Psychologie. Metaphysik der Seele 9783486760262, 9783486760255


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German Pages 97 [100] Year 1928

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Table of contents :
Einleitung
I. ARISTOTELES
II. PLOTIN
III. DIE ALTCHRISTLICHE WELT
IV. AUGUSTIN
V. DAS MITTELALTER
VI. DIE NEUZEIT
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Psychologie. Metaphysik der Seele
 9783486760262, 9783486760255

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PSYCHOLOGIE METAPHYSIK DER SEELE

VON FRIEDRICH SEIFERT

MEINER

LIEBEN

FRA U

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us der großen Ausdehnung des zu bewältigenden Stoffes einerseits, dem L Zweck und den räumlichen Grenzen des Handbuchbeitrages anderseits ergab sich die Notwendigkeit, bei dem Entwurf dieser Arbeit den Gesichtspunkt der Ökonomie in ungewöhnlichem Maß walten zu lassen. Die Untersuchung will nicht eine nach Vollständigkeit strebende Inventaraufnahme des ganzen Reichtums überlieferter psychologischer Anschauungen nach ihrem Einzelgehalt liefern. Sie sucht bei der Erörterung der Hauptformen psychologischen Denkens stets zuerst die fundamentalen Voraussetzungen zu ermitteln und deren Zusammenhang mit der allgemeinen geistigen Verfassung der geschichtlichen Epochen ins Bewußtsein zu erheben. Die Einzelheiten der Theoriebildung dagegen werden von Fall zu Fall nur soweit dargestellt, als sie sich unmittelbar mit dem Gerüst der tragenden Hauptgedanken verbinden lassen. Trotz der Einstellung auf die Gestaltung und den Wandel der besonderen g e s c h i c h t l i c h e n Formen ist die zugrundeliegende Absicht nicht eine nur-historische. Vielmehr war es ein Hauptanliegen, das durch allen Formenwechsel und selbst durch die entferntesten Unterschiede hindurchleuchtende B l e i b e n d e und das in allem Nachdenken über das Wesen des „inneren Menschen" Wiederkehrende erkennbar werden zu lassen. Denn in keinem Gebiet des Erkennens wird das geheimnisvolle Wechselspiel zweier Wahrheiten — auf dem das geistig-geschichtliche Leben gerade als L e b e n beruht — deutlicher als in dem, das die menschliche Seele zum Gegenstand hat: der b e i d e n Wahrheiten, daß der Mensch in keiner Zeit derselbe, und daß der Grund des Menschenwesens zu allen Zeiten derselbe ist. Ein Punkt bedarf einer rechtfertigenden Bemerkung: die relative Kürze, mit der die Situation der gegenwärtigen Psychologie behandelt wird. Zwei Gründe waren bestimmend für dieses Vorgehen. Einmal sind die Hilfsmittel, die eine Orientierung innerhalb der psychologischen Auffassungen und Richtungen der G e g e n w a r t bieten, so zahlreich vorhanden, daß sich unsere Darstellung mehr auf eine andere, weit weniger zureichend erfüllte Aufgabe konzentrieren konnte: auf die Absicht, zu Quellen der Vergangenheit hinzuführen, die der heutigen Psychologie vielfach ganz aus dem Gesichtskreis entschwunden sind — nicht um dem Vergangenen als solchem, sondern um der Erkenntnis dessen zu dienen, was im Vergangenen gegenwärtig und lebendig ist. Der zweite Grund betrifft eine immanente Notwendigkeit: die Proportionen der einzelnen zeitlichen Abschnitte konnten sich nur ergeben aus der Blickrichtung, die auf das Ganze einer zweieinhalb Jahrtausende umspannenden Entwicklung bezogen ist. El«

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D e r Seele G r e n z e n k a a m t D a n i c h t a u f f i n d e n u n d o b D a jegliche S t r a ß e a b s c h r i t t e s t ; so tiefen G r a n d H e r a k l i t , Fragment 45.

I. ARISTOTELES ach dem Wesen der Seele fragen b e d e u t e t f ü r P i a t o n , der gleich früheren Denkern hier symbolische u n d mythische Bilder gebraucht, das Suchen nach dem Einheitspunkt des in der Vielfalt u n d Zerstreuung der Erscheinungen sich b e h a u p t e n d e n sittlich-persönlichen Lebens. Die a r i s t o t e l i s c h e Psychologie erwächst aus einer vollkommen anders bes t i m m t e n geistigen H a l t u n g . Zum erstenmal n i m m t bei i h m die E r forschung des Seelischen die Form einer abgrenzbaren, selbständigen w i s s e n s c h a f t l i c h e n Aufgabe an. Die Psyche ist i h m ein der rein t h e o r e t i s c h e n Untersuchung zugänglicher Gegenstand, dem er sich mit der ganzen großartigen Kühle u n d Unvoreingenommenheit seiner Empirie zuwendet. Seine Untersuchungen neql rpvxiji ergreifen das T h e m a des beseelten Menschen gleichsam als einen Spezialfall aus der Welt der organisch angelegten Erscheinungen. Das erste Interesse der aristotelischen Psychologie ist, zu ermitteln, in welcher Gestalt sich die f ü r alles Organische konstitutiven F a k t o r e n in dem besonderen Bereich des Seelischen zur Geltung bringen. Der zugrundeliegende Aspekt ist der Mensch als Organismus, in dem das Seelische n u r einen Bestandteil, wenn auch den wichtigsten, ausmacht. Die aristotelische Psychologie rechnet daher ihrem größten Teil nach zur Physik. Der Vorzug dieser den Menschen in seinem psychophysischen Gesamtdasein erfassenden Blickrichtung besteht in der Erschließung u n d Einbeziehung des b i o l o g i s c h e n Aufgabenkomplexes. Ihre Unzulänglichkeiten kommen da zum Vorschein, wo es u m die E r k e n n t n i s des inneren Zusammenhangs von sinnlich-naturhaften u n d höheren seelischgeistigen Qualitäten in einer übergreifenden, unzerreißbaren Seelene i n h e i t geht. Von größter Bedeutung sind — auf dem Gebiet der M e t h o d e — bei Aristoteles die Ansätze zu einer g e n e t i s c h e n Betrachtung, in der der Gesichtspunkt der K o n t i n u i t ä t , freilich mehr der I n t e n t i o n als der D u r c h f ü h r u n g nach, zur Geltung k o m m t . Das menschliche Seelenleben soll begriffen werden als eine Synthese von Grundprozessen, die sich in aufsteigender Reihenfolge a u f b a u e n . Die real-unmittelbaren Beziehungen des Menschendaseins zu den Gegebenheiten des Naturdaseins sollen anerkannt werden, ohne daß die besondere K r a f t , die dem Menschen über

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ARISTOTELES

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das ins Unbewußte versenkte pflanzliche Leben und über das unreflektiert Triebhafte des Tierischen hinaus zuteil ward, verleugnet wird. Eine abschließende Lösung hat Aristoteles nicht zu geben vermocht. Aber es bleibt ihm das Verdienst, die Initiative zu einer Fragestellung ergriffen zu haben, die allein als solche der Wissenschaft einen gewaltigen neuen Vorrat an treibenden und erregenden Kräften zugeführt hat. Die Isolierung und Verselbständigung des psychologischen Erkenntnisgebiets bei Aristoteles muß freilich als ein relative dictum verstanden werden; die aristotelische Seelenlehre ruht bei aller Freizügigkeit im Gebrauch der Empirie doch auf dem Fundament der aristotelischen M e t a p h y s i k . Und diese wiederum ist in ihren Grundzügen bestimmt durch ihr Verhältnis zur p l a t o n i s c h e n . Opposition gegen die platonische Grundvorstellung von der Jenseitigkeit der Ideen ist die Keimzelle der Metaphysik von Aristoteles. Er ist P i a t o n gegenüber der Anwalt der Welt des G e g e b e n e n . Die Idee „vom Himmel auf die Erde herabzuholen" — darin sieht er seine Aufgabe. Nicht als überweltliche Urbilder, sondern als wirkende und formende Prinzipien des realen Daseins sollen die Ideen gedacht werden. Die Ergänzung des spekulativen durch das realistische Element führt nicht nur einen neuen Zustrom empirischen Materials herbei, sondern bewirkt auch eine Neugestaltung im Bereich der grundlegenden Prinzipien. Unter den philosophischen Entdeckungen des Aristoteles ragt wie eine Verheißung der Entelechiegedanke hervor. Aber ein endgültiger Ausgleich wird nicht erreicht. Die zwei Seelen in Aristoteles: die des Physikers und die des Dialektikers vermählen sich nicht zu vollkommener Einheit. Der Dualismus der ideellen und der materiellen Welt macht sich gerade an den entscheidenden Punkten mit ungebrochener Starrheit geltend. Dem historisch eingestellten Blick mag der Reichtum an wissenschaftlicher Einzelförderung, die Erschließung einer Fülle neuer Betrachtungsweisen, die sich an Aristoteles knüpfen, beinahe als Danaergeschenk erscheinen. Nicht alle Türen, die von Aristoteles geöffnet wurden, haben ins Freie geführt. Und gerade von den abwegigen Problemstellungen hat sich eine ganze Anzahl zäh erhalten und sich gleichsam zu einer geistigen Erbmasse verdichtet, die nicht nur für einige folgendt Generationen, sondern für späte Jahrhunderte zur Belastung wurde. Diese allgemeinen Züge des aristotelischen Denkens kehren in scharfer Spiegelung wieder in den Vorstellungen vom Wesen der Seele. Von den Stützpfeilern der aristotelischen Metaphysik ist der für den Aufbau der Psychologie entscheidende die E n t e l e c h i e , als der Konzentrationspunkt der Vorstellungen von einer o r g a n i s c h e n , d. h. von einem inneren Zweck geleiteten Notwendigkeit. Die wichtige Funktion des Entelechiebegriffs in der aristotelischen Psychologie zwingt zu einer kurzen Erörterung ihres prinzipiellen Gehalts. Die Entstehung dieses zentralen Gedankens ist aus der gleichen philosophischen Tendenz zu begreifen, die das allgemeine Verhältnis der aristotelischen Weltbetrachtung zum Piatonismus bestimmt: imEntelechiebegriff findet Aristoteles den Weg zur Überwindung der platonischen Transzendenz, zur Rechtfertigung der Welt der yivtaic; seine E n t deckung wird ihm zur Handhabe, den Primat des Geistig-Allgemeinen wohl zu wahren, aber seine Gegensätzlichkeit zur Welt der besonderen

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PSYCHOLOGIE

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E r s c h e i n u n g e n aufzulösen. D a s platonische G r u n d v e r h ä l t n i s zwischen I d e e u n d E r s c h e i n u n g , das sich z u s a m m e n g e f a ß t h a t t e in d e m G e d a n k e n d e r Y o r b i l d l i c h k e i t u n d der T e i l h a b e , m a c h t d e r realistischer gef a ß t e n Beziehung eines B e d i n g t - u n d B e w i r k t s e i n s P l a t z . D e r E n t e lechiegedanke ermöglicht es, die I d e e n ( F o r m e n ) als b e w e g e n d e u n d ges t a l t e n d e P o t e n z e n der Erscheinungswelt als solcher zu d e n k e n . I n i h m v e r k n ü p f t sich die Vorstellung eines d y n a m i s c h e n W e c h s e l v e r h ä l t n i s s e s v o n F o r m u n d S t o f f mit einer Theorie des W e r d e n s , die ihrerseits wieder auf den G e d a n k e n des Z w e c k e s h i n w e i s t : jedes Geschehen, j e d e Bewegung geht aus v o n der F o r m (fido