin: Sten Hvass, The Status of the Iron Age Settlement in Denmark, S. 377-413, und W. Haio Zimmermann, Haus, Hof und Siedlungsstruktur auf der Geest vom Neolithikum bis in das Mittelalter im Elbe-Weser-Dreieck, S. 414- 460. 16 Møller-Jensen 2010, S. 198 Fig. 1.
Landschaftsorganisation, Siedlungsnetz und Dorfstruktur in der Germania
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weitere Kartierungen, die zeigen, in welch geringem Abstand die Siedlungen der vorrömischen Eisenzeit und der Römischen Kaiserzeit lagen;17 und es gibt – nur als ein Beispiel –auch für das Havelland in Deutschland eine solche Kartierung.18 Es fällt nun leider auf, dass anders als in der Küstennähe zur Nordsee weiter im Binnenland seltener Siedlungen der Zeit um Chr. Geb. untersucht worden sind. Es liegen meist nur Ausschnitte einer Siedlung vor, kaum jedoch eine Gesamterforschung wie in Jütland oder dem nördlichen Niedersachsen und den Niederlanden. Die jährlichen Berichte der Archäologischen Bodendenkmalpflege bringen stattdessen – wegen anderer Faszinierung – häufiger Ergebnisse zu römischen Siedlungsgrabungen, Villenuntersuchungen oder Lagererforschungen, so beiderseits des Rheins und im westlichen Westfalen.
2 Befestigungen und „Herrenhöfe“19 Auf dem Rückmarsch von seinem Feldzug gegen die Chatten im Jahr 15 n. Chr. kam Germanicus dem Hilferuf des Segestes nach, der von Arminius belagert wurde. Wenig später trafen Gesandte von Segestes ein mit der Bitte um Hilfe gegen die Übermacht seiner Landsleute, von denen er eingeschlossen wurde; die stärkere Stellung bei ihnen besaß ja Arminius… Dem Germanicus war es der Mühe wert umzukehren; es kam zu einem Kampf mit den Belagerern und zur Befreiung des Segestes samt einer großen Schar von Verwandten und Gefolgsleuten. Dabei waren vornehme Frauen, darunter die Gattin des Arminius und Tochter des Segestes… Man brachte auch Beutestücke von der Niederlage des Varus, die zumeist den Kriegern, die sich jetzt unterwarfen, als Beuteanteil gegeben worden waren… (Tac. Ann. I 57).20
Zwar wird nicht gesagt, worin oder wie sich Segestes verschanzt hatte bzw. wie die Belagerung organisiert war. Ich gehe aber von einem größeren befestigten Gehöft aus. Der knappe Text spricht von einer höheren Zahl von Menschen, genannt werden die Familie, Gefolgsleute des Segestes und Krieger, die belagert und von Germanicus befreit wurden. Wie soll man sich dieses herrschaftliche Anwesen des Segestes vorstellen, das für so viele Menschen Schutz bot, nicht leicht erobert werden konnte, sondern belagert werden musste. 17 Kaldal Mikkelsen 1999, S. 184 Fig. 5: Siedlungsplätze der späten vorrömischen Eisenzeit; weitere Abb. für Jütland bei Steuer 2007, S. 350 mit Abb. 6.1 (nach Rindel 1999, S. 82 Fig). 18 Steuer 2007, S. 351 Abb. 6 (nach May 2002, S. 33 Abb.). 19 Bederkesa 2010. 20 Neque multo post legati a Segeste venerunt auxilium orantes adversus vim popularium, a quis circumsedebatur, validiore apud eos Arminio… Germanico pretium fuit convertere agmen, pugnatumque in obsidentis, et ereptus Segestes magna cum propinquorum et clientium manu. Inerant feminae nobiles, inter quas uxor Arminii eademque filia Segestis… ferebantur et spolia Varianae cladis, plerisque eorum qui tum in deditionem veniebant praedae data (Heller 1982, S. 82 f.).
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Das Gehöft scheint nicht nur aus einem großen, von einem Zaun oder einer Palisade umgebenen, Haus bestanden zu haben, sondern wird stärker befestigt gewesen sein. Wie sehen dazu archäologische Befunde aus? Mehr oder weniger stark befestigte Großhöfe hat es in vielen Perioden der Ur- und Frühgeschichte gegeben, solche aus der frühen Römischen Kaiserzeit wären somit nichts Besonderes. Aus der Hallstattzeit (bis 450 v. Chr.) sind – ebenfalls erst in den letzten Jahrzehnten – hunderte von rechteckigen Herrenhöfen entdeckt worden, deren Verbreitung kartiert wurde.21 Viele sind auch ausgegraben worden. Bis zu drei und fünf Palisaden- und Grabenzüge hegen die Höfe ein, und auf der Fläche standen mehrere Wohn- und Wirtschaftsbauten. Auch für die Latènezeit (bis gegen 50 v. Chr.) sind ähnliche Gehöftplätze in dichter Verbreitung in Süddeutschland und Nordfrankreich nachgewiesen. Sie werden als Viereckschanzen22 bezeichnet, wegen des öfter noch erhaltenen Walles, wurden früher als Kultanlagen gedeutet, haben aber jetzt nach zahlreichen Ausgrabungen erkennen lassen, dass es sich um landwirtschaftliche Gehöfte gehobenen Ranges handelt, die entweder abseits oder aber auch inmitten sonstiger Gehöftverteilung liegen. Aus der späten Latènezeit sind weiterhin im Norden, beiderseits des Niederrheins befestigte Siedlungen mit zahlreicher Innenbebauung nachgewiesen. So gibt es räumliche und zeitliche Zusammenhänge zu den ebenfalls befestigten Herren-Gehöften im germanischen Norden. Hier sind sie aber bisher sehr viel seltener entdeckt oder ausgegraben worden. Großsiedlungen wie die Oppida, oftmals Höhenbefestigungen, werden allgemein als „keltisch“ angesprochen; sie reichen aber fast ins „germanische“ Gebiet hinein, bis zum Nordrand der Mittelgebirge in Mitteleuropa, was aus topographischen Gründen naheliegend ist, so dass schon deshalb mögliche Befestigungen im Flachland aus der späten vorrömischen Eisenzeit anders strukturiert und gebaut sein müssten. Die Schnippenburg im Landkreis Osnabrück, datiert ins 3.-2. Jahrhundert, ist eine mittellatènezeitliche Befestigung mit umfassend belegten Kultaktivitäten.23 Die Pipinsburg bei Osterode im Südharz ist nach frühen Phasen ebenfalls in der Mittellatènezeit als Befestigung mit Oppidum-Charakter zu werten.24 Dass sich am Rande der Mittelgebirgszone auch eine kulturelle Grenze festmachen lässt, spiegelt z.B. die Verbreitung bestimmter Grabformen, wie sie Bernhard Sicherl25 und Wolfgang Schlüter26 kartiert haben, oder wie Frank Verse anhand der Verbreitung keltischer Münzen der Mittel- und Spätlatènezeit zeigen kann, die nicht weiter nach Norden vorkommen.27 Die römischen Armeen zogen also teilweise durch Landschaften, deren 21 Berg-Hobohm 2010. 22 Wieland 2006; Büchsenschütz / v. Nicolai 2012, S. 382 mit Verbreitungskarte. 23 Möllers 2007; Schlüter 2004. 24 Schlüter 2003; Caselitz / Schlüter 2013. 25 Sicherl 2007, S. 133 Abb. 19. 26 Schlüter 2007, z.B. S. 295 Abb. 2 und S. 297 Abb. 4. 27 Verse 2007, S. 160 Abb. 10.
Landschaftsorganisation, Siedlungsnetz und Dorfstruktur in der Germania
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Zugehörigkeit, wenn man mit solchen alten ethnischen Bezeichnungen noch arbeitet, zum keltischen oder zum germanischen Siedlungsraum unklar oder wechselnd ist. Das zeigt auch deutlich eine Karte der Kulturgruppen-Verteilung am Ende der vorrömischen Eisenzeit (Abb. 4, siehe Farbteil).28 Eigentlich weiß man sehr wenig von Befestigungen oder Burgen bei den Germanen.29 Eine erste Karte bietet Jes Martens (Abb. 5).30
Abb. 5: Wallanlagen der vorrömischen Eisenzeit und der Römischen Kaiserzeit (nach Martens 2007, S. 88 Fig. 1 - Ausschnitt).
Lange bekannt sind die Ringwallanlagen Heidenschanze und Heidenstadt in der Nähe von Sievern, Ldkr. Cuxhaven, von denen aber kaum aufschlussreiche Befunde vorliegen, was die mögliche Innenbebauung angeht. Die Heidenschanze31 besteht aus einem 2 ha großen umwallten Kernwerk und einer äußeren Umwallung, die 10 ha einschließt. Die mehrfach erneuerte Holz-Erde-Konstruktion der Befestigung war von der Mitte des 1. Jahrhundert v. Chr. bis an das Ende des 1. Jahrhundert n. Chr. in Funktion. Die erste Phase des 1,4 km langen Außenwalls war durch einen Zaun mit davor- und dahinter liegendem Graben nur recht schwach befestigt und datiert in die Jahrzehnte kurz vor oder um Chr. Geb. Die jüngere Phase ist ein 1,5 m hoher Wall, in den dann die Palisade aus mächtigen Spaltbohlen aus Eichenholz eingesetzt worden ist, insgesamt sind bei 1,4 km Länge 4200 solcher Bohlen verbaut worden, 79 n. Chr. 28 Müller 2007, S. 266 Abb. 1. 29 Mildenberger 1978. 30 Martens 2007, S. 88 Fig. 1. 31 Schmid 1999a; Schön 2000.
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dendrodatiert. Über die Innenbebauung ist aber (noch) wenig bekannt, anscheinend konzentrierten sich die Bauten hinter dem inneren Wall.32 In dieselbe Zeit gehört – so nahm man früher an – die in nur 800 m Entfernung gelegene Befestigung Heidenstadt,33 ein Ringwall von 220x180 m Durchmesser, wiederum ein Wall aus einer Holz-Erde-Konstruktion samt vorgelagerter Palisade und einem Graben. Neue Ausgrabungen im Innenraum und am Wall und den Toren ergeben aber andere Datierungshinweise. Danach gehört die Befestigung erst in das 4. und 5. Jahrhundert, und die Keramikfunde am Ort aus der Römischen Kaiserzeit kommen aus einer älteren, nicht befestigten Siedlung.34 Jüngst sind einige weitere Anlagen südlich von Cuxhaven bei Prospektionen entdeckt worden.35 Verglichen wird die befestigte Anlage Heidenschanze seit langem mit Befunden in den Niederlanden, Provinz Drenthe, den nahe beieinander liegenden umwallten Gehöften oder Speicherplätzen Zeijen I und II, Vries und Rhee, die jeweils sehr unterschiedliche Grundrisse und mehrere Ausbauphasen aufweisen. Die ersten Phasen gehören in die frühe Römische Kaiserzeit. Sie sind wesentlich kleiner als die beachtliche Anlage der Heidenschanze, entsprechen damit eher der üblichen Fläche umzäunter Gehöfte dieser Epoche, sie sind so klein, „daß sie einem massiven Angriff wohl kaum standgehalten hätten“.36 In Jütland sind inzwischen einige befestigte Siedlungen ausgegraben worden, die in die vorrömische Eisenzeit bis in die Zeit um Chr. Geb. datiert werden. Oftmals sind die Umwehrungen nur Gräben und schlichte Palisaden, es gibt aber auch stärker befestigte Anlagen. Zu den ältesten bekannten Befestigungen gehört Borremose in Himmerland, Jütland,37 geschützt in einer Niederung gelegen mit einem starken Wall und breitem Graben, 150 m Nord-Süd und 80-100 m Ost-West messend (Abb. 6). Ein steingepflasterter Weg führt ins Innere, wo Grundrisse von 33 Langhäusern ergraben sind (Grabungen 1929-1945, in den 1960er Jahre und wieder 1989-1996), die jedoch nicht gleichzeitig gestanden haben. Die Siedlung wurde im 4. Jahrhundert v. Chr. gegründet und bestand bis ins 2. Jahrhundert v. Chr., also rund drei Jahrhunderte. Wieviele Gebäude gleichzeitig gestanden haben, ist leider aufgrund des unscheinbaren Fundmaterials nicht sicher zu beschreiben; jedoch heben sich in den verschiedenen Phasen jeweils Baukomplexe aus mehreren, meist zwei oder drei Häusern aufgrund ihrer Größe und Lage heraus, die als „Herrenhöfe“ gedeutet werden, als Sitz des Siedlungsgründers und reichsten Familienverbandes.
32 Aufderhaar et al. 2009 (2011) S. 2003-2006 (Iris Aufderhaar). 33 Schmid 1999b. 34 Aufderhaar et al. 2009 (2011) S.194-202 (Matthias D. Schön) 35 Mündliche Mitteilungen bei der Tagung 2012 in Göttingen. 36 Waterbolk 2007, S. 496. 37 Martens 2010; 2007, S. 89-93.
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Abb. 6: Befestigte Siedlung von Borremose, Nordjütland. 1 Grundriß mit sämtlichen, aber nicht gleichzeitig stehenden Häusern, 2 Lage des Gründergehöftes (dunkelgrau) und Langhäuser mit ausgeprägtem Wohnteil (nach Martens 2010, S. 186 Fig. 6 und S. 191 Fig. 16).
Etwas jünger, aber ähnlich in der Lage, hier auf einem leichten Höhenzug, und vergleichbarer Struktur, ist die befestigte Siedlung von Lyngsmose im mittleren Westjütland nahe Ringkøbing (ausgegraben 2000-2002), 90 x 60 m messend (Abb. 7).38 Mit dem Hinweis darauf, dass die Siedlungen der vorrömischen Eisenzeit in Dänemark dicht beieinander, oft nur 2 km von einander entfernt lagen, wird diese stark befestigte mehrphasige Siedlung innerhalb der Siedlungsstreuung eingeordnet. Sie ist mit einem breiten und tiefen Graben, in denen angespitzte Hölzer eingesetzt waren, gesichert. Zahlreiche Wohn-Stall-Häuser sind nachgewiesen, also Gebäude für Landwirtschaft und Viehhaltung (mit Boxen für die Rinder). Von denen sind im südlichen Bereich in der älteren Phase um 100 v. Chr. mit sechs Gebäuden zwei bis 13 m lang Häuser durch einen inneren Zaun zusammengefasst. In der jüngeren Phase um Chr. Geb. standen 15 größere und zwei kleinere Häuser in der Befestigung. Die Ausgräber schätzen insgesamt 120 bis 150 Bewohner. In diese späte Phase der vorrömischen Eisenzeit bis um Chr. Geb. gehört auch die schon länger bekannte ebenfalls mehrphasige Siedlung Hodde in Westjütland.39 Hier ist eine größere Anzahl von dreischiffigen Wohn-Stall-Häusern (mit Vieh-Boxen) insgesamt von einer Palisade eingehegt, und innerhalb der Ansiedlung sind wiederum einige Hauskomplexe mit einem zusätzlichen Zaun umschlossen. Ein Hofkomplex im Norden besteht aus dem größten Haus der Siedlung, das zudem besonders 38 Eriksen / Rindel 2005; auch Rindel 2001. 39 Hvass 1985; 1997, S. 392 f. mit Fig. 1-3; Martens 2010, S. 182 Fig. 1; vgl. Steuer 2007, S. 347 f. mit Abb. 5.
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stark befestigt ist, und einem zugehörigen kleineren Gebäude ohne Stallteil, ebenfalls extra eingezäunt. Aufgrund des engen Tores in der Umzäunung, noch unterteilt durch einen starken Pfosten, wird dieses Haus als Kultgebäude gedeutet.40 Die größte Anzahl von Häusern wird in die Zeit um Chr. Geburt datiert. Der besondere Hofkomplex, der zudem über einige Generationen am Ort bestand und mehrfach erneuert wurde, wird als Häuptlings-Farm gedeutet.
Abb. 7: Befestigte Siedlung von Lyngsmose, Westjütland. 1 Ältere Phase, links, 2 Jüngere Phase, rechts (nach Martens 2007, S. 93 Fig. 5).
Die zuerst in der Forschung als Herrengehöft angesprochenen Baustrukturen wurden von 1954 bis 1963 von Werner Haarnagel auf der Feddersen Wierde ausgegraben.41 In der Wesermarsch wurde eine Flachsiedlung im 1. Jahrhundert v. Chr. gegründet und bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. in vier Phasen ausgebaut mit bis zu 11 Wirtschaftseinheiten. (Siedlungshorizont [SH] – SH 1a: 5 Familien Wohn-Stall-Haus mit Speicher; SH 1b: 8 Betriebe mit 20 m langen Häusern; SH 1c: 8 Betriebe, die leicht verlagert sind gegenüber den älteren Strukturen; SH 1d: nun schon 11 Wirtschaftsbetriebe, unter denen sich ein Gehöft heraushebt: es besteht aus 2 kleinen und 2 großen Wirtschaftsbetrieben, ein Haus von 28 m Länge und eine Mehrbetriebseinheit). Erst in der Phase SH 2 errichtete man die ovale Anordnung einer größer werdenden Wurt. Innerhalb von 250 Jahren erfolgte ein Anstieg der Zahl der Gehöfte von 5 auf 26. Im Südwesten 40 Martens 2010, S. 182 mit Fig. 1. 41 Schmid 1994; Schmid 2010; Burmeister / Wendoski-Schünemann 2010.
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der Wurt entwickelte sich ein besonders großer Gehöftkomplex, der als Herrenhof bezeichnet wird. Im Siedlungshorizont 4 in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. ist diese Anlage mit einer Palisade befestigt, die mehrere Wohn-Stall-Häuser, Speicher und Werkplätze, aber auch – das ist wichtig – zwei große dreischiffige Gebäude umschließt, in denen kein Vieh aufgestellt werden konnte, sog. Versammlungshäuser. Dieser Großhof war schon im Siedlungshorizont 1d im frühen 1. Jahrhundert zu erkennen und entwickelte sich also an derselben Stelle über mehrere Jahrhunderte und einige Generationen immer weiter. Über seine Funktion entspann sich in den letzten Jahren eine Diskussion, auch verbunden mit einer neuen Auswertung der alten Grabungsbefunde. Doch bleibt es bei der besonderen Struktur dieses Anwesens.42 Der Übergang vom Zaun zur stärkeren Palisadenbefestigung ist natürlich fließend; oft sind auch nur die mehr oder weniger breiten Gräben bei den Ausgrabungen erfasst worden. Als Beispiel bringe ich die Siedlung Oss-Almstein aus den südlichen Niederlanden links des Rheins. Hier sind die zweischiffigen Wohn-Stall-Häuser fast immer an derselben Stelle wieder errichtet worden, die Siedlung wanderte also nicht, und der breite Graben schloss mehrere Häuser ein.43 In diesem Zusammenhang sei auch noch die Siedlung Priorsløkke44 beim Horsens Fjord in Jütland genannt, weil hier ein besonders komplizierter Befund vorzuliegen scheint. Ein Befestigungsgraben schließt die gesamte Siedlung mit zahlreichen Wohn-Stall-Häusern bzw. Gehöften ein, datiert in die ältere Römische Kaiserzeit. Bei Ausgrabungen 1980-1983 wurden auf einem Areal von 150 zu 75 m 47 Häuser unterschiedlicher Größe, zweiphasig auf einer Insel in der sumpfigen Niederung erfasst. Die erste Hauptphase bestand aus 14 bis zu 12 m langen Häusern, die zweite Phase aus drei 15-16 m langen Häusern. Die Siedlung bestand insgesamt bis höchstens 200 n. Chr. und wurde kriegerisch zerstört. Ein 3 m breiter und bald 2 m tiefer Befestigungsgraben mit einer Palisade dahinter wurde in der Spätphase, erst kurz vor der Zerstörung der Siedlung errichtet. Die Ausgräber meinen, dass dieses Dorf somit nicht als befestigte Siedlung zu betrachten sei; denn die Anzahl der verbauten Palisadenpfosten entspräche genau der Anzahl aller Hauspfosten. Erst durch die Zerstörung des Dorfes war der Bau der Befestigung möglich. Weil die Siedlung inmitten eines größeren Territoriums lag, über das ein Häuptling geherrscht habe, hatte er als Kriegsfürst die Möglichkeit zu befehlen, das Dorf zu zerstören, um eine sichere Befestigung zu bauen. Experimente haben gezeigt, dass nur 40 Männer in einer Woche Graben und Palisade haben bauen können. Der komplexe Befund spiegelt einen innergermanischen Krieg, in einer Zeit, als auch im Moor von Illerup das erste Kriegsbeuteopfer niedergelegt worden ist. Erinnert sei an die flüchtigen Befestigungen Heidenschanze und Heidenstadt an der südlichen Nordseeküste, die auf ähnliche Weise entstanden sein können. 42 Schmid 2010; Burmeister / Wendoski-Schünemann 2010. 43 Jansen / Fokkens 2010, S. 141 f. mit Fig. 8. 44 Kaul 1999, S. 60 ff. mit Fig. 9; 2003.
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Überblickt man die Befunde, so kann zusammengefasst werden, dass vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis ins 2. Jahrhundert n. Chr. immer wieder befestigte Siedlungen, oft mit einem größeren, besonders geschützten Hof archäologisch nachgewiesen sind. Vom Areal her ist die Einwohnerzahl sicherlich nicht gering gewesen. Zum belagerten Hof des Segestes bieten diese Befunde reale Beispiele als Vergleich an. Es muß aber angemerkt werden, dass der Kenntnisstand zu „germanischen“ Befestigungen der Römischen Kaiserzeit nördlich des Mittelgebirgsrandes immer noch völlig unbefriedigend ist. Seit der Zusammenstellung von Gerhard Mildenberger von 197845 hat sich das Bild nicht wesentlich geändert; es gibt viele fragliche und unklare Befunde. Mildenberger hatte die Befestigung „Schwedenschanze“ bei Isingerode an der Oder erwähnt, ein Ringwall von 180 auf 140 m Abmessung; erneut wurde dort ausgegraben und eine bronzezeitliche Befestigung nachgewiesen. Dabei zeigte sich außerdem, daß der jungbronzezeitliche innere Wehrgraben erneut ausgehoben und auf dem alten Wall eine Holzplankenmauer mit mächtigen Stützpfosten errichtet worden war. Diese Erneuerung wird in die Zeit zwischen 12 v. und 16 n. Chr. datiert,46 in die Zeit der römischen Angriffskriege. Die Deutung als Befestigung liegt nahe, aber weitere Aussagen zum Inneren der Anlage sind bisher nicht möglich. Doch zeigt dieses Beispiel, dass mit vielerlei Überraschungen gerechnet werden kann, wenn Ausgrabungen intensiver fortgesetzt und tatsächlich alle Phasen einer Befestigung auch erkannt werden. Schließlich sei noch auf einige Wallanlagen auf den Nordfriesischen Inseln hingewiesen, die zwar archäologisch untersucht sind, aber wenig Aufschlüsse über eine ehemalige Innenbebauung bieten. Es handelt sich um die Archsumburg und die Tinnumburg auf Sylt, die Lembecksburg auf Föhr und die Anlage Trælbanken in NordSchleswig. Sie werden als kultische Zentren oder lokale Opferstätten der umliegenden Bevölkerung gedeutet, die auch wegen der geringen Wallhöhe der Ausbauphase während der Römischen Kaiserzeit keine fortifikatorische Funktion gehabt haben können.47 Die heutige Wallhöhe der Tinnumburg von über 5 m entstammt erst der Wikingerzeit, aus der auch Gebäude im Innenraum nachgewiesen sind. Sie werden aber auch anders interpretiert, nicht als befestigte Herrenhöfe oder Opferstellen, sondern als „große kollektive Verteidigungsanlagen“,48 politisch verglichen mit den Landwehren wie dem 12 km langen Olgerdiget, der jetzt in seiner ersten Phase um 50 n. Chr. datiert und von der Anlage Æ Vold ab 125 n. Chr. abgelöst wird, gelegen in Jütland.
45 Mildenberger 1978, Karte 3 und 4. 46 Steinmetz 2013, S. 57. 47 Harck 1990; Brieske 2005, S. 614. 48 Ethelberg 2009, S. 174 f.; auch Ethelberg 2007; Christensen 2006b.
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3 Großhof und Halle - Hierarchie in der Siedlung Wie bei den befestigten Siedlungen, für die Beispiele über Jahrhunderte zu verfolgen sind, bieten auch die zahlreichen ausgegrabenen Siedlungsplätze jeweils sehr individuelle Befunde, kaum Regelerscheinungen, was daran liegen wird, dass noch immer nur eine kleine Auswahl ehemals existierender Ansiedlungen erschlossen worden ist, wobei nicht sicher ist, ab wann ein repräsentativer, statistisch ausreichender Querschnitt für die auswertende Forschung vorliegt. Regelhaft zu beobachten ist aber die Vielphasigkeit aller Plätze; denn Häuser und die gesamten Siedlungen werden in Generationsabständen von 20 bis 30 Jahren erneuert, bei einer Wurt am selben Platz durch Aufhöhung, auf festem Land durch Verlagerung der gesamten Siedlung. Dies geschah sicherlich mit Blick auf die Ackerflur, über die wir aber nur recht wenig wissen. Andererseits erstrecken sich – wenn genügend große Areale freigelegt werden – diese Siedlungen bei unterschiedlich erfasstem Beginn über einen langen Zeitraum von Jahrhunderten, gar einem Jahrtausend. Mit dem Blick auf die Epoche der Germanenkriege ist festzustellen, dass diese militärischen Ereignisse keinen Einschnitt im Besiedlungsmuster in der Germania ausgelöst haben; vielmehr steht hinter der Geschichte einer dörflichen Ansiedlung ein jeweils individuelles Schicksal. Es macht aber Mühe, gerade die Phase der ersten Jahrzehnte n. Chr. herauszuarbeiten und vorzustellen, da oftmals die wandernden Siedlungen in dieser Zeit erstmal zu erfassen sind. Zwei charakteristische Elemente seien beschrieben: Zum einen kann für fast jede Siedlung – wenn ausreichend ausgegraben – eine Hierarchie der Gehöfte, was Größe, Viehstapel und Zahl der Gebäude pro Gehöft angeht, festgestellt werden. Ob man beim größten Gehöft von Dorfherrschaft sprechen darf oder besser nur unterschiedliche Ränge innerhalb einer Siedlung erkennen kann, soll hier nicht diskutiert werden. Zum anderen gibt es in manchen dieser Großhöfe ein hallenartiges Gebäude, das weder zur Unterbringung von Vieh, noch zum Wohnen einer Familie gedient hat, sondern als Versammlungs-, Fest- und/oder Kulthalle gedacht war. Die lange Existenz, bei regelmäßiger Verlagerung, einer Siedlung veranschaulicht immer noch am besten das Dorf Vorbasse, Vejle Amt, in Jütland (Abb. 8).49 In den Jahren 1974 bis 1987 wurden 23 ha Fläche freigelegt und ein über 1100 Jahre lang bestehendes wanderndes Dorf erschlossen. Um Chr. Geb. setzten im ausgegrabenen Teil innerhalb eines 700 x 100 m großen Gebietes zeitgleich drei Siedlungen ein, in der Mitte ein Dorf aus mehreren Höfen, links ein eingezäuntes Gehöft mit einem Haupthaus und zwei Nebengebäuden, also mit komplexer Gehöftstruktur. Die nächste Verlegung aller drei Siedlungen folgte in der Zeit von 100 bis 200 n. Chr., was sich bis über die Wikingerzeit hinaus fortsetzte.
49 Hvass 2006.
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Abb. 8: Vorbasse, Mitteljütland (nach Brather 2006, S. 74 Abb. 10 – verändert nach Hvass 2006).
Die wandernde Siedlung von 8 ha Größe bei Nørre Snede, Vejle Amt, wurde großflächig von 1979 bis 1986 erforscht.50 Sie bestand aus Dutzenden von Gehöften (166 Langhäuser und 132 Kleinhäuser), die sich linear von Südosten nach Nordwesten verlagern. Die älteste Phase im ausgegrabenen Bereich gehört ins 1. Jahrhundert n. Chr., und die Siedlung existierte bis ins frühe 8. Jahrhundert, mit einer fast gleichbleibenden strengen rechteckigen Parzellenstruktur, ablesbar an den Zaunverläufen.51
50 Hvass 1997, S. 406-409 mit Fig. 18-21 mit der Phasenabfolge im Gesamtplan der Siedlung; Holst 2010; Egeberg Hansen / Holst 2002. 51 Holst 2010, S. 162 Fig. 1: Lage in Mitteljütland nicht fern von Vorbasse, S. 163 Fig. 2 Gesamtplan der Ausgrabung, S. 165 Fig. 4 Zeittafel zu den Phasen.
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Weitere Beispiele aus Jütland seien noch genannt: Galsted52 aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., wo sich das Gehöft des „Großbauern“ deutlich heraushebt,53 und Vestergård 54 oder Garslev,55 außerdem Osterrönfeld, Kr. Rensburg-Eckernförde.56 Für diese Siedlung beschreibt Per Ethelberg einen Haustyp und kartiert dessen Verbreitung im westlichen Jütland; und diese Karte zeigt wiederum, wie dicht die seinerzeitigen Siedlungen beieinander gelegen haben.57 In Askov bei Vejen im mittleren Jütland wurde eine Siedlung der Zeit von 100 v. bis 50 n. Chr. ausgegraben, mit mehr als 25 Gehöften, die im Grabungsareal seinerzeit gleichzeitig gestanden haben.58 Ein Reihendorf aus der frühen Römischen Kaiserzeit wurde bei „Klosterbakken B“ bei Rødekro im südlichen Jütland großflächig ausgegraben. Der Platz gehört zu weiteren unmittelbar benachbarten Siedlunsgarealen wie „Klosterbakken D“ als Vorgänger aus der späten vorrömischen Eisenzeit und „Klosterbakken C“ als Nachfolger aus der Römischen Kaiserzeit. Zäune und beachtliche Langhäuser bezeugen Großgehöfte.59 Gekoppelt mit einer umfangreichen Eisenverhüttung auch schon in der Römischen Kaiserzeit sind beispielhaft die Siedlungen Drengsted und Snorup (Abb. 9).60 Über die große Bedeutung der dörflichen Eisenproduktion in der Germania als wichtiger Wirtschaftsfaktor zumindest für die Eigenversorgung, teils aber sicherlich auch mit einer Überproduktion, seit der Zeit um Chr. Geb. informiert Hauke Jöns, u. a. an der von ihm ausgegrabenen Siedlung Joldelund.61 Südlich der Nordseeküste wurde eine komplette Siedlungskammer im Ldkr. Cuxhaven archäologisch untersucht, mit Flögeln62, einem Dorf der Römischen Kaiserzeit und der Völkerwanderungszeit in der Mitte. Die Grabungen dauerten von 1971 bis 1986 und darüber hinaus; über 150 Langhäuser und ebenso über 150 Grubenhäuser des 1. Jahrhunderts v. bis 6. Jahrhundert n. Chr. wurden freigelegt. Im Grabungsareal wird der Siedlungsbeginn zur vorrömischen Eisenzeit und frühen Römischen Kaiserzeit erfasst. Es handelt sich um eine Streusiedlung im Bereich der Ackerflächen, der sog. celtic fields von 100 ha Umfang. Innerhalb und am Rande verteilt liegen die Einzelhöfe 52 Ethelberg 1995; 2001; 2007; 2009, S. 173 Abb. 4 in Farbe. 53 Ethelberg 2001: S. 60 Abb. 3 Galsted Dorf A 1. Jh. n. Chr., jüngste Siedlungsphase ältere Römische Kaiserzeit 2. Jh. n. Chr., S. 61 Abb. 3 A und B: älteste Siedlungsphase der älteren Römischen Kaiserzeit (1. Jh.) – weitere Siedlungen S. 64 ff. mit Abb. 8 Osterrönfeld, S. 67 f. Vestergard , S. 68 mit Abb. 13 Hjøhøj, S. 70 f. mit Abb. 15 sowie 16 Johannesminde und schließlich S. 72 mit Abb. 17 Skovminde. 54 Christensen 2006a. 55 Hvass 1997, S. 395 Fig. 5 Großhof des 1./2. Jh. n. Chr. 56 Ethelberg 2009, 174 Abb. 5 Plan der Siedlungsgrabung Osterrönfeld. 57 Ethelberg 2009, S. 176 Abb. 7: Verbreitung der Häuser vom Typ Osterrönfeld; eine weitere Verdichtung der Verbreitung dieses Haustyps in wenigen Jahren: Ethelberg / Kruse 2013, S. 104 Abb. 1. 58 Eisenschmidt 2006, S. 60 mit Abb. 2. 59 Lütjens 2008. 60 Nørbach 1999, S. 243 Fig. 6 und 7; zu Snorup besonders Nørbach 2005, Plan S. 179 Abb. 24. Häufung der Eisenverhüttungsöfen. 61 Jöns 1999; 2007; 2010. 62 Zimmermann 1995a; 1995b. Gesamtplan jetzt z.B. bei Dübner 2013, S. 226 Abb. 1.
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mit Wohn-Stall-Haus, Grubenhaus und ebenerdigem Nebengebäude. In der Grabungsfläche sind sechs Gehöfte angeschnitten. Die späteren Phasen ab dem 2. Jahrhundert sehen dann ein geschlossenes Dorf mit umzäunten sog. Mehrbetriebseinheiten – d.h. mit mehreren Wohn-Stall-Häusern innerhalb eines Gehöftplatzes –, die verschieden umfangreich sind und ebenfalls Rangunterschiede erkennen lassen.63 Ein weiteres Dorf auf der Geest ähnlich wie Flögeln ist bei Loxstedt ausgegraben worden, eine Wandersiedlung vom 1. Jahrhundert v. bis ins 3. Jahrhundert n. Chr.64
Abb. 9: Snorup, Ldkr. Ribe, Jütland. Ausschnitt aus dem Siedlungsplan (vollständig bei Nørbach 2005, S.179 Abb. 24). Außen am Zaun eines Gehöftes gereihte Eisenerzverhüttungsöfen (nach Nørbach 1999, S. 243 Fig. 7 – verändert).
Inzwischen gibt es weitere derartige Siedlungen auch in benachbarten norddeutschen Arealen, z.B. Groß Meckelsen, Ldkr. Rotenburg (Wümme), mit mehr als 100 Langhäusern, über 100 Grubenhäusern und 300 Rennfeueröfen.65 Schon vor langer Zeit wurde 1958 als erster Einstieg, leider nur unvollkommen publiziert, eine Dorfsiedlung bei Gristede im Ammerland ausgegraben, etwa 4 ha. Die Siedlung beginnt in der vorrömischen Eisenzeit und reicht bis in die Zeit um 500.66 63 Zimmermann 1995b, S. 262 Abb. 8: Streusiedlung des 1. Jahrhunderts n. Chr. – Neue Auswertung der Gehöftstrukturen Dübner 2013, S. 228 f. Abb. 2, 1-13: Phasenabfolge von 1. bis 4. Jh. n. Chr. 64 Zimmermann 2001. 65 Tempel 2003; 2004; Bock 2013. Ausgrabungen von 1987 bis 2002 und 2011. 66 Kauffmann 1999.
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Aus Jütland und den Niederlanden ließe sich die Zahl der vergleichbaren Beispiele noch deutlich vergrößern. Ebenso gibt es häufig den Beleg für ein innerhalb der dörflichen Siedlung herausgehobenes Gehöft, das meist für sich noch einmal mit Palisaden umgeben war.67 Auch in anderen Gebieten, dem östlichen Deutschland sind inzwischen großflächig Siedlungen der frühen römischen Kaiserzeit erforscht worden, z.B. Herzsprung in der Uckermark.68 Hier sind Großhöfe freigelegt worden, die den Vergleich mit norddeutschen und dänischen Befunden erlauben. Es gibt noch spezielle Typen von Siedlungen, weil dort die Häuser anders gebaut worden sind, mit breiten Sodenmauern, so bei Archsum auf Sylt69 oder in Vestervig, Jütland.70 Die Siedlung Vestervig besteht von 100 v. Chr. bis 450 n. Chr. aus sieben Phasen.
3.1 Hallen71 Ein Herrenhof ist durch mehrere Elemente gekennzeichnet, durch die Größe der Wirtschaftseinheit Wohn-Stall-Haus, durch ein weiteres Hallengebäude, das von der Größe her über die Hofbewohner hinaus als Versammlungsraum diente, in dem Feste gefeiert und Kulthandlungen vollzogen werden konnten. Über das Problem der Bezeichnung kann hier nicht weiter diskutiert werden, nämlich was ein Herrenhof war, ein Häuptlingshof, ein Herrschaftssitz, ein Adelshof, in anderer Sprache a magnate’s farm, a chieftain’s farm, a stormands gårde.72 Eindeutig bleibt jedoch der Rangunterschied zwischen einem solchen Herrenhof und den übrigen Gehöften einer dörflichen Siedlung. Unstreitig sind reine Hallenbauten auf der Feddersen Wierde seit dem Siedlungshorizont 3, zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr., aber vielleicht schon angedeutet ein Vorläufer im SH 1d bald nach der Zeitenwende zu beobachten.73 Für die Folgezeit sind Hallen-Gebäude immer wieder in jeweils einem der Gehöfte einer dörflichen Siedlung nachzuweisen, die im Verlauf der Jahrhunderte auch immer größer werden, bis hin zu den 90 m langen Hallen in Borg auf den Lofoten aus der Wikingerzeit.74 Auch ist der Zusammenhang von Halle und Kultbau nach den jüngsten Fund neu zu überdenken. Da Jes Martens für Haus I von Borremose aufgrund besonderer Beobachtungen (große Vorratsgefäße bei der Herdstelle als Versorgungs- und Speicherbe67 Martens 2010, S. 183 mit Fig. 2 (Omgård-Sig und Grønberg skole, West-Jütland); Hvass 1997, S. 394 Fig. 4, S. 395 Fig. 5 (Gårslev bei Vejle). 68 Schuster 2004. 69 Kossack 1997; Lütjens 2006; 2008. 70 Kaul 1999; 2006. 71 Herschend 1993; 1999; Løken 2001. 72 Martens 2010, S. 182 und Burmeister / Wendowski-Schüneman 2010, S. 45 ff. 73 Burmeister / Wendowski-Schünemann 2010, S. 49; Schmid 2010. 74 Magnus 2001; Munch 2003.
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hälter) eine Funktion als Gast- und Hallenhaus vermutet, käme man in die jüngere Phase der Befestigung, also schon ins 2. Jahrhundert v. Chr.75 Trond Løken bietet 2001 ebenfalls schon für die ältere Römische Kaiserzeit aus Norwegen (Rogaland) Beispiele für reine Hallengebäude an,76 ergänzt durch Beispiele aus Dänemark, von Hodde bis Nørre Snede in Jütland und Helgö in Mittelschweden. Er geht von Norwegen aus, wo er für die Zeit um Chr. Geb. eine stratifizierte Gesellschaft annimmt, weshalb dort auf dem Haupthof einer Siedlung auch ein „öffentlicher Raum“, eine Halle nötig war, in dem Festlichkeiten und Kulthandlungen hätten durchgeführt sowie Leitungsfunktionen hätten übernommen werden können. Anfangs könne u.U. auch schon nur ein Teil des Hauses dazu gedient haben, nämlich im Plan erkennbar, wenn die Mitte des Hauses weit auseinander stehende Pfosten aufweist und es also einen größeren freien Raum gab. Nachfolgend wurden in der späten Römischen Kaiserzeit separate Hallengebäude errichtet. Seine Hypothese ist gar, dass die Halle als öffentlicher Raum vor dem Ende der vorrömischen Eisenzeit aufgekommen sein muss, 300 bis 400 Jahre früher als bisher angenommen, früher als im Borremose des 2. Jahrhunderts v. Chr. oder mehr noch vor der Feddersen Wierde um Chr. Geb. bzw. dem 1. Jahrhundert n. Chr. Nicht übersehen werden sollte dabei aber außerdem, dass mehrfach langrechteckige reine Pfostenbauten parallel zum Gehöftzaun auch als Ställe gedeutet werden.
3.2 Kultbau Für die Siedlung mit Großhof von Hodde, in dessen Umfeld auch wertvollere Keramik und anderes qualitätsvolleres Material gefunden worden ist als in der Siedlung sonst, wird ein Haus als Kultgebäude interpretiert, was die hervorgehobene Stellung des „Herrenhofes“ unterstreicht. Das doppelt eingezäunte, relativ kleine Gebäude auf dem Herrenhof hat einen besonderen, durch einen schweren Pfosten noch einmal unterteilten Eingang, den nur Menschen einzeln passieren konnten.77 Im schwedischen Uppåkra bei Lund ist ebenfalls ein solches Vier-PfostenGebäude entdeckt und ausgegraben worden, das etwa vom letzten Jahrhundert vor Chr. Geb. bis in die Wikingerzeit an derselben Stelle immer wieder neu errichtet worden ist. Für spätere Phasen ist über Waffendeponierungen und niedergelegte Goldblechfigürchen der religiöse Charakter gesichert, so dass er auch zu Beginn als Kultbau gedient haben wird.78
75 Martens 2010, S. 190 f. mit Fig. 13-14. 76 Løken 2001, S. 56 f. Fig. 2 c-d. 77 Martens 2010, S. 182 mit Fig. 1. 78 Larsson (Ed.) 2004; Hårdh 2006; Larsson 2013.
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3.3 Römischer Einfluss? Im mittleren Jütland ist bei Tjørring79 seit 1993 ebenfalls großflächig auf 23 Hektar eine wandernde Siedlung ausgegraben worden (Abb. 10 und 11). Die Gehöfte decken eine Zeitspanne von 500 v. Chr. bis 200 n. Chr. ab. In regelmäßiger Abfolge heben sind auch Großhöfe heraus. Das rechteckige Gehöft des 1. Jahrhunderts n. Chr. mit den Abmessungen von ca. 60 auf 80 m und zahlreichen Gebäuden innerhalb der Umzäunung macht einen so sorgfältig vermessenen Eindruck, dass vermutet wurde, dahinter würde der römische Fuß von 29,6 cm stehen, was aber nicht der Fall ist. Vielmehr ergibt ein „prähistorisches“ eigenes Fußmaß von 16,5 bzw. 33 cm ebenfalls sinnvolle Abmessungen und Maßverhältnisse. Das regte aber trotzdem dazu an, dieses Gehöft mit römischen Villenanlagen im Rheinland zu vergleichen. Gräber mit auffälligen Beigaben, darunter wertvoller Schmuck und römische Bronzegefäße der Phase B1a (30-40 n. Chr.), in unmittelbarer Nähe spiegeln Kontakte zur römischen Welt. Wie dieser Einfluss zustande gekommen sein kann, mag man diskutieren: Söldnerdienst in einer Auxilia wie die Krieger des Arminius oder der Bataver; oder bei der in den Res gestae des Augustus erwähnten Expedition zur Kimbrischen Halbinsel oder der Expedition des Tiberius im Jahr 5 n. Chr. an die Küsten Jütlands oder Handelskontakte. Ein Blick in das Gebiet der Bataver westlich des Niederrheins zeigt aber durchaus ein anderes auffälliges Bild, nämlich die Beharrung in der Tradition germanischer Gehöftanlagen in manchen Landschaften zwischen Bereichen, in denen sich schon tatsächlich diese römische Villen-Kultur ausgebreitet hatte.80 Die Bataver blieben konservativ beim Wohn-Stall-Haus mit eingegrabenen Holzpfosten und Lehmwänden. Nur in einigen Fällen hatte man dem zweischiffigen Langhaus noch einen Säulenumgang, eine Portikus angefügt. Nico Roymans meint deshalb: „Diese Hybridformen illustrieren den hohen symbolischen Wert des einheimischen Wohnstallhauses innerhalb des batavischen Selbstwertgefühls, gleichzeitig sind die hinzugefügten Architekturelemente eine Aussage über die römische Identität und die damit verbundenen Absichten der Bewohner. Die Erbauer dieser romanisierten Bauernhäuser… müssen wir im Umfeld von ehemaligen Soldaten (und Offizieren) suchen, die über den entsprechenden Reichtum und Verbindungen zum Militär verfügten“ und weiter „Die Wohnstallhäuser und die Gräberfelder sind Symbole einer vorväterlichen Vergangenheit und gehören zum symbolischen Vokabular der Bataver bei der Verdeutlichung ihrer eigenen Identität“.81
79 Møller-Jensen 2010. 80 Roymans 2009 mit Karte Abb. 5 auf S. 90. 81 Roymans 2009, S. 92 und S. 93.
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Abb. 10: Tjørring, Jütland. Phasen der Siedlung (nach Møller-Jensen 2010, S. 199 Fig. 2 – Ausschnitt).
Auf einige weitere Beispiele derartiger rechteckig eingezäunter Parzellen mit mehrfacher Bebauung in der Maaskant Region der südlichen Niederlande, die wie Herrenhöfe wirken, sei noch hingewiesen.82 Während der vorrömischen Eisenzeit und der frühen Kaiserzeit, also in der Phase der römischen Einflussnahme und Besetzung wandelten sich die wandernden Dörfer in platzkonstante Siedlungen. Man interpretiert diese Anwesen als Sitze der Elite. Die Ähnlichkeit mit den jütländischen großen Rechteckanlagen ist tatsächlich erstaunlich. Beispiele sind die Gehöfte von Oss-Westerveld
82 Jansen / Fokkens 2010.
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Abb. 11: Tjørring, Jütland. „Fürstliches“ Gehöft (nach Møller-Jensen 2010, S. 203 Fig. 6 – verändert).
(gegraben 1976-1986) 83 mit den Abmessungen 260 auf 380 m bzw. 7,5 ha und zweifacher oder dreifacher rechteckiger Palisade, sowie auch Oss-Schalskamp84 mit den Abmessungen 150-180 m bzw. 2,6 ha und Palisadenumzäunung mit abgerundeten Ecken. Oss-Westerfeld weist fünf Bauphasen (von 25 v. Chr. bis 150 n. Chr.) mit wechselnder Lage der schließlich rund 30 Häuser auf. Ein Herrenhof mit einem römisch beeinflussten sog. Portikus-Haus hebt sich jeweils in der Südwestecke der Anlage heraus, in dem vor allem auch römische Keramik und Weinamphoren gefunden worden sind. Das Ganze wird als proto-villa bezeichnet, bewohnt von einem lokalen Anführer, dessen Ansehen auf alten Stammes- oder Familientraditionen beruhte und der den Kontakt zur römischen Herrschaft kontrollierte. Oss-Schalskamp, nur 400 m von Westerfeld entfernt, umschließt zweischiffige Wohn-Stall-Häuser aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr., ist also zeitgleich mit Oss-Westerfeld. Man kann eine Hierarchie der Siedlungen registrieren.85
83 Jansen / Fokkens 2010, S. 135 f. mit Fig. 2 und 3. 84 Jansen / Fokkens 2010, S. 137 mit Fig. 4. 85 Jansen / Fokkens 2010, S. 140 Fig. 7.
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4 Die Strukturierung des Naturraums 4.1 Hierarchien in der Landschaft Die Abbildung von Hierarchien der Siedlungen in der Landschaft versucht man auf verschiedenen Wegen zu erkennen. Ausgrabungsbefunde spiegeln die unterschiedliche Ranghöhe der Siedlungen. Der aber noch begrenzte Ausgrabungs- bzw. Pu blikationsstand zwingt auch bei dieser Frage dazu, Ergebnisse aus verschiedenen Landschaften zusammenzusehen und damit zu verallgemeinern. Die Elemente im Siedlungsnetz sind kleine Gehöftansammlungen und größere Dörfer, die Strukturen unterschiedlichen Ranges innerhalb der Siedlungen, darunter sind sog. Herrenhöfe, und auch Befestigungsanlagen. Die Dichte der bäuerlich-landwirtschaftlich ausgerichteten Gehöftkomplexe ist – wie die Karten zu Anfang zeigen – beachtlich; tatsächlich liegen die Siedlungen – wie es die Regel ist über die Zeiten hinweg – im Abstand von wenigen Kilometern, die „Gemarkungen“ mit Radius von 2 km stoßen aneinander. Verblüffend fast flächendeckend ist auch die Verbreitungsdichte von bestimmten Keramikformen der frühen römischen Kaiserzeit, die auch ohne Dorfgrabungen Siedlungsplätze eindeutig zu umschreiben erlaubt.86 Die Abfolge der Vormarschlager in der Germania wie bei Hedemünden sind zugleich Hinweise auf die Bevölkerungsdichte in der Germania und damit auch auf die militärische Stärke der Stammesgruppen. Über die Bevölkerungsdichte habe ich bei der früheren Tagung 2004/2007 in Osnabrück berichtet und eigene statistische Überlegungen dazu angestellt. Inzwischen gibt es neue Fakten, die zu vergleichbaren Ergebnissen führen, was die Bevölkerungsdichte angeht – in diesem Fall in den römischen Provinzen am Rhein.87 Der Aufsatz betrachtet sich als Beitrag zur Landschaftsarchäologie, hat also flächendeckend die Siedlungsnetze im Blick. Nico Roymans hat zudem für den kriegerischen Stamm der Bataver errechnet, dass die Gruppe aus nur etwa 40 000 Menschen bestand, die immerhin aber 5000 Krieger für römische Auxiliareinheiten zu stellen hatten, was ein Verhältnis von 8:1 bedeutet.88 Die erste Möglichkeit, Hierarchien zu erschließen, ist, dass man die bisher bekannten sog. Elite- oder Fürstengräber – die sichtlich eine Oberschicht und Herrschaft spiegeln – kartiert und mit Hilfe graphischer Methoden dann die Landschaft unterteilt (z.B. mit den sog. Thiessen-Polygonen oder der Methode der DelaunayTriangulation). Das kann aber nur ein momentanes Zufallsbild sein, was sich immer dann ändert, wenn neue ranghohe Fundkomplexe entdeckt werden. Ich habe das 86 Meyer 2009, S. 60 Abb. 3, S. 62 Abb. 6 Karten. 87 Wendt / Zimmermann 2009 mit Berichten zur Bevölkerungsdichte im Rheinland: 640 000 bis 1,3 Millionen, auf 131 850 km² - Bevölkerungsdichte 4,8-10 Einwohner auf dem km²; vgl. höhere Zahlen: Steuer 2007, S. 358 bis zu 60 Einwohner pro km². 88 Roymans 2009, S. 86; in Bezug auf 50% Männer 1:4.
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schlicht mit einfacher Kartierung für Norddeutschland versucht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass gegenwärtig das Herrschaftsgebiet einen Durchmesser von 20/30 bis höchstens 50 km hatte. Für Jütland ist das ebenfalls versucht worden, und man ist auf ähnliche Abstände bzw. Durchmesser von Herrschaftsgebieten gekommen.89 Michael Gebühr hat gezeigt, dass zur frühen Römischen Kaiserzeit das Verhältnis normale Personen zu einen „Fürst“ 1: 50 bis 1:300 betrug, in der späten Kaiserzeit dann aber 1:1000.90 Den Charakter und die Ranghöhe von Siedlungen oder Gehöften der frühen Römischen Kaiserzeit in der Germania möchte man gern durch den direkten Vergleich von Hausgrößen mit nahebei gelegenen „fürstlichen“ Bestattungen erschließen. Nur ist das bisher kaum gelungen. Genannt wurden schon die Befunde zu Tjørring mit rechteckigen Großgehöften und dabei liegenden reichen Gräbern. Gegenwärtig wird eine Siedlung bei Hitzacker im Kr. Lüchow-Dannenberg ausgegraben und ausgewertet, in dessen unmittelbarer Nähe – ein Zusammenhang besteht ohne Zweifel – die drei bekannten „Fürstengräber“ von Marwedel vor Jahren schon ausgegraben worden sind, die sich auf etwa zwei Generationen verteilen.91 Nachgewiesen sind jetzt Hausgrundrisse, die sich aber grundsätzlich kaum von anderen größeren Gehöften unterscheiden. Das Besondere ist hier übrigens wieder die Konzentration von Eisengewinnung auf demselben Areal.92 Ein zweiter Weg bietet sich über die Einbeziehung des Naturraumes an. Auch dies ist vor allem für Jütland versucht worden, weil dort tief ins Land reichende Flusstäler/Fjorde die Halbinsel gliedern. Außerdem gehört dann zu jeder Landschaftseinheit – doch erst in jüngerer Zeit – meist ein Platz für Kriegsbeuteopfer. Oder die Landschaftsteile sind zusätzlich mit Befestigungen, Palisadenzügen, Wällen und Gräben abgeriegelt. Bisher kam man mit den Datierungen nicht weiter als bis ins frühe 3. Jahrhundert zurück, so beim Olgerdiget.93 Doch neue Ausgrabungen haben differenziertere Aussagen geliefert, für den Olgerdiget eine erste Phase um 50 n. Chr., eine zweite um 70 n. Chr. und eine dritte um 90 n. Chr.94 Dem entspricht die Erwähnung bei Tacitus, der eine solche Befestigung für die ältere Römische Kaiserzeit nennt, den Angrivarierwall an der Grenze des Gebietes der Cherusker.95 Der dritte Weg wäre, aber mit noch größerer statistischer Unsicherheit belegt, die Kartierung von Siedlungen mit Herrenhöfen, was aber wiederum höchstens in Anfangsversuchen für Jütland möglich wäre. Denn noch geht die Diskussion darum, ob von einem Herrenhof, einer magnate’s farmstead, nur innerhalb einer größeren 89 Møller-Jensen 2010, S. 219 Fig. 24 nach Ethelberg 2003, S. 276 Fig. 152. 90 Gebühr 2009, S. 350 Abb. 7. 91 Laux 2001. 92 Nüsse 2007; 2009; 2014a,b; Bayer 2013. 93 Christensen 2003, S. 91 mit Karte Abb. 15. 94 Christensen 2006a; Ethelberg 2009, S. 175. 95 Tacitus, Ann. II 19.
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Dorfgemeinschaft Herrschaft ausgeübt werden konnte, der ‚Herrscher‘ dort vielleicht aber auch nur als primus inter pares zu sehen ist, oder ob man Plätze erkennen kann, in denen tatsächlich ein überregional wirkender Germane, Anführer, Adliger residiert hat. Per Ethelberg hat versucht, für das südliche Jütland solche Zentralorte der Herrschaft und damit die Größe der Territorien zu beschreiben (Abb. 12),96 mit dem Ziel, das Gebiet früher Herrschaftszentren zu definieren, die erkennbar seien aufgrund von Unterschieden im Hausbau und den Sachgütern. Ähnlich ist der Versuch, noch großräumiger Jütland insgesamt zu erfassen, dieser stützt sich auf die Verteilung der Waffenopferfunde und der ungewöhnlich reichen Gräber, mit dem Ziel, frühe „Königreiche“ als Machtkonzentrationen abzugrenzen.97
Abb. 12: „Fürstengräber“ und Herrenhöfe der Römischen Kaiserzeit im südlichen Jütland (nach Møller-Jensen 2010, S.219 Fig. 24 – übernommen von Ethelberg 2003, S. 276 Fig. 152).
96 Ethelberg 2003, S. 276 Fig. 152: „Fürstengräber“, Häuptlingsgehöfte und Häuptlingsgräber im südlichen Jütland; aufgeschlüsselt nach Thiessen-Polygonen. 97 Ethelberg 2009, S. 177 Abb. 9.
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4.2 Landschaftsarchäologie Die archäologische Forschung hat Landschaftsgeschichte mit Umwelt und Besiedlung seit langem regelhaft im Blick, auch für die Römische Kaiserzeit in der Germania, teils von der Archäologie98 ausgehend, teils von der Biologie und Geologie.99 Eine relativ neue Forschungsrichtung wird unter dem Begriff „Landschaftsarchäologie“ zusammengefasst,100 wobei es nicht allein darum geht, alle Siedlungsrelikte, Gräberfelder und Wirtschaftsanlagen sowie Ackerfluren in einem Gebiet zu erfassen, sondern auch ihren Zusammenhang zu beschreiben, um abzulesen, wie bewusst die Strukturierung der Landschaft vorgenommen worden ist; manche sagen sogar, dass Landschaft inszeniert worden sei. Eine erstaunliche breite Methoden-Diskussion ist ausgebrochen – verknüpft mit der Benennung „spatial turn“, wobei die Begriffe Landschaft und Umwelt verbunden werden.101 Manchmal werden auch Beispiele genannt, aber gegenwärtig bleibt es noch zumeist beim Theoretischen. Breite Versuche hat es für prähistorische Epochen gegeben, für die Römische Kaiserzeit weniger.102 Mit statistischen Verfahren wie die Errechnung der sog. Thiessen-Polygone oder der sog. Delaunay-Triangulation erfassen die über Geographische Informationssysteme (GIS) gewonnenen Daten eine Landschaft mehr oder weniger komplett, und ermöglichen Voraussagen zu noch nicht entdeckten Siedlungsplätzen; es lassen sich Prognosekarten erstellen.103 Über eine erkannte Hierarchie der Siedlungen z.B. mit Herrensitzen ergibt sich die Projektion der Herrschaft in die Landschaft hinein. Es geht um die Abhängigkeit von Höfen und Dörfern vom Herrenhof oder Adelsitz,104 es geht um die Kenntnis der Netzwerke.105 Das sind erste Ansätze einer politisch-sozialen Gliederung der Gesellschaft in der Germania. In der späten vorrömischen Eisenzeit und in der frühen römischen Kaiserzeit ist der Beginn dieser Vorgänge über archäologische Befunde zu erfassen. Das ist
98 Zum Beispiel Jankuhn 1977. 99 Behre 2008. 100 Steuer 2001, S. 630 f.; verschiedene Auffassungen gibt es aber, was unter „Landschaftsarchäologie“ zu verstehen ist, was hier nicht näher besprochen werden kann. 101 Genannt seien, jeweils mit weiterführender Literatur: Gramsch 2003; Brather 2006, 2011; Meier 2009; Knopf 2013; Müller-Scheessel 2013, S. 118 f. zum „spatial turn“. 102 Vgl. schon den Tagungsband „Landscape and Society“ von 1999; Brather 2006, S. 84 f. stellt z.B. die Graduiertenkollegs der DFG zu Siedlungs- und Landschaftsarchäologie in einer Tabelle zusammen, in der nur ein Programm auch die Zeit um Chr. Geb. berücksichtigt (Kelten, Germanen, Römer im Mittelgebirgsraum zwischen Luxemburg und Thüringen 1993-1999). 103 Steuer 2006, S. 163; Müller-Scheessel 2013, S. 111 f., S. 120 f. 104 Skre 1999, S. 420 Abb. 4: Von den einzelnen Großhöfen bis um 200 n. Chr. zur Hierarchie von Großhöfen mit abhängigen Höfen in den nachfolgenden Jahrhunderten: Entstehung eines Netzwerkes. 105 Zu diesem Ansatz bei besserer Quellenlage: Müller 2009.
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ein Prozess, der damals begann und bis zur Karolinger- bzw. Wikingerzeit zu verfolgen ist. Die dichte Lage der dörflichen Siedlungen – was die Anfangsthese stützt – wird inzwischen anhand statistischer Verfahren mit voraussagbaren Ergebnissen bestätigt,106 über die man über die intensive Prospektion hinaus errechnen kann, wo ein weiterer Siedlungsplatz zu erwarten ist, den man dann leicht dokumentieren kann.
Abb. 13a: Größenentwicklung der Gehöfte als Abbild der wachsenden wirtschaftlichen Kraft von der vorrömischen Eisenzeit über die Römische Kaiserzeit bis zum frühen Mittelalter (nach Kaldal Mikkelsen 1999, S. 190 Fig. 10 – Ausschnitt), oder (Hvass 1993, S. 189 und S. 190 Abb. – jeweils obere Hälfte).
Die während der späten vorrömischen Eisenzeit und frühen Römischen Kaiserzeit noch relativ kleinen landwirtschaftlich ausgerichteten Gehöfte wachsen bis ins Mittelalter ständig an, und zwar in den über viele Jahrhunderte existierenden und sich wandelnden Siedlungen, allein wenn man die Grundrisse der Wohn-Stall-Häuser und den Umfang der Stall-Teile für das Vieh betrachtet sowie die Parzellengröße der Gehöfte mit den Nebenbauten selbst. Einige graphische Zusammenstellungen haben das in den letzten Jahren mehrfach überzeugend gezeigt (Abb. 13a,b).107 Am Ende 106 Steuer 2006, S. 161-164. 107 Hvass 1993, S. 189 f. Abb.; Riedel 1999, S. 81 Fig.1; Kaldal Mikkelsen 1999, S. 187 ff. mit den Fig. 8, 10 und 11; Siedlungs-, Gehöft- und Hausformen 2005, S. 304 Abb. 59, S. 305 Abb. 60.
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steht das, was als Grundherrschaft mit Haupthof und abhängigen Höfen bezeichnet wird, wie im frühmittelalterlichen Tissø auf Seeland.108 Die Wurzeln in der Germania liegen in der römischen Kaiserzeit. Wie weit das auf innere gesellschaftliche Dynamik zurückging und bzw. oder auch auf Einflüsse aus der römischen Welt, muss noch diskutiert werden.
Abb. 13b: Größenentwicklung der Gehöfte als Abbild der wachsenden wirtschaftlichen Kraft von der vorrömischen Eisenzeit über die Römische Kaiserzeit bis zum frühen Mittelalter (nach Kaldal Mikkelsen 1999, S. 190 Fig. 10 – Ausschnitt), oder (Hvass 1993, S. 189 und S. 190 Abb. – jeweils obere Hälfte).
4.3 Wege Ein weiteres Element der Strukturierung der Landschaft sind die Verkehrswege, zu Lande und auf den Gewässern, zwischen den einzelnen Siedlungen sowie über die Landschaften hinweg.109 Gegenüber den toposartigen Schilderungen von den undurchdringlichen Wald- und Sumpfgebieten in der Germania ist inzwischen ein anderes Bild zu entwerfen: –– Die Landschaften sind gerodet, offen und mit einem dichten Netz von Siedlungen überzogen, für die Wegeverbindungen vorauszusetzen sind. –– Sorgfältig gebaute Bohlenwege über die großen Moorflächen wurden schon seit der Bronzezeit und kontinuierlich immer wieder neu bis ins Mittelalter über die Römische Kaiserzeit hinweg eingerichtet oder alt ausgebaut. Und das ist nur 108 Jørgensen 2005. 109 Jöns 2009; Schlüter 2007.
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dann – wie früher schon formuliert110 – verständlich, wenn man davon ausgeht, dass auf dem trockenen Land ebenfalls gut befahrbare Wege unterhalten wurden. Ich gehe auch davon aus, dass die pontes longi, die Bohlenwege, die Germanicus erwähnt, baut und instand setzt, germanische Verkehrsanlagen waren, die natürlich vom römischen Militär ebenfalls genutzt worden sind.111 –– Im Zuge der Erforschung römischer Marschlager in der Germania aus der Zeit der frühen Germanenkriege ist es heute möglich, Wegeverbindungen über die verlorengegangenen römischen Sandalennägel zu kartieren, wie Klaus Grote für das Umfeld von Hedemünden eindrucksvoll gezeigt hat.112 Es ergeben sich natürliche, sinnvolle Trassen, die man schon vorher kannte, die aber nun durch den Marsch römischen Militärs wieder bestätigt worden sind. Die Truppenteile marschierten eben dort entlang, wo solche Wegeführungen bestanden. Es ist bekannt, dass der Marschweg des Varus am Fuße des Kalkrieser Berges entlang ebenfalls eine wichtige Überlandverbindung war, die schon vorher und später bis ins Mittelalter genutzt wurde. Es ist bei derartigen Kriegen denn auch üblich, beim Marsch auf den Wegen durch die Dörfer sich aus dem Raum heraus zu versorgen und diese Dörfer dann zu vernichten. Immer wieder flüchteten sich die Bewohner mit ihrem Vieh in die Wälder, wohin keine offenen Wege führten.
5 Nachbemerkungen Mehrfach habe ich gesagt, dass die germanischen Landschaften zwischen Rhein und Elbe und weiter nach Osten und Norden hinaus dicht besiedelt waren, der Wald durchaus gerodet, und Mitteleuropa eben nicht eine fremde, ferne Welt war. Vielmehr gibt es wohl starke Ähnlichkeiten zur frühgeschichtlichen Besiedlung wie in der Merowinger- und Karolingerzeit. Sicherlich hat die archäologische Forschung von diesen Siedlungen erst wenige Prozent gefunden und erforscht, aber immerhin geht die Zahl der dokumentierten Hausgrundrisse von den Niederlanden über Norddeutschland bis nach Jütland in die Tausende,113 und inzwischen sind schon einige hundert Ansiedlungen großflächig bis komplett ausgegraben.114 Es gibt dazu erste umfangreiche Zusammenstellungen. So wird es möglich, die Organisation und Strukturierung der weiten Landschaft, die Siedlungsnetze und die Planung der Dörfer flächendeckend
110 Steuer 2007, S. 338. 111 Tacitus, Ann. I, 61 und 63. 112 Grote 2012, S. 310 Abb. 325. 113 Brabandt 1993, S. 11: 900 Grundrisse von Langhäusern aus der Germania magna; Nüsse 2014: rund 2000 Grundrisse kaiserzeitlicher und frühvölkerwanderungszeitlicher Wohngebäude; gegenwärtig sind aus einzelnen Siedlungen jeweils allein schon um die 100 Häuser erfaßt: Bock 2013, S. 211. 114 Nüsse 2010.
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zu beschreiben – zumindest modellhaft. Doch können in diesem kurzen Beitrag nur ausgewählte Beispiele genannt und beschrieben werden. Regionalanalysen werden seit langem versucht, so für Schleswig-Holstein mit Angeln von Herbert Jankuhn schon 1977.115 Seine Kartenbilder sind heute nach der Vermehrung der Fundstellen so nicht mehr zu verwenden, doch ist der methodische Ansatz weiterführend gewesen. Die Siedlungskammer Flögeln-Eekhöljen im Ldkr. Cuxhaven116 mit einer Größe von 23 km² ist über Jahre fast vollständig erforscht worden, einschließlich der kaiserzeitlichen Ackerfluren, ebenso die benachbarte Siedlungskammer um Loxstedt117 oder neu auch der Raum um Sievern als Zentralplatz.118 Auf der Insel Sylt galten schon früh Forschungen nicht nur der größeren ausgegrabenen Siedlung Archsum, sondern auch dem Umfeld.119 Und nicht zuletzt ist von Klaus Grote – wie anfangs gezeigt – der Siedlungsraum um das Lager Hedemünden, eingebunden in den Naturraum, systematisch erschlossen worden.120
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115 Jankuhn 1977. 116 Zimmermann 1995, S. 207 mit Abb. 32. 117 Zimmermann 1997, S. 448 Abb. 9. 118 Aufderhaar et al. 2009 (2011) S. 174 ff. mit Abb. 1 (Hauke Jöns). 119 Kossack 1997, dazu Steuer 2007, S. 353 und S. 355 mit Abb. 9; auch Lütjens 2006 zur Phase der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und der frühen römischen Kaiserzeit (Ergebnisse der Dissertation 2005); Lütjens 2008. 120 Grote 2012.
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Michael Geschwinde und Petra Lönne
Römische Militärpräsenz in der Germania Magna aus archäologischer Perspektive Das Fallbeispiel Harzhorn Die antiken Überlieferungen über Operationen römischen Militärs jenseits der Grenzen des Imperiums auf dem Gebiet der Germania Magna lassen sich aufgrund unklarer, oft auch widersprüchlicher geographischer Angaben nur schwer oder nur unscharf regional verorten1. Das gilt für die verschiedenen Militäraktionen augusteisch-tiberischer Zeit ebenso wie für die Markomannenkriege Marc Aurels2 oder die expeditio germanica Caracallas 213 n. Chr3. Aufgrund der offenkundigen Probleme der historischen Überlieferung wurden schon früh Versuche unternommen, durch die Auswertung archäologischer Quellen Gewissheit über römische Marschrouten und die Schauplätze von militärischen Auseinandersetzungen zu gewinnen. Einer der ältesten systematischen Ansätze anhand archäologischer Quellen hierzu ist die 1820 von Wilhelm Tappe erstellte Kartierung von Grabhügeln im Land Lippe, anhand derer er den Schauplatz der Varusschlacht zu ermitteln meinte4. Mit den Entdeckungen in Kalkriese ist es der Archäologie tatsächlich gelungen, augusteische Militärpräsenz und den Ort einer römisch-germanischen militärischen Auseinandersetzung im Inneren Germaniens direkt zu erfassen. Eine beeindruckende Zusammenstellung archäologischer Belege für militärische Auseinandersetzungen zwischen römischen Truppen und Einheimischen in Spanien und im Alpenraum aus spätrepublikanischer und augusteischer Zeit gibt Martin-Kilcher5, wobei es sich vorwiegend um Belagerungen handelt. Mittlerweile zeichnet sich ähnliches für Schauplätze der Markomannenkriege ab6. Mit der Entdeckung der Relikte einer römischgermanischen Auseinandersetzung am Harzhorn und Kahlberg, Ldkr. Northeim, Niedersachsen, konnte ein in Teilen hervorragend erhaltener Beleg für einen Kampfeinsatz römischer Truppen im Inneren Germaniens aus dem 3. Jh. n. Chr. untersucht werden. Das sich zunehmend verdichtende Netz archäologischer Belege für militärische Auseinandersetzungen zwischen Römern und Germanen7 gibt die Möglichkeit, noch einmal über das Aussagepotenzial archäologischer Funde für den Nachweis der 1 Ein Literaturüberblick zu diesem Thema kann selbstverständlich an dieser Stelle nicht gegeben werden. Allg. vgl. Johne 2006; Lehmann 2011. 2 Vgl. aus archäologischer Perspektive: Komoróczy 2009. 3 Bender 2013. 4 Tappe 1820. Vgl. Pollmann und Geschwinde 1984, 44-47. 5 Martin-Kilcher 2011. 6 Komoróczy 2009; Rajtár 2009. 7 Fischer und Moosbauer 2013.
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Michael Geschwinde und Petra Lönne
Präsenz römischen Militärs jenseits der Grenzen des Imperiums zu reflektieren. Im Fokus steht dabei der Befund-Kontext, da in der Regel die Tatsache eines römischen Fundes allein in einem germanischen Umfeld keinen Hinweis auf die tatsächliche historische Präsenz eines „Römers“ liefert. Die germanischen Fundkomplexe zwischen Weser und Ems mit einem hohen Anteil römischen Fundmaterials wie in Bentumersiel8 an der Ems oder Elsfleth9 in der Wesermarsch sind Plätze, die aufgrund ihrer günstigen Lage oder überörtlichen Bedeutung eine besondere Intensität an römisch-germanischen Kontakten erzielten, ohne dass sich die denkbare Präsenz ersterer sicher belegen ließe. Eine interessante Objektgruppe, anhand derer vielleicht doch ein solcher Schluss möglich ist, liegt mit der nur aus römischem militärischen Kontext bekannten „Schwerkeramik“ (Amphoren, Transportkeramik) vor, die eigentlich nur auf dem Seeweg und dann nur mit der römischen Flotte nach Bentumersiel an der Emsmündung gebracht worden sein kann10. Bei der große Menge römischer Funde in den germanischen Siedlungen, in den Waffenopferfunden und in den Gräbern handelt es sich um echte Importe oder um bei Plünderungen römischer Gebiete erbeutete Metallobjekte, wobei bei letzteren die Gewinnung von Rohstoffen, besonders Buntmetall, im Vordergrund stand11. Eine im Lauf der Kaiserzeit zunehmende Bedeutung kam auch den Waffen und Ausrüstungsteilen der aus römischen Diensten zurückkehrenden germanischen Krieger zu, die als Grabbeigaben in den archäologischen Befunden repräsentiert sind12. Eine ganz besondere Rolle spielten die römischen Münzen, sei es, dass es sich um Sold- oder Tributzahlungen oder ganz einfach um Beute handelt. Eindeutige Hinweise auf die faktische Präsenz römischen Militärs sind dann zu erwarten, wenn römisches Fundmaterial aus einem eindeutigen römischen Befundzusammenhang stammt, wie bei den römischen Militärlagern an der Lippe oder bei Hedemünden, Ldkr. Göttingen13. Auch die augusteische Stadtgründung Waldgirmes14 (Hessen) ist in diesem Zusammenhang zu nennen. In den letzten Jahren konnten systematisch mit den Markomannenkriegen im Zusammenhang stehende römische Militäranlagen in der Slowakei erforscht werden15. Der Nachweis der mit dem römischen Militär typischerweise verbundenen Bauten wie Marschlager liefert damit den eindeutigsten Beleg für dessen Präsenz jenseits der Grenzen des Imperiums, bleibt aber im archäologischen Befund bisher eine selten Ausnahme. 8 Ulbert 1977; Strahl 2009; Strahl 2011. 9 Scheschkewitz 2006. 10 Strahl 2011, 295. 11 Vgl. z.B. der Befund einer Bronzegießerwerkstatt vom Reisberg bei Burgellern (Bayern). Haberstroh 2003, 209-216. 12 Bemmann 2007. 13 Grote, 2012. 14 Rasbach, Becker 2002 15 Komoróczy 2009
Römische Militärpräsenz in der Germania Magna aus archäologischer Perspektive
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Aus diesem Grund ist die Erforschung der Schauplätze römisch-germanischer Auseinandersetzungen im Inneren Germaniens von besonderem Interesse, weil sich hier sowohl die materielle militärische Kultur der beteiligten Gegner als auch ihr gegenseitiger Umgang damit besonders deutlich ablesen lässt. Schlachtfelder sind allerdings im archäologischen Sinn „Oberflächenfundplätze“ und umfassen auf der Ebene der Prospektion weder geschlossene und stratifizierte Funde noch Befunde im klassischen Sinn. Deshalb sind ergänzende Ausgrabungen ein unverzichtbarer Bestandteil der modernen Schlachtfeldarchäologie. Probleme bereitet auch die Identifikation römischer Objekte, wenn es sich um chronologisch weitgehend unempfindliches Gerät und Werkzeug aus Eisen handelt16. Werden diese Objekte nicht bei Ausgrabungen aus eindeutigen germanischen oder römischen Befunden geborgen, bleibt ihre Ansprache gegebenenfalls dubios. Dieses Problem der Identifikation römischer Funde stellt sich so offenbar nicht in den von der Provinzialrömischen Archäologie intensiv seit über einem Jahrhundert erforschten römischen Siedlungslandschaft „hinter“ dem Limes, wird aber virulent, wenn Fundstreuungen römischer Artefakte im Inneren der Germania Magna auftreten. Bei großflächigen Prospektionen ist es Bestandteil des allgegenwärtigen „Hintergrundrauschens“17 , das das gehäufte Auftreten mittelalterlicher und neuzeitlicher Funde sowohl in Waldgebieten als auch auf Äckern hervorruft. Bei jedem einzelnen Fund muss dann von neuem die Datierung und die kulturelle Zuordnung hinterfragt werden. Dies lässt sich verdeutlichen am Beispiel der am Harzhorn gefundenen eisernen Tüllenspitzen18, die dem Spektrum der römischen Torsionsgeschütz-Projektile von Plätzen des 3. Jh. wie etwa Abusina19 / Eining oder Dura-Europos20 entsprechen. Quasi identische Typen von Tüllenprojektilen sind jedoch auch von mittelalterlichen Fundplätzen bekannt21. Bei der Bearbeitung der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Waffenfunde aus dem Becken des Stader Hafens wies Becker aus „umgekehrter Perspektive“ auf die auffallenden Übereinstimmung zwischen spätmittelalterlichen und römischen Tüllenspitzen hin22. Ein Unterscheidungskriterium scheint allerdings die Befestigung auf dem Schaft mit einem Nagel zu sein, die auf antiken Exemplaren häufig, bei mittelalterlichen Exemplaren aber offenbar nur selten oder gar nicht auftritt23. Am Harzhorn sind fast alle Tüllenspitzen mit einem kleinen eisernen Nagel auf dem Schaft befestigt, der in vielen Fällen noch erhalten ist. Hier ist die Datierung der Bolzen aber darüber hinaus weiter abgesichert: Durch der Kontext mit dem 16 Vgl. Pietsch 1983, 6 17 Foard 2007, 152; Berger u.a. 2010, 333. 18 Berger u.A. 2010, Abb. 18-20. 19 Gschwind 2004, , 184-188 20 James 2004 209-230. 21 Z.B. Heine 2010, 57 Abb. 72 oben links und rechts 22 Becker 2002, 40. Vgl. die Tabelle a.a.O. 66. 23 Das belegen zumindest die von Becker 2002 39-66 zusammengestellten Vergleichsstücke. Zu den römischen Stücken vgl. James 2004, 209.
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Michael Geschwinde und Petra Lönne
übrigen Fundmaterial, über das eingepunzte Zeichen auf einem Exemplar, zu dem eine Parallele aus Eining / Abusina vorliegt (Abb. 1) und über Radiocarbondaten. Dennoch würden Einzelfunde derartiger Projektilspitzen im Gebiet der Germania Magna vermutlich zunächst immer eher als mittelalterlich eingeordnet werden. Von der gleichen Problematik betroffen sind auch die eisernen Schuhnägel, von denen nur die Exemplare mit Noppen auf der Unterseite des Kopfes bisher eindeutig mit dem römischen Militär und nur in der augusteischen Zeit verbunden sind, während ungenoppte Schuhnägel aus latènezeitlichen, aus germanischen und aus frühneuzeitlichen Zusammenhängen bekannt sind24.
Abb. 1: Römische Katapultbolzen mit eingepunzten Zeichen: links Abusina / Eining (nach Geschwinde 2004, D378), rechts Harzhorn FNr. 991. 24 Vgl. Berger u.a. 332-334. Zu latènezeitlichen Schuhnägeln Cosack 2007, 321. Vgl. jedoch Schäfer, 2010, 132, der zu einer kritischeren Bewertung kommt. Im römischen Heer sind genagelte Schuhe eine Innovation der caesarischen Zeit und fehlen in älteren Fundkomplexen vgl. Martin Kilcher 2011, 35.
Römische Militärpräsenz in der Germania Magna aus archäologischer Perspektive
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Während eine einzelne römische Tüllenspitze in germanischem Kontext zunächst als Kontaktfund bewertet werden würde25, kann erst der Nachweis, dass das Projektil von einem römischen Torsionsgeschütz abgefeuert wurde, ein Indiz für römische Präsenz abgeben – unter der Voraussetzung, dass Torsionsgeschütze nur von der römischen Armee und nie von Germanen verwendet wurden. Ähnliches gilt auch für andere Typen von Geschossspitzen, aber auch für viele eiserne Geräte und Werkzeuge. Zuletzt hat Achim Rost26 auf einen methodischen Ansatz hingewiesen, der ursprünglich von Klaus Günther entwickelt wurde, und den später Wolfgang Schlüter aufgegriffen, jedoch nicht weiter verfolgt hat: Unterschieden werde dabei als Primärfunde Objekte, die direkt aus römischen Besitz in den Boden gelangt sind von Sekundärfunden, womit die Objekte bezeichnet werden, die vor ihrer Einlagerung im Boden durch die Hände von Germanen gegangen sind. Verfolgt man diesen Gedanken weiter, würden in Kalkriese die von römischen Soldaten offenbar auf der Flucht deponierten Objekte Primärfunde darstellen, während die zahlreichen von Germanen geplünderten römischen Militaria als Sekundärfunde zu klassifizieren wären. Am Harzhorn ist im Gegensatz dazu der Anteil römischer Primärfunde deutlich größer und würde auch zahlreiche Waffen und Ausrüstungsteile umfassen, die von den römischen Soldaten unmittelbar zurückgelassen wurden.
Abb. 2: Römisches Pilum vom Harzhorn.
In Kalkriese und am Harzhorn kann besonders gut die die massenhafte Aneignung römischen Sachgutes durch plündernde Germanen nachvollzogen werden, wobei diese dabei ihre Präferenzen oder Ablehnungen von bestimmten Elementen antiker militärischer Sachkultur zu erkennen geben. Erst kürzlich hat Bernd Steidl erneut darauf hingewiesen, dass die Einfuhr römischer Objekte nach Germanien selektiv und zögerlich erfolgte und bestimmte Bereiche wie Koch- und Ernährungsweise, Architektur oder Technologie davon ausgenommen blieben27. Am Harzhorn / Kahl25 Steidl 2013, 100. 26 Rost 2012, Anm. 21. 27 Steidl 2013, 93f. Vgl. im Gegensatz dazu Bemmann 2003.
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berg scheinen vergleichbare Verweigerungen der Adaption römischer Objekte vorzuliegen, wie unter anderem das Beispiel dreier vollständiger römischer Pila zeigt, die dort mittlerweile geborgen wurden (Abb. 2). Ihre Klingen und Spitzen weisen Beschädigungen auf, die sie im Kampf davon getragen haben und da sie zum Zeitpunkt ihres Verlustes noch an ihrem schweren Holzschaft befestigt gewesen sein müssen, waren sie im Gelände für eventuelle Plünderer unübersehbar. Offenbar bestand seitens der germanischen Krieger keine Interesse an ihnen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass das einzige weitere Stück aus germanischem Kontext in Wechmar, Ldkr. Gotha, Grab 217 (Thüringen) aus einem Kinder- und nicht aus einem Kriegergrab stammt28. Ursache dafür ist wohl - sofern in Wechmar nicht eine regionale Bestattungssitte den Hintergrund hierfür bildet29 - dass der Einsatz eines Pilum mit einer speziellen Kampfweise verbunden war, die den Germanen fremd blieb. Das nur einmal im Kampf verwendbare Pilum als Hieb- und Stichwaffe im Sinn germanischer Kampfweise30 zu führen, ist tatsächlich unmöglich31. Ähnliches gilt wahrscheinlich auch für die leichten römischen Wurfspeere und die dreiflügeligen Pfeilspitzen (s.u.) am Harzhorn und Kahlberg. Die Plünderungen der Germanen waren offenbar ebenso wie das Bergen verlorener Objekte durch die Römer auf Waffen gerichtet, die direkt im Kampf weiterverwendet werden konnten. Da am Harzhorn auf die Kämpfe keine nachfolgende Phase der Plünderung zur Gewinnung von Metallschrott als Rohstoff für germanische Schmiede folgte, blieben die Waffen, die nicht unmittelbar im Kampf verwendet werden konnten, tatsächlich unbeachtet fast 2000 Jahre liegen. Gleichzeitig zeigt das Fundspektrum am Harzhorn deutliche Defizite im Bereich der Buntmetallobjekte, die von germanischen Plünderern abgesammelt wurden. Dass es dabei vorwiegend um den Metallwert ging, zeigen abgerissene Henkel, davon einer mit noch anhängenden Attaschen, oder ein abgeschnittenes Griffstück einer bronzenen Kasserolle. Anschaulich belegt eine römische Schildfessel mit einem noch erhaltenen Teil des bronzenen Schildrandbeschlages den Prozess der Zerstörung und Plünderung römischer militärischer Ausrüstung mit dem Schwerpunkt auf Buntmetallen (Abb. 3). Von Harzhorn und Kahlberg sind Fragmente von drei römischen Helmen bekannt (Abb. 4), bei denen es sich jeweils um bronzenen Beschläge handelt, die auf der eisernen Helmkalotte montiert waren: Stirnvisier, Ohrenschutz und Zierband. Eine naheliegende Erklärung ist, dass von einem römischen Helm, bevor er von einem Germanen aufgesetzt wurde, diese signifikanten „feindlichen“ Elemente demontiert wurden, wohl ganz banal um Verwechselungen im Kampf zu vermeiden. Indem also auf dem südniedersächsischen Gefechtsfeld gerade diese Teile zurück28 Bemmann 2003, 58. 29 Bemmann 2007, 263. 30 Gundelwein 1994. 31 Es gibt aber germanische Tüllenspeere mit Pilum-ähnlichen Klingen, bei denen es sich aber um reine Wurfspeere mit einem entsprechend leichten Schaft handelt. Bemmann 2007, Abb. 27, 1-5.
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blieben, zeigen sie exakt den Moment an, in dem römische Ausstattungsstücke in germanische Hände übergegangen sind und einem gewaltbehafteten Transformationsprozess unterzogen wurden, für den die persönliche Präsenz von Römern und Germanen eine Voraussetzung bilden. Akzeptanz oder Ablehnung römischer Militärausstattungen oder von Teilen davon ist damit sehr deutlich dokumentiert. Hier ähnelt das Harzhorn den entsprechenden Befunden aus Kalkriese, bei denen allerdings eine intensivere Plünderung des Schlachtfeldes auch zur Gewinnung von Rohmaterialien mit einer viel größeren zeitlichen Tiefe durch die Germanen zu erkennen ist.
Abb. 3: Eiserne Schildfessel mit angenieteten bronzenen Schildrandbeschlag (Harzhorn)
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Abb. 4: Römisches Stirnvisier eines Helms Typ Niederbieber. Kahlberg.
Besonders deutlich lässt sich an Harzhorn und Kahlberg die Präsenz römischen Militärs anhand der Relikte der von Maultieren gezogenen Karren aufzeigen. Eiserne Karren- oder Wagenfragmente sind in germanischen Siedlungsfunden selten, was darauf hinweist, dass Wagen wenig und wohl nur im Nahbereich eingesetzt wurden. Zu den charakteristischen römischen Achsnägeln und der „Schemelstütze“ fehlen Vergleichsfunden im Inneren Germaniens (Abb. 5).
Abb. 5: Schemelstütze eines römischen Karrens vom Harzhorn.
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Das gleiche gilt für Schirrungsteile von Maultieren wie die typischen gallo-römischen Jochbügel mit Hakenenden, Jochhaken, Jochaufsätze und vor allem auch die Hipposandalen (Abb. 6). Dass derartiges in germanischen Fundzusammenhängen komplett ausfällt, weist darauf hin, dass Maultiere als Zug- und Tragtier von diesen nicht übernommen wurden. Als Beute wären Teile von Maultierschirrungen oder Hipposandalen für Germanen funktional wertlos gewesen und hätten nur aufgrund ihres Materialwertes eine Rolle gespielt. An beiden Fundplätzen konnten zudem Fundkonzentrationen von Resten von Wagen und Schirrungen festgestellt werden, die offenbar Stellen anzeigen, wo römische Fuhrwerke germanischen Angriffen und Plünderungen zum Opfer gefallen sind. Es handelt sich also nicht um verschleppte Einzelstücke, sondern um Objektensembles, die römische Karren und eine für das römische Heer typisch Art, diese fortzubewegen, anzeigen. Dass es keine Germanen waren, die mit den römischen Fuhrwerken unterwegs waren, zeigen die umfangreichen römischen Militaria im Kontext.
Abb. 6: Hipposandalen aus Eisen. Harzhorn.
Die genannten Beispiele verdeutlichen, dass nicht nur die Objekte selbst, sondern besonders die Art des Umganges mit ihnen Rückschlüsse darauf erlauben, ob von germanischen oder römischen Letzt-Nutzern auszugehen ist. Eine besonders aufschlussreiche Fundgruppe sind die am Harzhorn gefundenen eisernen Pfeilspitzen (Abb. 7).
Abb. 7: Eiserne Pfeilspitzen vom Harzhorn.
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Es liegen verschiedene Formen vor: Dreiflügelige Pfeilspitzen, spindelförmige Pfeilspitzen, Pfeilspitzen mit quadratischem Querschnitt und Blattpfeilspitze. Letztere sind die größten Exemplare und typisch für den germanischen Bereich, denen die für die römische Armee kennzeichnenden dreiflügeligen Pfeilspitzen gegenüberstehen (Abb. 8). Allein die singuläre Konzentration32 von über 50 dreiflügeligen Pfeilspitzen nördlich des Limes veranschaulicht, dass am Harzhorn ganz besondere Umstände vorliegen, die zu diesem Verbreitungsschwerpunkt führten. Die dreiflügeligen Pfeilspitzen stehen ebenso wie die Blattpfeilspitzen für eine besondere Tradition des Bogenschießens33: Die kleinen dreiflügeligen Pfeilspitzen wurden während der gesamten Antike im mediterranen Bereich aus Bronze oder Eisen gefertigt für den Einsatz mit dem Reflex- bzw. Kompositbogen, mit dem relativ kurze Pfeile mit entsprechenden, leichten Projektil-Köpfen abgeschossen wurden34. Dagegen sind die schweren Blattpfeilspitzen für den im nördlichen Europa bis in die frühe Neuzeit bevorzugten Langbogen ausgelegt, der längere Pfeile erfordert. Ein römischer Pfeil konnte daher von einem germanischem Bogenschützen gar nicht aufgelegt werden und war für diesen nutzlos. In der römischen Armee dienten in der römischen Kaiserzeit vor allem Bogenschützen aus den östlichen Provinzen wie der Osrhoene35. Ob diese während ihrer langjährigen Stationierung in Germanien oder in Pannonien ihren Nachwuchs lokal rekrutierten oder immer wieder auf Kontingente aus ihren Herkunftsgebieten zurückgriffen, ist umstritten36, wobei das Argument, dass die besondere Schießtechnik Training von Kindesbeinen an erfordert, für letzteres spricht. Zanier machte deutlich37, dass das hohe Fundaufkommen an derartigen Pfeilspitzen in den Militärlagern am Rhein nicht mit dem Bild der wenigen dort im Rahmen der Grenzverteidigung stationierten sagittarii-Einheiten korrespondiert und erwog u.a. einen Zusammenhang mit den in Mainz unter Alexander Severus 234 /35 zusammengezogenen osrhoenischen, parthischen und armenischen Bogenschützen. Die Funde vom Harzhorn stellen jetzt offenbar die direkte Bestätigung seiner Überlegungen dar. Im Gegensatz zu den trainierten, gruppenweise eingesetzten Bogenschützen des römischen Heeres spielte der Bogen in der germanischen Kriegsführung im 3. Jh. eine noch untergeordnete Rolle, was sich aber schon bald danach ändern sollte38. Ob es zu dieser Zeit einen taktisch organisierten Einsatz von Bogenschützen auf germanischer Seite gegeben hat, kann bezweifelt werden. Genau das lässt sich aber am Harzhorn für deren römische Gegner erkennen: Die im Gelände dokumentierten Ausrichtungen von Projektilen sind in der Kartierung als Dreiecke dargestellt, bei denen die Spitzen 32 Vgl. Zanier 1988, Liste 1. 33 Pauli Jensen und Norbach 2009, 124 34 Zanier 1988. 35 Fischer 2012, 202 36 Vgl. Zanier 1988, 13 37 Zanier 1988, 11. 38 Zu Zunahme des Einsatzes von Bogenschützen in germanischen Heeren in der jüngeren römischen Kaiserzeit vgl. Pauli Jensen und Norbach 2009, 129f.
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den Fundpunkt des Projektils markieren, während die Basislinien in einer geschätzten Distanz von 35 m die mögliche Position des Schützen darstellen (Abb. 9).
Abb. 8: Kartierung der Verbreitungsgebiete typischer germanischer und römischer Pfeilspitzen. Nach: X. Pauli Jensen und L. Chr. Norbach 2009, 125 Abb. 118. 1: nordische Gruppe; 2: kontinentale Gruppe; 3:römische Gruppe.
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Abb. 9: Römische Pfeilspitzen im Bereich von Hotspot 2 (Passbereich). Die Fundstelle befindet sich jeweils an der Spitze des Dreiecks, dessen Orientierung die dokumentierte Schussrichtung widergibt. Der Schütze kann irgendwo im Bereich der Basislinie der Dreiecke vermutet werden, die in einer kalkulierten Schussentfernung von 35 m gezogen wurden.
Gerade bei den sehr kleinen Pfeilspitzen war es nicht immer möglich, die Schießrichtung zu dokumentieren, so dass die Spitzen, von denen der Fundpunkt, nicht jedoch die Ausrichtung dokumentiert wurden, als gefüllte Kreissignatur dargestellt wurden. Dabei umfasst die Menge der gefundenen Pfeilspitzen selbstverständlich nur einen Bruchteil der von den römischen Bogenschützen abgefeuerten Pfeile: Viele Pfeilspitzen wurden nach den Kämpfen abgesammelt, sie sind vergangen oder noch so tief im Boden verborgen, dass sie mit den verwendeten Metallsonden nicht zu orten waren. Darüber hinaus stellt sich das Problem, dass die gefundenen Pfeilspitzen eine Teilmenge der Pfeile sind, die ihr Ziel verfehlt haben. Pfeilspitzen, die getroffen haben, wurden mit den Körpern ihrer Opfer, aber auch in Schilden und anderen Ausrüstung steckend aus dem Kampfareal entfernt. Daraus ergibt sich das Paradoxon, dass der Kampf am Harzhorn aus Fehlschüssen rekonstruiert werden muss. Die Kartierung zeigt zwei Gruppen von Bogenschützen, die offenbar jeweils eine Linie gebildet haben und auf ein ihnen vorgegebenes Ziel geschossen haben. Römisch sind hier also nicht
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nur die Projektile und die daraus zu erschließenden Kompositbögen, sondern auch die Art und Weise, wie diese eingesetzt wurden. Die dreiflügeligen Pfeilspitzen sind damit ein direkter Beleg für die Teilnahme römischer Bogenschützen an den Kämpfen am Harzhorn. Eine ebenso aussagekräftige archäologische Quellengruppe sind die Projektilspitzen mit Tülle und quadratischem Querschnitt der Spitze, die in vergleichbaren Formen aus römischen Kontexten der späten Kaiserzeit geläufig sind. Von den verschiedenen Bearbeitern werden diese Stücke vorzugsweise als Projektile römischer Katapultpfeile gedeutet, alternativ wird aber vergleichsweise undifferenziert auch oft eine Ansprache als Spitzen leichter römischer Wurfspeere in Erwägung gezogen39. Statistische Auswertungen der Tüllendurchmesser erlauben am Harzhorn eine Zuordnung und bestätigen die Annahme, dass es sich um die Spitzen von Pfeilen handelt, die von Torsionsgeschützen verschossen wurden. Torsionsgeschütze wurden während der Kaiserzeit standardmäßig von Legionen mitgeführt, sind aber auch im 3. Jh. in Lagern von Auxiliareinheiten belegt40. Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, dass sie auch von Germanen übernommen und eingesetzt wurden. Torsionsgeschütze zeichnen sich durch hohe Treffsicherheit aus, wenn ein festes Ziel anvisiert ist. Weniger geeignet sind sie zur Verfolgung beweglicher Ziele, so dass sie auf den ersten Blick eher für den Belagerungskrieg als für eine offene Feldschlacht konzipiert zu sein scheinen. Am Harzhorn läßt sich auch der Einsatz der Torsionsgeschütze archäologisch nachweisen und führt zu einem verblüffenden Ergebnis: Die von Torsionsgeschützen abgefeuerten Projektile bilden im Einschlagsbereich im Westen der Kampfzone am Pass deutliche Konzentrationen und unterscheiden sich damit von den eher flächigen Streuungen der dreiflügeligen Pfeilspitzen (Abb. 10). Mit dem Einsatz von Torsionsgeschützen verfolgten römische Militärs am Harzhorn offenbar das Ziel, auf dem Gefechtsfeld bestimmte Bereiche zu schaffen, in denen für den Gegner ein stark erhöhtes Risiko, verletzt oder getötet zu werden, bestand („Killing-zone“)41. Erreicht wurde das mit einem systematischen Beschuss, der auf einen bestimmten Raum und nicht auf Einzelziele ausgerichtet war. Damit konnte der Bewegungsraum der Germanen an taktisch relevanten Stellen stark eingeschränkt werden. Ebenso wie bei den Pfeilen zeigen die am Harzhorn dokumentierten Fundverteilungen, dass nicht nur Waffen eingesetzt wurden, die typisch für die römische Armee sind, sondern dass deren Einsatz nach römischer Militärtaktik erfolgte. Gut dokumentierte Kartierungen von militärischen Oberflächenfundplätzen erweisen sich damit als Quellen mit einem bemerkenswerten Aussagepotential, gleichwertig dem klassischen archäologischen „Befund“.
39 Vgl. z. B. Gschwind 2004, 187. 40 Fischer 2012, 230. 41 Keegan 1976, 104f. (am Beispiel der Schlacht von Agincourt 1414).
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Abb. 10: Römische Geschossspitzen im Bereich von Hotspot 2 (Passbereich). Die Darstellungsweise entspricht der der Pfeilschüsse in Abb. 9, nur dass als ideale Schussentfernung 75 m angenommen sind.
In der Summe der angeführten Einzelbeobachtungen ist es für Harzhorn und Kahlberg möglich, den Nachweis für die Präsenz römischen Militärs und dessen Beteiligung an Kampfhandlungen nicht nur anhand des Fundmaterials, sondern besonders auch aus den Fundmustern zu erschließen, die auf römische Militärtaktik hinweisen. Es sind also nicht nur die Objekte, sondern auch der antike Umgang mit ihnen, der römisches Militär als deren Letztbenutzer wahrscheinlich macht. Auch der Gegner der römischen Truppen, die Germanen, lässt sich anhand des Fundmaterials erschließen. Damit bestehen auch beim Ausbleiben von Befunden, die typische römische Architektur belegen, grundsätzlich Chancen, methodisch gut abgesichert römische Militärpräsenz in der Germania Magna nachzuweisen, ohne einzelne Fundobjekte dabei zu überinterpretieren. Dies ist an Harzhorn und Kahlberg jedoch auch ein Resultat der ungewöhnlich günstigen Erhaltungs- und Überlieferungsbedingungen42. In landwirtschaftlich genutzten Flächen oder in Böden, die aufgrund von Entkalkung Eisenobjekte weniger gut konservieren, bestehen dagegen deutlich geringere Chancen, 42 Berger u.A. 2010, 328-334.
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derartige Befunde archäologisch zu dokumentieren. Ob sich nach den Funden an Harzhorn und Kahlberg die Reihe archäologischer Entdeckungen fortsetzen wird, die Aufschlüsse über Marschbewegungen und Einsatzorte des römischen Militärs in der Germania Magna stehen, muss offen bleiben. Zu erwarten ist jedoch, dass die Serie Kalkriese – Hedemünden – Harzhorn / Kahlberg auch in der Zukunft nicht abreißen wird, sofern nur der Zufall der Archäologie weiterhin zur Seite steht.
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Abbildungsnachweis Abb. 2, 5, 7 Marco Failla Abb. 3, 4 Heidrun Schärfke Abb. 9, 10 Max Grief
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Archäologisch überlieferte Schlachtfelder der Antike Die Geschichte der Menschheit ist leider eine Geschichte des Krieges. Entsprechend sind in der antiken Literatur zahllose Schlachtfelder überliefert, die alle zu behandeln jeden Rahmen sprengt1. Im Vergleich dazu sind erstaunlich wenige Schlachtfelder archäologisch bekannt. Häufig wurden auch im Laufe der Rezeptionsgeschichte von Schlachten archäologische Quellen historischen Gegebenheiten falsch zugeordnet. Als besonders gutes Beispiel lässt sich Cannae (Italien, Apulien) anführen, wo der karthagische Feldherr Hannibal im zweiten punischen Krieg 216 v. Chr. ein riesiges römisches Heer in einer Umfassungsschlacht vernichtete. Das Dokumentationszentrum befindet sich nahe Barletta, da man hochmittelalterliche Gräber ehemals für Relikte der Schlacht hielt2.
Marathon (Griechenland, Attika) Eine der berühmtesten Schlachten der Antike fand bei Marathon an der Nordküste Attikas3 zwischen Persern und Griechen im Jahr 490 v. Chr. statt. Der Sieg der Athener gegen die Perser wird in mehreren antiken Quellen thematisiert und ist bei Herodot VI, 94-117 umfassend überliefert. In Marathon selbst finden sich die Grabhügel der Platäer und Athener4, für die Massenbegräbnisse nachgewiesen sind. Der Grabhügel der Athener hat einen Durchmesser von 50m und war ca. 9m hoch. Bei Ausgrabungen konnten 1890/91 eine Reihe von Skeletten in einer Brandschicht nachgewiesen werden. Etwa 30 Gefäße, insbesondere kleine schwarzfigurige Lekythoi, zeigen den chronologischen Zusammenhang. Nahe des Zentrums dieses Grabhügels ist ein Graben mit Opfergaben nachgewiesen, der ihn in den Kontext archaischer attischer Grabhügel stellt. Der Grabhügel der Platäer lässt sich dagegen historisch nicht eindeutig zuordnen. Pfeil- und Speerspitzen, die heute im British Museum aufbewahrt werden, scheinen von den kriegerischen Ereignissen zu zeugen5. Der Hügel liegt etwa 3km vom Grabhügel der Athener entfernt und war wesentlich kleiner, d.h. 1 Vgl. Etwa John Drogo Montagu, Battles of the Greek and Roman Worlds. A Chronological Compendium of 667 Battles to 31 B.C. from the Historians of the Ancient World (London 2000). 2 Filippo Coarelli, Magna Grecia. Guide Archeologiche Laterza 12 (Bari 41995) 256. 3 Koordinaten: +38° 7’ 5.10” N, +23° 58’ 41.85” E (Grabhügel der Athener). Da eine Kartierung der chronologisch sehr unterschiedlichen Schlachtfelder nur wenig Sinn macht, wird jedes mittels Koordinaten genau lokalisiert. 4 George Steinhauer, Marathon and the Archeological Museum (Athens 2009) 119-120. 5 Steinhauer, wie Anm. oben 108 mit Abbildung und 120.
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ca. 3m hoch. Im Grabhügel fanden sich 10 Körpergräber, 2 Brandgräber und ein Kindergrab. Diese Vielfalt lässt sich nur schwer einem punktuellen historischen Ereignis zuweisen.
Himera (Italien, Sizilien) Eine weitere Schlacht aus griechischer Zeit lässt sich über Massengräber archäologisch nachweisen: Die Schlacht von Himera / Termini Imerese auf Sizilien6, bei der ein sizilisch-griechischer Bund unter Anführung durch Gelon von Syrakus, dessen Bruder Hieron und Theron von Akragas das karthagische Heer Hamilkars 480 v. Chr. besiegten. Nach diesem Sieg wurden zwei ganz ähnliche Peripteroi auf Ortygia in Syrakus und bei Himera errichtet7. Bei Grabungen in 2008-2009 konnte der Archäologe Stefano Vassallo von der Sopraintendenz in Palermo in der westlichen Nekropolis Gräber dokumentieren, die der Schlacht von Himera zugeordnet werden müssen. Vasallo nahm knapp 2000 Gräber aus dem frühen 5. Jahrhundert vor Christus auf. Darunter befanden sich 18 Bestattungen mit Pferden, die an Kavallerie denken lassen. In sieben Massengräbern waren insgesamt 65 Skelette eingebracht, alle von erwachsenen Männern, die teilweise Spuren von Gewalteinwirkung zeigen8. Damit ist die bei Herodot VII, 165-167 und Diodorus Siculus XI, 20-25 belegte Auseinandersetzung auch im archäologischen Befund dokumentiert.
Baecula (Spanien, Andalusien) Die Schlacht von Baecula fand 208 v. Chr. während des 2. punischen Krieges zwischen einem römischen Heer unter Publius Cornelius Scipio Africanus und einem karthagischen unter Hasdrubal Barkas statt; sie endete mit einem römischen Erfolg. Durch Arbeiten des Centro Andaluz de Arqueología Ibérica9 lässt sich die Schlacht bei Santo Tomé am linken Ufer des Guadalquivir in der Provinz Jaen lokalisieren10. Darauf deuten inzwischen nicht nur die Quellen, d.h. Polybios X, 38, 7 bis X, 40 und Livius XXVII, 18-20 hin, sondern Kleinfunde, die dort bei systematischen Feldbege6 Koordinaten: Ca. +37° 58’ 26.24” N, +13° 49’ 26.73” E (Victoriatempel). 7 Vgl. z.B. Gottfried Gruben, Die Tempel der Griechen (Darmstadt 41986) 270-271; Filippo Coarelli u. Mario Torelli, Sicilia. Guide archeologiche Laterza (Bari 1997) 401-402. 8 John W. Lee, The Fight for Ancient Sicily. Archaeology. A publication of the Archaeological Institute of America. Volume 64 Number 1, January/ February 2011. Vgl. http://archive.archaeology.org/1101/ features/himera.html (Letzter Aufruf 7. Dezember 2013). 9 Juan P. Bellón u.a., Baecula. An Archaeological Analysis of the Location of a Battle of the Second Punic War. In: Limes XX. Anejos de Gladius 13 (Madrid 2010) 253-265. 10 Koordinaten: +38° 0’ 48.88” N, -3° 8’ 1.89” W.
Archäologisch überlieferte Schlachtfelder der Antike
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hungen entdeckt wurden. Das Schlachtfeld befindet sich auf einem Hügel, dem Cerro de las Albahacas, nahe des Oppidums von Turruñuelos, das durch die Lokalisierung der Schlacht als Baecula identifiziert werden kann. Es fügt sich damit gut in die historische Beschreibung der Topographie ein. Vom Platz stammen zudem späte iberische Keramik, aber auch Pilum- und Pfeilspitzen, Schleuderbleie und karthagische Münzen aus jener Zeit, welche bedingt eine Rekonstruktion der Ereignisse während der Kämpfe erlauben. Auf dem höchsten Punkt des Cerro de las Albahacas liegt ein Lager von mindestens 54ha mit einer großen Erweiterung im Süden: in ihm dürfte Hasdrubal Barkas gelegen sein.
Munda (Spanien, Andalusien) Für Munda lassen sich über Schleuderbleie nach Martin Grünewald und Alexandra Richter zwei kriegerische Ereignisse belegen11. Die Autoren lokalisieren diese beiden Schlachten in den Llanos del Águila beim Cerro de las Balas in der Umgebung von La Lantejuela (Provinz Sevilla)12. Als Belege gelten 59 gestempelte Schleuderbleie (Glandes), die unterschiedliche Einheiten bezeugen. Mehrere Schleuderbleie, insbesondere die mit der Stempelung A bzw. leg XIII verweisen nach den Autoren auf ein Gefecht aus der Zeit des zweiten punischen Krieges, das bei Livius XXIV, 42.1 für 214 v. Chr. überliefert ist. Weitere Schleuderbleide mit der Stempelung Cn Mag, d.h. Gnaeus Pompeius Magnus, sollen auf die Schlacht zwischen Caesar und den Pompeianern in 45 v. Chr hindeuten. Werner Zanier und Franciso Pina Polo legen denselben Bestand vor. Sie ordnen auch die mit A und Leg XIII gestempelten Schleuderbleie mit guten Gründen der Zeit um 45 v. Chr. zu13. Damit wäre für Munda also nur ein Ereignis aus Caesars Zeit belegt. Da nur Schleuderbleie vorliegen, ist damit auch eine sichere Zuordnung zu kriegerischen Ereignissen schwierig.
11 Martin Grünewald und Alexandra Richter, Zeugen Caesars schwerster Schlacht? Beschriftete andalusische Schleuderbleie aus der Zeit des Zweiten Punischen Krieges und der Kampagne von Munda. In: Limes XX. Anejos de Gladius 13 (Madrid 2010) 445-456. Vgl. auch dieselben, Zeugen Caesars schwerster Schlacht? Beschriftete andalusische Schleuderbleie aus der Zeit des Zweiten Punischen Krieges und der Kampagne von Munda. Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 157, 2006, 261-269. 12 Koordinaten: Ca. +37° 20’ 46.60” N, -5° 12’ 45.04” W. 13 Franciso Pina Polo und Werner Zanier, Glandes Inscriptae aus der Hispania Ulterior. In: Limes XX. Anejos de Gladius 13 (Madrid 2009) 577-586 und Franciso Pina Polo und Werner Zanier, Glandes Inscriptae aus der Hispania Ulterior. Archivo Español de Arqueología 79, 2006, 5-23.
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Andagoste (Spanien, Baskenland) In der baskischen Provinz Álava lässt sich nahe Cuartango14 ein Gefecht aus der Zeit der Eroberung des spanischen Nordens im Bereich einer von einem einfachen Graben umgebenen Höhensiedlung oder eines temporären Lagers lokalisieren15. Dreiflügelige Pfeilspitzen, Schleuderbleie, Ausrüstungsgegenstände und Schuhnägel aus einem einzigen Horizont verweisen auf einen römischen Angriff. Über die Verteilung der Fundobjekte lassen sich Rückschlüsse über die Abläufe während des Angriffes ziehen. Aufgrund des numismatischen Befundes muss das Gefecht zwischen 40 v. und 30 v. Chr. stattgefunden haben; es gehört damit noch in die Zeit vor den kantabrischen Kriegen16.
Grad bei Reka (Slowenien) Grad liegt an einem Felsabhang über der Idrijca, einem Nebenfluss der Soča, im Westen Sloweniens17. Illegale Begehungen mit dem Metallsuchgerät haben eine Reihe von Metallfunden erbracht, die auf eine Auseinandersetzung der Zeit zwischen 40 v. und 30 v. Chr. verweisen. Darunter befinden sich Pfeilspitzen, Lanzenspitzen, Zungenpila mit einem Widerhaken, Katapultbolzen, Schleuderbleie, Scharnierbogenfibeln und Münzen. Janka Istenič18 bringt diese Funde in Zusammenhang mit den illyrischen Kriegen des Octavian zwischen 35 v. bis 33 v. Chr., genauer noch in den Kontext einer bei Appian, Römische Geschichte X (Illyrike), 16 überlieferten Militäraktion gegen die Carni 35 v. Chr.
14 Koordinaten: ca. 42° 53’ 12.33” N, -2° 54’ 48.73” W. 15 J.A. Ocharan-Larrondo u. M. Unzueta Portilla, Andagoste (Cuartango, Álava): Un nuevo scenario de las guerras de conquista en el Norte de Hispania. In: Anejos de Gladius 5, 2002, 311-325. 16 Vgl. dazu Ángel Morillo, The Roman Occupation in the North of Hispania: War, Military Deployment and Cultural Integration. In: Günther Moosbauer und Rainer Wiegels (Hrsg.), Fines imperii – imperium sine fine? Römische Okkupations- und Grenzpolitik im frühen Principat. Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 14 (Rahden/Westfalen 2011) 11-26, bes. 12. 17 Koordinaten: +46° 7’ 2.45” N, +13° 54’ 53.38” E. Die genaue Fundstelle ist bei Janka Istenič, vgl. Anm. 18, publiziert, deshalb werden an dieser Stelle die genauen Koordinaten angegeben. 18 Janka Istenič, Evidence for a very late Republican siege at Grad near Reka in Western Slovenia. In: Archäologie der Schlachtfelder – Militaria aus Zerstörungshorizonten = Akten der 14. Internationalen Roman Military Equipment Conference = Carnuntum Jahrbuch 2005, 77-87.
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Döttenbichl bei Oberammergau (Deutschland, Bayern) und die Alpenfeldzüge Vom Döttenbichl bei Oberammergau19 wurden 1991 dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege frühkaiserzeitliche Eisen- und Bronzefunde gemeldet. Der Fundplatz liegt nahe des Fundortes des silberverzierten frühkaiserzeitlichen Dolches, der bereits von Günther Ulbert publiziert wurde20. Werner Zanier hat nach der Fundmeldung 1991 den Platz mittels archäologischer Grabungen erschlossen und einen Vorbericht dazu vorgelegt21. Danach sind die Fundobjekte vom Döttenbichl, darunter Münzen, über 400 dreiflügelige Pfeilspitzen, 20 Geschoßspitzen, darunter 3 Katapultbolzen mit Stempelung der LEG XIX, drei Dolche, ein Helmbuschhalter und über 100 Schuhnägel Belege für ein Gefecht des Jahres 15 v. Chr. Zanier geht davon aus, dass diese Objekte aus dem Ammertal stammen, wo er die kriegerische Auseinandersetzung vermutet22, und am Döttenbichl geopfert worden sind. In Diskussion ist auch, ob nicht die Pfeilspitzen gleichzeitig auf einen Beschuss des Opferplatzes der einheimischen Kultur verweisen könnten23. Zur Klärung ist die Endpublikation des Ausgräbers Werner Zanier abzuwarten.
Crap Ses-Schlucht (Schweiz, Kanton Graubünden) In dieselbe Zeit wie der Döttenbichl gehören Funde aus der Crap Ses Schlucht im Schweizer Kanton Graubünden24: Münzen, Geschoßspitzen, mit Stempeln der 3., 10. 19 Koordinaten: +47° 35’ 14.00” N, +11° 4’ 10.95” E. 20 Günter Ulbert, Gaius Antonius, der Meister des silbertauschierten Dolches von Oberammergau. Bayerische Vorgeschichtsblätter36, 1971, 44-49. 21 Werner Zanier, Eine römische Katapultpfeilspitze der 19. Legion aus Oberammergau - Neues zum Alpenfeldzug des Drusus im Jahr 15 v. Chr. Germania 72, 1994, 587-596. Vgl. auch Werner Zanier, Der Alpenfeldzug 15 v. Chr. und die Eroberung Vindelikiens. Bayerische Vorgeschichtsblätter 64, 1999, 99-132, bes. 103-104. Weiter Werner Zanier, Ein einheimischer Opferplatz mit römischen Waffen der frühesten Okkupation (15-10 v. Chr.) bei Oberammergau. In: Willy Groenman-van Waateringe u.a. (Hrsgg.), Roman Frontier Studies 1995 (Oxford 1997) 47-52. 22 Werner Zanier in der Diskussion zum Thema beim Kolloquium in Göttingen. Werner Zanier, Römische Waffenfunde vom Alpenfeldzug 15 v. Chr. In: Harald Meller (Hrsg.), Schlachtfeldarchäologie. Battlefield Archaeology. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 2 (Halle/Saale 2009) 89-97, bes. 91-93. 23 Thomas Fischer und Günther Moosbauer, Schlachtfeldarchäologie. Römische Schlachten – archäologisch bezeugt. In: Heike Pöppelmann, Korana Deppmeyer und Wolf-Dieter Steinmetz (Hrsgg.), Roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn (Darmstadt 2013) 51-56, bes. 52-53. 24 Koordinaten: Den Publikationen sind wegen des Problems der illegalen Sondengänger keine genauen Koordinaten zu entnehmen. Die Fundstellen liegen über drei bis vier Kilometer verteilt in der Crap Ses-Schlucht zwischen Tiefencastel und Savognin.
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und 12. Legion versehene Schleuderbleie, Zeltheringe, Schuhnägel, Fibeln und spätlatènzeitliche Militaria, darunter eine eiserne Hellebardenaxt und ein Schwertfragment, verweisen auf ein Gefecht25. Die Funde deuten auf einen römischen Vorstoß im Rahmen der Alpenfeldzüge über den Septimer durch das Oberhalbstein in Richtung Bodensee hin. Ähnliche Objekte stammen vom Septimerpass und unterstützen diese These26. Inzwischen ist klar, dass auf dem Septimer ein römisches Militärlager von ca. 1,3 ha. Größe lag27.
Kalkriese (Deutschland, Niedersachsen) Kalkriese28 ist das erste antike Schlachtfeld, das großflächig erforscht werden konnte. Mit diesem Schlachtfeld, besser Schauplatz eines Defileegefechtes aus spätaugusteisch-frühtiberischer Zeit wurde eine neue Fundstellenkategorie methodisch erschlossen. Die Erforschung des Fundmaterials in Kalkriese29 hat gezeigt, dass kriegerische Ereignisse im freien Feld unter anderen Paradigmen interpretiert werden müssen als Belagerungen militärischer und ziviler Siedlungen. Als einziges Bauwerk ist dort eine germanische Rasensodenmauer von knapp 3m Breite und bis zu 1,8m Höhe nachgewiesen, die sich zwischen zwei Bächen erstreckte und ca. 400m lang war. Im mittleren Abschnitt des Walls finden sich Durchlässe, an den Enden waren Gräben vorgelagert. Im Süden der Anlage, zum Kalkrieser Berg hin, finden sich Gräben und Gruben zur Drainagierung, um ein Unterspülen des Walles zu verhindern. Diese Rasensodenmauer diente wohl als Hinterhalt von Germanen, um das vorbeiziehende römische Heer in die Zange zu nehmen. Kleinste Bruchstücke römischer Ausrüstung, 25 Jürg Rageth, Belege zum Alpenfeldzug aus Oberhalbstein Gr. In: Oleum non perdidit. Festschrift für Stefanie Martin-Kilcher zu ihrem 65. Geburtstag (Basel 2010) 59-69. Vgl. Jürg Rageth, Frührömische Militaria aus dem Oberhalbstein GR – Belege für den Alpenfeldzug? Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 87, 2004, 297-303. 26 Jürg Rageth, Weitere frührömische Militaria und andere Funde aus dem Oberhalbstein GR: Belege für den Alpenfeldzug. Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte 88, 2005, 302-311. Vgl. zu den Neufunden vom Septimer Werner Zanier, Das Alpenrheintal in den Jahrzehnten um Christi Geburt. Münchner Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte 59 (München 2006) 26-31 und in diesem Band. 27 Werner Zanier, Römische Waffenfunde vom Alpenfeldzug 15 v. Chr. In: Harald Meller (Hrsg.), Schlachtfeldarchäologie. Battlefield Archaeology. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 2 (Halle/Saale 2009) 89-97, bes. 93-94. 28 Koordinaten: +52° 24’ 26.18” N, +08° 07’ 31.48” E (archäologischer Park der Varusschlacht im Osnabrücker Land GmbH). 29 Zu Kalkriese vgl. zuletzt mit weiterer Literatur Achim Rost und Susanne Wilbers-Rost, Kalkriese 6. Verteilung der Kleinfunde auf dem Oberesch in Kalkriese. Kartierung und Interpretation der römischen Militaria unter Einbeziehung der Befunde. Römisch-Germanische Forschungen 70 (Mainz 2012). Vgl. auch den Überblick Varusschlacht im Osnabrücker Land. Museum und Park Kalkriese. Katalog (Mainz 2009).
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die zumeist am Mann getragen wurden, dokumentieren in Kalkriese ein unterlegenes Heer, dessen Tote nach der Niederlage von den germanischen Gegnern geplündert worden sind. Geschoßspitzen und Schleuderbleie sind dagegen im Verhältnis zu anderen Fundplätzen selten. Fundstücke, wie z.B. konzentriert auftretende Schildbeschläge, legen Zeugnis ab von den Vorgängen nach der Schlacht, etwa der Sortierung des Plünderungsgutes, um es weiter zu verarbeiten. Auch ist mit einer Aufstellung von Beutewaffen als Siegeszeichen zu rechnen. Jahre nach der Schlacht wurden dann die wenigen noch vorhandenen Überreste der Toten dort verscharrt, so dass letztlich auch aus Kalkriese Massengräber vorliegen. Bei der Analyse der Befunde und Funde in Kalkriese konnten verschiedene Filter bzw. Interpretationskriterien erarbeitet werden, die entscheidend für die Analyse von Kampfplätzen sind. Einmal gehört dazu die chronologische Differenzierung der Ereignisse vor, während und nach den Kämpfen. Gerade durch Ereignisse nach Kämpfen, etwa durch Plünderungen, wird das Bild der interpretierbaren Fundverbreitung entscheidend beeinflusst. Nicht alle Befunde und Funde sind also direkt auf ein Kampfgeschehen zu beziehen. Entscheidend ist die Rekonstruktion der Ereignisse nach Kämpfen, um auf diese selbst rückschließen zu können. Weiter muss man die Kulturlandschaft zum Zeitpunkt der Kämpfe und insbesondere deren Besiedlung heranziehen. Das Schlachtfeld von Kalkriese liegt inmitten einer germanischen Siedellandschaft, deren Bevölkerung entweder direkt an den Kampfereignissen beteiligt war oder zumindest von diesen bei späteren Plünderungen profitierte. Von Bedeutung ist auch die Frage, ob die starke Metallzufuhr durch Beutestücke Auswirkungen auf die germanische Gesellschaft hatte. Zu berücksichtigen ist dabei, dass in Kalkriese ein römisches Heer auf fremdem Boden niedergerungen worden ist. Hätte die Niederlage auf römischem Boden stattgefunden, wären womöglich die Gefallenen zu einem späteren Zeitpunkt ordentlich bestattet worden. Setzt man das Geschehen in den Kontext der Ereignisse des Jahres 9 n. Chr., dann steht zur Interpretation eine reichhaltige literarische Überlieferung zur Verfügung30.
Krefeld-Gellep (Deutschland Nordrhein-Westfalen) Im Herbst 69 n. Chr. fand bei Krefeld-Gellep / Gelduba im Zuge der Bataveraufstände eine Schlacht statt31, die archäologisch bezeugt und in den Historien des Tacitus IV, 26-36 beschrieben wird32. Das Entsatzheer für das vom Bataverführer Gaius Julius 30 Vgl. etwa Reinhard Wolters, Die Schlacht im Teutoburger Wald. Arminius, Varus und das römische Germanien (München 2008) und Rainer Wiegels (Hrsg.), Die Varusschlacht. Wendepunkt der Geschichte? (Stuttgart 2007), bes. 17-22. 31 Koordinaten: ca. +51° 19’ 53.64” N, +06° 40’ 50.30” E. 32 Robert Fahr, Frühkaiserzeitliche Militärausrüstung vom Gelände eines Feldlagers aus dem Bataveraufstand – Hinterlassenschaften eines Gefechtes? In: Archäologie der Schlachtfelder – Militaria
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Civilis belagerte Xanten / Vetera versammelt sich unter dem römischen Feldherrn Vocula an einem Ort namens Gelduba und errichtet dort ein Lager. Nachdem die Belagerung von Xanten nicht gelingt, wendet sich Civilis gegen das Entsatzheer in Gelduba. Nach schweren Verlusten auf beiden Seiten ziehen die Bataver wieder ab, da eine Kohorte Auxiliartruppen von Neuss her das Lager zu entsetzen scheint. Von Christoph Reichmann vorgelegte archäologische Befunde bestätigen, dass diese Auseinandersetzung südlich von Krefeld-Gellep stattgefunden haben muss33. So konnten die Gräben römischer Feldlager untersucht werden, die sich auf über einem Kilometer Länge am Rheinufer erstreckten. In einem rund 700m langen Abschnitt der Gräben der westlichen Lagerfront lagen ca. 90 Pferdekadaver, die auf einen massiven Reiterangriff der Truppen des Civilis von Westen hindeuten. Auch sind wenige durch die Kämpfe deformierte Waffen, etwa ein Helm, dokumentiert. Über die Art der Pferdeausrüstung von Römern und Batavern lassen sich weitere Schlußfolgerungen zur taktischen Vorgehensweise ziehen. Gruben mit Brandresten von Menschen und Pferden lassen auf die Abräumvorgänge nach den Kämpfen schließen. 70 n. Chr. ist die Entscheidungsschlacht um Vetera / Xanten archäologisch belegbar: von ihr zeugen Waffenfunde aus dem Rhein nördlich der Stadt34. Während des Frankensturms 275/276 fanden weitere Kämpfe um Gelduba statt, von denen sehr gut erhaltene Pferdegräber und menschliche Überreste herrühren, die in gekalkten Gruben niedergelegt worden waren35.
Harzhorn (Deutschland, Niedersachsen) Die Archäologie des Harzhorns ist Thema des Beitrages von Michael Geschwinde in diesem Band36. Deshalb sei an dieser Stelle nur ganz knapp zusammengefasst, dass am Harzhorn (Kalefeld/Bad Gandersheim, Lkr. Northeim) eine große Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen aus dem 4.Jahrzehnt des 3. Jahrhunderts nachzuweisen ist37. Neben dem antiquarischen und numismatischen Befund stützen aus Zerstörungshorizonten = Akten der 14. Internationalen Roman Military Equipment Conference = Carnuntum Jahrbuch 2005, 109-136. 33 Christoph Reichmann, Die Schlacht bei Gelduba (Krefeld-Gellep) im Herbst 69 n. Chr. In: Harald Meller (Hrsg.), Schlachtfeldarchäologie. Battlefield Archaeology. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 2 (Halle/Saale 2009) 99-108. 34 Hans-Joachim Schalles und Charlotte Schreiter (Hrsg.), Geschichte aus dem Kies (Köln 1993). 35 Christoph Reichmann, Archäologische Spuren der sogenannten Bataverschlacht vom November 69 n. Chr. und von Kämpfen des 3. Jahrhunderts n. Chr. im Umfeld des Kastells Gelduba (KrefeldGellep). In: Wolfgang Schlüter u. Rainer Wiegels (Hrsg.), Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese. Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 1 (Osnabrück 1999) 97-115, 97-100. 36 Vgl. Michael Geschwinde in diesem Band. 37 Koordinaten: +51° 49’ 57.56” N, +10° 06’ 43.86” E (Infopoint).
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auch naturwissenschaftliche Datierungen diesen chronologischen Ansatz. Mit Blick auf die Quellen (Historia Augusta Maxim. 10,1-2, 11,7-12,6, 13,3-4 und Herodian 6,7.2-10, 6,8.3-4, 7,1.4-8, 7,2.1-9) liegt ein Zusammenhang mit dem Feldzug des Maximinus Thrax im Jahr 235 n. Chr. nahe. Die archäologischen Befunde und die über großflächige Prospektionsmaßnahmen gewonnene Verteilung des Fundmaterials zeigen ein Gefecht, das mit wechselndem Ausgang mehrere unterschiedliche Militäroperationen, über eine große Fläche verteilt, belegt, dazu gehören Beschuss einer germanischen Stellung, Reiter- und Bogenschützenattacken sowie Gefechte um den römischen Tross38. Vermutlich kämpfte sich ein römisches Heer den Weg von einem größeren, Richtung Elbe ausgerichteten Feldzug zurück in die Hauptquartiere im obergermanischen Mainz frei.
Abritus (Bulgarien, Dobrudscha) Abritus liegt nahe der modernen Stadt Razgrad in Bulgarien39. Dort fand eine in vielen lateinischen, griechischen und byzantinischen Quellen bezeugte Niederlage Roms gegen die Goten unter Kniva statt, bei der 251 n. Chr. der römische Kaiser Decius mitsamt seinem Sohn und Mitregenten Herennius Etruscus sein Leben verloren hat40. Mehrere bulgarische Forscher konnten jüngst über die Kartierung von Altstücken das Schlachtfeld im Umfeld von Abritus lokalisieren41. Insbesondere fanden sich Hortfunde, bestehend aus Gold- und Silbermünzen. Zahlreich sind auch Waffen- und Ausrüstungsgegenstände. Teilweise handelt es sich um ganze Klingen von Langschwertern, um Bolzen-, Lanzen- und Pfeilspitzen aber auch kleinteilige Gegenstände wie Schuhnägel, Panzerfragmente, Wangenklappen von Helmen und durchgeschlagene Helmbügel treten auf. Truppengeschichtlich von Bedeutung ist eine Signumspitze mit 38 Vgl. die Beiträge von Petra Lönne, Michael Geschwinde, Frank Berger, Michael Meyer, Günther Moosbauer zum Harzhorn-Ereignis in Heike Pöppelmann, Korana Deppmeyer u. Wolf-Dieter Steinmetz (Hrsg.), Roms vergessener Feldzug. Die Schlacht am Harzhorn (Darmstadt 2013) 65-77, 272-316. Vgl. weiter Frank Berger, Felix Bittmann, Michael Geschwinde, Petra Lönne, Michael Meyer und Günther Moosbauer, Die römisch-germanische Auseinandersetzung am Harzhorn (Ldkr. Northeim, Niedersachsen). Germania 88, 2010, 313-402 sowie Rainer Wiegels, Günther Moosbauer, Michael Meyer, Petra Lönne u. Michael Geschwinde unter Mitarbeit von Michael Brangs u. Thorsten Schwarz, Eine römische Dolabra mit Inschrift aus dem Umfeld des Schlachtfeldes am Harzhorn (Lkr. Northeim) in Niedersachsen. Archäologisches Korrespondenzblatt 41, 2011, Heft 4, 561-570. 39 Koordinaten: +43° 31’ 25.42” N, +26° 32’ 58.30” (Ruinen von Abritus). 40 Vgl. etwa Lactantius, De mortibus persecutorum IV, Eutrop IX,4, Aurelius Victor 29,4-5, Ammianus Marcellinus XXXI,13.13 und Zosimos I,23. Auch die Gotengeschichten von Cassiodor (nicht erhalten, aber in Iordanes eingeflossen) und von Iordanes, Getica XVIII,101-103 bezeugen das Ereignis. Hinweise finden sich auch in den von Dexippus von Athen erhaltenen Fragmenten: Griechische Geschichte I,3 und in vielen weiteren Quellen. 41 Galena Radoslavova, Georgi Dzanev u. Nikolay Nikolov, The Battle of Abritus in AD 251: Written Sources, Archaeological and Numismatic Data. Archeologia Bulgarica 15.3, 2011, 23-49.
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Inschrift der Legio XIIII Gemina, deren Teilnahme an dieser Schlacht damit bezeugt ist.
Zusammenfassung Ob Marathon oder Cannae, beide historisch überlieferten und stark rezipierten Schlachten zeigen, wie sehr kriegerische Auseinandersetzungen kulturgeschichtlich und nationalstaatlich überhöht werden können. Ähnliches gilt für die aufgeregte Diskussion um Kalkriese, bei der weniger das wissenschaftlich bedeutsame Schlachtfeld als der Versuch, die archäologischen Ergebnisse mit dem Thema ‚Varusschlacht‘ zu verbinden, im Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit steht42. Ähnlich wie in Marathon oder Himera sind in Kalkriese Bestattungen nachgewiesen, die Aussagen zu den Vorgängen nach den Kämpfen erlauben. Wichtiger ist aber, dass mit Kalkriese, Harzhorn und Baecula die einzigen Schlachtfelder vorliegen, bei denen tatsächliche militärische Operationen im offenen Gelände stattgefunden haben. Für Abritus lässt sich ähnliches vermuten, nur ist die Funddokumentation nicht in einer Art vorgelegt, die weitere Schlüsse zuließe. Nur an den ersten drei Orten ist eine klassische Schlachtfeldarchäologie wie von Achim Rost insbesondere für Kalkriese theoretisch weiterentwickelt43 in ihrer Reinform anwendbar und wird von Michael Geschwinde in entsprechender Form am Harzhorn praktiziert44. In Andagoste und Krefeld-Gellep sind keine reinen Schlachtfelder belegt, sondern es spielen temporäre Feldlager eine Rolle, die belagert bzw. bedrängt und verteidigt werden. Man könnte diese Plätze also auch im Kontext mit dem Kampf um Siedlungen bewerten, die häufig nachgewiesen sind. Als Beispiele können die Belagerung von Numantia auf der iberischen Halbinsel45, die caesarischen Kämpfe um Alesia46, der 42 Rainer Wiegels, Die Varusschlacht – ein unlösbares Rätsel? In: Rainer Wiegels (Hrsg.), Die Varusschlacht. Wendepunkt der Geschichte? (Stuttgart 2007) 8-22 und Günther Moosbauer, Die Ausgrabungen von Kalkriese und die neue Rezeption der „Varusschlacht“. In: R. Wiegels u. K.H.L. Welker (Hrsg.), Verschlungene Pfade . Neuzeitliche Wege zur Antike. Osnabrücker Forschungen zu Altertum und Antike-Rezeption 16 (Rahden/Westfalen 2011) 43-56. 43 Achim Rost, Alesia, Kalkriese, Little Big Horn. In: Varusschlacht im Osnabrücker Land. Museum und Park Kalkriese (Mainz 2009) 101-117. Insbesondere auch Achim Rost, Schlachtfeldarchäologie in: Achim Rost u. Susanne Wilbers-Rost, Kalkriese 6. Die Verteilung der Kleinfunde auf dem Oberesch in Kalkriese. Römisch-Germanische Forschungen 70 (Mainz 2012) 3-55. 44 Vgl. Anm. 38. 45 Martin Luik, Der feurige Krieg. Archäologische Forschungen zu den römischen Lagern um Numantia/Spanien. Ein Überblick: In: Harald Meller (Hrsg.), Schlachtfeldarchäologie. Battlefield Archaeology. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 2 (Halle/Saale 2009) 49-57 46 Michel Reddé, Alésia. L’archeologie face à l’imaginaire (Paris 2003), Siegmar von Schnurbein, Caesars Kampf um Alesia und die Archäologie. In: Harald Meller (Hrsg.), Schlachtfeldarchäologie. Battlefield Archaeology. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 2 (Halle/Saale 2009) 59-66.
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römische Beschuss einer großen Hütte im Bereich der einheimischen Siedlung von Hod Hill in Großbritannien47 oder auch die Belagerung von Dura Europos, bei der es in einem unterirdischen Stollensystem zu Kämpfen zwischen Römern und Persern kam48, dienen. Beim Döttenbichl mag man sich einen Beschuss von Einheimischen vorstellen können, die sich wegen Kämpfen im Ammertal auf den länger benutzten Opferplatz zurückgezogen hatten. Ohne endgültige Vorlage des Materials ist aber auch eine reine Interpretation als Opferplatz nicht auszuschließen. Damit rückt der Döttenbichl auch in die Nähe der großen nordischen Opferplätze, in denen sich große Bestände an militärischen Ausrüstungsgegenständen aus Kämpfen befinden49. Noch schwieriger interpretieren lassen sich die Funde aus der Crap Ses-Schlucht und vom Grad bei Reka. Die Funde beider Plätze deuten auf historische belegbare Kämpfe hin, die aber über die Fundverbreitung noch nicht ohne weiteres interpretierbar sind.
47 Ian Richmond, Hod Hill 2: The Excavations carried out between 1951 and 1958 for the Trustees of the British Museum (London 1968). 48 Simon James, The arms and Armour and other Military Equipment. The Excavations at Dura Europos Conducted by Yale University and the French academy of Inscriptions and Letters 1928 to 1937. Final Report 7 (London 2004) 22-39. 49 Vgl. zusammenfassend Ruth Blankenfeldt und Andreas Rau, Skandinavische Kriegsbeuteopfer. In: 2000 Jahre Varusschlacht. Konflikt (Stuttgart 2009) 132-139.
Allgemeines Personen- und Ortsnamen – Verzeichnis (ohne durchgehend benutzte Stichworte wie Octavian / Augustus, Gallien, Germanien, Hispanien etc.) Abritus (Dobrudscha) 401 f. Abusina / Eining 377 Aegypten 9-56 passim Aelius Gallus 5 f., 36, 85 Aelius Seianus (L.) 36 Anm. 109 Aemilius Lepidus (M.) 17 Aethiopia 5, 28f, 38 ff., 42 f.; 45 ff., 52 Africa 16; 53, 56 Anm. 207 Agrippa (M. Vipsanius) 3, 6, 16 f., 19, 26 Anm. 70; 52 Anm. 184, 56 Anm. 206; 73, 88, 137 f., 142 ff., 165 f., 172, 229 f., 239, 268 Alesia 113, 123, 284, 402 Alexander (der Grosse) 54 mit Anm. 196 Alexander Severus 384 Alexandria 16, 23 f., 28, 31, 40 f., 47 f., 54 Anm. 193 Alpen(länder) 11, 15f. Ambiorix 156 Andagoste (span. Baskenland) 396 Antonius Angrivarierwall 361 Anreppen 228, 327, 330, 333 Apollo 94 Arabia felix / Süd-Arabien 6, 9-56 passim Arae Sestianae (tres) 83 Ara Ubiorum / CCAA / Köln 177 ff., 181, 313, 324 f., 328 f., 332 f. Arausio / Orange 178 Archsumburg (Tinnumburg) auf Sylt 350 Ariovist 225 Arminius 81 f., 343, 357 Arsakiden 20 Asciburgium, Moers-Asberg 171, 177 ff., 181. Asturien 51 Augsburg-Oberhausen 180 Augst 180, 307 f. Augusta Emerita (Merida) 73, 79 Aventicum (Avenches) 253 f., 273 f. Babylon 23f. Baecula (Andalusien) 393 f. Baetica 180 Barkhausen 327 Basel (Domhügel) 300 ff., 307 f.
Bataver 134, 154, 341, 357, 360, 399 f. (BataverAufstand) Beckinghausen 7 Anm. 10 Bentumersiel 376 Berghöfe 180 Berlepsch-Ellerode (Werra-Meißner-Kreis), Hübenberg 211, 214 passim. Berry-au-Bac (dép. Aisne) 123 Bibracte 238 Bilbilis 180 Bonna 177 ff., 181 Borremose (Himmerland/Jütland) 344, 355 Breuni 97 Brechen-Oberbrechen 233 f. Breinigerberg 318, 323 Brenudurum (Bern) 257, 273 Brilon 315, 318, 320 ff., 325, 328 Britannien 16, 51 Brohltal 328 Bundenbach (Lkr. Birkenfeld) 124 f. Caesar (Iulius) 3, 8, 155 ff., 165, 225 Caesar (C. Enkel und Adoptivsohn des Augustus) 53ff. Caesaraugusta 180 Campo della Cercas 75 Caligula 28 Cantabrer 46 Anm. 158, 51 Caracalla (M. Aurelius Antoninus) 375 Carrhae 19, 52 Carrinas (C.) 166 Celsa 180 Chatten (proto-batavisch) 135 Anm. 8, 141 f., 148 ff., 230 Cherusker 361 Cildá 75 Civilis (C. Iulius) 399 Claudius Nero (Ti., Kaiser) 22 Anm. 51; 91, 95 Claudius Trifer(na?) (Ti.) 326 Col des Etroits (Sainte-Croix) 5, 268, 283 ff. colonia Augusta Praetoria (Aosta) 240 f. colonia Iulia Equestris (Noviodunum / Nyon) 237, 251, 272 colonia Raurica 237, 249, 273
Allgemeines Personen- und Ortsnamen – Verzeichnis
Cornelius Balbus 53 Cornelius Gallus (C.) 16 ff., 24 ff. Cotero del Medio / de Majoro 76 Crap Ses-Schlucht (Graubünden) 397 f., 403 Cugerner 135 f. Cyrenaika 16 Daker 35 Dalmater 20 Anm. 40, 35 Anm. 107, 53 Anm. 191 Dangstetten (Hochrhein) 7 Anm. 11, 177 f., 181 f., 285, 307 f. Decius 401 Diokletian 22 Anm. 54 Domitian 219, 221 Donau 10 Anm. 3, 16, 56, 58 Donnersberg-Kreis 124 Döttenbichl (b. Oberammergau) 297, 397, 403 Drusus Claudius Nero 6 ff., 56 Anm. 206; 87 ff. Dünsberg-oppidum 138 Anm. 18, 139 f., 151, 227, 230 Dura Europos 377, 403 Eburodunum (Yverdon-les-Bains) 252 f., 273 Eburonen 4, 134 f., 143, 146, 149 f., 155 ff., 165 Echzell 232 Eichsfeld (unteres) 215 f. Eifel 315, 318, 323 f. 327 f. Elbe 10 Anm. 3 El Bierzo 8, 77 f., 80 Eldagsen (Stadt Springe), Barenburg 211 passim. Elsfleth (Wesermarsch) 376 Ems (obere / untere) 186 Engelskirchen 315, 326, 328 Ercovica 180 Eros 315 f. Espina del Gallego 74 ff. Euphrat 38 Anm. 118, 55 Anm. 199 Feddersen Wierde 348, 356 Flavius Verucla (L.) 314 ff., 321, 323 Flögeln (Ldkr. Cuxhaven) 353, 367 Forum Iulium (Alexandria) 28 Friedberg 233 Friesen 154 Gallaecien 6 Gallia 15, 17, 20, 44 Anm. 146, 54 Anm. 193 Gallia Narbonensis 53 Anm. 189 Genauni 97 Germanicus Caesar 55 Anm. 198; 179, 343 Germani cisrhenani (Germania magna) 14, 20, 51, 53 Anm. 191, 134
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Germanus Indutili (Kleinerze) 331 Griechenland 52, 56 Anm. 207 Gristede (Ammerland) 354 Hachelbich (Gemeinde Kyffhäuserland) 2, 218 f. Hadramaut 42ff. Haltern 7, 326 f., 330, 333 Hannibal 91, 94 f. Harzhorn / Kahlberg (Ldkr. Northeim) 2, 203, 208, 212, 219, 221, 375, 400 ff. Harzvorland / Harz 188, 198, 215 f. Hasdrubal 91, 94 f. Hedemünden (Ldkr. Göttingen), LagerAnlagen 1, 7 Anm. 10, 113, 117 f., 182, 185 f., 191, 192, 193 ff. 299 f. 204,209, 340, 360 Heidenschanze / Heidenstadt (Sievern, Ldkr. Cuxhaven) 345 f., 349 Helvetier-Land / civitas 5, 235, 249 ff., 273 f. Hercules 95 Hermeskeil (Hunsrück) 3, 103 ff. Himera (Sizilien) 394 Hispania 11, 16, 25, 51, 56 Hitzerode (Gde. Berkatal, Werra-Meißner-Kreis), „Römerschanze“ 210, 212 f., 216, 221 Hodde, Großhof (Westjütland) 347, 356 Hod Hill (Großbritannien) 403 Höchst (Frankfurt) 231 f. Holzheim (Fritzlar) 187 Horaz 87 ff. passim Hüfingen 180 Hunerberg-Lager (Nijmegen) / Niymegen 169, 171, 177 f., 181, 185, 230, 330 Illyricum 56 Anm. 206 Indien 38ff. 45ff. Italien 16f., 19 Anm. 38, 56 Anm. 207 Iudaea 52 Jütland 340 ff., 355, 361 Kalefeld 2 Kalkriese (mit Hof Dröge) 340 f., 379, 398 f., 402 f. Kall-Keldenich 315, 318, 323, 328 Kandake 47f. Kaufunger Wald 192, 202, 215 Kempten 180 Kessel-Lith (proto-batavisch) 140 f. Kölner Raum 143 ff., 148 Königswinter-Bennerscheid 315, 326, 328 Kops-Plateau / Nijmeyen 165, 177 f.
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Allgemeines Personen- und Ortsnamen – Verzeichnis
Krefeld-Geleb (Niederrhein) 399 f. Kruft 328 Lahnau-Dorlar 228 legio V Alaudae 82, 167, 180 legio XIIII Gemina 402 legio XIX 326 Leine – Elbe - Weg 188 Leinetal, -graben 193, 215 f., 340 f. Lembecksburg (Föhr) 350 Libyen 23 Anm. 57 Lich-Arnsburg 231 Licinius Crassus (M.) 20; 34 ff.; 54 Anm. 196 Limburger Becken 3, 229 f. Livia 88, 91, 100 Löhne (Niedersachsen) 15 Anm. 20 Lollius (M.) 54 Anm. 193; 172 Lousonna (Lausanne) 251 f., 272 Lüderich 315, 325 f., 328 Lugdunum (Lyon) 4, 100, 178, 238 Lyngsmose (Westjütland) 347 Macedonia 34 f. Marathon (Attika) 393 f. Marbod 228 Marcus Antonius 16 f.; 25; 32 Anm. 90 und 94; 35; 52 Anm. 186 Marcodurum (Mariaweiler / Düren) 152 ff. Mariba (Marib/Jemen) 6, 42f. Markomannen 135 Anm. 11 Marktbreit (a.M.) 228, 231 Mauretanien 51, 55 Anm. 202 Maximinus Verus (Thrax) 2, 8, 191, 203, 213, 221 Menapier 149 f., 154 Meroe 5, 29f., 47f. Messallinus 314 Mogontiacum / Mainz 177 ff., 181, 313, 327, 328 Mosel-Brücke (Trier) 4, 143, 166 Anm. 10 M. Petronius Flosculus 332, 333 Munda (Andalusien) 395 Napata 37, 39, 43 f. Narbonne 178 Nauheim (Bad) 313, 327 f. Negenborn (Stadt Einbeck), Burgberg 207, 211, 214 Nervier 157 f. Niederlande 340 ff., 355 Niederweimar 232 Niederzier 158 Anm. 58 Nil 24, 28 f., 36 ff.
Nonius Gallus (M.) 53 Anm. 190; 166 Nordsee 15 Anm. 20 Noricum 11 Nørre Snede in Vejle Amt / Jütland 351 Novaesium / Neuss 167, 170, 177 f., 181 f. Nubien 23, 25, 29, 43, 45 ff. Numantia (Spanien) 402 Oberaden (mit Beckinghausen) 7, 170, 171 Anm. 42, 177 ff., 181 f., 185, 327, 330 ff. Octodurus (Martigny) 237 Oedenburg 300 ff. 308 Olfen-Sülsen a. d. L. (Standlager) 1 Anm. 1, 7 u. Anm. 10, 177 f., 182 f. Olgerdiget 350 Osca 180 Oss-Almstein (südl. Niederlande) 349 Oss-Schalkamp / -Westerfeld 359 Osterode (Südharz) – Pipinsburg 344 Otzenhausen („Hunnen-Ring“) 3, 103 ff., 115 Palmyra 56 Partherreich 6, 19 ff., 37, 44, 50, 52 Petinesca (Studen) 254 f. Petrisberg (Trier) 4, 113, 166, 243 Petronius (P.) 38ff. 45ff. Philippi 25 Phroaates 19 und Anm. 38; 55 und Anm. 200 Plancus (L. Munatius) 238 Pommern (Martberg, Lkr. Cochem-Zell) 125 Pompeius Magnus (C.) 54 Primaporta (Rom) 20 Anm. 40 Primis / Qaşr Ibrim 25, 48 f. Priorsløkke (Horsensfjord/Jütland) 349 Pudens 321 f., 325 Raeter /Raetien 5, 11, 87 ff., 267 Reka (Slowenien), Fundplatz Grad 396, 403 Rena Maiore 314 f., 317, 321 f., 325 Renieblas (Prov. Soria), Lager III 109 Rhein 15 f., 56 ff. Rödgen (Wetterau) 7 Anm. 10, 177 ff., 181 ff., 230 f. Rosdorf (Ldkr. Göttingen) 206, 211, 213 Rotes Meer 21 f, 37 f., 55 Rottweil 180 Saale - Elbe – Weg 187 Sabäer 41 f. Salasser 51 Sassendorf (Bad) 317 f. Sauerland 315, 317 ff., 323 f., 326 „Schwedenschanze“ bei Isingerode (Oder) 350
Allgemeines Personen- und Ortsnamen – Verzeichnis
Schwarzenbach (Gem. Nonnweiler, Lkr. St. Wendel) 118 Scipio Africanus (P. Cornelius) 54 Anm. 296 Sedunum (Sion) 246 f. Segestes (Cherusker) 135, 343 Segobriga 180 Septimer-Pass 1 Anm. 1, 7 Anm. 11, 266, 284, 397 f. Servius Galba 236 Sievern 367 Snorup (Riebe / Jütland) 354 Soest 317 f., 327 f. St. Maries-de-la-Mer 314 ff., 321, 325 Stolberg 315, 318, 323, 328 Straßburg ( Argentorate) 299 ff., 308 f. Sueben 138, 147 Anm. 36 Sugambrer 4, 7, 54 Anm. 193, 143, 146 f., 166 ff. Sunuker 136, 148 ff. Syllaios 39f. Syria 38, 44 Anm. 146, 49 Anm. 176, 55 Tangermünde 188 Tarraco (Tarragona) 45, 70, 73 Tencterer 134, 147, 167 Thrakien 35, 54 Anm. 193 Thukydides 58 Tiberius (Claudius Nero) 87 ff., 179, 228, 307 f., 357 Titelberg (Luxemburg) 4, 125 f., 180, 307 Tjørring (Jütland) 357 f. Tongeren 324 Traelbanken (Nordschleswig) 350 Traian (M. Ulpius) 37 Anm. 117 Treffurt 186/7 Treverer-Gebiet, Treverer 3 f., 53 Anm. 190, 103 ff., 124 f., 165
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Triakontaschoinos 23 Anm. 56, 29 Anm. 80, 47 Triboker 308 tropaeum Alpium (La Turbie/Monaco) 83, 88, 95, 100, 241 Tungrer 158, 330 Turicum (Zürich) 261 f. Überlandweg Mainz-Mittelelbe 191, 193, 202, 204, 206, 211, 215, 217, 221 Ubier-Gebiet, Ubier 3, 135, 137 ff., 148, 170, 227 Ulfen (Stadt Sontra, Werra-MeißnerKreis), 210 f. Usipites 54 Anm. 193, 134, 147, 167 Valerius Rufus (L.) 323 Vercingetorix 237 Vergil (Aeneis) 24 f.; 94 Vestervig 355 Vetera I (bei Xanten) 177 f., 399 f. Vienna /Vienne 178 Vindeliker 5, 87 ff. Vindonissa / Lager 270 f., 302, 307 f. Vindonissa-oppidum (Windisch) 249, 259 ff., Vinicius (M.) 51, 229 Vitudurum (Oberwinterthur) 261, 262, 273 Vorbasse, Vejle Amt / Jütland 351 Waldgirmes (Lahnau) 170, 227, 232, 313, 328, 331, 333, 341 Anm. 11 („Reiterstatue“), 233, 376 Walenseetürme 267 f. Werl 326 Werra/Werratal 191, 193, 202, 215 f. Weser (mittlere) 186 ff. Wetterau 186 Windisch 180 Wünnenberg (Bad) 320
Materialien – Methoden − Begriffe Aduatuker, Aduatuker-Kleinerze 134, 144, 147, 156, 330 f. aerarium militare 18 Alen 22 ff. Alpenfeldzüge 266, 288, 307, 397 Amphorenkeramik (Dressel I) 103, 112, 197 f., 201, 260 Arabia Felix / Südarabien 36f. Arabien-Feldzug 5, 36ff. Basalt 327 f. Bellum Cantabricum et Asturicum 51, 69, 168 Anm. 26, 51 Bevölkerungsgrößen / Heeresstärke 339, 360 Bleibarren 313 ff., 321 ff. Bohlenwege 365 f. Buntmetall-Objekte 380 Chatten-Kriege 2 Anm. 4, 220 f. clades Lolliana 54 Anm. 193, 87, 167 f. clades Variana 10, 54 Anm. 193, 65 Copia-Münzen 183 f. deditio 7 f., 73 Dinkel 331 f. dispensator 324 Divos-Iulius-Asse 178, 184 dolabra 194 Drusus-Feldzüge 1, 4, 6, 191, 193, 219 f. Drusus-Oden 7, 87 ff. passim Dynastie-Politik (Augustus) 5, 7, 100 Elite-/Fürstengräber 360 Eisenverhüttung, -gewinnung 353, 361 “Fein-Chronologie” 4 Fibel (Scharnierbogen-, aucissa-) 246, 263 f., 268, 396 foedus 138 fossa Drusina 6 Gallischer Krieg 122 ff., 235 ff., 288 Genozid 155 ff. gens Claudia 90 f. Germanicus-Feldzüge 202, 211, 213, 220 f., 230, 233 Germanienpolitik 9 ff, 15, 19, 51, 56, 58 Anm. 214 Grenzpolitik 53 ff. Goldstatere (eburonische) 158 Anm. 58 „grand strategy of the Roman Empire” 12 f., 58 Grob- und Schwerkeramik 112, 376 Haltern-Horizont 169, 193,213, 232 f., 299
Hellebardenaxt 398 „Herrenhöfe“ 343 ff., 351, 356, 358 f., 361, 363 Anm. 104 Hipposandalen 383 Ianus/Prora-Asse 178, 182 f. „Imperiale Politik“ 51 ff. imperium proconsulare 5 f., 18 ff. 70 imperium und pax 11 f., 56, 59 imperator 35, 53 Anm. 190 f. Jochaufsätze 383 Katapultbolzen 377, 387, 396 f. Kleinbarren (Blei) 319 ff., 325 f. Kohorten 22 f. Kommunikationsposten 202, 205, 219 „Königsreiche“ 362 Kriegsbeuteopfer / Waffenopferfunde 361 „Kriegsherren“ („warlords“) 339 ff., 349 „Landschaftsarchäologie“ 363 Landschafts-Organisation (Siedlungsgefüge) 339 ff. Landwirtschaft 331 f. Latène-Zeit 344 f. LIDAR-Geoscanning 191 Legionen 16 ff., 22 f. Lugdunum – As, Altarserie 2 221 Magnetometer-Prospektion 195 Markomannen-Kriege 375 f. Markt / Märkte 313, 331, 333 Marschlager 2, 202 ff., 218 Marschwege (röm.) 215 ff. Maultiere 383 Monetarisierung 329, 331 Mühlen, Mühlsteine 114, 327 f. Münzmeister-Prägungen 179 Nemausos I-Prägungen 180 f., 182, 185, 187 Oberaden-Horizont 169, 191, 201, 229 Oceanus-Grenze 83 oppida-Großsiedlungen 344 orbis terrarum 12 patrimonium principis 324 Pfeilspitzen (dreiflügelige; röm. und germ. Typen) 245, 248, 267, 284, 383 ff., 397 Pila (u. a. Zungenpila) 248 f., 267, 284, 379, 396 Pionier-Großgeräte 194 plumbum Germanicum 7, 313 ff., 317, 321 ff., 325
Plünderungsgut / Beutewaffen 399 „Primärfunde / Sekundärfunde” 379 Principat 5 Provincia Transduriana 78 Provinzialisierung 79 ff. Radiokarbonalter S, 114 Reflexbogen / Langbogen 384 f. Rennfeueröfen 354 Sakralorte 275 Salz 326 f. Sandalennägel/Schuhnägel 108, 113, 193, 198, 201 f., 205 f., 209 f., 229, 245, 263 f., 268, 284 f., 287 f., 290, 366, 378, 397 f. Schiffsgestützte Nachschubversorgung 198 „Schlachtfeld-Archäologie” (antike) 1, 268, 288, 377 ff., 393 ff. Schleuderbleie (glandes) 245, 395 f., 398 Schüsselfibeln (Kessel-Lith) 153 Siedlungsleere (Kölner Raum) 144 ff. Siedlungsnetz 365 f. Siegelkapseln 285 Signalposten 205 ff.
Materialien – Methoden − Begriffe
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Silberquinare (keltische) 138 f., 170; (ubische) 142 ff. specula 205 Spitzgraben 105 ff., 227 Stammesverbände / Stammesgruppierungen 339 ff. Standlager 198, 201 stipendia 180 Strategie 9 ff. Terra Sigillata 97 ff.113, 171 Torsionsgeschütze 379, 387 Veteranen 16 ff. Wagen-Fragmente 382 „wandernde Dörfer“ 358 Waffendeponierungen 356, 376, 399 Wegeforschung / Wegenetz 191, 215, 339 f. Wikinger-Zeit 355 f. victoria 12 Vienna-Münzen 183 f., 187 „Viereck-Schanzen” 344 f. Zeltheringe 285, 398 Zentralorte 339
Stellen-Register zu antiken Schriftzeugnissen (in Auswahl)
CIL V 7817 (tropaeum Alpium) S. 88 f.; XIII 11605; S. 299 Ammianus 17,4,3-5 S. 24 Anm. 62; S. 26 Anm. 70; S. 28 Anm. 79, S. 31 Anm. 86 Appian R.G. Illyr. X, c. 16 S. 396 Appian b.c. 5,5-9 19 Augustus, Res gestae c. 4,1-3 S. 35 Anm. 107; c. 13 S.11; c. 26,5 S. 36 Anm. 113 und S. 46 Anm. 159; c. 29 S. 71 Anm. 8; c. 13 S. 73 Anm. 11; 31,1 S. 45 Caesar, BG 1, 31, 10, c. 36, 4 u. c. 44, 2 S. 225; 3, c. 1 – 6 S. 236 f.; 4, 16, 4 S. 146 Anm. 33; 5, 3, 2 f. S. 122 Anm. 49; 6, 7, 6 f. S. 110 Anm. 12; 6, 23, 1 ff. S. 145 f. Cassius Dio, 48, 49, 2 – 3 S. 165; 51,17,1 f. S. 31 f.; 51,25,2 S. 21; 53,23,6 f. S. 25 f., 33; 53,29,3-8 S. 36 Anm. 113 ff.; 54,9,1 ff. S. 52 Anm. 187; 54, 20, 4 S. 166 Anm. 11; 54, 33, 4 S. 229 f.; 54,5,4 ff. S. 46 Anm. 159; 54,9,1 S. 52; 54,9,1 ff. S. 52 Anm. 188 Florus, 2, 30 S. 299; 2, 33, 46 – 60 S. 72 Anm. 9 Frontin, strat. 1, 1, 8 u. 3, 10; 2, 3, 23 u. 11, 74, 3, 14 S. 2 / 3 Anm. 6 Hirtius, BG 8, 24, 4 S. 157; 8, 24, 3 u. c. 25 S. 122 Anm. 53; 8, 52, 1 S. 122 Anm. 48 Horaz, Carm. 4, 3, 1 – 12 S. 96; 4, 4 u. 4, 14 S. 87 ff. passim; 4, 15 1 – 4 S. 99; Epist. 1, 1, 19 S. 89 Anm. 16 Ioseph., ant. 15,105 S. 19 Anm. 39; 15,317 S. 22; 15,299 ff. S. 45 Anm. 157 Ioseph., bell. Iud. 2,40 S. 22; 2,386 S. 21 Krinagoras, Anth. Pal. 9, 291 S. 167 Anm. 15 Livius 28, c. 18 – 20 S. 394; perioch. 114 S. 122 Anm. 54
Ovid, am. 1,1529; 3,9,63 f. S. 26 Anm. 73, 33 Anm. 95 Ovid, trist. 2,45 f. S. 33 Pindar, Pyth. 1, 5 – 9 S. 90 Anm. 19; 4, 264 – 269 S. 91 Anm. 20 Plinius, Nat. Hist. 6,160f. S. 36f.; 6,181f. S. 46 Anm. 159 Polyb. hist. 10, 38, 7 – c. 40 S. 394 Schol. Hor. carm. 4, 2, 36 S. 166 Anm. 11 Strabon 2,5,12 p. 118 S. 36; 4, 6, 11, p. 118 S. 166 Anm. 10, S. 239, S. 289 f.; 7, 1, 4 S. 166 Anm. 11; 16,4,22-24, p. 780-782 S. 36 Anm. 113, S. 37, S. 39 f.; 17,1,12 p. 797; 17,1,30, p. 807 S. 22ff. Anm. 54; 17,1,53ff. p. 819-821 S. 46, 17,1,54 p. 821 S. 49 Sueton, Aug. 66,1 S. 24 f. passim; 66,2 S. 25 passim Sueton, Tib. 12 f. S. 54 Anm. 192 f. Sueton, v. Hor. 2 S.87 f.; v. Tib. 1, 2 S. 93 Anm. 28; v. Aug. 23, 1 S. 167 Anm. 15, 168 Tacitus, ann. 1, 31, 3 u. 45, 1 S. 168 Anm. 20; 1,9-10 S. 58 Anm. 212; 1, c. 37 S. 309, 1, c. 57 S. 343; 12, 27, 1 S. 137 Anm. 17; Germ. 29, 1 S. 141; hist. 1,11,9 S. 32 Anm. 90; 1,67,5 S. 269; 4, 28, 2 S. 154 Vell. Pat. 2,39,2 S. 21 Anm. 43; 2, 97, 1 S. 167 Anm. 15, S. 168 Anm. 23; 2,101 f. S. 54 Anm. 192, S. 55 Anm. 199 Vergil, ecl. 10 praef. S. 24 Anm. 62; S. 25 Anm. 65; 1,67 – 71 S. 98; 4,4 ff. und 4,37 ff. S. 12 Anm. 9; georg. 2,171 f. und 4,560-562 S. 38 Anm. 118 Vergil Aen. 6,794-800 S. 44 Anm. 146; 7603-605 S. 37 Anm. 114; 8,704-706 S. 37 Anm. 114
Inschriften AE 1928,44 S. 35 Anm. 105 AE 1964, 255 = AE 1980, 46 = AE 1991, 63 = AE 1994, 1815 S. 28 Anm. 25 AE 1967, 458 = SEG XXIII 206 und 1977, 778 = AE 1992, 1534 = AE 1999, 1448 S. 35 Anm. 107 CIL III 83 = AE 1999, 1718 = AE 2006, 1636 S. 43 Anm. 144 CIL III 1414,5 = ILS 8995 = IGRRP 1,1293 = IGLPhilae 2,128 = AE 1992, 1725 = AE 1997, 1569 S. 29 Anm. 81 CIL XI 1421 = ILS 140 S. 54 Anm. 194; S. 55 Anm. 201
Fasti triumph. Barberini ad ann. 29, 26 u. 21 = Inscr. It. XIII/1 p. 344 f. S. 35 Anm. 107; S. 53 Anm. 190 Fasti triumph. Capit. ad ann. 26 u.19 = Inscr. It. XIII/1 p. 86 f. S. 53 Anm. 190 Fasti Praenest. 9. Jan. (ad ann. 29) S. 11 Anm. 7 FHN 2, 163-165 S. 29 Anm. 81 IG II2 4118 = ILS 8810 S. 35 Anm 105 IGLPhilae 2, 128 S. 29 Anm. 81 ILS 881 S. 35 Anm. 106 SEG XIII 614 = AE 1954, 121 S. 22 Anm. 51 SEG XXVII 1005 S. 41 Anm. 136
Papyri P. Herc. 817 S. 32 Anm. 94
P. Oxy. XXXVII 2820 S. 30 A 83 f.
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Sabine Hornung Das spätrepublikanische Militärlager bei Hermeskeil (Lkr Trier Saarburg)
Abb. 3: A: Profil des nordwestlichen Umfassungsgrabens (Grabung 2010, Grafik: A. Braun); B: Profil durch den Graben westlich (links) des Tores (Grabung 2011, Grafik A. Braun).
Abb. 5: Profil des Sohlgrabens der inneren Lageruntergliederung, Grabung 2010 (Grafik A. Braun).
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Abb. 8: Prozentuale Verteilung der verschiedenen Schuhnageltypen an Referenzkomplexen: blau = Typ A; rot = Typ B; gelb = Typ C; grün = Typ D. – 1 Hermeskeil; 2-4 Alesia Lager A, B, C (nach Brouquier-Reddé / Deyber, Fourniment); 5 Hedemünden (nach Grote, Hedemünden); 6 Kleinlager Kring (nach Grote, Hedemünden) (Grafik S. Hornung).
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Abb. 13: Verbreitung spätlatènezeitlicher bzw. frührömischer Fundstellen im Umfeld des „Hunnenrings“ und rekonstruiertes Wegenetz. – Gelb: LT C2/D1a; rot: LT D1b/D2a; blau: LT D2b; grün: frührömisch (Grafik: S. Hornung).
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Johannes Heinrichs Wanderungen versus Genozid
Tafel 1: Düren-Mariaweiler: Quinare (Scheers 57 II, Nr. 1–10) und Regenbogenschüsselchen der der Nordgruppe (Kellner IX B, Nr. 11 und IX C, Nr. 12–20): unmaßstäbl. vergrößerte Beispiele
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(Elektron, Av. völlig plan)
14 15 (goldplattiert, Av. (unten: graphisch (silberplattiert, Av. abgeplatzt; Umrekonstruierte völlig korrodiert) zeichnung: U. KlöpBeiz.) pel, Aarbergen)
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Nr. 15 mit bisher unbekannter Markierung, kombiniert aus zwei Beizeichen, jeweils im Feld unterhalb der obersten Kugel: re. ein Kringel, li. ein (noch S-förmiges) Gebilde, dessen li. Teil korrosionsbedingt zerstört ist. Gemäß der allgemeinen Semantik der Beizeichen dürfte es sich am ehesten um einen Kringel handeln, darüber eine schräge Haste (Vorschlag und graphische Rekonstruktion durch U. Klöppel). Kringel-Beizeichen, zumal in Kombination, weisen typologisch auf die Lith-Gruppe. Sie überwiegen in Düren-Mariaweiler.
Frank Berger Charakteristische Münztypen der Drusus-Ära
Münztafeln
Abb. 1: Denar des Augustus, Lyon, 15-13 v. Chr., RIC 167 (leicht vergrößert)
Abb. 2: As des L. TITURI L.F. SABINUS, Rom 89 v. Chr., Cra 344.
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Abb. 3: Divos Iulius-Kupfermünze, Italien, ca. 38 v. Chr., RPC 620.
Abb. 4: Vienna-Kupfermünze, ca. 36 v. Chr, RPC 517.
Abb. 5: Copia-Kupfermünze, ca. 36 v. Chr., RPC 515.
Abb. 6: Arausio-Kupfermünze, ca. 30/29 v. Chr., RPC 533
Abb. 7: Narbo-Kupfermünze, ca. 40 v. Chr., RPC 518.
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Abb. 8: Nemausus-As, ca. 16/15-10 v. Chr., RPC 523.
Abb. 9: Münzmeister-As des Lucius Naevius Surdinus, 16/ 15 v. Chr., RIC 386.
Abb. 10: Caesaraugusta (Zaragoza), As, ca. 17/ 13 v. Chr., RPC 305.
Abb. 11: Bilbilis, As, ca. 17/ 13 v. Chr., RPC 391
Abb. 12: Celsa, As, ca. 17/ 13 v. Chr., RPC 273.
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Heiko Steuer Landschaftsorganisation, Siedlungsnetz und Dorfstruktur in der Germania in den Jahrzehnten um Chr. Geb.
Abb. 4: Kulturen und Kulturgruppen im nördlichen Mittel- und Osteuropa während der jüngeren vorrömischen Eisenzeit, darunter: 1 Jastorf-Gruppen, 3 Przeworsk-Kultur, 4 Spät-Latène-Kultur (nach Müller 2007, S. 266 Abb. 1 – verändert).
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Klaus Grote Die römischen Militäranlagen der augusteischen Germanienfeldzüge und Hinweise auf spätere Vorstöße im WerraLeine-Bergland rings um Hedemünden
Abb. 2: Unteres Werratal bei Hedemünden. Plan der römischen Anlagen mit zeitgenössischem Umfeld.
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Abb. 3: Römerlager Hedemünden. Plan der Einzelbereiche auf dem Burgberg, mit Siedlungsflächen der jüngeren vorrömischen Eisenzeit.
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Abb. 4: Augusteische Militäranlagen in der Germania zwischen Rhein, Elbe, Main und Nordsee. Verlauf der Feldzüge unter Drusus und damit gleichzeitige Lager (schwarz umrandet). Kartengrundlage: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, Frankfurt a. Main.
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Abb. 6: Hedemünden, Hauptlager I mit Annexlager II (südlich) und Außenbereich III (westlich). Digitales Geländemodell nach LIDAR/Airborne Laserscan mit Kartierung der römischen Metallfunde aus der Detektorprospektion.
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Abb. 10: Hedemünden, Hauptlager I. Kartierungsbild rings um den Zentralbau
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Abb. 11: Südniedersachsen und Nordhessen am Ende der vorrömischen Eisenzeit. Die Drusus-zeitlichen Militäranlagen bei Hedemünden und der mutmaßliche Verlauf der römischen Marschwege. Unterlegt die einheimische Siedlungslandschaft von SpLT bis ältere RKZ.
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Abb. 13: Kleinlager „Kring“ und Verlauf des römischen Marschweges im Kaufunger Wald bei Oberode. Digitales Geländemodell (nach LIDAR/Airborne Laserscan).
Fundpunkte der Karte Nr. 23
1: Hitzerode, Werra-Meißner-Kreis, Weidscher Kopf (Römerschanze), 2: Hedemünden, Ldkr. Göttingen, Roter Berg, 3: Hedemünden, Lohkopf, 4: Mollenfelde, Ldkr. Göttingen/Berlepsch-Ellerode, Werra-Meißner-Kreis, Kreideberg, 5: Dahlenrode Ost, Ldkr. Göttingen, Grabhügel FSt. 3, 6: Jühnde, Ldkr. Göttingen, Grabhügel FSt. 96 u. 97, 7: Jühnde, Grabhügel FSt. 103, 8: Jühnde, Grabhügel FSt. 104, 9: Rosdorf, Ldkr. Göttingen, neben jüng.RKZ-Siedlung, 10: Groß Lengden, Ldkr. Göttingen, Hengstberg, 11: Pleßforst, Ldkr. Göttingen, Wittenburg, 12: Negenborn, Ldkr. Northeim, Burgberg, 13: Eldagsen, Region Hannover, Barenburg, 14: Dahlenrode, Ldkr. Göttingen, Ecksberg, 15: Berlepsch-Ellerode, Werra-Meißner-Kreis, Hübenberg, 16: Ulfen, Werra-Meißner-Kreis, Ottilienberg, 17: Rotenkirchen, Ldkr. Northeim, Burgplatz Grubenhagen, 18: Oldenrode, Ldkr. Northeim, röm.-germ. Schlachtfeld am Harzhorn, 19: Deiderode, Ldkr. Göttingen, Rieschenberg, 20: Hedemünden Römerlager.
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Abb. 23: Südniedersachsen und Nordhessen in der nach-augusteischen RKZ. Mutmaßliche Signalposten (rot in schwarzem Kreis), Schuhnagelfundstellen, z. T. als Wegespuren (rot), rekonstruierter Verlauf des SW-NO-Überlandweges (hellbraun) und anderer überörtlicher Hauptwege. Vgl. Abb. 11.
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Matthieu Demierre, Thierry Luginbühl und Murielle Montandon Militaria tardo-republicains au Col des Etroits (Jura vaudois, Suisse) – données et essai d’analyse
Fig. 1: Topographie générale du Col des Etroits (swisstopo, Section Archéologie cantonale, Etat de Vaud).
Fig. 7: Carte de répartition du mobilier de prospection (swisstopo, Section Archéologie cantonale, Etat de Vaud, DAO M. Demierre).
Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Neue Folge Wer kauft Liebesgötter? Metastasen eines Motivs Dietrich Gerhardt, Berlin/New York 2008 ISBN 978-3-11-020291-5, AdW. Neue Folge 1 Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III Hrsg. von Jochen Johrendt und Harald Müller, Berlin/New York 2008 ISBN 978-3-11-020223-6, AdW. Neue Folge 2 Gesetzgebung, Menschenbild und Sozialmodell im Familien- und Sozialrecht Hrsg. von Okko Behrends und Eva Schumann, Berlin/New York 2008 ISBN 978-3-11-020777-4, AdW. Neue Folge 3 Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit I. Konzeptionelle Grundfragen und Fallstudien (Heiden, Barbaren, Juden) Hrsg. von Ludger Grenzmann, Thomas Haye, Nikolaus Henkel u. Thomas Kaufmann, Berlin/New York 2009 ISBN 978-3-11-021352-2, AdW. Neue Folge 4 Das Papsttum und das vielgestaltige Italien. Hundert Jahre Italia Pontificia Hrsg. von Klaus Herbers und Jochen Johrendt, Berlin/New York 2009 ISBN 978-3-11-021467-3, AdW. Neue Folge 5 Die Grundlagen der slowenischen Kultur Hrsg. von France Bernik und Reinhard Lauer, Berlin/New York 2010 ISBN 978-3-11-022076-6, AdW. Neue Folge 6 Studien zur Philologie und zur Musikwissenschaft Hrsg. von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin/New York 2009. ISBN 978-3-11-021763-6, AdW. Neue Folge 7 Perspektiven der Modernisierung. Die Pariser Weltausstellung, die Arbeiterbewegung, das koloniale China in europäischen und amerikanischen Kulturzeitschriften um 1900 Hrsg. von Ulrich Mölk und Heinrich Detering, in Zusammenarb. mit Christoph Jürgensen, Berlin/New York 2010 ISBN 978-3-11-023425-1, AdW. Neue Folge 8 Das strafende Gesetz im sozialen Rechtsstaat. 15. Symposion der Kommission: „Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart“ Hrsg. von Eva Schumann, Berlin/New York 2010 ISBN 978-3-11-023477-0, AdW. Neue Folge 9
Studien zur Wissenschafts- und zur Religionsgeschichte Hrsg. von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin/New York 2011 ISBN 978-3-11-025175-3, AdW. Neue Folge 10 Erinnerung – Niederschrift – Nutzung. Das Papsttum und die Schriftlichkeit im mittelalterlichen Westeuropa Hrsg. von Klaus Herbers und Ingo Fleisch, Berlin/New York 2011 ISBN 978-3-11-025370-2, AdW. Neue Folge 11 Erinnerungskultur in Südosteuropa Hrsg. von Reinhard Lauer, Berlin/Boston 2011 ISBN 978-3-11-025304-7, AdW. Neue Folge 12 Old Avestan Syntax and Stylistics Martin West, Berlin/Boston 2011 ISBN 978-3-11-025308-5, AdW. Neue Folge 13 Edmund Husserl 1859-2009. Beiträge aus Anlass der 150. Wiederkehr des Geburtstages des Philosophen Hrsg. von Konrad Cramer und Christian Beyer, Berlin/Boston 2011 ISBN 978-3-11-026060-1, AdW. Neue Folge 14 Kleinüberlieferungen mehrstimmiger Musik vor 1550 in deutschem Sprachgebiet. Neue Quellen des Spätmittelalters aus Deutschland und der Schweiz Martin Staehelin, Berlin/Boston 2011 ISBN 978-3-11-026138-7, AdW. Neue Folge 15 Carl Friedrich Gauß und Russland. Sein Briefwechsel mit in Russland wirkenden Wissenschaftlern Karin Reich und Elena Roussanova, unter Mitwirkung von Werner Lehfeldt, Berlin/Boston 2011 ISBN 978-3-11-025306-1, AdW. Neue Folge 16 Der östliche Manichäismus – Gattungs- und Werksgeschichte. Vorträge des Göttinger Symposiums vom 4./5. März 2010 Hrsg. von Zekine Özertural und Jens Wilkens, Berlin/Boston 2011 ISBN 978-3-11-026137-0, AdW. Neue Folge 17 Studien zu Geschichte, Theologie und Wissenschaftsgeschichte Hrsg. von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Berlin/Boston 2012 ISBN 978-3-11-028513-0, AdW. Neue Folge 18 Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit. II. Kulturelle Konkretionen (Literatur, Mythographie, Wissenschaft und Kunst) Hrsg. von Ludger Grenzmann, Thomas Haye, Nikolaus Henkel u. Thomas Kaufmann, Berlin/Boston 2012 ISBN 978-3-11-028519-2, AdW. Neue Folge 4/2 Rom und die Regionen. Studien zur Homogenisierung der lateinischen Kirche im Hochmittelalter Hrsg. von Jochen Johrendt und Harald Müller, Berlin/Boston 2012 ISBN 978-3-11-028514-7, AdW. Neue Folge 19
Die orientalistische Gelehrtenrepublik am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Der Briefwechsel zwischen Willi Bang(-Kaup) und Friedrich Carl Andreas aus den Jahren 1889 bis 1914 Michael Knüppel und Aloϊs van Tongerloo, Berlin/Boston 2012 ISBN 978-3-11-028517-8, AdW. Neue Folge 20 Homer, gedeutet durch ein großes Lexikon Hrsg. von Michael Meier-Brügger, Berlin/Boston 2012 ISBN 978-3-11-028518-5, AdW. Neue Folge 21 Die Göttinger Septuaginta. Ein editorisches Jahrhundertprojekt Hrsg. von Reinhard G. Kratz und Bernhard Neuschäfer, Berlin/Boston 2013 ISBN 978-3-11-028330-3, AdW. Neue Folge 22 Geld, Handel, Wirtschaft. Höchste Gerichte im Alten Reich als Spruchkörper und Institution Hrsg. von Wolfgang Sellert, Anja Amend-Traut und Albrecht Cordes, Berlin/Boston 2013 ISBN 978-3-11-026136-3, AdW. Neue Folge 23 Osmanen und Islam in Südosteuropa Hrsg. von Reinhard Lauer und Hans Georg Majer, Berlin/Boston 2013 ISBN 978-3-11-025133-3, AdW. Neue Folge 24 Das begrenzte Papsttum. Spielräume päpstlichen Handelns. Legaten – delegierte Richter – Grenzen. Hrsg. von Klaus Herbers, Fernando López Alsina und Frank Engel, Berlin/Boston 2013 ISBN 978-3-11-030463-3, AdW. Neue Folge 25 Von Outremer bis Flandern. Miscellanea zur Gallia Pontificia und zur Diplomatik. Hrsg. von Klaus Herbers und Waldemar Könighaus, Berlin/Boston 2013 ISBN 978-3-11-030466-4, AdW. Neue Folge 26 Ist die sogenannte Mozartsche Bläserkonzertante KV 297b/Anh. I,9 echt? Martin Staehelin, Berlin/Boston 2013 ISBN 978-3-11-030464-0, AdW. Neue Folge 27 Die Geschichte der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Teil 1 Hrsg. von Christian Starck und Kurt Schönhammer, Berlin/Boston 2013 ISBN 978-3-11-030467-1, AdW. Neue Folge 28 Vom Aramäischen zum Alttürkischen. Fragen zur Übersetzung von manichäischen Texten Hrsg. von Jens Peter Laut und Klaus Röhborn, Berlin/Boston 2014 ISBN 978-3-11-026399-2, AdW. Neue Folge 29 Das erziehende Gesetz. 16. Symposion der Kommission „Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart“ Hrsg. von Eva Schumann, Berlin/Boston 2014 ISBN 978-3-11-027728-9, AdW. Neue Folge 30 Christian Gottlob Heyne. Werk und Leistung nach zweihundert Jahren Hrsg. von Balbina Bäbler und Heinz-Günther Nesselrath, Berlin/Boston 2014 ISBN 978-3-11-034469-1, AdW. Neue Folge 32
„ins undeudsche gebracht“. Sprachgebrauch und Übersetzungsverfahren im altpreußischen „Kleinen Katechismus“ Pietro U. Dini, Berlin/Boston 2014 ISBN 978-3-11-034789, AdW, Neue Folge 33 Albert von le Coq (1860-1930). Der Erwecker Manis im Spiegel seiner Briefe an Willi Bang Kaup aus den Jahren 1909-1914 Michael Knüppel und Aloϊs van Tongerloo, Berlin/Boston 2014 ISBN 978-3-11-034790-6, AdW, Neue Folge 34 Carl Friedrich Gauß und Christopher Hansteen. Der Briefwechsel beider Gelehrten im historischen Kontext Karin Reich und Elena Roussanova, Berlin/Boston 2015 ISBN 978-3-11-034791-3, AdW, Neue Folge 35 Alexander der Große und die „Freiheit der Hellenen“. Studien zu der antiken historiographischen Überlieferung und den Inschriften der Alexander-Ära Gustav Adolf Lehmann, Berlin/Boston 2015 ISBN 978-3-11-040552-1, AdW, Neue Folge 36 „Über die Alpen und über den Rhein …“ Beiträge zu den Anfängen und zum Verlauf der römischen Expansion nach Mitteleuropa Herausgegeben von Gustav Adolf Lehmann und Rainer Wiegels, Berlin/Boston 2015 ISBN 978-3-11-035447-8, AdW, Neue Folge 37 Hierarchie, Kooperation und Integration im Europäischen Rechtsraum. 17. Symposion der Kommission „Die Funktion des Gesetzes in Geschichte und Gegenwart“ Hrsg. von Eva Schumann, Berlin/Boston 2015 ISBN 978-3-11-041000-6, AdW, Neue Folge 38 Gottfried Ernst Groddeck und seine Korrespondenten. Hans Rothe, Berlin/Boston 2015 ISBN 978-3-11-040658-0, ADW, Neue Folge 39