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German Pages 299 [304] Year 2021
Pschyrembel® Wörterbuch Diabetologie
Pschyrembel® Wörterbuch Diabetologie Herausgegeben von Werner A. Scherbaum unter Mitarbeit von Mark Lankisch und Anja Neufang-Sahr
W _G DE
Walter de Gruyter Berlin • New York 2003
Herausgeber/Mitarbeiter
Redaktion
Professor Dr. med. Werner A. Scherbaum Dr. med. Mark Lankisch Anja Neufang-Sahr Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf
Salirne Törün, Arztin Dr. med. Bernadette Zegenhagen-Phiong
Mit 90 Abbildungen und 63 Tabellen Abbildung auf dem Umschlag Dreidimensionale Struktur des Hexamers von Insulin Glargin nach der Kristallstrukturanalyse von H. Berchtold und R. Hilgenfeld. Bänderdarstellung der Polypeptid-Hauptketten. Im Zentrum des Hexamers finden sich Zink-Ionen. Bild: K. Anand und R. Hilgenfeld (Universität Lübeck)
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Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. © Copyright 2003 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen usw.) mit Autoren und Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Gedruckt auf ALPASupra halbmatt 90 g/qm, Zellstoff elementar chlorfrei gebleicht, alterungsbeständig gemäß DIN 6738, Hersteller: MD Papier, Dachau. Entwicklung des Redaktionssystems: H/S/D systemconnect Berlin, Ronald Steinhau, Basem Zabaneh Weiterentwicklung und Betreuung: Ingenieurbüro Zabaneh Softwareentwicklung und Beratung, Berlin Datenkonvertierung: Meta Systems, Wustermark Zeichnungen: Helmut Holtermann, Dannenberg; Martin Profittlich, Berlin Druck und Bindung: Parzeller, Fulda Einbandgestaltung: +Malsy, Kommunikation und Gestaltung, Bremen Printed in Germany ISBN 3-11-016629-1
Vorwort
Diabetes - eine Volkskrankheit von epidemischem Ausmaß Weltweit hatten im Jahre 2000 hundertachtzig Millionen Menschen einen Diabetes mellitus. Bis zum Jahre 2030 wird sich die Zahl auf dreihundert Millionen erhöhen. Nach neueren Daten des Deutschen Diabetes Forschungsinstituts Düsseldorf gehört Deutschland zu den europäischen „Spitzenreitern" in der Zahl von Diabetikern. Die Tendenz ist steigend; insbesondere hat sich in den letzten 20 Jahren die Manifestation des Diabetes Typ 2 um eine Generation nach vorne verlagert, so dass heute die Bezeichnung „Altersdiabetes" irreführend ist. Insbesondere wegen der parallel ansteigenden Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung müssen immer mehr Menschen damit rechnen, dass sie Folgeerkrankungen des Diabetes an verschiedenen Organen erleben. Durch eine rechtzeitige Diagnose und eine gute Behandlung können jedoch solche Komplikationen häufig vermieden oder minimiert werden. Umfassende Informationen zum Diabetes Wie bei kaum einer anderen Krankheit ist beim Diabetes die Hilfe zur Selbsthilfe ein integraler Bestandteil der Therapie. Dies gilt für alle Formen des Diabetes. Nur so können die Betroffenen die angemessene Behandlung in einer sinnvollen Weise in ihren Tagesablauf integrieren. Durch aktive Unterstützung der Therapie mit geeigneten Maßnahmen können die Betroffenen trotz ihrer Erkrankung ein hohes Maß an Lebensqualität erhal-
ten. Dieser Erkenntnis trägt auch die Einbindung der Schulung von Patienten in den Behandlungsplan Rechnung. Informationen und Aufklärung zum Diabetes werden über verschiedene Medien wie z. B. Zeitschriften, Bücher und das Internet befördert. Oft sind diese jedoch nicht ausgewogen oder sogar fachlich nicht korrekt. Leitlinien-kompatible Aussagen von Experten In dem vorliegenden Pschyrembel® Wörterbuch Diabetologie ist das aktuelle Expertenwissen rund um den Diabetes mellitus zusammengefasst und enzyklopädisch aufgearbeitet. Alle diese Aussagen sind von deutschsprachigen Experten zu den jeweiligen Themen erstellt und durchgehend an den aktuellen Leitlinien der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, speziell der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, ausgerichtet. Besonders wichtige Themen des Diabetes mellitus werden in Übersichtsartikeln in einem größeren Kontext dargestellt. Alle Texte zu den einzelnen Stichwörtern wurden von mir entsprechend ihrer Gewichtung innerhalb der Diabetologie, redigiert und didaktisch aufbereitet. Zur Entstehimg dieses Buches Die Idee zur Abfassung eines Nachschlagewerkes zum Diabetes entstand aus der Notwendigkeit heraus, dass alle, die an der Versorgung von Diabetikern beteiligt sind, eine Sprache sprechen sollten, um die Kommunikation z. B. zwischen Wissenschaftlern und Ärzten, zwischen ÄrzV
Vorwort
ten und Patienten oder zwischen Patienten und Apothekern zu erleichtern. Die zweite Überlegung war die Notwendigkeit für das schnelle Auffinden einer Information zu einer gezielten Frage. Dafür ist der epische Ansatz einer allgemeinen Schulung oder eines umfangreichen Lehrbuches nicht geeignet. In dem vorliegenden Werk ist jede der Stichworteintragungen für sich selbst abgerundet verständlich, wobei gegebenenfalls auf benachbarte Gebiete oder weiterführende Übersichtsartikel verwiesen wird. Zugegebenermaßen hatte ich ursprünglich den Arbeitsaufwand für ein neues Buchprojekt mit einem solchen Anspruch weit unterschätzt; ich glaube aber sagen zu können, dass sich dieser Aufwand gelohnt hat. Danksagung An der Verwirklichung dieses neuen Buchprojektes waren viele Personen beteiligt.
An vorderster Stelle will ich meine Mitarbeiter, Frau Anja Neufang-Sahr und Herrn Dr. Mark Lankisch, nennen, die die vielen Mühen der Detailarbeit für die Erstellung von Basistexten, Bearbeitung von Grafiken, Unterstützung der Kommunikation mit den Autoren und dem Verlag und vieles andere mehr auf sich genommen haben. Frau Inge Popilka von der Deutschen Diabetes Klinik danke ich für ihre exzellente Sekretariatsarbeit. Ganz herzlich danken möchte ich den zahlreichen Autoren der Übersichtsartikel. Viele dieser Autoren stehen mit ihrem gesamten Lebenswerk für das hier von ihnen dargestellte Spezialthema. Danken möchte ich auch dem de Gruyter Verlag, insbesondere Frau Dr. Martina Bach, Frau Dr. Bernadette Zegenhagen-Phiong und Frau Salime Törün für ihre sehr kompetente redaktionelle Arbeit und Herrn Dr. Josef Kleine für die strategische Begleitung des Gesamtwerkes. Düsseldorf im Februar 2003 Werner A. Scherbaum
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Autoren
Prof. Dr. med. Werner Bachmann Innere Abteilung Kreiskrankenhaus Kronach Friesenerstr. 41 96317 Kronach Prof. Dr. med. Jürgen Beyer I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz Dr. med. Ralf Dikow Medizinische Klinik der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg Sektion Nephrologie Bergheimer Str. 56 a 69115 Heidelberg Dr. med. Hermann Finck Kreisgesundheitsamt Fulda Otfrid-von-Weißenburg-Str. 3 36043 Fulda Dr. med. Miriam Friske Medizinische Klinik Klinikum Innenstadt Ludwig-Maximilians-Universität München Ziemssenstr. 1 80336 München Reiner Füth Herzzentrum Wuppertal Arrenberger Str. 20 42117 Wuppertal Prof. Dr. med. Guido Giani Abteilung für Biometrie und Epidemiologie, Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf A u f m Hennekamp 65 40225 Düsseldorf PD Dr. med. Jens Gille Klinikum der Johann Wolfgang GoetheUniversität Frankfurt am Main Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt am Main Dr. med. Anselm Kai Gitt Kardiologie Herzzentrum Ludwigshafen Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen
Prof. Dr. med. Burkhard Göke Medizinische Klinik und Poliklinik n Klinikum Großhadern Ludwig-Maximilians-Universität München Marchioninistr. 15 81377 München Prof. Dr. med. Hans-Ulrich Häring Abteilung Innere Medizin IV Medizinische Universitätsklinik und Poliklinik der Eberhard-Karls-Universität Tübingen Otfried-Müller-Str. 10 72076 Tübingen Prof. Dr. med. Hans-Peter Hammes Endokrinologie V. Medizinische Klinik Klinikum Mannheim Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Theodor-Kutzer-Ufer 1-3 68175 Mannheim Prof. Dr. med. Christoph Hasslacher Medizinische Abteilung St. Josefskrankenhaus Akademisches Lehrkrankenhaus der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Landhausstr. 25 69115 Heidelberg Prof. Dr. med. Hans Hauner Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf A u f m Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Dr. med. Tobias Heer Kardiologie Herzzentrum Ludwigshafen Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen Prof. Dr. med. Eberhard Heinze Universitätskinderklinik der Universität Ulm Prittwitzstr. 43 89075 Ulm Dr. phil. Axel Hirsch Krankenhaus Bethanien Martinistr. 44-46 20251 Hamburg Dr. med. Christoph Kapitza Hellersbergstr. 9 41460 Neuss
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Autoren Prof. Dr. med. Roland Kaufmann Klinikum der Johann Wolfgang GoetheUniversität Frankfurt am Main Theodor-Stern-Kai 7 60590 Frankfurt am Main
PD Dr. med. Roger Lehmann Universitätsspital Zürich Abteilung Endokrinologie und Diabetologie Frauenklinikstr. 10 CH-8091 Zürich
PD Dr. med. Sixtus Keck Medizinische Klinik Westküstenklinikum Heide Esmarchstr. 50 25746 Heide
Prof. Dr. med. Hendrik Lehnert Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselkrankheiten Zentrum für Innere Medizin Universitätsklinikum der Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg Leipziger Str. 44 39120 Magdeburg
Prof. Dr. med. Wolfgang Kerner Klinik für Diabetes und Stoffwechselerkrankungen Greifswalder Str. 11 17495 Karlsburg Prof. Dr. med. Wieland Kiess Universitätskinderklinik Universität Leipzig Oststr. 21-25 04317 Leipzig Prof. Dr. med. G. Klöppel Institut für Pathologie Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Michaelisstr. 11 24105 Kiel Prof. Dr. rer. nat. Hubert Kolb Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf A u f ' m Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Prof. Dr. med. Theodor Koschinsky Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Prof. Dr. med. Wilhelm Krone Klinik II für Innere Medizin der Universität zu Köln Joseph-Stelzmann-Str. 9 50924 Köln Prof. Dr. med. Rüdiger Landgraf Medizinische Klinik Klinikum Innenstadt Ludwig-Maximilians-Universität München Ziemssenstr. 1 80336 München Karin Lange Kinderkrankenhaus auf der Bult Janusz-Korczak-Allee 12 30173 Hannover Dr. med. Mark Lankisch Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf VIII
PD Dr. med. Klaus Dieter Lemmen Augenärztliche Abteilung des St. MartinusKrankenhauses Völklinger Str. 10 40219 Düsseldorf Prof. Dr. med. Sigurd Lenzen Institut für Klinische Biochemie Medizinische Hochschule Hannover Carl-Neuberg-Str. 1 30625 Hannover Prof. Dr. med. Stephan Martin Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Prof. Dr. med. Stephan Matthaei Medizinische Klinik IV Universitätsklinikum Tübingen Otfried-Müller-Str. 10 72076 Tübingen Prof. Dr. med. Dirk Müller-Wieland Abteilung für Klinische Biochemie und Pathobiochemie, Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Anja Neufang-Sahr Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf A u f ' m Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Dr. med. Brigitte Pawlowski Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Prof. Dr. med. Andreas Pfeiffer Universitätsklinikum Benjamin Franklin Medizinische Klinik IV Abteilung für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin Hindenburgdamm 30 12200 Berlin
Autoren
und Deutsches Institut für Ernährungsforschung Arthur-Scheunert-Allee 114-116 14558 Bergholz-Rehbrücke Dr. med. Wolfgang Rathmann Abteilung für Biometrie und Epidemiologie Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf A u f m Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Dr. med. Rolf Renner 3. Medizinische Abteilung Städtisches Krankenhaus MünchenBogenhausen Englschalkinger Str. 77 81925 München Prof. Dr. med. Eberhard Ritz Medizinische Klinik der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg Sektion Nephrologie Bergheimer Str. 56 a 69115 Heidelberg Prof. Dr. med. Helmut Schatz Medizinische Universitätsklinik Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum Bürkle-de-la Camp-Platz 1 44789 Bochum Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Dr. med. Michael Schömig Medizinische Klinik der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg Sektion Nephrologie Bergheimer Str. 56 a 69115 Heidelberg Dr. med. G. Schulze I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Langenbeckstr. 1 55131 Mainz PD Dr. med. Jochen Seißler Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Dr. med. Jochen Senges Kardiologie Herzzentrum Ludwigshafen Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen
Prof. Dr. med. Giatgen A. Spinas Departement Innere Medizin Endokrinologie und Diabetologie Universitätsspital Zürich Rämistr. 100 CH-8091 Zürich Prof. Dr. med. Eberhard Standl Direktor der 3. Medizinischen Abteilung Diabetologie, Endokrinologie Städtisches Krankenhaus MünchenSchwabing Kölner Platz 1 80804 München Alin Stirban Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Dr. med. Monika Toeller-Suchan Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Prof. Dr. med. Diethelm Tschöpe Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf Dr. med. Ernst von Kriegstein Diabetes-Klinik Bevensen Am Klaubusch 12-16 29549 Bad Bevensen Prof. Dr. med. Werner Waldhäusl Universitätsklinik für Innere Medizin HI Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien Dr. med. Christian Weyer Medical Affairs Amylin Pharmaceuticals, Inc. 9373 Towne Centre Drive San Diego, CA 92121 USA Prof. Dr. med. Annette Ziegler 3. Medizinische Abteilung Diabetologie, Endokrinologie Städtisches Krankenhaus MünchenSchwabing Kölner Platz 1 80804 München Prof. Dr. med. Dan Ziegler Deutsche Diabetes Klinik Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut Düsseldorf Auf'm Hennekamp 65 40225 Düsseldorf IX
Hinweise zur Benutzung
Die Reihenfolge der Stichwörter erfolgt alphabetisch. Die Umlaute ä, ö und ü werden eingeordnet wie ae, oe und ue sowie ß wie ss.
Namen von Gesellschaften, Institutionen und Vereinen werden in ihrer Wortfolge eingeordnet: D e u t s c h e A d i p o s i t a s - G e s e l l s c h a f t unter D
Anabolismus Anämie Angina
Dabei bleiben Zahlen, Bindestriche und Leerzeichen unberücksichtigt: 4 S - S t u d i e unter S
Stichwörter, die aus einem Adjektiv und Substantiv bestehen, sind unter dem Substantiv zu finden: d i a b e t i s c h e s F u ß s y n d r o m unter F parenterale E r n ä h r u n g unter E
Nur wenige feststehende Begriffe finden sich unter dem Adjektiv: Erste Hilfe unter E
Eigennamen mit Vorsilben werden nicht abgetrennt:
Quellen zu den Abbildungen und Tabellen finden sich im Anhang des Wörterbuches ab Seite 286.
Abkürzungen werden auf der Seite XI erklärt.
Verweise auf andere Stichwörter erfolgen entweder durch die Angaben siehe (s.) und vergleiche (vgl.) oder durch einen nachgestellten Stern* als Hinweis darauf, dass das gekennzeichnete Wort im Wörterbuch zu finden ist: s. Diurese, o s m o t i s c h e oder: ... der o s m o t i s c h e n D i u r e s e * vgl. K o m a , d i a b e t i s c h e s oder: . . . d e m d i a b e t i s c h e n K o m a *
V o n - W i l l e b r a n d - F a k t o r unter V
XI
Abkürzungsverzeichnis
A Abb. Abk.
Ampère Abbildung Abkürzung
BE bzw.
Broteinheit beziehungsweise
C ca. cai cm
Celsius circa Kalorie Zentimeter
d D d.h. dl
dies (Tag) Dalton das heißt Deziliter
engl. evtl.
englisch eventuell
g ggf-
Gramm gegebenenfalls
h Hz
hora (Stunde) Hertz
i. Allg. I.E.
im Allgemeinen Internationale Einheiten
J
Joule
kcal kg kJ
Kilokalorie Kilogramm Kilojoule
XII
1
Liter
mg MHz Mio. mmHg mmol ms
Milligramm Megahertz Million Millimeter-Quecksilbersäule Millimol Millisekunde
ppm
parts per million
s s. s.o. sog. s.u. syn.
Sekunde siehe siehe oben so genannt siehe unten synonym
Tab. Tel.
Tabelle Telefon
u. a. UAW usw.
unter anderem, und anderes unerwünschte Arzneimittel-Wirkung und so weiter
v. a. vgl.
vor allem vergleiche
W
Watt
z.B. z.T. z.Z.
zum Beispiel zum Teil zurzeit
A
Abduzenslähmung: (engl.) abducens nerve palsy; Form der Augenmuskellähmung* infolge Schädigung des Nervus abducens (VI. Hirnnerv) mit Lähmung des von ihm versorgten Musculus rectus lateralis, der das Auge horizontal nach außen bewegt; das betroffene Auge bleibt beim Blick zur Seite der Lähmung zurück. Klinik: Ungekreuzte Doppelbilder, deren Abstand beim Blick zur Seite der Abduzenslähmung zunimmt. Ursachen: Durchblutungsstörung (z. B. Hirnstamminfarkt, arterielle Hypertonie*); lokale Kompression durch Aneurysma, Tumor; diabetische Neuropathie* infolge lang anhaltender schlechter Stoffwechsellage. Hinweis: Bei ca. 1 % aller Diabetiker findet sich im Rahmen einer diabetischen Neuropathie eine Abduzenslähmung als Mononeuropathie. Abgeschisgenheit: (engl.) fatigue; allgemeines Gefühl der Erschöpfung; unspeziBsches Symptom vieler Erkrankungen. Hinweis: Abgeschlagenheit ist u. a. Zeichen einer schlechten Stoffwechseleinstellung* bei Diabetes mellitus. Ablatio retinae: (engl.) retinal detachment; syn. Amotio retinae, Netzhautablösung; Trennung von Netzhaut und Pigmentepithel durch subretinale Flüssigkeit (s. Abb.), z. B. als trakti-
onsbedingte Netzhautablösung bei Glaskörperschrumpfung infolge diabetischer Retinopathie*. Symptomatik: Prodromale Flusen, Blitze, dann Schatten, Schleier; vermindertes Rotlicht; ophthalmoskopisch blass-graue Netzhaut mit Fältelungen, Durchscheinen der roten Aderhaut im Lochbereich. Therapie: 1. prophylaktisches Anheften gefährdeter Areale (z. B. durch Photokoagulation); 2. Annähern von Netz- und Aderhaut durch Eindellung von außen; 3. Vitrektomie (partielles bis vollständiges Entfernen des Glaskörpers) zur Beseitigung innerer Zugkräfte, prophylaktisch bei proliferativer diabetischer Retinopathie. Abmagerung: (engl.) emaciation; starke Reduktion des Körpergewichtes mit BMI 35 Jahre; 2. frühere Geburt eines Kindes mit Chromosomenanomalien; 3. strukturelle Chromosomenanomalien bei der Schwangeren oder dem Kindesvater bekannt; 4. Ultraschalldiagnostik ergibt Verdacht auf fetale Chromosomenanomalien; 5. ein ScreeningTest (z. B. Bestimmung von Alphafetoprotein aus dem Serum der Schwangeren) zeigt ein erhöhtes Risiko für fetale Chromosomenanomalien. Hinweis: Die Indikationen unterscheiden sich bei Diabetikerinnen nicht von denen gesunder Frauen. Vgl. Schwangerschaft. Amotio retinae: s. Ablatio retinae.
Amputation (engl.) amputation, ablation; syn. Ablatio, Absetzung; Verlust z. B. von Gliedmaßen(teilen) im Rahmen eines Traumas oder chirurgisch (operatives Absetzen bei nicht rekonstruktionsfähigen arteriellen Durchblutungsstörungen, Tumorleiden oder schweren Verletzungen). Hinweis: Die Inzidenz der GliedmaßenAmputationen als Folge des Diabetes mellitus (häufig aufgrund des diabetischen Fußsyndroms*) wird auf6-8/1000 Diabetiker/Jahr geschätzt. Man unterscheidet Minoramputationen mit Absetzen der Extremität unterhalb des Knöchels (z. B. Zehenamputation, Mittelfußknochenamputation, transmetatarsale Amputation, Rückfußresektion, Hemicalcanektomie) von Majoramputationen (Unter- oder Oberschenkelamputationen). Amputationen bei neuropathischen Läsionen sollten mit dem Ziel des Extremitätenerhalts sehr sparsam als Minorampuationen vollzogen werden. Bei ischämischen Läsionen und fehlender Revaskularisierungsmöglichkeit sind Majoramputationen oft unumgänglich. Ausgedehntere Amputationen sind verbunden mit einem höheren Risiko, postoperativ ein Pflegefall zu werden (zum Vergleich: 5% der Patienten nach Zehenamputation, 35% nach Oberschenkelamputation), einer höheren perioperativen* Mortalität (zum Vergleich: 3% der Patienten nach Zehenamputation, 22 % nach Oberschenkelamputation) sowie einer geringeren Lebenserwartung. Das Amputationsrisiko für das zweite Bein liegt nach 12 Monaten bei 12 % und nach 48 Monaten bei 50%. In der St.*Vincent-Deklaration wurde u. a. das Ziel formuliert, die Zahl der diabetesbedingten Amputationen durch qualitätsgesicherte, standardisierte Programme um die Hälfte zu reduzieren. Amylasen (engl.) amylases; Enzyme (Hydrolasen), die Stärke (Amylum) und Glykogen abbauen. Formen: 1. Alphaamylasen* spalten Polysaccharide innerhalb des Moleküls in Dextrine und Maltose; 2. Betaamylasen (syn. Exoamylasen) spalten vom nichtreduzierenden Ende Maltose ab; Vorkommen nur in Pflanzen (z. B. Getreidekeimen) und Mikroorganismen; 3. Gammaamylasen (Exo-l,4-a-Glukosidase, syn. Glu12
koamylase, saure Maltase) spalten vom nichtreduzierenden Molekülende Betaglukose ab. Vorkommen v. a. in den Lysosomen von Leberund Nierenzellen. Amylin: (engl.) amyline, islet amyloid polypeptide (Abk. IAPP); Peptidhormon (37 Aminosäuren), das gemeinsam mit Insulin in den BZellen der Langerhans*-Inseln produziert und sezerniert wird (Amylin:Insulin 1:100). Wirkung: Hemmung der Magenmotilität, Hemmung der Glucagonfreisetzung. Hinweise: 1. Bei Diabetes mellitus Typ 2 lassen sich Amylinablagerungen in den Langerhans-Inseln nachweisen, was vermuten lässt, dass Amylin für die ebenfalls bei dieser Erkrankung gefundenen Ablagerungen von Amyloid und für die gestörte Insulinsekretion ursächlich verantwortlich ist. 2. Der klinische Einsatz von Amylin bei der Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 wird erprobt. Amylum s. Stärke. Amyotrophie, diabetische: (engl.) diabetic
amyotrophy; syn. Bruns-Garland-Syndrom, diabetische lumbosakrale Radikuloplexopathie; seltene schwere Folge der diabetischen Neuropathie mit Beteiligung des Plexus lumbosacralis. Klinik: Beginn meist mit starken Schmerzen in der Leisten- und Oberschenkelregion, später Paresen und Atrophie der Oberschenkel infolge Amyotrophie von Musculus iliopsoas und Musculus quadriceps femoris sowie der Adduktoren. Ansbolismus: (engl.) anabolism; Aufbaustoffwechsel (positive Stickstoffbilanz, beschleunigte Wachstumsprozesse); im engeren Sinn Protein- und Muskelaufbau; anabol wirken Testosteron*, Östrogene*, STH*, Insulin* u. a.; Gegenteil: Katabolismus*. Anämie (engl.) anemia; sog. Blutarmut; Verminderung von Erythrozytenzahl, Hämoglobinkonzentration und/oder Hämatokrit unter die altersentsprechenden und geschlechtsspezifischen Referenzwerte; einhergehend mit verminderter Sauerstofftransportkapazität. Symptomatik: 1. akut (z. B. Blutverlust): Schocksymptome; 2. chronisch: oft langsam fortschreitender Verlauf mit Leistungsabfall, Müdigkeit, Dyspnoe, Tachykardie, Claudicatio intermittens und Zeichen einer Herzinsuffizienz. Hinweis: Anämien mit einer verkürzten Lebensdauer der Erythrozyten (z. B. hämolytische Anämie, renale Anämie) können zu falsch niedrigen HbA lc -Werten führen. Vgl. Glykohämoglobine. Anämie, perniziöse: (engl.) pernicious anemia; syn. Morbus Biermer, Perniciosa; Form der megaloblastären Anämie bei B 12 - Hypovitaminose. Ursache: Meist verminderte Cobalaminresorption infolge verminderter oder fehlender Sekretion von Intrinsic-Faktor bei atrophischer Autoimmungastritis vom Typ A mit Bildung von Autoantikörpern gegen Belegzellen (Parietalzellen) und den Intrinsic-Faktor. Klinik: Meist langsam progrediente Entwicklung der Anämie mit entsprechend schleichender Symptomatik; als häufiges Frühsyndrom Hunter-Glossitis, zusätzlich oft gastrointestinale Beschwerden und neurologische Symptome; häufig Gewichtsverlust, selten Fieber. Hinweis: Eine perniziöse Anämie infolge Bildung von Autoantikörpern gegen Belegzellen und den In-
Angioplastie
trinsic-Faktor kommt bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 häufiger vor als in der Normalbevölkerung. Vgl. Vitamin-B 12 -Mangel. Anämie, renal« (engl.) nephrogenic anemia; syn. nephrogene Anämie; Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz; tritt meist bei einer Kreatinin-Clearance 240 mg/dl erhöht; b) arterielle Hypertonie; c) Nicotinkonsum; d) Nachweis einer Mikroalbuminurie; e) positive Familienanamnese hinsichtlich einer vorzeitigen KHK; i) Patienten mit einer diabetischen Nephropathie oder einer autonomen Neuropathie. Als Untersuchungsmethoden stehen u. a. zur Verfügung: 1. Elektrokardiographie* (RuheEKG); 2. Belastungs-EKG; 3. Echokardiographie; 4. Stress-Echokardiographie; 5. Myokardszintigraphie; 6. Thallium-Myokardszintigraphie; 7. Herzkatheteruntersuchungen einschließlich Koronarangiographie; 8. PositronenEmission-Tomographie (Abk. PET). Herzinfarkt Etwa 10% aller Diabetiker erleiden einen Herzinfarkt. Ihre Prognose ist wesentlich schlechter als bei Nichtdiabetikern nach Herzinfarkt; dies betrifft sowohl die 24-Stunden-Überlebensrate als auch die Langzeitprognose. Insbesondere ist bei Diabetikern das Risiko für Reinfarkt, Linksherzinsuffizienz, Lungenödem und kardiogenen Schock erhöht. Einer plötzlich einsetzenden Herzinsuffizienz liegt bei Diabetikern nicht selten ein Herzinfarkt zugrunde. Therapie: Die Therapie des Herzinfarktes bei Diabetes mellitus folgt den allgemeinen Regeln der Infarkttherapie. Daneben ergeben sich eine Reihe von Besonderheiten: 1. Im akuten Infarkt profitieren Diabetiker ganz besonders von einer Thrombolysetherapie; diese ist auch bei vorhandener diabetischer Retinopathie* nicht kontraindiziert. 2. ACE*-Hemmer haben bei Diabetikern einen besonders günstigen Effekt sowohl auf die akute als auch auf die Langzeitkomplikationsrate. 3. Die Überlebensrate nach Herzinfarkt kann durch die Gabe von kardioselektiven Betarezeptorenblockern* verbessert werden. 4. Die rasche Herstellung eines physiologischen Glukosestoffwechsels im akuten Infarkt (durch Insulin-Glukose-Kalium-Infusion) und anschließende normnahe Blutzuckereinstellung sowie entsprechende Begleitmedikation (insbesondere Betarezeptorenblocker und Acetylsalicylsäure) 19
Arzneimittelexanthem
haben die Rate von Reinfarkten und die Sterblichkeit bei Diabetikern erheblich vermindern können. Zerebrovaskuläre Erkrankungen Diabetiker haben gegenüber Nichtdiabetikern ein erhöhtes Risiko für zerebrovaskuläre Durchblutungsstörungen; so haben Diabetiker ein fast zweifach, Diabetikerinnen sogar ein dreifach höheres Schlaganfallrisiko. Dreimal so viele Diabetiker wie Nichtdiabetiker sterben an den Folgen zerebrovaskulärer Erkrankungen, meist verursacht durch einen ischämischen Hirninfarkt. Ätiologisch liegt häufig eine ausgeprägte Arteriosklerose der Hirnarterien oder eine Stenose der großen hirnzuführenden Arterien (z. B. Carotisstenose) vor. Diagnose: Bei Verdacht auf einen Schlaganfall ist eine sofortige Computertomographie des Schädels erforderlich. Therapie: Bei einem frischen arteriellen Thrombus können intravenöse Medikamente zur Thrombolyse eingesetzt werden. Zur Vorbeugung eines Reinfarkts ist die Einstellung des Blutdrucks auf Normwerte (120/80 mmHg) und die Behandlung begleitender Erkrankungen (Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus) von besonderer Bedeutung. Im postakuten Zustand sind u. a. intensive pflegerische Maßnahmen und physiotherapeutische Übungen angezeigt. Um langfristig weitere Gefäßverschlüsse zu verhindern, wird Acetylsalicylsäure in niedriger Dosierung (100-300 mg/d) zur Thrombozytenaggregationshemmung oder ein alternatives Präparat eingesetzt. Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) Die periphere arterielle Verschlusskrankheit zählt zu den makroangiopathisch bedingten Folgeerkrankungen des Diabetes und betrifft hier meist Unterschenkel- und Fußarterien. Diagnose: Beurteilung von Farbe und Temperatur der Haut, Palpation der Fußpulse und Messung des Knöchelblutdrucks. Aufgrund der bei Diabetikern häufig auftretenden Mediasklerose (Mönckeberg'-Sklerose) können die Knöchel- und Zehenblutdrücke erhöht sein. Das bei Nichtdiabetikern übliche Leitsymptom Claudicatio* intermittens kann bei Diabetikern bei Vorliegen einer peripheren Neuropathie fehlen. Therapie: Liegt kein Ulkus und keine Gangrän vor, sollte konservativ mit Gehübungen, adäquatem Schuhwerk und Nicotinkarenz therapiert werden. Bei Vorliegen einer Hypertonie und/oder einer Dyslipidämie sollte die Therapie auf deren Behandlung ausgeweitet werden. Zur Revaskularisierung stehen Katheterverfahren (perkutane transluminale Angioplastie*, Abk. PTA) oder operative Methoden (Bypass-Operation, Thrombendarteriektomie, Einsatz von Gefäßprothesen) zur Verfügung. Prognose: Die Prognose der pAVK bei Diabetikern ist vom Erfolg der revaskularisierenden Maßnahmen abhängig. Die Zahl der geretteten Gliedmaßen nach einer Revaskularisierung ist bei Diabetikern und Nichtdiabetikern ungefähr gleich hoch, weshalb einem Diabetiker die spezifische Behandlung einer pAVK nicht vorenthalten werden sollte. Autoren: W. A. Scherbaum, A. Stirban. 20
Arzneimittelexanthem: (engl.) drug rash; unerwünschte Arzneimittelwirkung an Haut oder Schleimhäuten aufgrund einer Arzneimittelallergie oder -Intoleranz, nicht selten als Reaktion auf Antibiotika (s. Abb.). Hinweis: Sulfonylharnstoffe* können in diesem Rahmen zu einer Photosensibilisierung führen.
Arzneimittelexanthem: Generalisiertes feinflächiges Exanthem
ASD: Abk. für Arbeitsgemeinschaft* zur strukturierten Diabetestherapie. Aspartam: (engl.) aspartame; L-AspartylPhenylalanin-Methylester; künstlich hergestellter zuckerfreier Süßstoff (ca. 200-mal süßer als Glukose*) ohne Nährwert; nicht geeignet für Patienten, die im Rahmen einer Phenylketonurie eine phenylalaninarme Diät einhalten sollten; weitere nachteilige Effekte sind nicht bekannt. ASS Abk. für Acetylsalicylsäure*. Asthma bronchiale: (engl.) bronchial asthma; anfallsweises Auftreten von Atemnot infolge variabler und reversibler Verengung der Luftwege durch Entzündung und Überempfindlichkeit der Atemwege; kennzeichnende Trias: Bronchospasmus, Schleimhautschwellung und Dyskrinie. Ursachen: Allergie*, bronchopulmonaler Infekt, Analgetika (Acetylsalicylsäure* oder andere in den Prostaglandinstoffwechsel eingreifende Antiphlogistika), körperliche Belastung; es können mehrere Auslösemechanismen gleichzeitig vorliegen. Therapie: Beta-2Sympathomimetika, Kortikosteroide, Parasympatholytika, Theophyllin, Antiallergika; Vermeidung der auslösenden Noxe(n), Allergenkarenz. Hinweis: Wird ein insulinpflichtiger Diabetiker aufgrund eines Asthma bronchiale mit Glukokortikoiden (s. Kortikoide) behandelt, bedarf es spezieller Schulungen und Therapieanpassungen, da Glukokortikoide insulinantagonistisch wirken.
Autoanti körper
Ataxia (engl.) ataxia; Störung in der Koordination von Bewegungsabläufen; Zeichen einer Ataxie sind Störungen der Okulomotorik, Dysarthrie, Dysdiadochokinese, Intentionstremor, Stand-, Gang- und Rumpfataxie. Formen: 1. zerebelläre Ataxie durch Erkrankungen des Kleinhirns wie Tumoren und Atrophie; 2. afferente Ataxie infolge Läsionen der Hinterstrangbahnen des Rückenmarks oder peripherer Nerven wie bei Polyneuropathie; 3. vestibuläre Ataxie durch Schädigung des Vestibularapparats; 4. Ataxie infolge Hydrozephalus oder Läsion der Hirnhemisphären. Hinweis: Eine Ataxie ist bei Diabetes mellitus häufig Ausdruck einer ausgeprägten peripheren diabetischen Neuropathie* mit Schädigung der klein- und großkalibrigen Nervenfasern; die Betroffenen klagen über Schwankschwindel und Gangunsicherheit. Atemnotsyndrom
des
Neugeborenen:
(engl.) infant respiratory distress Syndrom, Abk. IRDS; Bezeichnung für alle mit Atemnot einhergehenden Zustände des Neugeborenen; Ursache ist meist mangelnde Lungenreife bei Frühgeburt. Hinweis: Neugeborene schlecht eingestellter Diabetikerinnen leiden gehäuft an IRDS. Vgl. Schwangerschaft, Fetopathia diabetica. Atenolol: (engl.) atenolol; Beta-l-selektiver (sog. kardioselektiver) Betarezeptorenblocker*; die Wirkung von Atenolol auf die Blutdrucksenkung wurde in der UKPDS* untersucht und entspricht in ihrer Risikominderung bezüglich Schlaganfall* und Herzinfarkt* sowie einer Senkung der Mortalität der des ACE-Hemmers Captopril. ATP Abk. für Adenosintriphosphat. AT 1 -Rezeptorantagonisten: Syn. Angioten-
sin-ü-Rezeptorantagonisten, Sartane; Substanzgruppe der Antihypertensiva*; Hemmung der Wirkung von Angiotensin II über Blockade des ATi-Rezeptors (ein AngiotensinrezeptorSubtyp). Wirkung: Vasodilatation, Sympathikushemmung, Verminderung der Aldosteronsekretion; die antihypertensive Wirkung von AT,Rezeptorantagonisten ist der der ACE*-Hemmer vergleichbar. Hinweis: ATj-Rezeptorantagonisten sind metabolisch neutral und stellen bei Unverträglichkeit von ACE-Hemmern eine gute Alternative für Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 dar. Darüber hinaus profitieren Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 vom protektiven Effekt der ATi-Rezeptorantagonisten bezüglich der Hemmung der Entwicklung und Progression einer Niereninsuffizienz (in Langzeitstudien sehr gut belegt). Augenerkrankungen,
diabetische:
(engl.)
diabetic ocular diseases; Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus, die sich am Auge manifestieren; die Art der diabetischen Augenerkrankungen ist recht vielfältig, zu den wichtigsten zählen: 1. diabetische Retinopathie*; 2. Rubeosis iridis (s. NeoVaskularisation); 3. Hautentzündungen an Ober- und Unterlid; 4. im Rahmen einer peripheren diabetischen Neuropathie*: Okulomotoriuslähmung*, Störung der Pupillenfunktion durch Schädigung sympathischer oder parasympathischer Nervenfasern; 5. Glaukom*; 6. Katarakt*; 7. Infektionen der Cornea. Augenhintergrund: (engl.) ocular fundus; syn. Augenfundus; innere Oberfläche des Aug-
apfels; Untersuchung mit Ophthalmoskopie unter Beurteilung von Retina*, retinalem Pigmentepithel, Choroidea, Discus nervi optici und Macula lutea; Visualisierung der Mikrozirkulation mit Fluoreszenzangiographie. Augeninnendruck: (engl.) intraocular pressure; syn. intraokulärer Druck; der auf der Augeninnenwand lastende Druck; beim Gesunden beträgt der Augeninnendruck 1 7 + 3 mmHg (gemessen mit dem Applanationstonometer*) und ist bei Patienten mit Glaukom* häufig erhöht (Mittelwert 20,8 ± 2,9 mmHg). Hinweis: Bei einer diabetisch bedingten Erhöhung des Augeninnendrucks (sekundäres Glaukom) können Druckwerte von 40-70 mmHg auftreten. Augenmuskellähmung: (engl.) ocular muscle paralysis; Ophthalmoplegie; Lähmung eines oder mehrerer Augenmuskeln; durch den reduzierten Zug des gelähmten Muskels resultiert Lähmungsschielen (Strabismus paralyticus), meist mit Doppelbildern (Diplopie); der Schielwinkel nimmt in Blickrichtung des gelähmten Muskels zu (Inkomitanz); zur Vermeidung von Doppelbildern wird die Blickrichtung bevorzugt, in der keine Abweichung besteht (Torticollis ocularis). Klinische Einteilung (entsprechend der Lokalisation): 1. nukleäre Augenmuskellähmung; 2. faszikuläre Augenmuskellähmung; 3. periphere Augenmuskellähmung. Ursachen: 1. angeboren: z. B. Aplasie der Augenmuskelkerne bei Stilling-Türk-Duane-Syndrom; 2. erworben: a) neurologische Erkrankung: intrakranielle Tumoren, Blutungen oder Ischämien, Neuropathien, Multiple Sklerose, Enzephalitis, Meningitis, Schädelhirntrauma u. a.; b) muskuläre Erkrankung: Myositis, endokrine Ophthalmopathie u. a. Hinweis: Im Rahmen einer diabetischen Neuropathie treten Abduzenslähmung*, Trochlearislähmung* und Okulomotoriuslähmung* als Mononeuropathien auf. Austauschharze: Gruppe von Arzneimitteln, die zur Senkung der Blutfettwerte im Rahmen der Therapie von Hyperlipoproteinämien* (v. a. Hypercholesterinämie) eingesetzt werden; durch Bindung von Gallensäuren (z. B. durch Colestipol und Colestyramin) wird deren enterohepatischer Kreislauf unterbrochen; insgesamt nur mäßige Verträglichkeit: Häufig gastrointestinale Beschwerden wie Blähungen, Völlegefühl und Obstipation. Hinweis: Da Austauschharze einen Anstieg des Triglyceridspiegels im Blut verursachen können, ist die Indikation bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 streng zu stellen. Vgl. Fettstoffwechselstörungen. Auszehrung s. Kachexie.
Autoaggressionskrankheiten: s. Autoimmunerkrankungen. Autoantikörper: (engl.) autoantibodies; gegen körpereigene Antigene verschiedener zellulärer Strukturen (z. B. Oberflächenantigene, Rezeptoren, Nukleinsäuren, Proteine, Glykoproteine) gerichtete Antikörper* mit physiologischer und pathologischer Bedeutung; lassen sich bei Autoimmunerkrankungen* nachweisen (s. ums. Abb.). Ursachen: 1. genetisch (z. B. HLA-Typ); 2. immunologisch (z. B. defekte Apoptose, Kreuzreaktivität); 3. exogen (z. B. 21
Autofahren Autoantiköiper Autoantikörper (Ak) bei Diabetes mellitus Typ 1, die sich gegen unterschiedliche Anteile der Inselzellen richten Autoantikörper
Abk.
Häufigkeit bei Manifestation
Nachweismethode
zytoplasmatische Insellzell-Ak GI Uta matdeca rboxy lase-Ak Ak gegen Tyrosin-Phosphatase IA-2
ICA GADA IA-2 Ak IAA
80% 70-80% 50-70%
Immunfluoreszenztest Radio-Immunassay Radio-Immunassay
30-100%
Radio-Immunassay
Insulin-Autoantikörper
Inselzell-Autoantikörper: Pankreasinsel im Kryostatschnitt eines frischen humanen Pankreas. Fluoreszeinmarkierte zytoplasmatische Inselzell-Antikörper (ICA) binden an Zytoplasmabestandteile der Inselzellen, die Kerne sind ausgespart. Infektion, chronische Entzündungen, Arzneimittel). Hinweis: Bei Diabetes mellitus Typ 1 lassen sich Autoantikörper gegen verschiedene Anteile der Inselzellen des Pankreas nachweisen (s. Tab); vgl. Prädiktion, Diabetes mellitus Typ 1. Autofahren: s. Fahrtauglichkeit. Autoimmunerkrankungen: (engl.) autoimmune diseases; syn. Autoaggressionskrankheiten; im engeren Sinn Erkrankungen, bei denen durch Autoimmunisierung gegen körpereigene Substanzen (Autoantigene) gerichtete Autoantikörper* bzw. spezifisch sensibilisierte B- und TLymphozyten auftreten; familiäre Häufung. Hinweis: Organspezifische Autoimmunerkrankungen betreffen überwiegend endokrine Organe wie die Pankreasinseln bei Diabetes mellitus Typi. Autoimmunsyndrom, polyglanduläres: (engl.) autoimmune polyendocrine Syndrome (Abk. APS); syn. pluriglanduläre Insuffizienz, Autoimmun-Polyendokrinopathie; autoimmunologisch bedingte Insuffizienz verschiedener 22
endokriner Drüsen. Formen: APS Typ I: v. a. in Finnland vorkommende, im Kindesalter beginnende autosomal-rezessiv erbliche Erkrankung (ohne HLA-Assoziation) mit Nebennierenrindeninsuffizienz, idiopathischem primärem Hypoparathyroidismus und mukokutaner rezidivierender Candida-Mykose, autoimmuner perniziöser Anämie sowie gelegentlich chronisch-aggressiver Hepatitis, Hypothyreose, Hypogonadisms, Basedow-Krankheit, Vitiligo oder Malabsorption; APS Typ HA: Autoimmune Addison-Krankheit mit autoimmuner Schilddrüsenerkrankung (Schmidt-Syndrom) und/ oder Diabetes mellitus Typ 1 (Carpenter-Syndrom); fakultativ mit Hypogonadisms, Vitiligo, Alopezie, perniziöser Anämie, atrophischer lymphozytärer Gastritis, Myasthenia gravis, Sjögren-Syndrom; APS Typ II B: Zwei oder mehr endokrine Autoimmunerkrankungen ohne primären Hypoparathyroidismus oder Addison-Krankheit. Autointoxikation: (engl.) autointoxication; Vergiftung durch Stoffwechselprodukte des eigenen Körpers, z. B. bei schwerer Leber- und/ oder Niereninsuffizienz oder diabetischem Koma*. Axonopathie: (engl.) axonopathy; axonale Degeneration von Nervenzellen. Hinweis: Die Axonopathie ist neben der Demyelinisation* ein typisches pathogenetisches Symptom der diabetischen Neuropathie*. A-Ze!Sen (engl.) A cells, alpha cells; syn. Alphazellen; glucagonproduzierende Zellen der Langerhans'-Inseln. Azeton: s. Aceton. Azidose (engl.) acidosis; Störung im SäureBasen-Haushalt mit Abfall des arteriellen pHWertes unter 7,36. Formen: 1. metabolische Azidose mit Abfall des aktuellen Bicarbonats bzw. Standardbicarbonats sowie negativer Basenabweichung infolge einer Stoffwechselstörung; Klinik: vertiefte Atmung (Kussmaul*-Atmung), Blutdruckabfall, Schock u. a.; Diagnose: arterielle Blutgasanalyse, Säure-Basen-Status; Therapie: teilweise Korrektur (Gefahr der Alkalose*) durch Zufuhr von Puffersubstanzen (v. a. Natriumbicarbonatlösung, Tris-Puffer); 2. respiratorische Azidose mit Zunahme des arteriellen p C 0 2 auf über 45 mmHg (Hyperkapnie) infolge Retention von Kohlenstoffdioxid bei alveolärer Hypoventilation durch zentrale Atemdepression, Behinderung der Atemarbeit und bei Lun-
Azomethin
generkrankungen mit Störungen des Gasaustauschs. Hinweis: Die metabolische Azidose mit Vermehrung von Ketonkörpern* im Blut ist ein typisches Zeichen für Insulinmangel bei Diabe-
tes mellitus Typ 1 (s. Ketoazidose, diabetische). Vgl. Anionenlücke; Koma, diabetisches; Ketoazidose, alkoholische. Azomethii syn. Schiff-Base.
23
B
ßabinski-Reflex: (engl.) Babinski reflex; auch Babinski-Zeichen I; reflexartige Dorsalextension der Großzehe, ausgelöst durch druckvolles Bestreichen der lateralen Fußsohle; ein positiver Babinski-Reflex nach dem ersten Lebensjahr ist ein diagnostisches Zeichen für die Läsion des 1. motorischen Neurons (Pyramidenbahnzeichen), z. B. im Rahmen eines Schlaganfalls*. Bakteriurie: (engl.) bacteriuria; Ausscheidung von Bakterien im Urin; sog. signifikante Bakteriurie bei Keimzahlen ab 105/ml; meist Zeichen einer Harnweginfektion*. Hinweis: Eine Harnweginfektion mit Bakteriurie kann bei Diabetikern Hinweis auf eine Verschlechterung der Stoffwechsellage (Hyperglykämie) sein. Balanitis: (engl.) balanitis; Entzündung der Glans penis, meist mit Beteiligung des inneren Vorhautblattes (Balanoposthitis); lokal Juckreiz und Rötung. Hinweis: Die Entstehung einer Balanitis wird durch einen schlecht eingestellten Diabetes mellitus begünstigt (Balanitis diabetica) und hier meist durch Candida albicans verursacht (Balanitis candidomycetica). Ballaststoffe (engl.) dietary fibres; Gesamtheit der unverdaulichen Nahrungsbestandteile (z. B. Zellulose, Keratin); die Aufnahmemenge sollte S30g/d betragen; Ballaststoffe sind v. a. in Getreideprodukten, Hülsenfrüchten, Obst und Gemüse enthalten. Wirkungen: Anregung der Darmperistaltik, Beschleunigung der Darmpassage, Obstipationsprophylaxe; Stimulation der Bildung von Verdauungssäften, die Proteasen (Trypsin, Elastase), Esterasen (Phospholipase, Cholinesterase), Carbohydrasen (Amylase, Maltase, Laktase) und Nukleasen (Phospholipidesterasen) enthalten; verzögerte Magenentleerung mit frühzeitigem Sättigungsgefühl; Bindung von Cholesterin und toxischen Substanzen (Karzinogenen) im Nahrungsbrei. Hinweis: Eine ballaststoffreiche Kost ist generell zu empfehlen. Bei Diabetikern hat ballaststoffreiche Kost einen günstigen Einfluss auf den Blutglukosestoffwechsel mit Senkung des Blutzuckerwerts sowie des HbAi c -Wertes. Vgl. Ernährungstherapie. Bardet-Biedl-Syndrom: (engl.) Bardet-Biedl syndrome; Abk. BBS; syn. Laurence-MoonBardet-Biedl-Syndrom; komplexes, autosomal-rezessiv erbliches Fehlbildungssyndrom. Symptomatik: Postaxiale Polydaktylie, Adipositas, Hypogenitalismus, Retinopathia pigmentosa, Nierenfunktionsstörungen, Minderwuchs, geistige Behinderung. Hinweis: Der häufig mit dem Bardet-Biedl-Syndrom assoziierte Diabetes mellitus zählt nach Diabetesklassifizierung* zu den sonstigen Diabetesformen.
Basalmembranverdickung: (engl.) basement membran coagulation; Verdickung der Basalmembran der Nierenkörperchen (Glomeruli) im Rahmen der diabetischen Nephropathie. Basalrat«: (engl.) basal rate; kontinuierlicher Basisbedarf an Insulin bei der Insulinpumpentherapie*; bei der intensivierten Insulintherapie* muss zusätzlich zur Basalrate zu den Hauptmahlzeiten ein Insulinbolus gegeben werden. Bauchspeicheldrüse: s. Pankreas. BB-Batt« (engl.) bio bred rat; spontan-diabetische Ratte; dient als Tiermodell für den Diabetes mellitus Typ 1 des Menschen; bei empfänglichen Tieren liegt u. a. eine Insulitis und eine progrediente B-Zell-Destruktion vor. BdKJ: Abk. für Bund* diabetischer Kinder und Jugendlicher. Abk. für Broteinheit* bzw. Berechnungseinheit. SED Abk. für (engl.) binge* eating disorder. Begleiterkrankung (engl.) concomitant diseases gemeinsam mit einer Grunderkrankung auftretende Erkrankung; ist von der Grunderkrankung weitgehend unabhängig und somit abzugrenzen von einer Folgeerkrankung. Hinweis: Häufige Begleiterkrankungen von Diabetes mellitus sind arterielle Hypertonie*, Dyslipidämie* und Hyperinsulinismus mit metabolischem Syndrom*, Harnweginfektion* sowie Katarakt*. Vgl. Folgeerkrankungen, diabetische. Begutachtung: s. Gutachten, medizinisches. Behinderu (engl.) disability, handicap; Menschen sind gemäß § 2 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Regelungen für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen finden sich im Gesetz zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX vom 19. Juni 2001); die Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung (Abk. GdB) nach Zehnergraden abgestuft von 20-100 festzustellen (gemäß § 69 SGB IX). Bei Diabetes mellitus werden Funktionsbeeinträchtigungen bedingt durch die Einhaltung einer angepassten Ernährung (vgl. Ernährungstherapie), regelmäßige Medikamenteneinnahme (Tabletten oder Insulin*) mit Anpassung an die Stoffwechsellage, regelmäßige Selbstkontrollen* von Blutzucker und Harnzucker, Hyperglykämien mit Leistungseinbußen und Hypoglykämien* (insbesondere häufige und schwere Hypoglykämien mit Leistungseinschränkungen) sowie psychischen Auswirkungen der chroni25
Beratung, genetische
Behinderung Grad der Behinderung (GdB) bei Diabetes mellitus Kriterien ausschließlich diätetisch oder zusätzlich durch Kohlenhydratresorptionsverzögerer oder Biguanide ausreichend einstellbar mit Diät und Sulfonylharnstoffen ausreichend einstellbar mit Diät und oralen Antidiabetika sowie ergänzenden Insulininjektionen ausreichend einstellbar mit Diät und Insulintherapie gut einstellbar durch Diät und alleinige Insulintherapie schwer einstellbar (häufig bei Kindern), auch gelegentliche ausgeprägte Hypoglykämien
GdB
(%) 10
20 30 40 50
sehen Krankheit (Akzeptanz der Erkrankung, Krankheitsbewältigung). Die Feststellung des GdB erfolgt nach den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (zur Bewertung von Diabetes mellitus: s. Tab.). Diabetiker, die mit Metformin bzw. Insulinsensitizern behandelt werden, bekommen einen GdB von 20 zugesprochen. Schwerbehinderte sind nach § 2 Absatz 2 SGB IX Personen mit einem GdB >50, wenn ihr Wohnsitz, ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort oder ihre Beschäftigung an einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches ist. Als schwerbehindert sind Diabetiker einzustufen, die mit Diät und alleiniger Insulinbehandlung „schwer einstellbar" sind; dies betrifft häufig Kinder und Jugendliche mit gelegentlich ausgeprägten Hypoglykämien. Häufige, ausgeprägte Hypoglykämien sowie Organkomplikationen sind zusätzlich zu bewerten. Schwerbehinderten gleichgestellt werden nach § 2 Absatz 3 SGB IX Personen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder nicht behalten können (sog. gleichgestellte behinderte Menschen). Die Gleichstellung erfolgt auf Antrag durch das Arbeitsamt. Als Nachteile für behinderte Menschen sind die Einstellungserschwernis bei der Arbeitsplatzsuche und v. a. die Selbstdiskriminierung zu bedenken. Schwerbehinderte erhalten folgende Nachteilsausgleiche: Kündigungsschutz (nur mit Zustimmung des Integrationsamtes), Zusatzurlaub von 5 Arbeitstagen, Steuerfreibetrag nach § 33b Einkommensteuergesetz (Abk. EstG), vorgezogenes Altersruhegeld und Freistellung von Mehrarbeit. Bei Vorliegen weiterer gesundheitlicher 26
Merkmale werden dem schwerbehinderten Menschen mit erheblicher Gehbehinderung (Merkzeichen G), außergewöhnlicher Gehbehinderung (Merkzeichen aG), Hilflosigkeit, z. B. bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes mellitus (Merkzeichen H), Erblindung (Merkzeichen Bl) oder ständig notwendiger Begleitung (Merkzeichen B) weitere Nachteilsausgleiche wie Steuerfreibeträge oder Kfz-Steuerminderung oder unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr gewährt, die durch Eintrag der oben genannten Merkzeichen in den Schwerbehindertenausweis (gemäß § 69 SGB IX) nachgewiesen werden. Dies kann für schwerbehinderte Menschen mit Diabetes mellitus bei schwerer Neuropathie oder bei arteriellen Durchblutungsstörungen oder nach Beinamputation oder bei diabetesbedingter Erblindung zutreffen und als Nachteilsausgleich beim Versorgungsamt beantragt werden. Der Antrag auf den Status der Behinderung sollte sorgfältig überlegt und der individuellen Situation angepasst sein, da aus der Anerkennung einer Schwerbehinderung sowohl Vorteile (Schutzrechte, Steuervergünstigungen) als auch Nachteile (Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche) erwachsen können. Autor: H. Finck. Beratung, genetische: (engl.) genetic counseling; Beratungsprozess zwischen Patient und Arzt mit dem Ziel, über das individuelle Risiko des Ausbruchs einer Erkrankung, z. B. Diabetes mellitus, aufzuklären und evtl. die Erkrankung selbst oder Folgeerkrankungen zu vermeiden. Hinweis: Für die Manifestation von Diabetes mellitus Typ 2 spielen genetische Faktoren eine noch größere Rolle als für die Entstehung von Diabetes mellitus Typ 1; so beträgt die Prävalenz nach Erkrankung eines einengen Zwillings für den anderen Zwilling bei Diabetes mellitus Typ 1 30-50%, bei Diabetes mellitus Typ 2 6090%. Vgl. Prädiktion, Diabetes mellitus Typ 1; Prävention, Diabetes mellitus Typ 1. Berechnungseinheit: s. Broteinheit.
Bernhardt-Form« (engl.) Bernhardt's formula; nicht mehr gebräuchliche Formel zur Berechnung der Obergrenze des Normalgewichts*: Körperlänge multipliziert mit dem mittleren Brustumfang dividiert durch 240. Vgl. Body-mass-Index, Broca-Formel. Berufsunfähigkeit: (engl.) occupational disability; mit Wirkung zum 1.1.2001 ist in der gesetzlichen Rentenversicherung* an die Stelle der Berufsunfähigkeit der Begriff der Erwerbsminderung* getreten. Berufswahl (engl.) choice of an occupation; berufliche Leistungsfähigkeit bei Menschen mit Diabetes mellitus und dessen Folgeerkrankungen kann gemindert sein; ggf. kann die soziale Stellung des Menschen in der Gesellschaft und im Berufsleben von dieser Leistungsfähigkeit beeinflusst werden. Entscheidende Einflussgrößen für die Ausübung eines Berufs sind neben dem Krankheitstyp (Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2) die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen, deren Nebenwirkungen, Komplikationen und zusätzliche bzw. Folgeerkrankungen. Diabetiker ohne weitere schwerwiegende Krankheiten oder
Bewegungstherapie schwere Folgeerkrankungen können nahezu alle Berufe und Tätigkeiten ausüben, zu denen sie nach Neigung, Begabung, praktischen Fähigkeiten und Ausbildung geeignet sind. Bei der Auswahl und Ausübung eines Berufs oder einer Tätigkeit von Diabetikern sollten folgende Punkte bedacht werden: 1. Selbst- und Fremdgefährdung durch Hypoglykämie* spielen bei folgenden Berufen eine Rolle: Berufliche Personenbeförderung (Omnibus- oder Taxifahrer), Transport gefährlicher Güter, Lastkraftwagenfahrer, Berufen mit Waffengebrauch (Schutzpolizei), Arbeiten mit Absturzgefahr (Dachdecker, Hochbauarbeiter, Gerüstbauer), Berufe mit beeinträchtigter Planbarkeit des Tagesablaufs und der Stoffwechselselbstkontrollen, z. B. bei Arbeit in Schutzkleidung (Hitze, Kälte, Labor, Pharmaindustrie), Wechselschicht; 2. das evtl. Auftreten von Folgeerkrankungen an Augen, Nieren, Nerven und Gefäßen sollte schon bei der Berufswahl berücksichtigt werden; 3. berufliche Expositionen, die die Manifestation akuter oder chronischer Folgen des Diabetes mellitus begünstigen, z. B. Hitze, Überdruck, chemische Substanzen (Gefahr einer Neuropathie), sollten vermieden werden. Bei der Beratung zur Berufswahl und Berufsausübung von Diabetikern in risikoreichen Berufen sollte nach Möglichkeit ein Arbeitsmediziner oder Betriebsarzt zur Abwägung und Beurteilung von Risiken hinzugezogen werden. Ist ein Diabetiker nicht mehr zur Ausübung seines ursprünglichen Berufs in der Lage, kommen Rehabilitationsmaßnahmen in Betracht; dies sind u. a.: Innerbetriebliche Umsetzung oder Qualifizierung, Umschulung in einem Berufsförderungswerk. Autor: H. Finck. Betaoxidation (engl.) beta oxidation; Hauptweg des enzymatischen Fettsäureabbaus in den Mitochondrien; dient der Energiegewinnung; Betaoxidation läuft in allen Geweben ab, ausgenommen in Gehirn und Erythrozyten. Nach Aufnahme der Fettsäure in die Zelle erfolgt in einer ATP-abhängigen Reaktion die Aktivierung zu Acyl-CoA, die mit Carnitin* in das Mitochondrium eingeschleust wird; hier erfolgt der Abbau der Fettsäure durch mehrmaliges Durchlaufen eines oxidativen Reaktionszyklus, in dem durch Abspaltung von Acetyl-CoA die Fettsäure jeweils um eine C2-Einheit verkürzt wird. Das so freigesetzte Acetyl-CoA wird auf Oxalacetat übertragen und geht als Citrat in den Citratzyklus ein oder dient der Synthese von Ketonkörpern*. Betarezeptorenblocker: (engl.) beta blockers; syn. Betablocker, Betasympatholytika, Betaadrenolytika; Arzneimittel, die die sympathomimetisch wirkenden Neurotransmitter Noradrenalin und Adrenalin an den zellulären Betarezeptoren des jeweiligen Erfolgsorgans kompetitiv hemmen; bei hohem Sympathikotonus ist die Wirkung der Betarezeptorenblocker besonders stark ausgeprägt. Einteilung: 1. (relativ) Beta-l-selektive Betarezeptorenblocker (sog. kardioselektive Betarezeptorenblocker, z. B. Acebutolol, Atenolol*, Betaxolol, Bisoprolol, Metoprolol); 2. nichtselektive Betarezeptorenblocker (z. B. Alprenolol, Nadolol, Oxyprenolol,
Pindolol, Propranolol*, Sotalol); 3. einige Betarezeptorenblocker mit sympathomimetischer „Restaktivitat" (sog. intrinsische sympathomimetische Aktivität, Abk. ISA), begründet durch Strukturverwandtschaft mit Sympathomimetika* (z. B. Acebutolol, Pindolol). Hinweis: Kardioselektive Rezeptorenblocker sind bei Diabetikern mit koronarer Herzkrankheit* und insbesondere nach Herzinfarkt* (Sekundärprophylaxe) Mittel der ersten Wahl; bei Indikation für Betarezeptorenblocker sollte daher kardioselektiven Präparaten der Vorzug gegeben werden, insbesondere auch, weil bei diesen verhältnismäßig selten unerwünschte metabolische Nebenwirkungen auftreten (z. B. Abnahme des HDL-Cholesterinspiegels, Anstieg des Triglyceridspiegels, Zunahme der Insulinresistenz). Es ist zu berücksichtigen, dass nichtselektive Betarezeptorenblocker eine durch Antidiabetika bedingte Hypoglykämie* maskieren und verlängern können. Betazellen syn. B*-Zellen. Betazelltoxine Substanzen, die auf die insulinproduzierenden Betazellen toxisch wirken; zu den Betazelltoxinen zählen u. a. das zur Behandlung der Pneumocystis-carinii-Pneumonie eingesetzte Antiprotozoenmittel Pentamidin oder das Rattengift Vacor. Betreuung, sozial« (engl.) social care; Berücksichtigung der sozialen Situation des Patienten bei der Therapieplanung. Hinweis: Bei der sozialen Betreuung des älteren Diabetikers ist insbesondere die Einnahme regelmäßiger Mahlzeiten oder die häusliche Insulinapplikation über externe Instanzen zu gewährleisten. Über ambulante Pflegedienste können hilfsbedürftige Diabetiker oft auch langfristig zu Hause betreut werden, ohne eine stationäre Pflegeeinrichtung einzuschalten. Vgl. Sozialmedizin, Sozialgesetzbuch, Steuerfreibetrag. Bettläge ei (engl.) confinement to bed; Ruhigstellung des Körpers als Folge einer Erkrankung oder Verletzung, als therapeutische Maßnahme oder zur Schonimg nach einem operativen Eingriff. Hinweis: Bei Bettlägerigkeit kann der Insulinbedarf aufgrund der verringerten körperlichen Aktivität* und dem dadurch verminderten Glukoseverbrauch in den Körperzellen ansteigen; daher muss beim insulinpflichtigen Diabetiker zur Vermeidung einer Hyperglykämie* die Insulindosis entsprechend angepasst werden. Längere Bettlägerigkeit prädisponiert ferner zur Manifestation einer Osteoporose* oder Muskeldystrophie. B e w e g u n g s m a n g e l : (engl.) lack of exercise; syn. Hypomotilität; unzureichende köperliche Bewegung; in modernen Gesellschaften wichtiger Risikofaktor für Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hinweis: Bei Vorliegen von Risikofaktoren für Diabetes mellitus Typ 2 (z. B. Übergewicht, familiäre Vorbelastung) oder, soweit medizinisch vertretbar, bei bereits manifestem Diabetes mellitus Typ 2 sollte eine maßvolle körperliche Aktivität* angestrebt werden. Bewegungstherapie: (engl.) kinesitherapy; regelmäßig durchgeführte körperliche Übungen (sowohl aktiv als auch passiv) zur Behandlung und günstigen Beeinflussung von Erkrankun27
Bewusstlosigkeit
gen des Bewegungsapparats, des Herz-Kreislauf-Systems, der Atemwege, des Stoffwechsels und psychosomatischer Erkrankungen sowie zur Reduzierung des Körpergewichts bei Adipositas. Hinweis: Bei Diabetes mellitus verbessert körperliche Aktivität* die Stoffwechsellage und senkt die Häufigkeit des Auftretens postprandialer Blutzuckerspitzen; Schwierigkeiten bereiten die mangelnde Compliance* der Patienten sowie Bewegungseinschränkungen bei körperlicher Behinderung* (z. B. nach Amputation*). Bei hohen Blutzuckerwerten mit Acetonämie* oder Ketonurie* sollte allerdings kein Sport* getrieben werden. Bewusstlosigkeit: (engl.) unconsciousness; Fehlen jedes bewussten psychischen Geschehens mit aufgehobener Kontakt- und erheblich eingeschränkter Reaktionsfähigkeit bei erhaltenen somatischen Funktionen. Hinweis: Ursache der Bewusstlosigkeit kann eine schwere Hypoglykämie* sein; die Gefahr der Bewusstlosigkeit infolge Hypoglykämie ist bei Diabetes mellitus im Kindesalter, bei intensivierter Insulintherapie, konventioneller Insulintherapie* und der Therapie mit Sulfonylharnstoffen erhöht. Vgl. Synkope, Koma. Bewusstseinsstörung: (engl.) disorder of consciousness; Störung des Bewusstseins, d. h. der Gesamtheit von Bewusstseinsinhalten wie Wahrnehmungen und Gedanken; nach einer Bewusstseinsstörung besteht oft eine Amnesie, die ggf. eine Fremdanamnese erforderlich macht. Hinweis: Ursachen für eine Bewusstseinsstörung im Rahmen eines Diabetes mellitus sind schwere Hypoglykämie*, hohe Blutzuckerwerte (s. Koma, diabetisches) und orthostatische Dysregulation infolge autonomer diabetischer Neuropathie*. Bezafibrat (engl.) bezafibrate; Arzneimittel aus der Gruppe der Fibrate*. Bazaar, (engl.) bezoar, gastrolith; syn. Gastrolith; Magenstein; Fremdkörper, der meist auf der Basis unverdaubarer Nahrungsbestandteile entsteht. Hinweis: Wahrscheinlich wird die Entstehung eines Bezoars durch eine verlangsamte Magenentleerung* im Rahmen einer diabetischen Neuropathie* begünstigt. B1A Abk. für bioelektrische Impedanzanalyse*. Bicarbonate (engl.) bicarbonates; syn. Hydrogencarbonate; doppelkohlensaure Salze; saure, wasserlösliche Salze der Kohlensäure. Hinweis: Natriumbicarbonat (NaHC0 3 ) wird zum Ausgleich einer schweren Übersäuerung des Blutes bei diabetischer Ketoazidose* eingesetzt. Biermer-Anämie: s. Anämie, perniziöse. Siguanide (engl.) biguanides; Guanidderivate; Substanzklasse aus der Gruppe der oralen Antidiabetika*; die Wirkungsmechanismen sind unbekannt; Metformin* zeigt gute Wirkung bei Diabetes mellitus Typ 2 und ist das einzige noch zugelassene Biguanid; Phenformin und Buformin wurden wegen z. T. lebensbedrohlicher Laktatazidosen 1978 vom Markt genommen. Wirkungen: Verzögerung der enteralen Glukoseresorption, Hemmung der hepatischen Glukoneogenese*, Verstärkung der peripheren Insulinwirkung (Anstieg von Glukoseaufnahme und -verbrauch in Muskulatur und Fettzellen). 28
hinge eating disorde
Abk. BED; F o r m der
psychogenen Essstörungen* mit Episoden subjektiv unkontrollierbarer Essanfälle, in denen wahllos große Nahrungsmengen konsumiert werden; die Nahrungsaufnahme* erfolgt aus Schamgefühl meist rasch und nicht in Gesellschaft anderer. Dabei essen die Betroffenen über das natürliche Sättigungsgefühl hinaus bis zu einem unangenehmen Völlegefühl; in der Folge sind sie oft depressiv und leiden unter Schuldgefühlen. Die Essanfälle treten einmal bis mehrmals pro Woche auf; im Gegensatz zur Bulimia* nervosa werden sie nicht durch andere Maßnahmen wie selbstinduziertes Erbrechen, Einnahme von Laxanzien, Fasten oder exzessiven Sport durch den Patienten kompensiert, so dass es zu starker Gewichtszunahme (vgl. Adipositas) kommt. Biotechnologie: (engl.) biotechnology; Ansätze zum Ersatz insuünsezernierender Zellen bei Patienten mit Diabetes mellitus: Eine ideale Therapie des Diabetes mellitus Typ 1 wäre der Ersatz der gestörten B-Zell-Funktion durch ein System, das metabolisch reguliert Insulin freisetzen kann. Nur dies kann den Patienten von der schwierigen und niemals optimal zu leistenden Aufgabe entbinden, Insulin nach den Erfordernissen des Körpers zu dosieren. Diese BZell-Ersatztherapie wäre auch für den Diabetes mellitus Typ 2 anwendbar. Angesichts des Zusammenspiels von B-Zell-Fehlsteuerung und -versagen mit Insulinresistenz sind neue Therapiestrategien aussichtsreich, besonders bei wachsendem Verständnis der Pathophysiologie. Derzeit werden verschiedene Ansätze des biotechnologischen Ersatzes der B-Zellfunktion verfolgt. Die folgende Aufstellung stellt die zurzeit aussichtsreichsten Verfahren dar. 1. Gentechnische Manipulation von humanen explantierten B-Zellen eines Spenders Ziel dieses Verfahrens ist die Steigerung der Widerstandsfähigkeit der B-Zellen gegen oxidativen und hypoxischen Stress sowie andere Belastungen und Schutz vor Immunzerstörung. Nachteile: Limitierte Verfügbarkeit von explantierten B-Zellen, die nur für relativ wenige Menschen ausreichen würden. Die Zellvermehrung durch Züchten der B-Zellen ist technisch noch sehr schwierig, da ein stabiler Gentransfer nicht zu gewährleisten ist. Prinzipiell sind Strategien zur Immunprotektion und Erhöhung der Widerstandsfähigkeit bereits verfügbar. Insgesamt ist also gegenwärtig nicht klar, ob humane Inseln eine Möglichkeit zur Konstruktion von transplantierbaren und gentechnisch veränderten BZellen bieten (1). 2. Züchtung von B-Zellen aus Stammzellen Verfahren zur Herstellung spezifischer Zelltypen aus embryonalen Stammzellen. Einer spanischen Gruppe ist es gelungen, mit Stammzelltechniken insulinsezernierende Zellen zu züchten. Bei diesem Verfahren wird eine frühe, undifferenzierte Vorläuferzelle eines Individuums gewonnen, die genetisch modifiziert werden kann. Eine Variante dieses Verfahrens verwendet einen Zellkern des erkrankten Individuums und fusioniert diesen mit embryonalen Stammzellen, deren Zellkern entfernt wurde. Dadurch lässt sich eine Zelllinie erzeugen, die dem Spen-
Blutdruckmessung, indirekte der des Zellkerns genetisch entspricht. Auf diese Weise könnten immunologische Probleme der Abstoßung vermieden werden. Für dieses Verfahren ist bisher die Machbarkeit grundsätzlich gezeigt worden, die Übertragung auf B-Zellen befindet sich noch in den Anfängen. 3. Induktion von B-Zellen im erkrankten Individuum durch In-vivo-Transfer von Geninformationen Einige der duktalen Zellen des exokrinen Pankreas enthalten genetische Informationen, die sie als Vorläuferzellen von Langerhans-Zellen (vgl. Langerhans-Inseln) ausweisen. Prinzipiell wird vermutet, dass eine Neogenese von insulinproduzierenden Inseln aus duktalen Vorläuferzellen möglich ist. Z. B. wurden Leberzellen von Mäusen durch Infektion mit einem Adenovirus zur Expression von Insulin und der Prohormon-Konvertase angeregt. Adenoviren erlauben jedoch keine permanente Übertragung von DNA beim Menschen und zeigen noch viele ungelöste Probleme. Die Expression des Insulins in der Leber führte in Mäusen zu einer Erniedrigung des Blutzuckers, allerdings ohne Regulation der Insulinsekretion nach den Stoffwechselgegebenheiten (2). 4. Gentechnische In-vitro-Konstruktion von humanen oder nichthumanen insulinsezernierenden Zelllinien als B-Zell-Ersatz Es konnten Zelllinien aus Insulinomen konstruiert werden, die eine blutzuckerregulierte Sekretion von Insulin zeigen, unbegrenzt vermehrt und genetisch modifiziert werden konnten. Um sie beim Menschen applizieren zu können, müssten sie in immunisolierten Behältern gezüchtet und übertragen werden, die eine Diffusion von Glukose und kleinen Proteinhormonen wie Insulin zulassen, andererseits aber die Zellen vor Immunreaktionen schützen und eine Ernährung ermöglichen. Hierzu werden Experimente mit verschieden konstruierten Kultureinheiten durchgeführt, die vorläufig noch nicht zu anwendbaren Techniken geführt haben (3). 5. Gentechnische Insulinexpression in Nichtinselzellen Das Prozessieren von Insulin benötigt die Prohormon-Konvertasen PC 1 und PC 3 (vgl. Proinsulin). Endokrine Zellen, die dieses Enzym exprimieren, bieten sich deshalb zur Expression von Insulin an. Dies wurde erfolgreich mit Zellen des Hypophysenmittellappens der Ratte sowie AfT-20-Zellen demonstriert. Diese Zellen produzierten und sezernierten erfolgreich Insulin und konnten damit in Mäusen mit einem Autoimmundiabetes eine deutliche Verbesserung der Stoffwechselsituation etablieren. Bemerkenswerterweise wurden sie nicht durch die Autoimmunmechanismen gegen B-Zellen erkannt. Ebenso gelang die Expression von Insulin in Hepatozyten. In allen diesen Modellen wurde jedoch keine kontrollierte Insulinsekretion erzielt, sondern lediglich eine konstitutive, so dass die Regulation der Blutglukosespiegel nicht erreicht wurde. Zusammenfassung Alle diese Konzepte haben Vor- und Nachteile und ein großes Potential an therapeutischen Möglichkeiten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht der Vorteil biotechnologischer gegen-
über mechanisch-technischer Verfahren in dem geringen Platzbedarf insulinsezernierender Zellen, ihrer prinzipiell äußerst schnellen Reaktionsfähigkeit auf metabolische Veränderungen und ihrem Potential zu einer natürlichen Stoffwechselkontrolle durch Ausnutzung des physiologischen Kontrollapparates der gesunden BZelle. Vgl. Pankreas, künstliches. Literatur: 1. Ferber, S. et al.: Pancreatic and duodenal homeobox gene 1 induces expression of insulin genes in liver and ameliorates streptozotocininduced hyperglycemia. Nature Medicine 6:568-572 (2000); 2. Efrat, S.: Cell based therapy for insulindependent diabetes mellitus. European Journal of Endocrinology 138:129-133 (1998); 3. Lipes, M. A.; Davalli, A. M.; Cooper, E. M.: Genetic engineering of insulin expression in nonisletcells: implications for b-cell replacement therapy for Insulin dependent diabetes mellitus. Acta Diabetologia 34:2-5 (1997); 4. Tietge, M.; Lenzen, S.: Gene therapy of diabetes mellitus-aims, methods and future prospects. Experimental Clinical Endocrinology & Diabetes 103(2):46-55 (1995). Autor: A. Pfeiffer. Blähunger s. Flatulenz. Blasenentleerungsstörung: (engl.) voiding dysfunction; Sammelbezeichnung für mechanische, funktionelle, neuro- oder psychogene Miktionsstörung mit Dysurie, Harnverhaltung und/oder Bildung von Restharn. Hinweis: Auch im Rahmen einer diabetischen Neuropathie* können Blasenentleerungsstörungen auftreten. Durch Verbleib von Restharn in der Blase (Nachweis: sonographisch) wird eine bakterielle Entzündung begünstigt. Vgl. Harnweginfektion. Blutdruckmessung, direkte: (engl.) invasive blood pressure monitoring; syn. invasive bzw. blutige Blutdruckmessung; Messimg des Blutdrucks während großer Operationen oder bei Intensivpatienten über einen arteriell (z. B. Arteria radialis, Arteria dorsalis pedis) liegenden Katheter mit Hilfe eines Kathetertipmanometers; größere Genauigkeit als bei indirekter Blutdruckmessung*, kontinuierliche Registrierung möglich. Vgl. Hypertonie, arterielle. Blutdruckmessung, indirekte: (engl.) indirect sphygmomanometry; syn. noninvasive bzw. unblutige Blutdruckmessung. Prinzip: Die indirekte Blutdruckmessung nach Riva-Rocci (Abk. RR) erfolgt mit einer meist um den Oberarm gelegten aufblasbaren und mit einem Manometer verbundenen Gummimanschette, die aufgepumpt wird, bis der Puls über der Arteria radialis nicht mehr zu tasten ist. Langsames Ablassen von Luft vermindert den Manschettendruck; unterschreitet dieser den arteriellen Blutdruck, so ist der Radialispuls zu tasten, d. h. der am Manometer abgelesene Wert beim ersten tastbaren Pulsschlag ist der systolische Blutdruck. Analog werden systolischer und diastolischer Blutdruck durch Auskultation des Korotkow*-Tons an der Arteria cubitalis ermittelt. Hinweis: Eine kontinuierliche ambulante Blutdruckmessung (24-Stunden-Registrierung) in festen Intervallen ermöglicht eine Beurteilung des Blutdruckverlaufs unter Alltagsbedingungen. Vgl. Hypertonie, arterielle; Blutdruckmessung, direkte. 29
Blutdruck-Selbstmessung Blutdruck-Selbstmessung: (engl.) blood pressure self-monitoring; selbständige Blutdruckmessung durch den Patienten; erfolgt ausschließlich als indirekte Blutdruckmessung; für die Blutdruckselbstmessung stehen semiautomatische bzw. elektronische Blutdruckmessgeräte (heute v. a. mit oszillatorischer Messmethode) zur Verfugung. ß i u t f e t t e : (engl.) lipids; im menschlichen Körper als Serumlipide enthaltene heterogene chemische Fettverbindungen mit starker Lipophiüe; zu den Blutfetten zählen freie Fettsäuren, Lipoproteine*, Triglyceride*, Cholesterin* u. a. Blut-Hirn-Schranke: (engl.) blood-brain barrier; selektiv durchlässige Schranke zwischen Blut und Hirnsubstanz, durch die der Stoffaustausch mit dem zentralen Nervensystem einer aktiven Kontrolle (im Sinne einer Schutzfunktion) unterliegt. Hinweis: Die Blut-Hirn-Schranke ist durchlässig für Glukose* und Ketonkörper* und gewährleistet so die Energieversorgung des Gehirns, sie ist jedoch nicht durchlässig für Insulin*, d. h. die Glukoseaufnahme erfolgt hier insulinunabhängig. Blutpiasms: (engl.) plasm, (blood) plasma; flüssige Bestandteile des Blutes (ca. 55% des Gesamtblutvolumens) ohne korpuskuläre Bestandteile. Zusammensetzung: 1. Wasser; 2. Proteine (7-8 %): Albumine* (60-80 %), Globuline (20-40%), Fibrinogen* (ca. 4%); Blutplasma ohne Fibrinogen wird als Blutserum bezeichnet; 3. anorganische Salze und Ionen: Natriumchlorid, Natriumhydrogencarbonat, Phosphate, Sulfate, Na, Ca, Cu, K, Cl, Mg, Fe, Zn, u. a.; 4. organische Bestandteile: u. a. Nahrungsstoffe, Stoffwechselprodukte, Rest-Stickstoff, Antikörper, Hormone, Enzyme. Funktion: Wasserbindung, Transport-, Puffer- und Immunfunktionen. Blut-Retina-Schranke: (engl.) blood retina barrier; Barriere, die den unkontrollierten Übertritt von Substanzen aus dem Blut (z. B. Proteine, Lipide) in die Retina verhindert. Hinweis: Im Rahmen der diabetischen Retinopathie* kommt es zur Schädigung der Blut-Retina-Schranke. Biutzuckei (engl.) blood sugar, blood glucose; Glukose im (venösen) Vollblut, Kapillarblut, Blutplasma oder Blutserum. Vgl. Blutzuckerwert. Blutzucker-Belastungsprobe: s. Glukosetoleranztest. Blutzucker-Bestimmungsmethoden: (engl.) blood sugar assays; enzymatische Methoden zur Bestimmung der Glukosekonzentration im Blut. Formen: 1. semiquantitativer Schnelltest (Teststreifen*), evtl. mit reflexionsphotometrischer Auswertung (Prinzip: Glukoseoxidase-Methode); 2. quantitative Blutzucker-Bestimmungsmethoden: a) Hexokinasemethode*; b) Glukose'-Dehydrogenase-Methode; c) Glukoseoxidase*-Methode. Blutzuckereinstellung: (engl.) blood sugar adaption; therapeutische Einstellung des Blutzuckers mit natürlichen Methoden (Diät, körperliche Bewegung), oralen Antidiabetika* oder Insulin* auf sog. Zielwerte; dabei ist eine regelmäßige Überprüfung der Blutzuckerwerte durch den Diabetiker selbst (Blutzucker-Selbstmessung, ggf. Harnglukose'-Selbstmessung) 30
anzustreben, da dies eine den Alltagsbedingungen individuell angepasste Regulation des Blutzuckers erlaubt. Die Qualität der Einstellung kann mit Hilfe des HbA lc -Wertes (s. Glykohämoglobine) beurteilt werden; er sollte 7% bei Diabetes mellitus Typ 1 und 6,5% bei Diabetes mellitus Typ 2 nicht überschreiten. Blutzuckerkonzentration: s. Blutzuckerwert. Blutzucker-Langzeitkontrolle: (engl.) longterm blood glucose control; Prüfung der Qualität der Blutzuckereinstellung* über einen längeren Zeitraum der jüngsten Vergangenheit. Methoden: 1. Bestimmung des HbA l c -Werts (s. Glykohämoglobine): Bester Indikator für die Qualität der Blutzuckereinstellung der vorangegangenen 2-3 Monate; 2. Bestimmung der Konzentration von Fruktosamin*: Reflektiert die Blutzuckereinstellung der vorangegangenen 23 Wochen. Blutzucker-Messsysteme: (engl.) blood glucose test sytems; diagnostische Methoden zur Bestimmung der kapillären Blutglukosekonzentration im Rahmen der Selbstkontrolle* durch den Diabetiker. Unter Alltagsbedingungen sollen jederzeit aktuelle Blutzuckerbestimmungen und eine entsprechende Anpassung der Therapie möglich sein. Die regelmäßige Blutzucker-Selbstkontrolle ist eine wesentliche Voraussetzung für die intensivierte Insulintherapie* mit Selbstanpassung der Insulindosis durch den geschulten Diabetiker (vgl. Diabetikerschulung). Bei nicht insulinbehandelten Diabetikern dient sie v. a. der Blutzuckerkontrolle im Bereich der Hypoglykämie* sowie zur Blutzuckereinstellung* von Diabetikern mit erhöhter Glukoseausscheidung im Urin (Nierenschwelle* bei einem Blutglukosewert von 8,88 mmol/1 bzw. 160 mg/dl). Blutzucker-Messsysteme unterscheiden sich von Laborgeräten durch: 1. größere Abweichungen gemessener Blutzuckerwerte im klinisch relevanten Messbereich (1,719,5 mmol/1 bzw. 30-350 mg/dl); 2. die bei Laborgeräten vorgeschriebenen gesetzlichen Bestimmungen zur regelmäßigen Qualitätskontrolle werden nicht erfüllt. Anwendbarkeit: Da Blutzucker-Messsysteme überall rasch verfügbar und relativ einfach zu handhaben sind, werden sie nicht nur von Diabetikern, sondern z. B. auch auf Intensivstationen, in Notfallkoffern und im Praxisalltag des Arztes genutzt. Gemeinsamkeiten der gängigen BlutzuckerMesssysteme: 1. invasive Abnahme des Kapillarblute z. B. durch Einstich in Fingerkuppe oder Ohrläppchen und Auftragen der Blutprobe auf einen Teststreifen mit verschiedenen, übereinander gelegten Trennschichten; der Glukosegehalt des Blutes wird durch Reaktion der Probe mit verschiedenen, innerhalb dieser Schichten enthaltenen, chemischen Substanzen gemessen; 2. sofortige Verfügbarkeit des Blutzuckermesswertes auf der Gerätanzeige oder anhand einer Farbskala. S. Abb. Unterschiede der gängigen Blutzucker-Messsysteme: 1. Die benötigte Blutmenge variiert zwischen 0,3 jil und 15 (il. 2. Einige Messsysteme bieten die Möglichkeit, an anderen Körperstellen neben Fingerkuppen und Ohrläppchen,
Blutzucker-Tagesprofil
z. B. an Daumenballen, Arm, Bein oder Bauch kapilläre Blutglukose invasiv zu messen. 3. Die Messzeit variiert zwischen 10 und 120 Sekunden. 4. Es existieren unterschiedliche Messmethoden (z. B. Messung im Blutplasma erfolgt z. T. erst nach Abtrennung der Blutzellen, Messung mit unterschiedlichen glukosespezifischen Enzymen). 5. Abgelesen wird der gemessene Wert entweder mit dem bloßen Auge (visuell) durch Vergleich mit einer vorgegebenen Farbskala oder durch photometrischen Abgleich in einem zugehörigen Blutglukose-Messgerät und Angabe als Zahlenwert (maschinell). Elektrochemische Reaktionssensoren können auch direkt zur Anzeige eines Zahlenwerts fuhren. Eine zusätzliche visuelle Kontrolle ist dabei nicht mehr möglich. 6. Einzelne Messsysteme enthalten noch eine zusätzliche akustische Übermittlung des Blutzuckerwerts für Sehbehinderte. 7. Die Datenspeicher für die gemessenen Blutzuckerwerte variieren zwischen 0 und 250 Werten. 8. Zusätzliche Datenspeicher für Insulindosis, Kohlenhydratmenge pro Mahlzeit und körperliche Aktivität* sind nur zum Teil vorhanden. 9. Elektronische Datenverarbeitung einschließlich zusätzlicher PC-Software ist nur bei wenigen Messsystemen verfügbar. Qualität der Blutzucker-Messergebnisse reicht in der Regel aus, um im Diabetikeralltag die Stoffwechsellage zu beurteilen und eine Anpassung der Therapie in angemessener Weise vorzunehmen. Voraussetzung dafür ist eine gründliche Schulung in der Handhabung des jeweiligen Messsystems. Regelmäßige vergleichende Verlaufskontrollen mit einer qualitätsgesicherten Labormethode (z. B. durch den Hausarzt*) sollten parallel durchgeführt werden.
Ausblick in die Zukunft: Blutzucker-Messsysteme ermöglichen Einzelmessungen, die zwar mehrfach täglich wiederholt werden, jedoch keinen Ersatz für eine kontinuierliche Blutglukosemessung sein können, wie sie physiologisch lebenslang im Körper erfolgt. Starke Glukoseschwankungen, die im Lauf von 24 Stunden in Blut und Gewebe auftreten, werden durch die üblichen 3-4 Einzelmessungen kaum erfasst. Messsysteme zur intravenösen (z. B. das BIOSTATOR-Modell) bzw. subkutanen (z.B. CGMS) kontinuierlichen Glukosemessung wurden bereits entwickelt. Wegen des großen technischen Aufwands, der zeitlich begrenzten E r setzbarkeit (für maximal 3 Tage) und der verzögerten Verfügbarkeit der Messwerte sind diese Systeme bisher nicht für den Diabetikeralltag geeignet. An nichtinvasiven Methoden zur Blutzuckermessung wird zwar international seit vielen Jahren gearbeitet, ein adäquates Messsystem als Ersatz für die bisherigen invasiven Verfahren ist jedoch noch nicht verfügbar. Autor: T. Koschinsky. Blutzucker-Selbstmessung: (engl.) self-monitoring of blood glucose (SMBG) Messung des Blutzuckers durch den Patienten selbst; die Blutzucker-Selbstmessung erfolgt mit Blutzucker*-Teststreifen oder Blutzucker-Messgeräten; sie ist essentiell für die intensivierte Insulintherapie*, die dem Diabetiker eine flexible Lebensgestaltung erlaubt. Wichtig ist das Training zur sachgerechten Anpassung der aktuellen Insulindosis an selbst gemessene Blutzuckerwerte. Vgl. Blutzucker-Bestimmungsmethoden. Blutzuckerspiegel: s. Blutzuckerwert. Blutzucker-Tagesprofil: (engl.) blood sugar profile; Gesamtheit der vor und zwei Stunden 31
Blutzucker-Teststreifen
nach den Hauptmahlzeiten am Tag gemessenen Blutzuckerwerte; bei Bedarf Ergänzung durch Nachtwerte. Hinweis: Ein Blutzucker-Tagesprofil ist insbesondere erforderlich bei der intensivierten Insulintherapie*; seine Dokumentation im Diabetikertagebuch* erleichert allgemein die Blutzuckereinstellung*. Blutzucker-Teststreifen: (engl.) blood glucose strips; Teststreifen* zur colorimetrischen (visuellen) Bestimmung des Blutzuckers durch den Patienten. Vgl. Blutzucker-Bestimmungsmethoden. Blutzuckerwert: (engl.) blood sugar level; auch Blutzuckerspiegel; Glukosekonzentration des Blutes; die Regulierung der Blutglukosekonzentration erfolgt v. a. durch die Hormone Insulin*, Adrenalin* und Glucagon*. Zur Messung des Blutzuckerwertes existieren verschiedene Blutzucker*-Bestimmungsmethoden. Bei Gesunden beträgt der Nüchternblutzuckerwert 80 mg/dl (4,8 mmol/1) bis maximal 125 mg/dl (7,5 mmol/1); wird der Maximalwert überschritten, spricht man von Hyperglykämie*, ab Werten 180 mg/dl (10,8 mmol/1) tritt Glukose in den Harn über (Glukosurie*). Blutzucker-Zielwerte: Bereich der Blutzuckerkonzentration, der zur Vermeidung diabetischer Folgeerkrankungen mit Hilfe der antidiabetischen Therapie angestrebt werden sollte; die Deutsche* Diabetes-Gesellschaft empfiehlt in ihren evidenzbasierten Praxisleitlinien die Blutzuckereinstellung auf möglichst normnahe Werte, d. h. Blutzuckerwert nüchtern bzw. präprandial 80-120 mg/dl (4,4-6,7 mmol/1), HbA l c Wert "... i f ' 4
D i a b e t e s a s s o z i i e r t e Hauterkrankungen ( A b b . 2): Bullosis d i a b e t i c o r u m
X. eruptive Xanthome*, meist als Folge triglyceridreicher Hyperlipoproteinämien*. Diagnose: Innerhalb weniger Wochen kann es zum Auftreten von multiplen gelb-roten Papeln und Knoten v. a. im Bereich der Extremitätenstreckseiten und der Glutealregion kommen. Eine Rückbildung wird bereits durch Normalisierung der Fettstoffwechselstörung beobachtet. 2. erworbene Porphyria cutanea tarda, die überdurchschnittlich häufig mit Diabetes mellitus assoziiert zu sein scheint. Diagnose: In chronisch lichtexponierten Arealen zeigt sich eine erhöhte Verletzlichkeit der Haut mit Ausbildung von kleinen prallen Blasen, die narbig unter Hinterlassung von Milien und Hyperpigmentierungen abheilen. Typischerweise finden sich zusätzlich eine Hypertrichose im Jochbeinbereich und eine ausgeprägte Elastose lichtbeschienener Hautareale. 3. Bullosis* diabeticorum (s. Abb. 2), die ebenfalls durch das Auftreten von Blasen gekennzeichnet ist. Diagnose: Im Gegensatz zur erworbenen Porphyria cutanea tarda treten die Blasen primär nicht in chronisch lichtexponierter Haut auf, sondern bevorzugt im Bereich der Streckseiten distaler Extremitätenabschnitte. Dabei fehlt den meist prallen wasserklaren Blasen ein umgebendes entzündliches Erythem. Betroffen sind insbesondere ältere Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und neurotrophischen Störungen. Acanthosis nigricans Die Acanthosis nigricans ist Ausdruck pathogenetisch sehr heterogener Krankheitsbilder. Diagnose: Acanthosis nigricans zeichnet sich klinisch durch eine augenfällige braungraue Hyperpigmentierung mit verruciformer Vergröberung des Hautreliefs im Bereich großer Hautfalten (v. a. axillär, inguinal, nuchal/cervical) aus. Die Hautveränderungen sind meist mit einer ausgeprägten Insulinresistenz bei Diabetes mel97
Hautfaltendicke
litus assoziiert. In abgeschwächter Form kommen sie auch im Rahmen einer Adipositas* bei vorzugsweise dunklem Hauttyp (sog. Pseudoacanthosis nigricans) vor. In ersterem Fall ist die Acanthosis nigricans mehrheitlich Symptom syndromaler Erkrankungen. Hinweis: Da dem Krankheitsbild ein maligner Tumor ursächlich zugrunde liegen kann (sog. Acanthosis nigricans „maligna"), empfiehlt sich eine entsprechende Ausschlussdiagnostik. Erworbene perforierende Dermatosen Über das diabetesassoziierte Auftreten von erworbenen perforierenden Dermatosen wird in jüngerer Zeit gehäuft berichtet. Meist liegt zusätzlich eine chronische dialysepflichtige Niereninsuffizienz vor. Unter dem Begriff der perforierenden Dermatosen werden seltene Erkrankungen zusammengefasst, denen die transepitheliale Eliminierung von dermalen zellulären und extrazellulären Bestandteilen gemeinsam ist. Diagnose: Klinisch finden sich multiple keratotische pruriginöse Papeln (Abb. 3) bevor-
Hg'
M
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Diabetesassoziierte Hauterkrankungen (Abb. 3): E r w o r b e n e p e r f o r i e r e n d e D e r m a t o s e
zugt am Rücken und den streckseitigen oberen Extremitäten, die sich konventionellen Therapiemaßnahmen gegenüber außerordentlich resistent zeigen. Die klare Abgrenzung gegenüber der Prurigo* simplex subacuta kann mitunter schwierig sein. Prurigo simplex subacuta: Bei dieser Hauterkrankung finden sich vergleichbare Prädilektionsorte; allerdings werden die erythematösen Papeln in charakteristischer Weise exkoriiert, wodurch sich eine Linderung des Pruritus* einstellt. Unverträglichkeitsreaktionen Insuline oder orale Antidiabetika können bei Patienten mit Diabetes mellitus therapieassoziierte kutane Reaktionen verursachen. In Zusammenhang mit den repetitiven subkutanen Injektionen bei mit Insulin behandelten Diabeti98
kern wurden in der Vergangenheit häufiger lokale Unverträglichkeitsreaktionen beobachtet. Seit der Verfügbarkeit hoch gereinigter bzw. rekombinant hergestellter Insuline werden am Injektionsort nur noch selten Hautveränderungen induziert; vgl. Lipatrophie, Lipohypertrophie. Diagnose: Die meisten immunologisch vermittelten Lokalreaktionen treten mit zeitlicher Verzögerung zur Injektion auf und imponieren in der Regel als infiltrierte Erytheme bzw. juckende und z. T. sehr schmerzhafte Knoten. Darüber hinaus sind Kontaktdermatitiden auf Bestandteile der Injektionssysteme möglich. Zu den vielfältigen Manifestationsformen der seltenen systemischen Reaktionen bei Insulintherapie zählen verschiedenartige Exantheme, Vaskuütiden und generalisierte Reaktionen vom Soforttyp (Urtikaria, Anaphylaxie). Als potentielle Auslöser sind neben den Insulinen weitere Inhaltsstoffe der verwendeten Präparationen (u. a. die Resorptionsverzögerer Protamin und Surfen) zu berücksichtigten. Hinweis: Bei Einnahme oraler Antidiabetika können zusätzlich zu den angeführten Reaktionsformen dem Erythema exsudativum multiforme ähnliche Verläufe bis hin zur vital bedrohlichen toxischen epidermalen Nekrolyse eintreten. Außerdem fungieren insbesondere die Sulfonylharnstoffe als wichtige Trigger photosensitiver Reaktionen, die einen allmählichen Übergang in eine chronische aktinische Dermatitis anzeigen können. Bei den Sulfonylharnstoffen der neueren Generation scheinen jedoch insgesamt weniger Unverträglichkeitsreaktionen aufzutreten. Literatur: 1. Kaufmann, R.: Hautkrankheiten. In: Mehnert et al. (Hrsg.): Diabetologie in Klinik und Praxis. 4. Aufl. Stuttgart: Thieme, 1999; 2. Lawley, T. J.; Yancey, K.B.: Cutaneous Manifestations of Alterations and Disorders of the Endocrine System. In: Fitzpatrick et al. (Hrsg.): Dermatology in General Medicine. 4111 ed. New York: McGraw-Hill, 1993. Autoren: R. Kaufmann, J. Gille. Hautfaltendicke: Dicke der Hautfalte, die durch Pressen der Haut und des subkutanen Fettgewebes zwischen Daumen und Zeigefinger und Abheben von der darunterliegenden Muskulatur erzeugt wird. Die Messung der Hautfaltendicke erfolgt mit einer Fettmesszange (Caliper) üblicherweise an vier definierten Stellen. Bedeutung: Die Hautfaltendicke kann als Maß für die Beurteilung einer Adipositas* zur Schätzung des Gesamtkörperfetts verwendet werden. Bei Kindern und Jugendlichen noch von praktischer Bedeutung, bei Erwachsenen nicht mehr in Verwendung. Vgl. Syndrom, metabolisches. Haut- und Fußpflege (engl.) skin care and chiropody; zur Prävention und Behandlung des diabetischen Fußsyndromes* und anderer Hautläsionen bei Diabetes mellitus (diabetesassoziierte Hauterkrankungen*) erfolgende Maßnahmen; s. Fußpflege. HbA,. Hauptkomponente des Hämoglobins* des Erwachsenen; vgl. Glykohämoglobine, Blutzucker-Langzeitkontrolle, Stoffwechseleinstellung. HbA1e stabile Ketoaminform des glykosylierten Hämoglobin-HbA^Derivats; s. Glykohämoglobine.
Herzerkrankungen, diabetische HD Abk. für (engl.) high density lipoproteins; Lipoproteine* hoher Dichte (1,063-1,210 g/ ml), die in Leber und Darmmukosa als HDL : gebildet und im Blut in HDL 2 umgewandelt werden; HDL entsprechen den Alphalipoproteinen und bestehen zu ca. 50 % aus Apolipoproteinen (Proteinkomponenten der Lipoproteine) und zu ca. 50% aus Cholesterin und Phospholipiden. Funktion: Transport von Cholesterin* aus peripheren Zellen in die Leber; dazu wird freies Cholesterin unter Katalyse der LCAT (LecithinCholesterin-Acyl-Transferase) mit einem Acylrest von Lecithin verestert (HDL3); erhöhtem HDL wird ein protektiver Effekt bezüglich des Arterioskleroserisikos zugeschrieben. Vgl. LDL, VLDL, Chylomikronen, Hyperlipidämie, Hyperlipoproteinämien. Htißäiunger: Plötzlich auftretender, starker, unbezwingbarer Hunger; s. Bulimia nervosa. Hemiparese: (engl.) hemiparesis; inkomplette Lähmung* einer Körperhälfte infolge einer zentralen Läsion; kann z. B. bei diabetischer Makroangiopathie* der hirnversorgenden Blutgefäße vorkommen. Heparin (engl.) heparin, heparinic acid; polysulfatiertes Glykosaminoglykan mit gerinnungshemmender Wirkung. Physiologisches Vorkommen: In Lunge, Leber, Thymus, Milz und basophilen Mastzellen. Wirkungen: 1. Hemmung der Wirkung von Thrombin auf Fibrinogen (Antithrombin) durch Bindung an Antithrombin m ; 2. Hemmung der Wirkung von Thrombokinase und dadurch der Umwandlung von Prothrombin in Thrombin; 3. Hemmung der Thrombozytenagglomeration und der Gerinnselretraktion; 4. inhibierende Wirkung auf die Blutgerinnungsfaktoren XU, Xa, Dia u. Vlla; 5. Aktivierung der Lipoproteinlipase. Heparin wird u. a. in der Prävention kardiovaskulärer Ereignisse (z. B. Thrombosen, Embolien) sowie vor und nach interventionellen Revaskularisierungsmaßnahmen (z. B. Koronarangioplastie oder Gefäßbypass) eingesetzt. Hepatitis: Diffuse Entzündung des Leberparenchyms; akute Hepatitis klinisch meist synonym für akute Hepatitis durch Hepatitis-Viren. Hinweis: Nur wenige Studien geben Auskunft über evtl. Zusammenhänge zwischen Diabetes mellitus und Hepatitis C. Bei Diabetikern mit Leberzirrhose* wurde eine höhere Rate an HCV-Infektionen beobachtet. In der Vergleichsgruppe von Blutspendern wurde bei Diabetikern eine wesentlich höhere HCV-Infektionsrate festgestellt. Bei Diabetikern treten aufgrund von Leberzellverfettung öfter leicht erhöhte, selten auch deutlich erhöhte Transaminasenwerte auf. Differentialdiagnostisch sollte bei Erhöhung der Transaminasen an Virus-Hepatitis gedacht werden. Hepatomegalii (engl.) hepatomegaly, hepatomegalia, megalohepatia; Lebervergrößerung; bei Diabetes mellitus meist infolge einer Fettleber*. Ausgeprägte Hepatomegalie kommt bei lipatrophischem Diabetes* und bei der Hämochromatose* vor. Herzerkrankungen, diabetische: (engl.) diabetic heart diseases; das Herz ist in komplexer Weise durch Begleit- und Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus gefährdet (vgl. Folgeer-
krankungen, diabetische). Kardiovaskuläre Erkrankungen wie koronare Herzkrankheit (Abk. KHK), kardiale diabetische autonome Neuropathie (Abk. KADN, vgl. Neuropathie, autonome diabetische), Kardiomyopathie und mikroangiopathische Schädigungen tragen wesentlich zu der hohen Morbidität und Mortalität von Diabetikern bei. Jeder zweite Diabetiker, unabhängig vom Typ des Diabetes, stirbt an einer kardialen Folgekrankheit. Koronare Herzkrankheit und Herzinfarkte stehen an erster Stelle der Todesursachen bei Diabetikern. Bei Diabetikern entwickelt sich die Arteriosklerose im Vergleich zu Nichtdiabetikern in einem früheren Alter, tritt in peripherer und diffuserer Ausprägung auf und zeigt eine raschere Progresssion. Morphologisch unterscheidet sich die Arteriosklerose des Diabetikers nicht von der des Nichtdiabetikers. Wegen häufig gleichzeitig bestehender neuropathischer und mikroangiopathischer Störungen gestalten sich die kardiovaskulären Erkrankungen bei Diabetikern besonders kompliziert (vgl. Koronarsyndrom, akutes). Ursachen Die Ursache für die meisten kardiovaskulären Erkrankungen ist die Arteriosklerose. Die sog. endotheliale Dysfunktion, die durch chronische Störungen der funktionellen Integrität des Gefäßendothels hervorgerufen wird, gilt als Frühform der vaskulären Störung bei Diabetes. In Stresssituationen oder bei körperlicher Belastung bewirkt die durch Prostacyclin und den Endothelium Derived Relaxing Factor (Abk. EDRF, auch Stickstoffmonoxid, Abk. NO) hervorgerufene, endothelvermittelte Vasodilatation bei Stoffwechselgesunden eine verstärkte Durchblutung der peripheren Muskulatur und des Myokards. Bei Diabetikern wie auch bei Patienten mit arterieller Hypertonie und Hypercholesterinämie, ist dieser Adaptationsmechanismus abgeschwächt. Sowohl mechanische Reize (Scherkräfte) als auch inflammatorisch und hämostaseologisch bedingte Permeabilitätsstörungen bewirken die Einwanderung von Leukozyten in die Intima und initiieren die Bildung arteriosklerotischer Plaques. Bedingt durch das Vorliegen diabetesspezifischer kardiovaskulärer Risikofaktoren (Hypertonie, Hyperglykämie, Lipidstoffwechselstörungen) entwickelt sich die Arteriosklerose über Jahre zu hämodynamisch relevanten Stenosen (KHK) oder es kann zu einem plötzlichen Gefäßverschluss durch Plaqueruptur (akuter Herzinfarkt) kommen. Die besonders schlechte Prognose der Diabetiker ist hauptsächlich durch eine erhöhte Plaqueinstabilität mit der Gefahr akuter Gefäßverschlüsse bedingt. Bei Menschen mit Diabetes mellitus besteht die erhöhte Gefahr für das Auftreten von Mehrgefäßerkrankungen am Herzen, Linksherzinsuffizienz, Linksherzversagen und akutem Herztod. Risikofaktoren Diabetes mellitus gilt als unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung von Herzkreislauferkrankungen. Sowohl Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 als auch Typ 2 sind gleichermaßen von kardiovaskulären Erkrankungen betroffen. Weitere Risikofaktoren sind arterielle Hypertonie*, Dyslipidämien* (z. B. LDL-Cho99
Herzerkrankungen, diabetische
lesterinerhöhung), Aktivierung der Hämostase*, Hyperglykämie* und Nicotinkonsum*. Die arterielle Hypertonie liegt bei Diabetikern häufig in Kombination mit Mikroalbuminurie und diabetischer Nephropathie* vor. Bei hypertensiven Diabetikern ist mit einer Wahrscheinlichkeit von 20-30% in den nächsten 10 Jahren mit einem akuten kardiovaskulären Ereignis (Herzinfarkt, Apoplex u. a) zu rechnen. Die Betreuung von Diabetikern sollte deshalb die Reduktion des kardiovaskulären Gesamtrisikos als Produkt der Risikofaktoren berücksichtigen. In verschiedenen großen Interventionsstudien konnte die Reduktion akuter kardiovaskulärer Ereignisse durch eine lipidsenkende Therapie mit HMG*-CoA-Reduktasehemmern erzielt werden. Ein Zielblutdruck unter 130/ 80 mmHg sollte angestrebt werden. Oft ist dieser nur mit Kombination verschiedener Wirkmechanismen zu erreichen. Die UKPD-Studie (s. UKPDS) zeigte, das für den Einfluss von Blutzucker und HbA lc -Werten (s. HbAj) auf das Risiko für die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen kein Schwellenwert existiert. Es gilt: Je näher der HbA l c -Wert an der Norm liegt (zwischen 6-7 %), desto geringer ist das Risiko für Herzkreislauferkrankungen. Gleiches gilt für die Blutdruckwerte: Je niedriger der Blutdruck, desto geringer das kardiovaskuläre Risiko bei Diabetes mellitus Typ 2. Erkrankungen 1. Herzinfarkt: Diabetiker haben eine erniedrigte Schwelle für die Auslösung von Angina-pectoris-Anfällen. Schmerzlose „stumme" Ischämien können zum Herzinfarkt führen. Ca. 25 % aller männlichen Patienten mit Herzinfarkt in Deutschland sind Diabetiker. Bei den Patientinnen mit Herzinfarkt beträgt der Anteil fast 40 %. Die ungünstige Prognose von Diabetikern nach einem Herzinfarkt hat sich in den vergangenen 15 Jahren kaum verbessert, trotz großer Fortschritte bei den revaskularisierenden Maßnahmen. Sowohl die Hospitalmortalität als auch die Langzeitsterblichkeit ist bei Diabetikern im Vergleich zu Nichtdiabetikern wesentlich erhöht. Nur ein Drittel aller Diabetiker überlebt die ersten 28 Tage nach einem Herzinfarkt. Von diesen Überlebenden sterben weitere 20% innerhalb des ersten Jahres. Die ungünstige Prognose von Diabetikern liegt an der hohen Inzidenz des Herzinfarkts und an der hohen Rate an kardialen Komplikationen (Postinfarktangina, Re-Infarkte, Linksherzinsuffizienz). Therapie der Wahl ist die perkutane transluminale Koronarangioplastie* (Abk. PTCA). Falls verfügbar, haben Diabetiker einen deutlichen Nutzen von der Thrombolysetherapie (s. Thrombolyse). Dabei stellt die Retinopathie (s. Retinopathie, diabetische) keine Kontraindikation für die Lysetherapie bei Diabetikern dar. ACE*-Hemmer innerhalb der ersten 24 Stunden werden zur Unterstützung der linksventrikulären Pumpfunktion und zur Verhinderung des von negativen Remodeling-Effekten empfohlen. Die Herstellung eines normnahen Blutzuckerspiegels noch im akuten Infarktgeschehen durch die Gabe von 500 ml 5 %iger Glukoselösung, 50 I.E. Normalinsulin, 80 mmol KCL/1 Flüssigkeit und eine Infusionsrate von etwa 1,5 ml/kg/h konnte in der 100
DIGAMI*-Studie unabhängig von der aktuellen Blutzuckerkonzentration die Überlebensrate bei Diabetikern verbessern. Als operatives Verfahren steht die koronare Bypass*-Operation zur Verfügung. Sie stellt wegen des diffusen Verteilungsmusters der Stenosen bei Diabetikern oft die einzige Revaskularisierungsmaßnahme dar. Der postoperative Verlauf gestaltet sich bei Diabetikern Edlerdings oft komplikationsreich. 2. Kardiomyopathie: Basalmembranverdickungen der Arteriolen und Kapillaren und eine interstitielle Fibrose des Herzmuskels führen zu Störungen der Pumpleistung des Herzens. Welche Faktoren bei Diabetikern für die Entstehung einer Kardiomyopathie verantwortlich sind, ist nicht geklärt. Wichtigste diagnostische Maßnahme ist die nichtinvasive echokardiographische Doppler-Untersuchung. Die Therapie besteht in der Optimierung der Blutzuckereinstellung. Die Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz unterscheidet sich bei Diabetikern nicht wesentlich von etablierten Therapieschemata für Nichtdiabetiker. Diabetiker profitieren allerdings besonders von der Therapie mit ACE-Hemmern. 3. Kardiale autonome diabetische Neuropathie (Abk. KADN): Ein besonderes Zeichen der autonomen Neuropathie des Diabetikers ist die sog. Frequenzstarre unter Aufhebung der physiologischen respiratorischen Herzfrequenzvariabilität und der zirkadianen Rhythmik. Über die EKG-basierten Tests hinaus zeigen nuklearmedizinische Techniken bereits bei der Diagnose des Diabetes mellitus in mehr als 50% der Fälle eine tiefgreifende sympathische Dysfunktion. Eine Verlängerung des QTc-Intervalls frequenzkorrigiertes QT-Intervall) im EKG hängen nicht nur mit der KADN, sondern auch mit Durchblutungsstörungen zusammen. Sie sind mit dem Risiko für einen vorzeitigen Herztod verbunden. Die Therapie besteht auch hier in der Optimierung der Blutzuckereinstellung und im weiteren in den auch für Nichtdiabetiker etablierten Therapieprotokollen. Verlauf 1. Diabetes mellitus Typ 1: Die Entwicklung einer Nephropathie ist ein starker Progressionsfaktor für Herz-Kreislauf-Komplikationen bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1. Sie fördert in der Regel auch das Auftreten von weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren wie LDLCholesterinerhöhungen, Dyslipoproteinämie, arterielle Hypertonie und Hämostaseaktivierung. Zentraler Risikofaktor für die Entstehung der Nephropathie ist die chronische Hyperglykämie, die zu mikroangiopathischen Schädigungen der Glomerula führt. 2. Diabetes mellitus Typ 2: Die erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer Krankheiten und Todesfälle ist bereits in den Vorstadien des manifesten Diabetes mellitus Typ 2, der pathologischen Glukosetoleranz, evident. Die Gefährdimg wird neben den traditionellen kardiovaskulären Risikofaktoren (arterielle Hypertonie, Nicotinkonsum u. a.) vor allem durch die Facetten des metabolischen Syndroms* verursacht (Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht, Hyperurikämie). Literatur: 1. Standl, E. et al.: Evidenzbasierte Diabetes Leitlinie, Diabetes mellitus und Herz.
Herzkrankheit, koronare
2002; 2. Janka et al.: Herzkrankheiten. In: Mehnert; Standl; Usadel (Hrsg.): Diabetologie in Klinik und Praxis. Stuttgart: Thieme, 1999; 3. Standl, E.: Cardiovascular risk in type 2 Diabetes. Diabetes, Obesity and MetaboÜsm l(Suppl. 2):24-36 (1999). Autoren: E. Standl, A. Neufang-Sahr. Herzfrequenz (engl.) heart rate; Herzschlagfrequenz; Abk. HF; Zahl der Herzschläge pro Minute, definiert durch die Anzahl der entsprechenden Aktionspotentiale; abhängig von Lebensalter, Geschlecht, sportlichem Trainingszustand, Körpertemperatur, Vigilanz und vegetativen Faktoren; beim Erwachsenen in Ruhe ca. 60-80/min. Herzfrequenzstarre: (engl.) rigid heart rate; fehlende Variation der Herzfrequenz* bei Inund Exspiration. Ursachen: Kardiale autonome diabetische Neuropathie* oder andere kardiale Erkrankungen. Herzinfarkt: (engl.) myocardial infarction; syn. Myokardinfarkt, Herzmuskelinfarkt; Nekrose eines umschriebenen Herzmuskelbezirks meist als akut auftretende Komplikation bei koronarer Herzkrankheit*. Hinweise: Medikamente, die bei Herzinfarkt-Patienten die Prognose verbessern: 1. ACE*-Hemmer: Kardioprotektive Wirkung; hemmen die ungünstigen Umbau- und Anpassungsvorgänge des Herzens nach einem Herzinfarkt („Remodeling"), die zu einer Myokardhypertrophie und Dilatation des linken Ventrikels führen können; somit kann die Entwicklung einer Linksherzinsuffizienz verzögert werden; 2. Betarezeptorenblocker*: Senken die Häufigkeit plötzlicher Todesfälle durch Herzrhythmusstörungen* nach Herzinfarkt; senken die Gefahr für einen Reinfarkt. Vgl. Herzerkrankungen, diabetische; Herzinfarkt, stummer. Herzinfarkt, stummer: (engl.) silent myocardial infarction; klinisch unbemerkt ablaufender Herzinfarkt*, der ohne Schmerzen und ohne charakteristische Symptomatik eines Herzinfarkts abläuft; wird meist bei einer EKG-Untersuchung zufällig entdeckt. Diabetiker haben (infolge autonomer diabetischer Neuropathie*) ein erhöhtes Risiko für einen stummen Herzinfarkt. Vgl. Herzerkrankungen, diabetische. Herzinsuffizienz: (engl.) heart failure, cardiac insufficiency; syn. Myokardinsuffizienz, Herzmuskelschwäche; unzureichende Funktion des Herzens, bei der das Herz nicht mehr imstande ist, eine den Anforderungen entsprechende Förderleistung zu erbringen. Ursache: Herzinfarkt*, Kardiomyopathie*, angeborene oder erworbene Herzfehler, arterielle oder pulmonale arterielle Hypertonie*, Herzrhythmusstörungen*, koronare Herzkrankheit*, Myokarditis. Symptomatik: Bei Dekompensation Stauungszeichen im großen und kleinen Kreislauf (Lungenödem, periphere Ödeme*, Stauungen aller Organe), Verminderung der Blutversorgung der Kreislaufperipherie, Herzvergrößerung, Tachykardie, Zyanose. Diagnose: Klinische Untersuchung, Echokardiographie, Elektrokardiographie, Röntgen-Thorax. Therapie: ACE*-Hemmer, Diuretika*, Digitalis, positiv inotrope Substanzen, organische Nitrate* u. a. Hinweis: Herzinsuffizienz kommt bei Diabeti-
8 300 CD S 250
Nichtdiabetiker B Diabetiker
I200 I 150 |
100
|
50
0
25—150 (10-)25-150 (10—)25—150 (10—)25—150
III: symptomatische Therapie (Schmerzen)
IV: therapierefraktäre Schmerzen
starke Opioide elektrische Rückenmarkstimulation (ESCS)
ergänzend: physikalische Therapie
T E N S , Krankengymnastik, Balneo-, Entspannungstherapie, Akupunktur
mg mg mg mg
40 mg 40 mg 9 0 0 - 2 7 0 0 mg 2 0 0 - 8 0 0 mg 50-400 mg (20-160 Tr.) 4-mal topisch (max. 8 Wochen)
OAD: orale Antidiabetika, E S C S : electrical spinal cord Stimulation, TENS: transkutane elektrische Nervenstimulation 180
n e u rotrop
liehst normnahe Stoffwechseleinstellung. Mehrere randomisierte Studien wie die Oslo-Studie, Stockholm-Studie, Diabetes Control and Complications Trial (DCCT*), Kumamoto-Studie, United Kingdom Prospective Diabetes Study (UKPDS*), Steno Typ 2 Studie haben gezeigt, dass eine langfristige Normoglykämie bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2das Risiko der Ausbildung einer peripheren bzw. kardialen autonomen Neuropathie verringert. Langzeitstudien bei Patienten mit manifester fortgeschrittener Neuropathie konnten zeigen, dass unter normnaher Stoffwechseleinstellung die weitere Progression der peripheren und autonomen Neuropathie verlangsamt wird (4). Pathogenetisch begründbare Therapie, d. h. medikamentöse Therapieformen, die aus den tierexperimentellen Konzepten zur Pathogenese der diabetischen Neuropathie heraus entwickelt wurden, sind: 1. Inhibition des Polyolstoffwechselwegs durch Aldose-Reduktase-Inhibitoren; 2. Korrektur der Veränderungen im Metabolismus der essentiellen Fettsäuren und Prostaglandine durch Substitution von a-Linolensäure; 3. Gabe von Antioxidanzien (Liponsäure*) zur verminderten Bildung freier Sauerstoffradikale, die zu erhöhtem oxidativem Stress fuhren; 4. Verbesserung des reduzierten endoneuralen Blutflusses und der konsekutiven Hypoxie durch Vasodilatoren (ACE*-Hemmer); 5. Hemmung der nichtenzymatischen Glykosylierung und Bildung der sog. advanced glycosylation end produets (Abk. AGE*) durch Gabe von Aminoguanidin; 6. Hemmung der Aktivität der Proteinase Cß (Abk. PKCß) durch PKCßInhibitoren (LY 333531); 7. Unterstützung des Neurotrophismus durch Nervenwachstumsfaktoren (nerve growth factor, Abk. NGF). Mit Ausnahme der antioxidativen Therapie mit Liponsäure (Thioctsäure) steht derzeit keiner der o. g. pathogenetisch begründbaren therapeutischen Ansätze im klinischen Alltag zur Verfügung. Die Substanz bewirkt eine Verbesserung der neuropathischen Symptome (Schmerzen, Brennen, Parästhesien und Taubheitsgefühl) und Defizite (u. a. Sensibilitätsstörungen) sowie der NLG. Die symptomatische Therapie kann sich schwierig gestalten; insbesondere bei der schmerzhaften Neuropathie ist das direkte Ansprechen auf eine Einzelsubstanz nicht die Regel. Daher wurden von einigen Autoren therapeutische Stufenschemata entwickelt. Bei Persistenz von Schmerzen trotz optimaler Stoffwechseleinstellung und Gabe von Liponsäure können in der nächsten Stufe tricyclische Antidepressiva eingesetzt werden. Amitriptylin ist häufig die erste Wahl, da es möglicherweise die stärkste Wirkung zeigt, alternativ kann jedoch Desipramin aufgrund der geringer ausgeprägten sedativen und anticholinergen Nebenwirkungen eingesetzt werden. Die mediane Dosis für Amitriptylin liegt bei 75 mg/d und es besteht eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung. Der Effekt ist bei Patienten mit und ohne Depression vergleichbar und tritt unabhängig von einer gleichzeitigen Stimmungsaufhellung auf. Der Wirkungsbeginn ist viel rascher (17 d) als bei der Behandlung der Depression. Bei Neben-
Wirkungen oder Kontraindikationen können alternativ die selektiven Serotoninwiederaufnahme-Hemmer (Abk. SSRI) Paroxetin oder Citalopram eingesetzt werden. Die Vorteile der SSRI liegen in einem im Vergleich zu tricyclischen Antidepressiva günstigeren Nebenwirkungsprofil und geringerem Mortalitätsrisiko aufgrund von Überdosierung. Eine weitere relativ nebenwirkungsarme Alternative ist Gabapentin. Bei diesem neueren Antiepileptikum handelt es sich um ein strukturelles Analogon zu y-Aminobuttersäure (Abk. GABA), dem wichtigsten inhibitorischen Transmitter im zentralen Nervensystem. Das Opioid Tramadol kann v. a. in der Akutbehandlung von neuropathischen Schmerzen eingesetzt werden (4). Vermeidung von Risikofaktoren und Komplikationen Langfristig unzureichende Stoffwechseleinstellung, chronischer Alkoholabusus, arterielle Hypertonie und Nicotinkonsum sind vermeidbare bzw. therapierbare Risikofaktoren für die Ausbildung und Progression der diabetischen Polyneuropathie. Eine Patientenschulung über die Verhütung von ernsthaften Komplikationen wie Fußulzera ist obligat. Prospektive Untersuchungen zeigen, dass das Ziel einer nachhaltigen Senkung der Amputationsraten wegen diabetischer Fußkomplikationen durch konsequente Betreuung der betroffenen Patienten in spezialisierten Diabetes-Fuß-Sprechstunden einschließlich Schulung hinsichtlich sachgemäßer Fußpflege zu erreichen ist. Eine Schlüsselrolle kommt der Prävention und Früherkennung der diabetischen Neuropathie als dem wichtigsten pathogenetischen Faktor zu. Literatur: 1. Ziegler, D.: Therapie der peripheren diabetischen Neuropathie. Diab Stoffw 7:103-113 (1998); 2. Sima, A. A. F. et al.: Diabetic neuropathies. Diabetologia 40:B74-B77 (1997); 3. Ziegler, D.: Klinik, Diagnostik und Therapie der diabetischen Neuropathie. Therapeutische Umschau 53:948-957 (1996); 4. Kahn, R.: Proceedings of a consensus development conference on standardized measures in diabetic neuropathy. Diabetes Care 15(Suppl 3): 1095-1103 (1992). Autor: D. Ziegler. Neurot ransmitte (engl.) neurotransmitters; kleine, diffusionsfähige Moleküle, die in Vesikeln des präsynaptischen Nervenendes gespeichert sind, durch ein Aktionspotential freigesetzt werden und in Zentralnervensystem sowie peripherem Nervensystem die Erregungsweiterleitung bewirken; nach Bindung an spezifische Rezeptoren der postsynaptischen Membran kommt es infolge Permeabilitäts- und Potentialänderung zu De- oder Hyperpolarisation. Inaktivierung: 1. enzymatisch (durch Acetylcholinesterase, Monoaminoxidase u. a.); 2. durch Wiederaufnahme in das präsynaptische Nervenende. Einteilung nach chemischer Stuktur in 1. Amine: Acetylcholin (s. Myasthenia gravis pseudoparalytica), Adrenalin*, Noradrenalin, Dopamin, Serotonin, Histamin; 2. Aminosäuren: Aspartat, Glutamat, Glycin, GABA; 3. Nukleotid: ATP; 4. Peptide: Substanz P, Opioide u. a. neurotroij (engl.) neurotropic; auf Nerven einwirkend (z. B. Reize, Farbstoffe, Substanzen, 181
Neutralfette Viren); zu den neurotropen Substanzen zählen die Vitamine* B 6 und B 12 , ein Mangel kann zu sog. Vitaminmangelneuropathien führen. f v e u t r a l f e t t e syn. Triglyceride*. N e u t r o p e n i e (engl.) neutropenia; relative oder absolute Verminderung der neutrophilen Granulozyten im Blut. NGI Abk. für (engl.) nerve growth factor; s. Nervenwachstumsfaktor. N i c o t i n a m i d (engl.) nicotinamide; Nicotinsäureamid, Niacinamid; sog. Antipellagra-Vitamin, das im Organismus aus Tryptophan synthetisiert wird; Nicotinamid hat physiologische Bedeutung als Bestandteil von NAD und NADP (Coenzyme von Oxidoreduktasen). Hinweis: Die Wirkung von Nicotinamid für die Prävention eines Diabetes mellitus Typ 1 ist im Tierversuch (NOD*-Maus) belegt. In zwei klinischen Studien (DENIS-Studie, ENDIT-Studie) mit antikörperpositiven Verwandten von Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 korinte beim Menschen bisher kein signifikanter Effekt von Nicotinamid für die Prävention des Diabetes mellitus Typ 1 nachgewiesen werden. N i c o t i n e n t w ö h n u n g : Therapie bei Abhängigkeit mit dem Ziel, durch psychologische, soziale und medizinische Unterstützung die Bindung an das Suchtmittel zu lösen; aufgrund der hohen gesundheitlichen Risiken des Tabakkonsums ist ein Verzicht grundsätzlich anzustreben. Bei jedem Raucher (und insbesondere bei jedem Diabetiker!) sollte einleitend der Rauchstatus erfragt und die Motivation zur Aufgabe des Nicotinkonsums gefördert werden. Bei der Intensivbehandlung zur Nicotinentwöhnung kann die am Anfang massiv erlebte Entzugssymptomatik (Verstimmung, Nervosität, Konzentrationsstörungen) und die Gewichtszunahme mit Hilfe der Pharmakotherapie gemindert werden. Verhaltenstherapie: 1. Erklärt der Patient aktuell seine Rauchverzichtsabsicht, kann der Arzt nach einem 5-Stufen-Schema, den sog. 5 A, vorgehen (s. Tab.). Dabei sollte das Ansprechen auf die Nicotinentwöhnung Die 5 A der ärztlichen Kurzintervention beim Raucher mit Rauchverzichtsabsicht Abfragen des Rauchstatus Anraten des Rauchverzichts Ansprechen der Motivation zum Rauchverzicht Assistieren beim Rauchverzicht Arrangieren der Folgekontakte Die 5 R der ärztlichen Kurzintervention beim Raucher ohne Rauchverzichtsabsicht Relevanz des Rauchens für die eigenen gesundheitlichen Probleme aufzeigen Risiken für den einzelnen Raucher betonen Reize des Nichtrauchens in Aussicht stellen Riegel vor persönlichem Rauchstopp eruieren Repetition der Motivierung 182
Aufgabe des Rauchens in klarer, angemessener und persönlicher Form erfolgen. Bei der Entwöhnung ist die sofortige Abstinenz effektiver als das allmähliche Reduzieren des Tabakkonsums. Gemeinsam mit dem Patienten wird ein Plan für den gesamten Ablauf der Entwöhnung erstellt; begonnen wird, wenn in den ersten zwei Wochen keine zusätzliche physische oder psychische Belastung zu erwarten ist. 2. Bei Rauchern ohne aktuelle Absicht zum Rauchverzicht kann eine Motivationserhöhung zur Aufgabe des Tabakkonsums durch den Arzt mit Hilfe der sog. 5 R (s. Tab.) erfolgen. Pharmakotherapie: 1. Nicotinersatztherapeutika (Abk. NET): a) NET-Pflaster: Aufrechterhalten eines kontinuierlichen Nicotinspiegels; Einsatz bei starken Entzugssymptomen; Studien zeigen Abstinenz bei 30% der Anwender nach 7 Wochen bzw. bei 16% nach einem Jahr; b) NETKaugummi; c) NET-Nasenspray: Schnelle Resorption, daher Einsatz bei anfallsweisem Verlangen. 2. Bupropion*: Sehr effektiv; nach 7 Wochen sind 58 % der Raucher abstinent, nach einem Jahr 35 %. In kontrollierten Studien w u r den in Kombination mit dem NET-Pflaster die höchsten Erfolgsquoten erreicht. N i c o t i n k o n s u m : Aufnahme von Nicotin aus dem Tabakrauch von Zigaretten oder Zigarren; neben Nicotin enthält der Tabakrauch N-Nitrosoverbindungen, polycyclische und aromatische Kohlenwasserstoffverbindungen (z. B. Formaldehyd), Blausäure und Schwermetalle (z. B. Cadmium). Bei regelmäßigem Konsum führt Nicotin zur Abhängigkeit sowie zu kardiovaskulären Erkrankungen wie Arteriosklerose*, KHK und pAVK mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall*. Bei regelmäßigem Tabakkonsum können im Tabakteer enthaltene Karzinogene Karzinome des Respirations- und Gastrointestinaltrakts sowie der Harnblase induzieren, schleimhautreizende Substanzen zu chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (chronische Bronchitis, Emphysem) führen und Kohlenmonoxid die Leistungsfähigkeit einschränken. In der Bundesrepublik Deutschland sind 33 % der Gesamtbevölkerung Raucher (Frauen 26,7%, Männer 39,5%), mit steigender Tendenz bei Frauen und Jugendlichen. Hinweis: Für den bereits durch seine Grunderkrankung multifaktoriell belasteten Diabetiker stellt Nicotinkonsum einen zusätzlichen Risikofaktor dar, der die Wirkungen anderer Risikofaktoren für Gefäßveränderungen und vaskuläre Komplikationen potenziert; jedem rauchenden Diabetiker ist daher die Nicotinentwöhnung unbedingt anzuraten. Liegt bereits eine arterielle Hypertonie* oder eine Hypercholesterinämie* vor, so steigt mit dem Rauchen das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen stark an. Rauchen erhöht bei Diabetes mellitus das Risiko für eine Erektionsstörung* sowie für die Entstehung einer Thrombose unter Einnahme oraler Kontrazeptiva. Nicotinkonsum kann darüber hinaus die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie beschleunigen. Zudem wird Zigarettenrauch als Risikofaktor für die Entstehung des Diabetes mellitus Typ 2 diskutiert. Nicotinsäur« (engl.) nicotinic acid; syn. Pyridin-3-carbonsäure; Vorstufe von Nicotinamid-
Nierentransplantation Adenin-Dinukleotid (Abk. NAD); rasche Resorption bei oraler Gabe. Wirkungen: 1. in hoher Dosierung Gefäßerweiterung, Steigerung der Hautdurchblutung; 2. Senkung der Serumlipidkonzentration durch Hemmung der Lipolyse und Verminderung der VLDL- und LDL-Synthese (mit resultierender Senkung des Cholesterin- und Triglyceridspiegels). Verwendung: 1. bei Nicotinsäuremangel (Pellagra); 2. als Lipidsenker*; 3. in Esterform zur lokalen Hyperämisierung bei rheumatischen u. a. Schmerzen. UAW: Flush, gastrointestinale Störungen, nach hochdosierter Dauertherapie Verschlechterung der Glukosetoleranz, passagerer Anstieg der Transaminasen, Hyperurikämie. NIDDAS: Abk. für (engl.) non-insulin dependent diabetes mellitus; veraltete Bezeichnung für Diabetes mellitus Typ 2. Nierenarterienstenose: (engl.) renal artery stenosis; Verengung einer oder beider Arteriae renales. Ursachen: Dysplasie, Arteriosklerose* (z. B. bei Diabetes mellitus Typ 2). Folgen: 1. Schrumpfniere und Niereninsuffizienz infolge Minderdurchblutung; 2. arterielle Hypertonie* infolge reflektorischer Reninausschüttung auch bei einseitiger Nierenarterienstenose (sog. Goldblatt-Mechanismus); cave: Die beidseitige Nierenarterienstenose (bzw. die einseitige bei Einzelniere) ist Kontraindikation für ACE-Hemmer. Therapie: Angioplastie*, aortorenaler Bypass. Nierenersatztherapie: Sammelbezeichnung für medizinische Verfahren, die bei Nierenversagen die Nierenfunktion zumindest anteilig übernehmen. Zu den Methoden zählen verschiedene Blutreinigungsverfahren (z. B. Hämodialyse) sowie die Nierentransplantation*. Die Auswahl der Methode trifft der Nephrologe gemeinsam mit dem Patienten und dessen Hausarzt. Hinweis: Im Endstadium einer diabetischen Nephropathie* kann es zu Nierenversagen kommen, das eine Nierenersatztherapie erforderlich macht. Nierenfunktion: (engl.) kidney function; Aufgaben der Nieren: Regulation des Wasserund Elektrolyt- sowie des Säure-Basen-Haushalts; Elimination von Fremdstoffen und Stoffwechselendprodukten, Beteiligung an Stoffwechselprozessen (z. B. Proteinstoffwechsel) und Hormonproduktion (z. B. Erythropoetin, Angiotensin ü). Durch die Nieren fließen ca. 20 % des ständig vom Herzen geförderten Blutvolumens. Eintrittspforte des Blutes in die Nieren sind die 3-4 mm dicken Nierenarterien, die das Blut über die Vasa afferentia in die Glomerula transportieren und über die Vasa efferentia wieder ableiten. Die stark durchbluteten Nieren wirken wie ein extrem feiner Filter. Proteine und Blutbestandteile werden an den Glomerula zurückgehalten, Wasser mit gelösten Stoffwechselendprodukten oder Fremdstoffen (z. B. Medikamente) gelangt als Filtrat in die Tubuli, von wo der größte Anteil des Filtrats (Wasser, Glukose, Mineralstoffe) reabsorbiert und der Rest im Urin ausgeschieden wird. Nierenfunktionsdiagnostik: Die Beurteilug der Nierenfunktion erfolgt mit Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate* (GFR), mit Inulinclearance oder Isotopen (Goldstandard!), z. B. mit dem Isoto-
pennephrogramm und seitengetrennter Clearance-Bestimmung. Für die tägliche Praxis ist die Bestimmung der Konzentration von Kreatinin (s. Kreatinin-Clearance) und Harnstoff im Serum zu empfehlen. Leichte Einschränkungen sind mit diesen Parametern jedoch nicht zu erfassen; erst wenn die GFR auf unter 50 % zurückgegangen ist, steigt die Serumkonzentration von Kreatinin an. Die Niereninsuffizienz* ist ein fortgeschrittenes Stadium der diabetischen Nephropathie*. Niereninsuffizienz: (engl.) renal failure; Nierenfunktionsschwäche, gekennzeichnet durch Verminderung der endogenen Kreatinin*Clearance und Erhöhung der sog. harnpflichtigen Substanzen und evtl. Harnstoff im Blut. Endstadium der Niereninsuffizienz ist die Urämie*, die einer Nierenersatztherapie* bedarf. Hinweis: Diabetes mellitus ist in Deutschland die häufigste Ursache für eine Niereninsuffizienz. Nierenschwelle: (engl.) renal threshold; maximale tubuläre Rückresorptionskapazität der Niere für eine Substanz; entspricht der Plasmakonzentration, bei der das tubuläre Transportmaximum überschritten und die Substanz im Endham nachweisbar ist. Hinweis: Die Nierenschwelle für Glukose* liegt meist zwischen 9,6 mmol/1 (160 mg/dl) und 10,0 mmol/1 (180 mg/dl); sie schwankt intra- und interindividuell und ist bei Jugendlichen und in der Schwangerschaft* niedriger, im Alter höher. Nierentransplantation: (engl.) kidney transplantation; heterotope Transplantation einer Niere bei terminaler Niereninsuffizienz; in Mitteleuropa erfolgen heute 93% der Nierentransplantationen mit Organen von hirntoten Organspendern, 7 % der Nieren werden von meist direkt verwandten Lebendspendern übertragen. Bei der Nierentransplantation wird neben der ABO-Blutgruppenkompatibilität eine möglichst gute Übereinstimmung in den Histokompatibilitätsantigenen zwischen Spender und Empfänger angestrebt (s. HLA-System). Vorgehen: Extraperitonealer Eingriff in der Hiakalregion; Gefäßanastomosen der Arteria renalis und Vena renalis (mit Aorten- und Cava-Patch bei hirntoten Spendern), End-zu-Seit-Anastomose mit Arteria iliaca externa und Vena iliaca externa; Implantation des Ureters mit Antirefluxtechnik in die Harnblase; postoperativ chronische Immunsuppression mit verschiedenen Kombinationen von Immunsuppressiva wie Ciclosporin, Tacrolimus, Rapamycin, Glukokortikoiden, Azathioprin und Antilymphozytenserum zur Therapie der Abstoßungsreaktion. Überwachung: 1. Kontrolle der Nierenfunktion*: Harnpflichtige Substanzen, Urinstatus, bakteriologische Urinanalysen, Urinvolumen, Körpergewicht*, Ultraschalldiagnostik*, farbcodierte Duplexsonographie*; 2. Kontrolle der Immunsuppression: Messung der Blutspiegel der Immunsuppressiva; bei Verdacht auf Abstoßung: Transplantatbiopsie, Virusserologie, weitere bildgebende Verfahren. Prognose: Ca. 90% Transplantatfunktionsrate (bzw. Überleben von 95 % der Patienten) nach einem Jahr bei Transplantation von Nieren nicht verwandter Spender; 95 % Transplantatfunktionsrate nach einem 183
Nierenvenenthrombose Jahr bei Transplantation von Nieren verwandter Spender; die Transplantathalbwertzeit nach dem ersten Jahr beträgt 7-8 Jahre. Kontraindikationen: Malignom, floride Ulkuskrankheit, akute Infektion, HIV-Nachweis, schwere kardiale oder pulmonale Insuffizienz. Hinweis: Im Terminalstadium der diabetischen Nephropathie* ist auch bei Diabetikern eine Nierentransplantation indiziert. Die Prognose nach Nierentransplantation ist für Diabetiker ähnlich wie für Nichtdiabetiker. Nierenvenenthrombose: (engl.) renal vein thrombosis; meist aufsteigende Thrombose aus Becken-, Extrememitätengefäßen, Vena spermatica, Vena cava. Vorkommen: Gehäuft bei nephrotischem Syndrom*, selten als Komplikation bei Neugeborenen diabetischer Mütter; erfordert eine sofortige Therapie. Nierenversagen, tes: (engl.) acute renal failure; Abk. ANV; syn. Schockniere, Schockanurie, akute Niereninsuffizienz*; plötzlicher partieller oder totaler Verlust der exkretorischen Nierenfunktion* als Folge eines meist reversiblen Nierenschadens. Ursachen: 1. prärenal: Kreislaufschock (zirkulatorisch-ischämisches akutes Nierenversagen); 2. Renal: akute Glomerulonephritis u. a. Nierenkrankheiten; 3. postrenal: Harnabflussstörung, z. B. bei Blasentamponade. Hinweis: Der Einsatz von Röntgenkontrastmitteln in klinischen Untersuchungen kann bei Diabetikern mit eingeschränkter Nierenfunktion* ein akutes Nierenversagen auslösen. Nifedipin: (engl.) nifedipine; Dihydropyridinderivat; Substanz aus der Gruppe der kurzwirksamen Calciumantagonisten* mit überwiegend gefäßdilatierender Wirkung; trotz fehlender positiver Langzeitstudien wird Nifedipin in Deutschland noch häufig zur chronischen Behandlung der arteriellen Hypertonie eingesetzt. Ninhydrintesf: (engl.) ninhydrin test; syn. Moberg-Test; Verfahren zum Nachweis peripherer Nervenläsionen anhand von Schweißsekretionsstörungen; die im Schweiß enthaltenen Peptide und Aminosäuren werden mit essigsaurer acetonhaltiger Ninhydrinlösung sichtbar gemacht. Da die (die Schweißsekretion regulierenden) sympathischen Fasern nach Austritt aus dem Rückenmark mit den peripheren Nerven verlaufen, können Läsionen einzelner Nerven erfasst sowie Plexus- und Wurzelläsionen differenziert werden. Hinweis: Störungen der thermoregulatorischen Schweißsekretion sind häufige Folge der autonomen diabetischen Neuropathie* und können mit dem Ninhydrintest erfasst werden. Nitrats, organisch« (engl.) organic nitrates; Ester der Salpetersäure, z. B. Nitroglycerol, Isosorbiddinitrat, Isosorbidmononitrat und verwandte Verbindungen; medizinischer Einsatz als Nitrovasodilatatoren; zur Vermeidung einer Nitrattoleranz sollten bei chronischer Anwendung therapiefreie Intervalle eingeplant werden. Indikationen: 1. Angina pectoris: Anfallkupierung durch sublinguale Verabreichung von Nitroglycerin oder Isosorbiddinitrat (s. Koronarsyndrom, akutes); 2. akute Herzinsuffizienz: Bei starker Herzdüatation und hochgradiger Stauung im Lungenkreislauf zur raschen Sen184
kung der Vorlast; 3. chronische Herzinsuffizienz: Zur Langzeittherapie nur bei Kontraindikationen für ACE*-Hemmer indiziert. Hinweis: Bei Therapie mit organischen Nitraten sind Sildenafil* und Tadalafil kontraindiziert. NNI Abk. für X. Nasennebenhöhlen; 2. (engl.) number needed to harm; Zahl von Patienten, bei denen es im Lauf einer Studie statistisch gesehen zu einer bestimmten Nebenwirkung kommt. NNI Abk. für Nebennierenrinde*. NN! Abk. für (engl.) number needed to treat; Anzahl der Personen, die medizinisch behandelt werden müssen, um ein unerwünschtes Krankheitsereignis zu verhindern; der reziproke Wert der absoluten Risikoreduktion (ARR) ermöglicht eine anschauliche Darstellung des absoluten Risikos bei klinischen Studien. Beispiel: Lipid Research Clinics-Studie: Während siebenjähriger Behandlungsdauer mit Colestyramin konnte bei den behandelten Männern das absolute Risiko für einen Herzinfarkt im Vergleich zum Placebo um 1,6% reduziert werden. NNT = 100 : 1,6 = 63, d. h. 63 Patienten müssen über 7 Jahre behandelt werden, um ein Ereignis zu verhindern. Die Angabe der relativen Risikoreduktion erlaubt nicht die Berechnung der NNT. ¡VäO: s. Stickstoffmonoxid. NOD-Maii! (engl.) non-obese diabetic mouse; spontan-diabetische Maus; entwickelt ab dem Alter von vier Wochen eine destruktive Autoimmuninsulitis; bei Weibchen kann sich ab dem dritten Lebensmonat ein insulinbedürftiger Diabetes mellitus manifestieren. Die NOD-Maus dient als In-vivo-Modell für den Diabetes mellitus Typ 1 des Menschen. Non-compliance: Fehlende Übereinstimmung eines Patienten mit medizinischen Empfehlungen oder mangelhafte Durchführung empfohlener Therapie; Non-compliance ist in der Regel auf eine Beziehungsstörung zwischen Arzt und Patient zurückzuführen. Durch gute Beratung und explizite Übergabe von Eigenverantwortung, Kompetenz und Entscheidungen an den mündigen Patienten kann dem entgegengewirkt werden (vgl. Empowerment). Hinweis: Non-compliance äußert sich beim Diabetiker u. a. durch Nichteinnahme von Antidiabetika mit der Folge der schlechten metabolischen Kontrolle. Vgl. Compliance. Noradrenalin: (engl.) norepinephrine; syn. Norepinephrin; hormonell aktives Katecholamin*, das als Neurotransmitter adrenerger Nerven an adrenerge Rezeptoren bindet. Biosynthese: Im Nebennierenmark und sympathischen Endigungen der adrenergen Neurone entsteht aus Tyrosin, über die Zwischenstufen Dopamin und DOPA, durch Hydroxylierung Noradrenalin. Die Methylierung der Aminogruppe führt zu Adrenalin*. Wirkungen: Synergistisch mit Adrenalin: X. am Herzen: Erhöhung der Kontraktionskraft, Senkung der Schlagfrequenz; 2. an den Gefäßen: Dilatation der Koronarien, in peripheren Geweben (außer Skelettmuskulatur) Vasokonstriktion mit Blutdrucksteigerung); 3. auf den Stoffwechsel: Starke Hemmung der Insulinsekretion*, Steigerung der Lipolyse im Fettgewebe mit Erhöhung der Konzentration nicht veresterter Fettsäuren im Blut, geringe glykoge-
Nüchternglukose, a b n o r m e nolytische Wirkung an Leber und Skelettmuskel; 4. im ZNS: Sympathischer Neurotransmitter, schwache zentral nervöse Erregung. Normalgewicht: (engl.) normal body weight; nicht einheitlich definierte Bezeichnung für das unter gesundheitlichen Gesichtspunkten (d. h. das mit der höchsten Lebenserwartung verbundene) angestrebte Körpergewicht* des Menschen; die Berechnung des Normalgewichts für Erwachsene erfolgt mit Hilfe des Body*-massIndex oder der Broca'-Formel. Normalinsuli»: (engl.) regulär insulin; syn. Altinsulin; reguläres Insulin ohne Zusatz von Verzögerungssubstanzen; zu den Normalinsulinen zählen Humaninsulin, Schweineinsulin und Rinderinsulin. Normalinsulin liegt in einer klaren Lösung als Hexamer*-Insulin vor und zerfällt nach subkutaner Injektion langsam in Insulindimere und -monomere, die ins Blut aufgenommen werden und dort ihre blutzuckersenkende Wirkung entfalten. Normalinsulin ist in Lösung als U40 (40I.E./ml) oder U100 (1001.E./ml) erhältlich. Anwendung: Akute Korrektur erhöhter Blutzuckerwerte (z. B. mahlzeitenbezogen als Bolus*, bei hyperglykämischem Koma oder bei der Insulinpumpentherapie). Pharmakokinetik: 1. Wirkungseintritt nach subkutaner Injektion nach ca. 30 Minuten; 2. Wirkungsmaximum nach 2-3 Stunden; 3. Wirkdauer 6-8 Stunden, abhängig von der verabreichten Dosis (positive Korrelation). Normalkost: (engl.) füll diet; eine den Organismus mit allen essentiellen Nährstoffen in ausreichender Menge versorgende und dem individuellen Energiebedarf angepasste Kost; vgl. Mischkost, Ernährungstherapie. Normoglykämie: (engl.) normoglycemia; Normbereich der Blutglukosekonzentration, definiert durch Nüchtemwerte (s. Tab.); Blutzuckerwerte im Bereich 6,1-7,0 mmol/1 (bzw. 110125 mg/dl) gelten als auffällig erhöht und erfordern eine weitere Diagnostik, noch höhere Werte kennzeichnen eine Hyperglykämie* und zählen zu den Diagnosekriterien* eines Diabetes mellitus. Ein Blutzuckerwert 7 g/d als Folge eines Missverhältnisses zwischen oraler Fettaufnahme und Fettverdauung. Ursachen: Maldigestion, besonders bei Mangel an Lipasen* (z. B. infolge exokriner Pankreasinsuffizienz, nach Pankreatektomie* oder bei Behandlung mit Orlistat*). S t e a t o s i s hepatis: s. Fettleber. Stein-Leventhal-Syndrom: s. Ovarialsyndrom, polyzystisches. S t e n o k a r d i e syn. Angina* pectoris. S t e n t : (engl.) stent; 1. (chirurgisch) scherengitterartige endoskopisch oder radiologisch platzierbare Prothese aus verschiedenen Materialien, die sich nach Implantation selbsttätig ausdehnt; Verwendung zur Überbrückung bzw. Erhaltung des Lumens bei tumorbedingten Stenosen und Obstruktionen von Hohlorganen (z. B. Trachea, Ösophagus) oder bei arteriosklerotisch bedingten kurzstreckigen Gefäßstenosen; auch im Rahmen einer ösophagusvarizenblutung als transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt (Abk. TIPS); 2. (zahnmedizinisch) Bezeichnung für einen thermoplastischen Werkstoff u. a. zur Präparationsabformung. Si (engl.) steppage gait; Gangbild bei Fallfuß (infolge Peroneuslähmung*). 241
Sterilisation Sterilisation (engl.) sterilization; 1. (hygienisch) Herstellung eines keimfreien Zustandes, z. B. Sterilisation von Operationsbesteck; 2. (chirurgisch) Herbeiführung der Unfruchtbarkeit eines Menschen (Sterilität) durch einen chirurgischen Eingriff, bei dem die Ei- bzw. Samenleiter unterbrochen oder funktionsunfähig gemacht werden; im Unterschied zur Kastration bleiben die Gonaden und damit Libido und Fähigkeit zum Geschlechtsverkehr erhalten; die Zeugungsfähigkeit erlischt erst nach Wochen (Pearl-Index 0,2). Methoden: 1. Sterilisation der Frau: Tubensterilisation; operative Unterbrechung der Eileiter; erfolgt im Anschluss an eine Laparotomie (z. B. bei Sectio* caesarea) im selben Eingriff oder laparoskopisch, ggf. ambulant; 2. Sterilisation des Mannes: Vasoresektion; der Eingriff beim Mann ist wesentlich einfacher und ungefährlicher als die Sterilisation der Frau. Hinweis: Die Sterilisation sollte Diabetikerinnen erst bei ausgeprägtem diabetischen Spätsyndrom und abgeschlossenener Familienplanung empfohlen werden. Steroiddiabates: (engl.) Steroid diabetes; i. Allg. insulinbedürftiger Diabetes mellitus als Folge einer Therapie mit Cortison oder anderen Kortikoiden* (iatrogener Diabetes); reversibel nach Absetzen der Steroide. Steuerfreibetrag: (engl.) tax allowance; Beträge, die aus verschiedenen Gründen von der Besteuerung ausgenommen sind. Hinweis: Diabetikern werden wegen außergewöhnlicher finanzieller Belastungen, die ihnen durch ihre Krankheit entstehen können, auf Antrag Pauschalbeträge bei der Einkommenssteuer eingeräumt; ihre Höhe ist abhängig vom Grad der Behinderung (GdB). Die Pauschalbeträge können bei Bewilligung in die Lohnsteuerkarte eingetragen oder rückwirkend beantragt werden. Für Diabetiker im Kindes*- und Jugendalter gilt eine steuerrechtliche Sonderbestimmung, nach der ein Steuerfreibetrag geltend gemacht werden kann, wenn vom Versorgungsamt „Hilflosigkeit" im Sinn des Einkommenssteuergesetzes bescheinigt wird; der entsprechende Antrag ist durch die Eltern der Betroffenen zu stellen. Weitere Informationen sind beim Deutschen* Diabetiker Bund sowie den Finanzämtern erhältlich. STH (engl.) human growth hormone (Abk. hGH), growth hormone (Abk. GH); Abk. für somatotropes Hormon; syn. Somatotropin, Wachstumshormon; im Hypophysenvorderlappen gebildetes artspezifisches Peptidhormon, dessen Bildung und Sekretion durch die Releasing-Hormone SRH (Abk. für somatropin releasing hormone) stimuliert und durch Somatostatin* inhibiert wird; Steigerung der Freisetzung bei Hypoglykämie, erhöhtem Aminosäure- und Glucagonspiegel sowie im Schlaf, Verminderung durch Glukosegabe und Cortisol. Wirkungen: Steigerung der IGF-I- und IGF-2-Synthese (s. IGF) in Leber, Niere und Bindegewebe führt zu vermehrter DNA-Synthese (Wachstumsimpuls): Anregung der Proteinbiosynthese und Hemmung der Lipidsynthese; Ausschüttung von Glucagon, Erhöhung der Blutzuckerkonzentration durch insulinantagonistische Wirkung, Steigerung der Glukoneogenese in der 242
Leber; STH-Mangel führt im Wachstumsalter zu hypophysärem Minderwuchs, STH-Überschuss führt im Wachsumsalter zu proportioniertem Hochwuchs und nach Schluss der Epiphysenfugen im Erwachsenenalter zur Akromegalie*. Stickstoffmonoxid: (engl.) nitric oxide, nitrogen monoxide; NO; 1. (chemisch) zu den nitrosen Gasen gehörendes farbloses hoch reaktives Gas, das mit Sauerstoff N 0 2 bildet; 2. (biochemisch) identisch mit EDRF (endothelium derived relaxing factor); Biosynthese in den Endothelzellen aus L-Arginin nach Aktivierung der NO-Synthase (z. B. durch Ca 2 + oder molekulare Scherkräfte), anschließend Diffusion von NO in die benachbarte Muskelschicht. Wirkungen: Relaxation der glatten Muskelzellen; außerdem antioxidative (vgl. Antioxidanzien), antithrombotische und antiadhäsive Wirkung; Neurotransmitter; Modulation von Gefäßwandarchitektur und Gefäßpermeabilität. Stiff-man-Syndrom: (engl.) stiff-man Syndrome; sehr seltene neurologische Erkrankung mit Manifestationsgipfel im mittleren Lebensalter; häufig assoziiert mit Autoimmunkrankheiten, insbesondere mit Diabetes mellitus Typ 1. Klinik: Fluktuierende muskuläre Rigidität und Spasmen; der brettharte Muskelzug führt zu Subluxationen, bizarren Ankylosen und Verbiegungen der Wirbelsäule; evtl. Frakturen infolge heftig einschießender Spasmen; ferner vegetative Krisen, Schreckreaktionen, reaktive psychische Veränderungen u. a. Hinweis: Bei etwa 30 % der Patienten mit Stiff-man-Syndrom manifestiert sich außerdem ein Diabetes mellitus Typ 1. Bekannt sind bisher drei Antikörper, die das Stiff-man-Syndrom auslösen können: Antikörper gegen die Enzyme Glutamatdecarboxylase (GAD) 65 und GAD 67, sowie das Protein Amphiphysin. GAD ist das primäre Autoantigen in den Inselzellen des Pankreas bei 70-80 % der Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1. Stillen: (engl.) breast feeding; syn. Brusternährung; natürliche Säuglingsernährung an der Brust der Mutter mit Muttermilch; Stillen hat gegenüber der frühzeitigen Gabe von Säuglingsnahrung verschiedene Vorteile, u. a. die geringere Häufigkeit der Manifestation von Allergien. Hinweise: 1. Wahrscheinlich reduziert Stillen beim Kind das Risiko, an Diabetes mellitus Typ 1 zu erkranken. 2. Die Einnahme kohlenhydrathaltiger flüssiger Zwischenmahlzeiten (z. B. Milch) ist jedoch für das Stillen und die Vermeidung von Hypoglykämien beim Säugling günstig, da bei Kindern diabetischer Mütter postpartal eine temporäre Hyperinsulinämie auftreten kann. 3. Bei der Mutter sinkt unter Umständen in der Stillphase der Insulinbedarf und steigt nach dem Abstillen wieder auf prägravide Werte an, was bei der Therapie bzw. der Blutzuckerselbstkontrolle zu berücksichtigen ist. 4. Zum Abstillen ist die Gabe von Bromocriptin oder Lisurid für Diabetikerinnen unbedenklich. Vgl. Gestationsdiabetes. Stimmgabel s. Vibrationsempfindung. Stimmung (engl.) mood; alles Erleben prägende, länger anhaltende Gemütsverfassung, deren Ursache dem Betroffenen meist selbst nicht erklärbar ist, z. B. Heiterkeit, Traurigkeit,
St. Vincent-Deklaration Fröhlichkeit, Gereiztheit. Hinweis: Stimmungsschwankungen können Zeichen einer schlechten Blutzuckereinstellung sein, insbesondere bei Diabetes mellitus Typ 1. Ebenso kann die Compliance* und damit die Diabeteseinstellung durch Stimmungsschwankungen gestört werden. Vgl. Depression. Stoffwechseleinstellung: (engl.) metabolic control; Qualität der therapeutischen Regulierung des Kohlenhydrat- (Blutzucker, HbA lc ), Fett- (Cholesterin*, Triglyceride, Fettsäuren und Ketone) sowie Eiweißstoffwechsels im Vergleich zur physiologischen Situation und den individuell festgelegten Zielwerten bei Diabetes mellitus. Hinweis: Eine gute Stoffwechseleinstellung geht bei Diabetes mellitus mit einem verminderten Risiko für die Manifestation von Folgekrankheiten einher und erfolgt insbesondere über die Blutzuckereinstellung* und die Regulierung des Fettstoffwechsels. Parameter für die diabetische Stoffwechseleinstellung sind prä- und postprandiale Blutzuckerwerte, HbA l c Wert, Hypoglykämiehäufigkeit sowie Serumspiegel von Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin, LDL-Cholesterin und Triglyceriden. S t o f f w e c h s e l e n t g l e i s u n g : (engl.) metabolic derangement, metabolic imbalance; Schwankungen von Stoffwechselparametern außerhalb der physiologischen Grenzwerte (z. B. Azidose, Alkalose); physiologische Grenzen bestimmter Parameter können individuell sehr unterschiedlich sein. Hinweis: Eine Stoffwechselentgleisung im Sinn einer Hyperglykämie* oder Hypoglykämie* kann unter verschiedenen Umständen entstehen. Extremformen sind die Ketoazidose, evtl. bis zum ketoazidotischen Koma*, sowie das hyperosmolare Koma* und der hypoglykämische Schock*. Häufig führen Symptome einer akuten Stoffwechselentgleisung zur Erstdiagnose von Diabetes mellitus Typ 1. Stoffwechselselbstkontrolle: s. Selbstkontrolle. Stolte-Regel Formel zur Abschätzung des täglichen Insulinbedarfs bei Kindern: Insulintagesbedarf/I.E. = Alter (in Jahren) x 3. Streptokinase: (engl.) streptokinase; Protein aus betahämolysierenden Streptokokken, bildet im Plasma einen Komplex mit Plasminogen, der seinerseits die Umwandlung von Plasminogen in Plasmin induziert. Verwendung: Zur lokalen und systemischen Fibrinolyse. UAW: Blutung, anaphylaktische Reaktion, Kopfschmerz, passagere Temperaturerhöhung. Vgl. Hämostase. Streptozotocir (engl.) streptozotocin; Chemotherapeutikum zur Behandlung von malignen, nicht operablen oder metastasierenden neuroendokrinen Tumoren wie z. B. Inselzelltumoren (z. B. Insulinom*). Hinweis: Streptozotocin wird außerdem in Tiermodellen mit Mäusen zur Induktion eines Diabetes mellitus eingesetzt. Beim Menschen induziert Streptozotocin in therapeutischer Dosis keinen Diabetes mellitus. Stress (engl.) stress; Bezeichnung für Reaktionen des Organismus (erhöhte Sympathikusaktivität, vermehrte Ausschüttung von Katecholaminen*, Blutdrucksteigerung u. a.) auf verschiedene unspezifische Reize (Infektion*, Verletzung, Verbrennung*, Strahleneinwirkung, emotionale Belastung u. a. Stressfaktoren).
Hinweis: Infolge der Ausschüttung von Adrenalin*, Noradrenalin, ACTH* und Cortisol* kommt es bei Stress zur Blutzuckererhöhung; Patienten mit Diabetes mellitus haben daher unter Stressbedingungen einen erhöhten Insulinbedarf*. Starke Stresssituationen, z. B. akuter Herzinfarkt oder künstliche Beatmung (Intensivstation), führen häufig zu erhöhten Blutzuckerwerten. S t r e s s f r a k t u r : (engl.) stress fracture; syn. Ermüdungsfraktur; Fraktur infolge chronischer Fehl- oder Überbelastung des betroffenen Knochens. Hinweis: Stressfrakturen treten im Rahmen einer diabetischen Neuropathie v. a. an den Fußknochen auf; s. Fußsyndrom, diabetisches. S t r e s s h o r m o n e : (engl.) stress hormones; unter Stressbedingungen ausgeschüttete Hormone, z. B. Glukokortikoide (s. Kortikoide), Adrenalin*, Noradrenalin*, Wachstumshormone (s. STH), Prolaktin*. S t r ö m u n g s g e r ä u s c h : (engl.) vascular murmur; syn. Gefäßgeräusch; durch den Blutstrom bei Gefäßwandveränderungen (Stenosen, Plaques) hervorgerufenes Geräusch; Basisuntersuchungen zum angiologischen Status eines Patienten sind Palpation und systematische Auskultation folgender Arterien: A. carotis, A. radialis, A. femoralis, A. poplitea, A. tibiaüs posterior und A. dorsalis pedis im Seitenvergleich. Ein schwacher oder fehlender Puls kann auf eine proximale Okklusion hinweisen. Günstig ist die Auskulation nach Belastung, da sich geringfügige Stenosen an Arterien oft erst in dieser Phase durch Strömungsgeräusche zu erkennen geben. Cave: Stenosen mit einer Querschnittsreduktion von weniger als 50% oder mehr als 90% verursachen in der Regel keine Srömungsgeräusche. Stroke unit: Behandlungseinrichtung (meist Intensivstation) in einem Krankenhaus, die räumlich, personell und materiell auf die Behandlung und Pflege von Patienten mit Schlaganfall* in der Akutphase spezialisiert ist. Strukturqualität: Qualität bestimmter Versorgungsstrukturen (z. B. Arztpraxis, Krankenhaus); vgl. Qualitätssicherung. Hinweis: Für eine verbesserte Qualität der Diabetikerbetreuung sind u. a. von der Deutschen* DiabetesGesellschaft bestimmmte Strukturen vorgeschlagen worden, die an Qualitätsmerkmale gekoppelt sind: u. a. die Verwendung des Gesundheitspasses* Diabetes sowie die Qualifikationsmerkmale Diabetologe* DDG, Diätberater, Diätassistent*, Schulungs- und Behandlungseinrichtung für Typ 1 Diabetiker, Schulungs- und Behandlungseinrichtung für Typ 2 Diabetiker und Diabeteszentrum* DDG. Stuhlinkontinenz: (engl.) incontinence of faeces, rectal incontinence; syn. anorektale Inkontinenz; partielle oder komplette Unfähigkeit, den Stuhl willkürlich bzw. reflektorisch zurückzuhalten; tritt u. a. im Rahmen der autonomen diabetischen Neuropathie* auf. St. Vincent-Deklaration: 1989 in San Vincente (Italien) von nahezu allen europäischen Staaten unterschriebene Deklaration zur Verbesserung der Versorgung von Diabetikern; eingebunden sind u. a. Gesundheitspolitik, Selbsthilfegruppen, Ärzteschaft, Fachverbände 243
subkutan von medizinischem Hilfspersonal sowie Arzneiund Hilfsmittelindustrie. Auf der Basis von Studiendaten wurden für realisierbar gehaltene Fünflahresziele formuliert. Seitl999 wird die St. Vincent-Initiative unter dem Dach der WHO, der European Association for the Study of Diabetes (EASD) und der International Diabetes Federation (IDF), Region Europa, weitergeführt. Hauptziel ist die Abstimmung von Implementierungsstrategien zur Umsetzung der Ziele von St. Vincent auf nationaler und regionaler Ebene. Nationale Vertreter koordinieren als „Liaison Officer" die nationalen und regionalen Programme mit dem europäischen Verbund (in Deutschland: W. A. Scherbaum, Deutsches Diabetes-Forschungsinstitut, Düsseldorf). Die wichtigsten Aspekte für die Umsetzung von Diabetesprogrammen werden auf europäischer Ebene im Rahmen von sog. Working Groups bearbeitet. s u b k u t a n : (engl.) subcutaneous; Abk. s. c.; unter der Haut. Hinweis: Die Injektion von Insulin erfolgt in der Regel subkutan; s. Insulininjektion, subkutane. S u b s t a n z P: (engl.) substance P; zu den Neurotransmittern* gehörendes Peptid (11 Aminosäuren); ist neben anderen Transmittern Botenstoff des ersten afferenten Neurons (v. a. der Schmerzleitung); Vorkommen auch im ZNS, z. T. gemeinsam mit Serotonin. Wirkungen: Stimulation der glatten Muskulatur des Darms, Blutdrucksenkung durch Vasodilation, Erhöhung der Kapillarpermeabilität, Stimulation des Speichelflusses. Subtraktionsangiographie, digitale: (engl.) digital subtraction angiography; Abk. DSA; Röntgenkontrastdarstellung von Gefäßen (Arterien, Venen, Lymphgefäßen) unter Anwendung der digitalen Subtraktionsmethode; die DSA dient insbesondere der Darstellung von intraund extrakraniellen Hirngefäßen sowie Extremitäten- und Beckenarterien. Prinzip: Subtraktion der Röntgenleeraufnahme vom deckungsgleichen Angiographiebild; die anschließende computergestützte Bearbeitung erlaubt eine Kontrastverstärkung, so dass im Ergebnis ausschließlich die Blutgefäße zur Darstellung kommen. Auf diese Weise lassen sich auch Gefäßabschnitte einsehen, die bei der Angiographie* durch Knochenstrukturen verdeckt werden. S u d o m o t o r e n p a r e s e : (engl.) sudomotor paresis; Störung der thermoregulatorischen Schweißsekretion am Fuß durch Lähmung der innervierenden Nerven; führt zu warmem und trockenem Fuß. Hinweis: Im Rahmen der diabetischen Neuropathie kann es zu einer Schädigung der Innervation der Schweißdrüsen kommen, wodurch v. a. am Fuß die Haut austrocknet und zur Hyperkeratose mit Rhagadenbildung sowie zu Infektionen neigt; vgl. Fußsyndrom, diabetisches. Sudomotorik: Syn. Schweißsekretion; von cholinergen Fasern des Sympathikus gesteuerte Absonderung von Schweiß aus ekkrinen Drüsen; man unterscheidet thermisches Schwitzen zur Wärmeregulation und emotionales Schwitzen bei psychischer Anspannung (sog. Angstschweiß). Vgl. Sudomotorenparese. 244
S ü ß s t o f f e : (engl.) artificial sweeteners; syn. Zuckersatzstoffe; chemisch hergestellte Stoffe mit z. T. mehrhundertfach stärkerer Süßkraft als Saccharose* und keinem oder zu vernachlässigendem Nährwert, z. B. Aspartam*, Saccharin*, Cyclamate*. Vgl. Zuckeraustauschstoffe. Suizidalität: (engl.) suicidal tendency; Neigung zum Suizid. Hinweis: Die Diagnosestellung eines Diabetes mellitus Typ 1 kann beim betroffenen Patienten Suizidalität auslösen. Dies ist vom behandelnden Arzt oder Therapeuten unbedingt zu beachten. Sulfonamid« (engl.) Sulfonamides; Sammelbezeichnung für Amide aromatischer Sulfonsäuren. Verwendung als antibiotische Chemotherapeutika, orale Antidiabetika* (Sulfonylharnstoffe), Diuretika und Carboanhydrasehemmer. Hinweis: Die antidiabetische Wirkung wurde 1942 entdeckt, als es bei der Anwendung eines Sulfonamids als Antibiotikum zu Hypoglykämien* kam. A. Loubatieres stellte fest, dass die blutzuckersenkende Wirkung an die Anwesenheit von Pankreasgewebe gebunden ist. 1955 beobachteten H. Franke und J. Fuchs bei der klinischen Erprobung des Sulfonamidpräparates Carbutamid das Auftreten von Hypoglykämien. Anschließend setzten sie das Präparat erfolgreich zur Behandlung des Diabetes mellitus ein. Sulfonylharnstoffer. (engl.) sulfonyl Ureas; Substanzklasse aus der Gruppe der oralen Antidiabetika*. Wirkung: Stimulation der endogenen Insulinsekretion*. Indikation: Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, bei denen die HbAi c Zielwerte trotz adäquater Ernährungs- und Bewegungstherapie nicht erreicht werden oder bei denen eine Monotherapie mit Metformin oder einem anderen oralen Antidiabetikum nicht zum Erfolg führt (s. Insulintherapie). UAW: 1. häufig: Gewichtszunahme; Hypoglykämie, besonders bei eingeschränkter Nierenfunktion und bei Verwendung langwirksamer Sulfonylharnstoffe (z.B. Glibenclamid); 2. selten: Gastrointestinale Störungen (z. B. Völlegefühl, Übelkeit), Störungen der Hämatopoese, allergische Reaktionen. Kontraindikationen: 1. Diabetes mellitus Typ 1; 2. azidotische Stoffwechseldekompensation, Präkoma oder Koma; 3. Niereninsuffizienz (Ausnahme: Gliquidon); 4. schwere Leberinsuffizienz; 5. Überempfindlichkeit gegen Sulfonylharnstoffe sowie (wegen Kreuzallergie) gegen Sulfonamid-Chemotherapeutika, Sufionamid-Diuretika und Probenecid; 6. größere operative Eingriffe, Unfälle und Infekte, bei denen mit einem Postaggressionssyndrom zu rechnen ist; 7. geplante oder bestehende Schwangerschaft und Stillzeit. Surfeninsulin: Erstes (1940) entdecktes Verzögerungsinsulin mit einer Wirkdauer von 8-14 Stunden; früher häufig, heute praktisch nicht mehr verwendet; die Herstellung erfolgt ausschließlich aus tierischem Insulin, das mit Surfen einen löslichen Komplex bildet. Bei Anwendung von Surfeninsulin kann es zu allergischen Reaktionen (vgl. Insulinallergie) oder zur Lipatrophie* an der Injektionsstelle kommen. S y m p a t h e k t o m i e : (engl.) sympathectomy; syn. Grenzstrangresektion; partielle oder voU-
Syndrom, metabolisches ständige chirurgische Durchtrennung des Sympathikus als thorakale Sympathektomie in Höhe Th 2 _ 3 (Kux-Operation), lumbale Sympathektomie in Höhe L3_5 oder periarterielle Sympathektomie (Leriche-Brüning-Operation). Indikationen: Periphere arterielle Verschlusskrankheit* (pAVK), auch als zusätzliche Maßnahme im Rahmen einer Gefäßrekonstruktion (sog. Triadenoperation mit aortofemoralem Bypass, P r o fundaplastik und Sympathektomie); evtl. bei Raynaud-Syndrom, Hyperhidrosis und als Schmerztherapie bei sympathischer Reflexdystrophie. Durch die Sympathektomie wird eine Weitstellung der kleinsten Arterien, Senkung des peripheren Widerstands und Erhöhung der Hautdurchblutung erreicht. Hinweis: Bei einer diabetischen sensomotorischen Polyneuropathie liegt aufgrund der Nervenschädigung meist eine funktionelle Sympathikusläsion (mit Förderung der Hautdurchblutung) vor, so dass auch bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit die Haut der Füße warm oft warm. fmpatholytika: s. Alpharezeptorenblocker, Betarezeptorenblocker. Sympathomimetika: (engl.) sympathomimetics; syn. Sympathikomimetika, Adrenozeptoragonisten; Substanzen, die die Wirkung des Sympathikus nachahmen; 1. direkt wirkende Sympathomimetika: Erregen (wie Adrenalin* und Noradrenalin) postsynaptisch die adrenergen Rezeptoren; 2. indirekt wirkende Sympathomimetika: Führen zu einer Freisetzung von Noradrenalin aus den Vesikeln präsynaptischer adrenerger Neurone; bei wiederholter Anwendung Tachyphylaxie. Verwendung: 1. Alphasympathomimetika; u. a. als Mydriatika, systemisch bei Hypotonie; 2. Betasympathomimetika; bei bradykarden Herzrhythmusstörungen, als Bronchospasmolytika, Wehenhemmer u. a. Syndrom: (engl.) syndrome; Gruppe von Krankheitszeichen, die für ein bestimmtes Krankheitsbild (Phänotypus) mit meist einheitlicher Ätiologie aber unbekannter Pathogenese charakteristisch sind. Syndrom, metabolisches: (engl.) metabolic Syndrome, syndrome X; syn. InsulinresistenzSyndrom, Syndrom X, Wohlstandssyndrom, sog. tödliches Quartett; Symptomenkomplex aus 1. abdominaler Adipositas*, 2. Dyslipoproteinämie (Hypertriglyceridämie, niedriges HDLCholesterin, kleine dichte LDL-Partikel), 3. arterieller Hypertonie und 4. Glukoseintoleranz/ Diabetes mellitus Typ 2; zusätzlich können Störungen der Fibrinolyse und Hyperurikämie/ Gicht auftreten. Eine einheitliche, allgemein akzeptierte Definition fehlt; die Diagnose gilt dann als vertretbar, wenn wenigstens 3 der 4 Hauptkomponenten als Symptome vorliegen. Pathophysiologic Auf einer bislang nicht näher definierten polygenetischen Grundlage kommt es v. a. bei einem Lebensstil mit unausgewogener E r n ä h rung, Bewegungsmangel und Stressbelastung zur Manifestation des metabolischen Syndroms (s. Abb.). Schrittmacher ist meist eine Adipositas mit abdominalem Fettverteilungsmuster. Ein metabolisches Syndrom kann aber auch bei Normalgewicht oder nur leichtem Übergewicht auftreten, v. a. wenn die viszeralen Fettdepots
Metabolisches Syndrom: Eine ungesunde Lebensweise ist die wesentliche Grundlage für das metabolische Syndrom. Typisch sind körperliche Inaktivität, Übergewicht, Nicotin- und Alkoholkonsum. vergrößert sind. Welche metabolischen Komplikationen letztendlich auftreten, wird vermutlich vom genetischen Hintergrund bestimmt. Als gemeinsames Merkmal der einzelnen Komponenten des metabolischen Syndroms gilt die Insulinresistenz, definiert als vermindertes Ansprechen des Organismus auf das körpereigene Hormon oder externes Insulin, nicht nur den Glukosestoffwechsel, sondern auch den Lipidstoffwechsel, die Endothelfunktion u. a. betreffen kann. In den letzten Jahren mehren sich Hinweise, dass Fettzellprodukte wie Fettsäuren, Zytokine, Leptin, Angiotensin n, Plasminogenaktivatorinhibitor-1 (Abk. PAI-1) u. a. als Mediatoren bzw. Auslöser der metabolischen Störungen wirksam sein könnten. Die pathophysiologischen Zusammenhänge sind aber nur teilweise verstanden. Epidemiologie Aufgrund der uneinheitlichen Definition gibt es keine zuverlässigen Angaben zur Häufigkeit des metabolischen Syndroms. Nach allgemeiner Einschätzung ist wenigstens jeder vierte E r wachsene in Deutschland betroffen. Besonders gefährdet sind Personen mit stammbetonter, abdominaler Adipositas. Diese gilt als wichtigster Promotor des metabolischen Syndroms. Wegen des immer früheren Beginns einer Adipositas wird das metabolische Syndrom zunehmend auch bei jüngeren Menschen beobachtet. Komplikationen Die enge Vernetzung, gegenseitige Beeinflussung und Verstärkung etablierter kardiovaskulärer Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie, Adipositas bedeutet ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen. So wird das exzessive kardiovaskuläre Risiko von Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 v. a. auf das gleichzeitige Vorkommen weiterer Risikofaktoren zurückgeführt. Nach neueren Daten ist die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität bei Menschen mit metabolischem Syndrom deutlich erhöht. 245
Syndrom, metabolisches
Diagnostik Die Diagnostik des metabolischen Syndroms basiert auf den diagnostischen Kriterien seiner Einzelkomponenten. Wenigstens 3 der 4 Hauptkomponenten sollten als Symptome gleichzeitig vorhanden sein. Von praktischer Bedeutung ist bei Vorliegen einer Komponente des Syndroms immer auch nach Hinweisen auf weitere zu fahnden. Behandlung Da das metabolische Syndrom v. a. in Verbindung mit einer ungesunden Lebensweise auftritt, bestehen die ersten Behandlungsmaßnahmen in einer Änderung der Ernährungsweise, Steigerung der körperlichen Bewegung und Senkung der Stressbelastung. Wenn mit diesen Maßnahmen innerhalb von 3 bis 6 Monaten die Zielwerte (s. Tab.) nicht erreicht wurden, sind zusätzlich Medikamente indiziert. Syndrom, metabolisches Zielwerte Parameter 2
optimal
tolerabel
BMI (kg/m )