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German Pages 2451 [2452] Year 2009
Groll
Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung
Praxis-Handbuch
Erbrechtsberatung herausgegeben von
Prof. Dr. Klaus Michael Groll bearbeitet von
Prof. Dr. Herbert Beil Dr. Dr. Robert D. v. Morgen Rechtsanwalt, Halle (Saale)
Rechtsanwalt, Hamburg
Prof. Dr. Stefan Edenfeld Prof. Dr. Karlheinz Muscheler Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Dr. Thomas Endemann Rechtsanwalt, Münster
Antje Esser Rechtsanwältin, Ulm
Professor an der Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Susanne Nienaber, LL.M. Professorin an der Fachhochschule Bielefeld
Matthias Rösler Rechtsanwalt, München Fachanwalt für Erbrecht
Wolfgang Grieger Gerhard Ruby Rechtsanwalt und Steuerberater, Rostock
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Mediator, Villingen-Schwenningen
Paul Grötsch Prof. Dr. Malte Schindhelm, LL.M. † Rechtsanwalt, München
Prof. Dr. Klaus Michael Groll Rechtsanwalt, München Fachanwalt für Erbrecht und langjähriger Lehrbeauftragter für Familien- und Erbrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München
Prof. Dr. Manfred Hieke Rechtsanwalt, Leipzig
Rechtsanwalt und Steuerberater, Honorarprofessor an der Universität Osnabrück
Prof. Dr. Andreas Spickhoff Professor an der Universität Regensburg
Dr. Klaus Stein Rechtsanwalt und Steuerberater, Osnabrück
Dr. Anton Steiner Rechtsanwalt, München Fachanwalt für Erbrecht
Prof. Dr. Peter Kindler Dr. Constanze Trilsch Professor an der Universität Augsburg
Dr. Hans-Frieder Krauß Notar, München
Michael Malzahn Rechtsanwalt, Halle (Saale)
Rechtsanwältin, Dresden Fachanwältin für Erbrecht
Prof. Dr. Walter Zimmermann Vizepräsident des Landgerichts a.D., Passau, Honorarprofessor an der Universität Regensburg
3. neubearbeitete Auflage
2010
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verz:eiclmet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-18062-1 ©2010 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Ühersetzungen, Mikroverfilml.lilge11 und die Einspei.chenmg und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort Noch nie stand das Erbrecht so sehr im Blickpunkt wie in den Jahren seit der Vorauflage dieses Handbuchs. Nach zum Teil heftigen rechtspolitischen Diskussionen erfuhren alle drei Säulen dieses für die Menschen so wichtigen Gegenstands einschneidende Änderungen: das materielle Erbrecht, das Erbschaftsteuerrecht und das Verfahrensrecht, nicht zu vergessen das Gesetz über die Patientenverfügung. Die vielen neuen Konzeptionen und Vorschriften bedeuten für den Berater, der es hier ohnehin mit einer höchst komplizierten Materie zu tun hat, eine zusätzliche Herausforderung. Die Neuauflage war nach allem ein Muss. Alle Reformen und wichtigen zwischenzeitlich ergangenen Gerichtsentscheidungen wurden eingearbeitet, Gleiches gilt selbstverständlich für die einschlägige Literatur. Dem Verlag und den Autoren möchte ich ganz besonders herzlichen Dank sagen. Diese Auflage erforderte, wie man sich denken kann, außergewöhnliche Zuwendung und Geduld, denn das Werk entstand, während der Reformprozess in vollem Gange war, ein Prozess mit vielen Wendungen, die immer wieder zu Umarbeitungen zwangen. Den Lesern wünsche ich, dass ihnen dieses Handbuch eine wertvolle Hilfe sein wird. München, im Oktober 2009
Klaus Michael Groll
Aus dem Vorwort zur ersten Auflage „Die Normen, welche die Vermögensnachfolge regeln, zählen zu den kompliziertesten, zugleich tückischsten unserer Rechtsordnung. Selbst für den Spezialisten bedeutet die Befassung mit diesem Gegenstand ständige und anspruchsvollste Herausforderung, der Laie ist hier mit selbstgestrickten Gestaltungen ohnehin zum Scheitern verurteilt. Das Handbuch möchte den Leser möglichst umfassend mit den Besonderheiten der Vermögensnachfolge vertraut machen. Das verlangt die Vermittlung einer Fülle von Stoff. Herausgeber und Autoren haben sich im Interesse einer umfassenden Darstellung bemüht, die gesamte relevante Rechtsprechung sowie die maßgeblichen Literaturmeinungen zu berücksichtigen, können aber für die Vollständigkeit keine Gewähr übernehmen. Um die Darstellung aufzulockern und um dem Leser den Weg zu ebnen zu ganz typischen Fragestellungen, wurden zahlreiche klassische Beratungssituationen gebildet, deren Behandlung in vielfältige konkrete Beratungshinweise mündet. Die in den Text aufgenommenen Formulierungsvorschläge dienen als Beispiele, sind V
Vorwort
aber natürlich nicht ohne weiteres auf jeden denkbaren Sachverhalt anwendbar. Sie müssen in Bezug auf die Anforderungen des speziellen Einzelfalles geprüft und ggf. angepasst bzw. ergänzt werden. Zwecks Erleichterung der Stoffsuche orientiert sich die Gliederung des Handbuchs im Wesentlichen an derjenigen des BGB. Der juristische Stoff ist aber nur das eine. Er dient keinem Selbstzweck, sondern dem Leben. Er ist daher untrennbar mit dem Schicksal der beteiligten Personen verbunden. Wo immer sinnvoll, waren wir bemüht, den Zusammenhang zwischen dem Recht einerseits und der Psychologie, Weisheit und Lebenserfahrung andererseits zu erhellen. In kaum einem Rechtsbereich menschelt es so sehr wie gerade beim Thema „Vermögensnachfolge“. Die drei Hauptziele kluger Gestaltung – Gerechtigkeit, Schutz des Vermögens (auch gegenüber dem Fiskus) und vor allem Frieden – wird der Berater nur verwirklichen, wenn er zum einen die Rechtslage durchschaut, zum anderen sich einfühlsam in die ganz individuellen Besonderheiten des Einzelfalls versenkt. Jede gelungene Gestaltung einer Vermögensnachfolge dient nicht nur dem Glück der Beteiligten, sondern liefert zugleich einen wertvollen Beitrag zur Kultur.“
VI
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIX Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLVII
A. Grundüberlegungen zur Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
B. Das Mandat vor dem Erbfall – Gestaltung letztwilliger Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
I. Die lebzeitige Vermögensübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
II. Die Formen letztwilliger Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
III. Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263
IV. Die Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285
V. Die Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
338
VI. Das Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
359
VII. Das gemeinschaftliche Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
434
VIII. Das Behindertentestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
493
IX. Nichteheliche Partner und das Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
517
X. Der minderjährige Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
584
XI. Die Unternehmensnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
620
XII. Stiftung und Trust als Instrumente der Nachfolgeplanung . . . . . . .
766
XIII. Landwirtschaftliches Sondererbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
828
XIV. Die Schiedsgerichtsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
913
XV. Der Erbverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
932
XVI. Die sog. Patientenverfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1028
C. Das Mandat nach dem Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1061
I. Die gesetzliche Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1061
II. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1090 VII
Schnellübersicht Seite
III. Die Nachlasspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1179
IV. Die Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1224
V. Die Haftung des Alleinerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1351
VI. Der Pflichtteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1405
VII. Auskunftsansprüche im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1699
VIII. Der Erbschaftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1744
IX. Die Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1769
X. Der Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1888
XI. Erbschaftskauf und Erbteilskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2002
XII. Prozessuale Durchsetzung erbrechtlicher Ansprüche . . . . . . . . . . . .
2014
D. Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2039
E. Neue Bundesländer und Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2181
F. Der Erbfall mit Auslandsberührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2243
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2317
VIII
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Schnellübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIX Allgemeines Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLVII
A. Grundüberlegungen zur Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung (Steiner) I. Der Mandant im Mittelpunkt eines ganzheitlichen Beratungsansatzes zur persönlichen und familiären Vorsorge . . . . . . . . . . . . . 1. Erwartungen des Mandanten und Anforderungen an den Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachlassplanung als erbrechtsübergreifende Aufgabe . . . . . . . . . . .
2 2 5
II. 1. 2. 3. 4. 5.
Der Berater in eigener Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgabenprofil und Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Honorargestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interessenkollision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 7 9 22 32 35
III. 1. 2. 3.
Methodik der Nachlassplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltungs-, Risiko- und Abwicklungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . Fünf Arbeitsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Praktische Einschränkungen des idealtypischen Arbeitsganges .
37 37 37 41
B. Das Mandat vor dem Erbfall – Gestaltung letztwilliger Verfügungen B. I. Die lebzeitige Vermögensübertragung (Steiner) I. Die vorweggenommene Erbfolge im System der Nachlassplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Bedeutung der vorweggenommenen Erbfolge . . . . . . . . 2. Fallgruppen und rechtliche Instrumente der Vermögensübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Vor- und Nachteile lebzeitiger Vermögensübertragung . . . . . 1. Ist der vorgesehene Nachfolger geeignet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kann der Übergeber die Substanz entbehren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44 44 45 53 57 58 IX
Inhaltsübersicht Seite
3. Ist der Übergeber auf die Erträge angewiesen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entstehen durch die vorweggenommene Erbfolge erhebliche erbschaftsteuerliche Vorteile? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ist die vorgesehene Maßnahme einkommensteuerneutral? . . . . . 6. Können die für Betriebsvermögen geltenden erbschaftsteuerrechtlichen Privilegien ausgeschöpft werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sind Minderjährige beteiligt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Wie hoch sind die Kosten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58 58 58 59 59 59
III. 1. 2. 3. 4.
Besonderheiten bei Beteiligung Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung des Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherung des Einflusses der Übergeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60 60 63 64 65
IV. 1. 2. 3.
Gegenleistungen des Übernehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abstandszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichstellungsgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übernahme von Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66 66 67 67
V. Versorgung des Übergebers und Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nutzungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versorgungsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 72
VI. 1. 2. 3. 4.
Rückforderungsrechte und Weiterübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzliche Rückforderungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragliche Rückforderungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verpflichtung zur Weiterübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfügungsrechte des Übergebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76 76 77 82 84
B. II. Die Formen letztwilliger Verfügungen (Esser) I. 1. 2. 3. 4.
X
Die Testierfähigkeit des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Begriff der Testierfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Systematik der Testierfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schranken der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung der Testierfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beweis- und Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91 91 92 101
II. 1. 2. 3. 4. 5.
112 113 118 136 158
Das Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Formen der Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Errichtung des öffentlichen Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das eigenhändige Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die außerordentlichen Testamentsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die inhaltliche Gestaltung der Verfügung von Todes wegen mit Blick auf ihre Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110 111
166
Inhaltsübersicht Seite
III. Änderung, Widerruf und Anfechtung der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Änderung der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Widerruf der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anfechtung der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
182 182 184 195
IV. 1. 2. 3.
Die Hinterlegung, Ablieferung, Eröffnung des Testaments . . . . . . Die Hinterlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ablieferung des Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Eröffnung des Testaments, §§ 2260 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . .
209 209 212 214
V. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Der Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rechtsnatur des Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Erbvertrag in Abgrenzung zum Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für den Abschluss eines Erbvertrags . . . . . . . . . . Arten des Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Aufhebungswirkung des Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bindungswirkung des Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Beseitigung der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung und Rücktritt beim Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Verbindung des Erbvertrags mit einem Ehevertrag . . . . . . . . . . Die Form des Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkung des Erbvertrags auf lebzeitige Verfügungen . . . . . . . . . . . . Die Verwahrung des Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217 217 218 219 220 222 223 227 234 244 245 247 249
VI. Schenkungsversprechen von Todes wegen, § 2301 BGB . . . . . . . . . 1. Das Rechtsgeschäft unter Lebenden in Abgrenzung zu den Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schenkung von Todes wegen mit Überlebensbedingung, § 2301 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das vollzogene Schenkungsversprechen mit Überlebensbedingung, § 2301 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
250
VII. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vorteile des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall gegenüber Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Einordnung des Vertrags zugunsten Dritter . . . . . . . 3. Durch die Rechtsprechung anerkannte Einzelfälle von Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerrechtliche Beurteilung des Vertrags zugunsten Dritter . . . .
250 250 253 256 257 258 260 262
B. III. Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft (Groll) I. Sinn und Hintergrund dieses Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263
II. Checkliste für das erste Beratungsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
264
III. Gestaltungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
265 XI
Inhaltsübersicht Seite
IV. Unterscheidung zwischen Erbeinsetzung, Vermächtnis und Teilungsanordnung (§ 2087 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegungshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einzelfälle aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266 266 267 268 269 270
V. Einsetzung auf einen Bruchteil (§ 2088 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
272
VI. Erhöhung und Minderung der Bruchteile (§§ 2089, 2090 BGB) . .
273
VII. Unbestimmte Erbteile (§ 2091 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
273
VIII. Teilweise Einsetzung auf Bruchteile (§ 2092 BGB) . . . . . . . . . . . . . .
274
IX. Gemeinschaftlicher Erbteil (§ 2093 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
274
X. Anwachsung (§§ 2094, 2095 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275
XI. 1. 2. 3. 4. 5.
Die Ersatzerbschaft (§ 2096 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelung unverzichtbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweifelsfälle aus der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rechtsstellung des Ersatzerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ersatzerbschaft als Gestaltungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslegungsregeln (§§ 2097 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276 276 277 279 280 283
B. IV. Die Vor- und Nacherbschaft (Edenfeld) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286
I. Anordnung der Vor- und Nacherbschaft durch Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendiger Inhalt der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . 2. Die Gestaltungsfreiheit des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auslegung der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . .
289 289 291 296
II. 1. 2. 3.
Rechtliche Stellung des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfügung über Nachlassgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwaltung des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der befreite Vorerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303 304 314 318
III. Rechtsposition des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellung des Nacherben während der Dauer der Vorerbschaft . . . 2. Stellung des Nacherben bei Eintritt des Nacherbfalls . . . . . . . . . . .
320 321 329
IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336
XII
Inhaltsübersicht Seite
B. V. Die Auflage (Trilsch) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3. 4. 5.
338
Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wunsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
339 339 339 340 340 341
III. Vor- und Nachteile der Auflage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
IV. 1. 2. 3. 4.
Inhalt der Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögensrechtlicher Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtvermögensrechtlicher Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zweckauflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzen der Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
342 342 343 343 344
V. Beschwerter der Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346
VI. Auflagenbegünstigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347
VII. 1. 2. 3. 4.
Vollziehungsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wegfallbegünstigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
348 348 349 349 349
VIII. Gestaltungsmöglichkeiten für Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
350
IX. Unwirksamkeit der Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
356
X. Unmöglichkeit der Vollziehung einer Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
XI. Steuerliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
358
B. VI. Das Vermächtnis (Nienaber) I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Vermächtnis im Verhältnis zu anderen erbrechtlichen Gestaltungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Vorausvermächtnis und die Teilungsanordnung . . . . . . . . . . . . 2. Das Vermächtnis und die Teilungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Vermächtnis und die Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Erbeinsetzung bei nicht eindeutiger letztwilliger Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
362 363 364 369 370 370
XIII
Inhaltsübersicht Seite
III. Die Person des Vermächtnisnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers durch den Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers durch Dritte . . . . . . . . 3. Die Person des Vermächtnisnehmers bei besonderen Vermächtnisarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
IV. 1. 2. 3. 4. 5.
Die Person des Beschwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Vermächtnisnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Begünstigte einer Schenkung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . Mehrere Beschwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Wegfall des Beschwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
384 384 385 385 386 386
V. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Der Vermächtnisgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Stückvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verschaffungsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wahlvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gattungsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Zweckvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Universalvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Unternehmen als Vermächtnisgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Nießbrauchsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
386 387 389 392 392 393 394 394 398
VI. Die Wirksamkeit des Vermächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
409
VII. Der Anfall und die Fälligkeit des Vermächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Anfall des Vermächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Fälligkeit des Vermächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
410 410 412
VIII. Die Annahme und die Ausschlagung des Vermächtnisses . . . . . . .
412
IX. Die Sicherung des Vermächtnisanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Sicherungsmöglichkeiten ohne besondere Anordnungen des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sicherungsmöglichkeiten aufgrund besonderer Anordnungen des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
413
415
X. Die Durchsetzung des Vermächtnisanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . .
417
XI. Die Nutzungen und Früchte des Vermächtnisgegenstandes . . . . .
418
XII. 1. 2. 3. 4.
373 373 373
413
Die Haftung des Beschwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Haftung des Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Haftung des beschwerten Vermächtnisnehmers . . . . . . . . . . . . Die Haftung bei einer Mehrheit von Beschwerten . . . . . . . . . . . . . . Die Haftung des Beschwerten bei Vorerfüllung des Erblassers . . .
419 419 423 424 426
XIII. Die Haftung des Vermächtnisnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Verwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
426 426
XIV
Inhaltsübersicht Seite
2. Die Haftung des Vermächtnisnehmers für Schulden des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. 1. 2. 3.
427
Die steuerrechtliche Behandlung des Vermächtnisses . . . . . . . . . . Die Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Besonderheiten beim Nachvermächtnis und beim bedingten Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Nießbrauchsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Rentenvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
429 429 430
XV. Das Vermächtnis in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
433
431 432 432
B. VII. Das gemeinschaftliche Testament (§§ 2265–2273 BGB) (Edenfeld) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
435
I. 1. 2. 3. 4.
Die Errichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Errichtungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die allein gegenseitige Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436 436 438 443 444
II. 1. 2. 3.
Das gegenseitige gemeinschaftliche Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gestaltungsmöglichkeiten der Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Trennungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Berliner Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
446 446 451 455
III. 1. 2. 3.
Die wechselbezüglichen Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Wechselbezüglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Schutz der Endbedachten vor lebzeitigen Verfügungen des überlebenden Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
470 470 476
IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
491
488
B. VIII. Das Behindertentestament (Hieke) I. Begriff und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
494
II. Zweck und Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielstellung der Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Probleme der Sittenwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
495 495 497
III. Zweckmäßige Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mögliche Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gestaltung durch Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
502 502 504 XV
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3. Gestaltung durch Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. 1. 2. 3. 5.
Problematische Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ungenügende Beachtung von §§ 2305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anordnung von Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorversterben des Behinderten nicht bedacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ämterhäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
514 515 515 515 515 516
B. IX. Nichteheliche Partner und das Erbrecht (Krauß) I. Gesetzliches Erbrecht für Partner und gemeinschaftliche Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erbrecht der Partner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erbrecht der gemeinschaftlichen Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
518 518 519
II. 1. 2. 3.
Erbrecht durch letztwillige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berücksichtigung der familiären und persönlichen Situation . . . .
524 524 527 539
III. Beschränkungen der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bindung durch gesetzliche Erbrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bindung durch letztwillige Verfügung aus früheren Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Erbentzug“ wegen nichtehelichen Zusammenlebens? . . . . . . . . .
551 551
IV. 1. 2. 3. 4.
Lebzeitige Zuwendungen nichtehelicher Partner . . . . . . . . . . . . . . . Zivilrichterliche Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansprüche Dritter aufgrund lebensgemeinschaftsbedingter Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. §§ 2287 f. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Schenkung- und Erbschaftsteuer unter nichtehelichen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. 1. 2. 3.
Erbrecht der eingetragenen Lebenspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzliches Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewillkürtes Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkung- und Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
554 556 557 558 562 563 576 578 578 580 580 582 582
B. X. Der minderjährige Erbe (Zimmermann) I. Rechtslage, wenn keine Regelungen erfolgten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Annahme der Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI
585 585 585
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3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.
Anfechtung der Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschlagung der Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung der Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbscheinsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflicht, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögenssorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erforderliche Genehmigungen des Familiengerichts . . . . . . . . . . . . Geltendmachung des Pflichtteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minderjährige Erben unter Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . Wiederverheiratung der Witwe/des Witwers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
586 586 588 588 588 591 591 593 595 595 595 597 599
II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzug des Rechts, den Nachlass zu verwalten . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwaltungsanordnungen des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Benennung eines Vormunds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befreiungen, Beschwerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernennung eines Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Postmortale Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmälerung des Pflichtteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
600 600 609 611 613 614 615 616
B. XI. Die Unternehmensnachfolge (Grieger) I. 1. 2. 3.
Einzelunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachfolge eines einzelnen Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachfolge einer Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesichtspunkte für die Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
623 623 643 675
Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regelungsgrundsätze für die Nachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Nachfolgeklauseln im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Haftung der Erben bzw. Nachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten bei der Nachfolge in eine Kommanditbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Firma, Handelsregisteranmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ertragsteuerrechtliche Folgen im Erbfall und bei der Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
681 681 683 707
II. 1. 2. 3. 4.
III. 1. 2. 3.
Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachfolge in der GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachfolge in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ertragsteuerrechtliche Folgen im Erbfall und bei der Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
714 716 718 733 733 752 754
XVII
Inhaltsübersicht Seite
B. XII. Stiftung und Trust als Instrumente der Nachfolgeplanung (Schindhelm/Stein) I. 1. 2. 3.
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motive für die Errichtung einer Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten der Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die privatrechtliche Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
772 772 775 776
II. 1. 2. 3. 4. 5.
Typologie der häufigsten Stiftungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinnützige Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inländische Familienstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinnützige Familienstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppelstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unternehmensträgerstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
785 785 786 788 789 791
III. 1. 2. 3.
Steuerrechtliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besteuerung der Stiftungserrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die laufende Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besteuerung der Stiftungsaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
794 794 798 806
IV. Ausländische Stiftungen und verwandte Rechtsinstitute . . . . . . . 1. Die österreichische Privatstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Trust . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
808 809 815
V. Alternative Rechtsformen zur Erreichung von Stiftungszielen . . 1. Die Stiftungs-GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die unselbständige Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
822 822 823
B. XIII. Landwirtschaftliches Sondererbrecht (Ruby) I. Zielsetzungen des Landwirtschaftserbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.
832
Verhältnis der Anerbengesetze zum BGB-Landguterbrecht . . . . . . Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wann gilt ein Anerbengesetz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über die regionalen anerbenrechtlichen Sondervorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
834 834 837
BGB-Landguterbrecht i.V.m. §§ 13 ff. GrdstVG . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinsame Voraussetzungen der §§ 2049, 2312 BGB . . . . . . . . . . Weitere Voraussetzungen des § 2049 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Voraussetzungen des § 2312 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vererbung des Landguts bei fortgesetzter Gütergemeinschaft gem. § 1515 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfahren auf Zuweisung eines landwirtschaftlichen Betriebs aus der Erbengemeinschaft nach §§ 13 ff. GrdstVG . . . . . . . . . . . . .
839 840 852 856
869
IV. Anerbengesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
878 879
III. 1. 2. 3. 4.
XVIII
837
863
Inhaltsübersicht Seite
2. Vergleichende Darstellung der Anerbenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
881
V. Hofübergabe zu Lebzeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt des Hofübergabevertrags, insb. Altenteil . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur des Hofübergabevertrags und Pflichtteil . . . . . . . . . . .
898 899 907
B. XIV. Die Schiedsgerichtsklausel (§ 1066 ZPO) (Hieke) I. Bedeutung des Schiedsgerichts im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.
914
Anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsrichterliches Verfahren im 10. Buch der ZPO . . . . . . . . . . . Ad-hoc- und institutionelles Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung von anderen Formen der Streitbeilegung . . . . . . . . . . .
916 916 917 918
III. Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit, Wirksamkeitsvoraussetzungen und Rechtsnatur der Schiedsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einsetzung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wichtige Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts . . . . . . . . . 4. Grenzen der Entscheidungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Person des Schiedsrichters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
921 921 922 924 924 929
IV. 1. 2. 3.
931 931 931 931
Die Durchsetzung von Schiedssprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkung des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchsetzung von Schiedssprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung von Schiedssprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. XV. Der Erbverzicht (§§ 2346–2352 BGB) (Muscheler)
I. 1. 2. 3. 4. 5.
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriff, Rechtsnatur und praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines zu den drei Arten des Erbverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . Beschränkungsmöglichkeiten beim Erbverzicht i.w.S. . . . . . . . . . . Allgemeine Vorteile des Erbverzichts i.w.S. für den Erblasser . . . Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
935 935 937 938 941 943
II. 1. 2. 3.
Der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht (§ 2346 Abs. 1 BGB) . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
943 943 945 960
III. 1. 2. 3.
Der isolierte Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
966 966 967 968
XIX
Inhaltsübersicht Seite
IV. 1. 2. 3.
Der Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
971 971 977 979
V. 1. 2. 3.
Kosten- und Gebührenfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notarkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenübersicht über die neben dem Erbverzicht bestehenden Möglichkeiten zur Beseitigung einer Erbaussicht . . . . . . . . . . . . . . .
980 980 982 982
Steuerliche Behandlung des Erbverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
983 984 985 987
VII. Das Kausalgeschäft zum Erbverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit und Inhalt eines Verpflichtungsgeschäfts (i.d.R. Abfindungsvertrag) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirksamkeit des Kausalgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen eines unwirksamen oder fehlenden Kausalgeschäfts . . . . . 4. Rücktritt vom Kausalgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Leistungsstörungen beim Kausalgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
987 987 992 996 998 999
VIII. Verknüpfung des Kausalgeschäfts mit dem Erbverzicht i.w.S. . . .
999
IX. Der Abschluss des Erbverzichtsvertrages i.w.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Probleme bei Anbahnung und Abschluss des Erbverzichtsvertrages i.w.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Abschluss eines Erbverzichtsvertrages im Zusammenhang mit anderen Verträgen (v.a. Übergabeverträgen) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formerfordernisse, insbesondere stillschweigender Erbverzicht .
1001 1001
VI. 1. 2. 3.
X. Vorbereitung und Gestaltung von Erbverzichtsverträgen (Checkliste und Formulierungsvorschläge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der isolierte Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Zuwendungsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. 1. 2. 3. 4. 5.
XX
Beseitigung der Wirkungen des Erbverzichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebungsvertrag (§ 2351 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rücktritt und Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sittenwidrigkeit des Erbverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1001 1006 1008 1010 1010 1012 1013 1015 1015 1016 1018 1019 1021 1022
Inhaltsübersicht Seite
B. XVI. Die sog. Patientenverfügungen (Spickhoff) I. Einleitung: „Patientenverfügungen“ und Erbrecht . . . . . . . . . . . . . .
1029
II. Der rechtstatsächliche Hintergrund: Medizinische Extremsituationen und juristische Folgefragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Intensivbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tod und Todeszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Organtransplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1031 1032 1033 1034 1036 1037
III. 1. 2. 3.
Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der einwilligungsfähige Patient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Konkretisierung der Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . Der nicht einwilligungsfähige Patient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1038 1038 1039 1041
IV. Genehmigung des Betreuungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1042
V. 1. 2. 3. 4.
Das sog. Patiententestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definition, Rechtsnatur, Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsorgeregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbindlichkeit: Grundsatz und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfungsrecht und Prüfungspflicht von Betreuer und Bevollmächtigtem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fehlen eines Betreuers oder Bevollmächtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Druckausübung bei der Errichtung von Patientenverfügungen . . 7. Widerruf einer Patientenverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI. 1. 2. 3.
1044 1044 1046 1047 1048 1049 1050 1052
Die Vorsorgevollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesundheitsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige persönliche Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertretung im Vermögensbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1053 1053 1055 1055
VII. Die Betreuungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1056
VIII. 1. 2. 3.
Musterformulierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patiententestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsorgevollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betreuungsverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1057 1057 1058 1060
C. Das Mandat nach dem Erbfall C. I. Die gesetzliche Erbfolge (Groll) I. Wann tritt die gesetzliche Erbfolge ein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1062
II. Überraschungen und Tücken der gesetzlichen Erbfolge . . . . . . . . .
1063 XXI
Inhaltsübersicht Seite
III. 1. 2. 3.
Das gesetzliche Erbrecht als Verwandtenerbfolge . . . . . . . . . . . . . . . Die gesetzliche Erbfolge als Quelle von Beratungsfehlern . . . . . . . Der Begriff des „Verwandten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Grundsäulen der Verwandtenerbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1064 1064 1064 1065
IV. Das gesetzliche Erbrecht des nichtehelichen Kindes . . . . . . . . . . . . 1. Das Erbrecht nach der Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Erbrecht nach dem Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1076 1076 1076
V. 1. 2. 3. 4.
Das gesetzliche Erbrecht der als Kind Angenommenen . . . . . . . . . Gesellschaftspolitischer Wandel und Beratungsbedarf . . . . . . . . . . Der minderjährige Angenommene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der volljährig Angenommene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1078 1078 1079 1079 1080
VI. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundvoraussetzungen des Ehegattenerbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Ehegattenerbrecht bei Gütertrennung und Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei der Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Ehegattenerbrecht bei Zugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassende Tabelle zum gesetzlichen Ehegattenerbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Recht der neuen Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Der Ehegattenvoraus (§ 1932 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1080 1080
1084 1085 1085
VII. Das gesetzliche Erbrecht gleichgeschlechtlicher Paare . . . . . . . . . .
1087
VIII. Der Dreißigste (§ 1969 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1087
IX. Das Erbrecht des Fiskus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1088
1082 1083 1083
C. II. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft (Muscheler) I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1092
II. Motive für eine Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönliche Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzielle Motive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1098 1098 1100
III. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Ausschlagungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vererblichkeit des Ausschlagungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers . . . . . . . . . Gesetzliche Ausschlagungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einflussmöglichkeiten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlust des Ausschlagungsrechts durch Annahme . . . . . . . . . . . . . .
1113 1113 1114 1115 1117 1118 1122
IV. Form der Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1127
XXII
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V. Ausschlagungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fristbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. 1. 2. 3. 4.
1130 1131 1132
Inhalt der Ausschlagungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ausschlagungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingte Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang der Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1136 1136 1137 1140 1142
VII. Gesetzliche Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der minderjährige Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1142 1142 1145
VIII. 1. 2. 3. 4.
Wirkung der Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wegfall des Zunächstberufenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfall an den Nächstberufenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ermittlung des Nächstberufenen durch das Nachlassgericht . . . .
1145 1145 1146 1147 1150
IX. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1150 1150 1154
X. Besonderheiten bei Annahme und Ausschlagung eines Vermächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formelle Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen von Annahme und Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflichtteilsberechtigter als Erbe und Vermächtnisnehmer . . . . . . . 5. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1161 1161 1161 1162 1163 1165
XI. 1. 2. 3. 4.
Haftung und Ansprüche des Zwischenerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansprüche des endgültigen Erben gegen den Zwischenerben . . . . Ansprüche des Zwischenerben gegen den endgültigen Erben . . . . Zurechnung von Handlungen des Zwischenerben . . . . . . . . . . . . . .
1166 1166 1167 1168 1169
XII. 1. 2. 3.
Der Ausschlagungsverpflichtungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschluss des Vertrags nach dem Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschluss des Vertrags vor dem Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1176 1176 1176 1177
C. III. Die Nachlasspflegschaft (Zimmermann) I. Wesen und Zweck der Nachlasspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Regelung der Nachlasspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ähnliche Sachwalterstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1181 1181 1181
XXIII
Inhaltsübersicht Seite
II. Voraussetzungen der Anordnung der Nachlasspflegschaft . . . . . . . 1. Arten der Nachlasspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Anordnung einer gewöhnlichen Nachlasspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen für die Anordnung einer Prozesspflegschaft . . . 4. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zuständiges Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfahren des Nachlassgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ende der Nachlasspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1182 1182 1183 1183 1183 1183 1184 1185
III. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Entscheidung des Nachlassgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswahl des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berufsmäßige Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgabenkreis des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiteres Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1185 1186 1186 1187 1187 1188 1188
IV. 1. 2. 3. 4. 5.
Die Rechtsstellung des Nachlasspflegers im Allgemeinen . . . . . . Zugewiesener Wirkungskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genehmigung des Nachlassgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interessenkollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1190 1190 1191 1191 1191 1191
V. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Ermittlung, Sicherung und Verwaltung des Nachlasses . . . . . . . . . Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bankverbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abrechnung mit dem früheren Betreuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufdeckung sonstiger Vermögenswerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gläubigerermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auslandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwaltung des Bankguthabens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermögensumschichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwaltung der Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1191 1191 1193 1194 1195 1195 1195 1196 1196 1196 1196 1199 1199
VI. Erstellung des Nachlassverzeichnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt des Verzeichnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1200 1200 1201
VII. 1. 2. 3.
XXIV
Genehmigungen des Nachlassgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen fehlender Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1202 1202 1203 1203
Inhaltsübersicht Seite
VIII. 1. 2. 3.
Prozesse des Nachlasspflegers; Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . Rubrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozesskostenhilfe für den Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1203 1203 1204 1204
IX. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Das Verhältnis Nachlasspfleger – Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . . . Pflicht zur Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befriedigung der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgebot der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überschuldete Nachlässe. Nachlassinsolvenzverfahren . . . . . . . . . Überschuldete Nachlässe mit geringem Aktivvermögen . . . . . . . . Kleinstnachlässe ohne Ausschüttung an die Gläubiger . . . . . . . . .
1205 1205 1205 1206 1206 1207 1208
X. Ermittlung der Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirkungskreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlungsgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1208 1208 1208
XI. 1. 2. 3. 4.
Haftung des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung gegenüber dem Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung gegenüber Nachlassgläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung gegenüber Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung des Erben für den Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1210 1210 1212 1212 1212
XII. 1. 2. 3. 4.
Aufsicht des Nachlassgerichts über den Nachlasspfleger . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtspflichten des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufsicht und Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfungspflichten des Nachlassgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1213 1213 1213 1213 1213
XIII. Vergütung und Ersatz von Aufwendungen des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslagen des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Festsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1215 1215 1218 1218
XIV. Das Verhältnis Nachlasspfleger – Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privatpersonen als Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Fiskus als Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1219 1219 1221
XV. 1. 2. 3. 4.
Steuerliche Rechte und Pflichten des Nachlasspflegers . . . . . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Steuererklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Steuerbescheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung des Nachlasspflegers für die Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . .
1221 1221 1222 1222 1223
C. IV. Die Erbengemeinschaft (v. Morgen) I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1229 1230 XXV
Inhaltsübersicht Seite
2. Typische Interessen der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Typische Streitkomplexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1231 1238
II. 1. 2. 3. 4.
Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, Nachlassteilung . . Grundsatz: Recht auf jederzeitige Auseinandersetzung . . . . . . . . . Aufschub oder Ausschluss der Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . Wege der Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materiellrechtliche Grundsätze der Auseinandersetzung . . . . . . .
1241 1242 1244 1255 1290
III. Verwaltung des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwaltung durch Testamentsvollstrecker, insbesondere als Dauertestamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinschaftliche Verwaltung durch die Miterben . . . . . . . . . . . . . 3. Lastentragung und Anspruch auf Nutzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonderfall: Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen im Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1300 1301 1301 1316
IV. 1. 2. 3.
Haftung und Forderungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forderungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parteifähigkeit der Erbengemeinschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1325 1325 1329 1334
Verfügungen über einen Erbanteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pfändung eines Miterbenanteils im Wege der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Belastung mit Nießbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1334 1335 1344
V. 1. 2. 3.
1320
1348 1349
C. V. Die Haftung des Alleinerben (Endemann) I. Überblick über die Haftung des Alleinerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Haftung mit dem Nachlass und dem Eigenvermögen . . . . . . . 2. Das Recht, die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten zu verweigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass . . . . . . . . . . . . . . .
1352 1353
II. 1. 2. 3. 4.
Die Feststellung der Vermögenssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Nachlassverbindlichkeiten und der Umfang der Haftung . . . Das Aufgebotsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Inventarerrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die vorläufigen Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten . . . . . . . . .
1356 1357 1367 1375 1382
III. Die dauerhafte Beschränkung der Haftung auf den Nachlass . . . . 1. Die haftungsrechtlichen Folgen der Nachlassverwaltung und der Nachlassinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Nachlassverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Nachlassinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1386
XXVI
1354 1354
1386 1390 1395
Inhaltsübersicht Seite
4. Die Erbenhaftung nach Beendigung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. 1. 2. 3. 4. 5.
Die Einreden der §§ 1990, 1992 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Dürftigkeitseinrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Unzulänglichkeitseinrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Erschöpfungseinrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Überbeschwerungseinrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Berechnung des Nachlasswertes und die Rangfolge der Nachlassverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die weiteren Rechtsfolgen der Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Geltendmachung der Einreden im Erkenntnisverfahren . . . . 8. Die Geltendmachung der Einreden in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1397 1398 1399 1399 1400 1400 1400 1402 1403 1403
C. VI. Der Pflichtteil (Rösler) I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellung der Beteiligten/Pflichtteilsreform für Erbfälle ab 1.1.2010 mit Synopse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwang zur Geltendmachung des Pflichtteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Psychologie der Beratertätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1413 1421 1424
II. 1. 2. 3. 4.
Pflichtteilsanspruch des Enterbten im Grundfall . . . . . . . . . . . . . . . Kreis der Pflichtteilsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehung des Pflichtteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichtteilsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Höhe des Pflichtteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1424 1424 1427 1430 1435
III. Ansprüche auf Auskunft, Wertermittlung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auskunftsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertermittlungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eidesstattliche Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verzug und Folgen falscher Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Checkliste für die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen . . . . 8. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1479 1479 1493 1498 1501 1501 1504 1505 1507
IV. Pflichtteil trotz Zuwendung des Erblassers, §§ 2305–2307, 1371 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichtteilsanspruch des belasteten Erben oder Nacherben, § 2306 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilszusatzanspruch des unzureichend bedachten Erben, § 2305 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtteilsanspruch des Vermächtnisnehmers, § 2307 BGB . . . . .
1413
1508 1508 1516 1518 XXVII
Inhaltsübersicht Seite
4. Taktische Ausschlagung des Ehegatten, § 1371 Abs. 3 BGB? . . . . 5. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Pflichtteil bei Anrechnung und Ausgleichung von lebzeitigen Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterschiede zwischen Anrechnungs- und Ausgleichspflichtteil, §§ 2315, 2316 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Anrechnungspflichtteil, § 2315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Ausgleichspflichtteil, § 2316 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammentreffen von § 2315 und § 2316 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammentreffen von § 2316 BGB und § 2325 BGB . . . . . . . . . . . . VI. Pflichtteilsergänzungsansprüche bei Schenkungen des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflichtteilsergänzung gegen den Erben, § 2325 BGB . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten, § 2329 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1521 1523 1525 1525 1526 1531 1536 1538 1539 1539 1591
VII. 1. 2. 3.
Pflichtteil und Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichtteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichtteilsergänzungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1595 1595 1597 1600
VIII. 1. 2. 3. 4.
Haftung und Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung für Pflichtteilsansprüche im Außenverhältnis . . . . . . . . . Verteidigung gegen Pflichtteilsansprüche im Außenverhältnis . . Pflichtteilslast im Innenverhältnis, §§ 2320, 2321 BGB . . . . . . . . . Haftung für Vermächtnisse und Auflagen im Außenverhältnis . .
1601 1601 1601 1622 1624
IX. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Vermeidung und Beschränkung von Pflichtteilsansprüchen . . . . Pflichtteilsentziehung und Unwürdigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht, § 2338 BGB . . . . . . . . . Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anrechnung oder Ausgleichung, §§ 2315, 2316 BGB . . . . . . . . . . . . Verbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflösend bedingte Zuwendungen als Anreiz zum Verzicht . . . . Flucht in die Pflichtteilsergänzung: Schenkungen und Nutzung von Bewertungsspielräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verlagerung von Vermögen ins pflichtteilsfeindliche Ausland . . . Flucht ins Gesellschaftsrecht und gegenseitige Zuwendungen auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einwirkung auf die Pflichtteilsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltungsmöglichkeiten verheirateter Erblasser . . . . . . . . . . . . . . Vertrag über den künftigen Pflichtteil, § 311b Abs. 5 BGB . . . . . . . Strategien in Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1628 1628 1641 1644 1650 1650 1650
X. Pflichtteilsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1667
8. 9. 10. 11. 12. 13.
XXVIII
1650 1652 1657 1658 1658 1661 1661
Inhaltsübersicht Seite
XI. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Taktik im Pflichtteilsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Welche Klageart ist richtig? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitwert, Gerichts- und Anwaltskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antragsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckung aus Auskunfts- und Wertermittlungstiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Pfändung des Pflichtteilsanspruchs, § 852 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . .
XII. A. B. C.
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachlassverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Preisindizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 zu § 14 BewG (ab 1.1.1995) und ab 1.1.2009 Tabelle zu § 14 BewG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Tabellarische Länderübersicht über Pflichtteils- und Noterbrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Pflegestatistik 2007 Deutschlandergebnisse – Tabelle 1 . . . . . . . . .
1669 1669 1670 1671 1674 1677 1679 1680 1681 1681 1684 1685 1689 1698
C. VII. Auskunftsansprüche im Erbrecht (Edenfeld) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1700
I. Auskunftsansprüche des Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Auskunftsanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer (§ 2027 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Auskunftsanspruch gegen sonstige Besitzer von Nachlasssachen (§ 2027 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Auskunftsanspruch gegen Hausgenossen des Erblassers (§ 2028 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Auskunftspflicht des vorläufigen gegenüber dem endgültigen Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker (§§ 2215, 2218 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Der Anspruch gegen den Scheinerben (§ 2362 Abs. 2 BGB) . . . . . . 7. Allgemeine Auskunftspflichten (§§ 242, 666 BGB) . . . . . . . . . . . . . .
1701
1714 1717 1718
II. 1. 2. 3.
Auskunftsansprüche unter Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Auskunftsanspruch aus § 2057 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ansprüche aus §§ 2027, 2028 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Auskunftspflichten (§§ 242, 666 BGB) . . . . . . . . . . . . . .
1722 1722 1725 1725
III. 1. 2. 3.
Auskunftsansprüche des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Anspruch aus § 2121 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Anspruch aus § 2127 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Anspruch aus § 2130 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1727 1727 1729 1731
1701 1707 1708 1712
XXIX
Inhaltsübersicht Seite
IV. 1. 2. 3. 4.
Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten . . . . . . . . . . . . Auskunftsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auskunftsschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt der Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessuale Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1731 1732 1733 1734 1739
V. Auskunftsansprüche der Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Anspruch gegen den Nachlasspfleger/-verwalter (§ 2012 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Anspruch gegen den Fiskus als Erben (§ 2011 S. 2 BGB) . . . . . 3. Auskunftspflicht bei der Inventarerrichtung (§ 2003 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1740
1742
VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1742
1741 1741
C. VIII. Der Erbschaftsanspruch (Edenfeld) I. 1. 2. 3.
Bedeutung des Erbschaftsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelansprüche des Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der erbrechtliche Gesamtanspruch (§ 2018 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu den Einzelansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1744 1745 1745 1747
II. 1. 2. 3.
Der Herausgabeanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessuale Aspekte, Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1750 1750 1753 1757
III. 1. 2. 3. 4.
Sekundäre Ansprüche bei Unmöglichkeit der Herausgabe . . . . . . Haftung des gutgläubigen Erbschaftsbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung des verklagten Erbschaftsbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung des bösgläubigen Erbschaftsbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung des deliktischen Erbschaftsbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1760 1760 1761 1762 1763
IV. Verwendungsansprüche des Erbschaftsbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansprüche des gutgläubigen Erbschaftsbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansprüche des bösgläubigen oder verklagten Erbschaftsbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ansprüche des deliktischen Erbschaftsbesitzers . . . . . . . . . . . . . . . .
1764 1764
V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1768
1767 1767
C. IX. Die Testamentsvollstreckung (Groll) I. 1. 2. 3. XXX
Plädoyer für die Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elementarziele des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionen der Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Person des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1773 1773 1774 1777
Inhaltsübersicht Seite
II. Allgemeine Ratschläge für die Amtsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1778
III. Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers und Abgrenzung zu anderen Rechtsfiguren (insbesondere Vollmacht) . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Testamentsvollstreckung und trans- sowie postmortale Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1781
IV. 1. 2. 3.
Wer kann Testamentsvollstrecker sein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Amtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eignung zum Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerberater und Banken als Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . .
1783 1783 1784 1786
V. 1. 2. 3. 4. 5.
Arten der Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ist Testamentsvollstreckung gewollt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick über die Testamentsvollstreckungsarten . . . . . . . . . . . . . Die Abwicklungstestamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dauer- und Verwaltungstestamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckung als differenziertes Gestaltungsmittel (Erweiterungen und Beschränkungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckung über Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . . Vermächtnistestamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckung und Behindertentestament . . . . . . . . . . . Testamentsvollstreckung bei verschwenderischem Pflichtteilsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1786 1786 1788 1789 1789
6. 7. 8. 9.
VI. Der Nachlass vor Beginn der Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . 1. Verzögerter Amtsbeginn, Probleme der Handlungsunfähigkeit . . 2. Lösungswege in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1780 1780
1794 1800 1804 1805 1805 1805 1805 1806
VII. 1. 2. 3.
Anordnung und Beginn der Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . Die Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Ernennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Amtsbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1807 1807 1808 1810
VIII. 1. 2. 3.
Erbschein, Grundbuch, Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1811 1811 1811 1812
IX. 1. 2. 3. 4. 5.
Das Testamentsvollstreckerzeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Legitimationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was beweist das Testamentsvollstreckerzeugnis? . . . . . . . . . . . . . . . Arten von Testamentsvollstreckerzeugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt des Testamentsvollstreckerzeugnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1812 1812 1813 1814 1814 1814
X. Muss der Pflichtteilsberechtigte die Testamentsvollstreckung dulden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundmodelle (altes Recht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1815 1815 XXXI
Inhaltsübersicht Seite
2. Quotentheorie (altes Recht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen der Unwirksamkeit (altes Recht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Neues Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1816 1817 1817
XI. Rechtsverhältnis zwischen Testamentsvollstrecker und Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Rechtsverhältnis zum Nachlassgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Rechtsverhältnis zum Prozessgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1817 1817 1818
XII. Aufgaben des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Umschreibung und Beurteilungsmaßstab für das Handeln des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Was der Testamentsvollstrecker nicht kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inbesitznahme und Konstituierung des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . 4. Die Pflicht zur Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erstellung und Durchführung des Auseinandersetzungsplans . . . 7. Höchstpersönlichkeit, Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Prozessführung und Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Herausgabe des Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Besonderheiten bei der Verwaltungsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . .
1835 1839 1841 1844
XIII. Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . 1. Nachlassverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachlassinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1845 1845 1846
XIV. 1. 2. 3.
Testamentsvollstrecker und Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eindringliche Warnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Drei Phasen des Entstehens von Steuerschulden . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerliche Geltendmachung des Testamentsvollstreckerhonorars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1846 1846 1847
Testamentsvollstreckung über ein Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . Kennzeichnung des Problems und Weg der Darstellung . . . . . . . . . Der Abwicklungsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Verwaltungsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1851 1851 1852 1853
Mehrere Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Frage nach dem Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenzzuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meinungsverschiedenheiten zwischen den Testamentsvollstreckern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Notwendige Erhaltungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1860 1860 1860 1861 1861 1861
XVII. Die Haftung des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftung wem gegenüber? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung für welchen Zeitraum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1862 1862 1862
XV. 1. 2. 3. XVI. 1. 2. 3.
XXXII
1819 1819 1819 1820 1822 1831 1832
1851
Inhaltsübersicht Seite
3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Die Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftungsbefreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Haftpflichtprozess gegen den Testamentsvollstrecker . . . . . . Haftpflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung des Erben für den Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . .
1862 1866 1866 1867 1867 1867 1868
XVIII. Internationale Testamentsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1869
XIX. 1. 2. 3.
Die Beendigung des Amtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auflistung der Beendigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung durch den Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entlassung des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1869 1869 1870 1871
XX. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Die Vergütung des Testamentsvollstreckers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Grundidee dieses Abschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorrang des Erblasserwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit bei Streit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der vermeintliche Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrere Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Höhe der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkommensteuer, Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fälligkeit, Vorschuss, Entnahme, Zurückbehaltungsrecht . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minderung, Verwirkung der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwendungsersatz, Auslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldner der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1877 1877 1877 1878 1878 1878 1879 1885 1885 1886 1886 1886 1887
C. X. Der Erbschein (§§ 2353–2370 BGB) (Krauß) I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Das Mandat im Erbscheinsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beratungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Funktion des Erbscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die einzelnen Wirkungen des Erbscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Arten der Erbscheine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beratungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausblick: Der Europäische Erbschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1892 1892 1892 1892 1894 1895 1896
II. 1. 2. 3.
Strategie zur Durchsetzung des Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erbrechtliche Mandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung: Erbscheinsverfahren – Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . Abwägung: Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1897 1898 1898 1900
III. Der Erbscheinsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Bedeutung des Erbscheinsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1903 1903 1904
XXXIII
Inhaltsübersicht Seite
3. Inhalt des Erbscheinsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Informationsaufnahme zum Erbscheinsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einreichen des Erbscheinsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1907 1910 1911
IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Das Erbscheinsverfahren beim Nachlassgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuregelung durch das FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung des Erbscheinsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steuerungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweiswürdigung, Feststellungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aussetzung des Erbscheinsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich, Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Gebühren des Rechtsanwalts im Erbscheinsverfahren . . . . . .
1927 1927 1928 1929 1933 1935 1939 1940 1942
V. 1. 2. 3. 4.
Entscheidungen des Nachlassgerichts zum Erbscheinsantrag . . . Entscheidungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arten der Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten, Geschäftswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellung, Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1943 1944 1944 1951 1953
VI. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Das Erbscheinseinziehungsverfahren (§ 2361 BGB) . . . . . . . . . . . . . Beschwerde oder Einziehungsverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrenseinleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorläufiger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestaltung des Einziehungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Einziehungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1953 1953 1954 1955 1959 1960 1961
Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Nachlassgerichts . . . . . . Änderungen durch das FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einlegung eines Rechtsmittels in Verfahren, die noch nicht dem FamFG unterliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Begründung der Beschwerde in Verfahren, die noch nicht dem FamFG unterliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kosten, Geschäftswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1963 1963 1966
VII. 1. 2. 3.
VIII. Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts . . . 1. Änderung durch das FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die weitere Beschwerde in vor dem 1.9.2009 eingeleiteten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfolgsaussichten, Verfahrensstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Verfahren des Rechtsbeschwerdegerichts in vor dem 1.9.2009 eingeleiteten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gegenvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXIV
1972 1977 1983 1983 1984 1986 1990 1997 1998
Inhaltsübersicht Seite
C. XI. Erbschaftskauf und Erbteilskauf (Groll) I. Gegenstand des Erbschafts- und Erbteilskaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2002
II. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2003
III. Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2003
IV. 1. 2. 3. 4.
Die Rechtsbeziehungen zwischen Verkäufer und Käufer . . . . . . . . Die Pflichten des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Pflichten des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefahrübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nutzungen und Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2004 2004 2005 2008 2008
V. Die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien zu den Nachlassgläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2009 2009 2010 2010 2011
VI. Steuerfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2011 2011 2011
VII. Gestaltungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2012
C. XII. Prozessuale Durchsetzung erbrechtlicher Ansprüche (Grötsch/Rösler) I. 1. 2. 3. 4. 5.
Klage auf Feststellung des Erbrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feststellungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Objektive Klagenhäufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsklausel, örtliche Zuständigkeit und Streitwert . . . . . . . . . . Antragsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Erbvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2014 2014 2015 2016 2017 2017
II. Klage auf Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2022
III. Klage auf Vermächtniserfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klagearten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2025 2025 2026
IV. 1. 2. 3. 4.
2028 2028 2035 2035 2036
Klagen zum Pflichtteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Leistungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Pflichtteilsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXXV
Inhaltsübersicht Seite
V. Klagen auf Auskunft, Rechnungslegung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Antragsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2036 2036 2037
D. Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht (Steiner) I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ziele der Nachfolgeplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erbschaftsteuerreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2046 2046 2047
II. Das Mandat vor dem Erbfall: Steuerprophylaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermögensstrukturanalyse als Ausgangspunkt: Bewertungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das neue Bewertungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das neue Erbschaftsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wahl der richtigen Vermögensstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gestaltung des persönlichen Lebensbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vorweggenommene Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Steuergünstige Gestaltungen im Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2048
III. Das Mandat nach dem Erbfall: Optimale Abwicklung . . . . . . . . . . 1. Steuerliche Pflichten der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeiten steuergünstiger Abwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2138 2138 2146
IV. 1. 2. 3.
2156 2156 2158
Internationales Erbschaftsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systemüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundzüge des deutschen Internationalen Erbschaftsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gestaltungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. ABC der einzelnen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2048 2049 2073 2097 2103 2105 2125
2159 2164 2167
E. Neue Bundesländer und Erbrecht (Beil/Malzahn) I. Die erbrechtlichen Übergangsregelungen des Einigungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Erbfall vor dem Wirksamwerden des Beitritts . . . . . . . . . . . . . . 2. Letztwillige Verfügungen aus der Zeit vor dem Beitritt . . . . . . . . . 3. Die Bindungswirkung bei gemeinschaftlichem Testament . . . . . . 4. Der Erbfall nach dem Wirksamwerden des Beitritts . . . . . . . . . . . . .
XXXVI
2184 2184 2185 2193 2196 2198
Inhaltsübersicht Seite
II. 1. 2. 3.
Deutsch-deutsche Erbrechtsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Interlokales und intertemporäres Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2202 2202 2203 2205
III. Privates Erbrecht und öffentliches Restitutionsrecht . . . . . . . . . . . Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erbrechtlich relevante Regelungen nach dem VermG . . . . . . . . . . . 2. Kettenerbausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtteilsausgleichung nach Restitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2209 2209 2211 2216 2219
IV. Erbrecht und Bodenreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bodenreformgrundstücke als Eigentum sui generis . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzgeberischer Irrtum und Korrektur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die rechtliche Stellung der Erben von Bodenreformgrundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verjährung der Ansprüche aus Art. 233 §§ 11 und 16 EGBGB . . . 5. Art. 233 §§ 11 Abs. 3, 12 Absätze 2 und 3 EGBGB und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit für die Beratungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Rechtsstellung der durch die Bodenreform enteigneten Grundstückseigentümer (Alteigentümer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2222 2222 2226 2231
V. Das nichteheliche Kind in der fortbestehenden erbrechtlichen Gleichstellung des DDR-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Stellung des nichtehelichen Kindes nach FGB und ZGB . . . . 2. Die Fortgeltung der erbrechtlichen Gleichstellung nach dem Beitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit für die Beratungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2232 2234 2234 2236 2237 2237 2237 2238 2238 2241
F. Der Erbfall mit Auslandsberührung (Kindler) I. 1. 2. 3. 4. 5.
Besonderheiten des Erbfalls mit Auslandsberührung . . . . . . . . . . . . Typische Sachverhalte und Beratungssituationen . . . . . . . . . . . . . . . Funktion und Begriff des internationalen Privatrechts . . . . . . . . . . Quellen des IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundbegriffe des IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendung ausländischen Rechts in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . .
2250 2250 2253 2255 2261 2265
II. Bestimmung des Erbstatuts durch Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . .
2267
III. Bestimmung des Erbstatuts bei Fehlen einer Rechtswahl . . . . . . . 1. Staatsangehörigkeitsprinzip, Art. 25 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . 2. Vorrang des Einzelstatuts, Art. 3a Abs. 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . .
2269 2269 2270 XXXVII
Inhaltsübersicht Seite
3. Rück- und Weiterverweisung, Art. 4 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsspaltung, Art. 4 Abs. 3 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2272 2274
IV. Bestimmung und Anpassung des Erbstatuts bei Angehörigen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anpassung der Regelung des Erbstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kappungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2274 2274 2274 2275
V. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Anwendungsbereich des Erbstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mindestbeteiligung am Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Materielle Gültigkeit und Wirkung der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vererbung von Gesellschaftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . . Ausgleich nach Ehegüterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachlassspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung zum Sachstatut (Vindikationslegat) . . . . . . . . . . . . . . . .
VI. 1. 2. 3.
2275 2275 2276 2277 2278 2285 2285 2291 2297
Das auf Formfragen anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anknüpfung des Formstatuts von Testamenten . . . . . . . . . . . . . . . . Anknüpfung des Formstatuts bei sonstigen Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Materielle Gültigkeitserfordernisse und Statutenwechsel . . . . . . . 5. Überblick über ausländische Testamentsformen . . . . . . . . . . . . . . . .
2299 2299 2301
VII. Internationales Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Streitige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2307 2307 2311
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2317
XXXVIII
2303 2305 2306
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.F. aaO Abs AcP AE AEAO AfA AG AGBG AgrarR AGS AK-BGB AktG AktO ALB ALR Alt. and. AnfG Anh Anm AO ARB 94 Art ArztR AStG Aufl AVB
BA BadWüLFGG BayAGGVG BayObLG BayObLGReport
anderer Ansicht alte Fassung am angegebenen Ort Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Anwendungserlass Anwendungserlass zur Abgabenordnung Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Zeitschrift für das Recht der Landwirtschaft, der Agrarmärkte und des ländlichen Raumes Anwaltsgebühren spezial (Zeitschrift) Alternativkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Aktiengesetz Aktenordnung Allgemeine Lebensversicherungs-Bedingungen Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 Alternative anders Anfechtungsgesetz Anhang Anmerkung Abgabenordnung Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung 1994 Artikel Arztrecht (Zeitschrift) Außensteuergesetz Auflage Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten Betriebsausgaben Baden-Württembergisches Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes Bayerisches Oberstes Landesgericht Schnelldienst zur Zivilrechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts XXXIX
Abkürzungsverzeichnis
BayObLGZ
BWLFGG BWNotZ
Sammlung der Entscheidungen in Zivilsachen des Bayerischen Obersten Landesgerichts Betriebs-Berater (Zeitschrift) BeraterBrief Erben und Vermögen (Zeitschrift) Bewertungserlass Betriebsvermögen Bewertungserlass Grundvermögen Bewertungserlass Land- und Forstwirtschaft Bundeserziehungsgeldgesetz Beurkundungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Schnelldienst zur Zivilrechtsprechung des Bundesgerichtshofs Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesministerium der Justiz Bundesministerium der Finanzen Bundesnotarordnung Bundesrat Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Bundessozialhilfegesetz Bundessteuerblatt Bundestag Bundestags-Drucksache Betreuungsgesetz Betreuungsrechtliche Praxis (Zeitschrift) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Band, Seite) s. BadWüLFGG Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg
DÄ DB DBA DGA Die Justiz DJ DNotZ
Deutsches Ärzteblatt (Zeitschrift) Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Deutsche Gesellschaft für Agrarrecht Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg Deutsche Justiz (Zeitschrift) Deutsche Notar-Zeitschrift
BB BBEV BE BV BE GrV BE LuF BErzGG BeurkG BewG BFH BFH/NV BGB BGBl BGH BGHReport BGHSt BGHZ BJM BMF BNotO BR BRAGO BRAO BR-Drs BSHG BStBl BT BT-Drs BtG BtPrax BVerfG BVerfGE
XL
Abkürzungsverzeichnis
DRiZ DStR DStRE DStZ DtZ EFG EGBGB EGMR Einf EinigsV ErbbauRG ErbBStg ErbGleichG ErbR Erbrecht effektiv ErbStB ErbStDV ErbStDVO ErbStG ErbStH ErbStR ERMK EStG EuGH EuGRZ EV EWiR EWR FahrlG FamFG FamGKG FamRB FamRBint FamRZ FE FF ff. FG fG
Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift Entscheidungen der Finanzgerichte (Zeitschrift) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführung Einigungsvertrag vom 31.8.1990 (BGBl 90 II 889) Gesetz über das Erbbaurecht Erbfolgebesteuerung (Zeitschrift) Erbrechtsgleichstellungsgesetz Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis, auch Erbrecht Zeitschrift Der Erbschaft-Steuer-Berater (Zeitschrift) Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung s. ErbStDV Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Erbschaftsteuer-Hinweis Erbschaftsteuer-Richtlinien Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte Einkommensteuergesetz Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechte-Zeitschrift Einigungsvertrag Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Europäischer Wirtschaftsraum Fahrlehrergesetz Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen Der Familien-Rechts-Berater (Zeitschrift) Der Familien-Rechts-Berater international (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Feststellungserlass Forum Familienrecht (Zeitschrift) folgende Finanzgericht freiwilllige Gerichtsbarkeit
XLI
Abkürzungsverzeichnis
FGG FGPrax Fn FPR FR FS GBl GBO GbR GewO GewStG GG GKG GmbH GmbHG GmbHR GrdstVG GrS GrStG GüKG GVBl GVG h.M. HandwO HeimG HGB HöfeO HRR HRV Hs. HTÜ i.d.R. i.V.m. INF InsO IntGesR IPR IPRax IStR XLII
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (Zeitschrift) Fußnote Familie, Partnerschaft, Recht (Zeitschrift) Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Festschrift Gesetzblatt Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Grundstückverkehrsgesetz Großer Senat Grundsteuergesetz Güterkraftverkehrsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz herrschende Meinung Handwerksordnung Heimgesetz Handelsgesetzbuch Höfeordnung Höchstrichterliche Rechtsprechung (Zeitschrift bis 1942) Handelsregisterverordnung Halbsatz Haager Testamentsformübereinkommen in der Regel in Verbindung mit Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Insolvenzordnung Internationales Gesellschaftsrecht Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrecht (Zeitschrift) Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
JA JFG
JhJ Jura JurBüro JuS JW JZ KapCoRiLiG KFR KG KGJ KGReport KindRG KJHG KO KonsG KÖSDI KostO KostRMoG KStG KStZ KWG LBG LFGG LG LM
Juristische Ausbildungsblätter (Zeitschrift) Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Das juristische Büro (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift, bis 1944) Juristenzeitung Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinien-Gesetz Kommentierte Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Kommanditgesellschaft; auch: Kammergericht Berlin Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts Schnelldienst zur Zivilrechtsprechung des Kammergerichts Kindschaftsrechtsreformgesetz Kinder- und Jugendhilfegesetz Konkursordnung Konsulargesetz Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Kostenordnung Kostenrechtsmodernisierungsrecht Körperschaftsteuergesetz Kommunale Steuer-Zeitschrift Kreditwesengesetz
LWVG
Landesbeamtengesetz Landesgesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Landgericht Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz Lebenspartnerschaftsgesetz Leitsatz Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen Landeswohlfahrtsverbändegesetz
m.w.N. MDR MedR MittBayNot MittRhNotK
mit weiteren Nachweisen Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Medizinrecht (Zeitschrift) Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer
LPartErgG LPartG LS LwVfG
XLIII
Abkürzungsverzeichnis
MoMiG MüKo
n.F. NEhelG NJ NJOZ NJW NJWE-FER NJW-RR notar nrkr NWB NZG OFD OGH OGHZ oHG ÖJZ OLG OLGE
OLGReport OLGZ OVG PalArch PartGG PBefG PreisKLG PublG
RabelsZ RAG RBerG RDG XLIV
Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch neue Fassung Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder Neue Justiz (Zeitschrift) Neue Juristische Online Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift NJW-Entscheidungsdienst Familien- und Erbrecht NJW Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Mitteilungsblatt des Deutschen Notarvereins nicht rechtskräftig Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberfinanzdirektion Oberster Gerichtshof Österreich Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Zivilsachen offene Handelsgesellschaft Österreichische Juristen-Zeitung Oberlandesgericht Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts, Band 1–46, erschienen 1900–1928 (zitiert nach Band, Seite) Schnelldienst zur Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen 1965–1994 (zitiert nach Jahrgang, Seite) Oberverwaltungsgericht Palandt Archiv (www.palandt.beck.de) Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Personenbeförderungsgesetz Gesetz über das Verbot der Verwendung von Preisklauseln bei der Bestimmung von Geldschulden Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Rabel Reichsarbeitsgericht Rechtsberatungsgesetz Rechtsdienstleistungsgesetz
Abkürzungsverzeichnis
RdL RG RG WarnR RGBl RGRK
RGZ RIW rkr RNotZ Rpfleger RpflG RVG Rz. SachenRBerG SchfG SchiedsVfG SGB SGB XII
Recht der Landwirtschaft (Zeitschrift) Reichsgericht Die Rechtsprechung des Reichsgerichts (Jahr und Nummer der Entscheidung) Reichsgesetzbaltt Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes mit Nebengesetzten, Kommentar Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft rechtskräftig Rheinische Notar-Zeitschrift (ehemals MittRhNotK) Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rechtspflegergesetz Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Randziffer
StuW StVergAbG StWi
Sachenrechtsbereinigungsgesetz Schornsteinfegergesetz Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz Sozialgesetzbuch Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) – Sozialhilfe ständige Rechtsprechung Das Standesamt (früher: Zeitschrift für Standesamtswesen) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberatergebührenverordnung Steuerentlastungsgesetz Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 Steuer-Euroglättungsgesetz Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Gesetz zur Ergänzung des Steuersenkungsgesetzes Gesetz zur Reform der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuervergünstigungsabbaugesetz Steirische Wirtschaft (Zeitschrift)
TPG Tz.
Transplantationsgesetz Textziffer
Ubg UmwG UmwStG
Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz
st. Rspr. StAZ Stbg StBGebV StEntlG 99 StEntlG 99 ff. StEuglG StGB StPO StSenkErgG StSenkG
XLV
Abkürzungsverzeichnis
UntStFG UVR
Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Zeitschrift)
VAStrRefG VBVG VersAusglG VersR VIZ VRegV VVG VZ
Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz Versorgungsausgleichsgesetz Versicherungsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht Vorsorgeregister-Verordnung Gesetz über den Versicherungsvertrag Veranlagungszeitraum
WEG WertV WK WM
Wohnungseigentumsgesetz Wertermittlungsverordnung Werbungskosten Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz
WPg WpHG ZAkDR ZAP ZBlFG ZErb ZEuP ZEV ZfbF ZFE ZfRV ZfSH/SGB ZGB ZGR ZHR ZIP ZNotP ZPO ZVG ZVglRW
XLVI
Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für die Anwaltspraxis Zentralblatt für die Freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Familien- und Erbrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch Sozialrecht in Deutschland und Europa Zivilgesetzbuch der DDR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für die NotarPraxis Zivilprozessordnung Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
Allgemeines Literaturverzeichnis (Weitere Literaturhinweise finden sich jeweils am Anfang der einzelnen Kapitel) Alternativkommentar zum BGB, Bd. 6, 1990 Bamberger/Roth (Hrsg.), Kommentar zum BGB, Bd. 3, Familien- und Erbrecht, 2. Auflage 2007 Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Auflage 2007 Beck’sches Notar-Handbuch, 5. Auflage 2009 Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 2009 Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 3. Auflage 2001 Bonefeld, Haftungsfallen im Erbrecht, 2005 Bonefeld/Daragan/Wachter, Der Fachanwalt für Erbrecht, 2006 Bonefeld/Kroiß/Tanck (Hrsg.), Erbprozess, 2. Auflage 2005 Brox/Walker, Erbrecht, 23. Auflage 2009 Bumiller/Harders, FamFG/Freiwillige Gerichtsbarkeit, 9. Auflage 2009 Crezelius, Unternehmenserbrecht, 2. Auflage 2009 Damrau, Praxiskommentar Erbrecht, 2004 Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 5. Auflage 2006 Ebeling/Geck, Handbuch der Erbengemeinschaft, Steuerrecht – Zivilrecht (Loseblatt) Ebenroth, Erbrecht, 1992 Erman/Bearbeiter, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Auflage 2008 Esch/Baumann/Schulze zur Wiesche, Handbuch der Vermögensnachfolge, 7. Auflage 2009 Faßbender/Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo, Höfeordnung, 3. Auflage 1994 Ferid/Firsching/Lichtenberger, Internationales Erbrecht (Loseblatt) Firsching/Graf, Nachlassrecht, 9. Auflage 2007 Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Auflage 2008 Frieser, Fachanwaltskommentar Erbrecht, 2. Auflage 2008 Frieser, Kompaktkommentar Erbrecht, 2007 Frieser/Sarres/Stückemann/Tschichoflos (Hrsg.), Handbuch des Fachanwalts Erbrecht, 3. Auflage 2009 Fritz/Bünger, Praxishandbuch Erbrecht (Loseblatt) Frohnmayer, Geschiedenentestament, 2004 Gebel, Betriebsvermögensnachfolge, 2. Auflage 2002 Götzenberger, Optimale Vermögensübertragung: Erbschaft- und Schenkungsteuer, 2. Auflage 2009 Graf, Erb- und Nachlassrecht, 2006 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 4. Auflage 2006 Gursky, Erbrecht, 5. Auflage 2007
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A. Grundüberlegungen zur Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung Schrifttum: Böhme, Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung, 12. Aufl. 2007; Bonefeld, Gebührenabrechnung familien- und erbrechtlicher Mandate nach dem RVG und GKG, 2004; Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung, 4. Aufl. 2005; Feuerich/Braun, Bundesrechtsanwaltsordnung, 7. Aufl. 2008; Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 18. Aufl. 2008; Harbauer, Rechtsschutzversicherung – ARB-Kommentar, 7. Aufl. 2004; Hartung/Römermann, Marketing- und ManagementHandbuch für Rechtsanwälte, 1999; Hartung/Römermann, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl. 2008; Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 3. Aufl. 2009; Hinne u.a., Vereinbarungen mit Mandanten, 2. Aufl. 2008; Kerscher/Krug, Das erbrechtliche Mandat, 4. Aufl. 2007; Kleine-Cosack, Bundesrechtsanwaltsordnung, 5. Aufl. 2008; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 27. Aufl. 2004; Römermann/Hartung, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2008; Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl. 2003; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. 2006. Rz. I. Der Mandant im Mittelpunkt eines ganzheitlichen Beratungsansatzes zur persönlichen und familiären Vorsorge 1. Erwartungen des Mandanten und Anforderungen an den Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachlassplanung als erbrechtsübergreifende Aufgabe . . . . . . . . II. Der Berater in eigener Sache 1. Aufgabenprofil und Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Honorargestaltung . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliches Honorar . . . . . . aa) Gegenstandswert . . . . . . . bb) Abgeltungsbereich der Gebühren . . . . . . . . . . . . . cc) Einzelne Gebührenfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsschutz . . . . . . . . . . ee) Vergütung in Steuersachen . . . . . . . . . . . . . . . . b) Honorarvereinbarung aa) Zulässigkeit . . . . . . . . . . . bb) Form der Honorarvereinbarung . . . . . . . . . . . . . cc) Inhalt der Honorarvereinbarung . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . b) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . .
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c) Typische Haftungsrisiken . . d) Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung aa) Übersicht . . . . . . . . . . . . . bb) Haftungsbeschränkung durch Eingrenzung der Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . cc) Haftungsbeschränkung durch Einzelvereinbarung. . . . . . . . . . . . . . . . dd) Haftungsbeschränkung durch allgemeine Vertragsbedingungen . . . . . . ee) Persönliche Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . e) Haftpflichtversicherung und Verhalten im Haftungsfall . . 4. Interessenkollision a) Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . b) Fallgruppen. . . . . . . . . . . . . . . 5. Marketing a) Zielsetzung. . . . . . . . . . . . . . . b) Instrumente . . . . . . . . . . . . . . III. Methodik der Nachlassplanung 1. Gestaltungs-, Risiko- und Abwicklungsplanung . . . . . . . . . 2. Fünf Arbeitsschritte . . . . . . . . . . a) Erfassung des Ist-Zustandes aa) Checkliste zur Erfassung der persönlichen Situation . . . . . . . . . . . . .
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bb) Checkliste zu rechtlichen Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . cc) Checkliste zur Analyse der Vermögensstruktur . . b) Definition des Soll-Zustandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Analyse der juristischen Ausgangssituation . . . . . . . . .
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Rz. d) Ermittlung von Gestaltungsvarianten . . . . . . . . . . . . 114 e) Auswahl und Umsetzung der geeigneten Lösungsvariante . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 3. Praktische Einschränkungen des idealtypischen Arbeitsganges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
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I. Der Mandant im Mittelpunkt eines ganzheitlichen Beratungsansatzes zur persönlichen und familiären Vorsorge 1. Erwartungen des Mandanten und Anforderungen an den Berater 1 Beurteilen Sie Ihren Arzt danach, ob er Ihr Röntgenbild besonders gut auswerten kann? Oder danach, dass er sich Zeit für Sie nimmt, Ihrer Schilderung der Beschwerden zuhört und Ihnen die Symptomatik sowie seinen Behandlungsansatz ausführlich erklärt? Rechtliche Kompetenz ist die Basis dessen, was der Mandant erwartet, jedoch in der Regel nicht überprüfen kann. „Weiche Faktoren“, beginnend mit der Freundlichkeit des Sekretariats über die Fähigkeit des Zuhörens bis hin zur Honorartransparenz, sind daher meist die Entscheidungskriterien, nach denen sich die Zufriedenheit des Mandanten richtet. Dieser sucht den Berater mit einem mehr oder minder konkreten Problem auf, zu dem er eine konkrete Problemlösung erwartet. Dabei interessiert ihn, von vielen Beratern zu Unrecht in den Vordergrund gestellt, nicht in erster Linie der häufig komplizierte Weg zur Lösung seines Problems, sondern die Problemlösung selbst. So sehr es geboten ist, den Mandanten über die entscheidenden Weichenstellungen und über damit verbundene Risiken aufzuklären, so sollte am Ende jeder Beratung doch eine konkrete Handlungsempfehlung stehen, wobei es für den Mandanten wiederum in der Regel unerheblich ist, ob dabei rechtliche, steuerliche oder wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund stehen. 2 Häufig von entscheidender Bedeutung ist das familienpsychologische Einfühlungsvermögen des Beraters. Oft lässt sich nur durch sorgfältiges und einfühlendes Zuhören feststellen, dass unterschwellig Konflikte zwischen Ehegatten bestehen, die ein Testament errichten wollen, beispielsweise zu der Frage, wie stark der überlebende Ehegatte durch ein gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag gebunden werden soll. Auch wird das Beratungsgespräch mit einem 50-jährigen Zahnarzt anders ablaufen müssen als mit einer 80-jährigen Witwe, die Zeit ihres Lebens gewohnt war, dass alle Dinge von rechtlicher oder wirtschaftlicher Relevanz durch ihren Mann erledigt wurden. Doch auch wenn jede Beratungssituation verschieden ist und ein individuelles Eingehen auf den Mandanten erfordert, ein gemeinsamer Nenner bleibt: Der Mandant sucht den Rechtsberater auf, weil er spürt, dass er vor einer Problemlage steht, die komplex ist und von ihm allein nicht zu bewältigen ist. Er 2 Steiner
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erwartet daher zu Recht von seinem Berater, dass dieser zunächst Ordnung in seine oft diffusen Überlegungen bringt und ihm konkret bei der Umsetzung seiner Interessen hilft. Das Stichwort Ordnung sollte sich daher wie ein roter Faden durch das Mandatsverhältnis ziehen. Dies beginnt bereits mit dem ersten Kontakt, der meist durch eine telefonische Terminvereinbarung zustande kommt. Dieses erste Telefonat sollte der Anwalt nicht seinem Sekretariat überlassen, da es eine wichtige Filterfunktion hat. Zwei Nebenaspekte sind zu nennen: Zum einen kann der Anwalt wichtige Zeit sparen, indem er bei dem Telefonat entscheidet, ob er überhaupt gewillt ist, das Mandat anzunehmen oder ob er beispielsweise wegen einer Interessenkollision sogar verhindert ist. Zum anderen kann in dem Telefonat geklärt werden, ob Fristen laufen und deshalb eiliger Handlungsbedarf besteht. Dies betrifft beispielsweise die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft oder zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs. Versäumten es der Anwalt oder sein Sekretariat bei der Terminvereinbarung, den Lauf solcher Fristen zu klären, so kann dies zur Haftung aus culpa in contrahendo führen (s. Rz. 58 ff.).
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Der Hauptaspekt, warum der Anwalt seine Termine selbst vereinbaren sollte, ist jedoch folgender: Nur auf diesem Wege kann sichergestellt werden, dass das erste Gespräch für beide Seiten zufriedenstellend verläuft. Der Anwalt kann mit seinem Mandanten klären, welche Unterlagen und Informationen benötigt werden, zugleich kann er sich auf die anstehende Rechtsproblematik vorbereiten. Meist kann auch eingeschätzt werden, welcher Zeitraum für das Gespräch zur Verfügung stehen muss. Häufig wird es sich dabei anbieten, den Mandanten zu bitten, seine Unterlagen vorab zu übersenden, damit der Anwalt sie in Ruhe studieren kann.
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Ein derart vorbereiteter Besprechungstermin läuft bereits deshalb wenig Gefahr „zu zerfasern“, weil bei der telefonischen Vorbereitung bereits das Gesprächsziel festgelegt werden kann. Dies erleichtert es dem Mandanten, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Verstärkt wird dieser Effekt, indem der Anwalt sich bereits zu Beginn mit seinem Mandanten über die Struktur des Gesprächs einigt:
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Beratungssituation: Ein älteres, sehr vermögendes Ehepaar, das kinderlos ist, sucht den Anwalt auf, um eine rechtlich und steuerlich möglichst günstige Struktur für seine Vermögensnachfolge zu finden.
Der Anwalt könnte das Gespräch beispielsweise wie folgt einleiten:
Formulierungsvorschlag Ich schlage vor, dass wir unser heutiges Beratungsgespräch in drei Abschnitte gliedern: Zunächst möchte ich, damit ich Sie optimal beraten kann, mit Ihnen über Ihre persönliche Situation und über Ihre Vermögensstruktur sprechen. Da-
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nach bitte ich Sie, mir im zweiten Schritt zu schildern, welches Ihre vorrangigen Wünsche und Ziele sind. Auf dieser Grundlage kann ich Ihnen dann, drittens, Lösungen empfehlen, mit denen Sie Ihre Ziele und Wünsche verwirklichen können.
6 Eine so vorgegebene Struktur ermöglicht es dem Mandanten, sich mitzuteilen, und zugleich dem Anwalt, seiner Pflicht zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung nachzukommen, ohne dass das Gespräch ausufert. Gerade eine klare Gliederung des Gesprächs verhindert, dass sich der Mandant „abgeblockt“ fühlt. Beginnt er beispielsweise bei der Schilderung seiner familiären Situation ausführlich darüber zu sprechen, welche Geschenke seine Kinder bereits erhalten haben, wie undankbar sie sich gezeigt haben und was er trotzdem noch zu übertragen gedenkt, so kann der anwaltliche Berater eingreifen und darauf verweisen, dass bei der Besprechung der familiären Situation die Vermögensverhältnisse zunächst noch zurückgestellt werden. Das darin liegende Versprechen, den entsprechenden Punkt später aufzugreifen, sollte aber, dies ist ein ganz wichtiger Aspekt der Gesprächsführung, unbedingt eingelöst werden. 7 Besonders bedeutsam ist das Ende des Gesprächs. Mandantenbefragungen zeigen, dass diese oft den Eindruck haben, Steine statt Brot erhalten zu haben. Sie fühlen sich durch eine Fülle rechtlicher Informationen, die sie nicht einordnen und verarbeiten können, überfordert. (Zum psychologischen Einfühlungsvermögen des Beraters gehört in diesem Zusammenhang auch, dass er – fern jeder Überheblichkeit – Auffassungsgabe und Intelligenz des Mandanten realistisch einschätzt.) Zur Orientierung für den Mandanten, aber auch für den Anwalt selbst ist es unerlässlich, dass das Gespräch, wenn es nicht bei einer Erstberatung bleiben soll, mit einer konkreten Verabredung über das weitere Vorgehen endet. Dies kann beispielsweise in prozessualen Angelegenheiten die Fertigung eines Schriftsatzentwurfs oder in Beratungsangelegenheiten die Anfertigung eines Testamentsentwurfs sein. Wichtig zur Orientierung des Mandanten ist dabei, dass ihm konkret dargelegt wird, welche weiteren Schritte folgen und mit welchem Zeitrahmen er zu rechnen hat. Termintreue ist dabei ein Kriterium, das für den Mandanten ebenso wichtig wie für den Anwalt oft schwer einzuhalten ist, gleichwohl aber sollte es selbstverständlich sein, dass ins Auge gefasste Termine keinesfalls kommentarlos verstreichen, sondern der Mandant notfalls unaufgefordert eine Zwischennachricht erhält. 8 In komplexen Beratungsangelegenheiten bietet sich nicht selten ein Zwischenschritt in Form eines Mandantenschreibens an. In diesem Schreiben werden der Sachverhalt, der Beratungsauftrag und das weitere Vorgehen festgehalten. Dies hat den Vorteil, dass auf beiden Seiten Missverständnissen vorgebeugt wird, dass der Mandant die Möglichkeit hat, seine Angaben zum Sachverhalt in der Form zu überprüfen, wie der Anwalt sie verstanden hat; schließlich ist die schriftliche Niederlegung der Gedanken für den Anwalt auch ein wichtiges Mittel der Selbst- und damit Qualitätskontrolle.
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Idealtypische Mustergliederung für ein Mandantenschreiben: A. Ausgangssituation I. Familiäre Situation II. Rechtliche Rahmenbedingungen – bisherige Verfügungen von Todes wegen – Erb- und Pflichtteilsverzichte – Vereinbarungen zum Güterstand – Verträge zugunsten Dritter (Lebensversicherungen, Bankverfügungen zugunsten Dritter) III. Vermögen und bisherige Schenkungen B. Wünsche des Mandanten und familiäre Besonderheiten – eigene Absicherung für Alter und Pflegebedürftigkeit – Absicherung des überlebenden Ehegatten – gerechte Weitergabe des Vermögens an die nächste Generation – Erhalt des Vermögens in der Familie – Hilfe beim Existenzaufbau der nächsten Generation – Sorge für behinderte Kinder – Vermeidung von Liquiditätsabflüssen durch Pflichtteilsansprüche – Berücksichtigung von Problemen mit Schwiegerkindern – steuergünstige Gestaltung C. Schlagwortartige Analyse der Probleme der derzeitigen Rechts- und Steuersituation D. Wiedergabe des Beratungsauftrags und von Lösungsansätzen E. Vorschläge zum weiteren Vorgehen und zur Honorargestaltung
2. Nachlassplanung als erbrechtsübergreifende Aufgabe Ausgehend von den USA, wo sich das „Estate Planning“ bereits in den fünfziger Jahren als eigenständiges Rechtsgebiet durchgesetzt hat, ist mittlerweile auch in Deutschland der Begriff „Nachlassplanung“ etabliert. Sie lässt sich definieren als ein Maßnahmenbündel, mit dem das Vermögen einer bestimmten Person nach deren Wünschen unter familiären, wirtschaftlichen und steuerlichen Gesichtspunkten optimal auf die nächste oder auch auf weitere Generationen übergeleitet wird. Rechtlich sind dabei alle Gebiete einzubeziehen, die für die Vermögensüberleitung von Bedeutung sind, neben dem Erbrecht insbesondere das Familien- und Steuerrecht, zudem beispielsweise das Gesellschaftsrecht, das Schuldrecht und das Versicherungsrecht.
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Systematisch ist die Nachlassplanung dabei ein Teil der privaten Finanzplanung. Auch dies ist ein strategischer Planungsvorgang, der sich zunächst in
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den USA unter dem Begriff „Financial Planning“ etabliert hat1. Hierunter wird der strategische Planungsvorgang verstanden, mit dem das Vermögen einer bestimmten Person oder Familie unter Ertragsgesichtspunkten und in Abstimmung mit den individuellen Bedürfnissen der Beteiligten optimal strukturiert werden soll. Noch weitergehend – und dies wird den Erwartungen des Mandanten am meisten gerecht – kann Nachlassplanung auch als Teil eines Konzepts der persönlichen und finanziellen Vorsorge, also als Vorsorgeplanung verstanden werden. 11
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Beratungssituation: Die Mandantin, eine vermögende Witwe, berichtet, dass sie sich mit ihren beiden Töchtern nicht versteht, der Kontakt sei unwiederbringlich abgerissen. Auf die Möglichkeit angesprochen, dass sie in den vom Pflichtteilsrecht gezogenen Grenzen abweichend von der gesetzlichen Erbfolge testieren könne, erklärt sie, was mit ihrem Vermögen nach ihrem Tod geschehe, sei ihr egal, dies gelte auch unter steuerlichen Gesichtspunkten.
Damit ist die Beratungsaufgabe in Bezug auf die finanziellen Aspekte der Vorsorgeplanung erfüllt. In persönlicher Hinsicht ist die Mandantin aber darauf hinzuweisen, dass im Fall ihrer Betreuungsbedürftigkeit das Familiengericht eventuell von den Konflikten mit den Töchtern nichts erfährt und daher eine oder beide Töchter zu Betreuern bestellt werden, mit der Folge, dass diese über ihr persönliches Schicksal, beispielsweise auch über die Unterbringung in einem Pflegeheim, entscheiden können. Die Mandantin, die fürchtet, dass die Töchter derartige Entscheidungen vorrangig unter pekuniären Gesichtspunkten treffen werden, wird dankbar die Anregung aufgreifen, eine Betreuungsverfügung zu errichten. Dieses Beispiel zeigt, dass finanzielle oder steuerliche Aspekte nicht immer im Vordergrund der Nachlassplanung stehen müssen, ja manchmal sogar ganz zurücktreten. 12
Gestaltungsmittel der Nachlassplanung: – klassische erbrechtliche Gestaltungsmittel, insbesondere Testament und Erbvertrag, Erb- und Pflichtteilsverzicht – Vollmachten, insbesondere Altersvorsorgevollmacht und postmortale Vollmacht – Betreuungsverfügung – Nachfolgeregelungen in Gesellschaftsverträgen – familienrechtliche Gestaltungen, insbesondere Adoption und Eheverträge – Lebens- und Rentenversicherungen – Verträge zugunsten Dritter, insbesondere mit Banken – Schenkungs- und Übergabeverträge (vorweggenommene Erbfolge) 1 Böckhoff, Der Finanzplaner: Handbuch der privaten Finanzplanung und individuellen Finanzberatung, 1999, S. 5.
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– bei Auslandsberührung: Beeinflussung des anwendbaren Rechts, beispielsweise durch Wahl des Erb- oder Ehegüterrechtsstatuts nach Artikel 15 und 25 EGBGB – Veränderungen der Vermögensstruktur Der letztgenannte Gesichtspunkt, Strukturierung des Vermögens des künftigen Erblassers, wird meist vorrangig unter ertrag- und erbschaftsteuerrechtlichen Gesichtspunkten zu sehen sein, beispielsweise bei der Umschichtung von Privat- in Betriebsvermögen, um die hiermit aus der Sicht der Vermögensnachfolge verbundenen Vorteile zu erlangen. Nicht vergessen werden darf dabei aber, dass der Aufbau einer sinnvollen Vermögensstruktur auch aus zivilrechtlichem Blickwinkel von essenzieller Bedeutung für das Gelingen der Nachfolgeplanung sein kann.
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Beratungssituation: Ein Unternehmer hat im Laufe seines höchst erfolgreichen Berufslebens ein Konglomerat von Gesellschaften im In- und Ausland aufgebaut. Für all dies ordnet er Testamentsvollstreckung an.
In derartigen Fällen stellt sich stets die Frage, ob die Testamentsvollstreckung wegen der bekannten rechtlichen Probleme im Bereich von Personengesellschaften aber auch wegen der Frage, ob sie im Ausland für Auslandsgrundbesitz und Auslandsbeteiligungen anerkannt wird, reibungslos durchgeführt werden kann. Hier bietet es sich im Beispielsfall an, die Unternehmensstruktur nachfolgegerecht zu gestalten, indem die Gesellschaften und der Grundbesitz unter das Dach einer Holding gestellt werden, die als Kapitalgesellschaft vom Testamentsvollstrecker ohne rechtliche Probleme verwaltet werden kann.
II. Der Berater in eigener Sache 1. Aufgabenprofil und Qualitätssicherung Der eben geschilderte Charakter der Nachlassplanung zeigt, dass fundierte Kenntnisse im Erbrecht bei weitem nicht ausreichen, der Nachlassplaner muss auch weitreichende Kenntnisse im Familienrecht, Gesellschaftsrecht, Versicherungsrecht und vor allem im Erbschaftsteuerrecht besitzen. Hinzu kommt zumindest ein Überblickswissen zum Ertragsteuerrecht sowie zum Recht der Grunderwerbsteuer und der Gewerbesteuer. Auch sollte Verständnis für wirtschaftliche und familienpsychologische Zusammenhänge vorhanden sein. Eher zu eng bemessen ist also der Katalog der besonderen Kenntnisse, den § 14f FAO für den Fachanwalt für Erbrecht aufstellt.
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Um ein optimales Ergebnis zu erreichen, ist, vor allem bei komplexeren Vermögensverhältnissen, die Zusammenarbeit mit anderen Beratungsberufen unerlässlich. Sie sollte vom Nachlassplaner aktiv gesucht und koordiniert werden. Dies betrifft in erster Linie den Steuerberater des Mandanten, der dessen steuerliche Verhältnisse am besten kennt. Hinzutreten, je nach Fallkonstella-
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tion, der Vermögensanlageberater des Mandanten, der Firmenkundenbetreuer seiner Hausbank, eventuell auch ein Versicherungsfachmann und ein Unternehmensberater, Letzterer vor allem im Bereich der Unternehmensnachfolge, wenn es darum geht, die Unternehmensstruktur auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu optimieren. Problempunkte: – Schweigepflicht – Honorarteilung 16 Bei der Zusammenarbeit mit anderen Beratungsberufen ist darauf zu achten, dass der Mandant möglichst bereits zu Anfang des Mandats die Entbindung von der Schweigepflicht ausspricht, damit der nötige Informationsaustausch stattfinden kann. Die Entbindung kann auch stillschweigend oder mündlich erfolgen, je nach Fallgestaltung und Beziehung zum Mandanten kann es sich aber empfehlen, dies schriftlich festzuhalten, beispielsweise im ersten Anschreiben wie folgt:
Formulierungsvorschlag Wir haben darüber gesprochen, dass Ihr Steuerberater und Ihr Vermögensanlageberater bei der XY-Bank in die Gestaltung einbezogen werden sollen. Diesen Personen gegenüber haben Sie mich von der anwaltlichen Schweigepflicht befreit.
17 Zur Honorargestaltung ist zu beachten, dass es nach § 27 der Berufsordnung verboten ist, Dritte am wirtschaftlichen Ergebnis anwaltlicher Tätigkeit zu beteiligen. Zieht der Rechtsanwalt daher einen externen Steuerberater hinzu, so ist es nicht statthaft, diesen intern am Honorar des Anwalts zu beteiligen. Am klarsten ist es, stattdessen zu veranlassen, dass direkt zwischen dem Steuerberater und dem Mandanten ein Mandatsverhältnis zustande kommt, das entsprechend abgerechnet wird. 18 Qualitätssicherung in der Anwaltspraxis ist in den letzten Jahren geradezu ein Modethema geworden. Auch wenn es hier in formeller Hinsicht zu mancher Übertreibung gekommen ist (nach dem Motto: „Wenn ein Gespräch mit einem Mandanten stattfindet, ist für das Vorhandensein einer geeigneten Räumlichkeit zu sorgen.“), ist das Kernanliegen dennoch berechtigt: Maßnahmen der Qualitätssicherung, die seit jeher intuitiv ergriffen wurden, transparent zu machen, um sie effizienter zu gestalten, indem sie zuverlässig in den Arbeitsalltag integriert werden. Hierzu gehört für den Anwalt die regelmäßige Fortbildung in den maßgeblichen Rechtsgebieten und in der täglichen Arbeit die Benutzung von Checklisten, beispielsweise zur Sachverhaltserfassung und zu etwaigen Fristproblemen. Hinzu kommt, vor allem im Bereich der Erbschaftsteuerplanung, die EDV-Unterstützung. 8 Steiner
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2. Honorargestaltung Das Honorarthema war früher tabu. Dies galt nicht nur im Verhältnis zum Anwalt, sondern auch zu anderen Branchen wie beispielsweise der Bank. („Was es kostet, das kostet es.“) Dies hat sich grundlegend gewandelt. Der Mandant von heute stellt (zu Recht) die Frage nach dem Preis, da er Kosten und Nutzen der anwaltlichen Beratung abwägen möchte. Dies stellt den Anwalt vor das Problem, dem Mandanten den Nutzen seiner anwaltlichen Dienstleistung anschaulich zu machen. Dies ist in doppelter Hinsicht ein Transparenzproblem: Die meisten Mandanten haben weder eine Vorstellung von der Kostenstruktur eines Anwaltsbüros noch von dem Zeitaufwand, den der Anwalt tatsächlich für die Mandatsbearbeitung benötigt. Zudem gerät leicht in Vergessenheit, dass nicht nur der konkrete Zeitaufwand des Anwalts zu vergüten ist, sondern auch sein Wissen, das er sich durch Aus- und Fortbildung sowie im Laufe seines Berufslebens erworben hat.
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Diese Schwierigkeiten sollten für den Anwalt Anlass sein, das Honorarthema offensiv anzugehen, indem er vorab ein bestimmtes Vergütungsmodell vorschlägt und dem Mandanten erläutert. Nichts hinterlässt mehr Unzufriedenheit als das Gefühl, bei der Endabrechnung durch den Anwalt eine böse Überraschung erfahren zu haben.
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Diese eben bejahte Frage, ob es sinnvoll ist, das Honorarthema anzusprechen, ist nicht mit der weiteren Frage zu verwechseln, in welchem Umfang der Anwalt zur Aufklärung in Honorarfragen verpflichtet ist. Hierzu gelten folgende Grundsätze:
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– Erkennt der Anwalt, dass der Mandant Anspruch auf Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe haben könnte, so muss er hierauf hinweisen (§ 16 BORA)1. – Wünscht der Mandant eine Tätigkeit, die dem Notar vorbehalten ist, so muss der Anwalt darauf hinweisen, dass er hierzu nur beraten und einen Entwurf fertigen kann, wobei für die Beurkundung durch den Notar gesonderte Kosten anfallen2; zugleich kann er selbstverständlich auch darauf hinweisen, dass er als Parteivertreter zur einseitigen Wahrung der Interessen seines Mandanten berechtigt und verpflichtet ist, während der Notar dem Neutralitätsgebot unterliegt. – Seit 1.7.2004 ist der Rechtsanwalt nach § 49b Abs. 5 BRAO verpflichtet, dem Mandanten vor Übernahme des Mandats einen Hinweis zu geben, wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten3. Eine Pflicht zur – empfehlenswerten – Dokumentation des Hinweises besteht nicht, dem Anwalt obliegt lediglich, darzulegen, in welcher Weise er belehrt hat4. 1 BGH v. 18.9.1997 – IX ZR 49/97, NJW 1998, 136. 2 Zugehör/Sieg, Rz. 754. 3 Ein Verstoß gegen die Hinweispflicht kann zu einem Schadensersatzanspruch des Mandanten führen, der den Honoraranspruch mindert oder gar aufhebt, BGH v. 24.5.2007 – IX ZR 89/06, NJW 2007, 2332. 4 BGH v. 11.10.2007 – IX ZR 105/06, NJW 2008, 371 = AnwBl 2008, 68.
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A Rz. 22
Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Darüber hinaus besteht keine allgemeine Aufklärungspflicht zur ungefragten Information über die Höhe der nach dem RVG zu erwartenden Kosten1. Ausnahmen kommen in Betracht, wenn der Mandant erkennbar falsche Vorstellungen über die Höhe der Kosten hat oder die beabsichtigte Rechtsverfolgung offensichtlich unwirtschaftlich ist2. Ferner ist der Mandant in der Regel darüber aufzuklären, dass mit der Erstattung von Verkehrsanwaltsgebühren meist nicht gerechnet werden kann3. a) Gesetzliches Honorar 22 Die anwaltliche Vergütung bestimmt sich nach dem RVG. Ausnahmen: – zulässige Honorarvereinbarung – Testamentsvollstreckung – Nachlassverwaltung – Schiedsrichteramt aa) Gegenstandswert 23 Auch in erbrechtlichen Angelegenheiten bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem allgemeinen System des RVG, welches weitgehend unverändert aus der BRAGO übernommen wurde, so dass auf die bisherige Rechtsprechung weiterhin zurückgegriffen werden kann. Es gilt: (1) Richtet sich die anwaltliche Tätigkeit auf die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens oder auf ein mögliches gerichtliches Verfahren, so ist der Gegenstandswert gemäß § 23 Abs. 1 RVG nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften zu ermitteln (§ 48 GKG). Finden sich dort keine speziellen Regeln (in den §§ 39–69 GKG), so sind nach § 48 Abs. 1 GKG die §§ 3 bis 9 ZPO anwendbar. (2) In anderen Angelegenheiten, also insbesondere bei der Gestaltung von Testamenten und Verträgen, bestimmt sich der Gegenstandswert gemäß § 23 Abs. 3 RVG nach den Vorschriften der Kostenordnung (§ 18 Abs. 2, §§ 19 bis 23, § 24 Abs. 1, 2, 4, 5, 6, §§ 25, 39 Abs. 2 und 3, 46 Abs. 4 KostO). Findet sich auch dort keine passende Vorschrift, so ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu schätzen. ABC des Gegenstandswerts 24 – Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft: Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse des Klägers und somit sein Anteil am Nachlass4. Bezieht 1 BGH v. 2.7.1998 – IX ZR 63/97, NJW 1998, 3486; Zugehör/Sieg, Rz. 642. 2 BGH v. 18.9.1997 – IX ZR 49/97, NJW 1998, 136; BGH v. 2.7.1998 – IX ZR 63/97, NJW 1998, 3486. 3 OLG Köln v. 12.3.1997 – 17 U 85/96, VersR 1998, 1282 (Ls.). 4 BGH v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, NJW 1975, 1415; Anders/Gehle, Streitwertlexikon, 4. Aufl. 2002, Erbrechtliche Streitigkeiten, Rz. 2.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 32 A
sich der Verteilungsstreit nur auf einzelne Vermögensgegenstände, so ist der Streitwert nur aus dem Wert dieser Gegenstände zu ermitteln1. – Ausgleichung: Streitwert ist der Betrag, um den sich der Erbanteil des Klägers bei Durchführung der Ausgleichung erhöht2.
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– Auskunftsklage: Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem Interesse des Klägers an der Offenlegung der Tatsachen. Dieses wiederum bemisst die Rechtsprechung regelmäßig nach einem Bruchteil des voraussichtlichen Wertes des Hauptanspruchs (ein Fünftel bis ein Viertel hieraus)3.
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– Erbschein: Der Gegenstandswert für die Gebühren eines Anwalts, der einen Miterben im Erbscheinserteilungsverfahren vertritt, bemisst sich nach dem Erbteil, den der Antragsteller beansprucht, hierbei ist der Wert des Netto-Nachlasses zugrunde zu legen4.
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– Erbunwürdigkeitsklage: Maßgebend ist der Wert der Beteiligung des Beklagten am Netto-Nachlass5.
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– Erbvertrag: Der Gegenstandswert für den Entwurf eines Erbvertrags bemisst sich in der Regel nach dem Nettowert des Vermögens, über das verfügt wird6. Ausnahmen ergeben sich, wenn nur über einen Teil des Nachlasses verfügt wird oder wenn sich die Beratung des Anwalts auch auf die Verbindlichkeiten bezieht. Der Streitwert bei Feststellung der Unwirksamkeit des Rücktritts von einem Erbvertrag bemisst sich nach dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Vertrags7.
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– Feststellung der Erbberechtigung: Die Rechtsprechung nimmt bei positiven Feststellungsklagen meist einen Abschlag von 20 % vor8.
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– Grundstücksübertragung: Wenn ein Miterbe gegen die anderen Miterben auf Zustimmung zur Auflassung eines Nachlassgrundstückes an sich selbst klagt (aufgrund Teilungsanordnung oder Vorausvermächtnisses), richtet sich der Streitwert nach dem Wert des Grundstücks abzüglich des gesamthänderischen Anteils des Klägers, da er diesen Anteil auch bei einem Misserfolg der Klage behalten kann9.
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– Leistung an die Erbengemeinschaft: Klagen auf Leistung seitens eines Miterben an die Erbengemeinschaft werden mit dem Wert der Forderung be-
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BGH v. 17.3.1969 – III ZR 156/68, NJW 1969, 1350. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rz. 3878. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rz. 672, 3880. BGH v. 30.9.1968 – III ZB 11/67, NJW 1968, 2234. BGH v. 20.10.1969 – III ZR 208/67, NJW 1970, 197; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rz. 1771, 3897. Madert/von Seltmann, Der Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 5. Aufl. 2008, Rz. 576. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rz. 1773. Zöller/Herget, § 3 ZPO Rz. 3899 „Feststellungsklagen“. OLG Celle v. 22.11.1968 – 10 W 75/68, NJW 1969, 1355.
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A Rz. 32a
Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
messen, der sich nach Abzug der Erbquote des Beklagten von der geforderten Leistung ergibt1. Begehrt der Kläger umgekehrt Leistung seitens der Erbengemeinschaft an sich, so bemisst sich der Streitwert nach dem Wert der Forderung abzüglich der Erbquote des Klägers2. 32a – Nachlasspfleger: Der Geschäftswert für das Verfahren zu seiner Entlassung liegt bei einem Zehntel des Reinnachlasswertes3. 33 – Pflichtteilsanspruch: Anzusetzen ist bei der Stufenklage der höchste der verbundenen Ansprüche, dabei ist der Leistungsanspruch zunächst auf der Grundlage des Vorbringens des Anspruchstellers zu schätzen4. Ist der Anspruch nur der Höhe nach streitig, so bestimmt sich der Streitwert nach dem Differenzbetrag. 34 – Testament: Der Gegenstandswert für die Anfertigung eines Testamentsentwurfs oder für die Beratung zu einem Testament bestimmt sich nach dem Nettonachlass (§ 46 Abs. 4 KostO). Wird in dem Testament nur über einen Teil des Vermögens verfügt, beispielsweise weil nur ein Vermächtnis ausgesetzt wird, so ist Gegenstandswert der Wert dieses Teils5. 35 – Vermächtnis: Bei Klagen auf Vermächtniserfüllung bestimmt sich der Streitwert nach dem Verkehrswert des Vermächtnisgegenstands, bei wiederkehrenden Leistungen nach den Multiplikatoren in § 9 ZPO6. 36 – Vorerbschaft: Bei Streitigkeiten um die Rechte des Vorerben ist zu berücksichtigen, dass seine Stellung schwächer ist als die eines Vollerben, weshalb vom Gegenstandswert ein gewisser Abschlag zu machen ist7. bb) Abgeltungsbereich der Gebühren 37 Nach § 15 Abs. 1 RVG gelten die Pauschalgebühren des RVG die gesamte Tätigkeit des Anwalts in derselben Angelegenheit ab. Ein und dieselbe Angelegenheit liegt unter drei Voraussetzungen vor: – innerlich zusammenhängende Beratungs- oder Streitgegenstände, – einheitlicher Auftrag, – Bearbeitung in einem gemeinsamen zeitlichen und sachlichen Rahmen. 1 BGH v. 23.2.1972 – IV ZR 95/71, NJW 1972, 909; BGH v. 7.11.1966 – III ZR 48/66, NJW 1967, 443. 2 BGH v. 23.2.1972 – IV ZR 95/71, NJW 1972, 909. 3 OLG München v. 30.12.2008 – 31 Wx 151/08, ZErb 2009, 97. 4 Madert/von Seltmann, Der Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 5. Aufl. 2008, Rz. 370. 5 Madert/von Seltmann, Der Gegenstandswert in bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, 5. Aufl. 2008, Rz. 614. 6 Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rz. 6300. 7 BGH v. 10.5.1989 – IVa ZR 126/88, FamRZ 1989, 958 (im Fall: Abschlag von 25 %).
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 40 A
Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, so handelt es sich um verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten, die getrennt abzurechnen sind. Liegt hingegen nur eine Angelegenheit vor, so werden die verschiedenen Gegenstandswerte addiert (§ 22 Abs. 1 RVG). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Eltern kurz nacheinander versterben und ein Kind den Anwalt beauftragt, Pflichtteilsansprüche für jeden Nachlass durchzusetzen. Unsicherheiten treten in der Praxis häufig auf, wenn mehrere Auftraggeber beteiligt sind. Hier ist zu unterscheiden:
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– Liegen verschiedene Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne vor, so ist für jeden Auftraggeber getrennt abzurechnen. – Handelt es sich um dieselbe Angelegenheit, so ist weiter zu unterscheiden: – Bei Gegenstandsgleichheit erhöht sich die Geschäfts- oder Prozessgebühr nach § 7 Abs. 1 RVG, VV 1008. – Bei Gegenstandsverschiedenheit werden die Gegenstandswerte nach § 22 Abs. 1 RVG addiert.
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Beratungshinweis: Eine Kumulation dieser Gebührenerhöhungssysteme ist nicht zulässig!
Der gleiche Gegenstand liegt vor, wenn der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber wegen desselben Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig wird. Diese Gegenstandsgleichheit liegt in Erbsachen beispielsweise vor, wenn der Anwalt Gesamtgläubiger oder Gesamtschuldner vertritt.
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Gegenstandsverschiedenheit ist beispielsweise in folgenden Fällen gegeben:
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– Vertretung mehrerer Pflichtteilsberechtigter gegenüber den
Erben1,
– Vertretung mehrerer Vermächtnisnehmer bei Durchsetzung ihrer Vermächtnisansprüche2. Äußerst umstritten ist, ob bei Vertretung einer Erbengemeinschaft ein Fall der Gegenstandsverschiedenheit oder der Gegenstandsgleichheit vorliegt. Nach verbreiteter Ansicht liegt Gegenstandsgleichheit vor, wenn der Prozessauftrag bereits vom Erblasser erteilt wurde3, Gegenstandsverschiedenheit jedoch, wenn die Erbengemeinschaft selbst das Mandat erteilt hatte4. Diese Unterscheidung wird von der inzwischen herrschend gewordenen Ansicht zu Recht abgelehnt, da der Mehrvertretungszuschlag in VV 1008 aufgrund typisierender Betrachtung den Mehraufwand abgilt, der mit der Vertretung mehrerer Auftraggeber typischerweise verbunden ist und der sich auch beim Ein-
1 OLG Köln v. 24.11.1993 – 17 W 326/93, JurBüro 1994, 730; OLG München v. 25.1.1990 – 11 W 3362/89, MDR 1990, 560. 2 Gerold/Schmidt, VV 1008, Rz. 77. 3 OLG Koblenz v. 15.6.1992 – 14 W 307/92, MDR 1993, 284 m.w.N. 4 OLG Nürnberg v. 19.2.1993 – 8 W 494/93, MDR 1993, 699.
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A Rz. 41
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rücken einer Erbengemeinschaft in das Mandatsverhältnis meist ergibt1. Die Vertretung einer Erbengemeinschaft ist daher ein Fall der Gegenstandsgleichheit, der den Mehrvertretungszuschlag nach VV 1008 auslöst2. Ausgenommen ist lediglich der Fall, dass ein Unternehmen des Erblassers in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführt wird, eine nur scheinbare Ausnahme bildet die Vertretung des Miterben, der nach § 2039 BGB im eigenen Namen Leistung an alle fordert, denn hier ist eben nicht die Personenmehrheit (Erbengemeinschaft) Partei und Auftraggeber, sondern nur der klagende Miterbe3. cc) Einzelne Gebührenfragen 41 Bei außergerichtlicher Tätigkeit des Anwalts stellte sich bis 1.7.2004 die Frage nach der Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 20 BRAGO zu dem von § 118 BRAGO. Ging der Auftrag des Mandanten über eine bloße Raterteilung hinaus, so galt § 118 BRAGO. Keine Rolle spielte es hierbei, ob der Anwalt nach außen tätig wurde. Die Geschäftsgebühr war beispielsweise abzurechnen, wenn der Anwalt beauftragt wurde, eine Urkunde zu entwerfen. Sollte der Anwalt hingegen nur zu einer im Entwurf bereits vorliegenden Urkunde beraten, so war nach § 20 BRAGO abzurechnen. Mit In-Kraft-Treten des RVG stellt sich in ähnlicher Weise das Abgrenzungsproblem zwischen der Beratungsgebühr nach VV 2100 (0,1 bis 1,0) und der Geschäftsgebühr nach VV 2300 (0,5 bis 2,5). Die Vorbemerkung 2.3. zu VV 2300 billigt die Geschäftsgebühr zu „für das Betreiben des Geschäfts“ und „für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags“, während § 118 BRAGO vom Entwerfen von „Urkunden“ sprach. Auch nach den Gesetzesmaterialien gibt es jedoch keinen Grund zu der Annahme, dass der Gesetzgeber damit den Gebührenrahmen für die Gestaltung von Testamenten einschränken wollte, diese Tätigkeit des Anwalts ist daher nach wie vor (als „Betreiben des Geschäfts“) mit der Geschäftsgebühr zu vergüten4. 42 Einen Sonderfall bildet die sog. Erstberatung nach VV 2102, für die der Anwalt keine höhere Gebühr als 190 Euro berechnen darf (bisweilen wird übersehen, dass dies keine Pauschalgebühr ist, sondern eine Gebührendeckelung: Ergibt sich nach dem RVG ohnehin eine geringere Gebühr, so ist diese maßgebend). Durch Einführung der Erstberatungsgebühr (erstmals 1994 in der BRAGO) sollten Schwellenängste abgebaut werden, der Rechtsuchende soll die Möglichkeit haben, einen ersten anwaltlichen Rat zu erhalten, ohne mit einer unerwartet hohen Gebühr konfrontiert zu sein. Aufgrund dieses Normzwecks kann von einer Erstberatung nicht mehr gesprochen werden, wenn das erste Beratungsgespräch unterbrochen und in einem späteren Termin fortgesetzt werden muss, beispielsweise weil fehlende Unterlagen beigebracht werden 1 OLG Düsseldorf v. 2.7.1996 – 10 W 58/96, MDR 1996, 1300 m.w.N. (unter Aufgabe der früheren Senatsrechtsprechung); OLG Hamm v. 28.6.1993 – 23 W 243/93, JurBüro 1994, 730. 2 LG München I v. 5.2.2009 – 16 T 22419/08, NJW-Spezial 2009, 400 (zur Vertretung mehrerer Miterben im Erbscheinseinziehungsverfahren). 3 Gerold/Schmidt, VV 1008, Rz. 78. 4 Bonefeld, ZErb 2004, 146, 147; Göttlich/Mümmler, RVG, 2. Aufl. 2006, S. 992.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 44a A
müssen, weil der Sachverhalt noch weiter aufzuklären ist oder weil der Anwalt wegen der Schwierigkeit des Beratungsgegenstands sich erst noch in Unterlagen einarbeiten muss bzw. Berechnungen anzustellen hat1. Seit In-KraftTreten des RVG gilt im Übrigen die Deckelung der Gebühr für eine erste Beratung nur gegenüber Verbrauchern (§ 13 BGB) und zudem nur für Beratungsgespräche, nicht für die (auftragsgemäße) Erteilung eines schriftlichen Rats. Der Anwendungsbereich der Erstberatungsgebühr wird nicht verlassen, wenn 43 die Beratung lediglich aus äußeren Gründen unterbrochen wird2, beispielsweise wegen eines anderen Termins des Anwalts. Gleiches gilt, wenn der Anwalt sich nur deshalb auf die Fortsetzung der Beratung vorbereiten will, weil ihm die erforderlichen erbrechtlichen Kenntnisse fehlen, (abzustellen ist hierbei auf den üblichen Kenntnisstand eines im Erbrecht versierten Anwalts). Nicht selten stellt die Erstberatungsgebühr keine angemessene Vergütung dar, zumal der Anwalt auch für einen „ersten Rat“ voll haftet. Dann empfiehlt es sich, mit dem Mandanten (nach § 4 RVG) eine abweichende Vereinbarung zu treffen. Lehnt der Mandant dies ab, so muss sich der Anwalt entscheiden, ob er ein angefangenes Beratungsgespräch (gegen Erstberatungsgebühr) fortführt oder (honorarlos) abbricht. Der Druck zum Abschluss von Vergütungsvereinbarungen hat sich seit dem 1.7.2006 durch die Neuregelung der Beratungsgebühr erhöht, wonach der Anwalt für die Beratung eines Verbrauchers ohne Vereinbarung höchstens 250 Euro erhält (§ 34 RVG i.d. ab 1.7.2006 nach Art. 5 KostRMoG geltenden Fassung). In den Fällen, in denen der Anwalt mehrere Auftraggeber zum selben Gegenstand berät, erhöht sich die Erstberatungsgebühr um den Mehrvertretungszuschlag nach VV 10083. Bei Gegenstandsverschiedenheit kommt es hingegen lediglich zu einer Addition der Streitwerte nach § 22 Abs. 1 RVG, nicht aber zu einer Erhöhung des Höchstbetrages von 190 Euro.
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Auch im Bereich der Erstberatung kann der Anwalt neben der Gebühr die Auslagen-Pauschale nach VV 7002 abrechnen4. Es gilt lediglich die allgemeine Voraussetzung für die Berechnung der Pauschale, dass in der Angelegenheit überhaupt Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen angefallen sind, wobei es unerheblich ist, ob die tatsächlich angefallenen Kosten auch nur annähernd den Pauschsatz erreicht haben (ein Brief oder ein Telefonat genügen)5. Für das nachlassgerichtliche Beschwerdeverfahren sieht das Gesetz nur eine Verfahrensgebühr von 0,5 vor, da versäumt wurde, diese Verfahrensart in den Katalog der berufungsähnlichen Verfahren nach Vorb. 3.2.1 VV RVG auf1 Gerold/Schmidt, VV 2100–2103 Rz. 44. 2 Otto, JurBüro 1995, 385 (395). 3 Gerold/Schmidt, § 34 RVG Rz. 41–43 m.w.H. zu dieser schon zu § 20 BRAGO umstrittenen Frage. 4 Vgl. Gerold/Schmidt, VV 7001, 7002 Rz. 18. 5 Gerold/Schmidt, VV 7001, 7002 Rz. 20 (mit zutreffendem Hinweis auf den Sinn der gesetzlichen Pauschalierung).
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zunehmen (die Rechtsprechung hat eine analoge Anwendung abgelehnt1). Daher wird es für den Anwalt hier häufig wirtschaftlich notwendig sein, eine Gebührenvereinbarung zu schließen. dd) Rechtsschutz 45 Nach § 2k ARB2 besteht Beratungsrechtsschutz im Familien- und Erbrecht, ansonsten ist der Versicherungsschutz in diesem Bereich ausgeschlossen (§ 3 Abs. 2g ARB). Voraussetzung ist, dass die Beratung durch einen Rechtsanwalt erfolgt und dass die Beratung nicht im Zusammenhang mit einer weiteren kostenpflichtigen Tätigkeit des Anwalts steht. Nach den Bedingungen beschränkt sich die Leistung der Rechtsschutzversicherung somit ausschließlich auf den Beratungsbereich (Beratungsgebühr nach VV 2100). Allerdings bieten einzelne Rechtsschutzversicherer einen weiter gehenden Rechtsschutz auch in Erbsachen an, so dass dies im Einzelfall anhand des konkreten Versicherungsvertrags geprüft werden muss. 46 Wurde der Mandant zunächst nur beraten und kommt es später zu einer weitergehenden Tätigkeit, so führt dies nach h.M. zum rückwirkenden Wegfall des Beratungsrechtsschutzes, wenn die Voraussetzungen einer Anrechnung nach VV 2100 vorliegen3.
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Beratungshinweis: Da dies für den Laien ein sehr überraschendes Ergebnis ist, sollte der Anwalt ihn hierauf hinweisen, bevor er weitergehend tätig wird.
47 Für den Anspruch auf Versicherungsschutz genügt es nicht, dass eine versicherbare Leistung (Beratungsrechtsschutz) vorliegt. Hinzu kommen muss der Eintritt des Versicherungsfalls, dies ist nach der Definition in § 4 ARB eine Änderung der Rechtslage beim Versicherungsnehmer oder bei einer mitversicherten Person durch ein bestimmtes Ereignis. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich der Versicherungsnehmer zu den Folgen eines eingetretenen Erbfalls beraten lässt. Hingegen wird ein Versicherungsfall verneint, wenn sich der Versicherungsnehmer bei Erstellung oder Änderung eines Testaments beraten lässt4. Erfahrungsgemäß erbringen die Versicherer hier aber häufig Kulanzleistungen. 48 Die Besorgung der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung oder die Korrespondenz hierüber ist beim Anwalt eine gesonderte Angelegenheit im
1 OLG München, NJW-RR 2006, 1727; OLG Schleswig, AGS 2006, 478; LG Bamberg, AGS 2006, 595; LG Heidelberg, AGS 2007, 399. 2 Zitiert wird nachfolgend die Fassung vom Juli 2007 (ARB 2008), die eine überarbeitete Fassung der ARB 1994/2000 bildet. 3 Böhme, § 25 ARB 75 Rz. 14; Harbauer, vor § 21 ARB 75 Rz. 154 f.; Prölss/Martin, § 25 ARB 75 Rz. 19. 4 AG Frankfurt v. 9.2.1989 – 31 C 2893/88 – 17, VersR 1989, 839; Harbauer, vor § 21 ARB 75 Rz. 164; Prölss/Martin, § 3 ARB 94 Rz. 16.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 49 A
Sinne von § 15 RVG, die nach VV 2400 abgerechnet werden kann1. Diese Kosten wiederum erhält der Versicherungsnehmer vom Rechtsschutzversicherer nicht erstattet, da keine Deckung für die Interessenwahrnehmung gegen den eigenen Rechtsschutzversicherer besteht. Eine Ausnahme besteht unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes bei Verzug des Rechtsschutzversicherers, wenn dieser die Deckungszusage zu Unrecht abgelehnt hat2. Da die Abrechnung als gesonderte Angelegenheit für den Laien überraschend ist, muss der Mandant hierauf vorab hingewiesen werden3. ee) Vergütung in Steuersachen Für die Hilfeleistung in Steuersachen verweist § 35 RVG auf §§ 23–39 sowie §§ 10 und 13 StBGebV. Im Einzelnen ergibt sich hierbei Folgendes: – Anfertigung der Erbschaft- oder Schenkungsteuererklärung: Hier kann nach § 24 Abs. 1 Nr. 12 bzw. Nr. 13 StBGebV eine Wertgebühr zwischen 2/10 und 10/10 der vollen Gebühr nach Tabelle A zur StBGebV abgerechnet werden. Gegenstandswert ist bei der Erbschaftsteuererklärung der Wert des Erwerbs von Todes wegen vor Abzug von Schulden und Lasten, mindestens aber 12 500 Euro. Bei der Schenkungsteuererklärung ist der Rohwert der Schenkung, ebenfalls mindestens 12 500 Euro, maßgeblich. Für die Bewertung sind die Steuerwerte (§ 12 ErbStG) entscheidend, nicht etwa abweichende Verkehrswerte. – Bedarfsbewertung bei Grundbesitz (§§ 138 ff. BewG): Die StBGebV sieht die Möglichkeit zur Abrechnung der Zeitgebühr nach § 13 Satz 1 Nr. 2 StGebV vor (19 Euro bis 46 Euro je angefangene halbe Stunde). Für den Anwalt empfiehlt sich daher die Vereinbarung eines höheren, angemessenen Stundenhonorars. – Ermittlung des steuerfreien Zugewinnausgleichs: Hierzu sieht § 24 Abs. 2 StBGebV eine eigene Gebühr mit einem Rahmen zwischen 5/10 bis 15/10 der vollen Gebühr nach Tabelle A vor. Gegenstandswert ist der ermittelte Zugewinn, mindestens 12 500 Euro. Diese Tätigkeit kann neben der Anfertigung der Erbschaftsteuererklärung abgerechnet werden. – Prüfung des Erbschaft- oder Schenkungsteuerbescheids: § 28 StBGebV verweist auf die Zeitgebühr nach § 13 Satz 1 Nr. 1 StBGebV (19 Euro bis 46 Euro je angefangene halbe Stunde). Auch hier sollte also ein angemessenes Pauschal- oder Stundenhonorar vereinbart werden. – Einspruch gegen Steuerbescheide: Hier greift die Geschäftsgebühr von 0,5 bis 2,5 nach VV 2400. Gegenstandswert der Abrechnung ist der Betrag, um den die Steuer herabgesetzt werden soll, also das Einspruchsziel.
1 Gerold/Schmidt, § 19 RVG Rz. 27. 2 LG München I, JurBüro 1993, 163; Enders, JurBüro 2002, 25. 3 LG Zwickau, AGS 2005, 525.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
b) Honorarvereinbarung1 aa) Zulässigkeit 50 Der Anwalt ist nicht verpflichtet, zu den gesetzlichen Gebühren tätig zu werden2. Nach § 3a RVG kann er eine vom Gesetz abweichende höhere Vergütung vereinbaren. Ausnahmen: – Unangemessen hohe Honorare werden herabgesetzt (§ 3a Abs. 2 RVG), – Eingeschränkte Zulässigkeit des Erfolgshonorars (§ 49b BRAO i.V.m. § 4a RVG), – Ausübung unangemessenen Drucks, zum Beispiel durch Forderung einer Vereinbarung kurz vor einem Verhandlungstermin3, – Beiordnung des Anwalts im Wege der Prozesskostenhilfe (§ 3a Abs. 3 RVG). Die Vereinbarung eines höheren Honorars ist dann veranlasst, wenn die gesetzlichen Gebühren die Tätigkeit des Anwalts nicht angemessen abgelten. Im Bereich des Erbrechts stellt sich aufgrund der hier typischerweise hohen Gegenstandswerte häufig das umgekehrte Problem: Der Mandant ist zur Erteilung des Auftrags nur bereit, wenn ein niedrigeres Honorar vereinbart wird als das gesetzliche. Die Möglichkeit hierzu eröffnet § 4 Abs. 1 RVG: Der Anwalt kann in außergerichtlichen Angelegenheiten Pauschalvergütungen und Zeitvergütungen vereinbaren, die niedriger als die gesetzlichen Gebühren sind. Ansonsten, also insbesondere bei gerichtlicher Tätigkeit, bleibt die Vereinbarung einer niedrigeren Vergütung verboten (§ 49b BRAO). bb) Form der Honorarvereinbarung 51 Eine höhere Gebühr als die gesetzliche kann der Anwalt nur verlangen, wenn die Honorarvereinbarung in Textform (§ 126b BGB) festgehalten ist (§ 3a Abs. 1 RVG). Ein Formmangel wird erst durch bewusste und vorbehaltlose Leistung des Mandanten geheilt (§ 4b Satz 2 RVG i.V.m. § 814 BGB). Neben der Textform ist Voraussetzung, dass die Honorarvereinbarung nicht in einer Vollmacht enthalten ist. Die Vereinbarung muss als Vergütungsvereinbarung, Honorarvereinbarung oder vergleichbar bezeichnet sein, sie muss deutlich von anderen Abreden, beispielsweise einer Gerichtsstandvereinbarung, abgesetzt sein. Sie muss darauf hinweisen, dass eine etwaige Kostenerstattung regelmäßig auf das gesetzliche Honorar beschränkt ist. Nebenabreden, die das Honorar selbst betreffen, z.B. Bestimmungen zur Zahlungsfälligkeit, sind Teil der Vergütungsvereinbarung und müssen daher nicht räumlich getrennt werden4. In erbrechtlichen Mandaten wird die Honorarvereinbarung fast immer der vollen AGB-Kontrolle unterliegen, da der Mandant meist Verbraucher
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Madert/Schons, Die Vergütungsvereinbarung des Rechtsanwalts, 3. Aufl. 2006. Die Ausnahmen in §§ 48, 49 BRAO spielen für die erbrechtliche Praxis keine Rolle. Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, § 3a RVG Rz. 44. LG Aachen v. 18.12.1969 – 6 S 97/69, NJW 1970, 571; Gerold/Schmidt, § 3a RVG Rz. 10.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 54 A
i.S.v. § 13 BGB ist (§ 310 Abs. 3 BGB)1. Prüfsteine sind in der Praxis insbesondere die Unklarheitenregel und das Verbot überraschender Klauseln (§ 305c BGB). Unproblematisch sind hingegen Vorschussklauseln, die sich im Rahmen von § 9 RVG bewegen.
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Beratungshinweis: Die Formvorschriften des § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG gelten nicht für die Gebührenvereinbarung zu einer Beratung oder einem Gutachten (§ 34 RVG i.V.m. § 3a Abs. 1 Satz 4 RVG)2. Dennoch empfiehlt es sich zur Beweissicherung, zumindest die Textform zu wahren.
cc) Inhalt der Honorarvereinbarung Das sog. Pricing nimmt in der Betriebswirtschaftslehre einen bedeutenden 52 Stellenwert ein. Die Findung des „richtigen“ Preises für das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistung spielt für viele Branchen eine zentrale Rolle. Gerade Markenhersteller haben es geschafft, für ihre Produkte und Leistungen am Markt einen Preis durchzusetzen, der weit über dem liegt, was nach den Herstellungskosten erforderlich wäre. Die freien Berufe, die anders als beispielsweise ein Zigaretten- oder Autohersteller schwerlich ein „Lebensgefühl“ verkaufen können, tun sich hier schwerer, zumal wenn sie bislang gewohnt waren, mit einer starren Gebührenordnung zu leben. Unter dem Druck des Marktes hat ein Umdenken eingesetzt. Dabei muss der Anwalt beachten, dass als Konkurrenten nicht nur die zahlreichen anderen Anwälte auftreten, auch nicht nur Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Notare, sondern dass im Bereich der Vermögensnachfolge mittlerweile auch Banken, Versicherungsunternehmen und Unternehmensberatungen unter Einsatz ihrer immensen Ressourcen in Konkurrenz zum Anwalt treten (wobei die Schranken des Rechtsberatungsgesetzes in der Praxis häufig nur theoretische Bedeutung haben). Eine auch wirtschaftlich erfolgreiche Anwaltstätigkeit hat daher mehr und mehr zur Voraussetzung, dass der Anwalt in der Lage ist, dem (potenziellen) Mandanten den Wert der Anwaltsleistung zu vermitteln und im Gegenzug ein angemessenes Honorar zu vereinbaren. Eine Honorarvereinbarung bietet sich aus Gründen der Rechtssicherheit auch in Fällen an, in denen das gesetzliche Honorar an sich von beiden Seiten als angemessen betrachtet wird, in denen aber Unsicherheit über dessen Bemessung besteht; hier kann durch Vereinbarung der Gegenstandswert festgelegt werden, ebenso wie bei Rahmengebühren der Gebührenrahmen eingeengt oder eine bestimmte Gebühr festgelegt werden können.
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In der Praxis am häufigsten sind allerdings Vereinbarungen, die in der einen oder anderen Richtung vom gesetzlichen Honorar abweichen, indem ein Honorar auf Stundenbasis oder auf Pauschalbasis vereinbart wird:
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1 Gerold/Schmidt, § 3a RVG Rz. 48. 2 Gerold/Schmidt, § 3a RVG Rz. 3.
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A Rz. 55
Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
55 Bei Vereinbarung eines Pauschalhonorars muss die Auslagenvergütung gesondert vereinbart werden, wenn dies gewünscht ist; ausdrücklich sollte auch geregelt werden, dass die Umsatzsteuer zusätzlich abgerechnet wird. Aus der Sicht des Anwalts besteht bei Vereinbarung eines Pauschalhonorars die Gefahr, dass der anfallende Zeitaufwand unterschätzt wird.
Û
Empfehlung: Auch in Fällen, in denen ein Pauschalhonorar vereinbart wurde, sollte der Zeitaufwand erfasst werden, um Erfahrungswerte für die Zukunft zu gewinnen.
Um (für beide Seiten) das Pauschalierungsrisiko überschaubar zu machen, sollten in komplexeren Angelegenheiten Pauschalhonorare für einzelne Arbeitsschritte vereinbart werden.
Û
Beratungssituation: Der Mandant hat erhebliches Grund- und Betriebsvermögen. Unter Einbeziehung steuerlicher Aspekte soll sein Testament gestaltet werden.
Hier bietet es sich an, zunächst ein Pauschalhonorar für die Prüfung der zivilund steuerrechtlichen Ausgangslage zu vereinbaren, also insbesondere für die Ermittlung der Steuerwerte der einzelnen Vermögensgegenstände. Auf der zweiten Stufe wird der Mandant sodann über Gestaltungsmöglichkeiten durch lebzeitige Übertragung und im Testament beraten. Hier bietet sich dann die Vereinbarung eines weiteren Pauschalhonorars für den Testamentsentwurf an. 56 Wird ein Stundenhonorar vereinbart, so stellt sich naturgemäß die Frage nach der Höhe des angemessenen Stundensatzes. Jeder Anwalt sollte hierzu prüfen, wie hoch die tatsächlichen Kosten einer Leistungsstunde in seiner Kanzlei nach deren Kostenstruktur sind. Die absolute Untergrenze dürfte bei 150 Euro zuzüglich Umsatzsteuer liegen1. Bei speziellen Erbrechtskenntnissen dürfte die Untergrenze bei 200 Euro liegen, die übliche Bandbreite zwischen 250 Euro und 500 Euro, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer2. Aus der Sicht des Mandanten ist das Stundenhonorar allerdings eine höchst problematische Bezugsgrenze: So wird ein erbrechtlich versierter Anwalt einen Testamentsentwurf unter Umständen in kurzer Zeit fertigen können, während ein Berufsanfänger hierfür ein Mehrfaches an Zeit benötigt. Der aufgrund eines geringeren Stundensatzes augenscheinlich „billigere“ Anwalt kann im Ergebnis also durchaus teurer kommen. Umgekehrt steht der versierte Erbrechtsspezialist vor dem Problem, dass insbesondere in schwierigen Angelegenheiten und bei hohen Gegenstandswerten seinem speziellen Know-how und dem oft hohen Haftungsrisiko durch ein Stundenhonorar nur wenig Rechnung getragen wird. Dies gilt vor allem dann, wenn der Anwalt beispielsweise bei der Gründung von Stiftungen und Familiengesellschaften auf Vorkenntnisse und selbst entwickelte Muster zurückgreifen kann, die es ihm erlauben, Einzelfälle sehr 1 Vgl. die Untersuchungen von Franzen, NJW 1988, 1059; NJW 1993, 439; s. auch OLG Schleswig v. 1.8.1994 – 2 W 118/93, JurBüro 1995, 156. 2 Kerscher/Tanck/Krug, § 6 Rz. 32; s.a. Gerold/Schmidt, § 4 RVG Rz. 86.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 57 A
schnell zu bearbeiten. Hier bietet es sich an, ein Kombinationsmodell zu vereinbaren, bei dem vorab eine Pauschale für das spezielle Know-how vereinbart und im Übrigen nach Stunden abgerechnet wird. Für die Leistung der erbrachten Stunden ist der Anwalt beweispflichtig. Eine genaue Dokumentation ist daher unerlässlich. Klauseln, die die Beweislast umkehren, würden gegen § 309 Nr. 12 BGB verstoßen. Gleiches gilt wohl auch für Klauseln, die in eine ähnliche Richtung gehen, wie bspw. eine Regelung, wonach die abgerechneten Stunden als anerkannt gelten, wenn der Mandant nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht1. Es bietet sich an, das Problem pragmatisch zu lösen, indem in kurzen Zeitabständen über die erbrachten Stunden abgerechnet wird. Im Streitfall gilt nach der Rechtsprechung des BGH2, dass zunächst nur der Anfall der Stunden dargelegt und bewiesen werden muss. Eine nähere Differenzierung, bspw. durch Zuordnung zu einzelnen Tätigkeiten oder Tageszeiten, ist grundsätzlich nicht geschuldet. Der Mandant ist darlegungs- und beweispflichtig, wenn er einwenden will, der Anwalt habe unnötig lange gebraucht und daher gegen die vertragliche Nebenpflicht zur wirtschaftlich sinnvollen Geschäftsführung verstoßen. Allerdings trifft den Anwalt eine sog. sekundäre Darlegungslast, wonach er zu Art und Inhalt der abgerechneten Leistungen soviel vortragen muss, dass der Mandant seinen Einwand der Unwirtschaftlichkeit konkretisieren kann. In der Praxis wird daher eine detaillierte Dokumentation der geleisteten Arbeit unerlässlich sein. Ein Erfolgshonorar3 wird die Ausnahme bleiben. Es ist ohnehin nur unter den engen Voraussetzungen des § 4a RVG zulässig. Für den Anwalt gleicht es einem Vabanquespiel, es sei denn, er übernimmt eine große Zahl solcher Mandate, so dass sich die statistische Wahrscheinlichkeit ausgleichen kann. Eher empfiehlt es sich in Fällen, in denen der Mandant die Kosten der Rechtsverfolgung nicht aufbringen kann, einen Prozessfinanzierer einzuschalten.
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Checkliste für den Inhalt einer Honorarvereinbarung:
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– Äußeres: Gesondertes Schreiben bzw. gesondertes Blatt (nicht in einer Vollmacht), zumindest aber deutlich abgesetzt von anderen Vereinbarungen – ausdrückliche Bezeichnung als Vergütungsvereinbarung (oder vergleichbar) – Bezeichnung der Vertragsparteien – Gegenstand der Vereinbarung (möglichst konkret) – vereinbartes Honorar (Stundenhonorar, Pauschalvereinbarung, etc.) – zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer – Vereinbarung zur Auslagenerstattung – Fälligkeit/Vorschussregelung 1 Gerold/Schmidt – Mayer, § 3a RVG Rz. 57. 2 BGH v. 17.4.2009 – VII ZR 164/07, NJW 2009, 2199 (Zeithonorar eines Architekten). 3 Hierzu Teubel/Schons, Erfolgshonorar für Anwälte, 2008.
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A Rz. 58
Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
– Hinweis, dass das Honorar die gesetzlichen Gebühren (möglicherweise) übersteigt und dass eine etwaige Kostenerstattung regelmäßig auf die gesetzlichen Gebühren beschränkt ist – im gerichtlichen Verfahren: Hinweis, dass die Honorarvereinbarung nur gilt, wenn die gesetzlichen Gebühren niedriger sind und dass im Fall des Obsiegens nur die gesetzlichen Gebühren vom Gegner zu erstatten sind
3. Haftung a) Allgemeines 58 Anders als die Haftung des Notars (§ 19 BNotO) ist die Haftung des Anwalts gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Es gelten daher die allgemeinen vertraglichen Haftungsgrundsätze. Hiernach haftet der Anwalt für „Kunstfehler“ auf Schadensersatz nach § 280 BGB1. Daneben kommt eine Haftung aus culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs, 2 BGB) in Betracht, wenn der Anwalt Pflichten verletzt hat, die sich aus einem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis ergeben, beispielsweise wenn er telefonisch mit dem Mandanten einen Termin vereinbart, obwohl es Anhaltspunkte dafür gibt, dass zu diesem Zeitpunkt eine drohende Verjährung bereits eingetreten sein wird2. Ein gesetzlich geregelter Fall der Haftung für vorvertragliches Verschulden findet sich in § 44 BRAO. Hiernach hat der Anwalt, der einen Auftrag ablehnt, den Schaden zu ersetzen, der aufgrund einer schuldhaften Verzögerung der Ablehnung entsteht3. 59 Der Anwalt muss den Mandanten umfassend über die Rechtslage informieren. Hierbei wird vom Anwalt im Ergebnis eine lückenlose Kenntnis der Gesetzeslage und der höchstrichterlichen Rechtsprechung verlangt4. Im Vorfeld ist der Anwalt verpflichtet, den Sachverhalt aufzuklären, indem er die entscheidungserheblichen Informationen beim Mandanten anfordert oder für diesen, beispielsweise durch Grundbucheinsicht oder Zuziehung von Gerichtsakten, besorgt5. 60
Steuerrechtliche Beratung zählt zum Berufsbild des Anwalts (§ 3 Abs. 1 BRAO, § 3 StBerG), zur steuerlichen Beratung ist der Anwalt jedoch nur verpflichtet, wenn dies mit dem Mandanten (auch stillschweigend) vereinbart ist6. Ein derart umfassendes Mandat liegt nahe, wenn der beauftragte Anwalt Fachanwalt für Steuerrecht oder zugleich Steuerberater ist, ferner wenn steuerrechtliche Gesichtspunkte erkennbar im Vordergrund stehen, wie dies vor allem bei der Unternehmensnachfolge der Fall sein kann. Der Klarheit halber 1 Zugehör/Sieg, Rz. 2, 1098 ff. 2 Zur ähnlich gelagerten Frage der unverzüglichen Prüfung von Posteingängen: BGH v. 19.2.1957 – VIII ZR 284/56, VersR 1957, 254; BGH v. 7.7.1971 – IV ZB 39/71, VersR 1971, 1022; BGH v. 21.2.1974 – II ZB 13/73, NJW 1974, 861. 3 BGH v. 19.4.1967 – VIII ZR 46/65, NJW 1967, 1567. 4 BGH v. 29.3.1983 – VI ZR 172/81, NJW 1983, 1665; differenzierend Zugehör, Rz. 527. 5 Zugehör, Rz. 510 ff. 6 Zugehör/Sieg, Rz. 740.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 63 A
sollte der Rechtsanwalt daher bereits bei Annahme des Mandats schriftlich festhalten, ob er die steuerrechtliche Prüfung übernimmt oder nicht. Im Erbrecht spielt häufig die Frage der Haftung gegenüber Dritten eine Rolle. 61 Die Rechtsprechung bejaht sie aufgrund Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, wenn der Dritte nach dem Inhalt des Vertrags und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags einbezogen ist, was bei nahen Verwandten des Mandanten in der Regel der Fall ist1. Zu denken ist hier insbesondere an den Fall, dass der Dritte testamentarisch begünstigt werden sollte, diese Begünstigung aufgrund eines fehlerhaften Testamentsentwurfs des Anwalts aber nicht zum Zuge kommt2. In Betracht kommt auch eine Haftung des Anwalts nach § 826 BGB, wenn er Dritten gegenüber falsche Auskünfte erteilt, beispielsweise über die Tragweite eines Pflichtteilsverzichts mit seinem Mandanten3.
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b) Verjährung Bis zum 14.12.2004 galt die Sondervorschrift des § 51b BRAO: Haftungsansprüche gegen den Anwalt verjährten innerhalb von drei Jahren ab Entstehung des Anspruchs, spätestens aber innerhalb von drei Jahren ab Beendigung des Auftrags. Auf die Kenntnis des Mandanten vom Schaden kam es nicht an. Ergänzend hatte die Rechtsprechung einen sog. Sekundäranspruch entwickelt, wonach der Rechtsanwalt verpflichtet war, auf etwaige Haftpflichtansprüche gegen sich selbst hinzuweisen. Durch diesen Sekundäranspruch konnte sich die Dreijahresfrist des § 51b BRAO um bis zu weitere drei Jahre verlängern, Verjährung trat aber endgültig spätestens drei Jahre nach Mandatsbeendigung ein4. Durch das Verjährungsanpassungsgesetz wurde § 51b BRAO mit Wirkung ab 15.12.2004 ersatzlos gestrichen. Seitdem gilt das allgemeine Verjährungsrecht auch für Haftungsansprüche gegen den Anwalt. Als Übergangsvorschrift bestimmt Art. 229 § 12 Abs. 1 EGBGB5, dass das neue Verjährungsrecht der §§ 194 ff. BGB auf alle am 15.12.2004 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche anzuwenden ist. Dies gilt auch, wenn das Vertragsverhältnis zwischen Mandant und Anwalt bereits vor dem 15.12.2004 begründet worden war6. Nach allgemeinem Verjährungsrecht unterliegt die Anwaltshaftung nunmehr der Regelverjährung von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB), beginnend mit dem Schluss des Jahres der Anspruchsentstehung und der Kenntnis (Kennenmüssen) des Gläubigers von anspruchsbegründenden Umständen und der Person 1 BGH v. 11.1.1977 – VI ZR 261/75, NJW 1977, 2073; BGH v. 1.10.1987 – IX ZR 117/86, NJW 1988, 200; Zugehör, Rz. 1654. 2 BGH v. 13.7.1994 – IV ZR 294/93, NJW 1995, 51, 52; BGH v. 13.6.1995 – IX ZR 121/94, NJW 1995, 2551. 3 BGH v. 17.5.1990 – IX ZR 85/89, NJW 1991, 31, 32. 4 Einzelheiten bei Zugehör, 1251 ff. 5 BGBl. I 2004, 3214; hierzu Mansel/Budzikiewicz, NJW 2005, 321. 6 Zugehör, Rz. 1263.
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A Rz. 63a
Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
des Schuldners. Hierin liegt aus der Sicht des Anwalts eine gravierende Schlechterstellung gegenüber der alten Rechtslage; denn mandatsunabhängig tritt die Verjährung erst nach 10 Jahren ab Schadensentstehung bzw. 30 Jahren ab Pflichtverletzung ein (§ 199 Abs. 4 BGB). Gerade für Fehler bei der Testamentsgestaltung besteht daher 30 Jahre lang ein Haftungsrisiko, weshalb zumindest haftungsbeschränkende Vereinbarungen, besser noch die gesamten Handakten auch so lange aufbewahrt werden sollten (also über die in § 50 Abs. 2 BRAO vorgeschriebenen fünf Jahre hinaus). 63a § 202 BGB erlaubt Vereinbarungen zur Verjährung, lediglich eine Abkürzung der Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes wird durch § 202 Abs. 1 BGB untersagt. Verjährungserleichternde Vereinbarungen für Schadensersatzansprüche wegen leichter oder auch grober Fahrlässigkeit sind dagegen grundsätzlich zulässig1. Die Einzelheiten für die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung sind in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärt, doch dürften folgende Grundsätze gelten: In erbrechtlichen Mandaten wird, außer in Fällen der Unternehmensnachfolge, in aller Regel ein Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB vorliegen, der der vollen Kontrolle des Rechts zur Regelung allgemeiner Geschäftsbedingungen unterliegt. Eine Abkürzung der Verjährung auf weniger als ein Jahr würde hiernach ohnehin gegen das Klauselverbot nach § 309 Nr. 8b BGB verstoßen. Zudem greift die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, so dass beispielsweise die Ansicht vertreten wird, eine Abkürzung der Verjährung der kenntnisunabhängigen Frist von zehn Jahren auf mehr als die Hälfte sei unangemessen und unwirksam2. Keine besonderen Vorschriften gelten für verjährungserleichternde Einzelvereinbarungen, wobei die Rechtsprechung bekanntlich strenge Anforderungen an das Vorliegen einer Individualabrede stellt. Auch unterliegt die Einzelvereinbarung der Prüfung, ob die „strukturelle Unterlegenheit“ des rechtsunkundigen Mandanten von seinem Rechtsberater in sittenwidriger Weise ausgenutzt wurde (§§ 138, 242 BGB)3. c) Typische Haftungsrisiken4 64 – Ausschlagung: Nicht selten wird übersehen, dass mit Ausnahme der in §§ 2306, 2307, 1371 Abs. 3 BGB geregelten Fälle nach Ausschlagung auch kein Pflichtteilsanspruch mehr besteht. Umgekehrt ist im Fall des pflichtteilsberechtigten Erben zu beachten, dass dieser, wenn er testamentarischen Beschränkungen unterliegt, den Pflichtteil nur verlangen kann, wenn er das Erbe ausschlägt. Aufgrund der kurzen Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB besteht hier meist großer Zeitdruck. Gleiches gilt, wenn der 1 2 3 4
Zugehör, Rz. 1577. Palandt/Heinrichs, § 202 BGB, Rz. 16. Zugehör, Rz. 1584 bis 1588. Hierzu anschaulich Bonefeld, Haftungsfallen im Erbrecht 2005; ferner Lang, Anwaltliche Beratungsfehler auf dem Gebiet des Erbrechts, AnwBl. 1983, 166; Wehrberger, Haftpflichtrisiken aus dem Bereich der erbrechtlichen Beratung, AnwBl. 1998, 338.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 67 A
Anwalt prüfen muss, ob die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft angefochten werden kann (Anfechtungsfrist nach § 1954 BGB). Vor allem bei erbschaftsteuerlich motivierter Ausschlagung besteht das Risiko, dass ein anderer als der Gewünschte Erbe wird, beispielsweise wegen konkludenter Ersatzerbenregelung im Testament1. – Verjährung: Wird eine Klage zur Verjährungsunterbrechung eingereicht, so muss der Anwalt auf rechtzeitige Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses achten und den Mandanten eindringlich darauf hinweisen2, dass die Verjährung nicht unterbrochen wird, wenn nicht unverzüglich gezahlt wird3.
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Auskunftsprozesse ziehen sich oft lange hin, hier kann leicht übersehen werden, dass die reine Auskunftsklage (anders als die Stufenklage) die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen nicht unterbricht. Leicht übersehen wird auch, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber Beschenkten (§ 2329 BGB) binnen drei Jahren ab Eintritt des Erbfalls verjähren, ohne dass es auf den Kenntnisstand des Pflichtteilsberechtigten ankommt (§ 2332 Abs. 2 BGB). – Gebot des sichersten Weges: Für die anwaltliche Tätigkeit gilt generell das Gebot, den Mandanten auf den sichersten Weg für die Erreichung seiner Zwecke hinzuweisen. Beispielsweise hat der Anwalt im Prozess gegen den Erben darauf zu achten, dass (auch in einen Vergleich) der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 Abs. 1 ZPO aufgenommen wird4.
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Zu prüfen ist auch, ob die Rechtsposition des Mandanten faktisch durch Sicherungsmaßnahmen geschützt werden kann, beispielsweise durch Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch zur Sicherung eines aufschiebend bedingten Vermächtnisanspruches5. – Umfassende Interessenwahrnehmung: Hatte der Anwalt das Mandat, ein Testament zu entwerfen, so muss er dies sinnvoll mit den übrigen Vermögensinteressen des Mandanten koordinieren. Der Anwalt muss beispielsweise darauf achten, dass Bezugsberechtigungen in Lebensversicherungen der testamentarischen Regelung vorgehen, ebenso wie gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklauseln. So hat der BGH einen Anwalt zu Schadenersatz verpflichtet, der übersehen hatte, dass die als Erbin vorgesehene Ehefrau des Mandanten aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Nachfolgeklausel zum Bilanzwert aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden konnte6 (der BGH nahm zugleich einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Ehefrau an).
1 2 3 4
Hierzu Mayer, DStR 2004, 1541 ff. BGH v. 24.9.1974 – VI ZR 82/73, NJW 1974, 2318. Zu § 270 Abs. 3 ZPO: BGH v. 25.11.1985 – II ZR 236/84, NJW 1986, 1347. BGH v. 11.7.1991 – IX ZR 180/90, NJW 1991, 2839; BGH v. 2.7.1992 – IX ZR 256/91, NJW 1992, 2694. 5 Kerscher/Krug, Das erbrechtliche Mandat, 4. Aufl. 2007, § 2 Rz. 75. 6 BGH v. 13.6.1995 – IX ZR 121/94, NJW 1995, 2551.
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A Rz. 68
Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
68 – Aufklärung über Kostenrisiken: Der Anwalt muss seinen Mandanten darauf hinweisen, dass ein bestimmtes Vorgehen dessen Kostenrisiko erhöht: Beispielsweise die Erhebung einer Zahlungsklage vor endgültiger Erfüllung des Auskunftsanspruchs oder die Erhebung einer Klage auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, bevor die Teilungsreife gegeben ist1. Es ist der kostengünstigste Weg zu suchen, beispielsweise kann sich der Anwalt schadenersatzpflichtig machen, wenn er dem Mandanten zur Beantragung eines Erbscheins rät, obwohl zur Legitimation gegenüber der Bank das notarielle Testament nebst Eröffnungsprotokoll eventuell genügt hätte2. 69 – Formvorschriften: Nicht selten werden Formvorschriften übersehen: So ist eine Auseinandersetzungsvereinbarung dann notariell zu beurkunden, wenn Grundstücke oder GmbH-Anteile betroffen sind3. Ein Vergleich über das Erbrecht kann als ein dem Erbschaftskauf ähnliches Geschäft nach den Vorschriften der §§ 2385, 2371 BGB beurkundungspflichtig sein, Gleiches gilt für den sog. Auslegungsvertrag4. d) Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung aa) Übersicht 70 § 51a BRAO sieht drei Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung vor: – schriftliche Vereinbarung einer Haftungsbeschränkung für den Einzelfall mindestens bis zur Höhe der Pflichtversicherungssumme von 250 000 Euro (§ 51a Abs. 1 Nr. 1 BRAO) – durch Allgemeine Geschäftsbedingungen im Fall einfacher Fahrlässigkeit auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme, sofern insoweit Versicherungsschutz besteht (§ 51a Abs. 1 Nr. 2 BRAO)5 – Beschränkung der Haftung auf namentlich benannte Mitglieder der Sozietät (§ 51a Abs. 2 BRAGO); bei der Partnerschaftsgesellschaft beschränkt sich die Haftung ohnehin auf den oder die sachbearbeitenden Partner (§ 8 Abs. 2 PartGG). Daneben besteht als Viertes die Möglichkeit, die Haftung des Anwalts indirekt einzuschränken, indem der Auftrag auf einen bestimmten Rechtsbereich beschränkt wird.
1 2 3 4
LG Erfurt v. 18.11.1997 – 9 O 4376/96, ZEV 1998, 391. KG Berlin v. 7.4.1995 – 1 W 2401/92, KGReport 1995, 154. Palandt/Edenhofer, § 2042 BGB Rz. 10. BGH v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812; zum Auslegungsvertrag Dressler, ZEV 1999, 289. 5 Nach h.A. verstößt dies nicht gegen die EG-Verbraucherschutz-Richtlinien (abgedruckt in NJW 1993, 1838): Feuerich/Braun, BRAO § 51a Rz. 2; Henssler/Prütting, BRAO § 51a Rz. 87; Heinrichs, NJW 1997, 1407, 1412; Reiff, AnwBl. 1997 3, 12; Zugehör/Sieg, Rz. 448; a.A. von Westphalen, MDR 1997, 989 f.; zu den versicherungstechnischen Anforderungen Zimmermann, NJW 2005, 177, 178.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 72 A
Eine fünfte Möglichkeit der Haftungsbeschränkung ergibt sich durch Wahl der Rechtsform, da bei der Rechtsanwalts-GmbH oder -AG nur die juristische Person und nicht die handelnden Personen haften (§ 13 Abs. 2 GmbHG bzw. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG)1. Schließlich besteht sechstens noch die Chance, eine Haftungsbeschränkung durch Abreden zur Verjährung zu erreichen, wobei allerdings keine Rechtssicherheit über die mögliche Reichweite solcher Vereinbarungen herrscht (s. Rz. 63). Andere Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung gibt es nicht, insbesondere sind nicht zulässig2:
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– die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses für telefonische Auskünfte (der entsprechende, bisweilen immer noch zu sehende Aufdruck auf Briefbögen ist also sinnlos, ganz abgesehen von dem „schlechten Eindruck“), – die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses für schwierige Rechtsgebiete, wie beispielsweise Internationales Privatrecht oder ausländisches Recht, – ein Haftungsausschluss bei Übernahme eines Mandats „in letzter Minute“, – der Haftungsausschluss für grobe Fahrlässigkeit in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 51a Abs. 1, 2 BRAO und § 309 Nr. 7 BGB), – ein Haftungsausschluss bei Vorsatz (§ 276 Abs. 2 BGB). bb) Haftungsbeschränkung durch Eingrenzung der Tätigkeit Übernimmt der Anwalt das Mandat für ein bestimmtes Rechtsgebiet, so haftet er für die Richtigkeit seiner Arbeitsergebnisse, ohne dass die Möglichkeit zur Haftungsminderung oder zum Haftungsausschluss bestünde. Es steht ihm aber frei, mit dem Mandanten zu vereinbaren, dass er das Mandat nur für bestimmte Rechtsgebiete übernimmt bzw. dass bestimmte Rechtsgebiete von der Bearbeitung ausgenommen werden. Diese Vereinbarung ist formfrei. Aus Beweisgründen sollte sie aber schriftlich fixiert werden, beispielsweise in einem Schreiben, mit dem die Übernahme des Mandats bestätigt wird.
Formulierungsvorschlag Wir haben vereinbart, dass ich die Sache in erbrechtlicher Hinsicht überprüfe. Die Prüfung steuerrechtlicher Fragen ist nicht Gegenstand des Auftrags, dies wird Ihr Steuerberater übernehmen.
1 Hinne u.a. S. 221. 2 Borgmann/Jungk/Grams, Kap. VIII, Rz. 40.
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A Rz. 73
Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
73 Eine derartige Beschränkung des Auftragsumfangs wird auch für ausländisches Recht häufig angezeigt sein.
Formulierungsvorschlag In diesem Erbrechtsfall kommt die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht. Die Prüfung ausländischen Rechts ist nicht Gegenstand des Auftrags.
Zu beachten ist in derartigen Fällen allerdings, dass das deutsche Internationale Privatrecht, auch soweit es in Staatsverträgen festgehalten ist, inländisches Recht ist, für dessen richtige Prüfung der Anwalt haftet, es sei denn, er schließt auch die Bearbeitung dieses Rechtsgebietes aus.
Formulierungsvorschlag Der vorliegende Erbrechtsfall wirft Fragen des Internationalen Privatrechts auf. Dieses Rechtsgebiet ist nicht Gegenstand des Auftrags. Der Mandant wird diese Fragen vorab durch das Gutachten eines Universitätsinstituts klären lassen.
74 Durch eine derartige Eingrenzung des Mandats wird auch der Umfang der Sorgfaltspflichten des Anwalts begrenzt. Allerdings besteht die Nebenpflicht, den Auftraggeber vor Gefahren außerhalb des Mandatsgegenstands zu warnen, soweit diese für den Anwalt erkennbar sind1 (werden externe Fachleute hinzugezogen, beispielsweise ein Steuerberater oder ein ausländischer Anwalt, so sollte der Auftrag nicht in eigenem Namen erteilt werden, da sonst eine Haftung nach § 278 BGB droht). cc) Haftungsbeschränkung durch Einzelvereinbarung 75 Durch Einzelvereinbarung kann sowohl die Haftung für einfache als auch für grobe Fahrlässigkeit bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme von 250 000 Euro beschränkt werden (§ 51a Abs. 1 Satz 1 BRAO). Angesichts der Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit ist dies ein erheblicher Gewinn an Rechtssicherheit. Der große Nachteil hingegen ist, dass die Rechtsprechung (zu § 305 BGB) außerordentlich hohe Anforderungen an das Vorliegen einer Vereinbarung im Einzelfall gestellt hat. Entscheidendes Kriterium hierbei ist, dass die Vereinbarung „frei ausgehandelt“ wurde, was bedeutet, dass der Mandant die Möglichkeit haben muss, auf das Ergebnis der Verhandlung einzuwirken2. Es ist fraglich, ob dies noch angenommen werden kann, wenn der Anwalt erklärt, er sei zur Übernahme 1 BGH v. 13.3.1997 – IX ZR 81/96, NJW 1997, 2168 (2169). 2 Zugehör/Sieg, Rz. 421.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 77 A
des Mandats nur bereit, wenn seine Haftung wegen der Schwierigkeit des Falles „durch Einzelvereinbarung“ beschränkt werde1.
Û
Somit ergeben sich folgende Empfehlungen:
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– Keinesfalls dürfen vorformulierte Texte verwandt werden! – Die Vereinbarung bedarf der Schriftform (§ 51a Abs. 1 S. 1 BRAO). – Gang und Ergebnis der Vereinbarung sollten schriftlich festgehalten werden.
Formulierungsvorschlag Wir haben heute über die Übernahme Ihres Erbrechtsfalles gesprochen. Ich habe Sie dabei darüber aufgeklärt, dass die Übernahme dieses Mandats aufgrund des hohen Nachlasswertes von vermutlich über 15 Millionen Euro und der Komplexität der Angelegenheit (u.a. diverse gesellschaftsrechtliche Aspekte der Unternehmensbeteiligungen) für unsere Sozietät ein außergewöhnlich hohes Haftungsrisiko birgt. Wir haben sodann über mehrere Möglichkeiten gesprochen, dieses Haftungsproblem zu lösen, u.a. durch Abschluss einer gesondert zu vergütenden Einzelfallversicherung. Im Ergebnis sind wir dann so verblieben, dass die Haftung unserer Sozietät für dieses Mandat auf den Betrag von 250 000 Euro für Fälle einfacher und grober Fahrlässigkeit beschränkt wird. Dies bedeutet, dass Sie auch dann keinen darüber hinausgehenden Ersatz fordern können, wenn Ihr tatsächlicher Schaden weit höher sein sollte2.
Zu beachten ist, dass derartige Schriftstücke von beiden Parteien zu unterzeichnen sind (126 BGB). dd) Haftungsbeschränkung durch allgemeine Vertragsbedingungen Voraussetzung ist, dass der Anwalt eine Versicherung mit einer Deckungssumme von mindestens 1 Million Euro unterhält. Die Haftungsbeschränkung gilt nur für Fälle einfacher Fahrlässigkeit (§ 51a Abs. 1 Nr. 2 BRAO). Wegen des für AGB geltenden Transparenzgebots3 muss der Haftungshöchstbetrag konkret beziffert werden, die Übernahme des Gesetzestextes („vierfacher Betrag der Mindestversicherungssumme“) genügt nicht.
1 Vgl. BGH v. 26.2.1992 – XII ZR 129/90, NJW 1992, 2283 (2285); dass die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den Anwaltsvertrag jedes Gespräch über die Haftungsbeschränkung zu einem Eiertanz werden lässt, steht auf einem anderen Blatt. 2 Dieser Satz trägt der Meinung im Schrifttum Rechnung, die den Anwalt für verpflichtet hält, rechtlich unerfahrene Mandanten über das Ausmaß ihres möglichen Rechtsverlustes aufzuklären, s. beispielsweise Zugehör/Sieg, Rz. 426. 3 Palandt/Grüneberg, § 305 BGB, Rz. 41.
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A Rz. 78
Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Formulierungsvorschlag Der Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz eines fahrlässig verursachten Schadens wird für Fälle einfacher Fahrlässigkeit auf einen Höchstbetrag von einer Million Euro beschränkt. Der Auftraggeber erklärt sich hiermit einverstanden. (Ort, Datum, Unterschrift des Auftraggebers)
78 Soweit § 51a Abs. 1 Nr. 1 BRAO keine besonderen Regelungen enthält, gelten die allgemeinen Regeln. Die Einbeziehung der Haftungsbeschränkung in den Anwaltsvertrag bestimmt sich daher nach § 305 BGB. Hiernach genügt ein eindeutiger Hinweis auf die AGB, wenn der Mandant von ihnen in zumutbarer Weise Kenntnis nehmen kann und er sich zumindest stillschweigend einverstanden erklärt. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich aber, die Geltung der Haftungsbeschränkung schriftlich bestätigen zu lassen, wie es im Muster vorgesehen ist. Da im Schrifttum die Ansicht vertreten wird1, § 305c BGB gebiete es, die vorformulierte Haftungsbeschränkung in einer getrennten Urkunde festzuhalten, sollte vorsichtshalber darauf verzichtet werden, sie mit einer Prozessvollmacht, einer Honorarvereinbarung oder anderen Erklärungen zu verbinden. ee) Persönliche Haftungsbeschränkung 79 Anwälte einer Sozietät haften gesamtschuldnerisch (§ 51a Abs. 2 Satz 1 BRAO). Gleiches gilt für überörtliche Sozietäten und für Scheinsozietäten2 (Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in gemischten Sozietäten sind von der Gesamtschuldnerhaftung allerdings ausgenommen3). § 51a Abs. 2 Satz 2 BRAO gibt die Möglichkeit, individuell oder durch vorformulierte Vertragsbedingungen die persönliche Haftung auf namentlich bezeichnete Mitglieder der Sozietät zu beschränken. Die Haftung der Sozietät an sich (in ihrer Eigenschaft als BGB-Gesellschaft) bleibt daneben bestehen4.
Formulierungsvorschlag Das Mandat in der Erbsache . . . wird ausschließlich von Herrn Rechtsanwalt . . . bearbeitet. Die persönliche Haftung für Schadenersatzansprüche wird auf dieses Mitglied der Sozietät beschränkt. (Ort, Datum, Unterschrift des Auftraggebers)
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Feuerich/Braun, BRAO, § 51a Rz. 9; a.A. Zugehör/Sieg, Rz. 442. Borgmann/Jungk/Grams, Kap. VII, Rz. 27; Zugehör/Sieg, Rz. 355. Zugehör/Sieg, Rz. 354; BGH v. 24.1.1978 – VI ZR 264/76, NJW 1978, 996. BGH v. 25.6.1992 – I ZR 120/90, NJW 1993, 3037 (3039); Zugehör/Sieg, Rz. 455.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 84 A
Die Haftungsbeschränkung ist vom Mandanten gegenzuzeichnen, sie darf keine weiteren Erklärungen enthalten (§ 51a Abs. 2 Satz 3 BRAO). Für Partnerschaften sieht § 8 Abs. 2 PartGG eine gesetzliche Haftungskonzentration auf diejenigen Partner vor, die den Auftrag bearbeiten. e) Haftpflichtversicherung und Verhalten im Haftungsfall § 51 BRAO regelt die gesetzliche Versicherungspflicht des Anwalts. Die Mindestversicherungssumme beträgt 250 000 Euro (§ 51 Abs. 4 BRAO), daneben muss die Anwalts-GmbH eine eigene Haftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme für jeden Schadensfall von 2 500 000 Euro abschließen (§ 59j BRAO). Aufgrund der häufig sehr hohen Gegenstandswerte wird der regelmäßig im Erbrecht tätige Anwalt gut beraten sein, wenn er eine höhere Deckung als die gesetzliche Mindestsumme von 250 000 Euro mit seinem Versicherer vereinbart. Für Mandate mit einem außergewöhnlich hohen Risiko besteht die Möglichkeit, mit dem Versicherer gesondert eine höhere Versicherungssumme im Einzelfall zu vereinbaren (Exzedentenversicherung)1.
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Der Versicherungsschutz bezieht sich auf die Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Anwalts. Bei der Übernahme von Nebentätigkeiten sollte im Einzelfall anhand des Versicherungsvertrags und ggf. durch Rücksprache mit dem Versicherer geklärt werden, ob Versicherungsschutz besteht. Soweit die vereinbarte Versicherungssumme die Mindestsumme übersteigt, „bestimmt die Risikobeschreibung für Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten (einschließlich des Rechtsanwalts-Risikos von Anwaltsnotaren)“ u.a. folgende Tätigkeiten als mitversichert, wenn sie nicht überwiegend ausgeübt werden:
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– Testamentsvollstrecker, – Nachlasspfleger, – Nachlassverwalter, – Schiedsrichter, Schlichter, Mediator. Einstweilen frei.
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Für die Praxis erhebliche Bedeutung hat der Risikoausschluss in § 4 Nr. 1b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten (AVB). Hiernach umfasst der Versicherungsschutz nicht Haftpflichtansprüche aus Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht.
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Nach Eintritt des Versicherungsfalls hat der Versicherungsnehmer die Obliegenheit, dem Versicherer den Fall unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche, schriftlich anzuzeigen (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 AVB). Diese Anzeigepflicht
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1 Zugehör/Schlee, Rz. 2142.
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A Rz. 85
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sollte sehr ernst genommen werden, da die Versicherungsbedingungen vorsehen, dass bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung von Obliegenheiten der Versicherer nicht zu leisten braucht (§ 6 AVB). Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Anwalt meint, im Ergebnis mache der Mandant zu Unrecht Ansprüche geltend. Zu beachten ist ferner, dass nach § 11 AVB alle für den Versicherer bestimmten Anzeigen und Erklärungen schriftlich an die Hauptverwaltung des Versicherers oder an die im Versicherungsschein oder in dessen Nachträgen als zuständig bezeichnete Geschäftsstelle zu richten sind, Vertreter sind zur Entgegennahme nicht bevollmächtigt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine derartige Klausel wirksam1. 85 Die sachliche Reaktion auf das Haftpflichtverlangen sollte mit dem Versicherer abgestimmt werden. Bis dahin sollte dem Anspruchsteller nur ein neutraler Zwischenbescheid erteilt werden.
Formulierungsvorschlag Mit Bedauern haben wir Ihr Schreiben erhalten, in dem Sie von einem Fehlverhalten unsererseits ausgehen. Selbstverständlich ist uns dies Anlass, den gesamten Vorgang zu überprüfen. Danach werden wir uns baldmöglichst, spätestens aber bis . . . bei Ihnen melden.
Keinesfalls darf der Haftpflichtanspruch ohne vorherige Zustimmung des Versicherers anerkannt oder befriedigt werden. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 AVB ist dies ebenso wie ein Vergleich über den Haftpflichtanspruch nur mit vorheriger Zustimmung des Versicherers zulässig2. Umstritten ist auch, ob der Anwalt seinen Versicherungsschutz riskiert, wenn er, beispielsweise während laufender Verhandlungen über den Haftungsanspruch, einer Verlängerung der Verjährungsfrist zustimmt3. Daher sollte auch dies nur nach Zustimmung des Versicherers erfolgen.
4. Interessenkollision a) Rechtsgrundlagen 86 Rechtsgrundlagen für das Tätigkeitsverbot bei Interessenkollision sind die §§ 43a Abs. 4, 45, 46 BRAO, § 3 BORA sowie § 356 StGB. So begeht der Anwalt einen strafbaren Parteiverrat (§ 356 StGB), wenn er bei einer ihm als Anwalt anvertrauten Angelegenheit in derselben Rechtssache beiden Parteien 1 BGH v. 10.2.1999 – IV ZR 324/97, MDR 1999, 740 (für die entsprechende Klausel in den Lebensversicherungsbedingungen). 2 Zu Zweifeln, ob dieses Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot wirksam ist, s. Zugehör/Schlee, Rz. 2182. 3 Hierzu Prölss/Martin, VVG, § 4 AHB Rz. 5 m.w.N.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 91 A
durch Rat oder Beistand dient. Dabei ist zu beachten, dass der Begriff derselben Rechtssache weit ausgelegt wird. Hiervon wird ausgegangen, wenn durch die Tätigkeit die vom Mandanten anvertrauten Informationen und Interessen tangiert werden können. Dieselbe Rechtssache liegt daher bereits dann vor, wenn es sich um ein einheitliches Lebensverhältnis handelt1. Nach § 45 Abs. 1 BRAO liegt eine Interessenkollision auch dann vor, wenn der Anwalt in derselben Sache als Richter, Schiedsrichter, Staatsanwalt, Angehöriger des öffentlichen Dienstes, Notar oder Notarvertreter bereits tätig geworden ist, wenn er als Notar oder Notarvertreter eine Urkunde aufgenommen hat, deren Rechtsbestand oder Auslegung streitig ist oder aus der die Vollstreckung betrieben wird.
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§ 45 Abs. 2 BRAO erweitert den Bereich der Tätigkeitsverbote auf Angelegenheiten, in denen der Anwalt bereits als Rechtsanwalt gegen den Träger des zu verwaltenden Vermögens befasst war, als Insolvenzverwalter, Konkursverwalter, Vergleichsverwalter, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker, Betreuer oder in ähnlicher Funktion; des Weiteren in Angelegenheiten, mit denen er bereits als Rechtsanwalt befasst war außerhalb seiner Anwaltstätigkeit oder einer sonstigen Tätigkeit im Sinne des § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO, wobei dies nicht gilt, wenn die berufliche Tätigkeit beendet ist.
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Die Tätigkeitsverbote des § 45 BRAO gelten nach Abs. 3 der Vorschrift bei So- 89 zietäten oder in sonstiger Weise zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbundenen oder verbunden gewesenen Rechtsanwälten und den Angehörigen anderer Berufe ebenso. Eine Interessenkollision bei einem Anwalt der Sozietät hindert also auch alle weiteren Sozietätsmitglieder an der Tätigkeit. Die Vorschriften über die Interessenkollision sollen in erster Linie die Ordnungsmäßigkeit der anwaltlichen Berufsausübung sichern, ein Einverständnis der Parteien ändert deshalb nichts am Vorliegen des Tätigkeitsverbots2. Ein Verstoß kann nicht nur straf- und standesrechtliche Folgen haben, die Interessenkollision führt zugleich zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags, so dass der Anwalt seinen Vergütungs- oder Aufwendungsersatzanspruch verliert3.
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b) Fallgruppen Es entspricht einhelliger Meinung, dass der Anwalt grundsätzlich berechtigt ist, Ehegatten erbrechtlich zu beraten und beispielsweise ein gemeinschaftli1 BGH v. 23.10.1990 – VI ZR 105/90, NJW 1991, 1176; Feuerich/Braun, BRAO, § 43a Rz. 63. 2 BGH v. 16.12.1952 – 2 StR 198/51, NJW 1953, 472. 3 Feuerich/Braun, BRAO, § 45 Rz. 36; zum ähnlich gelagerten Problem des Verstoßes gegen § 46 Abs. 2 Nr. 1 BRAO s. BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 384/97, NJW 1999, 1715 (1717); allerdings hat der BGH (v. 17.2.2000 – IX ZR 50/98, NJW 2000, 1560) im Fall eines Steuerberaters, der unerlaubt eine fremde Rechtsangelegenheit geschäftsmäßig besorgt hat (Folge: Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG), eine Vergütung nach §§ 812 ff. BGB für möglich gehalten, wenn der Verstoß unbewusst erfolgte.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
ches Testament für sie zu entwerfen1. Hierbei können zwischen den Ehegatten Interessengegensätze auftreten, beispielsweise zu Wiederverheiratungsklauseln oder zur Erbeinsetzung von Kindern, die ein Ehegatte in die Ehe mitgebracht hat. Lässt sich hierbei keine Einigung zwischen den Ehegatten erzielen, so ist in Rechtsprechung und Literatur noch nicht geklärt, ob der Anwalt das Mandat für beide Ehegatten beenden muss2 und ob es ihm verwehrt ist, dieses für einen der beiden fortzuführen und für diesen beispielsweise ein einseitiges Testament aufzusetzen. 92 Vorsicht ist auch geboten bei der Vertretung von Erbengemeinschaften. Unproblematisch ist hier in der Regel nur der Fall, dass Ansprüche der Erbengemeinschaft gegen Außenstehende durchgesetzt oder Ansprüche von Außenstehenden, beispielsweise auch von Pflichtteilsberechtigten, abgewehrt werden sollen. Geht es hingegen um die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, so ist ein Interessenkonflikt in nahezu jedem Fall vorprogrammiert, insbesondere wenn die Anwendung von Ausgleichsvorschriften (§§ 2055 bis 2057a BGB) in Frage kommt. Hier muss sich der Anwalt von Anfang an entscheiden, ob er für die Erbengemeinschaft als Schiedsrichter oder Mediator tätig wird oder ob er, wie es der Regelfall sein wird, die Vertretung nur eines der Miterben übernimmt und die anderen darauf verweist, dass sie sich anderweitig vertreten lassen müssen. Zwar wird in der Literatur auch vertreten3, dass die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, also die Vertretung aller oder mehrerer Miterben, zulässig sei, wenn diese umfassend informiert wurden, dass der Anwalt keine gegensätzlichen Standpunkte vertreten werde, und sie sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt haben, doch erscheint dies kaum praktikabel. Soll der Anwalt dann bspw. einem Miterben eine für ihn günstige Ausgleichsvorschrift verschweigen, nachdem er von einem anderen Miterben über ausgleichspflichtige Zuwendungen erfahren hat? 93 Die Vertretung mehrerer Pflichtteilsberechtigter bereitet in der Regel keine Probleme. Eine Ausnahme gilt, wenn einer der Beteiligten auch als Erbe in Betracht kommt oder wenn anrechnungs- oder ausgleichspflichtige Vorempfänge zu berücksichtigen sind (§§ 2315, 2316 BGB)4. Kommt ein Pflichtteilsberechtigter zugleich als Erbe oder Miterbe (und damit Schuldner des Pflichtteilsanspruchs) in Betracht, bspw. wegen möglicher Unwirksamkeit des Enterbungstestaments, so liegt stets eine Interessenkollision vor, die die gemeinschaftliche Vertretung verbietet5. 94 Praktisch in jedem Fall der vorweggenommenen Erbfolge tritt eine Interessenkollision auf, da es aus der Sicht der älteren Generation in der Regel darum geht, Absicherungsmechanismen einzubauen, während die jüngere Generati1 Kerscher/Krug, § 4 Rz. 16. 2 Hierfür Kerscher/Krug, § 4 Rz. 17. 3 Grunewald, ZEV 2006, 386, 389; kritisch hierzu Offermann-Burckart, ZEV 2007, 151. 4 Kerscher/Krug, § 4 Rz. 20; s. auch C VI Rz. 178 ff. 5 Klinger/Ruby, Form. A I. 3, Anm. 3.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
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on naturgemäß freie Hand haben möchte. Hier muss der Anwalt vorab klarstellen, dass er nur eine Seite vertritt (was ihn natürlich nicht hindert, im Rahmen der Beratung dem Mandanten auch die berechtigten Interessen der anderen Generation vor Augen zu führen und hierfür Lösungsmodelle vorzuschlagen, hierzu wird er in der Regel sogar verpflichtet sein).
5. Marketing a) Zielsetzung Anwaltliches Marketing entspringt der Erkenntnis, dass in Zeiten steigenden Wettbewerbsdrucks auch die anwaltliche Leistung professionell dem potenziellen Mandanten nahegebracht werden muss1. Marketing ist aber mehr als Werbung: Es ist die Kunst, direkt oder indirekt Beziehungen zu potenziellen Klienten anzubahnen, um unternehmerische Ziele zu verwirklichen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei eine realistische Zielsetzung. Ein Einzelanwalt, der beispielsweise in einer Kanzleibroschüre den Eindruck erweckt, er decke alle Rechtsgebiete von A bis Z ab, wirkt heutzutage unglaubwürdig. Das Marketing eines Erbrechtsspezialisten muss anders aussehen als das des Generalisten, der sich ähnlich dem Hausarzt als Hausanwalt seines Mandanten versteht. Letzterer wird den potenziellen Mandanten realistischerweise signalisieren, dass er sie zwar auch im Bereich des Erbrechts betreut, dass er aber in schwierigeren Fällen, vor allem in steuerlicher Hinsicht, nur koordinierend tätig ist. Ersterer hingegen wird seine Spezialisierung hervorheben und hierbei auch allgemein tätige Kollegen und Steuerberater gezielt ansprechen. Dass es zwischen diesen beiden Extremen viele Differenzierungen gibt, versteht sich von selbst.
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Somit ergeben sich zwei zusammenhängende Fragestellungen: 1. Welche Ausrichtung soll meine Kanzlei haben? 2. Welche Zielgruppe will und kann ich ansprechen? b) Instrumente Aus der Zielsetzung und teilweise auch aus den finanziellen Möglichkeiten des Anwalts ergeben sich die einzusetzenden Marketing-Instrumente: Werbemaßnahmen: Nicht nur aus standesrechtlichen Gründen ist vor marktschreierischen Mitteln zu warnen, gerade im Erbrecht muss die Werbung in besonderer Weise vertrauensbildend wirken, da der Mandant in der Regel höchst persönliche familiäre und wirtschaftliche Dinge preisgibt. Am ehesten kann man daher von der Werbung derjenigen Branchen lernen, die ebenfalls 1 Hartung/Römermann, Marketing- und Management-Handbuch für Rechtsanwälte, 1999; Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden Berufe, 1999; Mauer/Krämer, Marketing-Strategien für Rechtsanwälte, 2000; Schiefer/Hocke, Marketing für Rechtsanwälte, 3. Aufl. 1999; Trimborn v. Landenberg, Anwaltliches Marketing im Erbrecht, ZErb 2000, 225; Unger/Wolf, Erfolgreiches Anwaltsmarketing, 1993.
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von Kompetenz und Vertrauen leben (Banken, Versicherungen, Unternehmensberater). Geeignete Maßnahmen sind je nach Budget: Briefkopfgestaltung mit Hinweis auf Tätigkeitsschwerpunkt; hervorgehobene Einträge in Telefonbuch und Gelbe Seiten; Kanzleibroschüren. 97
Public Relations: Werbemaßnahmen, die in erster Linie konkrete Mandate akquirieren sollen, werden durch Öffentlichkeitsarbeit ergänzt, bei der langfristig an der „Marke“ gearbeitet wird. Bei Anwälten stehen hier schriftstellerische, fachjournalistische Aktivitäten sowie die Vortragstätigkeit im Vordergrund.
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Networking: Hier geht es um den Aufbau von Kontakten, insbesondere zu Multiplikatoren, die Empfehlungen aussprechen: Finanzdienstleister (Versicherungsagenten, Anlageberater etc.), Rechtsschutzversicherer, Vermögensplaner und natürlich Steuerberater, in der Literatur genannt werden ferner Bestattungsunternehmen und Leiter von Alten- und Pflegeheimen1.
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Internet: Das Internet spielt auch im Erbrecht eine immer größere Rolle. Mittlerweile ist es fast unverzichtbar, dieses Werbe- und Kommunikationsmittel durch eine gut gestaltete Homepage zu nutzen2.
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Service: Dieser Punkt zielt insbesondere darauf ab, den Mandanten außerhalb der eigentlichen anwaltlichen Leistung zufrieden zu stellen und ihn so als Multiplikator zugunsten des Anwalts zu gewinnen. Hierzu gehören Selbstverständlichkeiten wie Termintreue, schnelle Terminvergabe und allgemeine Erreichbarkeit des Anwalts (zuverlässige Erledigung von Rückrufen!). Hinzu kommen Serviceangebote wie die Ausgabe von Merkblättern zu allgemein interessierenden Fragen, z.B. zum Thema „Patiententestament“. Immer wichtiger, auch außerhalb der Testamentsvollstreckung, wird das Thema „RundumService“. Dies betrifft vor allem den Erben, der mit den Folgen des Erbfalls oft überfordert ist und außer juristischem Rat auch praktische Unterstützung benötigt, beispielsweise bei der Veräußerung einer Immobilie durch Herstellung des Kontakts zu einem seriösen Immobilienmakler.
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Preispolitik: Es sei die Prognose gewagt, dass die Preisgestaltung künftig mehr und mehr als Marketing-Mittel in den Vordergrund geraten wird. In erster Linie hängt dies davon ab, welche Zielgruppe angesprochen werden soll. Spricht eine Kanzlei in erster Linie den „Durchschnittsbürger“ an, so kann es lohnend sein, Schwellenängste durch preiswerte Erstberatungsangebote abzubauen. Umgekehrt muss sich der Unternehmensnachfolgespezialist davor hüten, in den Ruf des „billigen Jakob“ zu kommen. Beiden Extremen gemein ist jedoch die Notwendigkeit, dem Mandanten das Gefühl zu vermitteln, dass er einen fairen Preis bezahlt. Gerade angesichts der im Verhältnis zum RVG teilweise niedrigeren Notargebühren bedarf das Honorar-Thema daher einigen Fingerspitzengefühls. Im Gegensatz zum Notar hat der Anwalt Gestaltungs1 Trimborn v. Landenberg, ZErb 2000, 225 (227). 2 Strangmeier, Internetpräsenz für Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, 2000.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
Rz. 106 A
spielraum, den er, bspw. durch die Vereinbarung von Stundenhonorar, nutzen sollte.
III. Methodik der Nachlassplanung 1. Gestaltungs-, Risiko- und Abwicklungsplanung Der Begriff „Testamentsgestaltung“ steht heute beispielhaft für die umfassende Planung der Vermögensnachfolge des Klienten. In den USA hat sich das Estate Planning bereits vor Jahrzehnten zu einem eigenständigen Gebiet in Rechtswissenschaft und Praxis entwickelt, wobei Nachlassplanung wiederum als Teil der privaten Finanzplanung verstanden wird. Dies verdeutlicht, dass es sich um einen Planungsprozess handelt, der alle rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte berücksichtigt, die für den Übergang des Vermögens auf die nächste Generation Bedeutung erlangen können. Im Gegensatz zur forensischen Sichtweise ist der Status quo nur ein Ausgangspunkt, da der Kautelarjurist mögliche Änderungen der rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen hat, indem er flexible Lösungen vorsieht, die dies berücksichtigen, sei es in Form von Änderungsvorbehalten, sei es in Form von Alternativlösungen.
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Wie jeder Planungsprozess unterliegt auch die Nachlassplanung drei Stufen, die naturgemäß eng miteinander verzahnt sind: – Im Wege der Gestaltungsplanung wird der normale, „programmgemäße“ Ablauf der Vermögensnachfolge geregelt.
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– Die Risikoplanung berücksichtigt mögliche Entwicklungen der Zukunft, insbesondere etwaige Störfaktoren wie beispielsweise: Wegfall eines Erben (Ersatzerbschaft), Geltendmachung eines Pflichtteils (Pflichtteilsstrafklausel), Wegfall eines Vermögensgegenstands (Verschaffungsvermächtnis oder Wertersatz).
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– Die Abwicklungsplanung hat eine wesentliche Hilfsfunktion, indem sie sicherstellen soll, dass die inhaltlichen Regelungen, die für den Normal- oder Risikofall vorgesehen sind, möglichst reibungslos und kostengünstig umgesetzt werden, bspw. durch Einsetzung eines Abwicklungstestamentsvollstreckers. Ein weiteres Beispiel bietet der Fall, dass der Nachlass hauptsächlich aus einem Unternehmen oder einer Immobilie besteht. Hier bietet es sich zur vereinfachten Abwicklung meist an, den für das Unternehmen oder die Immobilie vorgesehenen Nachfolger zum Alleinerben zu bestimmen und die übrigen Familienangehörigen durch Vermächtnisse zu bedenken.
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2. Fünf Arbeitsschritte Idealtypisch ergeben sich fünf Arbeitsschritte, die im praktischen Vorgehen naturgemäß ineinander übergehen: Steiner
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1. Erfassung des Ist-Zustandes 2. Definition des Soll-Zustandes 3. Analyse der juristischen Ausgangssituation 4. Ermittlung von Gestaltungsvarianten 5. Auswahl und Umsetzung der geeigneten Gestaltungsvariante a) Erfassung des Ist-Zustandes 107
In einem ersten Schritt sind die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen möglichst vollständig zu erfassen, wobei auch Änderungen zu berücksichtigen sind, die sich bereits abzeichnen oder die realistischerweise zu erwarten sind.
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aa) Checkliste zur Erfassung der persönlichen Situation – Staatsangehörigkeit, Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt des Klienten – Familienstand (bzw. Vorhandensein eines Lebensgefährten) – Vorhandensein möglicherweise erb- oder pflichtteilsberechtigter Angehöriger, insbesondere Eltern der Mandanten sowie Kinder einschließlich nichtehelicher und adoptierter Kinder – In Fällen mit Auslandsberührung: Staatsangehörigkeit, Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt der Angehörigen1 – Zur Ermittlung des Güterrechtsstatuts sind ferner der Eheschließungsort und der erste eheliche Wohnsitz festzustellen. – Persönliche Eigenschaften der Beteiligten: Hier geht es um „weiche“ Faktoren, die für die Vermögensnachfolge eine kaum zu überschätzende Rolle spielen wie bspw. die Fähigkeit eines Angehörigen, mit Geld verantwortungsbewusst umzugehen, oder die fachliche Qualifikation eines Ehegatten oder Kindes für die Unternehmensnachfolge. (Hier sollte der Berater nicht einfach die Einschätzung und Bewertung des Mandanten übernehmen, sondern diesen veranlassen, seine Einschätzung durch konkrete Geschehnisse und Erfahrungen zu belegen – oder auch sie kritisch zu reflektieren.) – Bestehen Zweifel an der Testier- oder Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten? Mögliche Änderungen: – Ehekrise oder gar Scheidungswunsch bei einem Beteiligten? – Ernsthafte Erkrankung oder fortgeschrittenes Alter bei einem Beteiligten? – Kinderwunsch bei einem Beteiligten? – Adoptionswunsch? 1 Dies hat Bedeutung für die Steuerplanung, zudem müssen in diesen Fällen etwaige Gerichtsstände oder Schutzvorschriften ermittelt werden, die das jeweilige Land für eigene Staatsangehörige kennt.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
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bb) Checkliste zu rechtlichen Rahmenbedingungen
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– Existiert ein Ehevertrag oder ein Vertrag mit einem nichtehelichen Lebensgefährten? – Bindung durch ein gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag? – Besteht ein Vertrag über den Nachlass eines lebenden Dritten nach § 312 BGB? – Ist der Mandant in einen Gesellschaftsvertrag oder eine Eigentümergemeinschaft eingebunden? – Bestehen Verträge zugunsten Dritter, insbesondere Lebensversicherungen? – Bestehen Vollmachten? – Bestehen langfristige vertragliche Bindungen, beispielsweise Miet- oder Pachtverträge im Unternehmensbereich? – Existieren Schenkungs- oder Übergabeverträge? – Bestehen Pflichtteils- oder Erbverzichtsverträge? cc) Checkliste zur Analyse der Vermögensstruktur
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Gegenwartsbezogen: – Immobilien – Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen – Geld- und Wertpapiervermögen (Zuordnung von Gemeinschaftskonten und -depots) – Land- und forstwirtschaftliches Vermögen – Lebensversicherungen und Bausparverträge – Sonstiges bewegliches Vermögen (Kfz, Hausrat, Antiquitäten) – Auslandsvermögen Vergangenheitsbezogen: – Zuwendungen an Familienangehörige (Schenkungen, Ausstattungen) Zukunftsbezogen: – Veräußerungswunsch – Wunsch zur Auf- oder Übergabe des Unternehmens – Renten- und Altersversorgung des Klienten und seines Ehegatten b) Definition des Soll-Zustandes In einem zweiten Schritt werden mit dem Mandanten die Ziele der Nachfolgeplanung festgelegt. Diese bestimmen sich nach seinen individuellen Wünschen, typischerweise stehen sieben Gestaltungsziele im Vordergrund: Steiner
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
An erster Stelle steht die Versorgung des Ehegatten und der Kinder (oder Enkelkinder), indem der Übergang des Vermögens oder seiner Erträge auf diese Personen sichergestellt wird. Als zweites Motiv spielt dabei im Verhältnis der Kinder eine gerechte Verteilung und der Ausgleich von Vorempfängen eine wichtige Rolle. Wenn zum Vermögen ein Unternehmen oder eine bedeutende Immobilie zählt, tritt als drittes Regelungsziel oft die Sicherung der Existenz dieser Vermögenseinheit und ihr Erhalt für die Familie in den Vordergrund. In diesem Zusammenhang spielt als viertes Regelungsziel unter Liquiditätsgesichtspunkten die Ausschaltung von Störfaktoren wie Pflichtteilsansprüchen und güterrechtlichen Zahlungsansprüchen eine wichtige Rolle. Häufig werden, fünftens, Regelungen gewünscht, die die Beteiligten auch nach dem Erbfall an die Vorstellungen des Erblassers binden, insbesondere durch Vorund Nacherbschaft oder Dauertestamentsvollstreckung. Sechstens besteht das Ziel, den Familienfrieden zu wahren, indem Streit vermeidende und praktisch durchsetzbare Lösungen gefunden werden. Schließlich sollen, siebtens, die Steuern und Nachlassabwicklungskosten möglichst gering gehalten werden. c) Analyse der juristischen Ausgangssituation
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Wenn der Sachverhalt feststeht und die Ziele des Klienten definiert sind, ist im dritten Schritt festzustellen, wie sich die Vermögensnachfolge im Erbfall ohne kautelarjuristisches Eingreifen ergeben würde: – Zivilrechtlicher Übergang des Vermögens auf gesetzliche Erben oder bei bereits existierender testamentarischer Lösung auf die hiernach Begünstigten; Ansprüche des Ehegatten; gesellschaftsrechtliche Nachfolgeklauseln; Bezugsberechtigungen aufgrund von Verträgen zugunsten Dritter (Lebensversicherungen); – Steuerliche Folgen des Erbfalls, insbesondere im Erbschaft- und Einkommensteuerrecht; – Im internationalen Bereich ist zu beachten, dass der potenzielle Erbfall (im Unterschied zur forensischen Tätigkeit) aus der Sicht aller beteiligter Rechtsordnungen zu untersuchen ist, in denen die Zuständigkeit eines Nachlass- oder Streitgerichts gegeben sein oder in denen Steuerhoheit bestehen könnte1. d) Ermittlung von Gestaltungsvarianten
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Im vierten Schritt werden Lösungsvarianten ermittelt, die für die Verwirklichung der definierten Ziele geeignet sind. Hierbei bedient sich der Kautelarjurist der Gestaltungstypen, die für typische Fallgruppen entwickelt wur-
1 Zum deutschen internationalen Privatrecht und zum deutschen internationalen Erbschaftsteuerrecht Checklisten bei von Oertzen, ZEV 1995, 167 ff.; Steiner, Testamentsgestaltung in Fällen kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung, 2001.
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Vermögens- und Nachlassplanung in der Beratung
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den1. Diese kautelarjuristischen Gestaltungstypen kombinieren juristische Lösungsmodelle und bündeln sie zu einem Maßnahmenpaket, welches die typischen Zielsetzungen des Mandanten bei einem gegebenen Sachverhalt verwirklicht (dass es sich hierbei nur um eine Richtschnur handelt, die an die Besonderheiten des jeweiligen Falles anzupassen ist, ist eine pure Selbstverständlichkeit). Als Regelungsinstrumente stehen naturgemäß die klassischen erbrechtlichen Instrumente im Vordergrund:
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– Testament und gemeinschaftliches Testament, – Erbvertrag, – Erb- und Pflichtteilsverzicht, – Vertrag über den Nachlass eines lebenden Dritten (§ 312 BGB). Hinzu kommen die Regelungsinstrumente aus dem Schuld-, Familien- und Gesellschaftsrecht: – Schenkungs- und Übergabeverträge, – Eheverträge, – Gesellschaftsverträge, – Regelungen innerhalb einer Eigentümergemeinschaft, – Verträge zugunsten Dritter, – Vollmachten, – Schiedsverträge. e) Auswahl und Umsetzung der geeigneten Lösungsvariante Im fünften und letzten Schritt schließlich sind Zielkonflikte zu gewichten, und es wird die vorteilhafteste Gestaltungsvariante (bzw. die vorteilhafteste Kombination von Gestaltungsvarianten) gewählt und umgesetzt. Dabei gilt für den Kautelarjuristen grundsätzlich das Gebot der Wahl des sichersten Weges.
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3. Praktische Einschränkungen des idealtypischen Arbeitsganges Die vorstehend geschilderten fünf Arbeitsschritte sind in der Praxis naturgemäß eng miteinander verzahnt. Auch unterliegen sie im juristischen Alltag zahlreichen Einschränkungen: Dies beginnt mit Problemen bei der vollständigen Erfassung des Sachverhalts, beispielsweise wenn der Kontakt zu (nicht1 Langenfeld, Testamentsgestaltung, 3. Aufl. 2002 Rz. 73 ff.; zu Vertragstypen der Grundstückszuwendung s. insbesondere Langenfeld/Günther, Grundstückszuwendungen zur lebzeitigen Vermögensnachfolge, 5. Aufl. 2005; Gestaltungsmodelle zur Unternehmensnachfolge s. bspw. Sudhoff, Unternehmensnachfolge, 5. Aufl. 2005, Kap. F.
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ehelichen) Kindern abgerissen ist. Auch sind die Zielvorstellungen der Klienten oft unklar, manchmal auch irrational. Hinzu kommt, dass vor allem in steuerlichen Fragen und in Fällen mit Auslandsberührung die Ermittlung des juristischen Status quo häufig mit Unsicherheiten behaftet ist. Gleiches gilt für Fragen im tatsächlichen Bereich, hier bedarf es oft aufwändiger Ermittlungen, bspw. zur Feststellung von Unternehmenswerten. In eilbedürftigen Fällen (schwere Erkrankung) steht die Zeit für eine sorgfältige Prüfung häufig nicht zur Verfügung, auch wird der Klient oft nur bereit sein, ein begrenztes Budget für seine Nachfolgeplanung zur Verfügung zu stellen. All dies zwingt zu Kompromissen, wobei nicht selten auch ein Abweichen vom kautelarjuristischen Grundgebot des sichersten Weges angezeigt ist, bspw. um ambitionierte Wünsche des Klienten zu erfüllen, die ein juristisches „Restrisiko“ erfordern, oder indem bewusst eine risikoträchtige Lösung gewählt wird, etwa um durch eine Strafklausel, deren Durchsetzbarkeit ungewiss ist, einen potenziellen Anspruchsteller abzuschrecken.
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B. Das Mandat vor dem Erbfall – Gestaltung letztwilliger Verfügungen I. Die lebzeitige Vermögensübertragung Schrifttum: Götzenberger, Optimale Vermögensübertragung: Erbschaft- und Schenkungsteuer, 3. Aufl. 2009; Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis, 2. Aufl.; Landsittel, Gestaltungsmöglichkeiten von Erbfällen und Schenkungen, 3. Aufl. 2006; Langenfeld/Günther, Grundstückszuwendungen zur lebzeitigen Vermögensnachfolge, 5. Aufl. 2005; Mayer, Der Übergabevertrag in der anwaltlichen und notariellen Praxis, 2. Aufl. 2001; Spiegelberger, Vermögensnachfolge. Vorweggenommene Erbfolge, Erbauseinandersetzung und Unternehmertestament, 1994; Wegmann, Grundstücksüberlassung, 2. Aufl. 1999. Rz. I. Die vorweggenommene Erbfolge im System der Nachlassplanung 1. Begriff und Bedeutung der vorweggenommenen Erbfolge . . . . . 1 2. Fallgruppen und rechtliche Instrumente der Vermögensübertragung a) Geld- und Wertpapierschenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 b) Verträge zugunsten Dritter . . 7 c) Immobilien . . . . . . . . . . . . . . . 8 d) Unternehmen und Familiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . 16 II. Die Vor- und Nachteile lebzeitiger Vermögensübertragung . . . . 1. Ist der vorgesehene Nachfolger geeignet? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kann der Übergeber die Substanz entbehren? . . . . . . . . . . . . . 3. Ist der Übergeber auf die Erträge angewiesen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entstehen durch die vorweggenommene Erbfolge erhebliche erbschaftsteuerliche Vorteile? . . 5. Ist die vorgesehene Maßnahme einkommensteuerneutral? . . . . . 6. Können die für Betriebsvermögen geltenden erbschaftsteuerrechtlichen Privilegien ausgeschöpft werden? . . . . . . . . . . . . 7. Sind Minderjährige beteiligt? . . . 8. Wie hoch sind die Kosten? . . . . .
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Rz. III. Besonderheiten bei Beteiligung Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Durchführung der Zuwendung 46 a) In-sich-Geschäft . . . . . . . . . 46a b) Gerichtliche Genehmigung . 51 2. Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3. Haftung des Minderjährigen . . . 58 4. Sicherung des Einflusses der Übergeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 IV. Gegenleistungen des Übernehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abstandszahlungen . . . . . . . . . . 2. Gleichstellungsgelder . . . . . . . . 3. Übernahme von Schulden . . . . .
64 65 67 69
V. Versorgung des Übergebers und Dritter 1. Nutzungsvorbehalte a) Nießbrauch aa) Allgemeines. . . . . . . . . . . bb) Steuerliche Hinweise . . . b) Wohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versorgungsleistungen. . . . . . . . a) Leibrente . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dauernde Last . . . . . . . . . . . . c) Pflegeverpflichtungen. . . . . . d) Steuerliche Behandlung der Versorgungsleistungen . . . . . aa) Ratenzahlungen . . . . . . . bb) Unterhaltsleistungen . . . cc) Leibrenten und dauernde Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Pflegeverpflichtungen . .
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B I Rz. 1 Rz. VI. Rückforderungsrechte und Weiterübertragung 1. Gesetzliche Rückforderungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Vertragliche Rückforderungsrechte a) Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Rechtliche Gestaltung . . . . . . 114 c) Steuerliche Folgen . . . . . . . . 117a
Lebzeitige Vermögensübertragung Rz. aa) Einkommensteuerliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Folgen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht . . 119 cc) Steuerklausel . . . . . . . . . . 121a 3. Verpflichtung zur Weiterübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 4. Verfügungsrechte des Übergebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
I. Die vorweggenommene Erbfolge im System der Nachlassplanung 1. Begriff und Bedeutung der vorweggenommenen Erbfolge 1 Unter vorweggenommener Erbfolge werden Vermögensübertragungen verstanden, die bereits zu Lebzeiten an Personen erfolgen, die ansonsten den entsprechenden Vermögensgegenstand von Todes wegen erhalten hätten. Kennzeichnend für den Begriff der vorweggenommenen Erbfolge sind also drei Elemente: – Vermögensübertragung zu Lebzeiten – auf zukünftige Erben (meist Abkömmlinge) – im Vorgriff auf die Erbfolge 2 Anders als bei Verfügungen von Todes wegen ist bei der vorweggenommenen Erbfolge keine einseitige Anordnung möglich, sie ist stets nur im Konsens zwischen dem künftigen Erblasser und dem vorgesehenen Nachfolger möglich. Dank der gestiegenen Lebenserwartung der Bevölkerung hat die vorweggenommene Erbfolge im Vergleich zur Ausgangslage bei Schaffung des BGB erheblich an Bedeutung gewonnen, da sie es ermöglicht, die Nachfolgegeneration bereits zu Lebzeiten des Erblassers in den (partiellen) Genuss des Familienvermögens kommen zu lassen. Die Entscheidung hierfür wird der Übergebergeneration maßgeblich dadurch erleichtert, dass die kautelarjuristische Praxis zu ihren Gunsten zahlreiche Absicherungsmechanismen entwickelt hat, insbesondere durch Nutzungs- und Rückforderungsvorbehalte. Vorweggenommene Erbfolge und Übertragung von Todes wegen berühren sich in den Fällen, in denen der Zuwendende den Zuwendungsgegenstand auf seinen Todesfall aufschiebend befristet überträgt1.
1 Ausführlich hierzu Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 3. Aufl. 2008, § 4.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 5 B I
2. Fallgruppen und rechtliche Instrumente der Vermögensübertragung a) Geld- und Wertpapierschenkung Die Geldschenkung unterliegt in der Regel keinen besonderen rechtlichen Anforderungen, meist wird sie ohne schriftlichen Vertrag formlos vereinbart und durch Handschenkung oder Überweisung ausgeführt. Typisches Merkmal dieses Vertragstypus ist es, dass der Zuwendende den Geldbetrag und auch die Erträge hieraus nicht mehr benötigt, weshalb in der Regel keine Absicherungsmechanismen wie Nutzungs- oder Rückforderungsvorbehalte veranlasst sind. Behält sich der Schenker jedoch den Nießbrauch vor, so bleibt er Eigentümer des Geldes (§ 1067 Abs. 1 BGB), und auch die Erträge aus einer Anlage des Geldes sind ihm einkommensteuerlich zuzurechnen1.
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Gerade bei der Geldschenkung spielt die steuerliche Motivation häufig eine entscheidende Rolle: Die gemäß § 14 ErbStG im 10-Jahres-Rhythmus anfallenden Freibeträge sollen ausgenutzt werden. In diesem Zusammenhang stellt sich vor allem bei Eheleuten das Problem der „Kettenschenkung“.
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Beratungssituation: V schenkt seinem Sohn 400 000 Euro und seiner Ehefrau weitere 200 000 Euro mit der Maßgabe, dass diese das Geld an den Sohn weiterverschenkt.
Erhält jemand eine Zuwendung, die er aufgrund einer getroffenen Abrede an einen Dritten weitergeben muss, liegt schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des ursprünglichen Schenkers an den Dritten vor2. Im Beispielsfall liegt daher eine Schenkung von 600 000 Euro seitens des V an seinen Sohn vor. Das Ziel, auch den im Verhältnis zur Mutter bestehenden Freibetrag auszunutzen, ist damit gescheitert (zu Möglichkeiten, dem zu entgegnen, s. D Rz. 150 f.). Ertragsteuerlich ist die Schenkung von Geld oder Wertpapieren ein neutraler Vorgang. Dies gilt auch für die Abgeltungsteuer: Werden Wertpapiere auf das Depot eines anderen übertragen, fingiert § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG zwar eine Veräußerung, doch kann der bisher Berechtigte seiner Bank mitteilen, dass der Vorgang unentgeltlich ist. Dann unterbleibt der Kapitalertragsteuerabzug, und die Bank ist lediglich verpflichtet, den Depotübertrag dem Finanzamt zu melden (§ 43 Abs. 1 Satz 5 und 6 EStG). Geldschenkungen unter Auflagen sind in der Praxis verhältnismäßig selten, mit Ausnahme der Auflage, das Geld zum Erwerb eines Grundstücks zu verwenden. Dies führt, wenn die Immobilie genau bezeichnet ist, in schenkungsteuerrechtlicher Hinsicht zur Anwendung der Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung, deren praktische Bedeutung durch die Erbschaftsteuerreform 2009 allerdings stark eingeschränkt wurde3 (s. D Rz. 161 ff.).
1 Zu den zivil- und steuerrechtlichen Fragen des Nießbrauchs an Geld- und Wertpapiervermögen Steiner, ErbStB 2007, 249, 273. 2 BFH v. 13.10.1993 – II R 92/91, BStBl. 1994 II, 128. 3 Steiner, Das neue Erbschaftsteuerrecht, 2009, Rz. D 16 ff.
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6 In der Öffentlichkeit kaum bekannt ist die Anrechnungsbestimmung des § 2315 Abs. 1 BGB. Hiernach hat sich ein Pflichtteilsberechtigter eine lebzeitige freigebige Zuwendung des Erblassers dann auf seinen Pflichtteil anrechnen zu lassen, wenn der Erblasser dies bei der Zuwendung bestimmt hat. Laien übersehen häufig, dass diese Anrechnungsbestimmung spätestens mit Ausführung der Zuwendung erfolgen muss1. Die Anrechnungsbestimmung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Form unterliegt, sie kann auch stillschweigend erfolgen. Aus Beweisgründen sollte sich der Zuwendende vom Empfänger aber schriftlich bestätigen lassen, dass dieser von der Anrechnungsbestimmung Kenntnis genommen hat.
Formulierungsvorschlag S erhält von V eine Zuwendung in Höhe von . . . Euro. Diese muss er sich auf seinen evtl. Pflichtteil nach dem V anrechnen lassen. (Ort, Datum, Unterschriften von S und V)
Eine Ausstattung nach § 1624 BGB ist keine Schenkung i.S. der §§ 516 ff. BGB. Lediglich auf den übermäßigen Teil einer Ausstattung ist Schenkungsrecht anwendbar2. b) Verträge zugunsten Dritter 7 Verträge zugunsten Dritter, insbesondere Lebensversicherungen, sind beliebte und wirtschaftlich bedeutende Gestaltungsmittel, um nahe Angehörige für den Fall des Todes eines Familienmitglieds wirtschaftlich abzusichern und um Liquiditätsvorsorge für zu erwartende Pflichtteils- und Erbschaftsteuerbelastungen zu treffen. Bei der reinen Risikolebensversicherung wird die Versicherungssumme nur bei Tod der versicherten Person fällig, bei einer Todesfall- und Erlebensversicherung wird sie hingegen nach einem bestimmten Zeitablauf, in jedem Fall aber bei Tod des Versicherten fällig. Das Recht des für den Todesfall Bezugsberechtigten ist dabei auflösend bedingt durch den Eintritt des Erlebensfalls. Die kapitalbildende Lebensversicherung ist somit sowohl ein Gestaltungsmittel der Vermögensanlage zu Lebzeiten als auch der vorweggenommenen Erbfolge. Nur wenn kein Bezugsberechtigter benannt ist, fällt die Versicherungssumme in den Nachlass3. Ansonsten besteht nach § 330 BGB die Vermutung, dass es sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter, also zugunsten des Bezugsberechtigten, handelt und daher der Dritte ein unmittelbares 1 Das Vorhaben, eine nachträgliche Anrechnungsbestimmung durch letztwillige Verfügung zuzulassen (BT-Drs. 16/8954), wurde nicht Gesetz, s. Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts v. 24.9.2009, BGBl. I, S. 3142. 2 Palandt/Diederichsen, § 1624 BGB, Rz. 3. 3 Prölss/Martin, § 166 VVG Rz. 9; BGH v. 8.5.1996 – IV ZR 112/95, ZEV 1996, 263.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
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Forderungsrecht gegen die Versicherung erwirbt (§ 328 Abs. 1 BGB). Ferner wird bei der Lebensversicherung auf den Todesfall gemäß § 331 Abs. 1 BGB vermutet, dass der Dritte sein Forderungsrecht erst mit dem Tod des Versicherten erwirbt. Bis dahin kann der Versicherungsnehmer den Bezugsberechtigten auswechseln, es sei denn, er hat mit dem Versicherer die Unwiderruflichkeit der Bezugsberechtigung vereinbart (§ 166 Abs. 2 VVG). Nach § 332 BGB könnte die Auswechslung des Bezugsberechtigten theoretisch sogar noch durch Verfügung von Todes wegen geschehen, dies wird durch § 13 Abs. 2 ALB allerdings verhindert, weil eine Änderung des Bezugsberechtigten erst dann wirksam wird, wenn sie dem Versicherer angezeigt wurde. Ein Testament, welches die Erklärung über eine Änderung oder den Widerruf der Bezugsberechtigung enthält, muss daher dem Versicherer noch zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers bekannt gemacht werden1. Der Bezugsberechtigte erwirbt im Normalfall des widerruflichen Bezugsrechts das Recht auf die Leistung des Versicherers mit dem Eintritt des Versicherungsfalls (§ 166 Abs. 2 VVG) (bei unwiderruflichem Bezugsrecht erwirbt er die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag hingegen sofort2). Damit der Bezugsberechtigte die Leistung behalten darf, bedarf es, wie stets bei Verträgen zugunsten Dritter, eines rechtlichen Grundes im Valutaverhältnis; meist wird dies eine Schenkung sein. Auch bei Verträgen zugunsten Dritter mit einer Bank kann der Kontoinhaber die Rechtsstellung des Dritten in der Regel ohne dessen Zustimmung jederzeit noch ändern, sei es, weil er sich dieses stillschweigend vorbehalten hat (§ 328 Abs. 2 BGB), sei es auch einfach durch Kündigung des Deckungsverhältnisses mit der Bank oder dadurch, dass das Spar- oder Girokonto durch Abhebungen oder Umbuchungen reduziert wird. Damit der Begünstigte die Leistung der Bank behalten darf und nicht wegen ungerechtfertigter Bereicherung an die Erben herausgeben muss, bedarf es eines Rechtsgrundes im Valutaverhältnis3. Hat der Begünstigte an dem Vertrag zugunsten Dritter mitgewirkt oder wurde ihm dieser vor dem Tod des Kontoinhabers von diesem mitgeteilt, dann wird der Schenkungsvertrag in der Regel durch schlüssiges Verhalten zustande gekommen sein (§§ 151, 145 BGB). Andernfalls kann der Rechtsgrund noch nach dem Tod des Bankkunden dadurch zustande kommen, dass die Bank aufgrund eines postmortalen Übermittlungsauftrages das Schenkungsangebot dem Begünstigten nach dem Tod des Kontoinhabers mitteilt (§§ 130 Abs. 2, 153, 151 BGB). Allerdings wird das Schenkungsangebot unwirksam, wenn der Begünstigte zuvor oder gleichzeitig einen Widerruf der Erben des Bankkunden erhält. Damit entsteht das berühmte Problem der Wettlaufsituation4. Dieser kann auf mehreren Wegen begegnet werden: – Der sicherste Weg ist der, dass der Dritte das Schenkungsangebot bereits zu Lebzeiten des Kontoinhabers annimmt. Aus psychologischen Gründen ist 1 2 3 4
Prölss/Martin, § 13 ALB 86 Rz. 17. § 13 Abs. 2 ALB 86; Prölss/Martin, § 166 VVG Rz. 7. Palandt/Heinrichs, § 331 BGB Rz. 4 m.w.N. Gubitz, ZEV 2006, 333.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
dieser Weg aber oft nicht gewollt, weil der Begünstigte zu Lebzeiten des Kontoinhabers noch nicht von der geplanten Begünstigung erfahren soll. – Die Zuwendung kann durch parallele letztwillige Verfügung abgesichert werden, in der dem Begünstigten durch Vermächtnis das Kontoguthaben zugewandt wird; alternativ kommt auch das Vermächtnis eines Anspruchs auf Unterlassen des Widerrufs in Betracht1. – Der Kunde kann gegenüber der Bank auf das Widerrufsrecht verzichten (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB), was dann auch gegenüber den Erben wirkt2. Ein solcher Widerrufsverzicht belässt dem Kontoinhaber die Möglichkeit, das Deckungsverhältnis mit der Bank aufzuheben oder zu Lebzeiten frei über das Guthaben zu verfügen, da sich das unwiderrufliche Schenkungsangebot nur auf das Guthaben bezieht, welches am Todestag noch vorhanden ist. – Umstritten ist, ob der Erbenwiderruf auch durch eine Selbstkontrahierungsklausel ausgeschlossen werden kann, bei der der Bankkunde den Schenkungsvertrag bereits zu Lebzeiten mit sich selbst und als Vertreter des Begünstigten abschließt. Er handelt dabei als Vertreter ohne Vertretungsmacht, der Beschenkte kann dies nach dem Tod des Versprechensempfängers mit Rückwirkung genehmigen (§ 184 Abs. 1 BGB). Die Erben haben wegen § 178 Satz 1 BGB keine Widerrufsmöglichkeit3. Ehegatten unterliegen häufig der Fehlvorstellung, bei einem Gemeinschaftskonto falle das gesamte Guthaben beim Tod eines von ihnen automatisch an den anderen. Richtig ist zwar, dass im Regelfall des Oder-Kontos der überlebende Teil als Gesamtgläubiger im Sinne von § 428 BGB über das Konto verfügen kann4, erbrechtlich unproblematisch ist dies allerdings nur, wenn er zugleich Alleinerbe des verstorbenen Teils wird. Andernfalls verbleibt den Erben die hälftige Ausgleichsforderung nach der Auslegungsregel des § 430 BGB. Soll dies ausgeschlossen werden, so muss der Anteil des Kontoguthabens durch Vermächtnis bzw. Vorausvermächtnis oder durch Vertrag zugunsten Dritter dem überlebenden Ehegatten zugewiesen werden. Nicht unproblematisch ist auch die Anlegung eines Sparkontos auf den Namen des zu begünstigenden Dritten unter dem Vorbehalt einer Verfügungsbefugnis bis zum Tod. Denn durch die Anlage des Sparbuchs auf den Namen des Dritten geht die Forderungsinhaberschaft noch nicht auf ihn über, vielmehr handelt es sich dann nur um eine Vorbereitungshandlung; damit der Dritte das Forderungsrecht im Todesfall erwirbt, bedarf es wiederum eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall5. Soll ein Wertpapierdepot im Wege des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall übergehen, so stellt sich die Schwierigkeit, dass dingliche Rechte nicht im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter übertragen werden können6. Daher 1 Nieder/Kössinger, § 4 Rz. 52. 2 Palandt/Heinrichs, § 130 BGB Rz. 11. 3 Lösungsansatz von Bühler, NJW 1976, 1727, 1728; bejahend Gubitz, ZEV 2006, 333, 336; ablehnend Muscheler, WM 1994, 921, 934. 4 Hierzu Werkmüller, ZEV 2000, 440. 5 BGH v. 2.2.1994 – IV ZR 51/93, NJW 1994, 931. 6 Palandt/Heinrichs, vor § 328 BGB Rz. 9.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 11 B I
wählt die Praxis die Konstruktion eines Treuhandvertrags, bei der der Kunde treuhänderisch sein Eigentum bzw. Miteigentum an den im Depot verwahrten Wertpapieren auf die Bank überträgt, der aus dem Treuhandverhältnis entstehende Rückübereignungsanspruch ist dann Gegenstand des Vertrags zugunsten Dritter1. c) Immobilien Angesichts dessen, dass viele Bürger einen großen Anteil ihres Vermögens in Immobilien angelegt haben, verwundert es nicht, dass die Übergabe von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge wirtschaftlich eine erhebliche Bedeutung hat. Typischerweise wird dies mit Nutzungs- und Rückforderungsvorbehalten zugunsten der Übergebergeneration verbunden. Rechtlich am einfachsten gestaltet werden kann dabei die Übergabe einer Immobilie im Ganzen. Häufig entspricht dies aber nicht den Wünschen der Übergebergeneration, entweder weil mehrere Übernehmer bedacht werden sollen oder weil sich der Übergeber einen Teil des Eigentums zurückbehalten möchte. Hier bieten sich folgende Lösungen an:
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– Übertragung von Bruchteilseigentum, typischerweise verbunden mit Absicherungsmaßnahmen2, die verhindern, dass der Übernehmer bei Streitigkeiten die Verwaltung des Grundbesitzes behindern oder gar die Teilungsversteigerung betreiben kann.
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– Begründung und Übergabe von Wohnungseigentum: Diese Lösung bietet sich nicht selten an, wenn es um die teilweise Übergabe eines Grundstücks geht, das mit einem Mehrfamilienhaus oder mit mehreren Häusern bebaut ist. Die Aufteilung in Wohnungseigentum sichert in diesem Fall eine Struktur, die es erlaubt, die einzelnen Teile als weitgehend unabhängige wirtschaftliche Einheiten zu verwalten. Zum Schutz gegen das Eindringen Familienfremder werden häufig Vorkehrungen wie beispielsweise ein Vorkaufsrecht getroffen.
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– Familienpool: Die Einbringung der Immobilien in eine Grundstücksverwaltungsgesellschaft bürgerlichen Rechts bietet sich bei größeren Vermögen an3. Durch Nutzungs- und Geschäftsführungsvorbehalte kann sich der Übergeber lebenslang den Ertrag und die Verwaltungsbefugnis der Objekte vorbehalten. Durch Kündigungs- und Fortsetzungsklauseln kann des Weiteren sichergestellt werden, dass nur Abkömmlinge Mitgesellschafter werden, so dass das Gesellschaftsvermögen in der Familie bleibt.
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Der Nutzungsvorbehalt des Übergebers kann in diesem Zusammenhang auf verschiedenen Wegen verwirklicht werden4. Möglich sind: 1 Vertragsmuster in Münchener Vertragshandbuch Band 3/II, 5. Aufl. 2004, III.11. 2 In Frage kommen insbesondere von §§ 744 f. BGB abweichende Vereinbarungen über die Verwaltung und der Ausschluss der Aufhebung der Gemeinschaft (§ 1010 BGB). 3 Formulierungsbeispiel bei Langenfeld/Günther, Rz. 728; Landsittel, S. 733. 4 Hierzu mit Formulierungsmustern Schindhelm/Stein, ErbStB 2003, 405; Steiner, ErbStB 2005, 279; Steiner, ErbStB 2006, 31.
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– Bestellung eines Eigentümernießbrauchs am Grundbesitz, bevor dieser in die Gesellschaft eingebracht wird oder – Bestellung eines Nießbrauchs an den Geschäftsanteilen der übernehmenden Abkömmlinge, oder – Regelung der Gewinnverteilung, die von den Beteiligungsverhältnissen abweicht1. 12 Einen besonderen Vertragstypus bildet im Rahmen von Grundstückszuwendungen die Ausstattung (§ 1624 BGB). Diese hat aus der Sicht der Beteiligten den Vorteil, dass sie nicht der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB unterliegt, soweit sie nicht als übermäßig im Sinne von § 1624 Abs. 1 BGB anzusehen ist2. 13 Als weiterer Vertragstyp hat sich in der kautelarjuristischen Praxis die gestufte Übergabe an Kinder und Schwiegerkinder herausgebildet. Hintergrund ist, dass das Schwiegerkind häufig hälftiger Miteigentümer an dem übergebenen Grundbesitz werden soll, sei es aus psychologischen Gründen, sei es weil es erhebliche Kosten für Bebauung oder Renovierung investiert. Dabei verbietet es sich aus schenkungsteuerrechtlichen Gründen wegen des geringen Freibetrags von nur 20 000 Euro, dass die Eltern das hälftige Miteigentum direkt dem Schwiegerkind zuwenden. Stattdessen bietet es sich an, dass in der ersten Stufe die Eltern das gesamte Grundstück ihrem Kind unter Ausnutzung der Freibeträge von jeweils 400 000 Euro zuwenden und dass sodann das Kind in der zweiten Stufe seinem Ehegatten das hälftige Miteigentum unter Ausnutzung des Ehegattenfreibetrags von 500 000 Euro als ehebedingte Zuwendung überträgt3. Eine Gestaltungsvariante, die den Ehegattenfreibetrag unberührt lässt, ist es, stattdessen das Grundstück erst zu bebauen und dann das hälftige Miteigentum an dem so entstandenen „Familienwohnheim“ nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG steuerfrei auf den Ehepartner zu übertragen. 14 Dem ansonsten bei der „Kettenschenkung“ gegebenen Einwand des Gestaltungsmissbrauchs entgehen die Beteiligten mit Hinweis darauf, dass die geplante Bebauung oder Sanierung des Grundstücks ein ehebedingter Zweck ist4. Dem Scheidungsrisiko kann bei dieser Gestaltungsvariante durch Rückforderungsrechte des Kindes bzw. der Eltern Rechnung getragen werden5. 15 Insbesondere bei erheblichen Altersunterschieden zwischen Ehegatten spielt auch die ehebedingte Zuwendung von Grundbesitz eine wirtschaftlich erhebliche Rolle. Sie unterliegt grundsätzlich als freigebige Zuwendung unter Le1 2 3 4 5
Zu ertragsteuerlichen Problemen Mutter, ZEV 2007, 512. Langenfeld/Günther, Rz. 642. Langenfeld/Günther, Rz. 715; Wegmann, Rz. 136. BFH v. 14.3.1962 – II 218/59 U, BStBl. 1962 III, 206; Meincke, ErbStG, § 7 Rz. 68. Im Einzelnen Langenfeld/Günther, Rz. 717 f.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 17 B I
benden nach § 7 Abs. 1 ErbStG der Schenkungsteuer, wobei eine wichtige Ausnahme für das Familienwohnheim gilt, dessen Erwerb steuerfrei gestellt ist1. d) Unternehmen und Familiengesellschaften Für die Übergabe an die nächste Generation gibt es grundsätzlich drei Modelle2:
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– Weitergabe des (Einzel-)Unternehmens an den Nachfolger im Ganzen (Modell Erbhof). – Übergabe von Anteilen an einem Familienunternehmen, z.B. in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft, wobei die Leitungsmacht typischerweise für eine Übergangszeit beim Übergeber bleibt. – Stiftungsunternehmen, vor allem in Gestalt der Doppelstiftung, bei der die Familienstiftung eine geringe Beteiligung und eine gemeinnützige Stiftung den größeren Teil der Beteiligung an dem Unternehmen hält, die Leitungsmacht aber bei der Familienstiftung konzentriert ist. Wenn sich Eltern entscheiden, Kinder am Unternehmen zu beteiligen, kommen grundsätzlich alle Gesellschaftsformen des Handelsrechts auch für eine Familiengesellschaft in Betracht3: – Typisch stille Gesellschaft: Die Begründung einer typisch stillen Beteiligung zugunsten der Abkömmlinge erfolgt häufig aus einkommensteuerrechtlichen Gründen: Der typisch stille Gesellschafter erzielt Einkünfte aus Kapitalvermögen, es können die einkommensteuerrechtlichen Grundfreibeträge sowie der Sparerfreibetrag nach § 20 Abs. 4 EStG ausgeschöpft werden („Familiensplitting“), weshalb häufig bereits Minderjährige als stille Gesellschafter (auch durch Umbuchen des Kapitalkontos, also ohne zusätzlichen Liquiditätseinsatz) beteiligt werden; (dies erfordert bei Verlustbeteiligung eine Pflegerbestellung und die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung.4 Zu beachten ist, dass der Gewinn i.d.R. höchstens 15 % des geschenkten Nominalkapitals erreichen darf, damit das Modell einkommensteuerlich anerkannt wird5. Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer ist der Nominalbetrag der stillen Einlage. Da durch die stille Gesellschaft nur eine Forderung gegen das Unternehmen entsteht, nicht aber eine Unternehmensbeteiligung
1 S. D Rz. 141. 2 Einteilung nach Reuter, ZGR 1991, 468. 3 S.a. Hübner-Weingarten, ZEV 1999, 81; Rund, DStR 2000, 265; die Beteiligung an einer GbR ist hingegen problematisch, da nach der Rechtsprechung des BGH (v. 27.7.1999 – II ZR 371/98, NJW 1999, 3483) dort keine generelle Haftungsbeschränkung mehr möglich ist. 4 BFH v. 9.7.1987 – IV R 95/85, BStBl. 1988 II, 245; H 15.9 (4) EStH 2008; Schmidt/Wacker, § 15 EStG Rz. 773. 5 Schmidt/Wacker, § 15 EStG Rz. 776, 785; H 15.9 (3) EStH 2008.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
stattfindet, finden die Vergünstigungen der §§ 13a, 19a ErbStG keine Anwendung. 18 – Atypisch stille Beteiligung: Im Unterschied zur typisch stillen Gesellschaft entsteht eine Mitunternehmerschaft, da der atypisch stille Gesellschafter an den stillen Reserven einschließlich des Firmenwertes schuldrechtlich beteiligt ist1. Einkommensteuerlich entstehen daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Schenkungsteuerlich ist der geschenkte Unternehmensanteil Bemessungsgrundlage, die Privilegien der §§ 13a, 19a ErbStG finden Anwendung2. 19 – Offene Handelsgesellschaft: Überträgt ein bisheriger Gesellschafter seine Gesellschaftsbeteiligung ganz oder teilweise auf eine andere Person, so gilt der dem Kapitalanteil entsprechende Anteil am Betriebsvermögen als geschenkt (§ 12 Abs. 5 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG). Dies gilt nach § 7 Abs. 5 ErbStG auch, wenn der Erwerber bei Auflösung der Gesellschaft oder bei seinem Ausscheiden nur den Buchwert erhält. 20 – Kommanditgesellschaft: Die Kommanditgesellschaft, ggf. in Form der GmbH & Co. KG, ist für viele Unternehmerfamilien die ideale Rechtsform, da sie es ermöglicht, die jüngere Generation als Kommanditisten (mit der immanenten Haftungsbegrenzung) zu beteiligen, während der älteren Generation die Leitungsmacht aufgrund der Komplementärstellung vorbehalten bleibt. Da die Kommanditisten lediglich ein Widerspruchsrecht für außergewöhnliche Geschäfte haben, droht hierbei nur ein geringes Blockadepotenzial. In einem zweiten Schritt kann dann die Stellung des Komplementärs auf den vorgesehenen Nachfolger übertragen werden, während die übrigen Kinder entsprechend ihrer Erb- oder Pflichtteilsquote beteiligt werden. Bei der Vertragsgestaltung ist allerdings sorgfältig darauf zu achten, dass keine Vertragsklauseln vorgesehen werden, die dazu führen, dass die Mitunternehmerstellung eines schenkungsweise aufgenommenen Kommanditisten in Frage gestellt wird3. Gefährlich sind hierbei beispielsweise Klauseln folgenden Inhalts: – jederzeitiger Ausschluss zum Buchwert4 – jederzeitige Verpflichtung zur unentgeltlichen Rückübertragung
1 Schmidt/Wacker, § 15 EStG Rz. 343; zu den Gestaltungsmöglichkeiten Hecht, ZEV 2004, 105. 2 Bayer. Staatsmin. d. Fin. v. 23.3.2009, 34 – S3811 – 035 – 11256/09, DStR 2009, 908 unter Aufgabe der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung (zu deren Kritik, Wälzholz, ZEV 2007, 369);Troll/Gebel/Jülicher, § 13b ErbStG Rz. 75 f.; zur Rechtslage vor der Erbschaftsteuerreform 2009 BFH v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. 2008 II, 631 m. Anm. Hübner, ZEV 2008, 254; s.a. Geck, ZEV 2001, 180; Jülicher, DStR 2001, 769; Mößlang, DStR 2001, 575; M. Söffing, ZEV 2001, 207; Ebeling, DB 2001, 768. 3 Überblick bei Schmidt/Wacker, § 15 EStG Rz. 750–761. 4 BFH v. 29.4.1981 – IV R 131/78, BStBl. 1981 II, 663.
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Rz. 23 B I
– einseitiges Kündigungsrecht der Eltern (zum Buchwert)1 – Ausschluss der Informations- und Widerspruchsrechte gemäß §§ 164, 166 HGB2
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Beratungshinweis: Auch für die unentgeltliche Übertragung eines Teils an einem Mitunternehmeranteil gilt § 6 Abs. 3 EStG: die Übertragung, ggf. nebst anteiligem Sonderbetriebsvermögen, erfolgt steuerneutral. Soweit der Übergeber Sonderbetriebsvermögen zurückbehält, kommt es nicht zu einer (steuerbaren) Entnahme, da er weiterhin – wegen der zurückbehaltenen Quote – Mitunternehmer bleibt. Wird das Sonderbetriebsvermögen insgesamt oder überproportional auf den Übernehmer eines Teils des Mitunternehmeranteils übertragen, so gilt bis zur Quote des übertragenen Teilanteils § 6 Abs. 3 und für den überschießenden Teil des Sonderbetriebsvermögens § 6 Abs. 5 EStG mit der dort vorgesehenen Veräußerungssperrfrist.3
II. Die Vor- und Nachteile lebzeitiger Vermögensübertragung
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Beratungssituation: Der Mandant ist unschlüssig, ob er seine Kinder bereits jetzt an seinem Vermögen beteiligen soll.
Die Entscheidung zu lebzeitiger Vermögensübertragung setzt eine Einzelfallbetrachtung voraus, bei der Vor- und Nachteile für den konkreten Sachverhalt abgewogen werden. Häufig ist festzustellen, dass, auch in der Vorstellung der Laien, steuerliche Motive zu sehr im Vordergrund stehen. Diese haben ohne Zweifel ihre Berechtigung, eine vorweggenommene Erbfolge ist aber nur gerechtfertigt, wenn sie in ein familiäres und wirtschaftliches Gesamtkonzept passt. Idealtypisch lassen sich ihre Vor- und Nachteile wie folgt zusammenfassen:
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Vorteile: – „Geben mit warmer Hand“: Die Nachfolgegeneration wird zu dem Zeitpunkt bedacht, zu dem sie es benötigt, dies betrifft insbesondere Fälle der Ausstattung (Hausbau, Existenz- und Familiengründung). Angesichts der demografischen Entwicklung, bei der die Erblasser- wie auch die Erbengeneration immer älter wird, hat dieser Gesichtspunkt in den letzten Jahrzehnten verstärkt an Bedeutung gewonnen.
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– Nachfolgerbindung: Vor allem im Unternehmensbereich ist es ein nicht zu unterschätzender Vorteil, dass der Übergeber bei der vorweggenommenen Erbfolge entscheiden kann, wann er die nachfolgende Generation in die Verantwortung nimmt und sie so an das Unternehmen bindet. Dies ver-
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1 BFH v. 6.7.1995 – IV R 79/94, BStBl. 1996 II, 269. 2 Vgl. BFH v. 10.11.1987 – VIII R 166/84, BStBl. 1989 II, 758. 3 Schnitter, EStB 2005, 28, 29; BMF-Schreiben v. 3.3.2005 – IV B 2 – S 2241 – 14/05, FR 2005, 391.
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B I Rz. 24
Lebzeitige Vermögensübertragung
meidet das „Prinz-Charles-Syndrom“ und trägt so erheblich zur Motivation der nachfolgenden Generation bei. Erfahrungsgemäß wird auch das Verantwortungsgefühl deutlich gesteigert, wenn zum richtig gewählten Zeitpunkt bereits Vermögen und damit Verantwortung übertragen wird. 24 – Stufenweises Vorgehen: Anders als im Erbfall muss die vorweggenommene Erbfolge nicht nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip erfolgen. Sowohl bei Privatvermögen als auch im Unternehmensbereich ist es möglich, die nächste Generation schrittweise zu beteiligen, wobei der Übergeber zunächst beobachten kann, ob der Übernehmer verantwortungsvoll mit dem übertragenen Vermögen umgeht (Testphase). 25 – Entlastung der älteren Generation: Für viele wird die Verwaltung des Vermögens, insbesondere von Grundbesitz und von Unternehmen, mit zunehmendem Alter zu einer schwer zu tragenden Last. Hiervon befreit die lebzeitige Übergabe auf die nächste Generation. 26 – Dauernde Versorgung: Wenn der Übergeber krankheits- oder altersbedingt nicht mehr in der Lage ist, das Unternehmen fortzuführen, stellt die Liquidation des Unternehmens, ganz abgesehen davon, dass sie aus emotionalen Gründen meist höchst unerwünscht ist, finanziell oft keine attraktive Alternative dar (Einkommensbesteuerung der Unternehmensaufgabe, Sozialplanlasten, verhältnismäßig geringer Verkaufserlös). Hier bietet die Übergabe an die nächste Generation gegen Versorgungsleistungen dem Übergeber die Möglichkeit, sich indirekt die Ertragskraft des Unternehmens auch in Zukunft zunutze zu machen. 27 – Reduzierung der Pflichtteilsbelastung: Wird frühzeitig übertragen, so kann die 10-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB zur völligen oder teilweisen Reduktion des Pflichtteils führen. (Unter der Voraussetzung, dass das übergebene Vermögen tatsächlich aus dem Bereich des Übergebers wirtschaftlich ausgegliedert wird, es dürfen also keine zu weit reichenden Nutzungs- und Rückforderungsvorbehalte vorgesehen werden.)1 Im Unternehmensbereich besteht ferner die Möglichkeit, das Pflichtteilsrisiko zumindest zu mindern, indem zwischen dem Erblasser und seinem vorgesehenen Nachfolger eine Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag vereinbart wird, die einen allseitigen Abfindungsausschluss vorsieht. Hierzu hat der BGH die Auffassung vertreten, dass, da nicht feststeht, wer zuerst verstirbt, ein derartiger Vertrag Wagnischarakter hat und deshalb keine Schenkung vorliegt, die zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen führen würde2. Allerdings muss man beachten, dass diese Rechtsprechung in der Kommentarliteratur in Frage gestellt wird3. Zur Pflichtteilsreduzierung trägt bei der vorweggenommenen Erbfolge auch bei, dass aufgrund des Niederstwertprinzips (§ 2325 Abs. 2 BGB) der 1 BGH v. 27.4.1994 – IV ZR 132/93, ZEV 1994, 233. 2 BGH v. 26.3.1981 – IVa ZR 154/80, NJW 1981, 1956. 3 MüKo/Frank, § 2325 BGB Rz. 16.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 30 B I
Übernehmer für Wertzuwächse, die das übergebene Unternehmen erfährt, keine Pflichtteilsergänzungsansprüche fürchten muss. Ebenso sind Gewinne, die sich ansonsten beim Übergeber pflichtteilserhöhend angesammelt hätten, von Pflichtteilsergänzungsansprüchen frei. – Entlastung bei der Erbschaftsteuer: Hier besteht bei der vorweggenommenen Erbfolge zunächst die Möglichkeit, die persönlichen Freibeträge und ggf. den Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 2 ErbStG im 10-Jahres-Rhythmus auszuschöpfen. Auch kann die Steuerprogression gemindert werden. Ferner sind aufgrund der Stichtagsbesteuerung Wertzuwächse, die der Übernehmer nach Übertragung erzielt, erbschaftsteuerfrei, ebenso Gewinne, die er aus dem übertragenen Vermögensgegenstand erzielen kann (s. auch D Rz. 145 ff.).
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– Entlastung bei der Einkommensteuer: Häufig können bei der vorweg- 29 genommenen Erbfolge auch Ersparnisse im Bereich der Einkommensteuer erzielt werden. Zu nennen ist zunächst die Fallgruppe, bei der Vermögen auf die nachfolgende Generation, evtl. sogar auf Minderjährige, übertragen wird, um den Grundfreibetrag1 zu nutzen und eventuelle weitere Erträge lediglich einer geringeren Steuerprogression zu unterwerfen. Dies ist häufig auch bei der Übertragung gegen Versorgungsleistungen ein erheblicher Gesichtspunkt. Als weiterer Aspekt tritt im Unternehmensbereich hinzu, dass es bei der vorweggenommenen Erbfolge wesentlich einfacher ist, der Aufdeckung stiller Reserven vorzubeugen als bei den Unwägbarkeiten einer Erbauseinandersetzung. – Planbarkeit: Ein kaum zu überschätzender Vorteil der vorweggenommenen Erbfolge ist ihre Planbarkeit. Jede noch so vorausschauende Testamentsgestaltung steht vor dem Problem, dass sie für einen zukünftigen, ungewissen Zeitpunkt planen muss. Ändern sich bis dahin die rechtlichen, steuerlichen oder tatsächlichen Rahmenbedingungen, so ist stets ungewiss, ob der Erblasser in der Lage sein wird, dem rechtzeitig vor seinem Tod Rechnung zu tragen. Demgegenüber kann die vorweggenommene Erbfolge von exakten Rahmenbedingungen ausgehen. Angesichts einer sich ständig wandelnden Steuergesetzgebung und Steuerpraxis ist dies vor allem im steuerlichen Bereich ein wertvoller Gesichtspunkt, bedenkt man zumal, dass im Unternehmensbereich für den Nachlass eine Gesamtsteuerbelastung in der Größenordnung bis zu 70 Prozent, bestehend aus latenten Einkommensteuern, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Erbschaftsteuer droht. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die Bedeutung der Planungssicherheit im wirtschaftlichen Bereich, so kann für die vorweggenommene Erbfolge nicht nur ein Zeitpunkt gewählt werden, bei dem beispielsweise die Bilanzwerte des Unternehmens erbschaftsteuerlich günstig sind, sondern es kann auch das konjunkturelle Umfeld berücksichtigt werden, eben1 § 32a Abs. 1 EStG, bei Kapitalerträgen kommt der Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG hinzu.
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B I Rz. 31
Lebzeitige Vermögensübertragung
so wie es von erheblichem Wert ist, wenn der Unternehmensnachfolger planmäßig mit Kunden, Lieferanten und Kreditinstituten vertraut gemacht wird. Nachteile: 31 – Verlust an Einfluss: Jede Vermögensübergabe bringt für den Übergeber einen Verlust an Macht und Einfluss mit sich. Insbesondere bei Unternehmen besteht das psychologische Problem, dass der Übergeber nicht damit fertig wird, zum „alten Eisen“ zu gehören. Dieses nicht zu unterschätzende Problem kann zumindest eingeschränkt werden, indem der Erfahrungsschatz des Übergebers auch künftig in die Unternehmensführung eingebracht wird, beispielsweise in einem Beirat oder durch einen Beratervertrag. 32 – Gefahr des Undanks: Es ist eine schlichtweg zu konstatierende Tatsache, dass Dankbarkeit ein Gefühl ist, das oft nur kurz anhält. Mit wachsendem Zeitablauf vergrößert sich die Gefahr, dass die Nachfolgegeneration Nutzungs- und Einflussvorbehalte der älteren Generation nur noch als lästig betrachtet. Menschliche Enttäuschungen können hier zu Familientragödien führen, wie es beispielsweise bei der Familie Benteler der Fall war. Hier verurteilte der BGH den Sohn zur Rückgabe der Beteiligung wegen groben Undanks, da er Vater und Onkel mit falschen Anschuldigungen aus der Firma drängen wollte1. Die Mutter nahm sich angesichts der langjährigen Streitigkeiten das Leben. 33 – Versorgungsrisiko: Juristisch lässt sich die Versorgung der übergebenden Generation, also in der Regel des Firmeninhabers und seiner Frau, durch die Vereinbarung von Nutzungsvorbehalten oder Versorgungsleistungen in der Regel problemlos absichern. Dies hilft aber nichts, wenn der Nachfolger das Unternehmen herabwirtschaftet und dadurch die wirtschaftliche Grundlage der Versorgung wegfällt. Angesichts der in vielen Branchen anzutreffenden geringen Eigenkapitalausstattung von Unternehmen ist der in diesem Zusammenhang immer wieder gehörte Rat, Unternehmer sollten darauf achten, auch ausreichend Privatvermögen aufzubauen, theoretisch ebenso richtig wie praktisch nutzlos. Mindern lässt sich dieses Risiko letztlich nur durch eine gestufte Übergabe mit ausreichender „Testphase“. 34 – Prognoserisiko: Der vorgenannte Gesichtspunkt ist Teil des Prognoserisikos, das sich bei der vorweggenommenen Erbfolge auf den Übergeber verlagert. Während bei der Testamentsgestaltung die nachfolgende Generation das Risiko hat, dass sich die Prognosen, die der Gestaltung zugrunde lagen, im Erbfall nicht bewahrheiten, geht der Übergeber bei der vorweggenommenen Erbfolge das Risiko ein, dass sich die Dinge in wirtschaftlicher oder menschlicher Hinsicht nicht so entwickeln, wie er es erwartet. Dieses Risiko kann durch Rückforderungsvorbehalte zwar begrenzt, aber nicht völlig ausgeschlossen werden. 1 BGH v. 2.7.1990 – II ZR 243/89, NJW 1990, 2616.
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Rz. 37 B I
– Verlust der Vermögenssubstanz: Nutzungsvorbehalte und Versorgungsleistungen ändern nichts daran, dass sich der Übergeber seiner Vermögenssubstanz entledigt hat. Eine Übergabe des betreffenden Werts kommt daher nur in Betracht, wenn der Übergeber sicher sein kann, dass er oder sein Ehegatte auch bei unvorhergesehenen Ereignissen wie beispielsweise einer langen Pflegebedürftigkeit die Vermögenssubstanz nicht benötigen wird. Andernfalls sollte von der Übergabe abgesehen werden, da Widerrufsvorbehalte regelmäßig kein geeignetes Absicherungsinstrument bilden. Im Unternehmensbereich gefährden selbst enumerativ gestaltete Widerrufsklauseln die Kreditfähigkeit des Übernehmers, ganz zu schweigen von einem freien Widerrufsvorbehalt, der zudem dazu führt, dass der Übergeber nach wie vor als wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des Einkommensteuerrechts angesehen wird1.
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Entscheidungshilfen: Die Entscheidung für oder gegen eine Maßnahme der vorweggenommenen Erbfolge ist naturgemäß so komplex, dass sich der Entscheidungsweg nicht in ein starres Schema pressen lässt. Dennoch gibt es eine Reihe von Prüfsteinen, die vor jeder Maßnahme der vorweggenommenen Erbfolge zu erörtern sind:
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1. Ist der vorgesehene Nachfolger geeignet? 2. Kann der Übergeber die Substanz entbehren? 3. Ist der Übergeber auf die Erträge angewiesen? 4. Entstehen durch die vorweggenommene Erbfolge erhebliche erbschaftsteuerliche Vorteile? 5. Ist die vorgesehene Maßnahme einkommensteuerneutral? 6. Können die für Betriebsvermögen geltenden erbschaftsteuerrechtlichen Privilegien ausgeschöpft werden? 7. Sind Minderjährige beteiligt? 8. Wie hoch sind die Kosten?
1. Ist der vorgesehene Nachfolger geeignet? Diese Frage hat drei Facetten:
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– Verhältnis zum Übergeber: Bestehen tief greifende familiäre Konflikte, so vergrößert sich die Gefahr, dass diese bei einer lebzeitigen Vermögensübertragung aufbrechen. – Umgang mit Geld: Wenn der vorgesehene Nachfolger zu verschwenderischem oder unüberlegtem Umgang mit Geld neigt, empfiehlt sich meist eine testamentarische Lösung, die die Substanz des Vermögens bei gleichzei-
1 H 15.9 (1) EStR 2008; BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. 1989 II, 877; s.a. Jülicher, DStR 1998, 1977.
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B I Rz. 38
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tiger Versorgung erhält, beispielsweise Vor- und Nacherbfolge mit Dauertestamentsvollstreckung. – Unternehmerische Qualitäten: Im Unternehmensbereich steht und fällt die Nachfolgefrage mit der unternehmerischen Qualifikation des auserkorenen Nachfolgers. Naturgemäß fällt es Eltern schwer, ihre Kinder objektiv zu beurteilen. Eine Unternehmensnachfolge sollte erst durchgeführt werden, wenn der Nachfolger seine Eignung objektiv unter Beweis gestellt hat, hierzu gehören in der Regel ein fachspezifischer Abschluss und die mehrjährige Bewährung im eigenen oder besser noch in fremden Unternehmen. Sollten diese Kriterien nicht erfüllt sein, so müssen meist andere Wege der Unternehmensfortführung gesucht werden, beispielsweise durch Umwandlung der Unternehmensform und durch Fremdgeschäftsführung.
2. Kann der Übergeber die Substanz entbehren? 38 Hier sollten strenge Maßstäbe angelegt werden. Besteht die Gefahr, dass der Übergeber auf den Verzehr der Substanz des Vermögenswertes angewiesen sein kann, beispielsweise bei langjähriger Krankheit und Pflegebedürftigkeit, so spricht dies in aller Regel gegen eine vorweggenommene Erbfolge.
3. Ist der Übergeber auf die Erträge angewiesen? 39 Wenn diese Frage bejaht wird, kommt eine vorweggenommene Erbfolge nur unter Vereinbarung von Nutzungsvorbehalten oder Versorgungsleistungen in Betracht. Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese für den Übernehmer auch langfristig wirtschaftlich tragbar sein müssen, insbesondere für den Fall, dass sich die Erträge verschlechtern.
4. Entstehen durch die vorweggenommene Erbfolge erhebliche erbschaftsteuerliche Vorteile? 40 Bei langfristiger Planung können die persönlichen Freibeträge und der Betriebsvermögensfreibetrag mehrfach ausgeschöpft werden. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, liegt ein erheblicher Vorteil der vorweggenommenen Erbfolge auch darin, drohenden Verschärfungen des Erbschaftsteuerrechts zuvorzukommen.
5. Ist die vorgesehene Maßnahme einkommensteuerneutral? 41 Diese Frage betrifft in erster Linie das Betriebsvermögen, bei dem in der Regel darauf zu achten sein wird, dass keine Entnahmetatbestände verwirklicht werden, beispielsweise bei der isolierten Übertragung von Betriebsgrundstücken. Aber auch im privaten Bereich hat dieser Gesichtspunkt seit der Verschärfung der Besteuerungsvorschriften über private Veräußerungsgewinne an Bedeutung gewonnen, beispielsweise bei der Übertragung von Grundstücken, die der Übergeber noch nicht länger als zehn Jahre in seinem Eigentum hat. Gegenleistungen des Übernehmers können hier zu einem steuerbaren Ver58 Steiner
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Rz. 44 B I
äußerungsgewinn führen1. Auch kann bei ungeschickter Gestaltung Abschreibungspotenzial verloren gehen2.
6. Können die für Betriebsvermögen geltenden erbschaftsteuerrechtlichen Privilegien ausgeschöpft werden? Die für den Übergang von Betriebsvermögen geltenden Privilegien (§§ 13a, 42 19a ErbStG) können im Regelfall auch bei der vorweggenommenen Erbfolge genutzt werden. Die Ausnutzung dieser Vorteile in geeigneten Fällen liegt nahe, da nicht sicher ist, wie lange die politisch und verfassungsrechtlich umstrittene Erbschaftsteuerreform 2009 Bestand haben wird3.
7. Sind Minderjährige beteiligt? Die Beteiligung Minderjähriger führt bei der Verwaltung von Grundbesitz und Unternehmen langfristig zu Komplikationen, da Pflegerbestellung und vormundschaftsgerichtliche Genehmigungen in vielen Fällen erforderlich sind. Die vorweggenommene Erbfolge wird sich bei Minderjährigen daher in der Regel auf die Übertragung von Kapitalvermögen zur Ausschöpfung steuerlicher Freibeträge und zur Sicherstellung der Ausbildung beschränken, im Unternehmensbereich allenfalls auf stille Beteiligungen oder Kommanditanteile4. Dabei ist stets zu beachten, dass gerade bei Minderjährigen die Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschätzt werden kann. Das Erbrecht bietet in Form der Dauertestamentsvollstreckung, die auch über die Volljährigkeit hinausgehen kann, hier meist sachgerechtere Lösungen.
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Bei der Risikoplanung darf auch der Fall nicht vergessen werden, dass bei der vorweggenommenen Erbfolge der Übernehmer unvorhergesehen früh verstirbt. Für diesen Katastrophenfall muss durch Rückforderungsklauseln, besser aber noch durch geeignete letztwillige Verfügungen des Übernehmers, Vorsorge getroffen werden.
8. Wie hoch sind die Kosten? Die Kosten der Konzeption einer vorweggenommenen Erbfolge und einer entsprechenden Testamentsgestaltung werden sich in der Regel die Waage halten. Zu beachten sind jedoch die erheblichen Kosten, die für die Durchführung der vorweggenommenen Erbfolge anfallen können, insbesondere Notarund Grundbuchgebühren.
1 Kieser, ZERB 2000, 215 (220 f.). 2 Bspw. in Zusammenhang mit einem Zuwendungsnießbrauch an den Ehegatten des Veräußerers, s. Wegmann, Rz. 298 f. 3 Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken Steiner, Das neue Erbschaftsteuerrecht, 2009, S. 7–10. 4 Hübner-Weingarten, ZEV 1999, 81.
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B I Rz. 45
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III. Besonderheiten bei Beteiligung Minderjähriger 45 Sofern größere Vermögenswerte betroffen sind, ist Minderjährigkeit eines Beteiligten wegen der damit verbundenen Komplikationen per se ein Gesichtspunkt, der gegen die vorweggenommene Erbfolge spricht. Vier Problemkreise stehen dabei im Vordergrund: – die wirksame Durchführung der Zuwendung – die Verwaltung des zugewandten Vermögens – die Haftungsbeschränkung des Minderjährigen – die Sicherung des Einflusses der Übergeber.
1. Durchführung der Zuwendung 46 Es stellen sich zwei Fragen: Sind die gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen wegen des Verbots des In-sich-Geschäfts verhindert und bedarf es daher der Bestellung eines Ergänzungspflegers? Bedarf es (zusätzlich) der familienbzw. vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung? Werden hier Fehler gemacht, so droht zivilrechtlich die Unwirksamkeit des jeweiligen Rechtsgeschäfts und – in der Regel schlimmer – die steuerliche Nichtanerkennung1. a) In-sich-Geschäft 46a Eltern können ihr Kind bei Rechtsgeschäften mit sich selbst nicht vertreten (§§ 181, 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2 BGB). § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB (i.V.m. § 1629 Abs. 2 BGB) erstreckt dieses Verbot auf Rechtsgeschäfte mit Verwandten in gerader Linie, also insbesondere mit Großeltern. Dieses Vertretungsverbot gilt jedoch nicht, wenn mit dem Rechtsgeschäft für den Minderjährigen lediglich ein rechtlicher Vorteil verbunden ist, da dann der Schutzzweck nicht tangiert wird2. Da der Begriff des lediglich rechtlichen Vorteils unscharf ist, verwundert es nicht, dass sich hierzu eine teilweise verworrene und unübersichtliche Rechtsprechung entwickelt hat3.
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Beratungshinweis: Wenn Einkunftsquellen übertragen werden, sollte im Zweifel stets Ergänzungspflegschaft (§ 1909 BGB) beantragt werden, da ansonsten die steuerliche Anerkennung des Rechtsgeschäfts gefährdet ist.
47 Einzelne Fallgruppen: Die Schenkung von Geld oder Wertpapieren ist lediglich rechtlich vorteilhaft, anderes gilt aber, wenn die Schenkung mit Auflagen verbunden wird, wie bei1 BFH v. 13.7.1999 – VIII R 29/97, BStBl. 2000 II, 386; v. 27.4.2005 – II R 52/02, BStBl. 2005 II, 892; v. 7.6.2006 -IX R 4/04, NJW 2006, 37; v. 22.7.2007 – IX R 45/06, ErbStB 2007, 239. 2 Teleologische Reduktion des Wortlauts des § 181 BGB, vgl. Palandt/Heinrichs, § 181 BGB Rz. 9; Palandt/Diederichsen, § 1795 BGB Rz. 13. 3 Übersicht bei Palandt/Ellenberger, § 107 BGB Rz. 2–5.
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Rz. 50 B I
spielsweise der Verpflichtung zur Rückgewähr des Geldes als Darlehen an die Eltern1. Die Zuwendung eines Grundstücks wird als lediglich rechtlich vorteilhaft gesehen, auch wenn dies unter Nießbrauchs- oder Wohnrechtsvorbehalt geschieht2. Allerdings gelten erhebliche Einschränkungen, die in der Praxis meist doch die Bestellung eines Ergänzungspflegers notwendig machen: So gilt der Erwerb eines vermieteten Grundstücks wegen des damit verbundenen Eintritts in das Mietverhältnis (§ 571 BGB) als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft3. Auch die Schenkung von Wohnungseigentum wird in der Rechtsprechung als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen4. Vom Verbot des Insich-Geschäfts erfasst ist schließlich auch der Erwerb beschränkter dinglicher Rechte wie beispielsweise eines Erbbaurechts oder eines Zuwendungsnießbrauchs, da damit beispielsweise Erhaltungspflichten verbunden sind5.
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Der Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen wird in der Rechtsprechung als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen, da hiermit ein Bündel von Rechten und Pflichten verbunden ist. Dies gilt auch für die Zuwendung einer stillen Beteiligung, wenn hiermit eine Verlustbeteiligung verbunden ist6.
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Schenkungen, die an eine Auflage oder einen vertraglichen Rückforderungsvorbehalt gekoppelt sind, werden von der herrschenden Meinung ebenfalls als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft eingestuft7. Gleiches soll gelten, wenn die Schenkung mit einer Bestimmung zur Pflichtteilsanrechnung nach § 2315 BGB verbunden ist (sehr zweifelhaft)8.
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Beratungshinweis: Bedarf es nach vorstehenden Grundsätzen der Ergänzungspflegschaft und sind mehrere Minderjährige beteiligt, so ist darauf zu achten, dass jeder Minderjährige durch einen eigenen Pfleger vertreten sein muss, da auch der Ergänzungspfleger dann dem Verbot des In-sichGeschäfts (§ 181 Alt. 2 BGB) unterliegt9.
1 BFH v. 23.6.1976 – I R 140/75, NJW 1977, 456; v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, NJW 2005, 415. 2 BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, NJW 2005, 415; Langenfeld/Günther, Rz. 446; Palandt/Ellenberger, § 107 BGB Rz. 4. 3 Palandt/Heinrichs, § 107 BGB Rz. 4; BGH v. 3.2.2005 – V ZB 44/04, NJW 2005, 1430; BayObLG v. 5.12.2002 – 2 Z BR 108/02, NJW 2003, 1129; a.A. (zu Recht) Everts, ZEV 2004, 231. 4 OLG München v. 6.3.2008 – 34 Wx 14/08, ZEV 2008, 246; OLG Hamm v. 23.5.2000 – 15 W 119/00, FGPrax 2000, 176. 5 BFH v. 13.5.1980 – VIII R 75/79, NJW 1981, 141. 6 Palandt/Ellenberger, § 107 BGB Rz. 4. 7 Palandt/Ellenberger, § 107 BGB Rz. 6; BGH v. 25.11.2004 – V ZB 13/04, NJW 2005, 415; OLG Köln v. 10.11.1997 – 14 Wx 10/97, ZEV 1998, 110; a.A. (zu Recht) Jülicher, ZEV 1998, 285, 286. 8 Maier-Reimer/Marx, NJW 2005, 3025, 3026. 9 Reimann, DNotZ 1999, 183; Palandt/Diederichsen, § 1909 BGB Rz. 6.
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b) Gerichtliche Genehmigung 51 Zu beachten ist in einem zweiten Prüfungsschritt, dass zahlreiche im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auftretende Rechtsgeschäfte bei Beteiligung Minderjähriger der gerichtlichen Genehmigung bedürfen. Für Rechtsgeschäfte der Eltern als gesetzliche Vertreter ihres Kindes folgt dies, wenn sie nicht ohnehin verhindert sind (oben a), aus § 1643 BGB, zuständig für die Genehmigung ist das Familiengericht1. Für den Ergänzungspfleger folgt das Genehmigungserfordernis aus § 1915 BGB, zuständig ist dann das Familiengericht2. In beiden Fällen verweist das Gesetz im Wesentlichen auf den für den Vormund geltenden Katalog genehmigungspflichtiger Geschäfte in §§ 1821 f. BGB. Die wichtigsten Fallgruppen hieraus sind: 52 Die Verfügung über Grundstücke oder Rechte an Grundstücken, hierzu gehört auch die Bestellung von Grundpfandrechten (§ 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB)3. Genehmigungsbedürftig ist ferner als auf den (teil-)entgeltlichen Erwerb gerichteter Vertrag die gemischte Schenkung eines Grundstücks (§ 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB)4. 53 Soll im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht ausgesprochen werden, so bedarf dies der Genehmigung nach § 2347 BGB. 54 Das Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger5 hat die Diskussion darüber neu angefacht, ob bei der Schenkung von Gesellschaftsbeteiligungen an Minderjährige eine gerichtliche Genehmigung (nach § 1822 Nr. 3 BGB) erforderlich ist6. Jedoch zeichnet sich ab, dass die Rechtsprechung an ihrer Linie festhält, nach der auch die unentgeltliche Übertragung von Gesellschaftsbeteiligungen genehmigungspflichtig ist; die gesetzliche Haftungsbeschränkung des Minderjährigen ist dabei lediglich ein Umstand, der für die Erteilung der Genehmigung spricht7. Dabei wird das Genehmigungserfordernis auch auf den Erwerb von Anteilen an einer rein vermögensverwaltenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts erstreckt8; Gleiches gilt für die Schenkung von Anteilen an einer Kommanditgesellschaft9. Auch die Begründung einer stillen Gesellschaft wird als genehmigungspflichtig an-
1 Bis zur Änderung des Kindschaftsrechts durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz v. 16.12.1997 (BGBl. I 2942) war allein das Vormundschaftsgericht für die Erteilung der Genehmigung zuständig. 2 Lohse/Triebel, ZEV 2000, 338. 3 Palandt/Diederichsen, § 1821 BGB Rz. 10. 4 Palandt/Diederichsen, § 1821 BGB Rz. 15. 5 BGBl. 1998 I, 2487. 6 Überblicksdarstellungen bei Damrau, ZEV 2000, 209 und Lohse/Triebel, ZEV 2000, 337; s.a. Ivo, ZEV 2005, 193; Rust, DStR 2005, 1943. 7 OLG Braunschweig v. 30.10.2000 – 2 W 237/00, ZEV 2001, 75; LG München I v. 27.4.2000 – 13 T 16886/99, ZEV 2000, 370. 8 Palandt/Diederichsen, § 1822 BGB Rz. 9; LG München I v. 27.4.2000 – 13 T 16886/99, ZEV 2000, 370. 9 MüKo/Schwab, § 1822 Rz. 17.
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Rz. 57 B I
gesehen, wenn der Minderjährige an den Verlusten der Gesellschaft beteiligt wird1. Im Hinblick auf die Haftung von Vorgesellschaftern wird die Beteiligung an der Gründung von Kapitalgesellschaften als genehmigungspflichtig angesehen2. Die Schenkung der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, insbesondere die Schenkung von GmbH-Anteilen, sieht die Rechtsprechung (in Abweichung von der formalen Betrachtung, die § 1822 BGB zugrunde legt) dann als genehmigungspflichtig an, wenn hiermit ein Unternehmerrisiko verbunden ist, insbesondere beim Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile einer EinmannGmbH3. Der BGH hat in diesem Zusammenhang bei der schenkweisen Übertragung von GmbH-Anteilen ein Genehmigungserfordernis aus § 1822 Nr. 10 BGB hergeleitet, wenn der Minderjährige für den Fehlbetrag einer noch nicht voll eingezahlten Einlage einstehen muss4.
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2. Verwaltung Grundsätzlich unterliegen Eltern bei der Verwaltung des Vermögens ihrer Kinder keinen Einschränkungen. Dies gilt natürlich auch für Vermögen, das sie dem Minderjährigen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen haben. Geld ist nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen (§ 1642 BGB); das Erfordernis der mündelsicheren Geldanlage wurde 1979 abgeschafft5. Auch bei Gesellschaftsbeteiligungen ist die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für die laufende Verwaltung der Beteiligung in der Regel nicht erforderlich, da nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gewöhnliche Gesellschafterbeschlüsse, die die laufende Geschäftsführung betreffen, nicht unter § 181 BGB fallen6. Minderjährige Gesellschafter können daher dabei durch ihre Eltern vertreten werden. Anderes gilt jedoch für Beschlüsse, die satzungsändernden Charakter haben, hier können Eltern die minderjährigen Gesellschafter nicht vertreten7.
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Bei der Verwaltung von Immobilien ist zu beachten, dass die Bestellung von Grundpfandrechten als genehmigungsbedürftig angesehen wird (§ 1821 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB)8. Von praktisch erheblicher Bedeutung ist ferner § 1822 Nr. 5 BGB: Der Abschluss von Miet- oder Pachtverträgen ist genehmigungspflichtig, wenn das Vertragsverhältnis länger als ein Jahr nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes fortdauern soll, hiervon wird bei unbefristeten Mietverträgen nach umstrittener Ansicht auch dann ausgegangen, wenn das
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Palandt/Diederichsen, § 1822 BGB Rz. 9. Kurz, NJW 1992, 1800. Palandt/Diederichsen, § 1822 BGB Rz. 6. BGH v. 20.2.1989 – II ZR 149/88, NJW 1989, 1926; hiergegen Damrau, ZEV 2000, 211. Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge v. 18.7.1979, BGBl. I 1061. Palandt/Heinrichs, § 181 BGB Rz. 11. Palandt/Heinrichs, § 181 BGB Rz. 11a; Lohse/Triebel, ZEV 2000, 339. Palandt/Diederichsen, § 1821 BGB Rz. 10.
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B I Rz. 58
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Kündigungsrecht durch Sozialklauseln wie die §§ 556a, 564b BGB stark eingeschränkt ist1.
3. Haftung des Minderjährigen 58 Das BVerfG hatte mit Beschluss v. 13.5.1986 entschieden, dass die Möglichkeit einer unbegrenzten Verpflichtung von Kindern bei der Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Minderjähriger nicht vereinbar ist und daher der Gesetzgeber in diesem Bereich einen effektiven Minderjährigenschutz bereitstellen muss2. Diesem Regelungsauftrag ist der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger vom 25.8.1998, welches am 1.1.1999 in Kraft trat, in einer Weise nachgekommen, die auch Bedeutung für Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge hat3. Das Problem des Minderjährigenschutzes wird zweispurig gelöst: – durch die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung bei Volljährigkeit und – durch ein außerordentliches Kündigungsrecht bei Volljährigkeit. Nach § 1629a Abs. 1 BGB kann der volljährig Gewordene seine Haftung auf den Bestand des beim Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens beschränken. Beruft er sich hierauf, so finden aufgrund einer Rechtsfolgenverweisung die §§ 1990, 1991 BGB entsprechende Anwendung4. 59 Die zweite Möglichkeit der Haftungsbeschränkung betrifft Gesellschaftsbeteiligungen. Das außerordentliche Kündigungsrecht der Gesellschafter nach § 723 Abs. 1 Satz 3 BGB wurde durch das Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger dahin erweitert, dass ein minderjähriger Gesellschafter grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ab Kenntniserlangung von seiner Gesellschafterstellung kündigen kann, wenn er das 18. Lebensjahr vollendet hat. Diese Vorschrift gilt via §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB auch für die vollhaftenden Gesellschafter in einer oHG oder KG5. Dieses Sonderkündigungsrecht kann nicht ausgeschlossen oder den gesetzlichen „Vorschriften zuwider beschränkt“ werden (§ 723 Abs. 3 BGB). Dabei ist zu beachten, dass auch Kündigungsfolgenvereinbarungen eine unzulässige Beschränkung darstellen, wenn sie die Entscheidung zur Kündigung durch wirtschaftliche Nachteile gravierend erschweren6; dies betrifft insbesondere Klauseln, die zu einer Abfindung deutlich unter dem Verkehrswert führen.
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Palandt/Diederichsen, § 1822 BGB Rz. 15. BVerfG v. 13.5.1986 – 1 BvR 1542/84, NJW 1986, 1859. BGBl. 1998 I, 2487. Zu Einzelheiten s. Behnke, NJW 1998, 3078; Klumpp, ZEV 1998, 409; Christmann, ZEV 1999, 416; Reimann, DNotZ 1999, 179. 5 Habersack, FamRZ 1999, 2; Lohse/Triebel, ZEV 2000, 342. 6 Palandt/Sprau, § 723 BGB Rz. 7; Glöckner, ZEV 2001, 49.
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Rz. 63 B I
Beratungshinweis: Bei Familiengesellschaften müssen Abfindungsregelungen auf ihre Vereinbarkeit mit § 723 BGB überprüft werden; zudem muss die Gesellschaft das Kündigungsrisiko bei ihrer Liquiditätsplanung berücksichtigen.
4. Sicherung des Einflusses der Übergeber Meist sind die Übergeber zugleich auch gesetzliche Vertreter des Minderjährigen, so dass sie bis zur Volljährigkeit ohnehin mit den oben unter 2. genannten Einschränkungen über die Verwaltung des übertragenen Vermögens entscheiden. Ist dies nicht der Fall, bspw. weil Großeltern an ihre Enkelkinder übertragen oder weil ein geschiedener Ehegatte, der nicht das Sorgerecht hat, an die Minderjährigen überträgt, so besteht die Möglichkeit, die Vermögensverwaltung des gesetzlichen Vertreters auszuschließen (§§ 1638, 1909 BGB). Das Kind erhält in diesem Fall einen Ergänzungspfleger, der vom Zuwendenden benannt werden kann (§ 1917 BGB). Dabei kann der Zuwendende auch sich selbst benennen1. Nach §§ 1915, 1917 Abs. 3 BGB können dem Pfleger bindende Verwaltungsanordnungen vorgegeben werden.
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Das größere Problem bildet die Frage, was bei Eintritt der Volljährigkeit geschehen soll. Einem 18-Jährigen die Disposition über erhebliche Vermögenswerte zu eröffnen, wird von vielen, nach Ansicht des Verfassers zu Recht, als verfrüht angesehen. Das Erbrecht bietet hier die Möglichkeit der Dauertestamentsvollstreckung (bekanntlich sogar auf Lebzeiten des Bedachten), dem steht im Bereich der vorweggenommenen Erbfolge kein vergleichbares Instrument gegenüber. Einen effektiven Ersatz bilden hier oft gesellschaftsrechtliche Lösungen, nicht nur im Unternehmensbereich, sondern auch indem beispielsweise Immobilien des Privatvermögens in eine Familiengesellschaft eingebracht werden. Das Gesellschaftsrecht ermöglicht es dabei, den volljährig Gewordenen in die gesellschaftsrechtlichen Entscheidungsprozesse einzubinden, beispielsweise durch Vereinbarung beteiligungskonträrer Stimmrechte2.
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Außerhalb des Gesellschaftsrechts besteht die Möglichkeit, die Schenkung mit Auflagen zu verknüpfen (§ 525 BGB), beispielsweise der Auflage, die erhaltene Vermögenssubstanz nur mit Zustimmung des Übergebers anzugreifen. Effektiv wird eine derartige Auflage dadurch, dass sie mit einem Rückforderungsvorbehalt sanktioniert wird. Bei Immobilien kann dieser durch eine Rückauflassungsvormerkung gesichert werden.
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Zusammenfassend ergeben sich bei Beteiligung Minderjähriger folgende Grundsätze:
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– Als Instrument der vorweggenommenen Erbfolge bietet sich die Schenkung von Geld oder Wertpapieren an. 1 Palandt/Diederichsen, § 1917 BGB Rz. 1. 2 Allerdings sind bei Kommanditisten Vertragsklauseln zu meiden, die einkommensteuerrechtlich die Mitunternehmerschaft in Frage stellen, s. oben Rz. 20.
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B I Rz. 64
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– Die Übertragung von Gesellschaftsbeteiligungen kommt in der Regel nur dann in Betracht, wenn damit noch keine unternehmerische Funktion verbunden ist. – Die Übertragung von Immobilien empfiehlt sich meist nur, wenn damit erhebliche sonstige, insbesondere steuerliche Vorteile verbunden sind.
IV. Gegenleistungen des Übernehmers 64 Wenn es sich bei dem zu übergebenden Vermögensgegenstand um das wesentliche Vermögen des Übergebers handelt, wie bspw. einer wertvollen Immobilie oder einem Familienunternehmen, wird er, um einen Kapitalstock zu erhalten, meist auf eine Abstandszahlung Wert legen. Weiterhin stehen Gegenleistungen zur Abfindung nicht bedachter Erben, insbesondere von Geschwistern des Zuwendungsempfängers, zur Diskussion. Schließlich werden mit einer Immobilie oder einem Unternehmen in der Regel Restverbindlichkeiten verbunden sein, die übernommen werden sollen.
1. Abstandszahlungen 65 Wird ein Vermögensgegenstand bewusst unter Wert hergegeben, so liegt eine gemischte Schenkung vor1. Das Rechtsgeschäft zerfällt in zwei Bestandteile, einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen. Für jeden der beiden Teile sind die jeweils geltenden Vorschriften anzuwenden. Dies kann zivilrechtlich schwierige Probleme hervorrufen, insbesondere beim Schenkungswiderruf. Nach der Trennungstheorie erstreckt sich das Widerrufsrecht nur auf den Schenkungsteil der gemischten Schenkung. Ist Gegenstand der gemischten Schenkung ein einheitlicher Gegenstand, beispielsweise ein Grundstück oder ein Unternehmen, so kommt es darauf an, ob der Schenkungscharakter bei der gemischten Schenkung überwiegt2. Um hier Auslegungsproblemen vorzubeugen, sollten die Folgen eines Schenkungswiderrufs kautelarjuristisch ausdrücklich geregelt werden.3 66 Zur Schonung der Liquidität des Übernehmers wird häufig Ratenzahlung vereinbart. Hier sind die Punkte Verzinsung oder Wertsicherung sowie Vererblichkeit der Raten zu regeln. Auch ist die Absicherung der Zahlungen, beispielsweise durch Hypothek oder Grundschuld, zu erörtern. Einkommensteuerlich ist zu bedenken, dass der entgeltliche Teil der gemischten Schenkung zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn führen kann, insbesondere auch im privaten Bereich, wenn die Spekulationsfrist auf Seiten des Übergebers nicht gewahrt ist4; beim Erwerber entstehen vice versa insoweit Anschaffungskosten5. 1 2 3 4 5
Palandt/Weidenkaff, § 516 BGB Rz. 13. BGH v. 23.5.1959 – V ZR 140/58, NJW 1959, 1363. Ausführlich Langenfeld/Günther, Rz. 231 ff. Beispiele bei Tiedtke/Wälzholz, ZEV 2000, 293. Wegmann, Rz. 498.
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Rz. 71 B I
2. Gleichstellungsgelder Regelmäßig will der Erblasser seine Kinder wirtschaftlich gleich bedenken. Daher finden sich in Vereinbarungen über die Zuwendung von Unternehmen oder Immobilien häufig Bestimmungen über Zahlungen des Übernehmers an seine Geschwister. Dies sind keine direkten Leistungen des Übernehmenden an die weichenden Erben, sondern Teile der Leistung an den Übergeber und damit im Verhältnis zwischen Übergeber und den weichenden Erben Ausstattung oder Zuwendung in vorweggenommener Erbfolge.
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Bei der Übertragung von Betriebsvermögen ist zu bedenken, dass die Vereinbarung über Abfindungszahlungen an Dritte einen steuerpflichtigen Veräußerungsvorgang begründet. Gleiches gilt bei Grundbesitz aus dem Privatvermögen, wenn die 10-jährige Spekulationsfrist auf Seiten des Übergebers noch nicht abgelaufen ist. In jedem Fall entstehen auf Seiten des Erwerbers nach den Grundsätzen des teilentgeltlichen Geschäfts Anschaffungskosten, die ihm steuerlich erwünschte Abschreibungsmöglichkeiten eröffnen1.
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3. Übernahme von Schulden In der Regel will sich der Übergeber mit der Zuwendung, insbesondere bei Übertragung von Grundbesitz oder Unternehmen, zugleich von den mit dem Zuwendungsgegenstand zusammenhängenden Restschulden befreien2. Es wird daher vereinbart, dass der Übernehmer mit schuldbefreiender Wirkung in diese Schuldverhältnisse eintritt. Dies bedarf nach § 415 BGB der Genehmigung des Gläubigers. Den Beteiligten ist zu empfehlen, den Gläubiger vorab zu befragen, ob er bereit ist, die Genehmigung zu erteilen. Wird die Genehmigung verweigert, so kann vereinbart werden, dass die Schuld im Innenverhältnis im Wege der Erfüllungsübernahme vom Übernehmer zu tragen ist (§ 415 Abs. 3 BGB).
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Bei der Grundstückszuwendung unter Nießbrauchsvorbehalt wird in der Regel der Übergeber die Grundpfanddarlehen für die Dauer des Nießbrauchs weiterhin verzinsen und tilgen, da ihm auch die Einnahmen zur Verfügung stehen und ansonsten kein Schuldzinsenabzug mehr möglich wäre. Hier sollte klargestellt werden, dass der Übernehmer befristet auf den Wegfall des Nießbrauchs, also in der Regel auf den Tod des Übergebers, verpflichtet ist, die Schulden zu übernehmen. Auf diesem Weg wird sichergestellt, dass die Schulden nicht in den Nachlass fallen und damit nicht von sonstigen Erben zu tragen sind3.
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Beratungssituation: V will ein vermietetes Mehrfamilienhaus seinem Sohn S übertragen. Der gemeine Wert der Immobilie beträgt eine Mio. Eu-
1 BFH v. 5.7.1990 – GrS 4 – 6/89, BStBl. 1990 II, 847. 2 Wegmann, Rz. 450 ff. 3 Der Übergang der Verbindlichkeiten bei Wegfall des Nießbrauchs führt auf Antrag zu einer Berichtigung des ursprünglichen Schenkungsteuerbescheides (§ 175 Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. §§ 6 Abs. 2, 5 Abs. 2 BewG).
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B I Rz. 72
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ro. Zur Finanzierung der Anschaffungskosten hatte V ein Darlehen aufgenommen, welches noch mit 500 000 Euro valutiert. Der kapitalisierte Wert eines Vorbehaltsnießbrauchs zugunsten von V läge bei 300 000 Euro. V überlegt, ob er sich entweder einen Nießbrauch vorbehalten soll oder sich von S eine regelmäßige Rente zahlen lässt. Bei der Übertragung unter Vorbehaltsnießbrauch müssten die Verbindlichkeiten bei V verbleiben, da nur er als Nießbraucher weiterhin Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung hat und im Gegenzug die Schuldzinsen als Werbungskosten abziehen kann. Der steuerpflichtige Erwerb des S betrüge daher unter Berücksichtigung von § 13c ErbStG: 90 % aus 1 000 000 Euro = abzüglich 90 % der Nießbrauchslast =
900 000 Euro 270 000 Euro 630 000 Euro.
Bei einer Übertragung gegen Versorgungsleistungen würde S hingegen die Verbindlichkeiten und damit auch den Schuldzinsenabzug übernehmen, da er in diesem Fall die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Die Übernahme der Verbindlichkeiten wäre dann sofort und nicht erst bei Wegfall des Nießbrauchs bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bereicherung abzugsfähig (ebenfalls wegen § 13c ErbStG mit 90 %). Unter der Voraussetzung, dass der kapitalisierte Wert der Versorgungsrente ebenfalls bei 300 000 Euro liegen würde, ergäbe sich eine erbschaftsteuerliche Bereicherung von 180 000 Euro1.
V. Versorgung des Übergebers und Dritter 1. Nutzungsvorbehalte a) Nießbrauch aa) Allgemeines 72 Der Nießbraucher hat das Recht, sämtliche Nutzungen des belasteten Gegenstands oder Rechts zu ziehen (§ 1030 BGB). Die Möglichkeit, sich den Nießbrauch vorzubehalten, erleichtert der übergebenden Generation regelmäßig den Entschluss zur vorweggenommenen Erbfolge. Vor allem bei der Übertragung von Immobilien ist ein Vorbehaltsnießbrauch daher häufig, möglich ist er aber auch im Unternehmensbereich. Beim einzelkaufmännischen Unternehmen ist dabei zu beachten, dass der Nießbrauch nicht durch einen einheitlichen Rechtsakt bestellt werden kann, sondern dass er an sämtlichen zu dem Unternehmen gehörenden Gegenständen und Rechten einzeln begründet werden muss2. Bei Anteilen an Personengesellschaften ist der Vorbehalt eines Nießbrauchs grundsätzlich zulässig. Voraussetzung ist, dass nach dem Gesellschaftsvertrag die Übertragung von Anteilen an der Gesellschaft zugelassen 1 90 % aus 1 Mio. Euro abzüglich 90 % aus 500 000 Euro Verbindlichkeiten abzüglich 90 % aus 300 000 Euro Kapitalwert der Versorgungsleistung. 2 MüKo/Pohlmann, § 1085 BGB Rz. 17.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 76 B I
ist1. Da fraglich ist, ob der Gesellschaftsvertrag zudem die Belastung eines Geschäftsanteils mit einem Nießbrauch ausdrücklich zulassen muss, sollte in der Praxis stets der sichere Weg gewählt werden und eine entsprechende Modifikation des Gesellschaftsvertrags angestrebt werden2. Eine Alternative zum Nießbrauch bildet die Bestellung von Unterbeteiligungen. Bei Geschäftsanteilen einer GmbH ist die Bestellung eines Nießbrauchs grundsätzlich zulässig, etwaige Beschränkungen nach der Satzung (§ 15 Abs. 5 GmbHG) sind aber zu beachten, insbesondere wenn diese für die Abtretung von Geschäftsanteilen besondere Voraussetzungen vorsieht oder die Veräußerung von Geschäftsanteilen ausschließt. Diese Beschränkungen erstrecken sich analog auch auf die Bestellung eines Nießbrauchs3. Die Verpflichtung zur Einräumung des Nießbrauchs am GmbH-Anteil kann formfrei eingegangen werden, die dingliche Belastung selbst bedarf der notariellen Beurkundung (§ 1069 Abs. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 GmbHG). Die Obliegenheit zur Anmeldung nach § 16 GmbHG ist zu beachten.
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Sollen mehrere Personen nießbrauchsberechtigt sein, insbesondere bei vorweggenommener Erbfolge die übergebenden Eltern, so ist die Bestellung einer Gesamtgläubigerschaft der Nießbrauchsberechtigten die Regel (§ 428 BGB). Dies bewirkt ohne Weiteres, dass der überlebende Nießbrauchsberechtigte den Nießbrauch ungeschmälert weitergenießt.
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Die Einräumung einer Gesamtgläubigerschaft führt steuerlich zur Annahme eines Zuwendungsnießbrauchs, wenn der Ehegatte nicht zugleich Miteigentümer des übergebenen Vermögens ist4. Soll dies beim Zeitpunkt der Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge verhindert werden, so kann anstelle der Gesamtgläubigerschaft der Weg gewählt werden, dass der Nießbrauch zunächst nur dem Eigentümer-Ehegatten und erst ab seinem Tode dem Nichteigentümer-Ehegatten zustehen soll (aufschiebend bedingter Nießbrauch)5.
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Wenn nicht alle Nutzungen des zu übergebenden Vermögens vorbehalten bleiben sollen, kann zum Bruchteils- oder Quotennießbrauch gegriffen werden. Der Unterschied besteht darin, dass beim Bruchteilsnießbrauch ein ideeller Miteigentumsanteil mit einem Nießbrauch belastet ist, beim Quotennießbrauch hingegen der gesamte Vermögenswert, allerdings nur entsprechend der Quote. In der Praxis macht dies kaum einen Unterschied.
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MüKo/Pohlmann, § 1068 BGB Rz. 31. MüKo/Pohlmann, § 1068 BGB Rz. 33. Baumbach/Hueck, § 15 GmbHG Rz. 51. Der entscheidende Unterschied liegt in der AfA-Befugnis: Diese steht dem Vorbehaltsnießbraucher (also dem früheren Eigentümer) weiterhin zu, während sie beim Zuwendungsnießbrauch sowohl dem Nießbrauchsberechtigten als auch dem Eigentümer verloren geht, Nießbrauchserlass (BStBl. 1998 I, 914) Tz. 20, 24, 42; Jülicher, ZEV 2000, 186. 5 Mit dem Vorversterben des Ehegatten (Eintritt der aufschiebenden Bedingung) ist dies nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ein schenkungsteuerrelevanter Zuwendungsvorgang.
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B I Rz. 77
Lebzeitige Vermögensübertragung
77 Durch den Nießbrauch behält der Übergeber die Verwaltung des Vermögens, also beispielsweise auch die mit der Verwaltung eines Grundstücks verbundene Arbeit. Will er sich die Option offen halten, sich hiervon zu befreien, so kann ein Rentenwahlrecht vereinbart werden, nach dem er verlangen kann, dass ihm anstelle des Nießbrauchs eine Rente gezahlt wird, beispielsweise bemessen nach dem Durchschnitt der letzten 3-Jahres-Netto-Erträge1. 78 Sofern mit dem „Störfaktor“ Pflichtteil gerechnet werden muss, sollte beachtet werden, dass die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt in der Regel nicht die 10-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB in Lauf setzt, da der BGH hierfür fordert, dass sich der Erblasser des verschenkten Gegenstands auch wirtschaftlich entäußert hat2. bb) Steuerliche Hinweise 79 Bei Beteiligung Minderjähriger empfiehlt es sich aus Sicht der Praxis, immer einen Pfleger hinzuzuziehen, da nach Auffassung der Finanzverwaltung zumindest bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Bestellung des Nießbrauchs ohne Mitwirkung eines Ergänzungspflegers einkommensteuerlich nicht anzuerkennen ist3. Anderes gilt nach der Rechtsprechung des BFH aber, wenn das Vormundschaftsgericht (seit 1.9.2009: Familiengericht) die Pflegerbestellung für entbehrlich gehalten hat4.
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Beratungshinweis: Vorsorglich sollte die Bestellung eines Ergänzungspflegers beantragt werden.
Einkommensteuerlich sind Einkünfte aus Kapitalvermögen beim Vorbehaltsnießbrauch dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen5. Gleiches gilt für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß BMFSchreiben v. 24.7.1998 (Nießbrauchserlass)6. Hiernach erzielt grundsätzlich der Nießbrauchsberechtigte die Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn er das Grundstück durch Vermietung nutzt, ihm die volle Besitz- und Verwaltungsbefugnis zusteht, er die Nutzungen tatsächlich zieht und es verwaltet. Der Vorbehaltsnießbraucher kann in diesem Fall auch die AfA für das Gebäude wie zuvor schon als Eigentümer in Anspruch nehmen. Werbungskosten sind abziehbar, sofern der Nießbrauchsberechtigte sie nach dem Vereinbarten zu tragen hat und tatsächlich trägt.
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Beratungshinweis: Außergewöhnliche Aufwendungen muss der Nießbrauchsberechtigte nach dem Gesetz (§ 1043 BGB) nicht tragen. Dies gilt beispielsweise für eine aufwändige Dachsanierung. Der Nießbraucher
1 Langenfeld/Günther, Rz. 222 mit Formulierungsbeispiel. 2 BGH v. 27.4.1994 – IV ZR 132/93, ZEV 1994, 233. 3 BMF-Schreiben v. 24.7.1998 (Nießbrauchserlass; zuletzt geändert mit BMF-Schreiben v. 29.5.2006, BStBl. 2006 I, 392, BStBl. 1998 I, 914 Rz. 4. 4 S. auch BFH v. 13.7.1999 – VIII R 29/97, DStRE 1999, 937. 5 Schmidt/Weber-Grellet, § 20 EStG Rz. 203; Stuhrmann, DStR 1998, 1406. 6 BStBl. 1998 I, 914.
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Rz. 82 B I
kann diese Kosten daher steuerlich nicht geltend machen, ebenso wenig der Eigentümer, der keine Einnahmen aus V und V erzielt. Es sollte daher vereinbart werden, dass der Nießbrauchsberechtigte auch außergewöhnliche Lasten zu tragen hat1. Beim Zuwendungsnießbrauch kann der Nießbrauchsberechtigte im Unterschied zum Vorbehaltsnießbrauch nach Auffassung der Finanzverwaltung für Gebäude keine AfA abziehen und auch auf das Nießbrauchsrecht keine AfA vornehmen2. Dies ist ein gravierender Nachteil, der immer dann bedacht werden muss, wenn im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein Nießbrauchsrecht nicht zugunsten des Übertragenen vorbehalten, sondern, beispielsweise aus Gleichstellungsgründen einem Dritten, etwa einem anderen Kind des Übertragenden, zugewandt werden soll.
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Problematisch kann auch die Übertragung von Betriebsvermögen unter Nießbrauchsvorbehalt sein. Bei Anteilen an Personengesellschaften führt dies dazu, dass die Begünstigungen der §§ 13a, 19a ErbStG nicht gewährt werden, wenn der Bedachte nicht Mitunternehmer wird.3 Dieses Risiko kommt allerdings nur in Ausnahmefällen in Betracht, bspw. wenn der Schenker seinen Vorbehaltsnießbrauch auch auf außerordentliche Erträge erstreckt und er sich das Stimmrecht auch für außergewöhnliche Entscheidungen vorbehält.4
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Beratungshinweis: Wer die Mitunternehmerstellung stärken will, bestellt nur einen Quotennießbrauch (von bspw. 95 %)5.
Bei der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften besteht dieses Problem, soweit das notwendige Quorum von 25 Prozent überschritten wird, nicht. Seit 1.1.2009 kann (wegen des Entfalls des Abzugsverbots in § 25 ErbStG a.F.) die kapitalisierte Nießbrauchslast bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer vom Substanzerwerb abgezogen werden6. Jedoch findet § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG Anwendung: Der Abzug des Nießbrauchs ist nur mit dem Betrag zulässig, der dem Verhältnis zwischen dem ursprünglichen Wert des Betriebsvermögens und seinem Wert nach Anrechnung der Vergünstigungen nach § 13a ErbStG entspricht7.
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Beratungssituation: V möchte seinem Sohn helfen und auf den im Jahr 2008 vorbehaltenen Nießbrauch verzichten.
Vorsicht ist geboten, da die Finanzverwaltung mit Billigung des BFH den Verzicht auf den Nießbrauch auch in Altfällen aus der Zeit vor 2009 als neue 1 Wegmann, Rz. 285. 2 BMF-Schreiben v. 24.7.1998, BStBl. 1998 I, 914 Rz. 19, 20. 3 BFH v. 10.12.2008 – II R 34/07, DStR 2009, 321; Troll/Gebel/Jülicher, § 13b ErbStG Rz. 142; H 51 Abs. 1 ErbStH 2003; kritisch hierzu Ebeling, DB 1999, 611, 612. 4 Troll/Gebel/Jülicher, § 13b ErbStG Rz. 144. 5 Troll/Gebel/Jülicher, § 13b ErbStG Rz. 144. 6 Gestaltungsansätze bei Breithaupt, ErbBStg. 2009, 67. 7 So schon zum alten Recht BFH v. 6.7.2005 – II R 34/03, BStBl. 2005 II, 797.
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selbstständige Zuwendung behandelt1. Neben dem Wegfall der Steuerstundung (§ 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG a.F.) droht also eine weitere erhebliche Zahlungslast. V sollte daher zunächst prüfen, ob sein Ziel anstatt durch Verzicht auch anders erreicht werden kann, bspw. durch Gewährung eines Darlehens an den Sohn. b) Wohnrecht 83 Speziell bei Wohnimmobilien kann nach § 1093 BGB als beschränkte persönliche Dienstbarkeit das Recht bestellt werden, ein Gebäude oder einen Teil eines Gebäudes unter Ausschluss des Eigentümers als Wohnung zu benutzen. Auf dieses Wohnungsrecht finden weitgehend die Vorschriften über den Nießbrauch Anwendung. Die Abgrenzung zum Nießbrauchsrecht ergibt sich daraus, dass das Wohnungsrecht seinen Hauptzweck im Wohnen hat, während der Nießbrauch zur umfassenden Nutzung eines Vermögensgegenstands, insbesondere auch von Gegenständen oder Rechten, die nicht Wohnimmobilien sind, berechtigt. 84 Ebenso wie beim Nießbrauch ist der Eigentümer nicht verpflichtet, eine außergewöhnliche Ausbesserung des Grundstücks oder Gebäudes auf seine Kosten vorzunehmen. Im Unterschied zum Nießbrauch trägt der Eigentümer allerdings im Verhältnis zum Wohnungsberechtigten die öffentlichen und privaten Lasten des Grundstücks wie Brandversicherung, Grundsteuer und Zinsen bei Grundpfandrechten2. Da das Wohnungsrecht des § 1093 BGB nach h.M. mit Zerstörung des Gebäudes erlischt3, gebietet es kautelarjuristische Vorsicht, ergänzend eine Wohnungsgewährungsreallast nach § 1105 BGB zu bestellen4. Einkommen- wie erbschaftsteuerlich gelten für das Wohnungsrecht weitgehend die Regelungen zum Nießbrauch analog, als sog. Duldungsoder Nutzungsauflage minderte das dem Veräußerer oder seinem Ehegatten vorbehaltene Wohnrecht in Steuerfällen bis 31.12.2008 wegen des Abzugsverbots nach § 25 ErbStG die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht5; seit 1.1.2009 ist sein Kapitalwert hingegen bei der Ermittlung der Steuer vom Wert der übertragenen Immobilie abzuziehen. 85 Einstweilen frei.
2. Versorgungsleistungen 86 Durch den Vorbehaltsnießbrauch sichert sich der Übergeber auch weiterhin den Ertrag des übergebenen Vermögens, zugleich behält er aber auch die Mühen der Verwaltung und das Risiko des Schwankens der Einkünfte. Wenn dies 1 H 85 Abs. 4 ErbStH 2003 mit Berechnungsbeispiel; BFH v. 17.3.2004 – II R 3/01, BStBl. 2004 II, 429; zu Recht a.A. Meincke, 14. Aufl., § 25 ErbStG Rz. 15; s.a. Moench, DStR 1998, 632; Ziegaier, DB 1998, 1056. 2 § 1047 BGB ist in § 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht für anwendbar erklärt. 3 MüKo/Joost, § 1093 BGB Rz. 23 m.w.N. 4 Langenfeld/Günther, Rz. 380. 5 Meincke, 14. Aufl., § 25 ErbStG Rz. 10.
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Rz. 90 B I
nicht gewollt ist, kann zur vorweggenommenen Erbfolge gegen Vereinbarung von Versorgungsleistungen gegriffen werden. a) Leibrente Bei der Verpflichtung des Zuwendungsempfängers, dem Übergeber lebenslang eine Rente zu zahlen, handelt es sich regelmäßig um eine Leibrente im Sinne von § 759 BGB. Rechtstechnisch beruhen die Rentenansprüche auf einem Rentenstammrecht, aus dem sie als Rechtsfrüchte nach § 99 Abs. 2 BGB fließen. Die dingliche Sicherung erfolgt bei Immobilien durch Bestellung einer Rentenreallast nach §§ 1105 ff. BGB. Regelmäßig wird eine Wertsicherung vereinbart. Eine Verbraucherpreisindexklausel, die die Wertsicherung automatisch sicherstellt, ist nach § 3 Abs. 1 PreisklG zulässig. Ein Leistungsvorbehalt, der für das Ausmaß der Änderung des geschuldeten Betrages einen Ermessensspielraum lässt, ist nach § 1 Nr. 1 PreisklG ohne Weiteres zulässig, wegen des damit verbundenen Streitpotenzials aber nicht empfehlenswert.
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b) Dauernde Last Die dauernde Last ist ein Produkt des Steuerrechts, im BGB ist sie nicht vorgesehen. Im Unterschied zur Rente ist sie dadurch gekennzeichnet, dass die einzelnen Leistungen nicht betragsmäßig gleich bleiben oder lediglich wertgesichert sind, sondern nach § 323 ZPO der Abänderung unterliegen. Dadurch bringt die dauernde Last für die Beteiligten Risiken mit sich, da die Höhe der Leistungspflicht sowohl von der Bedürftigkeit des Berechtigten als auch von der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten abhängt.
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Die dauernde Last kann bei Grundstücken ebenfalls durch Eintragung einer Reallast gesichert werden, wobei allerdings wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes nur der Ausgangsbetrag (mit Indexierung) durch Reallast gesichert werden kann und der zugehörige Anpassungsvorbehalt nur schuldrechtlich vereinbart wird1.
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c) Pflegeverpflichtungen Die Übernahme von Pflegeverpflichtungen ist bei landwirtschaftlichen Hofübergaben typischer Bestandteil der vorweggenommenen Erbfolge (Altenteilsvertrag, vgl. Art. 96 EGBGB)2. Unabhängig vom Altenteil kann eine Pflegeverpflichtung auch mit einem Wohnungsrecht im Sinne von § 1093 BGB gekoppelt und durch Reallast abgesichert werden3.
1 Langenfeld/Günther, Rz. 492; Wegmann, Rz. 396. 2 Ausführlich Langenfeld/Günther, Rz. 386 ff. 3 Langenfeld/Günther, Rz. 411, 555.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
d) Steuerliche Behandlung der Versorgungsleistungen 91
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Beratungssituation: Der Mandant möchte wissen, welche steuerlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Versorgungsleistungen, insbesondere zwischen Leibrente und dauernder Last, bestehen.
92 Einkommensteuerrechtlich kann es sich bei den wiederkehrenden Leistungen handeln um: aa) Ratenzahlungen 93 Sind bei der Übertragung eines Grundstücks oder Unternehmens Leistung und Gegenleistung kaufmännisch abgewogen, so handelt es sich bei den laufenden Zahlungen um Kaufpreisraten, die in einen Tilgungsanteil und einen Zinsanteil aufzuteilen sind. Der Zinsanteil führt beim Zahlungsverpflichteten zu Betriebsausgaben oder Werbungskosten, beim Berechtigten ist er nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder § 22 Nr. 1 Satz 3a EStG als Einnahme zu versteuern. Der Tilgungsanteil kann beim Verpflichteten zu abschreibungsfähigen Anschaffungskosten und beim Berechtigten zu steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen führen, je nachdem, ob es sich um die Veräußerung von Betriebsvermögen handelt oder ob bei Privatvermögen die Voraussetzungen der §§ 17 und 23 EStG vorliegen. bb) Unterhaltsleistungen 94 Bloße Unterhaltsleistungen sind auf Seiten des Verpflichteten nach § 12 Nr. 2 EStG nicht abzugsfähig und werden auf Seiten des Berechtigten nicht besteuert. Diese Fallgruppe ergibt sich durch negative Abgrenzung von den übrigen Fallgruppen, es handelt sich um eine Art Auffangtatbestand. cc) Leibrenten und dauernde Lasten 95 Bei diesen Zahlungen geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Zahlungsverpflichtete sie als Sonderausgaben (§ 10 EStG) abziehen kann. Ist dies der Fall, so muss der Zahlungsempfänger sie nach § 22 EStG versteuern (Korrespondenzprinzip). Der Unterschied zwischen Leibrente und dauernder Last liegt dann darin, dass bei der Leibrente nur der Ertragsanteil abgezogen bzw. versteuert wird, während dies bei der dauernden Last der volle Betrag der Zahlung ist. 96 Ziel aus Sicht der Gestaltungspraxis ist es in der Regel, die Unterschiede in der Steuerprogression zwischen übergebender und übernehmender Generation optimal zu nutzen. Die übergebende Generation unterwirft die Einnahmen der Besteuerung, weil sie einen geringeren Steuersatz hat, die übernehmende Generation erhält die Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs. 97 Rechtslage bis 31.12.2007 Zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von wiederkehrenden Leistungen hatte sich im Laufe der Jahrzehnte eine umfangreiche und teilweise wi74 Steiner
Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 111 B I
dersprüchliche Rechtsprechung angesammelt. Mit zwei Beschlüssen vom 12.5.2003 hatte der Große Senat des BFH versucht, unter dieses Thema einen Schlussstrich zu ziehen1. Die Quintessenz hieraus fasste die Finanzverwaltung (nolens volens) im sog. Dritten Rentenerlass zusammen2. Der BFH hatte den Anwendungsbereich des Sonderausgabenabzugs nahezu auf alle Vermögensübertragungen im Generationenverbund ausgeweitet, bis hin zu Grundstücks-,Wertpapier- und sogar Geldübertragungen. Mit dem Jahressteuergesetz 2008 hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Sonderausgabenabzugs hingegen deutlich eingeschränkt. Für Übergabeverträge aus der Zeit bis 31.12.2007 gelten jedoch die alten großzügigen Regelungen des Rentenerlasses fort (§ 52 Abs. 23g EStG)3. Rechtslage seit 1.1.2008
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Für Übergabeverträge ab 1.1.2008 wurde die Möglichkeit des Sonderausgabenabzuges auf den Bereich der Unternehmensnachfolge begrenzt. Er erfasst hiernach nur noch Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit – der Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft, die eine Tätigkeit im Sinne der §§ 13, 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 EStG ausübt, – der Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs sowie – der Übertragung eines mindestens 50 %igen Anteils an einer GmbH, wenn der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt. Einstweilen frei.
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dd) Pflegeverpflichtungen Schenkungsteuerlich handelt es sich um eine zunächst nur aufschiebend bedingte Last. Bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit und Erbringung der Pflegeleistungen wird der Schenkungsteuerbescheid berichtigt. Maßgebend für die Kapitalisierung der Pflegeleistungen sind dabei die sozialrechtlichen Pauschalvergütungen4.
1 BFH v. 12.5.2003, GrS 1/00 und 2/00, BStBl. 2004 II, 95, 100. 2 BMF-Schreiben v. 16.9.2004, IV C 3 – S 2255 – 354/04, BStBl. 2004 I, 922, hierzu Heinrichshofen, ErbStB 2004, 335; Hipler, ZEV 2004, 412. 3 Einschränkung: Die Neuregelung gilt auch für Altverträge, bei denen das übertragene Vermögen nur deshalb ausreichenden Ertrag bringt, weil ersparte Aufwendungen hinzugerechnet werden (wiederum mit der Ausnahme des Nutzungsvorteils eines zu eigenen Zwecken vom Vermögensübernehmer genutzten Grundstücks). Hier wurde keine Fortgeltung angeordnet, weil diese Fallgruppe bereits im Rentenerlass von der Begünstigung ausgenommen war (BStBl. 2004 I, 922, Tz. 21). 4 OFD Erfurt v. 9.7.2002, DStR 2002, 1305; Halaczinsky, ZErb 2003, 130; Berechnungsbeispiel bei Moench/Albrecht, Erbschaftsteuer, 2. Aufl. 2009, Rz. 580.
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B I Rz. 112
Lebzeitige Vermögensübertragung
VI. Rückforderungsrechte und Weiterübertragung
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Beratungssituation: Der Mandant fürchtet die Unwägbarkeiten der Zukunft und schreckt daher vor einer vorweggenommenen Erbfolge zurück; er fragt, ob er von Gesetzes wegen ausreichend abgesichert ist.
1. Gesetzliche Rückforderungsrechte 112
Von Gesetzes wegen gibt es bei Schenkungen drei Rückforderungstatbestände1: – Nichtvollzug einer Auflage (§ 527 BGB), – Notbedarf des Schenkers (§ 528 BGB), – Grober Undank (§ 530 BGB). Diese gesetzlichen Rückforderungsrechte sind aus der Sicht der kautelarjuristischen Praxis ungeeignet, teilweise sogar ein echter Störfaktor: Nach § 527 BGB kann der Schenker bei Nichtvollziehung einer Auflage die Herausgabe des Geschenks nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften verlangen. Dies führt zur Rückabwicklung sämtlicher gezogener Nutzungen und sämtlicher Verwendungen, soweit nicht Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) eingetreten ist. Dabei kann das Geschenk nur insoweit zurückgefordert werden, als es zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen. All dies ist nicht praktikabel und sollte daher vertraglich ausdrücklich abbedungen werden, was zulässig ist2. Die Rückforderungsvorschrift des § 528 BGB, nach der der Schenker die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts fordern kann, wenn er seinen angemessenen Unterhalt3 nicht mehr bestreiten oder seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten nicht mehr nachkommen kann, hat auf sozialrechtlichem Gebiet erhebliche praktische Bedeutung erlangt, da die Sozialbehörde diesen Anspruch nach § 93 SGB XII überleiten kann. Dies kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Übergeber in ein Pflegeheim kommt. Die Unterbringungskosten dort liegen regelmäßig bei mehr als 2500 Euro monatlich, teilweise sogar bei über 4000 Euro. Hiervon übernimmt die Pflegeversicherung nach § 43 SGB XI in der Regel lediglich einen Teil. Da nach herrschender Ansicht § 528 BGB nicht abbedungen werden kann, müssen die Beteiligten mit dem Risiko der sozialrechtlichen Überleitung leben4.
1 Hinzu kommen bei Eheleuten die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, Wegmann, Rz. 150. 2 Palandt/Weidenkaff, § 527 BGB Rz. 1. 3 Zur Auslegung dieses Begriffs BGH v. 11.7.2000 – X ZR 126/98, ZEV 2000, 455. 4 BGH v. 28.10.1997 – X ZR 157/96, NJW 1998, 537; MüKo/Kollhosser, § 528 BGB Rz. 7; Hörlbacher, ZEV 1995, 202, 204.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 113 B I
2. Vertragliche Rückforderungsrechte a) Tatbestände
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Beratungssituation: Der Mandant möchte sein Mietshaus übergeben, aber dennoch „das Heft in der Hand behalten“.
Durch die Aufnahme vertraglicher Rückforderungsrechte können Risiken der vorweggenommenen Vermögensübertragung minimiert werden, zugleich erleichtert dies dem Übergeber den Entschluss zur Übergabe. Als Auslösetatbestand für ein vertragliches Rückforderungsrecht kommt zunächst das freie Ermessen des Veräußerers in Betracht. Obwohl dies naturgemäß dem Veräußerer sehr sympathisch sein kann, ist hiervon regelmäßig abzuraten, da derartige Klauseln gegenüber dem Erwerber unfair sind und zudem steuerliche Probleme aufwerfen können1. Stattdessen hat sich in der kautelarjuristischen Praxis ein Kanon von enumerativen Rückforderungstatbeständen herausgebildet: – Tod des Erwerbers vor dem Veräußerer, – Tod des (kinderlosen) Erwerbers vor seinen Geschwistern, – Veräußerung oder Belastung des übergebenen Vermögens durch den Erwerber ohne Zustimmung des Veräußerers, – Insolvenz des Erwerbers oder Zwangsvollstreckung in das übergebene Vermögen, – Vereinbarung von Gütergemeinschaft durch den Erwerber, wenn das Empfangene nicht zum Vorbehaltsgut erklärt wird (§ 1416 BGB), – Geltendmachung von Zugewinnausgleichsansprüchen gegen den Beschenkten bzw. generell Ehescheidung des Erwerbers zu Lebzeiten des Veräußerers, auf diesem Wege soll das übergebene Vermögen dem Zugewinnausgleich insgesamt entzogen werden, also auch für Wertsteigerungen, die mehr als inflationsbedingt sind, – Notbedarf des Veräußerers, – Grober Undank des Erwerbers. Die beiden letztgenannten Tatbestände decken sich mit der gesetzlichen Regelung. Indem sie vertraglich vereinbart werden, können jedoch die Modalitäten der Rückabwicklung abweichend vom Gesetz geregelt werden.
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Beratungshinweis: In den Katalog der Rückforderungstatbestände aufgenommen werden sollte auch der Fall, dass der Erwerber dauernd ge-
1 Zwar ist der Vermögensübergang schenkungsteuerlich trotz der Möglichkeit des Widerrufs anzuerkennen (BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, NJW 1990, 1750), jedoch werden die steuerbaren Einkünfte einkommensteuerlich weiterhin dem Übergeber zugerechnet; auch können Gläubiger des Übergebers das Widerrufs- und Rückforderungsrecht pfänden; zudem wird bei freiem Widerrufsvorbehalt die Frist nach § 2325 Abs. 3 BGB nicht in Gang gesetzt, s.a. OLG Düsseldorf v. 11.4.2008 – 7 U 70/07, ZEV 2008, 525 m. krit. Anm. Herrler.
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B I Rz. 114
Lebzeitige Vermögensübertragung
schäftsunfähig wird (nachgewiesen bspw. durch das Attest zweier Fachärzte). b) Rechtliche Gestaltung 114
Das Rückforderungsrecht kann als auflösende Bedingung nach § 158 BGB gestaltet werden, bei Grundstücken wegen der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung (§ 925 Abs. 2 BGB) allerdings nur im Hinblick auf den schuldrechtlichen Vertrag. Da sich der Veräußerer regelmäßig die Entscheidung über die Rückforderung vorbehalten möchte, ist die mit der auflösenden Bedingung verbundene Automatik meist nicht zweckmäßig.
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Beratungshinweis: Zu klären ist, ob das Rückforderungsrecht mit dem Tod des Übergebers erlischt oder ob es auf Dritte (bspw. den Ehegatten des Übergebers oder dessen andere Kinder) übergeht1.
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Ebenso wie bei Eintritt einer auflösenden Bedingung erfolgt im Fall des Widerrufsvorbehalts die Abwicklung rückwirkend in Anwendung der bereicherungsrechtlichen Vorschriften. Ähnliches gilt bei Vereinbarung eines Rücktrittsrechts nach §§ 346 ff. BGB. Durch den Rücktritt wandelt sich das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um. Die empfangenen Leistungen sind nach den §§ 346, 348 BGB zurückzugewähren2.
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Die Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses, also der Ersatz der vom Beschenkten gemachten Aufwendungen und die Herausgabe der von ihm gezogenen Erträge, ist in der Praxis, vor allem nach Jahren, meist nur schwer durchzuführen. Sie sollte nicht dem Bereicherungsrecht oder den §§ 346 ff. BGB überlassen bleiben, da die gesetzliche Regelung unspezifiziert und streitträchtig ist. Vielmehr sollte im Einzelnen geregelt werden, was zu erstatten ist, insbesondere im Fall der gemischten Schenkung. Nach Möglichkeit sollte die Regelung der Einfachheit halber so aussehen, dass der Beschenkte die zwischenzeitlich gezogenen Erträge behalten darf und ihm umgekehrt seine auf den Gegenstand gemachten Verwendungen nicht zu ersetzen sind3.
117
Bei Grundstücken kann der Rückgewähranspruch durch Rückauflassungsvormerkung gesichert werden. Eine wesentliche Abwicklungserleichterung bringt es mit sich, wenn der Übergeber für den Fall des Vorversterbens unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB unwiderruflich zur Rückauflassung bevollmächtigt wird4.
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Formulierungsbeispiel bei Wegmann, Rz. 191. Jülicher, ZEV 1998, 201 ff. Einzelheiten bei Langenfeld/Günther, Rz. 258 ff. Langenfeld/Günther, Rz. 254 ff. mit Formulierungsbeispielen.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 118 B I
c) Steuerliche Folgen Es ist zu unterscheiden zwischen den Steuerfolgen, die bereits die Vereinbarung eines Rückforderungsrechts nach sich ziehen können und den steuerlichen Folgen, die bei Durchführung der Rückabwicklung eintreten.
117a
aa) Einkommensteuerliche Folgen Der freie Widerrufsvorbehalt führt dazu, dass die Finanzverwaltung Einkünfte 118 aus dem übergebenen Vermögen nicht dem Beschenkten zurechnet, sondern aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise nach wie vor dem Schenker. Diese Gefahr besteht auch bei enumerativ gestalteten Rückforderungsrechten, wenn der Schenker den Eintritt des Rückforderungsfalles willentlich beeinflussen kann1. Bei gewerblichen Einkünften führt dies insbesondere dazu, dass dem Beschenkten die Mitunternehmerstellung versagt wird. Bei der Prüfung, ob eine Beteiligung nach § 17 EStG steuerverstrickt ist, ist die weitere Folge eines zu weit gehenden Rückforderungsvorbehalts, dass dem Schenker die Anteile nach wie vor bei der Feststellung seiner Beteiligungsquote zugerechnet werden2. Maßstab dafür, ob ein Widerrufsvorbehalt schädlich ist oder nicht, bildet die Frage, ob sein Eintritt unwahrscheinlich ist und ob seine Voraussetzungen vom Schenker bei vernünftiger Betrachtungsweise nach freiem Belieben herbeigeführt werden können3. Hierzu vertritt der BFH (zu Recht) die Ansicht, dass reine Scheidungsklauseln unschädlich sind, da der Schenker im Regelfall nicht wegen einer bloßen Meinungsverschiedenheit hinsichtlich eines Schenkungsgegenstands die Scheidung herbeiführen werde, um diesen zurückzuerhalten4.
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Beratungshinweis: Der freie Widerrufsvorbehalt ist zu vermeiden. Im Übrigen ist aus steuerlicher Sicht bei der Auswahl von Rückforderungsrechten darauf zu achten, dass diese hinsichtlich ihres Eintritts unwahrscheinlich sind (Stichwort: Bloße Risikoprophylaxe) und der Schenker ihre Voraussetzungen nicht einseitig herbeiführen kann.
Die Rückabwicklung des Schenkungsvorgangs führt, wenn rückwirkend Erträge zurückverlangt und im Gegenzug Aufwendungsvergütung begehrt wird, zu erheblichen Problemen. Fest steht, dass dies für Veranlagungszeiträume, die bereits bestandskräftig abgeschlossen sind, keine einkommensteuerlichen Konsequenzen hat. Inwieweit die Beteiligten hieraus Einwendungen gewinnen können, beispielsweise der Beschenkte den Einwand der teilweisen Entreicherung wegen der von ihm entrichteten Einkommensteuer, ist streitig5. Auch dies spricht dafür, die Folgen der Rückabwicklung vertraglich so zu re1 2 3 4 5
Schmidt/Wacker, § 15 EStG Rz. 757. Schmidt/Wacker, § 17 EStG Rz. 52. Schmidt/Wacker, § 15 EStG Rz. 757. BFH v. 4.2.1998 – XI R 35/97, DStR 1998, 636 = BStBl. II 1998, 542. Jülicher, DStR 1998, 1977, 1981.
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B I Rz. 119
Lebzeitige Vermögensübertragung
geln, dass dem Beschenkten die Erträge verbleiben und er umgekehrt keine Erstattung seiner Aufwendungen verlangen kann. bb) Folgen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht 119
Erbschaft- und schenkungsteuerlich ist selbst die Schenkung unter freiem Widerrufsvorbehalt anzuerkennen1. Erhebliche Nachteile können bei Vereinbarung von Rückforderungsrechten aber entstehen, wenn sich die einkommensteuerliche Betrachtung im Bereich des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts widerspiegelt. Dies ist bei der Wertermittlung von Betriebsvermögen der Fall. Sofern der Beschenkte aufgrund zu umfangreicher Rückforderungsrechte nicht Mitunternehmer wird, erhält er auch kein Betriebsvermögen im Sinne des § 12 Abs. 5 ErbStG. In der Folge führt dies zur Versagung der Begünstigung nach § 13a ErbStG2.
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Die Rückschenkung ist im Schenkungsteuerrecht nicht privilegiert, sondern begründet grundsätzlich einen eigenständigen Schenkungsteuervorgang4. Anders ist dies, wenn die Rückgabe wegen eines vertraglich vereinbarten Rückforderungsrechts erfolgt. Hier handelt es sich nicht um eine freiwillige Zuwendung, sondern um die Erfüllung einer vertraglichen Pflicht.
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Beratungshinweis: Bestehen wegen vereinbarter Rückforderungsrechte (oder aus sonstigen Gründen) Zweifel daran, ob der Beschenkte Mitunternehmer wird, kann ein zusätzliches Rückforderungsrecht für den Fall vereinbart werden, dass die Mitunternehmerstellung tatsächlich von der Finanzverwaltung nicht anerkannt wird. Die Schenkung kann dann steuerunschädlich nach § 29 ErbStG rückgängig gemacht werden3.
Beratungshinweis: Es ist darauf zu achten, dass die Rückgabe erst erfolgt, wenn der Schenker die nach dem Schenkungsvertrag hierfür erforderliche Gestaltungserklärung abgegeben hat.
Besondere Bedeutung hat die Vereinbarung eines vertraglichen Rückforderungsrechts für den Fall des Vorversterbens des Beschenkten, da § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG den Rückfall ansonsten nur steuerfrei stellt, wenn Eltern oder Voreltern von Todes wegen das zurückerhalten, was sie ihren Kindern bzw. Kindeskindern geschenkt haben. Bekanntlich vertritt der BFH hierzu eine sehr enge Auslegung, nach der beispielsweise Surrogate oder Erträge nicht von der Vorschrift erfasst sind5. Die Rückgabe aufgrund des Rückforderungs1 BFH v. 13.9.1989 – II R 67/86, DStR 1989, 780 = BStBl. II 1989, 1034; Meinke, § 7 ErbStG Rz. 53; Troll/Gebel/Jülicher, § 7 ErbStG Rz. 54. 2 H 51 ErbStH 2003; Gebel, DStR 1996, 1385, 1387; Troll/Gebel/Jülicher, § 13b ErbStG Rz. 110; a.A. Kapp/Ebeling, § 13a ErbStG Rz. 79 ff.; Köhler, DStR 1997, 1553, 1554. 3 Kamps, ErbStB 2003, 69 mit Formulierungsbeispielen. 4 Anders das Grunderwerbsteuerrecht: § 16 GrEStG. 5 BFH v. 22.6.1994 – II R 1/92, BStBl. 1994 II, 656; BFH v. 22.6.1994 – II R 13/90, BStBl. 1994 II, 759; Jülicher, DStR 1998, 1977, 1982, wenigstens reicht nach R 45 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2003 aber „Art und Funktionsgleichheit“ von zugewendetem und rückfallendem Vermögensgegenstand.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 121b B I
rechts an den Schenker ist nicht nur selbst steuerfrei, sie führt nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zudem zur Erstattung der bereits gezahlten Steuer1. Vom Erstattungsbetrag wird allerdings der Betrag abgezogen, der der Nutzungsdauer des Beschenkten entspricht, wenn er die Erträge des Schenkungsgegenstands behalten darf (§ 29 Abs. 2 ErbStG). cc) Steuerklausel Auch bei größter Sorgfalt lassen sich die schenkungsteuerlichen Folgen einer lebzeitigen Vermögensübertragung nicht immer genau vorhersagen. Dafür sorgen bei vielen Vermögensgegenständen, insbesondere Immobilien und Betriebsvermögen allein schon die Unsicherheiten der neuen Bewertung zum Verkehrswert. Böse Überraschungen können daher in vielen Fallkonstellationen auftreten.
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Ein Irrtum über die schenkungsteuerlichen Folgen eines Rechtsgeschäfts kann nach § 313 BGB zum Rücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigen2. Eine solche Rückabwicklung der Schenkung führt nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zum Erlöschen der Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit. Die Feststellungslast für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage trägt der Steuerpflichtige. Er muss nachweisen, dass bei Abschluss des Rechtsgeschäfts die Parteien davon ausgingen, dass keine (oder eine wesentlich geringere) Schenkungsteuer anfallen würde und dass dieser Gesichtspunkt für sie erkennbar maßgebende Bedeutung hatte3. Gelingt dieser Nachweis nicht, so wird die Rückabwicklung einer Schenkung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zum „größten anzunehmenden Schenkungsteuerunfall“: Es bleibt nicht nur bei der angefallenen Steuer für die ursprüngliche Schenkung, sondern die Rückabwicklung gilt als neue Schenkung, für die wiederum Schenkungsteuer anfällt4.
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Gestaltungshinweis: Um wenigstens das Risiko einer steuerpflichtigen Rückschenkung auszuschließen, kann die Rückübertragung unter dem ausdrücklichen Vorbehalt erfolgen, dass sie als steuerfrei anerkannt wird5.
Um nicht auf die steuerlich gefährliche Rückabwicklung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage angewiesen zu sein, empfiehlt es sich, im Zweifelsfall in den Schenkungsvertrag eine Steuerklausel aufzunehmen.
1 Zum Problem des Rückforderungsrechts des Alleinerben Holland, ZEV 2000, 356. 2 FG Rheinland-Pfalz v. 23.3.2001, 4 K 2805/99, DStRE 2001, 765; Troll/Gebel/Jülicher, § 29 ErbStG, Rz. 24; Wachter, ZEV 2002, 176. 3 FG Berlin-Brandenburg v. 22.4.2008, 14 V 14016/08, DStRE 2008, 1339. 4 Piltz, ZEV 2009, 70. 5 Wachter, ZEV 2002, 176, 179.
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B I Rz. 122
Lebzeitige Vermögensübertragung
Formulierungsbeispiel Die Parteien gehen davon aus, dass für die heutige Schenkung keine Schenkungsteuer anfällt. Sollte dies wider Erwarten doch der Fall sein, so kann der Schenker die Schenkung durch einseitige Erklärung gegenüber dem Beschenkten widerrufen. Die Widerrufserklärung muss binnen einen Monats nach Bestandskraft des Schenkungsteuerbescheides abgesandt werden.
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Beratungshinweis: Wichtig ist, dass das Widerrufsrecht dem Schenker eingeräumt wird. Wird es dem Beschenkten eingeräumt, so führt dies nicht zum Erlöschen der Steuerschuld nach § 29 ErbStG1.
Das vertragliche Rückforderungsrecht kann nicht nur für den Fall begründet werden, dass mit überhaupt keinem Anfall von Schenkungsteuer gerechnet wird. Die Rückforderungstatbestände können auch andere Fallgruppen erfassen, bspw. ein Widerrufsrecht für den Fall, dass das zuständige Finanzamt Schenkungsteuer von mehr als . . . Euro festsetzt oder das geschenkte Wirtschaftsgut für Zwecke der Schenkungsteuer mit mehr als . . . Euro bewertet oder für die Zuwendung die Begünstigungen für Betriebsvermögen nach § 13a, b und § 19a ErbStG nicht gewährt2.
3. Verpflichtung zur Weiterübertragung 122
Die Vereinbarung einer Verpflichtung zur Weiterleitung an einen Dritten ist ein Unterfall des Rückforderungsrechts. Die hierbei vereinbarten Tatbestände (Vorversterben etc.) entsprechen regelmäßig denen des Rückforderungsrechts. Der Unterschied besteht darin, dass der Schenkungsgegenstand nicht an den Schenker zurückfällt, sondern im Wege des Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) weitergeleitet wird3. Für Weiterleitungsklauseln gilt daher weitgehend das zu den Rückforderungsrechten Gesagte (Rz. 113 ff.). Insbesondere führt eine Weiterleitungsklausel, deren Eintritt im Belieben des Schenkers steht, dazu, dass die Einkünfte und das wirtschaftliche Eigentum nach wie vor dem Schenker zugerechnet werden4. Bei Anteilen an Personengesellschaften wird der Beschenkte folglich nicht Mitunternehmer und kann daher bereits deshalb nicht von den Begünstigungen für Betriebsvermögen profitieren. In Zusammenhang mit den Begünstigungen nach §§ 13a, 19a ErbStG ist noch Folgendes zu beachten: Wird dem Beschenkten vom Schenker auferlegt, den Schenkungsgegenstand bei Eintritt eines bestimmten aufschiebend bedingten Ereignisses, z.B. dem Tod des Beschenkten, weiterzuleiten, so führt dies erbschaftsteuerlich zu einem auflösend bedingten Erwerb des Beschenkten und zu einem aufschiebend bedingten Erwerb des Letzterwerbers vom Schenker
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Piltz, ZEV 2009, 70, 72. Formulierungsbeispiele bei Wachter, ZEV 2002, 176, 180. Jülicher, ZEV 1998, 202, 205. Schmidt/Wacker, § 15 EStG Rz. 757; Jülicher, DStR 1998, 1977, 1980.
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Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 123 B I
im Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung1. In diesen Fällen erhält der Beschenkte (Zwischenerwerber) zunächst die Begünstigungen des § 13a ErbStG, die dann bei Eintritt des Ereignisses auf den Letzterwerber übergehen2. Für Weitergabeverpflichtungen in Schenkungsverträgen hingegen, die dazu führen, dass Erstschenkung und Weiterleitung zeitlich eng zusammen liegen, wird es bei der bisherigen Regelung der Finanzverwaltung bleiben, wonach die Begünstigungen nur dem Letzterwerber zugewähren sind (R 61 Abs. 1 S. 4 ErbStR 2003)3.
Û
Beratungssituation: Der verwitwete V schenkt seinen Kindern S und T jeweils Vermögen im Steuerwert von einer Mio. Euro. Da beide kinderlos sind, wird zwischen S und T zugleich ein Erbvertrag abgeschlossen, in dem sich diese gegenseitig zu Erben einsetzen.
Verstirbt S, so wird „seine“ Million (gleich bleibende Wertverhältnisse unterstellt) insgesamt wie folgt besteuert: (1) Schenkung von V: Erwerb abzüglich Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG steuerpflichtiger Erwerb 15 % hieraus nach § 19 ErbStG (2) Erbschaft des T: Erwerb4 abzüglich Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtiger Erwerb 30 % hieraus nach § 19 ErbStG (3) Gesamtsteuerbelastung:
1 000 000 Euro ./. 400 000 Euro 600 000 Euro 90 000 Euro
./.
1 000 000 Euro 20 000 Euro 980 000 Euro 294 000 Euro 384 000 Euro
Die bessere Alternative: Hätte V mit seinen Kindern im Schenkungsvertrag vereinbart, dass die Schenkung beim Tod eines Kindes an den Geschwisterteil herauszugeben ist, so wäre die erbschaftsteuerrechtliche Rechnung selbst dann günstiger, wenn der Weiterleitungsfall binnen zehn Jahren nach der Schenkung stattfindet und der überlebende Geschwisterteil daher im Verhältnis zum Vater nicht erneut den Freibetrag von 400 000 Euro hat. (1) Schenkung von V: Steuer (wie oben): (2) Erwerb des T kraft Weiterleitungsklausel: Erwerb plus Vorschenkung (§ 14 ErbStG) abzüglich Freibetrag steuerpflichtiger Erwerb
90 000 Euro 1 000 000,00 Euro 1 000 000,00 Euro 2 000 000,00 Euro 400 000 Euro ./. 1 600 000 Euro
1 Troll/Gebel/Jülicher, § 13a ErbStG Rz. 91. 2 Dies entspricht der Rechtslage zum alten Recht, vgl. R 61 Abs. 1 ErbStR 2003; Jülicher, DStR 1998, 1977, 1985; Troll/Gebel/Jülicher, § 13a ErbStG Rz. 91. 3 Troll/Gebel/Jülicher, § 13a ErbStG Rz. 93. 4 Um der vereinfachten Darstellung willen wird unterstellt, dass S die bei der Schenkung von V anfallende Steuer aus sonstigem Vermögen aufbringen konnte.
Steiner
83
123
B I Rz. 124 19 % hieraus abzüglich bei der Vorschenkung gezahlter Steuer Ergebnis
Lebzeitige Vermögensübertragung
./.
304 000 Euro 90 000 Euro 214 000 Euro
(3) Gesamtsteuerbelastung: a) Steuer nach (1) entfällt (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG1), lediglich Besteuerung des Nutzungsvorteils (§ 29 Abs. 2 ErbStG). b) Steuer nach (2) 214 000 Euro.
Û
Beratungshinweis: Der beschenkte Zwischenerwerber bzw. im Fall der Weiterleitung wegen Versterbens des Zwischenerwerbers dessen Erben sollten stets Antrag auf Erstattung der bei der Zwischenschenkung gezahlten Steuern stellen2. Zwar ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auch auf Weiterleitungsfälle anzuwenden ist, mit der Folge, dass die ursprünglich gezahlte Steuer mit Wirkung für die Vergangenheit erlischt und der Erwerber für den Zeitraum, in dem ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, wie ein Nießbraucher zu besteuern ist (§ 29 Abs. 2 ErbStG). Da nach der Rechtsprechung des BFH der Letzterwerber seinen Erwerb vom ursprünglichen Schenker herleitet3 und die Vereinbarung einer Weiterleitungsklausel strukturell einen Unterfall der Rückforderung bildet, sprechen die besseren Gründe für die Anwendung des § 29 ErbStG4.
Û
Beratungshinweis: Beim selbstgenutzten Familienheim würde eine Weiterleitungsklausel in dem Vertrag, mit dem ein Ehegatte das Familienheim dem anderen geschenkt hat, zugunsten der Kinder nach dem Tod des längstlebenden Ehepartners stets zum Verlust der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG führen, da diese Befreiung nur für einen Erwerb von Todes wegen gilt, während der Erwerb aufgrund einer Weiterleitungsklausel in einem Schenkungsvertrag als Erwerb unter Lebenden gilt5.
4. Verfügungsrechte des Übergebers 124
Vor allem bei Grundstücksübertragungen mit Nießbrauchsvorbehalt stellt sich die Frage, ob sich der Übergeber Verfügungsrechte vorbehalten kann. Hier ist zunächst eine Vollmacht denkbar, nach der der Nießbrauchsberechtigte den Zuwendungsgegenstand auf eigene Rechnung verkaufen und belasten kann. Hiervon ist aber abzuraten, da davon auszugehen ist, dass in diesem Fall die Übergabe steuerlich nicht als Schenkung anerkannt würde6. Zivilrechtlich möglich und schenkungsteuerrechtlich unbedenklich ist hingegen die Vollmacht zur Veräußerung des Nießbrauchsgrundstücks für Rechnung des Grundstückseigentümers. Dies führt dazu, dass der Kaufpreis nach § 1075 1 2 3 4 5 6
Nach der hier vertretenen Ansicht s. den im Text folgenden Beratungshinweis. Jülicher, DStR 1998, 1977, 1984; Troll/Gebel/Jülicher, § 29 ErbStG Rz. 15. BFH v. 17.2.1993 – II R 72/90, BStBl. 1993 II, 523. Troll/Gebel/Jülich, § 29 ErbStG, Rz. 17. Troll/Gebel/Jülich, § 15 ErbStG, Rz. 174. Langenfeld/Günther, Rz. 228.
84 Steiner
Lebzeitige Vermögensübertragung
Rz. 125 B I
Abs. 2 BGB in das Eigentum des Nießbrauchers übergeht und nach Beendigung des Nießbrauchs Wertersatz zu leisten ist (§§ 1075 Abs. 2, 1067 BGB).
Û
Beratungssituation: V möchte seinem Sohn S ein Mietshaus unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen. Aus einkommensteuerlichen Gründen1 und mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des S soll vereinbart werden, dass V weiterhin alle Lasten zu tragen hat, also auch die Kosten für außerordentliche Ausbesserungen und Erneuerungen am Haus. V möchte sich jedoch für den Fall absichern, dass größere Aufwendungen (bspw. für eine Dachsanierung) nicht aus Rücklagen finanziert werden können.
Häufig möchte sich der Übergeber die Möglichkeit vorbehalten, das Grundstück weiterhin als Kreditsicherheit zu verwenden. Für diesen Fall besteht zum einen die Möglichkeit, dass der Übergeber vor Übergabe eine Eigentümergrundschuld bestellt und das Grundstück mit dieser Belastung weitergibt, zum anderen kann schuldrechtlich vereinbart werden, dass der Übernehmer verpflichtet ist, eine Realbürgschaft zu leisten, zusammen mit einer in der Höhe begrenzten, unwiderruflichen Belastungsvollmacht für den Übergeber2. Letzteres ist meist der einfachere Weg. Wenn zugleich durch Rückauflassungsvormerkung gesichert ist, dass der Übernehmer das Grundstück nicht ohne Zustimmung des Übergebers belasten kann, muss der Übergeber bei diesem Weg auch nicht befürchten, dass die Realbürgschaft wegen vorrangiger anderweitiger Belastungen wirtschaftlich sinnlos wird3.
1 Der Werbungskostenabzug steht nur dem offen, der Einkünfte aus V und V hat, also nur dem Nießbraucher. 2 Langenfeld/Günther, Rz. 230. 3 Weitere Vorschläge („Gutsabstandsgeld“ und Ersetzungsbefugnis durch Leibrente oder dauernde Last) bei Wegmann, Rz. 288.
Steiner
85
125
II. Die Formen letztwilliger Verfügungen Schrifttum: Bengel, Zum Verzicht des Erblassers auf Anfechtung bei Verfügung von Todes wegen, DNotZ 1984, 132; Brox, Der Bundesgerichtshof und die Andeutungstheorie, JA 1984, 549; Dippel, Zur Auslegung von Wiederverheiratungsklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen, AcP 177, 349; Esser, Die Testamentsvollstreckung, Schriftenreihe des Deutschen Forums für Erbrecht, Band 3; Liessem, Anwendungsmöglichkeiten und Vorteile der Schenkung von Todes wegen gegenüber erbrechtlichen Lösungen, BB 1989, 862; Mayer, Der Rechtsirrtum und seine Folgen im bürgerlichen Recht, 1989; Nolting, Inhalt, Ermittlung und Grenzen der Bindung beim Erbvertrag, 1985; Nieder, Das Behindertentestament, NJW 1994, 1264; Rosemeier, Beginn der Frist zur Anfechtung letztwilliger Verfügungen, ZEV 1995, 124; Rossak, Folgen des verfassungswidrigen Ausschlusses Mehrfachbehinderter von jeglicher Testiermöglichkeit für die notarielle Praxis, ZEV 1999, 254. Rz. I. Die Testierfähigkeit des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff der Testierfähigkeit . 2. Die Systematik der Testierfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingeschränkte Testierfähigkeit Minderjähriger, § 2229 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Minderjährige vor Erreichen des 16. Lebensjahres . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Minderjährige nach Erreichen des 16. Lebensjahres . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Testierunfähigkeit bei Geistesstörung, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung, § 2229 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . c) Eingeschränkte Testierfähigkeit und faktische Testierunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . d) Voraussetzung der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit bei Abschluss eines Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Eingeschränkte Testierfreiheit aufgrund Höferechts . . . 3. Schranken der Testierfreiheit a) Gesetzliche Schranken der Testierfreiheit aa) Pflichtteilsrecht . . . . . . . . bb) §§ 134, 138 BGB . . . . . . . . cc) Potestativbedingungen . .
86 Esser
1 2 3
5
6
9
11
23
28 32
38 39 44
Rz. dd) Rechtsfolgen bei sittenwidrigen Bedingungen . . ee) Verwirkungsklauseln . . . ff) Klauseln in gemeinschaftlichen Testamenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Veräußerungsverbote . . . hh) Rechtsfolgen von Verwirkungsklauseln . . . . . . ii) § 14 HeimG . . . . . . . . . . . b) Vertragliche Schranken . . . . 4. Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung der Testierfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beweis- und Verfahrensfragen . II. Das Testament . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Formen der Verfügungen von Todes wegen a) Formstrenge im Erbrecht . . . aa) Heilung. . . . . . . . . . . . . . . bb) Auslegung des Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Restriktive Gesetzesauslegung . . . . . . . . . . . . . dd) Umdeutung . . . . . . . . . . . b) Die Formen ordentlicher Testamente. . . . . . . . . . . . . . . aa) Das öffentliche Testament gem. § 2232 BGB . bb) Das eigenhändige privatschriftliche Testament, § 2247 BGB . . . . . . c) Die außerordentlichen Testamentsformen . . . . . . . .
45 46
47 48 49 50 54
57 59 65
67 77 78 80 81 83 84
87 89
Formen letztwilliger Verfügung
B II Rz.
2. Die Errichtung des öffentlichen Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Errichtung durch Erklärung zur Niederschrift des Notars, § 2232 Satz 1, 1. Halbs. BGB. . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Niederschrift . . . . . . . bb) Angaben über die Person des Testierers . . . . . . . . . . cc) Zeugen der Beurkundung dd) Die persönliche Erklärung des Testierers . . . . . . ee) Die Aufklärungspflichten des Notars . . . . . . . . . . . . . ff) Die Genehmigung der Niederschrift (1) Vorlesen . . . . . . . . . . . . . . . (2) Genehmigung der Niederschrift . . . . . . . . . . . . . . (3) Unterschrift des Testierers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Die Verwahrung des Testaments . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss eines Notars . . . . aa) Vorschriften, durch deren Verletzung die Verfügung insgesamt unwirksam wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorschriften, durch deren Verletzung die Verfügung teilweise unwirksam wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorschriften, deren Verletzung nicht zur Unwirksamkeit der Verfügung führen . . . . . . . . . . c) Errichtung und Übergabe einer offenen Schrift aa) Die offene Schrift . . . . . . . bb) Pflichten des Notars . . . . d) Errichtung eines öffentlichen Testaments durch Übergabe einer verschlossenen Schrift . e) Kostenregelung, §§ 46, 141 KO . . . . . . . . . . . . . f) Die Haftung des Notars . . . . . 3. Das eigenhändige Testament . . . a) Der Testierwille des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigenhändigkeit der Niederschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwingende Formvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
91
93 94 102 112
c)
121 125 d) 132 135 137 e) 147 149 f)
150
153
156
157 166
170 173 175 177 182 193 194
g) h)
bb) Sprache und Schriftzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bezugnahme auf andere Schriftstücke . . . . . . . . . . dd) Lesbarkeit und Zusammengehörigkeit der einzelnen Schriftstücke des Testaments . . . . . . . . Äußere Form des Testaments aa) Bezeichnung . . . . . . . . . . bb) Abgeschlossene Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mehrere Blätter . . . . . . . . Unterschrift des Erblassers . aa) Form und Zweck der Unterschrift . . . . . . . . . . . bb) Die Unterschrift auf einem Briefumschlag . . . . cc) Wirkung der fehlenden Unterschrift . . . . . . . . . . . Erfordernis von Zeit- und Ortsangaben bei Errichtung des Testaments . . . . . . . . . . . Nachträge zum Testament . aa) Streichungen und Rasuren . . . . . . . . . . . . . . bb) Berichtigungen innerhalb des Textes, oberhalb der Unterschrift . . . . . . . cc) Nachträge auf demselben Blatt, aber unterhalb der Unterschrift . . . . . . . dd) Nachträge auf einem anderen Blatt . . . . . . . . . . Beweisfragen . . . . . . . . . . . . . Das eigenhändige gemeinschaftliche Testament, § 2267 BGB aa) Die Form des gemeinschaftlichen Testaments bb) Die Wiederverheiratungsklausel . . . . . . . . . cc) Das gleichzeitige oder äußerlich gemeinschaftliche Testament . . . . . . . dd) Gegenseitige (reziproke) gemeinschaftliche Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Wechselbezügliche (korrespektive oder abhängige) gemeinschaftliche Testamente . . . . . . . . . . .
Esser
199 202
209
211 212 213 214 215 219 224
225 227 228
229
231 234 237
239 252
253
254
255
87
Formen letztwilliger Verfügung
B II Rz. i) Die Verwahrung eigenhändiger Testamente . . . . . . . . . . 4. Die außerordentlichen Testamentsformen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Bürgermeistertestament, § 2249 BGB . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen für die Errichtung . . . . . . . . . . . . . bb) Die mitwirkenden Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Errichtung des Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Unschädliche Formverstöße. . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Unheilbare Formverstöße ff) Die Verschließung . . . . . . gg) Gültigkeitsdauer . . . . . . . b) Das Drei-Zeugen-Testament, § 2250 BGB . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen des Testaments . . . . . . . . . . . . bb) Die Zeugen . . . . . . . . . . . . cc) Errichtung des Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Folgen von Formverstößen . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Beschränkte Gültigkeitsdauer des Testaments . . . c) Das Seetestament, § 2251 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die inhaltliche Gestaltung der Verfügung von Todes wegen mit Blick auf ihre Auslegung. . . . . . . a) Grundsätze der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Auslegung einseitiger Verfügungen . . . . . . . . bb) Die Auslegung einseitiger Verfügungen in Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten. . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Erbvertrag . . . . . . . . . (2) Das gemeinschaftliche Testament . . . . . . . . . . . . . b) Auslegungsmethoden . . . . . . aa) Auslegung des Wortlauts (erläuternde Auslegung) . bb) Die Andeutungstheorie. . cc) Die Folge von Falschbezeichnungen . . . . . . . . .
88 Esser
256 c) 259 260
d) e)
261 f) 266 273 277 281 284 285 291 292 294 297 298 299 300
305
307 308
312 313 316 318 319 324 327
g) h)
Rz. dd) Auslegungsbeispiele aus der Rechtsprechung . . . . 330 Beachtung äußerer Umstände für die Auslegung . . . . . . . 331 Der maßgebende Zeitpunkt 334 Die wohlwollende Auslegung im Sinne des § 2084 BGB . . . . . . . . . . . . . . 335 Die ergänzende Auslegung aa) Begriff der ergänzenden Auslegung . . . . . . . . . . . . 340 bb) Die Ergänzung des Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . 342 cc) Auslegung vor Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 dd) Keine zeitlichen Grenzen der ergänzenden Auslegung . . . . . . . . . . . . 350 ee) Wichtige Anwendungsfälle der ergänzenden Auslegung . . . . . . . . . . . . 351 (1) Einsetzung eines Ersatzerben . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 (2) Wegfall des eingesetzten Ehegatten und Wiederheirat des Erblassers . . . . 354 (3) Auswirkung der Ehescheidung auf den Bestand des Erbvertrags . . . 355a (4) Veränderungen der Vermögenslage des Erblassers . . . . . . . . . . . . . 356 (5) Tatsächliche Veränderungen an einem vermachten Gegenstand . . . 361 (6) Änderung der Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 (7) Geldentwertung und Währungsänderung . . . . 363 (8) Freistellungsklauseln bei gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten und Änderungsvorbehalte in Erbverträgen . . . . . . . . . . 364 Auslegung und Prozessrecht 365 Der Auslegungsvertrag . . . . . 371
III. Änderung, Widerruf und Anfechtung der Verfügung von Todes wegen 1. Änderung der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . 376
Formen letztwilliger Verfügung
B II Rz.
2. Widerruf der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur und Wirksamkeitsvoraussetzungen des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arten des Widerrufs . . . . . . . . aa) Widerruf durch Testament, § 2254 BGB . . . . . . bb) Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde, § 2255 BGB . . . . . . . . . . . . cc) Rücknahme eines öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung. . . . . . . . . . . . dd) Widerruf durch ein neues, widersprechendes Testament, § 2258 BGB . . . . . ee) Widerruf gemeinschaftlicher Testamente (1) Widerruf einseitiger Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . (2) Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen . . . . . c) Aufhebung und Rücktritt vom Erbvertrag . . . . . . . . . . . . d) Wirkung des Widerrufs . . . . . e) Beseitigung des Widerrufs . . . aa) Der Widerruf des Widerrufs, § 2257 BGB . . . . . . . . bb) Die Anfechtung des Widerrufs, §§ 2078 ff. BGB . 3. Anfechtung der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung zwischen Anfechtung und Widerruf. . . . . . b) Anfechtung einseitiger Verfügungen von Todes wegen (§§ 2078–2083 BGB) . . . . . . . . c) Anfechtungsgründe . . . . . . . . aa) Anfechtung wegen Irrtums über die Erklärungshandlung oder die Erklärungsbedeutung, § 2078 Abs. 1 BGB . . . . . . (1) Erklärungsirrtum, § 2078 Abs. 1, 2. Alt. BGB . . . . . . (2) Inhaltsirrtum, § 2078 Abs. 1, 1. Alt. BGB . . . . . . bb) Anfechtung wegen Drohung, § 2078 Abs. 2 BGB.
Rz.
383
387 391 393
402
416 d) e) 422 f) g) h) 429 431 436 437 438 439 442 451 456
459 461
462 463 464 469
cc) Anfechtung wegen Irrtums im Beweggrund (Motivirrtum), § 2078 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . dd) Anfechtung wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten, § 2079 BGB . . . . . . . . . . . ee) Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten durch Kausalitäts- bzw. Erheblichkeitsprüfung . . ff) Verzicht auf das Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . gg) Bestätigung eines anfechtbaren Testaments . Anfechtungsberechtigung . . Die Form der Anfechtung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . Anfechtungsfrist . . . . . . . . . . Wirkung der Anfechtung . . . Beweisfragen . . . . . . . . . . . . .
IV. Die Hinterlegung, Ablieferung, Eröffnung des Testaments 1. Die Hinterlegung . . . . . . . . . . . . a) Das Verfahren der besonderen amtlichen Verwahrung aa) Sinn und Zweck der besonderen amtlichen Verwahrung . . . . . . . . . . . bb) Annahme zur Verwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit für die besondere amtliche Verwahrung. . c) Rückgabe des Testaments . . 2. Die Ablieferung des Testaments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gegenstand der Ablieferung b) Die Pflicht zur Ablieferung . c) Zuständigkeiten für die Ablieferung. . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Eröffnung des Testaments, §§ 2260 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . a) Die Eröffnung durch das Nachlassgericht . . . . . . . . . . . aa) Gegenstand der Eröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Eröffnungsverfahren cc) Zuständigkeit für die Eröffnung . . . . . . . . . . . . . b) Eröffnung durch ein anderes Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Esser
473
481
484 489 493 497 504 507 512 517
520
523 524 527 531 535 536 539 542 545 546 547 550 554 555
89
Formen letztwilliger Verfügung
B II
aa) Das Eröffnungsverfahren bb) Zuständigkeit für die Eröffnung. . . . . . . . . . . . . . c) Nichtigkeit eines Eröffnungsverbots, § 2263 BGB. . . d) Eröffnungsfrist für Testamente, § 2263a BGB . . . . . . . . e) Möglichkeit der Einsichtnahme oder der Erteilung einer Abschrift eines eröffneten Testaments, § 2264 BGB . . . . aa) Voraussetzungen für die Einsichtnahme und Abschrifterteilung. . . . . . . . . bb) Zuständigkeit . . . . . . . . . . V. Der Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsnatur des Erbvertrags 2. Der Erbvertrag in Abgrenzung zum Testament . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen für den Abschluss eines Erbvertrags . . . . . . 4. Arten des Erbvertrags a) Der einseitige Erbvertrag . . . . b) Der zweiseitige oder gemeinschaftliche Erbvertrag . . . . . . c) Mehrseitige Erbverträge . . . . d) Erbverträge zugunsten des Vertragspartners oder eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unterscheidung des Erbvertrags nach Art der Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Entgeltlicher oder unentgeltlicher Erbvertrag . . . . . . . . . . . 5. Die Aufhebungswirkung des Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Bindungswirkung des Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Beseitigung der Bindungswirkung a) Der Abänderungsvorbehalt . . b) Beseitigung durch Anfechtung, § 2281 BGB . . . . . . . . . . aa) Die Selbstanfechtung des Erblassers (1) Das Anfechtungsrecht des Erblassers . . . . . . . . . . (2) Gründe der Anfechtung . (3) Form und Frist der Anfechtung. . . . . . . . . . . . . . . (4) Folgen der Anfechtung . .
90 Esser
Rz. 556
Rz.
557 560 8. 562
564
565 568 569 570 577 581 586 587 589
590
591 592 596 602
617
9. 10. 11.
625
bb) Anfechtung durch Dritte bei Erbverträgen, § 2285 BGB . . . . . . . . . . . c) Beschränkung in guter Absicht, § 2289 Abs. 2 BGB . . . Aufhebung und Rücktritt beim Erbvertrag a) Die Aufhebung des Erbvertrags durch die Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufhebung durch Vertrag, § 2290 BGB . . . . . . . bb) Aufhebung durch Testament, § 2291 BGB . . . . . . cc) Aufhebung durch gemeinschaftliches Testament, § 2292 BGB . . . . . . b) Der Rücktritt vom Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Rücktrittsvorbehalt, § 2293 BGB . . . . . . . . . . . bb) Die gesetzlichen Rücktrittsrechte . . . . . . . . . . . . (1) Der Rücktritt nach § 2294 BGB . . . . . . . . . . . (2) Der Rücktritt nach § 2295 BGB . . . . . . . . . . . cc) Die Form des Rücktritts, §§ 2296, 2297 BGB (1) Der Rücktritt zu Lebzeiten des anderen Vertragschließenden, § 2296 BGB . . . . . . . . . . . (2) Der Rücktritt nach dem Tod des anderen Vertragschließenden, § 2297 BGB . . . . . . . . . . . Die Verbindung des Erbvertrags mit einem Ehevertrag . . . . . . . . Die Form des Erbvertrags . . . . . Wirkung des Erbvertrags auf lebzeitige Verfügungen . . . . . . . a) Schutz des Vertragserben, § 2287 BGB . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz des vertragsmäßigen Vermächtnisnehmers, § 2288 BGB . . . . . . . . . . . . . . . Die Verwahrung des Erbvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
645 654
655 656 671
679 684 685 694 695 701
709
713 717 721 730 732
739
626 630
12.
636 641
VI. Schenkungsversprechen von Todes wegen, § 2301 BGB . . . . . 747
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 2 B II Rz.
1. Das Rechtsgeschäft unter Lebenden in Abgrenzung zu den Verfügungen von Todes wegen . 2. Schenkung von Todes wegen mit Überlebensbedingung, § 2301 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . a) Das Schenkungsversprechen b) Die Überlebensbedingung . . . c) Rechtsfolgen des Schenkungsversprechens . . . . . . . . . 3. Das vollzogene Schenkungsversprechen mit Überlebensbedingung, § 2301 Abs. 2 BGB . . . . . . . a) Der Leistungsvollzug i.S.v. § 2301 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . b) Einzelfälle vollzogener Schenkungen i.S.v. § 2301 Abs. 2 BGB aa) Schenkung eines Grundstücks und anderer Rechte daran . . . . . . . . . . . bb) Schenkung von Wertpapieren . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schenkung von Bankund Sparkassenguthaben dd) Erlass einer Schuld. . . . . .
747
751 752 757 761
763 764
769 771 772 777
Rz. VII. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vorteile des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall gegenüber Verfügungen von Todes wegen. . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Einordnung des Vertrags zugunsten Dritter . . . . 3. Durch die Rechtsprechung anerkannte Einzelfälle von Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall a) Zuwendungen von Bankkonten und Sparguthaben . . b) Zuwendung von Wertpapierdepots . . . . . . . . . . . . . . c) Zuwendung von Bausparund Ansparverträgen . . . . . . d) Zuwendung von Lebensversicherungen . . . . . . . . . . . . . . e) Gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelungen . . . . . . 4. Steuerrechtliche Beurteilung des Vertrags zugunsten Dritter .
778
780 786
793 796 797 798 803 804
I. Die Testierfähigkeit des Erblassers Voraussetzung für die wirksame Errichtung einer Verfügung von Todes ist die Testierfähigkeit des Erblassers.
1
1. Der Begriff der Testierfähigkeit Die Testierfähigkeit ist die Fähigkeit eines Menschen, ein Testament rechtswirksam zu errichten, zu ändern und aufzuheben. Die Testierfähigkeit ist von Amts wegen zu prüfen und muss bei Errichtung des Testaments vorliegen. Der Erblasser ist testierfähig, wenn er eine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung und dem Inhalt seiner letztwilligen Verfügung hat1. Er muss sich über die Tragweite seiner Anordnungen und ihrer Auswirkungen bezüglich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aller Betroffenen ein klares Urteil bilden können2 und die Fähigkeit besitzen, frei von Einflüssen Dritter zu entscheiden, sowie eine Abwägung der Gründe, die für und gegen seine Verfügungen sprechen, durchführen können3. 1 OLG Hamm v. 9.11.1988 – 15 W 198/87, FamRZ 1989, 437, 439. 2 Ständige Rechtsprechung, vgl. BGH v. 29.1.1958 – IV ZR 251/57, FamRZ 1958, 127 (127); OLG Hamm v. 9.11.1988 – 15 W 198/87, FamRZ 1989, 437 (439). 3 BayObLG v. 20.12.1985 – BReg. 1 Z 81/85, FamRZ 1986, 728 (730).
Esser
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2
B II Rz. 3
Formen letztwilliger Verfügung
Die Testierfähigkeit ist somit eine den Besonderheiten des Erbrechts entsprechende Art der Geschäftsfähigkeit.
2. Die Systematik der Testierfähigkeit 3 Als Unterfall der Geschäftsfähigkeit ist die Testierfähigkeit losgelöst von den §§ 104 Nr. 2, 105 Abs. 1 BGB in § 2229 BGB geregelt. Diese Norm definiert nicht den Kreis der Testierfähigen, sondern benennt den Kreis derjenigen, die nicht testierfähig sind. Weitere Einschränkungen der Testierfähigkeit sieht das Gesetz in §§ 2247, 2233 BGB vor. Eine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit gibt es nicht. Die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder sie fehlt ganz1. 4 Die uneingeschränkte Testierfähigkeit im Sinne des BeurkG wurde durch die Neufassung der §§ 22 ff. BeurkG für hör-, sprach-, seh- und schreibbehinderte Erblasser wesentlich verbessert. a) Eingeschränkte Testierfähigkeit Minderjähriger, § 2229 Abs. 1 BGB 5 Der Erblasser ist eingeschränkt testierfähig i.S.v. § 2229 Abs. 1 BGB mit Vollendung des 16. Lebensjahres. Bei der Berechnung des Zeitpunktes ist gem. § 187 Abs. 2 Satz 2 BGB der Tag der Geburt mitzuzählen. aa) Minderjährige vor Erreichen des 16. Lebensjahres 6 Ein Minderjähriger, der das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist nicht testierfähig. Ein durch ihn errichtetes Testament ist nichtig. Dies gilt auch dann, wenn der Erbfall erst nach Erreichen der für die Testierfähigkeit maßgeblichen Altersgrenze eintritt. Denn allein durch die Entscheidung, das Testament nicht zu vernichten, wird das Testament nicht wirksam.
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Beratungshinweis: Errichtet der Erblasser im Alter von 14 Jahren ein eigenhändiges privatschriftliches Testament und verstirbt er mit 19 Jahren, ist das Testament nichtig. Zu Beginn der erbrechtlichen Beratung daher immer die Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung prüfen.
7 Die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter kann die Nichtigkeit nicht beseitigen. Abgesehen davon, dass das Gesetz eine solche Möglichkeit nicht vorsieht, ließe sich dies auch nicht mit dem Prinzip der Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung vereinbaren. Die Errichtung eines Testaments durch einen gesetzlichen Vertreter ist daher nicht möglich2. 8 Ein wegen Unterschreitens der Altersgrenze des § 2229 Abs. 1 BGB an sich nichtiges Testament kann durch den Testierer nach Erreichen der Altersgrenze jedoch dadurch genehmigt werden, dass dieser in einem formwirksam er1 OLG München v. 14.8.2007 – 31 Wx 16/07, ZEV 2008, 37, 39 (m.w.N.). 2 Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rz. 4.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 11 B II
richteten Testament auf das nichtige Testament verweist oder dieses ein zweites Mal unterschreibt1. bb) Minderjährige nach Erreichen des 16. Lebensjahres Ein Minderjähriger, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, ist beschränkt testierfähig. Er kann durch mündliche Erklärung oder Übergabe einer offenen Schrift zur Niederschrift einer Urkundsperson ein Testament errichten, §§ 2229 Abs. 1, 2233 Abs. 1 BGB. Hierzu bedarf er gem. § 2229 Abs. 2 BGB nicht der Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter.
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Der Minderjährige kann das Testament nur in den Formen errichten, in denen ihm eine Amtsperson beratend zur Seite steht. Die Errichtung eines privatschriftlichen Testaments, die Übergabe einer verschlossenen Schrift oder ein Drei-Zeugen-Testament durch mündliche Erklärung sind daher für den 16bis 18-Jährigen nicht möglich2. Dagegen ist ein Nottestament vor dem Bürgermeister gem. § 2249 Abs. 1 Satz 4 BGB ebenso gültig, wie das Nottestament vor drei Zeugen, sofern die Voraussetzung des § 2233 Abs. 1 BGB (Übergabe einer offenen Schrift) gegeben ist.
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b) Testierunfähigkeit bei Geistesstörung, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung, § 2229 Abs. 4 BGB Die Testierunfähigkeit wegen Geistesstörung, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung ist in § 2229 Abs. 4 BGB geregelt. Sie liegt vor, wenn: – der Testierer im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit oder einer Bewusstseinsstörung unterliegt oder geistesschwach ist und – er deswegen unfähig ist, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärung zu verstehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Eine Geistesstörung oder Geistesschwäche umfasst alle zumindest vorübergehend bestehenden geistig-seelischen Anomalien von einigem Gewicht. Ein klares Unterscheidungskriterium zwischen Geistesstörung und Geistesschwäche gibt es nicht3. Die Geistesschwäche als leichterer Grad der Geisteskrankheit4 erfordert, ebenso wenig wie die Geistesstörung, keinen Dauerzustand wie in § 104 Nr. 2 BGB normiert.
1 Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rz. 37; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2229 BGB Rz. 6. 2 MüKo/Hagena, § 2229 BGB Rz. 7, MüKo/Hagena, § 2233 BGB Rz. 6. 3 MüKo/Hagena, § 2229 BGB Rz. 13 ff.; anders Nieder, Rz. 331, 336, der Geistesschwäche als leichteren Grad der Geisteskrankheit sieht und bei der Geistesstörung i.S. des § 104 Ziff. 2 BGB davon ausgeht, dass regelmäßig die ganze Persönlichkeit des Testierers erfasst ist. 4 RG v. 6.10.1930 – IV 583/29, RGZ 130, 69 (71).
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B II Rz. 12
Formen letztwilliger Verfügung
12 Da § 2229 Abs. 4 BGB keine medizinischen Fachbegriffe verwendet1, führt nicht jede Geisteskrankheit zur Testierunfähigkeit. Vielmehr muss der Zustand des Betreffenden bewirken dass dieser seine Angelegenheiten nicht mehr selbstständig zu besorgen vermag2. 13 Nicht ausreichend ist eine bloße unkluge und kurzsichtige Handlungsweise oder die ungenügende Erkenntnis der rechtlichen und wirtschaftlichen Tragweite des Erklärten3. Ebenso wenig reicht eine bloße Willensschwäche oder leichte Beeinflussbarkeit für die Annahme einer Testierunfähigkeit aus, solange sich die äußeren Einflüsse nur in einem nachvollziehbaren Rahmen auf die Handlungen des Erblassers auswirken4. Auch aus einem hohen Grad von Psychopathie, querulatorischer Veranlagung oder sonst abnormen Persönlichkeitsstrukturen kann nicht ohne Weiteres auf die Testierunfähigkeit geschlossen werden5. Rauschgiftsucht bewirkt im Regelfall ebenfalls keine Testierunfähigkeit6. 14
Beispiele für das Vorliegen von Testierunfähigkeit wegen Geistesschwäche oder Geistesstörung sind Demenz bei Parkinson-Syndrom, arteriosklerotische Demenz, Demenz vom Alzheimer Typ, senile Demenz, Schwachsinn, hirnorganische Syndrome, schizophrenieartige Psychosen, Depressionen mit manischen Vorstellungen während der manischen bzw. depressiven Phase7, paranoide Wahnvorstellungen, insbesondere auch bezüglich einer als Erbe in Betracht kommenden Person, selbst wenn diese nicht zu den gesetzlichen Erben zählt8, krankhafte Eifersucht, psychotische Wahnvorstellungen u.a.9. Bei Altersdemenz ist zu beachten, dass Testierunfähigkeit nur aufgrund der Gesamtverfassung und des Gesamtbildes der Person zur Zeit der Testamentserrichtung bejaht werden kann, während normale Alterserscheinungen, wie Vergesslichkeit, die Testierfähigkeit nicht ausschließen10.
15 Eine Bewusstseinsstörung i.S.v. § 2229 Abs. 4 BGB entspricht der Bewusstlosigkeit nach § 105 Abs. 2 BGB11. Für die Annahme der Testierunfähigkeit ist nicht erforderlich, dass die Sinnestätigkeit eingestellt ist und das Bewusstsein für die Außenwelt völlig fehlt12. Es genügt vielmehr, dass eine erhebliche Bewusstseinstrübung besteht, die das Erkennen vom Inhalt und Wesen der eigenen Handlung ganz oder zumindest in einer bestimmten Richtung aus1 2 3 4 5 6 7 8 9
Nieder, Rz. 331. MüKo/Hagena, § 2229 BGB Rz. 21 ff. MüKo/Hagena, § 2229 BGB Rz. 21. Nieder, Rz. 331. Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rz. 23. Palandt/Edenhofer, § 2229 BGB Rz. 9. von Braunbehrens/Dose, ErbBstG 2001, 23, 28. BayObLG NJW-RR 2000, 6 (8). Staudinger/Baumann, § 2229, Rz. 22; Nieder, Rz. 331 m.w.N.; MüKo/Hagena, § 2229 BGB Rz. 17. 10 Nieder, Rz. 331; Palandt/Edenhofer, 60. Aufl., § 2229 BGB Rz. 7. 11 Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rz. 24; Nieder, Rz. 328. 12 Nieder, Rz. 333.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 17 B II
schließt1. Zu beachten ist, dass eine Gedächtnisschwäche nicht mit einer Bewusstseinsstörung gleichgesetzt werden kann. Hat der Erblasser bei einer vorliegenden Merkfähigkeitsstörung dennoch die Fähigkeit behalten, sachlich zu denken und zu urteilen, ist daher auch die Testierfähigkeit gegeben2. Beispiele für eine Bewusstseinsstörung sind Volltrunkenheit, Drogeneinfluss, hochgradiges Fieber, Hypnose, Suggestion, nervöse Erschöpfung, manische und depressive Phasen und epileptische Anfälle3. Eine im Zustand der Bewusstseinsstörung errichtete Verfügung von Todes wegen kann ebenfalls bei klarem Bewusstsein nachgenehmigt werden4. Wird sie es nicht, so bleibt die Verfügung von Todes wegen nichtig. Beispiel: Der volltrunkene Erblasser G verfasst ein Testament, welches er zwei Tage später, in nüchternem Zustand, nochmals durch seine erneute Unterschrift mit Angabe des Datums als seinen letzten Willen bestätigt. Bei wechselnden Zuständen des Erblassers ist eine Testamentserrichtung in einem lichten Augenblick (lucidum intervallum) möglich5. Anders als bei § 104 Nr. 2 BGB ist es hier unerheblich, ob die Störung der Geistestätigkeit dauernd oder nur vorübergehend ist6.
16
Der Zustand des lichten Augenblicks ist jedoch nachzuweisen, was in der Regel schwer sein dürfte und ein nervenärztliches Sachverständigengutachten erforderlich macht7. Erklärt der Testierer seinen letzten Willen im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte mündlich vor einem Notar oder übergibt er eine Schrift und erleidet im Anschluss an die Erklärung bzw. Übergabe einen Schlaganfall oder eine sonstige Bewusstseinseintrübung, muss sich die Testierfähigkeit nur noch auf die Genehmigung oder Ablehnung des Vorgelesenen erstrecken. Es genügt also, wenn der Erblasser noch die Bedeutung des Verlesenen verstehen kann und in seiner Entschlussfähigkeit frei ist, auch wenn er den Inhalt des Testaments nun nicht mehr bestimmen könnte8. Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Testaments ist jedoch, dass ein gewisser zeitlicher Zusammenhang zwischen Erklärung und Beurkundung des Testaments besteht9.
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Palandt/Heinrichs, § 105 BGB Rz. 2. MüKo/Hagena, § 2229 BGB Rz. 20. Nieder, Rz. 333. MüKo/Hagena, § 2229 BGB Rz. 25 ff. BGH v. 1.7.1959 – V ZR 169/58, BGHZ 30, 294. Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rz. 10. BGH v. 20.6.1984 – IVa ZR 206/82, FamRZ 1984, 1003 (1004); Nieder, Rz. 342; anders Reimann in Dittmann/Reimann/Bengel, § 2229 BGB Rz. 22, der die Beweislast für die Testierunfähigkeit und das Nichtvorliegen eines lichten Augenblicks dem auferlegt, der aus der Unwirksamkeit des Testaments Rechtsfolgen für sich ableitet. 8 BGH v. 1.7.1959 – V ZR 169/58, BGHZ 30, 294. 9 BGH v. 1.7.1959 – V ZR 169/58, BGHZ 30, 294 (297 f.).
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B II Rz. 18
Formen letztwilliger Verfügung
18 Von den Fällen der wechselnden Geisteszustände ist das Problem der partiellen Testierunfähigkeit zu unterscheiden: In Anlehnung an die partielle Geschäftsunfähigkeit gibt es nach einer Mindermeinung1 in der Literatur auch eine partielle Testierunfähigkeit. Krankhafte Störungen des Erblassers wirken sich demnach nur auf einzelne, gegenständlich abgrenzbare Lebensbereiche aus. Letztwillige Verfügungen sollen daher nur bezüglich der Lebensbereiche unwirksam sein, auf die sich die krankhafte Störung bezieht, im Übrigen jedoch wirksam. Beispiel: Der krankhaft eifersüchtige Erblasser C enterbt seine Ehefrau, da er vermutet, sie habe ein Verhältnis mit dem Nachbarn N. Im Übrigen setzt er seine Kinder zu Alleinerben ein. Nur die Verfügung bezüglich der Ehefrau ist nach dieser Auffassung nichtig, das Testament kann im Übrigen jedoch wirksam sein. 19 Die überwiegende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung geht jedoch zu Recht davon aus, dass, im Gegensatz zur Geschäftsfähigkeit, die Testierfähigkeit nur in vollem Umfang vorliegen oder insgesamt ausgeschlossen sein kann2. Selbst wenn sich krankhafte Störungen des Erblassers nur auf einzelne Lebensbereiche auswirken, so wirken doch die einzelnen Verfügungen darüber hinaus, so dass die Testierfähigkeit zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen nur einheitlich beurteilt werden kann. Die partielle Testierfähigkeit führt daher zwangsläufig zur völligen Testierunfähigkeit, wenn die Voraussetzungen des § 2229 Abs. 4 BGB vorliegen. Auch eine nach Krankheitsgraden abgestufte relative Testierunfähigkeit ist daher abzulehnen3. 20 Die erforderliche Einsichtsfähigkeit ist gegeben, wenn der Erblasser in der Lage ist, sich über die Auswirkungen seiner Anordnungen für die Betroffenen und ihre sittliche Berechtigung ein klares Urteil zu bilden und unbeeinflusst zu handeln4. Ist der Erblasser nicht fähig, sich über die Tragweite seiner Erwägungen und Willensentschlüsse ein klares Urteil zu bilden und frei von Einflüssen Dritter zu handeln, liegt Testierunfähigkeit vor. 21 Die Beteiligung Dritter führt dann nicht zum Fehlen der erforderlichen Einsichtsfähigkeit, wenn die Entscheidung zur Umsetzung von Vorschlägen bewusst und kraft eigenen Entschlusses durch den Erblasser erfolgt5. Nicht unter § 2229 Abs. 4 BGB fallen Fälle, in denen Testierfähige durch Gewalt oder Drohung ein Testament errichten6. 1 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2229 BGB Rz. 16. 2 BGH v. 13.5.1959 – V ZR 151/58, BGHZ 30, 112 (117); BayObLG v. 31.1.1991 – BReg. 1a Z 37/90, NJW 1992, 248 f., unter ausdrücklicher Aufgabe seiner Rechtsprechung von BayObLG v. 22.10.1984 – BReg. 1 Z 53/84, FamRZ 1985, 539; Erman/Schmidt, § 2229 BGB Rz. 7; Palandt/Edenhofer, § 2229 BGB Rz. 2; Staudinger/Baumann, § 2229 BGB Rz. 10; Nieder, Rz. 337. 3 BGH v. 13.5.1959 – V ZR 151/58, BGHZ 30, 112 (117). 4 Nieder, Rz. 334. 5 BayObLG v. 2.11.1989 – BReg. 1a Z 52/88, NJW-RR 1990, 202 (203); Dittmann/Reimann/Bengel, § 2229 BGB Rz. 17. 6 Dazu Dittmann/Reimann/Bengel, § 2229 BGB Rz. 17.
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Rz. 22a B II
Nachdem das Rechtsinstitut der Entmündigung abgeschafft wurde, kann ein Testament nicht mehr wegen Entmündigung des Erblassers unwirksam sein, sofern es nach dem 1.1.1992 errichtet wurde. Ein von einem Entmündigten vor dem 1.1.1992 errichtetes Testament bleibt jedoch auch nach diesem Zeitpunkt unwirksam, da sich die Testierfähigkeit nach dem zur Zeit der Testamentserrichtung geltenden Recht richtet1. In diesem Fall muss der Erblasser das Testament neu errichten.
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Die Bestellung eines Betreuers (§ 1896 BGB) wirkt sich nicht auf die Testierfähigkeit des Betreuten aus. Aus der Betreuungsbedürftigkeit kann und darf nicht auf eine Testierunfähigkeit geschlossen werden. Die Beurteilung der Testierfähigkeit richtet sich auch im Falle der angeordneten Betreuung ausschließlich nach den Regeln des § 2229 Abs. 4 BGB. Für den Betreuten besteht die Vermutung der vollen Testierfähigkeit2. Ein Betreuter kann sich aller Testamentsformen bedienen und ein Testament jederzeit widerrufen. Zwar ist ein eingesetzter Betreuer in seinem Aufgabenbereich gem. § 1902 BGB gesetzlicher Vertreter des Betreuten. Für den Betreuten kann er jedoch weder eine Verfügung von Todes wegen errichten, was sich aus § 2064 BGB und § 2274 BGB ergibt, noch kann sich ein etwa angeordneter Einwilligungsvorbehalt auf Verfügungen von Todes wegen erstrecken (vgl. § 1903 Abs. 2 BGB)3. Die Testierfähigkeit wird durch das Nachlassgericht beurteilt. Hierzu können die Akten aus dem früheren Entmündigungs-/Vormundschaftsverfahren, jetzt aus dem Betreuungsverfahren, als Grundlage für die Entscheidung beigezogen werden. Die in den Akten enthaltenen Stellungnahmen und Gutachten, die sich nicht unbedingt mit der Geschäfts- und Testierfähigkeit des Betreuten befassen müssen, sind für das Nachlassgericht jedoch nicht bindend4. Immer wieder versuchen Erben oder Angehörige nach dem Tod des Erblassers, durch Einsichtnahme in Krankenakten Anhaltspunkte über die Testierfähigkeit des Verstorbenen zum Zeitpunkt der Errichtung eines Testaments zu erhalten. Zum Einsichtsrecht der Erben gibt es weder eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, noch wird an den Nachlassgerichten einheitlich verfahren. Der BGH hat Erben und Angehörigen kein originäres Einsichtsrecht zugesprochen, sondern geht lediglich von einem vom Verstorbenen abgeleiteten Einsichtsrecht aus5. Dem Einsichtsrecht der Erben steht die ärztliche Schweigepflicht und der auch postmortal bestehende Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen gegenüber. Soweit nicht bereits in Vorsorgevollmachten oder dem Testament selbst eine Entbindung von der Schweigepflicht aufgenommen wurde und die Einsichtnahme in Krankenakten verweigert wird, kann im Nachlassverfahren versucht werden, Einsicht zu erhalten. Fordern die Gerichte nicht von sich aus die Krankenunterlagen an, sollte der anwaltliche Berater hier einen Hinweis 1 2 3 4 5
Brox, Rz. 91. OLG Hamm FamRZ 2004, 659. Brox, Rz. 91; MüKo/Hagena, § 2229 Rz. 11. Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rz. 19; Palandt/Edenhofer, § 2229 BGB, Rz. 5. BGH. v. 23.11.1982 – VI ZR 222/79, NJW 1983, 328.
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B II Rz. 23
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geben. Weiter hat der Richter die Möglichkeit, den behandelnden Arzt als sachverständigen Zeugen gem. § 29 FamFG i.V.m. § 414 ZPO zu hören. Zwar hat der Arzt ein Zeugnisverweigerungsrecht. Da jedoch die Feststellung der Testierfähigkeit im Interesse des Erblassers ist, wird eine mutmaßliche Befreiung gem. § 385 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 29 Abs. 2 FamFG angenommen1. Alternativ bleibt sonst nur, einen unabhängigen Arzt als Gutachter zu beauftragen. c) Eingeschränkte Testierfähigkeit und faktische Testierunfähigkeit 23 Für leseunfähige (§ 2233 Abs. 2 BGB), sprachbehinderte, hör- und sehbehinderte Menschen (§§ 22 bis 24 BeurkG) gelten dieselben Regelungen hinsichtlich ihrer Testierfähigkeit. Aufgrund ihrer Behinderung sind sie jedoch von bestimmten Testamentsformen ausgeschlossen. Man spricht, ebenso wie bei Minderjährigen, von eingeschränkter Testierfähigkeit. – Nach § 2233 Abs. 2 BGB kann ein Erblasser, der nach seinen Angaben oder nach Überzeugung des Notars nicht lesen kann, ein Testament nur durch mündliche Erklärung vor einem Notar, nicht ein eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Testament errichten, § 2247 Abs. 4 BGB. – Auch der Schreibunfähige kann ein eigenhändiges Testament gem. § 2247 Abs. 1 BGB nicht errichten. Ein Blinder ist daher in seiner Testierfähigkeit eingeschränkt, da Blindenschrift den Anforderungen des § 2247 Abs. 1 BGB nicht genügt2. – Ein Erblasser, der nicht hinreichend sprechen kann, ist uneingeschränkt zur Errichtung eines eigenhändigen Testaments in der Lage. Ein öffentliches Testament kann er nach Wegfall des Erfordernisses einer mündlichen Erklärung (§ 2233 Abs. 3 BGB a.F.) mit den erweiterten Möglichkeiten des BeurkG (Gebärdensprachdolmetscher, Zuziehung eines Verständigungshelfers) errichten. 24 Der früher geltende Ausschluss stummer und schreibunfähiger Erblasser von der Testierfähigkeit verstieß nach der Entscheidung des BVerfG gegen die Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG), den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das Verbot, Behinderte zu benachteiligen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG)3, mit der Folge, dass die damals geltenden §§ 2232, 2233 BGB, § 31 BeurkG auf letztwillige Verfügungen schreib- und sprechunfähiger Personen für nicht anwendbar erklärt wurden. Der frühere § 2233 Abs. 3 BGB wurde durch Art. 25 Abs. 1 Nr. 24 des OLGVertrÄndG vom 23.7.2002 daher aufgehoben. Gleichzeitig wurde § 2233 Abs. 2 BGB neu gefasst. Bis zum In-Kraft-Treten dieser neuen gesetzlichen Regelung konnten Personen, die weder schreiben noch sprechen können, vor einem Notar nur dann testieren, wenn sie gem. § 2229 BGB testierfähig waren und die Verfahrens1 BGH v. 4.7.1984 – IVa ZB 18/83, BGHZ 91, 392, 399, 400. 2 Nieder, Rz. 338. 3 BVerfG v. 19.1.1999 – 1 BvR 2161/94, ZEV 1999, 14; dazu Rossak, ZEV 1999, 254 ff.
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Rz. 29 B II
regeln gem. §§ 22 bis 26 BeurkG a.F. für die Beurkundung von Willenserklärungen Minderjähriger gewahrt worden sind. Seit Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelung in § 2233 Abs. 2 BGB kann ein leseunfähiger Erblasser nun ein Testament durch eine Erklärung gegenüber dem Notar errichten. Die Erklärung muss nicht mehr mündlich sein. Der Erblasser muss lediglich hinreichend klar seinen Testierwillen zum Ausdruck bringen. Der Notar hat die erweiterten Möglichkeiten der §§ 22–24, 32 BeurkG, welche die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen bei Beurkundungen regeln.
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Trat der Erbfall vor der Entscheidung des BVerfG vom 19.1.1999 ein, so ist aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit eine Berufung auf die Verfassungswidrigkeit der §§ 2232, 2233 BGB, § 31 BeurkG nicht möglich, wenn sich der im Testament Bedachte nicht auf die Verfassungswidrigkeit der Vorschriften berufen und der sonst Berufene zudem auf die Rechtslage vertraut hat1.
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Die faktische Testierunfähigkeit kann weiter bei Personengruppen vorliegen, 27 denen auch mithilfe einer gem. § 24 BeurkG hinzugezogenen Vertrauensperson die Verständigung nicht möglich ist, wie es etwa bei blinden oder sonst leseunfähigen Taubstummen der Fall sein kann2. Gegen diese Einschränkung bestehen auch nach der Entscheidung des BVerfG keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da die genannte Entscheidung die §§ 22 bis 26 BeurkG ausdrücklich als unbedenkliche Übergangsregelungen benennt. d) Voraussetzung der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit bei Abschluss eines Erbvertrags Anders als beim Testament knüpft das Gesetz beim Erbvertrag nicht an die Testierfähigkeit des Erblassers, sondern an seine Geschäftsfähigkeit (§ 2275 Abs. 1 BGB). Nach §§ 2, 104, 105 und 106 BGB ist unbeschränkt geschäftsfähig jeder Volljährige, der nicht geschäftsunfähig ist. Von den in § 2275 Abs. 2 und 3 BGB normierten Ausnahmefällen abgesehen, kann ein Mensch zwischen dem 16. und 18. Lebensjahr also keinen Erbvertrag als Erblasser abschließen.
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Nach § 2275 Abs. 2 BGB kann ein Erblasser mit seinem Ehegatten einen Erbvertrag schließen, auch wenn er nur beschränkt geschäftsfähig ist. Der Erblas-
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1 Vgl. Rossak, ZEV 1999, 254 (256), der mit Hinweis auf seinen Aufsatz in MittBayNot 1991, 193 (195) aus Gründen des abstrakten Vertrauensschutzes eine Berufung auf die Verfassungswidrigkeit vor 1991 ablehnt, da dort erstmals eine verfassungskonforme Gesetzesauslegung der §§ 2232, 2233 BGB, § 31 BeurkG verlangt wurde. Anders Erman/Schmidt, § 2229 BGB Rz. 8, der keine Auswirkungen auf vor der Entscheidung eingetretene Erbfälle annimmt. 2 Vgl. Rossak, „Folgen des verfassungswidrigen Ausschlusses Mehrfachbehinderter von jeglicher Testiermöglichkeit für die notarielle Praxis“, ZEV 1999, 254 (255).
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ser benötigt in diesem Fall die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Ist der gesetzliche Vertreter auch Vormund, ist daneben die Zustimmung des Familiengerichts erforderlich. Für Verlobte gilt § 2275 Abs. 2 BGB entsprechend (§ 2275 Abs. 3 BGB). Da für das Verlöbnis keine volle Geschäftsfähigkeit, sondern nur die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich ist, kann ein Erbvertrag auch zwischen Verlobten geschlossen werden, von denen der eine jünger ist als 16 Jahre. Damit kann ein Erbvertrag von einem Verlobten geschlossen werden, der kein Testament errichten könnte. 30 Auch einen Aufhebungsvertrag nach § 2290 BGB kann der Erblasser, ebenso wie den Erbvertrag, nur persönlich schließen (§ 2290 Abs. 2 Satz 1). Der (nachträglich) geschäftsunfähige Erblasser kann einen Aufhebungsvertrag daher gar nicht schließen. Zur Aufhebung bedarf der beschränkt geschäftsfähige Erblasser weder der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (§§ 106, 2290 Abs. 2 Satz 2 BGB) noch der Genehmigung durch das Gericht. Von den Ausnahmefällen des § 2275 Abs. 2, 3 BGB abgesehen kann der Erblasser jedoch auch keinen neuen Erbvertrag schließen. Ist für den Erblasser ein Betreuer bestellt, kann das Betreuungsgericht gem. § 1903 Abs. 2 BGB keinen Einwilligungsvorbehalt für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags anordnen. 31 Für den Erbvertragspartner, der nicht zugleich Erblasser ist, gelten bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags die allgemeinen Regeln über die Geschäftsfähigkeit, die gesetzliche Vertretung und die gewillkürte Vertretung gem. §§ 104 ff., 164 ff. BGB. Gleiches gilt für den Abschluss eines Erbvertrags. Ist der Erbvertragspartner geschäftsunfähig, kann sein gesetzlicher Vertreter für ihn handeln (§§ 1626, 1793 BGB). Ist er beschränkt geschäftsfähig, kann der Erbvertragspartner einen Aufhebungsvertrag nur mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters abschließen, soweit der Minderjährige durch den Aufhebungsvertrag nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Steht der Erbvertragspartner unter Vormundschaft oder erfasst die Aufhebung den Aufgabenkreis eines Betreuers, ist zudem die betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich. e) Eingeschränkte Testierfreiheit aufgrund Höferechts 32 Eine Beschränkung der Testierfreiheit aufgrund des Höferechts der Länder (s. hierzu ausführlich B. XIII) ist nicht mehr möglich. Zwar bestehen gem. Art. 64 Abs. 1 EGBGB die in den einzelnen Ländern historisch gewachsenen Regelungen über das Anerbenrecht weiter. Art. 64 Abs. 2 EGBGB bestimmt jedoch ausdrücklich, dass die Landesgesetze das Recht des Erblassers, über das dem Anerbenrecht unterliegende Grundstück von Todes wegen zu verfügen, nicht beschränken.
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Rz. 37 B II
Soweit die als partielles Bundesrecht geltende und somit Art. 64 EGBGB nicht unterfallende Höfeordnung der Britischen Besatzungszone1 Einschränkungen der Testierfreiheit in den Ländern Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen vorsieht, sind diese durch das Änderungsgesetz zur Höfeordnung2 jedoch nur noch geringfügig, da seither die Hofeigenschaft aufgehoben werden kann.
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Landesrechtliche Sonderregelungen über das Anerbenrecht, die mit Art. 14 GG vereinbar sind, gibt es nur in vier Bundesländern: Bremen (HöfeG), Hessen (Hessische LandesgüterO), Rheinland-Pfalz (HöfeO) und Baden-Württemberg (jeweils eigene für Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, wovon die württembergischen Vorschriften am 31.12.2000 außer Kraft getreten sind)3.
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3. Schranken der Testierfreiheit Das Erbrecht wird vom Grundsatz der Testierfreiheit beherrscht. Danach kann jeder Erblasser nach freiem Ermessen über sein Vermögen verfügen4.
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Das Erbrecht folgt fünf grundsätzlichen Prinzipien, die zum Teil auch verfassungsrechtlich garantiert werden: – Das Vermögen des Erblassers wird wieder in private Hand gelegt (Privaterbfolge). – Sofern der Erblasser nicht anders verfügt, geht sein Vermögen auf seine Familie über (Familienerbrecht). – Der Erblasser kann weitgehend frei verfügen (Testierfreiheit). – Der Erbe erwirbt ohne seine Mitwirkung (Vonselbsterwerb). – Das Erbe geht als Ganzes über (Gesamtrechtsnachfolge). Die Testierfreiheit als Bestandteil der Erbrechtsgarantie ist verfassungsrechtlich verankert und untersteht dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG5. Sie umfasst das Recht auf Bestimmung des Vermögensnachfolgers, auf rechtliche und wirtschaftliche Aufteilung des Vermögens, auf Einsetzung mehrerer Erben und Bestimmung ihrer Anteile sowie auf Vornahme sonstiger testamentarischer Verfügungen. Die Testierfreiheit betrifft somit unmittelbar die inhaltliche Gestaltung des Testaments6.
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Der deutsche Erblasser, dessen zu vererbendes Vermögen sich ausschließlich in Deutschland befindet, kann jedoch eine Rechtswahl für die Erbfolge oder erbrechtlichen Ansprüche nicht frei treffen. Eine solche Wahlmöglichkeit besteht nur im Fall des Art. 25 Abs. 2 EGBGB, der dem ausländischen Erblasser
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In Kraft seit 24.4.1947. In Kraft seit 1.7.1976. Vgl. dazu näher Palandt/Edenhofer, Art. 64 EGBGB Rz. 6, 7. BGH v. 2.12.1998 – IV ZB 19/97, MDR 1999, 360. BGH v. 21.3.1990 – IV ZR 169/89, BGHZ 111, 36 (39). Palandt/Edenhofer, § 1937 BGB Rz. 3.
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ermöglicht, für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen in Form einer Verfügung von Todes wegen deutsches Recht zu wählen. Die Rechtswahl gilt nur hinsichtlich des in der Bundesrepublik belegenen unbeweglichen Vermögens. Der Begriff des unbeweglichen Vermögens ist hier im Sinne des deutschen Rechts zu verstehen1. (Näheres Kap. F.) Immobilienvermögen im Ausland führt i.d.R. zu einer Nachlassspaltung. Die Folge ist, dass für das im Ausland befindliche Vermögen ausschließlich das dortige Recht gilt. So kennt das Erbrecht Floridas z.B. ein eigenhändiges Testament nur in der Form des Zwei-Zeugen-Testaments. Der BGH hält das nach deutschem Recht errichtete Testament auch bezüglich des in Florida vorhandenen Vermögens für rechtswirksam2. Es muss jedoch damit gerechnet werden, dass das Testament wegen Formmangels in Florida nicht anerkannt wird und dadurch den Erben Verfügungsmöglichkeiten vor Ort erheblich erschwert werden. Aus diesem Grund muss bei der Errichtung eines Testaments mit Auslandsbezug immer das jeweils geltende Landesrecht berücksichtigt werden. a) Gesetzliche Schranken der Testierfreiheit aa) Pflichtteilsrecht 38 Die Testierfreiheit wird beschränkt durch das Pflichtteilsrecht, §§ 2303 ff. BGB. Diese durch Art. 6 GG legitimierten sozialstaatlichen Vorschriften sichern den nächsten Angehörigen des Erblassers einen Mindestanteil an seinem Vermögen3. (S. C VI.) bb) §§ 134, 138 BGB 39 Auch die §§ 134, 138 BGB beschränken die Testierfreiheit des Erblassers. Die Sittenwidrigkeit einer Verfügung von Todes wegen gem. § 138 BGB kann nur in besonderen Ausnahmefällen bejaht werden, da sie einen erheblicher Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatautonomie des Erbrechts darstellt4. Grundsätzlich ist die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts gegeben, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt5. 40 Was unter dem Begriff der „guten Sitten“ gem. § 138 Abs. 1 BGB zu verstehen ist, richtet sich nach der Werteordnung des Grundgesetzes, normiert in den Grundrechten6, die über § 138 BGB in das Privatrecht hineinwirken7. Einer
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Palandt/Heldrich, Art. 25 EGBGB Rz. 7. BGH v. 7.7.2004 – IV ZR 135/03, NJW 2004, 3558. BGH v. 2.12.1998 – IV ZB 19/97, MDR 1999, 360 (361). BGH v. 21.3.1990 – IV ZR 169/89, BGHZ 111, 36 (39). RG v. 15.10.1912 – VII ZR 231/12, RGZ 80, 219 (221); BGH v. 9.7.1953 – IV ZR 242/52, BGHZ 10, 228 (232). 6 BGH v. 2.12.1998 – IV ZB 19/97, MDR 1999, 360 (361). 7 BVerfGE 7, 198 (206); BGH v. 9.2.1978 – III ZR 59/76, BGHZ 70, 313 (324).
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der früher häufigen Fälle sittenwidriger Verfügungen von Todes wegen war das sog. Geliebtentestament. Beispiel: Der verheiratete M, Vater zweier Kinder, setzt seine langjährige Geliebte L zur Alleinerbin seines beträchtlichen Vermögens ein. Die frühere Rechtsprechung ging davon aus, dass die Sittenwidrigkeit eines Geliebtentestaments bereits deswegen angenommen werden konnte, weil zwischen dem Zuwendenden und der Bedachten ein außereheliches Liebesverhältnis bestand1. Die heutige Rechtsprechung2 nimmt jedoch eine Sittenwidrigkeit des Geliebtentestaments nur noch dann an, wenn die Zuwendung ausschließlich dazu dient, geschlechtliche Hingabe zu belohnen oder zu fördern. Da die Beweislast für die sittenwidrige Zweckbestimmung denjenigen trifft, der sich auf die Sittenwidrigkeit beruft – und im Gegensatz zur alten Rechtsprechung auch nicht mehr die Unsittlichkeit eines Verhältnisses vermutet wird, wenn zwischen Erblasser und Bedachter eine sexuelle Beziehung bestand3 – ist die Nichtigkeit von Geliebtentestamenten nach § 138 BGB heute praktisch kaum mehr denkbar4.
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Beratungshinweis: Trifft der Erblasser eine Anordnung zugunsten einer der Familie bis dato unbekannten Geliebten, kann es empfehlenswert sein, die außereheliche Beziehung zur Vermeidung späterer Streitigkeiten in der letztwilligen Verfügung zu offenbaren und achtenswerte Motive (z.B. Hilfe in einer besonderen Lebenssituation durch die Geliebte) herauszustellen.
Als nicht sittenwidrig wurde auch eine Anordnung festgestellt, durch die ein Erblasser mit dem Ziel, einen (Adoptiv-)Sohn möglichst weitgehend von der Teilhabe an seinem Vermögen auszuschließen, den vom Sohn abstammenden Enkel als Vorerben eingesetzt und den Eintritt der Nacherbfolge u.a. an die Bedingung geknüpft hat, dass der enterbte Sohn Pflichtteilsansprüche geltend macht5. Der als Vorerbe eingesetzte Enkel sah hierin eine Sittenwidrigkeit, da man den enterbten Vater in einen Gewissenskonflikt versetzt und man weiter in sittenwidriger Weise das sich aus § 1618a BGB ergebende Rücksichtnahmegebot im Eltern-Kind-Verhältnis verletzt habe. Die Gerichte lehnten eine Sittenwidrigkeit ab, da nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen eine solche angenommen werden könne. Der Entscheidungskonflikt des Vaters habe hier nicht in einem solchen Umfang bestanden, dass ihn eine Entscheidung in unerträglicher Weise belasten oder 1 RG v. 16.5.1941 – VII 143/40, RGZ 166, 395 (399); alte Sichtweise des BGH noch BGH v. 26.2.1968 – III ZR 38/95, NJW 1968, 932 ff. 2 Seit BGH v. 31.3.1970 – III ZB 23/68, BGHZ 53, 369. 3 BGH v. 31.3.1970 – III ZB 23/68, BGHZ 53, 369 (379). 4 Zur Frage der Sittenwidrigkeit der Erbeinsetzung eines Lebenspartners unter Übergehung von nahen Angehörigen vgl. BayObLG v. 24.7.2001 – 1 Z BR 20/01, NJW-FER 2001, 295. 5 OLG Hamm v. 11.1.2005 – 15 W 391/03, ZEV 2006, 167.
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aber das zwischen ihm und seinem Sohn bestehende Verhältnis in nicht mehr hinnehmbaren Maße beeinträchtigen konnte. Im speziellen Fall sei der Familienverbund durch das Verhältnis des Sohnes zum Erblasser bereits so empfindlich gestört gewesen, dass sich ein Gewissenskonflikt bereits vom Grundsatz her nicht ergeben habe. 42 Auch bei gleichgeschlechtlichen Beziehungen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften wird bei einer Verfügung von Todes wegen zugunsten des Partners kein Verstoß gegen die guten Sitten angenommen. 43 Beim Behindertentestament liegt keine Sittenwidrigkeit vor, wenn durch Verfügung von Todes wegen ein behindertes Kind auf Lebenszeit zusätzlich zu den Leistungen des Sozialamts mit laufenden Einkünften bedacht wird, der Nachlass aber dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen ist1. Auch wenn der Aufwendungsersatzanspruch des Sozialhilfeträgers nicht durchgesetzt werden kann, weil durch Vor- und Nacherbenbestimmungen oder die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers nach dem Tod des Behinderten dessen Erbteil dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen wird, stellt dies keine sittenwidrige Regelung dar2. (S. B VIII Rz. 12 ff.)
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Beratungssituation: Für den Erbteil des behinderten Kindes wird Dauertestamentsvollstreckung bis zum Tod angeordnet. Der Testamentsvollstrecker erhält vom Erblasser die Anweisung, dem Behinderten aus den Erträgen des Erbteils Zuwendungen zu machen, die in der Höhe so zu berechnen sind, dass sie möglichst nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden3.
Ebenso wird nicht die Sittenwidrigkeit der Verfügung von Todes wegen angenommen, wenn Eltern ihrem behinderten Kind nur einen unwesentlich über der Pflichtteilsquote liegenden Erbteil hinterlassen, auch wenn das Kind infolge dieser Anordnung finanziell fast ausschließlich auf öffentliche Unterstützung angewiesen ist4. cc) Potestativbedingungen 44 Immer wieder verbindet ein Erblasser mit einer Verfügung von Todes wegen Potestativbedingungen, also Bedingungen, deren Eintritt oder Nichteintritt vom Willen des Bedachten abhängt. Grundsätzlich sind solche Potestativbedingungen zulässig, wie sich auch aus § 2075 BGB ergibt. Potestativbedingungen sind jedoch immer dann unstreitig sittenwidrig, wenn das Verhalten, zu dem der Bedachte veranlasst werden soll, seinerseits gesetzoder sittenwidrig ist. Eine Bedingung, die z.B. die Zuwendung von einer strafbaren Handlung abhängig macht, ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
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BGH v. 21.3.1990 – IV ZR 169/89, BGHZ 111, 36 (39). BGH v. 20.10.1993 – IV ZR 231/92, BGHZ 123, 368. S.a. Esser, Die Testamentsvollstreckung, S. 21. Nieder, Das Behindertentestament, NJW 1994, 1264 (1266).
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Rz. 44 B II
Auch der Versuch des Erblassers, durch seine Zuwendung auf bestimmte Entscheidungen des Bedachten Einfluss zu nehmen, kann gegen die guten Sitten verstoßen. Entscheidend für die Abgrenzung ist, ob eine gegen die guten Sitten verstoßende Verknüpfung von Mittel und Zweck vorliegt, d.h., ob der Erblasser durch wirtschaftlichen Anreiz in einer gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßenden Weise ein bestimmtes Verhalten des Bedachten zu erkaufen versucht1. Daher ist immer jeder Einzelfall zu untersuchen. Bedingungen, die sich auf die Verwaltung des vererbten Vermögens beziehen, widersprechen im Allgemeinen nicht den guten Sitten. Beispiel: Die Bedingung, einen bestimmten Gesellschaftsvertrag abzuschließen, ist ebenso möglich wie die Vorgabe, im Falle einer Heirat Gütertrennung zu vereinbaren oder das ererbte Vermögen vom Zugewinnausgleich auszuschließen. Möglich ist auch die Anordnung der Testamentsvollstreckung für die Dauer der Zugehörigkeit des Erben zu einer bestimmten, umstrittenen Sekte2.
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Beratungshinweis: Bedingungen sollten sich auf die Verwaltung des vererbten Vermögens beziehen. Hintergrund der Bedingung sollte eine nachvollziehbare, vernünftige Sorge um die sinnvolle Nutzung und Bewahrung des Vermögens sein.
Bedingungen, die zu dem zugewandten Vermögen keinen unmittelbaren Bezug haben, sind in der Regel sittenwidrig. Hierzu zählt z.B. die Einflussnahme auf die Berufswahl oder den Wohnsitz des Bedachten, soweit sich keine vernünftige sachliche Rechtfertigung aus dem Zugewendeten ergibt. Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist anzunehmen, wenn die Bedingung in keiner Beziehung zu dem zugewendeten Vermögen steht. Beispiel: Ein- oder Austritt aus einer politischen Partei, Wechsel der Konfession, Heirat einer bestimmten Person, Scheidung vom derzeitigen Ehegatten. Die sog. Wiederverheiratungsklausel hingegen, wonach der zunächst zum Alleinerben eingesetzte überlebende Ehegatte bei Wiederheirat auf den gesetzlichen Erbteil zu beschränken ist und den Abkömmlingen ihren Erbteil zukommen zu lassen hat, ist jedoch regelmäßig wirksam3. Sollte jedoch die Wiederverheiratungsklausel den überlebenden Ehegatten dahin gehend beschränken, dass er nicht einmal den Pflichtteil verlangen oder behalten kann, wäre diese Klausel sittenwidrig4.
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Staudinger/Otte, § 2074 Rz. 34 ff., MüKo/Leipold, § 2074 Rz. 21. OLG Düsseldorf v. 2.3.1988 – 3 Wx 2 90/87, NJW 1988, 2615. MüKo/Leipold, § 2074 Rz. 25. Soergel/Linz, § 2074 Rz. 27.
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dd) Rechtsfolgen bei sittenwidrigen Bedingungen 45 Ist eine Bedingung unwirksam, weil der Erblasser mit ihr in unzulässiger Weise in die Freiheitsrechte des Bedachten eingreifen wollte, bleibt die Zuwendung ohne die Bedingung aufrechterhalten1. ee) Verwirkungsklauseln 46 Von Verwirkungsklauseln spricht man, wenn der Erblasser demjenigen, der gegen seinen letzten Willen vorgeht, androht, er solle nichts oder nur den Pflichtteil erhalten. Verwirkungsklauseln werden auch Strafklauseln, privatorische oder kassatorische Klauseln genannt. Zweck der Klauseln ist es, die Verwirklichung des letzten Willens zu sichern und Streitigkeiten unter den Hinterbliebenen zu verhindern.2 Beispiel: Sollte mein Sohn H gegen das Vermächtnis zugunsten der Haushälterin Anneliese vorgehen, die mein Diamantkollier erhalten soll, wird er hiermit von der Erbfolge ausgeschlossen. Eine Verwirkungsklausel kann nicht nur mit z.B. Enterbung für den Fall des Vorgehens gegen eine Verfügung verbunden sein. Sie kann auch auf die Abgabe einer Erklärung dahin gehend gerichtet sein, dass der Erbe die Anordnungen des Erblassers anerkennt.
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Beratungshinweis: Unklare Formulierungen wie „Wer Streit anfängt . . . “ oder „wer damit nicht einverstanden ist . . . “ können dazu führen, dass man nur schwer erkennen kann, was tatsächlich Voraussetzung für die Verwirkung ist. Zu unbestimmte Formulierungen könnten daher für unwirksam erklärt werden. Auf eine klare und bestimmte Formulierung des unerwünschten Verhaltens sowie der Rechtsfolge ist daher zu achten.
Von der Verwirkungsklausel sind neben dem konkreten Angriff der bestimmten Anordnung auch Angriffe auf die Gültigkeit des Testaments überhaupt umfasst. Wird die Unechtheit, ein Formmangel oder die Testierunfähigkeit des Erblassers für das gesamte Testament festgestellt bzw. mit Erfolg geltend gemacht, wirkt die Klausel nicht, da sie ebenfalls von der Nichtigkeit umfasst ist. Beschränkt sich die erfolgreich geltend gemachte Nichtigkeit nur auf einen Teil des Testaments, ist die Verwirkungs- oder Strafklausel ebenfalls nicht anzuwenden3. Ähnliches gilt für die erfolgreiche Anfechtung eines Testaments oder eine bestimmte Auslegung des letzten Willens. Erfolgreiche Angriffe gegen Verfügungen von Todes wegen sind daher nicht von einer Verwirkungsklausel erfasst.
1 Staudinger/Otte, § 2074 Rz. 66, MüKo/Leipold, § 2074 Rz. 28. 2 Birk, DNotZ 1972, 284, 286. 3 MüKo/Leipold, § 2074 Rz. 35.
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Rz. 47 B II
Problematisch in der Beurteilung sind unbegründete Angriffe gegen die Gültigkeit eines Testaments. Abzustellen ist hier auf das Verschulden des Angreifenden. Der Erblasser hat ein berechtigtes Interesse daran, schuldhafte und unbegründete Angriffe gegen seinen letzten Willen mit einer Strafe zu belegen. Geht ein Bedachter daher wider besseres Wissen oder fahrlässig, also ohne Anhaltspunkte von erheblichem Gewicht1, gegen das Testament vor, verwirkt er sein Erbrecht. Die Strafklausel ist aber dann nichtig, soweit sie auch für den Fall gelten soll, dass der Betroffene nach seiner Überzeugung und hinreichend sorgfältiger Prüfung die Unechtheit, Nichtigkeit, Anfechtung oder eine bestimmte Auslegung geltend macht2. ff) Klauseln in gemeinschaftlichen Testamenten In gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen wird häufig die Formulierung gewählt, dass die zum Schlusserben nach dem zweitversterbenden Ehegatten bestimmten Erben auch beim zweiten Erbfall nur den Pflichtteil erhalten sollen, wenn sie bereits beim ersten Erbfall den Pflichtteil geltend machen.
Formulierungsvorschlag Verlangt eines unserer Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil, erhält es, ebenso wie seine Abkömmlinge, auch nach dem Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil.
Die Gültigkeit dieser Klausel ist unbestritten3. Um zu verhindern, dass der im ersten Erbgang den Pflichtteil geltend Machende mehr als den Pflichtteil erhält, kann dem Schlusserben ein Vermächtnis in Höhe des gesetzlichen Erbteils zugewandt werden, das mit dem Tod des zweiten Ehegatten fällig wird (sog. Jastrow’sche Klausel)4.
Formulierungsvorschlag Das Kind, das den Pflichtteil nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils nicht gefordert hat, erhält aus dem Nachlass des Erstversterbenden ein Geldvermächtnis im Wert des gesetzlichen Erbteils. Dieses Vermächtnis wird aus dem 1 OLG Dresden, Rpfleger 1999, 276, 277. 2 MüKo/Leipold, § 2074 Rz. 37. 3 BayObLGZ 1990, 58, 60; Lübbert, NJW 1988, 2706, 2707, Staudinger/Otte, § 2074 Rz. 64. 4 Dittmann/Reimann/Bengel/Mayer, Testament und Erbvertrag, 4. Aufl., Teil E Rz. 104 ff., MüKo/Leipold, § 2074 Rz. 41.
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Vermögen des Erstversterbenden, aber erst nach dem Tod des Längerlebenden bezahlt.
gg) Veräußerungsverbote 48 Der Erblasser kann einem Erben oder Vermächtnisnehmer durch eine Auflage verbieten, einen bestimmten Nachlassgegenstand zu veräußern. Veräußert der Bedachte den Gegenstand dennoch, entfällt hierdurch die Zuwendung. Allerdings bleibt die Wirksamkeit der Veräußerung hiervon unberührt1, da dem Bedachten die Verfügungsbefugnis nicht entzogen werden kann (vgl. § 137 Satz 1 BGB) und der Eintritt der auflösenden Bedingung nicht zum rückwirkenden Wegfall der Zuwendung führt (vgl. § 158 Abs. 2 BGB)2. Bewirkt die Veräußerung jedoch die Nacherbfolge, können die Verfügungsbeschränkungen der §§ 2113 ff. BGB eintreten. hh) Rechtsfolgen von Verwirkungsklauseln 49 Gem. § 158 Abs. 2 BGB entfällt die unter einer auflösenden Bedingung stehende Zuwendung, wenn der Tatbestand der Verwirkungsklausel erfüllt ist. Liegt eine auflösend bedingte Erbeinsetzung vor, tritt notwendigerweise die Nacherbfolge ein, selbst wenn der Erblasser dieses nicht ausdrücklich verfügt hat. Nacherben sind die übrigen Erben, wenn der Erblasser dies ausdrücklich bestimmt hat oder wenn es aus dem Testament im Wege der Auslegung hervorgeht. Der Erblasser kann aber auch Dritte zu Nacherben berufen. Hat der Erblasser keine ausdrücklichen testamentarischen Anordnungen getroffen, werden diejenigen Personen zu Nacherben, die zu gesetzlichen Erben berufen wären, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts verstorben wäre, § 2104 BGB3. Grundsätzlich ist wohl davon auszugehen, dass nach dem Zweck der Strafklausel nicht nur der Erstbedachte, sondern auch seine Abkömmlinge durch die Verwirkung enterbt sein sollen4.
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Beratungshinweis: Im Testament sollte unbedingt klargestellt werden, wer nach dem Eintritt der Bedingung Nacherbe werden soll.
ii) § 14 HeimG 50 Eine gesetzlich normierte Beschränkung der Testierfreiheit des Erblassers ist das Zuwendungsverbot des § 14 HeimG5. Nach dieser Vorschrift6 ist es dem Träger des Heims, seinem Leiter und dessen Angehörigen, den Beschäftigten 1 2 3 4 5
Staudinger/Otte, § 2074 Rz. 63. MüKo/Leipold, § 2074 Rz. 43. MüKo/Leipold, § 2074 Rz. 44. Kipp/Coing, § 80 I 4., Strobel, MDR 1980, 363, 364. BGH v. 9.2.1990 – V ZR 139/88, NJW 1990, 1603 (1604); BayObLG v. 28.6.1991 – BReg. 1a Z 3/90, NJW 1992, 55 (56). 6 In der Fassung des Änderungsgesetzes vom 23.4.1990.
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Rz. 53 B II
und sonstigen Mitarbeitern (auch dem Pförtner!1) untersagt, sich über das für die Unterbringung, Beköstigung und Pflege der Bewohner vereinbarte Entgelt hinaus Geld oder geldwerte Leistungen versprechen oder gewähren zu lassen, soweit es sich nicht um geringwertige Aufmerksamkeiten handelt2. Eine letztwillige Verfügung, die sich über diese Zuwendungsverbote hinwegsetzt, ist nichtig nach § 134 BGB. Das Verbot der Zuwendung von Geld oder geldwerten Vorteilen an einen Heimträger über das vertragliche Entgelt hinaus schließt auch die Wirksamkeit eines Vermächtnisses eines Angehörigen aus, wenn nach dessen Annahme der Heimvertrag fortbesteht3. Ist der Heimträger eine GmbH, welche das Pflegeheim von einer Stiftung nur gemietet hat, verstößt die Erbeinsetzung dieser Stiftung dann nicht gegen § 14 HeimG, wenn keine besondere persönliche Verflechtung zwischen der GmbH und der Stiftung besteht4. Für einseitige letztwillige Verfügungen (also insbesondere das eigenhändige privatschriftliche Testament!) gilt das Verbot jedoch nur dann, wenn der Bedachte zu Lebzeiten des Heimbewohners von ihnen wusste5, was für den Anfechtenden mit erheblichen Beweisproblemen verbunden ist. Das Verbot trifft daher insbesondere Erbverträge6.
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Der bedachte Heimträger muss sich das Wissen seiner Wissensvertreter zurechnen lassen. Dabei muss der Wissensvertreter nicht der rechtsgeschäftliche Vertreter des Heims sein. Es genügt das Wissen eines Heimmitarbeiters, der Ansprechpartner für die Heimbewohner ist und aufgrund seiner Stellung im Heim wesentlichen Einfluss auf die Lebenssituation der Bewohner ausüben kann7. Erforderlich ist auch, dass von diesem Wissen der Heimbewohner seinerseits Kenntnis hat. Diese Regelung soll jede Ausnutzung der in der Regel alten und pflegebedürftigen Heimbewohner verhindern.
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Von dem Verbot des § 14 HeimG werden auch Zuwendungen von Bewerbern auf einen Heimplatz erfasst8, ebenso Zuwendungen der Eltern von Heimbewohnern an Mitarbeiter9 und Zuwendungen an Kinder des Heimleiters10.
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Beispiel: Die Erblasserin H ist bettlägerig und ein schwerer Pflegefall. Sie lebt im Altenstift „pro senior“ und setzt in ihrem eigenhändigen Testament den Heimleiter zum Alleinerben ihres Vermögens ein. Solange weder der Heimleiter
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OLG Frankfurt v. 29.1.2001 – 20 W 71/99, NJW 2001, 1504, ZEV 2001, 364. Ausführliche Darstellung mit vielen Beispielen in Nieder, Rz. 254. OLG München v. 20.6.2006 – 33 Wx 119/06, NJW 2006, 2642. BayObLGZ 2003, 136, 139 f. BayObLG v. 28.6.1991 – BReg. 1a Z 3/90, NJW 1992, 55, 56. OLG München v. 23.11.1994 – 20 U 2006/94, ZEV 1996, 148. BayObLGZ 1992, 344 (349). BGH v. 27.4.1995 – III ZR 147/94, NJW-RR 1995, 1272. LG Flensburg v. 1.9.1992 – 2 O 265/92, NJW 1993, 1866. OLG Düsseldorf v. 18.7.1997 – 3 Wx 250/97, ZEV 1997, 459.
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B II Rz. 54
Formen letztwilliger Verfügung
noch einer der Mitarbeiter von dem Testament Kenntnis haben, ist die letztwillige Verfügung nicht nichtig nach § 134 BGB. b) Vertragliche Schranken 54 Eine vertragliche Beschränkung der Testierfreiheit ist gem. § 2302 BGB grundsätzlich nicht möglich; eine entsprechende Verpflichtung, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, ist nichtig. Eine vertragliche Beschränkung der Testierfreiheit ist jedoch insoweit möglich, als sich der Erblasser durch Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments oder Abschluss eines Erbvertrags bindet, wie sich aus § 2289 BGB und § 2271 BGB ergibt. 55 Über seinen Wortlaut hinaus wird § 2302 BGB entsprechend auf testamentarische Auflagen des Erblassers zur Beschränkung der Testierfreiheit anderer angewendet, etwa die Beschwerung des Bedachten mit der Verpflichtung, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben1. 56 Dagegen ist die Verknüpfung der Zuwendung mit einer Bedingung grundsätzlich zulässig, weil durch sie nur die Zuwendung, nicht jedoch die Testierfreiheit beschränkt wird. In solchen Fällen kann jedoch ein Verstoß gegen §§ 134, 138 BGB vorliegen2. Beispiel: Erblasser R hinterlässt seinem Sohn sein Haus mit der Auflage, dass die Versorgung seiner beiden Hunde gewährleistet sein muss. Diese Bedingung ist zulässig.
4. Maßgebender Zeitpunkt für die Feststellung der Testierfähigkeit 57 Die Testierfähigkeit des Erblassers muss bei Errichtung des Testaments gegeben sein. Unerheblich ist, ob der Erblasser zu irgendeinem Zeitpunkt vor oder nach der Testamentserrichtung testierunfähig gewesen ist3. Folglich sind auch solche Verfügungen von Todes wegen wirksam, die von Testierunfähigen wegen geistiger Insuffizienz im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB in lichten Augenblicken errichtet werden4. 58 Bei einer notariellen Testamentserrichtung muss die Testierfähigkeit während der Abgabe der Erklärungen gegenüber dem Notar vorliegen. Bei der Verlesung und mündlichen Genehmigung des notariell erstellten Testaments genügt es, wenn der Testierer noch allgemein die Bedeutung des Testaments verstehen kann und in seiner Entschlussfähigkeit frei ist5. 1 2 3 4 5
Palandt/Edenhofer, § 2302 BGB Rz. 3. Palandt/Edenhofer, § 2074 BGB Rz. 4. Nieder, Rz. 341. Nieder, Rz. 341. BGH v. 1.7.1959 – V ZR 169/58, BGHZ 30, 294; MüKo/Hagena, § 2229 BGB Rz. 3.
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Rz. 63 B II
Beratungshinweis: Obwohl der Erblasser bis zum Beweis des Gegenteils als testierfähig gilt, empfiehlt es sich, die Testierfähigkeit bei Anhaltspunkten möglicher altersbedingter Testierunfähigkeit ärztlich bescheinigen zu lassen.
5. Beweis- und Verfahrensfragen Die Testierunfähigkeit bildet die Ausnahme. Der Erblasser gilt daher bis zum Beweis des Gegenteils als testierfähig. Beweispflichtig für die mangelnde Testierfähigkeit ist derjenige, der sie im Prozess behauptet1. Das Gericht muss völlige Gewissheit über die Testierunfähigkeit haben2. Die Umstände oder Verhaltensweisen, die auf einen Mangel der Testierfähigkeit hindeuten, sind wegen der Tragweite umfangreich und sorgfältig zu ermitteln3.
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Im Erbscheinsverfahren ist die Testierfähigkeit gem. § 2358 BGB, § 26 FamFG von Amts wegen zu prüfen, wenn für den Beweis der pauschal behaupteten Testierunfähigkeit des Erblassers Umstände dargelegt werden, die an der Testierfähigkeit zweifeln lassen4.
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Zur Feststellung der Testierunfähigkeit des Erblassers ist regelmäßig ein Gutachten von einem fachkundigen ärztlichen Sachverständigen, vorzugsweise einem Arzt für Nervenkrankheiten, erforderlich (ein Allgemeinmediziner genügt diesen Anforderungen nicht5). Dem Sachverständigen sind alle Anknüpfungstatsachen vorzulegen, und diese sind durch ihn auszuwerten.
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Wegen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ist das Gericht jedoch nicht an das Ergebnis des Gutachtens gebunden und muss verbleibenden Zweifeln weiter nachgehen, beispielsweise durch Einholen eines Obergutachtens oder Beauftragung eines Sachverständigen mit überlegenen Forschungsmitteln6. Wird das Vorliegen eines lichten Augenblicks medizinisch für möglich gehalten, ist dessen eventuelles Vorliegen sorgfältig zu prüfen und aufzuklären7.
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Ein Anscheinsbeweis für die Testierunfähigkeit besteht, wenn diese unmittelbar vor oder nach der Testamentserrichtung festgestellt wird. Das setzt voraus, dass das Nachlassgericht nicht von wechselnden Zuständen des Erblassers ausgeht, sondern eine anhaltende Testierunfähigkeit annimmt8. Bereits die ernsthafte Möglichkeit eines lichten Intervalls erschüttert jedoch den An-
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1 BayObLG v. 3.8.1989 – BReg. 1a Z 56/88, FamRZ 1989, 1346 (1347). 2 OLG Frankfurt v. 15.11.1995 – 20 W 144/94, NJW-RR 1996, 1159; Palandt/Edenhofer, § 2229 BGB Rz. 13. 3 OLG Frankfurt v. 22.12.1997 – 20 W 264/95, NJW-RR 1998, 870; OLG Frankfurt v. 15.11.1995 – 20 W 144/94, NJW-RR 1996, 1159. 4 OLG Hamm v. 13.3.1989 – 15 W 40/89, OLGZ 1989, 271 (274). 5 BGH v. 20.6.1984 – IVa ZR 206/82, FamRZ 1984, 1003. 6 Erman/Schmidt, § 2229 BGB Rz. 9 m.w.N. 7 BayObLG v. 1.8.1979 – BReg. 1 Z 16/79, BayObLGZ 1979, 256 (261 ff.). 8 OLG Köln v. 26.8.1991 – 2 Wx 10/91, NJW-RR 1991, 1412; Palandt/Edenhofer, § 2229 BGB Rz. 13.
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B II Rz. 64
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scheinsbeweis. Die Darlegungs- und Beweislast für die Möglichkeit einer Testierfähigkeit trägt derjenige, der Rechte aus dem Testament herleitet1. Bei verbleibenden, nicht behebbaren Zweifeln ist grundsätzlich von der Testierfähigkeit des Erblassers auszugehen2. 64 Im Verfahren der Rechtsbeschwerde nach § 70 FamFG können die Tatsachenfeststellung und die Beweiswürdigung nur insoweit geprüft werden, als Gesetzesverletzungen im Sinne von § 72 FamFG in Rede stehen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Sachverhalt nicht gem. § 26 FamFG hinreichend erforscht wurde oder bei der Erörterung der Entscheidungsgründe gem. § 69 FamFG wesentliche Umstände unberücksichtigt geblieben sind3. Eine Entscheidung kann jedoch nicht deshalb mit der Beschwerde angegriffen werden, weil die Folgerungen des Gerichts nicht die einzig möglichen oder nicht zwingend gewesen sind. Es genügt, wenn sich der Schluss des Gerichts, nach Würdigung aller entscheidungserheblichen Umstände unter Beachtung feststehender Denkgesetze und Erfahrungssätze, als eine sachentsprechende Beurteilung darstellt4.
II. Das Testament 65 Das Testament ist die einseitige Verfügung des Erblassers von Todes wegen. Die in der Willenserklärung „Testament“ angeordneten Rechtsfolgen treten erst mit dem Tod des Erblassers ein. Ein Testament kann alle oder auch nur einige der im Erbrecht möglichen Verfügungen und Anordnungen enthalten. Dies sind die Erbeinsetzung, das Vermächtnis, Auflagen, die Anordnung der Testamentsvollstreckung, Teilungsanordnungen sowie weitere sonstige Anordnungen. 66 Das Gesetz sieht folgende Testamentsformen vor: – das öffentliche Testament (§ 2232 BGB) und – das eigenhändige Testament (§ 2247 BGB) als ordentliche Testamentsformen (§ 2231 BGB) sowie – die in §§ 2249–2251 BGB geregelten außerordentlichen Testamentsformen. – die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem Ehegatten und gleichgeschlechtliche Lebenspartner gemeinsam und mit gewissen Formerleichterungen über ihr Vermögen verfügen können, § 2265 BGB5.
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BayObLG v. 28.12.1993 – 1 Z BR 85/93, ZEV 1994, 303. Erman/Schmidt, § 2229 BGB Rz. 9. Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rz. 40. BayObLG v. 22.10.1984 – BReg. 1 Z 53/84, FamRZ 1985, 539 (540). MüKo/Musielak, § 2265 BGB Rz. 1.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 72 B II
1. Die Formen der Verfügungen von Todes wegen a) Formstrenge im Erbrecht Im Gegensatz zu schuldrechtlichen Rechtsgeschäften unterliegen die Verfügungen von Todes wegen einem strengen Formzwang. Da letztwillige Verfügungen ihre Wirkung erst nach dem Tod des Erblassers entfalten, soll hierdurch sichergestellt werden, dass der letzte Wille unmissverständlich feststeht1 – dies auch um Erbstreitigkeiten zu verhindern. Zudem soll durch den Formzwang gewährleistet werden, dass die letztwillige Verfügung als ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft tatsächlich vom Erblasser selbst stammt (Identitätsfunktion).
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Dies gilt für die ordentlichen Testamente (§§ 2231, 2247) und den Erbvertrag (§ 2776) ebenso wie für die außerordentlichen Testamentsformen. Gerade die Testamentsformen, die für die Fälle einer besonderen Notlage des Erblassers vorgesehen sind, zeigen, dass bestimmte zwingende Formvorschriften zum Schutz des Testierenden unverzichtbar sind. Die Formstrenge im deutschen Erbrecht soll zum einen die Durchsetzung der grundrechtlich geschützten Gestaltung der Erbfolge sichern, zum anderen, trotz des Todes des Erblassers, Gewissheit über Geltung und Inhalt seines letzten Willens bringen2. Der tatsächliche Wille des Erblassers soll offensichtlich gemacht und möglichst deutlich zum Ausdruck gebracht werden3.
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Der Erblasser soll aufgrund der Formvorschriften vor übereilten und unbedachten Handlungen geschützt werden, da jede Formvorschrift, insbesondere natürlich die Schriftform gem. § 2247 BGB, ihn dazu zwingt, seinen letzten Willen zu überdenken (Schutz- und Warnfunktion)4.
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Daneben sollen die Formvorschriften für Rechtsklarheit sorgen. Der Erblasser wird durch sie gezwungen, seinen letzten Willen zu präzisieren, gegebenenfalls sogar juristischen Beistand zu suchen, damit Streitigkeiten bei Eintritt des Erbfalls vermieden werden können (Beweissicherungsfunktion, Kundbarmachungsfunktion).
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Der Formzwang dient somit auch der Rechtssicherheit. Die Verfügung von Todes wegen muss als solche förmlich manifestiert werden, damit erkennbar wird, wann der Bereich der Vorerwägung verlassen und derjenige der Verfügung erreicht wird (Rechtssicherheitsfunktion)5.
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Für das öffentliche Testament und den Erbvertrag gilt die gesetzliche Verankerung von Prüfungs-, Beratungs- und Belehrungspflichten durch den Notar. Ne-
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1 BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 4/80, BGHZ 80, 242 (246) = NJW 1981, 1737; BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 6/80, NJW 1981, 1736. 2 Dittmann/Reimann/Bengel, Vor § 2229 BGB Rz. 2. 3 Palandt/Edenhofer, § 2231 BGB Rz. 1. 4 Staudinger/Baumann, § 2231 BGB Rz. 17; MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 1; Ebenroth, Rz. 193. 5 Staudinger/Baumann, § 2231 BGB Rz. 17.
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B II Rz. 73
Formen letztwilliger Verfügung
ben die Erfüllung der sonstigen Formvoraussetzungen tritt hier noch das Beurkundungsverfahren mit den damit verbunden Formerfordernissen hinzu. 73 Ein Durchbrechen der Formstrenge stellt die sog. formlose Höfeerbbestimmung im Bereich der HöfeO dar (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 HöfeO)1. 74 Der Verstoß gegen eine Formvorschrift löst unterschiedliche Folgen aus, abhängig davon, ob es sich um eine Soll- oder um eine Mussvorschrift handelt. 75 Ein Verstoß gegen zwingende Formvorschriften macht die Verfügung von Todes wegen nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Auch wenn der mögliche Wille des Erblassers feststeht, kann der Formmangel nicht geheilt werden2. Soweit ein Verstoß gegen eine sog. Mussvorschrift bezüglich der Errichtung oder der äußeren Form der Verfügung von Todes wegen gegeben ist, wird die Nichtigkeit auch nicht durch wohlwollende Auslegung i.S.v. § 2084 BGB beseitigt, da diese Vorschrift bei Formmängeln grundsätzlich nicht anwendbar ist. Die Anwendung des § 2084 BGB setzt vielmehr voraus, dass bereits eine wirksame Verfügung festgestellt wurde3.
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Beratungshinweis: Jede Art von Testament muss nach § 2074 BGB vom Erblasser persönlich und gem. § 2229 im Zustand der Testierfähigkeit errichtet werden4. Durch Verstoß gegen eine dieser Vorschriften wird die letztwillige Verfügung unheilbar nichtig.
76 Wird eine Sollvorschrift nicht beachtet, führt dies nicht zur Nichtigkeit der ganzen Verfügung. Bereits das Testamentsgesetz von 1938 hatte das erklärte Ziel, unnötige Formstrenge zu vermeiden, sofern nur eine zuverlässige Wiedergabe des Willens des Erblassers sichergestellt ist. Das BeurkG, welches 1970 in Kraft getreten ist, hat viele Vorschriften, die bisher zwingender Natur waren, zu Sollvorschriften umgestaltet, um die Konsequenzen eines Formverstoßes gering zu halten5.
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Beratungshinweis: Fehlt die Angabe des Datums oder die Bezeichnung des Orts der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen, ist das für deren Wirksamkeit grundsätzlich unschädlich. Nach § 2247 Abs. 5 BGB kommen Orts- und Zeitangaben jedoch besondere Beweisfunktionen zu. (s. auch Rz. 225).
aa) Heilung 77 Die Nichtigkeit des Testaments kann durch Neuerrichtung beseitigt werden. Auch die Bestätigung nach § 141 BGB kann nur durch Neuerrichtung erfol-
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BGH v. 14.5.1987 – BLw 2/87, BGHZ 101, 57 (61) = NJW 1988, 710. BGH v. 12.3.1981 – IVa ZR 111/80, NJW 1981, 1900 (1901). MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 7. Staudinger/Baumann, § 2231 BGB Rz. 20. Dittmann/Reimann/Bengel, vor § 2229 BGB Rz. 4.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 80 B II
gen, da § 141 BGB die erneute Vornahme des Rechtsgeschäfts voraussetzt1. Harder lässt es aber z.B. für ein im Zustand der Testierunfähigkeit errichtetes Testament genügen, wenn der nun wieder testierfähige Erblasser das Testament gem. § 141 Abs. 1 BGB durch eine spätere Erklärung, die dann nicht der zunächst gewählten Testamentsform zu entsprechen braucht, bestätigt2.
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Beratungshinweis: Hat der Erblasser im Zustand der Testierunfähigkeit ein Testament errichtet, das er in einem späteren lichten Moment durch Hinzufügen einer entsprechenden Erklärung bestätigt, wird hierdurch das zunächst nichtige Testament wirksam.
bb) Auslegung des Testaments Soweit es sich um Verstöße gegen den Errichtungsvorgang oder die äußere Form der Verfügung von Todes wegen handelt, kann die Nichtigkeit der Verfügung nicht durch Auslegung gem. § 2084 BGB geheilt werden, da diese Vorschrift bei Formmängeln grundsätzlich nicht anwendbar ist3. Die Abgrenzung zwischen letztwilligen Verfügungen und unverbindlichen Erklärungen erfolgt ausschließlich nach § 133 BGB; es ist dabei der Rechtsbindungswille des Erblassers zu ermitteln4.
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Beispiel: Ist unklar, ob der Erblasser ein Testament oder nur einen Entwurf angefertigt hat, ist § 133 BGB und nicht § 2084 BGB anwendbar. Steht aber fest, dass der Erblasser eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgegeben 79 hat und bestehen lediglich Zweifel hinsichtlich der Natur des Rechtsgeschäfts, so kann nach h.M. § 2084 BGB entsprechend zur Anwendung kommen5. Hinsichtlich der inhaltlichen Auslegung eines formgültigen, aber unklaren Testaments wird § 2084 BGB angewendet, mit der von der Rechtsprechung gemachten Einschränkung, dass der Wille des Erblassers zumindest andeutungsweise aus dem Text hervorgehen muss (Andeutungstheorie)6. cc) Restriktive Gesetzesauslegung Auch die Rechtsprechung hat in den zurückliegenden Jahren durch eine restriktive Auslegung der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere beim eigenhändigen Testament, die Folgen von Verstößen gegen Formvorschriften gemildert7. Dies aber nur insoweit, als hierdurch nicht erhebliche Nachteile für 1 Staudinger/Baumann, § 2231 BGB Rz. 21. 2 Soergel/Mayer, § 2229 BGB Rz. 21. 3 Dittmann/Reimann/Bengel, Abschnitt A Rz. 79; Nieder, Rz. 1045; Soergel/Loritz, § 2084 BGB Rz. 3. 4 Ebenroth, Rz. 409; Jauernig/Stürner, § 2084 BGB Rz. 7. 5 Soergel/Loritz, § 2084 BGB Rz. 3; BGB-RGRK/Johannsen, § 2084 BGB Rz. 2, 26. 6 Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 28 ff.; a.M. Soergel/Loritz, § 2084 BGB Rz. 9, der dagegen einwendet, dass dadurch diejenigen Erblasser bevorzugt werden, die viel und unklar schreiben, im Gegensatz zu denjenigen, die sich knapp ausdrücken. 7 Kipp/Coing, ErbR, § 19 IV 3.
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B II Rz. 81
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den Rechtsverkehr entstehen oder eine Verfälschung des Willens des Erblassers zu befürchten ist1. dd) Umdeutung 81 Bei Formnichtigkeit der Verfügung von Todes wegen kann gegebenenfalls eine Umdeutung nach § 140 BGB in eine andere Testamentsform oder in ein Rechtsgeschäft unter Lebenden die Nichtigkeit beseitigen, wenn die Verfügung alle wesentlichen Merkmale des anderen Rechtsgeschäft aufweist und dieses auch dem mutmaßlichen Parteiwillen entspricht2. Zweck der Umdeutung ist es, dem auf ein bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis gerichteten erklärten Willen des Testierers zum Erfolg zu verhelfen, obwohl sich der eingeschlagene rechtliche Weg als unzulässig erweist3. Die Umdeutung verfolgt das gleiche Ziel wie die Auslegung, wodurch die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann und u.U. auch offen bleibt. 82 Auf eine klare dogmatische Abgrenzung sollte man jedoch nicht verzichten, denn während durch die Auslegung unbestimmte oder unklare inhaltliche Gestaltungen des Testaments beseitigt werden, ist im Falle der Umdeutung die gewollte rechtliche Qualifikation der Erklärung nicht unbestimmt oder unklar, sondern entweder schon nach dem nicht auslegungsfähigen Wortlaut oder jedenfalls nach den zur Auslegung heranzuziehenden Umständen nicht möglich. Somit wird die nicht geeignete, aber gewollte rechtliche Gestaltung durch eine andere ersetzt. b) Die Formen ordentlicher Testamente 83 Das Gesetz sieht zwei gleichwertige Formen des ordentlichen Testaments vor: Das öffentliche, zur Niederschrift eines Notars errichtete Testament und das private eigenhändige Testament. Es ist grundsätzlich möglich, beide Testamentsformen miteinander zu verbinden. Jedes Testament kann durch eine in anderer Form errichtete letztwillige Verfügung geändert werden. Das gilt auch für die Nottestamente. aa) Das öffentliche Testament gem. § 2232 BGB 84 Es kann gem. § 2232 BGB durch mündliche Erklärung zur Niederschrift eines Notars oder durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift an diesen errichtet werden. Die Vorschriften des BGB (§§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB) werden durch die Bestimmungen des BeurkG und des BetrG ergänzt. Das Beurkundungsverfahren ist insbesondere in den §§ 1–11, 13, 16–18, 27–35 BeurkG geregelt. 1 OLG Hamm v. 7.8.1959 – 15 W 268/59, Rpfleger 1959, 379. 2 MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 121 ff.; Staudinger/Otte, § 2084 BGB Rz. 4 ff.; BGH v. 16.8.1987 – IVa ZR 74/86, NJW-RR 1987, 1410. 3 BGH v. 13.11.1963 – V ZR 56/62, BGHZ 40, 218 (222); MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 114.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 87 B II
Die Vorteile des öffentlichen Testaments gegenüber dem eigenhändigen Testament sind: – Ein öffentliches Testament kann, im Gegensatz zum eigenhändigen Testament, auch von einer minderjährigen Person (ab 16 Jahren) errichtet werden (§§ 2229 Abs. 1, 2233 Abs. 1, 2247 Abs. 4 BGB)1.
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– Es dient dem Schutz des Erblassers vor Beeinflussung und übereilten Entschlüssen. – Das öffentliche Testament erhöht die Rechtssicherheit des Erblassers. – Es hat gem. §§ 415, 418 ZPO als Urkunde eine erhöhte Beweiskraft2. – Es erbringt vollen Beweis für den beurkundeten Vorgang, auch hinsichtlich des Zeitpunkts, des Orts, der Anwesenheit von Urkundspersonen und des Inhalts der Erklärung sowie deren Vollständigkeit, nicht jedoch für deren Richtigkeit3. Der Gegenbeweis ist nach § 415 Abs. 2 ZPO zulässig. – Das öffentliche Testament schützt durch die amtliche Verwahrung gem. § 34 BeurkG vor unbefugten Veränderungen. – Es vermeidet fast ausnahmslos Formfehler. – In Verbindung mit den Eröffnungsprotokollen erspart es zum Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt sowie dem Handels- und Schiffsregister die Vorlage eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO4. Aber: Das öffentliche Testament ersetzt nicht das Fortsetzungszeugnis nach § 1507 BGB, mit dem auf Antrag des überlebenden Ehegatten das Nachlassgericht die Fortsetzung der Gütergemeinschaft bescheinigt.
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bb) Das eigenhändige privatschriftliche Testament, § 2247 BGB Das eigenhändige privatschriftliche Testament nach § 2247 BGB schreibt und unterschreibt der Erblasser selbst, ohne die Hilfe eines Notars.
Formulierungsvorschlag Ich, Marlies Müller, geborene Herzog, geboren am 26.5.1930, setze hiermit meine Nichte Susanne Liebig zur alleinigen Erbin meines gesamten Vermögens ein. Ulm, den 15.1.2005, Unterschrift
1 Palandt/Edenhofer, § 2229 BGB Rz. 2. 2 MüKo/Hagena, § 2231 BGB Rz. 18. 3 OLG Frankfurt v. 26.2.1990 – 20 W 66/90, Rpfleger 1990, 290; MüKo/Hagena, § 2231 BGB Rz. 19. 4 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2231 BGB Rz. 5.
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B II Rz. 88 88
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Die Vorteile des eigenhändigen Testaments sind: – Es entstehen keine Notarkosten. Bedient sich der Testierende der Beratung durch einen Rechtsanwalt, kann er mit diesem ein Honorar frei vereinbaren (was mit einem Notar nicht möglich ist). – Das eigenhändige Testament ist leichter abzuändern und aufzubewahren. – Es kann schnell und an jedem Ort errichtet werden. c) Die außerordentlichen Testamentsformen
89 Sie sind zulässig in Notlagen, die befürchten lassen, dass ein Erblasser stirbt, ehe er ein eigenhändiges oder ein notarielles Testament errichten kann. Die Nottestamente haben jedoch nur eine eingeschränkte Geltungsdauer (s. Rz. 285 ff.). 90 Bei den außerordentlichen Testamentsformen wird unterschieden zwischen: – dem Konsulartestament (§§ 1, 2 KonsG), – dem Nottestament vor einem Bürgermeister (§§ 2249, 2250 Abs. 1 BGB), – dem Drei-Zeugen-Testament (§ 2250 BGB) und – dem Seetestament (§§ 2251, 2250 Abs. 3 BGB) sowie den nicht mehr möglichen Formen des – Verfolgtentestaments (zwischen 30.1.1933 und 8.5.1945) und des – Militärtestaments (bis 28.8.1946). Die Bestimmungen für das Verfolgten- und das Militärtestament haben nur noch für die während ihrer Geltung errichteten Testamente Gültigkeit.
2. Die Errichtung des öffentlichen Testaments 91 Ein öffentliches Testament wird entweder durch Erklärung des Erblassers vor einem Notar oder durch Übergabe einer offenen oder geschlossenen Schrift an den Notar, verbunden mit der Erklärung, dass diese den letzten Willen des Erblassers enthalte, errichtet, § 2232 BGB. 92 Die Errichtung eines öffentlichen Testaments ist in § 2232 BGB nicht vollständig beschrieben. Sie setzt sich vielmehr zusammen aus der Verhandlung, der Niederschrift (vgl. §§ 8, 9, 30 BeurkG), dem Vorlesen und Genehmigen, dem Unterschreiben der Urkunde (vgl. § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG) und dem Abschluss durch die Unterschrift des Notars (§ 13 Abs. 3 BeurkG) sowie der sonstigen Mitwirkenden (z.B. Zeugen, zweiter Notar, §§ 22 Abs. 2, 24 Abs. 1 Satz 3, 25 Satz 2 BeurkG)1.
1 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2232 BGB Rz. 4.
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Rz. 98 B II
a) Die Errichtung durch Erklärung zur Niederschrift des Notars, § 2232 Satz 1, 1. Halbs. BGB Nach § 2232 Satz 1, 1. Halbs. BGB kann ein Erblasser zur Niederschrift eines Notars ein Testament errichten, indem er dem Notar seinen letzten Willen erklärt. Gem. § 20 BNotO, § 1 BeurkG sind hierfür ausschließlich die Notare zuständig. Zum Notar im Landesdienst s. § 21 Bad.WürttLFGG. Gem. §§ 10, 11 BNotO ist Amtsbezirk des Notars im Landesdienst der jeweilige Oberlandesgerichtsbezirk. Sein Amtsbereich ist der Bezirk des Amtsgerichts, in dem er seinen Amtssitz hat. Dem Notar wird ein bestimmter Ort als Amtssitz zugewiesen.
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aa) Die Niederschrift – Über die Verfügung von Todes wegen ist eine Niederschrift aufzunehmen (§ 8 BeurkG). Diese ist grundsätzlich in deutscher Sprache (§ 5 Abs. 1 BeurkG) zu errichten. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Notar der anderen Sprache kundig ist (§ 5 Abs. 2 BeurkG).
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Die Aufnahme einer Niederschrift über die Verhandlung ist Teil der Testamentserrichtung und hat zwingend durch den Notar zu erfolgen. Fehlt die Niederschrift oder verstößt sie gegen die im Folgenden näher bezeichneten Formvorschriften, ist die Verfügung von Todes wegen nach § 125 BGB nichtig. Zu den zwingenden Formvorschriften zählen gem. § 9 Abs. 1 BeurkG die Bezeichnung des Notars und der Beteiligten sowie die Erklärungen der Beteiligten.
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Bei der Testamentserrichtung durch Übergabe einer Schrift muss die Schrift vorliegen. Die Niederschrift muss nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BeurkG einen Vermerk über die Übergabe der Schrift enthalten.
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Die Niederschrift muss in Gegenwart des Notars, nicht unbedingt von ihm selbst, vorgelesen und vom Erblasser genehmigt werden. Es genügen auch schlüssige Handlungen, wie z.B. ein Kopfnicken1. Zudem muss die Niederschrift vom Erblasser eigenhändig unterschrieben werden (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG). In der Niederschrift sollte ein Vermerk enthalten sein, dass dieses geschehen ist (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BeurkG).
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Wurde die Niederschrift durch die Beteiligten eigenhändig unterschrieben, wird vermutet, dass sie in Gegenwart des Notars vorgelesen oder, soweit erforderlich, den Beteiligten zur Durchsicht vorgelegt und von diesen genehmigt wurde (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BeurkG). Der Erblasser kann verlangen, dass ihm die Niederschrift zur Durchsicht vorgelegt wird (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BeurkG). Ist der Erblasser hörbehindert, muss ihm die Niederschrift gem. § 23 BeurkG vorgelegt werden.
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1 RG v. 25.9.1924 – IV 25/24, RGZ 108, 403; BayObLG v. 9.7.1965 – BReg. 2 Z 20/65, NJW 1966, 56.
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B II Rz. 99
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99 Ein Verstoß gegen sog. Sollvorschriften lässt die Wirksamkeit der Niederschrift unberührt. Sollvorschriften sind die Niederschrift betreffende Protokollvorschriften, insbesondere die darin enthaltenen Angaben über: – Ort und Tag der Verfügung, § 9 Abs. 2 BeurkG, – die Testierfähigkeit des Erblassers, § 28 BeurkG, – Zweifel an der Wirksamkeit der beabsichtigten Verfügung, dem Inhalt der Belehrung des Notars und der eventuellen Erklärung von Beteiligten, § 17 BeurkG, – Hinweise auf eine etwa bestehende Genehmigungspflicht, § 18 BeurkG, – die Zuziehung von Zeugen, von einem zweiten Notar oder einer Vertrauensperson, §§ 22, 24, 25, 29 BeurkG, – die Feststellung über die Vorlage der Niederschrift bei hörbehinderten Beteiligten, 23 BeurkG, – den Hinweis darauf, dass die Niederschrift vorgelesen, unterschrieben und genehmigt wurde, § 13 Abs. 1 Satz 2 BeurkG. 100
In der Niederschrift kann auch auf andere notarielle Beurkundungen verwiesen werden, deren Regelungen Inhalt des Testaments werden sollen (ersetzende Verweisung oder ergänzende Bezugnahme)1. Die in Bezug genommenen Dokumente müssen der Niederschrift nicht beigefügt oder den Beteiligten vorgelesen werden, wenn hierauf ausdrücklich verzichtet wird (§ 13a BeurkG). Der Inhalt der Dokumente, auf die Bezug genommen wurde, gehört durch die Verweisung zum Inhalt der Niederschrift. § 9 Abs. 1 Satz 3 BeurkG stellt Karten, Zeichnungen oder Abbildungen den Schriftstücken gleich.
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Zur näheren Identifizierung, Erläuterung oder Verdeutlichung dessen, was in der Niederschrift selbst zumindest in Andeutungen enthalten ist, kann, ohne dass es hierfür einer besonderen Form bedürfte, auf bestehende Tatsachen oder Rechtsverhältnisse (z.B. frühere Testamente) verwiesen werden (unechte Verweisung; hinweisende oder erläuternde Bezugnahme)2. Ein notarielles Testament, welches eine Erbeinsetzung enthält, ohne die bedachten Personen wenigstens andeutungsweise zu nennen oder sonst zu bestimmen, ist jedoch nach § 125 Satz 1 BGB in jedem Fall nichtig3.
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Beratungshinweis: Schreibt der Erblasser in seinem Testament nur von „meinen Erben“, ohne diese weiter zu benennen, oder wenigstens auf die gesetzlichen Erben zu verweisen, so dass diese nach § 2066 BGB zu bestimmen wären, ist die letztwillige Verfügung nichtig.
1 Soergel/Mayer, § 13a BeurkG Rz. 3. 2 Soergel/Mayer, § 13a BeurkG Rz. 3; Winkler, BeurkG, § 13a BeurkG Rz. 29 ff. 3 BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 6/80, BGHZ 80, 246 (251) = NJW 1981, 1736 (1737); BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 4/80, BGHZ 80, 242 (246) = NJW 1981, 1737.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 107 B II
bb) Angaben über die Person des Testierers Nach den §§ 10, 11, 28 BeurkG stellt der Notar zunächst die Person des Erblassers und seine Testierfähigkeit fest. Der Notar hat den Testierer in der Niederschrift so genau zu bezeichnen, dass Zweifel und Verwechslungen ausgeschlossen sind (§ 10 BeurkG). Ergänzt wird diese Vorschrift durch § 25 BNotO.
102
Der Notar hat die Beteiligten i.S.v. § 6 Abs. 2 BeurkG so genau festzustellen, dass Verwechslungen ausgeschlossen sind. Der Notar kann die Personalien entweder durch persönliche Kenntnis, oder durch Vorlage eines Ausweises mit Lichtbild, dessen Gültigkeit zu überprüfen ist, feststellen. Wird der Testierende durch Dritte (Erkennungs- oder Nämlichkeitszeuge) vorgestellt, so ist deren Glaubwürdigkeit zu prüfen. Regelmäßig kommen hierfür nur solche Personen in Betracht, die nicht an der Niederschrift beteiligt sind und zu dem Betreffenden nicht in näheren verwandtschaftlichen Beziehungen stehen1.
103
Grundsätzlich sind Vor- und Nachnamen, Geburtsnamen, Geburtsdatum, Wohnort sowie Staatsangehörigkeit der Beteiligten anzugeben2. Die Staatsangehörigkeit ist wegen Art. 25 EGBGB festzustellen, wonach die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates unterliegt, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Notar die Staatsangehörigkeit jedoch nur dann aufzunehmen, wenn die Umstände des Einzelfalls (z.B. ausländischer Akzent) dazu Anlass geben3.
104
Kann sich der Notar keine Gewissheit über die Identität der Person verschaffen, so ist er gem. § 4 BeurkG nicht verpflichtet, die Beurkundung abzulehnen. Der Notar kann, wenn der Erschienene darauf besteht, die Beurkundung vornehmen. Er sollte jedoch die mangelnde Feststellung der Identität des Erblassers in der Urkunde vermerken, § 10 Abs. 2 BeurkG, und versuchen, die Personalien nachträglich festzustellen4. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht kann zu einer Schadenersatzpflicht des Notars führen5.
105
Eine Pflicht zur Ablehnung der Beurkundung besteht nur dann, wenn der Notar zur Überzeugung gelangt, dass die erschienene Person ihre wahre Identität in unredlicher Absicht verschleiern will6 oder dass der Erblasser nicht testierfähig ist (§ 11 BeurkG).
106
Wurde die Personenidentität durch den Notar festgestellt und in der Niederschrift vermerkt, dient die Feststellung nach § 415 Abs. 1 ZPO als Beweis dafür, dass die beurkundete Erklärung von der als erschienen festgestellten Per-
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1 Nieder, Rz. 1049. 2 Staudinger/Firsching, § 10 BeurkG Rz. 4; Dittmann/Reimann/Bengel, § 10 BeurkG Rz. 4. 3 Grader, DNotZ 1959, 563, 566 f.; Nieder, Rz. 406. 4 Dittmann/Reimann/Bengel, § 10 BeurkG Rz. 12. 5 MüKo/Hagena, § 2231 BGB Rz. 12. 6 Soergel/Mayer, § 10 BeurkG Rz. 8; a.A. Riedel/Feil, § 10 BeurkG Rz. 9.
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B II Rz. 108
Formen letztwilliger Verfügung
son abgegeben worden ist1. Der Gegenbeweis ist gem. § 415 Abs. 2 ZPO zulässig. 108
Nach § 28 BeurkG soll der Notar bei der Beurkundung von Verfügungen von Todes wegen seine Wahrnehmung über die erforderliche Geschäftsfähigkeit des Erblassers in der Niederschrift vermerken2. Mittel und Ergebnisse der Prüfung sowie Zweifel in Bezug auf die Identität oder die Testierfähigkeit des Erblassers sollen ebenfalls in die Niederschrift aufgenommen werden.
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Der Notar soll die Familienverhältnisse des Testierers ermitteln. Hierdurch können die gesetzliche Erbfolge und bestehende Pflichtteilsansprüche bestimmt und ein damit verbundener weiter gehender Beratungs- und Aufklärungsbedarf festgestellt werden. Die Aufnahme dieser Auskünfte in der Niederschrift dient gleichzeitig dem Schutz des Notars vor späteren haftungsrechtlichen Auseinandersetzungen, z.B. mit übergangenen Erben.
110
Soweit Anhaltspunkte hierfür bestehen, sollte auch festgestellt werden, ob Auslandsgrundbesitz vorliegt, da einige Länder (z.B. Frankreich und England) bei der Vererbung des unbeweglichen Nachlasses Belegenheitsrecht anwenden, was über die Vortrittsklausel des Art. 3 Abs. 3 EGBGB zur Anwendung fremden Erbrechts für den Auslandsgrundbesitz und damit zur Nachlassspaltung führt3.
111
Sofern Auslandsberührung besteht, sollte der deutsche Anknüpfungspunkt nach Art. 25, 26 EGBGB festgestellt werden, wenn zwischen den betreffenden Staaten kein Staatsvertrag geschlossen wurde, da der Staatsvertrag in jedem Fall gem. Art. 3 Abs. 2 EGBGB den Vorrang hat. (Näheres Teil F.) Auslandsberührung ist gegeben, wenn: – der Erblasser eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit hat, – er im Ausland lebt, – sich Nachlassgegenstände im Ausland befinden oder – eine Verfügung von Todes wegen im Ausland errichtet wurde oder errichtet werden soll.
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Beratungshinweis: Für die Errichtung eines öffentlichen Testaments durch den Notar müssen genaue Angaben über die Person des Erblassers sowie der sonstigen Beteiligten gemacht werden. Dazu zählen Vor- und Nachname, Geburtsname, Geburtsort, Geburtsdatum, Wohnort und Staatsangehörigkeit. Entsprechende Dokumente zur Feststellung der Identität sind mitzuführen. Daneben sollten Informationen über die sonstigen Familienverhältnisse bereitgehalten sowie ggf. Informationen über einen vorhandenen Auslandsbezug mitgeteilt werden.
1 LG Berlin v. 14.12.1962 – 84 T 4/62, NJW 1962, 125; DNotZ 1963, 250. 2 Nieder, Rz. 1052. 3 BGH v. 8.7.1982 – III ZR 103/80, BGHZ 84, 352.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 116 B II
cc) Zeugen der Beurkundung Auf Verlangen des Beteiligten (bei mehren Erblassern ist die Zustimmung aller erforderlich)1 soll der Notar bei der Beurkundung bis zu zwei Zeugen oder einen weiteren Notar zur Überwachung der Beurkundung hinzuziehen (§ 29 BeurkG). Die Zuziehung von Zeugen ist insbesondere dann ratsam, wenn Einwendungen gegen die Testierfähigkeit oder die freie Willensentschließung des Erblassers zu erwarten sind.
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Beispiel: Der pflegebedürftige 89-jährige Erblasser wird für die Abänderung seiner letztwilligen Verfügung von seinem Enkel, der nunmehr Alleinerbe werden soll, aus dem Pflegeheim abgeholt und zum Notar gebracht. Ein Zeuge oder ein zweiter Notar muss nach § 25 BeurkG beim Vorlesen und bei der Genehmigung hinzugezogen werden, wenn der Erblasser nach seinen Angaben oder nach Überzeugung des Notars seinen Namen nicht schreiben kann. Hier muss, damit das Testament wirksam ist, die Niederschrift von den Zeugen oder dem weiteren Notar unterschrieben werden. Die Unterschrift des Schreibzeugen ersetzt dann die des Erblassers. Fehlt die Unterschrift, so ist das Testament nichtig.
113
Wird lediglich der Vermerk über die Schreibunfähigkeit und über die Zuziehung der Zeugen in der Niederschrift vergessen oder ist der Vermerk falsch abgefasst, beeinträchtigt dies die Wirksamkeit der Beurkundung im Übrigen nicht2.
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Vermag der Erblasser nach seinen Angaben oder nach Überzeugung des Notars nicht hinreichend zu hören oder zu sprechen und sich auch nicht schriftlich zu verständigen, soll der Notar dies gem. § 24 Abs. 1 BeurkG in der Niederschrift feststellen. Wird eine solche Feststellung in der Niederschrift getroffen, so muss zur Beurkundung eine Vertrauensperson hinzugezogen werden, die sich mit dem behinderten Erblasser verständigen kann.
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Der Notar soll wenigstens einen Zeugen oder einen zweiten Notar hinzuziehen, wenn der Erblasser nach eigenen Angaben oder nach der Überzeugung des Notars nicht hinreichend hören, sprechen oder sehen kann (§ 22 Abs. 1 BeurkG). Der Erblasser hat die Möglichkeit, hierauf zu verzichten, was in der Niederschrift vermerkt werden sollte. Die beteiligten Zeugen oder der zweite Notar sollen die Niederschrift mitunterschreiben (§ 29 Satz 2 BeurkG). Auch der Wunsch des Erblassers, keine Zeugen oder einen Notar zu beteiligen, sollte vermerkt werden, da so zumindest dokumentiert wird, dass der Notar die Problematik angesprochen hat3.
1 Winkler, § 29 BeurkG Rz. 5. 2 Dittmann/Reimann/Bengel, § 25 BeurkG Rz. 2. 3 Winkler, § 29 BeurkG Rz. 11.
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B II Rz. 117
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Formen letztwilliger Verfügung
Beratungshinweis: Hält der Notar die Zuziehung eines Zeugen oder eines zweiten Notars für wünschenswert, beispielsweise weil die Testier- oder Geschäftsfähigkeit des Erblassers fraglich ist, sollte er die Beteiligten auf diese Möglichkeit, auch aus haftungsrechtlichen Gründen, hinweisen.
Gegen den Willen des Testierenden darf der Notar jedoch keine Zeugen hinzuziehen1. 117
Zwei Zeugen oder ein weiterer Notar dürfen – auch auf Verlangen des Erblassers – dann nicht an der Beurkundung teilnehmen, wenn bereits ein zweiter Notar wegen § 22 BeurkG (hör-, sprach- oder sehbehinderte Beteiligte) oder § 25 BeurkG (Schreibunfähige) daran beteiligt ist. Nach der Systematik des Gesetzes ersetzt der Notar zwei Zeugen. Nimmt jedoch aufgrund §§ 22, 25 BeurkG bereits ein Zeuge an der Beurkundung teil, darf ein weiterer Zeuge oder ein zweiter Notar nach § 29 BeurkG hinzugezogen werden, wenn sich die Beteiligung des Zeugen nicht mehr rückgängig machen lässt2.
118
Ist ein Ausländer an der Beurkundung beteiligt, kann der Notar mehrere Zeugen hinzuziehen, um dadurch eine wirksame Beurkundung auch nach ausländischem Recht sicherzustellen. Zwar wird § 29 BeurkG hierdurch verletzt. Da es sich jedoch um eine Soll-Vorschrift handelt, beeinträchtigt dieses die Wirksamkeit der Beurkundung im Übrigen nicht3. Ist der Erblasser der deutschen Sprache nicht mächtig und hat der Notar nicht die erforderlichen Sprachkenntnisse, um die Niederschrift zu übersetzen, muss gem. § 16 BeurkG ein Dolmetscher hinzugezogen werden. Als Dolmetscher sind kraft Gesetzes diejenigen Personen ungeeignet, die auch als Notar nach §§ 6, 7 BeurkG von der Beurkundung auszuschließen sind. Hierbei handelt es sich analog um den Dolmetscher selbst, seinen Ehegatten oder früheren Ehegatten, den Lebenspartner oder früheren Lebenspartner, eine Person, die mit dem Dolmetscher in gerader Linie verwandt ist oder war oder ein Vertreter, der für eine der vorgenannten Personen handelt.
119
Die Auswahl der Zeugen oder eines zweiten Notars erfolgt durch den Notar, da er nur dem Grunde nach an den Wunsch, Zeugen zu beteiligen, gebunden ist. Der Notar kann statt der vorgeschlagenen Zeugen, auch ohne das ausdrückliche Verlangen der Beteiligten, einen weiteren Notar hinzuziehen. Dies folgt aus § 151 Abs. 2 KostO. Wünschen die Beteiligten jedoch die Hinzuziehung eines zweiten Notars, ist der beurkundende Notar an diesen Wunsch gebunden, da die Teilnahme eines weiteren Notars aufgrund seiner beruflichen Qualifikation und seiner Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 18 BeurkG) Vorteile gegenüber „einfachen“ Zeugen hat4. Für den Ausschluss von Zeugen und dem zweiten Notar gilt § 26 BeurkG. 1 2 3 4
Nieder, Rz. 1053; Dittmann/Reimann/Bengel, § 29 BeurkG Rz. 6. Dittmann/Reimann/Bengel, § 29 BeurkG Rz. 7. Staudinger/Firsching, § 29 BeurkG Rz. 10. Jansen, § 22 BeurkG Rz. 8 f.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 125 B II
Die mitwirkenden Personen haben am gesamten Beurkundungsakt teilzunehmen. Die Personen haben körperlich anwesend und sich der Beteiligung am Akt bewusst zu sein. Der Notar muss sich dessen bewusst sein, dass die anwesenden Personen als Zeugen zugezogen werden wollen1. Die zugezogenen Personen sollen gem. § 29 Satz 2 BeurkG die Niederschrift unterschreiben. Bei diesen hinzugezogenen Personen dürfen, wie beim Notar, keine Mitwirkungsverbote oder Ausschlussgründe nach §§ 3, 6, 26, 27 BeurkG vorliegen.
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dd) Die persönliche Erklärung des Testierers Das Gesetz verlangt aus Sorge um eine eindeutige Übermittlung des Willens des Erblassers, dass der Testierer seinen letzten Willen persönlich erklärt (§ 2064 BGB).
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Die Kundgebung hat gegenüber dem Notar als Verhandlungsführer und nicht gegenüber anderen zu erfolgen2. Eine Erklärung am Telefon kann dabei nur den Charakter einer Vorbesprechung haben. Nicht erforderlich ist, dass der Erblasser seine Erklärung als Ganzes im Zusammenhang vorbringt. Es reicht aus, dass er seinen Willen während der Unterhaltung mit dem Notar nach und nach formuliert3. Ausreichend ist auch, wenn der Notar den Testamentsentwurf vorliest und der Erblasser die einzelnen Verfügungen durch einfaches „Ja-Sagen“ bestätigt4.
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Ausreichend i.S.v. § 2232 BGB sind auch schlüssige Handlungen in nonverbaler Form, wie das kommentarlose Unterschreiben, ein stummes Kopfnicken oder Gebärden5.
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Für schreib- und sprechunfähige Personen hat sich die Situation mit dem BVerfG-Beschluss vom 19.1.19996 erheblich verbessert. In der seit dem 1.8.2002 geltenden Fassung des § 2232 BGB hat der Gesetzgeber den Mündlichkeitsgrundsatz beim öffentlichen Testament für alle Testierenden aufgegeben, um auch diesem Personenkreis entsprechend der Erbrechtsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG), dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Benachteiligungsverbot für Behinderte (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) die Möglichkeit des Testierens zu eröffnen.
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ee) Die Aufklärungspflichten des Notars Das BeurkG enthält eine Reihe von Formvorschriften, die unmittelbar an den beurkundenden Notar gerichtet sind.
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Dittmann/Reimann/Bengel, § 22 BeurkG Rz. 7. MüKo/Hagena, § 2232 BGB Rz. 4. Brox, Erbrecht, Rz. 107. Ebenroth, Rz. 201; BGH v. 4.4.1962 – V ZR 110/60, BGHZ 37, 79 (84). MüKo/Hagena, § 2232 BGB Rz. 9. BVerfG v. 19.1.99 – 1 BvR 21616/94, ZEV 1999, 147.
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B II Rz. 126 126
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Von besonderer Bedeutung ist dabei die amtliche Prüfungs- und Belehrungspflicht des Notars gem. § 17 BeurkG1. Der Notar hat den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären und die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Akts zu belehren. Er soll darauf achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden und unerfahrene, ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden. Die Prüfungspflicht des Notars verlangt somit die sorgfältige Erforschung und klare, unzweideutige Niederlegung des mündlich erklärten letzten Willens des Erblassers2.
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Die Prüfungspflicht (nicht nur des Notars) umfasst dabei: – die Testierfähigkeit des Erblassers (§§ 11, 28 BeurkG)3, – die Aufklärung des Sachverhalts sowie die Erörterung rechtlicher Bedenken4, – die Erläuterung, Ergänzung und Berichtigung der Erklärung sowie die Ermittlung der möglicherweise bestehenden Bindung an frühere Verfügungen von Todes wegen und Erbverträge sowie die Anpassung des letzten Willens an frühere letztwillige Verfügungen.
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Die Belehrungspflicht des Notars besteht, soweit eine Belehrung erforderlich ist, um den Willen der Beteiligten rechtswirksam, wahrheitsgemäß und vollständig niederzulegen. Der Erblasser soll insbesondere über folgende Punkte belehrt werden: – die rechtliche Tragweite des Rechtsgeschäfts gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG5, – die Bedeutung der zu beurkundenden Erklärung6, auch hinsichtlich der für die Beteiligten nicht erkennbaren Auswirkungen, möglichen Gefahren aus der Erklärung und nachteilige Folgen.
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Daneben bestehen noch eine allgemeine Belehrungspflicht und eine erweiterte betreuende Beratungspflicht (vgl. § 24 BNotO). Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Beratung durch den Notar immer dann erforderlich, wenn einer Partei wirtschaftlicher Schaden droht, den sie nicht zu erkennen vermag und für dessen Abwendung entsprechende Sicherungsmaßnahmen durch den Notar zu besorgen sind7.
1 Huhn/v. Schuckmann, § 17 BeurkG Rz. 4 ff.; zu den öffentlichen und sozialen Funktionen des Notars Baumann, MittRhNotK 1996, 1 ff. 2 BGH v. 20.4.1971 – VI ZR 225/69, VersR 1971, 740; Soergel/Mayer, § 17 BeurkG Rz. 1. 3 BGH v. 10.7.1961 – III ZR 99/60, VersR 1961, 921. 4 BGH v. 15.1.1962 – III ZR 177/60, NJW 1962, 586. 5 Hinweis auf Risiken s. OLG Schleswig v. 15.3.1971 – 3 U 62/70, VersR 1972, 179. 6 Soergel/Mayer, § 17 BeurkG Rz. 4. 7 BGH v. 23.3.1971 – VI ZR 177/69, BGHZ 56, 26; BGH v. 24.2.1976 – II ZR 118/74, DNotZ 1976, 629.
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Formen letztwilliger Verfügung
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Rz. 133 B II
Beratungshinweis: Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge will H seiner Tochter ein Haus schenken. Das Haus ist der einzige Vermögensgegenstand des H. Der beurkundende Notar sollte hier, auch aus steuerrechtlichen Gründen, auf die Aufnahme einer Rückübertragungsklausel hinweisen. Fehlt es an einer Rückübertragungsklausel, stellt die Rückübertragung eines Geschenks in der Regel erneut eine steuerpflichtige Schenkung dar, für welche der Beschenkte die Steuer zu entrichten hat!
Des Weiteren hat der Notar eine Belehrungspflicht über das Pflichtteilsrecht. Schließt der Erblasser einen Abkömmling oder den Ehegatten aus, so hat der Notar den Testierer darüber zu belehren, dass gesetzlich bestimmte Pflichtteilsansprüche bestehen1.
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Auch auf das Pflichtteilsrecht eines nichtehelichen Kindes gegenüber seinem Vater ist hinzuweisen, wenn der Notar Anhaltspunkte für einen entsprechenden Sachverhalt sieht. Ein Vermerk über die Belehrung sollte in die Niederschrift zum einen aus haftungsrechtlichen Gründen, zum anderen, um eine Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten gem. § 2079 BGB zu verhindern, aufgenommen werden, da die Anfechtung auch bei einem Rechtsirrtum über das Pflichtteilsrecht eines dem Erblasser bekannten Berechtigten zulässig ist2. Daneben zählt es zu den Pflichten des Notars, festzustellen, ob Bindungen des Erblassers an andere Verfügungen von Todes wegen bestehen. Es genügt die Nachfrage des Notars, ob gemeinschaftliche Testamente oder Erbverträge vorhanden sind, aus denen sich Verpflichtungen ergeben könnten3. Nur soweit der Notar Zweifel an der Rechtswirksamkeit der letztwilligen Verfügung aufgrund fehlender Testierfreiheit hat, besteht eine weitergehende Aufklärungs- und Belehrungspflicht4.
131
ff) Die Genehmigung der Niederschrift (1) Vorlesen Die gesamte Niederschrift muss gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG in Gegenwart 132 des Notars vorgelesen, genehmigt und unterschrieben werden5. Das zwingend vorgeschriebene Vorlesen kann nicht durch lautes Diktat ersetzt werden. Sinn dieser Vorschrift ist es, dem Erblasser vor Genehmigung der Niederschrift die erneute Gelegenheit zu geben, den Inhalt der Niederschrift zu überprüfen6. Vorzulesen sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 3, § 13 Abs. 1 BeurkG auch solche Schriftstücke, auf welche die Niederschrift verweist oder die ihr beigefügt sind. Zeichnungen oder Abbildungen, auf die in der Urkunde verwiesen wird, 1 2 3 4 5 6
Dittmann/Reimann/Bengel, § 17 BeurkG Rz. 10. Palandt/Edenhofer, § 2079 BGB Rz. 4. Reithmann/Albrecht, Rz. 1114. BGH v. 20.7.1973 – VI ZR 145/71, Rpfleger 1974, 59. BayObLG v. 20.7.1973 – BReg. Z 34/73, BayObLGZ 1973, 213. MüKo/Hagena, § 2232 BGB Rz. 95.
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B II Rz. 134
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sind ihr förmlich beizufügen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 BeurkG) und dem Testierer anstelle des Vorlesens zur Durchsicht vorzulegen (§ 13 Abs. 1 BeurkG). Handelt es sich bei dem Schriftstück, auf welches verwiesen wurde, um eine andere notarielle Niederschrift, kann gem. § 13a BeurkG auf das Vorlesen und Beifügen verzichtet werden1. 134
Das Vorlesen ist auch durch eine Hilfsperson möglich, muss aber in Gegenwart des Notars und der Beteiligten erfolgen2. Wird das Vorlesen unterlassen, so leidet die Verfügung von Todes wegen an einem unheilbaren Formfehler, der zur Nichtigkeit des Testaments führt3. Auf Verlangen soll das Testament dem Testierer vor der Genehmigung auch zur Durchsicht vorgelegt werden (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BeurkG). Dem hörbehinderten Erblasser muss die Niederschrift gem. § 23 BeurkG zur Durchsicht und Prüfung vorgelegt werden. (2) Genehmigung der Niederschrift
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Nach dem Vorlesen muss die Niederschrift in Gegenwart des Notars und eventuell eines Zeugen (§ 25 Satz 1 BeurkG) oder einer Vertrauensperson (§ 24 BeurkG) vom Erblasser genehmigt werden. Die Genehmigung muss erkennbar zum Ausdruck gebracht werden. Nur der Testierer kann die Niederschrift genehmigen, nicht auch die Überwachungsperson, da diese nur Mittler- bzw. Kontaktfunktion ausübt4.
136
Genehmigung bedeutet, der Erblasser muss sein Einverständnis mit dem Inhalt der Niederschrift erklären. Die Form der Genehmigung ist nicht vorgeschrieben. Die Genehmigung kann nicht nur durch ausdrückliche Erklärung, sondern auch in jeder anderen unmissverständlichen Weise zum Ausdruck gebracht werden, wie durch Zeichen oder Gebärden, insbesondere z.B. durch Kopfnicken oder widerspruchslose Unterzeichnung. Voraussetzung ist, dass diese Zeichen über den Genehmigungswillen keinen Zweifel lassen5. Das einfache Anhören mit unbewegter Miene reicht jedoch nicht6. Notwendig ist in jedem Fall die Unterschrift des Testierers. (3) Unterschrift des Testierers
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Die Niederschrift ist sodann vom Testierer eigenhändig und in Gegenwart des Notars und der Beteiligten zu unterschreiben (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG). Grundsätzlich hat der Erblasser mit dem Vor- und Familiennamen zu unterschreiben7. 1 2 3 4 5 6
Palandt/Edenhofer, § 2232 BGB Rz. 6. Winkler, § 13 BeurkG Rz. 5, 8. BayObLG v. 20.7.1979 – 1 Z 119/78, Rpfleger 1979, 458 (459). Winkler, BeurkG, § 13 BeurkG Rz. 43. Winkler, BeurkG, § 13 BeurkG Rz. 41; Burkart, DNotZ 1989, 588. BayObLG v. 31.8.1965 – BReg. 1b Z 45/65, BayObLGZ 1965, 341 (346) = NJW 1966, 563. 7 Nieder, Rz. 1062.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 145 B II
Die Unterschrift mit einem Handzeichen ist nicht möglich, da § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG im Gegensatz zu § 126 Abs. 1 BGB diese Möglichkeit nicht vorsieht. Die Unterschrift muss jedoch nicht lesbar sein. Es genügt ein die Unterschrift kennzeichnender individueller Schriftzug mit charakteristischen Merkmalen1.
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Wurde mit dem Vor- und Familiennamen unterschrieben, genügt es, wenn der Vorname ohne Unterstützung geschrieben und beim Nachnamen Schreibhilfe geleistet wurde2. Der Erblasser kann bei der Unterschrift durch einen Dritten unterstützt werden. Der Dritte darf jedoch nur behilflich sein; die Unterschrift muss noch individuell vom Erblasser herrühren3.
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Wird die Niederschrift eigenhändig durch den Erblasser unterschrieben, wird nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BeurkG vermutet, dass sie in Gegenwart des Notars vorgelesen, soweit notwendig zur Durchsicht vorgelegt und von den Beteiligten genehmigt wurde.
140
Stellt sich die Schreibunfähigkeit erst beim Versuch zu unterschreiben heraus, reicht es, den Schreibzeugen hinzuzuziehen (§ 25 Satz 1 BeurkG). Die Niederschrift muss dann jedoch in Anwesenheit des Schreibzeugen erneut vorgelesen und genehmigt werden4.
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Schreiben i.S.d. § 25 Satz 1 BeurkG stellt ausschließlich auf das Schreiben des eigenen Namens ab. Es bedeutet aber nicht, dass der Erblasser darüber hinausgehende Schreib- oder auch Lesefähigkeiten haben muss5. Daher sind Analphabeten und Blinde, die nur ihren Namen schreiben können, schreibfähig i.S.d. § 25 BeurkG6.
142
Der im Falle des § 25 BeurkG zugezogene Zeuge oder zweite Notar muss, auch wenn ein Fall der Zuziehung nach § 22 oder § 29 BeurkG gegeben ist, die Niederschrift unterschreiben (vgl. § 25 Satz 2 BeurkG).
143
Stirbt der Testator oder wird er testierunfähig, bevor er selbst oder der gem. § 25 BeurkG zugezogene Schreibzeuge für ihn unterschrieben hat, ist das Testament nichtig, da ein zwingendes Merkmal der Niederschrift gem. § 25 BeurkG fehlt7.
144
Problematisch sind die Fälle, in denen der Notar oder die Zeugen bei Tod des Erblassers noch nicht unterschrieben haben.
145
Einigkeit besteht dahin gehend, dass Notare und Zeugen die Urkunde nicht in Gegenwart des Erblassers unterschreiben müssen, anders als die Schreib-
1 2 3 4 5 6 7
MüKo/Hagena, § 2232 BGB Rz. 121. MüKo/Hagena, § 2232 BGB Rz. 120; Nieder, Rz. 1062. BayObLG v. 15.1.1987 – BReg. 1 Z 62/86, Rpfleger 1987, 358. Dittmann/Reimann/Bengel, § 25 BeurkG Rz. 9. Dittmann/Reimann/Bengel, § 25 BeurkG Rz. 4. Soergel/Mayer, § 25 BeurkG Rz. 1. BGH v. 30.10.1956 – V ZB 17/59, BGHZ 31, 136.
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B II Rz. 146
Formen letztwilliger Verfügung
zeugen. Sie können dies auch noch nachholen, wenn der Erblasser verstorben oder testierunfähig geworden ist1. Umstritten ist jedoch, innerhalb welcher zeitlicher Grenzen der Notar seine Unterschrift nachholen darf. Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten, die jedoch insoweit übereinstimmen, als der letzte mögliche Termin die Eröffnung des Testaments ist2. 146
Nach § 35 BeurkG ersetzt bei nach dem 1.1.1970 errichteten Verfügungen von Todes wegen die Unterschrift des Notars auf dem Testamentsumschlag seine fehlende Unterschrift unter der Niederschrift3. Fehlt auch diese, ist die Beurkundung unwirksam. gg) Die Verwahrung des Testaments
147
Der Notar soll das Testament nach § 34 BeurkG in einen Umschlag geben und diesen mit dem Prägesiegel verschließen. Auf dem Umschlag wird der Erblasser seiner Person nach näher bezeichnet und angegeben, wann das Testament errichtet worden ist. Diese Aufschrift unterschreibt der Notar. Nicht notwendig ist, dass dieses in Gegenwart des Erblassers geschieht4. Wie der Testamentsumschlag auszusehen hat, ist im Muster von Anlage 1 der bundeseinheitlichen AV über die Benachrichtigungen in Nachlasssachen i.d.F. v. 30.11.1979 festgelegt5.
148
Der Notar hat weiter zu veranlassen, dass das Testament unverzüglich in besondere amtliche Verwahrung gebracht wird (§ 34 BeurkG). Für die besondere amtliche Verwahrung sind die Amtsgerichte nach § 2258a Abs. 1 BGB sachlich zuständig6. Ein Anspruch des Notars, seine Ablieferungspflicht stets durch Einreichen des beurkundeten Testaments bei dem Amtsgericht erfüllen zu können, in dessen Bezirk sich sein Amtssitz befindet, lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten7. In Baden-Württemberg sind die Notariate für die besondere amtliche Verwahrung zuständig8, wobei sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Amtssitz des Notars richtet. Ein Verstoß gegen § 34 BeurkG beeinträchtigt nicht die Wirksamkeit der Beurkundung. b) Ausschluss eines Notars
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Es gibt gesetzlich normierte Fälle, in denen der Notar von der Beurkundung einer Willenserklärung ausgeschlossen ist. Beurkundet der Notar die Willenserklärung dennoch, so ist diese Verfügung von Todes wegen ganz oder teilweise unwirksam. 1 2 3 4 5 6 7 8
Dittmann/Reimann/Bengel, § 13 BeurkG Rz. 48, 49. Dittmann/Reimann/Bengel, § 13 BeurkG Rz. 52. Dittmann/Reimann/Bengel, § 35 BeurkG Rz. 2 ff. Winkler, § 34 BeurkG Rz. 7. Fordstecker, DNotZ 1980, 65. MüKo/Hagena, § 2258a BGB Rz. 6; Staudinger/Baumann, § 2258a BGB Rz. 5 ff. OLG Brandenburg v. 19.6.2007 – 3 Wx 4/07, ZEV 2008, 288. Soergel/Mayer, § 2258a BGB Rz. 4; Staudinger/Baumann, § 2258a BGB Rz. 6.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 154 B II
aa) Vorschriften, durch deren Verletzung die Verfügung insgesamt unwirksam wird Für die Beurkundung von Verfügungen von Todes wegen hat § 6 BeurkG die §§ 2234, 2276 BGB a.F. abgelöst. Danach darf der Notar keine Verfügungen von Todes wegen beurkunden, bei denen als Erblasser folgende Personen beteiligt sind (§ 6 Abs. 1 BeurkG):
150
– er selbst (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG), – sein derzeitiger Ehegatte (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BeurkG), – sein Lebenspartner (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BeurkG), – ein mit ihm in gerader Linie Verwandter (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 BeurkG) oder – ein Vertreter, der für eine der genannten Personen handelt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 BeurkG). Gegenüber den §§ 2234, 2276 BGB a.F. ist der in § 6 Abs. 1 BeurkG aufgezählte Katalog eingeschränkt worden. So führt beispielsweise die Beteiligung eines früheren Ehegatten nicht mehr zur Unwirksamkeit der Verfügung. Eine Beurkundung, die entgegen § 6 BeurkG vorgenommen wurde, ist immer insgesamt unwirksam. Insbesondere können die an der Beurkundung Beteiligten nicht auf die Anwendung der Vorschrift verzichten.
151
Die Unwirksamkeit der Urkunde kann jedoch nur in dem Verfahren geltend gemacht werden, in dem die Urkunde verwendet werden soll. Ob die Unwirksamkeit der beurkundeten Verfügung von Todes wegen auch die Unwirksamkeit der gegenständlichen Willenserklärung zur Folge hat, ist nach materiellem Recht zu beurteilen. Zu prüfen ist hier, ob die Verfügung von Todes wegen auch ohne die öffentliche Beurkundung wirksam wäre1.
152
bb) Vorschriften, durch deren Verletzung die Verfügung teilweise unwirksam wird An die Stelle der §§ 2235, 2276 BGB a.F. ist § 7 BeurkG i.V.m. § 27 BeurkG getreten. Eine entgegen § 7 BeurkG vorgenommene Beurkundung ist jedoch im Gegensatz zu einer entgegen § 6 BeurkG vorgenommenen nicht insgesamt unwirksam, sondern nur insoweit, als sie darauf gerichtet ist, einer der dort genannten Personen einen rechtlichen Vorteil zu verschaffen.
153
Danach dürfen infolge der Beurkundung keinen rechtlichen Vorteil erlangen:
154
– der Notar selbst (§ 7 Nr. 1 BeurkG), – sein derzeitiger oder früherer Ehegatte (§ 7 Nr. 2 BeurkG), – sein derzeitiger oder früherer Lebenspartner (§ 7 Nr. 2a BeurkG) oder
1 Jansen, § 6 BeurkG Rz. 11.
Esser
131
B II Rz. 155
Formen letztwilliger Verfügung
– Personen, die mit dem Notar in gerader Linie verwandt oder verschwägert oder in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren (§ 7 Nr. 3 BeurkG). 155
Rechtlicher Vorteil i.S.d. § 7 BeurkG ist alles, was die Rechtsstellung des Betreffenden verbessert1. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ist nach § 27 BeurkG ein rechtlicher Vorteil insbesondere die Ernennung zum Testamentsvollstrecker und das Bedenken in einer Verfügung von Todes wegen. cc) Vorschriften, deren Verletzung nicht zur Unwirksamkeit der Verfügung führen
156
Der Notar soll nach § 3 Abs. 1 BeurkG keine Verfügung von Todes wegen beurkunden, an der als Testierer Personen i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BeurkG in ihren Rechten und Pflichten unmittelbar betroffen sind. Die hier aufgeführten Ausschließungsgründe führen nicht zur Unwirksamkeit der Beurkundung. Gleichwohl ist der Notar an § 3 BeurkG gebunden, da es sich hierbei um eine zwingende Amtspflicht handelt2. c) Errichtung und Übergabe einer offenen Schrift aa) Die offene Schrift
157
Nach § 2232 BGB kann ein öffentliches Testament zur Niederschrift eines Notars auch dadurch errichtet werden, dass der Erblasser dem Notar eine offene Schrift mit der Erklärung übergibt, dass diese Schrift seinen letzten Willen enthält. Der Notar hat gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 BeurkG in der Niederschrift die Übergabe der Schrift festzuhalten und die Schrift der Niederschrift beizufügen.
158
Die Schrift muss, im Gegensatz zum eigenhändigen Testament, nicht vom Erblasser selbst geschrieben werden (§ 2232, Satz 2, 2. Halbs.)3. Auch ein mit Schreibmaschine oder am Computer verfasstes Schriftstück erfüllt die an eine offene Schrift gestellten Voraussetzungen. Entscheidend ist lediglich, dass es sich um eine für Dritte lesbare schriftliche Aufzeichnung handelt.
159
Zudem muss auch die offene Schrift im Beurkundungstermin nicht mitverlesen werden.
Û
Beratungshinweis: Die Errichtung eines öffentlichen Testaments durch Übergabe einer offenen Schrift eignet sich insbesondere für solche Fälle, in denen das Testament von einem anderen Rechtskundigen als dem Notar, beispielsweise von einem Rechtsanwalt, verfasst wurde, oder auch für die Protokollierung umfangreicher, im Vorfeld bereits ausführlich be-
1 Dittmann/Reimann/Bengel, § 7 BeurkG Rz. 5; RG v. 4.3.1916 – V 404/15, RGZ 88, 147; 155, 172. 2 BGH v. 25.5.1984 – V ZR 13/83, DNotZ 1985, 231. 3 Ebenroth, Rz. 202.
132
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 165 B II
sprochener Verfügungen von Todes wegen. Die Form des öffentlichen Testaments bietet sich auch dann an, wenn Zeugen zugezogen werden müssen, die jedoch vom Inhalt der letztwilligen Verfügung nichts erfahren sollen1. Im Gegensatz zur Errichtung durch Übergabe einer geschlossenen Schrift nimmt der Notar hier jedoch noch Kenntnis vom Inhalt der Schrift, was insbesondere zu Rechtsbelehrungspflichten des Notars gegenüber dem Testierenden führt.
160
Für Minderjährige zwischen 16 und 18 Jahren ist nach § 2233 Abs. 1 BGB die Errichtung eines Testaments nur durch Übergabe einer offenen Schrift oder durch mündliche Erklärung möglich. Auch wer das 18. Lebensjahr bereits vollendet hat, aber nicht hinreichend sprechen kann, muss durch Übergabe einer offenen Schrift testieren.
161
Voraussetzung für die Errichtung eines Testaments durch Übergabe einer offe- 162 nen Schrift ist die mündliche Erklärung des Erblassers, die Schrift enthalte seinen letzten Willen (§ 2232 Abs. 1 BGB), wobei es auf den gewählten Wortlaut nicht ankommt2. Es genügt, wenn er die Worte „Das ist mein Testament“ nachspricht3 oder die Frage danach mit „Ja“ beantwortet4. Nach h.M. muss der Erblasser in der Lage sein, die Schrift zu entziffern. Unerheblich ist, ob die Schrift mit Schreibmaschine, in Stenografie oder in sonstiger Weise hergestellt ist. Die Abfassung in fremder Sprache oder in ungewöhnlichen Schriftzeichen (Chiffrieren) ist ebenfalls zulässig, sofern nur der Erblasser die Verfügung versteht und lesen (nicht notwendig schreiben) kann5.
163
Der Erblasser muss den Inhalt kennen6, da bei Unkenntnis des Inhalts – trotz Beachtung der erforderlichen Form – kein erklärter letzter Wille des Erblassers vorliegt.
164
Nach beiden Ansichten genügt jedoch, wenn der Erblasser die Kenntnis von seiner letztwilligen Verfügung dem Notar bestätigt bzw. die Möglichkeit der Einsichtnahme hat. Der Notar jedoch muss die Schrift nicht verstehen, § 30 Satz 4 BeurkG. Sie kann daher auch in einer Sprache verfasst sein, die der Notar nicht beherrscht7. Die Schrift muss mit Willen des Erblassers in die Hand des Notars gelangen8. 1 2 3 4 5 6 7 8
Haegele, Rpfleger 1969, 414 (416 f.). Brox, Rz. 108. RG v. 25.9.1924 – IV 25/24, JW 1925, 357 ff. Brox, Rz. 108; Ebenroth, Rz. 202; MüKo/Hagena, § 2232 BGB Rz. 107. Soergel/Mayer, § 2232 BGB Rz. 17; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2232 BGB Rz. 17. Palandt/Edenhofer, § 2232 BGB Rz. 6; MüKo/Hagena, § 2232 BGB Rz. 24. MüKo/Hagena, § 2232 BGB Rz. 19, Dittmann/Reimann/Bengel, § 2232 BGB Rz. 16. RG v. 25.9.1924 – IV 25/24, JW 1925, 357 ff.; RG v. 3.2.1936 – IV 139/35, RGZ 150, 189; Staudinger/Baumann, § 2232 BGB Rz. 35.
Esser
133
165
B II Rz. 166
Formen letztwilliger Verfügung
bb) Pflichten des Notars 166
Der Notar soll von dem Inhalt der offenen Schrift Kenntnis nehmen, soweit er die Sprache, in der diese verfasst wurde, beherrscht (§ 30 Satz 4 BeurkG). Über Fehler und mögliche negative Folgen der Verfügung hat er gem. § 17 BeurkG zu belehren (§ 30 Satz 4 BeurkG).
167
Er ist verpflichtet, die Anordnungen des Erblassers auf ihre Rechtswirksamkeit hin zu prüfen. Auftretenden Zweifeln hat er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nachzugehen. Bestehen mehrere rechtlich zulässige Möglichkeiten, den Willen des Erblassers zu verwirklichen, hat der Notar dem Testierenden die sicherste und praktikabelste zu empfehlen. Soweit er von der Unwirksamkeit der Anordnung überzeugt ist, hat er seine Mitwirkung zu verweigern. Für Schäden, die einem Bedachten aus Unklarheiten des Testaments oder versäumter Belehrung entstehen, kann sich der Notar schadenersatzpflichtig machen.
168
Nach § 30 Satz 2 BeurkG hat der Notar die ihm übergebene Schrift so zu kennzeichnen, dass sie nicht verwechselt werden kann. Die Kennzeichnung kann dabei entweder durch angebrachte Zeichen oder durch ihre Beschreibung im Protokoll erfolgen. Die übergebene Schrift soll nach § 30 Satz 5 BeurkG der Niederschrift beigefügt werden. Sie wird durch die Übergabe jedoch nicht Teil der Niederschrift und muss daher auch nicht vorgelesen werden.
169
Wie bei dem durch mündliche Erklärung errichteten Testament soll der Notar auch bei der offenen Schrift gem. § 34 Abs. 1 BeurkG die Niederschrift und das übergebene Schriftstück in einen Testamentsumschlag versiegeln und unverzüglich in die besondere amtliche Verwahrung bringen. d) Errichtung eines öffentlichen Testaments durch Übergabe einer verschlossenen Schrift
170
Bei der Errichtung eines öffentlichen Testaments durch Übergabe einer verschlossenen Schrift wird das verschlossene Schriftstück gem. § 2232 BGB dem Notar durch den Erblasser mit der Erklärung übergeben, dass es seinen letzten Willen enthalte. Wie bereits bei der offenen Schrift hat der Notar auch hierüber eine Niederschrift zu verfassen. Die Niederschrift muss die Feststellung enthalten, dass die Schrift übergeben wurde. Ebenso sollte die verschlossene Schrift so gekennzeichnet werden, dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist. Die übergebene geschlossene Schrift ist sodann der Niederschrift beizufügen (§ 30 BeurkG).
171
Der Vorteil der verschlossenen Schrift ist, dass der letzte Wille des Erblassers auch gegenüber dem Notar geheim gehalten wird. Denn während dieser von dem Inhalt einer offenen Schrift Kenntnis nehmen soll, darf er es bei einer verschlossenen Schrift ohne den Willen des Erblassers nicht1. 1 Brox, Rz. 109.
134
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 176 B II
Der Erblasser verzichtet damit auf eine Rechtsbelehrung. Der Notar ist jedoch 172 berechtigt, den Erblasser über den Inhalt der Schrift zu befragen und ihn auf mögliche Bedenken hinzuweisen1. Es empfiehlt sich, in die Niederschrift die Belehrung des Erblassers darüber aufzunehmen, dass durch seine eventuell fehlenden Rechtskenntnisse die mit dem Testament verfolgten Ziele möglicherweise nicht erreicht werden können. Wurde der Hinweis nicht in der Niederschrift aufgenommen, kann hierauf jedoch keine Haftung des Notars gestützt werden2.
Û
Beratungshinweis: Der Notar sollte in der Niederschrift auch die Versicherung des Erblassers festhalten, dass er den beurkundenden Notar weder bedacht noch zum Testamentsvollstrecker ernannt hat, da die Unwirksamkeit einer solchen Verfügung oder Ernennung nach § 27 BeurkG unabhängig davon eintritt, ob der Notar davon Kenntnis hatte3.
Im Übrigen folgt die Testamentserrichtung durch Übergabe einer verschlossenen Schrift entsprechend der einer Errichtung durch Übergabe einer offenen Schrift. e) Kostenregelung, §§ 46, 141 KO Für das notarielle Testament wird eine volle Gebühr nach dem Wert des Vermögens, über das der Erblasser zum Zeitpunkt des Testiervorgangs verfügt, erhoben (§§ 32, 46, 140 KostO). Spätere Wertsteigerungen oder Wertminderungen des Vermögens bleiben unberücksichtigt. Hinzu kommen noch die Dokumentenpauschale gem. § 136 KostO und die sonstigen Auslagen gem. § 137 KostO. Für die Verwahrung des Testaments fällt eine Viertel Gebühr ebenfalls nach dem Vermögenswert an, § 101 KostO.
173
Für die Beurkundung eines notariellen gemeinschaftlichen Testaments gem. § 2265 ff. BGB wird das Doppelte der vollen Gebühr erhoben (§§ 32, 46 Satz 1, 1. Halbs., 140 KostO), zuzüglich Auslagen, Umsatzsteuer und einem Viertel Verwahrungsgebühr.
174
f) Die Haftung des Notars Der Notar haftet gem. § 19 BNotO für Amtspflichtverletzungen persönlich, unmittelbar und unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen. Dies gilt auch, soweit die Pflichtverletzungen von seinen Mitarbeitern verursacht worden sind. Die Haftung des Notarvertreters und des Notarverwesers ist in den §§ 46, 57 BNotO geregelt.
175
Pflichtverletzungen der Notare im baden-württembergischen Bezirksnotariat (§§ 114, 115 BNotO) unterliegen der Staatshaftung nach Art. 34 GG i.V.m.
176
1 Winkler, § 30 BeurkG Rz. 10. 2 Nieder, Rz. 1072; Boehmer, DNotZ 1940, 144 f. 3 Nieder, Rz. 1072.
Esser
135
B II Rz. 177
Formen letztwilliger Verfügung
§ 839 BGB1. Das Land haftet nun auch bei Pflichtverletzungen der Notare im Landesdienst uneingeschränkt subsidiär. Die Rückgriffshaftung der staatlichen Notare bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstößen ist in § 96 Abs. 2 LBG geregelt.
3. Das eigenhändige Testament 177
Neben dem notariellen Testament sieht das Gesetz in § 2247 BGB die Form des eigenhändigen Testaments vor. In diesem errichtet der Erblasser sein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung. Soweit durch den Erblasser überhaupt ein Testament errichtet wird, ist diese Form der Errichtung immer noch die am häufigsten gewählte.
178
Zu beachten ist, dass Minderjährige oder Leseunfähige nach § 2247 Abs. 4 BGB kein eigenhändiges Testament errichten können.
179
Der Vorteil eines eigenhändigen Testaments ist seine bequeme, jederzeit mögliche Errichtung, ohne dass dadurch Kosten entstehen. Der Erblasser kann sein Testament selbst ändern und so auf plötzliche Veränderungen der persönlichen Verhältnisse unmittelbar reagieren. Zudem muss er bei einer in der Form des eigenhändigen Testaments errichteten letztwilligen Verfügung seine Vermögens- und Familienverhältnisse einem Dritten gegenüber nicht offen legen.
Û 180
Beratungshinweis: Der Nachteil des eigenhändigen Testaments ist die Verfälschungs- und Untergangsgefahr sowie die Gefahr der Unterdrückung oder der Unauffindbarkeit.
Zudem besteht die Gefahr, insbesondere infolge mangelnder Kenntnisse über das Erbrecht, dass fehlerhafte Anordnungen von Todes wegen errichtet werden, die in ihrer Umsetzung gerade nicht den letzten Willen des Erblassers erreichen: Fehlende Beachtung des Pflichtteilsrechts, mehrdeutige Formulierungen, nicht berücksichtigte Vorabschenkungen und insbesondere auch die oft übersehene steuerrechtliche Optimierung der letztwilligen Verfügung lassen das eigenhändige Testament häufig zum Gegenstand erbrechtlicher Auseinandersetzungen werden. Gerade beim eigenhändigen Testament sollte daher nicht auf die fachliche Beratung bei der Gestaltung der letztwilligen Verfügung durch einen Rechtsanwalt verzichtet werden.
181
Ein bestimmter Inhalt ist für die Wirksamkeit des eigenhändigen Testaments nicht vorgeschrieben. Es genügt, wenn das Schriftstück eine nach dem Tod des Erblassers zu beachtende Willenserklärung enthält2.
1 Schippel, BNotO, § 19 BeurkG Rz. 114. 2 BayObLG v. 20.12.1985 – 1 Z 81/85, FamRZ 1986, 730.
136
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 185 B II
a) Der Testierwille des Erblassers Das Testament ist eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklä- 182 rung. Es ist nur wirksam, wenn der Erblasser bei seiner Errichtung einen ernsthaften Testierwillen hatte1. Ob dieser vorliegt, ist oft zweifelhaft. Er liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Erblasser bewusst war, dass seine Äußerung eine rechtsverbindliche Erklärung des letzten Willens darstellt und wenn der Wille des Erblassers, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, vorhanden gewesen ist (rechtsverbindliche Willenserklärung)2. Ein Testament, das der Erblasser ohne das Bewusstsein errichtet hat, dass es sich hierbei um eine Verfügung von Todes wegen handelt, ist daher unwirksam. Der Erblasser muss auch eine rechtsverbindliche Anordnung für den Fall seines Todes treffen wollen (Wille zur Rechtsverbindlichkeit)3. Deshalb reicht eine Erklärung, die keine auf den Tod bezogene Verfügung enthält, nicht aus. Der Erblasser muss seine Erklärung ernstlich wollen (ernstlicher Wille).
183
Beispiel: So ist z.B. bei einer Niederschrift auf ein Tischtuch oder einen Bierdeckel der ernstliche Testierwille erheblich in Frage gestellt. Ebenso bei einem Testament, das in Form eines Briefes an einen Dritten verfasst wurde. Kein sicher feststellbarer Testierwille soll auch dann vorliegen, wenn auf einem eigenhändig geschriebenen und unterzeichneten Notizzettel die Aufforderung, „anliegende“ Unterlagen dem Notar zu geben, „damit der Erbschein für Dich ausgestellt werden kann“4 steht. Sowohl die äußere Form, als auch die Handlungsanweisung sprächen gegen einen Testierwillen. Ein geheimer Vorbehalt hinsichtlich der letztwilligen Verfügung ist nach § 116 Satz 1 BGB unbeachtlich. Die Nichtigkeit eines Testaments nach § 116 Satz 2 BGB oder § 117 BGB kommt nicht in Betracht, da es an einem Erklärungsempfänger (nicht empfangsbedürftige Willenserklärung!) fehlt, der den Vorbehalt kennt oder der mit der Abgabe einer Willenserklärung zum Schein einverstanden ist5. Deshalb fordert das Verkehrsinteresse, dass an der einmal in Verkehr gebrachten ernsthaften Willenserklärung des Erblassers, die als letztwillige Verfügung verstanden werden durfte, festgehalten wird6.
184
Ein Testament ist jedoch dann nichtig, wenn es vom Erblasser in der Erwartung errichtet wurde, die fehlende Ernsthaftigkeit werde erkannt.
185
Beispiel: Erblasser T errichtet im Rahmen einer Silvesterparty auf einem Stück Papier ein Testament, in dem er seine Tischdame zur Alleinerbin einsetzt.
1 BayObLG v. 7.4.1989 – 1a Z 9/88, NJW-RR 1989, 1092; Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 4. 2 Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 15. 3 MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 5. 4 OLG München v. 25.9.2008 – 31 Wx 42/08, ZEV 2008, 596 f. 5 OLG Frankfurt v. 8.2.1993 – 27 U 124/81, FamRZ 1993, 858 (860); Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 21. 6 Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 21.
Esser
137
B II Rz. 186
Formen letztwilliger Verfügung
186
Ob der erforderliche Testierwille vorliegt, ist Tatfrage und erfordert eine Prüfung der Erklärung einschließlich aller Nebenumstände entsprechend § 133 BGB1. Deshalb müssen auch Umstände, die außerhalb der Urkunde liegen, sowie die allgemeine Lebenserfahrung beachtet werden. Liegt ein äußerlich formgültiges und inhaltlich vollständiges eigenhändiges Testament vor, so spricht die tatsächliche Vermutung dafür, dass der Erblasser seinen letzten Willen niederlegen wollte, er also Testierwillen hatte2.
187
Die Eigenhändigkeit des Testaments soll dazu dienen, Vorüberlegungen und Entwürfe von der endgültigen letztwilligen Verfügung abzugrenzen. Bestehen daher Zweifel, ist die Eigenhändigkeit der Errichtung ein Indiz dafür, dass es sich um ein formwirksam errichtetes Testament nach § 2247 Abs. 1 BGB handelt und nicht um einen unverbindlichen Entwurf.
Û
188
Beratungshinweis: Eine Willenserklärung, die auf einem abgerissenen Zettel festgehalten wurde oder in einem Schuhkarton verwahrt wird, ist im Zweifel der Entwurf einer letztwilligen Verfügung und kein formwirksam errichtetes eigenhändiges Testament.
Regelmäßig zweifelhaft ist der Testierwille bei Brieftestamenten und als „Entwurf“ bezeichneten Notizen. Zwar kann selbstverständlich auch ein Brief ein eigenhändiges Testament enthalten3. Da dies jedoch nicht der „normale“ Weg für die Errichtung eines Testaments ist, kann der Brief nur als eigenhändiges Testament angesehen werden, wenn unzweifelhaft nachgewiesen wird, dass ein ernsthafter Testierwille des Erblassers vorlag und es sich nicht nur um ein unverbindliches Schreiben mit Informationscharakter handeln sollte4. Da der Testierwille bei einem Brief zunächst zweifelhaft erscheint, muss er sich aus den Umständen des Einzelfalles ergeben5. Ein eigenhändiges Testament in Briefform ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Testierer ein besonderes Interesse daran haben konnte, sich gerade dieser Art der Übersendung an den Empfänger zu bedienen, um seinem letzten Willen zur Durchsetzung zu verhelfen. Beispiel: Die Errichtung eines Testaments in Form eines Briefes könnte gewählt werden, wenn die Gefahr besteht, dass ein Dritter das Testament verschwinden lassen will. Bei allen Briefen oder anderen Schriftstücken, die nicht den üblichen Anforderungen an ein eigenhändiges Testament entsprechen, sind daher besonders strenge Voraussetzungen an den Nachweis eines vorhandenen Testierwillens
1 BayObLG v. 21.7.1970 – 1a Z 108/69, BayObLGZ 1970, 173; BayObLG v. 5.2.1992 – 1 Z 28/91, FamRZ 1992, 1206. 2 Soergel/Mayer, § 2247 BGB Rz. 7; Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 19. 3 BayObLG v. 16.10.1980 – 1 Z 52/80, FamRZ 1981, 402. 4 BayObLG v. 28.12.1979, 1 Z 75/79, Rpfleger 1980, 189 (190); MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 24. 5 OLG Brandenburg v. 9.9.1997 – 10 Wx 9/97, FamRZ 1998, 985 (986).
138
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 193 B II
zu stellen1. Ist ein Testierwille nicht abschließend nachweisbar, trägt derjenige die Feststellungslast, der Rechte aus dem Schriftstück ableitet2. Ein mit „Entwurf“ überschriebenes, aber im Übrigen formgültiges Schriftstück kann als Testament wirksam sein, wenn nachgewiesen wird, dass der Erblasser es mit dem ernstlichen Willen verfasst hat, es bis zur Abfassung einer endgültigen Urkunde als vollumfänglich wirksame letztwillige Verfügung zu betrachten3.
189
Beispiel: Der Erblasser hält konkrete, nachvollziehbare und formgerecht aufgesetzte Verfügungen in einem z.B. als „Entwurf meines Testaments“ bezeichneten Schriftstück fest, welches er später als offene Schrift einem Notar im Rahmen des Beurkundungstermins übergeben möchte. Maßgeblich für die Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist der Wille des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments4. Problematisch wird die Feststellung des Testierwillens bei nachträglichen Änderungen und Ergänzungen sowie bei einem lückenhaften Testament.
190
Ist die nachträgliche Änderung offensichtlich vom Testierwillen gedeckt, so ist sie wirksam. Beispiel: „In Ergänzung zu meinem am 17.11.2000 in Fulda errichteten Testament vermache ich meiner Tochter A neben unserem Segelboot auch meine UhrenSammlung.“ Fehlt der Testierwille bei der Errichtung des Testaments, so reicht es bei spä- 191 teren Änderungen aus, wenn der zunächst fehlende Testierwille im Zeitpunkt der Änderung oder Ergänzung vorhanden ist, soweit er sich dann auch auf den gesamten Text erstreckt. Bei einer Lücke im Testament, z.B. der Name des Erben wurde ausgelassen, ist die Verfügung grundsätzlich unwirksam. Wirksam ist die Verfügung nur dann, wenn trotz der Auslassung ein Testierwille zweifelsfrei festgestellt werden kann. Verfügungen, die sich nicht auf den lückenhaften Text beziehen, bleiben wirksam.
192
b) Eigenhändigkeit der Niederschrift Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines privatschriftlichen eigenhändigen Testaments sind die eigenhändige Niederschrift durch den Erblasser und die 1 Nieder, Rz. 1075. 2 Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 5; KG v. 6.11.1990 – 1 W 2992/90, OLGZ 1991, 144. 3 BayObLG v. 21.7.1970 – 1a Z 108/69, BayObLGZ 1970, 173 = NJW 1970, 2300. 4 BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 4/80, BGHZ 80, 242; BayObLG v. 23.5.1995 – 1 Z BR 128/94, NJW 1996, 133 f.
Esser
139
193
B II Rz. 194
Formen letztwilliger Verfügung
eigenhändige Unterschrift1. Der Erblasser muss den gesamten Wortlaut des Testamens selbst mit der Hand schreiben. Diese zwingenden Formerfordernisse können nicht umgangen werden, beispielsweise indem Dritte hierfür durch den Erblasser beauftragt werden2 und für diesen ein Testament niederschreiben. aa) Zwingende Formvorschrift 194
Durch die Eigenhändigkeit soll die Echtheit der Urkunde aufgrund der individuellen Merkmale, welche die Handschrift eines jeden Menschen aufweist, nachgewiesen werden3. Der Erblasser muss die gesamte Testamentserklärung eigenhändig geschrieben haben (§ 2247 Abs. 1 BGB). Ist dies nicht der Fall, so ist das Testament nichtig. Ein mit der Maschine geschriebenes und vom Erblasser nur unterschriebenes Testament ist ebenso unwirksam errichtet worden wie eine nach Diktat des Erblassers durch eine dritte Person errichtete Niederschrift, die der Erblasser unterzeichnet hat. Auch die Verweisung auf Urkunden, die nicht der Testamentsform genügen, ist unzulässig. Andererseits kann eine Durchschrift, die mittels Kohlepapier oder Blaupause entsteht, formwirksam sein. Hier ist jedoch eine sorgfältige Prüfung der Echtheit geboten4.
195
Möglich ist auch, dass der Erblasser beim Schreiben seines Testaments von einem Dritten unterstützt wird, z.B. durch Halten des Arms oder der Hand. Eine bloße Unterstützung durch Dritte kann so lange angenommen werden, wie die Schriftzüge des Erblassers von seinem Willen abhängig sind und durch ihn bestimmt werden5.
196
Da der objektive Inhalt der Verfügung von einem Dritten zu ermitteln ist, muss der Text lesbar sein6. Ein nicht lesbares Testament ist nichtig und bleibt es auch, selbst wenn im Nachhinein seine Bedeutung anhand von Zeugenaussagen nachvollzogen werden kann7. Ein Erblasser, der nicht schreiben kann, hat daher auch nicht die Möglichkeit, ein eigenhändiges Testament zu errichten8.
197
Das Erfordernis der Eigenhändigkeit kann nicht durch Zeugen oder andere Hilfs- und Beweismittel ersetzt werden. Auch durch Auslegung kann die zwingende Formvorschrift der Eigenhändigkeit nicht nachträglich konstruiert werden. Der Begriff eigenhändig ist jedoch nicht buchstäblich zu verstehen: Behinderte können beispielsweise auch mit Prothese, einem Fuß oder ihrem Mund ein Schreibwerkzeug führen und so ihre letztwillige Verfügung schreiben. 1 2 3 4 5 6
Esch/Baumann/Schulze zur Wiesche, Handbuch der Vermögensnachfolge, Rz. 231. BayObLG v. 30.11.1989 – 1a Z 28/89, FamRZ 1990, 441 (442). BGH v. 3.2.1967 – III ZB 14/66, BGHZ 47, 68 (70). BGH v. 3.2.1967 – III ZB 14/66, BGHZ 47, 68 (69 ff.). BGH v. 3.2.1967 – III ZB 14/66, BGHZ 47, 68 (71). OLG Hamm v. 27.6.1991 – 15 W 116/91, Rpfleger 1991, 419 (420) = NJW-RR 1991, 1352 = FamRZ 1992, 356. 7 OLG Hamm v. 27.6.1991 – 15 W 116/91, FamRZ 1992, 356. 8 MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 14.
140
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 201 B II
Unzulässig sind dagegen Hilfsmittel, wie Schreibmaschine, Computer, Stempel, Fotokopien etc., da es hier an dem nötigen individuellen Schriftzug fehlt. Auch die inhaltliche Bezugnahme eines eigenhändigen Textteils, der lediglich der Feststellung der Urheberschaft dienen soll, aber keine letztwilligen Verfügungen enthält, auf einen vorangestellten maschinenschriftlichen Textteil reicht für die Wahrung der Testamentsform des § 2247 Abs. 1 BGB nicht aus1. Ist die Eigenhändigkeit strittig, kann das Gericht einen Schriftvergleich anordnen, selbst Augenschein durchführen oder ein Sachverständigengutachten einholen2.
198
bb) Sprache und Schriftzeichen Gleichgültig sind das Schreibmaterial, die Sprache oder die Schriftart (Druckbuchstaben, Kurzschrift), solange der Inhalt der letztwilligen Verfügung nur mit den üblichen Mitteln nachvollzogen werden kann. Das Testament muss verständlich sein und eine ernst gemeinte Erklärung des letzten Willens enthalten3.
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Das eigenhändige Testament kann in jeder lebenden oder toten Sprache geschrieben werden, die der Erblasser hinreichend beherrscht und lesen kann4. Nach einer anderen Auffassung soll es ausreichen, wenn der Erblasser das Testament von einer Vorlage in einer ihm fremden Sprache abschreibt5. Dieser sehr umstrittenen Auffassung kann nicht gefolgt werden, da ein beispielsweise durch einen Dolmetscher übersetztes Testament wenigstens Interpretationsfehler enthalten kann.
200
Strittig ist, ob ein in Blindenschrift geschriebenes Testament wirksam ist. Nach der herrschenden Meinung kann ein in Blindenschrift geschriebenes Testament nicht wirksam sein, da diese Punktschrift nicht die geforderten individuellen Merkmale einer Handschrift aufweist6. Ebenso können Schreibunfähige kein eigenhändiges Testament errichten. In diesen Fällen ist ein öffentliches Testament durch Übergabe einer Schrift nach § 2232 Satz 1 BGB möglich7.
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Zwar ist grundsätzlich unerheblich, auf welchem Material das Testament geschrieben wird8, doch kann aus der Wahl des Materials auch auf die Ernsthaftigkeit des Testierwillens geschlossen werden9.
1 2 3 4 5 6
OLG Hamm v. 10.1.2006, 15 W 414/05, FGPrax 2006, 168. BayObLG v. 10.9.1985 – 1 Z 49/85, NJW-RR 1986, 494. Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 24 ff. MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 12; Soergel/Mayer, § 2247 BGB Rz. 13. Lange/Kuchinke, § 19 III Rz. 42. Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 7; a.A. Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 31; RGRK-BGB/Kregel, § 2247 BGB Rz. 30; Lange/Kuchinke, § 20 IV 1c. 7 MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 13. 8 MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 13. 9 Nieder, Rz. 1078.
Esser
141
B II Rz. 202
Formen letztwilliger Verfügung
cc) Bezugnahme auf andere Schriftstücke 202
Da das eigenhändige Testament gem. § 2247 Abs. 1 BGB vom Erblasser selbst geschrieben werden muss, kann auch nur auf eigenhändig geschriebene und unterschriebene oder sich in der besonderen amtlichen Verwahrung befindliche öffentliche Testamente und den Erbvertrag Bezug genommen werden. Nur diese Formen letztwilliger Verfügungen unterliegen nicht den typischen Fälschungsgefahren maschinell geschriebener Dokumente1.
203
Nimmt der Text Bezug auf Anlagen, die der letztwilligen Verfügung beigefügt werden, so ist hinsichtlich deren Wirksamkeit wie folgt zu unterscheiden:
204
Dienen die Bezugnahmen der näheren Erläuterung der testamentarischen Bestimmungen, z.B. der Hinweis auf einen Katasterplan, so ist die Verweisung unproblematisch, da es sich lediglich um eine weitere Konkretisierung des formgültig erklärten wirklichen Willens des Erblassers handelt2. So muss etwa ein bereits existierender Plan nicht eigenhändig vom Testator erneut gezeichnet werden3.
205
Dasselbe gilt für eine maschinenschriftlich erstellte Auflistung der im eigenhändig geschriebenen Testament bereits erwähnten Vermögensgegenstände4. Es genügt, wenn der Erblasser in einem privatschriftlichen Testament über sein gesamtes Vermögen verfügt und dieser Urkunde eine Maschinen geschriebene Anlage mit näheren Erläuterungen beifügt5.
Û
Beratungssituation: Die Erblasserin hat ein formwirksames eigenhändiges Testament errichtet. In diesem Testament nimmt sie Bezug auf eine Maschinen geschriebene, mit Kennziffern versehene Aufstellung ihrer Schmuckstücke, die sie ihren Töchtern und Enkelinnen zukommen lassen möchte. Im Testament führt sie nur noch die entsprechenden Nummern auf.
Û
Beratungssituation: Setzt der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung „die in beigefügter Liste aufgeführten lebenden Verwandten“ als Schlusserben ein, kann bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung im Hinblick darauf, welche Personen mit dem gewählten Ausdruck bedacht sein sollen, eine dem Testament beigelegte Liste verwertet werden, selbst wenn die Liste als solche nicht der vorgeschriebenen Testamentsform entspricht6.
1 BayObLG v. 6.7.1990 – 1a Z 30/90, FamRZ 1990, 1404 (1405); Grundmann, AcP 187 (1987), 429 (468); MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 20. 2 BGH v. 29.5.1980 – IVa ZR 26/80, Rpfleger 1980, 337; BayObLG v. 10.7.1979 – 1 Z 28/79, BayObLGZ 79, 215. 3 Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 74. 4 OLG Zweibrücken v. 11.1.1989 – 3 W 177/88, NJW-RR 1989, 1413 = FamRZ 1989, 900. 5 MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 20. 6 OLG Hamm v. 1.10.2002, NJW 2003, 2391 = ZEV 2003, 417.
142
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 210 B II
Bezieht sich der Erblasser auf ein Testament, welches durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung unwirksam geworden ist, wird der Form nur dann genügt, wenn es sich um ein eigenhändiges Testament handelt, das den hierfür geltenden Formerfordernissen entspricht1.
206
Werden aber Erben durch die Bezugnahme auf ein nicht eigenhändig geschriebenes Schriftstück eingesetzt oder Vermächtnisse auf diese Weise zugewandt, kann das nach den Grundsätzen der §§ 2085, 139 BGB die Nichtigkeit der gesamten letztwilligen Verfügung bewirken2. Gleiches gilt, wenn sich aus der Bezugnahme überhaupt erst der Testierwille des Erblassers ergibt3.
207
Tritt bei einem gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament ein Ehegatte der formnichtigen (weil nicht unterschriebenen) Haupterklärung des anderen Ehegatten bei, führt die unterschriebene Beitrittserklärung nicht zur Heilung des Formmangels und stellt keine zulässige Bezugnahme dar4. Das gemeinschaftliche Testament wäre insgesamt unwirksam. Die Umdeutung nach § 140 BGB in ein formwirksames Einzeltestament ist gerade bei Beitrittserklärungen in der Regel auch nicht möglich.
208
dd) Lesbarkeit und Zusammengehörigkeit der einzelnen Schriftstücke des Testaments Unlesbare Teile des Testaments machen die dort enthaltenen Verfügungen unwirksam5. Ist das gesamte Testament bereits bei Errichtung objektiv völlig unlesbar, so liegt keine Erklärung im Rechtssinn vor; das Testament ist nichtig und bleibt es auch dann, wenn seine Bedeutung durch Umstände außerhalb der Urkunde ermittelt werden könnte6. Ist die Urkunde lediglich vom Erblasser verschlüsselt worden und kann sie durch einen Code außerhalb der Urkunde entschlüsselt werden, so ist der Wille des Testierers objektiv erkennbar schriftlich niedergelegt und damit formwirksam erklärt worden i.S.v. § 2247 Abs. 1 BGB7.
209
Wird ein Testament nachträglich unlesbar, so berührt dies seine Wirksamkeit nicht. Entscheidend ist aber natürlich, dass die Verfügungen als solche noch nachvollziehbar bleiben. Ein privatschriftliches Testament kann auf mehreren losen Blättern, von denen nur das Letzte unterschrieben ist, deren Zusammengehörigkeit jedoch zweifelsfrei feststeht, ausgearbeitet werden8. Die mechanische Verbindung 1 OLG Zweibrücken v. 11.1.1989 – 3 W 177/88, FamRZ 1989, 900 = NJW-RR 1989, 1413; BayObLG v. 6.7.1990 – BReg. 1a Z 30/90, NJW-RR 1990, 1481; Soergel/Mayer, Rz. 38. 2 Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 8. 3 OLG Hamm v. 27.6.1991 – 15 W 116/91, FamRZ 1992, 356, m. Anm. Musielak. 4 BayObLG v. 29.11.1968 – 1a Z 87/68, BayObLGZ 1968, 311. 5 Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 9. 6 OLG Hamm v. 27.6.1991 – 15 W 116/91, FamRZ 1992, 356. 7 Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 9. 8 Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 12.
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210
B II Rz. 211
Formen letztwilliger Verfügung
der Blätter ist nicht erforderlich1. Der Zusammenhang kann sich auch aus dem Inhalt, dem Schreibmittel oder dem Material ergeben. Nicht erforderlich ist ein zeitlicher Zusammenhang, solange die Blätter nur inhaltlich ein Ganzes bilden2. Ist das der Fall, so stehen Widersprüchlichkeiten im Regelungsgehalt der Verfügung der Wirksamkeit des Testaments nicht entgegen3. c) Äußere Form des Testaments aa) Bezeichnung 211
Das Schriftstück muss nicht die Bezeichnung Testament, letzter Wille oder einen ähnlichen Titel erhalten. Auch ein Schriftstück, das anders bezeichnet wurde, kann als Testament anerkannt werden, wenn es als solches zu erkennen ist. bb) Abgeschlossene Erklärung
212
Ein Testament setzt eine in sich abgeschlossene, durch den Erblasser unterschriebene Erklärung voraus. Daher ist ein bloßer Entwurf, auch wenn er den sonstigen Voraussetzungen des § 2247 BGB entspricht, kein formwirksam errichtetes Testament. cc) Mehrere Blätter
213
Das Testament kann sich aus mehreren, nicht miteinander verbundenen Blättern zusammensetzen, solange ein inhaltlicher Zusammenhang erkennbar ist4. Es reicht die Unterschrift auf dem letzten Blatt5. d) Unterschrift des Erblassers
214
Die eigenhändige Unterschrift des Erblassers ist ein zwingendes Formerfordernis des privatschriftlichen Testaments, § 2247 Abs. 1 BGB. aa) Form und Zweck der Unterschrift
215
Die Erklärung des Erblassers muss eigenhändig unterschrieben werden, ein Faksimile oder ein Stempel genügen nicht. Sie soll erkennen lassen, wer die Erklärung geschrieben hat und klarstellen, dass mit ihr eine rechtsverbindliche Erklärung abgeschlossen wird. Die Unterschrift soll den Vornamen und den Familiennamen des Erblassers enthalten (§ 2247 Abs. 3 Satz 1 BGB). Nach § 2247 Abs. 3 Satz 1 BGB genügt jedoch jede Unterzeichnung in anderer Weise, die keinen Zweifel an der Identität des Erblassers aufkommen lässt, z.B. 1 BayObLG v. 6.9.1990 – 1a Z 75/89, FamRZ 1991, 370 (371); BGH v. 24.9.1997 – XII ZR 234/95, NJW 1998, 58 (60). 2 BayObLG v. 21.7.1970 – 1a Z 108/69, BayObLGZ 1970, 173 (178). 3 Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 53. 4 BayObLG v. 6.9.1990 – 1a Z 75/89, FamRZ 1991, 370 (371). 5 BayObLG v. 1.7.1988 – 1a Z 1/88, FamRZ 1988, 1211 (1212); Kipp/Coing, § 26 I 2b.
144
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 218 B II
Spitznamen, Kosenamen, Familienstellung1. Darunter fallen auch Initialen und Abkürzungen, nicht jedoch Handzeichen oder bloße Schnörkel2. Beispiel: Unterzeichnet die Erblasserin K nicht mit ihrem vollen Vor- und Nachnamen, sondern mit „Mutter“, wie sie von Mann und Kindern immer genannt wird, ist die Unterschrift dennoch hinreichend klar und lässt keine Zweifel an ihrer Identität aufkommen. Vereinzelt wird in der Literatur angenommen, dass die Zeichnung durch An- 216 fangsbuchstaben nicht wirksam sei, da diese Art der Unterschrift nicht zweifelsfrei erkennen lassen würde, dass der Erblasser sein Testament endgültig abschließen wollte3. Da aber in der Regel anhand weiterer Merkmale des Testaments festgestellt werden kann, ob ein bloßer Entwurf oder ein letztwillige Verfügung verfasst worden ist, und es auch dem Sinn des Gesetzes entspricht, die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen nicht an bloßen Formalien scheitern zu lassen, ist eine solche Unterzeichnung nach der h.M. wirksam4. Die Unterschrift muss, im Gegensatz zum Text, nicht leserlich sein. Unterschreibt der Testierer aber mit einer Buchstabe nfolge oder einem Kürzel, welche keine Beziehung zum Namen erkennen lässt und die der Erblasser auch üblicherweise nicht verwendet, so bestehen, selbst wenn die Identität des Testierers feststeht, Zweifel an seinem Testierwillen5.
217
Die Unterschrift muss den Wortlaut des Testaments abschließen, also unter dem Text stehen. Die Unterschrift ist der Abschluss der Testamentserrichtung, so dass sie grundsätzlich an den Schluss der Urkunde gehört. Sie garantiert die ernsthafte und abschließende Willensbildung des Erblassers6. Sie muss sich bei vernünftiger Betrachtung auf den gesamten Text beziehen. Die häufig verwendete Selbstbezeichnung zu Beginn oder im Verlauf des Textes (z.B. „Hiermit erkläre ich, Hans Schnell, meinen letzten Willen.“) genügt nicht, da dieses nach der h.M. keine Unterschrift im Sinne von § 2247 Abs. 1 BGB darstellt7.
218
Die Selbstbezeichnung des Erblassers am Schluss der Urkunde (z.B. „Ich, Hans Schnell, habe dieses Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben.“) genügt als Unterschrift nur dann, wenn der Erblasser mit diesem Vermerk die Urkunde endgültig abschließen und damit seine Unterschrift leisten wollte8.
1 2 3 4 5 6 7 8
BayObLG v. 28.12.1979 – 1 Z 75/79, Rpfleger 1980, 189. Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 10. BGB-RGRK/Kregel, § 2247 BGB Rz. 17. Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 10. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2247 BGB Rz. 21. BayObLG, Beschl. v. 12.8.2002 – 1 Z BR 66/02, ZEV 2003, 26 m.w.N. Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 11. BayObLG v. 29.11.1968 – 1a Z 87/68, BayObLGZ 1968, 311; Haegele, JurBüro 1968, 3.
Esser
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B II Rz. 219
Formen letztwilliger Verfügung
Setzt sich das Testament aus mehreren Bogen zusammen, genügt die Unterschrift auf dem letzten Bogen, selbst wenn die Bogen nicht miteinander verbunden sind1. bb) Die Unterschrift auf einem Briefumschlag 219
Unterschiedlich beantwortet bleibt die Frage, ob die Unterschrift auf einem Briefumschlag, in dem sich das Testament befindet, den Formerfordernissen des § 2247 BGB genügt. Die Unterschrift auf dem verschlossenen Umschlag ist dann ausreichend, wenn sie sich eindeutig auf den Inhalt des Umschlags bezieht, also eine äußere Fortsetzung der innen liegenden Erklärung gegeben ist2.
220
Problematisch ist die Unterschrift auf einem unverschlossenen Umschlag, in dem sich das Testament befindet. Nach einer Ansicht genügt diese Unterschrift grundsätzlich nicht den Erfordernissen des § 2247 BGB, da es sich hierbei um eine nur vorläufige, ungeschützte und jederzeit aufhebbare Verbindung handelt3. Nach anderer Ansicht ist ein Verschließen des Umschlags nicht erforderlich, da ja auch bei einem mehrseitigen Testament eine mechanische Verbindung nicht gefordert wird und das Verschließen des Umschlags auch im Nachhinein durch Dritte erfolgt sein kann4.
221
Die auf einem verschlossenen Umschlag geschriebene Unterschrift reicht nicht aus, wenn die Unterschrift auf dem Umschlag selbst keine eigenständige Bedeutung hat, sondern Teil einer weiteren Erklärung ist. Sie ersetzt dann nicht mehr allein die Unterschrift unter dem Text, sondern kann sich auch ausschließlich auf die weitere Anweisung beziehen, so dass der nicht unterschriebene Text formunwirksam ist5. Hier kommt es jedoch auf den Einzelfall an und die Feststellung, dass zwischen dem Text auf dem Umschlag und den innen liegenden Blättern ein so enger innerer Zusammenhang besteht, dass die zugefügte Unterschrift nach dem Willen des Erblassers und der Verkehrsauffassung als die geforderte äußere Fortsetzung und Abschluss der einliegenden Erklärung beurteilt werden kann6.
Û
Beratungshinweis: Verneint wurde jedoch die Wirksamkeit eines Testaments, wenn sich auf dem Umschlag die unterschriebene Erklärung „Nach meinem Tod öffnen“ oder „Hier befindet sich mein Testament“ befindet7.
1 MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 34; Soergel/Mayer, § 2247 BGB Rz. 28. 2 OLG Frankfurt v. 14.6.1971 – 6 W 191/71, NJW 1971, 1811 (1812); BayObLG v. 1.7.1988 – BReg. 1a Z 1/88, NJW-RR 1989, 9; BGH v. 30.10.1985 – IVa ZR 26/84, NJW-RR 1986, 494 (495); BayObLG v. 12.8.2002 – 1 Z BR 66/02, ZEV 2003, 26. 3 OLG Hamm v. 14.3.1986 – 15 W 423/85, FamRZ 1986, 728; a.A. BayObLG v. 27.5.1986 – 1 Z 7/86, Rpfleger 1986, 294. 4 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2247 BGB Rz. 23 m.w.N. 5 MüKo/Hagena, § 2247 BGB Rz. 26, Dittmann/Reimann/Bengel, § 2247 BGB Rz. 23. 6 Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 12; BayObLG v. 2.3.1982 – 1 Z 129/81, BayObLGZ 1982, 132 f. 7 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2247 BGB Rz. 23 m.w.N.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 226 B II
Teilweise wird auch auf eine Unterscheidung zwischen verschlossenen und 222 unverschlossenen Umschlägen verzichtet mit dem Hinweis darauf, dass ein Testament auch auf verschiedenen Materialien errichtet werden kann, ohne dass es hierdurch formunwirksam ist. Stellt sich die Erklärung auf dem Umschlag als Fortsetzung der im Umschlag enthaltenen Niederschrift dar, schließt die Unterschrift auf dem Umschlag das darin befindliche Testament ab1. Ob aber dies der Fall ist, sei Tatfrage, worüber die Verkehrsauffassung zu entscheiden habe2. So sollen z.B. dicht beschriebene Blätter im Umschlag ein Indiz für die Wirksamkeit der darauf befindlichen Unterschrift sein. Die Unterschrift dient neben der Handschrift als Beweis für die Echtheit und Urheberschaft des Textes3. Zudem ist sie der räumliche Abschluss der Verfügung und damit ein Schutz vor nachträglichen Zusätzen und zur Abgrenzung der letztwilligen Verfügung von bloßen Vorentwürfen4.
223
cc) Wirkung der fehlenden Unterschrift Fehlt die Unterschrift, so ist das Testament unwirksam. Eine Heilung dieses Formfehlers ist nicht möglich.
224
e) Erfordernis von Zeit- und Ortsangaben bei Errichtung des Testaments Nach § 2247 Abs. 2 BGB soll der Erblasser bei Errichtung des Testaments Ort 225 und Zeit der Errichtung angeben. Da § 2247 Abs. 2 BGB aber nur eine Sollvorschrift ist, hat die Nichtbeachtung keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des Testaments. Aus der fehlenden Angabe über Ort und Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung können sich jedoch Zweifel an seiner Wirksamkeit ergeben, wenn beispielsweise der Erblasser testierunfähig geworden ist und nicht mehr festgestellt werden kann, ob das Testament noch im Zustand der Testierfähigkeit errichtet worden ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit des Testaments hat nach § 2247 Abs. 5 BGB dann derjenige, der sich darauf beruft5.
Û
Beratungshinweis: Zur Vermeidung nachträglich auftretender Probleme ist daher dringend anzuraten, jede eigenhändige letztwillige Verfügung mit der Angabe des Ortes und des Datums ihrer Errichtung zu versehen.
Die letztwillige Verfügung muss nicht einheitlich und zusammenhängend er- 226 richtet werden6. Die Errichtung kann sich auch über längere Zeit erstrecken und an verschiedenen Orten erfolgen7. Nach der h.M. ist es für die Wirksam1 2 3 4 5 6
Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 101. OLG Düsseldorf v. 8.11.1971 – 3 W 105/71, NJW 1972, 260. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2247 BGB Rz. 19; Lange/Kuchinke, § 20 III 3a. Lange/Kuchinke, § 30 III 3b; Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 13. Baumgärtel/Strieder, § 2247 BGB Rz. 9. BGH v. 1.7.1959 – V ZR 169/58, BGHZ 30, 294; BayObLG v. 6.9.1990 – 1a Z 75/89, FamRZ 1991, 370 (371). 7 Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 46.
Esser
147
B II Rz. 227
Formen letztwilliger Verfügung
keit einer letztwilligen Verfügung ohne Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile des Testaments niedergeschrieben worden sind1. f) Nachträge zum Testament 227
Da das Testament nicht zeitlich zusammenhängend errichtet werden muss, sind nachträgliche Veränderungen jederzeit möglich2. Keine Bedenken bestehen bei Berichtigungen von Schreibfehlern, Rechenfehlern und anderen offenkundigen Unrichtigkeiten, wenn sich diese aus dem Zusammenhang des Testaments oder aus den Umständen der Errichtung des Testaments ohne Weiteres ergeben. aa) Streichungen und Rasuren
228
Eigenhändige Durchstreichungen oder Rasuren des Erblassers sind zulässig, selbst wenn sie der Errichtung nachfolgen. Sie beeinträchtigen allerdings u.U. die Beweiskraft der Urkunde, § 419 ZPO. Da der Erblasser jedoch nach § 2255 BGB den Inhalt des gesamten Testaments durch Streichungen widerrufen kann, muss dieses auch bei einzelnen Verfügungen des Testaments möglich sein. bb) Berichtigungen innerhalb des Textes, oberhalb der Unterschrift
229
Nachträge zu einem eigenhändigen Testament, die von der Unterschrift des Erblassers räumlich gedeckt sind, müssen, auch wenn sie sachliche Verfügungen enthalten, nicht gesondert unterschrieben werden. Ausreichend ist, wenn die Auslegung ergibt, dass diese Nachträge entsprechend dem Willen des Erblassers durch die vorhandene Unterschrift umfasst sein sollen und das äußere Erscheinungsbild der Annahme nicht entgegensteht3. Sie sind somit ohne erneute Unterschrift wirksam, wenn sie vom Testator eigenhändig geschrieben wurden. Das gilt auch dann, wenn die Veränderungen zu einer nachträglichen sachlichen Änderung des Testaments führen.
230
Widerspricht ein formunwirksamer Nachtrag einer in einem formwirksam errichteten Testament angeordneten Verfügung, kann in dieser Hinzufügung auch der Widerruf des bis dahin wirksamen Testaments liegen4. Möglich ist, dass durch die nicht unterschriebene Hinzufügung das bisher wirksame Testament zum Entwurf einer neuen Verfügung von Todes wegen wird, welche erst wieder mit der Unterschrift zum Nachtrag formwirksam ist5. Ein nicht
1 Planck/Strecker, § 2247 BGB Anm. II 5. 2 RG v. 13.12.1926, IV 520/26, RGZ 115, 111 (114). 3 BayObLG v. 4.12.1985 – 1 Z 90/85, FamRZ 1986, 835; Stumpf, FamRZ 1992, 1131 (1132). 4 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2247 BGB Rz. 28. 5 Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 59.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 234 B II
unterschriebener Zusatz reicht nicht, um ein widerrufenes Testament wieder in Kraft zu setzen1. cc) Nachträge auf demselben Blatt, aber unterhalb der Unterschrift Grundsätzlich ist für Nachträge auf demselben Blatt der bisherigen formwirksamen Verfügung von Todes wegen die Form des § 2247 BGB erforderlich, d.h. eine gesonderte, den Text abschließende Unterschrift. Eine gesonderte Unterschrift ist nicht notwendig, soweit die Auslegung des Testaments ergibt, dass auch der Nachtrag von der vorhandenen Unterschrift nach dem Willen des Testierers gedeckt sein soll2.
231
Der Zusatz ist auch dann wirksam, wenn er inhaltlich in einem so engen Bezug zum vorhergehenden Text steht, dass dieser erst mit dem Zusatz sinnvoll wird.
Û
Beratungshinweis: Wurde der im Testament genannte Name eines Begünstigten gestrichen und mittels einer Verweisung auf den unter der Unterschrift stehenden Vermerk klargestellt, dass dort der nunmehr Begünstigte bezeichnet wird, ist dieser Nachtrag wirksam3.
Enthält jedoch der nach der älteren Unterschrift stehende Zusatz eine weitere selbstständige Verfügung, wird diese nur durch eine erneute Unterschrift wirksam4.
232
Beispiel: Im Testament wurde A als Alleinerbe benannt. Darauf folgt ein eigenhändiger, aber nicht unterschriebener Nachsatz: „A soll nicht mehr Alleinerbe sein. Stattdessen setze ich B ein.“ Der Nachtrag ist zwar grundsätzlich unwirksam, kann aber als Widerruf des Testaments ausgelegt werden. Genügen die angefügten Nachträge nicht der Form des § 2247 BGB, besteht dennoch die Möglichkeit, sie zur Hilfe der Auslegung dessen zu verwenden, was im formwirksamen Testament selbst bereits verfügt wurde5.
233
dd) Nachträge auf einem anderen Blatt Ergänzungen auf einem neuen Blatt wirken wie eine neue letztwillige Verfügung und müssen, da sie in keinem räumlichen Zusammenhang mit dem 1 BayObLG v. 3.12.1998 – 1 Z BR 164/97, BayObLGZ 1998, 314 (319) = NJW-RR 1999, 446 (447). 2 BGH v. 20.3.1974 – IV ZR 133/73, NJW 1974, 1083 (1084); BayObLG v. 5.6.1992 – 1 Z BR 21/92, NJW-RR 1992, 1225 (1226). 3 BayObLG v. 9.12.1985 – 1 Z 90/85, FamRZ 1986, 835 (836); sehr weitgehend OLG Frankfurt v. 13.2.1995 – 20 W 394/94, DNotZ 1996, 56 = NJW-RR 1995, 711; kritisch dazu Leipold, JZ 1996, 287 (289); vgl. auch BGH v. 30.3.1974 – IV ZR 133/73, NJW 1975, 1083 (1084). 4 OLG Köln v. 3.9.1993 – 2 Wx 23/93, NJW-RR 1994, 74 (75) = FamRZ 1994, 330. 5 BGH v. 25.10.1966 – III ZR 47/64, NJW 1966, 201 (202); Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 59.
Esser
149
234
B II Rz. 235
Formen letztwilliger Verfügung
bereits unterzeichneten Testament stehen, vom Erblasser ebenfalls unterzeichnet werden1. 235
Verändert der Erblasser eine Anlage, auf die im Testament hingewiesen wird, oder tauscht er diese aus, wird die Veränderung wie ein Nachtrag behandelt2. Beinhaltet die Anlage lediglich Erläuterungen, ist sie nicht formbedürftig.
236
Das bisher wirksame Testament kann, zusammen mit der nicht unterschriebenen Hinzufügung, Entwurf einer neuen Verfügung von Todes sein, die erst mit der Unterschrift des Nachtrags formwirksam wird3. Umstritten ist, ob auch ein nicht unterschriebener Zusatz ausreichen kann, um ein derart widerrufenes Testament wiederum in Kraft zu setzen. Nach der h.L. ist dies nicht möglich4.
236a Formwirksam ist ein Testament auch dann, wenn der Testierende eigenhändig die Fotokopie eines von ihm eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testaments ändert, wenn der im vorhandenen Original und auf dessen Kopie niedergelegte Text ein einheitliches Ganzes bildet5. Voraussetzung ist, dass die Anforderungen an ein gültiges Testament auch bei der Änderung erfüllt sind. Die Änderungen müssen eigenhändig vorgenommen und mit Ort, Datum und Unterschrift versehen worden sein, so dass der Testierwille eindeutig zum Ausdruck kommt. Für einen verbindlichen Testierwillen spricht insbesondere auch die Korrektur des Datums. Unschädlich ist es, wenn die Niederschrift auf mehreren, nicht miteinander verbundenen Blättern erfolgt, sofern diese inhaltlich ein Ganzes sind und eine einheitliche Willenserklärung enthalten. g) Beweisfragen 237
Derjenige, der sich auf ein Testament beruft, ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung darlegungs- und beweispflichtig für die Wirksamkeit der Verfügung. Er hat die Echtheit der Unterschrift, die Eigenhändigkeit des Textes und den Testierwillen des Erblassers zu beweisen, sofern und soweit dies bestritten wird6. Dabei ist zu beachten, dass äußerlich formwirksame Testamente eine tatsächliche Vermutung dahin gehend enthalten, dass sie in dieser Form und mit diesem Inhalt vom Erblasser verfasst worden sind7.
1 BGH v. 20.3.1974 – IV ZR 133/73, NJW 1974, 1083 (1084); Stumpf, FamRZ 1992, 1131 (1134). 2 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2247 BGB Rz. 27. 3 Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 59. 4 Schmidt, § 2247 BGB Rz. 10; BayObLG v. 5.6.1992 – 1 Z BR 21/92, BayObLGZ 1992, 181 (182) = NJW-RR 1992, 1225 (1226); BayObLG v. 3.12.1998 – 1 Z BR 164/97, BayObLGZ 98, 314 (319) = NJW-RR 1999, 446 (447). 5 OLG München v. 25.10.2005 – 31 Wx 72/05, ZEV 2006, 33. 6 Baumgärtel/Strieder, § 2247 BGB Rz. 9. 7 Baumgärtel/Strieder, § 2247 BGB Rz. 2.
150
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 239 B II
Es steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatsachengerichts, zu entscheiden, ob die Beweiserhebung durch formlose Ermittlung im Wege des Freibeweises (§ 26 FamFG) oder durch eine förmliche Beweisaufnahme (§ 29 FamFG) erfolgt. Die Richtigkeit eigenhändiger Zeit- und Ortsangaben wird grundsätzlich vermutet1. Hinterlässt der Erblasser jedoch mehrere Testamente mit unterschiedlichen Inhalten, besteht für keines von ihnen eine tatsächliche Vermutung dahin gehend, dass eines von ihnen den letzten Willen des Erblassers enthält2.
238
Formulierungsvorschlag Testament Ich, Marlies Müller, geb. Graf, geboren am 26.5.1930, treffe hiermit im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte die folgenden letztwilligen Verfügungen: Meinen Gesellschaftsanteil an der Müller und Seif Gesellschaft bürgerlichen Rechts vererbe ich meinem Enkel Sebastian Müller. Für den Fall seines vorzeitigen Ablebens sollen seine Abkömmlinge den Gesellschaftsanteil erhalten. Mein Haus in der Karl-Gerhard-Str. 5, 89250 Senden, Fl.Nr. 207/10, eingetragen im Grundbuch zu Senden, Blatt Nr. 5, mit dem gesamten Inventar vererbe ich meiner Enkelin Annika Müller. Ausgenommen sind unten stehende Vermächtnisse. Für den Fall ihres vorzeitigen Ablebens sollen ihre Abkömmlinge das Haus erben. Sollte mein Bruder Hans mich überleben, vererbe ich ihm das auf meinem Konto Nr. 123 345 bei der Großbank, BLZ 200 00 01, befindliche Vermögen. Sollte mein Bruder vor mir versterben, soll auch dieses Vermögen zu gleichen Teilen an meine beiden Enkel Paul und Annika gehen. Meiner Nichte Annelore Stein vermache ich meine Sammlung ostfriesischer Teetassen. Meinem Neffen David Stein vermache ich meinen Weinkeller und mein Auto. Ulm, den 23.4.2005, Unterschrift
h) Das eigenhändige gemeinschaftliche Testament, § 2267 BGB aa) Die Form des gemeinschaftlichen Testaments Eine Formerleichterung für die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments gewährt § 2267 BGB. Diese gilt nur für Ehegatten und gleichgeschlechtliche Lebenspartner i.S.v. § 10 Abs. 4 LPartG. § 2267 BGB gilt eingeschränkt für Verlobte, nicht jedoch für sonstige nichteheliche Lebensgefährten. Nach § 2267 BGB ist es ausreichend, wenn ein Ehegatte oder Le1 BayObLG v. 10.8.1990 – 1a Z 84/88, FamRZ 91, 237. 2 BayObLG v. 7.4.1989 – 1a Z 9/88, NJW-RR 89, 1092.
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B II Rz. 240
Formen letztwilliger Verfügung
benspartner das Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet und der andere Ehegatte oder Lebenspartner diese Verfügung eigenhändig unterzeichnet. Die früher vorgeschriebene Beitrittserklärung ist heute nicht mehr erforderlich. Wird das Testament in einer anderen Form errichtet, beurteilt sich seine Wirksamkeit nach § 2247 BGB1.
Û
Beratungshinweis: Schreibt jeder Ehegatte/Lebenspartner auf demselben Blatt Papier nur die seinen Nachlass betreffenden Verfügungen auf, handelt es sich nicht um ein gemeinschaftliches Testament, da keine gemeinsamen Regelungen getroffen worden sind, sondern um zwei selbstständige eigenhändige Testamente i.S.v. § 2247 Abs. 1 BGB.
Für ein gemeinschaftliches Testament ist es nicht ausreichend, dass Ehegatten in getrennten Urkunden am selben Tag und Ort im Wesentlichen inhaltsgleiche Verfügungen treffen. Soweit die Testamente nicht ausdrücklich Bezug auf das jeweils andere nehmen, muss sich durch die Auslegung der Verfügungen sowie etwaig bestehender Ergänzungen ergeben, dass es sich um ein gemeinschaftliches Testament handelt2. Für ein gemeinschaftliches Testament spricht die übereinstimmende Wahl der Gestaltung, die zeigt, dass die Ehegatten in Kenntnis und in Absprache des jeweils anderen gehandelt haben.
Û
Beratungshinweis: Am 1.1.2005 ist die Novelle zum Lebenspartnerschaftsrecht in Kraft getreten. Dadurch wurde das LPartG in wesentlichen Punkten geändert und weiter an das Eherecht angepasst. Lebenspartner können sich jetzt auch verloben. Sie leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie nicht durch Lebenspartnerschaftsvertrag etwas anders vereinbaren. Die §§ 1363–1390 BGB gelten entsprechend. Neu sind auch die Stiefkindadoption, der Lebenspartnerunterhalt, die Angleichung an die eherechtlichen Scheidungsvorraussetzungen und die Einführung des Versorgungsausgleichs.
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§ 2267 BGB regelt lediglich die erleichterte Form des gemeinschaftlichen Testaments. Im Übrigen muss aber auch das gemeinschaftliche Testament entsprechend § 2247 BGB von beiden Ehegatten eigenhändig unterschrieben werden. Aus der Verfügung muss sich unmissverständlich ergeben, dass die letztwillige Anordnung für den Nachlass beider Ehegatten getroffen werden soll3.
241
Den Formerfordernissen ist auch dann Genüge getan, wenn das gemeinschaftliche Testament durch einen Ehegatten in der „Ich-Form“ verfasst, dann aber von beiden Ehegatten unterschrieben wurde4.
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MüKo/Musielak, § 2267 BGB Rz. 17. OLG München v. 23.7.2008 – 31 Wx 34/08, ZEV 2008, 485 ff. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2267 BGB Rz. 19. BayObLG v. 8.6.1993 – 1 Z BR 95/92, BayObLGZ 1993, 240; MüKo/Musielak, § 2267 BGB Rz. 10; Kipp/Coing, § 33 II 2; kritisch dazu: Haegele, Rpfleger 1972, 404.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 247 B II
Ob die vorliegende letztwillige Verfügung ein gemeinschaftliches Testament darstellt, ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln1. Ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament kann jedenfalls dann nicht erstellt werden, wenn auch nur ein Ehegatte minderjährig ist oder nicht lesen kann (§ 2247 Abs. 4 BGB). In diesem Fall ist nur ein öffentliches Testament möglich.
242
Bei der Unterschrift beider Ehegatten sind die Formerfordernisse des § 2247 BGB zu beachten, d.h., die Verfügung muss grundsätzlich mit dem Vor- und Familiennamen unterschrieben werden2 (vgl. Rz. 214 ff.). Aber auch hier gilt, dass andere Unterzeichnungsformen wirksam sind, wenn die Urheberschaft und die Ernsthaftigkeit des Willens der Unterzeichnenden feststehen.
243
Der mitunterzeichnende Ehegatte soll angeben, wann und wo er den Text mitunterschrieben hat. Fehlt diese Angabe, so ist § 2247 Abs. 5 BGB entsprechend anzuwenden. Nach § 2267 BGB sind die Unterschriften beider Ehegatten gleichwertig, so dass es auf ihre Reihenfolge nicht ankommt. Der mitunterzeichnende Ehegatte kann seine Unterschrift auch erst später unter die letztwillige Verfügung setzen3.
244
Aus dem Wesen des gemeinschaftlichen Testaments folgt aber, dass jeder Ehegatte die Mitwirkung des anderen kennen und billigen muss4. Deshalb genügt eine vorab erteilte Blankounterschrift nicht5. Die fehlende Unterschrift muss spätestens bis zum Tod des anderen Ehegatten nachgeholt werden.
245
Möglich ist auch, dass die Ehegatten den Text abwechselnd schreiben und dann unterzeichnen. Es müssen jedoch sämtliche Verfügungen von den Unterschriften gedeckt sein. Unterhalb der Unterschrift des mitunterzeichnenden Ehegatten dürfen keine weiteren Anordnungen angefügt werden.
246
Ein Testament, in dem ein Ehegatte zunächst seine Verfügungen und dann die des Ehegatten unterschreibt, erfüllt weder die Voraussetzungen des § 2267 BGB noch die des § 2247 BGB und ist daher nichtig6.
247
Die Erblasser haben hier außer Acht gelassen, dass Voraussetzung für die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zum einen die Einhaltung der erforderlichen Form der Errichtung ist und zum anderen ein Errichtungszusammenhang gegeben sein muss. Im oben geschilderten Fall ist zwar der Errichtungszusammenhang gegeben, das zwingende Formerfordernis der Unterzeichnung der gemeinschaftlichen Erklärung durch beide Ehegatten wurde jedoch nicht eingehalten7. 1 BayObLG v. 9.6.1959 – 1 Z 211/58, BayObLGZ 1959, 199 = NJW 1959, 1969. 2 RGRK/Johannsen, § 2267 BGB Rz. 13; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2267 BGB Rz. 22. 3 Lange/Kuchinke, § 24 III 2b; Staudinger/Kanzleiter, § 2267 BGB Rz. 17. 4 Lange/Kuchinke, § 22 III 2a; Kipp/Coing, § 33 II 2; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2267 BGB Rz. 19 ff. 5 OLG Hamm v. 19.10.1992 – 15 W 235/92, NJW-RR 1993, 269 (270). 6 Rötelmann, NJW 1957, 876; Erman/Schmidt, § 2267 BGB Rz. 1; MüKo/Musielak, § 2267 BGB Rz. 20. 7 BGH v. 28.1.1958 – V BLW 52/57, NJW 1958, 547.
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B II Rz. 248
Formen letztwilliger Verfügung
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Zusätze, die der Unterschrift des mitunterzeichnenden Ehegatten beigefügt werden und durch die das Einverständnis mit dem Inhalt der gemeinschaftlichen Erklärung zum Ausdruck gebracht wird, sind nicht erforderlich, schaden aber auch nicht1. Deshalb bleibt es für die Formgültigkeit ohne Wirkung, wenn ein solcher Zusatz nicht von dem unterschreibenden Ehegatten, sondern von dem anderen handschriftlich hinzugefügt worden ist2.
249
Die Umdeutung formnichtiger gemeinschaftlicher Testamente in wirksame Einzeltestamente ist grundsätzlich nach § 140 BGB möglich3. Voraussetzung ist, dass die Verfügung den Formerfordernissen des § 2247 BGB genügt und die Umdeutung dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht4.
Û
Beratungshinweis: Ein von einem Ehegatten vollständig niedergeschriebenes und unterzeichnetes Testament wird – z.B. infolge des plötzlichen Todes des anderen Ehegatten – nicht mehr unterzeichnet. Die letztwillige Verfügung des überlebenden Ehegatten kann in ein formwirksames eigenhändiges Testament umgedeutet werden.
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Eine Umdeutung in ein Einzeltestament ist praktisch nur für die Haupterklärung möglich, nicht jedoch für die Beitrittserklärung des Ehegatten, da diese in der Regel den Formerfordernissen des § 2247 BGB nicht genügen dürfte5.
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Das gemeinschaftliche Testament hat die letztwilligen Verfügungen beider Ehegatten zum Inhalt, seien es wechselbezügliche i.S.v. § 2270 BGB oder einseitige6. In dem gemeinschaftlichen Testament kann jeder Ehegatte jede Verfügung treffen, die er auch durch ein Einzeltestament hätte treffen können7.
Formulierungsvorschlag Gemeinschaftliches Testament Wir, Lisa Denk, geb. Honold, geboren am 26.5.1930 und Heinz Denk, geboren am 13.2.1933, beide wohnhaft zur Zeit der Aufsetzung dieses gemeinschaftlichen Testaments in der Lerchenstraße 19 in Hamburg, verfügen das Folgende: Hiermit setzen wir uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sind unsere beiden gemeinsamen Kinder, David Denk und Jan Denk.
1 BayObLG v. 8.6.1993 – 1 Z BR 95/92, NJW-RR 1993, 1157 (1158). 2 MüKo/Musielak, § 2267 BGB Rz. 12; a.A. bezüglich der vom Schreiber der Haupterklärung stammenden Beitrittserklärung OLG Hamm v. 1.10.1971 – 15b W 112/71, OLGZ 1972, 139 = NJW 1972, 770. 3 Palandt/Edenhofer, § 2267 BGB Rz. 4. 4 MüKo/Musielak, § 2265 BGB Rz. 7. 5 Palandt/Edenhofer, § 2267 BGB Rz. 4. 6 Dittmann/Reimann/Bengel, Vor §§ 2265 ff. BGB Rz. 42. 7 Planck/Greif, Vor §§ 2265 ff. BGB Anm 4.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 252 B II
bb) Die Wiederverheiratungsklausel Um den Schlusserben den Nachlass des erstversterbenden Ehegatten auch für den Fall zu erhalten, dass der überlebende Elternteil nochmals heiratet und hierdurch neue Pflichtteilsansprüche eines hinzutretenden Ehegatten entstehen, können so genannte Wiederverheiratungsklauseln in ein gemeinschaftliches Testament aufgenommen werden. Ziel ist es, den Schlusserben, in der Regel also den Kindern, den Nachlass des Erstversterbenden und auch die Teilhabe am Nachlass des Längerlebenden zu sichern. Eine oft gewählte Formulierung stellt eine Kombination aus Voll- und Vorerbschaft dar. Dabei ist die Vollerbschaft auflösend bedingt, endet also mit der Wiederverheiratung des Längerlebenden. Die Vorerbschaft hingegen ist aufschiebend bedingt, setzt also mit der Wiederverheiratung ein.
Formulierungsvorschlag Heiratet der längerlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden nochmals, ist er nur als Vorerbe eingesetzt. Der Nacherbfall tritt mit der Wiederverheiratung des längstlebenden Ehepartners ein.
Alternativ hierzu ist auch die Anordnung eines Wiederverheiratungsvermächtnisses möglich.
Formulierungsvorschlag Der überlebende Ehepartner hat im Falle seiner erneuten Heirat den Nachlass an unsere gemeinsamen Kinder J und H herauszugeben.
Die vorgenannten Wiederverheiratungsklauseln schränken den überlebenden Ehegatten oder Partner in besonderer Weise bezüglich der zukünftigen Verfügung über das gemeinsame, aber auch über sein eigenes Vermögen ein. Statt einer Vor- und Nacherbschaft sowie der auflösend bedingten Vollerbschaft können durch die Ehepartner aufschiebend bedingte Vermächtnisse für den Fall einer Wiederheirat angeordnet werden. Die Vermächtnisse müssen hinreichend genau beschrieben, die Vermächtnisnehmer klar benannt werden. Oft ist es gerade im Interesse der Ehepartner, insbesondere für die gemeinsame Immobilie eine Regelung zu treffen, die verhindert, dass ein neuer Ehepartner Zugriff erhält. Diese Anordnung kann in einem Herausgabevermächtnis getroffen werden.
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B II Rz. 253
Formen letztwilliger Verfügung
Formulierungsvorschlag Heiratet der länger lebende Ehepartner nochmals, hat dieser unseren gemeinsamen Kindern unser Anwesen in der Elbchaussee 25, Hamburg, zu gleichen Teilen zu Eigentum zu übertragen. Zu übertragen ist sowohl der von dem Längstlebenden ererbte Miteigentumsanteil des Erstversterbenden als auch der ihm schon vor dem Erbfall gehörende Miteigentumsanteil. Mit Fälligkeit des Vermächtnisses haben unsere gemeinsamen Kinder die noch im Grundbuch eingetragenen Sicherheiten zu übernehmen. Eine erneute Valutierung der Grundschulden durch den länger Lebenden ist ausgeschlossen.
Darüber hinaus besteht gerade zur Sicherung von Immobilienvermögen gem. § 883 Abs. 1 BGB die Möglichkeit, Übereignungspflichten im Grundbuch zu verankern. In einem gemeinschaftlichen Testament kann dieses durch eine Auflage angeordnet werden.
Formulierungsvorschlag Zur Sicherung der Übereignungsverpflichtung des länger Lebenden gegenüber unseren gemeinsamen Kindern D und H ist auf seine Kosten eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch einzutragen.
cc) Das gleichzeitige oder äußerlich gemeinschaftliche Testament 253
Das sog. gleichzeitige gemeinschaftliche Testament fasst inhaltlich unterschiedliche und voneinander unabhängige Einzelverfügungen der Ehegatten nur äußerlich in einem gemeinschaftlichen Testament zusammen. Der Vorteil ist, dass die Ehegatten die Formerleichterungen der §§ 2266, 2267 BGB nutzen können und vom Offenheitsprinzip des § 2272 BGB profitieren1. dd) Gegenseitige (reziproke) gemeinschaftliche Testamente
254
Beim gegenseitigen gemeinschaftlichen Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben ein oder bedenken denselben Dritten. Die Verfügungen sind jedoch nicht voneinander abhängig und nicht wechselbezüglich i.S.d. § 2270 Abs. 1 BGB. ee) Wechselbezügliche (korrespektive oder abhängige) gemeinschaftliche Testamente
255
Wechselbezügliche Verfügungen der Eheleute sollen in ihrer Wirksamkeit voneinander abhängig sein, entsprechend § 2270 Abs. 1 BGB. Nach der Aus1 MüKo/Musielak, Vor § 2265 BGB Rz. 15 ff.; Nieder, Rz. 811.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 258 B II
legungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB sind die gegenseitigen Verfügungen im Zweifel wechselbezüglich, also bedingen sich in ihrer Wirksamkeit gegenseitig. Die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen muss aber nicht unbedingt gegeben sein. Ebenso wenig müssen wechselbezügliche Verfügungen unbedingt gegenseitig sein. Wechselbezügliche Verfügungen können zu Lebzeiten der Ehegatten/Lebenspartner nur durch Zustellung einer notariell beurkundeten Erklärung (§§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB) widerrufen werden. Es ist anerkannt, dass gem. § 2286 Abs. 2 BGB die Verfügungen gemeinschaftlich testierender Ehegatten trotz späterer Auflösung der Ehe bei entsprechendem Willen vollinhaltlich aufrechterhalten bleiben können1. Der BGH hat Eheleuten auch die Möglichkeit eröffnet, über die Dauer der Ehe hinaus zu testieren. Entscheidend ist, ob ein entsprechender Fortgeltungswille bei Testamentserrichtung vorlag2.
Û
Beratungshinweis: Bei der Gestaltung von letztwilligen Verfügungen sind die erbrechtlichen Folgen einer Trennung und Scheidung exakt zu regeln. Bereits mit Einleitung des Scheidungsverfahrens müssen letztwillige Verfügungen überprüft und angepasst werden. Ebenso muss das Bezugsrecht in Verträgen, z.B Lebensversicherungen, zugunsten eines Partners ggf. widerrufen werden. Gleiches gilt für Bankvollmachten, Vorsorgevollmachten, Betreuungs- und Patientenverfügungen.
i) Die Verwahrung eigenhändiger Testamente Auch ein eigenhändiges Testament kann vom Erblasser in die besondere amtliche Verwahrung gegeben werden, § 2248 BGB, um es vor Unterdrückung, Fälschungen oder Verlust zu schützen. Durch die Verwahrung wird jedoch das eigenhändige Testament nicht zu einem öffentlichen Testament, sondern bleibt eine Privaturkunde3. Durch die Rückgabe des eigenhändigen Testaments aus der amtlichen Verwahrung wird es daher auch nicht widerrufen (§ 2256 Abs. 3 BGB). Die Rückgabe ist ohne Einfluss auf die Wirksamkeit des Testaments.
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Die Rückgabe darf nur an den Erblasser persönlich erfolgen, wobei eine ausreichende Überprüfung der Identität und der Testierfähigkeit zu gewährleisten ist. Die Übersendung des Testaments an den Erblasser durch die Post ist unzulässig4.
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Das eigenhändige gemeinschaftliche Testament kann nur von beiden Ehegatten zusammen aus der besonderen amtlichen Verwahrung zurückgenommen werden (§ 2272 BGB). Jeder Ehegatte kann jedoch jederzeit, auch ohne Zu-
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1 2 3 4
BayObLG v. 23.5.1995 – 1Z BR 128/94, NJW 1996, 133. BGH v. 7.7.2004 – IV ZR 187/03, NJW 2004, 3113. MüKo/Hagena, § 2248 BGB Rz. 5. Staudinger/Baumann, § 2248 BGB Rz. 13.
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B II Rz. 259
Formen letztwilliger Verfügung
stimmung des anderen Ehegatten, Einsicht in das Testament verlangen und sich eine Abschrift erteilen lassen1.
4. Die außerordentlichen Testamentsformen 259
Als Nottestamente werden die sog. außerordentlichen Testamente bezeichnet. Zu ihnen zählen die Verfügungen von Todes wegen nach §§ 2249–2251 BGB. Sie können nur aus besonderem Anlass errichtet werden, stehen den ordentlichen Testamentsformen im Rang aber nicht nach. a) Das Bürgermeistertestament, § 2249 BGB
260
Es gehört als Nottestament zu den außerordentlichen Testamentsformen. Da der Bürgermeister als Urkundsperson an die Stelle des Notars rückt (vgl. §§ 2256 Abs. 1, 2258a Abs. 2 Nr. 2 BGB) steht dieses Testament dem öffentlichen gleich, ist aber gem. § 2252 Abs. 1 BGB in seiner Gültigkeit auf die Dauer von drei Monaten beschränkt. Die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (§ 415 ZPO) hat hier nur die ordnungsgemäße Niederschrift. aa) Voraussetzungen für die Errichtung
261
Ein Nottestament zur Niederschrift des Bürgermeisters am Aufenthaltsort des Erblassers unter Mitwirkung zweier Zeugen ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig: Der Bürgermeister muss die Besorgnis haben, dass der Erblasser früher sterben werde, als die Errichtung eines Testaments vor einem Notar möglich ist (Todesbesorgnis nach § 2249 Abs. 1 BGB). Die Besorgnis muss der Bürgermeister als Urkundsperson haben, nicht die anderen Beteiligten, etwa die Zeugen oder der Erblasser. Das pflichtgemäße Ermessen des Bürgermeisters allein ist maßgebend.
262
Die Todesgefahr muss nicht objektiv vorliegen. Allerdings muss der Bürgermeister nach pflichtgemäßer Prüfung wenigstens subjektiv von ihrem Bestehen überzeugt sein, andernfalls ist das Testament nichtig, da die Beurkundungszuständigkeit des Bürgermeisters fehlt.
263
Lehnt der Bürgermeister die Testamentserrichtung ab, weil er die Besorgnis des plötzlichen Todes nicht teilt, liegt darin keine dienstliche Verfehlung, selbst wenn die Gefahr eines plötzlichen Todes tatsächlich bestanden hat.
264
Der Besorgnis des vorzeitigen Ablebens steht die Besorgnis des Eintritts einer bis zum Tod fortdauernden Testierunfähigkeit gleich2.
265
Auch Ehegatten können ein gemeinschaftliches Testament (nicht jedoch einen Erbvertrag) als Nottestament vor dem Bürgermeister errichten, wenn die Todesbesorgnis nur bei einem Ehegatten vorliegt und beide Ehegatten während der gesamten Dauer der Verhandlung anwesend sind (§ 2266 BGB). Dabei 1 Staudinger/Baumann, § 2258b BGB Rz. 16, 18. 2 BGH v. 15.11.1951 – IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372 = NJW 1952, 181.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 271 B II
ist zu beachten, dass sich die Fiktion der Nichterrichtung des § 2252 BGB nach Ablauf von drei Monaten nicht nur auf den Ehegatten bezieht, in dessen Person die Voraussetzungen des § 2249 BGB vorlagen, sondern auf beide1. bb) Die mitwirkenden Personen Zuständig ist der Bürgermeister (sachliche Zuständigkeit) der Gemeinde, in der sich der Erblasser gerade aufhält (örtliche Zuständigkeit). Der Wohnsitz des Erblassers ist ohne Bedeutung.
266
Wer Bürgermeister i.S.v. § 2249 BGB ist, bestimmt sich nach den Ländergemeindeordnungen. Gem. § 2249 Abs. 5 BGB kann aber bei Nachweis eines Verhinderungsgrundes auch der gesetzliche Vertreter des Bürgermeisters die Beurkundung rechtswirksam vollziehen. Der Vertreter soll dabei in der Niederschrift angeben, worauf er seine Vertretungsmacht stützt. Fehlt die Vertretungsmacht, ist das Testament nichtig, wobei an eine Aufrechterhaltung der letztwilligen Verfügung in Form des Drei-Zeugen-Testaments zu denken ist2.
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Eine Verletzung der örtlichen Zuständigkeiten des Bürgermeisters durch Überschreiten des Amtsbezirks hat seit der Neuregelung durch das BeurkG auf die Wirksamkeit des Nottestaments keinen Einfluss mehr (§ 2249 Abs. 1 Satz 4 BGB)3.
268
Der Bürgermeister muss aber anwesend sein, mit dem Erblasser verhandeln und dessen letzten Willen entgegennehmen. Nach §§ 7, 27 BeurkG ist der Bürgermeister ausgeschlossen, wenn er selbst oder sein Ehegatte durch das Testament bedacht bzw. als Testamentsvollstrecker ernannt werden oder sonst einen rechtlichen Vorteil erlangen soll.
269
Ferner müssen zwei Zeugen hinzugezogen werden, die während der gesamten Verhandlung gleichzeitig anwesend sind4. Eine getrennte Beurkundung mit jeweils einem Zeugen ist unwirksam5. Zeuge kann nach § 2249 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht sein, wer bedacht oder als Testamentsvollstrecker eingesetzt werden soll.
270
Entsprechend den Ausführungen für das öffentliche Testament hat ein Verstoß gegen die Zuwendungsbeschränkungen nach der allgemeinen Meinung nicht die Unwirksamkeit des gesamten Testaments zur Folge, sondern nur der Verfügungen, welche die Zuwendungen an den Zeugen bzw. seine Einsetzung als Testamentsvollstrecker enthalten6, was der Verweisung in Abs. 1 Satz 3 auf die §§ 7, 27 BeurkG entnommen werden kann. Dies verdient auch
271
1 Soergel/Mayer, § 2252 BGB Rz. 3; MüKo/Hagena, § 2249 BGB Rz. 4, vgl. aber MüKo/ Musielak, § 2266 BGB Rz. 3, 4. 2 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2249 BGB Rz. 6. 3 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2249 BGB Rz. 6. 4 BGH v. 4.4.1962 – V ZR 110/60, BGHZ 37, 79 (87). 5 Staudinger/Baumann, § 2249 BGB Rz. 43; a.A. KG v. 22.3.1956 – 1 W 258/56, NJW 1957, 953 (954). 6 MüKo/Hagena, § 2249 BGB Rz. 22; Soergel/Mayer, § 2249 BGB Rz. 10.
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B II Rz. 272
Formen letztwilliger Verfügung
insoweit Zustimmung, als §§ 7, 27 BeurkG in den Fällen, in denen die Urkundsperson ausgeschlossen ist, nur die partielle Unwirksamkeit der Verfügung vorsehen, während die Zuziehung eines ausgeschlossenen Zeugen die Verfügung insgesamt unwirksam macht. Ob man darüber hinaus §§ 7, 27 BeurkG entnehmen kann, dass auch der durch § 7 BeurkG erweiterte Personenkreis zur Vermeidung einer partiellen Unwirksamkeit nicht als Zeuge zugelassen werden darf1, erscheint zweifelhaft. Eine entsprechende Anweisung ist § 2249 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbs. BGB nicht zu entnehmen und eine Erweiterung wäre auch mit sachlichen Erwägungen nicht zu begründen2. Mitwirkungsverbote ergeben sich jedoch aus § 26 BeurkG, insbesondere dessen Abs. 1 Nr. 3 und 4 sowie Abs. 2. 272
Der Zeuge muss die Niederschrift unterschreiben (§ 2249 Abs. 1 Satz 5 BGB). cc) Errichtung des Testaments
273
Die Errichtung erfordert hinsichtlich aller wesentlichen Teile die ständige Anwesenheit des Bürgermeisters und der beiden Zeugen. Ist dies nicht der Fall, so ist das Testament nichtig.
274
Es kann sowohl durch persönliche Erklärung als auch durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift errichtet werden (§§ 2249 Abs. 1 Satz 4, 2232 BGB). Der Bürgermeister hat bei der Errichtung grundsätzlich dieselben Beurkundungsvorschriften anzuwenden wie der Notar. Im Einzelnen sind vom Bürgermeister die in § 2249 Abs. 1 Satz 4 BGB aufgeführten Vorschriften kraft ausdrücklicher gesetzlicher Verweisung einzuhalten.
275
Ist der Erblasser minderjährig, sprach- oder leseunfähig, so gelten die Vorschriften des § 2233 BGB entsprechend.
276
Der Bürgermeister hat über die Testamentserrichtung eine Niederschrift in deutscher Sprache zu errichten, ohne die das Testament nicht wirksam ist3. Die Niederschrift muss in Anwesenheit aller Mitwirkenden dem Erblasser vorgelesen und von diesem genehmigt werden. Danach ist sie vom Erblasser, vom Bürgermeister und von den beiden Zeugen zu unterschreiben. Ist der Erblasser schreibunfähig, ersetzt die entsprechende Feststellung seine Unterschrift (§ 2249 Abs. 1 Satz 6 BGB). dd) Unschädliche Formverstöße
277
Nach § 2249 Abs. 6 BGB sind nicht nur Verstöße gegen bloße Sollvorschriften, sondern auch gegen Mussvorschriften (zwingende Protokollierungsvorschriften) beim Bürgermeistertestament unschädlich, soweit sie im Zusammenhang mit der Abfassung der Niederschrift unterlaufen sind und wenn zweifelsfrei feststeht, dass das Testament eine zuverlässige Wiedergabe der Er1 So von der Reck, S. 89. 2 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2249 BGB Rz. 10. 3 Palandt/Edenhofer, § 2249 BGB Rz. 9.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 280 B II
klärung des Erblassers enthält1. Dafür beweispflichtig ist, wer sich auf die Wirksamkeit des Testaments beruft. Nach dem Zweck des Gesetzes ist § 2249 Abs. 6 BGB weit auszulegen2, damit die Durchsetzung eines von der Rechtsordnung nicht missbilligten Willens des Erblassers nicht aufgrund formaler Hindernisse scheitert3. Der Formverstoß darf jedoch nicht den materiellrechtlichen Erfordernissen zuzurechnen sein4. Ausgehend von der Annahme, dass ein Bürgermeister nicht über dieselbe Sach- und Fachkenntnis wie ein Notars verfügt, soll auch die Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen entsprechend weniger streng geprüft werden und dem Erblasser in einer entsprechenden Notsituation nicht zum Nachteil gereichen. Zu den unschädlichen Formverstößen gehören z.B. die Mangelhaftigkeit der Bezeichnung des Erblassers und der mitwirkenden Personen oder ein Mangel in der Art der Abgabe der Erklärung durch den Erblasser. Ferner sind nach der Rechtsprechung unter anderem folgende Formverstöße unschädlich:
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– die fehlende Feststellung der Todesbesorgnis in der Niederschrift5, – die fehlende Angabe über Ort und Zeit der Verhandlung, – fehlende Angaben über Identitätsnachweise der Beteiligten, – die fehlende Angabe der Überzeugung des Bürgermeisters, dass der Erblasser schreiben kann, – die fehlende Bezeichnung der mitunterzeichnenden Zeugen als solche, – das Verfassen der Niederschrift in der Ich- statt in Protokollform6, – die Überschreitung des Amtsbezirks durch den Bürgermeister, § 2 BeurkG. In den genannten Fällen ist der Errichtungsakt formgerecht erfolgt, die Protokollierung aber war unvollständig. Der Beweis, dass die nicht protokollierten Umstände dennoch vorlagen, kann dann auch durch außerhalb des Testaments liegende Beweismittel erbracht werden7. Die Beweislast dafür, dass ein unter Verstoß gegen die Formvorschriften errichtetes Nottestament die Wiedergabe der Verfügungen des Erblassers enthält, trifft denjenigen, der sich auf dessen Rechtswirksamkeit beruft.
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Dies gilt jedoch nur für Mängel bei der Abfassung der Niederschrift. Ist eine solche vor dem Ableben des Testierers aber nicht vorhanden, ist das Nottesta-
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1 Palandt/Edenhofer, § 2249 BGB Rz. 11. 2 BGH v. 4.4.1962 – 2 U ZR 110/60, BGHZ 88, 37; BGH v. 1.6.1970 – III ZB 4/70, BGHZ 54, 89. 3 MüKo/Hagena, § 2249 BGB Rz. 32. 4 Palandt/Edenhofer, § 2249 BGB Rz. 11. 5 Palandt/Edenhofer, § 2249 BGB Rz. 11. 6 BGH v. 4.4.1962 – V ZR 110/60, BGHZ 37, 79 (89). 7 MüKo/Hagena, § 2249 BGB Rz. 32.
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B II Rz. 281
Formen letztwilliger Verfügung
ment unheilbar nichtig1. Eine nachträgliche Niederschrift der mündlichen Erklärung des Erblassers ist nicht mehr möglich2. ee) Unheilbare Formverstöße 281
Dagegen ist die Nichtbeachtung der zwingenden materiellen Erfordernisse über den Errichtungsakt unheilbar, soweit es sich hierbei um Mussvorschriften handelt.
282
Zu den Verstößen, die zur Nichtigkeit des Testaments führen, zählt nach der Rechtsprechung: – das Fehlen der mündlichen Erklärung des letzten Willens durch den Erblasser oder die Übergabe einer Schrift, – die fehlende Todesbesorgnis, – das Erstellen der Niederschrift erst nach dem Ableben des Erblassers oder eine fehlende Niederschrift, – die fehlende Vorlesung oder Genehmigung der Niederschrift durch den Erblasser, – ein Verstoß gegen die dauernde Anwesenheitspflicht des Erblassers, der Zeugen und des Bürgermeisters3.
283
Umstritten ist insbesondere, ob auch die Unterschriften der hinzugezogenen Zeugen Teil des Errichtungsaktes sind, so dass ihr Fehlen das Nottestament nach § 2249 Abs. 6 BGB unheilbar nichtig macht. Jedenfalls zu Lebzeiten des Erblassers können diese Unterschriften und auch die Unterschrift des Bürgermeisters noch nachgeholt werden. Zweifelhaft ist jedoch die Situation nach dem Ableben des Erblassers. Unstreitig kann jedenfalls die Unterschrift der Urkundsperson, also des Bürgermeisters, in diesem Fall nicht mehr nachgeholt werden4. ff) Die Verschließung
284
Das Nottestament ist nach der Beurkundung durch den Bürgermeister in einen Umschlag zu geben, zu versiegeln und unverzüglich in die amtliche Verwahrung des zuständigen Amtsgerichts, bzw. in Baden-Württemberg des zuständigen Notars, zu übergeben (§ 2249 Abs. 1 Satz 4 BGB, § 34 BeurkG). gg) Gültigkeitsdauer
285
Gem. § 2252 wird das Nottestament nach Ablauf von drei Monaten ungültig, sofern der Erblasser zu diesem Zeitpunkt noch nicht verstorben ist. Das Testament gilt dann als rückwirkend nicht errichtet. 1 2 3 4
Staudinger/Baumann, § 2249 BGB Rz. 38. KG v. 11.7.1940 – 1 Wx 253/40, ZAkDR 1941, 101. Palandt/Edenhofer, § 2249 BGB Rz. 11. MüKo/Hagena, § 2249 BGB Rz. 33; Erman/Schmidt, § 2249 BGB Rz. 6.
162
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 292 B II
Ein Ehegattentestament bleibt als gemeinschaftliches Testament voll wirksam, wenn einer der Testierer innerhalb der drei Monate verstirbt1. Leben nach Ablauf der Frist noch beide Ehegatten, tritt das Nottestament außer Kraft2.
286
Unwirksam wird auch ein durch das Nottestament ausgesprochener Widerruf eines früheren Testaments3. Die durch das Nottestament aufgehobene letztwillige Verfügung tritt nach Ablauf der drei Monate wieder in Kraft.
287
Für die Fristberechnung wird der Tag der Testamentserrichtung nicht mitgerechnet (§ 187 BGB, vgl. auch § 188 Abs. 2 und 3 BGB).
288
Die Frist endet mit Ablauf des Tages des dritten Monats, dessen Zahl dem Tag entspricht, an dem das Testament errichtet worden ist.
289
Beginn und Lauf der Frist sind gehemmt, solange der Erblasser außerstande ist, ein Testament vor einem deutschen Notar zu errichten (§ 2252 Abs. 2 BGB).
290
Beispiel: Infolge einer lang anhaltenden Krankheit, verbunden mit einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt, ist es dem Erblasser nicht möglich, ein Testament vor Ablauf der drei Monate vor einem Notar zu errichten. Das Nottestament bleibt wirksam. Der Bürgermeister soll den Erblasser auf die beschränkte Gültigkeitsdauer des Testaments hinweisen und dies in der Niederschrift vermerken (§ 2249 Abs. 3 Satz 2 BGB). b) Das Drei-Zeugen-Testament, § 2250 BGB Das Drei-Zeugen-Testament zählt ebenfalls zu den Nottestamenten und wird durch eine mündliche Erklärung an drei Zeugen errichtet.
291
aa) Voraussetzungen des Testaments Die Voraussetzungen des Drei-Zeugen-Testaments ergeben sich aus § 2250 BGB. Danach muss sich der Erblasser an einem Ort aufhalten, der durch außergewöhnliche Umstände so abgesperrt ist, dass er ein Testament vor einem Notar nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten errichten kann (§ 2250 Abs. 1 BGB). Ein nur subjektiver Notstand genügt dabei nicht4. Ausreichend ist jedoch, wenn der Erblasser in so naher Todesgefahr ist bzw. die bloße Besorgnis seines bevorstehenden Todes besteht5, dass er voraussichtlich weder ein ordentliches öffentliches noch ein Bürgermeistertestament rechtzeitig errichten kann. 1 2 3 4 5
Staudinger/Baumann, § 2252 BGB Rz. 11. Allg. M., Kipp/Coing, § 33 I a; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2266 BGB Rz. 3. Soergel/Mayer, § 2252 BGB Rz. 3. Palandt/Edenhofer, § 2250 BGB Rz. 2. LG Freiburg v. 19.3.2003 – 4 T 187/02, ZEV 2003, 370.
Esser
163
292
B II Rz. 293
Formen letztwilliger Verfügung
Beispiel: K erleidet einen schweren Unfall im Hochgebirge und wird dabei schwer verletzt. Aus Besorgnis um den plötzlichen Tod vor Eintreffen der Rettungswacht errichtet K ein Drei-Zeugen-Testament unter Mitwirkung seiner drei Bergkameraden. 293
Der Todesgefahr steht dabei, ebenfalls wie im Falle des § 2249 Abs. 1 BGB, die Gefahr dauernder Testierunfähigkeit gleich1. Auch beim Drei-Zeugen-Testament muss die Gefahr entweder tatsächlich oder zumindest nach pflichtgemäßer Ermessensüberzeugung aller drei Zeugen gegeben sein2. Die Feststellung der Todesgefahr oder einer dauernden Testierunfähigkeit muss nicht in der Niederschrift enthalten sein. Liegt aber weder eine objektive noch subjektive Todesgefahr vor, ist das Nottestament nichtig3. bb) Die Zeugen
294
Die Zeugen treten bei dieser Testamentsform an die Stelle der Amtsperson und übernehmen deren Beurkundungsfunktion4. Alle drei Zeugen müssen zur Mitwirkung bereit sein und die Verantwortung für die richtige Wiedergabe des Erblasserwillens übernehmen5. Die zulässige Anwesenheit einer sonst unbeteiligten Person genügt nicht für die Wahrung der Form.
295
Das Testament ist nur gültig, wenn die Zeugen während des gesamten Errichtungsvorgangs anwesend sind6. Eine Ausnahme besteht, wenn zunächst der Entwurf des Nottestaments angefertigt und danach die mündliche Erklärung des letzten Willens, zumindest durch ein deutliches „Ja“ des Erblassers zum Entwurf, sowie die Verlesung und Genehmigung der Testamentsniederschrift in einem Vorgang zusammengefasst werden. In diesem Fall müssen alle drei Zeugen erst mit Abgabe der Willenserklärung durch den Erblasser bis zur Genehmigung der Niederschrift dauernd anwesend sein7.
296
Gem. § 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB finden auf die Zeugen die Ausschlussgründe des § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BeurkG mit der Folge der Unwirksamkeit der Verfügung, des § 7 BeurkG mit der Folge einer teilweisen Unwirksamkeit und die Mitwirkungsverbote des § 26 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 BeurkG als Sollvorschrift Anwendung. Nach § 27 BeurkG sind begünstigte Personen, die somit nicht als Zeugen auftreten dürfen, solche, die in der Verfügung von Todes wegen bedacht oder zum Testamentsvollstrecker ernannt werden sollen8.
1 2 3 4 5 6 7 8
BGH v. 15.11.1951 – IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372 (373). BGH v. 15.11.1951 – IV ZR 66/51, BGHZ 3, 372. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2250 BGB Rz. 4. BGH v. 1.6.1970 – III ZB 4/70, BGHZ 54, 89 = NJW 1970, 161; MüKo/Hagena, § 2250 BGB Rz. 10. BGH v. 24.11.1971 – IV ZR 230/69, NJW 1972, 202. BGH v. 1.6.1970 – III ZB 4/70, BGHZ 54, 89. OLG Zweibrücken v. 2.10.1986 – 3 W 145/86, NJW-RR 1987, 135. OLG Frankfurt v. 20.3.1981 – 20 W 792/80, Rpfleger 1981, 303.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 301 B II
cc) Errichtung des Testaments Die Errichtung eines Drei-Zeugen-Testaments kann nur durch eine mündliche Erklärung des Erblasserwillens gegenüber den drei Zeugen erfolgen, nicht jedoch durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift1. Über die mündliche Erklärung des Erblassers muss noch zu dessen Lebzeiten eine Niederschrift angefertigt werden. Diese muss dem Erblasser vorgelesen und von ihm genehmigt werden. Kann der Erblasser schreiben, muss er die Niederschrift eigenhändig unterschreiben (§ 2250 Abs. 3 BGB, §§ 8, 13 Abs. 1 BeurkG). Ist er schreibunfähig, wird seine Unterschrift durch die Feststellung der Schreibunfähigkeit ersetzt (§ 2250 Abs. 3, § 2249 Abs. 1 Satz 5, 6 BGB).
297
dd) Folgen von Formverstößen Durch die Verweisung in § 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB auf § 2249 Abs. 1 und 2 BGB sind beim Drei-Zeugen-Testament, wie auch beim Bürgermeistertestament, alle bei der Abfassung der Niederschrift unterlaufenden Formfehler unschädlich.
298
Schädlich sind nur die Fehler, die den Errichtungsakt als solchen betreffen: – z.B. die Anwesenheit von nur zwei Zeugen, – die fehlende Aufnahme einer Niederschrift, – das unterlassene Verlesen der Niederschrift sowie – die nicht erfolgte Genehmigung und – die fehlende Unterzeichnung der Niederschrift durch den Erblasser. ee) Beschränkte Gültigkeitsdauer des Testaments Auch das Drei-Zeugen-Testament ist gem. § 2252 BGB nur drei Monate gültig, wenn der Erblasser nicht zuvor verstirbt. Im Übrigen s. hierzu Rz. 285 ff.
299
c) Das Seetestament, § 2251 BGB Das Seetestament nach § 2251 BGB ist eine außerordentliche Testamentsform, jedoch kein Nottestament, da es keine Notlage voraussetzt.
300
Voraussetzung für die Errichtung eines Seetestaments ist eine Seereise, also jede Seefahrt außerhalb eines inländischen Hafens. Eine Seereise i.S.d. § 2251 BGB ist daher auch die Küstenfahrt. Der Aufenthalt in einem ausländischen Hafen zählt dabei zur Reise, wenn der Erblasser an Bord bleibt. Der Erblasser muss sich an Bord eines deutschen Schiffes befinden. Die Errichtung des Seetestaments erfolgt nach § 2250 Abs. 3 BGB durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen. Die Errichtung durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift ist nicht möglich. Die Niederschrift muss in einer Sprache erfolgen, die sowohl der Erblasser als auch die Zeugen verstehen.
301
1 Palandt/Edenhofer, § 2250 BGB Rz. 6.
Esser
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B II Rz. 302
Formen letztwilliger Verfügung
302
Wie auch bei den anderen außerordentlichen Testamentsformen sind die gesetzlichen Vorschriften für den Ausschluss der Zeugen, ebenso die Pflicht zum Vorlesen, Genehmigen und Unterschreiben der Niederschrift zu beachten.
303
Formfehler werden, entsprechend dem Verweis auf § 2250 Abs. 3 BGB und § 2249 Abs. 6 BGB, wie bereits ausgeführt behandelt.
304
Das Seetestament hat ebenfalls eine dreimonatige Gültigkeitsdauer, mit der Sonderregelung des § 2252 Abs. 3 BGB, wonach bei Antritt einer erneuten Seereise vor dem Ablauf der Frist, die Frist mit der Wirkung unterbrochen wird, dass nach Beendigung der neuen Reise die volle Drei-Monats-Frist erneut zu laufen beginnt.
5. Die inhaltliche Gestaltung der Verfügung von Todes wegen mit Blick auf ihre Auslegung 305
Der Erblasser kann in einer Verfügung von Todes wegen entsprechend dem Grundsatz der Testierfreiheit den oder die Erben nach seinem Willen frei bestimmen. Hat der Wille des Erblassers in der Verfügung von Todes wegen nur unvollständig Ausdruck gefunden oder kann der wahre Wille des Erblassers nicht zweifelsfrei festgestellt werden, wird die Erklärung des Erblassers anhand bestimmter Grundsätze, die insbesondere von der Rechtsprechung entwickelt wurden, ausgelegt.
306
Ziel der Auslegung ist die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten zum Ausdruck bringen wollte, nicht aber die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens1. Mit Hilfe der Auslegung soll der Wortsinn des Erblasserwillens ermittelt werden2. Dabei kann jedoch nur der Wille ausgelegt werden, der formwirksam Inhalt der letztwilligen Verfügung geworden ist3. a) Grundsätze der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen
307
Bei der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen ist zu unterscheiden zwischen einseitigen Testamenten und Erbverträgen bzw. gemeinschaftlichen Testamenten. aa) Die Auslegung einseitiger Verfügungen
308
Abweichend von den allgemeinen Grundsätzen der Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen ist es bei der Auslegung einseitiger Testamente, also dem Einzeltestament, einseitigen Verfügungen im Erbvertrag und nicht wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament, unerheblich, wie die Erklärung nach dem Empfängerhorizont zu verstehen ist: 1 BGH v. 7.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256. 2 BGH v. 7.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256. 3 Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 26, 28 ff.
166
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 312 B II
Es gibt keine Person, deren Vertrauen geschützt werden muss1. Auch der im Testament Bedachte ist nicht maßgeblicher Erklärungsempfänger der einseitigen testamentarischen Verfügung2. § 157 BGB und auch § 242 BGB finden demnach keine Anwendung bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung3. Maßgeblich ist allein der wirkliche Wille des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung und nicht der objektive Sinn der Erklärung4. Die wichtigsten Grundsätze der Testamentsauslegung leiten sich aus ihrem Ziel ab, den rechtlich geltenden Inhalt der Verfügung von Todes wegen festzustellen5. Die Auslegung einer testamentarischen Verfügung darf sich daher nicht auf die Deutung des Wortlauts der Erklärung beschränken6, sondern muss insbesondere auch
309
– die außerhalb der Testamentsurkunde liegenden Umstände beachten und – bedenken, dass ausschließlich der Erblasserwille durch den Inhalt der Testamentsurkunde zum Ausdruck gebracht worden ist7. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände können beispielsweise die Bildung und berufliche Stellung des Erblassers, Schriftstücke des Erblassers, widerrufene oder formunwirksame Testamente, Herkunft und Höhe des Vermögens oder auch Aussagen von bei der Testamentserrichtung beteiligten Personen sein8.
310
Die Auslegung geht der den Erblasserwillen vernichtenden Anfechtung nach §§ 2278 ff. BGB vor, da durch die Auslegung der wahre Wille des Erblassers verwirklicht werden kann, während durch die Anfechtung die Verfügung von Todes wegen vernichtet wird und die – vom Erblasser oft nicht gewünschte – gesetzliche Erbfolge eintritt9.
311
bb) Die Auslegung einseitiger Verfügungen in Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten Wie bereits unter Rz. 308 dargestellt, werden auch einseitige Verfügungen im Erbvertrag (vgl. § 2299 Abs. 1 BGB) und nicht wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten nur unter Berücksichtigung des Erklärenden-Horizonts, nicht jedoch unter Berücksichtigung des Empfänger-Horizonts ausgelegt.
1 2 3 4 5 6
v. Lübtow, ErbR Bd. 1, S. 272. Otte, ZEV 1995, 408, 410. Dippel, AcP 177, 349 (355) m.w.N. Palandt/Heinrichs, § 133 Rz. 13. MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 1. BGH v. 27.2.1985 – IVa ZR 136/83, BGHZ 94, 36 (38) = NJW 1985, 1554; BayObLG v. 16.11.1993 – 1 Z BR 73/93, FamRZ 1994, 853 (854) = DNotZ 1994, 399. 7 BGH v. 8.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41; Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 BGB ff. Rz. 26; Soergel/Loritz, § 2084 BGB Rz. 15. 8 Nieder, Rz. 1101 m.w.N. 9 Palandt/Edenhofer, § 2078 BGB Rz. 1; Brox, Rz. 196 m.w.N.
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312
B II Rz. 313
Formen letztwilliger Verfügung
(1) Der Erbvertrag 313
Im Gegensatz zum Testament ist bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen, die zum Abschluss eines Erbvertrags nach § 2278 Abs. 1 BGB abgegeben werden, aus Gründen des Vertrauensschutzes die letztwillige Verfügung aus Sicht des Vertragspartners auszulegen, sofern ein übereinstimmender Wille der Parteien nicht festgestellt werden kann. Es finden die üblichen Regeln über die Vertragsauslegung Anwendung, so dass neben § 133 BGB auch § 157 BGB für die Auslegung im Gegenseitigkeitsverhältnis stehender Verfügungen herangezogen wird1.
314
Zu beachten ist bei der Auslegung eines Erbvertrags zudem, ob der Erbvertrag entgeltlichen Charakter hat, er also mit einem Rechtsgeschäft verbunden ist, und welcher der Vertragspartner sich gegebenenfalls zu einer Leistung verpflichtet hat2.
315
Weiterhin finden auf Erbverträge gem. § 2279 BGB bezüglich des zulässigen Inhalts, der notwendigen Bestimmtheit und der Auslegung die Vorschriften für Testamente entsprechende Anwendung. (2) Das gemeinschaftliche Testament
316
Wie beim Erbvertrag auch ist bei wechselbezüglichen Verfügungen nach § 2270 Abs. 1 BGB in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament der Empfängerhorizont des anderen Ehegatten für die Auslegung entscheidend, wenn ein übereinstimmender Wille nicht festgestellt werden kann. Der überlebende Ehegatte muss die Möglichkeit haben, sich bei seinen Verfügungen auf diejenigen des anderen einzustellen und umgekehrt3. Bevor auf den Empfängerhorizont des anderen Ehegatten abgestellt wird, muss jedoch die Feststellung eines übereinstimmenden Willens gescheitert sein. Dabei ist insbesondere eine vom üblichen Sprachgebrauch abweichende Ausdrucksweise der Ehegatten so auszulegen, wie es dem Verständnis der Ehegatten entsprochen hat4.
317
Jeder Ehegatte muss seine Anordnungen so gelten lassen, wie sie der Partner anhand der ihm erkennbaren Umstände verstehen durfte5. Der Empfängerhorizont des Ehegatten beim gemeinschaftlichen Testament ist nur dann nicht beachtlich, wenn keine wechselbezüglichen Verfügungen vorliegen; hier gilt uneingeschränkt das bereits für einseitige Testamente Ausgeführte6.
1 BGH v. 8.2.1989 – IVa 98/87, NJW 1989, 2885; BayObLG v. 22.7.1996 – 1 Z BR 76/96, NJW-RR 1997, 7. 2 Brox, Rz. 220 f. 3 BGH v. 7.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256; a.A. Soergel/Loritz, § 2084 BGB Rz. 51, der bei nicht feststellbarem gemeinsamen Willen nach dem objektiven Erklärungsinhalt auslegen will. 4 Soergel/Loritz, § 2084 BGB Rz. 51. 5 Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 140. 6 Brox, Rz. 224.
168
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 321 B II
b) Auslegungsmethoden Die Rechtsprechung des BGH hat für die Auslegung der Verfügungen von Todes wegen unterschiedliche Methoden entwickelt, die in der folgenden Reihenfolge dazu dienen, den wirklichen, realen Willen des Erblassers zu erforschen.
318
aa) Auslegung des Wortlauts (erläuternde Auslegung) Ausgangspunkt für die Auslegung von einseitigen Testamenten ist, wie bereits dargestellt, § 133 BGB1. Danach ist das Ziel der Auslegung der tatsächliche Wille des Erblassers. Die erläuternde Auslegung geht vom Wortlaut der letztwilligen Verfügung des Erblassers aus. Zunächst ist also der tatsächliche, wortwörtliche Inhalt der Verfügung von Todes wegen festzustellen und erst dann ist zu erforschen, was der Erblasser mit seinen Worten wirklich sagen wollte. Durch den Wortlaut der Erklärung sind der Auslegung keine Grenzen gesetzt, vielmehr dient er als Anhaltspunkt für die Erforschung des tatsächlich Gewollten2.
319
Was der Erblasser erklären wollte, richtet sich somit nach seinem subjektiven Verständnis hinsichtlich der von ihm verwendeten Begriffe3. Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung setzt voraus, dass Umstände vorliegen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Erklärende einen vom üblichen Sprachgebrauch abweichenden Sinn mit seinen Worten zum Ausdruck bringen wollte4. Der Wille des Erblassers muss durch den Inhalt der Erklärung gestützt werden, damit am Ende des Auslegungsprozesses der tatsächliche Wille des Erblassers steht5.
320
Zur Erforschung des Erblasserwillens müssen auch Umstände herangezogen werden, die außerhalb des Testaments liegen, die aber bei der Ermittlung des wahren Willens des Verfügenden hilfreich sein könnten. Zwar wird durch die erläuternde Auslegung der Willensverwirklichung des Erblassers der Vorrang vor dem Wortlaut der Verfügung eingeräumt, jedoch begründet ein eindeutiger Wortlaut die widerlegbare Vermutung, dass der Erklärungsinhalt auch den tatsächlichen Willen des Erblassers wiedergibt und der Wortlaut folglich objektiv zu verstehen ist6.
321
1 BGH LM § 2078 BGB Nr. 3; MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 4; Kipp/Coing, § 21 II. 2 BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 4/80, BGHZ 80, 242 (245 f.); BGH v. 7.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256; BGH v. 8.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41 (45 f.). 3 BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 191/85, FamRZ, 1987, 475; Palandt/Edenhofer, § 2084 BGB Rz. 1. 4 BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 6/80, BGHZ 80, 246 (250); BayObLG v. 9.12.1985 – BReg. 1 Z 90/85, FamRZ 1986, 835. 5 BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 191/85, FamRZ 1987, 475; BGH v. 7.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256; BayObLGZ 1994, 377 (378). 6 Soergel/Loritz, § 2084 BGB Rz. 14.
Esser
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B II Rz. 322
Formen letztwilliger Verfügung
322
Auch die Fälle der sog. falsa demonstratio, also der Falschbezeichnungen in Testamenten, werden mit Hilfe der erläuternden Auslegung gelöst1.
323
Ist die Erklärung von einem Notar beurkundet worden, spricht eine gewisse Vermutung dafür, dass der objektive Erklärungsinhalt dem Willen des Erblassers entspricht, wobei auch notarielle Testamente, ebenso wie privatschriftliche, grundsätzlich der Auslegung zugänglich sind2. Dies gilt auch dann, wenn Rechtsbegriffe unrichtig verwendet werden3, denn anderenfalls könnte aus der notariellen Urkunde geschlossen werden, dass ein Notar im Beratungsgespräch stets alle klärenden Fragen stellt und keine Hinweise unterlässt. bb) Die Andeutungstheorie
324
Ist der tatsächliche Wille des Erblassers mit Hilfe der erläuternden Auslegung ermittelt worden und widerspricht dieser dem eindeutigen Wortlaut der letztwilligen Verfügung, ist zu prüfen, ob der durch die Auslegung ermittelte Wille des Erblassers formgerecht erklärt worden ist4.
325
Nach der Andeutungstheorie muss der maßgebliche Wille des Erblassers in der Testamentsurkunde irgendwie, wenn auch nur andeutungsweise, zum Ausdruck gekommen sein. Nicht erforderlich ist, dass bereits das Ergebnis der Testamentsauslegung angedeutet wird. Es genügt, wenn aus dem Testament erkennbar ist, wie die Willensrichtung des Erblassers gewesen ist5.
326
In der Literatur wird die Andeutungstheorie teilweise völlig abgelehnt6 und gefordert, dass der ermittelte Wille stets wirksam und auch ohne Andeutung zu beachten sei. Diese Ansicht ist im Interesse der Rechtssicherheit abzulehnen, da der Auslegung einer letztwilligen Verfügung klare Grenzen gesetzt werden müssen. Ohne die Andeutungstheorie wären einer freien Interpretation des letzten Willens Tür und Tor geöffnet mit der Gefahr, dass einem nicht vorhandenem Erblasserwillen zum Erfolg verholfen wird. cc) Die Folge von Falschbezeichnungen
327
Oft benutzt der Erblasser einen Begriff scheinbar klar und eindeutig, verbindet mit seinen Worten jedoch einen anderen als den objektiven Sinn. Fälle der sog. falsa demonstratio geschehen insbesondere beim Gebrauch von Rechtsbegriffen durch juristisch Ungeschulte, die nach der Vorstellung des Laien einen anderen als den tatsächlich zutreffenden Sinn haben. Diese Begriffe sind 1 MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 18; Palandt/Edenhofer, § 2084 BGB Rz. 5; Nieder, Rz. 1109. 2 Palandt/Edenhofer, § 2084 BGB Rz. 2 m.w.N. 3 OLG Saarbrücken v. 6.1.1994 – 5 W 119/93, NJW-RR 1994, 844 (845 f.). 4 Schlüter, § 17, Die Auslegung der Verfügungen von Todes wegen, II 2, Rz. 192. 5 BGH v. 8.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41 (47); BGH v. 27.2.1985 – IVa ZR 136/83, NJW 1985, 1554 (1555); Erman/Schmidt, § 2084 BGB Rz. 3; Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 28 ff.; Nieder, Rz. 1108. 6 Brox, Rz. 197; Brox, JA 1984, 549 (555).
170
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 330a B II
nach der Rechtsprechung auslegungsfähig, sofern sich aus den Umständen ergibt, dass der Erklärende sie mit einem anderen Sinn verbunden hat1. Eine falsa demonstratio ist auch dann gegeben, wenn der Erblasser, seinen Ge- 328 pflogenheiten entsprechend, beispielsweise einen Erben mit einem falschen Namen oder einen vermachten Gegenstand mit einem anderen Ausdruck bezeichnet. Beispiel: Der Erblasser bezeichnet seine Ehefrau als „Mutti“, den Weinkeller als „Bibliothek“. In den Fällen der sog. verschlüsselten Ausdrucksweise2 wählt der Erblasser bewusst eine objektiv unrichtige Bezeichnung, die jedoch nur vom Standpunkt des insoweit nicht maßgeblichen Betrachters falsch ist3. Die „Andeutung“ des wirklichen Willens ist in den Fällen der falsa demonstratio in der Falschbezeichnung selbst zu sehen, denn ob eine Andeutung vorhanden ist, richtet sich nach dem Standpunkt des Erklärenden und dessen besonderem Sprachgebrauch, nicht aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch oder dem Verständnis des Bedachten4.
329
dd) Auslegungsbeispiele aus der Rechtsprechung Für eine Reihe von Begriffen hat die Rechtsprechung festgestellt, dass sie auslegungsfähig sind, also u.U. nicht klar abgeleitet werden kann, was hiermit gemeint ist. Unter anderem wurde dies für folgende Begriffe festgestellt:
330
– die Bezeichnung „Kinder“ mit der Folge, dass auch Adoptivkinder darunter fallen können, falls kein gegenteiliger Wille feststellbar ist5 oder aber die Erbberechtigung eines nichtehelichen Kindes nicht gewollt ist6; – die Formulierung „unser gemeinsames Ableben“ mit der Folge, dass damit auch der Fall gemeint sein kann, dass die Eheleute aufgrund des gleichen Unfallereignisses nacheinander sterben7; – die Zuwendung der „Wohnung“, die auch die in der Wohnung vorhandenen Wertgegenstände wie Schmuck und Hausrat umfassen kann8; – „Vor- und Nacherbe“ die auch bedeuten können, dass Schlusserbe gemeint ist oder aber Vollerbe des längstlebenden Ehegatten9. Besondere Schwierigkeiten treten bei der Auslegung nicht vollständig vorliegender Testamente auf, also soweit die Urschrift einer Testamentsurkunde 1 2 3 4 5 6 7
Soergel/Loritz, § 2084 BGB Rz. 16. Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 34. Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 33. Nieder, Rz. 1109; Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 35. OLG Düsseldorf v. 10.12.1987 – 3 Wx 477/97, FamRZ 1998, 1206. BGH v. 9.4.1981 – IVa ZB 4/80, BGHZ 80, 246 = NJW 1981, 1736. OLG Stuttgart v. 10.3.1982 – 8 W 224/81, FamRZ 1982, 1136 f.; BayObLG v.18.12.2003 – 1 Z BR 130/02, ZEV 2004, 200 f. 8 BayObLG v. 29.6.1994 – 1 Z BR 125/93, ZEV 1994, 377. 9 BayObLG v. 19.9.1988 – BReg. 1a Z 40/88, FamRZ 1989, 99 (101).
Esser
171
330a
B II Rz. 330b
Formen letztwilliger Verfügung
insgesamt oder in Teilen fehlt. Das BayObLG hat festgestellt, dass in diesen Fällen alle zulässigen Beweismittel zur Ermittlung des Willen des Erblassers heranzuziehen sind1. An den Nachweis der Erbeinsetzung sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen2. Beweispflichtig ist, entsprechend den allgemein geltenden Grundsätzen, wer Ansprüche aus dem Testament behauptet. 330b Zur Abgrenzung zwischen Erb- und Vermächtnisanordnung hat das BayObLG entschieden, dass, wenn der Nachlass aus einem oder mehreren Hauptgegenständen (wie z.B. Grundstücken) besteht und die übrigen Nachlasswerte erheblich hinter dem Hauptgegenstand zurückbleiben, in der Zuwendung eines solchen Hauptgegenstands auch eine Erbeinsetzung gesehen werden kann, wohingegen die Zuwendung kleinerer Werte ein Vermächtnis darstellen kann3. Dabei darf sich die Auslegung eines Testaments nicht nur auf ein dem Willen des Erblassers entsprechendes Ergebnis in der Nachlassverteilung beschränken. Sie muss vielmehr auch die Anordnung juristischer Laien so umsetzen, dass das Verteilungsergebnis auch in konkret nicht eingetretenen Geschehensabläufen dem Willen des Erblassers entsprochen hätte4. c) Beachtung äußerer Umstände für die Auslegung 331
Die Beachtung äußerer Umstände für die Auslegung bedeutet, dass alle zugänglichen Umstände, die außerhalb des Testaments liegen, ebenfalls zur Ermittlung des tatsächlichen Willens des Erblassers auszuwerten sind5. Dies können beispielsweise Äußerungen in Briefen und gegenüber Familienangehörigen oder anderen Personen anlässlich der Testamentserrichtung sein. Auch Erklärungen in früheren Testamenten können helfen, den wirklichen Erblasserwillen zu erforschen, besonders dann, wenn die neue Verfügung nur zur Ergänzung oder Präzisierung des früheren Inhalts dienen sollte6.
332
Das persönliche Verhältnis zu den bedachten Personen kann Rückschlüsse auf den Willen des Testierers zulassen, ebenso wie der Bildungsstand des Erblassers, seine berufliche Stellung oder auch örtliche Besonderheiten7.
333
Äußerungen nach der Testamentserrichtung können ebenfalls herangezogen werden, jedoch nur soweit sie nicht auf eine Absicht, das Testament zu ändern, hindeuten8.
1 2 3 4 5 6 7 8
BayObLG, FamRZ 1986, 1043. OLG Köln v. 30.4.1993 – 2 Wx 56–57/92, NJW-RR 1993, 970. BayObLG v. 12.3.2002 – 1Z BR 14/01, NJW-RR 2002, 873 ff. BayObLG v. 16.3.2005 – 1Z BR 77/04, ZEV 2006, 182. Erman/Schmidt, § 2084 BGB Rz. 5. Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 68. Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 75. Erman/Schmidt, § 2084 BGB Rz. 5.
172
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 337 B II
d) Der maßgebende Zeitpunkt Der maßgebende Zeitpunkt für die Feststellung des subjektiven Willens des Erblassers ist der Errichtungszeitpunkt1. Unbeachtlich ist folglich, wenn sich der Erblasserwillen nach diesem Zeitpunkt ändert2.
334
e) Die wohlwollende Auslegung im Sinne des § 2084 BGB Lässt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zu, 335 so ist gem. § 2084 BGB im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die durch den Testierer gewählte Verfügung Erfolg haben kann. Die Regelung ergänzt die allgemeinen Auslegungsregeln für den seltenen Fall, dass bei einer mehrdeutigen Anordnung eine Auslegungsmöglichkeit zur Unwirksamkeit der Verfügung führen würde. Können mehrere Auslegungen zum selben Ziel führen, so ist in Anwendung des § 2084 BGB die für den Bedachten kostengünstigste und mit den wenigsten Umständen verbundene Auslegung zu wählen3.
336
Beispiel: Die Einsetzung aller Tierschutzvereine in deutschen Städten mit mehr als 20 000 Einwohnern lässt zwei Auslegungsmöglichkeiten zu: Entweder sind die Tierschutzvereine (und alle Mitglieder, soweit die Vereine keine juristischen Personen sind) Erben nach Bruchteilen, so dass eine unüberschaubare Miterbengemeinschaft entsteht. Oder der Dachverband der Vereine soll Erbe sein, mit der Auflage, das Vermögen entsprechend zu verteilen4. Da die zweite Möglichkeit die praktikablere ist, führt die Anwendung der wohlwollenden Auslegung zu der Annahme, dass der Erblasser den Dachverband als Erben einsetzen wollte. Entsprechend anwendbar ist § 2084 BGB, wenn unstreitig eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Erblassers vorliegt, deren rechtliche Natur aber zweifelhaft ist. Dieses ist beispielsweise dann der Fall, wenn unklar ist, ob die Erklärung eine letztwillige Verfügung oder eine Schenkung unter Lebenden bzw. eine testamentarische Anordnung oder eine widerrufliche Vollmacht auf den Todesfall ist5.
1 BGH v. 26.9.1990 – IV ZR 131/89, BGHZ 112, 229 (233); BayObLG v. 7.11.1988 – BReg. 1a Z 39/88, NJW-RR 1989, 326 (327). 2 RG v. 2.11.1933 – IV. B 43/33, RGZ 142, 171 (175); BayObLG v. 13.4.1995 – 1 Z BR 32/95, NJW-RR 1996, 1351. 3 Brox, Rz. 202; Kipp/Coing, § 21 V b; Erman/Schmidt, § 2084 BGB Rz. 8; Palandt/ Edenhofer, § 2084 BGB Rz. 15. 4 Kipp/Coing, § 21 V b. 5 BGH v. 18.5.1988 – IVa ZR 36/87, NJW 1988, 2731 (2732); Palandt/Edenhofer, § 2084 BGB Rz. 16; a.A. Soergel/Stein, § 1937 BGB Rz. 2; Erman/Schmidt, § 2084 BGB Rz. 9; Bork, JZ 1988, 1059 (1063). Nach der Gegenansicht ist die Anwendung des § 2084 BGB mit dem Zweck des § 2301 BGB unvereinbar, die Umgehung der Erbrechtsvorschriften zu verhindern. Im Zweifel eine Verfügung von Todes wegen anzunehmen, würde jedoch eine Umgehung des § 2301 BGB bedeuten.
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337
B II Rz. 338
Formen letztwilliger Verfügung
338
§ 2084 BGB ist nicht anwendbar, wenn die Frage zu klären ist, ob überhaupt eine letztwillige Verfügung des Erblassers vorliegt oder nur ein unverbindlicher Wunsch, eine unverbindliche Mitteilung oder eine Ankündigung, wie es etwa in Form eines Briefes möglich ist1. Diese Zweifel betreffen den Testierwillen und sind daher als Fragen der Auslegung nur über § 133 BGB zu beantworten.
339
Auch fehlende zwingende Formerfordernisse, wie beispielsweise die fehlende Unterschrift unter dem eigenhändigen Testament, lassen sich nicht mit Hilfe des § 2084 BGB ersetzen2. f) Die ergänzende Auslegung aa) Begriff der ergänzenden Auslegung
340
Während die erläuternde Auslegung des Wortlauts an den wahren Willen des Erblassers anknüpft, findet die ergänzende Auslegung Anwendung, wenn der hypothetische Erblasserwillen ermittelt werden muss, also planwidrige Lücken des Testaments zu schließen sind3. Solche Lücken können entstehen, wenn zwischen der Errichtung des Testaments und dem Eintritt des Erbfalls eine gewisse Zeitspanne liegt, innerhalb deren sich die Verhältnisse grundlegend ändern. Auch können bereits bei Errichtung des Testaments Umstände vorgelegen haben, die dem Erblasser nicht bekannt gewesen sind, bei dessen Kenntnis er aber andere Verfügungen getroffen hätte.
341
Während sich die erläuternde Auslegung am Sinn der Erklärung orientiert und dadurch der vom Erblasser gewollten Rechtsfolge zur Durchsetzung verhilft, führt die ergänzende Auslegung zu Rechtsfolgen, die dem Wortlaut der Verfügung weder ausdrücklich noch dem Sinn nach zu entnehmen sind. bb) Die Ergänzung des Testaments
342
Die Ergänzung des Testaments im Wege der ergänzenden Auslegung erfolgt in drei Schritten: Zunächst ist das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke zu prüfen. Dabei ist zu klären, welche Ziele und welche Motivationen den Erblasser bei seinen Anordnungen leiteten. Beispiel: Der Erblasser kann bei Errichtung seiner letztwilligen Verfügung die Alterssicherung seiner Ehefrau oder die gerechte Aufteilung des Vermögens zwischen den Bedachten als bestimmendes Kriterium der Gestaltung gewünscht, dieses Ziel aber mit den getroffenen Verfügungen nicht erreicht haben. Hier besteht eine planwidrige Regelungslücke.
1 Erman/Schmidt, § 2084 BGB Rz. 8 m.w.N. 2 OLG Hamm v. 16.3.1993 – 15 W 135/92, FamRZ 1994, 188; BayObLG v. 4.3.1983 – BReg. 1 Z 127/82, FamRZ 1983, 836. 3 v. Lübtow, ErbR Bd. 1, S. 294; Soergel/Loritz, § 2084 BGB Rz. 34; Nieder, Rz. 1113.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 346 B II
Ist das Ziel des Erblassers definiert und findet sich keine entsprechende Regelung im Testament, so ist eine Lücke vorhanden. Kann festgestellt werden, dass der Erblasser diese Lücke zur Erreichung seines Ziel geschlossen hätte, ist die Regelungslücke planwidrig. Die Lücke ist nun zu schließen. Hierfür ist der hypothetische Wille des Erb- 343 lassers zu ermitteln, den er gehabt hätte, wenn ihm im Zeitpunkt der Testamentserrichtung die nicht bedachten Umstände bekannt oder bewusst gewesen wären. Es ist immer von der Person des Erblassers auszugehen und aus dessen Sicht ist 344 die Lücke zu schließen. Der Auslegende hat sich hierfür gedanklich in den Zeitpunkt der Testamentserrichtung zurückzuversetzen und von dort aus die sich aus damaliger Sicht entwickelnde Zukunft vorzustellen1. Der hypothetische Wille des Erblassers kann sich dabei sowohl aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergeben als auch aus außerhalb des Testaments liegenden Umständen. Beispiel: Der 1989 verstorbene Erblasser hatte umfangreiches Immobilienvermögen in der früheren DDR. Nach der Wiedervereinigung wurden die Immobilien an die Erben rückübertragen. In seinem 1988 errichteten Testament sind für diese Vermögensgegenstände keinerlei Verfügungen getroffen worden, da der Erblasser nicht mit einer Wiedervereinigung rechnete. Die entstandene Regelungslücke ist durch ergänzende Auslegung zu schließen. Von allen denkbaren Möglichkeiten, wie die planwidrige Lücke geschlossen werden kann, ist diejenige auszuwählen, welche am besten geeignet ist, den mit dem hypothetischen Erblasserwillen angestrebten Erfolg zu verwirklichen2. Dabei kommt es auf den Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an, nicht etwa auf einen späteren Willen3. Strittig ist, ob auch bei der ergänzenden Auslegung besondere Grenzen zu berücksichtigen sind. Während die Rechtsprechung mittels der Anhalts- oder Andeutungstheorie darum bemüht ist, die ergänzende Auslegung einzuschränken, lehnt die Literatur diese Beschränkungen entschieden ab4.
345
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass für das erzielte Ergebnis auch in der Testamentsurkunde zumindest ein Anhaltspunkt gegeben sein muss. Zu beachten ist, wie bei der erläuternden Auslegung, dass auch hier die Andeutungstheorie gilt5. Der hypothetische Wille muss in der Testamentsurkunde in irgendeiner Form eine Stütze finden. Gefordert wird eine aus dem Testament erkennbare Willensrichtung des Erblassers6, die sich aus seinen Zielen und Motivationen ergeben muss.
346
1 2 3 4 5 6
Palandt/Edenhofer, § 2084 BGB Rz. 8. Nieder, Rz. 1116. BGH v. 23.1.1963 – V ZR 82/61, NJW 1963, 1150 (1151). MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 80. Erman/Schmidt, § 2084 BGB Rz. 7. Palandt/Edenhofer, § 2084 BGB Rz. 10.
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B II Rz. 347
Formen letztwilliger Verfügung
347
Dieser Ansicht wird entgegengehalten, dass ein Anhaltspunkt im Rahmen einer ergänzenden Auslegung schon deshalb im Testament nicht gefunden werden kann, weil andernfalls bereits im Wege der erläuternden Auslegung der mutmaßliche Wille des Erblassers ermittelt worden wäre.
348
Übereinstimmend stellen jedoch beide Ansichten fest, dass die Ergänzung einer letztwilligen Verfügung nur zulässig ist, wenn hierfür Anhaltspunkte in der Willensrichtung des Erblassers bestehen, die sich anhand des Testaments, aufgrund von Umständen außerhalb des Testaments oder aus der allgemeinen Lebenserfahrung feststellen lassen1. Keinesfalls darf die ergänzende Auslegung jedoch in der Art vorgenommen werden, dass dem Erblasser ein Wille unterstellt wird, der „vernünftig“ gewesen wäre. cc) Auslegung vor Anfechtung
349
Nach der Auffassung von Rechtsprechung2 und Schrifttum3 geht die Auslegung der Anfechtung vor, da die Auslegung den Willen des Erblassers verwirklicht, während ihn die Anfechtung entsprechend § 142 BGB vernichtet.
Û
Beratungshinweis: In Zweifelsfällen sollte, mit Blick auf die für die Anfechtung geltenden Fristen, zumindest hilfsweise die Anfechtung der letztwilligen Verfügung erklärt werden.
dd) Keine zeitlichen Grenzen der ergänzenden Auslegung 350
Das Gericht ist bei der Ergänzung des Erblasserwillens weder gegenständlich noch zeitlich beschränkt. Derjenige, der sich auf Veränderungen beruft, die sich aus der ergänzenden Auslegung ergeben, kann sich so lange darauf berufen, wie Rechte in der gewählten Verfahrensart geltend gemacht werden können. Die Ausschlussfristen für die Irrtumsanfechtung sind nicht anwendbar. Grenzen setzt hier der Gedanke des allgemeinen Rechtsmissbrauchs entsprechend § 242 BGB4. ee) Wichtige Anwendungsfälle der ergänzenden Auslegung
351
Die Rechtsprechung wendet die ergänzende Auslegung nur zurückhaltend an, was auf die Schwierigkeit der Ermittlung eines hypothetischen Erblasserwillens und die damit verbundenen Unsicherheiten zurückzuführen ist. Es haben
1 MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 81. 2 BayObLG v. 5.12.1966 – BReg. 1a Z 32/66, BayObLGZ 1966, 390 (394); BayObLG v. 27.6.1997 – 1 Z BR 240/96, FamRZ 1997, 1509 = BayObLGZ 1997, 197 (201 f.) = ZEV 1997, 339 (340). 3 MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 10; Palandt/Edenhofer, § 2078 BGB Rz. 1; Staudinger/ Otte, § 2078 BGB Rz. 6 f. 4 BayObLG v. 27.6.1997 – 1 Z BR 240/96, ZEV 1997, 339 (341) = FamRZ 1997, 1509; Schlüter, § 17, Die Auslegung der Verfügungen von Todes wegen, II 3, Rz. 193; a.A. Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, S. 151.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 355a B II
sich aber einige Fallgruppen herausgebildet, bei denen regelmäßig die ergänzende Auslegung herangezogen wird. (1) Einsetzung eines Ersatzerben Ein anerkannter und typischer Anwendungsbereich der ergänzenden Aus- 352 legung betrifft die Berufung von Ersatzerben, wenn die bedachte Person vor Eintritt des Erbfalls stirbt. Da die Regelung des § 2069 BGB als Sonderregelung für die Abkömmlinge des Erblassers nicht analog auf den Wegfall anderer eingesetzter Erben angewendet werden kann1, entsteht bei Wegfall der Bedachten in anderen als den dort genannten Fällen eine planwidrige Lücke. Findet sich im Testament ein Anhaltspunkt dafür, dass der Erblasser eine Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge des ursprünglich Bedachten gewünscht hätte (Zuwendung an den Stamm des ursprünglichen Erben), so ist eine dahin gehende ergänzende Auslegung möglich2.
353
(2) Wegfall des eingesetzten Ehegatten und Wiederheirat des Erblassers Die ergänzende Auslegung ist im Hinblick auf eine Auswechslung des Zuwendungsempfängers grundsätzlich zurückhaltend anzuwenden.
354
Insbesondere bei Wegfall des eingesetzten Ehegatten und Wiederheirat des Erblassers, der nach erneuter Eheschließung keine neue letztwillige Verfügung getroffen hat, ist die Annahme einer Erbeinsetzung des zweiten Ehegatten weder nach § 2071 BGB noch im Wege der ergänzenden Auslegung möglich.
355
Dies gilt sowohl bei der namentlichen Einsetzung als auch bei einer unpersönlichen und mehrdeutigen Bezeichnung des Bedachten, wie z.B. „mein Mann“3. Im ersten Fall kommt die erläuternde Auslegung schon wegen der namentlichen Benennung des ersten Ehegatten nicht zu dem Ergebnis, der zweite Ehegatte könne an die Stelle des Ersten getreten sein4. Und auch im zweiten Fall ermöglicht die objektiv neue Situation keine ergänzende Auslegung, sondern verlangt eine neue Verfügung des Erblassers. (3) Auswirkung der Ehescheidung auf den Bestand des Erbvertrags Strittig diskutiert wird die Auswirkung einer Ehescheidung auf die erbvertragliche Erbeinsetzung von Abkömmlingen. Das LG München hatte entschieden, dass durch die Ehescheidung zwar die wechselbezüglichen Vermächtnisse und auch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers unwirksam geworden seien. Das gelte allerdings nicht für die Erbeinsetzung der Kinder. Der hypothetische Wille des Erblassers gehe weiter dahin, die gemeinsamen 1 2 3 4
BGH v. 5.7.1972 – IV ZR 125/70, NJW 1973, 240 (242). Palandt/Edenhofer, § 2069 BGB Rz. 9. MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 98; Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 108. Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 108.
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355a
B II Rz. 355b
Formen letztwilliger Verfügung
Kinder aus erster Ehe auf jeden Fall als Erben nach dem Erstversterbenden einzusetzen. Das OLG München hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache zurück an das Nachlassgericht1. Nach § 2279 Abs. 2 BGB gelten die Vorschriften des § 2077 BGB auch für den Erbvertrag zwischen Ehegatten. Nach § 2077 Abs. 1 BGB ist die letztwillige Verfügung infolge der Auflösung der Ehe unwirksam geworden, wenn nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für diesen Fall getroffen hätte. Im Wege der Auslegung kommt das OLG zu dem Schluss, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Erblasser und seine frühere Ehefrau, hätten sie die spätere Scheidung bedacht, auch für diesen Fall die Einsetzung der Kinder als Erben nach dem Erstversterbenden aufrecht erhalten wollten, insbesondere deswegen, weil im Erbvertrag geregelt worden war, dass der Überlebende in seiner Verfügung unter Lebenden und von Todes wegen frei sein sollte. 355b In der Praxis der Vertragsgestaltung bedeutet dies, dass der rechtliche Berater auf mögliche Folgen einer Ehescheidung hinzuweisen und mit besonderer Sorgfalt die Gestaltung der Bindungswirkung in einem Erbvertrag zu definieren hat. (4) Veränderungen der Vermögenslage des Erblassers 356
Hatte der Erblasser falsche Vorstellungen von seiner Vermögenslage im Zeitpunkt des Erbfalls, weil sich seine Vermögensverhältnisse nach der Testamentserrichtung verändert haben, kann ebenfalls die ergänzende Auslegung in Betracht kommen. Dabei ist jedoch Zurückhaltung geboten, da grundsätzlich eine Vermögensveränderung die Verfügung von Todes wegen nicht berührt2.
357
Jedoch können Teilungsanordnungen und Bestimmungen der Erbquoten durch eine Veränderung der Vermögenslage beeinflusst werden3.
358
Hat der Erblasser eine Bestimmung der Erbquote vorgenommen, wird die Erbeinsetzung auch dann nicht in Frage gestellt, wenn der Erblasser nach Testamentserrichtung weiteres erhebliches Vermögen erhält4.
359
Insbesondere können aber Zuwendungen von Einzelgegenständen oder Vermögensgruppen ohne die Bestimmung einer Erbquote als Erbeinsetzung nach Bruchteilen, verbunden mit einer Teilungsanordnung i.S.v. § 2048 BGB, ausgelegt werden, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung damit nahezu über sein gesamtes Vermögen verfügt hat5. Die Erbquoten sind
1 2 3 4
OLG München v. 8.2.2008 – 31 Wx 68/07, ZEV 2008, 290 ff. Soergel/Loritz, § 2084 BGB Rz. 43; Nieder, Rz. 1120. Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 96; Nieder, Rz. 1120. Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 6; BGH v. 16.10.1996 – IV ZR 349/95, NJW 1997, 392; BayObLG v. 7.6.1994 – 1 Z BR 69/93, NJW-RR 1995, 1096. 5 Nieder, Rz. 1120.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 362 B II
dann anhand des wirtschaftlichen Wertverhältnisses der zugewandten Vermögensgruppen zum gesamten Nachlass zu ermitteln1. Eine andere Möglichkeit ist, dass die ergänzende Auslegung zu dem Ergebnis führt, dass der Erblasser nur über den Bruchteil seines Vermögens verfügen, im Übrigen aber die gesetzliche Erbfolge eintreten lassen wollte, entsprechend § 2088 BGB. Dies ist dann der Fall, wenn der Erblasser durch Zuwendung einzelner Gegenstände oder Vermögensgruppen die Bedachten zwar zu Erben einsetzen wollte, ihnen objektiv aber nur einen Bruchteil seines Vermögens zugewandt hat2. Die zugewandten Gegenstände sind dann in Bruchteile des Nachlasses umzudeuten, i.d.R. entsprechend ihrem Anteil am Wert des hinterlassenen Vermögens3.
360
Im Wege der Auslegung ist hier nicht nur zu ermitteln, ob der Erblasser die Zuwendungsempfänger zu Erben einsetzen wollte, sondern auch, ob sie alleinige Erben werden sollten oder nur zu einem Bruchteil. Sollten die Bedachten als alleinige Erben eingesetzt werden, sind ihre Erbteile gem. § 2089 verhältnismäßig zu erhöhen. Sollten sie nur zu einem Bruchteil als Erben eingesetzt werden, tritt hinsichtlich des übrigen Nachlasses die gesetzliche Erbfolge ein4. (5) Tatsächliche Veränderungen an einem vermachten Gegenstand Gehört der vermachte Gegenstand im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr zum Nachlass, sind vor der ergänzenden Auslegung die gesetzlichen Auslegungsregeln nach §§ 2169, 2170 und 2173 BGB anzuwenden. Nach der h.M. kann jedoch § 2169 Abs. 3 BGB im Fall der Veräußerung des vermachten Gegenstands weder direkt noch entsprechend angewandt werden5. Im Wege der ergänzenden Auslegung kann man jedoch zu dem Ergebnis kommen, dass der Erlös des verkauften Gegenstands, soweit er sich noch im Nachlass befindet, oder der Wert des veräußerten Gegenstands als vermacht anzusehen ist6.
361
(6) Änderung der Rechtslage Hat sich die Rechtslage zwischen Testamentserrichtung und Erbfall so ver- 362 ändert, dass eine ursprünglich vorgesehene Rechtsfolge aufgrund dieser Rechtsänderung nicht mehr erreicht werden kann, ist der Verfügung – unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Zwecks – im Wege der ergänzenden Auslegung ein anderer Inhalt zu geben, soweit dieser dem hypothetischen Willen des Erblassers entspricht7. 1 BGH v. 6.12.1989 – IVa ZR 59/88, FamRZ 1990, 396. 2 BayObLG v. 19.3.1998 – 1 Z BR 82/97, FamRZ 1998, 1334 = BayObLGZ 1998, 76 (79 f.). 3 BayObLG v. 24.6.1998 – 1 Z BR 46/98, FamRZ 1999, 62. 4 Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 6. 5 BGH v. 15.12.1956 – IV ZR 238/56, BGHZ 22, 357; Staudinger/Otte, § 2169 BGB Rz. 16; Palandt/Edenhofer, § 2169 BGB Rz. 8. 6 BGH v. 8.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41. 7 MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 77, 78, 104.
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B II Rz. 363
Formen letztwilliger Verfügung
Beispiel: Das neu eingeführte Erbrecht des nichtehelichen Kindes, die Einführung des Erbrechts eines adoptierten Kindes, die Einführung des BGB in den neuen Bundesländern, die Einführung der Zugewinngemeinschaft, der Erlass der HöfeO oder eine Währungsumstellung stellen eine Änderung der Rechtslage dar, die eine ergänzende Auslegung erforderlich machen kann. (7) Geldentwertung und Währungsänderung 363
Eine zwischen Testamentserrichtung und Erbfall eingetretene Geldentwertung kann im Rahmen der ergänzenden Auslegung zur Anpassung eines Geldvermächtnisses, einer Geldrente oder eines vom Erblasser festgelegten Übernahmepreises, welcher von einem Miterben zu zahlen ist, führen1. (8) Freistellungsklauseln bei gemeinschaftlichen Ehegattentestamenten2 und Änderungsvorbehalte in Erbverträgen3
364
Grundsätzlich müssen Freistellungsklauseln und Änderungsvorbehalte bereits ausdrücklich im gemeinschaftlichen Testament bzw. im Erbvertrag aufgenommen werden. Darüber hinaus gestattet die Rechtsprechung aufgrund ergänzender Auslegung ein Abweichen von der letztwilligen Verfügung4. Beispiel: Der überlebende, aufgrund eines Erbvertrags gebundene Ehepartner hat nach dem Tod des Erstverstorbenen unerwartet ein erhebliches Vermögen erworben. Über dieses kann der Überlebende, auch ohne dass entsprechende Klauseln und Vorbehalte in den Erbvertrag aufgenommen worden sind, anderweitig verfügen. g) Auslegung und Prozessrecht
365
Ziel der Auslegung ist es, den rechtlich verbindlichen Inhalt der Verfügung von Todes wegen festzustellen. Die Auslegung selbst ist im erbrechtlichen Verfahren daher keine Tatsachenfeststellung, sondern eine richterliche Tätigkeit im Bereich der Rechtsanwendung5. Dies gilt sowohl für die einfache (erläuternde) als auch für die ergänzende Auslegung. Die Auslegung der Verfügung ist Aufgabe des Richters im Erbscheins- oder im Prozessverfahren. Der Richter hat dabei die allgemeinen, geschriebenen und ungeschriebenen, Auslegungsgrundsätze anzuwenden und die, soweit einschlägig, besonderen gesetzlichen Auslegungsregeln zu beachten6.
1 2 3 4
Staudinger/Otte, Vor §§ 2064 ff. BGB Rz. 97 m.w.N. Palandt/Edenhofer, § 2271 BGB Rz. 19. Palandt/Edenhofer, § 2289 BGB Rz. 8. Gemeinschaftliches Testament: OLG Zweibrücken v. 28.10.1991 – 3 W 34/91, FamRZ 1992, 608 = NJW-RR 1992, 587; Erbvertrag: BayObLG v. 9.11.1995 – 1 Z BR 31/95, FamRZ 1996, 898; OLG Köln v. 10.9.1993 – 2 Wx 34/93, NJW-RR 1994, 651. 5 BGH v. 18.1.1978 – IV ZR 181/76, WM 1978, 377 (378); MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 1422. 6 MüKo/Leipold, § 2084 BGB Rz. 144; vor § 2064 Rz. 8.
180
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 370 B II
Einen unmittelbaren Beweis des Auslegungsergebnisses gibt es nicht, so dass das Gericht nicht an eine übereinstimmende Auslegung durch die Parteien gebunden ist. Das Gericht kann also, unabhängig von den streitenden Bedachten, eine eigene Auslegung des Testaments vornehmen.
366
Ausnahme: Die übereinstimmende Auslegung durch die Parteien ist als rechtsgeschäftliche Einigung über eine der Parteidisposition unterliegende Rechtsfolge zu betrachten1. Die Beteiligten können die Auslegung des Testaments nicht durch einen Vertrag mit unmittelbarer dinglicher Wirkung festlegen, sondern sich nur schuldrechtlich in einem notariell zu beurkundenden Auslegungsvertrag dazu verpflichten, ein bestimmtes Ergebnis herbeizuführen2.
367
Auch wenn der Richter große Zweifel hat, ob die Auslegung dem wirklichen Willen des Erblassers entspricht, muss er eine Entscheidung treffen3. Bei nicht behebbaren Zweifeln muss der Richter eine Entscheidung treffen, die, von allen denkbaren Auslegungen, nach den überwiegend dafür sprechenden Gründen dem hypothetischen Erblasserwillen am Nächsten kommt. Entsprechend der durch Auslegung gebildeten Überzeugung, für welche Interpretation der getroffenen Verfügungen die überwiegenden Gründe sprechen, muss sich der Richter dabei unter Umständen mit einem durch Wortlaut und Umstände nur naheliegenden, mutmaßlichen Erblasserwillen begnügen4.
368
Im Revisionsverfahren (§ 561 Abs. 2 ZPO) oder bei der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG) ist die Entscheidung des Gerichts hinsichtlich der Auslegung nicht voll überprüfbar, sondern nur soweit bei der Feststellung der Tatsachen ein Verstoß gegen verfahrensrechtliche Normen, z.B. das Beweisrecht, in Betracht kommt. Die Auslegung ist daraufhin zu prüfen, ob sie dem klaren Wortlaut und Sinn des Testaments widerspricht5. Sie ist dann rechtsfehlerhaft, wenn dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und der auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Willen des Erblassers gestützt werden kann6.
369
Von den Parteien wird vor Gericht zumeist ausgeführt, dass eine in Frage kommende andere Auslegung überhaupt nicht erwogen wurde7 oder vom Gericht ein wesentlicher Umstand übersehen worden ist8.
370
1 OLG Frankfurt v. 9.10.1989 – 20 W 306/89, OLGZ 1990, 15 = MDR 1990, 56. 2 BGH v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813); OLG Frankfurt v. 9.10.1989 – 20 W 306/89, OLGZ 1990, 15 = MDR 1990, 56. 3 Erman/Schmidt, § 2084 BGB Rz. 11. 4 Nieder, Rz. 1122. 5 BayObLG v. 31.8.1990 – BReg. 1a Z 60/89, NJW-RR 1991, 6 (7) = FamRZ 1996, 636. 6 BGH v. 24.2.1993 – IV ZR 239/91, BGHZ 121, 357 = NJW 1993, 2168. 7 BayObLG v. 29.6.1994 – 1 Z BR 125/93, ZEV 1994, 377. 8 BayObLG v. 7.7.1989 – BReg. 1a Z 45/88, NJW-RR 1989, 1286.
Esser
181
B II Rz. 371
Formen letztwilliger Verfügung
h) Der Auslegungsvertrag 371
Ist die letztwillige Verfügung in der Bestimmung der Bedachten oder der Zuwendungen nicht eindeutig, haben die Beteiligten (z.B. Erben, Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte) die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Vertrags zu einigen. Bei diesen Verträgen handelt es sich entweder um einen Vergleich im Sinne des § 779 BGB oder um einen gesetzlich nicht normierten Feststellungs- bzw. Auslegungsvertrag1.
372
Durch den Auslegungsvertrag werden jedoch nur schuldrechtliche Verpflichtungen der Vertragsparteien zueinander begründet, eine dingliche Wirkung auf die eingetretenen Erbrechtsfolgen entfaltet er nicht2.
373
Mit Hilfe notarieller Erbteilsübertragungsverträge gem. § 2033 BGB oder durch Einzelübertragungsakte kann die schuldrechtlich vereinbarte Stellung der Beteiligten auch weitgehend dinglich angenähert werden3. Schuldrechtliche Vereinbarungen über den Abschluss notarieller Erbteilsübertragungsverträge oder die Durchführung von Einzelübertragungsakten fallen unter § 2385 BGB und bedürfen daher gem. § 2371 BGB auch der notariellen Beurkundung.
374
Der Auslegungsvertrag bedarf keiner notariellen Form, soweit er nur Vermächtnisse, Teilungsanordnungen oder ausschließlich die Erbauseinandersetzung i.S.v. 2042 BGB ohne die Vereinbarung einer abweichenden Nachlassbeteiligung betrifft, sofern nicht andere Formvorschriften wie § 313 BGB einschlägig sind.
375
Das Gericht ist an den außergerichtlichen Vergleich oder einen Auslegungsvertrag im Zivilprozess oder im Erbscheinsverfahren jedoch nicht gebunden4. Es wird den einverständlichen Erklärungen aller Beteiligten über die Auslegung der letztwilligen Verfügung jedoch eine gewisse Indizwirkung zumessen, da die Beteiligten in der Regel am besten mit den Vorstellungen und Wünschen des Erblassers vertraut sind5.
III. Änderung, Widerruf und Anfechtung der Verfügung von Todes wegen 1. Änderung der Verfügung von Todes wegen 376
Die Änderung einer Verfügung von Todes wegen durch den Erblasser mit Hilfe von Nachträgen oder Zusätzen ist grundsätzlich möglich, muss jedoch den Formerfordernissen des § 2247 BGB entsprechen (vgl. Rz. 194 ff.).
1 2 3 4 5
BGH v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812. BGH v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812 (1813). Nieder, Rz. 1123. BayObLG v. 19.9.1988 – BReg. 1a Z 40/88, FamRZ 1989, 99. Lange/Kuchinke, § 34 IV 3c.
182
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 382 B II
Werden nur Schreibfehler und ähnliche offensichtliche Unrichtigkeiten der Urkunde berichtigt oder Klarstellungen vorgenommen, ist dies jederzeit und ohne erneute Unterschrift durch den Testierer möglich1, da diese Korrekturen keine inhaltliche Veränderung darstellen.
377
Streichungen sind ebenfalls ohne Unterschrift möglich, auch wenn sie das Testament inhaltlich verändern, da es sich dabei nicht um das „Errichten“ einer Erklärung im Sinne des § 2247 Abs. 1 BGB handelt2, sondern die Streichung nur einen Widerruf darstellt, der nach § 2255 BGB durch bloße schlüssige Handlung möglich ist.
378
Das Formerfordernis der eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Erklärung gem. § 2247 Abs. 1 BGB ist ohne neue Unterschrift durch den Erblasser gewahrt, wenn nachträgliche inhaltliche Veränderungen oder Ergänzungen auf der Testamentsurkunde nach dem festgestellten Willen des Erblassers von der alten Unterschrift gedeckt sind und das räumliche Erscheinungsbild der Urkunde dem nicht entgegensteht3.
379
Wird außerhalb des Textes eine Berichtigung vorgenommen, die neue Verfügungen, zum Beispiel die Auswechslung eines Vermächtnisnehmers, enthält, muss diese Berichtigung den Formerfordernissen des § 2247 BGB entsprechen4. Außerhalb des Textes steht eine Veränderung dann, wenn sie sich unterhalb des durch Unterschrift abgeschlossenen Testaments befindet. In diesen Fällen ist die erneute Unterschrift des Erblassers zwingend erforderlich, ansonsten ist die außerhalb der Urkunde vorgenommene Berichtigung unwirksam.
380
Nur in Ausnahmefällen kann auch eine ohne die gesonderte Unterschrift des Erblassers legitimierte Ergänzung unterhalb des Textes wirksam sein. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn der ursprüngliche Text ohne die Ergänzung lückenhaft oder nicht durchführbar wäre und deshalb der wirkliche Wille des Erblassers nur anhand beider Texte ersichtlich wird5. Dazu muss nach Auslegung des Testaments feststehen, dass die Änderungen entsprechend dem Willen des Erblassers von der Unterschrift gedeckt sein sollen. Im Zweifel ist der Zusatz jedoch unwirksam6.
381
Wird auf einem gesonderten Schriftstück eine Änderung verfügt, muss die Anordnung stets gesondert unterzeichnet werden, da der erforderliche räumliche Zusammenhang fehlt und die Änderung daher als neue Verfügung zu betrachten ist. Auch bei einer inhaltlichen Anknüpfung an die ursprüngliche Urkunde sind diese Formerfordernisse zwingend zu erfüllen7.
382
1 2 3 4 5 6 7
Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 56, 61; Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 18. Erman/Schmidt, § 2247 BGB Rz. 10. BGH v. 20.3.1974 – IV ZR 133/73, NJW 1974, 1083 (1084). Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 56. OLG Frankfurt v. 13.2.1995 – 20 W 394/94, NJW-RR 1995, 711. Staudinger/Baumann, § 2247 BGB Rz. 65. BGH v. 20.3.1974 – IV ZR 133/73, NJW 1974, 1083; Erman/Schmidt, § 2247 BGB Rz. 10; Palandt/Edenhofer, § 2247 BGB Rz. 18.
Esser
183
B II Rz. 383
Formen letztwilliger Verfügung
2. Widerruf der Verfügung von Todes wegen 383
Aus dem Prinzip der Testierfreiheit folgt, dass der Erblasser gem. § 2253 Abs. 1 BGB die Möglichkeit hat, getroffene Verfügungen von Todes wegen jederzeit ganz oder teilweise ohne Begründung zu widerrufen. Da der Testierer nicht an seine rechtsgeschäftlichen Erklärungen im Testament gebunden ist, hat der im Testament Bedachte eine bloße tatsächliche Erwerbsaussicht, die jedoch erst mit dem Tod des Erblassers rechtliche Wirksamkeit erlangt.
384
Ein Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, eine Verfügung von Todes wegen aufzuheben oder nicht aufzuheben, ist gem. § 2302 BGB nichtig.
385
Bei gemeinschaftlichen Testamenten gilt § 2253 BGB ebenfalls, mit den für wechselbezügliche Verfügungen bestehenden Ausnahmen des § 2271 BGB.
386
Nur durch Erbvertrag ist eine Bindung des Erblassers hinsichtlich wechselbezüglicher Verfügungen möglich. a) Rechtsnatur und Wirksamkeitsvoraussetzungen des Widerrufs
387
Der Widerruf ist ein Rechtsgeschäft, eine negative letztwillige Verfügung1, die durch ein Widerrufstestament (§ 2254 BGB), oder durch eine schlüssige Handlung (§ 2255 BGB, Vernichtung oder Veränderung der Urkunde) erklärt werden kann.
388
Die Rücknahme eines öffentlichen Testaments aus der amtlichen Verwahrung wird nach § 2256 BGB als Widerruf in Form einer letztwilligen Verfügung fingiert2.
389
Der Widerruf ist daher in jeder gesetzlich vorgesehenen Form eine letztwillige Verfügung und erfordert die Testier- und Widerrufsfähigkeit des Verfügenden (§ 2229 BGB). Ein gem. §§ 1896 ff. BGB unter Betreuung stehender Erblasser kann daher jederzeit sein Testament widerrufen, sofern er nicht gem. § 2229 Abs. 4 BGB testierunfähig ist3.
390
Der Widerruf muss nicht die Form des widerrufenen Testaments haben, sondern kann nach Maßgabe der in den §§ 2254 bis 2256, 2258 BGB geregelten Widerrufsmöglichkeiten erfolgen. Er muss aber in jedem Fall durch den Erblasser persönlich erklärt werden (§ 2064 BGB), so dass er nicht in einem Prozessvergleich erfolgen kann4. b) Arten des Widerrufs
391
Das Gesetz unterscheidet folgende Arten des Widerrufs: – durch Testament (§ 2254 BGB), 1 2 3 4
Nieder, Rz. 1033. Staudinger/Baumann, § 2256 BGB Rz. 3. MüKo/Hagena, § 2229 BGB Rz. 11. MüKo/Hagena, § 2254 BGB Rz. 6, Rz. 2 m.w.N.
184
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 396 B II
– durch Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde (§ 2255 BGB), – durch Rücknahme eines öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung (§ 2256 BGB) und – durch ein neueres Testament abweichenden Inhalts (§ 2258 Abs. 1 BGB). Neben den gesetzlich vorgesehenen Widerrufsmöglichkeiten besteht keine Möglichkeit, durch schlüssiges Verhalten ein Testament zu widerrufen, wie etwa durch Billigung des Verlustes der Testamentsurkunde1. Ein Widerruf durch schlüssige Handlung ist nur unter den Voraussetzungen des § 2255 BGB möglich.
392
aa) Widerruf durch Testament, § 2254 BGB Der Widerruf kann nach § 2254 BGB durch ein neues formgültiges Testament erfolgen. Dabei muss er den Formerfordernissen eines Testaments entsprechen, bedarf aber nicht derselben Form wie das zu widerrufende Testament. Ein öffentliches Testament kann daher auch durch ein eigenhändiges widerrufen werden und umgekehrt2. Das Widerrufstestament kann auch als Nottestament (Achtung! Beschränkte zeitliche Geltung!) oder Brieftestament errichtet werden, nicht jedoch als bloßer Entwurf.
Û
393
Beratungshinweis: Wird das Widerrufstestament als Nottestament errichtet, ist darauf zu achten, dass ein Nottestament nur für die Dauer von drei Monaten ab Errichtung Geltung hat. Nach Ablauf der drei Monate lebt daher das vorangegangene Testament wieder auf. Es ist daher unbedingt darauf zu achten, ein ordentliches Testament mit unbeschränkter Geltungsdauer vor Ablauf der drei Monate aufzusetzen.
Der rechtswirksame Widerruf eines sich in amtlicher Verwahrung befindlichen Testaments ist auch dann gegeben, wenn der Erblasser den Widerruf auf einer Testamentsabschrift handschriftlich vermerkt, mit Orts- und Datumsangabe versieht und eigenhändig unterschreibt, selbst wenn der Zusatz erst in Verbindung mit der Abschrift zu verstehen ist3.
394
Es kann sich bei der neuen letztwilligen Verfügung um ein reines Widerrufstestament handeln, das außer dem Widerruf keine weiteren letztwilligen Verfügungen enthält4.
395
Der ausdrückliche Widerruf eines alten Testaments kann jedoch auch in einem neuen Testament neben weiteren neuen Verfügungen enthalten sein.
396
1 MüKo/Hagena, § 2253 BGB Rz. 2, § 2254 BGB Rz. 4; Soergel/Mayer, § 2254 BGB Rz. 3. 2 Palandt/Edenhofer, § 2254 BGB Rz. 1. 3 BGH v. 25.10.1965 – III ZR 47/64, NJW 1966, 201. 4 OLG Frankfurt v. 22.9.1949 – 2a W 7/49, NJW 1950, 607.
Esser
185
B II Rz. 397
Formen letztwilliger Verfügung
Formulierungsvorschlag Hiermit widerrufe ich, Wolfgang Herbst, mein am 12.6.2001 errichtetes eigenhändiges Testament und verfüge stattdessen, dass die gesetzliche Erbfolge gelten soll. Hamburg, den 28.7.2005, Unterschrift
397
Wird der Widerruf der alten Verfügung von Todes wegen nicht ausdrücklich in einem neuen Testament erklärt, kann ein entsprechender Wille des Erblassers durch Auslegung ermittelt werden. Die Problematik, was gelten soll, wenn das später errichtete Testament keine ausdrückliche Widerrufserklärung enthält, regelt § 2258 BGB. Während bei § 2254 BGB der Widerruf mit Widerrufsbewusstsein erfolgt, ist ein ausdrücklicher Aufhebungswille bei § 2258 BGB nicht erforderlich1.
398
Entscheidend für die Abgrenzung zwischen § 2254 BGB und § 2258 BGB ist, ob der Widerrufswille in der Erklärung Ausdruck gefunden hat, wobei der Widerruf gem. § 2254 BGB nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden muss2. Zur Klärung der Frage, ob der Testierende bewusst von der früheren Regelung Abstand genommen hat, ist das Testament auszulegen, wobei auch außerhalb des Testaments liegende Umstände herangezogen werden können3.
399
Enthält das Testament keine ausdrückliche Widerrufserklärung und ist ein Aufhebungswille auch nicht im Rahmen einer Auslegung oder Umdeutung erkennbar, beurteilt sich die Rechtslage nach § 2258 BGB bzw. § 2289 BGB.
400
Auch der bedingte Widerruf einer Verfügung von Todes wegen ist möglich. Der Erblasser erklärt, dass sein Testament nur dann wirksam sein soll, wenn vom ihm vorgegebene Bedingungen eintreten. Diese Bedingungen sind sog. Verwirkungsklauseln nach Maßgabe der §§ 2074 bis 2076 BGB4. Werden durch die Bedingungen nur einzelne Verfügungen widerrufen, hat das die Unwirksamkeit der übrigen Anordnungen nur dann zur Folge, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Erblasser die weiteren Regelungen ohne die unwirksame Verfügung nicht treffen wollte. Beispiel: Sollte mein Sohn heiraten, vererbe ich ihm mein Haus in der Toskana. Heiratet mein Sohn nicht, fällt das Haus an die Volkshochschule Ulm.
401
Ebenso kann sich der Widerruf auf einzelne testamentarische Anordnungen des Erblassers beschränken.
1 2 3 4
Erman/Schmidt, § 2254 BGB Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 2258 BGB Rz. 1. MüKo/Hagena, § 2254 BGB Rz. 4. Erman/Schmidt, § 2254 BGB Rz. 2. MüKo/Hagena, § 2253 BGB Rz. 4; § 2254 BGB Rz. 8.
186
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 406 B II
bb) Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde, § 2255 BGB Der Widerruf eines Testaments kann nach § 2255 BGB durch schlüssige Handlung, nämlich durch Vernichtung oder Veränderungen der Urkunde durch den Erblasser, erfolgen. Die Handlung des Erblassers erfordert objektiv eine körperliche Veränderung der Urkunde und subjektiv die Absicht des Testierers, die alte Verfügung aufzuheben1. Praktisch hat diese Form des Widerrufs daher insbesondere für das eigenhändige Testament eine besondere Bedeutung.
402
Der testierfähige Erblasser muss die Testamentsurkunde persönlich verändert oder vernichtet haben, da nur er eine wirksame Verfügung von Todes wegen erstellen oder widerrufen kann.
403
Die Voraussetzung der Persönlichkeit ist auch dann gegeben, wenn sich der Erblasser dabei eines Dritten bedient, der im Auftrag und mit Willen des Erblassers zu dessen Lebzeiten als unselbstständiges Werkzeug die Vernichtung vornimmt2. Auch andere mechanische Handlungen zur Veränderung des Testaments wie Streichungen durch einen Dritten im Auftrag des Erblassers in dessen Gegenwart sind wirksam3.
404
Der Dritte darf bei der Veränderung oder Vernichtung nur als Werkzeug, nicht jedoch als gesetzlicher Vertreter oder Bevollmächtigter des Erblassers mit eigener Entschlussfreiheit handeln. In diesem Fall liegt kein wirksamer Widerruf vor4. Das gilt nicht nur für die Vernichtung, sondern auch für Veränderungen am Testament. Die nachträgliche Genehmigung der Vernichtung durch einen Dritten ist nicht möglich, da § 185 Abs. 2 BGB nicht auf tatsächliche Handlungen anwendbar ist5.
405
Das Vernichten der Urkunde kann durch Zerreißen, Verbrennen oder die sonstige eigenhändige Zerstörung der Testamentsurkunde geschehen. Liegt keine Substanzvernichtung vor, kann nach einer Ansicht auch eine „ideelle“ Vernichtung angenommen werden6.
406
Beispiel: Der Erblasser wirft das Testament in den Papierkorb oder behandelt es wie Altpapier.
1 2 3 4
BGH v. 16.9.1959 – V ZR 20/59, NJW 1959, 2113. BayObLG v. 10.2.1992 – BReg. 1 Z 57/91, FamRZ 1992, 1350 (1351). Erman/Schmidt, § 2255 BGB Rz. 4. Vgl. dazu Schmidt, Der Widerruf des Testaments durch Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde, MDR 1951, 321 (323); BayObLG v. 10.2.1992 – BReg. 1 Z 57/91, FamRZ 1992, 1350 (1351). 5 Nieder, Rz. 1035; Soergel/Mayer, § 2255 BGB Rz. 11; Schlüter, § 16 II 2a, Rz. 186. 6 Erman/Schmidt, § 2255 BGB Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 2255 BGB Rz. 8.
Esser
187
B II Rz. 407
Formen letztwilliger Verfügung
407
Nach anderer Auffassung ist nur bei einem Eingriff in die körperliche Substanz der Urkunde eine Vernichtung gegeben, so dass allein das Wegwerfen noch keinen Widerruf darstellt, sondern zusätzliche Umstände auf eine Aufhebungsabsicht hinweisen müssen, wie etwa das Zerknittern der Urkunde1.
408
Die Veränderung der Urkunde kann durch Ausradieren, Durchstreichen, Einreißen, Einschneiden, Herausreißen und Unleserlichmachen vorgenommen werden2. Wird durch die Veränderung nur eine teilweise Aufhebung vorgenommen und zugleich eine neue Verfügung von Todes wegen getroffen, muss die Formvorschrift des § 2247 BGB eingehalten werden, wobei eine neue Unterschrift nur dann entbehrlich ist, wenn die Änderung nach dem festgestellten Willen des Erblassers von der Unterschrift gedeckt ist und das räumliche Erscheinungsbild der Urkunde dem nicht entgegensteht3.
409
Auch kann die Veränderung in Form eines Ungültigkeits- oder Entwertungsvermerks vorgenommen werden, wenn für jedermann dadurch sofort zu erkennen ist, dass die Verfügung nicht mehr wirksam sein soll4. Ein derartiger Vermerk muss nicht gesondert unterschrieben sein5.
Û
Beratungshinweis: Ist über dem Text, am Textrand oder quer über den Text durch den Erblasser „annulliert“, „ungültig“, „widerrufen“, „verbrennen“ vermerkt worden, reicht dieses aus, damit das Testament seine Wirksamkeit verliert.
410
Wird nur der Umschlag mit einem Ungültigkeitsvermerk versehen, so liegt ein wirksamer Widerruf vor, wenn der Vermerk den Formerfordernissen des Testaments entspricht6. Ist der Vermerk auf dem Umschlag „jetzt vollständig ungültig“ nicht gesondert unterschrieben, so muss durch Auslegung geklärt werden, ob Testament und Umschlag als einheitliche Urkunde angesehen werden können: Ein wirksamer Widerruf liegt dann vor, wenn die Aufschrift auf dem Umschlag derart mit dem Testament in einem innerem Zusammenhang steht, dass der Vermerk nach dem Willen des Erblassers als Fortsetzung der Testamentsurkunde betrachtet werden kann7.
411
Der Erblasser muss mit Aufhebungsabsicht handeln. Es besteht gem. § 2255 Satz 2 BGB die widerlegbare Vermutung für eine solche Absicht, wenn der Erblasser die Urkunde vernichtet oder verändert hat. Die Vermutung des § 2255 Satz 2 BGB knüpft nur an die Widerrufshandlung an. Es besteht jedoch keine Vermutung dahin gehend, dass bei Unauffindbarkeit des Testaments
1 2 3 4 5 6 7
MüKo/Hagena, § 2255 BGB Rz. 5, 7 m.w.N. Erman/Schmidt, § 2255 BGB Rz. 3 m.w.N. BGH v. 20.3.1974 – IV ZR 133/73, NJW 1974, 1083 (1084). Palandt/Edenhofer, § 2255 BGB Rz. 6. Erman/Schmidt, § 2255 BGB Rz. 3. MüKo/Hagena, § 2255 BGB Rz. 7. MüKo/Hagena, § 2255 BGB Rz. 7; BGH v. 20.3.1974 – IV ZR 133/73, NJW 1974, 1083 (1084).
188
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 417 B II
der Erblasser das Testament vernichtet hat1 oder dass die Vernichtung oder Veränderung vom Erblasser selbst vorgenommen wurde2. Die Beweislast und im Erbscheinsverfahren die Feststellungslast für die Vernichtung oder Veränderung des Testaments obliegt demjenigen, der sich auf den Widerruf beruft3. Die Beweisanforderungen an die Vernichtung oder Veränderung durch den Erblasser sind hier nicht sehr hoch, wenn die Schrift sich im Gewahrsam des Erblassers befunden hat und Einwirkungen Dritter nicht ernstlich in Betracht kommen4.
412
Steht fest, dass das Testament durch den Erblasser oder in dessen Auftrag durch einen Gehilfen vernichtet wurde, greift die Vermutung des § 2255 Satz 2 BGB, die durch den Gegenbeweis des testamentarisch Bedachten entkräftet werden kann, der Erblasser habe keine Widerrufsabsicht gehabt.
413
Û
Beratungshinweis: Kann der testamentarisch Bedachte den Nachweis erbringen, der Erblasser habe in der irrigen Annahme der Formgültigkeit eines neueren Testaments die alte Verfügung von Todes wegen vernichtet, behält das alte Testament seine Wirksamkeit5.
Ist das Testament nicht mehr auffindbar, zufällig vernichtet oder beiseite geschafft worden, wird die Wirksamkeit des Testaments nicht berührt, solange der Inhalt rekonstruierbar ist6, denn allein eine formlose Billigung des Verlusts stellt ohne Widerrufshandlung keinen Widerruf dar7.
414
Beweispflichtig für die formwirksame Errichtung und den zu rekonstruierenden Inhalt der Verfügung ist derjenige, der aus dem Testament Rechte für sich ableitet8.
415
cc) Rücknahme eines öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung Gem. § 2256 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt ein vor einem Notar oder nach § 2249 BGB errichtetes Testament als widerrufen, wenn die in amtliche Verwahrung genommene Urkunde dem Erblasser zurückgegeben wird.
416
Die Widerrufswirkung tritt kraft Gesetzes ein, so dass es unerheblich ist, ob 417 der Erblasser die Wirkung kannte oder Widerrufsabsicht hatte (Widerrufsfiktion)9. Der Widerruf nach § 2256 BGB wirkt endgültig. Die Wirkung des Wider1 2 3 4 5 6 7 8
BayObLG v. 23.12.1985 – BReg. 1 Z 97/85, FamRZ 1986, 1043. Erman/Schmidt, § 2255 BGB Rz. 7. Erman/Schmidt, § 2255 BGB Rz. 7; Nieder, Rz. 1035. OLG Hamm v. 8.7.1974 – 15 Wx 42/74, NJW 1974, 1827. Soergel/Mayer, § 2255 BGB Rz. 14. BayObLG v. 23.12.1985 – BReg. 1 Z 97/85, FamRZ 1986, 1043 (1044). Erman/Schmidt, § 2255 BGB Rz. 8. BayObLG v. 23.12.1985 – BReg. 1 Z 97/85, FamRZ 1986, 1043 (1044); MüKo/Hagena, § 2255 BGB Rz. 15. 9 Nieder, Rz. 1036.
Esser
189
B II Rz. 418
Formen letztwilliger Verfügung
rufs kann daher nicht dadurch beseitigt werden, dass das zurückgegebene öffentliche Testament erneut in die besondere amtliche Verwahrung gegeben oder durch Testament widerrufen wird1.
Û
Beratungshinweis: Nach erfolgtem Widerruf ist eine neue, formwirksame Verfügung von Todes wegen zu errichten.
418
Wegen der kraft Gesetzes eintretenden Widerrufswirkung „soll“ gem. § 2256 Abs. 1 Satz 2 BGB der Erblasser bei der Rückgabe über die Folgen der Rückgabe belehrt werden. Die Belehrung soll auf der Urkunde vermerkt und sodann aktenkundig gemacht werden, dass die Rückgabe und die Belehrung geschehen sind. Die Belehrung ist dabei keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Widerruf, jedoch kann bei unterbliebener Belehrung ein Schadenersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung gegeben sein.
419
Der Erblasser kann die Rückgabe jederzeit verlangen, § 2256 Abs. 2 Satz 1 BGB. Ohne das Rückgabeverlangen tritt die Widerrufswirkung nicht ein. Wird das Testament zur Einsicht oder versehentlich zugesendet, liegt keine Rücknahme vor2.
420
Das Testament darf nur an den Erblasser persönlich zurückgegeben werden, § 2256 Abs. 2 Satz 2 BGB, bei einem gemeinschaftlichen Testament kann die Rückgabe gem. §§ 2256, 2272 BGB nur an beide Ehegatten erfolgen. Die persönliche Rückgabe ist Wirksamkeitsvoraussetzung für den Widerruf.
421
Gem. § 2248 BGB kann auch ein eigenhändiges Testament in die besondere amtliche Verwahrung gegeben werden. Die Rückgabe des eigenhändigen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung ist jedoch gem. § 2256 Abs. 3 BGB kein Widerruf. dd) Widerruf durch ein neues, widersprechendes Testament, § 2258 BGB
422
Nach § 2258 Abs. 1 BGB wird durch die Errichtung eines neuen, formgültigen Testaments ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Einer entsprechenden Willenserklärung des Erblassers bedarf es hierfür nicht. Ein Widerspruch zum früheren Testament besteht dann, wenn die Verfügungen sich gegenseitig wegen objektiv-sachlicher Unvereinbarkeit ausschließen3. Dies ist unter Umständen durch Auslegung zu ermitteln, wobei nicht der Wortlaut, sondern der Sinn der Verfügung maßgeblich ist und auch Umstände außerhalb des Testaments herangezogen werden können, um den Willen des Erblassers herauszufinden4. Soweit die Testamente inhaltlich identisch sind, beruht die Erbfolge dann regelmäßig auf beiden Testamenten5. 1 2 3 4 5
Palandt/Edenhofer, § 2256 BGB Rz. 1. MüKo/Hagena, § 2256 BGB Rz. 5 und 7. BGH v. 7.11.1984 – IVa ZR 77/83, NJW 1985, 969 (969 f.). MüKo/Hagena, § 2258 BGB Rz. 4. BayObLG v. 15.11.1988 – BReg. 1a Z 55/88, FamRZ 1989, 441 (442).
190
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 428 B II
Die Auslegung kann aber auch ergeben, dass der Erblasser die alte Verfügung insgesamt widerrufen wollte. Das ist dann anzunehmen, wenn der Erblasser mit der späteren Verfügung von Todes wegen eine abschließende oder zumindest hinsichtlich eines Teils abschließende Regelung treffen wollte1. In diesem Falle liegt dann aber ein Widerruf nach § 2254 BGB vor2.
423
Dagegen ist es für den Widerruf nach § 2258 BGB ohne Belang, ob der Erblasser beim Verfassen des neuen Testaments an die alte Verfügung gedacht hat, da keine Widerrufsabsicht (wie bei § 2254 BGB) erforderlich ist3.
424
Der Umfang der Aufhebung des Testaments gilt nur „insoweit“, als das frühe- 425 re Testament mit dem späteren in Widerspruch steht. Liegt kein Widerspruch, sondern nur eine Ergänzung vor, gelten beide Verfügungen nebeneinander4. Aufhebende Wirkung kommt nur solchen Testamenten zu, die gültig, also 426 formwirksam errichtet worden sind5, ansonsten liegt kein wirksamer Widerruf nach § 2258 Abs. 1 BGB vor. Dabei kann die Errichtung des neuen Testaments in den Formen der §§ 2254 bis 2256 BGB geschehen. Liegen mehrere Testamente vor, ist zunächst festzustellen, welches Testament zuletzt errichtet wurde. Ist dies nicht möglich, sind die sich widersprechenden Verfügungen unwirksam. Ebenso verhält es sich, wenn widersprüchliche Testamente gleichen Alters vorliegen6. Insoweit gilt dann die gesetzliche Erbfolge.
427
Nach § 2258 Abs. 2 BGB wird im Falle des Widerrufs eines später errichteten Testaments im Zweifel das frühere Testament in gleicher Weise wieder wirksam, als ob es nicht aufgehoben worden wäre7. Diese widerlegbare Auslegungsregel gilt nicht, wenn das frühere Testament nach §§ 2255, 2256 BGB widerrufen wurde, und ist auch dann nicht anwendbar, wenn ein entsprechender mutmaßlicher Wille des Erblassers im Zeitpunkt des Widerrufs nicht feststellbar ist8. § 2258 Abs. 2 BGB findet auch dann keine Anwendung, wenn das jüngere Testament aus anderen Gründen als einer Aufhebung wirkungslos ist9.
428
1 BGH v. 8.7.1981 – IVa ZR 188/80, NJW 1981, 2745 (2746); BayObLG v. 13.6.1990 – BReg. 1a Z 54/88, FamRZ 1990, 1281 (1283); BayObLG v. 21.5.1996 – 1 Z BR 49/96, FamRZ 1997, 247 (248). 2 Vgl. dazu Rz. 393 ff. 3 BGH v. 8.7.1981 – IVa ZR 188/80, NJW 1981, 2745. 4 Erman/Schmidt, § 2258 BGB Rz. 2. 5 Nieder, Rz. 1037; Soergel/Mayer, § 2258 BGB Rz. 4. 6 Erman/Schmidt, § 2258 BGB Rz. 3; MüKo/Hagena, § 2258 BGB Rz. 8. 7 OLG Hamm v. 10.6.1983 – 15 W 16/82, Rpfleger 1983, 401. 8 Erman/Schmidt, § 2258 BGB Rz. 5; MüKo/Hagena, § 2258 BGB Rz. 9. 9 Nieder, Rz. 1037.
Esser
191
B II Rz. 429
Formen letztwilliger Verfügung
ee) Widerruf gemeinschaftlicher Testamente (1) Widerruf einseitiger Verfügungen 429
Jeder Ehegatte kann einseitige, d.h. nicht wechselbezügliche Verfügungen i.S.v. § 2270 BGB jederzeit auch nach dem Tod des anderen Ehegatten wie ein einseitiges Testament allein und frei widerrufen. Dies kann entweder durch ein Widerrufstestament (§ 2254 BGB), ein widersprechendes Testament (§ 2258 BGB) oder gem. § 2255 BGB durch Vernichtung oder Veränderung der Urkunde geschehen1.
430
Ein Ehegatte kann jedoch nicht durch Rücknahme des gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung i.S.v. § 2256 BGB seine einseitigen testamentarischen Anordnungen widerrufen. Hierfür bedarf es gem. § 2272 BGB der Zustimmung des anderen Ehegatten2. (2) Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen
431
Durch neue einseitige Verfügungen von Todes wegen können zu Lebzeiten beider Ehegatten wirksam errichtete wechselbezügliche Verfügungen nicht aufgehoben werden, wohl aber durch den einseitigen Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen nach § 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB, der gem. § 2296 Abs. 2 BGB notariell beurkundet werden muss.
432
Wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament können zu Lebzeiten beider Ehegatten auch durch Errichtung eines neuen gemeinschaftlichen Testaments nur durch ausdrückliche Erklärung in einer letztwilligen Verfügung (§ 2254 BGB) oder durch widersprechende Verfügungen in einem neuen Testament (§ 2258 Abs. 1 BGB) widerrufen werden. Zudem können wechselbezügliche Verfügungen durch Erbvertrag und, bei einem öffentlichen Testament, durch gemeinsame Rücknahme aus der besonderen öffentlichen Verwahrung widerrufen werden3.
433
Das Widerrufsrecht erlischt gem. § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB mit dem Tod des anderen Ehegatten. Der Überlebende kann seine Verfügung dann nur noch aufheben, indem er das ihm Zugewendete ausschlägt. Nach § 2271 Abs. 2 Satz 2 BGB ist auch nach Annahme der Zuwendung eine Aufhebung in den Fällen der §§ 2294, 2336 BGB möglich.
434
Der einseitige Widerruf nach § 2271 Abs. 1 BGB ist anfechtbar gem. § 2078 Abs. 1 BGB4. Seine Wirkung kann aber nicht gem. § 2257 BGB durch den Widerruf des Widerrufs beseitigt werden5.
1 2 3 4 5
Staudinger/Kanzleiter, § 2271 BGB Rz. 3, 4. Staudinger/Kanzleiter, § 2271 BGB Rz. 6. MüKo/Musielak, § 2271 BGB Rz. 3; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2271 BGB Rz. 7. Nieder, Rz. 1043; Palandt/Edenhofer, § 2271 BGB Rz. 4. Staudinger/Kanzleiter, § 2271 BGB Rz. 26.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 440 B II
Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen durch beide Ehegatten gemeinsam kann in allen Widerrufsformen geschehen1:
435
– durch gemeinschaftliches, widerrufendes Testament (§ 2254 BGB), – durch einverständliches Vernichten, Verändern oder sonstige schlüssige Widerrufshandlung (§ 2255 BGB), – durch gemeinschaftliche Rücknahme des gemeinschaftlichen öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung (§ 2256 Abs. 1 BGB) und – durch widersprechendes späteres Testament (§ 2258 Abs. 1 BGB). c) Aufhebung und Rücktritt vom Erbvertrag Ebenso wie einseitige Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten können einseitige Verfügungen in Erbverträgen jederzeit vom Testierer frei und ohne Kenntnis durch den Vertragspartner gem. §§ 2254, 2255, 2258 BGB widerrufen werden (im Übrigen s. Rz. 655 ff.).
436
d) Wirkung des Widerrufs Durch den Widerruf werden die in der widerrufenen Verfügung von Todes we- 437 gen getroffenen Regelungen unmittelbar beseitigt und erlangen keine Wirksamkeit mehr. e) Beseitigung des Widerrufs Die Beseitigung des Widerruf kann bei einem Widerruf nach § 2254 BGB, und nur dort, durch erneuten Widerruf (§ 2257 BGB) erfolgen. Dagegen ist die Anfechtung des Widerrufs gem. §§ 2078 ff. BGB bei allen Widerrufsarten möglich.
438
aa) Der Widerruf des Widerrufs, § 2257 BGB Ein durch Testament gem. § 2254 BGB erfolgter Widerruf kann nach § 2257 439 BGB ebenfalls widerrufen werden. Die gesetzliche Auslegungsregel des § 2257 BGB sieht vor, dass dadurch die ursprüngliche Verfügung wieder wirksam wird2. Das frühere Testament wird nur dann nicht wieder wirksam, wenn der Wille des Erblassers im Zeitpunkt des Widerrufs positiv feststellen lässt, die Wirksamkeit des früheren Testaments nicht wieder herzustellen3. Die Wirkung des testamentarischen Widerrufs wird durch den zweiten Widerruf rückwirkend beseitigt. Diese widerlegbare Vermutung gilt nicht, wenn ein gegenteiliger Wille des Erblassers feststellbar ist. Das frühere Testament bleibt dann widerrufen und 1 Palandt/Edenhofer, § 2271 BGB Rz. 2. 2 Nieder, Rz. 1040. 3 OLG Köln v. 8.2.2006 – 2 Wx 49/05, NJOZ 2006, 2152.
Esser
193
440
B II Rz. 441
Formen letztwilliger Verfügung
es tritt die gesetzliche Erbfolge ein, wenn nicht in dem zweiten Widerruf eine neue Verfügung von Todes wegen getroffen wurde1. 441
Auf die §§ 2255, 2256 BGB ist die Vorschrift nicht anwendbar, da hier der Widerruf endgültig wirkt2. Der Erblasser kann die widerrufenen letztwilligen Verfügungen nur durch eine formgerechte Neuerrichtung wieder aufleben lassen3. bb) Die Anfechtung des Widerrufs, §§ 2078 ff. BGB
442
Jede Art von Widerruf, also nicht nur der durch Testament gem. § 2254 BGB oder § 2258 BGB erfolgte, kann nach §§ 2078 ff. BGB durch die Anfechtungsberechtigten (also nicht durch den Erblasser!) angefochten werden4.
443
Anfechtungsberechtigt ist gem. § 2078 Abs. 1 BGB derjenige, welchem die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommt.
444
Voraussetzung für die Anfechtung ist ein beachtlicher Irrtum i.S.d. § 2078 Abs. 1 BGB. Dieser ist gegeben, wenn der testierfähige Erblasser eine Erklärung dieses Inhalts, also einen Widerruf, überhaupt nicht abgeben wollte.
445
Keine Anfechtung nach § 2078 Abs. 1 BGB ist notwendig, wenn der Widerruf durch schlüssige Handlung gem. § 2255 BGB erfolgte. Das durch den Irrtum bedingte Fehlen der Widerrufsabsicht lässt bereits den Widerrufstatbestand nach § 2255 BGB entfallen5.
446
Erfolgt der Widerruf hingegen durch Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung (§ 2256 BGB), ist die Rücknahme als Rechtsgeschäft unter Lebenden und mit Blick auf die damit verbundene Widerrufswirkung nach §§ 2078 Abs. 2, 2080 BGB anfechtbar, wenn geltend gemacht wird, dass dem Erblasser die Bedeutung der Rücknahme als Widerruf nicht bekannt war6. Die h. M. geht hier von einem Inhaltsirrtum aus7.
447
Im Fall eines Widerrufs nach § 2256 BGB ist zu beachten, dass der fehlende Aufhebungswille des Erblassers keinen Anfechtungsgrund hinsichtlich des Widerrufs darstellt, sondern einen Irrtum über die Wirksamkeit des später errichteten Testaments beinhaltet8.
1 Palandt/Edenhofer, § 2257 BGB Rz. 1. 2 BayObLG v. 5.6.1992 – 1 Z BR 21/92, NJW-RR 1992, 1225. 3 BayObLG v. 6.7.1990 – BReg. 1a Z 30/90, FamRZ 1990, 1404; Erman/Schmidt, § 2257 BGB Rz. 1. 4 BayObLG v. 22.12.1960 – BReg. 1 Z 8/60, MDR 1961, 505; MüKo/Hagena, § 2256 BGB Rz. 10; Palandt/Edenhofer, § 2256 BGB Rz. 3; Kipp/Coing, § 31 II 3. 5 Lange/Kuchinke, § 23 III 2b. 6 BayObLG v. 6.7.1990 – BReg. 1a Z 30/90, NJW-RR 1990, 1481. 7 BayObLG v. 6.7.1990 – BReg. 1a Z 30/90, FamRZ 1990, 1404 (1405); MüKo/Hagena, § 2256 BGB Rz. 11; Palandt/Edenhofer, § 2256 BGB Rz. 3. 8 MüKo/Hagena, § 2256 BGB Rz. 11.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 453 B II
Wird ein Testament in der irrigen Annahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung genommen, ein neueres Testament sei wirksam errichtet, kann eine Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB in Betracht kommen, wenn das zurückgenommene Testament mit dem unwirksamen neuen Testament fast inhaltsgleich ist, da in diesem Fall noch der wahre Wille des Erblassers verwirklicht wird1. Auch wenn der Erblasser irrig davon ausging, er könne die Folgen des Widerrufs nach § 2256 BGB durch erneuten Widerruf wieder beseitigen, kann wegen Motivirrtums nach § 2078 Abs. 2 BGB angefochten werden2.
448
Eine Anfechtung des Widerrufs wegen Motivirrtums oder widerrechtlicher Drohung gem. § 2078 Abs. 2 BGB ist ebenfalls bei jeder Art von Widerruf denkbar. Dabei muss der Motivirrtum im Zeitpunkt des Widerrufs bestanden haben.
449
Die Anfechtungserklärung muss form- und fristgerecht erfolgen: Die Anfechtungsfrist beträgt gem. § 2082 BGB ein Jahr vom Zeitpunkt der Kenntnis des Anfechtungsgrundes an. Die Erklärung muss, soweit sie die Erbeinsetzung betrifft, gegenüber dem Nachlassgericht abgegeben werden, § 2081 BGB. Die Anfechtung bei Vermächtnissen ist entsprechend § 143 BGB gegenüber dem Vermächtnisnehmer bzw. gegenüber den durch das Vermächtnis Beschwerten zu erklären3. Die begründete, form- und fristgerecht erklärte Anfechtung durch den hierzu Berechtigten führt zur Nichtigkeit des Widerrufs von Anfang an (§ 142 BGB).
450
3. Anfechtung der Verfügung von Todes wegen Die Anfechtung letztwilliger Verfügungen ist in den §§ 2078 bis 2083 BGB geregelt. Diese Regelungen knüpfen an die allgemeinen Vorschriften über die Anfechtung einer Willenserklärung (§§ 119 ff. BGB) an.
451
Während der Widerruf einer letztwilligen Verfügung jederzeit durch den Erblasser erfolgen kann, geben die Anfechtungsregeln der §§ 2078 ff. BGB Dritten, denen die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zugute kommt (§ 2080 Abs. 1 BGB), die Möglichkeit, Verfügungen von Todes wegen zu beseitigen.
452
Im Gegensatz zu den §§ 119 ff. BGB stellen die §§ 2078 ff. BGB jedoch nicht auf das Schutzbedürfnis eines Erklärungsempfängers ab, da es bei einer letztwilligen Verfügung weder einen Erklärungsempfänger noch andere schutzbedürftige Personen gibt. Die Anfechtung letztwilliger Verfügungen ist daher in weiterem Umfang als bei anderen Rechtsgeschäften zugelassen4. Deshalb enthalten die §§ 2078 ff. BGB auch keinen Anspruch auf Ersatz eines Vertrauensschadens (§ 2078 Abs. 3 BGB).
453
1 Soergel/Mayer, § 2256 BGB Rz. 11. 2 BayObLG v. 6.7.1990 – BReg. 1a Z 30/90, NJW-RR 1990, 1481. 3 BayObLG v. 22.12.1960 – BReg. 1 Z 8/60, BayObLGZ 1960, 490 (495); MüKo/Leipold, § 2081 BGB Rz. 12. 4 Palandt/Edenhofer, § 2078 BGB Rz. 2.
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B II Rz. 454
Formen letztwilliger Verfügung
454
Etwas anderes gilt nur für Erbverträge, deren Anfechtung das Gesetz in den §§ 2281 ff. BGB gesondert regelt, sowie für wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten, auf die die §§ 2281 ff. BGB entsprechend anwendbar sind (s. Rz. 625 ff.).
455
Des Weiteren berechtigt, abweichend von § 119 Abs. 2 BGB, bereits ein bloßer Motivirrtum des Erblassers zur Anfechtung der letztwilligen Verfügung1. Die Anfechtung nach §§ 2078 ff. BGB setzt nicht voraus, dass sich in der Verfügung selbst ein Anhaltspunkt für den Willensmangel findet2. a) Abgrenzung zwischen Anfechtung und Widerruf
456
Der Widerruf steht, im Gegensatz zur Anfechtung, nur dem Erblasser zu und kann deshalb nur bis zu seinem Tod ausgeübt werden. Der Erblasser kann, im Gegensatz zur Anfechtung durch Dritte, seine letztwillige Verfügung völlig grundlos widerrufen (§ 2253 BGB).
457
Da die Auslegung (auch die ergänzende) den wahren Willen des Erblassers zur Geltung bringt und dazu führt, dass die Erbfolge eintritt, die der Erblasser wollte oder bei richtiger Bewertung der Umstände gewollt hätte, geht sie der Anfechtung vor, da diese die Verfügung von Todes wegen vernichtet und somit zur vom Erblasser häufig ungewollten gesetzlichen Erbfolge führt3.
458
Voraussetzung für eine Anfechtung ist, dass der wahre Inhalt der Verfügung zuvor klargestellt, also gegebenenfalls gem. §§ 133, 2084 BGB der reale oder hypothetische Wille des Erblassers ermittelt wurde4. Für das Verhältnis der ergänzenden Testamentsauslegung zur Anfechtung wegen Motivirrtums bedeutet dies, dass, ganz im Sinne des § 2084 BGB, nach einem dem irrtumsfreien, wirklichen oder hypothetischen Willen des Erblassers entsprechenden Auslegungsergebnis zu suchen ist und, wenn ein solches gefunden werden kann, die Anfechtung ausgeschlossen ist5. Der Vormarsch der ergänzenden Auslegung hat damit zum Zurückweichen der Anfechtung geführt. b) Anfechtung einseitiger Verfügungen von Todes wegen (§§ 2078–2083 BGB)
459
Dritte können einseitige Verfügungen von Todes wegen auch in Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten nach Eintritt des Erbfalls anfechten, wenn ihnen die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zugute kommen würde (§ 2080 Abs. 1 BGB)6. 1 2 3 4
Palandt/Edenhofer, § 2078 BGB Rz. 4. OLG Köln v. 25.5.90 – 2 Wx 6/90, FamRZ 1990, 1038 (1040). BayObLG v. 7.6.1994 – 1 Z BR 69/93, FamRZ 1995, 246 (247). KG v. 15.6.1971 – 1 W 14/71, NJW 1971, 1992; BayObLG v. 27.6.1997 – 1 Z BR 240/96, NJW-RR 1997, 1438; anders Schubert, JA 1980, 257 (258); die von Schubert erhobenen Einwände gegen diesen Vorrang überzeugen nicht (s. Staudinger/Otte, § 2078 BGB Rz. 7). 5 Staudinger/Otte, § 2078 BGB Rz. 6. 6 BGH v. 8.5.1985 – IVa ZR 230/83, NJW 1985, 2025 = FamRZ 1985, 806.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 465 B II
Bei der Irrtumsanfechtung ist derjenige anfechtungsberechtigt, auf den sich der Irrtum bezieht (§ 2080 Abs. 2 BGB), und bei Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten (§ 2079 BGB) nur derjenige, der übergangen wurde (§ 2080 Abs. 3 BGB).
460
c) Anfechtungsgründe Das Erbrecht kennt nur die Anfechtung wegen widerrechtlicher Bestimmung des Erblassers zur Errichtung einer Verfügung durch Drohung (§ 2079 Abs. 2 BGB), die mit dem allgemeinen Anfechtungstatbestand des § 123 BGB übereinstimmt, und die Anfechtung wegen Irrtums des Erblassers (§§ 2078 Abs. 1, 2, 2079 BGB). Gegenüber § 119 BGB wurde die Anfechtung wegen Irrtums im Erbrecht so erweitert, dass auch falsche Vorstellungen über die künftige Entwicklung zur Anfechtung berechtigen.
461
aa) Anfechtung wegen Irrtums über die Erklärungshandlung oder die Erklärungsbedeutung, § 2078 Abs. 1 BGB § 2078 Abs. 1 BGB berücksichtigt die gleichen Irrtumsfälle wie § 119 Abs. 1 BGB und ist an ähnliche Voraussetzungen wie die allgemeine Irrtumsanfechtung geknüpft.
462
(1) Erklärungsirrtum, § 2078 Abs. 1, 2. Alt. BGB Beim Irrtum über die Erklärungshandlung ist schon das äußere Erklärungsverhalten des Erblassers nicht von seinem Willen getragen. Der Erblasser wollte entweder eine Verfügung von Todes wegen überhaupt nicht oder jedenfalls nicht so wie geschehen errichten.
463
Beispiel: Der Erblasser verschreibt sich bei der Errichtung seines eigenhändigen Testaments. Der bei einem gemeinschaftlichen Testament mitunterzeichnende Ehegatte irrt über den Wortlaut der unterzeichneten Erklärung. (2) Inhaltsirrtum, § 2078 Abs. 1, 1. Alt. BGB Beim Irrtum über die Erklärungsbedeutung (Inhaltsirrtum) muss sich der Erblasser über die rechtliche Bedeutung seiner Erklärung getäuscht haben. Der Erblasser wollte zwar eine Erklärung in dieser Handlungsform abgeben, irrt aber über den rechtlichen Gehalt, mit dem die von ihm errichtete Verfügung Geltung erlangt1.
464
Der Inhaltsirrtum kann sowohl ein Tatsachen- als auch ein Rechtsirrtum sein. Ein Rechtsirrtum liegt allerdings nur dann vor, wenn er sich auf wesentliche Rechtsfolgen und damit auf die Rechtsnatur der anzufechtenden Willenserklärung bezieht2, nicht jedoch der Irrtum über die nicht erkannten und
465
1 MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 18. 2 MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 19, 20; OLG Hamm v. 16.7.1981 – 15 W 42/81, OLGZ 1982, 41 (47).
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B II Rz. 466
Formen letztwilliger Verfügung
nicht gewollten mittelbaren Nebenwirkungen1. Ein Irrtum über solche Nebenwirkungen ist kein Inhaltsirrtum, sondern ein Motivirrtum2 und kann deshalb nur über § 2078 Abs. 2 BGB angefochten werden. 466
Irrtümer über die Folgen der Verfügung von Todes wegen, die kraft Gesetzes eintreten, ohne dass sie vom Willen des Erblassers umfasst sein müssen, sind unbeachtlich (naturalia negotii)3. Auch der Irrtum über die Identität einer Person (error in persona) und der Irrtum über die Identität (error in objecto) und die Bedeutung des Geschäftsgegenstands oder die Identität des Geschäftstyps (error in negotio) sind Erklärungsirrtümer i.S. des § 2078 Abs. 1, 2. Alt. BGB.
467
Beispiele für einen Inhaltsirrtum i.S.v. § 2078 Abs. 1, 1. Alt. BGB sind Irrtümer über: – die rechtliche Bedeutung der Vor- und Nacherbschaft, – die Bindungswirkung des Erbvertrags4, – den Personenkreis, der nach der gesetzlichen Erbfolge erben soll (z.B. wenn darüber geirrt wird, dass nichteheliche Kinder nicht zu den Erben gehören).
468
Voraussetzung für die Anfechtung der Verfügung von Todes wegen ist gem. § 2078 Abs. 1 BGB neben der Abweichung des Erklärungstatbestandes oder der Erklärungsbedeutung vom subjektiven Willen des Erblassers, dass der testierfähige Erblasser bei Kenntnis der Sachlage die Erklärung nicht abgegeben hätte (Kausalitäts- oder Erheblichkeitsprüfung)5. Es genügt, wenn der Irrtum für die Abgabe der Erklärung wesentlich mitbestimmend war. Die Verkehrssitten sind unerheblich. Maßgebend ist allein die wirkliche Absicht des Erblassers entsprechend seiner subjektiven Denk- und Anschauungsweise6. Gesetz- und sittenwidrige Vorstellungen sind nicht zu berücksichtigen7. Der Irrtum muss so gewichtig sein, dass er der Verfügung ihre innere, auf dem Willen des Erblassers beruhende Rechtfertigung nimmt8. bb) Anfechtung wegen Drohung, § 2078 Abs. 2 BGB
469
Nach § 2278 Abs. 2 BGB ist eine Anfechtung zulässig, wenn der Erblasser zu seiner Verfügung widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist. Die Rechtswidrigkeit der Drohung kann sich aus dem angewandten Mittel, dem mit ihr verfolgten Zweck oder aus dem Verhältnis zwischen Mittel und Zweck ergeben9. 1 Nieder, Rz. 779. 2 BayObLG v. 29.10.1987 – 1 Z 2/87, BayObLGZ 1987, 356 = NJW 1988, 1270; BayObLG v. 16.3.1995 – 1 Z BR 82/94, NJW-RR 1995, 904 (906). 3 Schlüter, § 19 III 2b, Rz. 233. 4 BayObLG v. 23.4.1997 – 1 Z BR 140/96, NJW-RR 1997, 1027. 5 Palandt/Edenhofer, § 2078 BGB Rz. 3; Nieder, Rz. 780. 6 BGH v. 29.11.1951 – IV ZR 71/51, BGHZ 4, 91 (95); KG v. 1.12.1975 – 12 V 117/75, FamRZ 1977, 271 (273). 7 MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 21. 8 MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 21. 9 Brox, Rz. 230.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 474 B II
Beispiel: Die Drohung des Neffen gegenüber dem Erblasser, er werde ihn nicht mehr wie bisher pflegen, wenn er ihn nicht als Alleinerbe einsetzt, kann auch dann rechtswidrig sein, wenn der Drohende gar nicht zur Pflege verpflichtet ist, da sein Verhalten darauf abzielt, den Erblasser in eine konkrete Notsituation zu bringen1. Dagegen ist die Beeinflussung des Erblassers durch fortgesetztes aufdringliches Bitten oder durch Widerspruch gegen die von ihm beabsichtigte Verfügung2 nicht ausreichend. Ob der Bedachte selbst oder ein Unbeteiligter die Drohung tätigt, spielt bei § 2078 Abs. 2 BGB, im Gegensatz zu § 123 Abs. 2 BGB, keine Rolle3. Geht die Drohung aber vom Begünstigten aus, ist er zugleich erbunwürdig gem. § 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB.
470
Führt jemand dem Erblasser gewaltsam die Hand, fehlt es bereits an einer zurechenbaren Willenserklärung, so dass es einer Anfechtung nicht bedarf.
471
Verursacht die arglistige Täuschung eines Dritten beim Erblasser einen Motivirrtum, so ist ein Anfechtungstatbestand nach § 2078 Abs. 2 BGB gegeben4.
472
cc) Anfechtung wegen Irrtums im Beweggrund (Motivirrtum), § 2078 Abs. 2 BGB Im Gegensatz zu § 119 Abs. 2 BGB ist nach § 2078 Abs. 2 BGB auch ein Motivirrtum beachtlich. Hierdurch soll der wahre Wille des Erblassers stärker berücksichtigt werden als sonst im rechtsgeschäftlichen Verkehr üblich5. Anfechtbar ist danach jede letztwillige Verfügung, zu welcher der Erblasser durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes bestimmt worden ist6. Dies gilt sowohl für die Anfechtung von Testamenten als auch für die Anfechtung von Erbverträgen und bindend gewordenen wechselbezüglichen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten.
473
Beim Erbvertrag und beim bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testament ist die Anfechtbarkeit jedoch nur nachvollziehbar, wenn man sie als Ausdruck einer von vornherein eingeschränkten Bindungswirkung begreift7. Nicht jede Fehlvorstellung des Erblassers von bestimmten Umständen reicht für eine Anfechtung aus. Vielmehr können nur besonders schwerwiegende Umstände ein Anfechtungsrecht begründen, die gerade diesen Erblasser unter Berücksichtigung seiner ihm eigenen Vorstellungen mit Sicherheit dazu gebracht hätten, anders zu testieren8. Strittig ist, ob der Erblasser von den die 1 2 3 4 5 6 7 8
MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 43. Nieder, Rz. 781. MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 45. Lange/Kuchinke, § 26 III 5; MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 30. OLG Köln v. 25.5.1990 – 2 Wx 6/90, FamRZ 1990, 1038 (1039). Schlüter, § 19 III 2c, Rz. 234. MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 22. BGH v. 27.5.1987 – IVa ZR 30/86, NJW-RR 1987, 1412.
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B II Rz. 475
Formen letztwilliger Verfügung
Anfechtung begründenden Umständen eine positive Fehlvorstellung gehabt haben muss oder ob bloßes Nichtwissen genügt. 475
Nach der h.M. muss der Erblasser von den vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen Umständen, die eine Anfechtung begründen sollen, bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung eine positive irrtümliche Vorstellung gehabt haben1. Dabei ist zwischen Irrtum und Nichtwissen zu unterscheiden, da der hypothetische Wille des Erblassers bei der Anfechtung, im Gegensatz zur Auslegung, nicht zu berücksichtigen ist2.
476
Der BGH hat seine Rechtsprechung hinsichtlich der sog. unbewussten Vorstellungen3 dahin gehend konkretisiert, dass die eine Anfechtung begründenden Umstände in der Vorstellungswelt des Erblassers ohne nähere Überlegung so selbstverständlich sind, dass er sie zwar nicht konkret im Bewusstsein hat, aber doch jederzeit abrufen und in sein Bewusstsein holen kann4. Der vom Erblasser bei Errichtung seiner letztwilligen Verfügung erwartete und vorgestellte Umstand muss nicht in der Person des Erblassers selbst oder des Bedachten liegen. Es kann auch ein von den Beteiligten unabhängiger Grund sein, wie z.B. eine erhebliche Veränderung der wirtschaftlichen Situation5 oder eine erneute Heirat.
477
Die Umstände können objektiver oder subjektiver Art sein und in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft liegen6. Der Irrtum kann Personen, Gegenstände, politische und wirtschaftliche Verhältnisse sowie Rechtsverhältnisse betreffen.
478
Der Motivirrtum i.S. des § 2078 Abs. 2 BGB umfasst auch den durch arglistige Täuschung herbeigeführten Irrtum. Auf eine gesetzliche Normierung eines dem § 123 Abs. 1, 1. Alt. BGB entsprechenden Anfechtungstatbestandes konnte daher verzichtet werden.
479
Beispiele für Irrtümer i.S.v. § 2078 Abs. 2 BGB sind: – enttäuschte Erwartungen über das künftige Verhalten des Bedachten gegenüber dem Erblasser7, – die Annahme, zwischen Erblasser und Bedachtem bestehe ein bestimmtes Verwandschaftsverhältnis, 1 BGH v. 31.10.62 – V ZR 129/62, NJW 1963, 246 (247) = FamRZ 1963, 85. 2 BGH v. 31.10.62 – V ZR 129/62, NJW 1963, 246 (247). 3 BGH v. 27.5.1971 – III ZR 53/68, WM 1971, 1153 (1154); OLG Hamm v. 17.1.1994 – 15 W 96/93, ZEV 1994, 109 (111). 4 MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 26 ff.; Palandt/Edenhofer, § 2078 BGB Rz. 5 ff.; BGH v. 27.5.1987 – IVa ZR 30/86, NJW-RR 1987, 1412. 5 MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 28 f. 6 BGH v. 21.3.1962 – V ZR 157/61, FamRZ 1962, 256; BGH v. 16.3.83 – IVa ZR 216/81, FamRZ 1983, 898 = WPM 1983, 567; BayObLG v. 22.4.1971 – 1 Z 108/70, BayObLGZ 1971, 147 (149). 7 BGH v. 29.11.1951 – IV ZR 71/51, BGHZ 4, 91; BGH v. 31.10.1962 – V ZR 129/62, NJW 1963, 246; BayObLG v.12.11.2001 – 1 Z BR 134/00, ZEV 2002, 190.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 483 B II
– die Annahme, der gemeinsame Nachlass der Eheleute werde auf die Abkömmlinge übergehen, was infolge der Wiederheirat des Überlebenden nicht eintritt, – die Dauer des Streits zwischen dem Erblasser und seinem Sohn1, – ein bereits gezeugtes Kind werde lebend zur Welt kommen. Die Umstände, deren Eintritt oder Nichteintritt der Erblasser erwartet hatte, müssen nicht von seinem Willen abhängen, sie können aber, wie eine erneute Heirat oder die Geburt eines Kindes, auch durch ihn verursacht werden2. Nach der h.M. darf der Anfechtungsgrund jedoch nicht unter Verstoß des Grundsatzes von Treu und Glauben durch den Erblasser geschaffen werden3.
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dd) Anfechtung wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten, § 2079 BGB Nach § 2079 BGB kann die Anfechtung auch darauf gestützt werden, dass der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhandenen Pflichtteilsberechtigten (§ 2303 BGB) übergangen hat. Dabei handelt es sich um einen gesetzlich besonders hervorgehobenen Fall des Motivirrtums.
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Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 2079 BGB ist, dass
482
– der Pflichtteilsberechtigte bei Eintritt des Erbfalls gelebt hat oder zumindest bereits gezeugt war (§ 1923 BGB), – dem übergangenen Pflichtteilsberechtigten nichts aus dem Nachlass zugewandt worden ist und er auch nicht ausdrücklich enterbt wurde4, – der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten als Träger des Pflichtteils bei der Errichtung der Verfügung nicht kannte bzw. der Pflichtteilsberechtigte erst nach Errichtung der Verfügung geboren oder sonst pflichtteilsberechtigt geworden ist (z.B. durch Heirat, § 2303 Abs. 2 BGB)5. Wird der Pflichtteilsberechtigte nach Errichtung des Testaments bekannt und ändert der Erblasser dennoch nicht das alte Testament ab, ist die Anfechtung i.d.R. ausgeschlossen, denn der Anfechtungsgegner kann nun beweisen, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Irrtum des Erblassers und dem Übergehen des Pflichtteilsberechtigten fehlt6.
1 OLG Köln v. 25.5.1990 – 2 Wx 6/90, FamRZ 1990, 1038. 2 Staudinger/Otte, § 2078 BGB Rz. 15 f. 3 BGH v. 29.11.1951 – IV ZR 71/51, BGHZ 4, 91; BGH v. 4.7.1962 – V ZR 206/60, FamRZ 1962, 426 f.; Palandt/Edenhofer, § 2078 BGB Rz. 7; Soergel/Loritz, § 2078 BGB Rz. 16. 4 BayObLG v. 21.12.1993 – 1 Z BR 59/93, FamRZ 1994, 1066 (1067). 5 BayObLG v. 26.5.1983 – 1 Z 82/82, FamRZ 1983, 952. 6 Erman/Schmidt, § 2078 BGB Rz. 13; Damrau, BB 1970, 467 (471).
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201
483
B II Rz. 484
Formen letztwilliger Verfügung
ee) Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten durch Kausalitäts- bzw. Erheblichkeitsprüfung 484
Voraussetzung der Anfechtung nach § 2078 Abs. 1 und Abs. 2 BGB ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Irrtum und der Verfügung (Erfordernis der Kausalität)1. Die Anfechtbarkeit nach Abs. 1 setzt voraus, dass der Erblasser die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben hätte. Durch die Verweisung in Abs. 2 auf Abs. 1 wird zudem vorausgesetzt, dass der Erblasser durch den Irrtum oder die Drohung zu der Verfügung bestimmt worden ist.
485
Im Gegensatz zu § 119 Abs. 1 BGB kommt es hier aber nur auf den subjektiven Standpunkt des Erblassers an, nicht aber auf einen objektiven Maßstab2. Ob der Erblasser „bei verständiger Würdigung des Falles“ durch einen objektiven Dritten ebenso verfügt hätte, ist unerheblich, denn die letztwillige Verfügung rechtfertigt keinen Vertrauensschutz3.
486
Die irrige Vorstellung muss nicht der alleinige Grund für die Verfügung gewesen sein. Es reicht aus, wenn sie bestimmend oder jedenfalls nicht wegdenkbar für die Entschließung des Erblassers gewesen ist (Motivbündel)4.
487
Der BGH5 verlangt, dass der Umstand, der die Fehlvorstellung des Erblassers begründet hat, nicht nur eine Ursache, sondern der bewegende Grund für den geäußerten letzten Willen gewesen sein muss. Deshalb können nur die für den Erblasser besonders schwerwiegenden Umstände von erheblichem Gewicht, die gerade diesen Erblasser aufgrund seiner ihm eigenen Vorstellung mit Sicherheit dazu gebracht hätten, anders zu verfügen, die Anfechtung begründen (subjektive Erheblichkeit). Der Wille des Erblassers selbst soll im Mittelpunkt stehen, nicht die nachträgliche Spekulation über ihn.
488
Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Erblasser die Verfügung nach Kenntnis der Umstände willentlich bestehen lässt6. Der Ursachenzusammenhang zwischen dem Willensmangel und der Verfügung des Erblassers wird von der h.M. mit Hilfe der Äquivalenztheorie und des hypothetischen Erblasserwillens durch die Frage ermittelt, ob der individuelle Erblasser die Verfügung ohne die unzutreffende Vorstellung oder bei Kenntnis der Sachlage nicht getroffen hätte7.
Û
Beratungshinweis: Der Erblasser sollte immer die wesentlichen Verfügungsmotive im Testament angeben, um so den Erben oder eventuellen dritten Personen nach dem Erbfall den Nachweis zu erleichtern, dass die niedergelegten Beweggründe auch tatsächlich für die Testamentserrich-
1 BayObLG v. 7.6.1994 – 1 Z BR 69/93, FamRZ 1995, 246; Staudinger/Otte, § 2078 BGB Rz. 28; Soergel/Loritz, § 2078 BGB Rz. 24; Palandt/Edenhofer, § 2078 BGB Rz. 9. 2 KG v. 1.12.1975 – 12 U 1117/75, FamRZ 1977, 271 (273). 3 Schlüter, § 19 III 2d, Rz. 235. 4 Lange/Kuchinke, § 35 IV 1, Rz. 78; RGRK/Johannsen, § 2078 BGB Rz. 50. 5 BGH v. 27.5.1987 – IVa ZR 30/86, NJW-RR 1987, 1412 (1413). 6 BayObLG v. 7.6.1994 – 1 Z BR 69/93, FamRZ 1995, 246 (248 f.). 7 Nieder, Rz. 791 m.w.N.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 492 B II
tung bestimmend gewesen sind1. Hierzu können zählen: Elternhaus soll in jedem Fall im Eigentum der Familie bleiben; bestimmte Firmenteile dürfen nicht voneinander getrennt werden; bestimmte Erben sollen bestimmte Erbteile unbedingt erhalten. ff) Verzicht auf das Anfechtungsrecht Da die Anfechtung ausgeschlossen ist, wenn feststeht, dass der Erblasser die Verfügung auch bei Kenntnis der Sachlage getroffen hätte (§§ 2078 Abs. 1, 2079 Satz 2 BGB), soll der Erblasser bereits im Erbvertrag oder im gemeinschaftlichen Testament auf sein künftiges Anfechtungsrecht ganz oder teilweise verzichten können2. Durch den Vorausverzicht schließt der Erblasser die Anfechtung der Verfügung wegen solcher Tatsachen aus, mit denen er bei Ausspruch des Verzichts rechnen konnte3. Dieser Vorausverzicht wirkt auch gegenüber anfechtungsberechtigten Dritten.
489
Voraussetzung ist nach h.M. aber, dass sich dieser Vorausverzicht nur auf einen konkret möglich erscheinenden Anfechtungsgrund (z.B. Pflichtteilsübergehung) bezieht und nicht generell auf jeden möglichen Anfechtungsgrund. Das Anfechtungsrecht kann daher nicht für solche Umstände ausgeschlossen werden, die für den Testierenden bei Abschluss des Erbvertrags oder Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments nicht vorhersehbar gewesen sind, sondern nur hinsichtlich der Tatsachen, mit denen er vernünftigerweise rechnen musste4.
490
Da die Aufhebungswirkung bei der Wechselbezüglichkeit beschränkt werden kann, ist auch ihr ausdrücklicher Ausschluss nur für den Fall der Selbstanfechtung durch den Erblasser nach § 2281 Abs. 1 BGB möglich5. Mit Einschränkungen ist die Annahme eines Anfechtungsverzichts auch durch Auslegung zu ermitteln6. Ein nachträglicher formloser Verzicht ist unwirksam7
491
Da im Erbvertrag oder im gemeinschaftlichen Testament ein Verzicht auf ein künftiges Anfechtungsrecht nach §§ 2078, 2079 BGB regelmäßig kein gesondertes Rechtsgeschäft unter Lebenden ist, sondern Inhalt der Verfügung von Todes wegen, kann er auch vertragsmäßig gem. § 2278 Abs. 2 BGB, bzw. wechselbezüglich gem. § 2270 Abs. 3 BGB, vereinbart werden8. Generell muss der beurkundende Notar die Beteiligten nicht über die Anfechtbarkeit der Ver-
492
1 BGH v. 14.1.1965 – III ZR 131/63, NJW 1965, 584. 2 BGH v. 10.1.1983 – VIII ZR 231/81, NJW 1983, 2247 (2249); MüKo/Musielak, § 2281 BGB Rz. 16 und § 2271 BGB Rz. 37; Soergel/Wolf, § 2271 BGB Rz. 29, § 2281 BGB Rz. 7. 3 Staudinger/Kanzleiter, § 2281 BGB Rz. 20, § 2271 BGB Rz. 73; Dittmann/Reimann/ Bengel, § 2281 BGB Rz. 24; Palandt/Edenhofer, § 2281 BGB Rz. 2. 4 Soergel/Wolf, § 2281 BGB Rz. 7; Staudinger/Otte, § 2079 BGB Rz. 11; MüKo/Musielak, § 2281 BGB Rz. 17. 5 BGH v. 3.7.1964 – V ZR 57/62, NJW 1964, 2056. 6 Staudinger/Otte, § 2079 BGB Rz. 11. 7 Bengel, DNotZ 1984, 132 (138 f.). 8 Bengel, DNotZ 1984, 132 (139 f.).
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B II Rz. 493
Formen letztwilliger Verfügung
fügungen von Todes wegen belehren1. Wegen der Tragweite dieses Anfechtungsrechts für bindende Verfügungen von Todes wegen ist jedoch zu empfehlen, die Beteiligten vor allem auf die Möglichkeit des Anfechtungsverzichts hinzuweisen2. gg) Bestätigung eines anfechtbaren Testaments 493
Das Erbrecht selbst enthält keine Vorschriften über die Bestätigung eines anfechtbaren Testaments. In entsprechender Anwendung des § 144 BGB erlischt das Anfechtungsrecht durch formlose einseitige Bestätigung des Anfechtungsberechtigten, obwohl er nicht der Erklärende ist3. Der einseitige Verzicht auf die Gestaltungs- und Einrederechte ist ebenso wenig wie ihre Geltendmachung von der Zustimmung des Anfechtungsgegners abhängig, weil dessen schutzwürdige Interessen nicht berührt werden4.
494
Der Erblasser ist selbst nicht zur Anfechtung berechtigt und hat daher auch kein Recht zur Bestätigung einer anfechtbaren letztwilligen Verfügung, so dass § 144 BGB für ihn nicht anwendbar ist5. Er kann den Anfechtungsgrund nur durch eine erneute, formwirksam errichtete, letztwillige Verfügung beseitigen, in der er den Willen äußert, die anfechtbare Verfügung aufrechtzuerhalten6. Eine inhaltliche Wiederholung ist nicht notwendig. Die Bestätigung der Verfügung durch den Erblasser kann im Einzelfall Indiz dafür sein kann, dass er ohne den Willensmangel bei der Errichtung ebenso verfügt hätte7. Das bloße Unterlassen des Widerrufs reicht jedoch nicht aus. Die ursprünglich gewählte Testamentsform muss nicht eingehalten werden, § 144 Abs. 2 BGB8.
495
Das Anfechtungsrecht aller gem. §§ 2080, 2285 BGB Anfechtungsberechtigten erlischt nach dem Tod des Erblassers in entsprechender Anwendung des § 144 BGB bei allen Verfügungen von Todes wegen durch formlose, einseitige und weder annahme- noch empfangsbedürftige Bestätigung, ohne dass es eines vertraglichen Verzichts bedarf9.
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Das Anfechtungsrecht kann durch folgende Rechtshandlungen des Anfechtungsberechtigten erlöschen: – den Vorausverzicht,
1 Nieder, Rz. 792; Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, Rz. 1105 ff. 2 Reithmann/Albrecht, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, Rz. 1105 ff. 3 v. Lübtow, Bd. 1, S. 337; Brox, Rz. 237. 4 Schlüter, § 19 VI, Rz. 246. 5 OLG Hamm v. 8.12.1993 – 15 W 294/93, FamRZ 1994, 1062 (1065) m.w.N.; Soergel/ Loritz, § 2080 BGB Rz. 1; Kipp/Coing, § 24 VII. 6 Kipp/Coing, § 24 VII 1; Bengel, DNotZ 1984, 132 (134). 7 BayObLG v. 7.1.1975 – 1 ZS BReg 1 Z 100/74, Rpfleger 1975, 242. 8 MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 51. 9 MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 52; Nieder, Rz. 793.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 504 B II
– die Bestätigung der anfechtbaren letztwilligen Verfügung oder – durch vertraglichen Verzicht. d) Anfechtungsberechtigung Der Kreis der anfechtungsberechtigten Personen ergibt sich aus § 2080 BGB.
497
Obwohl Erklärender, ist der Erblasser grundsätzlich nicht anfechtungsberechtigt, da er sein Testament jederzeit widerrufen und so Unklarheiten über die Wirksamkeit seiner Verfügung ausschließen kann. Nur beim Erbvertrag und bei einem gemeinschaftlichen Testament steht dem Erblasser nach § 2281 BGB, bzw. § 2281 BGB entsprechend, ein Selbstanfechtungsrecht zu (s. hierzu Rz. 625 ff.).
498
Nach § 2080 Abs. 1 BGB ist nach dem Erbfall jeder, dem die Vernichtung der Verfügung unmittelbar zugute kommt, anfechtungsberechtigt.
499
Bei einseitigen Verfügungen von Todes wegen sind Dritte nach dem Erbfall anfechtungsberechtigt, wenn ihnen die Aufhebung der Verfügung unmittelbar zugute kommen würde (§ 2080 Abs. 1 BGB). So können auch Ersatzerben (§ 2096 BGB) oder gesetzliche Erben eine Erbeinsetzung, der Vorerbe die Einsetzung eines Nacherben (und umgekehrt), der Beschwerte die Anordnung eines Vermächtnisses oder einer Auflage und der durch ein früheres Testament eingesetzte Erbe die Einsetzung eines anderen Erben in einem späteren Testament anfechten. Unter mehreren Anfechtungsberechtigten kann jeder mit Wirkung für alle anfechten1.
500
Bei der Irrtumsanfechtung kann nur derjenige die Verfügung anfechten, auf den sich der Irrtum bezieht (§ 2080 Abs. 2 BGB). Bei der Anfechtung wegen Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten (§ 2079 BGB) ist nur dieser zur Anfechtung berechtigt (§ 2080 Abs. 3 BGB).
501
Das einmal entstandene Anfechtungsrecht ist vererblich, jedoch nicht übertragbar oder pfändbar2. Seine Ausübung kann aber demjenigen überlassen werden, der ein eigenes Interesse an der Anfechtung hat.
502
Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger können nur die Anordnungen des Erblassers anfechten, die ihre Befugnisse einschränken.
503
e) Die Form der Anfechtung durch Dritte Die Anfechtungserklärung durch Dritte kann schriftlich oder zu Protokoll gegenüber dem Nachlassgericht (§ 2081 BGB) abgegeben werden3. Sie ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und wird erst mit Zugang beim örtlich und sachlich zuständigen Nachlassgericht wirksam (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). 1 BGH v. 8.5.1985 – IVa ZR 230/83, NJW 1985, 2025 (2026). 2 Palandt/Edenhofer, § 2080 BGB Rz. 4. 3 Palandt/Edenhofer, § 2081 BGB Rz. 2.
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B II Rz. 505
Formen letztwilliger Verfügung
Sie muss nach h.M. weder das Wort „Anfechtung“ enthalten noch müssen gesetzliche Bestimmungen genannt werden1. Es muss jedoch der eindeutige Willen zu erkennen sein, dass die Verfügung so vernichtet werden soll, als habe sie nie bestanden2. Die Anfechtungserklärung muss daher die betroffene Verfügung erkennen lassen und zum Ausdruck bringen, dass ein Mangel des Erblasserwillens geltend gemacht wird3. Nicht ausreichend ist daher das Bestreiten der Testierfähigkeit4. 505
Die Anfechtung muss nach h.M. nicht begründet werden5. Eine Gegenmeinung verlangt, zum Schutz der Interessen des Betroffenen (Anfechtungsgegners), wenigstens eine ungefähre Angabe des Lebenssachverhaltes, welcher der Anfechtung zugrunde liegt6.
506
Für die Anfechtung von Erbverträgen durch Dritte nach dem Tod des Erblassers gilt ebenfalls § 2081 BGB7, ebenso für die Anfechtung von gemeinschaftlichen Testamenten durch Dritte8. f) Anfechtungsfrist
507
Die Anfechtung kann nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis des Anfechtungsgrundes erfolgen (§ 2082 Abs. 1, 2 BGB). Auf den Lauf der Frist finden die §§ 203, 206, 207 BGB entsprechende Anwendung (§ 2082 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Fristbeginn setzt die Kenntnis vom Erbfall, von den anfechtungsbegründenden Tatsachen und der anzufechtenden letztwilligen Verfügung voraus9, ferner die Kenntnis des Irrtums oder der Drohung und des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Irrtum bzw. der Drohung und der letztwilligen Verfügung. Fehlvorstellungen des Anfechtungsberechtigten rein tatsächlicher Art hindern somit den Lauf der Anfechtungsfrist10.
Û
Beratungshinweis: Die irrtümliche Annahme, die Unterschrift des Erblassers sei gefälscht, oder die Unkenntnis von der den Anfechtungsberechtigten benachteiligenden Aufhebung des Testaments durch Vernichtung (§ 2255 BGB) hindern den Beginn des Fristlaufs.
1 BayObLG v. 3.8.1989 – 1a Z 56/88, BayObLGZ 1989, 327 (330); BayObLG v. 11.6.1991 – 1 Z 31/91, FamRZ 1992, 226. 2 BayObLG v. 11.6.1991 – 1 Z 31/91, FamRZ 1992, 226; LG Gießen v. 14.1.1992 – 7 T 251/91, FamRZ 1992, 603. 3 BayObLG v. 3.8.1989 – 1a Z 56/88, FamRZ 1989, 1346. 4 BayObLG v. 3.8.1989 – 1a Z 56/88, FamRZ 1989, 1346 (1347). 5 BayObLG v. 3.8.1989 – 1a Z 56/88, BayObLGZ 1989, 327 (330); BayObLG v. 11.6.1991 – 1 Z 31/91, FamRZ 1992, 226. 6 Staudinger/Otte, § 2082 BGB Rz. 12. 7 Staudinger/Kanzleiter, § 2285 BGB Rz. 3. 8 Staudinger/Kanzleiter, § 2271 BGB Rz. 82. 9 BayObLG v. 14.9.1994 – 1 Z BR 29/94, Rpfleger 1995, 162 = FamRZ 1995, 1024 = ZEV 1995, 105 (106). 10 H.M. Soergel/Loritz, § 2082 BGB Rz. 3; MüKo/Leipold, § 2082 BGB Rz. 7.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 511 B II
Strittig ist jedoch, inwieweit auch ein Rechtsirrtum die Kenntnis vom Anfechtungsgrund ausschließt1. Nach der wohl h.M.2 kann ein Rechtsirrtum den Fristbeginn nur dann hinausschieben, wenn er die Unkenntnis einer die Anfechtung begründenden Tatsache zur Folge hat. Es genügt jedoch nicht, wenn es sich nur um die rechtsirrtümliche Beurteilung des Anfechtungstatbestandes handelt.
Û
508
Beratungshinweis: Beim gemeinschaftlichen Testament wird die Anfechtungsfrist nicht gehemmt, wenn der gebundene Erblasser nach seiner Wiederheirat die Bindung und/oder seine Anfechtungsmöglichkeit nach §§ 2281, 2079 BGB nicht kennt3. Dagegen beginnt die Frist nicht, wenn er das gemeinschaftliche Testament für ungültig oder seinen neuen Ehegatten für nicht pflichtteilsberechtigt hält4.
Kann sich der überlebende wiederverheiratete Ehegatte ohne weitere Gedächtnishilfe nicht mehr an die bindende Schlusserbeneinsetzung erinnern, beginnt die Anfechtungsfrist nach §§ 2079 Satz 1, 2082 Abs. 1, 2 BGB nicht zu laufen5. In solchen Fällen soll nach dem BayObLG6 dem Anfechtungsgegner eine Beweiserleichterung nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises zu Hilfe kommen.
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Beim gemeinschaftlichen Testament kann die Anfechtungsfrist frühestens 510 mit dem ersten Erbfall und der Kenntnis des Anfechtungsgrundes beginnen. Wird jedoch die Schlusserbeneinsetzung i.S. des §§ 2269 Abs. 1 BGB angefochten, beginnt die Frist erst mit dem zweiten Erbfall, da insoweit immer nur die Verfügung des zweitverstorbenen Ehegatten Wirksamkeit erlangen kann7. Das Anfechtungsrecht erlischt ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Anfechtungsgrundes mit dem Ablauf von 30 Jahren seit dem Erbfall (§ 2082 Abs. 3 BGB).
Û
Beratungshinweis: Wird durch die anfechtbare letztwillige Verfügung die Verpflichtung zu einer Leistung begründet, wie z.B. bei einem Vermächt-
1 S. dazu Rosemeier, ZEV 1995, 124; Dirk, Beginn der Frist zur Anfechtung letztwilliger Verfügungen; eingehend J. Mayer, Der Rechtsirrtum und seine Folgen im bürgerlichen Recht, 1989. 2 RG v. 11.12.1930 – IV B 27/30, RGZ 132, 1 (4); BGH v. 3.12.1969 – III ZR 52/67, FamRZ 1970, 79 (80); BayObLG v. 23.4.1997 – 1 Z BR 140/96, NJW-RR 1997, 1027 = ZEV 1997, 377 (380); Staudinger/Kanzleiter, § 2283 BGB Rz. 8; Palandt/Edenhofer, § 2082 BGB Rz. 4; krit. MüKo/Leipold, § 2082 BGB Rz. 5; Rosemeier, ZEV 1995, 124 (129). 3 BGH v. 3.12.1969 – III ZR 52/67, FamRZ 1970, 79 (80); BayObLG v. 3.12.1990 – 1a Z 70/88, NJW-RR 1991, 454; BayObLG v. 14.9.1994 – 1 Z BR 29/94, ZEV 1995, 105 (107). 4 Gutachten in DNotI-Report 1998, 78. 5 BayObLG v. 14.9.1994 – 1 Z BR 29/94, Rpfleger 1995, 162 = FamRZ 1995, 1024 = ZEV 1995, 105. 6 BayObLG v. 14.9.1994 – 1 Z BR 29/94, ZEV 1995, 105 (106) = Rpfleger 1995, 162; krit. Leipold, ZEV 1995, 99. 7 MüKo/Leipold, § 2082 BGB Rz. 10.
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B II Rz. 512
Formen letztwilliger Verfügung
nis (§ 2174 BGB) oder der Auflage (§ 2194 BGB), bleibt dem Verpflichteten auch nach dem Ablauf der Ausschlussfrist des § 2082 ein Leistungsverweigerungsrecht erhalten (§ 2083 BGB). g) Wirkung der Anfechtung 512
Die form- und fristgerecht von dem dazu Berechtigten erklärte Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen führt rückwirkend zu deren Nichtigkeit (§ 142 Abs. 1 BGB)1. Die Nichtigkeit erfasst aber im Zweifel, mit Ausnahme des § 2079 BGB, nicht das gesamte Testament (§ 2085 BGB), sondern immer nur die angefochtenen Verfügungen des Erblassers2 und diese auch nur soweit, als anzunehmen ist, dass der Erblasser sie bei Kenntnis der Sachlage nicht getroffen hätte3. Die vom Irrtum unbeeinflussten anderen Verfügungen des Testaments lässt die Anfechtung dagegen unberührt (§ 2085 BGB).
513
Die von nur einem von mehreren Berechtigten erklärte Anfechtung wirkt absolut und kommt auch den übrigen Berechtigten zugute4.
514
Soweit durch die Anfechtung nicht ein älteres Testament wieder in Kraft gesetzt wird oder spätere Verfügungen des Überlebenden trotz § 2271 Abs. 2 BGB wirksam werden, ersetzt die gesetzliche Erbfolge die unwirksam gewordenen testamentarischen Verfügungen.
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Da die letztwillige Verfügung keinen Vertrauensschutz rechtfertigt, ist der Anfechtende im Gegensatz zur Regelung des § 122 BGB nicht zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet (§ 2078 Abs. 3 BGB).
516
Die Anfechtung nach § 2079 Satz 1 BGB vernichtet nach h.M. grundsätzlich, im Gegensatz zu § 2078 BGB, das gesamte Testament, weil die Berücksichtigung eines weiteren Erben alle Erbteile verschieben würde5. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum durch die Anfechtung nach § 2079 Satz 1 BGB z.B. auch die Anordnungen der Testamentsvollstreckung, eine Enterbung oder ein Vermächtnis, welches nur einen Miterben belastet, vernichtet werden sollen. Die Verfügungen, die den gesetzlichen Erbteil des Anfechtungsberechtigten nicht schmälern, sollen nach einer Mindermeinung nicht gem. § 2079 BGB anfechtbar sein. Nach dieser Ansicht soll die Verfügung nur in dem Umfang vernichtet werden, der erforderlich ist, um dem Anfechtungsberechtigtem zu seinem gesetzlichen Erbteil zu verhelfen6.
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Palandt/Edenhofer, § 2078 BGB Rz. 10. BGH v. 8.5.1985 – IV ZR 230/83, NJW 1985, 2025 (2026) = FamRZ 1985, 806. BayObLG v. 22.4.1971 – 1 Z 108/70, BayObLGZ 1971, 147 (150) = NJW 1971, 1565. BGH v. 8.5.1985 – IV ZR 230/83, NJW 1985, 2025 = FamRZ 1985, 806. Planck/Flad, § 2079 Anm 3; Kipp/Coing, § 24 IV 1b. MüKo/Leipold, § 2079 BGB Rz. 22; Erman/Schmidt, § 2079 BGB Rz. 5.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 522 B II
h) Beweisfragen Derjenige, der sich auf die Anfechtung beruft, trägt die Darlegungs- und Beweis- bzw. Feststellungslast für ihre Voraussetzungen1. Der Nachweis des Irrtums des Erblassers kann mit allen Beweismitteln geführt werden, auch mit seinen eigenen, nachgewiesenen mündlichen Äußerungen2. Der Anfechtende muss aber auch die Kausalität (Erheblichkeit) zwischen dem Irrtum und der letztwilligen Verfügung beweisen3.
517
Die – an sich nicht erforderliche – Angabe von Gründen durch den Erblasser in der letztwilligen Verfügung hat eine Vermutung dahin gehend zur Folge, dass diese Gründe für den Erblasser maßgebend waren4.
518
Die Beweis- bzw. Feststellungslast für den Ausschluss eines entstandenen Anfechtungsrechts durch Zeitablauf trägt nach h.M. der Anfechtungsgegner5.
519
IV. Die Hinterlegung, Ablieferung, Eröffnung des Testaments 1. Die Hinterlegung Die besondere amtliche Verwahrung steht Testamenten und Erbverträgen (§ 2300 BGB) offen. Testamente, die vor einem Notar errichtet wurden, sind von diesem unverzüglich in die besondere amtliche Verwahrung zu bringen (§ 34 Abs. 1 Satz 4 BeurkG). In der Urkundensammlung verbleibt nur ein Vermerkblatt. Zum Vollzug s. § 16 Abs. 1 BNotO6.
520
Gleiches gilt wegen der Verweisung in § 2249 Abs. 1 Satz 4 BGB auch für das nach § 2249 errichtete Testament und durch § 11 KonsG für Testamente, die von Konsularbeamten errichtet wurden.
521
Für letztwillige Verfügungen gem. §§ 2250, 2251 BGB fehlt eine entsprechende Verpflichtung. Solche Testamente sind, wie auch jene nach § 2247 BGB, nur nach § 2248 BGB auf Verlangen des Erblassers in die besondere amtliche Verwahrung zu nehmen. Eine Verletzung der Verwahrungspflichten hat auf die Wirksamkeit der Testamentserrichtung keinen Einfluss7.
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1 BGH v. 8.5.1985 – IV ZR 230/83, NJW 1985, 2025 (2026). 2 Palandt/Edenhofer, § 2078 BGB Rz. 11; Baumgärtel/Strieder, § 2078 BGB Rz. 1 m.w.N. 3 BayObLG v. 22.4.1971 – 1 Z 108/70, BayObLGZ 1971, 147 (150); Baumgärtel/Strieder, § 2078 BGB Rz. 2 m.w.N. 4 BGH v. 14.1.1965 – III ZR 131/63, NJW 1965, 584; Baumgärtel/Strieder, § 2078 BGB Rz. 2. 5 Baumgärtel/Strieder, § 2283; a.A. MüKo/Musielak, § 2283 BGB Rz. 6. 6 Abgedruckt bei Weingärtner, Ziff. 110 sowie bei Firsching/Graf, Anh. 8. 7 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2258a BGB Rz. 3.
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B II Rz. 523
Formen letztwilliger Verfügung
a) Das Verfahren der besonderen amtlichen Verwahrung aa) Sinn und Zweck der besonderen amtlichen Verwahrung 523
Der Zweck der besonderen amtlichen Verwahrung ist die Sicherung der letzten Erklärungen des Erblassers durch den Erhalt der Urkunde und deren Schutz vor Veränderung, Unterdrückung sowie die Geheimhaltung des Inhalts. bb) Annahme zur Verwahrung
524
Bei öffentlichen Testamenten hat die Urkundsperson das Testament nach dem Verschließen in die besondere amtliche Verwahrung zu geben (§ 34 BeurkG; § 2249 Abs. 1 Satz 4 BGB). Die Ablieferung des Testaments braucht nicht persönlich zu erfolgen. Das Testament wird vom Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2 RPflG) und dem Verwahrungsbeamten entgegengenommen1. In BadenWürttemberg sind die Notariate hierfür zuständig (§§ 1 Abs. 1, 38, 46 Abs. 3 LFGG)2.
525
Die Annahmeverfügung des Rechtspflegers ist nach § 27 AktO dem Verwahrungsbeamten in Urschrift vorzulegen. Auf der Grundlage der Annahmeverfügung trägt der Urkundsbeamte die Annahme in das Verwahrungsbuch ein und verschließt die Urkunde im Testamentsschrank. Die Annahme zur Verwahrung wird auf der Annahmeverfügung bestätigt (§ 27 Abs. 5 Satz 2 AktO)3. Gem. § 2258b Abs. 3 BGB soll dem Erblasser ein Hinterlegungsschein erteilt werden.
526
Bei der Annahme der Urkunde besteht keine Pflicht zur Überprüfung der Wirksamkeit des Testaments von Seiten des Rechtspflegers4. Aber auch ohne eine Prüfungspflicht ist es sein „nobile officium“, auf Bedenken hinsichtlich der Formwirksamkeit aufmerksam zu machen5. Dies gilt insbesondere bei privat schriftlichen Testamenten. Zu beachten ist hier, dass eine Amtspflicht auch dann verletzt wird, wenn Auskünfte unrichtig erteilt werden, auf die kein Anspruch besteht. Der Beamte hat die Amtspflicht, die Auskunft, die er dem Bürger erteilt, richtig, klar, unmissverständlich und vollständig zu erteilen, damit der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann6. Verweigert der Rechtspfleger die Annahme, können sowohl der Testierer als auch die Urkundsperson Beschwerde einlegen7.
1 2 3 4 5 6 7
Palandt/Edenhofer, § 2258b BGB Rz. 1. Palandt/Edenhofer, § 2258a BGB Rz. 2. In der in Bayern geltenden Fassung abgedruckt bei Firsching/Graf, Anh. 5. Palandt/Edenhofer, § 2258b BGB Rz. 2. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2258b BGB Rz. 6. BGH v. 24.6.1993 – III ZR 43/92, NJW 1993, 3204 (3205). MüKo/Hagena, § 2258b BGB Rz. 19; Staudinger/Baumann, § 2258b BGB Rz. 22.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 532 B II
b) Zuständigkeit für die besondere amtliche Verwahrung Gem. § 2258a BGB sind im ganzen Bundesgebiet sachlich das Amtsgericht (§ 2258a Abs. 1 BGB) und dort funktionell der Rechtspfleger zuständig (§ 3 Nr. 2c RPflG). In Baden-Württemberg sind gem. §§ 1 Abs. 1, 2, 38, 46 Abs. 3 LFGG, Art. 147 Abs. 1 EGBGB die Notariate zuständig1. Diese Landesregelungen werden durch die §§ 7, 11 bis 19 der 1. Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des LFGG vom 5.5.1975 und die AV vom 30.6.1975 ergänzt2.
527
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 2258a Abs. 2 und 3 BGB. Danach ist bei öffentlichen Testamenten grundsätzlich der Errichtungsort maßgebend. Verlangt der Erblasser, dass die Verwahrung bei einem anderen Amtsgericht erfolgen soll, so ist dem ohne Weiteres nachzukommen, falls kein offensichtlicher Missbrauch vorliegt3.
528
Konsulartestamente sind beim Amtsgericht Schöneberg in Berlin zu hinterlegen, falls der Erblasser kein anderes Amtsgericht bestimmt hat (§ 11 Abs. 2 KonsG).
529
Die Hinterlegung bei einem örtlich unzuständigen Gericht nimmt dem Testament nicht den Charakter der besonderen amtlichen Verwahrung (§ 2 Abs. 3 FamFG). Das unzuständige Gericht wird aber das Testament weiterleiten. Das für den inländischen Geburtsort des Erblassers zuständige Standesamt (sonst Amtsgericht Schöneberg in Berlin) ist von der erfolgten Verwahrung zu benachrichtigen. Es verständigt seinerseits das Gericht vom Tod des Erblassers4.
530
c) Rückgabe des Testaments Die Rückgabe des Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung erfolgt entweder durch Rückgabe an den Testierer (§ 2256 Abs. 2 BGB), was bei öffentlichen Testamenten als Widerruf gilt (§ 2256 Abs. 1 Satz 1 BGB), oder nach dem Tod des Erblassers zur Eröffnung (§§ 2260 ff. BGB). Das Verfahren der Rückgabe ist ebenfalls in § 2258b BGB geregelt, so dass auch sie vom Rechtspfleger verfügt und vom Urkundsbeamten im Verwahrungsbuch vermerkt wird. Keine Herausgabe des Testaments ist die Einsicht in die letztwillige Verfügung.
531
Der Erblasser ist über die Rechtsfolgen und Wirkungen der Rückgabe zu belehren (§ 2256 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Belehrung ist auf der Testamentsurkunde, die sich bis zu 30 Jahre in amtlicher Verwahrung befindet (§ 27 Nr. 9 AktO), zu vermerken5. Es ist eine Niederschrift aufzunehmen (§ 27 Nr. 9
532
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Palandt/Edenhofer, § 2258a BGB Rz. 2. Die Justiz 1975, 201 und 304. Palandt/Edenhofer, § 2258a BGB Rz. 2. S. dazu die bundeseinheitlichen Bekanntmachungen der Länder über Benachrichtigungen in Nachlasssachen und die bundeseinheitl. Anordnungen über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi), 2. Teil XBVII, abgedruckt in Weingärtner Ziff. 270. 5 Soergel/Mayer, § 2256 BGB Rz. 6.
Esser
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B II Rz. 533
Formen letztwilliger Verfügung
AktO). Die Rückgabe eines nach § 2248 BGB verwahrten eigenhändigen Testaments ist ohne Einfluss auf dessen Wirksamkeit, § 2256 Abs. 3 Halbs. 2 BGB. 533
Ein gemeinschaftliches Testament kann nur aufgrund eines Antrags beider Ehegatten in die besondere amtliche Verwahrung gebracht und zurückgenommen werden (§ 2272 BGB)1. Einsicht kann aber jeder Ehegatte allein ohne Zustimmung des anderen nehmen. Nach Ableben eines Ehepartners ist eine Rücknahme unzulässig2.
534
Der Erbvertrag wird, falls die Vertragschließenden dies nicht ausgeschlossen haben, in besondere amtliche Verwahrung genommen (§ 2277 BGB, § 34 Abs. 2 BeurkG). Jeder Vertragschließende erhält dabei einen Hinterlegungsschein (§ 2277 BGB). Die Rücknahme ist nur auf Antrag beider Parteien möglich (§ 45 BeurkG). Sie darf aber nur an den Notar selbst und nicht an die Beteiligten erfolgen, mit Ausnahme, die Urkunde findet im Ausland Verwendung (§ 25 Abs. 2 BNotO).
2. Die Ablieferung des Testaments 535
Wer ein Testament, welches nicht in amtliche Verwahrung gebracht wurde, im Besitz hat, ist verpflichtet, es unverzüglich, nachdem er vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt hat, an das Nachlassgericht abzuliefern (§ 2259 Abs. 1 BGB). Die zwingende Vorschrift gilt auch für Erbverträge, § 2300 BGB. Die Verpflichtung dient der Erhaltung und Sicherstellung nicht verwahrter Verfügungen von Todes wegen sowie der Vorbereitung der Eröffnung. Die Ablieferungspflicht liegt daher im öffentlichen Interesse, so dass gegenteilige Weisungen des Erblassers3 oder Absprachen zwischen den Beteiligten4 von ihrer Erfüllung nicht entbinden. a) Gegenstand der Ablieferung
536
Abzuliefern sind, ohne Ausnahme, alle Schriftstücke, die sich nicht in Verwahrung des Nachlassgerichts befinden und die sich äußerlich oder ihrem Inhalt nach als letztwillige Verfügung des Erblassers darstellen, ohne Rücksicht darauf, ob sie als solche sachlich oder formell gültig, offen oder verschlossen sind5. Die Wirksamkeit des Testaments ist für die Ablieferungspflicht ohne Bedeutung6, da auch ein formunwirksames Testament für die Auslegung oder die Anfechtung eines weiteren Testaments wichtig sein kann. Auch widerrufene und beschädigte Testamente sind abzugeben7. Gleiches gilt für Nottesta-
1 2 3 4 5 6 7
Staudinger/Baumann, § 2258b BGB Rz. 23, 26. Staudinger/Baumann, § 2258b BGB Rz. 16. BayObLG v. 19.1.1988 – 1 Z 65/8, FamRZ 1988, 658 (660). Staudinger/Baumann, § 2259 BGB Rz. 18. Palandt/Edenhofer, § 2259 BGB Rz. 2. BayObLG v. 19.1.1988 – 1 Z 65/87, FamRZ 1988, 658 (659). Soergel/Mayer, § 2259 BGB Rz. 2; MüKo/Hagena, § 2259 BGB Rz. 8.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 544 B II
mente, die durch Zeitablauf nichtig wurden (§ 2252 BGB), und für aufgehobene Erbverträge1. Testamente von Ausländern sind ebenfalls abzuliefern2. Abzuliefern sind die Urschriften der Verfügungen von Todes wegen3. Abschriften und Ausfertigungen sind dann abzuliefern, wenn die Urschrift nicht ausgehändigt werden kann. Strittig ist, ob auch unbeglaubigte Abschriften der Pflicht des § 2259 BGB unterfallen. Das wird jedoch ganz überwiegend verneint4, weil sie ein Testament nicht ersetzen und nicht zu eröffnen sind.
537
Die Ablieferung hat unverzüglich (§ 121 BGB) nach Kenntnis vom Tod des Erblassers zu erfolgen, muss aber nicht persönlich geschehen.
538
b) Die Pflicht zur Ablieferung Nach § 2259 Abs. 1 BGB ist der unmittelbare Besitzer (§ 857 BGB) des Testaments oder des Erbvertrags zur Ablieferung verpflichtet.
539
Die Pflicht zur Ablieferung nach Abs. 2 trifft alle Behörden mit Ausnahme der Gerichte. Erfasst werden damit die Urkundspersonen, soweit sie ihrer Verpflichtung aus § 34 Abs. 1 Satz 4 BeurkG nicht nachgekommen sind oder eine solche Pflicht erst nach dem Tod des Erblassers besteht (vgl. § 34 Abs. 3 Satz 2 BeurkG). Die Ausnahme von der Ablieferungspflicht hinsichtlich der Gerichte ist zu beschränken auf die zur Eröffnung des Testaments zuständigen Verwahrungsgerichte5.
540
Erhält das Nachlassgericht Kenntnis davon, dass jemand im Besitz eines Tes- 541 taments ist, kann es zur Durchsetzung der Ablieferung Zwangsmittel einsetzen (Zwangsgeld: §§ 358, 35 Abs. 1 FamFG, unmittelbaren Zwang nach § 90 Abs. 1 FamFG). Für das Verfahren nach §§ 2259 BGB, 358, 35 Abs. 1, 2 FamFG ist der Rechtspfleger zuständig (§ 3 Nr. 2c RPflG). c) Zuständigkeiten für die Ablieferung Sachlich zuständig ist das Amtsgericht als Nachlassgericht. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht am Wohnsitz des Erblassers.
542
Fehlt es an einem inländischen Wohnsitz, so hat sich die örtliche Zuständigkeit nach dem inländischen Ort des Aufenthalts des Erblassers zu richten (§ 343 Abs. 1 FamFG). Fehlt auch dieser, so ist das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zuständig (§ 343 Abs. 2 FamFG).
543
Für Ausländer ist jedes Gericht, in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befinden, hinsichtlich aller im Inland befindlichen Nachlassgegenstände örtlich zuständig (§ 343 Abs. 3 FamFG). Aber auch wenn sich keine Nachlass-
544
1 2 3 4 5
Dittmann/Reimann/Bengel, § 2259 BGB Rz. 5. Soergel/Mayer, § 2259 BGB Rz. 5. Soergel/Mayer, § 2259 BGB Rz. 2, 6. Staudinger/Baumann, § 2259 BGB Rz. 9. Palandt/Edenhofer, § 2261 BGB Rz. 2.
Esser
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B II Rz. 545
Formen letztwilliger Verfügung
gegenstände im Inland befinden, besteht dennoch eine Ablieferungspflicht1. Wird die Pflicht nicht erfüllt, so kann jeder, der ein rechtliches Interesse an der Einsicht in das zu eröffnende Testament hat, gegen den Besitzer auf Ablieferung an das Nachlassgericht klagen2. Der einfachere Weg dürfte jedoch die Mitteilung entsprechender Tatsachen an das Nachlassgericht sein, verbunden mit der Anregung, von Amts wegen tätig zu werden, umso die Ablieferung zu erzwingen. Auch Schadenersatzansprüche sind möglich.
3. Die Eröffnung des Testaments, §§ 2260 ff. BGB 545
Das Verfahren über die Eröffnung von Testamenten ist in den §§ 2260 ff. BGB geregelt. a) Die Eröffnung durch das Nachlassgericht
546
Das Nachlassgericht hat gem. § 2260 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Eröffnung eines in seiner Verwahrung befindlichen Testaments Termin zu bestimmen, sobald es von dem Tod des Erblassers Kenntnis erlangt. aa) Gegenstand der Eröffnung
547
Die Eröffnung erfolgt von Amts wegen. Es ist jedes als Testament abgelieferte Schriftstück zu eröffnen, das angeblich vom Erblasser stammt. Unerheblich ist, ob die Schrift sachlich oder formell wirksam ist und ob sie offen oder verschlossen abgegeben wurde3. Gegenstand der Eröffnung ist die Urschrift.
548
Bei gemeinschaftlichen Testamenten sind gem. § 2273 Abs. 1 BGB die Verfügungen des überlebenden Ehegatten, soweit sie sich sondern lassen, weder zu verkünden noch sonst zur Kenntnis der Beteiligten zu bringen.
549
Die Eröffnung setzt in der Regel die Ausschlagungsfrist nach § 1944 BGB in Gang, wenn nicht der Erbe erst später die notwendige Kenntnis von seiner Einsetzung erhält. (Näheres s. C II.) bb) Das Eröffnungsverfahren
550
Nach Erlangen der Kenntnis vom Tod des Erblassers hat das Nachlassgericht gem. § 2260 Abs. 1 Satz 1 BGB Termin für die Eröffnung zu bestimmen.
551
Zu dem Termin erfolgt nach § 2260 Abs. 1 Satz 2 BGB die Ladung der Beteiligten, soweit dies nicht „untunlich“ ist, etwa weil die Beteiligten durch das Übersenden von Kopien des Testaments einfacher informiert werden können. Beteiligte i.S.v. § 2260 Abs. 1 BGB sind diejenigen, deren Rechtslage durch die Verfügungen des Erblassers unmittelbar beeinflusst wird, beispielsweise Er-
1 Keidel/Kuntze/Winkler, § 73 FGG Rz. 31. 2 Staudinger/Baumann, § 2259 BGB Rz. 17. 3 Palandt/Edenhofer, § 2260 BGB Rz. 1.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 558 B II
ben, Empfänger von Auflagen, Vermächtnisnehmer und Testamentsvollstrecker, nicht jedoch die Nachlassgläubiger1. Im Termin erfolgt die Eröffnung und Verkündung des Testaments gem. § 2260 Abs. 2 BGB.
552
Über die Eröffnung ist nach § 2260 Abs. 3 BGB eine Niederschrift aufzunehmen. Bei verschlossenen Testamenten ist zu vermerken, ob der Verschluss unversehrt war. In der Praxis wird die Niederschrift regelmäßig durch einen Stempelaufdruck auf der Originalurkunde ersetzt. Nach Eröffnung bleibt das Testament offen bei den Nachlassakten, außer im Fall des § 2273 Abs. 2 Satz 2 BGB.
553
cc) Zuständigkeit für die Eröffnung Zuständig für die Eröffnung ist das Nachlassgericht. Das sachlich zuständige Nachlassgericht ist gem. § 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG das Amtsgericht. In BadenWürttemberg ist auch das verwahrende Notariat zuständiges Nachlassgericht, §§ 1, 38 LFGG. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem letzten Wohnsitz oder Aufenthalt des Erblassers, § 343 Abs. 1 FamFG. Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger gem. § 3 Nr. 2c RPflG.
554
b) Eröffnung durch ein anderes Gericht Hat ein anderes Gericht als das Nachlassgericht das Testament in amtlicher Verwahrung, eröffnet dieses Gericht gem. § 2261 Satz 1 BGB das Testament.
555
aa) Das Eröffnungsverfahren Das Eröffnungsverfahren erfolgt in gleicher Weise wie die Eröffnung beim Nachlassgericht nach § 2260 BGB.
556
bb) Zuständigkeit für die Eröffnung Die Eröffnung obliegt dem verwahrenden Amtsgericht, welches die Eröffnung als eigenständige Aufgabe wahrnimmt und diese unabhängig davon zu erfüllen hat, ob es sich um eine besondere amtliche Verwahrung im Sinne der §§ 2258a BGB, 34 BeurkG oder die einfache amtliche Verwahrung gehandelt hat2.
557
In Baden-Württemberg ist das verwahrende Notariat, das auch Nachlassgericht ist, für die Eröffnung zuständig. Ein Notariat, das das Testament lediglich verwahrt, nicht aber Nachlassgericht ist, ist nicht für die Eröffnung zuständig3.
558
1 Palandt/Edenhofer, § 2260 BGB Rz. 4. 2 Palandt/Edenhofer, § 2261 BGB Rz. 1. 3 Staudinger/Baumann, § 2261 BGB Rz. 8.
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B II Rz. 559 559
Formen letztwilliger Verfügung
Das Verwahrungsgericht ist nur für die Eröffnung zuständig, alle anderen Verfahrensschritte obliegen dem Nachlassgericht. c) Nichtigkeit eines Eröffnungsverbots, § 2263 BGB
560
Nach dem Tod des Erblassers muss geklärt werden, wer Erbe geworden ist. Gem. § 2263 BGB ist daher eine Anordnung des Erblassers nichtig, die es verbietet, das Testament alsbald nach seinem Tod zu eröffnen.
561
Ebenfalls unbeachtlich ist das Verbot der Ablieferung (§ 2259 BGB), der Benachrichtigung (§ 2262 BGB), der Einsicht (§ 2264 BGB) sowie die Anordnung, die Wohnung des Erblassers nicht zu öffnen1. Die Unwirksamkeit des Eröffnungsverbots berührt im Zweifel die Wirksamkeit der übrigen Verfügungen nicht (§ 2085 BGB). Hat der Erblasser jedoch grundsätzlich verboten, das Testament zu eröffnen, kann dies als Widerruf auszulegen sein. d) Eröffnungsfrist für Testamente, § 2263a BGB
562
Gem. § 2263a BGB sind bei einem Testament, das sich seit mehr als 30 Jahren in amtlicher Verwahrung befindet, von der verwahrenden Stelle Ermittlungen darüber anzustellen, ob der Erblasser noch lebt. Führen die Ermittlungen nicht zur Feststellung des Fortlebens des Erblassers, ist das Testament nach §§ 2260 bis 2262 BGB zu eröffnen.
563
Die Eröffnungsfrist des § 2263a BGB gilt auch für gemeinschaftliche Testamente, während § 2300a BGB eine 50 Jahre dauernde Eröffnungsfrist für Erbverträge in amtlicher Verwahrung vorsieht. e) Möglichkeit der Einsichtnahme oder der Erteilung einer Abschrift eines eröffneten Testaments, § 2264 BGB
564
Wer ein rechtliches Interesse glaubhaft macht, ist gem. § 2264 BGB berechtigt, ein eröffnetes Testament einzusehen sowie eine Abschrift des gesamten Testaments oder einzelner Teile zu fordern, wobei die Abschrift auf Verlangen zu beglaubigen ist. aa) Voraussetzungen für die Einsichtnahme und Abschrifterteilung
565
Das Recht auf Einsichtnahme und Abschrifterteilung setzt die Eröffnung des Testaments voraus. Vor der Eröffnung kann nur der Erblasser selbst Einsicht nehmen.
566
Ein rechtliches Interesse liegt vor, wenn das Testament eigene Rechte des Antragstellers in ihrem Bestand berührt. Neben § 2264 BGB gilt § 13 FamFG, der Einsicht in die Akten des Nachlassgerichts gewährt und nur ein weiteres berechtigtes Interesse fordert, welches tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wis-
1 Palandt/Edenhofer, § 2263 BGB Rz. 1.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 572 B II
senschaftlicher Natur sein kann1. Da § 2264 BGB nicht für Erbverträge gilt, ist dort § 13 FamFG anzuwenden und somit ebenfalls ein berechtigtes Interesse ausreichend. Bei Ablehnung kann der Antragsteller Erinnerung nach § 11 RPflG einlegen.
567
bb) Zuständigkeit Zuständig ist das Gericht, bei dem sich das Testament befindet, also regelmäßig das Nachlassgericht (s. auch Rz. 554). Ausnahmsweise kann das verwahrende Gericht des § 2261 BGB zuständig sein (s. Rz. 555 ff.), wenn es die Urschrift noch nicht gem. § 2261 Satz 2 BGB an das Nachlassgericht übersandt hat.
568
V. Der Erbvertrag Der Erbvertrag ist die vertragsmäßige, d.h. die mit einer Bindungswirkung nach § 2289 BGB ausgestattete Erbeinsetzung und die vertragsmäßige Anordnung von Vermächtnissen oder Auflagen (§§ 1941, 2278 BGB)2.
569
1. Die Rechtsnatur des Erbvertrags Der Erbvertrag ist ein einheitliches, abstraktes, unentgeltliches Rechtsgeschäft von Todes wegen. Gleichzeitig ist er ein echter Vertrag, der eine besondere erbrechtliche Bindung des Erblassers an seine vertragsmäßigen Verfügungen von Todes wegen begründet3. Die Besonderheit des Erbvertrags liegt in seiner Doppelnatur als Verfügung von Todes wegen und Vertrag. Nach heute h.M. ist der Erbvertrag ein einheitliches Rechtsgeschäft, bestehend aus einem echten, abstrakten Vertrag4 und gleichzeitig einer Verfügung von Todes wegen5.
570
Aus seiner Natur als echter Vertrag ergibt sich die Bindung des Erblassers und die damit verbundene Einschränkung seiner Testierfreiheit (vgl. § 2289 BGB). Insoweit unterscheidet sich der Erbvertrag vom Testament. Insbesondere ist bei ihm die freie Widerrufbarkeit ausgeschlossen6.
571
Als Verfügung von Todes wegen gelten für den Erbvertrag weitgehend die gesetzlichen Vorschriften über letztwillige Zuwendungen und Auflagen entsprechend (vgl. § 2279 Abs. 1 BGB). Der Erblasser verfügt auch beim Erbvertrag
572
1 Erman/Schmidt, § 2264 BGB Rz. 2. 2 Palandt/Edenhofer, Vor § 2274 BGB Rz. 1. 3 Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 3; Dittmann/Reimann/Bengel, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 4. 4 BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204 (207). 5 MüKo/Musielak, Vor § 2274 BGB Rz. 3; Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 4. 6 Brox, Rz. 144.
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B II Rz. 573
Formen letztwilliger Verfügung
nicht in dem Sinne, dass er eine unmittelbare Rechtsänderung bewirkt. Schuldrechtliche Verpflichtungen werden durch den Erbvertrag nicht begründet. Der Vertragspartner, der die Willenserklärung des Erblassers annimmt, geht damit nicht die Verpflichtung ein, die Erbschaft oder das Vermächtnis anzunehmen, wenn er selbst im Erbvertrag bedacht ist. Er kann die Zuwendung jederzeit ausschlagen1. Der im Erbvertrag bedachte Erbe oder Vermächtnisnehmer erwirbt, wie beim Testament, vor dem Tod des Erblassers weder einen künftigen Anspruch noch eine rechtlich gesicherte Anwartschaft, sondern lediglich eine tatsächliche Aussicht2. Rechte und Pflichten des erbrechtlich Bedachten entstehen erst mit dem Erbfall. Soweit sie schuldrechtlicher Art sind, richten sie sich nicht gegen den Erblasser, sondern gegen den Erben oder Dritte, z.B. den Erbschaftsbesitzer (§ 2018 BGB)3. Dieses ist das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen einem Erbvertrag und einem Rechtsgeschäft unter Lebenden. 573
Kein Erbvertrag, sondern ein Vertrag unter Lebenden ist daher ein Rechtsgeschäft, das den Vollzug des Vertrags bis zum Tod hinauszögert, aber dennoch mit sofortiger Wirkung rechtliche Pflichten erzeugt4.
574
Auch ein Erbschaftskaufvertrag, durch den sich der Erbe verpflichtet, nach dem Erbfall die ihm angefallene Erbschaft auf den Käufer zu übertragen (§§ 2371 ff. BGB), ist kein Erbvertrag.
575
Verträge über den Nachlass noch lebender Dritter, die nach § 311b Abs. 4 BGB nichtig sind, unterscheiden sich von Erbverträgen dadurch, dass an ihnen der Erblasser nicht beteiligt ist und sie nur einen schuldrechtlichen, nicht aber erbrechtlichen Inhalt aufweisen5. Die Umdeutung eines unwirksamen Erbvertrags in ein Testament ist grundsätzlich möglich6.
576
Schenkungen von Todes wegen nach § 2301 BGB sind keine Erbverträge. Für sie gelten nach § 2301 Abs. 1 BGB die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen.
2. Der Erbvertrag in Abgrenzung zum Testament 577
Sowohl das Testament als auch der Erbvertrag können als Verfügungen von Todes wegen nur vom Erblasser persönlich errichtet werden (§§ 2274, 2064 BGB). Auf vertragsmäßige Zuwendungen und Auflagen finden zudem die für letztwillige Zuwendungen und Auflagen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§ 2279 Abs. 1 BGB). Auch sind einseitige Verfügungen, die in
1 Kipp/Coing, § 87 I. 2 BGH v. 19.1.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115 (118); BayObLG v. 28.11.1952 – BReg. 1 Z 216/52, BayObLGZ 1952, 289; Brox, Rz. 144. 3 Dittmann/Reimann/Bengel, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 11. 4 BGH v. 1.6.1983 – IVa ZR 35/82, NJW 1984, 46 (47). 5 Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 13. 6 Dittmann/Reimann/Bengel, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 19.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 583 B II
einem Erbvertrag enthalten sind, nach Testamentsrecht zu beurteilen (§ 2299 BGB). Das Besondere am Erbvertrag in Abgrenzung zum Testament ist jedoch die Bindung des Erblassers an seine vertragsmäßigen Verfügungen. Während das Testament grundsätzlich nach den §§ 2253 ff. BGB widerrufen werden kann, sind die vertragsmäßigen Verfügungen eines Erbvertrags grundsätzlich nach § 2289 Abs. 1 Satz 2 unwiderruflich. Hinzu kommen unterschiedliche Regelungen hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit des Erblassers, bei den Formvorschriften und bei der Anfechtung, die bei einem Erbvertrag durch den Erblasser im Wege der Selbstanfechtung vorgenommen werden kann (§§ 2275, 2276, 2281 ff., 2229, 2265 ff. BGB)1.
578
In der Bindungswirkung nähern sich wechselbezügliche Verfügungen in ge- 579 meinschaftlichen Testamenten jedoch nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten in ihrer Rechtsfolge den vertragsmäßigen Verfügungen in Erbverträgen an. Erbverträge, die unwirksam sind, können nach § 140 BGB in ein gemeinschaftliches Testament oder ein einseitiges Testament umgedeutet werden, wenn die entsprechenden Wirksamkeitsvoraussetzungen gegeben sind. Enthält eine als Erbvertrag bezeichnete letztwillige Verfügung keine einzige vertragsmäßige Bestimmung, so ist sie tatsächlich ein Testament. Eine Umdeutung nach § 140 BGB ist dann nicht notwendig.
580
3. Voraussetzungen für den Abschluss eines Erbvertrags Der Erblasser kann einen Erbvertrag nur persönlich schließen, § 2274 BGB. Eine Stellvertretung ist nicht möglich. Der Erblasser kann sich bei Abschluss eines Erbvertrags auch nicht durch einen gesetzlichen Vertreter oder durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen2. Ein Verstoß gegen das Vertretungsverbot hat die Nichtigkeit des Erbvertrags zur Folge.
581
Erblasser i.S.v. § 2274 BGB ist nur, wer vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen trifft (vgl. auch §§ 1941, 2278 BGB)3. Die Beratung des Erblassers und ein Beistand bei Vertragsschluss wird durch § 2274 BGB selbstverständlich nicht ausgeschlossen. Der andere Vertragspartner hingegen kann sich, soweit er nicht selbst Verfügungen trifft, vertreten lassen4. Die Aufnahme einseitiger Verfügungen durch den Vertragspartner in den Erbvertrag lässt diesen nicht zum Erblasser i.S.v. § 2274 BGB werden (vgl. § 2299 BGB).
582
Bei Abschluss eines Erbvertrags muss der Erblasser unbeschränkt geschäftsfähig sein, § 2275 Abs. 1 BGB, da er sich vertragsmäßig bindet. Die Testier-
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Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 11. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2274 BGB Rz. 2. MüKo/Musielak, § 2274 BGB Rz. 5; Soergel/Wolf, § 2274 BGB Rz. 4. Allg. Meinung, vgl. Staudinger/Kanzleiter, § 2274 BGB Rz. 4; MüKo/Musielak, § 2274 BGB Rz. 2.
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B II Rz. 584
Formen letztwilliger Verfügung
fähigkeit allein reicht nicht. Erbverträge Geschäftsunfähiger oder beschränkt Geschäftsfähiger sind nichtig, § 105 BGB. Eine Heilung des Mangels tritt auch nicht bei Wegfall der Beschränkung ein. Unter den Voraussetzungen des § 140 BGB kann der nichtige Erbvertrag jedoch in ein Testament umgedeutet werden1. 584
Für Erbverträge zwischen Eheleuten (§ 2275 Abs. 2 BGB) und Verlobten (§ 2275 Abs. 3 BGB) reicht die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Erblassers. Ebenso im Falle eingetragener Lebenspartnerschaften. Die Ausnahme wurde ins Gesetz aufgenommen, da häufig der Erbvertrag mit einem Ehevertrag verbunden wird. Sie gilt jedoch auch, wenn nur ein Erbvertrag geschlossen wird. Auch die Eheleute/Lebenspartner müssen den Erbvertrag persönlich schließen, und der gesetzliche Vertreter muss dem Abschluss zustimmen. Die erforderliche Zustimmung richtet sich nach §§ 108, 182–184, 1822 BGB. Sie kann formlos erfolgen und ist auch nachträglich möglich2. Schon aus haftungsrechtlichen Gründen wird der Notar ohne Nachweis der Einwilligung die Beurkundung jedoch verweigern, vgl. § 2276 Abs. 1 BGB, §§ 11, 18, 28 BeurkG. Fehlt die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter, ist die Genehmigung durch den Erblasser nach Erlangen der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit nach § 108 Abs. 3 BGB möglich, solange der Vertragspartner nicht verstorben ist.
585
Auf Partner, die in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammenleben, finden die Abs. 2 und 3 keine Anwendung.
4. Arten des Erbvertrags a) Der einseitige Erbvertrag 586
Von einem einseitigen Erbvertrag wird gesprochen, wenn nur ein Vertragspartner (der Vertragserblasser) eine oder mehrere vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen trifft. Der andere Vertragspartner nimmt diese Erklärung lediglich an, ohne dass er vertragsmäßig über sein Vermögen letztwillig verfügt. Der Vertrag ist auch dann einseitig, wenn der Vertragspartner ebenfalls einseitige Verfügungen von Todes wegen vornimmt oder sich schuldrechtlich durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden verpflichtet3. Beispiel: Der andere Vertragschließende verpflichtet sich im Erbvertrag zur Leistung von Unterhalt an den Erblasser. b) Der zweiseitige oder gemeinschaftliche Erbvertrag
587
Wird ein Erbvertrag von zwei Personen geschlossen und treffen beide Vertragsteile vertragsmäßige Verfügungen entsprechend §§ 2278, 2298 BGB, 1 Staudinger/Kanzleiter, § 2275 BGB Rz. 3. 2 Palandt/Edenhofer, § 2275 BGB Rz. 2. 3 Brox, Rz. 152.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 592 B II
spricht man von einem zweiseitigen oder gemeinschaftlichen Erbvertrag. Die Erblasser können sich entweder gegenseitig bedenken oder zugunsten eines Dritten verfügen. Bedenken sich die Vertragspartner gegenseitig, dann handelt es sich um einen gegenseitigen, reziproken Erbvertrag. Wird in einen gegenseitigen Erbvertrag zwischen Ehegatten/Lebenspartnern die Bestimmung aufgenommen, dass nach dem Tod des Letztversterbenden der beiderseitige Nachlass an Dritte, beispielsweise die Abkömmlinge, fallen soll, oder ist ein Vermächtnis angeordnet, das nach dem Tod des zuletzt Verstorbenen zu erfüllen ist, gelten nach § 2280 BGB die durch § 2269 BGB für gemeinschaftliche Testamente aufgestellten Auslegungsregeln entsprechend1.
588
c) Mehrseitige Erbverträge Ein Erbvertrag kann auch vertragsmäßige Verfügungen von drei und mehr Personen enthalten. In diesem Falle spricht man von einem mehrseitigen Erbvertrag2. Im Zweifel ist anzunehmen, dass jeder Vertragspartner gegenüber allen anderen gebunden ist, so dass der Vertrag nur von allen Beteiligten gemeinsam nach § 2290 BGB aufgehoben werden kann. Ist einer von ihnen gestorben, kann der Erbvertrag überhaupt nicht mehr aufgehoben werden3. Der Erblasser kann auch nicht mit den Erben eines verstorbenen Vertragsbeteiligten einen Vertrag zur Aufhebung des Erbvertrags schließen4. Der Rücktritt vom Erbvertrag nach §§ 2293 ff. BGB muss allen Vertragsparteien gegenüber erklärt werden, § 2296 Abs. 2 BGB.
589
d) Erbverträge zugunsten des Vertragspartners oder eines Dritten Der Erblasser kann in einem Erbvertrag vertragsmäßige Verfügungen zugunsten anderer Vertragspartner oder zugunsten eines Dritten treffen. Trotz der üblichen Bezeichnung „Erbvertrag zugunsten Dritter“ ist hier streng auf die Trennung zum Vertrag zugunsten Dritter nach §§ 328 ff. BGB zu achten, da diese Vorschriften hier nicht anwendbar sind (s. auch Rz. 778 ff.).
590
e) Unterscheidung des Erbvertrags nach Art der Zuwendung Je nach Art der im Erbvertrag verfügten Zuwendungen kann zwischen Erbeinsetzungsverträgen, Erbvermächtnisverträgen und Erbauflageverträgen unterschieden werden, §§ 1941 Abs. 1, 2278 Abs. 2 BGB5.
591
f) Entgeltlicher oder unentgeltlicher Erbvertrag Ein entgeltlicher Erbvertrag ist ein einheitliches, zusammengesetztes Rechtsgeschäft, welches aus einem Erbvertrag mit einer vertragsmäßigen Zuwen1 2 3 4 5
MüKo/Musielak, Vor § 2274 BGB Rz. 25. Staudinger/Kanzleiter, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 21. Dittmann/Reimann/Bengel, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 36. Kipp/Coing, § 39 I 4. MüKo/Musielak, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 28.
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B II Rz. 593
Formen letztwilliger Verfügung
dung und einem Verkehrsgeschäft besteht, in dem sich der Vertragspartner mit Blick auf die erbvertraglichen Verfügungen zur Erbringung von Leistungen an den Erblasser verpflichtet1. Beispiel: Der Vertragserbe verpflichtet sich zur Betreuung des Erblassers im Alter oder im Krankheitsfall. 593
Es wird hierdurch jedoch kein Verhältnis von Leistung und Gegenleistung geschaffen. Der Erbvertrag ist ein abstraktes, unentgeltliches Geschäft und kein schuldrechtlicher, gegenseitiger Vertrag2.
594
Für den Fall der Aufhebung der Verpflichtung des Vertragserben oder der Unwirksamkeit des Verkehrsgeschäfts gibt § 2295 BGB dem Vertragserblasser das Recht, von seiner vertragsmäßigen Verfügung zurückzutreten.
595
Ein unentgeltlicher Erbvertrag liegt vor, wenn der Bindung des Erblassers an seine vertragsmäßigen Verfügungen keine Gegenleistung des Vertragspartners gegenübersteht3. Ist der Vertragspartner nur beschränkt geschäftsfähig, kann er nach § 107 BGB den Vertrag selbst abschließen, da er lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt.
5. Die Aufhebungswirkung des Erbvertrags 596
Nur durch einen wirksam abgeschlossenen Erbvertrag, der bis zum Eintritt des Erbfalls wirksam bestehen bleibt, der nicht wirksam angefochten oder durch Rücktritt beseitigt bzw. durch Vertrag aufgehoben wird, können frühere letztwillige Verfügungen des Erblassers aufgehoben werden4.
597
Durch den Abschluss eines Erbvertrags werden frühere letztwillige Verfügungen des Erblassers aufgehoben, soweit durch sie das Recht des Vertragserben beeinträchtigt würde, § 2289 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nur wechselbezügliche Verfügungen in vorangegangenen gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen können nicht aufgehoben werden, §§ 2271, 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Rz. 422 ff.). Wurde der neue Erbvertrag jedoch von denselben Vertragspartnern geschlossen und ist er Ersatz des früheren gemeinschaftlichen Testaments oder Vertrags, liegt nach § 2290 BGB eine Aufhebung vor.
598
Im Erbvertrag enthaltene einseitige Verfügungen i.S.v. § 2299 BGB haben nur die Wirkung eines widersprechenden Testaments gem. § 2258 BGB, da für sie § 2289 BGB auch nicht entsprechend gilt5. Werden in dem Erbvertrag vom Erblasser einseitige Anordnungen getroffen, welche die vertragsmäßigen Verfügungen einschränken, sollen die vertragsmäßigen Verfügungen von vorn-
1 2 3 4 5
Dittmann/Reimann/Bengel, Vor §§ 2274 ff. BGB Rz. 40. BayObLG v. 28.1.1998 – 1 Z BR 162/97, BayObLGZ 1998, 22 (25). Brox, Rz. 155. MüKo/Musielak, § 2289 BGB Rz. 4. MüKo/Musielak, § 2289 BGB Rz. 5; Palandt/Edenhofer, § 2289 BGB Rz. 2.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 602 B II
herein nur einen eingeschränkten Inhalt erhalten; auch der Vertragspartner kann die Erklärungen des Erblassers nur in diesem Sinne verstehen1. Die Aufhebungswirkung eines Erbvertrags ist weit stärker als die eines widersprechenden Testaments. Durch § 2258 BGB hat ein später errichtetes Testament insoweit aufhebende Wirkung, als es mit dem früheren in Widerspruch steht. § 2289 Abs. 1 BGB stellt jedoch darauf ab, ob das Recht des durch den Vertrag Bedachten aufgrund des früheren Testaments beeinträchtigt wird. Im Falle einer Beeinträchtigung wird die frühere Verfügung unwirksam2.
599
Bei einem später errichteten Testament i.S.v. § 2258 BGB ergibt sich der möglicherweise vorliegende Widerruf früherer Verfügungen durch die Auslegung der neueren Anordnung. Bei einem Erbvertrag ergibt sich hingegen der möglicherweise gewollte Fortbestand der früheren Regelung nur durch Auslegung dieser. Grundsätzlich wird die frühere Verfügung jedoch nur im Falle einer Beeinträchtigung aufgehoben. Beispiele:
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– Der in einer früheren letztwilligen Verfügung zum Vermächtnisnehmer eingesetzte Bedachte soll lt. Erbvertrag Alleinerbe werden. Das alte Testament schränkt die Verfügung des Erbvertrags nicht ein und bleibt wirksam. – Die in einem früheren Testament auf den Pflichtteil gesetzte Tochter soll aufgrund einer vertragsmäßigen Verfügung Alleinerbin werden. Das frühere Testament schränkt die Verfügung ein und ist daher unwirksam. – Die in einem früheren Testament zur Alleinerbin eingesetzte Tochter wird aufgrund des Erbvertrags auf den Pflichtteil gesetzt. Das alte Testament schränkt die vertragsmäßige Regelung nicht ein, § 2289 Abs. 1 Satz 1 BGB lässt sie weiter bestehen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die im Erbvertrag getroffene Anordnung einen Widerruf der früheren testamentarischen Regelung beinhaltet (§§ 2299, 2253, 2258 BGB), soweit sie mit ihr unvereinbar ist3. Der Erblasser ist nicht verpflichtet, den Widerruf früherer testamentarischer Anordnungen in einen Erbvertrag ausdrücklich aufzunehmen. Der Widerruf kann sich auch durch Auslegung ergeben4. Im Interesse einer eindeutigen Rechtslage empfiehlt es sich jedoch für den Erblasser, vorangegangene letztwillige Verfügungen ausdrücklich zu widerrufen.
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6. Die Bindungswirkung des Erbvertrags Nur ein im Zeitpunkt des Erbfalls wirksamer Erbvertrag entfaltet eine Bin- 602 dungswirkung nach § 2289 Abs. 1 Satz. 2 BGB. Verfügungen von Todes wegen, 1 BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204 (216); MüKo/Musielak, § 2289 BGB Rz. 5. 2 Staudinger/Kanzleiter, § 2289 BGB Rz. 3. 3 Staudinger/Kanzleiter, § 2289 BGB Rz. 4; MüKo/Musielak, § 2289 BGB Rz. 11. 4 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2289 BGB Rz. 9.
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B II Rz. 603
Formen letztwilliger Verfügung
die der vertraglich gebundene Erblasser nach Abschluss der Beurkundung errichtet, sind als Folge der Bindungswirkung des Erbvertrags unwirksam, soweit das Recht eines vertragsmäßig Bedachten durch sie beeinträchtigt wird, § 2289 Abs. 1 Satz. 2 BGB. 603
Der Erblasser hat jedoch die Möglichkeit, sich im Erbvertrag das Recht für eine abweichende Verfügung ausdrücklich oder stillschweigend vorzubehalten1. Abs. 1 Satz 2 stellt sicher, dass der Erblasser nicht in seiner Testierfreiheit eingeschränkt wird, schließt aber die Anwendbarkeit des § 2258 BGB aus.
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Entscheidend für die Frage, ob der vertragsmäßig Bedachte durch eine spätere Verfügung von Todes wegen beeinträchtigt wird, ist auch hier eine rechtliche Betrachtungsweise2. Soweit eine spätere Verfügung das vertragsmäßige Erbrecht des Bedachten beeinträchtigt, ist sie daher nicht deswegen wirksam, weil sie für den Bedachten wirtschaftlich günstiger ist3. Nach einer anderen Ansicht genügt die wirtschaftliche Beeinträchtigung für die Unwirksamkeit späterer Verfügungen von Todes wegen4. Zulässig sind jedoch alle Verfügungen, die dem vertragsmäßig Bedachten nachträglich einen erbrechtlichen Vorteil bringen oder zumindest rechtlich neutral sind.
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Regelmäßig ist die Einschränkung der Erbquote des Vertragserben durch nachträgliche letztwillige Verfügungen unwirksam.
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606
Beratungshinweis: Der durch Vertrag zum alleinigen Vorerben eingesetzte Erbe kann stattdessen nicht zu einem kleineren Bruchteil zum Vollerben eingesetzt werden, auch wenn dies wirtschaftlich wertvoller ist. Auch die nachträgliche Einsetzung zum alleinigen Vollerben des im Erbvertrag zum alleinigen Vorerben eingesetzten Bedachten ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn im selben Erbvertrag, was die Regel sein dürfte, auch die Nacherbeneinsetzung vertraglich geregelt wurde.
Beim Ehegattenerbvertrag/Lebenspartnererbvertrag ist die nachträgliche Verbesserung der Stellung des Ehepartners/Lebenspartners zulasten anderer, ebenfalls vertraglich Bedachter durch einseitige Verfügungen nicht möglich5. Ein Ehegatte/Lebenspartner kann jedoch bei gegenseitiger vertraglicher Erbeinsetzung noch zu Lebzeiten des anderen Ehegatten/Lebenspartner einseitig für den Fall neu testieren, dass der andere zuerst verstirbt, da in diesem Fall keine Beeinträchtigung des vertraglich Bedachten mehr besteht6.
1 2 3 4
Palandt/Edenhofer, § 2289 BGB Rz. 8. Staudinger/Kanzleiter, § 2289 BGB Rz. 14; MüKo/Musielak, § 2289 BGB Rz. 16. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2289 BGB Rz. 23. Palandt/Edenhofer, § 2289 BGB Rz. 4; Soergel/Wolf, § 2289 BGB Rz. 3; Nieder, Rz. 713. 5 BayObLG v. 29.6.1961 – BReg. 1 Z 13/61, BayObLGZ 1961, 207 (211) = NJW 1961, 1866 (116); Palandt/Edenhofer, § 2289 BGB Rz. 5. 6 Staudinger/Kanzleiter, § 2289 BGB Rz. 17; Palandt/Edenhofer, § 2289 BGB Rz. 5.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 610 B II
Keine Beeinträchtigung einer vertragsmäßigen Verfügung liegt vor, wenn sich die spätere Verfügung auf einen anderen Gegenstand bezieht oder über denselben Gegenstand dasselbe bestimmt wird. Auch wenn die spätere letztwillige Verfügung nur für den Fall getroffen wurde, dass die vertragsmäßige unwirksam ist, liegt keine Beeinträchtigung des vertragsmäßig Bedachten vor1.
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Beratungshinweis: Trifft der Erblasser in einer späteren Verfügung von Todes wegen Anordnungen bezüglich eines den Bruchteil des Vertragserben nicht betreffenden Teils seines Vermögens oder über ein Haus, hinsichtlich dessen im Erbvertrag keine vertragsmäßigen Verfügungen getroffenen wurden, ist keine Beeinträchtigung einer vertragsmäßigen Verfügung gegeben.
Die nachträgliche Anordnung erbrechtlicher Beschränkungen und Beschwerungen stellt grundsätzlich eine unzulässige Beeinträchtigung des vertragsmäßig Bedachten dar. So ist die nachträgliche Anordnung einer Nacherbschaft, einer Auflage und eines Vermächtnisses unwirksam. Auch wenn der Gegenstand eines Vermächtnisses nachträglich verändert wird, ist diese Anordnung unwirksam2.
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Beeinträchtigt wird der Vertragserbe immer durch die nachträgliche Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Auch durch die nachträgliche Erweiterung der Befugnisse des Testamentsvollstreckers wird in die Rechtsstellung des Erben eingegriffen, so dass die Verfügung unwirksam ist3. Die nachträgliche einseitige Anordnung der Testamentsvollstreckung über den Nachlass ist grundsätzlich auch dann unwirksam, wenn der Vertragserbe vor oder nach dem Erbfall zustimmt4. Nur in Ausnahmefällen kann die nachträgliche einseitige Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch ergänzende Auslegung gerechtfertigt werden, was jedoch die Annahme eines entsprechenden Änderungsvorbehalts voraussetzt5. Die Rechte eines Nießbrauchsvermächtnisnehmers werden durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung grundsätzlich nicht beeinträchtigt, wenn es sich nicht um eine Vermächtnisvollstreckung nach § 2223 BGB handelt6.
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Die nachträgliche Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers ist grundsätzlich keine unzulässige Beeinträchtigung des Vertragserben, da hierdurch nicht zusätzlich in die Rechte des Erben eingegriffen wird. Etwas anderes ist nur dann anzunehmen, wenn es den Vertragschließenden gerade auf die Person des Testamentsvollstreckers, z.B. hinsichtlich seiner besonderen Qualifikation oder eines besonderen Vertrauensverhältnisses, ankam7.
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1 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2289 BGB Rz. 29; Planck/Greiff, § 2289 BGB Anm 3a. 2 Palandt/Edenhofer, § 2289 BGB Rz. 5 m.w.N. 3 OLG Köln v. 22.8.1990 – 2 Wx 31/90, FamRZ 1990, 1402 (1403); OLG Frankfurt v. 18.1.1993 – 4 U 173/91, WM 1993, 803 (804). 4 OLG Hamm v. 18.9.1995 – 15 W 248/95, FamRZ 1996, 637 = MittBayNot 1996, 44 (46); Kipp/Coing, § 38 II 2. 5 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2289 BGB Rz. 33. 6 Kipp/Coing, § 38 Rz. 7. 7 Lange/Kuchinke, § 25 VI 2a.
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B II Rz. 611
Formen letztwilliger Verfügung
611
Nachträgliche Bestimmungen zur Höhe der Vergütung des Testamentsvollstreckers sind jedenfalls dann zulässig, wenn sie eine Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben des § 2221 BGB beinhalten.
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Die nachträgliche Bestimmung einer echten Teilungsanordnung ist keine unzulässige Beeinträchtigung des Vertragserben. § 2289 BGB schützt nur das Vertrauen des Vertragserben in den rechtlichen Bestand der bindenden Verfügung, nicht aber die Erwartung, dass bestimmte Nachlassgegenstände später tatsächlich im Nachlass enthalten sind, wie sich auch aus § 2286 BGB ergibt. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass die durch die Teilungsanordnung möglicherweise entstehenden unterschiedlichen Wertzuteilungen durch eine entsprechende Ausgleichungspflicht der Begünstigten beseitigt werden1.
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Die nachträgliche Anordnung von Vorausvermächtnissen ist jedoch unwirksam, da hier die Höhe der Nachlassbeteiligung tatsächlich verändert wird2.
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Zulässig ist die nachträgliche Anordnung familienrechtlicher Regelungen durch den Erblasser. Hierzu zählen der Entzug des Verwaltungsrechts gegenüber dem gesetzlichen Vertreter (§ 1638 BGB), die Erklärung zum Vorbehaltsgut (§ 1418 Abs. 2 Nr. 2 BGB) oder die Anordnung der Vermögensverwaltung durch die Eltern oder den Vormund (§§ 1639, 1909 BGB). Diese Anordnungen sind keine unzulässigen Beeinträchtigungen i.S. des §§ 2289 Abs. 1 BGB, da diese Vorschrift den Erben nur vor Verfügungen von Todes wegen schützt. Hiervon zu unterscheiden sind familienrechtliche Bestimmungen, die nur der Form nach in einer letztwilligen Verfügung erklärt werden, eigentlich aber die Regelung familienrechtlicher Belange zum Inhalt haben3.
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Die Erteilung einer postmortalen Vollmacht verstößt ebenfalls nicht gegen § 2289 Abs. 1 BGB. Ihrer Rechtsnatur nach ist die postmortale Vollmacht eine den Vorschriften über die Bevollmächtigung unter Lebenden unterliegende Willenserklärung und daher nicht von § 2289 Abs. 1 BGB erfasst. Hat der Erblasser jedoch auf das Recht zum Widerruf der postmortalen Vollmacht ausdrücklich verzichtet, liegt nunmehr die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers vor, so dass § 2289 BGB wieder eingreift4.
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Die vertragsmäßige Bindung des Erblassers nach § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB bezieht sich ausschließlich auf die vertragsmäßigen Verfügungen. Einseitige Verfügungen des Erblassers im Erbvertrag entsprechend § 2299 BGB kann er jederzeit durch einseitige oder vertragliche Verfügungen von Todes wegen widerrufen oder ändern.
1 BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274 (278); BGH v. 2.12.1981 – IVa ZR 252/80, NJW 1982, 441 f. 2 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2289 BGB Rz. 35. 3 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2289 BGB Rz. 36. 4 Staudinger/Reimann, Vor §§ 2197 ff. BGB Rz. 62 ff., 69 (71).
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 619 B II
7. Die Beseitigung der Bindungswirkung a) Der Abänderungsvorbehalt Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit kann sich der Erblasser in dem Erb- 617 vertrag das Recht vorbehalten, später abweichende Verfügungen von Todes wegen zu treffen, insbesondere beschränkende oder beschwerende Anordnungen wie die Ernennung eines Nacherben oder eines Testamentsvollstreckers sowie die Anordnung von Vermächtnissen und Auflagen1. Die Vertragspartner sind frei in der inhaltlichen Gestaltung des Vorbehalts. Seine Grenzen findet der Vorbehalt dort, wo durch ihn das Wesen des Erbvertrags und der vertragsmäßigen Verfügungen inhaltlos werden würde2. Strittig ist, wie weit ein Vorbehalt gehen darf. Der BGH3 verlangt, dass zumindest eine den Erblasser bindende Verfügung enthalten sein muss, schließt den Totalvorbehalt also aus. In der Literatur wird z.T. die Auffassung vertreten, dass der Totalvorbehalt, also die Möglichkeit des Erblassers, sämtliche vertragsmäßigen Verfügungen zu beseitigen, möglich sein soll4.
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Diese Auffassung ist schon deswegen abzulehnen, weil hierdurch zum einen die Unterscheidung zwischen den anderen Testamentsformen und dem Erbvertrag aufgehoben wird. Zum anderen ist gerade für diese Rechtsfolge der Rücktrittsvorbehalt nach § 2293 BGB gesetzlich vorgesehen. Für den Rücktrittsvorbehalt sieht das Gesetz in den §§ 2293, 2296 Abs. 1, 2 BGB strenge Formvorschriften vor, die ins Leere laufen würden, wenn man dem Erblasser durch die Vereinbarung eines Totalvorbehalts die Möglichkeit ihrer Umgehung einräumen würde. Jeder Vorbehalt, der das Wesen des Erbvertrags jedoch nicht verändert, ist zulässig.
Û
Beratungshinweis: Dem Erblasser kann durch eine vertragliche Regelung freigestellt werden, die Verteilung des Nachlasses unter den Abkömmlingen zu verändern, mit der gleichzeitigen Beschränkung, dass ausschließlich Abkömmlinge zu bedenken sind.
Der Erblasser kann sich vorbehalten, über einen bestimmten Bruchteil seines Vermögens oder einen bestimmten Gegenstand später anders zu verfügen. Auch kann der Erblasser, der in einem Erbvertrag mit seinem Ehegatten/Lebenspartner oder seinem Verlobten die Abkömmlinge vertragsmäßig zu Erben berufen hat, in einer späteren einseitigen Verfügung von Todes wegen die Erbquote der Abkömmlinge zugunsten des Ehepartners ändern, wenn er sich eine solche Anordnung vertraglich vorbehalten hat5. 1 BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204. 2 MüKo/Musielak, § 2278 BGB Rz. 14; BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204 (208). 3 BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204 (208). 4 v. Lübtow, Bd. 1, S. 427; Lange/Kuchinke, § 25 VI 4. 5 BayObLG v. 29.6.1961 – BReg. 1 Z 13/1961, BayObLGZ 1961, 207 (211); Staudinger/ Reimann, § 2289 BGB Rz. 21.
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B II Rz. 620
Formen letztwilliger Verfügung
620
Der Vorbehalt ist Teil des Erbvertrags und muss in der Form des § 2276 BGB erfolgen1. Der Erblasser behält durch den Vorbehalt seine Testierfreiheit, soweit die Regelung reicht, da es grundsätzlich dem Willen der Parteien unterliegt, den Umfang der Bindung festzulegen.
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Nicht erforderlich ist, dass der Vorbehalt im Erbvertrag ausdrücklich vereinbart wurde. Es genügt, wenn der Vorbehalt in irgendeiner Bestimmung des Erbvertrags wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck gekommen ist und dieser Bestimmung im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB entnommen werden kann, wie die Parteien den Vertrag übereinstimmend verstanden haben.
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Die Auslegung obliegt im Streitfall den Gerichten der Tatsacheninstanz2. Entsprechend den Grundsätzen der ergänzenden Auslegung können bei der Auslegung auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden.
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Der Vorbehalt muss für seine Wirksamkeit jedoch eindeutig bestimmt sein. Es muss sich aus ihm ableiten lassen, welche Einschränkungen durch nachträgliche Verfügungen des Erblassers vollzogen werden können und welche Grenzen hierfür gelten3. Dies geschieht in Abgrenzung zur einseitigen Verfügung. Ist es dem Erblasser überlassen, in welchem Sinn und Umfang die vom Vorbehalt erfassten Verfügungen geändert werden dürfen, besteht für den Erblasser keine Bindung an diese Verfügungen und es handelt sich hierbei nicht um eine vertragsmäßige, sondern um eine einseitige Verfügung4.
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Beratungshinweis: Die Formulierung „Dem überlebenden Ehegatten/Lebenspartner steht das Recht zu, die Bestimmungen für den zweiten Todesfall abzuändern, wenn sich die Verhältnisse ändern“ gibt den für den zweiten Erbfall geltenden Anordnungen den Charakter einseitiger Verfügungen. Durch Auslegung kann man jedoch auch zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich hierbei um einen Rücktrittsvorbehalt i.S.v. §§ 2293, 2297 BGB handelt.
Ist ein Vorbehalt unwirksam, beurteilt sich nach § 2085 BGB i.V.m. § 2279 Abs. 1 BGB, ob die Verfügung, auf die er sich bezieht, wirksam bleibt. Ist danach die Nichtigkeit der vertragsmäßigen Verfügung anzunehmen, führt das nach § 2298 Abs. 1, 2 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit des gesamten Vertrags, wenn nicht die Vertragspartner einen anderen Willen hatten, was durch Auslegung zu ermitteln ist. b) Beseitigung durch Anfechtung, § 2281 BGB
625
Die Anfechtung ist beim Erbvertrag in weiterem Umfang zugelassen als beim Testament. Beim Testament ist der Erblasser, obwohl Erklärender, im Gegen1 BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204; OLG Köln v. 10.9.1993 – 2 Wx 34/93, NJW-RR 1994, 651 (653); Palandt/Edenhofer, § 2289 BGB Rz. 8. 2 BayObLG v. 9.11.1995 – 1 Z BR 31/95, FamRZ 1996, 898 (899). 3 BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204 (209). 4 MüKo/Musielak, § 2278 BGB Rz. 23.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 631 B II
satz zu §§ 119, 123 BGB grundsätzlich nicht anfechtungsberechtigt, weil er sein Testament widerrufen und so Unklarheiten und Streit über die Wirksamkeit seiner Anfechtung ausschließen kann1. Anfechtungsberechtigt nach § 2080 BGB kann daher nur derjenige sein, welchem die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommt, also ausschließlich ein Dritter. Beim Erbvertrag hat jedoch insbesondere der Erblasser selbst das Recht zur Anfechtung (§ 2281 BGB), während das Anfechtungsrecht für Dritte erschwert ist (§ 2285 BGB). aa) Die Selbstanfechtung des Erblassers (1) Das Anfechtungsrecht des Erblassers Beim Erbvertrag (§ 2281 BGB) und beim gemeinschaftlichem Testament ist die Selbstanfechtung durch den Erblasser nach §§ 2281, 2282 und 2283 BGB möglich, soweit er seine Verfügungen nicht mehr einseitig widerrufen kann.
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Einseitige Verfügungen können vom Erblasser jederzeit und ohne Grund widerrufen (§§ 2299 Abs. 2, 2253, 2254, 2258 BGB) oder durch Aufhebungsvertrag mit dem Vertragspartner aufgehoben werden (§§ 2299 Abs. 2, 2290 BGB).
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Vertragsmäßige Verfügungen sind jedoch ab Vertragsschluss bindend, soweit der Rücktritt nicht vorbehalten wurde oder kein gesetzlicher Rücktrittsgrund vorliegt.
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Sie können aber nach § 2281 Abs. 1 BGB vom Erblasser selbst angefochten werden, wenn Anfechtungsgründe i.S. der §§ 2278, 2279 BGB gegeben sind. Erblasser und damit Anfechtungsberechtigter i.S.d. § 2281 Abs. 1 BGB ist nur derjenige, der selbst vertragsmäßige Verfügungen trifft. Bei einem zweiseitigen Erbvertrag steht daher jedem Vertragspartner ein Anfechtungsrecht nach § 2281 BGB zu, jeweils aber nur bezüglich der eigenen Verfügungen. Die Unwirksamkeit der Verfügungen des anderen ergibt sich nach vollzogener Anfechtung aus § 2298 Abs. 1 BGB2.
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(2) Gründe der Anfechtung Hinsichtlich der Gründe für die Anfechtung eines Erbvertrags kann weitestgehend auf die Ausführungen unter Rz. 451 ff. verwiesen werden.
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Der Tatbestand des § 2079 BGB (Anfechtung durch Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten) wird durch § 2281 Abs. 1, 2. Halbs. BGB dahin gehend modifiziert, dass der Pflichtteilsberechtigte nur den Anfechtungszeitpunkt, nicht jedoch den Erbfall erleben muss. Fällt der Pflichtteilsberechtigte nach erfolgter Anfechtung weg, bleibt die Anfechtung dennoch wirksam3.
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1 Schlüter, § 19 IV 1, Rz. 238. 2 MüKo/Musielak, § 2281 BGB Rz. 4. 3 BGH v. 3.11.1969 – III ZR 52/69, NJW 1970, 279.
Esser
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B II Rz. 632
Formen letztwilliger Verfügung
Beispiel: Der Erblasser ficht einen Erbvertrag am 10.5.2009 wegen Übergehung seines Sohnes an. Am 30.6.2009 verstirbt der Sohn. Der Erblasser verstirbt am 28.8.2009. Die Anfechtung des Erbvertrags nach § 2281 Abs. 1 BGB bleibt dennoch wirksam. Ist die Anfechtung erfolgreich und hat der Erblasser vor seinem Versterben ein neues Testament errichtet, wird dieses wirksam. 632
Die Erweiterung des § 2079 BGB soll sicherstellen, dass der Erblasser durch Beseitigung der Bindungswirkung das Recht wiedererhält, die Verteilung seines Nachlasses neu zu ordnen, um hierbei auch den hinzugekommenen Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen. Zugleich wird dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit genommen, die Verfügung von Todes wegen anzufechten1.
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Die Möglichkeit der Anfechtung schwächt die bindende Wirkung von Erbverträgen, und analog auch der gemeinschaftlichen Testamente, erheblich ab. Durch sie wird jedoch der wahre Wille des Erblassers geschützt, da nach erfolgter Anfechtung neue Verfügungen unbeschränkt getroffen werden können. Der Schutz der Willens- und Testierfreiheit des Erblassers ist Rechtfertigung der weit gehenden Anfechtungsmöglichkeit2.
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Auch die Anfechtung wegen Motivirrtums (§ 2078 Abs. 1 BGB) ist nach § 2281 Abs. 1 BGB möglich, wodurch die Anfechtungsgründe mit denen bei der Testamentsanfechtung übereinstimmen und weit über die Anfechtung von Willenserklärungen nach den Regeln des allgemeinen Teils des BGB hinausgehen. Die Bindungswirkung vertragsmäßiger Verfügungen in Erbverträgen und wechselbezüglicher Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten steht von vornherein unter einer clausula rebus sic stantibus und ist daher prinzipiell schwächer als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden3.
635
Ebenso wie bei der Anfechtung einseitiger Verfügungen lässt die Rechtsprechung auch bei der Selbstanfechtung neben einer Enttäuschung über die positiven, wirklichen Vorstellungen des Erblassers, die Enttäuschung der sog. unbewussten, selbstverständlichen Vorstellungen zu. Für den Beweis unbewusster selbstverständlicher Vorstellungen genügt nach Auffassung des BGH4 nicht, von der Lebenserfahrung oder einem Anscheinsbeweis auszugehen. Maßgebend sollen, zum Schutz der grundsätzlichen Bindung des Erblassers an Verfügungen in Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten, immer die besonderen Umstände des Einzelfalles sein5. Beispiel: Zu den selbstverständlichen Erwartungen und unbewussten Vorstellungen zählen z.B. die Annahmen, die Währungs- und Wirtschaftsverhältnisse wür1 2 3 4 5
Dittmann/Reimann/Bengel, § 2281 BGB Rz. 17. MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 7 f.; Nieder, Rz. 794. MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 8; Nolting, S. 93 f. BGH v. 27.5.1987 – IVa ZR 30/86, NJW-RR 1987, 1412 (1413). Nolting, S. 82 f.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 641 B II
den sich nicht wesentlich ändern, eine nichteheliche Lebensgemeinschaft werde auch in Zukunft weiter bestehen1, eine Nichte (Vermächtnisnehmerin) werde nicht versuchen, ihrem Sohn (dem Erben) das Leben zu nehmen2, der Bedachte werde nicht aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Sekte den Nachlass einer vernünftigen Verwendung entziehen3. Ein Anwendungsfall der Selbstanfechtung wegen Motivirrtums sind Störungen der Gegenleistung bei entgeltlichen Erbverträgen, so genannten Verpfründungsverträgen4. (3) Form und Frist der Anfechtung Der Erblasser kann seine Verfügungserklärung nur persönlich anfechten (§ 2282 Abs. 1 BGB). Der beschränkt geschäftsfähige Erblasser bedarf hierfür nicht der Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter. Für einen geschäftsunfähigen Erblasser kann dagegen nur ein gesetzlicher Vertreter die Anfechtung der Verfügung erklären; steht der Erblasser unter elterlicher Sorge oder Vormundschaft, ist die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich, ist der gesetzliche Vertreter ein Betreuer, die des Betreuungsgerichts, § 2282 Abs. 2 BGB.
636
Die Anfechtung nach §§ 2078 ff., 2281 BGB bedarf aus Gründen der Beweissicherung der notariellen Beurkundung, § 2282 Abs. 3 BGB.
637
Die Anfechtungsfrist beträgt ein Jahr, § 2082 Abs. 1 BGB. Die Anfechtungsfrist beginnt, wenn der Anfechtungsberechtigte vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt, oder, im Fall der Drohung, bei Beendigung der Zwangslage (§ 2283 Abs. 1, 2 BGB)5.
638
Ist der Vertragspartner bereits vor Anfechtung der Verfügung verstorben, kann der Erblasser die zugunsten eines Dritten getroffene vertragsmäßige Verfügung nur noch durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht anfechten, § 2281 Abs. 3 BGB.
639
Das Anfechtungsrecht des Erblassers geht nicht auf seine Erben über. Soweit 640 der Erblasser jedoch bei Eintritt des Erbfalls sein Anfechtungsrecht noch nicht verloren hat, entsteht es für die durch den Wegfall des vertragsmäßig Bedachten unmittelbar Begünstigten (§§ 2285, 2080 ff. BGB). (4) Folgen der Anfechtung Wird ein anfechtbarer Erbvertrag oder eine anfechtbare einzelne Verfügung in ihm form- und fristgerecht angefochten, ist der Erbvertrag oder die einzelne Verfügung nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen. Ob 1 2 3 4 5
RG, LZ 1923, 603. BGH, LM § 2205 Nr. 8 = FamRZ 1962, 256, 258. OLG München v. 13.1.1981 – 17 U 3742/80, NJW 1983, 2577. Stürzebecher, NJW 1988, 2717. BayObLG v. 3.12.1990 – BReg. 1a Z 70/88, NJW-RR, 1991, 454 (455).
Esser
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641
B II Rz. 642
Formen letztwilliger Verfügung
diese Nichtigkeit auch andere, mit dem Erbvertrag verbundene Verträge erfasst, entscheidet sich nach dem Willen der Vertragschließenden1. 642
Auch bei Erbverträgen gilt, dass die ergänzende Auslegung der Anfechtung stets vorgeht und daher zunächst zu prüfen ist, ob nicht mit ihren Mitteln dem Willen des Erblassers Geltung verschafft werden kann.
643
Ein Schadenersatzanspruch bei Anfechtung des Erbvertrags durch Dritte ist nach § 2078 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Umstritten ist, ob dies auch bei einer Selbstanfechtung durch den Erblasser gelten soll. Nach einer Ansicht2 soll der Vertragspartner den Ersatz seines Vertrauensschadens verlangen können. Dieser Auffassung steht eine andere Ansicht entgegen, die sich auf die ausdrückliche Verweisung in §§ 2279 Abs. 1, 2281 BGB auf § 2078 Abs. 3 BGB stützt3. Entscheidend scheint jedoch zu sein, dass der durch Erbvertrag Bedachte keine Erbanwartschaft, sondern eine bloße Erbaussicht erlangt und daher auch kein Vertrauensschaden geltend gemacht werden kann4.
644
Der Erblasser kann die anfechtbare Verfügung durch eine formlose (§ 144 Abs. 2 BGB), nicht empfangsbedürftige Erklärung bestätigen5. Die Bestätigung kann nur durch den Erblasser persönlich erfolgen (§ 2284 Satz 1 BGB) und setzt seine volle Geschäftsfähigkeit voraus (§ 2284 Satz 2 BGB). bb) Anfechtung durch Dritte bei Erbverträgen, § 2285 BGB
645
§ 2285 BGB gilt nur für vertragsmäßige Verfügungen i.S. des § 2278 Abs. 2 BGB, nicht jedoch für einseitige Verfügungen.
646
Durch § 2285 BGB wird das Anfechtungsrecht Dritter von dem des Erblassers abhängig gemacht. Es bleibt durch § 2285 BGB die Entscheidung des Erblassers, ob er von seinem höchstpersönlichen Recht der Anfechtung seiner Verfügung von Todes wegen, aus Gründen, die ihm zu Lebzeiten bekannt geworden sind, Gebrauch machen möchte, oder nicht6. Bestätigt der Erblasser (§ 2084 BGB) hingegen den anfechtbaren Erbvertrag oder lässt er die Ausschlagungsfrist verstreichen (§ 2283 BGB), ist er weiter an ihn gebunden und die Mängel des Erbvertrags werden, auch mit Wirkung gegenüber den anfechtungsberechtigten Dritten, geheilt7.
647
Ist das Anfechtungsrecht des Erblassers nicht durch Bestätigung (§ 2284 BGB), Fristversäumnis (§ 2283 BGB), Verzicht oder rechtsmissbräuchliches Herbeiführen des Anfechtungsgrundes durch den Erblasser erloschen, entsteht es für 1 MüKo/Musielak, § 2281 BGB Rz. 18. 2 Palandt/Edenhofer, § 2281 BGB Rz. 10; Staudinger/Kanzleiter, § 2281 BGB Rz. 37; Soergel/Wolf, § 2281 BGB Rz. 6. 3 MüKo/Leipold, § 2078 BGB Rz. 50; MüKo/Musielak, § 2281 BGB Rz. 21; Veit, NJW 1993, 1556. 4 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2281 BGB Rz. 49. 5 Palandt/Edenhofer, § 2284 BGB Rz. 2. 6 MüKo/Musielak, § 2285 BGB Rz. 1. 7 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2285 BGB Rz. 1.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 653 B II
den Dritten mit dem Tod des Erblassers und richtet sich grundsätzlich nach Testamentsrecht1. Anfechtungsberechtigt sind auch andere Vertragschließende (Vertragsgegner), wenn sie selbst Begünstigte i.S. des § 2080 Abs. 1 sind. Die Anfechtung einer vertragsmäßigen Erbeinsetzung und einer Auflage ist durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vorzunehmen (§ 2081 Abs. 1, 3 BGB)2. Die Anfechtung einer vertragsmäßigen Verfügung anderer Art, insbesondere bei Vermächtnissen, richtet sich gegen denjenigen, der durch die Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat, also den Bedachten oder Begünstigten, nicht jedoch den Vertragsgegner oder dessen Erben3.
648
Die Anfechtung bedarf keiner besonderer Form. § 2282 Abs. 3 BGB gilt nur für die Anfechtung durch den Erblasser4.
649
Die Anfechtungsfrist für Dritte bemisst sich nach § 2082 BGB i.V.m. § 2279 BGB, nicht nach § 2283 BGB, der nur für die Anfechtung durch den Erblasser gilt5. Sie beginnt mit dem Eintritt des Erbfalls neu zu laufen, auch wenn sie für den Erblasser bereits zum Teil verstrichen war6. Bei Fristablauf für den Erblasser ist auch das Anfechtungsrecht des Dritten erloschen.
650
War der Erblasser aus mehreren Gründen zur Anfechtung berechtigt, so kann das Anfechtungsrecht aus dem einen Grund vor Eintritt des Erbfalls bereits erloschen sein, während es aus dem anderen Grunde zur Zeit des Erbfalls noch fortbesteht. Der Dritte kann dann auch nur aufgrund des zweiten Anfechtungsgrundes ein Anfechtungsrecht geltend machen7.
651
Wurde gegen den Erblasser rechtskräftig festgestellt, dass ein von ihm geltend gemachtes Anfechtungsrecht nicht besteht, ist das Anfechtungsrecht i.S.v. § 2285 BGB nach der herrschenden prozessualen Rechtskrafttheorie8 nicht erloschen9. Der Dritte kann daher auch auf denselben Sachverhalt gestützt seine Anfechtung des Erbvertrags erklären10.
652
Bei einseitigen Verfügungen ist § 2285 BGB nicht anwendbar, da auch der Erblasser (aufgrund seines unbeschränkten Widerrufsrechts) einseitige Verfügungen nicht anfechten kann. Für Dritte gelten hier die §§ 2078 ff. BGB unmittelbar.
653
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Palandt/Edenhofer, § 2285 BGB Rz. 1. Staudinger/Kanzleiter, § 2285 BGB Rz. 3. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2285 BGB Rz. 4. Palandt/Edenhofer, § 2282 BGB Rz. 2. BGH v. 3.11.1969 – III ZR 52/67, DNotZ 1970, 167. MüKo/Musielak, § 2285 BGB Rz. 3. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2285 BGB Rz. 5. Zöller/Vollkommer, Vor § 322 ZPO Rz. 17 ff. Erman/Schmidt, § 2285 BGB Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 2285 BGB Rz. 2; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2285 BGB Rz. 7. 10 MüKo/Musielak, § 2285 BGB Rz. 6 m.w.N.
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B II Rz. 654
Formen letztwilliger Verfügung
c) Beschränkung in guter Absicht, § 2289 Abs. 2 BGB 654
Der Erblasser kann den Erwerb eines durch Vertrag bedachten pflichtteilsberechtigten Abkömmlings nach § 2289 Abs. 2 BGB einseitig beschränken, wenn infolge einer regelrechten Verschwendungssucht oder einer erheblichen Überschuldung des Bedachten das Erbe erheblich gefährdet ist. Der Erblasser kann hier durch Anordnung einer Nacherbschaft oder eines Nachvermächtnisses zugunsten der gesetzlichen Erben des Abkömmlings eine Beschränkung des pflichtteilsberechtigten Vertragserben herbeiführen. Auch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ist denkbar. § 2289 Abs. 2 BGB stellt daher eine weitere Ausnahme von der Bindungswirkung des Erbvertrags dar.
8. Aufhebung und Rücktritt beim Erbvertrag a) Die Aufhebung des Erbvertrags durch die Vertragsparteien 655
Durch die Bindungswirkung der vertragsmäßigen Verfügungen wird der Vertragspartner vor der einseitigen Veränderung der Anordnungen durch den Erblasser geschützt. Die übereinstimmende Aufhebung der vertragsmäßigen Verfügung durch beide Vertragsparteien ist jedoch möglich. Ist in einer vertragsmäßigen Verfügung ein Dritter bedacht, ist dessen Zustimmung zur Aufhebung nicht erforderlich. aa) Aufhebung durch Vertrag, § 2290 BGB
656
Die Vertragsparteien können den Erbvertrag durch einen gegenläufigen Vertrag („actus contrarius“), einen Aufhebungsvertrag i.S. von § 2290 BGB, aufheben. Da der Aufhebungsvertrag der Wiedererlangung der Testierfreiheit dient, kann der Erblasser nach § 2302 BGB nicht wirksam auf sein Recht der Vertragsaufhebung verzichten1.
657
Gegenstand des Aufhebungsvertrags können sowohl der Erbvertrag im Ganzen als auch einzelne, in ihm enthaltene, vertragsmäßige Verfügungen sein2. Eine vertragsmäßige Verfügung, durch die ein Vermächtnis oder eine Auflage angeordnet ist, kann vom Erblasser auch durch Testament aufgehoben werden, wenn der andere Vertragschließende dem zustimmt, § 2291 Abs. 1 Satz 1 BGB. Einseitige Verfügungen des Erblassers können wahlweise einseitig nach § 2299 Abs. 2 BGB oder durch Vertrag gemeinsam mit vertragsmäßigen Verfügungen aufgehoben werden, § 2299 Abs. 2 Satz 2 BGB.
658
Ein von Ehegatten abgeschlossener Vertrag kann auch durch ein gemeinschaftliches Testament (s. Rz. 679 ff.) der Vertragschließenden nach § 2292 BGB aufgehoben werden.
659
Vertragspartner des Aufhebungsvertrags können nur die Personen sein, die den Erbvertrag geschlossen haben, § 2290 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bei einem mehrseitigen Erbvertrag ist der Erblasser im Zweifel gegenüber sämtlichen Ver1 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2290 BGB Rz. 4. 2 MüKo/Musielak, § 2290 BGB Rz. 2.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 665 B II
tragspartnern gebunden, so dass ein Aufhebungsvertrag nur unter Mitwirkung aller Vertragsparteien geschlossen werden kann. Nach dem Tod eines Vertragspartners ist die Aufhebung des Vertrags nicht mehr möglich, § 2290 Abs. 1 Satz 2 BGB. Stirbt der durch den Erbvertrag Bedachte vor dem Erblasser, tritt insoweit wieder Testierfreiheit ein, wenn von den Vertragspartnern keine Ersatzberufung vereinbart wurde1. Ist die Aufhebung des Vertrags aufgrund des Todes eines Vertragspartners nicht mehr möglich, kann der Erblasser die Bindungswirkung des Erbvertrags nur noch durch Anfechtung nach § 2281 Abs. 2 oder durch Rücktritt nach § 2297 BGB beseitigen.
660
Der im Erbvertrag bedachte Dritte, der nicht Vertragspartner ist, hat kein Recht zur Mitwirkung am Aufhebungsvertrag2, auch nicht soweit die Aufhebung der zu seinen Gunsten geschlossenen vertragsmäßigen Verfügungen geregelt wird. Mit dem Dritten kann lediglich ein Erbverzichtsvertrag nach § 2352 Satz 2 BGB geschlossen werden. Dritter kann hier auch derjenige sein, der bei Abschluss des Erbvertrags mitgewirkt hat.
661
Beispiel: Ehegatten setzten ihre Kinder als Erben des Überlebenden ein, § 2280 BGB. Die Kinder sind Dritte, soweit es sich um ihre Erbeinsetzung handelt. Auch nach dem Tod eines Elternteils kann daher mit ihnen ein Erbverzichtsvertrag geschlossen werden, selbst wenn sie den Erbvertrag mit unterzeichnet haben. Verhindert der Dritte arglistig die Aufhebung des Vertrags, muss er sich so behandeln lassen, als sei sie erfolgt3.
662
Mit dem bedachten Vertragspartner kann kein Erbverzichtsvertrag geschlossen werden. Das Gesetz sieht hierfür die Möglichkeit des Aufhebungsvertrags vor, der den strengeren Formvorschriften unterliegt4.
663
Der Erblasser kann den Aufhebungsvertrag nur persönlich schließen, § 2290 Abs. 2 Satz 1 BGB. Er muss den Vertrag in allen Teilen selbst schließen und kann sich nicht eines Vertreters oder eines Boten bedienen5. In einem Prozessvergleich kann ein Aufhebungsvertrag nur geschlossen werden, wenn der Erblasser persönlich anwesend ist6. Im Anwaltsprozess müssen die notwendigen Erklärungen daher sowohl vom Erblasser selbst als auch von seinem Anwalt abgegeben werden.
664
Der geschäftsunfähige Vertragspartner bedarf zur Aufhebung des Erbvertrags der Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter. Der in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkte Erblasser kann den Aufhebungsvertrag selbstständig, ohne
665
1 2 3 4 5 6
Soergel/Wolf, § 2290 BGB Rz. 8. Staudinger/Kanzleiter, § 2290 BGB Rz. 8; Kipp/Coing, § 39 I 4. Palandt/Edenhofer, § 2290 BGB Rz. 2. MüKo/Musielak, § 2290 BGB Rz. 5. MüKo/Musielak, § 2290 BGB Rz. 6. Soergel/Wolf, § 2290 BGB Rz. 5.
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235
B II Rz. 666
Formen letztwilliger Verfügung
Mitwirkung oder Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters und ohne familiengerichtliche Genehmigung schließen, da er durch diesen von seiner erbrechtlichen Bindung befreit wird1. Ist für den Erblasser ein Betreuer bestellt worden, bedarf der betreute Erblasser nach § 1903 Abs. 2 BGB auch dann nicht der Einwilligung seines Betreuers zum Abschluss des Aufhebungsvertrags, wenn ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden ist. 666
Nach § 2290 Abs. 4 BGB bedarf der Aufhebungsvertrag der für den Erbvertrag in § 2276 BGB vorgeschriebenen Form. Er muss zur Niederschrift eines Notars bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien geschlossen werden. Wird ein Aufhebungsvertrag über einen Erbvertrag zwischen Ehegatten oder Verlobten geschlossen und war der Erbvertrag mit einem Ehevertrag in derselben Urkunde verbunden, so genügt die Form des Ehevertrags, § 2276 Abs. 2 BGB, §§ 1408, 1410 BGB.
667
Schließen die Parteien, zwischen denen bereits ein Erbvertrag besteht, einen neuen Erbvertrag, der dem bisherigen widerspricht, ist § 2258 BGB zwar nicht anwendbar, den zweiten Erbvertrag wird man jedoch zugleich als Aufhebungsvertrag des ersten i.S.v. § 2290 BGB ansehen können2.
668
Der Aufhebungsvertrag bewirkt, dass der aufgehobene Erbvertrag oder die aufgehobenen vertragsmäßigen Verfügungen außer Kraft treten. Verliert der gesamte Erbvertrag durch Aufhebungsvertrag seine Wirksamkeit, so sind hiervon im Zweifel auch die einseitigen Verfügungen der Vertragsparteien betroffen, § 2290 Abs. 3 BGB. Werden nur einzelne vertragsmäßige Verfügungen aufgehoben, bleiben die übrigen bestehen.
669
Der Aufhebungsvertrag kann seinerseits durch Vertrag aufgehoben werden. Hierdurch werden die ursprünglichen vertragsmäßigen Verfügungen wieder in Kraft gesetzt3.
670
Die Anfechtung des Aufhebungsvertrags kann durch den nicht vertragschließenden Dritten nur nach §§ 119 ff. BGB erfolgen. Der Erblasser kann den Aufhebungsvertrag entsprechend § 2281 BGB anfechten4. Auch die Beseitigung des Aufhebungsvertrags durch Anfechtung stellt den Erbvertrag wieder her, §§ 2257, 2279 Abs. 1 BGB. bb) Aufhebung durch Testament, § 2291 BGB
671
Einzelne vertragsmäßige Verfügungen, durch die ein Vermächtnis oder eine Auflage vertragsmäßig angeordnet worden sind, können in der vereinfachten
1 2 3 4
Dittmann/Reimann/Bengel, § 2290 BGB Rz. 17. MüKo/Musielak, § 2290 BGB Rz. 7. Staudinger/Kanzleiter, § 2290 BGB Rz. 19; Palandt/Edenhofer, § 2290 BGB Rz. 4. Palandt/Edenhofer, § 2290 BGB Rz. 4; a.A. MüKo/Musielak, § 2290 BGB Rz. 9, der zunächst entsprechende Anwendung der §§ 2281 ff. i.V.m. §§ 2078 ff. annimmt und nur, soweit sich ein Anfechtungsrecht hieraus nicht ergibt, die §§ 119 ff. anwenden will.
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Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 677 B II
Form des § 2291 BGB durch Testament aufgehoben werden, nicht jedoch die Erbeinsetzung. Das Aufhebungstestament i.S.d. § 2291 BGB ist der Form nach ein Testament, für das die Bestimmungen des Widerrufstestaments (§ 2254 BGB) gelten. Strittig ist, ob es nach seiner Rechtsnatur ein Vertrag ist. Zum Teil1 wird die Ansicht vertreten, dass das notwendige Zusammenwirken der Parteien, die Zustimmung des Vertragsgegners zur Aufhebung, für einen Vertragstypus sprechen. Nach anderer Ansicht2 ist das Aufhebungstestament die einseitige Anordnung des Erblassers und die Zustimmung nur eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, von der die Wirksamkeit des Testaments abhängt3.
672
Das Aufhebungstestament kann in jeder zulässigen Testamentsform, also 673 auch als Not- oder Seetestament, errichtet werden, wenn die entsprechend geltenden Voraussetzungen erfüllt sind. Durch das Aufhebungstestament kann die vertragsmäßige Verfügung entweder ausdrücklich widerrufen werden oder mittelbar durch neue widersprechende Verfügungen4. Voraussetzung für die Wirksamkeit des Aufhebungstestaments ist, dass der andere Vertragspartner ihm zustimmt, § 2291 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Vertragspartner kann seine Zustimmung vorher erteilen (Einwilligung) oder nach Errichtung des Testaments (Genehmigung)5.
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Die Zustimmung ist kein höchstpersönliches Recht und kann daher auch durch einen Vertreter erklärt werden. Für den Geschäftsunfähigen oder den in seiner Geschäftsfähigkeit Beschränkten gilt dasselbe wie beim Aufhebungsvertrag (s. Rz. 665). Die Zustimmung zur Aufhebung eines vertragsmäßigen Vermächtnisses oder einer Auflage kann auch schon im Voraus im Erbvertrag erklärt werden6. Nach dem Tod des Vertragspartners kann die Zustimmung nicht mehr erteilt werden, insbesondere auch nicht von seinen Erben7.
675
Die Zustimmungserklärung des Vertragspartners bedarf der notariellen Beurkundung, § 2291 Abs. 2, 1. Halbs. BGB. Sie ist, einmal erklärt, unwiderruflich, § 2291 Abs. 2, 2. Halbs. BGB. Sie kann auch nicht bis zur Errichtung des Aufhebungstestaments widerrufen werden8.
676
Die wirksame Aufhebung beseitigt nur die sie betreffende vertragsmäßige Verfügung. Als mittelbare Folge kann hierdurch auch eine vertragsmäßige Erbeinsetzung wegfallen. Daraus kann die Unzulässigkeit des Aufhebungstesta-
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Palandt/Edenhofer, § 2291 BGB Rz. 1; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2291 BGB Rz. 2. MüKo/Musielak, § 2291 BGB Rz. 2. Staudinger/Kanzleiter, § 2291 BGB Rz. 3. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2291 BGB Rz. 3. Kipp/Coing, § 39 II. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2291 BGB Rz. 6. Palandt/Edenhofer, § 2291 BGB Rz. 2. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2291 BGB Rz. 11.
Esser
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B II Rz. 678
Formen letztwilliger Verfügung
ments jedoch nicht hergeleitet werden1, da § 2291 BGB nur die bewusste, unmittelbare Aufhebung der vertragsmäßigen Erbeinsetzung ausschließt. Ansonsten wäre die Anwendbarkeit des § 2291 BGB erheblich eingeschränkt und kaum mehr von praktischer Relevanz. 678
Das Aufhebungstestament kann durch den Erblasser nach den §§ 2253 ff. BGB bis zur Zustimmung des Vertragspartners widerrufen werden. Hierdurch wird die vertragsmäßige Verfügung wieder wirksam. Nach Erteilung der Zustimmung kann das Aufhebungstestament nur mit der Zustimmung des anderen Vertragschließenden und in der Form des § 2291 Abs. 2 BGB widerrufen werden. cc) Aufhebung durch gemeinschaftliches Testament, § 2292 BGB
679
Ein von Ehegatten/Lebenspartnern geschlossener Erbvertrag kann durch ein gemeinschaftliches Testament ganz oder teilweise wieder aufgehoben werden. Die Vorschrift des § 2292 BGB ist nur anwendbar, wenn die Vertragspartner bereits bei Abschluss des Erbvertrags miteinander verheiratet gewesen sind bzw. eine eingetragene Lebenspartnerschaft vorlag. Nach h.M. ist die Vorschrift aber auch anzuwenden, wenn die Vertragschließenden bei Abschluss des Erbvertrags miteinander verlobt, zur Zeit der Aufhebung aber miteinander verheiratet gewesen waren2. § 2292 BGB soll auch dann angewendet werden, wenn die Beteiligten bei Abschluss des Erbvertrags noch nicht in familienrechtlicher Beziehung zueinander standen, sie jedoch bei Errichtung des gemeinschaftlichen Aufhebungstestaments Ehegatten/Lebenspartner sind3.
680
Das gemeinschaftliche Ehegatten-/Lebenspartnertestament kann in jeder der in den §§ 2265 ff. BGB mit §§ 2231 bis 2233, 2247, 2249 ff. BGB zugelassenen Formen errichtet werden, also als ordentliches öffentliches, privates (eigenhändiges) Testament oder als Nottestament.
681
Beide Ehegatten/Lebenspartner müssen testierfähig sein, wenn sie beide als Vertragserblasser handeln und ihre vertragsmäßigen Verfügungen aufheben4. Für den Ehegatten/Lebenspartner, der im Erbvertrag nicht Erblasser gewesen ist, gilt durch die Verweisung in § 2292, 2. Halbs. BGB auf § 2290 Abs. 3 BGB, dass der beschränkt Geschäftsfähige der Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter und gegebenenfalls auch der Genehmigung durch das Familien- oder Betreuungsgericht bedarf5. Die nachträgliche Genehmigung nach Erlangen der
1 Soergel/Wolf, § 2290 BGB Rz. 9; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2291 BGB Rz. 12. 2 BayObLG v. 6.11.1995 – 1 Z BR 56/95, BayObLGZ 1995, 383 (386) = NJW-RR 1996, 457. 3 BayObLG v. 6.11.1995 – 1 Z BR 56/95, BayObLGZ 1995, 383 (386) = NJW-RR 1996, 457; Palandt/Edenhofer, § 2292 BGB Rz. 1; MüKo/Musielak, § 2292 BGB Rz. 2. 4 BayObLG v. 6.11.1995 – 1 Z BR 56/95, BayObLGZ 1995, 383 (386) = NJW-RR 1996, 457. 5 Palandt/Edenhofer, § 2292 BGB Rz. 2.
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 689 B II
Geschäftsfähigkeit behebt den Mangel, aber nur solange der andere Vertragschließende lebt1. Ein minderjähriger Erblasser kann nur durch ein öffentliches Aufhebungstestament die Wirkung des Erbvertrags beseitigen, § 2247 Abs. 4 BGB.
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Der Erbvertrag wird nicht durch einseitigen Widerruf des Aufhebungstesta- 683 ments wieder wirksam. Durch einen neuen Erbvertrag, einen Vertrag nach § 2290 BGB oder ein neues gemeinschaftliches Testament kann die Wirkung des gemeinschaftlichen Aufhebungstestaments jedoch beseitigt werden2. b) Der Rücktritt vom Erbvertrag Der Vertragserblasser kann sich einseitig, ohne Zustimmung des Vertragspartners, von der Bindung des Erbvertrags lösen, wenn ihm im Erbvertrag ein Rücktrittsrecht nach § 2293 BGB vorbehalten ist oder gesetzliche Rücktrittsrechte nach §§ 2294 ff. BGB eingreifen. Im Gegensatz zur Anfechtung nach § 2281 BGB, die den Erbvertrag entsprechend § 142 BGB rückwirkend von Anfang an nichtig macht, wirkt der Rücktritt nur für die Zukunft.
684
aa) Der Rücktrittsvorbehalt, § 2293 BGB Der Vorbehalt muss im Erbvertrag selbst oder in einem Nachtrag zum Erbvertrag enthalten sein. Er unterliegt dem Willen der Parteien und kann für den ganzen Erbvertrag oder nur für einzelne vertragsmäßige Verfügungen, unbeschränkt oder auf bestimmte Fälle beschränkt, bedingt oder befristet erklärt werden3.
685
Ist der Vorbehalt in einem Nachtrag zum Vertrag erklärt worden, gilt hierfür § 2290 Abs. 2, 3 BGB, nicht § 2275 BGB, so dass auch ein beschränkt geschäftsfähiger Erblasser den Nachtrag ohne Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter abschließen kann4.
686
Hat sich der Erblasser ein Rücktrittsrecht vorbehalten, sichert es nur ihm persönlich das Recht zu, durch einseitige Erklärung seine vertragsmäßigen Verfügungen außer Kraft zu setzen. Seinen Erben steht dieses Recht nicht zu.
687
Dem Erblasser steht es frei, von dem Erbvertrag oder der vertragsmäßigen Verfügung ganz oder nur teilweise zurückzutreten. Die Ausübung des Rücktrittsrecht bedarf der Form des § 2296 Abs. 2 BGB (zu Lebzeiten des Vertragspartners) oder des § 2297 BGB (nach dem Tod des Vertragspartners).
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Beim gegenseitigen Erbvertrag bestimmt sich die Form nach § 2298 Abs. 2 Satz 2, 3 BGB. Danach erlischt das Rücktrittsrecht mit dem Tod des anderen
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MüKo/Musielak, § 2292 BGB Rz. 3. Palandt/Edenhofer, § 2292 BGB Rz. 3. Palandt/Edenhofer, § 2293 BGB Rz. 2. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2293 BGB Rz. 9.
Esser
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B II Rz. 690
Formen letztwilliger Verfügung
Vertragserblassers. Der Überlebende kann jedoch, wenn er das ihm durch Vertrag Zugewendete ausschlägt, seine Verfügung durch Testament aufheben. 690
Der Rücktritt kann, da es sich um ein Gestaltungsrecht handelt, nicht unter einer Bedingung erklärt werden1. Hat sich der Erblasser den Rücktritt für den Fall vorbehalten, dass der Vertragspartner einer Pflicht (z.B. zur Pflege) nicht nachkommt, so kann der Grundsatz von Treu und Glauben es erfordern, dass der Rücktritt erst nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig ist2.
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Der Rücktritt wirkt nach h.M., soweit der Vorbehalt reicht, und beseitigt die davon betroffenen vertragsmäßigen Verfügungen des Ausübenden. Bei einem Rücktritt vom ganzen Erbvertrag treten im Zweifel auch die einseitigen Verfügungen, die in einem Erbvertrag enthalten sind, außer Kraft, § 2299 Abs. 3 BGB.
692
Der einmal erklärte Rücktritt ist grundsätzlich unwiderruflich. Der erklärte Rücktritt kann nur im Falle der Ausübung nach § 2297 BGB (durch Testament) widerrufen werden. In diesem Falle tritt die frühere vertragsgemäße Verfügung wieder in Kraft.
693
Sind bei Eheleuten/Lebenspartnern Erb- und Ehevertrag in einer gemeinsamen Urkunde miteinander verbunden, kann jeder Ehegatte/Lebenspartner unter den Voraussetzungen der §§ 2293 ff. BGB von den im Erbvertrag getroffenen vertragsmäßigen Verfügungen zurücktreten, ohne dass hiervon die weitere Geltung des Ehevertrags betroffen ist3. bb) Die gesetzlichen Rücktrittsrechte
694
Ein gesetzliches Rücktrittsrecht wird dem Vertragserblasser nach § 2294 BGB und § 2295 BGB eingeräumt. (1) Der Rücktritt nach § 2294 BGB
695
Nach § 2294 BGB hat der Erblasser ein Rücktrittsrecht, wenn aufgrund von Verfehlungen des Bedachten dem Erblasser ein Festhalten an dem Erbvertrag nicht zugemutet werden kann und der Bedachte wegen seines Verhaltens auch keiner „Belohnung“ bedarf4. Der Bedachte kann dabei sowohl Vertragspartner, als auch unbeteiligter Dritter sein. Die Verfehlungen des § 2294 BGB entsprechen den in den §§ 2333 bis 2335 BGB genannten Pflichtteilsentziehungsgründen. Hinsichtlich der Erheblichkeit der Rücktrittsgründe wird nach der Person des Bedachten unterschieden.
1 BGH v. 21.3.1986 – V ZR 23/85, BGHZ 97, 264 (267). 2 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2293 BGB Rz. 17; Palandt/Edenhofer, § 2293 BGB Rz. 3. 3 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2293 BGB Rz. 24. 4 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2294 BGB Rz. 1.
240
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 701 B II
Für beachtenswerte Verfehlungen von Abkömmlingen gilt § 2333 BGB. Eine schwere vorsätzliche Verfehlung ist dann anzunehmen, wenn sie nach ihrer Natur und nach der Begehungsweise eine grobe Missachtung des Eltern-KindVerhältnisses zum Ausdruck bringt und deswegen eine besondere Kränkung des Erblassers bedeutet1. Für Verfehlungen von Eltern gegenüber dem Erblasser findet § 2334 BGB Anwendung. Verfehlungen des Ehegatten/Lebenspartners des Erblassers werden entsprechend § 2335 BGB beurteilt. Für nicht pflichtteilsberechtigte Bedachte wird § 2333 BGB herangezogen, da diese insoweit den Abkömmlingen gleichgestellt werden.
696
Nur Verfehlungen, die nach dem Abschluss eines Erbvertrags begangen worden sind, berechtigten den Vertragserblasser zum Rücktritt. Frühere Verfehlungen des Bedachten, die dem Erblasser bekannt gewesen sind, sind unbeachtlich. Waren sie dem Erblasser nicht bekannt, können sie die Anfechtung des Erbvertrags nach § 2078 Abs. 2 BGB, §§ 2281 ff. BGB begründen, nicht aber einen Rücktritt.
697
Unerheblich ist, wenn sich der Bedachte nach Erklärung des Rücktritts, aber vor Eintritt des Erbfalls „bessert“, da § 2336 Abs. 4 BGB nicht anwendbar sind. Hat der Erblasser dem Bedachten seine Verfehlung verziehen, kann er vom Vertrag aus diesem Grunde nicht mehr zurücktreten. Ein zu Recht erklärter Rücktritt wird durch nachträgliche Verzeihung jedoch nicht berührt2.
698
Das Rücktrittsrecht nach § 2294 BGB steht nur dem Erblasser zu, nicht dem 699 Vertragspartner, und geht nach dem Tod nicht auf die Erben über. Im Voraus kann auf das gesetzliche Rücktrittsrecht nicht verzichtet werden3. Die Angabe des Rücktrittsgrundes ist zu Lebzeiten des Erblassers keine Wirksamkeitsvoraussetzung, jedoch aus Gründen der Streitvermeidung, insbesondere nach seinem Tod, empfehlenswert4. Mit der Rücktrittserklärung wird die vom Rücktritt erfasste vertragsmäßige 700 Verfügung unwirksam. Der wirksam erklärte Rücktritt kann grundsätzlich nicht widerrufen werden. Weder eine nachträgliche Besserung des Bedachten noch eine nachträgliche Verzeihung durch den Erblasser beseitigen die Wirkung des Rücktritts5. (2) Der Rücktritt nach § 2295 BGB Bei einem sog. entgeltlichen Erbvertrag, also wenn ein Erbvertrag mit einem anderen Vertrag verbunden ist, kann der Vertragserblasser nach § 2295 BGB von einzelnen vertragsmäßigen Verfügungen oder dem ganzen Erbvertrag zurücktreten, wenn die Verpflichtung zur Leistung vor dem Tod des Erblassers aufgehoben wurde. 1 2 3 4 5
BGH v. 29.5.1985 – IVa ZR 248/83, NJW-RR 1986, 371 (372). Dittmann/Reimann/Bengel, § 2294 BGB Rz. 6. Staudinger/Kanzleiter, § 2294 BGB Rz. 7. MüKo/Musielak, § 2294 BGB Rz. 4. MüKo/Musielak, § 2294 BGB Rz. 5.
Esser
241
701
B II Rz. 702
Formen letztwilliger Verfügung
702
Voraussetzung ist, dass der andere Vertragschließende eine wiederkehrende Leistung, z.B. Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Erblasser, übernommen hat1. Die Pflicht zu dieser Leistung muss sich aus einem Rechtsgeschäft ergeben, d.h. eine gesetzliche Pflicht (z.B. eine gesetzliche Unterhaltspflicht) reicht hierfür nicht aus2. Die Leistungspflicht muss weder in einer mit dem Erbvertrag verbundenen Urkunde übernommen worden sein noch müssen beide Verträge eine rechtliche Einheit bilden3. Ist der Bestand der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung, auch stillschweigend, zur Bedingung für die Wirksamkeit des Erbvertrags gemacht worden, führt die Aufhebung der Verpflichtung automatisch nach § 158 Abs. 2 BGB zur Unwirksamkeit des Erbvertrags, so dass für die Anwendung des § 2295 BGB kein Raum bleibt4.
703
Der Zusammenhang zwischen dem Erbvertrag und dem Rechtsgeschäft wird durch den vom Erblasser verfolgten Zweck hergestellt. Nur wenn diese innere, durch die subjektive Einstellung des Erblassers geschaffene Verbindung zwischen einer vertragsmäßigen Verfügung und der rechtsgeschäftlichen Verpflichtung des Bedachten besteht, kann sich ein Rücktrittsrecht nach § 2295 BGB ergeben5. Der Bedachte muss den Zusammenhang kennen, aber nicht ausdrücklich zustimmen.
704
Die Verpflichtung des Bedachten muss zu Lebzeiten des Erblassers aufgehoben worden sein. Dem Aufheben der Verpflichtung steht der nachträgliche Wegfall, beispielsweise durch Rücktritt, Bedingungseintritt, nachträgliche Unmöglichkeit oder Kündigung aus wichtigem Grund, gleich6.
705
Schlechterfüllung, Verzug oder Nichterfüllung berechtigten den Erblasser nicht zum Rücktritt nach § 2295 BGB, da die Verpflichtung zur Leistung unverändert besteht. In diesem Fall kann eine Anfechtung nach § 2078 BGB i.V.m. § 2281 BGB möglich sein, wenn nicht die vertragsmäßige Zuwendung des Erblassers durch die korrekte Erfüllung der Leistungspflicht durch den Bedachten auflösend bedingt ist7.
706
Nur eine bestehende Verpflichtung kann aufgehoben werden. War die Verpflichtung, durch die das Rechtsgeschäft begründet worden ist, nichtig, kann § 2295 BGB nicht angewendet werden. Das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 2295 BGB steht allein dem Erblasser zu. Ein formnichtiges Vertragsangebot zur Aufhebung eines Erbvertrags kann in die Erklärung des Rücktritts nach § 2295 BGB umgedeutet werden8.
707
Das Rücktrittsrecht des § 2295 BGB ist auf die vertragsmäßige Verfügung beschränkt, die der Erblaser mit Rücksicht auf die rechtsgeschäftliche Ver1 2 3 4 5 6 7 8
Dittmann/Reimann/Bengel, § 2295 BGB Rz. 1. Erman/Schmidt, § 2295 BGB Rz. 2. Palandt/Edenhofer, § 2295 BGB Rz. 2. Erman/Schmidt, § 2295 BGB Rz. 3; Soergel/Wolf, § 2295 BGB Rz. 1. MüKo/Musielak, § 2295 BGB Rz. 3. OLG Karlsruhe v. 22.1.1997 – 13 U 9/95, NJW-RR 1997, 708 (709). MüKo/Musielak, § 2295 BGB Rz. 5 m.w.N. Palandt/Edenhofer, § 2295 BGB Rz. 2.
242
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 712 B II
fügung getroffen hat1. Enthält der Erbvertrag daneben noch andere vertragsmäßige Verfügungen, beurteilt sich deren Wirksamkeit nach den §§ 2085, 2279 Abs. 1 BGB. Der Bedachte kann bereits erbrachte Leistungen vom Erblasser nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung zurückfordern.
708
cc) Die Form des Rücktritts, §§ 2296, 2297 BGB (1) Der Rücktritt zu Lebzeiten des anderen Vertragschließenden, § 2296 BGB Zu Lebzeiten des anderen Vertragschließenden kann der Erblasser nach § 2296 BGB vom Vertrag zurücktreten. Der Rücktritt ist ein höchstpersönliches Recht des Erblassers und muss von diesem persönlich erklärt werden. Nach dem Tod des Erblassers geht sein Rücktrittsrecht nicht auf die Erben über. Die Erklärung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die als solche unwiderruflich ist und nicht unter einer Bedingung erfolgen kann.
709
Die Erklärung nach § 2296 BGB bedarf nach Abs. 2 Satz 2 zwingend der Form der notariellen Beurkundung. Der beschränkt Geschäftsfähige bedarf nach Abs. 1 Satz 2 nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters; der Geschäftsunfähige kann nicht vom Erbvertrag zurücktreten.
710
Die Willenserklärung muss, wenn sie in Abwesenheit des anderen Vertragschließenden abgegeben wurde, diesem bzw. dessen gesetzlichen Vertreter (§ 131 BGB) in Urschrift oder als Ausfertigung der notariellen Urkunde zugehen, § 130 BGB. Bei mehreren Vertragschließenden muss jedem Beteiligten die Urschrift bzw. die Ausfertigung der notariellen Urkunde zugehen. Der Zugang einer einfachen Abschrift genügt der Formvorschrift des § 2296 BGB nicht, auch wenn sie durch einen Rechtsanwalt, Notar oder Gerichtsvollzieher beglaubigt wurde2. Der wirksame Zugang der Rücktrittserklärung muss vor dem Tod des Erklärenden erfolgt sein, ansonsten ist der Rücktritt unwirksam3.
711
Durch den wirksamen Rücktritt werden die vertragsmäßigen Verfügungen des Zurücktretenden immer, die des anderen Vertragschließenden aber nur bei vorbehaltenem Rücktritt aufgehoben, § 2298 Abs. 2, 3 BGB. Einseitige Verfügungen des Erblassers treten ebenfalls außer Kraft4. Bei einem teilweisen Rücktritt beurteilt sich die Wirksamkeit der übrigen Verfügungen nach §§ 2279, 2085 BGB.
712
1 2 3 4
Staudinger/Kanzleiter, § 2295 BGB Rz. 13. MüKo/Musielak, § 2296 BGB Rz. 6 m.w.N. BGH v. 19.10.1967 – III ZB 18/67, BGHZ 48, 374 (377). Palandt/Edenhofer, § 2296 BGB Rz. 4.
Esser
243
B II Rz. 713
Formen letztwilliger Verfügung
(2) Der Rücktritt nach dem Tod des anderen Vertragschließenden, § 2297 BGB 713
Nach dem Tod des Vertragschließenden kann der Rücktritt nur noch in der Form des § 2297 BGB erfolgen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 2297 BGB ist, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung aufgrund eines Vorbehalts nach § 2293 BGB oder aufgrund eines gesetzlichen Rücktrittsrechts nach §§ 2294, 2295 BGB zum Rücktritt berechtigt ist. Unerheblich ist, ob das Rücktrittsrecht bereits zu Lebzeiten des anderen Vertragschließenden entstanden ist1. Der Rücktritt nach § 2297 BGB ist nur zulässig, wenn der oder die Vertragspartner des Erblassers verstorben sind. Solange von mehreren Vertragspartnern noch einer lebt, ist der Rücktritt in der Form des § 2297 BGB ausgeschlossen und kann nur nach § 2296 Abs. 2 BGB erklärt werden2.
714
Der Erblasser muss die vertragsmäßige Verfügung nicht ausdrücklich aufheben, sondern kann dies auch durch eine neue widersprechende Verfügung tun oder indem er im Erbvertrag enthaltene Regelungen in einem neuen Testament wiederholt, andere dabei aber unerwähnt lässt3.
715
Erklärt der Erblasser aufgrund einer Verfehlung des Bedachten i.S.d. § 2294 BGB den Rücktritt, muss der Erblasser die Vorschrift des § 2336 Abs. 2 bis 5 BGB beachten4. Der Grund der Entziehung muss noch zur Zeit der Errichtung des Testaments bestehen und ist darin anzugeben, § 2336 Abs. 2 BGB. Im Streitfall muss der Erblasser den Entziehungsgrund beweisen, § 2336 Abs. 3 BGB, und dabei auch Rechtfertigungsgründe, die der Bedachte vorträgt, widerlegen5. Nach der entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 2336 Abs. 4 BGB wird der Rücktritt des Erblassers dann unwirksam, wenn sich der Bedachte zur Zeit des Erbfalls von dem kritisierten Lebenswandel dauernd abgewendet hat6.
716
Das Testament, durch das der Erblasser die vertragsmäßigen Verfügungen aufgehoben hat, kann von diesem widerrufen werden. Durch den Widerruf wird die aufgehobene Verfügung wieder als vertragsmäßige wirksam7.
9. Die Verbindung des Erbvertrags mit einem Ehevertrag 717
Nach § 2276 Abs. 2 BGB genügt für einen Erbvertrag zwischen Ehegatten, Lebenspartnern oder Verlobten, der mit einem Ehevertrag (§ 1408 BGB) in derselben Urkunde verbunden ist, die für den Ehevertrag nach § 1410 BGB, §§ 1–26 BeurkG vorgeschriebene Form. 1 2 3 4 5 6 7
Staudinger/Kanzleiter, § 2297 BGB Rz. 4; Erman/Schmidt, § 2297 BGB Rz. 2. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2297 BGB Rz. 7. OLG Köln v. 31.8.1992 – 2 Wx 36/92, NJW-RR 1992, 1418 (1419). Palandt/Edenhofer, § 2297 BGB Rz. 2. MüKo/Musielak, § 2297 BGB Rz. 4; Soergel/Dieckmann, § 2336 BGB Rz. 4. Soergel/Wolf, § 2297 BGB Rz. 5. Staudinger/Kanzleiter, § 2297 BGB Rz. 9; MüKo/Musielak, § 2297 BGB Rz. 5.
244
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 721 B II
Ist bei einem Ehe- und Erbvertrag eine für den Ehevertrag wesentliche Formvorschrift nicht beachtet, ist zunächst nach § 125 BGB nur der Ehevertrag nichtig. Für ihn reicht die Form des Erbvertrags nicht1. Zweifelhaft ist, ob eine wirksame Anfechtung oder eine Nichtigkeit des Erbvertrags aus anderem Grunde auch die Nichtigkeit des Ehevertrags zur Folge hat und umgekehrt. Dies ist zunächst eine Frage der Auslegung. Im Zweifel ist die Nichtigkeit wohl zu verneinen, da die Verträge nicht notwendig eine rechtliche Einheit i.S. von § 139 BGB darstellen2. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Formerleichterung des § 2276 Abs. 2 BGB ist, dass die Eheleute oder Lebenspartner einen Ehevertrag i.S.d. § 1408 BGB abschließen. Als Erbvertrag i.S.v. § 2276 Abs. 2 BGB soll nach h.M. auch die mit einem Ehevertrag verbundene Vereinbarung von Verlobten oder Eheleuten gelten, wonach in ihrer Ehe das gesetzliche Güterrecht Anwendung findet3. Nach anderer Ansicht ist zumindest die Vereinbarung einer vom gesetzlichen Güterstand abweichenden Regelung notwendig4.
718
Wird durch Auflösung des Verlöbnisses der von den Verlobten geschlossene Ehevertrag unwirksam, gilt dies auch für den damit verbundenen Erbvertrag, soweit in ihm nichts anderes bestimmt wurde, §§ 2279 Abs. 2 i.V.m. 2077 BGB. Stirbt einer der Verlobten, bleibt der Erbvertrag, der ja auf den Todesfall abgeschlossen wird, in der Regel wirksam.
719
Die vertragsmäßige Zuwendung an den Ehegatten oder Verlobten ist unwirksam, wenn:
720
– die Ehe vor dem Tod des Ehegatten oder Verlobten aufgelöst worden ist, – die Voraussetzungen für die Scheidung gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt (§§ 622 Abs. 2 Satz 2, 253 Abs. 1 ZPO) oder ihr zugestimmt hat, – der Erblasser begründeten Antrag auf Aufhebung der Ehe erhoben hatte, – das Verlöbnis vor dem Tod des Erblassers aufgelöst worden ist.
10. Die Form des Erbvertrags Nach § 2276 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Erbvertrag nur vor einem Notar bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile geschlossen werden. Die Voraussetzung der Beurkundung für die Wirksamkeit des Erbvertrags ist Ausdruck der im deutschen Erbrecht geltenden Formstrenge. Die für den Abschluss des Erbvertrags gebotene Mitwirkung des Notars soll darüber hinaus sicherstellen,
1 Palandt/Edenhofer, § 2276 BGB Rz. 10; Staudinger/Kanzleiter, § 2276 BGB Rz. 7. 2 Soergel/Wolf, § 2276 BGB Rz. 15; BGH v. 19.12.1958 – IV ZR 136/58, BGHZ 29, 129 (131 f.). 3 Staudinger/Kanzleiter, § 2276 BGB Rz. 9. 4 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2276 BGB Rz. 28.
Esser
245
721
B II Rz. 722
Formen letztwilliger Verfügung
dass der Erbvertrag wirksam zustande kommt, der Erblasser sachkundig beraten wird und dass dem Erblasser die besondere Bindungswirkung des Erbvertrags im Gegensatz zum eigenhändigen oder auch öffentlichen Testament bewusst gemacht wird1. 722
Die Errichtung des Erbvertrags erfordert die öffentliche Beurkundung. Eine private Niederlegung ist ausgeschlossen. Die private Willenserklärung kann nur in Form einer Schrift des Erblassers Grundlage eines Erbvertrags sein. Unerheblich ist, ob die Schrift von ihm oder von einem Dritten, beispielsweise dem Rechtsanwalt, verfasst worden ist. Sie kann dem Notar offen oder geschlossen übergeben werden mit der Erklärung, die Schrift enthalte seinen letzten Willen, §§ 2276, 2232 BGB.
723
Für die Beurkundung sind fast ausschließlich die Notare zuständig. Neben den Notaren können nur die besonders ermächtigten deutschen Berufskonsuln und Konsularbeamten einen Erbvertrag für deutsche Staatsangehörige beurkunden, §§ 1, 2, 10, 11 Abs. 1, 18–21, 24 KonsG.
724
Ein dem Nottestament vergleichbares Institut für Notlagen sieht das Recht des Erbvertrags nicht vor.
725
Bei der Beurkundung müssen die Vertragserblasser persönlich anwesend sein. Der Vertragspartner, der keine vertragsmäßigen Verfügungen von Todes wegen trifft, muss nicht am Beurkundungsakt teilnehmen2.
726
Im Gegensatz zu einem Testament kann ein Erbvertrag auch in einem durch den Erblaser persönlich geschlossenen (§ 2274 BGB) Prozessvergleich beurkundet werden, oder in einem Vergleich eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit3.
727
Die Erklärung des letzten Willens kann mündlich oder durch Übergabe einer offenen oder verschlossenen Schrift geschehen. Dabei müssen die Vertragschließenden ihren Willen nicht in derselben Weise erklären. Die Regel wird jedoch sein, dass die Vertragserblasser ihren Willen in einer gemeinsamen Schrift niederlegen und diese dem Notar übergeben. Bei Minderjährigen, Leseunfähigen und Stummen muss § 2233 BGB beachtet werden.
728
Da für den Erbvertrag die Form des öffentlichen Testaments vorgeschrieben ist, kann hinsichtlich des Beurkundungsverfahrens auf die Ausführungen in Rz. 94 ff. verwiesen werden.
729
Auf die Formerleichterungen für Verlobte, Lebenspartner und Ehegatten wurde bereits in den Rz. 717 ff. hingewiesen.
1 MüKo/Musielak, § 2276 BGB Rz. 1. 2 Staudinger/Kanzleiter, § 2276 BGB Rz. 3; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2276 BGB Rz. 4. 3 BGH v. 5.10.1954 – V BLw 25/54, BGHZ 14, 381.
246
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 735 B II
11. Wirkung des Erbvertrags auf lebzeitige Verfügungen Die Auswirkungen des Erbvertrags sind ausschließlich erbrechtlicher Natur. Durch den Abschluss eines Erbvertrags wird der Erblasser nicht in seinem Recht beschränkt, über sein Vermögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu verfügen, § 2286 BGB. Es gilt der Grundsatz der lebzeitigen Entscheidungsfreiheit des Erblassers1. Weder der Vertragspartner noch der in der vertragsmäßigen Verfügung Bedachte sind gegen Verfügungen des Erblassers unter Lebenden grundsätzlich geschützt2.
730
Um Missbrauch zu unterbinden, gibt das Gesetz in den §§ 2287 f. BGB dem vertragsmäßig Bedachten nach dem Tod des Erblassers gewisse Ausgleichsund Herausgabeansprüche, wenn Zuwendungen des Erblassers in der Absicht erfolgt sind, den Bedachten zu beeinträchtigen.
731
a) Schutz des Vertragserben, § 2287 BGB Bei einer Schenkung des Erblassers in Beeinträchtigungsabsicht kann der Vertragserbe nach dem Erbfall gem. § 2287 BGB gegen den Beschenkten einen Bereicherungsanspruch geltend machen. Dieser verjährt in drei Jahren vom Anfall der Erbschaft an.
732
Unter den Begriff der Schenkung nach § 2287 BGB fällt jede Art der Schenkung, also auch die Pflicht- und Anstandsschenkung (§ 534 BGB)3, die sog. gemischte Schenkung4, bei der die Zuwendung teils entgeltlich und teils unentgeltlich vorgenommen wird, die verschleierte Schenkung5 und die Ausstattungsschenkung6. Keine Schenkung ist jedoch die Vereinbarung eines unentgeltlichen schuldrechtlichen Wohnrechts.
733
Auch die sog. unbenannte, ehebedingte oder ehebezogene Zuwendung ist eine Schenkung i.S.d. § 2287 BGB, soweit sie objektiv unentgeltlich ist7. Die Gleichsetzung der unbenannten Zuwendung mit einer Schenkung hielt der BGH für notwendig, um zu verhindern, dass der Erblasser am Nachlass vorbei erhebliche Teile seines Vermögens zum Nachteil von Pflichtteilsberechtigten und Vertragserben durch Rechtsgeschäft unter Lebenden anderen Personen zuleitet8.
734
Es muss eine objektive Beeinträchtigung des Vertragserben vorliegen. Die Beeinträchtigung muss zu einer Vermögensminderung des Nachlasses führen,
735
1 BGH v. 3.11.1993 – IV ZR 36/93, BGHZ 124, 35 (38). 2 Brox, Rz. 158. 3 Staudinger/Kanzleiter, § 2287 BGB Rz. 15 mit dem Hinweis, dass in diesem Falle regelmäßig wohl keine Beeinträchtigungsabsicht vorliegen dürfte. 4 OLG Köln v. 14.9.1995 – 2 W 125/95, NJW-RR 1996, 327. 5 Brox, Rz. 158; Erman/Schmidt, § 2287 BGB Rz. 3. 6 Staudinger/Kanzleiter, § 2287 BGB Rz. 4. 7 BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 164/90, BGHZ 116, 167 = NJW 1992, 564; BGH v. 27.9.1995 – IV ZR 217/93, NJW-RR 1996, 133. 8 BGH 27.11.1991 – IV ZR 164/90, BGHZ 116, 167 (174 f.).
Esser
247
B II Rz. 736
Formen letztwilliger Verfügung
ohne dass diese dem Vertragserben zugute kommt. Der Vertragserbe hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass ein bestimmter Gegenstand im Nachlass erhalten bleibt. Vermögensminderungen, die auch bei einem rechtmäßigen Verhalten des Erblassers zu einer Verringerung des künftigen Nachlasses geführt hätten, sind nicht vom Schutzbereich des § 2287 BGB erfasst1. Die Schenkung muss vom Erblasser in der Absicht gemacht worden sein, den Vertragserben zu beeinträchtigen. Deshalb scheiden von vornherein alle Schenkungen aus dem Anwendungsbereich des § 2287 BGB aus, die der Erblasser zugunsten des Vertragserben vornimmt2.
Û
Beratungshinweis: Ein Erblasser, der zur Sicherstellung der Versorgung seines vertragsmäßig bedachten, behinderten Sohnes eine Schenkung an zur Pflege bereite Angehörige vornimmt, handelt nicht in Beeinträchtigungsabsicht.
736
In der Begünstigung des Beschenkten liegt daher gleichzeitig immer eine Beeinträchtigung des Vertragserben.
737
Liegt eine Schenkung in Beeinträchtigungsabsicht vor, die nach Abschluss des Erbvertrags vollzogen wurde, erwirbt der Vertragserbe mit dem Anfall der Erbschaft einen Bereicherungsanspruch gegen den Beschenkten. Der Beschenkte muss das Erlangte herausgeben, auch wenn er von dem Erbvertrag und der Beeinträchtigungsabsicht des Schenkenden nichts gewusst hat. Wusste der Beschenkte davon, so haftet er verschärft nach § 819 BGB3.
738
Schuldner des Anspruch ist ausschließlich der Beschenkte, nicht jedoch der Erblasser oder ein anderer Miterbe4. b) Schutz des vertragsmäßigen Vermächtnisnehmers, § 2288 BGB
739
Der vertragsmäßige Vermächtnisnehmer wird durch § 2288 BGB geschützt. Wurde die Erfüllung eines Vermächtnisses vom Erblasser in Beeinträchtigungsabsicht ganz oder teilweise unmöglich gemacht, kann der Bedachte vom Erben Erfüllung und Wertersatz verlangen. Solange es dem Erben möglich ist, trotz der Beeinträchtigungshandlung des Erblassers das Vermächtnis zu erfüllen, geht der Anspruch auf Leistung des vermachten Gegenstands (§ 2174 BGB)5.
740
Die Regelungen des § 2288 BGB beziehen sich in erster Linie auf Stückvermächtnisse. Aber auch auf Gattungsvermächtnisse finden sie Anwendung. Hat der Erblasser eine Gattungssache aus seinem ihm gehörenden Vorrat vermacht und dann in Benachteiligungsabsicht die Leistung aus diesem Vorrat unmöglich gemacht oder bei einem Geldvermächtnis erhebliche Teile seines 1 2 3 4 5
Dittmann/Reimann/Bengel, § 2287 BGB Rz. 34; Brox, Rz. 158. BGH v. 23.4.1986 – IVa ZR 97/85, BGH NJW-RR 1987, 2. Dittmann/Reimann/Bengel, § 2287 BGB Rz. 32, 87; Brox, Rz. 158. MüKo/Musielak, § 2287 BGB Rz. 20. MüKo/Musielak, § 2288 BGB Rz. 5.
248
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 746 B II
Vermögens beiseite geschafft1, hat der Erbe für Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung zu sorgen. Nur wenn ihm dies nicht möglich ist, hat er den Wert zu ersetzen. Wertverluste, die an dem Vermächtnis infolge der Schädigungshandlung des Erblassers aufgetreten sind, hat der Erbe auszugleichen. In den Fällen des § 2288 Abs. 2 BGB (Veräußerung oder Belastung des Vermächtnisgegenstands) wandelt sich das Stückvermächtnis in ein Verschaffungsvermächtnis, auf das § 2170 Abs. 2 BGB entsprechend anzuwenden ist. Der Erbe wird demnach nur dann von seiner Verschaffungspflicht frei, wenn er zur Verschaffung nicht in der Lage oder die Verschaffung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist. Ist die Veräußerung oder Belastung des Vermächtnisgegenstands schenkweise vorgenommen, hat der Erbe ebenfalls den Gegenstand zu verschaffen oder Wertersatz nach § 2287 BGB zu leisten, § 2288 Abs. 2 Satz. 2 BGB.
741
Anspruchsberechtigt ist der mit einem wirksamen vertragsmäßigen Vermächtnis Bedachte. Auf Vermächtnisse, die nur durch einseitige Verfügung angeordnet worden sind, findet § 2288 BGB keine Anwendung.
742
Anspruchsverpflichtet sind der Erbe oder die Erbengemeinschaft2, auch wenn nur einer der Erben oder ein Vermächtnisnehmer mit dem Vermächtnis beschwert ist3.
743
12. Die Verwahrung des Erbvertrags Der Erbvertrag wird nach § 2277 BGB in die besondere amtliche Verwahrung genommen, soweit nicht beide Vertragsparteien übereinstimmend das Gegenteil verlangen, § 34 Abs. 2 BeurkG. Ein solcher Wunsch wird im Zweifel dann angenommen, wenn der Erbvertrag mit einem anderen Vertrag in derselben Urkunde verbunden wird. Über die Inverwahrungnahme erhält jede Partei einen Hinterlegungsschein (§ 2277 BGB).
744
Der Erbvertrag wird nur auf Antrag beider Parteien aus der besonderen amtlichen Verwahrung herausgegeben. Seit der am 1.8.2002 in Kraft getretenen Neufassung des § 2300 Abs. 2 BGB kann der Erbvertrag aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung an die Vertragschließenden mit der Wirkung des § 2256 BGB (Widerruf) herausgegeben werden, sofern er ausschließlich letztwillige Verfügungen enthält4. Nach Eintritt des Erbfalls ist der Erbvertrag an das Nachlassgericht abzuliefern, wo er zur Verwahrung verbleibt, § 34 Abs. 3 Satz 2 BeurkG.
745
Die Kosten der Verwahrung betragen nach § 101 KostO ein Viertel einer vollen Gebühr. Der Geschäftswert bestimmt sich nach §§ 103, 46 Abs. 4 KostO.
746
1 BGH v. 4.4.1990 – IV ZR 344/88, BGHZ 111, 138 (140 f.) = NJW 1990, 2063. 2 BGH v. 24.1.1958 – IV ZR 234/57, BGHZ 26, 274 (279 f.); Palandt/Edenhofer, § 2288 BGB Rz. 2. 3 MüKo/Musielak, § 2288 BGB Rz. 9. 4 Staudinger/Baumann, § 2258b BGB Rz. 26.
Esser
249
B II Rz. 747
Formen letztwilliger Verfügung
Die Einsichtnahme in den Erbvertrag und die Herausgabe aus der besonderen amtlichen Verwahrung sind gebührenfrei.
VI. Schenkungsversprechen von Todes wegen, § 2301 BGB 1. Das Rechtsgeschäft unter Lebenden in Abgrenzung zu den Verfügungen von Todes wegen 747
Die Schenkung unter Lebenden, geregelt in den §§ 516 ff. BGB, und die Zuwendung durch Verfügung von Todes wegen stimmen insoweit überein, als durch beide Rechtsgeschäfte Gegenstände einem anderen unentgeltlich zugewendet werden. Zwar ist die Schenkung auf den Todesfall kein eigenes Rechtsinstitut, jedoch bestehen für beide Rechtsgeschäfte unterschiedliche Regelungen, weshalb eine genaue Abgrenzung unbedingt notwendig ist.
748
Hat der Schenker die Schenkung zu seinen Lebzeiten durch Leistung des zugewendeten Gegenstands an den Beschenkten vollzogen, § 2301 Abs. 2 BGB, finden hierauf die für die gewöhnliche Schenkung geltenden Vorschriften der §§ 516 ff. BGB Anwendung. Soweit nicht die Eigenart der Schenkung, z.B. bei Übertragung eines Grundstücks, eine besondere Form erfordert, muss der Schenker keine besonderen Formerfordernisse beachten.
749
Wird die Schenkung jedoch nur versprochen, zu Lebzeiten des Schenkers aber nicht vollzogen, finden nach § 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung. Da das Schenkungsversprechen nach § 518 Abs. 1 BGB einen Vertrag erfordert, muss sie der für den Erbvertrag geforderten Form des § 2276 BGB entsprechen.
750
Entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen vollzogener und nicht vollzogener Schenkung ist, ob der Schenker sein Vermögen sofort und unmittelbar mindert. Trifft das Vermögensopfer den Schenker selbst, liegt eine Schenkung unter Lebenden vor. Trifft das Vermögensopfer jedoch die Erben, handelt es sich um eine Schenkung auf den Todesfall1.
2. Schenkung von Todes wegen mit Überlebensbedingung, § 2301 Abs. 1 BGB 751
Ein Schenkungsversprechen nach § 2301 Abs. 1 BGB steht unter der Bedingung, dass der Beschenkte den Schenker überlebt. Es soll erst nach dem Tod des Verfügenden erfüllt werden. Ist nur die Erfüllung des Versprechens bis zum Tod des Schenkers hinausgeschoben worden, hat der Beschenkte aber schon zu Lebzeiten des Schenkers einen Anspruch aus dem Versprechen, sind die Vorschriften für Schenkungen unter Lebenden (§§ 516 ff. BGB), nicht die von Todes wegen, anwendbar2. 1 MüKo/Musielak, § 2301 BGB Rz. 2. 2 BGH v. 20.6.1984 – IVa ZR 34/83, NJW 1985, 1553; Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 14.
250
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 755 B II
a) Das Schenkungsversprechen § 2301 BGB gilt nur für Schenkungen, nicht für entgeltliche Geschäfte auf den Todesfall1. Schenkung ist nach § 516 BGB eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgen soll2. Unentgeltlich ist eine Zuwendung, der nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht.
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Beratungshinweis: Ein Vertrag, in dem jemand einer Altenpflegerin für den Fall, dass sie ihn bis zu seinem Tod pflegt, eine bestimmte Summe Geld verspricht, ist keine Schenkung auf den Todesfall, sondern ein gegenseitiger entgeltlicher Vertrag unter Lebenden, der keiner besonderen Form bedarf.
Das Schenkungsversprechen ist Teil eines Vertrags, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, § 518 BGB. Eine Schenkung, die sofort vollzogen wird, ist daher kein Schenkungsversprechen i.S.v. § 2301 Abs. 1 BGB. Auch der Erlass einer Schuld, selbst wenn nach § 161 BGB aufschiebend bedingt, ist eine sofort vollzogene Schenkung, da der Schenker über die Forderung nicht weiter verfügen kann. Das Versprechen des schenkungsweisen Erlasses auf den Todesfall ist dagegen ein Befreiungsvermächtnis ohne dingliche Wirkung gem. § 2173 BGB3.
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752
753
Beratungshinweis: Ein durch den Erblasser formlos eingeräumtes Wohnrecht auf Lebenszeit, das auch aus anderen Gründen (z.B. wegen seiner Langfristigkeit) nicht wirtschaftlich einer Weggabe der Substanz nahe kommt, ist keine Schenkung i.S.d. § 2301 BGB, sondern Leihe i.S.d. § 598 BGB4.
Das selbstständige Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB, das unter der Bedingung des Überlebens des Bedachten schenkweise erteilt wird, ist in § 2301 Abs. 1 Satz 2 BGB einem gleichartigen Schenkungsversprechen ausdrücklich gleichgestellt.
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Die nur versprochene Schenkung ist schon nach § 518 Abs. 1 BGB formbedürftig. Durch ihre Gleichstellung mit den Verfügungen von Todes wegen untersteht sie (§ 2276 BGB) auch den Vorschriften über den Erbvertrag5. Die Schenkung von Todes wegen bedarf danach der notariellen Beurkundung bei
755
1 BGH v. 12.11.1952 – IV ZB 93/52, BGHZ 8, 23 (31). 2 Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 5; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2301 BGB Rz. 10. 3 Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 6. 4 BGH v. 20.6.1984 – IVa ZR 34/83, NJW, 1985, 1553. 5 Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 4; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2301 BGB Rz. 5; Palandt/Edenhofer, § 2301 BGB Rz. 6; a.A. MüKo/Musielak, § 2301 BGB Rz. 5, der die für eine einseitige Erklärung genügende Form des § 2247 BGB ausreichen lassen will.
Esser
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B II Rz. 756
Formen letztwilliger Verfügung
gleichzeitiger Anwesenheit beider Vertragsteile. Der Schenker kann den Vertrag gem. § 2274 BGB nur persönlich schließen. 756
Nachdem das einseitige Versprechen einer Schenkung auf den Todesfall nach Ansicht des Gesetzgebers zumeist eine letztwillige Verfügung i.S.v. § 2247 BGB ist, wird die Erklärung des Schenkers, eine Schenkung machen zu wollen, die der Beschenkte bis zum Eintritt des Erbfalls noch nicht angenommen hat, in der Regel durch Auslegung als letztwillige Verfügung in der Form eines eigenhändigen Privattestaments aufrechtzuerhalten sein, §§ 130, 140, 2084 BGB. b) Die Überlebensbedingung
757
Das Schenkungsversprechen des § 2301 Abs. 1 BGB muss unter der Bedingung erteilt worden sein, dass der Beschenkte den Schenker überlebt. Eine unbedingte Schenkung oder eine Schenkung unter anderer Bedingung ist immer eine Schenkung unter Lebenden1. Die Bedingung kann eine aufschiebende oder auflösende2 sein. Sie muss nicht förmlich oder ausdrücklich erklärt werden und kann sich auch aus dem Sinn des Geschäfts oder den Umständen ergeben.
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Zulässig ist es, die Bedingung mit der Beschränkung auf einen bestimmten Fall des Ablebens zu verbinden. Auch wenn der Schenker die Bedingung des Überlebens nicht ausdrücklich formuliert hat, kann sie sich aus den Umständen, dem Sinn der Schenkung, der Interessenlage des Schenkers ergeben3. Abzustellen ist bei der Erforschung der Interessenlage des Schenkenden auf den grundsätzlichen Unterschied zwischen der unbedingten Schenkung, deren Erfüllung auf den Todesfall aufgeschoben ist, und dem Schenkungsversprechen mit Überlebensbedingung. Während nämlich bei der unbedingten Schenkung der Anspruch auf die Erben des Beschenkten übergeht, wird die Schenkung mit Überlebensbedingung durch den Tod des Verfügenden hinfällig. Die Interessenlage spricht daher für eine Schenkung mit Überlebensbedingung, wenn der Schenker gerade dieser bestimmten Person für die Zeit nach seinem Tod eine Zuwendung verspricht und dafür auch besondere Gründe gerade in der Person des Begünstigten hat4.
759
Bei der Prüfung der Überlebensbedingung soll der Tatrichter nach Rechtsprechung des BGH nicht „engherzig“ verfahren5. Maßgeblich ist stets der individuelle Wille des Erblassers bzw. des Schenkers. Im Einzelfall ist dieser durch Auslegung nach § 133 BGB zu ermitteln. Führt diese Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist auch der Rechtsgedanke des § 2084 BGB heranzuzie-
1 Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 10. 2 Palandt/Edenhofer, § 2301 BGB Rz. 3; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2301 BGB Rz. 18; Soergel/Wolf, § 2301 BGB Rz. 3; a.A. MüKo/Musielak, § 2301 BGB Rz. 9. 3 BGH v. 12.11.1986 – IVa ZR 77/85, BGHZ 99, 97 (101) = NJW 1987, 840. 4 BGH v. 18.5.1988 – IVa ZR 36/87, NJW 1988, 2731 (2732); Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 10. 5 BGH v. 18.5.1988 – IVa ZR 36/87, NJW 1988, 2731 (2732).
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 764 B II
hen, also im Zweifel die Auslegung zu wählen, bei der der Wille des Erblassers Erfolg hat1. Ohne die Überlebensbedingung liegt ein reines Rechtsgeschäft unter Lebenden vor, das der Form des § 518 BGB bedarf und bereits zu Lebzeiten des Schenkers einen Rechtsanspruch entstehen lässt, der bei Vorversterben des Beschenkten auf dessen Erben übergeht.
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c) Rechtsfolgen des Schenkungsversprechens In seiner Rechtsfolge ist das Schenkungsversprechen i.S.v. § 2301 Abs. 1 BGB den Verfügungen von Todes wegen gleichgestellt. Zu Lebzeiten des Schenkers hat der Versprechensempfänger, wie der erbrechtlich Bedachte, keine gesicherte Rechtsposition, insbesondere keinen Anspruch gegen den Schenker und auch kein Anwartschaftsrecht2. Das formgerechte Schenkungsversprechen ist bei Eintritt des Erbfalls als Vermächtnis (wenn es sich auf einen Einzelgegenstand bezieht) oder als Erbeinsetzung (wenn es sich auf das gesamte Vermögen oder einen Bruchteil hiervon bezieht, § 2087 BGB) zu behandeln3.
761
Der Schenker ist jedoch an das in Form eines Erbvertrags gegebene Versprechen gebunden und kann sich nur durch Anfechtung, Aufhebung oder Rücktritt nach §§ 2281, 2290, 2293 ff. BGB von ihm befreien. Die Schenkung widerrufen nach §§ 530 ff. BGB kann er dagegen nicht.
762
3. Das vollzogene Schenkungsversprechen mit Überlebensbedingung, § 2301 Abs. 2 BGB Auch die Schenkung des § 2301 Abs. 2 BGB steht unter der Bedingung, dass der Beschenkte den Schenker überlebt. Nach § 2301 Abs. 2 BGB finden auf diese Schenkung von Todes wegen jedoch die Vorschriften über die Schenkung unter Lebenden (§§ 516 ff. BGB) Anwendung, wenn der Schenker noch zu seinen Lebzeiten die Schenkung durch Leistung des zugewendeten Gegenstands vollzieht. Die Schenkung erfordert dann grundsätzlich keine besondere Form. Das der Schenkung vorausgegangene Versprechen, das nicht in der Form des § 518 Abs. 1 BGB abgegeben wurde, wird durch das Bewirken der versprochenen Leistung wirksam4.
763
Die sofort vollzogene Schenkung kann, wie die Schenkung unter Lebenden, nach §§ 530 ff. BGB widerrufen werden. Sie unterliegt jedoch nicht den Regelungen des Rücktritts, die für den Erbvertrag Anwendung finden. a) Der Leistungsvollzug i.S.v. § 2301 Abs. 2 BGB Die schenkweise versprochene Leistung ist vollzogen i.S.d. § 2301 Abs. 2 BGB, wenn der Schenker alles getan hat, was von seiner Seite aus zum Erwerb 1 2 3 4
BGH v. 18.5.1988 – IVa ZR 36/87, NJW 1988, 2731 (2732). MüKo/Musielak, § 2301 BGB Rz. 14. Palandt/Edenhofer, § 2301 BGB Rz. 7. BGH v. 12.11.1986 – IVa ZR 77/85, BGHZ 99, 97 (101) = NJW 1987, 840.
Esser
253
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B II Rz. 765
Formen letztwilliger Verfügung
des Gegenstands durch den Beschenkten erforderlich ist, so dass die Vermögensverschiebung ohne sein weiteres Zutun eintreten kann1. Beispiel: Zur wirksamen Übertragung eines Vermögensgegenstands ist nur noch eine behördliche Genehmigung erforderlich, alle anderen Voraussetzungen sind bereits erfüllt. 765
Für den Vollzug genügt es, wenn der Berechtigte ein Erwerbs- oder Anwartschaftsrecht erhalten hat, das sich bei Eintritt der Bedingung zwangsläufig zum Vollrecht entwickelt. Das verschaffte Anwartschaftsrecht mehrt als gesicherte Rechtsposition bereits das Vermögen des Beschenkten und mindert das des Schenkers noch zu Lebzeiten2.
766
Aus dem Zweck der §§ 130 Abs. 2, 153 BGB ist der Vollzug der Schenkung auch dann anzunehmen, wenn der Beschenkte bis zum Erbfall trotz aller erforderlichen Erfüllungshandlungen des Schenkers noch kein Anwartschaftsrecht erwerben konnte, weil ihm die Willenserklärung des Schenkers erst nach dessen Ableben zugegangen ist und erst dann durch Annahme zum Rechtserwerb geführt hat3.
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Stirbt der Schenker, bevor ein von ihm beauftragter Dritter, z.B. ein Treuhänder, Bevollmächtigter oder ein Bote, die ihm übertragene Erfüllungshandlung ausführen konnte, ist der Vollzug der Schenkung dennoch anzunehmen, wenn der Schenker den Dritten unwiderruflich beauftragt hat4.
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In Zweifelsfällen kommt es auch hier auf die Interessenlage des Schenkers an. Hat der Schenker mit der Leistung ein fühlbares Opfer gebracht, ist der zugewendete Gegenstand aus dem Vermögen des Schenkers ausgeschieden und hat der Beschenkte zumindest eine gewisse dingliche Anwartschaft erworben, ist ein Vollzug i.S. der Vorschrift anzunehmen5. b) Einzelfälle vollzogener Schenkungen i.S.v. § 2301 Abs. 2 BGB aa) Schenkung eines Grundstücks und anderer Rechte daran
769
Wegen der Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung nach § 925 Abs. 2 BGB kann die Übereignung eines Grundstücks nicht mit einer Überlebensbedingung verknüpft werden. Das Problem des Vollzugs der bedingten Eigentumsübertragung stellt sich hier insoweit nicht.
1 BGH v. 23.2.1983 – IVa ZR 186/81, BGHZ 87, 19 (26); Dittmann/Reimann/Bengel, § 2301 BGB Rz. 33. 2 BGH v. 30.11.1977 – IV ZR 165/76, NJW 1978, 423 (424); Palandt/Edenhofer, § 2301 BGB Rz. 10. 3 MüKo/Musielak, § 2301 BGB Rz. 23; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2301 BGB Rz. 38. 4 Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 26; MüKo/Musielak, § 2301 BGB Rz. 23; Palandt/Edenhofer, § 2301 BGB Rz. 10. 5 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2301 BGB Rz. 34.
254
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 773 B II
Die Schenkung anderer Rechte an einem Grundstück, z.B. das eines Nieß- 770 brauchs, ist hingegen vollzogen, wenn sich Schenker und Beschenkter über den Übergang des Rechts einig sind, der Schenker die Eintragungsbewilligung erteilt hat und der Beschenkte den Antrag auf Eintragung gestellt hat1. Nach anderer Auffassung soll der Vollzug der Schenkung bereits eingetreten sein, wenn der Schenker an die Einigung nach § 873 Abs. 2 BGB gebunden ist2. Wenn mit dem BGH davon ausgegangen wird, dass für die Annahme des Vollzugs der Schenkung zu Lebzeiten des Schenkers ausreicht, dass der Schenkende alles getan hat, was zum Rechtsübergang des Schenkungsgegenstands durch ihn getan werden konnte und der endgültige Rechtsübergang nun nur noch von dem Verhalten des Beschenkten, Dritter oder von Ereignissen abhängt, so reicht die Bindung des Schenkers nach § 873 Abs. 2 BGB für den Vollzug der Schenkung i.S.v. § 2301 Abs. 2 BGB aus. bb) Schenkung von Wertpapieren Für den Vollzug einer Schenkung von Wertpapieren lässt die Rechtsprechung die Übergabe der Mäntel ausreichen, auch wenn die Zinsscheine nicht übergeben wurden und der Schenker sich den Zinsgenuss bis zu seinem Tod vorbehält3. Eine vollzogene Schenkung i.S.d. § 2301 Abs. 2 BGB ist auch dann anzunehmen, wenn der Schenker mittels eines undatierten, als letztwillige Verfügung gedachten und der betreffenden Person übergebenen Briefs dieser mitteilt, dass alle bei ihr deponierten Wertpapiere und Gelder jetzt in ihrem Eigentum stehen und auf das eigene Konto gebucht werden sollen. Auch durch Abtretung eines Herausgabeanspruchs des Schenkers an den Bedachten wird eine Schenkung vollzogen i.S.v. § 2301 Abs. 2 BGB4.
771
cc) Schenkung von Bank- und Sparkassenguthaben Eine aufschiebend bedingte und damit vollzogene Schenkung ist auch bei der schenkweisen Abtretung eines Bankguthabens für den Zeitpunkt des Ablebens des Gläubigers in Verbindung mit Erteilung einer Bankvollmacht anzunehmen. Für die schenkweise Abtretung eines Sparkassenguthabens reicht die mündliche Erklärung des Schenkenden „wenn mir etwas passiert, ist für dich gut gesorgt“5, wobei im Streitfall der Nachweis dieser Schenkung durch den Begünstigten zu erbringen ist, was bei einer mündlichen Erklärung ein Problem sein dürfte.
772
Der Vollzug i.S.v. § 2301 Abs. 2 BGB ist auch dann anzunehmen, wenn der Erblasser Mitinhaber eines so genannten „Oder-Kontos“ ist und dem anderen
773
1 MüKo/Musielak, § 2301 BGB Rz. 26. 2 Kipp/Coing, § 81 III 1c; Schlüter, Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf den Todesfall, § 56 II 2b bb (3), Rz. 1251. 3 Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 27. 4 Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 27. 5 Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 28.
Esser
255
B II Rz. 774
Formen letztwilliger Verfügung
Mitinhaber bereits zu Lebzeiten die Mitverfügungsbefugnis über den gesamten jeweiligen Bestand eingeräumt wurde1. 774
Bei der Abtretung von Postsparguthaben war vor dem 1.1.1999 die formlose Abtretung wegen eines Verstoßes gegen das bis dahin geltende Postgesetz (§ 23 Abs. 4 Satz 3 PostG) nach § 125 BGB nichtig2.
775
Weist hingegen der Erblasser seine Bank an, nach seinem Tod ein Sparguthaben an einen Dritten auszuzahlen, erlangt dieser im Todesfall einen Anspruch nur dann, wenn der Bankkunde es ihm durch Vertrag zugunsten Dritter zuwenden wollte und diese Rechtsfolge auch vom Vertragswillen der Bank umfasst worden ist3 (hierzu s. Rz. 794 ff.).
776
Die schenkweise Hingabe eines Schecks wird nach Ansicht des BGH4 erst vollzogen und wirksam, wenn der Scheck durch den Empfänger, auch nach dem Tod des Ausstellers, eingelöst wird. dd) Erlass einer Schuld
777
Auch der Erlass einer Schuld unter Vorbehalt des Zinsgenusses auf die Lebenszeit des Schenkers ist eine vollzogene Schenkung, weil schon der schenkweise Erlass seine Vollziehung in sich trägt5.
VII. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall 778
Unentgeltliche Zuwendungen auf den Todesfall können auch durch den sog. Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall vorgenommen werden. Der zwischen dem Versprechenden und dem Versprechensempfänger (dem Erblasser) geschlossene Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall ist ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, bei dem die Parteien anstelle des Vertragspartners einen Dritten als Gläubiger der Leistung bestimmen. Den Inhalt der Leistung können die Parteien frei bestimmen6.
779
Typische Anwendungsfälle sind die schenkweise Begünstigung eines Dritten in Lebensversicherungsverträgen, Bausparverträgen und Sparverträgen. Der Dritte erwirbt hier erst nach dem Tod des Versprechensempfängers einen Anspruch.
1 2 3 4 5 6
BGH v. 16.4.1986 – IVa ZR 198/84, FamRZ 1986, 982 (983). BGH v. 5.3.1986 – IVa ZR 141/84, NJW 1986, 2107 (2108). BGH v. 19.10.1983 – IVa ZR 71/82, NJW 1984, 480. BGH v. 12.4.1978 – IV ZR 68/77, NJW 1978, 2027. RG v. 17.1.1903 – I 286/02, RGZ 53, 296. Schlüter, § 56 III 2a, Rz. 1259.
256
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 784 B II
1. Die Vorteile des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall gegenüber Verfügungen von Todes wegen Wie im Folgenden noch näher dargestellt wird, erwirbt der Dritte erst im Zeitpunkt des Todes des Versprechensempfängers das ihm aufgrund Vertrags Zugewendete. Die Forderung selbst fällt aber, und das ist das Entscheidende, nicht in den Nachlass1.
780
Auch wenn eine Schenkung aufgrund Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall im Widerspruch zu bindenden Verfügungen in einem Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament steht, ist die unentgeltliche Zuwendung dennoch wirksam2. Die Bindungswirkung des Erbvertrags wird dadurch faktisch außer Kraft gesetzt. Die Erben sind auf die Herausgabeansprüche nach § 2287 BGB angewiesen, wobei dieser Anspruch ausgeschlossen ist, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Interesse an der Schenkung hatte3.
781
Û
Beratungshinweis: Ein lebzeitiges Interesse des Erblassers könnte die Sicherung von Pflegeleistungen, die durch Dritte, also nicht durch Familienangehörige, erbracht werden, sein. Problematischer ist dies im Falle von Verträgen/Schenkungen zugunsten naher Familienangehöriger, da hier wohl in der Regel eine sittlich-moralische Verpflichtung zur Pflege anzunehmen ist.
Der BGH4 schränkt den Schutz des Vertragserben aus § 2287 BGB jedoch gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten, der auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet hat, ein, soweit die Rechte des Erblassers aus § 2351 BGB reichen. Da der Erbverzicht nach § 2351 BGB jederzeit wieder aufgehoben werden kann und der Verzichtende dadurch erbrechtlich dieselbe Stellung wie vor dem Erbverzicht einnimmt, also als Pflichtteilsberechtigter jedenfalls den Pflichtteil beanspruchen kann, reicht der Schutz des § 2287 BGB für den Vertragserben auch nicht bis in den Pflichtteil hinein.
782
Von besonders großer praktischer Bedeutung ist hier die Schenkung von Todes wegen in Verbindung mit dem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall. Durch den Vertrag wird das Besitzverhältnis des Dritten zum zugewendeten Gegenstand gestärkt und gleichzeitig dem Vertrags-, Schluss- und Nacherben erschwert, das gesamte Vermögen des Verstorbenen zu erwerben. Soweit dem Vertrags-, Schluss- oder Nacherben Vermögenswerte des Erblassers überhaupt nicht bekannt sind, erfahren sie auf diesem Wege auch möglicherweise nie von deren Existenz5.
783
Die Schenkung und der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall ermöglichen es dem Erblasser zudem, Personen Teile seines Vermögens zukommen zu lassen, die nicht seine gesetzlichen Erben sind. Das Verfahren ist, im Ge-
784
1 2 3 4 5
BGH v. 14.7.1952 – IV ZR 74/52, BGHZ 7, 134. BGH v. 26.11.1975 – IV ZR 138/74, BGHZ 66, 8 (14 ff.). BGH v. 5.7.1972 – IV ZR 125/70, BGHZ 59, 343 (350). BGH v. 12.6.1980 – IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264 (269). Liessem, BB 1989, 862 (864).
Esser
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B II Rz. 785
Formen letztwilliger Verfügung
gensatz zu den Verfügungen von Todes wegen, formfrei, und bei Banken bzw. Versicherungsunternehmen vollzieht es sich häufig auf vorgefertigten Formularen. Dadurch ist der Vertrag zugunsten Dritter auch deutlich kostengünstiger als die Errichtung, Hinterlegung und dann Eröffnung eines Testaments. 785
Soweit ein Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall vorliegt, verzichten Banken und Lebensversicherungen zudem auf die Vorlage eines Erbscheins.
2. Dogmatische Einordnung des Vertrags zugunsten Dritter 786
Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Verträgen zugunsten Dritter, die in den §§ 328 ff. BGB geregelt sind, hat der Versprechende bei einem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall seine Leistung an den begünstigten Dritten erst mit dem Tod des Versprechensempfängers zu erbringen. Die Zulässigkeit dieser Verträge, die eigentlich der Wertung des § 2301 BGB widersprechen, wird in § 331 BGB vorausgesetzt1. Der Vertrag nach § 331 BGB ist daher, obwohl er den Erwerb vom Tod des Versprechensempfänger abhängig macht, keine Verfügung von Todes wegen, sondern ein Rechtsgeschäft unter Lebenden. Vor dem Tod des Versprechensempfängers entsteht nicht einmal eine Anwartschaft des Dritten, sondern lediglich die Erwartung eines künftigen Rechtserwerbs2.
787
Der Beschenkte erwirbt aufgrund des Vertrags zugunsten Dritter mit dem Tod des Schenkers zwar nicht dinglich Eigentum an den ihm zugewendeten Gegenständen, aber einen schuldrechtlichen Anspruch, den der Versprechende ihm gegenüber zu erfüllen hat3.
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Wie bei jedem Vertrag zugunsten Dritter sind auch hier die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versprechenden und dem Versprechensempfänger einerseits (das Deckungsverhältnis) und zwischen dem Versprechensempfänger und dem begünstigten Dritten andererseits (das Valutaverhältnis) voneinander zu unterscheiden. Auch wenn das sog. Valutaverhältnis in seinen Zielen und Wirkungen eigentlich einer Verfügung von Todes wegen entspricht, kann nach ständiger Rechtsprechung des BGH4 durch einen Vertrag zugunsten Dritter ohne die Einhaltung der für Verfügungen von Todes wegen vorgeschriebenen Form dem Dritten ein schuldrechtlicher Anspruch für den Zeitpunkt des Todes des Versprechensempfängers, also des Erblassers, zugewendet werden. Verträge zugunsten Dritter i.S.v. § 331 BGB unterliegen daher grundsätzlich nicht den für Verfügungen von Todes wegen geltenden Formvorschriften.
1 Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 42; Schlüter, § 56 III 1a, Rz. 1257. 2 OLG Frankfurt v. 22.2.1989 – 17 U 291/87, NJW-RR 1990, 968. 3 BGH v. 29.1.1964 – V ZR 209/61, BGHZ 41, 95 (96); Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 42. 4 BGH v. 29.1.1964 – V ZR 209/61, BGHZ 41, 95 (96); BGH v. 26.11.1975 – IV ZR 138/74, BGHZ 66, 8 (12 f.); BGH v. 12.5.1993 – IV ZR 227/92, NJW 1993, 2171 (2172).
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Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 792 B II
Der Rechtserwerb des Dritten muss durch einen Rechtsgrund im Valutaverhältnis gerechtfertigt sein. Nur wenn in dem Verhältnis zwischen dem Begünstigten und dem Erblasser ein rechtlicher Anspruch für die Vermögensverschiebung besteht, darf der Dritte den erworbenen Anspruch gegen den Versprechenden oder die zu dessen Erfüllung bewirkte Leistung als den Gegenstand der Zuwendung behalten. Andernfalls hat er sie an die Erben nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, herauszugeben1.
789
Der Rechtsgrund für eine unentgeltliche Verfügung ist in der Regel eine Schenkung, für deren Wirksamkeit ein nach § 518 Abs. 1 BGB formwirksam erteiltes Schenkungsversprechen Voraussetzung ist. Der Formmangel des Schenkungsversprechens wird durch Erwerb des Leistungsanspruchs nach § 518 Abs. 2 BGB geheilt. Weiß der Beschenkte von der beabsichtigten Schenkung nichts oder ist sonst zu Lebenszeiten des Schenkers noch kein Schenkungsvertrag abgeschlossen worden, liegt im Vertrag zugunsten Dritter ein Schenkungsangebot an den Beschenkten, das dieser nach dem Tod des Schenkers, regelmäßig nach § 151 BGB oder stillschweigend durch Entgegennahme des Geschenks, annehmen kann2.
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Ist das Schenkungsangebot dem Begünstigten zum Zeitpunkt des Todes des Schenkers noch nicht zugegangen, kann der Erbe des Schenkers das Angebot nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB widerrufen. Diese vom BGH3 vertretene Auffassung ist durchaus umstritten, da sie zu einem Wettlauf zwischen Erben und Versprechendem führt, dessen Ausgang eher zufällig als von einem rechtlichen Anspruch getragen ist4. Die Erben sind danach berechtigt, den Versprechenden, also beispielsweise das Versicherungsunternehmen oder die Bank, anzuweisen, das noch nicht zugegangene Schenkungsversprechen nicht zu übermitteln. Der Auftrag des Kunden, so die Rechtsprechung, könne jederzeit widerrufen werden.
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Mit Wirkung für seine Erben kann der Erblasser den Widerruf nur ausschließen, wenn er auch für ihn selbst zu Lebzeiten gilt5. Dem Verlangen des Dritten auf Leistung kann dann der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegengehalten werden6.
792
1 Palandt/Edenhofer, § 2301 BGB Rz. 17; BGH v. 26.11.1975 – IV ZR 138/74, BGHZ 66, 8 (12 f.). 2 Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 42 m.w.N. 3 BGH v. 30.10.1974 – IV ZR 172/73 (Hamm), NJW 1975, 382 ff. 4 MüKo/Gottwald, § 331 BGB Rz. 10. 5 MüKo/Gottwald, § 331 Rz. 8. 6 Dittmann/Reimann/Bengel, § 2301 BGB Rz. 62; Palandt/Edenhofer, § 2301 BGB Rz. 19.
Esser
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B II Rz. 793
Formen letztwilliger Verfügung
3. Durch die Rechtsprechung anerkannte Einzelfälle von Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall a) Zuwendungen von Bankkonten und Sparguthaben 793
Das formlose Versprechen einer Bank gegenüber einem Kunden, nach seinem Tod einem Dritten eine bestimmte Geldsumme zu zahlen, ist ein wirksamer Vertrag zugunsten Dritter1.
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Weist jemand seine Bank an, nach seinem Tod ein Sparguthaben an einen Dritten auszuzahlen, erlangt dieser im Todesfall einen Anspruch auf das Guthaben nur dann, wenn der Bankkunde es ihm zuwenden wollte und diese Rechtsfolge vom Vertragswillen der Bank umfasst war2. Nach Ansicht des BGH sind jedoch bei der Frage, ob eine solche Zuwendung auch vom Vertragswillen der Bank mit umfasst ist, keine strengen Anforderungen zu stellen, weil die Bank es dem Kunden überlässt, wen er als den Berechtigten bestimmen will.
795
Nicht ausreichend soll hingegen die bloße Anlegung eines Kontos auf den Namen eines Dritten sein3, insbesondere dann nicht, wenn der Anlegende sich die Verfügungsbefugnis vorbehält4. Im Fall des Todes des Kontoführenden ist jedoch zu prüfen, ob nicht bezüglich des bei seinem Ableben verbleibenden Guthabens eine Verfügung zugunsten des Dritten auf den Todesfall vorliegt5. b) Zuwendung von Wertpapierdepots
796
Der Inhaber eines Wertpapierdepots kann durch Vertrag mit der verwahrenden Bank auf den Zeitpunkt seines Todes den Anspruch eines Dritten auf Übereignung der Wertpapiere begründen6. Ein vom Erblasser mit einer Bank abgeschlossener Treuhandvertrag mit der Anweisung an die Bank, nach seinem Tod die Wertpapiere zu verkaufen und den Erlös an einen Begünstigten zu zahlen, bedarf auch dann nicht der Form des § 2301 BGB, wenn es sich um eine schenkweise Zuwendung handelt7. c) Zuwendung von Bauspar- und Ansparverträgen
797
Wird in einem Bausparvertrag für den Todesfall ein Dritter unentgeltlich begünstigt, ist hierin in der Regel eine schenkweise Zuwendung an den Dritten auch hinsichtlich der einbezahlten Sparraten des Bausparers zu sehen8.
1 2 3 4 5 6 7 8
RG v. 25.2.1915 – Rep. III 368/15, RGZ 88, 137. BGH v. 19.10.1983 – IVa ZR 71/82, NJW 1984, 480. BGH v. 9.11.1966 – VIII ZR 73/64, BGHZ 46, 198. MüKo/Musielak, § 2301 BGB Rz. 40. BGH v. 9.11.1966 – VIII ZR 73/64, BGHZ 46, 198 (202). BGH v. 29.1.1964 – V ZR 209/61, BGHZ 41, 95. Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 46. MüKo/Musielak, § 2301 BGB Rz. 41; Dittmann/Reimann/Bengel, § 2301 BGB Rz. 72.
260
Esser
Formen letztwilliger Verfügung
Rz. 801 B II
d) Zuwendung von Lebensversicherungen Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Zuwendung von Versicherungssummen aus Lebensversicherungsverträgen. Sofern kein Bezugsberechtigter benannt ist oder die Bezugsberechtigung vor dem Erbfall widerrufen wurde, gehören die Lebensversicherungsverträge zum Vermögen des Erblassers und fallen damit in den pflichtteilsrelevanten Nachlass1. Der Erbe kann nicht die Erbschaft ausschlagen und davon unabhängig die Auszahlung der Versicherungssumme geltend machen2.
Û
798
Beratungshinweis: Der Erbe eines überschuldeten Nachlasses kann die Erbschaft nur insgesamt annehmen oder insgesamt ausschlagen, wenn kein Bezugsberechtigter benannt wurde und die Lebensversicherung somit Teil des Nachlasses ist.
Im Sonderfall der „kreditsichernden“ Lebensversicherung gehört nach dem BGH3 trotz Benennung eines Bezugsberechtigten der Anspruch auf die Versicherungssumme in Höhe der gesicherten Schuld zum Nachlass des Versicherungsnehmers und muss wie die gesicherte Schuld bei der Pflichtteilsberechnung berücksichtigt werden. Wurde ein Bezugsberechtigter benannt, liegt ein Vertrag zugunsten Dritter vor. Wie bei allen Schenkungen auf den Todesfall, die als Rechtsgeschäfte unter Lebenden zu behandeln sind, erwirbt der Begünstigte den Anspruch auf die Lebensversicherung im Todesfall unmittelbar und nicht über den Nachlass (s. Rz. 778 ff.)4. Die Zuwendung von Lebensversicherungsverträgen an Dritte ist in den §§ 330, 331 BGB, §§ 166, 167, 180 VVG geregelt.
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Nach h.M. sind bei Lebensversicherungsverträgen zugunsten Dritter die vom Versicherungsnehmer bezahlten Prämien als Schenkung an den begünstigten Dritten anzusehen, nicht die zur Auszahlung gelangte Versicherungssumme, wenn das Bezugsrecht des Dritten bereits bei Vertragsschluss zugewendet war5.
800
Auswirkungen hat dies auf den Schutz des Vertragserben nach § 2287 BGB sowie für die Anfechtung nach §§ 129 ff. InsO, § 3 f. AnfG. Die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB beginnt auch nicht bereits mit der bloßen Schenkungshandlung, sondern erst mit dem Eintritt des Leistungserfolgs bzw. der Ausgliederung des Schenkungsgegenstands aus dem Vermögen des Erblassers6. Fristbeginn für Ergänzungsansprüche bei Lebensversicherungen ist daher der Vollzug des Zuwendungsaktes7.
801
1 2 3 4 5
Palandt/Edenhofer, § 1922 BGB Rz. 39. BGH v. 8.2.1960 – II ZR 136/58, BGHZ 32, 44 (47). BGH v. 8.5.1996 – IV ZR 112/95, NJW 1996, 2230. Staudinger/Kanzleiter, § 2301 BGB Rz. 49; Palandt/Heinrichs, § 331 Rz. 2. BGH v. 14.7.1952 – IV ZR 74/52, BGHZ 7, 134 (142 f.); MüKo/Musielak, § 2301 BGB Rz. 43. 6 BGH v. 17.9.1986 – IVa ZR 13/85, BGHZ 98, 226; BGH v. 6.5.1987 – IVa ZR 41/86, NJW 1988, 138. 7 Dittmann/Reimann/Bengel, Abschnitt E, Rz. 274.
Esser
261
B II Rz. 802
Formen letztwilliger Verfügung
Im Ergebnis bedeutet dies, dass im Falle der Auszahlung einer Lebensversicherung an seit Vertragsabschluss bezugsberechtigte Dritte der Vertragserbe oder Pflichtteilsberechtigte nur hinsichtlich der einbezahlten Prämien Rechte geltend machen kann, nicht jedoch bezüglich der Versicherungssumme selbst, die ja insbesondere im Fall der Risikolebensversicherung den wesentlichen Vermögenswert darstellt. 802
Wird die Bezugsberechtigung des Dritten jedoch erst nach Abschluss des Versicherungsvertrags begründet, gilt nach h.M. die Versicherungssumme als zugewendet, da diese ursprünglich einmal zum Vermögen des Versicherungsnehmers zählte, mit den entsprechend weitreichenden Konsequenzen für das Pflichtteilsrecht, die Rechte des Vertragserben aus § 2287 BGB und das Anfechtungsrecht.
Û
Beratungshinweis: Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten ist im Fall von Scheidungen immer zu empfehlen, alle bestehenden Bezugsberechtigungen für den früheren Ehegatten zu widerrufen, da die Bezugsberechtigung für den Fall der Ehescheidung nicht auflösend bedingt ist1.
e) Gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelungen 803
Nachfolgeregelungen in Gesellschaftsverträgen fallen grundsätzlich nicht unter § 2301 BGB, selbst wenn der Anteil des verstorbenen Gesellschafters unentgeltlich an die anderen Gesellschafter oder Dritte fällt. Nach zutreffender Auffassung des BGH2 sind mit der Nachfolge in den Anteil einer Gesellschaft Pflichten verbunden, die nicht mit einem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall übertragen werden können.
4. Steuerrechtliche Beurteilung des Vertrags zugunsten Dritter 804
Fällt der Vollzug einer Schenkung von Todes wegen mit dem Tod des Schenkenden zusammen, handelt es sich hierbei steuerrechtlich i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 2, 4 ErbStG um einen Erwerb von Todes wegen. Steuerschuldner i.S.d. § 20 ErbStG ist, im Gegensatz zur Schenkung unter Lebenden, nicht der Erbe als Rechtsnachfolger des Schenkenden, sondern allein der Erwerber3. Hat der Erblasser die Entrichtung der vom Erwerber geschuldeten Steuer einem anderen auferlegt oder hat der Schenker die Steuer übernommen, bleibt der Erwerber dennoch Steuerschuldner. Durch die dem Erwerber zusätzlich zugute kommende Leistung des Erblassers erhöht sich die Steuerschuld zudem. Die Berechnung des Steuermehrbetrags ergibt sich aus § 10 Abs. 2 ErbStG4. Bei Verträgen zugunsten Dritter müssen Banken und Versicherungen dem Finanzamt nur den Bezugsberechtigten, nicht jedoch den Erben mitteilen, soweit an diesen keine Leistung erfolgt. 1 2 3 4
BGH v. 17.9.1975 – IV ZA 8/75, NJW 1976, 290 f. BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225 (230 f.). Troll/Gebel/Jülicher, § 20 ErbStG Rz. 16. Troll/Gebel/Jülicher, § 20 ErbStG Rz. 20.
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Esser
III. Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft Schrifttum: Bartz, Erbeinsetzung oder Vermächtnis, Diss. Köln, 1972; Eidenmüller, Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung, JA 1991, 150; Lindemann, Erben nach Gegenständen, DNotZ 51, 215; Loritz, Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, NJW 1988, 2697; Mathern, Einzelzuwendungen von Todes wegen, DNotZ 1963, 450; Mathern, Einzelzuweisungen auf den Todesfall, BWNotZ 1965, 1; A. Möller, Ersatzerbfolge oder Nacherbfolge?, Erbrecht effektiv 2007, 46; A. Möller, Abgrenzung Erbeinsetzung und Vermächtnis, Erbrecht effektiv 2008, 182; G. Möller, Zuwendung eines Sparguthabens, Erbrecht effektiv 2007, 21; G. Möller, Auslegung: Erbeinsetzung oder Vermächtnis?, Erbrecht effektiv 2007, 169; Nieder, Die ausdrücklichen oder mutmaßlichen Ersatzbedachten im deutschen Erbrecht, ZEV 1996, 241; Otte, Lässt das Erbrecht des BGB eine Erbeinsetzung auf einzelne Gegenstände zu?, NJW 1987, 3164; Schäfer, Die Mindestanforderungen an die Bestimmtheit des Erblasserwillens bei der letztwilligen Verfügung, BWNotZ 1962, 188; Schrader, Erb- und Nacherbeneinsetzung auf einzelne Nachlassgegenstände, NJW 1987, 117; Sommer/Kerschbaumer, „Echte“ und „überquotale“ Teilungsanordnungen – Zivil- und steuerrechtliche Probleme, ZEV 2004, 13; Staats, Anwachsung oder Erhöhung bei Wegfall eines „gesetzlichen Erben“, ZEV 2002, 11; Steiner, Ertragsteuerliche Folgen von Erbeinsetzung, Vermächtnis und Teilungsanordnung, ErbStB 2005, 17; Wendelstein, Gegenständliche Verteilung des Nachlasses im Testament, BWNotZ 1966, 274. Rz.
Rz.
1
VII. Unbestimmte Erbteile (§ 2091 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . .
17
II. Checkliste für das erste Beratungsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . .
2
VIII. Teilweise Einsetzung auf Bruchteile (§ 2092 BGB) . . . . . .
19
III. Gestaltungsempfehlungen . . . . .
3
IX. Gemeinschaftlicher Erbteil (§ 2093 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . .
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X. Anwachsung (§§ 2094, 2095 BGB) . . . . . . . . . .
23
I. Sinn und Hintergrund dieses Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Unterscheidung zwischen Erbeinsetzung, Vermächtnis und Teilungsanordnung (§ 2087 BGB) 1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegungshilfen . . . . . . . . . . . . . 4. Maßgeblicher Zeitpunkt. . . . . . . 5. Einzelfälle aus der Praxis . . . . . .
4 8 11 13 14
V. Einsetzung auf einen Bruchteil (§ 2088 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
VI. Erhöhung und Minderung der Bruchteile (§§ 2089, 2090 BGB) .
16
XI. Die Ersatzerbschaft (§ 2096 BGB) 1. Regelung unverzichtbar. . . . . . . 2. Zweifelsfälle aus der Praxis . . . 3. Die Rechtsstellung des Ersatzerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Ersatzerbschaft als Gestaltungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auslegungsregeln (§§ 2097 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . .
27 28 29 30 40
I. Sinn und Hintergrund dieses Kapitels Der Gesetzgeber hätte sich die §§ 2087 ff. BGB weitgehend ersparen können, wenn die Bürger sachverständigen Rat suchen und vernünftige und vollständige letztwillige Verfügungen hinterlassen würden. Das Gegenteil ist bekanntGroll 263
1
B III Rz. 2
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
lich meist der Fall, so dass die Auslegungs- und Ergänzungsregeln der §§ 2087 ff. BGB dort (und nur dort) helfen müssen, wo sich der Erblasserwille nicht ermitteln lässt. Was der Erblasser wirklich gewollt hat, ist also vorab zu eruieren. Nur wenn dies nicht gelingt, ist auf die §§ 2087 ff. BGB zurückzugreifen. Der Berater hilft jedoch nicht nur im Erbfall, wenn es u.a. darum geht, den letzten Willen zu erforschen, sondern steht dem Mandanten auch vor dessen Tod im Rahmen der Gestaltung der letztwilligen Verfügung zur Seite. Nur wenn der Berater die §§ 2087 ff. BGB kennt, überblickt er den Regelungsbedarf und schließt von vornherein alle denkbaren Lücken. Dann muss im Erbfall nicht spekuliert werden, was der Erblasser wohl gewollt haben mag, und dann entgeht man auch der Gefahr, dass die Anwendung der genannten gesetzlichen Regelungen den wirklichen Willen des Erblassers konterkarieren. Ein Handbuch soll Orientierung beim ersten Zugriff schaffen. Gerade die Erbeinsetzung offenbart jedoch eine so komplexe Kasuistik, dass hier nur die Grundlinien erfasst werden können. Dabei empfiehlt es sich, die Darstellung der Reihenfolge der gesetzlichen Vorschriften folgen zu lassen.
II. Checkliste für das erste Beratungsgespräch
Û
Beratungssituation: Der Mandant verfügt über Immobilien- und Barvermögen. Im Falle seines Todes sollen sowohl seine Ehefrau als auch seine drei Söhne am Nachlass teilhaben. Er hat auch einige Freunde, denen er etwas zukommen lassen möchte. Welche Fragen wird der Berater stellen?
2 – Welche Vermögensgegenstände sind vorhanden? – Welchen Verkehrswert haben sie? – Welche wirtschaftlichen Erwägungen sind maßgebend? – Wer soll welchen Gegenstand bzw. welche Erbquote erhalten? – Wer soll welche Mitsprache- (Mitverwaltungs)rechte haben? – Ist eine Erbengemeinschaft gewünscht und sinnvoll? – Wie alt sind die Zuwendungsempfänger? – Wie ist das Verständnis zwischen ihnen, wie der Charakter der Beteiligten? – Welche Ausbildung, welchen Beruf haben sie? – Wie ist die Beziehung zu den Schwiegerkindern? – Wer soll Erbe, wer Vermächtnisnehmer sein? – Kommt Teilungsanordnung in Betracht? – Soll bei der Zuwendung unterschiedlicher Werte ein Geldausgleich erfolgen (Teilungsanordnung oder Vorausvermächtnis)?
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Groll
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Rz. 3 B III
– Soll alles endgültig festgelegt werden, oder bleiben z.B. noch gewisse postmortale Bestimmungsrechte (etwa bzgl. Vermächtnissen oder Testamentsvollstreckung)? – Was soll gelten, wenn ein eingesetzter Erbe oder Vermächtnisnehmer vorverstirbt, ausschlägt oder für erbunwürdig erklärt wird?
III. Gestaltungsempfehlungen Die konkrete Gestaltung hängt im Wesentlichen von den Antworten auf die 3 unter II. gestellten Fragen ab. Wenn (zutreffend) immer wieder darauf verwiesen wird, dass ca. 90 Prozent der letztwilligen Verfügungen unwirksam, widersprüchlich, unklar oder unvernünftig sind, so liegt das nicht zuletzt daran, dass man auf Musterlösungen zurückgreift, die den Besonderheiten des Einzelfalls nicht gerecht werden. Entweder werden die unter II. aufgezählten Fragen überhaupt nicht gestellt oder aus den Antworten nicht die richtigen Konsequenzen gezogen. Die Praxis beweist leider, dass sich Fehlgestaltungen nicht auf Details beschränken, sondern das Grundsätzliche der Konstruktion betreffen. Viele Testamente befassen sich auf 15 Seiten mit sehr speziellen Regeln über einen Armreif oder eine Kuckucksuhr, und doch begegnen sich die Beteiligten im Erbfall trotz der Schreibarbeit des Erblassers total zerstritten vor Gericht, weil schon das Gerüst der letztwilligen Verfügung falsch konzipiert ist. Folgende Gestaltungs- und Formulierungsgrundregeln müssen Berater und Testator beachten: – Keine Lücken lassen, – äußerste terminologische Klarheit, d.h. präzise Formulierung von Alleinund Miterbschaft, Vor- und Nacherbschaft, Voll- und Schlusserbschaft, Ersatzerbschaft, Einsetzung auf einen Bruchteil, Teilungsanordnung (mit Wertausgleich), Vermächtnis, Vorausvermächtnis (ohne Wertausgleich) oder Nießbrauchsvermächtnis, – Nachlass gegenständlich verteilen, d.h. zugleich: Erbengemeinschaft soweit wie möglich vermeiden bzw. entschärfen, – Erbengemeinschaft in der Regel nicht sinnvoll bei: größerem Vermögen, Immobilienvermögen, Unternehmen, Auslandsvermögen, zerstrittener Familie, zu jungen, unwilligen oder unfähigen Kindern. – Liegen die Dinge wie im vorigen Punkt und ist Erbengemeinschaft ausnahmsweise sinnvoll, kann sich Dauer- oder Verwaltungstestamentsvollstreckung empfehlen. – Können Pflichtteile vermutlich nicht in Geld ausgezahlt werden, kann der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten, die er nicht in der Erbengemeinschaft sehen will, Vermächtnisse in Form von Gegenständen in Höhe des Pflichtteilswerts zuwenden (allerdings nur unbeschadet ihres Ausschlagungsrechts, § 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Groll 265
B III Rz. 4
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
– Sollen z.B. Schwiegerkinder oder nachfolgende Ehepartner nichts von dem erben, was ursprünglich vom Erblasser stammt, bedarf es der Vor- und Nacherbschaft.
IV. Unterscheidung zwischen Erbeinsetzung, Vermächtnis und Teilungsanordnung (§ 2087 BGB) 1. Grundsätze 4 Eine Nachfolge (mit unmittelbarer rechtlicher Wirkung) in Einzelgegenstände kennt unser Recht nicht. Der Erbe ist Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers, als Alleinerbe allein, als Miterbe in Gesamthandsgemeinschaft zu einem Bruchteil. Der Vermächtnisnehmer ist nicht Erbe, sondern besitzt gegen den Nachlass nur einen schuldrechtlichen Anspruch. Der Vorausvermächtnisnehmer besitzt ebenfalls einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Nachlass, ist aber zugleich Miterbe, steht also auf beiden Seiten. Das Vorausvermächtnis ist ein Extra und wird auf den Erbteil nicht angerechnet. Bei Teilungsanordnung entsteht mit dem Tod des Erblassers eine Erbengemeinschaft, in der allen alles gehört, die konkrete Teilungsanordnung gewährt dem Einzelnen jedoch einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auseinandersetzung des Nachlasses mit der Maßgabe, dass der Betreffende den für ihn bestimmten Gegenstand erhält. Weichen die Werte des speziell Zugewandten von der gesetzlichen oder festgelegten Erbquote ab, hat (im Gegensatz zum Vorausvermächtnis) ein Wertausgleich (in der Regel in Geld) stattzufinden1. Jeder Miterbe kann auf Kosten des Nachlasses Wertgutachten durch Sachverständige verlangen.2 Leider lassen viele Testamente diese klarstellenden Begriffe vermissen. Beispiele: 5
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Beratungssituation: Das Testament des Erblassers lautet: „Wenn ich einmal sterbe, soll mein Vermögen wie folgt verteilt werden: Mein Sohn Hans bekommt mein Haus, Sohn Peter das Auto, Tochter Ulrike meinen Schmuck. Unterschrift: E.“
Ein klassisches Laientestament: Die meisten Gegenstände des Nachlasses sind nicht erfasst, kein Wort dazu, wer (mit welchem Anteil) Erbe, wer Vermächtnisnehmer sein, kein Wort dazu, wer für etwaige Nachlassverbindlichkeiten aufkommen soll. 6
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Beratungssituation: Das Testament des Erblassers lautet: „Mein Vermögen vermache ich meiner Tochter Rosemarie. Meine Schwester Christine erbt meinen PKW.“
1 OLG Frankfurt v. 5.10.2007 – 3 U 272/06, ZErb 2008, 166; nach OLG Koblenz v. 13.10.2005 – 5 U 451/05, (Leitsätze abgedruckt in ZEV 2006, V). 2 LG Nürnberg-Fürth v. 25.1.2000 – 10 O 8569/99, NJWE-FER 2000, 261.
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Groll
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Rz. 8 B III
Auch dies ein Testament aus der Laienfeder: Derjenigen, die nahezu alles erhalten soll, wird etwas „vermacht“, diejenige, die nur einen Gegenstand erhält, „erbt“.
Û
Beratungssituation: Wortlaut des Testaments: „Mein Sohn Karl-Heinz erhält die Hälfte meines Vermögens. Den Rest sollen sich meine vier Geschwister teilen.“
7
Auch dies ist eine höchst unpräzise Regelung. In allen hier genannten Beratungssituationen bedarf es per Auslegung der Klärung, wer was erhält, wer für die Abwicklung des Nachlasses zuständig und wer Rechtsnachfolger des Erblassers ist, zudem, wer für die Verbindlichkeiten einzustehen hat, schließlich auch, wen welche Steuerpflicht trifft (was ebenfalls mit dem Status zusammenhängt). Die Antworten folgen aus § 2087 BGB, wenn auch nur im Grundsatz. Folgende Kernaussagen können getroffen werden: – Entscheidend ist der Wille des Erblassers. § 2087 BGB greift nur ein, wenn dieser Wille nicht zu ermitteln ist1. – Wer den gesamten Nachlass erhält, ist Erbe, auch wenn er nicht als solcher bezeichnet wurde. – Auch wer auf einen Bruchteil gesetzt wurde, ist Erbe (3. Beratungssituation: Karl-Heinz ist also Erbe, fraglich ist der Status der vier Geschwister). Einsetzung auf den Bruchteil ist nach allgemeiner Meinung auch dann gegeben, wenn der Erblasser sog. Vermögensgruppen bildet, etwa in der Weise, dass einer das Immobilienvermögen erhält, der andere die Wertpapiere, ein Dritter sämtliche Urheberrechte2. – Wer einzelne Gegenstände erhält, ist Vermächtnisnehmer. – Die Auslegung klebt nicht am Wortlaut (2. Beratungssituation). Es kann jemand Erbe sein, dem etwas „vermacht“ wurde, umgekehrt kann derjenige, der nur einzelne Gegenstände aus dem Nachlass erhält, Vermächtnisnehmer sein, auch wenn er als „Erbe“ bezeichnet wurde3.
2. Ausnahmen Folgte man dem Gesetzeswortlaut des § 2087 Abs. 2 BGB, wären in der ersten Beratungssituation des vorigen Abschnitts (Rz. 5) alle Empfänger nur Vermächtnisnehmer. Das ist jedoch nicht der Fall. Zum einen gibt es keinen erbenlosen Nachlass, zum anderen gilt nach allgemeiner Auffassung derjenige als Erbe, dem wertmäßig der Hauptgegenstand zugewendet wurde4, in der Be1 BGH v. 22.3.1972 – IV ZR 134/70, FamRZ 1972, 561; BayObLG v. 25.6.1990 – BReg. 1a Z 69/89, FamRZ 1990, 1399; Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 1; Soergel/Loritz, § 2087 BGB Rz. 3; § 2087 BGB enthält eine Auslegungsregel, keine gesetzliche Vermutung. 2 BGH v. 16.10.1996 – IV ZR 349/95. 3 Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 2; Klinger/Scheuber, NJW-Spezial 2008, 135. 4 BGH v. 19.1.1972 – IV ZR 1208/68, DNotZ 1972, 500; BayObLG v. 7.6.1994 – 1 Z BR 69/93, FamRZ 1995, 246; Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 3; OLG Brandenburg v.
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B III Rz. 9
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
ratungssituation also Hans, es sei denn, der Wert des Schmucks läge weit über dem des Hauses. Diese Sichtweise gilt insbesondere dann, wenn der Hauptgegenstand eine Immobilie ist1, im Übrigen auch, wenn einzelne Gegenstände an mehrere Personen verteilt werden sollen und der Erblasser zugleich bestimmt hat, dass ein anderer das „übrige Vermögen“ erhält (wenn dieses wertmäßig deutlich über dem Gesamtwert der anderen Gegenstände liegt)2. Hans ist also Alleinerbe, die anderen sind Vermächtnisnehmer. 9 Hat ein Gegenstand gegenüber anderen Gegenständen, die weiteren Personen konkret zugewendet wurden, wertmäßig keine herausragende Bedeutung, so gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder handelt es sich um Vorausvermächtnisse oder um Teilungsanordnung, je nachdem, was dem Erblasserwillen mehr entspricht. Entscheidend ist, dass hier mehrere Personen zu Erben eingesetzt wurden, wiederum entgegen dem Gesetzeswortlaut, nach dem es sich um reine Vermächtnisse handeln würde. 10 Eine weitere Ausnahme von der Regel des § 2087 Abs. 2 BGB wird gebildet, wenn ein Gegenstand ausdrücklich vermächtnisweise zugewendet wurde, er jedoch den Hauptwert des Nachlasses bildet. Der Empfänger ist dann in der Regel Erbe.
3. Auslegungshilfen 11 Lässt sich der Erblasserwille nicht anders ermitteln, greift § 2087 BGB ein. Aus den bisherigen Ausführungen folgt: Wer den größten Brocken erhält, ist unabhängig vom Wortlaut des Testaments in der Regel Erbe, wenn die den anderen Personen zugewendeten Gegenstände wertmäßig von sehr untergeordneter Bedeutung sind. Hat das im Testament so genannte „Vermächtnis“ den größten Wert, kann der Empfänger dennoch Erbe sein. Sind mehrere Personen Erben, weil zwischen den konkreten Zuwendungen keine großen Wertunterschiede bestehen, handelt es sich um Vorausvermächtnisse oder Teilungsanordnung. Mit der Entscheidung für eines von beiden ist aber noch nichts Endgültiges über die Erbquoten gesagt. Sie können sich, wenn der Erblasser dazu nichts bestimmt hat, nach dem Wert der konkreten Zuwendungen richten, Maßstab kann aber auch das Verhältnis der gesetzlichen Erbquoten sein. Im Zweifel gilt: Die Erbquoten richten sich nach den zugewendeten Werten. 12
Ermöglichen die Werte keine klare Entscheidung, ob jemand Erbe oder Vermächtnisnehmer ist, dienen als weitere Auslegungshilfen folgende drei Gesichtspunkte: – Wie stark hat sich der Erblasser die Rolle des Zuwendungsempfängers vorgestellt? Soll dieser nur etwas aus dem Nachlass erhalten oder als Rechtsnachfolger in die Stellung des Erblassers eintreten? Hierbei geht es nicht 18.6.2008 – 13 U 77/07, OLGReport 2009, 12; Möller, Erbrecht effektiv 2008, 182 und 2007, 169; OLG München v. 21.5.2007 – 31 Wx 120/06, ZEV 2007, 383. 1 Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 3. 2 BayObLG v. 28.5.1990 – BReg. 1a Z 11/90, FamRZ 1990, 1275.
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Groll
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Rz. 13 B III
nur um die Vermögensnachfolge, also die Fortsetzung der wirtschaftlichen Stellung, sondern auch um psychologische Aspekte, z.B. die geistig-seelischen Strukturen der Familie. Je mehr der Erblasser im Bedachten seinen Nachfolger sieht, je mehr er ihn am Schicksal des Nachlasses teilhaben lassen will, desto mehr spricht für den Erbenstatus1. – Für diesen spricht es auch, wenn der Empfänger die Belastungen des Nachlasses tragen, insbesondere für die Nachlassverbindlichkeiten einstehen soll2. Das kann selbst dann gelten, wenn nach deren Erfüllung kein nennenswerter Vorteil verbleibt3. Im Einzelfall kann der Vermächtnisnehmer also sogar besser dastehen als der Erbe. – Erbe und nicht Vermächtnisnehmer ist schließlich, wem die Aufgabe zufällt, den Nachlass abzuwickeln, wozu auch die Organisation und Finanzierung der Beerdigung zählen4. Bleibt die Waagschale in der Schwebe, sollte pragmatisch ausgelegt werden. Im Zweifel verdient die Auslegung den Vorzug, wonach einer Erbe ist, die anderen Vermächtnisnehmer. Tendenziell ist es immer von Vorteil, es nicht mit einer Erbengemeinschaft zu tun zu haben, wenn auch die Gerichte dazu neigen, bei gesetzlichen Erben im Zweifel eine Erbengemeinschaft anzunehmen.
4. Maßgeblicher Zeitpunkt
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Beratungssituation: Das Testament lautet: „Universalerbin ist meine Schwägerin Antonia. Etwaiges Bargeld erhält mein Bruder Carl.“ Nach dem Tod des Erblassers beantragt Carl einen Erbschein, der ihn als Alleinerbe ausweist. Begründung: Zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments sei neben fast wertlosem Hausrat nur geringes Bargeld vorhanden gewesen. Dann habe der Erblasser jedoch ein Sparguthaben in Höhe von 50 000 Euro gebildet. Dies verkörpere im Zeitpunkt des Todes wertmäßig nahezu den gesamten Nachlass. Ist Carl Erbe, obwohl der Erblasser ausdrücklich Antonia zur „Universalerbin“ bestimmt hatte?
Die Antwort hängt davon ab, an welchen Zeitpunkt die Auslegung anknüpft: Testamentserrichtung oder Erbfall? Allgemein entscheiden die Vorstellungen des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Sie gelten auch für das dann bei seinem Tod vorhandene Vermögen. Nachträgliche Veränderungen (Mehrung oder Verringerung) lassen also die Erbeinsetzung und die mit ihr verbundenen Quoten unberührt5, ebenso wenig tritt bezüglich des nach
1 Lange/Kuchinke, § 27 II 2a; Klinger/Roth, NJW-Spezial 2008, 39. 2 BayObLG v. 27.8.1985 – BReg. 1 Z 20/85, FamRZ 1986, 604; Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 4; Soergel/Loritz, § 2087 BGB Rz. 4. 3 Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 2. 4 BayObLG v. 9.12.1985 – BReg. 1 Z 90/85, FamRZ 1986, 835; Soergel/Loritz, § 2087 BGB Rz. 4; Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 4. 5 BGH v. 22.3.1972 – IV ZR 134/70, FamRZ 1972, 561; BayObLG v. 19.12.1996 – 1 Z BReg. 107/96, NJW-RR 1997, 517; Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 6; a.A. MüKo/
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B III Rz. 14
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Testamentserrichtung eingetretenen Vermögenszuwachses gesetzliche Erbfolge ein1. Etwas Anderes kann in folgenden Fällen gelten: Die Verringerung des Vermögens beruht darauf, dass bereits eine lebzeitige Schenkung an den testamentarisch Bedachten erfolgte. Hier ist an eine Anrechnung auf den per Teilungsanordnung zufließenden Wert zu denken2. Eine Änderung der testamentarischen Regelung kann per Auslegung auch dann geboten sein, wenn der Erblasser Verschiebungen seines Vermögens bereits bei Testamentserrichtung erkennbar in seine Dispositionen einbezogen hat. Das gilt etwa, wenn sich der Erblasser eine gesonderte Regelung z.B. für sein ausländisches Vermögen vorbehalten hat, was auch seine lebzeitige Verfügungen umfasst3.
5. Einzelfälle aus der Praxis 14 – Zuwendung einer Immobilie (wenn sie den wesentlichen Wert des Nachlasses bildet): Empfänger ist Alleinerbe4. Das gilt auch bei Zuwendung des Immobilienvermögens und des nach Abzug von Geldzuwendungen verbleibenden übrigen Vermögens5. – Empfänger wurde bestimmt zum „Alleinerben der Wohnung“, die allerdings nur gemietet war: Dennoch Einsetzung als Alleinerbe, wenn sich in ihr das Hauptvermögen des Erblassers befand6. – Zuwendung von „Haus mit Inhalt“: Dann Vermächtnis, wenn es sich nicht um den wesentlichen Nachlass handelt7. – Zuwendung eines Geldbetrags: In der Regel Vermächtnis, es sei denn, der Nachlass erschöpft sich darin im Wesentlichen8. – Die Zuwendung des gesetzlichen Erbteils kann im Einzelfall „Quotenvermächtnis“ sein (Zahlung eines dem Bruchteil entsprechenden Barerlöses)9.
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8 9
Schlichting, § 2087 BGB Rz. 11, der im Einzelfall auch einen Rückgriff auf die Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls für zulässig hält. BayObLG v. 9.12.1985 – BReg. 1 Z 90/85, FamRZ 1986, 835. BGH v. 16.10.1996 – IV ZR 349/95, NJW 1997, 392; Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 6. BayObLG v. 4.12.1997 – 1 Z BReg. 112/97, RPfleger 1998, 201. BayObLG v. 19.12.1996 – 1 Z BReg. 107/96, FamRZ 1997, 1177; BayObLG v. 7.9.2004 – 1 Z BR 66/04, FamRZ 2005, 1202. BayObLG v. 22.2.2005 – 1 Z BR 94/04, OLGReport 2005, 766. BayObLG v. 29.6.1994 – 1 Z BReg. 125/93, FamRZ 1994, 1554. BayObLG v. 22.6.1990 – BReg. 1a Z 9/90, FamRZ 1990, 1401; Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 8 (so auch BayObLG v. 26.4.2002 – 1 Z BR 34/01, OLGReport 2003, 15). BayObLG v. 19.12.1996 – 1 Z BReg. 107/96, FamRZ 1997, 1177; OLG Naumburg v. 27.6.2006 – 10 Wx 3/06, OLGReport 2007, 355. BGH v. 25.5.1960 – V ZR 57/59, NJW 1960, 1759; Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 8.
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Groll
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Rz. 14 B III
– Wurde ein Erbe eingesetzt und angeordnet, ein bestimmter Gegenstand falle ihm nicht zu, ist dies ein Vermächtnis zugunsten der gesetzlichen Erben1. – Divergieren bei Vermögensgruppen die errechneten Erbteile und die vom Erblasser ausdrücklich angegebenen, können im Einzelfall die tatsächlichen Wertverhältnisse für die Erbquoten maßgeblich sein2. – Enthält das Testament nur eine Verfügung in Bezug auf einen geringen Vermögensanteil, z.B. einen bestimmten Geldbetrag, handelt es sich insoweit um ein Vermächtnis, für den Rest gilt gesetzliche Erbfolge3. – Die Zuwendung des Pflichtteils ist in der Regel keine Erbeinsetzung4. – Soll der Ehepartner gemäß dem Testament über den Nachlass lebzeitig und von Todes wegen frei verfügen können und sollen andere Verwandte das erhalten, worüber der überlebende Ehepartner bis zu seinem Tod nicht lebzeitig oder letztwillig verfügt hat, dann ist er beim Tod des ersten Ehepartners Alleinerbe, die Verwandten sind Vermächtnisnehmer5 – Wendet der Erblasser einer Person eine Erbschaft zu, die ihm selber zugefallen war, handelt es sich in der Regel um ein Vermächtnis6. – Der Nießbrauch am Nachlass oder an einem Teil davon ist in der Regel Vermächtnis7. – Mangels Bestimmtheit nichtige Erbeinsetzung bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Vermächtnisnehmer Ersatzerbe wird.8 – Gehört der vermächtnisweise zugewendete Gegenstand zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht zum Nachlass, kann dies ein Verschaffungsvermächtnis sein (§ 2170 BGB),9 welches sich auch auf ein Recht, z.B. ein Wohnrecht10 oder ein Ankaufsrecht,11 beziehen lässt. – Die Verteilung des gesamten Nachlasses an zwei Personen ohne ausdrückliche Erbeneinsetzung kann bedeuten, dass der eine Erbe, der andere Vermächtnisnehmer ist.12 – Erfolgte die Erbeinsetzung nach Bruchteilen entsprechend den zugewendeten Werten, tritt bezüglich der übrigen Gegenstände nicht gesetzliche Erbfolge ein.13 1 Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 9. 2 BGH v. 17.2.1960 – V ZR 144/58, LM, § 2084 Nr. 12; Palandt/Edenhofer, § 2087 BGB Rz. 9. 3 BayObLG v. 3.5.1990 – BReg. 1a Z 81/89, FamRZ 1990, 1156. 4 § 2304 BGB. 5 OLG Bremen v. 14.10.1955 – 1 W 290/55, DNotZ 1956, 149. 6 Soergel/Loritz, § 2087 BGB Rz. 20. 7 Soergel/Loritz, § 2087 BGB Rz. 21. 8 OLG München v. 29.9.2000 – 21 U 2369/00, OLGReport 2001, 97. 9 Grziwotz, MDR 2002, 10. 10 OLG Bremen v. 29.9.2000 – 5 U 39/2000, ZEV 2001, 401. 11 BGH v. 27.6.2001 – IV ZR 120/00, MDR 2001, 1295. 12 BayObLG v. 22.2.2001 – 1 Z BR 70/00, FamRZ 2001, 1252. 13 BayObLG v. 28.12.1999 – 1 Z BR 137/99, BayObLGReport 2000, 16.
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B III Rz. 15
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
– Bezeichnet der Erblasser in seinem Testament drei Personen als „Erben“ und wendet ihnen jeweils bestimmte Gegenstände zu, die den Nachlass erschöpfen, kann dies (entgegen § 2087 Abs. 2 BGB) eine Erbeinsetzung auf den Bruchteil sein (die Höhe des Bruchteils richtet sich nach dem Wert der Zuwendungen).1 – Verteilt der Erblasser nahezu sein ganzes Vermögen nach Gegenständen und Vermögensgruppen auf eine Person und deren Enkel, so handelt es sich (entgegen § 2087 Abs. 2 BGB) um eine Erbeinsetzung mit Teilungsanordnung (die Erbquoten richten sich nach den zugewendeten Werten).2 – Benennt der Erblasser mehrere Personen als Erben und wendet ihnen den Nachlass nicht erschöpfende Gegenstände zu, so ist dennoch einer von ihnen Alleinerbe, wenn er laut Testament für den Ausgleich fälliger Nachlassverbindlichkeiten und für die Organisation der Bestattung zuständig sein soll. Die anderen sind dann Vermächtnisnehmer.3 – Setzt jemand 38 Personen ausdrücklich zu „Erben“ ein, kann es dennoch geboten sein, nur einen von ihnen als (Allein-)Erben, die anderen als Vermächtnisnehmer zu betrachten.4 – Erhalten laut Testament vier Töchter und sechs Enkel des Erblassers je den gleichen Geldbetrag und den Rest ein anderer, so ist Letzterer Alleinerbe, und die Erstgenannten sind Vermächtnisnehmer, wenn das Restvermögen den Wert jeder einzelnen anderen Zuwendung erheblich übersteigt.5 – Bestimmt der Erblasser zwei Personen namentlich zu Erben zu je 40 Prozent und verfügt, dass der Restnachlass für Grabpflege verwendet werden soll, so gilt für diese 20 Prozent nicht etwa gesetzliche Erbfolge, sondern die beiden Personen sind Erben zu je ein Halb, zugleich mit einer Grabpflegeauflage belastet.6
V. Einsetzung auf einen Bruchteil (§ 2088 BGB)
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Beratungssituation: Das Testament lautet: „Zum Alleinerben meines Vermögens in der Bundesrepublik setze ich meinen Sohn Kurt ein.“ Wer ist Erbe des Vermögens in der früheren DDR?
15 Entscheidend ist wieder der Wille des Erblassers. Was wollte er? Sollte Kurt bewusst nur das Vermögen in der Bundesrepublik erhalten, oder hat der Erblasser sein DDR-Vermögen vielleicht übersehen, oder wollte er die Nachfolge insoweit erst später regeln? Nur wenn sich das alles nicht klären lässt, greift § 2088 Abs. 1 BGB ein: Das DDR-Vermögen geht an die gesetzlichen Erben 1 2 3 4 5 6
OLG Celle v. 19.7.2002 – 6 W 82/02, MDR 2003, 89. BayObLG v. 8.5.2003 – 1 Z BR 124/02, OLGReport 2003, 339. BayObLG v. 14.12.2000 – 1 Z BR 95/00, ZEV 2001, 240. BayObLG v. 12.3.2002 – 1 Z BR 14/01, NJW-RR 2002, 873. BayObLG v. 4.4.2002 – 1 Z BR 19/01, NJW-RR 2002, 1232. BayObLG v. 29.1.2003 – 1 Z BR 42/02, ZEV 2003, 241.
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Groll
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Rz. 18 B III
(aber wohl nicht anteilig an Kurt, wenn er zu ihnen zählt1). Gleiches würde gelten, wenn der Erblasser mehrere Erben unter Beschränkung eines jeden auf einen Bruchteil eingesetzt hätte und die Bruchteile das Ganze nicht erschöpfen, § 2088 Abs. 2 BGB. Gesetzliche Erbfolge bezüglich des Restes tritt gemäß § 2088 BGB auch dann ein, wenn der Erblasser den Bedachten durch Zuwendung einzelner Gegenstände zum Erben einsetzen wollte, diese jedoch nicht den ganzen Nachlass erfassen. Aber nochmals zur Klarstellung: Wenn sich z.B. ein Erblasserwille des Inhalts ermitteln lässt, dass der benannte Erbe trotz nicht vollständiger Aufzählung der Gegenstände im Testament dennoch alles erhalten sollte, dann kommt § 2088 BGB überhaupt nicht zum Zuge.
VI. Erhöhung und Minderung der Bruchteile (§§ 2089, 2090 BGB)
Û
Beratungssituation: Wortlaut des Testaments: „Zu meinen Erben setze ich ein meine Töchter Dita (½), Waltraud (1/5) und Ulrike (1/5).“ Wer erbt das nicht genannte restliche Zehntel?
Wieder herrscht der Erblasserwille. Ist ihm zu entnehmen, dass die drei Töchter nur diese 9/10 erben sollten, tritt für das letzte Zehntel gesetzliche Erbfolge ein. Soll jedoch niemand außer ihnen erben, gilt § 2089 BGB. Die Bruchteile werden verhältnismäßig (also auf der Basis 5 : 2 : 2) erhöht, so dass sich mit Rücksicht auf den neuen Nenner 9 folgende Quoten ergeben: Dita 5/9, Waltraud und Ulrike je 2/9.
16
Nach dem gleichen Prinzip wird verfahren, wenn die Summe der vom Erblasser gebildeten Bruchteile 100 % übersteigt. Dann erfolgt eine verhältnismäßige Minderung, § 2090 BGB.
VII. Unbestimmte Erbteile (§ 2091 BGB)
Û
Beratungssituation: Zunächst hatte der Erblasser sein Testament wie folgt formuliert: „Meine Freunde A (½), B (¼), C (1/8) und D (1/8) werden meine Erben.“ Später strich er die Quoten in den Klammern, ließ den Text im Übrigen aber unverändert. Wie ist die Erbfolge?
Die Lösung folgt aus § 2091 BGB: Alle vier Freunde erben je ein Viertel, da der Erblasser die Erbquoten letztlich nicht festgelegt hat. Dann nämlich sind die Erben zu gleichen Teilen eingesetzt.
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Da § 2091 BGB immer wieder falsch angewendet wird, hier die wichtigsten Grundsätze:
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– § 2091 BGB kommt nur zum Zuge, wenn mehrere Erben eingesetzt wurden und sich der wirkliche Wille des Erblassers bzgl. der Quoten nicht ermitteln lässt, weil sie weder ausdrücklich noch mittelbar bestimmt sind2. 1 Palandt/Edenhofer, § 2088 BGB Rz. 1. 2 Palandt/Edenhofer, § 2091 BGB Rz. 1.
Groll 273
B III Rz. 19
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
– § 2091 BGB greift nicht ein, wenn sich die Erbfolge aus der direkten oder analogen Anwendung der §§ 2066 bis 2069 BGB oder aus den tatsächlichen Umständen ergibt. § 2091 BGB ist nur ein Notnagel. – § 2091 BGB kommt zur Anwendung, wenn sich der Erblasser die Bestimmung der Quoten noch vorbehalten hatte (§ 2086 BGB), dann jedoch untätig blieb1. – Gleiches gilt, wenn die Quoten zunächst festgelegt, dann jedoch gestrichen wurden (Beratungssituation)2, oder wenn die Formulierung unsinnig ist (Beispiel aus der Rechtsprechung: „Als Erben setze ich ein meinen Bruder und dessen Tochter, meine Nichte, zum gesetzlichen Erbteil.“)3. – Bei der Formulierung „Erben sind meine Frau und meine Kinder“ dürfte die gesetzliche Erbfolge zum Zuge kommen (Stammprinzip), so dass § 2091 BGB keine Anwendung findet4. – Sind ausdrücklich Geschwister verschiedener Kinder eingesetzt, gelten Kopfteile gemäß § 2091 BGB. – Bei namentlicher Nennung gesetzlicher Erben ohne Erbteile gilt ebenfalls § 2091 BGB, nicht § 2066 BGB5.
VIII. Teilweise Einsetzung auf Bruchteile (§ 2092 BGB)
Û
Beratungssituation: Das Testament lautet: „A ist Erbe zu 1/3, B zu ¼, C zu 1/8. D und E erhalten den Rest.“ Erbfolge?
19 Über 17/24 hat der Erblasser verfügt, den Rest, also 7/24, teilen sich gemäß § 2092 BGB D und E hälftig. Wenn die konkret bestimmten Bruchteile 100 % erreichen oder sogar übersteigen, erfolgt, sollten weitere Erben eingesetzt sein, eine verhältnismäßige Rückrechnung gemäß §§ 2092, Abs. 2, 2090 BGB.
IX. Gemeinschaftlicher Erbteil (§ 2093 BGB)
Û
Beratungssituation: Wortlaut des Testaments: „Zu meinen Erben setze ich meine Neffen A, B, C und D ein. A und B erhalten meine Firma, C und D mein Mietshaus.“ Handelt es sich bei den beiden Blöcken um gemeinschaftliche Erbteile?
20 § 2093 BGB regelt nur die Rechtsfolgen eines gemeinschaftlichen Erbteils, nicht, wann ein solcher überhaupt vorliegt. Das muss per Auslegung ermittelt werden. In der Beratungssituation dürfte es sich um solche Bruchteile han1 2 3 4
Soergel/Loritz, § 2091 BGB Rz. 2. Soergel/Loritz, § 2091 BGB Rz. 2. BGH v. 18.2.1959 – V ZR 199/57 (erwähnt bei Soergel/Loritz, § 2091 BGB Rz. 5). RG v. 29.4.1918 – IV 73/18, Warn 18 Nr. 123 (zit. bei Palandt/Edenhofer, § 2091 BGB Rz. 1). 5 KG v. 7.7.1938 – 1 Wx 283/38, JW 1938, 2475; Palandt/Edenhofer, § 2091 BGB Rz. 1.
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Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Rz. 23 B III
deln. Nicht ausreichend sind Formulierungen wie „A, B und C erben ein Drittel“ oder „Meine Nichten erben die Hälfte.“1. Entscheidend ist, ob der Erblasser die betreffenden Erben im Verhältnis zu den übrigen Erben enger miteinander verknüpfen wollte2. Die Rechtsfolgen eines gemeinschaftlichen Erbteils sind folgende:
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– Anwendbarkeit der §§ 2089 bis 2092 BGB, – Anwachsung gemäß § 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB innerhalb der Gruppe, – Ersatzberufung zunächst innerhalb der Gruppe, § 2098 Abs. 2 BGB. Folgende Rechtsfolgen treten nicht ein: – Die Mitglieder des Bruchteils bilden keine
22 Untererbengemeinschaft3.
– Kein Vorkaufsrecht der betreffenden Bruchteilsgemeinschaftserben vor den anderen Miterben (§ 2037 BGB)4. – Keine abweichenden Besonderheiten bei Abstimmungen im Rahmen der Nachlassverwaltung5. – Die Mitglieder des gemeinschaftlichen Erbteils können jeweils nur über ihren eigenen Erbteil verfügen. Umgekehrt kann auch nur dieser ge- oder verpfändet werden6. – Über den Umfang der Haftung (§§ 2059 Abs. 1, 2060 BGB) entscheidet nur der auf den Einzelnen entfallende Bruchteil7.
X. Anwachsung (§§ 2094, 2095 BGB)
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Beratungssituation: Erblasser E, ein Witwer, hat zwei Söhne A und B, mit denen er jedoch zerstritten ist. In seinem Testament setzte er zunächst seine Freunde X, Y und Z zu je einem Drittel zu Erben ein. Später strich er den Namen des Z, ohne sonst eine Änderung vorzunehmen. E stirbt. Wie ist die Erbfolge?
Hier geht es um die Fälle, in denen der Erblasser sämtliche gesetzlichen Erben von der Erbfolge ausgeschlossen und zugleich den gesamten Nachlass anderen Erben zugewendet hat. Fällt nun einer der eingesetzten Erben vor (Tod, Erbverzicht) oder nach dem Erbfall (Ausschlagung, Erbunwürdigkeitserklärung, Anfechtung, etc.) weg, findet Anwachsung gemäß § 2094 BGB statt, das heißt: Der frei gewordene Erbteil geht nicht an die gesetzlichen Erben, sondern an 1 2 3 4
Soergel/Loritz, § 2093 BGB Rz. 2. BayObLG v. 31.5.1976 – BReg. 1 Z 32/76, MDR 1976, 933. Soergel/Loritz, § 2093 BGB Rz. 1. Soergel/Loritz, § 2093 BGB Rz. 4; MüKo/Skibbe, § 2093 BGB Rz. 3; a.A. Lange/Kuchinke, § 25 III. 5 MüKo/Skibbe, § 2093 BGB Rz. 3. 6 Soergel/Loritz, § 2093 BGB Rz. 4. 7 Soergel/Loritz, § 2093 BGB Rz. 4.
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B III Rz. 24
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
die übrigen Testamentserben im Verhältnis ihrer Quoten. Das Gesetz unterstellt, dass dies dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht. Daraus folgt zugleich, dass die Anwachsung nicht stattfindet, wenn dem Testament ein entgegenstehender Wille zu entnehmen ist oder wenn der Erblasser, was er gemäß § 2095 Abs. 3 BGB tun kann, die Anwachsung per letztwilliger Verfügung sogar ausgeschlossen hat. Bei gemeinschaftlichem Erbteil gilt die Besonderheit des § 2094 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. auch § 2094 Abs. 2 BGB). 24 Anwachsung findet nicht statt: – wenn der Erblasser die Einsetzung einzelner Erben selber widerrufen hat (Beratungssituation), Grund: Es dürfte am Willen fehlen, abschließend zu verfügen,1 – wenn die Erbeinsetzung von Anfang an nichtig war,2 – bei Einsetzung von Ersatzerben (§ 2099 BGB), – beim Wegfall von berufenen Abkömmlingen gemäß § 2069 BGB, – beim Tod des Nacherben nach dem Erbfall (die Vererblichkeit des Nacherbenrechts ist vorrangig gegenüber der Anwachsung3). 25 Fällt ein Vorerbe weg, bedarf es der Auslegung des Erblasserwillens. Drei Alternativen stehen zur Verfügung: Anwachsung unter den übrigen Vorerben, Übergang auf den Nacherben als Ersatzerbe (§ 2102 Abs. 1 BGB), Vererbung der Vorerbschaft auf die Erben des Vorerben.4 26
Rechtsnatur des angewachsenen Erbteils: Er bildet mit dem ursprünglichen eine Einheit. Ausnahme: § 2095 BGB.
XI. Die Ersatzerbschaft (§ 2096 BGB) 1. Regelung unverzichtbar 27 Nicht selten lebt der eingesetzte Erbe beim Tod des Erblassers nicht mehr. Beispiel: Vater und Sohn verunglücken zusammen. Der Sohn, der Erbe werden sollte, stirbt eine Stunde vor dem Vater. Der Wunscherbe kann aber auch nach dem Erbfall wegfallen, z.B. durch Ausschlagung, Erbunwürdigkeitserklärung oder Anfechtung. Schließlich erfolgt ein Wegfall bei Nichtigkeit oder Widerruf der Erbeinsetzung5. Es bedeutet einen schweren Beratungsfehler, wenn der Mandant nicht auf die Möglichkeit der Ersatzerbenregelung (Gleiches gilt für den Ersatzvermächtnisnehmer, § 2190 BGB) hingewiesen wird.
1 BayObLG v. 30.9.1992 – BReg. 1 Z 72/91, FamRZ 1993, 736. 2 Palandt/Edenhofer, § 2094 BGB Rz. 2; a.A. KG v. 7.5.1956 – 1 W 871/56, NJW 1956, 1523. 3 Palandt/Edenhofer, § 2094 BGB Rz. 5. 4 Palandt/Edenhofer, § 2094 BGB Rz. 5. 5 Im Gegensatz zur Anwachsung tritt in diesen Fällen Ersatzerbfolge ein, vgl. Palandt/ Edenhofer, § 2096 BGB Rz. 2.
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Groll
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Rz. 28 B III
Denn bei Wegfall des auserkorenen Erben könnte der Nachlass gemäß den §§ 2069, 2094, 2102 BGB einen vom Willen des Erblassers vollkommen abweichenden Weg nehmen. Also: Keine letztwillige Verfügung ohne Ersatzerbenregelung (insbesondere bei Nacherbschaft nicht)! Die Formulierung ist einfach:
Formulierungsvorschlag Hiermit setze ich meinen Neffen Kevin zu meinem Alleinerben ein, ersatzweise meinen Neffen Robin.
2. Zweifelsfälle aus der Praxis Bei richtiger Wortwahl könnte alles so einfach sein. Da sie jedoch häufig vernachlässigt wird, finden sich in vielen letztwilligen Verfügungen höchst unklare Regelungen: – Oft ist es zweifelhaft, ob der eingesetzte Nacherbe auch Ersatzerbe sein soll. Ist der Erblasserwille nicht zu ermitteln, bejaht § 2102 Abs. 1 BGB diese Frage. – Bleiben Zweifel, ob der Erblasser den Bedachten zum Ersatzerben oder Nacherben einsetzen wollte, entscheidet dies § 2102 Abs. 2 BGB zugunsten der Ersatzerbschaft. – Ist nicht feststellbar, ob der Erblasser Nacherbfolge wollte, bedeutet Einsetzung als Ersatzerbe nicht zugleich diejenige als Nacherbe1. Wollte der Erblasser Nacherbschaft, schließt die Verwendung des Begriffs „Ersatzerbe“ Nacherbfolge nicht aus2. – Hat der Erbe die Erbschaft allgemein angenommen, umfasst dies Nacherbfolge und Ersatzerbfolge, denn auch die Nacherbschaft kann schon vor Eintritt des Nacherbfalls angenommen (im Übrigen gem. § 2142 BGB auch ausgeschlagen) werden3. – Wurde der Erbe unter einer Bedingung eingesetzt, spricht dies für Nacherbschaft4.
1 RG v. 4.1.1932 – IV 284/31, HRR 32 Nr. 1055; vgl. dazu auch OLG Hamm v. 11.12.2006 – 15 W 94/06, ZErb 2007, 191, wo Ersatz-, nicht Nacherbeneinsetzung angenommen wird (Testament: „Sollte meine Frau ebenfalls sterben, so gilt Folgendes“). 2 BGH v. 23.4.1951 – IV ZR 17/51, LM Nr. 1 zu § 2096 BGB. 3 RG v. 9.11.1912 – IV 187/12, RGZ 80, 377, 382; BayObLG v. 10.8.1992 – BReg. 1 Z 43/61, BayObLGZ 62, 239. 4 Palandt/Edenhofer, § 2102 BGB Rz. 2; vgl. dazu auch OLG Hamm v. 9.7.2007 – 15 W 125/07, NJW-Spezial 2008, 40.
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B III Rz. 28
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
– Steht die Ersatzerbschaft selbst unter einer Bedingung, findet § 2096 BGB keine Anwendung1. – Bei Einsetzung einer zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch nicht gezeugten Person kann es sich nur um Nacherbschaft handeln, §§ 1923, 2101 Abs. 1, 2106 Abs. 2 BGB. – Hat der Erblasser nicht ausdrücklich Ersatzerbfolge verfügt, kann sie sich nach allgemeiner Auffassung dennoch per Auslegung ergeben, z.B. wenn er eine ihm besonders nahe Person eingesetzt hat und davon auszugehen ist, dass er etwa deren Abkömmlinge zu Erben bestimmt hätte, wenn ihm der Gedanke gekommen wäre, der von ihm benannte Erbe könnte wegfallen2. Dies darf jedoch nur gelten, wenn an einem solchen Willen des Erblassers nicht der geringste Zweifel besteht und dieser Wille überzeugenden Ausdruck gefunden hat. – Hat der Erblasser einen Ersatzerben bestimmt, der nicht Abkömmling ist, genießt diese Bestimmung gegenüber der Rechtsfolge des § 2069 BGB Vorrang3. – In einem Fall hat das LG Erfurt mit Blick auf das nunmehr geschaffene „kleine Sorgerecht“ die Vermutung des § 2069 BGB auf den Stiefsohn des Ehegatten ausgedehnt.4 – Auch bei unverheirateten Paaren können Abkömmlinge des Lebensgefährten als Ersatzerben gewollt sein5, nicht aber Abkömmlinge naher Verwandter6. – Abkömmlinge von zu Erben eingesetzten, aber vorverstorbenen Geschwistern können Ersatzerben sein.7 – Abkömmlinge von zu Erben eingesetzten, vorverstorbenen Geschwistern sind nicht Ersatzerben, wenn zugleich Geschwister des vorverstorbenen Ehegatten zu Erben eingesetzt waren.8 – § 2270 Abs. 2 BGB gilt nur dann für einen Ersatz-Schlusserben, wenn der Wille der Eheleute auf seine Einsetzung gerichtet war.9
1 Palandt/Edenhofer, § 2096 BGB Rz. 2. 2 BayObLG v. 16.5.1988 – BReg. 1 Z 47/87, NJW 1988, 2744; Soergel/Loritz, § 2096 BGB Rz. 4; Palandt/Edenhofer, § 2096 BGB Rz. 1. 3 So auch MüKo/Schlichting, § 2096 BGB Rz. 8; a.A. Erman/Schmidt, § 2096 BGB Rz. 3; auf die Umstände des Einzelfalls stellen ab BayObLG v. 30.9.1993 – 1 Z BReg. 9/93, BayObLGZ 93, 335; Palandt/Edenhofer, § 2096 BGB Rz. 4. 4 LG Erfurt v. 22.10.1999 – 7 T 112/99, FamRZ 2000, 1187. 5 BayObLG v. 25.8.2000 – 1 Z BR 15/00, FamRZ 2001, 516; ZEV 2001, 151; BayObLG v. 4.8.2004 – 1 Z BR 044/04, OLGReport 2005, 90. 6 OLG München v. 6.7.2006 – 31 Wx 35/06, ZEV 2007, 93. 7 BayObLG v. 8.8.2003 – 1 Z BR 16/03, Erbfolgebesteuerung 2004, 109. 8 BayObLG v. 15.11.2000 – 1 Z BR 116/00, FamRZ 2001, 515, ZEV 2001, 152. 9 BGH v. 16.1.2002 – IV ZB 20/01, ZEV 2002, 150 (mit teilweise ablehnender Anm. von Otte), abweichend von BGH v. 22.9.1982 – IVa ZR 26/81, NJW 1983, 277 und BGH v. 28.3.2001 – IV ZR 245/99, ZEV 2001, 237; wie die erstgenannte BGH-Ent-
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Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Rz. 29 B III
– Die Erbeinsetzung des nichtehelichen Sohnes des Ehemanns der Erblasserin kann dahin auszulegen sein, dass im Falle des Vorversterbens des Bedachten dessen Abkömmlinge Ersatzerben sein sollen.1
3. Die Rechtsstellung des Ersatzerben Welche Rechte besitzt der Ersatzerbe? Vier Stufen sind zu unterscheiden: – Vor dem Erbfall und vor Wegfall des Erstberufenen: Keine Rechte, da es sich nur um eine hilfsweise Berufung handelt2. – Vor dem Erbfall, aber nach dem Wegfall des Erstberufenen (der vor dem Erblasser sterben kann): ebenfalls keine Rechte (Begründung wie in der ersten Stufe). – Nach dem Erbfall, aber vor dem Wegfall des Erstberufenen (der den Erblasser überlebt hat): Der Ersatzerbe erwirbt ein Anwartschaftsrecht, das, wenn kein entgegenstehender Wille des Erblassers vorhanden ist, vererbt und übertragen werden kann3. Der Ersatzerbe muss also den Tod des Erblassers erleben, mindestens bereits gezeugt sein. Ein Recht, auf den Nachlass Einfluss zu nehmen, besteht noch nicht. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft sind jedoch schon möglich4, auch ist der Ersatzerbe schon anfechtungsberechtigt (§ 2080 BGB)5. Der Zuwendungsverzicht gemäß § 2352 BGB erfasst den ausdrücklich genannten Ersatzerben nicht,6 selbst wenn der Verzichtende für sein Erbrecht eine Abfindung erhalten hat. Er wird nicht in den Erbschein aufgenommen, es sei denn, er ist Ersatznacherbe7. – Nach dem Erbfall und nach Wegfall des Erstberufenen: Der Ersatzerbe wird unmittelbarer Rechtsnachfolger des Erblassers, auch bei Wegfall des zunächst eingesetzten Erben erst nach dem Tod des Erblassers, etwa durch Ausschlagung. Das Erbe wird rückwirkend auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers angetreten. Der Ersatzerbe ist also nicht Nachfolger des Erstberufenen, der nie Erbe gewesen sein darf. Im Grundsatz, d.h., wenn der Erblasser nichts Anderes bestimmt hat, tritt der Ersatzerbe in die für den Erstberufenen vorgesehene Erbenposition ein. Das bedingt die Übernahme aller Rechte des Erstberufenen, aber auch aller Pflichten, als da sind:
1 2 3
4 5 6 7
scheidung auch BayObLG v. 9.1.2004 – 1 Z BR 95/03, OLGReport 2004, 173 sowie OLG Hamm v. 7.10.2003 – 15 W 78/03, ZErb 2004, 171. BayObLG v. 4.8.2004 – 1 Z BR 44/04, Leitsatz abgedruckt in ZEV 2004, VI. BGH v. 25.9.1963 – V ZR 140/61, BGHZ 40, 115. BayObLG v. 20.10.1960 – BReg. 1 Z 213/59, BayObLGZ 60, 407, 410; Palandt/Edenhofer, § 2096 BGB Rz. 7; a.A. OLG Hamm v. 3.4.1970 – 15 W 496/69, NJW 1970, 1606. RG v. 9.11.1912 – IV 187/12, RGZ 80, 377, 382; MüKo/Schlichting, § 2096 BGB Rz. 10. MüKo/Schlichting, § 2096 BGB Rz. 10. MüKo/Schlichting, § 2096 BGB Rz. 10 und § 2352 BGB Rz. 13. BayObLG v. 20.10.1960 – BReg. 1 Z 213/59, BayObLGZ 60, 407, 410.
Groll 279
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B III Rz. 30
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
– Erfüllung von Vermächtnissen und Auflagen – Erfüllung von Pflichtteilen und Ausgleichspflichten gem. § 2051 Abs. 2 BGB – Bindung an Teilungsanordnungen
Û
Beratungssituation: Das Testament hat folgenden Wortlaut: „Hiermit setze ich meine Söhne A und B zu meinen Erben zu je ½ ein. Ersatzerbin ist jeweils meine Nichte Christine. B erhält als Vorausvermächtnis mein Klavier.“ Der Erblasser stirbt, B schlägt aus. Christine begehrt das Klavier allein für sich. A, mit dem sie nun eine Erbengemeinschaft bildet, verweigert dies mit der Begründung, sie spiele im Gegensatz zu B kein Klavier, der Erblasser hätte es ihr daher niemals zukommen lassen wollen. Wem steht das Klavier zu?
Ansprüche aus Vermächtnissen gehen nicht ohne weiteres auf den Ersatzerben über. Die Entscheidung hängt vielmehr vom Erblasserwillen ab. Das bedeutet für die Beratungssituation wohl, dass die Ersatzerbin keinen Anspruch auf das Klavier besitzt. Lässt sich der Wille des Erblassers nicht ermitteln, erhält der Ersatzerbe das Vorausvermächtnis, da er im Grundsatz dieselbe Position einnimmt wie der Erstberufene. Der Ehegattenvoraus steht dem Ersatzerben nicht zu1.
4. Die Ersatzerbschaft als Gestaltungsmittel 30 Nie wird der Wille des Menschen ernster genommen, als wenn es um seinen „Letzten Willen“ geht. Deshalb sollte man die Chance nutzen. Mit einer klugen letztwilligen Verfügung kann man vor allem folgende Ziele verwirklichen: Schutz des Vermögens, gerechte Verteilung, juristische Unanfechtbarkeit, Friedenstiftung und Steuerersparnis. Einige dieser Ziele können verfehlt werden, wenn der Nachlass an die falschen Personen geht. Das kann jedoch geschehen, wenn ein eingesetzter oder gesetzlicher Erbe vor oder nach dem Tod des Erblassers wegfällt. Hier liefert das Recht mit der Ersatzerbschaft ein taugliches Instrument, den Nachlass in die richtige Richtung zu lenken bzw. unliebsame Vermögensnachfolger auszuschließen. 31 An folgende Gestaltungsmöglichkeiten ist zu denken: Will der Erblasser z.B. seinen Sohn A zum Alleinerben einsetzen, auf jeden Fall aber vermeiden, dass dessen Sohn B anstelle des A erbt, so besteht wegen § 2069 BGB (B wäre Ersatzerbe) dringender Handlungsbedarf. Das Testament könnte lauten:
1 MüKo/Schlichting, § 2096 BGB Rz. 11; Palandt/Edenhofer, § 2096 BGB Rz. 8; RGRK/ Johannsen, § 2096 BGB Rz. 11. Alle hier genannten Autoren lassen jedoch Ausnahmen zu.
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Groll
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Rz. 35 B III
Formulierungsvorschlag Zu meinem Alleinerben setze ich meinen Sohn A ein. Ersatzerbe für A ist meine Schwester Ruth.
Möglich ist auch die Einsetzung mehrerer Ersatzerben nebeneinander:
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Formulierungsvorschlag Hiermit setze ich meinen Bruder Peter zu meinem Alleinerben ein, ersatzweise meine Nichten Verena und Andrea.
In diesem Fall wären die Nichten gemeinschaftliche Ersatzerbinnen und zwar, da nichts Gegenteiliges erkennbar ist, zu gleichen Teilen (§ 2091 BGB). Die Ersatzerben können auch nacheinander eingesetzt sein, so dass der zuletzt genannte Ersatzerbe nur zum Zuge kommt, wenn der zunächst berufene Ersatzerbe wegfällt:
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Formulierungsvorschlag Zu meinem Alleinerben setze ich meinen Bruder Peter ein, ersatzweise meine Cousine Isolde, wiederum ersatzweise meine Schwägerin Helga.
Helga wird nur dann Erbin, wenn sowohl Peter als auch Isolde wegfallen. Gelegentlich findet sich folgende Formulierung:
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Formulierungsvorschlag Ersatzerben sind die Ehefrauen oder die Kinder.
Hier hätte man sich mehr Klarheit gewünscht, es dürften aber primär die Ehefrauen und erst bei deren Wegfall die Kinder Ersatzerben sein.1 In der Bestimmung der Person des Ersatzerben ist der Erblasser frei. Ersatzerben können sein ein Miterbe, ein gesetzlicher Erbe oder ein beliebiger Dritter. 1 BayObLG v. 26.1.1999 – BReg. 1 Z 44/98, ZEV 1999, 226, 229.
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B III Rz. 36
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
36 Der Ersatzerbe kann auch nur auf einen Bruchteil des Nachlasses berufen sein:
Formulierungsvorschlag Hiermit setze ich meine Mutter Rosemarie zu meiner Alleinerbin ein. Ersatzerbin zu ½ ist meine Schwester Christine, im Übrigen gilt gesetzliche Erbfolge.
37 Der Erblasser kann auch für mehrere Miterben einen Ersatzerben bestellen: „Zu meinen Erben setze ich ein meine Freunde Wolfgang, Gustav und Giacomo zu gleichen Teilen. Zum Ersatzerben bestimme ich meinen Vetter Richard.“ Der Erblasser hätte präziser formulieren sollen, denn es ist offen, ob zunächst Anwachsung unter den drei Erstberufenen erfolgen soll (mit der Folge, dass alle drei weggefallen sein müssen, bevor Richard erbt) oder ob Richard bereits Ersatzerbe für den erstwegfallenden Erben wird. Gibt es für den Erblasserwillen keine konkreten Anhaltspunkte, dürfte (ganz abgesehen vom Grundgedanken des § 2099 BGB) Letzteres gelten, weil der Erblasser im Normalfall nicht davon ausgegangen sein wird, dass alle drei Erstberufenen nicht zum Zuge kommen1. 38 Weitere Gestaltungsmöglichkeit ist die, dass der Erblasser die Rechtsposition des Ersatzerben gegenüber der des Erstberufenen verbessern oder verschlechtern kann, auch über die in Rz. 36 geschilderte Möglichkeit hinaus, wo er den Ersatzerben nur einen geringeren Erbteil zukommen ließ. Beispiel für Verschlechterung: „Zu meiner Alleinerbin setze ich meine Tochter Charlotte ein, ersatzweise meinen Onkel Walter. Wird Walter Erbe, belaste ich ihn mit einem Barvermächtnis zugunsten der Klinik X in Höhe von 5000 Euro.“ Erstes Beispiel für Verbesserung: „Zu meinem Alleinerben setze ich meine Tante Eva ein. Ich beschwere sie mit einem Barvermächtnis zugunsten meiner Schwester Waltraud in Höhe von 3000 Euro. Ersatzerbin ist meine Nichte Friederike. Wird sie Erbin, entfällt das vorgenannte Vermächtnis.“ Zweites Beispiel für Verbesserung: „Zu meinen Erben setze ich meine Söhne Klaus und Peter je zur Hälfte ein. Im Wege der Teilungsanordnung bestimme ich, dass Klaus meine Eigentumswohnung in Weilheim erhält, Peter diejenige in Rosenheim. Ersatzerbe jeweils für Klaus und Peter ist mein Bruder Fritz. Wird er Erbe anstelle einer meiner Söhne, entfällt die Teilungsanordnung.“ 39 Der Berater muss mit dem Mandanten besprechen, ob Ersatzerbschaft wirklich für jeden Wegfallsgrund gelten soll, sie kann nämlich auch auf bestimmte
1 So auch Schopp, MDR 1978, 10.
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Groll
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
Rz. 41 B III
Fälle oder nur einen einzigen Fall beschränkt sein, was ggf. per Auslegung zu ermitteln ist. So kann Ausschluss der Ersatzerbschaft z.B. gewollt sein, wenn ein Nacherbe die Erbschaft ausschlägt und den Pflichtteil verlangt und als Ersatznacherben die Abkömmlinge dieses Nacherben berufen waren. Teilweise wird angenommen, dass es zur Ersatzerbschaft nur bei Pflichtteilsverzicht des Erstberufenen komme, weil sonst der Stamm eine ungerechtfertigte Bevorzugung erführe. Gleiches gelte, wenn sich der Nacherbe den Verzicht auf den Erbteil abfinden lasse1. Andere bejahen auch in einem solchen Fall den Eintritt der Ersatzerbfolge2. Die Unklarheiten zeigen, wie gründlich der Erblasser die Vermögensnachfolge planen und wie viele Eventualitäten er berücksichtigen muss.
5. Auslegungsregeln (§§ 2097 ff. BGB) Der Erblasser kann die Ersatzerbschaft auf bestimmte Wegfallgründe beschränken. Hat er dies getan, ohne dass klar ist, ob er eine solche Beschränkung wirklich wollte, kommt es gemäß § 2097 BGB zur Ersatzerbschaft auch bei Vorliegen der nicht ausdrücklich von ihm genannten Wegfallgründe. Hat also z.B. der Erblasser bestimmt, dass B Ersatzerbe wird, wenn der erstberufene Erbe A vorverstirbt, unterstellt das Gesetz, dass der Erblasser den B auch dann zum Ersatzerben bestimmen wollte, wenn A die Erbschaft ausschlägt, § 2097 BGB.
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Eine weitere Auslegungsregel enthält § 2098 BGB:
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Beratungssituation: Laut Testament wurden A zu ½, B zu 1/3 und C zu 1/6 zu Erben eingesetzt. Zugleich wurde bestimmt, dass alle gegenseitig Ersatzerben sein sollen.
oder:
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Beratungssituation: Der Erblasser bestimmt in seinem Testament A, B und C zu Erben mit den Quoten gemäß der vorigen Beratungssituation. Zugleich ordnet er an, dass, sollte A (und nur er) wegfallen, B und C an seine Stelle als Ersatzerben treten.
In beiden Beratungssituationen richten sich die Ersatzerbenquoten gem. § 2098 BGB nach dem Verhältnis ihrer Erbteile, nicht dagegen erben die Bedachten gem. § 2091 BGB zu gleichen Teilen. Wenn der Erblasser mehrere Erben gegenseitig als Ersatzerben einsetzt und zugleich bestimmt, dass einige von ihnen einen gemeinschaftlichen Erbteil erhalten, dann gehen letztere in Bezug auf diesen Erbteil den anderen als Ersatzerben vor, § 2098 Abs. 2 BGB. Bestimmt der Erblasser einen Ersatzerben, schließt er damit, was er gemäß § 2094 Abs. 3 BGB darf, die Anwachsung aus, § 2099 BGB. Sie ist auch aus1 Soergel/Loritz, § 2096 BGB Rz. 9. 2 Staudinger/Otte, § 2096 BGB Rz. 7.
Groll 283
B III Rz. 41
Erbeinsetzung und Ersatzerbschaft
geschlossen im Falle der Ersatzerbfolge des § 2069 BGB, es sei denn, der Erblasser hat die Folge des § 2069 BGB ausgeschlossen. Nur wenn auch der Ersatzerbe wegfällt, findet Anwachsung statt.
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Groll
IV. Die Vor- und Nacherbschaft Schrifttum: Bengel, Die Pflichtteilsproblematik beim Tod des Nacherben vor Eintritt des Nacherbfalls, ZEV 2000, 388; Coing, Die unvollständige Regelung der Nacherbfolge, NJW 1975, 521; Custodis, Zur Berechtigung des Vorerben, über Gesamtgutsgegenstände zu verfügen, in: Notar und Rechtsgestaltung. Jubiläums-Festschrift des Rheinischen Notariats (1998), 163; Damrau, Beweisprobleme bei Vor- und Nacherbschaft, ZERB 2003, 281; Damrau, Der Zeitpunkt des Nacherbfalls, wenn der Vorerbe wegfällt und der Nacherbe noch nicht geboren ist, ZEV 2004, 19; Diederichsen, Ersatzerbfolge oder Nacherbfolge, NJW 1965, 671; Dillmann, Verfügungen während der Vorerbschaft, RNotZ 2002, 1; Dumoulin, Nacherbenzustimmung zur Grundstücksüberlassung vom Vorerben an Nacherben, DNotZ 2003, 571; Edenfeld, Lebenslange Bindungen im Erbrecht?, DNotZ 2003, 4; Edenfeld, Auslegungsprobleme bei Wünschen des Erblassers: Erbenbindung oder moralischer Appell?, ZEV 2004, 141; Harder, Unentgeltliche Verfügungen und ordnungsgemäße Nachlassverwaltung des Vorerben, DNotZ 1994, 822; Hartmann, Das sog Behindertentestament – Vor- und Nacherbschaftskonstruktion oder Vermächtnisvariante?, ZEV 2001, 89; Hartmann, Das Vorvermächtnis mit Vorerbschaftswirkung, ZEV 2007, 458; Heeg, Alternativen zur Nacherbeneinsetzung: Ist die erbrechtliche Auflage ein geeignetes Instrument zur Erbschaft(steuer)planung?, DStR 2007, 89; Heider, Die Befugnis des Vorerben zu unentgeltlichen Verfügungen über Nachlassgegenstände, ZEV 1995, 1; Jülicher, Erbschaftsteuerliche Gestaltungsüberlegungen im Vergleich: Vorerbschaft und Nacherbschaft bzw. -vermächtnis und Weiterleitungsklauseln zugunsten Dritter . . ., ZEV 2003, 350; Kanzleiter, Ermächtigung des Vorerben zu Schenkungen aus dem Nachlass?, in: Festschrift für Schippel (1996), 287; Keim, Erbauseinandersetzung zwischen Vor- und Nacherben durch Freigabe aus der Nacherbenbindung?, DNotZ 2003, 822; Keim, Die Vollmacht über den Tod hinaus bei Vor- und Nacherbschaft, DNotZ 2008, 175; Ludwig, Gegenständliche Nachlassspaltung bei Vor- und Nacherbschaft, DNotZ 2001, 102; Mayer, Der superbefreite Vorerbe? – Möglichkeiten und Grenzen der Befreiung des Vorerben, ZEV 2000, 1; Meincke, Rechtsgestaltung zwischen Vorerbfall und Nacherbfall, Festschrift Klaus Korn (2005), 573; Michalski, Die Vor- und Nacherbschaft in einen OHG (KG)- und GmbH-Anteil, DB 1987 Beilage 16; Musielak, Zur Vererblichkeit des Anwartschaftsrechts eines Nacherben, ZEV 1995, 5; Najdecki, Teilungsversteigerung bei Vor- und Nacherbschaft, DNotZ 2007, 643; Reimann, Die vorweggenommene Nacherbfolge, DNotZ 2007, 579; Ricken, Die Verfügungsbefugnis des nicht befreiten Vorerben, AcP 202 (2002), 465; Sarres, Auskunftspflichten bei Vor- und Nacherbschaft, ZEV 2004, 56; Schneider, Vor- und Nacherbschaft im Steuerrecht, ErbBstg 2006, 54; Seifert, Vor- und Nacherben bei der Erbschaftsteuer, BB 1965, 200; Werkmüller, Bankrechtliche Probleme der Vor- und Nacherbschaft, ZEV 2004, 276.
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anordnung der Vor- und Nacherbschaft durch Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendiger Inhalt der Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . 2. Die Gestaltungsfreiheit des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
6 7 12
Rz. a) Stärkung der Rechte des Voroder Nacherben . . . . . . . . . . . b) Staffelung der Nacherbfolge c) Einsatz von Bedingungen und Befristungen . . . . . . . . . . d) Ausschöpfung des zeitlichen Rahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auslegung der Verfügung von Todes wegen. . . . . . . . . . . . .
Edenfeld
13 14 16 19 22
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B IV Rz. 1
Vor- und Nacherbschaft Rz.
a) Ermittlung des Erblasserwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Auslegungsregeln für die Vor- und Nacherbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Stellung des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfügung über Nachlassgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfügungsbeschränkungen bei Grundstücken (§ 2113 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . b) Verfügungsbeschränkungen bei Schenkungen (§ 2113 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . c) Schutz des guten Glaubens (§ 2113 Abs. 3 BGB) . . . . . . . . d) Verfügungsbeschränkungen bei Grundstücksrechten (§ 2114 BGB) . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwaltung des Nachlasses . . . . a) Recht und Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung . b) Nutzungen und Erhaltungskosten der Erbschaft. . . . . . . .
23
30 40 41
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66 67 68 73
c) Prozessführung des Vorerben d) Haftung des Vorerben . . . . . . 3. Der befreite Vorerbe . . . . . . . . . . III. Rechtsposition des Nacherben . 1. Stellung des Nacherben während der Dauer der Vorerbschaft a) Das Anwartschaftsrecht des Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechte gegenüber dem Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellung des Ersatznacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellung des Nacherben bei Eintritt des Nacherbfalls . . . . . . a) Wirkungen der Nacherbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenstand der Nacherbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechte des Nacherben gegenüber dem Vorerben . . . . . d) Schutz des Nacherben vor den Eigengläubigern des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 75 79 81 85 86 87 99 106 111 112 119 124
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IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . 132
Vorbemerkung 1 Nach § 2100 BGB kann der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe wird, nachdem ein anderer Erbe geworden ist (Nacherbe). Mit dem Erbfall fällt die Erbschaft zunächst dem Vorerben an. Erst mit einem vom Erblasser letztwillig vorgesehenen Ereignis (im Zweifel dem Tod des Vorerben, § 2106 Abs. 1 BGB) tritt der Nacherbfall ein. Der Vorerbe hört auf, Erbe zu sein, und die Erbschaft fällt dem Nacherben an, § 2139 BGB. Das entscheidende Merkmal der Vor- und Nacherbschaft ist den an der Testamentserrichtung Beteiligten nicht immer geläufig: Vor- und Nacherbe beerben beide, wenn auch zeitlich nacheinander, den Erblasser1. Der Nacherbe ist Erbe und Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht etwa des Vorerben. Nur erbschaftsteuerrechtlich wird der Nacherbe im Grundsatz so behandelt, als stamme das Vermögen vom Vorerben, § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG. Jeder von ihnen hat ein ungeteiltes, zeitlich beschränktes Erbrecht. Sie sind keine Miterben im Sinne der §§ 2032 ff. BGB. Der Verstorbene wird nicht von mehreren gleichzeitig, sondern nacheinander beerbt. Auch unter mehreren Nacherben besteht vor dem Nacherbfall keine Erbengemein-
1 Allgemeine Meinung: Erman/Schmidt, § 2100 Rz. 8; Palandt/Edenhofer, § 2100 Rz. 10.
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Edenfeld
Vor- und Nacherbschaft
Rz. 3 B IV
schaft. Sind mehrere Personen gleichzeitig zu Vorerben berufen, sind sie bis zum Nacherbfall Miterben. Die beteiligten Nachlässe sind streng zu trennen:
Û
Beratungssituation: Der Erblasser hat seine Ehefrau testamentarisch zur Vorerbin und die gemeinsamen Kinder zu Nacherben eingesetzt. Der Nacherbfall soll mit dem Ableben der Frau eintreten. Die Ehefrau hat keine Verfügung von Todes wegen errichtet. Wenige Monate nach dem Tod des Mannes verstirbt auch die Frau. Die Kinder fragen, wie sie ihre Eltern beerbt haben.
Mit dem Tod des Mannes ist die Ehefrau seine alleinige Vorerbin geworden, mit ihrem Ableben der Nacherbfall eingetreten, § 2139 BGB. Die Kinder haben den Vater und nicht etwa ihre Mutter als Vorerbin beerbt. Dieser Erbgang betrifft freilich nur den Nachlass des Mannes. Die Kinder haben kraft gesetzlicher Erbfolge auch ihre Mutter beerbt, §§ 1924 Abs. 1, 1930 BGB. Mit dem Tod der Frau erben sie gleichzeitig kraft gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge. Sie sind sowohl Nacherben ihres Vaters als auch Vollerben ihrer Mutter. Es handelt sich um zwei verschiedene Nachlässe. Sie sind gesondert zu verwalten, auseinander zu setzen (§ 2042 BGB) und zu versteuern (§ 6 Abs. 2 S. 3 ErbStG). Es werden nicht ein, sondern zwei Erbscheine erteilt: Einer nach dem Mann und einer nach der Frau. Die Vor- und Nacherbschaft gewinnt vor allem beim gemeinschaftlichen Tes- 2 tament (§§ 2265 ff. BGB) praktische Bedeutung (dazu im Kapitel „Gemeinschaftliches Testament“ unter Rz. 42 ff., 86 ff.). Nach der Trennungslösung setzen sich die Eheleute gegenseitig zu Vorerben und den Dritten zum Nacherben ein. Mit dem Tod des ersten Ehegatten wird der Überlebende nicht Vollerbe, sondern nur Vorerbe. Der Dritte – zumeist die gemeinsamen Kinder – wird Nacherbe und zugleich Ersatzerbe des Überlebenden. Der Nachlass des erstversterbenden Ehegatten verschmilzt nicht mit dem Vermögen des überlebenden Ehepartners. Der Überlebende wird zwar Eigentümer der Nachlassgegenstände, vererbt sie aber nicht selbst. Tritt mit dem Tod des überlebenden Ehegatten der Nacherbfall ein, erhalten die Kinder nicht eine, sondern zwei Vermögensmassen: Das Vermögen des erstverstorbenen Ehegatten erwerben sie als Nacherben, das des zuletzt Versterbenden als Vollerben. Der Nachlass der Eheleute wird nicht einheitlich übertragen, sondern aufgespaltet. Anders als nach dem Einheitsprinzip (§ 2269 Abs. 1 BGB) wird nicht nur der längerlebende Ehegatte beerbt, sondern auch der Erstverstorbene im Rahmen der Nacherbschaft. Für die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft können gute Gründe bestehen: – Der Erblasser erreicht, dass sein Vermögen zunächst dem Vorerben (z.B. seinem Ehegatten) zugewendet wird und dieser daraus Nutzungen ziehen kann, ohne die Substanz anzugreifen. Die Rechtsstellung des Vorerben ähnelt, obwohl er bis zum Nacherbfall Eigentümer der Nachlassgegenstände wird, der eines Erbschafts-Nießbrauchers (§ 1089 BGB). Die Vorerbschaft ermöglicht eine wirtschaftliche Absicherung auf (Lebens-)Zeit. Die VersorEdenfeld
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B IV Rz. 4
Vor- und Nacherbschaft
gung des überlebenden Ehegatten ist das in der Praxis oft ausschlaggebende Motiv. – Ist der vorgesehene endgültige Rechtsnachfolger zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht erzeugt, kann er nicht Erbe sein, § 1923 BGB. Er kann jedoch als Nacherbe eingesetzt werden, § 2101 Abs. 1 BGB. Ist der Nacherbe schon erzeugt, aber noch nicht zur Vermögensverwaltung in der Lage, kann er auf Zeit von der Erbschaft fern gehalten werden. Der Vorerbe fungiert für ihn wie ein Verwaltungstestamentsvollstrecker, §§ 2205, 2209 BGB. Entsprechendes gilt, wenn der vorgesehene Erbe zeitlich befristet (bis zum Erreichen eines bestimmten Alters, Berufsabschluss) vom Nachlass ferngehalten werden soll. – Der Erblasser stellt sicher, dass der Nachlass möglichst ungeschmälert mit einem bestimmten Ereignis (Tod oder Wiederheirat des Vorerben, Studienabschluss des Nacherben, Unternehmensnachfolge) seinen weiteren (Nach-)Erben zufällt. Alles, was der Vorerbe aufgrund eines zur Erbschaft gehörenden Rechts oder als Ersatz für einen Erbschaftsgegenstand kraft Gesetzes oder mit Mitteln des Nachlasses durch Rechtsgeschäft erwirbt, bleibt dem Nacherben erhalten. Es fällt als Surrogat in den Nachlass, § 2111 BGB. Der Vorerbe ist zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung verpflichtet (§§ 2116 ff. BGB) und in seiner Dispositionsbefugnis beschränkt, §§ 2112 ff. BGB. Bei überschuldetem Vorerben ist der Nachlass gegen dessen Eigengläubiger geschützt, § 2115 BGB. Das Vermögen kann in den zeitlichen Grenzen des § 2109 BGB in der Familie zusammengehalten werden. 4 Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft hat auch Nachteile: – Sie ist ein kompliziertes Rechtsinstitut. Die Trennung der Vermögensmassen ist juristischen Laien schwer vermittelbar und kann während der Dauer der Vorerbschaft zu verwaltungstechnischen Problemen führen. – Die mit der Vorerbschaft verbundenen Verfügungsbeschränkungen des Vorerben (§§ 2112 ff. BGB) und Kontrollrechte des Nacherben stellen eine erhebliche Belastung für den Vorerben dar. Die verbindliche Festlegung des Nacherben verhindert, dass der Vorerbe auf nachträgliche Veränderungen reagieren kann. Das ist namentlich bei der Unternehmensnachfolge zu beachten. – Die Belastungen des Vorerben erschweren den Rechtsverkehr. So werden unternehmerische Entscheidungen behindert, wenn eine Gesellschaftsbeteiligung zum Nachlass gehört und unklar ist, ob die Verfügung des Vorerben darüber unentgeltlich und damit unzulässig ist (§ 2113 Abs. 2 BGB; Rz. 60). 5 Ob die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft für die Beteiligten im Einzelfall günstig ist, hängt von zahlreichen Aspekten wie den familiären Verhältnissen, Art und Umfang des Vermögens und steuerrechtlichen Aspekten ab (vgl. für die Vor- und Nacherbfolge im gemeinschaftlichen Testament unten
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Edenfeld
Vor- und Nacherbschaft
Rz. 7 B IV
B VII Rz. 44 ff.)1. Sowohl Vor- als auch Nacherbe sind steuerrechtlich Erbe, § 6 Abs. 1 und 2 ErbStG. Erbschaftsteuerrechtlich kann darum anstelle der Vorund Nacherbschaft ein Nießbrauchsvermächtnis ratsam sein (Rz. 25). Letztwillige Verfügungen lassen nicht immer erkennen, ob eine Vor- und Nacherbschaft gewollt ist. Für den Berater wirft das zum Teil schwierige Gestaltungsund Auslegungsfragen auf, mit denen sich die drei folgenden Abschnitte – Anordnung der Vor- und Nacherbschaft durch Verfügung von Todes wegen (Rz. 6 ff.), – Rechtliche Stellung des Vorerben (Rz. 40 ff.), – Rechtsposition des Nacherben (Rz. 85 ff.) beschäftigen.
I. Anordnung der Vor- und Nacherbschaft durch Verfügung von Todes wegen Die Vor- und Nacherbschaft tritt nicht kraft Gesetzes ein. Sie setzt eine Verfügung von Todes wegen (Testament, Erbvertrag) voraus, in der der Erblasser Vor- und Nacherben „einsetzt“, § 2100 BGB. Die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft hat einen notwendigen Inhalt (Rz. 7 ff.), bietet aber auch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten (Rz. 12 ff.). Die inhaltliche Ausformung kann die Frage aufwerfen, ob eine Vor- und Nacherbfolge gewollt ist. In diesem Fall ist die Verfügung von Todes wegen unter Hinzuziehung der gesetzlichen Auslegungsregeln auszulegen (Rz. 22 ff.).
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1. Notwendiger Inhalt der Verfügung von Todes wegen
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Beratungssituation: Der Erblasser hat das erste Kind, das seine Tochter bekommen wird, testamentarisch zu seinem Erben eingesetzt. Als er bei einem Autounfall ums Leben kommt, hat seine erst 20-jährige Tochter noch keine Kinder. Sie fragt, wer ihren Vater beerbt hat.
Der Erblasser hat
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– den Vorerben, – den Nacherben und – den Nacherbfall grundsätzlich selbst zu bestimmen. Er darf die Entscheidung nicht in das freie Ermessen eines Dritten, z.B. eines Testamentsvollstreckers, stellen, § 2065 Abs. 2 BGB. Er muss die Person des Vor- und Nacherben und den Zeitpunkt bzw. das Ereignis des Nacherbfalls bezeichnen. Ordnet er an, dass seine gesetzlichen Erben Vor- bzw. Nacherben sein sollen, beruht auch diese Erbeinsetzung auf einer Verfügung von Todes wegen, für die die Auslegungsregel des 1 Zur Abwägung Frank, MittBayNotK 1987, 231; Langenfeld, Testamentsgestaltung, Rz. 119 f.; Mayer, ZEV 2000, 1 (2).
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B IV Rz. 8
Vor- und Nacherbschaft
§ 2066 BGB gilt. Inwieweit der Erblasser eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet hat, welche Personen berufen sind, wann und in welchem Umfang der Nacherbfall eintritt, ist nicht immer einfach und durch Auslegung der letztwilligen Verfügung nach allgemeinen Grundsätzen (§ 133 BGB) zu ermitteln1. Die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 2101 ff. BGB kommen erst zum Zuge, wenn über den Willen des Erblassers ernsthafte Zweifel bestehen (Rz. 22 ff.). 8 Der Erblasser muss erstens einen oder mehrere Vorerben bestimmen. Der Vorerbe wird Rechtsträger der Erbschaft zwischen Erbfall und Nacherbfall und kann über die zu ihr gehörenden Gegenstände verfügen, § 2112 BGB. Hat der Verstorbene eine Nacherbfolge angeordnet, aber keinen Vorerben bestimmt, ist die Verfügung von Todes wegen unvollständig. Vorerben sind dann die gesetzlichen Erben des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls (§§ 2105 Abs. 1, 1924 ff. BGB; Rz. 35). Das Gleiche gilt, wenn die Persönlichkeit des Erben durch ein erst nach dem Erbfall eintretendes Ereignis bestimmt wird oder wenn die Einsetzung einer zur Zeit des Erbfalls noch nicht erzeugten natürlichen Person oder noch nicht entstandenen juristischen Person als Erbe nach § 2101 BGB als Nacherbeinsetzung anzusehen ist, § 2105 Abs. 2 BGB. 9 Der Erblasser muss zweitens einen oder mehrere Nacherben bestimmen. Der Nacherbe wird mit dem Nacherbfall endgültiger Rechtsträger der Erbschaft und kann über die zu ihr gehörenden Gegenstände verfügen, §§ 1922, 2100 BGB. Hat der Verstorbene angeordnet, dass eine Person nur bis zum Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses (Vor-)Erbe sein soll, aber keinen Nacherben bestimmt, ist die Verfügung von Todes wegen unvollständig. Nacherben sind im Zweifel die gesetzlichen Erben des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls mit Ausnahme des Fiskus (§§ 2104, 1924 ff. BGB; Rz. 34). Während Erbe nur sein kann, wer beim Erbfall lebt (§ 1923 Abs. 1 BGB) oder zumindest erzeugt ist (§ 1923 Abs. 2 BGB), kann zum Nacherben auch berufen werden, wer beim Erbfall noch nicht erzeugt ist, § 2101 Abs. 1 S. 1 BGB. Er muss lediglich zur Zeit des Nacherbfalls erzeugt sein, §§ 2108 Abs. 1, 1923 Abs. 2 BGB. Ihm wird für die Zeit bis zum Eintritt der Nacherbfolge ggf. ein Pfleger bestellt, § 1913 S. 2 BGB. Das Nacherbenrecht fällt ihm mit seiner Geburt rückwirkend auf den Erbfall an. Entsprechendes gilt, wenn eine juristische Person, die erst nach dem Erbfall entsteht, zum Nacherben berufen wird, § 2101 Abs. 2 BGB. 10 Der Erblasser muss drittens den Zeitpunkt oder das Ereignis bestimmen, mit dem der Nacherbfall eintreten soll. Auch diese Entscheidung darf er keiner anderen Person, etwa dem Vorerben, überlassen, § 2065 BGB. Hat der Verstorbene eine Nacherbfolge angeordnet, ohne Zeitpunkt oder Ereignis zu bestimmen, mit dem die Nacherbfolge eintreten soll, ist die Verfügung von Todes wegen unvollständig. § 2106 Abs. 1 BGB schließt diese Lücke: Die Erbschaft 1 OLG Hamm v. 11.12.2006 – 15 W 94/06, OLGReport 2007, 212; OLG München v. 25.7.2006 – 31 Wx 39/06 und 40/06 – Juris; OLG München v. 16.4.2007 – 31 Wx 109/06 – Juris; Zum erforderlichen Rechtsbindungswillen des Erblassers bei Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft Edenfeld, ZEV 2004, 141 ff.
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Rz. 13 B IV
fällt dem Nacherben mit dem Tod des Vorerben an (dazu Rz. 36). Ist die Einsetzung einer noch nicht erzeugten Person als Erbe nach § 2101 Abs. 1 BGB als Nacherbeinsetzung anzusehen, fällt die Erbschaft dem Nacherben mit dessen Geburt an, § 2106 Abs. 2 S. 1 BGB. Im Fall des § 2101 Abs. 2 BGB ist dies die Entstehung der juristischen Person. In der obigen Beratungssituation sind die Auslegungsregeln der §§ 2101 ff. BGB sowohl zur Ermittlung des Vor- und Nacherben als auch des Nacherbfalls heranzuziehen. Das bislang weder geborene noch erzeugte Enkelkind kann den Erblasser nicht sofort beerben, § 1923 BGB. Nach der Auslegungsregel des § 2101 Abs. 1 BGB ist es jedoch mit seiner testamentarischen Einsetzung als Erbe zum Nacherben berufen. Nacherbe kann auch werden, wer zur Zeit des Erbfalls nicht erzeugt ist. Der Enkel muss allein zur Zeit des Nacherbfalls erzeugt sein, §§ 2108 Abs. 1, 1923 Abs. 2 BGB. Seine Einsetzung als Nacherbe wäre nur unwirksam, wenn sich durch Auslegung ermitteln ließe, dass der Erblasser keine Nacherbschaft gewollt hat, § 2101 Abs. 1 S. 2 BGB. Da das Testament hierfür keine Anhaltspunkte enthält, stellt sich die weitere Frage, wer zwischenzeitlich Vorerbe wird. Eine letztwillige Anordnung (§ 1937 BGB) fehlt. Vorerben sind daher nach § 2105 Abs. 1 BGB die gesetzlichen Erben des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls. Sie bleiben bis zum Eintritt des Nacherbfalls seine Erben. Der Zeitpunkt des Nacherbfalls ist ebenfalls nicht ausdrücklich angeordnet. Er tritt mit der Geburt des ersten Kindes der Tochter ein, § 2106 Abs. 2 S. 1 BGB.
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2. Die Gestaltungsfreiheit des Erblassers Der Erblasser legt Gegenstand und Umfang der Nacherbfolge fest. Sie braucht sich nicht auf die gesamte Erbschaft zu erstrecken, sondern kann auch in einer bestimmten Erbteilsquote angeordnet sein. Der Alleinvorerbe wird hinsichtlich eines Bruchteils der Erbschaft durch die Nacherbeneinsetzung beschränkt1. Die Nacherbfolge an einzelnen Nachlassgegenständen (Immobilien, Gesellschaftsbeteiligungen etc.) ist unzulässig. Davon abgesehen darf der Erblasser den Inhalt der Nacherbfolge frei gestalten und so das weitere Schicksal des Nachlasses nach seinen Wünschen bestimmen. Dafür stehen ihm folgende Mittel zur Verfügung, die nach Belieben miteinander kombiniert werden können:
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a) Stärkung der Rechte des Vor- oder Nacherben Das Gesetz normiert in den §§ 2113 ff. BGB Beschränkungen und Verpflichtungen des Vorerben, die den Nacherben schützen. Der Erblasser kann den Vorerben nach § 2136 BGB von einzelnen Verfügungsbeschränkungen und Verpflichtungen befreien, um dessen Verfügungsmacht und Verwaltungsbefugnis zu stärken (befreiter Vorerbe; Rz. 81 ff.). Umgekehrt kann er die Stellung des Vorerben schwächen, indem er ihn durch Auflagen bindet (§§ 1940, 2192 ff. BGB) oder eine Testamentsvollstreckung während der Dauer der 1 BGH v. 24.10.1979 – IV ZR 31/78, NJW 1980, 1276; Soergel/Harder, Vor § 2100 Rz. 8.
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Vor- und Nacherbschaft
Vorerbschaft anordnet (Vorerbentestamentsvollstrecker, §§ 2205, 2209, 2211 BGB). Auch der Nacherbe kann Testamentsvollstrecker sein. Der Erblasser darf einen Testamentsvollstrecker ferner zu dem Zweck ernennen, dass dieser bis zum Eintritt des Nacherbfalls die Rechte des Nacherben ausübt und dessen Pflichten erfüllt, § 2222 BGB. Eine solche Nacherbentestamentsvollstreckung ist angezeigt, wenn der Vorerbe im Interesse des (z.B. minderjährigen) Nacherben wirksam beaufsichtigt werden soll. Zulässig ist auch, dass sich die Testamentsvollstreckung nur auf den Nacherben ab Eintritt der Nacherbfolge oder auf die gesamte Zeit der Vor- und Nacherbschaft erstreckt, §§ 2199 Abs. 2, 2210 BGB1. b) Staffelung der Nacherbfolge 14 Der Erblasser muss zwar den Zeitpunkt bzw. das Ereignis bestimmen, mit dem die Nacherbfolge eintritt. Das heißt aber nicht, dass der Nacherbe die Erbschaft auf Dauer behält. Dem Erblasser steht es frei, eine sich anschließende weitere Nacherbschaft anzuordnen. Die zeitliche Staffelung ist trotz der missverständlichen Formulierung des § 2100 BGB („einen“ Erben) zulässig2. Durch die gestaffelte Nacherbfolge wird der erste Nacherbe zugleich wieder Vorerbe des zweiten Nacherben. Auch der zweite Erbe beerbt den Erblasser und nicht etwa den ersten Nacherben (Rz. 1)3. Tritt der zweite Nacherbfall mit dem Tod des ersten Nacherben ein (§ 2106 Abs. 1 BGB), geht das Vermögen nicht auf die Erben des ersten Nacherben, sondern auf den zweiten Nacherben über. In den zeitlichen Grenzen des § 2109 BGB (Rz. 19) kann auch ein Dritter oder vierter Nacherbe eingesetzt werden. Anders als in anderen Rechtsordnungen ist die Zahl der Nacherbfolgen hier zu Lande nicht beschränkt4. 15 Die Rechtsnachfolger können nicht nur nacheinander, sondern auch nebeneinander eingesetzt werden. Der Erblasser darf anordnen, dass einem Vorerben mehrere Nacherben folgen oder einem einzigen Nacherben mehrere Vorerben als Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB) vorangehen. Bei der Nachfolgeplanung ist ferner zu bedenken, dass der Nacherbe durch vorzeitigen Tod oder Ausschlagung der Erbschaft wegfallen kann. Die Anordnung der Nacherbfolge wird gegenstandslos, der Vorerbe wider Erwarten zum Vollerben. Der Erblasser beugt dem dadurch vor, dass er einen Ersatznacherben beruft, der beim Wegfall des Nacherben an dessen Stelle tritt, § 2096 BGB. Eine schlüssige Berufung zu Ersatzerben kann sich aus § 2069 BGB für die Abkömmlinge des verstorbenen Nacherben ergeben, falls der Nacherbe seinerseits Abkömmling des Erblassers ist (Rz. 97). 1 Zu den einzelnen Fallgestaltungen beim Zusammentreffen von Nacherbeneinsetzung und Testamentsvollstreckung Erman/Schmidt, § 2222 Rz. 1; MüKo/Zimmermann, § 2222 Rz. 1; Näheres s. auch u. C IX Rz. 53 ff. 2 BayObLG v. 12.7.1994 – 1 Z BR 148/93, FamRZ 1995, 124 (126); Edenfeld, ZEV 2004, 141 (143); Kipp/Coing, S. 277; Schlüter, Rz. 733. 3 BayObLG v. 21.11.1989 – BReg. 1a Z 56/89, NJW-RR 1990, 199 (200); Edenfeld, ZEV 2004, 141 (143); Soergel/Harder, Vor § 2100 Rz. 11. 4 Zur zeitlichen Erbenbindung im BGB und anderen europäischen Staaten Edenfeld, DNotZ 2003, 4 (7 ff.).
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Rz. 17 B IV
c) Einsatz von Bedingungen und Befristungen Ein beliebtes Gestaltungsmittel ist die bedingte (§§ 158, 2074, 2075 BGB) oder befristete (§ 163 BGB) Vor- und Nacherbschaft1. Für die Vorerbschaft ist die auflösende Befristung oder Bedingung begriffsnotwendig. Der Erblasser bestimmt den Zeitpunkt oder das Ereignis, zu dem der Nacherbfall eintreten soll, § 2106 Abs. 1 BGB. Er kann den Nacherben aufschiebend befristet (z.B. der Nacherbfall soll 15 Jahre nach dem Erbfall eintreten) oder aufschiebend bzw. auflösend bedingt (z.B. Tod oder Wiederheirat des Vorerben, Berufsabschluss des Nacherben) einsetzen. Dass derartige Bedingungen zulässig sind, wird in §§ 2108 Abs. 2 S. 2, 2074 BGB vorausgesetzt. Der Erblasser darf den Eintritt der Vorerbschaft davon abhängig machen, dass der Vorerbe bestimmte Voraussetzungen (Volljährigkeit, Berufsabschluss o.Ä.) erfüllt. Liegen sie nicht vor, wird der Nacherbe schon mit dem Erbfall Erbe, es sei denn, der Erblasser hat einen Ersatzvorerben bestimmt, § 2096 BGB.
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Auch der Nacherbe kann auflösend oder aufschiebend bedingt bzw. befristet eingesetzt sein, §§ 158, 163, 2074, 2075 BGB. Gängige Formeln sind Tod, Wiederheirat und Berufsabschluss des Berufenen. Manche Erblasser versuchen Einfluss auf das Verhalten des Nacherben zu nehmen, indem sie den Eintritt des Nacherbfalls an seine Kinderlosigkeit, „gute Führung“ oder die (Nicht-)Vornahme einer bestimmten Handlung knüpfen. Das wird gemeinhin als zulässig angesehen2. Im Hinblick auf das beeinträchtigte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Erben ist die Testierfreiheit des Erblassers jedoch beschränkt. Die „Herrschaft aus dem Grabe“ hat Grenzen3. Der Erblasser darf den Eintritt der Nacherbschaft allerdings davon abhängig machen, dass der Vorerbe nicht anderweitig letztwillig über die Erbschaft verfügt4. Hierin ist kein Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB zu sehen, auch wenn sich der Vorerbe durch die Gestaltung seiner letztwilligen Verfügung zum Vollerben machen kann. Bedenklich wird es, wenn der Vorerbe Einfluss auf die Wahl desjenigen erhält, dem die Erbschaft endgültig zufällt, etwa durch die Klausel, der Vorerbe dürfe aus mehreren Nacherben eine Person zum alleinigen Nacherben ernennen oder die Erbquoten nachträglich ändern. Die herrschende Meinung hält aber auch das für zulässig5.
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1 Vgl. etwa BayObLG v. 2.2.2004 – 1 Z BR 43/03, ZEV 2005, 27 zum Eintritt des Nacherbfalls wegen Nichteinhaltung einer testamentarisch angeordneten Bauverpflichtung. 2 MüKo/Grunsky, § 2100 Rz. 12; Palandt/Edenhofer, § 2100 Rz. 6. 3 Näher Schlüter, Rz. 208; Schlüter, Festgabe Zivilrechtslehrer 1934/1935 (1999), S. 575 ff. 4 BGH v. 26.4.1951 – IV ZR 4/50, BGHZ 2, 35 (36 f.); BGH v. 14.7.1972 – V ZR 124/70, BGHZ 59, 220 (222); OLG Oldenburg v. 6.11.1990 – 5 U 50/90, NJW-RR 1991, 646; OLG Hamm v. 24.8.1999 – 15 W 218/99, ZEV 2000, 197 (198); Palandt/Edenhofer, § 2100 Rz. 6. 5 BGH v. 14.7.1972 – V ZR 124/70, BGHZ 59, 220 (222); OLG Oldenburg v. 6.11.1990 – 5 U 50/90, NJW-RR 1991, 646; OLG Hamm v. 24.8.1999 – 15 W 218/99, ZEV 2000, 197 (198) mit Anm. Loritz; a.A. Brox, Festschrift für Bartholomeyczik (1973), S. 41, 52 f.; MüKo/Grunsky, § 2100 Rz. 13.
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18 Häufigster Anwendungsfall der bedingten oder befristeten Vor- und Nacherbschaft ist die Wiederverheiratungsklausel im gemeinschaftlichen Testament (dazu unten B VII Rz. 86 ff.). Nach der Einheitslösung wird der überlebende Ehegatte mit dem Tod seines Ehepartners Vollerbe, § 2269 Abs. 1 BGB. Die Kinder sind hinsichtlich des gesamten elterlichen Nachlasses Schlusserben. Das gilt so lange, bis der überlebende Ehegatte wieder heiratet. In diesem Fall verliert er seine Alleinerbenstellung. Sie ist auflösend bedingt durch die Eingehung einer neuen Ehe, §§ 2075, 158 Abs. 2 BGB. Zugleich ist aufschiebend bedingt eine Vor- und Nacherbfolge angeordnet, §§ 2074, 158 Abs. 1 BGB. Heiratet der überlebende Ehegatte wieder, treten beide Bedingungen ein. Tritt der Nacherbfall nicht erst mit dem Tod des Vorerben, sondern schon mit der Wiederheirat ein, werden die Kinder sofort mit der Wiederheirat endgültige Erben des verstorbenen Elternteils, § 2139 BGB. Zur Umgehung der Wiederverheiratungsklausel durch Verzicht auf die Eheschließung (nichteheliche Lebensgemeinschaft) Rz. 37. d) Ausschöpfung des zeitlichen Rahmens 19 Die postmortale Herrschaft des Erblassers ist nicht grenzenlos. Seine „kalte Hand“ soll die Erben nicht ewig, sondern nur über die mittlere zeitliche Dauer einer Generation binden. Darum bestimmt § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB, dass die Einsetzung eines Nacherben mit dem Ablauf von dreißig Jahren nach dem Erbfall unwirksam wird, wenn nicht zuvor die Nacherbfolge eingetreten ist. Die Bindung der Nacherben kann auch bei gestaffelter Nacherbfolge die Gesamtfrist von 30 Jahren grundsätzlich nicht überschreiten. Nach Ablauf der Frist wird der Nachlass frei. Der Vorerbe darf als Vollerbe verfügen. Allerdings macht § 2109 Abs. 1 S. 2 BGB davon eine Ausnahme, durch die die Dreißigjahresfrist ähnlich wie in den Fällen der §§ 2044 Abs. 2 S. 2, 2163, 2210 S. 2 BGB erheblich überschritten werden kann. Die Nacherbeinsetzung bleibt auch nach Ablauf der Dreißigjahresfrist wirksam, wenn die Nacherbfolge für den Fall angeordnet ist, dass in der Person des Vorerben oder des Nacherben ein bestimmtes Ereignis eintritt, und derjenige, in dessen Person das Ereignis eintreten soll, zur Zeit des Erbfalls lebt, § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB. Nur bei juristischen Personen, die keines natürlichen Todes sterben, bleibt es bei der dreißigjährigen Frist, § 2109 Abs. 2 BGB. Damit lassen sich in der Praxis jahrzehntelange Bindungen erzielen:
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Beratungssituation:1 Der Erblasser bestimmt im Jahr 1936, dass sein Sohn zeitlebens Vorerbe und sein Enkel Nacherbe sein soll. Der Erblasser verstirbt 1940. Sein Sohn ist zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt. Dieser stirbt Anfang 2000 und hinterlässt einen 15 Jahre alten Enkel.
Die Dreißigjahresfrist endete 1970. Nach der Grundregel des § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB konnte später kein Nacherbfall mehr eintreten; der bisherige Vorerbe 1 Zu ähnlichen Fallgestaltungen BayObLG v. 21.11.1989 – BReg. 1a Z 56/89, NJW-RR 1990, 199; BayObLG v. 25.4.1991 – BReg. 1a Z 72/90, NJW-RR 1991, 1094; Edenfeld, DNotZ 2003, 4, 7 ff.; Schlüter, Rz. 736.
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Rz. 21 B IV
wurde Vollerbe. Dennoch trat Anfang 2000 der Nacherbfall ein. Er beruht auf der gesetzlichen Ausnahme. Der Sohn lebte zur Zeit des Erbfalls (1940). Die Nacherbfolge ist für den Fall angeordnet, dass in seiner Person der Tod als bestimmtes Ereignis eintritt, § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB. Die Nacherbfolge erfasst damit auch noch die nächste Generation. Die Dreißigjahresfrist verdoppelt sich auf 60 Jahre. Wird der Enkel 70 Jahre alt1, setzt sich der Erblasserwille von 1936 bis ins Jahr 2055 durch. Die Auswirkungen der Vor- und Nacherbfolge dauern weit über 100 Jahre. Eine derart langfristige „Herrschaft aus dem Grabe“ ist bedenklich2. Der Erblasser kann die jahrzehntelange Bindung noch verstärken, indem er mehrere Nacherbfolgen hintereinander staffelt und zusätzlich eine Testamentsvollstreckung anordnet:
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Beratungssituation: Der Erblasser setzt im Jahr 1959 den jeweils ältesten Sohn der folgenden Generation zum Erben auf Lebenszeit ein. Dieser wird jeweils nur Vorerbe. Die Nacherbfolge soll so lange dauern, wie es das Gesetz zulässt, mindestens aber 30 Jahre nach dem Erbfall. Der Nacherbfall tritt jeweils ein, wenn ein Vorerbe stirbt. Zugleich ordnet der Erblasser eine umfassende Testamentsvollstreckung (§§ 2209, 2222 BGB) nebst Erbteilungsverbot an. Sie soll die gesamte Zeit der Vor- und Nacherbschaft überdauern. Jeder Testamentsvollstrecker ernennt vor seinem Tod einen Nachfolger. Als der Erblasser 1962 stirbt, hinterlässt er einen Sohn und einen soeben geborenen Enkel. Der Sohn verunglückt 1983. Der Enkel erkundigt sich, ob er nach Ablauf der Dreißigjahresfrist (1992) Vollerbe geworden ist.
Die Frage ist zu verneinen. Der Sohn starb 1983. Der 1. Nacherbfall trat innerhalb der Dreißigjahresfrist ein, die testamentarische Anordnung ist schon deshalb wirksam, § 2109 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Enkel ist Nacherbe. Er ist aber zugleich wiederum Vorerbe, weil er zur Zeit des Erbfalls lebte. Für den Fall seines Ablebens ist eine weitere Nacherbschaft verfügt. Damit tritt auch nach Ablauf der Dreißigjahresfrist der 2. Nacherbfall ein, § 2109 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB. Erst der Urenkel wird letzter Nacherbe. Er ist nach dem Erbfall (1962) geboren, die zeitliche Koexistenz mit dem Erblasser fehlt. Sein Tod löst keinen weiteren Nacherbfall mehr aus. Bei langer Lebensdauer der Beteiligten (2. Nacherbfall um das Jahr 2040) erstreckt sich die zeitliche Bindung bis ins 22. Jahrhundert. Hinzu kommt, dass der Testamentsvollstrecker während der gesamten Vorund Nacherbschaft den Nachlass verwaltet, §§ 2205, 2209 BGB. Er nimmt die Rechte der Nacherben gegenüber den Vorerben wahr, § 2222 BGB. Die Vorerben sind in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt, § 2211 BGB. Die Testamentsvollstreckernachfolge ist gesichert. Es können so lange neue Testa1 Er muss als letzter Nacherbe nicht zur Zeit des Erbfalls gelebt haben. Es genügt, wenn er bei Eintritt des ihn betreffenden Nacherbfalls gezeugt ist, §§ 2101 Abs. 1, 2108, 1923 Abs. 2 BGB. 2 Edenfeld, DNotZ 2003, 4, 12 ff.
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mentsvollstrecker ernannt werden, wie sie mit dem Erblasser zeitlich koexistieren, § 2210 S. 2 BGB1. Diese zulässige2 Kombination von allgemeiner Dauervollstreckung und Nacherbentestamentsvollstreckung verschafft dem Verwalter eine enorme Machtfülle. Er ist Treuhänder des Familienbesitzes und beaufsichtigt die zur Erbfolge Berufenen. Sowohl Vor- als auch Nacherben haben keine Möglichkeit, sich über den Erblasserwillen hinwegzusetzen. Da der Testamentsvollstrecker an das Erbteilungsverbot gebunden ist (§§ 2044 Abs. 1, 2204 Abs. 1 BGB), bleibt der Nachlass als Ganzes erhalten. Keiner der Erben wird zu Lebzeiten je über das ihm angefallene Vermögen verfügen. Noch der 3. Erbengeneration sind die Hände gebunden. Sie ist wie ihre Vorgänger Nießbraucherin eines fremd verwalteten Sondervermögens. Eine derart langfristige „Herrschaft der kalten Hand“ ist bedenklich3.
3. Die Auslegung der Verfügung von Todes wegen 22 Ob und in welchem Umfang eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet ist, welche Personen berufen sind und wann der Nacherbfall eintritt, lässt sich nicht immer leicht feststellen. Der Wille des Erblassers muss vorrangig durch Auslegung der letztwilligen Verfügung nach allgemeinen Grundsätzen ermittelt werden, § 133 BGB (Rz. 23 ff.)4. Erst wenn der maßgebliche Inhalt der Verfügung nicht zweifelsfrei feststeht, kommen die gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 2101 ff. BGB zum Zuge (Rz. 30 ff.). a) Ermittlung des Erblasserwillens
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Beratungssituation: Der Sohn der Erblasserin legt ein Testament seiner Mutter vor, in dem es heißt: „Mein Sohn erbt das Wohnhaus. Er darf es nur an seine Abkömmlinge übergeben und nicht letztwillig darüber verfügen.“ Wie ist der letzte Wille zu beurteilen, wenn das Hausgrundstück den wesentlichen Teil der Erbschaft ausmacht?
23 Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft wird nicht allein nach der Formulierung der letztwilligen Verfügung bestimmt. Der Wortlaut ist nur eines von mehreren Auslegungskriterien. Selbst wenn in einem notariellen Testament die Worte „Vor- und Nacherbe“ verwendet werden, spricht das nicht zwingend für eine Vor- und Nacherbfolge. Es kann im Einzelfall auch eine Ersatzerbschaft (§ 2096 BGB), Testamentsvollstreckung (§§ 2205, 2209 BGB) oder ein Berliner Testament (§ 2269 BGB; Rz. 27) gemeint sein. Andersherum 1 § 2199 Abs. 2 BGB verschafft dem Erblasser nicht das Recht, die Dauervollstreckung durch stete Nachfolgerernennung zu verewigen. Auch der jeweilige Testamentsvollstrecker muss zum Zeitpunkt des Erbfalls gelebt haben, MüKo/Zimmermann, § 2210 Rz. 6; Soergel/Damrau, § 2210 Rz. 2; Kipp/Coing, S. 396 f.; a.A. BGB-RGRK/Kregel, § 2210 Rz. 2: Der Nachfolger muss innerhalb der Dreißigjahresfrist ernannt sein. 2 BGH v. 9.11.1994 – IV ZR 319/93, BGHZ 127, 360 (363) mit Anm. Skibbe, ZEV 1995, 69; Staudinger/Reimann, § 2222 Rz. 4, 18. 3 Edenfeld, DNotZ 2003, 4 (12 ff.). 4 Zum erforderlichen Rechtsbindungswillen des Erblassers bei Anordnung einer Vorund Nacherbschaft Edenfeld, ZEV 2004, 141 ff.
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kann eine Vor- und Nacherbfolge auch dann gewollt sein, wenn der Erblasser diese Ausdrücke nicht verwendet1. Entscheidend ist, dass er sein Vermögen zwei oder mehr Personen zeitlich nacheinander zuwenden will2. Der zunächst Berufene kann durchaus eine freie Stellung haben, § 2136 BGB. Es braucht nicht gewährleistet zu sein, dass der spätere Erbe noch Vermögenswerte im Nachlass vorfindet. Die Nacherbeneinsetzung setzt allerdings einen Rechtsbindungswillen des Erblassers3 voraus. Die zum Ausdruck kommende Erwartung, die Erbschaft werde in seinem Sinne weitervererbt werden, genügt nicht. Der moralische Appell macht den Dritten nicht zum Nacherben. Hält sich der Erbe an den Wunsch des Erblassers, wird der Dritte Erbe des Erben und nicht – wie im Fall der Nacherbfolge (Rz. 1) – Erbe des Erblassers. In der obigen Beratungssituation wollte die Erblasserin erreichen, dass ihr Sohn den Grundbesitz nur bis zu seinem Ableben nutzen und nicht frei darüber verfügen können soll. Das Vermögen soll letztlich den Enkeln zukommen. Dieser im Testament zum Ausdruck gelangten Vorstellung wird am ehesten die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft gerecht4. Auch in folgenden Fällen hat die Rechtsprechung eine Nacherbeinsetzung angenommen:
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– Einsetzung zum „Alleinerben“, wenn sich aus der letztwilligen Verfügung eine nacherbenähnliche Bindung ergibt5. In der Regel ist mit Begriffen wie „Universal-“, „Haupt-“ oder „Vollerbe“ jedoch keine Vorerbschaft gemeint, solange der Erblasser nicht auf einzelne Rechtsfolgen der §§ 2100 ff. BGB Bezug nimmt. – Einsetzung zum „Ersatzerben“6. Rechtsunkundigen ist der Unterschied zwischen Ersatz- und Nacherbschaft oft nicht geläufig. Vor allem bei einer bedingten Erbeinsetzung (Rz. 16) ist häufig eine Nacherbfolge (mit)gemeint. Nur wenn zweifelhaft bleibt, ob jemand als Ersatz- oder Nacherbe eingesetzt ist, gilt er als Ersatzerbe, § 2102 Abs. 2 BGB. – Einsetzung als „Schlusserbe“, wenn der zunächst Berufene nach seiner Rechtsmacht nur Vor- und nicht Vollerbe ist (Rz. 27) – Verbot, den Nachlass an andere als die angegebenen Personen („Blutsverwandte“; „leibliche Abkömmlinge“) weiterzuvererben7. Dabei ist zu beachten, dass der Erblasser dem Vorerben nicht die Auswahl des Nacherben überlassen darf (§ 2065 Abs. 2 BGB; Rz. 17). Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung zwischen Vorerbschaft und Nießbrauch (§ 1089 BGB), weil der Vorerbe dem Nießbraucher wirtschaftlich nahe 1 KG v. 17.10.1986 – 1 W 732/85, OLGZ 1987, 1 f.; Staudinger/Behrends, § 2100 Rz. 14. 2 BGH v. 23.4.1951 – IV ZR 17/51, LM Nr. 1 zu § 2100 BGB; Schlüter, Rz. 738. 3 Edenfeld, ZEV 2004, 141 ff.; MüKo/Grunsky, § 2100 Rz. 7; Palandt/Edenhofer, § 2100 Rz. 2. 4 Vgl. BayObLG v. 30.12.1985 – BReg. 1 Z 96/85, FamRZ 1986, 608; BayObLG v. 13.12.1989 – BReg. 1a Z 78/89, FamRZ 1990, 562; Soergel/Harder, § 2100 Rz. 8. 5 RG v. 3.4.1939 – IV 165/38, RGZ 160, 109 (111); BayObLG v. 8.2.1966 – BReg. 1a Z 64/65, NJW 1966, 1223. 6 BGH v. 23.4.1951 – IV ZR 17/51, LM Nr. 1 zu § 2100 BGB. 7 BayObLG v. 22.8.1958 – BReg. 1 Z 156/57, BayObLGZ 1958, 226.
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B IV Rz. 26
Vor- und Nacherbschaft
steht. Auch hier entscheidet nicht die vom Erblasser verwendete Terminologie. Ausschlaggebend für die Vorerbschaft ist, dass der Bedachte mit gewissen Einschränkungen eigenverantwortlicher Herr des Nachlasses wird. Soll er dagegen keine nennenswerte Verwaltungs- oder Verfügungsmacht über den Nachlass ausüben, liegt regelmäßig ein Nießbrauchsvermächtnis vor1. 26 Für den Erblasser spielen nicht selten erbschaftsteuerliche Erwägungen eine Rolle: Beim Nießbrauch ergibt sich nur ein einziger Erbfall. Der Nachlass wird auf den oder die Erben und den Nießbraucher verteilt. Sie profitieren von mehrfachen Freibeträgen und günstigeren Steuersätzen. Anders ist es bei der Vor- und Nacherbschaft. Der Vorerbe gilt als Vollerbe, § 6 Abs. 1 ErbStG. Er hat die Erbschaftsteuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten, § 20 Abs. 4 ErbStG, ohne dass die für ihn in der Nacherbschaft liegende Beschränkung steuerlich berücksichtigt wird. Der Nacherbe hat den Nachlass als vom Vorerben stammend nochmals zu versteuern, § 6 Abs. 2 ErbStG. Diese steuerrechtlichen Konsequenzen sind im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigen. So kann der Wunsch des Erblassers, den wiederholten Anfall von Erbschaftsteuer bei der Vor- und Nacherbschaft zu vermeiden, für ein Nießbrauchsvermächtnis sprechen2. Er liegt gerade bei größeren Erbschaften nahe. 27 Auch beim gemeinschaftlichen Testament entstehen oft Abgrenzungsprobleme (dazu unten B VII Rz. 30 ff.). Die Ehegatten bedenken sich gegenseitig und bestimmen, dass der Nachlass des Überlebenden an einen Dritten – meist die gemeinsamen Kinder – fällt. Hier muss durch Auslegung ermittelt werden, ob der überlebende Ehegatte Vollerbe (§ 2269 BGB) oder nur Vorerbe sein soll.
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Beratungshinweis: Um Unsicherheiten über die Schluss- oder Nacherbenstellung der Kinder zu vermeiden, sollte aus der Testamentsgestaltung eindeutig hervorgehen, dass eine Vor- und Nacherbfolge im Sinne der §§ 2100 ff. BGB beabsichtigt ist. Bezeichnen sich die Ehegatten in ihrem privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testament als „Vorerben“ und ihre gemeinsamen Kinder als „Nacherben“, ist damit nicht unbedingt die Vor- und Nacherbschaft gewollt3. Laien verstehen diese Begriffe oft dahin gehend, dass damit jeder gemeint ist, der vor oder nach jemand anderem erbt. Es kann auch eine doppelte Vollerbschaft beabsichtigt sein, wenn sich aus den Umständen entnehmen lässt, dass das Vermögen der Eheleute als wirtschaftliche Einheit erhalten bleiben und der längerlebende Partner von Bindungen zugunsten späterer Erben frei sein soll. Umgekehrt kann in der Einsetzung als „Schlusserbe“ auch eine Einsetzung als Nacherbe liegen. Bei begründeten Zweifeln an der richtigen Verwendung
1 BGH v. 14.6.1951 – IV ZR 10/50, LM Nr. 2 zu § 2100 BGB; BayObLG v. 7.11.1980 – 1 Z 64/80, RPfleger 1981, 64; MüKo/Grunsky, § 2100 Rz. 10. 2 BayObLG v. 1.4.1960 – BReg. 1 Z 81/59, NJW 1960, 1765; Palandt/Edenhofer, § 2100 Rz. 3; Petzold, BB 1975 Beilage 6, S. 5 ff. 3 BGH v. 22.9.1982 – IVa ZR 26/81, NJW 1983, 277 (278); BayObLG v. 7.8.1990 – BReg. 1a Z 32/90, MDR 1990, 1118 (1119); OLG Düsseldorf v. 14.6.1996 – 7 U 153/95, ZEV 1996, 310 (311); Erman/Schmidt, § 2269 Rz. 9.
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Edenfeld
Vor- und Nacherbschaft
Rz. 30 B IV
der Rechtsbegriffe gilt die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB. Sie führt zum Berliner Testament. Die Grundformel für eine Vor- und Nacherbfolge im gemeinschaftlichen Testament lautet:
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Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Vorerben ein. Nacherben des erstversterbenden Ehegatten und zugleich Erben des Längerlebenden sind beim Tod des Letztversterbenden (Nacherbfall) unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen. Stirbt eines unserer Kinder nach dem Tod des Ersten, aber vor dem zweiten Ehegatten, treten seine Abkömmlinge an seine Stelle.
Rechtliche Konsequenz: Verstirbt der erste Ehepartner, darf der Überlebende als Vorerbe über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände verfügen, sofern sich nicht aus den Beschränkungen der §§ 2113 bis 2115 BGB ein anderes ergibt (§ 2112 BGB; Rz. 40 ff., 127 ff.). Nach § 2113 Abs. 1 BGB sind Verfügungen des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück bei Eintritt des Nacherbfalls insoweit unwirksam, als sie das Recht der Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen. Ferner darf der überlebende Ehegatte grundsätzlich nichts aus dem Nachlass seines verstorbenen Partners verschenken, § 2113 Abs. 2 BGB. Die Verwirklichung von Grundpfandrechten unterliegt Beschränkungen, § 2114 BGB. Hinzu kommen Verwaltungs-, Auskunfts- und Sorgfaltspflichten des Vorerben, §§ 2116 ff. BGB. Den zur Nacherbfolge berufenen Abkömmlingen wird die Vermögensmasse weitgehend erhalten. Sie erlangen mit dem Tod des ersten Ehegatten ein vererbliches und veräußerliches Anwartschaftsrecht1. Die Einsetzung der Kinder als Nacherben enthält im Zweifel ihre Einsetzung als Ersatzerben, § 2102 BGB (Rz. 31)2.
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b) Gesetzliche Auslegungsregeln für die Vor- und Nacherbfolge Lässt sich der Erblasserwille nicht zweifelsfrei feststellen, kommen die gesetzlichen Auslegungsregeln der Vor- und Nacherbfolge (§§ 2101 ff. BGB) zur Anwendung. Setzt der Erblasser eine zur Zeit des Erbfalls noch nicht erzeugte Person als Erben ein (vgl. die Beratungssituation vor Rz. 7), ist die Verfügung von Todes wegen eigentlich unwirksam. Nach § 1923 BGB ist nur derjenige erbfähig, der im Zeitpunkt des Erbfalls lebt oder zumindest erzeugt ist. Die 1 BGH v. 9.6.1983 – IX ZR 41/82, BGHZ 87, 367 (369); BGH v. 9.11.1994 – IV ZR 319/93, NJW 1995, 456; Schlüter, Rz. 771. 2 RG v. 2.11.1933 – IV B 43/33, RGZ 142, 171 (174); RG v. 11.3.1942 – IV B 5/42, RGZ 169, 38 (39); BGH v. 28.10.1998 – IV ZR 275/97, ZEV 1999, 26. Zur Auslegung, wenn die gemeinsamen Abkömmlinge als „Nacherben des Letztversterbenden“ eingesetzt sind, MüKo/Grunsky, § 2102 Rz. 3.
Edenfeld
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30
B IV Rz. 31
Vor- und Nacherbschaft
Auslegungsregel des § 2101 Abs. 1 S. 1 BGB erhält die letztwillige Verfügung durch Umdeutung in eine Nacherbfolge aufrecht: Der noch nicht Erzeugte wird Nacherbe. Er muss lediglich zur Zeit des Nacherbfalls erzeugt sein, §§ 2108 Abs. 1, 1923 Abs. 2 BGB. Ihm kann für die Zeit bis zum Eintritt der Nacherbfolge ein Pfleger bestellt werden, § 1913 S. 2 BGB. Seine Einsetzung als Nacherbe ist nur unwirksam, wenn sich durch Auslegung ermitteln lässt, dass der Erblasser keine Nacherbschaft gewollt hat, § 2101 Abs. 1 S. 2 BGB. Vorerben werden nach § 2105 Abs. 1 BGB die gesetzlichen Erben des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalls (Rz. 35). Der Nacherbfall tritt im Zweifel mit der Geburt des Nacherben ein (§ 2106 Abs. 2 S. 1 BGB; Rz. 36). Der Vorerbe wird endgültiger Erbe, wenn der Bedachte nicht mehr geboren werden kann oder die Frist des § 2109 BGB abgelaufen ist. Entsprechendes gilt für die Erbeinsetzung einer juristischen Person, die erst nach dem Erbfall zur Entstehung gelangt, § 2101 Abs. 2 BGB. 31 § 2102 Abs. 1 BGB bestimmt, was gelten soll, wenn der zuerst Berufene nicht Erbe wird, weil er die Erbschaft ausschlägt oder vorverstirbt. Das Gesetz vermutet, dass der Erblasser den als Nacherben Eingesetzten im Zweifel auch als Ersatzerben einsetzen will. § 2102 Abs. 2 BGB trägt dem Umstand Rechnung, dass die Position des Ersatzerben schwächer ist als die des Nacherben. Der erstberufene Erbe ist im Zweifel nicht mit einer Nacherbschaft belastet. Zur Stellung des Ersatznacherben Rz. 106 ff.
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Beratungssituation: Der Erblasser hat seinen Bruder zum Vorerben und seine Nichte zur Nacherbin eingesetzt. Er verstirbt Anfang 2010. Zu diesem Zeitpunkt ist sein Bruder schon zwei Jahre tot. Die Nichte fragt, ob und in welchem Umfang sie ihren Onkel beerbt hat.
Der Erblasser hat seinen Bruder überlebt. Dieser kann nicht mehr Vorerbe werden, § 1923 Abs. 1 BGB. Die Vor- und Nacherbfolge ist hinfällig. Der Wegfall des Vorerben bedeutet jedoch nicht, dass auch die Nichte nicht mehr erbt. Die Einsetzung als Nacherbe enthält im Zweifel die Einsetzung als Ersatzerbe, §§ 2102 Abs. 1, 2096 BGB. Die Nichte tritt als Ersatzerbin an die Stelle des vorverstorbenen Vorerben. Sie wird nicht Nacherbin, sondern mit dem Erbfall Vollerbin ihres Onkels. 32 In letztwilligen Verfügungen findet sich gelegentlich die laienhafte Formulierung, dass der Erbe die Erbschaft mit dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses an einen anderen „herauszugeben“ habe. § 2103 BGB deutet das als Vorund Nacherbfolge. Die Auslegung kann auch hier zu einem anderen Ergebnis führen. So fehlt es bei der Anordnung der „sofortigen“ Herausgabe an einer zumindest vorübergehenden Vorerbenstellung. Die Verfügung ist widersprüchlich, kann aber als sofortige Erbeinsetzung des Dritten verbunden mit der Ernennung des Erstberufenen zum Testamentsvollstrecker zu werten sein1.
1 Palandt/Edenhofer, § 2103 Rz. 2; Soergel/Harder, § 2103 Rz. 2.
300
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 35 B IV
Die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge setzt voraus, dass der Erblasser einen Vor- und Nacherben einsetzt (Rz. 8 f.). Hat er es unterlassen, seine Rechtsnachfolger näher zu bestimmen, und bleibt die Willenserforschung ergebnislos, droht die Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung. Um das zu vermeiden, muss die fehlende Benennung des Vor- oder Nacherben ersetzt werden. Die §§ 2104, 2105 BGB ermöglichen eine konstruktive Vor- bzw. Nacherbfolge. Sie kommt in Betracht, wenn zumindest ein Bedachter feststeht. Sonst ist die Verfügung unwirksam.
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Hat der Erblasser angeordnet, dass der Erbe nur bis zum Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses Erbe sein soll, ohne festzulegen, wer alsdann die Erbschaft erhält, so ist nach § 2104 S. 1 BGB anzunehmen, dass als Nacherben diejenigen eingesetzt sind, welche die gesetzlichen Erben des Erblassers sein würden, wenn er zur Zeit des Eintritts des Zeitpunkts oder des Ereignisses gestorben wäre. Die unvollständige Verfügung wird dahin gehend ergänzt, dass die gesetzlichen Erben Nacherben sind. Der Fiskus gehört nicht dazu, § 2104 S. 2 BGB. Es handelt sich um eine gewillkürte Erbeinsetzung. An der Nacherbeneinsetzung fehlt es auch, wenn jemand zwar zunächst ernannt ist, die Ernennung aber durch durchstreichen (§ 2255 BGB) widerrufen wird, sofern die Nacherbfolge nicht insgesamt widerrufen werden sollte1. Für die Auslegungsregel ist dagegen kein Raum, wenn der Erblasser zwar einen Nacherben eingesetzt hat, diese Einsetzung aber wegen Formfehlers oder erfolgreicher Testamentsanfechtung unwirksam ist. Der Fall, dass dem Nacherben die Erbschaft nicht anfällt, kann dem anfänglichen Fehlen der Nacherbenberufung nicht gleichgesetzt werden2. Die Anwendbarkeit des § 2104 BGB ist ferner zweifelhaft, wenn es der Erblasser unter Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB dem Vorerben überlassen hat, den Nacherben zu bestimmen (vgl. Rz. 7)3. Das ergibt sich schon daraus, dass der vom Erblasser benannte Personenkreis selten mit den gesetzlichen Erben übereinstimmt.
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Hat der Erblasser angeordnet, dass der eingesetzte Erbe die Erbschaft erst mit 35 dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses erhält, ohne festzulegen, wer bis dahin Erbe ist, so sind nach § 2105 Abs. 1 BGB die gesetzlichen Erben des Erblassers Vorerben (vgl. die Beratungssituation vor Rz. 7). Dadurch wird eine unserem Erbrecht fremde „ruhende Erbschaft“ vermieden. Der Nachlass wird trotz fehlender Vorerbenbestimmung zwischen Erbfall und Nacherbfall nicht herrenlos. Der Anwendungsbereich der Vorschrift entspricht weitgehend dem des § 2104 BGB, wobei auch der Fiskus gesetzlicher Erbe (§§ 1936, 1942 Abs. 2 BGB) und damit Vorerbe sein kann. Der Kreis der gesetzlichen Erben richtet sich nach dem Zeitpunkt des Erbfalls4. Bis zum Eintritt des Nacherbfalls hinzukommende Personen werden nicht Mitvor-
1 BayObLG v. 5.3.1991 – BReg. 1a Z 13/90, FamRZ 1991, 1114. 2 H.M.: BGH v. 22.1.1986 – IVa ZR 90/84, NJW 1986, 1812; MüKo/Grunsky, § 2104 Rz. 3. 3 So auch MüKo/Grunsky, § 2104 Rz. 3a gegen OLG Hamm v. 6.7.1995 – 15 W 172/95, NJW-RR 1995, 1477. 4 Erman/Schmidt, § 2105 Rz. 5; Palandt/Edenhofer, § 2105 Rz. 1.
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B IV Rz. 36
Vor- und Nacherbschaft
erben, selbst wenn sie beim Vorhandensein zur Zeit des Erbfalls zu den Vorerben gehört hätten. Stirbt ein nach § 2105 Abs. 1 BGB zum Vorerben Berufener nach dem Erbfall, geht die Vorerbenstellung auf seine Erben über. § 2105 Abs. 2 BGB enthält die zu § 2101 BGB notwendige Ergänzung. 36 Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft setzt ferner voraus, dass der Erblasser bestimmt, wann der Nacherbfall eintreten soll (Rz. 10). Hat er das versäumt und lässt sich sein wirklicher Wille nicht mehr ermitteln, füllt § 2106 Abs. 1 BGB die entstandene Lücke aus. Dem Nacherben fällt die Erbschaft mit dem Tod des Vorerben an. Der Erblasser darf die Entscheidung keiner anderen Person (Vorerbe, Testamentsvollstrecker etc.) überlassen, § 2065 BGB1. Tut er es gleichwohl, muss durch Auslegung erforscht werden, ob der Tod des Vorerben maßgeblich oder die Nacherbfolge unwirksam sein soll. Davon abgesehen hat der Erblasser Gestaltungsfreiheit (Rz. 12 ff.). § 2106 Abs. 2 BGB enthält die zu § 2101 BGB notwendige Ergänzung (vgl. die Beratungssituation vor Rz. 7). 37 Führt der Nacherbe den Nacherbfall – etwa durch Tötung des Vorerben – treuwidrig herbei, fällt ihm die Erbschaft in entsprechender Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB nicht an2. Wem die Erbschaft endgültig verbleibt, muss durch Testamentsauslegung geklärt werden. Umgekehrt tritt der Nacherbfall auch dann ein, wenn der Vorerbe dessen Eintritt wider Treu und Glauben verhindert, § 162 Abs. 1 BGB analog. Dabei ist allerdings Zurückhaltung geboten. Verzichtet der überlebende Ehegatte zur Umgehung der Wiederverheiratungsklausel in einem gemeinschaftlichen Testament auf die erneute Eheschließung (als vorgesehener Nacherbfall, Rz. 18) und geht stattdessen eine nicht eheliche Lebensgemeinschaft ein, greift § 162 BGB in aller Regel nicht. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man nur, wenn die Auslegung der Wiederverheiratungsklausel ergibt, dass der Nacherbfall mit jeder neuen Partnerschaft unabhängig von der Eheschließung eintreten soll3. 38 Hat der Erblasser einem Abkömmling, der zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung keinen Abkömmling hat oder von dem der Erblasser zu dieser Zeit nicht weiß, dass er einen Abkömmling hat, für die Zeit nach dessen Tod einen Nacherben bestimmt, so ist nach § 2107 BGB anzunehmen, dass der Nacherbe nur für den Fall eingesetzt ist, dass der Abkömmling ohne Nachkommenschaft stirbt. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass der Erblasser den Nachlass regelmäßig in der Familie halten und die künftigen Nachkommen eines von ihm bedachten (Enkel-)Kindes nicht zugunsten Dritter vom Familienvermögen ausschließen will. Hinterlässt der Vorerbe Abkömmlinge, entfällt die Nacherbeneinsetzung. Der Vorerbe wird rückwirkend auf den Zeitpunkt des Erbfalls Vollerbe und kann den Nachlass an seine Abkömmlinge weitervererben. Der Wegfall der Nacherbfolge im Interesse der Abkömmlinge des Vorerben setzt nicht voraus, dass sie den Vorerben tatsäch-
1 BGH v. 18.11.1954 – IV ZR 152/54, BGHZ 15, 199; Erman/Schmidt, § 2106 Rz. 3. 2 BGH v. 10.6.1968 – III ZR 67/66, NJW 1968, 2051; Erman/Schmidt, § 2106 Rz. 1. 3 MüKo/Grunsky, § 2106 Rz. 1.
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 40 B IV
lich beerben und den Nachlass des Erblassers erhalten1. Es muss aber sichergestellt sein, dass die Nacherbschaft nicht auch für den Fall angeordnet ist, dass der Vorerbe eigene Nachkommen hinterlässt. Der Erblasserwille geht vor2. § 2110 BGB enthält Auslegungsregeln über den Umfang des Nacherbenrechts. Das Gesetz geht davon aus, dass der Erblasser dem Nacherben im Zweifel den gesamten Nachlass zukommen lassen will. Der Nacherbe rückt in die volle Position des Vorerben ein. Hat dieser von dem Wegfall eines Miterben profitiert (§§ 1935, 2094, 2096 BGB), kommt das auch dem Nacherben zugute, § 2110 Abs. 1 BGB. Ein dem Vorerben zugewandtes Vorausvermächtnis (§§ 2150, 2174 BGB) unterliegt hingegen im Zweifel nicht der Nacherbschaft, § 2110 Abs. 2 BGB. Es bleibt im Vermögen des Vorerben, weil er den Gegenstand unabhängig von seinem Erbteil bekommen hat. Dem Erblasser ist es unbenommen, den Nacherben als Nach- oder Ersatzvermächtnisnehmer einzusetzen, §§ 2190, 2191 BGB. Steht die Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge nach Inhalt und Umfang fest, ist die rechtliche Stellung des Vor- und Nacherben zu ermitteln.
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II. Rechtliche Stellung des Vorerben
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Beratungssituation: Nach dem Tod ihres Mannes legt die Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament vor, in dem es heißt: „Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Vorerben ein. Nacherben des erstversterbenden Ehegatten und zugleich Erben des Längerlebenden sind beim Tod des Letztversterbenden unsere Kinder zu gleichen Teilen“ Die Mandantin erkundigt sich, was sie nun zu beachten habe.
Mit dem Erbfall ist der Nachlass der Ehefrau als Vorerbin angefallen. Sie wird Rechtsnachfolgerin ihres Mannes und hat die Erbschaft wie ein Vollerbe zu versteuern, § 6 Abs. 1 ErbStG. Die Erbschaftsteuer ist aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten, § 20 Abs. 4 ErbStG, ohne dass die in der Nacherbschaft bestehende Beschränkung steuerlich berücksichtigt werden kann (Rz. 26). Erst mit dem letztwillig vorgesehenen Ereignis (Tod des Vorerben, § 2106 Abs. 1 BGB) tritt der Nacherbfall ein. Die Frau hört auf, Vorerbin zu sein, und die Erbschaft fällt den Kindern als Nacherben an, § 2139 BGB. Im Zeitraum zwischen Erbfall und Nacherbfall stellt sich die Frage, inwieweit sie den Nachlass zu ihren Gunsten verwerten kann. Immerhin sind die Kinder endgültige Erben. Der Vorerbe soll lebzeitige Nutzungen aus der Erbschaft ziehen (§ 2111 Abs. 1 BGB), die Substanz aber den gemeinsamen Abkömmlingen erhalten bleiben. Mit dieser Zielsetzung regeln die §§ 2112 ff. BGB die Befugnisse des Vorerben im Verhältnis zu den Nacherben. Zwischen beiden besteht 1 BGH v. 24.10.1979 – IV ZR 31/78, NJW 1980, 1276 (1277); Palandt/Edenhofer, § 2107 Rz. 2. 2 BGH v. 8.7.1981 – IVa ZR 177/80, NJW 1981, 2743 (2744); BayObLG v. 25.4.1991 – BReg. 1a Z 72/90, NJW-RR 1991, 1094; BayObLG v. 9.3.1992 – BReg. 1 Z 51/91, NJWRR 1992, 839 (840).
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B IV Rz. 41
Vor- und Nacherbschaft
ein gesetzliches Schuldverhältnis1. Es verpflichtet den Vorerben zur ordnungsgemäßen Behandlung des Nachlasses im Interesse der Nacherben, § 2130 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Vorerbenstellung wird durch die beschränkte Verfügungsbefugnis über den Nachlass (Rz. 41 ff.) und die Rechte und Pflichten während der Nachlassverwaltung (Rz. 67 ff.) geprägt. Für den befreiten Vorerben gelten Besonderheiten (§ 2136 BGB; Rz. 81 ff.).
1. Verfügung über Nachlassgegenstände 41 Mit dem Erbfall wird der Vorerbe – wenn auch nur auf Zeit – Rechtsnachfolger des Erblassers. Er ist Eigentümer (§ 1922 BGB) und Besitzer (§ 857 BGB) der zum Nachlass gehörenden Sachen sowie Inhaber der vererblichen Rechte. Nach § 2112 BGB ist er berechtigt, über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände zu verfügen. Zum Schutz der Nacherben fällt jedoch alles das, was der Vorerbe durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft erwirbt, kraft dinglicher Surrogation in den Nachlass, sofern der Erwerb dem Vorerben nicht als Nutzung gebührt (§ 2111 Abs. 1 S. 1 BGB; Rz. 120). Damit er den Nachlass nicht durch Verfügungen aufzehrt, unterliegt er ferner den Verfügungsbeschränkungen der §§ 2113 ff. BGB (Rz. 42 ff.). Kann der Vorerbe wirksam verfügen, heißt das nicht, dass er es im Innenverhältnis zu den Nacherben auch darf. Läuft die Verfügung den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses zuwider, macht er sich schadenersatzpflichtig, §§ 2130, 2131 BGB. Zum Schutz des Nacherben vor den Eigengläubigern des Vorerben vgl. § 2115 BGB (Rz. 127 ff.). a) Verfügungsbeschränkungen bei Grundstücken (§ 2113 Abs. 1 BGB)
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Beratungssituation: In der Beratungssituation vor Rz. 40 benötigt die Mandantin dringend Geld zur Sanierung des Hauses. Sie fragt, ob sie das Hausgrundstück mit einer kreditsichernden Grundschuld belasten oder die wertvolle Münzsammlung ihres Mannes, für die sie keine Verwendung mehr hat, veräußern darf.
42 Nach § 2113 Abs. 1 BGB ist die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück bei Eintritt der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Der Gesetzgeber betrachtet Grundstücksgeschäfte als besonders gefährlich. Sie sollen nicht ohne die Zustimmung des Nacherben wirksam sein, es sei denn, der Erblasser hat den Vorerben von der Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 1 BGB befreit (§ 2136 BGB; Rz. 81). 43 Das Gesetz legt den rechtlichen Verfügungsbegriff zugrunde. Darunter fallen alle dinglich wirkenden Übertragungen, Belastungen, Inhaltsänderungen und die Aufgabe eines Grundstücksrechts. Dazu gehören auch die Bewilligung einer Vormerkung, die Bestellung eines Erbbaurechts und der Rangrücktritt bei einem Grundpfandrecht. Dass die Gegenleistung nach § 2111 BGB in den 1 Ebenroth, Rz. 582; MüKo/Grunsky, § 2100 Rz. 19.
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 46 B IV
Nachlass fällt, ist unerheblich. Die Beeinträchtigung bestimmt sich allein nach rechtlichen und nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die Veräußerung oder Belastung eines Grundstücks ist selbst dann unwirksam, wenn der Vorerbe dafür einen angemessenen oder günstigen Preis erzielt. Die Eingehung schuldrechtlicher Verbindlichkeiten wird von §§ 2112, 2113 Abs. 1 BGB nicht berührt. Der Vorerbe kann sich ohne Zustimmung des Nacherben wirksam zur Verfügung über ein Nachlassgrundstück verpflichten1. Bleibt die Zustimmung des Nacherben aus, haftet der Vorerbe dem Vertragspartner nach den schuldrechtlichen Vorschriften. Der Vorerbe kann das Grundstück auch vermieten oder verpachten. Der Nacherbe ist an den vom Vorerben geschlossenen Vertrag gebunden, darf ihn allerdings unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist kündigen, §§ 2135, 1056 BGB. Die Verfügung des Vorerben muss sich auf ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück beziehen. Die Verfügungsbeschränkung gilt für alle im Grundbuch eintragungsbedürftigen dinglichen Rechte einschließlich des Erbbaurechts (§ 11 ErbbauRG) und des Wohnungseigentums (§ 1 WEG). Schuldrechtliche Ansprüche und die Berechtigung zur Verfügung über bewegliche Sachen werden von § 2113 Abs. 1 BGB nicht erfasst2.
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Streitig ist, ob die Vorschrift auch dann eingreift, wenn das Grundstück Bestandteil eines Gesamthandsvermögens (BGB-Gesellschaft, OHG, KG, eheliche Güter- oder Miterbengemeinschaft) ist. Hier ist zu unterscheiden:
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Wird allein über den Gesamthandsanteil verfügt, wird das dazugehörige Grundstück nur mittelbar betroffen. § 2113 Abs. 1 BGB ist schon deshalb nicht anwendbar, weil der Verfügungsbegriff rechtlich zu verstehen ist. Es kommt nicht darauf an, ob das Grundstück wirtschaftlich im Wesentlichen den Gesamthandsanteil ausmacht. Verfügungen über Gesellschaftsanteile fallen nicht unter die Verfügungsbeschränkung, selbst wenn das Gesellschaftsvermögen vorwiegend aus Grundstücken besteht3. Nach herrschender Auffassung4 greift § 2113 Abs. 1 BGB ebenso wenig ein, wenn über das gesamthänderischer Bindung unterliegende Grundstück selbst verfügt wird. Der überlebende Ehegatte kann bei fortgesetzter Gütergemeinschaft über ein zum Gesamtgut gehörendes Grundstück verfügen (§§ 1487 Abs. 1, 1422 BGB), auch wenn er nur Vorerbe des verstorbenen Ehegatten ist und die gemeinsamen Kinder als Nacherben nicht zugestimmt haben. Im Rahmen der Auseinandersetzung einer Miterbengemeinschaft (§§ 2042 ff. 1 BGH v. 14.7.1969 – V ZR 122/66, NJW 1969, 2043 (2045); Erman/Schmidt, § 2113 Rz. 9. 2 Zur Löschung des Hofvermerks bei Vor- und Nacherbschaft BGH v. 16.4.2004 – BLw 27/03, BGHReport 2004, 1099, 1100. 3 Erman/Schmidt, § 2113 Rz. 11; Palandt/Edenhofer, § 2113 Rz. 2. 4 BGH v. 12.2.1964 – V ZR 59/62, NJW 1964, 768; BGH v. 10.3.1976 – V ZB 7/72, NJW 1976, 893; BGH v. 15.3.2007 – V ZB 145/06, NJW 2007, 2114; BayObLG v. 25.10.1995 – 2 Z BR 61/95, ZEV 1996, 65; MüKo/Grunsky, § 2113 Rz. 3 f.; a.A. Kanzleiter, ZEV 1996, 66; K. Schmidt, FamRZ 1976, 683.
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B IV Rz. 47
Vor- und Nacherbschaft
BGB) kann einem Miterben ein Grundstück ohne Zustimmung des für einen anderen Miterben benannten Nacherben übertragen werden. In einer OHG oder KG können die Gesellschafter über ein Gesellschaftsgrundstück verfügen, auch wenn einer von ihnen der Nacherbfolge unterliegt. Dem ist unter Zugrundelegung des Verfügungsbegriffs zuzustimmen: Gegenstand der Nacherbfolge ist der Gesamthandsanteil und nicht jeder zum Gesamthandsvermögen zählende Gegenstand. Weder der zum Vorerben berufene Gesamthänder noch sein Nacherbe haben Rechte an einzelnen Sachen. § 2113 Abs. 1 BGB schützt den Nacherben vor dinglichen Rechtsgeschäften des Vorerben, rechtfertigt aber nicht den Eingriff in Rechte Dritter. Wären die übrigen Gesamthänder von der Zustimmung des Nacherben abhängig, würde ihre Verfügungsmacht blockiert, obwohl nur ein Gesamthänder nacherbschaftlich beschränkt ist. 47
Rechtsfolge des § 2113 Abs. 1 BGB ist die Unwirksamkeit der Verfügung, soweit sie das Recht des Nacherben beeinträchtigt oder vereitelt. Sie ist zeitlich auf den Eintritt des Nacherbfalls hinausgeschoben. Verfügungen des Vorerben über Grundstücke oder Grundstücksrechte sind bis zu diesem Zeitpunkt wirksam. Sie tragen den Keim künftiger Ungültigkeit in sich, wenn der Nacherbe nicht eingewilligt hat, § 183 BGB. Mit Eintritt des Nacherbfalls wird die Verfügung auch ohne Zutun des Nacherben von selbst unwirksam. Die Unwirksamkeit ist keine relative im Sinne von § 135 BGB, die sich auf das Verhältnis zwischen Vor-, Nacherben und Erwerber beschränken würde. Das Wort „insoweit“ in § 2113 Abs. 1 BGB hat sachliche, keine personelle Teilwirkung. Die Verfügung wird wie in § 161 BGB gegenüber jedermann absolut unwirksam.
48 Die Unwirksamkeit kann von jedem Betroffenen und nicht nur vom Nacherben geltend gemacht werden. Sie erfasst allein das dingliche Rechtsgeschäft (z.B. Eigentumsübertragung nach §§ 873, 925 BGB) und nicht auch das Kausalgeschäft (z.B. Kaufvertrag). Bei mehreren Mitnacherben darf jeder von ihnen die Unwirksamkeit geltend machen, § 2039 BGB. Entsteht schon vor dem Erbfall Streit über die Wirksamkeit der Verfügung des Vorerben, kann der Nacherbe gegen ihn oder den beteiligten Dritten Feststellungsklage nach § 256 ZPO erheben1. Bei gutgläubigem Erwerb des Dritten (§ 2113 Abs. 3 BGB; Rz. 63) kann er auf Feststellung der Ersatzfähigkeit des Schadens gegen den Vorerben klagen. Der Schadenersatzanspruch steht ihm erst nach Eintritt des Nacherbfalls zu. 49 Die Verfügung muss das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen. Vereitelung ist die vollständige Rechtsentziehung, Beeinträchtigung, Beschränkung oder Belastung. Sie bestimmt sich jeweils nach rechtlichen und nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Keine Beeinträchtigung liegt vor, wenn die Verfügung – z.B. die Bestellung eines zeitlich begrenzten Nießbrauchs – den Nachlass nur für die Dauer der Vorerbschaft berührt. Maßgeb1 RG v. 4.2.1933 – V 379/32, RGZ 139, 343 (347); BGH v. 14.7.1969 – V ZR 122/66, BGHZ 52, 269 (271); Schlüter, Rz. 752.
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 51 B IV
lich ist der Eintritt des Nacherbfalls. Wirkt die Verfügung über den Zeitraum der Vorerbschaft hinaus, kommt es nicht darauf an, ob sich die Gegenleistung in der Erbschaft befindet. Die Verfügung ist unwirksam, wenn sie der Nacherbe nicht nachträglich genehmigt (Rz. 52). Schwierigkeiten entstehen, wenn der Vorerbe eine Verfügung vornehmen 50 will, um eine Nachlassverbindlichkeit zu erfüllen. Man denke an die Erfüllung eines Vermächtnisses (§ 2174 BGB), einer Auseinandersetzungsanordnung (§ 2048 BGB) oder einer vom Erblasser herrührenden Verpflichtung, etwa zur Übereignung eines bereits verkauften Grundstücks. Einerseits ist der Vorerbe als Erbe dem Dritten gegenüber zur Erfüllung verpflichtet (§ 1967 Abs. 1 BGB), andererseits darf er die Rechte des Nacherben nicht beeinträchtigen. Die Behandlung dieser Fälle ist streitig. Die Literatur1 nimmt zum Teil an, dass die Verfügung auch bei Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit unwirksam ist. Der Nacherbe müsse die Möglichkeit haben, den Bestand und die Fälligkeit der Verbindlichkeit zu überprüfen. Er sei allenfalls aus § 2120 BGB zur Zustimmung verpflichtet. Bei einem Vermächtnis oder einer Teilungsanordnung könne die Auslegung der letztwilligen Verfügung ergeben, dass der Vorerbe zu ihrer Erfüllung von der Verfügungsbeschränkung befreit sei. Überwiegend2 geht man davon aus, dass die Verfügung wegen des Wegfalls der Verbindlichkeit rechtlich nicht nachteilig ist. Der Gläubiger einer gegen den Nachlass gerichteten Forderung könne deren Erfüllung jederzeit durchsetzen, nach Eintritt des Nacherbfalls auch gegen den Nacherben. Rechte des Nacherben seien daher nicht beeinträchtigt. Aus § 2120 S. 1 BGB könne nicht gefolgert werden, dass der Gesetzgeber die Wirksamkeit derartiger Verfügungen von der Zustimmung des Nacherben abhängig machen wolle. Sie seien auch ohne dessen Billigung wirksam. Der herrschenden Meinung ist zuzustimmen. Die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit ist keine Beeinträchtigung der Rechte des Nacherben, sondern bei einer Vermächtnis- oder Auseinandersetzungsanordnung vom Erblasser beabsichtigt. Die Auslegung der letztwilligen Verfügung wird regelmäßig ergeben, dass der Vorerbe die Verpflichtung erfüllen und der Nacherbe sie nicht blockieren soll. § 2113 Abs. 1 BGB dient dem Schutz des Nacherben vor dem Vorerben, darf sich aber nicht zulasten Dritter auswirken, wenn der Nacherbe mit Eintritt des Nacherbfalls für die Nachlassverbindlichkeit einzustehen hat, § 1967 Abs. 1 BGB. § 2120 S. 1 BGB, der den Nacherben zur Einwilligung in eine Verfügung des Vorerben verpflichtet, wenn sie zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten erforderlich ist, verfolgt nur den Zweck, späteren Streit über das Bestehen der Nachlassverbindlichkeit und die Erforderlichkeit der Verfügung auszuschließen. Obwohl die Vorschrift die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten erwähnt, ist die Interessenlage hier eine 1 Brox, Rz. 350; Ebenroth, Rz. 564, MüKo/Grunsky, § 2113 Rz. 13. 2 OLG Hamm v. 19.9.1994 – 15 W 205/94, NJW-RR 1995, 1289; Erman/Schmidt, § 2113 Rz. 4; Palandt/Edenhofer, § 2113 Rz. 5; Schlüter, Rz. 752.
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B IV Rz. 52
Vor- und Nacherbschaft
andere, weil sowohl Vor- als auch Nacherbe vom Nachlassgläubiger zur Erfüllung gezwungen werden können. In der Praxis führt die Gegenansicht ohnehin meist zum gleichen Ergebnis. Die Begleichung einer fälligen und durchsetzbaren Nachlassschuld gehört zur ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne des § 2120 S. 1 BGB. 52 Weil die Verfügung nicht nichtig, sondern nur insoweit unwirksam ist, als sie bei Eintritt des Nacherbfalls das Recht des Nacherben vereitelt oder beeinträchtigt, kann ihr der Nacherbe durch seine Zustimmung Wirksamkeit verleihen, § 185 BGB1. Die Zustimmung wird als vorherige Einwilligung (§§ 183, 185 Abs. 1 BGB) oder als nachträgliche Genehmigung (§§ 184 Abs. 1, 185 Abs. 2 BGB) erteilt. Unter den Voraussetzungen des § 2120 BGB ist der Nacherbe zur Zustimmung verpflichtet. Bei mehreren Nacherben müssen alle zustimmen, bei einer mehrfachen Nacherbfolge müssen auch die weiteren Nacherben zustimmen. Die Zustimmung des Ersatznacherben ist vor dem Ersatznacherbfall nicht notwendig2. Der minderjährige Nacherbe bedarf der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, der seinerseits die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einholen muss, § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Vorerbe, ist § 181 BGB zu beachten. 53 Eine ohne Zustimmung vorgenommene Verfügung ist auch in den weiteren Fällen des § 185 Abs. 2 BGB (der Verfügende erwirbt den Gegenstand, wird von dem Berechtigten beerbt oder haftet für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt) wirksam. Das gewinnt praktische Relevanz, wenn der Vorerbe durch Übertragung des Nacherbenrechts auf seine Person das Grundstück zu freiem Eigentum erwirbt (Rz. 88), der Nacherbe unbeschränkt haftender Erbe des Vorerben wird oder die Nacherbfolge endgültig wegfällt3. Anders als bei der Zustimmung entfällt die Unwirksamkeit der Verfügung nicht rückwirkend (§ 184 Abs. 1 BGB), sondern für die Zukunft4. § 185 Abs. 2 BGB greift nicht ein, wenn die Verfügung zugunsten eines mehrerer Mitnacherben getroffen wird, die alle den Vorerben beerben. Hier bleibt die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs (§ 2113 Abs. 3 BGB; Rz. 63 ff.). 54 In der obigen Beratungssituation (vor Rz. 42) stellt die Belastung des Hausgrundstücks mit einer Sicherungsgrundschuld eine die Rechte der Nacherben beeinträchtigende Verfügung im Sinne des § 2113 Abs. 1 BGB dar. Sie ist ohne Zustimmung der Kinder selbst dann unwirksam, wenn die Ehefrau des Erblassers dafür einen angemessenen oder sogar günstigen Kredit zur Sanierung des Hauses erzielt. Auf den sinnvollen Verwendungszweck kommt es nur insoweit an, als die Kinder nach § 2120 BGB zur Zustimmung verpflichtet sind. Die Bank kann die Sicherungsgrundschuld gutgläubig erwerben, wenn kein 1 RG v. 30.2.1907 – V 14/07, RGZ 65, 214 (219); BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115; Brox, Rz. 350. 2 BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115; Palandt/Edenhofer, § 2113 Rz. 7; Heider, ZEV 1995, 1 (2 ff.). 3 Vgl. RG v. 19.1.1925 – IV 474/24, RGZ 110, 94; OLG München v. 9.7.1969 – 12 U 1277/69, FamRZ 1971, 93 (94); MüKo/Grunsky, § 2113 Rz. 17. 4 Schlüter, Rz. 753; Soergel/Harder, § 2113 Rz. 8.
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 57 B IV
Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) zugunsten der Kinder im Grundbuch eingetragen ist, §§ 2113 Abs. 3, 892 BGB. Die Berechtigung der Mandantin zur entgeltlichen Verfügung über bewegliche 55 Sachen (Münzsammlung) wird durch die §§ 2113 bis 2115 BGB nicht eingeschränkt. Für die Beurteilung der rechtlichen Verfügungsbefugnis kommt es nicht darauf an, ob die Rechtsstellung der Nacherben durch die Belastung des Grundstücks wirtschaftlich stärker betroffen wäre als durch den Verkauf der Münzen. Die Ehefrau kann die zum Nachlass ihres Mannes gehörige Münzsammlung übereignen. Zur Vermeidung einer Schadenersatzpflicht gegenüber ihren Kindern muss sie die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung (keine Veräußerung unter Wert) beachten, §§ 2130, 2131 BGB. Vorsichtshalber sollte sie die Zustimmung ihrer Kinder zur geplanten Maßnahme einholen. b) Verfügungsbeschränkungen bei Schenkungen (§ 2113 Abs. 2 BGB)
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Beratungssituation: In der Beratungssituation vor Rz. 40 ist die Mandantin der Auffassung, dass das Patenkind des Verstorbenen bei der Erbnachfolge zu kurz kommt. Sie fragt, ob sie dem Kind die CD-Sammlung ihres Mannes überlassen darf.
Der Stamm der Erbschaft soll dem Nacherben zukommen und nicht durch Schenkungen des Vorerben geschmälert werden. Unentgeltliche Verfügungen über Nachlassgegenstände werden den Verfügungen über Grundstücke gleichgestellt, § 2113 Abs. 2 S. 1 BGB. Anders als § 2113 Abs. 1 BGB erstreckt sich die Verfügungsbeschränkung nicht nur auf Grundstücke, sondern erfasst Erbschaftsgegenstände jeglicher Art, d.h. auch bewegliche Sachen, Forderungen und Gesellschaftsanteile. Ebenfalls anders als im Fall des § 2113 Abs. 1 BGB kann der Erblasser den Vorerben von der Beschränkung des § 2113 Abs. 2 BGB nicht befreien (§ 2136 BGB; zur Vermächtnislösung Rz. 81). Anstandsschenkungen sind von der Unwirksamkeit ausgenommen, § 2113 Abs. 2 S. 2 BGB.
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Der Verfügungsbegriff ist derselbe wie in § 2113 Abs. 1 BGB (Rz. 43). Die Verfügung ist unentgeltlich, wenn der Vorerbe einen Wert aus dem Nachlass hergibt, ohne dass die eingetretene Schmälerung der Erbschaft durch eine gleichwertige Gegenleistung ausgeglichen wird (objektives Kriterium). Ferner muss der Vorerbe wissen oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses (§ 2130 BGB) erkennen können, dass die Gegenleistung kein vollwertiges Entgelt darstellt (subjektives Kriterium)1. Angesichts der Regelung des § 2138 Abs. 2 BGB ist mitunter zweifelhaft, ob die fahrlässige Unkenntnis des unzulänglichen Ausgleichs ausreicht. Denkbar ist hier, dass die Verfügung wirksam und der Vorerbe dem Nacherben schadenersatzpflichtig ist. Die unentgeltliche Verfügung ist wirksam, wenn sie ausnahmsweise den Grundsätzen ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung entspricht. Man denke an den Ver-
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1 BGH v. 24.9.1971 – V ZB 6/71, BGHZ 57, 84 (90); BGH v. 26.10.1983 – II ZR 44/83, NJW 1984, 362 (364); BGH v. 23.11.1983 – IVa ZR 147/81, NJW 1984, 366 (367); BGH v. 24.10.1990 – IV ZR 296/89, NJW 1991, 842 f.; OLG Braunschweig v. 11.11.1993 – 4 W 13/93, FamRZ 1995, 443 (445); Soergel/Harder, § 2113 Rz. 17.
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B IV Rz. 58
Vor- und Nacherbschaft
zicht auf eine praktisch nicht durchsetzbare Forderung oder einen nahezu unverkäuflichen, aber kostenträchtigen Gegenstand. 58 Aus dem Sinn und Zweck der Erbschaftserhaltung für den Nacherben folgt, dass die Gegenleistung in den Nachlass und nicht an Dritte (z.B. an einen von mehreren Nacherben ohne Anrechnung auf seinen Nacherbteil) fließen muss. Aufgrund der dinglichen Surrogation nach § 2111 BGB ist das grundsätzlich der Fall. Verwendet der Vorerbe die Gegenleistung für eigene Zwecke, lässt das die Wirksamkeit der Verfügung unberührt. Etwas anderes gilt, wenn es nach der Art der Gegenleistung ausgeschlossen ist, dass sie dem Nacherben zugute kommt. Lässt sich der nicht befreite Vorerbe eine für seinen persönlichen Gebrauch bestimmte Leistung (z.B. Zahlung einer Leibrente gegen Verkauf eines Grundstücks oder Übertragung eines Gesellschaftsanteils) gewähren, ist die Verfügung unentgeltlich. Im Gegensatz zum befreiten Vorerben ist er nicht berechtigt, Erbschaftsgegenstände für sich zu verwenden, §§ 2134, 2136 BGB1. Bei befreiter Vorerbschaft hängt die Gleichwertigkeit der Gegenleistung von der Rentenhöhe und der verbleibenden Lebenserwartung des Vorerben ab. In der obigen Beratungssituation ist die Weggabe der nachlasszugehörigen CD-Sammlung durch die Mandantin mangels adäquater Gegenleistung des Patenkindes von der Zustimmung der Nacherben abhängig, sofern nicht die Voraussetzungen einer Anstandsschenkung vorliegen. 59
Gemischte Schenkungen sind ebenfalls der Verfügungsbeschränkung unterworfen. Teilweise unentgeltliche Verfügungen werden wie unentgeltliche behandelt2. Dem Nacherben steht nicht nur ein Anspruch auf Zahlung der Wertdifferenz zu. Das entspricht dem Schutzzweck des § 2113 Abs. 2 BGB. Beruft sich der Nacherbe auf die Unwirksamkeit und verlangt er mit Eintritt des Nacherbfalls von dem Erwerber die Berichtigung des Grundbuchs, ist dessen Gegenleistung in die Rückabwicklung des Geschäfts einzubeziehen. Der Dritte ist Zug um Zug zur Herausgabe verpflichtet3. Sonst würde die Rechtsstellung des Nacherben über die Sicherung des Nachlasswerts hinaus verbessert.
60 Verfügt der Vorerbe über einen zum Nachlass gehörigen Gesellschaftsanteil, wirft die Feststellung der Unentgeltlichkeit erfahrungsgemäß besondere Schwierigkeiten auf.
Û
Beratungssituation: Der Erblasser war OHG-Gesellschafter. Für den Fall seines Todes sieht der Gesellschaftsvertrag den Eintritt der Erben in die OHG vor. Dies sind seine Ehefrau als Vorerbin und seine Tochter als Nacherbin. Als die OHG dringende Investitionen tätigen muss, hat die Ehefrau nicht die nötigen Geldmittel. Der Gesellschaftsvertrag wird da-
1 BGH v. 25.5.1977 – IV ZR 15/76, BGHZ 69, 47 (51 f.); OLG Hamm v. 8.10.1990 – 15 W 194/90, FamRZ 1991, 113 (115); MüKo/Grunsky, § 2113 Rz. 23. 2 BGH v. 15.2.1952 – V ZR 54/51, BGHZ 5, 173 (182); BGH v. 2.10.1952 – IV ZR 24/52, BGHZ 7, 274 (279); Erman/Schmidt, § 2113 Rz. 17. 3 BGH v. 10.10.1984 – IVa ZR 75/83, NJW 1985, 382; BGH v. 30.5.1990 – IV ZR 83/89, FamRZ 1990, 1344.
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 62 B IV
her abgeändert. Die Mitgesellschafter übernehmen den finanziellen Beitrag der Vorerbin, wofür ihre Beteiligung in einen unvererblichen Kommanditanteil umgewandelt wird. Die Tochter fragt, ob sie mit Eintritt des Nacherbfalls Kommanditistin wird. Sowohl die Zustimmung des Vorerben zur Änderung des Gesellschaftsvertrags, durch die in seine Mitgliedschaftsrechte eingegriffen wird, als auch sein freiwilliges Ausscheiden aus der Gesellschaft kann eine unentgeltliche Verfügung über den Gesellschaftsanteil darstellen. Die Gesellschaftsbeteiligung zielt zwar nicht auf den Leistungsaustausch. Rechte und Pflichten stehen jedoch in einem Wertverhältnis. Dessen Veränderung zuungunsten des Vorerben wirkt sich auf die Position des Nacherben aus. Die Verfügung ist folglich nur wirksam, wenn ein gleichwertiges Äquivalent in den Nachlass fließt, § 2113 Abs. 2 BGB. Scheidet der Vorerbe freiwillig ohne objektiv vollwertige Abfindung aus der Gesellschaft aus, ist eine zumindest teilweise Unentgeltlichkeit anzunehmen. In die gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung müssen alle vermögenswerten Bestandteile der Gesellschaft (laufende Geschäfte, stille Reserven, „good will“ etc.) einbezogen sein1. In der obigen Beratungssituation rückt die Tochter in die Kommanditistenstellung der Mutter ein, wenn die Vererblichkeit des Kommanditanteils (§ 177 HGB) durch die Abänderung des Gesellschaftsvertrags nicht wirksam ausgeschlossen worden ist. Der vertragliche Ausschluss der Vererblichkeit könnte eine unentgeltliche Verfügung zugunsten der Mitgesellschafter sein. Dafür spricht, dass die Tochter bei Eintritt des Nacherbfalls weder den ursprünglichen OHG-Anteil ihres Vaters noch den verbliebenen Kommanditanteil erhält. Andererseits dient die Vertragsänderung der Entwicklung des Unternehmens und kommt im Ergebnis dem Nachlassvermögen zugute. Der BGH2 hält § 2113 Abs. 2 BGB nach seinem Sinn und Zweck, eine Wertminderung des Nachlasses ohne Gegenleistung zu verhindern, nicht für anwendbar. Die Änderung des Gesellschaftsvertrags sei keine unentgeltliche Verfügung, wenn sie entweder die Mitgliedschaftsrechte aller Gesellschafter gleichermaßen treffe oder die anderen Gesellschafter nur bei Abänderung zu zusätzlichen Leistungen bereit seien. Vorliegend hat die Vorerbin der einseitigen Änderung zulasten ihres Gesellschaftsanteils zugestimmt, weil die übrigen OHG-Gesellschafter ihrerseits zusätzliche Leistungen für die Stärkung des Unternehmens erbringen. Die Vertragsänderung ist damit wirksam, die Kommanditbeteiligung unvererblich. Die Tochter wird mit Eintritt des Nacherbfalls nicht Kommanditistin. Ihr bleibt der schuldrechtliche Anspruch gegen die Kommanditgesellschaft, §§ 738 BGB, 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB.
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Rechtsfolge ist wie im Fall des § 2113 Abs. 1 BGB die Unwirksamkeit der Verfügung, sofern es sich nicht um eine Anstandsschenkung handelt, § 2113 Abs. 2 S. 2 BGB. Beeinträchtigt oder vereitelt die Verfügung das Recht des
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1 BGH v. 26.10.1983 – II ZR 44/83, NJW 1984, 362; Harder, DNotZ 1994, 822, 825; MüKo/Grunsky, § 2113 Rz. 22a; Paschke, ZIP 1985, 129 ff. 2 BGH v. 6.10.1980 – II ZR 268/79, BGHZ 78, 177; dazu Harder, DNotZ 1994, 822; Lutter, ZGR 1982, 108.
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B IV Rz. 63
Vor- und Nacherbschaft
Nacherben, ist ihre Wirksamkeit von seiner Zustimmung abhängig, § 185 BGB. Im Übrigen gilt das unter Rz. 47 Gesagte. Besonderheiten bestehen insofern, als der Erblasser den Vorerben von der Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 2 BGB nicht befreien kann, § 2136 BGB. Auch der befreite Vorerbe ist nicht befugt, unentgeltlich über Grundstücke oder Grundstücksrechte zu verfügen. Stellt er einen Eintragungsantrag beim Grundbuchamt (§ 13 GBO), muss er nachweisen, dass seine Verfügung entgeltlich ist. Weil ihm das mit den Beweismitteln des Grundbuchrechts kaum gelingt, lassen sich Zweifel an der Wirksamkeit der Verfügung meist nur dadurch ausräumen, dass der Vorerbe die Zustimmungserklärung des Nacherben in der Form des § 29 GBO beibringt. In der Praxis geht das Grundbuchamt der Frage der Unentgeltlichkeit erst nach, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Unentgeltlichkeit vorliegen1. c) Schutz des guten Glaubens (§ 2113 Abs. 3 BGB)
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Beratungssituation: In der Beratungssituation vor Rz. 40 wird die Ehefrau des Erblassers als Eigentümerin des Hausgrundstücks im Grundbuch eingetragen. Die Einsetzung der Kinder als Nacherben ist im Grundbuch versehentlich nicht vermerkt. Vier Jahre nach dem Tod ihres Mannes veräußert die Frau das Grundstück an einen Immobilienmakler, der von der Vor- und Nacherbschaft nichts weiß. Kurz darauf stirbt sie. Die Kinder verlangen Grundbuchberichtigung.
63 § 2113 Abs. 1 und 2 BGB bewahrt die Nacherben vor Verfügungen des Vorerben. Dessen Vertragspartner ist jedoch bei Unkenntnis der Vor- und Nacherbfolge nicht minder schützenswert. Dem trägt § 2113 Abs. 3 BGB Rechnung: Die Vorschriften zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, finden entsprechende Anwendung. Das sind die §§ 892, 893 BGB bei Grundstücken, die §§ 932 ff., 1032, 1207 BGB bei beweglichen Sachen und die §§ 2365 ff. BGB beim Erbschein. Der gute Glaube muss sich darauf beziehen, dass der betreffende Gegenstand nicht zu einer der Nacherbfolge unterliegenden Erbschaft gehört bzw. dass der Vorerbe nach § 2136 BGB von den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB befreit ist. Der Erwerber erwirbt das Recht auch dem Nacherben gegenüber. Der gute Glaube an die Entgeltlichkeit der Verfügung ist nicht geschützt. Hat der Erwerber das Recht unentgeltlich gutgläubig erworben (§ 2113 Abs. 2, 3 BGB), haftet er dem Nacherben bereicherungsrechtlich, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB. 64
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Beratungshinweis: Bei Grundstücksgeschäften des Vorerben scheitert der gutgläubige Erwerb regelmäßig schon daran, dass die Verfügungsbeschränkung aus dem Grundbuch zu ersehen ist. Mit der Eintragung des Vorerben als Eigentümer wird das Recht des Nacherben von Amts wegen eingetragen (Nacherbenvermerk, § 51 GBO). Für den lastenfreien Erwerb nach § 2113 Abs. 3 BGB bleiben die Fälle, in denen der Vorerbe als Berech-
1 Vgl. OLG Hamm v. 2.5.1969 – 15 W 113/69, NJW 1969, 1492; Soergel/Harder, § 2113 Rz. 27 f.
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 66 B IV
tigter eingetragen und der Nacherbenvermerk fälschlich nicht eingetragen oder gelöscht worden ist. Hieraus folgt zugleich, dass er nicht ohne Zustimmung des Nacherben und eines etwaigen Ersatznacherben gelöscht werden darf. Stimmen diese der Löschung zu, verzichten sie allein auf ihren Schutz vor gutgläubigem Erwerb, nicht auf ihr Nacherbenrecht. Bei irrtümlicher Löschung haben sie bis zum Eintritt des Nacherbfalls einen Anspruch auf Wiedereintragung. Im Übrigen bewirkt der Nacherbenvermerk keine Grundbuchsperre1. Verfügungen, die der Vorerbe unter Verstoß gegen § 2113 Abs. 1, 2 BGB trifft, werden eingetragen. In der obigen Beratungssituation sind die Kinder mit dem Tod ihrer Mutter Nacherben geworden, §§ 2106 Abs. 1, 2139 BGB. Als Eigentümer können sie von jedem, der zu Unrecht im Grundbuch eingetragen ist, Grundbuchberichtigung verlangen, § 894 BGB. Die ihnen zugefallene Erbschaft könnte allerdings durch die Übereignung des Grundstücks geschmälert sein. Zwar scheitert die Verfügung der Vorerbin nach §§ 873, 925 BGB an § 2113 Abs. 1 BGB. Der gutgläubige Immobilienmakler kann sich aber auf § 2113 Abs. 3 BGB berufen. Die Verfügungsbeschränkung ist ihm gegenüber nur wirksam, wenn sie aus dem Grundbuch ersichtlich oder ihm positiv bekannt ist, § 892 Abs. 1 S. 2 BGB. Hier waren die Mutter als Eigentümerin und das Nacherbenrecht der Kinder unter Verstoß gegen § 51 GBO nicht eingetragen. Dem Makler sind die testamentarischen Umstände nicht bekannt gewesen. Er hat das Eigentum an dem Grundstück gutgläubig erworben. Die Kinder haben keinen Anspruch aus § 894 BGB. Es kommt allenfalls eine Haftung des Grundbuchamts wegen des fehlenden Nacherbenvermerks in Betracht.
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d) Verfügungsbeschränkungen bei Grundstücksrechten (§ 2114 BGB) Zieht der Vorerbe eine Hypothekenforderung, Grund- oder Rentenschuld ein, 66 verfügt er über ein Grundstücksrecht. Die Verfügungsbeschränkung des § 2113 BGB greift jedoch nicht ein, weil § 2114 S. 1 BGB davon eine Ausnahme macht: Gehört eine Hypothekenforderung, eine Grundschuld oder eine Rentenschuld zur Erbschaft, steht deren Kündigung und Einziehung dem Vorerben zu. Die Zustimmung des Nacherben ist nicht erforderlich. Das gilt sowohl für das dingliche Recht als auch für die gesicherte persönliche Forderung einschließlich der prozessualen Geltendmachung. Zum Schutz des Nacherben ist das Einziehungsrecht eingeschränkt. Der Vorerbe kann es ohne Zustimmung des Nacherben nur so geltend machen, dass er Hinterlegung des Kapitals für sich und den Nacherben verlangt. Zahlungen an ihn sind dem Nacherben gegenüber nur wirksam, wenn dieser zugestimmt hat (§ 2114 S. 2 BGB) oder eine Befreiung nach § 2136 BGB vorliegt. Bei mehreren Nacherben müssen alle zustimmen. Andernfalls ist die Zahlung unwirksam und befreit den Schuldner gegenüber dem Nacherben nicht2. § 2114 BGB stärkt die Position des Vorerben ausschließlich im Hinblick auf die Kündigung und Einzie1 RG v. 3.9.1935 – III 36/35, RGZ 148, 385 (392); BayObLG v. 30.1.1991 – BReg. 2 Z 1/91, BWNotZ 1991, 142 f.; Ebenroth, Rz. 566. 2 BGH v. 4.12.1969 – III ZR 31/68, WM 1970, 221 (223); Erman/Schmidt, § 2114 Rz. 3.
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B IV Rz. 67
Vor- und Nacherbschaft
hung eines Grundpfandrechts. Auf andere Verfügungen bleibt § 2113 BGB uneingeschränkt anwendbar, § 2114 S. 3 BGB.
2. Verwaltung des Nachlasses 67 Bis zum Eintritt des Nacherbfalls ist der Vorerbe Erbe. Er hat das Recht und die Pflicht, den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten. Das folgt aus § 2130 Abs. 1 BGB. Danach hat der Vorerbe nach Eintritt des Nacherbfalls dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustand herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsgemäßen Verwaltung ergibt. Darüber hinaus hat der Vorerbe auf Verlangen Rechenschaft abzulegen, § 2130 Abs. 2 BGB. a) Recht und Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung 68 Die ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses bestimmt sich vorrangig nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Der Vorerbe soll den Wert der Erbschaft im Interesse des Nacherben möglichst erhalten und vermehren. Immaterielle Gesichtspunkte wie die Pflege der Familientradition und die Bewahrung historisch bedeutender Bestandteile der Erbschaft können hinzutreten. Recht und Pflicht des Vorerben zur ordnungsgemäßen Verwaltung umfassen insbesondere 69 – die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten, §§ 1967 ff. BGB. Sie ist eine typische und legitime Verwaltungshandlung des Vorerben. Dazu gehört die Begleichung noch offener Forderungen gegen den Erblasser oder die Erfüllung von Vermächtnissen, §§ 2147, 2174 BGB. Trifft der Vorerbe zur Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit eine Verfügung, ist darin keine Beeinträchtigung der Rechte des Nacherben im Sinne von § 2113 BGB zu sehen (Rz. 51). 70 – die Eingehung neuer Verpflichtungen. Begründet der Vorerbe eine neue Verbindlichkeit, muss er nicht erkennbar im Namen oder für den Nachlass handeln. Er haftet mit seinem Eigenvermögen, sofern er die Haftung nicht durch Haftungsbeschränkungsvertrag auf den Nachlass beschränkt. Der Nachlass und damit auch der Nacherbe (nach Eintritt des Nacherbfalls, § 2144 BGB) haften nur, soweit der Vorerbe die Verbindlichkeit vom Standpunkt eines sorgfältigen Verwalters fremden Vermögens in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses (§ 2120 BGB) eingegangen ist1. So ist die Ordnungsmäßigkeit einer Kreditaufnahme zu bejahen, wenn Nachlassverbindlichkeiten befriedigt werden müssen oder Reparaturen an Nachlassgegenständen notwendig sind. Lässt sich die Tilgung nicht aus den Erbschaftserträgen, sondern nur aus der Nachlasssubstanz bestreiten, kann das einer ordnungsgemäßen Verwaltung entgegenstehen. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung eines Unternehmens gehört es, vorhandene Markt1 BGH v. 10.2.1960 – V ZR 39/58, BGHZ 32, 60 (64); BGH v. 31.1.1990 – IV ZR 326/88, BGHZ 110, 176 (179); OLG Oldenburg v. 28.3.1994 – 13 U 181/93, NJW 1994, 2772.
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Rz. 73 B IV
chancen wahrzunehmen, den Geschäftsbereich an die Absatzentwicklung anzupassen und ggf. zu expandieren. – die Anlegung von Geld und die Verwaltung von Wertpapieren. Verfügbares Geld hat der Vorerbe mündelsicher anzulegen (§§ 1806 ff. BGB), wenn es nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft dauernd anzulegen ist, § 2119 BGB. Für die Verwaltung von Wertpapieren und Buchforderungen legt das Gesetz dem Vorerben besondere Pflichten auf. Auf Verlangen des Nacherben muss er besonders verkehrsgängige Papiere hinterlegen (§ 2116 BGB), Inhaberpapiere umschreiben (§ 2117 BGB) und Sperrvermerke in Schuldbücher eintragen lassen (§ 2118 BGB).
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– Ist zur ordnungsgemäßen Verwaltung, insbesondere zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten, eine Verfügung erforderlich, die der Vorerbe nicht mit Wirkung gegen den Nacherben vornehmen kann, so ist der Nacherbe dem Vorerben gegenüber zur Einwilligung verpflichtet (§§ 2120 S. 1, 183 BGB; Rz. 51). Der Sinn dieser Regelung besteht darin, dem Vorerben die Verwaltung des Nachlasses zu ermöglichen. Er soll Dritten gegenüber nachweisen können, dass die Erfüllung nicht am Widerstand des Nacherben scheitert, und vor späteren Schadenersatzforderungen des Nacherben sicher sein. Letzteres setzt voraus, dass der Vorerbe dem Nacherben alle relevanten Umstände der geplanten Verfügung durch Vorlage von Vertragsunterlagen, Angabe des Verwendungszwecks aufgenommener Darlehen etc. korrekt mitteilt. Bei einer Kreditaufnahme zulasten des Nachlasses kann es zur Ordnungsmäßigkeit der Nachlassverwaltung gehören, dass ein Treuhänder eingeschaltet wird, ohne dessen Zustimmung der Vorerbe nicht über die Kreditmittel verfügen kann1.
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b) Nutzungen und Erhaltungskosten der Erbschaft Der Vorerbe ist Eigentümer des Nachlasses und hat bis zum Eintritt des Nacherbfalles eine dem Nießbraucher ähnliche Stellung. Ihm stehen die Nutzungen der Erbschaft zu. Sie fallen in sein Vermögen (§§ 2111 Abs. 1 S. 1, 100, 101 BGB)2. Gehören Gesellschaftsanteile oder ein Unternehmen zum Nachlass, lassen sich die dem Vorerben zustehenden Nutzungen oft nur schwer bestimmen. Maßstab ist auch hier § 2130 BGB. Der Vorerbe hat seine Beteiligung in ordnungsgemäß verwaltetem Zustand herauszugeben. Bei einem Unternehmen verbleibt ihm nicht der Brutto-, sondern der nach Abzug der Steuern ermittelte Reingewinn, wie er sich aus der Jahresbilanz ergibt. Bei Anteilen an einer Kapitalgesellschaft stehen ihm die ausgeschütteten Dividenden und sonstige Erträgnisse zu3. Zieht der Vorerbe Übermaßfrüchte aus der Erbschaft, gewährt § 2133 BGB dem Nacherben einen Wertersatzanspruch. 1 BGH v. 31.1.1990 – IV ZR 326/88, BGHZ 110, 176 (177 ff.); BGH v. 10.2.1993 – IV ZR 274/91, NJW 1993, 1582. 2 BGH v. 6.10.1980 – II ZR 268/79, BGHZ 78, 177 (188); BGH v. 3.6.1981 – IVa ZR 195/80, BGHZ 81, 8 (12); BGH v. 29.6.1983 – IVa ZR 57/82, NJW 1983, 2874 (2875); Palandt/Edenhofer, § 2111 Rz. 7. 3 Baur, JZ 1958, 465 ff.; Ebenroth, Rz. 596; Soergel/Harder, § 2111 Rz. 13.
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B IV Rz. 74
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74 Als Ausgleich für den Anfall der Nutzungen hat der Vorerbe die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen, § 2124 Abs. 1 BGB. Das sind die üblichen Ausbesserungs- und Erhaltungs- (nicht aber Wertsteigerungs-)Kosten, auf Erbschaftsgegenstände anfallende Steuern und Versicherungsprämien sowie die Zinsen für Nachlassverbindlichkeiten. Bei einem Unternehmen muss der Vorerbe für die laufenden Betriebskosten (Rohstoffe, Löhne, Werbungskosten, Steuern) aufkommen. Dadurch, dass diese Kosten in die Bilanz eingehen, darf der Nacherbe allerdings nicht mehr erhalten, als ihm nach den §§ 2111, 2124 BGB zusteht1. Sonstige Aufwendungen darf der Vorerbe aus der Erbschaft bestreiten, § 2124 Abs. 2 S. 1 BGB. Dazu zählen die Kosten eines Rechtsstreits, es sei denn, dieser bezieht sich ausschließlich auf die Nutzungen des Vorerben. Bestreitet der Vorerbe die sonstigen Aufwendungen aus seinem Vermögen, ist ihm der Nacherbe bei Eintritt der Nacherbfolge ersatzpflichtig, § 2124 Abs. 2 S. 2 BGB. Der Erblasser kann den Vorerben im Wege eines Vermächtnisses zugunsten des Nacherben verpflichten, die Grundpfandrechte aus den an sich dem Vorerben zustehenden Nutzungen der Erbschaft zu tilgen mit der Folge, dass Erstattungsansprüche aus § 2124 Abs. 2 BGB insoweit nicht geltend gemacht werden können2. Zur Geltendmachung von Ansprüchen des Vorerben auf Aufwendungsersatz in der Nachlassinsolvenz s. § 329 InsO i.V.m. §§ 323, 324 Abs. 1 Nr. 1, 326 Abs. 2, 3 InsO. c) Prozessführung des Vorerben 75 Als Rechtsträger des Nachlasses ist der Vorerbe uneingeschränkt zur Prozessführung über Erbschaftsgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten berechtigt. Die aktive oder passive Prozessführung stellt keine Verfügung über das streitbefangene Recht dar. Für den Prozessgegner stellt sich die Frage, ob sich die Rechtskraft des Urteils auch auf den Nacherben erstreckt. § 325 Abs. 1 ZPO greift nicht ein, weil der Nacherbe nicht Rechtsnachfolger des Vorerben, sondern des Erblassers ist (Rz. 1). Der Nacherbe ist nur an ein dem Erblasser gegenüber ergangenes Urteil gebunden. Will der Kläger eine nicht allein den Vorerben, sondern auch den Nacherben bindende Entscheidung, muss er diesen mitverklagen. Unter den Voraussetzungen des § 326 ZPO entfaltet ein vor Eintritt der Nacherbfolge rechtskräftig gewordenes Urteil, das im Streit zwischen dem Vorerben und einem Dritten über eine Nachlassverbindlichkeit oder einen der Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand ergangen ist, ausnahmsweise Rechtskraftwirkung für und gegen den Nacherben. Die Vorschrift unterscheidet zwei Fallgestaltungen: 76 – Ist das Urteil über eine Nachlassverbindlichkeit oder einen der Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand zugunsten des Vorerben ergangen, wirkt das Urteil auch für den Nacherben, § 326 Abs. 1 ZPO. Ein ungünstiges Urteil bindet ihn nicht. 1 Zum Umfang der Erhaltungskosten BGH v. 24.1.1973 – IV ZR 140/71, FamRZ 1973, 187; BGH v. 7.7.1993 – IV ZR 96/92, FamRZ 1993, 1311 (1312); MüKo/Grunsky, § 2124 Rz. 2 f.; Voit, ZEV 1994, 138 ff. 2 BGH v. 7.7.2004 – IV ZR 140/03, BGHReport 2004, 1438.
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Rz. 79 B IV
Beratungssituation: Der Vorerbe hat ein rechtskräftiges Urteil auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 50 000 Euro, das der Erblasser dem Beklagten gewährt hatte, erstritten. Nach Eintritt des Nacherbfalls fragt der Nacherbe, wie er gegen den weiterhin säumigen Schuldner vorzugehen hat.
Das Urteil entfaltet nicht nach § 325 Abs. 1 ZPO, wohl aber nach § 326 Abs. 1 ZPO Rechtskraftwirkung für den Nacherben. Er muss den säumigen Darlehensnehmer des Erblassers nicht noch einmal verklagen. Er kann die dem Vorerben erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Urteils auf sich umschreiben lassen (§§ 728 Abs. 1, 727 ZPO) und daraus die Zwangsvollstreckung betreiben. – Ist das Urteil zuungunsten des Vorerben ergangen und betraf es eine Nachlassverbindlichkeit, bindet es den Nacherben nicht. Nur wenn das für den Vorerben ungünstige Urteil einen der Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand betrifft und der Vorerbe über ihn ohne Zustimmung des Nacherben verfügen konnte, wirkt das Urteil gegen den Nacherben, § 326 Abs. 2 ZPO. Das ist etwa der Fall, wenn der Vorerbe nach § 2136 BGB befreit war (Rz. 81) oder der Nacherbe der Verfügung oder Prozessführung zugestimmt hat, § 185 BGB. Ist der Vorerbe zur Herausgabe eines Nachlassgegenstands verurteilt und wirkt das Urteil gegen den Nacherben, kann eine Vollstreckungsklausel auch gegen ihn erteilt werden, §§ 728 Abs. 1, 727 ZPO. Eine im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Vorerben getroffene Verfügung ist nach Maßgabe des § 2115 BGB gegenüber dem Nacherben wirksam (Rz. 127 ff.).
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Tritt während des anhängigen Rechtsstreits zwischen dem Vorerben und dem Dritten der Nacherbfall ein, wird das Verfahren unterbrochen, wenn der Vorerbe über den der Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand ohne Zustimmung des Nacherben verfügen konnte, § 242 ZPO. Obwohl der Nacherbe Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht des Vorerben ist, wird er prozessual wie dessen Rechtsnachfolger behandelt, § 239 Abs. 1 ZPO. Tritt der Nacherbe in den Prozess ein, ergeht das Urteil gegen ihn. Sonst berührt ihn das Urteil mangels gesetzlichen Übergangs der Parteistellung nicht. Das führt regelmäßig zur einseitigen Erledigungserklärung in der Hauptsache. War der Vorerbe durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, setzt das Gericht das Verfahren auf Antrag aus, § 246 ZPO.
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d) Haftung des Vorerben Lässt der Vorerbe im Rahmen der Nachlassverwaltung die erforderliche Sorgfalt vermissen, können die Nacherben schon während der Dauer der Vorerbschaft nach §§ 2127 ff. BGB gegen ihn vorgehen. Mit Eintritt des Nacherbfalls entsteht ein Schadenersatzanspruch, § 2130 Abs. 1 BGB. Der Vorerbe hat in Ansehung der Verwaltung für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, § 2131 BGB. Für grobe Fahrlässigkeit haftet er immer, § 277 BGB. Verwendet er Erbschaftsgegenstände eigenEdenfeld
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nützig für sich, ist er nach Eintritt des Nacherbfalls zum Wertersatz und bei schuldhaftem Verhalten zum Schadenersatz verpflichtet, § 2134 BGB. Veränderungen oder Verschlechterungen von Erbschaftssachen, die durch die ordnungsmäßige Benutzung herbeigeführt werden, hat er nicht zu vertreten, § 2132 BGB.
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Beratungssituation: Der Vorerbe verwaltet den Nachlass schlecht. Er veräußert Gegenstände und macht Dritten großzügige Schenkungen, ohne sich mit den Nacherben abzustimmen. Sein nicht zur Erbschaft gehörendes Eigenvermögen hat er verbraucht. Die Nacherben fürchten um ihre Erbschaft und erkundigen sich, was sie gegen den Vorerben unternehmen können.
80 Besteht Grund zu der Annahme, dass der Vorerbe durch seine Verwaltung die Rechte des Nacherben erheblich verletzt, ist der Nacherbe berechtigt, von dem Vorerben Auskunft über den Bestand der Erbschaft zu verlangen, § 2127 BGB (dazu unten C VII Rz. 83 ff.). Der Nacherbe kann Sicherheitsleistung begehren, wenn durch das Verhalten des Vorerben oder seine ungünstige Vermögenslage die Besorgnis einer erheblichen Verletzung der Rechte des Nacherben begründet wird, § 2128 Abs. 1 BGB. Ist der Vorerbe rechtskräftig zur Sicherheitsleistung verurteilt, können die Nacherben ferner verlangen, dass dem Vorerben die Verwaltung der Erbschaft entzogen und einem Verwalter übertragen wird, §§ 2128 Abs. 2, 1052 BGB. Damit verliert der Vorerbe nicht nur sein Verwaltungsrecht, sondern zugleich das Recht, über Erbschaftsgegenstände zu verfügen, § 2129 Abs. 1 BGB. Gutgläubige Dritte werden wie im Fall des § 2113 Abs. 3 BGB (Rz. 63) geschützt, § 2129 Abs. 2 BGB. Zu den Rechten des Nacherben während der Dauer der Vorerbschaft Rz. 99 ff.; zu seinen Rechten nach Eintritt des Nacherbfalls Rz. 124 ff.
3. Der befreite Vorerbe 81 Nach § 2136 BGB kann der Erblasser den Vorerben von den Beschränkungen und Verpflichtungen des § 2113 Abs. 1 und der §§ 2114, 2116 bis 2119, 2123, 2127 bis 2131, 2133, 2134 BGB befreien. Das ermöglicht die flexible Gestaltung der Vor- und Nacherbfolge1. Von der Verfügungsbeschränkung des § 2113 Abs. 2 BGB kann der Erblasser den Vorerben nach dem Wortlaut des § 2136 BGB nicht befreien (Rz. 62). Auch der befreite Vorerbe ist nicht befugt, unentgeltlich über Grundstücke oder Grundstücksrechte zu verfügen. Die Praxis umgeht diese fehlende Befreiungsmöglichkeit mit einer Vermächtnislösung:2 Der Nacherbe wird mit einem Vermächtnis dahin gehend beschwert, dass er bestimmten unentgeltlichen Verfügungen des Vorerben zuzustimmen hat. Da der betreffende Nacherbe verpflichtet ist, den durch die Verfügung herbei-
1 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen Mayer, ZEV 2000, 1 (2 ff.). 2 OLG Düsseldorf v. 14.6.1999 – 3 Wx 104/99, ZEV 2000, 29 (30) mit krit. Anm. Wübben; Kipp/Coing, § 51 III 1b; Mayer, ZEV 1996, 104 (105); Müller, ZEV 1996, 179 (180); Staudinger/Behrends/Avenarius, § 2136 Rz. 7; ablehnend MüKo/Grunsky, § 2136 Rz. 9.
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Rz. 83 B IV
geführten Erfolg hinzunehmen, beeinträchtigt ihn die unentgeltliche Verfügung des Vorerben gemäß § 2113 Abs. 2 BGB nicht. Die Befreiung des Vorerben verschafft ihm eine selbstständige, von Kontroll- 82 und Zustimmungsrechten des Nacherben weitgehend unabhängige Stellung. Sie wird von Amts wegen im Grundbuch eingetragen (§ 51 GBO), hat jedoch Grenzen. Der Vorerbe bleibt Treuhänder des Nacherben und ist über § 2113 Abs. 2 BGB hinaus nicht von allen Beschränkungen und Verpflichtungen der §§ 2113 ff. BGB befreit. Er muss die gewöhnlichen Erhaltungskosten tragen (§ 2124 Abs. 1 BGB), auf Verlangen ein Nachlassverzeichnis mitteilen (§ 2121 BGB; dazu unten C VII Rz. 76 ff.) und den Grundsatz der Surrogation (§ 2111 BGB; Rz. 120) sowie seine Schadenersatzpflicht bei Minderung des Nachlasses in Benachteiligungsabsicht (§ 2138 Abs. 2 BGB) beachten. Seine Eigengläubiger sind bei Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der Vorerbschaft auch im Fall des § 2136 BGB beschränkt (§ 2115 BGB; Rz. 127 ff.). Soweit der Erblasser den Vorerben nicht befreien kann, darf er die Rechte des Nacherben nicht dadurch schmälern, dass er den Vorerben zum Testamentsvollstrecker des Nacherben (§ 2222 BGB) beruft. Die Befreiung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen (vgl. § 2137 BGB)1. Sie ist durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln. Es können auch außerhalb der letztwilligen Verfügung liegende Umstände hinzugezogen werden, wenn die Befreiung in der Urkunde andeutungsweise zum Ausdruck kommt.
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Beratungssituation: Der Erblasser hat seinen Ehegatten zum Vorerben und entferntere Verwandte zu Nacherben eingesetzt. Der Ehegatte, der wesentlich zum Erwerb des Vermögens beigetragen und mit einer Vollerbenstellung gerechnet hat, fragt, ob er jetzt zumindest befreiter Vorerbe ist.
Die Rechtsprechung2 hat in dieser Konstellation eine stillschweigende Befreiung bejaht: Handele es sich bei dem Vorerben um eine dem Erblasser nahe stehende Person (z.B. der Ehegatte) und bei dem Nacherben mangels anderer naher Verwandter um einen entfernten Verwandten, sei die schlüssige Befreiung von den gesetzlichen Beschränkungen anzunehmen, wenn die nahe stehende Person wesentlich zum Vermögenserwerb des Erblassers beigetragen habe. Auch sonst spielen die verwandtschaftliche Nähe und der Wille, das Familienvermögen zusammenzuhalten, für die Auslegung eine große Rolle. Je mehr die Vorerbschaft darauf beruht, dass der Vorerbe zeitlebens ein sicheres Auskommen haben soll, desto eher liegt die Annahme nahe, dass er zu diesem Zweck den Stamm des Nachlasses angreifen darf. Die bloße Einsetzung zum „alleinigen Vorerben“ spricht dagegen noch nicht für eine Befreiung, weil auch der nicht befreite Vorerbe Alleinerbe ist3. Wird der Nacherbe auf 1 BayObLG v. 29.11.1991 – BReg. 1 Z 12/91, FamRZ 1992, 728 (729); Schlüter, Rz. 769. 2 BayObLG v. 28.10.1960 – BReg. 1 Z 39/60, BayObLGZ 1960, 432 (437). 3 BGH v. 4.12.1969 – III ZR 31/68, FamRZ 1970, 192; Brox, Rz. 369; Palandt/Edenhofer, § 2136 Rz. 5.
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B IV Rz. 84
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dasjenige eingesetzt, was von der Erbschaft bei Eintritt des Nacherbfalls übrig ist, gilt diese Einsetzung auf den Überrest nach § 2137 Abs. 1 BGB als Befreiung im Sinne von § 2136 BGB. Das Gleiche ist im Zweifel anzunehmen, wenn der Vorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt sein soll, § 2137 Abs. 2 BGB. Zu der Frage, ob der überlebende Ehegatte bei einer Wiederverheiratungsklausel im gemeinschaftlichen Testament befreiter Vorerbe ist, vgl. unten B VII Rz. 58. 84 Die Befreiung kann personell und gegenständlich sein. Sie kann sich auf bestimmte Personen (einer von mehreren Vorerben, Ersatzvorerbe, Erbe des Vorerben), auf einzelne Erbschaftsgegenstände (z.B. Unterscheidung von Privatund Geschäftsvermögen) oder auf einzelne Geschäfte beziehen1. Des Weiteren ist es zulässig, die Befreiung von dem Eintritt einer oder mehrerer Bedingungen (§§ 158, 2074, 2075 BGB) abhängig zu machen2. So können die Wirkungen des § 2136 BGB für den Fall angeordnet werden, dass der Vorerbe wirtschaftlich in Bedrängnis gerät und den Stamm der Erbschaft angreifen muss oder dass der Nacherbe aufgrund seiner finanziellen Stellung auf die Erbschaft nicht mehr angewiesen ist. Da umgekehrt auch letztwillige Beschränkungen auferlegt werden können, die über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen, eröffnet das in der Praxis vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten3. Sie sind namentlich beim Unternehmertestament von Bedeutung.
III. Rechtsposition des Nacherben
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Beratungssituation: Der Erblasser hat seine Ehefrau testamentarisch zur Vorerbin und die gemeinsamen Kinder zu Nacherben eingesetzt. Der Nacherbfall soll mit dem Ableben der Frau eintreten. Die Ehefrau hat keine Verfügung von Todes wegen errichtet. Wenige Monate nach dem Tod des Mannes verstirbt auch die Frau. Die Kinder fragen, wie sie ihre Eltern beerbt haben.
85 Mit dem Tod des Mannes ist die Ehefrau seine alleinige Vorerbin geworden, mit ihrem Ableben der Nacherbfall eingetreten, § 2139 BGB. Die Kinder haben in ihrer Eigenschaft als Nacherben den Vater und nicht etwa ihre Mutter als Vorerbin beerbt (Rz. 1). Nur erbschaftsteuerrechtlich werden sie so behandelt, als stamme das Vermögen von der Mutter, § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG. Dieser Erbgang betrifft allerdings nur den Nachlass des Mannes. Die Kinder haben kraft gesetzlicher Erbfolge auch ihre Mutter beerbt, §§ 1924 Abs. 1, 1930 BGB. Mit dem Tod der Frau erben sie gleichzeitig kraft gesetzlicher und gewillkürter Erbfolge. Sie sind sowohl Nacherben ihres Vaters als auch Vollerben ihrer Mutter. Es handelt sich um zwei verschiedene Nachlässe, die gesondert zu 1 MüKo/Grunsky, § 2136 Rz. 7 f.; Schlüter, Rz. 770. 2 BayObLG v. 10.7.1984 – BReg. 1 Z 4/84, FamRZ 1984, 1272; Erman/Schmidt, § 2136 Rz. 1. 3 Mayer, ZEV 2000, 1 (3 ff.) mit zahlreichen Formulierungsbeispielen.
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Rz. 88 B IV
verwalten, auseinander zu setzen (§ 2042 BGB) und zu versteuern sind (§ 6 Abs. 2 S. 3 ErbStG; Rz. 26). Die Stellung der Nacherben hängt davon ab, wann sie ihre Rechte geltend machen. Zu unterscheiden sind der Zeitraum der Vorerbschaft (Rz. 86 ff.) und die Zeit nach Eintritt des Nacherbfalls (Rz. 111 ff.):
1. Stellung des Nacherben während der Dauer der Vorerbschaft Der Nacherbe wird zwar erst mit dem Nacherbfall Erbe (§ 2139 BGB). Er erlangt jedoch schon mit dem Erbfall eine so sichere Aussicht auf die Erbenstellung, dass von einem Anwartschaftsrecht gesprochen werden kann (Rz. 87 ff.). Die Wirkung der Anwartschaft äußert sich darin, dass der Nacherbe gegenüber dem Vorerben bestimmte Sicherungsrechte erhält (Rz. 99 ff.). Dazu gehören Zustimmungsrechte zu bestimmten Verfügungen (§ 2113 BGB), Rechte auf Auskunft (§ 2127 BGB), Sicherheitsleistung (§ 2128 BGB) oder Mitteilung des Inventars (§ 2121 BGB). Die Prozessführung des Vorerben über Erbschaftsgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten bindet ihn nur ausnahmsweise (Rz. 75 ff.).
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a) Das Anwartschaftsrecht des Nacherben Mit dem Erbfall erwirbt der Nacherbe ein bedingtes oder befristetes Erbrecht in Gestalt eines Anwartschaftsrechts auf Eintritt in die Erbenposition1. Der Nacherbe kann vor Eintritt des Nacherbfalls – nicht des Erbfalls (§ 311 Buchstabe b BGB) – darüber verfügen, sofern der Erblasser die Übertragbarkeit nicht ausgeschlossen hat. Das Nacherbenrecht wird von Amts wegen als Verfügungsbeschränkung des Vorerben in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen (§ 51 GBO), um den nacherbschaftsfreien Erwerb Dritter zu verhindern (§ 2113 Abs. 3 BGB; Rz. 64). Kann der Nacherbe noch nicht namentlich bezeichnet werden (§§ 2101 Abs. 1, 2106 Abs. 2 BGB), muss er durch anderweitige Merkmale so umschrieben werden, dass keine Unklarheiten über die Verfügungsbeschränkung des Vorerben auftreten können. Voraussetzung ist stets, dass auch der Vorerbe eingetragen ist. Ein isolierter Nacherbenvermerk ist unzulässig.
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Die Übertragung des Nacherbenrechts vor Eintritt der Nacherbfolge ist nach herrschender Meinung2 selbst dann zulässig, wenn das Nacherbenrecht nach §§ 2108 Abs. 2 S. 2, 2074 BGB aufschiebend bedingt ist. Die Übertragbarkeit hängt nicht von der Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Nacherbfalls ab. Das entspricht dem wirtschaftlichen Interesse des Nacherben: Er kann den Wert seiner Erbaussicht vor dem Nacherbfall durch Veräußerung oder Kreditsicherung nutzen. Anders als der Vorerbe hat er noch keine Rechte an einzelnen Nachlassgegenständen. Ebenso wie im Fall des § 2033 BGB besteht ein gestei-
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1 RG v. 13.11.1942 – VII 60/42, RGZ 170, 163 (168); BGH v. 9.6.1983 – IX ZR 41/82, BGHZ 87, 367 (369); BGH v. 9.11.1994 – IV ZR 319/93, NJW 1995, 456; BayObLG v. 29.11.1991 – BReg. 1 Z 12/91, FamRZ 1992, 728 (729); Erman/Schmidt, § 2100 Rz. 10. 2 Lange/Kuchinke, § 28 VII 3e; MüKo/Grunsky, § 2100 Rz. 27; Soergel/Harder, § 2100 Rz. 11.
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gertes Interesse an der Verkehrsfähigkeit des Erblasservermögens. Aus der entsprechenden Anwendung des § 2033 Abs. 1 S. 2 BGB resultiert, dass die Verfügung der notariellen Beurkundung (§ 128 BGB) bedarf. Für das zugrunde liegende Kausalgeschäft gilt die Form der §§ 2371, 2385 BGB1. Mitnacherben und Vorerben steht ein Vorkaufsrecht zu, § 2034 BGB. 89 Mit der Übertragung des Nacherbenanwartschaftsrechts tritt der Erwerber in die Rechtsstellung des Nacherben ein, ohne selbst Nacherbe zu sein. Er wird nicht in den Erbschein nach dem Erblasser aufgenommen, darf die Anwartschaft aber weiterveräußern. Vor dem Eintritt des Nacherbfalls übt er die Rechte des bisherigen Nacherben aus, nach dem Nacherbfall erlangt er ohne Durchgangserwerb die Rechtsstellung des Erben. Ist der Vorerbe auf die Zustimmung des Nacherben angewiesen (z.B. nach § 2113 BGB), muss diese vom Erwerber erteilt werden. Wird das Nacherbenrecht auf den Vorerben übertragen, ist dieser sogleich Vollerbe. Die Abfindung des Nacherben ist von ihm nach § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG zu versteuern. Der Vorerbe seinerseits kann sie nicht als Erwerbskosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG) absetzen. Zu beachten ist, dass in der Verfügung des Nacherben oft die schlüssige Annahme der Erbschaft liegt, so dass sie der Erwerber nicht mehr ausschlagen kann, § 1943 BGB. Ihm bleibt nur die Möglichkeit, die Annahme der Erbschaft wegen Irrtums des Nacherben anzufechten, § 1957 Abs. 1 BGB. Mit dem Nacherbfall haftet der Erwerber für die Nachlassverbindlichkeiten. Anders als im Fall des § 2382 Abs. 1 BGB haftet der Veräußerer nicht mit. 90 Das Anwartschaftsrecht kann durch die Gläubiger des Nacherben gepfändet und verwertet werden. Gegenstand der Pfändung ist das Nacherbenrecht und nicht der künftige Herausgabeanspruch gemäß § 2130 Abs. 1 BGB. Die Pfändung erfolgt durch Pfändungsbeschluss nach § 857 Abs. 1 ZPO. Sind Mitnacherben vorhanden, muss er auch ihnen zugestellt werden. Ob der Beschluss dem Vorerben als Drittschuldner (§ 857 Abs. 2 ZPO) zugestellt werden muss, ist streitig2. Schlägt der Nacherbe die Nacherbschaft aus, wird die Pfändung gegenstandslos. Das gepfändete Nacherbenrecht wird durch Versteigerung (§ 857 Abs. 5 ZPO) oder freihändigen Verkauf (§ 844 ZPO) verwertet, wobei Mitnacherben und Vorerbe kein Vorkaufsrecht haben. Tritt nach der Pfändung, aber vor der Verwertung, der Nacherbfall ein, setzt sich das Pfändungspfandrecht am Herausgabeanspruch (§ 2130 Abs. 1 BGB) und an den Nachlassforderungen, nicht an den Nachlasssachen fort. In der Insolvenz des Nacherben gehört das Nacherbenrecht zur Insolvenzmasse, vgl. §§ 329 ff. InsO. 91 Das Anwartschaftsrecht fällt weg, wenn der Nacherbe die Erbschaft ausschlägt. Dazu ist er nicht erst nach Eintritt des Nacherbfalls, sondern schon mit dem Erbfall berechtigt, §§ 2142 Abs. 1, 1946 BGB. Das gilt auch, wenn er unter aufschiebender Bedingung oder Befristung oder als weiterer Nacherbe berufen ist. Die Erbschaft verbleibt dann im Zweifel dem Vorerben, § 2142 1 RG v. 13.11.1942 – VII 60/42, RGZ 170, 163 (169); Palandt/Edenhofer, § 2108 Rz. 6; Soergel/Harder, § 2100 Rz. 12. 2 Bejahend MüKo/Grunsky, § 2100 Rz. 32, verneinend Brox, Rz. 346.
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Rz. 93 B IV
Abs. 2 BGB. Die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB beginnt erst mit dem Anfall der Erbschaft durch den Nacherbfall, §§ 2139, 2142 Abs. 1 BGB. Der Nacherbe darf den Nacherbfall abwarten. Wegen der drohenden Verjährung des Pflichtteilsanspruchs (§§ 2306 Abs. 2, 2332 BGB) kann er aber gehalten sein, vor dem Nacherbfall auszuschlagen1. Das Ausschlagungsrecht des Nacherben ist von dem des Vorerben unabhängig. Schlägt der Nacherbe die Erbschaft vor dem Nacherbfall wirksam aus (§§ 1944 ff. BGB), wird sein Anwartschaftsrecht rückwirkend beseitigt. Erfolgt die Ausschlagung nach dem Eintritt der Nacherbfolge, gilt der Anfall der Erbschaft an ihn als nicht erfolgt, § 1953 Abs. 1 BGB. Der Vorerbe wird Vollerbe, falls der Erblasser nichts anderes bestimmt hat, § 2142 Abs. 2 BGB. Maßgeblich ist der durch Auslegung zu ermittelnde Erblasserwille, nicht der Wunsch des Nacherben, gegen den Willen des Verstorbenen zugunsten des Vorerben auszuschlagen. So wird der Vorerbe nicht Vollerbe, wenn der Erblasser eine Ersatznacherbfolge (§§ 2096, 2102 BGB) angeordnet hat, diese vermutet wird (§ 2069 BGB) oder eine Anwachsung unter Mitnacherben nach § 2094 Abs. 1 BGB eintritt, es sei denn, der Erblasser hat die Anwachsung ausgeschlossen, § 2094 Abs. 3 BGB. Schlägt der Nacherbe die Erbschaft aus, um den Pflichtteil zu erlangen (§ 2306 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB), entspricht es gewöhnlich nicht dem Willen des Erblassers, dass die Erbschaft an die Abkömmlinge des Nacherben als Ersatznacherben fällt. Sie verbleibt dem Vorerben, sofern der Erblasser im Testament nichts anderes bestimmt2. Treten weder Ersatznacherbfolge noch Anwachsung ein, wollte der Erblasser jedoch ausschließen, dass der Vorerbe bei Ausschlagung des Nacherben zum Vollerben wird, fällt das Nacherbenrecht den gesetzlichen Erben des Erblassers zu (§ 2104 BGB; Rz. 34). Ist die Rechtslage nach § 2142 Abs. 2 BGB unklar und soll der Vorerbe auf jeden Fall Vollerbe werden, ist anstelle der Ausschlagung die Übertragung der Nacherbenanwartschaft auf den Vorerben ratsam (Rz. 88).
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Über die Annahme der Erbschaft durch den Nacherben sagt § 2142 BGB nichts. Es ist jedoch anerkannt3, dass der Nacherbe die Erbschaft bereits mit dem Erbfall und nicht erst mit dem Nacherbfall annehmen kann, § 1946 BGB. Die Annahme kann schlüssig erfolgen. So wird in der Verfügung über das Nacherbenrecht meist die konkludente Annahme der Erbschaft zu sehen sein. Die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten, die nur das Anwartschaftsrecht sichern sollen (Auskunftsverlangen nach § 2127 BGB; Zustimmung zu einer Verfügung des Vorerben nach §§ 2113, 2120 BGB), reicht nicht aus. Dass der Nacherbe die Anwartschaft nach der Annahme der Erbschaft nicht mehr durch Ausschlagung beseitigen kann, gewinnt praktische Bedeutung
93
1 RG v. 5.1.1905 – Rep. IV 320/04, RGZ 59, 341 (346); BGB-RGRK/Johannsen, § 2142 Rz. 6. 2 OLG Frankfurt v. 25.8.1970 – 6 W 244/70, OLGZ 1971, 208; Erman/Schmidt, § 2142 Rz. 4. 3 RG v. 9.12.1912 – Rep. IV 187/12, RGZ 80, 377 (380); BayObLG v. 22.6.1966 – BReg. 1b Z 12/66. BayObLGZ 1966, 227 (230); Erman/Schmidt, § 2142 Rz. 1.
Edenfeld
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B IV Rz. 94
Vor- und Nacherbschaft
– für den Erwerber der Anwartschaft (Rz. 89). Er kann sicher sein, dass die Nacherbschaft nicht mehr durch Ausschlagung des Nacherben erlischt. – für die Pfändungsgläubiger (Rz. 90). Sie sind davor geschützt, dass die Nacherbschaft als Vollstreckungsobjekt verloren geht. 94 Stirbt der Nacherbe im Zeitraum zwischen Erbfall und Nacherbfall, stellt sich die Frage nach der Vererblichkeit des Anwartschaftsrechts.
Û
Beratungssituation: Der Erblasser hat seine Ehefrau testamentarisch zur Vorerbin und die beiden gemeinsamen Kinder zu Nacherben eingesetzt. Der Nacherbfall soll mit dem Ableben der Frau oder ihrer Wiederheirat eintreten. Im letzteren Fall soll die Frau mit dem Pflichtteil abgefunden werden und die Erbschaft an die Kinder herausgeben. Einige Monate nach dem Tod des Mannes kommt das älteste Kind bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Als die Ehefrau wenig später erneut heiratet, hält sich das überlebende Kind aus erster Ehe für den Alleinerben des Vaters und verlangt den Nachlass von seiner Mutter heraus. Diese weigert sich. Sie sei als gesetzliche Erbin ihres verstorbenen Kindes zur Hälfte am Nachlass ihres Mannes beteiligt.
Für die Vererblichkeit des Anwartschaftsrechts ist in erster Linie der Wille des Erblassers maßgeblich. Er kann die Vererblichkeit durch Verfügung von Todes wegen ganz oder teilweise ausschließen, § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB. Wenn kein Ersatznacherbe (§ 2096 BGB) bestimmt ist, wird der Vorerbe mit dem Tod des Nacherben Vollerbe. Die Beschränkung der Vererblichkeit auf einen Teil der Erben des Nacherben ermöglicht es dem Erblasser, die Vererbung nur innerhalb eines bestimmten Personenkreises, z.B. den Familienangehörigen, zuzulassen1. Gehören die Erben des Nacherben dem Personenkreis an, fällt ihnen der Nachlass zu. Die Vererblichkeit kann auch an eine zeitliche Grenze geknüpft sein. Setzt der Erblasser mehrere Mitnacherben in der Weise ein, dass die Vererblichkeit des Anwartschaftsrechts ausgeschlossen ist, wächst der Anteil eines zwischen Erb- und Nacherbfall wegfallenden Mitnacherben den anderen Mitnacherben im Verhältnis ihrer Anteile an, § 2094 BGB. Anders ist es, wenn eine ausdrückliche oder schlüssige Ersatzberufung für den fortgefallenen Nacherben festgestellt wird. Sie geht der Anwachsung vor, § 2099 BGB. 95 Lässt sich durch Auslegung der Verfügung von Todes wegen kein eindeutiges Ergebnis erzielen, greift die Auslegungsregel des § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB ein. Danach ist das Anwartschaftsrecht des Nacherben im Zweifel vererblich. Es geht auf die gesetzlichen oder testamentarischen Erben über, deren Rechtsstellung wiederum vererblich ist, § 1922 BGB. Da der Nacherbe den Nacherbfall nicht mehr zu erleben braucht, geht das Anwartschaftsrecht auch beim Tod des Nacherben im Augenblick des Nacherbfalls auf seine Erben über. Die Auslegungsregel gilt nicht, wenn eine aufschiebend bedingte Nacherbenein1 RG v. 2.11.1933 – IV B 43/33, RGZ 142, 171 (173); BGH v. 23.1.1963 – V ZR 82/61, NJW 1963, 1150; Brox, Rz. 345; Erman/Schmidt, § 2108 Rz. 4.
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Edenfeld
Vor- und Nacherbschaft
Rz. 98 B IV
setzung vorliegt, §§ 2108 Abs. 2 S. 2, 2074 BGB. Erbschaftsteuerrechtlich ist zu beachten, dass ein steuerpflichtiger Erwerb erst mit dem Nacherbfall eintritt. Stirbt der Nacherbe vor dem Nacherbfall, geht sein Anwartschaftsrecht als zunächst nicht steuerpflichtiger Erwerb auf seine Erben über, § 10 Abs. 4 ErbStG. In der obigen Beratungssituation bestehen zwei Möglichkeiten: Ist das Nacherbenrecht des verstorbenen Kindes nach § 2108 Abs. 2 BGB auf die Mutter als gesetzliche Erbin (§ 1925 Abs. 1 BGB) übergegangen, ist sie zur Hälfte am Nachlass ihres ersten Ehemannes beteiligt. Dagegen wird das überlebende Kind aus erster Ehe mit der Wiederheirat der Mutter (Eintritt des Nacherbfalls) Alleinerbe seines Vaters, wenn ihm der Erbteil des verstorbenen Mitnacherben angewachsen ist, § 2094 BGB. Entscheidend ist der Wille des Erblassers. Hat er das Nacherbenrecht vererblich ausgestaltet, geht die Vererblichkeit (zugunsten seiner Ehefrau) der Anwachsung (zugunsten seines überlebenden Abkömmlings) vor. Vorliegend dürfte ein Ausschluss der Vererblichkeit anzunehmen sein. Zwar fehlt die ausdrückliche Anordnung des verstorbenen Ehemannes für den Fall, dass eines seiner Kinder vor der Ehefrau stirbt. Das Testament lässt aber erkennen, dass die Ehefrau im Fall ihrer Wiederheirat nicht mehr als Erbin am Nachlass beteiligt, sondern nur noch Pflichtteilsberechtigte sein soll. Der Nacherbenanteil des verstorbenen Kindes ist dem überlebenden Kind aus erster Ehe angewachsen, § 2094 BGB. Es ist Alleinerbe seines Vaters.
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Bei der Berufung eines Abkömmlings zum Nacherben ergeben sich auch deshalb Probleme, weil das Verhältnis von vererblichem Nacherbenrecht und schlüssiger Berufung eines Ersatznacherben (§§ 2069, 2096 BGB; Rz. 15, 106 ff.) nicht einfach zu bestimmen ist:
97
Û
Beratungssituation: Der Erblasser hat seine Ehefrau zur Vorerbin und seinen Sohn zum Nacherben eingesetzt. Zwei Jahre nach dem Tod des Erblassers stirbt auch der Sohn. Er hinterlässt eine Ehefrau sowie zwei Kinder. Nach dem Tod der Vorerbin fragen die Überlebenden, ob und in welcher Höhe sie geerbt haben.
Wäre das mit dem Erbfall erworbene Nacherbenrecht des Sohnes vererblich (§ 2108 Abs. 2 BGB), wäre es mit seinem Tod auf die gesetzlichen Erben übergegangen, § 1922 BGB. Die Ehefrau des Sohnes könnte die Hälfte (§§ 1931 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB), seine Kinder könnten jeweils ein Viertel (§ 1924 Abs. 1, 4 BGB) beanspruchen. Nach Eintritt des Nacherbfalls (Tod der Vorerbin, § 2106 Abs. 1 BGB) hätten sie den Erblasser mit diesen Erbquoten beerbt. Anders wäre es, wenn die beiden Kinder des Sohnes nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB – sie sind Abkömmlinge des Nacherben – zu Ersatznacherben berufen wären. Dann würden nur sie und nicht auch ihre Mutter erben. Über das Verhältnis der §§ 2069, 2108 Abs. 2 BGB zueinander lässt sich keine generelle Aussage treffen. Nimmt man an, dass die Ersatzberufung der Vererblichkeit vorgeht, fällt der Nachlass allein den Abkömmlingen zu. Er bleibt in Edenfeld
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B IV Rz. 99
Vor- und Nacherbschaft
der Familie des Erblassers. Geht man von einer Vererbung des Nacherbenrechts aus, können auch familienfremde Personen (hier die Schwiegertochter) zu den Erben des Nacherben gehören. Maßgeblich ist wiederum der Wille des Erblassers1. Es kommt darauf an, ob er eine Ersatzberufung oder die Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft gewollt hat. Angesichts der Gefahr, dass der Nachlass Familienfremden zufällt, wird es oft seinem Willen entsprechen, dass die Abkömmlinge des Nacherben Ersatzberufene sind und die Nacherbenanwartschaft unvererblich ist2. Andererseits ist die Vererblichkeit nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Nacherbe ein Abkömmling des Erblassers ist. In der obigen Beratungssituation bedeutet das: Ein Wille des Erblassers, die Vererblichkeit zulasten seiner Schwiegertochter auszuschließen, lässt sich nicht feststellen. Das Nacherbenrecht seines Sohnes insgesamt vererblich. Mit dem Tod der Vorerbin ist der Erblasser zur Hälfte von seiner Schwiegertochter und zu je einem Viertel von seinen Enkeln beerbt worden. b) Rechte gegenüber dem Vorerben 99 Die Rechtsstellung des Nacherben ist bereits vor Eintritt des Nacherbfalls geschützt. Das äußert sich in den Verfügungsbeschränkungen des Vorerben (§§ 2113 ff. BGB; Rz. 42 ff.) und in seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses (§§ 2116 ff. BGB; Rz. 67 ff.). Die Prozessführung des Vorerben bindet den Nacherben nur ausnahmsweise (§ 326 ZPO; Rz. 75). Der Nacherbe hat vor Eintritt des Nacherbfalls Auskunfts-, Prüfungs- und Mitbestimmungsrechte: 100
§ 2121 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet den Vorerben, dem Nacherben auf Verlangen ein Verzeichnis der zur Erbschaft gehörenden Gegenstände mitzuteilen. Von dieser Pflicht kann ihn der Erblasser nicht befreien, § 2136 BGB. Das Verzeichnis hat Kontrollfunktion für den Nacherben und schafft die Beweisgrundlage für spätere Auseinandersetzungen mit dem Vorerben über dessen ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses, die Pflicht zur Herausgabe des Nachlasses nach Eintritt des Nacherbfalls (§ 2130 Abs. 1 BGB) und die Feststellung seiner Haftung (§§ 2131 ff. BGB; Rz. 79). Zu den Einzelheiten des Auskunftsanspruchs C VII Rz. 40 ff.
101
Die Verzeichnispflicht wird nach Maßgabe des § 2121 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und 3 BGB erfüllt: Das Verzeichnis muss mit der Angabe des Tages der Aufnahme versehen und vom Vorerben unterzeichnet sein. Dieser hat die Unterzeichnung auf Verlangen öffentlich beglaubigen zu lassen. Zur Vermeidung von Manipulationen kann der Nacherbe verlangen, bei der Aufnahme des Verzeichnisses hinzugezogen zu werden. Der Vorerbe ist berechtigt und auf Verlangen des Nacherben verpflichtet, das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufnehmen zu 1 RG v. 2.11.1933 – IV B 43/33, RGZ 142, 171 (174); RG v. 11.3.1942 – IV B 5/42, RGZ 169, 38 (39); BayObLG v. 30.9.1993 – 1 Z BR 9/93, NJW-RR 1994, 460; Musielak, ZEV 1995, 5 (6 f.). 2 RG v. 2.11.1933 – IV B 43/33, RGZ 142, 171 (173); RG v. 11.3.1942 – IV B 5/42, RGZ 169, 38 (42); BGH v. 23.1.1963 – V ZR 82/61, NJW 1963, 1150; Schlüter, Rz. 777.
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Edenfeld
Vor- und Nacherbschaft
Rz. 105 B IV
lassen. Sind Auseinandersetzungen mit dem Nacherben absehbar, wird er an der amtlichen Aufnahme des Verzeichnisses selbst interessiert sein, zumal die Kosten der Erbschaft zur Last fallen, § 2121 Abs. 4 BGB. Der Nacherbe hat ferner das Recht, den Zustand der zur Erbschaft gehörenden Sachen auf seine Kosten durch Sachverständige feststellen zu lassen, § 2122 BGB. Auch diese Befugnis hat Kontrollfunktion für den Nacherben und schafft die Beweisgrundlage für spätere Auseinandersetzungen mit dem Vorerben. Von der entsprechenden Duldungspflicht kann der Vorerbe nicht befreit werden, § 2136 BGB. Die Geltendmachung des Anspruchs ist auf einzelne Gegenstände beschränkbar. Sie umfasst auch die in die Erbschaft gelangten Surrogate (§ 2111 BGB; Rz. 120).
102
Ist eine erhebliche Verletzung der Rechte des Nacherben zu befürchten, gewähren ihm die §§ 2127 bis 2129 BGB während der Dauer der Vorerbschaft zusätzliche Rechte:
103
– Könnte der Nacherbe nur den einmaligen Auskunftsanspruch des § 2121 BGB geltend machen, wären sein Anwartschaftsrecht und sein Herausgabeanspruch nach dem Eintritt der Nacherbfolge (§ 2130 Abs. 1 BGB) unzureichend geschützt. § 2127 BGB verschafft dem Nacherben darum während der Dauer der Vorerbschaft eine Kontrollmöglichkeit. Er kann von dem Vorerben Auskunft über den Bestand der Erbschaft verlangen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Vorerbe durch seine Verwaltung die Rechte des Nacherben erheblich verletzt. Der Anspruch zielt auf Auskunft über den aktuellen Nachlassbestand. Dazu gehört nicht nur der gefährdete Gegenstand, sondern die gesamte Erbschaft einschließlich der Surrogate (§ 2111 BGB; Rz. 120). Mit jedem neuen Grund, der eine Verletzung der Nacherbenrechte vermuten lässt, ist das Rechtsschutzbedürfnis im Sinne des § 2127 BGB zu bejahen. Zu den Einzelheiten des Auskunftsanspruchs C VII Rz. 83 ff. – Der Nacherbe kann Sicherheitsleistung begehren, wenn durch das Verhalten des Vorerben oder seine ungünstige Vermögenslage die Besorgnis einer erheblichen Verletzung der Rechte des Nacherben begründet wird, § 2128 Abs. 1 BGB. Das Verhalten des Vorerben muss mit seiner Erbschaftsverwaltung zusammenhängen. Verschulden ist nicht erforderlich. Eine Gefährdung der Rechte des Nacherben durch die ungünstige Vermögenslage des Vorerben ist beispielsweise zu bejahen, wenn die Gläubiger des Vorerben in Nachlassgegenstände zu vollstrecken drohen. § 2115 BGB ändert daran nichts. Ist der Vorerbe rechtskräftig zur Sicherheitsleistung verurteilt, kann der Nacherbe verlangen, dass ihm die Verwaltung der Erbschaft entzogen und einem Verwalter übertragen wird, §§ 2128 Abs. 2, 1052 BGB.
104
– Wird dem Vorerben die Verwaltung der Erbschaft nach §§ 2128 Abs. 2, 1052 BGB entzogen, verliert er neben der Verwaltungsbefugnis das Recht, über Erbschaftsgegenstände zu verfügen, § 2129 Abs. 1 BGB. Gutgläubige Dritte werden wie im Fall des § 2113 Abs. 3 BGB (Rz. 63) geschützt, § 2129 Abs. 2 BGB.
105
Edenfeld
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B IV Rz. 106
Vor- und Nacherbschaft
c) Stellung des Ersatznacherben 106
§ 2102 Abs. 1 BGB bestimmt, was gelten soll, wenn der zuerst Berufene nicht Erbe wird, weil er die Erbschaft ausschlägt oder vorverstirbt. Das Gesetz vermutet, dass der Erblasser den als Nacherben Eingesetzten im Zweifel auch als Ersatzerben einsetzen will. § 2102 Abs. 2 BGB trägt dem Umstand Rechnung, dass die Position des Ersatzerben schwächer ist als die des Nacherben (Rz. 31). Für den Fall, dass der Nacherbe nicht Erbe wird, kann der Erblasser einen Ersatznacherben einsetzen. Dieser muss beim Nacherbfall erzeugt sein, § 1923 BGB. Andernfalls wird er zweiter Nacherbe (§ 2101 Abs. 1 S. 1 BGB; Rz. 30). Der in erster Linie Berufene kann vor dem Erbfall, während der Zeit der Vorerbschaft oder nach dem Nacherbfall wegfallen. Stirbt der Nacherbe zwischen dem Erb- und dem Nacherbfall, muss die Vererblichkeit des Nacherbenrechts (§ 2108 Abs. 2 BGB) von der schlüssigen Berufung eines Ersatznacherben (§§ 2069, 2096 BGB) abgegrenzt werden (Rz. 97 f.).
107
Die Rechtsstellung des Nacherben wird durch die Anordnung einer Ersatznacherbschaft nicht berührt. Der Ersatznacherbe hat mit Eintritt des Erbfalls eine eigene, übertragbare Anwartschaft1. Weil die Wahrscheinlichkeit für den Eintritt der Ersatznacherbfolge wesentlich geringer ist als die für den Eintritt der Nacherbfolge, ist die Position des Ersatznacherben gegenüber dem Vorerben nicht in gleichem Umfang gesichert wie die des Nacherben:
108
– Der Nacherbe kann über sein Anwartschaftsrecht (Rz. 87 ff.) auch ohne Zustimmung des Ersatznacherben verfügen und es auf den Vorerben oder einen Dritten übertragen. Die Stellung des Ersatznacherben wird dadurch nicht beeinträchtigt. Tritt der Ersatznacherbfall ein, ist die Verfügung dem Ersatznacherben gegenüber unwirksam, wenn er ihr nicht zugestimmt hat. Der Erwerber der Anwartschaft verliert seine Stellung in dem Moment, in dem der Nachlass an den Ersatznacherben fallen sollte2. Aus diesem Grund wird der Ersatznacherbenvermerk im Grundbuch nicht gelöscht, wenn der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht überträgt.
109
– Der Ersatznacherbe wird nicht nur ins Grundbuch, sondern auch in den Erbschein des Vorerben aufgenommen3. Schließlich steht beim Vorerbfall fest, dass der Vorerbe möglicherweise durch eine Ersatznacherbschaft beschränkt ist. Ohne den Ersatznacherbenvermerk könnten sich Dritte nach dem Wegfall des Nacherben auf das unbeschränkte Erbrecht des Vorerben berufen, § 2365 BGB.
110
– Der gewöhnliche Ersatzerbe (§ 2096 BGB) hat vor dem Ersatzerbfall keine Rechte am Nachlass des Erben. Folglich hat auch der Ersatznacherbe vor dem Wegfall des Nacherben grundsätzlich keine Kontroll-, Sicherungs- und 1 BayObLG v. 29.11.1991 – BReg. 1 Z 12/91, FamRZ 1992, 728 (729); Haegele, Rpfleger 1967, 161 (165); MüKo/Grunsky, § 2102 Rz. 9. 2 BayObLG v. 27.5.1970 – BReg. 2 Z 16/70, NJW 1970, 1794; OLG Hamm v. 3.4.1970 – 15 W 496/69, NJW 1970, 1606; MüKo/Grunsky, § 2102 Rz. 8. 3 RG v. 2.11.1933 – IV B 43/33, RGZ 142, 171 (173); Palandt/Edenhofer, § 2102 Rz. 6; Schlüter, Rz. 790.
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Edenfeld
Vor- und Nacherbschaft
Rz. 113 B IV
Zustimmungsrechte. Der Vorerbe benötigt in den Fällen der §§ 2113, 2114 BGB (Rz. 42 ff.) allein die Zustimmung des Nacherben, nicht auch die des Ersatznacherben1. Er schuldet ihm vor Eintritt des Ersatznacherbfalls weder ein Verzeichnis der Erbschaftsgegenstände (§ 2121 BGB) noch Auskunft (§ 2127 BGB) oder Sicherheitsleistung (§ 2128 BGB). Im Einzelfall kann es ratsam sein, auch den Ersatznacherben zustimmen zu lassen oder ihm die gewünschte Auskunft zu erteilen.
2. Stellung des Nacherben bei Eintritt des Nacherbfalls Mit dem Nacherbfall realisiert sich das Anwartschaftsrecht des Nacherben. Er erwirbt die Erbschaft kraft Gesetzes vom Erblasser (§ 1922 BGB; Rz. 1). Mit dem Eintritt der Nacherbfolge hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein, und fällt die Erbschaft dem Nacherben an, § 2139 BGB. Der Nacherbe darf sie ausschlagen, wenn er sie nicht vorher angenommen hat, §§ 2142, 1942 ff. BGB. Führt der Nacherbe den Nacherbfall wider Treu und Glauben herbei (z.B. durch Tötung des Vorerben), kann er sich nicht auf den Eintritt berufen (§ 162 Abs. 2 BGB; Rz. 37). Hat es der Vorerbe den Nachlassgläubigern gegenüber versäumt, den Eintritt des Nacherbfalls beim Nachlassgericht anzuzeigen, wird das durch die Anzeige des Nacherben ersetzt, § 2146 Abs. 1 S. 2 BGB.
111
a) Wirkungen der Nacherbfolge Die Wirkungen der Nacherbfolge ergeben sich aus den §§ 2139 bis 2146 BGB. Der Nacherbe erwirbt automatisch das Eigentum an allen Erbschaftsgegenständen. Er wird Gläubiger der Nachlassforderungen und Schuldner der Nachlassverbindlichkeiten, § 2144 BGB. Durch den Anfall der Erbschaft an den Nacherben werden das Grundbuch und der Erbschein des Vorerben unrichtig. War ein Nacherbenvermerk (§ 51 GBO) im Grundbuch eingetragen, genügt zur Umschreibung nicht die Bewilligung des Vorerben oder der Nachweis des Nacherbfalls. Der Nacherbe muss die Erbnachfolge durch einen sein Nacherbenrecht bezeugenden Erbschein nachweisen2. Der Erbschein des Vorerben wird vom Nachlassgericht eingezogen, § 2361 BGB. Der Nacherbe kann vom Vorerben Herausgabe des unrichtig gewordenen Erbscheins an das Nachlassgericht verlangen, §§ 2363 Abs. 2, 2362 Abs. 1 BGB.
112
Der unmittelbare Besitz an den Nachlasssachen geht nicht immer kraft Gesetzes (§ 857 BGB) vom Vorerben auf den Nacherben über. Vielmehr ist zu differenzieren: Hatte der Vorerbe die tatsächliche Sachherrschaft (§ 854 Abs. 1 BGB) begründet, bleibt der Besitz dem noch lebenden Vorerben auch mit Eintritt des Nacherbfalls. Ist der Nacherbfall der Tod des Vorerben, geht der Besitz auf dessen Erben über, § 857 BGB. Der Besitz muss durch Herausgabe der Erbschaft an den Nacherben übertragen werden, § 2130 Abs. 1 BGB. Nur wenn der Vorerbe den unmittelbaren Besitz noch nicht tatsächlich (§ 854
113
1 RG v. 8.11.1934 – IV B 51/34, RGZ 145, 316 (321); BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115; Palandt/Edenhofer, § 2102 Rz. 5. 2 H.M.: BGH v. 26.5.1982 – V ZB 8/81, BGHZ 84, 196; Soergel/Harder, § 2139 Rz. 10.
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B IV Rz. 114
Vor- und Nacherbschaft
BGB), sondern allein über § 857 BGB erworben hatte, geht dieser automatisch auf den Nacherben über. 114
Der Nacherbe ist Erbe und Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht etwa des Vorerben. Nur erbschaftsteuerrechtlich wird der Nacherbe im Grundsatz so behandelt, als stamme das Vermögen vom Vorerben, § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG. Eine vom Erblasser erteilte, über seinen Tod hinauswirkende und nicht widerrufene (§ 168 BGB) Vollmacht bleibt auch dem Nacherben gegenüber bestehen. Dagegen erlischt die vom Vorerben erteilte Vollmacht, weil der Nacherbe nicht sein Rechtsnachfolger ist, es sei denn, der Nacherbe hat der Bevollmächtigung zugestimmt. Tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein (§ 2106 Abs. 1 BGB), sind die beteiligten Nachlässe streng zu trennen (s. dazu die Beratungssituation vor Rz. 85). Sie sind gesondert zu verwalten, auseinander zu setzen (§ 2042 BGB) und zu versteuern (§ 6 Abs. 2 S. 3 ErbStG). Es werden nicht ein, sondern zwei Erbscheine erteilt: einer nach dem Erblasser und einer nach dem Vorerben.
115
Mit dem Erbfall erlöschen die zwischen dem Erblasser und dem Vorerben bestehenden Rechtsverhältnisse, § 1922 BGB. Vereinigen sich Gläubigerrecht und Schuld in einer Person, tritt Konfusion, vereinigen sich Recht und Belastung in einer Person, tritt Konsolidation ein. Angesichts der Nacherbfolge handelt es sich jedoch nur um ein vorübergehendes Ruhen. Mit dem Nacherbfall leben die erloschenen Rechtsverhältnisse wieder auf (§ 2143 BGB), wenn der Nachlass nicht vorher durch Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung oder -insolvenz vom Eigenvermögen des Vorerben getrennt und dieselbe Rechtswirkung erzielt worden ist, § 1976 BGB1. Der Nacherbe erhält ohne rechtsgeschäftliche Neubegründung dieselben Rechte und Pflichten gegenüber dem Vorerben, als hätte er die Erbschaft im Zeitpunkt des Nacherbfalls vom Erblasser erhalten.
116
Da der Vorerbe Rechtsträger des Nachlasses ist, kann er während der Vorerbschaft gegen Ansprüche seiner Eigengläubiger mit Nachlassforderungen aufrechnen, § 389 BGB. Mit dem Nacherbfall schuldet er dem Nacherben nicht nur Wertersatz, § 2134 BGB. Die Aufrechnung wirkt sich als unentgeltliche Verfügung über die Nachlassforderung aus, weil der Gegenwert nicht dem Nachlass, sondern dem Eigenvermögen des Vorerben zugeflossen ist. Sie wird gemäß § 2113 Abs. 2 BGB (Rz. 56 ff.) unwirksam. Der Nacherbe wird Gläubiger der Nachlassforderung, der Eigengläubiger kann sich wieder an den Vorerben halten. Umgekehrt darf der Vorerbe gegen die Forderung eines Nachlassgläubigers mit einer Forderung seines Eigenvermögens aufrechnen. Er berichtigt dadurch unter Mehrung des Nachlasses eine Nachlassschuld aus seinem Eigenvermögen. Der Nacherbe ist ihm mit Eintritt der Nacherbfolge zum Ersatz verpflichtet, § 2124 Abs. 2 S. 2 BGB. Entsprechendes gilt, wenn der Nachlassgläubiger gegen eine Forderung des Eigenvermögens des Vorerben aufrechnet. Hier ist der Nacherbe nach § 2125 Abs. 1 BGB ersatzpflichtig. Zur
1 BGH v. 1.6.1967 – II ZR 150/66, BGHZ 48, 214; Palandt/Edenhofer, § 2143 Rz. 2.
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 120 B IV
Aufrechnung durch Eigengläubiger des Vorerben gegen eine Nachlassforderung Rz. 131. Mit dem Eintritt der Nacherbfolge hört der Vorerbe auf, Erbe zu sein, und fällt die Erbschaft dem Nacherben an, § 2139 BGB. Davon erfährt der Vorerbe jedoch häufig nicht sofort. § 2140 S. 1 BGB schützt ihn dadurch, dass seine Verfügungsbefugnis fortbesteht: Der Vorerbe ist auch nach Eintritt der Nacherbfolge in gleichem Umfang wie zuvor zur Verfügung über Nachlassgegenstände berechtigt, bis er vom Eintritt des Nacherbfalls Kenntnis erlangt oder ihn kennen muss. Das Verfügungsrecht erlischt bei einfacher Fahrlässigkeit. Die Regelung ist auf schuldrechtliche Verträge über Nachlassgegenstände entsprechend anwendbar1. Dritte können sich auf die Fortdauer der Berechtigung nicht berufen, wenn sie den Eintritt der Nacherbfolge bei Vornahme des Rechtsgeschäfts kennen oder kennen müssen, § 2140 S. 2 BGB.
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Prozessual unterbricht der Nacherbfall die zwischen dem Vorerben und Dritten anhängigen Verfahren, §§ 239, 242, 246 ZPO. Dazu sowie zur Rechtskrafterstreckung auf den Nacherben (§ 326 ZPO) Rz. 75 ff.
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b) Gegenstand der Nacherbfolge Die Erbschaft geht in dem Zustand auf den Nacherben über, in dem sie sich zum Zeitpunkt des Nacherbfalls befindet. Gegenstand und Umfang der Nacherbfolge legt in erster Linie der Erblasser fest. Das gehört zu seiner inhaltlichen Gestaltungsfreiheit (Rz. 12). Daneben enthält § 2110 BGB Auslegungsregeln über den Umfang des Nacherbenrechts (Rz. 39). Das Gesetz geht davon aus, dass der Erblasser dem Nacherben im Zweifel den gesamten Nachlass zukommen lassen will. Der Nacherbe rückt in die volle Position des Vorerben ein. Hat dieser von dem Wegfall eines Miterben profitiert (§§ 1935, 2094, 2096 BGB), kommt das auch dem Nacherben zugute, § 2110 Abs. 1 BGB. Ein dem Vorerben zugewandtes Vorausvermächtnis (§§ 2150, 2174 BGB) unterliegt hingegen im Zweifel nicht der Nacherbschaft, § 2110 Abs. 2 BGB. Es bleibt im Vermögen des Vorerben, weil er den Gegenstand unabhängig von seinem Erbteil bekommen hat. Dem Erblasser ist es unbenommen, den Nacherben als Nach- oder Ersatzvermächtnisnehmer einzusetzen, §§ 2190, 2191 BGB. Soll das Vorausvermächtnis dem Nacherben nicht zufallen, ist das im Erbschein zu vermerken, damit der Erbschein keine unzutreffende Beschränkung des Vorerben ausweist.
119
Zur Erbschaft des Nacherben gehören auch die Surrogate, § 2111 Abs. 1 S. 1 BGB. Dem Ersatzerwerb unterliegt alles, was der Vorerbe aufgrund eines zur Erbschaft gehörenden Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Erbschaftsgegenstandes oder durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft erwirbt, sofern ihm der Erwerb nicht als Nutzung gebührt (§§ 100, 101 BGB; Rz. 73). Zur Erbschaft gehört ferner, was der Vorerbe dem Inventar eines erbschaftlichen Grundstücks einverleibt, § 2111 Abs. 2
120
1 BGB-RGRK/Johannsen, § 2140 Rz. 3; Erman/Schmidt, § 2140 Rz. 1.
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B IV Rz. 121
Vor- und Nacherbschaft
BGB. Das entspricht den §§ 2019, 2041 BGB und ist maßgeblich für die Aufteilung des Nachlasses zwischen Vor- und Nacherben. Die Surrogation verhindert, dass die Substanz des Nachlasses während der Dauer der Vorerbschaft zulasten des Nacherben geschmälert wird. Das Surrogat fällt mit dinglicher Wirkung in den Nachlass1. Tritt an seine Stelle ein weiteres Surrogat, gehört auch dieses zur Erbschaft (sog. Kettensurrogation). Dritte, die einen Gegenstand an den Vorerben persönlich übertragen wollen, genießen grundsätzlich keinen Vertrauensschutz. Davon macht nur § 2111 Abs. 1 S. 2 BGB für den gutgläubigen Schuldner einer durch Rechtsgeschäft erworbenen, erbschaftszugehörigen Forderung eine Ausnahme2.
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Beratungssituation: Der Vorerbe hat für seinen persönlichen Gebrauch einen neuen Pkw gekauft. Den Kaufpreis hat er aus Mitteln des Nachlasses beglichen. Dabei ging er irrtümlich davon aus, dass es sich um Mittel aus seinem Eigenvermögen handelt. Nach dem Eintritt des Nacherbfalls verlangt der Nacherbe Herausgabe des Pkw.
§ 2111 Abs. 1 S. 1 BGB unterscheidet drei Fälle der Surrogation: – Zur Erbschaft gehört erstens, was der Vorerbe aufgrund eines zur Erbschaft gehörenden Rechts erwirbt, § 2111 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB. Damit ist der Erwerb kraft Gesetzes z.B. nach den §§ 937, 946 ff., 984 BGB gemeint. – Zur Erbschaft gehört zweitens, was der Vorerbe als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Erbschaftsgegenstandes erwirbt, § 2111 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB. Hierunter fallen deliktische Schadenersatzansprüche, Bereicherungsansprüche wegen Verlusts eines Erbschaftsgegenstands und Ansprüche auf Versicherungsleistungen, Enteignungsentschädigungen oder Lastenausgleich3. – Zur Erbschaft gehört drittens, was der Vorerbe durch Rechtsgeschäft mit Mitteln der Erbschaft erwirbt, § 2111 Abs. 1 S. 1 Var. 3 BGB. Diese sog. Mittelsurrogation ist der praktisch wichtigste Fall. Art und Zweckmäßigkeit des Vertrages, Angemessenheit der Gegenleistung und Willensrichtung des Vorerben sind unerheblich. Eine Absicht, für die Erbschaft zu handeln, ist nicht notwendig. Auch wenn der Vorerbe die eingesetzten Mittel gutgläubig für Eigenvermögen hält, fällt das Surrogat in den Nachlass. Maßgeblich ist allein, dass der Erwerb objektiv mit Nachlassmitteln erfolgt. Das Surrogat kann nicht in gegenseitigem Einvernehmen mit dem Geschäftspartner vom Nachlass ausgeschlossen werden.
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In der obigen Beratungssituation liegt eine Mittelsurrogation vor. Der Vorerbe hat mit Mitteln der Erbmasse einen Vermögensgegenstand rechtsgeschäftlich 1 BGH v. 21.11.1989 – IVa ZR 220/88, BGHZ 109, 214 (217); MüKo/Grunsky, § 2111 Rz. 3. Zur Grundbuchberichtigung auf den Nacherben nach Eintritt des Nacherbfalls OLG Hamm v. 11.6.2002 – 15 W 170/02, ZEV 2003, 31. 2 Zur Leistung an den Vertreter des Vorerben nach Eintritt des Nacherbfalls KG v. 21.11.2001 – 23 U 9309/99, ZEV 2003, 110. 3 BGH v. 16.12.1965 – III ZR 98/64, BGHZ 44, 336; Palandt/Edenhofer, § 2111 Rz. 4; Soergel/Harder, § 2111 Rz. 3.
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 125 B IV
erworben. Auf seine subjektive Vorstellung kommt es nicht an. Ausschlaggebend ist allein, dass er das Rechtsgeschäft abgeschlossen und in diesem Zusammenhang objektiv Nachlassmittel aufgewendet hat. Der Pkw gehört kraft dinglicher Wirkung zum Nachlass, § 2111 Abs. 1 S. 1 Var. 3 BGB. Der Nacherbe kann ihn vom Vorerben herausverlangen, § 2130 Abs. 1 BGB. Besondere rechtliche und praktische Schwierigkeiten ergeben sich, wenn der Erwerb aus vermischten Nachlass- und Eigenmitteln des Vorerben erfolgt. Häufigster Fall ist die Weiterführung eines Wertpapierdepots, Bank- oder Girokontos des Erblassers. Ist der Kontostand beim Nacherbfall höher als beim Erbfall, liegt kein einheitlicher Surrogationsgegenstand vor. Es muss für jede einzelne Position geklärt werden, ob sie aus dem freien Vermögen des Vorerben oder dem Nachlass herrührt1. Sind Erben hinsichtlich eines Gesamthandanteils zusätzlich Nacherben, so kann bei einer Erbauseinandersetzung zwischen ihnen und dem Vorerben der auf den Vorerben übertragene Nachlassgegenstand mit Mitteln der Erbschaft im Sinne des § 2111 Abs. 1 BGB erworben worden sein2.
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c) Rechte des Nacherben gegenüber dem Vorerben Mit dem Eintritt der Nacherbfolge hat der Vorerbe dem Nacherben die Erbschaft in dem Zustand herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsgemäßen Verwaltung ergibt, § 2130 Abs. 1 S. 1 BGB. Daneben hat der Nacherbe Ansprüche aus §§ 985, 894 BGB, die sich auf die einzelnen Erbschaftsgegenstände beziehen. Bestreitet der Vorerbe den Eintritt des Nacherbfalls, tritt der Erbschaftsanspruch nach § 2018 BGB hinzu3. Der Anspruch aus § 2130 Abs. 1 S. 1 BGB zielt auf Herausgabe der gesamten Erbschaft, so wie sie dem Vorerben angefallen war, einschließlich der Erhöhung (§ 1935 BGB), Anwachsung (§ 2094 BGB) und der Surrogate (§ 2111 BGB; Rz. 120). Sind Gegenstände aus der Erbmasse ausgeschieden, tritt an die Stelle des Herausgabeanspruchs der Schadenersatzanspruch, § 2130 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Vorerbe hat ein Zurückbehaltungsrecht, soweit die Verwaltung des Nachlasses mit Kosten verbunden war und er vom Nacherben Ersatz seiner Aufwendungen verlangen kann, §§ 2124 bis 2126 BGB.
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Hat der Vorerbe im Rahmen der Nachlassverwaltung die erforderliche Sorgfalt 125 vermissen lassen, entsteht mit Eintritt des Nacherbfalls ein Schadenersatzanspruch, § 2130 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Vorerbe hat in Ansehung der Verwaltung für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, § 2131 BGB. Für grobe Fahrlässigkeit haftet er immer, § 277 BGB. Verwendet er Erbschaftsgegenstände eigennützig für sich, ist er nach Eintritt des Nacherbfalls zum Wertersatz (§ 2134 S. 1 BGB) und bei schuldhaftem Verhalten zum Schadenersatz verpflichtet, §§ 2134 S. 2, 280, 1 BGH v. 10.10.1995 – XI ZR 263/94, BGHZ 131, 60; Krampe, ZEV 1996, 63; MüKo/ Grunsky, § 2111 Rz. 1b, 7a. 2 BGH v. 3.12.1958 – V ZR 98/57, BGHZ 40, 115, 122 ff.; BGH v. 13.10.2000 – V ZR 451/98, ZEV 2001, 19. 3 H.M.: Soergel/Harder, § 2130 Rz. 6; Brox, Rz. 360; a.A. Ebenroth, Rz. 606.
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B IV Rz. 126
Vor- und Nacherbschaft
249 ff. BGB. Veränderungen oder Verschlechterungen von Erbschaftssachen, die durch die ordnungsmäßige Benutzung herbeigeführt werden, hat der Vorerbe nicht zu vertreten, § 2132 BGB. Bis zur Grenze des § 2138 Abs. 2 BGB ist die Befreiung durch den Erblasser möglich, § 2136 BGB. Näher zur Haftung des Vorerben Rz. 79. 126
Dem Nacherben sind der Zustand der Erbschaft und der Inhalt seines Herausgabeanspruchs oft nicht bekannt. Er kann darum vom Vorerben Rechenschaft verlangen (§ 2130 Abs. 2 BGB; dazu näher C VII Rz. 87 ff.). Der Vorerbe muss eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, diese vorlegen, § 259 Abs. 1 BGB. Die Mitteilung beschränkt sich auf den herauszugebenden Stamm der Erbschaft1. Sie umfasst nicht die dem Vorerben zustehenden Nutzungen (§ 2111 Abs. 1 S. 1 BGB; Rz. 120). Hat der Vorerbe bereits nach § 2121 BGB oder § 2127 BGB Auskunft erteilt (Rz. 100 ff.), darf er darauf bei der Rechenschaftslegung Bezug nehmen. Zwischenzeitliche Veränderungen sind anzugeben.
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Beratungshinweis: Der Berater sollte darauf aufmerksam machen, dass statt der ausführlichen Rechnungslegung die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses verlangt werden kann, weil der Herausgabeanspruch nach § 2130 Abs. 1 S. 1 BGB auf einen Inbegriff von Gegenständen zielt, § 260 Abs. 1 BGB. Die Pflicht zur eidesstattlichen Versicherung besteht in beiden Fällen, §§ 259 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB.
d) Schutz des Nacherben vor den Eigengläubigern des Vorerben 127
Während der Dauer der Vorerbschaft ist der Vorerbe Eigentümer und Besitzer des Nachlasses. Das bietet seinen Eigengläubigern Vorteile. Sie nutzen die mit dem Erbfall gesteigerte Haftungsmasse und vollstrecken, bevor der Vorerbe seine Rechtsposition mit dem Eintritt des Nacherbfalls wieder verliert. Andererseits soll die Erbschaft dem Nacherben mit dem Nacherbfall möglichst ungeschmälert zufallen. Die Rechte der Eigengläubiger des Vorerben, sich wegen ihrer Forderungen aus dem Nachlass zu befriedigen, sind daher beschränkt. Haftungsgrundlage ist lediglich das Eigenvermögen des Vorerben. Das gilt sowohl für die Zwangsvollstreckung als auch für die Aufrechnung.
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Die Vollstreckung der Eigengläubiger des Vorerben in Nachlassgegenstände beurteilt sich nach § 2115 S. 1 BGB: Die Verfügung über einen Erbschaftsgegenstand, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt, ist im Fall des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben beeinträchtigt oder vereitelt. Dass dies nur für die Eigengläubiger des Vorerben gilt, ergibt sich aus § 2115 S. 2 BGB: Die Verfügung ist unbeschränkt wirksam, wenn der Anspruch eines Nachlassgläubigers oder ein an einem Erbschaftsgegenstand
1 Erman/Schmidt, § 2130 Rz. 5; Palandt/Edenhofer, § 2130 Rz. 6.
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 131 B IV
bestehendes Recht geltend gemacht wird, das im Fall des Eintritts der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber wirksam ist.
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Beratungssituation: Ein Kreditinstitut erkundigt sich, ob es während laufender Vorerbschaft in den vom Vorerben verwalteten Nachlass vollstrecken darf. Die Bank legt zwei rechtskräftige Titel vor. Im Ersten ist der Erblasser zur Zahlung von 10 000 Euro verurteilt; im Zweiten der Vorerbe zur Rückzahlung eines Darlehens i.H.v. 20 000 Euro, das er nach dem Erbfall zu persönlichen Zwecken aufgenommen hat.
Die Unwirksamkeit nach § 2115 S. 1 BGB erfasst alle im Wege der Zwangsvollstreckung ergangenen Verfügungen zur Befriedigung von Geldforderungen. Entsprechendes gilt, wenn die Zwangsverfügung durch den Insolvenzverwalter erfolgt. Auf den Erbschaftsgegenstand (bewegliches oder unbewegliches Vermögen, Forderungen, Rechte) kommt es nicht an. Die Unwirksamkeit ist absolut. Sie wirkt gegenüber jedermann1. Bis zum Eintritt des Nacherbfalls bleibt die Zwangsverfügung wirksam (ähnlich §§ 2113, 2114 BGB; Rz. 42 ff.). Weil vorher nicht feststeht, ob der Nacherbfall eintritt oder die Erbschaft endgültig dem Vorerben verbleibt, beschränkt sich die Vollstreckung der Eigengläubiger des Vorerben auf die Sicherung ihrer Ansprüche durch Pfändung (§§ 804, 829, 846 f., 857 f., 930 ZPO) oder Eintragung einer Sicherungshypothek (§§ 866 ff. ZPO). Die Verwertung durch Veräußerung oder Überweisung der beschlagnahmten Erbschaftsgegenstände ist unzulässig. Der Nacherbe kann der Verwertung durch Klage widersprechen, § 773 ZPO. Anders als bei § 2113 Abs. 3 BGB (Rz. 63) scheidet der gutgläubige Erwerb Dritter mangels rechtsgeschäftlichen Erwerbs aus.
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In der obigen Beratungssituation ist zu differenzieren: In Bezug auf das gegen den Erblasser erlangte Urteil über 10 000 Euro ist das Kreditinstitut Nachlassgläubiger. Die Vollstreckung gegen den Vorerben in den Nachlass ist nach § 2115 S. 2 BGB unbeschränkt wirksam. Der Nacherbe ist nicht schutzwürdig. Nach Eintritt des Nacherbfalls müsste er selbst für die Nachlassverbindlichkeit einstehen, § 1967 BGB. Vor Eintritt des Nacherbfalls ist er verpflichtet, der Verfügung zur Berichtigung der Nachlassverbindlichkeit zuzustimmen, § 2120 BGB. Anders verhält es sich hinsichtlich des Titels über 20 000 Euro. Hier ist die Bank Eigengläubigerin des Vorerben. § 2115 S. 1 BGB greift ein. Die Verfügung im Wege der Zwangsvollstreckung ist im Fall des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben beeinträchtigt oder vereitelt. Es muss mit einer Widerspruchsklage der Nacherben (§§ 773 S. 2, 771 ZPO) gerechnet werden. Von der Vollstreckung ist abzuraten.
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Die Aufrechnung durch Eigengläubiger des Vorerben ist gesetzlich nicht gere- 131 gelt. Es ist aber anerkannt2, dass der Nacherbe die Aufrechnung der Gläubiger, 1 BGH v. 8.7.1960 – V ZB 8/59, BGHZ 33, 76 (86); Palandt/Edenhofer, § 2115 Rz. 4. Zur wirksamen Teilungsversteigerung durch den Vorerben BGH v. 16.7.2004 – IXa ZB 330/03, BGHReport 2004, 1660, 1661. 2 RG v. 3.7.1912 – Rep. I 262/11, RGZ 80, 30 (33); Palandt/Edenhofer, § 2115 Rz. 1; Schlüter, Rz. 801.
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B IV Rz. 132
Vor- und Nacherbschaft
denen gegen den Vorerben eine von seiner Erbenstellung unabhängige persönliche Forderung zusteht, gegen Nachlassforderungen nicht hinzunehmen braucht. Er wäre bei Eintritt des Nacherbfalls geschädigt, weil eine § 1977 Abs. 2 BGB vergleichbare Regelung zur Beseitigung der Aufrechnungswirkung fehlt.
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Beratungssituation: In der Beratungssituation unter Rz. 128 fragt die Bank, ob sie, anstatt wegen der Darlehensforderung über 20 000 Euro in den Nachlass zu vollstrecken, gegen eine Forderung des Vorerben aus positiver Forderungsverletzung wegen verspätet ausgeführter Aktienkäufe aufrechnen kann.
Fraglich ist schon, ob die notwendige Gegenseitigkeit der Forderungen vorliegt, § 387 BGB. Sieht man den Nachlass in der Hand des Vorerben als Sondervermögen an, können Eigengläubiger des Vorerben – hier die Bank – mangels Gegenseitigkeit nicht aufrechnen. Hierfür sprechen die §§ 2111, 2113 ff. BGB. Die Unzulässigkeit der Aufrechnung rechtfertigt sich jedenfalls aus einer Analogie zu §§ 2115 S. 1, 394 BGB, 773 ZPO: Mit der Aufrechnung würden sich die Eigengläubiger des Vorerben ebenso wie im Fall des § 2115 BGB aus dem Nachlass befriedigen, obwohl der Erbschaftsgegenstand nicht der Haftung für ihre Forderung gewidmet ist. Er soll letztlich dem Nacherben zufallen. Zu sonstigen Aufrechnungskonstellationen Rz. 116.
IV. Zusammenfassung 132
Der Erblasser kann durch Verfügung von Todes wegen einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe wird, nachdem ein anderer Erbe geworden ist (Nacherbe). Mit dem Erbfall fällt die Erbschaft zunächst dem Vorerben an. Erst mit einem vom Erblasser letztwillig vorgesehenen Ereignis (im Zweifel dem Tod des Vorerben, § 2106 Abs. 1 BGB) tritt der Nacherbfall ein. Der Vorerbe hört auf, Erbe zu sein, und die Erbschaft fällt dem Nacherben an, § 2139 BGB. Vor- und Nacherbe beerben beide – zeitlich nacheinander – den Erblasser. Auch der Nacherbe ist Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht etwa des Vorerben. Nur erbschaftsteuerrechtlich wird der Nacherbe im Grundsatz so behandelt, als stamme das Vermögen vom Vorerben, § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG. Praktische Bedeutung gewinnt die Vor- und Nacherbschaft vor allem beim gemeinschaftlichen Testament, §§ 2265 ff. BGB.
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Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft bietet zahlreiche Vorteile: – Der Erblasser erreicht, dass sein Vermögen zunächst dem Vorerben (z.B. seinem Ehegatten) zugewendet wird und dieser daraus Nutzungen ziehen kann, ohne die Substanz anzugreifen. Die Rechtsstellung des Vorerben ähnelt, obwohl er bis zum Nacherbfall Eigentümer der Nachlassgegenstände wird, der eines Erbschafts-Nießbrauchers (§ 1089 BGB). Die Vorerbschaft ermöglicht eine wirtschaftliche Absicherung auf (Lebens-)Zeit. Die Versorgung des überlebenden Ehegatten ist das in der Praxis oft ausschlaggebende Motiv. 336
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Vor- und Nacherbschaft
Rz. 134 B IV
– Ist der vorgesehene endgültige Rechtsnachfolger zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht erzeugt, kann er nicht Erbe (§ 1923 BGB), aber als Nacherbe eingesetzt sein, § 2101 Abs. 1 BGB. Ist der Nacherbe schon erzeugt oder geboren, aber nicht zur Vermögensverwaltung in der Lage, kann er zeitlich befristet (bis zum Erreichen eines bestimmten Alters, Berufsabschluss etc.) von der Erbschaft fern gehalten werden. Der Vorerbe fungiert für ihn wie ein Verwaltungstestamentsvollstrecker. – Der Erblasser stellt sicher, dass der Nachlass möglichst ungeschmälert mit einem bestimmten Ereignis (Tod oder Wiederheirat des Vorerben, Studienabschluss des Nacherben, Unternehmensnachfolge) dem Nacherben zufällt. Alles, was der Vorerbe aufgrund eines zur Erbschaft gehörenden Rechts oder als Ersatz für einen Erbschaftsgegenstand kraft Gesetzes oder mit Mitteln des Nachlasses durch Rechtsgeschäft erwirbt, bleibt als Surrogat erhalten. Das Vermögen kann in den zeitlichen Grenzen des § 2109 BGB an die Familie gebunden werden. Dagegen sind die Nachteile abzuwägen:
134
– Die Vor- und Nacherbschaft ist ein kompliziertes Rechtsinstitut. Die Trennung der Vermögensmassen ist juristischen Laien schwer vermittelbar und kann während der Dauer der Vorerbschaft zu verwaltungstechnischen Problemen führen. – Die mit der Vorerbschaft verbundenen Verfügungsbeschränkungen des Vorerben (§§ 2112 ff. BGB) und Kontrollrechte des Nacherben stellen eine erhebliche Belastung für den Vorerben dar. Die verbindliche Festlegung des Nacherben verhindert, dass der Vorerbe auf nachträgliche Veränderungen reagieren kann. Das ist namentlich bei der Unternehmensnachfolge zu beachten. – Die Belastungen des Vorerben erschweren den Rechtsverkehr. So werden unternehmerische Entscheidungen behindert, wenn eine Gesellschaftsbeteiligung zum Nachlass gehört und unklar ist, ob die Verfügung des Vorerben darüber unentgeltlich und damit unzulässig ist (§ 2113 Abs. 2 BGB). Ob die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft im Einzelfall ratsam ist, hängt neben der Zielsetzung des Erblassers von zahlreichen weiteren Aspekten wie den familiären Verhältnissen, Art und Umfang des Vermögens und steuerrechtlichen Aspekten ab. Für den Berater wirft das interessante, aber zum Teil recht schwierige Gestaltungs- und Auslegungsfragen auf. Da sowohl Vor- als auch Nacherbe steuerrechtlich Erbe sind (§ 6 Abs. 1 und 2 ErbStG), ist daran zu denken, dass ein Nießbrauchsvermächtnis günstiger sein kann.
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V. Die Auflage Schrifttum: Edenfeld, Auslegungsprobleme bei Wünschen des Erblassers: Erbenbindung oder moralischer Appell?, ZEV 2004, 141; Engelmann, Letztwillige Verfügungen zugunsten Verschuldeter oder Sozialhilfeempfänger; Heeg, Alternativen zur Nacherbeneinsetzung: Ist die erbrechtliche Auflage ein geeignetes Instrument zur Erbschaft(steuer)planung?, DStR 2007, 89; Wochner, Die unselbständige Stiftung, ZEV 1999, 125; Tanck, § 2318 III BGB schützt nur den „Pflichtteilsberechtigten“, ZEV 1998, 132; Vorwerk, Geldzuwendung durch erbrechtliche Auflage, ZEV 1998, 297; Zacher-Röder, Die bedingte Erbeinsetzung als Alternative zum sog. „Drei-Zügel-Testament“, ZEV 2008, 277.
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 1
II. Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten 1. Auflage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wunsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Testamentsvollstreckung . . . . . .
3 8 12 15 19
III. Vor- und Nachteile der Auflage .
21
IV. Inhalt der Auflage 1. Vermögensrechtlicher Inhalt . . . 2. Nichtvermögensrechtlicher Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Zweckauflage . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen der Auflage . . . . . . . . . .
22 23 24 27
V. Beschwerter der Auflage . . . . . .
Rz. 32
VI. Auflagenbegünstigter . . . . . . . . .
36
VII. 1. 2. 3. 4.
Vollziehungsberechtigter Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wegfallbegünstigter . . . . . . . . . . Testamentsvollstrecker . . . . . . . Behörde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 45 46 47
VIII. Gestaltungsmöglichkeiten für Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
IX. Unwirksamkeit der Auflage . . .
58
X. Unmöglichkeit der Vollziehung einer Auflage . . . . . . . . . . .
60
XI. Steuerliche Auswirkungen . . . .
63
I. Allgemeines 1 Mit der Auflage kann der Erblasser gem. §§ 1940, 2193 bis 2196 BGB seinem Erben oder Vermächtnisnehmer ein bestimmtes Tun oder Unterlassen aufgeben. Das setzt nicht notwendigerweise voraus, dass es sich um einen konkret abgegrenzten Gegenstand handelt, der weitergegeben wird, und dass es überhaupt um einen Vermögensvorteil geht. Mittelpunkt der Auflage ist es, dass der Beschwerte in einer bestimmten Weise handeln oder etwas unterlassen muss. In der Praxis sollte man mit der Verwendung der Auflage bei der Testamentsgestaltung sorgsam umgehen und sie auch wirklich nur dort einsetzen, wo sie sinnvoll und angebracht ist. Der Vorteil, der aber zugleich ein Nachteil der Auflage sein kann, ist, dass dem Verpflichteten etwas aufgegeben wird, ohne dass einer evtl. begünstigten Person ein Recht auf diese Leistung zugewandt wird.
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Trilsch
Auflage
Rz. 8 B V
Ein evtl. Auflagenbegünstigter hat anders als ein Vermächtnisnehmer kein einklagbares Recht, vom Erben die geschuldete Leistung zu verlangen. Insofern kann eine falsch eingesetzte Auflage ein stumpfes Schwert sein, so dass der Berater vorher abklären muss, ob im ganz konkreten Fall der Wille des Erblassers statt mit einer Auflage ggf. mit einem anderen Instrument, wie Vermächtniseinsetzung oder Ähnlichem, besser erreicht werden kann.
2
II. Abgrenzung zu anderen Rechtsinstituten 1. Auflage Anders als eine Bedingung oder ein Wunsch muss eine Auflage erfüllt werden und ist damit rechtlich verpflichtend für den Beschwerten. Zu erfüllen ist die Auflage immer durch den Erben oder Vermächtnisnehmer.
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Gegenstand einer Auflage ist anders als beim Vermächtnis die Verpflichtung zu einer Leistung, ein Tun oder Unterlassen.
4
Bei der Auflage steht der Pflicht des Beschwerten kein Rechtsanspruch eines evtl. Begünstigten der Auflage gegenüber. Es ist nicht einmal notwendig, dass es einen solchen Begünstigten überhaupt gibt, da hier die Verpflichtung zu einer Leistung, ein Tun oder Unterlassen, im Vordergrund steht. Die Bestimmung derjenigen Person, die eventuell durch eine Auflage begünstigt wird, kann bei der Zweckauflage im Ermessen des Verpflichteten liegen. Grenze dafür, was dem Verpflichteten aufgegeben werden kann, bildet hier lediglich die Sittenwidrigkeit.
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Im gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten ist die Auflage gemäß § 2270 Abs. 3 BGB wechselbezüglich.
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Sieht das Testament keine weitere Regelung vor, ob etwa eine andere Person beim Wegfall eines Begünstigten diese erhalten soll, ist eine solche Begünstigung nicht vererblich. Dies rührt daher, dass zum einen kein Rechtsanspruch auf die Auflage besteht und es sich zum anderen um ein höchstpersönliches Recht handelt. Der Erblasser kann jedoch für den Wegfall des Begünstigten einen Ersatzbegünstigten benennen1. Das Testament kann entweder einen konkreten Ersatzbegünstigten nennen, oder aber die Erben des ursprünglich Begünstigten nachrücken lassen2.
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2. Vermächtnis Ebenso wie bei der Auflage besteht eine rechtliche Verpflichtung für den Erben, das Vermächtnis zu erfüllen. Die Erfüllung erfolgt wie bei der Auflage immer durch den Erben bzw. bei einem Untervermächtnis auch durch einen Vermächtnisnehmer oder beim Nachvermächtnisnehmer durch den Vorver1 Staudinger/Otte, § 2192 Rz. 25. 2 Vorwerk, ZEV 1998, 298.
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B V Rz. 9
Auflage
mächtnisnehmer. Anders als bei Auflage oder Bedingung steht der Pflicht zur Leistung des Erben das Recht des Vermächtnisnehmers auf Leistung gegenüber1. 9 Im Gegensatz zur Auflage muss der Erblasser beim Vermächtnis den Vermächtnisnehmer entweder konkret bestimmt oder ihn konkret bestimmbar bezeichnet haben. 10 Die Grenze für die Aussetzung eines Vermächtnisses bildet wie bei Auflage und Bedingung die Sittenwidrigkeit. Auch das Vermächtnis kann wechselbezüglich im Ehegattentestament gem. § 2270 Abs. 3 BGB festgelegt werden. 11 Vererblich ist das Vermächtnis bzw. der Teil des Vermächtnisses, der bis zum Tod des Berechtigten fällig war, wenn er zum Zeitpunkt des Erbfalles am Leben war. War der Berechtigte schon vor dem Erbfall verstorben, ist das Vermächtnis gem. § 2160 BGB unwirksam. Der Erblasser kann aber ausdrücklich gem. §§ 2190, 2097 bis 2099 BGB oder stillschweigend gem. § 2069 BGB einen Ersatzvermächtnisnehmer berufen haben, oder es kann gem. § 2158 BGB zur Anwachsung kommen, wenn andere Vermächtnisnehmer denselben Gegenstand erhalten sollen.
3. Bedingung 12 Hier ist es dem Erben oder Vermächtnisnehmer freigestellt, ob er eine Bedingung erfüllen will oder nicht, was dann die entsprechend im Testament festgelegten rechtlichen Konsequenzen hat. Je nachdem, ob es sich um eine aufschiebende oder eine auflösende Bedingung handelt, kann der Eintritt oder Nichteintritt der Bedingung zu den im Testament genannten Folgen führen. Die Herbeiführung einer Bedingung kann man einem Erben oder Vermächtnisnehmer auferlegen. 13 Bei der Bedingung, die ein Erbe oder Vermächtnisnehmer erfüllen soll, gibt es keine Pflicht zur Leistung. Ein Recht, das sich aus der Erfüllung der Bedingung herleitet, kann erst dann eingefordert werden, wenn die Bedingung auch tatsächlich durch den Verpflichteten erfüllt wurde2. Das bedeutet, dass die Gegenleistung von einer Bedingung abhängig ist, deren Erfüllung im Belieben des Verpflichteten steht. 14 Grenze für eine Bedingung bildet auch hier wieder die Sittenwidrigkeit.
4. Wunsch 15 Ein Wunsch des Erblassers begründet, anders als die Auflage, keine rechtliche Verpflichtung, diesen Wunsch zu erfüllen. Es handelt sich hierbei vielmehr um einen Rat oder eine Empfehlung des Erblassers, bei dem es rein im Ermes1 KG v. 29.5.1997 – 22 U 8110/95, ZEV 1998, 306. 2 Ausnahmsweise genügt das Bemühen um die Herbeiführung des Erfolges, BayObLG v. 10.12.1985 – Reg 1 Z 59/85, FamRZ 1986, 606.
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sen des Erben oder Vermächtnisnehmers steht, ob er diesem Wunsch Folge leisten wird oder nicht. Anders als bei der Auflage oder dem Vermächtnis hat der Wunsch keinen Verpflichtungscharakter1. Im Testament kann der Erblasser jeder beliebigen Person gegenüber einen Wunsch äußern. Diese Person braucht nicht einmal in irgendeiner Form im Testament bedacht zu sein. Gegenstand eines Wunsches ist ebenso wie bei der Auflage und beim Vermächtnis eine bestimmte Leistung, ein Tun oder ein Unterlassen. Auch hier kann wie bei der Auflage die Bestimmung einer Person, die durch den Wunsch begünstigt wird, im Ermessen des durch den Wunsch Angesprochenen liegen.
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Im Gegensatz zu Auflage, Vermächtnis oder Bedingung ist dem Wunsch nicht 17 durch Sittenwidrigkeit eine Grenze gesetzt. Da es im freien Ermessen des Angesprochenen liegt, ob er den Wunsch erfüllt oder nicht, ist es denkbar, dass auch ein sittenwidriger Wunsch vom Erblasser geäußert wird. Da der Wunsch keine rechtliche Verpflichtung aussprechen kann, ist es die freie Entscheidung des Angesprochenen, wenn er einem sittenwidrigen Wunsch folgt. Gem. § 2270 Abs. 3 BGB ist es anders als bei Auflage und Vermächtnis nicht möglich, einen Wunsch wechselbezüglich im Ehegattentestament auszusprechen. Da keine Rechtspflicht zur Erfüllung eines Wunsches besteht, ist auch eine eventuelle Begünstigung aus einem Wunsch heraus nicht vererblich, es sei denn, der Erblasser hat dies bei der Formulierung des Wunsches ausdrücklich so bestimmt.
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5. Testamentsvollstreckung Die Verpflichtung für den Testamentsvollstrecker, in der vom Erblasser gewünschten Weise zu verfahren, ist wie Auflage und Vermächtnis für den Testamentsvollstrecker rechtlich bindend.
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Grenze für das, was einem Testamentsvollstrecker aufgegeben werden kann, bildet wiederum die Sittenwidrigkeit.
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III. Vor- und Nachteile der Auflage Vorteile:
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– Kein unmittelbar Berechtigter erforderlich (z.B. auch an Tiere oder nicht rechtsfähige Personenkreise sind Zuwendungen möglich); – Auswahl des Begünstigten durch Dritte möglich (Zweckauflage); – Einflussmöglichkeit auf Verhalten eines Bedachten; – Bedachter steht möglicherweise nicht unter Druck eines evtl. Begünstigten; 1 OLG Koblenz v. 24.4.1986 – 6 U 87/86, NJW-RR 1986, 1039. Edenfeld, ZEV 2004, 141 ff.
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– geeignet für erbrechtliche Anordnungen, die nicht vermögensrechtliche Vorteile bringen, z.B. Teilungsverbot; – zeitlich unbegrenzt wirksam, z.B. im Rahmen einer unselbständigen Stiftung (eine juristische Person erhält ein Erbteil bzw. Vermächtnis unter der Auflage, dieses Vermögen auf Dauer zu Stiftungszwecken zu verwenden). Nachteile: – Kein unmittelbarer Berechtigter vorhanden; – nicht vom Begünstigen erzwingbar, gegen den Willen des Beschwerten unter Umständen schwer durchsetzbar (Abhilfe kann Testamentsvollstrecker schaffen); – wird dem Beschwerten meist erst mit zeitlicher Verzögerung bekannt gegeben, bei Auffinden des Testaments bzw. bei Testamentseröffnung. Wurden im Wege der Auflage Beerdigungsmodalitäten festgelegt, Verfügungen über Organentnahmen oder Übergabe des Körpers an die Anatomie getroffen, ist es zu spät, wenn der Beschwerte dies erst nach der Beerdigung erfährt. Deshalb sollten solche Verfügungen separat geregelt und vorab dem Beschwerten oder einem Bestatter übergeben werden; – bei Nichterfüllung kein Schadenersatzanspruch für Begünstigten; – Zuwendung aus Auflage an Pflichtteilsberechtigten wird diesem nicht auf seinen Pflichtteil angerechnet.
IV. Inhalt der Auflage 1. Vermögensrechtlicher Inhalt 22 Es ist möglich, mittels Auflage einem Begünstigten einen Vermögensvorteil zuzuwenden. Es kann sich dabei um Geld- oder Sachleistungen handeln. In der Beratung ist aber immer zu prüfen, ob der Mandant tatsächlich den Vermögensvorteil im Wege einer Auflage zuwenden will oder ob nicht ein Vermächtnis angebrachter ist. Beim Vermächtnis hat der Begünstigte einen unmittelbar einklagbaren Rechtsanspruch, wogegen er einen solchen bei der Auflage nicht hat. Dies kann aber auch von Vorteil sein, weil dadurch der Beschwerte u.U. nicht unter einem solchen Druck steht. Beispiele für vermögensrechtliche Auflagen können die Zuwendung eines konkreten Geldbetrages sein, die Zuwendung eines abgrenzbaren Geldbetrages bei einem bestimmten Prozentsatz des Nettonachlasses in Geld oder die Übertragung einer Beteiligung an einem Unternehmen1. Werden vermögensrechtliche Werte weitergegeben, so hat die Auflage dann immer einen konkret Begünstigten. Ein Begünstigter kann dabei jede natürliche oder juristische Person sein oder auch eine Personengruppe.
1 Heeg, DStR 2007, 89.
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2. Nichtvermögensrechtlicher Inhalt Mit einer Auflage kann der Erblasser den Beschwerten zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen veranlassen. Er kann ihm dabei all das aufgeben, was auch Gegenstand eines schuldrechtlichen Vertrages sein könnte. Derartige Auflagen sind beispielsweise denkbar bei Anordnungen zur Grabpflege, zur Versorgung von Haustieren, zur Art und Weise der Fortführung eines Betriebes oder zur Vereinbarung eines bestimmten Güterstandes. Auch ein Verbot der Erbauseinandersetzung ist eine Auflage mit nichtvermögensrechtlichem Inhalt.
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3. Die Zweckauflage Gemäß § 2193 BGB kann der Erblasser eine Zweckauflage verfügen. Normalerweise gilt im Erbrecht äußerst streng der Grundsatz, dass der Erblasser nicht Dritten die Bestimmung einer Person überlassen kann, die im Erbfall Zuwendungen erhalten soll (§ 2065 Abs. 2 BGB).
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Bei der Auflage in Form der Zweckauflage entfernt sich das BGB selbst recht weit von diesem Grundsatz1. Der Zweckauflage genügt es, dass der Erblasser hinreichend bestimmt anordnet, welchem Zweck die Auflage dienen soll. Es bleibt dann dem Beschwerten im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens überlassen, welche konkrete Leistung er in Erfüllung dieser Auflage erbringt. Ob es dabei einen Auflagenbegünstigten gibt, hängt davon ab, wie der Erblasser die Auflage konkret formuliert hat. Es hängt vom Wortlaut sowie Willen des Erblassers ab, ob eine vermögensrechtliche oder eine nicht vermögensrechtliche Auflage gemeint war. Denkbar ist aber auch, dass sie beides beinhaltet und dass der Verpflichtete auswählen kann. Hat beispielsweise der Erblasser verfügt, dass der Beschwerte jedes Jahr zu Weihnachten behinderten Menschen eine Freude machen soll, so muss dies nicht zwingend eine vermögensrechtliche Auflage sein. Denkbar ist, dass der Beschwerte eine Geldzuwendung an eine geeignete Behinderteneinrichtung macht. Es wäre aber auch möglich, dass er sich mit aktivem Handeln an der Ausgestaltung einer Weihnachtsfeier beteiligt, indem er die Feier selbst organisiert, ohne Geld oder Sachwerte zu leisten. Die Zweckauflage sollte man nur dort einsetzen, wo der Erblasser davon ausgehen kann, dass der Beschwerte diese Auflage tatsächlich auch so erfüllen wird, wie der Erblasser selbst sich das vorstellt. Auf der einen Seite ist es ein Vorteil, dass der Beschwerte hier relativ freie Hand hat, wie er diese Auflage konkret erfüllen will. Andererseits kann dies aber auch ein Nachteil werden, wenn es im o.g. Beispiel im freien Ermessen des Beschwerten steht, ob er z.B. zu Weihnachten 2500 Euro oder 25 Euro an das Behindertenheim spendet. Befürchtet der Erblasser, dass sich der Beschwerte um die Erfüllung der Auflage drücken wird, sollte entweder die Auflage konkreter formuliert oder ein konkretes Vermächtnis ausgesetzt werden.
1 Palandt/Edenhofer, § 2193 Rz. 1.
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26 Die Zweckauflage ist besonders dafür geeignet, eine unselbständige Stiftung zu errichten, da der Inhalt der Leistung sehr offen gestaltet werden kann1. Dabei wird einer natürlichen Person ein Vermögenswert übertragen und gleichzeitig die Auflage erteilt, einen bestimmen Zweck zu fördern. Der Beschwerte ist damit flexibel, wie er konkret den Zweck erfüllen wird und kann entsprechende Ausgaben im Bedarfsfall vornehmen.
4. Grenzen der Auflage 27 Die Auflage findet ihre Grenzen dort, wo entweder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, die nicht Gegenstand eines schuldrechtlichen Vertrages sein können, oder wo sittenwidrige Ziele verfolgt werden. Möglich sind auch Auflagen, in denen dem Beschwerten ein Verhalten aufgegeben wird, das ihn selbst unmittelbar betrifft2. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn dem Beschwerten aufgegeben werden soll, keinen Alkohol mehr zu trinken, keine Glücksspiele zu tätigen oder Geld in einer bestimmten Form anzulegen. Will der Erblasser diesen Zweck erreichen, wäre eine Erbeinsetzung unter einer Bedingung sinnvoller, ggf. gekoppelt mit Testamentsvollstreckung. Auf diese Art und Weise kann besser und sicherer gewährleistet werden, dass entsprechend dem Willen des Erblassers der Bedachte nur dann etwas aus dem Nachlass erhält, wenn er tatsächlich von Alkohol und Glücksspielen ablässt. Es ist möglich, dass der Erblasser eine Auflage zum Vorteil des Beschwerten anordnet3. 28 Will der Erblasser einem Beschwerten aufgeben zu heiraten, so ist das nicht unbedingt sittenwidrig, kann aber nicht Gegenstand eines schuldrechtlichen Vertrages sein. Hier wäre es angebracht, wenn der Erblasser dies tatsächlich so wünscht, dass dieser Wunsch als Bedingung formuliert wird. Mittels einer Auflage ist das nicht möglich. Weiterhin ist es auch ausgeschlossen, jemanden dazu zu bestimmen, dass er eine letztwillige Verfügung mit einem ganz konkreten Inhalt errichten muss. Wünscht der Erblasser dies, so ist die Auflage das falsche Mittel und es sollte überlegt werden, ob ein ähnlicher Effekt nicht mit der Anordnung einer Vor- und Nacherbfolge erzielt werden kann. 29 Als sittenwidrig wäre es einzustufen, wenn der Erblasser dem Beschwerten mittels Auflage aufgäbe, gesetzeswidrig zu handeln und zum Beispiel eine Straftat zu begehen. Selbstverständlich kann niemandem mit einer Auflage aufgeben werden, eine Steuerhinterziehung oder eine Körperverletzung zu begehen. Nicht sittenwidrig ist eine Auflage, wenn die Zuwendung eines Heimbewohners an einen Dritten geht und im Rahmen einer Zweckauflage das Heim mittelbar begünstigen kann. Da der Zuwendungsempfänger bei der Erfüllung der Zweckauflage mehrere Alternativen zur Erfüllung hat, verstößt eine sol1 Wochner, ZEV 1999, 125. 2 MüKo/Leipold, § 1940 Rz. 4; MüKo/Schlichting, § 2192 Rz. 1. 3 Palandt/Edenhofer, § 2192 Rz. 1.
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che Auflagebegünstigung des Heimes nicht gegen das Verbot von § 14 HeimG1.
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Beratungssituation: Der Mandant ist Heiminsasse des Städtischen Altenpflegeheimes der Stadt D. Er ist bedenkenlos testierfähig und möchte dem Heim eine große Geldsumme zur Verfügung stellen, damit die Sanitäranlagen erneuert werden können. Er befürchtet aber, damit gegen das Verbot in § 14 HeimG zu verstoßen.
Der Mandant sollte in seinem Testament die Stadt D. entweder als Alleinerben oder Vermächtnisnehmer für die dem Heim zugedachte Summe einsetzen. Die Erbeinsetzung bzw. Aussetzung des Vermächtnisses wird verbunden mit einer Auflage an die Stadt D., dieses Geld für soziale Zwecke zu verwenden, wie zum Beispiel die Verbesserung der Einrichtung und Ausstattung der Pflegeheime der Stadt. Da der Zweck hier nur allgemein vorgegeben wurde, liegt auch kein Umgehungstatbestand vor, der gegen § 14 HeimG verstößt.
Formulierungsvorschlag Meine Heimatstadt D. erhält ein Vermächtnis i.H.v. 400 000 Euro. Gleichzeitig erteile ich der Stadt D. die Auflage, dieses Geld für soziale Zwecke zu verwenden und älteren, hilfsbedürftigen Bürgern der Stadt Unterstützung zukommen zu lassen, beispielsweise durch Verbesserung der Ausstattung der Pflegeheime der Stadt, unabhängig von deren Trägerschaft oder durch Unterstützung karitativer Hilfsdienste.
In der Literatur ist umstritten2, ob es sittenwidrig ist, mittels einer Auflage dem Erben oder Vermächtnisnehmer aufzugeben, einen bestimmten Beruf zu ergreifen oder nicht zu ergreifen, eine bestimmte Religion anzunehmen, in eine bestimmte Partei einzutreten, ganz allgemein zu heiraten, nie zu heiraten oder sich scheiden zu lassen. Bevor sich die Frage der Sittenwidrigkeit einer Auflage stellt, sollte geprüft werden, ob das auferlegte Verhalten überhaupt Gegenstand eines schuldrechtlichen Vertrages sein kann oder nicht. Kann es dies nicht, scheidet eine Auflage von vornherein aus. Zu prüfen wäre dann aber die Frage, ob die Klausel u.U. als Bedingung auszulegen wäre. Falls ja, müsste auch hier die Sittenwidrigkeit geprüft werden. Das Ergebnis hängt vom Einzelfall ab.
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Denkbar wäre auch die Verknüpfung einer Auflage mit einer Bedingung in der Form, dass z.B. der Erbe einer konkret bezeichneten Person das gesamte Tischlerwerkzeug aus dem Nachlass aushändigen soll unter der aufschiebenden Bedingung, dass diese Person tatsächlich den Beruf eines Tischlers er-
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1 BayObLG v. 22.2.2000 – 1 ZBR 147/99, NJW 2000, 1959. 2 Grundsätzlich zustimmend: Palandt/Edenhofer, § 2192 Rz. 3; dagegen: bei Eheschließung MüKo/Leipold, § 1940 Rz. 5.
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greift. Auch eine Auflage an den Sohn des Erblassers wäre denkbar, dass dieser in geeigneter Form seine Schwester unterstützen soll unter der aufschiebenden Bedingung, dass diese sich scheiden lässt1.
V. Beschwerter der Auflage 32 Mit einer Auflage können sowohl Erben als auch Vermächtnisnehmer beschwert werden. Unter den Begriff „Erben“ fallen dabei auch Miterben2 oder nach Eintritt der Nacherbfolge der Nacherbe. Ist dem Testament nicht eindeutig zu entnehmen, wer Beschwerter sein soll, so ist im Zweifelsfall der Erbe beschwert. Nicht möglich ist es jedoch, eine Person, die in gar keiner Weise eine Zuwendung vom Erblasser erhalten soll, mit einer Auflage zu beschweren. Beispielsweise kann nicht der Erblasser seinen einen Sohn zum Alleinerben einsetzen und dem anderen nichts zuwenden, aber ihn mit einer Auflage zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen zwingen. Eine solche Auflage wäre unwirksam oder es wäre im Wege der Auslegung zu erwägen, ob evtl. der erbende Sohn Beschwerter sein soll. 33 Verstirbt der Beschwerte der Auflage, so gilt § 2161 BGB. Meist müssen seine Erben aber nicht die Erfüllung dieser Auflage übernehmen, da aufgrund des höchstpersönlichen Charakters dieser Verpflichtung dies nur den unmittelbar Beschwerten betroffen hat3. Auch wenn der Vorerbe zur Erfüllung der Auflage verpflichtet war und nicht der Nacherbe, so kann beim Eintritt der Nacherbfolge das bis dahin Versäumte nicht vom Nacherben verlangt werden. 34 Hat der Beschwerte jedoch die Erbschaft ausgeschlagen oder ist er vor Eintritt des Erbfalles verstorben, so fällt damit die Auflage nicht automatisch weg. Gem. § 2192 i.V.m. § 2161 BGB bleibt die Auflage aufrechterhalten, sofern nicht ein abweichender Wille des Erblassers anzunehmen ist. Der neue Beschwerte ist dann derjenige, dem der Wegfall des Beschwerten zugute kommt. Ist also beispielsweise ein Vermächtnisnehmer mit einer Auflage beschwert worden und dieser vor Eintritt des Erbfalls verstorben, so wäre zunächst zu prüfen, ob das Testament einen Ersatzvermächtnisnehmer vorsieht. Sieht das Testament keinen Ersatzvermächtnisnehmer vor, so würde dem Erben der Wegfall des Vermächtnisnehmers zugute kommen, so dass dann der Erbe der neue Beschwerte der Auflage wäre. Auch hier ist wieder im Einzelfall zu prüfen, ob dies dem Willen des Erblassers entspricht. 35 Ist ein Erbteil mit Vermächtnissen und Auflagen beschwert, so kann der Erbe, wenn er zugleich Pflichtteilsschuldner ist, gem. §§ 2318, 2322 BGB die Vermächtnisse und Auflagen kürzen. Damit trägt gewissermaßen auch ein Auflagenbegünstigter im Verhältnis zum Erben die Last des Pflichtteils mit4. 1 Staudinger/Otte, § 2074 Rz. 15, 52. 2 Z.B. im Rahmen einer konkreten Anweisung des Erblassers zur Auseinandersetzung zwischen den Miterben, Zacher-Röder, ZEV 2008, 277. 3 Palandt/Edenhofer, § 2192 Rz. 2. 4 MüKo/Schlichting, § 2318 Rz. 1; Tanck, ZEV 1998, 132.
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VI. Auflagenbegünstigter Die Auflage gibt in erster Linie dem Erben oder Vermächtnisnehmer ein bestimmtes Tun oder Unterlassen auf, es muss aber nicht notwendigerweise einen Auflagenbegünstigten geben. Wurde beispielsweise dem Erben aufgegeben, ein bestimmtes Grabmal oder eine Büste zu errichten, so gibt es keinen Begünstigten. Häufig wird es aber entsprechend dem Willen des Erblassers eine oder mehrere begünstigte Personen geben. Es ist dabei denkbar, dass der Erblasser im Testament eine konkrete Person als Begünstigten benennt. Denkbar ist aber auch, dass der Erblasser sehr viel allgemeiner von einem nicht konkret bestimmbaren Kreis von Begünstigten spricht, wie beispielsweise „Obdachlose“ oder „bedürftige Menschen“.
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Wenn es einen oder mehrere Begünstigte gibt, so haben diese keinen Anspruch auf Vollziehung der Auflage gegen den Verpflichteten. Ein Ausschlagungsrecht oder ein Verzicht auf eventuelle Zuwendungen und Vorteile aus der Auflage ist für den Berechtigten nicht möglich1. Dies ist aber eher ein theoretisches Problem, denn in aller Regel bringt die Vollziehung der Auflage für den Begünstigten Vorteile, so dass im Normalfall eine Ausschlagung kein Thema für ihn sein wird.
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Da die §§ 2339 und 2345 BGB lediglich die Unwürdigkeit eines Erben, Vermächtnisnehmers oder Pflichtteilsberechtigten regeln und diese gesetzlichen Regelungen nicht für die Auflage gelten, ist es nicht möglich, in analoger Anwendung eine „Auflagenunwürdigkeit“ herbeizuführen. Dies kann jedoch im Einzelfall zu ungerechtfertigten Ergebnissen führen, wenn beispielsweise ein Auflagenbegünstigter versucht hat, den Erblasser zu töten. Hier wäre der Verpflichtete berechtigt, von der Erfüllung der Auflage abzusehen.
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Gibt es einen konkreten Begünstigten, so kann diesem die Begünstigung aus der Auflage nur zuteil werden, wenn er zum Zeitpunkt des Erbfalles noch am Leben ist. Ist ein Begünstigter jedoch vor dem Erbfall weggefallen, so ist im Wege der Auslegung zu prüfen, ob eventuell ein anderer oder eine andere Personengruppe begünstigt sein könnte. Ist ausnahmsweise durch den Erblasser gewünscht, dass auch der Erbe des Begünstigten durch die Auflage begünstigt sein soll, so muss dies ausdrücklich im Testament angeordnet werden2.
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Bei der Formulierung der Auflage kann der Erblasser dem Berechtigten auch gewisse Rechte einräumen. Beispielsweise kann der Erblasser eine Wahlauflage formulieren, bei der der Berechtigte ein gewisses Mitspracherecht und eine Auswahlmöglichkeit hat, in welcher Form ihm eine Zuwendung gemacht werden soll. Das bedeutet aber nicht, dass damit der Berechtigte etwa einen unmittelbaren Anspruch auf diese Leistung hat. Er kann dennoch keinen Druck auf den Verpflichteten ausüben, sondern bleibt auf die Mitwirkung eines Vollziehungsberechtigten angewiesen3.
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1 MüKo/Schlichting, § 2192 Rz. 11. 2 Vorwerk, ZEV 1998, 297. 3 MüKo/Schlichting, § 2192 Rz. 10.
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41 Hat der Erblasser den Begünstigten nicht konkret benannt, so kann er dennoch einen unbestimmten Personenkreis als Begünstigten benannt haben und es bei der Zweckauflage dem Beschwerten überlassen, die Personen oder den Personenkreis konkret zu bestimmen, dem die Auflage zugute kommen soll (§ 2193 I BGB). Möglich ist dabei auch, dass gem. § 2193 Abs. 3 BGB ein Dritter die Bestimmung des Begünstigten vornimmt. Soll es bei der Zweckauflage also Begünstigte geben, so müssen diese vom Beschwerten oder von dem Dritten bestimmt werden. Wird eine solche Bestimmung des Begünstigten vom Beschwerten oder von dem Dritten nicht vorgenommen bzw. wird eine Person als Begünstigter bestimmt, die nicht unter den vom Erblasser verfolgten Zweck fällt, ist es schwierig, den Willen des Erblassers durchzusetzen. Aus diesem Grunde sollte in der Praxis eine Zweckauflage so eindeutig wie möglich formuliert werden, um späterem Streit vorzubeugen. 42 Begünstigter eine Auflage kann nicht nur jede natürliche Person sein, sondern auch eine juristische Person oder ein nicht rechtsfähiger Verein. Da mit der Auflage auch Zuwendungen gemacht werden können, die einem Tier zugute kommen, kann man davon sprechen, dass sogar Hund oder Katze im gewissen Sinne Begünstigte sein können.
VII. Vollziehungsberechtigter Der jeweilige Vollziehungsberechtigte wird zunächst außergerichtlich die Vollziehung der Auflage erreichen wollen. Scheitert dies, ist der Anspruch einklagbar im Wege der Leistungsklage1.
1. Erbe 43 § 2194 BGB regelt, wer die Vollziehung der Auflage verlangen kann. Dies ist von besonderer Bedeutung, da der Begünstigte keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Beschwerten hat, aber andererseits die Erfüllung der Auflage nicht in das Belieben des Beschwerten gestellt werden soll. Ist ein Vermächtnisnehmer der Beschwerte, so hat der Erbe das Recht, die Vollziehung der Auflage zu verlangen, notfalls im Klageweg. Auch ein Miterbe hat das Recht, wenn ein anderer Miterbe oder ein Vermächtnisnehmer beschwert ist. 44 Mit Erbe ist entweder der Alleinerbe, Miterbe oder nach Eintritt des Nacherbfalls der Nacherbe gemeint. Dabei kann der Erblasser im Testament auch die Beschwerung zu unterschiedlichen Quoten zwischen evtl. gemeinsam Verpflichteten regeln. Fehlt eine solche Regelung, so sind Miterben im Verhältnis ihrer Erbteile zueinander beschwert. Auch wenn bei mehreren Miterben davon ausgegangen werden muss, dass alle gleichermaßen zur Erfüllung der Auflage verpflichtet sind, so kann jeder Miterbe, auch wenn er selbst mit der Auflage beschwert ist, die Erfüllung verlangen und ist damit Vollziehungs1 Muster einer Klage auf Erfüllung eines Auflagenvermächtnisses in Klinger/Schlitt, MPFErbR, O.IV.9.
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berechtigter1. Ob der vollziehungsberechtigte Erbe jedoch tatsächlich im Weigerungsfall des Beschwerten Vollziehungsklage erheben will und damit den letzten Willen des Erblassers durchsetzt, steht in seinem Belieben. In den meisten Fällen wird er wohl kein eigenes Interesse an der Durchsetzung der Auflage haben, so dass auch hier der Erblasser wieder die Ungewissheit hat, ob der Vollziehungsberechtigte dem an ihn selbst gerichteten Anspruch gerecht wird, dem Willen des Erblassers Geltung zu verschaffen. Der Erbe kann die Vollziehung einer Auflage auch dann verlangen, wenn er selbst durch die Auflage begünstigt wird2.
2. Wegfallbegünstigter Der Wegfallbegünstigte ist diejenige Person, die geerbt hätte, falls der Beschwerte weggefallen wäre. Dies ist also beim Wegfall eines testamentarischen Erben beispielsweise der gesetzliche Erbe oder ein Ersatzerbe.
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3. Testamentsvollstrecker § 2194 BGB hat den Kreis der Vollziehungsberechtigten nicht abschließend und vollständig geregelt. Auch der Testamentsvollstrecker ist berechtigt, die Vollziehung der Auflage zu verlangen. Anders als bei den sonstigen Vollziehungsberechtigten ist es nicht in das Ermessen des Testamentsvollstreckers gestellt, ob er die Erfüllung der Auflage verlangt oder nicht. Gem. § 2203 BGB ist er verpflichtet, die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen. Es wäre also eine Pflichtverletzung, wenn er die Vollziehung einer Auflage nicht durchsetzt. Aus diesem Grunde ist es empfehlenswert, einen Testamentsvollstrecker einzusetzen, der die Einhaltung der Auflagen überwacht und notfalls auch durchsetzt, wenn der Erblasser Bedenken hat, dass der Beschwerte die Auflage nicht freiwillig erfüllen will.
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Der Testamentsvollstrecker hat einen eigenen Anspruch auf die Erfüllung der Auflage. Da der Testamentsvollstrecker verpflichtet ist, die Erfüllung der Auflage durchzusetzen, ist dies die stärkste Waffe des Erblassers.
4. Behörde Gem. § 2194 Abs. 2 BGB kann auch eine Behörde die Vollziehung der Auflage verlangen. Die jeweils zuständigen Behörden können die Vollziehung der Auflage verlangen, wenn diese im öffentlichen Interesse liegt, wobei dieses öffentliche Interesse ein dehnbarer Begriff ist. Die jeweilige Zuständigkeit ist landesrechtlich verschieden geregelt. Das pflichtgemäße Ermessen der Behörde bei der Prüfung, ob öffentliches Interesse vorliegt oder nicht, ist gerichtlich nachprüfbar3. Keinesfalls sollte sich der Erblasser darauf verlassen, dass bei der von ihm gewünschten Auflage 1 MüKo/Schlichting, § 2194 Rz. 2. 2 OLG Karlsruhe v. 7.5.2004 – 14 U 103/02, ZEV 2004, 331 ff. 3 MüKo/Schlichting, § 2194 Rz. 8.
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öffentliches Interesse zum Zeitpunkt des Erbfalles besteht, auch wenn dies zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung so ist. Die Frage, was von öffentlichem Interesse ist, unterliegt im Wandel der Zeiten auch bestimmten Veränderungen, so dass es auch aus diesem Grunde empfehlenswert ist, selbst bei Dingen, bei denen der Erblasser sicher annimmt, dass sie im öffentlichen Interesse liegen, zusätzlich eine Absicherung durch einen Testamentsvollstrecker zu treffen.
VIII. Gestaltungsmöglichkeiten für Auflagen 48 Hat sich der Mandant nach gründlicher Beratung entschieden, im Testament eine Auflage zu verfügen, so muss sie vom Berater präzise formuliert werden. Zwar sind Testamente auslegbar, aber zwecks Streitvermeidung sollte der Begriff „Auflage“ ausdrücklich verwendet werden. 49 Es sollte auch keine Zweifel geben, wer mit der Auflage konkret beschwert wird. Es kann auch zweckmäßig sein, ausdrücklich einen Vollziehungsberechtigten zu bestimmen oder auszuschließen. Besitzt die Auflage einen hohen Rang, sollte sie zusätzlich mit Testamentsvollstreckung verbunden werden, um die Vollziehung abzusichern. Bei Fragen der Beerdigung ist dies dagegen nur selten notwendig. Weiterhin kann durch Verbindung der Auflage mit aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen ein gewisser Druck seitens des Erblassers ausgeübt werden. Es gibt eine ganze Reihe von Fallkonstellationen, bei denen die Gestaltung einer Auflage zumindest erwogen werden muss: 50
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Beratungssituation: Der Mandant möchte im Testament die Beerdigungsmodalitäten geregelt haben. Er wünscht Erdbestattung, eine würdige Dauerbepflanzung für das Grab und eine Bestattung auf dem Waldfriedhof. Weiterhin möchte er regeln, dass bei seinem Ableben sein Körper für Organentnahmen zur Verfügung steht.
Grundsätzlich ist es möglich und sinnvoll, diese Dinge, die der Mandant hier wünscht, mit einer Auflage zu regeln. Es ist davon auszugehen, dass der Erbe im Normalfall eine solche Auflage befolgen und die Beerdigung entsprechend den Wünschen des Erblassers gestalten wird. Ob er allerdings einer Organentnahme zustimmen wird, ist bereits wieder fraglich, da es möglich ist, dass er selbst grundsätzlich ein Gegner von Organentnahmen ist. Es bietet sich daher folgende Formulierung im Testament an:
Formulierungsvorschlag Meinem Erben erteile ich die Auflage, für meine Beerdigung zu sorgen. Ich wünsche ausdrücklich eine Erdbestattung auf dem Waldfriedhof in X-Stadt. Mein Erbe soll für eine würdige Dauerbepflanzung des Grabes Sorge tragen. 350
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Als weitere Auflage gebe ich meinem Erben auf, dass er im Bedarfsfall meinen Körper für Organentnahmen zur Verfügung stellt.
Aus praktischen Gründen empfiehlt es sich hier aber noch, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Häufig wird das Testament erst Wochen nach der Beerdigung eröffnet. Hat der Erbe inzwischen eine Feuerbestattung organisiert und auch nichts von einer eventuellen Organentnahme gewusst, ist dies im Nachhinein nicht mehr rückgängig zu machen. Aus diesem Grunde wäre dem Mandanten anzuraten, zusätzlich einen Organspenderausweis auszufüllen und diesen bei sich zu tragen. Was die Einzelheiten der Beerdigung betrifft, sollte er dies schon mit seinem künftigen Erben zu Lebzeiten besprechen. Denkbar ist auch, dass man in einem gesonderten Testament, ohne irgendeine sonstige Verfügung vorzunehmen, nur die Beerdigungsmodalitäten regelt und dies gleich dem künftigen Erben aushändigt. Wenn der Erblasser dies nicht möchte, könnte er alternativ dazu den künftigen Erben darauf hinweisen, dass wichtige Regelungen für den Todesfall im Testament zu finden sind und wo dieses hinterlegt ist. Es gibt aber auch Fälle, in denen der Erblasser nicht mit dem künftigen Erben darüber sprechen möchte. Dann kann es eine sinnvolle Alternative sein, dass sich der Erblasser bereits zu Lebzeiten um seine eigene Beerdigung kümmert und sich diesbezüglich mit einem Bestattungsunternehmen seines Vertrauens in Verbindung setzt. Hat er mit dem Bestattungsunternehmen eine vertragliche Regelung getroffen, wie seine Beerdigung gestaltet werden soll, ist dies dann für den späteren Erben bindend.
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Beratungssituation: Der Mandant hat häufig Geld für wohltätige Zwecke ausgegeben. Er möchte gern, dass seine Kinder dies nach seinem Tode ebenso tun.
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Der Vorteil der Auflage ist, dass hier der Mandant seine Kinder zu diesem Tun veranlassen kann, ohne dass er ihnen bereits ganz konkret vorgeben muss, wie sie die wohltätigen Zwecke im Einzelnen erfüllen wollen.
Formulierungsvorschlag Ich erteile meinen beiden Erben die Auflage, jedes Jahr zu Weihnachten alten oder bedürftigen Menschen eine Freude zu machen.
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Beratungssituation: Der Mandant fürchtet jedoch, dass sein geiziger Sohn die Wohltätigkeit in äußerst engen Grenzen halten wird.
Bei der oben angeführten allgemeinen Zweckauflage für beide Kinder steht es diesen völlig frei, in welcher Form oder mit welchem Geldbetrag sie diesen wohltätigen Zweck erfüllen wollen. Gleichfalls haben sie auch die Wahl, welches Heim und welche gemeinnützige Organisation sie damit unterstützen.
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Geht der Erblasser davon aus, dass seine Erben die von ihm gepflegte Großzügigkeit im selben Stil fortführen werden, gibt es keine Probleme. Hat aber der Mandant Bedenken, dass beispielsweise sein Sohn diese Auflage möglichst engherzig erfüllen wird, wäre es ratsam, einen konkreten Geldbetrag zu nennen:
Formulierungsvorschlag Ich erteile meinen beiden Erben die Auflage, jedes Jahr zu Weihnachten alten oder bedürftigen Menschen eine Freude zu machen mit einem Geldbetrag von jährlich je 2500 Euro.
Oder er wählt für beide Kinder unterschiedliche Gestaltungen. Denkbar wäre, dass bei einem Kind die allgemeine Zweckauflage ausreicht. Hinsichtlich des anderen Kindes wäre es dann ratsam, dass gleich ein ganz konkreter Vermächtnisanspruch über eine bestimmte Summe für ein ganz konkretes Heim oder eine gemeinnützige Einrichtung im Wege des Vermächtnisses festgelegt wird, das dann der Sohn zu erfüllen hat. Da als Vermächtnisnehmer die Stellung des Begünstigten sehr viel stärker ist, wird es dem Sohn nicht gelingen, die auferlegte Verpflichtung zu umgehen. 53
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Beratungssituation: Der Erblasserin, einer hochbetagten, kinderlosen Dame, ist es äußerst wichtig, dass ihre Katze auch nach ihrem Tode gut versorgt ist; am liebsten würde sie die Katze zur Alleinerbin einsetzen.
Es bietet sich an, dass ein Tierheim oder der Tierschutzverein Erbe oder zumindest Vermächtnisnehmer für einen bestimmten Geldbetrag wird, verbunden mit der Auflage, sich um das Tier zu kümmern. Die Zuwendung sollte aber aus praktischen Gründen nicht unter 4000 Euro liegen, damit für das Tierheim ein gewisser wirtschaftlicher Anreiz besteht, das Erbe oder Vermächtnis auch wirklich anzunehmen, wenn gleichzeitig die Katze mitversorgt werden muss. Die Zuwendung, die mit der Auflage zur Versorgung eines Tiers verbunden ist, muss der Empfänger nicht versteuern, wenn es sich um eine gemeinnützige Organisationsform handelt. Eine Privatperson oder ein nicht gemeinnütziger Verein dagegen müssen die Zuwendung versteuern, wenn sie den jeweiligen Freibetrag gem. §§ 15, 16 ErbStG überschreitet. Ratsam wäre auch, dass die Mandantin sich ggf. mit dem betreffenden Tierheim oder dem sonstigen Verein oder einer zuverlässigen Person aus dem Bekanntenkreis vorher in Verbindung setzt und abklärt, ob diese grundsätzlich ein solches Vermächtnis oder eine solche Erbschaft annehmen würden, wenn damit die Pflege eines Tieres verbunden wäre. Selbst wenn das Testament korrekt und präzise formuliert ist, würde der Zweck verfehlt, wenn die Per-
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son oder Organisation, die sich um die Katze kümmern soll, beim Erbfall das Erbe oder Vermächtnis ausschlägt und damit auch die Auflage nicht erfüllt. Diese Auflage sollte unbedingt mit Testamentsvollstreckung verbunden werden, wobei dem Testamentsvollstrecker ganz konkret aufgegeben werden muss, dass er auf artgerechte Haltung des Tieres achtet. Das Vermächtnis entfällt, wenn der Verein die Auflage nicht erfüllt und die Katze nicht artgerecht gehalten wird.
Formulierungsvorschlag Zu meinem Erben setze ich den Förderverein Tierheim X-Stadt e.V. ein. Den Verein belaste ich mit der Auflage, sich um meine Katze Mohrle zu kümmern und sie bis an ihr Lebensende gut zu versorgen. Die Kosten für Unterhalt und Pflege meiner Katze sind aus dem Nachlass zu bezahlen.
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Beratungssituation: Der Mandant möchte sein Erbe an seine beiden Kinder verteilen. Er hat einen geistig behinderten Neffen, der stationär in einer Einrichtung untergebracht ist und Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bezieht. Wie sollte der Mandant das Testament formulieren, wenn er seinem Neffen kleine Zuwendungen machen möchte, ohne dass dadurch die Leistungen des Sozialhilfeträgers geschmälert werden?
Da der Neffe Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bezieht, ist es nicht sinnvoll, ihn zum Miterben oder Vermächtnisnehmer zu machen. Hieraus resultierende Ansprüche würden entweder durch den gesetzlichen Forderungsübergang direkt auf den Sozialhilfeträger übergehen oder zur Kürzung von Sozialleistungen führen. Die Zuwendungen, die der Mandant hier geben möchte, fallen auch nicht unter das Schonvermögen, so dass sie auch grundsätzlich pfändbar sind1. Das Problem lässt sich dadurch lösen, dass die beiden Kinder zu Erben eingesetzt und mit einer Auflage beschwert werden. Dabei sollte der Erblasser konkret beschreiben, was dem Neffen zugewendet werden soll. Da der Neffe keinen eigenen Anspruch auf diese Leistungen hat, ist dieser auch nicht pfändbar. Eine solche Gestaltung ist allerdings nur dann zu empfehlen, wenn es sich bei dem Begünstigten nicht um einen Pflichtteilsberechtigten handelt. Ist der Begünstigte pflichtteilsberechtigt, so wäre diese Gestaltung mit der Auflage sogar schädlich, da der Pflichtteilsanspruch übergeleitet werden kann auf einen Sozialhilfeträger und sonstige Vermögensvorteile aus einer Auflage nicht auf den Pflichtteil angerechnet werden, sondern unabhängig davon bestehen2.
1 Engelmann, Letztwillige Verfügungen, S. 5 ff. 2 Vgl. auch B VIII.
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Formulierungsvorschlag Hiermit setze ich meine beiden Kinder zu meinen Erben zu je ½ ein. Weiterhin erteile ich ihnen die Auflage, meinem Neffen Thomas jährlich einen zweiwöchigen Urlaub bzw. Kuraufenthalt zu finanzieren. Weiterhin erteile ich ihnen die Auflage, bis zu einem Betrag von jährlich 1500 Euro für meinen Neffen medizinische Maßnahmen zu bezahlen, die aus ärztlicher Sicht nicht unbedingt erforderlich, aber dennoch wünschenswert sind, und für die weder die Krankenkasse noch der Sozialhilfeträger aufkommen.
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Beratungssituation: Der Mandant bedauert schon seit vielen Jahren den beklagenswerten baulichen Zustand des Rathausturmes seiner Heimatstadt. Er würde gern nach seinem Tod der Stadt einen großen Geldbetrag hinterlassen, damit der Rathausturm wenigstens neu gedeckt werden kann. Er hat aber Angst, dass dieses Geld nicht für das Dachdecken des Rathausturmes eingesetzt wird, sondern in irgendwelchen sonstigen Kanälen verschwindet.
Der beratende Jurist sollte hier behutsam mit dem Mandanten klären, ob es sinnvoll ist, die Auflage tatsächlich so zu gestalten, dass eine Dacheindeckung gefordert wird. Zum einen fragt sich, ob das Geld überhaupt ausreicht. Zum anderen ist zu bedenken, ob diese Auflage aus bautechnischer Sicht sinnvoll ist. Es wäre beispielsweise möglich, dass eine preiswerte Reparatur ausreicht und die Neueindeckung des Daches erst zu einem späteren Zeitpunkt erforderlich ist. Vielleicht ist es aber auch viel dringender, das Gebäude neu zu isolieren gegen aufsteigende Nässe, wofür die öffentliche Hand ebenfalls kein Geld zur Verfügung hat. Deshalb könnte es vernünftiger sein, dass man in der Auflage besser allgemein von baulicher Sanierung des Rathauses oder Rathausturmes spricht und das Dacheindecken nur als Wunsch formuliert, der aber nicht unbedingt erfüllt werden muss. Eine zu starr formulierte Auflage kann gerade bei baulicher Sanierung dem Begünstigten mehr Probleme schaffen als helfen. So ist es beispielsweise vorgekommen, dass einem Zoo über Jahre hinweg erbrechtliche Zuwendungen gemacht wurden, verbunden mit ganz konkreten Auflagen für die Sanierung des Elefantenhauses. Für den Zoo stand es bereits seit Jahren fest, dass eine Sanierung des Elefantenhauses ausgeschlossen ist, da dort auch nach einer Sanierung eine artgerechte Haltung für die Tiere nicht möglich wäre. Vielmehr stand der Abriss und der Bau eines größeren Gebäudes an einem anderen Standort zur Debatte. Der Zoo hätte die Gelder gerne für den Bau des neuen Elefantenhauses verwendet, aber einige Testamentsvollstrecker sahen sich dazu verpflichtet, die Auflage wörtlich durchzusetzen. Solche Streitigkeiten können durch eine etwas offenere Formulierung der Auflage vermieden werden.
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Formulierungsvorschlag Meine Heimatstadt D. soll ein Vermächtnis i.H.v. 250 000 Euro erhalten. Die Stadt belege ich mit der Auflage, das Geld für die bauliche Sanierung des Rathausturmes bzw. des gesamten Rathauses zu verwenden. Ich würde mir wünschen und empfehlen, dass von diesem Geld zunächst das Neudecken des Daches bezahlt wird. Wenn die Stadt bautechnische Gründe dafür sieht, das Geld in einer anderen Form für die Sanierung des Rathauses zu verwenden, bin ich auch damit einverstanden.
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Beratungshinweis: Die Mandantin ist eine bekannte Kunstsammlerin, 56 die durch jahrzehntelange, intensive Sammlertätigkeit eine einmalige Gemäldesammlung zusammengetragen hat. Da sie kinderlos und verwitwet ist, geht die Erbschaft an diverse Neffen und Nichten. Die Mandantin möchte aber nicht, dass die Kunstsammlung aufgelöst und an die Erben aufgeteilt wird. Es ist der Wunsch, dass auch andere Menschen die schöne Sammlung später bewundern können.
Der beratende Jurist kann der Mandantin mehrere Wege vorschlagen. Möglich ist es, dass zwar die Neffen und Nichten Erben werden, aber belastet mit der Auflage, die Bildersammlung komplett als Dauerleihgabe einer bestimmten Gemäldegalerie zur Verfügung zu stellen. Man könnte ggf. der Mandantin auch raten, eine Stiftung zu gründen, die dann die Bilder erhält. Möglich wäre aber auch, der Stadt, einem Förderverein oder einer ähnlichen Einrichtung die Bilder unmittelbar im Wege des Vermächtnisses zukommen zu lassen, verbunden mit der Auflage, diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und auszustellen. Unter Umständen kann es ratsam sein, dass die Mandantin sich bereits zu Lebzeiten mit der später zu bedenkenden Einrichtung oder Stadt in Verbindung setzt und dort klärt, ob Interesse an der Übernahme der Sammlung besteht und ob oder in welcher Form die Bildersammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Geeignete Ausstellungsräume sind u.U. schwer zu finden. Man sollte also auch hier dem Bedachten bei der Gestaltung der Auflage nach Möglichkeit freie Hand lassen, in welcher Form die Bilder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Denkbar wären hier u.U. auch Wanderausstellungen oder regelmäßige Sonderausstellungen.
Formulierungsvorschlag Meine drei Neffen setze ich untereinander zu gleichen Teilen zu Erben ein. Im Wege des Vermächtnisses erhält der Förderverein Kunstsammlung D. alle in meinem Nachlass befindlichen Ölgemälde. Dieses Vermächtnis ist verbunden mit der Auflage, die Bilder in geeigneter Form und am geeigneten Ort der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
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Beratungssituation: Der Mandant hat drei Kinder und ein sehr schönes, wertvolles Grundstück in idealer Lage. Da seine Kinder gerade erst volljährig geworden sind, befürchtet er, dass eines der Kinder noch nicht die Vernunft besitzt, den Wert dieses Anwesens zu erkennen, und auf einer baldigen Teilung des Erbes oder Teilungsversteigerung besteht. Wie lässt sich das verhindern?
Nicht immer ist es sinnvoll, ein Teilungsverbot auszusprechen, gelegentlich ist es dennoch angebracht, um entweder einen Erben vor sich selbst zu schützen, damit er nichts Unvernünftiges tut, oder einen wirtschaftlich schwächeren Miterben zu schützen, dem eine sofortige Aufteilung des Erbes Probleme bereiten könnte. Dem Mandanten sollte zu einem Teilungsverbot gem. § 2044 BGB geraten werden. Man muss es nicht auf den gesamten Nachlass ausdehnen; die Beschränkung auf einen bestimmten Gegenstand ist zulässig und kann sinnvoll sein, wie hier die Immobilie betreffend. In unserem Falle möchte der Erblasser einen Auseinandersetzungsausschluss für das Grundstück erreichen, der für alle Erben gilt und über den sich die Erben auch nicht einvernehmlich hinwegsetzen können. Dieses Teilungsverbot gem. § 2044 BGB ist dann als Auflage zu gestalten1. Das Teilungsverbot durch Auflage hat zwar auch nur schuldrechtliche und keine dingliche Wirkung, aber in Kombination mit Testamentsvollstreckung kann dennoch die Durchsetzung erzwungen werden.
Formulierungsvorschlag Hiermit setze ich meine drei Kinder zu untereinander gleichen Teilen zu Erben ein. Im Wege der Auflage verbiete ich meinen Erben die Teilung des Nachlasses hinsichtlich meines Grundstückes in X-Stadt (Grundbuchangaben). Ich untersage auch ausdrücklich eine einverständliche Teilung zwischen den Miterben sowie die Teilungsversteigerung. Dieses ausgesprochene Teilungsverbot soll mit dem Ablauf von fünf Jahren ab meinem Todestag entfallen. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich meinen Freund, Herrn B. Dem Testamentsvollstrecker wird ausdrücklich aufgegeben, die Einhaltung des von mir ausgesprochenen Teilungsverbotes zu überwachen und eine Teilung auch nicht bei übereinstimmendem Willen der Miterben zu gestatten.
IX. Unwirksamkeit der Auflage 58 Ist eine Auflage unwirksam, so wird dadurch gem. § 2195 BGB nicht automatisch die unter der Auflage gemachte Zuwendung unwirksam. Dies folgt 1 MüKo/Schlichting, § 2044 Rz. 14.
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aus dem Grundsatz von § 2085 BGB, dass mehrere in einem Testament enthaltene Verfügungen im Zweifel unabhängig voneinander wirksam sind. Hat z.B. ein Erblasser eine Zuwendung gemacht, zugleich aber den Bedachten mit einer sittenwidrigen Auflage beschwert, so ist die Zuwendung dennoch wirksam, auch wenn die Auflage unwirksam ist. Im Einzelfall ist durch Auslegung des Testamentes zu prüfen, ob der Erblasser die Zuwendung nicht ohne die Auflage gemacht hätte. Kommt man im Wege der Auslegung zu dem Schluss, dass die Zuwendung unbedingt an diese Auflage gekoppelt sein soll, so würde auch die Zuwendung wegfallen. Beispiel: Dem Testament ist zu entnehmen, dass der Erblasser einem Verwandten nur aus dem Grund ein kleines Vermächtnis zukommen lassen wollte, damit dieser dann auch entsprechend einer Auflage das Grab pflegt. Würde die Auflage in Wegfall kommen, hätte sich der Erblasser hier nicht verpflichtet gesehen, dem Verwandten auch die Zuwendung zu machen.
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X. Unmöglichkeit der Vollziehung einer Auflage Ist es unmöglich, eine Auflage zu erfüllen wegen Umständen, die der Beschwerte nicht zu vertreten hat, so entfällt gem. § 2196 BGB die Auflage. Ist beispielsweise noch vor Ableben des Erblassers ein Bild verbrannt, welches vom Erben im Wege der Auflage einem geeigneten Museum zur Verfügung gestellt werden sollte, so hat das keinerlei rechtliche Konsequenzen für den Erben. Auch wenn ein konkret benannter Auflagenbegünstigter vor Eintritt des Erbfalles weggefallen ist und dem Testament auch im Wege der Auslegung kein sonstiger ersatzweise Begünstigter zu entnehmen ist, kann diese Auflage nicht vollzogen werden. Das wäre gegeben, wenn in dem in Rz. 54 genannten Fall der auflagenbegünstigte behinderte Neffe des Erblassers weggefallen ist. Der Erblasser wollte einen Vorteil zuwenden, der nur und ausschließlich dem Neffen zugute kommt. Verstirbt dieser Neffe jedoch vor dem Erblasser, fällt die Auflage ersatzlos weg. Diese Unmöglichkeit der Vollziehung ist nicht vom Erben zu vertreten, so dass auch dieser Wegfall für ihn keinerlei negative Folgen hat.
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Anders liegt der Fall, wenn der Beschwerte die Unmöglichkeit der Vollziehung der Auflage selbst zu vertreten hat. Dann treten die im § 2196 BGB genannten Rechtsfolgen ein. Der Wegfallbegünstigte kann nach den Vorschriften über die Herausgabe ungerechtfertigter Bereicherung den Ersatz des Wertes vom Beschwerten fordern. Selbst für den Fall, dass es einen unmittelbar Begünstigten gibt, wird dieser nichts erhalten. Damit ist zwar verhindert, dass sich der Beschwerte dadurch bereichert, dass er sich weigert, die Auflage zu erfüllen, oder die Erfüllung der Auflage unmöglich gemacht hat. Der eigentliche Zweck der Auflage ist aber dennoch verfehlt. Dadurch ist es möglich, dass ein Begünstigter leer ausgeht. Aus diesem Grunde kann man diese gesetzliche Regelung auch wiederum nur als ein stumpfes Schwert für die Durchsetzung einer Auflage betrachten.
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62 Der Herausgabeberechtigte kann damit den Geldwert erlangen, den der Beschwerte für die Erfüllung der Auflage hätte ausgeben müssen. Das hat aber nicht zur Folge, dass dann der Vollziehungsberechtigte die Auflage erfüllen muss1. In der Praxis sollte sich daher der Erblasser nicht mit diesen Rechtsfolgen begnügen, sondern es sollte gleich im Testament von vornherein eine Sanktion oder Bedingung an die Nichterfüllung der Auflage geknüpft werden, da damit wirtschaftlich ein höherer Druck auf den Beschwerten ausgeübt werden kann.
XI. Steuerliche Auswirkungen 63 Grundsätzlich muss der Begünstigte einer Auflage, wenn es einen solchen gibt, das, was er mittels der Auflage erwirbt, auch versteuern. Die Erbschaftsteuer fällt jedoch erst mit der Vollziehung der Auflage gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1d ErbStG an. Dagegen kann der Beschwerte als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuererklärung diejenigen Verbindlichkeiten abziehen, die aus der Auflage herrühren2. Dieser Abzug ist gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG sofort vom Erwerb des Verpflichteten vorzunehmen, auch wenn die Auflage erst später erfüllt wird. Der zu versteuernde Wert der Auflage wird gem. §§ 13–16 BewG ermittelt. Bei einer Zweckauflage gibt es keinen Begünstigten im eigentlichen Sinne. Damit ist der Beschwerte verpflichtet, den der Auflage zugrunde liegenden Zweck zu versteuern. Werden bei einer Zweckzuwendung kirchliche, gemeinnützige oder wohltätige Zwecke erfolgt, wird keine Erbschaftsteuer erhoben.
1 MüKo/Schlichting, § 2196 Rz. 8. 2 Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 9 Rz. 129, Erbschaftsteuergesetz; Klinger/Hübner/Gründl, MPFErbR, V.II.1. Anm. 46; Damrau/Daragan, Erbrecht, vor § 2192, Rz. 22.
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VI. Das Vermächtnis Schrifttum: Amend, Schuldrechtsreform und Mängelhaftung beim Gattungsvermächtnis, ZEV 2002, 227; Baltzer, Die Vermächtnislösung lebt ! – Zur Anspruchskonkurrenz zwischen Nachvermächtnis und anderen Gläubigern, insbesondere dem Sozialhilfeträger, ZEV 2008, 116; Bambring, Die Auswirkungen der Schuldrechtsreform auf das Erbrecht, ZEV 2002, 137; Bengel, Rechtsfragen zum Vor- und Nachvermächtnis, NJW 1990, 18; Benk, Teilungsanordnung, Vorausvermächtnis, Übernahmerecht, MittRhNotK 1979, 53; Buchholz, Verfügungsunterlassungsvertrag, Vormerkung und künftige Ansprüche – Zur Vormerkungsfähigkeit erbrechtlicher Ansprüche, Jura 1989, 393; Bühler, Das Verschaffungsvermächtnis, Inhalt und Durchsetzung, DNotZ 1964, 581; Bühler, Erbschaftsteuerreform: Übersicht und Vorschläge zur Verminderung der Steuernachteile beim Berliner Testament, im Jahr 1996 angefallene Erbschaftsteuerfälle werden benachteiligt, BB 1997, 551; Bunke, Der Nießbrauch an der Beteiligung an einer Personalgesellschaft, DNotZ 1968, 5; Crezelius, Anmerkung zu BFH v. 2.7.2004 – II R 902, ZEV 2004, 476; Damrau/Mayer, Zur Vor- und Nachvermächtnislösung beim sog. Behindertentestament, ZEV 2001, 293; Dieterich, Testamentsvollstrecker zur Ausübung der Rechte des Nachvermächtnisnehmers vor Anfall des Nachvermächtnisses?, NJW 1971, 2017; Dobroschke, Die Unternehmensnachfolge Minderjähriger, zum Wahlvermächtnis und Universalvermächtnis, DB 1967, 803; Eidenmüller, Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung, JA 1991, 150; Evert, Berliner Testament und Rettung erbschaftsteuerlicher Freibeträge, NJW 2008, 557; Fröhler, Das Vorausvermächtnis zugunsten des Vorerben und der Erbnachweis vor sowie ab Eintritt des Nacherbfalls, BWNotZ 2005, 1; Grunewald/Rizor, Wer trägt die Lasten, wenn ein vermachtes Grundstück belastet ist?, ZEV 2008, 510; Grziwotz, Verfügungen von Todes wegen, FPR 2005, 283; Halding-Hoppenheit, Sicherstellung der Vermächtniserfüllung, RNotZ 2005, 311; Hannes/Onderka, Die Übertragung von Betriebsvermögen nach dem neuen Erbschaftsteuergesetz, ZEV 2009, 10; Hartmann, Das sog. Behindertentestament: Vor- und Nacherbschaftskonstruktion oder Vermächtnisvariante, ZEV 2001, 89; Hartmann, Das Vorvermächtnis mit Vorerbschaftswirkung, ZEV 2007, 458; Hölzerkopf/Bauer, Überblick über die Erbschaftsteuerreform und erste Gestaltungshinweise, BB 2009, 20; Ivo, Die Vererbung von GmbH-Geschäftsanteilen, ZEV 2006, 252; Ivo, Die Vererbung von Kommanditanteilen, ZEV 2008, 302; Johannsen, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf dem Gebiete des Erbrechts – 8. Teil: Das Vermächtnis, WM 1972, 866; Joussen, Das Testament zugunsten behinderter Kinder, NJW 2003, 1851; Kanzleiter, Anmerkung zu BGH, Urteil vom 24.4.1991 – IV ZR 156/90, DNotZ 1992, 511; Klinger/Roth, Abgrenzung von Teilungsansordnung und Vorausvermächtnis, NJW 2008, 263; Klunzinger, Die erbrechtliche Ermächtigung zur Auswahl des Betriebsnachfolgers durch Dritte, BB 1970, 1197; Kornexl, Geld-, Immobilien- und Hausratsvermächtnisse: Risiken für den Verteilungsplan des Erblassers und gestalterische Vorsorge, ZEV 2002, 173; Kuchinke, Die Rechtsfolgen der Vorausleistung eines Vermächtnisgegenstandes an den Bedachten, JZ 1983, 483; Leipold, Erbrecht 1995, JZ 1996, 287; Loritz, Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis, NJW 1988, 2697; Mattern, Einzelzuweisungen von Todes wegen, DNotZ 1963, 450; Mayer, Neues zum Berliner Testament auf Grund der Erbschaftsteuerreform?, ZEV 1997, 325; Menz, Die Regelung der Unternehmensnachfolge bei noch jugendlichen Erben, I. Stellungnahme, DB 1966, 1719; von Oertzen, Wertsicherungsklauseln in letztwilligen Verfügungen, ZEV 1994, 160 f.; Otte, 10 Jahre ZEV: Die Entwicklung des Erbrechts von 1994 bis 2003, ZEV 2004, 9; Paus, Der Unternehmensnießbrauch, BB 1990, 1675; Petzoldt, Nießbrauch an Personengesellschaftsanteilen, DStR 1992, 1171; Spell, Vorzug eines Nachvermächtnisses durch den Testamentsvollstrecker, ZEV 2002, 5; Reymann, Das Vermächtnis des Kommanditisten, ZEV 2006, 307; Rossak, Problematik der gegenständlichen Beschränkung einer zeitlich
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Vermächtnis
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gestuften Sukzession, insbesondere bei Vor- und Nacherbfolge, ZEV 2005, 14; Sarres, Erbrechtliche Auskunftsansprüche aus Treu und Glauben, ZEV 2001, 225; Schlichting, Schuldrechtsmodernisierung im Erbrecht, ZEV 2002, 478; Schlieper, Vor- und Nacherbschaft oder Nießbrauchsvermächtnis – Zur zweckmäßigen Gestaltung der Verfügung von Todes wegen, MittRhNotK 1995, 249; Schmidt, Stimmrecht beim Anteilsnießbrauch, Besprechung des Urteils BGH, NJW 1999, 571, ZGR 1999, 600; Schön, Der Nießbrauch am Gesellschaftsanteil, ZHR 158 (1994), 229; Sudhoff, Die Regelung der Unternehmensnachfolge bei noch jugendlichen Erben, II. Stellungnahme, DB 1966, 1720; Sudhoff, Der Nießbrauch am Anteil einer Personengesellschaft, NJW 1971, 481 ff.; Tiedtke/Peterek, Zurechnung von Einkünften, die zwischen Erbfall und Vermächtniserfüllung anfallen, ZEV 2007, 349; Zawar, Gedanken zum bedingten oder befristeten Rechtserwerb, NJW 2007, 2353.
I. Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Vermächtnis im Verhältnis zu anderen erbrechtlichen Gestaltungsformen . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Vorausvermächtnis und die Teilungsanordnung . . . . . . . . . . . a) Die Unterschiede zwischen der Teilungsanordnung und dem Vorausvermächtnis . . . . aa) Die Ausgleichspflicht bei der Teilungsanordnung . . bb) Die Ausschlagungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . cc) Die Haftung . . . . . . . . . . . dd) Die Geltendmachung von Vermächtnis und Teilungsanordnung . . . . . ee) Das gemeinschaftliche Testament, der Erbvertrag, die Testamentsvollstreckung und die Nachlassverwaltung . . . . . . . . . ff) Die Stellung des Vorerben . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Möglichkeiten einer Angleichung von Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Vermächtnis und die Teilungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Vermächtnis und die Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Erbeinsetzung bei nicht eindeutiger letztwilliger Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz. 1
Rz. b) Die Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung . . . . . . . . c) Die Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Auflage . .
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III. Die Person des Vermächtnisnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers durch den Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers durch Dritte . . . . . . a) Die Drittbestimmung nach § 2151 BGB . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestimmbarer Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Bestimmungsberechtigte . . . . . . . . . . . . cc) Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers. . . b) Das Personenwahlvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Person des Vermächtnisnehmers bei besonderen Vermächtnisarten . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Ersatzvermächtnis . . . . b) Das Nachvermächtnis . . . . . c) Das Untervermächtnis . . . . . d) Das gemeinschaftliche Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das Vorausvermächtnis . . . . IV. 1. 2. 3.
Die Person des Beschwerten . . . Der Erbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Vermächtnisnehmer . . . . . . Der Begünstigte einer Schenkung von Todes wegen. . . . . . . . 4. Mehrere Beschwerte. . . . . . . . . . 5. Der Wegfall des Beschwerten . .
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V. Der Vermächtnisgegenstand . . . 1. Das Stückvermächtnis . . . . . . . . 2. Das Verschaffungsvermächtnis . a) Der Verschaffungswille des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die lebzeitige Verfügung des Erblassers über den Vermächtnisgegenstand . . . . . . . c) Die Durchsetzung des Vermächtnisanspruchs aus einem Verschaffungsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Wertersatz . . . . . . . . . . . . 3. Das Wahlvermächtnis. . . . . . . . . 4. Das Gattungsvermächtnis . . . . . 5. Das Zweckvermächtnis . . . . . . . 6. Das Universalvermächtnis. . . . . 7. Das Unternehmen als Vermächtnisgegenstand . . . . . . . . . . a) Gesellschaftsrechtliche Vorbedingungen . . . . . . . . . . . . . . b) Gestaltung und Folgen des Unternehmensvermächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Das Nießbrauchsvermächtnis . . a) Die Unterschiede zwischen Nießbrauchsvermächtnis und Vorerbschaft. . . . . . . . . . . b) Die Bestellung des Nießbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Modifikation der Rechte und Pflichten des Nießbrauchers durch Anordnungen des Erblassers . . . . . . . . . . . . . d) Der dingliche und der „obligatorische“ Nießbrauch . . . . e) Der Nießbrauch an einem Unternehmen . . . . . . . . . . . . . aa) Der Nießbrauch an einer Personenhandelsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Nießbrauch an einem GmbH-Anteil . . . . . cc) Der Nießbrauch an einer Aktie . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Das Rentenvermächtnis . . . .
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VI. Die Wirksamkeit des Vermächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 VII. Der Anfall und die Fälligkeit des Vermächtnisses 1. Der Anfall des Vermächtnisses . 138
Rz. 2. Die Fälligkeit des Vermächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 VIII. Die Annahme und die Ausschlagung des Vermächtnisses . 145 IX. Die Sicherung des Vermächtnisanspruchs 1. Die Sicherungsmöglichkeiten ohne besondere Anordnungen des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Sicherung eines Vermächtnisanspruchs auf Übertragung eines Grundstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Sicherung eines aufschiebend bedingten oder befristeten Vermächtnisanspruchs durch die §§ 160, 162 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arrest und einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sicherungsmöglichkeiten aufgrund besonderer Anordnungen des Erblassers . . . . . . . . . . . .
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X. Die Durchsetzung des Vermächtnisanspruchs . . . . . . . . . . 158 XI. Die Nutzungen und Früchte des Vermächtnisgegenstandes . 160 XII. Die Haftung des Beschwerten 1. Die Haftung des Erben . . . . . . . . a) Die Überschwerungseinrede b) Die Rechts- und Sachmängelhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Rechts- und Sachmängelhaftung beim Stückvermächtnis . . . . . bb) Die Rechtsmängelhaftung beim Gattungsund Verschaffungsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . cc) Die Sachmängelhaftung beim Gattungsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . dd) Verjährung . . . . . . . . . . . . c) Die Haftung für die Kosten der Vermächtniserfüllung . . 2. Die Haftung des beschwerten Vermächtnisnehmers. . . . . . . . . a) Die Beschränkung auf das Erlangte . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Kürzungsrecht . . . . . . . .
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B VI Rz. 1 Rz. c) Die Rechts- und Sachmängelhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Die Haftung bei einer Mehrheit von Beschwerten . . . . . . . . . . . . . 181 4. Die Haftung des Beschwerten bei Vorerfüllung des Erblassers . 185 XIII. Die Haftung des Vermächtnisnehmers 1. Der Verwendungsersatz . . . . . . . 186 2. Die Haftung des Vermächtnisnehmers für Schulden des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
Vermächtnis Rz. XIV. Die steuerrechtliche Behandlung des Vermächtnisses . . . . . . 1. Die Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . 2. Die Einkommensteuer . . . . . . . 3. Die Besonderheiten beim Nachvermächtnis und beim bedingten Vermächtnis . . . . . . . . . 4. Das Nießbrauchsvermächtnis . 5. Das Rentenvermächtnis . . . . . .
190 191 193
194 196 199
XV. Das Vermächtnis in der Insolvenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
I. Überblick 1 Der Erblasser denkt häufig nicht in Erbquoten, sondern möchte eine gegenständliche Verteilung seines Nachlasses vornehmen1. Ein Mittel für die gegenständliche Verteilung des Nachlasses ist das Vermächtnis. Hauptanwendungsfall des Vermächtnisses ist nach wie vor die Zuwendung von Geld oder Wertgegenständen an Personen, die dem Erblasser nahe stehen, ohne zu dessen engerer Familie zu gehören2. Da das Vermächtnis in vielen Bereichen wesentlich flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten als eine Erbeinsetzung bietet, hat es als Mittel erbrechtlicher Gestaltungen jedoch auch darüber hinaus eine entscheidende Bedeutung. Vor allem im Bereich der Unternehmensnachfolge kann durch die Aussetzung von Vermächtnissen den besonderen Bedürfnissen bei einem erbrechtlich bedingten Generationswechsel Rechnung getragen werden. 2 Ein Vermächtnis ist die Zuwendung eines Vermögensvorteils von Todes wegen, die weder Erbeinsetzung noch Auflage ist. Oft wird mit dem Begriff des Vermächtnisses sowohl die Verfügung des Erblassers, das hieraus resultierende Recht des Bedachten sowie der zugewendete Vermögensvorteil selbst bezeichnet. 3 Das Vermächtnis ist keine Erbeinsetzung. Es begründet kein dingliches Recht am Vermächtnisgegenstand, sondern lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch des Bedachten gegen den Beschwerten (i.d.R. Erbe, § 2147 Satz 2 BGB3) auf die Leistung des vermachten Gegenstandes (§ 2174 BGB). Der Vermächtnisnehmer ist also Nachlassgläubiger und wird erst durch das selbstständige
1 Eidenmüller, JA 1991, 150. 2 MüKo/Schlichting, Vor § 2147 Rz. 8; Ebenroth, Erbrecht 1992, Rz. 447. 3 Ist der Beschwerte Vermächtnisnehmer, handelt es sich um ein Untervermächtnis. Vgl. hierzu Rz. 71.
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Vermächtnis
Rz. 6 B VI
Erfüllungsgeschäft seitens des Beschwerten zum dinglich Berechtigten. Für das Erfüllungsgeschäft gelten die allgemeinen Regeln1. Der Erblasser kann ein Vermächtnis in einem Testament oder in einem Erbvertrag aussetzen. Auch wenn die Bezeichnung als Vermächtnis nicht ausdrücklich verwendet wird, ist bei der Zuwendung einzelner Gegenstände nach § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel von einem Vermächtnis und nicht von einer Erbeinsetzung auszugehen (näher Rz. 28 f.). Um Abgrenzungsschwierigkeiten zu anderen erbrechtlichen Anordnungen zu vermeiden, sollte eine testamentarische oder erbvertragliche Bestimmung ausdrücklich als Vermächtnis bezeichnet werden.
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Sog. gesetzliche Vermächtnisse, auf welche die Regeln der §§ 2147 ff. BGB entsprechende Anwendung finden, bestehen hinsichtlich des Voraus des Ehegatten (§ 1932 BGB) sowie beim Dreißigsten (§ 1969 BGB).
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II. Das Vermächtnis im Verhältnis zu anderen erbrechtlichen Gestaltungsformen Die Gründe für die Anordnung eines Vermächtnisses können vielfältig sein. Es kann dem Erblasser allein darum gehen, bestimmte Gegenstände – z.B. aus nostalgischen Erwägungen – bestimmten Personen zu vermachen. Ein Vermächtnis kann aber auch darüber hinausgehende Zwecke verfolgen. So kann der Erblasser etwa beabsichtigen, einem gesetzlichen Erben anstelle einer Erbenstellung „lediglich“ die Position eines Vermächtnisnehmers einzuräumen, um ihn nicht zum Mitglied einer Erbengemeinschaft zu machen (vgl. Rz. 22 ff.). In Form eines Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB) (vgl. dazu Rz. 65) kann der Erblasser dem Bedachten auch eine Doppelstellung als Erbe und Vermächtnisnehmer verschaffen, um ihn hierdurch – vor allem gegenüber Miterben – zu begünstigen oder hinsichtlich des Vermächtnisgegenstandes von einer Nachlasshaftung zu befreien. Im Einzelfall können auch steuerrechtliche Gründe für die Aussetzung eines Vermächtnisses sprechen. Zwar unterliegt das Vermächtnis ebenfalls der Erbschaftsteuer (näher Rz. 191), doch können vermächtnisweise Zuwendungen, die nicht den Gegenstand selbst erfassen, sondern nur dessen Nutzungen (z.B. ein Wohnrecht oder ein Nießbrauch), eine ausreichende Absicherung des Bedachten zu Lebzeiten gewähren, ohne ihn einer hohen Erbschaftsteuerbelastung auf die Substanz des genutzten Gegenstandes auszusetzen. Dieser Gedanke greift insbesondere, wenn der Bedachte keine Freibeträge in Anspruch nehmen kann und daher einer besonders hohen Erbschaftsteuerbelastung unterliegen würde2.
1 D.h., bewegliche Sachen werden nach §§ 929 ff. BGB, Grundstücke nach §§ 925, 873 BGB und Forderungen durch Abtretung nach § 398 BGB übertragen. Vgl. zum gutgläubigen lastenfreien Erwerb eines Grundstücks durch den Vermächtnisnehmer OLG Naumburg v. 25.2.2003 – 11 Wx 19/02, NJW 2003, 3209. 2 Grziwotz,FPR 2005, 283 (284 f.).
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B VI Rz. 7
Vermächtnis
1. Das Vorausvermächtnis und die Teilungsanordnung
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Beratungssituation: Der Mandant ist Eigentümer zweier gleichwertiger Grundstücke sowie einer wertvollen Kunstsammlung. Dieses Vermögen möchte der Mandant nach seinem Tode zwischen seinem Sohn und seiner Tochter aufteilen. Jedes Kind soll ein Grundstück, der Sohn die Kunstsammlung erhalten. Der Mandant fragt, durch welche erbrechtlichen Gestaltungen er diese Aufteilung am besten gewährleisten kann.
7 Beim Vorausvermächtnis wird der Bedachte gleichzeitig Vermächtnisnehmer und (Mit)Erbe. Sinnvoll ist ein Vorausvermächtnis z.B. zugunsten des Vorerben, wenn der Vermächtnisgegenstand dem Vorerben frei von den Verfügungsbeschränkungen und Kontrollrechten des Nacherben zukommen soll1. Weiterhin eignet sich das Vorausvermächtnis zur gegenständlichen Aufteilung des Nachlasses zwischen mehreren Erben. Damit tritt es in Konkurrenz zur Teilungsanordnung (§ 2048 BGB, s. auch B III Rz. 4 ff.). Ob sich im Einzelfall ein Vorausvermächtnis oder eine Teilungsanordnung anbietet, muss vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Wirkungen beider Gestaltungsformen entschieden werden. a) Die Unterschiede zwischen der Teilungsanordnung und dem Vorausvermächtnis 8 Das Vorausvermächtnis und die Teilungsanordnung haben unterschiedliche Wirkungen2. aa) Die Ausgleichspflicht bei der Teilungsanordnung 9 Der BGH geht entgegen seiner früheren Rechtsprechung3 heute davon aus, dass eine Teilungsanordnung keine Wertverschiebung herbeiführen kann4. Trifft also der Erblasser z.B. eine Anordnung über die gegenständliche Auseinandersetzung des Nachlasses zwischen seinen gesetzlichen Erben, bringt er hierdurch zum Ausdruck, dass er die Höhe und den Wert der gesetzlichen Erbteile nicht verschieben, sondern im Gegenteil unangetastet lassen möchte5.
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Fröhler, BWNotZ 2005, 1. Vgl. hierzu Klinger/Roth, NJW 2008, 263 ff. BGH v. 29.12.1961 – V ZR 229/60, LM § 2048 BGB Nr. 5. Zur Unzulässigkeit sog. wertverschiebender Teilungsanordnungen: BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274 (279); BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, NJW 1985, 51 (52); BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 191/85, FamRZ 1987, 475 (476); BGH v. 6.12.1989 – IVa ZR 59/88, NJW-RR 1990, 391 (392); BGH v. 25.10.1995 – IV ZR 362/94, NJW-RR 1996, 577. Diese neue Rechtsprechung wird auch von der h.M. im Schrifttum geteilt; vgl. z.B. Benk, MittRhNotK 1979, 53; Eidenmüller, JA 1991, 150 (155); Loritz, NJW 1988, 2697 (2705); Soergel/Wolf, § 2048 Rz. 8. 5 BGH v. 23.5.1984 – IVa ZR 185/82, FamRZ 1985, 62 (63); Palandt/Edenhofer, § 2048 Rz. 1.
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Vermächtnis
Rz. 11 B VI
Führt die Teilungsanordnung des Erblassers zu einer von den gesetzlichen Erbquoten abweichenden Aufteilung des Nachlasses, wird hierdurch eine Ausgleichspflicht der Miterben untereinander ausgelöst. Die dem Miterben zugewiesenen Vermögensgegenstände werden auf ihren Erbanteil angerechnet und der die Erbquote übersteigende Anteil ist gegenüber den anderen Miterben ausgleichspflichtig1. Diese Ausgleichspflicht besteht unabhängig von einer entsprechenden Anordnung des Erblassers, muss also nicht ausdrücklich festgelegt werden. Schon ein Schweigen in einer letztwilligen Verfügung spricht daher für einen Wertausgleich2.
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Da sich im Beispielsfall die Werte der Grundstücke decken, übersteigt die zusätzliche Zuwendung der Kunstsammlung den Erbteil des Sohnes. Auch die Kunstsammlung zum Gegenstand einer Erbschaft des Sohnes zu machen, bietet sich also vor allem an, wenn der Mandant seinen Sohn insoweit verpflichten möchte, der Tochter einen Wertausgleich zu zahlen. Ist die Entscheidung des Erblassers über die Zuweisung eines bestimmten Gegenstandes hingegen von einem Begünstigungswillen getragen, ist die Anordnung eines Vorausvermächtnisses der einfachste Weg.3 Denn den mit einem Vorausvermächtnis bedachten Erben trifft gegenüber seinen Miterben keine Ausgleichspflicht. Möchte der Mandant im Beispielsfall seinem Sohn die Kunstsammlung also zusätzlich zum Grundstück zuteilen, ohne dass eine Ausgleichspflicht gegenüber der Tochter entsteht, so bietet sich die Anordnung eines Vorausvermächtnisses hinsichtlich der Kunstsammlung an.
Formulierungsvorschlag Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis: Mein Vermögen vererbe ich meinen beiden Kindern. Zur Teilung des Nachlasses verfüge ich, dass meine Tochter das Grundstück X und mein Sohn das Grundstück Y bekommen soll. Meinem Sohn vermache ich außerdem meine Kunstsammlung. Diese Zuwendung soll Vorausvermächtnis sein. Eine Ausgleichspflicht gegenüber meiner Tochter soll sie nicht begründen.
1 Benk, MittRhNotK 1979, 53 (54); Palandt/Edenhofer, § 2048 Rz. 1; Ist der Ausgleichspflichtige zur Zahlung des Ausgleichs nicht bereit, ist die Auseinandersetzungsanordnung nicht vollziehbar und daher unbeachtlich. Vgl. dazu Schlüter, Erbrecht, Rz. 898. 2 BGH v. 6.12.1989 – IVa ZR 59/88, FamRZ 1990, 396 (397); BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, FamRZ 1984, 688; BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274 (279). 3 Vgl. zum Begünstigungswillen als Indiz für ein Vorausvermächtnis OLG Karlsruhe v. 24.3.2005 – 9 U 152/04, ZEV 2005, 296.
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B VI Rz. 12
Vermächtnis
bb) Die Ausschlagungsmöglichkeiten 12 Wegen der rechtlichen Selbstständigkeit des Vorausvermächtnisses von der Erbschaft kann der Vorausbedachte das Vermächtnis annehmen und die Erbschaft ausschlagen (§§ 1943 ff. BGB) oder umgekehrt das Vermächtnis ausschlagen (§ 2180 BGB) und die Erbschaft annehmen. Eine Teilungsanordnung kann hingegen nicht isoliert „ausgeschlagen“ werden. Bei einer Erbschaft mit Teilungsanordnung bleibt dem bedachten Erben also nur die Möglichkeit, die gesamte Erbschaft auszuschlagen. Da durch die Ausschlagung i.d.R. auch der Pflichtteilsanspruch entfällt1, erhält der ausschlagende Erbe nichts aus dem Nachlass. Schlägt ein Pflichtteilsberechtigter hingegen ein (Voraus)Vermächtnis aus, entfallen nach § 2307 Abs. 1 S. 1 BGB seine Pflichtteilsansprüche nicht. cc) Die Haftung 13 Bei der Erbenhaftung gehört der Nachlassgegenstand, der einem Erben im Rahmen einer Teilungsanordnung zugewiesen wird, zum haftenden Nachlass2. Der Vermächtnisgegenstand haftet hingegen nach der Erfüllung des Vermächtnisses nicht mehr für die Nachlassverbindlichkeiten. Den Nachlassgläubigern bleibt allein die Möglichkeit, die Übertragung des Vermächtnisgegenstandes nach dem Anfechtungsgesetz oder nach § 322 InsO anzufechten (vgl. Rz. 200). dd) Die Geltendmachung von Vermächtnis und Teilungsanordnung 14 Während eine Teilungsanordnung nur im Rahmen der Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft geltend gemacht werden kann (§ 2048 Satz 1 BGB), kann der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch bereits vor der Teilung des Nachlasses mittels einer Gesamthandsklage gegen die Erbengemeinschaft geltend machen (§ 2059 Abs. 2 BGB). Im Falle der Nachlassinsolvenz (§ 1980 BGB, § 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO; vgl. Rz. 200), der Dürftigkeit (§§ 1990, 1991 Abs. 4 BGB) oder Überschuldung (§ 1992 BGB; vgl. Rz. 163 ff.) des Nachlasses ist der Vermächtnisnehmer allerdings erst nachrangig nach anderen Nachlassgläubigern zu befriedigen. ee) Das gemeinschaftliche Testament, der Erbvertrag, die Testamentsvollstreckung und die Nachlassverwaltung 15 Nur das Vermächtnis, nicht auch die Teilungsanordnung ist von der Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments (§ 2270 Abs. 3 BGB) oder eines Erbvertrags (§ 2278 Abs. 2 BGB) erfasst. Der Gegenstand eines Vorausvermächtnisses unterliegt nach seiner Übertragung an den Vermächtnisneh1 Eine Ausnahme gilt nur für den Ehegatten, der nach § 1371 Abs. 3 BGB auch bei einer Ausschlagung der Erbschaft sein Pflichtteilsrecht nicht verliert. (S. aber auch § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB). 2 BayObLG v. 30.7.1974 – 2 Z 28/74, BayObLGZ 74, 312 (315); Loritz, NJW 1988, 2697 (2699).
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Vermächtnis
Rz. 19 B VI
mer anders als das im Rahmen der Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft Erworbene nicht mehr einer Testamentsvollstreckung oder Nachlassverwaltung. ff) Die Stellung des Vorerben Ein entscheidender Grund für die Anordnung eines Vorausvermächtnisses anstelle einer Auseinandersetzungsanordnung kann der Umstand sein, dass der Gegenstand des Vorausvermächtnisses anders als das im Rahmen einer Erbschaft Übernommene nicht dem Nacherbenrecht unterfällt (§ 2110 Abs. 2 BGB).
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Ein Vermächtnis wird grundsätzlich nicht in den Erbschein aufgenommen. Ist allerdings der Vorerbe mit einem Vorausvermächtnis bedacht, sollte darauf geachtet werden, dass die hieraus i.d.R. für den Vermächtnisgegenstand resultierende Ausnahme von der Verfügungsbeschränkung des Vorerben im Erbschein angegeben wird1.
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b) Die Möglichkeiten einer Angleichung von Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis Bei der Auswahl zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung muss der beratende Anwalt oder Notar die unterschiedlichen Wirkungen beider erbrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor dem Hintergrund der Motive des Mandanten für die gewünschte Aufteilung seines Nachlasses überprüfen. Dabei muss er jedoch berücksichtigen, dass durch entsprechende testamentarische oder erbvertragliche Bestimmungen die Rechtswirkungen von Teilungsanordnung und Vermächtnis in vieler Hinsicht einander angeglichen werden können. Sofern die unterschiedlichen Wirkungen von Teilungsanordnung und Vorausvermächtnis also zur Disposition des Erblassers stehen, müssen sie bei der Auswahlentscheidung des Erblassers zwischen beiden Gestaltungsformen nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein.
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Durch eine abweichende Bestimmung des Erblassers können folgende Wir- 19 kungen einander angeglichen werden: – Die alternativen Ausschlagungsmöglichkeiten aufgrund der rechtlichen Selbstständigkeit von Erbschaft und Vorausvermächtnis können dadurch aufgehoben werden, dass die Annahme der Erbschaft bzw. des Vorausvermächtnisses zur Bedingung der Erben- bzw. Vermächtnisnehmerstellung gemacht wird2. – Die Geltendmachung des Vorausvermächtnisses schon vor der Auseinandersetzung des Nachlasses kann dadurch verhindert werden, dass das Vorausvermächtnis auf den Erbauseinandersetzungszeitpunkt befristet oder
1 Palandt/Edenhofer, § 2363 Rz. 6. 2 Mattern, DNotZ 1963, 450 (455).
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B VI Rz. 20
Vermächtnis
betagt oder an die Bedingung der gleichzeitigen Durchführung der Erbauseinandersetzung geknüpft wird1. – Die Bindungswirkung von gemeinschaftlichem Testament und Erbvertrag kann auf die Teilungsanordnung erstreckt werden, indem die Gegenverfügung des Ehegatten oder die übrigen erbvertraglichen Bestimmungen durch die Durchführung der Teilungsanordnung bedingt werden2. – Die Testamentsvollstreckung sowie die Nachlassverwaltung können (nur oder auch) zur Verwaltung des Vermächtnisgegenstandes angeordnet werden3. (Näheres unter C IX Rz. 61 ff.) – Das Nacherbenrecht kann vom Erblasser auch auf den Vermächtnisgegenstand erstreckt werden (§ 2110 Abs. 2 BGB: „im Zweifel“). 20
Unabänderliche Unterschiede zwischen der Teilungsordnung und dem Vorausvermächtnis sind vor allem – die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten, die für den Vorausvermächtnisnehmer hinsichtlich des Vermächtnisgegenstandes nach der Erfüllung des Vermächtnisses nicht mehr besteht, und – die Ausgleichspflicht der Erben untereinander für die im Rahmen einer Teilungsanordnung erfolgte Zuweisung von Vermögensgegenständen, welche den Wert der Erbquote übersteigen.
21 Da die h.M. eine sog. wertverschiebende Teilungsanordnung nicht zulässt (vgl. Rz. 9), kann die Ausgleichspflicht durch den Erblasser bei einer Teilungsanordnung nicht ausgeschlossen werden. Will der Erblasser einen bestimmten Gegenstand dennoch unbedingt im Wege der Erbfolge und nicht durch ein Vermächtnis auf seinen Rechtsnachfolger übertragen, ohne hierdurch eine Ausgleichspflicht gegenüber den Miterben zu begründen, kann er allerdings durch die gegenständliche Aufteilung des Nachlasses die Erbquoten entsprechend dem Wert der im Einzelnen zugewiesenen Nachlassgegenstände bestimmen. Eine solche Bestimmung der Erbquoten durch die gegenständliche Verteilung des Nachlasses ist zulässig4. Allerdings sollte der Erblasser diesen Willen zur Bestimmung der Erbquoten durch die Aufteilung des Nachlasses in der letztwilligen Verfügung deutlich zum Ausdruck bringen, da die Gerichte seine Anordnung sonst entgegen dem anders lautenden Wortlaut als Aussetzung eines Vermächtnisses auslegen könnten.
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Mattern, DNotZ 1963, 450 (455). Benk, MittRhNotK 1979, 53 (56). BGH v. 29.4.1954 – IV ZR 152/53, BGHZ 13, 203 (205). BGH v. 6.12.1989 – IVa ZR 59/88, NJW-RR 1990, 391 (392 f.); Eidenmüller, JA 1991, 150 (151 f.).
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Vermächtnis
Rz. 25 B VI
Formulierungsvorschlag Bestimmung der Erbquoten durch eine Teilungsanordnung: Meine Erben sind meine beiden Kinder. Zur Aufteilung des Nachlasses bestimme ich, dass meine Tochter das Grundstück X und mein Sohn das Grundstück Y sowie die Kunstsammlung erhält. Die Erbquoten meiner Kinder sollen sich nach dem Wert der ihnen im Wege dieser Teilungsanordnung zugewiesenen Nachlassgegenstände bestimmen.
2. Das Vermächtnis und die Teilungsanordnung Dem Erblasser kann es besonders darauf ankommen, dass der Bedachte nicht Mitglied der Erbengemeinschaft wird.
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Beratungssituation: Der Mandant ist Einzelhandelskaufmann. Eines seiner drei Kinder ist geistig behindert. Diesem Kind möchte der Mandant einen gleichwertigen Anteil am Nachlass zukommen lassen, es aber im Interesse einer effektiven Fortführung des Unternehmens von der Unternehmensleitung ausschließen.
Die Zusammensetzung einer Erbengemeinschaft, insbesondere die Fähigkeit und Bereitschaft miteinander Entscheidungen zu treffen, kann vor allem bei der Vererbung eines Unternehmens von erheblicher Bedeutung für die erfolgreiche Zukunft des Unternehmens sein. Möchte der Erblasser verhindern, dass ein gesetzlicher Erbe Mitglied einer Erbengemeinschaft wird, will er ihm aber dennoch Vermögen im Wert seines Erb- oder Pflichtteils zukommen lassen, bietet sich die Anordnung eines Vermächtnisses an1.
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Wird zugunsten eines gesetzlichen Erben ein Vermächtnis angeordnet, liegt hierin allerdings keine Enterbung, sondern zunächst ein Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB; vgl. Rz. 65). Will der Erblasser also die Beteiligung eines gesetzlichen Erben an einer Miterbengemeinschaft durch ein Vermächtnis ersetzen, muss er ihn zusätzlich zur Anordnung des Vermächtnisses enterben. Die Anordnung eines Vermächtnisses zugunsten eines enterbten gesetzlichen Erben hat Auswirkungen auf den Pflichtteil. Nach § 2307 BGB kann der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil verlangen. Schlägt er das Vermächtnis nicht aus, hat er einen Anspruch auf den Pflichtteilsrest, sofern der Wert des Vermächtnisses den Wert des Pflichtteils nicht erreicht (§ 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB; vgl. hierzu auch C VI Rz. 172).
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Das Ziel, einen gesetzlichen Erben aus einer Erbengemeinschaft auszuschließen, kann dauerhaft auch durch eine Teilungsanordnung erreicht werden (§ 2048 BGB). Bis zur Teilung besteht die Erbengemeinschaft allerdings. Nimmt die Auseinandersetzung längere Zeit in Anspruch, können sich die
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1 Vgl. zu den weiteren Vorteilen einer Vermächtnislösung vor allem bei Testamenten zugunsten geistig behinderter Menschen: Joussen, NJW 2003, 1851, 1852 ff.
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B VI Rz. 26
Vermächtnis
vom Erblasser befürchteten Schwierigkeiten im Rahmen der Erbengemeinschaft auswirken und daher einer effektiven Verwaltung des Nachlasses – z.B. eines Unternehmens – entgegenstehen.
Formulierungsvorschlag Vermächtnis zugunsten eines gesetzlichen Erben: Hiermit enterbe ich meinen Sohn S. Ich vermache ihm 250 000 Euro.
3. Das Vermächtnis und die Auflage 26 Möchte der Erblasser dem Bedachten keinen eigenen klagbaren Anspruch auf die Leistung des ihm zugedachten Vermögensvorteils einräumen, bietet sich die Anordnung einer Auflage an. Denn die Auflage begründet zwar wie das Vermächtnis eine Leistungspflicht für den Beschwerten, aber keinen Leistungsanspruch für den Bedachten. Die Erfüllung der Auflage können nur die in § 2194 BGB benannten Personen verlangen. Möchte der Erblasser den Leistungsdruck auf den Beschwerten bei einer Auflage erhöhen, bietet sich an, die Vollziehung der Auflage zur aufschiebenden oder auflösenden Bedingung für den Anfall bzw. den Erhalt der erbrechtlich veranlassten Zuwendung zu machen. Neben der Versagung eines eigenen Leistungsanspruchs kann noch ein weiterer Gesichtspunkt für die Anordnung einer Auflage anstelle eines Vermächtnisses sprechen: Kann der Erblasser sich hinsichtlich der Person des Bedachten noch nicht festlegen, kann er dessen Bestimmung einem Dritten überlassen. Hat der Erblasser noch nicht einmal konkrete Vorstellungen über den begünstigten Personenkreis, kommt allein die Anordnung einer Auflage in Betracht, weil die Drittbestimmung eines Vermächtnisnehmers nur zulässig ist, wenn der Kreis der möglichen Vermächtnisnehmer hinreichend bestimmbar ist (vgl. Rz. 40 ff.; s. auch B V.)
4. Die Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Erbeinsetzung bei nicht eindeutiger letztwilliger Verfügung 27 Wird der Anwalt bereits bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung beratend tätig, kann er dafür Sorge tragen, dass die Anordnungen des Erblassers so zweifelsfrei formuliert werden, dass Abgrenzungsschwierigkeiten nach dem Erbfall nicht auftreten. Hat der Erblasser seine letztwillige Verfügung aber ohne anwaltliche Beratung abgefasst, fehlt es häufig an der wünschenswerten Eindeutigkeit. Selbst notariell begleitete Verfügungen weisen leider nicht selten Unklarheiten auf. Aus diesem Grunde ist bei der anwaltlichen Beratung des Bedachten oder Beschwerten häufig nicht zweifelsfrei, ob ein Vermächtnis, eine Erbeinsetzung oder lediglich eine Auflage angeordnet worden ist.
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Vermächtnis
Rz. 29 B VI
a) Die Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Erbeinsetzung
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Beratungssituation: Der Nachlass des Erblassers besteht aus einem Grundstück und einem erheblichen Aktienvermögen. Der Wert des Grundstücks und der des Aktienvermögens sind ungefähr identisch. Im Testament des Erblassers heißt es: „Ich vermache mein Vermögen meinen drei Kindern. Meine Tochter B soll das Grundstück erhalten. Meinem Freund F vererbe ich meine Angelausrüstung.“
Für die Auslegung einer letztwilligen Verfügung sind die Bezeichnungen „Erbe“ und „Vermächtnis“ nicht unbedingt ausschlaggebend. Nach § 2087 Abs. 2 BGB ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Bedachte Erbe sein soll, sofern ihm nur einzelne Gegenstände zugewendet worden sind, selbst wenn er als Erbe bezeichnet ist (§ 2087 Abs. 2 BGB). Entscheidendes Auslegungskriterium für die Abgrenzung zwischen Erbschaft und Vermächtnis ist das Wertverhältnis der zugewandten Gegenstände zum Wert des Nachlasses1. Erschöpfen die Einzelzuwendungen den nahezu gesamten Nachlass, so kann entgegen der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB eine Erbeinsetzung angenommen werden2. Größere Bedeutung kann den Begrifflichkeiten einer letztwilligen Verfügung nur beigemessen werden, wenn der Testierende anwaltlich beraten war oder selbst über hinreichende Rechtskenntnisse verfügt hat.
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Im Beispielsfall kann also trotz der Formulierung „Meinem Freund F vererbe ich meine Angelausrüstung.“ nicht von einer Erbschaft ausgegangen werden. Angesichts des geringen Wertes der Angelausrüstung im Verhältnis zum Gesamtnachlasswert liegt hier ein Vermächtnis vor. Wendet der Erblasser umgekehrt nicht einzelne Gegenstände, sondern sein Vermögen als ganzes oder einen Bruchteil hiervon zu, so ist hierin nach § 2087 Abs. 1 BGB eine Erbeinsetzung zu sehen, auch wenn der Bedachte nicht als Erbe bezeichnet ist. Auch diese Auslegungsregel ist allerdings widerlegbar. Es kann sich hierbei auch um ein Universal- oder Quotenvermächtnis3 handeln. Obwohl der Erblasser im Beispielsfall also seinen drei Kindern sein Vermögen zu gleichen Teilen „vermacht“, ist hierin eine Erbeinsetzung zu sehen, da die Anordnung das gesamte Vermögen des Erblassers erfasst.
1 BGH v. 22.3.1972 – IV ZR 134/70, FamRZ 1972, 561 (563); BayObLG v. 7.6.1994 – 1 ZBR 69/93, FamRZ 1995, 246 (248); BayObLG v. 25.3.1999 – 1 Z BR 102/98, NJW-RR 1999, 1021. 2 BayObLG v. 19.12.1996 – 1 ZR 107/96, NJW-RR 1997, 517 (518); OLG Düsseldorf v. 28.4.1995 – 7 U 113/94, ZEV 1995, 410 (411); OLG Köln v. 5.12.1988 – 2 Wx 49/88, FamRZ 1989, 549 (550); OLG München v. 21.5.2007 – 31 Wx 120/06, ZEV 2007, 383 (384); Palandt/Edenhofer, § 2087 Rz. 2. 3 Zur Zulässigkeit eines Quotenvermächtnisses z.B.: BGH v. 25.5.1960 – V ZR 57/59, NJW 1960, 1759; BayObLG v. 17.1.1996 – 1 ZBR 84/95, NJW-RR 1996, 1478; zur Zulässigkeit eines Universalvermächtnisses z.B.: Dobroschke, DB 1967, 803 (805); Klunzinger, BB 1970, 1197 (1199).
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B VI Rz. 30
Vermächtnis
b) Die Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung 30 Abgrenzungsprobleme können sich aber nicht nur zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnisanordnung, sondern darüber hinaus zwischen einem Vorausvermächtnis und einer Teilungsanordnung ergeben. Insoweit wurde bereits darauf hingewiesen, dass entscheidendes Motiv für die Anordnung eines Vorausvermächtnisses der Begünstigungswille des Erblassers ist (vgl. Rz. 11). Fehlen insoweit deutliche Hinweise in der letztwilligen Verfügung, so muss eine oft schwierige Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung durch Auslegung erfolgen1. Ist ein Wille des Erblassers bezüglich einer Ausgleichspflicht nicht erkennbar, muss der Sinn ermittelt werden, der dem mutmaßlichen Erblasserwillen am ehesten entspricht2. Ein dem Erblasser bekannter objektiver Vermögensvorteil ist ein Indiz für einen Begünstigungswillen und damit ein Vorausvermächtnis. War dem Erblasser die wertmäßige Begünstigung hingegen nicht bewusst und lässt sich der letztwilligen Verfügung eine zusätzliche Zuwendung des Mehrwerts nicht entnehmen, ist grundsätzlich von einer nicht wertverschiebenden Teilungsanordnung auszugehen3. Da allerdings die Ausgleichspflicht nicht der einzige Unterschied zwischen einem Vorausvermächtnis und einer Teilungsanordnung ist, ist diese Auslegung nicht zwingend, sondern es muss stets überprüft werden, ob die Zuwendung eines bestimmten Vermögensgegenstands auf anderen als die Ausgleichspflicht betreffenden Gründen beruht. Im Beispielsfall stellt sich die Frage, ob die Zuwendung des Grundstücks an die Tochter B ein Vorausvermächtnis ist und die Tochter das Grundstück also zusätzlich zu einem Drittel vom Aktienvermögen erhalten soll. Es kann sich aber auch um eine Teilungsanordnung handeln, so dass die Tochter einer Ausgleichspflicht gegenüber ihren Geschwistern ausgesetzt wäre, da der Wert des Grundstücks höher als ein Drittel des Nachlasswertes ist. Die letztwillige Verfügung gibt hierüber wenig Aufschluss. Kann ein Wille des Erblassers nicht mehr ermittelt werden, muss geprüft werden, ob er den Mehrwert des Grundstückes kannte. Hierin könnte ein Indiz für einen Begünstigungswillen gesehen werden. Im Zweifel ist von einer nicht wertverschiebenden Teilungsanordnung auszugehen, mit der Konsequenz, dass eine Ausgleichspflicht der Tochter gegenüber ihren Geschwistern besteht. c) Die Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Auflage 31 Maßgebliches Auslegungskriterium für die Unterscheidung zwischen der Anordnung eines Vermächtnisses und einer Auflage ist, ob der Erblasser dem Bedachten einen eigenen klagbaren Anspruch auf die Leistung geben wollte (Vermächtnis), oder ob lediglich eine Leistungspflicht des Beschwerten, aber
1 Vgl. dazu Palandt/Edenhofer, § 2048 Rz. 6. 2 BGH v. 8.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41 (45); BGH v. 23.5.1984 – IVa ZR 185/82, FamRZ 1985, 62 (63). 3 BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, NJW 1985, 51 (52); BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 191/85, FamRZ 1987, 475 (476); Palandt/Edenhofer, § 2048 Rz. 6.
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Vermächtnis
Rz. 36 B VI
kein Leistungsanspruch des Bedachten begründet werden sollte (Auflage; vgl. auch Rz. 26).
III. Die Person des Vermächtnisnehmers Vermächtnisnehmer kann jede rechtsfähige Person sein, also sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person.
32
Auch eine Leibesfrucht kann Vermächtnisnehmer sein (§ 1923 Abs. 2 BGB), der Vermächtnisnehmer muss zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht einmal erzeugt sein (§ 2178 BGB). Das Vermächtnis fällt dem beim Erbfall noch nicht erzeugten Vermächtnisnehmer im Zeitpunkt seiner Geburt an (§ 2178 BGB). Bis dahin unterfällt das Recht der Leibesfrucht den Vorschriften über (aufschiebend) bedingte Vermächtnisse (§ 2179 BGB) (vgl. zu bedingten Vermächtnissen Rz. 139 ff., 149, 157). Wird der Vermächtnisnehmer allerdings nicht innerhalb einer Frist von 30 Jahren erzeugt, wird das Vermächtnis unwirksam (§ 2162 Abs. 2 BGB). § 2178 BGB gilt für beim Erbfall noch nicht entstandene juristische Personen entsprechend1.
33
Erlebt der Vermächtnisnehmer den Erbfall nicht mehr, wird das Vermächtnis unwirksam (§ 2160 BGB). Möchte der Erblasser den vermachten Gegenstand in diesem Fall nicht dem Erben, sondern einem Dritten zuwenden, muss er einen Ersatzvermächtnisnehmer bestimmen (§ 2190 BGB) (vgl. zum Ersatzvermächtnis Rz. 56 f.).
34
Will der Erblasser einen Gegenstand mehreren Vermächtnisnehmern zuwenden, so sind sie ohne eine abweichende Bestimmung des Erblassers im Zweifel zu gleichen Bruchteilen bedacht (§ 2157 BGB i.V.m. §§ 2091, 2093, 741 ff. BGB). Fällt einer der Vermächtnisnehmer vor dem Erbfall weg und hat der Erblasser keinen Ersatzvermächtnisnehmer bestimmt, wächst sein Anteil den übrigen Vermächtnisnehmern an (§§ 2158, 2159 BGB), sofern der Erblasser die Anwachsung nicht ausgeschlossen hat (§ 2158 Abs. 2 BGB) (vgl. zum gemeinschaftlichen Vermächtnis Rz. 63 f.).
35
1. Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers durch den Erblasser Der Regelfall des Vermächtnisses ist nach wie vor der, dass der Erblasser einer bestimmten Person einen bestimmten Vermögensgegenstand zuwenden möchte. Dann benennt der Erblasser selbst den Vermächtnisnehmer.
2. Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers durch Dritte
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Beratungssituation: Der Mandant ist Unternehmer und möchte, dass sein Unternehmen von dem fähigsten seiner drei Kinder fortgeführt wird. Da die Kinder im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung noch
1 Palandt/Edenhofer, § 2178 Rz. 2.
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Vermächtnis
minderjährig sind, fühlt er sich nicht in der Lage, schon eine Auswahlentscheidung zu treffen. 37 Der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit letztwilliger Verfügungen (§ 2065 Abs. 2 BGB) eröffnet nur wenige Möglichkeiten, die Bestimmung des Vermögensnachfolgers einem Dritten zu überlassen. Während die Drittbestimmung des Erben lediglich als feststellende Bezeichnung nach vom Erblasser genau festgelegten sachlichen Kriterien möglich ist1, kann hinsichtlich der Auswahl der Person des Vermächtnisnehmers der vom Erblasser ermächtigte Dritte eine echte freie Ermessensentscheidung treffen2. Möchte der Erblasser die Entscheidung über die Person eines von ihm bedachten Vermögensnachfolgers also einem Dritten überlassen, bietet sich die Aussetzung eines Vermächtnisses an. Gegenüber der Drittbezeichnung eines Erben hat diese Gestaltungsform den Vorteil, dass die Voraussetzungen für eine zulässige Drittbestimmung im Vermächtnisrecht nicht so eng sind (§§ 2151, 2152 BGB) wie bei der Drittbezeichnung des Erben. Aufgrund dieser engen Voraussetzungen bildet die Drittbezeichnung des Erben einen „schwankenden Boden“ für eine wirksame letztwillige Anordnung3, da bis zur Rechtskraft eines Urteils zweifelhaft sein kann, ob die Bestimmtheit des Erben in der letztwilligen Verfügung ausreicht, um einen Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB zu vermeiden4. Die Anordnung eines Vermächtnisses stellt indes eine sichere Möglichkeit für eine zulässige Drittbestimmung des Vermögensnachfolgers dar. 38 Vor diesem Hintergrund ist das Vermächtnis vor allem für die erbrechtliche Regelung der Unternehmensnachfolge bei noch jugendlichen Abkömmlingen von großem Interesse, da es dem Erblasser hier häufig noch nicht möglich ist, unter seinen Abkömmlingen einen geeigneten Unternehmensnachfolger auszuwählen. a) Die Drittbestimmung nach § 2151 BGB 39 Nach § 2151 BGB muss der Erblasser – einen bestimmbaren Personenkreis bezeichnen, – aus dem der Bestimmungsberechtigte den Vermächtnisnehmer – durch formlose, empfangsbedürftige Willenserklärung auszuwählen hat. aa) Bestimmbarer Personenkreis 40 Obwohl § 2151 BGB uneingeschränkt von der Bestimmung (irgend)eines Vermächtnisnehmers durch einen Dritten spricht, kann der Erblasser die Auswahl des Vermächtnisnehmers nach allgemeiner Meinung nicht völlig in das 1 BGH v. 18.11.1954 – IV ZR 152/54, NJW 1955, 100 (101); BGH v. 14.7.1965 – V BLw 11/65, NJW 1965, 2201; BGH v. 31.1.1969 – V BLw 21/68, WM 1969, 664 f. 2 Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 3 Rz. 47. 3 Dobroschke, DB 1967, 803. 4 Dobroschke, DB 1967, 803; Ebenroth, Erbrecht, Rz. 468.
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Rz. 42 B VI
Belieben eines Dritten stellen. Vielmehr muss der Personenkreis, aus dem der Dritte den Vermächtnisnehmer bestimmen darf, hinreichend genau bestimmt sein1. Der Personenkreis muss allerdings nicht so eng begrenzt sein wie bei der Erbenauswahlermächtigung2. Vielmehr reicht aus, dass der Personenkreis überschaubar ist und durch den Erblasser so genau bestimmt ist, dass sich die Zugehörigkeit zu diesem Kreis zweifelsfrei ergibt3. Die Zahl der Angehörigen des Personenkreises darf allerdings nicht allzu weit ausgedehnt werden4. Da die Angehörigen des vom Erblasser bezeichneten Personenkreises Gesamtgläubiger werden, wenn der Bestimmungsberechtigte die Bestimmung nicht treffen kann (§ 2151 Abs. 3 BGB), muss der Erblasser den Personenkreis so bestimmen, dass die Bedachten gegebenenfalls als Gesamtgläubiger vorstellbar sind5. Zu dem bestimmbaren Personenkreis können auch der Bestimmungsberechtigte selbst und der Beschwerte gehören6. Das gilt auch für den beschwerten Erbe, da § 2151 BGB auch auf das Vorausvermächtnis Anwendung findet7. Änderungen im Personenkreis der Bedachten sind in der Regel ohne Belang. Entscheidend ist grundsätzlich die Angehörigkeit zum bedachten Personenkreis zur Zeit der Bestimmung. Auch eine Person, die erst nach dem Erbfall geboren wird, kann bei Angehörigkeit zum bedachten Personenkreis als Vermächtnisnehmer bestimmt werden8. Ist ein potenziell Bedachter nach dem Erbfall gestorben, kann er dennoch bestimmt werden mit der Folge, dass seine Erben das Vermächtnis erhalten9. Ist ein potenziell Bedachter hingegen vor dem Erbfall weggefallen, kommt er entsprechend § 2160 BGB für die Auswahl nicht mehr in Betracht10. Da sich der bedachte Personenkreis nach dem Erblasserwillen bestimmt, kann der Erblasser natürlich auch hiervon abweichende Regelungen treffen. So kann er etwa anordnen, dass nur diejenigen bedacht sein sollen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt – z.B. bei der Errichtung der letztwilligen Verfügung oder beim Erbfall – bereits dem von ihm benannten Personenkreis angehörten.
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Beratungssituation: Der Mandant möchte sein Vermögen im Wesentlichen seinen Kindern vererben. Ein Grundstück möchte er jedoch „zu wohltätigen Zwecken“ verwendet wissen, ohne sich hinsichtlich des konkret verfolgten Zwecks schon festzulegen.
1 RG v. 13.5.1919 – VII 89/19, RGZ 96, 15 (19); OLG Düsseldorf v. 4.12.1923 – 8 U 376 u. 402/24, JW 1925, 2147; MüKo/Schlichting, § 2151 Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 2151 Rz. 2. 2 Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 288. 3 Soergel/Wolf, § 2151 Rz. 2. 4 Lange/Kuchinke, § 29 III 2b; Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 3 Rz. 47. 5 Palandt/Edenhofer, § 2151 Rz. 2. 6 Palandt/Edenhofer, § 2151 Rz. 2. 7 KG v. 5.5.1937 – 1 Wx 157/37, JW 1937, 2200. 8 MüKo/Schlichting, § 2151 Rz. 4. 9 MüKo/Schlichting, § 2151 Rz. 4; RGRK/Johannsen, § 2151 Rz. 5. 10 MüKo/Schlichting, § 2151 Rz. 5; möglich ist nur eine Ersatzberufung, z.B. entsprechend § 2069 BGB.
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B VI Rz. 43
Vermächtnis
Möchte der Mandant sich hinsichtlich des von ihm bedachten Personenkreises noch nicht festlegen, kann er ein Vermächtnis mangels hinreichender Bestimmbarkeit des Kreises der auszuwählenden Vermächtnisnehmer nicht aussetzen. Es besteht dann aber die Möglichkeit, eine entsprechende Auflage anzuordnen, da der Erblasser hier auf Angaben zum begünstigten Personenkreis ganz verzichten kann (§ 2193 BGB)1. bb) Der Bestimmungsberechtigte 43 Der Erblasser kann sowohl dem mit dem Vermächtnis Beschwerten, aber auch einem Dritten die Bestimmung des Vermächtnisnehmers überlassen. Als Dritte kommen z.B. ein Testamentsvollstrecker oder der letztversterbende Ehegatte in Betracht. Benennt der Erblasser einen Bestimmungsberechtigten nicht, so ist der Beschwerte als bestimmungsberechtigt anzusehen (§ 2152 BGB). 44 Die richtige Auswahl des Bestimmungsberechtigten ist vor allem für die Bestimmung eines Unternehmensnachfolgers von erheblicher Bedeutung. Ist dem Erblasser die Auswahl des Bedachten besonders wichtig, kann er auch mehreren Personen das Bestimmungsrecht einräumen, die im Zweifel eine übereinstimmende Entscheidung zu treffen haben (§ 317 Abs. 2 BGB)2. Sollen mehrere Testamentsvollstrecker den Vermächtnisnehmer bestimmen, gilt § 2224 BGB. 45 Das Bestimmungsrecht ist nicht übertragbar und erlischt durch den Wegfall des vom Erblasser benannten Bestimmungsberechtigten3. Die Angehörigen des vom Erblasser bestimmten Personenkreises werden dann Gesamtgläubiger (§ 2151 Abs. 3 Satz 1 BGB). Möchte der Erblasser dennoch eine Drittbestimmung des Vermächtnisnehmers gewährleisten, muss er einen Ersatzbestimmungsberechtigten benennen. cc) Die Bestimmung des Vermächtnisnehmers 46 Der Bestimmungsberechtigte kann den Vermächtnisnehmer durch formlose, empfangsbedürftige Willenserklärung bestimmen. Ist der Beschwerte selbst bestimmungsberechtigt, muss er die Bestimmungserklärung gegenüber dem Ausgewählten abgeben (§ 2151 Abs. 2, 1. Hs BGB). Möchte der Beschwerte sich selbst bestimmen, muss dieser Wille nach außen erkennbar werden4. Die Auswahl des Vermächtnisnehmers durch einen Dritten erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten (§ 2151 Abs. 2, 2. Hs BGB). Die Bestimmung ist unwiderruflich und kann daher nur wiederholt werden, wenn der Ausgewählte das Vermächtnis ausschlägt oder die Erklärung wirksam ange-
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MüKo/Schlichting, § 2151 Rz. 6; Soergel/Wolf, § 2151 Rz. 2. MüKo/Schlichting, § 2151 Rz. 8. Palandt/Edenhofer, § 2151 Rz. 2; Staudinger/Otte, § 2151 Rz. 9. Lange/Kuchinke, § 29 III 2b, Fn. 97.
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Rz. 49 B VI
fochten wird. Der Irrtum über die Eignung der ausgewählten Person ist allerdings ein zur Anfechtung nicht berechtigender Motivirrtum1. Sofern der Erblasser nichts anderes festlegt, liegt die Bestimmung des Vermächtnisnehmers im freien Ermessen des Bestimmungsberechtigten und ist daher gerichtlich nur sehr eingeschränkt überprüfbar.
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Die gerichtliche Kontrolle erfasst allerdings zumindest die Überprüfung, ob der Erblasserwille bei der Drittbestimmung des Vermächtnisnehmers beachtet worden ist. Überprüft wird also die Bestimmungsberechtigung, die Zugehörigkeit des Ausgewählten zum vom Erblasser bestimmten Personenkreis sowie die Beachtung der vom Erblasser unter Umständen vorgegebenen Auswahlkriterien. Darüber hinaus darf das Gericht nach unstreitiger Ansicht die Wirksamkeit der Bestimmungserklärung kontrollieren, ob also ein handlungsfähiger Dritter eine nicht sittenwidrige Bestimmung vorgenommen hat. Die h.M. lässt außerdem eine gerichtliche Überprüfung dahin gehend zu, ob die Bestimmung arglistig war2. Eine Billigkeitsüberprüfung nach § 319 Abs. 1 S. 1 BGB erfolgt indes grundsätzlich nicht3.
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Beratungssituation: Der Unternehmer, der unter seinen minderjährigen Kindern noch keinen Unternehmensnachfolger auszusuchen vermag, möchte die Auswahlentscheidung seinem Geschäftsführer überlassen, da dieser die Belange des Unternehmens genau kennt und daher am besten beurteilen kann, wer die zur Unternehmensführung erforderlichen Fähigkeiten besitzt. Zwar vertraut er seinem Geschäftsführer, sieht aber auch die Gefahr, dass dieser das Kind auswählen könnte, von dem er die wenigste Einmischung in die Führung der Geschäfte befürchten muss. Er möchte daher die Auswahlentscheidung nicht ins völlig unkontrollierbare Ermessen des Geschäftsführers stellen.
Hat der Erblasser ein Interesse daran, die Auswahlentscheidung nicht in das freie Ermessen des Bestimmungsberechtigten zu stellen, so kann er Auswahlkriterien vorgeben. Dadurch eröffnet er einen größeren gerichtlichen Kontrollumfang hinsichtlich der Drittbestimmung des Vermächtnisnehmers. Die Gerichte müssen überprüfen, ob der Bestimmungsberechtigte die Auswahlkriterien bei seiner Bestimmung beachtet hat. Legt der Erblasser z.B. fest, dass die Auswahl nach „billigem Ermessen“ zu erfolgen hat, so eröffnet er damit den Weg für eine gerichtliche Billigkeitsprüfung nach § 319 Abs. 1 S. 1 BGB. Um Zweifel über den Erblasserwillen hinsichtlich des Umfangs der Bestimmungsberechtigung und der damit einhergehenden gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten zu vermeiden, sollten diese in einer letztwilligen Verfügung möglichst genau bezeichnet werden.
1 MüKo/Schlichting, § 2151 Rz. 11. 2 Erman/Schmidt, § 2151 Rz. 2; MüKo/Schlichting, § 2151 Rz. 13; Staudinger/Otte, § 2151 Rz. 6. 3 MüKo/Schlichting, § 2151 Rz. 13; Palandt/Edenhofer, § 2151 Rz. 3 (a.A. 57. Auflage); Soergel/Wolf, § 2151 Rz. 4; a.A. Johannsen, WM 1972, 866 (872).
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Unterbleibt die Bestimmung, weil der Bestimmungsberechtigte hierzu nicht in der Lage ist und hat der Erblasser einen Ersatzbestimmungsberechtigten nicht bestimmt, so erlischt das Bestimmungsrecht und die Angehörigen des vom Erblasser festgelegten Personenkreises werden Gesamtgläubiger (§§ 2151 Abs. 3 S. 1, 428 BGB). Unterlässt der Bestimmungsberechtigte eine ihm mögliche Bestimmung, kann er nicht auf Vornahme verklagt werden1. Die Beteiligten können dann bei Gericht lediglich beantragen, dem Bestimmungsberechtigten eine Frist zur Abgabe der Erklärung zu setzen, bei deren Ablauf die Bedachten wiederum Gesamtgläubiger werden (§ 2151 Abs. 3 S. 2, Satz 1 BGB).
51 Werden die Bedachten Gesamtgläubiger, entscheidet der erste Zugriff darüber, wer von ihnen den Vermächtnisgegenstand erhält. Bei der Beratung eines der Bedachten sollte der Anwalt sich also um eine möglichst zügige Bearbeitung bemühen. Der Beschwerte kann auch nach Erhebung einer Klage durch einen Gesamtgläubiger noch an einen anderen Gesamtgläubiger leisten (§ 428 S. 2 BGB). Entgegen der allgemein für Gesamtgläubiger geltenden Regel des § 430 BGB ist der Bedachte, der das Vermächtnis erhält, nach § 2151 Abs. 3 S. 3 BGB im Zweifel nicht zur Teilung verpflichtet. 52
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Beratungssituation: Der Erblasser sieht die Gefahr, dass der von ihm mit der Auswahl des Bedachten betraute Geschäftsführer eine Bestimmung zu Lebzeiten nicht vornehmen wird, um die Geschäfte des Unternehmens völlig unkontrolliert führen zu können.
Gerade bei Vermächtnisgegenständen von besonderer Bedeutung, wie etwa einem Unternehmen, wird es dem Erblasser in der Regel nicht recht sein, dass letztlich der erste Zugriff über den Erhalt des Vermächtnisgegenstandes entscheidet. Um das zu verhindern, kann der Erblasser dem Bestimmungsberechtigten z.B. eine Frist zur Bestimmung setzen und anordnen, dass nach Ablauf der Frist ein Ersatzbestimmungsberechtigter die Auswahl zwischen den Bedachten vornehmen soll. 53 Ein Vermächtnis zur Regelung der Unternehmensnachfolge bei noch minderjährigen Abkömmlingen könnte bei der oben geschilderten Beratungssituation z.B. folgenden Inhalt haben:
Formulierungsvorschlag Hiermit vermache ich mein unter der Firma U betriebenes Unternehmen mit allen Aktiven und Passiven und dem Betriebsvermögen einem meiner drei Kinder. Mein Geschäftsführer „G“ soll unter meinen Kindern das zur Unternehmensführung geeignetste Kind nach billigem Ermessen2 auswählen. Er soll diese Auswahlentscheidung frühestens nach der Vollendung des 25. Lebensjahres und 1 MüKo/Schlichting, § 2151 Rz. 13; Palandt/Edenhofer, § 2151 Rz. 1. 2 Durch diese Formulierung wird die gerichtliche Billigkeitskontrolle der Ermessensentscheidung des Bestimmungsberechtigten eröffnet.
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Vermächtnis
Rz. 56 B VI
spätestens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres meines jüngsten Kindes treffen. Hat er eine Bestimmung des Vermächtnisnehmers bis dahin nicht vorgenommen, soll meine Ehefrau das zur Unternehmensführung geeignetste meiner Kinder als Vermächtnisnehmer auswählen1, 2.
b) Das Personenwahlvermächtnis Die Übergänge zwischen § 2151 BGB und dem Personenwahlvermächtnis nach § 2152 BGB sind fließend. Während die potenziell Bedachten im Rahmen des § 2151 BGB Angehörige einer nach Gattungsmerkmalen bestimmten Personengruppe sind (z.B. die Kinder oder die Angehörigen eines bestimmten Vereins), können im Falle des § 2152 BGB verschiedenste Personen vom Erblasser alternativ bedacht werden (z.B. der Bruder „B“ oder der Freund „F“). Nach § 2152 BGB bestimmt der Beschwerte den Vermächtnisnehmer. Wie bei § 2151 BGB sind aber auch hier abweichende Anordnungen des Erblassers möglich. Im Übrigen gelten die Bestimmungen des § 2151 Abs. 2 und Abs. 3 BGB über die Bestimmung des Vermächtnisnehmers sowie die Folgen des Unterbleibens der Bestimmung auch für § 2152 BGB3.
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3. Die Person des Vermächtnisnehmers bei besonderen Vermächtnisarten Es gibt Vermächtnisarten, die ihre Besonderheit in der Person des Vermächtnisnehmers haben.
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a) Das Ersatzvermächtnis Der Erwerb des Vermächtnisses durch den Bedachten kann aus diversen Gründen ausbleiben: z.B. Tod des Bedachten vor dem Erbfall (§ 2160 BGB), Ausschlagung (§ 2180), Verzicht (§ 2352 BGB), Vermächtnisunwürdigkeit (§ 2345 BGB). Sofern der Vermächtnisgegenstand in diesen Fällen mehreren Personen vermacht worden ist, wächst der Anteil des weggefallenen Vermächtnisnehmers den übrigen an (§ 2158 Abs. 1 BGB), wenn der Erblasser die Anwachsung nicht ausgeschlossen hat (§ 2158 Abs. 2 BGB) (vgl. zum gemeinschaftlichen Vermächtnis Rz. 63 f.). War der weggefallene Bedachte hingegen der einzige Vermächtnisnehmer, fällt der Vermächtnisgegenstand dem Erben zu.
1 Durch die Fristsetzung und die Benennung eines Ersatzbestimmungsberechtigten wird verhindert, dass bei Unterbleiben der Bestimmung eines Vermächtnisnehmers durch den Geschäftsführer der erste Zugriff über die Person des Unternehmensnachfolgers entscheidet. 2 Bei der Regelung der Unternehmensnachfolge im Wege der Drittbestimmung des Vermächtnisnehmers muss in der letztwilligen Verfügung auch eine Regelung zur Führung des Unternehmens bis zur Benennung des Unternehmensnachfolgers getroffen werden. Insofern bietet sich die Anordnung einer Testamentsvollstreckung an. 3 Ebenroth, Erbrecht, Rz. 466; Lange/Kuchinke, § 29 III 2b.
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B VI Rz. 57
Vermächtnis
57 Hat der Erblasser hingegen einen Ersatzvermächtnisnehmer bestimmt (§ 2190 BGB), fällt das Vermächtnis dem Ersatzbedachten an. Insoweit gelten die §§ 2097–2099 BGB entsprechend. Die Anordnung eines Ersatzvermächtnisses kann ausdrücklich, aber auch stillschweigend erfolgen. Ist der Vermächtnisnehmer ein Abkömmling des Erblassers, so sind nach § 2069 BGB im Zweifel dessen Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge Ersatzvermächtnisnehmer. Eine stillschweigende Anordnung eines Ersatzvermächtnisses zugunsten der Abkömmlinge wird häufig durch ergänzende Testamentsauslegung auch bei anderen nahen Angehörigen angenommen1. Zur Vermeidung späterer Auslegungsschwierigkeiten sollte der Anwalt dem Erblasser raten, entweder ausdrücklich einen Ersatzvermächtnisnehmer zu bestimmen oder die Ersatzvermächtnisfolge ausdrücklich auszuschließen. b) Das Nachvermächtnis 58 Beim Nachvermächtnis bestimmt der Erblasser, dass der Vermächtnisgegenstand zunächst dem ersten (Vor-)Vermächtnisnehmer anfallen, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis einem Nachvermächtnisnehmer zufallen soll (§ 2191 BGB). Hat der Erblasser den Zeitpunkt oder das Ereignis für den Anfall des Nachvermächtnisses nicht bestimmt, fällt es mit dem Tod des ersten Vermächtnisnehmers an (§ 2191 Abs. 2 BGB i.V.m. § 2106 Abs. 1 BGB). Im Gegensatz zum Ersatzvermächtnisnehmer erhält der Nachvermächtnisnehmer den Vermächtnisgegenstand also nicht sofort, sondern erst nach dem ersten Vermächtnisnehmer. Letztlich handelt es sich beim Nachvermächtnis um ein aufschiebend bedingtes oder befristetes Untervermächtnis, mit dem der erste Vermächtnisnehmer beschwert ist. 59 Der Anspruch des Nachvermächtnisnehmers auf Erfüllung des Vermächtnisses richtet sich also gegen den ersten Vermächtnisnehmer, nicht gegen den Erben. Der Testamentsvollstrecker kann ebenfalls passiv legitimiert sein, wenn er auch für den Vollzug des Nachvermächtnisses eingesetzt ist2. Möglich ist auch die Einsetzung eines Nachvermächtnistestamentsvollstreckers entsprechend § 2223 BGB3, der analog § 2222 BGB die Rechte des Nachvermächtnisnehmers geltend macht4. 60 Die Anordnung eines Nachvermächtnisses kann ausdrücklich, aber auch stillschweigend erfolgen. Bei der Beratung des Erblassers empfiehlt sich, wie stets, eine eindeutige, ausdrückliche Regelung vorzunehmen. Fehlt es an ei1 BGH v. 5.7.1972 – IV ZR 125/70, NJW 1973, 240 (242); KG v. 30.4.1974 – 1 W 1446/73, FamRZ 1977, 344; BayObLG v. 23.3.1982 – 1 Z 143/81, BayObLGZ 1982, 159, 163 (165); BayObLG v. 16.5.1988 – 1 Z 47/87, BayObLGZ 1988, 165 (169); BayObLG v. 6.8.1991 – 1 Z 9/91, FamRZ 1992, 355 (356); OLG Karlsruhe v. 18.8.1992 – 4 W 24/92, FamRZ 1993, 363 (364); MüKo/Leipold, § 2069 Rz. 34; Soergel/Loritz, § 2069 Rz. 33. 2 Hartmann, ZEV 2001, 89 (91); Spell, ZEV 2002, 5; a.A. Damrau/Mayer, ZEV 2001, 293 (294). 3 BGH v. 18.10.2000 – IV ZR 99/99, NJW 2001, 520. 4 Soergel/Wolf, § 2191 Rz. 5.
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Rz. 61a B VI
ner ausdrücklichen Bestimmung, ist im Zweifel von einem Ersatz- und nicht von einem Nachvermächtnis auszugehen (§§ 2191 Abs. 2, 2102 Abs. 2 BGB). Fällt der erste Vermächtnisnehmer weg, so liegt in der Anordnung des Nachvermächtnisses im Zweifel auch die Anordnung eines Ersatzvermächtnisses (§§ 2191 Abs. 2, 2102 Abs. 1 BGB), so dass der Nachvermächtnisnehmer direkt mit dem Erbfall Ersatzvermächtnisnehmer wird. Das Nachvermächtnis ist nur eingeschränkt mit der Nacherbfolge vergleichbar. Daher erklärt § 2191 Abs. 2 BGB nur wenige Vorschriften der §§ 2100 ff. BGB für entsprechend anwendbar. Bedeutsam ist insoweit vor allem, dass die Anordnung eines Nachvermächtnisses nicht zu einer Verfügungsbeschränkung des ersten Vermächtnisnehmers führt, da § 161 BGB auf das Nachvermächtnis nicht anwendbar ist1 Der Nachvermächtnisnehmer ist vor Anfall des Nachvermächtnisses nur über die §§ 2177, 2179, 160, 162 BGB geschützt2. Der den Erblasser beratende Anwalt sollte darauf hinweisen, dass der Nachvermächtnisnehmer ohne besondere Anordnungen nur wenig geschützt ist (vgl. zu den Möglichkeiten der Sicherung des Vermächtnisnehmers Rz. 147 ff.). Flankierende Schutzmaßnahmen zugunsten des Nachvermächtnisnehmers können etwa in der Anordnung eines Untervermächtnisses zulasten des Vorvermächtnisnehmers zur Bewilligung der Eintragung einer Auflassungsvormerkung oder in der Anordnung einer Testamentsvollstreckung zur Erfüllung des Nachvermächtnisses bestehen3.
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Die Nachvermächtnislösung wird insbesondere auch für Erblasser mit behinderten Kindern diskutiert. Der Behinderte wird zum Vorvermächtnisnehmer, und sein Vermächtnis wird unter eine Testamentsvollstreckung gestellt. Nach dem Tod des Behinderten (Vermächtnisnehmers) fällt der Vermächtnisgegenstand an den Nachvermächtnisnehmer, etwa ein nicht behindertes Geschwisterkind. Unsicherheiten bei dieser Lösung bestehen aber hinsichtlich der Frage, in welchem Verhältnis der Vermächtnisanspruch des Nachvermächtnisnehmers zur sozialhilferechtlichen Erbenhaftung nach § 102 Abs. 1 SGB XII steht. Nach § 102 Abs. 1 SGB XII ist der Erbe zum Ersatz der zehn Jahre vor dem Erbfall aufgewendeten Kosten der Sozialhilfe verpflichtet. Da dieser Anspruch nach § 102 Abs. 2 SGB XII ebenso wie der Nachvermächtnisanspruch zu den Nachlassverbindlichkeiten gehört, wird zum Teil eine Gleichrangigkeit beider Ansprüche in einem eventuellen Nachlassinsolvenzverfahren befürwortet, die letztlich zu einer Teilung zwischen Sozialhilfeträger und Nachvermächtnisnehmer führe4. Vor diesem Hintergrund wird häufig das klassische Behindertentestament mit Vor- und Nacherbschaft einer Nach-
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1 Baltzer, ZEV 2008, 116; Hartmann, ZEV 2007, 458 (459); MüKo/Schlichting, § 2179 Rz. 4; Palandt/Edenhofer, § 2179 Rz. 2. 2 MüKo/Schlichting, § 2191 Rz. 6; Rossak, ZEV 2005, 14(15). 3 Vgl. hierzu Hartmann, ZEV 2007, 458 (459 ff.); Rossak, ZEV 2005, 14 (15 f.); Zawar, NJW 2007, 2353 (2355). 4 Damrau, ZEV 1998, 1; Damrau/Mayer, ZEV 2001, 293; für eine Minderung des Vermögenswertes des Nachlasses durch den Nachvermächtnisanspruch und damit für dessen Vorrang hingegen: Hartmann, ZEV 2001, 89 (93); Weidlich, ZEV 2001, 94 (97).
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B VI Rz. 62
Vermächtnis
vermächtnislösung vorgezogen1. Die Gegenmeinung in der Literatur geht indes von einer Vorrangigkeit des Nachvermächtnisanspruchs aus, da der Nachvermächtnisanspruch als echte Erblasserschuld den Nachlasswert mindere2. Da es zu dieser Frage noch keine Rechtsprechung gibt, ist bei der Gestaltung einer erbrechtlichen Regelung durch ein Vor-/Nachvermächtnis zugunsten eines behinderten Kindes besondere Vorsicht geboten. c) Das Untervermächtnis 62 In der Regel ist der Erbe mit dem Vermächtnis beschwert (§ 2147 S. 2 BGB). Nach § 2147 S. 1 BGB kann aber auch der Vermächtnisnehmer selbst mit einem Untervermächtnis beschwert werden. Im Gegensatz zum Nachvermächtnis muss der Gegenstand des Untervermächtnisses mit dem des Hauptvermächtnisses nicht identisch sein. Das Untervermächtnis wird nach § 2186 BGB erst fällig, wenn der Hauptvermächtnisnehmer berechtigt ist, seinerseits Erfüllung des Vermächtnisses zu verlangen. Ob der Hauptvermächtnisnehmer das Vermächtnis indes schon angenommen hat, ist für die Fälligkeit ohne Belang. § 2186 BGB benennt lediglich den frühestmöglichen Fälligkeitstermin. Möchte der Erblasser dem Hauptvermächtnisnehmer mehr Zeit zur Erfüllung des Untervermächtnisses einräumen, kann er die Fälligkeit durch entsprechende Anordnungen hinausschieben. Fällt der Hauptvermächtnisnehmer weg, so bleibt das Untervermächtnis wirksam. Beschwert ist nun derjenige, der an die Stelle des beschwerten Vermächtnisnehmers tritt (§§ 2187 Abs. 2, 2161 BGB). d) Das gemeinschaftliche Vermächtnis
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Beratungssituation: Der Erblasser setzt seine Ehefrau zur Alleinerbin ein. Seinen drei Kindern möchte er gemeinsam ein Mietshaus vermachen. Seine Tochter soll die Hälfte des Hauses bekommen, während seine Söhne jeweils ein Viertel erhalten sollen.
63 Möchte der Erblasser denselben Gegenstand mehreren vermachen, sind die Bedachten ohne eine abweichende Bestimmung des Erblassers nach § 2157 BGB i.V.m. § 2091 BGB zu gleichen Teilen eingesetzt, soweit sich nicht aus den §§ 2066–2069 BGB ein anderes ergibt. Handelt es sich bei dem vermachten Gegenstand um eine teilbare Leistung, hat jeder Bedachte einen selbstständigen Anspruch gegen den Beschwerten auf Leistung des entsprechenden Teiles. Bei Unteilbarkeit des Vermächtnisgegenstandes (z.B. bebautes Grundstück) kann jeder Vermächtnisnehmer nach § 432 BGB Leistung an alle Bedachten gemeinsam fordern. Fällt ein Vermächtnisnehmer weg, so wächst sein Anteil den übrigen Bedachten nach dem Verhältnis ihrer Anteile an (§ 2158 Abs. 1 BGB).
1 Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 21 Rz. 101. 2 Baltzer, ZEV 2008, 116, (119); Hartmann, ZEV 2001, 89, (93).
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Vermächtnis
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Rz. 64 B VI
Beratungssituation: Vermacht der Erblasser also seinen drei Kindern das Mietshaus ohne eine nähere Bestimmung der Anteile, so erhält jedes Kind einen Bruchteil von 1/3 an dem Mietshaus. Jedes Kind kann von der Ehefrau des Erblassers aber nur die Übereignung des Grundstücks an alle Kinder gemeinsam verlangen.
Der Erblasser hat aber auch von §§ 2157, 2158 BGB abweichende Gestaltungsmöglichkeiten. So kann er z.B. die Anteile selbst bestimmen. Wenn die vom Erblasser vorgenommene Aufteilung den Gegenstand nicht erschöpft oder übersteigt, tritt nach § 2157 BGB i.V.m. §§ 2089, 2090 BGB eine verhältnismäßige Erhöhung oder Minderung der Bruchteile ein. Nimmt der Erblasser eine Bestimmung der Anteile vor, wird vereinzelt angenommen, es liege kein gemeinschaftliches Vermächtnis vor, sondern Einzelvermächtnisse hinsichtlich der realen oder ideellen Teile des Gegenstandes1. Dagegen wird aber auch vertreten, die Bestimmung der Anteile wie auch die Zuweisung realer Teile der vermachten Sache stehe der Auslegung als gemeinschaftliches Vermächtnis nicht zwingend entgegen2. Diese Problematik hat vor allem Bedeutung für die Frage, ob der Anteil eines weggefallenen Bedachten den übrigen Vermächtnisnehmern anwächst (§ 2158 Abs. 1 BGB). Um insoweit Auslegungsschwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, sollte der Anwalt dem Erblasser raten, die Frage der Anwachsung ausdrücklich zu regeln. Möchte der Erblasser eine Anwachsung erreichen, kann er die anderen Bedachten entsprechend ihrer Anteile zu Ersatzvermächtnisnehmern des weggefallenen Bedachten bestimmen. Auf der anderen Seite kann er die Anwachsung auch explizit ausschließen (§ 2158 Abs. 2 BGB). Im Beispielsfall kann der Erblasser also seinen drei Kindern das Mietshaus dergestalt vermachen, dass er seiner Tochter die Hälfte des Mietshauses und seinen Söhnen je ein Viertel vermacht. Regelt er die Folgen des Wegfalls eines seiner Kinder als Vermächtnisnehmer nicht, kann nicht sicher vorausgesagt werden, wie seine Verfügung im Rechtsstreit ausgelegt werden würde. Denkbar ist, dass von mehreren Einzelvermächtnissen hinsichtlich der ideellen Mietshausanteile ausgegangen würde. Dann würde der Mietshausanteil des weggefallenen Vermächtnisnehmers dem Erben, also im Beispielsfall der Ehefrau des Erblassers, zufallen. Wird die Verfügung des Erblassers hingegen als gemeinschaftliches Vermächtnis ausgelegt, würde der ideelle Anteil des weggefallenen Bedachten den übrigen Vermächtnisnehmern entsprechend ihrer Anteile anwachsen. Möchte der Erblasser also z.B. sichergehen, dass der Anteil des weggefallenen Bedachten den anderen Vermächtnisnehmern anfällt, sollte er sie als Ersatzberufene (§ 2190 BGB) bestimmen. Möchte der Erblasser die Anwachsung hingegen vermeiden, sollte er sie ausdrücklich ausschließen (§ 2158 Abs. 2 BGB).
1 Soergel/Wolf, § 2157 Rz. 12. 2 MüKo/Schlichting, § 2157 Rz. 2; Bei der anteiligen Zuwendung eines nicht teilbaren Vermächtnisgegenstandes (z.B. ein GmbH-Anteil) dürfte allerdings im Hinblick auf § 2084 BGB nur die Annahme eines gemeinschaftlichen Vermächtnisses möglich sein; RGRK/Johannsen, § 2158 Rz. 1; Staudinger/Otte, § 2157 Rz. 3.
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Vermächtnis
Formulierungsvorschlag Gewährleistung einer Anwachsung: Hiermit vermache ich meiner Tochter die Hälfte und meinen beiden Söhnen jeweils ein Viertel des Grundstückes X. Sollte eines meiner Kinder als Vermächtnisnehmer wegfallen, werden die anderen Kinder entsprechend ihrer Anteile zu Ersatzvermächtnisnehmern an dem Anteil des weggefallenen Vermächtnisnehmers.
e) Das Vorausvermächtnis 65 Beim Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) ist der Erbe selbst Vermächtnisnehmer. Gründe für die Anordnung eines Vorausvermächtnisses sind vor allem – die Begünstigung des Vorausvermächtnisnehmers gegenüber anderen Miterben wegen des Nichtbestehens einer Ausgleichspflicht (vgl. Rz. 11), – die Befreiung des Vorausvermächtnisnehmers von der Erbenhaftung (vgl. Rz. 13), – die rechtliche Selbstständigkeit von Vorausvermächtnis und Erbschaft, so dass das Vorausvermächtnis im Zweifel wirksam ist, wenn die Erbeinsetzung unwirksam ist (§ 2085 BGB), und die Erbschaft unabhängig vom Vorausvermächtnis ausgeschlagen werden kann und umgekehrt (vgl. Rz. 12), – die Möglichkeit der Geltendmachung des Vorausvermächtnisses vor der Auseinandersetzung des Nachlasses (vgl. Rz. 14), – die Befreiung des Vorausvermächtnisses von der Testamentsvollstreckung und Nachlassverwaltung (vgl. Rz. 15), – die Befreiung des Vorausvermächtnisses vom Nacherbenrecht (vgl. Rz. 16 f.). Ist ein Vorerbe als Vorausvermächtnisnehmer eingesetzt, sollte bei der Beantragung des Erbscheins darauf geachtet werden, dass hinsichtlich des Vermächtnisgegenstandes die Ausnahme von der Verfügungsbeschränkung des Vorerben im Erbschein angegeben wird (vgl. Rz. 17).
IV. Die Person des Beschwerten 66 Nach § 2147 S. 1 BGB können mit einem Vermächtnis der Erbe und ein Vermächtnisnehmer beschwert werden.
1. Der Erbe 67 Sofern der Erblasser nichts anderes bestimmt, ist der Erbe mit einem Vermächtnis beschwert (§ 2147 S. 2 BGB). Mit einem Vermächtnis können sowohl der gesetzliche als auch der gewillkürte, der Allein-, aber auch alle oder einzelne Miterben beschwert werden. Voraussetzung ist lediglich, dass der Beschwerte schon Erbe ist. Der Ersatzerbe oder der unter einer aufschiebenden
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Rz. 72 B VI
Bedingung eingesetzte Erbe können erst nach dem Eintritt des Ersatzerbfalls oder der Bedingung beschwert sein. Ist bei einer Vor- und Nacherbschaft nicht bestimmt, wer mit dem Vermächtnis beschwert ist, ist die Erbschaft als solche beschwert. Die Verpflichtung zur Erfüllung des Vermächtnisses geht also mit dem Eintritt des Nacherbfalles vom Vor- auf den Nacherben über. Leistet hingegen bereits der Vorerbe, ist er zum Abzug nach § 2126 BGB berechtigt1. Möchte der Erblasser entweder nur den Vor- oder ausschließlich den Nacherben beschweren, muss er das ausdrücklich bestimmen. Eine Beschwerung des Nacherben mit einer Leistung, die er vor Eintritt des Nacherbfalls erbringen soll, ist nicht möglich2. Eine entsprechende Verfügung kann aber als bedingte Nacherbeinsetzung auszulegen sein3.
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Der durch Vertrag oder eine wechselseitige Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament eingesetzte Erbe kann in der Regel nachträglich nicht mehr einseitig durch ein Vermächtnis beschwert werden4.
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Auch der Hoferbe kann mit einem Vermächtnis beschwert werden. Das gilt auch, wenn er den Hof im Wege der vorweggenommenen Hoferbfolge durch Übergabevertrag erhalten hat5.
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2. Der Vermächtnisnehmer Wird der Vermächtnisnehmer mit einem Vermächtnis beschwert, liegt ein Untervermächtnis vor (vgl. Rz. 62). Wurde das Vermächtnis allerdings durch Erbvertrag oder durch eine wechselseitige Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament angeordnet, scheidet die nachträgliche einseitige Beschwerung mit einem Untervermächtnis in der Regel aus6.
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3. Der Begünstigte einer Schenkung von Todes wegen Eine Schenkung von Todes wegen (§ 2301 BGB) wird, sofern sie das gesamte Vermögen oder einen Bruchteil davon erfasst, als Erbeinsetzung, sofern sie einen bestimmten Vermögensgegenstand betrifft, als Vermächtnis behandelt7. Daher kann auch der nach § 2301 BGB auf den Todesfall Beschenkte mit einem Vermächtnis beschwert werden8. Wird die Schenkung dagegen schon zu Lebzeiten des Schenkers vollzogen (§ 2301 Abs. 2 BGB), hat der Beschenkte den Gegenstand aufgrund einer Verfügung unter Lebenden erhalten und kann 1 MüKo/Schlichting, § 2147 Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 2147 Rz. 2. 2 BayObLG v. 5.8.1966 – 1a Z 35/66, BayObLGZ 1966, 271; MüKo/Schlichting, § 2147 Rz. 2. 3 Palandt/Edenhofer, § 2147 Rz. 2; RGRK/Johannsen, § 2147 Rz. 6. 4 Vgl. dazu Schlüter, Erbrecht, Rz. 889 i.V.m. Rz. 273 ff., 363 f. 5 BGH v. 6.6.1962 – V ZR 90/61, NJW 1962, 1615; Soergel/Wolf, § 2147 Rz. 13. 6 Vgl. dazu Schlüter, Erbrecht, Rz. 890. 7 MüKo/Musielak, § 2301 Rz. 14; Soergel/Wolf, § 2301 Rz. 7. 8 MüKo/Schlichting, § 2147 Rz. 5; Schlüter, Erbrecht, Rz. 891; a.A. Ebenroth, Erbrecht, Rz. 451.
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daher nicht mit einem Vermächtnis beschwert werden1. Möglich ist in diesem Fall nur eine Schenkungsauflage.
4. Mehrere Beschwerte 73 Der Erblasser kann auch mehrere mit einem Vermächtnis beschweren. Ohne eine abweichende Anordnung des Erblassers sind die Beschwerten im Verhältnis ihrer Erb- bzw. Vermächtnisanteile beschwert (§ 2148 BGB)2.
5. Der Wegfall des Beschwerten 74 Wird der Beschwerte nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer, bleibt das Vermächtnis grundsätzlich wirksam (§ 2161 S. 1 BGB). Ein Wegfall des Beschwerten kann z.B. durch das Vorversterben des Beschwerten, dessen Ausschlagung, Verzicht oder Erbunwürdigkeit oder die Unwirksamkeit, den Widerruf und die Anfechtung der letztwilligen Verfügung eintreten. Beschwert ist dann derjenige, dem der Wegfall des zunächst Beschwerten unmittelbar zustatten kommt (§ 2161 S. 2 BGB). Das ist – beim Wegfall des eingesetzten Erben der Ersatzerbe oder der gesetzliche Erbe, – beim Wegfall des gesetzlichen Erben der gesetzliche Erbe der nächsten Ordnung, – beim Wegfall des Hauptvermächtnisnehmers der Ersatzvermächtnisnehmer oder der Erbe. – Rückt der Vermächtnisnehmer selbst als Erbe nach, bleibt das Vermächtnis als Vorausvermächtnis wirksam3. 75 Der Erblasser kann aber auch eine von § 2161 BGB abweichende Bestimmung treffen, nach der das Vermächtnis mit dem Wegfall des Beschwerten unwirksam werden oder sich gegen einen anderen Beschwerten richten soll. Eine solche abweichende Bestimmung kann sich auch aus den Umständen ergeben, etwa bei persönlichen Dienst- oder Werkleistungen des Beschwerten4. 76 Kein Fall des § 2161 BGB liegt vor, wenn der Beschwerte nach dem Erbfall verstirbt. Hier haften seine Erben für die Vermächtniserfüllung.
V. Der Vermächtnisgegenstand 77 Jeder Vermögensvorteil, der Ziel eines Anspruchs bzw. Gegenstand einer Leistung sein kann, kann zum Gegenstand eines Vermächtnisses werden (§ 1939 1 BGH v. 6.3.1985 – IVa ZR 171/83, NJW-RR 1986, 164; MüKo/Schlichting, § 2147 Rz. 5; Schlüter, Erbrecht, Rz. 891. 2 Vgl. zu den Schwierigkeiten der Anwendung des § 2148 BGB Rz. 181 ff. 3 RG v. 10.4.1913 – IV 640/12, Recht 1913 Nr. 1625; Schlüter, Erbrecht, Rz. 893. 4 Soergel/Wolf, § 2148 Rz. 1.
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Vermächtnis
Rz. 80 B VI
BGB)1. Ein Vermögensvorteil setzt keine Bereicherung im wirtschaftlichen Sinne voraus, sondern lediglich eine Begünstigung des Bedachten2. Ausreichend ist daher z.B. auch die Einräumung einer Sicherheit für eine bereits bestehende Forderung des Vermächtnisnehmers.
1. Das Stückvermächtnis In der Regel wird ein bestimmter Gegenstand vermacht (Stückvermächtnis). Bei dem Vermächtnisgegenstand handelt es sich häufig um eine Sache; in Betracht kommen aber auch eine Forderung oder ein Recht3.
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Für die Wirksamkeit des Stückvermächtnisses ist nach § 2169 Abs. 1 BGB erforderlich, dass der Gegenstand zum Zeitpunkt des Erbfalls zum Nachlass gehört4. Allerdings kann ein beschränkt dingliches Recht auch dann vermacht werden, wenn es beim Erbfall noch nicht besteht, aber durch Bestellung an einem Nachlassgegenstand zu verschaffen ist5. Hat der Erblasser nur den Besitz an dem vermachten Gegenstand, so gilt der Besitz als vermacht, sofern er dem Bedachten einen rechtlichen Vorteil bringt (§ 2169 Abs. 2 BGB). Gehört der Gegenstand nicht zum Nachlass, ist das Vermächtnis grundsätzlich unwirksam. Es kann allerdings als Verschaffungsvermächtnis (§ 2270 BGB) wirksam bleiben, wenn der Gegenstand dem Bedachten auch für diesen Fall zugewendet sein soll (§ 2169 Abs. 1 BGB)6. Gehört der vermachte Gegenstand nur teilweise zum Nachlass, beschränkt sich die Unwirksamkeit des Vermächtnisses nach § 2085 BGB auf den nicht im Nachlass vorhandenen Teil.
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Gehört der Gegenstand selbst nicht zum Nachlass, stand dem Erblasser beim Erbfall allerdings ein Anspruch auf Leistung des vermachten Gegenstandes zu, so gilt dieser Leistungsanspruch als vermacht (§ 2169 Abs. 3, 1. Alt. BGB). Gehört der vermachte Gegenstand beim Erbfall nicht mehr zum Nachlass, weil er nach der Anordnung des Vermächtnisses untergegangen oder dem Erblasser entzogen worden ist, so gilt der Wertersatzanspruch als vermacht (§ 2169 Abs. 3, 1. Alt. BGB). Das gilt entsprechend, wenn der Wertersatzanspruch bereits vor der Anordnung des Vermächtnisses entstanden ist, dieser Umstand dem Erblasser allerdings nicht bekannt war7. Hat der Erblasser den
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1 MüKo/Schlichting, Vor § 2147 Rz. 3; Palandt/Edenhofer, § 1939 Rz. 4, 5 (vgl. hier auch wegen verschiedener Einzelbeispiele von Vermächtnisgegenständen). 2 MüKo/Schlichting, Vor § 2147 Rz. 3; Palandt/Edenhofer, § 1939 Rz. 4; Soergel/Stein, § 1939 Rz. 3; a.A. Ebenroth, Erbrecht, Rz. 471 (Auflage ohne klagbaren Anspruch des Bedachten). 3 Räumt der Erblasser einem Nichterben z.B. das Recht ein, ein Nachlassgrundstück zu einem bestimmten Preis zu übernehmen, so liegt hierin das Vermächtnis eines Kaufrechts. Die Differenz zwischen dem Ankaufspreis und dem höheren Verkehrswert unterliegt der Erbschaftsteuer (BFH v. 6.6.2001 – II R 76/99, NJW 2001, 3576). 4 BGH v. 28.9.1983 – IVa ZR 217/81, WM 1983, 1211; Soergel/Wolf, § 2169 Rz. 4 ff. 5 Vgl. Schlüter, Erbrecht, Rz. 906: Vermächtnis über die Bestellung einer Grundschuld an einem Grundstück des Nachlasses. 6 Vgl. zum Stückverschaffungsvermächtnis Rz. 83 ff. 7 MüKo/Schlichting, § 2169 Rz. 14; a.A. Kipp/Coing, Erbrecht, § 59 I 5.
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B VI Rz. 81
Vermächtnis
Wertersatz beim Erbfall indes schon erhalten, gilt § 2173 BGB. Danach gilt im Zweifel der Wertersatz als vermacht. 81
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Beratungssituation: Der Erblasser hat seinem Neffen in einem Erbvertrag ein wertvolles Gemälde vermacht. Als er ein besonders gutes Angebot für das Gemälde bekommt, verkauft er es. Der Neffe möchte nun wissen, welche Auswirkungen dieser Verkauf auf sein Vermächtnis hat.
Hat der Erblasser den Vermächtnisgegenstand freiwillig veräußert, so kann die eng auszulegende Vorschrift des § 2169 Abs. 3 BGB hierauf nicht entsprechend angewendet werden. Der Gegenleistungsanspruch tritt also nicht an die Stelle des Vermächtnisgegenstandes1. Hat der Erblasser sich zur Veräußerung des vermachten Gegenstandes verpflichtet, gilt der Gegenstand nach § 2169 Abs. 4 BGB vielmehr als nicht zum Nachlass gehörig, so dass das Vermächtnis in der Regel unwirksam ist (§ 2169 Abs. 1 BGB). Im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung kann aber anzunehmen sein, dass der Veräußerungserlös als vermacht anzusehen ist2. Eine Vermutung besteht hierfür aber nicht3. Entscheidendes Auslegungskriterium ist, ob der Zweck des Vermächtnisses die Übertragung des konkreten Gegenstandes oder mehr die Zuwendung eines wirtschaftlichen Wertes überhaupt war4. Um insoweit Auslegungsschwierigkeiten vorzugreifen, sollte der Erblasser bei Veräußerung eines Vermächtnisgegenstandes in einer Ergänzung zur Vermächtnisanordnung klarstellen, ob diese nunmehr unwirksam sein, oder ob an die Stelle des ursprünglichen Vermächtnisgegenstandes die Gegenleistung bzw. deren Wert treten soll. Im obigen Fall könnte der Erblasser also z.B. verfügen:
Formulierungsvorschlag Anstelle des meinem Neffen mit Verfügung vom . . . vermachten Gemäldes vermache ich ihm nunmehr . . . Euro (= Verkaufspreis). Oder: Nachdem ich das meinem Neffen zunächst mit Verfügung vom . . . vermachte Gemälde verkauft habe, ist das Vermächtnis unwirksam. Der Verkaufserlös soll nicht an die Stelle des Gemäldes treten.
82 Die vorbenannten Grundsätze gelten auch bei erbvertraglicher Bindung des Erblassers5. Der erbvertraglich bedachte Vermächtnisnehmer ist aber vor Veräußerungen des Erblassers, die dieser in Beeinträchtigungsabsicht trifft, durch 1 BGH v. 25.12.1956 – IV ZR 238/56, BGHZ 22, 357 (359); MüKo/Schlichting, § 2169 Rz. 15. 2 BGH v. 25.12.1956 – IV ZR 238/56, BGHZ 22, 357 (360); KG v. 13.3.1975 – 12 U 2643/74, FamRZ 1977, 267 (270). 3 Soergel/Wolf, § 2169 Rz. 14. 4 BGH v. 30.9.1959 – V ZR 66/58, BGHZ 31, 13 (22 f.). 5 BGH v. 30.9.1959 – V ZR 66/58, BGHZ 31, 13 (23).
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Vermächtnis
Rz. 84 B VI
§ 2288 Abs. 2 BGB geschützt. § 2288 Abs. 2 BGB begründet ein gesetzliches Verschaffungsvermächtnis (vgl. dazu Rz. 83 ff.). Eine Beeinträchtigungsabsicht i.S.d. § 2288 Abs. 2 BGB liegt grundsätzlich schon vor, wenn die Veräußerung in dem Bewusstsein erfolgt, dass damit dem Vermächtnis die Grundlage entzogen wird. Etwas Anderes gilt nur, wenn der Erblasser ein berechtigtes lebzeitiges Eigeninteresse hatte1. Zur weiteren Absicherung des erbvertraglichen Vermächtnisnehmers kann der Erblasser mit diesem auch eine zusätzliche, schadenersatzbewehrte Vereinbarung treffen, in der er sich verpflichtet, auch zu Lebzeiten über den Vermächtnisgegenstand nicht zu verfügen (vgl. dazu auch Rz. 154)2.
2. Das Verschaffungsvermächtnis
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Beratungssituation: Der Mandant ist Miterbe in einer ungeteilten Erbengemeinschaft am Nachlass seines Vaters. Zum Nachlass gehört ein wertvoller Flügel. Der Mandant möchte diesen Flügel seinem musikalischen Enkel vermachen.
Gehört der Vermächtnisgegenstand beim Erbfall nicht zum Nachlass, ist das Vermächtnis unwirksam, es sei denn, dass der Gegenstand dem Bedachten auch für den Fall zugewendet sein soll, dass er nicht zur Erbschaft gehört (Verschaffungsvermächtnis, § 2169 Abs. 1 BGB).
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Stirbt der Mandant im Beispielsfall, bevor die Erbengemeinschaft nach seinem Vater auseinander gesetzt worden ist, so gehört der Flügel beim Erbfall nicht zu seinem Nachlass. a) Der Verschaffungswille des Erblassers Die Beweislast für den auf ein Verschaffungsvermächtnis gerichteten Erblasserwillen trägt der Vermächtnisnehmer. Ein Indiz hierfür ist der Umstand, dass der Gegenstand zum Zeitpunkt der Anordnung des Vermächtnisses nicht zum Nachlass gehörte3. Das Bewusstsein fehlender Nachlasszugehörigkeit ist für den qualifizierten Zuwendungswillen des Erblassers aber nicht zwingend4. Ein Verschaffungsvermächtnis liegt zudem nahe, wenn der Gegenstand zwar nicht rechtlich zum Nachlass gehört, aber wie im Beispielsfall vom Erblasser wirtschaftlich zum eigenen Vermögen gerechnet wird5. Der Anwalt oder Notar sollte dem Erblasser raten, das Vermächtnis ausdrücklich als Verschaffungsvermächtnis zu bezeichnen. Ist die Anordnung eines Verschaffungsvermächtnisses allerdings nicht explizit erfolgt, so entscheidet die Intensität des 1 BGH v. 23.11.1983 – IVa ZR 230/81, NJW 1984, 731; Soergel/Wolf, § 2288 Rz. 5. 2 BGH v. 30.9.1959 – V ZR 66/58, BGHZ 31, 13 (19). 3 BGH v. 23.11.1983 – IVa ZR 230/81, NJW 1984, 731 (732); BGH v. 29.5.1964 – V ZR 47/62, NJW 1964, 2298 (2299); OLG Celle v. 29.4.1949 – 4 WR 88/49, MDR 1950, 353 (354); OLG Bremen v. 29.9.2000 – 5 U 39/2000, ZEV 2001, 401. 4 BGH v. 3.11.1982 – IVa ZR 47/81, NJW 1983, 937; BGH v. 28.9.1983 – IVa ZR 217/81, FamRZ 1984, 41 (42). 5 BGH v. 3.11.1982 – IVa ZR 47/81, NJW 1983, 937; OLG Oldenburg v. 7.7.1998 – 3 U 42/98, FamRZ 1999, 532.
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B VI Rz. 85
Vermächtnis
Zuwendungswillens des Erblassers zur Zeit der Anordnung des Vermächtnisses1. b) Die lebzeitige Verfügung des Erblassers über den Vermächtnisgegenstand 85 Gehörte der Vermächtnisgegenstand zwar zum Zeitpunkt der Anordnung des Vermächtnisses zum Vermögen des Erblassers, hat der Erblasser allerdings zwischenzeitlich über den Vermächtnisgegenstand verfügt, so muss hierin nicht zwingend ein nachträglicher stillschweigender Widerruf des Vermächtnisses liegen2. Entscheidend für die Annahme eines Verschaffungsvermächtnisses ist der Erblasserwille zum Zeitpunkt der Anordnung des Vermächtnisses. Ein auf die Anordnung eines Verschaffungsvermächtnisses gerichteter Erblasserwille ist vor allem anzunehmen, wenn der Erblasser bei der Anordnung des Vermächtnisses bereits damit rechnete, dass der Vermächtnisgegenstand sich beim Erbfall nicht mehr in seinem Vermögen befinden würde. Wurde der Vermächtnisgegenstand in einem Erbvertrag zugewendet, kann hierin sogar die schadenersatzbewehrte Verpflichtung des Erblassers enthalten sein, auch unter Lebenden über den Vermächtnisgegenstand nicht zu verfügen (vgl. dazu auch Rz. 154)3. Für einen solchen Erblasserwillen ist der Bedachte beweispflichtig. Um insoweit Auslegungsschwierigkeiten vorzubeugen, sollte der Erblasser bei der Anordnung des Vermächtnisses ausdrücklich festlegen, ob er eine solche schadenersatzbewehrte Verpflichtung übernehmen möchte oder nicht. c) Die Durchsetzung des Vermächtnisanspruchs aus einem Verschaffungsvermächtnis 86 Meist ist ein Verschaffungsvermächtnis dahin gehend angeordnet, dass der Beschwerte mit der Beschaffung des Gegenstandes beauftragt wird. Der Vermächtnisnehmer kann Klage gegen den Beschwerten mit dem Antrag erheben, dass der Beschwerte die Bereitschaft des Dritten herbeizuführen hat, den vermachten Gegenstand an den Beschwerten oder den Bedachten zu übertragen. Die Vollstreckung richtet sich dann nach § 887 ZPO4 und für den Fall, dass sich der Vermächtnisgegenstand im eigenen Vermögen des Beschwerten befindet, nach §§ 894, 897 ZPO. Im Fall einer Vollstreckung nach § 887 ZPO kann der Bedachte nach § 887 Abs. 1 ZPO ermächtigt werden, die Beschaffung des Vermächtnisgegenstandes selbst auf Kosten des Beschwerten vorzunehmen. Hierfür kann der Bedachte nach § 887 Abs. 2 ZPO zugleich eine Vorschusszahlung des Beschwerten beantragen.
1 BGH v. 3.11.1982 – IVa ZR 47/81, NJW 1983, 937; BGH v. 23.11.1983 – IVa ZR 230/81, NJW 1984, 731 (732). 2 BGH v. 30.9.1959 – V ZR 66/58, BGHZ 31, 13 (15 f.); Johannsen, WM 1972, 866, 873. 3 BGH v. 30.9.1959 – V ZR 66/58, BGHZ 31, 13 (19). 4 Vgl. dazu Bühler, DNotZ 1964, 581 (590 ff.); Staudinger/Otte, § 2170 Rz. 13–15.
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Vermächtnis
Rz. 88 B VI
d) Der Wertersatz Ist der Beschwerte zur Verschaffung des Vermächtnisgegenstandes außerstande, so ist er zum Wertersatz verpflichtet (§ 2170 Abs. 2 S. 1 BGB). Ein subjektives Unvermögen des Beschwerten liegt z.B. vor, wenn der Inhaber des Vermächtnisgegenstandes diesen nicht übertragen will oder hierfür einen Preis verlangt, den der Beschwerte nicht aufbringen kann. Eine Befreiung von der Verpflichtung zur Verschaffung des Vermächtnisgegenstandes tritt durch die Leistung von Wertersatz ebenfalls ein, wenn die Verschaffung mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden ist (§ 2170 Abs. 2 S. 2 BGB). Um dem Verschaffungsvermächtnis möglichst nachdrücklich Geltung zu verschaffen, sollte der Erblasser den Spielraum des Beschwerten einschränken1. So kann er z.B. einen besonderen Druck auf den Beschwerten ausüben, indem er ihm einen Endtermin für die Verschaffung setzt und die Nichtverschaffung bis zu diesem Termin zur auflösenden Bedingung der Zuwendung an ihn macht oder den Wertersatz höher als nach § 2170 Abs. 2 BGB bestimmt2.
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Formulierungsvorschlag Verschaffungsvermächtnis unter Erhöhung des Erfüllungsdrucks: Hiermit vermache ich meinem Enkel den zum Nachlass der Erbengemeinschaft nach meinem Vater gehörenden Flügel. Meine Erben sollen meinem Enkel den Flügel auch verschaffen, wenn dieser bei meinem Tod nicht zu meinem Nachlass gehört. Verschaffen meine Erben meinem Enkel den Flügel nicht binnen drei Monaten nach meinem Tod, sind sie verpflichtet, meinem Enkel den doppelten Verkehrswert des Flügels zu ersetzen.
§ 2170 Abs. 2 Satz 1 BGB betrifft nur den Fall des subjektiven Unvermögens des Beschwerten. Bei objektiver Unmöglichkeit der Verschaffung zur Zeit des Erbfalls ist das Vermächtnis nach § 2171 BGB unwirksam. § 2171 BGB kommt in der Praxis nur selten zur Anwendung. In den praktisch bedeutenden Fällen, in denen die Unmöglichkeit auf der Versagung einer Genehmigung beruht, tritt die Unmöglichkeit in der Regel erst nach dem Erbfall ein, wenn die Genehmigung endgültig versagt wird3. Tritt die objektive Unmöglichkeit nach dem Erbfall ein, gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 275 ff. BGB, so dass Ansprüche des Vermächtnisnehmers nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 und § 285 BGB in Betracht kommen4.
1 2 3 4
Vgl. dazu auch MüKo/Schlichting, § 2170 Rz. 11. Bühler, DNotZ 1964, 581 (588). BGH v. 28.1.1960 – II ZR 236/57, BGHZ 32, 35 [40] zu § 17 GmbHG a.F. RGRK/Johannsen, § 2170 Rz. 12; Staudinger/Otte, § 2170 Rz. 6.
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B VI Rz. 89
Vermächtnis
3. Das Wahlvermächtnis 89 Der Erblasser kann ein Vermächtnis auch in der Art anordnen, dass der Bedachte von mehreren Gegenständen nur den einen oder anderen erhalten soll (§ 2154 BGB). Nach h.M. wird § 2154 BGB auch angewendet, wenn die Vermächtnisanordnung aufgrund einer ungenauen Bezeichnung des Vermächtnisgegenstandes auf mehrere Gegenstände zutrifft1. 90 Hat der Erblasser die Wahl nicht einem Dritten übertragen, so gelten zwischen dem Bedachten und dem Beschwerten unmittelbar die §§ 262–265 BGB über die Wahlschuld. Danach bestimmt im Zweifel der Beschwerte den Vermächtnisgegenstand. Die Wahl des Beschwerten erfolgt durch unwiderrufliche Erklärung gegenüber dem Bedachten. Die gewählte Leistung gilt als die von Anfang an allein geschuldete (§ 263 Abs. 1, 2 BGB). Hat der Erblasser Zweifel daran, dass der Beschwerte die Wahl vornehmen wird, so kann er ihm z.B. in Form einer Auflage einen Zeitpunkt vorgeben, bis zu dem die Wahl getroffen sein muss. Der Erblasser kann das Wahlrecht aber auch dem Bedachten selbst oder einem Dritten übertragen. Für die Wahl durch den Bedachten gelten ebenfalls die §§ 262 ff. BGB. Unterlässt der Bedachte die Wahl, kann der Beschwerte ihm eine Frist setzen und nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist das Wahlrecht selbst ausüben (§ 264 Abs. 2 BGB). Für die Wahl durch einen Dritten gilt § 2154 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB. Trifft der Dritte die Wahl nicht, kann ihm das Nachlassgericht auf Antrag des Beschwerten oder des Bedachten eine Frist setzen, nach deren Ablauf das Wahlrecht auf den Beschwerten übergeht (§ 2155 Abs. 3 S. 2 BGB). 91 Die erbschaftsteuerliche Bewertung richtet sich ausschließlich nach dem Gegenstand, den der Bedachte gewählt hat2.
4. Das Gattungsvermächtnis 92 Im Unterschied zum Wahlvermächtnis erstreckt sich das Gattungsvermächtnis nach § 2155 BGB nicht auf verschiedene, sondern auf gleichartige Gegenstände. Umstritten ist, ob § 2155 BGB nur Sachen3 oder auch sonstige Gegenstände, wie z.B. Rechte oder Dienstleistungen4, erfasst. Uneinheitlich wird ferner die Frage beurteilt, ob es sich bei einem Geldvermächtnis um ein Gattungsvermächtnis handelt5. Hiervon ist allerdings auszugehen und zwar unabhängig davon, ob eine bestimmte Geldsumme oder eine Quote vom Nach-
1 MüKo/Schlichting, § 2154 Rz. 2. 2 BFH v. 6.6.2001 – II R 14/00, ZEV 2001, 452. 3 So z.B. Erman/Schmidt, § 2155 Rz. 1; Palandt/Edenhofer, § 2155 Rz. 1; Soergel/Wolf, § 2155 Rz. 2. 4 Dafür: MüKo/Schlichting, § 2155 Rz. 2; OLG Bremen v. 29.9.2000 – 5 U 39/2000, ZEV 2001, 401. 5 Dafür: Ebenroth, Erbrecht, Rz. 488; MüKo/Schlichting, § 2155 Rz. 2; Schlüter, Erbrecht, Rz. 913; dagegen: Palandt/Edenhofer, § 2155 Rz. 1; Soergel/Wolf, § 2155 Rz. 2; vgl. zur Gestaltung eines Geldvermächtnisses Kornexl, ZEV 2002, 173.
392
Nienaber
Vermächtnis
Rz. 96 B VI
lasswert vermacht ist (sog. Quotenvermächtnis)1. Bei der anwaltlichen Beratung sollte dem Erblasser stets die Möglichkeit vor Augen gehalten werden, dass er das Vermächtnis durch die Anordnung eines Quotenvermächtnisses von Geldwertschwankungen und Währungsumstellungen unabhängig machen kann. Bei der Zuwendung einer Quote am Nachlasswert können allerdings Schwierigkeiten hinsichtlich der Abgrenzung von einer Erbeinsetzung des Bedachten entstehen (vgl. dazu Rz. 27 ff.). Der beratende Anwalt muss hier darauf achten, die Zuwendung ausdrücklich als Vermächtnis zu bezeichnen. Das Gattungsvermächtnis kann auch auf Gegenstände gerichtet sein, die nicht zum Nachlass gehören. Da Gattungsgegenstände mehrfach vorhanden sind, ist ihre Verschaffung einfacher als beim Stückvermächtnis, so dass hier die Verschaffungspflicht und nicht die Unwirksamkeit des Vermächtnisses der gesetzliche Regelfall ist. Der Erblasser kann die Gattung aber auf die Nachlassgegenstände beschränken (sog. beschränktes Gattungsvermächtnis).
93
Anders als bei § 243 BGB hat der Beschwerte beim Gattungsvermächtnis nicht eine Sache mittlerer Art und Güte, sondern eine den Verhältnissen des Bedachten entsprechende Sache zu leisten (§ 2155 Abs. 1 BGB) (vgl. zur Fassung des Klageantrags des Vermächtnisnehmers auf Vermächtniserfüllung Rz. 158).
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Die Bestimmung des Gegenstandes obliegt ohne eine Anordnung des Erblassers dem Beschwerten, kann aber auch einem Dritten oder dem Bedachten selbst übertragen werden (§ 2155 Abs. 2 BGB). Ist ein Dritter oder der Bedachte selbst bestimmungsberechtigt, so erfolgt die Bestimmung entsprechend § 2154 BGB (vgl. Rz. 89). Entspricht die Bestimmung des Dritten oder des Bedachten offensichtlich nicht den Verhältnissen des Bedachten, so geht das Bestimmungsrecht nach § 2155 Abs. 3 BGB auf den Beschwerten über.
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5. Das Zweckvermächtnis Möchte der Erblasser sich hinsichtlich des Vermächtnisgegenstandes noch 96 nicht einmal auf die Gattung festlegen, so kann er auch lediglich dessen Zweck bestimmen. Der Erblasser kann also dem Beschwerten oder einem Dritten – nicht aber dem Bedachten2 – die Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen überlassen (§ 2156 BGB). Dabei kann der Erblasser dem Bestimmungsberechtigten allerdings nur die Bestimmung über den Gegenstand überlassen, nicht aber auch darüber, ob der Bedachte überhaupt etwas erhalten soll3. Außerdem muss der Erblasser den Vermächtniszweck so genau bezeichnen, dass der Bestimmungsberechtigte ausreichende Anhaltspunkte für die Ausübung seines Ermessens hat. Für die Bestimmung gelten die §§ 315–319 BGB. 1 Ebenroth, Erbrecht, Rz. 488; MüKo/Schlichting, § 2155 Rz. 2; vgl. zum Quotenvermächtnis auch BGH v. 18.1.1978 – IV RZ 181/76, DNotZ 1978, 487 (488 ff.). 2 BGH v. 24.4.1991 – IV ZR 156/90, NJW 1991, 1885; Ebenroth, Erbrecht, Rz. 484; MüKo/Schlichting, § 2156 Rz. 4; Schlüter, Erbrecht, Rz. 917; Staudinger/Otte, § 2156 Rz. 3; a.A. Kanzleiter, DNotZ 1992, 511 (512 ff.). 3 RG v. 20.10.1910 – IV 596/09, WarnR 1911 Nr. 42.
Nienaber
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B VI Rz. 97
Vermächtnis
6. Das Universalvermächtnis 97 Wendet der Erblasser seinen ganzen oder nahezu ganzen Nachlass zu, so ist hierin im Zweifel eine Erbeinsetzung zu sehen (§ 2087 Abs. 1 BGB; vgl. dazu auch Rz. 28 f.). Nach h.M. ist eine solche Zuwendung aber auch als Universalvermächtnis möglich1. Der Erblasser sollte zur Entkräftung der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB in der letztwilligen Verfügung eindeutig klarstellen, dass er sein Vermögen bewusst als Vermächtnis überträgt. Insoweit bietet es sich an, dass der Erblasser in der letztwilligen Verfügung auch eine Regelung über die Erbfolge trifft. Selbst wenn er nämlich sein gesamtes Vermögen im Wege des Universalvermächtnisses überträgt, gibt es einen Erben, da es zwar einen vermögens-, aber keinen erbenlosen Nachlass gibt. Der Universalvermächtnisnehmer kann selbst der Erbe sein; das Universalvermächtnis ist dann ein Vorausvermächtnis. Das Universalvermächtnis ist gegenüber der Erbeinsetzung wegen der großzügigeren Möglichkeit der Drittbestimmung des Bedachten oft vor allem für die Auswahl eines Unternehmensnachfolgers vorzugswürdig (vgl. Rz. 39 ff.). Da der Universalvermächtnisnehmer den Nachlass mit allen Aktiva und Passiva übernimmt, haftet er nach § 2385 Abs. 1 BGB gemäß der §§ 2382, 2383 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten2.
Formulierungsvorschlag Zulasten der Erben setzte ich folgende Vermächtnisse aus: Meinem Sohn vermache ich mein Unternehmen, das Grundstück X sowie mein sonstiges Vermögen. An der gesetzlichen Erbfolge ändere ich nichts3.
7. Das Unternehmen als Vermächtnisgegenstand 97a Das Vermächtnis eignet sich wegen der flexibleren Möglichkeit der Drittbestimmung des Bedachten (vgl. Rz. 38) sowie der Möglichkeit, hierdurch das Unternehmen der schwierigen Verwaltung durch eine Erbengemeinschaft zu entziehen (vgl. Rz. 23, 25), besonders für die Regelung der Unternehmensnachfolge. Im Falle eines Unternehmensvermächtnisses, fällt das Unternehmen zunächst an die Erben, die dieses dann im Erfüllung des Vermächtnisanspruchs auf den Bedachten übertragen. Die Erfüllung des Unternehmensvermächtnisses ist allerdings komplex, da alle Gegenstände des Unternehmens einzeln nach den hierfür geltenden sachenrechtlichen Bestimmungen übertragen werden müssen. 1 Klunzinger, BB 1970, 1197 (1199); MüKo/Schlichting, Vor § 2147 Rz. 4; Staudinger/ Otte, § 2151 Rz. 2; a.A. Menz, DB 1966, 1719; Sudhoff, DB 1966, 1720. 2 Dobroschke, DB 1967, 803 (805); Ebenroth, Erbrecht, Rz. 469; Klunzinger, BB 1970, 1197 (1199). 3 Durch diese Formulierung stellt der Erblasser sicher, dass seine Anordnung entgegen der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB als Vermächtnisanordnung verstanden wird.
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 97b B VI
a) Gesellschaftsrechtliche Vorbedingungen Handelt es sich bei dem Unternehmen um eine Gesellschaft, müssen vor der konkreten Ausgestaltung der erbrechtlichen Unternehmensnachfolgeregelungen jedoch stets die gesellschaftsrechtlichen Bedingungen für eine Übertragbarkeit des Gesellschaftsanteils geschaffen werden (vgl. hierzu ausführlich B XI). Dies bedeutet zweierlei: Zum einen darf der Tod des Erblassers nicht zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft führen, sondern sein Anteil muss auf seine Erben übergehen; zum anderen müssen die Erben berechtigt sein, den Anteil dann in Erfüllung des Vermächtnisanspruchs auf den Bedachten zu übertragen. Dies ist insbesondere bei Personenhandelsgesellschaften nicht immer gegeben. Für persönlich haftende Gesellschafter sieht § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB vor, dass ihr Tod zu ihrem Ausscheiden aus der Gesellschaft führt. Erforderlich ist hier also eine Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag. Diese ist für Kommanditisten nicht erforderlich, da § 177 HGB die Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben vorsieht. Sowohl für persönlich haftende Gesellschafter als auch für Kommanditisten muss allerdings ferner die Übertragbarkeit des Gesellschaftsanteiles im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sein, damit die Erben den Anteil dann an den Bedachten übertragen dürfen. Auch wenn diese Vorbedingungen erfüllt sind, hängt die Übertragung des Gesellschaftsanteils ohne eine anders lautende Regelung im Gesellschaftsvertrag von der Zustimmung aller Gesellschafter ab. Die Gesellschafter können im Einzelfall aus ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zur Zustimmung verpflichtet sein1. Ist das allerdings nicht der Fall, kann die Erfüllung des Vermächtnisses hieran scheitern. Teilweise wird auch vertreten, dass eine einfache Nachfolgeklausel zugunsten eines Erben eine weitgehende Öffnung des Gesellschafterbestandes enthält, die regelmäßig auch die Zustimmung der Gesellschafter zu einer Übertragung an einen Vermächtnisnehmer zum Inhalt hat2. Unabdingbare gesellschaftsvertragliche Vorbedingung für ein Unternehmensvermächtnis ist also eine Nachfolgeklausel zugunsten der Erben (einfache Nachfolgeklausel) oder zugunsten eines konkreten Erben (qualifizierte Nachfolgeklausel) hinsichtlich der Anteile der persönlich haftenden Gesellschafter. Hiermit kombiniert werden muss die Regelung der freien Verfügbarkeit der Anteile oder zumindest der Verfügbarkeit an einen Vermächtnisnehmer.
Formulierungsvorschlag Im Falle des Todes eines Gesellschafters wird die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern mit den Erben des Verstorbenen fortgesetzt. Die Erben des Verstorbenen sind berechtigt, ihre Beteiligung an der Gesellschaft auf einen oder mehrere Vermächtnisnehmer oder in Vollzug einer Teilungsanordnung auf einen oder mehrere Erben zu übertragen.
1 OLG Stuttgart v. 3.12.1991 – 12 U 99/91, DStR 1992, 623. 2 Ivo, ZEV 2008, 302 (303).
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97b
B VI Rz. 97c
Vermächtnis
97c Kann diese Regelung im Gesellschaftsvertrag nicht rechtzeitig verankert werden, sollte versucht werden, noch zu Lebzeiten des Erblassers die Zustimmung der Gesellschafter zur Übertragung an den Bedachten einzuholen. Gelingt auch dies nicht, so muss der Erblasser überlegen, welche Folgen eintreten sollen, sofern die Erfüllung des Vermächtnisses nicht möglich ist. Er kann sich insofern dafür entscheiden, dass der Gesellschaftsanteil mit allen Rechten und Pflichten beim Erben verbleibt, er kann aber für diesen Fall auch die frei übertragbaren Ansprüche aus § 717 Abs. 2 BGB vermachen (vgl. Rz. 97e)1. Wenn der Erblasser allerdings die Erben nicht dauerhaft zu Gesellschaftern machen möchte, muss hierfür im Gesellschaftsvertrag eine Vorkehrung getroffen werden.
Formulierungsvorschlag Soll nach den erbrechtlichen Verfügungen des verstorbenen Gesellschafters sein Gesellschaftsanteil an einen Vermächtnisnehmer übertragen werden und erfolgt diese Übertragung innerhalb einer Frist von . . . Monaten nach dem Erbfall nicht, so scheiden die Erben aus der Gesellschaft aus. Für die Abfindungsansprüche gilt § . . . dieses Vertrages.
97d
Enthält der Gesellschaftsvertrag noch nicht einmal eine Nachfolgeklausel, so ist ein Vermächtnis nur hinsichtlich der Abfindungsansprüche des Erblassers möglich. Eine qualifizierte Nachfolgeklausel direkt zugunsten des Vermächtnisnehmers, der nicht Erbe ist, ist nicht möglich, weil der Vermächtnisanspruch nur obligatorisch wirkt und der Anteil immer zunächst dem Erben anfällt. Denkbar ist, eine solche Klausel in eine Eintrittsklausel umzudeuten2, aufgrund derer der Begünstigte einen vom Erbrecht unabhängigen Anspruch auf Eintritt in die Gesellschaft erlangt (§ 328 Abs. 1 BGB). Um allerdings Unsicherheiten hinsichtlich einer solchen Umdeutungsmöglichkeit zu vermeiden, sollte die qualifizierte Nachfolgeklausel hier lieber direkt als Eintrittsklausel ausgestaltet werden. Bei GmbH-Anteilen sowie Aktien sind die gesellschaftsrechtlichen Vorbedingungen in der Regel wegen der Vererb- und Veräußerlichkeit der Anteile erfüllt. Die Vererblichkeit kann durch den Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen werden3, so dass eine Nachfolgeklausel hier entbehrlich ist. Wenn die Veräußerbarkeit von Gesellschaftsanteilen indes ausgeschlossen wurde, ist ein Vermächtnis nicht möglich.
1 Vgl. dazu auch Reymann, ZEV 2006, 307 (308). 2 BGH v. 29.9.1977 – II ZR 214/75, NJW 1978, 264; BGH v. 25.5.1987 – II ZR 195/86, WM 1987, 981. 3 Ivo, ZEV 2006, 252.
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 97e B VI
b) Gestaltung und Folgen des Unternehmensvermächtnisses Da das Vermächtnis nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Beschwerten begründet, fällt das Unternehmen bzw. der Gesellschaftsanteil beim Unternehmensvermächtnis immer zunächst den Erben an. Daraus folgt, dass auch eine Zwischeneintragung der Erben in das Handelsregister erfolgen muss. Allerdings trifft den Erben eines Kommanditanteils kein Haftungsrisiko nach § 176 Abs. 2 HGB, wenn der Erblasser als Kommanditist eingetragen war1. Der Vermächtnisnehmer indes ist dem Haftungsrisiko des § 176 Abs. 2 HGB ausgesetzt, so dass es sich anbietet, die Übertragung des Kommanditanteils an die aufschiebende Bedingung der Registereintragung zu knüpfen. Da bis zur Vermächtniserfüllung einige Zeit vergehen kann, bietet es sich an, explizite Regelungen für diese Zeit, insbesondere hinsichtlich der Gewinnverwendung, zu treffen. Ohne eine solche Regelung gilt nach § 2184 BGB, dass dem Vermächtnisnehmer alle tatsächlich ausgeschütteten Gewinne zustehen, die seit dem Anfall des Vermächtnisses entstanden sind. Gewinne, die (anteilig) die Zeit vor dem Vermächtnisanfall betreffen, stehen indes dem Beschwerten zu2. Bei der Gestaltung des Unternehmensvermächtnisses müssen stets erst die gesellschaftsrechtlichen Vorbedingungen geklärt werden, damit das Vermächtnis hierauf abgestimmt werden kann3. Ferner sollte darauf geachtet werden, den Vermächtnisgegenstand möglichst exakt zu bezeichnen, d.h. explizit die gesamte Gesellschafterstellung mit allen Rechten und Pflichten zum Gegenstand des Vermächtnisses zu machen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Rechtsprechung die aus der Gesellschafterstellung resultierenden Vermögensrechte abspaltet und diese nicht zum Gegenstand des Vermächtnisses, sondern der Erbschaft erklärt. Besonderer Regelungsbedarf besteht auch bei einem Mehrkontenmodell. Hier ist unzweifelhaft das feste Kapitalkonto Gegenstand eines Vermächtnisses an einem Gesellschaftsanteil, da die Gesellschafterstellung an die Einlage gebunden ist. Hinsichtlich anderer Konten können allerdings Zweifel hinsichtlich der Erfassung vom Vermächtnis bestehen, die durch eine eindeutige erbrechtliche Anordnung ausgeräumt werden sollten. Besteht die Möglichkeit, dass die Erfüllung des Vermächtnisses, etwa wegen fehlender Zustimmung der Mitgesellschafter, scheitert, so muss die Vermächtnisanordnung auch für diesen Fall Vorkehrung treffen. Möchte der Erblasser die Gesellschafterstellung dann seinen Erben übertragen, muss er sich darüber Gedanken machen, ob er dem Vermächtnisnehmer wenigstens die frei übertragbaren Ansprüche aus der Gesellschafterstellung, also insbesondere die Gewinn- und Abfindungsansprüche aus § 717 Abs. 2 BGB, vermachen möchte.
1 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/89, NJW 1989, 3152 (3155). 2 Reymann, ZEV 2008, 307 (308). 3 Zur Notarhaftung bei Errichtung einer letztwilligen Verfügung ohne Kenntnis des Gesellschaftsvertrages BGH v. 18.4.2002 – IX ZR 72/99, ZEV 2002, 322.
Nienaber
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97e
B VI Rz. 98
Vermächtnis
Formulierungsvorschlag Ich vermache meiner Tochter T meinen Kommanditanteil an der in das Handelsregister . . . eingetragenen K-KG (Handelsregisternummer). Gegenstand des Vermächtnisses ist der Kommanditanteil mit allen hieraus resultierenden Rechten und Pflichten, inklusive aller in allen Kapitalkonten ausgewiesenen Aktiv- und Passivposten. Das Vermächtnis erfasst insbesondere auch sämtliche Ansprüche aus § 717 Abs. 2 BGB, wie z.B. künftigen Gewinn oder eventuelle Auseinandersetzungsguthaben. Sollte die Übertragung des Kommanditanteils scheitern, vermache ich meiner Tochter T sämtliche aus diesem Anteil resultierenden Ansprüche aus § 717 Abs. 2 BGB.
8. Das Nießbrauchsvermächtnis
Û
Beratungssituation: Der Mandant hat ein Einzelhandelsunternehmen. Er ist zudem Eigentümer einiger Häuser. Sein Sohn soll langfristig das gesamte Vermögen erhalten. Bis zum Tod seiner Ehefrau möchte er sie dadurch absichern, dass sie bis zum 30. Geburtstag des gemeinsamen Sohnes sämtliche Nutzungen aus dem Nachlass erhält. Bis dahin soll sie auch das Vermögen verwalten und insbesondere das Unternehmen leiten. Nach dem 30. Geburtstag soll der Sohn des Mandanten die Unternehmensleitung übernehmen. Die Ehefrau des Mandanten soll dann nach wie vor bis zu ihrem Lebensende die Nutzungen aus den Häusern sowie 50 Prozent des Unternehmensgewinns erhalten.
Der Mandant möchte wissen, durch welche erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeit er diese Ziele am besten verwirklichen kann. 98 Gegenstand eines Vermächtnisses kann auch ein beschränktes dingliches Recht, also z.B. ein Nießbrauch sein. Der Nießbrauch an einer Erbschaft ist in § 1089 BGB ausdrücklich erwähnt. Die Anordnung eines Nießbrauchsvermächtnisses bietet sich häufig vor allem aus erbschaftsteuerrechtlichen Gründen an (vgl. Rz. 104, 196). a) Die Unterschiede zwischen Nießbrauchsvermächtnis und Vorerbschaft 99 Das Nießbrauchsvermächtnis kann nach seiner konkreten Ausgestaltung der Vorerbschaft weitgehend entsprechen1. So wird durch beide Gestaltungsmöglichkeiten in erster Linie die Versorgung des Erstbedachten und die Erhaltung des Vermögens für den Endbedachten erreicht. Zudem werden durch die Anordnung einer Vorerbschaft sowie eines Nießbrauchsvermächtnisses Pflichtteilsansprüche des Vorerben bzw. Nießbrauchsvermächtnisnehmers umgangen2. 1 Schlieper, MittRhNotK 1995, 249 (251 ff.); Schlüter, Erbrecht, Rz. 739. 2 Beim Nießbrauchsvermächtnis stehen die Vermögensgegenstände dem Nießbaucher zu keinem Zeitpunkt zu und spielen daher bei der Berechnung von Pflichtteils-
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 103 B VI
Die anwaltliche Beratung darüber, ob eine Vorerbschaft oder ein Nießbrauchsvermächtnis angeordnet werden soll, muss sich indes an den Unterschieden zwischen beiden Gestaltungsformen orientieren:
100
– Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft muss z.B. erfolgen, wenn der Endbedachte zur Zeit des Todes des Erblassers noch nicht erzeugt sein wird. Dann bietet § 2101 Abs. 1 BGB die Möglichkeit, auch eine noch nicht erzeugte Person zum Nacherben einzusetzen. Beim Nießbrauchsvermächtnis werden die Endbedachten dagegen mit dem Erbfall direkt Erben und müssen daher nach § 1923 Abs. 2 BGB zum Zeitpunkt des Erbfalls zumindest erzeugt sein1. Gleiches gilt, wenn mehrere Endbedachte in Betracht kommen und der Erblasser noch nicht in der Lage ist, eine endgültige Auswahl zu treffen (z.B. zwischen mehreren minderjährigen Kindern). Dann steht beim Erbfall der Erbe noch nicht fest, so dass der Erstbedachte nur als Vorerbe eingesetzt werden kann.
101
– Im Gegensatz zur Vorerbschaft führt ein Nießbrauchsvermächtnis nicht zum Eigentumserwerb des Bedachten. Der Nießbraucher hat daher per se auch keine Verfügungsbefugnisse über die mit dem Nießbrauch belasteten Vermögensgegenstände. Eine Verfügungsbefugnis kann der Erblasser ihm allerdings z.B. durch die Benennung des Nießbrauchsvermächtnisnehmers zum Testamentsvollstrecker2 oder durch Einräumung einer postmortalen Vollmacht3 einräumen (Dispositionsnießbrauch).
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– Ein Nachteil des Nießbrauchsvermächtnisses gegenüber der Vorerbschaft ist, dass der Nießbrauch noch nicht direkt mit dem Erbfall durch die Zuwendung mittels Vermächtnis entsteht, sondern wie jedes Vermächtnis erst durch eine Erfüllung durch den Beschwerten begründet werden muss. Auch im Hinblick hierauf bietet sich die Einräumung einer Testamentsvollstreckerstellung oder Bevollmächtigung4 für den Nießbrauchsvermächtnisnehmer zumindest mit dem Aufgabenkreis an, den Nießbrauchsanspruch zu erfüllen. Der Erblasser kann zudem direkt in seiner letztwilligen Verfügung die dingliche Einigungserklärung zur Bestellung des Nießbrauchs erklären.
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1 2
3 4
ansprüchen nach ihm keine Rolle. Das der Vorerbschaft unterliegende Vermögen wird zwar während der Vorerbschaft dem Vorerben zugeordnet, bildet jedoch ein Sondervermögen, das ebenfalls nicht in die Berechnung der Pflichtteilsansprüche einfließt. Schlieper, MittRhNotK 1995, 249 (251). Vgl. zur Zulässigkeit der Kombination der Stellung als Nießbrauchsvermächtnisnehmer und Testamentsvollstrecker z.B. BayObLG v. 24.2.1988 – 1 Z 48/86, BayObLGZ 1988, 42 (46); Staudinger/Frank, § 1089 Rz. 6. OLG Köln v. 10.2.1992 – 2 Wx 50/91, MittRhNotK 1992, 88. Die Bevollmächtigung erfolgt unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB.
Nienaber
399
B VI Rz. 104
Vermächtnis
Formulierungsvorschlag Hiermit ernenne ich den Nießbrauchsvermächtnisnehmer zum Testamentsvollstrecker mit dem Aufgabenkreis, sich selbst den Nießbrauch zu bestellen und den Nießbrauchsgegenstand zu verwalten. Er ist in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nießbrauchsgegenstand nicht beschränkt und von den Beschränkungen nach § 181 BGB befreit. Er kann den Nießbrauchsgegenstand nur mit der Zustimmung der Erben veräußern.
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– Der entscheidende Vorteil des Nießbrauchsvermächtnisses gegenüber der Vorerbschaft liegt darin, dass der wiederholte Anfall von Erbschaftsteuer bezogen auf die volle Vermögenssubstanz, wie er bei Vor- und Nacherbschaft erfolgt, vermieden wird (§ 6 ErbStG). Der Nießbrauchsvermächtnisnehmer muss lediglich den Kapitalwert des Nießbrauchs versteuern, wobei er ein Wahlrecht zwischen einer einmaligen oder einer jährlichen Versteuerung hat (§ 23 ErbStG). Die volle Vermögenssubstanz muss indes nur einmal nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vom Erben versteuert werden. Von dem Nachlasswert kann der Kapitalwert des Nießbrauchs abgezogen werden. Der beratende Anwalt sollte den Erblasser darauf hinweisen, dass diese erbschaftsteuerrechtlichen Konsequenzen zwar häufig zu einer Bevorzugung des Nießbrauchsvermächtnisses gegenüber der Vorerbschaft führen können, dass aber vor allem der Erbe, der aufgrund des Nießbrauchs beim Erbfall noch keine wirtschaftlichen Vorteile aus der Erbschaft ziehen kann, häufig nicht in der Lage sein wird, die sofort anfallende Erbschaftsteuer zu entrichten. Insoweit kann der Nießbrauchsberechtigte verpflichtet werden, den Erben in Höhe der Erbschaftsteuer aus den Erträgen des Nießbrauchs freizustellen. (Näheres s. D Rz. 206 ff.)
105
– Einkommensteuerrechtlich werden die Einkünfte aus dem Nießbrauch bzw. den Gegenständen der Vorerbschaft dem Nießbraucher bzw. dem Vorerben zugerechnet. Unterschiede bestehen zwischen der Vorerbschaft und dem Nießbrauch insoweit, als es um die Abschreibung von durch den Erblasser getätigten Anschaffungs- und Herstellungskosten nach dessen Tod und die Absetzung für Abnutzungen geht. Während der Vorerbe insoweit Abschreibungsmöglichkeiten hat, wird dem Vermächtnisnießbraucher diese Abschreibungsbefugnis vom BFH1 abgesprochen. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten seien gem. § 1922 Abs. 1 BGB nicht dem Vermächtnisnehmer, sondern dem Erben zuzurechnen. Soll dem Erstbedachten also eine Abschreibungsmöglichkeit zustehen, so sollte eine Vorerbschaft angeordnet werden. Es kann aber auch darüber nachgedacht werden, insoweit testamentarisch eine Ausgleichspflicht des Erben im Hinblick auf seinen Steuervorteil anzuordnen.
1 BFH v. 28.9.1993 – IX R 156/88, NJW 1994, 2483 entgegen der zuvor bestehenden Rechtslage.
400
Nienaber
Vermächtnis
Rz. 107 B VI
Im Beispielsfall bestünden also verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. – Die Ehefrau könnte zur Vorerbin werden. Der Nacherbfall würde dann mit dem 30. Geburtstag des Sohnes anfallen. Ab diesem Zeitpunkt müssten der Ehefrau allerdings durch Vermächtnis 50 % der Unternehmensgewinne und 100 % der Nutzungen des übrigen Vermögens zugewendet werden. – Denkbar wäre aber auch, der Ehefrau insgesamt ein Vermächtnis zuzuwenden, das sich bis zum 30. Geburtstag des Sohnes auf die gesamten Nutzungen des Nachlasses und danach auf 50 % der Unternehmensgewinne und die gesamten Nutzungen des übrigen Vermögens erstreckt. Damit die Ehefrau das Unternehmen bis zum 30. Geburtstag des Sohnes leiten kann, müsste ihr ferner bis dahin eine Verwaltungsbefugnis – am besten durch eine Testamentsvollstreckerstellung – eingeräumt werden. Da die Vermächtnisnehmerin in diesem Fall die Ehefrau des Erblassers ist, sind die erbschaftsteuerrechtlichen Vorteile dieser Lösung nicht ganz so groß wie bei anderen Vermächtnisnehmern, da der Sohn, der sofort beim Erbfall Erbe wird, die Belastung nicht in Abzug bringen kann. Bei besonders großen Vermögen ergibt sich aber dennoch oft ein erheblicher Steuervorteil, da der Kapitalwert der Nutzungen häufig geringer als die Vermögenssubstanz ist und daher die zweifache Versteuerung der Vermögenssubstanz bei der Vor- und Nacherbschaft wesentlich höher wäre. b) Die Bestellung des Nießbrauchs Der Nießbrauch kann an Sachen (§§ 1030–1067 BGB), an Rechten (§§ 1068 bis 106 1084 BGB), an Vermögen (§§ 1085–1088 BGB) und an einer Erbschaft (§ 1089 BGB) bestehen. Ein Nießbrauch an Rechten ist allerdings nur möglich, soweit das Recht übertragbar ist (§§ 1069 Abs. 2 BGB). Ist das Recht nicht übertragbar, kann nur ein schuldrechtlicher, dem Nießbrauch möglichst angenäherter Anspruch gegen den Erben auf die Herausgabe der Nutzungen vermacht werden (sog. obligatorischer Nießbrauch, vgl. dazu Rz. 111)1. Soll der Nießbrauch am gesamten Nachlass bestellt werden, muss er wegen des sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes an jedem Nachlassgegenstand entsprechend den für den jeweiligen Gegenstand geltenden Vorschriften einzeln bestellt werden. Ist ein Nießbrauch an einem Erbteil zugewendet, handelt es sich um einen Nießbrauch an einem Recht, zu dessen dinglicher Einräumung es einer notariellen Beurkundung bedarf (§§ 2169 Abs. 1, 2033 Abs. 1 BGB). Möglich ist die Beschränkung des Nießbrauchs auf bestimmte Nachlassgegenstände. Zulässig sind auch sog. Bruchteils- oder Quotenvermächtnisse. Beim Bruchteilsvermächtnis wird ein ideeller Bruchteil eines Gegenstandes (z.B. ½ Anteil eines Grundstücks) mit dem Nießbrauch belastet, beim Quotenvermächtnis erhält der Berechtigte aus den Nutzungen nur eine Quote2. 1 Wird dennoch ein Nießbrauchsvermächtnis angeordnet, kann dieses als Vermächtnis eines entsprechenden obligatorischen Nutzungsanspruchs ausgelegt werden. Vgl. dazu Staudinger/Frank, § 1089 Rz. 12. 2 Vgl. dazu BayObLG v. 3.7.1973 – 2 Z 25/73, DNotZ 1974, 241 (243); LG Köln v. 22.6.1999 – 11 T 122/99, MittRhNotK 1999, 246.
Nienaber
401
107
B VI Rz. 108
Vermächtnis
Im Beispielfall kann der Ehefrau nach dem 30. Geburtstag des Sohnes also an dem Unternehmensgewinn noch ein Quotenvermächtnis mit einer Quote von 50 % zugewendet werden. 108
Bis zur Bestellung des Nießbrauchs hat der Vermächtnisnehmer lediglich einen obligatorischen Anspruch auf Bestellung des Nießbrauchs. Hat der Erblasser ihm nicht gleichzeitig durch eine postmortale Vollmacht oder durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckerstellung die Befugnis eingeräumt, das Nießbrauchsrecht selbst zu bestellen (vgl. Rz. 103), kann der Nießbrauchsvermächtnisnehmer als Nachlassgläubiger unter Umständen Nachlassverwaltung beantragen (§ 1981 Abs. 2 BGB). c) Die Modifikation der Rechte und Pflichten des Nießbrauchers durch Anordnungen des Erblassers
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Ohne eine besondere Anordnung des Erblassers ist der Nießbraucher zur Verfügung über den Nießbrauchsgegenstand grundsätzlich nicht befugt (vgl. Rz. 102). Nach § 1048 Abs. 1 BGB darf er aber innerhalb der Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft über das Inventar eines Grundstücks verfügen. Diese Vorschrift wird auf den Nießbrauch an einem Sachinbegriff wie z.B. einem Unternehmen, entsprechend angewendet1. Wegen dieser nur eingeschränkten Verfügungsbefugnis sollte der Mandant stets über die Möglichkeit der Kombination von Nießbrauch und Testamentsvollstreckung aufgeklärt werden2.
110
Nach § 1047 BGB hat der Nießbraucher die Lasten der Sache (z.B. Grundsteuer, Grundschuldforderungen etc.) zu tragen, sofern es sich nicht um außerordentliche Lasten handelt, die als auf den Stammwert der Sache gelegt anzusehen sind (z.B. Erschließungsbeiträge, Flurbereinigungsbeiträge3). Der Erblasser kann eine hiervon abweichende Anordnung treffen4. Der Nießbraucher muss ferner für die Erhaltung der Sache sorgen (§ 1041 BGB), zu außergewöhnlichen Unterhaltungsmaßnahmen5 ist er allerdings nicht verpflichtet. Auch insoweit ist eine abweichende Bestimmung des Nießbrauchsinhalts durch den Erblasser zulässig6. d) Der dingliche und der „obligatorische“ Nießbrauch
111
Dem Bedachten kann anstelle eines dinglichen Nießbrauchs auch ein schuldrechtlicher Nutzungsanspruch zugewendet werden, der dem dinglichen Nießbrauch im Ergebnis weitgehend entspricht. Hiervon ist trotz der Bezeichnung als Nießbrauch z.B. bei der Einräumung eines Nutzungsrechts an einem nicht übertragbaren Recht auszugehen, an dem wegen § 1069 Abs. 2 BGB ein ding1 BGH v. 18.11.1974 – VIII ZR 236/73, WM 1974, 1219 (1220). 2 Bühler, BB 1997, 551 (557 f.); vgl. auch Rz. 102. 3 OVG Lüneburg v. 14.8.1959 – OVG I 21/59, RdL 1959, 332 (333); Palandt/Bassenge, § 1047 Rz. 2. 4 RG v. 26.1.1934 – VII 261/33, RGZ 143, 231 (234). 5 Z.B. Dachsanierung nach Ablauf der Lebensdauer: OLG Koblenz v. 4.11.1993 – 5 U 1714/92, NJW-RR 1995, 15. 6 Zur Zulässigkeit einer abweichenden Vereinbarung des Nießbrauchsinhalts BayObLG v. 18.9.1997 – 2 ZBR 85/97, RPfleger 1998, 70 (71).
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 115 B VI
licher Nießbrauch nicht bestellt werden kann. Ein solcher schuldrechtlicher Nutzungsanspruch ist in der Regel auch anzunehmen, wenn der Erbe dem Bedachten den Nießbrauch dinglich – etwa wegen unterlassener Eintragung im Grundbuch – nicht bestellt hat, die Parteien aber davon ausgehen, dass der „Nießbrauch“ bereits besteht. e) Der Nießbrauch an einem Unternehmen Um den Bedachten in den Genuss der Gewinne bzw. eines Gewinnanteils an einem Unternehmen zu bringen, bieten sich verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich des Vermächtnisrechts an.
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Zunächst besteht die Möglichkeit, dem Bedachten lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben auf Auszahlung des gesamten oder teilweisen Reinertrags des Unternehmens zu vermachen („obligatorischer Nießbrauch“; vgl. Rz. 111)1.
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Außerdem kann ein Ertragsnießbrauch vermacht werden, wonach dem Nießbraucher zwar an allen Gegenständen des Unternehmens der Nießbrauch vermacht ist, der Nießbrauch jedoch nur auf den Ertrag dieser Gegenstände gerichtet ist. Der Nießbraucher ist dann von der Führung des Unternehmens ausgeschlossen, hat aber einen Anspruch auf den Reingewinn2. Das Ertragsnießbrauchsvermächtnis ist meist als Quotennießbrauchsvermächtnis ausgestaltet3. Da der Nießbrauchsvermächtnisnehmer hier nicht Unternehmer wird, haftet er nicht nach außen.
114
Der echte Unternehmensnießbrauch4 führt zur Unternehmereigenschaft des Nießbrauchers und damit
115
– zum unmittelbaren Besitz des Nießbrauchers an den Unternehmensgegenständen, – zur Verfügungsbefugnis des Nießbrauchers über das Umlaufvermögen, das nach § 1067 BGB ins Eigentum des Nießbrauchers übergeht, – zum Recht auf Eigenerwerb des Reingewinns5 sowie – zur vollen Haftung des Nießbrauchers nach außen. Diese Haftung erstreckt sich bei Firmenfortführung auch auf die bis zur Übernahme des Handelsgeschäfts begründeten Verbindlichkeiten (§§ 22 Abs. 2, 25 Abs. 1 HGB), es sei denn, ein Haftungsausschluss ist mit dem Erben nach § 25 Abs. 2 HGB vereinbart und ins Handelsregister eingetragen. Der Erbe ist zur Vereinbarung eines solchen Haftungsausschlusses nur verpflichtet, wenn der Erblasser eine entsprechende Anordnung getroffen hat. Bei der anwaltlichen 1 2 3 4
BGH v. 16.12.1968 – III ZR 102/66, WM 1969, 337. Schlieper, MittRhNotK 1995, 249 (260). BayObLG v. 3.7.1973 – 2 Z 25/73, BayObLGZ 1973, 168 (172). Der echte Unternehmensnießbrauch ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, wird aber in § 22 Abs. 2 HGB vorausgesetzt. 5 BayObLG v. 3.7.1973 – 2 Z 25/73, BayObLGZ 1973, 168 (171).
Nienaber
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B VI Rz. 116
Vermächtnis
Beratung über die Ausgestaltung eines Nießbrauchsvermächtnisses ist die Regelung der Haftungsfrage mit dem Mandanten zu erörtern. 116
Der Nießbrauchsvermächtnisnehmer hat abgesehen von der Möglichkeit einer Ausschlagung kein Wahlrecht, ob er die Unternehmensnachfolge antreten möchte, da er nach § 1036 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, die Zweckbestimmung der Gegenstände aufrechtzuerhalten. Der Erbe muss der Firmenfortführung durch den Nießbrauchsvermächtnisnehmer zustimmen.
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Auch beim Unternehmensnießbrauch muss der dingliche Nießbrauch an jedem einzelnen Gegenstand des Unternehmens entsprechend der hierfür geltenden Vorschriften bestellt werden. Der Nießbraucher wird lediglich Eigentümer der Gegenstände des Umlaufvermögens, das Anlagevermögen verbleibt im Eigentum des Erben. Der Nießbrauchsvermächtnisnehmer kann daher nur über die Gegenstände des Anlagevermögens analog § 1048 BGB im Rahmen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft verfügen1. Auch im Hinblick hierauf sollte bei der anwaltlichen Beratung über die Möglichkeiten der Erweiterung der Verfügungsbefugnisse des Nießbrauchsvermächtnisnehmers durch seine Bestellung zum Testamentsvollstrecker aufgeklärt werden.
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Die dem Nießbraucher zustehenden Früchte bestehen in den entnahmefähigen Erträgen. Die Ermittlung des Reingewinns erfolgt nach anerkannten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden2. Zur Vermeidung eines Streits über die Bewertung sollte dem Erblasser geraten werden, diesbezüglich eine genaue Festlegung vorzunehmen.
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Die Steuerfolgen eines Unternehmensnießbrauchs sind bis heute nicht hinreichend gelöst3. Die anwaltliche Beratung sollte daher unter Hinzuziehung eines Steuerberaters erfolgen, der die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten genau kennt. Hat der Nießbraucher nur einen Ertragsnießbrauch, werden seine Einkünfte meist als vom Nießbrauchsbesteller abgeleitet nach § 22 Nr. 1 EStG versteuert und für den Nießbrauchsbesteller werden die an den Nießbraucher abgeführten Beträge als dauernde Last angesehen, die er nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehen kann. Beim Unternehmensnießbrauch werden die Einkünfte indes direkt beim Nießbraucher versteuert (§ 15 EStG). aa) Der Nießbrauch an einer Personenhandelsgesellschaft
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Der Tod eines Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft führt nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB zum Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft. Möchte der Gesellschafter seine Nachfolge in dem Unternehmen erbrechtlich gestalten, so muss zunächst sichergestellt werden, dass der Gesellschaftsvertrag für den Fall seines Todes eine Nachfolgeklausel enthält. Erst
1 Schlieper, MittRhNotK 1995, 249 (260); Staudinger/Frank, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz. 35. 2 Vgl. dazu z.B. Staudinger/Frank, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz. 42 f. 3 Staudinger/Frank, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz. 45.
404
Nienaber
Vermächtnis
Rz. 122 B VI
wenn diese Vorbedingung erfüllt ist, können erbrechtliche Gestaltungen zur Unternehmensnachfolge greifen (vgl. Rz. 976). Der Nießbrauch im Hinblick auf einen Anteil an einer Personengesellschaft kann als reiner Ertragsnießbrauch, also ein Nießbrauch an den aus der Gesellschaftsbeteiligung resultierenden Gewinnansprüchen, vermacht werden. Da die Gewinnansprüche nach § 717 S. 2 BGB abtretbar sind, ist insoweit eine Nießbrauchsbestellung unproblematisch möglich1.
Formulierungsvorschlag Zulasten meines Erben vermache ich meiner Ehefrau an meinem Geschäftsanteil der Firma O-OHG einen lebenslangen Nießbrauch, der an den vermögensrechtlichen Bezügen, also den Gewinnansprüchen und einem etwaigen Auseinandersetzungsguthaben, in Höhe von jeweils 60 % besteht. Der Nießbrauch bezieht sich auch auf Kapitalerhöhungen, allerdings nicht auf solche gegen Einlagen. Mein Erbe bleibt Gesellschafter. Meine Ehefrau hat insbesondere keine Stimmoder sonstigen Verwaltungsrechte an der O-OHG. Mein Erbe benötigt für folgende Geschäfte die Zustimmung meiner Ehefrau: Veräußerung des Gesellschaftsanteils, Kündigung der Beteiligung und Austritt aus der Gesellschaft.
Der Gesellschaftsanteil selbst kann mit einem Unternehmensnießbrauch nur belastet werden, wenn der Gesellschaftsanteil laut Gesellschaftsvertrag übertragbar ist oder wenn alle Gesellschafter der Nießbrauchsbestellung zustimmen; vgl. § 1069 Abs. 2 BGB (vgl. auch Rz. 97b)2. Es ist insoweit ausreichend, wenn der Gesellschaftsvertrag die Übertragbarkeit der Beteiligung vorsieht, eine ausdrückliche Regelung zur Zulässigkeit der Nießbrauchsbestellung ist nicht erforderlich3.
121
Selbst wenn aber die gesellschaftsrechtlichen Vorbedingungen (Nachfolgeklausel/Übertragbarkeit des Gesellschaftsanteils) erfüllt sind, ist umstritten, ob an dem Gesellschaftsanteil einer Personenhandelsgesellschaft wirklich ein dinglicher Nießbrauch bestellt werden kann4. Hintergrund für diesen Streit ist die Frage, ob ein Gesellschaftsanteil dergestalt gesplittet werden kann, dass Inhaber des Anteils und damit Gesellschafter der Nießbrauchsbesteller bleibt, während die aus dem Anteil herrührenden Befugnisse auf den Nießbraucher übergehen. Die früher herrschende Meinung lehnte eine solche Aufteilung ab und ging daher davon aus, dass letztlich der „Nießbraucher“ treuhänderisch die Beteiligung an der Gesellschaft komplett übernehme und der
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1 BGH v. 12.12.1974 – II ZR 166/72, DNotZ 1975, 735 (737). 2 Schlieper, MittRhNotK 1995, 249 (261); Staudinger/Frank, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz. 52. 3 Staudinger/Frank, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz. 67; a.A. Petzoldt, DStR 1992, 1171. 4 Gegen die Möglichkeit eines dinglichen Nießbrauchs: Bunke, DNotZ 1968, 5 (7); Sudhoff, NJW 1971, 481; Paus, BB 1990, 1675 (1679); offen gelassen in BGH v. 12.12.1974 – II ZR 166/72, DNotZ 1975, 735 (737).
Nienaber
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B VI Rz. 123
Vermächtnis
„Nießbrauchsbesteller“ für die Zeit des „Nießbrauchs“ aus der Gesellschaft ausscheide. Damit läge kein wirklicher Nießbrauch vor, da diese treuhänderische Vollrechtsübertragung mehr als ein Nießbrauch ist. Der „Nießbrauchstreuhänder“ rückt vollständig in die Gesellschafterstellung ein, so dass ihm sämtliche aus der Gesellschafterstellung resultierenden Rechte (evtl. Geschäftsführung, Vertretung, Stimmrecht) zustehen. Als Gesellschafter ist er in das Handelsregister einzutragen. Möchte der Erblasser bei dieser Gestaltungsform die Befugnisse des „Nießbrauchstreuhänders“ begrenzen, so kann er das Vermächtnis derart ausgestalten, dass er den Vermächtnisnehmer verpflichtet, schuldrechtlich wirkende Abreden im Innenverhältnis mit dem Erben zu treffen. Diese Vereinbarungen haben allerdings keine begrenzende Wirkung auf die Rechtsmacht des Vermächtnisnehmers im Außenverhältnis bei der Ausübung seiner mitgliedschaftlichen Rechte. 123
Heute ist allerdings die Meinung, dass die Bestellung eines echten Nießbrauchs am Gesellschaftsanteil einer Personenhandelsgesellschaft zulässig ist, immer mehr im Vordringen begriffen1. Danach bleibt der Nießbrauchsbesteller Gesellschafter, während die aus dem Anteil herrührenden Befugnisse dem Nießbraucher zustehen. Stark umstritten ist aber, ob wirklich alle aus dem Anteil resultierenden Befugnisse auf den Nießbraucher übergehen und vor allem wie die Mitgliedschaftsrechte verteilt sind. Der Bundesgerichtshof hat sich hinsichtlich des Stimmrechts – zumindest soweit es die Grundlagen der Gesellschaft berührt – dafür entschieden, dass dieses Recht dem Gesellschafter und damit dem Nießbrauchsbesteller verbleiben müsse2. Ob die Mitgliedschaftsrechte damit entsprechend einer weit verbreiteten Meinung allgemein3 oder nur bei Grundlagenfragen beim Nießbrauchsbesteller verbleiben sollen, hat der Bundesgerichtshof leider nicht geklärt. Teilweise wird auch vertreten, die Mitgliedschaftsrechte stünden dem Nießbraucher insoweit zu, als seine Rechtsstellung betroffen sei, im Übrigen verblieben sie beim Nießbrauchsbesteller als Gesellschafter4. Die Ansicht, die Mitgliedschaftsrechte seien vom Nießbraucher und dem Nießbrauchsbesteller gemeinschaftlich auszuüben5, ist wenig praktikabel und wird sich daher in der Rechtspraxis wohl nicht durchsetzen können.
124
In gewissen Grenzen ist es möglich, die Zuordnung der Mitgliedschaftsrechte vertraglich zu regeln. Da angesichts der verworrenen Rechtslage nicht sicher vorhergesagt werden kann, wem die Mitgliedschaftsrechte ohne eine vertragliche Regelung zustehen, ist hierzu dringend zu raten. Der Erblasser sollte bereits in seiner letztwilligen Verfügung solche vertraglichen Regelungen zwischen 1 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, NJW 1995, 1918 (1919); BGH v. 9.11.1998 – II ZR 213/97, NJW 1999, 571 (572); K. Schmidt, ZGR 1999, 600 (601); Staudinger/Frank, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz. 61 ff. 2 BGH v. 9.11.1998 – II ZR 213/97, NJW 1999, 571 (572) (zu der Frage der Mitwirkung beim Rechnungsabschluss). 3 Hierfür z.B. OLG Koblenz v. 16.1.1992 – 6 U 963/91, NJW 1992, 2163 (2164); K. Schmidt, ZGR 1999, 600 (609 f.). 4 Vgl. dazu Staudinger/Frank, Anh zu §§ 1068, 1069 Rz. 70. 5 Schön, ZHR 158 (1994), 229 (260 ff.).
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 128 B VI
dem Erben und dem Vermächtnisnehmer anordnen, indem er z.B. das Vermächtnis an die Bedingung des Abschlusses eines entsprechenden Vertrags knüpft und den Vertragsabschluss auf der anderen Seite für den Erben zur Auflage macht. – Möchte der Erblasser dem Nießbraucher sämtliche Mitgliedschaftsrechte im Außenverhältnis zuordnen, bietet sich die Gestaltung als „Nießbrauchstreuhand“ an. Der beratende Anwalt sollte dann aber mit dem Erblasser die Möglichkeiten durchsprechen, die Ausübung dieser Mitgliedschaftsrechte im Innenverhältnis zum Erben zu beschränken (vgl. Rz. 122).
125
– Entscheidet der Erblasser sich indes für die Bestellung eines echten Nießbrauchs, so kann er den Erben verpflichten, den Nießbraucher zur Ausübung der dem Gesellschafter zustehenden Stimmrechte zu bevollmächtigen1.
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– Ob der Erblasser den Erben indes auch verpflichten kann, im Falle des echten Nießbrauchs das Stimmrecht selbst auf den Nießbraucher zu übertragen, ist umstritten2. Jedenfalls ist hierfür zumindest erforderlich, dass der Gesellschaftsvertrag die Übertragung des Stimmrechts zulässt oder doch zumindest eine entsprechend konkludente Vereinbarung unter den Gesellschaftern getroffen worden ist.
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– Möchte der Erblasser die Mitgliedschaftsrechte indes beim Erben belassen, so bietet sich angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheit an, auch dies testamentarisch ausdrücklich zu regeln und den Erben und den Vermächtnisnehmer zu verpflichten, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Soll mittels des Vermächtnisses lediglich sichergestellt werden, dass der Vermächtnisnehmer die Erträge des Gesellschaftsanteils erhält, sollen ihm aber keine Mitgliedschaftsrechte zustehen, bietet sich das Vermächtnis eines bloßen Ertragsnießbrauchs an.
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Formulierungsvorschlag Echter Unternehmensnießbrauch: Zulasten meines Erben vermache ich meiner Ehefrau einen lebenslangen Nießbrauch an meinem Geschäftsanteil an der O-OHG. Das Nießbrauchsrecht soll die volle Rechtsstellung eines Gesellschafters erfassen (echter Unternehmensnießbrauch). Meiner Ehefrau sollen sämtliche Mitgliedschaftsrechte aus dem Geschäftsanteil, insbesondere auch das Stimmrecht, zustehen. Der Erbe ist insoweit verpflichtet, das Stimmrecht meiner Ehefrau zu übertragen3. Sollte diese Übertragung nicht zulässig sein, muss er meine Ehefrau unwiderruflich bevollmächtigen, das Stimmrecht für ihn auszuüben. Im Innenverhältnis zum Erben ist meine Ehefrau verpflichtet, folgende Maßnahmen nicht ohne seine Zustimmung vorzunehmen: . . .
1 Vgl. zur Zulässigkeit der Bevollmächtigung K. Schmidt, ZGR 1999, 600 (611). 2 Dagegen z.B. OLG Koblenz v. 16.1.1992 – 6 U 963/91, NJW 1992, 2163; dafür K. Schmidt, ZGR 1999, 600 (611). 3 Ob diese Stimmrechtsübertragung zulässig ist, ist umstritten; s. Fn. 2.
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B VI Rz. 129
Vermächtnis
bb) Der Nießbrauch an einem GmbH-Anteil 129
Der GmbH-Anteil kann Gegenstand des Nießbrauchs sein, sofern seine Übertragbarkeit nicht durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen ist. Wie auch beim Nießbrauch an Personenhandelsgesellschaften ist bei der GmbH umstritten, wer das Stimmrecht aus dem mit dem Nießbrauch belasteten Gesellschaftsanteils ausüben darf (vgl. Rz. 123). cc) Der Nießbrauch an einer Aktie
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Auch die Bestellung des Nießbrauchs an einer Aktie ist zulässig, wenn die Aktie übertragbar ist. Hier stellt sich die Frage nach der Verteilung der Mitgliedschaftsrechte in vergleichbarer Form wie bei der Personenhandelsgesellschaft und der GmbH (vgl. Rz. 123). f) Das Rentenvermächtnis
Û
Beratungssituation: Der Erblasser setzt seinen Sohn zum Alleinerben ein. Er möchte seine Ehefrau allerdings dadurch abgesichert wissen, dass sie lebenslang von seinem Sohn eine monatliche Rente erhält. Da seine Ehefrau erst 53 Jahre alt ist, befürchtet er aber, dass aufgrund einer Kaufkraftveränderung der von ihm festgesetzte Betrag in Höhe von monatlich 1500 Euro nicht immer angemessen sein wird.
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Das Vermächtnis kann auf wiederkehrende Leistungen gerichtet werden, die im Gegensatz zum Nießbrauch nicht von der Erzielung bestimmter Nutzungen abhängen, sondern gegebenenfalls aus der Substanz geleistet werden müssen. Zur Sicherung eines Rentenvermächtnisses bietet sich an, den Beschwerten zu verpflichten, eine Rentenreallast an einem Grundstück zu bestellen (§ 1105 BGB). Bei Rentenvermächtnissen, die ein Dauerschuldverhältnis begründen, sollten Wertsicherungsklauseln vorgesehen werden1. Diese Wertsicherungsklauseln können in zweifacher Weise erfolgen:
132
– Als Gleitklausel: Wertsicherungsklauseln werden häufig derart an die Entwicklung des Lebenshaltungskostenindex oder der Beamtengehälter angelehnt, dass der vermachte Rentenanspruch bei einem bestimmten Anstieg dieser Bezugsgröße automatisch steigt. Solche Gleitklauseln bedürfen nach § 2 Preisangaben- und Preisklauselgesetz (PaPkG) i.V.m. § 7 der Preisklauselverordnung (PrKV) der Genehmigung des Bundesamts für Wirtschaft in Eschborn2. Diese Genehmigung kann nach dem Erbfall eingeholt werden. Bis zu ihrer Erteilung ist die Wertsicherungsklausel schwebend unwirksam. Damit der Erblasser Sicherheit über die Wirksamkeit erhält, sollte er die Genehmigung schon vor dem Erbfall einholen.
1 Vgl. dazu z.B. Oertzen, ZEV 1994, 160. 2 Adresse: Bundesamt für Wirtschaft, Postfach 5171, 67756 Eschborn, Tel.: 0 61 96/40 40.
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 134 B VI
Formulierungsvorschlag Zulasten meines Erben vermache ich meiner Ehefrau eine monatlich im Voraus zu zahlende Rente von 1500 Euro monatlich. Die Höhe dieser Rente soll sich sowohl in der Zeit von heute bis zu meinem Tod als auch danach ändern, wenn sich der vom Statistischen Bundesamt festgestellte Lebenshaltungskostenindex für die mittlere Verbrauchergruppe um mehr als 10 % ändert. Die Rente soll sich dann jeweils beginnend mit dem Januar des Folgejahres im gleichen prozentualen Verhältnis wie der Lebenshaltungskostenindex ändern. Mein Erbe ist verpflichtet, diese Rentenzahlungsverpflichtung binnen dreier Monate nach meinem Tod durch Eintragung einer Rentenreallast im Grundbuch auf dem Grundstück X zu sichern.
– Als Leistungsvorbehalt: Hier ordnet der Erblasser an, dass der Beschwerte mit dem Vermächtnisnehmer über die Anpassung der Höhe der Rentenzahlung neu verhandeln muss, wenn sich eine bestimmte Vergleichsgröße wie z.B. der Lebenshaltungskostenindex oder das Beamtengehalt ändert. Es erfolgt keine automatische Anpassung, sondern die Anpassung wird erst mit einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Bedachtem und Beschwertem wirksam. Der Erblasser kann auch anordnen, dass die Anpassung durch einen Dritten bestimmt werden soll. Ein solcher Leistungsvorbehalt ist nicht genehmigungspflichtig. Legt der Erblasser allerdings die Höhe der Anpassung und ihre Voraussetzungen exakt fest und bleibt so – auch kein geringer – Ermessensspielraum der Anpassenden, kann es sich letztlich um eine (verdeckte) Gleitklausel mit Genehmigungspflicht handeln. Besteht Unsicherheit über die Genehmigungspflicht, sollte zur Sicherheit eine Bestätigung des Bundesamtes für Wirtschaft über die Genehmigungsfreiheit schon vor dem Erbfall eingeholt werden.
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VI. Die Wirksamkeit des Vermächtnisses Nach § 2171 Abs. 1 BGB ist ein Vermächtnis unwirksam, das auf eine zum Zeitpunkt des Erbfalls objektiv unmögliche oder verbotene Leistung gerichtet ist. Ein Vermächtnis, das aufgrund einer Bedingung oder Befristung erst nach dem Erbfall anfällt, ist nur dann unwirksam, wenn die Leistung zur Zeit des Anfalls unmöglich oder verboten ist (§ 2171 Abs. 3 BGB)1. Die Unmöglichkeit oder Verbotswidrigkeit führt allerdings nach § 2171 Abs. 2 BGB nicht zur Unwirksamkeit, wenn das Hindernis beseitigt werden kann und das Vermächtnis auch für diesen Fall angeordnet ist. Das Gesetz betrachtet das Möglichwerden der Leistung als aufschiebende Bedingung, so dass die §§ 158 ff. BGB anzuwenden sind2. Ist dem Erblasser also das mögliche Hindernis bewusst, sollte er in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich erwähnen, dass das Ver-
1 BGH v. 3.11.1982 – IVa ZR 47/81, NJW 1983, 937. 2 Palandt/Edenhofer, § 2171 Rz. 3.
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B VI Rz. 135
Vermächtnis
mächtnis auch für den Fall der Beseitigung des Hindernisses angeordnet sein soll. 135
§ 2171 BGB erfasst nur den Fall der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit. Nach § 2172 BGB gilt die Leistung der vermachten Sache auch bei Verbindung, Vermischung und Vermengung als unmöglich. Das Fehlen einer behördlichen oder sonstigen Genehmigung ist kein Fall der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit und unterfällt damit nicht § 2171 BGB. Das Vermächtnis ist hier nur schwebend unwirksam1. Die endgültige Versagung der Genehmigung führt zur nachträglichen Unmöglichkeit, so dass die §§ 275 ff. BGB Anwendung finden2. Das subjektive Unvermögen des Beschwerten beurteilt sich nach den §§ 2169, 2170 BGB. Nach § 2169 Abs. 1 BGB ist das Vermächtnis unwirksam, es sei denn, es ist ein Verschaffungsvermächtnis angeordnet (vgl. Rz. 83 ff.). Ist an die Stelle des Vermächtnisgegenstandes ein Wertersatzanspruch getreten, so gilt im Zweifel dieser als vermacht (vgl. Rz. 80).
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Erlischt eine vermachte Forderung durch Erfüllung vor dem Erbfall, so tritt an die Stelle der vermachten Forderung der noch in der Erbschaft befindliche Forderungsgegenstand (§ 2173 Satz 1 BGB). War die Forderung auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet, gilt im Zweifel die entsprechende Geldsumme als vermacht, auch wenn sie sich in der Erbschaft nicht vorfindet (§ 2173 Satz 2 BGB). Erst recht gilt auch eine neue Geldanlage als vermacht, wenn der Erblasser nach Testamentserrichtung hierfür Geld von einem vermachten Bankguthaben verwendet hat3. Hat der Erblasser dem Vermächtnisnehmer eine gegen den Erben gerichtete Forderung oder ein Recht vermacht, mit dem eine Sache oder ein Recht des Erben belastet ist, so erlischt in Ansehung des Vermächtnisses die Forderung nicht durch Konfusion und das Recht nicht durch Konsolidation (§ 2175 BGB).
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Die Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) setzt das Bestehen des gesetzlichen Verbots zum Zeitpunkt des Erbfalls voraus. Die Sittenwidrigkeit eines Vermächtnisses (§ 138 BGB) richtet sich dagegen nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung4.
VII. Der Anfall und die Fälligkeit des Vermächtnisses 1. Der Anfall des Vermächtnisses 138
Der Begriff des Anfalls des Vermächtnisses bezeichnet das Entstehen der Vermächtnisforderung, die durch Ausschlagung wieder vernichtet werden kann (§ 2176 BGB). Die Annahme des Vermächtnisses ist nicht Voraussetzung für 1 BGH v. 20.6.1962 – V ZR 219/60, BGHZ 37, 233 (235). 2 BGH v. 28.1.1960 – II ZR 236/57, BGHZ 32, 35 (40); BGH v. 20.6.1962 – V ZR 219/60, BGHZ 37, 233 (235). 3 OLG Oldenburg v. 20.4.2000 – 15 U 103/99, ZEV 2001, 276, 277. 4 BGH v. 15.2.1956 – IV ZR 294/55, BGHZ 20, 71 (74); a.A. Soergel/Wolf, § 2171 Rz. 8.
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Vermächtnis
Rz. 141 B VI
dessen Anfall. In der Regel fällt das Vermächtnis mit dem Erbfall an. Der Bundesgerichtshof setzt die vorweggenommene Hoferbfolge dem Erbfall im Hinblick auf § 2176 BGB gleich1. Nach § 2178 BGB fällt das Vermächtnis einem zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht geborenen oder in seiner Persönlichkeit durch ein nach dem Erbfall eintretendes Ereignis zu bestimmendem Vermächtnisnehmer erst mit der Geburt oder dem Eintritt des Ereignisses an. Der Erblasser hat die Möglichkeit, den Anfall durch Bedingung oder Befristung zu verschieben (§ 2177 BGB). Ordnet der Erblasser für den Anfall des Vermächtnisses eine aufschiebende Bedingung an oder bestimmt er einen Anfangstermin, so entsteht die Vermächtnisforderung nach § 2177 BGB erst mit dem Eintritt der Bedingung oder des Termins. Mit dem Erbfall erwirbt der Bedachte ein Anwartschaftsrecht, das übertragbar, belastbar und (ver)pfändbar ist.
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Das Anwartschaftsrecht aufgrund eines bedingten Vermächtnisses ist grundsätzlich unvererblich (§ 2074 BGB). § 2074 BGB ist nur auf die Bedingung, nicht auch auf die Befristung anwendbar. Daher muss stets sorgfältig zwischen beiden unterschieden werden. Insofern kann im Einzelfall auch zweifelhaft sein, ob der Erblasser lediglich die Fälligkeit hinausschieben oder den Anfall unter eine Bedingung stellen wollte2. Um vor allem im Hinblick auf den Eintritt der Rechtsfolgen des § 2074 BGB Unsicherheiten vorzubeugen, sollte der Anwalt dem Erblasser raten, in seiner letztwilligen Verfügung ausdrücklich zu bestimmen, ob das Vermächtnis den Erben des Bedachten entgegen § 2074 BGB anfallen soll, wenn der Bedachte den Eintritt der Bedingung nicht erlebt. Denn bei § 2074 BGB handelt es sich nur um eine Auslegungsregel, die sowohl durch einen gegenteiligen Erblasserwillen als auch durch die Norm des § 2069 BGB widerlegt werden kann3.
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Formulierungsvorschlag Meinem Neffen N vermache ich 25 000 Euro, für den Fall, dass das bisher landwirtschaftlich genutzte Grundstück X aus meinem Nachlass Baugelände wird. Sollte mein Neffe zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben sein, sollen seine Erben die 25 000 Euro (nicht) erhalten.
Auch zwischen dem Aufschieben der Fälligkeit und der Befristung des Vermächtnisses nach § 2177 BGB muss sorgfältig unterschieden werden. Schiebt der Erblasser durch eine Befristung den Anfall des Vermächtnisses hinaus, so ist eine vorzeitige Leistung rechtsgrundlos erbracht und damit kondizierbar. Bei der bloßen Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes scheidet die Kondikti1 BGH v. 6.6.1962 – V ZR 90/61, BGHZ 37, 192. 2 Vgl. zur Abgrenzung z.B. MüKo/Schlichting, § 2176 Rz. 5. 3 Vgl. zum Verhältnis von § 2069 BGB und § 2074 BGB z.B. Palandt/Edenhofer, § 2074 Rz. 2; Bengel, NJW 1990, 1826 (1827).
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B VI Rz. 142
Vermächtnis
on des zuvor Geleisteten hingegen nach § 813 Abs. 2 BGB aus. Außerdem stehen dem Bedachten nach § 2184 BGB die seit dem Anfall des Vermächtnisses gezogenen Früchte zu. Liegt eine den Anfall aufschiebende Bedingung oder Befristung vor, kann der Bedachte daher nur die nach dem Eintritt der Bedingung oder des Termins gezogenen Früchte verlangen. Auch im Hinblick auf diese Konsequenzen sollte der Erblasser zur Verhinderung von Streitigkeiten nach dem Erbfall eindeutige Regeln treffen. 142
Ein auflösend bedingtes oder unter der Bestimmung eines Endtermins zugewandtes Vermächtnis fällt direkt mit dem Erbfall an. Beim Eintritt der Bedingung oder des Termins muss der Vermächtnisgegenstand entweder als Nachvermächtnis auf den Nachvermächtnisnehmer (§ 2191 BGB) oder als Rückvermächtnis auf den Beschwerten übertragen werden.
2. Die Fälligkeit des Vermächtnisses 143
Nach § 271 Abs. 1 BGB wird das Vermächtnis grundsätzlich sofort fällig. Hat der Erblasser die Zeit der Erfüllung ins freie Belieben des Beschwerten gestellt, wird das Vermächtnis im Zweifel mit dem Tod des Beschwerten fällig (§ 2181 BGB). Ein Untervermächtnis wird nicht vor dem Hauptvermächtnis fällig (§ 2186 BGB).
144
Der Erblasser kann Anordnungen zur Fälligkeit treffen. Weichen hierdurch der Zeitpunkt der Entstehung und der Fälligkeit voneinander ab, kann im Einzelfall zweifelhaft sein, welcher Stichtag für eine Wertberechnung maßgeblich sein soll, etwa wenn bei einem Quotenvermächtnis zwischen dem Anfall und der Fälligkeit eine Geldentwertung stattgefunden hat1. Um insoweit Streit nach dem Erbfall vorzubeugen, sollte der Erblasser gleichzeitig mit Anordnungen zur Fälligkeit auch Anordnungen zum Bewertungsstichtag treffen.
Formulierungsvorschlag Meiner Nichte N vermache ich einen Anteil in Höhe von 2 % des Nachlasswertes zum Zeitpunkt des Erbfalls (zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Vermächtnisses). Sie kann dieses Vermächtnis nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Erbfall geltend machen.
VIII. Die Annahme und die Ausschlagung des Vermächtnisses 145
Bei der anwaltlichen Beratung des Vermächtnisnehmers muss auch die Möglichkeit erörtert werden, ein Vermächtnis auszuschlagen. Die Ausschlagung 1 Der BGH (v. 29.5.1974 – IV ZR 65/72, WM 1974, 838) hält den Zeitpunkt der Tilgung für ausschlaggebend, wenn der Vermächtnisnehmer nach dem Erblasserwillen den Wert eines bestimmten Teils des Nachlasses erhalten sollte.
412
Nienaber
Vermächtnis
Rz. 147 B VI
erfolgt ebenso wie die Annahme durch formlose Erklärung gegenüber dem Beschwerten (§ 2180 Abs. 2 S. 1 BGB). Auch eine Erklärung durch schlüssiges Verhalten ist möglich1. Die Erklärung kann erst nach dem Eintritt des Erbfalls abgegeben werden. Dass das Vermächtnis schon angefallen und fällig ist, ist allerdings nicht erforderlich. Die Ausschlagung kann daher wie die Annahme eines aufschiebend bedingten oder befristeten Vermächtnisses auch schon vor dem Eintritt der Bedingung oder Befristung (entspr. §§ 2142 S. 1, 1946 BGB)2, bei einem Vermächtnis nach § 2191 BGB vor dem Eintritt des Nachvermächtnisfalles3 erklärt werden. Eine Frist für die Ausschlagungs- sowie die Annahmeerklärung besteht nicht. Der Erblasser kann das Vermächtnis aber unter die aufschiebende Bedingung stellen, dass der Bedachte die Annahme binnen einer bestimmten Frist erklärt. Die Ausschlagungs- oder Annahmeerklärung ist unwirksam, wenn sie unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abgegeben wird (§ 2180 Abs. 2 S. 2 BGB). Nach der Annahme ist die Ausschlagung nicht mehr möglich (§ 2180 Abs. 1 BGB). Der Vermächtnisanspruch kann dann nur noch durch einen Erlassvertrag zwischen dem Beschwerten und dem Vermächtnisnehmer erlöschen. Die Annahme- wie auch die Ausschlagungserklärung sind nach den §§ 119 ff. BGB anfechtbar. Durch eine Pfändung des Vermächtnisanspruchs ist der Bedachte nicht an der Ausschlagung gehindert. Schlägt der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis aus, gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt (§§ 2180 Abs. 3, 1953 Abs. 1, 2 BGB).
146
IX. Die Sicherung des Vermächtnisanspruchs
Û
Beratungssituation: Der Erblasser setzt seine Frau zur Alleinerbin ein. Zur Absicherung seines Sohnes aus erster Ehe vermacht er diesem ein Grundstück. Aufgrund des schlechten Verhältnisses seiner Frau zu seinem Sohn befürchtet er, dass seine Frau die Übertragung des Grundstückes allenfalls widerwillig vornehmen wird.
1. Die Sicherungsmöglichkeiten ohne besondere Anordnungen des Erblassers Das Vermächtnis wirkt mit dem Erbfall nicht dinglich. Der Bedachte erwirbt mit dem Erbfall lediglich einen Anspruch. Einen Anspruch auf Sicherung dieses Anspruchs hat er ohne entsprechende Anordnungen des Erblassers gegen den Beschwerten nicht4. Er ist darauf angewiesen, dass der Beschwerte den Vermächtnisanspruch erfüllt. Der Bedachte hat daher ein Interesse daran, sei-
1 BGH v. 18.10.2000 – IV ZR 99/99, NJW 2001, 520 (521). 2 MüKo/Schlichting, § 2179 Rz. 7; BGH v. 18.10.2000 – IV ZR 99/99, NJW 2001, 520 (521). 3 BGH v. 18.10.2000 – IV ZR 99/99, NJW 2001, 520. 4 Palandt/Edenhofer, § 2174 Rz. 10.
Nienaber
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B VI Rz. 148
Vermächtnis
nen Vermächtnisanspruch bis zur Erfüllung durch den Beschwerten zu sichern. a) Die Sicherung eines Vermächtnisanspruchs auf Übertragung eines Grundstücks 148
Der Vermächtnisnehmer kann den Vermächtnisanspruch auf Übertragung eines Grundstückes ab dem Erbfall durch eine Vormerkung sichern. Der Vermächtnisnehmer kann einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung nach § 885 Abs. 1 BGB stellen, ohne dass er eine Gefährdung des Anspruchs glaubhaft machen muss. Vor dem Erbfall besteht noch keine Anwartschaft des Bedachten, so dass eine Vormerkung noch nicht möglich ist1. Ob auch der bedingte oder befristete Vermächtnisanspruch auf Übertragung eines Grundstückes ab dem Erbfall durch eine Vormerkung gesichert werden kann, wird uneinheitlich beantwortet. Das OLG Hamm2 leitet den Anspruch auf Bewilligung einer Vormerkung ohne weiteres aus den §§ 883, 885 BGB her. Überwiegend wird allerdings vertreten, eine Vormerkung komme hier nur in Betracht, wenn der Erblasser einen entsprechenden Anspruch auf Bewilligung einer Vormerkung mitvermacht habe3. Hat der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung keine Anordnung zur Eintragung einer Vormerkung getroffen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob er den Vermächtnisanspruch gegen den Erben auch dinglich sichern wollte, was in der Regel bejaht wird4 Zur Vermeidung von Unsicherheiten sollte allerdings stets eine ausdrückliche Regelung in die letztwillige Verfügung aufgenommen werden. b) Die Sicherung eines aufschiebend bedingten oder befristeten Vermächtnisanspruchs durch die §§ 160, 162 BGB
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Das Sicherungsinteresse des Bedachten ist besonders groß, wenn zwischen dem Erbfall und dem Anfall des Vermächtnisses lange Zeiträume liegen können. Das ist z.B. beim aufschiebend bedingten oder befristeten Vermächtnis wie auch beim Nachvermächtnis, das letztlich ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis ist, der Fall. Hier sind nach § 2179 BGB die §§ 158 ff. BGB anwendbar. Der Beschwerte haftet dem Bedachten nach § 160 Abs. 1 BGB für schuldhafte Beeinträchtigungen der Vermächtnisanwartschaft. Keine Anwendung findet indes § 161 BGB, da das Vermächtnis keine dingliche Wirkung entfaltet5. Die ganz überwiegende Meinung unterstellt das Anwartschaftsrecht ferner dem Schutz des § 281 BGB6 (§ 285 BGB).
1 2 3 4
MüKo/Schlichting, § 2174 Rz. 24. OLG Hamm v. 24.11.1983 – 10 U 118/83, MDR 1984, 402. MüKo/Schlichting, § 2179 Rz. 8. BGH v. 27.6.2001 – IV ZR 120/00, NJW 2001, 2883; vgl. hierzu auch Bengel, NJW 1990, 1826 (1828); Halding-Hoppenheit, RNotZ 2005, 311, 314; Soergel/Wolf, § 2179 Rz. 3. 5 MüKo/Schlichting, § 2179 Rz. 4; Palandt/Edenhofer, § 2179 Rz. 2. 6 MüKo/Schlichting, § 2179 Rz. 5.
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 154 B VI
Eine Vormerkung zur Sicherung des künftigen Anspruchs des Nachvermächtnisnehmers ist möglich, wenn der Vorvermächtnisnehmer bereits im Grundbuch eingetragen ist. Der Anspruch auf Bewilligung kann sich aus dem Testament ergeben1.
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c) Arrest und einstweilige Verfügung Hat der Erblasser keine besonderen Anordnungen zur Sicherung des Vermächtnisanspruchs getroffen, ist der Vermächtnisnehmer im Übrigen auf die Sicherungsmöglichkeiten durch Arrest (§§ 916 ff. ZPO) und einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO) beschränkt. Eine Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) oder ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO) stehen dem Bedachten nicht zu.
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2. Die Sicherungsmöglichkeiten aufgrund besonderer Anordnungen des Erblassers Möchte der Erblasser den Vermächtnisnehmer über diese gesetzlichen Sicherungsmöglichkeiten hinaus schützen, muss er entsprechende Anordnungen treffen. Bei der anwaltlichen Beratung sollten mit dem Erblasser und vor allem einem am Erbvertrag beteiligten Vermächtnisnehmer daher stets die Möglichkeiten besprochen werden, die Sicherstellung der Vermächtniserfüllung zu gewährleisten.
152
Denkbar ist zunächst, dem Bedachten einen Anspruch auf Sicherung der Vermächtniserfüllung mitzuvermachen.
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Der Erblasser kann mit dem Bedachten auch einen sog. Verfügungsunterlassungsvertrag schließen. Hierdurch kann der Erblasser sich gegenüber dem Bedachten bereits zu Lebzeiten verpflichten, über den Vermächtnisgegenstand nicht mehr zu verfügen2. Der Verfügungsunterlassungsvertrag ist formfrei; das gilt selbst dann, wenn er die Verfügungsunterlassungsverpflichtung des Erblassers über ein Grundstück enthält3. Ein Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung des Erblassers führt grundsätzlich zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes oder bei dessen Unmöglichkeit zu Schadenersatzansprüchen gegen den Erblasser4. Der Erblasser kann sich darüber hinaus dazu verpflichten, bei einem Verstoß das Eigentum an dem Vermächtnisgegenstand an den Bedachten zu übertragen. Dieser bedingte Übereignungsanspruch ist vormerkungsfähig5.
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1 MüKo/Schlichting, § 2191 Rz. 4. 2 Zur Zulässigkeit solcher Vereinbarungen z.B. BGH v. 19.1.1954 – V ZB 28/53, BGZ 12, 122; BGH v. 30.9.1959 – V ZR 66/58, BGHZ 31, 13 (18 f.); BGH v. 2.10.1970 – V ZR 125/68, WM 1970, 1366; Buchholz, Jura 1989, 393 (398); Staudinger/Kanzleiter, § 2286 Rz. 16. 3 BGH v. 20.3.1963 – V ZR 89/62, NJW 1963, 1602 (1603); BGH v. 27.2.1967 – III ZR 68/66, FamRZ 1967, 471; MüKo/Musielak, § 2286 Rz. 11. 4 BGH v. 20.3.1963 – V ZR 89/62, NJW 1963, 1604; MüKo/Musielak, § 2286 Rz. 13. 5 BayObLG v. 5.10.1978 – 2 Z 10/78, BayObLGZ 1978, 287 (290); LG Bad Kreuznach v. 20.3.1964 – 2 T 180/63, DNotZ 1965, 301.
Nienaber
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B VI Rz. 155
Vermächtnis
155
Möglich ist auch, dass der Erblasser den Vermächtnisnehmer – z.B. in der Verfügung von Todes wegen1 – bevollmächtigt, sich nach dem Erbfall den Vermächtnisgegenstand selbst zu übertragen. Ein Verstoß gegen § 181 BGB liegt nicht vor, da es sich ausschließlich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt. Selbstverständlich kann der Erblasser auch einen Dritten zur Vermächtniserfüllung bevollmächtigen. Da dem Erben als Rechtsnachfolger aber grundsätzlich die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs der Vollmacht zusteht, kann die Vermächtniserfüllung durch eine Bevollmächtigung nur sichergestellt werden, wenn der Erblasser die Vollmacht unwiderruflich ausgestaltet. Der Widerruf ist dann nur aus wichtigem Grund möglich2.
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Der Erblasser kann den Vermächtnisnehmer oder einen Dritten ferner zum Testamentsvollstrecker mit der Aufgabe ernennen, nach dem Erbfall das Vermächtnis zu erfüllen.
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Beim aufschiebend bedingten Vermächtnis kann der Erblasser dem Bedachten zusätzlich einen Anspruch darauf vermachen, dass der Beschwerte ihm den Vermächtnisgegenstand bereits beim Erbfall aufschiebend bedingt auf den Vermächtnisanfall überträgt. Durch die aufschiebend bedingte Übertragung des Vermächtnisgegenstandes erhält der Vermächtnisnehmer den Schutz des § 161 BGB.
157a Ist der Vermächtnisgegenstand ein Grundstück, ist auch denkbar, bereits die Auflassung in die letztwillige Verfügung aufzunehmen. Diese Erklärung bleibt nach dem Tod des Erblassers wirksam3. Zur Wirksamkeit ist natürlich erforderlich, dass eine notarielle Beurkundung erfolgt. Außerdem erfordert die Auflassung die zeitgleiche Erklärung des Bedachten (§ 925 BGB), so dass diese Möglichkeit letztlich nur bei einem Erbvertrag zwischen dem Erblasser und dem Bedachten in Betracht kommt. Außerdem bindet der Erblasser sich hier bereits zu Lebzeiten, da die Auflassung bedingungsfeindlich ist (§ 925 Abs. 2 BGB) und so nicht etwa unter die Bedingung des Versterbens des Erblassers gestellt werden kann. Die vorzeitige Herbeiführung der Rechtsänderung an dem Grundstück kann aber zumindest durch die Bedingtheit der Eintragungsbewilligung herbeigeführt werden4. Ist Gegenstand des Vermächtnisses ein dingliches Recht an einem Grundstück, ist die Aufnahme der Erklärung zur Einigung über die Übertragung dieses Rechts sowie der Eintragungsbewilligung erleichtert, da diese im Gegensatz zur Auflassung nicht die gleichzeitige Erklärung des Bedachten erfordern. Außerdem können hier beide Erklärungen des Erblassers auf den Todesfall bedingt werden5. Nach dem Bedingungseintritt kann der Bedachte dann durch seine Annahmeerklärung die Einigung herbeiführen und auf der Grundlage 1 Zur Zulässigkeit der Bevollmächtigung in der letztwilligen Verfügung: OLG Köln v. 10.2.1992 – 2 Wx 50/91, NJW-RR 1992, 1357; Palandt/Edenhofer, Einf v § 2197 Rz. 17. 2 Vgl. Palandt/Edenhofer, Einf v § 2197 Rz. 13. 3 Halding-Hoppenheit, RNotZ 2005, 311 (315). 4 Halding-Hoppenheit, RNotZ 2005, 311 (316). 5 Mayer, BWNotZ 1997, 62 (62 f.).
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 159 B VI
der Bewilligungserklärung des Erblassers die Eintragung ins Grundbuch bewirken. Werden die dinglichen Einigungserklärungen in diesem Sinne bereits in die letztwillige Verfügung aufgenommen, ist allerdings stets das Risiko zu berücksichtigen, dass der Bedachte unter Vorlage dieser letztwilligen Verfügung den dinglichen Vollzug herbeiführen kann, auch wenn das Vermächtnis inzwischen widerrufen oder aus anderen Gründen unwirksam geworden ist1. Außerdem sind die Erklärungen des Erblassers durch die Erben in der Regel widerruflich, es sei denn, es liegt ein Erbvertrag vor oder der Erblasser hat dem Bedachten eine beglaubigte Abschrift der Eintragungsbewilligung ausgehändigt (§ 873 Abs. 2 BGB).
X. Die Durchsetzung des Vermächtnisanspruchs Eine Klage gegen den Beschwerten auf Erfüllung des Vermächtnisanspruchs kann gegen den beschwerten Erben erst nach Ablauf der Ausschlagungsfrist bzw. nach der Erklärung der Annahme der Erbschaft erhoben werden (§ 1958 BGB). Richtet der Vermächtnisanspruch sich gegen eine Erbengemeinschaft, kann der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch bereits vor der Teilung des Nachlasses mittels einer Gesamthandsklage gegen die Erbengemeinschaft geltend machen (§ 2059 Abs. 2 BGB). Beim Verschaffungsvermächtnis lautet der Klageantrag darauf, die Bereitschaft des Dritten herbeizuführen, den vermachten Gegenstand an den Beschwerten oder den Bedachten zu veräußern (vgl. Rz. 86). Beim Gattungsvermächtnis ist der Klageantrag so zu fassen, dass er die Kriterien, nach denen die Auswahl des Gegenstandes zu erfolgen hat, möglichst konkret bezeichnet. Da nach § 2155 Abs. 1 BGB eine den Verhältnissen des Bedachten entsprechende Sache zu leisten ist, sind in der Klagebegründung zudem die Verhältnisse des Bedachten, sofern sie sich auf die Beschaffenheit des auszuwählenden Gegenstandes auswirken, zu beschreiben (vgl. Rz. 94).
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Dem Vermächtnisnehmer kann im Einzelfall ein Auskunftsanspruch aus §§ 242, 260 BGB zustehen, wenn die Auskunft zur Bestimmung und Durchsetzung des Vermächtnisanspruchs erforderlich ist2. Der Auskunftsanspruch besteht ab dem Erbfall auch schon vor dem Anfall und kann sich daher sogar gegen den Vorerben richten, selbst wenn das Vermächtnis erst mit dem Nacherbfall anfallen soll3. Verlangt der Bedachte Wertermittlung, muss er die Kosten hierfür selbst tragen4.
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1 Halding-Hoppenheit, RNotZ 2005, 311 (317). 2 OLG Oldenburg v. 27.2.1990 – 5 U 130/89, NJW-RR 1990, 650; LG Köln v. 25.4.1989 – 22 O 331/88, NJW-RR 1990, 13; Staudinger/Otte, § 2174 Rz. 12. 3 OLG Oldenburg v. 27.2.1990 – 5 U 130/89, NJW-RR 1990, 650. 4 BGH v. 27.2.1991 – IV ZR 293/89, NJW-RR 1991, 706 (707); Sarres, ZEV 2001, 225 (228 ff.).
Nienaber
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B VI Rz. 160
Vermächtnis
XI. Die Nutzungen und Früchte des Vermächtnisgegenstandes
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Beratungssituation: Der Erblasser hat seine Frau zur Alleinerbin eingesetzt. Seiner Nichte hat er eine Mietwohnung sowie eine Wohnung vermacht, in der seine Ehefrau wohnt. Die Ehefrau des Erblassers ist nach dessen Tod der Ansicht, das Vermächtnis zugunsten der Nichte sei unwirksam. Auf die Klage der Nichte wird die Ehefrau des Erblassers nach einem insgesamt 1½ Jahre dauernden Rechtsstreit rechtskräftig verurteilt, die Wohnungen auf die Nichte zu übertragen. Seit dem Erbfall hat die Frau des Erblassers Mieteinnahmen in Höhe von 8500 Euro aus der vermachten Mietwohnung eingenommen.
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Nach § 2184 S. 1 BGB hat der Beschwerte dem Vermächtnisnehmer die seit dem Anfall des Vermächtnisses gezogenen Früchte sowie das sonst aufgrund des vermachten Rechts Erlangte herauszugeben. Es sind nur die tatsächlich gezogenen Früchte herauszugeben. Eine Pflicht des Beschwerten zur Fruchtziehung, deren Unterlassung Schadenersatzansprüche auslösen kann, besteht erst ab Verzug oder Rechtshängigkeit (§§ 286, 292 BGB)1. Nicht herauszugeben sind sonstige Nutzungen (§ 2184 S. 2 BGB).
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Der Nießbrauch kann erst ab seiner Bestellung Früchte tragen. Die nach dem Anfall aber vor der Bestellung des Nießbrauchs gezogenen Früchte sind Früchte des Gegenstandes und nicht des Nießbrauchs, so dass sie dem Nießbrauchsvermächtnisnehmer nicht herauszugeben sind2. Allerdings kann die letztwillige Verfügung des Erblassers so auszulegen sein, dass auch die Früchte bis zur Bestellung des Nießbrauchs mitvermacht sind3. Um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, sollte der Erblasser insofern eine ausdrückliche Anordnung treffen. § 2184 BGB bezieht sich nach seinem Wortlaut nur auf das Stückvermächtnis. Für das Gattungsvermächtnis gilt § 2184 BGB unstreitig nicht. Ein Zinsanspruch des Vermächtnisnehmers kann sich hier nur aus den §§ 284, 291 BGB ergeben4. Beim Verschaffungsvermächtnis gilt § 2184 BGB nach herrschender Meinung erst ab der Besitzerlangung des Gegenstandes durch den Beschwerten. Beim Wahlvermächtnis ist der Gegenstand bestimmt, wenn die Wahl vorgenommen ist5. Im Beispielsfall muss die Ehefrau des Erblassers die Mieteinnahmen nach § 2184 S. 1 BGB herausgeben. Zum Nutzungsersatz für die unentgeltliche Nutzung der ebenfalls vermachten Wohnung ist die Ehefrau des Erblassers nach § 2184 S. 2 BGB indes nicht verpflichtet. Spätestens mit dem Eintritt der Rechtshängigkeit der Klage der Nichte muss sie Nutzungsersatz allerdings nach § 292 Abs. 2 BGB leisten.
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MüKo/Schlichting, § 2184 Rz. 3. KG v. 10.3.196 – 64 U 840/62, NJW 1964, 1808 (1809). BGH v. 26.1.1977 – IV ZR 208/75, WM 1977, 416. OLG Hamburg v. 8.11.1916 – 4. ZS, OLGE 34, 295 (296); Palandt/Edenhofer, § 2184 Rz. 3. 5 Palandt/Edenhofer, § 2184 Rz. 3.
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 164 B VI
XII. Die Haftung des Beschwerten 1. Die Haftung des Erben Die Verbindlichkeit aus einem Vermächtnis ist für den Erben eine Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 Abs. 2 BGB), für die er nach den allgemeinen Regeln der Erbenhaftung haftet. (Vgl. dazu C V.)
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a) Die Überschwerungseinrede Beruht die Überschuldung des Nachlasses allein auf Auflagen und Vermächtnissen, ist der Erbe nach § 1980 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht verpflichtet, die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu beantragen. Der Erbe kann nach § 1992 BGB der Vermächtnisforderung die Einrede der Überschwerung entgegenhalten. Die Überschwerungseinrede steht dem Erben allerdings nur zu, sofern er sein Recht zur Haftungsbeschränkung weder allgemein (§ 2013 Abs. 1 BGB), noch speziell gegenüber dem Vermächtnisnehmer verloren hat1.
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§ 1992 BGB setzt voraus, dass die Überschuldung des Nachlasses auf Ver- 164 mächtnissen und Auflagen beruht. Ob § 1992 BGB auch anwendbar ist, wenn der Nachlass auch ohne Vermächtnisse und Auflage überschuldet ist, ist streitig2. Macht der Erbe die Überschwerungseinrede geltend, so muss er die Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigten gleichmäßig befriedigen (§ 1991 Abs. 4 BGB i.V.m. § 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Der Erblasser kann allerdings eine von der gleichmäßigen Befriedigung abweichende Regelung treffen (§ 2189 BGB). Hierauf sollte der Erblasser bei der anwaltlichen Beratung hingewiesen werden, wenn eine Überschwerung zu befürchten ist. Wegen des Nachrangs der Vermächtnis- und Auflagenforderung (§ 1991 Abs. 4 BGB i.V.m. § 327 Abs. 1 Nr. 2 BGB) kann der Beschwerte seine eigenen Forderungen sowie die Forderungen der übrigen Nachlassgläubiger bei den Passiven einstellen. Den danach verbleibenden Aktivnachlass hat er zur gleichmäßigen Befriedigung der Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigten im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben (§§ 1992, 1990 Abs. 1 S. 2 BGB). Das bedeutet, dass er die Zwangsvollstreckung der Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigten zu dulden und die zur Verfügung stehenden Nachlassgegenstände genau zu bezeichnen hat. Die Herausgabe der Nachlassgegenstände kann der beschwerte Erbe nach § 1992 S. 2 BGB aber durch Zahlung des Wertes abwenden (Abfindungsrecht). Ist der Vermächtnisanspruch auf eine bestimmte Sache gerichtet und kommt eine vollständige Erfüllung wegen der Überschwerung des Nachlasses nicht in Betracht, ist der Vermächtnisanspruch gem. § 1991 Abs. 4 BGB i.V.m. § 45 InsO mit einem gekürzten Geldwert geltend zu machen. Der Vermächtnisnehmer hat aber die Möglichkeit, durch Einzahlung des Kür1 MüKo/Siegmann, § 1992 Rz. 2; Schlüter, Erbrecht, Rz. 929. 2 Für die Anwendbarkeit des § 1992 BGB auch bei Überschuldung ohne Vermächtnisse und Auflagen: RGRK/Johannsen, § 1992 Rz. 2; dagegen: RG v. 19.10.1911 – 52/11 V, JW 1912, 40; KG v. 30.5.1913 – 3. ZS, OLGE 30, 175 (176); OLG München v. 3.12.1998 – 5 U 97/96, ZEV 1998, 100 (101); MüKo/Siegmann, § 1992 Rz. 5; Soergel/ Stein, § 1992 Rz. 2.
Nienaber
419
B VI Rz. 165
Vermächtnis
zungsbetrages sowohl die Kürzungsmöglichkeit des Erben wie auch dessen Abfindungsrecht auszuschließen1. Dem Vermächtnisnehmer verbleibt zudem das Recht, trotz Erhebung der Überschwerungseinrede mit dem Vermächtnisanspruch gegen eine Nachlassforderung aufzurechnen2. 165
Im Prozess führt die Erhebung der Überschwerungseinrede zur Klageabweisung, wenn feststeht, dass Mittel auch für die gekürzte Erfüllung des Vermächtnisses nicht vorhanden sind3. Das Gericht kann im Erkenntnisverfahren aber auch auf die Klärung des Umfangs des Nachlasses verzichten und diese dem Vollstreckungsverfahren überlassen, indem es sich mit dem Ausspruch des Vorbehalts der Haftungsbeschränkung (§ 780 ZPO) begnügt4. Ist der Nachlass erschöpft, kann der Erbe im Zwangvollstreckungsverfahren eine Vollstreckungsgegenklage zur Abwendung der Vollstreckung in sein Eigenvermögen erheben (§§ 785, 784, 767 ZPO). Diese hat aber nur Erfolg, wenn das vollstreckbare Urteil den Haftungsbeschränkungsvorbehalt (§ 780 ZPO) enthält. Daher muss der Anwalt des Erben im Erkenntnisverfahren unbedingt auf die Aufnahme des Vorbehalts der Haftungsbeschränkung drängen. b) Die Rechts- und Sachmängelhaftung
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Das Vermächtnisrecht hält hinsichtlich der Mängelhaftung auch nach der Schuldrechtsreform an einer Differenzierung zwischen Stück- und Gattungsvermächtnis fest5. aa) Die Rechts- und Sachmängelhaftung beim Stückvermächtnis
167
Das Vermächtnisrecht enthält keine besonderen Regeln für die Rechts- und Sachmängelhaftung beim Stückvermächtnis. Der Vermächtnisnehmer erhält den Vermächtnisgegenstand hier in dem Zustand, in dem er sich beim Erbfall befindet. Der Erblasser kann aber anordnen, dass der Beschwerte bestimmte Lasten oder Sachmängel zu beseitigen hat. Für einen Untergang der Sache nach dem Erbfall gelten die §§ 275 ff. BGB. Verschlechtert der Vermächtnisgegenstand sich nach dem Erbfall aufgrund eines Verschuldens des Beschwerten, gelten die allgemeinen Grundsätze über den Schadensersatz bei Pflichtverletzung (§§ 280 ff. BGB)6
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Hat der Erblasser über die Beseitigung von Lasten keine Anordnung getroffen, so kann der Vermächtnisnehmer die Beseitigung nach § 2165 Abs. 1 BGB nicht verlangen. Stand dem Erblasser ein Anspruch auf Beseitigung der Belas1 RG v. 2.5.1930 – IV 71/29, Recht 1930, 1521; BGH v. 29.5.1964 – V ZR 47/62, NJW 1964, 2298 (2300; MüKo/Siegmann, § 1992 Rz. 9. 2 Palandt/Edenhofer, § 1992 Rz. 3; Staudinger/Marotzke, § 1990 Rz. 42; a.A. für den Fall, dass der Nachlass von Anfang an überschuldet war: MüKo/Siegmann, § 1992 Rz. 8. 3 RG v. 23.3.1930 – IV 620/29, JW 1930, 2215; Soergel/Stein, § 1992 Rz. 5. 4 BGH v. 29.5.1964 – V ZR 47/62, NJW 1964, 2300; Palandt/Edenhofer, § 1992 Rz. 1. 5 Kritik hieran übt z.B. Amend, ZEV 2002, 227 ff. 6 Bambring, ZEV 2002, 139.
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 171 B VI
tung zu, gilt dieser im Zweifel als mitvermacht (§ 2165 Abs. 1 S. 2 BGB). Die der Belastung des Gegenstandes zugrunde liegende persönliche Schuld geht nicht auf den Vermächtnisnehmer über, sondern muss nach wie vor durch den Erben getilgt werden, sofern der Erblasser keine abweichende Bestimmung getroffen hat (dazu ausf. Rz. 182 f.). Stand eine Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld dem Erblasser selbst zu, so ist aus den Umständen zu entnehmen, ob diese als mitvermacht zu gelten hat (§ 2165 Abs. 2 BGB). Der Bedachte trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast1. bb) Die Rechtsmängelhaftung beim Gattungs- und Verschaffungsvermächtnis Beim auf die Nachlassgegenstände beschränkten Gattungsvermächtnis (vgl. Rz. 93) haftet der Beschwerte nur dann für Sach- und Rechtsmängel, wenn sich im Nachlass auch mangelfreie Gegenstände aus der Gattung befinden2. Ist das nicht der Fall, gelten die Regeln über das Stückvermächtnis entsprechend.
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Für das unbeschränkte Gattungsvermächtnis verweist § 2182 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Rechtsmängelhaftung auf das Kaufrecht. Der Beschwerte muss dem Vermächtnisnehmer den Gegenstand entsprechend § 435 S. 1 BGB frei von Rechten Dritter verschaffen, sofern sich nicht aus der Anordnung des Erblassers ergibt, dass der Vermächtnisnehmer diese zu übernehmen hat3. Ist Gegenstand des Vermächtnisses ein Grundstück, sind Grunddienstbarkeiten, beschränkte persönliche Dienstbarkeiten und Reallasten allerdings im Zweifel von der Rechtsmängelhaftung ausgenommen (§ 2182 Abs. 3 BGB). Für sonstige dingliche Rechte haftet der Beschwerte hingegen nach § 435 S. 1 BGB und ist zudem nach § 436 Abs. 1 BGB verpflichtet, Erschließungs- und sonstige Anliegerbeiträge für solche Maßnahmen zu tragen, die bis zum Anfall des Vermächtnisses bautechnisch begonnen worden sind. Die Rechtsmängelhaftung beim Vermächtnis eines eingetragenen Schiffes, Schiffsbauwerkes oder einer Schiffshypothek entspricht der beim Grundstücksvermächtnis (§ 452 BGB). Aus dem Verweis in § 2182 Abs. 1 BGB auf § 453 BGB folgt, dass § 2182 BGB auch für vermachte Rechte gilt4, die entsprechend §§ 453 Abs. 1, 435 S. 1 BGB frei von Rechten Dritter zu übertragen sind.
170
Uneinheitlich wird beantwortet, wie der Beschwerte haftet, wenn er seiner Pflicht zur rechtsmängelfreien Übertragung des Vermächtnisgegenstandes nicht nachkommt. Ob aus der Formulierung des § 2182 Abs. 1 BGB, der Beschwerte hafte „wie ein Verkäufer“ geschlossen werden kann, § 437 BGB sei entsprechend anwendbar5, erscheint zweifelhaft, da im Folgenden nur auf ein-
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1 2 3 4
BayObLG v. 15.5.2001 – 2 Z BR 52/01, NJW-RR 2001, 1665. Ebenroth, Erbrecht, Rz. 489; Staudinger/Otte, § 2182 Rz. 9. Staudinger/Otte, § 2182 Rz. 3. Amend, ZEV 2002, 227, 228; Schlichting, ZEV 2002, 478; zweifelnd Soergel/Wolf § 2182 Rz. 2. 5 So z.B. Palandt/Edenhofer, § 2182 Rz. 2; Staudinger/Otte, § 2182 Rz. 5.
Nienaber
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B VI Rz. 172
Vermächtnis
zelne kaufrechtliche Vorschriften Bezug genommen wird. Richtig ist wohl eine Haftung nach §§ 280 ff. BGB1. 172
Für das Verschaffungsvermächtnis gelten über § 2182 Abs. 2 BGB angesichts der Rechtsmängelhaftung grundsätzlich die gleichen Regeln wie für das Gattungsvermächtnis. § 2182 Abs. 2 BGB enthält aber durch die Inbezugnahme des § 2170 BGB eine Besonderheit. Ist der Beschwerte zur Verschaffung eines rechtsmängelfreien Vermächtnisgegenstandes nicht in der Lage oder würde diese einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten, so kann der Beschwerte sich durch die Leistung von Wertersatz befreien (§ 2182 Abs. 2 BGB i.V.m. § 2170 Abs. 2 BGB). Der Vermächtnisnehmer kann aber auch verlangen, dass ihm der rechtsmängelbehaftete Gegenstand verschafft und Wertersatz zum Ausgleich der Wertminderung geleistet wird2. cc) Die Sachmängelhaftung beim Gattungsvermächtnis
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Die Sachmängelhaftung ist im Vermächtnisrecht in § 2183 BGB nur für das Gattungsvermächtnis geregelt. Für das Verschaffungsvermächtnis gelten insoweit die Ausführungen zum Stückvermächtnis entsprechend3. Ist die zur Erfüllung des Gattungsvermächtnisses geleistete Sache mit einem Sachmangel behaftet, kann der Vermächtnisnehmer zunächst Nachlieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Hat der Beschwerte den Mangel arglistig verschwiegen, kann der Vermächtnisnehmer statt der Nachlieferung auch Schadenersatz statt der Leistung ohne Nachfristsetzung verlangen. Weiter gehende Ansprüche stehen dem Vermächtnisnehmer nicht zu, denn § 2183 S. 3 BGB verweist nur hinsichtlich „dieser“ Ansprüche, also der in Satz 1 und 2 genannten Ansprüche auf das Kaufrecht. Das Kaufrecht ist demnach nur bezüglich der Abwicklung des Nachlieferungsanspruchs sowie des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung maßgeblich. Dennoch ist umstritten, ob der Vermächtnisnehmer statt der Nachlieferung auch Nachbesserung entsprechend § 439 Abs. 1 BGB verlangen kann4. Eine solche Auslegung geht m.E. aber klar über den Wortlaut des § 2183 BGB hinaus, der eben nicht von „Nacherfüllung“ i.S.d. § 439 BGB, sondern nur von „Lieferung“ spricht. dd) Verjährung
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Die Verjährung von Ansprüchen wegen Rechts- und Sachmängeln richtet sich nach § 438 Abs. 1–3 BGB i.V.m. §§ 2182 Abs. 1 S. 1, 2183 S. 3 BGB und nicht nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB5.
1 So auch Soergel/Wolf, § 2182 Rz. 2. 2 MüKo/Schlichting, § 2182 Rz. 10. 3 Vgl. Rz. 167; Hier kommt bei Verschaffung einer mangelhaften Sache also nur ein Anspruch gem. §§ 280 ff. BGB in Betracht. 4 Dafür: Amend, ZEV 2002, 227 (229); Palandt/Edenhofer, § 2183 Rz. 2; Schlichting, ZEV 2002, 478 (479); dagegen: Otte, ZEV 2004, 9 (12); Soergel/Wolf, § 2183 Rz. 2; Staudinger/Otte, § 2183 Rz. 2. 5 Staudinger/Otte, § 2183 Rz. 4.
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 177 B VI
c) Die Haftung für die Kosten der Vermächtniserfüllung Hat der Erblasser über die Verteilung der Kosten der Erfüllung des Vermächtnisses keine Anordnungen getroffen, so muss der Beschwerte diese tragen1. Da die Kostentragungspflicht zwischen den Hinterbliebenen häufig ein Streitpunkt ist, sollte der Erblasser diesen Punkt ausdrücklich regeln.
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2. Die Haftung des beschwerten Vermächtnisnehmers Bei einem Untervermächtnisnehmer ist der Hauptvermächtnisnehmer im Verhältnis zum Untervermächtnisnehmer beschwert.
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a) Die Beschränkung auf das Erlangte
Û
Beratungssituation: Alleinerbin des Erblassers ist dessen Ehefrau. Seinem Sohn hat der Erblasser ein Mietshaus vermacht. Seiner Tante hat er bis zu ihrem Lebensende die Hälfte der Mieteinnahmen aus diesem Haus vermacht. Der Sohn des Erblassers vereinbart daraufhin mit der Alleinerbin, dass diese ihm das Haus erst übertragen soll, wenn die Tante des Erblassers verstorben ist. Die Tante möchte nun wissen, ob und von wem sie die Mieteinnahmen aus dem Haus erhalten kann.
Die Höhe des Untervermächtnisses ist nicht durch den Wert des Hauptvermächtnisses begrenzt. Der Hauptvermächtnisnehmer kann die Erfüllung des Untervermächtnisses aber insoweit verweigern, als dasjenige, was er aus dem Vermächtnis erhält, zur Erfüllung nicht reicht (§ 2187 Abs. 1 BGB). Entscheidend ist also der dem Hauptvermächtnisnehmer wirtschaftlich tatsächlich zugeflossene Vermögenswert. § 2187 BGB ist aber nicht dahin gehend zu verstehen, dass der Anspruch des Untervermächtnisnehmers erst entsteht, wenn der Hauptvermächtnisnehmer aus dem Vermächtnis tatsächlich etwas erhält. Vielmehr kann der Untervermächtnisnehmer nach angemessener Wartezeit vom Vermächtnisnehmer die Abtretung seines Anspruchs verlangen, um die Durchsetzung des Hauptvermächtnisses selbst zu betreiben. Außerdem kann dem Hauptvermächtnisnehmer die Berufung auf § 2187 BGB verwehrt sein, wenn er es unter Verletzung des Schuldverhältnisses zwischen ihm und dem Untervermächtnisnehmer versäumt hat, seinen Vermächtnisanspruch geltend zu machen2. Im Beispielsfall wird man dem Sohn des Erblassers die Berufung auf § 2187 Abs. 1 BGB im Hinblick auf § 242 BGB versagen müssen, da er das Hauptvermächtnis unter Verletzung seiner Pflichten gegenüber der Tante nicht geltend macht. Denkbar ist aber auch, den Sohn auf Abtretung des Hauptvermächtnisanspruchs zu verklagen und dann die Ehefrau des Erblassers wegen der Erfüllung des Hauptvermächtnisses in Anspruch zu nehmen.
1 BGH v. 20.3.1963 – V ZR 89/62, NJW 1963, 1602 (1604). 2 MüKo/Schlichting, § 2187 Rz. 2.
Nienaber
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177
B VI Rz. 178 178
Vermächtnis
Über § 2187 Abs. 3 BGB gilt für die Beschränkung auf den Wert des Hauptvermächtnisgegenstandes § 1992 BGB. Die Ausführungen zur Überschwerungseinrede des Erben geltend daher entsprechend (vgl. Rz. 163 ff.). An die Stelle des Nachlasswertes tritt dann der Wert des Vermächtnisgegenstandes. b) Das Kürzungsrecht
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Bei einer Kürzung des Vermächtnisses des Hauptvermächtnisnehmers aufgrund der Beschränkung der Haftung des Erben (§ 1990–1992 BGB, vgl. Rz. 163 ff.; § 327 InsO), wegen eines Pflichtteilsanspruchs (§§ 2318, 2322–2324 BGB) oder nach § 2187 BGB (vgl. Rz. 177 f.) kann der Hauptvermächtnisnehmer die Kürzung verhältnismäßig an seine Untervermächtnisnehmer oder Auflagenbegünstigten weitergeben (§ 2188 BGB). § 2188 BGB trägt mit dieser Regelung dem Umstand Rechnung, dass der Erblasser in der Regel Haupt- und Untervermächtnis in einer bestimmten Relation gesehen hat. Dem Erblasser steht es aber frei, eine von § 2188 BGB abweichende Regelung zu treffen. Ist Gegenstand des Untervermächtnisses ein unteilbarer Gegenstand, kann der Untervermächtnisnehmer den Gegenstand nur gegen Zahlung des Kürzungsbetrages verlangen1. Ist der Untervermächtnisnehmer zur Zahlung des Kürzungsbetrages nicht bereit, kann der Hauptvermächtnisnehmer sich durch Zahlung eines gekürzten Wertersatzes befreien2. Ist der Hauptvermächtnisnehmer mit mehreren Untervermächtnissen oder Auflagen beschwert, erfolgt die Kürzung grundsätzlich bei jedem Begünstigten gleichmäßig. Der Erblasser kann aber auch den Vorrang eines Begünstigten anordnen (§ 2189 BGB). Die Kürzung tritt nicht per Gesetz ein, sondern muss als Einrede im Erkenntnisverfahren geltend gemacht werden. c) Die Rechts- und Sachmängelhaftung
180
Für die Rechts- und Sachmängelhaftung des Hauptvermächtnisnehmers gegenüber dem Untervermächtnisnehmer gelten die zur Haftung des beschwerten Erben gemachten Ausführungen entsprechend (vgl. Rz. 167 ff.).
3. Die Haftung bei einer Mehrheit von Beschwerten
Û
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Beratungssituation: Der Mandant möchte sein Vermögen zu gleichen Teilen seinem Sohn und seiner Tochter vererben. Das einzige Enkelkind des Mandanten, der Sohn seiner Tochter, soll 50 000 Euro erhalten. Der Mandant möchte nun wissen, welche Auswirkungen diese Vermächtnisanordnung auf die Erbteile seiner Kinder hat.
Sind mehrere Erben oder mehrere Vermächtnisnehmer mit demselben Vermächtnis beschwert, so sind im Zweifel die Erben nach dem Verhältnis der Erbteile, die Vermächtnisnehmer nach dem Verhältnis des Werts der Vermächtnisse beschwert (§ 2148 BGB). Über seinen Wortlaut hinaus ist § 2148 1 BGH v. 21.12.1955 – IV ZR 105/55, NJW 1956, 507. 2 MüKo/Schlichting, § 2188 Rz. 3.
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 183 B VI
BGB auch anzuwenden, wenn Erben und Vermächtnisnehmer gemeinsam mit einem (Unter-)Vermächtnis beschwert sind. Auch bei einer alternativen Beschwerung verschiedener Personen soll § 2148 BGB Anwendung finden1. Nach herrschender Meinung betrifft die Vorschrift nur das Innenverhältnis der Beschwerten untereinander2. Im Außenverhältnis haften mehrere Beschwerte für dasselbe Vermächtnis als Gesamtschuldner nach den §§ 420 ff., 2058 ff. BGB. Der Ausgleich im Innenverhältnis erfolgt gem. § 2148 BGB nach dem Verhältnis der Erbteile bzw. bei der Beschwerung mehrerer Vermächtnisnehmer nach dem Verhältnis des Werts der Vermächtnisse im Zeitpunkt des Erbfalls. Sind sowohl Erben als auch Vermächtnisnehmer beschwert, ist wie bei der Beschwerung mehrerer Vermächtnisnehmer einheitlich auf den Wert der Zuwendung abzustellen3.
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Im Beispielsfall haften also ohne eine abweichende Anordnung des Erblassers die Tochter und der Sohn für die Vermächtniserfüllung gegenüber dem Enkel als Gesamtschuldner. Im Innenverhältnis müssen beide die Vermächtnislast zu je 50 % tragen. Der Erblasser kann von der Verteilung des § 2148 BGB abweichende Anordnungen treffen. Um insoweit Streit zwischen den Hinterbliebenen zu vermeiden, sollte der Anwalt oder Notar dem Erblasser raten, eine eindeutige Regelung zu treffen, in der er klarstellt, ob die Beschwerten im Außenverhältnis als Gesamtschuldner oder nur nach Anteilen haften und wie die Verteilung im Innen- bzw. Außenverhältnis vorgenommen werden soll4. Solche Anordnungen sind vor allem sinnvoll, wenn der Erblasser Streit unter den Erben über die Erfüllung des Vermächtnisses befürchtet und den Vermächtnisnehmer aus diesem Streit völlig heraushalten möchte.
Formulierungsvorschlag Gesamtschuldnerische Haftung im Außenverhältnis/Verteilungsmaßstab im Innenverhältnis: Hiermit vermache ich meinem Enkel 50 000 Euro. Für die Vermächtniserfüllung haften die Erben als Gesamtschuldner. Im Innenverhältnis der Erben untereinander soll die Vermächtnislast zu drei Viertel meine Tochter und zu einem Viertel meinen Sohn treffen.
1 Vgl. z.B. Palandt/Edenhofer, § 2148 Rz. 2. 2 MüKo/Schlichting, § 2148 Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 2148 Rz. 1; Staudinger/Otte, § 2148 Rz. 4. Nach a.A. wird § 2148 BGB zwar auch grundsätzlich nur Bedeutung im Innenverhältnis beigemessen, für den Fall, dass aber nicht alle Miterben oder nur Vermächtnisnehmer mit einer teilbaren Leistung beschwert sind, soll § 2148 BGB zu einer lediglich anteiligen Haftung auch im Außenverhältnis führen. Vgl. dazu RGRK/Johannsen, § 2148 Rz. 3. 3 MüKo/Schlichting, § 2148 Rz. 9. 4 Vgl. zu den Regelungsmöglichkeiten auch BGH v. 29.5.1964 – V ZR 47/62, NJW 1964, 2298 (2309); Soergel/Wolf, § 2148 Rz. 2.
Nienaber
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183
B VI Rz. 184 184
Vermächtnis
§ 2148 BGB gilt nicht, wenn ein Erbe anstelle eines Pflichtteilberechtigten gesetzlicher Erbe wird und der Pflichtteilsberechtigte der Vermächtnisnehmer ist. Hier hat der Erbe das Vermächtnis in Höhe des erlangten Vorteils zu tragen (§ 2320 Abs. 1 BGB) und kann daher von den anderen Miterben keinen Ausgleich verlangen.
4. Die Haftung des Beschwerten bei Vorerfüllung des Erblassers 185
Obwohl der Vermächtnisanspruch frühestens mit dem Erbfall entstehen kann (vgl. Rz. 138), wird allgemein vertreten, der Erblasser könne den Anspruch auch schon zu Lebzeiten erfüllen1. In der Vorerfüllung durch den Erblasser kann aber auch eine Schenkung liegen2, so dass die Zuwendung ihren Rechtsgrund nicht in dem Vermächtnis hat und somit keine Erfüllung des Vermächtnisanspruchs vorliegt. Liegt keine Erfüllung vor, wird das Stückvermächtnis durch die Übertragung des vermachten Gegenstandes zu Lebzeiten unwirksam (§ 2171 BGB). Beim Gattungsvermächtnis ist es hingegen Auslegungsfrage, ob der Vermächtnisanspruch und damit die Haftung des Beschwerten noch besteht. Denkbar ist hier, dass das Vermächtnis unter der stillschweigenden Bedingung angeordnet worden war, dass der Erblasser den Bedachten nicht noch unter Lebenden befriedigt, oder dass der Erblasser zur Erfüllung des zukünftigen Vermächtnisanspruchs geleistet hat3. Der Erblasser sollte die Folgen seiner Zuwendung unter Lebenden im Hinblick auf das Vermächtnis ausdrücklich festlegen.
XIII. Die Haftung des Vermächtnisnehmers 1. Der Verwendungsersatz 186
Nach § 2185 BGB haftet der Vermächtnisnehmer dem Beschwerten für die nach dem Erbfall auf die Sache gemachten Verwendungen sowie für Aufwendungen, die der Beschwerte nach dem Erbfall zur Bestreitung von Lasten der Sache gemacht hat, nach den Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis. § 2185 BGB gilt wie § 2184 BGB nur für das Stückvermächtnis und nach der h.M. für das Verschaffungsvermächtnis ab dem Zeitpunkt, zu dem der Beschwerte im Besitz des Vermächtnisgegenstandes ist.
187
Nach § 994 BGB kann der Beschwerte für notwendige Verwendungen vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit Ersatz verlangen, danach kommt ein Ersatz nur noch über die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht (§ 994 Abs. 2 BGB). Bösgläubig ist der Beschwerte beim bedingten oder befristeten Vermächtnis nicht erst, wenn er den Anfall des bedingten oder befristeten Vermächtnisses kennt, sondern schon mit der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der Vermächtnisanordnung, sofern der spätere Anfall 1 OLG Hamm v. 14.7.1995 – 10, MDR 1995, 1236; Leipold, JZ 1996, 287 (295). 2 OLG Hamm v. 14.7.1995 – 10, MDR 1995, 1236; OLG München v. 20.6.1989 – 25 NJW-RR 1989, 1410 (1411). 3 OLG Hamm v. 14.7.1995 – 10, MDR 1995, 1236.
426
Nienaber
Vermächtnis
Rz. 188 B VI
nicht zweifelhaft ist1. Für nützliche Verwendungen besteht ein Ersatzanspruch nach § 996 BGB nur vor Eintritt der Rechtshängigkeit oder Bösgläubigkeit. Nach §§ 2185, 994 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Beschwerte keinen Ersatz für die gewöhnlichen Erhaltungskosten während der Zeit verlangen, zu der ihm die Nutzungen verbleiben. Diese Regelung ist im Bereich des Vermächtnisrechts aus zwei Gründen schwierig zu handhaben. Zum einen ist die Frage, wann die Nutzungen dem Beschwerten verbleiben, nach § 2184 BGB nicht pauschal zu beantworten. Zunächst stehen alle Nutzungen, Früchte wie auch sonstige Nutzungen, dem Beschwerten bis zum Anfall des Vermächtnisses zu. Danach verbleiben nach § 2184 S. 2 BGB die Nutzungen, die nicht zu den Früchten gehören (wie z.B. Gebrauchsvorteile), bis zur Vermächtniserfüllung beim Beschwerten, während die Früchte ab dem Anfall des Vermächtnisses dem Vermächtnisnehmer gebühren, § 2184 S. 1 BGB. Die Regelung des § 2185 BGB stellt indes anders als § 2184 S. 1 BGB nicht auf den Anfall des Vermächtnisses ab, sondern regelt den Verwendungsersatz seit dem Erbfall. Aus diesem Zusammenspiel von § 2184 BGB und § 2185 BGB folgt, dass der Beschwerte bis zum Anfall des Vermächtnisses den Ersatz der gewöhnlichen Erhaltungskosten nicht verlangen kann, da ihm hier noch alle Nutzungen inklusive der Früchte gebühren. Nach dem Anfall des Vermächtnisses muss eine schwierige Abgrenzung zwischen den Verwendungen mit Fruchtbezug und den Verwendungen im Hinblick auf Gebrauchsvorteile vorgenommen werden. Hinsichtlich der gewöhnlichen Erhaltungskosten mit Fruchtbezug kommt ein Ersatzanspruch nach Anfall des Vermächtnisses in Betracht, die gewöhnlichen Erhaltungskosten für die beim Beschwerten verbleibenden Gebrauchsvorteile muss der Vermächtnisnehmer indes nicht ersetzen2. Eindeutige Regelungen durch den Erblasser sollten hier für Klarheit sorgen.
2. Die Haftung des Vermächtnisnehmers für Schulden des Erblassers Grundsätzlich gehen die Schulden des Erblassers nach § 1922 BGB auf den Erben über. Geht beim Universalvermächtnis der gesamte Nachlass auf den Vermächtnisnehmer über, haftet der Vermächtnisnehmer nach § 2385 Abs. 1 BGB i.V.m. den §§ 2382, 2383 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten (vgl. Rz. 97). Aber auch beim Stückvermächtnis, das nicht den ganzen Nachlass erfasst, kommt eine Haftung des Vermächtnisnehmers in Betracht. Insofern wurde bereits gezeigt, dass der Vermächtnisnehmer beim Stückvermächtnis in der Regel die Beseitigung der auf seinem Vermächtnisgegenstand ruhenden Belastungen nicht verlangen kann (vgl. Rz. 168). Ist also z.B. ein Vermächtnisgrundstück mit einer Hypothek oder Grundschuld belastet, so wird das Grundstück zur Vermächtniserfüllung im Zweifel mit der Belastung übertragen, so dass der Vermächtnisnehmer für die Hypothek bzw. Grundschuld mit dem Grundstück haftet. Die der Belastung zugrunde liegende persönliche Forderung geht dagegen in der Regel nicht auf den Vermächtnisnehmer über (vgl. Rz. 168). Der Erblasser kann den Vermächtnisnehmer indes durch eine abwei-
1 BGH v. 6.3.1991 – IV ZR 114, NJW 1991, 1736 (1739). 2 Vgl. dazu auch MüKo/Schlichting, § 2185 Rz. 4.
Nienaber
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B VI Rz. 189
Vermächtnis
chende Anordnung verpflichten, die persönliche Schuld zu tilgen. Insoweit ist z.B. die Anordnung eines Untervermächtnisses zugunsten des Erben denkbar, durch das ihm ein Anspruch auf Befreiung von der persönlichen Schuld gegen den Hauptvermächtnisnehmer vermacht wird. Da die Frage, wer die Belastungen eines Vermächtnisgegenstandes bzw. die zugrunde liegenden persönlichen Schulden des Erblassers zu tragen hat, häufig ein Anlass für Streit zwischen den Hinterbliebenen des Erblassers ist, empfiehlt es sich dringend, diese Fragen in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich zu regeln. 189
Nur ausnahmsweise besteht für den Vermächtnisnehmer auch ohne eine entsprechende Anordnung des Erblassers eine gesetzliche Verpflichtung zur Tilgung einer persönlichen Schuld des Erblassers. Nach § 2166 Abs. 1 BGB ist der Vermächtnisnehmer gegenüber dem Erben zur Berichtigung einer persönlichen Schuld verpflichtet, wenn das Vermächtnisgrundstück mit einer Hypothek für eine Schuld des Erblassers oder für eine Schuld, zu deren Berichtigung der Erblasser gegenüber dem Schuldner verpflichtet ist, belastet ist. Hier ist der Vermächtnisnehmer im Innenverhältnis gegenüber dem Erben im Zweifel zur Befriedigung des Gläubigers insoweit verpflichtet, als der Wert des Grundstückes ausreicht (§ 2166 Abs. 1 S. 1 BGB). § 2166 BGB wird entsprechend auf Grundschulden angewendet, die eine persönliche Schuld sichern1. § 2166 Abs. 1 BGB betrifft nur die Verpflichtung des Vermächtnisnehmers gegenüber dem Erben im Innenverhältnis. Im Außenverhältnis zum Gläubiger haftet der Vermächtnisnehmer für die persönliche Schuld nicht. Tilgt der Erbe die persönliche Schuld, obwohl er insoweit einen Anspruch gegen den Vermächtnisnehmer hatte, geht die Hypothek bis zur Höhe des Grundstückswerts auf ihn über (§ 1164 BGB). Befriedigt der Vermächtnisnehmer den Gläubiger indes über den Wert des Grundstücks hinaus, so erwirbt er in Höhe des überschießenden Betrages die persönliche Forderung (§ 1143 BGB). Bei einer Höchstbetragshypothek mit ständig wechselnden zugrunde liegenden Forderungen (§ 1190 BGB) gilt § 2166 Abs. 1 BGB nicht (§ 2166 Abs. 3 BGB). § 2166 Abs. 3 BGB gilt entsprechend für eine einen Kontokorrentkredit sichernde Grundschuld2. Der Erblasser kann von § 2166 BGB abweichende Regelungen treffen. Interessengerecht dürfte insoweit meist eine Regelung sein, nach der der Bedachte die gesicherte persönliche Schuld zu tragen hat, wenn diese einen Bezug zum Grundstück aufweist bzw. diesem zugute kommt.3
1 BGH v. 20.6.1962 – V ZR 219/60, NJW 1962, 1715; BGH v. 22.5.1963 – V ZR 112/61, NJW 1963, 1612; OLG München 19.2.1975 – 12 U 3934/74, NJW 1975, 1521. 2 BGH v. 20.6.1962 – V ZR 219/60, BGHZ 37, 233 (246); Soergel/Wolf, § 2166 Rz. 2. 3 Grunewald/Rizor (ZEV 2008, 510, 511) wollen Grundschulden in analoger Anwendung von § 2166 Abs. 3 BGB auch ohne eine entsprechende Regelung des Erblassers vom Anwendungsbereich des § 2166 Abs. 1 BGB ausnehmen, wenn sie eine Forderung absichern, die keinen Bezug zum Grundstück aufweist und diesem auch nicht zugute kommt.
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Nienaber
Vermächtnis
Rz. 192 B VI
XIV. Die steuerrechtliche Behandlung des Vermächtnisses Entscheidender Aspekt für die Ausgestaltung letztwilliger Verfügungen sind häufig die steuerrechtlichen Konsequenzen der Anordnungen des Erblassers. Insofern wurde bereits bei besonderen Vermächtnisarten auf die steuerrechtlichen Aspekte eingegangen (vgl. z.B. Rz. 104 f., 119).
190
1. Die Erbschaftsteuer Allgemein unterliegt der Erwerb durch Vermächtnis der Erbschaftsteuer (§§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG)1. Steuerschuldner ist der Vermächtnisnehmer. Abweichend vom Zivilrecht wird der Vermächtnisnehmer im Steuerrecht so behandelt, als sei ihm der Vermächtnisgegenstand direkt vom Erben zugewandt2. Der Wert des Vermächtnisses bestimmt sich dementsprechend nach dem Wert des vermachten Gegenstandes und nicht nach dem Wert des Vermächtnisanspruchs3. Neben dem Vermächtnisnehmer haftet auch der Nachlass bis zur Erfüllung der Vermächtnisforderung für die Erbschaftsteuer auf den Vermächtnisgegenstand (§ 20 Abs. 1, 3 ErbStG).
191
Als Nachlassverbindlichkeit mindert das Vermächtnis die Steuerschuld des Erben (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG), natürlich mit Ausnahme des Vorausvermächtnisses (§ 10 Abs. 9 ErbStG). Ist das Vermächtnis unwirksam, ist es dennoch erbschaftsteuerrechtlich zu erfassen, wenn es einer (unwirksamen) Anordnung des Erblassers entsprechend erfüllt wird4. Eine Minderung der Steuerschuld des Erben nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG kommt allerdings nicht in Betracht, wenn das Vermächtnis erst beim Tod des Erben anfällt, da es hier an einer wirtschaftlichen Belastung des Erben fehlt5. Ob eine Abzugsfähigkeit zu bejahen ist, wenn ein Fälligkeitstermin unabhängig vom Tod des Erben bestimmt wird (Korrektur des ursprünglichen Erbschaftssteuerbescheides), ist gerichtlich noch nicht geklärt und insbesondere dann zweifelhaft, wenn von vornherein klar ist, dass der Fälligkeitszeitpunkt nach dem Tod des Erben liegen wird6.
191a
Die Steuerschuld entsteht mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 ErbStG) bzw. mit dem Eintritt der Bedingung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG). Dieser Zeitpunkt ist nach § 11 ErbStG auch maßgeblich für die Wertermittlung. Da der Vermächtnisnehmer mit dem Tod des Erblassers zunächst nur den schuldrechtlichen Vermächtnisanspruch und nicht den Vermächtnisgegenstand
192
1 Der Erwerb durch Vermächtnis kann allerdings steuerrechtlich als entgeltlich zu beurteilen sein, wenn der Vermächtnisnehmer mit einem Untervermächtnis belastet ist, das den Wert des Vermächtnisses annähernd ausgleicht (BFH v. 13.11.2002 – 1 R 11000, ZEV 2003, 255, 256). 2 BGH v. 18.7.1972 – VIII R 17/68, BStBl. II 1972, 874 (875). 3 Ebenroth, Erbrecht, Rz. 450. 4 BFH v. 28.3.2007 – II R 25/05, ZEV 2007, 343; BFH v. 7.10.1981 – II R 16/80, NJW 1982, 407. 5 Everts, NJW 2008, 557, 558. 6 Dafür Everts, NJW 2008, 557, 558.
Nienaber
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B VI Rz. 193
Vermächtnis
selbst erhält, war vor Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 insbesondere für Grundstücksvermächtnisse unklar, ob der Vermächtnisanspruch entsprechend seiner Natur als schuldrechtlicher Anspruch mit dem gemeinen Wert (§§ 12 I ErbStG, 9 BewG) oder mit dem u.U. günstigeren Steuerwert des Vermächtnisgegenstandes selbst anzusetzen war.1 Da nach jetzt geltendem Recht (§ 177 BewG) Grundstücke ohnehin mit dem gemeinen Wert bewertet werden2, gilt dies ebenso für den hierauf gerichteten Vermächtnisanspruch, so dass sich die Diskussion um eine Schlechterstellung des Vermächtnisnehmers im Vergleich zum Erben erledigt hat.
2. Die Einkommensteuer 193
Nach der Übertragung des Vermächtnisgegenstandes auf den Vermächtnisnehmer sind die Einkünfte aus dem Vermächtnisgegenstand vom Vermächtnisnehmer zu versteuern. Vor dem Vollzug des Vermächtnisses sind die Einkünfte einkommensteuerrechtlich dagegen grundsätzlich dem Erben zuzurechnen3. Die Regelung, dass der Erbe vor der Übertragung des Vermächtnisses die aus dem Vermächtnis erzielten Einkünfte versteuern muss, ist problematisch, da die Einkünfte aus dieser Zeit ohne Abzug der hierauf entfallenden Steuerlast an den Vermächtnisnehmer herauszugeben sind (§ 2184 S. 1 BGB; vgl. Rz. 160 ff.). Dieses Auseinanderfallen von zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Behandlung der Einkünfte zwischen Anfall und Erfüllung des Vermächtnisses4 kann durch eine abweichende Testamentsgestaltung vermieden werden, etwa indem angeordnet wird, dass die Einkünfte bis zur Erfüllung des Vermächtnisses entgegen § 2184 BGB dem Erben verbleiben sollen oder die Herausgabeverpflichtung nach § 2184 BGB nur unter Abzug der Steuerbelastung bestehen soll5. Zudem besteht die Möglichkeit, auch steuerrechtlich die Einkunftserzielung dem Vermächtnisnehmer zuzurechnen, sofern er als wirtschaftlicher Eigentümer des Vermächtnisgegenstandes schon ab dem Erbfall angesehen werden kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Das ist jedenfalls der Fall, wenn er die tatsächliche Sachherrschaft in der Weise ausübt, dass er den Erben wirtschaftlich von der Einwirkung auf den Vermächtnisgegenstand ausschließen kann6.
1 In einem viel kritisierten obiter dictum hatte der BFH angekündigt, Grundstücksvermächtnisse zukünftig abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung mit dem gemeinen Wert zu bewerten (BFH v. 2.7.2004 – II R 902, ZEV 2004, 474, 475). 2 Vgl. zum Fokus des ErbStRG auf den gemeinen Wert und Begünstigungsregelungen z.B. Hannes/Onderka, ZEV 2009, 10; Hölzerkopf/Bauer, BB 2009, 20. 3 BFH v. 5.7.1990 – GrS 2/89, BFHE 161, 332; BFH v. 24.9.1991 – VIII R 349/83. 4 Tiedtke/Peterek sprechen hier von einer Steuerfalle (ZEV 2007, 349). 5 von Oertzen, ZEV 1991, 459 (460). 6 BFH v. 5.5.1983 – IV R 43/80, BFHE 139, 36; BFH v. 27.9.1988 – VIII R 193/83, BFHE 154, 525; BFH v. 24.9.1991 – VIII R 349/99; Tiedtke/Peterek (ZEV 2007, 349, 352) bejahen unabhängig von einer tatsächlichen Sachherrschaft das wirtschaftliche Eigentum des Vermächtnisnehmer, indem sie den Erben als Treuhänder ansehen.
430
Nienaber
Vermächtnis
Rz. 195 B VI
3. Die Besonderheiten beim Nachvermächtnis und beim bedingten Vermächtnis Das Nachvermächtnis wird erbschaftsteuerrechtlich wie eine Nacherbschaft behandelt (§ 6 Abs. 4 ErbStG). Tritt der Anfall des Nachvermächtnisses also mit dem Tod des Vorvermächtnisnehmers ein, so ist der Erwerb als vom Vorvermächtnisnehmer stammend zu versteuern, so dass Vor- und Nachvermächtnisnehmer grundsätzlich doppelt besteuert werden. Der Nachvermächtnisnehmer kann allerdings die Besteuerung nach dem Verhältnis zum Erblasser beantragen (§ 6 Abs. 2 ErbStG). Das Verhältnis des Nachvermächtnisnehmers zum Erblasser ist ohnehin immer entscheidend, wenn der Nachvermächtnisfall durch einen anderen Umstand als den Tod des Vorvermächtnisnehmers eintritt (§ 6 Abs. 4, Abs. 3 ErbStG). Tritt der Nachvermächtnisfall nicht durch den Tod des Vorvermächtnisnehmers ein, hat der Nachvermächtnisnehmer zudem den Vorteil, dass er sich bei seiner Steuerbelastung den vom Vorvermächtnisnehmer zu viel gezahlten Steuerbetrag anrechnen lassen kann, der dadurch entstanden ist, dass der Erwerb des Vermächtnisgegenstandes beim Vorvermächtnisnehmer nicht dauerhaft war (§ 6 Abs. 3 ErbStG). Eine Berichtigung der Erbschaftsteuerveranlagung des Vorvermächtnisnehmers kommt nicht in Betracht1. Hierdurch muss der Vorvermächtnisnehmer mehr Steuern zahlen, als es seiner tatsächlichen Bereicherung entspricht, während der Nachvermächtnisnehmer sich steuerlich günstiger steht.
194
Dieses ungerechte Ergebnis wird teilweise zu verhindern versucht, indem das Nachvermächtnis, zumindest wenn es nicht beim Tod des Vorvermächtnisnehmers anfällt, entsprechend seiner zivilrechtlichen Rechtsnatur auch im Steuerrecht als bedingtes Vermächtnis behandelt wird. Für das bedingte Vermächtnis gilt § 9 Nr. 1a ErbStG i.V.m. §§ 4 ff. BewG. Hier findet eine Verrechnung nach § 6 Abs. 3 ErbStG nicht statt, sondern es erfolgt eine Korrektur der ursprünglichen Veranlagung des Vorerwerbers gem. § 5 Abs. 2 BewG2. Angesichts der Regelung des § 6 Abs. 3 ErbStG wird sich diese Konstruktion bei den Finanzbehörden aber nur schwer durchsetzen können. Um insoweit Ungerechtigkeiten auszugleichen, kann der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung etwa im Wege einer Auflage oder eines Untervermächtnisses anordnen, dass der Nachvermächtnisnehmer dem Vorvermächtnisnehmer den Steuernachteil auszugleichen hat.
195
Formulierungsvorschlag Hiermit vermache ich das Grundstück X meinem Sohn. Zulasten meines Sohnes bestimme ich ferner, dass das Grundstück X meinem Enkel als Nachvermächtnisnehmer mit Vollendung seines 21. Lebensjahres zustehen soll. Im Wege des Untervermächtnisses ordne ich an, dass mein Enkel meinem Sohn aus den Erträgen des Grundstücks einen Ausgleich in der Höhe des Steuervorteils zahlen 1 Bengel, NJW 1990, 1826 (1830). 2 Vgl. dazu Bengel, NJW 1990, 1826 (1830).
Nienaber
431
B VI Rz. 196
Vermächtnis
muss, den er dadurch erhält, dass er sich den von meinem Sohn zu viel gezahlten Steuerbetrag nach § 6 Abs. 3 ErbStG anrechnen lassen kann.
4. Das Nießbrauchsvermächtnis 196
Da steuerrechtliche Aspekte für die Anordnungen eines Nießbrauchsvermächtnisses häufig im Vordergrund stehen, wurden diese bereits dargestellt (vgl. Rz. 104 f., 119), sollen hier aber noch einmal kurz zusammengefasst werden. Die Erbschaftsteuer des Nießbrauchsvermächtnisnehmers wird lediglich nach dem Kapitalwert des Nießbrauchs bemessen, wobei ein Wahlrecht zwischen einer einmaligen oder einer jährlichen Versteuerung besteht (§ 23 ErbStG).
197
Einkommensteuerrechtlich werden die Einkünfte aus dem Nießbrauch dem Nießbraucher zugerechnet. Der Nießbrauchsvermächtnisnehmer kann vom Erblasser getätigte Anschaffungs- und Herstellungskosten nach dessen Tod nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs1 nicht abschreiben, da die Anschaffungs- und Herstellungskosten gem. § 1922 Abs. 1 BGB nicht dem Vermächtnisnehmer, sondern dem Erben zugerechnet werden.
198
Die steuerrechtliche Behandlung des Unternehmensnießbrauchs ist nach wie vor nicht befriedigend gelöst (vgl. auch Rz. 119). Hat der Nießbraucher allerdings nur einen Ertragsnießbrauch, werden seine Einkünfte meist als vom Nießbrauchsbesteller abgeleitet nach § 22 Nr. 1 EStG versteuert, und für den Nießbrauchsbesteller werden die an den Nießbraucher abgeführten Beträge als dauernde Last angesehen, die er nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG abziehen kann. Beim echten Unternehmensnießbrauch werden die Einkünfte indes direkt beim Nießbraucher versteuert.
5. Das Rentenvermächtnis 199
Das Rentenvermächtnis ist erbschaftsteuerrechtlich vom Bedachten nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Kapitalwert zu versteuern und kann vom Beschwerten in Abzug gebracht werden. Einkommensteuerrechtlich muss der Bedachte die laufenden Rentenbeträge nach § 22 Nr. 1a EStG mit dem Ertragsanteil abzüglich der Werbungskosten versteuern, der Beschwerte kann die Rente nur in dieser Höhe nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG als Sonderausgabe geltend machen. Anders werden allerdings Renten behandelt, die unabhängig von der Lebenszeit eines Menschen mindestens zehn Jahre lang zu zahlen sind. Sie werden in voller Höhe als Einnahmen bzw. Ausgaben berücksichtigt.
1 BFH v. 28.9.1993 – IX 156/88, NJW 1994, 2783 (2784) entgegen der zuvor bestehenden Rechtslage.
432
Nienaber
Vermächtnis
Rz. 200 B VI
XV. Das Vermächtnis in der Insolvenz Im Falle der Nachlassinsolvenz gehen nach § 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Verbindlichkeiten aus vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen den in § 39 InsO bezeichneten Verbindlichkeiten und den Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten nach. Ein Vermächtnis, durch welches das Recht des Bedachten auf den Pflichtteil nach § 2307 BGB ausgeschlossen wird, steht im Rang den Pflichtteilsansprüchen gleich, soweit es den Pflichtteil nicht übersteigt (§ 327 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Verbindlichkeiten mehrerer Vermächtnisnehmer bzw. Auflagenbegünstigter werden gleichrangig nach dem Verhältnis ihrer Beträge erfüllt. Von dieser gleichmäßigen Befriedigung kann der Erblasser abweichende Bestimmungen treffen (§ 327 Abs. 2 S. 2 BGB). Ist das Vermächtnis nicht auf einen Geldbetrag gerichtet, so ist es mit einem Geldwert geltend zu machen (§ 45 InsO). Ist der Vermächtnisanspruch schon vor Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens erfüllt worden, kann die Erfüllung wie eine unentgeltliche Leistung des Erben nach § 322 InsO angefochten werden.
Nienaber
433
200
VII. Das gemeinschaftliche Testament (§§ 2265–2273 BGB) Schrifttum: Battes, Gemeinschaftliches Testament und Ehegattenerbvertrag als Gestaltungsmittel für die Vermögensordnung der Familie, 1974; Dippel, Zur Auslegung von Wiederverheiratungsklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen, AcP 177 (1977), 349; Ebeling, Korrekturvermächtnisse im Berliner Testament und deren erbschaftsteuerliche Folgen, ZEV 2000, 87; Edenfeld, Auslegungsprobleme bei Wünschen des Erblassers: Erbenbindung oder moralischer Appell?, ZEV 2004, 141; Edenfeld, Europäische Entwicklungen im Erbrecht, ZEV 2001, 457, 461; Helms, Der Widerruf und die Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen bei Geschäfts- und Testierunfähigkeit, DNotZ 2003, 104; Hülsmann, Berliner Testament – Steuerreduzierung beim Schlusserben, NWB 2007, 1585; Jünemann, Rechtsstellung und Bindung des überlebenden Ehegatten bei vereinbarter Wiederverheiratungsklausel im gemeinschaftlichen Testament, ZEV 2000, 81; Keim, Regelungen für den gemeinsamen und gleichzeitigen Tod im Ehegattentestament, ZEV 2005, 10; Lehmann, Die Zukunft des deutschen gemeinschaftlichen Testaments in Europa, ZEV 2007, 193; Leipold, Die neue Lebenspartnerschaft aus erbrechtlicher Sicht, insbesondere bei zusätzlicher Eheschließung, ZEV 2001, 218; Litzenburger, Die interessengerechte Gestaltung des gemeinschaftlichen Testaments von Eltern zugunsten behinderter Kinder, RNotZ 2004, 138; Mayer, Zur Wechselbezüglichkeit bei gemeinschaftlichen Testamenten, ErbR 2007, 38, 81; Meier-Kraut, Zur Wiederverheiratungsklausel in gemeinschaftlichen Testamenten mit Einheitslösung, NJW 1992, 143; Mittenzwei/Rohlfing, Der Erklärungsgegner bei der Anfechtung eines Erbvertrags oder gemeinschaftlichen Testaments, ZEV 2003, 49; Musielak, Die Bindung an wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament, ZErb 2008, 189; Pfeiffer, Das gemeinschaftliche Ehegattentestament – Konzept, Bindungsgrund und Bindungswirkungen, FamRZ 1993, 1266; Proff, Das gemeinschaftliche Testament von Nichtehegatten, ZErb 2008, 254; Schmucker, Die Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten in der Rechtsprechung des BayObLG, MittBayNot 2001, 526; Schmucker, Die Bindung beim gemeinschaftlichen Testament und Erbvertrag, ZNotP 2006, 414; Simshäuser, Auslegungsfragen bei Wiederverheiratungsklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen, FamRZ 1972, 273; Steiner, Gestaltungspraxis gemeinschaftlicher Testamente und Erbverträge bei gemischtnationalen Ehen, insbesondere bei deutschösterreichischen Ehepaaren, ZEV 2004, 362; Wacke, Gemeinschaftliche Testamente von Verlobten, FamRZ 2001, 457; Wilhelm, Wiederverheiratungsklausel, bedingte Erbeinsetzung und Vor- und Nacherbfolge, NJW 1990, 2857.
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Errichtung 1. Die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Errichtung als eigenhändiges Testament . . . . . . . . . . . aa) Form des § 2247 BGB. . . . bb) Form des § 2267 BGB. . . . b) Die Errichtung als ordentliches öffentliches Testament .
434
Edenfeld
Rz. 1 3 8 9 10 11 17
Rz. c) Die Errichtung als Nottestament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Errichtungszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die allein gegenseitige Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das gegenseitige gemeinschaftliche Testament 1. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Erblasser . . . . . . . . . . . . . . . .
20 21 25
30
Gemeinschaftliches Testament
Rz. 1 B VII Rz.
a) Die Einheitslösung (Vollerbschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachteile . . . . . . . . . . . . . . b) Die Trennungslösung (Vorund Nacherbschaft) . . . . . . . . aa) Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachteile . . . . . . . . . . . . . . c) Das Nießbrauchsvermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Trennungslösung a) Einsetzung der Vor- und Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . b) Befreiung des Vorerben . . . . . c) Pflichtteilsklauseln . . . . . . . . d) Wiederverheiratungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Berliner Testament a) Die Auslegungsregeln des § 2269 BGB . . . . . . . . . . . . . . . b) Einsetzung des Voll- und Schlusserben . . . . . . . . . . . . . . c) Pflichtteilsklauseln . . . . . . . . aa) Die Verwirkungsklausel . bb) Die Jastrow’sche Formel . cc) Der Pflichtteilsverzicht . d) Wiederverheiratungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anordnung eines Vermächtnisses . . . . . . . . . . . bb) Die bedingte Vor- und Nacherbschaft . . . . . . . . .
31 33 37 42 44 49 52
55 58 59 61
63 66 72 75 77 79 80 83 86
III. Die wechselbezüglichen Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Die Wechselbezüglichkeit
a) Bedeutung und Rechtsfolge . b) Ermittlung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gegenseitige Zuwendungen (§ 2270 Abs. 2 Alt. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . bb) Zuwendungen an Dritte (§ 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Widerlegung der Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen . . . . . . . . . . . . a) Der Widerruf zu Lebzeiten der Ehegatten (§ 2271 Abs. 1 BGB). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausschluss neuer Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Widerruf nur in der Form des § 2296 BGB . . . b) Der Widerruf nach dem Tod eines Ehegatten (§ 2271 Abs. 2 BGB) . . . . . . . . aa) Die Ausschlagung (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB) . bb) Die Anfechtung (§§ 2281 ff. BGB analog) . cc) Der Änderungsvorbehalt 3. Der Schutz der Endbedachten vor lebzeitigen Verfügungen des überlebenden Ehegatten . . . a) Die frühere „Aushöhlungsnichtigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . b) Die entsprechende Anwendung der §§ 2287, 2288 BGB
Rz. 101 105
107
108 111 113
114 115 118
123 126 132 140
144 145 146
IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . 152
Vorbemerkung Die bürgerlich-rechtliche Ehe ist eine Lebens-, Wirtschafts- und Schicksalsgemeinschaft. Viele Ehegatten wollen nicht nur ihr Leben zusammen gestalten, sondern auch die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse für die Zeit nach ihrem Tod gemeinsam regeln. Dabei wird eine doppelte Zielrichtung verfolgt. Zum einen wird der überlebende Ehegatte abgesichert. Er soll zeitlebens über das gemeinsam Erarbeitete verfügen können. Andererseits soll das Vermögen nicht auf Dauer in seinen Familienzweig fallen. Es soll nach dessen Tod möglichst ungeschmälert den gemeinsamen Abkömmlingen zugute kommen.
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1
B VII Rz. 2
Gemeinschaftliches Testament
2 Das Gesetz gibt den Ehegatten das gemeinschaftliche Testament als Gestaltungsmittel an die Hand. Es hat sich in der Rechtspraxis bewährt und gilt noch heute als die für Eheleute ratsamste Art, von Todes wegen zu verfügen1. Dabei ist eine Reihe formaler, materiell- und steuerrechtlicher Aspekte zu beachten. Das gemeinschaftliche Testament ist in den §§ 2265 bis 2273 BGB geregelt und weist im Vergleich zum Einzeltestament wichtige Besonderheiten auf. Dazu gehören einzelne Formerleichterungen und gewisse Bindungswirkungen. Nachfolgend werden seine Errichtung (dazu I., Rz. 3 ff.), die rechtlichen Besonderheiten des gegenseitigen gemeinschaftlichen Testaments (dazu II., Rz. 30 ff.) und die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen (dazu III., Rz. 100 ff.) erörtert. Der Anhang (IV., Rz. 152) enthält eine Aufzählung der wichtigsten Aspekte, auf die in der Praxis bei der Errichtung gemeinschaftlicher Testamente zu achten ist. Erbschaftsteuerrechtlich ist zu beachten, dass das gemeinschaftliche Testament bei großen Nachlässen zu Nachteilen führen kann: Das Vermögen des zuerst Versterbenden wird zweimal der Erbschaftsteuer unterworfen, die Freibeträge der Kinder können nur einmal – beim Tod des zweiten Elternteils – geltend gemacht werden und die Steuerprogression verschärft sich beim Tod des zweiten Ehegatten, bei dem sich das gesamte Vermögen angesammelt hat. Zu den steuerlichen Optimierungsmöglichkeiten in diesen Fällen s. Teil D. Rz. 182 ff.
I. Die Errichtung
Û
Beratungssituation: Ein junges und noch kinderloses Ehepaar erkundigt sich, wie sich die Partner gegenseitig zu Erben einsetzen können. Im Rahmen der erbrechtlichen Nachfolgeregelung soll der Überlebende den Erstversterbenden unbeschränkt beerben. Der Berater verweist auf die Möglichkeit eines gemeinschaftlichen Testaments. Die Eheleute fragen nach dessen Voraussetzungen.
1. Die Beteiligten 3 a) Ein gemeinschaftliches Testament liegt vor, wenn mehrere Erblasser ihren letzten Willen gemeinschaftlich erklären. Anders als der Erbvertrag (§§ 2274 ff. BGB) hat es keine Doppelnatur. Trotz der Gemeinschaftlichkeit der Errichtung verfügt jeder von ihnen einseitig für den Fall seines Todes über sein Vermögen. Es handelt sich um zwei Testamente mit gemeinschaftlichem Verfügungswillen. Nach § 2265 BGB kann ein gemeinschaftliches Testament nur durch Ehegatten errichtet werden. Sie regeln ihre Erbfolge gemeinsam. Gleiches gilt nach § 10 Abs. 4 LPartG für eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner. Nichtehegatten wie Geschwister oder Verlobte dürfen nicht in dieser Weise testieren. Wollen sie gemeinschaftlich verfügen, müssen sie den 1 Sogar zur Ergänzung eines Erbvertrags, vgl. BayObLG v. 20.2.2003 – 1 Z BR 77/02, NJW-RR 2003, 658.
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 5 B VII
Erbvertrag wählen. Auch die nachfolgende Ehe macht eine vorher errichtete gemeinsame Verfügung nicht wirksam. Verlobte können nicht „für den Fall der Eheschließung“ gemeinsam testieren. Ein gemeinschaftliches Testament unverheirateter Personen ist unwirksam. b) Haben Nichtehegatten zusammen in einer Urkunde verfügt, darf es der Berater nicht bei der Feststellung der Nichtigkeit belassen. Er muss an die Möglichkeit einer Umdeutung (§ 140 BGB) der Erklärungen in Einzeltestamente denken.
Û
4
Beratungssituation: Zwei Geschwister bestimmen für den Fall ihres Todes, dass jeder von ihnen als Alleinerbe des anderen eingesetzt wird. Der Bruder hat den gesamten Text eigenhändig geschrieben und unterschrieben, die Schwester lediglich unterschrieben. Nach dem Tod des Bruders fragt die Schwester, ob sie ihn aufgrund des Testaments beerbt hat.
Als Nichtehegatten konnten die Geschwister kein gemeinschaftliches Testament errichten, § 2265 BGB. Sie durften nicht in der für Ehegatten zugelassenen Form des § 2267 BGB testieren. Fraglich ist, ob zumindest die letztwillige Verfügung des Bruders nach § 140 BGB aufrechterhalten werden kann. Sie ist – anders als die der Schwester – eigenhändig geschrieben und unterschrieben, wahrt also die Form des § 2247 BGB. Das Reichsgericht1 hat in einem ähnlichen Fall die Umdeutung verneint. § 2265 BGB enthalte ein Verbot für Nichtehegatten, um Auslegungszweifel zu vermeiden. Das wird heute einhellig2 abgelehnt. Nach überwiegender Auffassung3 können von Nichtehegatten gemeinsam errichtete Testamente als Einzeltestamente aufrechterhalten werden, wenn sie deren Form genügen. Der herrschenden Meinung ist zuzustimmen. Das Gesetz lässt in den §§ 2084, 2085 BGB die Tendenz erkennen, dass der Wille des Erblassers möglichst verwirklicht werden soll. Auslegungsschwierigkeiten bei gemeinsam errichteten Testamenten sind kein Argument, ihnen die Wirksamkeit abzusprechen. § 2265 BGB stellt nur die Geltung der §§ 2266 ff. BGB für Ehegattentestamente klar. Ob auch wechselbezügliche Verfügungen (zum Begriff unten Rz. 101) nicht verheirateter Personen aufrechterhalten werden können, lässt sich nicht allgemein beantworten. Maßgeblich ist die Auslegung im Einzelfall. Die Umdeutung scheitert, wenn die eine Verfügung ohne die andere hinfällig sein soll, § 158 BGB. Im obigen Beispiel muss der hypothetische Wille des Bruders ermittelt werden. Ergibt die Auslegung, dass er seine Schwester auch in Kenntnis der Nichtigkeit ihrer letztwilligen Verfügung zur Alleinerbin eingesetzt hätte, kann seine Verfügung als Einzeltestament isoliert auf1 RG v. 20.5.1915 – Rep. IV. 699/14, RGZ 87, 33 (34). 2 BGH v. 16.6.1987 – IVa ZR 74/86, DNotZ 1988, 178 m.w.N.; KG v. 5.12.1968 – 1 W 4146/68, FamRZ 1969, 172. 3 KG v. 15.8.1972 – 1 W 2500/71, NJW 1972, 2133 (2137); OLG Frankfurt v. 8.3.1976 – 20 W 98/76, FamRZ 1979, 347; BayObLG v. 27.4.1993 – I Z BR 120/92, FamRZ 1993, 1370 (1370 f.); OLG Braunschweig v. 21.4.2005 – 2 W 225/04 – OLGReport 2006, 283; Kanzleiter, DNotZ 1973, 133 ff.
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5
B VII Rz. 6
Gemeinschaftliches Testament
rechterhalten werden. Zu beachten ist, dass die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB bei Nichteheleuten nicht gilt. 6 c) Die Ehe muss bestehen. Bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments gehen die Eheleute vom Bestand ihrer Ehe bis zum Tod aus. Im Normalfall testieren sie nicht gemeinschaftlich, wenn sie mit dem Scheitern der Ehe rechnen. Dem trägt das Gesetz Rechnung. Mit der Auflösung der Ehe entfällt die Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments, §§ 2268 Abs. 1, 2077 BGB. Das entspricht dem vermuteten Willen der Erblasser. Es können jedoch triftige Gründe dafür bestehen, dass die Erblasser ihre letztwillige Verfügung auch für den Fall getroffen hätten, dass die Ehe scheitert. Die Auslegungsregel des § 2268 Abs. 2 BGB macht daher von der Nichtigkeitsfolge eine Ausnahme: Wird die Ehe durch rechtskräftiges Scheidungs- (§ 1564 BGB), Aufhebungsurteil (§ 1313 BGB) oder durch Wiederverheiratung nach vorausgegangener Todeserklärung (§ 1319 BGB) aufgelöst oder liegt einer der Tatbestände des § 2077 Abs. 1 S. 2 oder 3 BGB vor, wird das gemeinschaftliche Testament erst im Zweifel unwirksam. 7 Die Verfügungen bleiben insoweit gültig, als anzunehmen ist, dass sie auch für diesen Fall getroffen sein würden. Haben sich die Ehegatten gegenseitig und wechselbezüglich (dazu Rz. 100 ff.) bedacht, behalten über § 2268 Abs. 2 BGB fortgeltende wechselbezügliche Verfügungen auch nach Scheidung der Ehe ihre Wechselbezüglichkeit und können nicht nach § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB durch einseitige Verfügung von Todes wegen aufgehoben werden1. Haben sie sich nicht gegenseitig, sondern hat jeder die gemeinschaftlichen Kinder zu Erben seines Vermögens eingesetzt, spricht einiges für die Wirksamkeit beider Erbeinsetzungen2. Im Übrigen ist auch hier die Umdeutung in Einzeltestamente zu erwägen. Die Auslegungsregel des § 2268 Abs. 2 BGB erfasst über ihren Wortlaut hinaus den Fall, dass der Beklagte oder Antragsgegner vor Abschluss des anhängigen Ehescheidungs- oder Aufhebungsverfahrens verstirbt3.
2. Die Form 8 Wie jedes Testament kann das gemeinschaftliche in der Form des eigenhändigen Testaments, des ordentlichen öffentlichen Testaments und des Nottestaments errichtet werden. a) Die Errichtung als eigenhändiges Testament 9 Beim gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament haben die Eheleute die Wahl: 1 BGH v. 7.7.2004 – IV ZR 187/03, BGHReport 2004, 1420, 1421 mit Anm. Waldner; a.A. Muscheler, DNotZ 1994, 733, 740 ff. 2 Vgl. OLG Frankfurt v. 27.6.1978 – 20 W 448/78, RPfleger 1978, 412 (413); BayObLG v. 8.6.1993 – 1 Z BR 95/92, FamRZ 1994, 193 (195); OLG Hamm v. 8.11.1993 – 15 W 267/91, FamRZ 1994, 994 (995). 3 MüKo/Musielak, § 2268 Rz. 10 ff. m.w.N.
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 12 B VII
– Es kann aus zwei Haupterklärungen bestehen, von denen jede der Form des § 2247 BGB genügt. – Es kann als gemeinschaftliche Erklärung nach § 2267 BGB abgefasst sein. aa) Form des § 2247 BGB Machen die Ehegatten von der ersten Möglichkeit Gebrauch, müssen beide ei- 10 ne eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung abgeben, § 2247 BGB. Manche Eheleute schreiben das gemeinschaftliche Testament eigenhändig in wörtlich übereinstimmender Fassung nieder und unterzeichnen jeder für sich den Text. Aus der Erklärung muss der Wille, gemeinschaftlich zu verfügen, deutlich hervorgehen. Erst dann kann davon ausgegangen werden, dass nicht lediglich zwei Einzeltestamente vorliegen. Erfahrungsgemäß entstehen über den notwendigen Errichtungszusammenhang (dazu Rz. 21) oft Unklarheiten. Die Einheit der Urkunde ist nur ein Indiz. In der Praxis sollte daher vorrangig von der zweiten Form (§ 2267 BGB) Gebrauch gemacht werden. bb) Form des § 2267 BGB § 2267 BGB sieht für das gemeinschaftliche eigenhändige Testament eine Formerleichterung vor. Danach genügt es, wenn einer der Ehegatten das Testament in der Form des § 2247 BGB errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet. Entsprechend § 2247 Abs. 2 BGB soll auch der Ehegatte angeben, an welchem Ort und zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) er seine Unterschrift beigefügt hat, § 2267 S. 2 BGB. Trotz dieser einfachen Regelung kommt es in der Testierpraxis immer wieder zu Zweifelsfragen.
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Beratungssituation: Die Eheleute legen eine „Gemeinschaftliches Testament“ überschriebene Erklärung mit der Bitte um Durchsicht vor. Darin heißt es: „Hiermit setze ich meine Ehefrau Maria zur Alleinerbin ein. Heinz Wagner.“ Darunter schreibt der Ehemann weiter: „Hiermit setze ich meinen Mann Heinz zum Alleinerben ein.“ Es folgt die Unterschrift der Gattin.
Die Testamentsgestaltung ist fehlerhaft. Allein die Verfügung des Mannes, nicht aber die der Ehefrau entspricht § 2247 BGB. Sie hat ihre Erklärung nicht eigenhändig geschrieben. Ihre Anordnung ist auch nach § 2267 BGB formunwirksam. Danach genügt es zwar, wenn einer der Eheleute die letztwillige Verfügung niederschreibt und der andere eigenhändig mitunterzeichnet. Es muss sich aber um eine gemeinschaftliche Erklärung handeln. Die Unterschriften beider Eheleute müssen beide Verfügungen decken1. Daran fehlt es hier. Das gemeinschaftliche Testament wäre in der vorstehenden Fassung wirksam, wenn der Ehemann seine Unterschrift nicht unter seine eigene 1 BGH v. 28.1.1958, V BLw 52/57 – NJW 1958, 547; OLG Hamm v. 1.10.1971 – 15b W 112/71, MDR 1972, 241; Erman/Schmidt, § 2267 Rz. 1; MüKo/Musielak, § 2267 Rz. 20.
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letztwillige Anordnung, sondern an das Ende beider Verfügungen gesetzt hätte. In diesem Fall decken die Unterschriften beider Eheleute beide Erklärungen.
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Beratungshinweis: Um derartige Fehler auszuschließen, sollte die ohnehin kürzere Formel „Wir setzen uns gegenseitig zu Erben ein“ mit der nachfolgenden Unterschrift beider Ehegatten bevorzugt werden.
13 Dem Wortlaut des § 2267 BGB folgend übernimmt ein Ehegatte die Niederschrift des gemeinschaftlichen Testaments. Es genügt nicht, dass die Eheleute den Text abwechselnd verfassen. Die letztwillige Verfügung jedes Einzelnen muss auch ohne die Erklärung des anderen einen Sinn ergeben. Wie die Unterschriften unter der gemeinsamen Erklärung angeordnet sind, ist unerheblich. Es darf auch der mitunterzeichnende Ehegatte vor demjenigen unterzeichnen, der den Text geschrieben hat1. Entscheidend ist der räumliche Bezug zum Text. Dieser ist bei der Unterzeichnung auf der Rückseite mangels Raums auf der Vorderseite anzunehmen, aber auf einem gesonderten Blatt problematisch und sollte vermieden werden. 14
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Beratungshinweis: Bei späteren Zusätzen und Korrekturen ist darauf zu achten, dass sie durch die Unterschriften beider Eheleute gedeckt werden2. Den Anforderungen des § 2267 BGB entsprechend schreibt ein Ehegatte die Ergänzung handschriftlich nieder und unterzeichnet sie. Der andere bringt durch seine weitere Unterschrift zum Ausdruck, dass auch die Änderung seinem Willen entspricht. Der Einfachheit halber werden gelegentlich Streichungen im Text vorgenommen. Das ist zwar zulässig, sollte aber unterbleiben. Nicht selten kommt es später zum Streit darüber, ob der ursprüngliche Text im beiderseitigen Einverständnis oder einseitig verändert worden ist. Auch die Angabe des Änderungsdatums ist zu empfehlen, §§ 2247 Abs. 2, 2267 S. 2 BGB. Für die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments spielt es eine große Rolle, wann und warum die Korrektur erfolgt ist.
15 Wird die Form des § 2267 BGB nicht eingehalten, ist an die Möglichkeit einer Umdeutung (§ 140 BGB) oder Formheilung zu denken:
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Beratungssituation: Dem Berater wird eine „Gemeinschaftliches Testament“ überschriebene Erklärung vorgelegt, in der sich die Eheleute gegenseitig zu Erben einsetzen. Das Testament ist einschließlich beider Unterschriften vom Ehemann geschrieben. Nach dem Tod des Mannes erkundigt sich die Ehefrau, ob sie Alleinerbin ist oder das Testament nachträglich unterschreiben kann.
Die Form des § 2267 BGB ist mangels eigenhändiger Unterschrift der Frau nicht eingehalten. Das gemeinschaftliche Testament ist ungültig. Die letztwillige Verfügung des Ehemannes genügt den Erfordernissen des § 2247 BGB, 1 Haegele, BWNotZ 1977, 29 (33). 2 BayObLG v. 23.7.1993 – 1 Z BR 26/93, FamRZ 1994, 191 (192); Schlüter, Rz. 336.
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so dass die Umdeutung in ein gültiges Einzeltestament zu erwägen ist. Diese Aufrechterhaltung eines formnichtigen gemeinschaftlichen Testaments ist möglich, setzt jedoch voraus, dass die Umdeutung dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht. Davon ist hier nicht auszugehen. Setzen sich die Eheleute gegenseitig zu Erben ein, sind die Erklärungen im Zweifel wechselbezüglich (§ 2270 Abs. 2 BGB, dazu Rz. 100 ff.). Die Nichtigkeit der Verfügung der Frau macht die des Mannes unwirksam, § 2270 Abs. 1 BGB. Das wirft die Frage auf, ob die Ehefrau dem Testament durch ihre nachträgliche Unterschrift Gültigkeit verleihen kann. Auch das ist zu verneinen. Grundsätzlich darf der mitunterzeichnende Ehegatte zwar seine Unterschrift später leisten. Die Eheleute brauchen nicht an ein und demselben Tag zu unterzeichnen. Beide müssen aber die Mitwirkung des anderen kennen und wollen. Das gemeinschaftliche Testament setzt einen gemeinsamen Entschluss voraus. Ob ein längerer Zeitablauf zwischen den Unterschriften dem beiderseitigen Willen entgegensteht, hängt von den Umständen ab. In jedem Fall muss der erste Ehegatte bei der Unterzeichnung durch den zweiten noch leben. Nach dessen Tod kann die Beitrittserklärung nicht mehr mit Wissen und Wollen des anderen Teils abgegeben werden1. Anders ist es, wenn der länger lebende Ehegatte in einem eigenhändigen Testament auf ein gültig unterzeichnetes gemeinschaftliches Ehegattentestament Bezug nimmt. Die Bezugnahme ist auch dann zulässig, wenn der vorverstorbene Ehegatte das gemeinschaftliche Testament niedergeschrieben hat2.
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b) Die Errichtung als ordentliches öffentliches Testament Das ordentliche öffentliche Testament wird zur Niederschrift eines Notars errichtet. Beide Eheleute können dem Notar ihren letzten Willen entweder mündlich erklären oder ihm eine offene oder verschlossene Schrift mit der Erklärung übergeben, dass die Schrift ihren letzten Willen enthält, § 2232 BGB3. Die Ehegatten brauchen nicht die gleiche Form zu wählen. Das gemeinschaftliche Testament wird vom beurkundenden Notar in die besondere amtliche Verwahrung des Amtsgerichts gegeben, §§ 2258a, b BGB, 34 BeurkG. Dieses erteilt den Erblassern einen Hinterlegungsschein und stellt durch Benachrichtigung ihrer Geburtsstandesämter sicher, dass beim Tod eines Ehegatten über die Nachfrage bei diesem die nachlassgerichtliche Eröffnung des Testaments gewährleistet ist.
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Das gemeinschaftliche Testament kann nur von beiden Ehegatten aus der besonderen amtlichen Verwahrung zurückgenommen werden. § 2272 BGB verhindert, dass ein Ehegatte ohne Kenntnis des anderen die Wirksamkeit des Testaments durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung beseitigt. Er schützt das Vertrauen der Testierenden auf den Bestand ihrer letztwilligen
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1 KG KGJ 35 A 100 (102); 51 A 82; BGB-RGRK/Johannsen, § 2267 Rz. 9. 2 OLG Frankfurt v. 6.8.2001 – 20 W 483/2000, ZEV 2002, 70. 3 Zu den Sonderfällen der Errichtung (Minderjährige, Blinde, Stumme) vgl. § 2233 BGB und BVerfG v. 19.1.1999 – 1 BvR 2161/94, BGBl. I 699.
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Verfügungen1. Die Wirkung des § 2256 BGB tritt ein, wenn beide gemeinschaftlich die Herausgabe verlangen. Der eine Ehegatte kann den anderen nicht zum Empfang der Urkunde bevollmächtigen, § 2256 Abs. 2 S. 2 BGB. Das Recht des Einzelnen, in das amtlich verwahrte Testament Einsicht zu nehmen, bleibt unberührt. 19 Bei der Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments werden die Verfügungen des überlebenden Ehegatten, soweit sie sich sondern lassen, weder verkündet noch sonst zur Kenntnis der Beteiligten gebracht, § 2273 Abs. 1 BGB. Der überlebende Ehegatte hat ein berechtigtes Interesse daran, dass seine Verfügungen nicht vor seinem Tod bekannt werden. Davon abgesehen gelten die allgemeinen Vorschriften über die Eröffnung von Testamenten, §§ 2260 ff. BGB2. Sobald das Nachlassgericht von dem Tod des erstversterbenden Ehegatten Kenntnis erlangt, bestimmt es einen Termin zur Eröffnung des verwahrten gemeinschaftlichen Testaments. Der Inhalt darf nur insoweit verkündet werden, als die Verfügung des einen Ehegatten nicht auf die des anderen Bezug nimmt. Da die eine Verfügung nicht ohne die andere verständlich ist, führt das vielfach zur Untrennbarkeit im Sinne des § 2273 Abs. 1 BGB. Um diesen praktischen Schwierigkeiten zu entgehen, sollten die Verfügungen nach Möglichkeit getrennt formuliert werden. Im Übrigen kann der überlebende Ehegatte auf die Geheimhaltung seiner Verfügung verzichten3. Nach der Verkündung wird das Testament wieder verschlossen und bis zum zweiten Erbfall in die besondere amtliche Verwahrung zurückgebracht, § 2273 Abs. 2 S. 2 BGB. c) Die Errichtung als Nottestament 20 Das gemeinschaftliche Testament kann als Bürgermeister- oder Dreizeugentestament errichtet werden. Legt man die §§ 2249, 2250 BGB zugrunde, müssen die Voraussetzungen bei beiden Eheleuten vorliegen. § 2266 BGB sieht hier eine Formerleichterung vor. Ein gemeinschaftliches Nottestament kann auch dann errichtet werden, wenn die in den §§ 2249, 2250 BGB vorgesehenen Voraussetzungen nur bei einem der Ehegatten vorliegen. Der andere Ehegatte muss sich nicht derselben Testamentsform bedienen. Er kann die Form des handgeschriebenen Testaments wählen4. Die Bedeutung dieser Regelung ist gering. Das erklärt, warum § 2266 BGB das gemeinschaftliche Seetestament (§ 2251 BGB) nicht erwähnt.
1 BGH v. 18.1.1995 – IV ZR 88/94, BGHZ 128, 302 (306 f.); Limmer, ZEV 1994, 290 (294). 2 BVerfG v. 2.2.1994 – 1 BvR 1245/89, NJW 1994, 2535; RG v. 14.7.1932 – IV B 12/32, RGZ 137, 222 (229); BGH v. 11.4.1984 – IVa ZB 16/83, BGHZ 91, 105 (107). 3 Die Gegenmeinung (OLG München, JFG 14, 73 (75); BGB-RGRK/Johannsen, § 2273 Rz. 14) verkennt, dass § 2273 BGB nicht öffentlichen, sondern privaten Interessen des überlebenden Ehegatten dient. 4 So die h.M.: BGB-RGRK/Johannsen, § 2266 Rz. 2; Erman/Schmidt, § 2266 Rz. 3; Palandt/Edenhofer, § 2266 Rz. 1; a.A. MüKo/Musielak, § 2266 Rz. 2.
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3. Der Errichtungszusammenhang Das gemeinschaftliche Testament setzt einen gemeinsamen Willensentschluss der Eheleute voraus. Ohne den Errichtungszusammenhang sind die §§ 2266 ff. BGB nicht anwendbar. Auch hier ist zwischen den verschiedenen Testamentsarten zu unterscheiden. Beim ordentlichen öffentlichen Testament, beim Nottestament und beim eigenhändigen Testament in der Form des § 2267 BGB fällt die Feststellung der Gemeinschaftlichkeit leicht. Beim ordentlichen öffentlichen Testament ergibt sich der Errichtungszusammenhang aus der Einheit der Verhandlung und der Niederschrift, §§ 2232 BGB, 8 f. BeurkG. Entsprechendes gilt für das Nottestament, §§ 2249 Abs. 1 S. 4 BGB, 8 f. BeurkG. Machen die Eheleute von der Formerleichterung des § 2267 BGB Gebrauch, liegt der Errichtungszusammenhang auch beim privatschriftlichen eigenhändigen Testament nahe.
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Problematisch sind vor allem die Fälle, in denen jeder für sich in der Form des § 2247 BGB verfügt (dazu Rz. 10):
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Beratungssituation: Die Eheleute setzen sich dergestalt zu Erben ein, dass jeder den anderen allein beerbt. Sie schreiben und unterschreiben jeweils auf einem gesonderten Blatt. Jeder bewahrt „zur Sicherheit“ das Testament des anderen auf. Nach dem Tod des Ehemannes legt sein Neffe ein später verfasstes Testament des Mannes vor, in dem er letztwillig bedacht wird. Die Ehefrau fühlt sich getäuscht.
Handelt es sich bei der von der Ehefrau aufbewahrten letztwilligen Verfügung des Ehemannes um ein Einzeltestament, konnte es zugunsten des Neffen widerrufen werden, §§ 2247, 2253, 2254, 2258 Abs. 1 BGB. Anders wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn es ein gemeinschaftliches Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen darstellte. Dann konnte der Ehemann seine Verfügung nicht mehr einseitig zum Nachteil seiner Frau aufheben, §§ 2267, 2271 Abs. 1 S. 2 BGB (dazu Rz. 113 ff.). Ausschlaggebend dafür ist die Feststellung, ob die Verfügungen den notwendigen Errichtungszusammenhang aufweisen. Seine Kriterien sind streitig: – Das Reichsgericht1 stellte auf die Einheitlichkeit der Urkunde ab. Es verlangte, dass die Erklärungen äußerlich in einer Urkunde zusammengefasst sind. Die Niederlegung des letzten Willens auf verschiedenen Blättern wie im vorstehenden Beispiel genügt danach nicht. Diese objektive Auffassung dient der Rechtssicherheit, hat sich aber als zu eng erwiesen. Für den inneren Zusammenhang der Verfügungen spielen auch ihr Inhalt, die Umstände des Errichtungsakts und die Absichten der Erblasser eine Rolle. – Für die subjektive Ansicht2 ist allein der Wille der Ehegatten maßgeblich. Er muss darauf abzielen, die Vermögensverhältnisse für die Zeit nach dem Tod gemeinsam zu regeln. Der Wille braucht sich nicht aus den testamen1 RG v. 14.1.1902 – Rep. VII. 406/01, RGZ 50, 308 (309); RG v. 18.11.1909 – Rep. IV. 265/08, RGZ 72, 204 (205). 2 OGHZ 1, 333 (337); Brox, Rz. 174; Lange/Kuchinke, § 24 III 2.
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tarischen Erklärungen, sondern kann sich auch aus Umständen außerhalb der Urkunde ergeben. Dafür soll ein räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Zusammenhang der Verfügungen genügen. Er müsste vorliegend im Rahmen der Auslegung ermittelt werden, §§ 133, 2084 BGB. – Die herrschende Meinung1 stellt zwar ebenfalls auf den Willen der Ehegatten, gemeinsam zu verfügen, ab. Dieser muss aber eindeutig aus der Testamentsurkunde hervorgehen. Liegen die Umstände vollständig außerhalb der Urkunde, reicht das für die Feststellung des Errichtungszusammenhangs nicht aus. Dem ist zuzustimmen: Für die Eröffnung gemeinschaftlicher Testamente muss klar sein, ob die Urkunden zusammengehören und welche Verfügungen zu verkünden sind, §§ 2272, 2273 BGB. Angesichts der Bindungswirkungen gemeinschaftlicher Testamente (§§ 2270, 2271 BGB) ist ein Mindestmaß an Rechtssicherheit erforderlich. Dazu bedarf es nachvollziehbarer Anhaltspunkte in der Urkunde selbst. Verfügen die Eheleute auf verschiedenen Blättern, muss der gemeinsame Wille aus jedem Testament erkennbar sein. Rein äußerliche Umstände wie der Austausch der Schriftstücke reichen nicht aus. 24 Zur Vermeidung derartiger Unsicherheiten sollte in der Praxis die Form des § 2267 BGB bevorzugt werden. Wählen die Eheleute die Form des § 2247 BGB, führt das erfahrungsgemäß zu schwierigen Feststellungs- und Auslegungsfragen. Das gilt vor allem dann, wenn der erstverstorbene Ehegatte wie in der obigen Konstellation zwischenzeitlich anders verfügt hat. Auseinandersetzungen unter den Angehörigen sind vorprogrammiert.
4. Die allein gegenseitige Erbeinsetzung 25 Liegen die unter 1 bis 3 genannten Voraussetzungen vor, können die Ehegatten nach Maßgabe der §§ 2265 ff. BGB testieren. Im Eingangsfall (vor Rz. 3) wird der Berater den Eheleuten vorschlagen, sich in einer Urkunde gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben einzusetzen.
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Beratungshinweis: Das bietet sich gerade in jungen Ehen an, in denen noch keine Kinder vorhanden sind. Zu einem späteren Zeitpunkt der Ehe kann das Ehegattentestament durch Verfügungen auf den Tod des Letztversterbenden ergänzt werden. Die Eltern und Geschwister werden so frühzeitig als gesetzliche Miterben (§ 1931 Abs. 1 BGB) ausgeschlossen. Verstirbt der erste Ehegatte, erbt der Überlebende allein. Der Nachlass wird sein eigenes Vermögen. Er darf darüber unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen, solange die Schlusserbfolge noch nicht geregelt
1 BGH v. 12.3.1953 – IV ZR 131/52, BGHZ 9, 113 (115 ff.); BayObLG v. 29.8.1985 – BReg.1 Z 47/85, FamRZ 1986, 392 (393); BayObLG v. 11.2.1991 – 1a Z 66/90, FamRZ 1991, 1485 (1486); BayObLG v. 23.7.1993 – 1 Z BR 26/93, FamRZ 1994, 191 (192); OLG Zweibrücken v. 17.7.2002 – 3 W 82/02, ZEV 2002, 414; OLG Braunschweig v. 13.3.2006 – 2 W 121/05 – Juris (gemeinschaftliches Widerrufstestament); OLG München v. 23.7.2008 – 31 Wx 34/08, OLGReport 2008, 712; Coing, JZ 1952, 611 (613); Schlüter, Rz. 344.
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ist. Verlangen Abkömmlinge beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil (§ 2303 BGB), kann der Überlebende darauf reagieren, indem er sie in seiner Erbfolge nicht berücksichtigt. Dabei ist dreierlei zu beachten: a) Die gegenseitige Erbeinsetzung geht davon aus, dass ein Ehegatte den anderen eine gewisse Zeitspanne überlebt. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Eheleute aufgrund des gleichen äußeren Ereignisses, z.B. bei einem Autounfall, Flugzeugabsturz oder einem anderen Unglück mit tödlichem Ausgang gleichzeitig oder kurz hintereinander versterben. Das sollte in einer vorausschauenden Testamentsgestaltung berücksichtigt werden. Mehrere Verstorbene beerben sich nicht, wenn nicht bewiesen werden kann, dass der eine den anderen überlebt hat, § 11 VerschG1. Es beerbt also kein Ehegatte den anderen. Die gegenseitige Erbeinsetzung für den Überlebensfall wird gegenstandslos und jeder Ehegatte von seinen gesetzlichen Erben beerbt. Auch wenn der eine Partner den anderen kurzzeitig überlebt, ist er meist nicht mehr in der Lage, ein eigenes und neues Testament zu errichten. Die Eheleute sollten für diesen Fall vorsorgen und eine besondere Anordnung treffen. Sie kann beim Fehlen gemeinsamer Abkömmlinge wie folgt formuliert werden:
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Formulierungsvorschlag Versterben wir gleichzeitig, wird der Ehemann von seinem Neffen Arnold und die Ehefrau von ihrer Schwester Charlotte allein beerbt. Versterben wir kurz hintereinander infolge gleicher Ursache (Unfall o.Ä.), so wird der Erstversterbende vom Überlebenden und der Überlebende wiederum von seinem vorstehend bezeichneten Alleinerben beerbt.
Misslich ist auch der umgekehrte Fall, dass die Ehegatten ausschließlich die vorstehende oder eine ähnliche Formulierung verwenden („Bei unserem gemeinsamen Ableben“; „bei gleichzeitigem Sterben“). Hier stellt sich im Rahmen der Auslegung die Frage, ob der Tod im selben Augenblick eintreten muss oder ob es genügt, dass die Partner kurz nacheinander versterben. Für die Anwendung des § 2269 BGB (dazu Rz. 63) ist das von großer Bedeutung2.
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b) Der überlebende Ehegatte ist Alleinerbe. Er versteuert den Nachlass bei der Erbschaftsteuer in der Steuerklasse I allein, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 15 Abs. 1 ErbStG. Er kann Ehegattenfreibeträge (§§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 ErbStG) geltend machen. Die Freibeträge der Kinder auf den erstversterbenden Elternteil gehen verloren.
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1 Vgl. RG v. 11.11.1935 – IV 160/35, RGZ 149, 200 (201); OLG Köln v. 24.2.1992 – 2 Wx 41/91, NJW-RR 1992, 1480 (1481). 2 Dazu BayObLG v. 28.12.1989 – BReg. 1a Z 1/89, FamRZ 1990, 563 (564); BayObLG v. 8.2.1996 – 1 Z BR 157/95, ZEV 1996, 191 (192); OLG Stuttgart v. 29.12.1993 – 8 W 583/92, NJW-RR 1994, 592 (593); OLG Frankfurt v. 3.3.1998 – 20 W 143/95, ZEV 1999, 66 (67); OLG München v. 16.7.2007 – 31 Wx 35/07 – Juris.
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c) Die lediglich gegenseitige Erbeinsetzung setzt voraus, dass sich die Eheleute vertrauen. Der Erstversterbende hat keinen Einfluss mehr darauf, wie der Letztversterbende testiert. Das zu Lebzeiten gemeinsam Erarbeitete kann an einen neuen Ehepartner oder Dritten fallen, zu dem der Erstverstorbene zeitlebens keine Beziehung hatte. Das ist oft unerwünscht. Im Regelfall wollen sich die Ehegatten gegenseitig als Erben einsetzen und den Nachlass gemeinsamen Abkömmlingen zukommen lassen. Damit beschäftigt sich der folgende Abschnitt.
II. Das gegenseitige gemeinschaftliche Testament
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Beratungssituation: Ein Ehepaar erkundigt sich nach einer erbrechtlichen Nachfolgeregelung, bei der das gemeinsame Vermögen nach dem Tod des Letztversterbenden den gemeinsamen Kindern zu gleichen Teilen zufällt. Der Berater verweist auf die Möglichkeit eines gemeinschaftlichen Testaments. Die Eheleute erkundigen sich, was sie dabei zu beachten haben.
1. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Erblasser 30 Die vorstehende Konstellation beschäftigt die rechtsberatende Praxis nahezu täglich1. Die Ehegatten bedenken sich gegenseitig (reziprokes gemeinschaftliches Testament). Sie wollen ihr Vermögen zunächst dem überlebenden Partner übertragen, um ihn bis zu seinem Tod wirtschaftlich abzusichern. Anschließend soll der Nachlass den gemeinsamen Abkömmlingen oder anderen nahe stehenden Personen zufallen. Um dieses Ziel zu erreichen, stehen mit der Einheits- und der Trennungslösung zwei unterschiedliche Gestaltungsformen zur Verfügung. Daneben besteht die Möglichkeit, einen Dritten schon beim Tod des ersten Ehegatten zum Vollerben zu berufen und dem überlebenden Ehegatten ein Nießbrauchsvermächtnis einzuräumen. a) Die Einheitslösung (Vollerbschaft) 31 Das Einheitsprinzip beruht auf dem Gedanken, dass der Nachlass des erstversterbenden Ehegatten bei dessen Tod mit dem Vermögen des überlebenden Ehepartners rechtlich zu einer Einheit verschmilzt. Stirbt der überlebende Ehegatte, geht sein Vermögen, zu dem der Nachlass des Erstverstorbenen gehört, als einheitlicher Nachlass auf den Dritten als Schlusserben über. Dieser beerbt nicht den Erstverstorbenen als Nacherbe (§ 2100 BGB), sondern den Überlebenden als dessen Erbe. Die Ehegatten setzen sich gegenseitig zu Vollerben und Dritte als Schlusserben des Längstlebenden ein. Die zu Schlusserben eingesetzten Kinder erhalten beim Tod des erstversterbenden Elternteils zunächst nichts. Der Nachlass kommt ihnen mit dem Tod des Längerlebenden zugute. Nach der Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB ist im Zweifel die Einheitslösung gewollt. Sie wird durch das Berliner Testament verkörpert (dazu Rz. 63 ff.). 1 Vgl. auch das Beispiel bei Edenfeld, ZEV 2004, 141 (142 ff.).
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Beratungshinweis: Ob die Einheitslösung für die Eheleute im Einzelfall günstig ist, lässt sich nicht mit allgemeiner Gültigkeit sagen. Zahlreiche Faktoren wie die familiären Verhältnisse, Art und Umfang des Vermögens und nicht zuletzt steuerrechtliche Aspekte spielen eine Rolle. Die Einheitslösung bietet Vorteile, setzt die Nachfolgeregelung aber auch spezifischen Gefahren aus. Obwohl das Gesetz diese Gestaltung in § 2269 Abs. 1 BGB nahe legt, sollte sie nur nach Abwägung aller Belange empfohlen werden.
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aa) Vorteile – Die doppelte Vollerbschaft trägt der Vermögenseinheit in der Ehe Rechnung. Der Nachlass wird nicht aufgespalten. Der Dritte erwirbt mit dem zweiten Erbfall das Vermögen beider Ehegatten als Erbe.
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– Der überlebende Ehegatte erhält eine rechtlich starke Stellung. Er ist Vollerbe, nicht Vorerbe. Er kann über das Vermögen des Erstverstorbenen durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden verfügen und ist lediglich an die wechselbezüglichen Verfügungen von Todes wegen (z.B. die Einsetzung der gemeinsamen Abkömmlinge als Schlusserben) gebunden, § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB. Bindungen wie im Fall der §§ 2113 ff. BGB zugunsten späterer Erben bestehen nicht.
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– Der überlebende Ehegatte kann beim ersten Erbgang im Rahmen der Erbschaftsteuer hohe Freibeträge geltend machen. Der allgemeine Ehegattenfreibetrag beläuft sich auf 500 000 Euro, § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Hinzu kommt der besondere Versorgungsfreibetrag in Höhe von 256 000 Euro, § 17 Abs. 1 S. 1 ErbStG. Nicht vergessen werden darf der Freibetrag einer fiktiven Zugewinnausgleichsforderung, wenn die Eheleute im gesetzlichen Güterstand (§ 1363 BGB) leben, § 5 ErbStG.
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– Die Schlusserben können nach dem Tod des ersten Ehegatten nicht auf den Nachlass selbst zugreifen. Sie haben nur eine tatsächliche, rechtlich nicht geschützte Aussicht auf die Erbschaft nach dem Tode des zweiten Ehepartners.
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bb) Nachteile – Der überlebende Ehegatte sieht sich nach dem Tod des Ehepartners den Pflichtteilsansprüchen der Kinder ausgesetzt. Diese sind beim Tod des erstverstorbenen Elternteils enterbt und können ihren Pflichtteil verlangen, § 2303 Abs. 1 BGB. Um diese Ansprüche zu befriedigen, müssen nicht selten Nachlassgegenstände veräußert werden. Das gefährdet – man denke an die Versteigerung des Hausgrundstücks – nicht nur die wirtschaftliche Existenz des überlebenden Ehegatten, sondern begünstigt auch das Kind, das den Pflichtteil beansprucht.
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38 – Bei älteren Paaren mit erwachsenen Kindern und größerem Vermögen ist der überlebende Ehegatte oft überversorgt. Durch seine Bindung an das Testament (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB) kann er die unterschiedliche persönliche und wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Kinder nicht mehr durch eine Anpassung seiner letztwilligen Verfügung berücksichtigen. 39 – Der erstversterbende Ehegatte hat keinen Einfluss darauf, wie der überlebende mit seinem Vermögen verfährt. Die Kinder erhalten den Nachlass aus dem ersten Erbfall, soweit er noch vorhanden ist. Vor allem die Wiederverheiratung des längerlebenden Ehegatten führt erfahrungsgemäß zum Streit zwischen den gemeinsamen Kindern aus der ersten Ehe und dem neuen Ehepartner bzw. seinen Angehörigen. 40 – Für die Kinder wirkt sich steuerlich nachteilig aus, dass der Kinderfreibetrag von 400 000 Euro (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) beim Tod des erstversterbenden Elternteils verloren geht und das Vermögen beider Eltern beim zweiten Erbfall gebündelt auf sie übergeht. Der Nachlass kann dadurch einem höheren Steuersatz nach § 19 ErbStG unterliegen. Dem lässt sich in gewissem Umfang dadurch begegnen, dass man den Kindern Vermögen durch Verfügung unter Lebenden zuwendet (unter Beachtung der 10-JahresFrist des § 14 ErbStG) oder Vermächtnisse für die Kinder nach dem ersten Erbfall anordnet. (Näheres s. B I und D Rz. 117 ff.) 41 – Wird der Nachlass nicht wirtschaftlich durch frühzeitige Vermächtnisse und Verfügungen unter Lebenden geteilt, unterliegt dasselbe Vermögen zwei vollen Erbgängen, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Seine doppelte steuerliche Erfassung wird nur durch § 27 Abs. 1 ErbStG gemildert. Tritt der zweite Erbgang innerhalb von zehn Jahren nach dem ersten Erbgang ein, ermäßigt sich die Erbschaftsteuer für den zweiten Erbgang um 50 %, wenn zwischen den beiden Zeitpunkten der Entstehung der Steuer nicht mehr als ein Jahr liegt. Die Ermäßigung geht mit zunehmendem Zeitablauf zurück. Bei mehr als acht Jahren macht sie noch 10 % aus. b) Die Trennungslösung (Vor- und Nacherbschaft) 42 – Bei der Trennungslösung setzen sich die Eheleute gegenseitig zu Vorerben und den Dritten zum Nacherben (§ 2100 BGB) ein. Mit dem Tod des ersten Ehegatten wird der Überlebende nicht Vollerbe, sondern Vorerbe. Der Dritte – zumeist die gemeinsamen Kinder – wird Nacherbe und zugleich Ersatzerbe des Überlebenden. Der Nachlass des erstversterbenden Ehegatten verschmilzt nicht mit dem Vermögen des überlebenden Ehepartners. Der Überlebende wird zwar Eigentümer der Nachlassgegenstände, vererbt sie aber nicht selbst. Tritt mit dem Tod des überlebenden Ehegatten der Nacherbfall ein, erhalten die Kinder nicht eine, sondern zwei Vermögensmassen: Das Vermögen des erstverstorbenen Ehegatten erwerben sie als Nacherben, das des zuletzt versterbenden als Vollerben. Der Nachlass der Eheleute wird nicht einheitlich übertragen, sondern aufgespalten. Anders
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als nach dem Einheitsprinzip wird nicht nur der längerlebende Ehegatte beerbt, sondern auch der Erstverstorbene im Rahmen der Nacherbschaft. Schon beim Tod des erstversterbenden Elternteils erhalten die Kinder eine rechtlich geschützte Stellung, §§ 2113 ff. BGB (dazu B IV Rz. 42 ff., 86 ff.).
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Beratungshinweis: Auch wenn die Trennungslösung nicht dem gesetzlichen Leitbild des § 2269 Abs. 1 BGB entspricht, stellt sie eine in der Praxis häufige Nachfolgeregelung dar (dazu Rz. 55 ff.). Ob sie für die Eheleute im Einzelfall günstig ist, hängt von zahlreichen Faktoren wie den familiären Verhältnissen, Art und Umfang des Vermögens und steuerrechtlichen Aspekten ab. Auch die Trennungslösung hat Vor- und Nachteile.
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aa) Vorteile – Die Nacherben haben nicht nur eine tatsächliche Aussicht auf die Erbschaft nach dem Tode des zweiten Ehepartners. Sie haben mit dem Ableben des ersten Ehegatten ein vererbliches und veräußerliches Anwartschaftsrecht1 auf Eintritt in die Erbenstellung. Die Kinder erhalten eine rechtlich starke Stellung. Das Familienvermögen wird weitgehend erhalten.
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– Durch die Verfügungsbeschränkungen und die Pflicht des Vorerben, den Nachlass im Interesse der Nacherben ordnungsgemäß zu verwalten, wird der Nachlass vor der Verschwendung geschützt. Der überlebende Ehegatte kann nur über sein eigenes Vermögen unter Lebenden frei verfügen. Im Hinblick auf das Vermögen des Erstversterbenden unterliegt er den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB. Ihm stehen die Erträge des Nachlasses zu. Der Vermögensstamm bleibt unangetastet.
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– Die Vor- und Nacherbschaft kann mit einem Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) kombiniert und auf einen Bruchteil des Nachlasses beschränkt werden2. Durch diese Gestaltungsmöglichkeiten lässt sich etwa das Familienheim den Abkömmlingen erhalten, während die Testierfreiheit des Überlebenden im Übrigen nicht angetastet wird.
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– Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils entfallen, es sei denn, ein Kind schlägt die Nacherbschaft aus, § 2306 BGB.
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– Die Trennungslösung ist immer dann empfehlenswert, wenn die Eheleute verhindern wollen, dass die Pflichtteilsberechtigten des Längerlebenden am Nachlass des Erstversterbenden teilhaben. Das betrifft neben den Folgen einer Wiederheirat alle Fälle, in denen bei Ableben der Ehegatten unterschiedliche Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind.
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1 BGH v. 9.6.1983 – IX ZR 41/82, BGHZ 87, 367 (369); BGH v. 9.11.1994 – IV ZR 319/93, NJW 1995, 456; Schlüter, Rz. 771. Dazu auch B IV Rz. 87. 2 Langenfeld, Testamentsgestaltung, 2002, Rz. 211, 265.
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bb) Nachteile 49 – Während bei der Einheitslösung die doppelte Vollerbschaft der Vermögenseinheit in der Ehe Rechnung trägt, spaltet die Vor- und Nacherbschaft den Nachlass auf. Der Dritte erwirbt mit dem zweiten Erbfall das Vermögen beider Ehegatten nicht einheitlich als Erbe. Er erwirbt mit dem zweiten Erbfall das Vermögen des erstverstorbenen Ehegatten als Nacherbe, das des letztverstorbenen als Erbe. 50 – Die Vor- und Nacherbschaft ist rechtlich schwerfällig. Ihre Regelungen sind im Einzelnen kompliziert und für den Laien kaum verständlich. Die Bindung des Vorerben engt seine Handlungsfreiheit oft übermäßig ein. Wird er nicht nach § 2136 BGB von einzelnen Beschränkungen befreit, kann er den Nachlass wenig verwerten. Hinzu kommt, dass er stets zwei Vermögen verwalten und unterscheiden muss: das eigene und das des verstorbenen Ehegatten. Das kann zu wirtschaftlichen Unklarheiten führen. 51 – Steuerrechtlich unterscheidet sich die Vor- und Nacherbschaft kaum von der doppelten Vollerbschaft. Der Vorerbe wird wie ein Vollerbe behandelt, § 6 Abs. 1 ErbStG. Sowohl der Anfall der Erbschaft an den überlebenden Ehegatten als Vorerben als auch der Anfall der Erbschaft an Dritte als Nacherben wird besteuert, § 6 Abs. 1 und 2 ErbStG. Das führt wie bei der Einheitslösung zu einer doppelten Belastung des Nachlasses. Da der längerlebende Ehegatte die Erbschaftsteuer aus dem Nachlass entrichten darf, § 20 Abs. 4 ErbStG, trifft die gesamte Steuerlast den Nacherben. Dessen Steuerklasse richtet sich im Grundsatz nach seinem Verhältnis zum Vorerben, § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG. Zivilrechtlich beerbt der Nacherbe den Erblasser, steuerrechtlich wird er als Nachfolger des Vorerben behandelt. Steuerliche Erleichterungen schafft auch hier § 27 Abs. 1 ErbStG, wenn der Nacherbfall binnen zehn Jahren eintritt. Hinzu kommt, dass wie beim Einheitsprinzip die Freibeträge der Kinder beim Tod des ersten Ehegatten verschenkt werden. c) Das Nießbrauchsvermächtnis 52 Um die doppelte steuerliche Belastung nach der Einheits- und Trennungslösung zu vermeiden, ist eine dritte Möglichkeit der Testamentsgestaltung in Betracht zu ziehen. Nach dem Tod des ersten Ehegatten wird der überlebende Partner nicht zum Voll- oder Vorerben berufen. Zu seiner lebzeitigen wirtschaftlichen Absicherung erhält er ein Nießbrauchsvermächtnis, § 1089 i.V.m. §§ 1085 ff., 2147 ff. BGB1. Das führt zu einer vollständigen Nachlasstrennung. Der Dritte wird sogleich Vollerbe. Handelt es sich dabei um ein gemeinsames Kind, ist der Freibetrag zwar geringer, §§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 17 Abs. 1 ErbStG. Die Steuerklasse ist jedoch identisch (§ 15 Abs. 1 ErbStG) und es wird ein kompletter Erbgang gespart.
1 Dazu Langenfeld, Testamentsgestaltung, 2002, Rz. 239 ff., 230; Schlieper, MittRhNotK 1995, 249 ff.
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Rz. 55 B VII
Der Nachteil dieser Regelung besteht darin, dass der überlebende Ehegatte eine noch schwächere Position innehat als der Vorerbe nach der Trennungslösung. Als Nichteigentümer hat er allein Nutzungs-, aber keine Verfügungsbefugnisse. Er ist zur Substanzerhaltung verpflichtet, §§ 1036 Abs. 2, 1037 Abs. 1, 1041 BGB. Bei der Testamentsgestaltung muss daher den Bedürfnissen des überlebenden Ehegatten in besonderer Weise Rechnung getragen werden (Quoten- oder Bruchteilsnießbrauch, Nießbrauchsvermächtnis für Grundbesitz, dingliches Wohnrecht usw.). Seine Rechte aus dem Nießbrauch dürfen eingeschränkt, aber auch erweitert werden. Namentlich die Einsetzung zum Testamentsvollstrecker verschafft dem längerlebenden Ehegatten eine umfassende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis am Nachlass, § 2205 BGB. Die Eheleute können wie folgt formulieren:
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Formulierungsvorschlag Wir setzen unser einziges Kind, die gemeinsame Tochter Birgit, zur Alleinerbin ein. Ihre Abkömmlinge sind Ersatzerben. Dem überlebenden Ehegatten steht ein lebenslanger unentgeltlicher Nießbrauch am gesamten Nachlass zu. Der Überlebende ist zugleich lebenslanger Testamentsvollstrecker. Der Nießbraucher ist berechtigt, den Nießbrauch einseitig aufzugeben. Das Nutzungsrecht erlischt (wandelt sich in einen Abfindungsanspruch in Höhe von . . .), wenn der überlebende Ehegatte wiederheiratet. Der Eigentümer trägt für die Dauer des Nießbrauchs alle Lasten, auch soweit sie das Gesetz dem Nießbraucher zuweist.
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Beratungshinweis: Es kann steuerlich nachteilig sein, dass der Eigentümer für die Dauer des Nießbrauchs alle Kosten trägt. Unter einkommensteuerrechtlichen Gesichtspunkten ist es meist günstiger, wenn derjenige die Lasten trägt, dem auch die Erträge wie z.B. Mieteinnahmen zufließen. Wollen die Eheleute aus steuerlichen oder anderen Gründen nicht auf die gegenseitige Erbeinsetzung nach herkömmlichem Muster verzichten, haben sie zwischen der Trennungs- und der Einheitslösung zu wählen.
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2. Die Trennungslösung a) Einsetzung der Vor- und Nacherben Aus der Testamentsgestaltung muss eindeutig hervorgehen, dass eine Vorund Nacherbfolge im Sinne der §§ 2100 ff. BGB beabsichtigt ist1. Bezeichnen sich die Ehegatten in ihrem privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testament als „Vorerben“ und ihre gemeinsamen Kinder als „Nacherben“, ist damit nicht unbedingt die Trennungslösung gewollt2. Laien verstehen diese Be1 Zum erforderlichen Rechtsbindungswillen des Erblassers Edenfeld, ZEV 2004, 141 ff. 2 BGH v. 22.9.1982 – IVa ZR 26/81, NJW 1983, 277 (278); BayObLG v. 7.8.1990 – BReg 1a Z 32/90, MDR 1990, 1118 (1119); OLG Düsseldorf v. 14.6.1996 – 7 U 153/95, ZEV 1996, 310 (311); Erman/Schmidt, § 2269 Rz. 9.
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B VII Rz. 56
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griffe oft dahin gehend, dass damit jeder gemeint ist, der vor oder nach jemand anderem erbt. Es kann auch eine doppelte Vollerbschaft im Sinne der Einheitslösung beabsichtigt sein, wenn sich aus den Umständen entnehmen lässt, dass das Vermögen der Eheleute als wirtschaftliche Einheit erhalten bleiben und der längerlebende Partner von Bindungen zugunsten späterer Erben frei sein soll. Bei begründeten Zweifeln an der richtigen Verwendung der Rechtsbegriffe gilt die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB. Sie führt zum Berliner Testament. (Näheres B IV Rz. 14 ff.) Die Grundformel nach dem Trennungsprinzip lautet wie folgt:
Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Vorerben ein. Nacherben des erstversterbenden Ehegatten und zugleich Erben des Längerlebenden beim Tod des Letztversterbenden (Nacherbfall) sind unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen. Das gilt auch für den Fall unseres gleichzeitigen Todes. Die Nacherbenanwartschaften sind unveräußerlich und unvererblich. Stirbt eines unserer Kinder nach dem Tod des Ersten, aber vor dem zweiten Ehegatten, treten seine Abkömmlinge an seine Stelle.
56 Rechtliche Konsequenz: Verstirbt der erste Ehepartner, darf der andere über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände verfügen, sofern sich nicht aus den Beschränkungen der §§ 2113 bis 2115 BGB ein anderes ergibt, § 2112 BGB. Nach § 2113 Abs. 1 BGB sind Verfügungen des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück bei Eintritt des Nacherbfalls insoweit unwirksam, als sie das Recht der Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen. Ferner darf der überlebende Ehegatte grundsätzlich nichts aus dem Nachlass seines verstorbenen Partners verschenken, § 2113 Abs. 2 BGB. Die Verwirklichung von Grundpfandrechten unterliegt Beschränkungen, § 2114 BGB. Hinzu kommen Verwaltungs-, Auskunfts- und Sorgfaltspflichten des Vorerben, §§ 2116 ff. BGB. (Näheres B IV Rz. 25 ff., 46 ff., 67 ff., 124 ff.) 57 Den Abkömmlingen wird die Vermögensmasse weitgehend erhalten. Sie erlangen mit dem Tod des ersten Ehegatten ein vererbliches und veräußerliches Anwartschaftsrecht1, dessen Vererblichkeit und Veräußerlichkeit wie im obigen Beispiel vom Erblasser ausgeschlossen werden kann. Die Einsetzung der Kinder als Nacherben enthält im Zweifel ihre Einsetzung als Ersatzerben, § 2102 BGB2, kann jedoch in der letztwilligen Verfügung klargestellt werden. 1 BGH v. 9.6.1983 – IX ZR 41/82, BGHZ 87, 367 (369); BGH v. 9.11.1994 – IV ZR 319/93, NJW 1995, 456; Schlüter, Rz. 771. 2 RG v. 2.11.1933 – IV B 43/33, RGZ 142, 171 (174); RG v. 11.3.1942 – IV B 5/42, RGZ 169, 38 (39); BGH v. 28.10.1998 – IV ZR 275/97, ZEV 1999, 26. Zur Auslegung, wenn die gemeinsamen Abkömmlinge als „Nacherben des Letztversterbenden“ eingesetzt sind, s. MüKo/Grunsky, § 2102 Rz. 3.
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Rz. 58 B VII
Die Bindung des überlebenden Ehegatten an seine eigene letztwillige Verfügung sollte man durch den Ausschluss der Selbstanfechtung ausdrücklich fest halten. Dem dient der vertragliche Verzicht auf das Anfechtungsrecht nach § 2079 BGB oder eine geeignete Sanktion:
Formulierungsvorschlag (. . .) An die vorstehenden Bestimmungen ist der überlebende Ehegatte auch gebunden, wenn er wiederheiratet oder sonstige Pflichtteilsberechtigte hinzukommen. Ficht er seine Verfügungen an, tritt im Hinblick auf den Nachlass des Erstverstorbenen die Nacherbfolge zugunsten der Kinder ein.
b) Befreiung des Vorerben Wollen die Eheleute den Vorerben nicht solchen Bindungen aussetzen, können sie ihn von den meisten der genannten Beschränkungen befreien, § 2136 BGB. Der überlebende Ehegatte wird befreiter Vorerbe (dazu B IV Rz. 81).
Û
Beratungshinweis: Im Ehegattentestament sollte detailliert geregelt sein, von welchen Pflichten er im Einzelnen entbunden wird. Nur so lässt sich Streit zwischen dem Überlebenden und den Kindern vermeiden. § 2136 BGB bietet hier zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten1. Dabei ist zu beachten, dass der Vorerbe vom Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB nicht befreit werden kann. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, dem überlebenden Ehegatten eine vorweggenommene Erbfolge für den Fall zu gestatten, dass eines der Kinder das Familienheim übernimmt. Das lässt sich im Wege des Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB) an den Vorerben erreichen. Das Ehegattentestament wird wie folgt ergänzt:
Formulierungsvorschlag Der Vorerbe darf den Nachlass des Erstversterbenden zu Lebzeiten in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Er ist von allen gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreit, soweit es zulässig ist. Er ist berechtigt, vor Eintritt des Nacherbfalles das zur Vorerbschaft gehörende Grundstück mit dem darauf befindlichen Haus der Familie auf eines unserer Kinder zu übertragen. Macht er davon Gebrauch, gilt ihm das Hausgrundstück als durch Vorausvermächtnis auf den Tod des ersten Ehegatten zugewendet.
1 Mayer, ZEV 2000, 1 (2 ff.).
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c) Pflichtteilsklauseln 59 Die gemeinschaftliche Nachfolgeplanung der Eheleute wird gestört, wenn eines der Kinder nach dem Tod des ersten Ehegatten den Pflichtteil verlangt. Die Abkömmlinge sind zwar anders als im Fall der Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten nicht enterbt, § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB. Ist jedoch ein Pflichtteilsberechtigter anstatt als Vollerbe nur als Nacherbe berufen, stellt auch das eine Beschränkung in der Erbeinsetzung dar, § 2306 Abs. 2 BGB. Sie kann zu erheblichen Auseinandersetzungen führen:
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Beratungssituation: Die Eheleute haben sich gegenseitig zu Vorerben und ihre beiden Kinder zu Nacherben eingesetzt. Nach dem Tod des Vaters verlangt die Tochter den Pflichtteil und erhält ihn ausgezahlt. Als die Mutter stirbt, streiten die Geschwister um ihr Erbe.
Den Beteiligten ist beim Tod des Vaters ein Fehler unterlaufen. Die Tochter konnte den Pflichtteil erst verlangen, wenn sie den Erbteil ausschlug, § 2306 BGB. In diesem Fall hätte sie nur noch die Mutter zur Hälfte beerbt. Der gesamte Nachlass des Vaters wäre – abzüglich des ausgezahlten Pflichtteils – an das andere Kind gefallen. Diese Ausschlagung der Nacherbschaft, die schon bei Eintritt des Vorerbfalls zulässig ist (§ 2142 Abs. 1 BGB), ist unterblieben. Die Tochter ist beim Tod des letzten Elternteils an beiden Nachlässen beteiligt. Sie erhält ihren Erbteil von der Mutter und ist zugleich Nacherbin der Hälfte des restlichen Nachlasses des Vaters. Den rechtsgrundlos erhaltenen Pflichtteil muss sie sich als Vorausempfang anrechnen lassen1. 60 Oft entsteht der Konflikt nicht beim Tod des zweiten, sondern schon beim Tod des ersten Ehegatten. Dieser ist gezwungen, zur Befriedigung der Pflichtteilsgläubiger wertvolle Nachlassgegenstände zu veräußern. Das gefährdet – man denke an die Versteigerung des Hausgrundstücks – die wirtschaftliche Existenz des überlebenden Ehegatten. Es vereitelt die ursprüngliche Zielsetzung, das elterliche Vermögen den Kindern mit dem Tod des zweiten Ehepartners zukommen zu lassen. Zur Vorbeugung ist eine Pflichtteilsklausel zu empfehlen. Sie umfasst den Ausschluss des betreffenden Abkömmlings von der Nacherbfolge am Nachlass des erstversterbenden Ehegatten und die Enterbung beim zweiten Erbfall (Nachlass des überlebenden Ehegatten):
Formulierungsvorschlag Verlangt eines unserer Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten den Pflichtteil, wird es samt seinen Abkömmlingen weder Nacherbe des Erstversterbenden noch Erbe des Letztversterbenden.
1 BayObLG v. 15.10.1973 – BReg. 2 Z 45/73, BayObLGZ 1973, 272 (275); Palandt/Edenhofer, § 2306 Rz. 15.
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Rz. 63 B VII
d) Wiederverheiratungsklauseln Die Wiederheirat des längerlebenden Ehegatten stellt für die Erbaussichten der als Nacherben eingesetzten Abkömmlinge vor allem dann eine Bedrohung dar, wenn der Ehegatte von den Beschränkungen und Verpflichtungen der §§ 2113 ff. BGB befreit ist. Er kann zu Lebzeiten relativ frei über den Nachlass verfügen. Der ungeschmälerte Übergang des beim Tod des ersten Ehegatten vorhandenen Vermögens wird gefährdet. Um die Nachlassbeteiligung der Nacherben zu sichern, sollte daher für den Fall der Wiederheirat zumindest die Befreiung des Vorerben von den gesetzlichen Beschränkungen (§ 2136 BGB) aufgehoben werden. Einschneidendere Folgen haben die Beschränkung der Nacherbfolge auf einen Bruchteil oder der sofortige Eintritt der Nacherbfolge mit der Wiederheirat. Um dem überlebenden Ehegatten die wirtschaftliche Existenzgrundlage nicht zu entziehen, empfiehlt sich die gleichzeitige Anordnung eines Vermächtnisses:
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Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Vorerben ein. Nacherben des erstversterbenden Ehegatten und zugleich Erben des Längerlebenden sind beim Tod des Letztversterbenden (Nacherbfall) unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen. Heiratet der überlebende Ehegatte wieder, tritt die Nacherbfolge nicht erst mit dessen Tod, sondern mit der erneuten Eheschließung ein. Der überlebende Ehegatte erhält für diesen Fall ein Vermächtnis aus dem Nachlass des Erstverstorbenen. Die Höhe des Vermächtnisses richtet sich nach dem gesetzlichen Pflichtteil.
Die erläuterten Pflichtteils- (Rz. 59 f.) und Wiederverheiratungsklauseln (Rz. 61) sind nicht nur bei der Trennungslösung, sondern auch bei der Einheitslösung von Bedeutung. Näheres dazu im folgenden Abschnitt.
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3. Das Berliner Testament a) Die Auslegungsregeln des § 2269 BGB Bei der Auslegung gemeinschaftlicher Testamente ist vorrangig der wirkliche Wille der Erblasser zu ermitteln. Maßgebend sind die allgemeinen Auslegungsgrundsätze, wobei das Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen Ehepartners entsprechen muss. Es kommt auf die gemeinsamen Absichten beider Ehegatten an. Das liegt nahe, weil die beiderseitigen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten aufeinander abgestimmt und inhaltlich abgesprochen sind. Jeder Partner misst der letztwilligen Erklärung des anderen besondere Bedeutung bei. Lässt sich diese Übereinstimmung nicht feststellen, ist auf den einzelnen Erblasser abzustellen. Dessen Wille gibt allerdings nicht den Ausschlag. Die Auslegung der Verfügungen ist aus der Sicht
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des anderen Ehegatten vorzunehmen, §§ 133, 157 BGB. Dieser muss die Möglichkeit haben, sich mit seinen Verfügungen auf die des anderen einzustellen. Führt auch das zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist die gesetzliche Auslegungsregel heranzuziehen. § 2269 BGB findet erst Anwendung, wenn sich aus dem gemeinschaftlichen Testament nicht klar ergibt, ob die Ehegatten die Einheits- oder die Trennungslösung gewollt haben („im Zweifel“)1. Er enthält zwei Auslegungsregeln, die auch gelten, wenn die Verfügungen nicht wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB sind (dazu Rz. 100 ff.): 64 aa) Die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 1 BGB enthält die Grundkonstellation des Berliner Testaments. Haben sich die Eheleute gegenseitig zu Erben eingesetzt und bestimmt, dass ihr Nachlass nach dem Tod des Längerlebenden an Dritte (zumeist die Kinder) fallen soll, ist im Zweifel anzunehmen, dass der Nachlass des Erstverstorbenen zunächst an den Überlebenden als Vollerben fallen soll. Das Gesetz vermutet für den Normalfall die Einheitslösung (zu ihren Vor- und Nachteilen Rz. 33 ff.). Der Nachlass des erstversterbenden Ehegatten vereinigt sich bei dessen Tod mit dem Vermögen des überlebenden Ehepartners. Stirbt der überlebende Ehegatte, geht sein Vermögen, zu dem der Nachlass des Erstverstorbenen gehört, als einheitlicher Nachlass auf den Dritten als Schlusserben über. Dieser beerbt nicht den Erstverstorbenen als Nacherbe (§ 2100 BGB), sondern den Überlebenden als dessen Erbe. Die Ehegatten sind gegenseitig Vollerben und die Kinder Schlusserben des Längstlebenden. Die Schlusserben erhalten beim Tod des erstversterbenden Elternteils nichts. Der Nachlass kommt ihnen mit dem Tod des Längerlebenden zugute. 65
bb) Die Auslegungsregel des § 2269 Abs. 2 BGB betrifft den Fall, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Erben einsetzen und einem Dritten ein Vermächtnis zuwenden, das nach dem Tod des Überlebenden zu erfüllen ist. Hier kann zweifelhaft sein, welcher Ehegatte die Anordnung getroffen hat und bei welchem Erbfall das Vermächtnis anfällt. Das Gesetz geht im Zweifel davon aus, dass das Vermächtnis dem Dritten erst mit dem Tod des zweiten Ehepartners anfällt. Die Erblasser können andere Anordnungen treffen. Der Vermächtnisnehmer muss zu diesem Zeitpunkt noch leben, § 2160 BGB. Nur wenn der Bedachte ein Abkömmling des überlebenden Ehegatten ist, treten seine Abkömmlinge an seine Stelle, § 2069 BGB. b) Einsetzung des Voll- und Schlusserben
66 Aus der Testamentsgestaltung muss hervorgehen, dass eine Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten (Einheitslösung) und keine Vor- und Nacherbfolge im Sinne der Trennungslösung beabsichtigt ist. Die fehlerhafte Verwendung von Rechtsbegriffen führt zu Missverständnissen. Das ist misslich, wenn ein No-
1 BGH v. 15.12.1956 – IV ZR 101/56, BGHZ 22, 364 (366); BGH v. 26.9.1990 – IV ZR 131/89, BGHZ 112, 229 (233); BGH v. 7.10.1992 – IV ZR 160/91, NJW 1993, 256; BayObLG v. 8.10.1991 – BReg. 1 Z 34/91, NJW-RR 1992, 200 (201); BayObLG v. 12.8.1994 – 1 Z BR 152/93, FamRZ 1995, 251 (252); OLG Hamm v. 16.3.1993 – 15 W 135/92, JZ 1994, 628 (629) mit Anm. Muscheler; Erman/Schmidt, § 2269 Rz. 8.
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tar an der Testamentsgestaltung mitgewirkt hat1. Auch wenn die Wortwahl scheinbar eindeutig ist, kommt es im Rahmen der Auslegung nicht auf seine Sicht an. Maßgeblich ist, was die Erblasser gemeint haben. Es müssen Anhaltspunkte dafür vorhanden sein, dass sie trotz der gebrauchten Formulierung darunter etwas anderes verstanden haben. Ernennt ein Ehegatte den anderen zum „Alleinerben“, spricht das nach allgemeinem Sprachgebrauch für eine Vollerbschaft im Sinne der Einheitslösung. Andererseits kann der Begriff in dem Sinne verwendet worden sein, dass sich der Überlebende keiner Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB) ausgesetzt sehen soll2. Bezeichnen sich die Ehegatten in ihrem privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testament als „Vorerben“ und ihre gemeinsamen Kinder als „Nacherben“, ist das ein Indiz für die Anwendbarkeit der §§ 2100 ff. BGB. Die Trennungslösung ist jedoch keineswegs zwingend3. Rechtsunkundige verstehen diese Begriffe oft dahin gehend, dass damit jeder gemeint ist, der vor oder nach jemand anderem erbt. Eine doppelte Vollerbschaft im Sinne der Einheitslösung ist trotz der verwendeten Rechtsbegriffe beabsichtigt, wenn sich aus den Umständen entnehmen lässt, dass das Vermögen der Eheleute als wirtschaftliche Einheit erhalten bleiben und der längerlebende Partner von Bindungen zugunsten späterer Erben frei sein soll, § 2269 Abs. 1 BGB.
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Soll der überlebende Ehegatte lebenslangen „Nießbrauch“ haben und den Nachlass des Erstverstorbenen verwalten, kann das als Einheits- oder Trennungslösung oder als Nießbrauchsvermächtnis in Verbindung mit einer Testamentsvollstreckung ausgelegt werden4. Für die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft spricht in diesem Fall, wenn der Erblasser eine „gemeinsame Nachlassverwaltung“ zwischen dem Überlebenden und den Dritten verfügt oder die Nutzung des Nachlasses auf die Erträge beschränkt. Führt die Auslegung der Verfügung aus der Sicht des anderen Ehegatten zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist die gesetzliche Auslegungsregel des § 2269 BGB heranzuziehen: Der Längerlebende wird zum Vollerben und die Dritten werden zu Schlusserben berufen. Entsprechendes gilt für die Formulierung, der Nachlass gehe nach dem Tod des Längerlebenden nach den „gesetzlichen Vorschriften“ auf die Erben über. Dies kann als bloßer Hinweis auf die gesetzliche Erbfolge, aber auch als Schlusserbeneinsetzung aufzufassen sein5.
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1 Vgl. BGH v. 23.4.1951 – IV ZR 17/51, LM Nr. 1 zu § 2100 BGB; OLG Saarbrücken v. 6.1.1994 – 5 W 119/93 – 70, NJW-RR 1994, 844 (845); BayObLG v. 28.11.1990 – BReg. 1a Z 43/90, FamRZ 1991, 493 (494); BGB-RGRK/Johannsen, § 2269 Rz. 8. 2 RG v. 3.4.1939 – IV 165/38, RGZ 160, 109 (111); RG v. 21.3.1911 – Rep. VII. 534/10, RGZ 76, 20 (25); BayObLG v. 8.2.1966 – BReg. 1a Z 64/65, BayObLGZ 1966, 49 (53); Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rz. 29. 3 BGH v. 22.9.1982 – IVa ZR 26/81, NJW 1983, 277 (278); OLG Karlsruhe v. 13.8.1969 – 5 W 38/69, OLGZ 1969, 495 (497); BayObLG v. 7.8.1990 – BReg. 1a Z 32/90, MDR 1990, 1118 (1119); OLG Düsseldorf v. 14.6.1996 – 7 U 153/95, ZEV 1996, 310 (311); Erman/Schmidt, § 2269 Rz. 9. 4 RG Recht 1913 Nr. 219; KG OLGR 16, 68 (70); 21, 337; Soergel/Wolf, § 2269 Rz. 17. 5 Vgl. BayObLG v. 17.2.1965 – BReg. 1b Z 299/64, BayObLGZ 1965, 53 (57); AK-BGB/ Schaper, § 2269 Rz. 28.
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69 Schwierigkeiten bereitet die Vermögenslosigkeit des überlebenden Ehegatten. Die Eheleute betrachten ihr Hab und Gut zumeist wirtschaftlich als gemeinsames Vermögen, selbst wenn es rechtlich nur einem von ihnen gehört. Bleibt der Wertanteil des einen Ehegatten so erheblich hinter dem des anderen zurück, dass dem anderen praktisch alles gehört, tritt der Grundgedanke der Einheitslösung, das Vermögen zusammenzuhalten, zurück. Einige1 folgern daraus, dass nur eine Vor- und Nacherbschaft in Betracht kommt. Andererseits steht das vermögensmäßige Ungleichgewicht der Einsetzung als Vollerben nicht entgegen. Die Eheleute können ihren Nachlass erbrechtlich gemeinschaftlich übertragen wollen. Lassen sich dafür Anhaltspunkte ermitteln, ist vom Einheitsprinzip auszugehen. Die finanzielle Situation kann die Vermutung des § 2269 Abs. 1 BGB nicht widerlegen. Die Auslegungsregel bringt den Erblasserwillen auch bei Vermögenslosigkeit des überlebenden Ehepartners so zur Geltung, wie ihn der Gesetzgeber im Normalfall vermutet2. 70 Zur Vermeidung derartiger Auslegungsschwierigkeiten hat sich folgende Grundformel des Berliner Testaments als zweckmäßig erwiesen:
Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sind unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen.
Rechtliche Konsequenz: Der Nachlass des erstversterbenden Ehegatten fällt mit dessen Tod an den Überlebenden. Dieser wird Vollerbe. Sein Vermögen vereinigt sich mit dem des verstorbenen Ehepartners. Stirbt der überlebende Ehegatte, geht sein Vermögen, zu dem der Nachlass des Erstverstorbenen gehört, als einheitlicher Nachlass auf den Dritten als Schlusserben über. Dieser beerbt nicht den Erstverstorbenen als Nacherbe (§ 2100 BGB), sondern allein den Überlebenden als dessen Erbe. Die Ehegatten sind gegenseitig Vollerben und die Kinder Schlusserben des Längstlebenden. Beide Erbfälle werden getrennt versteuert. Weisen die Schlusserben unterschiedliche Verwandtschaftsgrade zu den Eheleuten auf (z.B. einseitige Abkömmlinge), wird für den Erwerb die günstigere Steuerklasse nach dem erstverstorbenen Ehegatten zugrunde gelegt, soweit sein Vermögen beim Tod des überlebenden Ehegatten noch vorhanden ist, § 15 Abs. 3 S. 1 ErbStG. 71 Zu Lebzeiten können beide Ehegatten über ihr Vermögen frei verfügen. Nach dem Tod des ersten Ehepartners ist der Überlebende an die Einsetzung der Abkömmlinge als Schlusserben gebunden, § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB. Er kann seine 1 KG v. 21.6.1954 – 1 W 1948/54, DNotZ 1955, 408 (411 f.); Brox, Rz. 187. 2 BayObLG v. 8.2.1966 – BReg. 1a Z 64/65, NJW 1966, 1223; BayObLG v. 23.6.1983 – BReg. 1 Z 41/83, FamRZ 1984, 211; BGB-RGRK/Johannsen, § 2269 Rz. 7; Staudinger/ Kanzleiter, § 2269 Rz. 32.
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Rz. 73 B VII
Testierfreiheit wiedererlangen, indem er den ihm zugewendeten Nachlass binnen sechs Wochen ausschlägt, § 1944 Abs. 1 BGB1. Durch eine Freistellungsklausel kann dem überlebenden Ehegatten gestattet werden, seine letztwillige Verfügung teilweise abzuändern oder vollständig aufzuheben, ohne dass sich das nachteilig auf seine Alleinerbenstellung auswirkt. Das kann beispielsweise sinnvoll sein, um die Erbteile der Kinder anders als geplant festzulegen oder nachträglich Vermächtnisse zugunsten einzelner Abkömmlinge anzuordnen. Der überlebende Ehegatte muss auf nachhaltige Änderungen der Sachlage reagieren können. Im Übrigen sollte genau bestimmt sein, welche der getroffenen Verfügungen wechselbezüglich oder widerrufbar sind. c) Pflichtteilsklauseln Die rechtliche Stellung der Schlusserben ist beim Berliner Testament dadurch 72 gekennzeichnet, dass sie beim Tod des ersten Elternteils nichts erhalten. Sie können nur hoffen, dass von dessen Nachlass nach dem Ableben des zweiten Ehepartners etwas übrig ist. Die Abkömmlinge sind auf den Tod des ersten Ehegatten enterbt, § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB. Verlangt eines der Kinder nach dem Tod des ersten Ehegatten den Pflichtteil, stört das die Nachfolgeplanung der Eltern. Der überlebende Elternteil ist oftmals gezwungen, zur Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs Nachlassgegenstände zu veräußern. Das gefährdet – man denke an die Versteigerung des Hausgrundstücks – die wirtschaftliche Existenz des überlebenden Ehegatten und vereitelt die ursprüngliche Zielsetzung, das elterliche Vermögen den Kindern mit dessen Tod zukommen zu lassen. Hinzu kommt der unerwünschte Effekt, dass sich derjenige, der den Pflichtteil begehrt, gegenüber seinen Geschwistern einen finanziellen Vorteil verschafft:
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Beratungssituation: Die Eheleute haben sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt. Als Schlusserben sind ihre beiden Kinder berufen. Als der Vater stirbt, hinterlässt er Vermögen im Wert von 128 000 Euro. Die ältere Tochter verlangt und erhält daraus den Pflichtteil. Ihre Mutter hat zu diesem Zeitpunkt 80 000 Euro eigenes Vermögen. Als sie stirbt, fragt die jüngere Tochter, ob sich die ältere bei der Erbauseinandersetzung den Pflichtteil aus dem ersten Nachlass anrechnen lassen muss.
Die Frage ist zu verneinen. In der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs liegt kein Verzicht auf die Schlusserbschaft. Auch auf die Erbteile nach dem Tod der Mutter hat es keine Auswirkungen, dass die ältere Tochter beim ersten Erbfall ihren Pflichtteil in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils geltend gemacht hat, § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB. Er beträgt nach §§ 1924, 1931 Abs. 1, 1371 Abs. 1 BGB ein Achtel (16 000 Euro). Zieht man den ausgezahlten Pflichtteil vom Nachlass des Vaters ab, blieben 112 000 Euro übrig. 1 Die Schlusserben können dagegen erst nach dem Tod des zweiten Ehegatten ausschlagen, BGH v. 8.10.1997 – IV ZR 236/96, WM 1998, 188; a.A. OLG Düsseldorf v. 14.6.1996 – 7 U 153/95, ZEV 1996, 310 ff. mit Anm. Edenfeld.
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Gemeinschaftliches Testament
Das Vermögen der Ehefrau erhöhte sich dadurch auf 192 000 Euro. Davon steht beim Tod der Mutter jedem Kind die Hälfte (96 000 Euro) zu, § 1924 Abs. 4 BGB. Die ältere Tochter bekommt insgesamt 112 000 Euro aus dem Nachlass ihrer Eltern. Sie steht finanziell besser da als ihre Schwester, die den letzten Willen ihrer Eltern respektiert hat, aber nur 96 000 Euro beanspruchen kann. 74
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Beratungshinweis: Erbstreitigkeiten unter den Kindern lassen sich in derartigen Konstellationen nicht dadurch verhindern, dass die Mutter die Erbteile zugunsten des benachteiligten Kindes abändert. Sie ist an ihre eigene letztwillige Verfügung gebunden. Die Erbeinsetzung der Kinder ist wechselbezüglich (dazu Rz. 100 ff.). Das gemeinschaftliche Testament enthält keine Klausel, die eine nachträgliche Anpassung der Erbquoten ermöglicht. Hätte die Mutter angeordnet, dass sich die älteste Tochter ihren durch den Pflichtteil erlangten Vorteil anrechnen lassen muss, stünde das zu ihrer früheren, im gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügung im Widerspruch und wäre nach § 2271 Abs. 2 BGB unwirksam. Um solchen Konflikten vorzubeugen, ist eine Pflichtteilsklausel ratsam. Sie ist in verschiedenen Variationen geläufig1.
aa) Die Verwirkungsklausel 75 Die übliche Sanktion besteht in der Enterbung beim zweiten Erbfall. Sie hält den Schlusserben davon ab, nach dem Tod des ersten Ehegatten den Pflichtteil zu verlangen. Macht er ihn geltend, wird er nicht Erbe des überlebenden Ehegatten:
Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sind unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen. Verlangt eines unserer Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil, erhält es ebenso wie seine Abkömmlinge auch nach dem Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil.
Jedes Kind ist unter der auflösenden Bedingung (§§ 2075, 158 Abs. 2 BGB) zum Schlusserben eingesetzt, dass es nach dem Tod des ersten Ehegatten keinen Pflichtteil geltend macht. Tritt die Bedingung ein, ist der gesamte Stamm des Abkömmlings beim zweiten Erbfall ausgeschlossen. Sein Erbteil wächst den anderen Erben an, § 2094 BGB. Das gilt auch dann, wenn der Pflichtteilsanspruch von einem anderen Erben geltend gemacht wird, der an die Stelle des in der Pflichtteilsklausel genannten Kindes getreten ist. Der den Pflicht1 Zur Auslegung einer Pflichtteilsklausel OLG München v. 29.3.2006 – 31 Wx 7/06, 8/06 – OLGReport 2006, 511; zur zeitlichen Grenze des Eintritts der auflösenden Bedingung BGH v. 12.7.2006 – IV ZR 298/03, NJW 2006, 3064.
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Rz. 77 B VII
teil fordernde Erbe muss in vorwerfbarer Art und Weise zeigen, dass er das gemeinschaftliche Testament nicht anerkennt. Die gerichtliche Geltendmachung des Auskunftsanspruchs über den Umfang des Nachlasses genügt nicht. Er muss sich bewusst, wenn auch nicht böswillig, gegen den Erblasserwillen auflehnen1. Die Verwirkungsklausel ist insoweit unbefriedigend, als der Pflichtteilsberechtigte nach wie vor zweimal am Nachlass des erstversterbenden Ehegatten teilhat: zum ersten Mal nach dem Tod des Erstversterbenden und zum zweiten Mal nach dem Ableben des Letztversterbenden, zu dessen Nachlass nach dem Einheitsprinzip auch der Nachlass des erstversterbenden Ehegatten gehört. Eine Anrechnung des ersten Pflichtteils auf den zweiten scheidet aus. Der Erblasser kann sie nicht testamentarisch anordnen, weil das den gesetzlichen Pflichtteilsanspruch mindert. Eine entsprechende Klausel kann allenfalls dahin gehend ausgelegt werden, dass der längerlebende Ehegatte an seine Verfügung zugunsten desjenigen, der den Pflichtteil fordert, nicht mehr gebunden sein soll2. Die wiederholte Berücksichtigung des Nachlasses zugunsten testamentsuntreuer Kinder lässt sich so nicht unterbinden.
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bb) Die Jastrow’sche Formel Die Jastrow’sche Klausel3 geht über die bloße Enterbung hinaus. Sie verhindert, dass derjenige Abkömmling, der den Pflichtteil verlangt, sich zulasten der anderen Schlusserben einen größeren Wertanteil am Nachlass des erstversterbenden Ehegatten verschafft. Die Pflichtteilsstrafklausel wird um eine Vermächtnisanordnung ergänzt. Jeder Ehegatte setzt für den Fall, dass ein Kind den Pflichtteil fordert, für die Geschwister Vermächtnisse in Höhe ihrer gesetzlichen Erbteile aus:
Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sind unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen.
1 OLG Braunschweig v. 13.1.1976 – 2 Wx 30/75, OLGZ 1977, 185 (188); BayObLG v. 23.10.1990 – BReg. 1a Z 50/90, NJW-RR 1991, 394 (395); BayObLG v. 18.9.1995 – 1 Z BR 34/94, NJW-RR 1996, 262 (263); OLG München v. 29.1.2008 – 31 Wx 68/07, OLGReport 2008, 258; Palandt/Edenhofer, § 2269 Rz. 13; einschränkend Lübbert, NJW 1988, 2706 (2711 ff.). Zur Frage, ob der Pflichtteil zur Auszahlung gelangt sein muss, OLG Zweibrücken v. 30.10.1998 – 3 W 116/98, ZEV 1999, 108 (109 f.) mit Anm. Loritz, ZEV 1999, 187. 2 BayObLG v. 8.2.1966 – BReg. 1a Z 64/65, BayObLGZ 1966, 49 (55); BayObLG v. 20.3.1990 – BReg. 1a Z 65/88, NJW-RR 1990, 969 (970); Kipp/Coing, § 79 IV 2. 3 Jastrow, DNotZ 1904, 424; verbesserte Form bei Weiss, MDR 1979, 812. Dazu auch Langenfeld, NJW 1987, 1577 (1581); Mayer, ZEV 1995, 136.
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B VII Rz. 78
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Verlangt eines unserer Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil, erhält es ebenso wie seine Abkömmlinge auch nach dem Tod des Letztversterbenden nur den Pflichtteil. Die anderen Kinder, die den Pflichtteil nicht gefordert haben, erhalten aus dem Nachlass des Erstversterbenden Geldvermächtnisse im Wert ihres gesetzlichen Erbteils. Sie werden aus dem Vermögen des Erstverstorbenen, aber erst beim Tod des Längerlebenden bezahlt.
78 Die Vermächtnisse gehören zu den Nachlassverbindlichkeiten des Nachlasses des Erstversterbenden, §§ 1967 Abs. 2, 2174 BGB. Das hat die erwünschte Wirkung, dass sich der Vermögenszuwachs beim zweiten Ehegatten verringert. Er erbt eine Nachlassverbindlichkeit, die sich auf den Pflichtteil beim zweiten Erbfall auswirkt. Derjenige Schlusserbe, der beim ersten Erbfall den Pflichtteil verlangt, profitiert nicht doppelt. Das Vermächtnis muss nicht mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten anfallen. Es genügt, wenn die Bedingung mit dem Pflichtteilsverlangen eintritt, § 2177 BGB. Um zu verhindern, dass Abkömmlinge desjenigen, der den Pflichtteil fordert, über die Auslegungsregel des § 2069 BGB Vermächtnisse erhalten, sollte man die Klausel entsprechend ergänzen. Dem überlebenden Ehegatten kann zudem das Recht eingeräumt werden, die Enterbung zu widerrufen, wodurch die Vermächtnisse der anderen Schlusserben wegfallen. Das gestaltet die testamentarische Regelung flexibel. cc) Der Pflichtteilsverzicht 79 Der sicherste Weg, um das gemeinschaftliche Testament vor den Schlusserben zu schützen, besteht im Pflichtteilsverzicht. Er setzt einen Pflichtteilsverzichtsvertrag und damit das Einverständnis der Kinder voraus, § 2346 Abs. 2 BGB1. Darüber hinaus ist die notarielle Beurkundung erforderlich, § 2348 BGB. d) Wiederverheiratungsklauseln 80 Die Wiederheirat des längerlebenden Ehegatten stellt ein weiteres Problem des Berliner Testaments dar. Nach der Lebenserfahrung will der erstverstorbene Ehegatte sicherstellen, dass sein Nachlass auf die gemeinsamen Abkömmlinge und nicht auf Dritte übergeht. Das Familienvermögen soll nicht in eine fremde Familie abfließen. Diese Absicht wird durch die Pflichtteilsrechte des neuen Ehepartners und aus der neuen Ehe hervorgehender Kinder gefährdet. Sie können auf den Nachlass des erstverstorbenen Ehegatten zugreifen, der nach der Einheitslösung mit dem Vermögen des längerlebenden Partners verschmilzt. Der verstorbene Ehegatte hat keinen Einfluss darauf, dass die hinzutretenden Berechtigten auf ihren Pflichtteil verzichten. Die Erbaussichten 1 Zum Erb- und Pflichtteilsverzicht Damrau, Der Erbverzicht als Mittel zweckmäßiger Vorsorge auf den Todesfall (1966); Edenfeld, ZEV 1997, 134 ff.; Reul, MittRhNotK 1997, 373 ff.
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Rz. 81 B VII
der als Schlusserben eingesetzten Kinder sind beeinträchtigt. Hinzu kommt, dass der längerlebende Ehegatte zu Lebzeiten zum Nachteil der Schlusserben über den Nachlass verfügen kann. In der Testierpraxis werden daher Wiederverheiratungsklauseln verwendet. Sie sollen nicht die neue eheliche Bindung durch Enterbung bestrafen, sondern die Nachlassbeteiligung der Schlusserben sichern. Ihre fehlerhafte Gestaltung wirft schwierige Auslegungsfragen auf:
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Beratungssituation: Die Eheleute haben sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt. Nach ihrem Tod sollen ihre beiden Kinder den Nachlass teilen. Für den Fall, dass ein Ehegatte heiratet, soll er sich mit den Kindern „nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge“ auseinander setzen.
Diese oft verwendete Formulierung1 eröffnet ebenso wie die Wendung „soll im Fall der Wiederheirat den Nachlass herausgeben“ verschiedene Möglichkeiten: – Mit der Wiederverheiratungsklausel kann eine Trennungslösung gemeint sein. Der überlebende Ehegatte ist Vorerbe. Die gemeinsamen Kinder sind Nacherben und zugleich Ersatzerben des Überlebenden. Die Vor- und Nacherbschaft ist unbedingt angeordnet. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod oder der Wiederverheiratung des Vorerben ein. – Geht man nach § 2269 Abs. 1 BGB von der Einheitslösung aus, wird der Längerlebende Vollerbe. Denkbar ist, dass er seine Erbenstellung auch im Fall der Wiederheirat behält und die Kinder ein Vermächtnis (§§ 2147, 2174 BGB) in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils bekommen. Dagegen spricht im vorstehenden gemeinschaftlichen Testament, dass sich der überlebende Elternteil nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge auseinander setzen soll. Die Auseinandersetzung findet nur unter Miterben statt, §§ 2042 ff. BGB. Die Eheleute sind davon ausgegangen, dass die Kinder neben dem wiederheiratenden Ehegatten Miterben in Höhe ihrer gesetzlichen Erbteile und nicht Vermächtnisnehmer werden sollen. – Näherliegend ist eine durch Bedingungen verknüpfte Einheits- und Trennungslösung. Der überlebende Ehegatte wird mit dem Tod seines Ehepartners zunächst Vollerbe im Sinne des § 2269 Abs. 1 BGB. Die Kinder sind hinsichtlich des gesamten elterlichen Nachlasses Schlusserben. Das gilt so lange, bis der überlebende Ehegatte wiederheiratet. In diesem Fall verliert er seine Alleinerbenstellung. Sie ist auflösend bedingt durch die Eingehung einer neuen Ehe, §§ 2075, 158 Abs. 2 BGB. Zugleich ist aufschiebend bedingt eine Vor- und Nacherbfolge angeordnet, §§ 2074, 158 Abs. 1 BGB. Heiratet der überlebende Ehegatte wieder, treten die Bedingungen ein. Tritt der Nacherbfall nicht mit dem Tod des Vorerben, sondern schon mit der Wiederheirat ein, werden die Kinder mit der Wiederheirat endgültige Erben des verstorbenen Elternteils, § 2139 BGB. Fraglich bleibt, ob der zum be1 Vgl. RG v. 25.11.1937 – IV B 34/37, RGZ 156, 172 (180); KG v. 7.3.1968 – 1 W 2454/67, FamRZ 1968, 331 (332); BayObLG v. 17.4.1962 – BReg. 1 Z 180/61, MDR 1962, 738; OLG Hamm v. 16.3.1993 – 15 W 135/92, FamRZ 1994, 188.
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dingten Vorerben eingesetzte überlebende Ehegatte bis zu seiner Wiederheirat die Stellung eines befreiten Vorerben hat (§ 2136 BGB) oder die Kinder durch die §§ 2113 ff. BGB geschützt sind. 82 Welche dieser Lösungen mit der Wiederverheiratungsklausel gemeint ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Einen Erfahrungssatz, dass Ehegatten die eine oder die andere bevorzugen, gibt es nicht. § 2269 Abs. 1 BGB spricht für die Einheitslösung, es kann im Einzelfall aber auch eine Trennungslösung gewollt sein, bei der der Nacherbfall mit dem Tod oder der Wiederverheiratung des Vorerben eintritt. Wollen die Eheleute bis zur Wiederheirat des längerlebenden Ehegatten die Einheitslösung, bleiben zwei Grundtypen:1 – die Anordnung von Vermächtnissen – die aufschiebend bedingte Vor- und Nacherbschaft. aa) Anordnung eines Vermächtnisses 83 Die Ehegatten können testieren, dass der überlebende Ehegatte für den Fall der Wiederheirat Vollerbe bleibt. Das hat den Vorteil, dass er sich nicht den Beschränkungen der Vorerbschaft ausgesetzt sieht und die Einheit des Nachlasses erhalten bleibt. Die Kinder werden nicht Nacherben. Sie sind weiterhin Schlusserben ohne gesicherte Aussicht auf die Erbschaft. Um ihnen den Mindestanteil am Nachlass des Erstverstorbenen zu gewährleisten, werden zu ihren Gunsten Vermächtnisse (§ 2147 BGB) angeordnet. Diese sind aufschiebend bedingt durch die Wiederheirat, §§ 2074, 158 Abs. 1 BGB. Die Vermächtnisnehmer erhalten mit dem Eintritt der Bedingung einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den überlebenden Elternteil aus § 2174 BGB. Das Vermächtnis kann in Höhe der gesetzlichen Erbteile der Abkömmlinge, aber auch auf einen bestimmten Betrag oder einen Bruchteil des bei der Wiederheirat noch vorhandenen Vermögens des Erstversterbenden bestimmt werden. 84
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Beratungshinweis: Um Streit über den früheren und aktuellen Nachlassbestand und damit über den Umfang des Vermächtnisses auszuschließen, sollte man den Erbfall oder die Wiederheirat als maßgeblichen Zeitpunkt der Nachlassbewertung festlegen. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch Anfall und Fälligkeit der Vermächtnisse. Die Kinder sind am ehesten vor dem Zugriff Dritter auf den Nachlass geschützt, wenn beides mit der Wiederheirat einsetzt. Mit Rücksicht auf den überlebenden Ehegatten kann es angezeigt sein, zumindest die Fälligkeit auf dessen Tod hinauszuschieben und die Ansprüche der Vermächtnisnehmer durch Grundpfandrechte o.Ä. zu sichern. An die rechtzeitige amtliche Aufnahme des Nachlassinventars (§ 2003 BGB) zu Beweiszwecken ist zu denken. Die Vermächtnislösung lässt sich wie folgt formulieren:
1 Zu den in der Praxis gebräuchlichsten Wiederverheiratungsklauseln Dippel, AcP 177 (1977), 349 (352 ff.); Meier-Kraut, NJW 1992, 143 ff.; Simshäuser, FamRZ 1972, 273 ff.; Wilhelm, NJW 1990, 2857 ff.; Zawar, NJW 1988, 16 ff.; Zawar, FS Schippel (1996), 327 ff.
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Rz. 87 B VII
Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sind unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen. Heiratet der überlebende Ehegatte wieder, hat er unseren Kindern Vermächtnisse in Höhe ihrer gesetzlichen Erbteile auszuzahlen. Maßgeblich für Berechnung, Anfall und Fälligkeit des Vermächtnisses ist der Zeitpunkt der Wiederheirat. Die Ansprüche der Vermächtnisnehmer sind voneinander unabhängig. Der Anspruch entsteht nicht, wenn das betreffende Kind nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil verlangt und erhalten hat.
Soll der überlebende Ehegatte mit der Wiederheirat seine Testierfreiheit wiedererlangen, bietet sich eine Freistellungsklausel an. Durch sie kann ihm gestattet werden, seine letztwillige Verfügung ganz oder teilweise zu widerrufen. Die Bindung an die Einsetzung der Schlusserben entfällt. Steuerrechtlich ist zu beachten, dass die Vermächtnisnehmer ihren aufschiebend bedingten Erwerb des Vermächtnisses mit dem Eintritt der Bedingung (Wiederheirat) zu versteuern haben, während der Erbe die zu viel gezahlte Steuer zurückerhält, § 9 Abs. 1 Nr. 1a) ErbStG.
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bb) Die bedingte Vor- und Nacherbschaft Die Vermächtnislösung ändert nichts daran, dass der gesamte Nachlass des Erstverstorbenen beim überlebenden Ehegatten verbleibt. Sicherer als ein Vermächtnisanspruch der Kinder ist die Nachlasstrennung. Die Eheleute bestimmen, dass die Verschmelzung ihrer Vermögensmassen, wie sie nach der Einheitslösung mit dem Tod des ersten Partners eintritt, im Fall der Wiederheirat rückgängig gemacht wird. Der überlebende Ehegatte, der zunächst Vollerbe ist, wird im Hinblick auf den Nachlass des Erstverstorbenen oder eines Bruchteils Vorerbe, die Abkömmlinge Nacherben. Die Einheits- wird von der Trennungslösung abgelöst. Für die Beteiligten bedeutet das Folgendes:
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– Der überlebende Ehegatte wird mit dem Tod seines Ehepartners Vollerbe im Sinne des § 2269 Abs. 1 BGB. Das gilt so lange, bis er wieder heiratet. Mit der erneuten Eheschließung verliert er seine Alleinerbenstellung und wird Vorerbe. Die Vollerbschaft ist auflösend bedingt durch die Eingehung einer neuen Ehe, § 2075 BGB. Zugleich ist eine aufschiebend bedingte Vorund Nacherbfolge angeordnet, § 2074 BGB. Diese Kombination von Einheits- und Trennungslösung durch zwei Bedingungen ist nach ganz herrschender Auffassung1 zulässig. Jeder der Eheleute wird mit dem Tod seines Partners auflösend bedingter Vollerbe (§ 158 Abs. 2 BGB) und aufschiebend
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1 RG v. 25.11.1937 – IV B 34/37, RGZ 156, 172 (180 f.); BGH v. 6.11.1985 – IVa ZB 5/85, BGHZ 96, 198 (200 ff.); KG OLGE 43, 185 (192); BGB-RGRK/Johannsen, § 2269 Rz. 19; Kipp/Coing, § 79 IV 1; Schlüter, Rz. 349; Simshäuser, FamRZ 1972, 273 (274).
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B VII Rz. 88
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bedingter Vorerbe (§ 158 Abs. 1 BGB). Heiratet er erneut, treten beide Bedingungen ein. Wie lange er seine Rechte als Vorerbe ausübt, hängt davon ab, wann der Nacherbfall eintritt. Tritt dieser erst mit dem Tod des Vorerben ein, profitiert der längerlebende Ehegatte zeitlebens vom Nachlass des verstorbenen Partners. Erst danach fällt das Vermögen den Kindern zu. Tritt der Nacherbfall mit der Wiederheirat ein, werden die Kinder mit der erneuten Eheschließung endgültige Erben des verstorbenen Elternteils, § 2139 BGB. 88 – Die rechtliche Stellung der Kinder verläuft parallel. Sie sind mit dem Tod des ersten Elternteils auf den gesamten elterlichen Nachlass als Schlusserben eingesetzt, § 2269 Abs. 1 BGB. Geht der überlebende Ehegatte eine neue Ehe ein, wandelt sich ihre Erbaussicht auf das Vermögen des Erstverstorbenen in eine Nacherbschaft. Die Kinder sind auflösend bedingte Schlusserben (§§ 2075, 158 Abs. 2 BGB) und aufschiebend bedingte Nacherben (§§ 2074, 158 Abs. 1 BGB) des Erstverstorbenen. Durch den Wechsel von der Einheits- zur Trennungslösung beerben sie nicht mehr allein den überlebenden Ehegatten als dessen Vollerben, sondern auch den Erstverstorbenen als dessen Nacherben. Gleichzeitig bleiben sie Ersatzerben des Letztverstorbenen. Wie lange sie Nacherben sind, hängt davon ab, wann der Nacherbfall eintritt. Tritt dieser mit dem Tod des längerlebenden Ehegatten ein, fällt den Kindern das Vermögen später zu. Tritt der Nacherbfall schon mit der Wiederheirat ein, werden sie mit der erneuten Eheschließung endgültige Erben des verstorbenen Elternteils, § 2139 BGB. Die steuerrechtlichen Folgen richten sich nach den §§ 15 ff. ErbStG. 89 – Mit der Wiederheirat tritt der erwünschte Effekt ein. Der neue Ehepartner und andere Pflichtteilsberechtigte werden nur am Nachlass des Wiederheiratenden beteiligt. Vom Nachlass des erstverstorbenen Ehegatten sind sie durch die nachträgliche Trennung der Vermögensmassen ausgeschlossen. Vorteile aus dessen Vermögen kommen ihnen insoweit zugute, als der überlebende Ehegatte als Vorerbe zu Lebzeiten über den Nachlass verfügen kann. Durch den Eintritt der Bedingung gelten die Schutzvorschriften zugunsten der Nacherben (§§ 2113 ff. BGB; dazu B IV Rz. 42 ff.) mit Rückwirkung vom Erbfall an. Tritt der Nacherbfall mit der Wiederheirat ein, entfällt jede weitere Zugriffsmöglichkeit. Die Kinder aus der ersten Ehe werden mit der erneuten Eheschließung endgültige Erben des verstorbenen Elternteils. Die Vorerbschaft wird von der Vollerbschaft abgelöst, § 2139 BGB. 90 Gegen diese Bedingungslösung werden Bedenken1 erhoben. Die Umwandlung der Einheits- in eine Trennungslösung für den Fall der Wiederheirat passe nicht zum Berliner Testament. Sie bedeute für den überlebenden Ehegatten, dass er mit dem Tod des Erstversterbenden praktisch den Beschränkungen des Vorerben unterliege, auch wenn er nicht wiederheirate. Die Auslegung her1 Langenfeld, Testamentsgestaltung, 2002, Rz. 346; Meyer-Kraut, NJW 1992, 143 (147); MüKo/Musielak, § 2269 Rz. 55 ff.; Rode, LZ 1924, 716 (719); Wilhelm, NJW 1990, 2857 (2860 ff.).
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Rz. 92 B VII
kömmlicher Wiederverheiratungsklauseln als bedingte Vor- und Nacherbschaft sei reine Fiktion. Sie laufe darauf hinaus, dass der längerlebende Ehepartner im Rechtsverkehr für einen Vollerben gehalten, aber mit dem Erbfall den Verfügungsbeschränkungen eines Vorerben unterworfen sei. Das sei widersprüchlich und stelle einen Gestaltungsfehler dar. Derartige Wiederverheiratungsklauseln seien streitträchtig und stellten keine Seite voll zufrieden. Sie stärkten die Position der erbenden Kinder, benachteiligten jedoch den überlebenden Elternteil. Dieser könne im Alter auf die Unterstützung des neuen Partners angewiesen sein, werde aber an der Wiederheirat gehindert. Es sei sachgerechter, wenn er mit dem neuen Ehegatten einen Pflichtteilsverzichtsvertrag abschließe. Der Kritik ist zuzugeben, dass die doppelt bedingte Voll- und Vorerbschaft rechtlich kompliziert ist und für den überlebenden Ehegatten einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsposition bedeutet, wenn der Nacherbfall nicht erst mit seinem Tod, sondern mit der Wiederheirat eintritt. Das gilt umso mehr, als die Schutzvorschriften der §§ 2113 ff. BGB auch zugunsten bedingt eingesetzter Nacherben gelten1. Der Nachlass des ersten Elternteils ist bis zur Entscheidung über Eintritt oder Ausfall der Bedingung geschützt. Es kommt nicht darauf an, ob man den längerlebenden Ehepartner bis zur Wiederheirat als Vollerben oder Vorerben ansieht. Er ist in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit eingeschränkt.
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Andererseits ist die nachträgliche Trennung der Vermögensmassen beider Elternteile der sicherste Weg, um den Zugriff neuer Pflichtteilsberechtigter auf den Nachlass des Erstverstorbenen zu verhindern. Es ist gewährleistet, dass die Substanz auf die Letztbedachten übergeht. Weder der verstorbene Ehegatte noch die Kinder haben Einfluss darauf, dass die hinzutretenden Berechtigten auf ihren Pflichtteil verzichten. Der längerlebende Ehegatte kann den Nachlass zusammen mit seinem neuen Partner zulasten der Abkömmlinge aus erster Ehe schmälern. Dem Wunsch vieler Erblasser, den Nachlass in der „Blutslinie“ weiterzugeben und nicht an Dritte fallen zu lassen, muss man Rechnung tragen. An der Konstruktion einer bedingten Vor- und Nacherbschaft ist festzuhalten. Die herrschende Meinung2 will die erbrechtlichen Folgen der Wiederheirat für den überlebenden Ehegatten dadurch mildern, dass sie ihm eine der ursprünglichen Vollerbenstellung angenäherte Rechtsposition verschafft. Fehlten entgegenstehende Anhaltspunkte, müsse im Zweifel davon ausgegangen werden, dass der zum bedingten Vorerben eingesetzte überlebende Ehepartner die Stellung eines befreiten Vorerben habe (vgl. Rz. 58 und B IV Rz. 81). Er sei 1 RG v. 25.11.1937 – IV B 34/37, RGZ 156, 172 (181); OLG München, JFG 15, 39 (40); BayObLG v. 22.6.1966 – BReg. 1b Z 12/66, BayObLGZ 1966, 227 (231); Dippel, AcP 177 (1977), 349 (361); Palandt/Edenhofer, § 2269 Rz. 20; Wilhelm, NJW 1990, 2857 (2863). 2 KG, KGJ 42, 109 (114 f.); KG, Recht 1930 Nr. 322; BayObLG v. 22.6.1966 – BReg. 1b Z 12/66, FamRZ 1967, 695 (697); OLG Hamm v. 9.7.1971 – 15a W 108/71, DNotZ 1972, 96; Dippel, AcP 177 (1977), 349 (361); Haegele, RPfleger 1976, 73 (76).
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B VII Rz. 93
Gemeinschaftliches Testament
von den in § 2136 BGB genannten Beschränkungen befreit. Nur das Verbot des § 2113 Abs. 2 BGB, unentgeltlich zu verfügen, bleibe bestehen. Dafür spricht, dass dem längerlebenden Elternteil grundsätzlich eine unbeschränkte Verfügungsgewalt zukommen soll. Andererseits muss das Maß des gegenseitigen Vertrauens, wie es im gemeinschaftlichen Testament zum Ausdruck gekommen ist, berücksichtigt werden1. Richtigerweise ist zu differenzieren:2 93 Dadurch, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Vollerben und nicht zu Vorerben im Sinne der Trennungslösung einsetzen, bringen sie ihr Vertrauen in die Alleinverantwortung des Überlebenden für den Nachlass zum Ausdruck. Er soll das ihm angefallene Vermögen bis zu dessen Übergang auf die Schlusserben verwalten. Im Zweifel ist anzunehmen, dass er auch bei der bedingten Vorerbeneinsetzung aufgrund einer Wiederverheiratungsklausel von allen Beschränkungen befreit sein soll, die sich auf die Verwaltung des Nachlasses beziehen. An diejenigen Bestimmungen, die die Substanzerhaltung für die Abkömmlinge sichern (z.B. §§ 2133, 2134 BGB), bleibt er gebunden, sofern der Nachlass dem überlebenden Ehegatten nicht als Verwertungsobjekt zustehen soll. Das spielt vor allem bei Verfügungen über Grundbesitz eine Rolle, § 2113 Abs. 1 BGB. 94 Um Auslegungsschwierigkeiten zu entgehen, ist in der Praxis auf die eindeutige und sachgerechte Gestaltung der Wiederverheiratungsklausel Wert zu legen. Dem Sicherungsverlangen der Letztbedachten muss Genüge getan werden, ohne den überlebenden Ehegatten in seiner persönlichen Lebensführung unnötig zu beschränken. Diesen Interessen ist im Rahmen der Beratung Rechnung zu tragen. Unklare und konfliktträchtige Formulierungen, wie „Der überlebende Ehegatte“ soll sich im Fall der Wiederheirat nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge auseinander setzen“ (vgl. das obige Beispiel Rz. 80) oder „Der überlebende Ehegatte soll im Fall erneuter Eheschließung den Nachlass an die gemeinsamen Kinder herausgeben“ sind zu vermeiden. So lassen sich Auseinandersetzungen zwischen dem Überlebenden, den gemeinsamen Kindern und neuen Pflichtteilsberechtigten vermeiden. Folgende Punkte müssen testamentarisch klar sein: – Bedingte Nacherbeneinsetzung der Abkömmlinge – Zeitpunkt des Nacherbfalls (Wiederheirat oder Tod des Vorerben) – Umfang der Beschränkungen des Vorerben (§§ 2113 ff., 2136 BGB) – Ggf. Wegfall der Bindung des überlebenden Ehegatten an seine eigenen Verfügungen und Abfindung der Endbedachten.
1 BGH v. 18.1.1961 – V ZR 83/59, FamRZ 1961, 275 (277). Gegen die Anwendung des § 2136 BGB OLG Stuttgart, JFG 6, 162 (164 f.); Asbeck, MDR 1959, 897 (899); für „ländliche Verhältnisse“ auch BGH v. 5.3.1951 – I ZR 64/50, NJW 1951, 354. 2 Ebenso Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rz. 44; zustimmend Dittmann/Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, 2. Aufl. 1986, Rz. 42.
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 97 B VII
Die Wiederverheiratungsklausel lässt sich wie folgt formulieren:
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Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sind unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen. Heiratet der überlebende Ehegatte wieder, ist er hinsichtlich des gesamten Nachlasses des Vorverstorbenen Vorerbe. Er ist von allen Beschränkungen befreit, sofern dies gesetzlich zulässig ist (§ 2136 BGB). Nacherben sind unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen. Der Nacherbfall tritt mit dem Zeitpunkt der erneuten Eheschließung ein. Kommt diese Klausel zur Verwirklichung, fällt die Bindung des längerlebenden Ehegatten an die eigene Verfügung auf seinen Tod vollständig weg; die Schlusserbeneinsetzung entfällt.
Fortdauer oder Ende der Bindung des überlebenden Ehegatten an seine eigenen Verfügungen (§ 2270 BGB) sollten – wie im vorstehenden Beispiel – ausdrücklich geklärt werden. Ohne eine solche Bestimmung kann Streit über den hypothetischen Willen der Ehegatten entstehen, wenn das gemeinschaftliche Testament keine weiteren Anhaltspunkte für die Auslegung liefert. Die überwiegende Ansicht1 geht davon aus, dass der überlebende Ehegatte mit der Wiederheirat im Zweifel nicht mehr an die testamentarische Verfügung über seinen Nachlass und die Einsetzung der gemeinsamen Kinder als Erben gebunden ist. Die Fortdauer der Bindung ist von den Eheleuten in aller Regel nicht beabsichtigt, weil der Längerlebende seine Rechtsstellung als Alleinerbe wegen der Wiederverheiratung verloren hat. Er darf anders über seinen eigenen Nachlass verfügen, seinen neuen Ehegatten und die Kinder aus seiner neuen Ehe bedenken. Die ursprüngliche Bindung entfällt nicht teilweise, sondern vollständig.
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Unterschiedlich beurteilt wird in Rechtsprechung und Schrifttum die Frage, ob die eigene wechselbezügliche Verfügung des überlebenden Ehegatten mit dessen Wiederverheiratung automatisch gegenstandslos wird oder ob der überlebende Ehegatte sie widerrufen muss. Teilweise2 wird angenommen, dass seine letztwilligen Verfügungen mit der Wiederverheiratung unwirksam werden, ohne dass es eines Widerrufstestaments (§ 2254 BGB) bedarf. Es kann jedoch nicht unterstellt werden, dass die Ehegatten die Gegenstandslosigkeit ihrer Anordnungen wollen. Immerhin kann der längerlebende Ehegatte seinen
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1 KG, JFG 15, 325 (329 f.); BayObLG v. 17.4.1962 – BReg. 1 Z 180/61, MDR 1962, 738 (739); OLG Köln v. 27.10.1975 – 2 Wx 42/75, FamRZ 1976, 552; OLG Hamm v. 23.6.1994 – 15 W 265/93, ZEV 1994, 365; Erman/Schmidt, § 2269 Rz. 14; Huken, DNotZ 1965, 729 (731); Schlüter, Rz. 349; MüKo/Musielak, § 2269 Rz. 62 m.w.N. 2 KG v. 10.1.1957 – 1 W 2398/56, NJW 1957, 1073; KG v. 7.3.1968 – 1 W 2454/67, FamRZ 1968, 331; OLG Hamm v. 23.6.1994 – 15 W 265/93, ZEV 1994, 365 (366); Leipold, FamRZ 1988, 352 (354); Simshäuser, FamRZ 1972, 273 (276 ff.).
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B VII Rz. 98
Gemeinschaftliches Testament
Willen verwirklichen, indem er neu verfügt. Es spricht einiges dafür, dass die letztwilligen Verfügungen gemeinschaftlicher Testamente gültig bleiben, bis sie durch die Äußerung eines anderen testamentarischen Willens ersetzt werden1. 98 Mangels höchstrichterlicher Entscheidung bedeutet das für die Beratungspraxis: – Fortdauer, gänzliches oder teilweises Ende der Bindung des überlebenden Ehegatten an seine eigenen Verfügungen sind im gemeinschaftlichen Testament ausdrücklich zu regeln. – Ist die testamentarische Regelung versäumt worden, ist dem überlebenden Ehegatten dringend zu empfehlen, die eigene Verfügung zu widerrufen oder, wenn die Bindung nach dem Willen der Testierenden bestehen bleiben sollte, anzufechten, §§ 2281, 2285, 2078 f. BGB analog (dazu unten Rz. 132 ff.). – Ist der überlebende Ehegatte verstorben, ohne zu widerrufen, bleibt den Erben aus zweiter Ehe die Anfechtung, §§ 2281, 2285, 2078, 2079 BGB analog. Die Anfechtungsfrist ist zu beachten, §§ 2082, 2285 BGB. 99 Die vorstehende Problematik zeigt, dass es bei Wiederverheiratungsklauseln nicht allein um die Erhaltung des Nachlasses für die Schlusserben geht. Der längerlebende Ehegatte hat unter bestimmten Umständen ein Interesse daran, die Testierfreiheit auf seinen Tod wiederzuerlangen. Fehlt ein testamentarischer Änderungsvorbehalt, tritt die Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente ein. Sie äußert sich in wechselbezüglichen Verfügungen, §§ 2270, 2271 BGB.
III. Die wechselbezüglichen Verfügungen 100
Wechselbezügliche Verfügungen weisen im Vergleich zu anderen Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten drei Besonderheiten auf: Sie sind in ihrem Bestand voneinander abhängig (§ 2270 BGB, dazu Rz. 101 ff.), ihr Widerruf ist erschwert oder ausgeschlossen (§ 2271 BGB, dazu Rz. 113 ff.) und zum Schutz der Schlussbedachten vor lebzeitigen Verfügungen sind die für den Erbvertrag geltenden §§ 2287, 2288 BGB entsprechend anwendbar (dazu Rz. 144 ff.).
1. Die Wechselbezüglichkeit
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Beratungssituation: Die Eheleute setzen sich gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztver-
1 OLG Hamm v. 13.3.1987 – 15 U 40/85, JR 1987, 376 (376 f.); OLG Hamm v. 23.6.1994 – 15 W 265/93, NJW-RR 1994, 1355; Hüber, RPfleger 1981, 41 (44); Palandt/Edenhofer, § 2269 Rz. 19; Staudinger/Kanzleiter, § 2269 Rz. 50; offen gelassen von BGH v. 15.5.1985 – IVa ZR 231/83, WM 1985, 1178 (1179 f.).
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 102 B VII
sterbenden Ehegatten sollen ihre gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen sein. Gleichzeitig ordnen sie eine Dauertestamentsvollstreckung für den gesamten Nachlass nach dem Tod des zweiten Ehegatten an. Als die Ehefrau stirbt, fragt der Ehemann, ob er der ältesten Tochter das Hausgrundstück zuwenden und die Testamentsvollstreckung aufheben kann. a) Bedeutung und Rechtsfolge Treffen die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge, § 2270 Abs. 1 BGB. Wechselbezügliche Verfügungen stehen in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Sie brauchen nicht unbedingt gegenseitig zu sein. Es genügt, wenn der eine Ehegatte dem anderen etwas zuwendet und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder sonst nahe steht, § 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB. Entscheidend ist, dass der Ehegatte seine testamentarische Anordnung mit Rücksicht auf die Verfügung des anderen Ehegatten trifft: Die eine steht und fällt mit der anderen1. Wechselbezüglich sind immer einzelne Verfügungen, nie das gemeinschaftliche Testament als solches. Die Eheleute können darin neben wechselbezüglichen auch voneinander unabhängige Anordnungen treffen oder die Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen auf Teile beschränken. Die Wechselbezüglichkeit muss für jede einzelne Anordnung gesondert geprüft werden2.
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Verfügt der eine Ehegatte mit Rücksicht auf die Verfügung des anderen, trifft der andere seine Anordnung aber ohne Rücksicht auf die des Partners, liegt eine einseitige Wechselbezüglichkeit vor. § 2270 Abs. 1 BGB regelt die gegenseitige Abhängigkeit, ist jedoch nach seinem Sinn und Zweck auch auf diesen Fall anzuwenden. Die Verfügung des anderen Ehegatten wird wie eine beiderseitig wechselbezügliche Verfügung behandelt. Die §§ 2270, 2271 BGB gelten analog3. Hebt ein Ehegatte die Wechselbezüglichkeit seiner Verfügung durch neue Verfügung von Todes wegen auf, gilt sie als einseitige fort. Da der andere Ehegatte wieder frei wird, er selbst aber an seine wechselbezüglichen Verfügungen gebunden bleibt, steht § 2271 BGB der einseitigen Aufhebung der Bindung nicht entgegen.
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1 Protokolle V, S. 451; RG v. 14.2.1927 – IV 766/26, RGZ 116, 148 (149); OLG Hamm v. 2.8.1993 – 15 W 115/93, FamRZ 1994, 1210 (1211); OLG Koblenz v. 13.12.2006 – 2 U 80/06, OLGReport 2007, 282; OLG Düsseldorf v. 14.9.2007 – 3 Wx 131/07, OLGReport 2008, 48; OLG München v. 6.7.2007 – 31 Wx 33/07 – Juris; Schlüter, Rz. 352. 2 BayObLG v. 27.8.1985 – BReg. 1 Z 20/85, FamRZ 1986, 604 (606); BayObLG v. 29.1.1993 – 1 Z BR 80/92, FamRZ 1993, 1126 (1127); BayObLG v. 23.7.1993 – 1 Z BR 26/93, FamRZ 1994, 191 (192); BayObLG v. 26.1.1999 – 1 Z BR 44/98, ZEV 1999, 227; Kipp/Coing, § 35 II 1; Staudinger/Kanzleiter, § 2270 Rz. 2. 3 KG, JFG 10, 67 (69 f.); KG v. 16.12.1937 – 1 Wx 584/37, DNotZ 1938, 179 (180); BGBRGRK/Johannsen, § 2270 Rz. 3; Erman/Schmidt, § 2270 Rz. 1.
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B VII Rz. 103
Gemeinschaftliches Testament
103
Die Ehegatten können bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments frei bestimmen, welche ihrer letztwilligen Anordnungen wechselbezüglich sein sollen. Das gilt mit einer Einschränkung. § 2270 Abs. 3 BGB lässt die Wechselbezüglichkeit nur für bestimmte Arten von Verfügungen zu. Dies sind wie beim Erbvertrag (vgl. § 2278 Abs. 2 BGB) Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen. Alle anderen Verfügungen können nicht wechselbezüglich sein. Enterbung (§ 1938 BGB), Teilungsanordnung (§ 2048 BGB), Testamentsvollstreckung (§ 2197 BGB) oder Pflichtteilsentziehung (§ 2333 BGB) sind selbst dann nicht wechselbezüglich, wenn die Eheleute es wollen. Im obigen Beispielsfall scheitert die veränderte Schlusserbeneinsetzung zugunsten der Tochter an den §§ 2270, 2271 BGB, während der Vater nicht gehindert ist, die Testamentsvollstreckung einseitig zu widerrufen. Sein Widerrufsrecht ist nicht nach § 2271 Abs. 2 BGB eingeschränkt, weil die Anordnung einer Testamentsvollstreckung nicht wechselbezüglich sein kann, § 2270 Abs. 3 BGB1.
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Wechselbezügliche Verfügungen bedingen sich gegenseitig in ihrer Wirksamkeit. Die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen führt zur Nichtigkeit der anderen, § 2270 Abs. 1 BGB. Durch die Beschränkung des § 2270 Abs. 3 BGB bleiben Enterbungen, Teilungsanordnungen, Testamentsvollstreckungen oder Pflichtteilsentziehungen gültig, sofern sie nicht vom Erblasser selbst widerrufen (§ 2253 BGB) oder nach seinem Tod von einem Anfechtungsberechtigten angefochten werden, §§ 2078 Abs. 2, 2080 BGB. Allein die Nichtigkeit und der Widerruf führen zur Rechtsfolge des § 2270 Abs. 1 BGB2. Ist eine Verfügung zwar wechselbezüglich, aber aus anderen Gründen gegenstandslos, z.B. weil der Berufene erbunwürdig ist (§ 2339 BGB) oder das Erbe ausschlägt (§ 1944 BGB), sind abhängige Verfügungen allenfalls unwirksam, wenn die Testamentsauslegung ergibt, dass ihre Anordnung durch die Ausführung anderer bedingt sein soll (§§ 158, 2074 f. BGB) oder wenn sie angefochten werden, §§ 2078 Abs. 2, 2080 BGB. Im Übrigen hat die Unwirksamkeit einer von mehreren in einem gemeinschaftlichen Testament enthaltenen, selbstständigen Verfügungen die Unwirksamkeit der übrigen Verfügungen zur Folge, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser diese ohne die unwirksame Verfügung nicht getroffen haben würde, § 2085 BGB. b) Ermittlung
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Ob und welche Verfügungen der Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich sind, richtet sich nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen. Maßgeblich ist in erster Linie der wirkliche Wille der Erblasser, §§ 133, 157, 2084 BGB. Soll die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen und jede Anordnung so mit der anderen verknüpft sein, dass sie mit ihr „steht und fällt“, ist von dem für § 2270 Abs. 1 BGB erforder1 Zur Auswechslung eines im gemeinschaftlichen Testament ernannten Testamentsvollstreckers durch den überlebenden Ehegatten OLG Hamm v. 6.11.2000 – 15 W 188/00, ZEV 2001, 271 mit Anm. Reimann. 2 MüKo/Musielak, § 2270 Rz. 18.
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 108 B VII
lichen wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis auszugehen. Es kann auch auf Umstände gestützt werden, die außerhalb des Testaments liegen. Die Vermögensverhältnisse, der Grad der Verwandtschaft und das Alter der Eheleute sind wenig aussagekräftig1. Lässt sich der wirkliche Wille der Erblasser nicht ermitteln, ist im Rahmen der ergänzenden Auslegung zu prüfen, wie die Erblasser das Verhältnis bestimmter Verfügungen zueinander gestaltet hätten, wenn ihnen nachträglich eingetretene Umstände bei der Testamentserrichtung bekannt gewesen wären2. Führt die erläuternde oder ergänzende Auslegung zu keinem Ergebnis und lässt sich die Wechselbezüglichkeit aufgrund aller in Betracht kommenden Umstände nicht klären, greift die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB ein. Sie enthält zwei Fälle, die miteinander kombiniert sein können. Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten sind im Zweifel wechselbezüglich, wenn
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– sich die Ehegatten gegenseitig bedenken (§ 2270 Abs. 2 Alt. 1 BGB) oder – der eine Ehegatte dem anderen etwas zuwendet und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht (§ 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB). aa) Gegenseitige Zuwendungen (§ 2270 Abs. 2 Alt. 1 BGB) Die Ehegatten bedenken sich gegenseitig entweder durch Erbeinsetzung oder Vermächtnis. Der Erbeinsetzung steht es gleich, wenn sie der gegenseitigen gesetzlichen Erbfolge (§ 1931 BGB) absichtlich freien Lauf lassen. Die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB gilt nicht, wenn sich die Eheleute etwas durch Auflagen zuwenden. Die Auflage ist kein gegenseitiges Bedenken im eigentlichen Sinne3.
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bb) Zuwendungen an Dritte (§ 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB) Der gegenseitigen Erbeinsetzung steht es gleich, wenn der eine Ehegatte dem anderen etwas zuwendet und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person trifft, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. In dieser Alternative des § 2270 Abs. 2 BGB ist zwischen Verwandten und anderen nahestehenden Personen zu unterscheiden. 1 RG v. 14.2.1927 – IV 766/26, RGZ 116, 148 (149 f.); RG v. 13.11.1942 – VII 60/42, RGZ 170, 163 (172); BGH v. 13.2.1957 – IV ZR 243/56, LM Nr. 2 zu § 2270 BGB; BayObLG v. 28.4.1992 – 1 Z BR 17/92, FamRZ 1992, 1102 (1103); BayObLG v. 12.8.1994 – 1 Z BR 152/93, FamRZ 1995, 251 (252 f.); Staudinger/Kanzleiter, § 2270 Rz. 22. 2 OLG München HRR 1942 Nr. 839; KG v. 3.1.1963 – 1 W 2345/62, NJW 1963, 766 (768); BayObLG v. 12.8.1994 – 1 Z BR 152/93, FamRZ 1995, 251 (252 f.); Staudinger/ Kanzleiter, § 2270 Rz. 22. 3 BGB-RGRK/Johannsen, § 2270 Rz. 14; Erman/Schmidt, § 2270 Rz. 6; a.A. MüKo/Musielak, § 2270 Rz. 10. Zum Vermächtnis OLG Hamm v. 2.8.1993 – 15 W 115/93, FamRZ 1994, 1210 (1212).
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B VII Rz. 109 109
Gemeinschaftliches Testament
– Der Begriff der Verwandtschaft ist in § 1589 BGB definiert. Personen, deren eine von der anderen abstammt, sind in gerader Linie verwandt. Personen, die nicht in gerader Linie verwandt sind, aber von derselben dritten Person abstammen, sind in der Seitenlinie verwandt. Der Grad der Verwandtschaft richtet sich nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten. Der häufigste Anwendungsfall dieser Auslegungsregel ist die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten und die Berufung der Kinder des einen oder beider Ehegatten nach dem Tod des Letztversterbenden1. Das Gesetz geht davon aus, dass jeder Ehepartner die Kinder testamentarisch bedenkt, weil es auch der andere tut:
Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sind unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen.
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– Schwerer fällt die Feststellung, wer zu den sonst nahestehenden Personen gehört. Das können Verschwägerte, Freunde, Nachbarn, langjährige Angestellte, Mitbewohner oder andere natürliche Personen sein. Um die gesetzliche Vermutung nicht zur Regel werden zu lassen, werden strenge Anforderungen gestellt. Es müssen enge persönliche Beziehungen bestehen, die mindestens dem üblichen Verhältnis zu Verwandten entsprechen2. Das zeigt das Wort „sonst“ in § 2270 Abs. 2 BGB. Gutnachbarliche Beziehungen reichen nicht aus. Personen, die zur Zeit der Testamentserrichtung noch nicht geboren oder dem Erblasser anderweitig unbekannt waren, stehen ihm nicht persönlich nahe. Im Fall der Schwägerschaft spielt es eine Rolle, durch welchen der Ehegatten sie vermittelt wird. Maßgeblich ist das Verhältnis der Beteiligten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Die Einsetzung eines Schlusserben (§ 2269 BGB), der mit keinem der Eheleute verwandt oder verschwägert ist, ist im Zweifel nicht wechselbezüglich.
1 Vgl. aber die Entscheidungen BayObLG v. 4.3.1996 – 1 Z BR 160/96, FamRZ 1996, 1040; BayOblG v. 2.7.1985 – 1 Z 42/85, Rechtspfleger 1985, 445, nach denen die Verfügungen von Eheleuten in einem gemeinschaftlichen Testament, in dem sie gemeinsame Kinder zu Schlusserben einsetzen, nicht wechselbezüglich sind. 2 BayObLG v. 2.7.1985 – BReg. 1 Z 42/85, FamRZ 1985, 1287 (1289); BayObLG v. 10.4.1991 – BReg. 1a Z 60/90, FamRZ 1991, 1232 (1234) mit Anm. Hohloch, JuS 1992, 77 f.; BayObLG v. 23.7.1993 – 1 Z BR 26/93, FamRZ 1994, 191 (193); KG v. 16.2.1993 – 1 W 6261/91, OLGZ 1993, 398 (403); OLG Koblenz v. 13.12.2006 – 2 U 80/06, OLGReport 2007, 282; OLG München v. 16.4.2007 – 31 Wx 108/06, OLGReport 2008, 445 (für gemeinsame Bekannte); Bengel, DNotZ 1977, 5 (8); Staudinger/Kanzleiter, § 2270 Rz. 31. Auch die Schlusserbeneinsetzung juristischer Personen in einem gemeinschaftlichen Testament kann im Einzelfall wechselbezüglich sein, OLG München v. 1.10.1999 – 23 W 1996/99, ZEV 2000, 104 (105); LG Stuttgart v. 20.4.1999 – 2 T 28/99 u. 29/99, ZEV 1999, 441 (442 f.); a.A. Staudinger/Kanzleiter, § 2270 Rz. 22.
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 112 B VII
cc) Widerlegung der Vermutung Derjenige, der aus der Wechselbezüglichkeit Rechte herleiten will, muss beweisen, dass jede Verfügung mit Rücksicht auf die andere getroffen ist. Dabei hilft ihm die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB. Sie ist nach allgemeinen Grundsätzen widerlegbar, § 292 ZPO. Sie ist widerlegt, wenn festgestellt wird, dass die Eheleute ihre Verfügungen unabhängig voneinander treffen wollten. Das kann sich aus früheren Äußerungen, dem Verhältnis ihrer Vermögensmassen, der Höhe der beiderseitigen Zuwendungen, den Zuwendungen während der Ehe und der finanziellen Vorsorge auf den Todesfall ergeben.
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Beratungshinweis: Die Tatsache, dass der eine Ehegatte erheblich vermögender ist als der andere (vgl. Rz. 69), spricht gegen die Wechselbezüglichkeit, reicht aber nicht aus, um die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Namentlich bei langer und intakter Ehe lassen sich die Partner nicht nur von wirtschaftlichen Überlegungen leiten1.
Bei gemeinschaftlichen Testamenten mit vielfältigen Anordnungen entsteht 112 erfahrungsgemäß immer wieder Streit darüber, welche Verfügungen bindend sind und welche nicht. Man denke etwa an den Fall, dass der eingesetzte Schlusserbe wegfällt. Hier ist § 2270 Abs. 2 BGB auf Ersatzerben nur anwendbar, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf deren Einsetzung gerichteten Willen der testierenden Eheleute feststellen lassen, die Ersatzerbfolge also nicht allein auf § 2069 BGB beruht2. Die Wechselbezüglichkeit sollte nicht der erläuternden oder ergänzenden Auslegung oder der Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB überlassen, sondern ausdrücklich klargestellt werden:
Formulierungsvorschlag 1. Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sind unsere gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen. 2. Unser Patenkind Charlotte erhält aus dem Nachlass des Längerlebenden ein Geldvermächtnis in Höhe von 50 000 Euro. 3. Die unter Punkt 1 getroffenen Verfügungen sind wechselbezüglich. Die unter Punkt 2 getroffene Anordnung ist einseitig und kann vom überlebenden Ehegatten jederzeit geändert werden.
1 RG v. 14.2.1927 – IV 766/26, RGZ 116, 148 (150); BGH v. 26.4.1951 – IV ZR 4/50, BGHZ 2, 35 (37); OLG Hamm v. 7.11.1994 – 15 W 288/94, ZEV 1995, 146 (147); BayObLG v. 12.8.1994 – 1 Z BR 152/93, FamRZ 1995, 251 (252); OLG Saarbrücken v. 21.6.1990 – 5 W 95/90, FamRZ 1990, 1285 (1286); Lange, NJW 1963, 1571 (1572 ff.); Schlüter, Rz. 358. 2 BGH v. 16.1.2002 – IV ZB 20/01, BGHReport 2002, 282 mit Anm. Koutses. Anders noch BGH v. 22.9.1982 – IVa ZR 26/81, NJW 1983, 277.
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B VII Rz. 113
Gemeinschaftliches Testament
2. Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen 113
Die in gemeinschaftlichen Testamenten enthaltenen Verfügungen können ebenso wie Anordnungen in gewöhnlichen Testamenten grundsätzlich jederzeit frei widerrufen werden, §§ 2253 ff. BGB. Das kann durch inhaltlich widersprechende Verfügungen (§§ 2254, 2258 BGB), gemeinschaftliche Vernichtung der Testamentsurkunde (§ 2255 BGB), gemeinschaftliche Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung (§§ 2256, 2272 BGB; dazu Rz. 18) oder Erbvertrag (§ 2289 Abs. 1 S. 1 BGB, vgl. auch § 2291 BGB) geschehen. Für wechselbezügliche Verfügungen enthält § 2271 BGB eine wichtige Sonderregelung. Sie verwirklicht die besondere Bindungswirkung voneinander abhängiger Verfügungen. Das Gesetz unterscheidet im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit danach, ob die Ehegatten leben (§ 2271 Abs. 1 BGB) oder ob einer von ihnen bereits verstorben ist, § 2271 Abs. 2 BGB. a) Der Widerruf zu Lebzeiten der Ehegatten (§ 2271 Abs. 1 BGB)
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Treffen die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament wechselbezügliche Verfügungen, gehen sie davon aus, dass jede mit der anderen „steht und fällt“. Beide wollen, dass die Anordnungen des Partners wirksam sind, solange die eigenen Bestand haben. Die Rechtsfolge des § 2270 Abs. 1 BGB, wonach der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge hat, birgt Gefahren. Es muss verhindert werden, dass ein Ehegatte durch seinen einseitigen Widerruf die Nachlassregelung des anderen durcheinander bringt oder heimlich hinter dem Rücken des anderen Ehegatten widerruft. Da jeder auf den Fortbestand seiner letztwilligen Anordnungen vertraut, muss aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sichergestellt sein, dass er vom Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung erfährt und darauf zu Lebzeiten reagieren kann. Dem trägt § 2271 Abs. 1 BGB in zweierlei Weise Rechnung: aa) Ausschluss neuer Verfügungen
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Keiner der Ehegatten kann zu Lebzeiten des anderen eine wechselbezügliche Verfügung durch eine Verfügung von Todes wegen einseitig aufheben. § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB verhindert neue Anordnungen, soweit sie Anordnungen im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB widersprechen und den bedachten Ehepartner beeinträchtigen. Er schränkt nicht die Testierfreiheit ein. Neue einseitige Verfügungen sind zulässig, wenn die wechselbezügliche Verfügung unwirksam oder gegenstandslos geworden ist:
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Beratungssituation: Die Eheleute setzen sich in ihrem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben ein. Weitere letztwillige Verfügungen werden nicht getroffen. Später vermacht die Ehefrau ihrer Schwester in einem einseitigen privatschriftlichen Testament 20 000 Euro. Als die Eheleute bei einem Autounfall tödlich verunglücken, weigern sich die Kinder unter Berufung auf das gemeinschaftliche Testament, ihrer Tante das Vermächtnis in Höhe von 20 000 Euro auszuzahlen. Edenfeld
Gemeinschaftliches Testament
Rz. 117 B VII
Die Eheleute haben es versäumt, eine Regelung für den Fall zu treffen, dass sie gleichzeitig versterben. Die gegenseitige Erbeinsetzung ist gegenstandslos. Keiner beerbt den anderen (dazu Rz. 26). Jeder Ehegatte wird von seinen gesetzlichen Erben beerbt. Der den Kindern zufallende Nachlass der Mutter ist mit einem Vermächtnis zugunsten ihrer Tante belastet, § 2174 BGB. § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB kommt ihnen nicht zugute, weil das Vermächtnis nicht im Widerspruch zu einer gültigen wechselbezüglichen Verfügung steht. Ist diese gegenstandslos geworden, steht einem einseitigen Testament nichts im Wege. Die unzureichende Gestaltung des gemeinschaftlichen Testaments wirkt sich zum Nachteil der Abkömmlinge aus. Nach herrschender Ansicht1 scheitert eine einseitige Verfügung auch nicht an § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn der andere Ehegatte rechtlich besser gestellt wird als nach dem gemeinschaftlichen Testament. Dem ist insofern zuzustimmen, als die Möglichkeit, zugunsten des anderen von bindenden Verfügungen abzuweichen, dem hypothetischen Willen der Erblasser entspricht. Im Rahmen der Auslegung ist zu bedenken, dass die Besserstellung des Ehegatten zulasten anderer durch die wechselbezügliche Verfügung Bedachter geht:
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Beratungssituation: Um die doppelte steuerliche Belastung nach der Einheits- und Trennungslösung zu vermeiden, setzen die Eheleute ihre gemeinsamen Kinder zu Vollerben des Erstversterbenden ein. Sich selbst vermachen sie gegenseitig einen lebenslänglichen Nießbrauch am Nachlass des Erstversterbenden (dazu Rz. 52). Später errichtet die Ehefrau ein einseitiges Testament, in dem sie ihren Ehemann zum Alleinerben einsetzt. Nach dem Tod der Mutter fragen die Kinder, ob sie (Mit-)Erben geworden sind.
Die im einseitigen Testament der Frau enthaltene Anordnung ändert die Bestimmung des gemeinschaftlichen Testaments zum Vorteil des Ehemannes. Er wird Vollerbe anstatt Nießbraucher. Die spätere Verfügung ist nach überwiegender Meinung zulässig. Lässt man im vorstehenden Beispiel die Aufhebung der wechselbezüglichen Verfügung zu, kommt der Schutz der §§ 2270 Abs. 1, 2271 Abs. 1 BGB nur dem überlebenden Ehegatten zugute. Die Kinder haben trotz ihrer Begünstigung durch das gemeinschaftliche Testament kein unentziehbares Recht auf den Erwerb der Erbschaft. Aus ihrer Sicht wäre ein Erbvertrag (§§ 2274 ff. BGB) vorteilhafter gewesen. Unschädlich ist es, wenn eine spätere Verfügung die wechselbezügliche wiederholt. Sie bestärkt das Erbrecht und kann im Fall des öffentlichen Testaments den Erbschein entbehrlich machen, § 35 GBO. Im Übrigen ist es den Eheleuten unbenommen, sich die einseitige Aufhebung wechselbezüglicher Verfügungen ausdrücklich zu gestatten. Auch die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments kann ergeben, dass der andere Ehegatte unter 1 BGH v. 13.7.1959 – V ZB 4/59, BGHZ 30, 261 (264 ff.) mit Anm. Bärmann, NJW 1960, 142 f.; BayObLG v. 20.7.1966 – BReg. 1b Z 27/66, BayObLGZ 1966, 242 (245); Palandt/Edenhofer, § 2271 Rz. 15; Soergel/Wolf, § 2271 Rz. 12.
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B VII Rz. 118
Gemeinschaftliches Testament
bestimmten Voraussetzungen berechtigt sein soll, abweichend von wechselbezüglichen Verfügungen zu testieren1. Bei der Aufnahme eines Änderungsvorbehalts in ein gemeinschaftliches Testament ist darauf zu achten, dass die Wechselbezüglichkeit nicht infrage gestellt wird. Geht die Gestattung soweit, dass der andere beliebig testieren kann, dürfte es an der Wechselbezüglichkeit fehlen. bb) Widerruf nur in der Form des § 2296 BGB 118
Die Ehegatten dürfen wechselbezügliche Verfügungen nicht einseitig durch eine neue Verfügung von Todes wegen aufheben, können diese jedoch einseitig widerrufen, § 2271 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Widerruf ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die wirksam wird, wenn sie dem anderen zugeht. Das Gesetz verlangt zusätzlich die Einhaltung der für den Rücktritt von Erbverträgen geltenden Form des § 2296 BGB. Der Widerruf muss persönlich erklärt werden und erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Ehepartner. Er bedarf der notariellen Beurkundung. Dadurch wird verhindert, dass ein Ehegatte heimlich hinter dem Rücken des anderen widerruft. Der Partner soll vom Widerruf erfahren und zu Lebzeiten durch eine neue Erbfolgeregelung darauf reagieren können.
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Der Widerruf ist wirksam, wenn die Formalia des § 2296 Abs. 2 BGB eingehalten sind. Der Widerrufende muss dem anderen Ehegatten die Urschrift oder eine Ausfertigung (§§ 47 ff. BeurkG) der Widerrufserklärung zugehen oder zustellen lassen, §§ 130, 132 BGB. Eine einfache oder beglaubigte Abschrift genügt nicht2. Anders als die Widerrufserklärung bedarf die Übermittlung keiner Form. Aus Beweisgründen ist die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher ratsam, §§ 166 ff. ZPO. Enthält das gemeinschaftliche Testament sowohl wechselbezügliche als auch selbstständige Verfügungen, muss der Erblasser beim Widerruf der wechselbezüglichen die Form des § 2296 Abs. 2 BGB und beim Widerruf der einseitigen die Vorschriften über den Widerruf gewöhnlicher Testamente (§§ 2253 ff. BGB) beachten. Der Widerruf ist letztwillige Verfügung und nach § 2078 BGB anfechtbar. Der widerrufende Ehegatte muss testierfähig sein. Notfalls kann der gesetzliche Vertreter eines geschäftsunfähig gewordenen Ehegatten mit Zustimmung des Vormundschaftsgerichts widerrufen, § 2282 Abs. 2 BGB analog3. Probleme tauchen auf, wenn der Widerrufende oder der Adressat zwischen Abgabe und Zugang des Widerrufs sterben.
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Beratungssituation: Die Eheleute setzen sich in ihrem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben ein. Später widerruft der Ehemann das Testament in notariell beurkundeter Form. Er weist den Notar an, die Ausfertigung der Urkunde erst nach seinem Tod der Ehefrau zukommen
1 BGH v. 26.4.1951 – IV ZR 4/50, BGHZ 2, 35 (37); BGH v. 13.7.1959 – V ZB 4/59, BGHZ 30, 261 (265 f.); Kipp/Coing, § 35 III 4; Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rz. 22. 2 BGH v. 28.9.1959 – III ZR 112/58, BGHZ 31, 5 (7); BGH v. 19.10.1967 – III ZB 18/67, BGHZ 48, 374 (377 f.); BGH v. 7.6.1995 – III ZR 125/94, NJW 1995, 2217; a.A. Jansen, NJW 1960, 475 f.; Soergel/Wolf, § 2271 Rz. 8. 3 So zutreffend Schlüter, Rz. 364; a.A. MüKo/Musielak, § 2271 Rz. 6.
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 121 B VII
zu lassen. Zugleich setzt er seinen Bruder zum Alleinerben ein. Als die Ehefrau nach dem Tod des Mannes die Widerrufserklärung vom Notar erhält, fühlt sie sich getäuscht und fragt, ob der Widerruf gültig ist. Im vorstehenden Beispiel ist der Erklärende nach Abgabe, aber vor Zugang des Widerrufs verstorben. Da der Widerruf eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung ist, gilt § 130 Abs. 2 BGB. Auf die Wirksamkeit der Erklärung hat es keinen Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird1. Danach ist es unschädlich, dass der Ehemann vor Zugang des Widerrufs verstorben ist. Das gilt jedoch nicht, wenn der Widerrufende den Zugang absichtlich verzögert hat oder sich der Zugang ungewollt so verspätet, dass der Adressat mit dem Widerruf nicht mehr zu rechnen brauchte2. § 130 Abs. 2 BGB ordnet dem anderen Ehegatten das Risiko, vom Widerruf zu spät zu erfahren und nicht mehr neu testieren zu können, so lange zu, wie der Tod ein zufälliges Ereignis nach Abgabe der Erklärung ist. Missbräuchliche oder ungewöhnliche Verzögerungen werden vom Schutzzweck der Norm nicht gedeckt. Keiner der Ehegatten soll heimlich widerrufen und das Vertrauen des anderen auf den Bestand der wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament enttäuschen können, § 2271 Abs. 1 BGB. Da der Ehemann seine Erklärung bewusst nach dem Tod der Frau hat zugehen lassen, ist der Widerruf unwirksam. Die Ehefrau ist Alleinerbin. Der Widerruf ist auch unwirksam, wenn der Notar dem anderen Ehegatten eine Abschrift der Erklärung und erst nach dem Tod des Widerrufenden die Urschrift oder eine notarielle Ausfertigung zukommen lässt3. Erschleicht der eine Ehegatte die öffentliche Zustellung des Widerrufs, soll sie dennoch wirksam sein4. Das ist insofern zweifelhaft, als der eine Ehegatte den anderen wie im Fall der absichtlichen Zugangsverzögerung hintergeht. Er will selbst anders testieren, den Ehepartner davon aber nicht in Kenntnis setzen und an einer neuen Verfügung von Todes wegen hindern. Das Ergebnis lässt sich nur vor dem Hintergrund der §§ 132 Abs. 2 BGB, 203 ff. ZPO aufrechterhalten und setzt voraus, dass gegen denjenigen, der aus einer nach dem Widerruf errichteten neuen letztwilligen Verfügung Rechte herleitet, der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) erhoben werden kann5.
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Stirbt nicht der widerrufende Ehegatte, sondern der Adressat des Widerrufs zwischen Abgabe und Zugang, greift § 130 Abs. 2 BGB nach seinem Wortlaut nicht ein. Die Erklärung geht dem verstorbenen Ehepartner nicht mehr wirk-
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1 BGH v. 12.12.1975 – IV ZR 101/74, JZ 1976, 243 (244); OLG Hamm v. 16.7.1991 – 15 W 133/91, FamRZ 1991, 1486 (1487); Dilcher, JuS 1961, 20 (21). 2 BGH v. 1604.1953 – IV ZB 25/53, BGHZ 9, 233 (236); BGH v. 19.10.1967 – III ZB 18/67, BGHZ 48, 374 (380 ff.); Dilcher, JZ 1968, 188 f.; Roth, NJW 1992, 791 (792). 3 BGH v. 19.10.1967 – III ZB 18/67, BGHZ 48, 374 (380 ff.); OLG Hamm v. 16.7.1991 – 15 W 133/91, FamRZ 1991, 1486 (1487); Palandt/Edenhofer,§ 2271Rz. 7. 4 BGH v. 31.1.1975 – IV ZR 18/74, BGHZ 64, 5 (8); ebenso Lange/Kuchinke, § 24 VI 2; a.A. Johannsen, DNotZ Sonderheft 1977, 69 (72). 5 BGH v. 31.1.1975 – IV ZR 18/74, BGHZ 64, 5 (8 f.); Lange/Kuchinke, § 24 VI 2; Schlüter, Rz. 64.
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B VII Rz. 122
Gemeinschaftliches Testament
sam zu, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB. Die wechselbezüglichen Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments bleiben bestehen1. Auch gegenüber einem Geschäftsunfähigen kann das gemeinschaftliche Testament nicht mehr widerrufen werden2. 122
Den Ehegatten ist es unbenommen, ihre wechselbezüglichen Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments zu Lebzeiten gemeinsam zu widerrufen. Wissen beide vom Widerruf des anderen, steht der Schutzzweck des § 2271 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Die Eheleute können ein neues gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag errichten (§ 2289 Abs. 1 S. 1 BGB), die Testamentsurkunde gemeinschaftlich vernichten (§ 2255 BGB) oder das gemeinschaftliche Testament gemeinsam aus der amtlichen Verwahrung zurücknehmen (§§ 2256, 2272 BGB). Für die Aufhebung von Vermächtnissen und Auflagen gilt die erbvertragliche Erleichterung des § 2291 BGB entsprechend3. Danach genügt es, dass der Ehegatte, der das Vermächtnis oder die Auflage angeordnet hat, seine Verfügung durch einfaches Testament widerruft und der andere Ehegatte in einer öffentlich beurkundeten Erklärung seine Zustimmung erklärt. b) Der Widerruf nach dem Tod eines Ehegatten (§ 2271 Abs. 2 BGB)
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Nach dem ersten Erbfall verstärkt sich die Bindung an die wechselbezüglichen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament. Sie nimmt erbvertragliche Züge an. § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB stellt sicher, dass der Wille des verstorbenen Ehegatten durchgeführt wird: Mit dem Tod des Ehegatten erlischt das Recht des anderen, wechselbezügliche Verfügungen zu widerrufen. Die Bindung ist umfassend, wenn der erstverstorbene Ehegatte dem Überlebenden nicht den Widerruf nach seinem Tod gestattet hat oder sich im Einzelfall aus der ergänzenden Testamentsauslegung ein Abänderungsrecht ergibt. Der Überlebende darf weder Wertverschiebungen zuungunsten einzelner Bedachter (Teilungsanordnungen etc.) noch sonstige einschränkende Anordnungen (Testamentsvollstreckung usw.) treffen, die den Bedachten entgegen der wechselbezüglichen Verfügung schlechter stellen4.
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Einseitige Anordnungen, die den Bedachten begünstigen, sind nach dem Tod des ersten Ehegatten ebenso zulässig wie solche, die wechselbezügliche Verfügungen inhaltlich wiederholen. Die Bindung an eine wechselbezügliche Verfügung entfällt auch, wenn die andere Verfügung gegenstandslos wird. Teilweise5 wird angenommen, dass Verfügungen, die einer sittlichen Pflicht 1 RG v. 9.3.1907 – Rep. V. 329/06, RGZ 65, 270 (273); Palandt/Edenhofer, § 2271 Rz. 6. 2 BayObLG v. 12.6.2002 – 1 Z BRH 1/02, ZEV 2003, 287. 3 BGB-RGRK/Johannsen, § 2271 Rz. 8; Erman/Schmidt, § 2271 Rz. 2; Staudinger/ Kanzleiter, § 271 Rz. 7. 4 BGH v. 4.12.1968 – IV ZR 550/68, FamRZ 1969, 207 (208); BayObLG v. 20.7.1990 – BReg. 1a Z 34/90, FamRZ 1991, 111 (113); OLG Frankfurt v. 18.1.1993 – 4 U 173/91, WM 1993, 803 (804); OLG Braunschweig v. 11.11.1994 – 5 U 13/94, ZEV 1996, 69 (70). 5 OLG Köln, LZ 1928, 1710; v. Lübtow I, S. 501; Soergel/Wolf, § 2271 Rz. 25.
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Rz. 127 B VII
oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen, nicht der Bindung des § 2271 Abs. 2 BGB unterliegen. Der Überlebende sei zur Anordnung eines Vermächtnisses zugunsten ihm nahe Stehender stillschweigend ermächtigt, wenn es der Dank für langjährige Pflegedienste sei. Diese Ansicht ist mit dem Bundesgerichtshof1 abzulehnen. Verfügungen, die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen, sind von der Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen nicht ausgenommen. § 2271 Abs. 2 BGB liefert nach seinem Wortlaut keinen Anhalt für eine Ausnahme. Auch nach seinem Sinn und Zweck besteht dafür kein Bedürfnis. Belohnungen können durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden bewirkt werden. Die Frage der inhaltlichen Angemessenheit des Vermächtnisses führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Das sollte bei der ergänzenden Testamentsauslegung bedacht werden. Dem überlebenden Ehegatten bleiben drei Wege, um sich von der Bindungswirkung des § 2271 Abs. 2 BGB zu befreien:
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– durch Ausschlagung des ihm Zugewendeten (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB) – durch Anfechtung entsprechend §§ 2281 ff. BGB – durch Ausübung eines ihm eingeräumten Änderungsrechts. aa) Die Ausschlagung (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB) Schlägt der längerlebende Ehegatte das ihm Zugewendete aus, gewinnt er seine Testierfreiheit zurück, § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB. Zugewendet sein können Erbeinsetzung, Erbteil oder Vermächtnis. Auf ihren vermögensmäßigen Wert kommt es nicht an. Auch bei wirtschaftlich wertlosen Zuwendungen entfällt die Bindung. Für die Ausschlagung gelten die §§ 1942 ff., 1953, 2176 und 2180 BGB. Sie erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht in öffentlich beglaubigter Form, § 1945 Abs. 1 BGB. Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Wochen. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt, § 1944 Abs. 1, 2 BGB. (Näheres unter C II.)
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Die Ausschlagung hebt nicht die wechselbezüglichen Verfügungen auf, sondern verschafft dem überlebenden Ehegatten das Recht, abweichende testamentarische Anordnungen zu treffen. Um die wechselbezüglichen Verfügungen außer Kraft zu setzen, muss er durch Widerrufstestament (§ 2254 BGB), widersprechendes Testament (§ 2258 BGB) oder Erbvertrag (§ 2289 BGB) anders testieren. Vernichtung der Testamentsurkunde (§ 2255 BGB) oder Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung (§ 2256 BGB) genügen nicht2. Werden wechselbezügliche Verfügungen widerrufen, werden auch entspre-
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1 BGH v. 30.11.1977 – IV ZR 165/76, FamRZ 1978, 182 (183). Bedenklich ist es, wenn das Gericht die nach § 2271 Abs. 2 BGB unwirksame Verfügung durch Umdeutung (§ 140 BGB) in ein Rechtsgeschäft unter Lebenden aufrechterhält, dazu Schubert, JR 1978, 289 f.; Tiedtke, NJW 1978, 2572 (2576). 2 KG, KGJ 48, 99 (101); Erman/Schmidt, § 2271 Rz. 2; v. Lübtow I, S. 507.
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B VII Rz. 128
Gemeinschaftliches Testament
chende wechselbezügliche Verfügungen des verstorbenen Ehegatten unwirksam, § 2270 Abs. 1 BGB. 128
Ist dem überlebenden Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament nichts zugewandt, steht ihm diese Möglichkeit nicht offen. Er kann sich von seiner Bindung an die eigene Verfügung befreien, wenn er das Gegenseitigkeitsverhältnis der wechselbezüglichen Verfügungen aufhebt. Durch den Verzicht auf die Zuwendung muss er ein persönliches Opfer bringen.
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In der Praxis stellt sich gelegentlich die Frage, ob er seine Testierfreiheit zumindest dann zurückgewinnt, wenn derjenige, dem anstelle des überlebenden Ehegatten etwas zugewandt ist, ausschlägt.
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Beratungssituation: Die Ehegatten bedenken sich in ihrem gemeinschaftlichen Testament nicht gegenseitig, sondern ihre gemeinsame Tochter. Der erstverstorbene Ehegatte setzt nicht den überlebenden, sondern sogleich die Tochter durch wechselbezügliche Verfügung (§ 2270 Abs. 1 BGB) zur Erbin ein. Nach dem Tod des Ehemannes fragt die Frau, ob sie anderweitig testieren kann, wenn sie oder ihre Tochter ausschlägt.
Die eigene Ausschlagung nützt der Ehefrau nichts. Ihr ist nichts zugewendet im Sinne von § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB. Ein Teil des Schrifttums1 will diese Vorschrift für den Fall, dass ein Verwandter oder eine andere nahe stehende Person als begünstigter Dritter ausschlägt, entsprechend anwenden. Der Gesetzgeber habe die Möglichkeit, dass ein Dritter durch die wechselbezügliche Verfügung bedacht wird, übersehen. Dieser Fall sei dem in § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB geregelten gleichzustellen. Folgt man dem, könnte die Ehefrau ihre wechselbezüglichen Verfügungen aufheben, wenn die Tochter die Zuwendung ausschlägt. Die herrschende Meinung2 lehnt das zu Recht ab. Es fehlt an einer analogiefähigen Lücke. § 2271 BGB soll widersprüchliches Verhalten des überlebenden Partners verhindern. Die gemeinsame Nachlassregelung der Eheleute ist so lange gültig, bis der Überlebende ausschlägt und zum Ausdruck bringt, dass er sich daran nicht mehr gebunden fühlt. Das Verhalten bedachter Dritter spielt nach der gesetzlichen Wertung für die Wiedererlangung der Testierfreiheit der am gemeinschaftlichen Testament Beteiligten keine Rolle. Legt man das zugrunde, bleibt der Ehefrau die eng begrenzte Möglichkeit der Aufhebung nach § 2271 Abs. 2 S. 2 i.V.m. §§ 2294, 2336 BGB (Pflichtteilsentziehung) und § 2271 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 2289 Abs. 2, 2338 BGB (Beschränkung in guter Absicht) oder der Anfechtung. 130
Das Vorstehende gilt auch, wenn sowohl dem Ehegatten als auch einem Dritten etwas zugewendet wird. § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB verlangt allein, dass der längerlebende Ehegatte das ihm Zugewendete ausschlägt. Auf das Verhalten 1 Brox, Rz. 192; Ebenroth, Rz. 227; Kipp/Coing, § 35 III 3b; Pfeiffer, FamRZ 1993, 1266 (1280). 2 Erman/Schmidt, § 2271 Rz. 12; MüKo/Musielak, § 2271 Rz. 23; Palandt/Edenhofer, § 2271 Rz. 17; Schlüter, Rz. 367.
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 132 B VII
anderer durch wechselbezügliche Verfügung Bedachter kommt es nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht an. Der Dritte muss nicht ausschlagen1. Die Bindung des überlebenden Ehegatten entfällt im Übrigen, wenn ein als Schlusserbe bedachter Dritter (§ 2270 Abs. 2 BGB) vertraglich auf sein Erbrecht verzichtet. Die letztwillige Verfügung des Überlebenden wird in diesem Fall gegenstandslos, sofern keine Ersatzerbfolge (§ 2069 BGB) angeordnet ist2. Fällt der in einem Ehegattentestament eingesetzte Schlusserbe weg, ist § 2270 Abs. 2 BGB auf Ersatzerben nur anwendbar, wenn sich Anhaltspunkte für einen auf deren Einsetzung gerichteten Willen der testierenden Eheleute feststellen lassen, die Ersatzerbfolge also nicht allein auf § 2069 BGB beruht3. Schlägt der längerlebende Ehegatte das ihm Zugewendete aus, kann er gesetzlicher Erbe des verstorbenen Ehegatten sein, § 1948 Abs. 1 BGB. Das wird relevant, wenn der Dritte nicht Ersatzerbe (§ 2096 BGB) des Ausschlagenden ist und eine Anwachsung nach § 2094 BGB ausscheidet. Die Annahme des entsprechenden gesetzlichen Erbes läuft der Intention des § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB zuwider. Der Erstverstorbene will regelmäßig nicht, dass der Längerlebende seine wechselbezügliche Verfügung aufhebt und die gleiche Zuwendung aus einem anderen Berufungsgrund bekommt. Der Längerlebende könnte sich so nach dem Tod des Ehepartners ungerechtfertigte Vorteile verschaffen. Er erlangt seine Testierfreiheit zurück, wenn er auch auf sein gesetzliches Erbe verzichtet. Unter dieser Voraussetzung wird er von der eingegangenen Bindung frei. Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn der gesetzliche Erbteil erheblich geringer ausfällt als das testamentarisch Zugewendete4.
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bb) Die Anfechtung (§§ 2281 ff. BGB analog) Zu Lebzeiten beider Ehegatten bedarf es keiner Anfechtung. Beide können ihre Verfügungen frei widerrufen, § 2271 Abs. 1 BGB. Gleiches gilt für einseitige Verfügungen nach dem Tod des ersten Ehepartners. Wegen der Widerrufsmöglichkeit muss der Testator nicht anfechten. Nur wechselbezügliche Verfügungen, die mit dem Tod des ersten Ehegatten nach § 2271 Abs. 2 BGB unwiderruflich geworden sind, können wie vertragsmäßige erbvertragliche Verfügungen angefochten werden. Grundlage dafür ist die entsprechende Anwendung der §§ 2281 ff. i.V.m. §§ 2078, 2079 BGB5. Sie rechtfertigt sich aus 1 Erman/Schmidt, § 2271 Rz. 12; MüKo/Musielak, § 2271 Rz. 24; Staudinger/Kanzleiter, § 2271 Rz. 41; a.A. Palandt/Edenhofer, § 2271 Rz. 17; Pfeiffer, FamRZ 1993, 1266 (1280): Beide müssen ausschlagen. 2 Vgl. OLG Hamm v. 7.12.1981 – 15 W 171/81, OLGZ 1982, 272 (276); OLG Köln v. 23.7.1982 – 6 U 199/81, FamRZ 1983, 837 f. mit Anm. Brems, FamRZ 1983, 1278 f. 3 BGH v. 16.1.2002 – IV ZB 20/01, BGHReport 2002, 282 mit Anm. Koutses. Anders noch BGH v. 22.9.1982 – IVa ZR 26/81, NJW 1983, 277. 4 OLG München JFG 15, 36 (38); KG v. 24.7.1990 – 1 W 949/89, NJW-RR 1991, 330 (331); v. Lübtow I, S. 506; MüKo/Musielak, § 2271 Rz. 25; anders Soergel/Wolf, § 2271 Rz. 19. 5 RG v. 11.12.1930 – IV B 27/30, RGZ 132, 1 (4); BGH v. 4.7.1962 – V ZR 206/60, BGHZ 37, 331 (333); BGH v. 18.1.1956 – IV ZR 199/55, FamRZ 1956, 83 (84); BGH v. 3.11.1969 – III ZR 52/67, FamRZ 1970, 79 (80); OLG Celle v. 10.9.1968 – 10 Wx 6/68,
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B VII Rz. 133
Gemeinschaftliches Testament
einer vergleichbaren Interessenlage desjenigen, der vertragsmäßig (§§ 2274 ff. BGB) oder wegen § 2271 Abs. 2 BGB an letztwillige Verfügungen gebunden ist. Der Erblasser soll durch das gemeinschaftliche Testament nicht stärker gebunden sein als durch einen Erbvertrag. 133
Der praktisch häufigste Anwendungsfall ist die Wiederheirat des überlebenden Ehegatten (dazu Rz. 80 ff.):
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Beratungssituation: Die Ehegatten setzen sich in ihrem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sind die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen. Schon wenige Monate nach dem Tod der Ehefrau geht der Mann eine neue Ehe ein. Er fragt, ob er das gemeinschaftliche Testament anfechten kann. An eine Wiederheirat habe man seinerzeit nicht gedacht.
Die Anfechtung der wechselbezüglichen Verfügungen ist nach §§ 2281 ff. BGB analog möglich. Der Mann wird als Erblasser im Sinne dieser Bestimmungen behandelt. Voraussetzung für eine wirksame Anfechtung sind eine Anfechtungserklärung, ein Anfechtungsgrund und die Einhaltung der Anfechtungsfrist (vgl. auch B II Rz. 451 ff.): 134
– Für die Anfechtungserklärung gelten die allgemeinen Bestimmungen, § 143 BGB. Daneben ist die Form des § 2282 BGB zu beachten. Die Erklärung des überlebenden Ehegatten muss persönlich gegenüber dem Nachlassgericht (§ 2281 Abs. 2 S. 1 BGB) abgegeben und notariell beurkundet werden. Stellvertretung ist unzulässig. Erklärt der Ehemann die Anfechtung, teilt sie das Nachlassgericht den Kindern mit, § 2281 Abs. 2 S. 2 BGB. Das Anfechtungsrecht darf nicht ausgeschlossen sein. Das ist einmal der Fall, wenn der überlebende Ehegatte die anfechtbare Verfügung bestätigt hat, §§ 144, 2284 BGB. Die Bestätigung ist formlos und durch konkludentes Verhalten möglich1. Zum anderen kann die Anfechtung durch Erklärung der Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament ausgeschlossen werden. Eine entsprechende Klausel ist für den Fall der Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten (§ 2079 BGB) zu erwägen:2
Formulierungsvorschlag Die vorstehenden Verfügungen haben auch Bestand, wenn ein Pflichtteilsberechtigter übergangen wird.
OLGZ 1969, 84 (87); BGB-RGRK/Johannsen, § 2271 Rz. 44; Kipp/Coing, § 35 III 4b; Schlüter, Rz. 371. 1 BayObLG v. 12.3.1954 – BReg. 2 Z 245/53, BayObLGZ 1954, 71 (77); Lange/Kuchinke, § 24 VI 7d. 2 Vgl. OLG Celle v. 23.11.1962 – 10 U 197/61, NJW 1963, 353 (354); Johannsen, DNotZ 1977, Sonderheft S. 69 (74).
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 138 B VII
– Der Anfechtungsgrund ergibt sich aus § 2281 Abs. 1 BGB analog i.V.m. den §§ 2078, 2079 BGB. Der überlebende Ehegatte kann eine wechselbezügliche Verfügung anfechten, wenn er über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts nicht abgeben wollte und anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben haben würde, § 2078 Abs. 1 BGB. Das Gleiche gilt, wenn der überlebende Ehegatte durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, § 2078 Abs. 2 BGB. Im obigen Beispiel ist der Ehemann nach § 2079 S. 1 BGB anfechtungsberechtigt: Durch seine Wiederheirat ist die neue Ehefrau als Pflichtteilsberechtigte hinzugekommen, §§ 1931 Abs. 1, 2303 Abs. 2 S. 1 BGB. Sie ist zurzeit der Anfechtung vorhanden (vgl. § 2281 Abs. 1 BGB) und durch die frühere Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen bzw. testamentarisch übergangen, weil die Kinder zu alleinigen Schlusserben eingesetzt sind. Der Mann ist an der Anfechtung nicht durch § 2079 S. 2 BGB gehindert. Es ist nicht anzunehmen, dass er die ursprüngliche Verfügung auch bei Kenntnis der durch die Wiederheirat geschaffenen neuen Rechtslage getroffen haben würde.
135
– Die Anfechtungsfrist bestimmt sich nach § 2283 BGB analog. Der überlebende Ehegatte kann seine wechselbezügliche Verfügung binnen eines Jahres anfechten, § 2283 Abs. 1 BGB. Der Fristbeginn richtet sich nach § 2283 Abs. 2 BGB. Im Fall der Wiederheirat (Anfechtungsgrund § 2079 S. 1 BGB) muss die Anfechtung binnen Jahresfrist seit der erneuten Eheschließung erfolgen, §§ 2283 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB.
136
– Die Rechtsfolge ergibt sich aus § 142 Abs. 1 BGB. Durch die Anfechtung wird die angefochtene eigene Verfügung von Anfang an nichtig. Andere wechselbezügliche Verfügungen werden davon nach Maßgabe des § 2270 Abs. 1 BGB erfasst. Wechselbezüglich ist im obigen Beispiel nicht nur die Einsetzung der Ehegatten, sondern auch die der Kinder als Schlusserben des letztversterbenden Elternteils. Die Anfechtung der Verfügungen des Mannes führt zur Nichtigkeit des gesamten gemeinschaftlichen Testaments. Es tritt nachträglich gesetzliche Erbfolge nach dem Erstverstorbenen ein1. Sie hätte verhindert werden können, wenn in das gemeinschaftliche Testament eine Klausel aufgenommen worden wäre, die die Anfechtung für den Fall der Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten ausschließt. Für andere als wechselbezügliche Verfügungen gilt die Auslegungsregel des § 2085 BGB. Sie sind unwirksam, wenn der Erblasser die weiteren Verfügungen nicht ohne die angefochtene getroffen haben würde.
137
– Für die Anfechtung durch Dritte bedarf es keiner Analogie zu den §§ 2281 ff. BGB. Die §§ 2078 ff. BGB gelten unmittelbar. Anfechtungserklärung und -frist bestimmen sich nach den §§ 2081, 2082 BGB, nicht nach §§ 2282, 2283 BGB. Anfechtungsberechtigt sind insbesondere der neue Ehe-
138
1 OLG Hamm v. 4.2.1972 – 15 W 18/72, NJW 1972, 1088; Palandt/Edenhofer, § 2271 Rz. 34.
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B VII Rz. 139
Gemeinschaftliches Testament
gatte des Überlebenden und die Kinder aus der zweiten Ehe, § 2079 BGB. Sie können anders als der überlebende Ehegatte nicht zu dessen Lebzeiten, sondern erst nach dessen Tod anfechten, weil das Anfechtungsrecht mit diesem Erbfall entsteht1. 139
Û
Beratungshinweis: Eine weitere Einschränkung für die Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen durch Dritte resultiert aus § 2285 BGB. Er gilt beim gemeinschaftlichen Testament entsprechend2. Danach kann der Dritte nicht anfechten, wenn der überlebende Ehegatte sein Anfechtungsrecht durch Bestätigung (§§ 144, 2284 BGB) oder Fristablauf (§ 2283 BGB) verloren hat. Das wird die Anfechtung oft vereiteln: Im obigen Fall kann die neue Ehefrau die Schlusserbeneinsetzung der Kinder durch den Ehemann erst nach dessen Tod anfechten. Die mit der Wiederheirat einsetzende Jahresfrist des § 2283 BGB darf zu diesem Zeitpunkt nicht abgelaufen sein. Unter dieser Voraussetzung treten die Rechtsfolgen der §§ 142 Abs. 1, 2270 Abs. 1 BGB (hier: gesetzliche Erbfolge) ein. Die Anfechtung wechselbezüglicher Verfügungen durch den überlebenden Ehegatten ist derjenigen durch neue Pflichtteilsberechtigte vorzuziehen.
cc) Der Änderungsvorbehalt 140
Ähnlich wie im Fall des § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB (dazu Rz. 115) können sich die Ehegatten abweichend von der gesetzlichen Bindungswirkung im gemeinschaftlichen Testament vorbehalten, dass der Überlebende befugt sein soll, nach dem Tod des ersten Ehegatten (§ 2271 Abs. 2 BGB) anders über sein eigenes Vermögen zu verfügen. Den Eheleuten ist es unbenommen, sich die einseitige Aufhebung wechselbezüglicher Verfügungen zu gestatten3. Auch die Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments kann ergeben, dass der andere Ehegatte nach dem Tod seines Partners ermächtigt ist, abweichend von wechselbezüglichen Verfügungen zu testieren. Bei der Aufnahme einer Änderungsklausel in ein gemeinschaftliches Testament ist auf zweierlei zu achten:
141
Zum einen darf die Wechselbezüglichkeit nicht infrage gestellt werden. Geht die Gestattung soweit, dass der andere beliebig testieren kann, kann es zu Auslegungsschwierigkeiten kommen. Zu ihrer Vermeidung sollte formuliert werden, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen der überlebende Ehegatte über sein eigenes Vermögen anders testieren darf (z.B. Ernennung neuer oder anderer Vermächtnisnehmer sowie Art und Höhe der Vermächtnisse). Das Änderungsrecht kann an Bedingungen geknüpft sein,
1 KG v. 5.2.1968 – 1 W 2180/67, FamRZ 1968, 218 (219); Palandt/Edenhofer, § 2271 Rz. 33; Soergel/Wolf, § 2271 Rz. 37. 2 BayObLG v. 28.2.1989 – BReg. 1a Z 33/88, NJW-RR 1989, 587, 588; BayObLG v. 28.4.1992 – 1 Z BR 17/92, NJW-RR 1992, 1223, 1224; Erman/Schmidt, § 2271 Rz. 16; Schlüter, Rz. 371. 3 BGH v. 26.4.1951 – IV ZR 4/50, BGHZ 2, 35 (37); BGH v. 13.7.1959 – V ZB 4/59, BGHZ 30, 261 (265 f.); OLG Hamm v. 7.11.1994 – 15 W 288/94, ZEV 1995, 146 (148); Kipp/Coing, § 35 III 4; MüKo/Musielak, § 2271 Rz. 31.
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 143 B VII
§§ 158, 2074 f. BGB. Die Freistellung bezieht sich auf die eigenen Verfügungen des überlebenden Ehegatten. Ihm kann nicht das Recht eingeräumt werden, die letztwilligen Verfügungen des anderen zu ändern. Jeder Erblasser muss seine Erben selbst bestimmen, § 2065 BGB. Zulässig ist nach herrschender Meinung1 (zu den Bedenken B IV Rz. 17), dass der längerlebende Ehegatte im Fall der Einheitslösung einen anderen Schlusserben (§ 2269 Abs. 1 BGB) und bei der Trennungslösung einen anderen Nacherben (§ 2100 BGB) berufen darf. Ein dahin gehender Änderungsvorbehalt ist sinnvoll, wenn sich voraussichtlich nach dem Tod des ersten Ehegatten herausstellt, welches der gemeinsamen Kinder den Familienbesitz übernehmen und weiterführen kann. Zum anderen muss aus der Freistellungsklausel hervorgehen, dass sie sich 142 nicht nur auf Verfügungen unter Lebenden, sondern auf die Errichtung einer abweichenden Verfügung von Todes wegen bezieht. In der Praxis erweisen sich viele Formulierungen als fehlerhaft. Sie bedeuten für den Beratenden eine Regressgefahr, wenn der durch späteres einseitiges Testament als Erbe eingesetzte Mandant feststellen muss, dass seine Berufung an einem unzureichenden Änderungsvorbehalt scheitert. Gleiches gilt für einen Testamentsvollstrecker, der ein einseitiges Testament unter Missachtung bindend gewordener Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments durchführt, § 2219 BGB.
Û
Beratungssituation: Die Ehegatten setzen sich gegenseitig zu Vollerben und ihre Kinder zu Schlusserben ein. Sie versehen ihr gemeinschaftliches Testament mit dem Zusatz: „Änderungen bleiben den Eheleuten vorbehalten. Der Überlebende ist in der Verfügung über den Nachlass des zuerst versterbenden Ehegatten nicht beschränkt.“
Laien halten eine derartige Wendung für ausreichend. Sie verstehen sie dahin gehend, dass beide gemeinsam zu Lebzeiten und der Überlebende nach dem Tod des ersten Ehepartners berechtigt sind, neue Verfügungen von Todes wegen zu treffen und einen anderen Schlusserben einzusetzen. Die Klausel ist jedoch teils überflüssig, teils unvollständig. Die Formel „Änderungen bleiben den Eheleuten vorbehalten“ gibt die Selbstverständlichkeit wieder, dass die Eheleute ihr gemeinschaftliches Testament zu Lebzeiten abändern und neu testieren können2. Der zweite Teil der Erklärung enthält allein die Ermächtigung, unter Lebenden, nicht auch von Todes wegen frei zu verfügen. Sofern im Testament keine anderen Anhaltspunkte enthalten sind, dient die Klausel dazu, die unbeschränkte Erbenstellung des Überlebenden im Vergleich zur Vorerbenstellung bei der Trennungslösung außer Zweifel zu stellen. Sie be-
1 RG v. 16.4.1919 – Rep. IV. 58/19, RGZ 95, 278, 279; BGH v. 26.4.1951 – IV ZR 4/50, BGHZ 2, 35, 36; BGH v. 14.7.1972 – V ZR 124/70, BGHZ 59, 220, 222 f.; Kipp/Coing, § 35 III 4; MüKo/Musielak, § 2271 Rz. 32. 2 Vgl. BayObLG v. 28.2.1989 – BReg. 1a Z 33/88, NJW-RR 1989, 587 (588). Zur Auslegung eines Änderungsvorbehalts OLG Hamm v. 20.1.2005 – 15 W 427/04, OLGReport 2005, 471.
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B VII Rz. 144
Gemeinschaftliches Testament
rechtigt nicht zur testamentarischen Änderung1. Zweckmäßigerweise wird die Freistellungsklausel wie folgt gefasst:
Formulierungsvorschlag Der Überlebende ist auch nach dem Tod des ersten Ehegatten berechtigt, über das eigene und das ererbte Vermögen durch Verfügung von Todes wegen anders zu verfügen. Das gilt namentlich für den Fall, dass . . .
3. Der Schutz der Endbedachten vor lebzeitigen Verfügungen des überlebenden Ehegatten 144
Stirbt der erste Ehegatte, unterliegt der überlebende den Bindungen des § 2271 Abs. 2 BGB. Er kann die den Schlussbedachten begünstigenden Verfügungen nicht mehr widerrufen. Das beschränkt jedoch nur die Freiheit neuer testamentarischer Regelung. Wird der längerlebende Ehegatte nach der Einheitslösung Vollerbe des Vorverstorbenen und nicht Vorerbe (Trennungslösung mit Bindungsfolge der §§ 2112 ff., 2136 BGB), darf er über sein Vermögen, zu dem auch das des Vorverstorbenen gehört, durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden grundsätzlich frei verfügen, vgl. § 2286 BGB. Das kann er ausnutzen, um der Bindung an seine wechselbezüglichen Verfügungen zu entgehen. Er kann einen Dritten zwar nicht als Erben oder Vermächtnisnehmer einsetzen, ihn aber beschenken oder anderweitig durch Vermögensübertragungen begünstigen. Die Schlussbedachten sehen ihre Erbaussichten beeinträchtigt. Das führt zwangsläufig zum Konflikt. Fallgestaltungen wie die folgende beschäftigen die Praxis immer wieder.
Û
Beratungssituation: Die Ehegatten setzen sich in ihrem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein. Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sind die gemeinsamen Kinder zu gleichen Teilen. Nach dem Tod der Ehefrau macht der Mann seiner neuen Lebensgefährtin großzügige Zuwendungen. Die Kinder fürchten um ihre Beteiligung am Nachlass der Mutter und fragen, ob sie etwas dagegen unternehmen können.
a) Die frühere „Aushöhlungsnichtigkeit“ 145
Lange Zeit schützte die höchstrichterliche Rechtsprechung2 die Schlussbedachten eines Erbvertrages oder gemeinschaftlichen Testaments vor lebzeitigen Schenkungen durch die sog. „Aushöhlungsnichtigkeit“. Der überleben1 OLG München JFG 15, 353 (358); KG v. 11.6.1936 – 1 Wx 235/36, JW 1936, 3264 (3265); BayObLG v. 30.8.1984 – BReg. 1 Z 71/84, FamRZ 1985, 209 (210); Palandt/ Edenhofer, § 2271 Rz. 22. 2 BGH v. 24.1.1958 – IV ZR 234/57, BGHZ 26, 274 (282); zuletzt BGH v. 12.10.1970 – III ZR 254/68, FamRZ 1971, 641 (642 f.).
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Gemeinschaftliches Testament
Rz. 147 B VII
de Ehegatte sollte über sein Vermögen, zu dem das des Vorverstorbenen gehört, durch Rechtsgeschäft unter Lebenden grundsätzlich frei verfügen können, § 2286 BGB. In besonders gelagerten Fällen wurde eine lebzeitige Verfügung aber für nichtig gehalten. Entscheidend war die vermögensmäßige „Aushöhlung“ des gemeinschaftlichen Testaments. Darunter verstand man die Vornahme lebzeitiger Geschäfte, die mit der erbrechtlichen Bindung nicht vereinbar sind und die Schlussbedachten unangemessen benachteiligen. Unter Berücksichtigung aller Umstände mussten die wirtschaftlichen Auswirkungen der Drittzuwendung eine anstößige Umgehung der §§ 2271, 2289 BGB darstellen. Die dafür verwendeten Kriterien waren uneinheitlich und führten zu großer Rechtsunsicherheit. Die verfehlte Judikatur wurde 1972 aufgegeben1. Zu weit reichende Eingriffe in den Nachlass werden seitdem durch die entsprechende Anwendung der §§ 2287, 2288 BGB ausgeglichen. b) Die entsprechende Anwendung der §§ 2287, 2288 BGB Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs2 kann der durch Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament gebundene Erblasser zu Lebzeiten uneingeschränkt über sein Vermögen verfügen, § 2286 BGB. Die Schlussbedachten eines Erbvertrages oder gemeinschaftlichen Testaments sind nicht dagegen geschützt, dass der Erblasser sein Vermögen durch Rechtsgeschäfte davor Lebenden verbraucht. Im obigen Beispiel darf der verwitwete Mann seiner neuen Lebensgefährtin lebzeitige Zuwendungen machen, auch wenn das die Erbaussichten der Kinder schmälert. Die Interessenlage hinsichtlich der Bindung des Erblassers an erbvertragliche Verfügungen und an wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod des ersten Ehegatten ist jedoch ähnlich. Sie rechtfertigt die analoge Anwendung der §§ 2287, 2288 BGB (zur entsprechenden Anwendung der §§ 2281 ff. BGB s. Rz. 132 ff.) Es gelten erbvertragliche Grundsätze.
146
Nach § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertragserbe, sobald ihm die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser die Schenkung in der Absicht gemacht hat, den Vertragserben zu beeinträchtigen. Der Bereicherungsanspruch setzt voraus, dass der Erblasser berechtigte Erwartungen des Schlusserben objektiv beeinträchtigt. Der Anspruch kann erst nach Anfall der Erbschaft, d.h. dem Tod des Erblassers, geltend gemacht werden. Von der erforderlichen Beeinträchtigungsabsicht ist auszugehen, wenn kein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an der Verfügung erkennbar und sie ersichtlich darauf angelegt ist, anstelle der Schlussbedachten einem anderen das Vermögen ohne angemessenes Äquivalent zuzuwenden. Maßgeblich ist, ob die lebzeitige Verfügung nach dem Ur-
147
1 BGH v. 5.7.1972 – IV ZR 125/70, BGHZ 59, 343 (346) mit zust. Anm. Spellenberg, FamRZ 1973, 136 ff. 2 BGH v. 5.7.1972 – IV ZR 125/70, BGHZ 59, 343 (347 f.); BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274 (276 f.); BGH v. 26.11.1975 – IV ZR 138/74, FamRZ 1976, 205 (207); BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, NJW 1982, 43 (44); zustimmend Brox, Rz. 158 f.; Palandt/Edenhofer, § 2271 Rz. 10; Soergel/Wolf, § 2271 Rz. 45.
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B VII Rz. 148
Gemeinschaftliches Testament
teil eines objektiven Beobachters in Anbetracht aller Umstände und unter Berücksichtigung der eingetretenen Bindungen billigenswert erscheint1. 148
Übertragen auf das gemeinschaftliche Testament bedeutet das: Die Schlusserben haben einen Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB analog, wenn der überlebende Ehegatte keinen anerkennenswerten Grund für die Zuwendung an den Dritten hat. Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist beispielsweise anzunehmen, wenn die Schenkung der Altersversorgung oder der Erfüllung einer sittlichen Pflicht für langjährige persönliche Pflege dient. Gemischte Schenkungen bereiten erfahrungsgemäß Schwierigkeiten. Hier muss ein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegen. Der obige Sachverhalt bedarf insoweit weiterer Aufklärung. Man wird nachforschen, ob der Ehemann für die großzügigen Zuwendungen an seine neue Lebensgefährtin einen nachvollziehbaren Anlass hat. Zugleich wird man die Lebensgefährtin von den Einwänden der Kinder in Kenntnis setzen, weil der bösgläubige Beschenkte verschärft haftet, § 819 BGB. Sonst kann die Pflicht zur Herausgabe oder zum Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB) wegen Wegfalls der Bereicherung entfallen, § 818 Abs. 3 BGB. Des Weiteren ist zu beachten, dass der Anspruch gegen den Beschenkten verjährt, § 2287 Abs. 2 BGB.
149
Die lebzeitige Zuwendung des längerlebenden Ehegatten an den Dritten lässt sich nicht verhindern. Die Herausgabe des Schenkungsgegenstandes kann nach § 2287 Abs. 1 BGB mit dem Anfall der Erbschaft, d.h. dem Tod des längerlebenden Ehegatten, verlangt werden. Ein weitergehender Schutz der Schlussbedachten gemäß § 138 Abs. 1 BGB oder § 134 BGB in Verbindung mit dem Testierverbot des § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB besteht nicht. Der Sittenwidrigkeit lebzeitiger Rechtsgeschäfte des längerlebenden Ehegatten steht die Wertung des § 2286 BGB entgegen. Es müssen zusätzliche, über die Beeinträchtigungsabsicht hinausgehende Umstände hinzutreten2. Auch deliktischer Schutz scheidet aus. § 826 BGB ist nicht anwendbar, weil die §§ 2287, 2288 BGB abschließend sind3. Die §§ 2287, 2288 BGB stellen keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar. Der durch eine wechselbezügliche Verfügung Begünstigte hat bis zum Tod des zweiten Ehegatten keine Rechtsstellung nach § 823 Abs. 1 BGB. Nach herrschender Auffassung besitzt er kein Anwartschaftsrecht4.
1 BGH v. 5.7.1972 – IV ZR 125/70, BGHZ 59, 343 (350); BGH v. 27.1.1982 – IVa ZR 240/80, BGHZ 83, 44 (45 f.); BGH v. 30.3.1977 – IV ZR 211/75, FamRZ 1977, 539 (540); BGH v. 23.11.1983 – IVa ZR 230/81, NJW 1984, 731 (732); BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 164/90, NJW 1992, 564 (566); zum „lebzeitigen Eigeninteresse“ Dilcher, Jura 1988, 72 (78 f.); MüKo/Musielak, § 2287 Rz. 12 ff. 2 BGH v. 5.7.1972 – IV ZR 125/70, BGHZ 59, 343 (348, 350); Dilcher, Jura 1988, 72 (77); MüKo/Musielak, § 2271 Rz. 47; Soergel/Wolf, § 2271 Rz. 44. 3 BGH v. 21.6.1989 – IVa ZR 302/87, BGHZ 108, 73 (78); BGH v. 30.4.1991 – IV ZR 104/90, NJW 1991, 1952; OLG Köln v. 14.9.1995 – 2 W 125/95, ZEV 1996, 23 (24) mit Anm. Hohmann; Palandt/Edenhofer, § 2287 Rz. 2. 4 BGH v. 19.1.1954 – V ZB 28/53, BGHZ 12, 115 (118); BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (322); MüKo/Musielak, § 2271 Rz. 46; Schlüter, Rz. 72: bloße „Anwartschaft“; a.A. Mattern, BWNotZ 1962, 229 (234).
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Rz. 152 B VII
In der obigen Beratungssituation müssen die Kinder hinnehmen, dass der verwitwete Mann seiner neuen Lebensgefährtin lebzeitige Zuwendungen macht, die ihre Erbaussichten schmälern. Sie haben keinen Unterlassungsanspruch, der durch Arrest oder einstweilige Verfügung (§§ 916 ff., 935 ff. ZPO) sicherbar wäre. Auch eine Feststellungsklage (§ 256 ZPO), wonach die lebzeitige Verfügung in Beeinträchtigungsabsicht erfolgt, scheidet aus. Das Rechtsverhältnis zwischen Schlusserben und beschenktem Dritten ist kein gegenwärtiges, sondern ein zukünftiges, § 2287 Abs. 1 BGB („Anfall der Erbschaft“).
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Etwas anderes gilt, wenn dem überlebenden Ehegatten durch Verfügungs- 151 unterlassungsvertrag1 untersagt ist, zu Lebzeiten über bestimmte Nachlassgegenstände zuungunsten der Schlussbedachten zu verfügen. Die Sicherung wirkt schuldrechtlich, § 137 BGB. Handelt der überlebende Ehegatte dem Verbot zuwider, haben die vertraglich Begünstigten einen Anspruch auf Wiederherstellung des früheren Zustandes, im Fall der Unmöglichkeit Schadenersatzansprüche. Auch vorläufiger Rechtsschutz ist möglich. Der Verfügungsunterlassungsvertrag ist grundsätzlich formfrei und kann auch konkludent geschlossen werden. Das gemeinschaftliche Testament muss dafür eindeutige Hinweise bieten. Ratsam ist die Aufnahme einer ausdrücklichen Klausel.
IV. Zusammenfassung Die vorangegangenen Abschnitte haben gezeigt, dass die §§ 2265 bis 2273 BGB den Ehegatten ein geeignetes Gestaltungsmittel an die Hand geben, um gemeinsam von Todes wegen zu verfügen. Dabei sind eine Reihe formaler, materiell- und steuerrechtlicher Gesichtspunkte relevant. In der Beratungspraxis sind vor allem folgende Punkte zu beachten: 1. Wie sind die Familien- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten? Wollen sie sich nur untereinander oder auch Dritte bedenken? Lassen sich die Regelungsziele mit dem gemeinschaftlichen Testament erreichen oder bedarf es eines Erbvertrags (§§ 2274 ff. BGB)? Bestehen erbrechtliche Bindungen durch gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag? 2. Welche Form des gemeinschaftlichen Testaments wird gewählt? Soll es in amtliche Verwahrung gegeben werden? Gilt es auch für den Fall, dass die Ehegatten gleichzeitig oder kurz hintereinander sterben? 3. Wie soll die erbrechtliche Stellung des längerlebenden Ehegatten beschaffen sein: Fungiert er als Alleinerbe oder in Erbengemeinschaft mit den Kindern? Soll er Vollerbe im Sinne der Einheitslösung, (befreiter) Vorerbe im Sinne der Trennungslösung oder Nießbraucher bzw. Vermächtnisnehmer sein? Darf er die Nachlassverteilung nach dem Tod des Ehepartners ändern?
1 Er ist nach h.M. zulässig: BGH v. 30.9.1959 – V ZR 66/58, BGHZ 31, 13 (18 f.); BGH v. 27.2.1967 – III ZR 68/66, FamRZ 1967, 470 (471); Buchholz, Jura 1989, 393 (398 f.); Palandt/Edenhofer, § 2286 Rz. 2.
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B VII Rz. 152
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4. Wie sieht die Erbenstellung der Abkömmlinge aus: Sollen sie Schlusserben im Sinne der Einheitslösung, Nacherben im Sinne der Trennungslösung oder mit dem Tod des ersten Ehegatten Voll- oder Miterben sein? Sind Vorempfänge der Kinder auszugleichen? Sind Vorausvermächtnisse, Teilungsanordnungen oder eine Testamentsvollstreckung angezeigt? 5. Sollen die Letztbedachten davon abgehalten werden, nach dem Tod des ersten Ehegatten den Pflichtteil zu verlangen (Pflichtteilsklausel)? Wenn ja, wie wird dem Pflichtteilsbegehren vorgebeugt: Durch Enterbung desjenigen, der den Pflichtteil verlangt, durch zusätzliche Vermächtnisse (Jastrowsche Formel) oder einen Pflichtteilsverzicht? Wird dem überlebenden Ehegatten das Recht eingeräumt, die Enterbung zu widerrufen? 6. Soll durch eine Wiederverheiratungsklausel sichergestellt werden, dass der Nachlass im Fall der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten ungeschmälert auf die gemeinsamen Abkömmlinge übergeht? Wenn ja, wie soll sie aussehen: Anordnung von Vermächtnissen oder bedingte Nacherbeneinsetzung der Abkömmlinge? Tritt der Nacherbfall mit Wiederheirat oder dem Tod des Vorerben ein? Unterliegt der längerlebende Ehegatte den gesetzlichen Beschränkungen des Vorerben? Gewinnt er seine Testierfreiheit durch Widerruf der eigenen Verfügungen zurück? 7. Welche Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament sind so voneinander abhängig, dass sie sich in ihrer Wirksamkeit gegenseitig bedingen (Wechselbezüglichkeit)? In welchem Umfang ist der überlebende Ehegatte gebunden: Soll das Anfechtungsrecht wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten ausgeschlossen sein? Soll der längerlebende Ehegatte ein einseitiges Abänderungsrecht haben (Freistellungsklausel)? Wird dem überlebenden Ehegatten durch Verfügungsunterlassungsvertrag untersagt, zu Lebzeiten zuungunsten der Schlussbedachten über bestimmte Gegenstände zu verfügen?
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VIII. Das Behindertentestament Schrifttum: Baltzer, Die Vermächtnislösung lebt!, ZEV 2008, 116; Bengel, Gestaltung letztwilliger Verfügungen bei Vorhandensein behinderter Abkömmlinge, ZEV 1994, 29; Bengel in Scherer: Erbrecht, 2. Auflage 2007, § 41; Conradis, Sozialhilferegress: Kostenersatz durch den Erben, § 102 SGB XII, § 35 SGB II, ZEV 2005, 379; Damrau, Das Behinderten-Testament mit Vermächtnislösung, ZEV 1998, 1; Damrau/Mayer, Zur Vor- und Nachvermächtnislösung beim so genannten Behindertentestament, ZEV 2001, 293; Engelmann, Testamentsgestaltung zugunsten Verschuldeter oder Sozialhilfeempfänger, MDR 1999, 968; Eichenhofer, Das Behindertentestament oder: Sozialhilfe für Vermögende?, JZ 1999, 226; Gsänger/Souren, Tagungsbericht, DNotZ 2007, 3.; Grziwotz, Die umgekehrte Vermächtnislösung beim Behindertentestament: Der Königsweg?, ZEV 2002, 409; Hartmann, Das Vorvermächtnis mit Vorerbschaftswirkung, ZEV 2007, 458; Hartmann, Das so genannte Behindertentestament: Vor- und Nacherbschaftskonstruktion oder Vermächtnisvariante?, ZEV 2001, 89; Heinz-Grimm/Krampe/Pieroth, Testamente zugunsten von Menschen mit geistiger Behinderung, 3. Auflage 1997; Kaden, Zur Sittenwidrigkeit von Behindertentestamenten, 1998; Knopp/Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, 7. Auflage 1992; Köbl, ZfSH/SGB, 1990, 449; Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern, 2006; Kuchinke, Anmerkung, FamRZ 1992, 362; Krampe, AcP 191 (1991), 526; Mayer, Das Behinderten-Testament als empfehlenswerte Gestaltung?, DNotZ 1994, 347; Nazari Golpayegani/Boger, Aktuelle Gestaltungsempfehlungen zum Behindertentestament, ZEV 2005, 377; Nieder, Das Behindertentestament, NJW 1994, 1264; Otte, Zum Zugriff des Sozialhilfeempfängers bei befreiten Vorerben, JZ 1990, 1027; Pieroth, Grundsätzliche Testierfreiheit, Sozialhilferechtliches Nachrangprinzip und das so genannte Behindertentestament, NJW 1993, 173; Raiser, Sittenwidriges Behindertentestament und unerträgliche Belastung der Allgemeinheit, MDR 1995, 237; Reimann, Anmerkung, DNotZ 1992, 245; Ruby, Behindertentestament: Häufige Fehler und praktischer Vollzug, ZEV 2006, 66; Ruby/Schindler/Wirich, Das Behindertentestament, 2008; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum Bundessozialhilfegesetz, 15. Auflage 1997; Spall, Die vernachlässigten Erbquoten der Geschwisterkinder, § 2306 Abs. 2 BGB und Behindertentestament, ZEV 2006, 344; Spall, Anmerkung, DNotZ 2005, 299; Tersteegen, Sozialhilferechtliche Verwertbarkeit von Vermögen bei Anordnung von Verwaltungstestamentsvollstreckung, ZEV 2008, 121; Trilsch-Eckardt, nochmals: Vorweggenommene Erbfolge und Behindertentestament, ZEV 2001, 229; van de Loo, Die letztwillige Verfügung von Eltern behinderter Kinder, NJW 1990, 2852; van de Loo, Möglichkeiten und Grenzen eines Übergangs des Rechts zur Erbausschlagung durch Abrechnung bzw. Überleitung, ZEV 2006, 473; Waltermann, Forderungsübergang auf Sozialhilfeträger, NJW 1996, 1644, Weidlich, Vorweggenommene Erbfolge und Behindertentestament – zugleich ein Beitrag zur Anwendbarkeit der Werttheorie beim Bestehen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen, ZEV 2001, 94.
I. Begriff und Abgrenzung . . . . . . .
Rz. 1
II. Zweck und Zulässigkeit 1. Zielstellung der Verfügung a) Sozialrechtliche Ansprüche . b) Zielstellung der Testierenden 2. Probleme der Sittenwidrigkeit . . a) Problemstellung . . . . . . . . . . .
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b) Aktuelle Rechtslage . . . . . . . c) Offene Fragen . . . . . . . . . . . . . III. Zweckmäßige Ausgestaltung 1. Mögliche Varianten . . . . . . . . . . a) Lebzeitige Lösung . . . . . . . . . b) Erbrechtliche Lösung . . . . . . 2. Gestaltung durch Testament a) „Klassische Lösung“ – Vorund Nacherbschaft
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Rz. 17 22 27 28 34
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B VIII Rz. 1 Rz. aa) Dem behinderten Kind zu überlassender Erbteil . 35 bb) Behinderter als Vorerbe . . 41 cc) Andere Familienangehörige oder Dritte als Nacherben . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 dd) Testamentsvollstreckung 52 b) Vermächtnislösung . . . . . . . . 60 c) Weitere Gestaltungen aa) Umgekehrte Vermächtnislösung . . . . . . . . . . . . . . 63a
Behindertentestament Rz. bb) Leibrentenvermächtnis . 63b 3. Gestaltung durch Erbvertrag. . . 64 IV. Problematische Gestaltungen 1. Ungenügende Beachtung von §§ 2305 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . 2. Anordnung von Auflagen . . . . . 3. Vorversterben des Behinderten nicht bedacht. . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorschenkungen übersehen . . . 5. Ämterhäufung . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Begriff und Abgrenzung 1 Das Behindertentestament ist ein Testament, das Eltern oder ein Elternteil errichten, die ein oder mehrere behinderte Kinder haben, um das Vermögen nach ihrem Tode oder nach dem Tod des behinderten Kindes in der Familie zu halten, ohne den Anspruch des behinderten Kindes auf Sozialhilfe zu verlieren. Eichenhofer hat diese Zielstellung des Behindertentestaments fragend „Sozialhilfe für Vermögende“ genannt1. In der Bundesrepublik Deutschland leben ca. 6 Millionen behinderte Menschen, wovon ca. 1 Million geistig-seelisch behindert sind2. Das Interesse an dieser besonderen und schwierigen Testamentsgestaltung ist daher verständlich und seit der Vorauflage erheblich gewachsen. 2 Die Bezeichnung „Behindertentestament“ ist irreführend, weil nach allgemeinem Sprachgebrauch vermutet wird, es handle sich um das Testament eines (geistig) Behinderten, der nicht in der Lage ist, sich in gewohnter Weise schriftlich oder mündlich auszudrücken. Mit dieser Problematik hat das Behindertentestament jedoch nichts zu tun. Es geht lediglich um die Sicherung des Vermögens des behinderten Kindes und seiner Angehörigen. Das Problem der richtigen Gestaltung von Testamenten für den Fall, dass behinderte Kinder zum Kreis der Erben gehören, stellt sich aktuell, weil in absehbarer Zeit beachtliche Vermögensmassen vererbt werden, die Gesellschaft die möglichen Sozialhilfeleistungen wegen Geldknappheit aber weiter begrenzen wird. Die Gestaltung dieses besonderen Testaments ist schwierig, weil neben mehreren Teilgebieten des Erbrechts auch Sozialrecht, Vormundschafts- und Betreuungsrecht zu berücksichtigen sind.
1 Eichenhofer, JZ 1999, 226. 2 Ruby/Schindler/Wirich, § 1 Rz. 17.
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Behindertentestament
Rz. 7 B VIII
II. Zweck und Zulässigkeit 1. Zielstellung der Verfügung
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Beratungssituation: Der vermögende Vater eines behinderten Kindes möchte wissen, ob eine Testamentsgestaltung möglich ist, bei der sein Vermögen dem behinderten Kind und seinem gesunden Bruder verbleiben kann, dem behinderten Kind jedoch weiterhin Sozialhilfe gewährt wird.
a) Sozialrechtliche Ansprüche Wenn ein behindertes Kind zum Kreis der gesetzlichen Erben gehört, dann erhält das im Erbrecht angestrebte Regelungsziel der Familiensicherung und des Vermögenserhalts in der Familie eine besondere Bedeutung, denn die Bestimmungen des SGB XII beeinflussen diese Regelungsziele.
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Nimmt ein behindertes Kind Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII, etwa bei Heimunterbringung, in Anspruch, muss es hierfür sein eigenes Einkommen (§ 82 SGB XII) und sein Vermögen, darunter ererbtes Vermögen, einsetzen (§ 90 SGB XII). Diese Verpflichtung ist als Nachranggrundsatz des Sozialhilferechts ausgestaltetet (§ 2 SGB XII). Die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist wesentlich, weil Einkommen mit wenigen Ausnahmen voll berücksichtigt wird, beim Vermögen das Schonvermögen ausgenommen ist. Die Abgrenzung ist sozialrechtlich zurzeit noch ungeklärt1.
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Vom einzusetzenden Vermögen wird das so genannte Schonvermögen ausgenommen. Dazu gehört vor allem Vermögen, welches zum Aufbau und zur Sicherung einer eigenen Existenzgrundlage oder Gründung eines Hausstandes dient; angemessener Hausrat; Sachen zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung; persönliche Familien- und Erbstücke; zur Befriedigung geistiger und künstlerischer Bedürfnisse dienende Gegenstände (außer Luxusgegenständen); ein angemessenes Hausgrundstück oder eine Eigentumswohnung, soweit allein oder teilweise selbst bewohnt; kleine Barbeträge (§ 90, SGB XII).
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Auch alle geldwerten Ansprüche (wozu auch Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche zählen), die dem Sozialhilfeempfänger gegen Dritte zustehen, unterliegen dem Zugriff des Sozialhilfeträgers. Der Sozialhilfeträger leitet derartige Ansprüche gem. § 93 SGB XII auf sich über und macht sie geltend, selbst wenn sie der Sozialhilfeempfänger (das behinderte Kind) noch nicht geltend gemacht hat oder nicht geltend machen will. Überleitungsfähig sind insbesondere Ansprüche auf wiederkehrende Geldleistungen aus Vermächtnissen, vertraglichen Unterhaltsverpflichtungen, Pflegeverträgen usw.
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Nach § 102 SGB XII wird der Erbe eines Hilfe empfangenden behinderten Kindes zum Kostenersatz für die Aufwendungen der Sozialhilfe für den Zeitraum von zehn Jahren vor dem Erbfall herangezogen2. Als Nachlassverbindlichkeit
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1 Näher dazu Ruby/Schindler/Wirich, § 2 Rz. 14, 15. 2 Bengel, in: Scherer, Erbrecht, 2. Auflage, § 41, Rz. 4.
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B VIII Rz. 8
Behindertentestament
geht dieser Anspruch Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen und Auflagen vor. Allerdings haftet der Erbe nur mit dem Nachlass und kann sich auch auf die Dürftigkeit des Nachlasses berufen. Nur bei geringen Nachlässen entfällt der Kostenersatz. Außerdem erlischt er drei Jahre nach dem Tode des Hilfeempfängers1. b) Zielstellung der Testierenden 8 Sozialhilfe ist teuer. Selbst unter Berücksichtigung von Leistungen der Pflegeversicherung fallen für Pflege Schwerstbehinderter monatlich noch zwischen 600 Euro und 1600 Euro an2. Bei jährlichen Kosten zwischen 7000 Euro und 19 000 Euro wäre ein dem behinderten Kind hinterlassenes Vermögen von 15 000 Euro in weniger als einem Jahr aufgebraucht. Nach 25 Jahren Pflegedauer ist ein Vermögen von 250 000 Euro verbraucht. 9 Kein Wunder also, dass Eltern geistig oder körperlich behinderter Kinder in einen Interessenkonflikt geraten. Selbst wenn sie grundsätzlich bereit wären, ihr Vermögen in Höhe des Pflichtteils des behinderten Kindes dem Sozialhilfeträger zu überlassen, ist für sie nur schwer hinnehmbar, dass dieses Vermögen dann für die gesetzlichen Leistungen für das behinderte Kind vollständig verbraucht wird, ohne dass das Kind hiervon einen Vorteil hat. Nach dem elterlichen Willen soll das behinderte Kind zumindest kleine Extraleistungen erlangen, die es etwas besser stellen als andere Hilfeempfänger ohne eigenes Vermögen, bei denen kein Rückgriff auf eigenes Vermögen möglich ist. 10
Kleine Verbesserungen der Lage des behinderten Kindes nach dem Tode seiner Eltern, die sich meist um das Kind aufopferungsvoller kümmern, als es nach ihrem Tode möglich ist, lassen sich nur erreichen, wenn das in der Familie des behinderten Kindes vorhandene Vermögen in der Familie verbleibt und dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen wird. Demgegenüber wächst wegen der erheblichen Kosten der Sozialhilfe das Bestreben des Sozialhilfeträgers, auf das Vermögen des behinderten Kindes oder dessen Erben zuzugreifen. Das Behindertentestament befindet sich damit im Spannungsfeld zwischen den Interessen der Eltern eines behinderten Kindes, das Vermögen zu erhalten und dem behinderten Kind hieraus Vorteile zu verschaffen und den Interessen des Sozialhilfeträgers, das Vermögen des behinderten Kindes oder seiner Erben für bereits geleistete oder künftig zu leistende Sozialhilfe einzusetzen und deswegen auf das Vermögen zuzugreifen.
11 Die Zielstellung für den beratenden Rechtsanwalt oder Notar kann damit kurz wie folgt umrissen werden: Der Nachlass und seine Erträge sind dem behinderten Kind so zuzuwenden, dass der Anspruch auf Sozialhilfe nicht entfällt, der die Sozialleistungen erbringende Sozialhilfeträger jedoch nicht auf den Nachlass zugreifen kann. 1 Weirich, Erben und Vererben, Rz. 667; Conradis, ZEV 2005, 379; Ruby/Schindler/Wirich, § 2, Rz. 43–64; Bengel, § 41, Rz. 5 2 Damrau, ZEV 1998, 1.
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Behindertentestament
Rz. 14 B VIII
Die Zielstellung für den beratenden Anwalt oder Notar geht allerdings noch weiter: Auch nach dem Tode des behinderten Kindes soll dessen Nachlass nicht dem Zugriff des Sozialhilfeträgers unterliegen, sondern einem Angehörigen des behinderten Kindes oder einer Sozialeinrichtung zufallen. Die vorgenannten Ziele sind nur durch eine sinnvolle Kombination erbrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen, die genau aufeinander abgestimmt sein müssen.
2. Probleme der Sittenwidrigkeit Die Möglichkeiten, das angestrebte Ziel zu erreichen, sind vorhanden, aber naturgemäß begrenzt.
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Beratungssituation: Der Mandant, der von den Zugriffsmöglichkeiten des Sozialhilfeträgers auf Vermögen des Behinderten gehört hat, möchte sicher sein, dass das Behindertentestament auch wirksam ist.
Bei der konträren Interessenlage der Eltern behinderter Kinder und der Sozialbehörde nimmt es nicht Wunder, dass Probleme der Wirksamkeit eines Behindertentestaments, insbesondere eventuelle Sittenwidrigkeit, seit langem und auch nach dem klarstellenden Urteil des BGH von 1993 weiter diskutiert werden1. a) Problemstellung Die Verhinderung des Zugriffs des Sozialhilfeträgers auf das Vermögen des behinderten Kindes und seiner Erben wird durch eine Testamentsgestaltung erreicht, in der das behinderte Kind als (nicht befreiter) Vorerbe, die Geschwister oder andere Familienangehörige oder Dritte (gemeinnützige Organisation) als Nacherben eingesetzt werden, verbunden mit der Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung für die gesamte Zeit der Vorerbschaft mit genauen Verwaltungsanweisungen (Rz. 35 ff.).
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Gegen diese Kombination legaler erbrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten durch den Erblasser richten sich die Angriffe derer, die im Behindertentestament eine nicht hinnehmbare Benachteiligung des Sozialhilfeträgers sehen2. Die Wirksamkeit einer testamentarischen Verfügung sei fraglich, wenn deren Zweck darin bestehe, den Nachlass am bedürftigen Kind vorbeizuleiten und dadurch dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu entziehen3. Durch die rechtliche Konstruktion des Behindertentestaments werde die Nachrangigkeit der Sozialhilfe in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise umgangen4 bzw. würden die Kosten der Lebensführung des Behinderten der Allgemein-
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1 BGH v. 20.10.1993 – IV ZR 231/92, NJW 1994, 248. 2 Eichenhofer, JZ 1999, 226; Köbl, ZfSH/SGB 1990, 449/465); Raiser, MDR 1995, 237 (238). 3 Eichenhofer, JZ 1999, 227. 4 LG Konstanz v. 24.4.1991 – 5 O 423/90, FamRZ 1992, 360.
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B VIII Rz. 15
Behindertentestament
heit aufgebürdet, was dem gesunden Volksempfinden widerspreche1. Ein Behindertentestament, das zu dem konstruktiven Ergebnis führe, dass einem Behinderten als Pflichtteil gebührendes Vermögen letztlich dem Sozialhilfeträger entzogen werde, sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig2. 15 Indem die Kritiker des Behindertentestaments bestimmten Verfügungen des Erblassers die Wirksamkeit versagen wollen, treten sie ausdrücklich oder im Ergebnis für eine Einschränkung der Testierfreiheit des Erblassers über die durch das Pflichtteilsrecht gezogenen Grenzen ein. Derzeit enthält jedoch das SGB XII auch nicht ansatzweise Regelungen, die die Testierfreiheit der Eltern behinderter Kinder einschränken3. Dies ist der Schwachpunkt der Argumentation der Gegner des Behindertentestaments, was Eichenhofer zugibt. Er wünscht sich deshalb – wohl im künftigen Recht – einen gesonderten Abschnitt im BSHG, in dem das Schonvermögen bei der Verwertung von Nachlässen festgelegt werden müsse, und will kleinere Nachlässe bis zu 15 000 Euro von der Verwertung ausnehmen4. Dies würde zu einer weiteren Komplizierung der Sozialhilferegelungen führen, ohne erkennbaren Nutzen und wäre nur geeignet, eherne Prinzipien hochzuhalten. 16 Oben (Rz. 8) ist dargelegt, in welch kurzem Zeitraum auch größere Vermögen durch Sozialhilfeleistungen an Schwerbehinderte aufgebraucht werden. Unter diesem Gesichtspunkt läuft die ganze Diskussion darauf hinaus, ob es für die Allgemeinheit hinnehmbar ist, dass dem behinderten Kind vermögender Eltern zusätzlich zu den Sozialhilfeleistungen weitere begrenzte Leistungen aus dem elterlichen Vermögen zufließen sollen. Diese Frage ist zu bejahen, denn anderenfalls wäre es auch nicht ohne weiteres hinnehmbar, dass gesunde Kinder reicher Eltern sich einen höheren Lebensstandard leisten können als andere. Der § 93 SGB XII hat die Bestimmung des § 90 BSHG inhaltsgleich übernommen, was die Position der Kritiker geschwächt hat5. b) Aktuelle Rechtslage 17 Das Urteil des BGH vom 20.10.19936 hat für die Wirksamkeit des Behindertentestaments, auch wenn noch eine Reihe von Fragen offen bleibt (vgl. Rz. 22 ff.), grundsätzliche Bedeutung7. Der BGH hält insbesondere die Vor- und Nacherbenregelung für wirksam, obwohl gerade durch sie der Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Vermögen der
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LG Flensburg v. 1.9.1992 – 2 O 265/92, NJW 1993, 1866. Raiser, MDR 1995, 237 (238). Kuchinke, FamRZ 1992, 362. Eichenhofer, JZ 1999, 226 (233). Nazari Golpayegani/Boger, ZEV 2005, 377. BGH v. 20.10.1993 – IV ZR 231/92, NJW 1994, 248. Für Wirksamkeit des Behindertentestaments Kuchinke, FamRZ 1992, 362; Engelmann, MDR 1999, 968 (973); Mayer, DNotZ 1994, 347; Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 1296; van de Loo, NJW 1990, 2852; Schubert, JR 1991, 106 (107); Krampe, AcP 191, 526 (559); Pieroth, NJW 1993, 173; Bengel, ZEV 1994, 29.
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Rz. 20 B VIII
Familie verhindert wird, denn der Nacherbe erwirbt nicht vom Vorerben (dem behinderten Kind), sondern von den Eltern des behinderten Kindes (Erblasser). Durch diese Gestaltung in dem der BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Erbvertrag erhält das behinderte Kind über die Sozialhilfe hinaus zusätzliche Vorteile und Annehmlichkeiten, die beim Absinken des heutigen Standes der Sozialhilfeleistungen für Behinderte noch wichtiger werden können1. Das Sozialhilferecht enthält kein gesetzliches Verbot solcher erbrechtlicher Gestaltung, deren Umgehung die entsprechende Verfügung sittenwidrig machen würde. Eine Umgehung setzt ein Umgehungsverbot voraus, das jedoch nicht besteht2. Der BGH führt weiter aus, dass sich die Nichtigkeit auch nicht auf den Nach- 18 ranggrundsatz (§ 2 SGB XII; früher § 2 BSHG) stützen lasse, weil dieser Grundsatz im BSHG selbst in erheblichem Maße durchbrochen worden sei und seine Prägekraft weithin verloren habe. Der Gesetzgeber trage, so argumentiert der BGH weiter, dem Gedanken Rechnung, dass außer der Familie die Gesellschaft als Ganzes unmittelbar für die mit der Versorgung, Erziehung und Betreuung von behinderten Kindern verbundenen wirtschaftlichen Lasten aufkommen muss. Kuchinke schlägt in diesem Zusammenhang vor, weniger von einem Nachrang der Sozialhilfe als von einer besonderen sozialhilferechtlichen Versorgungspflicht zu sprechen, die besteht, wenn und soweit sich der Berechtigte nicht selbst versorgen kann3. Auch ohne diese richtige Akzentuierung bietet das SGB XII keine Grundlage für Ansichten, ein Erblasser müsse aus Rücksicht auf die Belange der Allgemeinheit seinen unterhaltsberechtigten, behinderten Kindern jedenfalls bei großem Vermögen entweder über den Pflichtteil hinaus einen Erbteil hinterlassen oder gleich Vermögen an den Fiskus übertragen, um dem Träger der Sozialhilfe einen gewissen Kostenersatz zu ermöglichen4.
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Der BGH hat auch eine Einschränkung der Testierfreiheit abgelehnt, weil dies einen Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Privatautonomie im Erbrecht darstellen würde. Eine Einschränkung der Testierfreiheit durch Anwendung der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit auf klar und deutlich umrissene Wertungen des Gesetzgebers oder eine allgemeine Rechtsauffassung stützen könnte5.
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Der BGH stellt seine bisherige Rechtsprechung nach den beiden Entscheidungen vom 8.12.2004 und 19.10.2005 (Rz. 36) nicht in Frage. Sämtliche erbrechtliche Gestaltungsmittel sind auch gegenüber dem Sozialhilfeträger zulässig, und die Gestaltung in Behindertentestamenten verstößt nicht gegen den
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BGH v. 20.10.1993 – IV ZR 231/92, NJW 1994, 248. Kuchinke, FamRZ 1992, 362. Kuchinke, FamRZ 1992, 362. BGH v. 20.10.193 – IV ZR 231/92, NJW 1994, 248. BGH v. 20.10.1993 – ZR 231/92, NJW 1994, 248.
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B VIII Rz. 21
Behindertentestament
Nachrang der Sozialhilfe, solange ein expliziter Vorteil des Behinderten aus der Verfügung ersichtlich ist1. 21 Unterstützung erfuhr der BGH in seiner Rechtsprechung durch das OVG Bautzen und das OVG Saarland, die sich der auch von der herrschenden Meinung in der Literatur geteilten Rechtsauffassung des BGH angeschlossen haben2. Das OVG Bautzen hatte ebenfalls einen für das Behindertentestament typischen Sachverhalt zu entscheiden: Die Mutter zweier behinderter Kinder hatte beide Kinder 30 Jahre lang versorgt und setzte sie durch notarielles Testament zu gleichen Teilen als befreite Vorerben ein. Bis zum Tod des letztversterbenden Vorerben wurde Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Das zu vererbende Vermögen betrug 181 000 DM. Das OVG hatte die Zielstellung des Testaments erst durch Auslegung zu ermitteln, denn das Testament war nicht eindeutig abgefasst. Das OVG hat das Behindertentestament unter ausdrücklichem Hinweis auf die beiden Urteile des BGH von 19903 und 1993 als wirksam angesehen und eine Sittenwidrigkeit wegen Umgehung des Nachranggrundsatzes des § 2 SGB XII ausdrücklicht verneint. Das OVG Saarland hat selbst bei Einsetzung des Behinderten als Vollerben mit Testamentsvollstreckung für dessen Lebensdauer keine Sittenwidrigkeit gesehen. Auch das LSG Baden-Württemberg4 hat die Sittenwidrigkeit einer Konstruktion verneint, bei der einem Alkoholkranken, der ALG II-Leistungen bezog, ein Vermächtnis von 50 000 Euro zugewandt und Testamentsvollstreckung hierüber angeordnet wurde. Das LSG bezog sich bei seiner Entscheidung auf die bekannte Rechtsprechung des BGH zum Behindertentestament. c) Offene Fragen 22 Für die Beratungspraxis zur Gestaltung von Testamenten ist eine gewisse Vorausschau unerlässlich, insbesondere weil mit der Testamentsgestaltung der Vermögensfluss relativ weit in die Zukunft geplant wird. Zwar lässt sich die künftige Gesetzgebung schwer vorhersehen, doch bleibt es wichtig, die Fragen herauszustellen, die nach dem BGH-Urteil von 1993 und dem Stand der Diskussion nach wie vor offen sind. 23 Bei sehr großem Vermögen ist noch nicht klar, ob der BGH solche Testamente akzeptiert, denn diese Frage hat er ausdrücklich offen gelassen. Allerdings lag dem Urteil vom 20.10.1993 ein Vermögen zugrunde, das fast eine halbe Mio. Euro erreichte, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der BGH die Wirksamkeit solcher Behindertentestamente anerkennt5. 1 BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 223/03, ZEV 2005; 117; BGH v. 19.10.2005 – IV ZR 235/03, ZEV 2006, 76; Gsänger/Souren, DNotZ 2007, 3 (6). 2 OVG Bautzen v. 2.5.1997 – 2 S 682/96, NJW 1997, 2898; so auch OVG Saarland v. 17.3.2006 – 3 R 2/05; ZErb 2006, 275. 3 BGH v. 21.3.1990 – IV ZR 169/89, NJW 1990, 2055. 4 LSG Baden-Württemberg v. 9.10.2007 – L 7 AS 3528/07. 5 Nieder, NJW 1994, 1264 (1266).
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Rz. 26 B VIII
Fällt dagegen der Pflichtteil des Behinderten so hoch aus, dass hieraus oder sogar aus den Früchten die Versorgung des Behinderten sichergestellt werden kann, könnte Sittenwidrigkeit angenommen werden. Ruby/Schindler/Wirich empfehlen deshalb für solche Fälle die Aufnahme einer salvatorischen Klausel1. Vorsicht ist geboten, wenn für den Behinderten kein Nutzen entsteht, weil er aufgrund seiner Behinderung die ihm zugedachten Annehmlichkeiten nicht nutzen kann oder der zugewandte Nachlass so gering ist, dass er keine nennenswerten Früchte trägt2. Noch nicht hinreichend geklärt ist, wer das Ausschlagungsrecht nach § 2306 Abs. 1 BGB wahrnehmen kann3. Könnte der Sozialhilfeträger das Ausschlagungsrecht geltend machen, wäre er in der Lage, durch die Ausschlagung das Behindertentestament wirkungslos zu machen, den Pflichtteilsanspruch auszulösen, ihn gem. § 93 SGB XII auf sich überzuleiten und den Pflichtteilsanspruch gegen die Erben des behinderten Kindes durchzusetzen. Den Übergang dieses Ausschlagungsrechts auf den Sozialhilfeträger hielt van de Loo für möglich4. Dieser These folgt die herrschende Auffassung in der Literatur jedoch nicht5. Der Auffassung wird die dogmatisch-konstruktive Überlegung entgegengehalten, das Gestaltungsrecht der Ausschlagung sei nicht mit dem Pflichtteilsanspruch verbunden, sondern gründe sich allein auf die Erbenstellung und sei damit höchst persönlich6, was richtig ist.
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Inzwischen ist diese Auffassung allgemein anerkannt. Der BGH sieht bei dieser Frage allerdings noch Klärungsbedarf7. Beim Zugriff auf die Nachlassfrüchte hat der BGH offen gelassen, ob dies durch den Sozialhilfeträger möglich sei8. Bedenken in der Literatur wegen zu einschränkender Verwaltungsanordnungen für den Testamentsvollstrecker bestehen ebenfalls. Hier wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass über Extraunterhalt hinausgehende Nutzungen überleitbar sind. Würden sie durch den Testamentsvollstrecker dem Vorerben völlig entzogen, fielen sie dem Nacherben zu, was dem Gesetz widerspricht.
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Ob im künftigen Recht den Belangen des Sozialhilfeträgers stärker Rechnung getragen wird, bleibt abzuwarten. Ob dies entsprechend der Argumentationsrichtung der Gegner des Behindertentestaments zu einer gesetzlichen Einschränkung der Testierfreiheit des Erblassers führt, ist fraglich. Schon jetzt ist die Testierfreiheit des Erblassers noch nicht einmal zwingend durch das
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1 Kornexl, Rz. 360, 361; Ruby/Schindler/Wirich, § 3 Rz. 73–76 mit weiteren Nachweisen. 2 Ruby/Schindler/Wirich, § 3, Rz. 52; Kornexl, Rz. 358. 3 Mayer, DNotZ 1994, 347; Nieder, NJW 1994, 1266. 4 van de Loo, NJW 1990, 2852 (2856). 5 Köbl, ZfSH/SGB 1990, 449 (464); Krampe, AcP 191, 1991, 526; Kuchinke, FamRZ 1992, 363; Nieder, NJW 1994, 1264 (1266); Pieroth, NJW 1993, 173 (178). 6 Mayer, DNotZ 1994, 347 (355); Tanck/Kerscher/Krug, Testamente, S. 318; Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 1303. 7 Gsänger/Souren, DNotZ, 2007, 6; 8 Mayer, DNotZ 1994, 347 (357); Ruby/Schindler/Wirich, § 3, Rz. 53 ff.
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B VIII Rz. 27
Behindertentestament
Pflichtteilsrecht begrenzt. Bei den Fallgestaltungen des § 2306 Abs. 1 BGB liegt es am Erben, ob er die Verfügung des Erblassers hinnimmt und mit weniger als dem Pflichtteil zufrieden ist oder gegen den Erblasserwillen vorgeht und die Erbschaft ausschlägt.
III. Zweckmäßige Ausgestaltung 1. Mögliche Varianten 27 Die Zielstellung der Eltern mit behinderten Kindern kann mit den verschiedensten Gestaltungsmöglichkeiten erreicht werden, die jedoch nicht alle gleichermaßen effektiv und sicher sind. a) Lebzeitige Lösung
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Beratungssituation: Der Mandant möchte sein Hausgrundstück an seinen Sohn übertragen. Seine behinderte Tochter soll nur ihren Pflichtteil erhalten. Der Mandant fragt, ob es sinnvoll ist, das Hausgrundstück bereits vorab an den Sohn zu übergeben oder dieses testamentarisch zu verfügen?
28 Zu Lebzeiten der Eltern an nicht behinderte Kinder übertragenes Vermögen gehört später nicht zu ihrem Nachlass. Als häufige Varianten lebzeitiger Übertragung werden gewählt: – Schenkungsverträge – Übergabe-/Überlassungsverträge Vorteil: klare Eigentumsverhältnisse vor dem Erbfall und steuerliche Ersparnisse Nachteil: Pflichtteilsergänzungsansprüche naher Angehöriger und Überleitungsmöglichkeiten des Sozialhilfeträgers 29
Unbedenklich sind nur solche Verträge unter Lebenden, bei denen Leistung und Gegenleistung in etwa gleich groß sind. Nur dann sind die vorgenannten Nachteile nicht zu befürchten. Verträge, die die Erbfolge in der Regel vorwegnehmen, werden meistens nicht so geschlossen, dass Geld gezahlt wird. Allenfalls sind Teilzahlungen vereinbart, die oft nicht geleistet werden. Häufig werden Pflegeverpflichtungen und Wohnrechte als Gegenleistung vereinbart oder vor Übergabe bereits geleistete Hilfe mit einem Geldbetrag abgegolten. Um spätere Pflichtteilsergänzungsansprüche des behinderten Kindes zu vermeiden, die auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden können, kommen auch Güterstandswechsel, insbesondere der Wechsel der Zugewinngemeinschaft in die Gütertrennung und zurück mit Zugewinnausgleich in Betracht. Dieser Wechsel ist keine Schenkung und löst keine Pflichtteilsergänzungsansprüche aus.
30 Die Wirksamkeit solcher Übergabe- oder Überlassungsverträge, bei denen eine Gegenleistung vereinbart ist, richtet sich nach § 138 BGB. Der BGH 502
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Behindertentestament
Rz. 33 B VIII
nimmt Sittenwidrigkeit solcher und anderer Verträge wegen verwerflicher Gesinnung in ständiger Rechtsprechung immer dann an, wenn die Leistung die Gegenleistung um annähernd das Doppelte übersteigt1. Folglich muss bei Überlassungsverträgen für eine wertmäßig ausreichende Gegenleistung gesorgt werden. Bei Übertragungsverträgen im Zusammenhang mit geistig Behinderten wird von der Rechtsprechung Sittenwidrigkeit angenommen, wenn das Übertragungsgeschäft unentgeltlich oder zum großen Teil unentgeltlich ist und die Übertragung allein den Zweck verfolgt, das Grundstück dem (auch künftigen) Zugriff des Sozialhilfeträgers zu entziehen2. Ist die unentgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung auf das gesunde Kind nicht unwirksam, hat das behinderte Kind einen Plichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB), der gem. § 93 SGB XII auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden kann3.
31
Lebzeitige Übertragungen, die unentgeltlich oder teilentgeltlich sind, erweisen sich als problematisch, wenn der Erblasser vor Ablauf von 10 Jahren verstirbt. Der Sozialhilfeträger kann in diesem Fall den Pflichtteilsergänzungsanspruch auf sich überleiten. Um den Zugriff des Sozialhilfeträgers in diesem Fall zu vermeiden, schlägt Weidlich vor, dem Behinderten ein Geldvermächtnis zuzuwenden4, dessen Geldbetrag über dem gesetzlichen Pflichtteilsergänzungsanspruch liegt. Dieses Vermächtnis soll für Lebenszeit des Behinderten der Verwaltungstestamentsvollstreckung unterworfen werden und außerdem soll der Vermögensgegenstand nach dem Tod des Behinderten auf einen vom Erblasser bestimmten Nachvermächtnisnehmer übergehen5. Kritisch merkt TrilschEckardt6an, dass im Fall des Ablebens des Behinderten sich die Forderung des Nachvermächtnisnehmers und des Sozialhilfeträgers gegen den Nachlass richten, was zu den offenen Fragen jeder Vermächtnislösung führt (Rz. 60).
32
Zu beachten ist weiter, dass die Eltern mitunter wegen der Übertragung von Vermögenswerten ihre gesetzlichen Unterhaltspflichten nicht mehr erfüllen oder selbst sozialhilfebedürftig werden können. Dann besteht innerhalb von zehn Jahren ein Anspruch auf Rückgabe des geschenkten Gegenstandes (§§ 525, 529 BGB)7. Eine Schenkung unter Auflagen kann den Zugriff des Sozialhilfeträgers vereiteln8. Auch diese Ansprüche kann der Sozialhilfeträger geltend machen9.
33
1 Vgl. Palandt/Heinrichs, § 138 BGB Rz. 68. 2 OVG Münster v. 30.12.1996 – 8 A 3204/94, NJW 1997, 2901. 3 Langenfeld, Testamentsgestaltung, Rz. 332, 333; Weirich, Erben und Vererben, Rz. 671. 4 Weidlich, ZEV 2001, 94 (96). 5 Weidlich, ZEV 2001, 94 (96). 6 Trilsch-Eckardt, ZEV 2001, 229. 7 BGH v. 19.10.2004 – X ZR 2/03, ZEV 2005, 121. 8 van de Loo, in: Heinz-Grimm/Krampe/Pieroth, Testamente zugunsten von Menschen mit geistiger Behinderung, S. 138. 9 Weirich, Erben und Vererben, Rz. 672; Bengel, § 13 Rz. 8.
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B VIII Rz. 34
Behindertentestament
b) Erbrechtliche Lösung 34 Die erbrechtliche Lösung ist weniger problematisch als die lebzeitige. Entsprechend gestaltete Testamente oder Erbverträge, die gleichermaßen geeignet sind, bieten eine relativ hohe Sicherheit, weil deren inhaltliche Ausgestaltung mehrfach Gegenstand gerichtlicher Nachprüfung war. Probleme bestehen allerdings bei den Fragen, die der BGH offen gelassen hat (vgl. Rz. 22). Der erbrechtlichen Lösung ist daher der Vorzug zu geben, wenn nicht bei der Vertragsgestaltung unter Lebenden die volle Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung gesichert werden kann.
2. Gestaltung durch Testament a) „Klassische Lösung“ – Vor- und Nacherbschaft aa) Dem behinderten Kind zu überlassender Erbteil 35
Û
Beratungssituation: Der Mandant hat eine schwerbehinderte Tochter und einen gesunden Sohn. Er bittet um einen Testamentsentwurf, mit dem der Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Vermögen verhindert wird. Der Berater weist zunächst darauf hin, dass dem behinderten Kind ein angemessener Erbteil überlassen werden muss.
36 Das behinderte Kind darf im Testament nicht übergangen werden, denn dann entsteht sofort mit dem Erbfall ein Pflichtteilsanspruch, den der Sozialhilfeträger entsprechend § 93 SGB XII auf sich überleitet und geltend macht. Der BGH hat das Recht des Sozialhilfeträgers in zwei Entscheidungen bestätigt, den auf sich übergeleiteten Pflichtteilsanspruch durchzusetzen1. Er entschied in Übereinstimmung mit der herrschenden Literaturmeinung, auf die er sich in der Entscheidung vom 8.12.2004 ausdrücklich bezieht2. Zustimmend äußert sich Spall3. Da dieser Pflichtteilsanspruch ein Geldanspruch ist, fließen erhebliche liquide Mittel aus dem Vermögen ab. Die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils geht dem Familienvermögen verloren und auch das behinderte Kind hat davon nichts4. 37 Die Erbquote für das behinderte Kind durfte bisher wegen § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nicht geringer oder gleich der Pflichtteilsquote sein, denn dies hatte zur Folge, dass Nacherbschaft und Testamentsvollstreckung als nicht angeordnet galten und Vermögen wiederum auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden konnte, weil die Konstruktion des Behindertentestaments dann hinfällig war. Außerdem entsteht bei geringerer Erbquote als der Hälfte der gesetzlichen Erbquote ein Pflichtteilsanspruch (§§ 2305, 2307 BGB), der ebenfalls überleitbar ist5. Der dem behinderten Kind zugewendete Erbteil muss 1 BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 223/03, ZEV 2005; 117; BGH v. 19.10.2005 – IV ZR 235/03, ZEV 2006, 76. 2 Anderer Ansicht: Muscheler, ZEV 2005, 119. 3 Spall, DNotZ 2005, 29. 4 Damrau, ZEV 1998, 1. 5 Bengel, ZEV 1994, 30.
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Behindertentestament
Rz. 40 B VIII
folglich größer als der Pflichtteil sein1. Nach der Reform des § 2306 BGB zum 1.1.2010 entfällt diese Variante. Zum Pflichtteil gelangt man immer nur durch Ausschlagung. Das behinderte Kind bzw. sein gesetzlicher Vertreter können den mit Nacherbeneinsetzung und Testamentsvollstreckung beschränkten Erbteil immer noch ausschlagen und den Pflichtteil fordern (§ 2306 Abs. 1 BGB). Der Sozialhilfeträger hat in diesem Fall nach herrschender Meinung kein Ausschlagungsrecht (vgl. Rz. 24).
38
Damit der Erbteil nicht ausgeschlagen wird, ist der Testamentsvollstrecker anzuweisen, für das behinderte Kind nicht dem Zugriff des Sozialhilfeträgers unterliegende Vergünstigungen zu schaffen2, z.B. Kuraufenthalte in regelmäßigen Abständen. Vormund und Betreuer eines behinderten Kindes haben bei ihrer Entscheidung, ob der Erbteil auszuschlagen ist oder nicht, allein auf das Wohl des Behinderten abzustellen und abzuwägen, ob Annahme der Erbschaft günstiger ist, was bei Gewährung von besonderen Vergünstigungen an das behinderte Kind regelmäßig gegeben ist. Bei nur körperlicher, nicht geistiger Behinderung ist das Problem der Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB gesondert zu prüfen3.
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Sollten Vormund oder Betreuer des behinderten Kindes sich im Einzelfall wegen zu geringer Vergünstigungen für das behinderte Kind oder zu geringem Erbteil für die Erbausschlagung entscheiden, ist dies auch deshalb gründlich zu überdenken, weil abweichend vom allgemeinen Grundsatz, dass auch die Ausschlagung wegen Irrtums angefochten werden kann, hier eine irrtümliche Ausschlagung nicht angefochten werden kann, worauf Bengel zutreffend hinweist4. Die Ausschlagung bedarf der familiengerichtlichen Genehmigung (§§ 1908 Abs. 1, 1822 Abs. 2, 1643 Abs. 2 BGB). Auch das Familiengericht entscheidet ausschließlich im Interesse des behinderten Kindes5. Belange der Sozialhilfeträger sind nicht zu berücksichtigen. Das Familiengericht wird die Genehmigung zur Erbausschlagung daher selten erteilen, weil die Annahme der Erbschaft trotz der angeordneten Beschränkungen für das behinderte Kind günstiger ist. Dabei berücksichtigt das Familiengericht auch die Tatsache, dass mit der Überleitung des Pflichtteils auf den Sozialhilfeträger dem behinderten Kind kein Nutzen entsteht.
1 Bengel, ZEV 1994, 30; Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 1299; Trilsch-Eckardt, ZEV 2001, 229 Bengel, § 41 Rz. 16; Ruby/Schindler/Wirich, § 3, Rz. 13. 2 Nieder, NJW 1994, 1265. 3 Bengel, ZEV 1994, 29. 4 Bengel, ZEV 1994, 29 (30). 5 Bengel, ZEV 1994, 30.
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B VIII Rz. 41
Behindertentestament
bb) Behinderter als Vorerbe
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Beratungssituation: Der Berater schlägt dem Mandanten, der sein Vermögen vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers bewahren will, vor, das behinderte Kind nur als Vorerben einzusetzen. (Näheres s. B IV Rz. 40 ff.)
41 Vorteile: – Vor- und Nacherbschaft erlauben die Steuerung des Vermögensflusses über mehrere Erbfälle. – Dem Vorerben stehen die Nutzungen, jedoch nicht der Bestand des Vermögens zu. – Der Nacherbe wird vor dem Zugriff von Gläubigern des Vorerben geschützt (mit Ausnahme der Nutzungen). Nachteile: – Kompliziertheit der Regelung. – Erhebliche Beschränkungen des Vorerben enthalten Konfliktpotenzial. 42 Durch Anordnung von Vorerbschaft für das behinderte Kind wird erreicht, dass das behinderte Kind oder sein Betreuer keine Verfügungsbefugnis über das vorvererbte Vermögen haben. Auch die Eigengläubiger, zu denen der Sozialhilfeträger gehört, können wegen § 2214 BGB nicht auf dieses Vermögen zugreifen1, weil der Hilfeempfänger nur verwertbares Vermögen einsetzen kann (§ 90 Abs. 1 SGB XII). Vorerbschaft ist aus rechtlichen Gründen nicht verwertbar2. 43 Das behinderte Kind sollte nicht als befreiter Vorerbe eingesetzt werden3, denn befreiter Vorerbe kann verfügen und muss gesamtes Nachlassvermögen einsetzen, bevor er Sozialhilfe erhält4. Nicht befreiter Vorerbe bedeutet, dass seine Verfügungen der Zustimmung des Nacherben bedürfen. Durch Anordnung von nicht befreiter Vorerbschaft ist das erste wichtige Ziel des Behindertentestaments erreicht: Der Sozialhilfeträger kann auf das dem behinderten Kind zugewendeten Erbteil nicht zugreifen. 44
Nachlassnutzungen (§§ 2111, 2122, 100 BGB) müssen durch Vorerben wegen § 90 SGB XII eingesetzt werden, bevor Sozialhilfe verlangt werden darf. Sie können nicht nur gepfändet, sondern auch verwertet werden5. Dagegen können vorvererbte Nachlassgegenstände oder deren Surrogate (bei entgeltlicher Verfügung, zu der auch nicht befreiter Vorerbe berechtigt ist, §§ 2112–2115 BGB) vom Sozialhilfeträger zwar gepfändet, aber nicht eingezogen werden6. 1 Damrau, ZEV 1998, 1 (2). 2 van de Loo, NJW 1990, 2852. 3 Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 1299; Otte, JZ 1990, 1027; Bengel, in: Scherer, Erbrecht, 2. Auflage § 41, Rz. 17. 4 van de Loo, NJW 1990, 2852 (2853). 5 van de Loo, NJW 1990, 2853. 6 Nieder, NJW 1994, 1264.
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Behindertentestament
Rz. 47 B VIII
Die Pfändung würde mit Eintritt der Nacherbschaft erlöschen, da der Nacherbe nicht der Schuldner des Pfändungsgläubigers wird (§§ 2100, 2139, 2144 Abs. 1 BGB).
45
Formulierungsvorschlag Testament: Hiermit setze ich . . ., geboren am . . ., in . . ., wohnhaft in . . ., a) meine Tochter . . ., geboren am . . ., in . . ., zu 2/3, b) meinen Sohn . . ., geboren am . . ., in . . ., zu 1/3 zu meinen Erben ein. Mein Sohn wird jedoch nur Vorerbe und ist von den gesetzlichen Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB nicht befreit. Nacherbin wird meine Tochter, Ersatzerben ihre Nachkommen. Der Nacherbfall tritt mit dem Tode des Vorerben ein. Ein Ersatzvorerbe wird nicht eingesetzt.
Bei Ehegattentestamenten ist zu beachten, dass das behinderte Kind bereits beim ersten Erbfall als Vorerbe eingesetzt werden muss, weil andernfalls Pflichtteilsansprüche entstehen, die vom Sozialhilfeträger übergeleitet werden können1. Allerdings sah van de Loo das Problem nicht so streng, wenn Pflichtteilsstrafbestimmungen in das Testament aufgenommen werden2. Diese frühere Auffassung hat van de Loo inzwischen aufgegeben3.
46
Nach den Entscheidungen des BGH vom 8.12.2004 und 19.10.20054 ändert auch eine Pflichtteilsstrafklausel nichts an der Überleitungsfähigkeit und Durchsetzbarkeit des Pflichtteilsanspruches durch den Sozialhilfeträger. Bei einem Ehegattentestament darf deshalb auch beim ersten Erbfall nicht darauf verzichtet werden, das behinderte Kind bereits als Vorerbe einzusetzen5. Größere Bedenken bestehen, wenn der Behinderte als Vollerbe mit Dauertestamentsvollstreckung eingesetzt werden soll, wenngleich das OVG des Saarlandes die Vollerbenlösung akzeptiert hat. Lediglich dann, wenn Eltern, die nur ein behindertes Kind haben, testieren wollen, kommt die Vollerbeneinsetzung in Betracht, weil dann das Schicksal des Vermögens keine all zu große Rolle spielt6. 1 Nieder, NJW 1994, 1264 (1265); Mayer, in: Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, S. 235, Rz. 348. 2 van de Loo, NJW 1990, 2856; BVerwG v. 26.11.1969 – VC 54, 69, BVerwGE 34, 219 (224). 3 van de Loo, ZEV 2006, 473. 4 BGH v. 8.12.2004, ZEV 2005, 117; BGH v. 19.10.2005, ZEV 2006, 76; Spall, ZEV 2004, 28. 5 Ruby/Schindler/Wirich, § 5, Rz. 55. 6 Ruby/Schindler/Wirich, § 3 Rz. 63, 64.
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B VIII Rz. 48
Behindertentestament
Formulierungsvorschlag Ehegattentestament: ... Erbfolge nach dem ersten Todesfall Erben des zuerst Versterbenden von uns werden der überlebende Ehegatte zu 2/3, unsere gemeinsamen Söhne X und Y zu je 1/6. Unser Sohn X wird jedoch nur Vorerbe und ist von den gesetzlichen Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB, mit Ausnahme von § 2119 BGB, nicht befreit.
cc) Andere Familienangehörige oder Dritte als Nacherben
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Beratungssituation: Der Mandant fragt, wer soll Nacherbe werden, wenn mein behinderter Sohn Vorerbe wird?
48 Vorteile: – Der Nacherbe ist der eigentlich Begünstigte. Ihm fällt das vom Vorerben „behütete“ Vermögen außer den Nutzungen (während der Zeit der Vorerbschaft) zu. – Der Nacherbe erlangt das Vermögen vom Erblasser, §§ 2100, 2106, 2130 BGB (in der Regel von den Eltern des behinderten Kindes), nicht vom Vorerben, was die selten beneidenswerte Stellung des Vorerben unterstreicht. 49 Mit Einsetzung eines Nacherben ist ein weiteres wesentliches Ziel des Behindertentestaments erreicht. Der Sozialhilfeträger kann nämlich von den Erben des behinderten Kindes Kostenersatz für zehn Jahre nach dem Erbfall verlangen (§ 102 SGB XII). Da der Nacherbe nicht vom behinderten Kind, das nur Vorerbe wird, erbt, sondern von dessen Eltern als Erblasser, trifft ihn die Pflicht zum Kostenersatz nicht. Die beste Möglichkeit wäre, nach dem Tod der Eltern das behinderte Kind weiter durch Verwandte, gegebenenfalls durch ausgewiesene private Institutionen (Vereine, Stiftungen) versorgen zu lassen und nicht der Fürsorge zu übergeben. 50 Die Anordnung von Nacherbschaft ist nicht nur wichtig, um den Nachlass vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu sichern. Im Blickfeld sollte auch bleiben, dass der Erblasser auf diese Weise seinen Nachlass nach dem Tode des behinderten Kindes steuern kann. Dies ist bedeutsam, wenn das geistig behinderte Kind keine eigene Verfügung von Todes wegen errichten kann1. Zu Nacherben werden in den meisten Fällen die Abkömmlinge des Vorerben, der überlebende Ehegatte oder die Geschwister des Vorerben eingesetzt. Auch gemeinnützige Organisationen kommen in Betracht2. 1 van de Loo, NJW 1990, 2853. 2 Bengel, in: Scherer, Erbrecht § 41, Rz. 18; Ruby/Schindler/Wirich, § 3, Rz. 49.
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Behindertentestament
Rz. 53 B VIII
Probleme können wegen § 2306 Abs. 2 BGB auftreten, wenn die übrigen gesunden Kinder neben dem Ehegatten als Nacherben eingesetzt werden, falls ihre Quoten unter 50 % ihres gesetzlichen Erbteiles fallen. Dann fällt die Beschränkung durch Nacherbschaft ebenfalls weg und die Nacherben werden Vollerben.
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Spall untersucht diesen Fall näher und gelangt zu dem Ergebnis, dass dieses Problem zwar in vielen Fällen zu unerwünschten Ergebnissen führt, jedoch die notwendige Beschränkung des Behinderten mit Nacherbschaft und Testamentsvollstreckung erhalten bleibt1. Durch die Änderung des § 2306 Abs. 1 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts v. 24.9.20092 verbessert sich die Situation für die Testierenden, denn es kommt nicht mehr zum Wegfall der Beschränkung mit Nacherbschaft. Es bleibt dann für künftige Fälle nur die Ausschlagung.
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Formulierungsvorschlag Ehegattentestament: ... Der Nacherbfall tritt mit dem Tode des Vorerben ein. Nacherbe ist der überlebende Ehegatte. Ersatznacherben werden die Abkömmlinge des Vorerben, wiederum ersatzweise unser Sohn . . . Erbfolge nach dem zweiten Todesfall Als Erben des überlebenden Ehegatten setzen wir unsere beiden Söhne X und Y zu ½ ein. Unser Sohn X wird jedoch nur Vorerbe. Zum Nacherben bestimmen wir unseren Sohn Y, ersatzweise dessen Abkömmlinge nach gesetzlicher Erbfolge. Der Nacherbfall tritt mit dem Tode des Vorerben ein3.
dd) Testamentsvollstreckung
Û
Beratungssituation: Zum Hinweis des Beraters, es sollte für das behinderte Kind als Vorerben Testamentsvollstreckung bis zu dessen Tode angeordnet werden, fragt der Mandant nach Ziel und Möglichkeiten der Testamentsvollstreckung.
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Testamentsvollstreckung schützt Nutzungen des Vorerbteils vor Zugriffen der Eigengläubiger. Testamentsvollstreckung ist zusätzliche Kontrollinstanz.
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1 Spall, ZEV 2006, 346; Ruby/Schindler/Wirich, § 3 Rz. 114 ff.; Tanck/Mundanjohl, ZErb 2007, 414, 416. 2 BGBl. I, S. 3142. 3 Zu weiteren Formulierungsbeispielen vgl. Langenfeld, Testamentsgestaltung, S. 379 ff.; Tanck/Krug/Daragan, Testamente, § 21 Rz. 25, 26; Bengel in: Dittmann/ Reimann/Bengel, Testament und Erbvertrag, Anhang 63; Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 1298; Beck’sches Formularbuch Erbrecht, 2007, 317 ff.
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B VIII Rz. 54
Behindertentestament
Bei der Gestaltung von Testamenten soll die Testamentsvollstreckung einerseits sichern, dass das behinderte Kind oder sein gesetzlicher Vertreter/Betreuer im Rahmen seiner Rechtsstellung als Vorerbe keine für es selbst nachteilige Verfügungen trifft. Andererseits, und das ist der Hauptzweck, soll der Testamentsvollstrecker angewiesen werden, dem behinderten Kind besondere Annehmlichkeiten zu sichern, die kein Grundbedarf sind, den der Sozialhilfeträger zu befriedigen hat1. Der Testamentsvollstrecker ist an die Anweisungen des Erblassers gebunden (§ 2216 BGB). 54 Der Testamentsvollstrecker sollte klare und detaillierte Anweisungen erhalten, insbesondere – geringere Geldbeträge zur freien Verfügung des Behinderten auszuzahlen, – zu Festtagen Geschenke zu machen, – für Urlaub und Kuraufenthalte finanzielle Zuwendungen zu leisten. 55 Die Testamentsvollstreckung sollte als Dauertestamentsvollstreckung mit konkreten Anweisungen ausgestaltet werden (§ 2209 BGB)2. (Näheres C IX Rz. 34 ff.) 56 Gilt die Testamentsvollstreckung für Vor- und Nacherbschaft, muss der Testamentsvollstrecker zur Verfügung über Nachlassgegenstände nicht die Zustimmung des Nacherben einholen. Die Testamentsvollstreckung sollte mit dem Eintritt des Nacherbfalls enden. 57 Die Person des Testamentsvollstreckers sollte ebenfalls bestimmt werden (§ 2278 Abs. 2 BGB)3. (Näheres C IX Rz. 14 ff.)
Formulierungsvorschlag Einzeltestament: Zum Dauertestamentsvollstrecker gem. § 2209 BGB bestimme ich meinen Sohn . . ., ersatzweise meinen Freund . . . Wenn beide ausfallen, soll das Nachlassgericht einen geeigneten Testamentsvollstrecker bestimmen. Der Testamentsvollstrecker hat den Erbteil, Erträge und Nutzungen zu verwalten. Gelder sind gewinnbringend anzulegen, Grundstücke in ordnungsgemäßem Zustand zu halten und soweit möglich zu vermieten.
58 Die Anweisungen an den Testamentsvollstrecker sollten exakt aufnehmen, welche einzelnen Leistungen dem behinderten Kind zugute kommen sollen.
1 Damrau, ZEV 1998, 1 (2); van de Loo, NJW 1990, 2855. 2 Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung, Rz., 145 ff., 342 ff.; Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 1286 ff.; Tersteegen, ZEV 2008, 121. 3 Bengel, ZEV 1994, 31.
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Hieke
Behindertentestament
Rz. 60 B VIII
Die Aufzählung sollte allerdings nicht abschließend sein. Weitere Formulierungsvorschläge bei Bengel und Ruby/Schindler/Wirich1.
Formulierungsvorschlag Gem. § 2216 BGB wird der Testamentsvollstrecker verbindlich angewiesen, meiner behinderten Tochter aus den jährlichen Erträgen des Nachlasses nach freiem Ermessen vor allem zur Verfügung zu stellen: Taschengeld in angemessener Höhe, Kleidung, persönliche Anschaffungen für Hobbys und Liebhabereien, Geschenke zu Festtagen, finanzielle Zuwendungen für Ferien und Kuraufenthalte. Die Substanz des Vermögens darf nur angegriffen werden, wenn dies unumgänglich ist.
Bei gemeinschaftlichen Testamenten sollte Testamentsvollstreckung für beide Erbfälle angeordnet werden.
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Gelegentlich wird bezweifelt, ob die Verwaltungsanweisungen verbindlich sind oder vom Behinderten bzw. seinem Betreuer ausgehebelt werden können. Die überwiegende Auffassung hält die Anweisungen für wirksam. Sie könnte ergänzt werden mit einer Auflage an den Behinderten, die Erträge nur in dem Sinne zu verwenden, wie sie dem Testamentsvollstrecker vom Erblasser aufgegeben worden ist. b) Vermächtnislösung Neben der allgemein anerkannten Vor- und Nacherbengestaltung wird in der 60 Literatur noch die Vermächtnislösung vorgeschlagen. Bei der Vermächtnislösung wird der behinderte Pflichtteilsberechtigte von der Erbfolge ausgeschlossen und mit einem Vermächtnis bedacht, dessen Wert mit Hinblick auf die §§ 2307, 2305 BGB über dem Pflichtteil des Behinderten liegt2. Der Überschuss sollte in etwa wie bei der Vor- und Nacherbenlösung gewählt werden. Der Behinderte wird nur Vorvermächtnisnehmer. Nachvermächtnisnehmer werden andere Personen3 (z.B. gesunde Geschwister, Abkömmlinge des Behinderten) oder auch Institutionen wie die Nacherben beim klassischen Behindertentestament. Der Nachvermächtnisfall tritt mit dem Tod des Vorvermächtnisnehmers ein. Für die Lebenszeit des behinderten Kindes wird Testamentsvollstreckung als Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Auch hier ist der Testamentsvollstrecker konkret anzuweisen.
1 Bengel, in: Scherer, Erbrecht 2. Auflage, § 41, Rz. 21; Ruby/Schindler/Wirich, Das Behindertentestament, § 3, Rz. 30. 2 Bengel, § 41, Rz. 27. 3 Damrau, ZEV 1998, 2.
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511
B VIII Rz. 61
Behindertentestament
Die Vermächtnislösung wird empfohlen1, um dem Nachteil der Vor- und Nacherbenlösung zu begegnen, der darin besteht, dass das behinderte Kind als Miterbe am Nachlass beteiligt und Vor- und Nacherbschaft allgemein eine schwerfällige Konstruktion sind. Wird das behinderte Kind als Vorvermächtnisnehmer eingesetzt, besteht dieser Nachteil nicht2. Außerdem gestattet die Vermächtnislösung sehr individuelle Gestaltungen. 61 Dennoch wird die Vermächtnislösung nach wie vor kontrovers diskutiert. Damrau gab schon früher zu bedenken, dass der Vermächtnisgegenstand bei Tod des Vermächtnisnehmers in den Nachlass fällt. Deswegen greife § 92c BSHG ein und der Sozialhilfeträger habe Anspruch auf Kostenersatz gegen den Nachlass3. Kritisch zur Vermächtnislösung auch Nieder. Wenigstens ein Quotenvermächtnis sei zu wählen, das dem Pflichtteil entspricht und den §§ 2307, 2305 BGB genügt. Nur die Anordnung eines Zweckvermächtnisses vermeidet die Überleitungsmöglichkeit4. 62 Weiter wird diskutiert, ob der Konkurrenz der Ansprüche des Sozialhilfeträgers auf Kostenersatz nach § 92c Abs. 2 BSHG (jetzt § 102 SGB XII) und des Nachvermächtnisnehmers auf Herausgabe des Vermächtnisgegenstandes an sich wirksam begegnet werden kann. Hauptstreitpunkt ist dabei, ob der Testamentsvollstrecker das Vermächtnisobjekt dem Zugriff des Sozialhilfeträgers wirksam entziehen kann5. Damrau/Mayer verneinen dies, weil mit dem Tod des Behinderten die Verwaltungstestamentsvollstreckung ende und der Testamentsvollstrecker deshalb nicht mehr in der Lage sei, den Vermächtnisgegenstand auf den Nachvermächtnisnehmer zu übertragen6. Hartmann hält es dagegen für möglich, die Befugnisse des Testamentsvollstreckers kontinuitätswahrend über den Tod des behinderten Kindes als Vorvermächtnisnehmer hinaus auf die Übertragung des Vermögensgegenstandes auf den Nachvermächtnisnehmer auszudehnen7. Auch Spall hält den Testamentsvollstrecker aus eigener Rechtsmacht für berechtigt, die Erfüllung des Nachvermächtnisses durchzusetzen8. Der BGH hat entschieden, dass der Testamentsvollstrecker verpflichtet sein kann, den Nachvermächtnisanspruch zu erfüllen9.
1 Erneut für diese Lösung, Hartmann, ZEV 2007, 458. 2 Joussen, NJW 2003, 1851 (1852). 3 Damrau, ZEV 1998, 2; kritisch hierzu Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 1301. 4 Nieder, NJW 1994, 1264 (1265). 5 Damrau/Mayer, ZEV 2001, 293; Bengel, in: Scherer, Erbrecht, § 41 Rz. 28. Baltzer, ZEV 2008, 116 (117). 6 Damrau/Mayer, ZEV 2001, 293 (294). 7 Hartmann, ZEV 2001, 89. 8 Spall, ZEV 2002, 5 (7). 9 BGH v. 18.10.2000 – IV ZR 99/99, ZEV 2001, 20.
512
Hieke
Behindertentestament
Rz. 63a B VIII
Bei der Vermächtnislösung kann der Behinderte bzw. dessen Betreuer nach § 2307 Abs. 1 BGB das Vermächtnis ausschlagen und den Pflichtteil verlangen. Ist der Wert des Vermächtnisses höher als der Pflichtteil, besteht dagegen ein gewisser Schutz wie auch bei der Vorerben-/Nacherbenlösung.
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Ist der Pflichtteil dagegen niedriger, entsteht ein Pflichtteilsrestanspruch (§ 2307 Abs. 1, Satz 2, § 2305 BGB), der dann vom Sozialhilfeträger übergeleitet werden kann. Der § 2306 BGB ist hier nicht einschlägig. Die Situation ist jedoch der bei der Vor- und Nacherbenlösung vergleichbar. Als Nachteil der Vermächtnislösung muss beachtet werden, dass noch einige höchst richterlich nicht beseitigte Risiken bestehen, die die Anwendung unsicher machen. Zur Gesamtproblematik nimmt Hartmann erneut Stellung1.
Formulierungsvorschlag Gemeinschaftliches Testament: Da unser gemeinsames Kind . . . wegen seiner Behinderung außerstande ist, seine eigenen Angelegenheiten selbst zu besorgen, ordnen wir für den ersten und zweiten Erbfall Testamentsvollstreckung in Form der Dauertestamentsvollstreckung gem. § 2209 BGB an. Beim Tod des Erstversterbenden wird der länger lebende Ehegatte als Testamentsvollstrecker eingesetzt, beim Schlusserbfall wird . . . als Testamentsvollstrecker bestimmt. Der jeweilige Testamentsvollstrecker kann jederzeit einen Nachfolger benennen. Fällt der Testamentsvollstrecker aus, ohne einen Nachfolger benannt zu haben, so soll das Nachlassgericht einen geeigneten Testamentsvollstrecker benennen. Die Testamentsvollstreckung endet mit dem Schlusserbfall.
Der Testamentsvollstrecker ist verpflichtet, analog § 2209 BGB i.V.m. § 2223 BGB den Nachvermächtnisgegenstand auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen. c) Weitere Gestaltungen aa) Umgekehrte Vermächtnislösung Diese Gestaltung hat Grziwotz2 ins Gespräch gebracht. Das behinderte Kind wird als nicht befreiter Vorerbe eingesetzt. Den anderen zu bedenkenden Personen werden Vermächtnisse ausgesetzt, die den allein erbenden Behinderten weiter beschweren. Weiterhin wird Testamentsvollstreckung angeordnet. Zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers gehört auch die Erfüllung der Vermächtnisse. Die Nacherbfolge wird gegenständlich beschränkt auf die dem Behinderten zugedachten Sparguthaben3. 1 Hartmann, ZEV 2007, 458. 2 Grziwotz, ZEV 2002, 409. 3 Ruby/Schindler/Wirich, § 3 Rz. 132, 133; Nazari Golpayegani/Boger, ZEV 2005, 377 (378).
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63a
B VIII Rz. 63b
Behindertentestament
bb) Leibrentenvermächtnis 63b
Der Behinderte erhält vermächtnisweise eine von dem/den Erben monatlich zu zahlende lebenslange Rente. Dauertestamentsvollstreckung wird ebenfalls angeordnet und auf die Sicherung des Rentenflusses gerichtet. Der Rentenbetrag, von dem die monatliche Zahlung abgeleitet wird, sollte wie üblich über dem Pflichtteil liegen. Ergänzung des Leibrentenvermächtnisses durch ein Aufstockungsvermächtnis wird empfohlen, um einen Pflichtteilsrestanspruch (§ 2307 BGB) zu vermeiden1. Die Stimmen pro und contra der Vermächtnislösung und der klassischen Variante des Behindertentestaments halten sich in etwa die Waage. Dennoch wird für das klassische Behindertentestament plädiert, um den sicheren Weg zu gehen. Die Vermächtnisvarianten, über die noch nicht höchst richterlich entschieden worden ist, taugen eher für spezielle Fallgestaltungen.
3. Gestaltung durch Erbvertrag
Û
Beratungssituation: Ein Ehepaar möchte für den Todesfall Vorsorge treffen und fragt, ob ein Testament oder Abschluss eines Erbvertrags günstiger ist.
64 Eine Besonderheit des Erbvertrags besteht darin, dass bereits zu Lebzeiten des Erblassers die vertragliche Bindung eintritt. Ein einseitiger Widerruf ist nicht möglich, außer Anfechtung und Rücktritt, weshalb eine stärkere Bindung eintritt als beim Testament. Anders lautende Verfügungen sind ausgeschlossen (§ 2289 Abs. 1 BGB). Der Inhalt des Vertrags ist teils gesetzlich vorbestimmt (§ 2278 Abs. 2 BGB). Es sind Formvorschriften zu beachten. (Näheres B II Rz. 569 ff.) 65 Im Hinblick auf das Behindertentestament können unter Berücksichtigung der Besonderheiten die Verfügungen von Todes wegen sowohl als Testament als auch durch Erbvertrag getroffen werden.
Formulierungsvorschlag ... Aus unserer Ehe sind die Tochter A und der Sohn B hervorgegangen. Unser Sohn B ist geistig behindert. Wir vereinbaren in Form eines Erbvertrags, der einseitig nicht widerrufen werden kann, Folgendes: Derjenige von uns beiden, der zuerst verstirbt, setzt hiermit – den Überlebenden von uns als Miterben zu 6/7 und – unseren Sohn B zu 1/7 als Miterben ein. Für den Fall, dass unser Sohn B vor dem Eintritt des Erbfalls wegfällt, weil er verstirbt oder das Erbe ausschlägt 1 Ruby/Schindler/Wirich, § 3 Rz. 135, 137.
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Behindertentestament
Rz. 68 B VIII
oder aus einem anderen Grund, wächst sein Anteil dem Überlebenden von uns an. Der Überlebende wird Alleinerbe des zuerst Versterbenden.
Weitere Formulierungen (Vorerbeneinsetzung, Nacherbenregelung und Testamentsvollstreckung) wie bei Testamenten.
IV. Problematische Gestaltungen 1. Ungenügende Beachtung von §§ 2305 ff. BGB Um die Ausschlagungsmöglichkeit wegen § 2306 Abs. 1 BGB nicht praktisch werden zu lassen, empfiehlt sich eine Erbquote für das behinderte Kind von deutlich mehr als dem Pflichtteil. Empfehlungen von ca. 1 % über der Pflichtteilsquote1 erscheinen zu gering, schon wegen der Problematik der Quotentheorie bei der Feststellung der Größe des gesetzlichen Erbteils und des hinterlassenen Erbteils, wenn noch Vermächtnisse und Auflagen angeordnet werden. Auch sollte der Vorwurf der Sittenwidrigkeit bereits im Ansatz vermieden werden, was durch eine hinreichende Bemessung des Erbteils erreicht wird, welches dem behinderten Kind hinterlassen wird. Zu den zwecklosen Gestaltungen im Einzelnen s. Nieder2.
66
Formulierungsvorschlag Mein Sohn . . . wird zu 2/3, meine behinderte Tochter . . . zu 1/3 als Erbe eingesetzt. Meine Tochter ist nur nicht befreite Vorerbin.
2. Anordnung von Auflagen Die Auflage wird übereinstimmend nicht als geeignetes Gestaltungsmittel angesehen3, obwohl vom Verpflichteten dem behinderten Kind Zuwendungen zufließen. Der daneben bestehende Pflichtteilsanspruch kann wiederum übergeleitet werden, weshalb auch von dieser Variante Abstand genommen werden sollte.
67
3. Vorversterben des Behinderten nicht bedacht Ist beim Tod des ersten Elternteils der Behinderte vorverstorben, kann der überlebende Elternteil mit den Nacherben (z.B. eine Institution) eine Erbengemeinschaft bilden, was meist nicht gewollt ist4. 1 2 3 4
Nieder, NJW 1994, 1264 (1266). Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 1303. Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 1302. Ruby/Schindler, ZEV 2006, 66.
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B VIII Rz. 69
Behindertentestament
Um dies zu vermeiden, sollte ein Ersatzerbe für den Behinderten eingesetzt werden. 4. Vorschenkungen übersehen 69 Vorschenkungen führen unter Umständen zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen, die vom Sozialhilfeträger übergeleitet werden können. Deswegen ist bei Vorschenkungen genau zu überlegen, wie die Testamentgestaltung aussehen soll1.
5. Ämterhäufung 70 Beim verständlichen Bestreben der Familienmitglieder, unter sich bleiben zu wollen, muss berücksichtigt werden, dass nicht Betreuung und Testamentsvollstreckung oder Testamentsvollstreckung und Vormundschaft in einer Person ausgeführt werden2. Noch wird die Meinung vertreten, dass in diesem Falle eine Dauerpflegschaft oder Dauerzusatzbetreuung eingerichtet werden müssten3. Diese Unsicherheiten sollten dadurch vermieden werden, dass für diese Ämter, die zudem andere Befugnisse und andere Zielstellungen haben, verschiedene Personen eingesetzt werden. Dies vergrößert die Sicherheit, dass das Behindertentestament in allen Bestimmungen wirksam ist und auch der gerichtlichen Nachprüfung standhält.
1 Ruby/Schindler, ZEV 2006, Rz. 66 (67). 2 Damrau, ZEV 1998, 1 (2); Kerscher/Tanck/Krug, Das erbrechtliche Mandat, § 21 Rz. 13 3 van de Loo, NJW 1990, 2852 (2854).
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IX. Nichteheliche Partner und das Erbrecht Monografisches Schrifttum: Bruns/Kemper (Hrsg.), Lebenspartnerschaftsrecht, 2. Aufl. 2006; Burhoff, Handbuch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, 2. Aufl. 1998; Duderstadt, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, 2. Aufl. 2004; Ehmann, Partner ohne Trauschein, 2. Aufl. 1999; Fischer, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 2. Aufl. 2003; Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 4. Auflage 2006; Hausmann/Hohloch (Hrsg), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, 2. Aufl. 2004; Müller, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und eingetragene Lebenspartnerschaft, in: Würzburger Notarhandbuch, 2005, S. 1435 ff. (2. Aufl. im Herbst 2009); von Münch, Zusammenleben ohne Trauschein, 7. Aufl. 2001; Reinstorf, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft und das Erbrecht, Schriftenreihe des Deutschen Forums für Erbrecht e.V. München (1999); Schmidt-Burbach, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft und ihre erbrechtlichen Verfügungsmöglichkeiten, 2004; Schürrmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaften und ihre Einordnung im Internationalen Privatrecht, 2001; Thieler, Lebensgemeinschaft ohne Trauschein, 1995; Tzschaschel, Vereinbarungen bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften, 4. Aufl. 2005; Waldner, Eheverträge, Scheidungs- und Partnerschaftsvereinbarungen, 2. Aufl. 2004; Wilker, Die vertragliche Gestaltung nichtehelichen Zusammenlebens durch „Partnervereinbarungen“, 1987. Rz. I. Gesetzliches Erbrecht für Partner und gemeinschaftliche Kinder 1. Erbrecht der Partner . . . . . . . . . . 1 2. Erbrecht der gemeinschaftlichen Kinder a) Erbrecht nach dem Vater . . . . 4 b) Erbrecht nach der Mutter . . . 19 c) Pflichtteilsrechte . . . . . . . . . . 20 II. Erbrecht durch letztwillige Verfügung 1. Gestaltungsmittel . . . . . . . . . . . . a) Testament . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erbvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kriterien für die Wahl der Verfügungsform . . . . . . . . . . . 2. Regelungsinhalte a) Erbeinsetzung des Partners durch Testament. . . . . . . . . . . aa) Wirksamkeitsgrenzen . . . bb) Auflösende Bedingung der Trennung . . . . . . . . . . cc) Widerruf früherer Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . dd) Pflichtteilsansprüche . . . b) Gegenseitige Erbeinsetzung durch Erbvertrag . . . . . . . . . . . aa) Rücktrittsvorbehalt . . . . .
23 24 28 31
34 36 40 44 49 53 56
Rz. bb) Verzicht auf Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . cc) Vorbehalt erneuter Testiermöglichkeit . . . . . . . . 3. Berücksichtigung der familiären und persönlichen Situation a) Regelung bei gemeinschaftlichen Kindern . . . . . . . . . . . . b) Kinder aus früheren Verbindungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vor- und Nacherbschaft. bb) Vermächtnislösung . . . .
59 61 66 67 76 78 91
III. Beschränkungen der Testierfreiheit 1. Bindung durch gesetzliche Erbrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Bindung durch letztwillige Verfügung aus früheren Verbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. „Erbentzug“ wegen nichtehelichen Zusammenlebens? . . . . . 112 IV. Lebzeitige Zuwendungen nichtehelicher Partner . . . . . . . . . . . . 1. Zivilrichterliche Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Innengesellschaft . . . . . . . . . b) Bereicherungsrecht . . . . . . . .
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116 117 118 120
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B IX Rz. 1
Nichteheliche Partner Rz.
c) Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . 3. Gestaltungsalternativen a) Ausdrücklicher Schenkungscharakter aa) Unter Lebenden . . . . . . . . bb) Auf den Todesfall . . . . . . . b) Ehefiktion . . . . . . . . . . . . . . . . c) Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Wohnungsleihe . . . . . . . . . . . . e) Miteigentümervereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erwerbsrechte . . . . . . . . . . . . . g) Innengesellschaft . . . . . . . . . . h) Außengesellschaft bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . .
121 123
125 126 128 129 134 136 138 140 141
Rz. 4. Ansprüche Dritter aufgrund lebensgemeinschaftsbedingter Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . a) §§ 812, 138 BGB? . . . . . . . . . . b) §§ 2325 ff. BGB . . . . . . . . . . . 5. §§ 2287 f. BGB . . . . . . . . . . . . . . .
142 144 145 148
IV. Schenkung- und Erbschaftsteuer unter nichtehelichen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 V. Erbrecht der eingetragenen Lebenspartner 1. Gesetzliches Erbrecht . . . . . . . . 156 2. Gewillkürtes Erbrecht . . . . . . . . 160 3. Schenkung- und Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
I. Gesetzliches Erbrecht für Partner und gemeinschaftliche Kinder 1. Erbrecht der Partner 1 Das Zusammenleben in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft (im Folgenden kurz „nichteheliche Lebensgemeinschaft“) ist ein Massenphänomen unserer Zeit1. Das BGB sieht gleichwohl gesetzliche Erbrechte nur für Verwandte (§§ 1587, 1924–1929 BGB) und für Ehegatten (§ 1931 BGB) vor. Der Partner oder die Partnerin einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft haben daher kein gesetzliches Erbrecht, es sei denn, sie sind zufällig mit dem anderen Partner verwandt. Eine analoge Anwendung des § 1931 BGB auf die Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft scheidet nach allgemeiner Meinung aus, weil die nichteheliche Lebensgemeinschaft ein „aliud“ zur Ehe ist und die rechtliche Bewertung eines ehelosen Zusammenlebens nicht nach gesetzlichen Regelungen erfolgen kann, die eine Ehe zwingend voraussetzen2. 2 Dem nichtehelichen Lebenspartner steht nach h.M. auch kein Anspruch auf den in § 1932 BGB geregelten Voraus zu. Eine Analogie zu § 1932 BGB, der dem Ehegatten als gesetzlichem Erben neben Verwandten den Hausrat belässt, wird von der herrschenden Meinung ebenfalls abgelehnt3. Ohne gesetzliche Regelung fällt der Hausrat, den die Lebenspartner gemeinsam nutzten, daher in den Nachlass und ist den Erben herauszugeben.
1 2005 bestanden in Deutschland 2,4 Mio. nichteheliche Lebensgemeinschaften, davon im Westen 26 %, im Osten 48 % mit Kindern. Vgl. im Überblick von Proff zu Irnich, RNotZ 2008, 313 ff. 2 OLG Saarbrücken v. 18.5.1979 – 7 W 8/79, NJW 1979, 2050; Palandt/Edenhofer, § 1931 BGB Rz. 15; MüKo/Leipold, § 1931 BGB Rz. 6. 3 Soergel/Lange, NEhelG Rz. 131; MüKo/Wacke, nach § 1302 BGB Rz. 43, a.A. Grziwotz, § 29 Rz. 29.
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Nichteheliche Partner
Rz. 6 B IX
Dagegen wird der nichteheliche Lebenspartner nach überwiegender Meinung in den Kreis der Anspruchsberechtigten für den „Dreißigsten“ gem. § 1969 BGB mit der Begründung einbezogen, dass er wegen der persönlichen Bindung zum Erblasser als Familienangehöriger zu betrachten sei1.
3
2. Erbrecht der gemeinschaftlichen Kinder a) Erbrecht nach dem Vater Die gesetzliche Regelung für das Erbrecht zwischen nichtehelichem Vater und Kind ist verzweigt. Sie differiert je nach Geburtsdatum des Erbberechtigten, Sterbedatum des Erblassers und Wohnsitz des Erblassers zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung (3.10.1990) sowie zum Zeitpunkt des Erbfalls.
4
aa) Bei Erbfällen im Gebiet der alten Länder bestimmt das Geburtsdatum des Erbberechtigten sein Erbrecht. Alle vor dem 1.7.1949 nichtehelich geborenen Kinder haben weder ein gesetzliches Erbrecht noch einen Erbersatzanspruch (Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG). Gleiches gilt nach Art. 12 § 10 Abs. 1 i.V.m. § 1 NEhelG für die zwar nach dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder, deren Vater jedoch vor dem 1.7.1970 verstorben ist.
5
An der Ungleichbehandlung dieser beiden Gruppen nichtehelich geborener Kinder hat auch das Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder – Erbrechtsgleichstellungsgesetz – ErbGleichG vom 16.12.1997 – nichts geändert. Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG verstößt gegen das Diskriminierungsverbot der Art. 14 und 18 EMRK; es liegt nahe, die Vorschrift in der nächsten Legislaturperiode ex nunc aufzuheben2. Für die vor dem 1.7.1949 nicht ehelich geborenen Kinder kann allerdings seit 1.4.1998 durch Vereinbarung zwischen Erblasser und Erbberechtigtem ein gesetzliches Erbrecht begründet werden3. Diese Vereinbarung kann nur von dem Vater und dem Kind persönlich geschlossen werden. Sie bedarf der notariellen Beurkundung (§ 10a Abs. 2 NEhelG). Sind der Vater oder das Kind verheiratet, so bedarf die Vereinbarung überdies der Einwilligung des betreffenden Ehegatten und zwar ebenfalls in notarieller Form (§ 10a Abs. 3 NEhelG). Die Geburtsstandesämter des Erblassers und des Kindes sind zu verständigen.
1 So OLG Düsseldorf v. 14.12.1982 – 21 U 120/82, NJW 1983, 1566 f.; MüKo/Siegmann, § 1969 BGB Rz. 2; Soergel/Lange, NEhelG Rz. 132; Grziwotz, § 29 Rz. 11; a.A. Steinert, NJW 1986, 686. 2 EuGHMR, 5. Sektion v. 28.5.2009 – Beschwerde Brauer/BR Deutschland, FamRZ 2009, 1293 m. Anm. Henrich. 3 § 10a Abs. 1 NEhelG, eingefügt durch Art. 14 § 14 KindRG v. 16.12.1997; BGBl. 1997 I, 2941 (2965).
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B IX Rz. 7
Nichteheliche Partner
7 Formulierungsvorschlag: notarielle Gleichstellungsvereinbarung gem. § 10a NEhelG: §1 Sachstand Herr/Frau . . . ist als nichteheliches Kind von Herrn . . . geboren. Da die Geburt vor dem 1.7.1949 liegt, sind kraft Gesetzes für die erbrechtlichen Verhältnisse die bis dahin geltenden Vorschriften maßgebend, auch wenn der Erblasser (Vater) nach dem 1. Juli 1949 verstirbt (Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG). Danach haben solche Kinder weiterhin weder ein gesetzliches Erbrecht – somit auch kein gesetzliches Pflichtteilsrecht – noch einen Erbersatzanspruch, es sei denn, das Kind wäre durch spätere Heirat der Eltern legitimiert worden. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Nach Maßgabe des Kindschaftsrechtsreformgesetzes kann nunmehr durch notarielle Vereinbarung zwischen Vater und Kind auch das nichteheliche Kind, das vor dem Stichtag geboren wurde, unter Anwendung der jetzt geltenden Vorschriften des BGB, nach denen es erbrechtlich keinen Unterschied zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern mehr gibt, den ehelichen Kindern für künftige Erbfälle gleichgestellt werden. Hierzu verlangt das Gesetz die Einwilligung der Ehegatten von Vater und Kind sowie die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für den Fall, daß einer der Beteiligten nach § 1903 Abs. 1 BGB betreut wird. §2 Gleichstellungsvereinbarung Herr . . . – „Erblasser“ – und . . . – „Kind“ – vereinbaren hiermit unwiderruflich, das Kind als Abkömmling des Erblassers mit vollem Verwandtenerbrecht zu behandeln. Das Kind wird daher wie ein eheliches Kind behandelt. § 10 Abs. 2 NEhelG wird abbedungen. Vereinbarungen, die die heutige Urkunde aufheben oder abändern, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit ebenfalls der notariellen Beurkundung. §3 Einwilligungen Frau . . . als Ehegatte des Erblassers und . . . als Ehegatte des Kindes erklären hiermit unwiderruflich – ein jeder für sich – ihre Einwilligung in die Vereinbarung gemäß § 2 dieser Urkunde.
Eine solche notariell beurkundete Gleichstellungsvereinbarung gestattet also keine einseitige Begründung des gesetzlichen Erbrechts durch den Erblasser alleine, der möglicherweise auf Diskretion in seiner ehelichen Familie Wert legt. Die Begründung des gesetzlichen Erbrechts bedarf nämlich der Zustim520
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Nichteheliche Partner
Rz. 11 B IX
mung des Ehegatten des Erblassers. Hinzu kommt, dass der Erbberechtigte und, wenn dieser verheiratet ist, auch dessen Ehegatte zu beteiligen sind. Wenn die erbrechtlichen Verhältnisse offengelegt werden müssen, wird in der Praxis daher regelmäßig der Begründung eines Erbrechts zugunsten des nichtehelichen Kindes durch letztwillige Verfügung, sei es in Form eines Testaments oder eines Erbvertrags, der Vorzug gegeben werden. Daneben sind nichtehelich vor dem 1.7.1949 geborene Kinder, deren Eltern geheiratet haben, dadurch gemäß § 1719 BGB a.F. legitimiert worden. Dies gilt auch, wenn die Eltern erst nach dem 1.7.1998 (also u.U. mehr als 50 Jahre nach der Geburt!) heiraten, obwohl § 1719 BGB a.F. durch das KindRG mit Wirkung zum 1.7.1998 aufgehoben wurde. Zur Vermeidung einer sonst gegen Art 6 Abs. 5 GG verstoßenden ungleichen Behandlung einzelner Gruppen nichtehelicher Kinder untereinander1 sind demnach einfachgesetzlich solche Kinder nicht mehr als „nicht ehelich“ i.S.d. Überleitungsvorschrift des Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 NEhelG anzusehen, so dass die nunmehr geltenden, nicht mehr zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern differenzierenden, erbrechtlichen Bestimmungen zum Erb- und Pflichtteilsrecht gelten.
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bb) Für Erbfälle im Gebiet der ehemaligen DDR vor dem 1.1.1998 gelten gemäß Art. 2 Nr. 2 ErbGleichG auch für die vor dem 1.7.1949 nicht ehelich geborenen Kinder die für die erbrechtlichen Verhältnisse eines ehelichen Kindes geltenden Vorschriften, sofern der Erblasser nach dem 2.10.1990 verstorben ist.
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Ist der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts, also vor dem 3.10.1990 gestorben, bleibt nach Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB das Recht der DDR maßgebend, wenn der Erblasser zur Zeit des Beitritts seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatte2. Mit Inkrafttreten des ZGB am 1.1.1976 waren nach § 365 ZGB eheliche und nichteheliche Kinder gleichermaßen erbberechtigt, unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Geburt. (Vgl. dazu Teil E.) Demnach besteht im Ergebnis für alle Erbfälle, in denen der Erblasser zum Zeitpunkt des Beitritts seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatte, ein gesetzliches Erbrecht des nichtehelichen Kindes, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt des Geburtsdatums des Kindes und unabhängig vom Todeszeitpunkt des Erblassers3. Auf den Aufenthaltsort des nichtehelichen Kindes kommt es nicht an4.
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Im Erbrecht gilt einheitlich im gesamten Bundesgebiet die Regel, dass sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach einem deutschen Erblasser nach den Bestimmungen derjenigen Teilrechtsordnung richtet, deren räumlichem
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1 BVerfG v. 8.1.2009 – 1 BvR 755/08, ZEV 2009, 134 m. Anm. Herrler. 2 MüKo/Leipold, Ergänzungsband Art. 235 § 1 EGBGB Rz. 14; Staudinger/Rauscher, Art. 235 EGBGB Rz. 31 ff. 3 Vgl. zum Übergangsrecht näher Böhm, NJW 1998, 1043. 4 Vgl. Palandt/Edenhofer, 64. Aufl., Art. 235 EGBGB § 1 Rz. 2 f.
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B IX Rz. 12
Nichteheliche Partner
Geltungsbereich der Erblasser durch seinen gewöhnlichen Aufenthalt angehörte1. 12 Die erbrechtliche Gleichstellung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern durch das ErbGleichG erfolgte erst für Erbfälle ab dem 1.4.1998 (Art. 1 Nr. 3, Art. 2 Nr. 1 Abs. 1 ErbGleichG). Für alle Erbfälle ab dem 1.4.1998 hat das nichteheliche Kind die gleiche erbrechtliche Stellung wie das eheliche Kind gemäß § 1924 BGB, und zwar unabhängig vom Aufenthaltsort des Erblassers im Zeitpunkt des Beitritts (Art. 2 Nr. 2 Abs. 2 ErbGleichG). Für Erbfälle in den alten Ländern gilt dies allerdings nicht für die vor dem 1.4.1949 geborenen nichtehelichen Kinder (vorbehaltlich einer notariell beurkundeten Gleichstellungsvereinbarung gem. § 10a NEhelG, Rz. 7) und nicht für die zwar nach dem 1.7.1949 geborenen, deren nichtehelicher Vater aber vor dem 1.7.1970 verstorben ist. (Vgl. auch C I Rz. 24 ff.) 13
Erbfälle vor dem 1.4.1998 werden durch die gesetzliche Neuregelung des ErbGleichG nicht tangiert. Für diese gelten nach wie vor, soweit Erbfälle in den alten Ländern betroffen sind, die Regelungen über den Erbersatzanspruch gemäß §§ 1934a – 1934e, 2338a BGB a.F. Der Erbersatzanspruch gemäß § 1934a a.F. tritt dann, wenn neben dem nichtehelichen Kind eine Ehefrau oder ein Abkömmling des Erblassers vorhanden ist, an die Stelle des gesetzlichen Erbteils. Er besteht in Höhe des Wertes des Erbteils, ist jedoch wie der Pflichtteilsanspruch ein bloßer Geldanspruch, der sich gegen den Erben richtet (§ 1934a Abs. 1 BGB a.F.). Der Berechnung des Erbersatzanspruchs ist der Bestand des Wertes des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrundezulegen (§ 1934b BGB a.F.)2.
14 Der Vater des nichtehelichen Kindes seinerseits ist bei Tod des nichtehelichen Kindes vor dem 1.4.1998, wenn dieses keine eigenen Abkömmlinge hinterlässt, nicht dinglich erbberechtigt, sondern ebenfalls auf den Erbersatzanspruch verwiesen (§ 1934a Abs. 2 BGB a.F.). Trifft der Vater des nichtehelichen Kindes mit dem Ehegatten des Kindes zusammen, hat er ebenfalls nur einen Erbersatzanspruch. Gleiches gilt, wenn er mit dem Ehegatten des nichtehelichen Kindes zusammentrifft (§ 1934a Abs. 3 BGB a.F.). 15 Voraussetzung für das Erbrecht des Kindes ist ein Vaterschaftsverhältnis. Dieses wird, wenn Mutter und Vater des Kindes nicht verheiratet sind, begründet durch Anerkennung der Vaterschaft oder durch gerichtliche Feststellung der Vaterschaft (§ 1592 BGB). Die Vorschriften über die Anerkennung der Vaterschaft und die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft sind durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz – KindRG – vom 16.12.1997 neu gefasst worden. Nach der gesetzlichen Neuregelung erfolgt die Anerkennung durch den Vater 1 BGH v. 1.12.1993 – IV ZR 261/92, BGHZ 124, 270; 128, 41; Palandt/Heldrich, § 25 EGBGB Rz. 23 m.w.N. 2 Zum Erbersatzanspruch im Einzelnen vgl. Palandt/Edenhofer, 57. Aufl., §§ 1934a – 1934e BGB. Zur erbrechtlichen Gleichstellung von nichtehelichen Kindern in Europa, vgl. Edenfeld, Europäische Entwicklungen im Erbrecht, ZEV 2001, 457 (459).
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Rz. 19 B IX
in Form einer Anerkennungserklärung, die schon vor der Geburt des Kindes zulässig ist (§ 1594 Abs. 4 BGB). Zur Anerkennung ist die Zustimmung der Mutter erforderlich (§ 1595 Abs. 1 BGB). Soweit der Mutter die elterliche Sorge über das Kind nicht zusteht, bedarf es auch der Zustimmung des Kindes (§ 1595 Abs. 2 BGB), und zwar aus eigenem Recht und nicht als gesetzliche Vertreterin des Kindes. Nur wenn der Mutter die elterliche Sorge über das Kind nicht zusteht, bedarf es auch der Zustimmung des Kindes § 1595 Abs. 2 BGB1. Die Vaterschaftsanerkennung und die Zustimmung der Mutter bzw. des Kindes müssen öffentlich beurkundet werden (§ 1597 Abs. 1 BGB). Die öffentliche Beurkundung kann erfolgen durch die ermächtigten Beamten der Jugendämter (§ 59 Abs. 1 SGB VIII), einen Notar, (§ 20 BNotO), oder Standesbeamten (§ 29a Abs. 1 StGB, § 58 BeurkG) oder zur Niederschrift eines Amtsgerichts (§ 62 Nr. 1 BeurkG, § 3 Nr. 1f RPflG). Zusätzlich können übereinstimmende Erklärungen zur gemeinsamen Wahrnehmung der elterlichen Sorge (§ 1626a BGB) beim Notar oder Jugendamt abgegeben werden, wobei den Beteiligten jedoch vor Augen geführt werden sollte, dass diese Erklärung der Mutter nicht unter der auflösenden Bedingung einer Beendigung der Lebensgemeinschaft abgegeben werden kann.
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Außer durch Anerkennung kann die Vaterschaft durch gerichtliche Entscheidung festgestellt werden (§ 1600d Abs. 1 BGB). Klageberechtigt nach der Neufassung der Vorschrift durch das KindRG sind nicht nur der Vater und das Kind, sondern auch die Mutter (§ 1600e Abs. 1 BGB). Hinzu kommt seit 1.4.2008 das Abstammungsklärungsverfahren des § 1598a BGB (Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung) zunächst zur Klärung der biologischen Vaterschaft, dem im zweiten Schritt ggf. die rechtliche Loslösung des nichtbiologischen Vaters vom Kind folgen kann.
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Die gesetzliche Neuregelung hinsichtlich der Abstammung gilt gemäß § 224 EGBGB nur für Kinder, die ab dem 1.7.1998 geboren werden. Die Vaterschaft hinsichtlich eines vor dem 1.7.1998 geborenen Kindes richtet sich nach den bisherigen Vorschriften (Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB). Nach dem bis zum 30.6.1998 geltenden Abstammungsrecht ist der Status als Kind der eines ehelichen (§§ 1591–1600 BGB a.F.) oder der eines nichtehelichen Kindes (§§ 1600a – 1600o BGB). Für alle Erbfälle von Kindern, die vor dem 1.7.1998 geboren sind, gilt für die Anerkennung oder die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft demnach altes Recht2.
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b) Erbrecht nach der Mutter Das nichteheliche Kind ist als Verwandte/r der Mutter nach dieser seit jeher voll erbberechtigt (§§ 1924 Abs. 1, 1591 BGB)3. Die Eltern der Mutter sind 1 Vgl. hierzu näher Palandt/Diederichsen, 64. Aufl., § 1595 BGB Rz. 4. 2 Vgl. zu Einzelheiten Palandt/Diederichsen, 57. Aufl., §§ 1591–1600o BGB. 3 RGRK/Kregel, § 1924 BGB Rz. 13; Soergel/Stein, 12. Aufl., vor § 1934a BGB Rz. 1, § 1934a BGB Rz. 3; Staudinger/Werner, § 1934a BGB Rz. 5.
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B IX Rz. 20
Nichteheliche Partner
durch das Erbrecht des nichtehelichen Kindes von der Erbfolge gänzlich ausgeschlossen (§ 1930 BGB). Die Mutter ihrerseits beerbt das Kind (§ 1925 Abs. 1 BGB). Gleiches gilt für die Vorfahren mütterlicherseits. Diese und das nichteheliche Kind sind wechselseitig voll erbberechtigt. c) Pflichtteilsrechte 20 Die Kinder der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind, pflichtteilsberechtigt. Für Erbfälle ab dem 1.4.1998 gilt dies uneingeschränkt auch für das Verhältnis zwischen nichtehelichem Kind und seinem Vater. 21 Für Erbfälle vor dem 1.4.1998 ist zu differenzieren: Beim Tod des Vaters ist das nichteheliche Kind pflichtteilsberechtigt nur, sofern der Erbfall nach dem 1.1.1970 eingetreten ist und das Kind nicht vor dem 1.7.1949 geboren ist1. Bei Erbfällen vor dem 1.4.1998 ist das Kind pflichtteilsberechtigt, obwohl es nur einen Erbersatzanspruch hatte2. Auch das Kind, das durch die Legitimation (§§ 1719, 1723 BGB a.F.) ehelich geworden ist, ist pflichtteilsberechtigt, und zwar auch, wenn die Ehe der Eltern erst nach Abschaffung des § 1719 BGB a.F., also nach dem 1.7.1998 geschlossen wurde, vgl. Rz. 8. 22 Die Eltern nach dem nichtehelichen Kind sind ebenfalls pflichtteilsberechtigt, sofern dieses keine eigenen Abkömmlinge hat. Die Mutter ist uneingeschränkt pflichtteilsberechtigt, der Vater nur in den vorstehend genannten zeitlichen Einschränkungen. Der Vater ist bei Erbfällen vor dem 1.4.1998 auch dann pflichtteilsberechtigt, wenn er nach dem Kind nicht unmittelbar erbberechtigt war, sondern nur einen Erbersatzanspruch hatte (§§ 1934a, 2338a Satz 2 BGB a.F.). Durch einen durchgeführten vorzeitigen Erbausgleich zwischen Vater und Kind ging das Pflichtteilsrecht allerdings verloren (§§ 1934d, 1934e BGB a.F.).
II. Erbrecht durch letztwillige Verfügung 1. Gestaltungsmittel 23 Der nichteheliche Partner hat, sofern er nicht zufällig mit dem anderen Partner verwandt ist, kein gesetzliches Erbrecht (Rz. 1 ff.). Analogien zum Ehegattenerbrecht werden weder in Rechtsprechung noch im Schrifttum vertreten3, auch nicht unter Verlobten. Ein Erbrecht für den Partner in nichtehelicher Lebensgemeinschaft kann jedoch im Wege der gewillkürten Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen begründet werden (§ 2231 BGB). Hierfür stehen ver1 Art. 12 § 10 NEhelG, Art. 235 § 1 Abs. 2, Art. 230 Abs. 2 EGBGB, §§ 1589, 2303 Abs. 1 BGB. 2 BGH v. 13.5.1981 – IVa 171/80, BGHZ 80, 290. 3 OLG Saarbrücken v. 18.5.1979 – 7 W 8/79, NJW 1979, 2051; OLG Frankfurt v. 23.10.1981 – 17 W 29/81, NJW-RR 1995, 265; Grziwotz, ZEV 1994, 267; Palandt/ Edenhofer, § 1931 BGB Rz. 1; Staudinger/Strätz, Anh. zu §§ 1297 ff. BGB Rz. 144.
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Nichteheliche Partner
Rz. 26 B IX
schiedene Gestaltungsmittel zur Verfügung, nämlich einseitige Verfügungen in Form eines Testaments (§ 1937 BGB) oder Verfügungen in Form eines Erbvertrags (§ 1941 Abs. 1 BGB). a) Testament Zur Begünstigung des Partners steht nur das eigenhändige oder notarielle Einzeltestament (§ 2231 BGB) zur Verfügung;das gemeinschaftliche Testament, das Verfügungen von zwei Erblassern enthält, steht lediglich Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern zur Verfügung (§ 2265 BGB, § 10 Abs. 4 LPartG). Diese Verschiedenbehandlung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken1 – wegen der Besonderheitendes ehelichen Güterrechts ist es gerechtfertigt, Ehegatten und Verpartnerten die gemeinschaftliche Regelung ihrer erbrechtlichen Verhältnisse zu erleichtern.
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Der untaugliche Versuch eines gemeinschaftlichen Testaments durch NichtEhegatten kann – sofern tatsächlich notariell beurkundet – in einen wirksamen Erbvertrag umgedeutet werden, so dass Heilung eintritt (§ 2084 BGB).2 Handschriftliche gemeinschaftliche Testamente von Nicht-Ehegatten dagegen werden (1) nach einer Mindermeinung stets als wirksame Einzeltestamente gewertet3 – nach dieser „Allheil-Theorie“ bleibe der untaugliche Versuch, die Anordnung wechselbezüglich zu gestalten, auf die Anordnung selbst ohne Einfluss; dagegen ist jedoch vorzubringen, dass sie den Erblasserwillen zu missachten droht, der im Einzelfall durchaus darauf gerichtet sein kann, entweder mit bindender Wirkung oder gar nicht zu testieren. (2) Eine weitere Mindermeinung4 vertritt ein absolutes Umdeutungsverbot, so dass es sich stets um ein rechtliches Nullum handle.
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(3) Die heute herrschende vermittelnde Ansicht geht zweistufig vor: Zunächst ist nach der „subjektiven Andeutungstheorie“ zu prüfen, ob überhaupt ein gemeinschaftliches Testament vorliegt (eine von lediglich einem nichtehelichen Partner ge- und unterschriebene letztwillige Verfügung ist daher niemals ein gemeinschaftliches Testament, auch wenn sie ihrem Wortlaut nach auf eine Mitunterzeichnung durch den anderen Partner abzielt, die jedoch nicht erfolgt ist). Liegt ein gemeinschaftliches Testament (gleichgültig ob in einem oder zwei Dokumenten niedergelegt) vor, kann sodann in ein Einzeltestament umgedeutet werden, wenn (a) dessen Formerfordernisse erfüllt sind und (b) anzunehmen ist, dass der Erblasser bei Kenntnis der Unwirksamkeit seine Verfügung als einseitige errichtet haben würde, § 140 BGB.5 Eine Umdeutung scheidet daher aus, wenn ein Beteiligter das vom anderen verfasste Testament
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1 BVerfG v. 26.4.1989 – 1 Bv R 512/89, NJW 1989, 1986; § 10 LPartG in Kraft ab 1.8.2001. 2 BayObLG v. 14.3.1919, OLGE 40, 146. 3 KG v. 15.8.1972 – 1 W 2500/71, DNotZ 1973, 158 (160); Goßrau, NJW 1947, 365 (367). 4 RG v. 20.5.1915, RGZ 87, 33. 5 Vgl. Kanzleiter, ZEV 1996, 306 (307).
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B IX Rz. 27
Nichteheliche Partner
nur mitunterschrieben hat (untauglicher Versuch der Form des § 2267 Satz 1 BGB); auch eine nachfolgende Heirat heilt dann diesen Formfehler nicht.1 27 Die Ermittlung des hypothetischen Willens zur Errichtung einer einseitigen Verfügung wird in der Regel dazu führen, dass subsidiär eine einzeltestamentarische Verfügung gewollt wäre, da für den verfassenden Partner das gegenseitige Vertrauen entscheidend ist und der andere Teil diesem Vertrauen durch seine Unterschrift gerecht wurde. Hinzu kommt, dass mit dem Erstversterben des verfassenden Teils die intendierte gegenläufige Erbeinsetzung ohnehin gegenstandslos wird. Eine Umdeutung ist daher allenfalls in den Ausnahmefällen ausgeschlossen, in denen der Urheber die Erbeinsetzung des Mitunterzeichners daran knüpfte, dass dieser tatsächlich wirksam gegenläufig testiert. Dies gilt jedenfalls für die gegenseitige Erbeinsetzung durch (beiderseits) formwirksame „gemeinschaftliche“ Testamente; zurückhaltend ist die Rechtsprechung jedoch mit der Anerkennung von darin enthaltenen Schlusserbeinsetzungen nahestehender Personen: Umgedeutet werden muss dann regelmäßig in eine Vor- und Nacherbfolge; dahinter zurückbleibend ist jedoch auch denkbar die Einsetzung des Lebensgefährten als auflösend bedingter Vollerbe und des Letztbedachten als aufschiebend bedingter Nacherbe, wobei die auflösende Bedingung und der Nacherbfall darin bestünde, dass der Lebensgefährte seine letztwillige Verfügung unverändert aufrechterhält.2 b) Erbvertrag 28 Wollen Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gemeinschaftlich verfügen, steht ihnen demnach nur der notarielle (§ 2276 Abs. 1 BGB) Erbvertrag als Gestaltungsmittel zur Verfügung. In ihm können dieselben Bestimmungen (Erbeinsetzung, Vermächtnisse, Auflagen, nach Inkrafttreten der Pflichtteilsrechtsreform am 1.1.2010 auch bindende Anordnungen zu §§ 2315, 2050 BGB etc.) getroffen werden, wie im gemeinschaftlichen Testament (§ 2278 BGB), auch im Hinblick auf die Widerrufs- und Rücktrittsmöglichkeiten3, und zwar sowohl einseitig als auch vertragsmäßig, sofern nur zumindest eine bindende bzw. nur eingeschränkt abänderbare Verfügung verbleibt, ferner alle nur einseitig denkbaren Anordnungen, wie z.B. die Anordnung der Testamentsvollstreckung, Pflichtteilsentziehung etc (zum Erbvertrag s. im Einzelnen B II Rz. 569 ff.). 29 Für Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft bedeutet dies, dass sie sich gegenseitig durch Erbvertrag als Erben einsetzen, sich mit Vermächtnissen bedenken, aber auch gleichzeitig Dritte, seien es gemeinschaftliche Kinder oder Kinder aus früheren Verbindungen, mit Vermächtnissen bedenken oder ebenfalls als Erben einsetzen können. Sie beide können eine Testaments1 Ganz h.M., vgl. Kanzleiter, FamRZ 2001, 1198; OLG Hamm v. 25.4.1996 – 15 W 379/95, ZEV 1996, 304; anderer Ansicht nur Wacke, FamRZ 2001, 457 (462). 2 Vgl. Staudinger/Kanzleiter, § 2265 ff. (2006), Rn. 13. 3 In der Vermutung der Wechselbezüglichkeit der vertragsmäßigen Verfügungen besteht allerdings ein Unterschied zum gemeinschaftlichen Testament (§§ 2298 Abs. 1, 2279 Abs. 1 BGB).
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Nichteheliche Partner
Rz. 34 B IX
vollstreckung anordnen, die Auseinandersetzung des Nachlasses ausschließen etc. Testieren zwei Personen in einem Erbvertrag, schließt das Gesetz allerdings von der äußeren Verbindung auf einen inneren Zusammenhang und unterstellt eine gegenseitige Abhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen1. Bei zweiseitigen vertragsmäßigen Verfügungen wird – mangels abweichender Anordnung – vermutet, dass diese voneinander abhängig sind, so dass die Nichtigkeit der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge hat (§ 2298 Abs. 1 BGB)2. Tritt eine Vertragspartei zurück, wird dadurch der ganze Vertrag aufgehoben (§ 2298 Abs. 2 Satz 1 BGB). Diese Rechtsfolge gilt nicht für einseitige, nicht vertragsmäßige Verfügungen wie z.B. Anordnung der Testamentsvollstreckung. Deren Unwirksamkeit beurteilt sich nach §§ 2299 Abs. 2 Satz 1, 2085, 2299 Abs. 3 BGB.
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c) Kriterien für die Wahl der Verfügungsform Testamente sind frei widerruflich und erlauben daher die jederzeitige, auch heimliche Anpassung an geänderte persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse, und zwar durch Widerruf (§ 2254 BGB), durch Vernichtung der Testamentsurkunde (§ 2255 BGB) oder durch ein späteres Testament, das im Widerspruch zum früher errichteten Testament steht (§ 2258 BGB). Ein notarielles Testament kann daneben auch durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung (§ 2256 BGB) widerrufen werden. (B II Rz. 376 ff.)
31
Demgegenüber ist eine Änderung oder Aufhebung von vertragsmäßigen Anordnungen im Erbvertrag nicht ohne Kenntnis des Begünstigten möglich und überdies formgebunden: Der Rücktritt vom Erbvertrag muss notariell beurkundet werden und dem anderen Vertragschließenden zugehen (§ 2296 Abs. 2 BGB).
32
Ein weiteres, wenngleich nicht ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl der letztwilligen Verfügung können Kostenaspekte sein: die Zusatzkosten der notariellen Beurkundung ersparen allerdings im Regelfall die späteren Kosten der eidesstattlichen Versicherung beim Erbscheinsantrag und der Erbscheinserteilung selbst, vgl. § 35 GBO. Erbverträge können beim errichtenden Notar kostenfrei verwahrt werden (§ 34 BeurkG), im Übrigen ist gerichtliche Hinterlegung stets, auch bei eigenhändigen Testamenten, ratsam.
33
2. Regelungsinhalte a) Erbeinsetzung des Partners durch Testament Die Erbeinsetzung des Partners kann durch Testament erfolgen, die wie folgt formuliert werden kann:
1 Staudinger/Kanzleiter, Vorbemerkung zu §§ 2274 ff. BGB Rz. 3. 2 Bei gemeinschaftlichen Testamenten wird diese Abhängigkeit mit dem Begriff Wechselbezüglichkeit bezeichnet (§ 2270 Abs. 1 BGB).
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B IX Rz. 35
Nichteheliche Partner
Formulierungsvorschlag Zu meinem alleinigen Erben setze ich meinen Partner A ein.
Im Hinblick auf einen nicht in jedem Fall auszuschließenden Einwand der Sittenwidrigkeit (Rz. 36 ff.) des Testaments empfiehlt es sich, das Motiv für die Erbeinsetzung anzugeben, wie z.B. durch die Formulierung
Formulierungsvorschlag . . ., der mich während unseres Zusammenlebens immer unterstützt hat. Oder: . . ., mit dem ich jahrelang partnerschaftlich verbunden bin.
35 Die Erbeinsetzung des Partners gilt im Regelfall nur dem Lebenspartner persönlich, nicht dessen Abkömmlingen. Die Auslegungsregel des § 2069 BGB kann nicht analog angewendet werden, wenn der Erblasser eine Person als Erben einsetzt, die nicht zu seinen Abkömmlingen gehört. Sollen also für den Fall, dass der Lebenspartner vor dem Erblasser verstirbt, dessen Kinder als Erben eingesetzt werden, ist eine ausdrückliche Ersatzerbeneinsetzung im Testament erforderlich. Fehlt diese, gilt im Fall des Vorversterbens des Lebenspartners die gesetzliche Erbfolge nach dem Erblasser1. (Zu Gestaltungsmöglichkeiten für Lebenspartner mit Kindern aus früheren Verbindungen s. Rz. 76 ff.) aa) Wirksamkeitsgrenzen 36 Die Berücksichtigung eines Lebensgefährten/einer Lebensgefährtin in einer Verfügung von Todes wegen ist nurmehr in Ausnahmefällen wegen Sittenwidrigkeit nichtig.2 Die frühere Rechtsprechung des BGH zum „Mätressentestament“3 vermutete im Zweifel, dass der „Entgeltcharakter einer letztwilligen Verfügung zugunsten einer Frau, mit welcher der Testator außereheliche, insbesondere ehebrecherische Beziehungen unterhalten hat“, im Vordergrund stehe. Selbst bei langjährigen Beziehungen, aus denen Kinder hervorgegangen waren, gelangte der BGH zur (partiellen) Sittenwidrigkeit, auch wenn die sexuelle Motivation nicht im Vordergrund stand. Aufgrund der „favor testamenti“-Regel (§ 2085 BGB) wurde eine verfügte Alleinerbeinset1 BayObLG v. 25.8.2000 – I Z BR 15/00, NJWE-FER 2000, 318. 2 Vgl. zum folgenden Paal, JZ 2005, 436 (437). 3 Z.B. BGH v. 17.3.1969 – III ZR 188/65, BGHZ 52, 17; BGH v. 31.3.1970 – III ZB 23/68, BGHZ 53, 369 (376); vgl. hierzu umfassend Leipold, Testierfreiheit und Sittenwidrigkeit in der Rechtsprechung des BGH, in: 50 Jahre BGH, Festgabe aus der Wissenschaft (2000), Band 1, S. 1011 ff.
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Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 39 B IX
zung daher lediglich als Miterbeinsetzung, z.B. zu einem Viertel, aufrechterhalten.1 Seit einer Rechtsprechungsänderung im Jahr 1970 hat nicht mehr die eingesetzte Lebensgefährtin die Vermutung allein sexueller Motivation zu widerlegen, sondern die Sittenwidrigkeit ist (entsprechend den allgemeinen Regeln) von demjenigen zu beweisen, der sich auf sie beruft. Zudem ist nach § 1 Prostitutionsgesetz von einer mit vereinbarten sexuellen Handlungen einhergehenden Sittenwidrigkeit ohnehin nicht mehr auszugehen; der sittlich gebotene Mindestanteil der nächsten Angehörigen wird zudem durch das Pflichtteilsrecht gewährleistet. Zwischenzeitlich werden also Zuwendungen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die auf Dauer angelegt und von innerer Bindung getragen ist, auch dann nicht als sittenwidrig angesehen, wenn ein oder beide Partner anderweit verheiratet sind.2
37
Während nach der früher herrschenden Rechtsprechung das Sittenwidrigkeitsurteil sowohl im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände als auch im Hinblick auf die maßgeblichen Wertanschauungen dem Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung folgte (Inhaltskontrolle) und zusätzlich die Berufung auf eine wirksame letztwillige Verfügung als unzulässige Rechtsausübung versagt sein konnte, wenn sie infolge späterer Entwicklungen zu unsittlichen Auswirkungen führte (Ausübungskontrolle),3 ist – jedenfalls seit der Hohenzollern-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts4 – sowohl im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände als auch hinsichtlich der zugrunde zu legenden Wertanschauungen allein auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen.
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Im Licht dieser Rechtsprechung dürfte derzeit Sittenwidrigkeit allenfalls anzunehmen sein, wenn die Einsetzung mit einer groben Vernachlässigung von Unterhaltspflichten gegenüber Familienangehörigen einhergeht,5 die Umgehung der Regeln der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung beabsichtigt ist6 oder wenn zur bedachten Partnerin keine längerdauernde, auf emotionaler Nähe beruhende Verbindung bestand.7 Zu Recht hat das BayObLG8 betont, der Erblasser solle durch die Testierfreiheit auch davor geschützt werden, seine Vermögensnachfolge nach allgemeinen gesellschaftlichen Überzeugungen oder nach den Anschauungen der Mehrheit ausrichten zu müssen.
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1 Etwa in BGH v. 31.3.1970 – III ZB 23/68, BGHZ 53, 369. 2 BGH v. 28.9.1990 – V ZR 109/89, BGHZ 112, 259 (262); OLG Düsseldorf v. 22.8.2008 – 3 Wx 100/08, JuS 2009, 184: der Erblasser lernte die bedachte Geliebte in ihrem früheren Beruf als Prostituierte kennen; das Testament führte zu Miteigentum zwischen Ehegatte und Geliebter am durch die Ehefrau bewohnten Familienheim. 3 BayObLG v. 3.9.1996 – 1 Z BR 41/95, FamRZ 1997, 705 (710). 4 BVerfG v. 22.3.2004 – 1 BvR 2248/01, NJW 2004, 2008. 5 BGH v. 24.3.1980 – II ZR 191/79, BGHZ 77, 55 (59). 6 OLG Schleswig v. 16.12.1994 – 14 U 138/94, NJW-RR 1995, 900. 7 OLG Düsseldorf v. 20.6.1997 – 7 U 152/96, FamRZ 1997, 1506. 8 BayObLG v. 3.9.1996 – 1 Z BR 41/95, FamRZ 1997, 705 (709).
Krauß
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B IX Rz. 40
Nichteheliche Partner
bb) Auflösende Bedingung der Trennung 40 Bei letztwilligen Einsetzungen des Lebensgefährten sollte stets auch der Trennungsfall Berücksichtigung finden, etwa durch Aufnahme einer auflösenden Bedingung, die beispielsweise an die räumliche Trennung oder an die melderechtliche Registrierung anknüpft (untauglich ist dagegen ein Anknüpfen an die „Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft“, da letztere z.B. auch durch die Heirat der Lebensgefährtin einträte). Das Kriterium „Auszug des Partners aus der gemeinschaftlichen Wohnung“ ist dabei in stärkerem Maße streitanfällig und kann gesetzliche Erben oder Pflichtteilsberechtigte des erstversterbenden Partners dazu ermuntern, eine solche Trennung zu behaupten. Die Praxis stellt daher sinnvollerweise auf das Vorliegen einer übereinstimmenden Wohnung im melderechtlichen Sinn, § 12 Melderechtsrahmengesetz, ab:
Formulierungsvorschlag Erbeinsetzung des Partners unter auflösender Bedingung der Trennung: Die Erbeinsetzung von X (meiner Lebensgefährtin) steht unter der auflösenden Bedingung, dass X und ich bei meinem Ableben noch nicht mit einer übereinstimmenden Wohnung, gleichgültig ob Haupt- oder Nebenwohnung, gemeldet sind. Der Eintritt bzw. Nichteintritt dieser auflösenden Bedingung ist durch die entsprechende erweiterte Melderegisterauskunft, die den Wohnsitz von X und mir zum Zeitpunkt meines Todes wiedergibt, unwiderleglich geführt.
Vorstehende Lösung hat auch den Vorteil, dass beim öffentlichen Testament (ohne Erbschein) der Nichteintritt der auflösenden Bedingung in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden kann. 41 Fehlt eine ausdrückliche Regelung zu den Folgen einer Trennung, ist der mutmaßliche Wille des Erblassers durch ergänzende Testamentsauslegung zu ermitteln. Das bloße Bedenken „meines Lebensgefährten“ kann dabei im Einzelfall durchaus auch schlichtes Motiv, nicht aber tatsächliche Bedingung sein.1 Eine analoge Anwendung des § 2077 BGB auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft wird von der h.M. verneint;2 es fehle an der Vergleichbarkeit, da ein formalisierter und nachprüfbarer Beendigungstatbestand bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht existiert (zur Kritik hieran Rz. 64) Die h.M. bürdet die Beweislast demnach demjenigen Beteiligten auf, der sich auf die Unwirksamkeit der Zuwendung beruft, so dass aus Sicht des Übergangenen häufig nur eine Anfechtung der letztwilligen Verfügung wegen Motivirrtums (§ 2078 Abs. 2 BGB) in Betracht kommt. § 2077 BGB gilt also nur, wenn der 1 So etwa BayObLG, 6.9.1983 – 1 Z 53/83, FamRZ 1983, 1226. 2 Vgl. Ritter, Münchner Anwaltshandbuch Erbrecht, 2. Aufl. 2007, § 12, Rn. 17; DNotI-Gutachten v. 14.9.2001, Nr. 1251; OLG Celle, 23.6.2003 – 6 W 45/03, ZEV 2003, 328.
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Nichteheliche Partner
Rz. 45 B IX
Lebensgefährte durch letztwillige Verfügung bedacht ist, anschließend Erblasser und Bedachte(r) heiraten und diese Ehe sodann geschieden wird. Der Fortbestand der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann in der Tat Gegenstand einer „unbewussten Vorstellung“ sein, die zur Anfechtung berechtigt,1 wobei die einjährige Anfechtungsfrist ab Kenntniserlangung des Berechtigten vom Anfechtungsgrund zu beachten ist. Es kann jedoch auch sachgerecht sein, eine solche Anfechtung wegen Motivirrtums auszuschließen, um zu vermeiden, dass der Anfechtungsberechtigte selbst einen Anfechtungsgrund schafft (Wiederheirat!) Dann ist im Erbvertrag ein ausdrücklicher Verzicht auf das Anfechtungsrecht nach §§ 2078, 2079 BGB aufzunehmen, unter Einschluss solcher Umstände, mit denen die Erblasser bei Errichtung des Erbvertrags nicht rechnen und die sie auch in diesem Zeitpunkt nicht voraussehen konnten (vgl. im Einzelnen Rz. 60 ff.).
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Vorstehendes gilt erst recht bei der Einsetzung des Lebensgefährten als Bezugsberechtigten eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall, insbesondere einer Lebensversicherung. Da schon die Einsetzung des „Ehegatten des Versicherten“ (damit ist der im Zeitpunkt der Benennung vorhandene Ehegatte gemeint2) nicht analog § 2077 BGB mit einer Scheidung wegfällt3, bedarf es bei einer Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft um so mehr der Anpassung der (hoffentlich nicht unwiderruflich gestalteten) Bezugsberechtigung, soll der Anfall der Versicherungssumme beim Ex-Partner vermieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Lebensgefährte mittlerweile im Sachversicherungsrecht als „Familienangehöriger des Versicherungsnehmers“ gilt, so dass Regressansprüche gem. § 67 Abs. 2 VVG a.F. auf den Versicherer übergehen4.
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cc) Widerruf früherer Verfügungen Aus Gründen der Vorsorge sollte empfohlen werden, vor der Erbeinsetzung den Widerruf sämtlicher früherer Verfügungen mit den Worten „ich widerrufe sämtliche früheren Verfügungen von Todes wegen“ zu erklären.
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Da das Erbrecht des Partners ausschließlich im Wege der gewillkürten Erbfolge begründet werden kann, ist eine klare rechtliche Situation und die Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten (mit Blick auf § 2258 Abs. 1 BGB) primäres Ziel. Die Voraussetzung für einen wirksamen Widerruf ist allerdings, dass der Testierende nicht durch frühere Verfügungen von Todes wegen an der neu zu errichtenden letztwilligen Verfügung gehindert ist. Bestehen beispielsweise ein gemeinschaftliches Testament oder ein Erbvertrag mit einem noch lebenden, 1 Sandweg, BWNotZ 1990, 49 (56). 2 BGH v. 14.2.2007 – IV ZR 150/05, DNotZ 2007, 762. 3 BGH v. 1.4.1987 – IVa ZR 26/86, DNotZ 1987, 771; vgl. Tappmeier, DNotZ 1987, 715 ff. 4 BGH v. 22.4.2009 – IV ZR 160/07, NJW 2009, 2062.
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B IX Rz. 46
Nichteheliche Partner
jedoch getrennt lebenden Ehegatten, ist eine einseitige Loslösung von dieser gemeinschaftlichen Verfügung nur durch Widerruf, beim gemeinschaftlichen Testament in notarieller Form gem. § 2271 Abs. 1 BGB oder durch Rücktritt beim Erbvertrag ebenfalls in notarieller Form gem. § 2296 BGB, überdies nur unter Beachtung der gesetzlichen Rücktrittsgründe möglich (§§ 2293, 2294, 2295 BGB). (B II Rz. 684 ff.) 46 Ist ein früherer Ehegatte bereits verstorben, besteht die Bindungswirkung der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung über dessen Tod hinaus (§§ 2271 Abs. 2, 2298 Abs. 1 BGB). Der Überlebende kann sich von der Bindungswirkung nur durch Ausschlagung befreien, die allerdings innerhalb der 6-Wochenfrist des § 1954 BGB erklärt werden muss, es sei denn, es besteht aufgrund der Umstände im Einzelfall die Möglichkeit, die Versäumung der Ausschlagungsfrist gem. § 1956 BGB anzufechten. Besteht Einigkeit mit den Begünstigten, gibt es vertragliche Möglichkeiten, der Bindungswirkung zu entgehen (s. hierzu ausführlich Rz. 106 ff.). Es stehen jedoch keine einseitigen Lösungsmöglichkeiten gegen den Willen des Begünstigten zur Verfügung. 47 Unproblematisch hingegen sind die Fälle, in denen zwar mit einem Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament errichtet oder ein Erbvertrag geschlossen, jedoch bereits Scheidungsreife besteht und der Erblasser Antrag auf Scheidung gestellt bzw. ihr zugestimmt hat oder gar die Ehe bereits geschieden wurde. In diesen Fällen entfällt nicht nur das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten, sondern auch das Erbrecht, das aufgrund letztwilliger Verfügung begründet wurde (§§ 2077 Abs. 1, 2268 Abs. 1, 2279 BGB). 48
Û
Beratungshinweis: Es empfiehlt sich, am Anfang der Testamentsurkunde die Feststellung aufzunehmen, dass der Erblasser nicht durch frühere Verfügungen an der Errichtung der neuen Verfügung gebunden ist. Dies entlastet den Berater, da damit demonstriert wird, dass das Bestehen früherer Testamente mit Bindungswirkung erfragt worden ist. Es kann formuliert werden:
Formulierungsvorschlag Ich bin nicht durch ein früher errichtetes gemeinschaftliches Testament oder einen Erbvertrag an der Errichtung einer letztwilligen Verfügung gehindert.
dd) Pflichtteilsansprüche 49 Leben (eheliche oder nichteheliche) Kinder des Erblassers oder, sofern er kinderlos ist, Eltern bzw. zumindest ein Elternteil, sind diese bei Enterbung (etwa als Folge der Einsetzung des Lebensgefährten) pflichtteilsberechtigt (§ 2303 Abs. 1 BGB). Der Pflichtteilsanspruch als reiner Geldanspruch besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils und richtet sich gegen den als Erben berufenen Partner, ohne dass sich jener gegen die Pflichtteilslast da532
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Nichteheliche Partner
Rz. 52 B IX
rauf berufen könnte, selbst in seinem (nicht gegebenen) Pflichtteil verletzt zu sein. Maßgeblich für die Berechnung des Pflichtteils ist der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2311 Abs. 1 BGB). Ist der Partner noch verheiratet und ist kein Scheidungsantrag gestellt, besteht auch ein Pflichtteilsrecht des getrennt lebenden Ehegatten (§ 2303 Abs. 2 BGB).
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Beratungshinweis: Auf die bestehenden Pflichtteilsansprüche sollte in jeder Beratungssituation hingewiesen werden. Sie können selbst in durchschnittlichen finanziellen Verhältnissen beträchtlich sein.
Herrscht zwischen den Partnern und dem Pflichtteilsberechtigten Einverneh- 51 men, kann der Pflichtteilsanspruch (in allen seinen Komponenten, auch hinsichtlich des Zusatzpflichtteils gem. § 2305 BGB, der Pflichtteilsergänzung gem. §§ 2325 ff. BGB, des Ausgleichungspflichtteils gem. § 2316 BGB, der Möglichkeit einer Abwehr von Beschränkungen und Beschwerungen gem. § 2306 BGB) durch einen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag zum Erlöschen gebracht werden (s. Rz. 102 ff.) Gegen den Willen der Pflichtteilsberechtigten kommt nur eine Entziehung1 des Pflichtteils in der letztwilligen Verfügung in den außerordentlich engen Grenzen der §§ 2333–2235 BGB in Betracht2. Daneben bestehen jedoch (wohl) Möglichkeiten, durch lebzeitige Vorkehrungen das Entstehen von Pflichtteilsansprüchen jedenfalls nach dem Erstversterbenden zu verhindern. In Betracht kommt beispielsweise das Halten gemeinschaftlicher Gegenstände in einer aus beiden Lebensgefährten bestehenden Personengesellschaft (GbR, KG, oHG etc), in welcher die Vererblichkeit des Anteils ausgeschlossen ist (mithin Anwachsung beim verbleibenden Lebenspartner eintritt) und im Todesfall auch keine Abfindung vorgesehen ist. Pflichtteilsansprüche bestehen dann weder nach § 2303 BGB (die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung stellt keine Verfügung von Todes wegen dar) noch nach § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB (die dort abschließend aufgezählten Beschränkungen erfassen nicht gesellschaftsrechtliche Regelungen) oder nach § 2305 BGB (der Gesellschaftsanteil fällt nicht in den Nachlass). Allerdings könnte § 2325 BGB erfüllt sein, wenn im Abfindungsverzicht eine Schenkung läge. Wird die Fortsetzungsklausel mit Abfindungsausschluss allerdings für alle Gesellschafter gleichmäßig vereinbart und ist das Risiko des Ablebens etwa vergleichbar (Altersunterschied, Erkrankung), handelt es sich um ein Wagnisgeschäft ähnlich wechselseitigen Zuwendungen auf den Todesfall, so dass Entgeltlichkeit angenommen wird.3 Die Pflichtteilsansprüche werden damit (ähnlich dem Modell der fortgesetzten Gütergemeinschaft, §§ 1483 Abs. 1 Satz 3, 1505 BGB) auf das Ableben des Längerlebenden begrenzt. Erbschaftsteuer lässt sich allerdings dadurch nicht sparen, vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG. 1 Zur Pflichtteilsentziehung gegenüber einem nichtehelichen Kind z.B. LG Bonn v. 17.2.2009 – 18 O 144/07, ZErb 2009, 190. 2 Die §§ 2230–2235 BGB sind weder auslegungs- noch analogiefähig, BGH v. 1.3.1974 – IV ZR 58/72, NJW 1974, 1084. 3 Vgl. die Übersicht bei Mayer, ZEV 2003, 355 und bei Wälzholz, NWB 2008, 4332 = Fach 19, S. 3974; ferner grundlegend BGHZ 22, 194.
Krauß
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B IX Rz. 53
Nichteheliche Partner
b) Gegenseitige Erbeinsetzung durch Erbvertrag 53 Häufig besteht der Wunsch, in einer Urkunde gemeinsam zu testieren. Den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft steht, wie bereits angeführt, hierfür ausschließlich der notarielle Erbvertrag (§§ 2274–2300a BGB) zur Verfügung. Die Formulierung ist denkbar einfach:
Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig vertragsmäßig wechselseitig zu alleinigen Erben ein.
54 Das Gesetz unterstellt bei Verfügungen in einer Urkunde einen inneren Zusammenhang und eine gegenseitige Abhängigkeit beider Verfügungen1. Diese Abhängigkeit wird legal durch den Begriff Wechselbezüglichkeit definiert (§§ 2270 Abs. 1, 2271 Abs. 2 BGB). Bei zweiseitigen Verfügungen wird vermutet, dass die eine Verfügung, z.B. Erbeinsetzung eines Partners, nicht ohne die Erbeinsetzung des anderen Partners getroffen worden wäre. Bedeutung erlangt diese Wechselbezüglichkeit beim Rücktritt. Erfolgt der Rücktritt vom Erbvertrag, z.B. weil er vorbehalten bleibt (§ 2293 BGB), wird durch den Rücktritt nicht nur die Verfügung des Zurücktretenden, sondern auch die Verfügung des anderen Vertragsteils aufgehoben (§ 2298 Abs. 2 Satz 1 BGB), es sei denn, die Parteien haben etwas anderes gewollt (§ 2298 Abs. 3 BGB), was durch Auslegung zu ermitteln ist2. Der andere Partner, der vom Rücktritt zwangsläufig erfährt, da dieser, notariell beurkundet, ihm zugestellt wird (§ 2296 Abs. 2 BGB), muss seine eigene Verfügung zugunsten des zurücktretenden Partners daher nicht gesondert widerrufen. 55 Wollen die Partner nicht in einer gemeinsamen Urkunde testieren, sondern parallele Einzeltestamente errichten, kann grundsätzlich die Erbeinsetzung unter der Bedingung erklärt werden, dass auch der andere Partner den Testierenden zum Erben eingesetzt hat3 oder das gegenseitige Beerben als Motiv für die Erbeinsetzung durch den anderen Partner aufgenommen wird – sog. unechte Wechselbezüglichkeit –. Sollte der Testierende sodann nicht zum Erben eingesetzt sein, verbleibt ihm die Möglichkeit, sein Testament wegen Motivirrtums anzufechten, sofern er keine Ersatzerben eingesetzt hat Diese Lösung birgt den Nachteil, dass sie Missbrauchsmöglichkeiten insoweit eröffnet, als jeder in der Hoffnung, der Überlebende zu sein, heimlich sein Testament widerrufen kann. Sie sollte daher nur gewählt werden, wenn die Betroffenen dies ausdrücklich wünschen4.
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Vgl. § 2298 BGB; Staudinger/Kanzleiter, Vorbemerkung zu §§ 2274 ff. BGB Rz. 20. BayObLG v. 21.12.1992 – 1 Z BR 77/92, FamRZ 1994, 196. Vgl. hierzu BGH v. 9.2.1977 – IV ZR 201/75, NJW 1977, 950. So auch Grziwotz, § 30 Rz. 47; Reinstorf, S. 36.
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Nichteheliche Partner
Rz. 58 B IX
aa) Rücktrittsvorbehalt
Û
Beratungssituation: Mandant möchte wissen, wie er sich im Fall der Trennung vom Partner von der Erbeinsetzung lösen kann.
Eine Erbeinsetzung soll nach der Vorstellung der Erblasser im Regelfall nur so lange bestehen, wie auch persönliche Bindungen vorhanden sind. Bei Ehegatten ist die Loslösung von gemeinschaftlichen Verfügungen zugunsten des anderen im Fall der Nichtigkeit der Ehe, der Auflösung derselben und im Fall der Stellung eines Scheidungsantrags oder der Zustimmung zum Scheidungsantrag gesetzlich normiert (§§ 2077, 2268 Abs. 1 BGB). Für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft fehlt jede gesetzliche Regelung, so dass auch für diesen Fall auf gewillkürte Regelungen zurückgegriffen werden muss, vgl. Rz. 40d ff. Während Einzeltestamente jederzeit widerruflich sind, kann bei gegenseitigen Erbeinsetzungen in einem Erbvertrag vertraglich ein Rücktrittsrecht vorbehalten bleiben (§ 2293 BGB), am komplikationslosesten als freies Rücktrittsrecht ausgestaltet:
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Formulierungsvorschlag Jeder von uns behält sich jederzeit den Rücktritt von diesem Erbvertrag vor. Oder einschränkend: Wir behalten uns vor, von diesem Vertrag zurückzutreten, wenn wir uns dauernd trennen.
Es empfiehlt sich, das Rücktrittsrecht, wenn es nicht frei ausübbar sein soll, nicht an moralisierende Floskeln, die sich an das bis zum 1.1.1977 im Scheidungsrecht geltende Schuldprinzip anlehnen, zu knüpfen, wie z.B. den Rücktritt für den Fall, dass ein Partner schuldhaft die Trennung herbeigeführt hat, sondern an objektivierbare Umstände1.
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Im Übrigen ist die Ausgestaltung des Rücktrittsrechts mannigfaltig. Der Rücktrittsvorbehalt kann für einzelne vertragsmäßige Verfügungen oder für den ganzen Erbvertrag erklärt, er kann unbeschränkt oder nur für bestimmte Fälle, ebenso bedingt oder befristet erklärt werden2. Das Rücktrittsrecht ermöglicht eine einseitige Loslösung vom Vertrag, die gegen den Willen des anderen erfolgen kann. Sind sich dagegen beide Partner einig, dass der Erbvertrag hinfällig sein soll, steht ihnen die gemeinschaftliche Aufhebung durch Vertrag zur Verfügung (§ 2290 BGB), die naturgemäß nur zu Lebzeiten beider Vertragsteile erfolgen kann. Der Aufhebungsvertrag bedarf ebenfalls der notariellen Beurkundung (§ 2290 Abs. 4 BGB). Eine vertrags1 Reinstorf, S. 35 f. 2 Palandt/Edenhofer, § 2293 BGB Rz. 2; MüKo/Musielak, § 2293 BGB Rz. 2; Staudinger/Kanzleiter, § 2293 BGB Rz. 7.
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B IX Rz. 59
Nichteheliche Partner
mäßige Verfügung, durch die eine Auflage oder ein Vermächtnis angeordnet wurde, kann durch Testament aufgehoben werden. Die Aufhebung bedarf ebenfalls der Zustimmung des anderen Partners, und zwar in notarieller Form (§ 2291 BGB). bb) Verzicht auf Anfechtungsrecht 59 Beim Erbvertrag steht dem Erblasser in den Grenzen der §§ 2078, 2079 BGB ein Selbstanfechtungsrecht zu (§ 2281 Abs. 1 BGB). Das Selbstanfechtungsrecht korreliert mit der freien Widerrufsmöglichkeit bei Testamenten und eröffnet eine weitere Möglichkeit, sich vom Erbvertrag einseitig zu lösen. Es gewinnt dann, wenn im Erbvertrag kein Rücktrittsvorbehalt vorgesehen ist oder kein Rücktrittsrecht gem. §§ 2294, 2295 BGB gegeben ist, überragende Bedeutung. Das Selbstanfechtungsrecht geht nach dem Tode des Erblassers auf die in § 2080 BGB bezeichneten Personen über (§ 2285 BGB), nämlich auf die, denen die Anfechtung unmittelbar zustatten kommen würde. Diese können jedoch dann den Erbvertrag nicht mehr anfechten, wenn das Anfechtungsrecht des Erblassers zum Zeitpunkt des Erbfalls erloschen war (§ 2285 BGB), sei es durch Fristablauf, Formfehler, Bestätigung (§ 2284 BGB) oder durch Verzicht1. Bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft hat das Anfechtungsrecht insofern praktische Bedeutung, als bei Beendigung der Lebensgemeinschaft und einer darauf folgenden Eheschließung mit dem Ehegatten eine weitere pflichtteils- und damit anfechtungsberechtigte Person im Sinne der §§ 2285, 2079, 2080 BGB vorhanden ist. 60 Um die Anfechtung durch spätere Pflichtteilsberechtigte auszuschließen, muss dem Erblasser empfohlen werden, auf sein eigenes Anfechtungsrecht im Erbvertrag zu verzichten. Ein solcher Verzicht wird allgemein für zulässig erachtet. Dies wird aus den §§ 2078 Abs. 1, 2079 Abs. 1 Satz 2 BGB gefolgert, nach denen das Anfechtungsrecht entfällt, wenn der Erblasser die letztwillige Verfügung auch bei Kenntnis der Sachlage getroffen hätte2. Der Verzicht sollte alle Umstände umfassen, die sich der Erblasser nicht vorstellen konnte3, da andernfalls nicht sicher ausgeschlossen werden kann, dass eine Anfechtung wegen überhaupt nicht vorhersehbarer Umstände doch wirksam erfolgen kann4. Für den Erblasser selbst hat der Verzicht auf das Anfechtungsrecht dann keinen rechtlichen Nachteil, wenn er sich, wie hier empfohlen, gleichzeitig den Rücktritt vom Erbvertrag vorbehält. Rücktritt und Anfechtung führen zu Lebzeiten des anderen Vertragsteils nämlich gleichermaßen dazu, dass 1 Palandt/Edenhofer, § 2285 BGB Rz. 1; MüKo/Musielak, § 2285 BGB Rz. 5, Staudinger/Kanzleiter, § 2285 BGB Rz. 4. 2 BGH v. 10.1.1983 – VIII ZR 231/81, NJW 1983, 2247, 2249; Staudinger/Kanzleiter, § 2281 BGB Rz. 14; RGRK/Kregel, § 2281 BGB Rz. 6; MüKo/Musielak, § 2281 BGB Rz. 17 u. § 2271 BGB Rz. 37; Bengel, DNotZ 1984, 132; zur Anwendung des § 2078 Abs. 2 BGB bei späterem Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, OLG Celle v. 23.6.2003 – 6 W 45/03, ZEV 2003, 328 ff. 3 Vgl. BayObLG v. 30.10.1989 – 1a Z 19/88, FamRZ 1990, 322; BGH v. 27.5.1987 – IVa ZR 30/86, NJW-RR 1987, 1412. 4 Staudinger/Otte, § 2078 BGB Rz. 18–20; MüKo/Musielak, § 2281 BGB Rz. 17.
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Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 63 B IX
die Verfügungen des Erblassers ex tunc nichtig sind (§§ 142, 2298 Abs. 1, Abs. 2 BGB). In beiden Fällen wird auch die vertragsmäßige Verfügung des anderen Vertragsteils unwirksam (§ 2298 Abs. 1, Abs. 2 BGB). Der Verzicht auf das Anfechtungsrecht kann wie folgt formuliert werden:
Formulierungsvorschlag Jeder von uns verzichtet auf seine gesetzlichen Anfechtungsrechte, auch hinsichtlich aller Umstände, seien sie bekannt oder nicht bekannt, in unsere Überlegungen aufgenommen oder nicht, vorhersehbar oder nicht.
cc) Vorbehalt erneuter Testiermöglichkeit Es darf nicht übersehen werden, dass der Rücktritt vom Erbvertrag eine Lö- 61 sungsmöglichkeit nur zu Lebzeiten des anderen Vertragsteils darstellt (§ 2298 Abs. 1 BGB). Zwar gestattet § 2297 BGB im Falle des Todes des anderen Vertragsteils einen Rücktritt durch Testament. Dies setzt jedoch, soweit vertragsmäßige wechselbezügliche Verfügungen betroffen sind, voraus, dass gleichzeitig das Zugewendete ausgeschlagen wird (§ 2298 Abs. 2 Satz 3 BGB). Nach dem Tod des anderen steht für die Erblasser als Mittel zur Lösung nur die Selbstanfechtung des Erbvertrags zur Verfügung (§ 2281 BGB). Auf sein Selbstanfechtungsrecht, das ihm nach dem Tod des anderen eine anderweitige erbrechtliche Bestimmung ermöglicht hätte, hat er, um die spätere Anfechtung gegen seinen Willen durch Dritte auszuschließen, jedoch verzichtet. Um in diesem Fall die erbrechtliche Regelung den veränderten Gegebenheiten anpassen zu können, muss dem Erblasser empfohlen werden, sich das Recht, bei Tod des Partners anderweitig zu testieren, vorzubehalten. Dies kann durch Formulierungen erreicht werden wie:
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Formulierungsvorschlag Jeder von uns behält sich vor, nach dem Tod des Erstversterbenden erneut zu testieren.
Die praktische Relevanz dieser Regelung veranschaulicht das nachfolgende Beispiel: Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft haben sich durch Erbvertrag gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und trennen sich. Es erfolgt trotz Trennung kein Rücktritt vom Erbvertrag, weil dieser vergessen wird oder in Unkenntnis privat schriftlich und damit formnichtig erklärt wird. Nach der Trennung verheiraten sich die Partner mit anderen Personen. Stirbt Krauß
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B IX Rz. 64
Nichteheliche Partner
nun die nichteheliche Partnerin, ist der Ehemann der verstorbenen Partnerin erbberechtigt hinsichtlich des Vermögens des überlebenden Partners der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Hat sich der Partner das Recht, nach dem Tode der Partnerin erneut zu testieren, im Erbvertrag vorbehalten, wird er dies spätestens jetzt, zumindest wenn er vom Tod des anderen Partners erfährt, tun, da es nicht in seinem Interesse liegen kann, dass Erbe seines Vermögens die Familie seiner ehemaligen nichtehelichen Partnerin wird. Ohne diesen Vorbehalt kann er nicht erneut testieren und den Erbanfall seines Vermögens an die eheliche Familie der verstorbenen Partnerin nicht verhindern. 64 Bei Ehegatten wäre eine Korrektur dieses ungewünschten Ergebnisses insofern erfolgt, als gem. §§ 2077, 2279 Abs. 2 BGB die Erbeinsetzung des anderen Ehepartners mit Stellung des Scheidungsantrags unwirksam gewesen wäre. Diese ungewünschte Rechtsfolge kann nur über eine analoge Anwendung der §§ 2077, 2279 Abs. 2 BGB vermieden werden, die jedoch abgelehnt wird (Rz. 40e),wenngleich sie durch § 2279 Abs. 2 BGB gerechtfertigt wäre, da diese Vorschrift die Anwendung des § 2077 BGB auch für Verlobte, also ebenfalls Nichtehegatten gestattet. Hiergegen ist eingewendet worden, dass Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft Verlobten nicht gleichgestellt werden können, da sie im Gegensatz zu diesen sich gerade nicht die Ehe versprochen haben (§ 1297 BGB). Diese Wertung berücksichtigt jedoch nicht in ausreichendem Maße, dass die Interessenslage bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sich von den Wirkungen einer erbrechtlichen Lösung im Fall der persönlichen Trennung lossagen zu können, die Gleiche ist, wie bei Ehegatten oder Verlobten. Schließlich kannte der historische Gesetzgeber bei der Kodifizierung des BGB im Jahr 1900 als Formen des Zusammenlebens lediglich die bürgerliche Ehe und das dieser vorausgehende Verlöbnis, so dass nur diese beiden Gruppen erfasst wurden. Letztendlich manifestiert sich in der gesetzlichen Regelung des §§ 2077, 2268 BGB nichts Anderes als die Wertvorstellung, Vermögen im Wege der Erbfolge nur in Personengefügen weiterzugeben, die durch persönliche und soziale Verantwortlichkeit untereinander verbunden sind. 65
Zusammenfassung: Ein Erbvertrag für die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sollte nach dem Vorstehenden folgende Mindestregelungen enthalten: – Widerruf sämtlicher früherer Verfügungen – Feststellung, dass keine Bindung durch früher errichtete gemeinschaftliche Testamente oder Erbverträge besteht – Gegenseitige vertragsmäßige Einsetzung zu Erben – Rücktrittsvorbehalt – Verzicht auf Anfechtungsrecht – Vorbehalt der eigenen Verfügung von Todes wegen im Fall des Vorversterbens des Partners
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Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 68 B IX
3. Berücksichtigung der familiären und persönlichen Situation Bei Vorschlägen für die Testamentsgestaltung muss vor allem die Lebenssituation derjenigen, die ein Testament errichten wollen, bedacht werden. Dies gilt gleichermaßen bei verheirateten wie bei unverheirateten Partnern. Bei unverheirateten Partnern kompliziert sich das Regelungsbedürfnis insofern, als dort häufig zumindest im mittleren Lebensalter Kinder der Partnerschaft gemeinsam mit Kindern aus anderen Verbindungen im sozialen Verbund leben. Auf diese gegenüber dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des BGB am 1.1.1900 gewandelte gesellschaftliche Realität muss sachgerecht reagiert werden.
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a) Regelung bei gemeinschaftlichen Kindern Ehegatten vergleichbar ist die Interessenslage in nichtehelichen Lebensgemeinschaften nur, wenn ausschließlich gemeinschaftliche Kinder vorhanden sind. Hier dürften sich die persönlichen Bindungen und die Gestaltungsmotive kaum von denen einer ehelichen Lebensgemeinschaft unterscheiden. Auf typische Gestaltungsmuster kann daher insoweit verwiesen werden, allerdings mit dem Hinweis, dass die Einsetzung des Partners zum Alleinerben mit möglicherweise hoher Erbschaftsteuerbelastung erkauft wird.
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Bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist gleichwohl die Absicherung des Partners oft umso entscheidender, als den Überlebenden keine Hinterbliebenenrenten zur Verfügung stehen. Diese Absicherung wird erreicht, indem der andere Partner als Alleinerbe und die Kinder als Schlusserben eingesetzt werden. Es kann bei dieser „Einheitslösung“ wie folgt formuliert werden:
Formulierungsvorschlag Wir setzen uns gegenseitig vertragsmäßig zu Alleinerben des Erstversterbenden ein. Der Überlebende von uns darf frei über den gesamten Nachlass, auch über Grundbesitz, verfügen. Er darf den Nachlass ganz verbrauchen.
Die Erbeinsetzung der Kinder kann lauten:
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Formulierungsvorschlag Schlusserben sind unsere gemeinschaftlichen Kinder A und B, und zwar unter sich zu gleichen Stammanteilen. Sie erben dasjenige, was beim Tod des Letztversterbenden noch übrig ist.
Will sich der Überlebende vorbehalten, die Erbquote der Kinder zu bestimmen, könnte formuliert werden:
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B IX Rz. 69
Nichteheliche Partner
Formulierungsvorschlag Schlusserben sind unsere Kinder A und B. Der Überlebende von uns bestimmt, zu welchen Anteilen sie erben; er kann auch beliebige Beschränkungen und Beschwerungen anordnen. Wird keine weitere Verfügung getroffen, erben beide Kinder zu gleichen Stammanteilen.
69 Es darf nicht übersehen werden, dass die Kinder durch die Einsetzung des Partners von der Erbfolge nach dem ersten Sterbefall ausgeschlossen werden und dadurch Pflichtteilsansprüche entstehen, deren Geltendmachung die Praxis durch bedingte Enterbung auf den zweiten Sterbefall („Pflichtteilsstrafklausel“) oder durch Anordnung eines Ausgleichsvermächtnisses für das andere Kind gegenzusteuern versucht, vgl. hierzu Kap C VI Rz. 345 ff. 70
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Beratungshinweis: Um diese hohe Steuerbelastung zu vermindern, kann empfohlen werden, den Partner nach dem „Württembergischen Modell“ lediglich durch Nutzungsrechte abzusichern: Der Erstversterbende beschwert die gemeinsamen Kinder als Erben zugunsten des längerlebenden Partners mit Hausratvermächtnissen sowie einem Nießbrauchsvermächtnis als Wahlvermächtnis (am Nachlass oder an den Erbteilen). Dadurch sollen dem Überlebenden die Nutzungen des gesamten Nachlasses zustehen, welcher nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten übrig geblieben ist. Zusätzlich werden die Erben des Erstversterbenden mit einem vermächtnisweisen Auseinandersetzungsverbot beschwert und unterliegen der Dauertestamentsvollstreckung durch den überlebenden Partner. Die Ausgestaltung des Vermächtnisnießbrauchs könnte wie folgt formuliert werden:
Formulierungsvorschlag Dem Längerlebenden von uns ist der lebenslange Nießbrauch einzuräumen, und zwar nach dessen Wahl (§ 2154 Abs. 1 Satz 1 BGB): entweder am gesamten Nachlass, der den Erben nach Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten und nach Begleichung etwaiger Erbschaftsteuern verbleibt. Uns ist bekannt, dass hierfür die Bestellung eines Nießbrauches an jedem einzelnen Nachlassgegenstand erforderlich ist. oder an jedem Miterbenanteil, wobei auch hier jedem Miterben die Mittel für die Bezahlung seiner Erbschaftsteuer aus der Nachlasssubstanz zur Verfügung zu stellen sind. Uns ist bekannt, dass zur Erfüllung dieses Vermächtnisses notarielle Beurkundung der Nießbrauchsbestellung erforderlich ist. Für den vom Vermächtnisnehmer gewählten Nießbrauch gelten die gesetzlichen Vorschriften, jedoch mit folgenden Abweichungen:
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Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 73 B IX
Entscheidet er sich für den Nießbrauch am gesamten Nachlass, ist abweichend von den §§ 1041 und 1047 BGB zu vereinbaren, dass der Nießbraucher für die Dauer seines Rechts im Verhältnis zum Eigentümer auch den außerordentlichen Erhaltungsaufwand sowie außerordentliche, auf den Stammwert der Sache angelegte, öffentliche Lasten zu tragen hat. Werden vom Nießbrauch Immobilien erfasst, an denen beim Erbfall Grundpfandrechte zur Sicherung von Darlehensverbindlichkeiten eingetragen waren, hat der Nießbraucher für die Dauer seines Rechts neben den Zinsen auch die Tilgung solcher Verbindlichkeiten zu tragen. Die gesamten Kosten und Lasten sowie die Verkehrssicherungspflicht verbleiben demnach beim Nießbraucher. Beim Nießbrauch am gesamten Nachlass ist der Nießbrauch an den Immobilien, die in den Nachlass fallen, durch Eintragung im Grundbuch an nächstoffener Rangstelle zu sichern, wobei Löschung durch Sterbeurkunde möglich sein soll. Beim Nießbrauch an den Erbteilen ist die damit verbundene Verfügungsbeschränkung im Grundbuch einzutragen. Die Kosten für die Vermächtniserfüllung und einer etwaigen Löschung tragen die Beschwerten. Der Erstversterbende von uns verlängert hiermit die Verjährungsfrist für sämtliche, zugunsten des Längerlebenden angeordneten Vermächtnisse auf 30 Jahre.
Haben die Partner größere Vermögen, z.B. mehrere Immobilien, sollte jedenfalls aus steuerlichen Erwägungen von der oben gewählten Lösung – Alleinerbschaft des Überlebenden und Schlusserbschaft – abgesehen werden. Hier können die gemeinschaftlichen Kinder Miterben werden, wodurch die im Verhältnis zwischen nichtehelichen Eltern und gemeinschaftlichen Kindern bestehenden Freibeträge von 400 000 Euro je Kind und Elternteil (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) ausgenutzt werden können. Durch Teilungsanordnungen im Erbvertrag dergestalt, dass das Haus in A-Stadt der Überlebende und das Haus in B-Stadt Kind 1 und das Haus in C-Stadt Kind 2 erhält, lässt sich Streit vermeiden. Letztendlich gelten auch bei Partnern nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit größerem Vermögen ähnliche Überlegungen wie bei letztwilligen Verfügungen von Ehegatten mit größerem Vermögen, unter Einschluss derÜbertragung von Immobilien zu Lebzeiten, der Sondererbfolge in Gesellschaftsanteileetc.
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Auch bei der hier vorgestellten erbvertraglichen Regelung sollte ein Rücktrittsvorbehalt aufgenommen werden. Schließlich ist bei Partnern mit gemeinschaftlichen Kindern eine Trennung ebenso denkbar wie bei Partnern ohne Kinder oder Ehepartnern. Mit der Ausübung des Rücktrittsrechts entfällt auch die Schlusserbeneinsetzung der Kinder, da der Erbvertrag insgesamt unwirksam wird (§ 2298 Abs. 2 BGB). Den Kindern bleibt im Fall des Rücktritts ihr gesetzliches Erbrecht (§ 1924 Abs. 1 BGB), und zwar bei Erbfällen ab dem 1.4.1998 (Art. 1 Nr. 3, 8 ErbGleichG) nach beiden Elternteilen.
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Ist der Partner allerdings verstorben, ohne dass das Rücktrittsrecht ausgeübt worden ist, bleibt der Überlebende ohne anderweitige Regelungen im Erbver-
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B IX Rz. 74
Nichteheliche Partner
trag an die Schlusserbeneinsetzung der Kinder gebunden, es sei denn, er schlägt das Zugewendete aus (§ 2298 Abs. 2 Satz 2, 3 BGB). Nur in diesem Fall kann er anderweitig testieren. 74 Hat sich der Überlebende im Erbvertrag jedoch vorbehalten, beim Tod des Partners anderweitig zu verfügen, entfällt, wenn er anderweitig testiert, die Schlusserbeneinsetzung. Sollte aber eine freie Verfügung nach dem Tod des Erstversterbenden aus Gründen der Fürsorge für die gemeinschaftlichen Kinder nicht gewünscht sein, was häufig der Fall sein wird, kann ähnlich wie bei klassischen Wiederverheiratungsklauseln1 beim Tod des Erstversterbenden die Zuwendung des Nachlasses oder eines Teils davon an den Schlusserben vorgesehen werden2. Mit der Zuwendung an den Schlusserben entfällt sodann die Bindung an die vertragsmäßige Verfügung zugunsten des Schlusserben (§ 2352 BGB)3, was aus Gründen der Klarheit mit in den Text des Erbvertrags aufgenommen werden sollte. 75 Zusammenfassung: In einen Erbvertrag mit gemeinsamen Kindern sollten folgende Mindestregelungen aufgenommen werden: – Feststellung, dass keine Bindung durch früher errichtete gemeinschaftliche Testamente oder Erbverträge besteht – Widerruf sämtlicher früherer Verfügungen – Gegenseitige vertragsmäßige Einsetzung zu Erben – Rücktrittsvorbehalt – Verzicht auf Anfechtungsrecht – Vorbehalt der eigenen Verfügung von Todes wegen im Fall des Vorversterbens des Partners oder Lösungsmöglichkeit durch Zuwendung eines Teils des Nachlasses an den Schlusserben zur Erlangung der freien Verfügungsmöglichkeit entsprechend klassischer Wiederverheiratungsklausel – Pflichtteilssanktion b) Kinder aus früheren Verbindungen 76 „Scheidungsgeschädigte“ Beteiligte scheuen mitunter die Eingehung einer neuen Ehe und bevorzugen in einer neuen Partnerschaft unverheiratet zu bleiben, auch angesichts der Unwägbarkeiten, ob ehevertragliche Ausschlüsse im erneuten Scheidungsfall tatsächlich Bestand behalten. Im Rentenalter unterbleiben neuerliche Eheschließungen häufig, um den Verlust der Hinterbliebenenrentenansprüche zu vermeiden.
1 Zum Begriff Palandt/Edenhofer, § 2269 BGB Rz. 16; Staudinger/Kanzleiter, § 2269 BGB Rz. 39 ff.; MüKo/Musielak, § 2269 BGB Rz. 45. 2 Zu Einzelheiten vgl. Hausmann/Hohloch, 674. 3 Palandt/Edenhofer, § 2352 BGB Rz. 5, 7.
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Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 78 B IX
Sind einseitige Kinder aus früheren Verbindungen vorhanden, treten die Regelungsziele der Absicherung des Partners und der Vermögenszuwendung an die eigenen Kinder in ein Spannungsverhältnis. Dieses wird noch verschärft, wenn gemeinsames (Immobilien-)eigentum gebildet wurde, da sich nach dem Tod des ersten Partners bei getrennter Vererbung dann eigenartige Miteigentumsgemeinschaften mit den „Schwieger“-Kindern bilden.
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Beratungssituation: Mandanten, ca. 60 Jahre alt, beide haben Kinder aus früheren Verbindungen, wünschen Lösungsvorschläge für ihre erbrechtliche Regelung.
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Um diesen Bedürfnissen der Erblasser mit Kindern aus früheren Verbindungen Rechnung zu tragen, stehen zwei erbrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, nämlich – die Einsetzung des Partners als Vorerben und der eigenen Kinder als Nacherben, – die Zuwendung von Vermächtnissen an den Lebenspartner bei gleichzeitiger Einsetzung der Kinder als Erben. Zu den erbschaftsteuerlichen Konsequenzen s. Rz. 153 ff. Ohne Regelung im Wege einer letztwilligen Verfügung sind ausschließlich die Kinder aus früheren Verbindungen erbberechtigt (§ 1924 Abs. 1 BGB), nicht jedoch der Partner. aa) Vor- und Nacherbschaft Der Erblasser kann einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe (Nacherbe) wird, wenn zunächst ein anderer Erbe (Vorerbe) geworden ist, § 2100 BGB. (Vgl. zur Vor- und Nacherbschaft im Einzelnen B IV.) Das Erbrecht des Vorerben ist jedoch zeitlich befristet. Der Erblasser kann die Beendigung der Vorerbschaft an Bedingungen und Befristungen knüpfen, wie z.B. an das Eingehen einer neuen Bindung (§ 2109 BGB). Ohne Bestimmung durch den Erblasser endet die Vorerbschaft mit dem Tod des Vorerben (§ 2106 BGB). Der Vorerbe ist wahrer Erbe des Erblassers und damit grundsätzlich zur Verfügung über den Nachlass befugt1. Zum Schutz des Nacherben ist die Verfügungsbefugnis des Vorerben jedoch beschränkt. Verfügungen über Grundstücke, Rechte an Grundstücken und eingetragenen Schiffen sind unwirksam, wenn sie die Rechte des Nacherben beeinträchtigen würden (§ 2113 Abs. 1 BGB). Von dieser Beschränkung und von den weiteren Beschränkungen des Vorerben gemäß §§ 2114, 2116, 2119, 2123, 2127–2131, 2133, 2134 BGB kann der Erblasser den Vorerben befreien, nicht jedoch von dem Verbot, unentgeltlich über Nachlassgegenstände zu verfügen (§§ 2113 Abs. 2, 2138 Abs. 2 BGB) und nicht von der Inventarisierungspflicht (§§ 2121, 2122 BGB). Die Inventarisierungspflicht dient dazu, den Umfang des Nachlasses, der im Nacherbfall an die Nacherben fällt, festzuhalten.
1 Palandt/Edenhofer, Einf. zu § 2100 BGB Rz. 1.
Krauß
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B IX Rz. 79
Nichteheliche Partner
79 Das Vermögen des Erstversterbenden vermischt sich nicht mit dem Vermögen des Längerlebenden, sondern bleibt dessen Sondervermögen (Trennungslösung)1. Gerade deshalb eignet sich die Vor- und Nacherbschaft zur Weitergabe des Vermögens an die eigenen Kinder des nichtehelichen Partners. Sein Vermögen steht zu Lebzeiten des Letztversterbenden diesem zur Verfügung, bleibt jedoch als Sondervermögen getrennt und fällt im Nacherbfall an die eigenen Kinder des Erstversterbenden. Auch für den Letztversterbenden hat diese Lösung den Vorzug, dass sein eigenes Vermögen getrennt gehalten bleibt und im Fall seines Todes auf die eigenen Kinder übergeht. Auch bei gleichzeitigem Tod der Partner, etwa in Folge eines Unglücksfalls, hat diese Lösung keine Nachteile, da dann beide Vermögensmassen jeweils getrennt an die jeweiligen eigenen Kinder des jeweiligen Partners fallen. 80 Ob der nichteheliche Lebenspartner als befreiter oder nicht befreiter Vorerbe eingesetzt werden soll, kann nicht einheitlich beantwortet werden. Die Befreiung des Vorerben gestattet diesem die entgeltliche Verfügung über Grundstücke (§§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB). Soll nach dem Willen des Erblassers der Nachlass in seinem Bestand auf den Nacherben übergehen, muss die Befreiung unterbleiben. Die nicht befreite Vorerbschaft rückt den Letztlebenden in die Nähe eines Nießbrauchsberechtigten. Im mittleren Lebensalter erscheint sie daher ungeeignet, weil sie außer dem Recht, die Erträgnisse der Vermögenssubstanz zu vereinnahmen, die ihrerseits wiederum mit der Verpflichtung zur Lastentragung einhergeht (§ 2124 BGB), keine Vorteile, dafür aber den Nachteil der ständigen Inventarisierungspflicht hat. 81 Es darf auch nicht übersehen werden, dass dann, wenn Grundbesitz vorhanden ist, zur Sicherung der Rechte des Nacherben im Grundbuch in Abt. II ein Nacherbenvermerk eingetragen wird, und zwar gleichermaßen bei befreiter und nicht befreiter Vorerbschaft (§ 21 GBO). Die Verfügung über Grundstücke ist zwar bei befreiter Vorerbschaft materiellrechtlich zulässig (§§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB), tatsächlich wird sie jedoch nur mit Zustimmung des Nacherben erfolgen können, da er die Bewilligung zur Löschung des Nacherbenvermerks erteilen muss (§ 19 GBO). Ein Grundstück, das mit einem Nacherbenvermerk belastet ist, wird kaum jemand erwerben wollen, da er immer mit einer späteren Inanspruchnahme durch den Nacherben rechnen muss (§ 2113 Abs. 3 BGB). Die Einsetzung eines Partners als Vorerben kann wie folgt formuliert werden 82
Formulierung im Einzeltestament Meine Lebensgefährtin A setze ich zu meiner Vorerbin ein. Sie soll nicht befreite Vorerbin sein. Oder (je nach Entscheidung des Erblassers und Beraters im Einzelfall):
1 Staudinger/Behrends, § 2100 BGB Rz. 41; RGRK/Johannsen, § 2100 BGB Rz. 8.
544
Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 86 B IX
Sie soll von allen Beschränkungen befreit sein, von denen nach dem Gesetz Befreiung erteilt werden kann.
83
Formulierung im Erbvertrag Wir setzen uns gegenseitig vertragsmäßig zu nicht befreiten Vorerben ein. Oder: Wir setzen uns gegenseitig vertragsmäßig zu Vorerben ein. Jeder von uns wird als Vorerbe von den Beschränkungen befreit, von denen nach dem Gesetz Befreiung erteilt werden kann.
Die Einsetzung der Nacherben kann wie folgt formuliert werden:
84
Formulierung im Testament Nacherben sind meine Kinder aus erster Ehe, A und B. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod der Vorerbin ein. Oder: Der Nacherbfall tritt ein, wenn meine Lebensgefährtin nach meinem Tod heiratet, sich verpartnert, oder erneut eine Lebensgemeinschaft i.S.d § 20 SGB XII mit einem anderen Partner begründet1.
85
Formulierung im Erbvertrag Nacherben nach mir, L 1, sind meine Kinder aus erster Ehe A und B. Nacherben nach mir, L 2, sind meine Kinder aus zweiter Ehe C und D. Der Nacherbfall tritt jeweils nach unserem Tode ein.
Haben die Partner außer eigenen Kindern ein gemeinschaftliches Kind, wird der Wunsch bestehen, auch dieses Kind gleichermaßen, möglicherweise aber auch zu einem größeren Anteil zu bedenken. Dies kann erreicht werden, indem das gemeinschaftliche Kind ebenfalls als Nacherbe eingesetzt wird, durch Formulierungen wie:
1 Diese Formulierung bietet im Streitfall Nachweisprobleme und sollte von daher eher vermieden als empfohlen werden.
Krauß
545
86
B IX Rz. 87
Nichteheliche Partner
Formulierungsvorschlag Nacherben nach mir, L 1, sind unser gemeinschaftliches Kind E und meine Kinder aus zweiter Ehe C und D, und zwar alle drei untereinander jeweils zu gleichen Teilen.
87 Werden die Kinder aus verschiedenen Verbindungen zu verschiedenen Erbquoten eingesetzt, ist darauf zu achten, dass die Quoten größer sein müssen als es die Hälfte des gesetzlichen Erbteils wäre, weil sonst ein freier Pflichtteilsrestanspruch entstünde, dem der Längerlebende ausgesetzt wäre (nach der Rechtslage vor der Erbrechtsreform 2009, also für Sterbefälle vor dem 1.1.2010, wäre die Nacherbfolge gem. § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. von selbst weggefallen). Abgesehen von diesem Pflichtteilsrestanspruch bei zu geringer Quote haben die Nacherben keinen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Erstversterbenden, es sei denn, sie schlagen die Nacherbschaft aus (§§ 2306 Abs. 1, 2306 Abs. 2 BGB)1. Bevor die Quoten für die Nacherben festgelegt werden, sollten daher vorsorglich die gesetzlichen Erbquoten und die Pflichtteilsquoten ermittelt werden. 88 Wichtig ist in dieser Fallgruppe überdies die Bestimmung von Ersatzerben und Ersatznacherben. Schließlich fällt die Nacherbschaft erst mit dem Tode des Letztversterbenden an die eigenen Kinder. Der Erblasser kann, sollte der Nacherbe während Lebzeiten des Vorerben versterben und keine Ersatznacherben eingesetzt sein, hierauf nicht mehr durch Änderung seiner eigenen letztwilligen Verfügung reagieren, da er selbst nicht mehr lebt. Er muss diese Entscheidung also vorziehen und zu seinen Lebzeiten einen Ersatzerben namentlich benennen. Es empfiehlt sich, aus Gründen der Klarheit auch die Vererblichkeit des Nacherbenrechts auszuschließen, zumindest dann, wenn keiner der Abkömmlinge des designierten Nacherben Ersatzerbe sein soll, sondern z.B. das gemeinschaftliche Kind aus der nichtehelichen Beziehung der Partner oder ein anderes Kind aus einer früheren Verbindung. Das kann wie folgt formuliert werden:
Formulierungsvorschlag Das Nacherbenrecht ist nicht vererblich. Verstirbt ein Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls, ist Ersatznacherbe unser gemeinschaftliches Kind D. Oder: . . . das überlebende Kind aus meiner ersten Ehe.
1 BayObLG v. 22.6.1966 – BReg. 1b Z 12/66, BayObLGZ 1966, 232.
546
Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 90 B IX
Wird von den Partnern gemeinschaftlich im Erbvertrag testiert, sollten sich beide Partner das Recht vorbehalten, die Nacherbeneinsetzung der Kinder aus früheren Verbindungen zu ändern oder widerrufen zu können. Die Vertragsteile eines Erbvertrags können frei bestimmen, welche Verfügungen der Überlebende frei widerrufen oder abändern kann1.
89
Beim Testament wird hierzu selten Anlass sein, da der Erblasser hier durch einfachen Widerruf des Testaments (§ 2254 BGB) anderweitige Regelungen treffen kann. Im Erbvertrag sollte daher zusätzlich die Bestimmung aufgenommen werden:
Formulierungsvorschlag Jeder von uns behält sich vor, die Einsetzung des Nacherben, soweit seine eigenen Kinder betroffen sind, und die Einsetzung der Ersatznacherben nach dem Tod des Letztversterbenden einseitig abzuändern.
Widerruft der Erblasser nach dem Tod des Erstversterbenden die Nacherbeneinsetzung, trifft jedoch keine neue Verfügung von Todes wegen, wächst das Erbe den verbleibenden Nacherben an (§ 2094 BGB). Zusammenfassung:
90
Wählen die Partner den Erbvertrag, müssen die übrigen bereits in Rz. 53 ff. dargestellten Regelungen ebenfalls mit aufgenommen werden. Der Erbvertrag bei Partnern mit Kindern aus früheren Verbindungen sollte daher enthalten: – Widerruf sämtlicher früherer Verfügungen – Feststellung, dass keine Bindung durch früher errichtete gemeinschaftliche Testamente oder Erbverträge besteht – Gegenseitige vertragsmäßige Einsetzung zu befreiten oder nicht befreiten Vorerben – Einsetzung der Nacherben – Ausschluss der Vererblichkeit des Nacherbenrechts und Einsetzung von Ersatzerben – Vorbehalt, die Nacherbenseinsetzung abzuändern – Rücktrittsvorbehalt – Verzicht auf Anfechtungsrecht – Zuwendung des Hausrats und der persönlichen Sachen im Vermächtniswege (s. hierzu Rz. 102).
1 Palandt/Edenhofer, § 2289 BGB Rz. 8; BGH v. 2.12.1981 – IVa ZR 252/80, NJW 1982, 441.
Krauß
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B IX Rz. 91
Nichteheliche Partner
bb) Vermächtnislösung 91 Anstelle der Einsetzung der Partner als Vorerben und der Kinder als Nacherben kann auch der Weg gewählt werden, die Kinder unmittelbar als Erben einzusetzen und dem Lebenspartner Vermögensgegenstände im Wege des Vermächtnisses (§§ 2147 f. BGB) zuzuwenden. Hierfür stehen mannigfaltige Möglichkeiten zur Verfügung. Dem Lebenspartner können ein Geldvermächtnis, Hausratsvermächtnisse, eine Immobilie, lediglich ein Wohnrecht an einer Immobilie, ein Nießbrauch an Immobilien, an Unternehmensbeteiligungen, der Nießbrauch am Nachlass insgesamt (vgl. Muster in Rz. 70), eine private Rente etc. zugewendet werden. (Näheres B VI.) 92 Wird z.B. eine Immobilie im Vermächtniswege zugewendet, kann die letztwillige Verfügung lauten:
Formulierungsvorschläge Zu meinen Erben setze ich meine Kinder A und B ein. Meiner langjährigen Lebensgefährtin vermache ich mein Haus in D-Stadt. oder: Meiner langjährigen Lebensgefährtin vermache ich mein Aktiendepot bei der XBank. Oder: . . . einen Betrag von 150 000 Euro von meinem Konto . . . bei der X- Bank. Oder: . . . ein lebenslängliches Wohnungsrecht gemäß § 1093 BGB an meiner Eigentumswohnung in D-Stadt. Meine Erben sind verpflichtet, innerhalb von zwei Monaten nach meinem Tod das Wohnrecht im Grundbuch an rangbereiter Stelle zu sichern. Das Wohnrecht soll unentgeltlich sein. Meine Lebensgefährtin ist lediglich verpflichtet, die Nebenkosten, deren Umlage auf einen Mieter gemäß BetriebskostenVO in der zum Erbfall gültigen Fassung zulässig ist, zu tragen. Oder: . . . eine lebenslängliche Rente in Höhe des Betrags zu zahlen, der zum Tag des Vermächtnisanfalls dem gegenwärtigen Betrag von 2000 Euro entspricht. Der Betrag ist nach Maßgabe des Verbraucherpreisindex zum Zeitpunkt der ersten Fälligkeit und sodann alle zwei Jahre anzupassen. Oder: Meine Erben sind verpflichtet, die Rente als Reallast zulasten meines in D-Stadt gelegenen Grundbesitzes an rangbereiter Stelle dinglich sichern zu lassen, und zwar innerhalb von zwei Monaten nach meinem Tod.
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Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 96 B IX
Oder: . . . einen lebenslänglichen Nießbrauch an meinem Kommanditanteil an der ABC GmbH & Co. KG1.
Wird dem Lebenspartner im Vermächtniswege ein Sachwert zugewendet, der nicht, wie etwa Nutzungsrechte, auf seine Lebensdauer beschränkt ist, muss bedacht werden, dass der Sachwert im Fall des Versterbens des Lebenspartners in dessen Erbmasse fällt und an seine Kinder bzw. möglicherweise an seine Verwandten gelangt. Falls dies nicht gewünscht ist, verbleibt dem Erblasser die Möglichkeit, seine eigenen Kinder als Nachvermächtnisnehmer einzusetzen (§ 2191 Abs. 1 BGB). Der Partner als Vorvermächtnisnehmer unterliegt im Gegensatz zur Vor- und Nacherbschaft keinen gesetzlichen Beschränkungen2 (vgl. dazu B IV.). Er darf den vermachten Gegenstand also verbrauchen und uneingeschränkt über ihn verfügen. Gemäß § 2184 BGB ist er berechtigt, die Nutzungen des Vermachten zu vereinnahmen, er muss allerdings auch die gewöhnlichen und außergewöhnlichen Lasten tragen (§ 2185 BGB). Trifft der Erblasser keine andere Bestimmung, fällt das Nachvermächtnis mit dem Tod des Vorvermächtnisnehmers an (§§ 2191 Abs. 2, 2106 Abs. 1 BGB). Eine gegenteilige Anordnung sollte der Erblasser nicht treffen, schon um zu verhindern, dass seine eigenen Kinder als Nacherben nicht Verwendungsersatzansprüchen des Partners zu dessen Lebzeiten ausgesetzt sind (§ 2185 BGB).
93
Um Auseinandersetzungen seiner eigenen Kinder mit den Erben des Lebenspartners zu verhindern, kann es sinnvoll sein, die Geltendmachung von gegenseitigen Verwendungsersatzansprüchen (§ 2185 BGB) gänzlich auszuschließen
94
Die Anordnung eines Nachvermächtnisses kann wie folgt formuliert werden:
95
Formulierungsvorschlag Nachvermächtnisnehmer nach dem Tod meiner Lebensgefährtin sind meine Kinder A und B. Verwendungsersatzansprüche zwischen Vorvermächtnis- und Nachvermächtnisnehmer sind in beiden Richtungen ausgeschlossen. Eine Sicherung des Nachvermächtnisses kann nicht verlangt werden.
Für Haushaltsgegenstände gilt nichts Besonderes. Sie fallen, ebenso wie ein Kfz und persönliche Gegenstände, in den Nachlass, so dass sie den Regelungen der Vorerbschaft und der Nacherbschaft unterliegen. Dies bedeutet, dass auch die Haushaltsgegenstände der Pflicht zur Inventarisierung (§ 2121 BGB)
1 Wird ein Nießbrauch an einer Unternehmensbeteiligung zugewendet, ist es unerlässlich, dies an die erbrechtliche Regelung des Gesellschaftsvertrags anzugleichen. 2 Palandt/Edenhofer, § 2191 BGB Rz. 2.
Krauß
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B IX Rz. 97
Nichteheliche Partner
unterliegen. Von dieser Pflicht kann der Vorerbe nicht befreit werden (§ 2136 BGB). Um diese unzweckmäßige Handhabung auszuschließen, sollten der Hausrat und die persönlichen Gegenstände den Lebenspartnern im Wege des Vermächtnisses zugewendet werden (§ 2147 BGB). Gleiches sollte für die persönlichen Gegenstände und möglicherweise das Kfz gelten, um das, wie die Praxis zeigt, häufig Streit entsteht. Es kann formuliert werden:
Formulierungsvorschlag Meinen Hausrat, meine persönlichen Sachen mit Ausnahme meines Schmucks und den bei meinem Ableben auf mich zugelassenen Pkw vermache ich meinem Lebensgefährten.
97 Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung kann zur Sicherung der Rechte des Nacherben, aber vor allem zur Sicherung des Vermächtnisnehmers, sinnvoll sein. Von den verschiedenen Möglichkeiten der Testamentsvollstreckung – Abwicklungsvollstreckung nach §§ 2203–2207 BGB, Dauervollstreckung nach § 2209 BGB oder Nacherbenvollstreckung (§ 2222 BGB) – erscheint je nach Gestaltung allenfalls die Abwicklungsvollstreckung sinnvoll. Bei der Vermächtnislösung sollte, um sicherzustellen, dass das Vermächtnis auch erfüllt wird, in jedem Fall Testamentsvollstreckung als Abwicklungsvollstreckung angeordnet werden, da nur so sichergestellt ist, dass der nichteheliche Partner das Vermächtnis auch tatsächlich erhält. Sollten die Erben nämlich das Vermächtnis nicht freiwillig erfüllen, ist der nichteheliche Partner auf langwierige Rechtsstreitigkeiten angewiesen, die in höherem Lebensalter nicht immer durchgestanden werden. 98 Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ist auch dann sinnvoll, wenn der nichteheliche Partner und Kinder aus früheren Verbindungen zu Miterben berufen sind und eine Aufteilung des Nachlasses durch Teilungsanordnung vorgesehen ist. 99 Wird befürchtet, dass die Nacherben den Vorerben zu seinen Lebzeiten über die Maßen beeinträchtigen, kann dies durch die Anordnung einer Nacherbenvollstreckung (§ 2222 BGB) unterbunden werden. Sie beschränkt nicht den Vorerben, sondern nimmt die Rechte wahr, die dem Nacherben bereits vor dem Nacherbfall zustehen1, beschränkt also den Nacherben während der bestehenden Vorerbschaft2.
1 BGH v. 9.11.1994 – IV ZR 319/93, NJW 1995, 456. 2 Staudinger/Reimann, § 2222 BGB Rz. 4.
550
Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 102 B IX
III. Beschränkungen der Testierfreiheit 1. Bindung durch gesetzliche Erbrechte
Û
Beratungssituation: Mandant ist verheiratet, hat Kinder aus erster Ehe, lebt mit Lebenspartnerin zusammen, eine Scheidung seiner Ehe ist nicht beabsichtigt. Er will ein Testament zugunsten seiner Partnerin errichten. Was muss er beachten?
In diesen Fällen bestehen gesetzliche Erbrechte der Kinder des nichtehelichen Partners gemäß § 1924 Abs. 1 BGB und des Ehegatten gemäß § 1931 Abs. 1 BGB, die anders als im Fall der Scheidung (§ 1933 BGB) nicht erlöschen. Bei gleichgeschlechtlichen Verbindungen, in denen keine Kinder vorhanden und auch nicht zu erwarten sind, bestehen gesetzliche Erbrechte der Eltern (§ 1925 Abs. 1 BGB) und gesetzliche Erbrechte des Lebenspartners (§ 10 Abs. 1 LPartG). Den Anfall der gesetzlichen Erbberechtigung kann der Partner dadurch umgehen, indem er zugunsten des nichtehelichen Partners testiert, da die gewillkürte Erbfolge die gesetzliche Erbfolge verdrängt (§ 1937 BGB)1.
100
Die Pflichtteilsansprüche der Kinder und des getrennt lebenden Ehegatten bleiben jedoch bestehen (§ 2303 Abs. 1, 2 BGB). Gleiches gilt für die Pflichtteilsansprüche der Eltern der kinderlosen Partner (§ 2303 Abs. 2 BGB) und Pflichtteilsansprüche gleichgeschlechtlicher Partner (§ 10 Abs. 6 LPartG).
101
Kooperiert der Pflichtteilsberechtigte, kann er mit dem Erblasser einen notariell beurkundeten Pflichtteilsverzichtsvertrag (§ 2346 Abs. 2 BGB) schließen, ggf. gegen Abfindung (kein Erbverzicht, da sich hierdurch die Erb- und damit mittelbar die Pflichtteilsquoten der anderen erhöhen, § 2310 Satz 2 BGB !)
102
Beim Pflichtteilsverzicht handelt es sich um einen abstrakten, keiner Causa bedürfenden Verfügungsvertrag, sodass die „Entgeltlichkeit“ des Verzichts nicht Inhalt der Vereinbarung selbst ist. Die Verknüpfung zu einer „Gegenleistung“ kann sich jedoch auch aus einer etwa daneben bestehenden Verpflichtungsabrede ergeben, in der bspw. die dort vereinbarte Leistung einer Geldabfindung (schuldrechtlicher Zahlungsanspruch2) in ein synallagmatisches Verhältnis zur Abgabe und Aufrechterhaltung des Pflichtteilsverzichts gestellt wird. Unterbleibt demnach die später fällige Abfindungsleistung, kann der Verzichtende nach Setzung einer angemessenen Nachfrist von diesem Verpflichtungsvertrag zurücktreten (§ 323 BGB) mit der Folge, dass der Erblasser das Erlangte, die Verzichtswirkung, durch Aufhebungsvertrag (§ 2351 BGB) „rückzuerstatten“ hat (§ 346 BGB). Ist der Verzichtende bei einer solchen synallagmatischen Abrede jedoch nicht zur Vorleistung verpflichtet, kann er bereits die Abgabe des Verzichts vom Erhalt der Gegenleistung abhängig machen, § 320 BGB.
1 Palandt/Edenhofer, § 1937 BGB Rz. 7. 2 Verjährung gem. § 195 BGB, nicht nach erbrechtlicher Anknüpfung: OLG Celle v. 26.7.2007 – 6 U 12/07, ZEV 2008, 485.
Krauß
551
B IX Rz. 103 103
Nichteheliche Partner
Noch unmittelbarer verknüpft mit einer erst künftig zu erbringenden Gegenleistung ist die Verzichtsverfügung jedoch dann, wenn sie ihrerseits durch den Erhalt der Abfindung bedingt (§ 158 BGB) ist. Hierbei stellen sich folgende Regelungsthemen: – Dass ein Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht überhaupt unter Bedingungen erklärt werden kann, also nicht kraft seiner Natur bedingungsfeindlich ist, ergibt sich bereits aus § 2350 Abs. 1 BGB, wonach der Erbverzicht zugunsten eines anderen (sog. „relativer Verzicht“) im Zweifel dadurch als aufschiebend bedingt gilt, dass dieser andere gesetzlicher oder gewillkürter Erbe wird. – Damit ist jedoch noch nicht entschieden, ob auch Bedingungen oder Befristungen zulässig sind, die erst nach dem Erbfall eintreten. Beide Umstände wirken lediglich ex nunc (§ 159 BGB hat nur schuldrechtliche Wirkung), sodass im Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht feststeht, ob und wann die Verfügungswirkungen eintreten oder außer Kraft treten. Mit der Begründung, mit dem Erbfall seien eindeutige Verhältnisse zu fordern, sowie unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH, dass ein Vertrag i.S.d. § 2346 BGB nur bis zum Erbfall angenommen1 oder vormundschaftsgericht genehmigt werden könne2, wird daher teilweise die Zulässigkeit solcher Bedingungen abgelehnt3.
104
Anders als in der Entscheidung des BGH4 geht es jedoch vorliegend nicht um das wirksame Zustandekommen des Verzichts als solchen, sondern um die Frage des Zeitpunkts des Eintritts seines Effekts. Aufgrund der Verpflichtung der Beteiligten, sich schuldrechtlich so zu stellen, als wäre die Bedingung bereits zum Zeitpunkt des Erbfalls eingetreten (§ 159 BGB), muss daher ein zunächst entstandener Pflichtteilsgeldanspruch erlassen werden (§ 397 BGB) bzw. ein bereits erfüllter Anspruch zurückgezahlt werden. Gleiches gilt für den späteren Eintritt einer auflösenden Bedingung. Sogar beim Erbverzicht sind die Folgen einer beim Erbfall noch schwebenden aufschiebenden oder auflösenden Bedingung lösbar durch sog. „konstruktive Nacherbfolge“, §§ 2104, 2105 BGB: Bis zum Eintritt der aufschiebenden Bedingung ist der Verzichtende Vorerbe und die an seine Stelle tretenden Personen sind Nacherben; bis zum Eintritt einer auflösenden Bedingung sind die Ersatzerben Vorerben und der Verzichtende seinerseits ist Nacherbe.5
105
Der Verzicht mit Abfindungsregelung kann etwa wie folgt formuliert werden (notarielle Beurkundung erforderlich):
1 2 3 4 5
BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, NJW 1997, 521. BGH v. 7.12.1977 – IV ZR 20/76, NJW 1978, 1159. Ausführlich Lange, in: FS für Nottarp, 1961, S. 123. BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, NJW 1997, 521. Vgl. ausführlich hierzu J. Mayer, MittBayNot 1985, 101, und MittBayNot 1997, 85 ff. (mit dem Vorschlag, vorsichtshalber einen weiteren, lediglich schuldrechtlichen Verzicht auf die künftigen Pflichtteilsansprüche beizufügen).
552
Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 105 B IX
Formulierungsvorschlag Pflichtteilsverzicht mit Abfindung: . . . (Verzichtender) verzichtet hiermit mit Wirkung für sich und seine (auch künftigen) Abkömmlinge auf das Pflichtteilsrecht am künftigen Nachlass des . . . (Erblasser), der diesen Verzicht entgegenund annimmt. Den Beteiligten ist dabei Folgendes bewusst: Der Verzicht umfasst neben dem „ordentlichen Pflichtteilsanspruch“, der etwa als Folge einer Enterbung entsteht, auch Pflichtteilsergänzungsansprüche und Ausgleichspflichtteilsansprüche als Folge unentgeltlicher lebzeitiger Zuwendungen an Dritte, und zwar gleichgültig, ob diese Ansprüche sich gegen die Erben oder gegen den Beschenkten richten würden. Umfasst ist weiter der Verzicht auf den Pflichtteilsrestanspruch bei Erboder Vermächtniszuwendung unterhalb der „Pflichtteilsquote“ sowie die Möglichkeit, eine unter Beschränkungen oder Beschwerungen (z.B. Vor- und Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung, Teilungsanordnung, Vermächtnisbelastung etc.) erfolgte Erbeinsetzung von diesen Beschränkungen zu befreien oder aber auszuschlagen und anstelle dessen den unbelasteten Pflichtteil in Geld zu verlangen (§ 2306 BGB). Die gesetzliche Erbfolge bleibt jedoch durch diesen Pflichtteilsverzicht unberührt. Will also der Erblasser diese verändern, bedarf es eines Testaments oder Erbvertrags. Auch soweit der Verzichtende und/oder dessen Abkömmlinge jetzt oder künftig durch Testament oder Erbvertrag bedacht sind oder werden, hat der Pflichtteilsverzicht keine über § 2306 BGB hinausgehende Auswirkungen. Der Verzichtende hat also hinzunehmen, ob und in welchem Umfang er durch den Erblasser bedacht wird, sofern nicht zwischen beiden eine Bindung aufgrund eines Erbvertrags besteht. Der Erblasser verpflichtet sich, an den Verzichtenden als Abfindung für die vorstehend erfolgte Abgabe des [gegebenenfalls: gegenständlich beschränkten] Verzichts einen Betrag in Höhe von . . . Euro zu entrichten, fällig am . . . und bis zu diesem Zeitpunkt zinsfrei gestundet. [Ggf. bei Befristung über länger als ein Jahr: Den Beteiligten ist bekannt, dass aufgrund dieser zinslosen Befristung über länger als ein Jahr der Abfindungsbetrag einkommensteuerlich zerlegt wird in eine Kapitalsumme und (fiktive, in Höhe von 5,5 % jährlich angenommene), beim Empfänger steuerpflichtige Zinsen]. Auf Wertsicherung (also Anpassung dieses Betrags an die Geldentwertung) und dingliche Sicherung (durch Bestellung eines Pfandrechts oder eines Grundpfandrechts) wird verzichtet. Der Erblasser unterwirft sich wegen dieser Zahlungsverpflichtung der Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein Vermögen mit der Maßgabe, dass vollstreckbare Ausfertigung auf Antrag ab Fälligkeitstermin ohne weitere Nachweise erteilt werden kann. Der Anspruch auf die Abfindungsleistung ist abtretbar und vererblich. Der eingangs geschlossene Pflichtteilsverzichtsvertrag ist aufschiebend bedingt. Aufschiebende Bedingung ist die Erfüllung der vorstehend eingegangenen Verpflichtung zur Abfindungsleistung in Haupt- und Nebensache, also einschließlich Krauß
553
B IX Rz. 106
Nichteheliche Partner
etwaiger Verzugszinsen ab Fälligkeitstermin in gesetzlicher Höhe (fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszins), oder aber die Erteilung einer schriftlichen Bestätigung des Verzichtenden bzw. seiner Rechtsnachfolger, die jeweils geschuldete Leistung vollständig erhalten zu haben. Die Bedingung ist ausgefallen, wenn die geschuldete Leistung in Haupt- und Nebensache trotz einer nach Eintritt der Fälligkeit schriftlich zu setzenden Nachfrist von mindestens zwei Monaten nicht vollständig erbracht wurde. Der Eintritt der Bedingung ist nicht auf den Tod des Erblassers endbefristet; bis zum Eintritt der Bedingung wird die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs hiermit erbvertraglich verlängert (§§ 2301, 202 Abs. 2 BGB). Teilleistungen sind aufgrund hiermit getroffener und hingenommener Anordnung auf den noch fortbestehenden Pflichtteilsanspruch des Verzichtenden anzurechnen, § 2315 BGB.
2. Bindung durch letztwillige Verfügung aus früheren Verbindungen 106
Der Grundsatz der Testierfreiheit ist eingeschränkt durch frühere Verfügungen von Todes wegen, wenn diese nicht widerrufen werden können und noch über den Tod hinaus Bindungswirkung entfalten. Einzeltestamente, seien es privatschriftliche oder notarielle, sind grundsätzlich frei widerruflich, auch nach dem Tod des im Testament Bedachten (§§ 2253, 2255, 2256, 2258 BGB). Gemeinschaftliche Testamente können zu Lebzeiten des Ehepartners durch notarielle Erklärung gegenüber dem anderen Ehepartner widerrufen werden (§ 2271 BGB). Dem anderen Ehepartner muss eine Ausfertigung (nicht lediglich beglaubigte Abschrift) der Widerrufsurkunde zugehen, die Zustellung sollte zur Beweiserleichterung durch den Gerichtsvollzieher erfolgen (§ 132 BGB). Erbverträge können zu Lebzeiten des anderen Vertragspartners, sofern dort der Rücktritt vorbehalten blieb, oder bei Vorliegen der gesetzlichen Rücktrittsmöglichkeiten gemäß §§ 2294, 2295 BGB durch Rücktritt ebenfalls in notarieller Erklärung, der dem anderen Vertragspartner gegenüber zu erfolgen hat, aufgehoben werden. Beim Erbvertrag steht, sofern auf das Selbstanfechtungsrecht im Vertrag nicht verzichtet wurde, außerdem die Anfechtung in den Grenzen des § 2282 BGB zur Verfügung.
107
Ist der andere Ehepartner jedoch verstorben, entfällt beim gemeinschaftlichen Testament und beim Erbvertrag die einseitige Aufhebungsmöglichkeit, zumindest dann, wenn die Erbschaft angenommen wurde. Der Überlebende kann sich von der Bindungswirkung beim gemeinschaftlichen Testament und beim Ehevertrag von wechselbezüglichen Verfügungen nur durch Ausschlagung befreien (§§ 2271 Abs. 2 Satz 1, 2298 Abs. 2 Satz 3 BGB). Die Ausschlagung muss immer innerhalb der Frist des § 1944 BGB erfolgen, also innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Anfall der Erbschaft oder bei der Berufung aufgrund letztwilliger Verfügung sechs Wochen nach Eröffnung der Verfügung durch das Nachlassgericht, lediglich bei Auslandsaufenthalt im Erbfall verlängert sich die Frist auf sechs Monate. Die Versäumung der Ausschlagungsfrist ist in den Grenzen des §§ 1956, 1954 BGB anfechtbar. 554
Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 110 B IX
Wird die Erbschaft nach dem Zuerstversterbenden nicht ausgeschlagen, bleibt der Überlebende beim gemeinschaftlichen Testament und beim Erbvertrag an die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden. Wechselbezüglich sind die Verfügungen, von denen anzunehmen ist, dass eine Verfügung nicht ohne die andere getroffen worden wäre (§ 2270 Abs. 1 BGB). Wechselbezügliche Verfügungen in einem Ehegattentestament liegen nach der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB vor, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Wird ein Verwandter nur eines Ehepartners als Schlusserbe eingesetzt, so spricht dieser Umstand nach der Lebenserfahrung für eine Wechselbezüglichkeit der Verfügung1, was für eine Schlusserbeneinsetzung von gemeinschaftlichen Kindern beider Ehegatten nicht gilt2. Beim Erbvertrag fehlt es, wenn dieser nicht von Ehegatten geschlossen wurde, an einer dem § 2270 Abs. 2 BGB entsprechenden Auslegungsregel, so dass Wechselbezüglichkeit und damit Bindungswirkung auch dann anzunehmen ist, wenn ein Dritter nicht mit den Ehepartnern Verwandter zum Schlusserben eingesetzt worden ist3.
108
Will der Partner, der an die Schlusserbeneinsetzung gebunden ist, zugunsten des nichtehelichen Partners testieren, steht ihm zur Befreiung von der Bindungswirkung gegenüber dem Schlusserben nur der Zuwendungsverzichtsvertrag zur Verfügung (§ 2352 BGB). Nach § 2352 BGB kann der durch das Testament oder Erbvertrag eingesetzte Erbe oder Vermächtnisnehmer durch Vertrag mit dem Erblasser auf die Zuwendung verzichten. Dieser Zuwendungsverzichtsvertrag bedarf der notariellen Beurkundung (§§ 2352 Satz 2, 2348 BGB). Er bewirkt zwar nicht die Aufhebung der letztwilligen Verfügung, sondern verhindert nur den Anfall der Zuwendung an den Verzichtenden, wie wenn dieser den Anfall der Erbschaft nicht erlebt hätte4.
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Während sich der Erbverzicht im Hinblick auf das gesetzliche Erbrecht nach § 2349 BGB auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, wirkte der Erbverzicht auf das Erbrecht aufgrund letztwilliger Verfügung bei Sterbefällen bis zum 31.12.2009 nur für den Verzichtenden5. Nach der Auslegungsregelung des § 2069 BGB werden beim Verzicht des Testamentserben dessen Abkömmlinge berufen. Diese Auslegungsregelung ist jedoch dann nicht heranzuziehen, wenn ein gegenteiliger Wille des Erblassers erkennbar ist, was regelmäßig dann angenommen wird, wenn der Verzichtende vollständig abge-
110
1 OLG Frankfurt v. 9.4.1996 – 20 W 265/95, FamRZ 1996, 1039. 2 BayObLG v. 4.3.1996 – 1 ZBR 160/95, FamRZ 1996, 1040. 3 BayObLG v. 10.4.1991 – 1a Z 60/90, FamRZ 1991, 1232 m. Anm. Hohloch; BGH v. 14.3.1991 – I ZR 55/89, JuS 1992, 77. 4 Staudinger/Schotten, § 2352 BGB Rz. 27. 5 OLG Stuttgart v. 9.12.1957 – 8 W 329/57, NJW 1958, 347; OLG Stuttgart v. 27.10.1981 – 8 W 507/80, OLGZ 1982, 272; BayObLG v. 4.12.1986 – 1 Z 30/86, Rpfleger 1987, 374.
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funden wird1. Für Sterbefälle ab dem 1.1.2010 sorgt die erweiterte Verweisung des § 2352 BGB auch auf § 2349 BGB dafür, dass sich der Zuwendungsverzicht ohnehin im Zweifel auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt. 111
Sofern der Zuwendungsverzicht, wie es häufig der Fall ist, mit Abfindungszahlung verbunden ist, können diese wie beim Pflichtteilsverzichtsvertrag im Sinne einer auflösenden Bedingung verbunden sein. Es könnte wie folgt formuliert werden (notarielle Beurkundung erforderlich):
Formulierungsvorschlag 1. Ich (Sohn) verzichte auf mein gesetzliches Erbrecht und mein Erbrecht aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments meiner Eltern vom 1.1.1995 für mich und meine Abkömmlinge nach meinem Vater. 2. Ich (Vater) verpflichte mich, meinem Sohn als Abfindung für den von ihm erklärten Verzicht den Betrag von 150 000 Euro bis zum Ablauf von sechs Wochen ab heute zu zahlen. 3. Der Verzicht ist nur wirksam, wenn der Abfindungsbetrag von 150 000 Euro beim Verzichtenden eingegangen ist. Alternativlösung zu 3: 3. Von meinem Vater habe ich zum Bau meines Einfamilienhauses im Jahr 1997 bereits einen Betrag von 150 000 Euro erhalten. Wir sind uns darüber einig, dass diese Zahlung als Abfindung für den heute hier erklärten Verzicht im Voraus geleistet worden ist.
3. „Erbentzug“ wegen nichtehelichen Zusammenlebens? 112
Als Ausfluss der Testierfreiheit kann der Erblasser einen gesetzlichen Erben durch Verfügung von Todes wegen (§ 1938 BGB) von der Erbfolge ausschließen. War das Motiv für die Enterbung beispielsweise der Umstand, dass das enterbte Kind in „wilder Ehe“ lebte, und hat der Betroffene später geheiratet, kommt eine Anfechtung wegen Motivirrtums, § 2078 Abs. 2 BGB, in Betracht, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser bei Kenntnis der wahren Sachlage die Enterbung nicht getroffen hätte. Entscheidend dabei ist allein, dass der Irrtum kausal war, nicht ob er vermeidbar, unvernünftig, nachvollziehbar o.ä. war oder nicht. Gleiches kann gelten, wenn der Erblasser im Testament zwei Personen bedenkt, in der (irrigen) Annahme, diese seien verheiratet, jedoch zu erkennen gibt, dass er das Zusammenleben „ohne Trauschein“ missbilligt.2
1 Palandt/Edenhofer, § 2352 BGB Rz. 6 m.w.N.; BGH v. 24.10.1973 – IV ZR 3/72, NJW 1974, 43; OLG Hamm v. 7.12.1981 – 15 W 171/81, OLGZ 1982, 273 (279). 2 BayObLG v. 27.10.1983 – BReg. 1 Z 35/83, FamRZ 1984, 422.
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Rz. 116 B IX
Davon zu trennen ist die Frage der Anfechtungsmöglichkeit des Erbschaftserwerbs aufgrund „Unwürdigkeit“ des Erben, § 2339 Abs. 1 BGB. Jedenfalls nach der älteren Rechtsprechung kann solche Unwürdigkeit auch im Verschweigen einer anderweitigen intimen Beziehung liegen, es sei denn, es handelte sich um einen zurückliegenden Fehltritt, oder die schonungslose Offenlegung gegenüber dem Erblasser hätte dessen Gesundheitszustand gefährdet bzw. unterblieb mit Rücksicht auf das Wohl der Kinder.1 Die Erbunwürdigkeit ergibt sich in diesem Zusammenhang nicht aus dem „Nebenverhältnis“ als solchem, sondern aus der Unaufrichtigkeit gegenüber dem Erblasser, trotz Kenntnis der letztwilligen Verfügung, also im Verstoß gegen den Grundsatz „Wer Vertrauen erwartet, schuldet Offenheit“. Das bloße Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft stellt jedoch – jedenfalls nach der gewandelten gesellschaftlichen Auffassung – keinen Grund dar, den Pflichtteil wegen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandels i.S.d. § 2333 Nr. 5 BGB zu entziehen.2
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Letztwillige Verfügungen enthalten häufig „Wiederverheiratungsklauseln“, die den gemeinsamen Kindern oder sonstigen Schlusserben das Nachlassvermögen möglichst ungeschmälert auch für den Fall der Wiederverheiratung bzw. Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft erhalten sollen. Da solche Klauseln regelmäßig auf die Entstehung neuer Erb- bzw. Pflichtteilsansprüche des hinzutretenden Ehegatten/eingetragenen Lebenspartners abstellen und nicht den Eintritt weiterer fester sozialer Bindungen inkriminieren wollen, kommt eine erweiternde Auslegung für den Fall der Aufnahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht in Betracht.3
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Häufiger finden sich jedoch auflösende Bedingungen beispielsweise in Wohnungsrechtsvermächtnissen für den Fall, dass dauerhaft eine weitere Person (etwa der künftige Lebensgefährte – Abbedingung des § 1093 Abs. 2 BGB4 –, nicht jedoch Hauspersonal oder Pflegekräfte) in die Wohnung aufgenommen wird. Zur Konkretisierung des Tatbestands, der die auflösende Bedingung bildet, empfiehlt es sich, auf Normen abzustellen, die in der Rechtsprechung bereits eine hinreichende Konkretisierung erfahren haben, etwa i.S.d. § 20 SGB XII oder gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 BErzGG.
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IV. Lebzeitige Zuwendungen nichtehelicher Partner In der Praxis durchaus häufig sind Fälle, in denen nichteheliche oder lebenspartnerschaftsähnliche Lebensgefährten gemeinsam Investitionen im Eigen1 Vgl. im einzelnen Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 4. Aufl. 2006, S. 334 f. 2 H.M., vgl. Klingelhöffer, Pflichtteilsrecht, 2. Aufl. 2003, Rz. 42. 3 Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 4. Aufl. 2006, S. 339. weist zu Recht darauf hin, dass eine andere Auslegung etwa dann geboten sein kann, wenn durch die „Wiederverheiratungsklausel“ Ansprüche möglicher Kinder aus der neuen Beziehung vermieden werden sollten. 4 Auch der nichteheliche Lebensgefährte zählt zur Familie i.S.d § 1093 Abs. 2 BGB, BGH v. 7.5.1982 – V ZR 58/81, NJW 1982, 1868.
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Nichteheliche Partner
tum nur eines Beteiligten schaffen, z.B. die Errichtung eines Eigenheims auf Grundbesitz eines Partners (etwa auf dem von dessen Eltern überlassenen Bauplatz). Aufwendungen finanzieller Natur, die nicht für den Konsum oder die gemeinsame Lebensführung bestimmt sind, sondern zu einer dauerhaften Bereicherung des Partners führen, werden regelmäßig nicht als dauerhafte Schenkung gewollt sein, weder im zivilrechtlichen noch schenkungsteuerlichen Sinn (Freibetrag in Steuerklasse III gem. § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG lediglich 20 000 Euro [nach altem Recht gar nur 5200 Euro], Mindeststeuersatz für den übersteigenden Betrag 30 [nach altem Recht: 17] bis max. 50 %, vgl. Rz. 149 ff.).
1. Zivilrichterliche Rückabwicklung 117
Die Rechtsprechung betont zunächst die rein tatsächliche und damit endgültige Natur von Zuwendungen – laufender oder einmaliger Art1 – während intakter Beziehung. So sei es fernliegend, in der Einräumung der Mitnutzung der im Alleineigentum eines Partners stehenden Wohnung einen „Leihvertrag“ zu sehen; vielmehr beruht sie i.d.R. auf faktischer, also jederzeit beendbarer Grundlage2 (sog. Abwicklungs-, Abrechnungs- und Verrechnungsverbot3). Auch schlichte Schenkungen liegen (ebenso wenig wie unter Ehegatten) typischerweise nicht vor; der Sachverhalt ist vergleichbar den sog. „ehebedingten Zuwendungen“: Hier wie dort dienen die Zuwendungen der Verwirklichung der Lebensgemeinschaft aufgrund der bestehenden persönlichen Beziehungen und Bindungen, führen jedoch regelmäßig nicht zu einer den Empfänger einseitig begünstigenden und frei disponiblen Bereicherung, sondern sollen der Lebensgemeinschaft und damit auch dem „Schenker“ selbst zugutekommen.4 Im Einzelfall kann jedoch eine „Rückabwicklung“ von Zuwendungen nach Beendigung des nichtehelichen Zusammenlebens insbes. auf folgenden Grundlagen beruhen: a) Innengesellschaft
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Werden keine vertraglichen Regelungen getroffen wurden, gewähren die Gerichte5 teilweise auch einen Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwen1 Selbst in nennenswerter Höhe: 40 000 Euro, allerdings nach 17-jährigem Zusammenleben, davon vier Jahre in Pflege: BGH v. 31.10.2007 – XII ZR 261/04, ErbStB 2008, 230. 2 BGH v. 30.4.2008 – XII ZR 110/06, ZNotP 2008, 325. 3 Den inneren Bindungen entsprechen bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine Pflichten i.S.d. § 1353 BGB, die im Trennungsfall hinsichtlich der Wohnung sich gem. § 1361b BGB auswirken können. 4 Vgl. BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, FamRZ 2008, 1822, 1824; Bruch, MittBayNot 2009, 142. 5 BGH v. 28.9.2005 – XII ZR 189/02, FamRZ 2006, 607 m. zust. Anm. Hoppenz 610 und krit. Anm. Volmer, 844 fordert jedoch einen zumindest schlüssig zustande gekommenen Vertrag (in Abweichung von BGH v. 24.3.1980 – II ZR 191/79, NJW 1980, 1520); vgl. zum Ganzen auch Schlünder/Geißler, ZEV 2007, 64.
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Nichteheliche Partner
Rz. 119 B IX
dung der §§ 730 ff. BGB, sofern durch nicht nur unerhebliche Beiträge des „weichenden“ Beteiligten eine über die Verwirklichung der Lebensgemeinschaft hinausgehende gemeinsame Wertschöpfung als Gesellschaftszweck festgestellt werden kann. Klare Kriterien fehlen, sodass eine Prognose für den Einzelfall nur schwer getroffen werden kann.1 Aus Planung, Umfang und Dauer der Zusammenarbeit sollen sich jedoch Indizien für eine schlüssig zustande gekommene „Lebenspartner-Innengesellschaft“ ergeben können2 Dies gilt auch für Arbeitsleistungen, die zu einer messbaren (mindestens 5 %igen)3 Vermögensmehrung geführt haben. Erfordelrich ist jedoch stets die Absicht, einen „gemeinschaftlichen Wert“ zu schaffen, der nicht nur für die Dauer der Lebensgemeinschaft gemeinsam genutzt werden, sondern beiden auch wirtschaftlich dauerhaft zugutekommen sollte4. Dies ist in erster Linie denkbar bei Vermögenswerten, die zur Einkünfteerzielung dienen (Mietobjekte, Unternehmen, Freiberuflerpraxen), während das Familienwohnhaus eher als Teil der Verwirklichung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als solchen gesehen werden wird5. Endet die Lebensgemeinschaft durch den Tod des Zuwendenden, sind allerdings Rückforderungsansprüche der Erben (ähnlich der Auflösung eines Verlöbnisses durch Tod: § 1301 Abs. 2 BGB) regelmäßig ausgeschlossen (Rz. 122). In keinem Fall ist jedoch ein solcher Ausgleichsanspruch gerichtet auf Zahlung i.H.d. tatsächlich erbrachten Aufwendungen, sondern auf Ausgleich des geschaffenen Mehrwerts, soweit er nach dem Verhältnis der wechselseitigen Beiträge auf den ausscheidenden Partner entfällt. Zugrunde zu legen ist also anders als bei Auflösung einer Ehe in Zugewinngemeinschaft nicht der Halbteilungsgrundsatz für die während des Zusammenlebens geschaffenen Werte. In entsprechender Weise haben Gerichte in allerdings nicht einheitlicher
1 Ein Ersatz wurde bspw. abgelehnt von BGH FamRZ 1965, 368 (Errichtung eines Wohnhauses in gemeinsamer Arbeit), BGHZ 77, 55 (Kaufpreiszahlung), BGH v. 23.2.1981 – II ZR 124/80, NJW 1981, 1502 (Ratenzahlung zur Finanzierung eines Pkw), BGH v. 20.1.1983 – II ZR 91/82, NJW 1983, 1055 (Zahlung von Handwerkerrechnungen), BGH FamRZ 1983, 1213 (Hausumbau), BGH v. 8.7.1996 – II ZR 340/95, DNotZ 1997, 404 (Zuwendung einer Lebensversicherung), OLG München v. 28.7.1987 – 5 U 2074/87, FamRZ 1988, 58 (Renovierung einer Werkstatt), OLG Köln v. 7.11.1994 – 16 U 58/94, NJW-RR 1996, 518 (Geldbetrag für Geschäftsschulden), OLG Hamm v. 16.1.2001 – 29 U 54/00, FamRZ 2002, 159 (Aufwendungen für Wohnung im Haus der „Schwiegereltern“). Bejaht wurde der Aufwendungsersatz in BGH v. 24.6.1985 – II ZR 255/84, NJW 1986, 51 (Bebauung mit zwei 3-Familien-Häusern als Renditeobjekt), OLG Frankfurt v. 26.5.1999 – 19 U 98/98, ZEV 1999, 404 (Mitfinanzierung des Hauses), OLG Schleswig v. 20.7.2001 – 14 U 187/00, MittBayNot 2003, 54; vgl. weitere Nachweise bei Grziwotz, Partnerschaftsvertrag für die nichteheliche und nicht eingetragene Lebensgemeinschaft, 4. Aufl., Fn. 135. 2 BGH v. 28.9.2005 – XII ZR 189/02, FamRZ 2006, 607, 609; vgl. eingehend Schulz, FamRZ 2007, 595 ff. 3 So OLG Schleswig v. 20.7.2001 – 14 U 187/00, MittBayNot 2003, 54. 4 BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, FamRZ 2008, 1822 und BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 39/06, FamRZ 2008, 1828 m. Anm. Grziwotz. 5 Löhnig, DNotZ 2009, 59 (60).
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B IX Rz. 120
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Rechtsprechung1 bei Aufnahme gemeinsamer Kreditverbindlichkeiten dem „scheidenden Partner“ einen Anspruch auf Freistellung gegen den „begünstigten Partner“ zuerkannt, wenn die Kreditaufnahme allein im Interesse des letzteren erfolgte, also nicht zur Verwirklichung gemeinsamer Ziele der Lebensgemeinschaft (Möbel, Pkw etc.) diente. b) Bereicherungsrecht 120
In Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des II. Senats2 hat der nunmehr zuständige XII. (Familienrechts-)Senat mit Entscheidungen vom 9.7.20083 und 18.2.20094 ausgeführt, dass – sofern keine vorrangigen vertraglichen bzw. quasi vertraglichen Regelungen zur Innengesellschaft feststellbar sind (etwa wegen Fehlens eines über die Lebensgemeinschaft hinausgehenden Zwecks) – eine zumindest teilweise Rückabwicklung auch nach bereicherungsrechtlichen Vorschriften, gestützt auf eine Zweckverfehlung i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BGB, in Betracht kommt. Erforderlich ist dann jedoch eine konkrete Zweckabrede, wie sie etwa vorliegen kann, wenn die Partner zwar keinen gemeinsamen Vermögenswert schaffen wollten (wie es für die Innengesellschaft erforderlich wäre), der eine aber das Vermögen des anderen in der Erwartung vermehrt habe, an dem geschaffenen Gegenstand langfristig partizipieren zu können. Dies wird die Ausnahme bleiben5; eine über die Ausgestaltung des nichtehelichen Zusammenlebens hinausgehende Zweckbestimmung kommt ohnehin nur bei solchen Leistungen in Betracht, die deutlich über das hinausgehen, was die Gemeinschaft Tag für Tag benötigt6. c) Wegfall der Geschäftsgrundlage
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Im Einzelfall können schließlich auch unter Lebensgefährten „unbenannte“, sogenannte „gemeinschaftsbezogene Zuwendungen“7 vorliegen, die wohl nicht der Form des § 518 Abs. 1 BGB unterliegen8. Sie können bei lebzeitigem 1 Vgl. etwa BGH v. 20.1.1983 – II ZR 91/82, NJW 1983, 1055; OLG Hamm v. 19.10.1999 – 29 U 7/99, FamRZ 2001, 95; OLG Karlsruhe v. 11.2.1993 – 11 U 20/92, FamRZ 1994, 377. Der Freistellungsanspruch bezieht sich allerdings nur auf den Schuldsaldo bei Trennung, OLG Koblenz v. 20.2.1998 – 3 W 65/98, FamRZ 1999, 789. 2 Etwa BGH v. 6.10.2003 – II ZR 63/02, FamRZ 2004, 94, sowie BGH v. 8.7.1996 – II ZR 193/95, NJW-RR 1996, 1473. 3 BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, FamRZ 2008, 1822, sowie BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 39/06, FamRZ 2008, 1828, m. Anm. Grziwotz. 4 BGH v. 18.2.2009 – XII ZR 163/07 ZNotP 2009, 199. 5 Bruch, MittBayNot 2009, 142; Langenfeld, ZEV 2008, 494. 6 BGH v. 18.2.2009 – XII ZR 163/07 ZNotP 2009, 199; beweispflichtig ist der Bereicherungsgläubiger. 7 Bei Arbeitsleistungen spricht BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, DNotZ 2009, 52 m. Anm. Löhnig von einem „Kooperationsvertrag“. 8 Die Frage stellt sich wegen § 518 Abs. 2 BGB praktisch nur bei der Zusage freiwilliger Unterhaltszahlungen; entgegen BGH v. 7.12.1983 – IVa ZR 160/82, NJW 1984, 797 (Anstandsschenkung gem. § 534 BGB) tendiert die neuere Rechtsprechung (OLG Köln v. 22.11.2000 – 11 U 84/00, FamRZ 2001, 1608) insoweit zur Formfreiheit, eben-
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Rz. 122 B IX
(Rz. 122) Scheitern der Lebensgemeinschaft nach § 313 BGB anzupassen sein1 – allerdings auch im Fall der direkten Zuwendung eines Grundstücks selten durch dingliche Rückgewähr, sondern durch finanziellen Ausgleich2. Der BGH3 bejaht (wiederum in Abkehr von der früheren Rechtsprechung) solche Ansprüche, soweit der gemeinschaftsbezogenen Zuwendung, die über alltägliche Beiträge hinaus gehen muss4, die Vorstellung und Erwartung zugrunde lag, die Lebensgemeinschaft, deren Ausgestaltung sie diente, werde Bestand haben (diese Vorstellung muss sich nicht zu einer Zweckabrede i.S.d. Bereicherungsrechts – Rz. 120 – verdichtet haben). Solche Ansprüche können sogar bestehen, wenn die Partner Miteigentümer einer Immobilie je zur Hälfte sind, der eine aber erheblich höhere Beträge hierzu geleistet hat als der andere5. Ein korrigierender Eingriff sei allerdings nur gerechtfertigt, wenn dem Leistenden die Beibehaltung der geschaffenen Vermögensverhältnisse nach Treu und Glauben nicht zumutbar sei. Es liegt nahe, insoweit auf die Maßstäbe zurückzugreifen, die für den Ausgleich von Zuwendungen unter Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung gelten. Die „faktische Lebensgemeinschaft“ hat sich damit im Falle gemeinsamer Investitionen6 zwischenzeitlich zu einer „Zusammenlebens-Rechtsgemeinschaft“ fortentwickelt7, ohne dass diesem „Binnenrecht der Solidargemeinschaft“ ein entsprechender Schutz nach außen korrespondiert (etwa hinsichtlich Haushaltsführungsschäden aus Delikt)8. Anders verhält es sich, wenn die nichteheliche Lebensgemeinschaft durch den Tod eines Partners beendet wird: in der Regel wollen die Beteiligten dann gerade nicht, dass in der Person ihrer Erben Ausgleichsansprüche gegen den anderen entstehen9. Dies entspricht der gesetzlichen Wertung des § 1301
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so Wever, FamRZ 2008, 1485 (1491, Fn. 78) für die ehebedingte Zuwendung. Auch § 1585c Satz 2 BGB wird nicht analog gelten. Die Schriftform des § 761 BGB (Leibrentenversprechen) ist jedenfalls mit Leistungserbringung ebenfalls geheilt, BGH v. 17.3.1978 – V ZR 217/75, NJW 1978, 1577. So etwa OLG Naumburg v. 14.2.2006 – 8 W 4/06, NJW 2006, 2418, OLG Düsseldorf v. 31.1.1997 – 7 U 59/96, NJW-RR 1997, 1497; vgl. Schulz, FamRZ 2007, 598 ff. Vgl. Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl., Kap. 6 Rz. 122. BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, MittBayNot 2009, 137 m. Anm. Bruch, sowie BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 39/06, FamRZ 2008, 1828, m. Anm. Grziwotz. Auch in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist davon auszugehen, dass solche, sich rasch verflüchtigende Beiträge endgültig unentgeltlich zugewendet sind. BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 39/06, NJW 2008, 3282. Haushaltsführung und „Rückenfreihalten“ werden jedoch nicht berücksichtigt, Kindererziehung nur im Rahmen des Unterhalts nach § 1615l BGB. So plakativ Grziwotz, FamRZ 2008, 1829, der die frühere Ablehnung des auf § 242 BGB gestützten Ansatzes durch den BGH schon zuvor heftig kritisiert hat: Grziwotz, Partnerschaftsvertrag für die nichteheliche und nicht eingetragene Lebensgemeinschaft, 4. Aufl. 2002, S. 70; ebenso Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 3, Aufl. 1993, § 5, Rzn. 80 ff. Vgl. Löhnig, DNotZ 2009, 59. Coester, JZ 2008, 315 (316), Löhnig, DNotZ 2009, 59 (61).
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B IX Rz. 123
Nichteheliche Partner
Abs. 2 BGB (Auflösung eines Verlöbnisses durch Tod)1; den Erben stehen allenfalls gesetzliche Ansprüche aus §§ 2325, 2329, 2287 BGB zu.
2. Schenkungsteuer 123
Die Übernahme von Zins- und Tilgungsleistungen auch bzgl. gemeinsamer Darlehen durch den Lebensgefährten über seine Miteigentumsquote hinaus kann2 ferner Schenkungsteuer auslösen3 (immaterielle Haushaltsführungsbeiträge sowie Kindererziehungsleistungen werden vom BFH nicht als „entgelttaugliche Gegenleistung“ gewertet4). Zinszahlungen als Äquivalent der Nutzungsmöglichkeit (im Unterschied zum Tilgungsanteil) können jedoch bei gemeinsamem Bewohnen wohl unter die Befreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 12 ErbStG („angemessener Unterhalt“) subsumiert werden5. Einmalige (Vermögens-)zuwendungen, die über bloße Gelegenheitsgeschenke i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG hinaus gehen, sind in keinem Fall privilegiert6, unterliegen also bei Überschreiten des Basisfreibetrages von 20 000 Euro der 30 %igen Besteuerung in Steuerklasse III.
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Gebrauchs- und Nutzungsüberlassungen (gleich ob vorübergehender oder dauernder Natur, gleich ob schuldrechtlich oder dinglich gewährt, auch in Form einer verbilligten Miete) können grds. – auch wenn zivilrechtlich mangels Vermögenssubstanzverlustes keine Schenkung i.S.d. §§ 516 ff. BGB vorliegt – der Schenkungsteuer unterliegen.7 Anders verhält es sich jedoch bspw., wenn der Eigentümer die Räume, hätte er sie nicht zur Mitbenutzung zur Verfügung gestellt, ausschließlich eigengenutzt hätte oder hätte leerstehen lassen8, da es dann an einer Entreicherung fehlt9. Wird das Mitbenutzungsrecht oder Nießbrauchsrecht dagegen aufschiebend befristet auf das Vorversterben des Eigentümers bestellt, liegt jedoch eine steuerbare Schenkung auf den Todesfall vor.10 1 BGH v. 31.10.2007 – XII ZR 261/04, FamRZ 2008, 247 m. Anm. Grziwotz (sog. „Umbuchungsfall“: ein krebskranker Partner überwies wenige Wochen vor seinem Tod 40 000 Euro an seine langjährige Lebensgefährtin als „Umbuchung“). 2 Entgegen früherer Verwaltungsauffassung (BMF v. 3.1.1984, DB 1984, 327), vgl. Grziwotz, FamRZ 2008, 1830. 3 In casu wegen Geringwertigkeit der Zuwendung durch FG München v. 3.2.2006 – 4 V 2881/05, EFG 2006, 686 m. Anm. Loose jedoch nicht besteuert. 4 BFH v. 2.3.1994 – II R 59/92, BStBl. 1994 II, S. 366. 5 Für analoge Anwendung Schlünder/Geißler, ZEV 2007, 67, für unmittelbare Geltung Weimer, ZEV 2007, 316, da die Norm für gesetzlich geschuldeten und damit nicht freiwilligen Unterhalt ohnehin nicht erforderlich sei. Hinsichtlich des Tilgungsanteils hilft – allerdings nur bei Ehegatten – § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG (vgl. Rz. 1846 ff.). 6 von Proff zu Irnich, RNotZ 2008, 463 m.w.N. 7 Vgl. FG München v. 24.1.2007 – 4 K 816/05, EFG 2007, 779; von Proff zu Irnich, RNotZ 2008, 465; vgl. auch Rz. 2298, 2300a. 8 Gebel, DStZ 1992, 577, 580. 9 Vgl. Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rn. 28 (Oktober 2007). 10 FG Rheinland-Pfalz v. 18.4.2002 – 4 K 1869/01, DStRE 2002, 1078, 1079; FG München v. 22.3.2003 – 4 K 1631/04, EFG 2006, 1263.
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Rz. 128 B IX
3. Gestaltungsalternativen a) Ausdrücklicher Schenkungscharakter aa) Unter Lebenden Soweit solche Sachverhalte in das Gesichtsfeld juristischer Gestaltung gelangen, sollte daher – noch dringlicher als bei ehebedingten Zuwendungen – auf eine vertragliche Regelung gedrängt werden. Diese kann zum einen bestehen in der (mit Risikohinweis und der Verdeutlichung der wirtschaftlichen Folgen verbundenen) Klarstellung, dass es sich tatsächlich um eine Schenkung handele, die allenfalls unter den engen gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 528, 530 BGB rückgefordert werden könne.
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bb) Auf den Todesfall Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall (Lebensversicherung, Wertpapierdepots, Bankkonto- oder Sparguthaben) bieten eine Möglichkeit der Zuwendung von Vermögen am Nachlass vorbei, ohne die Formvorschriften letztwilliger Verfügungen bzw. Schenkungsversprechen von Todes wegen unter Überlebensbedingung (§ 2301 BGB) einhalten zu müssen. Die Bezugsberechtigung im Todesfall kann sogar in abstrakter Form zugunsten „der Lebensgefährtin, mit der die versicherte Person zum Eintritt des Versicherungsfalls in nichtehelicher Lebensgemeinschaft unter gleicher Meldeanschrift lebt“ bestimmt sein.1
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Erfährt der Lebensgefährte vom Abschluss der Lebensversicherung bereits zu Lebzeiten und nimmt diesen Umstand zustimmend zur Kenntnis, ist ein (noch formnichtiger) Schenkungsvertrag geschlossen; Heilung tritt dann bei der (i.d.R. gegebenen) widerruflichen Bezugsberechtigung mit dem Zeitpunkt des Versicherungsfalls ein, bei der unwiderruflichen Bezugsberechtigung sofort.2 Erfolgt noch keine Abgabe des Schenkungsversprechens dem Lebensgefährten gegenüber zu Lebzeiten, kann es zum „Wettlauf“ zwischen der Lebensversicherung als Erklärungsbotin des verstorbenen Partners einerseits und den Erben, die den Widerruf erklären werden, andererseits kommen.
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b) Ehefiktion In Betracht kommt weiter – wenngleich selten gewünscht – die (wohl formfreie3) Vereinbarung, sich schuldrechtlich so zu stellen, als bestünde seit Beginn der gemeinsamen Investition eine Ehe mit gesetzlichem Güterstand („Ehefiktion“; an die Stelle der Zustellung eines Scheidungsantrags tritt dann z.B. die schriftliche Erklärung eines der beiden Beteiligten, die Lebensgemeinschaft nicht mehr fortsetzen zu wollen)4. 1 2 3 4
Vgl. von Proff zu Irnich, RNotZ 2008, 478. Vgl. BGH v. 26.11.2003 – IV ZR 438/02, NJW 2004, 767, 768. A.A. MünchKomm-BGB/Wacke, 4. Aufl. 2000, Anh. § 1302 Rz. 47. Zur Zulässigkeit einer solchen schuldrechtlichen Regelung Hausmann, Nichteheliche Lebensgemeinschaft und Vermögensausgleich, S. 109.
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c) Darlehen 129
Häufiger wird jedoch die Aufwendung den Charakter eines Darlehens gewinnen1. Die Darlehensgewährung umfasst nur solche Zuwendungen, die unmittelbar der Errichtung bzw. dem Ausbau oder der Ausstattung des genannten Anwesens dienen oder zum Zweck der Tilgung bestehender hauserrichtungsbedingter Verbindlichkeiten erbracht werden. Zuwendungen zur laufenden Unterhaltung und Verwaltung des Anwesens, die Beteiligung an den Kosten des Verbrauchs, der Grundsteuer, Versicherung etc. werden regelmäßig nicht davon erfasst, ebenso wenig i.d.R. die Beteiligung an Schuldzinsen, da diese einen Ausgleich für die durch das gemeinsame Bewohnen vermittelten Nutzungsvorteile darstellen.
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Ebenso wenig werden erfasst Zuwendungen für die Finanzierung anderer Gegenstände der gemeinsamen Lebensführung (Urlaub, Pkw etc.), auch wenn dadurch eine Entlastung des anderen Beteiligten und damit erhöhte Leistungsfähigkeit bei der Übernahme hausbezogener Lasten eintritt. Arbeitsleistungen werden mit einem zu vereinbarenden Stundensatz (i.d.R. 8 bis 10 Euro) in den Darlehensverbund einbezogen werden, soweit sie zu Ersparnis von Fremdleistungen im Rahmen der Errichtung oder des Ausbaus geführt haben (also nicht bloße Reinigungs- oder Haushaltsführungsarbeiten). Es ist ratsam, die Beteiligten zur Führung eines „Wirtschaftsbuchs“ mit periodischer gemeinsamer Abzeichnung als Obliegenheit zu verpflichten.
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Das Darlehen wird regelmäßig bis zur Rückzahlungsfälligkeit unverzinslich sein (die zinsfreie Gewährung bildet weiteren Ausgleich für das Bewohnen und die gemeinschaftliche Nutzung im Rahmen der Lebensgemeinschaft). Rückzahlungsfälligkeit wird eintreten bei der Veräußerung des finanzierten Anwesens an einen Dritten, bei der Zwangsvollstreckung von dritter Seite oder Insolvenzeröffnung bzw. Ablehnung der Eröffnung mangels Masse, beim Versterben des Darlehensnehmers, beim Versterben des Darlehensgebers (sofern das Darlehen dann nicht als erlassen gelten soll2) sowie im Fall einer Kündigung nach mindestens sechsmonatigem Getrenntleben analog § 1567 BGB. Zur Sicherung der Darlehensansprüche und der ab Rückzahlungsfälligkeit geschuldeten Zinsen wird typischerweise eine Grundschuld im Rang nach Fremdfinanzierungsgrundpfandrechten bestellt werden; teilweise wird auch der bedingt rückzahlungspflichtige Partner zum Abschluss einer Risikolebensversicherung angehalten sein.
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Klärungsbedürftig ist auch das Schicksal solcher Aufwendungen im Fall einer künftigen Eheschließung. Folgende Lösungen sind denkbar: – Das Darlehen soll in diesem Fall nur für Aufwendungen bis zur Heirat gelten, i.Ü. findet jedoch der Zugewinnausgleich statt; die Darlehensverpflichtung bzw. -berechtigung ist dann im Anfangsvermögen des Ehemannes bzw. der Ehefrau zu berücksichtigen. 1 Zur möglichen Darlehensvereinbarung unter Ehegatten s. Rz. 130 ff., dort auch zu den Nachteilen gegenüber der „gesetzlichen“ Zugewinnausgleichslösung. 2 So der Vorschlag von Schlögel, MittBayNot 2009, 109.
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– Denkbar ist natürlich der Fortbestand der Darlehensvereinbarung (dann regelmäßig gepaart mit einer Vereinbarung, dass i.Ü. das Hausanwesen beim Zugewinnausgleich nicht berücksichtigt werden soll, so dass allein das Darlehen zu einer teilweisen Rückvergütung führt). – Wird das Darlehen insgesamt aufgehoben, dürfte es sachgerecht sein, den Stichtag für die Bemessung des Anfangsvermögens rückzubeziehen auf den tatsächlichen Baubeginn, um die bereits in der Vergangenheit (bisher durch das Darlehen i.H.d. Aufwands abgegoltene) tatsächliche Wertsteigerung des Anwesens hälftig (also nicht notwendig i.H.d. Darlehenssumme!) zu erfassen.1 – Häufig werden jedoch solche tatsächlich gemeinschaftlich finanzierten Investitionen nach Heirat zur ehebedingten Zuwendung i.H.e. Halbanteils am Grundbesitz führen, im Rahmen dessen die bisherige Darlehensvereinbarung, möglicherweise auch die Rückbeziehung des Zugewinnausgleichsstichtags aufgehoben werden können. Eine solche Gesamtvereinbarung in Form einer Darlehensgewährung könnte beispielsweise wie folgt getroffen werden:
Formulierungsvorschlag: Darlehensvertrag zur Investitionsabsicherung unter Lebensgefährten I. Grundbuch- und Sachstand Das Grundbuch des Amtsgerichts München für . . . Blatt . . . wurde am . . . eingesehen. Dort ist im alleinigen Eigentum des Herrn . . . (nachstehend „Darlehensnehmer“) folgender Grundbesitz eingetragen: . . . Flst.Nr. . . Frau . . . – nachstehend „Darlehensgeber“ genannt – trägt durch Zuwendungen aus ihrem Vermögen und Einkommen zur Errichtung und zur Tragung des Schuldendienstes für den geplanten Hausausbau und dessen Ausstattung bei. Diese Beiträge erfolgen insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, durch Mitbeteiligung an der Finanzierung (Verzinsung und Tilgung), Verauslagung von Materialkosten und Handwerkerrechnungen bei der Errichtung des Anwesens sowie durch die Übernahme solcher Arbeiten, für die sonst Handwerkerleistungen zugekauft werden müssten. Ggf: Die Betreuung des gemeinsamen Kindes, mit welchem Frau . . . schwanger ist, wird bis zu dessen . . . Lebensjahr als gleichwertiger Beitrag zum Zins- und Tilgungsdienst des Herrn . . . bezüglich des gemeinsam aufgenommenen Darlehens bei der . . . Bank angesehen. Da der Darlehensgeber nicht Miteigentümer des Grundstücks ist und dies – jedenfalls bis zu einer eventuellen Heirat zwischen beiden Beteiligten – nach dem übereinstimmenden Willen beider Beteiligten auch nicht werden soll, erfährt da1 Vgl. Mayer, ZEV 1999, 387 mit Formulierungsvorschlag.
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durch das Vermögen des Darlehensnehmers eine Mehrung, die ihm jedoch nicht schenkweise zugewendet werden soll. Vielmehr ist der Darlehensnehmer bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen zur Rückgewähr der erlangten Vorteile verpflichtet. Zur Regelung dieser Rechtsverhältnisse treffen die genannten Beteiligten die folgende II. Darlehensvereinbarung 1. Der Darlehensgeber gewährt dem Darlehensnehmer in Form eines Darlehens Geldzuwendungen zur Durchführung des oben bezeichneten Vorhabens. Hierzu regeln die Beteiligten: a) Von dieser Darlehensvereinbarung umfasst und somit ausgleichspflichtig sind nur solche Zuwendungen, die unmittelbar der Errichtung bzw. Ausbau und Ausstattung des genannten Anwesens dienen oder zum Zweck der Verzinsung oder Tilgung bezüglich der hauserrichtungsbedingten Verbindlichkeiten erbracht werden. Zuwendungen, die lediglich der laufenden Unterhaltung und Verwaltung des Anwesens dienen (z.B. auch Beteiligung an den Kosten der Grundsteuer, der Brandversicherung etc.) werden hierbei nicht erfasst; sie bilden einen Ausgleich für die durch das gemeinsame Bewohnen vermittelten Nutzungsvorteile. Ebenso wenig werden erfasst Zuwendungen des Darlehensgebers für die Finanzierung anderer Gegenstände, etwa eines Pkw, auch wenn dadurch eine Entlastung des Darlehensnehmers und erhöhte Leistungsfähigkeit bei der Übernahme der hausbezogenen Lasten eintritt. Soweit die Beteiligten auch solche nicht unmittelbar hausbezogenen Zuwendungen als darlehensweise gewährt behandeln möchten, werden sie dies im nachstehend (b) genannten Wirtschaftsbuch vermerken. b) Die Beteiligten sind verpflichtet, Aufzeichnungen über Art, Zeitpunkt und Höhe der jeweiligen Einzelzuwendung, die durch diese Darlehensvereinbarung erfasst werden soll, vorzunehmen. Diese können etwa in Form eines „Wirtschaftsbuchs“ erfolgen. Den Eintragungen sind, sofern einschlägig, Belege beizufügen, die zumindest bis zur gemeinsamen Unterzeichnung und damit Genehmigung der Eintragungen aufzubewahren sind; eine solche abschnittsweise Genehmigung soll in regelmäßigen Abschnitten, mindestens jedoch auf Verlangen eines Partners, erfolgen. Bei der Eintragung in das Wirtschaftsbuch haben sich die Beteiligten auch darüber ins Benehmen zu setzen, wie etwaige Zuwendungen, die nicht unmittelbar in Geld stattfinden, zu bewerten sind. Die Beteiligten gehen derzeit davon aus, dass die Ableistung von Arbeitsstunden im Zusammenhang mit der Errichtung des Anwesens nur dann zu berücksichtigen ist, wenn sonst hierfür Handwerkerleistungen in Anspruch zu nehmen gewesen wären, und dass – sofern keine Festlegung erfolgt – für jede solche Arbeitsstunde 8 Euro zu veranschlagen ist. c) Ausdrücklich wird klargestellt, dass eine Verpflichtung des Darlehensgebers zur Leistung eines bestimmten Mindestaufwands in Geldzuwendungen oder geldwerten Zuwendungen ausdrücklich nicht vereinbart wird, auch nicht wäh566
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rend der Dauer der zwischen den Beteiligten derzeit bestehenden eheähnlichen Lebensgemeinschaft. 2. Bis zum Eintritt der Rückzahlungsfälligkeit des Darlehens ist dieses nicht zu verzinsen; die zinsfreie Gewährung bildet einen weiteren Ausgleich für die durch das gemeinschaftliche Bewohnen des Anwesens im Rahmen der Lebensgemeinschaft vermittelten Nutzungsvorteile. Ab Eintritt der Rückzahlungsfälligkeit ist der dann offene Betrag bis zur tatsächlichen Tilgung in Höhe von vier vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen. Die Zinsen sind quartalsweise im Nachhinein, spätestens jedoch mit der Hauptsache selbst, zur Zahlung fällig. Die Geltendmachung eines höheren Verzugsschadens bleibt vorbehalten. 3. Die Rückzahlungsfälligkeit des dann gesamt geschuldeten Betrags tritt ein, wenn einer der nachstehenden Umstände verwirklicht wird, sofern die Beteiligten nicht einvernehmlich etwas anderes im konkreten Anwendungsfall bestimmen: a) Bei Veräußerung des finanzierten Anwesens (d.h. nicht lediglich unbebauter Grundstücksteile) an einen Dritten, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine entgeltliche, teilentgeltliche oder unentgeltliche Veräußerung handelt; die Fälligkeit tritt binnen eines Monats nach dem Zeitpunkt der Veräußerung (Datum der notariellen Beurkundung) ein. b) Wenn die Zwangsvollstreckung von dritter Seite in den Pfandgegenstand oder der Grundschuld verhaftetes Zubehör betrieben wird, es sei denn, sämtliche Maßnahmen werden binnen drei Monaten aufgehoben, oder wenn über das Vermögen des Schuldner das Insolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird, oder wenn der Schuldner die Richtigkeit seines Vermögensverzeichnisses an Eides statt versichert – in jedem dieser Fälle tritt die Fälligkeit mit Eintritt des jeweiligen Umstandes ein. c) Bei Versterben des Darlehensnehmers oder bei Versterben des Darlehensgebers; die Fälligkeit tritt in jedem dieser Fälle binnen drei Monaten nach dem Ableben ein und wirkt zugunsten bzw zulasten der Erben [alternativ: bei Versterben des Darlehensnehmers; die Fälligkeit tritt drei Monate nach dem Ableben ein. Bei Versterben des Darlehensgebers gilt Ziffer 5.]. d) Sofern die für das Darlehen nachstehend bestellte Grundschuld nicht die bedungene Rangstelle erhält, ihre Rechtswirksamkeit bestritten wird oder der vereinbarte Grundschuldrang nicht bis zur vollständigen Erfüllung aller Darlehensverpflichtungen bzw. dem Erwerb des Halbanteils erhalten bleibt; die Bestellung tritt binnen zwei Monaten nach Zurückweisung des Antrags auf Eintragung der Grundschuld am bedungenen Rang ein. e) Im Fall einer Kündigung des Darlehens im Ganzen oder in Teilen (in Höhe des gekündigten Betrags); die Fälligkeit tritt dann binnen drei Monaten nach Eingang der Kündigung (Übergabe-Einschreiben mit Rückschein oder öffentliche Zustellung) ein. Eine solche Kündigung kann jedoch durch den Darlehensgeber nur dann ausgesprochen werden, wenn die Beteiligten seit mindestens sechs Monaten getrennt leben, d.h. die zwischen den Beteiligten derzeit bestehende eheKrauß
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Nichteheliche Partner
ähnliche Lebensgemeinschaft in analoger Anwendung der eherechtlichen Getrenntlebensbestimmungen (§ 1567 BGB) seit mindestens sechs Monaten nicht mehr besteht. Ein sonstiges, freies Kündigungsrecht wird ausdrücklich nicht vereinbart. Ausdrücklich wird klargestellt, dass eine frühere Tilgung – auch unabhängig von einem die Rückzahlungsfälligkeit bedingendem Umstand – dem Darlehensnehmer jederzeit möglich ist. 4. Sollten wir heiraten, bleiben die Vereinbarungen dieses Darlehens unberührt für alle Aufwendungen, die bis zur Heirat getätigt wurden; erfasst jedoch keine künftigen Aufwendungen mehr. Die Rückzahlungsfälligkeit für den erreichten Schuldsaldo kann unter den oben genannten Voraussetzungen (wobei § 1567 BGB unmittelbar, nicht nur entsprechend gilt) eintreten. Für nach Heirat getätigte Aufwendungen sollen die gesetzlichen Regelungen zum Zugewinnausgleich gelten bzw. deren ehevertragliche Abänderung. Darlehensschuld bzw. -anspruch sind bei Durchführung eines Zugewinnausgleichs im Anfangsvermögen zu berücksichtigen. Wir wurden auf alternative Regelungsmöglichkeiten hingewiesen (z.B. die ehevertragliche Rückbeziehung des Anfangsvermögensstichtags auf den Beginn der Baumaßnahmen), wünschen diese jedoch derzeit nicht. Sollte nach Eheschließung der zuwendende Partner Miteigentum am Objekt übertragen erhalten, werden wir im Rahmen der Zuwendungsurkunde festlegen, ob dadurch die bereits entstandenen Pflichten aus dem Darlehensverhältnis aufgehoben sind. Treffen wir keine andere Regelung, ist dies bei mindestens hälftiger Beteiligung am Objekt der Fall. 5. Die Ansprüche aus dieser Darlehensvereinbarung sind auf Gläubigerseite nicht abtretbar oder verpfändbar. [Ggf: Stirbt der Darlehensgeber, bevor die Fälligkeit des Darlehens gem. Nr. 3 eingetreten ist, ist der nicht getilgte Darlehensbetrag erlassen; es handelt sich um eine auf den Todesfall aufgeschobene Schenkung]. Eine Anpassung oder Änderung dieser Vereinbarungen in einvernehmlicher Form behalten sich die Beteiligten ausdrücklich vor, vereinbaren jedoch hierfür das Erfordernis schriftlicher Niederlegung und Unterzeichnung durch beide Beteiligten. Erfüllungsort ist der Wohnsitz der Gläubigerin. Sämtliche Zahlungen sind auf ein noch bekanntzugebendes Konto der Gläubigerin zu bewirken. Die Überweisungen erfolgen auf Kosten und Gefahr des Schuldners. 6. Zur Sicherung der Ansprüche aus dieser Darlehensvereinbarung vereinbaren die Beteiligten nachstehend die Bestellung eines Grundpfandrechts am finanzierten Anwesen im Rang nach den zur Fremdfinanzierung erforderlichen Eintragungen.
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III. Grundschuldbestellung und weitere Absicherung (sofern gewünscht) Zur Sicherung des Anspruchs der Gläubigerin bestellt Herr . . . daher zugunsten Frau . . . eine Grundschuld ohne Brief in Höhe von . . . Euro (in Worten Euro . . .) nebst 18 v.H. Jahreszinsen ab heute, die nachträglich jeweils am 31.12. eines Jahres fällig sind, und einer einmaligen, sofort fälligen Nebenleistung in Höhe von fünf v.H. und bewilligt und beantragt deren Eintragung am Vertragsobjekt im Grundbuch an zunächst nächstoffener Rangstelle mit der Maßgabe, dass – der jeweilige Eigentümer der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde unterworfen ist (§ 800 ZPO), – die Abtretung der Grundschuld der Zustimmung des jeweiligen Eigentümers bedarf, was hiermit vereinbart ist. Die Grundschuld wird hiermit gekündigt; der Zugang der Kündigung wird bestätigt. Der Gläubiger wird an einer Abtretung der Grundschuld an etwaige Finanzierungsgläubiger mitwirken, sofern sichergestellt ist, dass die dadurch zu sichernden Darlehen der Tilgung der Darlehensrestschuld dienen. Aus diesem Grunde wurden Zinsen und Nebenleistungen der Grundschuld denen eines Grundpfandrechts bei Fremdfinanzierung vergleichbar gestaltet. Rangvorbehalt Der Eigentümer behält sich die einmal ausübbare Befugnis vor, im Rang vor dem hier bestellten Grundpfandrecht für beliebige Gläubiger Grundpfandrechte bis zum Gesamtbetrag von . . . Euro nebst Zinsen bis zu 20 % jährlich und einmaligen Nebenleistungen bis zu 10 % des Hauptsachebetrages jeweils ab dem Tag der Bestellung eintragen zu lassen. Die Eintragung des Rangvorbehaltes bei vorbestelltem Grundpfandrecht wird bewilligt und beantragt. Eine Verpflichtung des Schuldners zum Abschluss einer Risikolebensversicherung mit Einsetzung des Gläubigers als Bezugsberechtigten besteht ausdrücklich nicht. Auf Vollstreckungsunterwerfung in das sonstige Vermögen des Schuldners wegen eines abstrakt anzuerkennenden Betrages wird derzeit trotz notariellen Hinweises verzichtet.
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IV. Abschriften und Ausfertigungen Die Kosten dieser Urkunde und ihres Vollzuges trägt der Schuldner. Von dieser Urkunde erhalten die Beteiligten und das Grundbuchamt je eine Ausfertigung [im Falle des Erlasses der Restschuld nach dem Tod des Darlehensgebers: ferner das Finanzamt – Schenkungsteuerstelle – eine beglaubigte Abschrift].
d) Wohnungsleihe 134
Die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung, auch aufschiebend befristet auf den eigenen Todesfall, an den Lebensgefährten stellt nach überwiegender Auffassung (vgl. auch Rz. 146) zivilrechtlich keine Schenkung dar, so dass insbes. keine Pflichtteilsergänzungsansprüche (§ 2325 BGB) der Verwandten des verstorbenen Lebensgefährten ausgelöst werden und – sofern letzterer hinsichtlich der Erbfolge gebunden war – auch keine „Verfolgungsrechte“ zugunsten des Vertragserben i.S.d. § 2287 BGB bestehen.1 Die Existenz der nichtehelichen Lebensgemeinschaft an sich genügt nicht als Nachweis des ausreichenden „lebzeitigen Eigeninteresses“ zur Abwehr der §§ 2287 f. BGB.2
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Die Vereinbarung einer Leihe bedarf keiner Form, auch wenn das Kündigungsrecht auf Lebenszeit des Partners ausgeschlossen sein sollte; sie kann auch auf Lebenszeit des Begünstigten befristet sein.3 Werden keine vom Gesetz abweichenden Regelungen getroffen, kann der Verleiher jedoch das Dauerschuldverhältnis jederzeit kündigen; bei einer Veräußerung der verliehenen Sache gilt § 566 BGB nicht analog.4 Erbschaftsteuerlich ist allerdings darauf hinzuweisen, dass jedenfalls die Leihe auf den Tod als Erwerb von Todes wegen steuerbar ist. e) Miteigentümervereinbarungen
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Auch bei originärem Miteigentum beider Lebensgefährten können Regelungen erforderlich sein. Denkbar sind Erwerbsrechte eines Partners (regelmäßig zum anteiligen Verkehrswert, den im Dissensfall ein Sachverständiger als Schiedsgutachter zu ermitteln hat), vor allem aber Ausführungen zur Frage, ob Abweichungen von der quotenentsprechenden Tragung der Finanzierungslasten bei Veräußerung gänzlich unbeachtlich bleiben sollen (analog der Situation beim gesetzlichen Güterstand), nur für bestimmte Zeiträume (Erziehung 1 Vgl. BGH v. 11.7.2007 – IV ZR 218/06, ZEV 2008, 192, m.w.N.; teilweise kritisiert durch die Lit., vgl. J. Mayer, ZEV 2008, 192; Frieser, ErbR 2008, 34, 37 ff., wonach ein langfristiger Leihvertrag einer Substanzverlagerung gleichkomme. 2 OLG Köln v. 30.9.1991 – 2 W 140/91, NJW-RR 1992, 200. 3 BGH v. 11.12.1981 – V ZR 247/80, NJW 1982, 820. 4 BGH v. 17.3.1994 – III ZR 10/93, BGHZ, 125, 293, 301; OLG Köln v. 23.4.1999 – 19 U 13/96, NJW-RR 2000, 152.
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Rz. 138 B IX
eines gemeinsamen Kindes) außer Betracht bleiben sollen, oder aber zu einer entsprechenden disquotalen Beteiligung am Veräußerungsnettoerlös führen1. Denkbar ist auch, im Rahmen einer Nutzungsvereinbarung nach §§ 745, 1010 Abs. 1 BGB die Weiterbenutzung der gemeinsamen Wohnung nach dem Tod des Partners zu regeln. Hierzu2
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Formulierungsbeispiel Nutzungsabrede zur Sicherung des Lebensgefährten: Herr X und Frau Y vereinbaren als Miteigentümer der gemeinsam genutzten Immobilie . . . (Grundbuch von . . . Blatt . . .), dass ab dem Tod des Erstversterbenden der verbleibende Miteigentümer das Recht hat, den Grundbesitz zu eigenen Wohnzwecken auf Lebenszeit zu nutzen. Die Nutzungsvereinbarung ist auflösend bedingt für den Fall, dass die Miteigentümer zum Zeitpunkt des Ablebens des Erstversterbenden den Grundbesitz nicht mehr in nichtehelicher Lebensgemeinschaft (§ 20 SGB XII) gemeinsam bewohnen. Die Nutzung ist nur zu gewähren, wenn der Berechtigte die für das Objekt anfallenden laufenden Unkosten (Grundsteuer, Umlage an die Hausverwaltung, Versicherungskosten), die Schönheitsreparaturen sowie die Verbrauchskosten trägt. Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Leihe, §§ 598 ff. BGB, entsprechend, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Kündbarkeit. Die Beteiligten beantragen und bewilligen die Eintragung der aufschiebend befristeten und auflösend bedingten Nutzungsvereinbarung in das Grundbuch bei beiden Miteigentumsanteilen an nächstoffener Rangstelle.
f) Erwerbsrechte In Betracht kommen weiterhin bereits im Zeitpunkt der gemeinsamen Investitionen ein- oder gegenseitige Erwerbsrechte, gerichtet auf den Miteigentumsbzw. Gesamthandsanteil des anderen Partners, für den Fall des Scheiterns der Lebensgemeinschaft zu vereinbaren. Solche „Ankaufsrechte“ dürften – vergleichbar Rückforderungsrechten bei Ehegattenzuwendungen für den Fall des Scheiterns der Ehe, gestützt auf den Rechtsgedanken des § 852 Abs. 2 ZPO (Zugewinnausgleich)3 – nicht pfändbar sein. Regelungsbedüftig ist: Zum einen, wer bei gegenseitigen Ankaufsrechten zunächst zur Ausübung befugt ist. Denkbar ist beispielsweise, insoweit auf die Höhe der bisher erbrachten Tilgungsleistungen abzustellen (wobei zur Vermeidung von Miss1 Formulierungsvorschläge bei Mayer, ZEV 2003, 454 ff. 2 Angelehnt an Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 4. Aufl. 2006, § 15 Rz. 101. 3 Vgl. BGH v. 20.2.2003 – IX ZR 102/02, DNotZ 2004, 298; ebenso Schlögel, MittBayNot 2009, 102. Das LG Koblenz v. 27.6.2001 – 2 T 740/00, RNotZ 2001, 391, bejaht allerdings die Pfändbarkeit der Annahmebefugnis aus einem Angebot des Vaters an den Sohn nach Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils.
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bräuchen Sondertilgungen nach Eintritt der Trennung oder auch in einem knappen Rückwirkungszeitraum zuvor nicht mehr berücksichtigt werden sollten),1 oder aber demjenigen Partner, der gemeinsame Kinder bis zu einem bestimmten Lebensalter betreut, das Vorrecht zu gewähren2 oder aber das Los entscheiden zu lassen3. Zum anderen der Übernahmepreis (anteiliger Verkehrswert, der gegebenenfalls durch einen Sachverständigen als Schiedsgutachter festzusetzen ist, oder aber anteiliger Verkehrswert abzüglich eines „Lebensgefährtenabschlags“ von bspw. 15 Prozent oder aber die tatsächliche Höhe des eingebrachten Eigenkapitals zuzüglich einer geringen Verzinsung, wobei jedoch insoweit – vergleichbar der Darlehenslösung, Rz. 139 ff. – Beiträge zu laufenden Aufwendungen und wohl auch die Tragung der Zinslasten als Äquivalent zur ersparten Miete nicht berücksichtigt werden können). Zu bestimmen ist weiter die Ausübungsfrist; nach deren fruchtlosem Ablauf wird dasselbe Erwerbsrecht dem anderen Partner zustehen. Macht keiner der Partner hiervon Gebrauch, wird teilweise vereinbart, dass sodann jeder der Beteiligten die Mitwirkung beim Verkauf an Dritte, sofern mindestens 90 Prozent des von einem Sachverständigen ermittelten Verkehrswerts erzielt werden, verlangen kann. Besteht die Befürchtung, dass die Erfüllung der wechselseitigen Erwerbsrechte bei Miteigentumsanteilen durch (auch fraudulente) Belastung oder rasche Veräußerung vereitelt werden kann, sollten die bedingten Ansprüche durch wechselseitige Vormerkungen gesichert werden.
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Formulierungsvorschlag Wechselseitige Erwerbsrechte unter Lebensgefährten bei Scheitern der Beziehung: Herr . . . und Frau . . . (nachstehend jeweils „Partner“ genannt) erwerben die Eigentumswohnung . . . grundbuchlich zu je hälftigem Miteigentum. Im Fall einer Trennung – diese gilt als erfolgt, wenn ein Partner sie dem anderen per Einschreiben mitgeteilt hat – bestehen wechselseitige Erwerbsrechte hinsichtlich des Miteigentumsanteils des anderen Partners nach folgender Maßgabe: a) Zunächst ist binnen eines Monats nach Zugang des die Trennung herbeiführenden Einschreibens derjenige Partner zum Erwerb berechtigt, der bis zum Zeitpunkt der Trennung einen höheren Anteil an den Tilgungsaufwendungen des gemeinsam eingegangenen Darlehens sowie der unmittelbar von ihm getragenen Anschaffungs- und Herstellungkosten erbracht hat. Wird das Erwerbsrecht in diesem Zeitraum nicht ausgeübt, steht es dem anderen Partner inhaltsgleich binnen eines weiteren Monats zu. b) Dem zur Übertragung verpflichteten Partner ist die Summe der von ihm erbrachten Tilgungsleistungen sowie der von ihm in Geld erbrachten Anschaf1 Vgl. Schlögel, MittBayNot 2009, 108. 2 So etwa Münch, Ehebezogene Rechtsgeschäfte, Rz. 1536, im Rahmen einer Ehegattengesellschaft. 3 So Langenfeld, Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen, Rz. 1218.
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Rz. 141 B IX
fungs- und Herstellungsaufwendungen zu erstatten, zuzüglich eines Aufschlags von fünf Prozent als pauschalem Zinsausgleich, fällig binnen sechs Wochen nach Beurkundung des notariellen Übertragungsvertrags, in dem das Ankaufsverlangen erfüllt werden soll. Darüber hinaus ist der zur Übertragung verpflichtete Partner von gemeinsam eingegangenen objektbezogenen Verbindlichkeiten auch im Außenverhältnis freizustellen (befreiende Schuldübernahme oder Ablösung durch ein neues Darlehen des Übernehmenden bzw. Sondertilgung des gesamten Darlehens). Die Umschreibung des zu übertragenden Miteigentumsanteils darf erst nach Erstattung des Eigenkapitalbeitrags und Befreiung von den objektbezogenen Verbindlichkeiten erfolgen. c) Zur Sicherung der wechselseitigen Erwerbsrechte wird die Eintragung je einer Vormerkung am Miteigentumsanteil zugunsten des anderen Partners bewilligt und beantragt. d) Macht keiner der Partner von seinem Erwerbsrecht Gebrauch, sind beide Partner auf Verlangen auch nur eines Partners verpflichtet, das gemeinsam gehaltene Objekt nach der Trennung an Dritte zu veräußern. Dem Verlangen muss nur Folge geleistet werden, wenn dabei mindestens 90 Prozent des Verkehrswerts des Objekts erzielt werden. Der Verkehrswert wird im Dissensfall durch den Gutachterausschuss – für beide Teile verbindlich als Schiedsgutachter – bestimmt. Aus dem Erlös des Drittverkaufs sind zunächst gemeinsame objektbezogene Verbindlichkeiten zu tilgen; der Restbetrag steht beiden Partnern im Verhältnis ihrer Eigenkapitalbeiträge zu.
g) Innengesellschaft Auch die ausdrückliche Begründung einer Innengesellschaft1 (zu deren richterlicher Schöpfung Rz. 118 f.) kommt in Betracht, ggf. mit reduziertem Abfindungsanspruch bei Kündigung, und gänzlichem Ausschluss von Ausgleichsansprüchen im Todesfall). Da kein Gesamthandsvermögen gebildet wird, ist der Vorgang grunderwerbsteuerlich irrelevant; andererseits unterliegt der Eigentümer uneingeschränkt dem Gläubigerzugriff Dritter. Zur partiellen2 Investitionssicherung können schließlich wechselseitige Zuwendungen auf den Todesfall vereinbart sein.
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h) Außengesellschaft bürgerlichen Rechts Besonders günstig erscheint die GbR-Lösung als Erwerbsform bei ungewissen künftigen Finanzierungsbeiträgen (z.B. zweier Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft), da sie „bewegliche Beteiligungsquoten“ ermöglicht. Würde die starre Bruchteilsgemeinschaft gewählt, könnten überobligationsmäßige Finanzierungsbeiträge eines Beteiligten nämlich Schenkungsteuer 1 Zu den Anforderungen an eine Innengesellschaft BGH v. 12.11.2007 – II ZR 183/06, MittBayNot 2008, 233. 2 Nämlich auf den Todesfall begrenzten, also nicht z.B. den Fall der Trennung berücksichtigenden.
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B IX Rz. 141
Nichteheliche Partner
gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auslösen, sobald sie über den geringen Freibetrag hinausgehen, vgl. Rz. 123f.1 Formulierungsvorschlag einer solchen „Kurzregelung“ einer GbR auf Erwerberseite mit der Vereinbarung „beweglicher Beteiligungsquoten„:
Formulierungsvorschlag Die Erwerber erklären, dass die jeweilige Beteiligung am Vermögen der erwerbenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie am Liquidationserlös und etwaigen laufenden Gewinnen, ebenso die für die Abfindung eines Gesellschafters beim Ausscheiden maßgebliche Höhe der Beteiligung, dem Anteil des Gesellschafters an den jeweils zum Ende eines Kalenderjahres insgesamt ab heute geleisteten Finanzierungs- und Investitionsbeiträgen zueinander entspricht. Als zu berücksichtigende Beiträge gelten dabei Eigenkapitalleistungen auf die vereinbarten Gegenleistungen und künftige Aufwendungen zur Instandhaltung des Objekts sowie Bestandserweiterungen (nicht jedoch bloße Unterhaltungsmaßnahmen) sowie Tilgungsleistungen auf objektbezogene Darlehen (nicht jedoch Zinszahlungen, ebenso wenig laufende Kosten wie Grundsteuer, Versicherung, Verbrauchskosten, Reparaturen etc.). Arbeitsleistungen werden zusätzlich berücksichtigt, wenn hierdurch Fremdhandwerkerleistungen erspart wurden, allerdings nur in Höhe eines Stundenwerts von 15 Euro. Dienstleistungen zugunsten des Veräußerers, die im Rahmen des Erwerbsvertrags eingegangen wurden (z.B. hauswirtschaftliche Verrichtungen oder Pflegeleistungen) werden mit 5 Euro Stundenwert angesetzt. Leistungen von Eltern oder Geschwistern eines Gesellschafters sind dem betreffenden Gesellschafter zuzurechnen. Die Beteiligten verpflichten sich, über die wechselseitigen Beiträge, auch der zuzurechnenden Angehörigen, Buch zu führen und den Jahresendstand jeweils als Prozentverhältnis auszudrücken sowie diesen zu unterzeichnen; dies gilt schuldrechtlich und dinglich als Übertragung der entsprechenden Anteile mit Wirkung auf das betreffende Jahresende. Sie geben die entsprechenden Übertragungserklärungen bereits heute dem Grunde nach ab und nehmen sie entgegen. Nutzungsentschädigungen wegen unterschiedlicher Beteiligungshöhe können erst ab einer Kündigung in Höhe der anteiligen ortsüblichen Kaltmiete verlangt werden, ebenso sind dann die hälftigen (bei Alleinnutzung ausschließlichen) Verbrauchs- und Nebenkosten zu tragen. Die Gesellschaft kann vor dem . . . (Datum, z.B. 15 Jahre ab heute) nur aus wichtigem Grund gekündigt werden; als solcher gilt – die Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft über länger als sechs Monate durch schriftliche Mitteilung an den anderen Gesellschafter oder behördliche Ummeldung;
1 Vgl. von Proff zu Irnich, RNotZ 2008, 325; zur „Finanzierungs-GbR“ auch Milzer, NJW 2008, 1621.
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Nichteheliche Partner
Rz. 141 B IX
– ebenso die Pfändung des Gesellschaftsanteils des anderen Gesellschafters oder die Insolvenzeröffnung bzw. dessen Ablehnung mangels Masse. – [sofern nicht für diesen Fall nachstehend die Anwachsungsregelung vereinbart ist]: sowie das Ableben des anderen Gesellschafters. Mit Wirksamwerden einer Kündigung hat der Kündigende binnen drei Monaten, im Fall der Kündigung wegen Beendigung der Lebensgemeinschaft zunächst binnen sechs Wochen der Gesellschafter mit der aktuell höheren Beteiligung, sodann binnen sechs weiterer Wochen der andere Gesellschafter, das Recht, vom Mitgesellschafter [sofern nachstehend keine Anwachsungsklausel im Todesfall: bzw. dessen Erben] anstelle einer Abfindung die Übernahme der im Gesellschaftsvermögen befindlichen Immobilie zu verlangen. Übernahmepreis ist die (auch im Außenverhältnis schuldbefreiende) Übernahme der für Erwerb, Umbau und Erhaltung des Objektes eingegangenen Verbindlichkeiten, gleich ob solche der Gesellschaft oder des ausscheidenden Gesellschafters, und der gegenüber dem Veräußerer ggf. noch zu erbringenden Pflichten (gleich ob auf Zahlen, Tun, oder Dulden gerichtet) mindestens jedoch – sofern der anteilige, hierauf anzurechnende Schuldübernahme- und Pflichtenerbringungsbetrag geringer ist – achtzig vom Hundert des anteiligen Verkehrswertes der im Gesellschaftsvermögen befindlichen Immobilie im Zeitpunkt des Übernahmeverlangens. Kommt über den Verkehrswert binnen eines Monats ab Übernahmeverlangen keine Einigung zwischen den Beteiligten zustande, bestimmt ihn der örtlich zuständige Gutachterausschuss gem. § 315 BGB; hinsichtlich der Gutachtenskosten gilt § 92 ZPO. Wird ein Übernahmeverlangen nicht fristgerecht gestellt oder wird bereits zuvor darauf verzichtet, ist das Gesellschaftsvermögen zu räumen und bestmöglich zu verkaufen; nach Ablauf von sechs Monaten [alternativ: eines Jahres etc] kann jeder Beteiligte den Verkauf zum dann bestehenden Meistgebot ohne weiteres Zuwarten verlangen. Nach Begleichung der Veräußerungsnebenkosten und Tilgung aller für Erwerb, Umbau, und Erhaltung eingegangenen Verbindlichkeiten ist der verbleibende Erlös im Verhältnis der dann bestehenden Beteiligungsquoten auszukehren. Verfügungen über Gesellschaftsanteile bedürfen der Zustimmung beider; die Geschäftsführung und Vertretung wird ebenfalls durch beide gemeinschaftlich wahrgenommen. Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit seinen Erben fortgesetzt. (Alternativ: Beim Tod eines Gesellschafters wächst dessen Beteiligung, sofern nicht zuvor gekündigt, mit allen Aktiva und Passiva dem anderen Gesellschafter, der somit Alleineigentümer wird, an; die Beteiligung ist also nicht vererblich. Eine Abfindung erhalten die Erben bzw. Vermächtnisnehmer des Verstorbenen nicht; sie können jedoch vom verbleibenden Gesellschafter uneingeschränkte Freistellung aus der (Mit-)schuld oder (Mit-)haftung von Verbindlichkeiten verlangen, die zur Finanzierung des Erwerbs, Umbaus, und der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens eingegangen wurden, gleich ob es sich um eine Gesellschafts- oder eine Gesellschafterschuld handelt, sowie Freistellung hinsichtlich aller etwa weiterhin noch an den Veräußerer zu erbringenden Leistungen verlangen, gleich ob auf Krauß
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B IX Rz. 142
Nichteheliche Partner
Zahlung, Tun, oder Dulden gerichtet. Der wechselseitige Abfindungsausschluss beruht auf dem beiderseits etwa gleich hohen Risiko des Vorversterbens und ist im Interesse des jeweils Überlebenden vereinbart, stellt also nach Einschätzung der Beteiligten keine Schenkung dar.)
4. Ansprüche Dritter aufgrund lebensgemeinschaftsbedingter Zuwendungen 142
Zuwendungen unter nichtehelichen Lebensgefährten unterliegen nicht nur im internen Verhältnis zwischen den Partnern für den Fall der Beendigung der Lebensgemeinschaft der Rückforderung aufgrund gesetzlicher bzw. richterlicher Bestimmung (oben 1) bzw. vertraglicher Vereinbarung (oben 3), sondern auch im Verhältnis zu Dritten. So wird der Lebensgefährte regelmäßig die Voraussetzungen einer nahestehenden Person i.S.d. § 138 Abs. 1 Nr. 3 InsO erfüllen („wer im letzten Jahr vor der Handlung in häuslicher Gemeinschaft mit dem Schuldner gelebt hat“), so dass entgeltliche Verträge unter Lebensgefährten binnen zwei Jahren, unentgeltliche binnen vier Jahren vor der Pfändung/der Insolvenz der erleichterten Gläubiger- bzw. Insolvenzanfechtung unterliegen (vgl. im Einzelnen § 133 InsO, § 3 AnfG).
143
Im Zusammenhang dieser Darstellung relevant sind insbesondere die Zugriffsmöglichkeiten Dritter, die sich bei einer Beendigung der Lebensgemeinschaft durch Tod aufgrund früherer Zuwendungen ergeben, seien sie gestützt auf das Kondiktionsrecht (mögliche Unwirksamkeit der Zuwendung wegen Verstoßes gegen die guten Sitten, § 138 BGB, Rz. 144), das Pflichtteilsergänzungsrecht (Rz. 145 ff.) oder die Bestimmungen zum Schutz des Vertragserben (nachstehend Rz. 148): a) §§ 812, 138 BGB?
144
Ebenso wie letztwillige Verfügungen („Mätressen-Testament“, vgl. Rz. 37 ff.) verstoßen lebzeitige Zuwendungen in einer eheähnlichen bzw. lebenspartnerschaftsähnlichen Lebensgemeinschaft, die auf Dauer angelegt und von inneren Bindungen getragen ist, nicht gegen die guten Sitten, und zwar selbst dann nicht, wenn mindestens einer der Partner noch verheiratet ist.1 Nachteilige Auswirkungen für Dritte (Unterhaltsgefährdung etc.) können allenfalls in Ausnahmefällen, bei Hinzutreten besonders rücksichtslosen oder illoyalen Verhaltens, die Unwirksamkeit gemäß § 138 BGB rechtfertigen, etwa wenn ein Ehemann während eines Scheidungsverfahrens seinen Miteigentumsanteil am gemeinsamen Hausgrundstück an seine Lebensgefährtin veräußert, um auf diesem Umweg die Teilungsversteigerung zu erleichtern.2 Im Übrigen aber sind die (insbesondere erbrechtlichen) Instrumente eines Ausgleichs zugunsten Dritter (§§ 2325 ff., 2287 f. BGB, Rz. 145 und 148 ff.) vorrangig.
1 Vgl. BGH v. 28.9.1990 – V ZR 109/89, NJW 1991, 830 (831). 2 OLG Schleswig v. 29.9.1994 – 14 U 138/94, FamRZ 1995, 735.
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Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 146 B IX
b) §§ 2325 ff. BGB Ist der vom Erblasser beschenkte überlebende Lebensgefährte zugleich dessen Erbe, wird er häufig Pflichtteilsergänzungsansprüchen des „übergangenen“ Ehegatten bzw. der „übergangenen“ Kinder des Zuwendenden ausgesetzt sein (§ 2325 Abs. 1 BGB), gegen die er sich zudem nicht mit Blick auf die Verletzung seines eigenen (nicht vorhandenen) Pflichtteilsrechts wehren kann (§ 2318 BGB). Wird er nicht Erbe, ist er möglicherweise dem Bereicherungsanspruch des § 2329 Abs. 1 BGB ausgesetzt. Auch wenn die „lebenspartnerschaftsbedingte Zuwendung“ ebenso wie die ehebedingte Zuwendung keine Schenkung im strengen Sinn darstellen mögen, zumal es am subjektiven Tatbestandsmerkmal fehlt, ist sie im Verhältnis zu Dritten ebenso wenig privilegiert wie jene. Sie ist demnach für Zwecke des Pflichtteilsrechts wie eine Schenkung zu behandeln.1 Auch sie ist regelmäßig objektiv unentgeltlich, da keine Leistungen in Erfüllung einer Rechtspflicht entgolten, sondern allenfalls im Sinn einer belohnenden Schenkung anerkannt werden. Gesetzliche Unterhaltspflichten sind allenfalls im Fall der Geburt eines gemeinsamen Kindes gem. § 1615l BGB denkbar. Auch § 2330 BGB (Pflichtschenkung) hilft, da richterlich zum Schutz des Pflichtteilsrechts weitgehend zurückgedrängt, selten.
145
Eine Schenkung im Rahmen der §§ 2325 ff. BGB und des § 2287 BGB2 liegt jedoch wohl nicht vor bei einer – objektiv unentgeltlichen – Leihe (Rz. 143), auch einer auf den Tod aufschiebend bedingten Leihe. Sie bedarf nach der derzeitigen Rechtsprechung des IV. und V. Senats des BGH selbst dann keiner Form, wenn das Kündigungsrecht auf Lebenszeit des Verleihers ausgeschlossen wird, der begünstigte Partner als Entleiher also auf den Tod des Leihers „fest“ eingesetzt ist: Es sollen weder § 2301 BGB noch § 518 BGB gelten.3 Der für die nichteheliche Lebensgemeinschaft zuständige XII. Senat des BGH hat diese Frage nunmehr ausdrücklich offen gelassen und tendiert demnach wohl dazu, dass die notarielle Beurkundung nach §§ 518, 2301 BGB Wirksamkeitserfordernis sei.4 Die zivilrechtliche Schwäche der Leihe, insbesondere der Leihe auf den Todesfall, liegt jedoch darin, dass der Verleiher jederzeit kündigen kann und im Fall der Veräußerung der verliehenen Sache der Erwerber nicht analog § 566 BGB in die Pflichten des Entleihers eintritt.5 Die Zuwendung eines Wohnungsrechts bzw. Nießbrauchsrechts auf den Todesfall – wodurch sich diese zivilrechtlichen Schwächen sich vermeiden lassen – stellt hingegen
146
1 Grundsatzentscheidung des BGH v. 27.11.1991 – IV ZR 169/90, BGHZ 116, 167 (170); zur ausdrücklichen Anerkennung der unbenannten Zuwendung unter Lebensgefährten vgl. BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 39/06, NJW 2008, 3282, und BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, DNotZ 2009, 52 m. Anm. Löhnig. 2 So ausdrücklich BGH v. 11.7.2007 – IV ZR 218/06, ZEV 2008, 192, m.w.N. 3 Grundlegend BGH v. 11.12.1981 – V ZR 247/80, BGHZ 82, 354, jüngst bestätigt durch BGH v. 11.7.2007 – IV ZR 218/06, ZEV 2008, 192, m. Anm. J. Mayer; DNotIGutachten v. 19.12.1997, Nr. 1227, jedoch offen gelassen in BGH v. 30.4.2008 – XII ZR 110/06, FamRZ 2008, 1404 m. Anm. Grziwotz. 4 BGH v. 30.4.2008 – XII ZR 110/06, Juris, Tz. 20. 5 BGH v. 17.3.1994 – III ZR 10/93, BGHZ 125, 293 (301); OLG Köln v. 23.4.1999 – 19 U 13/96, NJW-RR 2000, 152.
Krauß
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B IX Rz. 147
Nichteheliche Partner
eine Schenkung dar.1 Erbschaftsteuerlich ist auch die Leihe auf den Todesfall als Erwerb von Todes wegen steuerbar, § 3 Abs. 1 ErbStG.2 147
Immerhin sind nichteheliche Lebensgefährten gegenüber Ehegatten insoweit „privilegiert“, als der Anlaufhemmungstatbestand des § 2325 Abs. 3, 2. Halbs. BGB (Beginn der Frist nicht vor Auslösung der Ehe), der für § 2329 BGB analog gilt, nicht auf Zuwendungen in nichtehelicher Lebensgemeinschaft Anwendung findet, und zwar selbst dann nicht, wenn die Lebensgefährten nach der Zuwendung heiraten.3
5. §§ 2287 f. BGB 148
Der Vertrags-/Schlusserbe (§ 2287 BGB) bzw. der bindend eingesetzte Vermächtnisnehmer (§ 2288 BGB) ist gegenüber Zuwendungen unter nichtehelichen Lebensgefährten in gleicher Weise geschützt; auch insoweit (wie bei § 2325 BGB) gilt die lebensgemeinschaftsbedingte Zuwendung, auch wenn sie nicht subjektiv unentgeltlich ist, als auslösende „Schenkung“. Die Anforderungen an die „Beeinträchtigungsabsicht“ sind dabei eher gering; das erforderliche lebzeitige Eigeninteresse ist beispielsweise nicht allein durch das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu bejahen.4 Allenfalls eine Zuwendung, die als Gegenleistung für tatsächlich erbrachte Versorgung und Pflege durch den Lebensgefährten aufgrund nachträglich entstandener Pflegebedürftigkeit gewährt wird, kann gegenüber dem „Verfolgungsrecht“ des Vertragserben/-vermächtnisnehmers geschützt sein5; Gleiches gilt, wenn der Lebensgefährte die Kinder aus der Ehe des Zuwendenden mitbetreut hat. Altruistische Motive, wie etwa der Wunsch nach Versorgung und Besserstellung des Lebensgefährten, vermögen jedoch in keinem Fall vor §§ 2287 f. BGB zu schützen.6
IV. Schenkung- und Erbschaftsteuer unter nichtehelichen Lebensgefährten 149
Schenkung- und erbschaftsteuerrechtlich zählen nichteheliche (gleich- oder verschiedengeschlechtliche) Partner, auch wenn sie gemeinsame Kinder haben, zur Steuerklasse III, so dass sie lediglich über einen Freibetrag von (seit 1.1.2009) 20 000 Euro (zuvor: 5200 Euro) verfügen, § 15 ErbStG. Übersteigende Erwerbe (jeweils unter Zusammenrechnung aller Schenkungen und Erbschaften vom selben Veräußerer binnen zehn Jahren, § 16 ErbStG) unterliegen ei1 BGH v. 27.9.1995 – IV ZR 21/93, NJW-RR 1996, 133; OLG Karlsruhe v. 18.3.1999 – 17 U 19/97, ZEV 2000, 108 (109). 2 FG München v. 24.1.2007 – 4 K 816/05, EFG 2007, 779. 3 DNotI-Gutachten v. 12.12.2001, Nr. 1255; OLG Düsseldorf v. 31.5.1996 – 7 U 120/95, NJW 1996, 3156, anderer Ansicht nur OLG Zweibrücken v. 22.2.1988 – 4 U 121/87, FamRZ 1994, 1492. 4 OLG Köln v. 30.9.1991 – 2 W 140/91, NJW-RR 1992, 200. 5 OLG Köln v. 30.4.1987 – 24 U 472/86, NJW-RR 1987, 1484. 6 OLG Celle v. 15.6.2006 – 6 U 99/06, RNotZ 2006, 477.
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Nichteheliche Partner
Rz. 152 B IX
nem Steuersatz von einheitlich 30 %, über 13 Millionen Euro von 50 %, mit Härtausgleich gem. § 19 Abs. 3 ErbStG. Dies gilt auch für Verlobte1. Hinzu kommt ein Freibetrag (für Hausrat einschließlich sonstiger beweglicher Gegenstände) von insgesamt 10 300 Euro, § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die weiteren objektbezogenen Befreiungen (z.B. Übertragung des Familienheims zu Lebzeiten und von Todes wegen, § 13 Abs. 1 Nr. 4a und 4b) stehen nichtehelichen Partnern nicht zur Verfügung, allerdings (seit 1.1.2009) eingetragenen Lebenspartnern, s. Rz. 163. Lebzeitige oder letztwillige Zuwendungen an Personen, die den Zuwendenden/Erblasser gepflegt oder unterhalten haben, ohne hierzu gesetzlich verpflichtet gewesen zu sein, sind bis zu 20 000 Euro (bis zum 31.12.2008: bis zu 5200 Euro) gem. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG steuerbefreit (Pflegepauschbetrag). Voraussetzung ist jedoch stets die unentgeltliche Pflege-/Unterhaltsgewährung, an der es bspw. fehlt bei der Erbringung der Pflege im Rahmen eines vergüteten Dienstleitungsverhältnisses, § 611 BGB, oder als vertraglich ausbedungene Gegenleistung für eine Immobilienübertragung2. Die Weitergabe des staatlichen Pflegegeldes (vgl. § 37 SGB XI) an die tatsächlich pflegende Person ist zu Lebzeiten steuerfrei, § 13 Abs. 1 Nr. 9a ErbStG, um die Motivationswirkung nicht zu gefährden.
150
Bei der Schenkung oder Vererbung tatsächlichen Betriebsvermögens (auch von Vermögen der Land- und Forstwirtschaft, einer freiberuflicher Praxis etc) bewirkt allerdings die Tarifbegrenzung des § 19a Abs. 1 bis 4 ErbStG, dass die Steuerbelastung auf das Niveau der Steuerklasse I reduziert wird (ohne dass die personenbezogenen Freibeträge angehoben würden !) Technisch wird für den steuerpflichtigen Erwerb die Steuer nach der tatsächlichen Steuerklasse des Erwerbers (hier: III) und alternativ nach Steuerklasse I ermittelt; der Differenzbetrag ist mit dem zuvor ermittelten Anteil (Wert des begünstigten Vermögens nach Abzug aller Verschonungsabschläge und des Abzugsbetrags sowie der mit dem Vermögen wirtschaftlich im Zusammenhang stehenden abzugsfähigen Schulden und Lasten einerseits zum Wert des gesamten Vermögensanfalls andererseits) zu multiplizieren; dieser Entlastungsbetrag ist dann bei der Ermittlung der festzusetzenden Steuer abzuziehen.
151
Die Tarifbegrenzung unterliegt demselben Vorbehalt der Behaltensregelung (§ 13a Abs. 5 ErbStG) wie der Verschonungsabschlag von 85 %, allerdings hat das Ergebnis der Lohnsummenprüfung nach § 13a Abs. 1 ErbStG auf die Gewährung des Tarifabschlags keinen Einfluss. Sinkt – aufgrund Verstoßes gegen die Behaltensregelungen – der Verschonungsabschlag, ist auch der Abzugsbetrag neu zu berechnen (regelmäßig mit der Folge einer Reduzierung, sofern der nichtbegünstigungsfähige Anteil über 150 000 Euro steigt), so dass der
152
1 Selbst bei einem Versterben nach Bestellung des Aufgebots bleibt es bei Steuerklasse III, vgl. BFH, BStBl. 1998 II, S. 396. 2 Es genügt gem. FG Nürnberg v. 1.3.2007 – IV 23/2005, ErbStB 2007, 231, dass die Beteiligten eine Grundbesitzübertragung als angemessene Gegenleistung für spätere Pflege angesehen haben.
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B IX Rz. 153
Nichteheliche Partner
steuerpflichtige Teil des Betriebsvermögens höher wird und demnach auch der Entlastungsbetrag des § 19a ErbStG sich erhöht. 153
Die Einsetzung des nichtehelichen Lebenspartners zum Vorerben führt dazu, dass dieser den gesamten ihm zugewendeten Nachlass zu versteuern hat. Der Vorerbe gilt als Erbe (§ 6 Abs. 1 ErbStG). Da der Lebenspartner der Steuerklasse III angehört (§ 15 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) und ihm nur ein Freibetrag von 20 000 Euro zur Verfügung steht, ist er immer einer hohen Erbschaftsteuerbelastung ausgesetzt (Steuersatz 30 %).
154
Der Nacherbe hat, wenn der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben eintritt, ein Wahlrecht (§ 6 Abs. 2 ErbStG). Auf seinen Antrag hin ist der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen. Von diesem Antragsrecht muss unbedingt Gebrauch gemacht werden, da Kinder aus früheren Verbindungen gegenüber ihren leiblichen Eltern einen Freibetrag von 400 000 Euro haben (§§ 15 Abs. 1, 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Tritt die Nacherbschaft nicht mit dem Tod des Vorerben ein, sondern z.B. dann, wenn dieser erneut eine neue Lebensgemeinschaft in fester sozialer Bindung begründet, wird gemäß § 6 Abs. 3 ErbStG eine vom Vorerben entrichtete Steuer dem Nacherben angerechnet. Im Hinblick auf die hohe Steuerbelastung, die der Vorerbe zu tragen hatte, dürfte der Nacherbe keine Erbschaftsteuer mehr zu zahlen haben. Der Nachvermächtnisnehmer wird gemäß § 6 Abs. 4 ErbStG wie der Nacherbe besteuert.
155
Wird dem nichtehelichen Partner ein Vermögensgegenstand im Wege des Vermächtnisses zugewendet, unterliegt die Zuwendung ebenfalls der Erbschaftsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Hier gelten, soweit die Steuerklasse und der Freibetrag betroffen sind, keine Besonderheiten. Der nichteheliche Partner hat auch hier lediglich einen Freibetrag von 20 000 Euro; Sachvermächtnisse versprechen seit 2009 (Bewertung mit dem gemeinen Wert) keine Besserung. Lediglich auf der Verschonungsebene kann bei Betriebsvermögen eine Linderung erreicht werden, vgl. Rz. 151 ff.
V. Erbrecht der eingetragenen Lebenspartner 1. Gesetzliches Erbrecht 156
Für gleichgeschlechtliche Partner wurden durch das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz – LPartG) vom 16.1.2001, das am 1.8.2001 in Kraft trat, gesetzliche Erbrechte begründet.1 Die gesetzlichen Erbrechte des LPartG stehen aber nur den gleichgeschlechtlichen 1 BGBl I, 266; Zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vgl. BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, NJW 2002, 2543 ff.; zum Gesetzgebungsverfahren s. BT-Drucks. 14/3751, 14/4545, 14/4550, BR-Drucks. 738/00; Muscheler, Das Recht der eingetragenen Lebenspartnerschaft (2001), Rz. 8 ff.; Röthel, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Kap. 2 Rz. 13 ff.
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Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 158 B IX
Partnern zu, die in Lebenspartnerschaft i.S. v. § 1 LPartG leben. Eine Lebenspartnerschaft kann nur zwischen volljährigen unverheirateten Personen gleichen Geschlechts, die nicht in gerader Linie miteinander verwandt sind, begründet werden. Beide Partner müssen bei gleichzeitiger Anwesenheit vor der zuständigen Behörde erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen. Überdies war von ihnen in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung des Gesetzes1 eine Erklärung über ihren Vermögensstand abzugeben (§ 1 LPartG). Mit der Einführung der Zugewinngemeinschaft als dem gesetzlichen Güterstand (§ 6 LPartG n.F.) und der Gütertrennung (§ 7 LPartG n.F. i.V.m. § 1414 BGB) ist diese Erklärung entbehrlich geworden. Welche Behörde für die Entgegennahme der Erklärung der Lebenspartner zuständig war, ist in den Ausführungsgesetzen der Länder zum Lebenspartnerschaftsgesetz geregelt. Die Publizitätsakte sind ebenfalls landesgesetzlich geregelt2. Die erbrechtlichen Regelungen für Lebenspartner sind den erbrechtlichen Regelungen der Ehepartner im Wesentlichen nachgebildet3.
157
Nach § 10 Abs. 1 LPartG ist der überlebende Ehepartner neben Verwandten der ersten Ordnung zu ¼, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft gesetzlicher Erbe. Sind weder Verwandte der ersten noch der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, erhält der überlebende Lebenspartner die gesamte Erbschaft (§ 10 Abs. 2 LPartG). Zusätzlich stehen ihm die Haushaltsgegenstände, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstücks sind, und die Geschenke zur Begründung der Lebenspartnerschaft als Voraus zu. Auch hier ist bereits eine Gleichstellung mit dem Ehegatten vollzogen, dem gemäß § 1932 BGB der Voraus zusteht. Wie beim Erbrecht der Ehepartner hat der Güterstand der Lebenspartner, der in § 6 LPartG a.F. als Vermögensstand bezeichnet wurde, Auswirkungen auf die Erbquote. Leben die Lebenspartner im Vermögensstand der Ausgleichsgemeinschaft, der der Zugewinngemeinschaft entspricht, erhöhte sich die Erbquote um ¼ (§§ 10 Abs. 1, 6 Abs. 2 Satz 4 LPartG, § 1371 Abs. 1 BGB). Gleiches gilt für den ab 1.1.2005 geltenden gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Im Güterstand der Vermögenstrennung, die eintrat, falls der Lebenspartnerschaftsvertrag oder die Ausgleichsgemeinschaft unwirksam vereinbart worden war (§ 6 Abs. 3 LPartG a.F.), entfiel die Quotenveränderung, die § 1931 Abs. 4 BGB für die Ehegatten bei Zusammentreffen mit Kindern des Erblassers vorsieht. Die Quotenveränderung entfällt ebenfalls bei Gütertrennung, die ab 1.1.2005 anstelle der Vermögenstrennung in notarieller Urkunde vereinbart werden kann.
1 Das LPartG v. 16.1.2001 wurde in Teilen neu gefasst durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts, in Kraft seit 1.1.2005 (BGBl. 2004 I, 3396), vgl. BT-Drucks. 15/4052 v. 27.10.2004; Grziwotz, DNotZ 2005, 13. 2 S. Einzelheiten bei Röthel, in: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Kap. 2 Rz. 157–216. 3 Zum Erbrecht der Lebenspartner vgl. v. Dickhut/Harrach, in: Schwab (Hrsg.), Die eingetragene Lebenspartnerschaft, S. 248; HK-LPartG/Kemper, § 10.
Krauß
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B IX Rz. 159 159
Nichteheliche Partner
Das gesetzliche Erbrecht entfällt, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Aufhebung der Lebenspartnerschaft gegeben waren und der Erblasser die Aufhebung beantragt oder ihr zugestimmt hatte oder der Erblasser einen Antrag auf Aufhebung der Lebenspartnerschaft wegen unzumutbarer Härte gestellt hatte und der Antrag begründet war (§§ 10 Abs. 3, 15 Abs. 1, 2 LPartG).
2. Gewillkürtes Erbrecht 160
Lebenspartner können wie Ehepartner ein gemeinschaftliches Testament errichten (§ 10 Abs. 4 LPartG). Auch das Erbrecht des Lebenspartners bei gewillkürter Erbfolge entfällt im Fall der Aufhebung der Lebenspartnerschaft, es sei denn, es ist anzunehmen, dass der Erblasser die Verfügung von Todes wegen zugunsten des Lebenspartners auch für den Fall der Aufhebung der Lebenspartnerschaft getroffen haben würde (§ 10 Abs. 5 LPartG, § 2077 Abs. 3 BGB). Dem Lebenspartner steht ebenso wie dem Ehegatten ein Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils zu, wenn der Erblasser den überlebenden Ehepartner durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen hatte (§ 10 Abs. 6 LPartG). Ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht als Lebenspartner oder das Pflichtteilsrecht ist zulässig. Erbverzichtsvertrag und Pflichtteilsverzichtsvertrag bedürfen der notariellen Beurkundung (§ 10 Abs. 7 LPartG, § 2348 BGB).
3. Schenkung- und Erbschaftsteuer 161
Während für gleichgeschlechtliche Partner, die in einer Lebenspartnerschaft leben, durch § 10 LPartG ein gesetzliches Erbrecht wie für Ehegatten begründet wurde, ist ihnen eine steuerrechtliche Gleichstellung mit den Ehegatten zunächst versagt geblieben. Diese war im Gesetz zur Ergänzung des Lebenspartnerschaftsgesetzes und anderer Gesetze (Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz – LPartGErgG)1 dergestalt vorgesehen, dass auch Verpartnerten die Ehegattenprivilegien der §§ 5, 15 und 16 ErbStG (u.a. Freibetrag von 307 000 Euro, Steuerklasse I) zukommen sollten. Das LPartErgG fand während der 14. Legislaturperiode im Bundesrat jedoch keine Mehrheit; das Vermittlungsverfahren blieb ohne Ergebnis. Demnach wurden Verpartnerte für Schenkungs- und Sterbefälle bis Ende 2008 wie fremde Personen behandelt 1 BT-Drucks. 14/4545 Anlage 2; BR-Drucks. 738/00 mit Anlage 2. Das Gesetzesvorhaben wurde aufgespalten in einen nicht zustimmungsbedürftigen Teil, der im LPartG geregelt wurde, und einen zustimmungsbedürftigen Teil, der im LPartErgG geregelt war. Art. 12 LPartErgG enthielt eine Änderung von §§ 1, 3, 6 LPartG, Art. 2 enthielt Änderungen von immerhin 71 Bundesgesetzen, mit denen u.a. die sozialund steuerrechtliche Gleichstellung von Lebenspartnern und Ehepartnern erreicht werden sollte. Das BVerfG hat die Aufspaltung des Gesetzeswerkes in zustimmungsbedürftigen und nicht zustimmungsbedürftigen Teil als nicht willkürlich und zulässig angesehen, BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01, NJW 2002, 2543 (2545/2546).
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Krauß
Nichteheliche Partner
Rz. 164 B IX
(Personenfreibetrag 5200 Euro). Lediglich über güterrechtliche Modelle (Beendigung des gesetzlichen Güterstandes durch Wechsel beispielsweise in die Gütertrennung oder durch Tod) konnten Freibeträge in Höhe des gesetzlich geschuldeten Zugewinnausgleichs (§ 5 Abs. 1 und 2 ErbStG) genutzt werden. Im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 2009 wurde die Gleichstellung Verpartnerter mit Ehegatten zumindest teilweise herbeigeführt: Sie zählen zwar für alle Schenkungs- und Sterbefälle ab 2009 (die bis 30.6.2009 mögliche „Vorausoption“ für Sterbefälle der Jahre 2007 und 2008 zugunsten der neuen Rechtslage gilt nicht für die Freibeträge, Art. 3 Abs. 1 ErbStRG !) weiterhin zur Steuerklasse III (Steuersatz demnach einheitlich 30 % bis 13 Mio. Euro), verfügen aber wie Ehegatten über einen Freibetrag von nunmehr 500 000 Euro – dieser hat sich also fast verhundertfacht – zuzüglich des steuerfreien Zugewinnausgleichs gem. § 5 Abs. 1 und 2 ErbStG bei Beendigung des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag oder Tod.
162
Hinzu kommt die Möglichkeit der steuerfreien Übertragung des (jeweiligen) selbst genutzten Anteils am „Familienheim“ unter Verpartnerten gemäß dem (inhaltlich erweiterten, auch auf Objekte innerhalb der Europäischen Union/ des EWR erstreckten) § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG, unabhängig vom Güterstand; diese objektbezogene Steuerbefreiung ist an keine Nachbewohnzeiten geknüpft und kann mehrfach ausgenutzt werden („Familienheimschaukel“). Für Ehegatten und Verpartnerte neu ist ab 2009 ferner die in § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG geschaffene Freistellung der letztwilligen Zuwendung des selbst genutzten Familienheims, allerdings unter der (bis zum letzten Tag einzuhaltenden) Voraussetzung, dass der hinterbliebene Verpartnerte das Objekt zehn Jahre lang selbst nutzt, sofern er hieran nicht durch zwingende Gründe (eigenen Tod, erhebliche Pflegebedürftigkeit etc) gehindert ist.
163
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG bleibt nunmehr ferner (wie unter Ehegatten) der Erwerb von Hausrat bis zu einem Betrag von 41 000 Euro und von anderen beweglichen Gegenständen, die üblicherweise zur Ausstattung einer gemeinschaftlichen Wohnung gehören, bis zu einem Wert von 12 000 Euro steuerfrei. Darüber hinaus erhält der überlebende Lebenspartner den Versorgungsfreibetrag gem. § 17 Abs. 1 ErbStG i.H.v. 256 000 Euro. Die spürbar gesteigerte erbschaftsteuerliche Attraktivität der eingetragenen Lebenspartnerschaft ist Hauptursache für die seit Anfang 2009 deutlich zunehmende Registrierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften.
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Krauß
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X. Der minderjährige Erbe Schrifttum: Damrau, Auswirkungen des Testamentsvollstreckeramtes auf elterliche Sorge, Vormundsamt und Betreuung, ZEV 1994, 1; Damrau, Minderjährige Kinder aus geschiedenen Ehen als Erben, ZEV 1998, 90; Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, 2002; Frenz, Familienrechtliche Anordnungen, DNotZ 1995, 908; Kirchner, Vormundschaft und Testamentsvollstreckung im Elterntestament, MittBayNot 1997, 203. Rz. I. Rechtslage, wenn keine Regelungen erfolgten . . . . . . . . . . . . . . 1. Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Annahme der Erbschaft . . . . . . . 3. Anfechtung der Annahme . . . . . 4. Ausschlagung der Erbschaft . . . . 5. Anfechtung der Ausschlagung . . 6. Erbscheinsantrag . . . . . . . . . . . . . 7. Pflicht, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen der Verzeichnungspflicht . . . . . . . . . . b) Inhalt des Verzeichnisses . . . c) Verfahren des Familiengerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Erbenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Vermögenssorge a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . b) Vermögensverwaltungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitwirkung des Familiengerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schenkungsverbot . . . . . . . . . e) Vergütung, Aufwendungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verwendung der Vermögenserträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Erforderliche Genehmigungen des Familiengerichts a) Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Außengenehmigung . . . . . . . . c) Erlangen und Mitteilung der Genehmigung . . . . . . . . . . . . . 11. Geltendmachung des Pflichtteils. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . 13. Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft a) Gesetzlicher Vertreter ist nicht Miterbe . . . . . . . . . . . . .
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Rz. b) Gesetzlicher Vertreter ist Miterbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ehegatte ist Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Minderjährige Erben unter Testamentsvollstreckung a) Wahrnehmung der Rechte . . b) Rechte gegen den Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . c) Zustimmung zu unentgeltlichen Verfügungen . . . . . . . . d) Anhörung des Minderjährigen zum Auseinandersetzungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Wiederverheiratung der Witwe/ des Witwers a) Vermögensverzeichnis . . . . . b) Auseinandersetzung . . . . . . . c) Modalitäten der Auseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . II. Gestaltungsmöglichkeiten 1. Entzug des Rechts, den Nachlass zu verwalten a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösungsmöglichkeiten und Formulierungsvorschläge . . c) Voraussetzungen des Entzugs der Vermögenssorge . . . d) Berufung eines Pflegers durch den Erblasser . . . . . . . . e) Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsstellung des Ergänzungspflegers . . . . . . . . . . . . . 2. Verwaltungsanordnungen des Erblassers a) Inhalt der Regelung . . . . . . . . b) Grenzen der Anordnungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verpflichteter . . . . . . . . . . . . . d) Abweichungen durch die Eltern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Minderjähriger Erbe
3. Benennung eines Vormunds. . . . 4. Befreiungen, Beschwerungen a) Befreiung von der Vermögensverzeichnispflicht . . . b) Befreite Pflegschaft . . . . . . . . . c) Vermögensverwaltung . . . . . . 5. Ernennung eines Testamentsvollstreckers a) Überlebender Ehegatte als Testamentsvollstrecker . . . . .
Rz. 3 B X Rz. 78
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b) Besondere Anordnungen . . . 6. Postmortale Vollmacht . . . . . . . 7. Schmälerung des Pflichtteils . . a) Pflichtteilsentziehung . . . . . b) Erbunwürdigkeit . . . . . . . . . . c) Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht bei überschuldeten Abkömmlingen. . . . . . d) Erb- und Pflichtteilsverzicht
Rz. 88 89 90 91 94
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I. Rechtslage, wenn keine Regelungen erfolgten Wenn ein minderjähriges Kind Alleinerbe oder Miterbe wird, unterscheidet sich die Rechtslage in einigen Punkten von der Fallgruppe, dass ein Volljähriger geerbt hat; im Wesentlichen geht es darum, dass manchmal ein Ergänzungspfleger für das Kind zu bestellen ist bzw. Genehmigungen des Familiengerichts erforderlich sind.
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1. Erbrecht Das gesetzliche Erbrecht des Kindes richtet sich nach § 1924 BGB. In Erbfällen ab dem 1.4.1998 sind die nichtehelichen Kinder den ehelichen Kindern gleichgestellt. Bei früheren Erbfällen sind zeitliche Differenzierungen erforderlich. Vgl. C I.
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2. Annahme der Erbschaft Die Erbschaft geht mit dem Todesfall automatisch auf die Erben über (§§ 1922, 1942 BGB). Der Erbe kann die Erbschaft nicht mehr ausschlagen, – wenn er sie angenommen hat oder – wenn die für die Ausschlagung vorgeschriebene Frist (in der Regel sechs Wochen, § 1944 BGB) verstrichen ist; mit dem Ablauf der Frist gilt die Erbschaft als angenommen (§ 1943 BGB). Die Annahme ist eine Willenserklärung; eine besondere Form ist (anders als bei der Ausschlagung) nicht vorgeschrieben; bei der Annahme infolge Fristablaufs handelt es sich um eine fingierte Willenserklärung. Eine Annahme ist auch durch schlüssiges Verhalten möglich, sie muss nicht gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Der Minderjährige wird bei der ausdrücklichen oder fingierten Annahme durch seine gesetzlichen Vertreter (also i.d.R. die Eltern) vertreten. Der gesetzliche Vertreter muss allerdings Kenntnis vom Erbanfall und vom Berufungsgrund haben (nicht aber auch vom Umfang des Nachlasses), damit die Frist läuft1; bei mehreren Vertretern (Eltern) genügt die 1 Soergel/Stein, § 1944 BGB Rz. 12 m.w.N.
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Minderjähriger Erbe
Kenntnis eines Vertreters (str.). Ist der Minderjährige beschränkt geschäftsfähig (also ab sieben Jahren, §§ 106 ff. BGB), braucht er zur Annahme die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter (§ 107 BGB), weil die Annahme der Erbschaft wegen der mit der Erbschaft verbundenen Haftung nicht nur rechtlich vorteilhaft ist. Durch Fristablauf kann auch hier die fingierte Annahme erfolgen. Eine Genehmigung des Familien- oder Betreuungsgerichts ist zur Wirksamkeit der Annahme einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses nicht erforderlich1.
3. Anfechtung der Annahme 4 Als Willenserklärung kann die Annahme vom minderjährigen Erben, vertreten durch seine gesetzlichen Vertreter, angefochten werden. Die Frist beträgt in der Regel sechs Wochen ab Kenntnis vom Anfechtungsgrund (§ 1954 BGB); es ist daher gefährlich, wenn sich aus einem Briefwechsel mit dem Nachlassgericht oder sonstigen Erklärungen ergibt, dass dem Anfechtenden der Anfechtungsgrund längst bekannt war. Auch hier ist auf die Kenntnis mindestens eines gesetzlichen Vertreters abzustellen. Eine längere Frist als sechs Wochen gilt im Falle des § 1954 Abs. 3 BGB. Die Anfechtung hat gegenüber dem Nachlassgericht zu erfolgen, also nicht gegenüber einer anderen Person. Die Anfechtungserklärung muss entweder vom Notar beglaubigt sein oder beim Nachlassgericht zu Niederschrift des Rechtspflegers erklärt werden (§§ 1955, 1945 BGB); ein gewöhnlicher Brief an das Nachlassgericht genügt also nicht. Als Anfechtungsgrund kommt Irrtum in Frage2. Die Anfechtung der Annahme gilt als Ausschlagung (§ 1957 BGB); da diese bei Kindern der Genehmigung des Familiengerichts bedarf (§ 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB), braucht auch die Anfechtung der Annahme zur Wirksamkeit die Genehmigung des Familiengerichts.
4. Ausschlagung der Erbschaft 5 Die Ausschlagung der Erbschaft kann (in der Regel) nur binnen sechs Wochen ab Kenntnis vom Anfall und vom Berufungsgrund erfolgen (§ 1944 BGB); auch hier kommt es bei Minderjährigen auf den gesetzlichen Vertreter an. Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, welche zu Niederschrift des Nachlassgerichts erfolgen oder notariell beglaubigt sein muss (§ 1945 BGB); ein gewöhnlicher Schriftsatz genügt also nicht. 6 Die Ausschlagung ist eine Willenserklärung, setzt daher Geschäftsfähigkeit voraus. Bei Minderjährigen muss sie daher durch die gesetzlichen Vertreter erfolgen (§ 1629 BGB). Beschränkt Geschäftsfähige (ab sieben Jahren, §§ 106 ff. BGB) könnten mit Einwilligung des gesetzlichen Vertreters selbst ausschlagen (§ 107 BGB). Der Minderjährige wird bei der Ausschlagung auch dann durch seine Eltern vertreten, wenn diesen vom Erblasser das Nachlassverwaltungsrecht nach § 1638 BGB entzogen wurde3. 1 BayObLG v. 15.5.1996 – 1 Z BR 103/96, FamRZ 1997, 126/7. 2 Vgl. dazu z.B. Palandt/Edenhofer, § 1954 BGB Rz. 2 ff. 3 OLG Karlsruhe v. 22.7.1965 – 5 W 134/64, FamRZ 1965, 573.
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Minderjähriger Erbe
Rz. 11 B X
Erbschaft fällt an Ausschlagenden. Zweifelhaft ist, ob die Eltern das Kind bei der Ausschlagung auch dann vertreten können, wenn dadurch die Erbschaft an sie selbst fällt. Teils wird eine Vertretungsmacht gleichwohl bejaht1, teils aus dem Gedanken des § 181 BGB heraus verneint2; in diesem Falle ist die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind erforderlich, weil sonst die Ausschlagung nach letzterer Meinung nicht wirksam ist.
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Umgekehrter Fall: Erst durch die Ausschlagung eines Elternteils wird das Kind Erbe. Beispiel: Großvater stirbt, der Sohn würde an sich Erbe; er schlägt aus, so dass der Enkel erbt. In einem solchen Fall ist keine Genehmigung erforderlich (§ 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB), weil das Gesetz unterstellt, dass der Sohn nur eine verschuldete Erbschaft ausschlagen wird, die Erbschaft also auch für den Enkel ohne Wert sein wird. Dagegen ist eine Genehmigung erforderlich, wenn ein Elternteil zu mehreren Erbteilen berufen ist und unter den Voraussetzungen des § 1951 BGB den einen Erbteil annimmt, den anderen für sich ausschlägt und damit den Anfall an das Kind bewirkt (§ 1643 Abs. 2 Satz 2 Schlusssatz BGB)3. Bei mehreren gesetzlichen Vertretern (Eltern, mehrere Vormünder) muss jeder 8 von ihnen als gesetzlicher Vertreter ausschlagen4; es genügt nicht, wenn der eine Elternteil formlos der Erklärung des anderen Elternteils zustimmt, das wäre eine unwirksame Ausschlagung5. Die Ausschlagung durch die Eltern ist nur wirksam, wenn sie vom Familiengericht genehmigt wurde (§ 1643 Abs. 2 Satz 1 BGB; Ausnahme in § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dasselbe gilt bei einer Ausschlagung durch einen Vormund oder Pfleger (§ 1822 Nr. 2 BGB, § 1915 BGB; ohne Ausnahmen). Die Eltern müssen den entsprechenden Antrag beim Gericht innerhalb der Frist stellen. Die Genehmigung wird wirksam mit Zugang beim gesetzlichen Vertreter (§ 1828 BGB; § 40 FamFG); er muss dem Nachlassgericht die Genehmigung durch Vorlage des Originals nachweisen, weiter den Zugang an sich und mitteilen, dass er von der Genehmigung Gebrauch macht.
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Die Ausschlagungsfrist läuft ab Kenntnis vom Anfall und vom Berufungsgrund. Bei Minderjährigen kommt es dabei (entsprechend § 166 Abs. 1 BGB) auf die Kenntnis der gesetzlichen Vertreter an; bei Eltern wird die Meinung vertreten, dass auf einen einheitlichen Zeitpunkt abzustellen ist, also die (frühere) Kenntnis des einen Vertreters genügt und es nicht darauf ankommt, wann auch der zweite Vertreter Kenntnis erlangt hat6.
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Fristhemmung. Die Sechswochenfrist ist infolge höherer Gewalt (analog § 206 BGB) gehemmt, wenn die innerhalb der Frist beantragte Genehmigung erst
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BayObLG v. 5.8.1983 – 1 Z BR 25/83, Rpfleger 1983, 482. Staudinger/Otte/Marotzke, § 1954 BGB Rz. 8; Buchholz, NJW 1993, 1161. Staudinger/Engler, § 1643 BGB Rz. 40. BayObLG v. 14.6.1977 – 1 Z BR 17/77, Rpfleger 1977, 362; OLG Frankfurt v. 24.10.1961 – 6 W 593/60, NJW 1962, 52. 5 BayObLG v. 12.12.1957 – 1 Z BR 24/57, NJW 1958, 260. 6 Soergel/Stein, § 1944 BGB Rz. 12.
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B X Rz. 12
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nach Fristablauf vom Familiengericht erteilt wird1. Es genügt also, wenn der Antrag innerhalb der Frist gestellt wird. Ist der Minderjährige ohne gesetzlichen Vertreter (z.B. Tod beider Eltern), ist der Fristablauf nach §§ 210, 1944 Abs. 2 Satz 3 BGB gehemmt.
5. Anfechtung der Ausschlagung 12 Die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann angefochten werden (§ 1956 BGB), obwohl in Wirklichkeit keine Willenserklärung vorliegt. Die Anfechtung gilt als Annahme (§ 1957 Abs. 1 BGB).
6. Erbscheinsantrag 13 Der Erbschein wird nur auf Antrag erteilt (§ 2353 BGB). Minderjährige sind im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit selbst beteiligtenfähig (§ 8 FamFG. Da Minderjährige selbst aber nicht verfahrensfähig sind, müssen sie bei der Antragstellung durch ihre gesetzlichen Vertreter vertreten werden. Die Eltern können das Kind bei der Antragstellung nicht vertreten, wenn sie nach § 1638 BGB von der Vermögensverwaltung ausgeschlossen wurden2.
7. Pflicht, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen 14 Die Eltern eines Kindes (bzw. ein einzelner Elternteil) haben das Vermögen, welches ihr Kind von Todes wegen erwirbt, zu verzeichnen und das Verzeichnis beim Familiengericht einzureichen (§ 1640 BGB). Beispiele: (1) Das Kind hat von der Großmutter ein Sparguthaben geerbt. (2) Der Vater ist gestorben und wird von seiner Frau und den beiden Kindern beerbt. In beiden Fällen, insbesondere auch im Letzteren, besteht die Verzeichnispflicht. Sie ist zu unterscheiden von der (weiteren) Pflicht, beim Nachlassgericht ein Verzeichnis des geerbten Vermögens einzureichen, damit die Erbscheinsgebühren berechnet werden können. a) Voraussetzungen der Verzeichnungspflicht Sie besteht nur, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: 15 aa) Der elterlichen Verwaltung tatsächlich unterliegendes Vermögen. Das vom Kind geerbte Vermögen muss der Verwaltung der Eltern unterliegen (§ 1640 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das ist nicht der Fall, wenn einem oder beiden Elternteilen die Vermögenssorge entzogen ist (§§ 1666 Abs. 1, 1671 Abs. 1, 1672 Abs. 1 BGB) oder ruht (§§ 1673, 1674 BGB) oder wenn das Vermögen von einem Pfleger verwaltet wird. Ferner besteht keine Vermögensverzeichnungspflicht, wenn der Erblasser in seinem Testament (Erbvertrag) angeordnet hatte, dass beide Eltern oder ein Elternteil das dem Kind vererbte Vermögen 1 BayObLG v. 13.1.1983 – 1 Z BR 27/82, FamRZ. 1983, 834. 2 OLG Frankfurt v. 16.12.1996 – 20 W 597/95, FamRZ 1997, 1115 (1116) = NJW-RR 1997, 580.
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Minderjähriger Erbe
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nicht verwalten dürfen (§ 1638 Abs. 1 BGB), oder wenn ein Testamentsvollstrecker das Vermögen verwaltet (wegen § 2205 BGB). Ist ein Elternteil selbst Testamentsvollstrecker, ist er nach h.M.1 aber verpflichtet, das Verzeichnis zu erstellen. bb) Verzeichnungspflicht nur bei bestimmten Erwerbsfällen. In Betracht kommen Erbfolge, Vermächtnis, Pflichtteil, Empfang aufgrund einer erbrechtlichen Auflage, aber auch Empfang einer Lebensversicherung, Erwerb durch Vertrag zugunsten Dritter auf dem Todesfall (wie häufig bei Sparkonten).
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cc) Wertgrenze. Der Wert des Vermögenserwerbs muss zur Zeit des Erbfalls 17 15 000 Euro übersteigen (§ 1640 Abs. 2 Nr. 1 BGB), sonst besteht keine Verzeichnispflicht. Dabei kommt es zwar nur auf den einzelnen Erwerb an, wie der Wortlaut der Vorschrift zeigt; nach dem Sinn der Regelung aber ist auf den Gesamterwerb aufgrund desselben Ereignisses abzustellen. Hat das Kind vom Großvater 10 000 Euro geerbt und weitere 10 000 Euro zugleich durch Schenkung von Todes wegen vom selben Großvater erhalten, besteht also Verzeichnispflicht. Hat das Kind vom Großvater 12 000 Euro geerbt und kurz darauf von der Großmutter nochmals 12 000 Euro, besteht keine Verzeichnispflicht. Hinsichtlich des Wertes kommt es auf den Verkehrswert an, nicht auf steuerliche Werte. Ferner ist der Nettowert maßgebend, Schulden sind also abzuziehen. dd) Befreiung durch den Erblasser. Die Verzeichnispflicht besteht nicht, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung angeordnet hat, dass die Eltern das Vermögen nicht verzeichnen müssen (§ 1640 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Vgl. Rz. 83.
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b) Inhalt des Verzeichnisses aa) Kind als Alleinerbe. Das Verzeichnis hat den Sinn, dass das volljährig ge- 19 wordene Kind nachvollziehen kann, was aus der seinerzeitigen Erbschaft geworden ist, dass eine Grundlage für Genehmigungen des Familiengerichts sowie für die Auseinandersetzung vorhanden ist. Die Familiengerichte stellen zum Teil Formulare zur Verfügung. Die einzelnen Gegenstände sind identifizierbar zu beschreiben, bei Haushaltsgegenständen (ausgenommen wertvolle Einzelstücke, Gemälde, Antiquitäten) genügt die Angabe des Gesamtwerts (§ 1640 Abs. 1 Satz 3 BGB). Bei Grundstücken ist die lagemäßige Bezeichnung mit Grundbuchstelle erforderlich, bei Guthaben der Name der Bank und die Kontonummer, bei Wertpapierdepots das Beifügen eines Depotauszugs. Eine Schätzung der Gegenstände ist nicht erforderlich, erst recht nicht eine Schätzung durch Sachverständige; Letzteres ist aber streitig. Wenn das Kind z.B. ein Mietshaus geerbt hat, entstehen durch ein Gutachten lediglich überflüssige Kosten. Streitig ist ferner, ob im Verzeichnis auch die Schulden anzugeben sind2; meines Erachtens ist das zu bejahen, weil sonst keine Aussagekraft besteht. Die Streitfragen haben kaum praktische Bedeutung; im Nachlassverfah1 KG, JFG 11, 52; Staudinger/Engler, § 1640 BGB Rz. 5. 2 Nach Staudinger/Engler, § 1640 BGB Rz. 19 sind die Schulden nicht anzugeben.
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B X Rz. 20
Minderjähriger Erbe
ren muss wegen der Gebühren ohnehin meist ein Vermögensverzeichnis beim Nachlassgericht eingereicht werden, mit Wertangaben (die bei Grundstücken vom Nachlassgericht durch Schätzung anhand von Brandversicherungswerten, Baujahr und Bodenrichtwerten korrigiert werden) und Angaben über die Schulden. Dieses Verzeichnis kann dann zugleich dem Familiengericht eingereicht werden. 20
bb) Kind als Miterbe. Hier sind neben dem Erbanteil des Kindes (z.B. 1/8) die einzelnen Gegenstände des Nachlasses anzugeben, wie bei der Alleinerbschaft; die Angabe nur des Gesamtwerts genügt nicht1. Das gilt auch, wenn eine Erbengemeinschaft zwischen Eltern und Kind besteht oder wenn ein Elternteil Vorerbe, das Kind Nacherbe ist.
21 cc) Handelsgeschäfte. Fällt ein Handelsgeschäft in den Nachlass, genügt die Vorlage der Inventur und Bilanz, wobei an sich nicht die vorhergehende Jahresschlussbilanz, sondern eine Inventur/Bilanz zum Todestag erforderlich wäre; die Praxis begnügt sich aber offenbar mit der letzten Inventur/Bilanz. Scheidet das Kind mit dem Todesfall aus der Gesellschaft aus, besteht sein Vermögenserwerb im Auseinandersetzungsguthaben. 22 dd) Pflichtteilsansprüche. Ist dem Kind ein Pflichtteilsanspruch gegen seine Eltern bzw. einen Elternteil zugefallen, muss von den Eltern nicht ein Verzeichnis des gesamten Nachlasses im Sinne von § 2314 BGB beim Familiengericht eingereicht werden2. Es genügt, wenn der Reinbestand des Nachlasses und der auf das Kind entfallende Anteil und Betrag sowie der Name des Schuldners (d.h. des Erben) angegeben werden. Zur Berechnung des Pflichtteils ist kein Pfleger erforderlich3. 23
ee) Formalien, Unterschrift. Das Verzeichnis ist mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit zu versehen (§ 1640 I BGB), nicht mit der eidesstattlichen Versicherung, zu datieren und von den Eltern (bzw. dem Elternteil) zu unterschreiben. Eventuelle Kosten tragen die Eltern. c) Verfahren des Familiengerichts
24 Die Pflicht zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses entsteht ohne gerichtliche Aufforderung kraft Gesetzes mit dem Todesfall. Stellt das Nachlassgericht bei einem Erbfall fest, dass Kinder als Erben infrage kommen und der Nachlass eine gewissen Wert erreicht, verständigt es das Familiengericht (§ 356 FamFG), das dann die Eltern anschreibt und zur Abgabe des Verzeichnisses auffordert. Wird kein Verzeichnis eingereicht, ergeben sich die Folgen aus § 1640 Abs. 3 BGB.
1 Staudinger/Engler, § 1640 BGB Rz. 20. 2 BayObLG v. 24.5.1963 – 1 Z BR 33/63, FamRZ 1963, 578. 3 OLG Hamm v. 15.7.1969 – 15 W 209/69, FamRZ 1969, 661; Palandt/Diederichsen, § 1640 BGB Rz. 6.
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Minderjähriger Erbe
Rz. 28 B X
8. Erbenhaftung Der Erbe, auch der minderjährige Erbe, haftet für die Schulden des Erblassers, auch mit seinem Eigenvermögen (§§ 1922, 1967 BGB). Er hat dieselben Haftungsbegrenzungsmöglichkeiten wie ein volljähriger Erbe. Werden nach dem Erbfall durch Handlungen der gesetzlichen Vertreter Verbindlichkeiten begründet, z.B. wenn die Erbengemeinschaft unternehmerisch tätig ist, haftet der Minderjährige auch dafür, kann aber in bestimmten Fällen seine Haftung ab Eintritt der Volljährigkeit begrenzen (§ 1629a BGB). Vgl. C V.
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9. Vermögenssorge a) Allgemeines Wird ein Minderjähriger Erbe, dann wird das von ihm geerbte Vermögen von den Eltern des Kindes (bzw. vom sorgeberechtigten Elternteil) verwaltet (§ 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB). In bestimmten Fällen ist für Verwaltungsmaßnahmen die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich (Rz. 34).
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Ausgenommen von der Vermögenssorge der Eltern ist: – Das Vermögen, das ein Testamentsvollstrecker verwaltet (§ 2205 BGB); – das Vermögen, hinsichtlich dessen der Erblasser die Verwaltung durch die Eltern ausgeschlossen hat (§ 1638 BGB) (vgl. Rz. 49); – das Vermögen, das ein Pfleger verwaltet (§ 1630 BGB); – das zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts nach § 112 BGB dem Minderjährigen überlassene Vermögen. b) Vermögensverwaltungsgrundsätze Während für Vormünder, Pfleger und Betreuer für die Verwaltung des Fremdvermögens detaillierte Regelungen bestehen (§§ 1804 ff. BGB), gibt es für Eltern nur eine Generalklausel: Das Geld des Kindes ist nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen (§ 1642 BGB). In der Verwaltung sind die Eltern also ziemlich frei; sie sind nicht auf eine mündelsichere Anlage (§ 1807 BGB) beschränkt, brauchen für die Anlage in Aktien usw. keine Genehmigung des Familiengerichts (anders als der Vormund und Pfleger, § 1811 BGB). Doch sind sie bei der Anlage nicht so frei, wie sie in der Anlage des eigenen Vermögens sind. Der Vater kann sein eigenes Vermögen hoch riskant in koreanischen Aktien, chinesischen Optionsscheinen oder Zinnfiguren investieren; das Geld, welches sein Kind geerbt hat, muss er „konservativ“ anlegen, sonst haftet er unter Umständen.
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c) Mitwirkung des Familiengerichts Wenn die Eltern das Verzeichnis über das vom Kind geerbte Vermögen (§ 1640 BGB) beim Familiengericht eingereicht haben, ist damit die Sache an sich erledigt; das Familiengericht kümmert sich nicht weiter darum. Wenn aber ein ausreichender Anlass (Gefährdung des Kindesvermögens und mangelnde BeZimmermann
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Minderjähriger Erbe
reitschaft der Eltern bzw. Unfähigkeit, die Gefahr abzuwenden) besteht, kann das Familiengericht folgende Maßnahmen anordnen: – „Die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen“ (§ 1666 Abs. 1 BGB), das sind z.B. Ermahnungen, Auflagen (z.B. den Erlös aus einem Grundstücksverkauf in bestimmter Weise anzulegen), Gebote, Verbote, Weisung, vom Jugendamt nach dem KJHG angebotene Hilfen anzunehmen; – Einreichung eines Verzeichnisses des Kindesvermögens (nicht: des Elternvermögens); dies gilt auch, wenn das Kindesvermögen weniger als 15 000 Euro beträgt; ein solches Verzeichnis kann wiederholt angefordert werden. Dies ist durch Zwangsgeld erzwingbar (§ 35 FamFG). – Bei Verletzung der Anlagepflichten könnte das Familiengericht anordnen, dass das Geld in bestimmter Weise anzulegen ist (§ 1667 Abs. 2 Satz 1 BGB); eine solche Anordnung sichert aber nicht, dass die Vermögenseinkünfte pflichtgemäß verwendet werden. Weiterhin ist eine Anordnung zulässig, dass das Geld gesperrt anzulegen ist (vgl. § 1809 BGB) und die Abhebung der Genehmigung des Familiengerichts bedarf. – Das Familiengericht könnte dem Elternteil, der das Kindesvermögen gefährdet, eine Sicherheitsleistung auferlegen (§ 1667 Abs. 3 BGB), was nur einen Sinn bei vermögenden Eltern hat. – Im Extremfall könnte das Familiengericht den Eltern (oder einem Elternteil) die Vermögenssorge ganz oder teilweise (z.B. nur bezüglich der dem Kind gehörenden Eigentumswohnung) entziehen, § 1666 Abs. 1 BGB. 29 Wird nur einem Elternteil die Vermögenssorge entzogen, steht sie dem anderen Elternteil allein zu (§ 1680 Abs. 1, 3 BGB). Wird beiden Eltern die Vermögenssorge entzogen oder dem allein Sorgeberechtigten, ohne dass eine Übertragung auf den anderen Elternteil in Betracht kommt, ist vom Familiengericht ein Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) zu bestellen. Ihm ist das Vermögen herauszugeben und auf Verlangen Rechenschaft zu legen (§ 1698 BGB). Der Erblasser könnte den Eltern bestimmte Anlagemaßstäbe vorgeben (§ 1639 BGB; Rz. 74) oder die Verwaltung des Vermögens den Eltern oder einem Elternteil allein überhaupt entziehen (§ 1638 BGB; Rz. 49). d) Schenkungsverbot 30 In Vertretung des Kindes können die Eltern nichts aus dem Vermögen des Kindes verschenken (§ 1641 BGB). e) Vergütung, Aufwendungsersatz 31 Für die Vermögensverwaltung können die Eltern vom Kind grundsätzlich keine Vergütung verlangen, auch nicht für Zeitaufwand1. Die in Zusammenhang 1 BGH v. 21.12.1971 – VI ZR 118/70, BGHZ 58, 14(19): Unentgeltlichkeit wohl nur bei Tätigkeiten geringeren Umfangs.
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Minderjähriger Erbe
Rz. 34 B X
mit der Vermögensverwaltung stehenden eigenen Aufwendungen (Fahrtkosten, Fotokopien usw.) können sie vom Kind ersetzt verlangen (§ 1648 BGB) und dem Vermögen des Kindes unmittelbar entnehmen, weil sie eine Verbindlichkeit erfüllen (§ 181 BGB). Davon ist der Fall zu unterscheiden, in dem die Eltern in Vertretung des Kindes Verträge schließen, die Aufwendungen zur Folge haben, z.B. beim Vermessungsamt Pläne bestellen; dann ist ohnehin das Kind Vertragspartner. f) Verwendung der Vermögenserträge Die Vermögenserträge sind zunächst für die Verwaltung und Erhaltung des 32 Kindesvermögens zu verwenden (§ 1649 BGB), z.B. zur Zahlung von Reparaturen, Versicherungen, Einkommensteuer. Der Überschuss ist für den Unterhalt des Kindes bzw. der Familie zu verwenden (§ 1649 Abs. 1, 2 BGB). g) Haftung Die Eltern haften dem Kind aus Schäden bei der Verwaltung des geerbten Vermögens (vgl. § 1664 BGB); jeder Elternteil haftet nur für die eigenen Fehler. Der Haftungsmaßstab ist allerdings ermäßigt: Sie haften immer für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (§ 277 BGB), bei leichter Fahrlässigkeit dann nicht, wenn sie die Sorgfalt bei der Verwaltung anwenden, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Ordnet man z.B. die Anlage des Kindesvermögens in dubiosen Anleihen durch den Vater als grob fahrlässig ein, kann sich der Vater nicht mit der Begründung entlasten, er habe sein eigenes Vermögen auch so angelegt. Der Schadenersatzanspruch des Kindes verjährt in 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB); im Übrigen ist der Fristenlauf gehemmt, bis das Kind volljährig ist (§ 207 Satz 2 BGB). Seit dem 1.1.2010 ist § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgehoben; nunmehr sind §§ 195, 199 Abs. 3a BGB einschlägig (Übergangsrecht: Art. 229 § 21 EGBGB).
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10. Erforderliche Genehmigungen des Familiengerichts a) Fälle Zu Rechtsgeschäften für das Kind brauchen die Eltern in einigen Fällen die Genehmigung des Familiengerichts (§ 1643 BGB): – Diverse Grundstücksgeschäfte (§ 1821 BGB); – Rechtsgeschäfte, durch die das Kind zu einer Verfügung über eine ihm angefallene Erbschaft (Erbschaftskauf, § 2371 BGB) oder über seinen künftigen gesetzlichen Erbteil oder seinen künftigen Pflichtteil (§ 312 BGB) verpflichtet wird (§ 1822 Nr. 1 BGB); – Verfügung über den Anteil des Kindes an einer Erbschaft (§§ 2033, 1822 Nr. 1 BGB), dagegen nicht zur Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände (z.B. Aktienverkauf); – Erwerbsgeschäfte (§ 1822 Nr. 3 BGB); Zimmermann
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B X Rz. 35
Minderjähriger Erbe
– Miet-, Pachtverträge (§ 1822 Nr. 5 BGB); – Kreditaufnahme, Bürgschaft, Prokura (§ 1822 Nr. 8–11 BGB); – Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses (§ 1643 Abs. 2 BGB); – Verzicht auf den bereits entstandenen Pflichtteil (§§ 2303 ff., 1643 Abs. 2 BGB). Zum Verzicht auf das Pflichtteilsrecht vgl. §§ 2346, 2347 BGB. Vom Genehmigungserfordernis kann der Erblasser die Eltern des minderjährigen Erben nicht befreien (anders eventuell durch eine postmortale Vollmacht, Rz. 89; durch Anordnung der Testamentsvollstreckung, Rz. 87); der Erblasser kann aber die Genehmigungsfälle auch nicht erweitern. b) Außengenehmigung 35 Es handelt sich bei allen Genehmigungsfällen um Sachverhalte, in denen das Geschäft unwirksam ist, wenn die Genehmigung nicht vorliegt bzw. nicht erteilt wird, also nicht bloß um Verstoß gegen Ordnungsvorschriften. c) Erlangen und Mitteilung der Genehmigung 36 Wird z.B. ein vom Kind geerbtes Grundstück von dem durch die Eltern vertretenen Kind veräußert, bedarf der Vertrag der Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1643, 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Diese Genehmigung wird erst mit Rechtskraft wirksam (§§ 40 Abs. 2, 41 Abs. 3, 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG). Die Eltern müssen davon nicht Gebrauch machen. Die Genehmigung wird dem Käufer gegenüber wirksam in dem Augenblick, in dem die Eltern des veräußernden Kindes die Genehmigung dem Käufer mitteilen (§§ 1643 Abs. 3, 1828, 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es genügt also nicht, die Genehmigung einfach in die Akte einzuheften; unzureichend ist auch, wenn das Gericht die Genehmigung dem Käufer mitteilt. In der Praxis lässt sich der Notar von den Eltern (für den Verkäufer) bevollmächtigen, die Genehmigung zu beantragen, vom Familiengericht entgegenzunehmen und dem Käufer mitzuteilen; vom Käufer lässt er sich bevollmächtigen, die Genehmigung mitgeteilt zu erhalten. Der Notar teilt sich dann faktisch die Genehmigung selbst mit. Ein solches Vorgehen hält die Rechtsprechung für zulässig (sog. Doppelvollmacht)1. Da die Genehmigung somit dem Käufer gegenüber wirksam geworden ist, kann sie nicht mehr geändert werden (§ 48 Abs. 3 FamFG), auch nicht auf Beschwerde hin. Dieser Mitteilungsweg und der Nachweis, dass er eingehalten wurde, bereitet keine Probleme, wenn es sich um Grundstücksgeschäfte handelt, weil sich dann der Notar darum kümmert. Es obliegt dem beratenden Anwalt, für die gerichtliche Genehmigung den Mitteilungsweg einzuhalten und durch Zustellungen bzw. Empfangsquittungen nachweisen zu können.
1 BayObLG v. 28.5.1997 – 3 Z 49/97, FamRZ 1997, 1426.
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Minderjähriger Erbe
Rz. 39 B X
11. Geltendmachung des Pflichtteils Ist der überlebende Ehegatte zum Alleinerben eingesetzt worden, haben die Kinder einen Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB). Der überlebende Ehegatte vertritt die Kinder allein (§ 1680 BGB); er hat den Pflichtteilsanspruch der Kinder dem Familiengericht zu melden, falls er mindestens 15 000 Euro erreicht (§ 1640 BGB; Rz. 14). Das Familiengericht muss dann von Amts wegen prüfen, ob Anordnungen erforderlich sind (§§ 1666, 1667 Abs. 1, 2, 3 BGB), was aber eine Vermögensgefährdung durch die Witwe den Witwer voraussetzt. Wenn die Mutter nach dem Tod des Vaters beim Erbscheinsantrag erklärt, dass sie die Pflichtteilsansprüche der Kinder nicht erfüllen will, ist zweifelhaft, ob das bereits ein Anlass ist, einen Ergänzungspfleger zu bestellen1. Da das Kindesvermögen und seine Verwendung vom Gericht nicht laufend überwacht werden, wenn das Kind von Eltern bzw. einem Elternteil vertreten wird, geschieht also letztlich nichts. Es bleibt dem Erblasser überlassen, sich und das Kind durch eine Anordnung nach § 1638 BGB abzusichern; das Kind und seine Verwandten, Jugendamt usw. können allerdings beim Familiengericht Maßnahmen nach §§ 1666, 1667 BGB anregen, wenn Gefährdungen auftreten; doch ist es dann meist zu spät. Der Pflichtteilsanspruch verjährt (i.d.R.) in drei Jahren ab dem Erbfall (§ 2332 BGB); bei Kindern, deren Anspruch sich gegen ihre Eltern richtet, ist die Frist gehemmt bis zum Eintritt der Volljährigkeit (§ 207 BGB).
37
12. Erbengemeinschaft Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, entsteht eine Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB). Die Verwaltung des Nachlasses steht den Erben gemeinschaftlich zu (§ 2038 Abs. 1 BGB); Minderjährige werden dabei durch ihre gesetzlichen Vertreter vertreten. Entscheidungen werden einstimmig oder durch Mehrheitsbeschluss getroffen; wenn ohne die minderjährigen Erben eine beschlussfähige Mehrheit vorhanden ist (weil sie nur eine geringe Miterbenquote haben), muss für die Minderjährigen kein Ergänzungspfleger bestellt werden2. Kommt es dagegen auf die Stimmen der Minderjährigen an, ist zweifelhaft, ob sie insoweit von ihren Eltern, falls diese ebenfalls Mitglieder der Erbengemeinschaft sind, vertreten werden können; es kommt darauf an, ob eine Interessenkollision möglich ist. Bei Verfügungen müssen alle Miterben mitwirken (§ 2040 BGB); ist ein minderjähriger Erbe beteiligt, kann Genehmigungsbedürftigkeit bestehen (§ 1643 BGB).
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13. Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft a) Gesetzlicher Vertreter ist nicht Miterbe Sind an einer Erbengemeinschaft Kinder (nicht aber deren Eltern) beteiligt, können die Eltern ihre minderjährigen Kinder bei der Auseinandersetzung vertreten; eine Genehmigung des Familiengerichts ist nicht erforderlich (denn 1 Verneint vom LG Braunschweig v. 12.10.1999 – 8 T 854/99, Rpfleger 2000, 69. 2 Staudinger/Werner, § 2038 BGB Rz. 33; dazu Damrau Rz. 159 ff.
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B X Rz. 40
Minderjähriger Erbe
§ 1643 Abs. 1 BGB verweist nicht auf § 1822 Nr. 2 BGB). Anders ist es, wenn der Auseinandersetzungsvertrag zugleich Elemente enthält, die nach § 1643 Abs. 1, Abs. 2 BGB der Genehmigung des Familiengerichts bedürfen, wie z.B. Übernahme einer fremden Verbindlichkeit, Grundstücksübertragung (§ 1821 Nr. 1 BGB). Anders ist es ferner, wenn die Kinder durch einen Vormund oder Pfleger (§ 1915 Abs. 1 BGB) vertreten werden; denn hier gilt § 1822 Nr. 2 BGB. b) Gesetzlicher Vertreter ist Miterbe 40 Besteht die Erbengemeinschaft aus Eltern und ihren Kindern, können die Eltern (bzw. der überlebende Ehegatte) die Kinder bei der Auseinandersetzung wegen des Interessengegensatzes nicht vertreten (§§ 1795 Abs. 2, 181 BGB); ein Ergänzungspfleger (§ 1909 BGB) ist vom Familiengericht zu bestellen (§ 151 Nr. 5 FamFG). Für mehrere Kinder wird in der Praxis teils nur ein Pfleger bestellt, weil alle Kinder „auf derselben Seite“ stehen (was – je nach Modalität der Teilung – nicht zutreffen muss); nach richtiger Auffassung ist dagegen jedem Kind ein anderer Pfleger zu bestellen1. Ein Pfleger für mehrere Kinder würde nur dann ausreichen, wenn die Auseinandersetzung lediglich der Erfüllung einer Verbindlichkeit dient (vgl. § 181 BGB). Das soll der Fall sein, wenn die Auseinandersetzung völlig den gesetzlichen Regeln entspricht2; in der Praxis ist das m.E. aber allenfalls dann möglich, wenn lediglich Bargeld, Guthaben, Investmentanteile, Aktien usw. nach Erbscheinsquoten aufgeteilt werden, nicht aber bei Grundstücken, beweglicher Habe wie Antiquitäten. Ein weiterer Ausnahmefall soll vorliegen, wenn die Auseinandersetzung haargenau der Teilungsanordnung des Erblassers entspricht3. Dieser Pfleger braucht zum Erbteilungsvertrag die Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1915, 1822 Nr. 2 BGB). c) Ehegatte ist Testamentsvollstrecker 41 Besteht die Erbengemeinschaft aus dem überlebenden Ehegatten und den Kindern und ist der Ehegatte Testamentsvollstrecker, hat er eine dreifache Rolle (Miterbe, gesetzlicher Vertreter, Testamentsvollstrecker). Die minderjährigen Kinder müssen bei der Auseinandersetzung ebenfalls durch Ergänzungspfleger vertreten werden. Für sich als Miterbe muss der Testamentsvollstrecker keinen Pfleger bestellen lassen, weil anzunehmen ist, dass der Erblasser durch seine Anordnung dem Testamentsvollstrecker Insichhandeln gestattet hat (vgl. § 181 BGB)4.
1 BGH v. 9.7.1956 – V BLw 11/56, NJW 1956, 1433; RGZ 93, 334; Damrau, ZEV 1994, 1(3); Haegele, Rpfleger 1957, 147; Bengel/Reimann/Schaub, Kap. 4 Rz. 265. 2 BGH v. 9.7.1956 – V BLw 11/56, NJW 1956, 1433. 3 Damrau, ZEV 1994, 1(3). 4 Hierzu Soergel/Leptien, § 181 BGB Rz. 32 m.w.N.
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Minderjähriger Erbe
Rz. 43 B X
14. Minderjährige Erben unter Testamentsvollstreckung a) Wahrnehmung der Rechte Der Erblasser kann eine dritte Person zum Testamentsvollstrecker ernennen, aber auch einen Miterben. Häufig wird der überlebende Ehegatte zum Testamentsvollstrecker für die minderjährigen Kinder bestellt, z.B. bis die Kinder das 25. Lebensjahr erreicht haben. Ohne eine solche Anordnung endet die elterliche Sorge mit dem 18. Lebensjahr (Volljährigkeit) und die Kinder können dann ihr Vermögen selbst verwalten, auch unvernünftig, es auch einem indischen Guru schenken. Durch Anordnung einer Testamentsvollstreckung kann den Kindern das Verwaltungsrecht auch noch für die Zeit ab Eintritt der Volljährigkeit entzogen werden.
42
b) Rechte gegen den Testamentsvollstrecker Der Erbe hat gegen den Testamentsvollstrecker einige Rechte. Während der Amtsführung – auf ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses (§ 2216 BGB); – auf Unterlassung mangelhafter Amtsführung; – Unterlassung von Schenkungen (§ 2205 S. 3 BGB); – Mitteilung eines Nachlassverzeichnisses (§ 2215 BGB); – Information (§ 2218 Abs. 1, 666 Alt. 1 BGB); – Auskunft, nur auf Verlangen (§§ 2218 Abs. 1, 666 Alt. 2 BGB); – Überlassung bestimmter Nachlassgegenstände (§ 2217 BGB); – jährliche Rechnungslegung (§ 2218 Abs. 2 BGB); – Anspruch auf Anhörung zum Teilungsplan (§ 2204 Abs. 2 BGB); – Anspruch auf Auseinandersetzung (§ 2204 Abs. 1 BGB); – Anspruch auf Schadenersatz (§ 2219 BGB). Nach Beendigung des Amts: – Anspruch auf Rechenschaftslegung, – auf Herausgabe des Nachlasses, – auf Aktenherausgabe. Die Rechte des minderjährigen Erben gegen den Testamentsvollstrecker werden vom gesetzlichen Vertreter, also den Eltern bzw. einem Elternteil, Vormund, Pfleger, ausgeübt. Ist der gesetzliche Vertreter (z.B. der überlebende Elternteil) zugleich Testamentsvollstrecker, kann er diese Rechte nicht gegen sich ausüben; das folgt aus § 181 BGB, zumindest in entsprechender Anwendung. Schließlich kann der Elternteil nicht die jährliche Rechnungslegung, die er als Testamentsvollstrecker erstellt hat, sodann selbst als Elternteil überprüfen. Deshalb ist wegen des Interessenwiderstreits nach einer Meinung
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B X Rz. 44
Minderjähriger Erbe
ein Pfleger zu bestellen1; anders der BGH2: ein Pfleger sei im Regelfall entbehrlich. c) Zustimmung zu unentgeltlichen Verfügungen 44 Der Testamentsvollstrecker darf keine ganz oder teilweise unentgeltlichen Verfügungen treffen (§ 2205 S. 3 BGB); mit Zustimmung der Erben kann er aber verfügen3. Das Problem sind in der Praxis die „günstigen Preise“, also die teilweise Unentgeltlichkeit. Will der Testamentsvollstrecker etwas unter Wert veräußern und ist der Erbe, dessen Zustimmung erforderlich ist, minderjährig, ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters dieses Erben erforderlich4. Die Anordnung einer Testamentsvollstreckung allein kann noch nicht als Ausschluss der Eltern von der Vertretung nach § 1638 BGB gedeutet werden5; es bleibt also beim Zustimmungserfordernis der gesetzlichen Vertreter. Doch ist § 1641 BGB zu beachten: Der Zustimmende verschenkt, Eltern (ebenso wie Vormund, Betreuer, §§ 1804, 1908i Abs. 1 BGB) können wegen §§ 1641, 1804 BGB nicht in Vertretung verschenken (Ausnahme: sittliche Pflicht zur Schenkung, Anstandsrücksichten), eine Genehmigung des Familiengerichts oder Betreuungsgerichts ist nicht möglich, weil es keinen solchen Zustimmungstatbestand (§§ 1821, 1822 BGB usw.) gibt6. Eine gleichwohl erteilte Genehmigung des Familiengerichts geht ins Leere, weil den Eltern für Schenkungen die Vertretungsmacht fehlt7. Dies ist aber bestritten8. d) Anhörung des Minderjährigen zum Auseinandersetzungsplan 45 Der Testamentsvollstrecker hat die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu bewirken (§ 2204 Abs. 1 BGB); entweder wird ein Auseinandersetzungsvertrag mit allen Miterben geschlossen oder der Testamentsvollstrecker hat einen Auseinandersetzungsplan aufzustellen, der, sobald er als endgültiger Plan gemeint ist, verbindlich ist. Vor seiner Ausführung sind die Erben anzuhören (§ 2204 Abs. 2 BGB), dies sollte aber auch schon vor Aufstellung des Plans erfolgen. Bei Kindern werden die gesetzlichen Vertreter (Eltern, § 1629 BGB; Vormund, § 1773 BGB; Pfleger, § 1915 BGB) angehört. Ist den Eltern die Vermögenssorge für die Erbschaft des Kindes entzogen (z.B. nach § 1638 BGB), ist zur Anhörung ein Pfleger nach § 1909 BGB zu bestellen. Ebenso ist ein Pfleger zu bestellen, wenn der Testamentsvollstrecker zugleich gesetzlicher
1 Vgl. OLG Hamm v. 13.1.1993 – 15 W 216/92, FamRZ 1993, 1122; a.A. Damrau, ZEV 1994, 1. 2 BGH v. 5.3.2008 – XII ZB 2/07, NJW-RR 2008, 963. 3 BGH v. 24.9.1971 – V ZB 6/71, BGHZ 57, 84; Palandt/Edenhofer, § 2205 BGB Rz. 35. 4 BGH v. 24.10.1990 – IV ZR 296/89, NJW 1991, 842 (843). 5 BGH v. 16.3.1988 – IVa ZR 163/87, NJW 1988, 1390; BGH v. 24.10.1990 – IV ZR 296/89, NJW 1991, 842 (843). 6 Soergel/Damrau, § 2205 BGB Rz. 78. 7 BayObLG v. 18.7.1986 – 2 Z 60/86, Rpfleger 1986, 471; Staudinger/Engler, § 1641 BGB Rz. 15. 8 A.A. z.B. Mattern, WM 1973, 535 (welcher Genehmigungstatbestand?).
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Minderjähriger Erbe
Rz. 48 B X
Vertreter eines Miterben ist (vgl. §§ 181, 1909 BGB)1, denn sonst würde der Testamentsvollstrecker sich selbst anhören. Beispiel: Der überlebende Ehegatte ist Testamentsvollstrecker, die Erbengemeinschaft besteht aus dem Ehegatten und den minderjährigen Kindern. Für mehrere Beteiligte sind bei Interessengegensatz verschiedene Pfleger zu bestellen2, nach a.A.3 soll derselbe Pfleger für alle Beteiligten angehört werden können, weil alle Kinder „auf derselben Seite“ stehen würden und nicht untereinander kontrahieren, sondern gegen den Testamentsvollstrecker (das ist aber formalistisch argumentiert). Die Anhörung von minderjährigen Pflichtteilsberechtigten, Vermächtnisnehmern, Auflagebegünstigten ist nicht vorgeschrieben, aber nicht unzulässig; sie ist zweckmäßig, wenn ihre Rechte betroffen sein können (z.B. bei unklaren Vermächtnissen).
15. Wiederverheiratung der Witwe/des Witwers a) Vermögensverzeichnis Ist ein Ehegatte gestorben und sind Kinder vorhanden, entsteht oft eine Erben- 46 gemeinschaft Witwe/Witwer – Kind(er). Die Witwe/Witwer hat dann im Regelfall die Vermögenssorge. Wollte sie/er wieder heiraten, musste sie/der Witwer dies früher dem Amtsgericht – Familiengericht mitteilen, auf ihre/seine Kosten ein Verzeichnis des Kindesvermögens anfertigen und einreichen und die Auseinandersetzung herbeiführen. § 1683 Abs. 1 BGB, der dies vorsah, wurde mit Wirkung vom 12.7.2008 aufgehoben,4 weil kein Bedürfnis dafür bestehen soll. b) Auseinandersetzung Sollte auseinander gesetzt werden, dann sind für die Auseinandersetzung (§§ 2046 ff. BGB) den Kindern vom Familiengericht (§ 151 Nr. 5 FamFG) Ergänzungspfleger zu bestellen (§§ 1629 Abs. 2, 1795, 1909 BGB); der Pfleger braucht für den Erbteilungsvertrag die Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1821, 1822 Nr. 2 BGB). Hatte der verstorbene Ehegatte die Auseinandersetzung ausgeschlossen (§ 2044 BGB) und den überlebenden Ehegatten zum Testamentsvollstrecker ernannt muss auch bei Wiederverheiratung keine Auseinandersetzung erfolgen.
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c) Modalitäten der Auseinandersetzung Die Auseinandersetzung erfolgt nach den Regeln der §§ 2046 ff. BGB. Als Auseinandersetzung gilt auch, wenn die Erbengemeinschaft in eine Bruch-
1 2 3 4
BayObLG v. 9.6.1967 – 1a Z 86/66, BayObLGZ 1967, 230 (240). Winkler, Rz. 520. Damrau, ZEV 1994, 1 (4); Bengel/Reimann/Schaub, Kap. 4 Rz. 237. G. v. 4.7.2008, BGBl. 2008, 1188.
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B X Rz. 49
Minderjähriger Erbe
teilsgemeinschaft umgewandelt wird; das kommt z.B. in Frage, wenn die Witwe und die beiden Kleinkinder ein Haus geerbt haben1.
II. Gestaltungsmöglichkeiten 1. Entzug des Rechts, den Nachlass zu verwalten a) Übersicht 49 Die Vermögenssorge der Eltern erstreckt sich nicht auf das geerbte Vermögen eines Kindes, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat, dass die Eltern oder ein Elternteil das Vermögen nicht verwalten sollen (§ 1638 BGB).
Û
Beratungssituation: Der geschiedene M setzt seine minderjährige Tochter als Erbin ein; er vermutet, dass seine geschiedene Frau F, die im Falle seines Todes dann die alleinige elterliche Sorge hat, das Vermögen der Tochter aus Unfähigkeit oder mit ihrem neuen Freund verbraucht. Der Großvater will seinen minderjährigen Enkel als (Mit-)Erben einsetzen; er befürchtet aber, dass dann die verschwenderischen Eltern des Enkels das Geld vergeuden. Die Großmutter will ihre minderjährige Enkelin als Erbin einsetzen; sie will verhindern, dass deren Mutter, ihre Schwiegertochter, geschieden, an das Geld heran kann.
b) Lösungsmöglichkeiten und Formulierungsvorschläge 50
aa) Anordnung der Testamentsvollstreckung. Der Großvater könnte einen Testamentsvollstrecker einsetzen, der das Vermögen bis zum 25. Lebensjahr (bzw. kürzer oder länger) des Enkels verwaltet (§ 2205 BGB). In diesem Falle können die Eltern allerdings die Kontrollrechte des Erben (d.h. des Kindes) gegen den Testamentsvollstrecker geltend machen, z.B. seine Entlassung wegen (angeblicher) Pflichtwidrigkeiten beantragen (§ 2227 BGB) und ihn auch sonst ärgern. Ist eine unsachliche Störung von dieser Seite nicht zu befürchten, ist die Testamentsvollstreckung zweckmäßig. Kann sie wegen einer eingetretenen Bindung (Erbvertrag usw.) nicht mehr angeordnet werden, bleibt nur noch eine Anordnung nach § 1638 BGB. Dauer-Testamentsvollstreckung ist in der Regel teurer als eine Dauerpflegschaft, weil die Festsetzung der Pflegervergütung durch das Gericht eine „bremsende“ Wirkung hat. Die Testamentsvollstreckung hat den Vorteil, dass sie nicht wie die Pflegschaft mit der Volljährigkeit enden muss.
1 BayObLG v. 11.7.1973 – BR 1 Z 2/73, FamRZ 1974, 34/37; Staudinger/Coester, § 1683 BGB Rz. 19.
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Zimmermann
Minderjähriger Erbe
Rz. 53 B X
Formulierungsvorschlag Testament Ich setze meinen Enkel E . . . zu meinem Alleinerben ein. Ferner ordne ich Testamentsvollstreckung an, bis mein Enkel das 25. Lebensjahr vollendet hat. Zum Testamentsvollstrecker bestelle ich den T, ersatzweise den U; hilfsweise wird das Nachlassgericht gebeten, einen Testamentsvollstrecker zu benennen. (Weitere Regelungen über die Testamentsvollstreckung) Ort, Datum, Unterschrift (Gesamter Text handschriftlich)
Die Anordnung der Testamentsvollstreckung ist eine Beschwerung im Sinne von § 2306 BGB, die u.U. deshalb wegfällt. Auch können die Eltern bzw. der Elternteil die mit Testamentsvollstreckung belastete Erbschaft ihres minderjährigen Kindes ausschlagen und stattdessen für ihr minderjähriges Kind den (nicht mit Testamentsvollstreckung belasteten) Pflichtteil verlangen. Die Ausschlagung ist allerdings genehmigungspflichtig (§ 1643 Abs. 2 BGB). Weiter müssen die Kosten der Testamentsvollstreckung bedacht werden. Zu weiteren Einzelheiten der Testamentsvollstreckung vgl. unten C IX.
51
Ist die Verwaltung des Kindesvermögens durch einen Ergänzungspfleger zweckmäßiger als die Verwaltung durch einen Testamentsvollstrecker?
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Ergänzungspfleger
Testamentsvollstrecker
Pflegschaft wird vom Familiengericht (Rechtspfleger) angeordnet, § 1909 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Testamentsvollstreckung ordnet der Erblasser an (§ 2197 BGB).
Pfleger wird vom Familiengericht überwacht, § 1837 BGB.
Testamentsvollstrecker unterliegt keiner allgemeinen Überwachung.
Pfleger braucht zu vielen Geschäften die Genehmigung des Familiengerichts.
Keine Genehmigungen erforderlich.
Vergütung wird durch Familiengericht festgesetzt.
Keine Festsetzung der Vergütung durch Nachlassgericht.
Pflegschaft endet spätestens mit Volljährigkeit.
Testamentsvollstreckung endet mit dem festgelegten Termin.
bb) Entzug des Vermögensverwaltungsrechts. Der Großvater könnte den El- 53 tern (oder auch nur der Mutter, nur dem Vater) das Recht, das an den Enkel vererbte Vermögen zu verwalten, entziehen (§ 1638 BGB). Dann muss das Vormundschaftsgericht Pflegschaft anordnen (§ 1909 BGB). Drei Varianten: (1) Der Erblasser benennt keinen Pfleger. Dann muss das Amtsgericht einen Pfleger nach eigener Auswahl hierfür bestellen (§ 1909 BGB).
Zimmermann
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B X Rz. 54
Minderjähriger Erbe
(2) Der Großvater könnte aber auch ausdrücklich anordnen, welche Person als Pfleger zu bestellen ist (§ 1917 BGB); dann ist im Regelfall diese Person zu bestellen. Auch eine Ersatzperson kann berufen werden. (3) Der Erblasser benennt einen Pfleger und ordnet eine befreite Pflegschaft an (§§ 1917 Abs. 2, 1852–1854 BGB). Vgl. Rz. 84. In allen diesen Fällen kann das Kind ab dem 18. Lebensjahr sein Vermögen selbst verwalten. Soll auch dies verhindert werden, muss eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden, entweder parallel oder anschließend.
Formulierungsvorschlag Testament Ich setze meinen Enkel E . . . zu meinem Alleinerben ein. Dieses vererbte Vermögen darf nicht durch die Eltern des Kindes verwaltet werden; ich entziehe ihnen das Verwaltungsrecht (§ 1638 BGB). Die Verwaltung soll durch einen Pfleger erfolgen. Zum Pfleger berufe ich P, ersatzweise Y. Für den Pfleger ordne ich die in den §§ 1852–1854 BGB bezeichneten Befreiungen an. Ort, Datum, Unterschrift (Gesamter Text handschriftlich)
54 Von der Vermögensverwaltung ausgeschlossen werden können beide Eltern oder nur ein Elternteil. Die Ausschließung kann unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung erfolgen, z.B. dass die Mutter vom Zeitpunkt der Wiederverheiratung an von der Verwaltung ausgeschlossen ist1. Ob die Befreiung des Pflegers zweckmäßig ist, hängt davon ab, wer zum Pfleger bestellt wurde; im Allgemeinen ist eher davon abzuraten. Die Befreiungen des Pflegers können vom Familiengericht außer Kraft gesetzt werden, wenn das geerbte Vermögen gefährdet wird (§ 1917 Abs. 2 Satz 2 BGB). Wer eine solche Regelung trifft, sollte bedenken, dass die Kosten der Pflegschaft, wenn sie über viele Jahre läuft, eine beträchtliche Höhe erreichen können (Rz. 68). 55
cc) Testamentsvollstreckung und Pflegschaft. Der Großvater könnte den Eltern das Recht, das vererbte Vermögen zu verwalten, entziehen, einen Pfleger berufen und zusätzlich gleichzeitig Testamentsvollstreckung anordnen sowie einen Testamentsvollstrecker ernennen2. In diesem Falle können die Eltern die Kontrollrechte des Kindes gegen den Testamentsvollstrecker nicht geltend machen, dies kann nur der Pfleger3 und ab Volljährigkeit das Kind selbst. Der 1 KG v. 21.6.1962 – 1 W 1006/62, FamRZ 1962, 432/435. 2 Damrau, ZEV 1998, 90 (91). 3 OLG Frankfurt v. 23.4.1965 – 6 W 136/65, DNotZ 1965, 482; Frenz, DNotZ 1995, 908 (915).
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Zimmermann
Minderjähriger Erbe
Rz. 58 B X
Pfleger hat also nur einen kleinen Aufgabenkreis. Das Vermögen selbst wird vom Testamentsvollstrecker verwaltet (§ 2205 BGB). Außerdem kann in diesem Falle das Kind sein geerbtes Vermögen nicht schon mit Erreichen der Volljährigkeit selbst verwalten, sondern erst mit dem als Ende der Testamentsvollstreckung angegebenen Zeitpunkt; ab Volljährigkeit übt es dann seine Rechte gegen den Testamentsvollstrecker selbst aus. Kind minderjährig: Eltern: Personensorge
56 Pfleger: überwacht den Testamentvollstrecker
Testamentsvollstrecker: verwaltet das geerbte Vermögen
Pfleger: Pflegschaft beendet
Testamentsvollstrecker: verwaltet das geerbte Vermögen, überwacht vom vollj. Kind
Ab Volljährigkeit: Eltern: ohne elterl. Sorge
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Formulierungsvorschlag Testament Ich setze meine Enkelin . . . zu meiner Alleinerbin ein. Dieses vererbte Vermögen darf nicht durch die Eltern des Kindes verwaltet werden; ich entziehe diesen das Verwaltungsrecht (§ 1638 BGB). Die Verwaltung soll durch einen Testamentsvollstrecker erfolgen, im Übrigen durch einen Pfleger. Zum Pfleger berufe ich P, ersatzweise Y. Für den Pfleger ordne ich die in den §§ 1852–1854 BGB bezeichneten Befreiungen an. Ferner ordne ich Testamentsvollstreckung an, bis meine Enkelin das 25. Lebensjahr vollendet hat. Zum Testamentsvollstrecker bestelle ich den T, ersatzweise den U; hilfsweise wird das Nachlassgericht gebeten, einen Testamentsvollstrecker zu benennen. Ort, Datum, Unterschrift (Gesamter Text handschriftlich)
Hier fallen sowohl für den Testamentsvollstrecker wie für den Pfleger für viele Jahre u.U. beträchtliche Kosten an; vgl. Rz. 67. Zu weiteren Einzelheiten der Testamentsvollstreckung vgl. C IX. c) Voraussetzungen des Entzugs der Vermögenssorge Der Erblasser kann ohne weitere Voraussetzungen bestimmen, dass die Eltern das dem Kind von Todes wegen überlassene Vermögen nicht verwalten dürfen Zimmermann
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B X Rz. 59
Minderjähriger Erbe
(§ 1638 Abs. 1 BGB); die Eltern müssen sich nichts zu Schulden kommen haben lassen. Erforderlich ist nur, dass der Erblasser die Testamentsform wahrt. Eine eindeutige Formulierung, am besten unter Nennung der Vorschrift, ist zweckmäßig, weil die Gerichte im Zweifel diesen strengen Eingriff in die Elternrechte nicht annehmen; schließt der Erblasser beispielsweise nur die „Nutznießung“ des überlebenden Ehegatten an dem dem Kind zugewendeten Vermögen aus, wird dies nicht als Entzug nach § 1638 BGB, sondern nur als (schwache) Verwendungsregelung nach § 1639 BGB aufgefasst1. Die Anordnung kann auch noch vorgenommen werden, nachdem im Übrigen erbvertragliche oder wechselbezügliche Bindung eingetreten ist2. Das Familiengericht oder Nachlassgericht kann diese Anordnung des Erblassers nicht aufheben. Erfasst ist das Vermögen, das das Kind durch Erbfolge, als Vermächtnis oder als Pflichtteil erwirbt; erfasst sind ferner Surrogate, § 1638 Abs. 2 BGB (z.B.: Das vererbte Haus brennt ab, aus der Versicherungssumme wird ein Ersatzbau errichtet). Erlangt das Kind nur den Pflichtteil, stellt der Entzug des Verwaltungsrechts der Eltern keine Beschwerung im Sinne von § 2306 BGB dar3, weil der Pflichtteilsberechtigte selbst nicht beschwert wird, nur seine Eltern. Ein Anfechtungsrecht der Eltern kann allerdings bestehen (§ 2080 BGB). d) Berufung eines Pflegers durch den Erblasser 59 Der Erblasser kann die Auswahl des Pflegers dem Familiengericht überlassen; er kann aber auch selbst im Testament einen Pfleger bestimmen, § 1917 BGB. Es wird die Meinung vertreten, der Erblasser könne einem Elternteil die Vermögensverwaltung entziehen und ihn gleichzeitig als Pfleger benennen4; dann unterliege der Elternteil faktisch einer Aufsicht des Familiengerichts, über § 1643 BGB hinaus; von solchen Konstruktionen ist abzuraten, weil nicht sicher ist, dass das Gericht dann tatsächlich den Elternteil als Pfleger auswählt. Das Familiengericht muss zwar grundsätzlich (nach Anordnung der Pflegschaft) den im Testament zum Pfleger Berufenen bestellen; ohne seine Zustimmung darf es ihn aber übergehen, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen (§ 1917 Abs. 1 Halbs. 2 BGB): – Der vorgeschlagene Pfleger ist wegen Alters, Krankheit oder beruflicher Überlastung gehindert (§ 1778 Abs. 1 Nr. 2 BGB); – seine Bestellung würde das Kindeswohl gefährden (z.B. Unfähigkeit; § 1778 Abs. 1 Nr. 4 BGB); das ist z.B. der Fall, wenn die Bestellung die persönlichen Interessen oder Vermögensinteressen des Kindes beeinträchtigen würde, wenn ein Interessengegensatz besteht, wenn von ihm Unterhalt für das Kind nur zögerlich bezahlt wird, beim Kind aufgenommene Darlehen von ihm nicht vereinbarungsgemäß zurückbezahlt werden;
1 2 3 4
BayObLG v. 11.2.1982 – 1 Z 117/81, Rpfleger 1982, 180. MüKo/Schwab, § 1917 BGB Rz. 10. Damrau, ZEV 1998, 90; Wendelstein, BWNotZ 1974, 10. KG, KGJ 20 A 220; Staudinger/Engler, § 1638 BGB Rz. 19.
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Zimmermann
Minderjähriger Erbe
Rz. 60 B X
– das mindestens 14 Jahre alte Kind widerspricht der Bestellung dieser konkreten vom Erblasser vorgeschlagenen Person (§ 1778 Abs. 1 Nr. 5 BGB).
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Beratungshinweis: Es ist deshalb zu empfehlen, im Testament zusätzlich hilfsweise eine andere Person zum Pfleger zu berufen.
Kann das Familiengericht die berufene Person übergehen, darf es eine andere geeignete Person bestellen. Die übergangenen Eltern bzw. der Elternteil können gegen die Auswahl des Pflegers Beschwerde einlegen (§§ 58, 59 FamFG)1; hat die Beschwerde Erfolg, wird der vom Erblasser berufene Pfleger entlassen und bei Eignung die Ersatzperson bestellt; im Übrigen wird eine andere geeignete Person bestellt (§ 1779 BGB). e) Folgen Wird nur ein Elternteil von der Verwaltung ausgeschlossen, verwaltet der an- 60 dere Elternteil das Nachlassvermögen des Kindes allein (§ 1638 Abs. 3 BGB). Werden beide Eltern ausgeschlossen, ist vom Familiengericht Pflegschaft anzuordnen und ein Ergänzungspfleger zu bestellen (§ 1909 BGB). Dieser Pfleger übt dann die Vermögenssorge aus (jedoch nicht, wenn zusätzlich ein Testamentsvollstrecker bestellt wurde). Was im Einzelnen zu den Rechten des Pflegers gehört, ist streitig: – Den Überschuss der Einkünfte aus dem Kindesvermögen muss der Pfleger den Eltern zum Kindesunterhalt zur Verfügung stellen (§ 1649 Abs. 1 BGB)2; den weiteren Überschuss (§ 1649 Abs. 2 BGB) können die Eltern wohl nicht zur Verwendung für sich fordern. – Nach h.M.3 bleibt bei den Eltern nach wie vor das Recht, das Kind bei der Annahme oder Ausschlagung der angefallenen Erbschaft zu vertreten. – Der ausgeschlossene Elternteil kann gegen die Auswahl des Pflegers Beschwerde einlegen4. – Die Entlassung des Testamentsvollstreckers, der für den Kindesnachlass bestellt wurde, können die Eltern nicht gem. § 2227 BGB beantragen5. – Die Eltern können vom Pfleger keine Auskunft über Art und Bestand des zugewendeten Nachlasses verlangen6. – Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs liegt beim Pfleger7.
1 BayObLG v. 28.2.1997 – 1 Z BR 253/96, FamRZ 1997, 1289. 2 Damrau, ZEV 1998, 90. 3 Staudinger/Engler, § 1638 BGB Rz. 16; Damrau, ZEV 1998, 90; a.A. Frenz, DNotZ 1995, 908 (915): Nur der Pfleger könne ausschlagen. 4 BayObLG v. 28.2.1997 – 1 Z BR 253/96, FamRZ 1997, 1289. 5 BGH v. 30.11.1988 – IVa ZB 12/88, NJW 1989, 984 = FamRZ 1989, 269. 6 LG Bonn v. 26.1.1995 – 4 T 87/95 FamRZ 1995, 1433. 7 OLG Hamm v. 8.8.1969 – 15 W 172/69, FamRZ 1969, 662; Frenz, DNotZ 1995, 908 (914).
Zimmermann
605
B X Rz. 61
Minderjähriger Erbe
f) Rechtsstellung des Ergänzungspflegers 61 Die Eltern müssen die Notwendigkeit der Bestellung eines Pflegers unverzüglich dem Familiengericht mitteilen (§ 1909 Abs. 2 BGB). Das Familiengericht hat zunächst Ergänzungspflegschaft anzuordnen und sodann einen Pfleger auszuwählen. Sein Wirkungskreis lautet: Verwaltung des Vermögens aus dem Nachlass des G . . . 62
aa) Benennt der Erblasser keinen Pfleger in seinem Testament, bestellt das Familiengericht einen Pfleger nach eigener Auswahl. Erst mit Zugang des Beschlusses beim Ausgewählten beginnt sein Amt (§ 40 FamFG) und damit sein Vermögenssorgerecht, nicht schon mit dem Todesfall.
63 bb) Der vom Erblasser im Testament benannte Pfleger erlangt sein Amt ebenfalls erst mit Bestellung durch das Familiengericht (vgl. § 1917 Abs. 1 BGB). 64 cc) Ablehnung des Amts. Der Pfleger, sei es der vom Erblasser benannte, sei es der vom Familiengericht ausgewählte, kann das Amt nur unter den Voraussetzungen des § 1786 BGB ablehnen. In der Praxis wird bei Ablehnung einfach eine andere Person bestellt. 65 dd) Der Pfleger hat zunächst ein Vermögensverzeichnis über das Vermögen des Kindes zu erstellen und beim Familiengericht einzureichen (§§ 1915, 1802 BGB). In der Verwaltung des Kindesvermögens unterliegt er starken Einschränkungen: – Er muss das Geld verzinslich (§ 1806 BGB) und mündelsicher anlegen (§ 1807 BGB), teils mit Sperrvermerk (§ 1809 BGB). – In vielen Fällen braucht der Pfleger die Genehmigung des Familiengerichts: bei anderer Anlage des Geldes, z.B. in Aktien, Investmentanteilen, (§ 1811 BGB); bei zahlreichen Verfügungen (§§ 1812, 1813 BGB), Grundstücksgeschäften (§ 1821 BGB), sonstigen wichtigen Vorgängen (§ 1822 BGB). – Er darf nichts verschenken (§ 1804 BGB). 66 ee) Aufsicht über den Pfleger. Bei der Ausübung seines Amtes ist der Pfleger selbstständig. Das Familiengericht (nicht aber die Eltern des Pfleglings) darf und muss aber den Pfleger beaufsichtigen (§ 1837 Abs. 2 BGB); ein weiteres Aufsichtsmittel liegt darin, dass der Pfleger in vielen Fällen die Genehmigung des Familiengerichts braucht (Rz. 34). Die Durchführung der Aufsicht wird u.a. ermöglicht durch § 1802 BGB (Vorlage eines Vermögensverzeichnisses), durch §§ 1840, 1843 BGB (jährliche Rechnungslegung und Rechnungsprüfung), durch § 1839 BGB (Auskunftspflicht). Pflichtwidrigkeiten des Pflegers liegen vor, wenn er gegen gesetzliche Regelungen verstößt, z.B. das Vermögensverzeichnis oder die Jahresrechnung nicht einreicht, das eigene Vermögen mit dem des Pfleglings vermengt (§ 1805 BGB), gerichtliche Anordnungen nicht befolgt, Sperrvermerke nicht eintragen lässt, ohne vorgeschriebene Genehmigung des Familiengerichts handelt.
606
Zimmermann
Minderjähriger Erbe
Rz. 69 B X
Dagegen handelt der Pfleger nicht pflichtwidrig, wenn er in Zweckmäßigkeitsfragen aus sachlichen Gründen anderer Ansicht ist als das Familiengericht. In Zweckmäßigkeitsfragen darf das Familiengericht nicht anstelle des Pflegers tätig werden und keine bindenden Anordnungen treffen1. Gegen Gebote und Verbote des Familiengerichts kann der Pfleger Beschwerde einlegen (§§ 58, 59 FamFG), gegen bloße Ratschläge nicht. ff) Vergütung des Pflegers. Das Recht der Honorierung ist kompliziert. Es kommt auf mehrere Differenzierungen an: Zwischen Vergütung und Auslagenersatz ist zu unterscheiden; ferner danach, ob Vergütung des nicht berufsmäßigen (ehrenamtlichen) Pflegers oder eines Berufspflegers infrage kommt. Was ist im Bestellungsbeschluss des Familiengerichts bestimmt? Ist der Pflegling mittellos oder vermögend? Denn bei Mittellosigkeit zahlt die Staatskasse einem Rechtsanwalt je Stunde nur 33,50 Euro zuzüglich MwSt.
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(1) Vergütung des Berufspflegers. Der berufsmäßige Pfleger (d.h. derjenige, bei dem die Berufsmäßigkeit im Bestellungsbeschluss festgehalten ist, z.B. ein Rechtsanwalt) darf die Tätigkeit als Pfleger in keinem Falle nach dem RVG, KostO oder sonstigen Gebührenordnungen abrechnen (§ 1 Abs. 2 RVG).
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Der Pfleger erhält vom vermögenden Pflegling eine Vergütung (§ 1836 Abs. 1 BGB) sowie Ersatz seiner Aufwendungen (§ 1835 Abs. 1 BGB), beruflicher Dienstleistungen (§ 1835 Abs. 3 BGB), aber ohne die Kosten bestimmter Haftpflichtversicherungen (§ 1835 Abs. 2 Satz 2 BGB) und ohne Kfz-Haftpflichtversicherung (§ 1835 Abs. 2 BGB). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB: Der Pfleger erhält ein Stundenhonorar, das bei einem Rechtsanwalt 33,50 Euro zuzüglich MwSt. beträgt2. Das Vermögen des Pfleglings hat Bedeutung, weil in schwierigen Fällen ein höherer Stundensatz als 33,50 Euro erlaubt ist (§ 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB), bei Mittellosigkeit dagegen nicht. Der Vergütungsanspruch des Berufspflegers erlischt, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Familiengericht geltend gemacht (d.h. beantragt) wird; die Belege können nach Fristablauf nachgereicht werden. Entstanden ist der Anspruch mit der Pflegertätigkeit3, somit letztlich tageweise. Vergütungsfestsetzungsverfahren. Der Pfleger muss einen Antrag auf Vergütung stellen, in dem er die wirtschaftlichen Verhältnisse des Pfleglings darzustellen hat, damit das Familiengericht feststellen kann, ob Mittellosigkeit beim Pflegling vorliegt (§ 168 FamFG). Das Familiengericht hat die zur Festsetzung der Vergütung erforderlichen Tatsachen (z.B. Stundensatz) von Amts wegen zu ermitteln. Der Pflegling muss (z.B. schriftlich) gehört werden, wenn er selbst zahlen muss (d.h. vermögend ist); gegebenenfalls muss ihm hierzu ein weiterer Pfleger bestellt werden4. Macht der Pfleger keine konkreten Zeitangaben für die Einzeltätigkeiten oder nur eine pauschale Zeitangabe für sei1 2 3 4
BGH v. 30.3.1955 – IV ZB 23/55, BGHZ 17, 108 (116). Rechtslage für Tätigkeiten ab 1.7.2005 aufgrund des 2. BtÄndG. BayObLG v. 23.11.1995 – 3 Z BR 296/95, FamRZ 1996, 372. BayObLG v. 30.9.1982 – 3 Z 91/82, Rpfleger 1982, 473.
Zimmermann
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B X Rz. 70
Minderjähriger Erbe
ne gesamte Tätigkeit, kann eine Schätzung von Erforderlichkeit und Angemessenheit des Zeitaufwands aufgrund des Tätigkeitsberichts durchgeführt werden1. Das Familiengericht (Rechtspfleger) setzt die Vergütung durch Beschluss fest (§ 168 Abs. 1 FamFG). Der Auslagenersatz darf i.d.R. nicht durch Beschluss festgesetzt werden. Eine Anweisung durch den Urkundsbeamten scheidet aus, weil die Staatskasse nicht zahlungspflichtig ist. 70
Rechtsmittel: Es kommt auf den Betrag an, um den sich der Beschwerdeführer verbessern will (Beispiel: 1700 Euro beantragt, 1500 Euro vom Familiengericht zugebilligt; Beschwerdewert 200 Euro, wenn der Beschwerdeführer die restlichen 200 Euro voll erstreiten will). Bei einem Beschwerdegegenstand bis 600 Euro ist nur sofortige Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss des Familiengerichts zulässig; der Rechtspfleger kann abhelfen; bei Nichtabhilfe entscheidet der Richter endgültig (§ 11 Abs. 2 RPflG). Der Richter (bzw. der Rechtspfleger) kann aber auch die Beschwerde zum OLG zulassen (§ 61 FamFG). Wenn der Beschwerdegegenstand 600 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde, ist gegen den Rechtspflegerbeschluss die sofortige Beschwerde (Frist: ein Monat) zum OLG statthaft.
71 Die Nichtzulassung der Beschwerde ist unanfechtbar. Eine Verschlechterung, d.h. eine Herabsetzung der Vergütung im Beschwerdebeschluss, ist nicht zulässig, wenn nur der Pfleger gegen die Vergütungsfestsetzung Beschwerde einlegt. Die Beschwerdebefugnis (§ 59 FamFG) haben die Zahlungspflichtigen bzw. Vergütungsberechtigten. Die Staatskasse (Bezirksrevisor) ist beschwerdeberechtigt, wenn sie selbst zahlen soll. Die Rechtsbeschwerde zum BGH (§ 133 GVG) ist nur bei Zulassung statthaft (§ 70 FamFG). Da der Ergänzungspfleger die Vermögenssorge hat, kann er die Vergütung nach Festsetzung selbst aus dem Vermögen des Kindes entnehmen. Die Auslagen kann der Pfleger ohne Festsetzung dem Vermögen des Kindes entnehmen. Der entnommene Betrag ist in der jährlichen Abrechnung aufzuführen. 72
(2) Vergütung des nicht berufsmäßigen Pflegers. Dies sind die Fälle, in denen Verwandte, Bekannte, Freunde zum Pfleger bestellt werden. Dieser Pfleger erhält vom vermögenden Pflegling eine Vergütung (§ 1836 Abs. 2 BGB) sowie Ersatz seiner Aufwendungen (§ 1835 Abs. 1 BGB), einschließlich beruflicher Dienste (§ 1835 Abs. 3), der Kosten bestimmter Haftpflichtversicherungen (§ 1835 Abs. 2), aber ohne Kfz-Haftpflichtversicherung (§ 1835 Abs. 2). Zur Höhe der Vergütung sagt § 1836 Abs. 2 BGB nur, dass sie angemessen sein muss. Dabei sind alle relevanten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, nicht nur die Faktoren Vermögen und Umfang sowie Schwierigkeit der Tätigkeit des Pflegers; die nutzbaren Fachkenntnisse sind zwar nicht erwähnt, aber gleichwohl zu berücksichtigen. Es besteht kein vorgeschriebener Rahmen, keine Tabelle oder feste Taxe. Das Gesetz gestattet eine Vergütung nach Zeitaufwand des Pflegers (der Stundensatz richtet sich dabei nicht nach dem VBVG; doch sind dessen Sätze meines Erachtens Mindestsätze).
1 BayObLG v. 27.2.1996 – 3 Z BR 341/95, FamRZ 1996, 1171.
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Zimmermann
Minderjähriger Erbe
Rz. 74 B X
Der Anspruch des ehrenamtlichen Pflegers gegen das vermögende Kind unterliegt der gewöhnlichen Verjährung (seit dem 1.1.2010: § 195 BGB) und ist nach § 207 Satz 2 BGB gehemmt; die Erlöschenregelung in § 2 VBVG (15 Monate ab Entstehung) bezieht sich nur auf Berufspfleger. Da dies streitig ist, sollte der ehrenamtliche Pfleger seine Stunden innerhalb von 15 Monaten abrechnen. Die Vergütung wird auf Antrag des Pflegers vom Familiengericht (Rechtspfleger) durch Beschluss festgesetzt (§ 168 Abs. 1, 5 FamFG); erst dann wird er sie dem von ihm verwalteten Vermögen des Kindes entnehmen; die Auslagen kann er ohne Weiteres entnehmen. gg) Haftung des Pflegers. Der Pfleger kann haften:
73
– Gegenüber dem Pflegling (Kind). Voraussetzung ist eine Pflichtverletzung des Pflegers in seinem Aufgabenkreis und ein Verschulden (Fahrlässigkeit, auch leichte; Vorsatz) sowie der Eintritt eines Schadens. Beispiele: Geld wird nicht verzinslich angelegt, § 1806 BGB, oder höhere Beträge bleiben zinsungünstig auf dem Sparbuch1; Gegenstände aus dem Vermögen des Kindes werden veräußert, ohne dass sich der Pfleger ggf. durch Gutachten vom angemessenen Kaufpreis ein Bild gemacht hat. Der Schadenersatzanspruch muss vom neuen Pfleger des Kindes (oder nach dessen Volljährigkeit vom Kind selbst) vor dem Zivilgericht geltend gemacht werden, nicht vor dem Familiengericht; zu diesem Zweck muss das Familiengericht dem geschädigten Kind einen neuen Ergänzungspfleger bestellen, der dann den bisherigen Pfleger verklagt. Der Schadenersatzanspruch verjährt in 30 Jahren (§§ 1833, 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB); streitig. Zur Rechtslage seit dem 1.1.2010 vgl. Rz. 33. – Gegenüber einem Dritten. Anspruchsgrundlage kann culpa in contrahendo sein (sog. Sachwalterhaftung). Das gilt z.B., wenn der Pfleger dem Vertragspartner (z.B. Heim) gegenüber über das allgemeine Vertrauen hinaus eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und Erfüllung des Geschäfts geboten, z.B. die Zahlung der Heimkosten zugesagt hat.
2. Verwaltungsanordnungen des Erblassers a) Inhalt der Regelung Ein Erblasser, welcher einem Kind etwas vererbt, kann in einer letztwilligen Verfügung anordnen, wie die Eltern des Kindes (bzw. ein Elternteil) das vererbte Vermögen zu verwalten haben (§ 1639 BGB). Beispiel: Der geschiedene Vater setzt den Sohn als Erben ein und bestimmt, dass das Geld auf einem Sparbuch bleiben soll, das Haus nicht verkauft werden darf, Erträge in Aktien zu investieren sind. Solche Anordnungen sind lästig und oft unvernünftig. Die Anordnung braucht nicht ausdrücklich zu erfolgen, sie kann auch stillschweigend geschehen. Die verbindliche Anordnung ist abzugrenzen von der noch strengeren Beschränkung der Vermögenssorge (§ 1638 BGB), andererseits 1 AG Bremen v. 14.2.1992 – 7 C 453/91, NJW 1993, 205 = Rpfleger 1993, 338.
Zimmermann
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B X Rz. 75
Minderjähriger Erbe
von unverbindlichen Wünschen, Bitten, Anregungen, Empfehlungen, gegebenenfalls auch von der Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Erfasst wird der Erwerb des Kindes von Todes wegen als Erbe, Pflichtteilsberechtigter, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigter. Anordnungsberechtigt ist nur der Zuwendende. Auch Surrogate werden entsprechend § 1638 Abs. 2 BGB erfasst. b) Grenzen der Anordnungsmacht 75 Der Erblasser kann die Beschränkungen der Vertretungsmacht, die sich z.B. aus §§ 1821 ff. ergeben, nicht beseitigen, da diese im öffentlichen Interesse zum Schutz des Kindes geschaffen sind. Der Erblasser kann die genehmigungspflichtigen Rechtsgeschäfte nicht erweitern und so dem Familiengericht Aufgaben zuweisen, die das Gesetz nicht vorsieht. Der Erblasser kann also nicht anordnen, dass Aktienkäufe der Genehmigung des Familiengerichts bedürfen, er kann aber eine solche Anlage generell verbieten. c) Verpflichteter 76 Die Verwaltungsanordnung des Erblassers verpflichtet nur die Eltern, nicht das Kind. Demgemäß bildet sie, wenn sie sich auf den Pflichtteil bezieht, auch keine Beschränkung i.S.v. § 2306 BGB. Die Verwaltungsanordnungen enden, da sie sich nur an die Eltern wenden, mit dem Ende der elterlichen Sorge. Ist ein späterer Zeitpunkt für das Ende der Anordnung bestimmt, handelt es sich um eine erbrechtliche Auflage oder die Anordnung einer Testamentsvollstreckung. d) Abweichungen durch die Eltern 77 Die Anordnungen nach § 1639 BGB binden die Eltern nur im Innenverhältnis, sie beschränken ihre Vertretungsmacht nach außen nicht (anders als die Anordnung nach § 1638 BGB). Befolgen die Eltern die Anordnungen nicht, sind ihre Geschäfte also trotzdem wirksam. Die Abweichung macht aber die Eltern schadenersatzpflichtig (§ 1664 BGB). Das Familiengericht kann in einem solchen Fall außerdem nach § 1666 BGB Maßregeln treffen; im Extremfall kann den Eltern die Verwaltung entzogen und einem Pfleger übertragen werden. Folgenlose Abweichungen von den Verwaltungsanordnungen des Erblassers sind nach § 1639 Abs. 2 i.V.m. § 1803 Abs. 2 BGB lediglich statthaft, wenn das Interesse des Kindes gefährdet ist, falls die Anordnung des Erblassers befolgt wird, nicht aus bloßer Zweckmäßigkeit; hierzu muss die Genehmigung des Familiengerichts erholt werden (§ 1803 Abs. 2 BGB). Ob das bloße Entgehen von Gewinnen ausreicht, ist umstritten1, aber wohl zu bejahen. Beispiel: Von der Anordnung, Geld müsse immer auf dem Sparbuch bleiben, kann m.E. abgewichen werden, weil auf einem genauso sicheren Sparbrief höhere Zinsen zu erzielen sind. 1 Verneinend Staudinger/Engler, § 1640 BGB Rz. 16.
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Zimmermann
Minderjähriger Erbe Verwaltungsanordnungen des Erblassers
Rz. 79 B X Entzug des Verwaltungsrechts durch den Erblasser
§ 1639 BGB
§ 1638 BGB
Letztlich nicht verbindlich
Führt zu einer Pflegschaft und ist verbindlich
3. Benennung eines Vormunds Sterben beide Elternteile, gleichzeitig oder nacheinander, bestellt das Gericht für die minderjährigen Kinder einen Vormund nach eigener Auswahl (§§ 1773 ff. BGB).
78
Die Eltern können aber in einem Testament bzw. Erbvertrag einen Vormund berufen (§§ 1776 Abs. 1, 1777 Abs. 3 BGB); dann muss das Familiengericht in der Regel diese Person zum Vormund bestellen. Ohne seine Zustimmung darf es ihn nur übergehen (und eine andere geeignete Person bestellen), wenn – der vorgeschlagene Vormund wegen Alters, Krankheit oder beruflicher Überlastung gehindert ist (§ 1778 Abs. 1 Nr. 2 BGB); – seine Bestellung das Kindeswohl gefährden würde (z.B. Unfähigkeit; § 1778 Abs. 1 Nr. 4 BGB); – das mindestens 14 Jahre alte Kind der Bestellung dieser Person widerspricht (§ 1778 Abs. 1 Nr. 5 BGB). Im Übrigen besteht Übernahmepflicht (§ 1786 BGB). Der Vormund unterliegt denselben Pflichten wie ein Pfleger (vgl. Rz. 65); während ein Vormund die volle elterliche Sorge hat (also die Personen- und Vermögenssorge), hat ein Ergänzungspfleger nur die Vermögenssorge (ganz oder teilweise). Die Vergütung des Vormunds richtet sich nach § 1836 BGB, § 3 VBVG. Rechnet der Vormund eines wohlhabenden Kindes nach § 1836 BGB ab, unterliegt sein Honorar der Einkommensteuer; wird ihm von den Eltern für seine Mühe ein Vermächtnis ausgesetzt, unterliegt es der Erbschaftsteuer, was in der Regel vom Steuersatz her günstiger ist. Die Vormundschaft endet mit der Volljährigkeit des Kindes (§ 1882 BGB). Wenn die Eltern befürchten, dass das 18 Jahre alte Kind das geerbte Vermögen selbst noch nicht verwalten kann, müssen sie zusätzlich einen Testamentsvollstrecker bestellen; zu empfehlen ist, dass angeordnet wird, dass die Testamentsvollstreckung erst nach Beendigung der Vormundschaft beginnt.
Formulierungsvorschlag Sollten wir beide verstorben sein, soll X zum Vormund für unseren Sohn S bestellt werden, ersatzweise Y. Ferner ordnen wir Testamentsvollstreckung an ab
Zimmermann
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B X Rz. 80
Minderjähriger Erbe
dem Zeitpunkt der Volljährigkeit unseres Sohnes S bis zu seinem 25. Lebensjahr. Testamentsvollstrecker soll Z sein . . . (Ganzer Text handschriftlich, mit Unterschriften)
Werden Vormund und Testamentsvollstrecker dergestalt berufen, dass sie gleichzeitig im Amt sind, dürfte es nicht zweckmäßig sein, ein und dieselbe Person sowohl zum Testamentsvollstrecker wie zum Vormund zu bestellen1, weil der Vormund dann zwar das Vermögen nicht verwalten darf, aber Kontrollrechte gegenüber dem Testamentsvollstrecker hat, die er bei Personenidentität nicht ausüben kann, so dass hierfür vom Vormundschaftsgericht ein Pfleger zu bestellen wäre. Eine Überschneidung besteht allerdings nur im Bereich des geerbten Vermögens (hier verdrängt der Testamentsvollstrecker den Vormund weitgehend, vgl. § 2205 BGB), nicht in der Personensorge, nicht hinsichtlich des sonstigen Vermögens des Kindes. Im Ergebnis sind somit „drei“ Personen tätig: Der Testamentsvollstrecker verwaltet das geerbte Vermögen, der Ergänzungspfleger kontrolliert ihn, der Vormund (personengleich mit dem Testamentsvollstrecker) ist für die Personensorge und die sonstigen Aufgaben zuständig. 80
Rechtslage, wenn Vormund und Testamentsvollstrecker personengleich sind und beide Ämter gleichzeitig bestehen: Vormund X: Personensorge
Pfleger Y: überwacht den Testamentsvollstrecker
Testamentsvollstrecker X: verwaltet das geerbte Vermögen
Pfleger: Pflegschaft beendet
Testamentsvollstrecker: verwaltet das geerbte Vermögen, überwacht vom vollj. Kind
Ab Volljährigkeit: Vormund: Amt beendet
81 Bei Bestellung verschiedener Personen zum Vormund/Testamentsvollstrecker besteht dagegen in der Regel kein Bedürfnis für einen Ergänzungspfleger. Ebenso ist es, wenn der Testamentsvollstrecker erst ab Volljährigkeit des Kindes tätig werden soll. 82 Vergütung. Der berufsmäßige Vormund wird bei Mittellosigkeit des Kindes aus der Staatskasse bezahlt (§§ 1836 BGB, 1 Abs. 2 S. 2 VBVG), bei einem vermögenden Kind dagegen aus dem Kindesvermögen (§ 1 Abs. 2 S. 1 VBVG). Benennen die Eltern einen ehrenamtlichen Vormund, z.B. einen Freund, einen Verwandten, und ist ihr Kind mittellos, erhält dieser Vormund aus der Staatskasse jährlich eine Pauschale (§ 1835a BGB); ist das Kind vermögend, erhält der ehrenamtliche Vormund aus dem Kindesvermögen eine Vergütung (§ 1836 Abs. 2 BGB). 1 A.A. Kirchner, MittBayNot 1997, 203 (205).
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Zimmermann
Minderjähriger Erbe
Rz. 85 B X
4. Befreiungen, Beschwerungen a) Befreiung von der Vermögensverzeichnispflicht Der Erblasser kann die Eltern bzw. einen Elternteil in seiner letztwilligen Verfügung davon befreien, beim Familiengericht ein Verzeichnis des Vermögens, welches das Kind geerbt hat, einzureichen (§ 1640 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
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b) Befreite Pflegschaft Der Erblasser kann einen Ergänzungspfleger, der bei Entzug des Vermögensverwaltungsrechts (§ 1638 BGB) erforderlich ist und den er nach § 1917 BGB selbst vorgeschlagen hat, in seiner letztwilligen Verfügung von den Pflichten gemäß §§ 1852–1854 BGB befreien (§ 1917 Abs. 2 Satz 1 BGB).
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Ein umfassend privilegierter Pfleger ist im Bereich der Vermögenssorge u.a. von folgenden Regelungen befreit: – Bestimmte Beschränkungen bei der Anlegung von Geld gelten für ihn nicht (§§ 1852 Abs. 2 Satz 1, 1809, 1810; 1915 BGB). – Der Sperrvermerk für das angelegte Geld ist nicht erforderlich; zu Geldanlagen in Bundesanleihen, Sparbriefen, Sparguthaben usw. braucht der Pfleger nicht die Genehmigung des Familiengerichts. – Über Forderungen (Bankguthaben usw.) und Wertpapiere kann er ohne Genehmigung des Familiengerichts verfügen (§§ 1852 Abs. 2 Satz 1, 1812, 1915 BGB). – Wertpapiere des Kindes kann der Pfleger im ungesperrten Depot der Bank lassen (§§ 1853, 1814, 1815, 1816; 1915 BGB). – Während der Dauer der Pflegschaft muss er nicht laufend (jährlich) Rechnung legen (§§ 1854, 1840 Abs. 2, 1915). Auch bei befreiter Pflegschaft bestehen aber insbesondere folgende Pflichten: – Das Vermögensverzeichnis nach § 1802 BGB ist aufzustellen und einzureichen; – dem Familiengericht sind Einzelauskünfte zu erteilen (§ 1839 BGB); – Pflicht zur Erstellung von Vermögensübersichten im Abstand von zwei bis fünf Jahren; – das Geld des Pfleglings ist mündelsicher nach §§ 1806 ff. BGB anzulegen; – Genehmigungen in den Fällen der §§ 1821, 1822 BGB sind zu erholen; – Schenkungsverbot; – die Schlussrechnung nach § 1890 BGB ist zu erstellen. Das Familiengericht kann die Befreiung außer Kraft setzen, ganz oder teilweise, wenn sich der Pfleger als unzuverlässig erweist (§ 1917 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Zimmermann
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B X Rz. 86
Minderjähriger Erbe
c) Vermögensverwaltung 86 Der Erblasser kann Anordnungen treffen, wie der Pfleger das geerbte Vermögen des Kindes zu verwalten hat (§ 1803 BGB).
5. Ernennung eines Testamentsvollstreckers a) Überlebender Ehegatte als Testamentsvollstrecker 87 Häufig wird der überlebende Ehegatte zum Testamentsvollstrecker für die minderjährigen Kinder ernannt. Dies ist nach allgemeiner Auffassung zulässig. Probleme ergeben sich daraus, dass der Ehegatte dann eine Doppelstellung hat: Er übt die elterliche Sorge aus und kann die Kinder als Elternteil vertreten (§ 1629 BGB), aber auch als Testamentsvollstrecker (§ 2205 BGB). Zur Wahrnehmung der Rechte des minderjährigen Erben gegenüber dem Testamentsvollstrecker ist daher ein Pfleger zu bestellen, wenn der Testamentsvollstrecker zugleich Inhaber der elterlichen Sorge ist1 und ein Bedarf besteht. Für den überlebenden Ehegatten ergeben sich folgende Pflichten: – Als Elternteil: Einreichung eines Nachlassverzeichnisses beim Familiengericht (§ 1640). – Als Testamentsvollstrecker: Erstellung eines Nachlassverzeichnisses (§ 2215 Abs. 1 BGB), wobei die durch einen Ergänzungspfleger vertretenen Kinder-Miterben verlangen können, dass sie (d.h. der Pfleger) bei der Aufnahme des Verzeichnisses zugezogen werden (§ 2215 Abs. 3 BGB); der Pfleger erhält das Verzeichnis; der Pfleger kann die weiteren Rechte der Erben ausüben (§§ 2215 Abs. 2, 4 BGB). Da § 2215 BGB eine Schutzvorschrift zugunsten der Erben ist, nicht einmal der Erblasser davon befreien kann (§ 2220 BGB), muss diese Vorschrift auch zum Schutze der minderjährigen Erben durchgesetzt werden; da das fünfjährige Kind dies nicht kann, die Mutter möglicherweise Eigeninteressen hat (wiederverheiratet usw.) oder die anderen Kinder bevorzugen will, ist eine Pflegerbestellung unabdingbar. Die abweichende Meinung2 hält dies für überflüssig. – Der Pfleger hat auch zu entscheiden, ob er vom Testamentsvollstrecker (Elternteil) jährliche Rechnungslegung verlangt (§ 2218 Abs. 2 BGB)3. – Bei Verfügungen unterliegt der Ehegatte nur den Beschränkungen eines Testamentsvollstreckers, nicht eines Elternteils; er braucht also keine Genehmigung des Familiengerichts (§§ 1643, 2205 BGB), wenn er z.B. ein Grundstück veräußert.
1 Nach BGH v. 5.3.2008 – XII ZB 2/07, NJW-RR 2008, 963 ist im Regelfall keine Pflegerbestellung erforderlich. 2 BGH v. 5.3.2008 – XII ZB 2/07, NJW-RR 2008, 963; Damrau, ZEV 1994, 1. 3 Nach Damrau, ZEV 1994, 1 überflüssig.
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Zimmermann
Minderjähriger Erbe
Rz. 89 B X
– Für die Auseinandersetzung muss für das minderjährige Kind ein Pfleger (§ 1909 BGB) bestellt werden1. Bei mehreren Kindern müssen verschiedene Pfleger bestellt werden, wenn gegensätzliche Interessen bestehen2. – Endet die Testamentsvollstreckung mit Eintritt der Volljährigkeit oder später, hat der Ehegatte als Testamentsvollstrecker gegenüber seinem Kind Rechenschaft abzulegen (§§ 2218, 666 BGB); hierzu ist kein Pfleger notwendig, weil das Kind volljährig ist. Endet die Testamentsvollstreckung vor Volljährigkeit, ist umstritten, ob ein Pfleger bestellt werden muss. b) Besondere Anordnungen Ob laufende Mieteinnahmen, Zinseinnahmen, sonstige Nutzungen vorzeitig an die Erben herauszugeben sind, richtet sich nach § 2216 BGB (nicht nach § 2217 BGB3), also danach, was der Erblasser angeordnet hat (§ 2216 Abs. 2 BGB), bei Fehlen von Anordnungen: Was eine ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses erlaubt und was (durch Auslegung zu ermittelnder) mutmaßlicher Wille des Erblassers (also: Zweck der Testamentsvollstreckung) ist4. Das ist naturgemäß nicht einfach zu beantworten und Quelle von Streit. Deshalb sollte der Erblasser bei minderjährigen Erben unbedingt Anordnungen treffen, wieweit die Erträge an die Kinder auszuliefern sind, welche Ausbildungsgänge zu finanzieren sind, für welche Zwecke der Vermögensstamm angegriffen werden darf usw. Ohne Regelung hat bei einer Dauervollstreckung der Testamentsvollstrecker grundsätzlich die Erträge und Nutzungen des Nachlasses auf Dauer in Besitz zu halten und zu verwalten, also wieder anzulegen5. Nur den Betrag hat er jeweils an die Erben zu zahlen, den sie brauchen, um die auf die Nachlasserträge entfallende Einkommensteuer nebst ähnlicher Ertragsteuern zu begleichen6. Soweit die Erben bedürftig sind, haben sie einen Anspruch auf laufende Zahlungen, damit sie ihren angemessenen Unterhalt bestreiten können7; denn es kann nicht angehen, dass der Nachlass auf Kosten der Sozialhilfe unangetastet bleibt.
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6. Postmortale Vollmacht Der Erblasser kann dem überlebenden Ehegatten eine Vollmacht erteilen, die erst nach seinem Tode wirken soll (sog. postmortale Vollmacht). Das erleichtert dem Ehegatten die Geschäftsführung, schon deshalb, weil ohne Erbschein z.B. über die Bankkonten verfügt werden kann. Der Bevollmächtigte muss nach außen erkennbar werden lassen, dass er nicht für sich, sondern für die 1 BayObLG v. 9.6.1967 – 1a Z 86/66, BayObLGZ 1967, 230 (240). 2 A.A. Damrau, ZEV 1994, 1(4): Ein einziger Pfleger könne alle Miterben vertreten, weil alle Miterben auf derselben Seite stünden. 3 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 100/84, NJW-RR 1986, 1069; a.A. Baur, JZ 1958, 465/8: Nach § 2217 BGB. 4 BGH v. 4.11.1987 – IVa ZR 118/86, FamRZ 1988, 279. 5 BGH v. 4.11.1987 – IVa ZR 118/86, FamRZ 1988, 279 (280). 6 Staudinger/Reimann, § 2217 BGB Rz. 13. 7 Winkler, Rz. 178; Staudinger/Reimann, § 2216 BGB Rz. 9.
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B X Rz. 90
Minderjähriger Erbe
Erben handelt (wegen §§ 177, 179 BGB). Ab dem Tod des Vollmachtgebers wirkt die postmortale Vollmacht; der Bevollmächtigte „vertritt“ nun die Erben1 (selbst wenn sie noch nicht feststehen) und kann alles tun, was der Erblasser hätte tun können, was nicht höchstpersönlich ist (Stellvertretungsverbote im Familien- und Erbrecht) und was durch den Umfang seiner Vollmacht gedeckt ist sowie durch das Verbot des Vollmachtsmissbrauchs nicht untersagt ist. Natürlich kann der vom Erblasser eingesetzte Bevollmächtigte die Erben allenfalls hinsichtlich des Nachlasses vertreten, nicht auch hinsichtlich ihres Privatvermögens2. Sind die Erben minderjährig, braucht der Bevollmächtigte weder die Zustimmung eines Vormunds noch die Genehmigung des Familiengerichts3, weil er seine Rechtsmacht von Vollmachtgeber herleitet. Der Bevollmächtigte kann nach h.M.4 aufgrund der Vollmacht (wenn sie einen ausreichenden Inhalt und grundbuchmäßige Form hat) auch über Nachlassgrundstücke verfügen, ohne Beschränkung durch Nacherbschaft oder Testamentsvollstreckung sowie ohne Genehmigung des Familiengerichts (wenn Minderjährige als Erben beteiligt sind). Die Vermutung, dass die erteilte Vollmacht über den Tod hinaus fortbesteht, gilt auch gegenüber dem Grundbuchamt5.
7. Schmälerung des Pflichtteils 90 Pflichtteilsberechtigt sind nur die Abkömmlinge, Eltern und der Ehegatte des Erblassers (§ 2303 BGB). Tauchen nach einer Scheidung neue Partner auf, besteht oft das Bestreben, die Kinder aus der früheren Beziehung zu „enterben“. Den Pflichtteil kann der Erblasser allerdings nur in seltenen Fällen beschränken oder entziehen. a) Pflichtteilsentziehung 91 Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn dieser sich bestimmte Verfehlungen hat zu Schulden kommen lassen (§ 2333 BGB). Zum 1.1.2010 ist § 2333 BGB geändert worden. Übergangsrecht: Art. 229 § 21 EGBGB.
1 BGH FamRZ 1983, 476 (477); OLG Hamburg v. 27.5.1966 – 2 W 14/66, DNotZ 1967, 30 (31). 2 RG v. 28.6.1916 – VB 1/16, RGZ 88, 345; RG v. 10.1.1923 – V 385/22, RGZ 106, 185; BGH v. 23.2.1983 – IVa ZR 186/81, FamRZ 1983, 476 (477); Winkler, Rz. 244; a.A. Reithmann, BB 1984, 197. 3 RG v. 28.6.1916 – VB 1/16, RGZ 88, 345; RG v. 10.1.1923 – V 385/22, RGZ 106, 185; Staudinger/Reimann, Rz. 109 vor § 2197 BGB. 4 RG v. 28.6.1916 – VB 1/16, RGZ 88, 345; RG v. 10.1.1923 – V 385/22, RGZ 106, 185; zur Streitfrage vgl. Rehmann, BB 1987, 123. 5 OLG Köln v. 11.4.1969 – 2 Wx 29/69, OLGZ 1969, 304; KG v. 23.6.1969 – 1 W 2583/69, MDR 1971, 661.
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Minderjähriger Erbe
Rz. 92 B X
aa) Eine gewisse praktische Bedeutung haben: § 2333 Nr. 2 BGB: Der Abkömmling hat den Erblasser oder nahe Angehörige (also Vater, Mutter, andere Abkömmlinge, Lebensgefährtin des Erblassers etc.) vorsätzlich körperlich misshandelt. Allerdings verlangt die Rechtsprechung1 zusätzlich, dass sich der Abkömmling zugleich einer schweren Pietätsverletzung schuldig gemacht hat. § 2333 Nr. 2 BGB: Der Abkömmling hat den Erblasser bestohlen, betrogen, die Stiefmutter verprügelt; auch hier ist eine besondere Kränkung des Erblassers erforderlich2, ferner ein Verbrechen oder schweres Vergehen; § 2333 Nr. 3 BGB: Böswillige Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht. Solche Fälle sind an sich nur möglich, wenn der arme Vater später unverhofft zu Vermögen kommt (Lotteriegewinn) und zuvor von seinen Kindern, welche leistungsfähig waren, die Bedürftigkeit des Vaters kannten und aus verwerflicher Gesinnung handelten, im Stich gelassen worden ist. § 2333 Nr. 4 BGB: Ehrloser, unsittlicher Lebenswandel des Abkömmlings zählt nicht mehr; jetzt kommt es auf eine Verurteilung zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung und Unzumutbarkeit an. bb) Die Entziehung erfolgt durch Testament oder (einseitig) durch Erbvertrag (§ 2336 Abs. 1 BGB). Zu diesem Zeitpunkt muss der Entziehungsgrund bestehen. Der Erblasser sollte das Wort „Pflichtteilsentziehung“ gebrauchen, weil die „Enterbung“ nicht zwangsläufig die Pflichtteilsentziehung beinhaltet (vgl. § 1938 BGB). Der Entziehungsgrund muss ferner in der letztwilligen Verfügung angegeben werden (§ 2336 Abs. 2 BGB); daran fehlt es in der Praxis meist. Erforderlich ist nämlich, dass der Grund detailliert angegeben wird3: Es sollte der Sachverhalt identifizierbar geschildert werden und es sollte erkennbar sein, dass der gedemütigte Erblasser überdacht und verantwortlich die Entziehung des Pflichtteils beschlossen hat. Es ist problematisch, wenn sich die Schilderung in wesentlichen Teilen nicht mit den Tatsachen deckt, denn in diesem Falle kommt eine Anfechtung des Testaments nach § 2078 BGB in Betracht, weil der Erblasser offensichtlich von falschen Fakten ausging. Beispiel: „Ich entziehe meinem Sohn Max . . . den Pflichtteil. Er hat mich in diesem Jahr zwischen Januar und Juli mindestens zehn Mal in meiner Wohnung in Nammering in Anwesenheit meiner Frau verprügelt, mit der Faust geschlagen, mir Fußtritte versetzt, weil wir über das Fernsehprogramm stritten. Ich habe mir das lange überlegt und berücksichtigt, dass mein Sohn wegen seines schlechten Einkommens eigentlich auf die Erbschaft angewiesen wäre. Ich fühle mich aber so gedemütigt, auch, weil Nachbarn (nämlich . . .) bei den Vorfällen anwesend waren, dass ich will, dass mein Sohn nichts, nicht einmal den Pflichtteil erhält . . .“
1 BGH v. 6.12.1989 – IVa ZR 249/88, FamRZ 1990, 398. 2 BGH v. 1.3.1974 – IV ZR 58/72, FamRZ 1974, 303. 3 OLG Düsseldorf v. 28.4.1995 – 7 U 113/94, NJW-RR 1996, 520.
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B X Rz. 93 93
Minderjähriger Erbe
cc) Prozess. Der Erblasser wird meist nicht nur den Pflichtteil entziehen, sondern andere Erben einsetzen; andernfalls kommt es zur gesetzlichen Erbfolge. Der Abkömmling, dem der Pflichtteil entzogen wurde, kann gegen den Erben vor dem Prozessgericht auf Zahlung des Pflichtteils klagen mit der Begründung, die Entziehung sei unzulässig gewesen: Er kann den Sachverhalt bestreiten (schließlich könnte der Erblasser, um einen lästigen Abkömmling abzuschütteln, auch einen Sachverhalt erfinden); er kann Schuldlosigkeit, Notwehr einwenden; ferner Verzeihung. Die Beweislast für den Sachverhalt hat dann der Erbe, auch für das Nichtvorliegen von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen1. Spätere Besserung (§ 2333 Nr. 5 a.F. BGB) und Verzeihung (§ 2337 BGB) dagegen hat der Abkömmling, dem der Pflichtteil entzogen wurde, zu beweisen (vgl. § 2336 Abs. 3 BGB). (Näheres C VI Rz. 299 ff.) Angesichts dieser für den Erben schlechten Beweislage ist zu beachten: – Der Erblasser kann zu Lebzeiten bereits ein selbstständiges Beweisverfahren gegen den Abkömmling betreiben (§ 485 ZPO)2; das bringt aber nur die Tatsachenfeststellung. – Feststellungsklage: Der Erblasser kann sein Entziehungsrecht durch Klage (§ 256 ZPO) gerichtlich feststellen lassen3; hier wird auch die Rechtsfrage der Verzeihung geprüft. b) Erbunwürdigkeit
94 Erbunwürdig ist nur, wer sich bestimmter vorsätzlicher rechtswidriger Verfehlungen (aufgezählt in § 2339 BGB) zulasten des Erblassers schuldig gemacht hat. Anstiftung, Beihilfe und Mittäterschaft genügen. Die Erbunwürdigkeit tritt nicht automatisch ein, sondern muss nach dem Erbfall durch Klage geltend gemacht werden (§ 2340 Abs. 1, 3 BGB; § 2342 BGB). c) Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht bei überschuldeten Abkömmlingen4 95 Hat sich der Abkömmling in solchem Maße der Verschwendung ergeben oder ist er in einem solchem Maße überschuldet, dass sein späterer „Erwerb“ erheblich gefährdet wird (bei minderjährigen Abkömmlingen ist das freilich kaum vorstellbar), kann der Erblasser das Pflichtteilsrecht des Abkömmlings u.a. durch die Anordnung beschränken, dass er die gesetzlichen Erben des Abkömmlings zu Nacherben beruft und die Verwaltung des Erbes für die Lebenszeit des Abkömmlings der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers überträgt (§ 2338 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Erblasser kann nur eine dieser Maßnahmen (Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung) anordnen, oder beide, sie also miteinander verbinden5. Die entsprechende Anordnung muss durch 1 2 3 4 5
BGH v. 29.5.1985 – IVa ZR 248/83, NJW-RR 1986, 371. Firsching/Graf, Nachlassrecht, Rz. 1.424. BGH v. 1.3.1974 – IV ZR 58/72, NJW 1974, 1084. Dazu Baumann, ZEV 1996, 121. Soergel/Dieckmann, § 2338 BGB Rz. 8.
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Rz. 96 B X
letztwillige Verfügung erfolgen, der Grund der Entziehung muss ausreichend detailliert im Testament angeben werden (das fehlt meist), er muss bei Errichtung des Testaments und beim Todesfall bestehen (§ 2336 BGB). d) Erb- und Pflichtteilsverzicht Die Kinder des Erblassers können durch notariell beurkundeten Vertrag auf ihr gesetzliches Erbrecht oder auch nur auf ihr Pflichtteilsrecht verzichten (§ 2346 BGB); dann hat der Erblasser freiere Hand beim Testieren. Ist der verzichtende Abkömmling minderjährig, ist die Genehmigung des Familiengerichts erforderlich (§ 2347 BGB); außerdem muss ein Ergänzungspfleger für das Kind bestellt werden (§ 1909 BGB). Die Genehmigung des Gerichts muss dem Erblasser vom Pfleger in der Form des § 1829 BGB mitgeteilt werden, sonst ist sie nicht wirksam.
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XI. Die Unternehmensnachfolge Schrifttum: Altmeppen, Zur Endhaftung des ausscheidenden Personengesellschafters, NJW 2000, 2529; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Aufl. 2008; Behnke, Das neue Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz, NJW 1998, 3078; Brey/Merz/Neufang, Verschonungsregelungen beim Betriebsvermögen, BB 2009, 692; Boehme, Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit für Ausschlussklage gegen Mitgesellschafter, NZG 2003, 764; Bratke, Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln und Pflichtteilsansprüche, ZEV 2000, 16; Brox, Erbrecht, 23. Aufl. 2009; Brox, Zweckmäßige Gestaltung der Erbfolge im Unternehmen, JA 1980, 561; Crezelius, Unternehmenserbrecht 1998; DATEV, Datev-edition (Steuer und Recht) Steuersenkungsgesetz, 2000; Dehmer, UmwG; UmwStG, 2. Aufl. 1996; Ehlers, Unternehmensnachfolge und Erbauseinandersetzung in handelsrechtlicher und ertragsteuerlicher Sicht, 2. Aufl. 1995; Emmerich, Die Haftung des Gesellschaftererben nach § 139 HGB, ZHR 150 (1986), 193; Felix, Die Einmann-Betriebsaufspaltung sowie die Beteiligung an der Besitz-GmbH in der Erbauseinandersetzung, GmbHR 1990, 561; Flume, Die Nachfolge von Todes wegen in ein Vermögen mit Betriebsvermögen und die Einkommensteuer bei der Übernahme von Ausgleichsverpflichtungen durch den Nachfolger in ein Einzelunternehmen oder die Beteiligung an einer Personengesellschaft, DB 1990, 2391; Fromm, Unternehmensnachfolge, 2. Aufl. 1991; Gebel, Betriebsvermögensnachfolge, 2. Aufl. 2002; Gebel, Gesellschafternachfolge im Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht: Anteilsübertragung unter Lebenden – Anteilserwerb von Todes wegen, 2. Aufl. 1997; Geck, Neue Erschwernisse bei vorweggenommener Erbfolge über Personengesellschaftsanteile, DStR 2000, 2031; Götte, Die Gewinn- und Auseinandersetzungsansprüche bei einer Gesellschafternachfolge auf Grund rechtsgeschäftlichen Eintrittsrechts, DNotZ 1988, 603; Gottschalk, P. R., Substanzielle Vermögensverschiebung auf Gesellschafterebene bei Leistung in das Gesellschaftsvermögen einer GmbH, DStR 2000, 1798; Götz, Die Nachfolgeregelung bei der GmbH & Co. KG, NZG 2004, 345; Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl. 1992; Heymann, Handelsgesetzbuch, (Buch 1), 2. Aufl. 1995; Hofmeister, Beginn der Enthaftung des ausscheidenden Personengesellschafters nach §160 I 2 HGB, NJW 2003, 93; Honig, HwO Kommentar, 4. Aufl. 2008; Hörger, Nachfolge bei Kapital- und Personengesellschaften, GmbHR 1999, 945; Hörstel, Der Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters durch Kaduzierung, NJW 1994, 965; Hörstel, Der Auseinandersetzungsanspruch bei Ausscheiden einzelner Gesellschafter sowie der Liquidation von Gesellschaften und gesellschaftsähnlichen Rechtsverhältnissen, NJW 1994, 2268; Hüffer, Aktiengesetz, 8. Aufl. 2008; Hülsmann, Abfindungsklauseln: Kontrollkriterien der Rechtsprechung, NJW 2002, 1673; Hülsmann, Buchwertabfindung des GmbH-Gesellschafters im Lichte aktueller Rechtsprechung, GmbHR 2001, 409; Johannsen, Die Nachfolge in kaufmännischen Unternehmen und Beteiligungen an Personengesellschaften beim Tode ihres Inhabers, FamRZ 1980, 1074; Kallmeyer, Umwandlungsgesetz, 3. Aufl. 2006; Kohl, Ausschluss und Beschränkung von Abfindungsansprüchen nach dem Tod eines Personengesellschafters gegen Pflichtteilsrecht und Zugewinnausgleich, MDR 1995, 865; Kuchinke, Die Firma in der Erbfolge, ZIP 1987, 681; Lorz/Kirchdörfer, Unternehmensnachfolge, 2002; Lutter/Hommelhoff, Kommentar zum GmbHG, 17. Aufl. 2009; Meincke, Erbschaft- und SchenkungsteuerG, 14. Aufl. 2004; Menges/Stähle, Erbfolgeregelungen bei qualifizierter Nachfolgeklausel, BB 1994, 2122; Michalski, Kommentar zum GmbHG, Bd. I, 2002; Mönch, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 49. Aktualisierung 2008; Münchner Kommentar BGB, Bd. 5, 5. Aufl. 2009; Paschke, Nacherbenschutz in der Vorerben-Personengesellschaft, ZIP 1985, 129; Paus, Der Unternehmensnießbrauch, BB 1990, 1675; Peetz, Voraussetzung und Folge der Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen, gesellschafts- und steuerrechtliche Gesichtspunkte, GmbHR 2000, 749; Piltz, Rechtspraktische Überlegungen zu Abfindungsklauseln in
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Unternehmensnachfolge
B XI
Gesellschaftsvermögen, BB 1994, 1021; Priester/Mayer, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, 2. Aufl. 2003; Priester, Nachfolgeklauseln im GmbH-Vertrag, GmbHR 1981, 206; Reichert, Unternehmensnachfolge aus anwaltlicher Sicht, GmbHR 1998, 257; Reimann, Gesellschaftsvertragliche Abfindung und erbrechtlicher Ausgleich, ZEV 1994, 7; Riegger, Weipert, Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 1 und 2, 2. Aufl. 2004; Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbH-Gesetz, 4. Aufl. 2002; Schaub, Die Rechtsnachfolge von Todes wegen im Handelsregister bei Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften, ZEV 1994, 71; Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 6. Aufl. 2002; Schmidt, K., Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch (Bd. 1–6), 1996; Schmidt, K., Handelsrecht, 5. Aufl. 1999; Schmidt, K., Was wird aus der unbeschränkten Kommanditistenhaftung nach § 176 HGB? Auslegung, Vertragsgestaltung und Gesetzgebung vor einer Neubesinnung, GmbHR 2002, 341; Schmidt, K., Die Erbengemeinschaft nach einem Einzelkaufmann, NJW 1985, 2785; Schmidt, K., Zur kombinierten Nachfolge- und Umwandlungsklausel bei OHG oder Komplementäranteilen, BB 1989, 1702; Schmidt, L., Einkommensteuergesetz, 28. Aufl. 2009; Scholz, GmbH-Gesetz (Bd. 1) 10. Aufl. 2006; Semrau, Das Unternehmertestament, 2003; Spiegelberger, Nachfolge von Todes wegen bei Einzelunternehmen und Gesellschaftsanteilen, DStR 1992, 584; Spiegelberger, Unternehmensnachfolge, 2. Aufl. 2009; Staub/ Canaris, Großkommentar HGB, 4. Aufl. 1983; Strothmann, Einzelkaufmännisches Unternehmen und Erbenmehrheit im Spannungsfeld von Handels-, Gesellschafts-, Familien- und Erbrecht, ZIP 1985, 974; Sudhoff, Unternehmensnachfolge, 5. Aufl. 2005; Terpitz, Die erbschaftsteuerliche Behandlung qualifizierter Nachfolgeklauseln, ZEV 1999, 45; Tettinger/Wank, Gewerbeordnung, 7. Aufl. 2004; Ulmer, Problem der Vererbung von Personengesellschaftsanteilen – BGH, NJW 1986, 2431; Vollmer, Vertragspaternalismus im Gesellschaftsrecht? – Neues zu Abfindungsklauseln, DB 1998, 2507; Weidlich, Die Testamentsvollstreckung an Beteiligungen einer werbenden OHG bzw. Kommanditgesellschaft, ZEV 1994, 205; Wolf, DB 2003, 1423; Erbrechtliche Haftungsbeschränkung gem. § 139 IV HGB bei Einräumung der Rechtstellung eines Kommanditisten und Haftung nach § 173 Abs. 1 HGB; Wolff, Das Schicksal eingezogener GmbHGeschäftsanteile und alternative Satzungsregelungen, GmbHR 1999, 958. Rz. I. Einzelunternehmen 1. Nachfolge eines einzelnen Erben a) Nachfolge im Allgemeinen . . b) Handelsrechtliche Haftung . . c) Registerrechtliche Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gewerberechtliche Genehmigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Steuerrechtliche Folgen aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . bb) Betriebsveräußerung und -aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . cc) Entscheidungsmöglichkeiten des Erben (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . (2) Betriebsunterbrechung . . (3) Betriebsverpachtung . . . . (4) Einbringung in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft . . . . . . . . .
1 2 15 17 19 23
27 29 31
Rz. 2. Nachfolge einer Erbengemeinschaft a) Fortsetzung des Unternehmens durch die Erbengemeinschaft aa) Fortsetzung als Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . bb) Fortsetzung als Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortsetzung des Unternehmens durch einen oder mehrere Miterben ohne Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft aa) Verpachtung an einzelne Erben. . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verpachtung an Personengesellschaft – mitunternehmerische Betriebsaufspaltung . . . . . .
59 67
80
84
44
Grieger
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Unternehmensnachfolge
B XI Rz. cc) Verpachtung an GmbH – klassische Betriebsaufspaltung . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebsveräußerung, Betriebsaufgabe, Betriebsunterbrechung . . . . . . . . . . . . . . . d) Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft aa) Allgemeiner Grundsatz . bb) Auseinandersetzung über reinen Betriebsvermögensnachlass (1) Auseinandersetzung ohne Betriebsaufgabe . . . . . . (2) Auseinandersetzung mit Betriebsaufgabe und Realteilung . . . . . . . . . . . . cc) Auseinandersetzung über Mischnachlass (1) Auseinandersetzung durch Realteilung ohne Abfindungszahlung . . . . . (2) Auseinandersetzung durch Realteilung mit Ausgleichszahlung . . . . . (3) Auseinandersetzung durch Realteilung unter Einbeziehung von Verbindlichkeiten . . . . . . . . . dd) Erbfallschulden, insbesondere Vermächtnis und Vorausvermächtnis (1) Sachvermächtnis . . . . . . . (2) Geldvermächtnis, Pflichtteilsansprüche . . . (3) Vermächtnis an Rechten und von Beteiligungen . . 3. Gesichtspunkte für die Erbeinsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Personengesellschaft 1. Regelungsgrundsätze für die Nachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Nachfolgeklauseln im Einzelnen a) Fortsetzung ohne Erben (Fortsetzungsklausel) b) Einfache Nachfolgeklausel . . c) Qualifizierte Nachfolgeklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel . . . . . . . . . . . . . . . e) Eintrittsklausel . . . . . . . . . . . .
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Grieger
Rz.
92 3. 95
99
107
4.
113
5.
120
121
122
125 128 130 137
148
166 176 181 186
6.
f) Vor- und Nacherbschaft bei erbrechtlichen Nachfolgeklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Haftung der Erben bzw. Nachfolger a) Auflösung der Gesellschaft . b) Fortsetzung der Gesellschaft ohne Erben . . . . . . . . . c) Erbrechtliche Nachfolgeklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eintrittsklausel . . . . . . . . . . . e) Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten bei der Nachfolge in eine Kommanditbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Firma, Handelsregisteranmeldung a) Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Handelsregisteranmeldung aa) Gesetzlicher Regelfall: Fortsetzung ohne Erben . bb) Auflösungsklausel . . . . . cc) Erbrechtliche Nachfolgeklausel . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel und Eintrittsklausel . . . . . . . . Ertragsteuerrechtliche Folgen im Erbfall und bei der Erbauseinandersetzung a) Vorbemerkungen . . . . . . . . . . b) Auflösung und Liquidation der Gesellschaft . . . . . . . . . . . c) Fortsetzungsklausel . . . . . . . d) Einfache Nachfolgeklausel . e) Qualifizierte Nachfolgeklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Eintrittsklausel . . . . . . . . . . .
III. Kapitalgesellschaft 1. Nachfolge in der GmbH a) Regelungsgrundsätze und Nachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag zur Nachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Maßnahmen zur Durchsetzung der Nachfolgeklausel aa) Allgemeines. . . . . . . . . . . bb) Abtretungsklauseln . . . . cc) Einziehung . . . . . . . . . . . .
196
203 204 205 217 218
220
227
228 229 230
231
232 233 237 242 253 262
271
275
280 283 295
Unternehmensnachfolge
dd) Kaduzierung . . . . . . . . . . . d) Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verwaltungsrechte, Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . f) Vor- und Nacherbschaft . . . . . g) Erbeinsetzung und Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . h) Die Haftung der Erben . . . . . . 2. Nachfolge in der Aktiengesellschaft a) Grundsatz der Vererblichkeit von Aktien . . . . . . . . . . . . b) Ausweichlösungen für eine Nachfolgeregelung . . . . . . . . .
Rz. 1 B XI Rz. 301 305 310 312 314 322
326 329
Rz. 3. Ertragsteuerrechtliche Folgen im Erbfall und bei der Erbauseinandersetzung a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abwicklung und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft aa) Abtretung, Einziehung . bb) Qualifizierte Nachfolge (1) Reiner betrieblicher Nachlass. . . . . . . . . . . . . . (2) Mischnachlass . . . . . . . . cc) Betriebsaufspaltung . . . . c) Erbeinsetzung . . . . . . . . . . . .
331
347
348 351 352 358
I. Einzelunternehmen 1. Nachfolge eines einzelnen Erben
Û
Beratungssituation: Ein kinderloses Ehepaar hat sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Der Ehemann betreibt ein Tischlerhandwerk als Einzelunternehmen. Der Betrieb hat einen wirtschaftlichen Umfang, der einem vollkaufmännischen Geschäftsbetrieb entspricht. Die Anmeldung zum Handelsregister ist unterblieben. Der Ehemann verstirbt vor seiner Ehefrau. Seine Eltern sind bereits vorverstorben. Die Ehefrau hat im Betrieb die Buchhaltung erledigt, verfügt jedoch nicht über die Befähigung zur Eintragung in die Handwerkerrolle.
Die erbrechtliche Lage im vorstehenden Beispiel ist einfach und übersichtlich. Die Erbin muss jedoch relativ schnell Entscheidungen über die Fortführung des Betriebs fällen, um handelsrechtliche und steuerliche Folgen zu vermeiden. a) Nachfolge im Allgemeinen Da das Vermögen als Ganzes gemäß § 1922 BGB auf den Erben übergeht, fällt auch das Handelsgeschäft des Einzelkaufmanns mit allen Aktiva und Passiva in den Nachlass. Der Erbe kann gemäß § 22 Abs. 1 HGB die Firma fortführen, wenn der Erblasser nicht ausdrücklich etwas anderes angeordnet hat. Insofern erwirbt der Erbe bei Eintritt des Erbfalles nicht nur das Handelsgeschäft, sondern auch das Recht zur Firmenfortführung1. Dem Erben steht es jedoch frei – wie einem Erwerber unter Lebenden –, das Handelsgeschäft unter neuer Firma fortzuführen. Maßgeblich für diese Entscheidung können auch haftungsrechtliche Überlegungen sein. 1 Vererbbarkeit der Firma, Kuchinke, ZIP 1987, 681; Palandt/Edenhofer, § 1922 Rz. 14.
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B XI Rz. 2
Unternehmensnachfolge
b) Handelsrechtliche Haftung 2 aa) Für Geschäftsverbindlichkeiten, die der Erblasser begründet hat, haftet der Erbe nach den Grundsätzen der Erbenhaftung mit der Möglichkeit der Beschränkung der Haftung in den vorgesehenen Fällen (vgl. C V). Allerdings wird die bloße Erbenhaftung durch die handelsrechtliche Haftung gemäß § 27 HGB ergänzt bzw. überlagert, so dass es zu einer Haftung des Erben mit seinem persönlichen Vermögen für die Geschäftsverbindlichkeiten des Erblassers kommen kann. 3 bb) Diese handelsrechtliche Haftung setzt ohne weiteres dann ein, wenn der Erbe das Handelsgeschäft unter der Firma des Erblassers fortführt. § 27 Abs. 1 HGB verweist insoweit auf § 25 Abs. 1 HGB. Der Erbe ist in dieser Hinsicht einem Erwerber unter Lebenden gleichgestellt. Bei Firmenfortführung haftet er demgemäß für die durch den Erblasser begründeten Verbindlichkeiten persönlich mit seinem gesamten Vermögen. 4 cc) Stellt der Erbe das Handelsgeschäft innerhalb von drei Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt, in dem er Kenntnis von der Erbschaft erlangt hat, ein, entsteht gemäß § 27 Abs. 2 HGB keine persönliche handelsrechtliche Haftung. Der Erbe haftet für Altverbindlichkeiten des Erblassers nur nach den Grundsätzen der Erbenhaftung. Die Geschäftseinstellung wirkt hinsichtlich der Haftung für Geschäftsverbindlichkeiten des Erblassers zurück. 5 Von dieser Rückwirkung des Ausschlusses der persönlichen Haftung werden auch Verbindlichkeiten erfasst, die der Erbe im Zusammenhang mit der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses begründet hat (Nachlasserbenschulden § 1967 Abs. 2 BGB), allerdings nur, wenn dem Geschäftspartner die Absicht bekannt oder erkennbar war, dass der Erbe nur mit Wirkung für den Nachlass handeln wollte1. Dazu reicht u.U. der Vertragsabschluss im Namen der bisherigen Firma, wenn diese sich vom Namen des Erben unterscheidet2. Ist Letzteres nicht der Fall, muss eine zusätzliche Klarstellung erfolgen, da anderenfalls der Geschäftspartner behaupten könnte, dass der Erbe sich persönlich beim Vertragsabschluss verpflichten wollte, zum Mindesten jedoch den Rechtsschein der persönlichen Verpflichtung erweckt hat. Für die Beurteilung im Einzelfall wird es allerdings auf die sonstigen Umstände des Geschäftsabschlusses ankommen. 6 Die persönliche Haftung wird gemäß § 27 Abs. 2 HGB nur vermieden, wenn das Geschäft tatsächlich innerhalb der drei Monate eingestellt wurde, d.h. nach Einstellung keine neuen Geschäfte abgeschlossen und Verbindlichkeiten begründet werden. Unberührt bleibt die Abwicklung der vor der Einstellung begründeten Geschäfte, insbesondere die Erfüllung von Verbindlichkeiten und die Einziehung von Forderungen. Diese Tätigkeit ist im Interesse des
1 Baumbach/Hopt, § 27 Rz. 5. 2 BGH v. 25.3.1968 – II ZR 99/65, BB 1968, 769; Baumbach/Hopt, § 27 Rz. 5.
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Unternehmensnachfolge
Rz. 10 B XI
Nachlasses erforderlich und als bloße Verwaltung des Nachlasses zu betrachten, nicht jedoch als Fortführung des Handelsgeschäfts. Insofern sind dafür die Grundsätze der Erbenhaftung ausschließlich maßgebend. Veräußert der Erbe das Handelsgeschäft mit Firma an einen Dritten oder wird das Handelsgeschäft – z.B. durch eine Erbengemeinschaft – innerhalb der dreimonatigen Bedenkzeit mit Firma auf eine OHG übertragen, soll nach umstrittener, aber herrschender Auffassung darin keine Einstellung des Handelsgeschäfts i.S. des § 27 Abs. 2 HGB zu sehen sein1. Folglich haftet der Erbe persönlich und unbeschränkt für Altverbindlichkeiten des Erblassers, allerdings unter Anwendung der Ausschlussfrist von fünf Jahren gemäß § 26 HGB. Die dagegen von K. Schmidt vertretene Auffassung2 hat sich nicht durchgesetzt, da Rechtsprechung und Literatur nach wie vor die Übertragung und Fortführung der Firma und nicht den Übergang des Unternehmens in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen; so auch das Reichsgericht in der vorzitierten Entscheidung. Diese entscheidende Stellung der Firma im System der Haftung ist bei der gegenwärtigen Gesetzeslage wohl auch unvermeidlich (so z.B. § 25 HGB).
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Konsequenterweise wird dagegen in der Übertragung des Handelsgeschäfts ohne Firma nach allerdings strittiger Auffassung eine Einstellung des Handelsgeschäfts gemäß § 27 Abs. 2 HGB gesehen3, so dass der Erbe nur nach den Grundsätzen der Erbenhaftung für Altverbindlichkeiten des Erblassers haftet.
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dd) Nach überwiegend vertretener Auffassung führt der Verweis des § 27 Abs. 1 HGB auf § 25 HGB auch dazu, dass der Erbe bei Fortführung des Handelsgeschäfts die Möglichkeit hat, die persönliche handelsrechtliche Haftung für Geschäftsverbindlichkeiten des Erblassers auszuschließen, wenn er die Geschäfte unter einer anderen Firma fortsetzt. Die Aufgabe der bisherigen Firma hat unverzüglich zu erfolgen. Der Erbe muss dafür die erforderlichen Schritte sofort unternehmen. Entscheidend ist, er darf keine Geschäfte unter der bisherigen Firma mehr tätigen. Die neue Firma muss sich deutlich von der bisherigen Firma unterscheiden, ein bloßer Nachfolgezusatz reicht nicht.
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ee) Der Verweis des § 27 Abs. 1 HGB auf § 25 HGB soll den Erben auch berechtigen, von der Möglichkeit des § 25 Abs. 2 HGB Gebrauch zu machen. Demgemäß ist er berechtigt, seine handelsrechtliche Haftung für Verpflichtungen, die der Erblasser begründet hat, durch Eintragung eines haftungsbeschränkenden Vermerkes in das Handelsregister auszuschließen4. Ein dahingehender Antrag könnte wie folgt lauten5:
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1 RG v. 2.12.1903 – I 293/03, RGZ 56, 196; Schlegelberger, § 27 Rz. 9; a.A. K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 IV 3a; Baumbach/Hopt, § 27 Rz. 3, 5. 2 K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 IV 3a. 3 Baumbach/Hopt, § 27 Rz. 5; anders K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 IV 3b. 4 Baumbach/Hopt, § 27 Rz. 8; Schaub, ZEV 1994, 71/73. 5 Schaub, ZEV 1994, 73.
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B XI Rz. 11
Unternehmensnachfolge
Formulierungsvorschlag . . . wird beantragt, in das Handelsregister einzutragen, dass der Übergang der im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten bei dem Erwerb des Geschäfts kraft Erbfolge durch N.N. ausgeschlossen ist.
Die Haftung des Erben nach den Grundsätzen der Erbenhaftung für die durch den Erblasser begründeten Verpflichtungen bleibt von diesem handelsrechtlichen Haftungsausschluss unberührt. Diese Erbenhaftung für Altverbindlichkeiten tritt in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 an die Stelle der ansonsten bei Übertragung unter Lebenden fortwirkenden Haftung des Veräußerers für die von ihm begründeten Verbindlichkeiten. 11 Die Befürworter1 der entsprechenden Anwendung des § 25 Abs. 2 HGB auf den die Firma fortführenden Erben gehen davon aus, dass die Verweisung des § 27 Abs. 1 HGB auf § 25 HGB eine Gesamtverweisung ist (bzw. ein Normenzusammenhang besteht), während die Gegenmeinung2 anführt, dass die Verweisung nur eine Rechtsfolgeverweisung darstellt. Auf den bloßen Wortlaut des § 27 Abs. 1 HGB lässt sich weder die eine noch die andere Auffassung stützen. Daraus resultieren u.a. wohl die Zweifel3, ob die Eintragung eines Haftungsvermerkes in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 HGB die handelsrechtliche Enthaftung des Erben sicher herbeiführen kann. Allerdings wäre es wohl inkonsequent, den Ausschluss der persönlichen Haftung für Altverbindlichkeiten durch Firmenänderung (s. Rz. 9) anzuerkennen, jedoch die Nutzung eines Vermerkes gemäß § 25 Abs. 2 HGB auszuschließen. Da beide Möglichkeiten auf die Verweisung des § 27 Abs. 1 HGB auf § 25 HGB gestützt werden, stehen oder fallen also auch beide mit Anerkennung oder Ablehnung der Gesamtverweisung des § 27 Abs. 1 HGB auf § 25 HGB. 12 Selbst wenn § 25 Abs. 2 HGB auf den Erben Anwendung findet, bleibt die zeitgerechte Ausübung des Rechts durch den Erben praktisch schwierig. Der Haftungsausschluss ist Dritten gegenüber nur wirksam, wenn er in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht wurde. Eintragung und Bekanntmachung müssen im Falle des Erwerbs unter Lebenden mit der Übernahme zusammenfallen. Es soll jedoch ausreichend sein, wenn der Haftungsvermerk unverzüglich nach Übernahme angemeldet wird. In der Rechtsprechung sind sechs oder zehn Wochen Verzögerung nicht mehr als „alsbald“ angesehen worden4. Der Erbe ist natürlich nicht in der Lage, die Zeitgleichheit zwischen Übernahme und Anmeldung zu erreichen, da ihm das Handelsgeschäft mit Eintritt des Erbfalles anfällt. Er kann deshalb nur versuchen, die Anmeldung unver1 2 3 4
Baumbach/Hopt, § 27 Rz. 8; Schaub, ZEV 1994, 73. Schlegelberger/Hildebrandt, § 27 Rz. 14; K. Schmidt, NJW 1985, 2790. Sudhoff, Unternehmensnachfolge, S. 1142. Baumbach/Hopt, § 25 Rz. 15 mit Nachweisen.
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Unternehmensnachfolge
Rz. 15 B XI
züglich zu bewirken1. Da die Rechtsnachfolge und damit die Berechtigung zur Anmeldung gemäß § 12 Abs. 2 HGB, so weit „tunlich“, durch öffentliche Urkunde nachzuweisen ist, kann die Anmeldung daran scheitern, dass dem Erben die erbrechtlichen Nachweise für seine Berechtigung zur Anmeldung noch nicht vorliegen2 (also Erbschein oder Urkunde über letztwillige Verfügung mit Eröffnungsprotokoll). Insbesondere bei gesetzlicher Erbfolge oder eigenhändigem Testament ist in der Regel ein Erbschein in Ausfertigung erforderlich, um diesen Nachweis zu führen, jedenfalls ist die Dringlichkeit, die die Anmeldung für den Erben hat, keineswegs ein Grund, um die Vorlage der öffentlichen Urkunde „untunlich“ zu machen. Ist der Erbschein beim gleichen Gericht beantragt, kann das Registergericht zwar die Akten des Nachlassgerichts beiziehen, um die Nachfolge von Amts wegen zu prüfen, das hätte jedoch wenig Aussicht auf Erfolg, wenn der Erbschein noch nicht erteilt wurde, weil die Prüfungen und Ermittlungen des Nachlassgerichts noch andauern.
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Eine verspätete Anmeldung schließt die Eintragung des Haftungsvermerks aus. Unverschuldete Verspätung befreit nicht von dieser Rechtsfolge. Das Registergericht wird im Zweifel die Rechtzeitigkeit der Anmeldung prüfen. ff) Die besonderen handelsrechtlichen Haftungsregeln gelten nur für ein kaufmännisches Handelsgeschäft, und zwar unabhängig davon, ob die Firma eingetragen wurde oder nicht. Ist ein Einzelunternehmer nach den Regelungen des § 1 HGB nicht Kaufmann und hat er auch nicht gemäß § 2 HGB durch Eintragung in das Handelsregister die Kaufmannseigenschaft erworben, entfällt die handelsrechtliche Haftung des Nachfolgers mit seinem privaten Vermögen für Altverbindlichkeiten, die der Erblasser begründet hat. Allerdings kann bei Fortführung des Unternehmens unter der gleichen Bezeichnung eine Rechtsscheinhaftung für Altverbindlichkeiten entstehen.
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c) Registerrechtliche Anmeldung Führt der Erbe das Handelsgeschäft unter bisheriger Firma fort, ist er gemäß § 31 HGB verpflichtet, den Wechsel des Inhabers unter Angabe der Firma und Zeichnung seiner Unterschrift anzumelden. Gemäß § 12 Abs. 2 HGB sind die Nachweise für den Rechtsübergang von Todes wegen, soweit „tunlich“, durch öffentliche Urkunde (vgl. Rz. 12) dem Registergericht vorzulegen. Dabei sind die Dokumente elektronisch einzureichen, § 12 Abs. 2 HGB. War die Eintragung der Firma trotz Vorliegens der Kaufmannseigenschaft bisher unterblieben, muss der Erbe diese Eintragung nunmehr nachholen und zugleich den Inhaberwechsel anmelden3. Diese Anmeldung könnte wie folgt lauten:
1 Schaub, ZEV 1994, 73. 2 Nieder, Rz. 1069 und Baumbach/Hopt, § 25 Rz. 15. 3 Schaub, ZEV 1994, 731; Baumbach/Hopt, § 22 Rz. 7 und 13.
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B XI Rz. 16
Unternehmensnachfolge
Formulierungsvorschlag . . . wird beantragt, in das Handelsregister einzutragen, dass ich mit Sitz in . . . einen Handel mit . . . unter Firma . . . betreibe. Der bisherige Firmeninhaber verstarb am . . . und wurde von mir allein beerbt. Ausfertigung des Erbscheins . . . lege ich mit der Bitte um Rückgabe bei. Ich führe die Firma unverändert fort.
16 Führt der Erbe das Handelsgeschäft unter veränderter Firma fort, ist diese Änderung unter Vorlage der Nachweise für den Erwerb von Todes wegen ebenfalls anzumelden. War die Firma durch den Erblasser noch nicht angemeldet, muss als Erstes die Anmeldung der Firma selbst nachgeholt werden. Das Gleiche gilt bei der bloßen Löschung der Firma, wenn z.B. das Handelsgeschäft eingestellt wird oder bei der Anmeldung eines haftungsbeschränkenden Vermerkes in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 HGB. d) Gewerberechtliche Genehmigungen 17 Erfordert die Führung eines Unternehmens besondere Befähigungen oder Genehmigungen nach der Gewerbeordnung, erlischt mit dem Tode des betreffenden Gewerbetreibenden die personengebundene Erlaubnis. Ausnahmen bestehen nach § 46 GewO für den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner sowie für minderjährige Erben und für zur Nachlassverwaltung eingesetzte Personen. Das Fortführungsprivileg ist auf die genannten Personen beschränkt und gilt nur für das stehende Gewerbe1. Die für den Betrieb erforderlichen Qualifikationen können durch einen Stellvertreter gem. § 45 GewO sichergestellt werden. Gewerbetreibender ist der Erbe, nicht der Stellvertreter. Möglich ist auch die Fortführung in eigener Person, wenn die geforderten persönlichen Befähigungen bestehen. Bei den in § 47 GewO genannten Gewerben werden besondere Qualifikationen verlangt, die eine spezielle Erlaubnis für die Stellvertretung voraussetzen. Für eine Übergangszeit von einem Jahr kann die Behörde nach § 46 Abs. 3 GewO gestatten, den Betrieb ohne Stellvertreter fortzuführen. Die Entscheidung steht im Ermessen der Behörde. 18 Auch bei Fortführung eines Handwerksbetriebs besteht nach § 4 Abs. 1 HandwO ein Erbenprivileg2. Der Betrieb darf zunächst fortgeführt werden, aber der neue Absatz 2 des § 4 HandwO legt dem Inhaber eines zulassungspflichtigen Handwerksbetriebs generell die Verpflichtung auf, einen ausgeschiedenen Betriebsleiter unverzüglich zu ersetzen. Benötigt er dafür mehr Zeit, muss er nachweisen, alle Möglichkeiten zur Beschaffung eines neuen Betriebsleiters ausgeschöpft zu haben. Kann oder will er das nicht oder wird die Zeit ohne Betriebsleiter unangemessen lang, dann muss gemäß § 13 die
1 Tettinger, § 46 GewO Rz. 1, 4. 2 Honig, § 4 Rz. 1–3.
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Unternehmensnachfolge
Rz. 21 B XI
Löschung in der Handwerksrolle erfolgen; auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an. Weitere Besonderheiten bestehen für das Schornsteinfegerhandwerk (§ 21 SchfG), das Verkehrsgewerbe (§ 19 PBefG, § 8 GüKG) und für das Fahrlehrergewerbe (§ 15 FahrlG). e) Steuerrechtliche Folgen aa) Grundsatz Die persönliche Einkommensteuerpflicht endet mit dem Tod des Erblassers. Der Erblasser wird auf den Todeszeitpunkt für die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Einkünfte veranlagt. Von diesem Zeitpunkt an tritt der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger auch steuerlich in die Rechtsstellung des Erblassers ein.
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Durch das Finanzamt ergeht ein gesonderter Bescheid für die Einkünfte bis zum Todeszeitpunkt. Der Bescheid ist an den Erben zu adressieren. Die Steuerschuld des Erblassers ist Nachlassverbindlichkeit. Die veranlagten Einkünfte bis zum Todeszeitpunkt werden den Einkünften des Erben nicht zugerechnet. Diese Zurechnung erfolgt erst für die Einkünfte, die nach dem Todeszeitpunkt anfallen. Ist der Erbe, wie im Ausgangsbeispiel, Ehegatte, ist die Zusammenveranlagung für das ganze Todesjahr möglich, wenn zum Zeitpunkt des Todes die Ehegatten nicht dauernd getrennt gelebt haben1. Für das Folgejahr kann eine fiktive Anwendung der Splittingtabelle erfolgen (sog. Gnadensplitting). Diese vorstehenden Grundsätze gelten auch dann, wenn ein Gewerbebetrieb zum Nachlass gehört. Der Erbe setzt den Betrieb des Erblassers ertragsteuerlich fort unter notwendiger Fortführung der Buchwerte. Der bis zum Todestag entstehende Gewinn (Schätzung oder Zwischenbilanz) wird dem Erblasser zugerechnet und ist zusammen mit den übrigen Einkünften in der Veranlagung des Erblassers auf den Todeszeitpunkt zu erfassen. Die nach diesem Zeitpunkt anfallenden Gewinne aus dem hinterlassenen Gewerbebetrieb sind Einkünfte des Erben.
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Die ertragsteuerrechtliche Fortführung des Gewerbebetriebs durch den Erben und der damit verbundene Eintritt des Erben in die Rechtsstellung des Erben auch hinsichtlich des Ertragsteuerrechts erfasste in der Vergangenheit auch das Recht zum Verlustabzug nach § 10d des EStG, wenn der Erbe den Verlust auch wirtschaftlich zu tragen hatte2. Aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge fehlte es an einer solchen „wirtschaftlichen Belastung“ des Erben nur dann, wenn der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten gar nicht oder nur beschränkt haftete.
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1 Schmidt, EStG, § 32a Rz. 14. 2 BFH v. 5.5.1999, BStBl. 1999 II, S. 653; im Anschluss daran: BMF-Schreiben v. 26.7.2002, BStBl. I 2002, S. 653.
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B XI Rz. 22
Unternehmensnachfolge
Diese Rechtsauffassung war in der BFH Rechtsprechung in letzter Zeit sehr umstritten. Nunmehr hat der GrS des BFH in Änderung 46 Jahre langer Rechtsprechung für Todesfälle ab dem 13.3.2008 (Tag der Veröffentlichung des Urteils) entschieden, dass ein in der Person des Erblassers entstandener Verlust vom Erben nicht mehr abziehbar ist.1 Damit dürfte der Meinungsstreit vorbehaltlich möglicher verfassungsrechtlicher Bedenken2 zunächst zuungunsten der Erben entschieden sein, die die Verluste zu übernehmen haben. Die Finanzverwaltung hat den Zeitpunkt zur Anwendung der neuen Rechtsprechung nunmehr auf Todesfälle nach dem 18.8.2008 durch Übergangsregelung hinaus geschoben.3 22 Für die Gewerbesteuer galt bisher bereits, dass ein Verlustabzug nach § 10a GewStG nicht auf den Erben übergeht. Allerdings ergibt sich das daraus, dass bei der Gewerbesteuer mit dem Tode des Erblassers nicht nur die persönliche Steuerpflicht (§ 5 GewStG), sondern auch die sachliche Steuerpflicht (§ 2 GewStG) endet. Der Übergang des Betriebs auf den Erben führt zu einem Unternehmerwechsel, so dass die Gewerbesteuerpflicht des Erben neu begründet wird. bb) Betriebsveräußerung und -aufgabe 23 Veräußert der Erbe den Gewerbebetrieb oder gibt er ihn auf, so sind der Veräußerungsgewinn (Veräußerungspreis abzüglich Buchwerte und Veräußerungskosten) oder der Aufgabegewinn (Gemeiner Wert abzüglich Buchwerte und Aufgabekosten) beim Erben, nicht beim Erblasser anzusetzen. Das gilt selbst dann, wenn der Erblasser die Veräußerung bzw. Aufgabe angeordnet oder den Veräußerungsvertrag selbst abgeschlossen hat und der Gewerbebetrieb erst durch den Erben in Vollzug des Vertrags übergeben wird4. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Erbe den Gewerbebetrieb aufgibt oder veräußert. Der Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn wird nicht dem laufenden Gewinn zugerechnet und ist grundsätzlich als außerordentliche Einkünfte nach den §§ 16, 34 bzw. 34b EStG begünstigt. Sind im Aufgabegewinn auch Gewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften enthalten gilt insoweit stattdessen die 50 % bzw. 40 %-ige Steuerbefreiung des § 3 Nr. 40 EStG (Halbeinkünfteverfahren bzw. ab 2009 Teileinkünfteverfahren). 24 Alternativ zur Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG (Progressionsglättung) findet in bestimmten Grenzen ein ermäßigter Steuersatz von 56 % (ab VZ 2004) auf Veräußerungs- und Aufgabegewinn Anwendung5. Diese Ermäßigung gilt für Gewinne bis zu 5 Millionen Euro und wird einmal im Leben gewährt. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat 1 2 3 4 5
BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, DStR 2008, 545. Schmidt, EStG, § 10d Rz. 14. BMF, BStBl. I 2008, 809. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 590. Schmidt, EStG, § 34 Rz. 58.
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Unternehmensnachfolge
Rz. 26 B XI
oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist (wie bei dem Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG). Allerdings gilt in jedem Falle der Mindeststeuersatz (VZ 2004 16 %, ab 2005 15 %, ab 2009 14 %). Die Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG bleibt wahlweise anwendbar und wird nicht an diese persönlichen Voraussetzungen beim Steuerpflichtigen gebunden. Von § 34 EStG sind gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG Veräußerungsgewinne ausgenommen, die dem Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren (Rz. 23) unterliegen (auch z.B. die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften gemäß § 17 EStG). Voraussetzung für die Begünstigung des Veräußerungsgewinns ist im Allgemeinen (unabhängig von den persönlichen Voraussetzungen für die spezielle Regelung zum ermäßigten Steuersatz), dass der Gewerbebetrieb oder Teilbetrieb insgesamt veräußert wird, wobei es darauf ankommt, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen Gegenstand der Veräußerung sind.
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Eine steuerlich begünstigte Aufgabe eines Gewerbebetriebs oder Teilbetriebs liegt unter folgenden Voraussetzungen vor: – wenn der Erbe den Beschluss fasst, den Betrieb oder Teilbetrieb aufzugeben; – die bisherige gewerbliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird; – alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang, d.h. innerhalb kurzer Zeit klar und eindeutig in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt oder an Erwerber veräußert werden, entweder an einen oder mehrere Erwerber, wobei daneben auch teilweise Überführung in das Privatvermögen möglich bleibt und – dadurch der Betrieb „als selbständiger Wirtschaftsorganismus“ aufhört zu bestehen1. Wird die Betriebsaufgabe allmählich und außerhalb der vorgenannten Voraussetzungen durchgeführt, ist der dadurch erzielte Entnahme- oder Veräußerungsgewinn nicht begünstigt und wird dem laufenden Gewinn zugerechnet. Die bloße Betriebsunterbrechung führt nicht zur Aufgabe, wenn die Betriebsgrundlagen im Wesentlichen erhalten werden und die Wiederaufnahme des im Wesentlichen identischen Gewerbebetriebs möglich ist. Das gilt auch für die Betriebsverpachtung ohne Aufgabeerklärung (vgl. Rz. 31, 32). Auf die Freibetragsregelung des § 16 Abs. 4 EStG kann sich auch der Erbe bei Veräußerung und Aufgabe des Gewerbebetriebs berufen. Die Grenzen dieser Regelung sind eng. Der Freibetrag kann im Leben nur einmal geltend gemacht werden. Ferner setzt seine Gewährung voraus, dass der Erbe das 55. Lebensjahr vollendet hat oder im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, wird ab 1.1.2001 ein Freibetrag von bis zu 45 000 Euro gewährt. Übersteigt der gesamte Veräußerungsgewinn den Betrag von 136 000 Euro, reduziert sich der Freibetrag um den Be1 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 173.
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B XI Rz. 27
Unternehmensnachfolge
trag, den der Veräußerungsgewinn den Betrag von 136 000 Euro übersteigt (diese Beträge gelten ab VZ 2004). Als Veräußerungsgewinn für die Bestimmung der Freibetragsgrenze gilt der gemäß § 34 EStG begünstigte Gewinn. Bei einem Veräußerungsgewinn von bis zu 136 000 Euro kann demgemäß der volle Freibetrag in Anspruch genommen werden. Liegt der Veräußerungsgewinn über 181 000 Euro (ab VZ 2004), entfällt der Freibetrag vollständig. Im Bereich zwischen 136 000 Euro und 181 000 Euro errechnet sich der Freibetrag wie folgt: Veräußerungsgewinn abzüglich
160 000 Euro 136 000 Euro 24 000 Euro
Freibetrag 45 000 Euro ./. 24 000 Euro = 21 000 Euro.
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Beratungshinweis: Hat der Erbe selbst einen oder mehrere Gewerbebetriebe, wird er wohl zu überlegen haben, ob die einmalige Vergünstigung des Freibetrages ausgerechnet beim ererbten Gewerbebetrieb zur Anwendung gelangen soll. Da der Freibetrag nur auf Antrag gewährt wird, hat er es in der Hand, diese einmalige Möglichkeit für andere Betriebsaufgaben bzw. Betriebsveräußerungen in Reserve zu halten.
cc) Entscheidungsmöglichkeiten des Erben (1) Allgemeines 27 Ist ein einzelner Erbe Nachfolger des Erblassers hinsichtlich des Betriebsvermögens, sind für ihn die möglichen Entscheidungen nach Anfall der Erbschaft begrenzt. In erster Linie muss er die Entscheidung fällen, ob er willens oder in der Lage ist, das Unternehmen fortzuführen, so weit das Unternehmen selbst überhaupt eine sinnvolle Fortführung zulässt. Ist das nicht der Fall, kann er das Unternehmen veräußern oder aufgeben unter Inanspruchnahme der Begünstigungen des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns bzw. der Steuervorteile hinsichtlich des Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinns, die dem Unternehmer in Person zustehen.
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Beratungshinweis: Es sollte ferner beachtet werden, dass in Abhängigkeit von den gefällten Entscheidungen auch handelsrechtlich hinsichtlich der persönlichen Haftung für Altverbindlichkeiten des Erblassers bei Firmenfortführung (Rz. 3) die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden. Ist z.B. die Betriebsaufgabe nicht ausgeschlossen, sollte während der handelsrechtlichen dreimonatigen Bedenkzeit bei notwendigen Rechtsgeschäften darauf geachtet werden, dass diese bei Verwendung der bisherigen Firma nur für den Nachlass und nicht mit persönlicher Verpflichtung abgeschlossen werden.
28 Entscheidet sich der Erbe für die Betriebsaufgabe oder Veräußerung des Betriebs, fallen für ihn allerdings die Begünstigungen bei der Erbschaftsteuer für 632
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Unternehmensnachfolge
Rz. 30 B XI
betriebliches Vermögen (bis 31.12.2008: Freibetrag in Höhe von 225 000 Euro gem. § 13a ErbStG, ab 1.1.2009: Verschonungsabschlag 100 bzw. 85 %) weg, da die fünfjährige Verbleibensfrist gem. § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG a.F. bzw. die zehn- oder siebenjährige Behaltensfrist des § 13a Abs. 5, Abs. 8 ErbStG n.F. nicht eingehalten wird.1 Abgesehen von dieser einschneidenden Folge der Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung kann es für den Erben auch noch andere Gründe geben, von der Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe unmittelbar nach dem Erbfall Abstand zu nehmen oder sofort eine Entscheidung zu fällen (berufliche Gründe, persönliche Einkommensteuerverhältnisse usw.). Kann oder will der Erbe den Betrieb im Zeitpunkt des Anfalls nicht fortführen, möchte er jedoch die ertragsteuerlichen Folgen der Betriebsaufgabe und Betriebsveräußerung vermeiden, hat er folgende Möglichkeiten: – Betriebsunterbrechnung – Betriebsverpachtung – Einbringung der wesentlichen Betriebsgrundlagen in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft (z.B. GmbH & Co. KG). (2) Betriebsunterbrechung Bei der Betriebsunterbrechung wird von einem „Ruhen des Gewerbebetriebs“ ausgegangen, so dass eine Betriebsaufgabe nicht vorliegt. Voraussetzung für die Anerkennung einer Betriebsunterbrechung ist, dass die noch vorhandenen Wirtschaftsgüter jederzeit die Wiederaufnahme des wirtschaftlich identischen Betriebs gestatten und aus den Umständen erkennbar wird, dass die gewerbliche Tätigkeit innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes wieder aufgenommen wird. Dazu müssen zumindest die wesentlichen Betriebsgrundlagen erhalten werden. Die Veräußerung z.B. von Warenbeständen ist hierfür nicht schädlich, wenn diese nach Wiederaufnahme des Betriebs jederzeit wieder beschafft werden können.
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Während der Betriebsunterbrechung kann der Erbe grundsätzlich jederzeit zur Betriebsaufgabe oder zur Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs übergehen. Der Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn ist dann begünstigt. Im eingangs aufgeführten Beratungsbeispiel ist es also denkbar, dass die hinterbliebene Witwe zur Klärung der Möglichkeiten für eine Fortführung den Betrieb unterbricht. Diese Zeit kann auch genutzt werden, um eventuell einen Nachfolger zu finden, an den der Betrieb als Ganzes veräußert oder verpachtet wird. Wird der Betrieb in dieser Weise unterbrochen, sollte er handelsrechtlich allerdings eingestellt und die eingetragene Firma gelöscht werden, um die Entstehung einer persönlichen handelsrechtlichen Haftung für Altverbindlichkeiten zu vermeiden. Für die handelsrechtliche Einstellung ist es erforderlich, dass die werbende geschäftliche Tätigkeit vollständig aufhört. 1 Brey/Merz/Neufang, BB 2009, 692.
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B XI Rz. 31
Unternehmensnachfolge
Das wiederum beeinträchtigt nicht die steuerliche Bewertung als Betriebsunterbrechung, die ja nur voraussetzt, dass die für die Wiederaufnahme der werbenden Tätigkeit erforderlichen Wirtschaftsgüter zurückbehalten werden und es wahrscheinlich ist, dass innerhalb eines überschaubaren Zeitraums die werbende Tätigkeit in identischer Weise wieder aufgenommen wird. Allerdings empfiehlt sich in der Praxis eine klarstellende Anzeige der Betriebseinstellung als bloße Betriebsunterbrechung beim zuständigen Finanzamt. In der Tat kann der steuerpflichtige Erbe handelsrechtlich jederzeit eine neue werbende Tätigkeit aufnehmen und eine Firma zum Handelsregister anmelden. Dabei kann er eine neue Firma wählen, ohne dass dies steuerliche Rückwirkungen auf die identitätswahrende Fortführung hat, da diese nicht an die Firma, sondern an die „wirtschaftliche Identität“ gebunden ist. Da die alte Firma gelöscht wurde, kann für die Neuaufnahme der Geschäftstätigkeit diese Firma gewählt werden, allerdings besteht dann wohl die Gefahr, dass der Rechtsschein verursacht wird, es handele sich um die Fortsetzung des ursprünglichen Handelsgeschäfts mit der Folge der persönlichen handelsrechtlichen Haftung für Altverbindlichkeiten des Erblassers. (3) Betriebsverpachtung 31
(aa) Es liegt auf der Hand, dass die Betriebsunterbrechung und die handelsrechtliche Einstellung des Geschäftsbetriebs aus wirtschaftlicher Sicht wenig sinnvoll sind, wenn betriebliche Kreditverbindlichkeiten bestehen, die wegen der fehlenden Einnahmen nicht bedient werden können. Außerdem führt die Stilllegung des Gewerbebetriebs über die Länge der Zeit zu einem allgemeinen Wertverlust. Der Erbe kann zur Vermeidung dieser Konsequenzen anstelle der Betriebsunterbrechung oder während der Betriebsunterbrechung auch zu einer Betriebsverpachtung übergehen, die ihrerseits vom Standpunkt des Verpächters vorübergehende Betriebsunterbrechung ist1. Gegenstand der Betriebsverpachtung muss ein lebender Gewerbebetrieb (oder Teilbetrieb) als Ganzes oder die Nutzung der wesentlichen Betriebsgrundlagen sein, so dass der Pächter den Gewerbebetrieb im Wesentlichen fortführen kann. Der im Zusammenhang mit der Verpachtung übliche Verkauf von Vorräten ist für die Anerkennung einer Betriebsverpachtung unschädlich, wenn diese nicht ausnahmsweise wesentliche Betriebsgrundlage sind. Die bei der Verpachtung noch vorhandenen Wirtschaftsgüter müssen es zulassen – wie bei der Betriebsunterbrechung im engeren Sinne –, den Betrieb später durch den Erben identitätswahrend fortzusetzen. Der subjektive Fortsetzungswille wird bis zu einer Aufgabeerklärung oder Betriebsveräußerung vermutet2. Der Erbe tritt auch hinsichtlich des Rechts zur Betriebsverpachtung in die Position des Erblassers ein. Demgemäß ist es nicht erforderlich, dass
1 BFH v. 17.4.1997 – VIII R 2/95, BStBl. 1998 II, 388. 2 Ob unwiderlegliche Vermutung, vgl. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 706.
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Unternehmensnachfolge
Rz. 34 B XI
der Erbe vor der Verpachtung den Betrieb selbst geführt hat, es genügt, wenn dies beim Erblasser der Fall war. Bei der Verpachtung des ganzen Betriebs kann der Erbe als Verpächter sowohl am Beginn der Verpachtung als auch während der Pachtzeit die Betriebsaufgabe erklären. Ihm steht insofern weiter das Wahlrecht zur Fortführung als Betriebsvermögen oder zugunsten einer begünstigten Betriebsaufgabe zu. Während der Pachtzeit kann er den Betrieb als Ganzes (wesentliche Betriebsgrundlagen) auch an den Pächter steuerlich begünstigt veräußern. Die Erhaltung des Wahlrechts während der Pachtzeit setzt voraus, dass während dieser Zeit die spätere identitätswahrende unmittelbare Fortführung des Betriebs durch den Erben ständig aufrechterhalten wird. Insofern hängt das Fortbestehen des Wahlrechts in ganz erheblichem Maße vom Verhalten des Pächters ab. Stellt der Pächter z.B. den Betrieb ein oder verändert er die wesentlichen Betriebsgrundlagen so, dass die identitätswahrende Fortführung des Betriebs nicht mehr möglich ist (z.B. bauliche Veränderungen auf dem Grundstück) oder duldet der Verpächter den ersatzlosen Verbrauch wesentlicher Betriebsgrundlagen, kann das zu einer durch die Umstände erzwungenen Betriebsaufgabe führen, wenn nicht der Verpächter durch seine Mitwirkung, Zustimmung oder Duldung sogar Gefahr läuft, dass es zu einer schleichenden Betriebsaufgabe kommt. Schädlich für den Fortbestand des Wahlrechts ist auch die Änderung des Unternehmensgegenstandes, die zu einem Wechsel in der Branche führt. Bloße wirtschaftliche Anpassung, Modernisierung oder Strukturwandel durch den Pächter gefährden das Wahlrecht nicht1.
32
Endet der Pachtvertrag, ohne dass der Erbe unverzüglich einen neuen Pachtvertrag abschließt oder den Betrieb selbst fortführt, führt die Beendigung des Pachtvertrags zur Betriebsaufgabe2 zumindest dann, wenn durch ersatzlosen Verbrauch der Wirtschaftsgüter der Betrieb nicht mehr fortgeführt werden kann.
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Û
Beratungshinweis: Um die Zwangsaufgabe in jedem Falle zu vermeiden, kann die rechtzeitige Einbringung des Betriebsvermögens in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft angezeigt sein (vgl. Rz. 44).
(bb) Der Verpächter ist hinsichtlich der Erhaltung seines Wahlrechts zur steuerlichen Fortführung des Betriebsvermögens oder der Betriebsaufgabe vom Verhalten des Pächters abhängig. Die Vertragsgestaltung muss deshalb zur Sicherung der steuerlichen Position des Verpächters genutzt werden. In jedem Falle sollte dem Pächter vertraglich eine Betriebspflicht auferlegt und der Unternehmensgegenstand des verpachteten Betriebs vereinbart werden, und zwar mit der Verpflichtung des Pächters, bei Abweichungen oder Erweiterungen die Zustimmung des Verpächters einzuholen. Mit Ausnahme des Umlaufvermögens, das in der Regel verkauft wird (unter Abgrenzung der Forderungen und Verbindlichkeiten; Vereinbarungen über die 1 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 700. 2 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 714.
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B XI Rz. 35
Unternehmensnachfolge
durch den Pächter fortzuführenden Verträge), sollte der Betrieb als Ganzes verpachtet werden, d.h. mit dem gesamten Anlagevermögen. Die Aussonderung einzelner Wirtschaftsgüter ist nur ganz ausnahmsweise vorzunehmen und wenn sicher ist, dass es sich nicht um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Zweckmäßigerweise wird dem Vertrag ein Anlageverzeichnis beigefügt (u.U. unter Verwendung des fortlaufend geführten Abschreibungsverzeichnisses). Dem Pächter ist die Verpflichtung aufzuerlegen, die Substanz des Unternehmens zu erhalten und die Betriebsanlagen insoweit zu warten und erforderlichenfalls zu ersetzen. Werden Ersatzanschaffungen vorgenommen, gehen diese kraft Gesetzes in das Eigentum des Verpächters über, soweit es sich um Grundstücksinventar handelt (§ 582a BGB). Bei anderen Gegenständen des Anlagevermögens sind dazu gesonderte Vereinbarungen erforderlich. 35 Das überlassene Unternehmen ist bei Übergabe an den Pächter bzw. bei Rückgabe an den Verpächter jeweils zu schätzen. Der Ausgleich von Differenzen zwischen den Schätzwerten ist im Einzelnen zu regeln. Im Interesse des Verpächters wäre insbesondere die Vollständigkeit des Anlagevermögens bei Rückgabe des Unternehmens gesondert zu vereinbaren, soweit es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Diese betrieblichen Anlagen können für diesen Zweck auch speziell im Vertrag definiert werden. 36 Bringt der Pächter neue Anlagegüter in das Unternehmen ein, die nicht als Ersatzbeschaffung für die übernommenen betrieblichen Anlagen zu werten sind, bleiben diese Wirtschaftsgüter im Eigentum des Pächters. Die vertragliche Regelung eines Übernahmerechts des Verpächters kann zweckmäßig sein. Wird ein solches Recht vereinbart, gilt gem. § 583a BGB zwingend ein Entschädigungsanspruch des Pächters zum Schätzwert. 37 Die im Unternehmen des Verpächters bestehenden Arbeitsrechtsverhältnisse gehen gem. § 613a BGB auf den Pächter über (Gleiches gilt für die Rückgabe des Unternehmens bei Beendigung der Pacht). Die Überleitung der Arbeitsrechtsverhältnisse nebst Übergabe der bestehenden Verträge ist gesondert zu vereinbaren. 38 Im Einzelnen könnten folgende Formulierungen für den Pachtvertrag verwendet werden:
Formulierungsvorschlag Der Pächter ist verpflichtet, das (oben näher) bezeichnete Unternehmen im derzeit bestehenden Umfang fortzuführen und zu erhalten. Abweichungen und Erweiterungen bedürfen der Zustimmung des Verpächters. Der wirtschaftliche Charakter des Unternehmens darf nicht geändert werden. . . . Der Pächter hat die wesentlichen Betriebsgrundlagen zu erhalten und einer ordnungsgemäßen Wirtschaft entsprechend nach den Maßstäben der ertrag-
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Unternehmensnachfolge
Rz. 41 B XI
steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten zu ersetzen. Die ersatzweise angeschafften Gegenstände werden Eigentum des Verpächters. ... Die betrieblichen Anlagen umfassen: – – ... Der Verpächter ist berechtigt/verpflichtet, Neuanschaffungen, die nicht als Ersatzbeschaffungen anzusehen sind, am Ende der Pachtzeit zum Schätzwert zu übernehmen. ... Der Pächter tritt in alle bestehenden Arbeitsverträge ein.
(cc) Die Unternehmensverpachtung führt steuerrechtlich zur Entstehung zweier unabhängiger Betriebe, die jeweils gesondert bilanzieren. Der Verpächter führt die bisherige AfA-Reihe fort. Der Pächter kann das Anlagevermögen nicht aktivieren. Das gilt auch für Wirtschaftsgüter, die der Pächter im Rahmen seiner Substanzerhaltungspflicht ersatzweise angeschafft hat. Der Verpächter hat diese Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungskosten des Pächters zu aktivieren. Vor Ersatzanschaffung muss der Verpächter allerdings seinen Anspruch auf Ersatzbeschaffung im Rahmen der Substanzerhaltungspflicht des Pächters aktivieren und diesen nach Ersatzbeschaffung mit den jeweiligen Anschaffungskosten verrechnen. Demgegenüber hat der Pächter für seine Verpflichtung zur Erneuerung der Wirtschaftsgüter eine Rückstellung zu bilden, wenn während der Laufzeit des Pachtvertrags mit einer Ersatzbeschaffung zu rechnen ist. Die Höhe richtet sich nach der Nutzungsdauer der Wirtschaftsgüter und den Wiederbeschaffungskosten am Bilanzstichtag1.
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Wirtschaftsgüter, die der Pächter außerhalb seiner Substanzerhaltung neu anschafft, werden durch den Pächter aktiviert und abgeschrieben. Am Ende der Pachtzeit kann es allerdings entweder zu einem Entnahmegewinn oder Veräußerungsgewinn des Pächters kommen. Letzteres insbesondere dann, wenn dem Verpächter ein Übernahmerecht zusteht und er den Pächter zum Schätzwert entschädigt. (dd) Der Verpächter erzielt aus der Verpachtung des Unternehmens weiterhin Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb. Er unterfällt jedoch nicht mehr der Gewerbesteuerpflicht.
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(ee) Wird ein Betrieb verpachtet, der Handelsgewerbe gem. § 1 HGB oder der gem. § 2 HGB in das Handelsregister eingetragen ist, ist der Inhaberwechsel durch den Erben und den Pächter zum Handelsregister anzumelden. Ist noch
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1 Schmidt, EStG, § 5 Rz. 701 bis 705.
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B XI Rz. 42
Unternehmensnachfolge
der Erblasser im Register eingetragen, muss der Erbe zugleich seine Gesamtrechtsnachfolge anmelden (vor Vorlage der erforderlichen Urkunden, vgl. Rz. 15). Sofern bei einem Handelsgewerbe gem. § 1 HGB eine Eintragung überhaupt noch nicht erfolgte, ist dies durch den Erben unter Nachweis seiner Gesamtrechtsnachfolge nachzuholen, und zwar unter Angabe der bisherigen Firma. 42 Will der Pächter die Firma fortführen, bedarf es der Zustimmung des Erben. Zur Vermeidung der handelsrechtlichen Haftung für Altverbindlichkeiten des Handelsgewerbes kann der Pächter einen haftungsbeschränkenden Zusatz gem. § 25 Abs. 2 HGB zum Handelsregister anmelden. Die Firmenfortführung durch den Pächter hat für den Erben allerdings zur Folge, dass er für die Altverbindlichkeiten des verpachteten Handelsgewerbes auch handelsrechtlich und nicht nur nach den Grundsätzen der Erbenhaftung haftet. Diese Folge kann er nur vermeiden, wenn es ihm seinerseits gelingt, unverzüglich nach Anfall des Handelsgeschäfts einen Haftungsbeschränkungsvermerk analog zu § 25 Abs. 2 HGB zur Eintragung anzumelden (vgl. dazu Rz. 10 f.). Diese Fortwirkung der handelsrechtlichen Haftung des Erben ergibt sich aus dem durch die Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsatz, dass die Veräußerung oder Übertragung eines Handelsgewerbes mit Firma auf einen Dritten nicht zur Enthaftung gem. § 27 Abs. 2 HGB führt. Das gilt auch für die Übertragung im Wege der Verpachtung. Nach der von K. Schmidt vertretenen Auffassung soll es allerdings nur auf die handelsrechtliche Haftung desjenigen ankommen, der als Unternehmensträger das Handelsgewerbe effektiv fortführt1. Demnach könnte der Erbe aus der „Kette der handelsrechtlichen Haftung“ ausscheiden, wenn er selbst nicht werbend unter der Firma tätig geworden ist und das Handelsgewerbe alsbald nach Anfall verpachtet. Nach der unter Rz. 11 dargestellten herrschenden Auffassung kann der Erbe bei der Verpachtung des Handelsgewerbes der handelsrechtlichen Haftung nur entgehen, wenn es ihm gelingt, einen haftungsbeschränkenden Vermerk analog zu § 25 Abs. 2 HGB in das Register eintragen zu lassen oder wenn er sofort nach Anfall des Handelsgewerbes die Firma ändert. Letzteres ist allerdings wirtschaftlich dann für die Verpachtung von erheblichem Nachteil, wenn die ursprüngliche Firma für die Fortführung des Unternehmens durch den Pächter von erheblichem Wert ist. 43 Für die Veräußerung und Aufgabe von Vermögen der Land- und Forstwirtschaft gilt im Grundsatz die vorstehend erläuterte Rechtslage. § 14 EStG verweist insoweit auf § 16 EStG. 43a Erbschaftsteuerlich werden allerdings die Betriebsverpachtung und die Betriebsunterbrechung ab 2009 deutlich schlechter gestellt als bisher. Grund dafür ist das (politisch gewollte und wohl auch verfassungsrechtlich gebotene) neue Kriterium der Einhaltung der Mindestlohnsummen während der zehnbzw. siebenjährigen Behaltensfrist für Betriebsvermögen (§ 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Wird die Mindestlohnsumme unterschritten, vermindert sich der 1 K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 IV 3b; vgl. hierzu: Baumbach/Hopt, § 27 Rz. 5.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 45 B XI
nach § 13b Abs. 4 ErbStG zu gewährende Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird (§ 13a Abs. 1 Satz 5 ErbStG). Die Betriebsverpachtung bzw. die Betriebsunterbrechung kann allerdings ohne vorgenannte erbschaftsteuerliche Restriktionen von den Erben gewählt werden, wenn das Unternehmen ohne Arbeitnehmer betrieben wurde oder das Unternehmen nicht mehr als zehn Beschäftigte hat. In diesen Fällen gilt die Einhaltung der Mindestlohnsumme nicht.1 (4) Einbringung in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft (aa) Bei Betriebsunterbrechung oder Verpachtung des Betriebs besteht für den Erben das Risiko, dass es entweder zu einer „schleichenden Betriebsaufgabe“ kommt, die zu nicht begünstigten Entnahme- oder Veräußerungsgewinnen führt, oder eine unerwartete bzw. unerwünschte Betriebsaufgabe eintritt, wenn der Pachtvertrag vorzeitig endet bzw. bei regulärer Beendigung nicht sofort eine Neuverpachtung oder die Fortführung durch den Erben möglich ist. Dieses Risiko kann durch Einbringung des Betriebs oder der wesentlichen Betriebsgrundlagen in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft, also z.B. in eine GmbH & Co. KG, ausgeschlossen werden.
44
Die Einbringung in die Gesellschaft kann entweder durch Einzelrechtsübertragung oder auf der Grundlage der §§ 152 ff. UmwG durch Ausgliederung zur Aufnahme durch eine Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge bzw. Sonderrechtsnachfolge erfolgen. In beiden Fällen ist die Personengesellschaft (hier also GmbH & Co. KG) zuvor zu gründen; das gilt auch für die Ausgliederung zur Aufnahme auf der Grundlage des UmwG. Die Ausgliederung zur Neugründung kann nur erfolgen, wenn der aufnehmende Rechtsträger eine GmbH ist (§§ 158 ff. UmwG). (bb) Soll die Einbringung auf der Grundlage des UmwG durch Ausgliederung erfolgen, ist die Existenz eines kaufmännischen Handelsgeschäfts gem. §§ 1 oder 2 HGB erforderlich. War die Firma noch nicht eingetragen, ist diese Eintragung vor der Ausgliederung durch den Erben anzumelden. Das Gleiche gilt für seine Rechtsnachfolge, wenn noch der Erblasser im Handelsregister eingetragen ist. Um die persönliche handelsrechtliche Haftung für Altverbindlichkeiten des Erblassers auszuschließen, kann der Erbe nur von der Möglichkeit der Eintragung eines haftungsbeschränkenden Vermerkes oder einer sofortigen Änderung der Firma Gebrauch machen. Ob die Übertragung des kaufmännischen Unternehmens auf einen neuen Rechtsträger die Wirkungen des § 27 Abs. 2 HGB auslöst, nämlich die handelsrechtliche Enthaftung des Erben, ist strittig, wird aber nach dem unter Rz. 7 Gesagten überwiegend abgelehnt. Da jedoch gem. § 155 UmwG die Firma des ausgliedernden Unternehmens erlischt, erfolgt die Übertragung ohne Firma, so dass aus diesem Grunde die Anwendung von § 27 Abs. 2 HGB möglich bleiben sollte (dazu Rz. 9). In der Tat ist bei einer vermögensverwaltenden Gesellschaft die 1 Brey/Merz/Neufang, BB 2009, 692 (694) mit Gestaltungshinweisen.
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45
B XI Rz. 46
Unternehmensnachfolge
Führung einer bestimmten Firma nicht erforderlich, abgesehen davon, dass der neue Rechtsträger eine Firma unter Anknüpfung an die bisherige Firma bilden kann, wenn diese gelöscht ist1. 46 Die Ausgliederung setzt voraus, dass die auszugliedernden Vermögensgegenstände in einen Spaltungsplan bzw. Spaltungs- und Übernahmevertrag aufgenommen werden, der zu beurkunden ist. Ein Ausgliederungsbericht ist gem. § 153 UmwG allerdings nicht erforderlich. Gehören Grundstücke zu den ausgegliederten Vermögenswerten, fällt bei Übertragung auf eine Personengesellschaft (also auch GmbH & Co. KG) wegen der Befreiung gem. § 5 Abs. 2 GrEStG keine Grunderwerbsteuer an. 47 Möglich ist auch die Ausgliederung einzelner Unternehmens- oder Vermögensteile. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen werden, da andernfalls ein nicht begünstigter Veräußerungs- bzw. Entnahmegewinn entsteht, abgesehen davon, dass die Gefahr einer unbeabsichtigten Betriebsaufgabe herbeigeführt wird. Steuerlich reicht es allerdings aus, wenn der Zusammenhalt der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch die steuerliche Verhaftung einzelner Wirtschaftsgüter (z.B. Grundstück) als Sonderbetriebsvermögen (gewillkürtes oder notwendiges Sonderbetriebsvermögen) gewährleistet ist. Das ist in der Regel durch Begründung eines Nutzungsverhältnisses zwischen der Personengesellschaft und dem einbringenden Erben gewährleistet. Allerdings kann es problematisch sein, ob bei einer vermögensverwaltenden Gesellschaft ein Wirtschaftsgut wirklich „für betriebliche Zwecke angeschafft, hergestellt oder eingelegt wird und objektiv ein wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang mit dem Betrieb“ (hier neuer Rechtsträger) vorliegt2. Selbst „gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen“ setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut unmittelbar oder mittelbar geeignet ist, den Betrieb der Gesellschaft oder die Beteiligung des Mitunternehmens (hier des einbringenden Erben) objektiv zu fördern3 und subjektiv dazu bestimmt ist, dem Betrieb der Gesellschaft zu dienen und dies rechtlich und klar zum Ausdruck kommt (also z.B. Begründung eines Nutzungsverhältnisses)4. Das mag z.B. bei einem Grundstück, das der Gesellschaft zur Nutzung überlassen wurde, die es ihrerseits im Zuge der Vermögensverwaltung in eine Verpachtung von Vermögenswerten einbezieht, der Fall sein. In jedem Falle sollte dieser Aspekt im Einzelfall gründlich geprüft werden und im Zweifel ist es sicherer, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen von der Ausgliederung erfasst und auf den neuen Rechtsträger auch eigentumsrechtlich übertragen werden. 48 Die Ausgliederung ist ausgeschlossen, wenn die Verbindlichkeiten des Einzelkaufmannes sein Vermögen übersteigen. Auch beim Erben kommt es auf sein 1 Trotz der Nichtanwendung von § 18 UmwG auf die Ausgliederung; so Kallmeyer, UmwG, § 155 Rz. 3; anders Dehmer, UmwG, § 155 Rz. 4. 2 BFH v. 11.11.1987 – I R 7/84, BStBl. 1988 II, 424, im Übrigen Schmidt, EStG, § 15 Rz. 513 ff. 3 Schmidt, EStG, § 15 Rz. 527 ff. 4 BFH v. 7.4.1992 – VIII R 86/87, BStBl. 1993 II, 21.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 52 B XI
Gesamtvermögen an, also auf den Nachlass und sein sonstiges Privatvermögen. Eine Sonderbehandlung des Nachlasses findet in dieser Hinsicht nicht statt, da Zweck dieser Regelung der Schutz der Gläubiger des Kaufmanns ist und der Nachlass auch den persönlichen Gläubigern zur Verfügung steht, wenn diese auch unter Umständen nachrangig im Verhältnis zu den Nachlassgläubigern behandelt werden. Nach Anmeldung der Ausgliederung prüft das Registergericht bei der Eintragung, ob eine Überschuldung vorliegt, was allerdings mehr hypothetisch ist, da bei der Ausgliederung zur Aufnahme ein Gesamtvermögensverzeichnis des Kaufmannes nicht vorgelegt werden muss1, also auch kein Gesamtverzeichnis des Nachlasses. Stellt das Registergericht jedoch eine Überschuldung fest, ist die Eintragung abzulehnen.
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Mit Eintragung der Ausgliederung wird die bisherige Einzelfirma vom Handelsregister von Amts wegen gelöscht, jedenfalls dann, wenn das gesamte Unternehmen ausgegliedert wurde oder insbesondere – bei Ausgliederung einzelner Vermögensgegenstände –, wenn nach der Ausgliederung keine materiellen Voraussetzungen mehr für die Fortsetzung des bisher betriebenen Handelsgeschäfts bestehen.
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Da der Erbe die Ausgliederung in dem hier behandelten Zusammenhang aus steuerlichen Gründen vornehmen wird, entfällt die Fortführung durch ihn in jedem Fall, da die wesentlichen Betriebsgrundlagen ausgegliedert werden müssen. Die Ausgliederung wird wirksam, wenn sie im Register eingetragen ist. Zu diesem Zeitpunkt geht gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG auch das ausgegliederte Vermögen auf den neuen Rechtsträger, die Gesellschaft, über. Von diesem Zeitpunkt an erhöht sich die Einlage des Erben durch Aufbuchung auf sein Kapitalkonto. Die Höhe der bei Gründung der Gesellschaft angemeldeten Hafteinlage des Erben als Kommanditist bleibt davon unberührt.
51
(cc) Es ist für die angestrebten steuerlichen Zwecke jedoch auch ausreichend, 52 wenn die Vermögenswerte des Handelsgeschäfts unter Verzicht auf das Verfahren der Ausgliederung nach UmwG im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die zuvor gegründete GmbH & Co. KG übertragen werden. Dafür ist ein Übertragungsvertrag erforderlich, in dem die einzelnen Vermögenswerte so genau als möglich aufgeführt werden und die Parteien, also der Erbe und die Gesellschaft, sich über den Eigentumsübergang einigen. Ist ein Grundstück Gegenstand der Einbringung, sind Beurkundung und Auflassung erforderlich (Grunderwerbsteuerpflicht entfällt, s.o. Rz. 46). Wie bei der Umwandlung erhöht sich die Einlage des Erben als Kommanditist durch Aufbuchung auf sein Kapitalkonto, wodurch sich sein Gesellschaftsanteil erhöht. Die Einbringung erfolgt insoweit gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen.
1 Dehmer, UmwG, § 152 Rz. 23.
Grieger
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B XI Rz. 53
Unternehmensnachfolge
53 Im Übrigen kann der Erbe – ähnlich wie bei der Ausgliederung nach UmwG – einzelne Wirtschaftsgüter von der Übertragung auf die Gesellschaft ausnehmen und diese der Gesellschaft zur Nutzung überlassen, so dass Sonderbetriebsvermögen entsteht. Ertragsteuerlich gelten diese Wirtschaftsgüter als in die Gesellschaft „eingebracht“1 (wegen der Problematik des Sonderbetriebsvermögens bei gewerblich geprägten vermögensverwaltenden Gesellschaften vgl. Rz. 47). 54 (dd) Gemäß § 24 UmwStG kann die Gesellschaft sowohl in den unter Rz. 45 ff. als auch Rz. 52 ff. beschriebenen Fällen die Buchwerte fortführen, allerdings entfällt die steuerliche Rückwirkung um acht Monate bei Einzelrechtsnachfolge. Diese gilt nur für die Gesamtrechtsnachfolge bzw. Sonderrechtsnachfolge durch Ausgliederung nach UmwG2. Durch die auf Antrag mögliche Fortführung der Buchwerte wird die Aufdeckung stiller Reserven vermieden. Nach dem neuen Umwandlungssteuerrecht (für Umwandlungen ab 16.12.2006) sind zwar zunächst zwingend die gemeinen Werte anzusetzen. Die Gesellschaft hat allerdings grundsätzlich die Wahl, ob sie andere Werte ansetzen will (Zwischenwerte, Buchwerte3). Allerdings führen die anderen Werte als die Buchwerte zu einem Einbringungsfolgegewinn, was bei dem hier betrachteten Sachverhalt in der Regel gerade vermieden werden soll. 55 In jedem Falle sichert die Einbringung des Betriebs oder wesentlicher Betriebsgrundlagen in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft den/die Erben gegen erzwungene oder unerwünschte Betriebsaufgabe. Außerdem ergibt sich für die Nutzung der Wirtschaftsgüter eine höhere Flexibilität (so z.B. ist eine branchenfremde Verpachtung möglich; ferner die Umgestaltung des Betriebs oder der Wegfall einzelner Wirtschaftsgüter mit Auflösung wesentlicher Betriebsgrundlagen). 56 Soll das Unternehmen verpachtet werden, ist die Einbringung in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft vor Abschluss des Pachtvertrags ratsam. Allerdings kann der Erbe auch während der Pachtzeit das verpachtete Unternehmen oder die wesentlichen Betriebsgrundlagen steuerlich neutral in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft gemäß § 24 UmwStG einbringen, da auch ein ruhender Betrieb steuerlich neutral gemäß § 24 UmwStG auf eine Personengesellschaft übertragen werden kann4. (Das ist nur durch Übertragung der Wirtschaftsgüter im Wege der Einzelrechtsnachfolge möglich, da die Ausgliederung zur Aufnahme in eine Gesellschaft voraussetzt, dass diese Ausgliederung durch den Inhaber eines kaufmännischen Unternehmens vorgenommen wird. Inhaber des Unternehmens und damit Kaufmann ist jedoch nicht der Verpächter, sondern der Pächter.) Allerdings entfällt durch die 1 Dazu Dehmer, UmwStG, § 24 Rz. 41 ff. 2 Dehmer, UmwStG, § 24 Rz. 278. 3 Werden gemeine Werte gewählt, ergibt sich allerdings eine Abweichung nach der Art der Einbringung (Einzelrechtsnachfolge oder Gesamtrechtsnachfolge bzw. Sonderrechtsnachfolge); bei Einzelrechtsnachfolge wird bei gemeinen Werten Anschaffung angenommen, vgl. Dehmer, UmwStG, § 24 Rz. 275. 4 Vgl. Dehmer, UmwStG, § 24 Rz. 61 m.w.N.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 59 B XI
Einbringung das Wahlrecht des Erben zur begünstigten Aufgabe des verpachteten Betriebs, da die gewerblich geprägte Personengesellschaft kraft Gesetzes grundsätzlich nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb und gewerblichem Betriebsvermögen erzielt1. Die Reaktivierung des Wahlrechts ist allerdings möglich, wenn die GmbH als persönlich haftender Gesellschafter durch eine natürliche Person ersetzt wird, so dass eine „normale“ Personengesellschaft entsteht. Die Personengesellschaft kann durch Erklärung aller Gesellschafter den Betrieb aufgeben, da das Wahlrecht nur einheitlich ausgeübt werden kann2. Der Übergang der Verpächterstellung auf die gewerblich geprägte Personengesellschaft richtet sich nach § 571 BGB. Werden einzelne verpachtete Wirtschaftsgüter nicht auf die Gesellschaft übertragen, sondern in das Sonderbetriebsvermögen eingelegt, findet § 571 BGB auf diese Wirtschaftsgüter keine Anwendung, da die Gesellschaft selbst diese Wirtschaftsgüter nur aufgrund vertraglicher Überlassung nutzt, der Erbe also zivilrechtlich Eigentümer bleibt. Die weitere Verpachtung dieser einzelnen Wirtschaftsgüter bedarf dann einer Vereinbarung zwischen den Erben und der Gesellschaft.
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Einstweilen frei.
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2. Nachfolge einer Erbengemeinschaft
Û
Beratungssituation: Herr E hat ein Elektrofachunternehmen geführt. Er verstirbt, ohne ein Testament errichtet zu haben, und hinterlässt seine Ehefrau sowie einen Sohn im Alter von 20 Jahren, der Elektrotechnik studiert, und eine Tochter von zwölf Jahren. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand. Frau E. verfügt über keine einschlägige berufliche Qualifikation.
a) Fortsetzung des Unternehmens durch die Erbengemeinschaft aa) Fortsetzung als Erbengemeinschaft Die Erbengemeinschaft kann ohne Auseinandersetzung als Erbengemeinschaft die Einzelfirma des Erblassers fortsetzen3. Sie ist dann Inhaber des einzelkaufmännischen Handelsgeschäfts und führt das Handelsgeschäft als Unternehmensträger in gesamthänderischer Verbundenheit4. Die Fortführung des Handelsgeschäfts durch die Erbengemeinschaft ist für unbestimmte Dauer möglich, der konkludente Abschluss eines Gesellschaftsvertrags wird darin nicht gesehen5. Allerdings wird der stillschweigende Abschluss eines Gesell-
1 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 703. 2 BFH, VIII R 2/95, BStBl. 1998 II, 388. 3 Durch den BGH durch zwei Entscheidungen bestätigt: BGH v. 21.5.1955 – IV ZR 7/55, NJW 1955, 1227 und 8.10.1984 – II ZR 223/83, NJW 1985, 136; Baumbach/ Hopt, § 1 Rz. 37. 4 Hierzu K. Schmidt, Handelsrecht, § 5 I 3b. 5 Strothmann, ZIP 1985, 973; K. Schmidt, NJW 1985, 2787, 2788; Baumbach/Hopt, § 1 Rz. 38.
Grieger
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B XI Rz. 60
Unternehmensnachfolge
schaftsvertrags bei Fortsetzung des Handelsgeschäfts durch die Erbengemeinschaft von der Rechtsprechung in Einzelfällen vorausgesetzt, ohne dass diese Frage eindeutig entschieden ist1. In der Literatur wird immerhin die Auffassung vertreten, dass unter bestimmten Gegebenheiten der stillschweigende Abschluss eines Gesellschaftsvertrags angenommen werden kann2. Dagegen spricht jedoch, dass sowohl für die Mitglieder der Erbengemeinschaft als auch für den Rechtsverkehr eine unsichere Lage über den Status der Gemeinschaft entsteht, wenn nicht anhand klarer Kriterien beurteilt werden kann, wann ein solcher schlüssiger Abschluss eines Gesellschaftsvertrags anzunehmen ist und wann nicht. 60 Es ist jedoch auch unbestritten, dass die Verfassung der Erbengemeinschaft wenig geeignet ist, ein Unternehmen zu führen3. Für das Innenverhältnis der Erben zueinander hat der BGH entschieden, dass hinsichtlich eines zum Nachlass gehörenden Handelsunternehmens das Recht der OHG anzuwenden sei4. Dieser allgemeine Grundsatz lässt ausreichend Raum für Zweifel, da im Einzelfall entschieden werden muss, ob das Handelsrecht lückenfüllend oder gar verdrängend in das Erbrecht bzw. hinsichtlich der §§ 2038 ff. BGB eingreift. Für das Außenverhältnis ist eine derartige analoge Anwendung im Interesse des Verkehrsschutzes nicht möglich. Die Unzulänglichkeit des Erbrechts wird deshalb insbesondere bei der Vertretung sichtbar. Während bei der OHG jeder Gesellschafter einzeln die Geschäfte der Gesellschaft führen und diese verwalten und vertreten kann, wird die Erbengemeinschaft durch ihre sämtlichen Mitglieder vertreten, wobei § 2038 BGB Ausnahmen zulässt, wenn auch beschränkt. Überwiegend wird angenommen, dass die daraus resultierende Schwerfälligkeit in der Führung des Unternehmens nur durch Erteilung einer Vollmacht an einzelne Miterben beseitigt werden kann5. Das ist wohl zutreffend. Es handelt sich dabei jedoch nur um eine privatrechtliche Vollmacht, die nicht in das Handelsregister eingetragen werden kann. Die Prokuraerteilung an einzelne Miterben wird durch die herrschende Meinung ausgeschlossen6. Im alltäglichen Geschäftsablauf werden allerdings einzelne Erben handeln bzw. Geschäfte abschließen. In diesen Fällen kann es zu einer Duldungs- und Anscheinsvollmacht kommen7, wenn nicht ohnehin gemäß § 2038 BGB von einer „notwendigen Maßregel“ auszugehen ist, die jeder Miterbe auch allein treffen kann8. Hier bewegt sich das Verwaltungsrecht der Er1 Zur Rechtsprechung: K. Schmidt, NJW 1985, 2787. Gegen eine solche Annahme spricht wohl auch die BGH-Entscheidung v. 21.5.1955 – IV ZR 7/55, NJW 1955, 1227. 2 Baumbach/Hopt, § 105 Rz. 7. 3 Strothmann, ZIP 1985, 974; K. Schmidt, Handelsrecht, § 5 I 3b. 4 BGH v. 21.5.1955 – IV ZR 7/55, NJW 1955, 1227; hier ging es um die Tätigkeitsvergütung eines Miterben, der nach Unfall und Arbeitsunfähigkeit des anderen Erben das Unternehmen allein geführt hatte. 5 Strothmann, ZIP 1985, 974, 975. 6 Strothmann, ZIP 1985, 975, unter Hinweis auf BGH v. 24.9.1959 – II ZR 46/59, BGHZ 30, 391, 397, Baumbach/Hopt, § 48 Rz. 2; anders jedoch Glanegger u.a., Handelsgesetzbuch, § 27 Rz. 3; a.A. auch K. Schmidt, NJW 1985, 2789. 7 Strothmann, ZIP 1985, 975. 8 Palandt/Edenhofer, § 2038 Rz. 11 ff.
644
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 61 B XI
bengemeinschaft in einem handelsrechtlichen Spannungsverhältnis, das zu einer den Rechtsverkehr erleichternden und die Einzelvertretung fördernden Auslegung führen sollte. Allerdings geht es wohl zu weit und überdehnt die Grenzen der §§ 2038/2040 BGB, generell davon auszugehen, dass für die Erbengemeinschaft als kollektiver Unternehmensträger organschaftliche Einzelvertretung gilt1. Wäre das zutreffend, müssten in entsprechender Anwendung des § 125 HGB abweichende Vereinbarungen zwischen den Miterben möglich sein, die mit Außenwirkung im Handelsregister eingetragen werden können. Das ist jedoch nicht der Fall. Zwar können die Miterben im Innenverhältnis durch Vereinbarung einem Miterben die Geschäftsführung übertragen, jedoch ist die Übertragung der Vertretungsmacht nicht durch die handelsrechtliche Publizität des Registers in Analogie zu § 125 HGB, sondern nur durch privatrechtliche Vollmacht möglich. Die gesetzliche Verwaltungs- und Vertretungsbefugnis gemäß § 2038 BGB bleibt erhalten. Ist – wie im Ausgangsbeispiel – ein Minderjähriger Mitglied der Erbengemeinschaft, kann die Fortführung des Handelsgeschäfts ohne Genehmigung des Familiengerichts erfolgen2. An dieser Lage hat sich auch durch das Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz3 nichts geändert4, jedoch ist durch dieses Gesetz die Möglichkeit einer speziellen Haftungsbeschränkung für den Minderjährigen eingeführt worden5. Gemäß § 1629a BGB ist die Haftung für Verbindlichkeiten aus Geschäften, die während der Minderjährigkeit durch die Eltern als gesetzliche Vertreter oder durch andere vertretungsberechtigte Personen für den Minderjährigen abgeschlossen werden oder aufgrund eines Erwerbs von Todes wegen entstanden sind, auf das bei Eintritt der Volljährigkeit noch vorhandene Vermögen beschränkt. Deshalb muss gemäß § 24 HRV bei Anmeldung von natürlichen Personen (Kaufmann, Gesellschafter) das Geburtsdatum des Inhabers oder Gesellschafters zum Register mit angemeldet werden. Damit soll der Schutz des Rechtsverkehrs gewährleistet werden. Allerdings gilt § 15 Abs. 1 und Abs. 3 HGB unverändert weiter, so dass bei Nicht- oder Falscheintragung die Vermutungen des § 15 Abs. 1 und 3 HGB zulasten des Minderjährigen greifen würden. Dagegen richtet sich Behnke, der es für erforderlich hält, im Interesse der Verfassungskonformität § 15 Abs. 1 und 3 zum Schutze des Minderjährigen nicht anzuwenden, d.h. das Schutzinteresse des Minderjährigen soll Vorrang vor dem Gutglaubensschutz des § 15 Abs. 1 und 3 HGB genießen6. Ob dieser Vorrang des Minderjährigenschutzes gegenüber dem Gutglaubensschutz anzuerkennen ist, muss gegen1 K. Schmidt, NJW 1985, 2789; K. Schmidt, Handelsrecht, § 5 I 3a (Erbengemeinschaft kann „ähnlich einer Gesamthandsgesellschaft am Rechtsverkehr teilnehmen“); Palandt/Edenhofer, § 2038 Rz. 14. 2 BGH v. 8.10.1984 – II ZR 223/83, NJW 1985, 136; Baumbach/Hopt, § 1 Rz. 33. 3 BGBl. 1998 I, 2487. 4 Zu den Einzelheiten des Gesetzes vgl. Behnke, NJW 1998, 3078. 5 Das Gesetz geht auf eine Entscheidung des BVerfG von 1986 zurück, NJW 1986, 1859; Baumbach/Hopt, § 1 Rz. 39. 6 Behnke, NJW 1998, 3081, 3082; Baumbach/Hopt § 15 Rz. 6.
Grieger
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B XI Rz. 62
Unternehmensnachfolge
wärtig wohl als strittig bezeichnet werden1. Für den Vorrang des Gutglaubensschutzes zumindest bei Nichteintragung (§ 15 Abs. 1 HGB) spricht allerdings, dass es der Gesetzgeber offensichtlich bewusst unterlassen hat, die Wirkung des § 15 Abs. 1 und 3 HGB zugunsten des Minderjährigenschutzes einzuschränken. Das Problem entschärft sich hinsichtlich der Nichteintragung (§ 15 Abs. 1) allerdings durch die Pflicht des Registergerichts, von Amts wegen die Vollständigkeit der Anmeldung zu prüfen. 62 Hinsichtlich der gewerberechtlichen und handwerksrechtlichen Voraussetzungen der Erbengemeinschaft zur Weiterführung gelten die Vorschriften, die unter Rz. 17 f. erläutert wurden. Es ist ausreichend, wenn ein Mitglied der Erbengemeinschaft über die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Erbenprivilegien verfügt (s. Ausgangsbeispiel Mutter und minderjährige Tochter). Abgesehen von den Erbenprivilegien würde es auch ausreichend sein, wenn ein Miterbe über die erforderlichen berufsrechtlichen Voraussetzungen verfügt, um den Betrieb zu führen (in unserem Ausgangsbeispiel hätte z.B. der Sohn nach Studienabschluss die Voraussetzungen erworben). 63
(aa) Wie unter Rz. 2 ff. im Einzelnen dargelegt, wird die reine Erbenhaftung für die zum Nachlass gehörenden Verbindlichkeiten durch § 27 HGB ergänzt bzw. überlagert. Diese Folgen treffen auch die Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Wird nur ein Miterbe bei der Fortführung des Handelsunternehmens tätig, haften nach herrschender Auffassung die übrigen aufgrund der persönlichen handelsrechtlichen Haftung nur, wenn sie den tätigen Miterben zur Fortführung bevollmächtigt haben (auch stillschweigend, es sei denn, die Miterben haben angenommen, der tätige Miterbe sei Alleininhaber2). Diese Auffassung ist zu Recht unter Hinweis auf die Nachfolge der Erbengemeinschaft und ihrer unbestrittenen Unternehmensträgerschaft abgelehnt worden, so dass die nicht auseinander gesetzte Erbengemeinschaft grundsätzlich bei Fortsetzung und Eintritt der persönlichen handelsrechtlichen Haftung insgesamt einstehen muss3. Die alleinige Fortführung des Handelsunternehmens durch einen Miterben ohne Zustimmung der übrigen Erben überschreitet die Grenzen der Befugnisse des tätigen Miterben gemäß § 2038 BGB, abgesehen davon, dass mindestens bei Handelsregistereintragung der Erbengemeinschaft die Berufung der Miterben auf die Fortführung durch einen einzigen Erben entfällt. Unabhängig davon ist es sehr risikoreich, wenn die Miterben die Fortführung durch einen einzelnen Miterben hinnehmen und sich darauf verlassen, dass nur diesen die eventuelle handelsrechtliche Haftung für Altverbindlichkeiten
1 Für den Vorrang des Gutglaubenschutzes Baumbach/Hopt, § 1 Rz. 34, § 15 Rz. 6, anders für § 15 Abs. 3 HGB, wo in jedem Falle der Schutz des Minderjährigen vorgehen soll; anderer Auffassung Glanegger u.a., § 15 Rz. 10, der den Vorrang des Gutglaubenschutzes für h.M. hält. 2 Baumbach/Hopt, § 27 Rz. 3, unter Hinweis auf BGH v. 24.9.1959 – II ZR 46/59, BGHZ 30, 395; BGH v. 10.2.1960 – V ZR 39/58, BGHZ 32, 67; BGH v. 27.3.1961 – II ZR 294/59, BGHZ 35, 13. 3 K. Schmidt, Handelsrecht, § 8 IV 2c) cc).
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 66 B XI
des Erblassers trifft. Vielmehr besteht die Gefahr, dass die Miterben nicht nur persönlich handelsrechtlich für Altverbindlichkeiten des Erblassers, sondern auch für die durch den tätigen Miterben begründeten Neuverbindlichkeiten haften.
Û
Beratungshinweis: In der Beratung sollte darauf hingewirkt werden, dass bei Fortführung des Handelsgeschäfts durch einen einzelnen Miterben ohne Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ein Zweifel über die Stellung der zurücktretenden Miterben nicht auftritt. Zu diesem Zweck könnte ein Pachtvertrag zwischen Erbengemeinschaft einerseits und fortführungswilligem Miterben abgeschlossen werden, womit dieser Inhaber und damit alleiniger Kaufmann wird (vgl. dazu Rz. 41 ff.). Die Eintragung im Handelsregister muss unverzüglich dieser Lage angepasst werden. Im Sachverhalt des Ausgangsbeispiels bietet sich als Zwischenlösung die Verpachtung des Unternehmens an die Mutter an, bis der studierende Sohn in der Lage ist, in das Geschäft einzutreten oder dieses zu übernehmen.
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Gehören Minderjährige zur Erbengemeinschaft, wird für diese die Haftungsbeschränkung gemäß § 1629a BGB wirksam, und zwar unabhängig davon, ob fortgeführt wird oder nicht. Bei Abschluss eines solchen Pachtvertrags wäre allerdings die Bestellung eines Ergänzungspflegers für die minderjährige Tochter erforderlich, so dass gemäß § 1822 Nr. 4 BGB auch die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung eingeholt werden muss. (bb) Entscheidet sich die Erbengemeinschaft für die Fortsetzung des Handelsunternehmens unter gleicher Firma, ist die Erbengemeinschaft als neuer Inhaber zum Handelsregister anzumelden und einzutragen1.
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Auch bei Firmenfortführung wird ein auf die Erbengemeinschaft hinweisender „Rechtsformzusatz“ für notwendig gehalten, und zwar in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 1 HGB2, obwohl die „Erbengemeinschaft“ i.S. des § 19 Abs. 1 HGB keine „Rechtsform“ ist. Es ergibt sich so eine etwas umständliche Firmenbezeichnung, z.B. „Karl Müller Nachfolger in Erbengemeinschaft“. Der „Nachfolger“-Zusatz ist zulässig, aber nicht zwingend. Jedenfalls ist die so gebildete Firma in das Handelsregister einzutragen. (cc) Die Erbengemeinschaft kann sich jedoch auch entschließen, bei Fortführung eine andere Firma zu wählen, z.B. um die handelsrechtliche Haftung für Altverbindlichkeiten des Erblassers auszuschließen (vgl. Rz. 9). Soll eine Personenfirma gebildet werden, müssen die Namen sämtlicher Erben in die Firma aufgenommen werden3 (also z.B. Käthe Meyer, Jan und Willi Schulze in Erbengemeinschaft). Diese etwas umständliche Firmenbezeichnung kann durch Bildung einer Sachfirma oder Fantasiefirma vermieden werden. Die 1 Baumbach/Hopt, § 1 Rz. 37. 2 Baumbach/Hopt, § 19 Rz. 2 – h.M. 3 Baumbach/Hopt, § 22 Rz. 2.
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B XI Rz. 67
Unternehmensnachfolge
Sachfirma muss dem Unternehmensgegenstand entnommen werden (str.)1, die Fantasiefirma kann frei gewählt werden. In beiden Fällen ist es erforderlich, dass die gewählte Firma zur Kennzeichnung geeignet ist und ausreichende Unterscheidungskraft besitzt. Der Rechtsformzusatz ist auch bei der Sachoder Fantasiefirma erforderlich, d.h. der Zusatz „in Erbengemeinschaft“ ist der Firma hinzuzufügen. bb) Fortsetzung als Gesellschaft 67
(1) Die Erbengemeinschaft kann das Handelsgeschäft auf eine OHG überführen und die wirtschaftliche Tätigkeit in diesem zweckmäßigen Rahmen fortführen.
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Beratungshinweis: Da nach den Ausführungen in Rz. 59 unsicher ist, ob und unter welchen Umständen der stillschweigende Abschluss eines Gesellschaftsvertrags oder die Fortführung des Handelsunternehmens als OHG durch konkludentes Handeln angenommen werden kann, sollte in der Beratung darauf hingewirkt werden, dass eine klare Regelung durch die Miterben erfolgt.
68 (2) Steuerlich ist die Erbengemeinschaft bereits mit Anfall des Handelsunternehmens eine Mitunternehmerschaft („geborene Mitunternehmerschaft“)2. Das gilt bis zur (Teil-)Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft.3 Entscheidet sich die Erbengemeinschaft für die Fortführung des Unternehmens in der Rechtsform einer OHG, muss sie das Handelsunternehmen oder zumindest dessen wesentlichen Betriebsgrundlagen im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf eine zuvor durch alle Miterben gegründete OHG übertragen, und zwar unter gleichzeitiger Aufhebung und Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft, die mit der Einbringung insoweit erlischt. Die Beendigung der Erbengemeinschaft einschließlich des Unternehmens sollte entweder im Einbringungsvertrag oder Gesellschaftsvertrag ausdrücklich festgestellt werden. Mit der Einbringung und dem Erlöschen der Erbengemeinschaft treten für die Regelung der Innenbeziehungen der bisherigen Miterben die betreffenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen an die Stelle des § 2038 BGB (für die Einbringung vgl. Rz. 44 ff.). 69 Die Erbengemeinschaft kann jedoch auch einzelne Wirtschaftsgüter (auch wesentliche Betriebsgrundlagen) zurückbehalten und diese der OHG pachtweise überlassen, so dass sie weiterhin für betriebliche Zwecke zur Verfügung stehen. Die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in Bezug auf diese Wirtschaftsgüter kann unterbleiben. Es entsteht zwischen der Erbengemeinschaft und der OHG eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung (Rz. 87), so dass die „Rest“-Erbengemeinschaft ertragsteuerrechtlich gewerbliche Mitunternehmerschaft bleibt. Die Einkünfte aus der Verpachtung unterliegen der Ge1 Baumbach/Hopt, § 1 Rz. 8, 9. 2 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 erfasst auch Erbengemeinschaften, vgl. Schmidt, EStG, § 15 Rz. 171. 3 Schmidt, EStG, § 15 Rz. 383.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 72 B XI
werbesteuer. Ein solches Verfahren bietet sich z.B. für Grundstücke an, da auf diese Weise der erhebliche Beurkundungsaufwand, der bei Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und Überführung auf die OHG anfallen würde, erspart werden kann. Ferner können betriebliche Verbindlichkeiten, die insbesondere mit dem Grundstück verbunden sind, im Betriebsvermögen verbleiben, ohne dass es einer Mitwirkung der Gläubiger bedarf. Die eingebrachten Vermögenswerte werden den Konten der Gesellschafter im Verhältnis ihrer bisherigen Erbquote gutgeschrieben, so dass die Gesellschafter in diesem Verhältnis steuerlich Mitunternehmer bleiben. Im Übrigen kann die Gesellschaft gemäß § 24 UmwStG auf Antrag die Buchwerte fortführen (zum Wahlrecht der Gesellschaft vgl. Rz. 54 f.). Denkbar ist auch, dass die Erben ihre Erbanteile in die Gesellschaft einbringen. Die Erbengemeinschaft erlischt dann durch Konfusion. Allerdings setzt das voraus, dass die Erbengemeinschaft hinsichtlich des übrigen Nachlasses vollständig auseinander gesetzt ist. In der Regel wird die Einbringung der Vermögenswerte im Wege der Einzelrechtsnachfolge zweckmäßiger sein, insbesondere wenn der Nachlass insgesamt unübersichtlich ist. Allerdings wird durch die Einbringung der Erbanteile eine Gesamtrechtsnachfolge möglich, was angesichts der Nichtanwendbarkeit des UmwG auf die Erbengemeinschaft (herrschende Meinung)1 von Bedeutung sein kann. Steuerlich macht es keinen Unterschied, ob die Einbringung in Einzelrechtsnachfolge oder Gesamtrechtsnachfolge erfolgt, § 24 UmwStG findet in beiden Fällen Anwendung, so dass das Wahlrecht hinsichtlich des Wertansatzes besteht (Rz. 54 f.).
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Die Umwandlung der Erbengemeinschaft auf der Grundlage des UmwG wird verneint, weil der als numerus clausus anzusehende personelle Geltungsbereich des UmwG hinsichtlich der einzelnen Umwandlungsarten (soweit sie relevant sind) die Erbengemeinschaft nicht erfasst. Auch die Tatsache, dass die Erbengemeinschaft ein einzelkaufmännisches Unternehmen fortführt, kann nicht zur analogen Anwendung der Ausgliederungsvorschriften der §§ 152 ff. UmwG führen2.
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(3) Ist – wie im Ausgangsbeispiel – ein Minderjähriger Mitglied der Erbengemeinschaft, bedürfen die Fortführung des Handelsunternehmens als OHG und der Abschluss des Gesellschaftsvertrags der familiengerichtlichen Genehmigung. Wird – wie im Ausgangsbeispiel – die gesetzliche Vertreterin auch Gesellschafterin, muss ein Ergänzungspfleger bestellt werden. Die Ergänzungspflegschaft bezieht sich nur auf den Abschluss des Vertrags, nicht auf die Entscheidung in Einzelangelegenheiten der Geschäftsführung der OHG, selbst dann nicht, wenn Gesellschafterbeschlüsse erforderlich sind. Der Minderjährige wird bei der Beschlussfassung durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten (im Ausgangsbeispiel handelt die Mutter für die minderjährige Tochter), ohne dass es im Einzelfall der Genehmigung des Familiengerichts
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1 K. Schmidt, NJW 1985, 2785, 2786; Kallmeyer, § 3 UmwG Rz. 2 (für Verschmelzung). 2 Dehmer, UmwG, § 152 Rz. 4; anders Baumbach/Hopt, § 1 Rz. 37.
Grieger
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B XI Rz. 73
Unternehmensnachfolge
bedarf. Bei fundamentalen Änderungen des Gesellschaftsvertrags besteht allerdings ein Genehmigungserfordernis1; in diesem Falle ist auch die Mitwirkung eines Ergänzungspflegers notwendig. Die Beschränkung der Haftung des Minderjährigen gemäß § 1629a BGB gilt auch in Bezug auf seine Gesellschafterstellung in der OHG. 73 Kommt nur ein Miterbe für die unmittelbare Führung der Geschäfte der OHG in Frage, (wie im Ausgangsbeispiel die Mutter), sollte zweckmäßigerweise bei der inhaltlichen Gestaltung des Gesellschaftsvertrags darauf Rücksicht genommen werden. Dementsprechend kann diesem Miterben gemäß § 114 Abs. 2 HGB die alleinige Geschäftsführung und gemäß § 125 HGB die alleinige Vertretung der Gesellschaft übertragen werden. Die übrigen Gesellschafter sind dann von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen. Die Vertretungsregelung ist zum Register anzumelden. 74
(4) Die für die OHG zu wählende Firma hängt z.T. davon ab, welche der in Rz. 63 ff. behandelten Alternativen die Erbengemeinschaft wählt. Grundsätzlich kann die Einzelfirma des zum Nachlass gehörenden Handelsunternehmens auch bei Fortsetzung der Geschäfte durch eine OHG fortgeführt werden, allerdings unter Hinzufügung des Rechtsformzusatzes2. Die Hinderungsgründe für die unmittelbare Fortführung der Firma, die sich aus § 155 (§§ 125, 18) UmwG u.U. ergeben3, bestehen nicht, da das UmwG auf die Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge keine Anwendung findet. Die persönliche handelsrechtliche Haftung der Miterben für Altverbindlichkeiten des Erblassers ist in diesem Falle allerdings unvermeidlich (vgl. Rz. 7), was jedoch unerheblich ist, da die Erben als OHG-Gesellschafter ohnehin auch persönlich haften und die OHG bei Firmenfortführung die Haftung für die Altverbindlichkeiten übernimmt. Wird die Firma durch die OHG nicht fortgeführt, bleibt es bei der Erbenhaftung für Altverbindlichkeiten, wenn die Übertragung des Unternehmens innerhalb der Bedenkfrist gemäß § 27 Abs. 2 HGB erfolgt (vgl. Rz. 8).
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(5) Die Anmeldung der OHG zum Handelsregister erfolgt in Abhängigkeit davon, ob die Firma fortgeführt wird oder nicht. Wird die Firma nicht fortgeführt, ist die OHG mit neuer Firma anzumelden. Damit kann die Löschung der bisherigen Firma verbunden werden. Soll die Firma fortgeführt werden, ist die Fortsetzung der Firma durch die OHG bei gleichzeitiger Löschung des bisherigen Inhabers (also Erbengemeinschaft) anzumelden. War die Erbengemeinschaft noch nicht als Inhaber eingetragen, ist diese Anmeldung zur Voreintragung nachzuholen.
76 Die Miterben können anstelle der OHG auch eine KG als neuen Rechtsträger wählen. Die Übertragung des Handelsunternehmens bzw. der wesentlichen Betriebsgrundlagen vollzieht sich nach den gleichen Regeln und Grundsätzen 1 Palandt/Diederichsen, § 1822 BGB Rz. 9. 2 Baumbach/Hopt, § 22 Rz. 16. 3 Dehmer, UmwG, § 155 Rz. 4.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 81 B XI
wie in Rz. 67 ff. dargelegt. Die KG bietet sich – wie im Ausgangsbeispiel – insbesondere dann an, wenn nicht alle Miterben aktiv in der Gesellschaft tätig sein wollen und können. Der aktive Miterbe wird dann persönlich haftender Gesellschafter und die inaktiven Miterben treten in die Stellung eines Kommanditisten zurück. Zur Risikobegrenzung ist allerdings auch die Fortführung des Handelsunternehmens als GmbH & Co. KG möglich, wobei der oder die aktiven Gesellschafter Geschäftsführer der GmbH werden. Da die GmbH & Co. KG auch Personengesellschaft ist, können das Handelsunternehmen bzw. die wesentlichen Betriebsgrundlagen steuerlich nach § 24 UmwStG eingebracht werden, d.h. auf Antrag zu Buchwerten, wenn nicht von der Möglichkeit eines anderen Wertansatzes Gebrauch gemacht wird. Die GmbH ist von einer Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft auszuschließen. Vorsorglich sollten jedoch die Miterben zu gleichen Anteilen wie an der KG selbst an der GmbH beteiligt werden, was im Interesse der Vermeidung von Konflikten zwischen der Geschäftsführung und den nicht daran beteiligten Gesellschaftern zweckmäßig ist.
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Hat die Erbengemeinschaft die Stufe der Personengesellschaft erreicht, kann auch ohne weiteres und mit begrenztem Aufwand auf der Grundlage des UmwG durch einfachen Rechtsformwechsel der Übergang zu einer Kapitalgesellschaft vollzogen werden.
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Führen alle Miterben das zum Nachlass gehörende Handelsunternehmen fort, bleiben den Erben grundsätzlich die erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen erhalten.
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b) Fortsetzung des Unternehmens durch einen oder mehrere Miterben ohne Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft aa) Verpachtung an einzelne Erben Häufig wird die gesamte Erbengemeinschaft nicht willens und in der Lage sein, an der Fortsetzung des Unternehmens mitzuwirken. In einem solchen Falle müsste die Erbengemeinschaft hinsichtlich des Unternehmens auseinander gesetzt und das Unternehmen auf den oder auch die fortsetzungsbereiten Erben übertragen werden. Das kann jedoch für die weichenden Erben erhebliche einkommensteuerliche Folgen haben, insbesondere wenn der Nachlass im Wesentlichen aus dem Unternehmen besteht, da bei der Auseinandersetzung u.U. stille Reserven aufgedeckt werden müssen (vgl. Rz. 113 ff.).
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Es mag insofern für die Erbengemeinschaft zweckmäßiger sein, zumindest hinsichtlich des Betriebsvermögens eine Auseinandersetzung zu vermeiden und als Erbengemeinschaft den Betrieb an einzelne Erben zu verpachten. Ein solches Vorgehen bietet sich insbesondere im Ausgangsbeispiel an. Die Mutter könnte alleine als Pächterin das Unternehmen fortsetzen, ohne dass die
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B XI Rz. 82
Unternehmensnachfolge
Erbengemeinschaft hinsichtlich des Betriebsvermögens auseinander gesetzt wird. Für den Pachtvertrag, die Registeranmeldung und die Firmenfortführung gelten die in Rz. 31 ff. behandelten Grundsätze. 82 Ist, wie in unserem Ausgangsbeispiel, ein Minderjähriger Mitglied der Erbengemeinschaft, muss die Mutter als gesetzliche Vertreterin den Antrag auf Bestellung eines Ergänzungspflegers stellen, der bei Abschluss des Pachtvertrags für den Minderjährigen handelt. Ferner bedarf das Rechtsgeschäft selbst bei Beteiligung eines Ergänzungspflegers gemäß § 1822 Ziff. 4 der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht. 83
Einkommensteuerlich verbleibt es auf der Ebene der Erbengemeinschaft bei der bei Anfall der Erbschaft entstandenen Mitunternehmerschaft. Das zum Nachlass gehörende Handelsunternehmen ist nach wie vor Betriebsvermögen der Erbengemeinschaft. Allerdings tritt durch die Verpachtung des Unternehmens eine Betriebsunterbrechung im weiteren Sinne ein. Der bis 31.12.2008 mögliche betriebliche Freibetrag bei der Erbschaftsteuer gemäß § 13a ErbStG bleibt der Erbengemeinschaft bzw. den Mitgliedern der Erbengemeinschaft quotal weiterhin erhalten. Bei Erwerben ab 2009 dürfte jedoch durch das neue Erbschaftsteuerrecht die Begünstigung über den Verschonungsabschlag von verpachteten Betrieben mit mehr als 10 Arbeitnehmern wegen Nichteinhaltung der Mindestlohnsumme weitgehend ins Leere gehen (vgl. Rz. 43a). Der Mitunternehmeranteil des fortführenden Erben am Betriebsvermögen der Erbengemeinschaft wird jedoch notwendiges Betriebsvermögen des von ihm als Inhaber nunmehr allein betriebenen Unternehmens. bb) Verpachtung an Personengesellschaft – mitunternehmerische Betriebsaufspaltung
84 In Abhängigkeit von der Entscheidung in der Erbengemeinschaft kann das vorstehende Pachtmodell auch aufgestockt werden. So könnte in unserem Ausgangsbeispiel der studierende Sohn nach Studienabschluss in das Geschäft der Mutter eintreten (§ 28 HGB), so dass beide das Unternehmen als Gesellschaft fortsetzen (z.B. OHG). Dieser Vorgang stellt sich handelsrechtlich als Einbringung des bisherigen einzelkaufmännischen Unternehmens der Pächterin in eine Personengesellschaft dar1 (entweder Ausgliederung gemäß § 152 UmwG oder Einzelrechtsübertragung – vgl. dazu und zur registerrechtlichen Anmeldung Rz. 44 ff.). Der Mitunternehmeranteil am betrieblichen Vermögen der Erbengemeinschaft kann in das Sonderbetriebsvermögen eingelegt werden. Der Mitunternehmeranteil ist nur steuerlich selbstständig, nicht zivilrechtlich. Zivilrechtlich einbringungsfähig wäre nur der Erbanteil der Pächterin, was jedoch weder zivilrechtlich noch steuerlich sinnvoll bzw. zweckmäßig wäre, da auf diese Weise die Personengesellschaft an der Erbengemeinschaft beteiligt wäre. Al1 Baumbach/Hopt, § 28 Rz. 2.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 87 B XI
lerdings muss die Personengesellschaft in den bisherigen Pachtvertrag zwischen Pächterin und Erbengemeinschaft eintreten. Steuerlich erfolgt die Einbringung auf der Grundlage des § 24 UmwStG, d.h. die Wirtschaftsgüter des Einzelunternehmens (nicht die gepachteten Wirtschaftsgüter) können z.B. auf Antrag zu Buchwerten eingebracht werden (mit Wahlrecht für andere Werte – vgl. Rz. 54).
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Das Verhältnis des eintretenden Mitgliedes der Erbengemeinschaft zum Gesamthandsvermögen, das durch die Einbringung des Einzelunternehmens der Pächterin entsteht, lässt sich alternativ wie folgt gestalten:
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– Das eingebrachte Vermögen wird ausschließlich zugunsten des Kapitalkontos (Festkapitalkonto) der Pächterin gebucht; das eintretende Mitglied der Erbengemeinschaft leistet vorerst keine oder eine geringfügige Einlage in bar. Gleichzeitig wird eine Vereinbarung der Gesellschafter über das Verhältnis der Festbeteiligung getroffen und der Eintretende verpflichtet sich, einen Teil der ihm zustehenden Gewinne zur Auffüllung seines Kapitalkontos bis zur Höhe des vereinbarten Festanteils in der Gesellschaft zu belassen. – Die Pächterin kann dem eintretenden Sohn jedoch auch einen Anteil an den von ihr eingebrachten Buchwerten unentgeltlich zuwenden, der dann auf das Festkapitalkonto des Eintretenden gebucht wird. Keinesfalls sollte der eintretende Gesellschafter für die Beteiligung an den eingebrachten Vermögenswerten des bisherigen Einzelunternehmens eine Zahlung an den Inhaber in dessen Privatvermögen leisten, da es sich um die Veräußerung eines Bruchteils des Einzelunternehmens handeln würde, die zu einem nicht begünstigten Veräußerungsgewinn führt1. Nachdem jedoch der Gesetzgeber den § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG dahingehend geändert hat, dass nur die Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters an einer Gesellschaft zu begünstigten Veräußerungsgewinnen führt, hat die Veräußerung eines Bruchteils des Mitunternehmeranteils einen nicht begünstigten laufenden Gewinn zur Folge2. Erhöhen sich die Mitunternehmeranteile am Betriebsvermögen der Erbengemeinschaft im jeweiligen Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter der Personengesellschaft, die das Unternehmen gepachtet hat (Betriebsgesellschaft), dergestalt, dass die gesamten Gesellschafter der Betriebsgesellschaft über eine Mehrheit in der Erbengemeinschaft (Besitzgesellschaft) verfügen, besteht die Möglichkeit, dass eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung im Verhältnis Betriebsgesellschaft zur Besitzgesellschaft entsteht. Eine derartige Konstellation tritt im Ausgangsbeispiel ein, wenn Mutter und Sohn Gesellschafter der Betriebsgesellschaft werden, da sie zugleich zu ¾ an der Erbengemeinschaft beteiligt sind. Die mitunternehmerische Betriebsaufspal1 Vgl. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 204. 2 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 410, 417, 565; BFH v. 16.9.2004 – IV R 11/03, BStBl. 2004, 1068 (allerdings keine Rückwirkung auf Fälle aus der Vergangenheit).
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B XI Rz. 88
Unternehmensnachfolge
tung verdrängt die Eigenschaft der Mitunternehmeranteile an der Erbengemeinschaft als Sonderbetriebsvermögen. Die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung führt dazu, dass das Besitzunternehmen, hier also die Erbengemeinschaft, hinsichtlich des zum Nachlass gehörenden Betriebsvermögens, selbstständiger Gewerbebetrieb wird. Infolgedessen werden auch die Miterben, die nicht Gesellschafter der Betriebsgesellschaft sind (im Ausgangsbeispiel also die minderjährige Tochter) gewerbesteuerpflichtig. Demgemäß unterliegen die Einnahmen aus der Verpachtung (anders als sonst bei der Betriebsverpachtung) der Gewerbesteuerpflicht. Ob das wünschenswert oder hinnehmbar ist, hängt von den Umständen ab. Die Existenz einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung ist anhand folgender Kriterien zu prüfen: 88 – Sachliche Verflechtung: Die Besitzgesellschaft (hier die Erbengemeinschaft) überlässt der Betriebsgesellschaft (schuldrechtlich, dinglich) mindestens eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung; diese Voraussetzung ist in jedem Falle dann gegeben, wenn ein Unternehmen als Ganzes an die Betriebsgesellschaft verpachtet wird; im Übrigen ist – wie üblich – anhand der steuerlichen Erfordernisse zu prüfen, ob ein zur Nutzung überlassenes Wirtschaftsgut eine wesentliche Betriebsgrundlage für die Betriebsgesellschaft darstellt1. 89 – Gewinnerzielungsabsicht auf Seiten der Besitzgesellschaft (strittig – nur Auffassung der Finanzverwaltung): Sie ist für die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung zu fordern, wenn – wie bei einer Erbengemeinschaft – eine weder originär gewerblich tätige noch eine gewerblich geprägte Personengesellschaft als Besitzunternehmen einer gewerblich tätigen Betriebsgesellschaft Wirtschaftsgüter überlässt. Werden diese Wirtschaftsgüter unentgeltlich oder nur teilentgeltlich überlassen, ist die Gewinnerzielungsabsicht zu verneinen, so dass auch die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung entfällt2, die von den Betriebsgesellschaftern gehaltenen Mitunternehmeranteile an der Besitzgesellschaft bleiben dann Sonderbetriebsvermögen. 90 – Personenidentität oder Beherrschungsidentität: Die Gesellschafter der Betriebsgesellschaft und der Besitzgesellschaft sind identisch oder die identischen Gesellschafter besitzen zum Mindesten in beiden Gesellschaften mehrheitliche Anteile, so dass sie beide Gesellschaften „beherrschen“ (Beherrschungsidentität) und in der Lage sind, in beiden Gesellschaften einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen (Sonderfall: gleich gerichtete Interessen geschlossener Personengruppen)3. Trotz mehrheitlicher Beteiligung liegt eine „Beherrschung“ nicht vor, wenn Beschlüsse in einer der Gesellschaften nur einstimmig gefasst werden können und 1 Zu den Einzelheiten, vgl. Schmidt, EStG, § 15 Rz. 808 m.w.N. 2 Schmidt, EStG, § 15 Rz. 859. 3 Dazu Schmidt, EStG, § 15 Rz. 822.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 92 B XI
ein nicht an der Betriebsgesellschaft beteiligter Besitzgesellschafter insoweit damit faktisch ein Vetorecht hat. Ob das im Grundsatz für die Verwaltung des Nachlasses durch die Erbengemeinschaft gemäß § 2038 BGB der Fall ist, kann wegen § 2038 BGB unklar sein, ist aber wohl zu bejahen. Die Erbengemeinschaft kann jedoch auch spezielle Vereinbarungen treffen und z.B. einem Mitglied alle Verwaltungsrechte übertragen. Auf diese Weise können die Voraussetzungen für eine „Beherrschungsidentität“ in jedem Falle geschaffen werden. Abgesehen davon, dass hinsichtlich der allgemeinen Verwaltungsrechte die Erbengemeinschaft als mehrheitsbestimmt anzusehen wäre, würden jedenfalls die Voraussetzungen für eine einstimmige Beherrschung nicht ohne weiteres deshalb eintreten, weil die Mutter als Gesellschafterin der Betriebsgesellschaft in der Besitzgesellschaft die minderjährige Tochter gesetzlich vertritt. Die Zurechnung des Anteils der minderjährigen Tochter zur Mutter ist zwar möglich, da die Mutter die einzige Sorgeberechtigte ist (EStR 137 VIII), kann jedoch nur dann gelten, wenn es Beweisanzeichen dafür gibt, dass die Rechte aus dem Anteil des minderjährigen Kindes in Gleichsetzung mit den Rechten des elterlichen Anteils ausgeübt werden1.
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cc) Verpachtung an GmbH – klassische Betriebsaufspaltung Das in Rz. 80–91 behandelte Modell kann auch durch Gründung einer Kapitalgesellschaft gestaltet werden. Demgemäß wäre daran zu denken, dass im Ausgangsbeispiel die Mutter eine GmbH gründet (einfache Bargründung) und mit dieser als Betriebsgesellschaft das Unternehmen fortführt. Der Betrieb wird durch die Erbengemeinschaft an die GmbH verpachtet. Der Sohn könnte entweder sofort als Gründungsgesellschafter eintreten oder später von der Mutter einen Teilgeschäftsanteil erwerben. Wird der Teilgeschäftsanteil nicht unentgeltlich übertragen, ist der eventuell erzielte Veräußerungsgewinn begünstigt gemäß § 17 Abs. 3 EStG (bis 31.12.2008 Halbeinkünfteverfahren bzw. ab 1.1.2009 Teileinkünfteverfahren bei Anteilen im Betriebsvermögen wie im vorliegenden Fall). Durch den Erwerb eines Anteils an der GmbH durch den Sohn kann eine klassische Betriebsaufspaltung entstehen. Die Voraussetzungen unter Rz. 88 und 90 gelten auch für die Entstehung einer klassischen Betriebsaufspaltung, nicht jedoch die Voraussetzungen gemäß Rz. 89. Hinsichtlich der Höhe des Pachtzinses ist darauf zu achten, dass dieser dem Fremdvergleich standhält, da anderenfalls bei Überhöhung die Gefahr einer verdeckten Gewinnausschüttung entsteht. Liegt der Pachtzins unter der durch Fremdvergleich ermittelten Höhe, wird dadurch die Entstehung der Betriebsaufspaltung nicht verhindert. Tritt eine Betriebsaufspaltung nicht ein, erzielt die Erbengemeinschaft Einnahmen aus Gewerbebetrieb (bei Verpachtung des ganzen Betriebs) oder aus
1 Schmidt, EStG, § 15 Rz. 849.
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B XI Rz. 93
Unternehmensnachfolge
Vermietung und Verpachtung bei Erklärung der Betriebsaufgabe gegenüber dem Finanzamt; eine Gewerbesteuerpflicht besteht nicht. Soll im Ausgangsbeispiel die Betriebsaufspaltung vermieden werden, könnte vor Abschluss des Pachtvertrags mit der GmbH eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft angezeigt sein, bei der das Betriebsvermögen der Erbengemeinschaft auf Miterben übertragen wird, die nicht Gesellschafter der Betriebsgesellschaft sind und in der Besitzgesellschaft das Einstimmigkeitsprinzip vereinbart wurde. 93 Durch eine ungleichgewichtige Verschiebung der Beteiligungen an Betriebsgesellschaft einerseits und Besitzgesellschaft andererseits wird allerdings nicht immer die Betriebsaufspaltung vermieden, da u.U. eine „durch gleich gerichtete Interessen geschlossene Personengruppe“ entsteht, bei der eine Beherrschungsidentität angenommen wird1, wenn die „geschlossene Personengruppe“ ausschließlich oder mehrheitlich an beiden Gesellschaften beteiligt ist. Beispiel: A ist mit 70 %, B mit 30 % an der Betriebsgesellschaft beteiligt. An der Besitzgesellschaft besteht eine Beteiligung von A in Höhe von 20 % und von B in Höhe von 80 %. Es liegt Betriebsaufspaltung vor. Die Betriebsaufspaltung würde nur entfallen, wenn die Beteiligungsverhältnisse extrem entgegengesetzt sind (also z.B. bei A und B 5 % zu 95 % in der Betriebsgesellschaft und 95 % zu 5 % in der Besitzgesellschaft). 94 Die vorstehenden Grundsätze gelten auch, wenn Familienangehörige an beiden Gesellschaften mit jeweils unterschiedlichen Anteilen beteiligt sind. Bei Eheleuten kann die Zusammenfassung der Anteile ausnahmsweise selbst dann erfolgen, wenn beide nur an einer Gesellschaft und nur einer an der anderen Gesellschaft beteiligt sind. Beispiel: Ehemann ist Alleingesellschafter der GmbH (Betriebsgesellschaft), beiden Eheleuten gehört jedoch jeweils zur Hälfte das der GmbH zur Nutzung überlassene Grundstück. Voraussetzung für die ausnahmsweise Zusammenfassung und damit für das Vorliegen der Betriebsaufspaltung ist jedoch, dass „Beweisanzeichen“ für gleich gerichtete wirtschaftliche Interessen vorliegen, z.B. Stimmrechtsbindung in der Grundstücks-GbR oder anderweitige Übertragung der Verwaltungsrechte durch Ehefrau an Ehemann oder eine „mehrere Unternehmen umfassende, planmäßige, gemeinsame Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse“2. An die Erfüllung dieser Voraussetzungen sind strenge Anforderungen zu stellen. 1 Schmidt, EStG, § 15 Rz. 823 m.w.N. 2 Schmidt, EStG, § 15 Rz. 846.
656
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 96 B XI
Eine derartige Zusammenfassung ist ausgeschlossen, wenn ein Ehepartner Alleingesellschafter der Betriebs-GmbH und der andere Ehepartner Eigentümer des Grundstücks ist, das der GmbH zur Nutzung überlassen wurde (Wiesbadener Modell). c) Betriebsveräußerung, Betriebsaufgabe, Betriebsunterbrechung
Û
Beratungssituation: Der Inhaber eines Baubetriebs verstirbt und hinterlässt seine Ehefrau und zwei minderjährige Kinder. Da ein Testament nicht vorhanden ist, tritt gesetzliche Erbfolge ein. Die Ehefrau ist im sozialrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig.
In Fällen wie dem vorstehenden Beispiel wird bei Beratung zu prüfen sein, ob das Unternehmen veräußert werden kann. Ist das der Fall, kann die Erbengemeinschaft eine Betriebsveräußerung (vgl. Rz. 23 ff.) vornehmen: Der Veräußerungsgewinn entsteht auf der Ebene der Erbengemeinschaft am Unternehmen. Er ist dann den einzelnen Erben quotal nach ihren Erbanteilen zuzurechnen und als Veräußerungsgewinn gemäß § 34 EStG begünstigt. Für die berufsunfähige Ehefrau ergibt sich darüber hinaus die Möglichkeit, den persönlichen Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG sowie den ermäßigten Steuersatz von 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch zu nehmen, vgl. Rz. 24 ff.).
95
Die Erbengemeinschaft kann den Betrieb jedoch auch aufgeben, wenn alle Mitunternehmer, d.h. alle Miterben, die Aufgabeerklärung abgeben (zur Betriebsaufgabe vgl. Rz. 23 ff.). Der Aufgabegewinn ist gemäß 34 EStG begünstigt. Der dauernd berufsunfähigen Ehefrau stehen zudem die persönlichen ertragsteuerlichen Vergünstigungen zu.
96
Für die Abwicklung der Betriebsaufgabe gibt es auf der Ebene der Miterben zwei Möglichkeiten: – Die Wirtschaftsgüter bleiben nach Betriebsaufgabe im „Privatvermögen“ der Erbengemeinschaft, d.h. sie sind dann privates Gesamthandsvermögen. Die Erbengemeinschaft wird insoweit nicht auseinander gesetzt. Der Aufgabegewinn ist den Miterben quotal zuzurechnen. Die Aufgabe der Mitunternehmeranteile, die mit der Betriebsaufgabe verbunden ist, berührt nicht die Fortexistenz der Erbanteile; gesonderte Mitunternehmeranteile am Einzelunternehmen bilden nur eine steuerliche Kategorie, die die bestehenden privatrechtlichen Verhältnisse nicht berührt. – Die Wirtschaftsgüter werden real geteilt, d.h. die Aufgabe des Gewerbebetriebs wird zum Mindesten mit einer Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft verbunden. In diesem Falle bestimmt sich der Aufgabegewinn jedes Miterben nach der Differenz des Buchwertes seines Kapitalkontos zum gemeinen Wert des ihm zugeteilten Wirtschaftsgutes (zuzüglich oder abzüglich von Ausgleichszahlungen – Spitzenausgleich)1. 1 So die Auffassung der Finanzverwaltung, BMF-Schreiben v. 14.3.2006, BStBl. I 2006, 253, Tz. 14; andere Auffassungen im Schrifttum Flume, DB 1990, 2391.
Grieger
657
B XI Rz. 97
Unternehmensnachfolge
Die zweite behandelte Variante der Abwicklung führt zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in ertragsteuerlicher Hinsicht und wird im Einzelnen in Rz. 99 ff. Abschnitt d) behandelt. 97 Sind, wie im Ausgangsbeispiel, Minderjährige an der Erbengemeinschaft beteiligt, bedarf die Veräußerung des Unternehmens der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung gemäß §§ 1643, 1822, Nr. 3 BGB. Eine Genehmigung ist – wie auch bei der bloßen Fortführung – nicht erforderlich, wenn das Erwerbsgeschäft aufgegeben wird. Wird mit der Aufgabe allerdings eine Auseinandersetzung bzw. Teilauseinandersetzung (wie Rz. 96, 2. Fall) der Erbengemeinschaft verbunden, ist die Bestellung eines Ergänzungspflegers für jeden der beteiligten Minderjährigen erforderlich, soweit – wie im Ausgangsbeispiel – der einzige Sorgeberechtigte selbst Mitglied der Erbengemeinschaft ist. 98 In der vorstehenden Beratungssituation können die Betriebsaufgabe und die Realisierung des Aufgabegewinns günstig sein, weil zum Mindesten ein Miterbe (nämlich die Mutter) auch den persönlichen Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG und die Begünstigung gemäß § 34 Abs. 3 EStG (ab VZ 2004 neuer ermäßigter Steuersatz von 56 % des durchschnittlichen Steuersatzes) in Anspruch nehmen kann. Allerdings fallen bei der Betriebsaufgabe wie auch bei der Betriebsveräußerung anteilig die erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen für Betriebsvermögen gemäß §§ 13a, 13b ErbStG weg, soweit die Aufgabe des Betriebs innerhalb der jeweiligen gesetzlichen Behaltensfrist erfolgt (vgl. § 13b Abs. 5, Satz 1, Nr. 1 ErbStG), es sei denn, der Veräußerungserlös wird innerhalb von sechs Monaten in begünstigtes Vermögen reinvestiert (§ 13b Abs. 5 Satz 2 ErbStG). In der Beratung wird deshalb für Erwerbe bis 31.12.2008 auch zu prüfen sein, ob eine Betriebsunterbrechung (Rz. 29 ff.) angezeigt oder ob die Einbringung in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft (Rz. 44 ff.) zweckmäßig ist. In diesen Fällen lässt sich die Realisierung eines Aufgabegewinns vermeiden, und die Erhaltung des erbschaftsteuerlichen Freibetrages für Betriebsvermögen nach der bis dahin gültigen Regelung bleibt möglich. In diesem Rahmen kann auch die Verpachtung des Unternehmens an Dritte erfolgen (Rz. 31 ff.). Ab 2009 helfen allerdings diese Überlegungen aus rein erbschaftsteuerlicher Sicht wegen des drohenden Verlustes der Vergünstigungen für Betriebsvermögen nicht weiter. Daher muss mehr als früher abgewogen werden, ob die ertragsteuerlichen Vorteile oder die erbschaftsteuerlichen Vorteile überwiegen, wenn im konkreten Fall sowohl die Weiterführung des Betriebs als auch die Betriebsverpachtung möglich ist. d) Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft aa) Allgemeiner Grundsatz 99 Da die Erbengemeinschaft mit Anfall der Erbschaft hinsichtlich des Betriebsvermögens in die Rechtsposition des Erblassers eintritt und bei einer Mehrheit von Erben kraft Gesetzes eine Mitunternehmerschaft in Bezug auf das 658
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Unternehmensnachfolge
Rz. 104 B XI
Betriebsvermögen entsteht, ist jede Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft über das Betriebsvermögen zugleich Auseinandersetzung der Mitunternehmerschaft, u.U. mit erheblichen ertragsteuerlichen Folgen. Das gilt insbesondere dann, wenn im Rahmen der Erbauseinandersetzung Betriebe geteilt werden, einzelne Wirtschaftsgüter in diese Teilung einbezogen oder zur Abfindung bzw. zur Erfüllung von Vermächtnissen dem Betriebsvermögen entnommen werden müssen. Die vorstehende Problematik besteht nach herrschender Auffassung auch dann, wenn der Erblasser eine Teilungsanordnung erlassen hat, in der das Betriebsvermögen einem bestimmten Miterben zugewiesen wurde1, da auch bei Teilungsanordnung nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Mitunternehmerschaft hinsichtlich des Betriebsvermögens nach Erbquoten entsteht und die Teilungsanordnung nur als Anweisung des Erblassers für die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft angesehen wird.2 Nach einer der vertretenen Gegenansichten (Mindermeinung) erwirbt der Erbe, dem das Betriebsvermögen aufgrund einer Teilungsanordnung zugewiesen wurde, dieses Betriebsvermögen jedenfalls wirtschaftlich unmittelbar vom Erblasser, so dass er unmittelbar wirtschaftlicher Eigentümer wird. Die übrigen Miterben erlangen in wirtschaftlicher Hinsicht keinen Anteil am Betriebsvermögen, so dass dieses also wirtschaftlich allein dem durch Teilungsanordnung begünstigten Miterben zusteht3.
100
Allerdings kann in jedem Falle davon ausgegangen werden, dass hinsichtlich der Gewinnzurechnung eine Rückberechnung des Betriebsvermögensübergangs auf den durch Teilungsanordnung bestimmten Erben erfolgt, wenn die Teilungsanordnung keine anderen Bestimmungen trifft, die Erben sich vom Erbfall an nach den Regelungen der Teilungsanordnung verhalten und eine zeitnahe Vollziehung vorgenommen wird4.
Û
Beratungshinweis: In der Beratung ist von der herrschenden Meinung auszugehen, so dass dem Erblasser die Teilungsanordnung als Instrument zur Sicherung des unmittelbaren steuerneutralen Übergangs des Unternehmens von Todes wegen auf den Nachfolger nicht zur Verfügung steht.
Einstweilen frei.
101–103
Durch Neufassung des § 6 Abs. 5 EStG aufgrund des StSenkG i.d.F. des UntStFG ist ab 1.1.2001 nunmehr auch wieder die Übertragung eines einzelnen Wirtschaftsgutes zu Buchwerten (allerdings zwingend ohne Wahlrecht) in folgenden Fällen möglich: – unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschafterrechten erfolgende Übertragung aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft und umgekehrt 1 2 3 4
Schmidt, EStG, § 16 Rz. 611. BMF v. 14.3.2006, BStBl. I 2006, 253 Tz. 56. Spiegelberger, DStR 1992, 584/7-8, zustimmend Sudhoff/von Sothen, S. 862. BFH v. 4.5.2000 – IV R 10/99, DStR 2000, 1051.
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659
104
B XI Rz. 105
Unternehmensnachfolge
– unentgeltlich oder gegen Gewährung von Gesellschafterrechten erfolgende Übertragung aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Sonderbetriebsvermögen des Mitunternehmers im Rahmen derselben Mitunternehmerschaft und umgekehrt – unentgeltliche Übertragung zwischen den jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft. Ausgeschlossen ist in den vorstehenden Fällen jedoch die Buchwertübertragung insoweit, wie sich dadurch der Anteil „einer Körperschaft, einer Personenvereinigung oder Vermögensmasse“ an dem Wirtschaftsgut erhöht (vgl. § 6 Abs. 5 Satz 5 EStG).
Û
Beratungssituation: An der A-GmbH & Co. KG sind die A-GmbH zu 50 % und Herr A persönlich zu 50 % als Kommanditist beteiligt. Herr A bringt aus seinem Einzelunternehmen ein Grundstück in die A-GmbH & Co. KG ein (Buchwert 100 000 Euro/Teilwert 500 000 Euro). Im Umfang der Beteiligung der A-GmbH von 50 % ist die Übertragung nur zu Teilwerten möglich, d.h. es sind 250 000 Euro als Teilwert und 50 000 Euro als Buchwert anzusetzen. Herr A erzielt einen Entnahmegewinn von 200 000 Euro.
Û
Beratungshinweis: Unter dem Gesichtspunkt der vorstehenden Regelung ist es umso dringlicher, bei Gründung einer GmbH & Co. KG sicherzustellen, dass die Komplementär-GmbH nicht am Vermögen der Gesellschaft beteiligt wird.
105
Abgesehen von dieser Entwicklung ist mit den sich aus der Neufassung des § 6 Abs. 5 EStG ergebenden Möglichkeiten und den bereits bisher in § 6 Abs. 5 EStG geregelten Alternativen der Inhalt des Mitunternehmererlasses1 in weiten Teilen wieder eingeführt. Das war auch die erklärte Absicht des Gesetzgebers. Für die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bedeutet dies, dass die Abfindung eines ausscheidenden Miterben mit einem Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens des Nachlasses und die Übertragung eines Wirtschaftsgutes des Betriebsvermögens an einen Miterben aufgrund eines Vorausvermächtnisses zu Buchwerten erfolgt, wenn das jeweilige Wirtschaftsgut durch den Miterben wieder in ein Betriebsvermögen eingelegt wird.
106
Das StSenkG i.d.F. des UntStFG hat den § 16 Abs. 3 EStG den Regelungen des § 6 Abs. 5 EStG angepasst, so dass die ertragsteuerliche Behandlung der Realteilung einer Mitunternehmerschaft durch Zuteilung von Einzelwirtschaftsgütern der Neuregelung des § 6 Abs. 5 EStG entspricht2. Demgemäß hat die Realteilung einer Mitunternehmerschaft unter Fortführung der Buchwerte entsprechend den Grundsätzen Rz. 104 zu erfolgen3. Für die Erbauseinandersetzung sind diese Möglichkeiten der Realteilung naturgemäß von erheblicher Bedeutung. 1 Schmidt, EStG § 16 Rz. 532. 2 Schmidt, EStG § 16 Rz. 532. 3 Schmidt, EStG § 16 Rz. 530 ff.
660
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 108 B XI
bb) Auseinandersetzung über reinen Betriebsvermögensnachlass (1) Auseinandersetzung ohne Betriebsaufgabe
Û
Beratungssituation: Herr E hat ein Autohaus geführt. Er verstirbt ohne Testamentserrichtung und hinterlässt seine Ehefrau und einen Sohn. Der Sohn möchte das Autohaus fortführen. Wesentliches Privatvermögen ist im Nachlass nicht vorhanden. Das Autohaus hat einen Verkehrswert von 1,5 Millionen Euro. Im Betriebsvermögen befindet sich ein Grundstück, das fremd vermietet ist. Es hat einen Wert von 500 000 Euro (Buchwert 100 000 Euro) und erzielt eine Mieteinnahme von 25 000 Euro pro Jahr. Die Mutter möchte aus dem Unternehmen ausscheiden. Der Sohn würde ihr gerne das fremd vermietete Grundstück zum Mindesten in Anrechnung auf die Abfindung für die Übertragung des Mitunternehmeranteils überlassen. Ob darüber hinaus weitere Abfindungen bis zur vollen Höhe des auf die Mutter entfallenden Anteils zu erbringen sind, ist zwischen den Parteien noch nicht besprochen. Die Liquiditätslage des Unternehmens ist sehr gut.
Das Ausscheiden der Mutter setzt im vorliegenden Falle eine Gesamtauseinandersetzung der Erbengemeinschaft voraus. Will bei einer Gesamtauseinandersetzung – wie im vorstehenden Beispiel – nur ein Miterbe das Unternehmen fortführen und besteht der Nachlass nur aus Betriebsvermögen, kann der weichende Erbe – hier also die Mutter – seinen Mitunternehmeranteil am Betriebsvermögen veräußern bzw. aufgeben, so dass dem fortführenden Erben dieser Anteil am Gesamthandsvermögen gegen Abfindung anwächst. Der weichende Erbe erzielt hinsichtlich seines veräußerten bzw. aufgegebenen Mitunternehmeranteils einen begünstigten Aufgabegewinn bzw. Veräußerungsgewinn; der fortführende Erbe hat Anschaffungskosten1. In Höhe seiner Erbquote erwirbt er allerdings unentgeltlich und müsste in diesem Umfang die Buchwerte fortführen.
107
Wird die Abfindung dadurch gewährt, dass – wie im Beispiel durch die Miterben beabsichtigt – eine Sachwertabfindung in Gestalt des fremd vermieteten Grundstücks geleistet wird, muss der fortführende Erbe das Wirtschaftsgut zu diesem Zweck entnehmen und erzielt insoweit einen nicht begünstigten Entnahmegewinn, wenn der Teilwert höher als der Buchwert ist. Im vorliegenden Falle würde der Verkehrswert des Grundstücks jedoch nicht ausreichen, um den Abfindungsanspruch der weichenden Erbin zu befriedigen. Der übernehmende Erbe hätte demgemäß noch die Differenz in Geld auszugleichen. Sachwertabfindung und Ausgleichszahlung bilden dann zusammen die Grundlage für die Errechnung des allerdings begünstigten Aufgabebzw. Veräußerungsgewinns der weichenden Erbin (Abfindungserlös abzüglich Buchwert der Beteiligung der weichenden Erbin und Aufgabe- bzw. Veräußerungskosten).
108
Die weichende Erbin könnte allerdings das ihr zur Abfindung überlassene Grundstück in ein anderes Betriebsvermögen einlegen. Nach der ab 1.1.2001 1 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 610.
Grieger
661
B XI Rz. 109
Unternehmensnachfolge
geltenden Rechtslage ist dann die steuerneutrale Entnahme und Übertragung zu Buchwerten möglich, die allerdings zwingend beim Erwerber fortgeführt werden müssen (Rz. 104). Hinsichtlich des Grundstückes erzielt der Erwerber in diesem Falle keinen Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn, der fortführende Miterbe hat keine Anschaffungskosten. Er erwirbt unentgeltlich.1 Ein Betriebsvermögen steht einem weichenden Erben – wie auch im Ausgangsbeispiel – nicht immer zur Verfügung. Im vorliegenden Falle könnte dieser Weg durch Gründung einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (einer GmbH & Co. KG) frei gemacht werden. Die weichende Erbin würde das als Abfindung erhaltene Grundstück zu Buchwerten (zwingend) in das Sonderbetriebsvermögen dieser Gesellschaft einlegen (dann auch Erzielung gewerblicher Einkünfte anstelle von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung). Hierzu ist es erforderlich, dass die weichende Erbin das Grundstück zunächst an die neue GmbH & Co. KG verpachtet und diese wiederum das Grundstück an das nutzende Unternehmen unterverpachtet. Eine direkte Einbringung in das Gesamthandsvermögen der GmbH & Co. KG scheitert m.E. am eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs. 3 EStG, der für die Buchwertfortführung ausdrücklich die Überführung in ein Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen fordert und damit die Einbringung in ein Gesamthandsvermögen nicht ausreichen lässt. Der Aufwand der gesonderten Gründung einer Gesellschaft nur für den vorgenannten Zweck wird sich nur dann lohnen, wenn der Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn aus der Zuteilung des Grundstückes erheblich ist und tatsächlich vermieden werden soll. 109
In der Beratung müsste jedoch – in Abhängigkeit von den Umständen – deutlich gemacht werden, dass die von den Miterben angestrebte Übertragung des Grundstücks auf die weichende Erbin wegen des zusätzlichen nicht begünstigten Entnahmegewinns beim übernehmenden Erben nicht die günstigste Lösung ist. Es könnten folgende Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden: – Da die Liquiditätslage des Unternehmens günstig ist, könnten der weichenden Erbin diese Mittel zugewiesen werden (liquide Mittel betragen z.B. 250 000 Euro), während der Betrieb ungeteilt beim fortführenden Miterben verbleibt. Bei reinem Betriebsvermögensnachlass ist es allerdings fraglich2, ob in dieser Zuteilung der liquiden Mittel eine steuerneutrale Realteilung zu sehen ist, da die Finanzverwaltung diese Form der Realteilung ausdrücklich nur für Nachlässe mit Privatvermögen3 ausdrücklich anerkannt hat. Die Schaffung von Mischnachlässen durch Überführung der liquiden Mittel in das Privatvermögen (durch Entnahme beider Miterben), die dann zu einer zeitnahen steuerlich neutralen Realteilung dergestalt führt, dass der eine Miterbe das Betriebsvermögen, der andere die liquiden Mittel im Privatvermögen erhält, könnte als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO angesehen 1 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 614. 2 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 610. 3 BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 30.
662
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 112 B XI
werden1. Im Zweifel nimmt die Finanzverwaltung dann die Zahlung einer Abfindung an die weichende Erbin an. Das gilt jedoch nicht, wenn sich im „Zuge der Verwaltung des Nachlasses privates Nachlassvermögen“ gebildet hat. Diese Mittel können dann nach den von der Finanzverwaltung aufgestellten Grundsätzen zur Realteilung eingesetzt werden. Insofern lässt sich ein erwünschtes Ergebnis durch angemessenen Zeitablauf herstellen, wenn die Miterben liquide Mittel des Unternehmens zeitlich getrennt nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaftsführung entnehmen und im Nachlass belassen. Es ist insofern denkbar, durch zeitliche Verschiebung der Auseinandersetzung eine steuerlich neutrale Realteilung herbeizuführen. Allerdings wird es immer von den Umständen abhängen, ob ein derartiger massiver Mittelabfluss aus dem Unternehmen wirtschaftlich vernünftig und vertretbar ist. Erfüllt z.B. im Ausgangsbeispiel die Mutter die persönlichen Voraussetzungen für die Tarifbegünstigung gemäß § 16 Abs. 4 EStG sowie § 34 Abs. 3 EStG, könnten liquide Mittel in angemessenem Umfang eingesetzt werden, um die Veräußerung des Mitunternehmeranteils durch die Mutter an den Sohn vorzunehmen. Um sicherzustellen, dass ein begünstigter Aufgabegewinn durch die Mutter erzielt wird, müsste der gesamte nach der Erbfolge auf sie entfallende Mitunternehmeranteil2 veräußert werden, da die Begünstigung des erzielten Gewinnes bei Veräußerung eines Bruchteils des Mitunternehmeranteils nicht mehr gewährt wird3.
110
– Die weichende Erbin könnte ihren Mitunternehmeranteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich gegen lebenslängliche Versorgungsleistung übertragen4 (dauernde Last). Die Versorgungsleistung ist für den übernehmenden Sohn gemäß § 10 EStG als Sonderausgabe abzugsfähig. Bei der weichenden Miterbin fallen sonstige Einkünfte gemäß § 22 EStG an5.
111
– Die Erbengemeinschaft könnte den zum Nachlass gehörenden Betrieb im Ganzen auch an den Erben, der das Unternehmen fortführen möchte, verpachten. Die Fortführung kann durch den Miterben in einer von ihm zu wählenden Rechtsform erfolgen. Die Erbengemeinschaft und damit die Mitunternehmerschaft am Betriebsvermögen wird nicht auseinander gesetzt.
112
(2) Auseinandersetzung mit Betriebsaufgabe und Realteilung
Û 1 2 3 4 5
Beratungssituation: Herr E hat einen Baubetrieb geführt, in dem neben dem Bereich Hochbau ein Bereich für Trockenbau und ein weiterer Ma-
BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 06, 235) Tz. 33. So ausdrücklich die seit 2001 geltende Neufassung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 411; BFH v. 13.7.2004 – VIII R 48/02, DStR 2004, 1783. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 47 ff. Schmidt, EStG, § 22 Rz. 78 ff.
Grieger
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B XI Rz. 113
Unternehmensnachfolge
lerbereich bestehen. Der Gesamtbetrieb hat einen Verkehrswert von 1,5 Millionen Euro und einen Buchwert von 600 000 Euro. Als er ohne Testament verstirbt, hinterlässt er seine Ehefrau, eine Tochter und einen Sohn, der bereits im Betrieb tätig war. Der Sohn möchte nur den Maler-Teilbetrieb fortsetzen (Verkehrswert 250 000 Euro). Ehefrau und Tochter wollen insbesondere zwei im Betriebsvermögen befindliche Grundstücke im Werte von jeweils 625 000 Euro wirtschaftlich verwerten. Wesentliches Privatvermögen ist im Nachlass nicht vorhanden. 113
Befindet sich im Nachlass nur Betriebsvermögen und setzt sich die Erbengemeinschaft durch Zuteilung von Einzelwirtschaftsgütern auseinander, führt das zur Betriebsaufgabe1. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft erzielen dann einen begünstigten Aufgabegewinn (vgl. Rz. 96, 2. Variante), es sei denn die Erben legen das erhaltene Wirtschaftsgut wieder in anderes eigenes Betriebsvermögen ein. Wird die Realteilung – wie im vorstehenden Beispiel vorgesehen – so vollzogen, dass ein Miterbe einen Teilbetrieb erhält und den übrigen Miterben Einzelwirtschaftsgüter zugeteilt werden, die – wie im Ausgangsbeispiel – nicht in ein anderes eigenes Betriebsvermögen eingelegt werden sollen, ist die Realteilung personenbezogen zu werten2.
114
Für die Mitglieder der Erbengemeinschaft, die ein Einzelwirtschaftsgut erhalten, bleibt es wegen der Aufgabe ihrer Mitunternehmeranteile bei der Erzielung des Aufgabegewinns (gemeiner Wert des Wirtschaftsgutes abzüglich Buchwert der Beteiligung abzüglich Aufgabekosten). Ist ein Wertausgleich zu zahlen, erhöht oder vermindert dieser den Aufgabegewinn. Im vorliegenden Fall müsste die Tochter jeweils an die Mutter und an den Bruder einen Betrag von 125 000 Euro als Ausgleich zahlen. Die Rechnung für die Mutter würde sich deshalb wie folgt darstellen: Erhaltenes Wirtschaftsgut + Ausgleichszahlung von der Tochter ./. Buchwert der Beteiligung Aufgabegewinn
625 000 Euro 125 000 Euro 300 000 Euro 450 000 Euro
Die Rechnung für die Tochter ergibt: Erhaltenes Wirtschaftsgut ./. Ausgleichszahlung an die Mutter ./. Ausgleichszahlung an den Bruder ./. Buchwert der Beteiligung Aufgabegewinn
625 000 Euro 125 000 Euro 125 000 Euro 150 000 Euro 225 000 Euro
Die Tochter hat im Umfang der Ausgleichszahlungen Anschaffungskosten und müsste die Buchwerte des erhaltenen Grundstücks verhältnismäßig aufstocken (sie erwirbt 3/5 unentgeltlich, 2/5 entgeltlich, so dass sich zwei AfAReihen ergeben).
1 BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 11. 2 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 551.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 116 B XI
Der Sohn hat kein Wahlrecht, er muss zwingend die Buchwerte des von ihm übernommenen Teilbetriebs fortführen. Da der gemeine Wert des Teilbetriebs nur 250 000 Euro beträgt, hat er einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 125 000 Euro gegenüber seiner Schwester. Noch nicht eindeutig geklärt ist, wie der Gewinn des Miterben, der einen Teilbetrieb mit Buchwertfortführung und einem Ausgleichsbetrag erhält1, zu berechnen ist. Der BFH nimmt an, dass ein Gewinn in Höhe des Ausgleichsbetrages entsteht2.
115
Demgegenüber hat die Finanzverwaltung bei der Realteilung einer Erbengemeinschaft mit Zuteilung von Teilbetrieben zuzüglich Ausgleichszahlungen den Gewinn dadurch errechnet, dass von der Ausgleichszahlung der Bruchteil des Buchwertes abgezogen wurde, für den der Ausgleichsverpflichtete den Wertausgleich zu leisten hatte (hier also das Grundstück); Gewinn ist der danach rechnerisch verbleibende Ausgleichsbetrag3. Berechnungsbeispiel: Dem Sohn stehen am betrieblichen Nachlass ¼ zu. Er erhält aber durch den Teilbetrieb nur 1/6 Er hat deshalb Anspruch auf Ausgleich von 1/12 Der ausgeglichene Buchwertanteil entspricht 1/12 vom Gesamtbuchwert 600 000 Euro begünstigter Gewinn
= 375 000 Euro = 250 000 Euro = 125 000 Euro 50 000 Euro 75 000 Euro
Den zugeteilten Teilbetrieb erwirbt der Sohn im Übrigen unentgeltlich. Der durch den Spitzenausgleich erzielte Veräußerungserlös ist bei der Realteilung einer Erbengemeinschaft bei Zuteilung von Betrieben oder Teilbetrieben nicht tarifbegünstigt4. Der Gewinn rechnet grundsätzlich nicht zum Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG. Ab Erhebungszeitraum 2002 ist der Gewinn aus der Aufdeckung der stillen Reserven aber nach § 7 Satz 2 GewStG als Gewerbeertrag zu erfassen, soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligtem Mitunternehmer entfällt. Würden jedoch die bei der Aufteilung erworbenen Wirtschaftsgüter insgesamt ins Privatvermögen übertragen, führt dieser Vorgang zu einer nach §§ 16 und 34 EStG steuerbegünstigten Betriebsaufgabe. Aufgabegewinn ist der Gewinn, der sich aus dem Entnahmegewinn (Übertragung der Wirtschaftsgüter ins Privatvermögen) und dem Gewinn aus der Abfindungszahlung ergibt.5 Da die Veräußerung eines Bruchteils des auf den Sohn entfallenden Mitunternehmeranteils nicht mehr unter § 16 EStG fällt und insoweit der erzielte Ge1 2 3 4 5
Schmidt, EStG, § 16 Rz. 619. BFH v. 1.12.1992 – VIII R 57/90, BFHE 170, 320. BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 17. BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 1421 Satz 5. BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 14.
Grieger
665
116
B XI Rz. 117
Unternehmensnachfolge
winn nicht mehr begünstigter Gewinn, sondern laufender Gewinn ist (Rz. 86), kann eine etwa bleibende Unsicherheit über die steuerliche Einordnung des Gewinns (Rz. 115) nicht mehr dadurch beseitigt werden, dass der Sohn vor der Realteilung einen entsprechenden Bruchteil seines Mitunternehmeranteils an seine Schwester für 125 000 Euro veräußert. Dieser Veräußerungsgewinn wäre für Fälle nach 2001 nicht mehr begünstigt, so dass keine größere Sicherheit, sondern u.U. eine Verschlechterung der steuerlichen Behandlung des Spitzenausgleiches eintreten würde. 117
In der Beratung sollte geprüft werden, welche Ziele Mutter und Tochter mit der wirtschaftlichen Verwertung der Grundstücke verfolgen. Sollten diese vermietet oder bebaut und vermietet werden, müsste man prüfen, ob die Realteilung mit Entnahme von Einzelwirtschaftsgütern in das Privatvermögen je nach Lage und Absicht der Beteiligten wegen des Aufgabegewinns (wenn auch begünstigt) vielleicht vermieden werden soll. Nach Zuteilung des Malerbetriebs an den Sohn könnte dieser nach Zahlung des Spitzenausgleiches aus der Erbengemeinschaft ausscheiden. Die verbleibenden Miterben würden in fortgesetzter Erbengemeinschaft und Mitunternehmerschaft den verbleibenden Teilbetrieb fortführen, vorausgesetzt, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen dieses Teilbetriebs noch vorhanden sind (Auseinandersetzung durch Zuweisung von Teilbetrieben). Es besteht dann die Möglichkeit, das Betriebsvermögen steuerlich neutral aufgrund § 24 UmwStG in eine zuvor gegründete GmbH & Co. KG einzubringen, an der die Tochter zu 3/8 und die Mutter zu 5/8 als Kommanditisten beteiligt sind (für Einzelheiten der Einbringung Rz. 44). Danach können die Miterben unter Einstellung der gewerblichen Tätigkeit zur angestrebten wirtschaftlichen Verwertung (Bebauung und/oder Vermietung und Verpachtung) im Rahmen der Gesellschaft übergehen.
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Die erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen für Betriebsvermögen (insbesondere der bis einschließlich 2008 zu gewährende betriebliche Freibetrag gemäß § 13a ErbStG, der im Ausgangsbeispiel mangels besonderer Verfügung des Erblassers anteilig den Miterben entsprechend ihrer Erbquote zusteht, aber auch ein Verschonungsabschlag bei Erwerben ab 2009), gehen bei der Gestaltung gemäß Rz. 114 und 115 den Miterben, die ihren Mitunternehmeranteil aufgeben, verloren. Dem fortführenden Miterben steht der ihm zugefallene Teilfreibetrag bzw. der Verschonungsabschlag ab 2009 weiterhin zu. In der Gestaltung gemäß Rz. 117 bleibt auch den Miterben, die das Betriebsvermögen in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft einbringen, der ihnen zustehende Anteil am Freibetrag bzw. der Verschonungsabschlag erhalten.
119
Û
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Beratungshinweis: In der Beratung sollte darauf geachtet werden, dass die Miterben die alte Firma im Handelsregister löschen lassen. Der den Malerbetrieb fortführende Miterbe müsste dann eine neue Firma anmelden. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, die Haftung der Erben für Altverbindlichkeiten der Firma des Erblassers auf den Nachlass zu beschränken (dazu Rz. 9).
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 120 B XI
Die verbleibenden Miterben könnten die Löschung der alten Firma beantragen, spätestens zugleich mit der Eintragung der neu zu firmierenden GmbH & Co. KG. cc) Auseinandersetzung über Mischnachlass (1) Auseinandersetzung durch Realteilung ohne Abfindungszahlung
Û
Beratungssituation: Herr E hat, da seine Ehefrau bereits vorverstorben war, in seinem Testament seine beiden Kinder T und L zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt. Als er verstirbt, gehören zum Nachlass ein Malerbetrieb mit einem Verkehrswert von 5 Millionen Euro (Buchwert: 500 000 Euro), Kapitalanlagen in Höhe von 1 Million Euro im Privatvermögen und Grundbesitz außerhalb des Betriebsvermögens mit einem Verkehrswert von 5 Millionen Euro. T möchte den Betrieb fortsetzen, L dagegen nicht. Es soll eine möglichst steuerneutrale Auseinandersetzung durchgeführt werden.
Ist wie im Ausgangsbeispiel sowohl Betriebsvermögen als auch Privatvermögen im Nachlass vorhanden, räumt die Finanzverwaltung eine steuerneutrale Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bei Realteilung ein, wenn diese so erfolgen kann, dass eine Abfindung nicht gezahlt werden muss1. T und L könnten sich im Ausgangsbeispiel im Wege der Gesamtauseinandersetzung dahingehend einigen, dass T den Betrieb und 500 000 Euro der Kapitalanlagen bekommt, L die Grundstücke und Kapitalanlagen in Höhe von 500 000 Euro. L würde danach seinen Mitunternehmeranteil aufgeben, sodass dieser dem T anwächst. T hätte so unentgeltlich erworben und müsste zwingend die Buchwerte fortführen. Es ist im vorliegenden Falle jedoch auch denkbar, dass die Erben nur eine gegenständliche Teilauseinandersetzung durchführen und T bei Übernahme des Betriebs unter Minderung seines Anteils am Restvermögen der Erbengemeinschaft an dieser beteiligt bleibt. Das wird u.U. dann zweckmäßig sein, wenn der Restnachlass nur aus Grundstücken besteht, die eine vernünftige Teilung nicht zulassen oder die Veräußerung eines Grundstücks zum Zwecke der wertmäßigen Teilung erfolgen müsste und die Spekulationsfrist von zehn Jahren gemäß § 23 EStG Abs. 1 Nr. 1 unter Einrechnung der Vorbesitzzeit des Erblassers noch nicht abgelaufen ist. Übernimmt im Übrigen ein Erbe im Rahmen der Realteilung ohne Ausgleichszahlung Grundstücke, erwirbt er diese unentgeltlich und muss zwingend die Buchwerte fortführen2. Das Gleiche gilt naturgemäß für die Resterbengemeinschaft, wenn zuvor eine gegenständliche Teilauseinandersetzung ohne Abfindung stattgefunden hat.
1 BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 32. 2 BMF, v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 32.
Grieger
667
120
B XI Rz. 121
Unternehmensnachfolge
(2) Auseinandersetzung durch Realteilung mit Ausgleichszahlung
Û
121
Beratungssituation: Herr E hinterlässt seine Kinder T und L und hat diese zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt. Zum Nachlass gehören eine Sanitärfirma mit einem Verkehrswert von 1 Million Euro (Buchwert 250 000 Euro) und das Wohngrundstück mit einem Verkehrswert von 500 000 Euro. T möchte den Betrieb fortsetzen, L nicht.
Im vorliegenden Falle ist, wenn L seine Mitunternehmerschaft an T veräußert, eine steuerneutrale Auseinandersetzung nicht möglich. Selbst wenn L das Wohngrundstück übernimmt, bliebe T zu einer Ausgleichszahlung von 250 000 Euro an L verpflichtet. L erzielt insofern aus der Veräußerung seiner Mitunternehmerschaft einen Erlös von 250 000 Euro. Der in dem Erlös steckende Veräußerungsgewinn ist allerdings nicht tarifbegünstigt.1. T hat Anschaffungskosten. Er erwirbt ¾ des Betriebs unentgeltlich und ¼ entgeltlich. Für den unentgeltlichen Teil führt er die Buchwerte fort. Für den entgeltlichen Teil stockt er die Buchwerte auf, und zwar mit den Anschaffungskosten, die sich aus der Differenz zwischen Abfindungszahlung und Bruchteil des erworbenen Buchwertes ergeben. Für L errechnet sich der Veräußerungsgewinn aus der Differenz zwischen Abfindungszahlung und Bruchteil des Buchwertes, der an T übertragen wurde. Die Berechnung wird wie folgt durchgeführt: Gesamtnachlass: davon: L T L erhält:
T erhält: zahlt
1,5 Millionen Euro 750 000 Euro 750 000 Euro 500 000 Euro 250 000 Euro 750 000 Euro 1 000 000 Euro ./. 250 000 Euro 750 000 Euro
Grundstück Abfindung für Betrieb Betrieb Abfindung
Die Abfindungszahlung betrifft nach Übertragung des Grundstücks 500 000 Euro an L noch ¼ des Betriebsvermögens, dessen Buchwert 62 500 Euro ausmacht (¼ von 250 000 Euro). Demgemäß hat L einen Veräußerungsgewinn von 250 000 Euro ./. 62 500 Euro = 187 500 Euro: T hat Anschaffungskosten von 187 500 Euro (nämlich ebenfalls 250 000 Euro Zahlung abzüglich des dafür übernommenen ¼ des Buchwertes). L führt hinsichtlich des Grundstücks die bisherigen Buchwerte fort. (3) Auseinandersetzung durch Realteilung unter Einbeziehung von Verbindlichkeiten
Û
Beratungssituation: Herr E hinterlässt seine Ehefrau und einen Sohn ohne letztwillige Verfügung. Zum Nachlass gehören ein Elektrofachhandels-
1 BMF, v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 36, Beispiel 18.
668
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 123 B XI
geschäft mit einem Verkehrswert von 1 Million Euro und ein Privatgrundstück mit einem Verkehrswert von 800 000 Euro. Hinsichtlich des Grundstückes besteht noch eine Darlehensverbindlichkeit von 400 000 Euro. Mutter und Sohn wollen die Erbengemeinschaft auseinander setzen. Der Sohn soll das Geschäft erhalten und die Mutter das Grundstück. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass zum Nachlass gehörende Verbindlichkeiten im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zum Ausgleich eingesetzt werden können1. Schulden im Nachlass können insofern zur Manövriermasse bei der steuerlich neutralen Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft werden.
122
Im Ausgangsbeispiel könnte die Mutter ihren Mitunternehmeranteil am Geschäft aufgeben, so dass das Betriebsvermögen dem Sohn anwächst. Der Sohn überlässt der Mutter das Grundstück und übernimmt von den Darlehensverbindlichkeiten 300 000 Euro. Danach verbleiben dem Sohn an realen Werten 700 000 Euro (1 Million Euro ./. 300 000 Euro) und der Mutter 700 000 Euro (800 000 Euro ./. 100 000 Euro Restschuld). Der Sohn übernimmt den Betrieb zu Buchwerten und muss diese zwingend fortführen. Die Zuordnung der durch den Sohn übernommenen Verbindlichkeiten hängt davon ab, mit welcher Vermögensart diese im Zusammenhang stehen. Im ungeteilten Nachlass war die Verbindlichkeit Teil des Privatvermögens. Aufgrund der Übernahme der Verbindlichkeiten durch den Sohn im Zusammenhang mit der Zuteilung des Betriebs wird die Verbindlichkeit in Höhe der übernommenen Quote (also 300 000 Euro) Betriebsschuld, so dass die Schuldzinsen als Betriebsausgaben abgesetzt werden können. Dieser „Umwandlungsvorgang“ wirkt allerdings auch in umgekehrter Richtung, so dass aus einer Betriebsschuld eine Privatschuld werden kann. Das wird deutlich, wenn das Ausgangsbeispiel wie folgt wertmäßig abgewandelt wird: Betriebsvermögen Davon: Betriebliche Verbindlichkeit aus Investitionskredit Grundstück im Privatvermögen schuldenfrei
1 000 000 Euro 300 000 Euro 1 100 000 Euro
Angenommen, auch bei dieser Konstellation soll der Sohn den Betrieb übernehmen, ergäbe sich folgende Auseinandersetzungsrechnung: Mutter übernimmt: Grundstück im Privatvermögen ./. Teil der betrieblichen Verbindlichkeit Sohn übernimmt: Betrieb + Verminderung betriebliche Verbindlichkeit
1 100 000 Euro 50 000 Euro 1 050 000 Euro 1 000 000 Euro 50 000 Euro 900 000 Euro
1 BMF, v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 34.
Grieger
669
123
B XI Rz. 124
Unternehmensnachfolge
Die steuerlichen Ergebnisse entsprechen denen im Ausgangsbeispiel (Buchwertfortführung des Sohnes), allerdings verwandelt sich die betriebliche Verbindlichkeit, soweit sie von der Mutter übernommen wird, in eine Privatschuld.
Û
124
Beratungshinweis: In der Beratung wäre bei einer solchen Konstellation zu prüfen, ob dieses Ergebnis zweckmäßig ist. Als Gestaltungsalternative wäre zu empfehlen, dass die Erbengemeinschaft nur eine gegenständliche Teilauseinandersetzung vornimmt. Dem Sohn könnte in diesem Falle der Betrieb zugeteilt werden (Übergang erfolgt zu Buchwerten) unter gleichzeitiger Minderung seines Anteils an der Erbengemeinschaft. Die Verbindlichkeiten bleiben dann Teil des Betriebsvermögens. Alternativ kann die Mutter das Grundstück vermieten. Die Schuldübernahme wäre dann durch die Vermietung veranlasst, die Zinsen könnten als Werbungskosten geltend gemacht werden.
Für die Verwendung von Nachlassverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft spielt es keine Rolle, ob die Verbindlichkeiten noch durch den Erblasser begründet werden oder ob diese erst nach dem Erbfall im Zusammenhang mit der Verwaltung des Nachlasses entstanden sind. Allerdings geht die Finanzverwaltung davon aus, dass ein Missbrauchs-Tatbestand gemäß § 42 AO vorliegt, wenn die Erbengemeinschaft in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Auseinandersetzung Verbindlichkeiten begründet, um eine steuerlich neutrale Auseinandersetzung zu ermöglichen1. Die Auseinandersetzung unter Verwendung von Nachlassverbindlichkeiten, die zeitnah im Verlaufe der Verwaltung des Nachlasses durch die Erbengemeinschaft begründet werden, hängt demgemäß davon ab, ob die Notwendigkeit für die Aufnahme von Darlehensmitteln überzeugend nachgewiesen werden kann. dd) Erbfallschulden, insbesondere Vermächtnis und Vorausvermächtnis (1) Sachvermächtnis
125
Ist der Erbe oder die Erbengemeinschaft verpflichtet, aufgrund eines Vermächtnisses einen Vermögensgegenstand an einen Dritten herauszugeben (Sachvermächtnis), so erwirbt dieser unentgeltlich. Beim Erben bzw. der Erbengemeinschaft können sich jedoch erhebliche steuerliche Auswirkungen ergeben, wenn Gegenstand des Vermächtnisses ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens ist.
Û
Beratungssituation: Herr E hat seinen einzigen Sohn D zum Alleinerben eingesetzt. Gegenstand des Nachlasses ist auch ein Betrieb. Seinem Enkel F hat er als Vermächtnis einen Pkw vermacht, der Gegenstand des Betriebsvermögens ist.
1 BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 33.
670
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 127 B XI
Der Erbe D hat im vorliegenden Falle ein Sachvermächtnis durch Herausgabe des Pkw zu erfüllen. Zu diesem Zweck muss er das Fahrzeug dem Betriebsvermögen entnehmen und erzielt dabei einen nicht begünstigten Entnahmegewinn (laufender Gewinn). Der Enkel F erwirbt das Fahrzeug unentgeltlich. Das gilt auch dann, wenn das im Wege eines Sachvermächtnisses zugewandte Wirtschaftsgut wieder einem Betriebsvermögen zugeführt wird1.
Û
Beratungssituation: Herr E hat seinen einzigen Sohn D zum Alleinerben eingesetzt. Gegenstand des Nachlasses ist auch ein Betrieb. Auf einem betrieblichen Teilgrundstück betreibt der Enkel F eine Autowerkstatt. Herr E hinterlässt dieses Teilgrundstück als Vermächtnis seinem Enkel F.
Im vorstehenden Beispiel müsste der Sohn D unter Erzielung eines Entnahmegewinns das Grundstück entnehmen, um es auf F zu übertragen. Obwohl F das Grundstück in sein Betriebsvermögen überführt, ist die Entnahme zu Buchwerten nicht möglich. Der Vermächtnisnehmer erwirbt auch in diesem Falle unentgeltlich und hat keine Anschaffungskosten. Er führt allerdings den Entnahmewert weiter. Anders ist die Rechtslage, wenn Gegenstand des Vermächtnisses ein ganzer Betrieb oder Teilbetrieb ist. Bei einem Vorausvermächtnis, dessen Gegenstand ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens ist, kann ab 1.1.2001 das Wirtschaftsgut zu Buchwerten entnommen und unentgeltlich auf den Vermächtnisnehmer übertragen werden (vgl. Rz. 104), wenn es der Vermächtnisnehmer in ein anderes Betriebsvermögen einlegt2. Der Vorausvermächtnisnehmer wird mit Eintritt des Erbfalls Mitunternehmer des Betriebsvermögens, so dass auf die Entnahme des Wirtschaftsgutes § 6 Abs. 5 EStG n.F. Anwendung findet.
Û
126
Beratungssituation: Herr E hat seine Söhne B und C jeweils zur Hälfte zu Erben eingesetzt. Zum Nachlass gehört ein Autohaus. Auf einem betrieblichen Teilgrundstück hatte B bereits vor dem Erbfall eine eigene Autovermietung betrieben. Herr E ordnet im Wege des Vorausvermächtnisses an, dass dem B das von ihm genutzte Teilgrundstück zufallen soll.
Im Ergebnis der jetzigen Rechtslage entnimmt die Erbengemeinschaft das Grundstück zum Buchwert. Der Vermächtnisnehmer führt in seinem Betriebsvermögen die Buchwerte zwingend fort. Er erwirbt unentgeltlich und hat demgemäß keine Anschaffungskosten. Ist ein ganzer Betrieb oder Teilbetrieb Gegenstand eines Vermächtnisses oder Vorausvermächtnisses, muss dieser zu Buchwerten dem Nachlass entnommen und auf den Vermächtnisnehmer übertragen werden, der im Übrigen unentgeltlich erwirbt und zwingend die Buchwerte fortführt.
1 BMF, wie vor, Tz. 60. 2 BMF, wie vor, Tz. 65.
Grieger
671
127
B XI Rz. 128
Unternehmensnachfolge
Abweichend von der Übertragung eines Einzelwirtschaftsgutes werden Vermächtnis und Vorausvermächtnis in diesem Falle steuerlich gleich behandelt1. Die Übertragung erfolgt steuerlich neutral sowohl auf Seiten des Erben bzw. der Erbengemeinschaft. Allerdings sind nach Auffassung der Finanzverwaltung und der Rechtsprechung der Erbengemeinschaft die Einkünfte aus dem Betrieb bis zur Übertragung zuzurechnen, da der Vermächtnisnehmer nicht originär vom Erblasser und damit auch nicht mit Eintritt des Erbfalles, sondern aufgrund eines schuldrechtlichen Herausgabeanspruchs von den Erben zum Zeitpunkt der Übertragung erwirbt. Etwas Anderes soll nur gelten, wenn dem Vermächtnisnehmer bereits ab Erbfall die Sachherrschaft bzw. wirtschaftliches Eigentum zustand2. Eine weit verbreitete Gegenmeinung geht davon aus, dass dem Vermächtnisnehmer die betrieblichen Einkünfte schon ab Erbfall zustehen (unter Berufung auf § 2184 BGB)3. Die Rechtsprechung ist dieser Auffassung bisher nicht gefolgt. (2) Geldvermächtnis, Pflichtteilsansprüche 128
Sind die Erben mit der Verpflichtung beschwert, als Vermächtnis Dritten (oder auch einem Vorausvermächtnisnehmer) bestimmte Geldzahlungen zu leisten, handelt es sich immer um Privatschulden, auch wenn die Mittel dem Betriebsvermögen entnommen werden4. Demgemäß ist ein zur Tilgung der Vermächtnisverpflichtung aufgenommener Kredit keine Betriebsschuld und die Zinsen sind betrieblich nicht abzugsfähig. Allerdings ist ein Kredit dann Betriebsmittel, wenn das Vermächtnis aus liquiden Mitteln des Betriebs erfüllt wurde und der Kredit zur Deckung der betrieblichen Aufwendungen aufgenommen wurde (Grenze jedoch § 4 Abs. 4a EStG). Die vorstehende Rechtslage gilt auch für die Erfüllung anderer Erbfallschulden (Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen, Gleichstellungsgelder, Erbersatzansprüchen).
129
Ein Rentenvermächtnis hat beim Erben die gleiche Folge wie ein Geldvermächtnis, d.h. es führt nicht zu Anschaffungskosten des Erben, ein etwaiger Zins- oder Ertragsanteil ist nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig, auch nicht als Sonderausgabe. Etwas anderes gilt nur bei Versorgungsleistungen, wenn diese dem überlebenden Ehegatten oder einem erbberechtigten Abkömmling gewährt werden; diese Versorgungsleistung ist beim Belasteten als Sonderausgabe abzugsfähig (dauernde Last) und führt zur Ertragsteuerpflicht des Begünstigten5. Diese Rechtslage gilt auch, wenn ein Vermächtnisnehmer mit Leistungen der vorstehenden Art belastet wird (Untervermächtnis). 1 2 3 4 5
BMF, wie vor, Tz. 68. BFH v. 24.9.1991 – VIII R 349/83, BFHE 166, 124; dazu Schmidt, EStG, § 16 Rz. 28. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 28 m.w.N. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 593 m.w.N. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 600.
672
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 132 B XI
(3) Vermächtnis an Rechten und von Beteiligungen Möglich ist auch die Bestellung eines Nießbrauches im Wege des Vermächtnisses.
Û
130
Beratungssituation: Der Erblasser hinterlässt seinem Sohn im Wege des Vorausvermächtnisses den zum Nachlass gehörenden Betrieb und beschwert ihn mit einem Nießbrauch am Betriebsgrundstück zugunsten der Ehefrau des Erblassers (Untervermächtnis).
Das Untervermächtnis stellt einen Zuwendungsnießbrauch an einem Einzelwirtschaftsgut dar. Die Nießbrauchsbestellung führt zum Mindesten bei Grundstücken (anders u.U. bei kurzlebigen Anlagegütern1) nicht zur Entnahme2. Entnommen werden die laufenden Nutzungen3. Überlässt der Nießbraucher das Grundstück weiter dem Betrieb zur Nutzung und werden dafür Zahlungen geleistet, sind diese Zahlungen nicht als Betriebsausgaben abziehbar, soweit sie den zu entnehmenden Nutzungen entsprechen oder niedriger sind. Ist der Erbe eines Betriebs mit einem Vermächtnis beschwert, das ihn verpflichtet, einem Dritten einen Nießbrauch am Unternehmen einzuräumen, entsteht ein der Unternehmensverpachtung entsprechendes Verhältnis. Der Nießbraucher wird Unternehmer und erzielt demgemäß Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit, allerdings bleibt die AfA-Berechtigung für die überlassenen Anlagegüter beim Nießbrauchbesteller. Bei diesem wird der Betrieb wie ein ruhender Betrieb behandelt. Er bleibt AfA-berechtigt, kann aber bei unentgeltlicher Überlassung mangels Einkünften Verluste, die durch die Abschreibungen entstanden sind, nicht geltend machen4. Dem Nießbrauchsbesteller bleibt allerdings wie dem Unternehmensverpächter das Wahlrecht zur Betriebsaufgabe.
Û
131
Beratungshinweis: In der Beratung sollte berücksichtigt werden, dass die Verwendung des Nießbrauchs zur Versorgung oder Gleichstellung anderer Erben als dem Unternehmensnachfolger nach den dargelegten steuerlichen Konsequenzen wenig zweckmäßig ist. Das gilt im Übrigen auch für den sog. Ertragsnießbrauch am Unternehmen (sei es quotal, sei es vollständig), bei dem der gesamte Gewinn dem Erben als Betriebsinhaber zugerechnet wird, der jedoch die Auskehrung der Gewinne bei Unentgeltlichkeit des Nießbrauches nicht als Betriebsausgabe abziehen kann, als Sonderausgaben allenfalls, soweit die Voraussetzungen für eine Versorgungsleistung vorliegen.
Soll – wie im Ausgangsbeispiel – der Sohn Unternehmensnachfolger werden, die Ehefrau (oder auch andere Abkömmlinge) jedoch an den Erträgnissen zu ihrer finanziellen Sicherstellung beteiligt werden, ist neben einer Versor1 Sudhoff/von Sothen, S. 800. 2 BFH v. 1.3.1994 – VIII R 35/92, BStBl. 1995 II, 241. Nicht ganz unumstritten, vgl. Schmidt, EStG, § 5 Rz. 653, 655 m. entsprechenden Nachweisen. 3 Schmidt, EStG, § 5 Rz. 655. 4 Paus, BB 1990, 1675, 1676.
Grieger
673
132
B XI Rz. 133
Unternehmensnachfolge
gungsleistung als dauernde Last, sofern die Voraussetzungen vorliegen, an die vermächtnisweise Zuweisung einer stillen Beteiligung zu denken. Der Erblasser sollte im Vorfeld bei der Errichtung des Testaments prüfen oder prüfen lassen, ob eine typische stille Beteiligung oder eine atypische Beteiligung zweckmäßig ist, und dementsprechend Anordnungen im Testament treffen. 133
Eine atypische stille Gesellschaft liegt nur vor, wenn die Voraussetzungen für die Mitunternehmerstellung des still Beteiligten erfüllt sind (Beteiligung am Gewinn und Verlust, Beteiligung an den stillen Reserven, Vorhandensein von Mitunternehmerinitiative in Gestalt bestehender Mitwirkungsrechte bei der Geschäftsführung, wobei Mitwirkungsrechte im Umfang der einem Kommanditisten zustehenden Rechte ausreichen)1. Liegt eine atypische stille Gesellschaft vor, ist der still Beteiligte am Gewinn und Verlust wie ein Mitunternehmer beteiligt. Er erzielt gewerbliche Einkünfte. Gewinne und Verluste werden durch eine einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung ermittelt.
134
Liegen bei einer Kapitalanlage in das Unternehmen die vorstehenden Voraussetzungen nicht vor, ist der Beteiligte jedoch entsprechend seiner Einlage am Gewinn (u.U. am Verlust) beteiligt und sind weitere Indizien vorhanden (Beispiele: Entnahme-, Kontroll- und Informationsrechte), ist (in Abgrenzung zum partiarischen Darlehen) eine typische stille Gesellschaft gegeben2. Der still Beteiligte erzielt hinsichtlich seiner Gewinne Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 EStG (mit Freigrenze, im Übrigen Einbehaltung von 25 % des Gewinnanteils als Kapitalertragsteuer). Für den Betrieb stellen diese dem still Beteiligten zufließenden Gewinne abzugsfähige Betriebsausgaben dar, da die Einlage bei einer typischen stillen Gesellschaft als Fremdkapital angesehen wird. Wird die Kapitalbeteiligung – wie beim Vermächtnis – unentgeltlich erworben, sieht die Rechtsprechung eine Gewinnbeteiligung von 15 % des gemeinen Wertes (d.h. hier Nennkapital) als Höchstgrenze an, in besonderen Fällen (z.B. Beschränkung der Verlustbeteiligung) soll eine Kürzung auf 12 % eintreten3.
135
Der Erblasser muss bei der Anordnung des Vermächtnisses mindestens den Kapitalumfang der stillen Beteiligung bestimmen. Weitere Bestimmungen sind zweckmäßig, können aber notfalls in der Ausgestaltung den Beteiligten überlassen werden. Hat der Erblasser keine Festlegungen darüber getroffen, ob es sich um eine typische oder atypische Beteiligung handelt, und können sich die beteiligten Miterben nicht einigen, würde im Zweifel eine typische stille Beteiligung als vermacht anzunehmen sein.
136
Der Vermächtnisnehmer erwirbt die stille Beteiligung vom Erben unentgeltlich; auf Seiten des Betriebsinhabers ergeben sich keine Anschaffungskosten. 1 Schmidt, EStG, § 15 Rz. 341. 2 Schmidt, EStG, § 20 Rz. 91. 3 Schmidt, EStG, § 15 Rz. 776 m.w.N.
674
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 138 B XI
Das gleiche Ergebnis tritt ein, wenn dem Miterben der Betrieb im Wege des Vorausvermächtnisses zugefallen ist und er nunmehr verpflichtet ist, einem anderen Miterben (im Ausgangsbeispiel der Mutter) eine stille Beteiligung am Unternehmen einzuräumen. Es handelt sich dann um ein Untervermächtnis, für das die gleichen ertragsteuerrechtlichen Regeln gelten wie für das Vermächtnis.
Û
Beratungshinweis: Wird das Betriebsvermögen einem Miterben im Wege des Vorausvermächtnisses zugewandt, ist zu beachten, dass in diesem Falle – anders als bei Vermächtnissen – der frühere (für Erwerbe bis einschließlich 2008) betriebliche Freibetrag gemäß § 13a ErbStG a.F. nicht auf den Vorausvermächtnisnehmer übergeht (§ 13a Abs. 3 ErbStG a.F. ist nicht anwendbar). Es bleibt hinsichtlich des Freibetrages bei der quotalen Aufteilung zwischen den Miterben, wenn auch eine stärkere Berücksichtigung des Vorausvermächtnisnehmers durch veränderte Aufteilung durch die Finanzverwaltung akzeptiert wird1. Für Erwerbe ab 2009 erhält der Vorausvermächnisnehmer den Verschonungsabschlag (85 %/100 %) bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen.
3. Gesichtspunkte für die Erbeinsetzung Hat der Erblasser sich nicht entschließen können, zu Lebzeiten Maßnahmen für die Nachfolge in Bezug auf sein Einzelunternehmen zu treffen, ist er auf die Gestaltung der Nachfolge durch letztwillige Verfügung angewiesen. Erbrecht und Steuerrecht setzen Grenzen für eine wirtschaftlich und steuerlich sinnvolle Nachfolgeregelung.
137
Gehört zu einem Nachlass ein Einzelunternehmen und setzt der Erblasser mehrere Erben ein, ohne Vorkehrungen für den Übergang des Unternehmens auf einzelne Erben zu treffen, entsteht steuerlich unvermeidlich eine Mitunternehmerschaft (Rz. 99). Hat der Erblasser auch keine Anordnungen über die Zuwendung des für Erwerbe bis einschließlich 2008 geltenden betrieblichen Erbschaftsteuerfreibetrages gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. getroffen, steht der Freibetrag den Miterben anteilig entsprechend ihrer Erbquote zu. Wird einem Miterben im Rahmen der Erbauseinandersetzung das Unternehmen zugeteilt, hat er nur seinen quotalen Anteil am Freibetrag zur Verfügung. Die Anteile der übrigen Miterben am Freibetrag gehen verloren2. Dieses oftmals nachteilige Ergebnis wird durch die neue Konzeption des Erbschaftsteuerrechts ab 2009 mit dem Verschonungsabschlag für Betriebsvermögen vermieden. Allerdings ist diese Problematik dann noch von Bedeutung, wenn man für Erbfälle in 2007 und 2008 das für die Übergangszeit noch gesetzlich verankerte Wahlrecht für die Anwendung alten oder neuen Rechts prüfen muss. Verbindet der Erblasser die letztwillige Verfügung mit einer Teilungsanordnung, kann er auf diese Weise zwar sicherstellen, dass ein bestimmter Mit1 Vgl. auch Gebel, Gesellschafternachfolge, Rz. 447. 2 Meincke, ErbStG, § 13a Rz. 9.
Grieger
675
138
B XI Rz. 139
Unternehmensnachfolge
erbe, den er als Nachfolger ausersehen hat, nachfolgt. Die ertragsteuerlichen Probleme der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bleiben jedoch bestehen, da nach Auffassung der Finanzverwaltung auch bei einer Teilungsanordnung davon auszugehen ist, dass der Gesamtnachlass zunächst auf die Erbengemeinschaft als Ganzes übergeht, um dann in Vollziehung der Teilungsanordnung auseinander gesetzt zu werden (vgl. Rz. 100). Der einzelne Erbe folgt insofern hinsichtlich des ihm durch Teilungsanordnung zugedachten Vermögensgegenstandes erst infolge der Erbauseinandersetzung nach. Das gilt auch für das Betriebsvermögen.
Û
Beratungssituation: Der Erblasser hinterlässt 2008 seine Ehefrau und die Kinder Anton und Berta. Zum Vermögen gehören ein Unternehmen mit einem Wert von 1 Million Euro sowie Grundstücke im Wert von 1,5 Millionen Euro und Kapitalanlagen (im Privatvermögen) von 2 Millionen Euro. Der Erblasser hat die Erben zu jeweils einem Drittel des Nachlasses eingesetzt und angeordnet, dass dem Sohn Anton das Unternehmen sowie ein Anteil am Kapitalvermögen zufallen sollen, soweit der Unternehmenswert geringer ist, als das ihm zugedachte Drittel am Nachlass (bedingte Zuweisung eines Vermögenswertes im Rahmen der Teilungsanordnung). Die Ehefrau soll die Grundstücke sowie ebenfalls unter der Bedingung, dass deren Wert geringer ist als ein Drittel des Nachlasses, einen entsprechenden Anteil am Kapitalvermögen erhalten. Der Tochter soll das Kapitalvermögen abzüglich der als Ausgleich abzugebenden Anteile zufallen. Ferner hat der Erblasser bestimmt, dass der betriebliche Freibetrag gemäß § 13a ErbStG dem Sohn Anton zustehen soll.
Im vorliegenden Beispiel vollzieht sich die Auseinandersetzung wie bei einem Mischnachlass (Rz. 120). Da der Wert des Betriebsvermögens geringer ist als der wertmäßige Anteil des Sohnes Anton am Gesamtnachlass (dieser beträgt im Beispiel 1,5 Millionen Euro), kann die Teilungsanordnung steuerlich neutral dadurch vollzogen werden, dass dem Sohn Anton das Unternehmen ohne Abfindungszahlungen an die übrigen Miterben zugeteilt wird. Die Ehefrau erhält die Grundstücke, deren Wert ihrem Nachlassanteil von 1,5 Millionen Euro entsprechen, und die Tochter Berta hat ihrem Bruder von den im Privatvermögen befindlichen Kapitalanlagen einen Anteil von 500 000 Euro herauszugeben. Dem Sohn Anton steht außerdem bei Ausübung des Wahlrechts zugunsten des alten Erbschaftsteuerrechts aufgrund der Anordnung des Erblassers der betriebliche Freibetrag für die Erbschaftsteuer von 225 000 Euro unverkürzt zu. 139
Allerdings werden die Wertverhältnisse zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen häufig dem Ausgangsbeispiel entgegengesetzt sein, so dass die größere Masse im Betriebsvermögen liegt. Dieser Fall würde eintreten, wenn das Ausgangsbeispiel wie folgt abgewandelt wird: Betriebsvermögen Grundstücke Kapitalanlagen
676
Grieger
= 2 Millionen Euro = 1,5 Millionen Euro = 1 Million Euro.
Unternehmensnachfolge
Rz. 141 B XI
In diesem Falle würde im Rahmen der Erbauseinandersetzung und in Vollzug der Teilungsanordnung dem Sohn Anton zwar der Betrieb (nebst betrieblichem Freibetrag der Erbschaftsteuer aufgrund der Anordnung des Erblassers) zuzuteilen sein, seine Schwester Berta hätte jedoch wegen der Aufgabe ihres Mitunternehmeranteils am Betriebsvermögen einen Abfindungsanspruch in Höhe von 500 000 Euro, der auch nicht als außerordentlicher Gewinn gemäß §§ 16, 34 EStG begünstigt ist. Sohn Anton hat Anschaffungskosten und müsste die Buchwerte des Betriebs dementsprechend aufstocken (zur Berechnung vgl. Rz. 121). Die Auseinandersetzung mit der Mutter kann sich steuerlich neutral vollziehen, da ihr mit den Grundstücken ein Vermögenswert zufällt, der dem Wert ihres Erbanteils entspricht (Realteilung bei Auseinandersetzung eines Mischnachlasses, vgl. Rz. 120). Die Anwendung des Instruments der Teilungsanordnung bei Vorhandensein von Betriebsvermögen wird auf diese Weise zum ertragsteuerlichen Lotteriespiel. Das umso mehr, als das Wertveränderungsrisiko bei dieser Vermögensart am größten ist und der Erblasser bei Errichtung seines Testaments nicht in der Lage ist, diese Veränderungen vorauszusehen. Im Übrigen liegt in dieser Unsicherheit nicht nur ein ertragsteuerliches, sondern auch ein unternehmerisches Risiko, wenn nämlich der Betriebsnachfolger aufgrund großer Wertunterschiede in den zugeteilten Vermögenswerten gezwungen ist, das Unternehmen mit erheblichen Abfindungszahlungen zu belasten.
140
Um den Zufall bei der Teilungsanordnung insbesondere dann auszuschalten, wenn Betriebsvermögen zum Nachlass gehört, hat der Erblasser die Möglichkeit, durch Aussetzung von Vorausvermächtnissen Spitzen auszugleichen.
141
Û
Beratungssituation: Im Ausgangsbeispiel beträgt das Betriebsvermögen 2 Millionen Euro; die Grundstücke haben einen Wert von 1,25 Millionen Euro; an Kapitalanlagen sind 1,25 Millionen Euro vorhanden. Der Erblasser hat seine Ehefrau, seinen Sohn Anton und seine Tochter Berta mit je 1/3 zu Erben eingesetzt. Ferner hat er im Wege der Teilungsanordnung verfügt, dass sein Sohn Anton das Betriebsvermögen (nebst betrieblichem Freibetrag der Erbschaftsteuer), seine Ehefrau die Grundstücke und die Tochter Berta die Kapitalanlagen erhalten soll. Für den Fall, dass das Betriebsvermögen den Wert des Erbanteils des Sohnes Anton überschreitet, hat er bestimmt, dass dem Sohn Anton dieser Teil als Vorausvermächtnis zufallen soll.
Bei Eintritt des Erbfalles entsteht auch in diesem Falle eine Mitunternehmerschaft am Betriebsvermögen. Die durch Teilungsanordnung bestimmte Auseinandersetzung vollzieht sich hinsichtlich des Privatvermögens ohne Schwierigkeiten durch Zuteilung der Grundstücke bzw. der Kapitalanlagen an die Ehefrau und die Tochter Berta. Der Sohn Anton erhält das Betriebsvermögen, das ihm aber nicht vollständig nach den Grundsätzen der Realteilung zufällt, da den übrigen Miterben ein Abfindunganspruch als Ausgleich für den höheren Wert des Betriebsvermögens zusteht. Da dieser höhere Wert jedoch dem Sohn Anton als Vorausvermächtnis zugewandt wurde, hat er einen Grieger
677
B XI Rz. 142
Unternehmensnachfolge
schuldrechtlichen Anspruch gegen die übrigen Miterben, dass diese auf ihren Ausgleichsanspruch verzichten. Dieser Wertanteil fällt dem Sohn Anton zu, der insoweit unentgeltlich das Betriebsvermögen erwirbt. Anschaffungskosten fallen bei ihm nicht an. Erbschaftsteuerrechtlich vermindert sich der steuerbare Erwerb um den Wertverlust, der sich für die betroffenen Miterben aus dem Vorausvermächtnis ergibt. 142
Der Erblasser ist bei einer Teilungsanordnung durch die Korrekturmöglichkeiten, die sich aus Vorausvermächtnissen ergeben können, in der Lage, ein zweckmäßiges ertragsteuerrechtliches und auch betriebswirtschaftliches Ergebnis hinsichtlich des Betriebsvermögens zu erreichen. Allerdings kann diese Lösung bei den zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht voraussehbaren Wertverschiebungen zwischen den vorhandenen Vermögenswerten zu unerwünschten Benachteiligungen der Erben, denen das Betriebsvermögen nicht zufällt, führen. Der Erblasser könnte dem vorbeugen, indem er das Vorausvermächtnis zugunsten des Betriebsnachfolgers wertmäßig begrenzt, beispielsweise durch folgende Formulierung:
Formulierungsbeispiel Mein Sohn Anton soll mein Unternehmen X erhalten. Übersteigt der Wert des Betriebsvermögens den wertmäßigen Anteil meines Sohnes Anton am Gesamtnachlass, vermache ich ihm diesen übersteigenden Wert als Vorausvermächtnis, jedoch nur bis zur Höhe von 1/5 des Wertes des Gesamtnachlasses. Für den darüber hinausgehenden Wert des ihm zufallenden Betriebsvermögens ist er seinen Miterben gegenüber ausgleichspflichtig (alternativ: . . . hat er seinen Miterben eine typische stille Beteiligung am Unternehmen einzuräumen).
In diesem Falle treten hinsichtlich der Wertdifferenz, die durch das Vorausvermächtnis gesetzt ist, die oben beschriebenen Folgen ein. Die das Vorausvermächtnis übersteigende Wertdifferenz führt zur Abfindungszahlung gegen Aufgabe der Mitunternehmeranteile und damit bei den Empfängern nicht zu einem begünstigten Aufgabegewinn. Der Betriebsnachfolger hat in dieser Höhe Anschaffungskosten (vgl. dazu Rz. 121). Wählt der Erblasser die alternative Formulierung, handelt es sich um ein Untervermächtnis. Der Betriebsnachfolger hat die stille Beteiligung unentgeltlich auf die Miterben zu übertragen, so dass sich dieser Vorgang ertragsteuerrechtlich neutral vollzieht. 143
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Beratungshinweis: Der Erblasser sollte insbesondere bei derartigen Gestaltungen, mit denen Vermögenswerte im Wege der Teilungsanordnung zugeordnet werden und die einen steuerlich „empfindlichen“ Vermögenswert (wie einen Betrieb) zum Gegenstand haben, in Betracht ziehen, dass der Schutzmechanismus des § 2306 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB durch die Miterben eingesetzt werden kann, mit der Folge, dass die scheinbar aus Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 145 B XI
allen Gesichtspunkten ausgewogene Nachfolgeregelung erheblich gestört wird. In jedem Falle ist eine komplexe erbvertragliche Regelung vorzuziehen, mit der alle Miterben im Vorfeld des Erbfalles Klarheit über die Nachlassteilung gewinnen und sich ihrerseits verpflichten können, z.B. auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zu verzichten. Überhaupt sollte der Abschluss von Pflichtteilsverzichtsverträgen bei komplexen Gestaltungen, die Verfügungen über Betriebsvermögen treffen, immer in Betracht gezogen werden. Um den Schwierigkeiten der Teilungsanordnung zu entgehen, wird auch eine gegenständliche Erbeinsetzung mit Bestimmung der Erbquoten nach dem Wert der zugewiesenen Vermögensgegenstände empfohlen1. Hiergegen ist allerdings zu Recht vorgebracht worden, dass die Auslegung eines solchen Testaments Unsicherheiten verursachen kann, da noch keine Rechtssicherheit für dieses Modell besteht und da es u.U. fraglich ist, ob im Einzelfall eine Vermächtniszuweisung oder eine Teilungsanordnung mit Vermächtniszuweisung beabsichtigt war, abgesehen davon, dass es dem Nachlassgericht überlassen bleibt, die Quoten anhand der gegenständlichen Erbeinsetzung zu errechnen2. Dazu sollte in jedem Falle in die letztwillige Verfügung aufgenommen werden, welche Werte anzusetzen sind, die Werte bei Testamentserrichtung oder bei Erbfall. Bereits die Notwendigkeit dieser Auswahl macht deutlich, dass Wertverschiebungen drohen können, die die gleichen Unsicherheiten hinsichtlich der Erbauseinandersetzung verursachen, wie eine Teilungsanordnung. Natürlich bleibt auch bei der gegenständlichen Erbeinsetzung die Möglichkeit verfügbar, durch Vorausvermächtnisse eingetretene Wertverschiebungen auszugleichen. In dieser Hinsicht gilt das in Rz. 141, 142 Gesagte.
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Um die Entstehung einer Mitunternehmerschaft am Betriebsvermögen des Nachlasses zu vermeiden, wäre es auch möglich, dass der Erblasser den Nachfolger zum Alleinerben einsetzt und diesen mit Vermächtnissen zugunsten der übrigen durch den Erblasser zu bedenkenden Personen beschwert.
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Diese Lösung kann dann zu ertragsteuerlichen Problemen führen, wenn das Privatvermögen des Nachlasses nicht ausreicht, um die Vermächtnisschulden zu erfüllen. Die steuerliche Last bzw. Nachteile liegen dann ausschließlich beim Alleinerben. Muss der Alleinerbe ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens an den Vermächtnisnehmer herausgeben, erzielt er einen nicht begünstigten Entnahmegewinn. Das gilt selbst dann, wenn der Vermächtnisnehmer das Wirtschaftsgut in ein anderes Betriebsvermögen einlegt. Die Begünstigung zur steuerneutralen Entnahme des Wirtschaftsgutes, die ab 1.1.2001 wieder eingeführt wurde, wird nur bei einem Vorausvermächtnis wirksam (Rz. 104, 126). Erfüllt der Alleinerbe das Vermächtnis mit liquiden Mitteln des Unternehmens, entnimmt er diese zur Erfüllung einer Privatschuld. Sofern der Allein1 Felix, GmbHR 1990, 566; Nieder, Rz. 476. 2 Sudhoff/Scherer, § 6 Rz. 3, 14.
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B XI Rz. 146
Unternehmensnachfolge
erbe Verbindlichkeiten begründet, um die Vermächtnisschulden zu erfüllen, sind die Zinsen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig. Eine Nachlassgestaltung, die in so erheblichem Umfange auf Vermächtnissen aufbaut, ist außerdem durch das Recht der Pflichtteilsberechtigten zur Vermächtnisausschlagung gemäß § 2307 BGB mit Unsicherheiten behaftet, auch in zeitlicher Hinsicht wegen der fehlenden Ausschlagungsfrist. Allerdings kann der Alleinerbe gemäß § 2307 Abs. 2 BGB dem Vermächtnisnehmer eine Frist setzen. Auch der Erblasser selbst kann durch Verwirkungsklausel im Testament (entweder Verwirkung des Vermächtnisses oder der Ausschlagung) Fristen für die Ausübung des Ausschlagungsrechts gemäß § 2307 BGB bestimmen. Die Pflichtteilslast des Alleinerben, die mit der Ausschlagung entsteht, verursacht jedoch die gleichen steuerlichen Probleme wie das Vermächtnis selbst, sofern das Betriebsvermögen für die Erfüllung in Anspruch genommen werden muss. 146
Der Erblasser kann jedoch auch die umgekehrte Lösung wählen und bei Erbeinsetzung der übrigen Miterben dem Nachfolger den Betrieb als Vermächtnis zuwenden. Da es sich um einen ganzen Betrieb handelt, erfolgt die Übertragung durch die Erbengemeinschaft steuerlich neutral, d.h. es wird kein Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn erzielt. Der Vermächtnisnehmer erwirbt unentgeltlich und muss die Buchwerte fortführen1. Der für Erwerbe bis einschließlich 2008 geltende betriebliche Erbschaftsteuerfreibetrag geht gemäß § 13a Abs. 3 ErbStG a.F. auf den Vermächtnisnehmer über. Wird der Nachfolger auch Miterbe, so dass der Betrieb als Vorausvermächtnis auf ihn übergeht, gilt ertragsteuerrechtlich das vorstehend Gesagte. In diesem Falle wäre allerdings eine Anordnung des Erblassers über die Zuweisung des betrieblichen Freibetrages der Erbschaftsteuer erforderlich gewesen, da dieser ansonsten teilweise verloren geht (vgl. Rz. 136). Allerdings ist auch bei dieser Lösung die Gefahr gegeben, dass die übrigen Miterben von ihren Rechten gemäß § 2306 BGB Gebrauch machen und dadurch eine Störung in der geplanten Nachfolge eintritt. Der ab 2009 geltende Verschonungsabschlag für Betriebsvermögen wird dem Vermächtnisnehmer als Erwerber bei Vorliegen auch der übrigen Voraussetzungen gewährt.
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Die vorstehenden Grundschemata für die Gestaltung der letztwilligen Verfügung können im Einzelfall sicher noch weiter untersetzt, verfeinert oder mit weiteren Details konstruiert werden, jedoch sind die Grenzen der Nachfolgeregelungen für Unternehmen, die ausschließlich auf letztwilligen Verfügungen beruhen, dadurch nicht zu beseitigen. Diese ergeben sich sowohl aus den rechtlichen Regelungen des Erbrechts als auch den Vorgaben des Steuerrechts. Eine sinnvolle Nachfolgeregelung sollte deshalb bereits durch Maßnahmen zu Lebzeiten vorbereitet werden, so dass die letztwillige Verfügung darauf aufbauen und gewissermaßen den Schlusspunkt setzen kann. 1 Vgl. § 6 Abs. 3 EStG.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 152 B XI
II. Personengesellschaft 1. Regelungsgrundsätze für die Nachfolge Aufgrund der Neufassung des § 131 HGB unterscheiden sich nunmehr alle Grundformen der Personengesellschaft hinsichtlich der Nachfolge voneinander.
148
Für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gilt gemäß § 727 BGB nach wie vor der gesetzliche Regeltatbestand, dass die Gesellschaft beim Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird. Diese gesetzliche Regelfolge kann nur durch eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zur Fortsetzung der Gesellschaft beim Tode eines Gesellschafters ausgeschlossen werden (Fortsetzungsklausel). Sind Bestimmungen über die Nachfolge von Erben nicht getroffen, führt die Fortsetzungsklausel nur zur Fortführung der Gesellschaft zwischen den verbleibenden Gesellschaftern; der verstorbene Gesellschafter scheidet aus der Gesellschaft aus. Falls keine abweichende Bestimmung getroffen wurde, fällt der Abfindungsanspruch des verstorbenen Gesellschafters in den Nachlass. Gemäß § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB (Neufassung ab 1.1.1998) führt der Tod eines Gesellschafters der OHG zum Ausscheiden des verstorbenen Gesellschafters und zur Fortführung der Gesellschaft durch die verbleibenden Gesellschafter. Es tritt insofern die Rechtsfolge einer Fortsetzungsklausel (wie GbR) kraft Gesetzes ein. Auch in diesem Falle gilt, dass mangels abweichender Bestimmungen der Abfindungsanspruch des verstorbenen Gesellschafters in den Nachlass fällt. Die Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben erfolgt nur, wenn es dafür eine ausdrückliche Regelung gibt.
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Die Kommanditbeteiligung an einer Gesellschaft ist gemäß § 177 HGB kraft Gesetzes vererblich. Die Fortsetzung der Gesellschaft ohne Erben setzt eine gesellschaftsvertragliche Regelung voraus, mit der ein Ausschluss der Nachfolge von Erben vereinbart wird.
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Die stille Gesellschaft wird im Zweifel beim Tod des Inhabers aufgelöst, nicht jedoch wenn der stille Gesellschafter verstirbt (§ 234 Abs. 2 HGB)1. Dieser Grundsatz wird auf das Verhältnis zwischen Hauptbeteiligten und Unterbeteiligten entsprechend angewandt, so dass die Innengesellschaft beim Tode des Hauptbeteiligten, nicht jedoch bei Versterben des Unterbeteiligten, aufgelöst wird. Vertragliche Regelungen des Innenverhältnisses der Beteiligten können diese gesetzlichen Rechtsfolgen abwandeln.
151
Eröffnen Klauseln oder die gesetzliche Regelung die Nachfolge, geht bei mehreren Erben der auf den einzelnen Erben nach seiner Erbquote entfallende Anteil im Wege der Sondererbfolge direkt über; der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters wird insoweit in mehrere selbstständige Anteile geteilt2.
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1 Baumbach/Hopt, § 234 Rz. 4. 2 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186; vgl. Palandt/Sprau, § 727 Rz. 3.
Grieger
681
B XI Rz. 153
Unternehmensnachfolge
Trotz dieser Sondererbfolge gehört der Gesellschaftsanteil nach nunmehr wohl einhelliger Auffassung der Rechtsprechung zum Nachlass1, wobei die unterschiedlichen Lösungsansätze des II. Senats und des IVa. Senats (einerseits Sondererbfolge hinsichtlich der persönlich wirkenden Mitgliedschaftsrechte, wobei die Vermögensrechte wie z.B. Abfindungsguthaben in den Nachlass fallen; andererseits Einheit beider Rechte, die in dieser Einheit zum Nachlass gehören) zu gleichwertigen Lösungen führen2. Maßgebend für diese Rechtsprechung war u.a. die Ordnung des Haftungszugriffs durch Nachlassgläubiger einerseits und Eigengläubiger des Erben andererseits3. Insofern hat diese Entscheidung in erster Linie haftungsrechtliche Folgen. Die wertmäßige Zurechnung des Gesellschaftsanteils zum Nachlass zum Zwecke der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft oder der Wertberechnung für Pflichtteilsansprüche erfolgt – davon unabhängig – ohnehin. Findet eine Nachfolge nicht statt und steht den Erben ein Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft zu, fällt dieser in den Nachlass. 153
Wird die Gesellschaft beim Tode eines Gesellschafters aufgelöst (gesetzliche Folge bei der GbR, vertragliche Folge bei OHG und KG), wird sie Abwicklungs- und Liquiditätsgesellschaft. Der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben des verstorbenen Gesellschafters fällt in den Nachlass. Es ist deshalb konsequent, wenn davon ausgegangen wird, dass die Erbengemeinschaft als Ganzes in die Gesellschaft eintritt4. Der Erbengemeinschaft stehen die Mitwirkungs- und Verwaltungsrechte des Erblassers zu, insoweit diese nicht persönlicher Natur waren. Führen die Gesellschafter die Liquidation selbst durch, muss die Erbengemeinschaft gemäß § 146 Abs. 1 Satz 2 HGB einen gemeinsamen Vertreter bestellen. Dieser Vertreter wird Liquidator, nicht die von ihm vertretenen Erben5.
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Wird während der Liquidation ein Fortsetzungsbeschluss gefasst, bedarf dieser mangels abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelung der Zustimmung aller Gesellschafter und Erben6. Jedoch dürfen die Erben diese gemäß § 424 BGB nicht verweigern und auf Auseinandersetzung bestehen, wenn ihnen eine Abfindung in Höhe der Liquidationsquote gezahlt wird und sie von der Haftung freigestellt werden7. Sind Minderjährige als Erben oder Gesellschafter beteiligt, so bedarf der Fortsetzungsbeschuss der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (§ 1822 Nr. 3 BGB) bzw., sofern die gesetzlichen Vertreter Mitgesellschafter sind, der Bestellung eines Ergänzungspflegers (§§ 181, 1795 Abs. 2, 1629 Abs. 2 BGB). 1 Dazu zusammenfassend nochmals BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, NJW 1996, 1284 unter Hinweis auf die Urteile des Erbrechtssenats v. 4.5.1983, NJW 1983, 2376; BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431. 2 Vgl. dazu zusammenfassend: Ulmer, JuS 1986, 856 (860); vgl. Palandt/Edenhofer, § 1922 Rz. 19. 3 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431. 4 BGH v. 20.5.1981 – V ZB 25/79, NJW 1982, 170; Palandt/Edenhofer, § 1922 Rz. 15. 5 Baumbach/Hopt, § 146 Rz. 2. 6 BGH v. 1.6.1987 – II ZR 259/86, WM 1987, 116; Baumbach/Hopt, § 131 Rz. 12. 7 BGH v. 21.10.1985 – II ZR 57/85, WM 1986, 68.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 156 B XI
Wird die Gesellschaft aufgrund eines Beschlusses fortgesetzt, wird jeder Miterbe Gesellschafter, und zwar mit einem seiner Erbquote entsprechenden Anteil am Gesellschaftsanteil des Erblassers. Die Erbengemeinschaft in gesamthänderischer Verbundenheit kann nicht Gesellschafter einer werbend tätigen nicht auf Auseinandersetzung gerichteten Gesellschaft sein. Entsprechend den in Rz. 148 ff. dargelegten Möglichkeiten der Fortsetzung der Gesellschaft ist die Vertragspraxis sehr vielfältig. Die Gesellschafter haben bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags zwischen folgenden Grundsituationen eine Auswahl zu treffen:
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– Fortsetzung der Gesellschaft ohne Erben. – Fortsetzung der Gesellschaft mit allen vom Erblasser eingesetzten Erben (einfache Nachfolgeklausel). – Fortsetzung der Gesellschaft nur mit Erben, die im Gesellschaftsvertrag besonders definiert wurden (qualifizierte Nachfolgeklausel). – Eintrittsrecht besonders definierter oder vom Erblasser zu benennender Erben bzw. von dritten Personen, die nicht Erben sind (rechtsgeschäftliche Nachfolge- oder Eintrittsklausel).
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Beratungshinweis: Für den Erblasser kommt es darauf an, die letztwillige Verfügung auf die gesellschaftsrechtliche Regelung abzustimmen. Im Grundsatz gilt, dass in die Gesellschaft nur nachfolgen kann, wenn dies durch die gesellschaftsrechtliche Regelung gestattet ist. Der Erblasser muss diesen nachfolgeberechtigten Personen auch den Gesellschaftsanteil zuwenden, ansonsten geht die Nachfolgeberechtigung ins Leere. Das kann insbesondere bei der qualifizierten Nachfolgeklausel dramatische Folgen haben. Im Grundsatz lässt sich feststellen, dass das Gesellschaftsrecht hinsichtlich der Nachfolge im Zweifel immer Vorrang vor dem Erbrecht hat.
2. Die Nachfolgeklauseln im Einzelnen a) Fortsetzung ohne Erben (Fortsetzungsklausel) (1) Soll eine GbR beim Tode eines Gesellschafters fortgesetzt werden, ist eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag erforderlich.
Formulierungsvorschlag Verstirbt ein Gesellschafter, scheidet dieser aus der Gesellschaft aus. Die Gesellschaft wird ausschließlich zwischen den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt. Der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst den übrigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Beteiligung an der Gesellschaft an.
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B XI Rz. 157 157
Unternehmensnachfolge
Bei der OHG tritt diese Folge gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB kraft Gesetzes ein. Trotzdem sollte die vorstehende Klausel zur Klarstellung in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Auch die Anwachsung des Anteils des verstorbenen Gesellschafters an die übrigen Gesellschafter ist eine Folge, die sich ohne weiteres aus der Gesetzeslage ergibt (§ 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 738 Abs. 1 BGB). Der Klarstellung bedarf in jedem Falle die Situation, wenn bei einer nur noch zweigliedrigen Gesellschaft ein Gesellschafter verstirbt. Unklar ist, ob bei Erlöschen der Gesellschaft generell Gesamtrechtsnachfolge eintritt oder nur, wenn der verbleibende Gesellschafter vom verstorbenen Gesellschafter erbt oder unter Lebenden erwirbt.1 Erwirbt der verbleibende Gesellschafter ohne weiteres als Gesamtschuldner auch dann, wenn er nicht erbt oder erwirbt, führt er als Einzelkaufmann das Unternehmen fort und müsste eine Abfindung an die Erben zahlen. Ist das nicht der Fall, müsste bei Versterben eines Gesellschafters, der nicht durch den verbleibenden Gesellschafter beerbt wird, die Gesellschaft liquidiert werden, da sie aufgehört hat zu bestehen. Die Liquidation wäre mit den Erben durchzuführen. Wäre Liquidation die gesetzliche Folge, könnte diese nur verhindert werden, wenn dem alleinigen verbleibenden Gesellschafter, der nicht Erbe wird, das Recht zur Übernahme des Vermögens der Gesellschaft gesellschaftsvertraglich ausdrücklich eingeräumt wurde, so dass dieser bei Ausübung dieses Rechts ohne weiteres in der Lage ist, das Handelsgeschäft als Einzelkaufmann fortzuführen. Um Klarheit für die Erben zu schaffen, sollte die Ausübung des Übernahmerechts und dessen Befristung vorsorglich geregelt werden. Die im vorstehenden Formulierungsbeispiel genannte Klausel könnte insofern um folgende Formulierung ergänzt werden:
Formulierungsvorschlag Verbleibt nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters nur noch ein einzelner Gesellschafter, ist dieser berechtigt, das Vermögen der Gesellschaft mit allen Aktiva und Passiva zu übernehmen und das Handelsgeschäft fortzuführen. Die Übernahme setzt eine schriftliche Übernahmeerklärung des verbleibenden Gesellschafters voraus, die den Erben innerhalb von drei Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Gesellschafters, zugestellt werden muss. Wird innerhalb der vorgenannten Frist eine solche Erklärung nicht abgegeben, tritt Liquidation ein.
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Wird bei einer KG für den Fall des Todes eines Kommanditisten die Fortsetzung der Gesellschaft ohne Erben angestrebt, genügt es, wenn die an sich gesetzlich vorgesehene Nachfolge ausgeschlossen wird. Dafür reicht die oben angegebene Fortsetzungsklausel aus. Im Übrigen ist die allgemeine Fortset1 Baumbach/Hopt, § 131 Rz. 35.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 161 B XI
zungsklausel auch in verschiedenen Varianten denkbar, so z.B. die Kombination mit einer Nachfolgeklausel dergestalt, dass nur für einzelne Gesellschafter bei ihrem Versterben die Nachfolge von Erben ausgeschlossen sein soll oder die Fortsetzung der Gesellschaft überhaupt entfällt, wenn bestimmte Gesellschafter versterben (z.B. wenn diese für den Geschäftszweig der Gesellschaft die entscheidende Tätigkeit entfaltet haben). (2) Sind die Erben des verstorbenen Gesellschafters von der Nachfolge ausgeschlossen, steht ihnen ein Abfindungsanspruch zu (§§ 738 BGB, 740 i.V.m. §§ 105 Abs. 3, 161 HGB). Der Abfindungsanspruch fällt ungeteilt in den Nachlass.
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Ist eine besondere Regelung nicht getroffen, umfasst der Abfindungsanspruch den Anteil des verstorbenen Gesellschafters am Wert des Gesellschaftsvermögens und zwar den vollen Wert des lebenden Unternehmens (Verkehrswert)1. Stille Reserven (auch ein eventueller Firmenwert) werden demgemäß aufgedeckt. Ist eine Regelung zur Bewertungsmethode nicht erfolgt, müssen die Beteiligten sich darauf einigen (Substanzwert, Ertragswert, sog. Stuttgarter Verfahren, mit dem praktisch Substanz- und Ertragsbewertung kombiniert werden). In der Regel ist die Einsetzung eines Gutachters erforderlich, was im Übrigen sehr häufig gesellschaftsvertraglich vereinbart wird. Im Rahmen des zu errechnenden Auseinandersetzungsguthabens sind auch die Verpflichtungen des verstorbenen Gesellschafters zur Ausgleichung negativer Kapitalkonten einzubeziehen. Nach der vom BGH vertretenen Rechtsauffassung sind auch Ansprüche des Gesellschafters, die sich auf laufende geschäftliche Ergebnisse beziehen und die auf dafür eingerichtete Konten (unterschiedlich bezeichnet als Darlehenskonto, variables Kapitalkonto oder laufendes Konto) gesondert erfasst werden (Gewinne, Verluste, Entnahmen, Einlagen), einzubeziehen und können nicht selbstständig geltend gemacht werden, zum Mindesten dann nicht, wenn nicht sicher ist, ob die Gesamtrechnung für den Abfindungsempfänger positive Ergebnisse erbringt2. Das soll auch für Forderungen gelten, die einem Gesellschafter als Drittgläubiger gegen die Gesellschaft zustehen3.
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Neben dem Abfindungsanspruch steht dem ausgeschiedenen Gesellschafter bzw. den Erben gemäß § 738 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Schuldbefreiung zu. Falls die Erben bereits in Anspruch genommen wurden, haben sie einen Freistellungsanspruch.
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Daneben muss die Gesellschaft zur Nutzung überlassene Gegenstände herausgeben. Bestehende Überlassungsverträge bleiben weiter wirksam. Waren Vereinbarungen zur Überlassung nicht getroffen, kann mit Rücksicht auf Treu und Glauben die vorübergehende Einräumung eines entgeltlichen Nutzungsrechts geboten sein. 1 Baumbach/Hopt, § 131 Rz. 49. 2 BGH v. 9.3.1981 – II ZR 70/80, WM 1981, 487; Palandt/Sprau, § 738 Rz. 2 und § 730 Rz. 5. 3 BGH v. 20.10.1977 – II ZR 92/76, WM 1978, 89; Baumbach/Hopt, § 145 Rz. 6.
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B XI Rz. 162
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Unternehmensnachfolge
Beratungshinweis: Bei derartigen Gegenständen wird es sich in der Regel steuerlich um Sonderbetriebsvermögen des Erblassers handeln. Wenn kein Erbe nachfolgt, werden die Wirtschaftsgüter aus dem Sonderbetriebsvermögen durch die Erben entnommen, bestenfalls handelt es sich um eine Betriebsaufgabe, so dass erhebliche ertragsteuerliche Konsequenzen eintreten. Bei der gesellschaftsrechtlichen Nachfolgegestaltung ist dies zu beachten. Ist eine gesellschaftsrechtliche Regelung zur Fortsetzung der Gesellschaft ohne Erben vereinbart, sollte Sonderbetriebsvermögen noch durch den Erblasser in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft (GmbH & Co. KG) eingebracht werden.
Anstelle der Vollabfindung des ausscheidenden Gesellschafters bzw. seiner Erben wird häufig eine Regelung im Gesellschaftsvertrag vereinbart, die eine Beschränkung der Abfindung auf einen bestimmten Wert vorsieht. Am beliebtesten sind Buchwertklauseln oder Klauseln, die eine Abfindung zu Buchwerten mit einem prozentualen Zuschlag vorsehen. Die Rechtsprechung anerkennt derartige Klauseln jedoch nicht, wenn sich zwischen dem wirklichen Anteilswert und der Abfindungsklausel ein grobes Missverhältnis ergibt, was z.B. bei einer Buchwertabfindung in Bezug auf eine wirtschaftlich sehr erfolgreich arbeitende Gesellschaft sehr schnell der Fall sein kann. Der BGH geht jedoch in einer neueren Entscheidung1 nicht unbedingt davon aus, dass eine Buchwertklausel nichtig ist, sondern hat sich für eine Anpassung entschieden, wobei die Auslegung und Anpassung von den Umständen abhängen soll (im entscheidenden Fall zwischen Buchwert und Verkehrswert). Ob nun Anpassung oder Unwirksamkeit, es ist in jedem Falle davon auszugehen, dass die Klausel in vielen Fällen nicht hält2. Die Rechtsprechung behält sich umfassende Einzelprüfung vor, hat dafür aber nur grobe Kriterien und einen lückenhaften Katalog für die Leitlinien der Bewertung entwickelt, so dass Ergebnisse nicht mehr vorhersehbar sind3.
162a Erbschaftsteuerlich zu beachten ist, dass nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG als Schenkung auf den Todesfall auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils des Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft bei dessen Tod auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft gilt, soweit der bewertungsrechtliche Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Todes nach den erbschaftsteuerlichen Vorschriften ergibt, Abfindungsansprüch Dritter übersteigt. Danach stellt die Differenz zwischen der in der Praxis oftmals anzutreffenden gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung zur Buchwertabfindung und dem Verkehrswert des Anteils bei den verbleibenden Gesellschaftern eine Bereicherung dar, die der Erbschaftsteuer unterliegt. Dies wurde bis zum 31. Dezember 2008 durch die bis dahin geltende regelmäßige Bewertung des Gesellschaftsanteils für erbschaftsteuerliche Zwecke mit dem Buchwert
1 BGH v. 20.9.1993 – II ZR 104/92, NJW 1993, 31, 93. 2 Vgl. dazu auch Baumbach/Hopt, § 131 Rz. 64, 69, 70. 3 Vgl. die Untersuchung von Hülsmann, NJW 2002, 1673 ff.
686
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 164 B XI
quasi neutralisiert (die Bemessungsgrundlage für die Schenkung geht bei ungefährer Übereinstimmung zwischen Abfindungszahlung und der besonderen erbschaftsteuerlichen Bewertung der Bereicherung gegen 0 Euro, hilfsweise unterhalb des Freibetrages). Dieses Verhältnis ändert sich mit den neuen Bewertungsgrundsätzen, die ab 2009 nunmehr annähernd den Verkehrswert erreichen, unter Umständen erheblich! (3) Fraglich ist, ob bei Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod eine für diesen Fall beschränkende Abfindungsklausel anders zu bewerten ist, als eine Abfindungsregelung für das lebzeitige Ausscheiden, so dass es entsprechend den Überlegungen, die für Abfindungsregelungen von Kapitalgesellschaften angestellt werden (Rz. 305 ff.), darauf ankommt, ob und in welcher Höhe die Gesellschafter ihren Erben eine Abfindung hinterlassen wollen.
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Für derartige Überlegungen spricht, dass die Rechtsprechung davon ausgeht, dass der völlige Ausschluss der Abfindung beim Tode eines Gesellschafters zulässig ist1. Die Rechtsfolgen einer gesellschaftsvertraglichen Klausel, mit der eine Abfindung vollständig ausgeschlossen wird, werden in Abhängigkeit von den Umständen unterschiedlich beurteilt. Gilt die Regelung für alle Gesellschafter, liegt keine Schenkung, sondern entgeltliches Rechtsgeschäft vor. Die Gegenleistung wird in der Chance eines jeden Gesellschafters zur Erhöhung seines Gesellschaftsanteils gesehen2. In der Klausel kann jedoch auch eine teilentgeltliche oder unentgeltliche Zuwendung liegen, wenn die persönlichen Umstände der Gesellschafter stark voneinander abweichen (z.B. sehr unterschiedliches Lebensalter, unheilbare Krankheit eines Beteiligten), so dass die eintretende Unausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung (Chance des Erwerbs beim sehr viel älteren Gesellschafter ist geringer) eine Teilentgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der mit dem Ausschluss der Abfindung bezweckten Zuwendung herbeiführt. Liegt Unentgeltlichkeit oder Teilentgeltlichkeit vor, handelt es sich um ein Schenkungsversprechen auf den Todesfall des Schenkers. Soweit durch den Gesellschaftsvertrag die gemäß § 2301 BGB bestimmte Form des Schenkungsversprechens nicht gewahrt wird, wird im vertraglich vereinbarten Ausschluss der Abfindung die Vollziehung der Schenkung gesehen, so dass der Formmangel gemäß § 518 Abs. 2 BGB geheilt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH kann nämlich eine vollzogene Schenkung auch dann vorliegen, wenn das Vollziehungsgeschäft unter einer Befristung oder Bedingung abgeschlossen ist. Der Schenker muss alles getan haben, was von seiner Seite zum Erwerb des Zuwendungsgegenstandes durch den Beschenkten erforderlich ist. Es genügt für den Vollzug der Schenkung unter einer Bedingung, dass für den
1 BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, 194; BGH v. 9.7.1968 – V ZR 80/66, BGHZ 50, 307; BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48, 56; BGH v. 14.7.1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338. 2 BGH v. 14.7.1971 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338.
Grieger
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B XI Rz. 165
Unternehmensnachfolge
Beschenkten ein dingliches Erwerbs- oder Anwartschaftsrecht begründet wurde, das bei Eintritt der Bedingung das Anwartschaftsrecht zwangsläufig zu einem Vollrecht erstarkt1. Diese Voraussetzungen sind bei einer Klausel, mit der die Gesellschafter im Todesfalle das entschädigungslose Anwachsen an die übrigen Gesellschafter vereinbaren, gegeben. Der Gesellschaftsanteil bzw. der Abfindungsanspruch fällt damit nicht in den Nachlass. 165
Ob im Zusammenhang mit der Ausschlussklausel z.B. Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen können, hängt ganz wesentlich davon ab, ob die Umstände auf ein entgeltliches Rechtsgeschäft oder auf eine Schenkung hindeuten. Ist eine Schenkung nicht auszuschließen, kommt es darauf an, ob die Frist ab „Vollzug“ zählt (Vereinbarung der Klausel) oder ab Erwerb.
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Beratungssituation: Herr E hat drei Kinder (A, B, C). Er hat sein Einzelunternehmen in eine OHG eingebracht, in die die Kinder A und B eingetreten sind. Im Gesellschaftsvertrag ist vereinbart, dass den Mitgesellschaftern der Geschäftsanteil des Herrn E im Falle seines Todes entschädigungslos anfallen soll.
Im vorliegenden Falle handelt es sich eindeutig um eine unentgeltliche Zuwendung. Der Gesellschaftsanteil geht bei Versterben des Herrn E am Nachlass vorbei unmittelbar auf A und B über. Das ist steuerlich und unternehmensorganisatorisch eine angemessene Lösung. Allerdings wird es darauf ankommen, ob Herr E in seinem Testament für einen angemessenen Ausgleich zugunsten des Kindes C gesorgt und was er bei Zuwendung seines Geschäftsanteils an A und B hinsichtlich der Anrechnung auf Erb- und Pflichtteil und eventueller Ausgleichspflichten angeordnet hat.
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Beratungshinweis: Klauseln, wie die vorstehende, sollten aus steuerlichen und unternehmerischen Überlegungen verwendet werden, nicht um den Versuch zu machen, Erb- oder Pflichtteilsansprüche anderer Kinder zu umgehen, da das erstens sehr unsicher ist und zweitens zu unnötigen Streitereien führt, die die Unternehmensnachfolge eher behindern als fördern.
b) Einfache Nachfolgeklausel 166
Soll die Gesellschaft beim Tode eines Gesellschafters mit allen Erben fortgesetzt werden, bedarf dies der ausdrücklichen Regelung im Gesellschaftsvertrag, sowohl bei der OHG als auch bei der GbR. Für die Kommanditbeteiligung tritt diese Folge kraft Gesetzes ein. Derartige Regelungen, die an die Nachfolge von Erben keine besonderen Anforderungen stellen oder die gezielte Nachfolge bestimmter Personen anstreben, werden als einfache Nachfolgeklausel bezeichnet.
1 BGH v. 25.5.1970 – III ZR 141/68, WM 1970, 1114; auch BGH v. 6.3.1970 – V ZR 57/67, WM 1970, 638.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 168 B XI
Formulierungsvorschlag Verstirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern mit den Erben fortgesetzt.
Ist eine solche Klausel vereinbart, folgt jeder Erbe nach, den der Erblasser zum Erben seines Gesellschaftsanteils einsetzt. Der Erblasser kann insofern allen Erben den Gesellschaftsanteil zuwenden oder durch Teilungsanordnung bestimmte Erben bedenken. Hat er ein Testament nicht errichtet, sind die gesetzlichen Erben zur Nachfolge berechtigt. Für die Gesellschaft ergibt sich daraus allerdings der Nachteil, dass sie jeden Eintretenden akzeptieren muss, notfalls auch eine große Zahl von Erben. Der Gesellschaftsanteil geht gesplittet nach Erbquoten im Wege der Sondererbfolge unmittelbar auf die Erben über (vgl. Rz. 152). Wurden die Gesellschaftsanteile einem oder mehreren Erben durch Teilungsanordnung zugewiesen, treten trotzdem alle Erben die Erbfolge im Wege der Sonderrechtsnachfolge an. Die durch Teilungsanordnung bedachten Erben haben dann einen Anspruch auf Übertragung der Teilgesellschaftsanteile gegen die Erben, denen keine Anteile zugewiesen wurden.1 Unberührt davon bleiben die Ansprüche der nicht bedachten Erben im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (z.B. Ausgleich eines Mehrempfangs durch den Erben, dem der Gesellschaftsanteil zufällt). Die Sondererbfolge beseitigt insoweit nicht die erbrechtlichen Grundsätze, wie ja auch der Gesellschaftsanteil trotz Sondererbfolge Teil des Nachlasses bleibt (Rz. 152). Auf die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter hat das keine Auswirkungen, da die Nachfolge für die vom Erblasser bestimmten Erben zulässig ist. Die durch den Erblasser ausgeschlossenen Erben haben nur Ausgleichsansprüche gegenüber den bedachten Erben, nicht gegenüber der Gesellschaft.
167
Der Erblasser kann über seinen Gesellschaftsanteil auch im Wege des Vermächtnisses bzw. Vorausvermächtnisses verfügen. In diesem Falle geht der Gesellschaftsanteil im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf die Erben über und der Vermächtnisnehmer hat einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung. Da es sich um eine rechtsgeschäftliche Übertragung handelt, bedarf diese der Zustimmung der übrigen Gesellschafter2. Allerdings ist die Zustimmung nicht erforderlich, wenn der Gesellschaftsvertrag auch die Nachfolge von Vermächtnisnehmern gestattet. Die vorgenannte Klausel könnte insofern wie folgt gefasst werden:
168
1 Palandt/Edenhofer, § 2048 Rz. 4. 2 BGH v. 20.11.1975 – III ZR 112/73, WM 1976, 251.
Grieger
689
B XI Rz. 169
Unternehmensnachfolge
Formulierungsbeispiel Verstirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern mit den Erben sowie den Vermächtnisnehmern fortgesetzt.
Im Gegensatz zu den Erben hat der Vermächtnisnehmer es in der Hand, ob er die Übertragung des Gesellschaftsanteils annehmen will oder nicht, so dass das Vermächtnis einem erbrechtlich begründeten Eintrittsrecht gleichkommt. Der Erblasser kann bei einem Vermächtnis auch einen Teilgesellschaftsanteil zuwenden, was allerdings eine weitere Zersplitterung des Gesellschaftsanteils zur Folge hat. 169
Die Erben folgen mit Anfall der Erbschaft automatisch in die Gesellschaft nach. Das gilt auch für Minderjährige, wobei die Nachfolge nicht der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf (wegen der besonderen Haftungsregelungen vgl. Rz. 61). In der Tat können die Erben bei einer Nachfolgeklausel die Nachfolge nur durch Ausschlagung der Erbschaft verhindern. Um die Lage der NachfolgerErben zu erleichtern, gewährt die gesetzliche Regelung gemäß § 139 HGB den Nachfolgern in eine OHG-Gesellschafterstellung oder als persönlich haftender Gesellschafter in eine Kommanditgesellschaft gemäß § 139 Abs. 1 HGB das Recht, ihr Verbleiben in der Gesellschaft von der Einräumung der Stellung eines Kommanditisten abhängig zu machen. Das Recht des Nachfolger-Erben zur Umwandlung ist zwingend ausgestaltet und darf vertraglich nicht ausgeschlossen werden (§ 139 Abs. 5 HGB). Im Übrigen kann jeder Miterbe das Wahlrecht einzeln und unabhängig von den übrigen Miterben ausüben. Wird ein Vorerbe Gesellschafter, ist er zur Ausübung des Umwandlungsrechts berechtigt. Der Nacherbe ist an seine Entscheidung gebunden.
170
Der Nachfolger-Erbe muss innerhalb von drei Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt der Kenntnis des Erbfalls (mindestens jedoch in der Ausschlagungsfrist), einen dahingehenden Antrag stellen (§ 139 Abs. 3 HGB). Wird dieser Antrag durch die übrigen Gesellschafter abgelehnt, kann der Nachfolger-Erbe sein fristloses Ausscheiden aus der Gesellschaft erklären oder als vollhaftender Gesellschafter in der Gesellschaft verbleiben.
171
Scheidet er aus der Gesellschaft aus, stehen ihm Abfindungsansprüche in dem im Gesellschaftsvertrag bestimmten Umfang zu. Dabei kann es von Bedeutung sein, dass er nicht „von Todes wegen“ ausscheidet, sondern sein Ausscheiden einer Kündigung aufgrund besonderer gesetzlicher Bestimmungen gleichsteht. Diese Gesetzeslage führt u.U. zu einem im Vorfeld nicht kontrollierbaren Ablauf der Nachfolge. Gesellschaftsvertrag und Testament sollten deshalb korrespondierende Bestimmungen treffen, um den Übergang der Beteiligung auf den oder die Nachfolger in planvoller Weise vollziehen zu können.
690
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 174 B XI
Soll die Umwandlung in eine Kommanditbeteiligung erleichtert werden, kann im Gesellschaftsvertrag die Zustimmung der übrigen Gesellschafter im Vorfeld erteilt werden (Umwandlungsklausel). Es handelt sich dann um einen Vertrag zugunsten Dritter, der dem Nachfolger-Erben das Recht einräumt, durch einfache Erklärung die Umwandlung zu vollziehen. Eine dahingehende Klausel könnte wie folgt formuliert werden:
172
Formulierungsbeispiel Verstirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern mit den Erben sowie den Vermächtnisnehmern fortgesetzt. Erben und Vermächtnisnehmer haben das Recht, durch schriftliche Erklärung gegenüber den übrigen Gesellschaftern innerhalb von drei Monaten, gerechnet vom Todestag des verstorbenen Gesellschafters, die Umwandlung ihrer ererbten Beteiligung in eine Kommanditbeteiligung zu vollziehen.
Die Frist im Formulierungsbeispiel ist kürzer als die gesetzliche Frist gemäß § 139 Abs. 5 HGB, die dort mit dem Zeitpunkt der Kenntnis des Anfalls der Erbschaft beginnt. Das ist jedoch zulässig, da es sich um ein vertraglich eingeräumtes Recht handelt. Sind sich Erblasser und übrige Gesellschafter einig, dass die Umwandlung unerwünscht ist, kann eine gesellschaftsvertragliche Regelung die Ausübung dieses Rechts durch die Nachfolger-Erben jedoch nicht verhindern (wegen § 139 Abs. 5 HGB). Allerdings könnte der Erblasser im Rahmen der letztwilligen Verfügung den Erben Beschränkungen hinsichtlich der Ausübung ihres Umwandlungsanspruches auferlegen (Auflage oder bedingte Erbeinsetzung), da § 139 Abs. 5 HGB nicht für erbrechtliche Verfügungen gilt. Die Folgen für die Nachfolger-Erben sind allerdings sehr hart, da sie sich in die Stellung eines persönlich haftenden Gesellschafters begeben müssen, wenn sie die Erbschaft nicht ausschlagen wollen.
173
Abgesehen davon, liegen die Verhältnisse in der Regel auch nicht so einfach, dass entweder die eine oder die andere jeweils entgegengesetzte Lösung infrage käme.
Û
Beratungssituation: Herr E ist mit zwei weiteren Gesellschaftern an der OHG X. beteiligt. Er hat drei Kinder A, B und C. Mit den beiden übrigen Gesellschaftern hat er sich geeinigt, dass im Erbfalle nur eines der Kinder in seine Stellung als persönlich haftender und geschäftsführender Gesellschafter eintritt. Den übrigen soll eine Kommanditbeteiligung eingeräumt werden. Das Bestimmungsrecht soll Herrn E zustehen.
Um die vereinbarte Nachfolgeregelung abzusichern, vereinbaren die Gesellschafter folgende Klausel:
Grieger
691
174
B XI Rz. 175
Unternehmensnachfolge
Formulierungsvorschlag Verstirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt. Jeweils ein Erbe soll persönlich haftender und geschäftsführender Gesellschafter werden, die übrigen Erben erhalten eine Kommanditbeteiligung. Das Auswahl- und Bestimmungsrecht steht dem jeweiligen Gesellschafter zu. Hat dieser eine Bestimmung unterlassen, kann diese durch die Erben getroffen werden (oder . . . soll durch die übrigen Gesellschafter getroffen werden).
Unterlässt der Erblasser die Benennung, kann diese zwar durch die Erben vorgenommen werden1, die beabsichtigte Gestaltung ist jedoch dann zu versagen, wenn kein Erbe bereit ist, persönlich haftender Gesellschafter zu werden. Das Gleiche gilt für das im vorstehenden Formulierungsvorschlag als Alternative vorgesehene Benennungsrecht der übrigen Gesellschafter. Es verstößt zwar nicht gegen § 2065 Abs. 2 BGB2, ist jedoch wegen § 139 Abs. 5 HGB wirkungslos, wenn der Erblasser in der letztwilligen Verfügung nicht für die Durchsetzung gesorgt hat3. Der Erblasser könnte den als persönlich haftenden Gesellschafter vorgesehenen Nachfolger mit der Auflage beschweren, von seinem Recht zur Umwandlung in eine Kommanditbeteiligung keinen Gebrauch zu machen.
Û
175
Beratungshinweis: Im Übrigen wird in dem hier verwendeten Beispiel wiederum deutlich, dass lebzeitige Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße Nachfolge am zweckmäßigsten sind. Der Erblasser könnte im vorstehenden Beispiel dem vorgesehenen vollhaftenden Nachfolger z.B. bereits eine Minimalbeteiligung als persönlich haftender Gesellschafter einräumen. Erbt er dann den Gesellschaftsanteil des Erblassers ganz oder teilweise, ist ihm die Ausübung des Wahlrechts in Bezug auf eine Kommanditistenstellung verwehrt, da jeder Gesellschafter immer nur einen einheitlichen Gesellschaftsanteil innehaben kann4.Im vorstehenden Beispiel ist mit Ausnahme des einzelnen Erben, der persönlich haftender Gesellschafter werden soll, vorgesehen, dass die übrigen Erben als Kommanditisten eintreten. Für diese Erben wird die Umwandlung automatisch vollzogen, es bedarf keiner besonderen Erklärung.
Der Gesellschaftsvertrag kann die Regelung von Einzelheiten in der Nachfolge vorsehen, z.B.:
1 Zur Ausübung des Bestimmungsrechts der Erben, selbst wenn diese nicht gesondert im Gesellschaftsvertrag oder Testament geregelt ist, vgl. BFH v. 23.6.1966, WM 1966, 1035. 2 Palandt/Edenhofer, § 2066 Rz. 5. 3 Vgl. dazu BGH in seiner Entscheidung v. 20.12.1962 – II ZR 209/60, ref. in BB 1963, 323. 4 Baumbach/Hopt, § 139 Rz. 8, 37.
692
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 177 B XI
– Ausschluss des Widerspruchsrechts bzw. Stimmrechts der Kommanditisten1; – Ausschluss der Nachfolger von der Geschäftsführung; – Beschränkungen oder Neuverteilung der Stimmrechte für einzelne Gesellschafter (z.B. zusätzliche Stimmrechte für einzelne Gesellschafter, sofern damit nicht das Verbot der Abspaltung der Stimmrechte umgangen wird)2; – Pflicht einer Mehrheit von Erben, einen gemeinsamen Vertreter zu benennen. c) Qualifizierte Nachfolgeklausel Haben die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass nur bestimmte Personen oder Personengruppen beim Tode eines Gesellschafters nachfolgen können, ist der Erblasser in seinen Verfügungsmöglichkeiten eingeschränkt. Er kann den Gesellschaftsanteil nur solchen Erben zuwenden, die diese Voraussetzungen erfüllen. Beachtet er diese Voraussetzungen nicht bei der Errichtung seines Testaments, läuft er Gefahr, dass seine Verfügung ins Leere geht, weil der Bedachte gesellschaftsrechtlich nicht nachfolgen kann.
176
Wendet der Erblasser den Gesellschaftsanteil vertragsgemäß den zugelassenen Personen zu, erwerben diese den Anteil unmittelbar dinglich in Sondererbfolge, auch bei einer Mehrheit von Erben3. Die Zuweisung des Gesellschaftsanteils zu einem von mehreren Erben ist in diesem Falle keine Teilungsanordnung, da der Gesellschaftsanteil bei Eintritt des Erbfalls unmittelbar dinglich auf den bestimmten Erben übergeht. Für den Erwerb durch den allein Berechtigten bedarf es insofern keiner Mitwirkung der übrigen Miterben4. Allerdings gehört der Gesellschaftsanteil auch bei Sonderrechtsnachfolge des qualifizierten Nachfolgers zum Nachlass, insofern gilt das Gleiche wie bei der Sondererbfolge von Erben in Gesellschaftsanteile generell (vgl. Rz. 152). Entspricht nur einer von mehreren Erben, denen der Erblasser die Beteiligung zugewandt hat, den Voraussetzungen des Gesellschaftsvertrags für die Nachfolge, soll nach Auffassung des BGH dieser in den gesamten Gesellschaftsanteil nachfolgen, nicht nur hinsichtlich des auf ihn nach dem Testament entfallenden Bruchteils5.
1 Dazu Baumbach/Hopt, § 164 Rz. 6 m.w.N. 2 Dazu BGH v. 22.2.1960 – VII ZR 83/59, NJW 1960, 963; BGH v. 10.11.1951 – II ZR 111/50, BGHZ 3, 357. 3 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung von diesem Grundsatz aus; vgl. BGH v. 4.5.1983 – IVa ZR 229/81, NJW 1983, 2376; vgl. Palandt/Edenhofer, § 1922 Rz. 17, 18. 4 Vgl. die plastische Formulierung von K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1341: „Die qualifizierte Nachfolgeklausel wirkt wie eine dinglich wirkende Teilungsanordnung.“. 5 BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225; anders noch im Grundsatz BGH v. 22.11.1956 – II ZR 222/55, BGHZ 22, 186.
Grieger
693
177
B XI Rz. 178
Û
Unternehmensnachfolge
Beratungssituation: Im Gesellschaftsvertrag einer OHG, die eine Elektroinstallationsfirma betreibt, ist vorgesehen, dass nur Erben nachfolgen können, die eine elektrotechnische Fachausbildung oder eine betriebswirtschaftliche Ausbildung durchlaufen haben. Herr E hinterlässt zwei Kinder, die er je zur Hälfte als Erben eingesetzt hat. Der Sohn A ist Elektroinstallateur und hat eine Monteurprüfung abgelehnt, die Tochter B ist Lehrerin.
Nachfolgen könnte der Sohn A, die Erbeinsetzung der Tochter B geht ins Leere. Der Sohn A tritt in die volle Gesellschafterstellung seines Vaters ein, d.h. der Gesellschaftsanteil geht im gesamten Umfang mit unmittelbarer dinglicher Wirkung auf ihn über. Wird ein nachfolgeberechtigter Erbe aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel Gesellschafter, steht den Erben, die von der Nachfolge ausgeschlossen sind, kein Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft zu, auch wenn sie vom Erblasser in Verkennung der Rechtslage als Erben des Gesellschaftsanteils eingesetzt wurden. Insofern fällt dem nachfolgeberechtigten Erben nicht nur das Recht auf Mitgliedschaft in der Gesellschaft, sondern auch der damit verbundene Vermögenswert zu. Nach der vorzitierten Entscheidung des BGH fällt allerdings bei negativem Kapitalkonto aufgrund einer Überentnahme des Erblassers die Verpflichtung zur Erfüllung des dadurch begründeten Rückzahlungsanspruches der Gesellschaft als Erblasserschuld in den Nachlass und muss insoweit durch die Erben erfüllt werden. Fällt dem zugelassenen Nachfolger der Wert des Gesellschaftsanteils nach dieser Rechtslage vollständig zu, bleiben die erbrechtlichen Ausgleichsansprüche anderer Miterben davon unberührt. Übersteigt dessen Wert die Erbquote des Nachfolgers, ist dieser in Höhe der Differenz zur Abfindung seiner Miterben verpflichtet. Der Erblasser kann eine derartige Abfindungsverpflichtung durch ein Vorausvermächtnis in Höhe des übersteigenden Wertes zugunsten des Nachfolgers verhindern (vgl. Rz. 141). 178
Im schlimmsten Fall kann allerdings die Erbeinsetzung völlig von der gesellschaftsrechtlichen Regelung abweichen.
Û
Beratungssituation: Im Gesellschaftsvertrag ist vorgesehen, dass beim Tode eines Gesellschafters nur dessen Abkömmlinge in die Gesellschaft nachfolgen können. Der Erblasser und seine Ehefrau haben sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt. Der Sohn A ist Schlusserbe.
Im vorliegenden Falle scheitert die Nachfolge, da die Erbin nicht in die Gesellschaft nachfolgen kann. Demgemäß würde der verstorbene Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden, so dass diese verpflichtet wäre, eine Abfindung an die Erbin zu zahlen, wenn das durch Gesellschaftsvertrag nicht aus-
694
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 179 B XI
geschlossen ist. Auf diese Weise wäre die Gesellschaft u.U. mit plötzlichen und unerwarteten Abfindungszahlungen belastet. Der BGH hat bei ähnlichen Sachverhalten entschieden, zugunsten des gesellschaftsrechtlich Berechtigten, jedoch erbrechtlich ausgeschlossenen Nachfolgers eine Eintrittsklausel anzunehmen, die diesem nach eigener Entscheidung das Recht einräumt, in die Gesellschaft einzutreten1, wobei eine angemessene Frist für seinen Eintritt zu setzen wäre. Allerdings gelten dafür bestimmte Voraussetzungen, u.a. dass dem zur Nachfolge Berufenen der Vermögenswert der Beteiligung zur Verfügung steht. Das wäre in unserem Beispiel zum Mindesten zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht gewährleistet. Ob darin eine conditio sine qua non für das Eintrittsrecht zu sehen ist, ist nach der Entscheidung des BGH nicht ganz klar. Der BGH hat zwar die Möglichkeit erwähnt, dass der Berechtigte die Einlage in Höhe der Gesellschaftsbeteiligung ja auch selbst erbringen kann, hat das aber wegen der Nichtrelevanz für den entschiedenen Fall nicht weiter behandelt, aber auch nicht ausgeschlossen, so dass wohl auch von einem Eintrittsrecht auszugehen ist, wenn dem gesellschaftsrechtlich designierten Nachfolger die Abfindungsansprüche nicht zur Verfügung stehen. In der Tat könnte eine solche Handhabung in derartigen Fällen zu einer praktischen Lösung führen, vorausgesetzt sie ist für den Nachfolger wirtschaftlich tragbar. Zweckmäßig wäre es im vorliegenden Beispiel, dass sich der Sohn wegen der Abfindung direkt mit der Mutter auseinander setzt, um die aufwändige Auseinandersetzung der Mutter mit der Gesellschaft zu vermeiden. Die Mutter könnte dann die Abfindungsansprüche gegen die Gesellschaft gegen Entgelt an den Sohn abtreten. Sinnvoll könnte es auch sein, wenn der Sohn der Mutter anstelle der Abfindung eine Unterbeteiligung an seinem Gesellschaftsanteil einräumt, und zwar in einem Umfang, der ihm einen Anteil am Gewinn belässt, mit dem seine Mitarbeit in der Gesellschaft angemessen vergütet wird. Im Innenverhältnis zwischen Haupt- und Unterbeteiligtem könnte vereinbart werden, dass beim Tode der Unterbeteiligten diese aus der Innengesellschaft ausscheidet und die Unterbeteiligung dem Hauptbeteiligten ohne Entschädigung anwächst. Gesellschaftsvertragliche Ersatzlösungen für den Fall einer erbrechtlich völlig fehlgeschlagenen Regelung sind natürlich ebenfalls möglich. Denkbar ist z.B., dass den im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Nachfolgern, die nicht Erben des Gesellschaftsanteils geworden sind, durch eine gesellschaftsrechtliche Bestimmung ein Eintrittsrecht eingeräumt wird. Allerdings würde der Nachfolger, da ihm der Vermögenswert, also der Abfindungsanspruch, erbrechtlich nicht zugewandt wurde, eine Einlage in Höhe der Beteiligung des Erblassers zu erbringen haben, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag Abfindungsansprüche nicht nachfolgeberechtigter Erben ausschließt, so dass dem Nachfolger dieser Vermögenswert bei Eintritt zufallen würde. Eine solche Regelung entzieht zwar dem Erblasser die Dispositionsbefugnis über einen Vermögenswert, das ist jedoch auch bei einer Fortsetzungsklausel ohne Abfindung der Erben der Fall (vgl. Rz. 156 ff.). 1 BGH v. 29.9.1977 – II ZR 214/75, NJW 1978, 264.
Grieger
695
179
B XI Rz. 180
Unternehmensnachfolge
Formulierungsvorschlag Verstirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft mit den direkten Abkömmlingen des Erblassers unter Ausschluss von Enkeln oder entfernteren Abkömmlingen fortgesetzt. Sind die Berechtigten nicht Erben des Gesellschaftsanteils und ist ihnen dieser auch nicht in anderer Weise, z.B. als Vermächtnis, zugewandt worden, haben die vorgenannten Nachfolger unter Ausschluss des Abfindungsrechts der Erben das Recht, innerhalb von drei Monaten nach dem Tod des Gesellschafters in die Gesellschaft einzutreten. Üben mehrere Berechtigte das Eintrittsrecht aus, fällt ihnen der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters zu gleichen Teilen zu. Wird innerhalb der vorgesehenen Frist eine Eintrittserklärung nicht abgegeben, setzen die verbleibenden Gesellschafter die Gesellschaft unter Ausschluss der Abfindung der Erben die Gesellschaft fort.
Wenn eine derartige Regelung in Bezug auf eine vom Erblasser dann vielleicht tatsächlich abweichend vorgenommene Verfügung eingreift, widerspricht dies nicht den erblichen Grundsätzen der Testierfreiheit, da die Gesellschafter berechtigt sind, zu Lebzeiten Vereinbarungen zu treffen, die sie hinsichtlich der fraglichen Gesellschafts- und Vermögensrechte binden (dazu auch Rz. 163 ff.). 180
Auch der „qualifizierte“ Nachfolger kann von dem in § 139 Abs. 1 HGB vorgesehenen Recht Gebrauch machen und den Antrag stellen, als Kommanditist in die Gesellschaft einzutreten. Da der Gesellschaftsvertrag wegen der zwingenden Geltung dieses Rechts (§ 139 Abs. 5 HGB) den Nachfolger in der Ausübung seines Umwandlungsrechts nicht beschränken darf, kann nur der Erblasser durch letztwillige Verfügung die Nachfolge als persönlich haftender Gesellschafter sicherstellen. d) Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel
Û
Beratungssituation: Herr E ist Gesellschafter einer OHG und möchte sicherstellen, dass sein Enkel D bei seinem Tode in die Gesellschaft nachfolgt. D arbeitet bereits in der Gesellschaft mit. Die übrigen Gesellschafter sind mit einer Nachfolge des D einverstanden. D ist im Testament nur als Ersatzerbe nach seinem Vater eingesetzt. Um die Erbfolge für den übrigen Nachlass nicht zu belasten, möchte er im Einverständnis mit den übrigen Gesellschaftern eine Regelung treffen, die dem D außerhalb des Erbrechts die Nachfolge in die Gesellschaft sichert.
181
aa) Um einem Dritten, der nicht Erbe ist, die Nachfolge zu ermöglichen, kann dies durch eine rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel bewirkt werden, mit der die Gesellschafter vereinbaren, dass bei Versterben des Gesellschafters der Dritte unmittelbar mit dinglicher Wirkung in die Gesellschafterstellung des E einrückt. Diese Lösung könnte auch im Ausgangsbeispiel zum Ziel führen.
696
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 183 B XI
Wird die rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel nur einseitig zwischen den Gesellschaftern vereinbart, ohne dass der Begünstigte mitwirkt, scheitert die Nachfolge allerdings an der Nichtigkeit der Vereinbarung, da eine Verfügung zugunsten Dritter als unzulässig angesehen wird1. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Klausel ist die Mitwirkung des Begünstigten zu Lebzeiten des Erblassers. Dieser muss die Verfügung annehmen, sei es durch Mitunterzeichnung des Gesellschaftsvertrags, sei es durch besondere Erklärung. Ist der vorgesehene Nachfolger bereits an der Gesellschaft beteiligt, wirkt er als Gesellschafter an der Übertragung mit und erteilt insoweit seine Zustimmung. Sofern die rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel als wirksam anzusehen ist, liegt eine aufschiebend bedingte Anteilsübertragung unter Lebenden auf den Todesfall vor. Der Formmangel der Übertragung (gem. § 2301 BGB) ist durch die Vollziehung (§ 518 Abs. 2 BGB) geheilt (vgl. Rz. 164). Mit der Übertragung des Gesellschaftsanteils gehen auch die mit der Mitgliedschaft des Gesellschafters verbundenen Vermögenswerte auf den Erwerber über, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag sieht etwas Anderes vor. Hat der Gesellschafter in seinem Testament über die Vermögenswerte in Gestalt der Abfindung anders verfügt und diese z.B. den Erben zugewandt, geht diese Verfügung ins Leere, da er bereits lebzeitig durch die rechtsgeschäftliche Nachfolge anderweitige Verfügungen getroffen hat. Der rechtsgeschäftlich bestimmte Nachfolger erwirbt den Gesellschaftsanteil unmittelbar mit dinglicher Wirkung beim Tode des Gesellschafters, so dass die Beteiligung am Nachlass vorbeigeleitet wird. Gehört der Nachfolger zum Kreis der Ausgleichsverpflichteten gemäß §§ 2050 ff. BGB, können sich daraus Ansprüche der übrigen Erben ergeben. Ansonsten ist die Einbeziehung des Gesellschaftsanteils in die Berechnung eines eventuellen Pflichtteilsergänzungsanspruches möglich.
182
Die rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel könnte wie folgt formuliert werden:
183
Formulierungsvorschlag (Beim Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt.)2 Beim Tod des Gesellschafters A geht dessen Beteiligung einschließlich des damit verbundenen Kapitalanteils sowie aller Forderungen und Verbindlichkeiten auf seinen Sohn B über, der diesen Vertrag als künftiger Gesellschafter neben den anderen Gesellschaftern zwecks Begründung der Anwartschaft auf unmittelbaren und automatischen Übergang der Beteiligung auf ihn beim Tode seines Vaters kraft Rechtsgeschäft unter Lebenden mitunterzeichnet. Den Erben des A stehen keine Abfindungsansprüche gegen die Gesellschaft zu.
1 U.a. BGH v. 10.2.1977 – II ZR 120/75, BGHZ 68, 225; MüKo/Ulmer, § 727 Rz. 50; Brox, Erbrecht, Rz. 787. 2 Text in der Klammer ist nur bei BGB-Gesellschaft erforderlich.
Grieger
697
B XI Rz. 184 184
Unternehmensnachfolge
bb) Ist die rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel nicht klar genug formuliert oder fehlt es an der Annahmeerklärung des Begünstigten, kann sie in eine Eintrittsklausel (vgl. Rz. 186 ff.) oder – sofern der im Gesellschaftsvertrag benannte Nachfolger auch Erbe ist – in eine qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel (vgl. Rz. 176 ff.) umgedeutet werden. Die rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel kann die jeweils gewünschte Ersatzvariante selbst bestimmen. Das ist unter Umständen dann durchaus zweckmäßig, wenn die unmittelbare Mitwirkung bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrags nicht möglich ist.
Formulierungsbeispiel Verstirbt der Gesellschafter A, geht der Gesellschaftsanteil einschließlich des Kapitalanteils sowie aller Forderungen und Verbindlichkeiten auf dessen Sohn B über, der durch Unterzeichnung dieses Gesellschaftsvertrags die Übertragung kraft Rechtsgeschäft annehmen kann. Ist die Annahme erfolgt, erwirbt er eine Anwartschaft auf unmittelbaren und automatischen Übergang der Beteiligung beim Tode seines Vaters. Ein Abfindungsanspruch der Erben des Gesellschafters ist in diesem Falle ausgeschlossen. Ist die Annahme der Übertragung durch den B nicht zu Lebzeiten des Gesellschafters A erfolgt, steht dem B das Recht zu, innerhalb von drei Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt des Todes des Gesellschafters A, in die Gesellschaft einzutreten. Macht B von diesem Recht fristgerecht Gebrauch, gilt hinsichtlich der mit dem Gesellschaftsanteil verbundenen Vermögenswerte das Vorstehende. Tritt er nicht in die Gesellschaft ein, setzen die übrigen Gesellschafter die Gesellschaft (unter Ausschluss eines Abfindungsanspruches der Erben) fort.
Der in Klammern gesetzte Wortlaut, wenn er denn von den Gesellschaftern gewünscht wird, führt zu einer Fortsetzungsklausel mit Abfindungsausschluss der Erben (vgl. Rz. 156). Die Gesellschafter können auf diese Formulierung jedoch auch verzichten, so dass dann die Erben einen Abfindungsanspruch geltend machen können (dazu Rz. 159). 185
Û
698
Beratungshinweis: Nachfolger, die aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Nachfolgeklausel in die Gesellschaft eintreten, können die gemäß § 139 Abs. 1 HGB gewährten Rechte nicht geltend machen, da diese nur den Erben zustehen. Die rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel bietet insofern eine Möglichkeit, diese Rechte des Nachfolgers auch durch Gesellschaftsvertrag zu umgehen. Der Nachfolger folgt bei den vorgenannten Formulierungsbeispielen in die Rechtsposition des verstorbenen Gesellschafters nach. War dieser persönlich haftender Gesellschafter, wird es auch der Nachfolger; Entsprechendes gilt, wenn der Vorgänger Kommanditist war. Die Formulierung der Klausel kann aber auch so gewählt werden, dass durch Angabe einer bestimmten Rechtsstellung (also persönlich haftenGrieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 188 B XI
der Gesellschafter oder Kommanditist) eine andere Rechtsstellung als die des verstorbenen Gesellschafters vorbestimmt wird. e) Eintrittsklausel
Û
Beratungssituation: Herr E ist Gesellschafter der X OHG. Da sein Sohn A aufgrund seiner beruflichen Entwicklung als Nachfolger infrage kommt, möchte er diesem das Recht einräumen, in die Gesellschaft nachzufolgen, ohne einen Zwang auf seinen Sohn auszuüben, in die Gesellschaft nachzufolgen oder die Erbschaft auszuschlagen, wie das bei der normalen Nachfolgeklausel der Fall wäre.
aa) Wie bereits in Rz. 184 als Ersatzlösung erwähnt, kann durch Gesellschaftsvertrag auch einer Person das Recht eingeräumt werden, beim Tode eines Gesellschafters in die Gesellschaft nachzufolgen. Anders als bei der Nachfolgeklausel vollzieht sich der Erwerb des Gesellschaftsanteils des verstorbenen Gesellschafters nicht unmittelbar mit dinglicher Wirkung, sondern der Begünstigte erwirbt das Recht, durch Aufnahmevertrag oder durch einseitige Gestaltungserklärung (je nach Formulierung dieses Rechts) in die Gesellschaft einzutreten.
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Das Gesamtgeschäft setzt sich insofern aus einem schuldrechtlichen und vollziehenden Teil zusammen. Der schuldrechtliche Teil besteht aus der gesellschaftsvertraglichen Klausel und ist regelmäßig – da ohne Mitwirkung des Berechtigten vereinbart – ein Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall. Gemäß § 331 BGB steht dem Eintrittsberechtigten das Recht im Zweifel erst mit dem Tode des Gesellschafters zu, so dass bis dahin die Gesellschafter ohne Zustimmung des Berechtigten die Klausel aufheben können. Schuldrechtlich wird auch bestimmt, wie der Rechtserwerb dinglich durchgeführt werden soll, (also wie oben festgestellt, durch einseitige Gestaltungserklärung des Berechtigten in der Regel innerhalb einer bestimmten Frist oder durch Abschluss eines Aufnahmevertrags). bb) Eintrittsberechtigt kann sowohl ein Erbe sein (wie möglicherweise in unserem Ausgangsbeispiel) als auch ein Dritter, der nicht Erbe ist und auch nicht zum Kreis der gesetzlich Erbberechtigten gehört.
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Die Person des Eintrittsberechtigten kann sich unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, entweder durch namentliche Benennung („beim Tod des Gesellschafters E hat Herr A das Recht, in die Gesellschaft einzutreten“) oder durch eine von Namen abstrahierende Definition („ältester Sohn des E“, „Abkömmlinge mit einer Qualifikation als . . .“). Es genügt auch eine Regelung, wonach der Eintrittsberechtigte von den Erben, Mitgesellschaftern oder Dritten (z.B. Testamentsvollstrecker) zu bestimmen ist. Das Drittbestimmungsverbot aus § 2065 Abs. 2 BGB gilt bei der Eintrittsklausel nicht, da es sich um einen rechtsgeschäftlichen Übergang handelt und somit ein erbrechtlicher Verfügungstatbestand nicht erforderlich ist.
Grieger
699
188
B XI Rz. 189
Unternehmensnachfolge
Ferner kann sich der Erblasser vorbehalten, die Person durch letztwillige Verfügung festzulegen oder die Eintrittsberechtigung an bestimmte Voraussetzungen (Qualifikationen) zu knüpfen. Insoweit bestehen vielfältige, den individuellen Bedürfnissen der Gesellschafter gerecht werdende Gestaltungsmöglichkeiten. Die Art und Weise des Vollzuges (s. vorne) sollte allerdings ausdrücklich geregelt werden. 189
Û
190
Unterlässt es der Gesellschaftsvertrag, eine Frist für die Abgabe der Erklärung zu bestimmen, ist von einer angemessenen Frist auszugehen.
Beratungshinweis: Der Gesellschafter, dessen Nachfolge geregelt wird (also z.B. Herr E in unserem Ausgangsbeispiel), muss daran interessiert sein, dass der Eintrittsberechtigte sein Recht auch ohne Mitwirkung der übrigen Gesellschafter ausüben kann, da dieser sonst von deren Handlungen abhängt und notfalls seinen Anspruch gerichtlich durchsetzen muss. Demgemäß ist die Vollziehung durch einseitige Gestaltungserklärung innerhalb einer bestimmten Frist, die unmittelbar die Mitgliedschaft in der Gesellschaft herbeiführt, wohl vorzuziehen, unabhängig davon, dass die Gesellschafter und der Eintretende Einzelheiten dann noch durch entsprechende Vereinbarungen regeln können. Wird die Entstehung der Mitgliedschaft dagegen an den Abschluss eines Aufnahmevertrags gebunden, besteht das Recht des Begünstigten aus einem Anspruch auf Abschluss eines derartigen Aufnahmevertrags.
Der Gesellschaftsvertrag kann eine Pflicht zum Eintritt nicht bestimmen, da dies ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter wäre, abgesehen davon, dass das auch sinnwidrig wäre, da ja gerade das Ziel der Eintrittsklausel die Schaffung eines Rechts ist, das dem Begünstigten die Entscheidung vorbehält. Der Erblasser kann natürlich durch letztwillige Verfügung (z.B. durch eine Auflage oder bedingte Erbeinsetzung) einen Zwang zur Ausübung des Eintrittsrechts ausüben, aber das wird in der Regel gerade nicht gewollt sein, wie z.B. bei der Motivlage wie im Ausgangsbeispiel. In der Tat wäre bei der strikten Zielstellung des Erblassers, dass der Erbe nachfolgt, die Vereinbarung einer Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag wohl die zweckmäßigere Lösung. 191
Ist der Eintrittsberechtigte minderjährig, bedarf die Abgabe der Eintrittserklärung bzw. der Aufnahmevertrag gemäß §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 3 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Sofern ein Elternteil Mitgesellschafter ist, ist wegen § 1795 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen.
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cc) Im Gesellschaftsvertrag sollte auch die künftige Rechtsstellung des Eintrittsberechtigen (persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist) geregelt werden. Die Bestimmung des Gesellschaftsvertrags dazu ist bei Ausübung des Eintrittsrechts für den Berechtigten bindend, da ihm die Rechte gemäß § 139 Abs. 1 HGB nicht zustehen. Soll der Berechtigte Kommanditist werden, ist der Eintritt im Hinblick auf § 176 Abs. 2 HGB aufschiebend bedingt auf die Registereintragung zu vollziehen. 700
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 195 B XI
dd) Bei der Eintrittsklausel wird die Mitgliedschaft in der Gesellschaft am Nachlass vorbeigeführt. Ob das auch für die mit der Mitgliedschaft verbundenen Vermögenswerte (Kapitalanteil, Forderungen, Verbindlichkeiten) gilt, hängt von den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags oder des Testaments zum Abfindungsanspruch ab.
193
Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen zum Abfindungsanspruch, fällt dieser in den Nachlass. Ist der Eintrittsberechtigte zwar Erbe, ist ihm aber der Abfindungsanspruch nicht gesondert zugewandt worden, muss er sich mit seinen Miterben auseinander setzen, um diesen Anspruch zu erlangen, wobei ohnehin bei erbrechtlicher Zuwendung des Eintrittsrechts wohl davon auszugehen ist, dass im Wege einer Teilungsanordnung auch der mit dem Gesellschaftsanteil verbundene Vermögenswert dem Berechtigten zufällt (u.U. auflösend bedingt durch Ausübung des Eintrittsrechts)1. Tritt der Berechtigte in die Gesellschaft ein, verwandelt sich der Abfindungsanspruch dann in einen Kapitalanteil zurück. Ist der Berechtigte überhaupt nicht Erbe und sind im Gesellschaftsvertrag keine Regelungen zum Kapitalanteil getroffen worden, erwirbt der Berechtigte die Mitgliedschaft ohne die damit verbundenen Vermögenswerte. Er muss dann eine Einlage erbringen, die der Höhe seines Anteils entspricht oder – falls der Abfindungsanspruch in den Nachlass gefallen ist – von den Erben den Abfindungsanspruch erwerben, um ihn wiederum in einen Kapitalanteil zu verwandeln. Die Einräumung des Eintrittsrechts hat allerdings nur praktischen Sinn, wenn dem Berechtigten auch zugleich die Vermögenswerte der Beteiligung zur Verfügung stehen2. Nach Auffassung des BGH kann dies in zweifacher Hinsicht erfolgen:
194
– Dem Berechtigten wird der Abfindungsanspruch durch Vermächtnis oder Erbeinsetzung zugewandt. – Im Gesellschaftsvertrag wird ein Abfindungsanspruch der Erben ausgeschlossen; die übrigen Gesellschafter, denen dann der Kapitalanteil anwächst, halten diesen Kapitalanteil treuhänderisch für den Berechtigten, um ihn dann bei Eintritt auf diesen zu übertragen3 (Treuhandlösung). Diese Übertragungsverpflichtung sollte ausdrücklich geregelt werden. Bei der Zuwendung handelt es sich um eine Schenkung unter Lebenden auf den Todesfall. Da der betreffende Gesellschafter die Schenkung zu Lebzeiten vollzogen hat, ist ein eventueller Formmangel gemäß § 518 Abs. 2 BGB geheilt (vgl. Rz. 164)4.
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Beratungssituation: Herr E ist Gesellschafter der X-OHG. Im Gesellschaftsvertrag ist vorgesehen, dass dem vom Gesellschafter für den Fall seines Todes bestimmten Nachfolger ein Eintrittsrecht zustehen soll. Der
1 Vgl. auch die Entscheidung des BGH v. 25.5.1987 – II ZR 195/86, WM 1987, 981, allerdings bei einem anderen Sachverhalt. 2 BGH v. 29.9.1977 – II ZR 214/75, NJW 1978, 261. 3 BGH v. 29.9.1977 – II ZR 214/75, NJW 1978, 261. 4 Dazu auch BGH v. 9.11.1966 – VIII ZR 73/64, BGHZ 46, 198.
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701
195
B XI Rz. 195
Unternehmensnachfolge
Gesellschaftsvertrag enthält keine besonderen Bestimmungen über die Abfindung. Herr E möchte das Eintrittsrecht nebst Kapitalanteil seinem Neffen K zuwenden. Bei Errichtung des Testaments könnte Herr E folgende Verfügung treffen:
Formulierungsvorschlag Mein Neffe K ist bei meinem Tode berechtigt, als mein Nachfolger gemäß den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags in die X-OHG einzutreten. Für den Fall, dass er von seinem Eintrittsrecht Gebrauch macht, wende ich ihm meinen Kapitalanteil mit allen Ansprüchen, Forderungen und Verbindlichkeiten als Vermächtnis zu.
Die Eintrittsklausel könnte wie folgt formuliert werden:
Formulierungsbeispiel Jeder Gesellschafter kann für seinen Todesfall eine Person bestimmen, die berechtigt ist, als Nachfolger in die Gesellschaft einzutreten. Der Berechtigte kann innerhalb von drei Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt des Todes des Gesellschafters, eine Erklärung über seinen Eintritt abgeben. Wird eine derartige Erklärung abgegeben, ist der Berechtigte vom Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung bei allen Gesellschaftern Gesellschafter und tritt in die Rechte und Pflichten des verstorbenen Gesellschafters mit Ausnahme höchstpersönlicher Rechte ein. Hat der verstorbene Gesellschafter keine Bestimmung eines Nachfolgers vorgenommen, kann dies durch die Erben erfolgen. Der Berechtigte muss in diesem Falle bei Abgabe seiner Erklärung die Bestimmung durch die Erben schriftlich nachweisen. Im Übrigen verbleibt es bei der vorgenannten Erklärungsfrist. Ein Abfindungsanspruch der Erben ist ausgeschlossen. Macht der Begünstigte von seinem Eintrittsrecht Gebrauch, sind die Gesellschafter verpflichtet, ihm den Kapitalanteil des verstorbenen Gesellschafters mit den Forderungen und Verbindlichkeiten unentgeltlich zu übertragen. Wird eine Erklärung durch den Berechtigten nicht innerhalb der vorgegebenen Frist abgegeben, setzen die übrigen Gesellschafter die Gesellschaft fort. Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft, die diesem als Drittgläubiger zustanden, stehen den Erben zu.
Im vorstehenden Formulierungsbeispiel führt der Nichteintritt des Berechtigten für die übrigen Gesellschafter zu einer Lage, die der Fortsetzungsklausel mit Erwerb der Vermögenswerte, die mit dem Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters verbunden sind, entspricht (vgl. Rz. 163). Soll das ver702
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Unternehmensnachfolge
Rz. 197 B XI
mieden werden, ist eine Regelung aufzunehmen, wonach die verbleibenden Gesellschafter den Erben eine Abfindung schulden. Allerdings hängt die Gesellschaft in Bezug auf die Belastung mit Abfindungsansprüchen dann vollständig von der Entscheidung des Berechtigten ab. Insofern sollten die Gesellschafter eine derartige Regelung sehr wohl abwägen. f) Vor- und Nacherbschaft bei erbrechtlichen Nachfolgeklauseln aa) Wird eine Personengesellschaft beim Tode eines Gesellschafters mit den Erben fortgesetzt, so sind mangels abweichender Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags Erben i.S. des Gesellschaftsvertrags auch Vor- und Nacherben1. Eine Nachfolgeklausel gilt insofern sowohl für den Vor- als auch für den Nacherben, wenn beide die Voraussetzungen erfüllen. Von ausschlaggebender Bedeutung ist es, dass die Gesellschafterstellung vererblich ist, so dass nur erbrechtliche Nachfolgeklauseln die Gesellschafterstellung des Vor- und Nacherben sichern können.
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Scheitert die Nachfolge des Vorerben, weil er die gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen nicht erfüllt, so kann die Nachfolgeklausel im Wege ergänzender Vertragsauslegung in eine Eintrittsklausel des Nacherben umzudeuten sein2. Das wird allerdings nur in besonderen Fallgestaltungen durchführbar sein, wie in dem vorzitierten Urteil des BGH. Die besondere Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass bei der Begründung eines Eintrittsrechts für den Nacherben diesem die mit der Mitgliedschaft verbundenen Vermögenswerte nicht zustehen, da diese aufgrund der letztwilligen Verfügung dem Vorerben zufallen. Dieser hätte demnach Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben und auf laufende Gewinne.
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In der vorzitierten BGH-Entscheidung ging es um ein aufschiebend bedingtes Vermächtnis hinsichtlich des Gesellschaftsanteils zugunsten des nachfolgeberechtigten Vermächtnisnehmers. Der BGH hat aufgrund der besonderen Fallkonstellation die Lücke der letztwilligen Verfügung und der Vertragsgestaltung dahingehend ausgefüllt, dass das Vermächtnis bereits vor Eintritt der Bedingung dem Vermächtnisnehmer anfällt, so dass er bei Eintritt in die Gesellschaft auch den Abfindungsanspruch der Vorerben einbringt, den dieser verpflichtet war, ihm abzutreten. Ob diese Entscheidung verallgemeinert werden kann, ist fraglich, insbesondere, weil der Abfindungsanspruch dem Vorerben nicht ohne weiteres entzogen werden kann. Wenn jedoch – wie in der vorzitierten BGH-Entscheidung – ein Eintrittsrecht des Nacherben angenommen werden kann, entspräche es der Interessenlage der Beteiligten (einschließlich der Gesellschaft), wenn der Vorerbe bei Ausübung des Eintrittsrechts durch den Nacherben gehindert wäre, den Anspruch auf Auseinandersetzungsguthaben geltend zu machen, so dass dieser (allerdings mit Ausnahme laufender Gewinne) mit der Mitgliedschaft des Nacherben verhaftet bleibt, weil einerseits der Vermögenswert beim Vor1 BGH v. 25.5.1977 – IV ZR 15/76, BGHZ 69, 47. 2 BGH v. 29.9.1977 – II ZR 214/75, NJW 1978, 264.
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B XI Rz. 198
Unternehmensnachfolge
erben ohnehin als Substanz des Nachlasses des Erblassers erhalten werden muss, andererseits ohne diese Verfügungsbeschränkung des Vorerben die Nacherbenfolge nicht gesichert werden kann. Der Vorerbe hätte allerdings Anspruch auf die laufenden Gewinne (vergleichbar mit der Rechtsstellung des Nießbrauchsinhabers). Scheidet der Nacherbe aus der Gesellschaft aus, fiele ein eventuelles Auseinandersetzungsguthaben allerdings dem Vorerben zu. Der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben ginge erst im Nacherbenfall auf den Nacherben über. Eine derartige Lösung wäre allerdings für alle Beteiligten unpraktisch und hätte schwer übersehbare rechtliche Komplikationen zur Folge. Die erste Frage wäre bereits, ob der Nacherbe unter diesen Umständen überhaupt bereit ist, in die Gesellschaft einzutreten. 198
Wenn ein Fall gescheiterter Nachfolge durch den Vorerben eintritt und die Umdeutung der Nachfolgeklausel in ein Eintrittsrecht des Nacherben möglich ist, sollten sich Vor- und Nacherbe darauf einigen, dass der Vorerbe seine Ansprüche auf Auseinandersetzungsguthaben an den Nacherben abtritt und dieser ihm dafür eine Unterbeteiligung einräumt, die mit dem Tode des Vorerben als Gegenstand des auf den Nacherben übergehenden Nachlasses diesem zufällt. Die Unterbeteiligung könnte hinsichtlich ihres Kapitalwertes auf den Stand des Auseinandersetzungsguthabens bei Eintritt des Vorerbenfalles festgeschrieben werden. Zuwächse stünden dann dem in die Gesellschaft eingetretenen Nacherben unmittelbar zu. Bei der Gewinnaufteilung zwischen Vor- und Nacherben wäre der Vorerbe auf eine angemessene Verzinsung des Auseinandersetzungsguthabens zu beschränken, so dass dem Nacherben der Gewinnanteil aus seiner Tätigkeit in der Gesellschaft verbleibt.
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bb) Für die Gesellschaft ist die Mitgliedschaft eines Vorerben u.U. belastend, da der Vorerbe in gewissem Umfange in seiner Handlungsfähigkeit hinsichtlich der Gestaltung der Gesellschaftsverhältnisse beschränkt ist. Das kann sich aus der Verfügungsbeschränkung des Vorerben gemäß § 2113 Abs. 2 BGB ergeben, wonach unentgeltliche Verfügungen über einen Gegenstand der Erbschaft unwirksam sind. Die Gefahr einer unentgeltlichen Verfügung besteht insbesondere dann, wenn die Gesellschafter Änderungen für das Gesellschaftsverhältnis vereinbaren. Die Grenze zwischen Unentgeltlichkeit und Entgeltlichkeit ist bei Veränderungen des Gesellschaftsverhältnisses u.U. schwer zu ziehen. Im Grundsatz dürfen Eingriffe in das bestehende Gesellschaftsverhältnis nicht zu Wertminderungen des Gesellschaftsanteils führen, so dass es bei den Verfügungen, die der Vorerbe mit der Folge von Minderungen der Gesellschafterstellung trifft, auf die Gegenleistung bzw. den Ausgleich ankommt1. Die Rechtsprechung hat sich bei der Beurteilung teils stärker am reinen Wertmaßstab orientiert2, teils aber zusätzlich allgemeine Bewertungsgesichtspunkte herangezo1 Im Einzelnen hierzu Paschke, ZIP 1985, 129. 2 BGH v. 26.10.1983 – II ZR 44/83, NJW 1984, 362.
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Unternehmensnachfolge
Rz. 200 B XI
gen1. So sollen nach dem vorzitierten Urteil des BGH Veränderungen des Gesellschaftsvertrags, die „förmlich die Mitgliedschaftsrechte und -pflichten zum Nachteil eines Gesellschafters/Vorerben beschneiden“, hinsichtlich der Entgeltlichkeit „. . . auch danach beurteilt werden, ob sie im Hinblick auf gewandelte Verhältnisse und künftige Entwicklungen des Gesellschaftsunternehmens im Gesellschaftsinteresse geboten sind, oder im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen der Erhaltung und Stärkung des Unternehmens dienen und damit im Ergebnis wirtschaftlich auch dem Vorerben zugute kommen“2. In jedem Falle sollen Änderungen der Gesellschaftsverhältnisse als entgeltlich zulässig sein, wenn sie alle Gesellschafter gleichermaßen betreffen, es sei denn, sie wirken sich – bei formaler Gleichheit – einseitig zuungunsten des Gesellschaftsanteils des Vorerben aus3. Ungleichheit der Behandlung ist jedoch keine Unentgeltlichkeit, wenn der Vorerbe einer Veränderung zulasten der Beteiligung zustimmt, dies aber eine Konzession dafür ist, dass die Mitgesellschafter zusätzliche Leistungen erbringen, die der Erhaltung oder Stärkung des Unternehmens dienen4. Die Kündigung der Beteiligung ist als entgeltliche Verfügung zu werten, wenn die Abfindung objektiv vollwertig ist5. Ebenso ist die Aufnahme bzw. das Ausscheiden sonstiger Gesellschafter dann entgeltlich, wenn der Wert der Beteiligung nicht beeinträchtigt wird6. Liegt Unentgeltlichkeit einer Verfügung des Vorerben vor, wird diese unwirksam, was für die Gesellschaft zur Folge haben kann, dass bei Eintritt des Nacherbfalles die getroffene Entscheidung rückabgewickelt werden muss7. Um das zu vermeiden, kann die Zustimmung des Nacherben gemäß § 2120 BGB eingeholt werden. Das führt aber letzten Endes dazu, dass ein außenstehender Dritter in Entscheidungen eingreift. Insgesamt besteht bei Vorhandensein eines Vorerben-Gesellschafters die Gefahr, dass die Gesellschafter bei der notwendigen Anpassung der Gesellschaftsstruktur an wirtschaftliche Bedürfnisse oder gar bei Sanierungsmaßnahmen in Zwänge geraten, die eine flexible Gestaltung der inneren Verhältnisse ausschließt.
Û
Beratungshinweis: Vielleicht mit Ausnahme von Gesellschaftern im engeren Familienkreis sollte der Eintritt von Vorerben in die Gesellschaft möglichst vermieden werden. Das kann durch den gesellschaftsvertraglichen Ausschluss der Nachfolge von Vorerben geschehen.
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BGH v. 6.10.1980 – II ZR 268/79, BGHZ 78, 177. BGH v. 6.10.1980 – II ZR 268/79, BGHz 78, 177. BGH v. 6.10.1980 – II ZR 268/79, BGHZ 78, 177. BGH v. 6.10.1980 – II ZR 268/79, BGHZ 78, 177. BGH v. 26.10.1983 – II ZR 44/83, NJW 1984, 362; Unentgeltlichkeit liegt vor, wenn der Vorerbe den Gesellschaftsanteil gegen ein Leibrentenversprechen veräußert, BGH v. 25.5.1977 – IV ZR 15/76, BGHZ 69, 47. 6 Paschke, ZIP 1985, 129 (135). 7 Paschke, ZIP 1985, 129 (137).
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B XI Rz. 201 201
Unternehmensnachfolge
Soll ein Erbe zu seinen Lebzeiten an den Erträgnissen des Gesellschaftsanteils teilhaben, könnte der als Nacherbe in Betracht gezogene Erbe unmittelbar mit dem Gesellschaftsanteil bedacht werden, so dass er beim Erbfall in die Gesellschaft eintreten kann. Der zu versorgende Erbe erhält dann im Wege des Vermächtnisses eine Unterbeteiligung am Gesellschaftsanteil. Denkbar ist natürlich auch ein Nießbrauch, der jedoch ertragsteuerrechtlich nur dann sinnvoll ist, wenn es sich um einen Unternehmensnießbrauch handelt, der dem Nießbraucher eine Stellung als Mitunternehmer einräumt (was im Grundsatz die Zuordnung von Mitverwaltungsrechten, Beteiligung am Risiko und an den stillen Reserven voraussetzt) und ihn nicht nur am Ertrag beteiligt (Ertragsnießbrauch). Erhält der Nießbraucher eine mitunternehmerische Stellung, steht er einem Unterbeteiligten gleich, allerdings kann die dingliche Absicherung, die der Nießbrauch gewährt, für den Bedachten von Bedeutung sein. Soll eine derartige Gestaltung gewählt werden, muss diese nach dem Gesellschaftsvertrag zulässig sein. In den meisten Fällen ist im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, dass neben der Abtretung des Gesellschaftsanteils auch jede sonstige Verfügung in Bezug auf den Gesellschaftsanteil sowie dessen dingliche Belastung der Zustimmung der übrigen Gesellschafter bedarf. Diese Zustimmung müsste dann der Nachfolger-Erbe einholen, da er bei Zuweisung der Rechte in Erfüllung des Vermächtnisses die betreffende Verfügung bereits als Gesellschafter trifft.
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cc) Tritt der Vorerbe in die Gesellschaft ein, ist er formal im Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander vollwertiger Gesellschafter, was allerdings durch die erbrechtlichen Bindungen des Vorerben beträchtlich eingeschränkt wird (vgl. Rz. 199 f.). Der Vorerbe hat auch das Umwandlungsrecht gemäß § 139 Abs. 1 HGB. Die Ausübung durch ihn bindet den Nacherben1. Diesem steht das Recht nur zu, wenn es der Vorerbe nicht ausgeübt hat und bei Eintritt des Nacherbfalls noch persönlich haftender Gesellschafter ist. Der Vorerbe hat allein Anspruch auf die entnahmefähigen Gewinne, während die stillen Reserven und Rücklagen dem Nachlass des Erblassers zufallen und auf den Nacherben übergehen2. Entnahmefähige Gewinne, die der Vorerbe bis zum Eintritt des Nacherbfalles nicht entnommen hat, fallen allerdings in seinen eigenen Nachlass. Der Nacherbe tritt bei Eintritt des Nacherbfalles in die Gesellschafterstellung so ein, wie sie zu diesem Zeitpunkt besteht. Voraussetzung ist natürlich, dass die Nachfolgeklausel das gestattet. Kann er nicht nachfolgen, steht ihm ein eventueller Abfindungsanspruch zu.
1 BGH v. 25.5.1977 – IV ZR 15/76, BGHZ 69, 47, 52; BGH v. 9.3.1981 – II ZR 173/80, NJW 1981, 1560. 2 BGH v. 21.11.1989 – IVa ZR 220/88, NJW 1990, 514.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 204 B XI
3. Die Haftung der Erben bzw. Nachfolger a) Auflösung der Gesellschaft Wird die Gesellschaft beim Tode eines Gesellschafters aufgelöst, fallen die Mitgliedschaftsrechte in den Nachlass und die Erbengemeinschaft tritt als solche in die Abwicklungsgesellschaft ein; Ansprüche aus der Liquidation stehen der Erbengemeinschaft als Ganzes zu (wegen der Auflösungstatbestände vgl. Rz. 148 ff., im Übrigen Rz. 153).
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Geht die Gesellschaft mit dem Tode eines Gesellschafters in das Abwicklungsstadium über, haften die Erben für Altverbindlichkeiten und für Neuverbindlichkeiten aus der Abwicklung nur nach den Grundsätzen der Erbenhaftung1. Dabei haftet die Abwicklungsgesellschaft selbst den Gesellschaftsgläubigern nach wie vor mit ihrem gesamten Vermögen, der Durchgriff auf die persönliche Haftung der Gesellschafter beschränkt sich bei den ErbenMitgliedern der Abwicklungsgesellschaft jedoch auf den Nachlass, wozu auch die Ansprüche der Erbengemeinschaft gehören, die ihr aus der Abwicklung zustehen. Auch die Haftung der Erben für Verpflichtungen des Erblasser-Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft bei der GbR (u.a. Nachschusspflicht gemäß § 735 BGB) ist nach den Grundsätzen der Erbenhaftung beschränkbar. Dasselbe gilt auch für einen Erbennachfolger, der in die Gesellschaft einrückt, wenn die Gesellschaft gemäß § 139 Abs. 4 HGB aufgelöst wird. b) Fortsetzung der Gesellschaft ohne Erben Wird die Gesellschaft aufgrund einer Fortsetzungsklausel zwischen den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt, geht die persönliche Haftung des Erblassers für die während seiner Mitgliedschaft entstandenen Forderungen gegen die Gesellschaft (z.B. gemäß §§ 128, 160 HGB) innerhalb der fünfjährigen Ausschlussfrist auf die Erben über, die jedoch ihre Haftung nach den Grundsätzen der Erbenhaftung beschränken können. Die Frist beginnt mit dem „Ende des Tages der Eintragung“ des Ausscheidens des verstorbenen Gesellschafters2. Da die Erben bei der Fortsetzungsklausel keine Gesellschafterstellungen erlangen, scheidet eine Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die nach dem Tode des Erblassers entstehen, aus. Ausnahmsweise kann es zu einer Anscheinshaftung der Erben gemäß § 15 HGB für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach dem Ausscheiden des Erblassers kommen, wenn das Ausscheiden des Erblassers nicht in das Register eingetragen und bekannt gemacht wurde, wobei allerdings die Grundsätze der Erbenhaftung Anwendung finden3. So1 BGH v. 6.7.1981 – II ZR 38/81, NJW 1982, 45; vgl. Baumbach/Hopt, § 139 Rz. 49. 2 Zur Frist und zum NachhaftungsbegrenzungsG Baumbach/Hopt, § 160 Rz. 1 ff.; BGH v. 10.2.1992 – II ZR 54/91, NJW 1992, 1615; so auch Hofmeister, NJW 2003, 93 u.a. mit historischer Herleitung; im Gegensatz dazu aus historischer Sicht: Altmeppen, NJW 2000, 2529, der die Frist mit Kenntnis des Gläubigers vom Ausscheiden des Gesellschafters beginnen lassen will. 3 Dazu BGH v. 4.3.1976 – II ZR 145/75, BGHZ 66, 98; Grundsatz wurde hier allerdings nicht im Zusammenhang mit Fortsetzungsklausel entwickelt, ist aber generell anwendbar.
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204
B XI Rz. 205
Unternehmensnachfolge
weit die Erben durch Dritte in Anspruch genommen werden, besteht ein Schuldbefreiungsanspruch gegen die Gesellschaft (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn nicht durch Gesellschaftsvertrag ein solcher Anspruch ausgeschlossen ist.
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Beratungshinweis: Da die fünfjährige Ausschlussfrist erst mit Eintragung des Ausscheidens des Erblasser-Gesellschafters beginnt und die Gefahr einer nach dem Tode des Erblassers entstehenden Anscheinshaftung der Erben besteht, sollten sich die Erben so schnell wie möglich um die Handelsregistereintragung bemühen.
c) Erbrechtliche Nachfolgeklausel 205
aa) Wird ein Erbe oder werden mehrere Erben aufgrund einer Nachfolgeklausel vollhaftende Gesellschafter einer Personengesellschaft des Handelsrechts, ohne von den Möglichkeiten des § 139 Abs. 1 HGB Gebrauch zu machen, haften diese Erben wie ein neu eintretender Gesellschafter unter Lebenden gemäß § 130 HGB für die vor ihrer Nachfolge begründeten Verbindlichkeiten (Altverbindlichkeiten) der Gesellschaft unbeschränkt und persönlich1. Ob daneben zugleich die beschränkbare Erbenhaftung für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft besteht, ist wegen der Haftung nach § 130 HGB für die nachfolgenden Erben eher von theoretischer Bedeutung. Die nachfolgenden Erben sind insoweit den Erben gleichgestellt, die ein kaufmännisches Unternehmen unter gleicher Firma fortführen und gemäß § 27 Abs. 1 HGB für Altverbindlichkeiten des Erblassers auch persönlich haften (Rz. 3). In der persönlichen Haftung des Nachfolgers für Altverbindlichkeiten liegt kein unzulässiger Zwang zur Übernahme von Verpflichtungen, da dem Nachfolger nach § 139 Abs. 1 HGB das Wahlrecht zur Umwandlung seines Gesellschaftsanteils in eine Kommanditbeteiligung zusteht2.
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Auch in der GbR haftet ein neu eintretender Gesellschafter für Verbindlichkeiten, die vor seinem Eintritt begründet wurden, wie durch den BGH nunmehr klargestellt worden ist3. Das gilt auch für den Nachfolger-Erben. Der nachfolgende Erbe haftet allerdings ohnehin für die persönlichen Verpflichtungen des Erblassers, dafür gelten jedoch die Grundsätze der Erbenhaftung. Auf diesen Unterschied wird es jetzt nicht mehr ankommen.
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bb) Folgt ein Erbe aufgrund einer qualifizierten Nachfolgeklausel in die Gesellschaft nach, ohne dass er von der in § 139 Abs. 1 HGB vorgesehenen Umwandlung seiner Gesellschafterstellung in die eines Kommanditisten Gebrauch macht, gilt das in Rz. 205, 206 Gesagte für diesen Erben ebenfalls. Die weichenden Erben bleiben allerdings für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft nach den Grundsätzen der Erbenhaftung haftbar. Daneben besteht die Gefahr, dass sie gutgläubigen Dritten gegenüber aus der Anscheinshaftung 1 BGH v. 6.7.1981 – II ZR 38/81, NJW 1982, 45. 2 Vgl. dazu Emmerich, ZHR 1986, 193 (203). 3 BGH v. 7.4.2003 – II ZR 56/02, NJW 2003, 1803; Boehme, NZG 2003, 764.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 211 B XI
(§ 15 Abs. 1 HGB) auch für Neuverbindlichkeiten nach dem Erbfall haften (allerdings auch als Erben, d.h. beschränkbar auf den Nachlass, vgl. Rz. 204). Es ist jedoch davon auszugehen, dass die weichenden Erben einen Ausgleichsanspruch gegen den Nachfolger unter dem Gesichtspunkt des § 426 BGB haben, u.U. auch Aufwendungsersatz aus §§ 677, 681, 667 BGB.
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Beratungshinweis: Die den weichenden Erben drohende Anscheinshaftung gemäß § 15 Abs. 1 HGB gibt dringende Veranlassung, die Eintragung des Nachfolgers und die dementsprechende Löschung des Erblassers so schnell als möglich zu bewirken.
Für Sozialansprüche der Gesellschafter gegen den Erblasser haften alle Erben, nicht nur der Nachfolger1. Auch in diesem Falle ist von einem eventuellen Freistellungsanspruch der weichenden Erben gegenüber dem Nachfolger auszugehen.
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Nach der Regelung des § 139 Abs. 1 HGB kann der Nachfolger eines persönlich haftenden Gesellschafters sein Verbleiben in der Gesellschaft von der Einräumung einer Kommanditistenstellung abhängig machen (vgl. Rz. 169). Mehreren Nachfolgern steht das Recht gesondert und unabhängig voneinander für ihren Bruchteil am Gesellschaftsanteil zu. Das Wahlrecht entfällt, wenn ohnehin die Nachfolgeklausel vorsieht, dass der Nachfolger nur als Kommanditist in die Gesellschaft einrücken kann (Umwandlungsklausel). Für die Geltendmachung des Umwandlungsanspruches durch den Nachfolger gilt eine Verjährungsfrist von drei Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt der Kenntnis des Anfalls der Erbschaft (sog. Schwebezeit). Ist die Frist für die Ausschlagung der Erbschaft noch nicht abgelaufen, endet die Verjährungsfrist erst mit deren Ablauf.
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Wird der Umwandlungsanspruch durch den Nachfolger geltend gemacht, hängen die Haftungsfolgen von der Entscheidung der Gesellschafter bzw. den daraufhin durch den Nachfolger unternommenen Schritten ab.
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– Die übrigen Gesellschafter können den Antrag des Nachfolgers ablehnen. Dieser hat danach die Möglichkeit, als persönlich haftender Gesellschafter in der Gesellschaft zu verbleiben, dann gilt die in Rz. 205 erläuterte Haftungslage, d.h. der Nachfolger haftet persönlich auch für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft und für die Verbindlichkeiten, die in der Schwebezeit entstanden sind (Letztere als Zwischenneuschulden bezeichnet). – Macht der Nachfolger bei Ablehnung seines Antrages jedoch von der Möglichkeit Gebrauch, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aus der Gesellschaft auszuscheiden, so haftet er in der Schwebezeit für die in Rz. 210 genannten Zwischenneuschulden zwar persönlich wie ein vollhaftender Gesellschafter (entsprechend der Rechtsstellung des Erblassers), aber beschränkbar nach den Grundsätzen der Erbenhaftung. Die gleiche Haftung
1 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, JR 1986, 504.
Grieger
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211
B XI Rz. 212
Unternehmensnachfolge
gilt für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft, die zu Lebzeiten des Erblassers begründet wurden.
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Beratungshinweis: Das Haftungsprivileg des Nachfolgers gemäß § 139 Abs. 4 HGB gilt nur, wenn er innerhalb der Schwebezeit ausscheidet. Insofern ist es für ihn zweckmäßig, den Antrag auf Umwandlung mit der Erklärung zu verbinden, dass er im Falle der Ablehnung des Antrages aus der Gesellschaft ausscheidet. Erteilen die übrigen Gesellschafter innerhalb der Frist keine Antwort, gilt der Antrag als abgelehnt.
– Nimmt die Gesellschaft den Antrag auf Umwandlung an, wird der Nachfolger automatisch Kommanditist. Ihm stehen von diesem Zeitpunkt an auch nur die Rechte eines Kommanditisten zu. Die weiter gehenden Rechte des Erblassers als persönlich haftender Gesellschafter und ihm persönlich eingeräumte Rechte entfallen; Letzteres jedenfalls dann, wenn diese dem gesetzlichen Leitbild des Kommanditisten widersprechen. Mit Erwerb der Kommanditistenstellung gilt für den Nachfolger die Haftung eines Kommanditisten gemäß §§ 171, 172 HGB für alle Verbindlichkeiten, die von da ab entstehen (Neuschulden). Nach strittiger Auffassung soll mit Umwandlung seines Gesellschaftsanteils in eine Kommanditbeteiligung die Kommanditistenhaftung neben der Haftung aus § 139 Abs. 4 HGB für Altverbindlichkeiten und Zwischenneuschulden zurückwirken (entsprechend § 173 HGB)1. Dagegen spricht der Wortlaut des § 139 Abs. 4 HGB, der den Schluss zulässt, dass die Schwebezeit eine besondere Haftungsperiode sein soll, dafür lässt sich jedoch anführen, dass jeder Gesellschafter, der in eine Gesellschaft eintritt, für die bereits bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, der Kommanditist eben gemäß § 173 HGB nach den für ihn geltenden Bestimmungen2. Immerhin wird auch nicht zwischen der Haftung für Altschulden und Zwischenneuschulden einerseits und Neuschulden andererseits unterschieden, wenn der in Rz. 205 genannte Fall eintritt, d.h. wenn der Nachfolger die Schwebezeit verstreichen lässt, ohne einen Antrag auf Umwandlung seiner Beteiligung zu stellen. Der Streit hat im Übrigen nur dann praktische Bedeutung, wenn die in das Handelsregister einzutragende Hafteinlage als nicht oder nicht voll eingezahlt gilt. Das ist allerdings für den Nachfolger eine höchst bedeutsame Frage, da sie generell seine Haftung als Kommanditist betrifft.
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In jedem Falle ist es nach Umwandlung seiner Gesellschafterstellung in eine Kommanditbeteiligung erforderlich, die Hafteinlage zu bestimmen, die in das Register eingetragen werden soll3. Da seine Beteiligung als Kommanditist aus den bestehenden Kapitalverhältnissen des Erblassers umgerechnet werden muss, hat der Nachfolger darauf 1 Baumbach/Hopt, § 139 Rz. 47, allerdings nur Verweis auf strittige Meinungen; für die Anwendung des § 173 HGB in jedem Falle Emmerich, ZHR 150, 193 (212). 2 Dafür Wolf, Der Betrieb 2003, 429. 3 Unterscheidung von „Haftsumme“ und „Beitrag“, vgl. Glanegger, § 139 HGB Rz. 23.
710
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 214 B XI
zu achten, dass sich daraus nicht ein unnötiges Haftungsrisiko ergibt, wenn er am Ende eine Hafteinlage zur Eintragung bringt, die durch die Kapitalverhältnisse nicht gedeckt ist. Die Art und Weise der Umrechnung ist strittig. Der Gesetzgeber hat mit seiner Wortkargheit in § 139 Abs. 1 HGB (der „auf ihn entfallende Teil der Einlage des Erblassers“ soll „als seine Kommanditisteneinlage anerkannt“ werden) nicht zur Aufhellung des Problems beigetragen. Ob überhaupt feste Regeln anzuwenden sind oder überhaupt bestehen, ist unklar. Eine Mindermeinung geht davon aus, dass die „bedungene“ Einlage des ursprünglich persönlich haftenden Gesellschafters der Bestimmung der Hafteinlage zugrunde zu legen ist. Wurde diese nicht eingezahlt, führt das zu einer Einlageverpflichtung des Nachfolgers, die bei Nichterfüllung eine persönliche Haftung in Höhe der Hafteinlage zur Folge hat (§ 171 Abs. 1, 1. Hs HGB). Ist keine Einlage bedungen, geht dieses Verfahren ins Leere, so dass es dann auf die Vereinbarung der Gesellschafter ankommen soll1. Daran wird erkennbar, dass es sehr schwierig ist, dieses Problem überhaupt in feste Regeln zu fassen. In der Tat sind Gesellschaftsverträge und Buchungsverfahren in dieser Hinsicht sehr unterschiedlich. Im Grunde genommen kommt es darauf an, wie sich die Gesellschafter untereinander selbst hinsichtlich ihrer Anteile an den Buchwerten der Gesellschaft stellen, so dass es überhaupt sinnvoll wäre, für die Höhe der Hafteinlage den Weg der Vereinbarung zu eröffnen oder dem Nachfolger dafür ein Wahlrecht einzuräumen2. Wenn eine Regel für erforderlich gehalten wird, entspricht es dem Anliegen der „Umwandlung“ der Beteiligung am ehesten, wenn die Kapitalkonten des Erblassers saldiert werden, d.h. also z.B. Festkapitalkonto (effektiv), variables Konto und – falls vorhanden – Verlustvortragskonto3. Auf diese Weise finden auch Überentnahmen (variables Kapitalkonto) Berücksichtigung. Nicht erbrachte Einlagen bleiben außerhalb der Berechnung oder sind – je nach Buchungsverfahren – abzuziehen4. Auf diese Weise gelangt man am ehesten zum rechnerisch tatsächlich vorhandenen Kapital, so dass die Anmeldung einer Hafteinlage in dieser Höhe sicherstellt, dass diese als eingezahlt gelten kann und persönliche Haftungsrisiken des Nachfolgers für die Zukunft nicht bestehen. Dieses Verfahren entspricht wohl der herrschenden Meinung5, setzt letzten Endes aber bei der Ermittlung bereits eine Einigung aller Beteiligten voraus. Ergibt sich bei dieser Ermittlung ein negatives Kapital, soll ein „Erinnerungsbetrag“ als Hafteinlage gelten (früher 1 DM, jetzt wohl 1 Euro)6. Der freiwilligen Erhöhung auf einen „sichtbaren Betrag“ durch den Kommanditisten
1 So generell K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1577. 2 So Heymann/Emmerich, § 139 Rz. 45. 3 Vgl. dazu Baumbach/Hopt, § 139 Rz. 41, mit Überblick über die verschiedenen Auffassungen. 4 Baumbach/Hopt, § 139 Rz. 41 m.w.N. 5 Baumbach/Hopt, § 139 Rz. 42. 6 Baumbach/Hopt, § 139 Rz. 42.
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B XI Rz. 215
Unternehmensnachfolge
steht nichts entgegen (also z.B. 500 Euro), allerdings müsste dieser Betrag dann auch als Hafteinlage eingezahlt werden. 215
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Die in Rz. 212 ff. dargelegten Rechtsfolgen der Umwandlung, d.h. die Notwendigkeit der Bestimmung der Hafteinlage und die Haftungsfolgen für den Nachfolger, gelten auch dann, wenn der Erbe aufgrund einer Umwandlungsklausel automatisch in eine Kommanditistenstellung eintritt. Allerdings vereinfacht und verkürzt sich das Verfahren, da die Schwebezeit wegen der automatischen Umwandlung entfällt.
Beratungshinweis: Es ist nicht völlig sicher, ob in der Zeit zwischen Vollzug der Umwandlung (Annahme des Antrages durch die übrigen Gesellschafter) und Eintragung des Nachfolgers als Kommanditist im Handelsregister § 176 Abs. 2 HGB Anwendung findet oder nicht1. Da die Umwandlung nicht – wie z.B. der rechtsgeschäftliche Erwerb – bedingt durch die Eintragung erfolgen kann, muss man dem Nachfolger zeitlich wohl Gelegenheit geben, die Eintragung zu bewirken. Allerdings ist es notwendig, die Eintragung unverzüglich zu beantragen, andernfalls ist die unbeschränkte persönliche Haftung für Verbindlichkeiten, die zwischen dem Erwerb der Kommanditistenstellung und der Eintragung entstehen, unvermeidlich. Zum Mindesten bei Nachfolge in einen bereits eingetragenen Kommanditanteil des Erblassers wendet die Rechtsprechung § 176 Abs. 2 HGB nicht an, wenn der Erbe seiner Obliegenheit zur unverzüglichen Eintragung seiner Nachfolge nachkommt2. Trotz des Unterschieds dieser Fallkonstellation zur Umwandlung liegt darin u.U. ein Fingerzeig, dass dem Erben beim Erwerb einer Kommanditistenstellung eine – wenn auch sehr kurz bemessene – Schonfrist zur Bewirkung der Eintragung eingeräumt wird, so dass § 176 Abs. 2 HGB in dieser Zeit keine Anwendung findet. Nicht auszuschließen ist allerdings bei der Umwandlung die Begründung einer Anscheinshaftung gemäß § 15 Abs. 1, § 128 HGB)3.
Hinsichtlich der Haftung für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft vor dem Tod des Erblassers gilt – wie auch bei Umwandlung durch Antrag – die persönliche Haftung (§ 128 HGB) in Verbindung mit der Möglichkeit, die Haftung nach erbrechtlichen Grundsätzen zu beschränken. Für Verbindlichkeiten, die nach seinem Einrücken entstehen, haftet er gemäß §§ 171 und 172 HGB. Zur Frage, ob auch § 173 HGB Anwendung findet, d.h. ob er für Altverbindlichkeiten zusätzlich auch noch als Kommanditist haftet, kann auf Rz. 212 verwiesen werden. Bei einer automatisch wirksamen Umwandlungsklausel entfällt auch die Anwendung erbrechtlicher Haftungsgrundsätze für sog. Zwischenneuschulden in der Schwebezeit (§ 139 Abs. 4 HGB), da für den Nachfolger unmittelbar die Kommanditistenhaftung für alle Verbindlichkei1 Baumbach/Hopt, § 139 Rz. 60, hält die Nichtanwendung des § 176 Abs. 2 HGB für die herkömmliche Ansicht, vgl. auch § 176 Rz. 10; Glanegger, § 139 Rz. 23 geht von der Anwendung des § 176 Abs. 2 HGB aus. 2 BGH v. 3.7.1989 – II ZB 1/98, NJW 1989, 3152; BGH v. 22.6.1989 – IX ZR 164/88, NJW 1989, 3155. 3 Baumbach/Hopt, § 176 Rz. 9.
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Unternehmensnachfolge
Rz. 218 B XI
ten nach seinem Einrücken gilt (für die damit verbundenen Risiken bis zur Eintragung vgl. Rz. 212 f.).
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Beratungshinweis: Sofern die Gesellschaft vor der Umwandlung des Gesellschaftsanteils des Nachfolgers in eine Kommanditbeteiligung OHG war, ist zugleich mit der Anmeldung des Kommanditisten die Umwandlung der Gesellschaft in eine KG anzumelden, verbunden mit einer Ergänzung der Firma um den neuen Rechtsformzusatz.
d) Eintrittsklausel Macht der Begünstigte von seinem Recht zum Eintritt Gebrauch, gelten hinsichtlich der Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft die gleichen Grundsätze wie bei der Nachfolgeklausel (Rz. 205 ff.). Demgemäß haftet er für Altverbindlichkeiten und Neuverbindlichkeiten unbeschränkt gemäß §§ 128, 130 HGB, daneben bleibt die Haftung der Erben (einschließlich des Eintretenden, wenn dieser Erbe war) für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft nach den Grundsätzen der Erbenhaftung allerdings zeitlich begrenzt durch die Anschlussfrist des § 160 Abs. 1 HGB bestehen.
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§ 139 HGB findet auf den Eintrittsberechtigten keine Anwendung, da er nicht durch Erbgang unmittelbar Nachfolger geworden ist. Allerdings kann er, wenn die Klausel nicht ohnehin schon seine künftige Rechtsstellung z.B. als Kommanditist festlegt, seinen Eintritt von einer Umwandlung des Gesellschaftsanteils des Erblassers von einem persönlich haftenden Anteil zu einer Kommanditbeteiligung abhängig machen. In jedem Falle sollte der Eintritt als Kommanditist aufschiebend bedingt auf die Eintragung der Kommanditistenstellung im Register erfolgen, um die Risiken des § 176 Abs. 2 HGB zu vermeiden. Das Gleiche gilt, wenn der Nachfolger – da im Gesellschaftsvertrag so vorgesehen – ohnehin nur als Kommanditist eintreten kann.1 e) Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel Da es sich in diesem Falle um eine rechtsgeschäftliche Übertragung unter Lebenden handelt, gelten die entsprechenden Vorschriften (§§ 128, 130 HGB) uneingeschränkt. Die Nachhaftung des Rechtsvorgängers (hier also des Erblassers) fällt auf die Erben. Diese haften nach den Grundsätzen der Erbenhaftung und unter Anwendung der Ausschlussfrist des § 160 Abs. 1 HGB. Wegen der drohenden Rechtsscheinhaftung gemäß § 15 Abs. 1 HGB sollte die Eintragung der Nachfolge so schnell als möglich erfolgen. Hat der Nachfolger bzw. Erwerber auch in diesem Falle die Absicht, die bisherige Rechtsstellung des Vorgängers in eine Kommanditbeteiligung umzuwandeln, kommt es hinsichtlich der Möglichkeiten und der Folgen auf den Inhalt der Übertragungsklausel an.
1 Hierzu K. Schmidt, GmbHR, 2002, 341.
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B XI Rz. 219 219
Unternehmensnachfolge
Wenn der Erwerber bereits zu Lebzeiten des Erblassers die Verfügung (z.B. durch Mitunterzeichnung des Gesellschaftsvertrags, vgl. Rz. 181) angenommen hat und die Klausel eine Umwandlung nicht vorsieht, hängt es von der Zustimmung der übrigen Gesellschafter ab, ob diese der Umwandlung zustimmen. Der Nachfolger ist in jedem Falle mit Versterben des Erblassers Gesellschafter geworden und befindet sich in der gleichen Lage wie alle übrigen Gesellschafter. Sieht die Klausel eine Umwandlung vor oder stimmen die übrigen Gesellschafter dieser zu, haftet der Erwerber und Nachfolger bis zur Eintragung als Kommanditist unvermeidlich gemäß § 176 Abs. 2 HGB persönlich.
4. Besonderheiten bei der Nachfolge in eine Kommanditbeteiligung 220
a) Für die Kommanditgesellschaft gelten die verschiedenen Möglichkeiten der Nachfolge, die vorstehend erläutert wurden, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass das gesetzliche Grundmodell (§ 177 HGB) die Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben vorsieht, sofern keine abweichenden vertraglichen Regelungen getroffen wurden. Die Sondererbfolge gilt auch für die Kommanditbeteiligung; desgleichen die gleichzeitige Zugehörigkeit des Gesellschaftsanteils zum Nachlass1.
221
War der Erbe bereits Gesellschafter, vereinigt sich die bisherige Beteiligung mit dem ererbten Gesellschaftsanteil, da jeder Gesellschafter nur mit einem Anteil an der Gesellschaft beteiligt sein kann, wobei die Art der ursprünglichen Beteiligung den Ausschlag gibt. War der Erbe persönlich haftender Gesellschafter, bleibt er dies, es erhöht sich jedoch sein Kapitalanteil. Im Innenverhältnis können Sonderbestimmungen für den Kommanditanteil weitergelten (z.B. Gewinnansprüche), wenn eine entsprechende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag für diesen Fall getroffen ist2. War der Erbe bereits zuvor Kommanditist, erhöht sich sein Kommanditanteil. Der Erbe tritt in die Kommanditistenstellung ein, wie sie beim Tod des Erblassers bestand.
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Hinsichtlich der Haftung gilt § 173 HGB, d.h. der Nachfolger wird behandelt wie jeder andere eintretende Kommanditist3. War die Kommanditeinlage geleistet und liegt auch kein Fall des § 172 Abs. 4 HGB vor (Rückzahlung der Einlage, unzulässige Entnahmen, die die Kapitaleinlage unter den Betrag der Einlage herabmindern), besteht keine persönliche Haftung des Erben. Er haftet nur mit der Einlage. Insofern kommt es in diesem Falle auf die Unterscheidung zwischen Altverbindlichkeiten und Neuschulden nicht an. Unter dem Gesichtspunkt des § 176 Abs. 2 HGB muss er allerdings seine Nachfolge unverzüglich zur Eintragung anmelden, da anderenfalls eine volle persönliche 1 Hierzu Götz, NZG 2004, 347. 2 Großkomm. HGB/Schilling, § 177 Rz. 19. 3 Teilweise umstritten, wobei die Gegenmeinung von einer Anwendung des § 139 Abs. 3 HGB ausgeht, der den § 173 HGB verdrängt; vgl. dazu Baumbach/Hopt, § 173 Rz. 15 m.w.N.
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Unternehmensnachfolge
Rz. 226 B XI
Haftung entsteht (wobei es teilweise umstritten ist, ob der § 176 Abs. 2 auf den Erben-Nachfolger überhaupt Anwendung findet1). War die Kommanditeinlage durch den Erblasser nicht geleistet oder liegt ein Fall des § 172 Abs. 4 HGB vor, haftet der Erbe persönlich bis zur Höhe des Betrages der Hafteinlage (vorausgesetzt, er ist eingetragen) für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die vor dem Tod des Erblassers entstanden sind. Da § 173 HGB (§§ 171, 172 HGB) voll durchgreift, ist für Altverbindlichkeiten die Beschränkung nach den Regeln der Erbenhaftung nicht möglich. Auch die Unterscheidung von Zwischenneuschulden und Neuschulden verliert ihren Sinn.
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b) Scheidet der einzige persönlich haftende Gesellschafter durch Tod aus der Gesellschaft aus, ohne dass ein Nachfolger vorhanden ist, wird die Gesellschaft aufgelöst. Die verbleibenden Gesellschafter können jedoch einen neuen persönlich haftenden Gesellschafter (auch eine GmbH) aufnehmen und dann die Fortsetzung beschließen2.
224
Bei einer GmbH & Co. KG stimmen die gesetzlichen Grundmodelle über die Vererblichkeit des Geschäftsanteils an der GmbH und der Kommanditbeteiligung überein: Beide sind kraft Gesetzes vererblich. Dieser gesetzliche Normalfall liegt in der Regel jedoch nicht vor, vielmehr ist davon auszugehen, dass sowohl im Gesellschaftsvertrag der KG als auch der GmbH Regelungen zur Nachfolge enthalten sind. Dabei ergibt sich allerdings die Besonderheit, dass der Geschäftsanteil an der GmbH zwingend gesetzlich vererblich ist und diese Vererblichkeit auch nicht vertraglich ausgeschlossen werden darf3. Stattdessen werden Klauseln aufgenommen, in denen unerwünschte Erben gezwungen werden, den ererbten Geschäftsanteil auf Beschluss der Gesellschafterversammlung an bestimmte Personen oder die Gesellschaft rechtsgeschäftlich zu übertragen, oder die Gesellschaft ist berechtigt, den Geschäftsanteil einzuziehen. Im Gegensatz dazu kann im KG-Vertrag die Nachfolge abweichend von der Erbfolge geregelt werden.
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Sind beide Gesellschaftsverträge hinsichtlich der Nachfolge synchron gestaltet, ist die gleichmäßige Nachfolge in der GmbH und der KG gewährleistet. Darin muss in jedem Falle das Ziel der Nachfolgegestaltung liegen, da anderenfalls Geschäftsführung, die bei der GmbH liegt, und Mitgliedschaftsrechte als Kommanditist in der KG auseinander fallen. Störungen in der Nachfolge können sich aus der unterschiedlichen Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags und aus der letztwilligen Verfügung des Erblassers ergeben.
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Beratungssituation: Der Gesellschaftsvertrag der GmbH verpflichtet die Erben, die nicht direkte Abkömmlinge des Erblassers sind, den Geschäftsanteil auf die Abkömmlinge zu übertragen, anderenfalls behält sich die
1 Dafür Götz, NZG 2004, 348 und auch wohl K. Schmidt, GmbHR, 2002, 347. 2 Baumbach/Hopt, § 177 Rz. 1. 3 Im Einzelnen dazu Götz, NZG 2004, 345.
Grieger
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B XI Rz. 227
Unternehmensnachfolge
Gesellschaft vor, den Geschäftsanteil einzuziehen, selbst zu erwerben oder einen Dritten zu bestimmen, auf den der Geschäftsanteil zu übertragen ist.
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Im Gesellschaftsvertrag der KG ist vorgesehen, dass die Gesellschaft mit den vom Erblasser bestimmten Erben fortgesetzt wird.
Die Gesellschaftsverträge stimmen in diesem Falle nicht vollständig überein. Der Erblasser könnte allerdings wegen der Flexibilität der Nachfolgeklausel im KG-Vertrag die Einheitlichkeit der Nachfolge sichern, indem er im Testament seine Kinder zu Nachfolgern in der Gesellschaft einsetzt (qualifizierte Nachfolgeklausel, Kinder folgen unmittelbar in Sondernachfolge nach, keine Teilungsanordnung). Ist weitere Erbin z.B. die Ehefrau, wäre es zweckmäßig, im Rahmen einer Teilungsanordnung den Kindern den Geschäftsanteil zuzuweisen, so dass die Ehefrau im Rahmen der Teilungsanordnung bereits verpflichtet wäre, ihren Anteil am gesamthänderisch gehaltenen Geschäftsanteil auf die Kinder zu übertragen. Unterlässt der Erblasser diese Anordnung, wäre diese Übertragung auf alle Fälle nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags vorzunehmen. Beachtet der Erblasser diese vertraglichen Gegebenheiten jedoch nicht und setzt nur seine Ehefrau als Alleinerbin ein, folgt diese in die KG nach (ebenfalls qualifizierte Nachfolgeklausel), muss aber den ererbten Geschäftsanteil auf ihre Kinder übertragen. Diese wären dadurch an der Geschäftsführung, jedoch nicht an den Ergebnissen beteiligt (vorausgesetzt die GmbH hat, wie in der Regel, keinen Teil am Vermögen der Gesellschaft). Die Mutter ist an den Ergebnissen beteiligt, hat aber außer den beschränkten Rechten des Kommanditisten keine Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung.
5. Firma, Handelsregisteranmeldung a) Firma 227
Scheidet ein Gesellschafter durch Tod oder auch unter Lebenden aus der Gesellschaft aus, bleiben bei einer Handelsgesellschaft nicht nur der Bestand der Gesellschaft, sondern auch die Firma unverändert. Das gilt auch dann, wenn der ausscheidende Gesellschafter Namensgeber war. Es gilt insoweit der Grundsatz der Fortführung der erworbenen Firma (§ 24 Abs. 1 HGB). Gemäß § 24 Abs. 2 HGB ist allerdings dem ausscheidenden Gesellschafter nicht aus firmenrechtlichen Gründen, sondern aus Gründen des Namensrechts das Recht eingeräumt, die Fortführung der Firma mit seinem Namen auszuschließen, indem er der Gesellschaft gegenüber seine Zustimmung zur Fortführung nicht erteilt. Eine derartige Zustimmung kann bereits im Gesellschaftsvertrag geregelt sein, was aber wohl nicht die Regel ist. Verstirbt ein Gesellschafter, gehen die Rechte aus § 24 Abs. 2 HGB auf die Erben über1. Folgt ein Erbe unter Zustimmung der Namensfortführung nach und scheidet später aus, kann er das Recht aus § 24 Abs. 2 HGB nicht mehr 1 Schaub, ZEV 1994, 71.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 230 B XI
geltend machen, da es nur den Namensgeber und dessen Erben unmittelbar schützt, nicht jedoch ein Dauerrecht für die Erben gewährt. Letzteres gilt auch bei Namensgleichheit1, es sei denn, der namensgleiche Erbe hat die ererbte Firma in eine mit Dritten gebildete Gesellschaft als abgeleitete Firma eingebracht2. Für Kapitalgesellschaften gilt § 24 Abs. 2 HGB nicht3, damit auch nicht für die GmbH & Co. KG, soweit die GmbH namensgebend war. b) Handelsregisteranmeldung aa) Gesetzlicher Regelfall: Fortsetzung ohne Erben Das Ausscheiden des verstorbenen Gesellschafters ist von allen Gesellschaftern und von den Erben, soweit deren Mitwirkung keine besonderen Hindernisse entgegenstehen (§§ 143 Abs. 2, 3 HGB), z.B. ungeklärte Erbfolge oder Unerreichbarkeit, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden4. Es besteht keine Gesamtanmeldungspflicht, d.h. bei Säumnis eines Anmeldepflichtigen darf die Anmeldung nicht zurückgewiesen werden, sondern unter Androhung von Zwangsgeld wird der Säumige zur Anmeldung angehalten (§§ 14 HGB i.V.m. §§ 374, 388 FamFG). Ferner besteht ein zivilrechtlicher Mitwirkungsanspruch aus Gesellschaftsvertrag.
228
bb) Auflösungsklausel Die Auflösung der Gesellschaft ist gemäß §§ 143 Abs. 2, 3 HGB von den Gesellschaftern und – mangels besonderer Hindernisse – den Erben anzumelden. Dabei ist der Grund anzugeben (Tod des Gesellschafters).
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Die nach Auflösung stattfindende Liquidation ist wiederum von sämtlichen Erben und Gesellschaftern anzumelden (§ 148 HGB). Das Erlöschen der Gesellschaft nach durchgeführter Liquidation ist von allen Liquidatoren anzumelden (§ 157 HGB). Im Falle eines nachträglichen Fortsetzungsbeschlusses ist die Fortsetzung von allen Gesellschaftern und Erben anzumelden (analog §§ 144 Abs. 2, 107 HGB). Bei Beteiligung eines Minderjährigen ist dazu die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich, jedenfalls dann, wenn er erst mit der durch den Erbfall bedingten Auflösung Gesellschafter wurde. cc) Erbrechtliche Nachfolgeklausel Im Falle des unmittelbaren Gesellschaftseintritts durch Singularsukzession ist neben dem Ausscheiden (§ 143 Abs. 2, 3 HGB) und dem Eintritt des Nachfolgers (§ 107 HGB) die Art der Nachfolge anzugeben. 1 2 3 4
Dazu insgesamt Baumbach/Hopt, § 24 Rz. 11. Baumbach/Hopt, § 24 Rz. 11, Glanegger, § 24 Rz. 5. Baumbach/Hopt, § 24 Rz. 12. BayObLG v. 22.12.1992 – 3 Z BR 170/92, DStR 1993, 442; DNotZ 1994, 28.
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B XI Rz. 231
Unternehmensnachfolge
Das Haftungsbeschränkungsrecht aus § 139 HGB ist keine eintragungspflichtige Tatsache. Erfolgt die Umwandlung in eine Kommanditbeteiligung, ist aber einzutragen, dass „der Erbe die Mitgliedschaft des Erblassers als Kommanditist mit einer Hafteinlage von . . . Euro fortführt“. In diesem Falle ist gleichzeitig von allen Gesellschaftern die Umwandlung in eine KG anzumelden (sonst Rechtsscheinhaftung). Bleibt der Erbe Vollhaftender, ist die Nachfolge, wie oben dargestellt, anzumelden. Scheidet der Erbe aus, ist dies ebenfalls von allen Gesellschaftern und Erben anzumelden. dd) Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel und Eintrittsklausel 231
Bei Bedingungseintritt des Todes oder bei Eintritt aufgrund einer Eintrittsklausel ist von den Gesellschaftern das Ausscheiden des verstorbenen Gesellschafters (§ 143 Abs. 2, 3 HGB) sowie der Eintritt des Nachfolgers (§ 107 HGB) anzumelden. Für das Ausscheiden sind zusätzlich die Erben anmeldepflichtig.
6. Ertragsteuerrechtliche Folgen im Erbfall und bei der Erbauseinandersetzung a) Vorbemerkungen 232
Die Finanzrechtsprechung folgt hinsichtlich der Bewertung von Tatbeständen der Nachfolge in Gesellschaftsanteilen weitgehend den erbrechtlichen Vorgaben. Aus diesem Grunde entspricht die nachstehende Erläuterung dem Darstellungsschema der unterschiedlichen Nachfolgeregelungen in Rz. 156 ff. Dort wo – wie bei der einfachen Nachfolgeklausel – bei der Erbauseinandersetzung die durch Erbfall erworbenen Mitunternehmeranteile im Verhältnis der Erben untereinander übertragen werden (z.B. weil einige Erben nicht Gesellschafter bleiben wollen), kann der damit sich eventuell ergebende Veräußerungsgewinn u.U. durch Realteilung der Erbengemeinschaft neutralisiert werden, wenn ausreichend weitere Werte (anderes Beteiligungsvermögen, Privatvermögen) vorhanden sind1. Die Grundsätze der Realteilung wurden in Rz. 120 im Einzelnen behandelt, darauf wird im Folgenden Bezug genommen. Ertragsteuerrechtliche Probleme bereitet u.U. das steuerliche Sonderbetriebsvermögen, das aus Wirtschaftsgütern besteht, die der Erblasser als Gesellschafter der Gesellschaft zur Nutzung überlassen hat, ohne sie in das Gesamthandsvermögen der Gesellschaft einzubringen. Dieses Vermögen fällt immer in den Nachlass und wird Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft. Da es sich um Betriebsvermögen handelt, entsteht eine gesonderte Mitunternehmerschaft aller Erben, wenn nicht Entnahme oder Betriebsaufgabe aufgrund des Erbfalles anzunehmen ist.
1 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 670.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 234 B XI
b) Auflösung und Liquidation der Gesellschaft Führt der Tod eines Gesellschafters zur Auflösung der Gesellschaft (vertragliche oder gesetzliche Folge, vgl. Rz. 153), so dass die Erbengemeinschaft als Ganzes in die Liquidationsgesellschaft eintritt, erwirbt die Erbengemeinschaft auch steuerlich eine Mitunternehmerstellung, wobei mittelbar die einzelnen Erben Mitunternehmer sind.
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Wird durch die Abwicklungsgesellschaft das Unternehmen als Ganzes an einen Dritten veräußert (dazu Rz. 95), entsteht ein gemäß § §§ 16, 34 EStG begünstigter Veräußerungsgewinn. Der auf die Erbengemeinschaft entfallende Anteil an diesem Gewinn (Anteil am Veräußerungserlös abzüglich Buchwert der Beteiligung des Erblassers) wird nach Erbquoten auf die einzelnen Erben aufgeteilt (vgl. Rz. 95). Erfüllen einzelne Erben die persönlichen Voraussetzungen der Begünstigung gemäß § 16 Abs. 4 EStG und § 34 Abs. 3 EStG (i.d.F. des StSenkErgG), können sie diese hinsichtlich des auf sie entfallenden Anteils am Veräußerungsgewinn geltend machen. Die Liquidationsgesellschaft kann sich auch durch Realteilung auseinander setzen (personenbezogene Aufgabe der Mitunternehmeranteile der Gesellschafter einschließlich der Erbengemeinschaft).
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Beratungssituation: Der Erblasser E (zu 2/3) war mit den Gesellschaftern M (1/6) und S (1/6) in einer OHG verbunden, die einen Fliesenmarkt und einen Produktionsbereich Trockenbau und Fliesen unterhalten. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass beim Tode des E die Gesellschaft aufgelöst wird. Erben des E sind A, B und C. Das Gesellschaftsvermögen besteht aus zwei Grundstücken (jeweils Standort des Produktionsbereiches und des Fliesenmarktes). Erbe B möchte den Fliesenmarkt weiterbetreiben.
Durch die Auflösungsklausel ist eine Abwicklungsgesellschaft entstanden, an der die Erbengemeinschaft beteiligt ist. Entschließen sich die Gesellschafter, die Gesellschaft (d.h. steuerlich die Mitunternehmerschaft) real zu teilen, könnte der Erbengemeinschaft der Teilbetrieb Fliesenmarkt und das verbleibende bisher für den Trockenbau genutzte Grundstück den Gesellschaftern M und S zugeteilt werden. In der Annahme, dass die jeweiligen Verkehrswerte der Wirtschaftsgüter dem Bruchteil der Gesellschafter am Gesellschaftsvermögen entsprechen, hat die Realteilung die Folge, dass M und S einen Aufgabegewinn erzielen (gemeiner Wert des ihnen zufallenden Grundstücks abzüglich Buchwert ihrer Beteiligung), es sei denn, beide legen das Grundstück in ein neues Betriebsvermögen ein (dann zwingende Fortführung der Buchwerte). Die Erbengemeinschaft muss die Buchwerte des Teilbetriebs fortführen. Ein Aufgabegewinn auf Seiten der Erbengemeinschaft fällt nicht an. Da die Miterben hinsichtlich des Teilbetriebs Mitunternehmer sind, müssten A und C ihre Mitunternehmeranteile im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft auf B übertragen. Zahlt B in diesem Zusammenhang eine Abfindung, ist das für A und C begünstigter Veräußerungserlös, B hat Anschaffungskosten.
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B XI Rz. 235
Unternehmensnachfolge
235
Entschließen sich die Gesellschafter dagegen im Stadium der Abwicklung, die Gesellschaft fortzusetzen und werden dadurch die einzelnen Erben in Höhe ihrer Erbquote am ursprünglichen Gesellschaftsanteil des Erblassers unmittelbar Gesellschafter, hat das ertragsteuerlich keine Auswirkungen. Entschließt sich nur ein Erbe zur Fortführung, müssen die übrigen Erben ihre im Rahmen der Erbengemeinschaft bestehenden mittelbaren Mitunternehmeranteile (Rz. 233) auf den fortsetzungswilligen Erben übertragen. Wird dafür eine Abfindung gezahlt, erzielen die weichenden Erben einen begünstigten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn. Die Einbeziehung dieser Übertragung in die steuerneutrale Realteilung des Gesamtnachlasses ist möglich.
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Beratungshinweis: Gehört Sonderbetriebsvermögen zum Nachlass, sollte dies ebenfalls durch die Miterben auf den fortsetzungswilligen Erben übertragen werden, insbesondere wenn es sich um wesentliche Betriebsgrundlagen der Gesellschaft handelt. Umfasst die Abfindung, die der fortsetzungswillige Erbe an die Miterben zahlt, auch das Sonderbetriebsvermögen, erzielen die weichenden Miterben insgesamt einen begünstigten Veräußerungsgewinn.
Bei Zurückbehaltung des Teiles des Sonderbetriebsvermögens, das auf die weichenden Erben entfällt, wird dieses durch die weichenden Erben entnommen. Bei Überführung des Sonderbetriebsvermögens in das Privatvermögen bleibt die Veräußerung des damit verbundenen Mitunternehmeranteils tarifbegünstigt, weil die stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens bei Überführung in das Privatvermögens vollständig aufgedeckt werden1. c) Fortsetzungsklausel 237
Wenn im Rahmen einer gesellschaftsvertraglichen Regelung unter Fortsetzung der Gesellschaft zwischen den verbleibenden Gesellschaftern (oder bei einer zweigliedrigen Gesellschaft die Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch den verbleibenden Gesellschafter) vorgesehen ist, dass den Erben ein Abfindungsanspruch zusteht, wird diese Abfindung als Erlös aus der begünstigten Veräußerung des Mitunternehmeranteils noch dem Erblasser zugerechnet. Die Fortsetzungsklausel wird insofern wie eine Veräußerung des Gesellschaftsanteils durch den Erblasser an seine Mitgesellschafter angesehen. Soweit die ertragsteuerrechtliche Begünstigung des Veräußerungsgewinns von persönlichen Voraussetzungen des Mitunternehmers abhängt, kommt es darauf an, ob der Erblasser diese Voraussetzungen in seiner Person erfüllt2. Auf Seiten der Erben wirkt sich der Zufluss der Abfindung in den Nachlass unmittelbar nicht aus, sie erwerben steuerlich neutral. Das gilt selbst dann, wenn einer der Erben seinerseits Gesellschafter ist.
1 BFH v. 1.2.1990 – IV R 8/98, DStR 1990, 254. 2 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 661.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 240 B XI
Die Gesellschafter, denen der Anteil des Erblassers entsprechend der Höhe ihrer jeweiligen Beteiligung anwächst, haben Anschaffungskosten, auch der Erbe, der Gesellschafter ist1. Hatte der Erblasser Sonderbetriebsvermögen, wird dieses mit dem Zeitpunkt seines Todes in das Privatvermögen überführt. Der gemeine Wert des Sonderbetriebsvermögens wird dem Veräußerungserlös (d.h. der Abfindung) für den Mitunternehmeranteil zugerechnet. Der Gewinn, der sich nach dieser Zusammenrechnung insgesamt ergibt, ist begünstigter Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn des Erblassers.
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aa) Enthält der Gesellschaftsvertrag eine Fortsetzungsklausel, die eine Abfindung ausschließt, wird im Familienkreis von einer unentgeltlichen Übertragung auf den Todesfall ausgegangen (vgl. Rz. 163).
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Beratungssituation: Herr E hat seine Söhne R und S in das Geschäft aufgenommen und dieses als OHG fortgeführt. Im Gesellschaftsvertrag ist vereinbart, dass bei Versterben des Gesellschafters E dessen Gesellschaftsanteil den übrigen Gesellschaftern anwächst und eine Abfindung an die Erben nicht zu zahlen ist. Herr E hat außerdem eine Tochter und hinterlässt seine Ehefrau, die zusammen mit seinen Söhnen als Erben eingesetzt sind; allerdings ist erbvertraglich bestimmt, dass die Söhne sich den auf sie im Todesfall des E entfallenden Gesellschaftsanteil auf ihren Erbteil anrechnen lassen müssen.
Im vorstehenden Falle handelt es sich bei der Regelung der Fortsetzungsklausel eindeutig um eine unentgeltliche Zuwendung auf den Todesfall, so dass der Gesellschaftsanteil des Herrn E seinen Söhnen R und S steuerlich neutral anwächst. Für die Erbengemeinschaft spielt der Gesellschaftsanteil nur insofern eine Rolle, als dessen Wert bei der Verteilung des Restnachlasses zulasten der Söhne zu berücksichtigen ist. Der betriebliche Freibetrag der Erbschaftsteuer gemäß § 13a ErbStG bzw. ab 2009 der Verschonungsabschlag für Betriebsvermögen steht den Empfängern der Schenkung entsprechend ihrem Anteil am Gesellschaftsanteil des Erblassers unmittelbar zu, da die Schenkung mit Eintritt des Erbfalles als vollzogen gilt2. bb) Haben Gesellschafter, die familiär im Übrigen nicht verbunden sind, den Ausschluss der Abfindung „auf Gegenseitigkeit“ in der Fortsetzungsklausel vereinbart und sind die Umstände der Gesellschafter (z.B. Lebensalter) ausgewogen, erwerben die verbleibenden Gesellschafter entgeltlich. Der Erblasser erzielt in diesem Falle einen Veräußerungsverlust; die erwerbenden Gesellschafter haben entweder den Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters abzustocken oder die Buchwerte des verstorbenen Gesellschafters fortzuführen und erzielen in Höhe der Buchwerte einen laufenden Gewinn3.
1 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 661. 2 Gebel, Schenkung- und Erbschaftsteuerrecht, Rz. 473. 3 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 663.
Grieger
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B XI Rz. 241 241
Unternehmensnachfolge
Die unter Rz. 237 und Rz. 240 erläuterten Folgen gelten sinngemäß auch dann, wenn der Gesellschaftsvertrag bei einer zweigliedrigen Gesellschaft anstelle der Fortsetzungsklausel eine Übernahmeklausel enthält, die dem verbleibenden Gesellschafter das Recht einräumt, den Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters innerhalb einer bestimmten Frist zu übernehmen. Wird das Übernahmerecht ausgeübt, ergeben sich steuerliche Folgen nach Rz. 237 oder 240. Ist eine Abfindung zu zahlen, ist zu berücksichtigen, dass die Erben bis zur Ausübung des Übernahmerechts Gesellschafter werden und der dann fällige Abfindungsanspruch zu einem Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn bei den Erben führt (quotal nach Erbanteilen)1. Insofern kommt es hinsichtlich der persönlichen Begünstigungstatbestände (§ 16 Abs. 4, § 34 Abs. 3 EStG) darauf an, ob der einzelne Erbe in seiner Person diese Voraussetzungen erfüllt. Hatte der Erblasser Sonderbetriebsvermögen, wird dieses bei Ausübung des Übernahmerechts durch den verbleibenden Gesellschafter in das Privatvermögen der Erbengemeinschaft überführt, wobei allerdings der gemeine Wert des Sonderbetriebsvermögens der Abfindung hinzuzurechnen ist, so dass der erzielte Gewinn insgesamt begünstigt ist. d) Einfache Nachfolgeklausel
242
Wie unter Rz. 166 ff. erläutert, geht bei einer einfachen Nachfolgeklausel der Gesellschaftsanteil des Erblassers in Sondererbfolge geteilt nach Erbquoten unmittelbar auf sämtliche Erben über, und zwar unabhängig von einer etwa bestehenden Teilungsanordnung. Hatte der Erblasser Sonderbetriebsvermögen, wird dies Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft, bleibt aber betriebliches Vermögen für die Miterben-Gesellschafter (steuerlich erfolgt eine quotale Zurechnung zum einzelnen Miterben-Gesellschafter).
243
Erbfallschulden (Pflichtteilsansprüche, Geldvermächtnisse, Gleichstellungsgelder, Erbersatzansprüche), die die Miterben zu erfüllen haben, sind Privatschuld (dazu Rz. 128).
244
Wie bereits im Zusammenhang mit dem Einzelunternehmen erläutert (Rz. 125), sind die steuerlichen Folgen eines Sachvermächtnisses sehr nachteilig, wenn Gegenstand des Sachvermächtnisses ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens ist.
Û
Beratungssituation: Der Erblasser hat seine Ehefrau und seinen Sohn als Erben je zur Hälfte eingesetzt. Zum Nachlass gehört ein Gesellschaftsanteil an der X-OHG nebst Sonderbetriebsvermögen. Er hat ferner seinem Enkel F ein Teilgrundstück, das sich im Sonderbetriebsvermögen befindet, als Vermächtnis zugewiesen. Dieses Teilgrundstück war zeitweilig als betriebliches Lagergebäude verwendet worden, wird aber wegen der
1 Der Erblasser hat in diesem Falle nur vorbereitende Maßnahmen für die Veräußerung getroffen; vgl. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 664 m.w.N.
722
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 246 B XI
Verlegung der Lagerhaltung dafür nicht mehr benötigt. Enkel F betreibt eine kleine Software-Firma und wird diese in das Gebäude verlegen. Die Erbengemeinschaft muss das Grundstück zum gemeinen Wert entnehmen und unentgeltlich auf den Enkel übertragen. Der Entnahmegewinn ist als laufender Gewinn zu versteuern. Der Enkel führt den Entnahmewert fort. Das gilt bei einem Sachvermächtnis auch nach dem 1.1.2001. Anders ist die Rechtslage nach dem 1.1.2001 bei Zuteilung eines Wirtschaftsgutes des Sonderbetriebsvermögens im Wege des Vorausvermächtnisses.
Û
245
Beratungssituation: In Abwandlung des vorstehenden Beispiels hat der Erblasser seinem Sohn das betrieblich nicht mehr unmittelbar genutzte Grundstück als Vorausvermächtnis hinterlassen und dieser bringt es in das Betriebsvermögen eines von ihm betriebenen Einzelunternehmens ein (Verlegung der Betriebsstätte in das Gebäude).
In diesem Falle überführt der Sohn das Grundstück des Sonderbetriebsvermögens in ein anderes Betriebsvermögen, so dass dieses nunmehr wieder steuerlich neutral dem Sonderbetriebsvermögen entnommen und zu Buchwerten in das andere Betriebsvermögen des Mitunternehmers eingelegt werden muss (Rz. 126). Die steuerlichen Grundsätze, die für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft in Bezug auf Einzelunternehmen entwickelt wurden (Rz. 107 ff.), gelten im Prinzip auch für die Auseinandersetzung, wenn zum Nachlass ein Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft gehört. Bei einer einfachen Nachfolgeklausel, wenn also sämtliche Miterben in Sondererbfolge jeweils einen Teil des Gesellschaftsanteils erworben haben, besteht auch hinsichtlich der steuerlichen Aspekte der Auseinandersetzung eine hohe Flexibilität, insbesondere, wenn Sonderbetriebsvermögen nicht vorhanden ist. In der Tat lässt sich durch Verschiebung der Anteile ein Ausgleich mit anderen Vermögenswerten herstellen, da die Finanzverwaltung auch die Realteilung der Erbengemeinschaft unter Einbeziehung von Gesellschaftsanteilen bei Vorhandensein eines Mischnachlasses anerkennt1. Es wird allerdings sehr häufig der Fall sein, dass auch Sonderbetriebsvermögen mit dem Gesellschaftsanteil verbunden ist. Im Gegensatz zum Gesellschaftsanteil, der dinglich und steuerlich jedem Miterben direkt anfällt, wird das Sonderbetriebsvermögen Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft.
Û
Beratungssituation: Herr E hinterlässt seine Ehefrau und die Söhne R und S. Bei seinem Tode fällt sein Gesellschaftsanteil an der X-OHG von 48 % in den Nachlass. Zum Gesellschaftsanteil gehört als Sonderbetriebsvermögen ein Grundstück (Betriebsgrundstück der OHG); ferner ein Privatgrundstück. Der Wert des Gesellschaftsanteils beträgt 1,5 Millionen Euro, der Wert des Grundstücks im Sonderbetriebsvermögen beträgt
1 BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 253) Tz. 71.
Grieger
723
246
B XI Rz. 247
Unternehmensnachfolge
600 000 Euro und das Privatgrundstück wird mit 1,3 Millionen Euro geschätzt, ist aber mit 400 000 Euro Restkredit belastet. Herr E hat die Erben zu gleichen Teilen eingesetzt, aber im Wege der Teilungsanordnung verfügt, dass der Sohn R 2/3 des Gesellschaftsanteils erhalten soll und Sohn S und die Mutter jeweils 1/6. 247
Aufgrund der Erbfolge haben im vorstehenden Beispiel alle Erben einen gleich großen Teilgeschäftsanteil erworben. Um die Teilungsanordnung zu vollziehen, müssen Sohn S und die Mutter Bruchteile ihres Teilgeschäftsanteils auf R übertragen („abweichende Aufteilung“ s. Rz. 246). Das Sonderbetriebsvermögen ist Gesamthandsvermögen geworden. Da alle Erben Gesellschafter bleiben, könnte es auch aus steuerlicher Sicht dabei bleiben (Rz. 248).
248
Bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und der damit verbundenen Verschiebung von Bruchteilen der erworbenen Gesellschaftsanteile (wie im Ausgangsbeispiel) ist es nicht mehr erforderlich, auf eine parallele quotale Zuteilung des Sonderbetriebsvermögens zu achten, wenn keiner der Miterben aus der Gesellschaft ausscheidet (jedenfalls soweit das Sonderbetriebsvermögen wesentliche Betriebsgrundlage ist) und die Auseinandersetzung darüber abfindungsneutral, also zu Buchwerten, stattfindet. Nach der ab 2001 bestehenden Rechtslage (§ 6 Abs. III EStG i.d.F. des UntStFG) ist es bei unentgeltlicher Übertragung von Bruchteilen von Mitunternehmeranteilen nicht mehr unbedingt erforderlich, Sonderbetriebsvermögen im quotalen Verhältnis mitzuübertragen (aber fünfjährige Behaltensfrist für Erwerber beachten).1
249
Natürlich können die Erben auch eine quotale Verteilung des Sonderbetriebsvermögens vornehmen. Wenn gerade dadurch die steuerneutrale Auseinandersetzung ermöglicht wird. Die Miterben im Ausgangsbeispiel können unter Beachtung der Realteilung die steuerlich neutrale Auseinandersetzung des Betriebsvermögens wie folgt vornehmen2: R. erhält nur Betriebsvermögen wie folgt 16 % am Gesellschaftsanteil ererbt 8 % von der Mutter 8 % vom Bruder S Grundstück Sonderbetriebsvermögen 1/3 ererbt 1/6 von der Mutter 1/6 vom Bruder S Mutter erhält am Betriebsvermögen 16 % am Gesellschaftsanteil ererbt abzüglich 8 % an R 1/3 am Grundstück Sonderbetriebsvermögen 1 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 435. 2 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 670.
724
Grieger
500 000 Euro 250 000 Euro 250 000 Euro 200 000 Euro 100 000 Euro 100 000 Euro 1 400 000 Euro 500 000 Euro ./. 250 000 Euro 200 000 Euro
Unternehmensnachfolge abzüglich 1/6 an R Bruder S erhält am Betriebsvermögen 16 % am Gesellschaftsanteil ererbt abzüglich 8 % an R 1/3 am Betriebsgrundstück abzüglich 1/6 an R Ferner übernehmen: Mutter ½ Privatgrundstück S ½ Privatgrundstück
Rz. 251 B XI ./. 100 000 Euro 350 000 Euro 500 000 Euro ./. 250 000 Euro 200 000 Euro ./. 100 000 Euro 350 000 Euro 650 000 Euro 650 000 Euro
Sohn R übernimmt die auf dem Grundstück lastende Verbindlichkeit von 400 000 Euro, die für ihn Betriebsschuld wird, so dass die Zinsen als Betriebsausgaben abgesetzt werden können. Insgesamt erhält jeder Erbe einen Wert von 1 Million Euro. Bei Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft wird das Privatgrundstück an die Mutter und S aufgelassen. Das Grundstück des Sonderbetriebsvermögens wird am zweckmäßigsten an eine GbR, bestehend aus R, S und Mutter übertragen, wobei die Miterben durch Gesellschaftsvertrag ihre Anteile an der GbR wie folgt festlegen: R 2/3, S 1/6, Mutter 1/6. Die Schaffung von Gesamthandsvermögen im Rahmen einer GbR ist wegen der künftigen Flexibilität der dann auch hier möglichen Verschiebung von Gesellschaftsanteilen der Bildung von Bruchteilseigentum vorzuziehen. Hat der Erblasser durch Teilungsanordnung bestimmt, dass nur ein Teil der Erben Gesellschafter werden soll, so dass die übrigen ausscheiden, und ist in einem solchen Fall wesentliches Privatvermögen nicht vorhanden, müssen die Gesellschafter-Erben die weichenden Erben durch Ausgleichszahlungen abfinden. Auch diese Ausgleichszahlungen an die weichenden Erben führen zu Anschaffungskosten der Gesellschafter-Erben einerseits und zu einem Veräußerungsgewinn der weichenden Erben andererseits.
250
Ist Sonderbetriebsvermögen des Erblassers vorhanden, vollzieht sich die Auseinandersetzung wie folgt:
251
Die weichenden Erben übertragen sowohl die auf sie entfallenden Bruchteile am Gesellschaftsanteil auf die Gesellschafter-Erben als auch ihre Anteile am Sonderbetriebsvermögen. Dafür ist die Auseinandersetzung bzw. Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft erforderlich, so dass die weichenden Erben die Vermögenswerte des Sonderbetriebsvermögens auch zivilrechtlich auf die Gesellschafter übertragen. Wird die Auseinandersetzung nur hinsichtlich des Gesellschaftsanteils selbst durchgeführt und bleibt es im Übrigen (z.B. auch hinsichtlich des Grundstücks des Sonderbetriebsvermögens) bei der Erbengemeinschaft, besteht die Gefahr, dass der Anteil der weichenden Erben am Sonderbetriebsvermögen steuerlich als entnommen gilt. Im Übrigen ist die durch die Gesellschaftererben an die weichenden Erben gezahlte Abfindung sowohl für die Übertragung des Mitunternehmeranteils als auch der AnGrieger
725
B XI Rz. 252
Unternehmensnachfolge
teile am Sonderbetriebsvermögen als Veräußerungserlös zu betrachten. Die Gesellschafter-Erben haben in dieser Höhe Anschaffungskosten. Führt die Ausgleichszahlung zu unzumutbaren Liquiditätsbelastungen auf Seiten der Gesellschafter-Erben und ziehen die Miterben die Sachabfindung mit einem Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens in Betracht (z.B. einem Teilgrundstück, das für betriebliche Zwecke der Gesellschaft nicht mehr benötigt wird), erzielen die Gesellschafter-Erben einen nicht begünstigten Entnahmegewinn. Für den weichenden Erben ergibt sich hinsichtlich der Differenz zwischen Buchwert der übertragenen Beteiligung einschließlich Buchwert des auf ihn entfallenden Sonderbetriebsvermögens und dem gemeinen Wert des Wirtschaftsgutes ein begünstigter Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn. Überführt der weichende Erbe das Wirtschaftsgut allerdings in ein anderes Betriebsvermögen (z.B. legt er es in sein Einzelunternehmen ein, um es dort betrieblich zu nutzen), ist die Entnahme zu Buchwerten zwingend (vgl. Rz. 108). Es wird weder ein Entnahmegewinn auf Seiten des Gesellschafter-Erbens noch ein Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn auf Seiten des weichenden Erben erzielt. 252
Ein besonders schwerwiegendes Problem besteht allerdings, wenn der weichende Erbe ein Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens erhalten soll, das wesentliche Betriebsgrundlage für die Gesellschaft ist (z.B. Betriebsgrundstück).
Û
Beratungssituation: Der Erblasser Herr E hält einen Gesellschaftsanteil an der X-OHG und hat der Gesellschaft ein Grundstück mit Gebäuden und Anlagen zur Nutzung überlassen, das von der Gesellschaft als Betriebsgrundstück genutzt wird. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass die Gesellschaft mit den Erben des Gesellschafters fortgesetzt wird. Herr E setzt seinen Sohn und seine Ehefrau zu gleichen Teilen als Erben ein. Gleichzeitig bestimmt er, dass sein Sohn den Gesellschaftsanteil und seine Ehefrau das Grundstück erhalten soll.
In diesem Falle wäre es wohl zweckmäßig, wenn sich die Erben darüber einig werden, die Teilungsanordnung nicht zu vollziehen. Wird die Teilungsanordnung vollzogen und erhält die Mutter das Grundstück und der Sohn den Geschäftsanteil, ist davon auszugehen, dass hinsichtlich des Grundstücks ein nicht begünstigter Entnahmegewinn des Erblassers erzielt wird, wenn das Grundstück in das Privatvermögen überführt wird1. Der Gesellschaftsanteil kann zum Buchwert weitergeführt werden, obwohl er seines funktionsbestimmenden Sonderbetriebsvermögens entkleidet wurde2. Insgesamt treten ähnliche Folgen wie bei der qualifizierten Nachfolgeklausel auf (vgl. Rz. 253).
Û
Beratungshinweis: In Fällen wie dem vorstehenden ist es der steuerlichen Lage angemessener, wenn dem Sohn der gesamte Gesellschaftsanteil einschließlich Sonderbetriebsvermögen übertragen und der Erbanteil der
1 So Schmidt, EStG, § 16 Rz. 647. 2 BFH v. 1.2.1990 – IV R 8/1989, DStR 1990, 254.
726
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 255 B XI
Mutter in eine Unterbeteiligung umgewandelt wird, und zwar so, dass sie eine mitunternehmerische Stellung behält. e) Qualifizierte Nachfolgeklausel
Û
Beratungssituation: Der Erblasser Herr E hält einen Gesellschaftsanteil an der X-OHG und hat der OHG ein Grundstück zur Nutzung überlassen, das die Gesellschaft als Betriebsgrundstück nutzt. Im Gesellschaftsvertrag ist vorgesehen, dass nur ein einzelner Abkömmling in die Gesellschaft nachfolgt, den der Gesellschafter durch letztwillige Verfügung bestimmen kann. Herr E hat einen Sohn A, einen Sohn B und eine Tochter C. Seine Ehefrau ist verstorben. Die Kinder sind zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt. Herr E hat den Sohn A zum Nachfolger bestimmt und im Wege der Teilungsanordnung verfügt, dass dieser das Betriebsgrundstück, die beiden anderen Kinder jeweils eines der beiden im Privatvermögen befindlichen Grundstücke erhalten sollen.
aa) Im vorstehenden Beispiel handelt es sich hinsichtlich der Nachfolge in die 253 Gesellschaft um eine qualifizierte Nachfolgeklausel. Die erbrechtliche Folge, dass nur der qualifizierte Nachfolger unmittelbar in die Gesellschaft nachfolgt (Rz. 176), tritt auch im Ertragsteuerrecht ein, so dass die übrigen Erben im Zusammenhang mit dem Erbfall nicht Mitunternehmer werden, sondern nur der qualifizierte Erbe eine Mitunternehmerstellung in Bezug auf die Gesellschaft erlangt. bb) Muss der qualifizierte Nachfolger Ausgleichszahlungen an weichende Erben leisten, handelt es sich nicht um eine Abfindung für den „entgangenen“ Gesellschaftsanteil, sondern um eine „Wertausgleichsschuld“, die Privatschuld ist und die eher als Vermächtnisschuld denn als Abfindungszahlung anzusehen ist1. Nach Auffassung der Finanzverwaltung führen derartige Zahlungen nicht zu Anschaffungskosten; aus dem Zufluss bei den weichenden Erben können keine Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinne entstehen2. Können, wie im vorliegenden Beispiel, die weichenden Erben mit Vermögenswerten aus dem Privatvermögen des Erblassers abgefunden werden, erfolgt dies grundsätzlich steuerlich neutral, da der Gesellschafter-Erbe eine Privatschuld mit Anteilen an privaten Wirtschaftsgütern erfüllt.
254
cc) Während der Gesellschaftsanteil auch steuerlich insgesamt an den übrigen Miterben vorbei auf den qualifizierten Nachfolger übergeht, fällt das Sonderbetriebsvermögen in das Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft. Daran vermag auch eine Teilungsanordnung nichts zu ändern, die – wie im Ausgangsbeispiel – dem Nachfolger das Sonderbetriebsvermögen zuweist.
255
1 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 672. 2 BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 06, 253 Tz. 72 ff.). Im Übrigen ständige Rechtsprechung, vgl. Schmidt, wie vor, mit Nachweisen; die dagegen vertretene Mindermeinung (so Groh, DB 1991, 974, DStR 1994, 413) hat sich nicht durchgesetzt.
Grieger
727
B XI Rz. 256
Unternehmensnachfolge
Infolgedessen steht dem qualifizierten Nachfolger das Sonderbetriebsvermögen nur in Höhe seiner Erbquote zu. In diesem Umfang bleibt es Sonderbetriebsvermögen. Der übrige Teil in Höhe der Erbquoten der weichenden Erben gilt als durch den Erblasser in das Privatvermögen entnommen, der insoweit die stillen Reserven aufdeckt und einen nicht begünstigten Entnahmegewinn erzielt1. Wird dann – wie im Ausgangsbeispiel – in Vollziehung der Teilungsanordnung durch die weichenden Erben deren quotaler Anteil am Sonderbetriebsvermögen auf den qualifizierten Nachfolger übertragen, legt dieser den Anteil zum Entnahmewert in das Sonderbetriebsvermögen ein und führt dann zwei AfA-Reihen. 256
dd) Diese Nachteile lassen sich nur schwer vermeiden. Empfohlen wird die Einsetzung des vorgesehenen qualifizierten Nachfolgers zum Alleinerben (1). Ferner wird die Einbringung des Sonderbetriebsvermögens in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft (GmbH & Co. KG) diskutiert.
257
(1) Die Einsetzung des Nachfolgers als Alleinerbe mit der Zuteilung von Vermögenswerten im Wege des Vermächtnisses an die übrigen Erben ist unter Rz. 145 im Zusammenhang mit der Nachfolge in Einzelunternehmen behandelt worden. Bei der Nachfolge in Einzelunternehmen soll damit verhindert werden, dass die übrigen Miterben überhaupt Mitunternehmer werden, um die erbrechtliche Auseinandersetzung über Betriebsvermögen zu vermeiden. Im Zusammenhang mit der qualifizierten Nachfolge soll dagegen durch die Alleinerbenstellung des Nachfolgers sichergestellt werden, dass das Sonderbetriebsvermögen vollständig und unmittelbar auf ihn übergeht, so dass es im Erbfall als Sonderbetriebsvermögen des Nachfolgers fortgeführt werden kann.
258
(2) Die Einbringung des Sonderbetriebsvermögens zu Buchwerten in eine GmbH & Co. KG zu Lebzeiten des Erblassers ist nach dem 1.1.2001 möglich, da die nunmehr wieder eröffneten Möglichkeiten der steuerneutralen Übertragung von Wirtschaftsgütern aufgrund der Neufassung des § 6 Abs. 5 EStG auch die Buchwertübertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Sonderbetriebsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer anderen (mit dem Übertragenden personenidentischen) Gesellschaft ermöglicht (Zwang zur Buchwertfortführung unter Beachtung der Behaltensfrist gemäß § 6 Abs. 5 EStG)2. Selbst wenn eine Änderung des Charakters des Vermögens als Sonderbetriebsvermögen nicht eintritt, werden die in die GmbH & Co. KG eingebrachten Wirtschaftsgüter eigenständiges Betriebsvermögen3, das insoweit Vorrang vor der Einordnung der Gesellschaftsanteile an der GmbH & Co. KG als Sonderbetriebsvermögen hat4. Zwischen der neu gebildeten Besitzgesellschaft und der Gesellschaft, bei der der Erblasser Mitunternehmer ist (Betriebsgesellschaft), ist zweckmäßigerweise ein Pachtvertrag 1 2 3 4
Vgl. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 674 m.w.N. Schmidt, EStG, § 15 Rz. 675. Schmidt, EStG, § 16 Rz. 675. Geck, DStR 2000, 2031 (2033) mit Nachweisen aus der Finanzrechtsprechung.
728
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 261 B XI
über das durch die Besitzgesellschaft der Betriebsgesellschaft weiterhin überlassene Sonderbetriebsvermögen abzuschließen und dementsprechend ein Pachtentgelt zu vereinbaren. Verstirbt der Erblasser und ändert sich damit im Falle der qualifizierten Nachfolgeklausel die personelle Struktur der Besitzgesellschaft (GmbH & Co. KG), werden aufgrund der selbstständigen Betriebsvermögenseigenschaft der in der Besitzgesellschaft eingebrachten Wirtschaftsgüter stille Reserven nicht aufgedeckt. Der Erblasser ist insoweit hinsichtlich seiner Verfügungen über das Sonderbetriebsvermögen sehr flexibel. – Er kann in den Gesellschaftsvertrag der Besitzgesellschaft die gleiche qualifizierte Nachfolgeregelung aufnehmen wie in der Betriebsgesellschaft, also z.B. bestimmen, dass nur der durch den Erblasser benannte Nachfolger in die Gesellschaft einrücken darf. Damit würde die vollständig synchrone Nachfolge in der Betriebsgesellschaft und in der Besitzgesellschaft (ehemaliges Sonderbetriebsvermögen) eintreten, da der Nachfolger auch in die Besitzgesellschaft in Sondererbfolge unmittelbar und direkt nachfolgt.
259
– Der Erblasser kann es in der Besitzgesellschaft auch bei einer allgemeinen Nachfolgeklausel belassen, so dass sämtliche Erben in die Gesellschaft einrücken. Die durch die Erben in Sondererbfolge erworbenen Teilgesellschaftsanteile können entweder zur flexiblen Gestaltung der Erbauseinandersetzung eingesetzt werden, die eine möglichst steuerlich neutrale Realteilung ermöglicht, oder sie werden auch in Zukunft durch die Miterben-Gesellschafter gehalten, denen die Gewinne der Gesellschaft aus der Vermietung und Verpachtung zufließen.
260
Bei dieser Gestaltungsalternative ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH aufgrund der gesetzlich vorgesehenen grundsätzlichen Vererblichkeit des Geschäftsanteils immer an die Erbengemeinschaft als Ganzes fällt; diese gesetzliche Folge kann durch Klauseln des Gesellschaftsvertrags nicht abgeändert werden. Belässt es der Erblasser hinsichtlich der Kommanditanteile der Besitzgesellschaft bei einer einfachen Nachfolgeklausel, treten allerdings durch die gesetzlich abweichende Nachfolge bei der Komplementär-GmbH keine Störungen oder Widersprüche auf. Sofern die Miterben-Gesellschafter Teilgesellschaftsanteile im Zuge der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft auf einzelne Miterben übertragen, sollten entsprechende Bruchteile an der Komplementär-GmbH mitübertragen werden. Hat der Erblasser allerdings hinsichtlich der Kommanditanteile eine qualifizierte Nachfolgeklausel in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen, so dass nur ein Miterbe nachfolgt, fällt der Geschäftsanteil an der GmbH in den Nachlass und wird Gesamthandsvermögen. Zugleich wird er steuerlich aus dem Betriebsvermögen der Personengesellschaft (also der GmbH & Co. KG) entnommen. Sofern jedoch die Komplementär-GmbH am Vermögen der Gesellschaft nicht beteiligt ist (was die Regel sein sollte), entstehen daraus in Grieger
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261
B XI Rz. 262
Unternehmensnachfolge
der Regel keine gravierenden steuerlichen Probleme. Es wäre jedoch zweckmäßig, wenn der Erblasser durch Teilungsanordnung bestimmt, dass der Gesellschaftsanteil an der Komplementär-GmbH dem qualifizierten Nachfolger zufallen soll. Im Übrigen kann der Erblasser die gesamthänderische Nachfolge der Erbengemeinschaft in den Geschäftsanteil auch verhindern, indem er noch zu Lebzeiten dem qualifizierten Nachfolger diesen Geschäftsanteil aufschiebend bedingt auf den Tod des Schenkers unentgeltlich überträgt, wobei die Vertragsparteien im Schenkungsvertrag (Beurkundung erforderlich!) auch das Verfügungsgeschäft aufschiebend bedingt vollziehen, so dass mit Eintritt des Erbfalles der Geschäftsanteil an der Komplementär-GmbH dem qualifizierten Nachfolger unmittelbar zufällt. Der Erblasser kann sich im Übrigen weitere Verfügungen vorbehalten, so dass das Rechtsgeschäft unter der zusätzlichen Bedingung abgeschlossen wird, dass derartige Verfügungen nicht getroffen werden. f) Eintrittsklausel 262
Da die Eintrittsklausel dem oder den Erben das Recht einräumt, in die Gesellschaft einzutreten, hängen die ertragsteuerlichen Folgen von der Entscheidung der Begünstigten ab.
263
aa) Macht keiner der begünstigten Erben von diesem Eintrittsrecht Gebrauch und ist für diesen Fall vorgesehen, dass die Gesellschaft eine Abfindung zahlt, treten die Folgen einer Fortsetzungsklausel ein. Der Erblasser erzielt einen auf der Grundlage des Abfindungsanspruches zu errechnenden tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn (§§ 16, 34 EStG)1.
264
bb) Treten die Erben aufgrund der Eintrittsklausel in die Gesellschaft ein und war vereinbart, dass innerhalb der Eintrittsfrist die übrigen Gesellschafter den Gesellschaftsanteil des Erblassers, der ihnen vorübergehend anwächst, treuhänderisch für die Erben halten, wickelt sich die Nachfolge nach den Grundsätzen der einfachen Nachfolgeklausel ab, d.h. der Gesellschaftsanteil geht unentgeltlich auf die Erben über, so dass ertragsteuerliche Auswirkungen zunächst vermieden werden.
265
Ist nach dem Gesellschaftsvertrag jedoch davon auszugehen, dass die Erben in jedem Falle einen Abfindungsanspruch erwerben, mit dem sie bei Ausübung ihres Eintrittsrechts dann ihre Einlageverpflichtung begleichen, erzielt der Erblasser einen tarifbegünstigten Veräußerungsgewinn. Die Finanzverwaltung geht jedoch auch in diesem Falle davon aus, dass die Folgen der einfachen Nachfolgeklausel gelten, wenn der Eintritt innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt, so dass der Erblasser, d.h. der Nachlass, keine ertragsteuerlichen Lasten hinsichtlich eines Veräußerungsgewinns zu tragen hat2. Das ist ohne Zweifel eine Billigkeitslösung.
1 BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 253) Tz. 70. 2 BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 253) Tz. 70.
730
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 268 B XI
Die vorgenannte Sechsmonatsfrist will die Finanzverwaltung allerdings auch dann zur Anwendung bringen, wenn sich aus dem Gesellschaftsvertrag die oben erläuterte Treuhandvariante ergibt (d.h. wenn die verbleibenden Gesellschafter bis zur Entscheidung der Erben über den Eintritt den Gesellschaftsanteil des Erblassers für die Erben treuhänderisch halten). Das ist wohl zu Recht kritisiert worden1. In der Tat setzt die Finanzverwaltung unabhängig von den Entscheidungsfristen des Gesellschaftsvertrags eine eigene Frist für diese Entscheidung. Angenommen, der Gesellschaftsvertrag sieht für die Entscheidung der Erben eine Frist von zwölf Monaten vor, sind die Erben nach dieser Auffassung der Finanzverwaltung gezwungen, eine frühere Entscheidung zu fällen, um zu vermeiden, dass der Abfindungsanspruch, der auch bei der Treuhandlösung verdeckt im Hintergrund steht, die ertragsteuerliche Folge eines Veräußerungsgewinns beim Erblasser auslöst. cc) Können nach dem Gesellschaftsvertrag alle Erben in die Gesellschaft eintreten, macht aber nur ein einzelner Erbe oder ein Teil von ihnen von diesem Eintrittsrecht Gebrauch, so geht die Finanzverwaltung davon aus, dass in diesem Falle die Grundsätze, die für die qualifizierte Nachfolgeklausel gelten, entsprechend anzuwenden sind2. Das würde aber zivilrechtlich voraussetzen, dass den eintretenden Erben der Gesellschaftsanteil nach dem Gesellschaftsvertrag auch voll zufällt, was in dem zitierten BMF-Schreiben stillschweigend vorausgesetzt wird, so dass im entgegengesetzten Falle abweichende ertragsteuerliche Folgen eintreten (vgl. unten Rz. 268). Erlaubt der Gesellschaftsvertrag eindeutig nur, dass überhaupt nur bestimmte Erben eintreten, steht die Anwendung der Grundsätze einer qualifizierten Nachfolgeklausel außer Zweifel.
266
Finden die Regelungen der qualifizierten Nachfolgeklausel Anwendung, haben die Erben, die nicht eintreten, keinen Abfindungsanspruch gegen den oder die Erben, die nachfolgen, so dass sie keinen Veräußerungserlös erzielen; der oder die eintretenden Erben haben deshalb auch keine Anschaffungskosten. Der Wertausgleich, den die eintretenden Erben an die übrigen Miterben u.U. zu zahlen haben, ist Privatschuld und insofern ertragsteuerlich neutral (Rz. 254).
267
Die vorstehende Regelung gilt allerdings auch nur, soweit der Eintritt der fortsetzungswilligen Erben innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt. Im Übrigen findet sie, wie bei der unter Rz. 264, 265 geschilderten Alternative, unabhängig davon Anwendung, ob den eintretenden Erben der Gesellschaftsanteil über eine Treuhandlösung zufällt oder der Abfindungsanspruch des Erblassers in den Nachlass fällt und von den Erben zur Erfüllung ihrer Einlageverpflichtung eingebracht wird. dd) Die in Rz. 267 erläuterte ertragsteuerliche Folge kann dann nicht gelten, wenn die fortsetzungswilligen Erben nur hinsichtlich eines ihrer Erbquote entsprechenden Teils des Gesellschaftsanteils des Erblassers die Nachfolge 1 Schmidt, EStG, § 16 Rz. 677. 2 BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 253) Tz. 79.
Grieger
731
268
B XI Rz. 269
Unternehmensnachfolge
antreten bzw. nach dem Gesellschaftsvertrag auch nur antreten können, so dass nicht der gesamte Gesellschaftsanteil auf die eintretenden Erben übergeht.
Û
Beratungssituation: Der Erblasser Herr E ist Gesellschafter der X-OHG. Im Gesellschaftsvertrag ist vorgesehen, dass die Erben der Gesellschafter das Recht haben, innerhalb von neun Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls, entsprechend ihrer Erbquote am Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters in die Gesellschaft einzutreten. Ferner ist bestimmt, dass die Gesellschaft den Erben, die keinen Gebrauch von ihrem Eintrittsrecht machen, eine Abfindung zahlt. Herr E setzt seine drei Kinder A, B und C zu gleichen Teilen als Erben ein. A und B entschließen sich, in die Gesellschaft einzutreten. C macht von seinem Eintrittsrecht keinen Gebrauch.
Im vorstehenden Beispiel würden A und B unentgeltlich in den auf sie entfallenden Bruchteil des Gesellschaftsanteils nachfolgen. Für den Anteil des C zahlt die Gesellschaft eine Abfindung, die zu einem Veräußerungserlös des Erblassers führt. C hat im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft Anspruch auf diese Abfindung (Folgen einer Teilnachfolgeklausel; hinsichtlich des C treten die Folgen einer Fortsetzungsklausel ein: Der Bruchteil des C wächst den übrigen Gesellschaftern an. Ab 2002 ist der Veräußerungsgewinn insoweit nicht begünstigter laufender Gewinn1. 269
ee) Ist einem Nichterben das Recht eingeräumt worden, in die Gesellschaft einzutreten, bleibt die Erbengemeinschaft überhaupt nur in den Vorgang eingebunden, soweit der Abfindungsanspruch betroffen ist. Ist dem Nichterben der Abfindungsanspruch vermächtnisweise zugewandt, gelten für seinen Eintritt die Regeln der einfachen Nachfolgeklausel, jedenfalls bei der Treuhandlösung2. Lässt sich aus dem Gesellschaftsvertrag eine Treuhandlösung nicht entnehmen und fällt der Abfindungsanspruch in den Nachlass, so dass der Erblasser einen Veräußerungserlös erzielt und die Erbengemeinschaft dann den Abfindungsanspruch schuldrechtlich auf den Vermächtnisnehmer übertragen muss, kommt es hinsichtlich der steuerlichen Folgen darauf an, ob die Finanzverwaltung die für Erben geltenden Grundsätze3 auch auf den Vermächtnisnehmer anwendet. Ist das der Fall und macht der Vermächtnisnehmer innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall von seinem Eintrittsrecht Gebrauch, würden auch in diesem Falle die Folgen der einfachen Nachfolgeklausel gelten, d.h. der Erblasser erzielt mit der Abfindung keinen Veräußerungserlös und der Gesellschaftsanteil geht jedenfalls steuerlich unmittelbar auf den Vermächtnisnehmer über.
270
Wenn der Begünstigte von seinem Eintrittsrecht keinen Gebrauch macht, treten die Folgen der Fortsetzungsklausel ein. Das Gleiche gilt, wenn der Begünstigte zwar eintritt, der Erblasser ihm aber den Abfindungsanspruch nicht 1 Schmidt, § 16 Rz. 676. 2 Schmidt, § 16 Rz. 679. 3 BMF v. 14.3.2006 (BStBl. I 2006, 235) Tz. 70.
732
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 272 B XI
vermächtnisweise und auch nicht in anderer Weise (z.B. rechtsgeschäftlich, vgl. Rz. 181 ff.) zugewandt hat. In diesem Falle müsste der Begünstigte seine Einlageverpflichtung aus eigenen Mitteln erfüllen.
III. Kapitalgesellschaft 1. Nachfolge in der GmbH a) Regelungsgrundsätze und Nachfolge Der Gesellschaftsanteil an der GmbH ist grundsätzlich vererblich (§ 15 Abs. 1 GmbHG). Dies gilt auch für die Unternehmergesellschaft, die sich als Variante der GmbH lediglich in § 5a GmbHG von der klassischen GmbH unterscheidet.
271
Die Vererblichkeit kann, anders als bei der Personengesellschaft, auch nicht durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen werden1. Eine Sondererbfolge einzelner Erben ist nicht möglich, der Geschäftsanteil fällt sämtlichen Erben grundsätzlich gesamthänderisch an. Sie treten mit dem Erbfall automatisch in die Rechtsposition des Erblassers ein (mit Ausnahme persönlicher Rechte, so wenn der Erblasser Geschäftsführer war). Der Rechtsübergang muss der Gesellschaft nicht – wie bei freiem Erwerb – gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG angezeigt werden, um wirksam zu sein2. Der Gesellschaftsanteil bleibt bei diesem Übergang ungeteilt, so dass nur die Erbengemeinschaft als Ganzes und einheitlich die Rechte aus dem Gesellschaftsvertrag wahrnehmen kann. Zweckmäßigerweise sollte die Erbengemeinschaft einen gemeinsamen Vertreter bestellen, der im Verhältnis zur Gesellschaft Erklärungen abgeben und entgegennehmen kann. Davon geht § 18 Abs. 3 GmbHG auch aus. Ist ein gemeinsamer Vertreter durch die Miterben nicht bestellt worden, kann die Gesellschaft nach Ablauf eines Monats nach dem Erbfall Rechtshandlungen gegenüber einem einzelnen Miterben mit Wirkung für alle Miterben vornehmen. Diese Regelung erleichtert die Lage der Gesellschaft, wenn mehrere Miterben vorhanden sind. Als weitere Sicherung der Gesellschaft ist im Gesellschaftsvertrag sehr häufig vereinbart, dass eine Mehrheit von Erben die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung nur durch einen einzelnen bestellten Vertreter ausüben kann, so dass die Stimmrechte entfallen, wenn ein Vertreter nicht vorhanden ist. Der Gesellschaftsvertrag kann auch vorsehen, dass bis zu einer endgültigen Nachfolgeregelung die Verwaltungsrechte in Bezug auf den Geschäftsanteil vollständig ruhen, so dass die Stimmrechte nicht ausgeübt werden können3.
1 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 1; Lutter/Hommelhoff, § 15 Rz. 2. 2 Höger, GmbHR 1999, 945; Michalski, GmbHG, § 15 Rz. 10. 3 Zur Beschränkung von Rechten durch Gesellschaftsvertrag vgl. MüHdb GesR III, § 25 Rz. 45, 46; Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rz. 34.
Grieger
733
272
B XI Rz. 273 273
Unternehmensnachfolge
Angesichts der vorstehend erläuterten Regelungsgrundsätze setzt die gezielte Nachfolgeregelung voraus, dass in den Gesellschaftsvertrag Regelungen aufgenommen werden, die die gewünschte Nachfolge sichern. Dabei ist es in der Regel auch erforderlich, nicht nur die Person/Personen zu bestimmen, die berechtigt sind nachzufolgen, sondern auch die Mittel und das Verfahren anzugeben, wie diese Nachfolge herbeigeführt werden soll, da aufgrund der allgemeinen auch durch Gesellschaftsvertrag nicht zu beseitigenden Vererblichkeit des Geschäftsanteils dieser durch zusätzliche Rechtsgeschäfte oder Rechtshandlungen der Gesellschaft auf den gewünschten Nachfolger überführt werden muss. Enthält der Gesellschaftsvertrag nur eine allgemeine Klausel, nach der eine bestimmte Person zur Nachfolge berechtigt sein soll, und ist diese Person nicht Erbe oder Alleinerbe, kann allerdings davon ausgegangen werden, dass der Erbe dann verpflichtet ist, den Geschäftsanteil auf die zur Nachfolge berechtigte Person zu übertragen1. Den Erben fällt dann der Geschäftsanteil kraft Gesellschaftsvertrags bereits mit dieser Verpflichtung an. Unsicher ist aber, ob die Gesellschaft bei einer solchen allgemeinen Regelung den Geschäftsanteil einziehen darf2, da ohne ausdrückliche Regelung im Gesellschaftsvertrag die Einziehung eines Geschäftsanteils nicht zulässig ist (§ 34 Abs. 1 GmbHG)3.
274
Es ist jedenfalls aufgrund der gegebenen Gesetzeslage für eine möglichst reibungslose Abwicklung der Nachfolge erforderlich, eine Regelung im Gesellschaftsvertrag in doppelter Hinsicht vorzunehmen: – Die Nachfolge als solche zu regeln (d.h. ob es eine Nachfolge geben soll, wer im einzelnen Nachfolger sein kann oder welcher Personenkreis zur Nachfolge zugelassen ist). – Die Mittel und Wege, um dieses Ziel zu erreichen (Rechte und Pflichten der Gesellschaft einerseits und der Erben andererseits, um die im Gesellschaftsvertrag vorzunehmende Nachfolgeregelung zu verwirklichen). – Zweckmäßigerweise werden Regelungen darüber getroffen, ob und welche Abfindungen Erben erhalten sollen, die zur Nachfolge nicht berechtigt sind. b) Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag zur Nachfolge
275
In der Regel wird das Bedürfnis der Gesellschafter dahin gehen, eine Regelung zur Nachfolge in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, insbesondere, wenn es auf die Mitwirkung der Gesellschafter bei der Geschäftstätigkeit ankommt, wie das bei einer mehr personalistischen Struktur der Fall ist. Die Gesellschafter sind in der Ausgestaltung der Klausel frei, so dass die Regelungsmöglichkeiten vom völligen Ausschluss der Nachfolge bis zur generellen 1 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 19, 20. 2 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 20. 3 Wolff, GmbHR 1999, 958 (959); vgl. wegen weiterer Voraussetzungen BGH v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, NZG 2000, 1027.
734
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 278 B XI
Nachfolge aller Erben reicht; Letzteres entspricht allerdings der gesetzlichen Regelung und wäre nicht regelungsbedürftig. Entsprechend diesem sehr breiten Spektrum der Möglichkeiten sind die Nachfolgeregelungen auch vielgestaltig, so dass man allenfalls wiederkehrende Grundmuster identifizieren kann. Nachfolgeklauseln können vorsehen, dass die Gesellschaft nur mit einem oder mehreren näher bezeichneten Erben fortgesetzt wird, z.B. dem ältesten Sohn oder einem namentlich benannten Erben. Eine solche Bestimmung kann dann noch mit Merkmalen der beruflichen Qualifikation verbunden werden.
276
Formulierungsvorschlag Verstirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft nur mit dem ältesten Sohn des Gesellschafters fortgesetzt, vorausgesetzt, dieser hat bei Eintritt des Erbfalls ein betriebswirtschaftliches Studium abgeschlossen. Ist das nicht der Fall, ist die Fortsetzung der Gesellschaft mit Erben des verstorbenen Gesellschafters ausgeschlossen. Erben, die danach nicht zur Fortsetzung berechtigt sind, haben den Geschäftsanteil . . . usw. (es folgen die Maßnahmen zur Durchsetzung der Nachfolgeregelung).
Die Gesellschafter können auch vereinbaren, dass die Gesellschaft immer nur mit einem einzelnen Erben fortgesetzt wird, dessen Bestimmung dem Erblasser oder der Erbengemeinschaft überlassen wird.
277
Formulierungsvorschlag Verstirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft nur mit dessen Alleinerben oder – wenn mehrere Erben vorhanden sind – mit einem vom Gesellschafter letztwillig bezeichneten oder durch die Miterben bestimmten einzelnen Erben fortgesetzt. Wird der Gesellschafter nicht durch einen Alleinerben beerbt oder erfolgt – bei mehreren Erben – keine Benennung des nachfolgeberechtigten einzelnen Erben, sind die Erben verpflichtet . . . usw. (es folgen die von der Gesellschaft zu bestimmenden Maßnahmen zur Durchsetzung).
Der Gesellschaftsvertrag kann es überhaupt der Gesellschaft überlassen, aus dem Kreise der Erben einen oder mehrere Nachfolger zu bestimmen. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen § 2065 Abs. 2 BGB, da nicht die Zuwendung durch die Gesellschaft bestimmt wird, sondern die Nachfolge in die Gesellschaft. Die Zuwendung bleibt den übrigen Erben in Form der Abfindung, die der ausgewählte Erbe an seine Miterben zu zahlen hat, erhalten.
Grieger
735
278
B XI Rz. 279
Unternehmensnachfolge
Formulierungsvorschlag Verstirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft mit dem oder den Erben fortgesetzt, die durch die Gesellschaft zur Nachfolge zugelassen sind. Nicht zugelassene Erben sind verpflichtet, ihren Anteil am Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters . . . usw. (es folgen die Maßnahmen, die die Gesellschaft ergreifen kann, um die Regelungen zur Nachfolge durchzusetzen).
279
Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch auch die Nachfolge von Erben überhaupt ausschließen.
Formulierungsvorschlag Verstirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft mit dessen Erben nicht fortgesetzt. Die Erben sind verpflichtet . . . usw. (es folgen die Maßnahmen der Gesellschaft).
c) Maßnahmen zur Durchsetzung der Nachfolgeklausel aa) Allgemeines 280
Wegen der Rechtslage, die beim Tode eines Gesellschafters hinsichtlich des von ihm gehaltenen Geschäftsanteils vorliegt, erfordert die Durchsetzung der Nachfolgeregelung, dass der Gesellschaft das Recht zusteht, die Durchführung bestimmter Rechtsgeschäfte von den Erben zu verlangen oder selbst die erforderlichen Rechtshandlungen vorzunehmen. Als Instrumente kommen dafür in Betracht: – Die Abtretung des der Erbengemeinschaft zustehenden Geschäftsanteils an den qualifizierten Nachfolger oder die Gesellschaft. – Die Einziehung des Geschäftsanteils durch die Gesellschaft. – Die Kaduzierung des Geschäftsanteils.
281
Hängt die Durchsetzung einer bestimmten Nachfolgeregelung von einer Entscheidung bzw. Erklärung der Gesellschaft ab (z.B. Rz. 278: Zulassung zur Nachfolge), so ist die Gesellschaft verpflichtet, diese Erklärung innerhalb einer bestimmten Frist abzugeben, die – wenn sie nicht im Gesellschaftsvertrag bestimmt ist – angemessen sein muss. Unterlässt es die Gesellschaft, innerhalb dieser Frist ihre Rechte auszuüben, kann dies dazu führen, dass die Rechte verwirkt sind1 oder ein Verzicht anzunehmen ist2. Es bleibt dann bei der 1 Zur Einziehung: OLG München v. 6.7.1984 – 23 U 1899/84, ZIP 1984, 1349; zur Verwirkung: OLG Celle v. 31.7.1998 – 9 U 1/98, NZG 1999, 167; Rev. unter BGH II ZR 274/98, vgl. Michalski, GmbHG, § 15 Rz. 31. 2 Priester, GmbHR 1981, 206; vgl. Michalski, GmbHG, § 15 Rz. 31.
736
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 284 B XI
durch Erbfolge eingetretenen Rechtslage. Die Erben können der Gesellschaft auch ihrerseits eine Frist setzen, so z.B. wenn die Zulassung zur Nachfolge von einer Entscheidung der Gesellschaft abhängt. Andererseits ist die Gesellschaft aber nicht verpflichtet, ihre diesbezüglichen Rechte auszuüben, die Erben können also keine „Befreiung“ vom Geschäftsanteil durch Einziehung verlangen. Auch der Begünstigte ist seinerseits nicht verpflichtet, von der ihm angedienten Abtretung des Geschäftsanteils Gebrauch zu machen. Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags hinsichtlich der Nachfolge werden eben nicht automatisch vollzogen, sondern räumen der Gesellschaft oder dem Begünstigten Rechte ein, die nach freiem Ermessen ausgeübt werden können.
282
bb) Abtretungsklauseln (1) Regelungen des Gesellschaftsvertrags, die die Nachfolge auf bestimmte Personen beschränken oder die Nachfolge von einer Entscheidung der Gesellschaft abhängig machen, sind in der Regel mit einer Verpflichtung der Erben verbunden, den Geschäftsanteil auf den benannten oder auf den durch die Gesellschaft bestimmten Nachfolger zu übertragen. Die unter Rz. 276 genannte Formulierung könnte demgemäß wie folgt ergänzt werden:
283
Formulierungsvorschlag Erben, die danach nicht zur Nachfolge berechtigt sind, sind verpflichtet, den Geschäftsanteil auf den nachfolgeberechtigten Gesellschafter zu übertragen. Der Berechtigte kann den Anspruch unmittelbar gegen die nichtberechtigten Erben geltend machen.
Die unter Rz. 278 und 279 genannte Formulierung wäre wie folgt zu ergänzen:
Formulierungsvorschlag Die Erben sind verpflichtet, den Geschäftsanteil auf den oder die von der Gesellschaft benannten Personen zu übertragen.
Der Begünstigte erlangt durch seine Benennung einen schuldrechtlichen Anspruch auf Abtretung des Geschäftsanteils. Dieser Anspruch soll dem Begünstigten, der im Gesellschaftsvertrag (§ 15 Abs. 3 und 4 GmbH) selbst genannt ist, bereits unter Lebenden zugewandt sein. Der Gesellschaftsvertrag wird insoweit als Vertrag zugunsten Dritter angesehen, durch den der Dritte das
Grieger
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284
B XI Rz. 285
Unternehmensnachfolge
Übernahmerecht gegenüber den Erben oder Miterben erwirbt1 (auch als Eintrittsklausel bezeichnet). Er ist deshalb in jedem Falle selbst zur Geltendmachung seines Anspruchs berechtigt. Trotzdem ist zu empfehlen, diese Berechtigung zur Durchsetzung des Anspruches – wie in der oben genannten Formulierung – dem Begünstigten unmittelbar zuzuordnen. 285
Wird der Begünstigte wie in dem zweiten vorgenannten Beispiel erst durch die Gesellschaft bestimmt oder ist auch bei Benennung des Begünstigten dessen Berechtigung zur Geltendmachung unklar, hat die Gesellschaft selbst diesen Anspruch und kann verlangen, dass die Miterben den Gesellschaftsanteil auf den im Gesellschaftsvertrag benannten oder durch die Gesellschaft bestimmten Begünstigten übertragen2. Die Gesellschaft kann insoweit auf Erfüllung klagen. Die Abtretung selbst bedarf der notariellen Beurkundung.
286
(2) Die Gesellschaft kann den Geschäftsanteil eines verstorbenen Gesellschafters selbst erwerben, wenn der Gesellschaftsvertrag diese Option einräumt. Allerdings bedarf es bei Ausübung dieser Berechtigung eines Gesellschaftsbeschlusses, der die Geschäftsführung zur Ausübung dieses Rechts berechtigt, es sei denn, im Innenverhältnis ist die Geschäftsführung auch ohne vorgegebenen Beschluss berechtigt, den Erwerb vorzunehmen (was eher unwahrscheinlich ist). Voraussetzung für den Erwerb ist, dass die Stammeinlage auf den Geschäftsanteil voll geleistet wurde und die Gesellschaft über freie Mittel verfügt, die nicht bilanziell durch das Stammkapital gebunden sind, um den Erwerb durchzuführen (§ 33 Abs. 1 GmbHG). Wird ein Geschäftsanteil entgegen diesen Regelungen erworben, ist das Rechtsgeschäft, und zwar sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft, unheilbar nichtig3. Hat die Gesellschaft einen eigenen Geschäftsanteil wirksam erworben, ruhen die Mitgliedschaftsrechte einschließlich des Stimmrechts und der Gewinnbezugsrechte4.
287
(3) Nach herrschender Meinung und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH kann die Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag auch ermächtigt werden, die Abtretung des Geschäftsanteils in den unter Rz. 283 genannten Fällen selbst vorzunehmen (Zwangsabtretung5, bei eigenem Erwerb wie unter Rz. 286 ist wohl die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erforderlich, die in der Regel nicht mit einer allgemeinen Ermächtigung verbunden ist). Die nach § 185 Abs. 1 BGB erforderliche Einwilligung wird in der Vereinbarung des Gesellschaftsvertrags gesehen, aus der die Berechtigung der 1 Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 106; MüHdb GesR III, § 25 Rz. 23. 2 MüHdB GesR III, § 25 Rz. 23. 3 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 33 Rz. 23; vgl. MüHdb GesR III, § 27 Rz. 8. 4 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 33 Rz. 44. 5 BGH v. 20.6.1983 – II ZR 237/82, NJW 1983, 2880. Dazu Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 107 m.w.N.; vgl. MüHdb, GesR.III, § 25 Rz. 24.
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Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 291 B XI
Gesellschaft hervorgeht. Ist im Zusammenhang mit der Nachfolge eine solche Ermächtigung vorgesehen und erfordert die Nachfolgeregelung die Abtretung des Geschäftsanteils durch nicht qualifizierte Erben, kann die Gesellschaft demgemäß für die Erben handeln und die Abtretung vornehmen, die dann durch den Abtretungsempfänger anzunehmen ist. Die Ermächtigung zur Abtretung schließt das Recht zur Teilung des Geschäftsanteils ein, falls mehrere Personen zur Nachfolge berufen sind1. Dieses Rechtsgeschäft bedarf der Beurkundung. Kommt der berechtigte Nachfolger aus dem Kreise der Miterben, wird es allerdings wohl zweckmäßiger sein, die Abtretung im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft vorzunehmen. Einstweilen frei.
288
Ferner kann der Gesellschaftsvertrag vorsehen, dass überhaupt jede Abtretung von der Genehmigung durch die Gesellschaft abhängig gemacht wird (§ 15 Abs. 5 GmbHG). Eine solche Bestimmung findet sich in der Regel in Gesellschaftsverträgen (Vinkulierung von Geschäftsanteilen). Die Befassung der Gesellschafterversammlung mit dieser Genehmigung ist durch das Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, ist aber häufig in den Gesellschaftsverträgen geregelt. Auch in diesem Falle ist der Beschluss Grundlage für die durch die Gesellschaft abzugebende Erklärung. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, sind die Geschäftsführer allein für die Genehmigung und Abgabe der Erklärung zuständig. Enthält der Gesellschaftsvertrag eine derartige Genehmigungsklausel, ist auch in diesem Falle die Abtretung bis zur Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam.
289
Gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG ist die Abtretung von Geschäftsanteilen ferner bei der Gesellschaft anzumelden (häufig durch Vorlage der Urkunde oder Übersendung einer beglaubigten Abschrift). Bis zur Anmeldung gilt der Gesellschaft gegenüber nur derjenige als Erwerber, dessen Erwerb ordnungsgemäß angemeldet wurde (§ 16 Abs. 1 GmbHG). Die Erklärungen der Gesellschaft gegenüber dem Vorinhaber vor Anmeldung muss der Erwerber gegen sich gelten lassen. Die Anmeldung ist allerdings keine Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der Abtretung, auch keine Verpflichtung des Erwerbers2, er hat jedoch die vorgenannten Folgen zu tragen.
290
In welchem Umfang die vorgenannten Bestimmungen für die im Zusammenhang mit der Nachfolge erforderlichen Abtretungen von Bedeutung sind, hängt von den Umständen ab. Einstweilen frei.
291
1 So lag der Fall auch im vorstehend zitierten BGH-Urteil; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 17 Rz. 4. 2 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 16 Rz. 3.
Grieger
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B XI Rz. 292
Unternehmensnachfolge
292
– Das Erfordernis der Genehmigung der Abtretung bleibt auch erhalten, wenn die Erbengemeinschaft den Geschäftsanteil auf den oder die Miterben überträgt, die zur Nachfolge berufen sind. Auch in diesem Falle besteht die Notwendigkeit der Anmeldung gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG.
293
– Keine Genehmigung ist erforderlich, wenn die Abtretung des Geschäftsanteils im Rahmen der Nachfolge auf ausdrückliche Weisung der Gesellschaft vorzunehmen ist, da sie dann als erteilt gelten kann. Allerdings bleibt der Erwerber zur Anmeldung des Erwerbs gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG verpflichtet.
294
– Vor Auseinandersetzung kann nur die Erbengemeinschaft über den im Nachlass befindlichen Geschäftsanteil verfügen. Aufgrund der in der Regel bestehenden allgemeinen Zustimmungserfordernisse, die oben erläutert wurden, und eventueller Beschränkungen der Nachfolge, die sich aus Nachfolgeklauseln oder daraufhin zulässigen Rechtshandlungen der Gesellschaft ergeben, wäre eine derartige Verfügung bis zur Genehmigung unwirksam oder die Gesellschaft hätte gegen die veräußernden Erben oder den Erwerber einen Anspruch auf Durchsetzung der Nachfolgeregelung, denn der Geschäftsanteil geht auch auf den Erwerber mit den im Gesellschaftsvertrag geregelten Beschränkungen über. Der BGH1 hat allerdings entschieden, dass unabhängig von gesellschaftsrechtlichen Genehmigungserfordernissen oder Veräußerungsbeschränkungen jeder Miterbe zur Veräußerung seines Erbanteils berechtigt bleibt und dass für diese Veräußerung gesellschaftsrechtliche Genehmigungserfordernisse nicht gelten, da die Beachtung von privatrechtlichen Genehmigungserfordernissen in Bezug auf einen einzelnen Nachlassgegenstand eine unzulässige Beschränkung der erbrechtlichen Verfügungsbefugnisse gemäß § 2033 BGB zur Folge hätte. Diese in der Literatur viel diskutierte Entscheidung2 führt zwar zur Umgehung des Genehmigungserfordernisses, belässt aber einem nach dem Gesellschaftsvertrag zur Nachfolge Berechtigten u.U. einen schuldrechtlichen Anspruch auf Übertragung gegen den Erwerber des Erbanteils3. cc) Einziehung
295
(1) Die Einziehung eines Geschäftsanteils ist dann gemäß § 34 GmbHG möglich, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Einziehung vorsieht. Ohne eine solche Regelung ist selbst die Einziehung mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters nicht zulässig. Erlaubt eine Bestimmung des Gesellschaftsvertrags die Einziehung, kann diese mit Zustimmung des betroffenen Gesellschafters (auch der Erben) jederzeit ohne besonderen Grund erfolgen. Eine Zwangseinziehung, d.h. eine Einziehung gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters, ist nur dann möglich, wenn ein besonderer Grund vor-
1 BGH v. 5.11.1984 – II ZR 147/83, BGHZ 92, 386. 2 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 27 m.w.N. 3 BGH v. 5.11.1984 – II ZR 147/83, BGHZ 92, 386.
740
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 299 B XI
liegt und dieser als Einziehungstatbestand ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag geregelt ist1. Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Stammeinlage auf den betreffenden Geschäftsanteil voll eingezahlt ist2. Außerdem darf die Einziehung bzw. das aufgrund der Einziehung zu zahlende Entgelt nicht dazu führen, dass das Stammkapital angegriffen wird (§§ 34, 30 GmbHG)3. Das Einziehungsentgelt muss also aus freien, nicht durch die Stammeinlage gebundenen Mitteln erfolgen.
296
Die Einziehung setzt gemäß § 46 Nr. 4 GmbHG einen Beschluss der Gesellschafterversammlung voraus. Auf dieser Grundlage geben die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Anzahl die erforderlichen Erklärungen für die Gesellschaft ab. Die Einziehung führt zur Vernichtung des Geschäftsanteils, ohne dass sich das Stammkapital ändert. Nach herkömmlicher Auffassung wächst den verbleibenden Gesellschaftern der untergegangene Geschäftsanteil an, so dass sie den Nennwert ihrer bisherigen Geschäftsanteile durch Aufstockung bis zur Höhe des Nennbetrages des gesamten Stammkapitals anpassen können. Eine Verpflichtung dazu besteht nicht. Die Anpassung erfordert einen Beschluss der Gesellschafterversammlung, der nicht Satzungsänderung ist und insofern mit einfacher Mehrheit gefasst wird4. Dem Registergericht ist eine angepasste Liste der Gesellschafter zu übersenden.
297
Der eingezogene Geschäftsanteil kann jedoch auch neu gebildet und ausgegeben werden5, dann muss allerdings die Anpassung der Nennwerte der Geschäftsanteile der übrigen Gesellschafter unterbleiben. (2) Im Zusammenhang mit dem Tod eines Gesellschafters kann die Einziehung insbesondere dann eine Rolle spielen, wenn die Gesellschaft mit den Erben nicht fortgesetzt werden soll und auch eine Übernahme durch andere Personen nicht erwünscht ist. In der Tat ist dann die Einziehung ein sehr effektives Mittel, um die schlichte Fortsetzung der Gesellschaft durch die verbleibenden Gesellschafter zu sichern. Dabei ist es nicht unerheblich, dass im Zusammenhang mit der Einziehung keine Beurkundung erforderlich ist, da der Gesellschafterbeschluss und die Zustellung einer schriftlichen Erklärung an die Inhaber des Geschäftsanteils (hier die Erben) ausreicht.
298
Die Einziehung kann aber auch angewandt werden, wenn die Erben es unterlassen, trotz Aufforderung die Abtretung des Geschäftsanteils an die nachfol-
299
1 Scholz/Westermann, GmbHG, § 34 Rz. 13; vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 34 Rz. 16. 2 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 34 Rz. 3, 14, 19. 3 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 16 Rz. 3; BGH v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, NJW 2000, 2819. 4 H.M.: vgl. Scholz/Westermann, § 34 Rz. 67; vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 34 Rz. 3. 5 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 33, § 28 Rz. 43; auch: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 34 Rz. 4.
Grieger
741
B XI Rz. 300
Unternehmensnachfolge
geberechtigten Personen vorzunehmen. In diesem Falle müsste allerdings der Geschäftsanteil nach den in Rz. 295 f. erläuterten Grundsätzen neu gebildet und an die gewünschten Nachfolger ausgegeben werden. Enthält der Gesellschaftsvertrag allerdings eine Ermächtigung für die Gesellschaft, die Abtretung selbst vorzunehmen, wäre dieses Verfahren wohl vorzuziehen (Rz. 287). Ob die Einziehungsklausel für den zuerst genannten Zweck (schlichter Ausschluss der nichtberechtigten Erben) oder auch für das zuletzt genannte Verfahren eingesetzt werden kann, hängt von der Formulierung der Klausel ab. In der Regel sind Klauseln anzutreffen, die das Recht zur Einziehung mit der Verpflichtung der Erben kombinieren, den Geschäftsanteil an den Nachfolgeberechtigten zu übertragen (dazu Formulierungsbeispiel in Rz. 300). 300
Das Einziehungsrecht ist in der Regel an bestimmte Fristen gebunden. Ist das nicht der Fall, muss den nichtberechtigten Erben das Recht zugestanden werden, der Gesellschaft eine Frist für die Ausübung des Einziehungsrechts zu setzen. Läuft die gesellschaftsvertraglich geregelte oder die durch die Erben gesetzte Frist ab, ohne dass die Gesellschaft das Einziehungsrecht ausübt, ist das Recht zur Einziehung verwirkt oder es muss von einem Verzicht ausgegangen werden1. Ist eine Frist weder im Gesellschaftsvertrag noch durch die Erben gesetzt, kann das Einziehungsrecht nach einem gewissen Zeitablauf verwirkt sein.
Formulierungsvorschlag Verstirbt ein Gesellschafter, sind die Erben verpflichtet, den Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters an einen von der Gesellschaft benannten Dritten, einen näher bezeichneten Gesellschafter oder an die Gesellschaft abzutreten, wenn den Erben die schriftliche Aufforderung innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt des Erbfalls zugeht. Die Frist ist gewahrt, wenn einem einzelnen Miterben diese Aufforderung zugegangen ist. Erfüllen die Erben die vorstehende Verpflichtung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Aufforderung, ist die Gesellschaft nach eigener Wahl berechtigt, den Geschäftsanteil einzuziehen oder die Abtretung selbst vorzunehmen. Die Verwaltungsrechte in Bezug auf den Geschäftsanteil ruhen bis zur dinglichen Wirksamkeit der Abtretung bzw. – wenn die Gesellschaft die Erben nicht innerhalb der vorgesehenen Frist zur Abtretung aufgefordert hat – bis zum Ablauf der dafür vorgesehenen Frist. Das gilt auch für die Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Einziehung bzw. Abtretung.
1 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 35; BGH v. 19.6.2000 – II ZR 73/99, NJW 2000, 2819.
742
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 303 B XI
dd) Kaduzierung Die Kaduzierung ist an sich ein Instrument, um bei Nichteinzahlung des 301 Stammkapitals den betreffenden Gesellschafter auszuschließen (§§ 21 bis 25 GmbHG). Dazu ist Fristsetzung mit Androhung des Ausschlusses erforderlich sowie Nachfristsetzung für die Einzahlung der Stammeinlage (eingeschriebener Brief). Nach erfolglosem Versuch, den Rechtsvorgänger des betreffenden Gesellschafters in Anspruch zu nehmen, kann die Gesellschaft zur Verwertung des Geschäftsanteils gemäß § 23 GmbHG schreiten, wobei die gesetzliche Regelung die öffentliche Versteigerung vorsieht, andere Verwertungsmöglichkeiten jedoch mit Zustimmung des betreffenden Gesellschafters möglich sind. Demgemäß ist es auch zulässig, im Gesellschaftsvertrag eine Vereinbarung zu treffen, die es der Gesellschaft gestattet, einen freien Verkauf oder eine anderweitige Verwertung vorzunehmen1. Der Gesellschaftsanteil geht durch die Kaduzierung nicht unter. Der betroffene Gesellschafter verliert allerdings sämtliche Rechte, die mit dem Geschäftsanteil verbunden sind (Vermögensrechte, Verwaltungsrechte, Verfügungsrechte), jedoch bleiben die Gewinnansprüche, die vor der Kaduzierung entstanden sind, erhalten; desgleichen Ansprüche für Leistungen, die er erbracht hat (allerdings mit der Verpflichtung, alle bis zur Kaduzierung fälligen Nebenleistungen zu erbringen)2. Die Verfügungsrechte gehen jedoch auf die Gesellschaft über, wobei nicht ganz klar ist, wem der Geschäftsanteil an sich zusteht. Es ist wohl am überzeugendsten, davon auszugehen, dass der Geschäftsanteil nach der Kaduzierung ein treuhänderisch gebundenes Sondervermögen der Gesellschaft darstellt, über das nur sie im Rahmen der gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglich geregelten Voraussetzungen verfügen kann3.
302
Der Vorteil der Kaduzierung liegt gerade in Bezug auf ihre Anwendung für eine Nachfolgeregelung allerdings darin, dass der Geschäftsanteil nicht – wie bei der Einziehung – untergeht und für den Erwerb durch den vorgesehenen Nachfolger zur Verfügung steht. Allerdings stehen der unmittelbaren Anwendung der gesetzlichen Regelung für die Zwecke der Durchsetzung der Nachfolgeregelung wiederum die gesetzlichen Voraussetzungen entgegen. Das gilt bereits für die erste Voraussetzung, dass die Kaduzierung die Nichteinzahlung der Stammeinlage erfordert. Hat der verstorbene Gesellschafter die Einzahlung vorgenommen oder nehmen die Erben die Einzahlung z.B. nach Anforderung vor, entfallen die gesetzlichen Voraussetzungen. Ähnliches gilt für die Einbeziehung des Rechtsvorgängers oder die Versteigerung des Geschäftsanteils. Ferner sind auch die wirtschaftlichen Folgen sicher nicht immer adäquat, denn der „Mehrerlös“ aus der Verwertung soll der Gesellschaft zuste-
303
1 Scholz/Emmerich, GmbHG, § 23 Rz. 8. 2 Scholz/Emmerich, GmbHG, § 21 Rz. 27; auch: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 21 Rz. 14. 3 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 21 Rz. 44 f.; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 21 Rz. 29 m.w.N. oder auch: MüHdb GesR III, § 25 Rz. 44.
Grieger
743
B XI Rz. 304
Unternehmensnachfolge
hen1. Letzteres bedeutet einen Ausschluss der Abfindung der Erben, was nur gerechtfertigt wäre, wenn die Nachfolgeregelung des Gesellschaftsvertrags einen solchen Ausschluss generell vorsieht. 304
Obwohl Zielstellung und Voraussetzungen der Kaduzierung von den Erfordernissen abweichen, die in Bezug auf die Durchsetzung einer Nachfolgeregelung bestehen, wird die Anwendung dieses Rechtsmittels in diesem Zusammenhang diskutiert2. Wenn also die Kaduzierung überhaupt als Instrument der Durchsetzung der Nachfolgeregelung (z.B. anstelle der Einziehung) verwendet werden soll, muss der Gesellschaftsvertrag die gesetzlichen Voraussetzungen und das Verfahren anpassen, d.h. z.B. die Frage der Einzahlung des Stammkapitals, den Rechtsvorgänger und die Versteigerung ausklammern und das Problem des „Erlöses“ gesondert regeln. § 25 GmbHG steht dem nicht entgegen, da diese Vorschrift nur die Rechtsfolgen zulasten des säumigen Gesellschafters zur Beitreibung der nicht gezahlten Stammeinlage zwingend ausgestaltet, so dass im Gesellschaftsvertrag die dahingehenden Rechte der Gesellschaft nicht ausgeschlossen werden dürfen.
Formulierungsvorschlag Kommen die Erben der Aufforderung der Gesellschaft zur Abtretung des Geschäftsanteils innerhalb der bestimmten Frist nicht nach, ist diese berechtigt, den Geschäftsanteil zu kaduzieren. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einleitung des Kaduzierungsverfahrens gemäß § 21 GmbHG finden keine Anwendung. Die Gesellschaft ist berechtigt, den kaduzierten Geschäftsanteil unter Berücksichtigung der Abfindungsansprüche der Erben gemäß § . . . frei zu verwerten. Der Erlös steht den Erben als Abfindung zu.
d) Abfindung 305
aa) Können die Erben nicht in die Gesellschaft nachfolgen, steht ihnen sowohl bei der Einziehung als auch im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Abtretung der Geschäftsanteile ein Abfindungsanspruch zu. Dieser richtet sich entweder gegen die Gesellschaft (bei Einziehung oder Erwerb durch die Gesellschaft) oder gegen den Erwerber. Sind keine Regelungen im Gesellschaftsvertrag getroffen, richtet sich der Abfindungsanspruch nach dem Verkehrswert, also nach dem Entgelt, das für diesen Geschäftsanteil bei freier Veräußerung erzielt werden könnte. Allerdings 1 Scholz/Emmerich, GmbHG, § 23 Rz. 14; vgl. auch Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 23 Rz. 8. 2 Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 108, MüHdb GesR III, § 25 Rz. 42, 43, 44.
744
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 307 B XI
ist das eher ein theoretischer Ansatz, da ein „Markt für Geschäftsanteile“ nicht besteht und der Wert sich letztlich nur aus den individuellen Umständen ergibt. Aus diesem Grunde ist in der Regel eine Bewertung vorzunehmen, wobei das Verfahren dafür häufig vereinbart wird (Substanzwert, Ertragswert oder steuerlicher Vermögenswert nach dem sog. Stuttgarter Verfahren mit eventuellen zusätzlichen Bestimmungen über Berücksichtigung des Firmenwertes, des laufenden Gewinns des Geschäftsjahres usw.). Ist ein bestimmtes Verfahren nicht vereinbart, müssen die Parteien sich auf ein solches verständigen. In der Regel wird für diesen Fall die Anfertigung eines Gutachtens vereinbart. bb) In vielen Fällen wird jedoch vereinbart, dass nur eine begrenzte Abfindung zu zahlen ist, oder die Zahlung einer Abfindung wird überhaupt ausgeschlossen. Maßgebend dafür ist die Absicht der Gesellschafter, die Gesellschaft bei Versterben eines Gesellschafters gegen existenzgefährdenden Liquiditätsabfluss zu schützen. Allerdings gilt dieser Gesichtspunkt nur, wenn der Geschäftsanteil eingezogen oder durch die Gesellschaft erworben wird, nicht jedoch wenn ein anderer Gesellschafter oder ein Dritter den Geschäftsanteil erwirbt, da die Vermögenslage der Gesellschaft bei Erwerb durch andere Gesellschafter oder Dritte nicht berührt wird. In diesem Falle können jedoch Überlegungen der einzelnen Gesellschafter zum Tragen kommen, dem von ihnen ins Auge gefassten Nachfolger den Eintritt in die Gesellschaft wirtschaftlich zu erleichtern oder überhaupt erst möglich zu machen. Das gilt insbesondere, wenn der Nachfolger aus dem Familienkreise kommt oder dieser gar Miterbe ist.
306
Im Zusammenhang mit der Zahlung einer Abfindung bei Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod ist allerdings zu Recht vorgetragen worden, dass es nicht nur darum gehen kann, die Existenzbedingungen der verbleibenden Gesellschafter zu sichern, sondern es den Gesellschaftern überlassen bleiben muss, zu bestimmen, in welchem Umfang die Erben an dem Wert des Geschäftsanteils teilhaben sollen. Dieses Bestimmungsrecht wird als Ausfluss der Testierfreiheit betrachtet1. Das gilt auch – wie oben dargelegt – in Bezug auf einen Nachfolger, der den Geschäftsanteil unmittelbar erwirbt.
307
Die Beschränkung der Abfindung der Höhe nach oder der Ausschluss der Abfindung wird unter diesem Gesichtspunkt2 und auch unabhängig davon3 für zulässig gehalten. Wird die Abfindung nicht ausgeschlossen, sondern beschränkt, prüft die Rechtsprechung die Klausel jedoch nach den allgemeinen Wertungsprinzipien. Ist ein grobes Missverhältnis zwischen Abfindung nach vereinbarter Klausel und tatsächlichem Wert des Geschäftsanteils festzustellen, kann – wenn die Abfindungsklausel von Anfang an vereinbart war – eine Anpassung erforderlich sein. Ist die beschränkende Klausel später aufgenom1 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 42, 43, 44. 2 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 41; Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 109. 3 Vgl. Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rz. 31, 33, der spezifische Gesichtspunkte der Gesellschaft und des gesellschaftsrechtlichen Verbandes in den Mittelpunkt stellt . . .; vgl. MüHdb GesR III, § 25 Rz. 41.
Grieger
745
B XI Rz. 308
Unternehmensnachfolge
men worden, als der wirkliche Wert bereits über der Grenze der vereinbarten Abfindung lag, kann das zur Nichtigkeit führen. Nach Auffassung des BGH ist eine Klausel dann als nichtig anzusehen, „wenn die mit ihr verbundene Einschränkung des Abflusses von Gesellschaftskapital vollkommen außer Verhältnis zu der Beschränkung steht, die erforderlich ist, um im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft . . . zu sichern“1. 308
Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Gesellschafter ist allerdings eine Klausel, wonach das Einziehungsentgelt auf den Nennwert zuzüglich eines nach Jahren der Zugehörigkeit zur Gesellschaft gestaffelten Betrages (mit Höchstbegrenzung) begrenzt war, in der vorzitierten Entscheidung für zulässig gehalten worden. In einer jüngeren Entscheidung hat der BGH ein im Erbfall zu zahlendes Einziehungsentgelt von 220 % des Nennbetrages des Geschäftsanteils als zulässig angesehen, obwohl der wirkliche Wert um das 200fache höher lag (kein Verstoß gegen § 138 BGB)2. Die von der Rechtsprechung für die Prüfung von Abfindungsklauseln entwickelten Grundsätze sind überwiegend im Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Gesellschaftern zu Lebzeiten angewandt worden. Ob dies auch ohne weiteres auf das Ausscheiden im Todesfall gilt, ist nicht ganz sicher, jedenfalls sprechen die weiter oben dargelegten Grundsätze in Bezug auf die Testierfreiheit des Erblassers im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Abfindungsklauseln dagegen. Immerhin lässt die vorstehend wiedergegebene Entscheidung des BGH, die im Erbfall einen sehr großen Unterschied zwischen Klauselabfindung und wirklichem Wert als zulässig ansieht, erkennen, dass eine besondere Beurteilung im Erbfalle auch durch den BGH für notwendig gehalten wird.
309
cc) Die Begünstigung, die sich aus dem Ausschluss der Abfindung oder ihrer Beschränkung ergibt, wird bei Einziehung bzw. Erwerb durch die Gesellschaft als Zuwendung an die übrigen Gesellschafter, bei Erwerb durch einen Nachfolger an diesen gesehen. Es handelt sich dann um eine auf den Todesfall bedingte Schenkung unter Lebenden (§ 2301 BGB), und zwar unabhängig davon, ob alle Gesellschafter gleichermaßen oder nur ein einzelner Nachfolger begünstigt sind3. Teils wird allerdings in der bloßen Beschränkung eine gesellschaftsspezifische Ausgestaltung der Beteiligungsrechte und -pflichten gesehen, wohingegen der völlige Ausschluss der Abfindung zu einer Schenkung auf den Todesfall führen soll4. Die Frage, ob in der gegenseitigen Begünstigung der Gesellschafter eine Entgeltlichkeit der Zuwendung gesehen werden kann, 1 BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, NJW 1992, 892; für die Zulässigkeitsgrenzen im Einzelnen: Hülsmann, GmbHR, 2001, 411. 2 BGH v. 7.10.1996 – II ZR 238/95, DStR 1997, 336. 3 Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 111, MüHdb GesR III, § 25 Rz. 40; zur Schenkungsfolge: Peetz, GmbHR, 2000, 756; im Allgemeinen zur steuerlichen Auswirkung: Gottschalk, GmbHR 2000, 1798. 4 Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rz. 30; MüHdb GesR. III, § 28 Rz. 22.
746
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 312 B XI
wie das teilweise bei den Personengesellschaften geschieht (vgl. Rz. 163, 164), bleibt in der Diskussion zur GmbH weitestgehend offen, stellt sich aber vielleicht auch deshalb nicht, weil der Geschäftsanteil als eigenständiges dingliches Vermögensrecht derartige Überlegungen ausschließt. Soweit die Beschränkung oder der Ausschluss einer Abfindung zu einer Schenkung führt, bleibt insoweit die Rechtsposition der Erben gemäß §§ 2325 ff. BGB (Pflichtteilsergänzung) oder – soweit ein Miterbe begünstigter Nachfolger wird – gem. § 2050 BGB erhalten. e) Verwaltungsrechte, Beschränkungen Im Zusammenhang mit der Nachfolgeregelung kann der Gesellschaftsvertrag die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte ändern oder beschränken und insofern eine neue Inhaltsbestimmung vornehmen1.
310
Demgemäß kann der Gesellschaftsvertrag die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Stimmrechte verändern und das Gewinnbezugsrecht aufheben (zeitweilig oder auf Dauer). Ob das auch in dieser Kombination möglich ist, also Stimmrecht und Gewinnbezugsrecht gleichzeitig aufzuheben, wird nicht ganz einheitlich beurteilt, ist aber wohl überwiegend akzeptiert2. Schließlich ist es möglich und durchaus zweckmäßig, dass bei Versterben eines Gesellschafters das Ruhen der Verwaltungsrechte bis zur Übertragung auf den berechtigten Nachfolger oder bis zur Einziehung des Geschäftsanteils angeordnet wird3. Die gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelung kann jedoch nicht die unentziehbaren Rechte aufheben (z.B. Auskunfts- und Einsichtsrecht des Gesellschafters, Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, Berechtigung zur Anfechtungsklage, Berechtigung zur Auflösungsklage und zur Bestellung von Liquidatoren sowie zum Austritt aus der Gesellschaft)4.
311
f) Vor- und Nacherbschaft Die Verfügung einer Vorerbschaft ist möglich. Der Vorerbe muss jedoch nach den Grundsätzen der Nachfolgeregelung des Gesellschaftsvertrags nachfolgeberechtigt sein. Ist er das nicht, liegt aber eine solche Berechtigung beim Nacherben vor, ist fraglich, ob die Gesellschaft unter diesen Umständen den Geschäftsanteil einziehen5 oder den Vorerben zur Abtretung an einen nichtbeteiligten Dritten zwingen kann6. Immerhin könnte an eine Lösung gedacht werden, die die Rechtsprechung in solchen Fällen für Personengesellschaften 1 Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rz. 34; MüHdb GesR III, § 25 Rz. 45, 46. 2 Scholz/Winter, GmbHG, § 14 Rz. 31 ff., § 15 Rz. 34; Michalski, GmbHG, § 15 Rz. 32. 3 Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 99; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 34 Rz. 43, 46. 4 Scholz/Winter, GmbHG, § 14 Rz. 32; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 14 Rz. 10. 5 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 60; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rz. 8. 6 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 60; Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 113; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 25 Rz. 20, 33.
Grieger
747
312
B XI Rz. 313
Unternehmensnachfolge
entwickelt hat, wonach der Nacherbe zum Eintritt berechtigt wird unter gleichzeitigem Anspruch des Vorerben auf die Gewinnzuteilung und den Abfindungsanspruch, wenn dieser während der Vorerbschaft fällig werden sollte (z.B. bei Ausscheiden des Nacherben aus der Gesellschaft), sowie des Anspruchs auf eine Liquidationsquote (vgl. Rz. 197, 198). Der Vorerbe erlangt insoweit eine mit dem Nießbrauch vergleichbare Stellung. Sind Vor- und Nacherbe zur Nachfolge berechtigt, wird der Vorerbe Gesellschafter, ihm folgt bei Eintritt des Nacherbfalles der Nacherbe nach, soweit er dann noch die Voraussetzungen für die Nachfolge erfüllt. 313
Der Vorerbe unterliegt hinsichtlich der Verfügungen den allgemeinen erbrechtlichen Bestimmungen, insbesondere denen des § 2113 Abs. 2 BGB. Wie auch im Recht der Personengesellschaften kann es problematisch sein, ob in der Ausübung der Verwaltungsrechte eine unentgeltliche Verfügung liegen kann. Grundsätzlich ist das nicht der Fall, selbst wenn die Ausübung dieser Rechte wirtschaftlich nachteilige Auswirkungen für den Nacherben hat1. Schadenersatzansprüche des Nacherben bleiben möglich2, ohne dass die im Zusammenhang mit der Ausübung der Verwaltungsrechte erfolgten Mitwirkungshandlungen unwirksam sind. Unentgeltlich und damit unwirksam kann eine Verfügung jedoch sein, die in die Verwaltungs- und Vermögensrechte des Geschäftsanteils zum einseitigen Nachteil des Vorerben eingreift. Satzungsänderungen oder Maßnahmen, die den Gesellschafter gleichermaßen betreffen, sind dagegen nicht als unentgeltliche Verfügung anzusehen3. Insofern gelten ähnliche Grundsätze wie im Recht der Personengesellschaft (Rz. 197, 198). Für die übrigen Gesellschafter liegt in der Möglichkeit der Unwirksamkeit einer Verfügung des Vorerben hinsichtlich seiner Mitwirkung an der Verwaltung ein Risiko, so dass der Eintritt eines Vorerben in die Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag häufig ausgeschlossen wird. g) Erbeinsetzung und Erbauseinandersetzung
314
Der Erblasser ist bei letztwilliger Verfügung über den Geschäftsanteil rechtlich im Sinne der Testierfreiheit nicht eingeschränkt. Die Durchsetzung des testierten Willens kann aber durch gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen eingeschränkt sein. Verfügungsspielraum bleibt ihm z.B. dann, wenn aufgrund der Nachfolgeklausel mehrere Erben für die Nachfolge infrage kommen, so z.B. wenn der Gesellschaftsvertrag die Fortsetzung der Gesellschaft mit den Abkömmlingen des Erblassers vorsieht. Ist dagegen nach dem Gesellschaftsvertrag nur die Fortsetzung der Gesellschaft mit einer bestimmten näher bezeichneten Person möglich oder ist vorgesehen, dass nur ein einzelner 1 Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 115; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 15 Rz. 47; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rz. 12. 2 Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 115. 3 Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rz. 41; Hachenburg/Zutt, GmbHG, § 15 Rz. 114; vgl. Michalski, GmbHG, § 15 Rz. 46.
748
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 317 B XI
Erbe (oder ein Abkömmling, z.B. der älteste) nachfolgt, engt das den praktischen Entscheidungsspielraum des Erblassers ein; errichtet er ein Testament und zieht dabei die Regelungen des Gesellschaftsvertrags nicht in Betracht, geht seine Verfügung ins Leere. Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass nur ein einzelner Erbe oder eine bestimmte Gruppe von Erben nachfolgen können, hat der Erblasser es in der Hand, durch Verteilung des Nachlasses unter Berücksichtigung des Geschäftsanteils einerseits und des übrigen Vermögens andererseits unter den Erben einen Ausgleich herzustellen. Soll der Nachfolger den Geschäftsanteil ohne Verkürzung seiner Teilhabe am übrigen Nachlass erhalten, könnte der Erblasser ihm den Geschäftsanteil im Wege des Vorausvermächtnisses zuwenden. Besteht das Vermögen jedoch hauptsächlich aus dem Geschäftsanteil, bleibt ihm nur die Möglichkeit, den zur Nachfolge berechtigten Erben hinsichtlich des Geschäftsanteils einzusetzen und den übrigen Erben eine Unterbeteiligung zu einem bestimmten Bruchteil oder einen Nießbrauch hinsichtlich der Gewinnansprüche (mit Quote) zuzuwenden. Zu beachten sind dabei jedoch gesellschaftsrechtliche Bestimmungen, die eine derartige Verfügung über den Geschäftsanteil von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig machen oder sie gar völlig ausschließen.
315
Sind Verfügungen dieser Art nicht zugelassen oder erwünscht, kann der Erblasser dem Nachfolger im Wege der Teilungsanordnung den Geschäftsanteil unter der Bedingung zuweisen, dass er eine bestimmte Abfindung an die übrigen Erben zahlt. Können alle Erben oder eine Mehrzahl von ihnen nachfolgen, bleibt es dem Erblasser überlassen zu entscheiden, ob er im Wege der Teilungsanordnung oder des Vorausvermächtnisses einem oder nur einigen Erben den Geschäftsanteil zuwenden will oder ob alle Erben entsprechend ihrer Erbquote oder mit einem bestimmten ihnen durch Teilungsanordnung zugewiesenen Anteil nachfolgen sollen.
316
Werden die Erben nur Mitberechtigte, müssen die Beschwerungen in Kauf genommen werden, die kraft Gesetzes für eine Mehrheit von Mitberechtigten bestehen (§ 18 GmbHG) oder die im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sind. Die Mitberechtigten können ihre Rechte „nur gemeinschaftlich ausüben“ (§ 18 Abs. 1 GmbHG), sie können dafür auch einen gemeinsamen Vertreter bestellen. Letzteres ist häufig durch Gesellschaftsvertrag vorgeschrieben, kann aber von der Gesellschaft ohne eine solche Bestimmung nicht verlangt werden, es sei denn, die gemeinschaftliche Ausübung der Rechte ist für die Gesellschaft unzumutbar1. Sind alle Erben zur Nachfolge berechtigt, können die Erben aufgrund einer eigenen Entscheidung den Geschäftsanteil auch auf einen einzelnen Miterben übertragen, ohne dass der im Gesellschaftsvertrag gemäß § 15 Abs. 5 GmbHG etwa vorgesehene Genehmigungsvorbehalt (Vinkulierung) der Gesellschaft 1 Vgl. Scholz/Winter, GmbHG, § 18 Rz. 20; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 18 Rz. 11.
Grieger
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B XI Rz. 318
Unternehmensnachfolge
anwendbar ist1. Anderenfalls könnte die Gesellschaft eine im Gesellschaftsvertrag zugelassene Nachfolge verhindern. 318
Auf die Abtretung bei Auseinandersetzung der Erben findet § 11 Abs. 3 GmbHG Anwendung, d.h. es ist notarielle Beurkundung erforderlich. Die Anmeldung des Erwerbs gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG bei der Gesellschaft ist zwar vom Grundsatz her beim Erbanfall nicht erforderlich, ist aber wohl bei der Übertragung auf Miterben geboten, da der mit § 16 Abs. 1 angestrebte Schutz der Gesellschaft hinsichtlich der von ihr gegenüber den Gesellschaftern abgegebenen Erklärungen oder vorgenommenen Rechtshandlungen auch in diesem Falle beachtlich ist. Allerdings müssen sich die Erben auch nach dem Erbfall der Gesellschaft gegenüber legitimieren, z.B. durch Vorlage des Erbscheines, was einer Anmeldung gleichkommt2.
319
Hat der Erblasser den Geschäftsanteil im Wege des Vorausvermächtnisses einem der Erben zugewandt, gelten die Grundsätze der Vinkulierung wie bei einem Erben (oben Rz. 316 und 317), da der Vorausvermächtnisnehmer in jedem Falle Erbe bleibt und kein Grund ersichtlich ist, weshalb der ihm gesondert zugefallene Nachlassgegenstand anders behandelt werden soll. Davon unterschieden wird der Fall, dass ein Dritter, der nicht Erbe ist, als Vermächtnisnehmer mit einem Geschäftsanteil bedacht wird. Bei Übertragung des Geschäftsanteils in Erfüllung der schuldrechtlichen Verpflichtung der Erben auf den Vermächtnisnehmer, wird die Anwendung einer eventuellen Vinkulierungsklausel nach herrschender Auffassung für unvermeidlich gehalten3. Die Aufrechterhaltung des Zustimmungsvorbehaltes bei einem Vermächtnis hat allerdings auch bedenkliche Seiten, wenn im Übrigen sämtliche Erben nachfolgen können. Dem Erblasser wird dann die Möglichkeit genommen, einer Person den Geschäftsanteil zu hinterlassen, ohne ihn zum Erben einzusetzen. Dagegen mag der Erblasser gute Gründe haben, jemand aus dem Verband der Erbengemeinschaft herauszuhalten, ihn aber gesondert mit dem Geschäftsanteil zu bedenken. Immerhin könnte der Vermächtnisnehmer zum Kreise der gesetzlichen Erben gehören. Der Zustimmungsvorbehalt müsste allerdings in jedem Fall dann entfallen, wenn sich die Nachfolgeklausel nicht nur auf die Erben, sondern auch auf die Vermächtnisnehmer bezieht, wie das z.B. für Personengesellschaften empfohlen wird (vgl. Rz. 168).
320
Einstweilen frei.
321
Hat der Erblasser einen Vermächtnisnehmer eingesetzt, der aufgrund der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags nicht nachfolgen kann, ist die Erfül-
1 Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 102 m.w.N.; MüHdb GesR III, § 25 Rz. 26. 2 Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 99; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rz. 9. 3 Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rz. 36; vgl Michalski, GmbHG, § 15 Rz. 38; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rz. 9.
750
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 322 B XI
lung der Vermächtnisschuld durch die Erben von Anfang an unmöglich. Es gilt dann § 2171 BGB, d.h. das Vermächtnis ist unwirksam. Wenn jedoch die Nachfolge des Vermächtnisnehmers nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags durchaus möglich war, aber durch Ausübung des Zustimmungsvorbehaltes der Gesellschaft (Vinkulierungsklausel) ausgeschlossen wird, bleibt das Vermächtnis wirksam, die Erben werden jedoch von ihrer Leistungspflicht frei (§ 275 BGB)1. Schadenersatzansprüche könnte der Vermächtnisnehmer nur geltend machen, wenn die Erben die Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten haben, was regelmäßig nicht der Fall sein wird. Wird der Geschäftsanteil an einen der Gesellschaft genehmen Dritten abgetreten oder zieht die Gesellschaft den Geschäftsanteil gegen Entgelt ein, steht allerdings das Abtretungs- bzw. Einziehungsentgelt dem Vermächtnisnehmer zu (§ 281 BGB)2. Der Vermächtnisnehmer ist insoweit auch selbst berechtigt, seine Erfüllungsansprüche an den genehmen Dritten abzutreten. Der Erbe kann auch verpflichtet sein, dem Vermächtnisnehmer die Ansprüche aus der Beteiligung abzutreten (Gewinnanspruch, Anteil am Liquidationserlös)3. Ob er auch generell zum Wertersatz verpflichtet ist, ist unklar, wird aber überwiegend verneint4. h) Die Haftung der Erben Eine Haftungsverpflichtung des Gesellschafters kann sich im Grundsatz nur aus der Innenbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ergeben und kann u.a. offene Einlageverpflichtungen, Nachschusspflichten oder Rückzahlungsverpflichtungen des Gesellschafters gemäß §§ 30 bis 32 GmbHG betreffen. Es steht außer Frage, dass die Erben mit dem Erbfall in die Rechtsposition des Erblassers eintreten und zwar selbst dann, wenn sie später den Geschäftsanteil abtreten müssen oder dieser eingezogen wird. Bleiben die Erben in der Gesellschaft, gilt das ganz selbstverständlich. Hinsichtlich der Haftung der Erben sind beide Tatbestände gleich zu behandeln. Selbst wenn die unmittelbar mit dem Geschäftsanteil verknüpften Pflichten (z.B. Einzahlung des Stammkapitals) bei erzwungener Abtretung auf den Erwerber übergehen, bleibt der veräußernde Erbe hinsichtlich derartiger Verbindlichkeiten gesamtschuldnerisch verpflichtet5.
1 MüHdb GesR III, § 25 Rz. 56. Anders Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 112, der auch in diesem Falle davon ausgeht, dass ein Fall des § 2171 BGB vorliegt, aber dem Vermächtnisnehmer das Recht einräumt, den Erfüllungsanspruch abzutreten. 2 Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rz. 36; MüHdb GesR III, § 25 Rz. 56. 3 Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 112; Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rz. 37; MüHdb GesR III, § 25 Rz. 56. 4 Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rz. 37; MüHdb GesR III, § 25 Rz. 56. 5 Vgl. im Allgemeinen dazu Scholz/Winter, GmbHG, § 16 Rz. 37 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 18 Rz. 5; auch Rowedder/Schmidt-Leithoff/Pentz, GmbHG, § 15 Rz. 122 und vgl. Michalski, GmbHG, § 15 Rz. 19.
Grieger
751
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B XI Rz. 323
Unternehmensnachfolge
323
Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die Erben für die vor Beginn ihrer Mitgliedschaft entstandenen Verbindlichkeiten und Pflichten des Erblassers die Haftung nach den Grundsätzen der Erbenhaftung beschränken können1.
324
Für Neuverbindlichkeiten, die nach dem Erbfall jedoch vor der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bzw. vor Abtretung an den qualifizierten Nachfolger unter Mitwirkung des oder der Erben entstehen (z.B. Kapitalerhöhung), haften die Erben ebenfalls nicht persönlich, und zwar unabhängig davon, ob zugleich der Nachlass mitverpflichtet wird oder daneben eine beschränkte Erbenhaftung besteht2.
325
Für die weitere Frage, wann die beschränkte Erbenhaftung in eine persönliche Haftung umgewandelt wird, ist auf die Nachlassauseinandersetzung bzw. Abtretung an einen Dritten verwiesen worden3. Von da an haften der dritte Erwerber oder der oder die Miterben, die den Geschäftsanteil übernehmen, voll persönlich auch für Altverbindlichkeiten, soweit diese unmittelbar mit dem Geschäftsanteil verknüpft sind und bei Übertragung auf den Erwerber übergehen. Für die Erben bleibt es bei der solidarischen Mithaftung nach den Grundsätzen der Erbenhaftung. Allerdings versagt die Anknüpfung an die Auseinandersetzung oder Abtretung an Dritte, wenn überhaupt nur ein Erbe vorhanden ist, der nachfolgt oder wenn die Erbengemeinschaft gesamthänderisch den Geschäftsanteil auf Dauer hält. Deshalb sollte die Umwandlung der Haftung von einer beschränkbaren Erbenhaftung in eine solche persönlicher Natur ganz allgemein dann eintreten, wenn die Nachfolge i.S. des Gesellschaftsvertrags endgültig geworden ist. Die Endgültigkeit der Nachfolge kann durch die Gesellschaft eher und leichter festgestellt werden als der Zeitpunkt der Nachlassauseinandersetzung.
2. Nachfolge in der Aktiengesellschaft a) Grundsatz der Vererblichkeit von Aktien 326
Aktien sind grundsätzlich vererblich. Die erbrechtliche Nachfolge darf nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden. Dieser Grundsatz gilt selbst für die Fälle, in denen – wie bei vinkulierten Namensaktien – nach dem Aktienrecht rechtsgeschäftliche Verfügungen über Aktien unter Zustimmungsvorbehalt gestellt werden dürfen4, so dass auch bei vinkulierten Namensaktien die Erben ohne weiteres nachfolgen, da die Gesamtrechtsnachfolge von der Vinkulierung nicht erfasst wird. 1 Scholz/Winter, GmbHG, § 18 Rz. 27; Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 103; vgl. Michalski, GmbHG, § 15 Rz. 20. 2 Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 103a; auch Michalski, GmbHG, § 15 Rz. 20. 3 Scholz/Winter, GmbHG, § 18 Rz. 27; Hachenburg/Zutt, GmbHG, Anh. § 15 Rz. 103a; vgl. Michalski, GmbHG, § 18 Rz. 66. 4 Hüffer, AktG, § 68 Rz. 11.
752
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 328 B XI
Allerdings können bei vinkulierten Namensaktien Übertragungen von Aktien auf einen Vermächtnisnehmer oder auf einen Erben im Zuge der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht werden, da diese Übertragungen durch die Gesamtrechtsnachfolge nicht mehr erfasst sind, es sich vielmehr um rechtsgeschäftliche Verfügungen handelt. Voraussetzung für die Ausübung des Zustimmungsvorbehaltes ist eine entsprechende Regelung in der Satzung. Zuständig für die Erteilung der Zustimmung ist der Vorstand1 (wenn die Satzung nicht die Zuständigkeit der Hauptversammlung oder des Aufsichtsrates begründet). Bis zur Erteilung der Zustimmung ist die Übertragung der vinkulierten Namensaktien schwebend unwirksam2. Der Erwerber von Namensaktien (auch der oder die Erben) müssen ihren Erwerb bei der Gesellschaft zur Eintragung in das Aktienbuch anmelden (§ 68 Abs. 3 AktG). Folgt die Erbengemeinschaft ohne Auseinandersetzung nach, ist jede Einflussmöglichkeit der Gesellschaft ausgeschlossen. Auch die Erbengemeinschaft als Ganzes kann bei Namensaktien die Anmeldung bei der Gesellschaft vornehmen und sich in das Aktienbuch eintragen lassen. Allerdings kann sie ihre Rechte nur ausüben, wenn ein gemeinsamer Vertreter bestellt wird3. Das Aktienrecht bietet allerdings auch die Möglichkeit, die Einziehung von Aktien in der Satzung zu regeln (§ 237 AktG).
327
Die Satzung kann die Fälle der Einziehung regeln oder die Einziehungsmöglichkeit generell ohne Nennung von Gründen aufnehmen,4 so dass auch die Einziehung bei erbrechtlicher Nachfolge möglich werden kann. Die Einziehungsbefugnis kann aber gegenüber einem Aktionär nur ausgeübt werden, wenn sie bei Übernahme oder Zeichnung der Aktien schon bestand (§ 237 Abs. 1 AktG). Die Einziehung selbst wird nach den Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung durchgeführt. Die Anwendung dieser Bestimmungen kann unterbleiben, wenn die Einziehung zulasten des Bilanzgewinns oder anderen Gewinnrücklagen erfolgt (§ 237 Abs. 3 AktG). Bei Einziehung von Aktien wird ein Einziehungsentgelt fällig. Dieses kann höher oder niedriger als der wirkliche Aktienwert sein. Bei angeordneter Zwangseinziehung (wenn also bei Eintritt eines Tatbestandes die Einziehung zwingend erfolgen muss) ist die Regelung der Abfindung in der Satzung vorgeschrieben, in anderen Fällen wird es empfehlenswert sein, insbesondere wenn die Abfindung von „angemessenem Entgelt“ abweicht. In der Satzung kann auch geregelt werden, dass die Einziehung ohne Entgelt erfolgt5.
1 2 3 4 5
Hüffer, AktG, § 68 Rz. 15. Hüffer, AktG, § 68 Rz. 16. Hüffer, AktG, § 69 Rz. 2 ff. Hüffer, AktG, § 237 Rz. 12, 15. Hüffer, AktG, § 237 Rz. 17.
Grieger
753
328
B XI Rz. 329
Unternehmensnachfolge
b) Ausweichlösungen für eine Nachfolgeregelung 329
Da das Aktienrecht selbst nur sehr beschränkte Möglichkeiten für eine gezielte Nachfolgeregelung zur Verfügung stellt, wird häufig auf schuldrechtliche Nebenvereinbarungen der Aktionäre oder einer Gruppe von Aktionären (Poolvereinbarungen, Konsortialverträge) zurückgegriffen. Derartige schuldrechtliche Nebenabreden der Aktionäre außerhalb der Satzung sind im Aktienrecht zulässig. Gegenstand solcher Vereinbarungen sind häufig das Stimmenverhältnis und die Stimmrechtsausübung. Ferner können Vorerwerbsrechte bei Veräußerung der Aktien durch einen Partner eines derartigen Vertrags oder Ankaufsrechte bei Eintritt bestimmter Ereignisse, z.B. bei Versterben eines Vertragspartners, geregelt werden. Insofern lassen sich dann in gewissem Umfang die fehlenden Nachfolgeregelungen in der Satzung selbst ersetzen.
330
Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Aktien in eine OHG oder GbR einzulegen, so dass die Nachfolge in der für Personengesellschaften üblichen Weise sehr flexibel und nach den Bedürfnissen der Beteiligten geregelt werden kann. Die Nachfolge wird dann von den Grundsätzen beherrscht, wie sie für Personengesellschaften gelten. Die Aufnahme von Nachfolge- und Abfindungsregelungen ist möglich. Inhaber der Aktien ist in diesen Fällen die Gesellschaft. Bei Namensaktien wird auch diese in das Aktienbuch eingetragen. Wird eine GbR für diese Zwecke gegründet, ist vorsorglich ein gemeinsamer Vertreter gemäß § 69 AktG zu bestellen, da die Anerkennung der Rechtsträgerschaft der GbR unsicher ist und diese deshalb als Mehrheit von Berechtigten behandelt wird1.
3. Ertragsteuerrechtliche Folgen im Erbfall und bei der Erbauseinandersetzung a) Grundsatz 331
Gehören zum Nachlass Anteile an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen des Erblassers, folgen die Erben ertragsteuerlich unmittelbar in die Rechtsposition des Erblassers nach. Sie erwerben unentgeltlich. Sind mehrere Erben vorhanden, wird ihnen der Anteil ertragsteuerrechtlich in Bruchteilen entsprechend ihrer Erbquote zugerechnet,2 und zwar unabhängig davon, dass sie die Beteiligung zivilrechtlich als Gesamthand erwerben. Da die Anteile an einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich vererblich sind, tritt diese Folge unabhängig davon ein, ob ein bestimmter Miterbe oder ein Teil der Miterben unter Ausschluss der übrigen zur Nachfolge berufen sind oder nicht.
Û
Beratungssituation: Herr E hält einen Geschäftsanteil von 30 % an der X-GmbH. Zur Nachfolge sind nur Abkömmlinge berufen. Er hat seine
1 Hüffer, AktG, § 69 Rz. 2. 2 Schmidt, EStG, § 17 Rz. 55.
754
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 333a B XI
Ehefrau zu ½ und seine beiden Kinder A und B zu je ¼ zu Erben eingesetzt. Im Erbfall wird den Kindern A und B je ¼, der Ehefrau ½, also 15 % des Geschäftsanteils als Bruchteil zugerechnet. Demgemäß wären A und B mit je 7,5 % und die Ehefrau mit 15 % an der GmbH beteiligt, was allerdings zivilrechtlich insbesondere im Verhältnis zur Gesellschaft keine Rolle spielt, da bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und Übertragung der Anteile am Geschäftsanteil die Erbengemeinschaft nur gesamthänderisch ihre Anteilsrechte wahrnehmen kann. Die Ehefrau müsste ihren Anteil an der Beteiligung im Zuge der Auseinandersetzung oder Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft an A und B in einem zu vereinbarenden Verhältnis abtreten, da nur diese aufgrund der Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags zur Nachfolge berufen sind. Ist dabei eine Abfindung durch die nachfolgeberechtigten Erben an die weichenden Erben zu zahlen, hängen die steuerlichen Folgen der Abfindung von der Einordnung des abgetretenen Anteiles ab. Dabei sind verschiedene Rechtsgrundlagen zu prüfen. – Handelt es sich um ein privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG (grundsätzlich für Zeiträume bis einschließlich 2008), ergeben sich aus der Veräußerung (oder wie im vorliegenden Falle aus der Zahlung einer Abfindung) einkommensteuerrechtliche Folgen gemäß § 22 Nr. 2 EStG. Eine private Veräußerung liegt vor, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung der Anteile nicht mehr als ein Jahr liegt. Beträgt die Frist mehr als ein Jahr, hat die Veräußerung keine einkommensteuerrechtlichen Folgen gemäß § 22 Nr. 2 EStG.
332
– Werden Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert, an der der Veräußerer in den letzten fünf Jahren wesentlich beteiligt war, werden die erzielten Gewinne gemäß § 17 EStG wie gewerbliche Einkünfte versteuert.
333
Unberührt davon bleibt die Einordnung der laufenden Erträge aus Anteilen als Einkünfte aus Kapitalvermögen1. Wesentlich war eine Beteiligung bisher, wenn der Veräußerer oder – bei unentgeltlichem Erwerb – der Rechtsvorgänger in den letzten fünf Jahren mindestens mit 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Ab 2009 wird die Anschaffung und Veräußerung von Anteilen im Privatvermögen nur noch durch die §§ 17, 20 EStG erfasst.2 Damit unterliegen Gewinne und Verluste entweder dem Teileinkünfteverfahren (insbesondere bei wesentlichen Beteiligungen und einbringungsverbundenen Anteilen i.S. von § 22 UmwStG) oder der Abgeltungssteuer (i.d.R. bei nicht wesentlichen Beteiligungen).
1 Schmidt, EStG, § 17 Rz. 16. 2 Schmidt, EStG, § 17 Rz. 12.
Grieger
755
333a
B XI Rz. 334
Unternehmensnachfolge
Für Beteiligungen im Betriebsvermögen, die veräußert werden, gilt ab 2001 bis einschließlich 2008 das Halbeinkünfteverfahren (50 % steuerfreie Erlöse und Aufwendungen, § 3 Nr. 40 EStG a.F.) und ab 2009 das Teileinkünfteverfahren (40 % steuerfreie Einnahmen und Aufwendungen, § 3 Nr. 40 EStG). Eine Ausnahme davon bildet die Veräußerung sog. einbringungsgeborener Anteile i.S. von § 21 Abs. 1 UmwStG a.F. (bis 12.12.2006) bzw. sog. einbringungsverbundener Anteile i.S. von § 22 Abs. 1 UmwStG n.F. (ab 13.12.2006). Solche Anteile entstehen durch Einbringung von Einzelunternehmen oder Mitunternehmeranteilen in Kapitalgesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, wenn die Einbringung unterhalb des Teilwertes bzw. gemeinen Wertes erfolgte, also z.B. zum Buchwert. Nach der früheren Regelung des § 21 Abs. 1 UmwStG a.F. wurde ein Veräußerungsgewinn innerhalb von 7 Jahren nach der Einbringung aus solchen Anteilen vom Halbeinkünfteverfahren ausgeschlossen und unterlag als i.d.R. begünstigter Veräußerungsgewinn gemäß § 16 EStG insgesamt der Einkommensteuer. Nach Ablauf der 7-Jahresfrist galt dann wieder das Halbeinkünfteverfahren bzw. Teileinkünfteverfahren. Die neue Konzeption des Umwandlungssteuerrechts sieht hingegen eine rückwirkende Nachbesteuerung des Einbringungsvorganges innerhalb der 7-Jahresfrist vor, wobei jeweils 1/7 pro Jahr der Nichtveräußerung von der rückwirkenden Versteuerung abgeschmolzen wird. Im Übrigen gilt das Halbeinkünfteverfahren bzw. ab 2009 das Teileinkünfteverfahren. Beispiel 1: Im Jahre 2001 bringt Unternehmer A einen Teilbetrieb seines Unternehmens gemäß § 20 UmwStG in die A-GmbH ein. Werden die Anteile an der A-GmbH veräußert, findet das Teileinkünfteverfahren nur Anwendung, wenn die Veräußerung nach dem Jahre 2008 stattfindet. Beispiel 2: Unternehmer A bringt im Jahre 2001 einen Teilbetrieb in die A-GmbH ein. Die erworbenen Anteile bringt er 2003 zu Buchwerten in die B-GmbH ein. Eine Veräußerung der Anteile an der B-GmbH nach dem Jahre 2008 würde dem Teileinkünfteverfahren unterliegen, da die siebenjährige Sperrfrist für die Anteile an der A-GmbH, deren Einbringung zur Entstehung der Anteile an der B-GmbH geführt haben, zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen ist und die eingebrachten Anteile an der A-GmbH für sich genommen dem Teileinkünfteverfahren unterliegen würden. 334–337 Einstweilen frei. 338
Diese neuen Regelungen der Besteuerung von Einkünften aus der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften gelten auch dann, wenn im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bei Übertragung der Beteiligung auf einen Miterben durch diesen Abfindungszahlungen an weichende Erben geleistet werden.
Û 756
Beratungshinweis: Um so mehr muss darauf geachtet werden, dass die Entstehung und Entwicklung der Beteiligungen zumindest für einen sieGrieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 339 B XI
benjährigen Zeitraum zurück verfolgt werden kann. Dies betrifft im Übrigen auch die Frage nach eventuellen nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung, die vom Erblasser getätigt wurden und nicht immer aus der Bilanz der Kapitalgesellschaft ersichtlich sind. Der Veräußerungsgewinn einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung berechnet sich im Grundsatz wie folgt: Veräußerungspreis abzüglich Anschaffungskosten und Veräußerungskosten. Für die Errechnung der Steuerlast nach dem Halbeinkünfteverfahren wird die Hälfte des Veräußerungspreises bzw. ab 2009 40 % nach dem Teileinkünfteverfahren steuerfrei gestellt, gleichzeitig findet die Hälfte bzw. analog 40 % der Anschaffungskosten und der Veräußerungskosten keine Berücksichtigung. Beispiel Teileinkünfteverfahren: Veräußerungspreis Anschaffungskosten Veräußerungskosten steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn
200 000 Euro 10 000 Euro 5 000 Euro
./. ./.
120 000 Euro 6 000 Euro 3 000 Euro 111 000 Euro
Auf diesen Veräußerungsgewinn ist der Regelsteuersatz anwendbar, wobei ein eventueller Freibetrag, der sich aus § 17 Abs. 3 EStG ergeben könnte, vor Berechnung des Regelsteuersatzes vom Veräußerungsgewinn abzusetzen wäre. Bei der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft ist zu beachten, dass Abfindungszahlungen unter Umständen nur für einen Teil des Wirtschaftsgutes an weichende Erben gezahlt werden, wenn z.B. der übernehmende Miterbe bereits einen Anteil daran entsprechend seiner Erbquote unentgeltlich erworben hat. Ferner ergeben sich bei Realteilungen sehr häufig steuerlich neutrale Teilübertragungen, die berücksichtigt werden müssen. Gerade für Realteilungsfälle mit Spitzenausgleich ist in Zukunft eine Zerlegung des Gesamtvorganges in Einzelschritte erforderlich. Die Handhabung durch die Finanzverwaltung ist derzeit offen. Es ist denkbar, dass folgendes Verfahren zur Anwendung gelangt: Beispiel: A und B erben je zur Hälfte. Zum Nachlass gehört eine Beteiligung an der X-GmbH von 40 % mit einem Verkehrswert von 400 000 Euro (Anschaffungskosten 20 000 Euro) und ein Grundstück im Privatvermögen mit einem Verkehrswert von 200 000 Euro. B übernimmt das Grundstück; A erhält die gesamte Beteiligung und zahlt an B im Jahr 2009 eine Abfindung von 100 000 Euro. B erzielt einen Veräußerungserlös von 100 000 Euro. Für die ertragsteuerliche Behandlung (ab 2009) ergibt sich folgende Rechnung: B überträgt seinen Bruchteil von 20 % an A. Er erhält wegen der im Übrigen stattfindenden Realteilung jedoch nur für 10 % eine Vergütung, nämlich
100 000 Euro
Grieger
757
339
B XI Rz. 340
Unternehmensnachfolge
und überträgt die übrigen 10 % unentgeltlich an B. Die Anschaffungskosten für 10 % des Anteils betragen Bei Anwendung des Teileinkünfteverfahrens beträgt der Erlös und betragen die Anschaffungskosten so dass sich ein steuerbarer Veräußerungsgewinn von für B ergibt. Bis 2009 wurden nach dem Halbeinkünfteverfahren noch 50 % der Einnahmen und Aufwendungen freigestellt.
340
5 000 Euro. 60 000 Euro ./. 250 000 Euro 57 000 Euro
Für Anteile an Kapitalgesellschaften, die die Wesentlichkeitsgrenze gemäß § 17 Abs. 1 EStG unterschreiten, d.h. also innerhalb der letzten fünf Jahre seit Erwerb zu keinem Zeitpunkt die Grenze von 1 % am Nennwert des Stammkapitals bzw. Grundkapitals erreicht haben, galt bei Anschaffungen bis einschließlich 2008 § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG (Fall Rz. 332). Demgemäß waren Gewinne aus Veräußerungen, die nach Ablauf eines Jahres nach Anschaffung erfolgten, bislang steuerfrei; Gewinne aus Veräußerungen innerhalb der Jahresfrist unterlagen hingegen dem Halbeinkünfteverfahren1. Die Gewinne aus der Veräußerung einbringungsgeborener Anteile i.S. § 21 UmwStG a.F. aus der Einbringung eines Unternehmens in die Kapitalgesellschaft unter dem Teilwert wurden als Veräußerungsgewinne i.S. von § 16 EStG in voller Höhe besteuert (vgl. Rz. 333a). Hinsichtlich der Anteile, die durch Erbschaft erworben werden, wird dem Erwerber die Anschaffung des Erblassers zugerechnet2. Wurde im Rahmen der Erbauseinandersetzung eine Abfindung für die Übernahme gezahlt, ist das „Anschaffung“, womit eine neue Frist i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 2 für eine Weiterveräußerung in Gang gesetzt wurde.
341
Gehört der Anteil an einer Kapitalgesellschaft zu einem Betriebsvermögen (Einzelbetrieb oder Mitunternehmerschaft), findet auf die Veräußerung des Anteils durch das Einzelunternehmen oder die Mitunternehmerschaft ebenfalls das Halbeinkünfteverfahren Anwendung.
342
Für die Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs oder eines Mitunternehmeranteils gelten die Bestimmungen des § 16 EStG, allerdings mit der Maßgabe, dass der auf einen im Betriebsvermögen befindlichen Anteil an der Kapitalgesellschaft entfallende Veräußerungserlös oder gemeine Wert nur hälftig (ab 2009 zu 60 %) für die Errechnung des erzielten Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns anzusetzen ist.
343
Das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren gilt auch dann, wenn eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft dem Betriebsvermögen entnommen wird für den dabei erzielten Entnahmegewinn (§ 3 Nr. 40 Buchst. a EStG).
344
Für die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft über einen Nachlass, zu dem das Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers oder ein Mitunternehmeranteil an einer Personengesellschaft gehört, gelten die in Rz. 113 und Rz. 242 ff. entwickelten Grundsätze, allerdings ist bei Zahlung von Abfindun1 Schmidt, § 22 Rz. 5, 6. 2 Schmidt, EStG, § 17 Rz. 80 ff.
758
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 347 B XI
gen oder eines Spitzenausgleichs der erzielte steuerbare Gewinn unter Berücksichtigung des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens für die im Betriebsvermögen befindliche wesentliche Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zu errechnen. Wird ein einzelner Miterbe bei der Auseinandersetzung über einen Betriebsvermögensnachlass mit einer Kapitalbeteiligung im Betriebsvermögen abgefunden, ohne dass es sich dabei um eine wesentliche Betriebsgrundlage handelt, ist auf den dann anfallenden Entnahmegewinn ebenfalls das Halb- bzw. Teileinkünfteverfahren anzuwenden (vgl. Rz. 343). Einstweilen frei.
345
Fällt ein im Privatvermögen gehaltener einbringungsgeborener oder einbringungsverbundener Anteil in den Nachlass, ist die Vorbesitzzeit des Erblassers anzurechnen, so dass es insgesamt für die Veräußerung durch die Erbengemeinschaft auf den Ablauf der Sperrfrist ankommt. Ist ein solcher Anteil Gegenstand einer Erbauseinandersetzung und muss in diesem Zusammenhang eine Abfindung gezahlt werden, sollte die Erbengemeinschaft den Ablauf der Sperrfrist abwarten, um die Anwendung des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens auf die gezahlte Abfindung zu ermöglichen. Das Gleiche gilt für die Auseinandersetzung über ein Betriebsvermögen, zu dem ein einbringungsgeborener bzw. einbringungsverbundener Anteil gehört.
346
b) Abwicklung und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft aa) Abtretung, Einziehung
Û
Beratungssituation: Der Erblasser E ist mit 30 % an der X-GmbH beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass beim Tode des E dessen Geschäftsanteil auf Beschluss der Gesellschaft entweder eingezogen wird oder die Erben verpflichtet sind, nach Maßgabe des Beschlusses den Geschäftsanteil an einen von der Gesellschaft zu benennenden Erwerber zu übertragen. E verstirbt und wird zu gleichen Teilen von seinen Kindern A und B beerbt. Die Gesellschaft beschließt die Einziehung und zahlt im Jahr 2009 an die Erben das im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Einziehungsentgelt für den Verkehrswert des Geschäftsanteils. Man einigt sich auf einen Wert von 400 000 Euro.
Da mit Eintritt des Erbfalles A und B jeweils ein Bruchteil von 15 % des gesamten Nennkapitals des 30 %-Anteils des E am gesamten Nennkapital angefallen ist, erlöst jeder von ihnen 200 000 Euro. E ist Mitgründer der Gesellschaft und hat bei Gründung der Gesellschaft eine Stammeinlage von 15 000 Euro übernommen und voll eingezahlt. Ertragsteuerlich müssen A und B folgende Rechnung aufmachen: Veräußerungserlös für 15 % 200 000 Euro Anschaffungskosten für 15 % 7 500 Euro zu versteuernder Gewinn Hinweis: 2008 galt noch das Halbeinkünfteverfahren.
anteiliger Ansatz 120 000 Euro ./. 4 500 Euro 115 500 Euro
Grieger
759
347
B XI Rz. 348
Unternehmensnachfolge
bb) Qualifizierte Nachfolge (1) Reiner betrieblicher Nachlass
Û
348
Beratungssituation: Der Erblasser E ist an der X-GmbH mit 30 % beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass die Gesellschaft jeweils nur mit dem ältesten Abkömmling fortgesetzt wird. E wird bei seinem Tode von seinen Kindern A (ältestes Kind), B und C zu gleichen Teilen beerbt. Nennenswertes weiteres Vermögen neben der Beteiligung ist nicht vorhanden.
Aufgrund der qualifizierten Nachfolgeklausel kann im vorliegenden Falle nur A nachfolgen. B und C müssen ihren Bruchteil am Geschäftsanteil von jeweils 10 % auf A übertragen. Da anderes Vermögen im Nachlass nicht vorhanden ist, lässt sich eine ertragsteuerneutrale Auseinandersetzung nicht herbeiführen. Zahlt A jeweils eine Abfindung an B und C, erzielen diese einen Veräußerungserlös, der wie im unter aa) behandelten Fall zu versteuern ist. Um Abfindungszahlungen zu vermeiden, die für A mit erheblichen Liquiditätsbelastungen und für B und C bei einem hohen Wert des Anteils zu beträchtlichen steuerlichen Belastungen führen, könnten die Erben prüfen, ob die Übertragung der Bruchteile des B und C an A unter gleichzeitiger Einräumung von Rechten am Geschäftsanteil erfolgen kann (z.B. Nießbrauch am Gewinnstammrecht mit einer ihrem Bruchteil entsprechenden Quote oder Einräumung einer Unterbeteiligung). Dadurch könnte die Auseinandersetzung weitgehend ertragsteuerlich neutral gestaltet werden. Allerdings setzt das voraus, dass die Einräumung dieser Rechte nach dem Gesellschaftsvertrag zulässig ist bzw. die Gesellschaft dazu die Zustimmung erteilt.
349
Einstweilen frei.
350
Die Erbschaftsteuervergünstigungen für betriebliches Vermögen finden auf Kapitalbeteiligungen, die im Privatvermögen gehalten werden, allerdings nur Anwendung, wenn der Erblasser (oder Schenker) mit „mehr als einem Viertel“ am Nennkapital der Gesellschaft unmittelbar beteiligt ist (§ 13a, § 13b ErbStG). Trotz Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 Abs. 1 EStG auf 1 % ist der Ansatz „von mehr als einem Viertel“ für die Anwendung der betrieblichen Vergünstigungen auf Kapitalbeteiligungen in § 13a, § 13b ErbStG unverändert geblieben. (2) Mischnachlass
Û
760
Beratungssituation: Der Erblasser E ist an der A-GmbH mit 30 % beteiligt (Verkehrswert 1,2 Millionen Euro, Anschaffungskosten 150 000 Euro), unterhält daneben ein Einzelunternehmen E (Verkehrswert 1,2 Million Euro, Buchwert 300 000 Euro) und besitzt ein Privatgrundstück mit einem Verkehrswert von 600 000 Euro. Nachfolgeberechtigt in der A-GmbH ist nur der Erbe R. E hat seine drei Kinder R, S und T zu gleichen Teilen zu Erben eingesetzt und bestimmt, dass R die Anteile an der A-GmbH, S das Einzelunternehmen E und T das Privatgrundstück erhalten soll. Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 351 B XI
Nach dem Erbfall im Jahr 2009 vollziehen die Erben die Teilungsanordnung, indem S und T die ihnen angefallenen Bruchteile am A-Geschäftsanteil an R abtreten, R und T ihre Mitunternehmeranteile am E-Einzelunternehmen auf S übertragen und das Grundstück an T aufgelassen wird. Ausgangswert der ertragsteuerrechtlichen Rechnung ist der jedem Erben zufallende Wert von 1 Mio. Euro. Danach haben R und S jeweils 200 000 Euro zu viel und T 400 000 Euro zu wenig bekommen. Im Verhältnis von R und S führt die Realteilung zu einem vollständigen Ausgleich, so dass Abfindungen nicht zu leisten sind. Dagegen erhält T von R und S jeweils 200 000 Euro. Die steuerliche Belastung ist unterschiedlich, da einerseits Abfindungen für Anteile an einer Kapitalgesellschaft gezahlt werden, für die ab 2009 das Teileinkünfteverfahren (bis 2008 Halbeinkünfteverfahren) gilt, andererseits der Mitunternehmeranteil an einem Betriebsvermögen auszugleichen ist, insofern also § 16 Abs. 1 und 2 EStG gelten, allerdings unter Anwendung der Begünstigung des § 34 Abs. 1 und 2 (der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG gilt nur in den dort geregelten engen persönlichen Grenzen, vgl. Rz. 24). Da auch für T die Grundsätze der Realteilung gelten, bezieht sich die Ertragsteuerrechnung nur auf den Spitzenausgleich, der ihm nach Gegenrechnung des ihm zufallenden Sachwertes zusteht. T muss folgende Rechnung aufmachen: 1) Von R (Geschäftsanteil A) (das entspricht 1/6 des Verkehrswertes, so dass 1/6 der Anschaffungskosten anzurechnen ist. zu versteuernder Veräußerungsgewinn 2) Von S (Mitunternehmeranteil Einzelunternehmen) 1/6 des Buchwertes zu versteuernder Veräußerungsgewinn Insgesamt zu versteuern
200 000 Euro
davon 60 % 120 000 Euro
./. 25 000 Euro
./. 15 000 Euro 105 000 Euro
200 000 Euro 50 000 Euro 150 000 Euro
– – 150 000 Euro 255 000 Euro
Der unter 2) errechnete steuerbare Gewinn unterliegt allerdings der Regelung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG, d.h. es handelt sich um außerordentliche Einkünfte, die Fünftelregelung findet Anwendung. Sofern die persönlichen Voraussetzungen vorliegen, können außerdem der ermäßigte Steuersatz (mindestens der Eingangssteuersatz) gemäß § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch genommen werden. cc) Betriebsaufspaltung
Û
Beratungssituation: E ist an der A-GmbH mit 60 % beteiligt. Er hat sein ehemaliges Einzelunternehmen an die A-GmbH verpachtet, so dass steuerlich eine Betriebsaufspaltung besteht. Die Gesellschafter der A-GmbH haben im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die Gesellschaft bei Versterben eines Gesellschafters nicht mit den Erben fortgesetzt wird. E verstirbt und hinterlässt seine Ehefrau als Alleinerbin. Grieger
761
351
B XI Rz. 352 352
Unternehmensnachfolge
(1) Besteht – wie im vorliegenden Beispiel – eine Betriebsaufspaltung, ist im Erbfalle immer die Gefahr vorhanden, dass die persönlichen Voraussetzungen für die Betriebsaufspaltung entfallen und eine Betriebsaufgabe hinsichtlich des Betriebsunternehmens erfolgt. Das hat nicht nur zur Folge, dass die stillen Reserven der im Betriebsunternehmen befindlichen Wirtschaftsgüter aufgedeckt werden, sondern dass es auch zu einer Entnahme der Beteiligung an der Betriebsgesellschaft kommt. Im vorstehenden Beispiel könnte die Verpachtung des Einzelunternehmens u.U. subsidiär gleichzeitig die Voraussetzungen einer Betriebsverpachtung erfüllen1, so dass die Erbin weiterhin gewerbliche Gewinne erzielt und insofern der Betrieb erhalten wird. Es tritt dann eine Betriebsunterbrechung im weiteren Sinne ein (vgl. Rz. 29). Allerdings wird der Anteil an der Betriebsgesellschaft in jedem Falle entnommen, so dass der Entnahmegewinn zu versteuern ist. Dieser unterliegt der Versteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren (bis 2008 Halbeinkünfteverfahren) (vgl. Rz. 338). Im vorstehenden Beispiel würde die Erbin, da sie kraft Erbrechts Nachfolgerin ihres Ehemannes in der Gesellschaft wird, die Betriebsaufspaltung dadurch beenden, dass sie den Geschäftsanteil an die verbleibenden Gesellschafter abtritt oder die Gesellschaft diesen einzieht, so dass sie noch im Betriebsvermögen den Veräußerungserlös erzielt, der allerdings insoweit grundsätzlich auch dem Teileinkünfteverfahren (bis 2008 Halbeinkünfteverfahren) unterliegt.
353
Schwierig wird die Lage allerdings dann, wenn die Voraussetzungen für eine Betriebsverpachtung nicht mehr vorliegen. Ist, wie im vorliegenden Falle, abzusehen, dass die Erben die Betriebsgesellschaft nicht fortsetzen, sollte bei einer Betriebsaufspaltung sichergestellt werden, dass das Betriebsvermögen des Besitzunternehmens auch nach Wegfall der Betriebsaufspaltung Betriebsvermögen bleibt. Im vorliegenden Falle hätte der Erblasser sein Einzelunternehmen bereits zu Lebzeiten bei Entstehung der Betriebsaufspaltung in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft einbringen können (GmbH & Co. KG, vgl. Rz. 44). Fallen bei Existenz einer derartigen Gesellschaft die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung weg, besteht keine Gefahr, dass eine Betriebsaufgabe erfolgt. Ein anderer Schutzmechanismus kann darin bestehen, dass im Besitzunternehmen eine gewerbliche Tätigkeit aufgenommen wird, was allerdings nicht immer möglich sein wird2.
354
(2) Der Erblasser kann durch eine entsprechende Rechtsform die Nachfolge auch dann gestalten, wenn mehrere Erben vorhanden sind und nur ein Erbe in der Betriebskapitalgesellschaft nachfolgen soll.
Û
Beratungssituation: E ist an der A-GmbH mit 60 % beteiligt. Er ist ferner alleiniger Kommanditist einer GmbH & Co. KG sowie der Alleingesellschafter der Komplementär-GmbH. Die GmbH & Co. KG hat an die A-GmbH ein Betriebsgrundstück und Anlagen verpachtet. Es besteht eine Betriebsaufspaltung. Der Anteil an der A-GmbH befindet sich im Sonder-
1 Vgl. Schmidt, EStG, § 15 Rz. 865. 2 Vgl. für die mögliche Ausweichgestaltung: Schmidt, EStG, § 15 Rz. 865.
762
Grieger
Unternehmensnachfolge
Rz. 356 B XI
betriebsvermögen. E gehören ferner Grundstücke im Privatvermögen. In die A-GmbH kann nur der Sohn R nachfolgen; in der KomplementärGmbH und in der Kommanditgesellschaft sind sämtliche Erben zur Nachfolge zugelassen. In seinem Testament setzt er seine Ehefrau zu ½, seine Kinder S und T zu je 5/24 und seinen Sohn R zu 2/24 zu Erben ein. Ferner bestimmt er, dass der Geschäftsanteil an der A-GmbH auf den Sohn R im Wege des Vorausvermächtnisses übergehen soll. Beim Eintritt des Erbfalles folgen sämtliche Erben entsprechend ihrer Erbquote nach, und zwar in die A-GmbH, die Komplementär-GmbH und die Kommanditgesellschaft. Veränderungen sind nur notwendig hinsichtlich des Anteils an der A-GmbH. Demgemäß übertragen S, T und die Ehefrau ihre Bruchteile an der A-GmbH zur Erfüllung des Vorausvermächtnisses an R. Diese Abtretung führt dazu, dass die Bruchteile der Erben S, T und Ehefrau aus deren Sonderbetriebsvermögen in das Sonderbetriebsvermögen des Erben R – also steuerneutral – übertragen werden. Im Übrigen entfällt mit dieser Übertragung die Betriebsaufspaltung, da die personellen Voraussetzungen nicht mehr bestehen (der Nachfolger in der Betriebs-GmbH ist nur mit 2/24 an der Besitzgesellschaft beteiligt). Wegen der Rechtsform der Besitzgesellschaft hat das jedoch keine ertragsteuerlichen Folgen. (3) Sofern es sich beim Betriebsunternehmen um eine Kapitalgesellschaft handelt (was meistens der Fall ist), hat die Erbengemeinschaft auch in anderen als den vorgenannten Fällen in der Regel etwas Zeitspielraum, um das Verhältnis von Betriebs- und Besitzgesellschaft neu zu ordnen, da unabhängig von der jeweiligen speziellen Nachfolge eines einzelnen Miterben in der BetriebsGmbH mit dem Erbfall sämtliche Erben Gesellschafter der Betriebs-GmbH werden und die Nachfolge des einzelnen Miterben (oder auch die Einziehung durch die Gesellschaft) ein gesondertes Rechtsgeschäft voraussetzen, so dass nicht automatisch nachteilige Folgen hinsichtlich des Wegfalls der Betriebsaufspaltung eintreten können. Die Erben befinden sich allerdings in einer schwierigen Lage, wenn der Erblasser z.B. durch Teilungsanordnung die Beteiligung an einen Miterben und die Vermögenswerte in der Besitzgesellschaft an einen anderen Miterben zuordnet. In diesem Falle können die Erben nur versuchen, durch Gestaltungen im Nachhinein die drohenden steuerlichen Folgen abzuwenden, sofern das möglich ist (etwa nach dem Vorbild des Beispiels in Rz. 354).
355
(4) Ist das Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft nicht – wie im vorstehenden Beispiel – durch eigene gewerbliche Prägung gegen eine Aufdeckung der stillen Reserven gesichert, sollte die Betriebsaufspaltung im Rahmen der Überlegungen zur Nachfolge (wenn nicht auch aus anderen Gründen) überhaupt vermieden werden.
356
Ein dafür häufig empfohlenes und auch steuerlich anerkanntes Verfahren ist z.B. das Wiesbadener Modell. In diesem Falle hält ein Ehegatte alleine sämtliche Anteile an der Kapitalgesellschaft und der andere Ehegatte ist Eigentümer z.B. des Grundstücks, das an die Betriebsgesellschaft als Betriebsgrundstück verpachtet ist. Die Finanzverwaltung rechnet in diesem Falle die jeweiligen Grieger
763
B XI Rz. 357
Unternehmensnachfolge
Anteile bzw. die Eigentümerstellung der Ehegatten nicht zusammen, so dass eine Betriebsaufspaltung nicht entsteht. Allerdings besteht hier Gefahr, dass durch den Erbfall die bis dahin verhinderte Betriebsaufspaltung eintritt, wenn die Ehegatten sich gegenseitig zu Erben einsetzen. 357
Wenn andere Vorkehrungen zu Lebzeiten nicht getroffen werden, müsste für den Erbfall eine Gestaltung gewählt werden, die den Zusammenfall beider Vermögenswerte verhindert. Das ist natürlich nur möglich, wenn der Familienkreis dafür die Voraussetzungen bietet.
Û
Beratungssituation: E ist alleiniger Gesellschafter der E-GmbH. Frau E ist Eigentümerin des Betriebsgrundstückes und hat dieses an die E-GmbH verpachtet. Das Ehepaar hat drei Kinder A, B und C, wobei A und B als Nachfolger in der Betriebs-GmbH vorgesehen sind.
Im vorstehenden Beispiel könnte Frau E das Kind C zum Alleinerben einsetzen mit der Bestimmung, dass das Vermögen des Nachlasses mit Ausnahme des Grundstücks ihrem Ehemann als Vermächtnis zufallen soll. Herr E könnte seine Ehefrau als Erbin einsetzen, wenn er die Voraussetzungen dafür schafft, dass der Gesellschaftsanteil bei seinem Tode unmittelbar auf A und B übergeht (dazu Rz. 358). c) Erbeinsetzung 358
Die Grundvarianten für die Erbeinsetzung bei Vorhandensein von Betriebsvermögen wurden in Rz. 137–151 dargestellt. Sie gelten im Prinzip auch für die Gestaltung der Erbfolge in Bezug auf den Anteil an einer Kapitalgesellschaft im Privatvermögen (i.S. des § 17 EStG, d.h. ab 1 %). Die Problemlage ist ähnlich, wenn auch nicht ganz vergleichbar, da das Betriebsvermögen aus einer Anzahl von Wirtschaftsgütern besteht, der Anteil an einer Kapitalgesellschaft jedoch selbst ein einzelnes Wirtschaftsgut darstellt. Wie in den vorangegangenen Abschnitten dargestellt, kann es trotzdem zu ertragsteuerlich relevanten Abfindungszahlungen kommen, da mit Eintritt des Erbfalles sämtliche Erben in den Anteil (steuerlich zu Bruchteilen) nachfolgen. Die unmittelbare Sondernachfolge des erwünschten Nachfolgers ist – anders als z.B. bei der qualifizierten Sondernachfolge – aus Gründen der Gesetzeslage im Recht der Kapitalgesellschaften nicht möglich. Um den Anteil an der Kapitalgesellschaft außerhalb der Erbauseinandersetzung zu halten, könnte der Erblasser u.a. die nachstehenden Möglichkeiten in Betracht ziehen.
359
Der Erblasser kann den Geschäftsanteil im Wege der Schenkung aufschiebend bedingt auf den Todesfall gemäß § 2301 BGB auf den vorgesehenen Nachfolger übertragen, so dass dieser bei Eintritt des Erbfalles unmittelbar auf den Erwerber übergeht.
360
Der Erblasser nutzt für die Nachfolge in der Kapitalgesellschaft die größere Flexibilität des Rechts der Personengesellschaft. 764
Grieger
Unternehmensnachfolge
Û
Rz. 360 B XI
Beratungssituation: E ist an der X-GmbH mit 30 % beteiligt. In die Gesellschaft sollen seine Kinder A und B, nicht jedoch Kind C und die Ehefrau nachfolgen.
E könnte mit A und B eine GbR gründen, an der A und B mit einem Minianteil beteiligt werden. Mit Zustimmung der Gesellschaft legt er seinen Anteil an der X-GmbH in die GbR ein, behält sich jedoch die Geschäftsführung vor und wird in der GmbH ständiger Bevollmächtigter der GbR. Gleichzeitig wird im Gesellschaftsvertrag der GbR entweder eine qualifizierte Nachfolgeklausel zugunsten des A und B oder eine Fortsetzungsklausel unter Ausschluss der Abfindung der Erben vereinbart. Im Gesellschaftsvertrag kann zudem vereinbart werden, dass in dem Umfange wie durch die Nachfolge- oder Fortsetzungsklausel den Gesellschaftern A und B der Gesellschaftsanteil anwächst, eine Anrechnung auf ihren Erbanteil bzw. Pflichtteil erfolgt.
Grieger
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XII. Stiftung und Trust als Instrumente der Nachfolgeplanung Schrifftum: Andrick/Hellmig/Janitzki/Muscheler/Schewe (Hrsg.), Die Stiftung: Jahreshefte zum Stiftungswesen, 2. Jahrgang 2008; Augsten/Wolf, Rechtliche und steuerliche Aspekte der unselbstständigen Stiftung – unter Berücksichtigung erbrechtlicher Regelungen –, ZErb 2006, 155; Bach, Ertragsteuerliche Behandlung der im Ausland entrichteten Stiftungskosten, PStR 2008, 219; Binz/Sorg, Die Doppelstiftung im Steuerrecht, ZEV 2005, 520; Birnbaum/Lohbeck/Pöllath, Die Verselbständigung von Nachlassvermögen: Stiftung, Trust und andere Gestaltungen im Vergleich, FR 2007, 376, 479; Cornelius, Zuwendungen an Stiftungen und Pflichtteilsergänzung, ZErb 2006, 230; Dahlbender, Die gemeinnützige GmbH, GmbH-StB 2006, 17; Dehesselles, Stiftung, Unternehmen und Beschäftigungsförderung, DB 2005, 72; Drüen/Liedtke, Die Reform des Gemeinnützigkeits- und Zuwendungsrechts und seine europarechtliche Flanke, FR 2008, 1; Ebling, Stiftung zur Förderung der Kunst – Ein Modell mit Zukunft?, FR 2007, 565; Eicker, Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch Steuerbefreiungen nur für gebietsansässige gemeinnützige Stiftungen, IWB Fach 11a, 947 (IWB 2006, 77); Eisele, Schenkungsteuer bei Vermögensübertragung auf Auslandsstiftungen Keine Steuerpflicht bei fehlender freier Verfügungsmacht der Stiftung, NWB Fach 10, 1625 (NWB 2007, 3969); Ettinger/Mittermeier, Die Entwicklung des Stiftungssteuerrechts bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, PIStB 2008, 188; Feick, Die Stiftung als Instrument der Unternehmensnachfolge, BB 2006, Special 6, 13; Fischer, Unorthodoxe Überlegungen zur Verfassungsarchitektur Europas am Beispiel des Falles „Stauffer“, FR 2007, 361; Fischer, Überlegungen zur Fortentwicklung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, FR 2008, 752; Fischer/Ihle, Satzungsgestaltung bei gemeinnützigen Stiftungen, DStR 2008, 1692; Beuthien/Gummert (Hrsg.), Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 5: Verein, Stiftung bürgerlichen Rechts, 2009; Göring, Unternehmen Stiftung, 2009; Götz, Die gemeinnützige Stiftung im Zivil- und Steuerrecht – Eine systematische Darstellung der rechtlichen Vorgaben und Besteuerungsfolgen, NWB Fach 2, 8603 (NWB 2005, 93); Götz, Die Familienstiftung als Instrument der Unternehmensnachfolge – Steuerrechtliche und zivilrechtliche Folgen, NWB Fach 2, 8797 (NWB 2005, 2773); Götz, Die gemeinnützige Stiftung im Zivil- und Steuerrecht – Rechtliche Vorgaben und Besteuerungsfolgen, NWB Fach 2, 9757 (NWB 2008, 1839); Götz, Die unternehmensverbundene Stiftung im Zivil- und Steuerrecht – Eine systematische Darstellung der steuerlichen Besonderheiten, NWB Fach 2, 10107 (NWB 2008, 4803); Grewe, Auflösung einer Familienstiftung, ErbBstg 2007, 234; Grewe, Schenkungsteuerbarkeit einer Zustiftung, ErbBstg 2008, 226; Grziwotz, Das Ende der agnatischen Familienstiftungen, FamRZ 2005, 581; Grziwotz, Der betreute „Stifter“ – Zur Zulässigkeit von Stiftungen entsprechend dem Willen des Betreuten, ZEV 2005, 338; Haas, Die Stiftung als Instrument der Unternehmensnachfolge besser nutzen, GStB 2005, 394; Hammerschmidt/Klatt, Steuerliche Möglichkeiten des Spendenabzugs bei Zahlungen an steuerbefreite Stiftungen, StB 2006, 171; Heintzen, Steuerliche Anreize für gemeinwohlorientiertes Engagement Privater, FR 2008, 737; Hergeth, Auskehrung von Vermögen durch Auslandsstiftung oder Trust nach Ende der Steueramnestie, ZErb 2005, 270; Hergeth, Anwendung des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung; Behandlung von Vermögensübertragungen im Zusammenhang mit Stiftungen, ZErb 2005, 345; Hüttemann, Steuervergünstigungen wegen Gemeinnützigkeit und europäisches Beihilfenverbot – Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 10.1.2006 (Italienische Bankstiftungen) auf das deutsche Steuerrecht –, DB 2006, 914; Hüttemann, Verpächterwahlrecht bei gemeinnützigen Körperschaften?, BB 2007, 2324; Hüttemann, Steuerliche Behandlung von Spenden in den Vermögensstock einer Stiftung – Anm. zur Verfügung der OFD Frankfurt vom 13.6.2008 – S 2223A – 155 – St 216, DB 2008, S. 2002,
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Stiftung und Trust
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DB 2008, 2164; Hüttemann/Helios, Abzugsfähigkeit von Direktspenden an gemeinnützige Einrichtungen im EU-Ausland, IStR 2008, 39; Hüttemann/Rawert, Pflichtteil und Gemeinwohl – Privilegien für gute Zwecke?, ZEV 2007, 107; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2008; Jahn, Gemeinnützigkeit bei Stiftung im EU-Ausland, PIStB 2007, 144; Jülicher, Ausländische Familienstiftungen und Trusts – Chancen und Risiken durch die neue BFH-Rechtsprechung, ZErb 2007, 361; Kellersmann/Schnitger, Europarechtliche Bedenken hinsichtlich der Besteuerung ausländischer Familienstiftungen, IStR 2005, 253; Kinzl, Nachfolgeplanung mit Familienstiftungen: § 15 AStG zwischen Hindernis und Europarechtswidrigkeit, IStR 2005, 624; Kirchhain, Das Rückabwicklungsverbot des § 29 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 ErbStG bei Stiftungsleistungen iSd § 58 Nr. 5 AO, ZErb 2006, 413; Kirchhain, Ist die ertragsfinanzierte Versorgung der Stifterfamilie durch eine gemeinnützige Stiftung über die Ein-Drittel-Grenze des § 58 Nr. 5 AO hinaus unschädlich?, ZEV 2006, 534; Kirchhain, Stiftungsbezüge als Kapitaleinkünfte? – Zugleich Anmerkung zum BMF-Schreiben vom 27.6.2006 –, BB 2006, 2387; Kracht, Familienstiftung als Instrument zur Unternehmensfortführung nutzen, GStB 2007, 296; Kraft/Hause, Die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 15 AStG zur Besteuerung ausländischer Familienstiftungen aus dem Blickwinkel der EuGH-Rechtsprechung, DB 2006, 414; Kusterer, Das Gemeinnützigkeitsrecht im Wandel, EStB 2006, 388; Leisner, Die mildtätige Familienstiftung, DB 2005, 2434; Lindner, Die Stiftung als Unternehmensform, DSWR 2005, 245; Lühn, Ergänzung der Besteuerung ausländischer Familienstiftungen nach § 15 AStG durch das JStG 2009, IWB Fach 1 Gruppe 3, 2361 (IWB 2008, 851); Maier, Steueroptimierte Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen – Zugleich Besprechung des BFH-Urteils vom 3.8.2005, DStR 2006, 505; Meincke, Körperschaftsteuerbefreiung bei ausländischen Stiftungen Anmerkung zu BFH Beschluss I R 94/02 v. 14.7.2004, ZEV 2005, 174; Meyn/Richter/Koss, Die Stiftung, 2. Aufl. 2009; Müller, Satzungsgestaltung der gemeinnützigen GmbH, ErbStB 2005, 165; Müller/Thoma, Das neue Spendenrecht, ErbStB 2008, 47; Muscheler, Nachträgliche Änderung der Stiftungssatzung, ZErb 2005, 4; Muscheler/Gantenbrink, Der Fall Beisheim – rechtliche Überlegungen zur „Prof. Dr. Otto Beisheim Stiftung Tegernsee“, ZErb 2007, 211; Möller, Aktuelle Entwicklungen im Stiftungszivil- und -steuerrecht am Beispiel der treuhänderischen Privatstiftung, INF 2005, 576; Möller, Die Überführung von Treuhandstiftungen in rechtsfähige Stiftungen, ZEV 2007, 565; Neuhoff, Drei, vier oder fünf steuerliche Sphären, insbesondere bei Stiftungen?, DStZ 2005, 191; Neumann, Steuerliche Verbesserungen für das bürgerschaftliche Engagement und die Folgen aus der Stauffer-Entscheidung des EuGH für den Spendenabzug, FR 2008, 745; Nickel/Robertz, Zur Verdoppelung der Höchstbeträge der Grenzen der §§ 10b Abs. 1 Satz 3, 10b Abs. 1a EStG bei zusammenveranlagten Ehegatten, FR 2006, 66; Orth, Stiftungssteuerrecht: Änderungen durch die Unternehmensteuerreform 2008 und die Reform des Spendenrechts, WPg 2007, 969; Pues/Scheerbarth, Gemeinnützige Stiftungen im Zivil- und Steuerecht, 3. Aufl. 2008; Rehm/Nagler, Zurechnungsbesteuerung bei ausländischen Familienstiftungen (§ 15 AStG) und die Empfängerbenennung (§ 160 AO) auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts, IStR 2008, 284; Richter, Das Verhältnis von Zuwendungen an Stiftungen und Pflichtteilsergänzungsansprüchen, ZErb 2005, 134; Richter, Aktuelle Änderungen in den Landesstiftungsgesetzen, ZEV 2005, 517; Richter, Die Unternehmensstiftung nach der Stiftungsrechtsreform, ZErb 2006, 75; Richter/Welling, Tagungs- und Diskussionsbericht zum 27. Berliner Steuergespräch mit dem Thema „Steuerliche Anreize für gemeinwohlorientiertes Engagement Privater“, FR 2008, 761; Röthel, Pflichtteil und Stiftungen: Generationengerechtigkeit versus Gemeinwohl?, ZEV 2006, 8; Schiffer, Aktuelles Beratungs-Know-how Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht, DStR 2005, 508; Schiffer, Die Entwicklung des Stiftungszivilrechts in den Jahren 2004 bis 2006, NJW 2006, 2528; Schiffer, Stiftungen und zusammen veranlagte Ehegatten: Abzugshöchstbetrag von Spenden und Errichtungsdotationen – Hinweise zu dem BFH-Urteil vom 3.8.2005 – XI R 76/03 –, StB 2006, 217; Schiffer, Aktuelle Entwicklungen und Fragen im Stiftungsrecht, INF 2007, 114; Schiffer/Fries, Ersatzerbschaftsteuer und „sale and lease back“ – eine Skizze zu aktuellen Fragen der Familien-
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Stiftung und Trust
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stiftung, ZErb 2006, 115; Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit: Verein, Stiftung, GmbH – Recht – Steuern – Personal, 2. Aufl. 2005; Schlüter/Stolte, Stiftungsrecht, 2007; Schönfeld, Probleme der neuen einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für Zwecke der Anwendung des § 15 AStG (Ausländische Familienstiftungen), IStR 2009, 16; Schulte/Risch, Die Reform der Landesstiftungsgesetze – Eine Zwischenbilanz, DVBL 2005, 9; Schulz/Werz, Die (unselbständige) Treuhandstiftung – eine attraktive Alternative zur selbständigen Stiftung, ErbStB 2006, 224; Schulz/ Werz, Ausländische Familienstiftungen – Der neue Ausnahmetatbestand des § 15 Abs. 6 AStG, ErbStB 2008, 177; Seer, Entnahme zum Buchwert bei unentgeltlicher Übertragung von Wirtschaftsgütern auf eine gemeinnützige GmbH oder Stiftung – Zur Reichweite des sog. Buchwertprivilegs des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 5 EStG, GmbHR 2008, 785; Seifart/von Campenhausen, Stiftungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2009; Söffing/Thoma, Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht, ErbStB 2005, 184; Söffing/Thoma, Einbindung einer gemeinnützigen Stiftung in die Nachfolgeplanung, ErbStB 2005, 212; Söffing/Thoma, Die unternehmensverbundene Stiftung, ErbStB 2005, 315; Steuber, Corporate Governance bei Stiftungen – eine Frage der Kontrolle oder der Moral?, DStR 2006, 1182; Theiss, Update zum Instrument „Stiftung“ bei Großvermögen, Vortrag in Bergisch Gladbach 27.1.2005; Thömmes, Steuerbefreiung ausländischer gemeinnütziger Stiftungen, IWB Fach 11a, 1061 (IWB 2006, 883); Thoma, Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht, ErbStB 2008, 50; Thoma/Seidel, Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrecht, ErbStB 2006, 356; Thonemann, Verlustbeschränkung und Zinsschranke in der Unternehmensnachfolgeplanung – Überlegungen zur Unentgeltlichkeit sowie zum Erwerb durch gemeinnützige Stiftungen und durch (minderjährige) Kinder, DB 2008, 2156; Tiedtke/Möllmann, Spenden und Stiften soll attraktiver werden – Zur geplanten Reform der steuerlichen Spenden- und Stiftungsregelungen sowie des allgemeinen Gemeinnützigkeitsrechts, DStR 2007, 509; Tiedtke/Möllmann, Spendenabzug und Europarecht – Zu den Auswirkungen des EuGH-Urteils in der Rs. Stauffer auf den Spendenabzug nach § 10b EStG – Zugleich Besprechung des BFH-Vorlagebeschlusses vom 9.5.2007, XI R 56/05, IStR 2007, 599 ff., IStR 2007, 837; Troll/Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 5. Aufl. 2009; von Löwe/du Roi Droege, Ist die Erbersatzsteuer bei Familienstiftungen reformbedürftig?, ZEV 2006, 530; von Oertzen, Das Stiftungsspenden-Regime, ErbStB 2006, 218; Voß, Forstbetriebe als Stiftungen, StBP 2005, 326; Wachter, Gemeinnützigkeitsrecht: Vertrauensschutz für geprüfte Satzungen, ZErb 2005, 43; Wassermeyer, Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG auf Auskehrungen von Stiftungen, DStR 2006, 1733; Wehrheim/Gehrke, Zur Qualifikation von Einkünften bei einer Stiftung & Co. KGaA, StWi 2005, 234; Werner, Stiftungen als Instrument der Unternehmens- und Vermögensnachfolge, ZEV 2006, 539; Werner, Stiftungen als Instrument der Pflichtteilsvermeidung ZEV 2007, 560; Werner/Saenger (Hrsg.), Die Stiftung: Recht, Steuern, Wirtschaft, 2008; Wienbracke, Wiederbelebung von trusts für Zwecke der Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerplanung in Deutschland durch BFH-Rechtsprechung zu liechtensteinischen Stiftungen? – Zugleich eine Anmerkung zu den Urteilen des FG Rheinland-Pfalz vom 14.3.2005 und des BFH vom 28.6.2007 –, StBP 2008, 153. Ausländische Stiftungen: Akkaya, Die Körperschaftsteuerpflicht wirtschaftlicher Einrichtungen von Vereinen und Stiftungen in der Türkei, IWB Fach 5 Gruppe 2, 155 (IWB 2007, 1151); Götzenberger, Die Liechtenstein-Stiftung Instrument der Erbfolge- und Vermögensplanung, DSWR 2005, 48; Hellwege, Die steuerrechtliche Behandlung der gemeinnützigen Stiftungen in Spanien, ZErb 2007, 175; Jakob, Das neue Stiftungsrecht der Schweiz, RIW 2005, 669; Janssen/Eicker, Steuerliche Vorteile für gemeinnützige Stiftungen als verbotene Beihilfe – EuGH, Urteil vom 10. Januar 2006 – Italienische Bankstiftungen – Ministero dell’Economia e delle Finanze gegen Cassa di Risparmio di Firenze SpA u.a., ZErb 2006, 266; Klümpen-Neusel, Zuwendungen an Stiftungen liechtensteinischen Rechts, ErbBstg 2007, 202; Ludwig/Jorde, Die „neue“ österreichische
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Stiftung und Trust
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Stiftungsbesteuerung und Überlegungen aus deutscher Sicht, IStR 2009, 19; Mutter, Vermögensübertragung auf liechtensteinische Stiftung schenkungsteuerpflichtig Anmerkung zu BFH Urteil II R 21/05 v. 28.6.2007, ZEV 2007, 443; Olgemöller, Vermögensübertragung auf liechtensteinische Stiftung schenkungsteuerpflichtig Anmerkung zu FG Rheinland-Pfalz Urteil 4 K 1590/03 v. 14.3.2005, ZEV 2005, 452; Peltner, Ausschluss der Steuerbefreiung einer gemeinnützigen beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Stiftung gemeinschaftsrechtswidrig?, KFR 2005, 31; Randt/Schauf, Selbstanzeige und Liechtenstein-Affäre – Ist der Weg in die Straflosigkeit noch möglich oder sind die Taten schon entdeckt?, DStR 2008, 489; Richter/Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, 2007; Schmid, Vermögensübertragung auf liechtensteinische Stiftung schenkungsteuerpflichtig Anmerkung zu BFH Urteil II R 21/05 v. 28.6.2007, ZEV 2007, 442; Schütz, Die Besteuerung ausländischer, insbesondere liechtensteinischer Familienstiftungen und ihre Begünstigten in Deutschland, DB 2008, 603; Schulz/Markl/Augsten, Kapitalertragsteuererstattung bei gemeinnützigen EU-Stiftungen – Analyse am Beispiel einer schwedischen Stiftung, ErbStB 2008, 204, 240; Söffing, Die österreichische Privatstiftung – Ertrag- und erbschaftsteuerliche Aspekte beim Blick ins Nachbarland, ErbStB 2007, 219; Steiner, Die österreichische Privatstiftung – Wann ist ihre Gründung aus Sicht des deutschen Steuerrechts sinnvoll?, ErbStB 2005, 96; von Löwe, Österreichische Privatstiftung mit Stiftungsbeteiligten in Deutschland, IStR 2005, 577; von Löwe/Pelz, Die liechtensteinische Stiftung – Bermuda-Dreieck zwischen Schenkungsteuer, Steueramnestie und Steuerstrafrecht, BB 2005, 1601; Wachter, Schweiz: Änderungen des Stiftungsrechts zum 1.1.2006, ZErb 2006, 11; Wagner, Gesellschaftsrecht in Liechtenstein: Aktiengesellschaft, Anstalt, Stiftung und Trust, IWB Fach 5 Gruppe 3, 47 (IWB 2007, 537); Wagner, Neues Stiftungsrecht in Liechtenstein – Weitere Schritte zur Reform, RIW 2008, 773; Wagner/Hepberger, Neues Stiftungsrecht in Liechtenstein (Teil I): Schritte zur Reform, RIW 2005, 279; Walter, Steueramnestie und ausländische Stiftung – ein Eigentor? Rückzahlungen aus dem Stiftungsvermögen sollten vorerst unterbleiben, NWB 2005, 1531; Weber/Zürcher, Keine Schenkungsteuerbarkeit der Übertragung von Vermögen auf eine liechtensteinische Familienstiftung als (unechte) Treuhänderin, DStR 2008, 803; Werz, Die Liechtenstein-Stiftung in der Vermögens- und Nachfolgeplanung, PIStB 2005, 286; Wiese/ Grötsch, Finanzgericht verneint Treuhandstiftung, PStR 2005, 99. Trusts (zur Rechtslage ab 5.3.1999): Alpers, Erbschaftsteuer-Sparpotenziale durch angelsächsische Trusts, DSWR 2005, 242; Arlt, Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, 2001, S. 353–363; Bödecker, Trustbesteuerung nach neuem Erbschaftsteuergesetz, IWB Fach 3, Gruppe 9, 135 (IWB 1999, 923); Bremer, Die Erhaltung von Familienvermögen über Anstalten, Stiftungen und Trusts im Fürstentum Lichtenstein, in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 2000, 1439; Daragan, Trusts und gespaltenes Eigentum, ZEV 2007, 204; Eisele, Die Änderung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, INF 1999, 324; Gebel, Die Lust an der Fiktion, ZEV 1999, 249; Graf von Bernstorff, Der Trust als Instrument zur Vermögensverwaltung, RIW 2007, 641; Habammer, Der ausländische Trust im deutschen Ertrag- und Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht, DStR 2002, 425; Jülicher, Bei der Trustbesteuerung wird noch eine Schippe nachgelegt, IStR 1999, 202; Jülicher, Fortbestand und Chancen des Antragsrechts auf vorzeitige Besteuerung im Zusammenhang mit Trusts nach Art. 12 Abs. 3 DBA USA/Deutschland für die Erbschaft- und Schenkungsteuer, IStR 2001, 178; Kilius, Trusts als Mittel der Steuerplanung für deutsche Steuerpflichtige, in: FS-Rädler, 1999, 343; Klein, Trustbesteuerung nach deutschem Erbschaftsteuerrecht – Effekte auf Trusts und trustähnliche Institute verschiedener Rechtskreise IStR 1999, 377; Klein, Eingeschränkte Vollstreckbarkeit des Steueranspruchs gegen einen Common Law Trust, FR 1999, 1110; Klein, Erbschaftsteuerbarkeit von Auslandssachverhalten, IWB Fach 3, Gruppe 9, 139 (IWB 2000, 623); Klein, Ausländische Zivilrechtsformen im deutschen Erbschaftsteuerecht, 2000; Klein, Reception of the Trust Institute under German Tax Law, International Tax Review
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Stiftung und Trust
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2000, 322; Klein, Typologie des Erbschaftsteuergesetzes bei Auslandssachverhalten, FR 2001, 118; Mayr, Die steuerliche Regelung des Trusts in Italien, IWB Fach 5 Gruppe 2, 601 (IWB 2008, 133); Mutter, Die Stimmrechtszurechnung nach § 22 WpHG bei Einschaltung eines Trusts, AG 2006, 637; von Oertzen, Trust – the never ending story, DStR 2002, 433; Runte, Fiducie in Frankreich – Zur geplanten Einführung eines trustähnlichen Rechtsinstituts in Frankreich, RIW 2005, 511; Schindhelm/Stein, Der Trust im deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht nach dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, FR 1999, 880; Söffing/Kirsten, Trustbesteuerung nach dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, DB 1999, 1626; Strnad, Der Trust im italienischen Recht, RIW 2005, 121; Verstl, Der Internationale Trust als Instrument der Vermögensnachfolge, 2000; Wienbracke, A clash of cultures: Trusts und deutsches (internationales) Privatrecht – mit Bezug zum ErbStG –, ZEV 2007, 413; Wienbracke, Die ertragsteuerliche Behandlung von trusts nach nationalem und nach DBA-Recht, RIW 2007, 201; Wienbracke, Der schottische Trust – (k)eine „Vermögensmasse ausländischen Rechts“? – zur Auslegung der §§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 und Nr. 9 Satz 2, 20 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. ErbStG –, IWB Fach 5 Gruppe 2, 417 (IWB 2005, 521); Wittuhn, Trusts und Eigentum, ZEV 2007, 419 Stiftungen im Internet (Auswahl, alle mit – teilweise sehr umfangreichen – LinkSammlungen): Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V. (www.stiftungen.org); Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft (www.stifterverband.de); Maecenata Institut für Dritter-Sektor Forschung (www.maecenata.de und www.maecenata-management.de); Bertelsmann Stiftung (www.bertelsmann-stiftung.de oder www.ratgeber-stiften.de); Stiftungszentrum Stifter für Stifter (www.stiftungszentrum.org). Rz. I. Grundlagen 1. Motive für die Errichtung einer Stiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten der Stiftungen . . . . . . . . . . 3. Die privatrechtliche Stiftung a) Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . b) Stiftungsverfassung . . . . . . . . aa) Stiftungszweck . . . . . . . . . bb) Stiftungsvermögen. . . . . . cc) Stiftungsorganisation . . . c) Stiftungsgründung . . . . . . . . . aa) Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden . . . . . . . . . . . bb) Das Stiftungsgeschäft durch Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . cc) Anerkennung . . . . . . . . . . d) Stiftungsaufsicht . . . . . . . . . . e) Rechnungslegungs- und Prüfungspflichten . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsstellung der Begünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Änderung der Stiftungssatzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Einfluss von Pflichtteilsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 8 13 14 15 17 20 23 28
29 33 34 36 37 39 40
Rz. II. Typologie der häufigsten Stiftungsarten 1. Gemeinnützige Stiftung . . . . . . 2. Inländische Familienstiftung . . 3. Gemeinnützige Familienstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Doppelstiftung . . . . . . . . . . . . . . 5. Unternehmensträgerstiftung . . a) Stiftungsunternehmen und Beteiligungsträgerstiftung . . b) Zweckmäßige Satzungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerrechtliche Fragen . . . . . . . 1. Besteuerung der Stiftungserrichtung a) Einkommensteuer. . . . . . . . . b) Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grunderwerbsteuer . . . . . . . . d) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . 2. Die laufende Besteuerung a) Körperschaftsteuer . . . . . . . . b) Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . c) Schenkungsteuer . . . . . . . . . . d) Gemeinnützige Stiftungen aa) Anforderungen . . . . . . . . bb) Steuerbegünstigungen . .
45 46 49 52 57 58 63 66
67 71 78 79 81 85 86 87 93
Stiftung und Trust
B XII Rz.
cc) Spenden an die gemeinnützige Stiftung . . . . . . . . e) Familienstiftung . . . . . . . . . . . f) Doppelstiftung . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung der Stiftungsaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ausländische Stiftungen und verwandte Rechtsinstitute . . . . . 1. Die österreichische Privatstiftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick über das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aspekte des österreichischen Steuerrechts aa) Errichtung der Stiftung . . bb) Laufende Besteuerung (1) Besteuerung der Stiftung (2) Besteuerung der Destinatäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erbschaftsteuer-Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . d) Deutsches Ertragsteuerrecht aa) Anteile an Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . bb) Betriebsvermögen/Mitunternehmeranteile. . . . . cc) Zurechnung von Einkünften . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . e) Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Trust a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zivilrechtliche Grenzen des Einsatzes von Trusts . . . . . . .
Û
103 109 114 115 119 120 121
127 128 129 130 131 132 133 134 137 138 140 141 143
Rz. aa) Errichtung eines Nachlasstrusts . . . . . . . . . . . . . bb) Trust unter Lebenden . . cc) Wirksamkeit der Vermögensübertragung . . . . dd) Anwendungsbereich des Trusts aus zivilrechtlicher Sicht. . . . . . . . . . . . c) Ertragsteuern aa) Beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zurechnung von Einkünften . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anwendungsbereich des Trusts aus ertragsteuerlicher Sicht . . . . . . . . . . . . . d) Erbschaftsteuer aa) Rechtslage bis zum 4. März 1999 . . . . . . . . . . bb) Rechtslage nach dem 4. März 1999: Neuregelung durch das StEntlG 1999/2000/2002 . . . . . . . cc) Grundlegende Mängel . . dd) Errichtung . . . . . . . . . . . . ee) Auflösung . . . . . . . . . . . . ff) Erwerb von Zwischenberechtigten . . . . . . . . . . . . . gg) Auffassung der Finanzverwaltung . . . . . . . . . . . . hh) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . .
144 147 148
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V. Alternative Rechtsformen zur Erreichung von Stiftungszielen 1. Die Stiftungs-GmbH . . . . . . . . . 166 2. Die unselbständige Stiftung . . . 171
Beratungssituation: U, ein 65-jähriger Unternehmer, will sein Lebenswerk bewahren und sicherstellen, dass das Unternehmen, ein GmbH & Co. KG- Konzern unter dem Dach einer Holding-GmbH & Co. KG, weiter betrieben wird. Zudem verfügt er über erhebliches Privatvermögen. Er hat der Presse entnommen, dass Stiftungen steuerlich gefördert werden und möchte wissen, ob die Errichtung einer Stiftung ein geeignetes Instrument für seine Nachlassplanung darstellt.
Schindhelm/Stein
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B XII Rz. 1
Stiftung und Trust
Pro Stiftung
Kontra Stiftung
– Möglichkeit ewiger Testamentsvollstreckung – Eingeschränkte Mitbestimmung und Publizität – Nahezu beliebige Zwecksetzung – Instrument für Unternehmenskontinuität, insbesondere wenn ein Nachfolger aus der Familie fehlt – Absicherung der Familie auf Dauer möglich
– Kontrolle und Motivation der Organe schwer zu gewährleisten – Kosten der Stiftungserrichtung und -verwaltung – Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche weichender Erben (§§ 2303 ff. BfB) – Unübersichtliche und uneinheitliche Rechtslage wegen unterschiedlicher Landesstiftungsgesetze und Verwaltungspraxis – Vergleichsweise geringe Flexibilität – Stiftungsvermögen muss relativ groß sein – Aufsicht durch Behörden – ErbSt bei Stiftungserrichtung und -auflösung (§§ 3 Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG) – Ertragsteuerliche Belastung bei Übertragung von Vermögensgegenständen auf Stiftung möglich – Grunderwerbsteuerliche Belastung bei mittelbarer und unmittelbarer Übertragung von Immobilien möglich
I. Grundlagen 1. Motive für die Errichtung einer Stiftung 1 Das Interesse an Stiftungen ist in der jüngsten Zeit gestiegen. Deutschland erlebt seit Mitte der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts einen Stiftungsboom. In den letzten Jahren wurden im Schnitt über 800 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts gegründet; die Reform des Spendenrechts im Jahr 2007 hat einen weiteren Anstieg der Stiftungsgründungen ausgelöst1. Den typischen Stifter gibt es nicht. Es gibt eine Vielzahl von Motiven, die das Interesse potenzieller Stifter auf diese Rechtsform lenkt. So vielfältig wie die möglichen Gründe für eine Stiftungsgründung sind die Einsatzgebiete der Stiftung. Um die Komplexität zu bewältigen, bietet es sich an, verbreitete Interessenlagen als Ausgangspunkt der Beratungsüberlegungen zu wählen. Die Gründe für die Errichtung einer Stiftung sind vielschichtig. Der folgende Katalog ist daher nur beispielhaft. – Unternehmerische Motive: – Unternehmenskontinuität, insbesondere wenn – geeignete – Nachfolger in der Familie fehlen 1 Vgl. die Statistik des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen (www.stiftungen.org).
772
Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 2 B XII
– Wunsch, die Fortentwicklung des Unternehmens auch nach dem eigenen Tode selbst bestimmen zu wollen – keine Mitbestimmung nach dem MitbestG und DrittelbG – Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen – keine Publizität – Verbesserung der Eigenkapitalquote auch mit Blick auf „Basel II“ – Gemeinnützige Motive – Persönliche Motive: – Zusammenhalt und finanzielle Absicherung der Familie – Sicherung des Lebenswerks – Denkmal für den Stifter und dessen Familie – Schaffung eines Wunscherben – Katastrophenauffangstiftung – Steuerliche Optimierung – Schutz des Vermögens vor dem Zugriff von Gläubigern (Asset Protection) Unternehmerische Motive: Häufig werden Stiftungen als Alternative erwogen, wenn die Unternehmensnachfolge geregelt werden soll. Eines der Gestaltungsmodelle, durch das die Unternehmenskontinuität gewährleistet werden kann, ist die Stiftung. So gibt es eine Vielzahl von Gründen, Unternehmen schon zu Lebzeiten des Eigners oder mit dessen Tode auf eine Stiftung zu übertragen. Im Mittelpunkt wird häufig die Sorge um die Fortführung eines Unternehmens stehen. Vielfach möchte der Unternehmensinhaber verhindern, dass aus seiner Sicht zur Unternehmensführung ungeeignete Abkömmlinge langfristig die Existenz des Unternehmens gefährden. Sind keine nahen Verwandten vorhanden, wird es häufig das Bestreben sein, einen Übergang auf entferntere Blutsverwandte, die bisher in keiner Beziehung zum Unternehmen gestanden haben, zu verhindern. Zudem wird vielfach die Gefahr gesehen werden, dass Pflichtteilsberechtigte aus der Unternehmenssubstanz abgefunden werden müssen. Stattdessen wird im Zusammenwirken mit den Pflichtteilsberechtigten eine Gestaltung gewählt, die deren Alimentierung durch die Stiftung beinhaltet. Eine Rolle mag auch der Wunsch des Unternehmers spielen, die Fortentwicklung des Unternehmens auch nach dem eigenen Tode selbst bestimmen zu wollen. Durch die Formulierung des Stiftungszweckes und die Einsetzung von Vertrauenspersonen als Organe der Stiftung lassen sich die Vorstellungen des Stifters mittelfristig perpetuieren. Der Stifter kann zudem langfristig bestimmen, wie die Erträge des Unternehmens verwendet werden sollen. Der Übergang der unternehmerischen Verantwortung und der unternehmerischen Initiative von Generation zu Generation wird durch die Gründung einer Stiftung vermieden. Der Stiftungsgedanke mit seinem Verzicht auf eine verbandsrechtliche Verfassung steht darüber hinaus der Idee vom Unternehmen an sich nahe. Schindhelm/Stein
773
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B XII Rz. 3
Stiftung und Trust
Anstoß für unternehmensverbundene oder unternehmenstragende Stiftungen geben ferner Überlegungen zur Vermeidung der Mitbestimmung und der Publizität. 3 Gemeinnützige Motive: Seit der Jahrtausendwende erhält die Stiftungsidee starke Impulse aus der gesetzlichen Förderung des dritten Sektors. Die Gesellschaft bedarf des Engagements nicht staatlicher Stellen, insbesondere von Privatpersonen für soziale, humanitäre, kulturelle und sonstige gemeinnützige Aufgaben. Stifter möchten gesellschaftliche Verantwortung übernehmen oder Ideen umsetzen. Der Staat fördert die Verfolgung gemeinwohlorientierter Zwecke unter bestimmten Voraussetzungen durch steuerliche Begünstigungen, insbesondere den Spendenabzug und die Steuerbefreiung gemeinnütziger Körperschaften. In diesem Zusammenhang ist auch die Beseitigung nicht mehr finanzierbarer Erbschaft- und Schenkungsteuer nach einem Erbfall oder einer Schenkung durch Übertragung des erworbenen Vermögens auf eine gemeinnützige Stiftung zu sehen (§ 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). 4 Persönliche Motive: Das Stiftungsmodell kann dem Zusammenhalt und der finanziellen Absicherung der Familie dienen. Teilweise soll das Lebenswerk gesichert und dem Stifter ein Denkmal gesetzt und dessen Namen verewigt werden. Entspricht kein Angehöriger den Vorstellungen des Erblassers, kann die Schaffung eines Wunscherben im Vordergrund stehen. Ferner ist an eine Katastrophenauffangstiftung zu denken, etwa wenn alle Familienmitglieder in derselben Gefahr umkommen (z.B. bei einem Flugzeugabsturz) oder versterben, ohne dass Abkömmlinge in der gewünschten Linie vorhanden sind. 5 Steuerliche Motive: Mit der Übertragung auf eine Stiftung sollen die Belastung mit Einmalsteuern (Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie vergleichbare ausländische Steuern) beim Vermögenstransfer auf die folgenden Generationen gesenkt oder vermieden und/oder ertragsteuerliche Vorteile bei der Übertragung von Vermögen auf die Stiftung erzielt werden. Ein wesentliches Argument für die Gründung einer Stiftung wird vielfach bei gemeinnützigen Stiftungen auch die Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerfreiheit des Überganges sein, die im Unternehmen zu einer Liquiditätsschonung führt. Allerdings erkauft sich der Stifter diese steuerliche Begünstigung durch eine Einschränkung des Stiftungszweckes auf die steuerlich zulässigen Zwecke. Vielfach wird daher versucht, die Gemeinnützigkeit der Stiftung mit einer finanziellen Unterstützung der Angehörigen des Stifters zu verbinden. 6 Asset Protection1: Personen mit einem erhöhten Haftungsrisiko (z.B. persönlich haftende Gesellschafter von Personen(handels)gesellschaften, Mitglieder von Organen, Freiberufler, etc.) können die Übertragung von Vermögen auf eine Stiftung erwägen, um Gläubigern den Zugriff auf das Vermögen für den Haftungsfall zu verwehren. Gleichzeitig soll der Familie trotzdem eine Nutzungsmöglichkeit erhalten werden. Voraussetzung ist in allen Fällen eine rechtzeitige Übertragung des Vermögens vor Eintritt der Krise bzw. des Haf1 Vgl. v. Oertzen, Asset Protection im deutschen Recht, 2007, S. 26 ff.
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 8 B XII
tungsfalls, damit weder strafrechtliche Sanktionen1 noch eine Anfechtung der Vermögensübertragung drohen. Eine Übersicht über die Anfechtungstatbestände gibt die folgende Tabelle: Vorsatz § 133 I InsO
Entgeltliche Geschäfte § 3 II AnfG
Schenkung
Norm
§3I AnfG
§ 133 II InsO
§ 4 AnfG
§ 134 InsO
Tatbestand
Rechtshandlung mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung
entgeltlicher Vertrag mit einer nahe stehenden Person
unentgeltliche Leistung
10 Jahre
2 Jahre
4 Jahre
kein gebräuchliches Gläubigerbenachtei- Gelegenheitsgewenn der andere Teil ligung, wenn Vorsatz schenk geringen zur Zeit der Handder GläubigerbeWerts lung den Vorsatz des nachteiligung beSchuldners kannte kannt Frist
vor der Anfechtung Rechtsfolge
schuldrechtlicher Rückgewähranspruch bzw. Duldung der Zwangsvollstreckung
Geltendmachung
Anfechtungserklärung, Anfechtungsklage, Einrede
In den wenigsten Fällen wird nur ein einziges Motiv festzustellen sein, sondern in der Regel eine Kombination verschiedener Gestaltungsziele. Die Vor- und Nachteile von Stiftungsmodellen können nur an der Eignung zur Umsetzung dieser Zielvorstellungen gemessen werden, wobei einige Ziele im Konflikt miteinander stehen können. Je nach der Gewichtung der einzelnen Beweggründe ist die Stiftung als Instrument der Nachfolgeplanung unterschiedlich geeignet. In der Ausgangsberatungssituation wäre U also zu befragen, welche Ziele er verfolgen will, welchen seiner Zielvorstellungen er besonderes Gewicht beimisst und wie die näheren Umstände des Einzelfalls sind.
7
2. Arten der Stiftungen Eine Legaldefinition der Stiftung existiert nicht. Stiftungen können in vielerlei Hinsicht unterschieden werden. Hinzuweisen ist zunächst auf die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichen, kirchlichen und privatrechtlichen Stiftungen. Unter den Letzteren ist wiederum zwischen unselbstständigen und selbständigen Stiftungen zu unterscheiden. Das Vermögen einer unselbständigen Stiftung ist zivilrechtlich dem Stiftungsträger zugeordnet, da die unselbständige Stiftung nicht rechtsfähig ist. Bei der selbständigen Stiftung handelt es sich demgegenüber um eine juristische Person des Privatrechts.
1 Insbesondere wg. Bankrotts, Gläubiger- und Schuldnerbegünstigung (§§ 283 Nr. 1, 283c, und 283d StGB).
Schindhelm/Stein
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8
B XII Rz. 9
Stiftung und Trust
9 Die privatrechtliche Stiftung ist ein selbstständiger Rechtsträger, der zur Verwirklichung bestimmter Sonderzwecke geschaffen ist und nicht aus einem Personenverband besteht1. Die Stiftung hat keine außenstehenden Eigentümer oder Mitglieder, sondern lediglich eine auf Dauer zweckgewidmete Vermögensmasse, Stiftungsorgane und Destinatäre; konstituierende Merkmale einer privatrechtlichen Stiftung sind folglich der Stiftungszweck, das Stiftungsvermögen und die Stiftungsorganisation2. 10 In Anlehnung an § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG spricht man von einer Familienstiftung, wenn die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist. 11 Als gemeinnützige Stiftung wird eine Stiftung bezeichnet, deren Zweck den Gemeinnützigkeitsanforderungen der §§ 51 ff. AO genügt. 12 Die Stiftung kann in verschiedener Weise Bezug zu einem Unternehmen haben. Oberbegriff für unternehmensverbundene Stiftungen ist die Bezeichnung als Unternehmensträgerstiftung3. Entweder wird das Unternehmen von der Stiftung selbst geführt oder aber an der das Unternehmen tragenden Gesellschaft ist eine Stiftung mittelbar oder unmittelbar beteiligt. In dem ersten, in der Praxis weniger vorkommenden Fall, spricht man von einem Stiftungsunternehmen4. Für den zweiten Fall soll im Folgenden von Beteiligungsträgerstiftungen gesprochen werden5.
3. Die privatrechtliche Stiftung a) Rechtsquellen 13 Die privatrechtliche Stiftung entsteht nach § 80 BGB durch das Stiftungsgeschäft als Akt der Privatautonomie und die Anerkennung durch die zuständigen Behörden der Bundesländer. Für privatrechtliche Stiftungen gelten materiell-rechtlich die §§ 80–88 BGB, während die Landesgesetze6 bislang überwiegend verfahrensrechtliche, aber auch ergänzende materielle Regelungen enthalten7. Die materiellen Regelungen in den Ländergesetzen werden durch das Gesetz zur Modernisierung des
1 Vgl. MüKo/Reuter, 5. Aufl., Vor § 80 Rz. 48. 2 Vgl. Staudinger/Rawert, Vorbem. zu §§ 80 ff. Rz. 5. 3 Im Anschluss an den Bericht der Studienkommission des Deutschen Juristentages, DJT – Stiftungsrecht, S. 42 f.; O. Schmidt, Die Errichtung von Unternehmensträgerstiftungen durch Verfügung von Todes wegen, 1997, S. 1; Staudinger/Rawert, Vorbem. zu §§ 80 ff. Rz. 84; Schick/Rüd, Stiftung und Verein als Unternehmensträger, S. 2 f. 4 Berndt, Stiftung und Unternehmen, Rz. 5 m.w.N. 5 So auch Staudinger/Rawert, Vorbem. zu §§ 80 ff. Rz. 84 a.E. 6 Download der Gesetzestexte auch über www.stiftungsgesetze.de möglich. 7 Öffentlich-rechtliche Stiftungen spielen als Instrument der Nachfolgeplanung nur eine untergeordnete Rolle und werden daher an dieser Stelle nicht behandelt.
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 15 B XII
Stiftungsrechts insoweit verdrängt, wie die §§ 80 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 1 BGB eine abschließende Regelung der Voraussetzungen enthalten1. b) Stiftungsverfassung Die drei konstitutiven Elemente der Stiftung sind – wie bereits erwähnt – der Stiftungszweck, das Stiftungsvermögen und die Stiftungsorganisation. Diesen Elementen ist bei der Satzungsgestaltung größte Sorgfalt zu widmen. § 81 Abs. 1 BGB verlangt eine Satzung mit Regelungen über
14
– den Namen der Stiftung, – den Sitz der Stiftung, – den Zweck der Stiftung, – das Vermögen der Stiftung und – die Bildung des Vorstandes der Stiftung. Im Übrigen ist der Stifter in der Gestaltung der Satzung frei. Es empfehlen sich auf jeden Fall Regelungen zu folgenden Punkten: – weitere Stiftungsorgane neben dem Vorstand, – Verwendung der Erträge/Stellung der Destinatäre, – Satzungsänderung/Aufhebung/Zusammenlegung – insbesondere mit anderen Stiftungen, – Vermögensanfall bei Aufhebung und – Vermögenserhalt und -verzehr/Vermögensumschichtung.
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Beratungshinweis: Geringe gesetzliche Regelungsdichte und individuelle Zielvorstellungen der Stifter, die auf Dauer festgeschrieben werden sollen, verlangen eine auf die Erfordernisse des Einzelfalls maßgeschneiderte Stiftungssatzung. Von der ungeprüften Übernahme sog. „Mustersatzungen“2 kann nur abgeraten werden. Sie bieten aber eine wertvolle Orientierungshilfe und können wie eine Checkliste verwendet werden.
aa) Stiftungszweck Der Stiftungszweck ist die Seele der Stiftung3. Grundsätzlich ist der Stifter nach § 80 Abs. 2 BGB frei, den Zweck der Stiftung zu gestalten, solange der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet (sog. Prinzip der gemeinwohlkonformen Allzweckstiftung). Der Stiftungszweck ist die Leitlinie der Stiftungstätigkeit. An ihm haben sich die Organe der Stiftung auch auf lange Sicht auszurichten. Der Stiftungszweck bedarf daher einer sorgfältigen Formulierung, die auch die spätere Tätigkeit in einem möglicherweise wirt1 Vgl. Gesetzesbegründung zu § 81 BGB, BT-Drs. 14/8765, S. 9. 2 Z.B. Auf der homepage des Bundesverbandes deutscher Stiftungen (www.stiftungen.org). 3 Liermann, in: Deutsches Stiftungswesen 1948–1966, 154.
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B XII Rz. 16
Stiftung und Trust
schaftlich und gesellschaftlich veränderten Umfeld ermöglicht. Fehlt diese Flexibilität, droht eine Erstarrung, weil eine Änderung des Stiftungszwecks durch die Stiftungsbehörde als „Notanker“ nach § 87 Satz 1 BGB nur zulässig ist, wenn die Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist1. Zweckmäßigkeitserwägungen bleiben bis zu dieser Grenze ausgeschlossen.2 16 Nach dem im Stiftungszweck festgelegten Personenkreis, der durch die Stiftung begünstigt ist, wird zwischen privatnützigen und öffentlichen Stiftungen unterschieden. Stiftungen, deren Zweck nur einem durch konkrete Merkmale begrenzten Personenkreis zugute kommen (z.B. Angehörige einer bestimmten Familie, Arbeitnehmer eines bestimmten Unternehmens), fallen unter die erste Kategorie. Im Gegensatz dazu wird durch die öffentliche Stiftung unmittelbar stets die Allgemeinheit begünstigt. Der Begriff der gemeinnützigen Stiftung im Sinne des §§ 51 ff. AO ist enger als der der öffentlichen Stiftung. Gemeinnützige Stiftungen sind immer auch öffentliche Stiftungen. Nicht jede öffentliche Stiftung erfüllt aber die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. bb) Stiftungsvermögen 17 Die Stiftung kann ausschließlich mit ihrem Vermögen arbeiten, denn sie hat keine Gesellschafter. Das Stiftungsvermögen ist das Stiftungskapital oder Grundstockvermögen. Dies kann in Form von so genannten Zustiftungen ergänzt werden. Bei unternehmensverbundenen Stiftungen gehört insbesondere das Unternehmen mittel- oder unmittelbar zum Stiftungsvermögen. 18 Alle Stiftungsgesetze gehen davon aus, dass das Grundstockvermögen in seiner Substanz auf Dauer erhalten werden muss (Grundsatz der Vermögenserhaltung). Es darf also nicht verschenkt, verbraucht, beträchtlich unter Wert veräußert oder in anderer Weise verringert werden. Abweichungen von diesem Grundsatz werden nur gestattet, wenn die Satzung dies ausdrücklich vorsieht,3 was sich insbesondere auch mit Blick auf evtl. ratsame Vermögensumschichtungen empfiehlt, oder sich der Stifterwille nicht anders verwirklichen lässt. 19 Ein Mindestvermögen ist zwar gesetzlich nicht ausdrücklich vorgeschrieben, allerdings werden Stiftungen regelmäßig erst bei einem Vermögen ab 50 000 bis 100 000 Euro genehmigt4, weil sich die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszweckes i.S.d. § 80 Abs. 2 BGB andernfalls nur darlegen lässt, wenn ein Konzept zur Einwerbung von Zustiftungen und/oder Spenden plausibel gemacht werden kann5. Auf jeden Fall sollte das Stiftungsvermögen in einem angemessenen Verhältnis zu den Stiftungszwecken stehen, deren Verfolgung aus den Früchten des Stiftungsvermögens finanziert werden muss. 1 Vgl. nur Palandt/Heinrichs, § 87 BGB Rz. 1; zum Steuerrecht s. Rz. 111. 2 Vgl. MüKo/Reuter, 5. Aufl.2006,§ 87 Rz. 2. 3 Vgl. etwa Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, Stiftungsrechtshandbuch, 3. Aufl., § 9 Rz. 60. 4 Vgl. etwa Bayerisches Merkblatt für die Errichtung einer Stiftung (Stand 1.5.2008), Tz. 7.2, S. 10. 5 Vgl. Gesetzesbegründung zu § 80 BGB; BT-Drs. 14/8765, S. 8.
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 25 B XII
cc) Stiftungsorganisation Die Organisation der Stiftung bestimmt sich in erster Linie nach der durch den Stifter zumindest in ihrem Rahmen abgesteckten Satzung, der Stiftungsverfassung. In zweiter Linie ergibt sich die Stiftungsorganisation aus dem BGB sowie in geringem Umfang aus den Landestiftungsgesetzen. Gesetzliche Mindestanforderung ist, dass die Stiftung einen Vorstand haben muss (§§ 86 i.V.m. 26 Abs. 1 BGB). In der Praxis sind daneben noch Kontrollorgane wie Kuratorien und Beiräte üblich. Es besteht ein breiter Gestaltungsspielraum.
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Spätestens nach dem Tod des Stifters ist es regelmäßig sinnvoll, wenn das Kontrollorgan den Vorstand bestimmt und die Anstellungsverträge mit den Vorstandsmitgliedern abschließt. Für das Kontrollorgan selber findet sich häufig ein Kooptationsverfahren, d.h. die Selbstergänzung durch einstimmigen oder mehrheitlichen Beschluss. Denkbar ist auch, dass es wegen bestimmter Sachzusammenhänge geborene Mitglieder gibt (z.B. Vorsitzender der Geschäftsführung eines bestimmten Unternehmens, Präsident einer Universität etc.). Im Übrigen könnte die Satzung bestimmte Soll-Eigenschaften der Mitglieder definieren, die allerdings keine allzu starre Regel enthalten sollten.
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Die Amtszeit aller Organmitglieder sollte beschränkt werden, etwa in Anlehnung an die aktienrechtlichen Regelungen. Sinnvoll ist eine Höchstaltersbegrenzung.
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c) Stiftungsgründung Die Errichtung einer Stiftung ist ein zweistufiger Vorgang. Gem. § 80 Satz 1 BGB entsteht eine Stiftung durch das privatrechtliche Stiftungsgeschäft und die staatliche Anerkennung seitens der zuständigen Landesbehörde. Der Ablauf der Stiftungsgründung stellt sich wie folgt dar:
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Der Stifter erklärt seinen Willen, Vermögen zu stiften, entweder zu Lebzeiten schriftlich oder in Form einer letztwilligen Verfügung. Trotz aller Kritik gilt bis heute im Stiftungsrecht noch ein Konzessionssystem. Der zuständigen Landesbehörde werden das Stiftungsgeschäft und die Stiftungssatzung entweder durch den Stifter selbst oder im Falle der Errichtung von Todes wegen durch die Erben, den Testamentsvollstrecker oder das Nachlassgericht zugeleitet. Die Stiftung wird von ihr bei Vorliegen der Voraussetzungen anerkannt. Die Anerkennung ist ein gebundener Verwaltungsakt und keine Ermessensentscheidung; der Stifter hat einen Rechtsanspruch auf Anerkennung.1
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Beratungshinweis: Trotz des Rechts auf Anerkennung einer Stiftung kann es zweckmäßig sein, die Stiftungssatzung im Vorfeld einer abschließenden Festlegung mit der zuständigen Behörde abzustimmen, um etwaige Beanstandungen im Vorfeld auszuräumen und von der Erfahrung der Mitarbeiter profitieren zu können.
1 Vgl. etwa Palandt/Ellenberger, 68. Aufl. 2009, § 80 Rz. 4.
Schindhelm/Stein
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B XII Rz. 26
Stiftung und Trust
26 Bei Gründung gemeinnütziger Stiftungen wird die Stiftungsbehörde gegebenenfalls eine steuerliche Beurteilung des zuständigen Finanzamtes einholen1. Es empfiehlt sich, die Abklärung mit dem Finanzamt aus zeitlichen Gründen und zur Vermeidung von Unstimmigkeiten zwischen Stifter, Finanzamt und Stiftungsbehörde parallel zum Anerkennungsverfahren selbst durchzuführen. 27 Sobald die Anerkennung vorliegt, ist der lebende Stifter verpflichtet, das Vermögen auf die Stiftung zu übertragen (§ 82 Satz 1 BGB). Bei einer Stiftung von Todes wegen geht das Vermögen entweder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über oder wird von den Erben aufgrund eines Vermächtnisses oder einer Auflage auf die Stiftung übertragen. aa) Das Stiftungsgeschäft unter Lebenden 28 Das Stiftungsgeschäft ist ein einseitiges Rechtsgeschäft in Form einer einseitigen nicht empfangsbedürftigen schriftlichen Willenserklärung (§ 81 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es muss nach § 81 Abs. 1 Satz 2 BGB die verbindliche Erklärung des Stifters enthalten, ein Vermögen zur Erfüllung eines von ihm vorgegebenen Zweckes zu widmen, und eine Satzung mit den Regelungen gem. § 81 Abs. 1 Satz 2 BGB. Genügt das Stiftungsgeschäft den Erfordernissen des § 81 Abs. 1 Satz 3 nicht und ist der Stifter verstorben, verweist § 81 Abs. 1 Satz 4 BGB auf § 83 Satz 2 bis 4 BGB, so dass eine Heilung möglich ist. bb) Das Stiftungsgeschäft durch Verfügung von Todes wegen 29 Grundsätzlich stehen für die letztwillige Errichtung einer Stiftung von Todes wegen nach § 83 BGB alle erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Das Stiftungsgeschäft von Todes wegen i.S.d. § 83 BGB kann sowohl durch testamentarische Verfügung als auch in Form eines Erbvertrages vorgenommen werden. Die Genehmigung wird entweder durch die Erben, einen Testamentsvollstrecker oder – hilfsweise – durch das Nachlassgericht eingeholt (§ 83 Satz 1 BGB). Die beste Gewähr für die unverfälschte Umsetzung des Stifterwillens bietet die Beifügung der Satzung zur erbrechtlichen Regelung.2 Das ist aber nicht zwingend. Während das Stiftungsgeschäft unter Lebenden eine präzise Stiftungssatzung mit den Mindestinhalten des § 81 Abs. 1 Satz 3 BGB verlangt, kann der Erblasser sich bei der Errichtung von Todes wegen auf die Angabe der Eckdaten beschränken, wenn er sicherstellt, dass seine Wünsche nach seinem Tod in geeigneter Form umgesetzt werden. Die wunschgemäße Umsetzung der letztwilligen Verfügungen liegt mangels besonderer Regelungen in den Händen der Stiftungsbehörde, die nach § 83 Satz 2 BGB eine unvollständige Satzung ergänzt oder eine Satzung erstmals gibt.
1 Vgl. auch FG Hessen v. 8.3.2204 – 4 K 1260/01, EFG 2004, 1251. 2 Um die Stiftung nicht mit einer schon im Todeszeitpunkt unzeitgemäßen Satzung zu belasten, sollte das Testament auch insoweit regelmäßig geprüft werden (mindestens alle 3 bis 5 Jahre).
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 32 B XII
Obwohl die Stiftungsbehörde nach § 83 Satz 2 2. HS BGB den Willen des Stifters berücksichtigen soll, erscheint es insbesondere bei nicht ausformulierten Satzungen ratsam, die Umsetzung des Erblasserwillens durch die Anordnung einer Testamentsvollstreckung abzusichern1. Der Erblasser muss dabei die Person des Testamentsvollstreckers nicht unbedingt selbst bestimmen, sondern kann dies einem Dritten (§ 2198 BGB) oder dem Nachlassgericht (§ 2200 BGB) überlassen. Empfehlenswert ist es allerdings, mit dieser Aufgabe eine Person zu beauftragen, die sowohl über die erforderlichen geschäftlichen Erfahrungen als auch über ein gewisses Maß an Sachverständnis für das Stiftungsrecht verfügt – und natürlich das Vertrauen des Stifters genießt. Regelmäßig dürfte es genügen, die Aufgabe des Testamentsvollstreckers auf die Herbeiführung einer Stiftungsgenehmigung und die anschließende Vermögensübertragung zu beschränken2. Dann handelt es sich um einen Fall der Abwicklungsvollstreckung.
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Beratungshinweis: Wegen möglicher Probleme bei der Anerkennung der 31 Stiftungssatzung empfiehlt es sich, dem Testamentsvollstrecker die Befugnis einzuräumen, die Stiftungssatzung soweit zu ändern und zu ergänzen, dass die Anerkennung erteilt werden kann. Bedenkenswert ist auch eine Befugnis zur Anpassung an geänderte Umstände, wenn zwischen Errichtung der letztwilligen Verfügung und Todeszeitpunkt die rechtlichen oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich gravierend verändert haben. Dazu sollten die übergeordneten Ziele klar formuliert werden, die eine Anpassung entsprechend dem Erblasserwillen erlauben. Im Zweifel steht der ausgewählte Testamentsvollstrecker dem Stifter näher als eine Behörde, was eine angemessene Umsetzung des Stifterwillens durch den Testamentsvollstrecker erwarten lässt. Ob eine darüber hinausgehende Dauertestamentsvollstreckung in Angelegenheiten der Stiftung zweckmäßig ist, erscheint angesichts möglicher Interessenkonflikte zwischen Stiftungsvorstand als Vertreter einer von Todes wegen begünstigten Person und dem Testamentsvollstrecker in seiner Eigenschaft als Nachlassverwalter zweifelhaft3. Zu vermeiden ist aber eine Klausel, wonach das In-Kraft-Treten der Satzung von einer behördlichen Anerkennung abhängt bei gemeinnützigen Stiftungen, weil nach der Rechtsprechung bis zur Anerkennung keine wirksame Satzung i.S.d. § 60 Abs. 1 AO vorliege, woran auch die bindende Beauftragung eines Testamentsvollstreckers nichts ändere4.
Die Behandlung des Stiftungsvermögens im Zeitraum zwischen dem Todestag des Stifters und der Genehmigung der Stiftung ist bislang nicht abschließend geklärt. § 84 BGB fingiert lediglich für die Zuwendung des Stifters eine Rückwirkung auf den Todeszeitpunkt. Zu befriedigenden Ergebnissen gelangt man 1 Vgl. Bengel/Reimann/Maier, Handbuch der Testamentsvollstreckung, 2. Auflage, Kapitel V, Rz. 248. 2 Vgl. Staudinger/Rawert, § 83 Rz. 10. 3 Vgl. O. Schmidt, ZEV 2000, 438 ff. 4 Vgl. FG Hessen v. 8.3.2004 – 4 K 1260/01, EFG 2004, 1251; Schiffer, DStR 2005, 508, (513).
Schindhelm/Stein
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B XII Rz. 33
Stiftung und Trust
mit der Rechtsfigur einer nicht rechtsfähigen Vorstiftung, die allerdings stiftungsrechtlich nach wie vor umstritten ist1. cc) Anerkennung 33 Neben dem Stiftungsgeschäft ist gem. § 80 Abs. 1 BGB die Anerkennung der Stiftung durch die zuständige Behörde des Landes erforderlich, in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll.2 Nach § 80 Abs. 2 BGB ist die Anerkennung zu erteilen, wenn das Stiftungsgeschäft den Anforderungen des § 81 Abs. 1 genügt, die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint und der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet. d) Stiftungsaufsicht 34 Da es keine bundesrechtlichen Regelungen über die Stiftungsaufsicht gibt, haben die Länder insoweit von ihrem Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht. Dabei werden den Aufsichtsbehörden nach bestehendem Landesrecht (meist in Anlehnung an die Kommunalaufsichtsregelungen) insbesondere Unterrichtungs- und Prüfungsrechte eingeräumt. Oft ist die Aufsichtsbehörde auch zu Ersatzvornahmen von gesetzlich oder satzungsmäßig gebotenen Maßnahmen ermächtigt. Auch die Abberufung von evident ungeeigneten Organmitgliedern sowie die Bestellung von fehlenden Organmitgliedern in dringenden Fällen ist ihr in der Regel landesrechtlich gestattet. Aus Verfassungsgründen muss sich die staatliche Aufsicht für Privatstiftungen grundsätzlich auf eine reine Rechtsaufsicht beschränken3. In Bezug auf Privatstiftungen und insbesondere Familienstiftungen ist häufig die Aufsicht ausdrücklich eingeschränkt worden4. 35
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Beratungshinweis: Die Stiftungssatzung sollte vorausschauend Regelungen enthalten, die ein Eingreifen der Stiftungsaufsicht in der Regel überflüssig machen. Hierdurch wird verhindert, dass eine regelmäßig mit wirtschaftlichen Sachverhalten nicht vertraute Verwaltungsbehörde richtungsweisende Entscheidungen in der Stiftung trifft. Es liegt im eigenen Interesse der Stiftung, Kontrollorgane vorzusehen und ein effektives Risikomanagementsystem einzurichten.
e) Rechnungslegungs- und Prüfungspflichten5 36 In fast allen Bundesländern bestehen gesetzliche Vorlagepflichten, die die Prüfung der Wirtschaftsführung ermöglichen sollen. Hierzu hat die Stiftung der Aufsichtsbehörde eine Jahresabrechnung mit einer Vermögensübersicht und 1 Vgl. Orth, ZEV 1997, 327 ff. 2 Übersicht über die zuständigen Behörden samt Adressen auf der Homepage des Bundesverbandes deutscher Stiftungen (www.stiftungen.org). 3 Vgl. etwa § 10 Abs. 1 und 2 NdsStiftG; BVerwGE 40, 347 ff. 4 Vgl. z.B. § 9 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 2 RhPStiftG. 5 Vgl. zur Prüfungs- und Publizitätspflicht etwa Staudinger/Rawert, Vorbem. §§ 80 ff. Rz. 76 ff., 118 ff.; §§ 6, 14 11 PublG. Zur Rechnungslegung von Stiftungen s. insbe-
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 39 B XII
einen Bericht über die Erfüllung des Stiftungszwecks vorzulegen. In einigen Bundesländern soll schon vor Beginn des Rechnungsjahrs ein Haushaltsplan bzw. Voranschlag erstellt werden1. Auch kann mitunter die Prüfung durch einen Wirtschaftsprüfer verlangt werden2. f) Rechtsstellung der Begünstigten Die Rechtsstellung der Destinatäre bestimmt im Wesentlichen der Stiftungszweck. Nur in dessen Rahmen sind Zuwendungen aus Mitteln der Stiftung zulässig. Mangels abweichender Satzungsregelung haben die Destinatäre grundsätzlich keinerlei Mitgliedschaftsrechte und dementsprechend weder (Mit-)Verwaltungs- noch Kontrollbefugnisse3. Der Stifter sollte prüfen, ob es nicht im Einzelfall sinnvoll ist, den Destinatären solche Rechte in der Satzung einzuräumen. Entsprechende Regelungen sollten allerdings hinsichtlich Umfang und Modalitäten der Rechtsausübung sorgfältig gestaltet sein und ggf. eine Ermächtigung zugunsten der satzungsändernden Organe zur Aufhebung oder Änderung dieser Regelungen vorsehen.
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Leistungsansprüche der Destinatäre entstehen grundsätzlich nur, wenn die Satzung im Hinblick auf bestimmte Destinatäre Leistungspflichten konkretisiert. Qualifikation und Umfang der Ansprüche sind umstritten4. Es dürfte sich in der Regel empfehlen, Ansprüche der Destinatäre auszuschließen oder eindeutig klarzustellen, in welchem Umfang ihnen klagbare Ansprüche zustehen und in welchem Verfahren diese geltend zu machen sind.
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g) Änderung der Stiftungssatzung Satzungsänderungen sind nur zulässig, wenn sie in der Satzung selbst ausdrücklich vorgesehen oder vom Gesetz gestattet werden. Letzteres setzt in der Regel eine wesentliche Veränderung der vom Stifter zugrunde gelegten Verhältnisse voraus, die eine Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich erscheinen lässt (§ 87 Abs. 1 BGB)5. Um die Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen zu erleichtern, empfiehlt es sich daher, autonome Satzungsänderungen durch den Vorstand oder ein Kontrollorgan zuzulassen. Unter welchen Voraussetzungen eine Satzungsänderung möglich sein soll, ist konkret zu regeln. Es ist ein Mittelweg zu finden zwischen zu detaillierten Regelungen, die eine Anpassung tendenziell erschweren, und Generalklauseln, die die Umgehung des Stifterwillens befürchten lassen.
1 2 3 4 5
sondere IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung von Stiftungen (IDW RS HFA 5), FN-IDW 2000, 129. Vgl. Art. 16 Abs. 1 Satz 3 BayStiftG. Vgl. Art. 16 Abs. 4 Satz 1 BayStiftG. Zur Prüfung s. insbesondere IDW Prüfungsstandard: Prüfung von Stiftungen (IDW PS 740), FN-IDW 2000, 142. Vgl. Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Aufl. § 6 Rz. 156 ff. Vgl. Staudinger/Rawert, § 85 Rz. 10 ff. (16). Vgl. Staudinger/Rawert, § 87 Rz. 19, 21.
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B XII Rz. 40
Stiftung und Trust
h) Einfluss von Pflichtteilsrechten 40 In erbrechtlicher Hinsicht ist bei der Stiftungserrichtung von Todes wegen und unter Lebenden immer an pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge und den Ehegatten des Stifters zu denken. Da diese Ansprüche auf Ausgleich in Geld gerichtet sind und sich nach dem Verkehrswert des Nachlasses richten1, drohen erhebliche Probleme bei der Aufbringung der erforderlichen liquiden Mittel. Bei der Stiftung unter Lebenden sind Pflichtteilsergänzungsansprüche entsprechend §§ 2325 ff. BGB gegeben2. Um die Belastung des Stiftungsvermögens mit Pflichtteilsansprüchen zu vermeiden, gibt es verschiedene Wege: – Zunächst können Pflichtteilsansprüche schon zu Lebzeiten vertraglich ausgeschlossen werden, indem sich der Stifter mit den Berechtigten über den Verzicht auf Pflichtteilsansprüche in notarieller Form einigt. Das ist sicherlich die beste Lösung, weil sämtliche Unwägbarkeiten auf diese Weise ausgeschlossen werden. – Oder aber die Übertragung des Vermögens auf die Stiftung erfolgt so frühzeitig, dass die Ausgleichsansprüche der Pflichtteilsberechtigten nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren vollkommen ausgeschlossen sind (§ 2325 Abs. 3 BGB). Das setzt allerdings voraus, dass der Stifter schon frühzeitig bereit ist, sich von seinem Vermögen zu trennen3. – Schließlich kann der Stifter Teile seines Vermögens zugunsten der Pflichtteilsberechtigten zurückbehalten, mit denen die Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche befriedigt werden können. – Bei Errichtung einer Stiftung unter Lebenden könnte der Liquiditätsbedarf auch durch Lebensversicherungen auf das Leben des Stifters abgesichert werden, wobei die Versicherungssumme so bemessen wird, dass die Stiftung alle Pflichtteilsberechtigten ausbezahlen kann. Der Erwerb der Stiftung ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtig, wenn der Stifter Versicherungsnehmer und die Stiftung Berechtigte ist. Stimmen Versicherungssumme und Aufwand für Pflichtteilsansprüche überein, ergibt sich wegen der Behandlung des Pflichtteils als abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG kein steuerpflichtiger Erwerb4. 41 Spenden an gemeinnützige Stiftungen sind anders als Zuwendungen in den Vermögensstock wegen des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung im Zeitpunkt des Erbfalls im Normalfall nicht mehr vorhanden, so dass die Stiftung 1 Vgl. etwa Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, S. 81. 2 Vgl. BGH v. 10.12.2003 – IV ZR 249/02, ZEV 2004, 115; Rawert/Katschinski, ZEV 1996, 161 ff. m.w.N.; Medicus, FS Heinrichs, 1998, 381 ff.; LG Baden-Baden v. 31.7.1998 – 2 O 70/98, ZEV 1999, 152. 3 Ein Nießbrauchsvorbehalt ist in dieser Hinsicht schädlich. Die 10-Jahres-Frist für Pflichtteilsergänzungsanprüche beginnt nicht zu laufen, weil die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt keine Leistung i.S.d. § 2325 Abs. 3 BGB ist (BGH Urt. v. 27.4.1994 – IV ZR 132/93, NJW 1994, 1791 f.), weil der Erblasser sich nicht endgültig von seinem Vermögen getrennt hat, solange er die Früchte ziehen kann. 4 Wegen der Probleme im Zusammenhang mit Pflichtteilsabfindung und Erbschaftsteuer sei hingewiesen auf Crezelius, BB 2000, 2333 ff.
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Stiftung und Trust
Rz. 45 B XII
selber entreichert i.S.d. § 2329 BGB ist. Die Herausgabepflicht des Dritten scheitert regelmäßig daran, dass dieser nicht festgestellt werden kann und/ oder selber bereits entreichert ist1. Einstweilen frei.
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II. Typologie der häufigsten Stiftungsarten 1. Gemeinnützige Stiftung
Û
Beratungssituation: U, ein 65-jähriger Unternehmer, will sein Lebenswerk bewahren und sicherstellen, dass das Unternehmen, ein GmbH & Co. KG – Konzern unter dem Dach einer Holding GmbH & Co. KG, weiter betrieben wird; gleichzeitig fördert er verschiedene Einrichtungen im gemeinnützigen Bereich und will sein Vermögen nach seinem Tode deren Zwecken widmen. Die Familie ist hinreichend durch Privatvermögen versorgt und unterstützt sein Anliegen.
Pro Gemeinnützige Stiftung
Kontra Gemeinnützige Stiftung
– Weitgehende steuerliche Begünstigungen bei der Errichtung und in der laufenden Besteuerung: – Befreiung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 13 Nr. 16 lit. b) ErbStG) – Buchwertfortführung bei Entnahmen aus einem Betriebsvermögen zur Einbringung in eine gemeinnützige Stiftung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG) – umfassende Befreiung von der Kapitalertragsteuer (§§ 44a Abs. 4 i.V.m. 44c Abs. 1 EStG) – Befreiung von der Körperschaftsteuer (§ 5 Nr. 9 KStG) – Befreiung von der Gewerbesteuer (§ 3 Nr. 6 GewStG) – rückwirkendes Erlöschen der Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG)
– Beschränkung auf bestimmte steuerbegünstigte Zwecke – Beachtung der Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts für Satzung und tatsächliche Geschäftsführung erforderlich (Aufsicht durch die Finanzverwaltung, §§ 55–63 AO) – Zuwendungen an den Stifter und seine Angehörigen sind nur in beschränktem Umfang möglich (§ 58 Nr. 5 AO) und führen bei den Empfängern in vollem Umfang zu steuerpflichtigen Einkünften (§ 22 Nr. 1 lit. b) EStG) – Bei Aufhebung der Stiftung können nur das Grundstockvermögen und Zustiftungen an den Stifter zurück übertragen werden, nicht aber Vermögenszuwächse (Vermögensbindung, § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) – Einschränkung und Gefährdung der Gemeinnützigkeit bei wirtschaftlicher Betätigung (wirtschaftliche Geschäftsbetriebe) – Verlustausgleich gefährdet u.U. Gemeinnützigkeit
Unternehmenskontinuität ist ein Ziel, das vielen Unternehmern am Herzen liegt. Die Stiftung verspricht eine „ewige Testamentsvollstreckung“ und scheint daher diesem Anliegen optimal Rechnung zu tragen. Denn die Stif1 Vgl. Kollhosser, ZEV 2004, 117, 118.
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B XII Rz. 46
Stiftung und Trust
tung ist an die Vorgaben des Stifters gebunden wie der Testamentsvollstrecker an die des Erblassers, unterliegt aber nicht der zeitlichen Beschränkung der Testamentsvollstreckung auf dreißig Jahre nach § 2210 BGB. Gleichzeitig ist die Übertragung von Vermögen auf eine gemeinnützige Stiftung in vielerlei Hinsicht steuerlich privilegiert. Die wesentlichen steuerlichen Gesichtspunkte werden in Rz. 87 ff. skizziert.
2. Inländische Familienstiftung
Û
Beratungssituation: Abwandlung: U ist der Ansicht, dass seine Familienangehörigen weder zur Führung des Unternehmens geeignet sind noch mit Geld umgehen können. Er möchte aber ihre Versorgung sicherstellen und erwägt deswegen die Errichtung einer Familienstiftung, um eine dauerhafte Vermögensverwaltung zugunsten der Familie einzuführen.
Pro Familienstiftung:
Kontra Familienstiftung:
– Versorgung des Stifters und seiner Familie uneingeschränkt möglich – Verzicht auf Pflichtteilsrechte wahrscheinlich leichter zu erreichen, wenn die Pflichtteilsberechtigten Destinatäre sind (ggf. Anspruch auf Leistungen in der Satzung verankern) und/oder in Organen der Stiftung mitwirken – Laufender Erwerb von Destinatären unterliegt nicht der ErbSt und nur zu 60 % der ESt (§ 3 Nr. 40 lit. d) i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG) – Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG: StKl. abhängig vom Verwandtschaftsgrad zum entferntest Berechtigten
– Erbersatzsteuer alle 30 Jahre (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG), aber planbar – Grundsätzlich unwiderrufliche Entscheidung – Zusammenhalt der Familie kann bei weitgehender Entmündigung leiden
46 Die Familienstiftung ist der Prototyp der privaten Stiftung. Eine Legaldefinition findet sich im BGB nicht. Gleichwohl wird ihrer typologischen Sonderstellung durch einige Landesrechte und das Steuerrecht Rechnung getragen. Unter einer Familienstiftung versteht man insbesondere – Stiftungen, die wesentlich im Interesse einer oder mehrerer Familien errichtet worden sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG), – Stiftungen, bei denen der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind (§ 15 AStG), – Stiftungen, die überwiegend oder ausschließlich dem Interesse einer oder mehrerer Familien dienen (Landesstiftungsrecht). Unter den Begriff der Familie fallen regelmäßig alle Personen, die von § 15 AO erfasst werden. Die erforderliche Intensität des Familienbezugs wird durchgängig quantitativ aufgefasst.
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Stiftung und Trust
Rz. 48 B XII
Vor dem Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts wurde von Reuter und Rawert vertreten, dass reine Unterhaltsstiftungen (Familienstiftungen) wegen der Umgehung der erbrechtlichen Vorschriften über die zeitliche Beschränkung von Nachlassbindungen unzulässig sind1. Die h.M. sah bereits jedoch nach altem Recht keine Zulässigkeitsbeschränkung in dieser Hinsicht2. Nach neuem Recht bestehen an der Zulässigkeit der Familienstiftung u.E. im Ergebnis keine grundlegenden Zweifel, da der Gesetzgeber offensichtlich der Bund-Länder-Arbeitsgruppe gefolgt ist, die für eine Einschränkung oder ein Verbot der Familienstiftung keine Gründe gesehen hat.3
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Jedoch sollten bei der Errichtung einer Stiftung im dynastischen Interesse zum Zwecke einer ewigen Testamentsvollstreckung eine Vielzahl praktischer Probleme berücksichtigt werden:
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– Die Entscheidung zur Einbringung von Vermögen in eine Familienstiftung ist grundsätzlich endgültig. Es kann geradezu als Beratungsfehler gelten, auf die Gefahr des Vermögensverlustes nicht hinzuweisen. Regelmäßig wird es sich empfehlen, dem Stifter ein Aufhebungsrecht einzuräumen und den Heimfall des Vermögens an ihn für diesen Fall vorzusehen. – Als grundsätzlicher Nachteil von privaten Stiftungen kann sich das Fehlen von Gesellschaftern erweisen. Die Entscheidung unabhängiger Teilnehmer am Markt birgt noch immer die beste Richtigkeitsgewähr. Diese Kontrolle von außen fehlt der Stiftung. Das kann der flexiblen und schnellen Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen insbesondere bei unternehmensverbundenen Stiftungen im Wege stehen. – Die Möglichkeiten der Kontrolle über die Organe kann sich als Achillesferse erweisen. Soweit die Organe der Stiftung (regelmäßig Vorstand und Aufsichtsrat/Kuratorium) der Familie keine Rechenschaft über ihre Tätigkeit geben müssen, besteht immer die Gefahr, dass die Stiftung zu deren Selbstbedienungsladen wird. Da Familienstiftungen i.d.R. nicht gemeinnützig sind, müssen die Organe nicht mit der Überprüfung der Geschäftsführung durch die Finanzverwaltung rechnen. Unter diesem Gesichtspunkt ist besonders zu berücksichtigen, dass die Stiftungsaufsicht über Familienstiftungen in einigen Bundesländern eingeschränkt ist. Eine Möglichkeit, die-
1 Vgl. Staudinger/Rawert, Vorbem. §§ 80 ff. Rz. 132 ff. m.w.N.; MüKo/Reuter, 4. Aufl., Vor § 80 Rz. 17 ff. 2 Vgl. Pöllath, in: Seifart/v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Aufl. § 14 Rz. 29 mwN. 3 Vgl. Palandt/Ellenberger, 68. Aufl. 2009, § 80 Rz. 8; Pöllath/Richter, in: Seifart/v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Aufl. 2009; § 13 Rz. 29 mwN; MüKo/Reuter, 5. Aufl. 2006, §§ 80, 81 Rz. 84 ff., will die Zulässigkeit an weitere Voraussetzungen für die Begünstigung der Familienangehörigen knüpfen, hält aber wg. des Verbots der Umgehung des Fideikommissverbots ansonsten an der Unzulässigkeit fest; Hüttemann, ZHR 167 2002, 35, 63 will die Klärung dieser Frage nach wie vor der Wissenschaft und Praxis überlassen wissen, und regt an zu prüfen, inwieweit das Verbot der Fideikommisse und erbrechtliche Wertungen zu einem Eingreifen des Gemeinwohlvorbehalts führen.
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B XII Rz. 49
Stiftung und Trust
ser Missbrauchsgefahr entgegenzuwirken, ist die Vertretung der Familie im Kontrollorgan und die Gewährung klagbarer Ansprüche der Destinatäre. – Der dauerhafte Ausschluss der Familienmitglieder von Entscheidungen über das Familienvermögen kann den Zusammenhalt zwischen Familienstiftung und den begünstigten Familienmitgliedern, aber auch innerhalb der Familie nachhaltig belasten. Auch unter diesem Gesichtspunkt empfiehlt sich die institutionelle Einbindung der Familie. – Die Stiftung soll in vielen Fällen das unternehmerische Vakuum füllen, indem eine für Familienfremde attraktive Struktur geschaffen und die Grundlage für ein erfolgreiches Fremdmanagement gelegt wird. Diese Annahme mag richtig sein, soweit der Einfluss nicht sachgerechter Befindlichkeiten aus der Familiensphäre auf die Tagesgeschäfte ausgeschaltet wird. Allerdings stellt sich die Frage, welche Anreize für eine „shareholder value“-bezogene Unternehmensführung bestehen, wenn die wirtschaftlichen Nutznießer (die Destinatäre) von maßgeblicher Einflussnahme ausgeschlossen werden.
Û
Beratungshinweis: Trotz aller grundsätzlichen Probleme zeigen erfolgreiche Beispiele von Familienstiftungen, dass die Gestaltungsziele Unternehmenskontinuität und dauerhafte Versorgung der Familie durchaus verwirklicht werden können. Zwei Faktoren dürften wesentlich sein: eine maßgeschneiderte Satzung und eine sorgsame Besetzung der Ämter.
3. Gemeinnützige Familienstiftung
Û
Beratungssituation: Abwandlung: Ihr Mandant U möchte sowohl die Familie versorgt wissen als auch sein Vermögen nach dem Tod gemeinnützige Zwecken widmen.
49 Wenn die Versorgung der Familie nicht hinreichend abgesichert ist, ist zu prüfen, wie die Zielsetzungen, die Allgemeinheit zu unterstützen und den Unterhalt der Familie abzusichern, miteinander versöhnt werden können. Von besonderem Interesse im Hinblick auf die Versorgung von Angehörigen ist die Regelung des § 58 Nr. 5 AO. Danach darf die Stiftung bis zu einem Drittel ihres Einkommens dazu verwenden, den Stifter und seine nächsten Angehörigen zu unterhalten, ihre Gräber zu pflegen und ihr Andenken zu ehren (sog. gemeinnützige Familienstiftung). Trotz der auf den ersten Blick geringen Quote ist diese Gestaltung wegen der steuerlichen Vorteile der Gemeinnützigkeit nicht unattraktiv. Die Finanzverwaltung interpretiert diese Vorschrift allerdings sehr restriktiv. Aus dem Begriff der nächsten Angehörigen wird geschlossen, dass die Versorgung weiterer Generationen über die Enkel hinaus ausgeschlossen sei1. Der Begriff umfasse nur Ehegatten, Eltern, Großeltern, Kinder, Enkel (auch falls durch Adoption verbunden), Geschwister, Pflegeeltern, Pflegekinder. Maßstab für die Angemessenheit der Unterhaltsleistungen an den Stifter und dessen nächste Angehörige sei der Lebensstandard des Zu1 AEAO zu § 58 Nr. 5 Tz. 6.
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Stiftung und Trust
Rz. 51 B XII
wendungsempfängers1. Sei deren Unterhalt anderweitig in angemessener Höhe gewährleistet, liege keine unschädliche Zuwendung vor2. Die Satzung dürfte danach nicht generell Ausschüttungen in Höhe eines Drittels des Einkommens der Stiftung ohne Bezug auf die Angemessenheit erlauben.
Û
Beratungshinweis: Bei der Formulierung der Stiftungssatzung sollte man sich bei den möglichen Ausschüttungen eng am Gesetzeswortlaut orientieren. Dokumentieren Sie die Angemessenheit des Unterhalts. Die Einholung einer verbindlichen Auskunft ist sicherlich empfehlenswert, wobei wegen der Umstände des Einzelfalls nicht absehbar ist, ob im Voraus solche Absicherungen erhältlich sein werden.
Der Versorgungszweck wird aber vereitelt, wenn die Stiftung nicht über genügende Erträge verfügt. Es ist daher vielfach nicht möglich, auf der Grundlage einer auf einen Mindestbetrag festgesetzten Zuwendung die Versorgung der Angehörigen sicherzustellen, ohne möglicherweise in späteren Zeiträumen die Gemeinnützigkeit zu gefährden. Denn die Vermögenssubstanz darf außerhalb der Auflösung nicht an die Familie ausgekehrt werden (§§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 4, 61 AO).
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Nach der Rechtsprechung des BFH3 kann eine fixierte Zahlung ohne Verstoß gegen das Gemeinnützigkeitsrecht dadurch gewährleistet werden, dass die Zahlungsverpflichtung der Stiftung bei Übergang des Vermögens auferlegt wird. Der BFH vertritt die Auffassung, dass die entsprechenden Mittel der Stiftung in diesem Fall von Anfang an das Stiftungsvermögen belasten. Allerdings hat die Finanzverwaltung einen Nichtanwendungserlass veröffentlicht4. Nach Auffassung des BMF sind Zahlungen aufgrund von Auflagen in die Drittelgrenze des § 58 Nr. 5 AO einzubeziehen. Darüber hinausgehende Verpflichtungen müssten aus dem Vermögensstamm erbracht werden. Dies wird aber u.U. gegen den Grundsatz der Vermögensbindung und die Stiftungssatzung verstoßen und erfordert im Übrigen bei Geldleistungsverpflichtungen auch entsprechende Liquidität.
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Eine Alternative besteht darin, dass sich der Stifter vor der Übertragung der Vermögensgegenstände einen Teil der Erträge vorbehält, insbesondere durch Bestellung eines Nießbrauchs. Das ist für die Gemeinnützigkeit unschädlich, weil das Vermögen bereits im Zeitpunkt des Übergangs gemindert ist.5
4. Doppelstiftung
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Beratungssituation: Abwandlung: Ihr Mandant U hat der Tagespresse entnommen, dass größere Familienunternehmen in zwei Stiftungen über-
1 AEAO zu § 58 Nr. 5 Tz. 7. 2 OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.5.2004 – S 1900 – 22 – St 217, S 0171 – 155 – St 217, KStK § 5 KStG Karte 8.70 Blatt 1. 3 BFH v. 21.1.1988 – II ZR 16/95, BStBl. 1998 II, 758 f. 4 BMF v. 6.11.1998, BStBl. 1998 I, 1446. 5 OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.5.2004 – S 1900 – 22 – St 217, S 0171 – 155 – St 217, KStK § 5 KStG Karte 8.70 Blatt 1.
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B XII Rz. 52
Stiftung und Trust
führt worden seien, bei denen eine Stiftung der Familie diene und die andere gemeinnützig sei. Er möchte wissen, wie diese Gestaltung funktioniert und ob sie für ihn empfehlenswert ist. Pro Doppelstiftung
Kontra Doppelstiftung
– Steuerliche Optimierung möglich – Umgehung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Restriktionen möglich
– relativ aufwendige und komplizierte Gestaltung – Gefahr des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO)
52 Das Konzept der Doppelstiftung kann als rechtlicher und steuerrechtlicher Ansatz für ein optimiertes Kombinationsmodell aus zwei selbstständigen Stiftungen bezeichnet werden, das im Rahmen der Unternehmensnachfolge eingesetzt wird. Eine gemeinnützige Stiftung soll neben einer Familienstiftung den Anliegen Rechnung tragen, sowohl die Allgemeinheit zu unterstützen als auch die Versorgung der Familie auch über die Drittel-Grenze des § 58 Nr. 5 AO hinaus sicherzustellen und deren Einfluss auf das Unternehmen zu bewahren. Gleichzeitig soll die Steuerbelastung aus Anlass des Generationenwechsels minimiert werden. 53
Modell: Das Unternehmen wird von einer Kapitalgesellschaft getragen. In der Praxis ist dies fast immer eine GmbH. Andere Gesellschaftsformen wie die Personengesellschaft (wegen der steuerlichen Nachteile, die daraus resultieren, dass die Beteiligung als Mitunternehmer immer einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt1) oder die AG (insbesondere wegen des Prinzips der formellen Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG und weil Vorzugaktien nach § 139 Abs. 2 AktG nur bis 50 % des Grundkapitals gewährt werden dürfen) sind hierfür wenig tauglich2. Die beiden Stiftungen sind Gesellschafter der (Holding-)Kapitalgesellschaft.
54 Denkbar ist folgende Vorgehensweise: Zunächst ist der Unterhaltsbedarf der Familie zu ermitteln. Alle Geschäftsanteile, die für den Unterhalt der Familie nicht benötigt werden, werden auf eine gemeinnützige Stiftung übertragen. Die restlichen Geschäftsanteile werden ganz oder teilweise auf eine Familienstiftung übertragen, die entscheidenden Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens erhält, indem die Stimmrechte der von der gemeinnützigen Stiftung gehaltenen Anteile beschnitten oder ausgeschlossen werden. 55 Familienstiftung und gemeinnützige Stiftung müssen in gemeinschaftlicher Verantwortung für die erfolgreiche Zukunft des Unternehmens eng zusammenarbeiten. Das gemeinsame Interesse soll die notwendige Kooperation im Kreise der Gesellschafter gewährleisten. 56 Das Modell der Doppelstiftung hat den Nachteil, dass es verhältnismäßig kompliziert ist. Der Regelungsbedarf, um den Ausgleich unterschiedlicher Interessen von vielen Beteiligten (Leitung der gemeinnützigen Stiftung, Leitung 1 BFH v. 27.7.1988 – I R 113/84, BStBl. 1989 II, 134 f. 2 Vgl. Schnitger, ZEV 2001, 104 (105).
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Stiftung und Trust
Rz. 60 B XII
und Berechtigte der Familienstiftung und Unternehmensführung) konfliktarm und stabil durchzuführen, darf nicht unterschätzt werden. Ob die Gestaltung steuerlich günstiger ist als eine gemeinnützige Familienstiftung, ist im Einzelfall zu prüfen. Neben der Umgehung gemeinnützigkeitsrechtlicher Restriktionen können auch erbschaftsteuerliche Gesichtspunkte ausschlaggebend sein1. Durch inkongruente Verteilung von Kapital, Stimmrechten und Gewinnbezugsrechten lässt sich zwar die Steuerbelastung weiter optimieren, es wächst aber auch die Gefahr, dass die Gestaltung als missbräuchlich im Sinne des § 42 AO angesehen wird.
5. Unternehmensträgerstiftung Die Zulässigkeit unternehmensverbundener Stiftungen steht nach dem Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts grundsätzlich nicht mehr in Frage2. Umstritten ist, ob trotzdem Grenzen der Zweckgestaltung bestehen. Unzulässig bleibt wohl die Unternehmensselbstzweckstiftung3. Darunter versteht man eine Stiftung, deren einziger Zweck darin besteht, ein Unternehmen zu betreiben. Insoweit ist auch bei Gründung einer Stiftung & Co. zu beachten, dass es unzulässig ist, eine Stiftung ausschließlich zu dem Zweck zu gründen, Komplementärin der Kommanditgesellschaft zu sein4. In der Praxis ist allerdings eine Stiftung genehmigungsfähig, die im Interesse des Stiftungszwecks als Komplementärin Unternehmensaktivitäten ausübt.5
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a) Stiftungsunternehmen und Beteiligungsträgerstiftung Es ist zweckmäßig, zwischen dem Stiftungsunternehmen und der Beteiligungsträgerstiftung zu unterscheiden.
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Beim Stiftungsunternehmen wird das Unternehmen von der Stiftung selbst betrieben. Die Stiftung wird dann nicht nur Träger des Vermögens des Unternehmens, sondern zugleich der Unternehmer selbst. War der Unternehmer wegen des Betreibens des Unternehmens Kaufmann i.S.d. Handelsrechts, so ist es jetzt auch die Stiftung.
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Bei einer Beteiligungsträgerstiftung ist die Stiftung an der das Unternehmen betreibenden Gesellschaft lediglich beteiligt. Die Stiftung kann entweder an einer Kapitalgesellschaft oder an einer Personengesellschaft beteiligt sein. Es
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1 Die Begünstigung für Holdingkapitalgesellschaften durch R 103 Abs. 1 ErbStR und die Berücksichtigung ungleicher Gewinnbezugsrechte im Stuttgarter Verfahren vereinfachen die Optimierung in diesem Bereich. 2 Das war nach altem Recht umstritten: für Unzulässigkeit etwa: MüKo/Reuter, Vor § 80 Rz. 6; Staudinger/Rawert, Vorbem. zu §§ 80 ff. Rz. 94; h.M. zulässig, vgl. etwa: Soergel/Neuhoff, Vor § 80 Rz. 65 ff.; K. Schmidt, DB 1987, 261, 262. 3 Hüttemann, ZHR 167 (2003), 35, 60 f.; K. Schmidt, DB 1987, 261; ganz h.M., vgl. Staudinger/Rawert, Vorbem. zu §§ 80 ff. Rz. 9 m.w.N. 4 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1667. 5 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1667.
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Stiftung und Trust
kommt auch vor, dass sie an einer Holding beteiligt ist, die Muttergesellschaft weiterer Unternehmen ist. 61 Bei der personengesellschaftlichen Gestaltung kann die Stiftung Gesellschafterin einer oHG oder KG werden. Bei der Beteiligung an einer oHG oder als Komplementärin an einer KG (Stiftung & Co.) ist jedoch zu beachten, dass die Stiftung dann auch unbeschränkt haftet. Während die Stiftung als Gesellschafterin einer oHG hier zu Lande äußerst selten ist, wird die Stiftung & Co. wegen ihrer haftungs-, bilanz-, und mitbestimmungsrechtlichen Vorteile häufiger empfohlen1. Die Vorteile2 einer Stiftung & Co.-Konstruktion sind im Wesentlichen die folgenden Punkte: – Bei der Stiftung & Co. ist die beschränkte Haftung natürlicher Personen noch umfassender, denn eine Durchgriffshaftung für die hinter einer Komplementär-Kapitalgesellschaft stehenden Gesellschafter ist bei der Komplementär-Stiftung als rechtsfähigem Sondervermögen denkgesetzlich ausgeschlossen. – Während die Kapitalgesellschaft & Co. als gewerblich geprägte Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 3 EStG stets und in vollem Umfang und unabhängig von ihrer Tätigkeit als Gewerbebetrieb gilt, ist die Tätigkeit einer Stiftung & Co. nur dann als Gewerbebetrieb anzusehen, wenn sie tatsächlich die allgemeinen Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt. – Eine Stiftung ist, gerade in der Rolle des Komplementärs, in der Lage, nach dem Tod die Ausführung des Stifterwillens zu garantieren, ohne dass etwa eine zeitliche Beschränkung vorliegen würde. – Die Regeln über die Unternehmensmitbestimmung finden auf die unternehmensverbundenen Stiftungen in keinem Fall Anwendung, da die Stiftung nicht zu den enumerativ aufgezählten Rechtsformen der Mitbestimmungsgesetze gehört3. – Die Publizität lässt sich allerdings durch die Konstruktion der Stiftung & Co. für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1999, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KapCoRiLiG, beginnen, nicht mehr vermeiden (§ 264a HGB, Art. 48 Abs. 1 EGHGB)4. 62 Des Weiteren kann die Stiftung auch an einer Kapitalgesellschaft wie z.B. einer GmbH oder AG beteiligt werden. Diese Gesellschaften können ihrerseits Muttergesellschaften weiterer Beteiligungsgesellschaften (Personen- oder Kapitalgesellschaften) sein. Durch die Rechtsform der Stiftung sind dem Kon1 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1669; Hennerkes/Schiffer, BB 1992, 1940 ff. 2 Vgl. Hennerkes/Schiffer, BB 1992, 1940 (1942 ff.). 3 Vgl. §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 MitBestG 1976; § 1 DrittelbG; § 1 Abs. 1 u. 2 MontanMitBestG; § 1 Abs. 1 MitBestErgG; allerdings findet in einem Betrieb eines Unternehmens rechtsformunabhängig die betriebliche Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz statt (§ 1 BetrVG 1972). 4 Der Gesetzgeber ist über die Mindesterfordernisse der GmbH & Co. Richtlinie insoweit hinausgegangen und hat die Gestaltungsalternative Stiftung & Co. bewusst verbaut, vgl. etwa Schindhelm/Stein, in: Winkeljohann/Schindhelm, KapCoRiLiG, 244.
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Stiftung und Trust
Rz. 65 B XII
zernaufbau (§§ 18, 19 AktG analog) grundsätzlich keine Grenzen gesetzt1. Vorteilhaft an der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist die bestehende Haftungsbeschränkung für die Stiftung selbst2. b) Zweckmäßige Satzungsregelungen Ein Unternehmer als natürliche Person kann flexibel auf Marktveränderun- 63 gen oder vorher nicht bedachte Konstellationen reagieren. Eine Stiftung ist auf ihren Stiftungszweck festgelegt. Dies kann bei Unternehmen, die in der Rechtsform einer Stiftung betrieben werden, zu Problemen führen. Versuche, durch die Satzung Gremien einzurichten, die den Willen der Stiftung autonom, d.h. losgelöst vom Stiftungszweck, bilden, sind nicht zulässig3. Für die Reaktion auf veränderte Verhältnisse bleibt lediglich eine Zweck- und Satzungsmodifikation, die aber immer die festgeschriebene Absicht des Stifters zu beachten hat und zudem i.d.R. der Zustimmung der Aufsichtsbehörde bedarf. Die gebotene Flexibilität kann nur durch Regelungen in der Satzung erreicht werden, die dem Stiftungsvorstand einen angemessenen Spielraum einräumen. Auf verständliche Wünsche des Unternehmenseigners, in der Stiftungssatzung den Erhalt und die Führung des Unternehmens unabänderlich festzulegen, sollte in der Beratungspraxis mit Skepsis reagiert werden. Es ist zu bedenken, dass die Satzung und der Stiftungszweck im Kern für die Ewigkeit bestehen bleiben und niemand Veränderungen des Marktes genau voraussehen kann. Nicht anders stellt sich die Lage bei Beteiligungsträgerstiftungen dar. Auch hier sollte darauf geachtet werden, dass eine Umstrukturierung der das Unternehmen tragenden Gesellschaft oder deren Veräußerung durch die Stiftungssatzung nicht behindert wird. Ein marktgerechts Handeln des Stiftungsvorstandes kann auch dazu zwingen, Handlungen vorzunehmen, zu denen sich der Stifter zu Lebzeiten nicht hätte entschließen wollen. Zu diesen Maßnahmen muss gegebenenfalls auch die Trennung von dem Unternehmen gehören.
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Insbesondere bei gemeinnützigen Stiftungen muss der denkbare Interessengegensatz zwischen Stiftungsvorstand und Unternehmensmanagement gesehen werden. Der Stiftungsvorstand wird bestrebt sein, einen möglichst hohen Ertrag für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung zu haben. Das Unternehmensmanagement wiederum hat die Aufgabe, das Unternehmen auf einer gesicherten Kapitalbasis in die Zukunft zu führen. Dieser Zielkonflikt kann insbesondere hinsichtlich des Ausschüttungsverhaltens zu Friktionen führen und muss einer allen Interessen zuträglichen Lösung zugeführt werden. In der Regel empfiehlt es sich trotzdem, die Unternehmensführung von dem Stiftungsvorstand auch personell zu trennen. Dies gilt umso mehr, als die Verwaltung einer gemeinnützigen Stiftung vielfach andere Persönlichkeiten er-
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1 Berndt, Stiftung und Unternehmen, Rz. 1858. 2 Anders als bei der Stiftung & Co; dort haftet die Stiftung persönlich und unbeschränkt (s.o.). 3 Vgl. MüKo/Reuter, 5. Aufl. § 85 Rz. 3; vgl. Staudinger/Rawert, § 85 Rz. 8.
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Stiftung und Trust
fordern wird als dies bei der täglichen Führung eines Unternehmens der Fall ist.
III. Steuerrechtliche Fragen
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Beratungssituation: Ihr Mandant ist sich sicher, dass er sein Vermögen auf eine Stiftung übertragen möchte. Er will von Ihnen wissen, ob die Übertragung zu Lebzeiten steuerlich günstiger ist. Ferner möchte er wissen, wie die Erträge der Stiftung steuerlich belastet werden. Er ist gewillt, die steuerlich günstigste Gestaltung zu wählen.
66 Eine umfassende Darstellung der Besteuerung von Stiftungen ist im Rahmen dieses Beitrags nicht möglich. Daher sollen ohne Anspruch auf Vollständigkeit nur einige wesentliche steuerliche Aspekte im Lebenszyklus einer Stiftung von der Errichtung bis zur Auflösung oder Aufhebung beschrieben werden.
1. Besteuerung der Stiftungserrichtung a) Einkommensteuer 67 Die einkommensteuerlichen Folgen der Stiftungserrichtung – und späterer Zustiftungen – richten sich danach, welche Vermögensgegenstände auf die Stiftung übertragen werden. Die Stiftungserrichtung ist für den Stifter ertragsteuerfrei, sofern die Stiftung mit Mitteln aus dem Privatvermögen ausgestattet wird. Auch bei der unentgeltlichen Übertragung einer wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 17 EStG erfolgt keine Besteuerung. Da weder ein Kaufpreis gezahlt noch eine Gegenleistung in Form von Gesellschaftsrechten gewährt wird, fehlt es an einer Veräußerung der wesentlichen Beteiligung. Der Tatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG greift nur bei verdeckten Einlagen in Kapitalgesellschaften. Somit wird kein Gewinnrealisierungstatbestand erfüllt. Das gilt auch für einbringungsgeborene Anteile1. Auch nach dem SEStEG greifen wohl keine Ersatzrealisationstatbestände i.S.d. § 22 Abs. 1 UmwStG. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG betrifft nur die verdeckte Einlage in ein Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft. § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG knüpft nur an die Person des Einbringenden oder der übernehmenden Gesellschaft an. Soweit man bei unentgeltlicher Rechtsnachfolge verlangt, dass der Rechtsnachfolger die Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG erfüllt,2 sollte jedenfalls bei einer inländischen Stiftung keine Ersatzrealisation erfolgen, weil das Recht zur Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile unberührt bleibt. Eine Veräußerung innerhalb der Sperrfrist durch die Stiftung wäre dann aber als Ersatzrealisation anzusehen. 68 Werden allerdings Einzelgegenstände aus dem Betriebsvermögen unentgeltlich übertragen, so führt dies u.U. zu einem steuerpflichtigen Entnahme1 Vgl. auch Götz, Inf 1997, 141, 144. 2 Vgl. Stangl, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, § 22 Rz. 130.
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Rz. 69 B XII
gewinn. Nur in den Fällen der Übertragung des Wirtschaftsgutes auf eine steuerbefreite Stiftung kann gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 5 EStG der Buchwert des entnommenen Wirtschaftsguts fortgeführt und so die Realisierung stiller Reserven vermieden werden1. Das sog. Buchwertprivileg wurde durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen2 erweitert. Seit dem 1. Januar 2000 ist die erfolgsneutrale Übertragung eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebs- in ein Stiftungsvermögen für fast alle gemeinnützigen Zwecke möglich. Durch den Verzicht auf die Besteuerung der in den zugewendeten Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven soll die Bereitschaft zu Sachspenden für gemeinnützige Stiftungen gefördert werden. Die Steuerentlastung durch die Nichtversteuerung der stillen Reserven kann die sich durch den Sonderausgabenabzug ergebende Entlastung bei Ansatz des Teilwerts übersteigen. Das ist im Einzelfall zu prüfen. Das Buchwertprivileg gilt über die Verweisung in § 8 Abs. 1 KStG auch für Kapitalgesellschaften3. Wenn der Stifter oder nahe Angehörige aber zugleich Gesellschafter der GmbH sind, droht die Einstufung der Spende als verdeckte Gewinnausschüttung4. Werden hingegen ein ganzer Betrieb bzw. Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine Stiftung übertragen, so kommt es gem. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG zu keiner Aufdeckung stiller Reserven5. Die Unentgeltlichkeit wird nicht dadurch aufgehoben, dass im Falle der Stiftungserrichtung von Todes wegen Erbfallschulden, wie Pflichtteilsauszahlungen oder Vermächtnisse, erfüllt werden müssen6. Soweit ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil übertragen wird, ist die Stiftung als Rechtsnachfolgerin gem. § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG an die Buchwerte gebunden. Bei Übertragung von Teilmitunternehmeranteilen und der unentgeltlichen Aufnahme in ein Einzelunternehmen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 2. HS und Satz 2 EStG soll die Übertragung nur auf natürliche Personen zulässig sein7. Im Falle des § 6 Abs. 3 Satz 1 2. HS EStG ergibt sich die Beschränkung in der Person des Aufnehmenden unmittelbar aus dem Gesetz. Die Beschränkung lässt sich damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber nur die sukzessive Übertragung von 1 Für den Spendenabzug rechnet die Finanzverwaltung (FinMin Sachsen v. 28.8.1992, DStZ 92, 639) die anfallende USt dem Entnahmewert hinzu. 2 BGBl. 2000 I, 1034. 3 Vgl. nur R 32 KStR 2004. 4 Vgl. BFH, Beschl. v. 19.12.2007 – I R 83/06, BFH/NV 2008, 988; BFH, Beschl. v. 10.6.2008 – I B 19/08, BFH/NV 2008, 1704; Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2. Aufl. § 6 Rz. 24. 5 Das BMF-Schreiben v. 3.3.2005 – IV B 2 – S 2241 – 14/06 (BStBl. 2005 I, 458) ist in diesem Punkt unglücklich formuliert. Nach Tz. 1 können „Übertragender und Aufnehmender natürliche Personen, Mitunternehmerschaften und Kapitalgesellschaften sein. Beispiel 1 in Tz. 2 unterstellt auch die „unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils auf eine steuerbefreite Körperschaft (z.B. Stiftung), zu der keine gesellschaftsrechtlichen Verbindungen bestehen“. Auf die Steuerbefreiung kann es im Rahmen des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht ankommen. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG. Tz. 1 meint also offensichtlich alle Körperschaften, nicht nur Kapitalgesellschaften. 6 BFH v. 17.10.1991 – IV R 97/89, BStBl. 1992 II, 392 (396). 7 Vgl. Tz. 1 a.E. BMF-Schreiben v. 3.3.2005, IV B 2 – S 2241 – 14/06, BStBl. 2005 I, 458.
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Betriebsvermögen im Rahmen der vorweggenommen Erbfolge innerhalb des Leitbildes des Familienunternehmens begünstigen wollte1. Nach Auffassung des BMF ergibt sich aus der Entscheidung des BFH vom 24.8.20002, dass das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen quotal mitübertragen werden müsse. Daher muss Tz. 1 des BMF-Schreibens vom 3.3.2005 wohl so verstanden werden, dass der Verweis in Abs. 1 eine gesetzliche Ausnahmeregelung für den Fall der unterquotalen Übertragung enthält, die aber erst recht nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 2. HS EStG eingreift. Damit ist eine steuerneutrale Übertragung von Teilmitunternehmeranteilen auf eine gemeinnützige Stiftung nicht möglich, weil die Buchwertverknüpfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG nur für einzelne Wirtschaftsgüter gilt. Eine Ausweichgestaltung wäre z.B. einen Teilmitunternehmeranteil nach § 20 UmwStG steuerneutral in eine Kapitalgesellschaft einzulegen und die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft zu stiften, oder den Teilmitunternehmeranteil nach § 24 UmwStG in eine GmbH & Co. KG einzubringen und den so erhaltenen ganzen Mitunternehmeranteil auf die Stiftung zu übertragen. 70 Auf Ebene der Stiftung selbst löst die Übertragung des Grundstockvermögens keine Körperschaft- oder Gewerbesteuer aus, da die Stiftungserrichtung in die Vermögenssphäre der Stiftung fällt3. Die Rückwirkungsfiktion nach § 84 BGB gilt auch für das Steuerrecht. Die subjektive Körperschaftsteuerpflicht der Stiftung beginnt bei von Todes wegen errichteten Stiftungen ab dem Zeitpunkt des Vermögensanfalls4. b) Erbschaft- und Schenkungsteuer 71 Die unentgeltliche Übertragung von Vermögenswerten auf eine Stiftung unterliegt grundsätzlich der Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG5). Allerdings bestimmt § 13 Nr. 16 lit. b) ErbStG, dass Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen steuerfrei sind. 72 Steuerschuldner ist bei einer Stiftung von Todes wegen die Stiftung allein, bei einer Stiftung unter Lebenden auch der Stifter (§ 20 Abs. 1 ErbStG). 73 Grundsätzlich ist die höchste Steuerklasse III anzuwenden. Jedoch richtet sich bei inländischen Familienstiftungen gem. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG die Steuerklasse nach dem Verwandtschaftsgrad des nach der Stiftungsurkunde entferntesten Berechtigten im Verhältnis zum Erblasser oder Schenker. Auf die Berechtigung im Zeitpunkt der Errichtung kommt es nicht an. Es genügt, wenn diese später im Laufe der Generationenfolge eintritt. Sie müssen auch
1 Vgl. Stellungnahme des Bundesrates BT-Drs. 14/7084 zu Art. 1 Nr. 3 Buchst. a) UntStFG, S. 2. 2 Vgl. BFH v. 24.8.2000 – IV R 51/98, DStR 2000, 1768. 3 Vgl. Berndt, Stiftung und Unternehmen, Rz. 781 m. w. Nw. 4 BFH v. 17.9.2003 – I R 85/02, DB 2004, 288 (289). 5 Bei Zustiftungen § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
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Stiftung und Trust
Rz. 77 B XII
nicht über klagbare Ansprüche verfügen, sondern lediglich nach der Satzung Vermögensvorteile aus der Stiftung erlangen können1. Der persönliche Freibetrag nach § 16 ErbStG richtet sich ebenfalls nach den für § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG geltenden Grundsätzen2.
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Beratungshinweis: Die Bezugsberechtigung sollte nach Möglichkeit auf Angehörige der Steuerklasse I beschränkt werden. Das sind der Ehegatte, die Kinder und Stiefkinder und deren Abkömmlinge sowie die Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen.
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Das Steuerklassenprivileg des § 19a ErbStG beim Erwerb von Betriebsvermögen steht nur natürlichen Personen, nicht aber Stiftungen zu.
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Die Steuerbegünstigungen der §§ 13a, 13b ErbStG stehen auch der Stiftung 77 zur Verfügung. Je nachdem, wie hoch der Anteil von Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 2 ErbStG ist, kann der Erwerber keine, eine 85-prozentige (§ 13a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13b Abs. 4 ErbStG) oder eine 100 %ige Verschonung (§ 13a Abs. 8 ErbStG) von der Versteuerung erhalten, wenn innerhalb der Behaltensfrist weder die Lohnsumme unter die kritische Größe von 650 % in sieben Jahren bzw. 1000 % in zehn Jahren sinkt (§ 13a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 8 ErbStG) noch ein schädliches Ereignis i.S.d. § 13a Abs. 5 eintritt.3 Die Erbschaftsteuer entsteht bei von Todes wegen errichteten Stiftungen mit der staatlichen Anerkennung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 HS. 2 lit. c) Alt. 1 ErbStG). Die Rückwirkungsfiktion des § 84 ErbStG gilt nicht. Wertsteigerungen zwischen dem Eintritt des Erbfalls und der Anerkennung unterliegen somit der ErbSt4. Dies gilt auch dann, wenn diese Wertsteigerungen auf Erträgen beruhen, die der Körperschaftsteuer unterlagen5. Im Ergebnis droht eine ungemilderte Doppelbelastung mit ErbSt und KSt.
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Beratungshinweis: Grundsätzlich ist bereits deswegen zu empfehlen, die Stiftung unter Lebenden zu errichten. Dabei kann die Stiftung entweder mit vergleichsweise geringem Vermögen ausgestattet werden und das Stiftungsvermögen von Todes wegen aufgestockt werden oder bereits die Spendenabzugshöchstbeträge ausgenutzt werden (Zweitakt-Modell). So lässt sich die Besteuerung des Vermögenszuwachses zwischen Todeszeitpunkt und Anerkennung vermeiden6. Zudem kann der Stifter als Organmitglied das Leben der Stiftung mit gestalten und ggf. durch Zeitablauf Pflichtteilsergänzungsansprüche vermeiden oder verringern.
1 Vgl. R 73 Abs. 1 ErbStR. 2 Vgl. R 73 Abs. 2 ErbStR und H 73 „Freibetrag bei Errichtung einer Familienstiftung“ ErbStH 2003. 3 Die passive Formulierung hat einen bedauerlichen Hintergrund: In vielen Fällen hat der Erwerber selber keinen oder nur einen sehr bedingten Einfluss, ob schädliche Vorgänge sich ereignen oder nicht – etwa weil er nur Minderheitsgesellschafter und/oder ohne Einfluss auf die Geschäftsführung ist. 4 BFH v. 25.10.1995 – II R 20/92, BStBl. 1996 II, 99 (101 f.). 5 Vgl. BFH v. 25.10.1995, BStBl. 1996 II, 99 (101 f.); H 24 ErbStH 2003. 6 Vgl. Ebeling, ZEV 1998, 93.
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B XII Rz. 78
Stiftung und Trust
c) Grunderwerbsteuer 78 Der unentgeltliche Grundstückserwerb von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden i.S.d. ErbStG sind nach § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Da die Befreiung nur voraussetzt, dass die Übertragung nach dem ErbStG steuerbar ist, kommt es nicht darauf an, ob im Ergebnis eine Belastung mit ErbSt entsteht1. Das ist insbesondere bei gemeinnützigen Stiftungen und wegen Gestaltung der Bemessungsgrundlage steuerfreien Übertragungen von Bedeutung. d) Umsatzsteuer 79 Sachspenden eines Unternehmers können Eigenverbrauch sein, müssen es aber nicht. Maßgebend ist, ob die Spende vorwiegend durch das Unternehmen oder die unternehmerischen Interessen des Unternehmens veranlasst ist oder nicht. Steht das persönliche Interesse des Spenders im Vordergrund, liegt eine umsatzsteuerpflichtige Wertabgabe aus dem Unternehmen vor2. Zu beachten ist ferner die Umsatzsteuerbarkeit nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG.3 80 Die unentgeltliche Übertragung eines Unternehmens auf eine Stiftung stellt regelmäßig eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG dar. Die Übertragung von Anteilen ist steuerfrei nach § 4 Nr. 8f UStG.
2. Die laufende Besteuerung a) Körperschaftsteuer 81 Stiftungen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach dem sog. Welteinkommensprinzip. Grundsätzlich können Stiftungen nach § 8 Abs. 2 KStG Einkünfte aus allen sieben Einkunftsarten erzielen – allerdings wegen der fehlenden persönlichen Voraussetzungen mit Ausnahme von Einkünften aus selbstständiger Arbeit und nicht selbstständiger Tätigkeit. 82 Satzungsgemäße Zuwendungen der Stiftung an begünstigte Personen sind mit dem Körperschaftsteuersatz (derzeit 15 %) vorbelastet. Die Körperschaftsteuer ist gem. § 10 Nr. 1 KStG nicht als Betriebsausgabe abziehbar. Hinzu kommt die Vorbelastung mit dem Solidaritätszuschlag von derzeit 5,5 %. 83 § 8b KStG gilt auch für Stiftungen, weil keine Beschränkung auf bestimmte Körperschaften besteht. Dividenden und Veräußerungsgewinne aus der Beteiligung an Kapitalgesellschaften bleiben daher steuerfrei. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass 5 % der Dividenden und Veräußerungsgewinne etc. nach § 8b Abs. 3 und 5 KStG als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gelten. Die 1 Vgl. auch Koordinierter Ländererlass, Finanzbehörde Hamburg v. 28.12.2004 53 – S – 4505 – 003/03, lexinform 578938. 2 Vgl. Bunjes/Geist/Zeuner, UStG, 7. Aufl., § 1 Anm. 41. 3 Vgl. Jachmann/Thiesen, DStZ 2002, 355.
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Rz. 88 B XII
KESt wird bei der Veranlagung angerechnet (§ 36 Abs. 2 EStG i.V.m § 31 KStG). Umstritten ist, ob Zustiftungen körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte i.S.d. § 8 Abs. 2 KStG darstellen oder ob es sich um Einlagen handelt, die sich auf der Vermögensebene abspielen1.
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b) Gewerbesteuer Die Stiftung ist nur dann gewerbesteuerpflichtig, wenn sie auch einen Gewerbebetrieb unterhält, da sie nicht in den Kreis der Gewerbebetriebe kraft Rechtsform des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG fällt2.
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c) Schenkungsteuer Satzungsmäßige Zuwendungen unterliegen nicht der Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, weil sie aufgrund einer Rechtspflicht und damit nicht freigebig erfolgen. Zuwendungen aufgrund einer Auflage des Stifters sind nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG steuerpflichtig.
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Im Folgenden soll auf einige Besonderheiten der einzelnen Stiftungsarten hingewiesen werden. d) Gemeinnützige Stiftungen aa) Anforderungen Wie erwähnt, müssen gemeinnützige Stiftungen den Anforderungen der §§ 51 ff. AO genügen. Dazu müssen Stiftungen ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. In den Vorschriften der §§ 52–54 AO wird eine Reihe von anerkennungsfähigen steuerbegünstigten Zwecken genannt, die nur beispielhaft und nicht abschließend zu verstehen sind. Die steuerbefreite Stiftung hat nach Satzung und tatsächlicher Handhabung eine Reihe besonderer Beschränkungen zu beachten. Auf einige Gesichtspunkte von besonderem praktischem Interesse sei kurz hingewiesen.
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Insbesondere gilt das Gebot, die Erträge zeitnah steuerbegünstigt zu verwenden. Die Thesaurierung von Erträgen ist in begrenztem Umfang gemäß § 58 Nr. 6, 7 AO möglich. So darf ein Drittel der Überschüsse aus Vermögensverwaltung in eine freie Rücklage eingestellt werden. Gleiches gilt für weitere 10 % ihrer sonstigen nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO zeitnah zu verwendenden Mittel. Trotz der durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen eingeführten Erleichterungen kann das Stiftungsvermögen durch Bildung von Rücklagen nur eingeschränkt aufgestockt werden. Die Finanzierungsverantwortung des Stifters ist entsprechend groß. Die Verwendung zeitnah zu verwendender Mittel für Tochtergesellschaften, die nicht steuer-
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1 Vgl. Berndt, Stiftung und Unternehmen, Rz. 1031 ff. 2 Vgl. Hennerkes/Schiffer, BB 1992, 1940 ff.
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B XII Rz. 89
Stiftung und Trust
begünstigt sind, ist schädlich1. Ebenso kritisch ist die Verwendung von Erträgen, um Verluste am Vermögensstamm wieder auszugleichen. 89 Das Stiftungsvermögen darf gemäß § 55 Absatz 1 Nr. 4 AO auch bei Auflösung oder Aufhebung der Stiftung nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden. Wird von dem Gebot der Vermögensbindung in der Satzung oder tatsächlich abgewichen oder verstößt die Stiftung gegen die sonstigen Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts, so verliert die Stiftung rückwirkend alle Steuerbegünstigungen der letzten zehn Jahre (§§ 61, 63 AO). Die Vfg. der OFD Magdeburg v. 18.5.2004 stellt klar, dass es zulässig ist, das Stiftungskapital und Zustiftungen bei der Hingabe von der gemeinnützigkeitsrechtlichen Vermögensbindung auszunehmen – allerdings ist dann bei der Hingabe kein Spendenabzug möglich2. 90 Mit BMF-Schreiben v. 17.11.2004 wurde klargestellt, dass die Finanzverwaltung an die vorläufige Bescheinigung über die Gemeinnützigkeit oder die Anerkennung der Steuervergünstigung bei einer von ihr geprüften Satzung gebunden ist3. 91 Verluste im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs dürfen nicht mit Mitteln des ideellen Bereichs ausgeglichen werden4. Die Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft mit Verlusten könnte danach schädlich sein, ohne dass noch eine Einlage zum Verlustausgleich erforderlich wäre5. 92
Zuwendungen an die Destinatäre sind, anders als bei einer körperschaftsteuerpflichtigen Familienstiftung, bei den Empfängern in vollem Umfang zu versteuern (§ 22 Nr. 1 Satz 1 und 2 HS 2 lit. a) EStG), es sei denn die Zuwendung erfolgt entweder nicht regelmäßig oder im Rahmen der Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke. bb) Steuerbegünstigungen
93 Folgende wichtige Steuerbegünstigungen werden einer gemeinnützigen Stiftung gewährt: – Befreiung von der Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 13 Nr. 16 lit. b) ErbStG), – Buchwertfortführung bei Entnahmen aus einem Betriebsvermögen zur Einbringung in eine gemeinnützige Stiftung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG), – umfassende Befreiung von der Kapitalertragsteuer (§§ 44a Abs. 4 i.V.m. § 44c Abs. 1 EStG), 1 Vgl. zur ordnungsgemäßen Mittelverwendung etwa OFD Frankfurt, Vfg. v. 9.9.2003, S 0174 A – 16 St II 1.03, DStR 2003, 2071. 2 OFD Magdeburg, Vfg. v. 18.5.2004 – S 1900 – 22 – St 217, S 0171 – 155 – St 217, KStK § 5 KStG Karte 8.70 Blatt 1. 3 BMF v. 17.11.2004, BStBl. 2004 I, 1059. 4 AEAO Nr. 4 Satz 1 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1. 5 BMF v. 19.10.1998, BStBl. 1998 I, 1423, AEAO Nr. 4–8 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1; kritisch Schauhoff, DStR 1998, 701 (702 ff.).
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 96 B XII
– Befreiung von der Körperschaftsteuer (§ 5 Nr. 9 KStG), – Befreiung von der Gewerbesteuer (§ 3 Nr. 6 GewStG), – Befreiung von der Grundsteuer (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) GrStG). Soweit die Steuerbefreiung davon abhängt, dass es sich um eine Stiftung mit Sitz Inland handelt, bestehen Bedenken gegen die Europarechtskonformität dieser Voraussetzung bzw. das Erfordernis der Gegenseitigkeit1.
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Die Steuerbefreiung nach § 13 Nr. 16 lit. b) ErbStG soll laut Erlass des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 12.11.20032 nicht zur Anwendung kommen, wenn die gemeinnützige Stiftung nur als Vorerbin eingesetzt wird, Nacherben die Abkömmlinge des Erblassers oder Dritte sind und der Nacherbfall durch Umstände in Person des Nacherben herbeigeführt wird. Es fehle an der dauerhaften Bindung des Vermögens i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO3.
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Aus steuerrechtlicher Sicht hat eine gemeinnützige Stiftung vier Sphären:
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– ideeller Bereich, – Vermögensverwaltung, – Zweckbetrieb und – wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Im ideellen Bereich verwirklicht die Stiftung ihre Satzungszwecke, ohne Leistungen gegen Entgelt zu erbringen. Dieser Bereich rechtfertigt die Steuerbegünstigung der Einnahmen aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Zuschüssen. Solange die Stiftung lediglich ihr Vermögen verwaltet und die Früchte aus dem Vermögen zieht (§ 14 Satz 3 AO), ist dies ertragsteuerlich ebenfalls nicht relevant4. Einer steuerbefreiten Stiftung ist es aber auch nicht verwehrt, neben der Vermögensverwaltung wirtschaftlich tätig zu werden, also einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu unterhalten. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb führt lediglich zur partiellen Steuerpflicht (§ 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG, § 5 Nr. 9 Satz 2 KStG), soweit kein sog. Zweckbetrieb vorliegt (§§ 65–68 AO).5 Lediglich Einnahmen aus vermögensverwaltender Tätigkeit und aus Zweckbetrieben bleiben im Ergebnis steuerfrei.
1 Vgl. nur Kessler/Spengel, DB 2009, Beilage 1, 34. 2 DStZ 2004, 133. 3 In diese Richtung scheint auch das Urt. v. 16.1.2002 – II R 82/99, BStBl. 2002 II, 303 zu weisen, das zumindest eine dauerhafte Möglichkeit der Fruchtziehung verlangt. Kritisch aber Söffing/Thoma, BB 2004, 855. 4 Für die Zwecke der USt ist zu prüfen, ob eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt und die Fruchtziehung ggf. steuerbefreit ist, wie etwa im Falle der Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 UStG. Bei Zinseinnahmen dürfte regelmäßig keine nachhaltige gewerbliche oder berufliche Tätigkeit vorliegen (vgl. etwa BFH Urt. v. 15.1.1987 – V R 3/77, BStBl. 1987 II, 512). 5 Gestaltungstipps zur Vermeidung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs bei Söffing/Thoma, ErbStB 2005, 315.
Schindhelm/Stein
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B XII Rz. 97
Stiftung und Trust
97 Die Beteiligung der Stiftung an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft als Mitunternehmer stellt in jedem Fall einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar1. Sollen also Beteiligungen an Mitunternehmerschaften auf eine gemeinnützige Stiftung übertragen werden, empfiehlt es sich, die Personengesellschaften zunächst in Kapitalgesellschaften umzuwandeln oder eine Kapitalgesellschaft zwischenzuschalten. Das ist ohne Aufdeckung stiller Reserven im Rahmen der §§ 20, 25 UmwStG möglich. Zwar ist die Steuerbelastung ab dem In-Kraft-Treten der Definitivbesteuerung durch das Steuersenkungsgesetz auf Ebene einer Tochterkapitalgesellschaft oder im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs identisch, es besteht aber die Gefahr, dass der Umfang des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs die Gemeinnützigkeit insgesamt gefährdet, weil die wirtschaftliche Tätigkeit bei einer Gesamtbetrachtung nicht der Stiftung das Gepräge geben darf2. Die Praxis der Finanzverwaltung ist teilweise sehr restriktiv. 98 Nach einer Verfügung der OFD München-Nürnberg kann die Einbringung in eine Kapitalgesellschaft rückwirkend auf den Todestag erfolgen3. Ob eine derartige Gestaltung im Einzelfall anerkannt wird, sollte vorsichtshalber durch eine verbindliche Auskunft geklärt werden. 99 Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft überschreitet grundsätzlich nicht den Rahmen der Vermögensverwaltung4. Letzteres gilt nicht, wenn die Stiftung tatsächlich entscheidenden Einfluss auf die laufende Geschäftsführung ausübt, was insbesondere bei einer Personalunion der Geschäftsführung von Stiftung und Gesellschaft anzunehmen ist5. Die Stiftung sollte daher nicht zu starken (über gewöhnliche Gesellschafterrechte hinausgehenden) Einfluss auf die laufende Geschäftsführung nehmen können. Für die kautelarjuristische Praxis empfahl es sich bisher, laufende Entscheidungen nicht auf die Ebene der Gesellschafterversammlung zu verlagern. Nach In-Kraft-Treten des StSenkG dürfte im Ergebnis keine unterschiedliche Steuerbelastung entstehen, weil Dividenden und Veräußerungsgewinne nach § 8b KStG steuerbefreit sind, so dass eine KSt-Schuld aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „Beteiligung“ wegen Anrechnung der KapESt nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG oder Erstattung der KapESt nach §§ 44b, 44a EStG kaum entsteht. Es bleibt aber auch hier die Problematik, ob nicht die Gemeinnützigkeit insgesamt durch den Umfang des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gefährdet ist. Die Qualifikation als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb findet nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht statt, wenn die Kapitalgesellschaft ihrerseits ausschließlich Vermögensverwaltung betreibt6.
1 BFH v. 27.7.1988 – I R 113/84, BStBl. 1989 II, 134 f. 2 Vgl. etwa Troll/Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen, E 2; OFD Kiel Vfg. v. 25.8.2003, S 0174 A – St 262, n.v.; kritisch Walkenhorst, DStR 2009, 717, 721. 3 Vfg. v. 7.5.1993, DStR 1993, 1595. 4 Vgl. etwa Lex, DB 1997, 349 ff. 5 Vgl. BFH v. 30.6.1971 – I R 57/70, BStBl. 1971 II, 753. 6 AEAO zu § 64 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2.
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 104 B XII
Die Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen an eine Tochterkapitalgesellschaft führt nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung zu einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, es sei denn, das Betriebsunternehmen ist selbst vermögensverwaltend oder gemeinnützig tätig. Nach h.M. bleibt die Gemeinnützigkeit im Übrigen unberührt1.
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Sofern die Stiftung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, unterliegt dieser einer Belastung in Höhe von 15 % Körperschaftsteuer nebst 5,5 % Solidaritätszuschlag. Wenn sich die Stiftung an einer Kapitalgesellschaft beteiligt, sind die Gewinnausschüttungen ebenfalls mit 15 % Körperschaftsteuer nebst 5,5 % Solidaritätszuschlag vorbelastet. Die Kapitalertragsteuer wird der steuerbefreiten Körperschaft nach § 44c Absatz 2 EStG erstattet. Weiterhin ist unabhängig davon die Belastung mit Gewerbesteuer zu berücksichtigen, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs vorliegen.
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Das Gebot der satzungsmäßigen Mittelverwendung nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO bezieht sich auf sämtliche aus Mitteln der Körperschaft aufzubringende Vergütungen, so dass auch unangemessene Vergütungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs gezahlt werden, zur Versagung der Gemeinnützigkeit führen können2.
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cc) Spenden an die gemeinnützige Stiftung Zuwendungen an eine gemeinnützige Stiftung können im Rahmen des § 10b Abs. 1 EStG grundsätzlich als Spende in Form von abzugsfähigen Sonderausgaben einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden bis zu einer Höhe von insgesamt
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– 20 % des Gesamtbetrags der Einkünfte bzw. – 4 ‰ der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter. Der Spendenabzug setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Verwendung zu gemeinnützigen Zwecken auf Dauer sichergestellt ist und kein Rückfluss an den Stifter in der Satzung vorgesehen ist3. § 10b Abs. 1 Satz 4 EStG sieht in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 104 1999/2000/2002 vor, dass Einzelzuwendungen (Großspenden) von mindestens 25 565 Euro für wissenschaftliche, mildtätige und besonders förderungswürdig anerkannte kulturelle Zwecke im Rahmen des Höchstsatzes ein Jahr zurück und fünf Jahre vorgetragen werden können. Nach dem BFH-Urteil v. 4.5.2004 setzt die Rück- bzw. Vortragsfähigkeit einer Großspende die Überschreitung beider in § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG genannten Höchstbeträge voraus4. Die
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Lex, DB 1997, 349 (351 f.); Schick, DB 1999, 1187 (1190); Götz, INF 2004, 628, 632. BFH v. 28.10.2004 – I B 95/04, BFH/NV 2005, 160. BFH v. 5.2.1992 – I R 63/91, BStBl. 1992 II, 748. BFH v. 4.5.2004 – V B 101/03, BStBl. 2004 II, 736.
Schindhelm/Stein
803
B XII Rz. 105
Stiftung und Trust
Regelung wurde durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements abgeschafft. Für im Veranlagungszeitraum 2007 geleistete Spenden besteht ein Wahlrecht zur Anwendung des § 10b Abs. 1 EStG a.F. Für die Abzugsreihenfolge ist der zeitlich begrenzte Altvortrag von verbleibenden Großspenden vorrangig.1 105
Die Möglichkeit eines zusätzlichen Sonderausgabenabzugs für Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen – mit Ausnahme der Freizeitzweckstiftungen i.S.d. § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO – wurde durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen in § 10b Abs. 1 Satz 3 EStG neu geschaffen. Der Abzug ist auf einen Betrag von 20 450 Euro jährlich beschränkt. Die Regelung wird analog in § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG n.F. und in § 9 Nr. 5 GewStG n.F. umgesetzt2. Der Abzugshöchstbetrag steht bei zusammen veranlagten Ehegatten jedem Ehegatten eigenständig zu, wobei es unerheblich ist, aus wessen Vermögen die Zuwendung stammt3. Die Regelung wurde ebenfalls durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements mit Wirkung ab dem VZ 2007 abgeschafft.
106
§ 10b Abs. 1a EStG begünstigt darüber hinaus Zuwendungen in den Vermögensstock einer nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KStG steuerbefreiten Stiftung des Privatrechts durch einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug von 1 000 000 Euro (ab VZ 2007, davor 307 000 Euro). Der Betrag kann nur alle zehn Jahre einmal ausgeschöpft werden. Unklar bleibt aufgrund der Formulierung, wann der Zehn-Jahres-Zeitraum beginnt und ob nicht ausgeschöpfte Abzugsbeträge später noch genutzt werden können (also kein Verbrauch dem Grunde nach bei erstmaligem Abzug erfolgt)4. Das gilt entsprechend für die Gewerbesteuer (§ 9 Nr. 5 GewStG), nicht aber für die Körperschaftsteuer. Ob ein sachlicher Grund besteht, diese Privilegierung anderen steuerbefreiten Körperschaften als Spendenempfängern vorzuenthalten, ist umstritten5.
107
Durch wiederholte Zuwendungen des Stifters kann dieser, ggf. im Wege des Spendenvor- oder -rücktrags, den Spendenabzugsrahmen in jedem Jahr ausschöpfen und dadurch eine erhebliche Senkung der Steuerbelastung herbeiführen. Bei einem Übergang des Vermögens von Todes wegen ist dagegen kein Spendenabzug möglich6.
1 BMF-Schreiben v. 18.12.2008, BStBl. 2009 I, 16, Tz. 1. 2 Zur Gestaltung der Zuwendungsbestätigungen s. BMF-Schreiben v. 8.12.2000, DB 2000, 2559. 3 BFH v. 3.8.2005 – XI R 76/03, BStBl. I 2006, 128. 4 Vgl. etwa Hüttemann, DB 2000, 1584 (1590 f.). 5 Verfassungsmäßigkeit bejahend Crezelius/Rawert, ZEV 2000, 421 (424), kritisch Thiel, DB 2000, 392 (395). 6 BFH v. 23.10.1996 – X R 75/94, BStBl. 1997 II, 239 f.
804
Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 112 B XII
Übersicht: Spendenabzug bei Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen des Privatrechts Norm
1. § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG, § 9 Nr. 5 Satz 1 GewStG § 9 Nr. 5 Satz 1 GewStG
„Anlass“
Zeitrahmen
allg. Spen- jährlich denabzug
2. § 10b Abs. 1a Stiftung EStG, § 9 Nr. 5 Satz 3 GewStG
alle 10 Jahre
Besondere Höhe Voraussetzung keine
a) 20 % des GdE oder b) 0,4 ‰ (Umsätze + Löhne + Gehälter)
Zuwendung in den Vermögensstock
1 000 000 Euro
108
Anmerkung
zusätzlich
e) Familienstiftung1 § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG begünstigt nur die Zuwendungen, die einer Stiftung unmittelbar bei ihrer Errichtung gemacht werden. Für spätere Zuwendungen, also die sog. Zustiftungen, greift stets die Steuerklasse III, auch wenn sie vom Stifter selbst stammen2. Nach h.M. soll § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG auch eingreifen, wenn der Stifter sich im Stiftungsgeschäft bereits zu feststehenden späteren Zuwendungen verpflichtet3.
109
Û
Beratungshinweis: In der Stiftungssatzung sollten ggf. bereits bei Errichtung der Stiftung weitere Zustiftungen durch den Stifter verbindlich festgelegt werden, um auch insoweit in den Genuss der günstigeren Steuerklasse des § 15 Abs. 1 ErbStG zu gelangen.
110
Bei reinen Familienstiftungen sind die Zuwendungen an die Destinatäre nach den Grundsätzen des Teileinkünfteverfahrens zu versteuern, weil auf Ebene der Stiftung eine Körperschaftsbesteuerung stattgefunden hat (§§ 2 Abs. 1 Nr. 7, 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 lit. a) und b) i.V.m. § 3 Nr. 40 lit. i) EStG). In Ausnahmefällen kann auch eine steuerpflichtige Leistung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG vorliegen4.
111
Alle 30 Jahre seit dem Zeitpunkt der Stiftungserrichtung wird durch § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ein Erbfall fingiert. Die Familienstiftung wird im Rahmen der Erbersatzsteuer so besteuert, als ob eine natürliche Erbfolge auf zwei Kinder (über 27 Jahren) erfolgt wäre. Die Steuerpflicht erstreckt sich auf das ge-
112
1 2 3 4
Hierzu: Korezkij, ZEV 1999, 132 ff. R 73 Abs. 3 ErbStR; Meincke, ErbStG, § 15 Anm. 21. Vgl. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 15 Rz. 112. Vgl. Orth, DStR 2001, 325 (331).
Schindhelm/Stein
805
B XII Rz. 113
Stiftung und Trust
samte zum Stichtag vorhandene Vermögen. Die Steuer wird unabhängig vom Kreis der Berechtigten nach dem Steuersatz der Klasse I, der für die Hälfte des steuerpflichtigen Vermögens gelten würde, berechnet (§ 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG). Die Steuerschuld kann entweder gem. § 24 ErbStG auf 30 Jahre in Raten verteilt oder, soweit es sich um Betriebsvermögen handelt, gem. § 28 Abs. 2 ErbStG bis zu zehn Jahre gestundet werden1. 113
Die Erbersatzsteuer ist auf den ersten Blick ein gravierender Nachteil der Familienstiftung. Sie ist allerdings im Einzelfall günstiger als die Besteuerung des Vermögensüberganges von Todes wegen, z.B. wenn weniger als zwei Kinder als Erben in Betracht kommen, oder die Altersstruktur eine schnellere Erbfolge als den gesetzlichen Turnus von dreißig Jahren wahrscheinlich macht. Nicht zuletzt hat sie den Vorteil, dass die Steuerbelastung planbar ist2. f) Doppelstiftung
114
Jede der Stiftungen unterliegt ihren eigenen steuerlichen Regelungen für gemeinnützige Stiftungen bzw. Familienstiftungen. Die gemeinnützige Stiftung ist körperschaftsteuerfrei (§ 5 Nr. 9 KStG), die Familienstiftung ist steuerpflichtig, bezieht aber regelmäßig nur steuerfreie Dividenden (§ 8b KStG). Hingegen sind aber die Zuwendungen aus der Familienstiftung bei den Destinatären zur Hälfte steuerpflichtig, während sie bei Zahlung durch eine gemeinnützige Familienstiftung voll steuerpflichtig wären (§ 22 Nr. 1 Satz 2 lit. a) i.V.m. § 3 Nr. 40 lit. i) EStG).
3. Besteuerung der Stiftungsaufhebung 115
Bei der Aufhebung der gemeinnützigen Stiftung muss das Vermögen grundsätzlich für gemeinnützige Zwecke verwendet werden, um nicht die Folgen des § 61 Abs. 3 AO herbeizuführen. Dieser Grundsatz der Vermögensbindung gilt allerdings nur für das Vermögen, das das Dotationskapital einschließlich der geleisteten Sacheinlagen übersteigt (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 AO). Es ist also auch bei gemeinnützigen Stiftungen eine Bestimmung möglich, nach der die Einlagen an den Stifter bzw. dessen Erben zurückzugeben sind. Allerdings scheidet bei einer solchen Satzungsbestimmung die Geltendmachung der Einlage als Spende i.S.d. § 10b EStG aus3.
116
Da § 11 Abs. 1 KStG nur für Kapitalgesellschaften gilt, sind für die Stiftung über die Generalverweisung des § 8 KStG die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes einschlägig. Die Folge ist, dass bei steuerpflichtigen Stiftungen
1 Vgl. hierzu Korezkij, ZEV 1999, 132 (135); zur Anzeigepflicht des Vorstandes vgl. Ebeling, DStR 1999, 665 f. 2 Dem Risiko unvorgesehener Liquiditätsabflüsse durch ErbSt kann außerhalb von Stiftungsmodellen natürlich auch durch Versicherungsgestaltungen oder den Aufbau von Liquiditätsreserven vorgebeugt werden. 3 AEAO Tz. 14 zu § 55.
806
Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 118 B XII
mit Betriebsvermögen die stillen Reserven zu versteuern sind. Allerdings ist ein Aufgabegewinn gewerbesteuerfrei1. Erwerbe anlässlich der Aufhebung einer Stiftung gelten gem. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG als Schenkung unter Lebenden. Für die Bestimmung der Steuerklasse und des persönlichen Freibetrages gilt – unabhängig vom Sitzort, also auch bei ausländischen Stiftungen – als Schenker der Stifter (§ 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG). Nach R 2 Ab. 4 ErbStR 2003 soll die Änderung des Stiftungszwecks einer Familienstiftung (die Richtlinie spricht etwas schwammig von Stiftungscharakter) eine Aufhebung der bestehenden Stiftung und Errichtung einer neuen Stiftung anzusehen sein. Das ist aber mangels Vermögenstransfers nicht aufrechtzuerhalten2.
117
Übersicht: Unterschiede in der steuerlichen Behandlung von steuerbegünstigter Stiftung und Familienstiftung
118
Steuerbegünstigte Stiftung
Familienstiftung
Errichtung
erbschaft- und schenkungsteuerbefreit
Erbschaft und- bzw. Schenkungsteuer (Steuerklasse abhängig vom Verwandschaftsverhältnis des zum Stifter entferntest Begünstigten)
Spendenabzug für das Stiftungskapital
Im Rahmen des § 10b EStG nein (s.o.), soweit satzungsgemäß keine Rückgewähr an den Stifter möglich ist
Laufende KSt- und GewSt-Belastung der Stiftung
– Steuerfreiheit mit Ausnahme der wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe, die keine Zweckbetriebe sind – Freibetrag nach § 24 KStG und § 11 Abs. 1 Nr. 2 GewStG: 5000 Euro
– Einkunftsarten wie bei natürlichen Personen – GewSt bei gewerblichen Einkünften – Zahlungen an Destinatäre nicht abzugsfähig
Besteuerung der Destinatäre
Steuerpflichtige Bezüge nach § 22 EStG (Drittelgrenze des § 58 Nr. 5 AO beachten)
Steuerpflichtig im Teileinkünfteverfahren (§§ 2 Abs. 1 Nr. 7, 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 lit. a) und b) i.V.m. § 3 Nr. 40 lit. i) EStG bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 3 Nr. 40 lit. d) EStG)
Erbersatzsteuer
Nein
Alle 30 Jahre wird Vermögensübergang auf 2 Kinder fingiert (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG)
1 Vgl. Abschn. 38 Abs. 3 GewStR. 2 Vgl. auch Gebel, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 7 Rz. 338; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rz. 155; Schuck, in: Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG, 2. Aufl., § 7 Rz. 157.
Schindhelm/Stein
807
B XII Rz. 118
Stiftung und Trust Steuerbegünstigte Stiftung
Familienstiftung
Beteiligung an Kapitalgesellschaften
– Im Bereich der Vermögens- steuerfrei im Rahmen des § 8b KStG, Anrechnung der KESt verwaltung steuerfrei (Erstattung der KESt) – Im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb steuerfrei im Rahmen des § 8b KStG, Anrechnung der KESt – Problem: Infizierung des ideellen Bereichs
Beteiligungen an Mitunternehmerschaften
– Steuerpflichtig (begründen Steuerpflichtig wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb) – Problem: Infizierung des ideellen Bereichs
IV. Ausländische Stiftungen und verwandte Rechtsinstitute
Û
Beratungssituation: Ihr Mandant betritt verunsichert Ihre Kanzlei. Er berichtet von einem Golffreund, der seit Jahren keine Steuern mehr in Deutschland zahle. Er habe das Vermögen auf Stiftungen und Trusts in verschiedenen Steueroasen übertragen. Wie das steuerlich funktioniere, könne er allerdings nicht erklären. Darum würden sich seine Berater kümmern. Ihr Mandant fragt, ob und wie eine solche Gestaltung auch für ihn möglich sei.
Pro Ausländische Stiftung
Kontra Ausländische Stiftung
– Diskrete Vermögensverwaltung möglich – Teilweise sehr flexibles Stiftungsrecht
– Steuerersparnis nur in wenigen Fällen erzielbar – mögliche steuerliche Nachteile bei Übertragung von Betriebsvermögen und wesentlichen Beteiligungen (Entstrickungsbesteuerung) – Kosten der Stiftungserrichtung und -verwaltung – Effektive Kontrolle fremder Vermögensverwalter nach dem Recht des Sitzstaates teilweise schwierig – Rückführung des Vermögens zum Stifter oder seinen Angehörigen nach dem Recht des Sitzstaates teilweise schwierig – Ungünstige erbschaftsteuerliche Behandlung: a) Errichtung und spätere Übertragung von Vermögen steuerpflichtig in StKl. III (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG i.V.m.
808
Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 123 B XII § 15 Abs. 1 ErbStG; Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gilt nur für inländische Stiftungen!) b) Aufhebung steuerpflichtig, wobei die StKl. vom Verwandtschaftsgrad zum Errichter abhängt (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG)
Deutschland wird von wohlhabenden Personen regelmäßig als Hochsteuerland empfunden. Das wirft die Frage auf, ob und in welchem Umfang durch Gewinn- und Vermögensverlagerungen in Niedrigsteuerländer die deutsche Steuerlast gemindert werden kann. Ein komplette Abhandlung dieses Themas ist aus Platzgründen nicht möglich. An zwei vergleichbaren Institutionen soll die Problematik daher exemplarisch betrachtet werden: der österreichischen Privatstiftung und dem Trust des angelsächsischen Rechtskreises. Die Betrachtung wird beschränkt auf die Perspektive deutscher Stifter.
119
1. Die österreichische Privatstiftung Österreich hat sich mit dem Privatstiftungsgesetz (PSG) ein modernes und flexibles Stiftungsrecht gegeben, das durch ein attraktives Steuerrecht ergänzt worden ist. Aus deutscher Perspektive macht nicht zuletzt die geografische, sprachliche und kulturelle Nähe aus Österreich ein Nachbarland, das in Gestaltungsüberlegungen einbezogen werden sollte.
120
a) Überblick über das Zivilrecht Das Privatstiftungsgesetz hat das Stiftungsrecht bundeseinheitlich geregelt. 121 Die Privatstiftung entsteht mit der Eintragung im Firmenbuch (§ 7 Abs. 1 PSG). Sie unterliegt keiner staatlichen Stiftungsaufsicht, allerdings einer Kontrolle durch die Stiftungsprüfer (§ 20f PSG) und die weitgehenden Informationsrechte der Begünstigten (§ 30 PSG). Die Privatstiftung kann sowohl privatnützige als auch gemeinnützige Zwecke 122 verfolgen (§ 1 Abs. 1 PSG). Es ist ihr aber nicht gestattet, eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben, die über eine bloße Nebentätigkeit hinausgeht, die Geschäftsführung einer Handelsgesellschaft zu übernehmen oder persönlich haftende Gesellschafterin einer Personenhandelsgesellschaft oder eingetragenen Erwerbsgesellschaft zu sein (§ 1 Abs. 2 PSG). Beteiligungsträgerstiftungen in der Form von Holding-Stiftungen sowie Beteiligungen als Kommanditistin und als stille Gesellschafterin sind jedoch zulässig1. Das Mindestvermögen der Stiftung beträgt 70 000 Euro (§ 4 PSG) und muss dem Stiftungsvorstand zur freien Verfügung stehen. Kapitalerhaltungsvorschriften bestehen nicht; der Vermögensstamm kann daher, soweit nicht An1 Wachter, DStR 2000, 474 (475).
Schindhelm/Stein
809
123
B XII Rz. 124
Stiftung und Trust
sprüche von Gläubigern beeinträchtigt werden (§ 17 Abs. 2 PSG), den Begünstigten zugewendet werden. 124
Die Stiftung kann unter Lebenden durch beurkundete Stiftungserklärung oder von Todes wegen unter Beachtung der Formvorschriften für letztwillige Erklärungen errichtet werden (§§ 8, 39 PSG).
Û
Beratungshinweis: Die Stiftungserklärung unterliegt der Registerpublizität. Ein erheblicher Teil der Stiftungsregelungen kann aber auch in einer sog. Stiftungszusatzurkunde verankert werden, die keiner Registerpublizität unterliegt. Die Stiftungserklärung muss nach § 9 PSG mindestens Regelungen zur Widmung des Vermögens, dem Stiftungszweck, die Bezeichnung des Begünstigten, Name und Sitz der Privatstiftung, Name und Anschrift des Stifters und Angaben über die Dauer enthalten. In der Stiftungszusatzurkunde finden sich häufig Regelungen zur Widmung eines weiteren, das Mindeststammvermögen überschreitenden Stiftungsvermögens, die Bestimmung von Begünstigten und Letztbegünstigten und die Vergütung der Stiftungsorgane. Wesentliche Regelungen bleiben auf diese Weise vor der Öffentlichkeit (mit Ausnahme der Finanzverwaltung) geheim.
125
Die gesetzlich vorgeschriebenen Organe (14 Abs. 1 PSG) sind der Stiftungsvorstand (§ 15 PSG), der Stiftungsprüfer (§ 20 PSG) und unter bestimmten Voraussetzungen (§ 14 Abs. 1 PSG) der Aufsichtsrat. Die Einrichtung weiterer Organe ist möglich (§ 14 Abs. 2 PSG) und regelmäßig sinnvoll.
126
Der Stifter kann sich das Recht zur Änderung der Stiftungserklärung und zum Widerruf vorbehalten (§§ 33, 34 PSG). Da diese Rechte nur dem Stifter zustehen, ist bei geplanten Vermögenszuführungen durch mehrere Personen zu erwägen, sie alle als Stifter fungieren zu lassen. b) Aspekte des österreichischen Steuerrechts aa) Errichtung der Stiftung
127
Der Österreichische Verfassungsgerichtshof hatte in den Entscheidungen vom 7.3.2007 und 15.5.20071 die österreichische Erbschaft- und Schenkungsteuer für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31.7.2008 gesetzt, die der Gesetzgeber verstreichen ließ. Ab dem 1.8.2008 gibt es in Österreich keine Erbschaft- und Schenkungsteuer mehr. An dessen Stelle treten ein Schenkungsmeldegesetz und ein besonderes Stiftungseingangsteuergesetz.2 Der Transfer von Vermögen auf eine österreichische Privatstiftung bei ihrer Errichtung und spätere Nachstiftungen unterliegen einer Stiftungseingangsteuer von 2,5 %, wobei es unter bestimmten Voraussetzungen zu einer nachträglichen Erhöhung auf 25 % kommt. Bei Übertragung unbeweglichen öster1 ZEV 2007, 237. 2 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, 2008 I v. 26.6.2008.
810
Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 131 B XII
reichischen Vermögens erhöht sich die Steuer um 3,5 % des Wertes dieses Vermögens.1 Es gibt verschiedene Befreiungstatbestände, die teils technisch misslungen sind. bb) Laufende Besteuerung (1) Besteuerung der Stiftung Die Stiftung ist grundsätzlich körperschaftsteuerpflichtig. Der Steuersatz im 128 Bereich der voll besteuerten Einkünfte beträgt 25 %. Der 12,5 %igen sog. Zwischensteuer unterliegen Zinserträge aus in- und ausländischen Sparguthaben, Erträge aus in- und ausländischen Forderungswertpapieren und Gewinne aus der Veräußerung einer Beteiligung von mind. 1 %. Zu den steuerfreien Einkünften zählen insbesondere inländische Beteiligungserträge und ausländische Beteiligungserträge im Rahmen des Schachtelprivilegs sowie die Veräußerung einer Beteiligung unter 1 %. (2) Besteuerung der Destinatäre Laufende Zuwendungen an die Destinatäre werden mit einer Kapitalertragsteuer von 25 % endgültig besteuert (§ 93 Abs. 2, 97 öEStG). Substanzauszahlungen an die Begünstigten unterliegen nach neuem Recht nicht mehr der Besteuerung (§ 27 Abs. 1 Nr. 8 öEStG nF.).
129
c) Erbschaftsteuer-Doppelbesteuerungsabkommen Aus gestalterischer Perspektive war das Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich vom 4.10.19542 besonders interessant, weil es anders als die übrigen DBA kein Nachbesteuerungsrecht für die BRD und zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Freistellungsmethode vorsah. Als Reaktion auf das Auslaufen der Erbschaftsteuer zum 31.7.2008 hat das BMF das Abkommen zum 31.12.2008 gekündigt. Mit Österreich wurde ein Abkommen zur Weiteranwendung der Vorschriften des außer Kraft getretenen Abkommens auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern auf Erbfälle, die nach dem 31. Dezember 2007 und vor dem 1. August 2008 eingetreten sind, am 6. November 2008 unterzeichnet3.
130
d) Deutsches Ertragsteuerrecht Ausländische Privatstiftungen üben als Instrument der Vermögensnachfolge einen außerordentlichen Reiz aus. In der Beratungspraxis kommt die Errichtung einer ausländischen Privatstiftung trotz zivilrechtlicher Vorteile in dieser Gestaltung nur dann in Betracht, wenn eine Vermögensübertragung durch einen deutschen Stifter ohne steuerliche Nachteile möglich ist.
1 Ludwig/Jorde, IStR 2009, 19 (20). 2 BStBl. 1955 I, 376. 3 BMF-Schreiben v. 22.1.2009, BStBl. I 2009, 355.
Schindhelm/Stein
811
131
B XII Rz. 132
Stiftung und Trust
aa) Anteile an Kapitalgesellschaften 132
Bei – wesentlichen – Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG führt die Einbringung in eine ausländische Privatstiftung als einer nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Person zur Entstrickungsversteuerung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG1. Die Steuerstundung nach § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG setzt nach dem Wortlaut voraus, dass der Rechtsnachfolger der Einkommensteuer unterliegt. Die Übertragung auf eine Körperschaft ist nicht erfasst. Diese Gesetzeslücke sollte im Wege der Analogie geschlossen werden2. bb) Betriebsvermögen/Mitunternehmeranteile
133
Bei einer Einbringung in eine ausländische Privatstiftung ist eine Gewährung von Gesellschaftsrechten aus zivilrechtlichen Gründen nicht denkbar. §§ 20 ff. UmwStG sind daher grundsätzlich nicht anwendbar. Die Übertragung ist zwar keine Betriebsveräußerung, aber Betriebsaufgabe im Sinne von § 16 Abs. 3 EStG und führt zu einer Realisierung stiller Reserven einschließlich Geschäftswert. Nach dem BFH-Urteil v. 17.7.20083 sollte auch bei der Übertragung auf eine ausländische Stiftung § 6 Abs. 3 EStG jedenfalls im EGFall anwendbar sein, soweit es nicht zu einer Steuerentstrickung kommt. Jedoch will die Finanzverwaltung das Urteil nicht anwenden und ein Nichtanwendungsgesetz anregen4. Die Möglichkeiten zur Buchwertverknüpfung sind daher unklar. cc) Zurechnung von Einkünften
134
Ausländische Stiftungen verhindern die Zurechnung von Einkünften zum Errichter nicht in allen Fällen. Nach § 15 Abs. 1 AStG werden dem Stifter, wenn er unbeschränkt steuerpflichtig ist, sonst den unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, die bezugs- oder anfallsberechtigt sind, Vermögen und Einkommen einer Familienstiftung entsprechend ihrem Anteil zugerechnet. Familienstiftungen sind nach der Legaldefinition des § 15 Abs. 2 AStG Stiftungen, bei denen der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind. In diesen Fällen werden die auf die Stiftung verlagerten Erträge doch auf deutschem Steuerniveau versteuert, wobei die ausländischen Steuern nach § 12 AStG anrechenbar sind. Was unter dem zurechnungspflichtigen Einkommen zu verstehen und wie es zu berechnen ist, bleibt allerdings weiterhin unklar.5
1 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, § 6 Rn. 62 ff. 2 Vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, § 6 Rn. 221.; a.A. wohl Ludwig/Jorde, IStR 2009, 19 (23), die eine Nachversteuerung annehmen. 3 BFH v. 17.7.2008 I R 77/06, BFH/NV 2008, 1941. 4 BMF-Schreiben v. 20.5.2009, BStBl. I 2009, 671 f. 5 Vgl. Wassermeyer, IStR 191 ff.; zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen s. Schönfeld, IStR 2009, 16 ff.
812
Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 137 B XII
Der Gesetzgeber hat mit dem JStG 2009 auf die europarechtlichen Bedenken gegen § 15 AStG1 reagiert und mit § 15 Abs. 6 AStG eine Rückausnahme vorgesehen, wenn eine Familienstiftung Geschäftsleitung oder Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat und nachgewiesen wird, dass das Stiftungsvermögen der Verfügungsmacht der Stifter bzw. Begünstigten rechtlich und tatsächlich entzogen ist und zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat, in dem die Familienstiftung Geschäftsleitung oder Sitz hat, auf Grund der Richtlinie 77/799/EWG oder einer vergleichbaren zweioder mehrseitigen Vereinbarung, Auskünfte erteilt werden, die erforderlich sind, um die Besteuerung durchzuführen.2 Die Auskunftserteilung ist im Falle Österreichs durch die EG-Amtshilferichtlinie unbeschadet des Bankgeheimnisses möglich.3 Auch die Neuregelung begegnet erheblichen europarechtlichen Bedenken.4
135
Die Regelung des § 15 Abs. 6 AStG ist nach § 21 Abs. 8 Satz 1 AStG erstmals auf den Veranlagungszeitraum 2009 anzuwenden. Nach dem BMF-Schreiben v. 14.5.20085 gilt eine entsprechende Regelung auch für alle nicht bestandskräftigen Fälle. Abweichend von § 15 Abs. 6 AStG verlangt die Finanzverwaltung allerdings zusätzlich den unwiderruflichen Übergang des Vermögens aus die Stiftung. Obwohl das BMF-Schreiben nur bis zu einer gesetzlichen Neuregelung gelten soll, wird aus europarechtlichen Gründen die Anwendung auf alle nicht bestandskräftigen Fälle zwingend sein.6 Wird aus der Privatstiftung ausgeschüttet, unterliegt die Ausschüttung bei den Destinatären der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG, soweit nicht bereits die Zurechnungsbesteuerung nach § 15 Abs. 1 gegriffen hat.7 Auf diese Einkünfte sollte das Teileinkünfteverfahren anwendbar sein.8
136
dd) Zwischenergebnis Die Einbringung von inländischem Betriebsvermögen bzw. wesentlichen Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften führt nach nationalem Recht zur Aufdeckung stiller Reserven. Obwohl anzunehmen ist, dass die Entstrickungsbesteuerung mit der Grundfreiheit des EGV nicht vereinbar ist, ist sie wegen der Rechtsunsicherheit als Gestaltungsinstrument nur in den seltensten Fällen empfehlenswert. Im Wesentlichen kommt die ausländische 1 Vgl. Mitteilung der Kommission, IStR Länderbericht v. 5.8.2004, Heft 15/2004, 1; Kellersmann/Schnitger, IStR 2005, 253 (259 ff.). Rundshagen, in: Strunk/Kaminski/ Köhler, § 15 AStG, Rz. 30; Wassermeyer/Schönfeld, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, § 15 Rz. 19.2 ff. 2 Dazu Schulz/Werz, ErbStB 2008, 177 (180 ff.). 3 Schulz/Werz, ErbStB 2008, 177 (182). 4 Vgl. Hey, IStR 2009, 181 (182 ff.). 5 BStBl. I 2008, 638. 6 Vgl. Hey, IStR 2009, 181 (186). 7 Die Zurechnungsbesteuerung geht als lex spezialis der allgemeinen Besteuerung vor (vgl. nur Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, § 15 Rn. 24; a.A. Habammer, DStR 2002, 425 (432), der beide Vorschriften parallel für anwendbar hält. 8 Schulz/Werz, ErbStB 2008, 177 (180).
Schindhelm/Stein
813
137
B XII Rz. 138
Stiftung und Trust
Privatstiftung für Nachfolgeregelungen im Bereich des übrigen Privatvermögens in Betracht. Häufig werden die Einkünfte der Stiftung dem Stifter oder seinen Angehörigen vorbehaltlich des § 15 Abs. 6 AStG zuzurechnen sein. e) Erbschaft- und Schenkungsteuer 138
Ausländische Sachverhalte werden im Ergebnis unter die wirtschaftlich vergleichbaren Tatbestände des ErbStG subsumiert. Von der Rechtsprechung wird ein zweistufiger Typenvergleich vorgenommen. Zunächst sind die Privatrechtsinstitutionen zu vergleichen. Entspricht die ausländische Regelung der deutschen strukturell, sind unmittelbar die entsprechenden Tatbestände des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts anwendbar. Entsprechen die ausländischen Rechtsgebilde nicht den deutschen, ist eine Anpassung der Rechtsposition des potenziell Steuerpflichtigen an das deutsche Recht erforderlich1. Die Errichtung einer österreichischen Privatstiftung durch Stifter mit Wohnsitz im Inland oder nach einem Wegzug innerhalb der ersten fünf Jahre unterliegt daher der Erbschaft- und Schenkungsteuer nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG2.
139
Auf den Erwerb der Stiftung ist stets Steuerklasse III anzuwenden, weil die Privilegierung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG lediglich auf Stiftungen mit Sitz im Inland anwendbar ist3. Als Kehrseite des Auslandssitzes entfällt nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG die Erbersatzsteuer des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, wenn sich nicht die Geschäftsleitung der Stiftung im Inland befindet. f) Fazit
140
Die Errichtung einer ausländischen Familienstiftung ist regelmäßig nur sinnvoll, wenn ein Inlandsbezug vermieden werden kann. Hierzu ist regelmäßig eine langfristige Planung erforderlich (Wohnsitzverlegung, Ablauf der erweitert unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Satz 2 lit. b) ErbStG, Verzicht auf die Einbringung von steuerverhaftetem Inlandsvermögen). Im Einzelfall mag bei bestehendem Inlandsbezug bereits die Vermeidung der Erbersatzsteuer ausreichen, um eine ausländische Stiftung attraktiv werden zu lassen.
1 BFH v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. 1972 II, 462 (463); 1986, 615 (617); Meincke, ErbStG, § 2 Rz. 4. 2 Vgl. Wachter, DStR 2000, 1037 (1042). Die Ausnahme einer fehlenden Verfügungsbefugnis der Stiftung (BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl.II 2007, 669) dürfte in der Regel nicht vorliegen. 3 Thömmes/Stockmann, IStR 1999, 261 ff. gelangen mit gewichtigen Argumenten zu dem Ergebnis, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gegen die Diskriminierungsverbote des EGV verstößt; zustimmend Kellersmann/Schnitger, IStR 2005, 253 (255 ff.).
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 141 B XII
2. Der Trust Pro Trust
Kontra Trust
– Bewährtes Instrument zur Vermeidung der Nachlassverwaltung im angelsächsischen Rechtskreis (probate) – Instrument zur Abschirmung des Vermögens vor Haftungsrisiken im angelsächsischen Rechtskreis (asset protection trust)
– Kosten der Errichtung und Verwaltung – Errichtung nur im Common Law Rechtskreis oder in nachahmenden Jurisdiktionen möglich – Inlandsvermögen kann nicht mit dinglicher Wirkung auf einen Trust übertragen werden (Sekundärstruktur erforderlich) – Erhebliche einkommensteuerliche Nachteile bei Übertragung von Betriebsvermögen und wesentlichen Beteiligungen möglich (Entstrickungsund Wegzugsbesteuerung) – Zurechnung der laufenden Einkünfte des Trusts nach § 15 AStG zum Errichter oder den Begünstigten (keine Abschirmwirkung!) – Ungünstige erbschaftsteuerliche Behandlung: a) Errichtung und spätere Übertragung von Vermögen steuerpflichtig in StKl. III (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 1 ErbStG) b) Auflösung, wobei die StKl. vom Verwandtschaftsgrad zum Errichter abhängt (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG) c) sowie von Zwischenerwerben, wobei die StKl. vom Verwandtschaftsgrad zum Errichter abhängt (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG) – Bei Ausschüttungen droht ungemilderte Doppelbelastung mit ESt und ErbSt
a) Einleitung Der Trust ist ein Rechtsinstitut, das für den angloamerikanischen Rechtskreis typisch ist. Er ist dem kontinentaleuropäischen, insbesondere dem deutschen Recht, unbekannt. Die Grundstruktur eines Trusts basiert auf der Unterscheidung zwischen common law und equity. Es besteht ein rechtliches Dreiecksverhältnis zwischen einem Vermögensgeber (grantor oder settlor genannt), einem Vermögensverwalter (trustee) und den Begünstigten (beneficiary). Der Vermögensgeber überträgt den so genannten legal title nach common law auf den trustee. Den Begünstigten steht das laufende Einkommen oder die Ver-
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141
B XII Rz. 142
Stiftung und Trust
mögenssubstanz in equity zu. Die Grundstruktur kann wie folgt dargestellt werden1:
kann identisch sein*
legal title
settlor/grantor
trustee
equitable interest (income /remainder) kann identisch sein* beneficiary *mindestens zwei Personen
142
Trusts können in einer Vielzahl von Erscheinungsformen auftreten, die eine einheitliche Behandlung unmöglich machen2. Als Instrument zur generationsübergreifenden Regelung der Unternehmensnachfolge haben sich im angelsächsischen Rechtskreis sog. dynastische Trusts bewährt. Unter dem Gesichtspunkt der Haftungsabschirmung sind die sog. asset protection trusts weit verbreitet. Fraglich ist, ob dies auch eine Gestaltungsalternative aus deutscher Perspektive ist. b) Zivilrechtliche Grenzen des Einsatzes von Trusts
143
Das deutsche internationale Privatrecht zieht dem Einsatz von Trusts als Instrument eines Vermögenstransfers enge Grenzen. aa) Errichtung eines Nachlasstrusts
144
Errichtung und Durchführung eines Nachlasstrusts unterliegen dem Erbstatut3. Nach Art. 25 Absatz 1 EGBGB ist auf alle materiell-rechtlichen Fragen der Rechtsnachfolge von Todes wegen das durch die Staatsangehörigkeit des Erblassers bestimmte Recht anzuwenden. Wo der Deutsche lebt und ob er weitere Staatsangehörigkeiten hat, ist aus Sicht des deutschen IPR unerheblich (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Eine Rechtswahl weg vom deutschen Recht 1 Vgl. Watrin, Erbschaftsteuerplanung internationaler Familienunternehmen, 1997, S. 165. 2 Vgl. den Überblick über die Trusttypen bei Schindhelm/Stein, StuW 1999, 31 ff. 3 Vgl. Staudinger/Dörner, Art. 25 EGBGB Rz. 410; Siemers/Müller, ZEV 1998, 206, 207; Witthuhn, Das internationale Privatrecht des Trust, 1987, S. 95.
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 149 B XII
ist nicht zulässig. Das ergibt sich im Umkehrschluss aus Art. 25 Abs. 2 EGBGB1. Enthält die letztwillige Verfügung eines Deutschen die Anordnung zur Errichtung eines Nachlasstrusts, ist die Rechtsfolge die Unwirksamkeit dieser Anordnung2. Um dem Erblasserwillen gleichwohl Geltung zu verschaffen, ist die Trust-Anordnung mangels ausdrücklicher Kollisionsnorm in ein entsprechendes deutsches Rechtsinstitut umzudeuten3.
145
Keiner zivilrechtlichen Umdeutung bedarf es hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens, das aufgrund der kollisionsrechtlichen Rechtsspaltung nach Art. 3 Absatz 3 EGBGB dem ausländischen Belegenheitsrecht unterliegt. Ein deutscher Erblasser kann sich daher mit Anerkennung des deutschen internationalen Erbrechts grundsätzlich eines letztwillig angeordneten Trusts zur Übertragung seines im angloamerikanischen Rechtskreis belegenen Immobiliarvermögens bedienen, da für dieses im Rahmen der Nachlassspaltung regelmäßig das Belegenheitsrecht berufen ist.
146
bb) Trust unter Lebenden Die Anknüpfung des IPR im Falle von inter vivos Trusts ist mangels Regelung umstritten4. Für Gestaltungsüberlegungen entscheidend ist die Möglichkeit der freien Rechtswahl (Art. 27 EGBGB), die zumindest bei schuldrechtlich ausgestalteten Trusts Spielraum schafft.
147
cc) Wirksamkeit der Vermögensübertragung Selbständig anzuknüpfen ist nach deutschem IPR die Frage, ob eine Ver- 148 mögensverfügung wirksam ist5. Nach Ansicht des BGH6 können Forderungen, die nach deutschem Recht begründet sind, aus dogmatischen Gründen nicht auf einen Trust übertragen werden, weil dem deutschen Recht die Aufteilung der Rechtsstellung zwischen common law und equity unbekannt sei. Aus deutscher Perspektive sei die Übertragung auf den Trust unwirksam und das entstehende Rechtsverhältnis umzudeuten, z.B. in eine Treuhandvereinbarung. Im deutschen internationalen Sachenrecht gilt das Recht des Lageortes für alle Übereignungstatbestände; eine Rechtswahl ist nicht möglich7. Entspre1 Vgl. auch Palandt/Heldrich, Art. 25 EGBGB Rz. 7 m.w.N. zur Rechtswahl. 2 § 2084 BGB bewirkt, dass die Unwirksamkeit der Trust-Anordnung regelmäßig nicht auf die übrigen Verfügungen durchschlägt. 3 Vgl. Sieker, IStR 1995, 344 (345); noch zweifelnd in: Der US-Trust, S. 91; ebenso Graue, FS Ferid, S. 151 (178 f.). 4 Übersicht über die verschiedenen Auffassungen bei Schindhelm/Stein, StuW 1999, 31 (37 f.). 5 Vgl. von Oertzen, IStR 1995, 149 (151); Real, RIW 1996, 54 (56); Staudinger/Stoll, Internationales Sachenrecht, Rz. 295. 6 BGH v. 13.6.1984 – IVa ZR 196/82, IPRax 1985, 221 (223 f.). 7 Ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. zuletzt Urteil v. 25.9.1996 – VIII ZR 76/95, IStR 1997, 159 f. mit umfassenden Nw. auch der h.L.
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Stiftung und Trust
chend der Behandlung von Forderungen kann folglich aus deutscher Perspektive kein Inlandsvermögen wirksam auf einen Trust transferiert werden1. dd) Anwendungsbereich des Trusts aus zivilrechtlicher Sicht 150
Aus Sicht des deutschen IPR verbleiben bei deutschen Staatsangehörigen für den Einsatz eines Trusts zwei sinnvolle Anwendungsfelder: – Nachlasstrust über Auslandsvermögen im Common-Law-Rechtskreis, auf das Belegenheitsrecht anwendbar ist, – Inter-Vivos-Trust über Auslandsvermögen2. c) Ertragsteuern aa) Beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Nr. 1 KStG
151
Der Trust bildet eine selbstständige Vermögensmasse i.S.d. § 2 Nr. 1 KStG3. Er unterliegt daher mit den inländischen Einkünften der beschränkten Steuerpflicht. Praktisch dürfte sich das wegen der fehlenden zivilrechtlichen Übertragbarkeit von Inlandsvermögen auf einen Trust kaum auswirken. bb) Zurechnung von Einkünften
152
Die Zurechnung von Einkünften hängt von der Stellung des Trust-Errichters ab. Hat er eine derartig starke Rechtsposition, dass der Trust bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Treuhandverhältnis entspricht4, sind die Einkünfte ihm zuzurechnen.
153
Andernfalls wird der Trust seit der Entscheidung des BFH v. 5.11.19925 regelmäßig als Zweckvermögen i.S.d. § 15 Absatz 4 AStG qualifiziert. Das Einkommen des Trusts wird daher zunächst dem unbeschränkt steuerpflichtigen Errichter nach § 15 Abs. 1, 2 AStG zugerechnet. Falls die Zurechnung zum Errichter ausscheidet, wird das Einkommen den Begünstigten zugerechnet, wenn sie unbeschränkt steuerpflichtig sind. Unklar ist aber das Verhältnis zwischen mehreren Begünstigten, von denen einige bezugs-, andere anfallberechtigt sind6. 1 Vgl. auch Soergel/Lüderitz, EGBGB, Art. 38 Anh. II Rz. 58; Siemers/Müller, ZEV 1998, 206 (208); differenzierend nach Trust-Typen Daragan, ZEV 2007, 204 (207 ff.). 2 Ggf. ist das Inlandsvermögen durch Einbringung in eine ausländische Kapitalgesellschaft im Common-Law-Rechtskreis in Auslandsvermögen umzuwandeln. Das ist aus steuerlichen Gründen nur eingeschränkt empfehlenswert. Insbesondere droht die Aufdeckung stiller Reserven im Betriebsvermögen und bei wesentlichen Beteiligungen i.S.d. § 6 AStG. 3 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. 1993 II, 388. 4 Das dürfte in Betracht kommen bei einem grantor trust oder einem revocable trust. 5 Az.: I R 39/92, BStBl. 1993 II, 388 (389); ebenso BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. 1994 II, 727. 6 Vgl. Flick/Wassermeyer, AStG, § 15 Rz. 42; Krabbe, in: Lademann/Söffing/Brackhoff, § 15 AStG Rz. 18.
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Stiftung und Trust
Rz. 158 B XII
cc) Anwendungsbereich des Trusts aus ertragsteuerlicher Sicht Aus ertragsteuerlicher Sicht lässt sich durch die Errichtung eines Trusts kein steuerlicher Vorteil erzielen. In vielen Konstellationen droht eine Doppelbesteuerung. Insbesondere die Zurechnung zu inländischen Begünstigten kann zu erheblichen Problemen führen, wenn diese keinen Anspruch auf Zahlung der auf die Bezugsberechtigung entfallenden Steuern haben.
154
d) Erbschaftsteuer aa) Rechtslage bis zum 4. März 1999 Bei einer Reihe von Trusttypen war in der Vergangenheit die Übertragung von Vermögen auf einen Trust nicht steuerpflichtig, weil die Übertragung als aufschiebend bedingt angesehen worden ist. Weder der Trustee noch die Begünstigten waren im Zeitpunkt der Übertragung bereichert. Erst im Augenblick der Ausschüttung aus dem Trust an die Begünstigten entstand die Erbschaftoder Schenkungsteuer. Die Steuerentstehung konnte daher erheblich verzögert und nach herrschender Meinung beim Trust unter Lebenden sogar vollständig durch Wohnsitzverlegung vermieden werden1.
155
bb) Rechtslage nach dem 4. März 1999: Neuregelung durch das StEntlG 1999/2000/2002 Im Rahmen der Gegenfinanzierungsmaßnahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 hat der Gesetzgeber versucht, diese Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG ist „die vom Erblasser angeordnete Bildung oder Ausstattung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist“ steuerpflichtig. Eine entsprechende Regelung findet sich für Übertragungen unter Lebenden in § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG unterwirft den Vermögensanfall aus einem Trust der Schenkungsteuer. Ergänzende Regelungen finden sich in§ 9 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) ErbStG (Zeitpunkt der Steuerentstehung), § 15 Abs. 2 Satz 2 ErbStG (Person des Schenkers) und in § 20 Abs. 1 ErbStG (Steuerschuldner).
156
Die Neufassung findet nach § 37 Abs. 1 ErbStG auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem 4.3.1999 entstanden ist oder entsteht.
157
cc) Grundlegende Mängel Die neuen Tatbestände leiden an einer Vielzahl grundlegender Mängel, auf die an dieser Stelle nur kurz hingewiesen sei: – Sie sind nicht ausreichend bestimmt2.
1 Vgl. Schindhelm/Stein, StuW 1999, 31 ff. 2 Vgl. Schindhelm/Stein, FR 1999, 880 (881 ff.); Söffing/Kirsten, DB 1999, 1626 (1628); Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 2 Rz. 12.
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– Sie führen zu einem Systembruch, nämlich Verstoß gegen den Bereicherungsgrundsatz, weil der nach deutschem Recht rechtlich unselbstständige Trust nicht bereichert ist1. – Die Steuerschuld ist beim Nachlasstrust regelmäßig nicht durchsetzbar2. – Der Gesetzgeber fingiert in völkerrechtlich fragwürdiger Weise die Steuersubjektfähigkeit des Trusts3. – Sie führen zu einer europarechtlich bedenklichen Diskriminierung von steuerlichen Inländern aus Mitgliedsstaaten des common law Rechtskreises, bei denen Trusts häufig das einzig sachgerechte Instrument zur Vermeidung einer langwierigen Nachlassverwaltung sind4. § 15 Abs. 6 AStG sollte jedenfalls auch auf Trusts Anwendung finden. 159
Zusammengefasst sind die Neuregelungen wohl verfassungswidrig, europarechtswidrig und völkerrechtswidrig. Bis zur Entscheidung dieser Frage durch die Gerichte, insbesondere durch das BVerfG und den EuGH, bleibt in der Praxis nur die Möglichkeit, der Frage nachzugehen, wie der Trust trotz aller Ungewissheiten in der Praxis voraussichtlich behandelt wird. dd) Errichtung
160
Der Vermögensübergang auf einen Trust oder eine vergleichbare Vermögensmasse ausländischen Rechts ist nach neuem Recht unmittelbar steuerpflichtig, unabhängig davon, ob der Erwerb von Todes wegen erfolgt (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG) oder unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG). Eine nähere Qualifikation nach den Trustformen fällt wegen der Unbestimmtheit der Norm schwer. Zweifel bestehen allerdings, ob auch Trustformen erfasst werden, bei denen der Errichter Begünstigter ist (grantor trust) oder ein Widerrufsrecht hat (revocable trust)5.
161
Der Erwerb unterliegt immer der ungünstigsten Steuerklasse III. Das Steuerklassenprivileg für Familienstiftungen nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG scheitert wie in der Vergangenheit am fehlendem Sitz in Inland6. ee) Auflösung
162
Bei der Auflösung des Trusts wird der Vermögensanfall bei den Anfallsberechtigten wieder steuerlich erfasst (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 1. Alt. ErbStG). Die Steuerklasse bestimmt sich allerdings nach dem persönlichen Verhältnis zwischen dem Trusterrichter und dem einzelnen Begünstigten (§ 15 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. ErbStG).
1 2 3 4 5 6
Vgl. Schindhelm/Stein, FR 1999, 880 (881 ff.); Gebel, ZEV 1999, 249 (253 f.). Vgl. Schindhelm/Stein, FR 1999, 880 (887); Klein, FR 1999, 1110. Vgl. Gebel, ZEV 1999, 249 (253 f.). Vgl. Klein, IStR 1999, 377 (379). Vgl. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 2 Rz. 123 m.w.N. Vgl. Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 2 Rz. 126.
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 164 B XII
ff) Erwerb von Zwischenberechtigten Steuerpflichtig sind darüber hinaus (anders als bei Ausschüttungen an Destinatäre einer Stiftung) auch die Erwerbe sog. Zwischenberechtigter während der Laufzeit des Trusts (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 2. Alt. ErbStG). Mangels gesetzlicher Definition ist unklar, ob als Zwischenberechtigte nur die Anfallberechtigten oder nur die Zwischennutzungsberechtigten anzusehen sind oder jeder Erwerber, der vor der Auflösung Zuwendungen aus dem Trustvermögen bezieht.
163
gg) Auffassung der Finanzverwaltung Die Finanzverwaltung hat ihre Auffassung zur Trustbesteuerung bislang noch nicht durch koordinierte Ländererlasse oder Verfügungen geäußert. Aus Sicht der Praxis ist daher von Interesse, dass sich mit Habammer erstmals ein Vertreter der Finanzverwaltung zur Rechtslage nach dem StEntlG 1999/2000/2002 zu Wort gemeldet hat1. Selbstverständlich handelt es sich um eine private Meinungsäußerung. Es kann jedoch erwartet werden, dass sie auf Seiten der Finanzverwaltung besonderes Gehör finden wird. Auf drei Aspekte soll hingewiesen werden. 1. Nach Habammer soll der Trust im Ertragsteuerrecht sowie im Erbschaftund Schenkungsteuerrecht gleich behandelt werden. Eine steuerlich relevante Vermögensmasse werde nur dann nicht gebildet, wenn die Einkünfte dem Trusterrichter zugerechnet werden. Das wirtschaftliche Eigentum liege unter Berücksichtigung der Rechtsprechung2 nur dann beim Errichter, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: – Der Verwalter müsse das Trustverhältnis jederzeit widerrufen können. – Der Verwalter müsse an die Weisungen des Errichters strikt gebunden sein. – Das Trustverhältnis müsse jederzeit und ohne Bedingungen kündbar sein. – Der Errichter müsse einen wesentlichen Einfluss auf die Anlageentscheidungen des Verwalters haben3. Ob diese restriktive Interpretation zutrifft, mag dahinstehen.4 Es zeigt sich auf jeden Fall, dass jeder Trust nach diesem Verständnis in der Gefahr steht, als Vermögensmasse qualifiziert zu werden, selbst wenn keine Besteuerungslücken drohen, denen die § 15 AStG, §§ 3 Abs. 1 Nr. 8, 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG entgegenwirken sollen. Insbesondere kann jeden Nachlasstrust dieses Schicksal ereilen, selbst wenn er zivilrechtlich als Testamentsvollstreckung behandelt wird. 1 Habammer, DStR 2002, 425; dazu die Anmerkungen von Oertzens, DStR 2002, 433. 2 Vgl. BFH v. 25.6.1984 GrS 4/82, BStBl. 1984 II, 751; v. 5.11.1992 I R 39/92, BStBl. 1993 II, 388. 3 Vgl. Habammer, DStR 2002, 425 (427, 430). 4 Insbesondere BFH v. 28.6.2007, BStBl. II 2007, 669, legt nahe, nur auf tatsächliche und rechtliche freie Verfügungsbefugnis abzustellen.
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B XII Rz. 165
Stiftung und Trust
2. Der Begriff der Zwischenberechtigten i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG stimme mit dem Begriff des Bezugsberechtigten i.S.d. § 15 AStG überein. 3. Art. 12 Abs. 3 DBA-ErbSt Deutschland/USA sei nicht mehr auf Vermögensübertragungen nach dem 4.3.1999 anwendbar, weil diese Vorschrift ins Leere laufe. Bereits die Übertragung des Vermögens auf den Trust sei erbschaftoder schenkungsteuerpflichtig. § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG hat demnach keine Bedeutung mehr. Besonders zweifelhaft ist die Auffassung, dass Zuwendungen an Zwischenberechtigte von „Alt-Trusts“ § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG unterlägen, selbst wenn die Option nach Art. 12 Abs. 3 DBA-ErbSt D/USA ausgeübt worden sei. hh) Fazit 165
In den meisten Fällen hat der Trust als Steuergestaltungsinstrument der Unternehmensnachfolge in Deutschland ausgedient. Der Trust erweist sich häufig als Steuerfalle, wenn einer der Beteiligten (Errichter oder Bezugsberechtigte) im Inland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Bei engen Bezügen zu Deutschland mag er in Einzelfällen noch aus außersteuerlichen Gründen sinnvoll sein (z.B. Vermeidung des Nachlassverfahrens im angelsächsischen Rechtskreis), wobei er wegen der steuerlichen Fallstricke äußerst behutsam zu gestalten ist.
V. Alternative Rechtsformen zur Erreichung von Stiftungszielen
Û
Beratungssituation: Nachdem Sie Ihrem Mandanten die Vor- und Nachteile der Stiftung ausführlich geschildert haben, fragt er, ob es eine Alternative gibt, mit der er seine Ziele der langfristigen Förderung gemeinnütziger Ziele erreichen kann.
1. Die Stiftungs-GmbH 166
Die Errichtung einer Stiftung ist wegen verschiedener Nachteile, insbesondere ihrer verminderten Flexibilität, dem Grundsatz der Vermögensbindung und der Aufsicht der Stiftungsbehörden, nicht für alle Konstellationen die optimale Rechtsform. Eine Rechtsform, auf die potenzielle Stifter ausweichen könnten, ist die Stiftungs-GmbH. Darunter versteht man eine GmbH, die durch entsprechende Gestaltung des Gesellschaftsvertrags zur Erfüllung von Stiftungszwecken geeignet ist. Die beim Gründer verbleibende Dispositionsfreiheit erlaubt die Aufhebung der Stiftungs-GmbH oder die Änderung ihres Zweckes1. Schließlich unterliegt die Stiftungs-GmbH keiner staatlichen Aufsicht.
1 Das ist bei der Stiftung nach Anerkennung gem. § 81 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht mehr möglich. Allerdings ist § 81 Abs. 2 Satz 1 BGB im Ergebnis dispositiv, in dem die Befugnis zur Auflösung durch den Stifter vorbehalten wird, so dass sich dieser Nachteil durch Gestaltung der Satzung vermeiden lässt.
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Stiftung und Trust
Rz. 171 B XII
Der wesentliche Vorteil einer Stiftungs-GmbH, nämlich die Verbandsautonomie, also die Fähigkeit der Gesellschafter, die Rechtsverhältnisse frei zu bestimmen, ist zugleich die Achillesferse. Durch entsprechende Regelungen im Gesellschaftsvertrag kann gewährleistet werden, dass der Gesellschaftszweck und die übrigen Bestandteile des Gesellschaftsvertrags nur unter erhöhten Voraussetzungen geändert werden können. Es lässt sich aber nicht verhindern, dass die künftigen Gesellschafter sich einvernehmlich über den ursprünglichen Willen des Stifters/Gründers hinwegsetzen. Kautelarjuristisch kann versucht werden, die Hürden durch qualifizierte Mehrheitserfordernisse und Sonderrechte zugunsten geeigneter Gesellschafter und Stimmbindungsvereinbarungen oder Treuhandverhältnisse in praxi unüberwindbar hoch zu setzen.
167
Die AG eignet sich wegen des Grundsatzes der formellen Satzungsstrenge nicht als Ersatzrechtsform. Nach § 23 Abs. 5 AktG darf die Satzung von den Vorschriften des AktG nur abweichen, wenn dies ausdrücklich zugelassen ist. Auch ergänzende Bestimmungen sind nur zulässig, wenn das AktG keine abschließende Regelung enthält1. Die Perpetuierungsvorstellungen eines potenziellen Stifters lassen sich deswegen kaum umsetzen.
168
Die Gefahr ungewollter Strukturentscheidungen wird bei einer GmbH, die ge- 169 meinnützige Zwecke verfolgt („gGmbH“), durch die Restriktionen des Gemeinnützigkeitsrechts weiter reduziert. Denn hier übt die Finanzverwaltung eine weitgehende Kontrolle aus. Das Gemeinnützigkeitsrecht ist weitgehend rechtsformneutral. Die Versorgung des „Stifters“ und seiner Angehörigen im Rahmen der Drittel-Lösung des § 58 Nr. 5 AO ist allerdings nicht möglich, weil die Vorschrift auf Stiftungen beschränkt ist. Zudem gilt die Erbschaftsteuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 16 lit. b) ErbStG nur für den Übergang von Vermögen auf eine gemeinnützige GmbH, nicht aber für die Vererbung der Anteile an einer gemeinnützigen GmbH. Das Gesetz zur steuerlichen Förderung der Stiftungen hat die Gleichwertigkeit der Rechtsformen Stiftung und Stiftungs-GmbH weiter reduziert. Der erweiterte Spendenabzug des § 10b Abs. 1a EStG steht nur Stiftungen, nicht aber anderen gemeinnützigen Körperschaften zu.
170
2. Die unselbständige Stiftung2 Die Errichtung einer unselbständigen Stiftung stellt insbesondere dann eine Alternative zur selbständigen Stiftung dar, wenn das zur Verfügung stehende Vermögen für die angestrebten Zwecke zu gering ist, gleichwohl ein gewisser Einfluss auf die Umsetzung der Stiftungszwecke sichergestellt werden soll oder eine stiftungsartige Außendarstellung gewünscht wird.
1 Vgl. MüKoAktG/Pentz, § 23 Rz. 157. 2 Vgl. Wochner, ZEV 1999, 125 ff.
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B XII Rz. 172
Stiftung und Trust
172
Von unselbständigen Stiftungen spricht man, wenn ein Stifter ein bestimmtes Vermögen bestimmten Zwecken auf Dauer widmet, ohne dass diese Vermögensmasse eine juristische Person ist. Das Stiftungsgeschäft kleidet sich bei Errichtung unter Lebenden regelmäßig in die Form einer Schenkung unter Auflage oder eines Treuhandgeschäfts mit Elementen eines Auftragsverhältnisses oder eines Dienstvertrages1. Bei der Errichtung einer unselbstständigen Stiftung von Todes wegen sind die erbrechtlichen Gestaltungsformen zu beachten, wobei Einigkeit besteht, dass es sich um eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis unter Auflage handelt2.
173
Stiftungsträger kann jede natürliche oder juristische Person sein, insbesondere auch eine rechtsfähige Stiftung3. Der Auswahl des Trägers kommt in diesen Gestaltungen überragende Bedeutung zu, insbesondere muss sich die Organisation der unselbstständigen Stiftung an der unvermeidlichen Bindung an den Träger orientieren. Zweckmäßigerweise wählt man eine Einrichtung, die bereits die vom Stifter angestrebten Zwecke verfolgt. Eine effektive Kontrolle des Trägers lässt sich nur durch ein mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattetes Kontrollorgan erreichen. Zudem ist dessen dauerhafte Besetzung mit geeigneten Personen entscheidend. Mangels staatlicher Aufsicht und rechtlicher Verselbständigung ist die präzise Ausgestaltung der „Stiftungssatzung“ von überragender Bedeutung.
174
Die nicht rechtsfähige Stiftung kann als anderes Zweckvermögen eigenständiges Körperschafsteuersubjekt i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG sein, wenn sie wirtschaftlich selbständig ist4. Liegt diese Voraussetzung vor, entspricht die steuerliche Behandlung im Wesentlichen der von rechtsfähigen Stiftungen, insbesondere kann die unselbständige Stiftung steuerbegünstigt tätig sein5. Dem Stifter steht nach h.M. der erhöhte Sonderausgabenabzug für Spenden an privatrechtliche Stiftungen zu6. Gleichfalls führen Zuwendungen an unselbständige gemeinnützige Stiftungen zum rückwirkenden Erlöschen der ErbSt nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG7.
1 Nach h.M. kommen beide Rechtsformen alternativ in Betracht, wohingegen einige Autoren nur einen der Vertragstypen für einschlägig halten (vgl. zum Meinungsstreit etwa Hof, in: Seifart/v.Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Aufl. § 36 Rz. 28 ff.; Rawert, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 80 ff. Rz. 158 m.w.N.). 2 Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Aufl. § 36 Rz. 102 ff.; Rawert, in: Staudinger, Vorbem. zu §§ 80 ff. Rz. 166. 3 Hüttemann/Herzog, DB 2004, 1001, 1002; Hof, in: Seifart/v.Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 3. Aufl. § 36 Rz. 59, einschränkend OFD München Vfg. v. 7.3.2003, ZEV 2003, 239 (240). 4 BFH v. 24.3.1993 – I R 27/92, BStBl. 1993 II, 637. 5 OFD Frankfurt Vfg. v. 2.4.2004, DB 2004, 1016; umfassend Hüttemann/Herzog, DB 2004, 1001, 1002 ff. m.w.N. 6 Hüttemann/Herzog, DB 2004, 1001, 1006 m.w.N. 7 OFD München Vfg. v. 7.3.2003, ZEV 2003, 239; Hüttemann/Herzog, DB 2004, 1001, 1006 m.w.N.; Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 29 Rz. 45.
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust
Rz. 175 B XII
Übersicht: Stiftung, unselbständige Stiftung und GmbH im Vergleich Merkmale
Rechtsfähige Stiftung
Unselbstständige Stiftung
GmbH
Allgemeines Vertragsrecht
GmbHG
175
I. Gesellschaftsrecht 1. Maßgebliche Vor- §§ 80–88 BGBLanschriften desstiftungsgesetze 2. Zweck der Gesellschaft
Beliebige Zwecke Beliebige Zwecke mit Ausnahme der Unternehmensselbstzweckstiftung
Beliebige Zwecke
3. Rechtsfähigkeit
Ja
Nein
Ja
4. Kaufmannseigen- Nein schaft
Nein
Ja (§ 6 HGB)
5. Registereintragung
Nein, es sei denn Landesstiftungsregister
Nein
Ja, GmbH entsteht erst mit der Eintragung
6. Mindestkapital
Nicht vorgeschrieben, aber i.d.R. 50 000 Euro (§ 80 Abs. 2 BGB)
Nicht vorgeschrieben
25 000 Euro
7. Geschäftsführung Durch Vorstand
Durch Organe des Stiftungsträgers, wenn nicht abweichend geregelt
Geschäftsführung durch die Geschäftsführer gemeinschaftlich, soweit nichts anderes geregelt ist (§ 35 Abs. 1 und 2 GmbHG)
8. Vertretung
Durch Organe des Stiftungsträger, wenn nicht abweichend geregelt
Vertretung durch die Geschäftsführer. Der Vertretungsnachweis kann mittels Handelsregisterauszug ohne weiteres erbracht werden.
Gesamtvertretung durch alle Gesellschafter, sofern in der Satzung nichts anderes geregelt ist (§ 85 i.V.m. § 26 BGB); Nachweis der Vertretungsmacht nur durch Bestätigung der Stiftungsaufsichtsbehörde
Schindhelm/Stein
825
B XII Rz. 175
Stiftung und Trust
Merkmale
Rechtsfähige Stiftung
Unselbstständige Stiftung
GmbH
9. Haftung
Haftung ist auf das Stiftungsvermögen begrenzt, mangels Gesellschafter keine Durchgriffshaftung möglich
Je nach Vertragsgestaltung
Haftung ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt, soweit keine Regeln über die Kapitalerhaltung verletzt werden (§§ 30 ff. GmbHG) oder Durchgriffshaftung
10. Freie Anteilsübertragbarkeit
Nein, weil kein Ge- Nein, aber Übertrasellschafter gung des Vertragsverhältnisses nach allgemeinen Regeln des Grundverhältnisses möglich
Ja, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist (§ 15 GmbHG).
11. Vererblichkeit
Nicht möglich, weil Nachfolge in kein Gesellschafter Grundverhältnis möglich
möglich
12. Rechtsfolge des Todes eines Gesellschafters
Nicht möglich, weil Regelungsbedürftig kein Gesellschafter
Übergang der Geschäftsanteile auf die Erben, soweit nichts anderes geregelt
13. Testamentsvoll- Für Errichtung der streckung Stiftung von Todes wegen möglich
Für Errichtung der Stiftung von Todes wegen möglich
Für Errichtung der GmbH von Todes wegen möglich
14. zivilrechtliche Beendigung
Aufhebung der Stiftung, wenn Erfüllung des Stiftungszwecks unmöglich geworden ist
Nach Regelung im Grundverhältnis
Anmeldung der Liquidation beim Handelsregister und Beachtung des Sperrjahres (§§ 60 ff. GmbHG)
Nein, aber Rechnungslegung nach Maßgabe der Landesstiftungsgesetze
Nein
Ja, §§ 238 ff., 264 ff. HGB
Entfällt
Ja, § 264 Abs. 1 HGB, Lagebericht nicht bei kleinen GmbHs i.S.d. § 267 Abs. 1 HGB (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB)
II. Rechnungslegung 1. Buchführungsund Bilanzierungspflicht nach den §§ 238 ff. HGB
2. Pflicht zur Erwei- Entfällt terung des Jahresabschlusses um einen Anhang und zur Aufstellung eines Lageberichts
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Schindhelm/Stein
Stiftung und Trust Merkmale
Rz. 175 B XII Rechtsfähige Stiftung
Unselbstständige Stiftung
GmbH
Nach Maßgabe der 3. Pflicht zur PrüLandesstiftungsgefung des Jahressetze abschlusses durch einen Wirtschaftsprüfer
Nein
Ja, §§ 316 ff., wenn nicht kleine GmbH i.S.d. § 267 Abs. 1 HGB
4. Pflicht zur Einrei- entfällt chung des Jahresabschlusses beim Handelsregister bzw. Veröffentlichung im Bundesanzeiger
Nein
Ja
Schindhelm/Stein
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XIII. Landwirtschaftliches Sondererbrecht Schrifttum: Adlerstein/Desch, Das Erbrecht in den neuen Bundesländern, DtZ 1991, 193; Bahrs, Die Agrarreform 2005: Ein neues Kapitel im landwirtschaftlichen Steuerrecht, INF 2005, 176 ff. und 224 ff.; Barnstedt/Becker/Bendel, Das nordwestdeutsche Höferecht nach der Novelle vom 29. März 1976 (1976); Becker, Übernahme eines Landguts nach BGB, Agrarrecht 1975, 57; Bell/Jennissen, Betriebsbewertung unter Berücksichtigung von Altenteilsverpflichtungen, 2007; Bendel, Zur Änderung der nordwestdeutschen Höfeordnung und zur neuen Verfahrensordnung in Höfesachen, Agrarrecht1976, 149; Bendel, Landwirtschaftliches Sondererbrecht in den fünf neuen Bundesländern, Agrarrecht 1991, 1; Bendel, Verlust der Hofeigenschaft durch Erbfall, Agrarrecht 2003, 325; Bewer, Der Verkehrswert landwirtschaftlicher Grundstücke, Agrarrecht 1975, 85; Bewer, Bewertungsfragen bei Lösung der Hofnachfolgeprobleme, Agrarrecht 1976, 273; BMF; Bewertung von mit land- und forstwirtschaftlichem Grund und Boden im Zusammenhang stehenden Milchlieferrechten, BStBl. 2003 I 78;BMF, Ertragsteuerliche Behandlung von Biogasanlagen BStBl., 2006 I 248; Böck, Ertragswert und Schuldenabzug, MittBayNot 1984, 243; Dehne, Vom Hof zum Betrieb – Strukturwandel des landwirtschaftlichen Erbrechts (1966); Deutsche Gesellschaft für Agrarrecht, Leitfaden für die Ermittlung des Ertragswerts landwirtschaftlicher Betriebe, Agrarrecht 1994, 5; Dressel, Die Novellierung der Höfeordnung, NJW 1976, 1244; Dressler, Vor- und Nacherbschaft im Höferecht, Agrarrecht 2001, 265; Eckhardt, Ein bayerisches Höferecht – Zur Gestaltung der Hofübergabebeverträge, Agrarrecht 1975, 136; Evangelisches Bauernwerk in Württemberg e.V., Materialien zur Hofübergabe, 25. Aufl. (2006), Fassbender, Zur pflichtteilsrechtlichen Privilegierung der Erbhöfe und Landgüter; Agrarrecht 1986, 131; Fassbender. Überlegungen zum landwirtschaftlichen Erbrecht, Agrarrecht 1998, 188; Fassbender/ Hötzel/v. Jeinsen/Pikalo, Höfeordnung, Höfeverfahrensordnung und Überleitungsvorschriften, 3. Aufl. 1994; Foag, Der Ertragswert bei Landgütern, RdL 1955, 5; Frey, Zur Praxis des Hofübergangs in Rheinland-Pfalz, Agrarrecht 1989, 322; Fritzen, Ertragswertermittlung für die Zuweisung, RdL 1963, 5; Gerold, Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in Hessen (1989); Glas, Strukturveränderungen in der Landwirtschaft – Höfe-, gesellschafts- und steuerrechtliche Konsequenzen, Beilage zu Agrarrecht 7/2002; Haegele, Landgut und Ertragswert im Bürgerlichen Recht, BWNotZ 1973, 34 und 49; Hartmann, Landesgesetz über die Einführung einer Höfordnung in Rheinland-Pfalz mit Landwirtschaftsrecht von Rheinland-Pfalz (1954); Hartwig, Die Berücksichtigung der Nachlassverbindlichkeiten bei der Abfindung und Ergänzungsabfindung weichender Erben (§§ 12, 13 HöfeO) (1997); Haselhoff, Neugestaltung der Hoferbfolgebestimmungen in der Bundesrepublik, RdL 1993, 225; von Hausen, Die Bewertung von Landgütern bei Erbteilungen, DJZ 1926, 1489; Hausmann, Die Vererbung von Landgütern nach dem BGB – de lege lata et ferenda (2000); Hausmann, Landwirtschaftliches Erbrecht, in: Hausmann/Hohloch (Hg.), Handbuch des Erbrechts (2008), 1711; Hessler, Übergabe und Vererbung von Landgütern, RdL 1980, 309; Hiller, Beratungsempfehlungen zur Vereinbarung von Altenteilsleistungen, INF 2005, 108; Hoffmann-Fölkersamb, Hofübergabe, 6. Aufl. 1994; Horn, Gegenleistungen und Vorbehalte bei Übergabeverträgen, NWB Fach 19, 3841 (Stand Dez. 2007); Hornstein, Stand und Entwicklung der Hofnachfolge in Baden-Württemberg (1986); Hutmacher, Umsatzsteuerliche Aspekte der eisernen Verpachtung eines luf Betriebs, INF 2007, 214; Ivo, Der Verzicht auf Abfindungs- und Nachabfindungsansprüche gem. §§ 12, 13 HöfeO, ZEV 2004, 316; Jacobs, Das bremische Höfegesetz (1992); Janke, Zur Geltung von Anerbenrecht im Gebiet der DDR, NJ 2001, 117; Kahlke/ Stern, Der Hof in der Erbfolge (1961); Kannewurf, Die Höfeordnung vom 24. April 1947, Entstehungsgeschichte und Einordnung in die Entwicklung des Anerbenrechts (2004); Kegel, Zum Pflichtteil vom Großgrundbesitz, in: FS Cohn (1975), 85; Köhne, Einzelfragen der Ertragswertrmittlung, Agrarrecht 1982, 29; Köhne, Der leistungsfähige Betrieb,
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Ruby
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
B XIII
Agrarrecht 1991, 29; Köhne, Das landwirtschaftliche Sondererbrecht im Lichte des agrarstrukturellen Wandels, Agrarrecht 1995, 321 ff.; Köhne, Perspektiven der Unternehmensbewertung in der Landwirtschaft, Agrarrecht 1998, 155; Köhne, Landwirtschaftliche Taxationslehre 4. Aufl., (2007); Kreuzer, Das gesetzliche Anerbenrecht Südwestdeutschlands und der nordwestdeutschen Höfeordnung – eine vergleichende Untersuchung –, Beilage I S. 12 zu Agrarrecht 1977; Kreuzer, Grundlinien des landwirtschaftlichen Sondererbrechts in der Bundesrepublik Deutschland, Beilage II zu Agrarrecht 5/1990; Kroeschell, Geschichtliche Grundlagen des Anerbenrechts, Agrarrecht, 1978, 147; Kroeschell, Landwirtschaftserbrecht (2. Aufl. 1966); Kreuzer/Hornstein, Vererbung landwirtschaftlicher Betriebe in Baden-Württemberg. Eine rechtstatsächliche Untersuchung (1985); Kronthaler, Landgut, Ertragswert und Bewertung im Bürgerlichen Recht (1991); Lange, Auswirkungen der Hofaufhebung auf die Bindung des Hofeigentümers durch Erb- oder Übergabevertrag (1997); Lange/Wulff, Hessisches Landwirtschaftserbrecht (1950); Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Höfeordnung, 10. Aufl. (2001) Langenfeld/Günther, Grundstückszuwendungen zur lebzeitigen Vermögensnachfolge, 5. Aufl. (2005); Liesenborghs, Das Höferecht in Baden-Württemberg, Agrarrecht 1974, 310; Leingärtner, Besteuerung der Landwirte, Einkommensteuer – Umsatzsteuer – Erbschaftsteuer, Loseblattsammlung; Märkle, Brennpunkte der Abgrenzung zwischen luf und gewerblicher Tätigkeit, DStR 1998, 1369; J. Mayer, Die Rückforderung der vorweggenommenen Erbfolge, DNotZ 1996, 604; J. Mayer, Pflichtteil und Ertragswertprivilegierung, MittBayNot, 2004, 334; J. Mayer, Der Übergabevertrag in der anwaltlichen und notariellen Praxis, 2. Aufl. 2001; J.Mayer, in: Staudinger, BGB, Art. 64 EGBGB; Moog, Übergabegewohnheiten in Hessen, Agrarrecht 1980, 158; Meyer, Die Hofübergabe in heutiger Zeit, BWNotZ 1997, 114; Moll/Peter, Bemerkungen zum Landwirtschaftserbrecht, Agrarrecht 1989, 95; Müller-Feldhammer, Das Ertragswertverfahren bei der Hofübergabe, ZEV, 1995, 161; Netz, Das landwirtschaftliche Erbrecht in Deutschland, RdL 2004, 1; Netz, Grundstücksverkehrsgesetz, 3. Aufl., (2006); OFD München/Nürnberg, Verf. V.4.4.2005: Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistung – Ermittlung der Erträge bei Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gem. § 13a EStG, ZEV 2005, 300; Pagenstecher, RheinlandPfälzische Höfeordnung novelliert, RdL 1967, 148; Piltz, Bewertung landwirtschaftlicher Betriebe bei Erbfall, Schenkung und Scheidung (1999); Piltz/Wissmann, Die Unternehmensbewertung beim Zugewinnausgleich nach Scheidung, NJW 1985, 2673; Paus, Zurechnung des Gewinns in Fällen einer „Nachabfindungsklausel“ in der Landwirtschaft, DStZ 2006, 75; Pritsch, Höferecht in Rheinland-Pfalz, DNotZ 1953, 618; Quadflieg/ Weihrauch, Das landwirtschaftliche Sondererbrecht gem. der Novelle zur Höfeverordnung, FamRZ 1977, 288; Ritzrow, Mitunternehmerschaft bei Ehegatten in der LuF, StBP 2007, 17; Ruby, Das Landwirtschaftserbrecht: Ein Überblick, ZEV 2006, 351; Saure, Das Landwirtschaftsrecht in Hessen (1950); Scheyhing, Die Sonderrrechtsordnung des Höferechts in ihrem Verhältnis zum allgemeinen Erbrecht, JZ 1961, 729; Saure, Höfeordnung (1967); Schmitt, Das landwirtschaftliche Sondererbrecht im Widerstreit der Meinungen: Ist es heute noch strukturpolitisch gerechtfertigt?, Beilage I zu Agrarrecht 7/1990; von Schömberg, Die ertragsteuerlichen Folgen bei der Veräußerung und Entnahme von Grund und Boden und immateriellen Wirtschaftsgütern in der LuF, DStZ 2001, 145; Schnekenburger, Einkommensteuerliche und umsatzsteuerliche Rahmenbedingungen bei der Gestaltung der Betriebsnachfolge unter veränderten Rahmenbedingungen, HLBS Schriftenreihe Heft 178, 43; Schrader, Vermietung und Verpachtung im landwirtschaftlichen Bereich, NWB Fach 7, 6551 (Dez. 2005); Schulte, Wann vererbt sich der Hof nach allgemeinem Erbrecht?, DNotZ 1964, 601; Söbbecke, Landwirtschaftserbrecht: Die Nordwestdeutsche Höfeordnung, ZEV 2006, 395; Söbbecke, Landwirtschaftserbrecht: Die Hofübergabe zu Lebzeiten, ZEV 2006, 493; Spellenberg, Der Anwendungsbereich der §§ 2049, 2312 BGB, in: FS Münkner (2000), 371; Spiegelberger, Die steuerlichen Folgen bei der Umschichtung von Vermögenseinheiten durch den Begünstigten im Rahmen eines Versorgungsvertrags, HLBS-Schriftenreihe Heft 168, 23; Spiegelberger, Unternehmensnachfolge, 2 Aufl. (2009); Stark, Die hessische Landgüterordnung (1995); Steffen, Höfeordnung mit Höfeverfahrensordnung (1977; Nachtrag 1987); Steffen, Anerbenrecht
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
B XIII
in der Bundesrepublik, RdL 1979, 309; Steffen, Ertragswert eines Landguts, RdL 1980, 143; Steffen, Vorschläge zur Änderung des § 1 HöfeO, Agrarrecht 1987, 124; Steffen, Ertragswertbestimmung eines Landguts, RdL 1988, 253; Steffen, Landwirtschaftliches Erbrecht in der früheren DDR, RdL 1991, 141; Stöcker, Rechtseinheit im Landwirtschaftserbrecht, Agrarrecht 1977, 73, 245 und 1978, 1; Stöcker, Bundesverfassungsgericht und Erbrechtsgarantie, Agrarrecht 1985, 42; Stöcker, Pflichtteilsvereitelung durch das Landwirtschaftserberbrecht: Ein Lösungsvorschlag de lege ferenda, FamRZ 1993, 1261; Tiedtke, Geschäftswert der Beurkundung von Hofübergabeverträgen, ZNotP 2001, 326; Tykwer, Hofnachfolge in Westfalen/Lippe (1997); Vidal, Unternehmensnachfolge in der Landwirtschaft (1980); Vidal, Die Praxis der Hofnachfolge im altbayerischen Raum, Agrarrecht 1980, 93;; Weber, Einzelfragen zur Hofübergabe, BWNotZ 1987, 1; Weber, Gedanken zum Ertragswertprinzip des § 2312 BGB, BWNotZ 1992, 14; Wehner/Johannson, Hofübergabe (7. Aufl., 2000); Weidlich, Ertragswertanordnung und Ehegattenbeteiligung an einem Landgut, ZEV 1996, 380 ff.; Wiegand, Die Besteuerung der LuF aus der Sicht der BFH-Rechtsprechung des Jahres 2006, INF 2007, 141 ff. und 180 ff.; Wöhrmann, Höfeordnung für Rheinland-Pfalz, RdL 1953, 8; Wöhrmann, Das Landwirtschaftserbrecht, Kommentar zur Höfeordnung, zum BGB-Landguterbrecht und zum GrdstVG-Zuweisungsrecht, 9. Aufl. 2008; Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayerischen Notariatspraxis und ihr Bedeutungswandel bei verfassungsmäßiger Anwendung des § 2312 BGB (1993). Rz. I. Zielsetzungen des Landwirtschaftserbrechts . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis der Anerbengesetze zum BGB-Landguterbrecht 1. Historische Entwicklung . . . . . . 2. Wann gilt ein Anerbengesetz? . . 3. Überblick über die regionalen anerbenrechtlichen Sondervorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. BGB-Landguterbrecht i.V.m. §§ 13 ff. GrdstVG . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinsame Voraussetzungen der §§ 2049, 2312 BGB . . . . . . . . a) Begriff des Landguts i.S. v. §§ 2049, 2312 BGB . . . . . . . . . b) Begünstigter Personenkreis i.S. v. §§ 2049, 2312 BGB . . . . c) Ertragswert eines Landguts i.S. v. §§ 2049, 2312 BGB . . . . aa) Bewertungsregeln der Bundesländer (1) 18 als Multiplikator . . . . . (2) 25 als Multiplikator . . . . . (3) 17 als Multiplikator . . . . . bb) Ermittlung des jährlichen Reinertrags . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Voraussetzungen des § 2049 Abs. 1 BGB a) Erbengemeinschaft . . . . . . . . .
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Rz. b) Anordnung des Übernahmerechts durch den Erblasser . . c) Übernehmer gehört zum begünstigten Personenkreis des § 2303 BGB . . . . . . . . . . . d) Hof geht als wirtschaftliche Einheit über . . . . . . . . . . . . . . e) Übernahmepreis in Ablebensverfügung geht vor . . . . f) Ausübung des Übernahmerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . h) Ertragswertermittlung . . . . . i) Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Voraussetzungen des § 2312 BGB a) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . b) Landgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übernehmer gehört zum Personenkreis des § 2303 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anordnung des Erblassers oder Fall des § 2049 BGB . . . e) Ertragswertansatz ist gerechtfertigt . . . . . . . . . . . . . . . f) Geltendmachung des Übernahmerechts . . . . . . . . . . . . . g) Kein Nachabfindungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . h) § 2312 BGB und vorweggenommene Erbfolge . . . . . .
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
B XIII Rz.
4. Vererbung des Landguts bei fortgesetzter Gütergemeinschaft gem. § 1515 BGB . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen des § 1515 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfahren auf Zuweisung eines landwirtschaftlichen Betriebs aus der Erbengemeinschaft nach §§ 13 ff. GrdstVG . . . . . . . . . . . . . a) Erbengemeinschaft kraft gesetzlicher Erbfolge . . . . . . . . . b) Landwirtschaftlicher Betrieb c) Hofstelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ertragshöhe . . . . . . . . . . . . . . . e) Antragsteller ist Miterbe . . . . f) Landwirtschaftsgericht . . . . . g) Zuweisungsobjekt . . . . . . . . . h) Zuweisungsempfänger. . . . . . i) Zuweisungsverfahren . . . . . . j) Zuweisungsbeschluss . . . . . . k) Nachabfindungsansprüche . . IV. Anerbengesetze . . . . . . . . . . . . . . 1. Historische Entwicklung a) Höfeordnung für NordrheinWestfalen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Badisches Gesetz die geschlossenen Hofgüter betreffend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Württembergisches Gesetz über das Anerbenrecht . . . . . . d) Hessische Landgüterordnung e) Rheinland-pfälzisches Landesgesetz über die Höfeordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bremisches Höfegesetz . . . . . 2. Vergleichende Darstellung der Anerbenrechte . . . . . . . . . . . . . . . a) Land-/forstwirtschaftliche Besitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebsgröße . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsträger des Hofs . . . . . . e) Eintragung der Anerbenhöfe in öffentliche Register . . . . . . f) Bestimmung des Hoferben durch Verfügung von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz. g) Bestimmung des Hoferben kraft Anerbengesetzes aa) Anerbenordnungen. . . . . bb) Konkurrenz innerhalb der ersten Anerbenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Ehegatte als Anerbe im Verhältnis zu den nachfolgenden Anerbenordnungen . . . . . . . . . . . . h) Vererbung von Ehegattenhöfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Rechtswirkungen des Hoferbfalls. . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Abfindung der weichenden Erben zu Erbquoten nach dem Hofwert . . . . . . . . . . . . . k) Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten bei der Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . l) Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis . . . . . . . m) Nachlassverbindlichkeiten im Innenverhältnis . . . . . . . . n) Voraus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o) Sonderansprüche der weichenden Erben . . . . . . . . . . . . p) Sonderansprüche des überlebenden Ehegatten . . . . . . . . q) Nachabfindungsansprüche der weichenden Erben bei Veräußerung des Anerbenhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r) Hofausschlagung . . . . . . . . . . s) Hoffolgezeugnis . . . . . . . . . . . V. Hofübergabe zu Lebzeiten . . . . . 1. Inhalt des Hofübergabevertrags, insb. Altenteil . . . . . . . . . . . . . . . a) Wohnrecht für Übergeber. . . b) Versorgungsleistungen des Übernehmers . . . . . . . . . . . . . c) Rückforderungsklauseln . . . d) Gleichstellungs- und Abfindungszahlungen. . . . . . . . . . . e) Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . f) Nachabfindungsklausel . . . . g) § 1365 BGB . . . . . . . . . . . . . . . h) Genehmigung nach GrdstVG . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur des Hofübergabevertrags und Pflichtteil . . .
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B XIII Rz. 1
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
I. Zielsetzungen des Landwirtschaftserbrechts 1 Das BVerfG stellte in seinem Beschluss vom 20.3.1963, in dem der Erbvorrang des männlichen Geschlechts in der damaligen Fassung der nordwestdeutschen HöfeO wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 GG für verfassungswidrig erklärt wurde, klar, dass die höferechtliche Sondernachfolge nicht privaten Interessen des Hoferben dient, sondern dem öffentlichen Interesse.
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Beratungshinweis: Im Erbengespräch zur Vorbereitung der Hofübergabe ist auf die besondere Interessenlage im Landwirtschaftserbrecht hinzuweisen, um bei den weichenden Erben Verständnis für deren „Benachteiligung“ zu wecken. Dieses Verständnis wird insbesondere durch die Aufnahme von sog. „Spekulations- bzw. Nachabfindungsklauseln“ zugunsten der weichenden Geschwister in Hofübergabeverträge gefördert. Solche Klauseln gewähren den weichenden Erben eine Abfindung bis hin zur Gleichstellung mit dem Hofübernehmer, wenn Teile des Hofes oder der Hof insgesamt aus dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen herausgenommen werden.
Doch nicht nur über der Sondernachfolge der HöfeO, sondern über dem gesamten Landwirtschaftserbrecht steht das „öffentliche Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Höfe in bäuerlichen Familien, um die Volksernährung sicherzustellen“. Es „wirkt deshalb der Zerschlagung bäuerlicher Betriebe, der Zersplitterung des Bodens und der bei der Abfindung der weichenden Erben drohenden Gefahr der Überschuldung entgegen.“1 Dieser Hinweis des Bundesverfassungsgerichts gilt für die Höfeordnung, für die rudimentären Regelungen des BGB-Landguterbrechts und die landesrechtlichen Anerbengesetze gleichermaßen. Ziel des gesamten Landwirtschaftserbrechts ist es, den leistungsfähigen Hof vor einer Zerschlagung im Erbgang zu bewahren, indem es ihn als wirtschaftliche Einheit einem zur Familie gehörigen Hoferben zuweist und den übrigen Miterben Abfindungsansprüche gewährt, die sich nicht am Verkehrswert, sondern am landwirtschaftlichen Hofwert orientieren. 2 Bereits diese vom BVerfG aufgezeigte Zweckbestimmung des Landwirtschaftserbrechts weist darauf hin, dass es nicht – wie es zuweilen scheinen mag – Aufgabe der Rechtsprechung ist, möglichst viele Höfe zu den Vorzugsbedingungen des Landwirtschaftserbrechts „zu vererben“. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft2 zeigt, dass es keinesfalls sinnvoll ist, Höfe, die wegen ihrer zu geringen Betriebsgröße letztlich nicht überlebensfähig sind, unter Vorzugsbedingungen als wirtschaftliche Einheit auf Nebenerwerbslandwirte übergehen zu lassen. Mancher mag es bedauern, aber im öffentlichen Interesse liegt die Entwicklung wirtschaftlich attraktiver und international wettbewerbsfähiger, d.h. größerer landwirtschaftlicher Betriebsstrukturen. Dieser Wandel darf durch eine strukturkonservierende Auslegung des Landwirt1 BVerfG v. 20.3.1963 – 1 BvR 505/59, NJW 1963, 947. 2 Im Zeitraum 1971 bis 1991 nahm in der Bundesrepublik die Gesamtzahl der Betriebe um 44,3 % ab und ihre durchschnittliche Größe von 12,4 auf 20,25 ha LF zu, vgl. Schmitt, Agrarrecht 1996, 15 ff.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 3 B XIII
schaftserbrechts nicht blockiert werden1. Die Erhaltung unwirtschaftlicher Betriebe über erbrechtliche Vorzugsbedingungen bindet landwirtschaftliche Einheiten, die von leistungsfähigen Betrieben zur Stärkung ihrer Leistungsfähigkeit hinzugepachtet oder erworben werden könnten. Das Landwirtschaftserbrecht darf die im öffentlichen Interesse liegende Entwicklung zur effizienten landwirtschaftlichen Betriebsstruktur nicht verhindern.
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Beratungshinweis: Die weichenden Erben sind darüber aufzuklären, dass der Hof im Geltungsbereich der regionalen Anerbengesetze aufgrund der besonderen Interessenlage des Landwirtschaftserbrechts erbrechtlich verselbstständigt ist und nach den Anerbengesetzen im Wege der Sondererbfolge übergeht (Ausnahmen: BadHofGG und HessLandgüterO). Außerhalb der Anerbengebiete wird die besondere Zielsetzung des Landwirtschaftserbrechts über das Zuweisungsverfahren nach den §§ 13 ff. GrdstVG erreicht.
Um leistungsfähige Höfe in bäuerlichen Familien zu erhalten, durchbrechen – mit Ausnahme Badens und Hessens – die Anerbengesetze sogar den das BGBErbrecht beherrschenden Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) und lassen eine Sondererbfolge unmittelbar in den Hof zu. Findet also Anerbenrecht Anwendung, geht der Hof nebst Zubehör nicht mit dem Vermögen als Ganzes in die Gesamthand der Erben über. Der Hof geht erbrechtlich eigene Wege. Er wird aus dem Gesamtnachlass herausgebrochen und als rechtlich selbständige Vermögensmasse gesondert vererbt. Es liegt dann eine der Nachlassspaltung vergleichbare Situation vor, bei der im Grundsatz das Hofvermögen nach Anerbenrecht und das hoffreie Vermögen nach den Vorschriften des BGB vererbt wird2. Die landwirtschaftsfreundliche Sonderhoferbfolge der Anerbengesetze steht demnach im Gegensatz zur Gesamtrechtsnachfolge des BGB. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass die meisten landwirtschaftlichen Betriebe nicht über die speziellen Anerbengesetze vererbt werden. Die ganz überwiegende Mehrzahl der Höfe in der Bundesrepublik geht bereits zu Lebzeiten durch Hofübergabeverträge über oder wird im Weg der gewillkürten Erbfolge vererbt. Nur wo solche individuellen Regelungen fehlen, erfolgt die Vererbung nach dem Gesetz, wobei hier wiederum die Höfe ganz überwiegend im Wege des BGB-Landguterbrechts übergehen und nur eine kleine Minderzahl im Wege der regional geltenden Anerbengesetze. Nur bei den Anerbenrechten kommt es zur „Nachlassspaltung“ (Ausnahme: BadHofGG und HessLandGO), beim BGB-Landguterbrecht hingegen nicht. Nach dem BGB-Landguterbrecht geht der Hof als einer von mehreren Nachlassgegenständen an den Alleinerben oder die Gesamthand der Miterben über. Die Sondererbfolge bleibt also auf die Anerbengesetze beschränkt.
1 Vgl. Köhne, Agrarrecht 1995, 321. 2 Da der Hof bzw. Hoferbe aber im Außenverhältnis auch für nichtbetriebliche Nachlassverbindlichkeiten haftet, liegt keine echte Nachlassspaltung vor, vgl. Rz. 149. Zur Haftung Innenverhätnis s. Rz. 150.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
4 Um den Hof als leistungsfähige wirtschaftliche Einheit in der Hand des Hoferben zu erhalten, wird dieser privilegiert, und zwar sowohl im BGB-Landguterbrecht §§ 2049, 2312 BGB) als auch in den Anerbengesetzen der Länder. Der Hoferbe hat die so genannten „weichenden Miterben“ zwar mit einem Geldbetrag abzufinden; doch liegt dieser weit unter dem Verkehrswert des Hofs. Durch diese Abfindungsprivilegierung soll verhindert werden, dass der Hof mit Schulden übermäßig belastet und damit in seiner Überlebensfähigkeit beeinträchtigt wird. Nach der Rechtsprechung verfolgen solche Abfindungsprivilegien, „den Zweck, den Hof auch nach dem Erbfall in seinem Bestand zu erhalten und einem der Erben die Weiterführung zu ermöglichen“1, oder, wie es der BGH in einem Urteil aus den Sechzigerjahren ausdrückte, „dem Übernehmer des Landguts dessen weitere Bewirtschaftung in der bisherigen Weise zu ermöglichen . . . und so das Landgut im Besitze der Familie zu erhalten“2. 5 Wie bereits erwähnt, ist dabei zu beachten, dass nicht jeder Klein- oder Kümmerbetrieb schutzwürdig ist. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Betriebe, das die Benachteiligung der weichenden Erben rechtfertigt, besteht nicht bei unwirtschaftlichen kleinen Betriebseinheiten. Hier ist es umgekehrt gerade sinnvoll, dass solche Betriebe aufgelöst werden und die damit frei werdenden landwirtschaftlichen Flächen von leistungsfähigen Betrieben zur Stärkung ihrer Ertragskraft genutzt werden können. Auf diesen Punkt sollten traditionellem Denken verhaftete Hofübergeber genauso nachdrücklich hingewiesen werden wie unkritische Richter3. Unwirtschaftliche Betriebseinheiten verdienen den Schutz des Landwirtschaftserbrechts nicht. 6 Für Höfe, die dem BGB-Landguterbrecht unterliegen, werden die Zielsetzungen des Landwirtschaftserbrechts über die §§ 2049, 2312 BGB und insbesondere das Zuweisungsverfahren nach §§ 13 ff. GrdstVG erreicht. Die in verschiedenen Bundesländern geltenden Anerbengesetze enthalten besondere Abfindungsregelungen.
II. Verhältnis der Anerbengesetze zum BGB-Landguterbrecht Die besondere Rechtslage im Landwirtschaftserbrecht, die durch räumliche Zersplitterung gekennzeichnet ist, ist ohne einen kurzen Blick in die Rechtsgeschichte nicht zu verstehen.
1. Historische Entwicklung 7 Das Erbrecht der Landwirtschaft in Deutschland präsentiert sich aus historischen Gründen uneinheitlich. Neben bzw. vor das Erbrecht des BGB können – je nach Bundesland – landesrechtliche Anerbengesetze bzw. die Höfeordnung als partielles – auf die vier norddeutschen Höfeordnungsländer begrenztes – bundesrechtliches Anerbenrecht treten. 1 BGH v. 21.3.1973 – IV ZR 157, 71, NJW 1973, 995. 2 BGH v. 4.5.1964 – III ZR 153/63, NJW 1964, 1414. 3 Vgl. aber auch BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 76/85, NJW 1987, 951 bzw. s. Rz. 35.
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Rz. 10 B XIII
Von 1933 bis 1947 galt im gesamten Reichsgebiet das Reichserbhofgesetz als einheitliches Anerbenrecht. Das Reichserbhofgesetz hatte im Dritten Reich für die „Erbhöfe“ die Testierfreiheit des Erblassers weitgehend beseitigt und die Rechte der weichenden Erben zugunsten des Hoferben stark eingeschränkt. Das Alliierte Kontrollratsgesetz Nr. 45 vom 20.2.1947 hat die gesamte Reichserbhofgesetzgebung aufgehoben und die zum 1.1.1933 geltenden Landes-Anerbengesetze wieder in Kraft gesetzt. Die norddeutsche Höfeordnung und die rheinland-pfälzische Höfeordnung allerdings sind neue, nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffene Gesetze. Wie war die Rechtslage in der Zeit vor dem Reichserbhofgesetz? Infolge der 8 Aufklärung und der französischen Revolution wurden die bäuerlichen Sondererbrechte seit Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts aufgehoben. In den Ländern des Reiches sollten auch die Bauernhöfe nach allgemeinem Recht vererbt werden. Dennoch hielten sich in vielen Gegenden die seit alters her bewährten Anerbensitten, die insbesondere die Hofübergabeverträge beeinflussten. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts setzte dann die Gegenbewegung ein, die mittlerweile abbröckelnden Anerbensitten durch Anerbengesetze zu stützen. Eine erste 1855 von Bayern ausgehende Welle der Anerbengesetzgebung versuchte, den Gedanken des Fideikommiss ins bäuerliche Erbrecht zu tragen und die Höfe unter Abschaffung der Testierfreiheit nach bestimmten Regeln innerhalb der Familie zu vererben1. Aus einer zweiten Welle gingen die „modernen“ Anerbengesetze in Baden, Württemberg, Hessen und Bremen hervor. Diese landesrechtlichen Anerbengesetze aus der Zeit vor dem BGB gelten trotz des In-Kraft-Tretens des BGB über den 1.1.1900 hinaus fort. Gemäß Art. 55 EGBGB traten die privatrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze zum 1.1.1900 nämlich nur insoweit außer Kraft, als nicht im BGB selbst oder im EGBGB etwas anderes bestimmt ist. Nach Art. 64 EGBGB aber bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über das Anerbenrecht in Ansehung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Grundstücke nebst deren Zubehör durch das In-Kraft-Treten des BGB unberührt. Dieser landesgesetzgeberische Vorbehalt gilt nicht nur für ältere, bereits vor dem BGB geltende Anerbengesetze, sondern wirkt bis heute. So wurde zum Beispiel die rheinland-pfälzische Höfeordnung erst 1953 verabschiedet.
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Die (Weiter-)Geltung der regionalen Anerbenrechte sollte allerdings nicht zu einer Beschneidung der Testierfreiheit führen. Deshalb wurde in Art. 64 II EGBGB bestimmt, dass die Freiheit des Erblassers, von Todes wegen frei über die dem Anerbenrecht unterliegenden Grundstücke verfügen zu können, nicht durch Landesgesetze beschränkt werden kann. Mit anderen Worten: Die Testierfreiheit des Erblassers nach dem BGB geht den regionalen Anerbenrechten vor. Auch in einem Anerbenrechts-Gebiet kann der Erblasser jede ihm beliebige Person zum Hoferben bestimmen und ist nicht an die Vorgaben
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1 Vgl. Art. 64 Abs. 2 EGBGB, der eine Einschränkung der Testierfreiheit durch Landesgesetze im Hinblick auf dem Anerbenrecht unterliegende Grundstücke nicht mehr zulässt.
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der landesrechtlichen Anerbenordnung gebunden. Aufgrund der Testierfreiheit steht ihm auch das Recht zu, den Hof, der nach der regionalen Anerbenordnung ungeteilt auf den Anerben übergehen soll, letztwillig auf mehrere Erben aufzuteilen.
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Beratungshinweis: Dem Hofübergeber bzw. Erblasser ist anzuraten, die Hofübergabe bereits lebzeitig durch Übergabevertrag (s. Rz. 173 ff. mit Formulierungsbeispiel) oder zumindest durch letztwillige Verfügung zu regeln. Auf die teilweise antiquiert wirkenden Anerbenrechte sollte er sich nicht verlassen. So ist beispielsweise die undifferenziert pauschale Berufung des ältesten Kindes zum Anerben wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatzverfassungswidrig.
Formulierungsbeispiel Testament mit Drittbestimmung der Teilungsanordnung nach § 2049 BGB Ich setze meine Kinder A, B und C zu gleichen Teilen, also zu je 1/3 Erbanteil, zu meinen Erben ein. Im Wege der Teilungsanordnung soll eines meiner Kinder das Recht erhalten, meinen gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zum Ertragswert nach § 2049 BGB zu übernehmen, nämlich meine Grundstücke . . . (Beschrieb der zur Land- und Forstwirtschaft gehörenden Grundstücke nach dem Grundbuch) . . . samt meinem gesamten land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit allen Aktiven und Passiven, dem toten und lebenden Inventar, den Vorräten und Geräten, soweit diese in meinem Eigentum stehen, den betrieblichen Beteiligungen, Geschäftsanteilen und Geschäftsguthaben (. . . Einzelaufstellung sinnvoll . . .). Die Zuteilung kann der Testamentsvollstrecker nach seinem billigen Ermessen verbindlich vornehmen. Er hat dabei dasjenige meiner Kinder auszuwählen, das für die betriebliche Nachfolge am geeignetsten erscheint. Diesem Kind kommt auch der besondere Abzugsbetrag für Betriebe der Land- und Fortswirtschaft nach § 13a Abs. 2 ErbStG in voller Höhe zu.1
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Beratungshinweis: Diese Gestaltung kann nur gewählt werden, wenn zuvor die einkommensteuerlichen und erbschaftsteuerlichen Auswirkungen ermittelt und mit der Mandantschaft besprochen sind. Einkommensteuerlich droht die Aufdeckung stiller Reserven mit entsprechender ertragsteuerlicher Belastung. Erbschaftsteuerlich ist zu beachten, dass für die Besteuerung die Teilungsanordnung grundsätzlich unbeachtlich ist. Es erfolgt eine Besteuerung nach Erbquoten. Allerdings geht das neue Erbschaftsteuerrecht in § 13a Abs. 3 ErbStG über das bisherige Recht insoweit hinaus, als die steuerlichen Verschonungsregeln (Verschonungsabschlag und Abzugsbetrag nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG) jetzt auch dem durch Teilungsanordnung Begünstigten zugute kommen. Die Gestaltung mit Drittbestimmung der Teilungsanordnung sollte aber den-
1 § 13a Abs. 3 Satz 2 ErbStG.
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Rz. 13 B XIII
noch nur erwogen werden, wenn der Hofübernehmer aufgrund der Minderjährigkeit der infrage kommenden Abkömmlinge noch nicht feststeht. Der sicherste Weg bei einem bereits feststehenden Hofübernehmer erfolgt über die Alleinerbeneinsetzung desselben mit Ertragswertanordnung nach § 2312 Abs. 2 BGB und möglicherweise Vermächtnisbeschwerung zugunsten der weichenden Geschwister.
2. Wann gilt ein Anerbengesetz? Bei dem dargestellten Nebeneinander von BGB-Landguterbrecht und Anerbenrecht ist im konkreten Fall zunächst zu fragen, welches Recht Anwendung findet. Hierbei ist folgende Prüfungsreihenfolge zu beachten:
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1. Ist die Betriebsnachfolge durch Verfügung von Todes geregelt, so dass die gewillkürte Nachfolge als Berufungsgrund BGB-Landguterbrecht und Anerbenrechten vorgeht? 2. Oder liegt kein Testament/Erbvertrag vor? 3. Liegt der Hof in einem Anerbenrechtsgebiet? 4. Untersteht der Hof dem Anerbengesetz (z.B. weil er in die Höferolle eingetragen ist)? Nur wenn die letzten drei Fragen mit „Ja“ beantwortet werden können, findet Anerbenrecht Anwendung. Ansonsten bleibt es beim Erbrecht des BGB, das durch die §§ 13 ff. GrdstVG ergänzt wird (§§ 13 ff. GrdstVG regeln das Verfahren für die Zuweisung eines Hofs an einen einzelnen Erben, wenn ein Hof einer Erbengemeinschaft aufgrund gesetzlicher Erbfolge gehört).
3. Überblick über die regionalen anerbenrechtlichen Sondervorschriften Das allgemeine BGB-Landguterbrecht (ergänzt durch das Zuweisungsverfahren nach §§ 13 ff. GrdstVG) gilt (jedenfalls subsidiär) für die gesamte deutsche Landwirtschaft. Das BGB-Landguterbrecht tritt aber immer dann zurück, wenn anerbenrechtliche Sondervorschriften eingreifen. Ein reines BGB(GrdstVG-)Erbrecht finden wir in Bayern, Berlin, Brandenburg, MecklenburgVorpommern, dem Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
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Für rund 4400 gesetzlich festgestellte Höfe im Hochschwarzwald gilt zwingend das Badische Gesetz die geschlossenen Hofgüter betreffend.
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Entgegen verbreiteter Auffassung gilt das württembergische Anerbenrecht für den Fall, dass der Erblasser vor dem 1.1.1930 geboren ist, immer noch fort. Ansonsten ist es mit Ablauf des 31.12.2000 außer Kraft getreten. Das württembergische Gesetz über das Anerbenrecht von 1930 galt/gilt für das frühere Württemberg-Baden (entspricht den heutigen Regierungsbezirken Stuttgart und Karlsruhe) für (rechtstatsächlich allerdings nur ganz vereinzelt) in die Höferolle eingetragene Betriebe. Im nördlichen Teil Baden-Württembergs war
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B XIII Rz. 14
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das fakultative Höferecht schon immer „so gut wie totes Recht“1. Sonst galt/ gilt BGB-(GrdstVG-)Erbrecht. Mit Ablauf des 31.12.2000 ist das württembergische Anerbengesetz außer Kraft getreten (Ausnahme: Fortgeltung, wenn Erblasser vor dem 1.1.1930 geboren wurde und keine die Hofnachfolge regelnde Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat). Für das frühere Land Württemberg-Hohenzollern, das dem heutigen Regierungsbezirk Tübingen entspricht, besteht die gleiche Rechtslage, nachdem 1985 das Gesetz über das Anerbenrecht der im ehemaligen WürttembergBaden geltenden Fassung identisch angeglichen wurde. Die weitaus meisten der rund 7000 dem württembergischen Anerbenrecht unterfallenden Höfe liegen im Regierungsbezirk Tübingen. Es ist ebenfalls am 31.12.2000 aufgrund des 3. Rechtsbereinigungsgesetz außer Kraft getreten (GVBl. 1996, 29). Seit dem 1.1.2000 gilt in Baden-Württemberg demnach grundsätzlich – bis auf die badischen Hofgüter des Hochschwarzwaldes – BGB-(GrdstVG-)Erbrecht, es sei denn, der Erblasser ist vor dem 1.1.1930 geboren. Gemäß Art. 28 des 3. Rechtsbereinigungsgesetzes bleiben nämlich die aufgehobenen Rechtsvorschriften für Erbfälle nach dem 31.12.2000 dann noch anwendbar, wenn der Erblasser vor dem 1.1.1930 geboren war. 14 In Rheinland Pfalz sind von den rund 47 000 landwirtschaftlichen Betrieben ca. 6600 in die Höferolle eingetragen. Für die eingetragenen Betriebe gilt das rheinland-pfälzische Landgesetz über die Höfeordnung, für die Mehrzahl der Betriebe das BGB-(GrdstVG-)Erbrecht. 15 Bei rund 45 000 Betrieben in Hessen gilt die Hessische Landesgüterordnung nur für die 155 Höfe, die in die Landesgüterrolle bei den Landwirtschaftsgerichten eingetragen sind, ansonsten gilt BGB-(GrdstVG-)Erbrecht. 16 Von den rund 500 landwirtschaftlichen Betrieben Bremens sind ca. 150 in die Höferolle bei den Amtgerichten eingetragen und fallen damit unter das Bremische Höfegesetz. Für die anderen Betriebe in Bremen gilt BGB(GrdstVG-)Erbrecht. Das Bremische Höfegesetz tritt am 31.12.2009 außer Kraft, so dass ab 1.1.2010 das allgemeine (BGB-/GrdstVG)Landwirtschaftserbrecht für alle landwirtschaftlichen Betriebe in Bremen gilt2. 17 In den vier Höfeordnungsländern Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gilt die Höfeordnung für alle diejenigen Höfe, die aufgrund „positiver Hoferklärung“ im Hofvermerk des Grundbuchs ausgewiesen oder bei fehlender Eintragung Hof i.S.d. § 1 HöfeO sind. Sonst, insbesondere auch bei „negativer Hoferklärung“ und Löschung des Hofvermerks im Grundbuch, gilt BGB-(GrdstVG-)Erbrecht.
1 Kreuzer, Agrarrecht 1977, Beilage I S. 15. 2 § 32 BremHöfeG, angefügt durch Art. 1 Nr. 20 des Gesetzes zur Bereinigung des Bremischen Rechts v. 20.5.2005 (Brem. GBl. S. 91).
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
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Rz. 19 B XIII
Praxishinweis: Sämtliche Landesanerbengesetze sowie die Höfeordnung sind abgedruckt in Wöhrmann, Das Landwirtschaftserbrecht, 9. Auflage, 20081.
III. BGB-Landguterbrecht i.V.m. §§ 13 ff. GrdstVG Das Landguterbrecht des BGB i.V.m. dem in §§ 13 ff. GrdstVG geregelten Zuweisungsverfahren gilt für die Vererbung von Höfen, die entweder nicht in ein Höferegister2 oder mit einem entsprechenden Vermerk im Grundbuch eingetragen sind, oder solche, die in einem Bundesland liegen, in dem es kein Anerbenrecht gibt, wie in den neuen Bundesländern3, Bayern, Berlin oder dem Saarland.
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Beratungshinweis: Falls der Erblasser sich nicht entschließen kann, den Hof zu Lebzeiten zu übergeben4, sollte er den Hoferben auf jeden Fall im Testament oder Erbvertrag bestimmen, wenn kein Anerbenrecht gilt. Hinterlässt der Erblasser keine letztwillige Verfügung und fällt der Hof im Erbgang an eine Erbengemeinschaft, muss sich derjenige Miterbe, der den Hof weiterführen will, im Rahmen der Erbauseinandersetzung mit den anderen Miterben über die Zuteilung des Hofs einigen. Kommt eine solche Einigung über die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht zustande, kann dem Miterben, der den Hof weiterführen will, auf seinen Antrag hin gem. §§ 13 ff. GrdstVG das Alleineigentum an dem Hof durch das Landwirtschaftsgericht zugewiesen werden. Der Hof kann also im Geltungsbereich des BGB-Landguterbrechts niemals im Wege der gesetzlichen Erbfolge von selbst auf den Hoferben übergehen, wie dies im Anerbenrecht5 der Fall ist. Die in der Rechtspraxis oftmals extrem lange Wartezeit6 bis zur gerichtlichen Zuweisung des Hofs an einen Miterben und die mit ihr einhergehende Ungewissheit kann zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen, wenn nicht zum Ruin des Hofs führen. Im Geltungsbereich des BGB-Landguterbrechts sollte folglich der künftige Erblasser, der zu Lebzeiten noch nicht übergeben will, aber bereits weiß, wer den Hof fortführen kann und dazu auch bereit ist, dem auserkorenen Hofnachfolger den Hof entweder durch Einsetzung als Alleinerbe oder im Wege des Vermächtnisses zuwenden.
1 Diesem Kommentar zur Höfeordnung, zum BGB-Landguterbrecht und zum GrdstVG-Zuweisungsrecht sind auch die vorgenannten Angaben zur Anzahl der eingetragenen bzw. festgestellten Höfe entnommen. 2 Bzw. aufgrund negativer Hoferklärung gelöscht wurden. 3 Die Verfassung der früheren DDR vom 7.10.1949 betrachtete die Anerbengesetze auf ihrem Gebiet als gegenstandslos, vgl. Palandt/Edenhofer, Art. 64 EGBGB Rz. 7. 4 In rund 90 % der Fälle erfolgt die Übergabe lebzeitig. 5 Bis auf das BadHofGG und die HessLandgüterO. 6 Vermutlich bedingen die geringe Rechtspraxis einzelner Landwirtschaftsgerichte und der Geschäftsverteilungsplan einzelner Amtsgerichte eine längere Einarbeitungszeit von jüngeren Richtern.
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B XIII Rz. 20
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
1. Gemeinsame Voraussetzungen der §§ 2049, 2312 BGB 20 Das BGB enthält kein geschlossenes Sondererbrecht für Höfe. Die BGB-Vorschriften, die den vom BGB verwendeten Begriff des „Landguts“ kennen, lassen sich an einer Hand abzählen: §§ 2049, 2312, 1515, 330 und 98 BGB. Diese Regelungen sind derart lückenhaft, dass man eigentlich gar nicht von einem „BGB-Landguterbrecht“ sprechen sollte. Die beiden wichtigsten Vorschriften, §§ 2049 und 2312 BGB, greifen zudem nur bei Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen. Liegt also keine Ablebensverfügung vor, kommt „BGB-Landguterbrecht“ nicht zur Anwendung. Das Fehlen einer gesetzlichen Sonderhoferbfolge im BGB-Landguterbrecht musste folglich durch das Zuweisungsverfahren nach §§ 13 ff. GrdstVG abgefedert werden. a) Begriff des Landguts i.S. v. §§ 2049, 2312 BGB 21 Mangels einer Legaldefinition ist für die Bestimmung des Begriffs „Landgut“ auf die Rechtsprechung zurückzugreifen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist unter einem „Landgut“ i.S. von §§ 2312, 2049 BGB eine Besitzung zu verstehen, die eine zum selbstständigen und dauernden Betrieb der Landwirtschaft einschließlich der Viehzucht oder der Forstwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit darstellt und mit den nötigen Wohnund Wirtschaftsgebäuden versehen ist. Sie muss eine gewisse Größe erreichen und für den Inhaber eine selbstständige Nahrungsquelle darstellen, ohne dass eine Ackernahrung i.S. v. § 14 Abs. 1 GrdstVG vorliegen muss. Das Bestimmungsrecht obliegt insoweit dem Eigentümer im Rahmen der Verkehrsauffassung. Der Betrieb kann auch nebenberuflich geführt werden, wenn er nur zu einem erheblichen Teil zum Lebensunterhalt seines Inhabers beiträgt1. 22 aa) Das Landgut muss als „Besitzung“ im Eigentum des Erblassers stehen2. 23
bb) Bei einem Landgut kann es sich selbstredend nur um einen Betrieb handeln, welcher der Landwirtschaft zuzurechnen ist. Die Landwirtschaft ist ein Gewerbe der Urproduktion, in dem durch Bodennutzung pflanzliche und tierische Rohstoffe erzeugt werden, was neben Viehzucht und Ackerbau auch Forstwirtschaft, Gärtnerei, gewerbsmäßigen Gartenbau und landwirtschaftliche Nebengewerbe einschließt3. Da die Bodennutzung ein entscheidendes Tatbestandsmerkmal ist, sind Agrarfabriken, die Massentierhaltung auf der Grundlage zugekauften Futters betreiben, keine BGB-Landgüter, sondern Gewerbebetriebe, die nach den allgemeinen Vorschriften vererbt werden4. Auch eine Pferdepension ist nicht als Landgut im Sinne von §§ 2049, 2312 BGB anzusehen, da sie in ihrem Gesamtbild nicht vom Betrieb einer Landwirtschaft im Sinne einer Urproduktion geprägt ist. Das gilt nach dem OLG München5 1 BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 76/85, NJW 1987, 951. 2 Wöhrmann, S. 498 ff. 3 OLG Oldenburg v. 17.12.1991 – 5 U 82/91, NJW-RR 1992, 463; vgl. auch die Legaldefinitionen für Landwirtschaft in § 585 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 1 Abs. 2 GrdstVG. 4 Wöhrmann, S. 500. 5 OLG München v. 14.1.2003 – 23 U 1830/02, NJW-RR 2003, 1518.
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Rz. 25 B XIII
auch dann, wenn die Pferdepension auf einem landwirtschaftlichen Anwesen mit insgesamt ca. 14,8 ha, bestehend aus Wohnhaus, Wirtschaftsgebäuden, Grünland und Forstland betrieben wird, um sich hierdurch auf die veränderten Markt- und Lebensbedingungen einzustellen. 1996 war die auf dem Hof bis dahin betriebende Milchwirtschaft aufgegeben und auf eine Pferdepension umgestellt worden. Zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin 1999 waren dort fünf Pensionspferde untergestellt. Das auf den Grünflächen geerntete Raufutter wurde zum Teil an die eingestellten Pferde verfüttert, im Übrigen an Dritte verkauft. Das erwirtschaftete Holz wurde zum Teil vom Bekl. selbst verbraucht, zum Teil an Dritte verkauft. Es wurde ein Jahresgewinn von 16 364 DM aus folgenden Umsätzen erwirtschaftet: Grünlandbewirtschaftung mit 12 022 DM, Pensionspferdehaltung mit 14 000 DM, Forstwirtschaft mit 3087 DM und Milchquotenverpachtung mit 3862 DM. Die Erträge aus Grünland- und Forstbewirtschaftung waren nach Auffassung des OLG derart gering, dass allein hierauf ein erhaltungswürdiger Betrieb nicht gestützt werden kann. Der für die Pflichtteilsberechnung maßgebende Verkehrswert des Anwesens betrug zum Zeitpunkt des Erbfalls 2,099 Mio. DM (Ertragswert 147 000 DM). cc) Die „gewisse Größe“ hat keinen eigenständigen Aussagegehalt: Vom Kleinbauern bis zum Rittergutsbesitzer soll das Gut in der Familie bleiben1. Die „gewisse Größe“ ist immer dann erreicht, wenn die Besitzung so groß ist, dass sie im zu entscheidenden Fall für den Inhaber eine selbstständige Nahrungsquelle darstellt. Dass dies schon bei 1,6 ha Eigenbesitz und 2 ha Zupachtfläche der Fall sein soll, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 3 GG) abzulehnen: Den Miterben kann kein Sonderopfer abverlangt werden, um nicht erhaltenswerte Betriebseinheiten und letztlich deren Eigentümer zu privilegieren2. Die „gewisse Größe“ des Landguts braucht aber nicht die einer „Ackernahrung“ zu haben. Das Landgut muss also nicht diejenige Menge Landes umfassen, die notwendig ist, um eine Familie unabhängig vom Markt und der allgemeinen Wirtschaftslage zu ernähren und zu bekleiden und den Wirtschaftsablauf des Hofs zu erhalten3.
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dd) Selbstständige Nahrungsquelle, die zu einem erheblichen Teil zum Lebensunterhalt des Inhabers beiträgt: Die Frage, ob nur Vollerwerbshöfe oder auch Nebenerwerbsbetriebe zu den Vorzugsbedingungen für Landgüter vererbt werden können, hat der BGH zugunsten der Nebenerwerbsbetriebe entschieden4. Ein Landgut könne auch vorliegen, wenn der Inhaber neben der Landwirtschaft einen anderen Beruf ausübe und aus dessen Erträgnissen den Familienunterhalt mitbestreite5. Begründet wird diese Auffassung damit, dass
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1 Kegel, Cohn-Festschrift, S. 102. 2 OLG Oldenburg Rdl, 1957, 220; Wöhrmann, S. 498. 3 So die Definition in § 2 Abs. 2 des früheren Reichserbhofgesetzes, vgl. Wöhrmann, S. 550. 4 BGH v. 4.5.1964 – III ZR 153/63, NJW 1964, 1414. 5 Unveröffentlichtes Urteil des BGH v. 8.4.1964 – III ZR 49/66, zitiert nach Wöhrmann, S. 503; vgl. auch Johannsen, WPM 1970, 328; Haegele, BWNotZ 1975, 35; MüKo/Frank, § 2312 Rz. 3 Fn. 17.
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B XIII Rz. 26
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die Einkünfte aus den Nebenerwerbsbetrieben für Familien im ländlichen Raum existenzsichernd seien. Beachtung mag hier finden, dass mittlerweile mehr Nebenerwerbs- als Vollerwerbslandwirte gezählt werden1. 26 Nach der Landgutdefinition des BGH kann jedoch nicht jeder Nebenerwerbsbetrieb ein Landgut sein. Da der Hof eine „selbstständige Nahrungsquelle“ darstellen muss, ist hierfür Voraussetzung, dass der Hof in erheblichem Umfang zum Gesamteinkommen des Inhabers und seiner Familie beiträgt. Für Wöhrmann liegt dieser erhebliche Einkommensanteil bei mindestens 15–20 % des Gesamteinkommens2. Die Vorgaben der Höfeordnung oder anderer Anerbenrechte für die Hofeigenschaft sind für den Landgutbegriff des BGB jedenfalls nicht heranzuziehen. So hat der BGH entschieden, dass die nach der HöfeO vorausgesetzte Mindestertragskraft bei einem Landgut nicht gegeben zu sein brauche, wenn nur die Voraussetzungen der BGH-Landgutdefinition vorliegen3. Ein Nebenerwerbsbetrieb kann zwar auch dann als Landgut gelten, wenn sein Ertrag nicht für den vollen Unterhalt des Inhabers ausreicht. Der Ertrag muss dann aber wenigstens einen erheblichen Teil seines Einkommens bilden. Diese Voraussetzung muss beim Erbfall vorliegen oder vom Erben oder seinen Abkömmlingen bei realistischer Betrachtung in Zukunft wieder verwirklicht werden können. Diese Voraussetzungen waren in einem vom OLG Stuttgart entschiedenen Fall4 bei einem Zuschussbetrieb nicht gegeben. Das OLG Stuttgart stellte zunächst fest, dass landwirtschaftliche Grundstücke ein Landgut bilden, wenn sie zum selbstständigen Betrieb einer Landwirtschaft geeignet und bestimmt sind. Eine bestimmte Betriebsgröße sei nicht erforderlich. Insbesondere sei nicht erforderlich, dass eine Ackernahrung vorhanden sei, dass also die Besitzung eine Familie unabhängig vom Markt und der allgemeinen Wirtschaftslage tragen können muss. Ein Landgut könne auch vorliegen, wenn der Inhaber noch einen anderen Beruf ausübe und aus dessen Erträgnissen seinen und seiner Familie Unterhalt mitbestreite. Doch müsse der Besitz eine gewisse Größe erreichen und deshalb für den Inhaber eine selbstständige Nahrungsquelle darstellen. Das setze voraus, dass der Besitz zum selbstständigen Betrieb der Landwirtschaft geeignet sei. Das sei aber nur der Fall, wenn der Besitz einen erheblichen Teil des Einkommens des Inhabers abwerfe, also kein Zuschussbetrieb ist. 27 Nach dem DAG-Leitfaden für die Ertragswertermittlung5 sind nur solche Betriebe als leistungsfähig einzustufen, bei denen die drei Erfolgskriterien Gewinn, Eigenkapitalbildung im Betrieb und die „Entlohnung“ der eingesetzten Produktionsfaktoren6 ein angemessenes Niveau für eine längerfristige (d.h. et1 Während 1971 der Anteil der Nebenerwerbslandwirte noch bei 43,6 % lag, betrug er 1992 bereits 55,8 %, vgl. Schmitt, Agrarrecht 1996, 15 ff. 2 Wöhrmann, S. 503. 3 BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 76/85, NJW 1987, 951. 4 OLG Stuttgart v. 30.12.1985 – 2 U 42/85, NJW-RR 1986, 822. 5 Agrarrecht 1994, 5 (6). 6 Nämlich Arbeit, Kapital und Boden.
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wa für eine Generation) wirtschaftliche Existenz erreichen. Das Gewinnniveau muss zeigen, dass eine ernst zu nehmende Erwerbstätigkeit und nicht etwa ein Hobby vorliegt. Die erzielbare Eigenkapitalbildung muss im Lichte der Fremdkapitalbelastung und der weiteren Betriebsentwicklung gewürdigt werden. Die „Entlohnung“ der eigenen Produktionsfaktoren „Arbeit“, „Kapital“ und „Boden“ aus dem Gewinn muss in etwa vergleichbaren marktüblichen Löhnen, Zinsen und Pachten entsprechen. Ferner werden gefordert das „Vorliegen einer Buchführung“, welche die Ernsthaftigkeit der wirtschaftlichen Betätigung belege, und die Selbstbewirtschaftung, was eine dauerhafte, nicht nur vorübergehende Verpachtung ausschließt. ee) Eignung zum dauernden Betrieb der Landwirtschaft: Für die Anwendung der §§ 2049, 2312 BGB kommt es auf die Verhältnisse zur Zeit des Erbfalls an. Die mangelnde Eignung und Widmung des Hofs zum dauernden Betrieb der Landwirtschaft kann folglich nicht daraus abgeleitet werden, dass die Grundstücke seit dem Erbfall ziemlich heruntergekommen sind1. Die Eignung der Wirtschaftseinheit zum dauernden Betrieb der Landwirtschaft geht durch vorübergehende Stilllegungen oder vorübergehende Verpachtungen nicht verloren. Stilllegungen oder Verpachtungen sind in diesem Sinne lediglich „vorübergehend“, wenn eine Besitzung vorhanden ist, die den landwirtschaftlichen Betrieb auch in Zukunft ermöglicht, und wenn zudem die begründete Erwartung besteht, dass der stillgelegte Betrieb durch den Eigentümer oder einen Abkömmling künftig wieder aufgenommen wird2. Für diese Wertung kommt es auf die Verhältnisse zur Zeit des Erbfalls an3. Unschädlich ist es, wenn der Hof im Zeitpunkt des Erbfalls (vorübergehend) nicht mehr bewirtschaftet wird.
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Nach der BGH-Rechtsprechung stehen eine verhältnismäßig kleine landwirtschaftlich nutzbare Fläche von 5,6 ha Acker und Grünland sowie 2,0 ha Wald, die Verpachtung eines Teils des Grundbesitzes und das hohe Alter der noch funktionsfähigen Maschinen der Einordnung eines Betriebs als Landgut i.S. von §§ 2049, 2312 BGB in Gestalt einer Nebenerwerbsstelle grundsätzlich nicht entgegen4. Obwohl der Hof im Zeitpunkt des Erbfalls nicht als geschlossene Einheit und die nicht verpachteten Teile unwirtschaftlich geführt wurden, wurde die Landguteigenschaft bejaht. Entscheidend für die Bejahung der Landguteigenschaft sei nämlich eine aus der objektivierenden Sicht eines unvoreingenommenen Beobachters abgegebene Prognose nach den Verhältnissen beim Erbfall, wobei neben der Beschaffenheit, der Lage und der sonstigen objektiven Verhältnisse des Betriebs selbstverständlich auch die Absichten, Vorstellungen und die Ausbildung der Beteiligten von Bedeutung seien. Demzufolge seien in erster Linie nicht die subjektiven Absichten des Erben oder seines Abkömmlings als seines möglichen Nachfolgers entscheidend. Auch
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BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 76/85, NJW 1987, 951. BGH v. 11.3.1992 – IV ZR 62/91, NJW-RR 1992, 770. BGH v. 14.12.1994 – IV ZR 113/94, NJW 1995, 1352. BGH v. 11.3.1992 – IV ZR 62/91, NJW-RR 1992, 770.
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müsse die Möglichkeit einer (erneuten) Betriebsausweitung in Betracht gezogen werden. So entfällt die Landguteigenschaft eines Hofs nicht einmal dann, wenn seine Bewirtschaftung bereits seit Jahren vollständig aufgegeben ist, das lebende und tote Inventar verkauft, die Ländereien an verschiedene Pächter verpachtet sind und der übernehmende Erbe den Betrieb weder wieder aufnehmen kann noch will1, sofern der Hof bei „realistischer Betrachtungsweise“ nach dem Tode des Erben von einem Abkömmling des Erblassers fortgeführt werden wird. Die Feststellung, ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind oder nicht, ist Aufgabe des Tatrichters. Die künftige Fortführung der Bewirtschaftung darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, obliegt dem Erben, der auf den Pflichtteil in Anspruch genommen wird2. 30 Die langfristige Verpachtung steht dabei der kurzfristigen Verpachtung als vorübergehende Verpachtung gleich. Nach OLG Oldenburg3 verliert ein als Wirtschaftseinheit verpachteter Hof seine Landguteigenschaft nicht, wenn er nach dem Erbfall durch den Pächter fortgeführt wird. Dies steht der weiteren Beurteilung des Besitzes als Landgut jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Fortführung des bisherigen landwirtschaftlichen Betriebs durch einen pflichtteilsberechtigten Angehörigen möglich und beabsichtigt ist. Dem Fehlen von Inventar kommt insoweit keine maßgebliche Bedeutung zu4. Etwas anderes gilt, wenn der Hof auf Dauer an Familienfremde verpachtet ist und keine Fortführung des Hofs durch einen pflichtteilsberechtigten Abkömmling möglich oder beabsichtigt ist. In diesem Falle verliert der Hof die Landguteigenschaft. 31 ff) Weitere Bestimmung zum landwirtschaftlichen Betrieb im Rahmen der Verkehrsanschauung: Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GrdstVG sollen solche Grundstücke eines Hofs von der Betriebszuweisung ausgenommen werden, von denen nach ihrer Lage und Beschaffenheit anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als landwirtschaftlichen Zwecken dienen werden. Diese Regelung hat vor allem landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, die Bauland oder Bauerwartungsland geworden sind, im Auge. Die weitere landwirtschaftliche Nutzung solcher Grundstücke wäre angesichts ihrer Wertsteigerung ökonomisch unsinnig.
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Beratungshinweis: Bauland, Bauerwartungsland und auskiesungsreife Grundstücke sind bei Auseinandersetzung und Pflichtteilsberechnung mit dem Verkehrswert anzusetzen.
Stellt man auf die BGH-Landgutdefinition ab, läge die Bestimmung des Eigentümers, einen Hof, dessen Grundstücke Bauland geworden sind, weiterhin 1 2 3 4
BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 76/85, NJW 1987, 951. BGH v. 27.9.1989 – IVb ZR 75/88, NJW-RR 1990, 68. OLG Oldenburg v. 17.12.1991 – 5 U 82/91, NJW-RR 1992, 463. BGH v. 4.5.1964 – III ZR 153/63, NJW 1964, 1414.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 35 B XIII
landwirtschaftlich zu nutzen, außerhalb des von der Verkehrsanschauung vernünftigerweise gezogenen Rahmens. Infolgedessen verliert ein Hof, dessen bislang landwirtschaftlich genutzten Grundstücke im Zeitpunkt des Erbfalls Bauland- oder Bauerwartungsland geworden sind, die Landgutseigenschaft, sofern unter Berücksichtung aller Umstände nicht erwartet werden kann, dass sie weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden. Dies dürfte regelmäßig der Fall sein. So hat das OLG Stuttgart in einem Urteil zum Pflichtteilsrecht1 entschieden, dass landwirtschaftliches Gelände in Großstadtnähe, dessen Verkehrswert das „reichlich Dreifache“ bis Sechsfache des landwirtschaftlichen Ertragswerts beträgt, kein „Landgut“ im Sinne des BGB darstellt. Beruhe die allgemeine Wertschätzung eines Grundstücks nicht mehr in erster Linie auf der landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit, sondern mindestens gleichermaßen oder sogar überwiegend auf Erwägungen, die dem allgemein wirtschaftlichen Bereich angehörten, liege kein „Landgut“ im Sinne des BGB mehr vor. Von einem „Landgut“ könne dann nicht mehr gesprochen werden, wenn ein gewinnträchtiges Grundstück in Stadtrandlage zwar noch landwirtschaftlich genutzt werde, es sich aber um eine „in der hier gegebenen Stadtrandlage teilweise zufällig gewordene derzeitige Nutzungsart“ handele. Hier müsse der gemeine Wert in der Nähe des Verkehrswerts gesucht werden, zumal der Verkehrswert dieses Geländes weniger als den zehnten Teil des Gesamtbetriebs ausmache und somit eine an den Verkehrswerten orientierte Abfindung den Betrieb keinesfalls in seiner Existenz gefährde. Wie gesehen verliert ein Hof, dessen Grundstücke Bau- oder Bauerwartungsland sind, die Landguteigenschaft. Sind nur Teile des Hofs Bauland oder Bauerwartungsland geworden, verliert der Hof die Landguteigenschaft zwar nicht. Aber es sind diejenigen Hofteile, die als Bauland oder Bauerwartungsland eine enorme Wertsteigerung erfahren haben, im Rahmen des § 2049 BGB mit dem Verkehrswert anzusetzen. Gleiches gilt für auskiesungsreife Grundstücke.
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gg) Nach der vom BGH gegebenen Definition müssen Wohn- und Wirtschaftsgebäude in einem Umfang vorhanden sein, die eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung ermöglichen.
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hh) Wegen der subsidiären Natur des BGB-Landguterbrechts gelten die Bestimmungen der §§ 2049, 2312 BGB nicht, wenn Anerbengesetze der Länder oder die Höfeordnung Anwendung finden. Diese enthalten Sonderregelungen2.
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b) Begünstigter Personenkreis i.S. v. §§ 2049, 2312 BGB §§ 2049, 2312 BGB begünstigen den Landgutübernehmer zulasten der Miterben und Pflichtteilsberechtigten. 1 OLG Stuttgart v. 18.1.1967 – 13/6 U 194/63, NJW 1967, 2410. 2 Vgl. z.B. § 10 BadHofGG, wonach für die Pflichtteilsberechnung der Ertragswert maßgebend ist.
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B XIII Rz. 36
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Beratungshinweis: Soll die Ertragswertbegünstigung bei der Abfindung der weichenden Erben oder im Pflichtteilsrecht greifen, muss der Hof auf einen pflichtteilsberechtigten Abkömmling oder einen sonst nach § 2303 BGB Pflichtteilsberechtigten übergehen.
Vom Gesetz ist aber von vornherein nur ein bestimmter Personenkreis in diesem Sinne begünstigt. Der Erbe, der das Landgut erhält, muss selbst zum Kreis der in § 2303 BGB bezeichneten pflichtteilsberechtigten Personen gehören (§ 2312 Abs. 3 BGB). Die auch im öffentlichen Interesse der Erhaltung eines leistungsfähigen Hofs liegende Begünstigung des übernehmenden Erben ist also von vornherein zugleich stark personenbezogen. Hierzu hat der BGH1 richtungsweisend ausgeführt, dass bei dem tief greifenden Strukturwandel in der Landwirtschaft die Auflösung eines Betriebs nicht von vornherein als eine für die Agrarstruktur nachteilige Maßnahme anzusehen sei. Allerdings wiesen trotz dieses Strukturwandels die landwirtschaftlichen Betriebe und auch die Wirtschaftsauffassung der Landwirte noch zahlreiche typische Eigenheiten auf, die sie von der gewerblichen Wirtschaft unterschieden. Es bestehe bei der Mehrheit der Landwirte weiterhin eine starke innere Bindung an Grund und Boden. Dieser sei in der Landwirtschaft im Unterschied zur gewerblichen Wirtschaft nicht nur Standort, sondern maßgebender Produktionsfaktor. Die besonderen Produktionsbedingungen setzten dem landwirtschaftlichen Betrieb von der Natur her Schranken und führten zu einem Betriebsrisiko eigener Art. Insoweit sei die Landwirtschaft gegenüber den gewerblichen Betrieben in natürlicher und wirtschaftlicher Hinsicht benachteiligt. Deshalb verstoße es nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, dass der ein Landgut übernehmende Erbe besser behandelt werde als die weichenden Erben oder Pflichtteilsberechtigten. Das könne indessen nur so lange gelten, wie im Einzelfall davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzeszweck, nämlich die Erhaltung eines leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebs in der Hand einer der vom Gesetz begünstigten Personen, erreicht werden wird. c) Ertragswert eines Landguts i.S. v. §§ 2049, 2312 BGB 36 Das Schlagwort „Erbrecht ist Bewertungsrecht“ bewahrheitet sich nirgends so sehr wie bei der Bewertung von landwirtschaftlichen Betrieben. Hier prallen Verkehrswert und Ertragswert als Größen aufeinander, zwischen denen Welten liegen können. So beträgt der Ertragswert oft nur ein Sechstel oder gar nur ein Vierzehntel des Verkehrswertes. Im gleichen Maße wie bei einer Ertragswertanordnung die Abfindungs- und Pflichtteilshoffnungen der weichenden oder enterbten Kinder schrumpfen, steigt in der Regel die Härte der Auseinandersetzung vor und außerhalb des Gerichts. Hier gilt es, für den Interessenvertreter des Hoferben beim „Kampf um den Ertragswert“ dem Gericht klarzumachen, dass „Bauern reiche Leute mit sehr geringem Einkommen sind“. Wie im außerlandwirtschaftlichen Bereich ist der Verkehrswert ei1 BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 76/85, NJW 1987, 951.
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Rz. 37 B XIII
nes Landguts zu definieren als der durch Schätzung zu ermittelnde hypothetische Erlös, der für das Landgut im Verkaufsfalle erzielbar wäre. Der Verkehrswert des Landguts ist für die Erbauseinandersetzung bzw. Pflichtteilsberechnung dann maßgebend, wenn weder die Voraussetzungen der §§ 2049, 2312 BGB noch die der §§ 13 ff. GrdstVG erfüllt sind und auch keine anerbenrechtlichen Sonderregelungen vorliegen. Das BGB-Landguterbrecht weist dem so genannten Ertragswert in den §§ 2049 BGB und 2312 BGB eine besondere Bedeutung zu. Nach der Auslegungsregel des § 2049 BGB ist als Übernahmewert im Zweifel nicht der Verkehrswert, sondern der Ertragswert anzusetzen, wenn nach dem letzten Willen des Erblassers ein Landgut durch einen Miterben übernommen werden soll. Die Berechnung der Pflichtteilszahlungen erfolgt in diesen Fällen gem. § 2312 BGB ebenfalls nach dem Ertragswert.
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Beratungshinweis: Der Ertragswert wird aus einer – regional unterschiedlichen – Vervielfältigung des jährlichen Reinertrags ermittelt.
Gemäß § 2049 Abs. 2 BGB wird der Ertragswert auf der Grundlage des „Reinertrags, den das Landgut nach seiner bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung nachhaltig gewähren kann“, ermittelt. Von dieser Definition ausgehend hat die Deutsche Gesellschaft für Agrarrecht u.a. folgende Bewertungskriterien aufgestellt1: – Maßgebend ist die bisherige wirtschaftliche Bestimmung als Landgut, und zwar selbst dann, wenn eine andere wirtschaftliche Bestimmung zweckmäßiger wäre. – Abzustellen ist auf eine objektiv ordnungsgemäße Bewirtschaftung, selbst wenn sie gar nicht stattgefunden hat. – Das Landgut muss den Reinertrag nachhaltig, d.h. dauerhaft und möglichst in gleich bleibender Höhe gewähren können. – Dient eine gewerbliche Einkunftsquelle (z.B. Brennerei, die selbst erzeugte Rohstoffe verarbeitet) dem landwirtschaftlichen Hauptbetrieb, liegt ein Nebenbetrieb vor, der bei der Reinertragsermittlung des Hofs einbezogen wird. – Sind landwirtschaftliche und gewerbliche Betätigung so miteinander verflochten, dass sie nicht ohne schwer wiegende Nachteile für den einen oder anderen Teil voneinander getrennt werden können, liegt ein gemischter Betrieb vor, der im Ganzen nach seinem wirtschaftlichen Schwerpunkt entweder landwirtschaftlich oder gewerblich einzustufen ist. – Bei Doppelbetrieben können landwirtschaftlicher und gewerblicher Teil ohne wesentliche wirtschaftliche Nachteile voneinander getrennt werden, so dass der landwirtschaftliche Betrieb mit seinem Ertragswert anzusetzen ist. – Hofesfreies Vermögen ist bei der Ermittlung des Reinertrags abzugrenzen. 1 DGA-Leitfaden, Agrarrecht 1994, 5.
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B XIII Rz. 38
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– Bei der Ermittlung des Reinertrags sind vom „Betriebseinkommen“ ein Entgelt für die Betriebsleitung (sog. Unternehmerlohn), die Fremdlöhne, ein Lohnanspruch für die noch nicht entlohnten Familienarbeitskräfte und Pachtzinsen abzuziehen. Demzufolge ist der Reinertrag eine Restgröße für die Entlohnung des eigenen Bodens und des gesamten Betriebskapitals. Der Faktor Arbeit wurde bereits durch den Abzug der realen Löhne wie der fiktiven Löhne nicht entlohnter Familienarbeitskräfte berücksichtigt. 38 Wie der Reinertrag beurteilt und wie auf seiner Grundlage der Ertragswert errechnet werden soll, bestimmt die „Teildefinition“ in § 2049 Abs. 2 BGB nicht. Das BVerfG hat hierzu festgestellt, dass der Ertragswert nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ein bestimmtes Vielfaches des Reinertrags ist, wobei der Reinertrag nicht nach dem Bewertungsgesetz ermittelt wird, sondern wegen der Besonderheit jedes Einzelfalles nach betriebswirtschaftlichen Jahresabschlüssen1. Dafür überlässt es Art. 137 EGBGB den Landesgesetzgebern, Grundsätze über die Feststellung des Ertragswerts von Landgütern zu normieren. Dieser Vorbehalt ist jedoch nicht unbegrenzt. Länder, die von ihm Gebrauch machen, haben die Bewertungsregelung des § 2049 Abs. 2 BGB zu beachten. So wurde vom BVerfG2 die Berechnung des Ertragswerts auf der Grundlage des steuerlichen Einheitswerts für nichtig erklärt. Die unterschiedlichen Zwecke und Ziele, welche die Festsetzung des in § 2049 BGB definierten Ertragswerts und des steuerlichen Einheitswerts bestimmen, haben zur Folge, dass die Werte nach unterschiedlichen Grundsätzen und in abweichenden Verfahren ermittelt werden. So sei die Legalumschreibung des Ertragswerts in § 2049 Abs. 2 BGB Bestandteil einer erbrechtlichen Bewertungsregelung, die aus Gründen einer gerechten Nachlassbeteiligung von Erben oder übergangenen Erben eine konkrete, individuelle und aktuelle Ermittlung möglichst wahrer Werte von Nachlassgegenständen vorschreibe. Die steuerliche Einheitswertfestsetzung hingegen habe eine der erbrechtlichen Nachlassbewertung nicht vergleichbare Zielsetzung und erfolge in einem der Massenbewertung Rechnung tragenden Verfahren. § 2049 stellt sich als gesetzliche Umschreibung der einen Ertragswert bildenden Kriterien dar (vgl. die auf sie verweisenden §§ 2312 Abs. 1, 1934b, 1515 Abs. 2 S. 3 BGB, § 16 Abs. 1 GrdstVG)3. 39 Die Bundesländer haben allerdings keine abschließenden Regelungen getroffen, wie der Ertragswert im Einzelnen genau zu ermitteln ist. Sie haben sich auf die Festlegung von Kapitalisierungsfaktoren beschränkt. Nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ist der Ertragwert nämlich ein bestimmtes Vielfaches des Reinertrags. Je nach Bundesland wird der Ertragswert als das 17- bis 25fache des jährlichen Reinertrags definiert. Mathematisch abgeleitet
1 OLG Düsseldorf v. 27.9.1985 – 7 UF 12/85, FamRZ 1986, 168. 2 BVerfG v. 26.4.1988 – 2 BvL 13, 14/86, NJW 1988, 2723. 3 So BVerfG v. 26.4.1988 – 2 BvL 13, 14/86, NJW 1988, 2723.
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werden die Kapitalisierungsfaktoren aus der Ertragswertermittlung durch Abdiskontierung der zukünftig zu erwartenden Reinerträge1. Ohne eine solche gesetzliche Regelung ist nach dem BVerfG bei jeder einzelnen Wertfestsetzung der nach den örtlichen wirtschaftlichen Verhältnissen in Betracht kommende Kapitalisierungsfaktor zu ermitteln2. Die für die Bewertungspraxis bei Untätigkeit des Landesgesetzgebers entstehenden Probleme habe der Gesetzgeber im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit in Kauf genommen. Dies ist rechtsgeschichtlich begründet: Als sich bei den Beratungen des ersten Entwurfs des BGB abzeichnete, dass die Bestrebungen, das gesamte Anerbenrecht als reichsrechtliche Regelung in das BGB aufzunehmen, scheitern würden, wurde im Interesse der Erhaltung eines gesunden Grundbesitzerstandes das Ziel verfolgt, es einem der engsten Familienangehörigen im Erbfall zu ermöglichen, ein Landgut zum Ertragswert zu übernehmen. Dazu sah ein Entwurf eine dem § 2049 Abs. 2 BGB inhaltlich vergleichbare Umschreibung der Kriterien des Ertragswerts vor. Das Einführungsgesetz sollte es den Einzelstaaten überlassen, für die Feststellung des Übernahmewerts Ausführungsvorschriften zu schaffen. Es wurde ein darüber hinausgehender Antrag gestellt, in das BGB aufzunehmen, als Ertragswert des Landguts sei das 25fache oder ein anderes Vielfaches des festgestellten jährlichen Reinertrags anzusetzen. Dieser Antrag fand keine Zustimmung. Die Zweite Kommission vertrat die Ansicht, bei der Größe und Vielgestaltigkeit des deutschen Wirtschaftsgebiets sei eine allgemeine Vorschrift misslich, wonach überall ein bestimmtes Vielfaches des Reinertrags als Kapitalwert anzunehmen sei. Die Berechnung werde nach den örtlichen Verhältnissen und der Art der Kulturen variieren. Am richtigsten sei es, in diesem Punkt der Ländergesetzgebung einen weit gehenden Spielraum zu lassen. Selbst wenn aber ein Land die Vorschriften über die Ertragswertfestsetzung nicht ergänze, sei es mithilfe eines Bewertungssachverständigen möglich, schon aufgrund der im BGB getroffenen Regelung zu einer bestimmten Ertragswertfestsetzung zu kommen3. Vor diesem Hintergrund stellte das BVerfG4 fest, dass das BGB bei der Berechnung erbrechtlicher Ausgleichsansprüche die Verwirklichung der Einzelfallgerechtigkeit anstrebe. Dazu nehme es in Kauf, dass der individuelle Ertragswert nicht problemlos bestimmt werden könne, die realitätsgerechten Ertragsbedingungen in der Regel durch Gutachten eines Bewertungssachverständigen festgestellt werden müssten und auch die Art und Weise der betriebswirtschaftlichen Feststellung des Reinertrags anhand der von § 2049 Abs. 2 BGB vorgegebenen Kriterien nicht unumstritten seien.
1 Ertragswert = jährlicher Reinertrag × 100/Kalkulationszinsfuß; vgl. die ausführliche Darstellung bei Wöhrmann/Stöcker, 7. Auflage, S. 543, die ab der 8. Auflage leider fehlt. 2 So BVerfG v. 26.4.1988 – 2 BvL 13, 14/86, NJW 1988, 2723. 3 Vgl. Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich I, S. 186 ff. 4 BVerfG v. 26.4.1988 – 2 BvL 13, 14/86, NJW 1988, 2723.
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aa) Bewertungsregeln der Bundesländer (1) 18 als Multiplikator 41 Beispielsweise bestimmt § 48 Ba-Wü AGBGB, dass bei der Berechnung des Ertragswerts zunächst der jährliche Reinertrag des Landguts „durch Schätzung“ zu ermitteln ist. Als Ertragswert gilt dann das 18fache des jährlichen Reinertrags. 42 Art. 68 BayAGBGB gibt für Bayern ebenfalls das 18fache des jährlichen Reinertrags als Ertragswert an. 43 In Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen fehlt es an der Festsetzung eines Vervielfältigers durch die Landesgesetzgeber. Der DAG-Leitfaden für die Ermittlung des Ertragswerts landwirtschaftlicher Betriebe1 empfiehlt „aus der vom Bundesverfassungsgericht geforderten betriebswirtschaftlichen Sicht“2 den Multiplikator „18“, soweit die Bundesländer einen Multiplikator nicht bestimmt haben. Dem Multiplikator „18“ liege zugrunde, dass Abfindungen und Ausgleichszahlungen regelmäßig durch eine Mischfinanzierung aus Eigen- und Fremdkapital erfolgten, wobei ein langfristig maßgeblicher Zinssatz von 5,5 % unterstellt werde. Die vom BVerfG für erforderlich gehaltene regionale Differenzierung des Kapitalisators sei nicht sachgerecht, da sich regionale Unterschiede in der Betriebswertigkeit im Reinertrag, nicht aber im Multiplikator niederschlügen. 44 In Schleswig-Holstein wäre nach dieser Empfehlung ebenfalls der Multiplikator 18 anzuwenden, nachdem § 23 AGBGB, das den doppelten Einheitswert als Ertragswert bestimmt hatte, vom BVerfG3 für nichtig erklärt wurde. (2) 25 als Multiplikator 45 In Berlin hingegen errechnet sich der Ertragswert aus dem 25fachen jährlichen Reinertrag, Art. 83 PreußAGBGB. 46 Gleiches gilt für Bremen gem. § 14 des Bremischen Höfegesetzes, der für Landgüter analog anzuwenden sein dürfte. 47 In Hessen gilt das 25fache des jährlichen Reinertrags als Ertragswert, und zwar sowohl für die ehemals preußischen Gebietsteile (Hessen-Kassel) als auch für die ehemals zu Hessen-Darmstadt zählenden Gebietsteile, Art. 83 PreußAGBGB (Hess. GVBl. II 230 – 2), Art. 106, 130 AGBGB (Hess. GVBl. II 230 – 1). 48 In Nordrhein-Westfalen ist 25 Kapitalisierungsfaktor gem. Art. 83 PreußAGBGB (SGV NW 40), wobei sich dies für das Gebiet des alten Landes Lippe
1 Agrarrecht 1994, 5. 2 Vgl. BVerfG v. 26.4.1988 – 2 BvL 13, 14/86, NJW 1988, 2723. 3 BVerfG v. 26.4.1988 – 2 BvL 13, 14/86, NJW 1988, 2723.
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(heutiger Regierungsbezirk Detmold) aus § 46 AGBGB ergibt (GS Fürstentum Lippe S. 489). In Rheinland-Pfalz gilt das 25fache des jährlichen Reinertrags als Ertragswert, § 24 RhPfAGBGB.
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Im Saarland ist ebenfalls der 25fache jährliche Reinertrag maßgebend, Art. I § 32 des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Bereinigung landesrechtlicher Vorschriften (5. RBG).
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(3) 17 als Multiplikator In Niedersachsen gilt das 17fache des jährlichen Reinertrags als Ertragswert, § 28 AGBGB i.V.m. § 3 Abs. 2 und 4 des Reallastengesetzes.
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bb) Ermittlung des jährlichen Reinertrags Reinertrag ist derjenige Betrag – um es mit Müller-Feldhammer1 plastisch zu formulieren –, der „am Monatsende bzw. Jahresende dem Landwirt übrig bleibt“. Unter Reinertrag ist also der Betrag zu verstehen, den der Hof nach Abzug sämtlicher Kosten und nach angemessener Entlohnung der Arbeitskräfte erbringen kann. Kurz gesagt ist Reinertrag der Überschuss des Rohertrags (Summe aller landwirtschaftlichen Betriebseinnahmen) über den Aufwand (Summe aller landwirtschaftlichen Betriebsausgaben)2.
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Der Rohertrag umfasst dabei alle landwirtschaftlichen Betriebseinnahmen, den Wert von Naturalentnahmen, den Mietwert der Wohnung, den Wert der Bestandsveränderungen an Vieh und den Wert der selbst erzeugten Vorräte.
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Vom Rohertrag sind als Aufwand abzuziehen die landwirtschaftlichen Betriebsausgaben, Löhne, Betriebssteuern, Abschreibungen, der Wert der Bestandsveränderungen an zugekauften Vorräten, der fiktive Lohnanspruch des Betriebsinhabers einschließlich der mitarbeitenden Familienmitglieder. Der Abzug eines fiktiven Unternehmerlohns führt häufig zu keinem oder einem negativen Reinertrag, was in der Konsequenz bedeutet, dass die weichenden Erben kein Abfindung erhalten dürften. Der landesrechtliche Multiplikator spielt hier keine Rolle mehr, denn „18 mal null ergibt eben nur null“. In solchen Fällen werden dann positive Reinerträge erzielt, indem von den Bewertungssachverständigen prozentuale Abschläge vom fiktiven Unternehmerlohn vorgenommen werden. Ob solche nach ihrem freien Ermessen von den Sachverständigen vorgenommenen Abschläge das geeignete Mittel sind, „um einen Ertragswert zu retten“, erscheint sehr fragwürdig.
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Keinen Aufwand stellen hingegen die Ausgaben für Neubauten und Neuanschaffungen, soweit sie zu aktivieren sind, Zinsen, Mieten, Renten, persönliche Steuern und Versicherungen dar. Zugepachtete Flächen sind in Erbfällen
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1 ZEV 1995, 163. 2 Palandt/Edenhofer, § 2049 Rz. 3.
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mit dem Wert des nach der Laufzeit zu berechnenden Nutzungsrechts anzusetzen, da nur dieses auf den Erben übergeht. Subjektive Faktoren, die auf die Person des Wirtschafters abstellen, können bei der Ermittlung des Reinertrags keine Berücksichtigung finden, da nach § 2049 Abs. 2 BGB von dem Reinertrag bei „ordnungsgemäßer Bewirtschaftung“ als objektivem Kriterium auszugehen ist.
2. Weitere Voraussetzungen des § 2049 Abs. 1 BGB1
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Beratungssituation: Der Erblasser will ein Testament errichten, in dem er einem pflichtteilsberechtigten Abkömmling oder seinem Ehegatten den Hof zum Ertragswert zukommen lassen will.
a) Erbengemeinschaft 56 Mit dem Erbfall entsteht eine Erbengemeinschaft. b) Anordnung des Übernahmerechts durch den Erblasser 57 Der Erblasser hat durch Testament2 oder Erbvertrag3 angeordnet, dass einer der Miterben ein Übernahmerecht bezüglich eines zum Nachlass gehörenden Landguts haben soll. In dieser „Anordnung“ eines Übernahmerechts liegt eine bedingte Teilungsanordnung. Der Erblasser überlässt dem bedachten Miterben die freie Entscheidung darüber, ob er das Landgut übernehmen will oder nicht. Der Anspruch auf Zuweisung des Landguts an den Miterben steht also unter einer Wollensbedingung. Erst die Geltendmachung des Übernahmerechts durch den betreffenden Miterben bringt den Anspruch auf Übertragung des Landguts bei der Auseinandersetzung zum Entstehen. 58 Die Einordnung des Übernahmerechts als Teilungsanordnung setzt voraus, dass der Landgutübernehmer durch die Einräumung des Übernahmerechts wertmäßig nicht bevorzugt werden soll. Da der Hof auf den ersten Blick zu Vorzugsbedingungen auf den Übernahmeberechtigten übergeht, fällt es zunächst schwer, das Übernahmerecht als Teilungsanordnung zu akzeptieren. Da § 2049 BGB die Übernahme zum „niedrigeren Ertragswert“ statt zum „höheren Verkehrswert“ anordnet, könnte auch ein Vorausvermächtnis vorliegen4. Das Reichsgericht5 jedenfalls sieht in § 2049 BGB eine Teilungsanordnung. Es hatte 1942 einen Fall zu entscheiden, in dem in einem Ehegattentestament aus dem Jahre 1909 unter anderem folgende Anordnung getroffen war: „Bei der Teilung des Nachlasses des Längstlebenden von uns soll unser Sohn Robert das Recht haben, unser Gut W. mit allen dazugehörigen Ländereien zum Preise von 120 000 Mark zu übernehmen.“ Hierzu führte das Reichs1 Zu den gemeinsamen Voraussetzungen der §§ 2049, 2312 BGB s. Rz. 20 ff. 2 Eine formnichtige Übernahmeanordnung kann für das Zuweisungsverfahren nach dem GrdstVG bedeutend sein, § 15 Abs. 1 S. 1 GrdstVG. 3 Vgl. § 2299 Abs. 1 BGB. 4 Wöhrmann, S. 506. 5 RG v. 13.11.1942 – VII 60/42, RGZ 170, 163 (169 ff.).
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 59 B XIII
gericht aus, eine sich äußerlich als Teilungsanordnung darstellende, in Anrechnung auf den Erbteil vorzunehmende Zuweisung bestimmter Nachlassgegenstände könne eine Begünstigung des Miterben, dem die Gegenstände zugewiesen sind, zulasten der übrigen Miterben und demnach ein Vermächtnis darstellen, soweit der Übernahmepreis unter dem Werte der zugeteilten Gegenstände angesetzt sei. Es sei Sache der Auslegung, zu ermitteln, ob sich im Einzelfall mit einer derartigen Anordnung die Absicht einer über die Teilungsregelung hinausgreifenden vermächtnismäßigen Begünstigung verbinde. Die Meinung des OLG Düsseldorf, es liege eine solche Begünstigungsabsicht vor, weil das betreffende Gut W. im Jahre 1939 auf 380 000 Reichsmark zu schätzen gewesen sei, wies das Reichsgericht zurück. Entscheidend sei die Vorstellung der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Erheblich sei daher die klägerische Behauptung, im Jahr der Testamentserrichtung 1909 habe der Preis von 120 000 Mark, zu dem der Beklagte das Gut erhalten sollte, seinem damaligen landwirtschaftlichen Wert, dem Ertragswert, entsprochen. Unter der Voraussetzung, im Jahre 1909 habe der Ertragswert des Guts 120 000 Mark betragen, liegt für das nachfolgend wörtlich zitierte Reichsgericht “. . ., die Annahme nahe, dass die Eheleute z.K. [die Erblasser] den Übernahmepreis dem den Verhältnissen, insbesondere der Fortsetzung der landwirtschaftlichen Nutzung des Guts, angemessenen Wert anpassen und damit, wie im Falle des § 2049 BGB, eine reine Teilungsanordnung treffen wollten.“ Damit ist durch das Reichsgericht jedenfalls für den Fall des § 2049 BGB klargestellt, dass dieser eine reine Teilungsanordnung regelt. Der Grund, in § 2049 BGB eine reine Teilungsanordnung zu sehen, liegt darin, dass der „landwirtschaftliche Wert“ als Übernahmepreis den Gutsübernehmer nicht bevorzugt. In Anbetracht des Schutzzwecks des § 2049 BGB, die Existenz des Hofs gegen Überschuldung zu sichern, ist nämlich der „wirkliche Wert“ eines Landguts nach der Wertung des Gesetzgebers im Ertragswert („landwirtschaftlicher Wert“) und nicht im Verkehrswert zu finden. Gerade in Anbetracht der derzeitigen schlechten Ertragslage in der Landwirtschaft wird dies niemand ernsthaft in Abrede stellen können. Bessert sich die Ertragssituation in der Landwirtschaft, geht damit automatisch eine Steigerung des landwirtschaftlichen Gutwerts, des Ertragswerts eben, einher. Wird der Hof vom Hoferben weiterbetrieben, versteht sich von selbst, dass der „wirkliche Wert“ des Hofs nur im Ertragswert zu finden ist. In gleicher Weise erklärte sich der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor dem BVerfG dahin gehend, dass bei landwirtschaftlicher Nutzung „der Betrieb für den Eigentümer keinen höheren materiellen Wert als den Ertragswert“ habe1. Bei einer Aufgabe des Hofs hingegen lässt sich ein durch Schätzgutachten ermittelter Verkehrswert in der Mehrzahl der Fälle nicht realisieren, da landwirtschaftliche Grundstücke von den überlebensfähigen Großbetrieben zumeist nicht zugekauft, sondern zu günstigsten Konditionen zugepachtet werden2. 1 BVerfG v. 14.12.1994 – 1 BvR 720/90 – (15/95), Agrarrecht 1995, 52. 2 Beispielhaft erklärte ein ehemaliger Landwirt nach Aufgabe seines Hofs gegenüber dem Verfasser: „Die Großen brauchen meine Äcker nicht zu kaufen, die bekommen sie so oder so!“ – wobei dies natürlich regional unterschiedlich sein kann.
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B XIII Rz. 60
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
In der Landgutzuweisung kann eine Alleinerbeneinsetzung liegen, wenn das Landgut den ganz überwiegenden Teil des Erblasservermögens darstellt. c) Übernehmer gehört zum begünstigten Personenkreis des § 2303 BGB 60 Der Landgutübernehmer muss zum Personenkreis des § 2303 BGB gehören, so dass ihm zumindest theoretisch ein Pflichtteilsanspruch zustehen könnte, also auch dann, wenn er beispielsweise durch einen näher stehenden Abkömmling vom Pflichtteilsrecht ausgeschlossen wird. Beim Landgutübernehmer muss es sich also um einen Abkömmling, den Ehegatten oder einen Elternteil des Erblassers handeln. Dies folgt aus der ratio legis des § 2312 BGB, die auch für § 2049 BGB gilt:1 Erhaltung leistungsfähiger Betriebe in bäuerlichen Familien. Weitere besondere persönliche Voraussetzungen des Übernehmers sind nicht zu fordern. So ist die teilweise geforderte „Bedürftigkeit des Übernehmers“2, die es verhindert, dass er Abfindungs- und Pflichtteilsansprüche nach dem Verkehrswert erfüllen kann, kein Kriterium für die Anwendung des § 2049 BGB. Das öffentliche Interesse an der Erhaltung leistungsfähiger Betriebe besteht unabhängig von den privaten Vermögensverhältnissen des Übernehmers3. 61 Auch kann die in der Höfeordnung und anderen Anerbengesetzen vorausgesetzte „Wirtschaftsfähigkeit des Übernehmers“ nicht für BGB-Landgüter über Art. 64 EGBGB als besondere persönliche Voraussetzung des Landgutübernehmers nach § 2049 BGB eingeführt werden4. Art. 64 Abs. 1 EGBGB spricht lediglich aus, dass die landesrechtlichen Anerbengesetze vom BGBLandguterbrecht unberührt bleiben, nicht jedoch dass landesrechtliche Anerbengesetze für die Auslegung des BGB-Landguterbrechts heranzuziehen sind. Wäre Letzteres der Fall, müsste beispielsweise nach dem Wegfall der Württembergischen Anerbengesetze ab dem 1.1.2001 das Wirtschaftsfähigkeit voraussetzende BadHofGG5 für Baden und Württemberg Anwendung finden6. Während nach den Württembergischen Anerbengesetzen die Wirtschaftsfähigkeit in Württemberg bislang keine Rolle spielte, würde ab 2001 Badisches Anerbenrecht in Württemberg die Anwendung des § 2049 BGB bestimmen. Auch eine Eingrenzung des Anwendungsbereichs des BadHofGG auf den badischen Landesteil würde hier nicht weiterhelfen. Das BadHofGG gilt 1 2 3 4
Wöhrmann, S. 511. MüKo/Frank, 4. Aufl. 2004, Rz. 6. Wöhrmann, S. 513. So aber Wöhrmann, S. 514, der für die Höfeordnungsländer Rheinland-Pfalz, Hessen und Teile Baden-Württembergs die in den jeweiligen Anerbenrechten vorausgesetzte Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben auf den Landgutübernehmer des § 2049 BGB ausdehnen will. 5 Nach § 8 BadHofGG kann nicht Anerbe werden, wem zur Zeit des Erbfalls zur Besorgung all seiner Angelegenheiten ein Betreuer bestellt ist. Das württtembergische Anerbenrecht hingegen fordert keine Wirtschaftsfähigkeit des Übernehmers. 6 Eine – nebenbei bemerkt – für einen gestandenen schwäbischen Landwirt wohl unzumutbare Vorstellung.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 67 B XIII
nur für einen Teil Südbadens. Insbesondere in Nordbaden galt bis zum 31.12.2000 Württembergisches Anerbenrecht. Wäre die Auffassung richtig, wonach die in einem Landesanerbengesetz vorausgesetzte „Wirtschaftsfähigkeit“ im entsprechenden Land auch für die Auslegung des § 2049 BGB heranzuziehen wäre, würde im Jahre 2001 über das bereits 1898 für den südbadischen Hochschwarzwald verkündete BadHofGG für den nordbadischen Landesteil erstmals seit 102 Jahren die „Wirtschaftsfähigkeit“ zum Tatbestandsmerkmal des § 2049 BGB. Das kann nicht richtig sein. d) Hof geht als wirtschaftliche Einheit über Das Übernahmerecht bezieht sich auf ein Landgut1 als wirtschaftliche Einheit. Wird der Hof nicht als Einheit übertragen, sondern sollen einzelne Miterben jeweils nur Bruchteile des Hofs erhalten, ist § 2049 BGB nicht anwendbar2.
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e) Übernahmepreis in Ablebensverfügung geht vor Im Testament oder Erbvertrag darf der Erblasser keinen Übernahmepreis bestimmt haben. § 2049 Abs. 1 BGB ordnet als Auslegungsregel an, dass nur im Zweifel anzunehmen ist, dass das Landgut zum Ertragswert angesetzt werden soll. Hatte der Erblasser einen anderen Willen, gilt dieser.
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f) Ausübung des Übernahmerechts Eine Frist für die Ausübung des Übernahmerechts ist nicht vorgeschrieben. Allerdings kann das Übernahmerecht nach den allgemeinen Grundsätzen verwirkt werden.
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g) Rechtsfolgen Die Miterben sind verpflichtet, dem vom Erblasser als Landgutübernehmer bestimmten Miterben das Alleineigentum am Landgut einzuräumen.
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h) Ertragswertermittlung Nunmehr ist der Ertragswert gem. § 2049 Abs. 2 BGB auf der Grundlage des jährlichen Reinertrags zu ermitteln (s. Rz. 36 ff.).
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i) Beispiel Die wertmäßige Anrechnung des Landguts auf den Erbanteil des Miterben zum Ertragswert soll an einem Beispiel3 verdeutlicht werden. Der Erblasser setzt seine drei Kinder zu Erben ein. Dem Sohn S wendet er das Recht zu, das 1 Zum Begriff des Landguts s. Rz. 21 ff. 2 BGH v. 21.3.1973 – IV ZR 157/71, NJW 1973, 995. 3 Nach Wöhrmann, S. 550.
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B XIII Rz. 68
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
zum Nachlass gehörende Landgut, das einen Verkehrswert von 500 000 Euro hat, zum Ertragswert zu übernehmen. Der Ertragswert soll 250 000 Euro betragen. Der sonstige Nachlass hat einen Wert von 500 000 Euro. Nachlassverbindlichkeiten sollen keine vorhanden sein. Der Nachlasswert setzt sich aus dem Ertragswert des Landguts von 250 000 Euro und dem sonstigen Nachlasswert von 500 000 Euro zusammen. Da jedem der Kinder ein Drittel Erbteil zukommt, erhalten sie gem. § 2047 BGB jeweils 250 000 Euro bzw. der Landgutübernehmer das Landgut mit dem entsprechenden Ertragswert. Läge kein Ansatz zum Ertragswert vor, hätte jeder Miterbe ein Drittel aus dem Verkehrswertnachlass von 1 Million Euro, also 333 333,33 Euro zu erhalten. Die Differenz von 166 666,66 Euro zu den 500 000 Euro Verkehrswert des Hofs wären als Ausgleichszahlung je zur Hälfte vom Landgutübernehmer an seine Geschwister auszukehren. Im Beispielsfall bewirkt die Ertragswertansetzung nach § 2049 BGB eine Einsparung von 166 666,66 Euro für den Landgutübernehmer. Wie ist ein angeordneter Übernahmepreis bei der Auseinandersetzung anzusetzen? Denkbar ist auch, dass der Erblasser einen Übernahmepreis von 400 000 Euro für das Landgut anordnet, das einen Ertragswert von 250 000 Euro hat. Jetzt setzt sich der Nachlasswert aus dem Übernahmepreis von 400 000 Euro zuzüglich des sonstigen Nachlasswerts von 500 000 Euro zusammen. Von den 900 000 Euro stehen jedem Miterben ein Drittel Anteil, also 300 000 Euro zu. Der Landgutübernehmer muss an jeden Miterben eine Abfindung von 50 000 Euro zahlen. Gegenüber einer reinen Verkehrswertabrechnung hat er immerhin noch 100 000 Euro eingespart.
3. Weitere Voraussetzungen des § 2312 BGB1 § 2312 BGB als die dem § 2049 BGB entsprechende Bewertungsregel im Pflichtteilsrecht setzt voraus: a) Anwendbarkeit 68 § 2312 findet beim Eingreifen anerbenrechtlicher Bestimmungen i.S.d. Art. 64 EGBGB keine Anwendung, da diese die Höfebewertung für die Pflichtteilsberechnung selbst regeln (§ 12 Abs. 10 HöfeO, § 10 Abs. 2 BadHofGG, Art. 15 WürttAnerbenG, § 24 BremHöfeG, § 26 HessLandgüterO, § 20 RhPfHöfeO). § 2312 BGB gilt nach seinem Normzweck entsprechend, wenn das Landgut bereits zu Lebzeiten des Erblassers durch Hofübergabevertrag vom Erblasser auf den Übernehmer übergegangen ist und gegen den Übernehmer Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht werden (s. Rz. 78)2.
1 Zu den gemeinsamen Voraussetzungen von §§ 2049, 2312 s. Rz. 20 ff. 2 BGH v. 4.5.1964 – III ZR 153/63, NJW 1964, 1414.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 70 B XIII
b) Landgut Zum Nachlass bzw. fiktiven Nachlass gehört ein Landgut (s. Rz. 21 ff.) als wirtschaftliche Einheit. Eine Pferdepension ist nicht als Landgut im Sinne von §§ 2049, 2312 BGB anzusehen, da sie in ihrem Gesamtbild nicht vom Betrieb einer Landwirtschaft im Sinne einer Urproduktion geprägt ist (s. Rz. 21 ff.)
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c) Übernehmer gehört zum Personenkreis des § 2303 BGB Der Alleinerbe (§ 2312 Abs. 2 BGB) oder mit dem Recht der Landgutübernahme ausgestattete Miterbe (§ 2312 Abs. 1 BGB) muss zu den in § 2303 BGB bezeichneten abstrakt pflichtteilsberechtigten Personen zählen, § 2312 Abs. 3 BGB. Das Bewertungsprivileg des § 2312 BGB findet also nur Anwendung, wenn der das Landgut übernehmende Mit- oder Alleinerbe zum Kreis der generell Pflichtteilsberechtigten gehört, d.h. Ehegatte, Abkömmling oder Elternteil ist. Belanglos ist, ob der Übernehmer im Einzelfall tatsächlich einen Pflichtteilsanspruch hat (§ 2317 BGB) oder durch Näherstehende ausgeschlossen wird (§ 2309 BGB). Mit dem Normzweck des § 2312 BGB, das Landgut im Besitze der Familie als leistungsfähige Einheit zu erhalten, wäre es schwerlich zu vereinbaren, wenn das Ertragswertprivileg nur dem einzigen Sohn des Erblassers zukäme, während es dem Enkelkind des Erbassers versagt bliebe, selbst wenn es als einziges Familienmitglied geeignet und gewillt wäre, den Hof zu übernehmen. Fällt das Landgut an eine Erbengemeinschaft, ohne dass einem der Miterben ein Übernahmerecht zusteht, kommt eine Anwendung von § 2312 BGB nicht in Betracht. Ist das Übernahmerecht oder das Landgut selbst letztwillig als Vermächtnis zugewiesen, ist fraglich, ob der Vermächtnisnehmer zum begünstigten Personenkreis zu rechnen ist. Bei einem Übernahme-Vorausvermächtnis zugunsten eines Miterben ist dieses gegenüber einer Teilungsanordnung als Privilegierung anzusehen, so dass hier §§ 2312, 2049 BGB erst recht zur Anwendung wird kommen müssen. Wird das Landgut selbst dem Erwerber letztwillig durch bloßes Vermächtnis zugewandt, müsste nach dem Normzweck das Bewertungsprivileg entgegen dem Wortlaut der Norm wie beim Miterben, der das Landgut per Teilungsanordnung erhält, ebenfalls greifen. Für das den Miterben bedenkende Vorausvermächtnis wird dies zu Recht bejaht, da es sich gegenüber einer Teilungsanordnung als Besserstellung darstellt1. Bei einem bloßen Vermächtnisnehmer lehnt die h.M. ein solches Bewertungsprivileg ab2. Legt man aber die Argumentation des BGH3 zur Anwendbarkeit des § 2312 BGB im Falle der lebzeitigen Hofübergabe zugrunde, wird man auch bei einer vermächtnisweisen Zuwendung des Landgutes dem Vermächtnisnehmer das 1 Bamberger/Roth/Mayer, § 2312 Rz. 5 Fn. 14. 2 Staudinger/Haas, § 2312 Rz. 5, Bamberger/Roth/Mayer, § 2312 Rz. 5; Zechiel, Die „Ertragswertklausel“ in der bayerischen Notariatspraxis und ihr Bedeutungswandel bei verfassungsgemäßer Auslegung des § 2312, Diss. Würzburg 1993, S. 15. 3 BGH v. 4.5.1964 – III ZR 153/63, NJW 1964, 1414, 1415 ff., dazu ausführlich Rz. 78.
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B XIII Rz. 71
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Ertragswertprivileg einräumen müssen. Der BGH ist der Auffassung, dass es bei der Pflichtteilsberechnung keinen Unterschied machen kann, ob der Übernehmer bereits zu Lebzeiten oder erst nach dem Tode des Erblassers das Landgut übernommen hat, sofern nur in beiden Fällen eine Ertragswertanordnung des Erblassers vorlag. Eine solche Anordnung ist nach den Ausführungen des BGH grundsätzlich zu unterstellen, wenn die Zuwendung des Landgutes unentgeltlich erfolgte. Da der BGH den lebzeitigen und den durch Erbfall bewirkten „Gutsantritt“ pflichtteilsrechtlich gleich behandelt sehen will, kann es keinen Unterschied machen, ob das Gut lebzeitig unentgeltlich übertragen oder durch Vermächtnis letztwillig zugewendet wird. In beiden Fällen muss § 2312 BGB – jedenfalls nach der Argumentation des BGH – zur Anwendung kommen. d) Anordnung des Erblassers oder Fall des § 2049 BGB 71 Der Erblasser muss eine Anordnung getroffen haben, dass die Bewertung des Landguts nach dem Ertragswert zu erfolgen hat, oder zu einem anderen Übernahmewert, der zwischen Ertragswert und Verkehrswert liegt. Einer solchen Anordnung kommt es gleich, wenn die Auslegungsregel des § 2049 BGB greift. Nach ihr beinhaltet die Teilungsanordnung des Erblassers, die eine Übernahme des Landguts durch einen Miterben vorsieht, im Zweifel zugleich das Recht, das Landgut zum Ertragswert zu übernehmen. Auch einer ergänzenden Testamentsauslegung kann eine solche Anordnung des Erblassers entnommen werden, wenn sich ein entsprechender Anhalt im Testament findet (Andeutungstheorie)1. Hat der Erblasser seine Ehefrau im Testament zur alleinigen Erbin bestimmt und zudem ausdrücklich angeordnet, dass sie „zunächst“ den Hof erhalten soll, geht der IVa-Zivilsenat des BGH, wie er in einem Urteil vom 22.10.1986 andeutet, offenbar davon aus, dass das Testament dahin ausgelegt werden kann, dass für die Berechnung des Pflichtteils des einzigen Sohnes, der nur zwei Tage nach der Testamentserrichtung adoptiert wurde, der Ertragswert des Landguts zugrunde zu legen ist2. Ist in einem Berliner Testament vorgesehen, dass einer der Schlusserben das zum Nachlass gehörende Landgut übernehmen soll, ist bereits bei der Pflichtteilsberechnung nach dem erstversterbenden Ehegatten der Ertragswert des Landguts zugrunde zu legen, wenn ein für den Schlusserbfall berufener Miterbe den Pflichtteil aus dem Nachlass des Erstverstorbenen fordert3. Ist das Landgut bereits im Wege vorweggenommener Erbfolge übergegangen, gilt § 2312 BGB entsprechend, wenn im Übergabevertrag oder im Testament eine entsprechende Anordnung enthalten ist4. Ist derjenige, der das Landgut bereits zu Lebzeiten des Erblassers durch Übergabevertrag erhielt, später nicht Erbe geworden, werden der Erbe und der beschenkte Übernehmer richtigerweise für die Pflichtteilsergänzung (§§ 2325, 2329 BGB) nicht mit dem Verkehrswert, sondern nur mit dem Ertragswert haften. Dies wird jedenfalls dann gelten, wenn es bei der leb1 2 3 4
BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 76/85, BGHZ 98, 375 = NJW 1987, 951. BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 76, 85, BGHZ 98, 375, 376. OLG Kiel, SchlHA 1934, 169, zitiert nach Soergel/Dieckmann, § 2312 Rz. 5. BGH v. 4.5.1964 – III ZR 153/63, NJW 1964, 1414.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 74 B XIII
zeitigen Landgutübernahme nur um eine vorweggenommene Erbfolge ohne Besonderheiten geht1. Eine unwirksame Pflichtteilsentziehung kann aber nicht ohne weiteres in eine solche Anordnung umgedeutet werden2. e) Ertragswertansatz ist gerechtfertigt Wie mehrfachdargelegt, ist Grund der Begünstigung des Landgutübernehmers das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebs in der Hand einer vom Gesetz begünstigten Person. Deren verminderte Belastung im Pflichtteilsrecht dient allein dem Zweck der Erhaltung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit des Landguts, nicht aber in jedem Fall dem Erhalt der bisherigen Größe des Hofs als solche. Können nämlich einzelne besonders wertvolle Grundstücke des Landguts, die praktisch baureif sind, aus dem Hof herausgelöst werden, ohne dass die dauernde Lebensfähigkeit des Hofs dadurch gefährdet wird, ist für diese Grundstücke der Verkehrswert anzusetzen. Der Ertragswertansatz ist hier nicht mehr gerechtfertigt, zumal es nach dem Gesetz und nach allgemeiner Auffassung keine Nachabfindungen gibt3.
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Mit dem Verkehrswert anzusetzen sind auch auskiesungsreife und für die Auskiesung benötigte Äcker, die unmittelbar an ein Kieswerk angrenzen und für die eine Genehmigung zum Abbau bereits erteilt ist. Gleiches gilt für landwirtschaftlich genutztes Gelände in Großstadtnähe4 als Bau- oder Bauerwartungsland. Unerheblich ist, ob der Erbe solche wertvollen Grundstücke verkaufen will oder nicht oder damit noch zuwartet, da ihr dauernder Verbleib beim Hof schon wegen der Wirtschaftlichkeit ihrer Veräußerung nicht gewährleistet erscheint. Zwar kann der Eigentümer festlegen, dass auch Bauland zum Landgut gehört, doch muss sich eine solche „Widmung“ im Rahmen der Verkehrsauffassung halten.
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Die Ertragswertberechnung ist nur gerechtfertigt, wenn das Landgut als geschlossene Einheit fortgeführt wird und lebensfähig ist. Subjektiv ist eine Absicht zur Betriebsfortführung oder wenigstens Absicht der Wiederaufnahme des Betriebs durch den Erben oder Hofübernehmer selbst oder seine zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten zählenden Abkömmlinge in absehbarer Zeit erforderlich. Dies setzt eine Prognose aus objektivierender Sicht voraus5. Objektiv müssen also zusätzlich Anhaltspunkte für die Fortführungsabsicht vorliegen. Eine Verpachtung des Betriebs steht der Landguteigenschaft daher nicht ohne weiteres entgegen, wenn die Fortführungsabsicht durch objektive Anhaltspunkte belegt wird6. Eine dauerhafte Verpachtung an familienfremde Per-
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Soergel/Dieckmann, § 2312 Rz. 6. OLG Stuttgart v. 18.1.1967 – 13/6 U 194/63, NJW 1967, 2410. BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 143/85, BGHZ 98, 382. OLG Stuttgart v. 18.1.1967 – 13/6 U 194/63, NJW 1967, 2410, und Müller-Feldhammer, ZEV 1996, 161. 5 BGH v. 11.3.1992 – IV ZR 62/9, NJW 1992, 770. 6 BGH v. 4.5.1964 – III ZR 153/63, NJW 1964, 1414, 1416.
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B XIII Rz. 75
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
sonen kann zum Fortfall der Landguteigenschaft führen, wenn noch weitere Umstände hinzukommen1. Der Ertragswertansatz ist nicht gerechtfertigt, wenn das Landgut auf mehrere Miterben zu Bruchteilen übergeht. 75 Gehörte dem Erblasser nur der Bruchteil eines Landguts, kann dieser bei Übernahme durch Miterben im Zweifel nicht zum Ertragswert angesetzt werden2. Das Ertragswertprinzip gilt nach seinem Zweck also nur, wenn das Landgut im Alleineigentum einer natürlichen Person steht. Für den gütergemeinschaftlichen Anteil des Erblassers an einem Landgut hingegen soll § 2312 BGB analog gelten, wenn das Landgut als wirtschaftliche Einheit für einen Pflichtteilsberechtigten erhalten bleiben soll3. f) Geltendmachung des Übernahmerechts 76 Das Übernahmerecht muss geltend gemacht worden sein, § 2312 Abs. 1 Satz 1 BGB. g) Kein Nachabfindungsanspruch 77 Ein Nachabfindungsanspruch für den Fall der Veräußerung des Landguts durch den Übernehmer innerhalb einer bestimmten Frist wie bei § 13 HöfeO (20 Jahre), § 23 BadHofGG (10 Jahre), Art. 14 WürttAnerbenG (15 Jahre), § 29 BremHöfeG (10 Jahre), § 18 HessLandgüterO (15 Jahre), § 26 RhPfHöfeO (15 Jahre) besteht nach dem BGB-Landguterbrecht nicht4. h) § 2312 BGB und vorweggenommene Erbfolge 78 Wird das Landgut bereits zu Lebzeiten des Erblassers im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übergeben, ist bei der Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen (§§ 2325 ff., 2329 BGB) gegen den Übernehmer § 2312 BGB analog anzuwenden. Hofübergabeverträge enthalten regelmäßig ein starkes erbrechtliches Moment, da sie die Erbfolge vorwegnehmen. Nach der BGH-Rechtsprechung5 kann es für die Bewertung zur Pflichtteilsberechnung keinen Unterschied machen, ob der Hof im Wege der vorweggenommenen oder eigentlichen Erbfolge auf den Übernehmer übergeht, sofern nur 1 2 3 4
Vgl. OLG Oldenburg v. 17.12.1991 – 5 U 82/91, FamRZ 1992, 726, 727. BGH v. 21.3.1973 – IV ZR 157, 71, NJW 1973, 995. Soergel/Dieckmann, § 2312 Rz. 8. BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 143/85, BGHZ 98, 382 = NJW 1987, 1260; a.A.: Wöhrmann, § 2312 Rz. 2 ff., der aus der Enstehungsgeschichte der §§ 2049, 2312 BGB nachweist, dass der im BGB-Landguterbrecht fehlende Nachabfindungsanspruch Resultat einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Regelungslücke ist und diese Lücke durch analoge Anwendung der Landesanerbengesetze schließen will. Der Gedanke, dass sich die Rechtsprechung genötigt sehen könnte, einen Nachabfindungsanspruch im Wege der Rechtsfortbildung zu begründen, findet sich in BGH v. 9.10.1991 – IV ZR 259/90, FamRZ 1992, 172. 5 BGH v. 4.5.1964 – III ZR 159/63, NJW 1964, 1414.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 78 B XIII
der Erblasser im Übergabevertrag oder in der letztwilligen Verfügung bestimmt hat, dass der Pflichtteil nach dem Ertragswert (oder einem höheren Übernahmepreis, der zwischen Ertragswert und Verkehrswert liegt) berechnet werden soll. Im Falle der lebzeitigen Übernahme des Grundbesitzes durch einen von mehreren Miterben „könne der Ertragswert gem. § 2312 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes maßgebend sein“; hinterlasse der Erblasser aber nur einen Erben, bedürfe es gem. § 2312 Abs. 2 BGB einer Anordnung des Erblassers, um den Ertragswert zur Grundlage der Pflichtteilsberechnung zu machen. Sei die Zuwendung des Hofes unentgeltlich erfolgt, sei nach der Lebenserfahrung zu schließen, dass der Zuwendende den Beschenkten möglichst günstig habe stellen wollen. Daher sei das Bestehen einer solchen Ertragswertanordnung zu unterstellen, solange offen sei, ob der Erblasser die Anrechnung des Ertragswertes angeordnet habe. Damit ist mit dem BGH bei unentgeltlichen Zuwendungen im Zweifel sowohl im Falle einer Erbengemeinschaft wie einer Alleinerbschaft von einer Ertragswertanordnung des Erblassers auszugehen, wobei diese aber im notariell beurkundeten Übergabevertrag oder der Verfügung von Todes wegen zumindest angedeutet sein muss. Entsprechend dem Stichtagsprinzip müssen allerdings die Voraussetzungen des § 2312 BGB im Zeitpunkt des Erbfalls noch gegeben sein, mögen sie auch vom Übernehmer erst nach der Übergabe herbeigeführt worden sein1.
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Beratungshinweis: Wird der im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragene Hof zwischen Übergabe und Erbfall verkauft, aufgegeben oder verliert er seine Landguteigenschaft (z.B. Umstellung auf Pferdepension), errechnet sich die Pflichtteilsergänzung nicht nach dem Ertragswert, sondern nach dem oftmals sechs- bis 1fach höheren Verkehrswert.
Es reicht also nicht aus, wenn die Voraussetzungen des § 2312 BGB zwar im Zeitpunkt der Übergabe vorgelegen haben, aber nicht mehr im Zeitpunkt des Erbfalls. Die Belastung mit einem nach dem Verkehrswert ermittelten Pflichtteilsanspruch, vor der § 2312 BGB den landwirtschaftlichen Betrieb im öffentlichen Interesse schützen soll, tritt erst im Zeitpunkt des Erbfalls auf. Zuvor können keine Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden. Deshalb muss die geschützte Interessenlage auch noch im Zeitpunkt des Erbfalls vorliegen, um das Ertragswertprivileg zu erhalten. Hat der Beklagte das Landgut des Erblassers bereits zu dessen Lebzeiten im Wege vorweggenommener Erbfolge übernommen, den landwirtschaftlichen Betrieb jedoch schon vor dem Erbfall aufgegeben und den größten Teil der Ländereien verkauft, kann das Bewertungsprivileg des § 2312 BGB keine Anwendung finden. Der Berechnung des Pflichtteils ist in diesem Fall der Verkehrswert des Landguts zugrunde zu legen. J. Mayer2 spricht hier von einem „erbrechtlichen Quantensprung“. Will
1 BGH v. 14.12.1994 – IV ZR 113/94, NJW 1995, 1352 = ZEV 1995, 74: Soweit BGH NJW 1964, 1414, 1416 unter Ziffer 4 entnommen werden konnte, dass es für § 2312 BGB bei vorweggenommener Erbfolge auf den Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr ankomme, wurde diese Rechtsprechung aufgegeben. 2 J. Mayer, ZEV 2000, 263 (267).
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B XIII Rz. 79
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
der Übergeber dem Übernehmer solche Sprünge ersparen, muss er die weichenden Erben zu einem beschränkten Pflichtteilsverzicht bewegen.
Formulierungsvorschlag1 Hinsichtlich des landwirtschaftlichen Anwesens „Mönchweiler Hof“ mit allen Aktiven und Passiven wird vereinbart, dass für die Berechnung von Pflichtteilsrechten und -ansprüchen allein der Ertragswert nach § 2312 BGB zugrunde gelegt werden soll, wenn dieser niedriger als der Verkehrswert ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ertragswertbewertung vorliegen. Soweit dadurch in das gesetzliche Pflichtteilsrecht von Horst Kurz eingegriffen wird, verzichtet dieser für sich und seine Abkömmlinge insoweit auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht am einstigen Nachlass seiner Eltern . . ., die diesen beschränkten Pflichtteilsverzicht annehmen.
§ 2312 BGB ist nicht anwendbar, wenn mehreren Pflichtteilsberechtigten das Landgut lebzeitig zu Bruchteilseigentum übertragen wird. Sowohl der Wortlaut wie der Normzweck stehen einer Anwendung des § 2312 BGB entgegen, da durch das Bruchteilseigentum die Gefahr einer Teilungsversteigerung hervorgerufen wird, was den Normzweck Erhaltung des Landgutes als Wirtschaftseinheit konterkariert2. Gleiches gilt, wenn ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling mit seinem Ehegatten zu Bruchteilseigentum erwirbt3 oder nur ein Miteigentumsanteil des Landgutgrundstückes zugewandt wurde. § 2312 BGB dürfte allerdings zur Anwendung kommen, wenn bei einer Übergabe an ein Kind, das in Gütergemeinschaft verheiratet ist, dessen Ehegatte nach § 1416 Abs. 1 S. 2 kraft Gesetzes Miteigentum erwirbt4. 79 Wird der Betrieb eines vor der Übergabe bereits aufgegebenen Hofs zwischen Übergabe und Erbfall wieder aufgenommen oder wurden die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme geschaffen, kann der Ertragswert angesetzt werden. § 2312 BGB kann sogar anzuwenden sein, wenn der Übernehmer des zu Lebzeiten des Erblassers übergebenen Grundbesitzes die Voraussetzungen für eine dauerhafte Bewirtschaftung als Landgut erst zum Zeitpunkt des Erbfalls herstellt, etwa wenn die Bewirtschaftung im Zeitpunkt der Übergabe völlig aufgegeben war, der Übernehmer den Betrieb aber künftig selbst oder von einem Abkömmling dauerhaft wieder aufnehmen will5. Auch hier muss im Zeitpunkt des Erbfalls die – realisierbar erscheinende – Absicht des Übernehmers bestehen, den landwirtschaftlichen Betrieb auf Dauer fortzuführen. Es
1 Nach J. Mayer, ZEV 2000, 263 (267). 2 BGH v. 15.12.1976 – IV ZR 27/75, FamRZ 1977, 195. 3 Bamberger/Roth/Mayer, § 2312 Rz. 5 m.w.N.; Staudinger/Haas, Rz. 15; Weidlich, ZEV 1996, 380, 381 ff. 4 Weidlich, ZEV 1996, 380, 382. 5 BGH v. 11.3.1992 – IV ZR 62/91, NJW-RR 1992, 770.
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ist eine Prognose aus der objektivierenden Sicht eines unvoreingenommenen Betrachters anzustellen1. Auf § 2312 BGB kommt es nicht mehr an, wenn das Landgut schon mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall übergeben worden ist (§ 2325 Abs. 3 BGB2) oder die aus dem Pflichtteilsrecht folgenden Ansprüche verjährt sind (§ 2332 BGB)
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4. Vererbung des Landguts bei fortgesetzter Gütergemeinschaft gem. § 1515 BGB Haben Ehegatten die heute „vom Aussterben bedrohte“ Gütergemeinschaft3 (§§ 1415 ff. BGB) als ehelichen Güterstand gewählt, können sie des Weiteren vereinbaren, dass die Gütergemeinschaft nach dem Tode eines der beiden Ehegatten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt werden soll (§§ 1483 ff. BGB). Man hat diese fortgesetzte Gütergemeinschaft als „witwer- oder witwenherrschaftliche Familiengutsverfassung alten Stils“ bezeichnet4. Diese fortgesetzte Gütergemeinschaft ermöglicht es nämlich dem überlebenden Ehegatten, das Gesamtgut bis zum eigenen Tod weiter nutzen zu können, ohne dass er den gemeinsamen Abkömmlingen, die anstelle des erstverstorbenen Ehegatten in die Gesamthandsgemeinschaft eintreten, ihre Anteile an der Vermögenshälfte des verstorbenen Ehepartners sofort herausgeben muss. Die Gütergemeinschaft wird hierzu zwischen dem überlebenden Ehegatten, dem ein Alleinverwaltungsrecht (§ 1487 Abs. 1 BGB) zukommt, und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen, welche in die rechtliche Stellung des verstorbenen Ehepartners eintreten, fortgesetzt. Der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut (§ 1416 BGB) gehört also nicht zum Nachlass, so dass das Erbrecht hierauf keine Anwendung findet, sondern nur für das sonstige Vermögen des Erblassers (Sondergut nach § 1417 und Vorbehaltsgut nach § 1418 BGB) gilt (§ 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB). Natürlich ersetzt wirtschaftlich gesehen der halbe Anteil der gemeinschaftlichen Abkömmlinge am Gesamtgut ihr bezüglich des Gesamtgutes nicht existierendes Erbrecht. Will der überlebende Ehegatte die Gütergemeinschaft mit den gemeinsamen Abkömmlingen nicht fortsetzen, kann er innerhalb von sechs Wochen seit dem Zeitpunkt, in dem er von dem Tode des anderen Ehegatten und der Fortsetzung der Gütergemeinschaft Kenntnis erlangt, durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ablehnen (§§ 1484, 1943 ff. BGB). In diesem Fall wird die Gütergemeinschaft aufgelöst 1 BGH v. 11.3.1992 – IV ZR 62/91, NJW-RR 1992, 770. 2 Anders allerdings bei der Übergabe an die Ehefrau oder unter Nießbrauchsvorbehalt. 3 Die Gütergemeinschaft – auch die fortgesetzte Gütergemeinschaft – ist in BadenWürttemberg im ländlichen Bereich noch häufig anzutreffen. Sie wurde bis Mitte der 60er-Jahre vereinbart (Standardaussagen: „vom Notar damals empfohlen“ oder „wir wollten es so wie die Eltern“). Die Mandanten wissen in der Regel schon, dass für sie die Gütergemeinschaft gilt. Über die Rechtsfolgen der fortgesetzten Gütergemeinschaft sind sie aber keinesfalls im Bilde. 4 Boehmer, Zur Entwicklung und Reform des deutschen Familien- und Erbrechts, S. 105.
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und der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut fällt in den Nachlass. Auch nach Ablauf der Ablehnungsfrist kann der überlebende Ehegatte nach § 1492 BGB jederzeit durch einseitige Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht oder durch Vertrag mit den gemeinsamen Abkömmlingen die Gütergemeinschaft aufheben. Sodann ist die Gütergemeinschaft nach den allgemeinen Bestimmungen auseinander zu setzen (§ 1498 BGB). Wird die Gütergemeinschaft jedoch zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt, so besteht das Gesamtgut nicht nur aus den Gegenständen, die bereits zum ehelichen Gesamtgut gehört haben; vielmehr fällt auch alles, was der überlebende Ehegatte aus dem Nachlass des verstorbenen Ehegatten oder nach Eintritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft in sonstiger Weise erwirbt, in das Gesamtgut, soweit es sich nicht um Vorbehaltsgut oder Sondergut handelt (§ 1485 BGB). Der überlebende Ehegatte kann somit, will er nicht die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ablehnen oder die fortgesetzte Gütergemeinschaft aufheben, was für ihn jeweils mit den Nachteilen einer Gesamtgutsauseinandersetzung verbunden ist, grundsätzlich nichts mehr erwerben, ohne dass die gemeinsamen Abkömmlinge daran Anteil hätten. Dem überlebenden Ehegatten ist auch eine Regelung der Vermögensnachfolge nach seinem Tod weitgehend verwehrt. Zwar kann er durch letztwillige Verfügung in beliebiger Weise über seinen Nachlass (Sonder- und Vorbehaltsgut sowie halber Anteil am Gesamtgut) verfügen. Seine Erben haben sich jedoch sodann mit den Abkömmlingen über das Gesamtgut auseinander zu setzen. Zum einen ist die beendete Gütergemeinschaft zu liquidieren und zum anderen die Erbengemeinschaft auseinander zu setzen.Bei der Auseinandersetzung steht der Erbengemeinschaft nach dem längerlebenden Ehegatten die eine Hälfte des Auseinandersetzungsguthabens zu, den gemeinsamen Abkömmlingen die andere Hälfte. Die den Abkömmlingen zustehende Hälfte steht diesen wiederum gemäß § 1503 BGB im Verhältnis ihrer fiktiven Erbteile nach dem zuerst verstorbenen Ehegatten zu. An alledem kann der längerlebende Ehegatte nichts ändern, und zwar auch dann nicht, wenn er wesentliche Teile des Gesamtgutes erst nach dem Tode des zuerst verstorbenen Ehegatten erworben hat.
Formulierungsvorschlag für den immer wieder in der Praxis anzutreffenden Fall, dass die Ehegatten fortgesetzte Gütergemeinschaft vereinbart hatten und der überlebende Ehepartner keine letztwillige Verfügung getroffen hat. Beim Vorhandensein von zwei gemeinschaftlichen Abkömmlingen könnten die Erbengemeinschaft nach dem überlebenden Elternteil und die Gesamthand durch folgende Vereinbarung abgewickelt werden: „Beurkundet zu . . . vor . . . sind anwesend . . . 1. T – nachfolgend Übergeberin genannt – 2. S – nachfolgend Übernehmer genannt – 864
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Rz. 81 B XIII
Die Anwesenden erklären zur öffentlichen Urkunde Vertrag zur Erbauseinandersetzung und Gesamtgutauseinandersetzung § 1 Vorbemerkung Am 10.2.2003 verstarb die Mutter der Vertragsparteien, Frau M, die nachfolgend als „Erblasserin“ bezeichnet wird. Die Erblasserin war in einziger Ehe verheiratet mit dem am 25.3.1982 vorverstorbenen Vater der Parteien V. Die Erblasserin und ihr Ehemann V, die beide zuletzt in Königsfeld wohnhaft waren, waren im Güterstand der Gütergemeinschaft miteinander verheiratet und hatten die Fortsetzung der Gütergemeinschaft nach §§ 1483 ff. BGB mit den gemeinschaftlichen Abkömmlingen vereinbart (Ehe- und Erbvertrag des Notariats II Villingen vom 21.5.1964, Aktenzeichen . . .). Nach dem Tode von V waren die Vertragsparteien und die Erblasserin Gesamthänder der fortgesetzten Gütergemeinschaft, die auf Ableben des am 25.3.1982 verstorbenen M entstanden ist (vgl. Fortsetzungszeugnis des Notariates IV Villingen vom 2. Juli 1982, Az. . .). V hinterließ weder Vorbehalts- noch Sondergut. An der fortgesetzten Gütergemeinschaft waren die Übergeberin und der Übernehmer neben der Erblasserin entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen1 berechtigt. Die Erblasserin wurde zu gleichen Teilen von der Übergeberin und dem Übernehmer beerbt (vgl. gemeinschaftlicher Erbschein des Notariates IV Villingen vom 3.6.2003, Az.: . . .). § 2 Auseinandersetzung des Gesamtgutes und des Vorbehaltsgutes der Erblasserin (1) Zum bisherigen Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft gehörte folgender Grundbesitz, eingetragen im Grundbuch von Königsfeld: . . . (2) Zum bisherigen Vorbehaltsgut der Erblasserin gehörte folgender Grundbesitz, ... (3) Die Erblasserin hinterließ kein Sondergut. (4) Auseinandersetzung Über den zum bisherigen Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft gehörenden Grundbesitz nebst beweglichen Gegenständen sowie das gesamte Vorbehaltsgut der Erblasserin setzen sich die Übergeberin und der Übernehmer dergestalt auseinander, dass der Übernehmer den gesamten Grundbesitz und alle beweglichen Gegenstände zu alleinigem Eigentum erhält und übernimmt. 1 Beachte: § 1503 BGB. Im Beispiel sind die Kinder zu gleichen Teilen an der Gesamtgut-Hälfte des verstorbenen Ehemannes berechtigt („beerbte Ehe“), nicht etwa zu je 3/16, wie ab und an zu lesen. Die Kinder treten anstelle des Ehemannes in die fortgesetzte Gütergemeinschaft – fGG – in dessen Hälfte ein. Dies zeigt sich auch bei der Halbteilung des Überschusses, falls die fGG auseinander gesetzt wird. Der nach der Berichtigung der Gesamtgutsverbindlichkeiten der fGG verbleibende Überschuss gebührt zu einer Hälfte dem überlebenden Ehegatten (oder seinen Erben – im Beispiel: seinen gesetzlichen Erben), zur anderen Hälfte den anteilsberechtigten Abkömmlingen (§§ 1498, 1476 I). Die Verteilung der den Abkömmlingen zufallenden Hälfte bemisst sich nach § 1503 BGB.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Die Übertragung und Übernahme durch den jeweiligen Eigentümer erfolgen mit allen Rechten und Pflichten, den Bestandteilen und etwaigem gesetzlichen Zubehör. § 3 Auflassung Einig über den bezeichneten Eigentumsübergang bewilligen und beantragen die Beteiligten den Vollzug im Grundbuch § 4 Besitzübergang, Gewährleistung Der Besitzübergang mit dem Übergang von Nutzen, Lasten und Gefahr erfolgt vorbehaltlich etwaiger im Folgenden vereinbarter Rechte des Übergebers sofort. Jegliche Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel aller Art ist ausgeschlossen. Die Grundschuld IIII/1 im Grundbuch von Königsfeld sichert Verbindlichkeiten, die allein vom Übernehmer zu bedienen sind. Pachtverhältnisse mit Dritten bestehen nicht. § 5 Kosten, Steuern Die Kosten dieses Vertrags und seines Vollzuges tragen die Beteiligten zu gleichen Teilen § 6 Ausgleichszahlung Der Übernehmer zahlt an die Übergeberin einen Gleichstellungsbetrag in Höhe von 60 500 Euro. Der Betrag ist binnen vier Wochen ab heute zur Zahlung fällig und bis dahin unverzinslich. Auf Sicherheiten, insbesondere Zahlung erst nach Erteilung der Bodenverkehrsgenehmigung und Weitergabe der Auflassung erst nach Zahlung, wird verzichtet. Der Gleichstellungsbetrag wurde wie folgt errechnet: Der gesamte übertragene Grundbesitz wurde bewertet mit rund 237 000 Euro. Hiervon sind Leistungen und Verwendungen, die der Übernehmer aus eigenen Mitteln zu Lebzeiten der Eltern auf den übertragenen Grundbesitz erbracht hat, abzuziehen in Höhe von – 116 000 Euro = 121 000 Euro hiervon ½ 60 500 Euro. § 7 Verkaufsoption bei Baulandausweisung Sobald die im Auszug aus dem Liegenschaftskaster vom 23.8.2004 mit roter Farbe markierte Teilfläche des Flst.Nr. 335 der Gemarkung Königsfeld oder ein Anteil daran Bauland wird, ist die Übergeberin berechtigt, vom Übernehmer den Verkauf der Baulandfläche an Dritte zu marktüblichen Preisen zu verlangen. Veräußert der Übernehmer auf Verlangen der Übergeberin das vorstehend beschriebene Bauland, so hat er die Hälfte des Erlöses abzüglich der aus dem Erlös etwa zu entrichtenden Steuer und abzüglich eines Betrages von 2 Euro pro qm1 des verkauften Baulandes an die Übergeberin herauszugeben. Die Berechtigung, die Veräußerung des vorbeschriebenen Baulandes zu verlangen, erlischt mit Ableben der Übergeberin. Die Veräußerung des Baulandes kann von der Übergeberin nur höchstpersönlich verlangt werden. Die Ausübung dieser 1 Ausgleich für die dann bereits geleistete Ausgleichszahlung nach § 6 des Vertrags.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 82 B XIII
Berechtigung durch einen Bevollmächtigten, Betreuer, Pfleger oder eine sonstige Drittperson ist nicht möglich. Dingliche Sicherung wird nicht gewünscht. § 8 Grundstückserhaltungsklausel (1) Sofern die Übergeberin die in § 7 beschriebene Verkaufsoption ausübt, kann der Übernehmer verlangen, dass ihm die hälftige Teilfläche des zu veräußernden Baulandes als Eigentümer verbleibt, so dass diese Teilfläche von der Veräußerungspflicht nicht erfasst wird. Bei Ausübung dieses Gegenrechts ist der Übernehmer verpflichtet, der Übergeberin die andere hälftige Teilfläche, die vom ursprünglichen Grundstück abzuschreiben ist, zu alleinigem Eigentum zu übertragen. Zu übertragen ist die Grundstückshälfte des Baulandes, die sich ergibt, wenn man die nordöstliche Grundstücksgrenze des Flst.Nr. 335 zu Flst.Nr. 334 parallel in Richtung Südwesten verschiebt. (2) Sollte aufgrund des Verlangens der Übergeberin Grundvermögen aus dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen des Übernehmers entnommen werden müssen und fällt deshalb ein einkommensteuerpflichtiger Entnahmegewinn an, so ist die durch diesen Gewinn verursachte Einkommensteuer von der Übergeberin zu ersetzen. ...
Bei allen geradezu gebetsmühlenhaft angeführten – für den landwirtschaftlichen Bereich oftmals nur vermeintlichen1 – Nachteilen der Gütergemeinschaft muss gesehen werden, dass es der einzige Güterstand ist, der auf den ersten Todesfall „pflichtteilsimmun“ ist, da der überlebende Ehegatte bei bloßem Gesamtgut keinen Pflichtteilsansprüchen ausgesetzt ist. Die Haftungsproblematik wird regelmäßig übertrieben, da eine Gesamtgutshaftung grundsätzlich nur für solche während der Ehe getätigten Rechtsgeschäfte, die mit Zustimmung des Ehegatten vorgenommen wurden, und bei gesetzlichen Ansprüchen besteht (Ansprüche aus unerlaubter Handlung, Gefährdungshaftung oder Unterhaltsverpflichtungen). Für den Fall der Auseinandersetzung der fortgesetzten Gütergemeinschaft kann nach § 1515 BGB jeder Ehegatte unter Zustimmung des anderen anordnen, dass ein Abkömmling ein Übernahmerecht am Gesamtgut insgesamt oder an einzelnen hierzu gehörenden Gegenständen gegen Wertersatz hat. Gehört zum Nachlass ein Landgut, kann im Interesse der ungeteilten Erhaltung des Landguts ein solches Übernahmerecht hinsichtlich des Landguts mit der Maßgabe angeordnet werden, dass das Landgut mit dem Ertragswert anzusetzen ist. a) Voraussetzungen des § 1515 BGB aa) Die Ehegatten leben im Güterstand der Gütergemeinschaft, § 1415 BGB. 1 Vgl. Behmer, FamRZ 1988, 339 ff.
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B XIII Rz. 83
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
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bb) Die Ehegatten haben gem. § 1483 BGB durch Ehevertrag vereinbart, dass die Gütergemeinschaft nach dem Tode eines Ehegatten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt wird. Der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut fällt dann nicht in den Nachlass, so dass die Abkömmlinge keine Erbabfindung verlangen können. Vielmehr rücken die Abkömmlinge in den Anteil des verstorbenen Ehegatten ein („beerbte Ehe“). Ihnen steht jetzt neben dem überlebenden Ehegatten der hälftige Anteil am Gesamtgut zu (vgl. § 1503 BGB).
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cc) Die Anordnung, dass ein anteilsberechtigter Abkömmling das Recht haben soll, „bei der Teilung“ ein zum Nachlass gehörendes Landgut mit dem Ertragswert zu übernehmen, muss vom Erblasser letztwillig verfügt werden. Wird die Übernahmeanordnung in einem eigenhändigen oder notariellen Testament getroffen, so bedarf sie der notariell beurkundeten Zustimmungserklärung des anderen Ehegatten, da dessen Rechte am Landgut durch die Übernahmeanordnung betroffen sind, §§ 1515 Abs. 1 I, 1516 BGB. Diese Zustimmung ist unwiderruflich, § 1516 Abs. 2 BGB. Die Zustimmung ist entbehrlich, wenn die Ehegatten die Übernahmeanordnung in einem gemeinschaftlichen Testament (§ 1516 Abs. 3 BGB) oder einem Erbvertrag getroffen haben, da hier die Mitwirkung beider Ehegatten ohnehin gegeben ist. Die Anordnung könnte in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament lauten:
Formulierungsvorschlag Wir ordnen gemäß § 1515 BGB an, dass unser Sohn Volker, geboren am 3. Februar 1969, bei der Teilung das Recht haben soll, den zum Gesamtgut gehörenden Ziegelhof nebst Zubehör – . . . (grundbuchrechtliche Beschreibung) . . . – zu übernehmen. In diesem Falle ist der Hof nebst Zubehör mit dem Ertragswert anzusetzen.
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dd) § 1515 Abs. 1 BGB spricht davon, dass dem anteilsberechtigten Abkömmling das Recht eingeräumt werden kann, bei der Teilung das Gesamtgut oder einzelne dazugehörende Gegenstände zu übernehmen. Zu einer Auseinandersetzung des Gesamtguts kommt es in folgenden Teilungsfällen: – bei Ablehnung der fortgesetzten Gütergemeinschaft durch den überlebenden Ehegatten (§ 1484 BGB) innerhalb der Sechswochenfrist des § 1484 Abs. 1 BGB. Auf diese Weise kann sich der überlebende Ehegatte eine Erbquote am Gesamtgutanteil des vertorbenen Ehegatten sichern, der ansonsten bei Fortsetzung der Gütermeinschaft allein den anteilsberechtigten Abkömmlingen zusteht. Der Preis besteht in der Erb- und wohl auch Gesamtgutauseinandersetzung.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 89 B XIII
– bei einer für den überlebenden Ehegatten jederzeit möglichen Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, §§ 1492, 1497 BGB – bei notariell zu beurkundendem Vertrag über die Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehegatten und den anteilsberechtigten Abkömmlingen, § 1492 Abs. 2 BGB – bei Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten, § 1493 Abs. 1 BGB – beim Tod des überlebenden Ehegatten, § 1494 Abs. 1 BGB – bei Rechtskraft des Urteils, das der Klage eines anteilsberechtigten Abkömmlings auf Aufhebung der fortgesetzten Gütergemeinschaft stattgibt, §§ 1496, 1495 BGB. Eine Aufhebungsklage kommt vor allem in Betracht, wenn der überlebende Ehegatte entweder zur Verwaltung des Gesamtguts unfähig ist oder sein Alleinverwaltungsrecht missbraucht und dadurch die Rechte des Abkömmlings für die Zukunft erheblich gefährdet. Gleiches gilt, wenn der überlebende Ehegatte betreut wird und die Verwaltung des Gesamtguts in den Aufgabenkreis des Betreuers fällt. Wird die fortgesetzte Gütergemeinschaft aufgrund einer Aufhebungsklage aufgehoben, so soll allerdings ein zugunsten des überlebenden Ehegatten gem. § 1515 Abs. 3 angeordnetes Landgut-Übernahmerecht nach h.M.1 entfallen. ee) Das Übernahmerecht kann von dem Berechtigten form- und fristenfrei ausgeübt werden.
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b) Rechtsfolgen Die anderen Anteilsberechtigten sind verpflichtet, die Erklärungen abzugeben, die erforderlich sind, um dem Übernahmeberechtigten das Alleineigentum am Landgut zu verschaffen.
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Gemäß § 1515 Abs. 2 Satz 2 BGB finden die Vorschriften des § 2049 BGB Anwendung2, wenn nach der Beendigung der Gütergemeinschaft das Gesamtgut auseinander gesetzt wird, §§ 1497 ff., 1475 ff. BGB. Hierbei wird das Landgut mit dem Ertragswert oder mit einem Preis, der den Ertragswert mindestens erreicht, sowohl bei der Ermittlung wie bei der Teilung des Überschusses angesetzt.
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5. Verfahren auf Zuweisung eines landwirtschaftlichen Betriebs aus der Erbengemeinschaft nach §§ 13 ff. GrdstVG Bei dem Verfahren auf Zuweisung des landwirtschaftlichen Betriebs nach §§ 13 ff. GrdstVG handelt es sich um nichts anderes als um eine besondere Form der (Teil-)Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft. Als „Verfahren der Erbauseinandersetzung im Bereich des Landwirtschaftserbrechts“ hätte es 1 Wöhrmann, S. 537; Palandt/Brudermüller, § 1515 Rz. 2. 2 S. Rz. 21 ff.
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B XIII Rz. 90
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seinen Platz im BGB finden müssen und bildet im Grundstücksverkehrsgesetz einen „Fremdkörper“1.
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Beratungssituation: Ein Miterbe möchte den landwirtschaftlichen Betrieb, der einer durch gesetzliche Erbfolge entstandenen Erbengemeinschaft gehört, in seiner Gesamtheit übernehmen.
Voraussetzung für diese besondere Form der (Teil-)Erbauseinandersetzung ist, dass ein Hof, für den kein Anerbengesetz gilt, im Wege der gesetzlichen Erbfolge auf eine Erbengemeinschaft übergegangen ist. Der Hof gehört dann als Teil des Gesamtnachlasses der Erbengemeinschaft. Bekanntlich kann jeder Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen. Die Gefahr einer damit einhergehenden Zerschlagung des Hofs liegt auf der Hand. Der Bundesgesetzgeber hat für die Erhaltung der nach BGB-Recht vererbten Höfe keine Sondererbfolge wie die Anerbenrechte vorgesehen. Die Erhaltung eines leistungsfähigen Hofs wird über den Umweg der Betriebszuweisung nach dem GrdstVG erreicht. Mit diesem Zuweisungsverfahren nach §§ 13 ff. GrdstVG wird der Hofnachfolger ähnlich bevorzugt, wie dies die Anerbenrechte tun, und die Miterben werden ähnlich benachteiligt. Die Voraussetzungen des Hofzuweisungsverfahrens im Einzelnen: a) Erbengemeinschaft kraft gesetzlicher Erbfolge 90 Der Hof muss einer durch gesetzliche Erbfolge entstandenen Erbengemeinschaft gehören, § 13 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG. Ist die Erbengemeinschaft hingegen aufgrund einer Verfügung von Todes wegen entstanden, so findet das Zuweisungsverfahren nicht statt, und zwar selbst dann nicht, wenn die kraft letztwilliger Verfügung entstandene Erbengemeinschaft mit derjenigen identisch ist, die bei gesetzlicher Erbfolge entstünde2. Nur dann, wenn im Testament ausdrücklich erklärt wurde, es solle bei der gesetzlichen Erbfolge bleiben, kann davon ausgegangen werden, dass keine testamentarische Erbeinsetzung vorliegt; anders verhält es sich aber schon dann, wenn im Testament ausdrücklich eine Erbeinsetzung vorgenommen wurde. Eine durch gesetzliche Erbfolge entstandene Erbengemeinschaft liegt auch dann noch vor, wenn Mitglieder aus einer vorhergehenden älteren Erbengemeinschaft verstorben sind und kraft Gesetzes oder aufgrund einer letztwilligen Verfügung beerbt wurden. Dies gilt selbst bei mehreren Erbfällen hintereinander3. Mittelbar folgt aus dem Erfordernis des Entstehens einer Erbengemeinschaft durch gesetzliche Erbfolge auch, dass der Hof keinem Anerbenrecht unterliegen darf, das für den Hof eine Sondererbfolge vorsieht. Fällt der Hof unter ein Anerbengesetz, kommt eine Zuweisung nach dem GrdstVG dann in Betracht, wenn kein Anerbe vorhanden ist (vgl. § 10 HöfeO, § 7 Abs. 2 BadHofGG, § 11 Abs. 3 BremHöfeG) und daher nach BGB-Recht vererbt wird. 1 Wöhrmann, S. 578. 2 OLG Karlsruhe v. 19.12.1994 – 13 WLw 124/94 – (16/95), Agrarrecht 1995, 217. 3 Wöhrmann, S. 584.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 93 B XIII
b) Landwirtschaftlicher Betrieb Es muss sich um einen landwirtschaftlichen1 Betrieb handeln. Bei einem rein 91 forstwirtschaftlichen Betrieb gilt das Zuweisungsverfahren nach dem GrdstVG nicht2. Im häufigen Fall des gemischt land- und forstwirtschaftlichen Betriebs kommt es auf die Gewichtung an. Auch bei gewerblicher und industrieller Produktion scheidet eine Zuweisung nach dem GrdstVG aus. Dies liegt darin begründet, dass im Hinblick auf die besonderen Abfindungsregeln für weichende Erben die Sondervorschriften der §§ 13 ff. GrdstVG nicht auf andere Fälle als den des landwirtschaftlichen Betriebs ausgedehnt werden können. c) Hofstelle Es muss eine „organisatorische Betriebseinheit“, bestehend aus landwirt- 92 schaftlichen Grundstücken und einer zur Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle, vorliegen, § 14 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG, die, falls sie im Zeitpunkt des Zuweisungsverfahrens vorübergehend ruht, die Möglichkeit bietet, den Betrieb alsbald wieder aufzunehmen3. Bei einem durch den Erblasser endgültig aufgegebenen Betrieb haben die Erben keinen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern nur einen „ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb“4 geerbt, so dass das Zuweisungsverfahren ausscheidet. Gleiches gilt, wenn die Hofstelle nicht nur vorübergehend fehlt. d) Ertragshöhe Die Erträge des Betriebs müssen im Wesentlichen zum Unterhalt einer bäuerlichen Familie ausreichen, § 14 Abs. 1 GrdstVG. Dabei ist auf den Lebensbedarf einer bäuerlichen Durchschnittsfamilie bestehend aus den Ehegatten und zwei minderjährigen Kindern abzustellen5. Der aus dem Hof als möglich zu erzielende Ertrag – erhöht um den Wohnwert des Anwesen für die Familie – muss im Wesentlichen, also wohl zu mindestens 80 %6, den statistischen Lebensbedarf eines Vier-Personen-Haushalts in der Landwirtschaft decken. Erträge sind die nachhaltig erzielbaren Überschüsse der Roherträge (Bareinnahmen aus der Landwirtschaft) über die Bewirtschaftungskosten einschließlich der Grundsteuer. Private Belastungen sind bei der Ertragsberechnung nicht abzuziehen. Erträge aus zugepachteten Grundstücken sind als Betriebserträge anzusehen, wenn gesichert erscheint, dass das Pachtland dem Erwerber zur Bewirtschaftung zustehen wird, § 14 Abs. 1 Satz 2 GrdstVG.
1 2 3 4 5 6
S. Rz. 23. Lange, GrdstVG, § 17 Anm. 3, 2. Aufl. 1964. Wöhrmann, S. 581. Wöhrmann, S. 581. OLG Naumburg RdL 2004, 264; Wöhrmann, S. 593 m.w.N. So Wöhrmann, S. 594.
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B XIII Rz. 94
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
94 Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang ein Beschluss des OLG München vom 5.7.19941, wonach ein landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb, dessen Erträge erheblich unter den Regelsätzen nach dem Bundessozialhilfegesetz liegen, nicht nach § 14 Abs. 1 GrdstVG zuweisungsfähig ist. Die Regelsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz bieten eine praktikable und sichere Grundlage für die Ermittlung des Unterhaltsbedarfs einer Familie bei bescheidener Lebensführung. Der so ermittelte Unterhaltsbedarf der bäuerlichen Durchschnittsfamilie muss im Wesentlichen durch den Betriebsertrag abgedeckt werden. Ist dies nicht der Fall, ist der Hof nicht zuweisungsfähig. Die Begründung, die dem Kriterium Nebenerwerbsbetrieb kein besonderes Gewicht gibt und allein auf den Betriebsertrag abstellt, lässt vermuten, dass das OLG München diese Rechtsprechung nicht nur für Nebenerwerbsbetriebe, sondern auch für Höfe anwenden wird. Dem OLG München ist vorbehaltlos zuzustimmen, wenn es darauf hinweist, dass es sich bei einem „Hof“, dessen Ertrag erheblich unter den Sozialhilfesätzen liegt, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht mehr vertreten lasse, die weichenden Erben gem. § 16 GrdstVG nach dem geringen Ertragswert abzufinden, während andererseits der bedeutend höhere Sachwert durch Zuweisung dem Erwerber zuwächst. In dem vom OLG München zu entscheidenden Fall war aufgrund des Gutachtens eines Bewertungssachverständigen ein jährlicher Gewinn des Betriebs von 11 326 DM ermittelt worden, so dass von einem monatlichen Ertrag des landwirtschaftlichen Betriebs von 944 DM auszugehen war. Dieser Betrag lag erheblich unter den Mindestbeträgen der in Bayern geltenden Regelsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz und bot deshalb nach der Überzeugung des Senats keine für den Unterhalt einer bäuerlichen Familie im Wesentlichen ausreichende Existenzgrundlage. Auch wenn der Sachverständige bei seinen Berechnungen den Wohnwert des Anwesens und die Möglichkeiten von Eigenentnahmen nicht berücksichtigt hat, reichen auch unter Zugrundelegung bescheidener Lebensverhältnisse 944 DM für den wesentlichen Unterhält einer vierköpfigen bäuerlichen Familie nicht aus. Die im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Regelsätze nach dem Bundessozialhilfegesetz betrugen in Bayern für Ehegatten insgesamt mindestens 904 DM und lagen für die beiden minderjährigen Kinder altersgruppenabhängig insgesamt zwischen mindestens 502 DM und mindestens 704 DM, wobei die laufenden Leistungen für Unterkunft und Heizung von der Gewährung nach Regelsätzen ausgenommen sind und in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zusätzlich gewährt werden. e) Antragsteller ist Miterbe 95 Antragsteller im Zuweisungsverfahren kann nur ein Miterbe sein, § 13 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG. Der Antrag kann bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gestellt werden. Der Antragsteller kann Zuweisung an sich selbst beantragen, aber auch an den Miterben, der nach § 15 GrdstVG als Er1 OLG München v. 5.7.1994 – Lw W 1235/94 – (216/94), Agrarrecht 1995, 56.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 98 B XIII
werber in Betracht kommt. Der Antrag soll die Gegenstände bezeichnen, deren Zuweisung beantragt wird, § 32a LwVfG. f) Landwirtschaftsgericht Zuständig ist gem. § 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1, § 10 LwVfG das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Betrieb liegt, als Landwirtschaftsgericht.
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g) Zuweisungsobjekt Zuweisungsobjekt ist die Gesamtheit der Betriebsgrundstücke, so dass der Betrieb ungeteilt zugewiesen werden muss, § 13 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG. Ist eine Aufteilung des Betriebs in mehrere Einzelbetriebe unter der Voraussetzung möglich, dass jeder Einzelbetrieb ausreichende Erträge sichert, so kann der Betrieb geteilt und die Einzelbetriebe können verschiedenen Miterben zugewiesen werden, § 13 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG.
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Von der Zuweisung sollen solche Grundstücke ausgenommen werden, für die nach ihrer Lage und Beschaffenheit anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als landwirtschaftlichen Zwecken dienen werden, wie z.B. Bauland, unter Umständen schon Bauerwartungsland, gewerbliche Grundstücke, Sand- und Steinbrüche. Da diese Grundstücke alsbald veräußert zu werden pflegen, ist den weichenden Erben eine Abfindung zu Ertragswerten nicht zumutbar.
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Nach einem Zuweisungsbeschluss des OLG Karlsruhe1 gilt dies auch für eine Gärtnerei, die mitten in einem Wohngebiet lag und von der Stadt nur deshalb im Bebauungsplan als Gärtnerei und nicht als Bauland ausgewiesen worden war, weil der Erblasser dies so gewollt hatte. Das OLG Karlsruhe erwog bei seiner Entscheidung, dass die nach § 16 GrdstVG vorgesehene Abfindung des weichenden Miterben auf der Basis des Ertragswerts zu dem Verkehrswert des Grundstückes, der mit vier bis fünf Millionen DM angegeben wurde, in einem groben Missverhältnis stehe. Das Nachforderungsrecht des Miterben nach § 17 GrdstVG könne dieses Missverhältnis nicht hinreichend ausgleichen. Denn zum einen bestehe ein solches Nachforderungsrecht nur bei Verkauf innerhalb von 15 Jahren. Zum anderen sei die Nachforderung nach dem Wert zur Zeit der Zuweisung zu berechnen, so dass der weichende Miterbe an einer zwischenzeitlichen Wertsteigerung nicht teilnehme. Der Grundgedanke des § 13 Abs. 1 Satz 2 BGB sei auch im zu entscheidenden Fall heranzuziehen. Selbst wenn der Antragsteller ernsthaft beabsichtige, die Gärtnerei über viele Jahre weiterzuführen, erscheine fraglich, ob er dies auch tatsächlich tun werde, wenn er als Alleineigentümer des Betriebs die Möglichkeit habe, durch den Verkauf mehrere Millionen DM zu erzielen. Langfristig sei auf jeden Fall abzusehen, dass die Gärtnerei am jetzigen Standort nicht bleiben werde, so dass es über kurz oder lang zu einer Realisierung des Verkehrswerts komme. Dann sei es aber grob ungerecht, wenn nicht gar verfassungswidrig, die wei-
1 OLG Karlsruhe v. 19.12.1994 – 13 WLw 124/94 – (16/95), Agrarrecht 1995, 217.
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chenden Erben an diesem Verkehrswert nicht in voller Höhe teilhaben zu lassen. Werden solche Grundstücke ausnahmsweise dennoch zugewiesen, ist eine Nachabfindung nach § 17 GrdstVG zu zahlen, sofern die Veräußerung innerhalb der 15-Jahres-Frist erfolgt. 99 Von der Zuweisung mit umfasst werden das Zubehör nach §§ 97, 98 BGB, dingliche Nutzungsrechte sowie Miteigentums-, Kapital- und Geschäftsanteile, wenn diese zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Betriebs notwendig sind, § 13 Abs. 1 Satz 3 GrdstVG. 100
Nach § 13 Abs. 3 GrdstVG ist eine Betriebszuweisung nur möglich, soweit die Sachen und Rechte gemeinschaftliches Vermögen der Erben sind. Der gesamte Hof muss sich also in der Hand der Erbengemeinschaft befinden, was regelmäßig nur nach einem Alleineigentümer als Erblasser der Fall ist. Bei hinterlassenen Anteilen an einer landwirtschaftlichen Personengesellschaft oder bei einer beendeten fortgesetzten Gütergemeinschaft ist dies genauso wenig der Fall, wie bei zwei Erbengemeinschaften nach einem verstorbenen Gütergemeinschafts- oder einem Bruchteilsgemeinschafts-Ehepaar. Hier ist der „Hof“ bzw. die entsprechende Gesamthand von vornherein „geteilt“ und damit auch von vornherein mit der Gefahr der Liquidation oder Teilungsversteigerung belastet, was seine besondere Schutzwürdigkeit erst gar nicht entstehen lässt, so dass die Ausnahme des schwerwiegenden Eingriffs in Art. 14 GG zum Nachteil der Miterben auch nicht mehr zu rechtfertigen ist. Bei einem Ehegattenhof fällt also die Miteigentumshälfte des längerlebenden Ehegatten nicht in den Nachlass nach dem Erstverstorbenen, wird nicht gemeinschaftliches Vermögen der Erbengemeinschaft und ist folglich nicht zuweisungsfähig. Der umgekehrte Weg, wonach die Miteigentumshälfte des Erblassers dem längerlebenden Ehegatten als Mitglied einer gesetzlichen Erbengemeinschaft nach dem Erstverstorbenen zugewiesen werden kann, wodurch dieser Alleineigentum am Hof erhält, wurde von den Oberlandesgerichten Oldenburg und Stuttgart in den Jahren 1966 und 1976 ausnahmsweise alszulässig anerkannt1. h) Zuweisungsempfänger
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Die Voraussetzungen, die der Erwerber mitbringen muss, werden in § 15 GrdstVG beschrieben. Erwerber ist derjenige Miterbe, dem der Betrieb nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers zugedacht war. Mangels einer letztwilligen Verfügung wird der wirkliche Erblasserwille in der Regel nur schwer feststellbar sein. Bei der Ermittlung des wirklichen wie des mutmaßlichen Willens können insbesondere die bisherige Mitarbeit im Betrieb oder Willensbekundungen, die erforderlichenfalls durch Zeugenaussagen festzustellen sind, herangezogen werden. Letztlich ist nach dem mutmaß1 OLG Oldenburg RdL 1966, 21; OLG Stuttgart RdL 1976, 78 beide zitiert nach Wöhrmann, S. 585 m.w.N.
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lichen Willen davon auszugehen, dass der zur Bewirtschaftung des Betriebs am besten geeignete Miterbe den Hof erhalten soll. Kriterien für die Ermittlung des für die Fortführung des Betriebs am besten geeigneten Miterben können sein: – Qualität der landwirtschaftlichen Ausbildung – Qualität des Ausbildungsabschlusses – Maß der Erfahrung in der Landwirtschaft, vor allem auch durch Mitarbeit in dem zuzuweisenden Betrieb – geordnete oder zerrüttete Lebensverhältnisse des Zuweisungsprätendenten – Gesundheit und Alter der Bewerber1. Wenn allerdings der Wille des Erblassers, dass ein ganz bestimmter Miterbe nicht Hoferwerber sein soll, deutlich sichtbaren Ausdruck gefunden hat, dann kann diesem der Hof nicht zugewiesen werden, auch wenn er ansonsten der ideale Zuweisungsempfänger wäre. Der Zuwendungsempfänger muss schließlich entweder ein Abkömmling oder der Ehegatte des Erblassers sein. Handelt es sich um eine andere Person, so muss diese bereits bisher mit dem Betrieb durch Mitbewirtschaften und zugleich Bewohnen eng verbunden sein. Der Miterbe muss schließlich zur Übernahme und Fortführung der Bewirtschaftung des Betriebs bereit und geeignet sein. Die geforderte Eignung dürfte bei Minderjährigen kaum gegeben sein. i) Zuweisungsverfahren Das Verfahren selbst ist im LwVfG geregelt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass § 14 Abs. 2 GrdstVG voraussetzt, dass sich die Erben nicht einigen können; insoweit ist ein gerichtliches Vermittlungsverfahren nach § 86 FGG vorrangig, nicht jedoch eine Klage auf Auseinandersetzung. Solange die Auseinandersetzung nach §§ 2043 ff. BGB ausgeschlossen ist oder ein Testamentsvollstrecker die Auseinandersetzung zu betreiben hat, darf eine Zuweisung ebenfalls nicht erfolgen, § 14 Abs. 3 GrdstVG. Ein gleichzeitig laufendes Teilungsversteigerungsverfahren kann für die Dauer des Zuweisungsverfahrens eingestellt werden, § 185 Abs. 1 ZVG. Endet das Verfahren mit der Zuweisung des Betriebs, bestimmt sich der Geschäftswert nach § 18 Abs. 3 und § 19 Abs. 4 der Kostenordnung (§ 36a Abs. 1 Satz 1 LwVfG), und es wird i.d.R. das Vierfache des letzten Einheitswerts des Betriebs als Geschäftswert angesetzt. Wird der Betrieb nicht zugewiesen, bestimmt sich der Geschäftswert nach § 30 der Kostenordnung, so dass das freie richterliche Ermessen maßgebend ist, nach dem der Verkehrswert, ein von den Parteien übereinstimmend angegebener „Anschlagswert“ oder wiederum das Vierfache des letzten Einheitswertes den Geschäftswert bestimmen. Die Gerichtskosten trägt in der Regel der im Zuweisungsverfahren unterliegende Teil, da dies billigem Ermessen entspricht (§ 44 LwVfG). Über die Erstattung 1 Wöhrmann, S. 596 ff.
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außergerichtlicher Kosten, also insbesondere Anwaltskosten, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen. Da dem Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom Grundsatz her die Erstattung außergerichtlicher Kosten durch einen anderen wesenfremd ist, müssen besondere Gründe vorliegen, damit das Gericht durch besondere Anordnung, die außergerichtlichen Kosten ganz oder teilweise einem unterliegenden Beteiligten auferlegen kann (§ 45 Abs 1 Satz 1 LwVfG). Dies hat dann aber zwingend zu geschehen, wenn der Beteiligte die Kosten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes Verschulden verursacht hat (§ 45 Abs. 1 Satz 2 LwVfG). j) Zuweisungsbeschluss 103
Über den Zuweisungsantrag entscheidet das Landwirtschaftsgericht durch Beschluss, in dem der Erwerber und die zugewiesenen Gegenstände bezeichnet werden, §§ 21 Abs. 1, 32a Satz 2 LwVfG. Mit Rechtskraft des Zuweisungsbeschlusses gehen das Eigentum an den zugewiesenen Sachen und die zugewiesenen Rechte auf den Erwerber über, § 13 Abs. 2 GrdstVG. Der Eigentumswechsel tritt also außerhalb des Grundbuchs ein. Ist in der Entscheidung ein späterer Zeitpunkt bestimmt, ist dieser maßgebend.
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Die weichenden Miterben erhalten anstelle ihres Erbteils einen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrags, der dem Wert ihres Anteils an dem zugewiesenen Betrieb entspricht, § 16 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG. Für die Errechnung der Abfindung der weichenden Erben1 wird der Betrieb mit seinem Ertragswert nach § 2049 Abs. 2 BGB angesetzt, § 16 Abs. 2 Satz 2 BGB. Bei der Berechnung der Abfindung ist die Ausgleichung der Vorempfänge des Hofübernehmers zu berücksichtigen. Der Abfindungsanspruch der Erben sowie eine auf ihn bezogene Stundungs-, Verzinsungs- oder Sicherheitsanordnung sind vom Landwirtschaftsgericht ebenfalls im Zuweisungsbeschluss festzusetzen, § 16 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 GrdstVG.
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Für Nachlassverbindlichkeiten haftet zunächst das hoffreie Vermögen, so dass die weichenden Erben erneut benachteiligt werden. Dabei ist die Sondervorschrift des § 16 Abs. 2 GrdstVG für die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten zu beachten, die zur Zeit des Erwerbs der zugewiesenen Gegenstände noch bestehen. Hier werden die weichenden Miterben erneut benachteiligt, weil zunächst der hoffreie Nachlass haftet. Nachlassverbindlichkeiten sind gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 GrdstVG nämlich „aus dem außer dem Betriebe vorhandenen Vermögen zu berichtigen, soweit es ausreicht“. Reicht das hoffreie Vermögen zur Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten nicht aus, haften trotz Zuweisung des Betriebs an den Erwerber alle Mitglieder der Erbengemeinschaft in gleicher Weise als Gesamtschuldner für die Nachlassverbindlichkeiten. Nachlassverbindlichkeiten, die an einem zum Betrieb gehörenden Grundstück dinglich gesichert sind, kann das Landwirtschaftsgericht zwar auf Antrag aus dem Haftungsverband der Erbengemeinschaft herausnehmen und die 1 Wöhrmann, S. 606.
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alleinige Haftung des Erwerbers bestimmen. Dies setzt allerdings die wohl kaum zu erhaltende Zustimmung des betreffenden Gläubigers voraus, § 16 Abs. 2 Satz 2 BGB. Rechtsmittel gegen den Zuweisungsbeschluss sind die sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht und die Rechtsbeschwerden an den Bundesgerichtshof, §§ 22, 24 LwVfG.
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k) Nachabfindungsansprüche Wird der Hof oder werden Teile davon binnen 15 Jahren nach der Zuweisung veräußert, entstehen eventuell Nachabfindungsansprüche für die weichenden Erben, die sich aber nur nach dem Verkehrswert im Zeitpunkt der Zuweisung richten, so dass zwischenzeitliche Wertsteigerungen beim Zuweisungsempfänger verbleiben. Die gravierenden Nachteile, welche die weichenden Erben bei der Abfindung und der Erbenhaftung hinnehmen müssen, sind nur gerechtfertigt, wenn der Betrieb auch wirklich weitergeführt wird. Ist dies nicht der Fall, sondern zieht der Erwerber aus dem Betrieb binnen 15 Jahren nach dem Erwerb erhebliche Gewinne durch Veräußerung oder auf andere Weise, so hat der Erwerber die Miterben auf Verlangen so zu stellen, „wie wenn der in Betracht kommende Gegenstand im Zeitpunkt des Erwerbs verkauft und der Kaufpreis unter den Miterben entsprechend ihren Erbteilen verteilt worden wäre“, § 17 GrdstVG. Die Nachabfindung ist aber nur dann zu leisten, wenn die Veräußerung mit den Zwecken der Zuweisung im Widerspruch steht, was nicht per se der Fall sein muss. Werden die Veräußerungsgewinne reinvestiert, um den Betrieb zu erhalten, so ist dieser Zweck vom Zuweisungsrecht gedeckt. Hier fällt auf, dass sich die Höhe der Nachabfindungsansprüche der weichenden Miterben nicht nach dem später tatsächlich erzielten Kaufpreis richtet, sondern nach dem Wert zur Zeit der Zuweisung zu berechnen ist. Letztlich hat dies zur Folge, dass der weichende Miterbe an einer zwischenzeitlichen Wertsteigerung nicht teilnimmt1. Beispiel: Ein Betriebsgrundstück hatte im Zeitpunkt der Zuweisung einen Ertragswert von 10 000 Euro und einen Verkehrswert von 25 000 Euro. Bei zwei Miterben, von denen einer Zuweisungsempfänger ist, werden dem weichenden Miterben entsprechend seinem halben Erbteil 50 % des Ertragswerts, also 5000 Euro, vom Landwirtschaftsgericht als Abfindung nach § 16 GrdstVG zugesprochen. Wird zehn Jahre später das Betriebsgrundstück für eine Million Euro verkauft, nachdem es zwischenzeitlich Bauland geworden ist, errechnet sich die Nachabfindung nach dem Verkehrswert im Zuweisungszeitpunkt. Die Hälfte des Verkehrswerts betrug damals 12 500 Euro. Da der weichende Erbe bereits 5000 Euro erhalten hat, stehen ihm als Nachlassabfindung nur noch 7500 Euro, die lediglich um den Kaufkraftschwund der letzten zehn Jah-
1 OLG Karlsruhe v. 19.12.1994 – 13 WLw 124/94 – (16/95), Agrarrecht 1995, 217.
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re zu bereinigen sind. Der Zuweisungsempfänger behält 992 500 Euro aus dem Verkaufserlös. 108
Werden Gewinne auf andere Weise als durch Veräußerung erzielt und ist diese Gewinnerzielung den Zwecken des Zuweisungsrechts fremd, ist ebenfalls eine Nachabfindung zu leisten. Betroffen sind hier die Fälle einer landwirtschaftsfremden Unternehmertätigkeit, wie etwa das Betreiben eines Gewerbebetriebs, die Verpachtung eines Betriebsgrundstücks z.B. zum Betrieb einer Reitschule, Verträge, die die bergbauliche Nutzung von Betriebsgrundstücken gestatten, wenn Erbbaurechte bestellt oder wenn Enteignungsentschädigungen nicht für die Ersatzbeschaffung von neuen Betriebsgrundstücken verwendet werden1. Die Frage, ob einem Pflichtteilsberechtigten in analoger Anwendung des § 17 GrdstVG ebenfalls eine Nachabfindungsanspruch zustehen kann2, stellt sich nicht. Wenn der Erblasser einen Abkömmling, seinen Ehegatten oder die pflichtteilsberechtigten Eltern enterbt, liegt eine letztwillige Verfügung vor, die den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge verhindert. Ein Zuweisungsverfahren kommt nicht mehr in Betracht.
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Die Nachabfindungsansprüche verjähren in zwei Jahren nach Kenntnis des weichenden Erben vom Nachabfindungstatbestand, ohne diese Kenntnis in fünf Jahren nach dem Schluss des Jahres, in dem die Voraussetzungen des Nachabfindungsanspruchs erfüllt waren.
IV. Anerbengesetze 110
Das bedeutendste Anerbenrecht ist die nordwestdeutsche Höfeordnung in den vier Ländern der ehemaligen Britischen Zone, nämlich in Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Bei der Höfeordnung handelt es sich um partikulares Bundesrecht (Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 GG), das ursprünglich als Besatzungsrecht am 24.4.1947 in Kraft trat. Das Kontrollratsgesetz Nr. 45 schaffte 1947 nicht nur das Reichserbhofgesetz ab, um die alten Landes-Anerbengesetze wieder aufleben zu lassen. Gleichzeitig wurde den Zonenbefehlshabern die Ermächtigung erteilt, Abänderungs- und Durchführungsbestimmungen zu erlassen. Von dieser Ermächtigung wurde nur in der damaligen britischen Zone Gebrauch gemacht, indem dort die Höfeordnung eingeführt wurde. Bei der Höfeordnung handelt es sich um fakultatives Anerbenrecht. Zwar unterliegen nach § 1 HöfeO von Gesetzes wegen alle Höfe, die einen Wirtschaftswert von 10 000 Euro aufwärts haben, der Höfeordnung. Es steht jedoch im freien Belieben des Eigentümers, ob sein Hof weiterhin der Höfeordnung unterstehen soll. Durch seine „negative Hoferklärung“, die auch für alle seine Rechtsnachfolger wirkt3, und Löschung des Hofvermerks im Grundbuch (§ 1 Abs. 4 bis 7 HöfeO), geht die Hofeigenschaft verloren. Eine 1 Wöhrmann, S. 613. 2 So Wöhrmann, S. 614 f. 3 BGH v. 5.6.1992 – Bmw 10/91, BGHZ 118, 356.
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Hofstelle mit einem Wirtschaftswert zwischen 5000 und 10 000 Euro wiederum kann dem Anerbenrecht unterstellt werden, wenn der Eigentümer erklärt, dass sie Hof sein soll und der Hoferbenvermerk im Grundbuch eingetragen wird (§ 1 Abs. 1, 3, 6 und 7 HöfeO, §§ 2 ff. HöfeVfO). Auf jeweils ein Bundesland beschränken sich die besonderen Landes-Anerbengesetze. Wie bei der HöfeO hat es der jeweilige Eigentümer auch hier in der Hand, ob sein Hof dem Anerbengesetz seines Landes oder dem BGB-Landguterbrecht unterstehen soll. Nach der hessischen Landgüterordnung, der rheinland-pfälzischen Höfeordnung, dem württembergischen Anerbengesetz und dem bremischen Höfegesetz steht es im freien Belieben des Landwirts, ob er seinen Hof in die Höferolle einträgt und damit dem Anerbenrecht unterstellt oder nicht. Nur das badische Hofgütergesetz hat rund 4400 Höfe im Schwarzwald durch Gesetz zwingend dem Anerbenrecht unterstellt.
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1. Historische Entwicklung a) Höfeordnung für Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein Wichtigstes Anerbengesetz ist die nordwestdeutsche Höfeordnung für die ehe- 112 mals britische Besatzungszone. Dort wurde gleichzeitig mit der Aufhebung des Reichserbhofgesetzes durch das Kontrollratsgesetz Nr. 45 mit Wirkung vom 24.4.1947 die Militärregierungsverordnung Nr. 84 als Ausführungsverordnung erlassen, die als Anlage B die Höfeordnung für die britische Zone in Kraft setzte. Sie gilt seit 1.7.1976 auf der Grundlage des 2. Gesetzes zur Änderung der Höfeordnung (BGBl. 1976 I, 881) in den Ländern Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen als partielles Bundesrecht (Art. 125, 72 Abs. 2, 74 Nr. 1 GG). Nach den Übergangsvorschriften (Art. 3 §§ 1–5) gilt diese Neufassung in allen Erbfällen ab 1.7.1976, auch wenn Vereinbarungen oder letztwillige Verfügungen davor erfolgt sind. b) Badisches Gesetz die geschlossenen Hofgüter betreffend Auf eine sehr bewegte und die älteste Geschichte unter den noch geltenden 113 Anerbengesetzen blickt das „Badische Gesetz die geschlossenen Hofgüter betreffend“ (BadHofGG) zurück. Es gilt für Teile des ehemaligen Landes Baden in der Fassung vom 12.7.1949 (GVBl. S. 288), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 30.6.1970 (GVBl. S. 289). Eine Besonderheit des BadHofGG im Vergleich zu anderen Anerbengesetzen ist, dass das BadHofGG kein fakultatives Höferecht ist. Die rund 4400 Höfe im Schwarzwald, für die das BadHofGG heute noch Anwendung beansprucht, wurden durch Gesetz vom 23.5.1888 festgestellt. Diese gesetzliche Feststellung war aus folgenden Gründen notwendig geworden: In dem bodenqualitätsmäßig benachteiligten Gebiet des Schwarzwaldes reicht die Anerbensitte geschlossener Hofvererbung bis ins 15./16. Jahrhundert zurück. Nachdem durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 dieses bislang durch verschiedene Herrschaften zersplitterte Gebiet Baden zugeschlagen wurde, wurde im Edikt vom 23.3.1808 eine einheitliRuby
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che Regelung getroffen, wonach „geschlossene Hofgüter“ grundsätzlich unter Miterben unteilbar sind. Geschlossene Hofgüter waren Höfe, die bislang aufgrund Gesetzes oder „rechtsgenüglichen Herkommens“ „stets unzertrennt von einem Inhaber auf den anderen übergegangen“ waren. Diese Feststellung bereitete aber in der Praxis Schwierigkeiten, so dass aufgrund eines von Amts wegen durchgeführten Feststellungsverfahrens 4943 Hofgüter durch Gesetz vom 23.5.1888 dem Anerbenrecht unterstellt wurden. Auf diese gesetzliche Feststellung greift das bei mehrfachen Änderungen heute noch gültige BadHofGG vom 20.8.1898 zurück. Einzige Unterbrechung stellt die Zeit vom 1.10.1933 bis 24.4.1947 dar, in der das Reichserbhofgesetz galt. c) Württembergisches Gesetz über das Anerbenrecht 114
Der in Baden-Württemberg bislang bestehende Zustand der Rechtsvielfalt wird bald der Vergangenheit angehören. Das württembergische Gesetz über das Anerbenrecht vom 14.2.1930, das in der Fassung vom 30.7.1948 (RegBl. Württemberg-Baden S. 165) seit dem 24.4.1947 in Nordwürttemberg und seit dem 1.8.1948 in Nordbaden galt und in Südwürttemberg in der Fassung vom 8.8.1950 (RegBl Württemberg-Hohenzollern S. 279) anzuwenden war, ist am 31.12.2000 aufgrund des 3. Rechtsbereinigungsgesetzes von 1995 nahezu vollständig außer Kraft getreten1. Gem. Art. 28 des Rechtsbereinigungsgesetzes bleiben die aufgehobenen Rechtsvorschriften für spätere Erbfälle allerdings dann noch anwendbar, wenn der Erblasser vor dem 1.1.1930 geboren wurde. Dies und die verzögerte Inkraftsetzung wurden laut amtlicher Begründung deshalb vorgesehen, um den von der Aufhebung der Gesetze betroffenen Hofinhabern eine angemessene Zeit einzuräumen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen2. Damit gilt nunmehr auch in Baden-Württemberg BGB-Landguterbrecht, sofern nicht das badische Recht der geschlossenen Hofgüter zu beachten ist oder das WürttAnerbenG noch ausnahmsweise Anwendung findet, weil der Erblasser vor dem 1.1.1930 geboren wurde. d) Hessische Landgüterordnung
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In Hessen wurden das durch das KRG Nr. 45 wieder eingeführte Anerbenrecht mit Wirkung vom 24.4.1947 aufgehoben und gleichzeitig die ehemalige Landgüterordnung für den Regierungsbezirk Kassel vom 1.7.1887 für das ganze Land Hessen als HessLandgüterO vom 1.12.1947 in Kraft gesetzt. Die HessLandgüterO hat sich mit einer Zuweisung des Landguts in der Erbauseinandersetzung begnügt, sich also nicht für eine Sondernachfolge entschieden. e) Rheinland-pfälzisches Landesgesetz über die Höfeordnung
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Auf Anregung der Bauernschaft wurde am 7.10.1953 in Rheinland-Pfalz die RhPfHöfeO verabschiedet. Für Rheinland- Pfalz als klassischem Freiteilungs1 Drittes Rechtsbereinigungsgesetz vom 18.12.1995, Anlage 2 zu Art. 1, Gesetzblatt Baden-Württemberg 1996, S. 29 ff. 2 Vgl. Faßbender, Agrarrecht 1998, 188.
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land ohne anerbenrechtliche Tradition war dies ein bemerkenswerter Vorgang. Hält man sich vor Augen, dass 40 Jahre später von den 1993 in Rheinland-Pfalz bestehenden 47 893 landwirtschaftlichen Betrieben 6681 Betriebe, also fast 14 %, in die Höferolle eingetragen waren, ist das Experiment des Jahres 1953 als geglückt zu bezeichnen. f) Bremisches Höfegesetz Das alte bremische Höfegesetz vom 18.7.1899 wurde nach dem Zweiten Weltkrieg i.d.F. vom 19.7.1948 neu verkündet und seither mehrfach verändert. Es folgt dem Anerbensystem einer Sondernachfolge in den Hof. Es tritt am 31.12.2009 außer Kraft, so dass ab 1.1.2010 das allgemeine (BGB-/ GrdstVG)Landwirtschaftserbrecht für alle landwirtschaftlichen Betriebe in Bremen gilt1.
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2. Vergleichende Darstellung der Anerbenrechte Die Anerbenrechte werden nachfolgend in ihren wesentlichen Voraussetzungen dargestellt. Dabei wird jeweils unter einem Überbegriff (z.B. land-/ forstwirtschaftliche Besitzung) die dazugehörende Gesetzespassage aus den unterschiedlichen Anerbengesetzen zitiert und anschließend eine kurze Erläuterung dazu gegeben:
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a) Land-/forstwirtschaftliche Besitzung2 § 1 Abs. 1 HöfeO (land- oder forstwirtschaftliche Besitzung)/§ 1 Abs. 1 Gesetz vom 12.7.1949 zur Wiedereinführung des BadHofGG3 (land- und forstwirtschaftliche Grundstücke)/Art. 1 Abs. 2 WürttAnerbenG (zum Betrieb der Land- oder Forstwirtschaft geeignete Besitzung)/§ 1 Abs. 2 BremHöfeG (landwirtschaftliche Besitzung)/§ 1 Abs. 2 HessLandgüterO (zum Betriebe der Land- oder Forstwirtschaft bestimmte Besitzung)/§ 2 Abs. 1 RhPfHöfeO (landund forstwirtschaftlicher Betrieb).
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Während nach den anderen Anerbenrechten auch rein forstwirtschaftliche Betriebe dem Anerbenrecht unterstehen, gilt dies nach § 1 Abs. 2 BremHöfeG nicht. b) Mit einer zu ihrer Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle § 1 Abs. 1 HöfeO (zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle)/§ 3 Abs. 1 Satz 2 BadHofGG (mit den erforderlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen)/Art. 1 Abs. 2 WürttAnerbenG (verlangt stattdessen „Besitzung, die einheitlich bewirtschaftet werden kann)/§ 1 Abs. 2 BremHöfeG (zur Bewirtschaftung geeignete Hofstelle)/§ 1 Abs. 2 HessLandgüterO (mit einem Wohnhaus 1 § 32 BremHöfeG, angefügt durch Art. 1 Nr. 20 des Gesetzes zur Bereinigung des Bremischen Rechts v. 20.5.2005 (Brem. GBl. S. 91). 2 S. Rz. 23. 3 Bad. GVBl. 1949, 288.
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versehene Besitzung)/§ 2 Abs. 1 RhPfHöfeO (Betrieb, der von der dazugehörigen Hofstelle aus bewirtschaftet werden kann). Eine Hofstelle ist eine mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden bebaute Fläche, von der aus die zur Besitzung gehörenden Grundstücke (in räumlicher Hinsicht noch technisch und wirtschaftlich sinnvoll1) bewirtschaftet werden können. Geeignet ist eine Hofstelle, wenn sie Wohn- und Wirtschaftsgebäude in einem Umfang enthält, der eine ordnungsmäßige Bewirtschaftung der zum Hof gehörenden Ländereien ermöglicht. Bei der Beurteilung der Geeignetheit sind großzügige Maßstäbe anzulegen, so dass auch eine unzulänglich Hofstelle geeignet ist, wenn sie bisher zur Bewirtschaftung ausreichte oder die Beseitigung der Unzulänglichkeit zu erwarten ist2. Nach dem Sitz der Hofstelle richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichs (§ 10 LwVG). c) Betriebsgröße 121
§ 1 Abs. 1 HöfeO (sofern sie einen Wirtschaftswert von mindestens 10 000 Euro hat)/§ 3 Abs. 1 Satz 2 BadHofGG (zur Ernährung einer Familie völlig ausreichendes Besitztum)/Art. 1 Abs. 2 WürttAnerbenG (zur selbstständigen Nahrungsstelle geeignete Besitzung)/§ 1 Abs. 2 BremHöfeG (Besitzung von mindestens 2,5 Hektar)/§ 1 Abs. 2 bis 5 HessLandgüterO (Besitzung, die mindestens die Größe einer Ackernahrung hat. Als Ackernahrung gilt eine genutzte Landfläche, die notwendig ist, um eine Familie, unabhängig vom Markt und von der allgemeinen Wirtschaftslage, zu ernähren und zu bekleiden sowie den Betrieb aus sich selbst zu erhalten. Beim Weinbau ist als Ackernahrung eine genutzte Ländfläche anzusehen, deren eigene Erzeugung an Trauben zum Unterhalt einer Familie ausreicht. Beim Gemüse- oder Obstbau ist als Ackernahrung eine genutzte Landfläche anzusehen, die auch bei Umstellung auf die Betriebsarten der Abs. 3 und 4 die dort bestimmten Voraussetzungen erfüllt)/§ 2 Abs. 2 RhPfHöfeO, (Der Hof soll bei einer den Ertragsbedingungen entsprechenden Wirtschaftsweise ausreichen, um aus seinem land- und forstwirtschaftlichen Ertrag über den notwendigen Betriebsbedarf hinaus eine bäuerliche Familie angemessen zu versorgen sowie Altenteils- und Abfindungsverpflichtungen zu erfüllen [Ackernahrung]). Bezüglich der Anforderungen unterscheiden sich die süddeutschen Anerbenrechte klar von den norddeutschen. Die HöfeO und das BremHöfeG stellen mit einem Wirtschaftswert von 10 000 Euro aufwärts und der Größe von mindestens 2,5 Hektar eindeutige Bestimmungen auf. Der Wirtschaftswert der HöfeO ist nach § 46 BewG zu bestimmen. Danach beträgt der Wirtschaftswert das 18fache des durchschnittlichen, nachhaltigen jährlichen Betriebsreinertrags ohne Wohngebäude. Die süddeutschen Anerbengesetze stellen auf die Ackernahrung ab, also darauf, ob das landwirtschaftliche Unternehmen völlig zum selbstständigen Un1 Wöhrmann, S. 61. 2 Vgl. Wöhrmann, S. 61.
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terhalt einer Familie ausreicht. Dass dieses Abgrenzungskriterium zu Auslegungsproblemen führen muss, liegt auf der Hand. Eine praktikable Lösung ist es auch hier, auf die Sozialhilfe, die einer durchschnittlichen bäuerlichen Familie mit den erwachsenen Eltern und zwei minderjährigen Kindern zusteht, abzustellen. Der Hofertrag muss folglich den Betriebsbedarf und die Sozialhilfebezüge, die einer bäuerlichen Durchschnittsfamilie zustehen, abdecken. d) Rechtsträger des Hofs § 1 Abs. 1 HöfeO (Besitzung, die im Alleineigentum einer natürlichen Person oder im gemeinschaftlichen Eigentum von Ehegatten [Ehegattenhof] steht oder zum Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gehört)/§§ 19 ff. BadHofGG (Gehört ein geschlossenes Hofgut zu dem Gesamtgut einer Gütergemeinschaft)/Art. 6 Abs. 3, 17 Abs. 1 bis 3, 18, 19 Abs. 2 WürttAnerbenG (Gehört das Anerbengut zum Gesamtgut einer ehelichen Gütergemeinschaft)/§ 1 Abs. 2 Satz 2 BremHöfeG (Besitzung muss im Alleineigentum einer natürlichen Person oder kraft ehelichen Güterrechts im Eigentum von Ehegatten stehen oder zum Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft gehören)/§§ 21 Abs. 1. 22 Abs. 1 HessLandgüter (Wenn das Landgut sich im Miteigentum der Ehegatten befindet)/§ 2 Abs. 1 RhPfHöfeO (Betrieb, der im Alleineigentum einer natürlichen Person oder im Eigentum von Ehegatten [Ehegattenhof] steht).
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Allen Anerbengesetzen ist gemein, dass juristische Personen nicht als Rechtsträger eines Anerbenhofs in Frage kommen. Hofinhaber kann zunächst eine Einzelperson sein, in deren Alleineigentum der Hof steht. Gemeinschaftliches Eigentum an Ehegattenhöfen (Bruchteilseigentum oder Gesamthandseigentum) kennen bis auf die HessLandgüterO alle Anerbengesetze. Die fortgesetzte Gütergemeinschaft ist wohl nur in § 1 Abs. 1 HöfeO, Art. 17 WürttAnerbenG und in § 1 Abs. 2 BremHöfeG als Rechtsträger eines Anerbenhofs vorgesehen. e) Eintragung der Anerbenhöfe in öffentliche Register Bei der Eintragung der Höfe in die unterschiedlichen Register ist folgendes Regelungssystem1 zu unterscheiden: Bei den „geborenen Höfen“ gilt das Anerbenrecht kraft Gesetzes
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– mit eingeschränkter Aufhebungsmöglichkeit der Hofeigenschaft: Anerbenrechtsgeltung kraft zwingenden Gesetzes, § 3 BadHofGG. Die badischen Hofgüter sind allesamt einzeln gesetzlich festgelegt worden, so dass dieser Numerus clausus nur ausnahmsweise erweitert werden kann, wenn ein Hofgut in mehrere kleinere Hofgüter zerlegt wird. Der Eintrag als Hofgut erfolgt in Abt. II des Grundbuchs. Nach § 3 BadHofGG bedarf die Auf-
1 Nach Kreuzer, Agrarrecht 1977, Beilage I S. 17.
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hebung der Geschlossenheit eines Hofguts der Genehmigung des Landeswirtschaftsamtes. – mit freier Aufhebungsmöglichkeit der Hofeigenschaft: Anerbenrechtsgeltung kraft dispositiven Gesetzes, § 1 IV HöfeO für geborene Höfe. Höfe mit einem Wirtschaftswert von 10 000 Euro und mehr unterliegen ohne weiteres kraft Gesetzes dem Höferecht. Es bedarf keines Antrags und keines Registereintrags. Es handelt sich um geborene Höfe, so dass eine Eintragung ins Grundbuch lediglich deklaratorisch wirkt. Die HöfeO ist jedoch dispositives Recht, so dass der Hofinhaber gegenüber dem Landwirtschaftsgericht erklären kann, dass seine Besitzung kein Hof im Sinne der HöfeO mehr sein solle („negative Hoferklärung“), worauf die Löschung des Hofvermerks im Grundbuch erfolgt. 124
Bei den Antragshöfen gilt das Anerbenrecht erst aufgrund (fakultativer, konstitutiver) Registereintragung – mit eingeschränkter Aufhebungsmöglichkeit: Anerbenrechtsgeltung kraft eingeschränkt „widerruflicher“ Eintragung, § 6 RhPfHöfeO. Nach der RhPfHöfeO kann der Hof zwar fakultativ der HöfeO unterstellt werden, doch kann das Amtsgericht – nach Anhörung des Höfeausschusses – dem Antrag auf Löschung eines Hofes in der Höferolle nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes stattgeben, – mit freier Aufhebungsmöglichkeit: Anerbenrechtsgeltung kraft frei widerruflicher Eintragung, § 1 Abs. 2, 4 bis 7 HöfeO, Art. 2 I WürttAnerbenG, §§ 1 Abs. 2, 3 BremHöfeG, §§ 3, 8 HessLandgüterO. Nach der HöfeO wird eine Besitzung von weniger als 10 000 Euro, mindestens jedoch 5000 Euro Wirtschaftswert Hof, wenn der Eigentümer gegenüber dem Landwirtschaftsgericht eine öffentlich beglaubigte Erklärung abgibt, dass sie Hof sein soll und der Hoferbenvermerk im Grundbuch eingetragen wird.
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Ausschluss der Anerbenrechtsgeltung durch letztwillige Verfügung? Unterliegt ein Hof dem Anerbenrecht kraft Gesetzes oder kraft Eintragung, kann dennoch die Geltung des Anerbenrechts durch letztwillige Verfügung nach allen landesrechtlichen Anerbengesetzen, jedoch nicht nach der bundesrechtlichen HöfeO, ausgeschlossen werden, § 16 I HöfeO, § 6 BadHofGG, Art. 6 Abs. 1 WürttAnerbenG, § 14 RhPfHöfeO. Nach § 16 Abs. 1 HöfeO ist eine Verfügung von Todes wegen, welche die Erbfolge nach § 4 HöfeO ausschließt, nichtig. Will der Hofeigentümer diese „Erbfolge kraft Höferechts“ ausschließen1, muss er einen anderen Weg wählen. Die Hofeigenschaft geht durch „negative“ Hoferklärung und Löschung des Hofvermerks im Grundbuch verloren (§ 1 Abs. 4–7 HöfeO). Der damit bewirk-
1 Die Erbfolge kraft Höferechts sieht vor, dass der Hof auf nur einen Hoferben (§ 4 HöfeO) als Betriebs- und Wirtschaftseinheit (§ 1 HöfeO) mit Bestandteilen (§ 2 HöfeO) und Zubehör (§ 3 HöfeO) vererbt wird und sich die Abfindung der weichenden Erben nach §§ 12–14 HöfeO bestimmt.
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te Verlust der Hofeigenschaft führt zum Ausschluss der Sondererbfolge, auch wenn zuvor der Eigentümer den Hoferben bindend bestimmt hatte1. f) Bestimmung des Hoferben durch Verfügung von Todes wegen § 7 Abs. 1 HöfeO (Der Eigentümer kann den Hoferben durch Verfügung von Todes wegen frei bestimmen)/§ 7 Abs. 1 BadHofGG, Art 8 Abs. 1 WürttAnerbenG (Trifft der Erblasser keine andere Bestimmung, so sind in folgender Rangordnung als Anerben berufen . . .)/§ 8 BremHöfeG (Das Recht des Eigentümers, über den Hof von Todes wegen zu verfügen, wird durch dieses Gesetz nicht berührt)/§ 25 Abs. 1 HessLandgüterO (Der Guteigentümer ist befugt, in einem Testament oder in einer notariell oder vom Ortsgericht beglaubigten Urkunde die Zuweisungsregeln nach §§ 11 bis 23 der HessLandgüterO auszuschließen und unter den Miterben die Person zu bestimmen, die zur Übernahme des Landguts berechtigt sein soll)/§ 15 Abs. 1 RhPfHöfeO (Der Eigentümer kann den Hoferben durch Verfügung von Todes wegen frei bestimmen).
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Nach allen Anerbenrechten ist es zulässig, dass der Eigentümer den Hoferben aufgrund letztwilliger Verfügung frei bestimmt. Einschränkungen kennen nur § 7 Abs. 2 HöfeO, welcher grundsätzlich die Wirtschaftsfähigkeit des Hoferben fordert, und § 15 Abs. 4 RhPfHöfeO, wonach der Hoferbe zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Hofs geeignet sein „soll“. Wirtschaftsfähig ist nach § 6 Abs. 7 HöfeO derjenige, der nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten, nach seinen Kenntnissen und nach seiner Persönlichkeit in der Lage ist, den Hof selbstständig zu bewirtschaften. Das baden-württembergische Anerbenrecht kennt die Wirtschaftsfähigkeit als Voraussetzung sowohl für den gesetzlichen als für den testamentarischen Hoferben nicht. Nach § 8 BadHofGG ist vom Anerbenrecht ausgeschlossen, wer in allen Angelegenheiten unter Betreuung steht oder wem ein solcher Betreuer aufgrund eines binnen sechs Wochen nach dem Erbfall gestellten Antrags bestellt wird.
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g) Bestimmung des Hoferben kraft Anerbengesetzes aa) Anerbenordnungen § 5 HöfeO (Wenn der Erblasser keine andere Bestimmung trifft, sind als Hof- 128 erben kraft Gesetzes in folgender Ordnung berufen: 1. die Kinder des Erblassers und deren Abkömmlinge, 2. der Ehegatte des Erblassers, 3. die Eltern des Erblassers, wenn der Hof von ihnen oder aus ihren Familien stammt oder mit ihren Mitteln erworben worden ist, 4. die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge)/§ 7 BadHofGG, Art. 8 Absatz 1 WürttAnerbenG (Trifft der Erblasser keine andere Bestimmung, so sind in folgender Rangordnung als Anerben berufen: 1 die Kinder des Erblassers und deren Abkömmlinge, 2. der Ehegatte des Erblassers, 3. die Eltern des Erblassers, wenn der Hof von ihnen oder aus ihren Familien stammt, 4. die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge. Kinder des Erblassers und deren Abkömmlinge sind nur dann als Anerben berufen, wenn sie nach den Vorschriften des allgemeinen Rechts 1 BGH v. 14.5.1987 – BLw 2/87, NJW 1988, 710.
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gesetzliche Erben sind)/§ 9 Abs. 2 BremHöfeG (Das Anerbenrecht gilt nur für die Abkömmlinge des Erblassers, es besteht auch dem überlebenden Ehegatten des Erblassers gegenüber – Ausnahme ist das Anerbenrecht des überlebenden Ehegatten an einem von ihm in die Gütergemeinschaft eingebrachten Hof nach § 20 Abs. 1 BremHöfeG)/§ 11 HessLandgüterO (Wird der Eigentümer eines Landguts von mehreren Nachkommen beerbt, so ist in Ermangelung einer entgegenstehenden letztwilligen Verfügung einer von diesen berechtigt, bei der Erbteilung das Landgut nach Maßgabe der §§ 12 bis 23 HessLandgüterO zu übernehmen)/§ 16 RhPfHöfeO (Trifft der Erblasser keine andere Bestimmung, sind als Hoferben kraft Gesetzes in folgender Ordnung berufen: 1. die Kinder des Erblassers und deren Abkömmlinge, 2. der Ehegatte des Erblassers, 3. die Eltern des Erblassers, 4. die Geschwister des Erblassers und deren Abkömmlinge). 129
Bis auf die HessLandgüterO, welche die Bestimmung des Gutserben dem Landwirtschaftsgericht überlässt, und dem BremHöfeG, die beide als Anerben grundsätzlich nur die Abkömmlinge des Erblassers zulassen, unterscheiden die Anerbengesetze verschiedene Anerbenordnungen, von denen die vorhergehende die nachfolgenden ausschließt. Gesetzliche Hoferben der ersten Anerbenordnung sind die Kinder des Erblassers und deren Abkömmlinge, § 5 Nr. 1 HöfeO, und zwar seit dem 1.4.1998 auch die nicht ehelichen Kinder und deren Abkömmlinge, soweit sie nach dem 1.7.1949 geboren sind, weil diese den ehelichen Kindern erbrechtlich jetzt gleichstehen. Während die zweite Anerbenordnung regelmäßig die Ehegatten der Erblasser berücksichtigt, sind in die dritte Ordnung die Eltern des Erblassers eingereiht, wobei die Herkunft des Hofs hier eine besondere Rolle spielt. In die vierte und letzte Anerbenordnung gehören jeweils die Geschwister und Geschwisterkinder. bb) Konkurrenz innerhalb der ersten Anerbenordnung
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§ 6 Abs. 1 HöfeO (In der ersten Hoferbenordnung ist als Hoferbe berufen: 1. in erster Linie der Miterbe, dem vom Erblasser die Bewirtschaftung des Hofs im Zeitpunkt des Erbfalls auf Dauer übertragen ist, es sei denn, dass sich der Erblasser dabei ihm gegenüber die Bestimmung des Hoferben ausdrücklich vorbehalten hat; 2. in zweiter Linie der Miterbe, hinsichtlich dessen der Erblasser durch die Ausbildung oder durch Art und Umfang der Beschäftigung auf dem Hof hat erkennen lassen, dass er den Hof übernehmen soll; 3. in dritter Linie der älteste der Miterben oder, wenn in der Gegend Jüngstenrecht der Brauch ist, der jüngste von ihnen)/§ 7a Abs. 1 und 2 BadHofGG, Art. 8a Abs. 1 und 2 WürttAnerbenG (In der Anerbenordnung 1 ist der älteste der Erben zum Anerben berufen. Hat der Erblasser durch die Ausbildung oder durch Art und Umfang der Beschäftigung eines Kindes auf dem Hof erkennen lassen, dass dieses Kind den Hof übernehmen soll, so geht es allen anderen Kindern vor. Hat der Erblasser mehrere Kinder in gleicher Weise ausgebildet oder in gleichem Umfang auf dem Hof beschäftigt, ohne erkennen zu lassen, welches von ihnen den Hof übernehmen soll, so gehen diese Kinder allen übrigen Kindern vor; in ihrem Verhältnis zueinander gilt Ältestenrecht)/§ 11 BremHöfeG (Die Reihenfolge, in welcher die Abkömmlinge des Hofeigentümers zu Hoferben beru886
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fen sind, richtet sich prinzipiell nach dem Ältestenrecht: Die Abkömmlinge und an ihrer Stelle ihre Abkömmlinge sind in der Reihenfolge des Alters zu Anerben berufen. Ist der an erster Stelle berufene Abkömmling kein Landwirt, so tritt der nächstberufene jüngere Abkömmling, welcher Landwirt ist, an seine Stelle. Ist danach keiner der Abkömmlinge des Hofeigentümers als Anerbe berufen, erlöschen die Wirkungen der Eintragung in die Höferolle. Die Besitzung ist von Amts wegen in der Höferolle zu löschen)/§ 15 HessLandgüterO (Erachtet das Landwirtschaftsgericht mehrere der Erben als zur Übernahme des Guts geeignet, so ist demjenigen der Vorzug zu geben, der nach pflichtgemäßem Ermessen als am besten geeignet erscheint) § 17 RhPfHöfeO (Innerhalb der gleichen Ordnung entscheidet Ältestenrecht. Hat der Erblasser durch Art und Umfang der Beschäftigung eines Kindes auf dem Hof erkennen lassen, dass dieses Kind den Hof übernehmen soll, so geht es allen anderen Kindern vor. Hat der Erblasser mehrere Kinder in gleichem Umfang auf dem Hof beschäftigt, so gehen diese Kinder allen übrigen Kindern vor; unter ihnen gilt Ältestenrecht). Kommt es zur Konkurrenz von Anerben der ersten Ordnung, ist in den heutigen Anerbengesetzen der mutmaßliche Erblasserwille für die Bestimmung des Hoferben primär entscheidend und nicht mehr das früher geltende Ältesten- oder Jüngstenrecht, das nur noch subsidiär zur Anerbenbestimmung heranzuziehen ist. So wird nach § 6 Abs. 1 HöfeO ein Abkömmling, dem die Bewirtschaftung des Hofs im Zeitpunkt des Erbfalls auf Dauer übertragen war, Hoferbe, sofern der Erblasser nicht ausdrücklich einen anders lautenden Vorbehalt erklärt hat. Diese Vertrauenserwartung des Übernahmeprätendenten wird durch § 7 Abs. 2 Satz 1 HöfeO abgesichert, indem diese Vorschrift dem Erblasser die Möglichkeit nimmt, eine andere Person letztwillig zum Hoferben zu bestimmen, solange der Abkömmling den Hof bewirtschaftet. Eine Ausnahme bildet die HessLandgüterO, die keine Sondernachfolge kennt, sondern nur ein Übernahmerecht, das in einem gerichtlichen Zuweisungsverfahren geltend zu machen ist. In diesem Zuweisungsverfahren bestimmt das Landwirtschaftsgericht den unter den Nachkommen am besten geeigneten zum Gutübernehmer. Zu beachten ist, dass die baden-württembergischen Anerbengesetze bei der Ermittlung des mutmaßlichen Erblasserwillens auf Ausbildung und Beschäftigung auf dem Hof abstellen, während der fast wortgleiche § 17 Abs. 3 RhPfHöfeO nur den Gedanken der Beschäftigung auf dem Hof berücksichtigt. Bremen regelt das Anerbenrecht nur für Abkömmlinge, soweit nicht bei einem Ehegattenhof der überlebende Ehegatte den Hof in die Gütergemeinschaft eingebracht hat. In diesem Fall tritt nach § 20 Abs. 1 BremHöfeG der überlebende Ehegatte als Anerbe ein. Hinterlässt der Erblasser keine Abkömmlinge, so geht die Hofeigenschaft verloren und die Löschung aus der Höferolle erfolgt von Amts wegen. Der Erbgang folgt dann gem. § 11 Abs. 3 BremHöfeG dem allgemeinen Erbrecht.
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cc) Der Ehegatte als Anerbe im Verhältnis zu den nachfolgenden Anerbenordnungen 132
§ 6 Abs. 2 HöfeO (In der zweiten Hoferbenordnung scheidet der Ehegatte als Hoferbe aus, 1. wenn Verwandte der dritten und vierten Hoferbenordnung leben und ihr Ausschluss von der Hoferbfolge, insbesondere wegen der von ihnen für den Hof erbrachten Leistungen grob unbillig wäre; oder 2. wenn sein Erbrecht nach § 1933 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeschlossen ist)/§ 7a Abs. 3 BadHofGG, Art. 8a Abs. 3 WürttAnerbenG (Der Ehegatte des Erblassers erhält, solange Verwandte der Anerbenordnung 3 und 4 leben, den Hof nur als Vorerbe. Die Vorschriften der §§ 2100 bis 2146 BGB finden entsprechende Anwendung. Nach dem Tode des Ehegatten wird derjenige Anerbe, der als Anerbe des Erblassers berufen wäre, wenn dieser erst in diesem Zeitpunkt gestorben wäre)/§ 16 Abs. 2 RhPfHöfeO (Der Ehegatte des Erblassers erhält, solange Verwandte der Hoferbenordnung 3 und 4 leben, den Hof nur vorläufig als Hofvorerbe. Die Vorschriften der §§ 2100 bis 2146 des BGB finden entsprechende Anwendung; jedoch ist eine Befreiung von der Beschränkung des § 2113 Abs. 1 BGB nicht zulässig. Mit dem Tode des Ehegatten oder dessen Wiederverheiratung wird derjenige Hoferbe, der als Hoferbe des Erblassers berufen wäre, wenn dieser erst in diesem Zeitpunkt gestorben wäre). In der zweiten Anerbenordnung kommt nur der überlebende Ehegatte als Hoferbe in Betracht, so dass hier keine Rangfolgen abzuklären sind. Doch ist das Verhältnis des überlebenden Ehegatten zu den Mitgliedern der nachfolgenden Anerbenordnungen abzuklären. Während die süddeutschen Anerbengesetze dem überlebenden Ehegatten nur eine Vorerbenstellung gewähren, wird dieser nach dem nordwestdeutschen Höfeordnungsrecht unbeschränkter Vollerbe, es sei denn, der Ausschluss von Verwandten der beiden nachfolgenden Hoferbenordnungen wäre wegen deren Leistungen für den Hof grob unbillig oder der Erblasser hat die Scheidung der Ehe begründeterweise beantragt. h) Vererbung von Ehegattenhöfen
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§ 8 Abs. 1 HöfeO (Bei einem Ehegattenhof fällt der Anteil des Erblassers dem überlebenden Ehegatten als Hoferben zu)/§ 18 RhPfHöfeO (Der Ehegattenhof fällt beim Tode des einen Ehegatten dem anderen als Hoferben und, wenn der Hof nicht von ihm stammt, als Hofvorerben zu. Nach ihm wird derjenige Hoferbe, der als Hoferbe des Ehegatten, von dem der Hof stammt, berufen wäre, wenn dieser erst in diesem Zeitpunkt gestorben wäre. Sind solche Personen beim Tode des erstverstorbenen Ehegatten nicht vorhanden oder fallen sie später sämtlich weg, so erhält der überlebende Ehegatte die Stellung als endgültiger Hoferbe). Ein Ehegattenhof im Sinne der HöfeO setzt gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten am Hof voraus, und zwar entweder in der Form des Gesamthandseigentums einer Gütergemeinschaft, BGB-Gesellschaft bzw. Erbengemein-
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schaft oder in der Form von Miteigentum nach Bruchteilen1. Ein Ehegattenerbhof unterliegt nicht der Anerbfolge, sondern der Erbfolge nach § 8 HöfeO, wonach der überlebende Ehegatte Alleineigentümer des Gesamthofs wird, und zwar auch dann, wenn gemeinschaftliche Kinder als Angehörige der ersten Hoferbenordnung vorhanden sind. Der Erwerb des Alleineigentums am Ehegattenhof durch den überlebenden Ehegatten gilt – im Unterschied zum süddeutschen Anerbenrecht – ohne Rücksicht darauf, von welchem Ehegatten der Hof stammt. Die Erbfolge beim Tode des erstversterbenden Ehegatten ist im Verhältnis der Ehegatten zueinander zwingend geregelt, so dass sich die Ehegatten durch letztwillige Verfügung nur zu Vollerben einsetzen können. Die Ehegatten können einen Dritten gem. § 8 Abs. 2 HöfeO nur gemeinschaftlich als Hoferben bestimmen und eine solche Bestimmung auch nur gemeinschaftlich wieder aufheben. Haben die Ehegatten keinen Hoferben gemeinschaftlich bestimmt, kann der überlebende Ehegatte den Hoferben alleine bestimmen. Für einen Ehegattenhof gilt ausschließlich § 8 HöfeO, und zwar auch dann, wenn ein Hof erst nachträglich Ehegattenhof geworden ist und zuvor die Voraussetzungen einer formlosen Hoferbenbestimmung nach §§ 6, 7 HöfeO vorlagen2. Den baden-württembergischen Anerbengesetzen ist der Begriff des Ehegattenhofs nicht bekannt. Sie kennen nur Regelungen bezüglich der allgemeinen und der fortgesetzten Gütergemeinschaft. Bei der allgemeinen Gütergemeinschaft kann der überlebende Ehegatte verlangen, dass ihm bei der Auseinandersetzung das Anerbengut nebst Zubehör gegen Ersatz des Ertragswerts überlassen wird. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass der verstorbene Ehegatte das Hofgut nicht in die Gütergemeinschaft eingebracht oder während der Gütergemeinschaft im Erbgang oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erworben hat. Hatte hingegen der verstorbene Erblasser das Hofgut in die Gütergemeinschaft eingebracht oder während der Ehe durch vorweggenommene oder eigentliche Erbfolge erworben, steht dem überlebenden Ehegatten kein Übernahmerecht zu. Jetzt fällt das Hofgut nebst Zubehör insgesamt in den Nachlass und ist gegen Ersatz des Ertragswerts dem Anteil des Verstorbenen an der Gütergemeinschaft zuzuschreiben, wenn derselbe einen Abkömmling hinterlassen hat, welcher das Hofgut als Alleinerbe erhält oder als Anerbe übernimmt (so § 19 BadHofGG und Art. 17 WürttAnerbenG)3. Wird eine fortgesetzte Gütergemeinschaft, zu der ein Hofgut gehört, zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten beendigt, gilt das Gesagte entsprechend. Allerdings steht dem überlebenden Ehegatten kein Übernahmerecht zu, wenn die fortgesetzte Gütergemeinschaft durch Aufhebungsurteil nach §§ 1495, 1496 BGB beendigt wird. Bei einer Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft durch den Tod des überlebenden Ehegatten sind die anteilsberechtigten Abkömmlinge zur Hofgutübernahme nach Anerbenrecht berechtigt (§§ 20, 21 BadHofGG). 1 Wöhrmann, S. 72 ff. 2 Vgl. Lange/Kuchinke, § 53 IV 1 m.w.N. 3 Das WürttAnerbenG gewährt in diesem Falle dem überlebenden Ehegatten Rechte auf Nießbrauch und Altenteil gem. Art. 13 WürttAnerbenG.
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§ 18 der RhPfHöfeO bestimmt den überlebenden Ehegatten für den Fall zum Hoferben, dass der Hof von ihm stammt. Stammt der Ehegattenhof hingegen vom Erblasser, fällt dem überlebenden Ehegatten der Hof nur als Vorerbe zu, sofern Verwandte des Erblassers der dritten und vierten Hoferbenordnung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers leben. i) Rechtswirkungen des Hoferbfalls
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§ 4 HöfeO (Der Hof fällt als Teil der Erbschaft kraft Gesetzes nur einem der Erben [dem Hoferben] zu.)/§ 10 Abs. 1 BadHofGG (Der Anerbe ist berechtigt, das Hofgut nebst Zubehör zu dem Ertragswert zu übernehmen)/Art. 3 und 9 WürttAnerbenG (Hinterlässt der Eigentümer eines Anerbenguts mehrere Erben, so fällt das Anerbengut nebst Zubehör als Teil der Erbschaft einem der Erben [dem Anerben] zu)/§ 9 BremHöfeG (Gehört ein Hof zu einem Nachlass, und wird der Erblasser von mehreren Personen beerbt, so fällte der Hof nebst Zubehör als Teil der Erbschaft nur einem Erben [dem Anerben] zu)/§ 11 Abs. 1 HessLandgüterO (Wird der Eigentümer eines Landguts von mehreren Nachkommen beerbt, so ist in Ermangelung einer entgegenstehenden letztwilligen Verfügung einer von diesen berechtigt, bei der Erbteilung das Landgut nebst Zubehör nach Maßgabe der §§ 12 bis 23 zu übernehmen)/§ 14 RhPfHöfeO (Der Hof fällt, sofern der Eigentümer durch Verfügung von Todes wegen nichts anderes bestimmt hat, als Teil der Erbschaft kraft Gesetzes nur einem Erben zu.). Die Anerbengesetze sehen abweichend von der in § 1922 BGB angeordneten Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich eine Sondernachfolge in den Anerbenhof vor. Der Hof geht mit dem Erbfall kraft Gesetzes auf einen einzigen Erben, den Hoferben, über. Der Rechtsübergang kraft Sondererbfolge erstreckt sich gem. §§ 2, 3 HöfeO auf das gesamte Zubehör, auf die Grundstücke, die vom Hof aus bewirtschaftet werden, und auf die dem Hof dienenden Rechte. Nur das BadHofGG und die HessLandgüterO haben sich diesem System der „dinglichen Hoferbfolge“ nicht angeschlossen. § 10 Abs. 1 BadHofGG gibt dem Anerben lediglich einen Anspruch gegen die restlichen Mitglieder der Erbengemeinschaft, das Hofgut geschlossen zum Ertragswert1 zu übernehmen. Die gleiche Berechtigung spricht § 11 HessLandgüterO dem vom Landwirtschaftsgericht bestimmten Gutübernehmer zu.
Formulierungsbeispiel Klageantrag zur Übernahme eines geschlossenen badischen Hofguts gegen Ertragswertabfindung 1. Die Beklagten werden verurteilt, der Auflassung des geschlossenen Hofgutes „Vogtsbauernhof“, Flst.Nr. 849/1 und Flst.Nr. 849 im Grundbuch von Schenken1 Wobei der Anerbe nach § 11 Abs. 1 BadHofGG verlangen kann, den Ertragswert in fünf gleichen Jahresraten verzinslich mit 4 % zu entrichten.
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Rz. 140 B XIII
zell, an die Klägerin zuzustimmen und deren Eintragung im Grundbuch als Alleineigentümerin zu bewilligen Zug um Zug gegen Zahlung von 68 000 Euro an die Klägerin und die Beklagten zu 1) und zu 2) in ihrer gesamthänderischen Gebundenheit als Erbengemeinschaft nach Elisabeth Edinger geborene Bauer, fällig in fünf gleichen zu 4 % verzinslichen Jahresraten. 2. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
j) Abfindung der weichenden Erben zu Erbquoten nach dem Hofwert Statt einer dinglichen Berechtigung am Hof erhalten die weichenden Erben einen Abfindungsanspruch gegen den Hoferben. Abfindungsansprüche sind übertragbar, vererblich, pfänd- und verpfändbar1. Der Abfindungsanspruch entspricht den gesetzlichen Erbteilen bezogen auf den Hofswert. Zu beachten ist, dass der Hoferbe – sofern er zu den Miterben des Erblassers gehört – bei der Berechnung der Erbquote zu berücksichtigen ist (vgl. z.B. § 12 Abs. 3 HöfeO). Der Hofswert ist Bemessungsgrundlage des Abfindungsanspruchs und wird in den verschiedenen Anerbengesetzen unterschiedlich ermittelt.
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Nach § 12 Abs. 1 und 2 HöfeO bemisst sich der Abfindungsanspruch der weichenden Erben nach dem Hofswert im Zeitpunkt des Erbfalls. Als Hofswert gilt das Eineinhalbfache des zuletzt festgestellten steuerlichen Einheitswerts (Wirtschaftswert + Wohnwert) im Sinne des § 48 BewG. Kommen besondere Umstände des Einzelfalls, die für den Wert des Hofs von erheblicher Bedeutung sind, in dem Hofswert nicht oder ungenügend zum Ausdruck, so können auf Verlangen Zuschläge oder Abschläge nach billigem Ermessen gemacht werden, z.B. bei Bauerwartungsland2.
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§ 10 Abs. 1 BadHofGG bestimmt, dass der Anerbe berechtigt ist, das Hofgut nebst Zubehör zu dem Ertragswert zu übernehmen.
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Art. 4 WürttAnerbenG stellt auf den „Gutwert“ als 20fachen jährlichen Reinertrag ab. Bei der Feststellung des Gutwerts wird zunächst der jährliche Reinertrag geschätzt, den das Gut nebst Zubehör nach seiner wirtschaftlichen Bestimmung bei ordnungsmäßiger und gemeinüblicher Bewirtschaftung mit entlohnten fremden Arbeitskräften unter gewöhnlichen Verhältnissen im Durchschnitt nachhaltig gewähren kann. Die der Land- und Forstwirtschaft dienenden Gebäude und Betriebsmittel werden nicht besonders bewertet, sondern bei der Ermittlung des Ertragswerts einbegriffen. Von dem ermittelten jährlichen Ertrag sind alle dauernd auf dem Gute nebst Zubehör ruhenden Lasten mit Ausnahme der Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden abzuziehen. Der ermittelte Jahresertrag wird dann mit 20 multipliziert und so der Gutwert ermittelt. Das WürttAnerbenG weist gegenüber den anderen Anerbengesetzen die Besonderheit auf, dass bei Streitigkeiten über den Gutwert
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1 Lange/Kuchinke, § 53 VI 1. 2 Dressel, NJW 1976, 1244 (1246).
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B XIII Rz. 141
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ein Schiedsgericht entscheidet, dem je ein Schiedsrichter des Anerben und der Miterben sowie – falls ein entsprechender Antrag gestellt wird – ein vom Landwirtschaftsministerium ernannter Vorsitzender angehören. 141
§ 14 BremHöfeG ermittelt den Hofwert bei der Erbteilteilung als den 25fachen Jahresertrag (Reinertrag abzüglich Lasten). Grundlage ist auch hier der jährliche Reinertrag, der bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung des Hofs nebst Zubehör unter gewöhnlichen Verhältnissen mit entlohnten fremden Arbeitskräften im Durchschnitt nachhaltig erzielt wird. Von dem so ermittelten jährlichen Ertrag sind alle dauernd auf dem Hofe nebst Zubehör ruhenden Lasten und Abgaben abzuziehen.
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§ 16 HessLandgüterO bestimmt als Gutwert den Ertragswert nach § 2049 BGB. Als Ertragswert gilt das 25fache des jährlichen Reinertrags.
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§ 21 Abs. 2 RhPfHöfeO legt als Ertragswert ebenfalls den 25fachen jährlichen Reinertrag zurunde. k) Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten bei der Abfindung
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Bis auf das BadHofGG sehen alle Anerbengesetze den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten vom Hofswert vor, soweit sie im Verhältnis der Erben zueinander den Hof betreffen. So werden nach § 12 Abs. 3 HöfeO vom Hofswert die Nachlassverbindlichkeiten abgezogen, die den Hof betreffen und die der Hoferbe deshalb allein zu tragen hat. Abzuziehen sind folglich Altenteile oder lebenslange Nutzungsrechte, nicht jedoch Vermächtnisse oder Pflichtteilsansprüche. Die weichenden Erben erhalten entsprechend ihrer Erbquote einen Anteil von dem verbleibenden Betrag. Der für die Abfindung der weichenden Erben aufzuwendende Betrag muss dabei mindestens 1/3 des Hofwerts, d.h. in den Regel den halben Einheitswert, ausmachen.
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Bei der Feststellung des Gutwerts durch Vervielfältigung des jährlichen Ertrags sind nach Art. 4 Abs. 2 WürttAnerbenG alle dauernd auf dem Gut nebst Zubehör ruhenden Lasten mit Ausnahme der Hypotheken, Grundschulden und Rentenschulden abzuziehen.
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In gleicher Weise bestimmt § 14 Abs. 3 BremHöfeG bei der Ermittlung des Hofswerts den Abzug aller dauernd auf dem Hofe nebst Zubehör ruhenden Lasten und Abgaben vom Jahresertrag.
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Nach § 16 Abs. 1 Satz 3 HessLandgüterO wird der für die Abfindung der Miterben maßgebliche Wert des Landguts ermittelt, indem vom Ertragswert die Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden, die im Verhältnis der Erben zueinander der Gutsübernehmer allein zu tragen hat (nicht abzusetzen sind die Einsitz- und Unterhaltspflichten des Übernehmers gegenüber minderjährigen oder kranken Miterben gem. § 19 HessLandgüterO).
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Rz. 151 B XIII
§ 21 Abs. 2 RhPfHöfeO sieht ebenfalls den Abzug der Nachlassverbindlichkeiten vom Ertragswert vor, um den für die Abfindung maßgeblichen Hofwert zu ermitteln.
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l) Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis Eine von der Bemessung der Abfindungsgrundlage unabhängige Frage ist die 149 der Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten. Im Außenverhältnis zu den Nachlassgläubigern bildet das Anerbengut einen Bestandteil des Gesamtnachlasses. Bei den badischen und hessischen Anerbengesetzen, die nur ein Übernahmerecht bezüglich des Hofguts kennen, versteht sich dies von selbst. Aber auch bei den sonstigen Anerbengesetzen, die eine Sondererbfolge in das Anerbengut vorsehen, wird die Nachlassspaltung in Anerbengut und hofsfreien Nachlass nicht aufrechterhalten, sondern entsprechend dem allgemeinen Recht des BGB davon ausgegangen, dass der gesamte Nachlass haftungsrechtlich eine Einheit bildet. Folglich haften alle Miterben, also auch der Anerbe, im Außenverhältnis als Gesamtschuldner gem. § 2058 BGB für die gesamten Nachlassverbindlichkeiten, worauf § 15 Abs. 4 Satz 1 BremHöfeG ausdrücklich hinweist. Dabei ist es ohne Belang, ob die Nachlassverbindlichkeiten den Hof oder das hofsfreie Vermögen betreffen. Nach §§ 15 Abs. HöfeO, 25 Abs. 1 RhPfHöfeO haftet der Anerbe ausdrücklich selbst dann für die Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner, wenn er an dem übrigen Nachlass nicht als Miterbe beteiligt ist. Eine etwaige Haftungsbeschränkung im Außenverhältnis richtet sich nach den §§ 1975 ff. BGB. m) Nachlassverbindlichkeiten im Innenverhältnis Für das Innenverhältnis zwischen dem Anerben und den Miterben sehen die Anerbengesetze teilweise Sonderregelungen vor, um das Hofgut lebensfähig zu halten. Im Innenverhältnis haftet – in Entsprechung zum GrdstVG – nach § 15 Abs. 2 HöfeO, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 WürttAnerbenG, § 17 Abs. 1 HessLandgüterO und § 25 Abs. 2 RhPfHöfeO zunächst der hoffreie Nachlass und erst danach der Hof1. Soweit hiernach eine Nachlassverbindlichkeit zunächst aus dem hofsfreien Nachlass zu berichtigen ist, kann der Anerbe von den Miterben im Innenverhältnis also zunächst verlangen, dass diese die Nachlassschulden alleine tragen. Erst wenn der hoffreie Nachlass zur Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten nicht ausreicht, haftet der Anerbe mit dem Hof.
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Einen anderen Weg geht § 15 Abs. 2 BremHöfeG. Hiernach ist vorgesehen, dass die für die Abfindungsberechnung nach § 14 Abs. 3 BremHöfeG vom Hofswert abzusetzenden Schulden vom Anerben selbst dann alleine zu übernehmen sind, wenn die Schulden den Hofswert übersteigen. Dem Anerben kann hier allenfalls ein Viertel des Hofwerts als Voraus verbleiben.
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1 Vgl. Lange/Kuchinke, § 53 VII.
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Eine Ausnahme bildet auch das BadHofGG, nach dem keine verschiedenen Erbmassen gebildet werden und bei dem infolgedessen für die Abwicklung der Nachlassschulden keine Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Erbrecht auftreten. n) Voraus
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Der Voraus des Hoferben1 wurde aus der HöfeO gestrichen, weil der Hoferbe durch diese pauschale Abgeltung für seine unterstellte Mitarbeit auf dem Hof einseitig begünstigt wurde. Dafür gewährt die HöfeO wieder die Anwendung des § 2057a BGB auf den Hoferben, die nach § 12 Abs. 3 Satz 5 HöfeO a.F. ausgeschlossen war2. Auch das hessische und rheinland-pfälzische Anerbenrecht kennt keinen Voraus, so dass hier ebenfalls § 2057a BGB anwendbar ist.
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Einen echten Voraus kennen heute nur noch Art. 9 Abs. 2 WürttAnerbenG und § 15 Abs. 2 Satz 2 BremHöfeG, die dem Anerben ¼ des Hofwerts als Voraus zusprechen.
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Nach § 10 Abs. 3 BadHofGG muss dem Anerben mindestens 1/5 des Ertragswerts des Hofguts lastenfrei zukommen, wozu bei den weichenden Erben gegebenenfalls die Erbteile auf die Hälfte bzw. Pflichtteile auf ein Viertel reduziert werden. o) Sonderansprüche der weichenden Erben
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Mit Ausnahme des BadHofGG kennen alle Anerbengesetze neben dem allgemeinen Abfindungsanspruch noch Sonderansprüche für die weichenden Erben. Minderjährige Miterben können gegen den Anerben Ansprüche auf Einsitz, Unterhalt, Ausbildung oder Aussteuer haben. Zum einen werden Unterhaltsansprüche gewährt. So hat gem. § 12 Abs. 6 Satz 2 und 3 HöfeO der Hoferbe einem minderjährigen Miterben die Kosten des angemessenen Lebensbedarfs und einer angemessenen Berufsausbildung zu zahlen oder bei Eingehung einer Ehe eine angemessene Ausstattung zu gewähren. Diese Leistungen sind auf die bis zur Volljährigkeit gestundete allgemeine Abfindung anzurechnen. Art. 12 WürttAnerbenG gibt dem minderjährigen Miterben gegen den Anerben einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Vorbildung zu einem Beruf sowie einer minderjährigen Miterbin auf eine angemessene Aussteuer im Falle ihrer Verheiratung.
157
§ 24 Abs. 1 Satz 1 RhPfHöfeO gibt unverheirateten Abkömmlingen des Erblassers bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres Anspruch auf Unterhalt und Einsitz auf dem Hofe, soweit dies zumutbar ist. Soweit die Mittel des Hofs dies gestatten, steht den Miterben ferner ein Anspruch auf Berufsausbildung
1 In Höhe von 3/10 am um die Nachlassverbindlichkeiten bereinigten Hofswert. 2 Vgl. Wöhrmann, S. 291.
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Rz. 160 B XIII
und angemessene Aussteuer zu. Diese Leistungen sind auf den Abfindungsanspruch nach § 21 RhPfHöfeO anzurechnen. p) Sonderansprüche des überlebenden Ehegatten § 14 Abs. 1 und 2 HöfeO, ähnlich § 23 RhPfHöfeO (Dem überlebenden Ehe- 158 gatten des Erblassers steht, wenn der Hoferbe ein Abkömmling des Erblassers ist, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Hoferben die Verwaltung und Nutznießung am Hof zu. Dieses Recht kann a) der Eigentümer durch Ehevertrag oder Verfügung von Todes wegen, b) das Gericht auf Antrag eines Beteiligten aus wichtigem Grunde verlängern, beschränken oder aufheben. Steht dem überlebenden Ehegatten die Verwaltung oder Nutznießung nicht zu, so kann er, wenn er Miterbe oder pflichtteilsberechtigt ist und auf die ihm nach § 12 zustehenden [allgemeinen Abfindungsansprüche] sowie auf alle Ansprüche aus der Verwendung eigenen Vermögens für den Hof verzichtet, vom Hoferben auf Lebenszeit den in solchen Fällen üblichen Altenteil verlangen)/ Art. 13 WürttAnerbenG. (Ist der Ehegatte des Erblassers neben Abkömmlingen des Letzteren als Miterbe berufen, so erwirbt er mit der Beendigung der elterlichen Nutznießung oder, falls ihm diese nicht zusteht, sofort den Nießbrauch an dem Anerbengut nebst Zubehör bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs des Anerben und für die spätere Zeit den Anspruch gegen den Anerben auf lebenslänglichen, in derartigen Verhältnissen üblichen Unterhalt auf dem Gute [Altenteilsrecht].) Dem überlebenden Ehegatten stehen mit Ausnahme des badischen Rechts nach allen Anerbengesetzen Sonderansprüche zu. Insbesondere geht es um das Recht der Verwaltung und Nutznießung am Hof oder des Nießbrauchs am Hof bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Hoferben, der Abkömmling des Erblassers ist. Danach hat der überlebende Ehegatte das Altenteilsrecht, das allerdings im Falle der Wiederverheiratung durch eine Kapitalabfindung (§ 14 HöfeO) oder Geldrente (Art. 13 WürttAnerbenG) ersetzt wird. Die RhPfHöfeO hingegen gewährt den Anspruch auf angemessene Versorgung auf dem Hofe auch dem neuen Ehegatten, wenn dieser auf dem Hofe mitgearbeitet hat und die Teilhabe am Altenteil infolgedessen der Billigkeit entspricht.
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q) Nachabfindungsansprüche der weichenden Erben bei Veräußerung des Anerbenhofs Auch wenn man den der Abfindung der weichenden Erben zurunde zu legenden „landwirtschaftlichen Wert“ des Grundstücks als „wirklichen Wert“ eines Hofs ansieht, gilt dies nur so lange, wie der Hof weiter betrieben wird. Bei der Veräußerung des Hofs werden regelmäßig Veräußerungsgewinne realisiert, die über dem „landwirtschaftlichen Wert“ liegen. Um hier eine einseitige Bevorzugung des Hoferben auszugleichen, gewähren alle Anerbengesetze eine Ergänzung der allgemeinen Abfindung durch eine Nachabfindung. Die Nachabfindung wird gewährt, wenn der Hof innerhalb bestimmter Fristen nach dem Erbfall verkauft wird. Diese Nachabfindungsfristen schwanken zwischen zehn Jahren (§ 23 Abs. 1 BadHofGG, § 29 Abs. 1 Satz 1 BremHöfeG), 15 Jahren Ruby
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
(Art. 14 WürttAnerbenG, § 18 Abs. 1 Satz 2 HessLandgüterO, § 26 RhPfHöfeO) und 20 Jahren (§ 13 HöfeO). Dabei sind die Tatbestände, welche die Nachabfindungsansprüche auslösen, in den einzelnen Anerbengesetzen sehr unterschiedlich. 161
§ 13 HöfeO löst zum einen Nachabfindungsansprüche aus, wenn der Hoferbe innerhalb von 20 Jahren seit dem Erbfall den Hof oder Hofgrundstücke im Werte von 1/10 des Hofwerts veräußert; zum anderen, wenn der Hoferbe außerhalb einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung wesentliche Teile des Hofzubehörs veräußert oder verwertet, und schließlich, wenn er den Hof oder Teile davon in anderer Weise als land- bzw. forstwirtschaftlich nutzt und auf diese Weise erhebliche Gewinne erzielt.
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§ 10 BadHofGG sieht eine „Berichtigung der Auseinandersetzung“ dann vor, wenn das Hofgut binnen zehn Jahren nach dem Erbfall zu einem den Ertragswert übersteigenden Preis an einen Nichtabkömmling verkauft wird. Nicht nur die Miterben, sondern auch die beteiligten Pflichtteilsberechtigten können eine Nachzahlung vom Verkäufer verlangen. Diese Regelungen gelten entsprechend bei Tausch oder Zwangsversteigerung des Hofguts. Nach dem Gesetzeswortlaut ist einerseits eine Nachabfindung beim Verkauf von Teilen des Hofguts nicht zu gewähren, andererseits auch dann, wenn mit dem Erlös aus der Veräußerung des gesamten Hofguts ein Ersatzhofgut erworben wird.
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Nach Art. 14 WürttAnerbenG werden Nachabfindungsansprüche bei einer Veräußerung des Anerbenguts oder von Teilgrundstücken ausgelöst, soweit Letztere innerhalb der 15-Jahres-Frist ¼ des Gutwerts überschreiten. Dies gilt allerdings nicht, wenn binnen eines Jahres nach dem Verkauf Ersatzgrundstücke erworben werden.
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§ 29 Abs. 3 Satz 1 BremHöfeG gewährt den Nachabfindungsanspruch bereits dann, wenn Hofteile gegen ein Entgelt veräußert werden, das im Ganzen höher als 1/10 des Hofwerts ist.
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§ 18 Abs. 1 Satz 1 HessLandgüterO setzt für die Nachabfindung voraus, dass durch Veräußerung oder auf andere, den Übernahmezwecken fremde Weise erhebliche Gewinne aus dem Gut oder Teilen desselben erzielt werden.
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Nach § 26 RhPfHöfeO ist bei einer Veräußerung oder Löschung des Hofs innerhalb der 15-Jahres-Frist der Nachabfindungsanspruch gegeben.
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Sind die vorstehend beschriebenen Nachabfindungstatbestände erfüllt, sollen die Miterben nach den Anerbengesetzen grundsätzlich so gestellt werden, als sei überhaupt keine Anerbenfolge eingetreten. Da der Anerbenzweck weggefallen ist, sind die Miterben im Grundsatz so zu stellen, wie sie stünden, wenn die normale Erbfolge eingetreten wäre und der Anerbe die ihm gewährten Vergünstigungen nicht erhalten hätte. Konsequent führen § 23 BadHofGG und Art. 14 WürttAnerbenG diese Berichtigungsauseinandersetzung durch. Als Ausgleichsgrundlage dient der erzielte 896
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Rz. 171 B XIII
Kaufpreis abzüglich des Aufwandes, der seit der Übernahme zur Verbesserung des Hofguts aufgebracht wurde. Selbstverständlich sind die allgemeinen Abfindungen, welche die Nachabfindungsberechtigten bereits als allgemeine Abfindung erhalten haben, auf ihren Anteil am Kaufpreis anzurechnen. Im Übrigen kommen sämtliche Begünstigungen, welche dem Verkäufer wegen seiner Eigenschaft als Anerbe zugekommen sind, in Wegfall. § 13 HöfeO hat sich dieser Berechnungsmethode angeschlossen und sie zusätzlich um eine degressive Nachabfindung verfeinert: Erfolgt die Veräußerung später als 15 Jahre nach dem Erbfall, ist nur die Hälfte des Erlöses Abfindungsgrundlage, nach 10 bis 15 Jahren sind es noch ¾. Zusätzlich zur Berücksichtigung der Eigenleistungen als Abzugsposten wird zusätzlich diese Degression bei der Nachabfindung dem Hoferben als pauschaler Ausgleich dafür gewährt, dass er den Hof längere Zeit besessen hat1.
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Die Berechnung nach § 26 RhPfHöfeO stellt für die Auseinandersetzung auf den Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbfalls und nicht auf den tatsächlich erzielten Verkaufserlös ab. Auf die rechtspolitische Unzulänglichkeit dieser Variante der Nachabfindung wurde schon beim regelungsgleichen § 17 GrdstVG hingewiesen2.
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r) Hofausschlagung § 11 HöfeO, § 19 Satz 1 RhPfHöfeO (Der Hoferbe kann den Anfall des Hofs durch Erklärung gegenüber dem [Nachlass-]Gericht ausschlagen, ohne die Erbschaft in das übrige Vermögen auszuschlagen. Auf diese Ausschlagung finden die Vorschriften des BGB über die Ausschlagung der Erbschaft entsprechende Anwendung)/§ 13 BadHofGG, Art 9 Abs. 3 WürttAnerbenG (Der Anerbe kann auf das Anerbenrecht verzichten, ohne die Erbschaft auszuschlagen. In diesem Fall geht das Anerbenrecht auf den nächsten Berechtigten über)/§ 9 Abs. 4 BremHöfeG (Es steht ihm aber frei, ohne die Erbschaft auszuschlagen, auf das Anerbenrecht zu verzichten).
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Während der Erbe nach allgemeinem Recht die Annahme und Ausschlagung der Erbschaft nicht auf einen Teil der Erbschaft beschränken kann (vgl. § 1950 BGB), kann der Anerbe die Erbschaft bezüglich des Anerbenhofs ausschlagen, ohne dass er dabei die Erbenstellung bezüglich des hoffreien Vermögens verliert. Schlägt der Anerbe aus, fällt der Anerbenhof dem nächstberufenen Anerben an. s) Hoffolgezeugnis § 18 Abs. 2 HöfeO (Diese [Landwirtschafts-]Gerichte sind auch zuständig für die Entscheidung der Frage, wer kraft Gesetzes oder kraft Verfügung von Todes wegen Hoferbe eines Hofs geworden ist, und für die Ausstellung eines Erbscheins. In dem Erbschein ist der Hoferbe als solcher aufzuführen. Auf An1 Vgl. Wöhrmann, S. 343. 2 S. Rz. 107 f.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
trag eines Beteiligten ist in dem Erbschein lediglich die Hoferbfolge zu bescheinigen)/Art. 10 WürttAnerbenG (Dem Anerben ist vom Nachlassgericht ein Antrag auf ein Nachfolgezeugnis auszustellen. Auf das Nachfolgezeugnis finden die Bestimmungen des BGB über den Erbschein entsprechende Anwendung. In dem Nachfolgezeugnis sind die Grundstücke anzugeben, die das Anerbengut bilden)/§ 31 BremHöfeG (Das Nachlassgericht hat dem Anerben auf Antrag einen Erbschein über sein Erbrecht an dem Hof nebst Zubehör zu erteilen. Die Vorschriften der §§ 2353 bis 2370 BGB finden entsprechende Anwendung. Der Erbschein über das Erbrecht in das Hofsvermögen und der Erbschein über das Erbrecht an dem sonstigen Nachlass können auf Antrag in einer Urkunde vereinigt werden)/§ 30 RhPfHöfeO (Gehört zu einem Nachlass ein Hof, so ist in dem Erbschein der Hoferbe als solcher aufzuführen. Ihm ist auf seinen Antrag ein auf die Hoferbfolge beschränkter Erbschein zu erteilen. Streitigkeiten über die Hoferbfolge kraft Gesetzes entscheidet das Landwirtschaftsgericht nach Anhörung des Höfeausschusses) 172
Ein Hoffolgezeugnis oder Hoferbschein ist ein auf die Hoferbfolge beschränkter Erbschein für einen Hof im Geltungsbereich einzelner Anerbengesetze. Er wird in den Bundesländern verschieden vom Landwirtschaftsgericht (§§ 14 ff. LwVfG) oder Nachlassgericht erteilt. Daneben ist auch ein Erbschein über den gesamten Nachlass oder ein auf das hoffreie Vermögen beschränkter möglich, den gleichfalls das Landwirtschaftsgericht zu erteilen hat. Für den Geltungsbereich des BadHofGG und der HessLandGO ist aufgrund des Anspruchscharakters der dort geltenden Übernahme- bzw. Zuweisungsberechtigung kein Hoffolgeerbschein vorgesehen, da systemwidrig1.
V. Hofübergabe zu Lebzeiten 173
In der Rechtspraxis geht die ganz überwiegende Mehrzahl der Höfe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von einer Generation auf die andere über. Die Hofübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge ist in der gesamtdeutschen Landwirtschaft „die am weitesten verbreitete Vererbungsform“2. Der notariell zu beurkundende Hofübergabevertrag mit seiner seit jeher immensen praktischen Bedeutung ist der Nährboden, aus dem sich der Vertragstyp der vorweggenommenen Erbfolge für andere gesellschaftliche Bereiche entwickelte. Man darf die Hofübergabe ohne Übertreibung als „Mutter“ des Vertragstyps der vorweggenommenen Erbfolge im außerlandwirtschaftlichen Bereich bezeichnen. Trotz der immensen Bedeutung der vorweggenommenen Erbfolge in der Landwirtschaft wird die Hofübergabe auf diesem Wege im BGB nur in den §§ 330 und 593a BGB angesprochen. § 593a BGB regelt, dass der Hofübernehmer bei einer Hofübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge anstelle des Übergebers und bisherigen Pächters in den Pachtvertrag über ein hinzuge1 Dass es solche in der Rechtswirklichkeit in gedankenloser Übernahme von Musterformularen aus der Zeit des Reichserbhofgesetzes gibt, ist dem Verf. bekannt. 2 Wöhrmann, S. 553.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 175 B XIII
pachtetes landwirtschaftliches Grundstück eintritt. § 330 BGB hingegen gewährt Dritten, insbesondere Geschwistern des Übernehmers, das Recht, unmittelbar vom Übernehmer Abfindungszahlungen zu fordern, sofern der Übernehmer dem Übergeber die Zahlung solcher Abfindungen an Dritte versprochen hat.
1. Inhalt des Hofübergabevertrags, insb. Altenteil
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Beratungssituation: Die Eltern bzw. ein Elternteil wollen ihren Hof dem Nachfolger bereits zu Lebzeiten übergeben. Worauf ist zu achten?
Ein Hofübergabevertrag ist seinem idealtypischen Inhalt nach ein Vertrag, durch den die Eltern bei Lebzeiten ihr landwirtschaftliches Betriebsvermögen, insbesondere ihren Grundbesitz, mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge an einen ihrer Abkömmlinge übergeben und dabei für sich einen ausreichenden Lebensunterhalt – je nach Region sog. Leibzucht, Leibgeding, Altenteil, Auszug, Ausgeding – und für die außer dem Übernehmer noch vorhandenen weiteren Abkömmlinge eine Abfindung ausbedingen. Gerade diese Auseinandersetzung zwischen dem Übergebenden und dem Übernehmer und zugunsten der übrigen Abkömmlinge bildet den typischen Inhalt solcher Verträge1. Die Gegenleistung des Übernehmers muss natürlich nicht immer ein Altenteil für die Eltern sein, hier gibt es zahlreiche Gestaltungsvarianten wie z.B. die Zahlung einer Geldsumme alleine oder verbunden mit einem Wohnrecht, bei dem zumeist noch eine Pflegeverpflichtung hinzutritt. Die Abfindung der Geschwister, die kein zwingendes Merkmal des Übergabevertrags darstellt, kann ebenfalls in vielfältiger Form erbracht werden.
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Regelt der Übergabevertrag – wie gewöhnlich – die Altersversorgung des Über- 175 gebers und seines Ehegatten durch Leibgeding oder Altenteil, finden über Art. 96 EGBGB folgende Landesrechte über Altenteilsverträge Anwendung: – für Baden-Württemberg die §§ 6–17 des BadWürttAGBGB vom 26.11.1974 – für Bayern die Art. 7–23 des BayAGBGB vom 20.9.1982 – für West-Berlin der Art. 15 PreußAGBGB vom 20.9.1899 – für Bremen § 27 AGBGB vom 18.7.1899 – für Hessen die §§ 4–18 HessAGBGB vom 18.12.1984 – für Niedersachsen die §§ 5–17 des NdsAGBGB vom 4.3.1971 – für Nordrhein-Westfalen gelten in den ehemaligen preußischen Landesteilen die Bestimmungen des Art. 15 PreußAGBGB vom 20.9.1899 und im ehemaligen Land Lippe-Detmold das Lippische Gesetz zur Regelung des Leibzuchtrechts vom 12.8.1933 – für Rheinland-Pfalz die §§ 2–18 RhPfAGBGB vom 18.11.1976
1 Definition nach RG v. 9.7.1927 – V B 20/27, RGZ 118, 17 (20).
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
– für das Saarland gilt in den ehemals preußischen Gebieten Art. 15 PreußAGBGB vom 20.9.1899, in den ehemals bayerischen Gebieten (Saar-PfalzKreis) Art. 32–48 des BayAGBGB vom 9.6.1899 – für Schleswig-Holstein die §§ 1–12 des SchlHAGBGB vom 27.9.1974 176
Der Altenteilsvertrag nach Art. 96 EGBGB i.V.m. den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften ist ein sozial motivierter Versorgungsvertrag, dessen Wesen darin liegt, dass die Übernehmergeneration in eine die Existenz wenigstens teilweise begründende Wirtschaftseinheit nachrückt, wobei ihre Interessen mit denen der Übergebergeneration, die auf dem von ihr übergebenen Grundstück ihren Ruhesitz erhält, gegeneinander abgewogen werden1. Diese landesrechtlichen Sonderbestimmungen über Altenteilsverträge regeln vor allem Fragen der Leistungserbringung und der Leistungsstörung. Unter Abwägung der Interessen des Übergebers und des typischerweise aus der nächsten Generation nachrückenden Übernehmers erschweren sie im Vergleich zum BGB die Rückabwicklung des Vertrags. Hinter dieser erschwerten Rückabwicklung steht die Überlegung, dass die Übernehmergeneration, die ihre Existenz auf die Hofübernahme gründet, Rechtssicherheit braucht2. Verletzt der Übernehmer seine Verpflichtungen aus dem Altenteilsvertrag, so ist der Übergeber nicht berechtigt, wegen Nichterfüllung, Verzugs oder positiver Vertragsverletzung vom Vertrag zurückzutreten. Insbesondere der Ausschluss des Herausgaberechts nach § 527 BGB wegen Nichtvollziehung der Auflage durch die Landesrechte ist von großer Bedeutung, vgl. z.B. § 13 BaWüAGBGB, Art. 17 BayAGBGB, § 16 HessAGBGB, § 13 RhPfAGBGB, § 7 PreußAGBGB, § 9 NdsAGBGB, § 5 SchlHAGBGB.
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Wegen der nach § 93 SGB XII möglichen Überleitung von Geldzahlungspflichten auf den Sozialhilfeträger verdienen die landesrechtlichen Vorschriften besondere Beachtung, nach denen der Übergeber dem Übernehmer eine monatliche Rente zahlen muss, wenn der Übergeber die Wohnung durch besondere Umstände, die er nicht verschuldet hat, dauernd aufgeben muss, z.B. weil er als Pflegefall ins Heim muss. Die Geldrente ist ein Ersatz für die Befreiung von der Pflicht zur Wohnungsüberlassung, Dienstleistungen und ersparte Aufwendungen, vgl. § 14 BaWüAGBGB, Art. 18 BayAGBGB, § 14 HessAGBGB, § 14 RhPfAGBGB, § 16 NdsAGBGB, § 9 Abs. 3 PreußAGBGB, § 10 SchlHAGBGB. Da diese landesrechtlichen Sonderbestimmungen dispositiv sind, finden sie nur Anwendung, sofern die Beteiligten nichts Anderes vereinbart haben. Die landesrechtlichen Sonderregeln können also ausgeschlossen werden, vgl. z.B. § 6 BaWüAGBGB, Art. 7 BayAGBGB, § 4 HessAGBGB, § 2 RhPfAGBGB, Art. 15 PreußAGBGB, § 5 NdsAGBGB, § 1 SchlHAGBGB.
1 BGH v. 3.2.1994 – V ZB 31/93, BGHZ 125, 69 = NJW 1994, 1158 = ZEV 1994, 166 (167) = DNotZ 1994, 881. 2 Sudhoff/Stenger, Unternehmensnachfolge, 4. Auflage, S. 412.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
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Beratungshinweis: Wegen der möglichen Pfändung bzw. Überleitung nach dem SGB XII ist es empfehlenswert, die landesrechtlichen Vorschriften, die eine Geldrente als Ersatz für das Altenteil vorsehen, insgesamt abzubedingen1.
Das Altenteil, das nach § 7 BaWüAGBGB, Art. 16 BayAGBGB, § 17 HessAGBGB, § 18 RhPfAGBGB, § 6 NdsAGBGB, § 2 SchlHAGBGB durch Eintragung im Grundbuch dinglich abgesichert werden kann, umfasst typischerweise: a) Wohnrecht für Übergeber Die Verpflichtung des Übernehmers zur Wohnungsgewährung ist für das Altenteil charakteristisch und für den Übernehmer von existenzieller Bedeutung. Um dem Übergeber ein durchsetzbares Nutzungsrecht und eine Sicherung für den Fall der Gebäudezerstörung zu geben, wird empfohlen2, ein dinglich gesichertes Wohnungsrecht nach § 1093 BGB mit einer Wohnungsgewährungsreallast nach § 1105 BGB zu kombinieren. Vertraglich zu klären ist auch, wer die Instandhaltungs- und Versorgungskosten (Wasser, Strom, Heizung, Müll) trägt, und ob der Übergeber Dritten, insbesondere einem neuen Lebenspartner, die Ausübung des Wohnrechts überlassen und ob er Hofraum, Keller etc. mitbenutzen darf.
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b) Versorgungsleistungen des Übernehmers welche neben dem Wohnrecht für das Altenteil bestimmend sind. Sie sind durch Reallast dinglich abzusichern3. Typisch sind hier folgende Verpflichtungen des Übernehmers: – „Verköstigung des Übergebers“ durch Teilnahme an den täglichen Mahlzeiten oder Lieferung bestimmter Nahrungsmittel – „Pflege und Wart bei Alter und Krankheit“. In den meisten Fällen wird die Vermögensübertragung mit einer Verpflichtung zur Alters- oder Krankheitspflege kombiniert, wobei hier dem Übernehmer nur Pflegeleistungen bis zur Pflegestufe I auferlegt werden sollten. Zu klären ist, ob das Pflegegeld beim Übergeber verbleibt. Alters- und Krankheitspflege sind entgeltliche Gegenleistungen für die Hofübergabe4. – Versorgung mit Naturalien, Strom, Wasser, Heizung – Rentenverpflichtungen – Tragung der Beerdigungskosten und Grabpflegekosten. Wird in einem Übergabe- und Altenteilsvertrag freie und standesgemäße Beerdigung ver-
1 2 3 4
Langenfeld/Günther, Rz. 548. Langenfeld/Günther, Rz. 554. Langenfeld/Günther, Rz. 555. BGH v. 27.6.1990 – XII ZR 95/89, NJW-RR 1990, 1283 (1284).
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B XIII Rz. 180
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
sprochen, gehört dazu grundsätzlich auch das Setzen eines Grabmals, das den wirtschaftlichen Verhältnissen des Hofs entspricht. Typisch für den Hofübergabevertrag sind neben dem Altenteil die nachfolgend beschriebenen Regelungen: c) Rückforderungsklauseln 180
Durch eine Vormerkung im Grundbuch abgesicherte Rückforderungsklauseln sind sinnvolle Regelungen für typische Störfälle1, die es auch dem landwirtschaftlichen Übergeber erleichtern, sich von seinem Eigentum zu trennen, weil der Hof beispielweise wieder an den Übergeber zurückfällt, wenn der Übernehmer vor dem Übergeber stirbt. Ein zwischen Eltern als Übergebern und Abkömmlingen als Übernehmern vereinbarter Rückfall des verschenkten Gegenstandes bei Vorversterben des Übernehmers ist gem. § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG zudem steuerfrei. Rückforderungsklauseln werden außerdem für den Fall vereinbart, dass der Übernehmer den Hof ohne Zustimmung des Übergebers veräußert oder belastet, dass in den Hof wegen Vermögensverfall des Übernehmers vollstreckt wird, oder für den Fall, dass der Hofübernehmer oder dessen Ehefrau die Scheidung beantragen. Da das BayObLGb2 die Anwendung des § 530 BGB auf Hofübergabeverträge nur dann bejaht, wenn bei einem Vergleich des Hofwerts mit den als Altenteil vereinbarten Gegenleistungen ein überwiegend unentgeltliches Geschäft vorliegt, ist zu empfehlen, ein Rückforderungsrecht bei grobem Undank des Übernehmers vertraglich zu vereinbaren. d) Gleichstellungs- und Abfindungszahlungen
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Idealtypisch sind Gleichstellungs- und Abfindungszahlungen an die Geschwister des Erwerbers, auf die sich Übergeber, Übernehmer und weichende Erben bei einem „Erbengespräch“ geeinigt haben. Wurde der Hofübernehmer „zu gut bedacht“, wird ihm im Übergabevertrag ein „Gleichstellungsgeld“ auferlegt, wenn die Übergeber zu einer lebzeitigen Abfindungszahlung nicht in der Lage oder willens sind. Führen die oftmals mühevollen „Erbengespräche“ zur Vereinbarung von Gleichstellungs- oder Abfindungszahlungen, die von den Beteiligten als „fair“ akzeptiert werden, hat sich der Aufwand gelohnt, da in der Folge Streit in der Familie regelmäßig insoweit nicht mehr zu erwarten ist. e) Pflichtteilsverzicht
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Ein Pflichtteilsverzicht weichender Erben, der durch eine Abfindungszahlung erkauft zu werden pflegt, ist nach der neueren BGH-Rechtsprechung3 noch dringender anzuraten als früher. Wie der BGH klargestellt hat, läuft die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB nicht an, wenn der „Genuss“ am ver1 Vgl. Langenfeld/Günther, Rz. 231 ff., 235 ff. 2 BayObLG v. 12.2.1996 – 1 Z RR 15/94 – (87/96), Agrarrecht 1996, 402. 3 BGH v. 24.4.1994 – IV ZR 132/93, ZEV 1994, 233.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 185 B XIII
schenkten Gegenstand vom Übergeber nicht aufgegeben wurde. Keinen „Genussverzicht“ übt der Übergeber aus, wenn er den Gegenstand trotz Eigentumswechsels im Wesentlichen weiterhin nutzen kann, wie dies beim uneingeschränkten Nießbrauchsvorbehalt der Fall ist. Ein umfassender Nießbrauch am Übergabehof ist dem Hofübergabevertrag zwar wesensfremd, bezüglich einzelner Grundstücke aber vorstellbar. Die im Rahmen der Hofübergabe mehr interessierende Frage, ob eine Grundstückszuwendung unter dem Vorbehalt eines Wohnungsrechts nach dieser Rechtsprechung eine Leistung im Sinne des § 2325 Abs. 3 BGB darstellt und somit die Zehnjahresfrist in Gang setzt, wird uneinheitlich beantwortet1. f) Nachabfindungsklausel Eine Nachabfindungsklausel bzw. „Spekulationsklausel“ für den Fall, dass der Übernehmer erhebliche Gewinne erzielt, indem er Hofgrundstücke binnen einer auf 10, 15 oder 20 Jahre festzusetzenden Frist einer nicht landwirtschaftlichen Nutzung zuführt oder zu landwirtschaftsfremden Zwecken, beispielsweise als Bauland, veräußert, ist unbedingt zu empfehlen.
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g) § 1365 BGB Regelmäßig übergeben die Eltern einen Ehegattenhof gemeinsam. Gehört der Hof aber nur einem Ehegatten und bedarf der Vertrag als Geschäft über das Gesamtvermögen der Genehmigung des anderen Ehegatten (§ 1365 BGB), führt deren Verweigerung zur endgültigen Unwirksamkeit des Vertrags.
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h) Genehmigung nach GrdstVG Der Übergabevertrag bedarf gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG der Genehmigung, die bei der nach Landesrecht zuständigen Genehmigungsbehörde (z.B. Landwirtschaftsamt) zu beantragen ist. Der Antrag kann von den Vertragsparteien oder dem Übernehmer gestellt werden. Der Notar, der den Übergabevertrag beurkundet hat, gilt nach § 3 Abs. 2 GrdstVG als ermächtigt, die Genehmigung zu beantragen. Die Genehmigung ist nach § 8 Nr. 2 GrdstVG zwingend zu erteilen, wenn ein landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Betrieb geschlossen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wird und der Erwerber entweder der Ehegatte des Eigentümers ist oder der mit dem Eigentümer in gerader Linie oder bis zum dritten Grad in der Seitenlinie verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist. Das Genehmigungsprivileg nach § 8 Nr. 2 GrdstVG geht verloren, wenn der Übergeber einzelne Grundstücke für sich zurückbehält, weil der Hof dann nicht „geschlossen“ übertragen wird. In diesem Fall muss überprüft werden, ob einer der Versagungsgründe nach § 9 GrdstVG vorliegt, also insbesondere, ob der Zurückbehalt eine „ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet“. 1 Eine Leistung i.S. v. § 2352 Abs. 3 wird bejaht von Meyer, ZEV 1994, 204, verneint von Kerscher, Pflichtteilsrecht, S. 162 f.; vgl. auch OLG Bremen v. 25.2.2005 – 4 U 61/04, NJW 2005, 1726.
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B XIII Rz. 185
Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Formulierungsbeispiel Hofübergabevertrag1 Verhandelt am . . . in . . . vor dem Notar . . . Es sind erschienen, persönlich bekannt: 1. Eheleute A – Übergeber – 2. deren Sohn, Herr A. jun. – Übernehmer – und erklären zur öffentlichen Urkunde Hofübergabe § 1 Vertragsobjekt (1) Die Eheleute A sind zu je einhalb Miteigentum im Grundbuch von . . . Blatt . . . als Eigentümer des folgenden Vertragsobjekts eingetragen: (Beschrieb der übergebenen Grundstücke nach dem Grundbuch). (2) Das Vertragsobjekt ist nach dem Grundbuch lastenfrei. § 2 Übergabe Die Übergeber übergeben dem dies annehmenden Übernehmer das bezeichnete Vertragsobjekt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. § 3 Auflassung Einig über den bezeichneten Eigentumsübergang bewilligen und beantragen die Beteiligten den Vollzug im Grundbuch. § 4 Betriebsübergabe (1) Mitübergeben ist der gesamte landwirtschaftliche Betrieb mit allen Aktiven und Passiven, dem toten und lebenden Inventar, den Vorräten und Geräten, soweit diese im Eigentum der Übergeber stehen, den betrieblichen Beteiligungen, Geschäftsanteilen und Geschäftsguthaben. Trotz Belehrung wird auf eine Einzelaufstellung in dieser Urkunde verzichtet. (2) Mitübergeben sind auch alle nicht in dieser Urkunde aufgeführten, zum Hof gehörenden weiteren Grundstücke und Miteigentumsanteile, soweit sie nicht ausdrücklich vorbehalten sind. Der Erwerber ist von dem Übereigner unter Befreiung von § 181 BGB bevollmächtigt, alle Erklärungen abzugeben, die zur Eigentumsumschreibung solcher Grundstücke oder Miteigentumsanteile noch erforderlich sein sollten. Die Vollmacht erlischt nicht mit dem Tod des Übereigners. Sie gilt nach dem Tod des Erwerbers für seinen Hofnachfolger. (3) Der Erwerber tritt ab dem Übergabetag in alle betrieblichen Rechte und Pflichten ein, vorbehaltlich der etwa erforderlichen Zustimmung Dritter. Er ist verpflichtet, die Buchwerte weiterzuführen.
1 Nach Langenfeld/Günther, S. 225 ff., Rz. 536 ff.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 185 B XIII
(4) Klarstellend wird vermerkt, dass der Hausrat, die Kleidung und alle die Gegenstände nicht mit übergehen, die zum persönlichen Gebrauch der Übergeber bestimmt sind. § 5 Grundstücksvorbehalt (1) Die Übergeber behalten sich das Eigentum an dem Grundstück (Beschrieb) vor. Der Notar hat auf mögliche Nachteile steuerlicher oder sozialrechtlicher Art hingewiesen, die mit diesem Vorbehalt verbunden sein können. (2) Sollte dieses Grundstück beim Tod des Letztversterbenden der Übergeber noch in dessen Eigentum stehen, so kann es der Übernehmer unentgeltlich übernehmen. Zur Abgabe der hierzu erforderlichen Erklärungen, insbesondere zur Auflassung, erhält der Übernehmer hiermit auf den Tod des Letztversterbenden der Übergeber unwiderruflich Vollmacht unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. § 6 Besitzübergang, Gewährleistung (1) Der Besitzübergang mit Nutzen, Lasten und Gefahr erfolgt vorbehaltlich etwaiger im Folgenden vereinbarter Rechte der Übergeber sofort. (2) Jegliche Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel aller Art ist ausgeschlossen. § 7 Kosten, Steuern Die Kosten dieses Vertrags und seines Vollzugs und etwaige Schenkungsteuer trägt der Erwerber. § 8 Genehmigung Der Vertrag bedarf der Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz. Der Notar wird mit der Einholung der Genehmigung beauftragt. Sie gilt mit Eingang beim Notar allen Beteiligten als zugegangen. § 9 Altenteil (1) Der Übernehmer gewährt den Übergebern als Gesamtberechtigten gem. § 428 BGB, dem Überlebenden ungeschmälert, die folgenden Versorgungsleistungen, die im Grundbuch als Altenteil einzutragen sind, was hiermit bewilligt und beantragt wird: a) Wohnungsrecht zur ausschließlichen Benutzung der Einliegerwohnung des Hauses auf Flst. Nr. (Beschrieb) und zur Mitbenutzung des Kellers und des Hausgartens. Die Kosten der Heizung und Beleuchtung, für Wasser und Gas dieser Räume hat der Berechtigte zu tragen. Der Berechtigte darf weitere Personen, auch den Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in die Wohnung aufnehmen. Er darf die Ausübung des Rechts Dritten nicht überlassen. b) Beim Ausfall des Wohnungsrechts aufschiebend bedingt durch das Erlöschen des Wohnungsrechts eine Reallast auf Wohnungsgewährung im Umfang des Wohnungsrechts. c) Reallast auf Pflege und Verpflegung in gesunden und kranken Tagen, auch bei dauernder Pflegebedürftigkeit, aber nur in den Räumen des beim WohnungsRuby
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recht bezeichneten Hauses und soweit die häusliche Pflege nach Entscheidung des Hausarztes der Übergeber dem Übernehmer zugemutet werden kann, einschließlich Reinigung der Wohnräume, Waschen und Ausbessern von Kleidern und Wäsche. Dabei sind die hierfür erforderlichen persönlichen Dienstleistungen des Übernehmers und seiner Familienmitglieder kostenlos. Für die Kosten der Nahrungs- und Verbrauchsmittel, der Gegenstände des persönlichen Gebrauchs und die Arzt- und Arzneikosten hat jedoch der Übergeber zunächst seine eigenen Einkünfte zu verwenden. Der Übernehmer hat für sie nur aufzukommen, soweit die eigenen Einkünfte des Übergebers nicht ausreichen und nicht ein sonstiger Kostenträger für sie aufkommt. d) Beerdigungskosten, Grabstein und Grabpflege im ortsüblichen Umfang als weiteren Inhalt der Reallast auf Pflege und Verpflegung. (2) Im Übrigen gelten die Bestimmungen der §§ 7 bis 17 des Baden-Württembergischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch, auf deren Inhalt der Notar hingewiesen hat, und zwar unabhängig davon, ob ein Vertrag gemäß Artikel 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vorliegt. § 10 Ausgleichszahlungen (1) Der Übernehmer hat an weichende Erben die folgenden Ausgleichszahlungen zu leisten: (Bezeichnung der Berechtigten und Beträge). (2) Auf Sicherungshypotheken und sonstige Sicherheiten wird verzichtet. § 11 Spekulationsklausel Veräußert der Erwerber oder sein Rechtsnachfolger den heute übergebenen Grundbesitz innerhalb von 15 Jahren ab heute ganz oder in Teilen, so hat er die Hälfte des Erlöses abzüglich der aus dem Erlös etwa zu entrichtenden Steuer an den Veräußerer, nach dessen Tod an seine Geschwister oder deren Abkömmlinge, nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge herauszugeben. Die Herausgabepflicht besteht nicht, wenn der Erwerber den Veräußerungsgewinn wieder in den Betrieb investiert, wenn er den Betrieb wegen Berufsunfähigkeit aufgibt oder wenn er an Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie veräußert. Als Veräußerung gilt auch die Veräußerung im Wege der Zwangsvollstreckung, Enteignung oder Umlegung. Dingliche Sicherung wird nicht gewünscht. § 12 Unterhaltsfreistellung Der Übernehmer ist verpflichtet, seine Geschwister (Namen) und deren Abkömmlinge von der gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber den Übergebern freizustellen. (Schlussvermerke)
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Beratungshinweis: Besonderer Freibetrag nach § 14a Abs. 4 ErbStG bei Hofübernahme bzw. Hoferbfolge von 61 800 Euro seit 1.1.2006 entfallen.
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Landwirtschaftliches Sondererbrecht
Rz. 186 B XIII
§ 14a Abs. 4 EStG gewährte einen besonderen Steuerfreibetrag von 61 800 Euro für Veräußerungs- bzw. Entnahmegewinne aus land- und fortswirtschaftlichem Grundbesitz. Die Steuerbegünstigung des § 14a Abs. 4 EStG wollte in ihrer argrarpolitischen Zielsetzung dazu beitragen, dass der Bestand land- und forstwirtschaftlicher Betriebe nicht gefährdet wird. Der Freibetrag von 61 800 Euro kam nur in Betracht, wenn der Betrieb in vorweggenommener Erbfolge oder von Todes wegen auf einen oder mehrere Hofübernehmer zu Eigentum überging und einzelne Grundstücke zum Zwecke der Abfindung weichender Erben veräußert oder entnommen werden. Der Freibetrag von 61 800 Euro wurde für Veräußerungs- und Entnahmegewinne insgesamt je einmal je weichendem Erben gewährt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Abfindung in mehreren Schritten oder durch mehrere Eigentümer geleistet wurde. Diese Steuerbegünstigung lief zum 31.12.2005 aus1.
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Beratungshinweis: Bei Klagen, die Ansprüche aus einem mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung stehenden Leibgedings-, Leibzuchts-, Altenteils- oder Auszugsvertrag zum Gegenstand haben, ist ohne Rücksicht auf den Streitwert das Amtsgericht zuständig, § 23 Nr. 2 lit. g) GVG.
2. Rechtsnatur des Hofübergabevertrags und Pflichtteil
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Beratungssituation: Nach dem Tode des Hofübergebers wollen dessen Kinder, für die es als Miterben nicht mehr viel zu erben gab, Ansprüche gegen das hofübernehmende Geschwisterkind (ebenfalls Miterbe) geltend machen
Als Schenkung kommt ein solcher Vertrag zustande, wenn die Parteien sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig sind (§ 516 BGB). Wegen der Gegenleistungen, die der Hofübernehmer zu erbringen hat, ist der Übergabevertrag jedenfalls keine reine Schenkung. Wegen der als Gegenleistung für die Übergabe vereinbarten Versorgungsleistungen, kann beim Hofübergabevertrag entweder eine Schenkung unter Auflage i.S. v. § 525 BGB oder eine gemischte Schenkung vorliegen. Die gemischte Schenkung setzt sich aus zwei entgeltlichen Teilen und einem unentgeltlichen Teil zusammen. Die Parteien wissen dabei, dass der Wert der einen Parteileistung über dem Wert der anderen Parteileistung liegt, und wollen, dass der überschießende Wertteil unentgeltlich gegeben wird2. Anders bei der Schenkung unter Auflage, bei der die Zuwendung insgesamt eine echte Schenkung bleibt. Hier wird der Zuwendung eine Bestimmung beigefügt, wonach der Empfänger zu einer Leistung verpflichtet ist, die er aus dem Zuwendungsgegenstand erbringen soll. Bei der gemischten Schenkung ist also nur der überschießende Wertteil, bei der Schenkung unter Auflage der ganze Gegenstand geschenkt. Die Einordnung des Übergabevertrags als gemischte Schenkung oder Schenkung unter Auflage hat im Pflichtteilsrecht weit reichende Bedeutung. Will man einen Über1 Ausführlich zu den Voraussetzungen s. Rz. 185 in der 2. Auflage. 2 BGH v. 6.3.1996 – IV ZR 374/94, NJW-RR 1996, 754.
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gabevertrag mit nicht gleichwertigen Versorgungsleistungen grundsätzlich entweder als entgeltliches Rechtsgeschäft oder aber als gemischte Schenkung ansehen, können sich für einen Pflichtteilsberechtigten erhebliche praktische Probleme bei der Durchsetzung seines Wertermittlungsanspruchs nach §§ 2314, 2325 BGB ergeben. Damit der Wertermittlungsanspruch hinsichtlich fiktiver Nachlassgegenstände besteht, muss eine (gemischte) Schenkung vorliegen; denn nur dann gehört der Schenkungsgegenstand zum fiktiven Nachlass. Dies stellt den darlegungs- und beweisbelasteten Pflichtteilsgläubiger vor erhebliche Probleme1. Läge hingegen eine Schenkung unter Auflage vor, gäbe es hinsichtlich des Wertermittlungsanspruchs keinerlei Probleme. Schon deshalb bedarf es sorgfältigster Prüfung, ob eine gemischte Schenkung oder eine Schenkung unter Auflage vorliegt. Entscheidend für die Abgrenzung zwischen Auflagenschenkung und (teil-)entgeltlichem Vertrag ist der Parteiwille2. Eine Auflagenschenkung liegt dann vor, wenn nach dem Vertragswillen der Parteien die Leistung des Beschenkten „nicht für die Zuwendung, sondern aus der Zuwendung“ erfolgen soll, nämlich auf der Grundlage und aus dem Wert der Zuwendung3. Ein (teil-)entgeltlicher Vertrag liegt hingegen vor, wenn nach dem Parteiwillen die Auflagenverpflichtung vom Zuwendungsempfänger übernommen wird, um im wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis Leistung gegen Gegenleistung wirtschaftlich auszutauschen4. Nach dem Parteiwillen müsste sich also der Übergeber mit der Hofhingabe eine wirtschaftliche (Gegen-)Leistung erkaufen wollen, damit Teilentgeltlichkeit und ggf. eine gemischte Schenkung bejaht werden könnte. Die Annahme eines solchen Parteiwillens wird jedoch der Interessenlage bei der Hofübergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge im Allgemeinen nicht gerecht. Der Übergeber erstrebt zwar durchaus einen Vorteil (z.B. Leibgeding), will aber darüber hinaus auch seine Nachfolge im Wege vorweggenommener Erbfolge regeln. Die Übergabe der wirtschaftlichen Lebensgrundlage mit dem Einrücken des Übernehmers in die wirtschaftliche Stellung des Übergebers stellt das zentrale Motiv des Hofübergabevertrags dar, die Absicherung des Übergebers ist aus Sicht der Parteien regelmäßig ein selbstverständlicher und wichtiger, naturgemäß zeitlich begrenzter Annex. Die Parteien dürften sich in der Regel auch darüber einig sein, dass der Übernehmer die Altenteilspflichten nicht aus eigener Wirtschaftskraft erbringt (und regelmäßig auch nicht erbringen kann), sondern auf der Grundlage seiner neuen wirtschaftlichen Stellung als Hofübernehmer. Nicht für die Leistung der Hofübergabe, sondern wirtschaftlich gesehen, aus dem erhaltenen Wert, soll das Altenteil erbracht werden. Entscheidend ist, ob nach dem Parteiwillen die „Auflagen“ aus dem Wert bzw. Ertrag des Zuwendungsobjektes erbracht werden sollen oder unabhängig davon aus seinem sonstigen Vermögen. Im letzteren Fall ist das sonstige, unabhängig von der Zuwendung vorhandene Vermögen einzusetzen, um im Austausch dazu erst in den Besitz der Zuwendung zu gelangen. Es kann wohl 1 Vgl. Soergel/Dieckmann, § 2314 Rz. 32; BGH v. 9.11.1983 – IVa ZR 151/82, NJW 1984, 487. 2 Palandt/Weidenkaff, § 525 Rz. 7. 3 BGH v. 2.10.1981, NJW 1982, 818 (819). 4 RG v. 10.12.1925, RGZ 112, 210 (211).
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kaum angenommen werden, dass dem Übergeber der Sinn dahin steht, selbst dann auf sein „Altenteil“ als Gegenleistung zu pochen, wenn trotz ordnungsgemäßer Bewirtschaftung durch den Übernehmer der hierfür erforderliche Ertrag aus dem Übergabeobjekt nicht mehr erwirtschaftet werden kann. Der Strukturwandel, in dem sich die Landwirtschaft befindet, ist Übergebern und Übernehmern leidvoll bekannt. Die Übergeber wissen, auf welches wirtschaftliche Risiko sich ihr Hofübernehmer einlässt. Sie verstehen das Altenteil daher nicht als Gegenleistung, sondern als Schenkungsauflage. Von einer Auflagenschenkung wird jedenfalls immer dann auszugehen sein, wenn aus Parteiensicht bei Vertragsschluss der Ertrag des Hofes die Altenteilsleistungen und den Familienunterhalt des Übernehmers abdeckt, so dass der Stamm des Betriebs nicht angegriffen zu werden braucht1. Als Schenkung unter Auflage wurden von der Rechtsprechung angesehen: – Hofübergabevertrag mit vereinbarten Leistungen des Übernehmers zur Versorgung des scheidenden Übergebers (lebenslanges unentgeltliches Altenteil bestehend aus ausschließlichem Wohnungsrecht, Verpflegung, monatlicher Rente, Zahlung von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Alterskasse) bei gleichzeitigem Einrücken des Übernehmers in die Existenzgrundlage des Übergebers2. Auch stellt die Übernahme dinglicher Belastungen bei Schenkung eines Grundstücks in der Regel keine Gegenleistung des Beschenkten dar, sondern mindert lediglich den Wert des Geschenks. – Übergabevertrag, bei dem sich der Übergeber den Nießbrauch bestellen und nach seinem Tod zu zahlende Abfindungen an die Geschwister des Übernehmers versprechen lässt, ist im Zweifel nicht als gemischte Schenkung, sondern als Schenkung unter Auflage anzusehen3. – Grundstücksübereignung unter Vorbehalt des Nießbrauchs4: „Die Abgrenzung zwischen Schenkung unter Auflage einerseits und Kaufvertrag oder gemischter Schenkung andererseits richtet sich danach, ob nach dem Parteiwillen Leistung und Gegenleistung in einem solchen Verhältnis stehen sollen, dass die Auflage die Leistung nur einschränkt, oder ob Leistung und Gegenleistung im Sinne eines Ausgleichs einander gleichgestellt werden. Ein typisches Beispiel für eine Schenkung mit Auflage ist die Übereignung eines Grundstücks unter Vorbehalt des Nießbrauchs“. – Überträgt der Übergeber das mit einem Wohnrecht (zugunsten des Übernehmers) verbundene Hauseigentum unter dem Vorbehalt seiner lebenslänglichen ausschließlichen Nutzung (Nießbrauch zugunsten Übergeber), so liegt darin eine reine Schenkung auch dann, wenn der Übernehmer sich außerdem verpflichtet, den Übergeber nach dessen Wahl entweder lebenslänglich zu verköstigen oder ihm eine monatliche Miete für das Wohnrecht (des Übernehmers) zu zahlen. Ob die weitere von dem Übernehmer einge1 Vgl. auch RG v. 10.12.1925, RGZ 112, 210, 212; a.A. J. Mayer, Übergabevertrag, S. 25 ff., der zu sehr auf den Wortlaut abstellt, wenn er kritisiert, dass weitreichende Pflegeverpflichtungen nicht „aus dem Schenkungsobjekt“ erbracht werden könnten. 2 BGH v. 7.4.1989 – V ZR 252, 87, NJW 1989, 2122 f. 3 OGH Köln v. 18.11.1948 – II ZS 16/48, NJW 1949, 260. 4 OLG Köln v. 10.11.1993 – 27 U 220/92, FamRZ 1994, 1242.
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gange Verpflichtung, den Übergeber im Krankheitsfalle zu pflegen, die Unentgeltlichkeit der Eigentumsübertragung berührt oder nur als eine der Schenkung hinzugefügte Auflage zu betrachten ist, ist Tatfrage1. Ist nach dem zum Ausdruck gelangten Willen der Vertragschließenden die Pflegeauflage (im Sinne einer Nebensache) nur als eine Einschränkung der unentgeltlichen Zuwendung (als Hauptsache), nicht aber als eine auszutauschende Gegenleistung gewollt, liegt eine der Schenkung hinzugefügte Auflage vor. Selbstverständlich unterliegt der Übergabevertrag nicht dem Erbrecht2, sondern den Normen für Rechtsgeschäfte unter Lebenden. 187
Die Zuwendung des Hofs kann aber nach dem Erbfall erbrechtliche Wirkung haben. So kann sie aufgrund der gesetzlichen Vermutung des § 2050 BGB als Vorausleistung auf den künftigen Erbteil ausgleichungspflichtig sein, z.B. wenn der Hof als Ausstattung übergeben wurde oder der Erblasser für den Schenkungsanteil die Ausgleichung bei der Zuwendung angeordnet hat. Erbrechtliche Wirkungen kann die lebzeitige Hofübergabe auch nach § 2287 BGB bei Vorliegen einer gemischten Schenkung haben, wenn der Erblasser hinsichtlich des Hofs erbvertraglich oder durch gemeinschaftliches Ehegattentestament bereits gebunden war3. Am bedeutsamsten ist die Anwendung der §§ 2325, 2329 BGB. Das benachteiligte Kind ist regelmäßig auf Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. BGB verwiesen4. Da diese Vorschriften eine „Schenkung“ voraussetzen, kommt der genauen Qualifikation des Übergabevertrags entscheidende Bedeutung zu. Beispiele: Bei einer reinen Schenkung wird der Hof nebst Zubehör z.B. auf den einzigen Sohn übertragen, während die Tochter nichts erhält. Kurze Zeit nach der Übergabe stirbt der verwitwete Übergeber und wird vom Sohn allein beerbt. Der Nachlass soll 100 000 Euro betragen. Zur Berechnung der Pflichtteilsergänzungsansprüche der Tochter aus § 2325 BGB ist der Wert des verschenkten Grundstücks dem Nachlass hinzuzurechnen. Der Hof soll einen Verkehrswert von 500 000 Euro und einen Ertragswert von 250 000 Euro haben. Nach der Rechtsprechung ist auch bei der Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gemäß § 2312 BGB vom Ertragswert auszugehen5. Wegen des „stark ausgeprägten erbrechtlichen Momentes“ in den Übergabeverträgen unterliegt es keinen Bedenken, wenn der Bestimmung des Übernahmepreises in einem Gutüberlassungsvertrag in Ansehung der Berechnung des Pflichtteils die gleiche Bedeutung beigemessen wird wie einer entsprechenden Anordnung in einer letztwilligen Anordnung6. Für den Pflichtteilsergänzungs1 2 3 4 5 6
OLG Bamberg v. 3.11.1948 – 1 U 113/48, NJW 1949, 788. BGH v. 30.1.1991 – IV ZR 299/89, BGHZ 113, 310. BGH v. 23.9.1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 281. Vgl. Reiff, Vorweggenommene Erbfolge und Pflichtteilsergänzung, NJW 1992, 2857. BGH v. 4.5.1964 – III ZR 153/63, NJW 1964, 1414. RG Warn 1909, 390 (zitiert nach Wöhrmann, S. 589).
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anspruch ist der Wert übergebener Landgüter also unter entsprechender Anwendung der §§ 2049, 2312 BGB zu veranschlagen. Der hypothetische Nachlass beträgt im Beispiel also 350 000 Euro. Die Tochter kann von ihrem Bruder einen Pflichtteil in Höhe von 25 000 Euro und als Ergänzungspflichtteil weitere 62 500 Euro verlangen. Enthält der Übergabevertrag eine Auflage zugunsten des Schenkers, beispiels- 188 weise eine Verpflichtung zur Pflege des Schenkers, ist bei der Berechnung der ergänzungspflichtigen Zuwendung der Wert der Auflage vom Ertragswert des übergebenen Hofs abzuziehen. Während die Hofübergabe durch Schenkung einerseits den Nachlass verringert, kommt der Vollzug der Auflage dem Nachlass des Übergebers indirekt als ersparte Aufwendungen zugute. Wäre der Hof ohne Übergabe im Nachlass verblieben, hätten für die Pflege Zahlungen aufgewendet werden müssen, um die der Nachlass verringert wäre. Die Auflage stellt also einen Abzugsposten dar. Verpflichtet sich der Übernehmer im Übergabevertrag, seinen Vater zeit seines Lebens zu pflegen und zu versorgen (Wert: 20 000 Euro), so ist diese Pflegeverpflichtung eine Auflage zugunsten des Schenkers. Der Wert der Auflage ist daher vom Wert des übereigneten Grundstücks abzuziehen. Ergänzungspflichtig ist mithin nur die Differenz aus 250 000 Euro und 20 000 Euro, also 230 000 Euro. Die Schwester kann hier als Ergänzung ihres Pflichtteils 57 500 Euro verlangen. Sind die übergabevertraglichen Pflichten des Übernehmers nicht als Auflagen zu qualifizieren, so kommt eine sog. gemischte Schenkung in Betracht. Da es die Privatautonomie den Parteien gestattet, den Wert ihrer Leistungen selbst zu bestimmen, können sie von einem voll entgeltlichen Vertrag ausgehen, selbst wenn sich Leistung und Gegenleistung wertmäßig nicht entsprechen. Zum Schutze des nicht am Vertragsschluss beteiligten Pflichtteilsberechtigten stellt die Rechtsprechung eine tatsächliche Vermutung auf, wonach bei einem auffallend groben Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung des Übergebers und dem der Leistung des Übernehmers zugunsten des Pflichtteilsberechtigten davon auszugehen ist, dass sich die Parteien über die unentgeltliche Zuwendung der Wertdifferenz einig waren.
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Wird diese Vermutung nicht widerlegt, so steht fest, dass eine gemischte Schenkung vorliegt. Übergibt der Vater in unserem Beispiel den Hof gegen Zahlung einer Kapitalsumme von 100 000 Euro, so wird in einem Prozess der Tochter gegen den Sohn vermutet, dass sich Vater und Sohn darüber einig waren, dass die Differenz zwischen dem Ertragswert von 250 000 Euro und des „Kaufpreises“ von 100 000 Euro unentgeltlich zugewendet wurde. Wird die Vermutung nicht widerlegt, so ist dem Nachlass des Vaters der Differenzwert von 150 000 Euro hinzuzurechnen. Die Tochter kann dann von ihrem Bruder eine Ergänzung ihres Pflichtteils im Wert von 37 500 Euro verlangen. Bei einer Übergabe unter Vorbehalt des Nießbrauchs (oder eines sonstigen Nutzungsrechts, wie eines Wohnrechts) ist bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches der kapitalisierte Wert des Nutzungsrechts vom
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Ertragswert des Hofs abzuziehen1. Zuvor muss jedoch wegen des Niederstwertprinzips des § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB ermittelt werden, ob das übergebene Landgut zum Zeitpunkt der Schenkung oder zum Zeitpunkt des Erbfalls den niedrigeren Ertragswert hatte. Bei dieser Feststellung ist auf die Ertragswerte ohne Abzug des kapitalisierten Nießbrauchswerts abzustellen. War danach der Ertragswert zum Zeitpunkt der Schenkung niedriger, ist von dem Ertragswert im Zeitpunkt der Schenkung der Nießbrauchswert abzuziehen. Nur die sich hieraus ergebende Wertdifferenz ist fiktiv dem Nachlass zur Ermittlung des Ergänzungsnachlasses hinzuzurechnen. (Näheres C VI Rz. 197 ff.) War allerdings der Ertragswert zum Zeitpunkt des Erbfalls niedriger als der Ertragswert zum Zeitpunkt der Schenkung, ist der Ertragswert zum Zeitpunkt des Erbfalls anzusetzen, ohne dass von ihm noch ein Nießbrauchswert abgezogen werden könnte. Hätte im Beispielsfall also der Übergeber das Landgut im Jahre 2000 mit einem inflationsbereinigten Ertragswert von 250 000 Euro übertragen und hat der Hof beim Tod des Erblassers im Jahre 2005 einen Ertragswert von 300 000 Euro, so ist nach dem Niederstwertprinzip der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung maßgebend. Hiervon ist der aufgrund der abstrakten Lebenserwartung zu ermittelnde kapitalisierte Nießbrauchswert abzuziehen, der im Beispielsfall 100 000 Euro betragen soll. Folglich sind 150 000 Euro fiktiv dem Nachlass hinzuzurechnen. Die Tochter hat einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 37 500 Euro gegen den Bruder als Alleinerben.
1 Mayer, ZEV 1994, 325 m.w.N.
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XIV. Die Schiedsgerichtsklausel (§ 1066 ZPO) Schrifttum: Böckstiegel, Schiedsgerichtsbarkeit in gesellschaftlichen und erbrechtlichen Angelegenheiten, 1996; Frieser, Anwaltliche Strategien im Erbschaftsstreit, 2000;Gsänger/Souren, Verfassungsrechtliche Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten im Familien-, Erb- und Gesellschaftsrecht, DnotZ 2007, 3; Habscheid, Die so genannte Schiedsgerichtsbarkeit der Internationalen Handelskammer, RIW 1998, 421; Habscheid, Das neue Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, JZ 1988, 445; Haas, Letztwillige Schiedsverfügungen i.S. des § 1066 ZPO, ZEV 2007, 49; Kohler, Letztwillige Schiedsklauseln, DNotZ 1962, 125; Kronke, Internationale Schiedsverfahren nach der Reform, RIW 1998, 257; Labes/Lörcher, Das neue Deutsche Recht der Schiedsgerichtsbarkeit, MDR 1997, 420; Lachmann, Handbuch der Schiedsgerichtsbarkeit, 2002; Mayer, Der beschränkte Pflichtteilsverzicht, ZEV 2000, 263 (267); Otte, Die Schiedsklausel im Erbvertrag des Hauses Hohenzollern, FamRZ 2006, 309; Pawlytta, Erbrechtliches Schiedsgericht und Pflichtteilsrecht, ZEV 2003, 89; Schulze, Letztwillig eingesetzte Schiedsgerichte, MDR 2000, 314; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 3. Auflage 1999; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 6. Auflage 2000; Voit, Privatisierung der Gerichtsbarkeit, JZ 1997, 120; Vollmer, Das Schiedsgutachtenrecht – Bestandsaufnahme und Fragen der Praxis, BB 1984, 1010; v. Oertzen/Pawlytta in Scherer, Erbrecht, 2. Auflage, 2007, § 67; Walter, Schiedsverträge und Schiedsklauseln in der notariellen Praxis, MittRhNotK 1984, 69. Rz. I. Bedeutung des Schiedsgerichts im Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anzuwendendes Recht 1. Schiedsrichterliches Verfahren im 10. Buch der ZPO . . . . . . . . . . 2. Ad-hoc- und institutionelles Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung von anderen Formen der Streitbeilegung a) Schiedsgerichtsklausel und Entscheidungen staatlicher Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schiedsklausel und Schiedsgutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schiedspersonen und Gütestellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts 1. Zulässigkeit, Wirksamkeitsvoraussetzungen und Rechtsnatur der Schiedsklausel . . . . . . . 29a
2. Einsetzung des Schiedsgerichts a) Einsetzung durch Testament und Erbvertrag . . . . . . . . . . . . b) Schiedsvereinbarungen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wichtige Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts . . . . . 4. Grenzen der Entscheidungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Person des Schiedsrichters a) Allgemeines zur Person . . . . b) Testamentsvollstrecker als Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . IV. Die Durchsetzung von Schiedssprüchen 1. Wirkung des Schiedsspruchs . . 2. Durchsetzung von Schiedssprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufhebung von Schiedssprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Schiedsgerichtsklausel
I. Bedeutung des Schiedsgerichts im Erbrecht
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Beratungssituation: Der Mandant, ein bekannter Chirurg, ist sich nicht sicher, dass seine Kinder die im Testament geplanten Verfügungen ohne weiteres erfüllen werden. Er möchte vermeiden, dass Probleme der Erbauseinandersetzung öffentlich werden oder gar vor Gericht kommen. Er wünscht eine zweckmäßige Testamentsgestaltung.
1 Solche oder ähnliche Fragen sind in der Vergangenheit nicht allzu häufig an den beratenden Rechtsanwalt oder Notar herangetragen worden. Jedenfalls wird dies in der etwas älteren Literatur festgestellt1. Doch spricht vieles dafür, von der Möglichkeit, Erbstreitigkeiten durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen, künftig stärker Gebrauch zu machen. In Deutschland werden in den nächsten Jahren erhebliche Vermögen vererbt. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Altersvorsorge sind das zwischen 2001 und 2010 ca. 2 Bio. Euro. Erbstreitigkeiten werden also zunehmen und es besteht Handlungsbedarf. 2 Solche Streitigkeiten kann ein Schiedsgericht (als Kollektivorgan oder Einzelschiedsrichter) oft besser schlichten als ein staatlicher Richter, denn als Schiedsrichter können spezialisierte Fachleute ausgewählt werden. Kennen diese noch dazu die Familienverhältnisse, besteht in der Regel die berechtigte Hoffnung auf eine erfolgreiche Schiedsgerichtstätigkeit. 3 Gehört zum Nachlass Unternehmensvermögen, sind die Probleme besonders gravierend, weil oft kein gleich großes Privatvermögen zum Ausgleich zwischen den Erben vorhanden ist und dem Unternehmen Liquiditätsengpässe drohen. Sachkunde, Fingerspitzengefühl, nachvollziehbare und erlebbare Unparteilichkeit eines Schiedsrichters können helfen, auch hier sachgerechte Lösungen zu finden. 4 Für Schiedsklauseln in Testamenten und Erbverträgen spricht auch, dass keine öffentlichen Auseinandersetzungen geführt werden müssen. Die Angelegenheit bleibt familienintern. Der Erblasser, der möglichen Streit vermeiden möchte, aber auch sicher sein will, dass seine Anordnungen ohne Verzögerungen erfüllt werden, wird gern auf geeignete Schiedsrichter zurückgreifen, zumal er die Person des Schiedsrichters auswählen und dessen Tätigkeit bis zu den durch das Erbrecht, die guten Sitten und die öffentliche Ordnung gezogenen Grenzen steuern kann, indem die Schiedsklausel entsprechend ausgeformt wird. 5 Für die Aufnahme von Schiedsklauseln in Testamente und Erbverträge spricht weiter mögliches konzentriertes Herangehen und größeres Entscheidungstempo als bei Entscheidungen staatlicher Gerichte. Z.B. muss, um eine Erbteilung zu erreichen, wenn sich die Erben nicht einigen, ein Auseinandersetzungsplan bei Gericht eingereicht und auf den Abschluss eines Auseinan1 Langenfeld, S. 163, Rz. 205; Kipp/Coing, § 78, S. 424; Esch/Schulze zur Wiesche, Handbuch der Vermögensnachfolge, S. 136, Rz. 695.
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Rz. 7 B XIV
dersetzungsvertrags geklagt werden1. Viele Auseinandersetzungsklagen scheitern, weil der Auseinandersetzungsplan nicht durchsetzbar ist. Vor dem Schiedsgericht muss nicht einmal ein bestimmter Antrag gestellt werden. Vorteile einer Schiedsklausel:
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– Der letzte Wille des Erblassers wird sofort oder mindestens in absehbarer Zeit erfüllt, langwierige Erbstreitigkeiten werden vermieden2. – Der Schiedsrichter entscheidet nach freiem Ermessen und benötigt keinen förmlichen Antrag3. – Der Schiedsrichter muss keine verzögernden Förmlichkeiten beachten3. – Das Schiedsverfahren kann auf eine Instanz begrenzt werden4. – Der Erblasser kann kompetente Personen einsetzen. – Der Familienfrieden kann besser gewahrt werden als bei einem öffentlichen Gerichtsverfahren. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass weniger Kosten anfallen können, denn der Erblasser kann die Vergütung des Schiedsrichters selbst bestimmen. Die Kostenregelung könnte wie folgt lauten:
Formulierungsvorschlag Der Schiedsrichter erhält für jeden Streitfall eine Gebühr entsprechend den Bestimmungen des RVG in der jeweils gültigen Fassung zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer. Der Gegenstandswert wird ebenfalls nach den Vorschriften des RVG ermittelt.
Der hauptsächliche Kostenvorteil liegt in der Vermeidung weiterer Instanzen. Auch wenn die Schiedsklausel Nachteile hat5, überwiegen die Vorteile6 deutlich, so dass in erbrechtlichen Beratungen verstärkt auf die Aufnahme von Schiedsklauseln hingewiesen werden sollte. Für die Einsetzung eines Schiedsgerichts spricht, dass die Vergleichsquote von Schiedsgerichten die der staatlichen Gerichte deutlich übersteigt7.
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Kohler, DNotZ 1962, 126. von Oertzen/Pawlytta, in: Scherer, Erbrecht, 2. Auflage, § 67, Rz. 11, 12. Bonefeld/Kroiß/Tanck, Der Erbprozess, 2. Auflage, III Rz. 445. Kerscher/Tanck/Krug, Das erbrechtliche Mandat, § 5, Rz. 334. Vgl. zu den Vor- und Nachteilen Voit, JZ 1997, 120; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, Einführung 10. Buch Rz. 7 mit weiteren Nachweisen; Schmitz, RNotZ 2003, 591. 6 Esch/Schulze zur Wiesche, Handbuch der Vermögensnachfolge, S. 136, Rz. 695. 7 Schulze, MDR 2000, 314.
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B XIV Rz. 8
Schiedsgerichtsklausel
II. Anzuwendendes Recht 1. Schiedsrichterliches Verfahren im 10. Buch der ZPO 8 Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (SchiedsVfG) vom 22.12.1997 (BGBl. I 3224) ist am 1.1.1998 das 10. Buch der ZPO vollständig neu gefasst worden und hat zu einem modernen Schiedsverfahrensrecht geführt1. Das SchiedsVfG übernimmt im Wesentlichen das UNCITRAL-Modellgesetz der UNO als innerstaatliches Recht2. Ziel des Gesetzes ist ein zeitgemäßes, den internationalen Bedingungen angepasstes und vereinfachtes Recht des Schiedsverfahrens. Damit soll ein Anreiz geschaffen werden, Deutschland zu einem Ort für die Austragung internationaler Schiedsverfahren zu machen und Impulse zu geben, auch nationale Schiedsverfahren in Deutschland zu fördern und damit die staatlichen Gerichte zu entlasten (Regierungsentwurf BT-Drucksache 13/5274). Für das Gebiet des Erbrechts gibt es durch die Neuregelung des 10. Buches keine wesentlichen Veränderungen. 9 Letztwillig angeordnete Schiedsgerichte nach § 1066 ZPO gehören zu den echten Schiedsgerichten. Das sind nur solche, die auf Rechtsgeschäften beruhen (Schiedsvereinbarung, letztwillige oder satzungsmäßige Anordnung). Für die letztwillig angeordneten Schiedsgerichte nach § 1066 ZPO, der wortgleich dem § 1048 ZPO alter Fassung entspricht, wird die entsprechende Anwendung des 10. Buches der ZPO bestimmt3. 10 Das Schiedsverfahren ist kein Teil des Zivilprozesses, sondern „selbstständiges Seitenstück zu ihm“4, bei dem die staatliche Rechtspflege ausgeschaltet ist (mit Ausnahme der Vollstreckung). Das Schiedsgericht ist ein privates Gericht5 § 1066 ZPO bestimmt für letztwillig angeordnete Schiedsgerichte die Zulässigkeit, bildet sozusagen die Rechtsgrundlage. Den materiellen Rahmen gibt das Erbrecht vor. 11 Der Erblasser kann nach § 1066 ZPO durch letztwillige Verfügung (Testament und Erbvertrag) alle oder bestimmte Streitigkeiten6 unter Ausschluss der Tätigkeit der ordentlichen Gerichte einem Schiedsgericht übertragen. Als Formulierungsvorschlag dient folgendes Muster:
Formulierungsvorschlag Streitigkeiten der Erben und sonstiger Nachlassbeteiligter aufgrund der getroffenen Verfügung von Todes wegen sind unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte durch einen Schiedsrichter als Einzelrichter zu entscheiden. Der Schiedsrich1 Kronke, RIW 1997, 257 (265). 2 Vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Einführung 10. Buch Rz. 2. 3 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 1066 Rz. 1; Schütze, 157, Rz. 294; Musielak/Voit, § 1066, Rz. 1. 4 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundz. § 1025 Rz. 6; Lachmann, Rz. 7. 5 Lachmann, Rz. 2–5; Schütze, S. 1. 6 Walter, MittRhNotK 1984, 69; Tanck/Kerscher/Krug, Testamente, § 19, Rz. 3.
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Rz. 15 B XIV
ter hat dabei zugleich die Funktion, sich auch in Bewertungsfragen gutachterlich verbindlich zu äußern und sonstige Bestimmungsrechte nach billigem Ermessen auszuüben.
Allerdings müssen die Streitigkeiten ihren Grund im Erbfall haben1. Es muss um Inhalt und Auslegung der Verfügung von Todes wegen gehen. Der Streitgegenstand muss schiedsfähig sein (Rz. 30). Deshalb ist es zweckmäßig, das Muster in Rz. 11 noch zu ergänzen.
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Formulierungsvorschlag Der Schiedsrichter entscheidet über alle Fragen, die ihren Grund im Erbfall haben, sofern keine zwingenden gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen, prozess- und materiellrechtlich in freiem Ermessen, im Übrigen (falls vom Ermessen kein Gebrauch gemacht wird) nach den einschlägigen Bestimmungen der Zivilprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes, jedoch mit der Maßgabe, dass die Verhandlung nicht öffentlich ist und Anwaltszwang nicht besteht.
2. Ad-hoc- und institutionelles Schiedsverfahren Der Erblasser besitzt mehrere Möglichkeiten, Verfahrensregeln vorzuschreiben.
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a) Der Erblasser kann nach § 1066 ZPO die entsprechende Anwendung des 10. Buches der ZPO anordnen. Der Schiedsrichter ist dann an die allgemeinen Regeln des 10. Buches gebunden. Die ZPO ist auch dann anzuwenden, wenn der Erblasser nur einen Schiedsrichter einsetzt, ohne Verfahrensregeln vorzuschreiben.
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b) Der Erblasser kann auch ein so genanntes ad-hoc-Schiedsgericht (Gelegenheitsschiedsgericht) einsetzen2. Das ad-hoc-Schiedsgericht zeichnet sich dadurch aus, dass der Erblasser dem Schiedsgericht die Verfahrensregeln vorschreibt. Verfahrensordnung, Bestellung des Schiedsrichters u.a. unterliegen der Parteidisposition bzw. der Entscheidung des Erblassers. Lediglich die Grenzen der Dispositionsbefugnis werden durch das Gesetz (§§ 1025 ff. ZPO) bestimmt. Die für die Einsetzung eines ad-hoc-Schiedsgerichts erforderliche Erfahrung wird dem Erblasser meistens fehlen, weshalb die Wahl eines adhoc-Schiedsgerichts ungünstig sein kann. Als Muster kann das Formulierungsbeispiel Rz. 11 dienen.
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1 Schütze, Rz. 294. 2 Tanck/Krug/Daragan, Testamente, 2. Auflage 2002, § 19, Rz. 64; Schütze, Rz. 16.
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B XIV Rz. 16
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16 Keinesfalls sollte der Erblasser die Benennung des Schiedsrichters bzw. des Schiedsgerichts den Parteien überlassen. Dies führt regelmäßig zu Verzögerungen, nicht selten bereits zum Streit. 17
c) Der Erblasser kann auch ein institutionelles Schiedsverfahren (vorfabriziertes Schiedsverfahren) wählen und dem Schiedsrichter das Verfahren nach der Schiedsordnung der Deutschen Schiedsgerichtsbarkeit für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE e.V.), Hauptstr. 18, 74918 Angelbachtal, vorgeben. Der Schiedsrichter ist dann an diese Schiedsordnung gebunden. Der Erblasser kann auch darauf verzichten, einen Schiedsrichter zu bestimmen, und die Entscheidung selbst durch spezialisierte und erfahrene Schiedsrichter der DSE e.V. treffen lassen. Wählt der Erblasser diesen Weg, begibt er sich allerdings der Einflussnahme auf die Person des Schiedsrichters.
18 Das folgende Muster wird von der DSE empfohlen:
Formulierungsvorschlag Im Wege der Auflage verpflichte ich alle Erben, Vermächtnisnehmer und Auflagebegünstigte, für Streitigkeiten, die durch dieses Testament oder diesen Erbvertrag hervorgerufen sind und die ihren Grund in dem Erbfall haben und/oder im Zusammenhang mit der letztwilligen Verfügung oder ihrer Ausführung stehen, sich unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte dem Schiedsgericht für Erbstreitigkeiten e.V. (DSE) und der von diesem zugrunde gelegten jeweils aktuellen Schiedsordnung zu unterwerfen. Die DSE e.V. empfiehlt in der Schiedsklausel ihr Schiedsgericht gleich mit. Der Erblasser kann auch darauf verzichten, das Schiedsgericht der DSE e.V. einzusetzen, und sich darauf beschränken, die Schiedsordnung des DSE e.V. vorzuschreiben.
19 Auch auf die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (Beethovenstr. 5–13, 50674 Köln) und den Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof Deutscher Notare (Kronenstr. 73/74, 10117 Berlin) kann zurückgegriffen werden1.
3. Abgrenzung von anderen Formen der Streitbeilegung a) Schiedsgerichtsklausel und Entscheidungen staatlicher Gerichte 20 Letztwillige Schiedsklauseln werden als Ausnahme vom Grundsatz verstanden, dass staatliche Gerichtsbarkeit nur durch rechtsgeschäftliche Einigung, z.B. Schiedsvereinbarungen ausgeschlossen werden kann2. Diese Ausnahme regelt § 1066 ZPO, der zugleich auf die §§ 1025 ff. ZPO verweist. Die Einset1 von Oertzen/Pawlytta, § 67, Rz. 34. 2 Schulze, MDR 2000, 314 (315).
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Rz. 24 B XIV
zung des Schiedsgerichts hat für die Parteien die gleiche Wirkung wie ein zwischen ihnen abgeschlossener Schiedsvertrag1. Allerdings müssen ein wirksames Testament oder ein wirksamer Erbvertrag vorhanden sein2 (Rz. 29b). Konsequenz der Trennung von staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit ist, dass staatliche Gerichte eine Klage abzuweisen haben, wenn sich der Beklagte auf eine wirksame Schiedsvereinbarung beruft (§ 1032 ZPO). Gleiches gilt für letztwillige Schiedsklauseln. Erweist sich eine Schiedsklausel als unwirksam, müssen die staatlichen Gerichte angerufen werden, es sei denn, die Erben treffen übereinstimmend eine Schiedsvereinbarung. Reste staatlicher Entscheidungstätigkeit bleiben allerdings auch bei Begründung der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts bestehen, z.B. Vollstreckbarkeitserklärung eines Schiedsspruches.
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b) Schiedsklausel und Schiedsgutachten Schiedsklausel und Schiedsvereinbarung beinhalten nur die Übertragung der Entscheidungskompetenz auf Schiedsrichter anstelle der staatlichen Gerichte3, wobei es bei der Einordnung auf das Gewollte und nicht auf die Wortwahl ankommt. Die Bedeutung des Erklärten ist durch Auslegung zu ermitteln4. Schiedsrichter oder Schiedsgericht entscheiden über Rechtsfolgen. Sie fällen einen Schiedsspruch.
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Schiedsgutachten stellen Umstände tatsächlicher oder rechtlicher Art verbindlich fest, die für eine Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sind5. Es handelt sich nicht um die Entscheidung eines Rechtsstreits6. Typische tatsächliche Feststellungen, die in Schiedsgutachten getroffen werden, sind Übernahmepreise von Grundstücken und Geschäftsausstattungen7.
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Schiedsgutachter können ebenso wie Schiedsrichter auf Grundlage eines Vertrags (Schiedsgutachtenvertrag) tätig werden. Welcher Vertrag im Einzelnen vorliegt, kann schwierig zu entscheiden sein und ist durch Vertragsauslegung zu ermitteln8. Im Zweifel nimmt die Rechtsprechung, weil weniger weitgehend, Schiedsgutachtenvertrag statt Schiedsvertrag an9. Für die Tätigkeit der Schiedsgutachter finden die Bestimmungen des 10. Buches der ZPO keine Anwendung, auch nicht entsprechend. Es gelten vielmehr
1 Kipp/Coing, § 78, S. 424; Schulze, MDR 2000, 215. 2 Zöller/Geimer, § 1066, Rz. 7. 3 Vollmer, BB 1984, 1011; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundzüge § 1025, Rz. 9. 4 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundzüge § 1025, Rz. 9. 5 Vollmer, BB 1984, 1010; Langenfeld, S. 163, ebenso Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 10, Rz. 1019. 6 BGH v. 4.6.1981 – III ZR 4/80, BB 1982, 1077. 7 Kohler, DNotZ 1962, 131; Langenfeld, S. 136. 8 Vgl. Vollmer, BB 1984, 1010 (1011). 9 BGH v. 4.6.1981 – III ZR 4/80, BB 1982, 1077.
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B XIV Rz. 25
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die §§ 315 ff. BGB1. Im Einzelnen ist das noch strittig.2 Für den Erblasser besteht die Möglichkeit, auf Einsetzung eines Schiedsrichters zu verzichten und sich auf einen Schiedsgutachter zu beschränken. 25 Um die mitunter schwierigen Abgrenzungsfragen zwischen Schiedsrichter und Schiedsgutachter zu vermeiden, empfiehlt es sich, dem Schiedsrichter zugleich die Gutachtertätigkeit zu übertragen. Dies könnte wie folgt formuliert werden:
Formulierungsvorschlag Zum Schiedsrichter mit den nachfolgenden Funktionen bestimme ich . . ., ersatzweise . . . Der Schiedsrichter entscheidet als Einzelrichter und hat zugleich die Aufgabe, sich in Bewertungsfragen gutachterlich zu äußern.
26 Soll dagegen nur eine Schiedsgutachtertätigkeit angeordnet werden, könnte wie folgt formuliert werden:
Formulierungsvorschlag Mein Sohn A erhält als Vorausvermächtnis das Haus in . . ., verzeichnet im Grundbuch des Amtsgerichts . . ., Gemarkung . . . Blatt . . ., Flurstück . . . zum Schätzpreis. Den Schätzpreis bestimmt verbindlich der von der IHK zu . . . öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige . . . Die Schiedskosten trägt der Nachlass.
c) Schiedspersonen und Gütestellen 27 Diese Einrichtungen kommen unter den verschiedensten Bezeichnungen vor. Die Literatur hierzu ist umfangreich3. Allen ist gemeinsam, den Versuch einer Einigung zwischen den Beteiligten zu unternehmen. Ziel ist Streitbeilegung durch Schlichtung, nicht durch Entscheidung4. 28 Die Schlichtung kann in mannigfaltigen Formen stattfinden. Eine in letzter Zeit in den Vordergrund getretene Form ist die Mediation5. Sie ist ein freiwilliges, ebenfalls außergerichtliches Verfahren, bei dem die Beteiligten von ei-
1 Kohler, DNotZ 1962, 131. 2 von Oertzen/Pawlytta, in: Scherer, Erbrecht, 2002, § 63, Rz. 17. 3 Zu den Literaturnachweisen vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundzüge § 1025, Rz. 11. 4 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundzüge § 1025, Rz. 10, 11. 5 Lachmann, Rz. 20 ff.
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Schiedsgerichtsklausel
Rz. 29b B XIV
nem Mediator bei der Lösung des Streitfalles unterstützt werden1. Der Mediator entscheidet nicht. Das unterscheidet ihn vom Schiedsgericht. Die bei der Schlichtung erreichte Einigung wird in einem Protokoll festgehalten. Sind Gütestellen von der Landesjustizverwaltung eingerichtet oder anerkannt, stellt die protokollierte Einigung einen Vollstreckungstitel dar.
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III. Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts 1. Zulässigkeit, Wirksamkeitsvoraussetzungen und Rechtsnatur der Schiedsklausel Die Zulässigkeit eines letztwillig angeordneten Schiedsgerichts ergibt sich, allerdings nur vorausgesetzt, aus dem § 1066 ZPO und ist heute allgemein anerkannt2. Die Regelung hat den früheren § 1048 ZPO wortgleich übernommen, woraus gefolgert wird, dass dadurch die Schiedsgerichte aufgewertet worden sind3. Mit dieser Übernahme des früheren § 1048 in § 1066 ZPO billigt der Gesetzgeber, dass die Schiedsgerichtsbarkeit auch durch Testament und Erbvertrag begründet werden kann. Die Zuständigkeit letztwillig angeordneter Schiedsgerichte beruht damit auf einseitiger Anordnung des Erblassers4, sie wird durch einseitiges Rechtsgeschäft begründet5. Die Privatautonomie wird dadurch in besonderer Weise ausgestaltet, die Vertragsfreiheit in gewisser Weise eingeschränkt. Letztwillig angeordnete Schiedsgerichte beruhen nicht auf der Vertragsfreiheit6.
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Der § 1066 ZPO erklärt die §§ 1025 ff. ZPO für analog anwendbar. Nach dem § 1030 ZPO können alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten von Schiedsgerichten entschieden werden. Die Vorschrift des § 1066 ZPO enthält keine Einschränkung etwa dergestalt, dass das Schiedsgericht nur für bestimmte Fragen zuständig sein soll. Das Schiedsgericht ist auch kein Gericht zweiter Klasse. Die analoge Anwendung der §§ 1025 ff. ZPO auf letztwillig angeordnete Schiedsgerichte führt zu Einordnungs- und Abgrenzungsproblemen, weil die §§ 1025 ff. ZPO vertragliche Schiedsgerichte ausgestalten, die nicht immer auf letztwillig angeordnete Schiedsgerichte passen, zu weit sind oder sich eine Regelungslücke zeigt. Gestritten wird vor allem darüber, ob die Schiedsklausel verfahrensrechtlich oder materiell-rechtlich einzuordnen ist (Rz. 29c). Die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer einseitig angeordneten Schiedsklausel ergeben sich aus § 1066 ZPO. Mit der Formulierung in § 1066 ZPO „in gesetzlich statthafter Weise“ durch letztwillig eingesetzte Schiedsgerichte soll 1 2 3 4 5 6
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Grundzüge § 1025, Rz. 11. Müko/Leipold, § 1937, 29; Bamberger/Roth, § 1937, 9. Tanck/Krug/Daragan, Testamente, 2. Auflage 2002, § 19, Rz. 12. Zöller/Geimer, § 1066, 16a. Otte, FamRZ 2006, 312. Otte, FamRZ 2006, 312.
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auf die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer letztwilligen Verfügung Bezug genommen werden1, die erfüllt sein müssen. Der Erblasser muss folglich testierfähig sein, und er muss die Anordnung der Schiedsklausel in einem Testament oder Erbvertrag (Rz. 35) angeordnet haben. Auch die testamentarischen Formanforderungen müssen erfüllt sein, § 1031 ZPO gilt insoweit nicht. Die Bindung an die letztwillige Schiedsklausel tritt für die Adressaten mit dem Erbfall ein; nach Ansicht von Haas unter Bezugnahme auf die Privatautonomie nur dann, wenn der Adressat die Bindungswirkung nicht zurückweist, etwa durch Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses. Kann der Nachlassbeteiligte die Schiedsbindung nicht zurückweisen, etwa der Nachlassgläubiger, tritt für diese auch keine Bindung ein2. 29c Die Rechtsnatur der Schiedsklausel ist in der Literatur nach wie vor umstritten. Einen Überblick über den Meinungsstreit gibt Haas3. So wird (vor allem im älteren Schrifttum) versucht, die angeordnete Schiedsgerichtsbarkeit als Auflage zu qualifizieren, als Entscheidung sui generis einzuordnen oder als selbständige prozessuale Verfügung anzusehen4. Die vorherrschende Auffassung in der Literatur begründet die Kompetenz des letztwillig eingesetzten Schiedsgerichts materiell-rechtlich. Danach kann der Erblasser eine letztwillige Schiedsklausel für alle erbrechtlichen Beziehungen anordnen, über die er Kraft Testierfähigkeit entscheidet5, die er inhaltlich durch Testament gestalten kann6, was in der Reichweite der Testierfreiheit liegt7, nicht jedoch für Beziehungen außerhalb seiner Verfügungsmacht8. Dies erweist sich als zu eng. Die Anordnungsbefugnis des Erblassers sollte verfahrensrechtlich9 eingeordnet werden. Auf das Erbrecht muss nur zurückgegriffen werden, wenn sich aus den §§ 1027 ff. ZPO Regelungslücken ergeben oder die Regeln – weil auf vertragliche Schiedsgerichte zugeschnitten – nicht passen (Rz. 40–42).
2. Einsetzung des Schiedsgerichts 30 Auf der Grundlage von § 1066 ZPO kann der Erblasser ein Schiedsgericht durch letztwillige Verfügung einsetzen, das über die Ansprüche zu entschei1 2 3 4 5 6 7 8 9
Müko/Leipold, § 1937 BGB, 29. Haas, ZEV 2007, 51. Haas, ZEV 2007, 52. Vgl. von Oertzen/Pawlytta, § 67, 21. Staudinger/Otte, vor § 1937, 8. Müko/Leipold, § 1937 BGB, 33. Lange/Kuchinke, S. 738. Bamberger/Roth/Müller-Christmann, § 1937 BGB, Rz. 9. Haas, ZEV 2007, 52; von Oertzen/Pawlytta, § 67, RZ. 21; Pawlytta, ZEV 2003, 89; Wegmann, ZEV 2003, 20 (21); die in der Vorauflage vertretene Auffassung wird aufgegeben.
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Rz. 39 B XIV
den hat, die sich aus seinen letztwilligen Anordnungen ergeben. Das Schiedsgericht kann aus einem Einzelschiedsrichter oder einem Kollektivorgan (Schiedsrichter und Beisitzer) bestehen. Ein Einzelschiedsrichter sollte genügen, wenn er sachkundig und erfahren sowie von den Parteien anerkannt ist. a) Einsetzung durch Testament und Erbvertrag Schiedsgerichte werden durch Testament oder Erbvertrag eingesetzt. Auch in gemeinschaftlichen Testamenten können Schiedsklauseln angeordnet werden. Die Anordnung ist jedoch nicht wechselbezüglich im Sinne von § 2270 Abs. 1 BGB1. § 1031 ZPO gilt nicht. Es handelt sich um von beiden Eheleuten einseitig angeordnete Schiedsgerichte2. Bei Ehegattentestamenten ist zu beachten, dass eine nach dem erstversterbenden Ehegatten angeordnete letztwillige Schiedsklausel nicht wirksam ist3.
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In Erbverträgen können ebenfalls Schiedsklauseln angeordnet werden. Soweit nur die Vertragspartner betroffen sind, ist die Klausel vertraglicher Natur4. Hier passen die §§ 1029 ff. ZPO besser als die §§ 145 ff. BGB5. Sind Nichtvertragspartner betroffen, gilt für diese § 1066 ZPO. Hier besteht dieselbe Problematik wie bei Einzeltestamenten. b) Schiedsvereinbarungen der Parteien Nach Eintritt des Erbfalles können auch die Erben nach den allgemeinen Regeln (§§ 1025 ff. ZPO) einen Schiedsvertrag für die Entscheidung aller im Zusammenhang mit der Erbengemeinschaft entstehenden Streitigkeiten schließen6. Das kann in dem Fall geschehen, in dem der Erblasser keine Schiedsklausel im Testament oder im Erbvertrag bestimmt hat.
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Die Erben können auch durch Vereinbarung im gegenseitigen Einvernehmen die letztwillige Anordnung eines Schiedsgerichts abändern und staatliche Gerichte anrufen7. Um dies zu vermeiden wird empfohlen, dass der Erblasser dem mit einer Verwirkungsklausel begegnet8. Sie könnten die Erben, die der letztwilligen Anordnung eines Schiedsgerichts durch den Erblasser nicht nachkommen wollen, auf den Pflichtteilsanspruch beschränkt werden, indem sie von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Die Erben können sich einigen, ohne den Schiedsrichter anzurufen. Anordnung eines Schiedsgerichts und Verwirkungsklausel haben dann ihren Zweck erfüllt.
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Einstweilen frei.
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34–39
Haas, ZEV 2007, 52. von Oertzen/Pawlytta, § 67, 31. Tanck/Krug/Daragan, Testamente, § 19, Rz. 35. von Oertzen/Pawlytta, § 67, 31. Haas, ZEV 2007, 51, 52. Wegmannn, ZEV 2003, 20 (21). Kipp/Coing, § 78 S. 424; Schulze, MDR 2000, 315. Schulze, MDR 2000, 315; Steiner, ErbStB 2003, 307.
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B XIV Rz. 40
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3. Wichtige Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts 40 Das Schiedsgericht kann, soweit nichts anderes angeordnet ist, nach der Entscheidung des Erblassers alle Streitigkeiten über Ansprüche entscheiden, die sich auf die letztwilligen Verfügungen des Erblassers gründen1 bzw. über alle Streitigkeiten befinden, die im Zusammenhang mit dem Nachlass und seiner Abwicklung stehen2. Das sind Entscheidungen – über die Gültigkeit, Inhalt, Auslegung und Anfechtung von Testamenten3, – über die Erbauseinandersetzung4, – über eigene Zuständigkeit des Schiedsgerichts5, – über Ausgleichspflichten unter Abkömmlingen (§§ 2050 ff. BGB)6, – über Eintritt oder Ausfall einer Bedingung7, – über Erfüllung von Auflagen und Ansprüche von Vermächtnisnehmern8, – über die Erbberechtigung9, – über Streitigkeiten zwischen Erben und Testamentsvollstreckern10, – über Streitigkeiten wegen Berufung des Testamentsvollstreckers, nicht jedoch solche wegen seiner Entlassung11, – über die gesetzliche Erbfolge12, – über angeordnete Teilungsanordnungen13. 41 Der Schiedsrichter kann auch die Bestimmungsrechte wahrnehmen, die jedem Dritten übertragen werden können (§§ 2151, 2152, 2193 BGB).
4. Grenzen der Entscheidungsbefugnisse 42 Die Zulässigkeit schiedsrichterlicher Entscheidungen ergibt sich aus dem Prozessrecht (Rz. 9, 11). Die materiellen Grenzen der Entscheidungsbefugnisse ergeben sich allein aus dem Erbrecht, den guten Sitten, der öffentlichen Ordnung sowie Verfahrensvorschriften wie Gleichbehandlung der Parteien, Gewährleistung rechtlichen Gehörs (§ 1042 Abs. 1 ZPO). So kann z.B. die Ein1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Kipp/Coing, § 78, S. 424. Zöller/Geimer, § 1066 ZPO, Rz. 16. Müko/Leipold, § 1937 BGB, 33; Zöller/Geimer, § 1066 ZPO, Rz. 17. Tanck/Kerscher/Krug, Testamente, § 19, Rz. 4 mit weiteren Nachweisen. Lange/Kuchinke, S. 739. Tanck/Kerscher/Krug, Testamente, § 19, Rz. 4. Wegmann, ZEV 2003, 20 (21). Wegmann, ZEV 2003, 20 (21). Müko/Leipold, § 1937 BGB, 31. Steiner, ErbStB 2003, 305. Lange/Kuchinke, S. 739; Wegmann, ZEV 2003, 20 (21). Zöller/Geimer, § 1066 ZPO, 18. Staudinger/Otte, vor § 1937 BGB, 8.
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Schiedsgerichtsklausel
Rz. 47 B XIV
setzung eines Schiedsrichters wegen Knebelung der Überlebenden sittenwidrig sein. Die in § 1066 ZPO enthaltene Bestimmung „In statthafter Weise durch letztwillige Verfügung“ umfasst alles, was der Erblasser zulässigerweise letztwillig anordnen kann. Damit ist aus dem Gesetzestext keine Begrenzung der Schiedsfähigkeit zu entnehmen.
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Welche Streitigkeiten im Einzelnen außer den in Rz. 40 genannten schiedsfähig sind, ist nach wie vor umstritten. § 1030 ZPO, nach dem alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten schiedsfähig sind (Rz. 29a), geht für letztwillig angeordnete Schiedsgerichte zu weit. Es sei nicht gerechtfertigt, allein aus den Prozessnormen die Befugnis des Erblassers abzuleiten, den Nachlassbeteiligten die Anrufung des staatlichen Gerichts zu verwehren. Vielmehr kann der Erblasser nur insoweit einseitig entscheiden, was dem Schiedsgericht zugewiesen wird, soweit seine Testierfreiheit reicht1. Dies entspricht der herrschenden Auffassung (Rz. 29a).
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Nach dieser Abgrenzung, die sich als zu eng erweist, sind der schiedsgerichtlichen Entscheidung entzogen Streitigkeiten mit Nachlassgläubigern, soweit deren Ansprüche nicht auf einer erbrechtlichen Grundlage bestehen2, z.B. Unterhaltsansprüche des geschiedenen Ehegatten gegen den Erblasser und Darlehensverbindlichkeiten des Erblassers. Dies ist unstreitig.
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Ebenso unterfallen der Anordnungsbefugnis des Erblassers nicht die so genannten Fürsorgeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere das Erbscheinsverfahren3. Dies ist einleuchtend, denn das Erbscheinsverfahren ist in den §§ 2353 ff. BGB zwingend vorgeschrieben, und das Nachlassgericht ist gehalten, eigene Ermittlungen anzustellen. Solche Entscheidungen obliegen auch dem Prozessgericht nicht.
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Wohl aber hat das Nachlassgericht Entscheidungen des Schiedsgerichts ebenso wie die des Prozessgerichts, z.B. über die Unwirksamkeit eines Testamentes, zu beachten und darf einen Erbschein nicht erteilen, der auf dem für unwirksam erklärten Testament beruht4 Die Auffassung des Landgerichts Hechingen, dass das Nachlassgericht allenfalls an ein rechtskräftiges Urteil eines Prozessgerichts gebunden ist, ist abzulehnen5. Der Entscheidungsbefugnis eines Schiedsgerichts sind auch Streitigkeiten mit Dritten entzogen, die Nachlasswerte im Besitz haben, ohne sich auf ein Erbrecht zu berufen6.
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Staudinger/Otte, vor § 1937 BGB, 8. Lange/Kuchinke, S. 739. BayObLG v. 19.10.2000 – 1 Z BR 116/99, FamRZ 2001, 873. Wegmann, ZEV 2003, 20. LG Hechingen v. 7.12.2000 – 3 T 15/96, FamRZ 2001, 721 (733). Steiner, ErbStB 2003, 304 (305).
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B XIV Rz. 48
Schiedsgerichtsklausel
48 Umstritten ist vor allem, ob ein letztwillig eingesetztes Schiedsgericht über Pflichtteilsansprüche entscheiden kann. Das wird überwiegend und mit unterschiedlicher Begründung abgelehnt1. Otte begründet seine Ablehnung damit, dass der Erblasser dem Schiedsgericht nur die Entscheidung über alle Fragen zuweisen könne, über die er kraft Testierfreiheit entscheiden kann. Die Pflichtteilsbestimmungen setzen der Testierfreiheit Grenzen, weshalb ein Schiedsgericht darüber nicht entscheiden könne2. Schiedsfähig sei, was der Erblasser kraft Testierfreiheit regeln kann3. 49–50
Einstweilen frei.
51 Nach richtiger Auffassung folgt aus § 1030 Abs. 1 ZPO, dass vermögensrechtliche und damit auch erbrechtliche Streitigkeiten grundsätzlich schiedsfähig sind. Dazu zählen auch Pflichtteilsansprüche4. Nach Haas können Pflichtteilsansprüche dennoch nicht dem Schiedsgericht zugewiesen werden, weil es in der Regel an der die Schiedsgerichtsbarkeit legitimierenden Privatautonomie zwischen den Beteiligungen fehlt5. Gegen diese Auffassung der Privatautonomie bestehen im Zusammenhang mit dem Erbrecht Bedenken, schon weil die vom Erblasser Begünstigten aus seinem Vermögen etwas erhalten, ohne eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Die vom Gesetzgeber gewollte Befugnis des Erblassers, einseitig verpflichtend (Rz. 29a) Schiedsgerichte einzusetzen, bindet die Adressaten der Erblasserentscheidung, ohne ihnen deswegen ein Ablehnungsrecht, z.B. durch Erbausschlagung zuzubilligen. Das Recht der Erbausschlagung besteht unabhängig davon. Auch wird wohl kaum ein Erbe nur deshalb das ihm Zugewendete ausschlagen, weil ihm das für Streitigkeiten angeordnete Schiedsgericht nicht passt6. 52 Auch eine Streitentscheidung zu Lebzeiten des Erblassers über Entziehung des Pflichtteils7 fällt nicht in die Kompetenz des Schiedsgerichts. 53 Für die Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts bei Pflichtteilsansprüchen sprechen auch praktische Gründe, weil sonst erhebliche Abgrenzungsprobleme entstehen. So kann selbst der Erbe zusätzlich zu seinem Erbteil, über den das Schiedsgericht entscheiden kann, Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen (§ 2326 BGB). Ein Streit hierüber müsste dann vor einem staatlichen Gericht ausgetragen werden.
1 Müko/Leipold, § 1937 BGB, 34; Musielak/Voit, ZPO § 1066, 3; Schulze, MDR 2000, 314; Mayer, ZEV 2000, 263 (267 ff.); Haas, ZEV 2007, 53 (Fußnote 46); Staudinger/Otte, vor § 1937 BGB, 8). 2 Staudinger/Otte, vor § 1937 BGB, 8; Musielak/Voit, § 1066 ZPO, 3. 3 Otte, FamRZ 2006, 312. 4 Haas, ZEV 2007, 53. 5 Haas, ZEV 2007, 51, Fn. 46. 6 Reaktionsmöglichkeiten, wie von Haas gefordert, sind allerdings in vertragsmäßigen Beziehungen unverzichtbar und regelmäßig auch vorgesehen, z.B. im Wohnungsmietrecht. Dort kann der Mieter jeweils kündigen, wenn der Vermieter einseitig die Miete erhöht oder Modernisierungsmaßnahmen anordnet. 7 BGH v. 6.12.1989 – IVa ZR 249/88, NJW 1990, 911.
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Rz. 54 B XIV
Für die Kompetenzerstreckung des Schiedsgerichts auf Pflichtteilsansprüche werden weitere überzeugende Gründe angeführt. So können Pflichtteilsansprüche nicht deshalb von der Zuständigkeit des Schiedsgerichts ausgenommen werden, weil es sich um einen gesetzlichen Anspruch handelt. Wenn es der Erblasser bei der gesetzlichen Erbfolge belässt und ein Schiedsgericht einsetzt, hat es auch über gesetzliche Ansprüche zu entscheiden1. Solche Ansprüche wären auch nach der materiell-rechtlichen Auffassung schiedsfähig. Des Weiteren sind Fragen der Ertragswertanordnung (§ 2312 BGB), die Verteilung der Pflichtteilslast (§ 2324 BGB), Entziehung des Pflichtteils (§ 2333 BGB), Pflichtteilsbeschränkung (§ 2338 BGB) auch als schiedsfähig anzusehen2. Die Kompetenz des Schiedsgerichts an die Testierfreiheit zu knüpfen und auf sie zu beschränken, erweist sich, wie oben dargelegt, als zu eng und ist nicht praktikabel, weil erhebliche Abgrenzungsprobleme bestehen. Sinnvoll ist es daher, das gesamte Pflichtteilsrecht als schiedsfähig anzusehen. Die Ausdehnung der Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts auf Pflichtteilsansprüche lässt sich begründen, wenn verlangt wird, dass der zu entscheidende Anspruch erbrechtlicher Natur sein muss und erst mit dem Erbfall entsteht. Geimer nennt als äußerste Grenze des Kompetenzbereichs des Schiedsgerichts die Entscheidung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Nachlass und seiner Abwicklung. Der Pflichtteilsberechtigte ist Nachlassgläubiger (wie der Vermächtnisnehmer auch), seine Anspruchsgrundlage ist erbrechtlicher Natur und sein Anspruch entsteht erst mit dem Erbfall. Das ergibt eine nachvollziehbare Abgrenzung zu den Streitfällen, für die das Schiedsgericht nicht zuständig ist. Solange allerdings der Meinungsstreit pro und kontra Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts über Pflichtteilsansprüche nicht entschieden ist, sollte der Erblasser genau bestimmen, welche Kompetenzen das Schiedsgericht konkret haben soll und auch Ersatzbestimmungen vornehmen, wenn sich z.B. herausstellen sollte, dass über Pflichtteilsansprüche vom Schiedsgericht nicht entschieden werden darf. Ein Widerspruch zur oben dargelegten Auffassung besteht nicht, denn es könnte sein, dass der BGH die Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts bei Pflichtteilsansprüchen ablehnt3.
Formulierungsvorschlag Alle Streitigkeiten über Wirksamkeit und Auslegung meines Testaments, über Abwicklung oder Auseinandersetzung meines Nachlasses entscheidet unter Ausschluss des Rechtsweges ein Schiedsrichter (ein Schiedsgericht). Das gilt auch
1 Pawlytta, ZEV 2003, 92. 2 von Oertzen/Pawlytta, § 67, Rz. 27. 3 Gsänger/Souren, DNotZ 2007, 3 (7 ff.).
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B XIV Rz. 55
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für Streitigkeiten über geltend gemachte Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, soweit hierfür nicht staatliche Gerichte zuständig sind. In diesem Fall sollen die Beteiligten die Zustimmung des Schiedsgerichts vereinbaren.
55 Das Schiedsgericht muss § 2065 BGB beachten1. Der Erblasser soll seine beabsichtigten Verfügungen durchdenken und seinen abschließenden Willen bilden. Er darf daher die Entscheidung über die Geltung seiner Verfügung, deren wesentlichen Inhalt, den zugewendeten Gegenstand und den Empfänger nicht offen lassen. Ebenso wenig wie der Testamentsvollstrecker kann auch der Schiedsrichter diese Entscheidung nicht für den Erblasser treffen. Der Gesetzgeber hat in § 2065 BGB den Weg gewählt, für den Fall unvollständiger Willensbildung, die auch durch Auslegung nicht zu beseitigen ist, es bei der gesetzlichen Erbfolge zu belassen2. 56 Zunächst muss aber versucht werden, den erklärten Willen des Erblassers durch Auslegung zu ermitteln. Hierbei zieht § 2065 BGB eine Grenze3, die auch der Schiedsrichter akzeptieren muss, wenn er Streitigkeiten über die Auslegung von Testamenten zu entscheiden hat. Der Schiedsrichter kann bei seiner Entscheidungstätigkeit letztwillige Verfügungen in dem Umfang auslegen, wie auch das staatliche Gericht dazu berechtigt wäre. Der Schiedsrichter tritt nicht an die Stelle des Erblassers, wohl aber an die des staatlichen Richters4. 57 Wird dem Schiedsrichter die Feststellung übertragen, ob eine Bedingung erfüllt ist, was möglich und zweckmäßig ist, wird der Schiedsrichter zum Schiedsgutachter, weil diese zu treffende Entscheidung nicht Streitentscheidung ist und auch keinen Streit voraussetzt5. Um solche Auslegungsprobleme zu vermeiden und die nötigen Entscheidungen ohne Verzögerung zu treffen, ist es zweckmäßig, dem Schiedsrichter zugleich Schiedsgutachtertätigkeit zu übertragen (vgl. Rz. 25). 58 Unter Beachtung der Bestimmung des § 2065 Abs. 2 BGB kann der Schiedsrichter nicht – den Erben bestimmen6, – bestimmen, ob eine letztwillige Verfügung gelten soll7, – ein formungültiges Testament für gültig erklären8, – über Ansprüche von Nachlassgläubigern entscheiden9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Lange/Kuchinke, S. 692; Müko/Leipold, § 2065, Rz. 1. Müko/Leipold, § 2065, Rz. 1. Müko/Leipold, § 2065, Rz. 3. Staudinger/Seybold, § 2065, Rz. 10. Staudinger/Seybold, § 2065, Rz. 6, 11. Kohler, DNotZ 1962, 129; Palandt/Edenhofer, § 1937 BGB, 5. Kohler, DNotZ 1996, 129. S. Kohler, DNotZ 1962, 129. Tanck/Kerscher/Krug, Testamente, § 19, Rz. 5.
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Rz. 61 B XIV
Kipp/Coing meinen, der Schiedsrichter könne nicht entscheiden, wo das Gesetz eine nach billigem Ermessen zu treffende Entscheidung zulässt. Dies wird damit begründet, dass solche Entscheidungen nach § 319 BGB der richterlichen Nachprüfung zugänglich sein müssen1. Diese Meinung ist wohl nach neuem Recht des 10. Buches der ZPO nicht mehr haltbar, weil die Schiedsgerichte den staatlichen Gerichten weitgehend gleichgestellt sind und damit die staatlichen Entscheidungen auf das notwendige Minimum beschränkt bleiben. Nach anderer Auffassung soll eine Entscheidung nach Billigkeit in engen Grenzen möglich sein2.
5. Die Person des Schiedsrichters a) Allgemeines zur Person Der Erblasser kann die Person des Schiedsrichters frei wählen. Der Schiedsrichter sollte Gewähr für Neutralität bieten und im Erbrecht qualifiziert sein. Jedes Schiedsgericht ist so gut wie die Qualifikation seiner Schiedsrichter3. Der auszuwählende Schiedsrichter sollte möglichst ein ausgewiesener Fachmann sein und Erfahrung in der Streitschlichtung haben. Kennt der Erblasser keinen geeigneten Schiedsrichter, kann er auf die DSE e.V. zurückgreifen (vgl. Rz. 17).
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Der Erblasser sollte nicht nur die Person des Schiedsrichters sorgsam auswählen, sondern auch den Fall bedenken, dass die als Schiedsrichter benannte Person ausfallen kann.
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Formulierungsvorschlag Zum Schiedsrichter mit den nachfolgend genannten Funktionen und Aufgaben benenne ich . . ., ersatzweise . . . Wiederum ersatzweise soll . . . einen Schiedsrichter benennen.
Fehlt ein geeigneter Ersatzschiedsrichter, sollte diesen ein Dritter benennen, nicht die Parteien.
Formulierungsvorschlag Sollte der vorgesehene Schiedsrichter das Amt nicht antreten, so soll der Präsident der Industrie- und Handelskammer zu . . . einen Volljuristen als Schiedsrichter benennen, der auch wirtschaftliche und steuerliche Kenntnisse hat.
1 Kipp/Coing, § 78, S. 425. 2 Schulze, MDR 2000, 316. 3 Esch/Schulze zur Wiesche, Handbuch der Vermögensnachfolge, S. 136.
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B XIV Rz. 62 62
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Rechtsanwälte und Notare sind geeignete Schiedsrichter. Hat ein Rechtsanwalt oder Notar einen Erblasser bei der Testamentsabfassung beraten und ihm empfohlen, eine Schiedsklausel in das Testament oder den Erbvertrag aufzunehmen, verbietet es sich, wenngleich es noch rechtlich zulässig sein kann, die beteiligten Berater zum Schiedsrichter zu ernennen bzw. sollten die Berater das ihnen angetragene Amt nicht annehmen. Für Rechtsanwälte ergeben sich berufliche Konsequenzen aus § 45 Abs. 2 BRAO, für Notare Verbote aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG1. b) Testamentsvollstrecker als Schiedsrichter
63 In Literatur und Rechtsprechung ist weitgehend anerkannt, dass Testamentsvollstrecker auch zugleich Schiedsrichter sein können2. Kohler hält die Personalunion zwischen Testamentsvollstrecker und Schiedsrichter sogar für zweckmäßig3. Kritisch zur Kumulation von Testamentsvollstrecker und Schiedsrichter äußerten sich Kipp/Coing. Sie befürchten Interessenkollision4. 64 Unabhängig davon, welche Stellung zur Personalunion von Testamentsvollstrecker und Schiedsrichter bezogen wird, kann der Testamentsvollstrecker eine Reihe von Entscheidungen als Schiedsrichter nicht treffen. Der Testamentsvollstrecker kann nicht Schiedsrichter sein, wenn Streit über den Bestand seines Amtes besteht, weil niemand Richter in eigener Sache sein kann5. Mit dem gleichen Argument, dass niemand Richter in eigener Sache sein kann, wird eine Entscheidung eines Testamentsvollstreckers als Schiedsrichter abgelehnt, wenn der Testamentsvollstrecker selbst Partei, z.B. Miterbe einer Erbengemeinschaft ist, zwischen der der Nachlass auseinander zu setzen ist6. Kohler führt eine Reihe von Beispielen an, bei denen das der Fall sein soll, z.B. Streit über Rechtswirksamkeit von Testamenten, von deren Bestand auch die Bestellung zum Testamentsvollstrecker abhängt, sowie Streit über Rechte, die der Verwertung des Testamentsvollstreckers unterliegen7.
Formulierungsvorschlag Soweit keine zwingenden Gesetze entgegenstehen, entscheidet der Schiedsrichter nach freiem Ermessen. Schiedsrichter und Schiedsgutachter ist der erstberufene Testamentsvollstrecker oder – falls er das Amt des Schiedsrichters 1 Tanck/Krug/Daragan, Testamente, § 19, Rz. 27. 2 Stellvertretend für andere Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, § 10, Rz. 1019. 3 Kohler, DNotZ 1962, 129. 4 Kipp/Coing, § 78, S. 425. 5 Vgl. für viele andere Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 1019; Müko/ Brandner, § 2204, Rz. 18; Kerscher/Tanck/Krug, Das erbrechtliche Mandat, § 5, Rz. 337; RGZ 100, 76; Kohler, DNotZ 1962, 129; Kipp/Coing, § 78, S. 425. 6 Kohler, DNotZ 1962, 129. 7 Kohler, DNotZ 1962, 129.
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Rz. 70 B XIV
oder Schiedsgutachters nicht ausüben will oder kann – der nächstberufene Testamentsvollstrecker.
IV. Die Durchsetzung von Schiedssprüchen Hierzu nur ganz wesentliche Gesichtspunkte im Überblick. Nähere Ausführungen bleiben dem Prozessrecht vorbehalten.
1. Wirkung des Schiedsspruchs Der Schiedsspruch, mit dem das Schiedsverfahren endet, ist dem Urteil eines staatlichen Gerichts bis auf die Vollstreckbarkeit vollkommen gleichgestellt. Die Vollstreckbarkeit muss dem Schiedsspruch – wie bei einem ausländischen Urteil – durch rechtsgestaltende Entscheidung des staatlichen Gerichts verliehen werden (§§ 1055, 1060)1. Damit Schiedssprüche unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen Urteil erlangen, müssen die förmlichen Erfordernisse des § 1054 ZPO erfüllt sein2.
65
Das Verfahren kann auch durch Schiedsvergleich enden (§ 1053 ZPO). Er hat dieselbe Wirkung wie ein Schiedsspruch zur Sache.
66
Rechtskräftige Schiedssprüche sind nur solche, die eine Endentscheidung in der Sache treffen, d.h. über den Streitgegenstand entscheiden. Die Rechtskraft eines Schiedsspruchs ist von Amts wegen zu beachten, was aus dem Gleichstellungsgrundsatz von Entscheidungen staatlicher Gerichte und Schiedsgerichte folgt.
67
Der Schiedsspruch enthält auch eine Entscheidung über die Kosten (§ 1057 ZPO). Zur Honorierung des Schiedsgerichts s. bei von Oertzen/Pawlytta3.
68
2. Durchsetzung von Schiedssprüchen Aus einem rechtskräftigen Schiedsspruch findet, wie aus einem staatlichen Urteil, die Zwangsvollstreckung statt, wenn der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt worden ist (§ 1060 ZPO).
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3. Aufhebung von Schiedssprüchen Nur ein staatliches Gericht kann auf Antrag einen Schiedsspruch aufheben, wenn die Voraussetzungen hierfür nach § 1050 ZPO vorliegen. Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Schiedsspruches zu stellen. Beschwer muss vorliegen, wobei Beschwer im Kostenpunkt ausreicht4. 1 2 3 4
Zöller/Geimer, § 1055, Rz. 1. Labes/Lörcher, MDR 1997, 420 (421, 423). von Oertzen/Pawlytta, in: Scherer, Erbrecht, § 63, Rz. 49–53. Zöller/Geimer, § 1059, Rz. 3.
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XV. Der Erbverzicht (§§ 2346–2352 BGB) Schrifttum: Albrecht, Anm. zu BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, DNotZ 1997, 425 f.; Baumgärtel, Die Wirkung des Erbverzichts auf Abkömmlinge, DNotZ 1959, 63 ff.; Bengel, Die gerichtliche Kontrolle von Pflichtteilsverzichten, ZEV 2006, 192 ff.; Bestelmeyer, Das Pflichtteilsrecht der entfernteren Abkömmmlinge und Eltern des Erblassers im Anwendungsbereich des § 2309 BGB, FamRZ 1997, 1124 ff.; Blomeyer, Die vorweggenommene Auseinandersetzung der in gemeinschaftlichem Testament bedachten Kinder nach dem Tod des einen Elternteils, FamRZ 1974, 421 ff.; Bock, Die Änderung erbrechtlicher Vorschriften durch das 1. EheRG und ihre Auswirkungen auf die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten, MittRhNotK 1977, 205 ff.; Bonefeld/Lange/ Tanck, Die geplante Reform des Pflichtteilsrechts, ZErb 2007, 292 ff.; Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl. 2002; Coing, Grundlagenirrtum bei vorweggenommener Erbfolge, NJW 1967, 1777 ff.; Coing, Zur Lehre vom teilweisen Erbverzicht, JZ 1960, 209 ff.; Cremer, Zur Zulässigkeit des gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzichtsvertrages, MittRhNotK 1978, 169 ff.; Cypionka, Die Auswirkungen des Betreuungsrechts auf die Praxis des Notars, DNotZ 1991, 571 ff.; Deutsches Notarinstitut, Aus der Gutachtenpraxis des DNotI, DNotI-Report 2004, 197; Damrau, Die Bedeutung des Nichtehelichen-Erbrechts für den Unternehmer, BB 1970, 467 ff.; Damrau, Der Erbverzicht als Mittel zweckmäßiger Vorsorge für den Todesfall, 1966 (Nachdruck 1995); Damrau, Nochmals: Bedarf der dem Erbverzicht zugrunde liegende Verpflichtungsvertrag notarieller Beurkundung?, NJW 1984, 1163 ff.; Daragan, Anm. zu BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, DB 2001, 848; Dieckmann, Pflichtteilsverzicht und nachehelicher Unterhalt, FamRZ 1992, 633 ff.; Ebenroth/Fuhrmann, Konkurrenzen zwischen Vermächtnisund Pflichtteilsansprüchen bei erbvertraglicher Unternehmensnachfolge, BB 1989, 2049 ff.; Edenfeld, Anm. zu BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, ZEV 1997, 70 ff.; Edenfeld, Die Stellung weichender Erben beim Erbverzicht, ZEV 1997, 134 ff.; Fette, Die Zulässigkeit eines gegenständlich begrenzten Pflichtteilsverzichts, NJW 1970, 743 ff.; Geck, Anm. zu BFH v. 20.10.1999 – X R 132/95, ZEV 2000, 123 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl. 1994; Grziwotz, Gleichstellung der Lebenspartnerschaft nach dem Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts – Beratungs- und Gestaltungsprobleme, DNotZ 2005, 13 ff.; Grziwotz, Pflichtteilsverzicht und nachehelicher Unterhalt, FamRZ 1991, 1258 ff.; Habermann, Stillschweigender Erb- und Pflichtteilsverzicht im notariellen gemeinschaftlichen Testament, JuS 1979, 169 ff.; Haegele, Rechtsfragen zum Erbverzicht, BWNotZ 1971, 36 ff.; Hahn, Die Auswirkungen des Betreuungsrechts auf das Erbrecht, FamRZ 1991, 27 ff.; Harrer, Zur Lehre vom Erbverzicht, ZBlFG 15 (1915), 1 ff.; Hohloch, Anm. zu LG Bonn v. 3.9.1998 – 2 O 229/98, JuS 2000, 88; Holthaus, Leistungsstörungen beim entgeltlichen Erbverzicht, Diss. Münster 1992; Hülsmeier, Die Abwertung der Rechtsstellung des Vertragserben, NJW 1981, 2043 ff.; Jackschath, Der Zuwendungsverzichtsvertrag, MittRhNotK 1977, 117 ff.; Kanzleiter, „Umverteilung“ des Nachlasses mit Zustimmung des Vertragserben und Eintritt der Ersatzerbfolge, ZEV 1997, 261 ff.; Kapfer, Gerichtliche Inhaltskontrolle von Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträgen? – zugleich Anmerkung zum Urteil des OLG München vom 25.1.2006, 15 U 4751/04, MittBayNot 2006, 385 ff.; Keim, Der stillschweigende Erbverzicht: sachgerechte Auslegung oder unzulässige Unterstellung?, ZEV 2001, 1 ff.; Keim, Die Reform des Erb- und Verjährungsrechts und ihre Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis, ZEV 2008, 161 ff.; Keller, Die Form des Erbverzichts, ZEV 2005, 229 ff.; Korintenberg u.a., Kostenordnung, 15. Aufl. 2002; Kuchinke, Anm. zu BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, JZ 1998, 143 f.; Kuchinke, Bedarf der dem Erbverzicht zugrunde liegende Verpflichtungsvertrag notarieller Beurkundung?, NJW 1983, 2358 ff.; Kuchinke, Der Erbverzicht zugunsten eines Dritten, Festschrift für Winfried Kralik zum 65. Geburtstag: Verfahrensrecht – Privatrecht, Hrsg.: Rechberger/Wel-
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B XV
ser, 1986, 451 ff.; Kuchinke, Zur Aufhebung eines Erbverzichts mit Drittwirkung, ZEV 2000, 169 ff.; Kuchinke, Unterhalt und Erb- oder Pflichtteilsverzicht, FPR 2006, 125 ff.; Lange, Der entgeltliche Erbverzicht, Festschrift zum 75. Geburtstag von Hermann Nottarp, Hrsg.: Mikat, 1961, 119 ff.; Larenz, Der Erbverzicht als abstraktes Rechtsgeschäft, JherJB 81 (1931), 1 ff.; v. Lübtow, Anm. zu BGH v. 15.12.1956 – IV ZR 101/56, JR 1957, 340 ff.; Martin, Rechnerische Formeln aus dem Pflichtteilsrecht, ZBlFG 1914, 789 ff.; Mayer, Anm. zu OLG Celle v. 15.1.1998 – 22 W 115/97, ZEV 1998, 433 f.; Mayer, Der beschränkte Pflichtteilsverzicht, ZEV 2000, 263 ff.; Mayer, Nachträgliche Änderung von Anrechnungs- und Ausgleichungsbestimmungen, ZEV 1996, 441 ff.; Mayer, Zweckloser Zuwendungsverzicht?, ZEV 1996, 127 ff.; Mayer, Brennpunkte der vorweggenommenen Erbfolge: Unkalkulierbarer Elternunterhalt – Gefahren, Grenzen, Gestaltungsspielräume, ZEV 2007, 145 ff.; Mayer, Unliebsame Folgen des Pflichtteilsverzichts, ZEV 2007, 556 ff.; Münch, Infiziert der Ehevertrag erbrechtliche Verzichte oder Verfügungen?, ZEV 2008, 571 ff.; Muscheler, Anm. zu BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, JZ 1997, 853 ff.; Muscheler, Aufhebung des Erbverzichts nach dem Tod des Verzichtenden, ZEV 1999, 49 ff.; Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, 2002; Muscheler, Die geplanten Änderungen im Erbrecht, Verjährungsrecht und Nachlassverfahrensrecht, ZEV 2008, 105 ff.; Muscheler, Inhaltskontrolle bei Erbverzichtsund Pflichtteilsverzichtsverträgen, Festschrift für Sebastian Spiegelberger zum 70. Geburtstag, Hrsg.: Wachter, 2009, 1079 ff.; Pentz, Auswirkungen des „entgeltlichen“ Erbverzichts eines Ankömmlings auf Pflichtteilsansprüche anderer, NJW 1999, 1835 ff.; Planck, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch nebst Einführungsgesetz, 4. Aufl. 1930; Reimann, Zur Kongruenz von ehevertraglicher Regelung und erbrechtlicher Gestaltung, Festschrift für Helmut Schippel zum 65. Geburtstag, Hrsg.: Bundesnotarkammer, 1996, 301 ff.; Reul, Erbverzicht, Pflichtteilsverzicht, Zuwendungsverzicht, MittRhNotK 1997, 373 ff.; Rheinbay, Anm. zu OLG Hamm v. 18.5.1999 – 10 U 65/98, ZEV 2000, 278 f.; Rheinbay, Erbverzicht – Abfindung – Pflichtteilsergänzung, 1983; Schindler, Pflichtteilsverzicht und Pflichtteilsverzichtsaufhebungsvertrag – oder: die enttäuschten Schlusserben, DNotZ 2004, 824 ff.; Schopp, Der „gegenständliche“ Pflichtteilsverzicht, RPfleger 1984, 175 ff.; Schotten, Anm. zu OLG Frankfurt a.M.v. 6.3.1997 – 20 W 574/95, Rpfleger 1998, 113 ff.; Schotten, Die Erstreckung der Wirkung eines Zuwendungsverzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, ZEV 1997, 1 ff.; Schramm, Möglichkeiten zur Einwirkung auf das Pflichtteilsrecht, BWNotZ 1959, 227 ff.; Skibbe, Anm. zu BGH v. 4.11.1998 – IV ZR 327/97, ZEV 1999, 106; Speckmann, Der Erbverzicht als „Gegenleistung“ in Abfindungsverträgen, NJW 1970, 117 ff.; Spiegelberger, Vermögensnachfolge, 1994; Strohal, Das deutsche Erbrecht, 3. Aufl. 1903; Stürzebecher, Zur Anwendbarkeit der §§ 320 ff. BGB auf den entgeltlichen Erbvertrag, NJW 1988, 2717 ff.; Sudhoff, Unternehmensnachfolge, 4. Aufl. 2000; Tanck, Umfasst der Verzicht auf einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auch die Einrede nach § 2328 BGB?, ZErb 2001, 194 ff.; Theiss/Boger, Möglichkeiten der Vorbeugung gegen Ansprüche aus §§ 2325, 2329 BGB wegen Abfindungen für Erb- bzw. Pflichtteilsverzichte, ZEV 2006, 143 ff.; Thode, Anm. zu BGH v. 23.11.1994 – IV ZR 238/93, ZEV 1995, 143 f.; Wachter, Inhaltskontrolle von Pflichtteilsverzichtsverträgen?, ZErb 2004, 238 ff., 306 ff.; Weidlich, Gestaltungsalternativen zum zwecklosen Zuwendungsverzicht, ZEV 2007, 463 ff.; Weirich, Der gegenständlich begrenzte Pflichtteilsverzicht, DNotZ 1986, 5 ff.; Wendt, Unverzichtbares bei erbrechtlichen Verzichten, ZNotP 2006, 2 ff.; Westermann, Störungen bei vorweggenommener Erbfolge, Festschrift für Alfred Kellermann zum 70. Geburtstag, 1991, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Sonderheft 10, 505 ff.; Wohlschlegel, Anm. zu BFH v. 26.6.1996 – VIII R 67/95, ZEV 1997, 86 f.; Zellmann, Dogmatik und Systematik des Erbverzichts und seiner Aufhebung im Rahmen der Lehre von den Verfügungen von Todes wegen, Diss. Bochum 1990.
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B XV Rz. I. Überblick 1. Begriff, Rechtsnatur und praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeines zu den drei Arten des Erbverzichts . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkungsmöglichkeiten beim Erbverzicht i.w.S. . . . . . . . . a) Gegenständliche Begrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkungen und Beschwerungen . . . . . . . . . . . . . . c) Befristungen und Bedingungen, insbesondere der Verzicht zugunsten Dritter . . . . . 4. Allgemeine Vorteile des Erbverzichts i.w.S. für den Erblasser . . 5. Anwendbare Vorschriften. . . . . . II. Der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht (§ 2346 Abs. 1 BGB) 1. Allgemeines a) Vertragspartner des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegenstand des Erbverzichts i.e.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Verzicht zugunsten eines anderen, insbesondere beim Verzicht eines Abkömmlings 2. Wirkungen a) Allgemeine Wirkungen aa) Wegfall des Verzichtenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erstreckung des Verzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden . cc) Auswirkungen auf das gesetzliche Erbrecht Dritter dd) Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht Dritter . (1) Einschränkung der Pflichtteilsberechtigung Dritter gem. § 2309 BGB . (2) Einschränkung des Pflichtteilsrechts Dritter gegenüber dem Verzichtenden bei gewährter Abfindung. . . . . . . . . . . . . . . . ee) Wegfall des Dreißigsten . ff) Bedeutung und Folgen für den Erblasser . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten beim Erbverzicht des Ehegatten aa) Allgemeine Wirkung . . . .
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1 6 10 11 12
13 15 18
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27 28 30
32
38 41 42
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Rz. bb) Güterrechtliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auswirkungen auf den nachehelichen Unterhaltsanspruch . . . . . . . . . 3. Zweckmäßigkeit a) Der Verzicht eines NichtPflichtteilsberechtigten . . . . b) Der Verzicht eines Pflichtteilsberechtigten . . . . . . . . . .
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50
53 58
III. Der isolierte Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . .
62 65 71
IV. Der Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . .
78 90 92
V. 1. 2. 3.
Kosten- und Gebührenfragen Notarkosten . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . 102 Kostenübersicht über die neben dem Erbverzicht bestehenden Möglichkeiten zur Beseitigung einer Erbaussicht . . . . . . . . . . . . 103
VI. Steuerliche Behandlung des Erbverzichts. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . 2. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . 3. Grunderwerbsteuer . . . . . . . . . . VII. Das Kausalgeschäft zum Erbverzicht 1. Notwendigkeit und Inhalt eines Verpflichtungsgeschäfts (i.d.R. Abfindungsvertrag) . . . . . 2. Wirksamkeit des Kausalgeschäfts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschränkungen in der Geschäftsfähigkeit . . . . . . . . . . . b) Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) . . . . c) Sittenwidrigkeit und Wucher (§ 138 Abs. 1 und 2 BGB). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Formverstoß (§ 125 BGB) . . . e) Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104 105 111 115
116 122 123 125
126 127 129
Erbverzicht
Rz. 2 B XV Rz.
f) Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) . . . . . . . . . . . 3. Folgen eines unwirksamen oder fehlenden Kausalgeschäfts . . . . . 4. Rücktritt vom Kausalgeschäft . . 5. Leistungsstörungen beim Kausalgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
131 132 137 139
VIII. Verknüpfung des Kausalgeschäfts mit dem Erbverzicht i.w.S. IX. Der Abschluss des Erbverzichtsvertrages i.w.S. 1. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Probleme bei Anbahnung und Abschluss des Erbverzichtsvertrages i.w.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Familien- bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigung . . c) Sonstige Zustimmungserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Abschluss eines Erbverzichtsvertrages im Zusammenhang mit anderen Verträgen (v.a. Übergabeverträgen) . . . . . . . . . . .
144
147 148 150 153 155
Rz. 4. Formerfordernisse, insbesondere stillschweigender Erbverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 X. Vorbereitung und Gestaltung von Erbverzichtsverträgen (Checkliste und Formulierungsvorschläge) 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der isolierte Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Zuwendungsverzicht . . . . . XI. Beseitigung der Wirkungen des Erbverzichts. . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufhebungsvertrag (§ 2351 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rücktritt und Widerruf . . . . . . . 3. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sittenwidrigkeit des Erbverzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
168 172 174 175 176 177 183 184 191 192
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I. Überblick 1. Begriff, Rechtsnatur und praktische Bedeutung1 Das Rechtsinstitut des Erbverzichts regelt das BGB unter dem Titel „Erbverzicht“ im siebenten Abschnitt seines fünften Buches. Verwendet wird die Titelbezeichnung als Oberbegriff für verschiedene Formen des Verzichts, nämlich den Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht (Erbverzicht i.e.S., § 2346 Abs. 1 BGB), den (isolierten) Verzicht auf das Pflichtteilsrecht (Pflichtteilsverzicht, § 2346 Abs. 2 BGB) sowie den Verzicht auf testamentarische und erbvertragliche Zuwendungen (Zuwendungsverzicht, § 2352 BGB).
1
Im so verstandenen (weiteren) Sinne ist der Erbverzicht ein Vertrag zwischen dem Erblasser und einem künftigen gesetzlichen oder durch Verfügung von Todes wegen berufenen Erben, einem Pflichtteilsberechtigten oder Vermächtnisnehmer, durch den der Anfall des Erbrechts, die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs oder des Vermächtnisanspruchs ganz oder teilweise aus-
2
1 Frau RA Dr. Anke Bloch LL.M., Frau Assessorin Dr. Eva-Maria Beckmann sowie Herrn Rechtsreferendar Martin Metzler gebührt mein herzlicher Dank für ihre wertvolle Mitarbeit an diesem Kapitel.
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B XV Rz. 3
Erbverzicht
geschlossen wird1. Dieser Ausschluss wird unmittelbar („dinglich“) durch den Erbverzichtsvertrag bewirkt, da dieser die – bis zum Erbfall regelmäßig unsichere – Aussicht des Verzichtenden, Erbe, Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer des Erblassers zu werden, sofort beseitigt und damit verhindert, dass die Aussicht im Erbfall zu einem subjektiven Recht erstarken kann2. Hierin zeigt sich zugleich der verfügende Charakter3 des Erbverzichtsvertrages, der – anders als ein Vertrag bloß schuldrechtlicher Natur wie etwa derjenige des § 311b Abs. 5 BGB – zur Herbeiführung der gewünschten Ausschlusswirkung nach dem Erbfall keine weiteren Vollzugsmaßnahmen erfordert. 3 Der Erbverzicht ist die einzige vom Gesetz zugelassene zeitlich vor dem Erbfall liegende Verfügung des Erbanwärters über seine Rechtsposition4. Indem der Verzichtende – im Einvernehmen mit dem Erblasser – auf seine erbrechtliche Aussicht verzichtet, trifft er – und nicht der Erblasser – eine Verfügung, wenngleich nur in einem negativen Sinne5. Der Erbverzicht ist, weil nicht der Erblasser verfügt, keine Verfügung von Todes wegen, insbesondere kein Erbvertrag, sondern erbrechtliches Verfügungsgeschäft unter Lebenden auf den Todesfall6. 4 Der Erbverzicht zählt zu den abstrakten Rechtsgeschäften7, deren Wirkungen unabhängig von der Wirksamkeit des zugrunde liegenden Kausalgeschäfts eintreten. Aus diesem Grund kann eine etwaige Verpflichtung des Erblassers zur Zahlung einer Abfindung niemals mit dem Erbverzicht selbst in einem synallagmatischen Verhältnis stehen, sondern lediglich mit der Verpflichtung zum Abschluss eines Erbverzichts in der Form eines gegenseitigen Vertrages i.S. der §§ 320 ff. BGB verbunden werden8 (zu den Verknüpfungsmöglichkeiten s. Rz. 141 ff.). 5 Die praktische Bedeutung des Erbverzichts ist groß und in stetigem Wachstum begriffen. Er begegnet heute namentlich in folgenden Konstellationen9: – Vorweggenommene Erbfolge zu Lebzeiten des Erblassers (Übertragung des wichtigsten Vermögensgegenstandes – Hof, Unternehmen etc. – an einen Nachfolger verbunden mit Pflichtteilsverzicht der weichenden Erben gegen Abfindung) – Absicherung eines letztwillig verfügten Übergangs von Unternehmen oder Gesellschaftsanteilen an einen oder mehrere Nachfolger
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MüKo/Strobel, § 2346 Rz. 2. Larenz, JherJB 81 (1931), 1 (5). Lange/Kuchinke, § 7 I 5a (S. 169). BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (325). BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (325). Ganz h.M., z.B. BayObLG v. 10.2.1981 – BReg. 1 Z 125/80, BayObLGZ 1981, 30 (33 f.); Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 1. 7 BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (327). 8 Staudinger/Schotten, Einl zu §§ 2346 ff. Rz. 20. 9 Vgl. etwa Staudinger/Schotten, Einl zu §§ 2346 ff. Rz. 3.
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Erbverzicht
Rz. 8 B XV
– Eingehung einer neuen Ehe („Abschichtung“ der erstehelichen Kinder mittels Abfindung und Verzicht oder umgekehrt Schutz der erstehelichen Kinder durch Verzicht des neuen Ehegatten) – Schutz des überlebenden Ehegatten vor (den Nachlass des Erstverstorbenen betreffenden) Pflichtteilsansprüchen der Schlusserben beim Berliner Testament.
2. Allgemeines zu den drei Arten des Erbverzichts Wie bereits ausgeführt, verwendet das Gesetz den Begriff des Erbverzichts als Oberbegriff für drei Formen des Verzichts, bei denen der Gegenstand des Verzichts jeweils ein anderer ist.
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Nach dem gesetzlichen Regelfall ist Gegenstand des Erbverzichts i.e.S. (§ 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB) das gesetzliche Erbrecht und das Pflichtteilsrecht (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB). Entgegen dem Wortlaut ist es jedoch möglich, allein auf das gesetzliche Erbrecht unter Vorbehalt des Pflichtteils zu verzichten1. Dies mag überraschen, erscheint ein Pflichtteilsrecht ohne zugrunde liegendes gesetzliches Erbrecht doch begrifflich ausgeschlossen2. Man muss sich jedoch vor Augen führen, dass ein auf das gesetzliche Erbrecht beschränkter Verzicht seinem Gegenstand nach genau den Teil betrifft, der dem potenziellen Erben von Seiten des Erblassers einseitig (durch Enterbung) genommen werden könnte. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb insoweit ein Verzicht des Erbanwärters nicht in Betracht kommen sollte. In beiden Fällen bleibt das gesetzliche Erbrecht als „Quelle des Pflichtteilsanspruchs“3 bestehen.
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Was Gegenstand des (isolierten) Verzichts auf das Pflichtteilsrecht (§ 2346 Abs. 2 BGB) ist, lässt sich unmittelbar dem Begriff entnehmen. Der (isolierte) Pflichtteilsverzicht verhindert das Entstehen aller aus dem Pflichtteilsrecht möglicherweise resultierenden Ansprüche, lässt jedoch das gesetzliche Erbrecht unberührt. Es liegt auf der Hand, dass dies gegenüber dem gesetzlichen Regelfall des Verzichts auf das gesetzliche Erbrecht, der neben der Entstehung des Pflichtteilsanspruchs zugleich den (auf gesetzlicher Erbfolge beruhenden) Anfall der Erbschaft verhindert, ein Weniger ist. Dies darf allerdings nicht zu einer falschen Vorstellung über die praktische Relevanz des (isolierten) Pflichtteilsverzichts verleiten. Um allen Missverständnissen vorzubeugen, sei schon hier festgestellt: Der (isolierte) Pflichtteilsverzicht hat von allen Formen des Erbverzichts die größte praktische Bedeutung! Anders als beim (uneingeschränkten) Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht wird bei ihm nämlich insbesondere vermieden, dass sich die Pflichtteilsquoten anderer pflichtteilsberechtigter Personen gem. § 2310 Satz 2 BGB erhöhen (Näheres hierzu Rz. 15, 30 ff.).
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1 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 34 m.w.N. 2 So in der Tat Harrer, ZBlFG 15 (1915), 1 (11). 3 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 35.
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B XV Rz. 9
Erbverzicht
9 Durch den Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) wird die für den Begünstigten in einem Testament oder Erbvertrag vorgesehene Zuwendung (Erbrecht oder Vermächtnis) wirkungslos. Technisch geschieht dies nicht so, dass der Zuwendungsverzicht die Verfügung von Todes wegen aufhebt, sondern so, dass er den Anfall der Zuwendung an den Verzichtenden verhindert (Näheres hierzu Rz. 90).
3. Beschränkungsmöglichkeiten beim Erbverzicht i.w.S. 10 Über die bereits erwähnten Beschränkungsmöglichkeiten des (isolierten) Verzichts auf das Pflichtteilsrecht (§ 2346 Abs. 2 BGB) und des Verzichts auf das gesetzliche Erbrecht unter Vorbehalt des Pflichtteils hinaus kann der Erbverzicht i.w.S. rechtsgeschäftlich auch auf andere Weise beschränkt werden. Diese Beschränkungsmöglichkeiten muss schon ein Überblick über das Thema anführen, da sie in der beratenden Praxis von großer Wichtigkeit sind. a) Gegenständliche Begrenzungen 11 Anders als Annahme und Ausschlagung der Erbschaft – die gem. § 1950 BGB nur im Hinblick auf das Ganze erfolgen und nicht auf einen Teil der Erbschaft beschränkt werden können – sind gegenständliche Begrenzungen des Verzichts bei allen Formen des Erbverzichts möglich und wirksam, weil in den §§ 2346 ff. BGB keine dem § 1950 BGB entsprechende Regelung enthalten ist1. Zu beachten ist jedoch, dass ein Teilverzicht in Ansehung des (gesetzlichen oder gewillkürten) Erbrechts nicht auf bestimmte Nachlassgegenstände bezogen werden darf2, da dies mit dem Grundsatz der Universalsukzession3 nicht in Einklang zu bringen wäre4. Ein Teilverzicht kann sich nur auf einen Bruchteil des Erbrechts richten5. U.U. kann jedoch ein gleichwohl erklärter Verzicht auf bestimmte Nachlassgegenstände in einen Bruchteilsverzicht umgedeutet werden6. Weiter gehende Beschränkungsmöglichkeiten bestehen, wenn vom Verzicht lediglich Geldansprüche – wie der Pflichtteil oder ein Geldvermächtnis – betroffen sind. Diese Geldansprüche unterfallen nicht dem Typenzwang des Erbrechts7, und entsprechende Beschränkungen können daher nicht mit dem Grundsatz der Universalsukzession in Konflikt geraten. b) Beschränkungen und Beschwerungen 12 In einem die Erbenstellung betreffenden Verzichtsvertrag kann auch die Übernahme von Beschränkungen und Beschwerungen geregelt werden8. So kann 1 MüKo/Strobel, § 2346 Rz. 13. 2 Ausnahme: Hoferbrecht nach HöfeO; vgl. OLG Oldenburg v. 14.10.1997 – 5 U 62/97, FamRZ 1998, 645 (646). 3 Eingehend hierzu Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb. 4 MüKo/Strobel, § 2346 Rz. 14. 5 Coing, JZ 1960, 209 (211). 6 KG v. 18.2.1937 – 1. Wx 18/37, JFG 15 (1937), 98 (100). 7 Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 10. 8 Vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 2306 Abs. 1 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts bot sich die Übernahme von Beschränkun-
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Erbverzicht
Rz. 13 B XV
dem Erblasser z.B. das Recht eingeräumt werden, den Erben mit Vermächtnissen und Auflagen zu belasten1, für eine lebzeitige Zuwendung nachträglich eine Ausgleichungspflicht anzuordnen2 (z.B. bei § 2315 BGB) bzw. nicht anzuordnen (z.B. bei § 2050 BGB), einen Testamentsvollstrecker zu ernennen3 (auch nur in Bezug auf den Erbteil des Verzichtenden4), eine Vollerbeinsetzung in eine Vor- oder Nacherbeinsetzung umzuwandeln usw. Zu beachten ist jedoch, dass die Vereinbarung eines solchen teilweisen Erbverzichts nicht zugleich die Anordnung der betreffenden Beschränkungen und Beschwerungen bewirkt. Als abstrakter Verfügungsvertrag rein negativen Inhalts vermag der Teilerbverzicht lediglich die erbrechtliche Stellung des Verzichtenden zu beschränken, nicht aber auch die Beschränkungen und Beschwerungen selber positiv anzuordnen, weil dies dem Typenzwang des Erbrechts widerspräche5. Der Erblasser muss solche Anordnungen vielmehr zusätzlich in einer entsprechenden Verfügung von Todes wegen treffen. c) Befristungen und Bedingungen, insbesondere der Verzicht zugunsten Dritter Der Erbverzicht lässt sich auch bedingt6 oder befristet7 vereinbaren. Die Be- 13 dingung kann sich sowohl aus den Auslegungsregeln des § 2350 Abs. 1 und 2 BGB8 als auch aus der Vereinbarung der Vertragsparteien ergeben. Die Wirksamkeit des Verzichts kann beispielsweise davon abhängig gemacht werden, dass der Verzichtende eine versprochene Abfindung erhält oder das Erbe bzw. ein Vermächtnis beim Erbfall einer ganz bestimmten Person zufällt. Durch die Befristung lässt sich der Erbverzicht zeitlich begrenzen, so dass der Verzichtende erst von einem bestimmten Zeitpunkt an Erbe wird oder seine Er-
1 2 3 4 5 6 7 8
gen und Beschwerungen in einem Verzichtsvertrag insbesondere dann an, wenn es sich bei dem Verzichtenden um einen Pflichtteilsberechtigten handelte. § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F., der bei Zuwendung einer Erbquote von nicht mehr als der Hälfte des gesetzlichen Erbteils bestimmte, dass zulasten eines Pflichtteilsberechtigten angeordnete Beschränkungen und Beschwerungen als nicht angeordnet galten, erfasste nämlich nicht die aufgrund eines Verzichts verfügten Belastungen (vgl. MüKo/ Strobel, § 2346 Rz. 16). Mit der Neuregelung des § 2306 Abs. 1 BGB (vgl. hierzu Bonefeld/Lange/Tanck, ZErb 2007, 292 [293]; Keim, ZEV 2008, 161 [162]; Muscheler, ZEV 2008, 105 [107]) wurde die Unterscheidung nach der Erbquote in § 2306 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB a.F. aufgegeben. Gem. § 2306 Abs. 1 BGB muss der pflichtteilsberechtigte Erbe stets ausschlagen, um den Pflichtteil verlangen zu können. Der automatische Wegfall der Beschränkungen und Beschwerungen nach § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. und damit ein wesentliches Motiv, dem Erblasser in einem Erbverzichtsvertrag das Recht einzuräumen, diese anzuordnen, sind entfallen. BGH v. 7.12.1977 – IV ZR 20/76, NJW 1978, 1159. RG v. 6.5.1909 – Rep. IV. 475/08, RGZ 71, 133 (136). BGH v. 7.12.1977 – IV ZR 20/76, NJW 1978, 1159. Coing, JZ 1960, 209 (211). Jackschath, MittRhNotK 1977, 117 (121). OLG Frankfurt v. 26.10.1951 – 6 W 1/51, DNotZ 1952, 488 (489); BayObLG v. 4.10.1957 – BReg. 1 Z 147/57, BayObLGZ 1957, 292 (294). BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (327). Die gesetzlichen Auslegungsregeln gelten nicht für alle Formen des Verzichts gleichermaßen.
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B XV Rz. 14
Erbverzicht
benstellung verliert. Termin bzw. Bedingung können noch nach dem Erbfall eintreten, weil – anders als bei schwebender Unwirksamkeit eines Erbverzichtsvertrages wegen im Zeitpunkt des Erbfalls noch fehlender familienbzw. betreuungsgerichtlicher Genehmigung1 – keine unklaren erbrechtlichen Verhältnisse entstehen. Bei Termin und Bedingung gelangt man nämlich über §§ 2104, 2105 BGB zur Vor- und Nacherbfolge2: Ist im Zeitpunkt des Erbfalls eine aufschiebende Bedingung oder ein Anfangstermin noch nicht eingetreten, ist der Verzichtende Vorerbe, die durch seinen Wegfall Begünstigten sind Nacherben. Bei einem im Erbfall noch nicht eingetretenen Endtermin oder einer auflösenden Bedingung verhält es sich umgekehrt: Die Begünstigten sind Vorerben, und der Verzichtende ist Nacherbe. Tritt die Bedingung nicht ein – etwa weil eine andere Person Erbe oder Vermächtnisnehmer wird als diejenige, zu deren Gunsten der Verzicht erklärt worden ist –, ist der Erbverzichtsvertrag unwirksam3. Bei Anhaltspunkten für einen entsprechenden Willen der Vertragsparteien eröffnet sich jedoch die Möglichkeit, einen unwirksamen Erbverzicht i.S.d. § 2346 Abs. 1 BGB in einen isolierten Pflichtteilsverzicht gem. § 2346 Abs. 2 BGB umzudeuten4. Die Unwirksamkeit eines zugunsten eines Pflichtteilsberechtigten abgeschlossenen Erbverzichtsvertrags bei Ausfall der Bedingung hat für diesen den unangenehmen Nebeneffekt, dass er nun doch nicht von der Pflichtteilsquotenerhöhung des § 2310 Satz 2 BGB profitiert5. Es ist also nicht möglich, die begünstigende Wirkung des Erbverzichts zumindest für die Pflichtteilsquote des Dritten gem. § 2310 Satz 2 BGB aufrecht zu erhalten6. (Zu den mit Bedingungen u.U. verknüpften Gefahren s. Rz. 155 ff.) 14
Û
Beratungssituation: Der verzichtswillige Mandant möchte wissen, ob er durch einen Verzicht zugunsten eines Dritten bewirken kann, dass sein Erbteil ohne weiteres Zutun des Erblassers automatisch dem Dritten zufällt.
Unterfall eines bedingten Erbverzichts i.w.S. ist der Verzicht zugunsten eines Dritten (s. Rz. 21 ff., 67, 85). Unabhängig davon, ob die Bedingung vertraglich vereinbart oder gesetzlich vermutet wird, bewirkt der bedingte Erbverzicht nicht, dass die dem Verzichtenden verloren gegangene Rechtsstellung automatisch auf den Dritten übergeht7. Als erbrechtlicher Verfügungsvertrag rein negativen Inhalts löst er vielmehr lediglich die negative Wirkung aus, dass 1 2 3 4 5 6
BGH v. 7.12.1977 – IV ZR 20/76, NJW 1978, 1159. Nieder, Rz. 1143. S. statt vieler Staudinger/Schotten, § 2350 Rz. 16 m.w.N. BGH v. 17.10.2007 – IV ZR 266/06, NJW 2008, 298 (299). OLG Düsseldorf v. 25.7.2008 – 7 U 22/06, ZEV 2008, 523 (524). Im konkreten Fall des OLG Düsseldorf (Fn. 5) hat deswegen der zugunsten seines Bruders Verzichtende seinen aus der Unwirksamkeit des Erbverzichts resultierenden Pflichtteilsanspruch gegen den Alleinerben an den Bruder abgetreten. 7 Streitig; wie hier: KG v. 28.5.1925 – 1. ZS X 328/25, OLGE 46, 240; OLG München v. 9.6.1937 – Wx 175/37, JFG 15 (1937), 364 (365); OLG Hamm v. 7.12.1981 – 15 W 171/81, OLGZ 1982, 272 (275); MüKo/Strobel, § 2350 Rz. 9; Staudinger/Schotten, § 2350 Rz. 14; Soergel/Damrau, § 2350 Rz. 3; Nieder, Rz. 1147; Damrau, S. 38 f.; Kuchinke, FS Kralik, S. 451 (464); Lange/Kuchinke, § 7 III 1c (S. 179 f.).
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Erbverzicht
Rz. 15 B XV
der Anfall der Erbschaft verhindert wird, und regelt damit ausschließlich das Verhältnis zwischen Erblasser und Verzichtendem. Die gegenteilige Ansicht1, nach der dem Begünstigten der Erbteil des Verzichtenden unverkürzt zufallen soll, überzeugt nicht. Dem relativen, also auf eine bestimmte Person bezogenen Erbverzicht – über den Fall der Anwachsung hinaus (s. hierzu Rz. 23) – eine übertragende Wirkung zuzuschreiben, widerspricht nicht nur dem Regelungsgehalt der grundsätzlichen Vorschrift des § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern auch der Gesetzessystematik2. Würde dem Begünstigten der volle Erbteil des Verzichtenden anwachsen, wäre er Zuwendungsempfänger aufgrund des Erbverzichtsvertrags, obwohl das Gesetz diesen gerade nicht als Verfügung von Todes wegen ausgestaltet hat. Bei bestehender Testierunfähigkeit könnte der Erblasser durch Abschluss eines Erbverzichtsvertrages – anders als bei Verfügungen von Todes wegen ist hierbei Vertretung möglich (vgl. Rz. 16) – eine Rechtsfolge (Begünstigung des Dritten) bewirken, die ihm nach den speziellen Regelungen des Testamentsrechts verwehrt bleibt. Es geht also nicht an, dem Erbverzicht eine positive Übertragungswirkung zuzuschreiben, zumal Verfügungsgeschäfte zugunsten eines Dritten unzulässig sind3. Mag eine unmittelbare Übertragungswirkung auch der Interessenlage und dem mutmaßlichen Willen der Beteiligten entsprechen, so muss die Entscheidung über die Herbeiführung des Bedingungseintritts letztlich doch dem Erblasser obliegen. Wegen § 2302 BGB kann er nicht gezwungen sein, denjenigen zu begünstigen, zu dessen Gunsten verzichtet wird. Die Begründung einer solchen Bindung ist nur durch erbvertragliche Regelung möglich. Freilich kann im Erbverzichtsvertrag im Einzelfall gleichzeitig eine Erbeinsetzung des Begünstigten enthalten sein. Hierfür bedarf es allerdings nicht nur konkreter Anhaltspunkte im Vertrag selbst4, sondern zusätzlich der Beachtung der für Testament und Erbvertrag geltenden Vorschriften5.
4. Allgemeine Vorteile des Erbverzichts i.w.S. für den Erblasser Von allen Formen des Erbverzichts kommt dem (isolierten) Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) aus zwei Gründen die größte Bedeutung zu: – Für den Erblasser stellt der (isolierte) Pflichtteilsverzicht ein echtes Instrument der Nachfolgeplanung dar, durch den er uneingeschränkte Testierfreiheit erlangen kann. Anders als beim gesetzlichen Erbrecht, von dem durch Verfügung von Todes wegen ausgeschlossen werden kann, vermag der Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten den Anspruch auf den Pflichtteil als Mindestteilhabe am Nachlass nicht einseitig zu entziehen. Erst durch einen (isolierten) Pflichtteilsverzicht gewinnt der Erblasser freie Hand für die von ihm gewünschten Vermögensdispositionen. Dieser Verzicht verschafft 1 KG v. 12.2.1941 – 1 Wx 441/41, DNotZ 1942, 148 (149); AK/Teubner, § 2350 Rz. 9; RGRK/Johannsen, § 2350 Rz. 6; Erman/Schlüter, § 2350 Rz. 2. 2 Damrau, S. 38. 3 So Rspr. u. h.L., vgl. nur Palandt/Heinrichs, Einf v § 328 Rz. 8 f. m.N. 4 Vgl. Soergel/Damrau, § 2350 Rz. 4. 5 OLG Hamm v. 7.12.1981 – 15 W 171/81, OLGZ 1982, 272 (275).
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B XV Rz. 16
Erbverzicht
ihm die Freiheit, sein Vermögen (durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Verfügung von Todes wegen) uneingeschränkt dem von ihm Auserwählten zukommen lassen. Er kann dafür Sorge tragen, dass – über die Möglichkeiten der HöfeO hinaus – landwirtschaftlicher Besitz oder ein Unternehmen in einer Hand bleibt, und dadurch die Gefahr einer etwaigen Vermögenszersplitterung – als Folge einer Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen – vermeiden. Ferner erhält der Erblasser die Gewissheit, dass derjenige, den er enterbt1 und der außerdem auf das Pflichtteilsrecht verzichtet hat, komplett und endgültig aus der Erbfolge ausscheidet. – Sind weitere Pflichtteilsberechtigte vorhanden, verringert sich durch den (isolierten) Pflichtteilsverzicht die Pflichtteilslast des/der Erben2. Dies ergibt sich daraus, dass es beim (isolierten) Pflichtteilsverzicht – anders als bei einem Ausschluss vom Pflichtteilsrecht infolge des Verzichts auf das gesetzliche Erbrecht gem. § 2346 Abs. 1 BGB – nicht zu einer Erhöhung der Pflichtteilsquoten gem. § 2310 Satz 2 BGB kommt, die der Erblasser meist ebenso wenig wie eine gleich bleibende Pflichtteilslast wünscht (Näheres hierzu Rz. 30 f.). 16 Die eigentliche Bedeutung des Erbverzichts i.e. S. liegt darin, dass dieses Institut auch demjenigen Erblasser eine Erbfolgeregelung ermöglicht, der nicht oder nicht mehr in der Lage ist, eine Enterbung oder den Widerruf einer letztwilligen Zuwendung auszusprechen. Zu einer Enterbung ist der Erblasser nicht in der Lage, wenn er testierunfähig, d.h. testiergeschäftsunfähig (§ 2229 Abs. 4 BGB) oder noch nicht 16 Jahre alt (§ 2229 Abs. 1 BGB) ist. Jede Form der Vertretung ist ausgeschlossen, weil das Testament gem. § 2064 BGB nur höchstpersönlich errichtet werden kann. Beim Abschluss eines Erbverzichtsvertrages kann der testierunfähige Erblasser demgegenüber durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden (§ 2347 Abs. 2 Satz 2 BGB), was seine Möglichkeiten, auf die Erbfolgeregelung Einfluss zu nehmen, erweitert. (Zur etwaigen Notwendigkeit einer familien- bzw. betreuungsgerichtlichen Genehmigung Rz. 150 f.) 17 Hauptanwendungsbereiche des Verzichts auf eine Zuwendung sind einmal die nach Errichtung der begünstigenden Verfügung eingetretene Testierunfähigkeit des Erblassers, zum anderen die Gebundenheit des Erblassers an in einem Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen. Darüber hinaus ist der Zuwendungsverzicht zu Lebzeiten des Erbvertragspartners in den Fällen von Bedeutung, in denen dieser zur Aufhebung des Erbvertrages nicht bereit ist und kein Grund zum einseitigen Rücktritt vom Vertrag gem. §§ 2294 f. BGB vorliegt oder der Erblasser nicht riskieren will, dass der Vertragspartner seine eigene Verfügung nicht aufrechterhält (Näheres hierzu Rz. 90 ff.). 1 Die zusätzliche Enterbung ist notwendig, weil der (isolierte) Pflichtteilsverzicht keinen Einfluss auf das gesetzliche Erbrecht hat. 2 Erfolgt der Verzicht von Seiten eines Abkömmlings oder Seitenverwandten des Erblassers, gilt dies freilich nur, wenn die Wirkung des § 2349 BGB (Erstreckung des Verzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden) nicht abbedungen wird.
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Muscheler
Erbverzicht
Rz. 20 B XV
5. Anwendbare Vorschriften Auf den Erbverzicht als verfügenden Vertrag unter Lebenden sind die Vorschriften des Allgemeinen Teils über Rechtsgeschäfte, Willenserklärungen und Verträge anwendbar, soweit sich nicht aus der erbrechtlichen Natur des Erbverzichts und den zwingenden Vorschriften der §§ 2346 bis 2352 BGB etwas Anderes ergibt1. So richtet sich etwa die Auslegung des Verzichtsvertrages nach den §§ 133, 157, 242 BGB, doch sind besondere Auslegungsregeln in § 2350 BGB zu beachten. Willensmängel beurteilen sich nach §§ 116 ff. BGB, so dass ein Motivirrtum i.S. der §§ 2078 Abs. 2, 2281 BGB unbeachtlich ist. Die Frage einer teilweisen Nichtigkeit richtet sich nach § 139 BGB (nicht nach § 2085 BGB).
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II. Der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht (§ 2346 Abs. 1 BGB) 1. Allgemeines a) Vertragspartner des Erblassers Den Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht können Verwandte und der Ehegatte des Erblassers leisten (§ 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob der Verwandte im Erbfall tatsächlich der Nächstberufene zur gesetzlichen Erbfolge wäre, ist unerheblich. Daher können z.B. auch Abkömmlinge von Abkömmlingen des Erblassers zu Lebzeiten ihrer Eltern einen Verzichtsvertrag mit dem Erblasser schließen, obwohl sie im Erbfall gem. § 1924 Abs. 2 BGB von der Erbfolge ausgeschlossen wären. Dies ergibt sich daraus, dass selbst dem Verlobten der Verzicht gestattet ist (vgl. § 2347 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BGB), obgleich vor der Eheschließung noch nicht einmal eine Aussicht auf ein gesetzliches Erbrecht besteht. Entsprechend ist schon vor der Adoption der Erbverzicht sowohl des Adoptierenden als auch des Angenommenen möglich2.
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b) Gegenstand des Erbverzichts i.e.S. Wenn nichts anderes vereinbart ist, umfasst der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht automatisch auch das Pflichtteilsrecht (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB). Er kann aber auch unter Vorbehalt des Pflichtteils vereinbart werden. Sinnvoll ist Letzteres jedoch nur dann, wenn der Erblasser eine zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehörende Person ausschließlich von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen und ihr den Pflichtteil belassen will und er nicht in der Lage ist, diesem Ziel entsprechend zu verfügen, oder wenn er auf diese Weise sein Einvernehmen mit dem von der gesetzlichen Erbfolge Auszuschließenden dokumentieren möchte (vgl. Rz. 57).
1 Staudinger/Schotten, Einl zu §§ 2346 ff. Rz. 21. 2 OLG Hamm v. 17.9.1951 – 7 W 325/51, RPfleger 1952, 89; Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 6.
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B XV Rz. 21
Erbverzicht
c) Der Verzicht zugunsten eines anderen, insbesondere beim Verzicht eines Abkömmlings 21 Beim Verzicht eines Abkömmlings auf sein gesetzliches Erbrecht besteht – sofern der Verzichtsvertrag keine anders lautende Bestimmung enthält – eine gesetzliche Vermutung dafür, dass der Verzicht nur zugunsten der anderen Abkömmlinge und des Ehegatten des Erblassers erfolgt (§ 2350 Abs. 2 BGB). Zweck dieser Regelung ist es, die unbeabsichtigte Begünstigung entfernterer Verwandter des Erblassers zu verhindern1. Ein Erbverzichtsvertrag, bei dem die gesetzliche Vermutung des § 2350 Abs. 2 BGB eingreift, steht unter der auflösenden Bedingung, dass zumindest einer der Abkömmlinge des Erblassers oder dessen Ehegatte Erbe wird. Tritt diese Bedingung nicht ein, ist der Erbverzicht unwirksam, sofern nicht ein entgegenstehender Wille der Vertragschließenden anzunehmen ist. 22 Vorstehendes gilt allgemein, wenn der Verzicht „zugunsten eines anderen“ erfolgt (§ 2350 Abs. 1 BGB). Auch hier steht der Verzicht unter der auflösenden Bedingung, dass der andere tatsächlich Erbe wird. 23
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Beratungssituation: Der Mandant möchte wissen, was geschieht, wenn derjenige, zu dessen Gunsten der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht erfolgt ist, nur teilweise von seinem Verzicht profitiert.
Tritt die Bedingung nur teilweise ein, so soll der Erbverzicht – sofern man ihm wie nach der hier vertretenen Auffassung keine unmittelbare Übertragungswirkung zuschreibt (s. Rz. 14) – teils wirksam und teils unwirksam sein2. In einer Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahre 1925 ist § 2350 Abs. 1 BGB, nach dem im Zweifel anzunehmen ist, der Verzicht solle „nur für den Fall“ gelten, dass der Begünstigte Erbe wird, dahin ausgelegt worden, dass er dem Verzicht nur „insoweit“ die Wirkung entziehen wolle, als er – bei Anwendung des § 2346 BGB – nicht zum Vorteil desjenigen gereiche, dem er nutzen soll3. Das hat zur Folge, dass der zu begünstigende Dritte den Anteil des Verzichtenden zur Quote erhält, auch wenn der Verzicht unter der Bedingung erklärt ist, dass der Anteil des Verzichtenden dem zu begünstigenden Dritten in vollem Umfang zugute kommt. Insoweit bleibt der Erbverzicht also wirksam, obgleich die Bedingung nicht voll eingetreten ist. Der übrige Anteil verbleibt dem Verzichtenden. Beispiel 1:4 Die Eheleute M und F schließen mit ihren Kindern einen Vertrag, in dem diese auf jedes Erbrecht am Nachlass des zuerst versterbenden Elternteils verzichten. Eine Verfügung von Todes wegen errichten M und F nicht. Nach dem Tod der F, die noch Geschwister hat, beantragt M beim Nachlassgericht einen Erbschein über sein alleiniges Erbrecht. Der Verzicht der Kinder schließt gem. 1 Jackschath, MittRhNotK 1977, 117 (118 f.). 2 KG v. 28.5.1925 – 1. ZS X 328/25, OLGE 46, 240 (241); OLG München v. 9.6.1937 – Wx. 175/37, JFG 15 (1937), 364 (366). 3 KG v. 28.5.1925 – 1. ZS X 328/25, OLGE 46, 240 (241). 4 Beispiel aus OLG München v. 9.6.1937 – Wx 175/37, JFG 15 (1937), 364 f.
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Erbverzicht
Rz. 24 B XV
§ 2349 BGB zwar (grundsätzlich) auch deren Abkömmlinge ein, wirkt aber nicht zulasten der Erbberechtigten einer höheren Ordnung. Bei gesetzlicher Erbfolge und der Annahme eines Vollverzichts der Kinder wären daher die Geschwister der F neben M getreten. Nach Ansicht des OLG München ergab sich jedoch – selbst ohne Zuhilfenahme der Auslegungsregel des § 2350 Abs. 2 BGB – unter anderem aus dem Zweck des Vertrages, dass der Verzicht nur dem überlebenden Ehegatten, nicht aber den gesetzlichen Erben zweiter Ordnung zugute kommen sollte. Demnach hat das Gericht ausgeführt, der Verzicht der Kinder sei gem. § 2350 Abs. 1 BGB insoweit unwirksam, als er den Anfall der Erbschaft an die Geschwister der F zur Folge hätte. Insoweit blieben also die Kinder neben M erbberechtigt. Beispiel 2:1 Der Erblasser E hat drei Kinder (K1, K2, K3). E und K1 schließen einen Erbverzichtsvertrag i.e.S. zugunsten des K2. E verstirbt, ohne eine Verfügung von Todes wegen errichtet zu haben, durch die der begünstigte K2 zu 2/3 Anteil zum Erben berufen wird. Bei gesetzlicher Erbfolge und Nichtvorhandensein eines Erbverzichts wäre jedes der Kinder zu 1/3 zur Erbschaft berufen. Da dem relativen Erbverzicht nach zutreffender Auffassung keine unmittelbar übertragende Wirkung zukommt (s. Rz. 14), hätte die gesetzliche Erbfolge ohne Berücksichtigung des verzichtenden K1 zu einer Erbquote von je ½ für K2 und K3 geführt. Die im Verzicht des K1 enthaltene Bedingung, dass K2 den Anteil des K1 erhält, wäre damit nur zur Hälfte eingetreten. Aus diesem Grund ist der Erbverzicht des K1 lediglich zur Hälfte wirksam, zur anderen Hälfte aber unwirksam. Der Anteil, auf den K1 verzichtet hat, fällt K2 daher nur zur Hälfte zu, die andere Hälfte bleibt K1 erhalten. Folglich ist K1 zu 1/6, K2 zu ½ und K3 zu 1/3 als Erbe berufen. Wer dem Erbverzicht dagegen eine Übertragungswirkung zubilligt, kommt zu dem Ergebnis, dass die Erbschaft zu 2/3 K2 und zu 1/3 K3 zufällt.
2. Wirkungen a) Allgemeine Wirkungen aa) Wegfall des Verzichtenden Gem. § 2346 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. BGB ist der auf das gesetzliche Erbrecht Verzichtende von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr gelebt hätte. Für die Beurteilung der gesetzlichen Erbfolge gilt der Verzichtende also als vor dem Erbfall verstorben, was zu einer unmittelbaren Änderung der Erbfolge führt. Im Hinblick auf die gesetzliche Erbfolge wirkt sich der Verzicht damit genauso aus wie eine Enterbung (§ 1938 BGB), eine Ausschlagung (§ 1953 BGB) oder eine Erbunwürdigkeitserklärung (§ 2344 BGB). Der Anspruch auf den Pflichtteil bleibt bei der Enterbung jedoch unberührt, wohingegen der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht regelmäßig den Verzicht auf den Pflichtteil beinhaltet (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB). 1 Beispiel von Soergel/Damrau, § 2350 Rz. 3.
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B XV Rz. 25
Erbverzicht
25 Zu beachten ist, dass sich der Wegfall des Verzichtenden immer nur auf den Erbfall derjenigen Person bezieht, mit der der Verzichtende den Verzichtsvertrag abgeschlossen hat. Ein allgemeiner Verzichtsvertrag, der den Verzichtenden in allen Erbfällen, die einen Bezug zu dem Vertragspartner aufweisen (etwa § 1925 Abs. 1 und 3 oder § 1926 Abs. 1, 3 und 4 BGB), ausschließt, ist nicht möglich. Beispiel:1 V schließt mit seinen Kindern aus erster Ehe einen Erbverzichtsvertrag und wird nach seinem Tod von seiner zweiten Ehefrau und seinem Sohn S aus zweiter Ehe beerbt. Kurz darauf verstirbt S. Der zwischen V und seinen Kindern aus erster Ehe geschlossene Erbverzichtsvertrag vermag nicht zu verhindern, dass ein Teil des väterlichen Vermögens den Kindern aus erster Ehe – im Erbgang nach S gem. § 1925 Abs. 1 BGB – zufällt. 26
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Beachte: Da der uneingeschränkte Erbverzicht sowohl die Erbenstellung wie auch die Pflichtteilsberechtigung beseitigt, schließt er auch Abfindungs- und Nachabfindungsansprüche nach §§ 12, 13 HöfeO aus2.
bb) Erstreckung des Verzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden 27 Leistet ein Abkömmling oder Seitenverwandter des Erblassers einen Erbverzicht, erstreckt sich dieser – sofern der Verzichtsvertrag keine anders lautende Regelung enthält – von Gesetzes wegen auf die Abkömmlinge des Verzichtenden (§ 2349 BGB). Dies rechtfertigt sich dadurch, dass der Erbverzicht häufig mit einer Abfindung verbunden ist, die letztlich dem Stamm des Verzichtenden zugute kommt3. Freilich tritt die Erstreckungswirkung auch ein, wenn im Einzelfall keine Abfindung gezahlt wurde4. cc) Auswirkungen auf das gesetzliche Erbrecht Dritter 28 Der Wegfall der Verzichtenden wirkt sich regelmäßig auf das gesetzliche Erbrecht Dritter aus. Durch den Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht (einschließlich des Pflichtteilsrechts)5 können sich entweder die Erbquoten derjenigen erhöhen, die neben dem Verzichtenden zu gesetzlichen (Mit-)Erben berufen
1 Beispiel nach OLG Frankfurt v. 27.7.1995 – 20 W 319/95, FamRZ 1995, 1450; ähnlich: BayObLG v. 17.2.2005 – 1 Z BR 115/04, ZErb 2005, 188 (189) = FamRZ 2005, 1781 (1782). 2 BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, BGHZ 134, 152 (154); zustimmend Edenfeld, Anm. zu BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, ZEV 1997, 70 (71). 3 Vgl. nur OLG Stuttgart v. 9.12.1957 – 8 W 329/57, NJW 1958, 347 (348); Soergel/ Damrau, § 2346 Rz. 3. 4 Ganz h.M., vgl. nur Baumgärtel, DNotZ 1959, 63 (64). 5 Nachstehendes gilt nicht, wenn der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht unter Vorbehalt des Pflichtteils erfolgt ist. § 2310 Satz 2 BGB findet keine Anwendung, da die Pflichtteilsquote des Verzichtenden sonst nicht berechenbar wäre. Vgl. Staudinger/ Haas, § 2310 Rz. 17.
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Erbverzicht
Rz. 29 B XV
gewesen wären1, oder es kann ein gesetzliches Erbrecht erst begründet werden. Die erste Möglichkeit tritt regelmäßig ein, wenn der Verzicht durch einen Abkömmling oder Seitenverwandten des Erblassers erfolgt und der Verzichtende selbst Abkömmlinge hat (die gem. § 2349 BGB ebenfalls erfasst sind). Beispiel 1: Erblasser E lebt mit Ehefrau G im Güterstand der Gütertrennung. Aus der Ehe stammen zwei Kinder (K1 und K2). K1 hat selbst zwei Kinder (A1 und A2). Im Erbfall wären G, K1 und K2 zu je 1/3 zur gesetzlichen Erbfolge berufen (§ 1931 Abs. 4 1. Halbs. BGB). Hat K1 jedoch auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet, ohne die Wirkung des § 2349 BGB abzubedingen, erhöhen sich die Erbquoten von G und K2 um jeweils 1/6. Beispiel 2: (wie Beispiel 1, jedoch:) E lebt mit G im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Im Erbfall wären G zu ½ (§§ 1931 Abs. 1 Satz 1, 1371 Abs. 1 BGB) sowie K1 und K2 zu je ¼ zur Erbfolge berufen. Durch den Verzicht des K1 erhöht sich ausschließlich die Erbquote von K2 um das ¼ des K1. Für G bleibt es bei der Quote von ½. Wenn der Verzichtende zugunsten seiner Abkömmlinge die Wirkung des § 2349 BGB vertraglich abbedungen hat, wird das gesetzliche Erbrecht durch den Verzicht erst begründet. Die Abkömmlinge des Verzichtenden treten dann an die Stelle des Verzichtenden und werden die Nächstberufenen zur gesetzlichen Erbfolge. Die Erbquote derjenigen, die ohnehin gesetzliche Erben des Erblassers geworden wären, bleibt gleich. Beispiel 3: K1 hat in den Beispielsfällen 1 und 2 – entgegen der Vermutung des § 2349 BGB – ohne Wirkung für seine Abkömmlinge verzichtet. Aufgrund des Verzichts treten A1 und A2 – die ohne den Verzicht gem. § 1924 Abs. 2 BGB nicht zur Erbfolge berufen gewesen wären – an die Stelle ihres Vaters K1. Im Beispiel 1 erhalten sie jeweils 1/6, im Beispiel 2 jeweils 1/8. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Auslegungsregel des § 2350 Abs. 2 BGB. Der Verzicht eines Abkömmlings des Erblassers soll im Zweifel nur zugunsten der anderen Abkömmlinge und des Ehegatten des Erblassers gelten. Wird durch den Erbverzicht eines Abkömmlings also ein gesetzliches Erbrecht der gesetzlichen Erben zweiter (oder einer noch entfernteren) Ordnung (§§ 1925, 1926, 1928, 1929 BGB) begründet, ist der Erbverzicht bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge im Zweifel unwirksam. Dem Verzichtenden bleibt damit das gesetzliche Erbrecht erhalten2 (vgl. Rz. 21).
1 Eine Ausnahme besteht für den Ehegatten, bei dem eine Erhöhung vom Güterstand abhängig ist, s. nachfolgende Beispiele. 2 Staudinger/Haas, § 2309 Rz. 10.
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B XV Rz. 30
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dd) Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht Dritter 30 Der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht wirkt sich auch aus, wenn es im Erbfall – aufgrund einer anderweitigen Verfügung des Erblassers – nicht zur gesetzlichen Erbfolge kommt. Ist im Erbfall überhaupt noch irgendeine Person pflichtteilsberechtigt, bewirkt ein Erbverzicht i.e.S. die Erhöhung ihrer Pflichtteilsquote. Dies liegt daran, dass derjenige, der durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist, bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils maßgebenden Erbteils nicht mitgezählt wird (§ 2310 Satz 2 BGB). Die Erhöhung der Pflichtteilsquoten soll einen Ausgleich für die bei einem Erbverzicht regelmäßig gezahlte Abfindung bieten, die ja ihrerseits zu einer Schmälerung des Erblasservermögens geführt hat1. Dem Gesetzgeber war – vor allem zum Schutz des Pflichtteilsberechtigten2 – daran gelegen, Streitigkeiten über die Höhe etwaiger Abfindungen zu verhindern3, so dass die Zählregel der Einfachheit halber selbst dann anzuwenden ist, wenn der Verzichtende keine Abfindung erhalten hat4. Vor allem in dem Fall, dass keine Abfindung gezahlt wird, verschafft § 2310 Satz 2 BGB einem Pflichtteilsberechtigten also „unverdiente“ Vorteile. Im Ergebnis erhält er nämlich aus dem ungekürzten Nachlass einen Pflichtteil, der um die Quote des Weggefallenen erhöht ist. 31 Für den Erben, der gem. § 1967 BGB für Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten haftet, spielt daher ein etwaiger Erbverzicht i.e.S. keine Rolle. Die Höhe seiner Pflichtteilslast bleibt – unabhängig davon, wie viele Personen einen Erbverzicht i.e.S. erklärt haben – immer gleich, so lange noch mindestens ein Pflichtteilsanspruch zu erfüllen ist5. Beispiel 4: [wie Beispiel 2 (Rz. 28), jedoch:] E hat A1 testamentarisch zum Alleinerben eingesetzt. Auf den Pflichtteil der G hat der Erbverzicht des K1 keinen Einfluss. Ihr Pflichtteil beträgt – unabhängig vom Verzicht des K1 – 1/8 (beachte § 1371 Abs. 2 BGB). Auf die Pflichtteilsquote von K2 wirkt sich ein Erbverzicht des K1 dagegen aus. Wäre dieser neben K2 pflichtteilsberechtigt, betrüge die Quote der Brüder jeweils 3/16. Durch den Verzicht des K1 erhöht sich die Quote des K2 auf 6/16. Die Pflichtteilslast des Erben A1 ist folglich in beiden Fällen gleich hoch. (1) Einschränkung der Pflichtteilsberechtigung Dritter gem. § 2309 BGB 32 In Ansehung des Pflichtteilsrechts Dritter ist vor allem § 2309 BGB zu beachten, der das Rangverhältnis mehrerer pflichtteilsberechtigter Personen regelt. Nach dieser Vorschrift sind entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erb1 OLG Hamm v. 18.5.1999 – 10 U 65/98, NJW 1999, 3643 (3644) m.w.N. = ZEV 2000, 277 m. Anm. Rheinbay. 2 Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 (2057). 3 Mot. V, S. 404. 4 Prot. V, S. 611 ff. 5 Rheinbay, S. 120.
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Rz. 34 B XV
lassers insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt. Da derjenige den Pflichtteil nicht mehr verlangen kann, der uneingeschränkt auf das gesetzliche Erbrecht verzichtet hat, vermag ein naher Pflichtteilsberechtigter, der einen Erbverzicht i.e.S. geleistet hat, einen entfernter Berechtigten nicht mehr zu verdrängen. Erstreckt sich die Wirkung seines Erbverzichts auch auf seine Abkömmlinge, weil die Wirkung des § 2349 BGB nicht abbedungen wurde, besteht damit nach nahezu einhelliger Auffassung in der Literatur (z.B.) die Möglichkeit, dass die abstrakt zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten zählenden Eltern des Erblassers – als nunmehr Nächstberufene zur gesetzlichen Erbfolge – aktuell pflichtteilsberechtigt werden1 (§ 2303 BGB). Dabei darf allerdings die Auslegungsregel des § 2350 Abs. 2 BGB (s. Rz. 29) nicht eingreifen, denn anderenfalls versperrt der Verzichtende – da ihm sein gesetzliches Erbrecht erhalten bleibt – das Pflichtteilsrecht der entfernteren Verwandten nach §§ 1924, 1930 BGB2. Zu beachten ist, dass die Pflichtteilsberechtigung der nachgerückten entfernteren Verwandten nach dem Wortlaut des § 2309 BGB „insoweit“ nicht besteht, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt. Im Fall des uneingeschränkten Erbverzichts kann die Pflichtteilsberechtigung entfernterer Verwandter damit nur eingeschränkt sein, wenn der Verzichtende „das ihm Hinterlassene“ annimmt. Es stellt sich in einem solchen Fall die Frage, was im Rahmen eines Verzichts „hinterlassen“ ist.
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Die für den Erbverzicht lebzeitig geleistete Abfindung ist – nach zwar strittiger, aber richtiger Auffassung – „hinterlassen“ i.S. des § 2309 BGB3. Unabhängig davon, ob der Erbverzicht ohne oder mit Abfindung erklärt wurde, ist einem Abkömmling ferner jedenfalls dasjenige „hinterlassen“, was ihm – vor Abschluss des Erbverzichtsvertrages – unter Anordnung einer Anrechnungsoder Ausgleichungspflicht zugewendet worden ist. Sowohl ein nachrückender Abkömmling als auch die Eltern des Erblassers haben sich solche lebzeitigen Zuwendungen auf ihre Pflichtteilsberechtigung anrechnen zu lassen4, weil zwischen derartigen Vorausgewährungen und dem späteren Erbfall ein so en-
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1 MüKo/Lange, § 2309 Rz. 8; Lange/Kuchinke, § 37 IV 2a (S. 874); RGRK/Johannsen, § 2309 Rz. 11; Bestelmeyer, FamRZ 1997, 1124 (1128); a.A. Soergel/Dieckmann, § 2309 Rz. 23, der nachstehend Berechtigte schon deshalb nicht für pflichtteilsberechtigt hält, weil der nähere Abkömmling wegen des im uneingeschränkten Erbverzicht enthaltenen Pflichtteilsverzichts einem Pflichtteilsberechtigten gleichstehe, der einen Pflichtteilsanspruch habe, ihn aber nicht geltend mache. 2 Staudinger/Haas, § 2309 Rz. 10. 3 A.A. etwa Strohal, I § 50 III 1 (S. 429 f.), mit der Begründung, ein Abkömmling, der nicht bloß auf das Pflichtteilsrecht, sondern auf das gesetzliche Erbrecht verzichtet habe, komme als ein Abkömmling, der entferntere Verwandte „im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde“, nicht mehr in Betracht. 4 RGRK/Johannsen, § 2315 Rz. 17, 21, 23.
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B XV Rz. 35
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ger Zusammenhang besteht, dass die Vorausgewährungen dem Pflichtteil gleichzustellen sind1. 35 Zuwendungen, die in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Erbverzicht stehen, können die Pflichtteilsberechtigung der nachgerückten Verwandten dagegen grundsätzlich nicht beeinflussen, und zwar unabhängig davon, ob die Zuwendung aus einer Verfügung von Todes wegen herrührt oder als Schenkung unter Lebenden gewährt wird.
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Beratungssituation: Der verheiratete Erblasser hat mit seinem einzigen Kind einen Erbverzichtsvertrag i.e.S. geschlossen. Die Wirkung des § 2349 BGB ist nicht abbedungen worden. Dem Vertrag lässt sich entnehmen, dass der Verzicht – entgegen der Auslegungsregel des § 2350 Abs. 2 BGB – in jedem Fall wirksam sein soll. Der Erblasser möchte wissen, ob die durch den Verzicht seines Abkömmlings ausgelöste Pflichtteilsberechtigung seiner Eltern erhalten bleibt, wenn er seinen Abkömmling – trotz Erbverzichts – zum testamentarischen Erben bestimmt.
Was der Verzichtende aus einer Verfügung von Todes wegen erhält, schränkt die Pflichtteilsberechtigung nachgerückter Personen nur ein, wenn das Zugewendete – nach dem zugrunde liegenden Kausalgeschäft (s. Rz. 116 ff.) – Gegenleistung für den Erbverzicht ist2. Ein als Abfindung ausgesetztes Vermächtnis zugunsten des Verzichtenden führt daher ohne weiteres zu einer eingeschränkten Pflichtteilsberechtigung entfernterer Verwandter. 36 Zuwendungen von Todes wegen schränken die Pflichtteilsberechtigung entfernterer Verwandter dagegen nicht ein, wenn sie nicht Abfindung für den Erbverzicht sind. Dies ergibt sich daraus, dass der Abkömmling, der – ohne entsprechende Gegenleistung – auf das Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet hat, entferntere Verwandte, die er im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hätte, infolge des Verzichts nicht ausschließt3. Soweit in der Kommentarliteratur Kipp/Coing und Dieckmann als Vertreter einer Ansicht4 zitiert werden, nach der sich der entferntere Verwandte alles anrechnen lassen muss, was dem verzichtenden Abkömmling von Todes wegen zugewendet wurde, werden die Ausführungen der Autoren unvollständig wiedergegeben. Kipp/Coing bejahen – im Einklang mit der hier vertretenen Auffassung – eine Anrechnungspflicht zu Recht nur für den Fall, dass die Zuwendung von Todes wegen eine Abfindungsleistung darstellt5. Dieckmann tendiert ebenfalls hierzu, lässt die Frage aber offen6. Nach der hier vertretenen Auffassung hat der Erblasser damit nicht die Möglichkeit, die durch Erbverzicht begründete Anwartschaft der entfernteren pflichtteilsberechtigten Verwandten auf 1 2 3 4
Staudinger/Haas, § 2309 Rz. 23. Kipp/Coing, § 9 I 1d (S. 58); Soergel/Dieckmann, § 2309 Rz. 24. MüKo/Frank (3. Aufl.), § 2309 Rz. 14. Auch Staudinger/Ferid/Cieslar (12. Aufl.), § 2309 Rz. 51 mit nicht nachvollziehbarem Argument. 5 Kipp/Coing, § 9 I 1d (S. 58). 6 Soergel/Dieckmann, § 2309 Rz. 24.
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Erbverzicht
Rz. 37 B XV
den Pflichtteil (ganz oder teilweise) wieder zu entziehen1. Für den obigen Beratungsfall bedeutet dies: Die Bestimmung des Verzichtenden zum testamentarischen Erben vermag die Pflichtteilsberechtigung der entfernteren Verwandten weder auszuschließen noch einzuschränken. Die ein anderes Ergebnis rechtfertigende Annahme, die testamentarische Erbeinsetzung sei Abfindung für den Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht, wäre rein theoretisch. Im Ergebnis stimmt mit den vorstehenden Ausführungen überein eine neuere – in der Literatur heftig kritisierte2 – Entscheidung des OLG Celle3 zu den Auswirkungen eines entgeltlichen Erbverzichts, erklärt durch den bzw. die Erben erster Ordnung, auf den Pflichtteilsanspruch von Erben zweiter Ordnung. Das OLG Celle hat die den pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen für einen Erbverzicht gemachten lebzeitigen Zuwendungen eines Erblassers als das „Hinterlassene“ i.S. des § 2309 BGB angesehen und sie auf den Pflichtteilsanspruch desjenigen angerechnet, dem der Erbverzicht pflichtteilsrechtlich zugute kommt. Beispiel 5:4 Erblasser E lebt mit Ehefrau F, die er testamentarisch zur Alleinerbin eingesetzt hat, im Güterstand der Gütertrennung. Die einzigen Abkömmlinge des E, zwei Töchter aus erster Ehe, haben uneingeschränkt auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet und sich hierfür je 50 000 DM auszahlen sowie je einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück und an Wohnungseigentum übertragen lassen. Nach dem Tod des E verlangt dessen noch lebende Mutter M von F den Pflichtteil. Bei gesetzlicher Erbfolge wären M und F gem. §§ 1931 Abs. 1 Satz 1, 1925 Abs. 3, 1930 BGB zu je ½ als Erben berufen gewesen, da die Abkömmlinge des E infolge ihres Erbverzichts i.e.S. von der Erbfolge ausgeschlossen waren (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. BGB). Weil E die F testamentarisch zu seiner Alleinerbin eingesetzt und damit zugleich die M durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen hat, wäre diese nach § 2303 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich pflichtteilsberechtigt. § 2309 BGB bestimmt jedoch, dass entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers insoweit nicht pflichtteilsberechtigt sind, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt. Das OLG Celle hat die lebzeitige Zuwendung des E an seine Abkömmlinge als „hinterlassen“ i.S. des § 2309 BGB betrachtet und einen Pflichtteilsanspruch der M verneint. Der Zweck des § 2309 BGB liege darin, die Vervielfältigung der Pflichtteilslast zu verhindern und allen Pflichtteilsberechtigten zusammen höchstens die Hälfte dessen zukommen zu lassen, was ihnen bei gesetzlicher Erbfolge zufiele. Müsse sich der nach1 So auch Planck/Greiff, § 2309 Anm. II 1. 2 Mayer, Anm. zu OLG Celle v. 15.1.1998 – 22 W 115/97, ZEV 1998, 433 f.; Pentz, NJW 1999, 1835 ff. 3 OLG Celle v. 15.1.1998 – 22 W 115/97, NJW 1999, 1874 f.; wohl auch Soergel/Dieckmann, § 2309 Rz. 24. 4 Sachverhalt nach OLG Celle v. 15.1.1998 – 22 W 115/97, NJW 1999, 1874.
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B XV Rz. 38
Erbverzicht
rückende Pflichtteilsberechtigte die – an ihm im Rang vorgehende Berechtigte – erfolgten Zuwendungen nicht anrechnen lassen und könne er deshalb seinerseits den vollen Pflichtteil verlangen, wäre aus dem Erblasservermögen zur Abtragung der Pflichtteilslast im Ergebnis mehr aufgebracht als nur die Hälfte dessen, was bei gesetzlicher Erbfolge auf die Pflichtteilsberechtigten zusammen entfiele. Dies sei nicht hinnehmbar, weil es dem Erblasser schließlich auch möglich sei, Pflichtteilsansprüche seiner Eltern dadurch abzuwehren, dass er seinen Abkömmlingen zu Lebzeiten unter Anordnung einer Anrechnungspflicht (§ 2315 Abs. 1 BGB) Zuwendungen macht, die den Wert ihrer Pflichtteilsansprüche erreichen, oder ihnen – falls sie die Zuwendung ablehnen – von Todes wegen nicht mehr als den Pflichtteil überlässt. Es sei nicht einzusehen, weshalb diese Möglichkeit nicht bestehen solle, wenn die lebzeitige Zuwendung statt mit einer Anrechnungsbestimmung mit einem Erbverzicht i.e.S. verknüpft werde. In der Praxis bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung auf die gegen die Entscheidung vorgebrachten entstehungsgeschichtlichen, grammatischen und teleologischen Argumente reagieren wird. Zuwendungen des Erblassers an den Verzichtenden
Reduzierung des Pflichtteils nach § 2309 BGB
Zuwendung durch Verfügung von Todes wegen, die als Gegenleistung für den Erbverzicht zu verstehen ist Zuwendung durch Verfügung von Todes wegen ohne sachlichen Zusammenhang zum Erbverzicht Zuwendung unter Lebenden, als Abfindung für den Erbverzicht
ja nein (s. Beispiel Beratungssituation Rz. 35) ja (ebenso OLG Celle)
Zuwendung unter Lebenden vor dem Erbverzicht, unter Anordnung einer Anrechnungspflicht für den Pflichtteil
ja
Zuwendung unter Lebenden, die weder Entgelt für den Erbverzicht noch mit einer Anrechnungsanordnung nach § 2315 BGB verbunden ist
nein
Û
Beachte: Mangels höchstrichterlicher Rechtsprechung sollte man nicht darauf vertrauen, dass lebzeitige Zuwendungen, die der Erblasser dem Abkömmling für dessen Erbverzicht macht, als „hinterlassen“ i.S. des § 2309 BGB angesehen werden und die Pflichtteilsberechtigung entfernterer Verwandter insoweit eingeschränkt wird.
(2) Einschränkung des Pflichtteilsrechts Dritter gegenüber dem Verzichtenden bei gewährter Abfindung 38 Wie unter Rz. 30 ausgeführt, hat der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht – im Gegensatz zum isolierten Pflichtteilsverzicht – gem. § 2310 Satz 2 BGB die Erhöhung der Pflichtteilsquote noch vorhandener Pflichtteilsberechtigter zur Folge. In den Fällen, in denen der Nachlass zur Befriedigung der (erhöhten) 952
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Erbverzicht
Rz. 39 B XV
Pflichtteilsansprüche nicht ausreicht, stellt sich die Frage, ob gegen den weichenden Erben, dem für einen Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht eine Abfindung gewährt worden ist, nach §§ 2325, 2329 BGB Pflichtteilsergänzungsansprüche nach der gem. § 2310 Satz 2 BGB erhöhten Pflichtteilsquote in Betracht kommen. Beispiel 6:1 Der Erblasser E hat zwei Söhne, A und B. Zur Vorwegnahme der Erbfolge überträgt er ein Hausgrundstück im Wert von 310 000 DM an B, der im Gegenzug auf alle ihm gesetzlich zustehenden Erb- und Pflichtteilsansprüche verzichtet. E wird allein von A beerbt. Im Nachlass befinden sich noch 45 000 DM. Außerdem hat A von E lebzeitige Zuwendungen in Höhe von 45 000 DM erhalten. Kann A von B Ergänzung seines Pflichtteils gem. § 2329 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen? Maßgeblich hierfür ist zunächst, ob die Abfindung für einen Erbverzicht überhaupt als „Schenkung“ i.S. der §§ 2325, 2329 BGB qualifiziert werden kann. Entgegen gewichtigen Stimmen in der Literatur wird die Frage von der Rechtsprechung bejaht (s. hierzu Rz. 119), die damit eine ungerechtfertigte Verkürzung der Ansprüche Pflichtteilsberechtigter – im Sinne der Ratio des § 2325 BGB und entsprechend dem Zweck der Abfindung als Vorwegnahme der Erbfolge – vermeiden will. Am deutlichsten lässt sich diese Verkürzungsgefahr am isolierten Pflichtteilsverzicht aufzeigen. Kämen Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die für einen isolierten Pflichtteilsverzicht Abgefundenen mangels Schenkungscharakters der Abfindung nicht in Betracht, wäre es ein Leichtes, einen Pflichtteilsberechtigten zu übervorteilen, der nach dem Willen des Erblassers enterbt werden soll. Der Nachlass könnte durch entgeltliche Pflichtteilsverzichte anderer Pflichtteilsberechtigter geschmälert werden, die den Erblasser (kraft Gesetzes oder Verfügung von Todes wegen) beerben sollen. Dem Pflichtteilsberechtigten wäre nicht nur der Genuss der pauschalen Erhöhung seiner Pflichtteilsquote gem. § 2310 Satz 2 BGB verwehrt, sondern er würde vollkommen leer ausgehen, wenn der Nachlass durch die lebzeitig gezahlten Abfindungen ausgehöhlt wäre. Nur wenn man die Abfindung als Schenkung qualifiziert – oder zumindest hinsichtlich des Abfindungsbetrages, der den Wert des Verzichts übersteigt, von einer (gemischten) Schenkung ausgeht2 –, lassen sich derart unbillige Ergebnisse vermeiden. Wie gezeigt ist es geboten, die Abfindung für einen (isolierten) Pflichtteilsverzicht als Schenkung i.S. der §§ 2325, 2329 BGB zu qualifizieren. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Erblasser gerade in diesem Fall, der lediglich den Verzicht auf den an sich unentziehbaren Pflichtteil betrifft, die Erweiterung seiner Testierfreiheit „erkauft“3. Denn nach dem Willen der Parteien ist die Abfindung dazu bestimmt, den Pflichtteil abzugelten, was bei 1 Beispiel nach OLG Hamm v. 18.5.1999 – 10 U 65/98, NJW 1999, 3643 f. = ZEV 2000, 277 f. m. Anm. Rheinbay (unter Übernahme der Darstellung von Rheinbay leicht abgewandelt und vereinfacht). 2 Rheinbay, S. 73 ff., 183. 3 So aber Theiss/Boger, ZEV 2006, 143 (144).
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B XV Rz. 40
Erbverzicht
wirtschaftlicher Betrachtung auch durch Zuwendungen unter Anordnung einer Anrechnungspflicht zu erreichen wäre1. Die rechtliche Qualifizierung der Abfindung als Schenkung kann nun aber beim Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht nicht anders ausfallen. Bei diesem besteht jedoch die Gefahr, dass § 2310 Satz 2 BGB – der die Benachteiligung des Pflichtteilsberechtigten verhindern will (s. Rz. 30) – kombiniert mit der Pflichtteilsergänzung zu einer Bevorzugung des Pflichtteilsberechtigten führt. Es käme nicht nur zur Erhöhung der Pflichtteilsquote (§ 2310 Satz 2 BGB), sondern auch zu einer Hinzurechnung des Wertes des verschenkten Gegenstandes (Abfindung) zum Nachlass (§ 2325 Abs. 1 BGB). Damit stünde das widersinnige Ergebnis im Raum, dass dieselbe Abfindung zweimal in Ansatz zu bringen wäre2. 40 Das OLG Hamm hat – in dem unter Rz. 38 geschilderten Beispiel 6 – „jedenfalls im Zweipersonenverhältnis“ eine Verdoppelung der Mindestbeteiligung am Nachlass abgelehnt und dementsprechend nur die Hälfte des Grundstückswertes als ausgleichspflichtige Schenkung angesetzt3: Die vom Gesetzgeber in § 2310 Satz 2 BGB vorgesehene Erhöhung der Quote schließe einen Ergänzungsanspruch insoweit aus, als dadurch die Verringerung des Nachlasswerts durch eine Abfindung bereits ausreichend berücksichtigt sei4. Im Beispielsfall erhielt der Pflichtteilsberechtigte A im Wege der Pflichtteilsergänzung von dem Wert des Grundstücks damit nicht mehr als das, was er hiervon ohne den Erbverzicht des B als Pflichtteil erhalten hätte, also ¼. In Ansehung der Abfindung hat das OLG Hamm damit im Ergebnis die rechtspolitisch verfehlte Vorschrift des § 2310 Satz 2 BGB im Zweipersonenverhältnis korrigierend außer Acht gelassen und ihre unterschiedliche Behandlung für einen isolierten Pflichtteilsverzicht einerseits – bei dem der Pflichtteilsberechtigte von der Abfindung niemals mehr als seinen Pflichtteil beanspruchen könnte – und für einen Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht andererseits – bei dem es nach dem Wortlaut des § 2310 Satz 2 BGB stets zu einer Erhöhung der Pflichtteilsquote kommt – beseitigt. Im Hinblick auf den Nachlass und die an A geleistete lebzeitige Zuwendung (zusammen 90 000 DM) verbleibt es dagegen (und muss es verbleiben) bei der durch den Erbverzicht des B bedingten Quotenerhöhung5. Gem. §§ 2326, 2327 BGB hat sich A von den 90 000 DM das anrechnen zu lassen, was seinen erhöhten Pflichtteil von ½ übersteigt, mithin 45 000 DM. Der Anspruch des A beläuft sich damit auf 32 500 DM (77 500 DM–45 000 DM). Auch der BGH6 hat im Hinblick auf die Erhöhung der Pflichtteilsquote nach § 2310 Satz 2 BGB einen Pflichtteilsergänzungsanspruch hinsichtlich der für den Verzicht eines Abkömmlings auf das gesetzliche Erbrecht geleisteten Ab1 2 3 4 5
MüKo/Lange, § 2325 Rz. 14, der für eine Einzelfallbetrachtung eintritt. MüKo/Frank (3. Aufl.), § 2325 Rz. 14; zustimmend Palandt/Edenhofer, § 2325 Rz. 16. OLG Hamm v. 18.5.1999 – 10 U 65/98, NJW 1999, 3643 (3644). OLG Hamm v. 18.5.1999 – 10 U 65/98, NJW 1999, 3643 (3644). Dies verkennt Rheinbay, Anm. zu OLG Hamm v. 18.5.1999 – 10 U 65/98, ZEV 2000, 278. 6 BGH v. 3.12.2008 – IV ZR 58/07, NJW 2009, 1143 (1144 f.) = FamRZ 2009, 418 (420) = ZEV 2009, 77 (77 f.) = ErbR 2009, 124 (124 f.).
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Erbverzicht
Rz. 40 B XV
findung grundsätzlich abgelehnt. Der zu entscheidende Fall bot jedoch keinen Anlass, zu klären, ob mangels Schenkungscharakters der Abfindung § 2325 BGB schon tatbestandlich nicht eingreift oder aber der Kompensationskonstruktion über § 2310 Satz 2 BGB zu folgen ist. Wenngleich der BGH ausdrücklich erwähnt, diese Streitfrage nicht entscheiden zu müssen, hat er doch in der Aufnahme eines Hinweises auf § 2310 Satz 2 BGB in den ersten amtlichen Leitsatz des Beschlusses1 seine Präferenz für die Kompensationslösung zum Ausdruck gebracht. Dieser Ansatz ist auch angesichts des Umstandes, dass der BGH in früheren Entscheidungen die Abfindung als unentgeltlich qualifiziert hat2, naheliegend. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch gem. § 2325 Abs. 1 BGB (ggf.i.V.m. § 2329 Abs. 1 BGB) kommt jedoch in Betracht, soweit die Höhe der Abfindung gleichsam als gemischte Schenkung den sei es entgeltlichen, sei es durch § 2310 Satz 2 BGB kompensierten Teil der ergänzungsanspruchsfreien angemessenen Abfindung übersteigt. Die maßgebliche Grenze, ab der die Abfindung unangemessen ist und Pflichtteilsergänzungsansprüche auslöst, bildet dabei die Erberwartung des Verzichtenden, mithin der Wert des Erbteils, auf den verzichtet wird3. Die Abkehr von der früheren Rechtsprechung, die den Wert eines vom Verzichtenden zu beanspruchenden Pflichtteils als Bezugsgröße wählte4, ist konsequent. Schließlich verzichtet der Vertragspartner beim Erbverzicht primär auf sein gesetzliches Erbrecht. Dass er damit gleichzeitig auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB), ist eine sekundäre Folge des Erbverzichts. Die frühere Rechtsprechung hat den Unterschied zwischen Erb- und isoliertem Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) in dieser Frage nivelliert. Auch der Umstand, dass der potentielle Erbe angesichts der Möglichkeit, jederzeit vom Erblasser enterbt zu werden (§ 1938 BGB), berechtigterweise nur auf seinen Pflichtteilsanspruch vertrauen darf, zwingt nicht zu einer anderen Betrachtung. Denn in dem Zeitpunkt, in dem der Erbverzichtsvertrag geschlossen wird, steht eine endgültige Enterbung des Vertragspartners nicht zwangsläufig fest. Sobald zwischen der Abfindung und der Erberwartung des Verzichtenden ein objektives, über ein geringes Maß deutlich hinausgehendes Missverhältnis besteht, ist zu vermuten, dass die vom Erblasser gewährte Leistung über ein Entgelt oder eine an der Kompensation durch § 2310 Satz 2 BGB orientierte angemessene Abfindung hinausgeht5.
1 Der erste amtliche Leitsatz des Beschlusses des BGH v. 3.12.2008 – IV ZR 58/07, NJW 2009, 1143 = FamRZ 2009, 418 = ZEV 2009, 77 = ErbR 2009, 124 lautet: „Wegen der Abfindung, die der Erblasser für den Verzicht eines Abkömmlings auf das gesetzliche Erbrecht leistet, steht einem weiteren Abkömmling ein Pflichtteilsergänzungsanspruch im Hinblick auf die Erhöhung seiner Pflichtteilsquote nach § 2310 Satz 2 BGB grundsätzlich nicht zu.“. 2 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 150/84, NJW 1986, 127 (129); BGH v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (397 f.) = NJW 1991, 1610 (1611). 3 BGH v. 3.12.2008 – IV ZR 58/07, NJW 2009, 1143 (1145) = FamRZ 2009, 418 (420) = ZEV 2009, 77 (78) = ErbR 2009, 124 (125). 4 So noch BGH v. 8.7.1985 – II ZR 150/84, NJW 1986, 127 (129). 5 BGH v. 3.12.2008 – IV ZR 58/07, NJW 2009, 1143 (1145) = FamRZ 2009, 418 (420) = ZEV 2009, 77 (79) = ErbR 2009, 124 (125).
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B XV Rz. 41
Erbverzicht
ee) Wegfall des Dreißigsten 41 Beim Verzicht eines zur gesetzlichen Erbfolge berufenen Hausangehörigen entfällt der Anspruch auf den Dreißigsten aus § 1969 BGB. ff) Bedeutung und Folgen für den Erblasser 42 Mit dem Erbverzicht i.e.S. kann der endgültige Ausschluss einzelner Personen von der gesetzlichen Erbfolge herbeigeführt und damit gleichzeitig ein etwaiges Pflichtteilsrecht beseitigt werden. Während Letzteres regelmäßig nur durch Verzichtsvertrag möglich ist, kann der Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge auch durch Enterbung erfolgen, wenn der Erblasser testierfähig ist (zu den Kosten Rz. 103). Der Vorteil eines Erbverzichtsvertrages gegenüber einer Enterbung liegt darin, dass der Erbverzicht – da er das Einverständnis des Verzichtenden erfordert – etwaige Streitigkeiten über die Wirksamkeit des Ausschlusses von der Erbfolge weitgehend vermeiden hilft. Noch zu seinen Lebzeiten erlangt der Erblasser damit ein hohes Maß an Gewissheit, dass es nach seinem Tod beim Ausschluss des Verzichtenden und – sofern die Wirkung des § 2349 BGB nicht abbedungen wird – seines Stammes bleibt. 43 Der Erbverzicht i.e.S. führt zur uneingeschränkten Testierfreiheit des Erblassers, wenn nach dem Verzichtenden keine pflichtteilsberechtigten Personen zur gesetzlichen Erbfolge berufen wären. Nur in diesem Falle kann er die Erbschaft ungeschmälert dem in Aussicht genommenen Erben zukommen lassen. Ist beim Erbfall dagegen auch nur ein einziger Pflichtteilsberechtigter vorhanden, hat der Erbverzicht keinen Einfluss auf die Höhe der vom Erben zu entrichtenden Pflichtteilslast1 (s. Rz. 30). 44 Der Erblasser wird durch den Erbverzicht nicht daran gehindert, den Verzichtenden (doch noch) durch Verfügung von Todes wegen zu bedenken2. Einer Aufhebung des Erbverzichts bedarf es hierzu nicht3. Es ist jedoch zu beachten, dass die infolge des Wegfalls des Verzichtenden begründete Anwartschaft eines entfernteren Verwandten auf den Pflichtteil nicht vereitelt werden kann (s. Rz. 32 ff.). Soll die Pflichtteilsberechtigung entfernterer Verwandter wieder entfallen, muss zusätzlich die rechtliche Wirkung des Erbverzichts beseitigt, dieser also gem. § 2351 BGB aufgehoben werden. b) Besonderheiten beim Erbverzicht des Ehegatten
Û
Beratungssituation: Die Ehefrau des Erblassers, mit der dieser einen Verzichtsvertrag abschließen will, möchte wissen, ob und inwieweit der Verzicht über das Erbrecht hinausgehende Wirkungen für sie haben kann.
1 Rheinbay, S. 120. 2 BGH v. 13.7.1959 – V ZB 4/59, BGHZ 30, 261 (267). 3 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 71.
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Erbverzicht
Rz. 47 B XV
aa) Allgemeine Wirkung Der Erbverzicht eines Ehegatten erfasst auch den Voraus gem. § 1932 BGB, also den Anspruch auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände – soweit nicht Zubehör eines Grundstücks – und die Hochzeitsgeschenke.
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bb) Güterrechtliche Auswirkungen Leben die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, ist der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht auch dann nicht (automatisch) mit einem Verzicht auf den Zugewinn verbunden1, wenn die für Eheverträge vorgeschriebene Form des § 1410 BGB (notarielle Beurkundung bei gleichzeitiger Anwesenheit der Ehegatten) eingehalten ist. Allerdings hat der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht mittelbar Auswirkungen auf die Rechtsstellung des überlebenden Ehegatten bei der durch Tod erforderlich werdenden Abwicklung des Güterstandes, die gem. § 1371 Abs. 2 BGB – gegebenenfalls erst nach Ausschlagung einer auf Verfügung von Todes wegen beruhenden Erbschaft oder eines Vermächtnisses – nur nach den Vorschriften der §§ 1373 bis 1383, 1390 BGB vorgenommen werden kann.
46
Maßgeblich für die Konsequenzen des Ehegattenverzichts im Erbfall ist, ob der Erbverzicht auf das gesetzliche Erbrecht unter Vorbehalt des Pflichtteilsrechts erfolgt ist oder nicht.
47
Regelung im Verzichtsvertrag
Konsequenzen im Erbfall
Ehegatte hat auf das ge- – Wird der Ehegatte weder Erbe (durch Verfügung von setzliche Erbrecht verTodes wegen) noch mit einem Vermächtnis bedacht, zichtet besteht nur ein Anspruch auf Zugewinn (§ 1371 Abs. 2 BGB). – Wird der Ehegatte kraft Verfügung von Todes wegen Erbe oder Vermächtnisnehmer und schlägt er nicht aus, bleibt es bei der erbrechtlichen Lösung (stets ohne die sonst mögliche Aufstockung auf den Ergänzungspflichtteil nach §§ 2305, 2307 BGB). Eine Erhöhung des Erbteils nach § 1371 Abs. 1 BGB erfolgt nicht, weil ein gesetzlicher Erbteil aufgrund des Erbverzichts nicht vorhanden ist. Ein Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 2 BGB findet nicht statt. – Wird der Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen bedacht und schlägt er die Erbschaft oder das Vermächtnis (jedenfalls das gesamte durch die Verfügung Zugewendete) aus, besteht „nur“ ein Anspruch auf den Zugewinn, nicht jedoch auf den Pflichtteil (§ 1371 Abs. 3 2. Halbs. BGB).
1 Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 16; Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 69; Palandt/Edenhofer, § 2346 Rz. 10.
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B XV Rz. 48
Erbverzicht
Ehegatte hat unter Vor- – Wird der Ehegatte weder Erbe (durch Verfügung von behalt des PflichtteilsTodes wegen) noch mit einem Vermächtnis bedacht, rechts auf das gesetzliche hat er Anspruch auf Zugewinn und den kleinen Erbrecht verzichtet Pflichtteil1. – Wird der Ehegatte durch Verfügung von Todes wegen mit einer den kleinen Pflichtteil nicht erreichenden Quote zum Erben eingesetzt, besteht ein Anspruch auf den Zusatzpflichtteil bis zur Höhe des kleinen Pflichtteils (§ 2305 BGB). Schlägt der Ehegatte aus, kann er Zugewinnausgleich sowie den kleinen Pflichtteil verlangen. – Wird dem Ehegatten ein Vermächtnis hinterlassen, dessen Wert den kleinen Pflichtteil nicht erreicht, kann er das Vermächtnis entweder in der hinterlassenen Höhe annehmen und Aufstockung auf den kleinen Pflichtteil verlangen oder das Vermächtnis ausschlagen und Zugewinnausgleich sowie den kleinen Pflichtteil verlangen (§ 2307 BGB).
48 Zu den Folgen eines (isolierten) Pflichtteilsverzichts des Ehegatten s. Rz. 70. 49 In den anderen Güterständen hat der Erbverzicht i.e.S. keine güterrechtlichen Auswirkungen. Der Anteil am Gesamtgut vererbt sich bei der Gütergemeinschaft nach allgemeinen Regeln (§ 1482 BGB); bei der fortgesetzten Gütergemeinschaft fällt er nicht in den Nachlass, sondern bleibt in der Gütergemeinschaft erhalten (§ 1483 Abs. 1 Satz 3 BGB). Bezüglich des Sonder- und Vorbehaltsguts gelten die allgemeinen Bestimmungen (§ 1483 Abs. 1 Satz 3 2. Halbs. BGB). cc) Auswirkungen auf den nachehelichen Unterhaltsanspruch 50 Unterhaltsansprüche erlöschen grundsätzlich mit dem Tod des Unterhaltsverpflichteten (§§ 1615 Abs. 1, 1360a Abs. 3 BGB). Eine wichtige Ausnahme findet sich jedoch in § 1586b BGB, der den nachehelichen Unterhaltsanspruch beim Tod des Unterhaltsverpflichteten als Nachlassverbindlichkeit auf den Erben übergehen lässt. Diese Regelung wird unter den Voraussetzungen des § 1933 Satz 3 BGB zugunsten des unterhaltsberechtigten Ehegatten für den Fall erweitert, dass der Erblasser während der Rechtshängigkeit eines von ihm gebilligten oder eingeleiteten Verfahrens auf Auflösung der Ehe verstirbt. 51 Streitig ist, ob der nacheheliche Unterhaltsanspruch nach dem Tod des Verpflichteten durch den Erbverzicht des Unterhaltsgläubigers entfällt. Die h.M. in der Literatur2 bejaht dies vor allem mit dem Hinweis auf den Wortlaut des § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB, nach dem der Erbe nur bis zur Höhe eines fiktiven Pflichtteilsanspruchs haftet. Soweit der Pflichtteilsanspruch durch den Ver1 Vgl. BGH v. 21.3.1962 – IV ZR 251/61, BGHZ 37, 58 (67). 2 Dieckmann, FamRZ 1992, 633 (633); Gernhuber/Coester-Waltjen, § 30 XIII 2 (S. 461 Fn. 5); RGRK/Cuny, § 1586b Rz. 8; MüKo/Maurer, § 1586b Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 1586b Rz. 8; Soergel/Häberle, § 1586b Rz. 1.
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Erbverzicht
Rz. 52 B XV
zicht auf das gesetzliche Erbrecht – wie regelmäßig – mitausgeschlossen sei, komme eine Haftung des Erben daher nicht in Betracht. Ein weiteres Argument entnimmt diese Ansicht den Gesetzesmaterialien, nach denen der Anspruch „gleichsam als Ersatz“ für die mit oder anlässlich der Ehescheidung eingebüßte Nachlassteilhabe bzw. zum Ausgleich für den Verlust des Erbrechts gewährt wurde1. Gegen die genannte Lösung spricht, dass § 1586b BGB nicht etwa einen erbrechtlichen Anspruch begründet, sondern einen originär familienrechtlichen Unterhaltsanspruch – trotz Tod des Unterhaltsverpflichteten – aufrechterhält2. Der fiktive Pflichtteilsanspruch ist nicht Grundlage für den Unterhaltsanspruch, sondern lediglich Bemessungskriterium für die Haftungsgrenze3. Aus den Gesetzesmaterialien lässt sich gegen diese Auffassung nichts herleiten. Die zitierte Aussage wird durch das Wort „gleichsam“ relativiert und macht sogar deutlich, dass überhaupt kein Recht existiert, das durch den Unterhaltsanspruch ausgewechselt werden soll4. Zudem steht die Lösung der h.M. im Widerspruch zu den regelmäßig vorhandenen Vorstellungen der Parteien des Verzichtsvertrages5. Dies gilt sowohl dann, wenn der Verzicht im Zusammenhang mit der Scheidung, wie auch dann, wenn er lange vor der Scheidung vereinbart wurde. Nach alledem dürfte ein Unterhaltsanspruch des verzichtenden Ehegatten gem. § 1586b BGB fortbestehen. Die vorstehenden Argumente lassen sich freilich nur teilweise für den aus § 1933 Satz 3 BGB hergeleiteten Unterhaltsanspruch anführen, der nach dem Willen des Gesetzgebers, und diesmal im eigentlichen Sinne, den Ausgleich des Erbrechtsverlusts bewirken soll6. Obgleich dieser Verlust unmittelbar auf dem Verzichtsvertrag – und nicht auf dem Tod des Ehegatten während eines anhängigen Scheidungsverfahrens – beruhen würde, sollte (auch) der in § 1933 Satz 3 BGB nur mittelbar auf § 1586b BGB gestützte Unterhaltsanspruch bei einem Erbverzicht des Ehegatten nicht entfallen, sondern genauso behandelt werden wie der unmittelbare Unterhaltsanspruch aus § 1586b BGB7, weil die Verweisung auf § 1586b BGB den Zweck verfolgt, den überlebenden Ehegatten genauso zu stellen wie er stehen würde, wenn es – den Tod des Erblassers als späteres Ereignis gedacht – zu einer rechtskräftigen Scheidung gekommen wäre8.
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Beachte: Soll der Unterhaltsanspruch vom Erbverzicht des Ehegatten unberührt bleiben, ist – mangels höchstrichterlicher Entscheidungen zu die-
1 BT-Drucks. 7/650, S. 151. 2 Staudinger/Schotten, § 2346, Rz. 66. 3 Grziwotz, FamRZ 1991, 1258; Reul, MittRhNotK 1997, 373 (376); Mayer, ZEV 2007, 556 (557); Muscheler, FS Spiegelberger, 1079 (1091); Palandt/Brudermüller, § 1586b Rz. 7. 4 Staudinger/Schotten, § 2346, Rz. 66. 5 Münch, ZEV 2008, 571 (575). 6 BT-Drucks. 7/4361, S. 52. 7 Muscheler, FS Spiegelberger, 1079 (1091); Reimann, FS Schippel, 301 (307); Reul, MittRhNotK 1997, 373 (376); Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 66. 8 Bock, MittRhNotK 1977, 205 (209); Muscheler, FS Spiegelberger, 1079 (1091).
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B XV Rz. 53
Erbverzicht
sem Fragenkomplex1 – dringend anzuraten, beim Abschluss des Verzichtsvertrages ausdrücklich zu vereinbaren, dass die Vorschrift des § 1586b BGB so gelten soll, als ob ein Verzicht nicht erklärt worden wäre. Nur nebenbei sei Folgendes bemerkt: Durch das LPartG und das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts wird der Lebenspartner im Erbrecht dem Ehegatten gleichgestellt2. Solange jedoch bei Lebenspartnern noch die Steuerklasse III Anwendung findet3, ist das Berliner Testament für Lebenspartner aus steuerrechtlichen Gründen nicht empfehlenswert, da selbst dann, wenn Kinder oder Abkömmlinge der Kinder des zweitversterbenden Lebenspartners Schlusserben werden, eine insgesamt hohe Erbschaftsteuerbelastung droht, so dass Vermächtnisse zugunsten des Lebenspartners empfehlenswert sind. Dies führt zu einer teilweisen Enterbung und damit zu Pflichtteils(ergänzungs)ansprüchen des betroffenen Lebenspartners gem. § 10 Abs. 6 LPartG. Wegen der Vererblichkeit des Pflichtteilsanspruchs und der dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB) sollte ein Verzicht auf diese Ansprüche bei Errichtung einer entsprechenden Verfügung von Todes wegen erklärt werden4.
Formulierungsvorschlag Unter der Bedingung, dass beim Ableben des Erstversterbenden die vorstehend angeordneten Vermächtnisse bestehen, verzichtet jeder von uns auf die Geltendmachung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach dem Tod des Erstversterbenden. Wir nehmen diesen Verzicht gegenseitig an5.
3. Zweckmäßigkeit a) Der Verzicht eines Nicht-Pflichtteilsberechtigten 53 Grundsätzlich ist der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht dann nicht zweckmäßig, wenn der Verzicht von Seiten eines Nicht-Pflichtteilsberechtigten erfolgt6. Der durch einen solchen Verzicht allein bewirkte Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge lässt sich meist auf einfachere und kostengünstigere Weise herbeiführen (s. Übersicht zu den Kosten, Rz. 103). Das bequemste und günstigste Mittel ist die Enterbung (durch positive Einsetzung eines anderen 1 Das LG Ravensburg v. 31.1.2008 – 2 O 338/07, ZEV 2008, 598 (599) ist der Auffassung, dass ein Erb- und Pflichtteilsverzicht auch den Unterhaltsanspruch aus § 1933 Satz 3 i.V.m. §§ 1569–1586b BGB ausschließt. Dazu kritisch: Münch, ZEV 2008, 571 (574 f.). 2 Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (26). 3 FG Düsseldorf v. 1.12.2003 – 4 V 4529/03, DStRE 2004, 413. 4 Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (27). 5 Formulierungsvorschlag von Grziwotz, DNotZ 2005, 13 (28). 6 Ausnahme: Der Erblasser ist zu einer Verfügung von Todes wegen nicht in der Lage, s. Rz. 16.
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Rz. 55 B XV
oder rein negatives Testament nach § 1938 BGB), die freilich – anders als der Erbverzichtsvertrag (s. Rz. 16, 148 ff.) – Testierfähigkeit des Erblassers voraussetzt. Weniger günstig ist demgegenüber eine – ebenfalls denkbare – vertragliche Verpflichtung zur Ausschlagung der Erbschaft. Vor dem Erbfall ist ein solcher Vertrag genauso formbedürftig wie der Erbverzichtsvertrag1, so dass sich beide Möglichkeiten kostenmäßig gleichstehen (s. Rz. 103). Der Nachteil des Ausschlagungsverpflichtungsvertrages liegt aber darin, dass sein Umfang niemals soweit reichen kann wie der Erbverzicht (Ausschluss der Abkömmlinge gem. § 2349 BGB), weil die Begründung einer Ausschlagungsverpflichtung der Abkömmlinge ohne deren Mitwirkung (als Vertrag zulasten Dritter) unzulässig wäre. Zudem wirkt der Ausschlagungsverpflichtungsvertrag nur schuldrechtlich und birgt deshalb – wie jedes Verpflichtungsgeschäft – ein Prozessrisiko in sich. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Kapitel zur Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, C II. Rz. 133 f. verwiesen.
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Beratungssituation: Der testierunfähige Erblasser und einer seiner potenziellen (nicht pflichtteilsberechtigten) gesetzlichen Erben wollen durch den Abschluss eines Erbverzichtsvertrages bewirken, dass der zukünftige Nachlassanteil des weichenden Erben einem/mehreren anderen gesetzlichen Erben zufällt. Sie möchten wissen, ob Alternativen in Betracht kommen und wann sich ein Erbverzicht empfiehlt.
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Es gilt (für Rz. 54–56) zunächst das zu Rz. 53 Gesagte: Nur wenn der Erblasser nicht in der Lage ist, von Todes wegen zu verfügen, kommt der Erbverzicht überhaupt als zweckmäßiges Mittel zur Gestaltung der Erbfolge in Betracht. Alternativ ist dann auch an einen Vertrag zwischen gesetzlichen Erben gem. § 311b Abs. 5 BGB zu denken, in dem sich der weichende Erbe entweder zur Ausschlagung der Erbschaft oder zur Übertragung seines Nachlassanteils verpflichtet. Der Ausschlagungsverpflichtungsvertrag mit anderen gesetzlichen Erben kann in seinen Rechtsfolgen niemals soweit reichen wie der Erbverzicht und ist auch sonst gegenüber diesem nachteilig, obwohl sich beide Möglichkeiten kostenmäßig gleichstehen (s. Rz. 103). Aus diesem Grund lässt er sich kaum als echte Alternative zum Erbverzicht bezeichnen. Anders verhält es sich dagegen mit dem Nachlassübertragungsverpflichtungsvertrag des § 311b Abs. 5 BGB. Je nachdem, wem der Nachlassanteil des weichenden Erben zufallen soll, treten Konstellationen auf, in denen entweder die Vor- und Nachteile eines solchen Vertrages im Einzelfall mit denen des Erbverzichts abzuwägen sind oder sich das gewünschte Ergebnis sogar nur durch den Nachlassübertragungsverpflichtungsvertrag erreichen lässt. Beide Möglichkeiten sind im Einzelfall gegeneinander abzuwägen, wenn:
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(1) der Erblasser und einer der zukünftigen gesetzlichen Miterben wünschen, dass dessen Nachlassanteil dem einzigen anderen bzw. allen anderen Miterben zukommt,
1 Für eine analoge Anwendung des § 312 Abs. 2 Satz 2 BGB: Soergel/Stein, § 1945 Rz. 15; für eine Analogie zu § 2348 BGB: Damrau, S. 28.
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B XV Rz. 55
Erbverzicht
(2) der Erblasser und einer der zukünftigen gesetzlichen Miterben wünschen, dass der Nachlassanteil des Verzichtswilligen an dessen Abkömmling(e) fällt1 oder (3) der Erblasser und sein zukünftiger gesetzlicher Alleinerbe wünschen, dass die Erbschaft den/dem nächsten gesetzlichen Erben zufällt. In die Abwägung sollten folgende Gesichtspunkte einbezogen werden: – Der Verzicht hat – anders als ein Vertrag gem. § 311b Abs. 5 BGB – unmittelbare erbrechtliche Wirkung. Den/dem Miterben fällt die Erbschaft direkt an, so dass sich ein weiterer Vollzug nach dem Erbfall erübrigt. Damit sind die Gefahren eines späteren Prozesses zur Durchsetzung der vertraglichen Verpflichtung von vornherein ausgeschaltet. Vermieden werden auch die für die Übertragung des Nachlassanteils gem. § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB entstehenden Kosten, z.B. Beurkundungskosten. Außerdem ist gewährleistet, dass der Begünstigte den Nachlassanteil des Verzichtswilligen auch dann erhält, wenn dieser vor dem Erbfall verstirbt. Dies ist bei einem Vertrag nach § 311b Abs. 5 BGB nicht der Fall. Beispiel: Gesetzliche Erben des Erblassers E sind seine drei Kinder A, B und C. A hat sich verpflichtet, seinen Nachlassanteil auf B und C zu übertragen. A stirbt vor E und hinterlässt selbst Abkömmlinge. Die Verpflichtung des A hat für B und C keinen Wert, und zwar unabhängig davon, ob die Abkömmlinge des A dessen Erben werden oder nicht. Sind die Abkömmlinge des A von diesem enterbt worden, kann sie dessen Verpflichtung, da nicht gem. § 1922 Abs. 1 BGB auf sie übergegangen, nicht treffen. Sie beerben E – neben B und C – kraft eigenen Rechts aufgrund ihrer verwandtschaftlichen Beziehung zu E (§ 1924 Abs. 3 BGB). Dieser Situation kann im Vertrag A-BC auch nicht dadurch vorgebeugt werden, dass die Verpflichtung des A von vornherein auf dessen Abkömmlinge ausgedehnt wird, weil es sich hierbei um einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter handeln würde. Werden die Abkömmlinge des A dessen Erben, erlischt die Verpflichtung des A, den durch den Tod des E erworbenen Nachlassanteil aus seinem Vermögen auf B und C zu übertragen. Die Leistung ist nachträglich subjektiv unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB), weil der von A erwartete Nachlassanteil nie in sein Vermögen gelangt ist. – Unter Kostengesichtspunkten kann der Abschluss eines Erbverzichtsvertrages in einem speziellen Fall ungünstiger sein als ein Vertrag unter künftigen gesetzlichen Erben nach § 311b Abs. 5 BGB. Dieser Fall ist stets gegeben, wenn Erblasser ein unter elterlicher Sorge stehender geschäftsunfähiger Minderjähriger ist, dessen Vermögen mehr als 25 000 Euro beträgt. Denn dann verursacht die nach § 2347 Abs. 2 Satz 2 BGB erforderliche familiengerichtliche Genehmigung stets eine halbe Gebühr. (§§ 28, 36 Abs. 1 Satz 1 FamGKG i.V.m. Nr. 1310 Kostenverzeichnis zum FamGKG i.V.m. Vorbemerkung 1.3.1. Abs. 2 Kostenverzeichnis zum FamGKG. Bei 1 Sollen bei einem Erbverzicht die Abkömmlinge des Verzichtenden begünstigt werden, ist die Wirkung des § 2349 BGB auszuschließen.
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Erbverzicht
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bestehender Vormundschaft oder Pflegschaft ist die Erteilung der Genehmigung gem. §§ 28, 36 Abs. 1 Satz 1 FamGKG i.V.m. Nr. 1310 Abs. 1 Kostenverzeichnis zum FamGKG dagegen gebührenfrei. Für die Betreuung ergibt sich die Gebührenfreiheit aus § 91 Satz 1, 2. Halbs. KostO.) Der Kostenvorteil des Vertrages nach § 311b Abs. 5 BGB liegt auf der Hand, wenn dieser seinerseits keiner (kostenpflichtigen) Genehmigung bedarf. Bedarf er aber einer Genehmigung nach §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr. 1 BGB, weil sich ein unter elterlicher Sorge stehender Minderjähriger zur Übertragung seines gesetzlichen Erbteils oder seines Pflichtteils verpflichtet, käme es darauf nicht an, da auch sein Verzicht im Rahmen eines Erbverzichtsvertrages einer Genehmigung bedürfte (§ 2347 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die Genehmigungen gem. § 95 Abs. 1 KostO hinsichtlich der Kosten gleichstehen. – In die Abwägung einzubeziehen war bislang auch ein Aspekt betreffend die steuerliche Behandlung einer Abfindung: Während die für einen Erbverzicht gewährte Abfindung der Schenkungsteuer unterliegt (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG), verhält sich das ErbStG nicht ausdrücklich zu der Frage, ob auch die Abfindung für einen Erbschaftsvertrag gem. § 311b Abs. 5 BGB steuerbar ist. Die steuerrechtliche Relevanz hängt daher davon ab, ob man eine solche Abfindung für einen Erbschaftsvertrag nach § 311b Abs. 5 BGB als „freigebige Zuwendung“ i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG oder als entgeltliches Geschäft ansieht (zur zivilrechtlichen Qualifikation s. Rz. 117 ff.). Das FG München neigte zu Letzterem und verneinte daher die Schenkungsteuerpflichtigkeit für eine Abfindung, die der begünstigte Vertragspartner dem anderen als Gegenleistung für einen von diesem erbschaftsvertraglich erklärten „Verzicht“ auf sämtliche etwaige ihm am Nachlass von X zustehenden Pflichtteilsansprüche einschließlich Pflichtteilsergänzungsansprüche gewährte, wenn und soweit die gezahlte Summe dem Wert der („verzichteten“) Ansprüche entspricht1. Dieser Auffassung ist der BFH jetzt entgegengetreten2, so dass steuerliche Gründe als Abwägungskriterium zwischen einem Vertrag nach § 311b Abs. 5 BGB und einem Erbverzicht – anders als früher3 – nicht mehr in Betracht kommen. Dem Willen der Beteiligten nur teilweise zum Erfolg zu verhelfen vermag der Erbverzicht in den Fällen, in denen (1) der Nachlassanteil eines Miterben nur einem von mehreren Miterben, (2) der Nachlassanteil eines Miterben nur einem seiner Abkömmlinge oder (3) die Erbschaft des Alleinerben nur einem von mehreren nach ihm berufenen gesetzlichen Erben zufallen soll. In den angeführten Konstellationen erfolgt der Erbverzicht unter der Bedingung, dass der Erbteil, der dem Verzichtenden bei gesetzlicher Erbfolge zufal1 FG München v. 7.7.1997 – 4 K 2747/93, ZEV 1998, 237 f. 2 BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, ZEV 2001, 163 ff.; ablehnend: Daragan, Anm. zu BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, DB 2001, 848. 3 Vgl. noch Damrau, S. 34.
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len würde, dem Begünstigten zugute kommt. Allein durch den Erbverzicht ist das angestrebte Ziel jedoch nicht zu erreichen, vielmehr wäre zusätzlich eine Verfügung von Todes wegen erforderlich. § 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB stellt den Verzichtenden so, als sei er vor dem Erbfall verstorben, und verhindert damit lediglich den Anfall der Erbschaft an ihn. Eine unmittelbar übertragende, das Erbrecht des begünstigten Dritten begründende Wirkung kommt dem Verzicht dagegen nicht zu (s. Rz. 14). Ohne eine erbeinsetzende Verfügung kann der Begünstigte den Erbteil des Verzichtenden damit nur zur Quote erlangen. Da die Bedingung in einem solchen Fall nur teilweise eintritt, ist der Verzicht nur zum Teil wirksam und zum anderen Teil unwirksam (s. Rz. 23). Das gewünschte Ergebnis lässt sich in den genannten Fällen nur durch einen Nachlassübertragungsverpflichtungsvertrag herbeiführen. 57
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Beratungssituation: Der testierfähige Erblasser möchte einen gesetzlichen Erben von der Erbfolge ausschließen. Um üble Nachreden zu vermeiden, möchte er den Ausschluss jedoch nur im Einverständnis mit dem gesetzlichen Erben vornehmen. Was ist ihm zu raten?
In einem solchen Fall wird dem Erblasser daran gelegen sein, alles zu vermeiden, was den Anschein von Heimlichkeit erwecken könnte. Durch den Erbverzichtsvertrag wird das Einverständnis des von der gesetzlichen Erbfolge Ausgeschlossenen auf zuverlässige Weise dokumentiert. Hierin liegt auch der Vorteil gegenüber einem im privaten Bereich formlos eingeholten – für eine Enterbung freilich nicht notwendigen – „Einverständnis“, dessen „Einvernehmlichkeits“-Eindruck hinter dem des Erbverzichts zurückbleibt. Nach dem Erbfall könnte der Enterbte eher behaupten, das Einverständnis sei unter Druck zustande gekommen, und versuchen, die letztwillige Verfügung des Erblassers anzugreifen. b) Der Verzicht eines Pflichtteilsberechtigten 58 Der Verzicht eines Pflichtteilsberechtigten auf das gesetzliche Erbrecht beseitigt regelmäßig dessen Erb- und Pflichtteilsaussicht (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gerade die zuletzt genannte – von Gesetzes wegen automatisch eintretende – Folge des Erbverzichts macht aber die eigentliche Bedeutung aus, die der Erbverzicht eines Pflichtteilsberechtigten für den Erblasser hat. 59
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Beratungssituation: Der Erblasser hat gehört, dass die Pflichtteilsaussicht eines Pflichtteilsberechtigten sowohl durch (uneingeschränkten) Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht als auch durch (isolierten) Pflichtteilsverzicht gem. § 2346 Abs. 2 BGB beseitigt werden kann. Er möchte wissen, was zweckmäßiger ist.
Der (uneingeschränkte) Verzicht eines Pflichtteilsberechtigten auf die gesetzliche Erbfolge beseitigt neben der Pflichtteilsaussicht zugleich die Erbaussicht. Letzteres kann – wie bei einem Nicht-Pflichtteilsberechtigten – regelmäßig auf einfachere und kostengünstigere Weise herbeigeführt werden (s. Rz. 53). Nur in dem Maße, in dem der Erbverzicht i.e.S. für einen Nicht964
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Rz. 61 B XV
Pflichtteilsberechtigten als zweckmäßiges Mittel zur Beseitigung einer Erbaussicht in Betracht kommt, bietet er sich überhaupt auch für einen Pflichtteilsberechtigten an. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem (uneingeschränkten) Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht und einem (isolierten) Pflichtteilsverzicht besteht in den Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht Dritter. Der (uneingeschränkte) Verzicht des Pflichtteilsberechtigten auf das gesetzliche Erbrecht beseitigt zwar seine Pflichtteilsaussicht, hat aber keinen Einfluss auf die Gesamthöhe der Pflichtteilslast, wenn im Erbfall auch nur eine pflichtteilsberechtigte Person vorhanden ist (s. Rz. 30 ff.). Bei der Feststellung des für die Berechnung des Pflichtteils maßgebenden Erbteils wird gem. § 2310 Satz 2 BGB nämlich nicht mitgezählt, wer durch Erbverzicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist. Mit anderen Worten: Die Pflichtteilsquoten Dritter erhöhen sich um den Anteil des durch Erbverzicht Ausgeschlossenen. Anders verhält es sich bei dem (isolierten) Pflichtteilsverzicht gem. § 2346 Abs. 2 BGB, weil § 2310 Satz 2 BGB bei diesem nicht anwendbar ist1. An der Nichtanwendbarkeit von § 2310 Satz 2 BGB wird dem Erblasser gelegen sein, wenn er den Nachlass möglichst ungeschmälert einer bestimmten Person zukommen lassen und die Erhöhung der Pflichtteilsquoten weiterer pflichtteilsberechtigter Personen verhindern will.
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Die durch § 2310 Satz 2 BGB bewirkte Erhöhung der Pflichtteilsquote kann zur Folge haben, dass der (neben dem Verzichtenden vorhandene) Pflichtteilsberechtigte, der übersehen wurde, der nicht verzichten wollte oder dessen Verzicht unwirksam war, von dem Erben einen Geldbetrag verlangen kann, der weit über dem Wert dessen liegt, was er bei gesetzlicher Erbfolge erhalten hätte. Ob diese weit reichende Konsequenz des § 2310 Satz 2 BGB in allen Fällen gerechtfertigt ist, erscheint zweifelhaft. (Zum Zweck des § 2310 Satz 2 BGB s. Rz. 30.) Die Belastung der Erben hatte der Gesetzgeber nicht vor Augen2. Doch ist das kein hinreichender Grund, an der eindeutigen Gesetzeslage zu deuteln. Die (meist ungewollte) Erhöhung der Pflichtteilsquoten ließe sich verhindern, indem der Erbverzicht i.e.S. unter der aufschiebenden Bedingung erklärt wird, dass jeder Pflichtteilsberechtigte einen Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht leistet, und zugleich unter der auflösenden Bedingung, dass der Verzicht nur so lange gelten soll, wie alle Einzelverträge wirksam sind3. Letztlich dient eine solche Konstruktion jedoch wiederum nicht dem Schutz des/ der Erben, sondern ausschließlich dem Verzichtenden, der pflichtteilsberechtigt ist.
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Beachte: Bei Testierfähigkeit des Erblassers ist ein Erbverzicht i.e.S. von Seiten eines Pflichtteilsberechtigten – wegen § 2310 Satz 2 BGB – nur zweckmäßig, wenn alle vorhandenen Pflichtteilsberechtigten (wirksame) Erbverzichte abgeben oder keine weiteren Pflichtteilsberechtigten vor-
1 Vgl. nur BGH v. 17.3.1982 – IVa ZR 27/81, NJW 1982, 2497; Lange/Kuchinke, § 37 VII 2a (S. 897 Fn. 201). 2 Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 (2057). 3 Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 (2057).
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handen sind. Anderenfalls ist dringend zum (isolierten) Pflichtteilsverzicht mit ergänzender Verfügung von Todes wegen zu raten1.
III. Der isolierte Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) 1. Allgemeines 62 Abgesehen von den seltenen Fällen einer Pflichtteilsentziehung (§§ 2333 ff. BGB) ist der Pflichtteilsverzicht das einzige zweckmäßige Mittel zur Beseitigung einer Pflichtteilsaussicht. Ein Erlassvertrag zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem zugunsten der Erben ist nicht möglich, da § 328 BGB auf Verfügungsgeschäfte keine Anwendung findet und ein Pflichtteilsanspruch als ein bloß zukünftiges Forderungsrecht nicht Gegenstand eines Erlassvertrages sein kann2. Aus diesen Gründen kommt auch keine zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem vereinbarte Abtretung des zukünftigen Pflichtteilsanspruchs zugunsten der Erben in Betracht3. Denkbar wäre zwar, dass sich der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Erblasser zugunsten der Erben vertraglich verpflichtet, seinen Pflichtteilsanspruch nicht geltend zu machen, ihn nach dem Erbfall den Erben zu erlassen oder an diese abzutreten, doch wäre eine solche Verpflichtung im Vergleich zum Pflichtteilsverzicht nachteilig. Obgleich dieselben Kosten entstünden, weil ein entsprechender schuldrechtlicher Vertrag zum Schutz des Pflichtteilsberechtigten – wie der Pflichtteilsverzicht – notarieller Beurkundung bedarf (§ 2348 analog)4, wäre nicht in gleichem Maße sicher, dass sich das gewünschte Ergebnis nach dem Erbfall tatsächlich realisiert. Abgesehen von dem Risiko, dass die Verpflichtung gerichtlich durchgesetzt werden muss, ist zusätzlich im Falle eines Vorversterbens des Verpflichteten nicht in jedem Fall sichergestellt, dass die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gegen die Erben unterbleibt. Ist der Verpflichtete nämlich Abkömmling des Erblassers und hinterlässt er seinerseits Abkömmlinge, haben diese beim Tod des Erblassers – sofern sie ihn nicht selbst beerben – einen originären Pflichtteilsanspruch gegen die Erben (vgl. Beispiel Rz. 55). 63 Der Pflichtteilsverzicht kann uneingeschränkt erfolgen oder inhaltlich begrenzt werden5. Allgemein anerkannt ist heute, dass die Beschränkung auf einen Bruchteil des Pflichtteils zulässig ist6. Eine solche Beschränkung ist vereinbar mit der Rechtsstellung, auf die verzichtet wird, und gefährdet nicht den Grundsatz der Universalsukzession. Im Erbfall entsteht ohne Besonderheiten eine Erbengemeinschaft am gesamten Nachlass. Ob der Verzicht auch auf bestimmte Nachlassgegenstände bezogen sein kann, wird nicht einheitlich beantwortet. Im Hinblick auf den obligatorischen Charakter des Pflicht1 2 3 4 5 6
Rheinbay, S. 124; Schramm, BWNotZ 1959, 227 (230). Damrau, S. 47. Damrau, S. 48. KG v. 26.2.1973 – 12 U 2463/72, OLGZ 1974, 263 (265). Näher Mayer, ZEV 2000, 263. A.A. war noch Harrer, ZBIFG 15 (1915), 1 (11).
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teilsanspruchs als eines bloßen Geldanspruchs im Gegensatz zum dinglich wirkenden Erbrecht erachtet die h.M. eine Beschränkung des Pflichtteilsverzichts auf bestimmte Nachlassgegenstände für zulässig (s. Rz. 11), mit der Folge, dass die betreffenden Gegenstände bei der Berechnung des Pflichtteils unberücksichtigt bleiben1. Ein Verstoß gegen das für die Pflichtteilsberechnung geltende Verbot von Wertbestimmungen durch den Erblasser (§ 2311 Abs. 2 Satz 2 BGB) ist darin nicht zu erblicken2, weil bei Vorliegen einer vertraglichen Vereinbarung darüber, dass zukünftige nachlasszugehörige Gegenstände bei der Berechnung ausgenommen sein sollen, keine einseitige Bestimmung durch den Erblasser getroffen ist3. Neben den in Rz. 12 und 63 genannten rechtsgeschäftlichen Verzichtsbeschränkungen kann der Pflichtteil auch auf eine bestimmte Summe festgelegt (dann ist an Wertsicherung zu denken!4) oder eine Vereinbarung zur Berechnungsweise des Pflichtteils5 getroffen werden6. Auf diese Weise lassen sich spätere Streitigkeiten über die Höhe oder Berechnung des Pflichtteils vermeiden. Darüber hinaus macht eine solche Vereinbarung für den späteren Erben die Pflichtteilslast kalkulierbar. Man kann den Pflichtteilsverzicht auch auf Pflichtteilsergänzungs- oder Pflichtteilsrestansprüche (§§ 2325 ff., 2305, 2307 BGB) oder auf den Bruchteil beschränken, der den Wert eines erbvertraglich dem Verzichtenden vermachten Gegenstandes übersteigt. Durch die zuletzt genannte Gestaltung werden die Nachteile vermieden, die dem Verzichtenden im Erbfall aus den §§ 2310 Satz 2, 2318 Abs. 1 und 2 BGB entstehen können, wenn Pflichtteilsberechtigte vorhanden sind7. Ferner sind Vereinbarungen über die Stundung oder Ratenzahlung eines späteren Pflichtteilsanspruchs möglich8 (s. auch Rz. 76).
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2. Wirkungen Der uneingeschränkte Pflichtteilsverzicht beseitigt das Pflichtteilsrecht insgesamt und verhindert die Entstehung sämtlicher Ansprüche, die mit dem Pflichtteil zusammenhängen. Ausgeschlossen sind daher auch der Pflichtteilsrestanspruch (§ 2305 BGB), der Pflichtteilsanspruch bei Zuwendung eines Vermächtnisses (§ 2307 BGB) und der Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff. BGB)9. 1 2 3 4 5 6
Mayer, ZEV 2000, 263 m.w.N. A.A. Schopp, RPfleger 1984, 175 (176). H.M., Mayer, ZEV 2000, 263 m.w.N.; Cremer, MittRhNotK 1978, 169 (170). Mayer, ZEV 2000, 263 (267). Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten vgl. Mayer, ZEV 2000, 263 (267) m.w.N. Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 10; RGRK/Johannsen, § 2346 Rz. 24; Palandt/Edenhofer, § 2346 Rz. 15. 7 Nieder, Rz. 1145. 8 Damrau, BB 1970, 467 (469); Weirich, DNotZ 1986, 5 (11). 9 Vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 2306 Abs. 1 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts (vgl. hierzu Keim, ZEV 2008, 161 [162]; Muscheler, ZEV 2008, 105 [107] bewirkte der uneingeschränkte Pflichtteilsverzicht ferner den Ausschluss des von § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. angeordneten Wegfalls
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66 In Ansehung beschränkter Pflichtteilsverzichtsverträge besteht lediglich bei der Beschränkung auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff. BGB) die Besonderheit, dass der aufgrund lebzeitiger Zuwendungen möglicherweise entstehende Anspruch auf den Ausgleichspflichtteil (§ 2316 BGB) hiervon unberührt bleibt1. 67 Zu beachten ist, dass die Auslegungsregeln des § 2350 Abs. 1 und 2 BGB bei einem isolierten Verzicht auf das Pflichtteilsrecht nicht gelten, weil dieser das gesetzliche Erbrecht des Verzichtenden unberührt lässt2. Demzufolge hat ein solcher Verzicht auch keinen Einfluss auf den Umfang der Erb- und Pflichtteilsrechte Dritter. Geht der Wille der Beteiligten dahin, dass der Pflichtteilsberechtigte auf seinen Pflichtteil nur verzichten will, wenn eine bestimmte Person Erbe und damit Pflichtteilsschuldner wird, ist daher eine entsprechende Bedingung zu vereinbaren. 68 Wird der Verzichtende (gesetzlicher oder testamentarischer) Erbe und hat er als solcher Ansprüche aus Vermächtnissen und Pflichtteilsrechten zu erfüllen, kann er die Erfüllung der Ansprüche nicht nach §§ 2318 Abs. 2, 2319 und 2328 BGB in dem Umfang verweigern, dass ihm der eigene Pflichtteil verbleiben würde3. Denn der Betroffene hat nun einmal auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet. 69 Ein gegenständlicher Verzicht auf bestimmte Nachlassgegenstände führt dazu, dass diese bei der Berechnung des Pflichtteils nicht zu berücksichtigen sind4. Für die anderen Fälle des gegenständlichen Verzichts gelten keine Besonderheiten. Ihre Wirkung entspricht dem, was rechtsgeschäftlich vereinbart worden ist. 70 Beschränkt ein in Zugewinngemeinschaft lebender Ehegatte seinen Verzicht auf das Pflichtteilsrecht, so bleibt es bei der erbrechtlichen Lösung. Bei gesetzlicher Erbfolge erhält er den gem. §§ 1371 Abs. 1, 1931 BGB um ¼ erhöhten Erbteil5.
3. Zweckmäßigkeit 71 Zweckmäßig ist der (isolierte) Pflichtteilsverzicht in allen Fällen, in denen der Erblasser sein Vermögen einem bestimmten Nachfolger als Ganzes erhalten und vermeiden möchte, dass es infolge der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zu einer Zersplitterung des Vermögens kommt. Hauptanwen-
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der Beschränkungen und Beschwerungen, wenn der hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht überstieg. Mayer, ZEV 2000, 263. Staudinger/Schotten, § 2350 Rz. 5, 23. A.A. wohl Mayer, ZEV 2007, 556 (558). Tanck, ZErb 2001, 194 (196) spricht sich für einen Vorbehalt der Einreden im Rahmen eines Pflichtteilsverzichts aus. Dagegen spricht die Tatsache, dass die Vertragsparteien nicht über die Dritten gegenüber wirkenden Einreden disponieren können. Fette, NJW 1970, 743 (744). Nieder, Rz. 1144.
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Rz. 75 B XV
dungsfälle sind insoweit die Übertragung eines Familienwohnheims, eines Handelsgeschäfts bzw. einer Beteiligung an einer Gesellschaft entweder durch Verfügung von Todes wegen oder durch Übertragungsverträge im Wege vorweggenommener Erbfolge. Im Zusammenhang mit Übergabeverträgen (etwa der Übertragung eines Grundstücks auf einen Abkömmling gegen Erbverzicht) kann (zusätzlich) ein gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht (eines Dritten) zweckmäßig sein, um zu verhindern, dass sich der Übernehmer im Erbfall in Ansehung des Übergabegegenstandes mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen konfrontiert sieht. Häufig wird übersehen, dass solche Ergänzungsansprüche etwa dem Ehegatten des Übergebers auch dann zustehen können, wenn er im Zeitpunkt der Zuwendung mit dieser ausdrücklich einverstanden war1. Insbesondere bei Stiefeltern/Stiefkindern sollte der Abschluss eines gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzichts hinsichtlich des Vertragsgegenstandes in Erwägung gezogen werden2, um den Übernehmer vor künftigen unliebsamen Überraschungen zu schützen.
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Soll der Pflichtteilsverzicht die einverständliche Enterbung des Verzichtenden zwecks Übertragung seines zukünftigen Nachlassanteils oder des gesamten Nachlasses auf einen Dritten im Wege der Erbfolge sicherstellen, kommt auch ein Vertrag unter zukünftigen gesetzlichen Erben gem. § 311b Abs. 5 BGB in Betracht.
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Beispiel: Die in einem Berliner Testament als zukünftige Schlusserben eingesetzten Abkömmlinge wollen sich nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils vorweg über den Nachlass des überlebenden Elternteils auseinander setzen. Die Vor- und Nachteile eines dinglichen Verzichts gegenüber einem schuldrechtlichen Vertrag gem. § 311b Abs. 5 BGB sind in Rz. 55 f. aufgeführt, auf die an dieser Stelle verwiesen wird. Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag kann sich auch zwischen dem Erblasser und der pflichtteilsberechtigten Person anbieten, die der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen zum Erben bestimmen will. Soll dem Erben ein Erbteil hinterlassen werden, der zwar größer ist als der Pflichtteil oder gar dem gesetzlichen Erbteil entspricht, jedoch mit Beschränkungen oder Beschwerungen i.S. des § 2306 BGB belastet ist, lässt sich durch den Pflichtteilsverzicht das Risiko vermeiden, dass der Erbe die Erbschaft ausschlägt und den Pflichtteil verlangt3. Das ermöglicht dem Erblasser sicherzustellen, dass beispielsweise ein – vermutlich in den Nachlass fallendes – Unternehmen nach seinen Wünschen weitergeführt wird.
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Durch den Pflichtteilsverzicht lässt sich bewerkstelligen, dass der in einem Berliner Testament (§ 2269 BGB) eingesetzte (pflichtteilsberechtigte) Schluss-
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1 Mayer, ZEV 2000, 263 (265). 2 Mayer, ZEV 2000, 263 (265). 3 Esch/Baumann/Schulze zur Wiesche, S. 233 Rz. 869.
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Erbverzicht
erbe beim Tod des erstversterbenden Ehegatten die Erbeinsetzung des Längstlebenden durch Geltendmachung des Pflichtteils nicht beeinträchtigen kann1. Mit Pflichtteilsstrafklauseln ist dieses Ergebnis de iure nicht und de facto nicht sicher zu erreichen. Diese bewirken nämlich nur, dass derjenige Schlusserbe, der beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil fordert, beim Tod des zuletzt Versterbenden ebenfalls nur den Pflichtteil erhält, verhindern aber eben nicht, dass der überlebende Ehegatte durch Pflichtteilsansprüche in Bedrängnis gebracht wird. Da ungewiss ist, welcher Ehegatte vorverstirbt, muss mit jedem Ehegatten ein Verzicht auf den Pflichtteil (aber streng bezogen auf das Vorversterben des jeweiligen Ehegatten) vereinbart werden. Im Hinblick auf die Gefahr einer späteren einvernehmlichen Beseitigung des Ehegattentestamentes, insbesondere soweit es um die darin enthaltene Einsetzung der Schlusserben geht, sollten die Verzichte – zum Schutz des als Schlusserben eingesetzten Pflichtteilsberechtigten – unter der auflösenden Bedingung erklärt werden, dass der Verzichtende tatsächlich Schlusserbe wird. Da sich nicht ausschließen lässt, dass der Verzichtende – nach dem Tod des Erstversterbenden – von einem bereits erfolgten lebzeitigen Widerruf des ihn begünstigenden Testamentes erst zu einem Zeitpunkt erfährt, in dem der Pflichtteilsanspruch bereits verjährt ist (§ 2332 Abs. 1 BGB), sollte zudem in den Kausalvertrag zum Erbverzicht rein vorsorglich eine Klausel aufgenommen werden, die den jeweiligen Ehegatten im Falle seines Überlebens zur sofortigen Mitteilung gegenüber dem Verzichtenden verpflichtet. Bei Missachtung dieser Pflicht bestünden dann zumindest Schadenersatzansprüche gegen den überlebenden Ehegatten (oder seine Erben) in Höhe des verjährten Pflichtteilsanspruchs.
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Beachte: Zum Schutz des in einem Berliner Testament als Schlusserben eingesetzten Pflichtteilsberechtigten sollte der Verzicht auf den Pflichtteil (nach dem Tod des Erstversterbenden) unter der auflösenden Bedingung erklärt werden, dass der Verzichtende Schlusserbe wird. Außerdem sollte der Kausalvertrag zum Erbverzicht den überlebenden Ehegatten verpflichten, dem Verzichtenden eine Testamentsänderung mitzuteilen.
76 Als weitere Möglichkeit bietet sich beim gemeinschaftlichen Testament auch eine Stundungsvereinbarung mit den Abkömmlingen an, die die Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs gegen den überlebenden Ehegatten hinausschiebt. Der Sache nach handelt es sich bei einer solchen Vereinbarung um einen zeitlich beschränkten Pflichtteilsverzicht, der die kurze Verjährung des Pflichtteilsanspruchs (§ 2332 BGB) unterbricht und zudem einen erbschaftsteuerlichen Vorteil bietet2. Dieser Vorteil liegt darin, dass mit der (genauer: „erst mit der“ und daher für die vorteilhafte Gestaltung unbedingt erforderlichen) Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ein steuerbarer Erwerb von Todes wegen beim Pflichtteilsberechtigten eintritt (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1a ErbStG). Die Abkömmlinge können damit die Erbschaftsteuerfreibeträge nach dem Tod des Erstversterbenden in Anspruch nehmen, wohingegen der über1 Damrau, S. 53; Mayer, ZEV 2000, 263 (265). 2 Mayer, ZEV 2000, 263 (266).
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Erbverzicht
Rz. 79 B XV
lebende Ehegatte umgekehrt den Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit bei der Bemessung seiner Erbschaftsteuer in Abzug bringen darf (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG). Dies mindert die Steuerprogression im zweiten Erbfall und ermöglicht die Inanspruchnahme der Freibeträge gegenüber beiden Elternteilen. Gleichwohl birgt eine solche Stundungsvereinbarung auch Gefahren in sich. Ohne Wertsicherung und Sicherstellung der Zahlung besteht das Risiko, dass sich der Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Letztversterbenden nicht mehr realisieren lässt. Insoweit ist dringend zu empfehlen, dass sorgfältige Belehrungsvermerke in die Urkunde aufgenommen werden1. Zudem kann der erbschaftsteuerliche Vorteil von einer erhöhten Progressionsbelastung des Pflichtteilsberechtigten aufgezehrt werden2. Das resultiert daraus, dass eine für einen Zeitraum von über einem Jahr gestundete Forderung nach der Rechtsprechung des BFH gem. § 12 Abs. 3 BewG in einen Kapitalund einen Zinsanteil zu zerlegen und der Zinsanteil als Einnahme aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu versteuern ist3, sobald dem Pflichtteilsberechtigten die Geldsumme zufließt. Die zinslose Stundung eines Pflichtteilsanspruchs ist also steuerrechtlich verzinslich4! Sofern der Erblasser einer pflichtteilsberechtigten Person eine Zuwendung gemacht hat, ohne eine Anrechnungs- oder Ausgleichungsbestimmung zu treffen (§§ 2315 Abs. 1, 2050 Abs. 3 BGB), kann eine solche noch nachträglich im Wege eines gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzichts vereinbart werden.
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IV. Der Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) 1. Allgemeines Grundsätzlich kann jede (natürliche oder juristische) Person durch Vertrag mit dem Erblasser auf eine bereits erfolgte (s. Rz. 81) Zuwendung von Todes wegen in Form einer Erbeinsetzung oder eines Vermächtnisses verzichten. Je nachdem, ob die Zuwendung in einem (einseitigen oder gemeinschaftlichen) Testament oder einem Erbvertrag enthalten ist, stellt das Gesetz unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen solchen Zuwendungsverzicht auf.
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Ist die Zuwendung in einem Testament enthalten, gilt § 2352 Satz 1 BGB, der an die Person des Verzichtenden keine besonderen Anforderungen stellt. Bei einer in einem Erbvertrag enthaltenen Zuwendung ist danach zu differenzieren, ob die begünstigende Verfügung vertragsmäßig (§ 2278 Abs. 1 BGB) oder einseitig (§ 2299 Abs. 1 BGB) getroffen wurde. Der Grund für die Notwendigkeit dieser Differenzierung liegt darin, dass auf eine vertragsmäßig getroffene Verfügung gem. § 2352 Satz 2 BGB nur ein „Dritter“ – also nicht der Vertrags-
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Mayer, ZEV 2000, 263 (265). Mayer, ZEV 2000, 263 (265). BFH v. 26.6.1996 – VIII R 67/95, ZEV 1997, 84 (85). Krit. hierzu Wohlschlegel, Anm. zu BFH v. 26.6.1996 – VIII R 67/95, ZEV 1997, 86 f.
Muscheler
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B XV Rz. 80
Erbverzicht
partner des Erbvertrages1 – verzichten kann. Diese Einschränkung gilt für einen Verzicht auf eine einseitige Verfügung jedoch nicht2, weil auf eine solche gem. § 2299 Abs. 2 Satz 1 BGB die Vorschriften über testamentarische Verfügungen – mithin im Verzichtsfall Satz 1 des § 2352 BGB – anzuwenden sind. 80 Dritter i.S. des § 2352 Satz 2 BGB ist, wer weder als Erblasser noch als dessen Vertragspartner am Abschluss des Erbvertrages beteiligt war3. Ein Zuwendungsverzicht kommt daher von vornherein nicht in Betracht, wenn eine vertragsmäßige Verfügung lediglich im Zweipersonenverhältnis und zugunsten des (Einzigen) Vertragspartners erfolgt ist4, weil es dann zwangsläufig keinen Dritten geben kann. Ist die vertragsmäßige Verfügung demgegenüber in einem Erbvertrag, an dessen Abschluss mehr als zwei Personen beteiligt waren, an eine dieser Personen erfolgt, so muss geprüft werden, ob der (nunmehr verzichtswillige) Beteiligte materiellrechtlich als Vertragspartner anzusehen ist oder ob er den Vertrag nur formell (d.h. zur Kenntnisnahme) mitunterzeichnet hat. Bei einer lediglich formellen Beteiligung ist das Merkmal „Dritter“ erfüllt und ein Zuwendungsverzicht daher möglich, bei einer materiellrechtlichen Beteiligung dagegen nicht5. 81 Gegenstand eines Zuwendungsverzichtsvertrages vermag nur eine Zuwendung in einer (bereits) bestehenden, noch wirksamen Verfügung von Todes wegen zu sein. Der Verzicht auf eine künftige Zuwendung ist nicht möglich6, denn verzichten kann gem. § 2352 Satz 1 BGB nur, wer im Zeitpunkt des Verzichts (bereits) „bedacht“ ist. Aus diesem Grund kann sich auch der Verzicht nicht zusätzlich auf Zuwendungen erstrecken, die erst nach Abschluss des Zuwendungsverzichtsvertrages erfolgen. 82 Auf ein Vermächtnis kann (ebenso wie auf die Erbenstellung) ganz oder teilweise verzichtet werden. Einem Verzicht nicht offen stehen die gesetzlichen Vermächtnisse des Voraus (§ 1932 BGB) und des Dreißigsten (§ 1969 BGB)7. 83 Der Verzicht auf eine Zuwendung enthält nicht notwendig einen Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht8. Im Wege der Auslegung kann sich aber ein derart ausgedehnter Umfang ergeben9. Die Auslegung ist indes res1 In seinem Fall hat die Aufhebung des Erbvertrages gem. § 2290 BGB Vorrang, weil sonst die für die Aufhebung des Erbvertrages geltenden strengeren Formvorschriften der §§ 2276 Abs. 1 Satz 1, 2290 Abs. 4 BGB umgangen werden könnten, vgl. OLG Stuttgart v. 9.11.1978 – 8 W 564/78, OLGZ 1979, 129 (130). 2 Vgl. nur Jackschath, MittRhNotK 1977, 117 (119). 3 Palandt/Edenhofer, § 2352 Rz. 3. 4 OLG Hamm v. 14.2.1977 – 15 W 159/75, DNotZ 1977, 751 (754); OLG Celle v. 8.7.1959 – 4 Wx 7/59, NJW 1959, 1923. 5 BayObLG v. 11.5.1965 – BReg. 1a Z 3/65, BayObLGZ 1965, 188 (192 f.); OLG Stuttgart v. 9.11.1978 – 8 W 564/78, OLGZ 1979, 129 (130). 6 BayObLG v. 4.12.1986 – 1 Z 30/86, Rpfleger 1987, 374. 7 Palandt/Edenhofer, § 2352 Rz. 2. 8 Für den umgekehrten Fall: RG v. 14.11.1918 – IV 261/18, LZ 1919, Sp. 594. 9 Für den umgekehrten Fall: BGH v. 19.1.1972 – IV ZR 1208/68, DNotZ 1972, 500.
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Muscheler
Erbverzicht
Rz. 85 B XV
triktiv zu handhaben1. Zur Vermeidung von Streitigkeiten empfiehlt sich, beim Abschluss des Zuwendungsverzichtsvertrages in jedem Fall genau festzuhalten, worauf sich der Verzicht erstrecken soll. Selbstverständlich kann auch der Zuwendungsverzicht beschränkt werden (arg. e contrario § 1950 BGB). Deshalb hat der (bereits gebundene) Erblasser beispielsweise die Möglichkeit, mit den in einem gemeinschaftlichen Testament als Schlusserben Eingesetzten notariell zu vereinbaren, dass ihm gestattet sein soll, ihnen durch letztwillige Verfügungen Beschränkungen in Form von Vermächtnissen2, der Ernennung eines Testamentsvollstreckers etc. aufzuerlegen. Soweit eine derartige Vereinbarung formlos getroffen wird, kann sie jedoch – außer in steuerlicher Hinsicht3 – keine Wirkungen entfalten4.
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Der Zuwendungsverzicht kann auch zugunsten bestimmter Personen erklärt 85 werden. § 2350 Abs. 2 BGB findet allerdings nach einhelliger Meinung beim Zuwendungsverzicht keine Anwendung. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm sowie der Tatsache, dass sie in § 2352 BGB nicht genannt ist. Auch der Reformgesetzgeber hat sich bei der Neufassung des § 2352 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts nur für eine Aufnahme des § 2349 BGB und nicht auch des § 2350 BGB in die Verweisung des § 2352 Satz 3 BGB entschieden. Daher wird beim Zuwendungsverzicht eines Abkömmlings im Zweifel nicht vermutet, dass der Verzicht nur zugunsten anderer Abkömmlinge und des Ehegatten gelten soll. Unverständlicherweise streitig – unverständlich, weil hier dieselben Argumente gelten wie bei § 2350 Abs. 2 BGB – ist dagegen die Anwendung des § 2350 Abs. 1 BGB, mithin die Frage, ob der Verzicht zugunsten eines anderen (gem. § 2350 Abs. 1 BGB ipso iure) im Zweifel nur für den Fall gelten soll, dass der andere die Zuwendung erhält5. Die Streitfrage hat keine große praktische Bedeutung, weil die Wirkungen der Norm nach allgemeiner Meinung durch eine entsprechende vertragliche Vereinbarung herbeigeführt werden können6. Sofern die Parteien einen Zuwendungsverzicht zugunsten bestimmter Personen wünschen, sollte dies ausdrücklich zum Vertragsinhalt gemacht und zudem vereinbart werden, dass der Zuwendungsverzicht nur dann gilt (Bedingung), wenn der zu Begünstigende anstelle des Verzichtenden Erbe oder Vermächtnisnehmer wird7. Ein
1 Lange/Kuchinke, § 7 III 3 (S. 182). 2 OLG Köln v. 23.7.1982 – 6 U 199/81, FamRZ 1983, 837; Weidlich, ZEV 2007, 463 (467). 3 FG München v. 15.9.1993 – 4 K 1274/89, UVR 1994, 58 f. (Anwendung des § 41 AO trotz nur mündlichen Erbverzichts); vgl. auch BFH v. 5.11.1998 – IV R 32/98, BFHE 187, 469 (473 f.). 4 A.A. LG Düsseldorf v. 26.2.1988 – 20a S 124/87, FamRZ 1988, 661 f., das dem in einem gemeinschaftlichen Testament Bedachten, der sich mit einer ihn belastenden letztwilligen Verfügung des überlebenden Ehegatten formlos einverstanden erklärt, die Berufung auf die Unwirksamkeit dieser Verfügung wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben verweigert. 5 Vgl. Nieder, Rz. 1165. 6 OLG Hamm v. 7.12.1981 – 15 W 171/81, OLGZ 1982, 272 (274). 7 MüKo/Strobel, § 2352 Rz. 5.
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B XV Rz. 86
Erbverzicht
derartiger Verzicht ist dann auflösend bedingt und wird unwirksam, wenn die Bedingung nicht eintritt. 86
Û
Beratungssituation: Der Erblasser möchte wissen, ob er sich durch Abschluss eines Zuwendungsverzichtsvertrages mit dem in einem gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Schlusserben von der Bindung an seine wechselbezügliche Verfügung (§ 2271 Abs. 2 BGB) befreien kann.
Es entspricht ganz herrschender Meinung, dass sich ein Erblasser durch Abschluss eines Zuwendungsverzichtsvertrages mit dem im gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Schlusserben von der Bindung an seine wechselbezügliche Verfügung befreien kann1. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die wechselbezügliche letztwillige Zuwendung, für die Bindung des Erblassers besteht, infolge des Verzichts gegenstandslos wird2. Gegenstandslos wird eine Zuwendung im gemeinschaftlichen Testament dann nicht, wenn dieses für den Fall, dass der Schlusserbe wegfällt, eine ausdrückliche oder stillschweigende Ersatzregelung enthält. Eine ausdrückliche Ersatzregelung (Bestimmung eines Ersatzerben oder Ersatzvermächtnisnehmers gem. §§ 2094, 2096, 2190 BGB) kann einem gemeinschaftlichen Testament nur entnommen werden, wenn der Wortlaut des Testaments insoweit zumindest einen – sei es auch nur versteckten – Anhaltspunkt bietet. Ist das nicht der Fall, kann die gesetzliche Auslegungsregel des § 2069 BGB eingreifen, nach der die Abkömmlinge des Verzichtenden an dessen Stelle treten. Diesbezüglich gilt es jedoch Folgendes zu beachten: Mit der Neufassung des § 2352 Satz 3 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts3 erstreckt sich die Wirkung des Zuwendungsverzichts eines Abkömmlings gem. § 2352 Satz 3 i.V.m. § 2349 BGB auf dessen Abkömmlinge, falls die Vertragsparteien nichts anderes bestimmt haben (s. Rz. 91). Hat also ein in einem gemeinschaftlichen Testament als Schlusserbe eingesetzter Abkömmling mit dem Erblasser einen Zuwendungsverzichtsvertrag geschlossen, verdrängt dieser eine ausdrückliche oder auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruhende Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge des Verzichtenden. Die wechselbezügliche Verfügung des Erblassers zugunsten des Verzichtenden wird mangels Berufung eines Ersatzerben gegenstandslos, der Erblasser kann wieder neu testieren. Beispiel:4 Die Ehegatten M und F haben sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und T, Tochter der F und Stieftochter des M, zur Schlusserbin bestimmt. Nach dem Tod der F kommen M und T überein, dass T auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament Zugewendete zugunsten eines ihrer fünf Kinder, ihrer Tochter A, verzichtet, und lassen die Vereinbarung notariell beurkunden. Danach verstirbt M. Ist A dessen Alleinerbin geworden? 1 2 3 4
S. z.B. OLG Köln v. 23.7.1982 – 6 U 199/81, FamRZ 1983, 837. OLG Hamm v. 7.12.1981 – 15 W 171/81, OLGZ 1982, 272 (276). Vgl. hierzu Muscheler, ZEV 2008, 105 (109). Sachverhalt nach OLG Hamm v. 7.12.1981 – 15 W 171/81, OLGZ 1982, 272.
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Erbverzicht
Rz. 86 B XV
Der zwischen M und T geschlossene Zuwendungsverzichtsvertrag beseitigt lediglich die erbrechtliche Position der T, hat aber keine unmittelbare Übertragungswirkung (s. Rz. 14). A könnte deshalb allenfalls unter der Voraussetzung Alleinerbin des M geworden sein, dass M eine entsprechende Verfügung von Todes wegen getroffen hat. Einer solchen steht grundsätzlich die durch den Tod der F eingetretene Bindungswirkung an die wechselbezügliche Zuwendung zugunsten der T entgegen (§ 2271 Abs. 2 BGB). Allgemein anerkannt ist jedoch, dass sich ein Erblasser durch Abschluss eines Erbverzichtsvertrages mit dem im gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Schlusserben von der Bindung an seine wechselbezügliche Verfügung befreien kann. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass durch Abschluss des Zuwendungsverzichtsvertrages zwischen M und T die Bindung des M an seine Verfügung entfallen ist1. Ein solcher Schluss wäre indes voreilig. Die Bindungswirkung kann nur entfallen, wenn der Verzicht die Gegenstandslosigkeit der (gesamten) wechselbezüglichen letztwilligen Verfügung bewirkt. Diese wird nur gegenstandslos, wenn sie keine Ersatzregelung für den Fall enthält, dass der Bedachte (hier die T) wegfällt. Eine ausdrückliche Ersatzerbeneinsetzung ist dem gemeinschaftlichen Testament des Beispielsfalles nicht zu entnehmen. Es greift jedoch die gesetzliche Auslegungsregel des § 2069 BGB ein. Obgleich T – als Stieftochter des M – nicht dessen „Abkömmling“ ist, wird sie einem solchen gleichgestellt. Mit Rücksicht darauf, dass die Testierenden bei einem Ehegattentestament den beiderseitigen Nachlass in der Regel als Einheit betrachten2, behandelt die h.M. als Abkömmling auch denjenigen, der lediglich Abkömmling des vorverstorbenen Ehegatten und gleichwohl als gemeinschaftlicher Erbe eingesetzt ist3. Hätte T (uneingeschränkt) auf ihre Schlusserbenstellung verzichtet, wären ihre fünf Kinder daher gem. § 2069 BGB zu gleichen Teilen an ihre Stelle getreten und mit dem Tode des M ersatzweise (Mit-)Erben geworden. Diese gesetzlich vermutete Ersatzerbenregelung greift jedoch nur dann ein, wenn sie nicht von dem zwischen M und T geschlossenen Zuwendungsverzichtsvertrag verdrängt wird. Gem. § 2352 Satz 3 i.V.m. § 2349 BGB erstreckt sich die Wirkung eines zwischen Abkömmling und Erblasser vereinbarten Zuwendungsverzichts auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, sofern nicht ein anderes bestimmt ist. M und T haben sich darüber geeinigt, dass T zugunsten ihrer Tochter A verzichtet, und so die Erstreckung der Verzichtswirkung auf A abbedungen. Als Ersatzerbin kommt allein A in Betracht, die restlichen vier Kinder sind von der Ersatzerbfolge ausgeschlossen (§ 2352 Satz 3 i.V.m. § 2349 BGB). Daraus ergibt sich: Aufgrund der Berufung der A als Ersatzerbin (§§ 2069, 2096 BGB) ist die wechselbezügliche letztwillige Verfügung des M mit Abschluss des Zuwendungsverzichtsvertrags mit T nicht gegenstandslos geworden. M konnte sich nicht von der Bindungswirkung an seine Verfügung befreien. Letzteres ist gleichwohl unschädlich: A wird zwar nicht durch eine neue Verfügung von Todes wegen des M als dessen Alleinerbin eingesetz. Vermittelt durch die auf § 2069 BGB beruhende Ersatz1 Weidlich, ZEV 2007, 463 (467) spricht von einem „starken Gesichtspunkt gegen eine Bindungswirkung“. 2 KG v. 21.3.1974 – 12 U 2102/73, OLGZ 1974, 257 (259 ff.). 3 MüKo/Leipold, § 2069 Rz. 5.
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B XV Rz. 87
Erbverzicht
erbenfolge können M und T aber dasselbe Ergebnis schon mit der wechselbezüglichen Verfügung des M im gemeinschaftlichen Testament erreichen. 87 Vorstehendes gilt auch für erbvertragliche Verfügungen nach Eintritt der Bindungswirkung. 88 Der Ausschluss der Anwendung des § 2069 BGB durch § 2352 Satz 3 i.V.m. § 2349 BGB entspricht dem mutmaßlichen Willen der Eheleute insbesondere dann, wenn der Verzichtende vollständig abgefunden worden ist. Von einer vollständigen Abfindung kann ausgegangen werden, wenn der wirkliche Wert des Erbteils im Zeitpunkt des Verzichtsvertrages die Gegenleistung um nicht mehr als 10 % übersteigt1. Unter dieser Voraussetzung soll grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung2 dafür sprechen, dass die Abkömmlinge des Verzichtenden nicht zu dessen Ersatzerben berufen sind3; man müsse davon ausgehen, dass der Erblasser nicht denselben Stamm doppelt habe bedenken wollen4. Durch die vollständige Abfindung sei dem Willen des vorverstorbenen Ehegatten und damit dem Bindungszweck des § 2271 Abs. 2 BGB Genüge getan5, denn der Verzichtende bekomme der „Substanz“ nach das, was der Erblasser ihm und seinem Stamm habe zuwenden wollen6. Die tatsächliche Vermutung soll nicht nur dann gelten, wenn in der Verfügung von Todes wegen nicht ausdrücklich bestimmt ist, dass bei einem Erbverzicht gegen volle Abfindung die Ersatzberufung nicht gelten solle7, sondern im Gegenteil selbst dann, wenn in der Verfügung von Todes wegen eine ausdrückliche Ersatzerbenregelung im Sinne des § 2069 BGB getroffen ist8. Die Ersatzerbenregelung wäre in Fällen geleisteter Abfindungen also schon ohne die Regelung des § 2352 Satz 3 i.V.m. § 2349 BGB ausgeschlossen. Beispiel:9 Die Ehegatten M und F haben sich in einem Erbvertrag (jeweils vertragsmäßig) zu Alleinerben und die drei Kinder der F aus erster Ehe (K1–K3) zu Erben des Längstlebenden eingesetzt. Der jeweils Längstlebende von ihnen hat die Abkömmlinge seiner Erben zu Ersatzerben bestimmt. Sofern solche nicht vorhanden seien, trete, so heißt es im Erbvertrag weiter, Anwachsung unter den übrigen Erben ein. Eine Abänderung zugunsten anderer Personen solle jedenfalls nicht möglich sein. Nach dem Tod der F schlossen M und K1 einen „Übergabevertrag“, durch den K1 ein Hotel (Übergabegut) als „Erbteil“ nach 1 OLG Köln v. 25.8.1989 – 2 Wx 21/89, FamRZ 1990, 99 (101). 2 Krit. hierzu Mayer, ZEV 1996, 127 (131), der aber durch ergänzende Auslegung i.d.R. zu demselben Ergebnis kommen will. 3 BGH v. 24.10.1973 – IV ZR 3/72, NJW 1974, 43 (44). 4 OLG Hamm v. 7.12.1981 – 15 W 171/81, OLGZ 1982, 272 (278 f.). 5 Baumgärtel, DNotZ 1959, 63 (68). 6 Blomeyer, FamRZ 1974, 421 (427). 7 In diesem Fall OLG Köln v. 25.8.1989 – 2 Wx 21/89, FamRZ 1990, 99 (101); anders noch OLG Stuttgart v. 9.12.1957 – 8 W 329/57, NJW 1958, 347 (348); OLG Düsseldorf v. 20.10.1972 – 7 U 51/72, DNotZ 1974, 367 (370). 8 BayObLG v. 23.4.1997 – 1 Z BR 140/96, NJW-RR 1997, 1027 (1030); a.A. OLG Stuttgart v. 30.4.1997 – 19 U 13/97, OLGReport 1998, 111 f. 9 Sachverhalt nach BayObLG v. 23.4.1997 – 1 Z BR 140/96, NJW-RR 1997, 1027.
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Erbverzicht
Rz. 90 B XV
dem M und der vorverstorbenen F erhielt und dafür auf die Ansprüche aus dem Erbvertrag ausdrücklich verzichtete. Zu einem späteren Zeitpunkt erklärte K1 zu notariell beglaubigter Urkunde, dass sie und ihr Stamm im Hinblick auf den Nachlass der F und des Erblassers M abgefunden seien. Durch notarielles Testament setzte M sodann den Extraneus A als Alleinerben ein. Der Verzicht der K1 macht die vertragsmäßige Verfügung des M nicht gegenstandslos. Die ausdrückliche Ersatzerbenanordnung des Erbvertrags kam hier zwar für den durch Verzicht ausgelösten Wegfall des K1 nicht zum Zuge; das ergibt wegen der Abfindung zugunsten des K1 schon eine ergänzende Auslegung des Erbvertrags und schließlich § 2352 Satz 3 i.V.m. § 2349 BGB. Gleichwohl konnte M selbst über den Anteil, auf den K1 verzichtet hatte, nicht neu verfügen, weil für diesen gem. § 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB Anwachsung an K2 und K3 vorgesehen war. Trotz vollständiger Abfindung soll die tatsächliche Vermutung für den Aus- 89 schluss des ganzen Stammes nicht bestehen, wenn die Gefahr ausgeschlossen ist, dass ohne Erstreckung des Erbverzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden einer von mehreren Stämmen doppelt bedacht wird1. Beispiel: Die Ehegatten M und F haben sich in einem Erbvertrag vertragsmäßig jeweils zu Alleinerben und ihre beiden Kinder K1 und K2 zu Erben des Längerlebenden eingesetzt. Nach dem Tode des M verstirbt K1 kinderlos. F schließt mit K2, der mehrere Kinder hat, einen Zuwendungsverzichtsvertrag und zahlt hierfür eine vollständige Abfindung. F und K2 bedingen ausdrücklich die Erstreckung der Verzichtswirkung auf die Kinder des K2 (§ 2352 Satz 3 i.V.m. § 2349 BGB) ab. Da in diesem Fall nur noch ein Stamm vorhanden ist und deshalb nicht die Gefahr besteht, dass dieser doppelt bedacht wird, verbleibt es hier bei der Ersatzerbenregelung des § 2069 BGB. Der mutmaßliche Wille der Ehegatten im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages spricht nämlich dafür, dass das beim Tod des Zuletztversterbenden vorhandene Vermögen den Enkelkindern zukommen soll, wenn der einzige noch lebende Sohn Schlusserbe weder sein konnte noch wollte2.
2. Wirkungen Anders als beim Widerruf eines Testamentes (§§ 2253, 2254, 2258 BGB) und der Aufhebung eines Erbvertrages (§§ 2290 ff. BGB), durch welche die betreffende Verfügung von Todes wegen aufgehoben wird, verhindert der Zuwendungsverzicht lediglich den Anfall der Zuwendung an den Verzichtenden. Nur seine erbrechtliche Position wird beseitigt, nicht aber wird die Verfügung von Todes wegen aufgehoben. Weitere in der Verfügung von Todes wegen ge-
1 OLG Frankfurt v. 6.3.1997 – 20 W 574/95, FamRZ 1998, 57 (59). 2 OLG Frankfurt v. 6.3.1997 – 20 W 574/95, FamRZ 1998, 57 (59).
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B XV Rz. 91
Erbverzicht
troffene Bestimmungen bleiben bestehen1, insbesondere weitere in einem Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament getroffene wechselbezügliche Verfügungen. 91 Nach früher absolut h.M. war § 2349 BGB beim Zuwendungsverzicht nicht anwendbar2. Das ergab sich daraus, dass § 2349 BGB in § 2352 BGB a.F. nicht genannt war3 und eine – ohne gesetzliche Grundlage erfolgende – Erstreckung des Zuwendungsverzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden den im Gesetz verankerten Grundsatz der Selbstständigkeit aller einzelnen Erbrechte durchbrochen hätte4. Die Neufassung des § 2352 Satz 3 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts5 sieht gerade zu dieser Streitfrage eine erhebliche Kehrtwende vor: Demnach erklärt § 2352 Satz 3 BGB die Regelung des § 2349 BGB für anwendbar6. Die Aufnahme des § 2349 BGB in die Verweisung des § 2352 BGB ist eine nicht nur im Sinne der Rechtsklarheit wünschenswerte Neuerung, sondern befriedigt auch ein unabweisbares Bedürfnis. Der Zuwendungsverzicht ist gerade dann zweckmäßig, wenn eine anderweitige Beseitigung der Zuwendung wegen der Bindung an wechselbezügliche oder vertragsmäßige Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten bzw. Erbverträgen unmöglich ist (§§ 2270, 2271 Abs. 2 Satz 1, 2278, 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Befreiung von der Bindung scheitert jedoch dann, wenn an die Stelle des Verzichtenden dessen Abkömmlinge als Ersatzerben (§ 2096 BGB)7 oder Ersatzvermächtnisnehmer (§ 2190 BGB) treten (s. Rz. 86). Die Erstreckung der Verzichtswirkung auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden (§ 2349 BGB) ermöglicht dem Erblasser wieder, frei zu testieren, und verschafft dem Zuwendungsverzicht die ihm zukommende Geltung als Instrument zur Befreiung von der Bindung an wechselbezügliche oder vertragsmäßige Verfügungen. Anders ist dies weiterhin, wenn 1.) eine Anwachsung der Erbteile an die anderen Schluss- bzw. Vertragserben erfolgt, § 2094 BGB, 2.) andere als Abkömmlinge als Ersatzerben an die Stelle des Verzichtenden treten, 3.) der Verzichtende nicht Abkömmling oder Seitenverwandter des
1 LG Lübeck v. 20.2.1959 – 7 T 923/58, SchlHA 1959, 211. 2 KG v. 28.2.1907 – 1. ZS., OLGE 14, 311 (313); KG v. 22.10.1920 – ZS 1a, OLGE 41, 67 (69 f.); OLG Hamm v. 7.12.1981 – 15 W 171/81, OLGZ 1982, 272 (279); BayObLG v. 28.11.1983 – 1 Z 38/83, Rpfleger 1984, 65; OLG Stuttgart v. 9.12.1957 – 8 W 329/57, NJW 1958, 347 (348); a.A.: Staudinger/Schotten, § 2352 Rz. 42 ff.; Schotten, Anm. zu OLG Frankfurt v. 6.3.1997 – 20 W 574/95, Rpfleger 1998, 113 (114); Schotten, ZEV 1997, 1 (4 f.). Weidlich, ZEV 2007, 463 (464) kritisiert die h.M. als „formal“. 3 Kanzleiter, ZEV 1997, 261 (262); Reul, MittRhNotK 1997, 373 (386). 4 OLG Hamm v. 7.12.1981 – 15 W 171/81, OLGZ 1982, 272 (279). 5 V. 24.9.2009, BGBl. I, S. 3142. 6 Muscheler, ZEV 2008, 105 (109). 7 Nach BGH v. 16.1.2002 – IV ZB 20/01, BGHZ 149, 363 (369 f.) = ZEV 2002, 150 (151) = NJW 2002, 1126 (1127) kann die Wechselbezüglichkeit einer Verfügung nicht auf die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB gestützt werden, wenn sich die Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge nicht aus einer vorrangigen individuellen Auslegung, sondern lediglich aus der Auslegungsregel des § 2069 BGB ergibt. § 2270 Abs. 2 BGB könne nicht mit § 2069 BGB kumuliert werden.
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Muscheler
Erbverzicht
Rz. 95 B XV
Erblassers ist oder 4.) im Verzichtsvertrag ausdrücklich die Erstreckung ausgeschlossen ist1.
3. Zweckmäßigkeit Die Beseitigung einer auf einem (einseitigen) Testament beruhenden Zuwendung kann regelmäßig auf einfachere und kostengünstigere Weise als durch Erbverzicht, nämlich mittels Enterbungs- oder Widerrufstestament, erfolgen. Wird diese Möglichkeit aber durch eine nach Errichtung des begünstigenden Testamentes eingetretene Testierunfähigkeit des Erblassers ausgeschlossen, ist der Zuwendungsverzichtsvertrag das einzige Mittel, den Anfall einer Erbschaft bzw. die Entstehung eines Vermächtnisanspruchs zu verhindern (vgl. §§ 2352 Satz 3, 2347 Abs. 2 Satz 2 BGB).
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Beruht die Zuwendung auf einer in einem gemeinschaftlichen Testament ge- 93 troffenen wechselbezüglichen Verfügung, vermag sich der Erblasser nach dem Tode seines vorverstorbenen Ehegatten von der Bindung an die von ihm getroffene Verfügung außer in den Fällen von § 2271 Abs. 2 BGB nur durch den Abschluss eines Zuwendungsverzichtsvertrages mit dem Bedachten zu befreien. Selbst wenn ein Anfechtungsgrund gegeben ist, kann dennoch ein Verzicht vorzugswürdig sein, denn dieser macht die Verfügung des Erblassers nur gegenstandslos, während die Anfechtung zu ihrer Vernichtung führt und damit gem. § 2270 Abs. 1 BGB zugleich die korrespektive Verfügung des anderen Ehegatten beseitigt. Zu Lebzeiten beider Ehegatten, mithin zu einem Zeitpunkt, in dem bei einem gemeinschaftlichen Testament ein Widerruf der Verfügung (noch) möglich wäre, kann der Zuwendungsverzicht zweckmäßig sein, wenn dem Erblasser daran gelegen ist, die weiter gehenden Auswirkungen des Widerrufs eines gemeinschaftlichen Testaments (Unwirksamkeit des Testamentes im Ganzen) zu vermeiden. Der Zuwendungsverzicht beseitigt ausschließlich die Zuwendung, hält die Wirkungen der gemeinsam errichteten Verfügung von Todes wegen im Übrigen aber aufrecht. Da der andere Ehegatte am Zuwendungsverzichtsvertrag nicht beteiligt sein muss, braucht er von diesem keine Kenntnis zu erlangen.
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Beruht die Zuwendung auf einem Erbvertrag, besteht dieselbe Rechtslage: Mit dem Tod eines der Vertragschließenden tritt gem. § 2290 Abs. 1 Satz 2 BGB Bindungswirkung in dem Sinne ein, dass der Erbvertrag nicht mehr aufgehoben werden kann. Mithilfe des Zuwendungsverzichtsvertrages kann sich der Erblasser von dieser (über die normale Vertragsgebundenheit hinausgehenden) Bindungswirkung befreien. Zu Lebzeiten des Vertragspartners kann der Erbvertrag regelmäßig aufgehoben werden. Soll die Verfügung des Vertragspartners jedoch nicht gefährdet werden, ist der Zuwendungsverzicht durchaus zweckmäßig.
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Beachte: Die Verfügungsfreiheit des erbvertraglich oder durch wechselbezügliche Verfügungen gebundenen Erblassers tritt durch den Zuwen-
1 S. zu den Ausnahmen Muscheler, ZEV 2008, 105 (109).
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B XV Rz. 96
Erbverzicht
dungsverzicht des Erstberufenen nicht ein, wenn Ersatzerbfolge oder ein Ersatzvermächtnis angeordnet ist (§§ 2096, 2190 BGB) oder Anwachsung erfolgt (§§ 2094, 2158 BGB)! Hat ein Abkömmling des Erblassers mit diesem einen Zuwendungsverzichtsvertrag geschlossen, so erstreckt sich dessen Wirkung gem. § 2352 Satz 3 i.V.m. § 2349 BGB bei fehlender anderweitiger Bestimmung auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden und schließt insoweit eine ausdrückliche oder auf § 2069 BGB beruhende Ersatzerbfolge aus.
V. Kosten- und Gebührenfragen 1. Notarkosten 96 Die Beurkundungsgebühr für Erbverzichtsverträge beträgt gem. § 36 Abs. 2 KostO das Doppelte der vollen Gebühr. § 46 KostO gilt nicht1, da der Erbverzicht keine Verfügung von Todes wegen, sondern ein Rechtsgeschäft unter Lebenden ist. Eine doppelte Gebühr entsteht auch bei isolierter Beurkundung des Kausalgeschäfts (§ 36 Abs. 2 KostO analog2). Die gleichzeitige Beurkundung von Kausal-(Abfindungs-) und Erbverzichtsvertrag stellt bei Vorliegen eines Austauschverhältnisses i.S. von § 39 Abs. 2 KostO einen einheitlich zu bewertenden Vertrag dar3, so dass der Wert der Leistung des einen Vertragspartners mit dem Wert des Erbverzichts zu vergleichen und für die Kostenberechnung von dem höheren Wert auszugehen ist4. Maßgeblich für die Frage, ob ein Austauschverhältnis vorliegt, ist der Vertrag, wobei dem mit ihm verfolgten wirtschaftlichen Zweck besondere Bedeutung zukommt5. Erfolgt die Beurkundung des Erbverzichts später als die des Kausalgeschäfts, verursacht jener zusätzlich – in entsprechender Anwendung des § 38 Abs. 2 Nr. 6 KostO – (lediglich) die Hälfte der vollen Gebühr6. 97 Bei einem gegenseitigen Erbverzicht – z.B. durch Ehegatten – liegt ein Austauschvertrag i.S. des § 39 Abs. 2 KostO vor, so dass nur der wertmäßig höhere Verzicht maßgeblich ist7. Wird der Erbverzicht mit einem Ehevertrag (vgl. § 39 Abs. 3 KostO) verbunden, findet § 46 Abs. 3 KostO – der Erbverzicht ist kein Erbvertrag – keine Anwendung. In diesem Fall ist der Wert jedes Vertra1 Reimann, in: Korintenberg u.a., KostO, § 46 Rz. 9. 2 So noch Staudinger/Schotten (1996), Einl zu §§ 2346 ff. Rz. 76; a.A. jetzt Staudinger/ Schotten, Einl. zu §§ 2346 ff. Rz. 76, der annimmt, dass sowohl für das Kausalgeschäft als auch für den Erbverzicht jeweils die doppelte Gebühr nach § 36 Abs. 2 KostO zu erheben ist. § 38 Abs. 2 Nr. 6 KostO gelte nur für die konkret aufgeführten Verfügungsgeschäfte und daher nicht für den abstrakten Erbverzicht. 3 OLG Hamm v. 6.11.1970 – 15 W 49/70, DNotZ 1971, 611 (612) (für die Kombination von Übergabevertrag und Erbverzicht). Beachte: Der Begriff des Austauschverhältnisses i.S. von § 39 Abs. 2 KostO ist nicht identisch mit dem Begriff des gegenseitigen Vertrages i.S. der §§ 320 ff. BGB. 4 Bengel/Tiedtke, in: Korintenberg u.a., KostO, § 39 Rz. 30b. 5 OLG Hamm v. 6.11.1970 – 15 W 49/70, DNotZ 1971, 611 (612). 6 So noch Staudinger/Schotten (1996), Einl zu §§ 2346 ff. Rz. 76. 7 Bengel/Tiedtke, in: Korintenberg u.a., KostO, § 39 Rz. 30b.
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Muscheler
Erbverzicht
Rz. 100 B XV
ges gesondert festzustellen und aus der Summe das Doppelte der vollen Gebühr zu berechnen (§ 44 Abs. 2 Buchst. a KostO)1. Der Geschäftswert für die Beurkundung des Erbverzichts bestimmt sich nach § 39 Abs. 1 Satz 1 KostO. Daher kommt es auf den Wert des Rechtsverhältnisses an, auf das sich die beurkundete Erklärung bezieht. Bezugsgegenstand ist die künftige erbrechtliche Position des Verzichtenden, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wertmäßig nicht genau bezifferbar ist. Daher unterliegt die Wertbestimmung nach § 30 Abs. 1 KostO freiem Ermessen2, wobei das Ermessen gem. § 30 Abs. 2 KostO an vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkten auszurichten ist. Solche sind einerseits die Erbquote des Verzichtenden sowie das Reinvermögen des Erblassers (gegenwärtiges Vermögen nach Abzug der Verbindlichkeiten, nicht aber von Vermächtnissen, Pflichtteilsrechten und Auflagen, § 46 Abs. 4 KostO).
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Teilweise wird vertreten, es dürfe bei der Schätzung auch eine Prognose über die künftige Entwicklung des Erblasservermögens und das Erbrecht sowie die Erbquote des Verzichtenden gemacht werden. So will das OLG Stuttgart3 den Grad der Wahrscheinlichkeit berücksichtigt wissen, dass das Recht, auf das verzichtet wird, auch tatsächlich geltend gemacht wird, und daher bei Erbund Pflichtteilsverzichtsverträgen zwischen in Scheidung lebenden Ehegatten wegen § 1933 BGB einen Wertabschlag vornehmen4. Die Berücksichtigung derartiger Prognosen führt im Ergebnis jedoch zu willkürlichen Entscheidungen und ist deshalb abzulehnen5. Dies gilt insbesondere deshalb, weil niemals sicher vorhergesagt werden kann, ob nicht unmittelbar nach Abschluss des Verzichtsvertrages der Erbfall eintritt6.
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Wird der Erbverzicht in einer Verhandlung zusammen mit weiteren – einen anderen Gegenstand betreffenden – Erklärungen beurkundet, gilt § 44 Abs. 2 KostO, wenn es sich bei den Erklärungen um rechtsgeschäftliche Erklärungen unter Lebenden handelt. Anderenfalls (z.B. bei der Beurkundung des Erbverzichts als Rechtsgeschäft unter Lebenden mit gleichzeitiger Beurkundung eines Erbvertrages als Verfügung von Todes wegen) sind die Gebühren so zu erheben, als wären getrennte Urkunden aufgenommen worden7. Im Anwendungsbereich des § 44 Abs. 2 KostO ist zu differenzieren, ob die Erklärungen dem gleichen Gebührensatz oder verschiedenen Gebührensätzen unterliegen. Im ersten Fall wird der Gebührensatz nur einmal nach den zusammengerechneten Werten berechnet (§ 44 Abs. 2 Buchst. a KostO), im zweiten Fall ist nach § 44 Abs. 2 Buchst. b KostO eine Vergleichsrechnung anzustellen.
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OLG Stuttgart v. 20.8.1975 – 8 W 433/74, Rpfleger 1975, 409. OLG Stuttgart v. 20.5.1992 – 8 W 101/92, JurBüro 1992, 550. OLG Stuttgart v. 20.5.1992 – 8 W 101/92, JurBüro 1992, 550 (551). OLG Stuttgart v. 20.5.1992 – 8 W 101/92, JurBüro 1992, 550 (551). Reimann, in: Korintenberg u.a., KostO, § 30 Rz. 33; Bengel/Tiedtke, in: Korintenberg u.a., KostO, § 39 Rz. 30b. 6 OLG München v. 29.3.1939 – 8 Wx 107/39, DNotZ 1939, 682 (683). 7 OLG Frankfurt v. 5.11.1964 – 6 W 386/64, JurBüro 1965, 74 (76).
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B XV Rz. 101 101
Erbverzicht
Das zur Kostenberechnung beim Erbverzichtsvertrag und dessen Kausalgeschäft Ausgeführte gilt entsprechend für die Aufhebung des Erbverzichts und des diesem zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts.
2. Gerichtsgebühren 102
Bedarf der Abschluss des Erbverzichtsvertrages bzw. dessen Aufhebung familiengerichtlicher Genehmigung, fällt hierfür eine halbe Gebühr an (§§ 28, 36 Abs. 1 Satz 1 FamGKG i.V.m. Nr. 1310 Kostenverzeichnis zum FamGKG). Für die Ermittlung des Geschäftswerts gilt das zu den Notarkosten Ausgeführte entsprechend1. Die im Rahmen einer Vormundschaft oder Pflegschaft erteilte familiengerichtliche Genehmigung ist gem. §§ 28, 36 Abs. 1 Satz 1 FamGKG i.V.m. Nr. 1310 Abs. 1 Kostenverzeichnis zum FamGKG kostenlos. Dasselbe gilt für die betreuungsgerichtliche Genehmigung gem. § 91 Satz 1, 2. Halbs. KostO.
3. Kostenübersicht über die neben dem Erbverzicht bestehenden Möglichkeiten zur Beseitigung einer Erbaussicht 103
Die nachfolgende Übersicht fasst unter Kostengesichtspunkten noch einmal die Möglichkeiten zur Beseitigung einer Erbaussicht (nicht Pflichtteilsaussicht!) zusammen (s. auch Rz. 53 f.). Möglichkeiten zur Beseitigung einer Erbaussicht
Kosten (jeweils im Vergleich mit dem Erbverzicht)
aus jedem Berufungsgrund durch Ausschlagungsverpflichtungsvertrag
– Der Vertrag ist formbedürftig (§ 2348 BGB analog oder § 311b Abs. 5 Satz 2 BGB analog); wie für den Erbverzicht fallen daher Beurkundungsgebühren an (= doppelte Gebühr; § 36 Abs. 2 KostO). – Zusätzlich entstehen Kosten für die Ausschlagung (§ 1945 BGB), die der Beglaubigung bedarf (= ¼ Gebühr, höchstens jedoch 130 Euro, § 45 Abs. 1 Satz 1 KostO). Sofern eine Beurkundung der Ausschlagung erfolgt, entfällt die Höchstgrenze. – Der Erbverzicht verursacht eine doppelte Gebühr (§ 36 Abs. 2 KostO).
aufgrund Gesetzes durch Enterbung
– Das Privattestament verursacht keine Kosten. – Das öffentliche Testament verursacht eine einfache Gebühr (§ 46 Abs. 1 KostO). – Der Erbverzicht verursacht eine doppelte Gebühr (§ 36 Abs. 2 KostO).
1 Lappe, in: Korintenberg u.a., KostO, § 95 Rz. 48 f.
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Erbverzicht aufgrund Testamentes durch Widerruf (§ 2254 BGB)
Rz. 104 B XV – Der Widerruf kraft Privattestaments ist kostenfrei. Sofern das Widerrufstestament in amtliche Verwahrung gegeben werden soll, entsteht eine ¼ Gebühr (§ 101 KostO). – Die Gebühr für den Widerruf durch ein öffentliches Testament beträgt ½ (§ 46 Abs. 2 Satz 1 KostO). Erfolgt zugleich eine neue Verfügung über den Erbteil, entsteht (mindestens) eine volle Gebühr (§ 46 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 KostO). – Der Erbverzicht verursacht eine doppelte Gebühr (§ 36 Abs. 2 KostO).
aufgrund Erbvertrags – Die Aufhebung der vertragsmäßigen Verfügung kostet eine durch Aufhebungshalbe Gebühr (§ 46 Abs. 2 KostO), während der Verzicht eine vertrag (§ 2290 BGB) doppelte Gebühr auslöst (§ 36 Abs. 2 KostO). – Eine neue Verfügung über den entsprechenden Erbteil kann durch Privattestament kostenfrei erfolgen. Wird sie erbvertraglich vorgenommen, ist es gebührenmäßig gleich (doppelte Gebühr), ob die Erbaussicht zuvor durch Aufhebungsvertrag oder Verzicht beseitigt worden ist (vgl. §§ 44 Abs. 1, 46, 36 Abs. 2 KostO), so dass hier beide Möglichkeiten unter Kostengesichtspunkten gleich gut geeignet sind. Empfehlenswerter als ein Aufhebungsvertrag ist der Erbverzicht allein dann, wenn ein im alten Erbvertrag begünstigter Dritter Vertragspartner des neuen Erbvertrages werden soll, weil dann nur zwei (statt drei) Personen beteiligt sind1. Beispiel: Erblasser E hat mit X einen Erbvertrag geschlossen, durch den D begünstigt wird. Um die Voraussetzungen für einen neuen Erbvertrag mit D zu schaffen, kann der Erblasser entweder den alten Erbvertrag durch Vertrag mit X aufheben oder mit D einen Verzichtsvertrag schließen, durch den dem alten Erbvertrag die Grundlage entzogen wird.
VI. Steuerliche Behandlung des Erbverzichts Bei allen Steuerarten ist für das Bestehen einer Steuerpflicht nicht der abstrakte Erbverzicht i.w.S. selbst, sondern ausschließlich das dem Erbverzicht zugrunde liegende Kausalgeschäft maßgeblich2. Nur wenn der Erbverzicht hiernach gegen eine Abfindung erfolgt, kann ein Steuertatbestand erfüllt sein. Ein ohne Gegenleistung erklärter Erbverzicht ist sowohl einkommensteuer-3 als auch schenkungsteuerrechtlich4 irrelevant, denn er bewirkt weder eine vermögensrechtliche Bereicherung des Erblassers oder des Begünstigten noch eine unmittelbare Vermögensminderung des Verzichtenden, da dieser sich lediglich einer Erbaussicht begibt.
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Damrau, S. 30. Staudinger/Schotten, Einl zu §§ 2346 ff. Rz. 85. Spiegelberger, Rz. 360. Brox, Rz. 284.
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B XV Rz. 105
Erbverzicht
1. Schenkungsteuer 105
Zivilrechtlich ist umstritten, ob die für einen Erbverzicht geleistete Abfindung als entgeltliche oder unentgeltliche Zuwendung einzuordnen ist1. Im Steuerrecht jedenfalls gilt sie gem. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG als Schenkung unter Lebenden2. Hierdurch soll die Möglichkeit beseitigt werden, durch vertragliche Gestaltung die Steuer auf den Anfall von Vermögenswerten durch Erbgang oder Schenkung zu umgehen3. Daraus ergibt sich, dass der Wert des Erbverzichts vom Wert der Abfindung nicht abgezogen werden kann4.
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Gem. § 14 Abs. 1 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Zuwendungen zusammengerechnet und nach dem sich hieraus ergebenden Betrag besteuert. Freibeträge – insbesondere die des § 16 Abs. 1 ErbStG – kann der Beschenkte daher für innerhalb dieser Frist liegende Zuwendungen nur einmal geltend machen. Auch bringt die Addition der Zuwendungen meist einen höheren Steuersatz mit sich (§ 19 Abs. 1 ErbStG). Wegen dieser Nachteile ist zu erwägen, ob die Abfindung für einen Erbverzicht wenigstens in zwei Teilen erbracht werden kann, um in den Genuss eines niedrigeren Tarifs zu kommen und die Freibeträge mehrmals ausnutzen zu können. So könnte der Erblasser die von der Erbfolge auszuschließenden Personen zu einem Teil sofort abfinden und ihnen zum anderen Teil Vermächtnisse aussetzen5. Da zwischen Abfindung und Erbfall jedoch gemäß § 14 Abs. 1 ErbStG wenigstens zehn Jahre liegen müssen, um ein steuerrechtlich vorteilhaftes Ergebnis zu erreichen, sollte eine entsprechende Vertragsgestaltung zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Erblasser noch einigermaßen sicher von einer ausreichend langen Lebensdauer ausgehen kann6.
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Wendet der Erblasser seinem Ehegatten als Abfindung für einen Erbverzicht ein aufschiebend bedingtes Leibrentenstammrecht zu (Zahlung einer Geldrente auf den Todesfall), unterliegt der Erwerb auch dann der Schenkungsteuer nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG, wenn die Rente ausschließlich der Altersversorgung dient7. Allerdings steht dem überlebenden Ehegatten in einem solchen Fall der besondere Versorgungsfreibetrag des § 17 Abs. 1 ErbStG zu8.
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Gewährt nicht der Erblasser selbst, sondern ein Dritter die Abfindung, wird sie gleichwohl als Schenkung des Erblassers angesehen, so dass sich die für die Besteuerung des Erwerbs maßgebliche Steuerklasse allein nach dem Ver-
1 Vgl. z.B. MüKo/Lange, § 2325 Rz. 17 m.w.N.; Soergel/Dieckmann, § 2325 Rz. 18 m.w.N. 2 Zur steuerlichen Behandlung einer aufgrund eines Erbschaftsvertrags gem. § 312 Abs. 2 BGB geleisteten Abfindung s. BFH v. 25.1.2001 – II ZR 22/98, ZEV 2001, 163. 3 BFH v. 25.5.1977 – II R 136/73, BFHE 122, 543. 4 BFH v. 16.1.1953 – III 192/52 U, BFHE 57, 150. 5 Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 (2052). 6 Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 (2052). 7 FG Nürnberg v. 12.9.1989 – VI 408/84, EFG 1990, 65 (66). 8 FG Nürnberg v. 12.9.1989 – VI 408/84, EFG 1990, 65 (67).
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Erbverzicht
Rz. 112 B XV
hältnis zwischen dem Verzichtenden und dem Erblasser bestimmt1. Dies eröffnet interessante Gestaltungsmöglichkeiten, etwa für Zuwendungen unter Geschwistern, wenn diese als Abfindung für einen gegenüber den Eltern ausgesprochenen Erbverzicht gewährt werden (günstige Steuerklasse I; Eltern können gleichwohl den Verzichtenden durch Verfügung von Todes wegen bedenken). Der Dritte kann den Abfindungsbetrag gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit von einem späteren Erwerb abziehen, wenn dieser durch den Verzicht veranlasst oder vergrößert worden ist2. Werden mit der Abfindung neben dem Erbverzicht weitere Gegenleistungen des Verzichtenden abgegolten, ist der Gesamtbetrag der Abfindung aufzuteilen3. Der Teil, den der Empfänger der Abfindung unabhängig von der Abfindungsvereinbarung bereits aus einem anderen Rechtsgrund zu beanspruchen hat, wird nicht allein deshalb steuerpflichtig, weil er als Abfindung geleistet worden ist4.
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Zuwendungen in Erfüllung eines Nachabfindungsanspruchs aus der Übergabe 110 eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, die im Zusammenhang mit der freiwilligen – d.h. nicht im sachlichen Zusammenhang mit der Hofübergabe stehenden – Veräußerung einzelner Hofgrundstücke entstehen, sind nicht nach § 14a Abs. 4 EStG begünstigt5.
2. Einkommensteuer
Û
Beratungssituation: Der Erblasser beabsichtigt, den Abfindungsbetrag nicht in einer Summe, sondern in jährlichen Beträgen zahlen. Sein zum Verzicht bereiter Sohn möchte wissen, wie sich dies einkommensteuerrechtlich auswirkt.
Allein die Tatsache, dass eine Leistung nicht in einem Betrag, sondern in Form wiederkehrender Zahlungen zu erbringen ist, vermag nach neuerer Rechtsprechung6 des BFH deren Einkommensteuerbarkeit nicht zu begründen. Entscheidend ist allein, ob die Leistung als Einmalzahlung einkommensteuerbar wäre.
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Unabhängig davon, ob der Erbverzicht zivilrechtlich als entgeltliches oder als unentgeltliches Rechtsgeschäft beurteilt wird, beruht die für ihn gezahlte Abfindung grundsätzlich nicht auf einem einkommensteuerrechtlich relevanten
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1 BFH v. 25.5.1977 – II R 136/73, BFHE 122, 543, unter Aufgabe seiner früheren Rspr. BFH v. 16.1.1953 – III 192/52 U, BFHE 57, 150. Vgl. auch BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, ZEV 2001, 163 (für eine aufgrund eines Erbschaftsvertrags gem. § 312 Abs. 2 BGB geleistete Abfindung). 2 Meincke, ErbStG, § 7 Rz. 108. 3 Staudinger/Schotten, Einl zu §§ 2346 ff. Rz. 89. 4 Meincke, ErbStG, § 7 Rz. 109. 5 BFH v. 5.11.1998 – IV R 32/98, BFHE 187, 469 (473); s. auch BFH v. 22.9.1994 – IV R 82/93, BFHE 176, 27 ff. 6 BFH v. 20.10.1999 – X R 132/95, ZEV 2000, 121 (Abweichung von BFH v. 7.4.1992 – VIII R 59/89, BFHE 167, 515).
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B XV Rz. 113
Erbverzicht
Vermögenszuwachs. § 22 Nr. 3 EStG, der bei zivilrechtlicher Einordnung des Verzichts als entgeltliches Rechtsgeschäft als alleinige Rechtsgrundlage für die Besteuerung in Betracht käme, erfasst lediglich erwirtschaftetes Einkommen, dagegen grundsätzlich nicht die Umschichtung privaten Vermögens1. Ausnahmen von dem Satz, dass die Umschichtung privaten Vermögens nicht der Einkommensteuer unterliegt, gelten lediglich für Vermögensänderungen aufgrund von Spekulationsgeschäften (§§ 22 Nr. 2, 23 EStG) sowie für die Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung (§ 17 EStG). Der Verzicht auf das Erbrecht ist ein veräußerungsähnlicher Vorgang der privaten Vermögensebene und damit, weil nicht durch eine besondere Ausnahmenorm erfasst, nicht einkommensteuerbar2. Sieht man die Abfindung dagegen als unentgeltliche Zuwendung an, ist sie nicht „erzielt“ i.S.v. § 2 Abs. 1 EStG und damit ebenfalls nicht einkommensteuerbar. Sie unterliegt vielmehr der Schenkungsteuer (und dies unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung). 113
Ein Erbverzicht gegen Zusage wiederkehrender Leistungen kann bei wertender Betrachtung auch nicht als „Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen“ beurteilt werden3, was die Bezüge einerseits für den Abgefundenen gem. § 22 Nr. 1 EStG steuerbar und andererseits für den Leistenden nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG als Sonderausgaben absetzbar machen würde. Idealtypus eines solchen Versorgungsvertrages ist die Hof- und Betriebsübergabe, bei der sich der Übergeber – ähnlich dem Nießbrauch – einen Teil der Erträge des übergebenen Vermögens in Form von Versorgungsleistungen zurückbehält4, die nunmehr vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen5. Die Interessenlage bei einem solchen Vertrag ist eine völlig andere als bei einem Erbverzicht gegen Zusage wiederkehrender Leistungen6. Der Verzicht als „Übergabe“ erfolgt hier (meist) von Seiten der jüngeren Generation7, und das zu einem Zeitpunkt, in dem ein erbrechtlicher Anspruch noch nicht entstanden ist. Gerade weil im Zeitpunkt des Verzichts ein Anspruch noch nicht entstanden ist, kann auch die Abfindung für den Verzicht nicht als zurückbehaltener Ertrag aus dem aufgegebenen Recht angesehen werden8. Allenfalls ein in den wiederkehrenden Leistungen enthaltener Zinsanteil kommt als einkommensteuerrechtlich relevanter Zuwachs von Leistungsfähigkeit gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Betracht9.
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Die einem Erben vermächtnisweise auferlegten Unterhaltsleistungen sind nur dann gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG als dauernde Last abziehbar, wenn der Empfänger der Unterhaltsleistungen zum Zeitpunkt des Erbfalls gesetzlich 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655 (661). BFH v. 20.10.1999 – X R 132/95, ZEV 2000, 121 (122). BFH v. 20.10.1999 – X R 132/95, ZEV 2000, 121 (122). BFH v. 20.10.1999 – X R 132/95, ZEV 2000, 121 (122). BFH v. 15.7.1991 – GrS 1/90, BStBl. II 1992, 78 (84). BFH v. 20.10.1999 – X R 132/95, ZEV 2000, 121 (122). Geck, Anm. zu BFH v. 20.10.1999 – X R 132/95, ZEV 2000, 123. Geck, Anm. zu BFH v. 20.10.1999 – X R 132/95, ZEV 2000, 123 (125). BFH v. 25.10.1994 – VIII R 79/91, BStBl. II 1995, 121; zur Berechnung vgl. den Erlass des BFM v. 23.12.1996 – IV B 3 – S. 2257 – 54/96 in: ZEV 1997, 16 (20).
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Muscheler
Erbverzicht
Rz. 116 B XV
erbberechtigt war1. Daraus ergibt sich, dass die in einer solchen Form gewährte Abfindung für einen Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht einkommensteuerrechtlich nicht absetzbar ist (zu weiteren Problemen dieser Art der Abfindungsgewährung s. Rz. 120 f.).
3. Grunderwerbsteuer Besteht die Abfindung für einen Erbverzicht in einer Grundstücksübertra- 115 gung, gilt § 3 GrEStG. § 3 Nr. 2 GrEStG befreit von der Grunderwerbsteuer bei einem Grundstückserwerb von Todes wegen und bei Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes. Die Vorschrift erfasst somit alle Vorgänge, die unter § 7 ErbStG fallen2, und damit auch die Grundstücksabfindung für den Erbverzicht. Eine Schenkung unter einer Auflage unterliegt gem. § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG jedoch der Besteuerung hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind. Diese Einschränkung gilt jedoch nicht für die zum begünstigten Personenkreis des § 3 Nr. 6 GrEStG gehörenden Erwerber3, für die der Grundstückserwerb steuerfrei ist. Zu diesen zählen der Ehegatte (§ 3 Nr. 4 GrEStG) sowie Personen, die mit dem Übergeber in gerader Linie verwandt sind (§ 3 Nr. 6 Satz 1 GrEStG). Gem. § 3 Nr. 6 Satz 2 und 3 GrEStG stehen den Abkömmlingen die Stiefkinder, den Verwandten in gerader Linie sowie den Stiefkindern auch deren Ehegatten gleich. Für Geschwister und Pflegekinder gilt die Privilegierung jedoch nicht4.
VII. Das Kausalgeschäft zum Erbverzicht 1. Notwendigkeit und Inhalt eines Verpflichtungsgeschäfts (i.d.R. Abfindungsvertrag) Während man früher annahm, dass der Erbverzicht als Verfügungsgeschäft seine Rechtfertigung in sich selbst trage und daher keines Rechtsgrundes (causa) bedürfe5, ist es heute einhellige Meinung, dass der Erbverzicht – wie jedes sonstige Verfügungsgeschäft – ein Verpflichtungsgeschäft zur Grundlage haben muss, um kondiktionsfest zu sein6. Von der anderen Seite her betrachtet lässt sich die Sache so formulieren: Es kann durch einen Kausalvertrag eine wirksame Verpflichtung zum Abschluss eines Erbverzichts begründet werden. Wesensnotwendiger Inhalt des Kausalgeschäfts ist ausschließlich die Verpflichtung zur Abgabe der für einen Erbverzicht erforderlichen Willenserklärungen. Die Vereinbarung einer etwaigen Gegenleistung (genauer: Einer Pflicht zu ihrer Erbringung) ist nicht erforderlich, aber selbstverständlich möglich. 1 2 3 4 5 6
FG Düsseldorf v. 3.11.1999 – 7 K 2787/95 E, EFG 2000, 117. Sack, in: Boruttau, GrEStG, § 3 Rz. 201. von Sothen, in: Sudhoff, § 55 Rz. 127. von Sothen, in: Sudhoff, § 55 Rz. 127. Lange, in: FS Nottarp, S. 119 (123) m.w.N. BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, BGHZ 134, 152 (157) m.w.N.; Lange/Kuchinke, § 7 I 5a (S. 169) m.w.N.
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B XV Rz. 117
Erbverzicht
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Erfolgt die Verpflichtung zum Erbverzicht i.w.S. ohne Vereinbarung einer Gegenleistung (sog. unentgeltlicher Erbverzicht), ist das Kausalgeschäft nach allgemeiner Meinung1 keine Schenkung (§ 516 BGB) des Verzichtenden an den Erblasser oder an den durch den Verzicht Begünstigten, weil nur eine Chance, nicht aber ein subjektives Recht aufgegeben wird (arg. § 517 BGB).
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Beinhaltet das Kausalgeschäft neben der Verpflichtung des Verzichtswilligen auch eine Verpflichtung des Erblassers zu einer Leistung, meist einer Abfindung, handelt es sich um einen sog. entgeltlichen Erbverzicht. Ein solcher ist gegenseitiger Schuldvertrag, für den die §§ 320 ff. BGB gelten. Der Zahlungsanspruch des Verzichtenden aus dem Kausalgeschäft ist rein schuldrechtlicher, nicht erbrechtlicher Natur2 (Ausnahme: Die Abfindung wird durch Vermächtnis zugewandt, s. Rz. 121). Er verjährt damit in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 199 BGB) mit einer Verjährungsfrist von zehn (§ 199 Abs. 4 BGB) statt – wie bei erbrechtlichen Ansprüchen – von 30 Jahren (§ 199 Abs. 3a BGB). Ob das Kausalgeschäft eines entgeltlichen Erbverzichts zivilrechtlich eine Schenkung (des Erblassers an den Verzichtenden) darstellt (zur steuerrechtlichen Qualifikation s. Rz. 105), wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt3. Die Frage ist nicht bloß theoretischer Natur, sondern durchaus auch von praktischer Bedeutung. Von ihrer Beantwortung hängt ab, ob die Abfindung Pflichtteilsergänzungsansprüche (§§ 2325, 2329 BGB) auslösen kann, ob der Erblasser die Möglichkeit hat, die Schenkung wegen groben Undanks nach § 530 BGB zu widerrufen oder wegen Notbedarfs nach § 528 BGB zurückzufordern, ob die Abfindung eine den Vertragserben beeinträchtigende Schenkung i.S.d. § 2287 BGB sein kann und Gläubiger die Abfindung als „unentgeltliche Leistung“ des Erblassers nach § 4 AnfG bzw. § 134 InsO wegen Gläubigerbenachteiligung anzufechten vermögen.
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Der BGH hat (gegen die h.L.) die Abfindung für einen Erbverzicht als unentgeltliche Zuwendung4 qualifiziert. Zwar hatte er diese Einordnung ursprünglich (in seinem Urteil vom 8.7.1985) noch nicht allgemein getroffen, sondern nur beschränkt auf den Betrag, der oberhalb dessen liegt, was der auf das gesetzliche Erbrecht uneingeschränkt verzichtende Zuwendungsempfänger als Pflichtteil hätte beanspruchen können5. In seiner Entscheidung vom 28.2.1991 hat er jedoch weiter gehend ausgeführt, die als Abfindung gewährte Zuwendung – gewährt für einen (isolierten) Pflichtteilsverzicht6, der dem Erblasser allein den Vorteil der Testierfreiheit bringen konnte – sei keine Gegenleistung, welche Unentgeltlichkeit i.S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. ausschließe7. Dieses Ergebnis 1 S. statt vieler Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 121. 2 OLG Celle v. 26.7.2007 – 6 U 12/07, ZEV 2008, 485 (485). 3 Zum Meinungsstand s. z.B. Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 124 m.w.N.; Haegele, BWNotZ 1971, 36 (37 ff.) m.w.N.; Theiss/Boger, ZEV 2006, 143 (143 ff.). 4 So auch OLG Hamm v. 18.5.1999 – 10 U 65/98, NJW 1999, 3643 f.; LG Münster v. 12.1.1983, 14 O 696/82, NJW 1984, 1188 (1189). 5 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 150/84, NJW 1986, 127 (129). 6 Dieser erfolgte von Seiten des in einem notariellen gemeinschaftlichen Testament eingesetzten Erben. 7 BGH v. 28.2.1991 – IX ZR 74/90, BGHZ 113, 393 (398).
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Muscheler
Erbverzicht
Rz. 119 B XV
entspricht dem mutmaßlichen subjektiven Willen der Parteien, die zumeist darüber einig sein dürften, dass durch den Vertrag eine künftige Erbfolgeregelung zeitlich vorweggenommen wird und die Abfindung praktisch nur ein Surrogat für den späteren (unentgeltlichen!) Erwerb von Todes wegen darstellt1. Der Erblasser hat zudem ein berechtigtes Interesse, die Abfindung unter den Voraussetzungen der §§ 528, 530 BGB zurückfordern zu können2. Der Verzichtende ist in einem solchen Fall hinreichend geschützt. Er haftet lediglich nach Bereicherungsgrundsätzen und ist zur Herausgabe der Abfindung nur gegen gleichzeitige Aufhebung des Erbverzichts verpflichtet3. Für die Auffassung des BGH spricht auch die Einheit der Rechtsordnung4: § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG behandelt die Abfindung für einen Erbverzicht als Schenkung unter Lebenden und unterwirft sie der Schenkungsteuer. Selbst die für einen Erbschaftsvertrag gem. § 311b Abs. 5 BGB (Verzicht auf die Geltendmachung des künftigen Pflichtteils) geleistete Abfindung stellt nach Ansicht des BFH eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar und ist damit ebenfalls steuerbar5. Neuerdings bezieht der BGH – zumindest im Rahmen der Frage, ob die Abfindung Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. § 2325 Abs. 1 BGB (ggf. i.V.m. § 2329 Abs. 1 BGB) auslöst – nicht eindeutig Stellung6. In Abkehr zu seinem Urteil v. 8.7.1985 stellt er im Beschluss v. 3.12.20087 für den Maßstab einer über den entgeltlichen Teil der Abfindung hinausgehenden unentgeltlichen Zuwendung8 bzw. einer eine angemessene Abfindung übersteigenden Leistung9 nicht mehr auf den Wert des dem Verzichtenden zustehenden Pflichtteils, sondern auf den Wert des Erbteils ab, auf den verzichtet wird (s. Rz. 40). Entscheidender Zeitpunkt soll nach dem zweiten amtlichen Leitsatz10 die Er1 LG Münster v. 12.1.1983 – 14 O 696/82, NJW 1984, 1188 (1189). 2 Coing, NJW 1967, 1777 (1779 f.) löst das Problem über eine Anwendung der §§ 2294, 2333 BGB. 3 Speckmann, NJW 1970, 117 (121). 4 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 139. 5 BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, ZEV 2001, 163; ablehnend: Daragan, Anm. zu BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, DB 2001, 848. 6 BGH v. 3.12.2008 – IV ZR 58/07, NJW 2009, 1143 (1145) = FamRZ 2009, 418 (420) = ZEV 2009, 77 (78) = ErbR 2009, 124 (125). 7 BGH v. 3.12.2008 – IV ZR 58/07, NJW 2009, 1143 (1145) = FamRZ 2009, 418 (420) = ZEV 2009, 77 (78) = ErbR 2009, 124 (125). 8 So man die Abfindung als entgeltliches Geschäft ansieht. 9 So man zwar die Abfindung als unentgeltlich einstuft, § 2325 BGB aber dahingehend einschränkend auslegt, dass eine angemessene Abfindung durch die gleichzeitig mit dem Erbverzicht zugunsten der anderen Pflichtteilsberechtigten eintretende Erhöhung der Pflichtteilsquote gem. § 2310 Satz 2 BGB kompensiert wird. § 2325 BGB löst bezüglich des die angemessene Höhe übersteigenden Teils der Abfindung Ergänzungsansprüche aus. 10 Der zweite amtliche Leitsatz des Beschlusses des BGH v. 3.12.2008 – IV ZR 58/07, NJW 2009, 1143 = FamRZ 2009, 418 = ZEV 2009, 77 = ErbR 2009, 124 lautet: „Das setzt voraus, dass sich die Abfindung in dem Zeitpunkt, in dem sie erbracht wird (Hervorhebung durch den Verf.), der Höhe nach im Rahmen der Erberwartung des Verzichtenden hält. Auf den Wert eines vom Verzichtenden zu beanspruchenden Pflichtteils kommt es insoweit nicht mehr an (der abweichende Standpunkt im Urt. des BGH v. 8.7.1985, II ZR 150/84, NJW 1986, 127, unter II.2 wird aufgegeben).“.
Muscheler
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B XV Rz. 120
Erbverzicht
bringung der Abfindung sein. Sinnvollerweise können aber nur die für die Einigung über die Unentgeltlichkeit notwendigen Vorstellungen der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses relevant sein1. 120
Als Abfindung kann die Zahlung eines Geldbetrages, die Übereignung eines Grundstücks, die Übertragung eines Rechtes u.Ä. geschuldet sein. Zu beachten ist jedoch, dass der Erblasser sich wegen § 2302 BGB nicht wirksam verpflichten kann, solche Leistungen mittels Verfügung von Todes wegen zuzuwenden. Allenfalls unter der Voraussetzung, dass die Verpflichtung sogleich erfüllt wird (mit dem Erbverzichtsvertrag also gleichzeitig eine Verfügung von Todes wegen verbunden wird), wäre auch die Verpflichtung wirksam2. Für diesen Fall ist § 2302 BGB teleologisch reduziert auszulegen3, denn die Vorschrift will lediglich die Testierfreiheit vor schuldvertraglicher Bindung schützen4. Eines Schutzes bedarf aber nicht, wer gleichzeitig testiert, sondern nur, wer sich verpflichtet, dies in Zukunft zu tun5.
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Beachte: Soll die Abfindung durch eine zukünftig zu errichtende Verfügung von Todes wegen geleistet werden, so ist zu beachten, dass der Erblasser sich hierzu wegen § 2302 BGB nicht wirksam zu verpflichten vermag. Zum Schutz des Verzichtswilligen6 kann (und sollte!) in einem solchen Fall die Wirksamkeit des abstrakten Erbverzichts ausdrücklich davon abhängig gemacht werden, dass der Erblasser in einer bestimmten Art und Weise von Todes wegen verfügt bzw. Verfügungen von Todes wegen aufrechterhält. Ein solchermaßen bedingter Verzicht hat keinen Einfluss auf die Testierfreiheit des Erblassers7 und ist daher zulässig.
In Fällen, in denen die Abfindung für einen Erbverzicht i.e.S. oder für einen (isolierten) Pflichtteilsverzicht durch Vermächtnis zugewendet werden soll, muss zum Schutz eines pflichtteilsberechtigten Verzichtswilligen über den empfohlenen Bedingungszusammenhang hinaus die Vorschrift des § 2318 BGB beachtet werden. Nach § 2318 Abs. 1 BGB ist es dem Erben zur Bedienung eines Pflichtteils gestattet, den Anspruch des Vermächtnisnehmers einredeweise zu kürzen. § 2318 Abs. 2 BGB lässt dies gegenüber einem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer jedoch nur insoweit zu, dass diesem der eigene Pflichtteil verbleibt. Zugunsten eines pflichtteilsberechtigten Erben wird das Kürzungsrecht durch § 2318 Abs. 3 BGB nochmals erweitert. Ist die Kürzungsmöglichkeit des § 2318 Abs. 1 BGB an sich schon ein gravierender Nachteil,
1 Schindler, ZEV 2009, 80 (81). 2 Nach BGH v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 (361) spricht die Verbindung von Erbverzicht und Vermächtnis in einer Urkunde für ein vertragsmäßiges Vermächtnis. 3 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 142. 4 BGH v. 9.2.1977 – IV ZR 201/75, NJW 1977, 950. 5 Stürzebecher, NJW 1988, 2717 (2719). 6 Als mahnendes Beispiel s. BayObLG v. 27.1.1995 – 1 Z BR 22/94, BayObLGZ 1995, 29 (33). 7 Vgl. nur etwa Nieder, Rz. 1154.
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Erbverzicht
Rz. 121 B XV
so vergrößert sich die Gefahr noch durch folgenden Umstand: Erklärt der Pflichtteilsberechtigte einen Erbverzicht i.e.S. oder einen (isolierten) Pflichtteilsverzicht, entfällt für ihn der Schutz des § 2318 Abs. 2 BGB, wenn sich die Wertrelation zwischen Vermächtnisgegenstand und restlicher Erbschaft nach Abschluss des Verzichtsvertrages bis zum Eintritt des Erbfalls verschiebt. Beispiel:1 Der verwitwete Erblasser E, dessen Vermögen vor allem aus einem Unternehmen im Wert von 10 Mio. Euro besteht, möchte einen seiner drei Söhne, den S1, zum Alleinerben einsetzen. Mit S2 kommt im Jahre 1995 ein Erbverzicht i.e.S. zustande, und zwar unter der auflösenden Bedingung, dass E ein zugunsten des S2 testamentarisch ausgesetztes Vermächtnis aufrechterhält. Vermächtnisgegenstand ist ein Hausgrundstück, das im Zeitpunkt des Verzichts einen Wert von 2 Mio. Euro hat. Mit S3 kommt ein vertraglicher Erbverzicht nicht zustande, oder ein solcher stellt sich später als nichtig heraus. Im Zeitpunkt des Erbfalls beträgt der Wert des Hausgrundstücks rund 1,5 Mio. Euro, während der Wert des Unternehmens immer noch 10 Mio. Euro beträgt; weiteres nennenswertes Vermögen enthält der Nachlass nicht. S3 verlangt von S1 den Pflichtteil, S2 die Übereignung des Hausgrundstücks. Der Pflichtteil des S3 beträgt die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils (§§ 2303 Abs. 1, 2310 Satz 2 BGB), mithin ¼ der sich auf einen Wert von insgesamt 11,5 Mio. Euro belaufenden Erbschaft, also 2,875 Mio. Euro. Diese Summe muss S1 als Erbe aufbringen, kann jedoch das zugunsten des S2 ausgesetzte Vermächtnis nach § 2318 Abs. 1 Satz 1 BGB anteilig kürzen. Zur Berechnung der Kürzung bietet sich die (anerkannte) Formel von Martin2 an: Kürzungsbetrag =
Vermächtnis × Pflichtteil Gesamtnachlass
Der Kürzungsbetrag beläuft sich im Beispielsfall folglich auf rund 375 000 Euro [(1,5 Mio. Euro × 2,875 Mio. Euro): 11,5 Mio. Euro]. S1 kann die Erfüllung des Vermächtnisses verweigern, so lange S2 nicht diesen Betrag an ihn zahlt. Verweigert S2 die Zahlung, kann S1 statt des Vermächtnisgegenstandes dessen Schätzwert unter Abzug des Kürzungsbetrages leisten3. S2 erhält im Beispielsfall wegen des Kürzungsbetrages weniger als das, was ihm als Pflichtteil zugestanden hätte (1/6 von 11,5 Mio. Euro = rund 1,92 Mio. Euro). Wäre der Wert des Hauses im Erbfall noch ebenso hoch wie im Zeitpunkt des Verzichts, so hätte S3 einen Pflichtteilsanspruch von 3 Mio. Euro, der Kürzungsbetrag zulasten des Vermächtnisses (§ 2318 Abs. 1 BGB) betrüge 500 000 Euro, dem S2 verblieben wertmäßig 1,5 Mio. Euro, sein fiktiver Pflichtteil beliefe sich auf 1/6 von 12 Mio. Euro, also auf 2 Mio. Euro. Damit zeigt sich, dass der Einbruch in den Schutzbereich des § 2318 Abs. 2 BGB, den schon der Kürzungsmechanismus des § 2318 Abs. 1 BGB als solcher bewirkt, noch verstärkt wird durch
1 Beispiel von Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 (2056) (abgewandelt). 2 Martin, ZBlFG 1914, 789 (790). 3 Vgl. Kipp/Coing, § 12 II 2a (S. 85).
Muscheler
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B XV Rz. 122
Erbverzicht
nach dem Verzicht eintretende Wertverschiebungen zulasten des Vermächtnisnehmers1.
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Beachte: Will eine pflichtteilsberechtigte Person auf ihr gesetzliches Erbrecht oder (isoliert) auf das Pflichtteilsrecht gegen Aussetzung eines Vermächtnisses verzichten, sollte die Abbedingung des § 2318 Abs. 1 BGB2 in Erwägung gezogen werden3.
2. Wirksamkeit des Kausalgeschäfts 122
Wie jeder andere schuldrechtliche Vertrag kann auch das Kausalgeschäft zum Erbverzicht aus mannigfachen Gründen nichtig sein. Keiner näheren Erörterung bedürfen die Fälle, in denen Geschäftsunfähigkeit eines Vertragspartners vorliegt (§ 105 BGB) oder das Geschäft nur zum Schein abgeschlossen wird (§ 117 BGB). a) Beschränkungen in der Geschäftsfähigkeit
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Die Wirksamkeit eines Kausalgeschäfts, an dem ein beschränkt Geschäftsfähiger beteiligt ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Regelungen der §§ 107 ff. BGB. Nach § 107 BGB bedarf der Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters. Ein ohne die erforderliche Einwilligung geschlossener Vertrag ist gem. § 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam und kann nur wirksam werden, wenn der Vertrag nachträglich genehmigt wird.
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Bei der Frage nach dem Erfordernis einer Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ist zunächst danach zu differenzieren, ob der beschränkt Geschäftsfähige sich als Verzichtswilliger oder als Erblasser am Abschluss des Kausalgeschäfts beteiligt. Im zuerst genannten Fall ist die Einwilligung stets erforderlich, da der Minderjährige eine Verpflichtung begründet4, mit dem Erblasser einen Erbverzichtsvertrag abzuschließen, was niemals lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Schließt der Minderjährige den Kausalvertrag in der Rolle des Erblassers, gilt das Vorstehende entsprechend, soweit er im Kausalvertrag eine Gegenleistung für den abstrakten Erbverzicht verspricht. Nach Damrau soll die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters sogar dann erforderlich sein, wenn der Kausalvertrag eine Verpflichtung des minderjährigen Erblassers zur Zahlung einer Abfindung nicht enthält5. Begründet wird dies mit dem Hinweis darauf, dass sich der minderjährige Erblasser in diesem Fall zumindest zum Abschluss eines Erbverzichtsvertrages verpflichtet6. Dem kann nicht gefolgt 1 Bleiben die Wertverhältnisse gleich, erhält S2 im Beispielsfall immerhin 75 % seines fiktiven Pflichtteils, bei reduziertem Hauswert von 1,5 Mio. Euro erhält er nur rund 59 % des fiktiven Pflichtteils. 2 Gem. § 2324 BGB ist die Vorschrift dispositiv. 3 Ebenso Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 (2056). 4 Palandt/Heinrichs, § 107 Rz. 2. 5 Damrau, S. 130. 6 Damrau, S. 130.
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Muscheler
Erbverzicht
Rz. 126 B XV
werden, denn ein Vertrag, in dem der Vertragspartner des minderjährigen Erblassers die Verpflichtung zum Abschluss eines Erbverzichtsvertrages eingeht, ist materiell bloß einseitig verpflichtend1 und seinem Inhalt nach mit einem Schenkungsversprechen (§ 518 BGB) vergleichbar [wenn auch nicht mit ihm gleichzusetzen (s. Rz. 117)]. Auch für dieses ist allgemein anerkannt, dass der Minderjährige zum Abschluss eines ihn lediglich begünstigenden Schenkungsvertrages nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters bedarf2, wobei die Frage, ob die Schenkung lediglich rechtlich vorteilhaft ist, nach neuerer Auffassung des BGH im Wege einer Gesamtbetrachtung des schuldrechtlichen und des dinglichen Geschäftes vorzunehmen ist3. Überträgt man diese Grundsätze auf das (wenn auch nicht formell, so doch materiell) lediglich den Vertragspartner des Minderjährigen verpflichtende Kausalgeschäft, dann ist nicht erkennbar, welcher rechtliche Nachteil dem Minderjährigen aus dem Geschäft erwachsen sollte. Im Gegenteil hat die Erlangung eines Anspruchs auf Abschluss des abstrakten Erbverzichtsvertrages ausschließlich eine Verbesserung seiner Rechtsstellung zur Folge, da es allein vom Willen des Minderjährigen abhängt, ob er seinen Anspruch realisiert und hierdurch seine Testierfreiheit erweitert. b) Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) § 2302 BGB, nach dem ein Vertrag nichtig ist, durch den sich jemand verpflichtet, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, steht der Wirksamkeit eines Verpflichtungsgeschäfts zum Erbverzicht nicht entgegen, weil der Erbverzichtsvertrag erbrechtliches Verfügungsgeschäft unter Lebenden – und nicht Verfügung von Todes wegen – ist. An § 311b Abs. 4 BGB, nach dem ein Vertrag über den Nachlass eines noch lebenden Dritten, über den Pflichtteil oder ein Vermächtnis aus dem Nachlass eines noch lebenden Dritten nichtig ist, scheitert die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts deshalb nicht, weil der Erblasser nicht Dritter i.S. dieser Vorschrift ist4.
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c) Sittenwidrigkeit und Wucher (§ 138 Abs. 1 und 2 BGB) Soweit ersichtlich ist in der Rechtsprechung bislang noch kein Fall entschieden worden, in dem das Verpflichtungsgeschäft zum Erbverzicht gegen die guten Sitten verstoßen hätte. Im Hinblick auf die auch hier geltende Vertragsfreiheit der Parteien, die autonom vereinbaren dürfen, unter welchen Voraussetzungen der Verzichtende auf sein zukünftiges Erbrecht verzichten will5, wird ein Sittenverstoß nur in ganz krassen Fällen in Betracht kommen.
1 Einseitig verpflichtende Verträge kann der Minderjährige ohne Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters schließen, wenn sie nicht zugleich eine Leistungspflicht kraft Gesetzes mit sich bringen. Zur Problematik MüKo/Schmitt, § 107 Rz. 30. 2 BGH v. 10.11.1954 – II ZR 165/53, BGHZ 15, 168 (170). 3 BGH v. 9.7.1980 – V ZB 16/79, BGHZ 78, 28 (35). 4 BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (328). 5 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 173.
Muscheler
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B XV Rz. 127
Erbverzicht
Auch die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes werden nur unter ganz besonderen Umständen bejaht werden können. d) Formverstoß (§ 125 BGB) 127
Analog § 2348 BGB bedarf das Kausalgeschäft zum Erbverzicht der notariellen Beurkundung, da sonst der Zweck des § 2348 BGB, den Verzichtswilligen vor unbedachten Folgen seines Handelns zu bewahren, nicht erreicht werden könnte1. Ein Formmangel wird allerdings durch einen formgerecht erklärten (abstrakten) Erbverzicht analog §§ 311b Abs. 1 Satz 2, 518 Abs. 2, 766 Satz 2, 2301 Abs. 2 BGB und § 15 Abs. 4 GmbHG geheilt2.
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Enthält das formlos geschlossene Kausalgeschäft neben der Verpflichtung zum Erbverzicht noch eine weitere Verpflichtung, die den Vertrag aufgrund anderer Bestimmungen formbedürftig macht, vermag der Vollzug nur des Erbverzichts (oder nur des anderen Erfüllungsgeschäfts) nicht die Wirksamkeit des gesamten Kausalgeschäfts herbeizuführen3. Beispiel: Die Parteien verpflichten sich formlos zur Leistung eines Erbverzichts und (als Gegenleistung) zur Übereignung eines Grundstücks. Schon wegen § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf ein solcher Vertrag zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung, und zwar seinem gesamten Inhalt nach. So wenig wie Auflassung und Eintragung im Grundbuch auf die formunwirksame Verpflichtung zum Erbverzicht Einfluss haben4, so wenig vermag der formwirksam geschlossene Erbverzicht das gesamte Kausalgeschäft zu heilen5. Eine bestimmte Heilungsvorschrift dient immer nur der Behebung von Mängeln, die auf der Nichteinhaltung einer ganz bestimmten Formvorschrift beruhen6. Formmängel aus anderen Gründen bleiben dagegen weiterhin bestehen, mit der Folge, dass das gesamte Rechtsgeschäft unter den Voraussetzungen des § 139 BGB nichtig ist7. e) Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB)
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Die Anfechtung des Kausalgeschäfts zum Erbverzicht ist nach herrschender Meinung wegen der besonderen erbrechtlichen Natur des Verzichts nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich8. Anfechtungsgründe (für die keine Beson1 H.M., KG v. 26.2.1973 – 12 U 2463/72, OLGZ 1974, 263 (265); MüKo/Strobel, § 2348 Rz. 2; a.A. Lange, in: FS Nottarp, S. 119 (127). 2 LG Bonn v. 3.9.1998 – 2 O 229/98, ZEV 1999, 356 (357); Hohloch, Anm. zu LG Bonn v. 3.9.1998 – 2 O 229/98, JuS 2000, 88; MüKo/Strobel, § 2348 Rz. 5. 3 Staudinger/Schotten, § 2348 Rz. 18; a.A. Damrau, NJW 1984, 1163 (1164). 4 A.A. BGH v. 17.3.1978 – V ZR 217/75, NJW 1978, 1577; Kuchinke, NJW 1983, 2358 (2360). 5 A.A. Damrau, NJW 1984, 1163 (1164). 6 Staudinger/Schotten, § 2348 Rz. 18; Keller, ZEV 2005, 229 (234). 7 Keller, ZEV 2005, 229 (234). 8 Vgl. nur Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 179.
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Muscheler
Erbverzicht
Rz. 131 B XV
derheiten gelten) sind § 119 Abs. 1 BGB (Inhalts- und Erklärungsirrtum) sowie § 123 Abs. 1 BGB (arglistige Täuschung/widerrechtliche Drohung). Verpflichtet sich der Erblasser zur Zahlung einer Abfindung, ist die Anfechtung des Kausalgeschäfts nach § 119 Abs. 2 BGB nicht möglich, wenn sich die Parteien lediglich vom Wert des Erblasservermögens falsche Vorstellungen gemacht haben. Der Wert bildet keine Sacheigenschaft des Vermögens, und folglich muss ein Irrtum über ihn unbeachtlich bleiben1. Möglich ist die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB dagegen, wenn Fehlvorstellungen über wertbildende Merkmale und/oder den Bestand des Erblasservermögens zu einem groben Bewertungsfehler bei der Berechnung der Abfindungshöhe geführt haben2. Die jeweilige Fehlvorstellung muss sich allerdings auf das gegenwärtige (beim Abschluss des Vertrages vorhandene) Vermögen des Erblassers beziehen. Ein Irrtum über die künftige Vermögensentwicklung ist im Hinblick auf den Risikocharakter des Erbverzichts ohne Belang3.
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f) Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) Fraglich ist, inwieweit Fehlvorstellungen des weichenden (weil verzichtenden) Erben über den gegenwärtigen oder künftigen Nachlass zu einer Anpassung des Kausalvertrages nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage führen können, die nun in § 313 BGB normiert sind. Nach der Rechtsprechung scheidet die Anpassung des Kausalgeschäfts zum Erbverzicht (i.d.R. also des Abfindungsvertrages) regelmäßig aus, soweit es um das Risiko der künftigen Wertentwicklung des Nachlasses für den Verzichtenden geht4. Dieses Risiko ist dem abstrakten Erbverzicht immanent und gehört deshalb – sofern die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbaren – zur Geschäftsgrundlage eines jeden Erbverzichts5. Anders verhält es sich dagegen in den Fällen, in denen von Anfang an ein Irrtum über die Geschäftsgrundlage vorlag, etwa ein offensichtlicher Rechen- oder ein grober Bewertungsfehler6, oder sich nach Abschluss des Verzichtsvertrages herausstellt, dass der von den Parteien angestrebte (wenn auch nicht zum Vertragsinhalt gemachte) Zweck nicht erreicht werden kann7 (s. aber Rz. 130). Sofern dem Verzichtenden in solchen Fällen das Festhalten an der ursprünglichen Abfindung nach Maßgabe einer umfassenden Interessenabwägung nicht zumutbar ist8, sind die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzuwen1 Damrau, S. 136. 2 RG v. 6.3.1913 – IV 539/12, Recht 1913, Nr. 2885; MüKo/Strobel, § 2346 Rz. 24; a.A. Holthaus, S. 20 ff.; einschränkend Lange, in: FS Nottarp, S. 119 (130 f.), der nur dem Erblasser ein Anfechtungsrecht zubilligen will. 3 BayObLG v. 27.1.1995 – 1 Z BR 22/94, BayObLGZ 1995, 29 (34). 4 BGH v. 30.1.1991 – IV ZR 299/89, BGHZ 113, 310 (314); BayObLG v. 27.1.1995 – 1 Z BR 22/94, BayObLGZ 1995, 29 (34). 5 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 190 m.w.N. 6 BGH v. 30.1.1991 – IV ZR 299/89, BGHZ 113, 310 (315) bzgl. einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung ohne Erbverzichtsvertrag. 7 BGH v. 4.11.1998 – IV ZR 327/97, ZEV 1999, 62 (64). 8 BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, BGHZ 134, 152 (157 f.).
Muscheler
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B XV Rz. 132
Erbverzicht
den1. Aufgrund nachträglich (nach Abschluss des Erbverzichtsvertrages) eingetretener Umstände kommt eine Vertragsanpassung wegen des Risikocharakters des Erbverzichts dagegen nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht2.
3. Folgen eines unwirksamen oder fehlenden Kausalgeschäfts
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Beratungssituation: Nach Abschluss des abstrakten Erbverzichtsvertrages stellt sich die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts heraus. Der Erblasser bzw. der Verzichtende möchte wissen, was zu tun ist.
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Im Hinblick auf das Abstraktionsprinzip ist zunächst zu klären, ob die zur Nichtigkeit des Kausalgeschäfts führenden Gründe auch beim Abschluss des abstrakten Erbverzichtsvertrages vorlagen und damit auch dessen Nichtigkeit – gegebenenfalls nach Anfechtung – begründen können (Fehleridentität). Wichtig ist dies, weil die Wirkungen eines zwar rechtsgrundlosen, aber wirksamen Verzichts nicht automatisch wegfallen. Der Verzicht muss dann vielmehr gem. § 2351 BGB (s. Rz. 177 ff.) aufgehoben werden.
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Im Einzelnen gilt: Kausalgeschäft nichtig, abstrakter Erbverzicht wirksam Nach allgemeiner Meinung kann – Streitig – aber in der Praxis irrelevant – ist, der Verzichtende die Wirkungen des ob sich aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB Erbverzichts beseitigen. ein Anspruch auf Aufhebung des Erbverzichts nach § 2351 BGB ergibt3. – Dies bejaht, wer die vom Erblasser erlangte vorteilhafte Rechtsstellung als „etwas“ i.S.d. Norm ausreichen lässt (wohl zutreffend). Wer dies verneint, billigt dem Verzichtenden ein Anfechtungsrecht (analog §§ 2078, 2281 BGB) oder ein Rücktrittsrecht (analog § 2295 BGB) in Bezug auf den Erbverzicht zu oder wendet die Grundsätze über den Wegfall/die Störung der Geschäftsgrundlage an oder lässt den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durchgreifen. – Der Anspruch aus § 812 BGB (so er denn besteht) ist gerichtlich durchsetzbar und nach § 894 ZPO vollstreckbar.
1 A.A. Lange, in: FS Nottarp, S. 119 (130); Coing, NJW 1967, 1777 (1780); AK/Teubner, Vor § 2346 Rz. 31. 2 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 191 m.w.N.; Edenfeld, Anm. zu BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, ZEV 1997, 70 (71). 3 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 183 m.w.N.
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Muscheler
Erbverzicht
Rz. 136 B XV Kausalgeschäft nichtig, abstrakter Erbverzicht wirksam
– Maßgeblich für die Wertbestimmung nach Nach dem Tode des Erblassers ist § 818 Abs. 2 BGB ist der objektive Verkehrsdie Aufhebung des Erbverzichts wert der Leistung2. ausgeschlossen1 (s. Rz. 178). Der Anspruch des Verzichtenden richtet – Die entscheidende Frage lautet: Welchen sich dann auf Wertersatz (§ 818 Wert hatte der Erbverzicht zur Zeit des ErbAbs. 2 BGB). falles? – Nach hier vertretener Auffassung können Ob der Anspruch auf Aufhebung die Erben des Verzichtenden vom Erblasser des Erbverzichts bei Vorversterben den Abschluss des Aufhebungsvertrages mit des Verzichtenden gem. § 1922 den Abkömmlingen des Verzichtenden verAbs. 1 BGB auf dessen Erben überlangen. geht, wenn der Verzicht noch Rechtswirkungen entfalten kann – etwa weil sich der Verzicht gem. § 2349 BGB auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt –, ist nach der Rechtsprechung des BGH (s. Rz. 178) fraglich3. Der Erblasser hat gegen den Verzichtenden einen Anspruch auf Herausgabe einer gegebenenfalls geleisteten Abfindung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB.
– Der Anspruch geht beim Tode des Erblassers auf dessen Erben über. – Beim Tod des Verzichtenden ist der Anspruch von den Erben des Verzichtenden zu erfüllen.
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Sowohl Kausalgeschäft als auch abstrakter Erbverzicht nichtig Der Erblasser hat gegen den Verzichtenden einen Anspruch auf Herausgabe einer gegebenenfalls geleisteten Abfindung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB.
Möglich ist, dass das Kausalgeschäft zum Erbverzicht von vornherein fehlt. So kann es etwa in dem Fall liegen, dass der Erbverzicht in der dem Erblasser bekannten Erwartung einer später folgenden Abfindung erklärt wird, diese sich aber später nicht realisiert4. Haben die Parteien im Erbverzichtsvertrag nicht zumindest andeutungsweise zum Ausdruck gebracht, dass die Wirkung des Verzichts von der Leistung der Abfindung abhängig sein soll (Bedingung), besteht regelmäßig ein Bereicherungsanspruch des Verzichtenden auf Aufhebung des abstrakten Erbverzichtsvertrages aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB (vgl. das zu Rz. 133 Ausgeführte), gegebenenfalls aus § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB, wenn sich dem Erbverzichtsvertrag entnehmen lässt, dass die Parteien für den abstrakten Erbverzicht eine Zweckvereinbarung getroffen haben.
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Die Entgegennahme einer Abfindung, die ein Dritter im Vertrauen auf die Gültigkeit eines (formunwirksam beurkundeten) Erbverzichtsvertrages er-
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OLG Koblenz v. 4.3.1993 – 6 W 99/93, NJW-RR 1993, 708 (709). BGH v. 24.11.1981 – X ZR 7/80, BGHZ 82, 299 (307). Dafür Muscheler, ZEV 1999, 49 (50); Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 185. Beispiel von Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 187.
Muscheler
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B XV Rz. 137
Erbverzicht
bracht hat, beinhaltet als solche keine Verpflichtung zum Abschluss eines (nunmehr formgültigen) Erbverzichtsvertrages1.
4. Rücktritt vom Kausalgeschäft 137
Die Parteien können nur für das dem Erbverzicht zugrunde liegende Kausalgeschäft, nicht aber für den abstrakten Erbverzicht selbst ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbaren. In der Ausgestaltung des Rücktrittsrechts sind die Parteien frei. Sie können die Ausübung von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen oder bestimmen, dass der Rücktritt ohne Angaben von Gründen zulässig sein soll.
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Der Rücktritt gestaltet das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis um, mit der Folge, dass die Parteien verpflichtet sind, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren (§ 346 BGB). Ansprüche nach Rücktritt
Einzelheiten
Der Erblasser kann eine bereits geleistete Abfindung grundsätzlich zurückverlangen.
– Mit dem Erbfall geht der Anspruch auf die Erben des Erblassers über. – Nach dem Tod des Verzichtsschuldners ist die Verpflichtung zur Rückgewähr von dessen Erben zu erfüllen, wenn der Verzichtsschuldner die Abfindung bereits erhalten, aber seinerseits den Erbverzicht nicht erklärt hat2. War der Verzicht bereits erklärt, geht der Rücktritt ins Leere, mit der Folge, dass dem Erblasser ein Anspruch auf Rückgabe der Abfindung nicht zusteht3.
Der Verzichtende hat Anspruch auf Aufhebung eines bereits geschlossenen Erbverzichtsvertrages.
– Der Anspruch ist gerichtlich durchsetzbar und wird nach § 894 ZPO vollstreckt.
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Beachte: Ist der Aufhebungsvertrag nicht bis zum Tod des Erblassers geschlossen (s. Rz. 178), wird dessen Erbe (und wird formal, da die Aufhebung ein Vertrag ist, auch der Verzichtende) gem. § 275 Abs. 1 BGB von der Verpflichtung zur Leistung frei4. Dadurch entfällt die Geschäftsgrundlage für den Rücktritt5, mit der Folge, dass der Verzichtende die Abfindung vom Erben verlangen oder eine bereits erhaltene Abfindung behalten kann. Entsprechendes gilt, wenn der Aufhebungsvertrag beim Tod des Verzichtenden noch nicht geschlossen ist. Hier wird der Erblasser selbst von seiner Aufhebungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB frei, und auch hier entfällt die Geschäftsgrundlage für den Rücktritt.
BGH v. 14.12.1995 – IX ZR 242/94, NJW 1996, 1062 (1064). Edenfeld, ZEV 1997, 134 (140). Reul, MittRhNotK 1997, 373 (381). BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (329). Reul, MittRhNotK 1997, 373 (381).
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Muscheler
Erbverzicht
Rz. 141 B XV
5. Leistungsstörungen beim Kausalgeschäft Bei einem Kausalgeschäft, in dem sich auch der Erblasser zu einer Leistung 139 an den Verzichtenden verpflichtet, beurteilen sich Leistungsstörungen nach den §§ 320 ff. BGB. Besonderheiten bestehen nicht1. Neben dem Erfüllungsanspruch steht dem Erblasser wie auch dem Verzichtenden ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 Abs. 1 BGB zu. Bei nicht vertragsgemäßer Erfüllung der Verpflichtung kann der Anspruchsberechtigte unter den Voraussetzungen der §§ 323, 326 Abs. 5 BGB vom Vertrag zurücktreten und nach § 346 Abs. 1 BGB Rückgewähr seiner Leistung fordern2 (zu den Wirkungen des Rücktritts s. Rz. 138). Zu beachten ist, dass der Erbverzichtsvertrag i.w.S. nur zu Lebzeiten des Erblassers abgeschlossen werden kann. Stirbt der Erblasser vorher, ist die Verpflichtung zum Abschluss eines Erbverzichtsvertrages nach richtiger, aber bestrittener Ansicht in eine Verpflichtung zur Ausschlagung bzw. zum Erlass des Pflichtteilsanspruchs umzudeuten3, sofern das zum selben Ergebnis führen würde wie der Erbverzicht4. Anderenfalls wird der Verzichtsschuldner nach allgemeiner Meinung gem. § 275 Abs. 1 BGB von seiner Leistungspflicht frei und verliert gem. § 326 Abs. 1 BGB zugleich den Anspruch auf die Gegenleistung; eine bereits geleistete Abfindung kann der Erbe des Erblassers vom Verzichtenden gem. §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB zurückfordern. Stirbt der Verzichtswillige vor Abschluss des Erbverzichts i.w.S. und sollte sich der Verzicht nach dem Kausalvertrag auf die Abkömmlinge des § 2349 BGB erstrecken, so darf der Kausalvertrag nicht etwa dahin ausgelegt werden, dass nunmehr die Abkömmlinge des Verstorbenen zur Erklärung eines Erbverzichts verpflichtet wären; selbst wenn das von den Parteien des Kausalvertrages so gewollt gewesen sein sollte, kann diesem Willen nicht zur Rechtsgeltung verholfen werden (unzulässiger Vertrag zulasten Dritter). Vielmehr greifen hier von vornherein die §§ 275, 326 BGB ein.
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VIII. Verknüpfung des Kausalgeschäfts mit dem Erbverzicht i.w.S.
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Beratungssituation: Der Mandant möchte einen entgeltlichen Erbverzicht erklären, aber sicherstellen, dass sein Verzicht nur wirksam bleibt, wenn er die versprochene Abfindung erhält.
Nach allgemeiner Meinung können abstrakter Erbverzicht und Kausalgeschäft durch eine dem Erbverzicht beigefügte aufschiebende oder auflösende Bedingung miteinander verknüpft werden5. Die Wirksamkeit des Verzichts 1 Palandt/Edenhofer, § 2346 Rz. 8; Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 162. 2 Erman/Schlüter, Vor § 2346 Rz. 3. 3 Dies ist streitig. Wie hier: Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 3; verneinend: Edenfeld, ZEV 1997, 134 (140); Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 169. 4 Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 3. 5 BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (327); BayObLG v. 27.1.1995 – 1 Z BR 22/94, BayObLGZ 1995, 29 (35); MüKo/Strobel, § 2346 Rz. 25; Palandt/Edenhofer,
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B XV Rz. 142
Erbverzicht
kann sowohl von der Bedingung der (fristgerechten) Leistung der Abfindung als auch von der Erfüllung eines vom Erblasser zugunsten des Verzichtenden mit erbvertraglich bindender Wirkung ausgesetzten Vermächtnisses abhängig gemacht werden. Auch vermag der Eintritt von Rechtsbedingungen zur Wirksamkeitsvoraussetzung erhoben zu werden. So lässt sich etwa die Wirksamkeit eines früher oder gleichzeitig geschlossenen Abfindungsvertrages (als bloß subjektive Ungewissheit) in einen „Bedingungszusammenhang“ mit dem Erbverzicht bringen, mit der Folge, dass die Vorschriften der §§ 158 ff. BGB analog anzuwenden sind1. 142
Die Bedingung für den Verzicht auf die Erbenstellung kann auch noch nach dem Erbfall eintreten, was den gesetzlichen Bestimmungen zur sog. konstruktiven Nacherbfolge (§§ 2104, 2105 BGB) zu entnehmen ist2. Zu den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen vgl. Rz. 13, zu den mit Bedingungen verknüpften Gefahren vgl. Rz. 155 ff.
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Beachte: Aus Gründen der Rechtsklarheit3 und zum Schutz des Verzichtenden empfiehlt es sich stets, den Erbverzicht und die Abfindungsleistung durch Vereinbarung eines gegenseitigen Bedingungsverhältnisses rechtsgeschäftlich miteinander zu verbinden4. Zur Vermeidung von Auslegungsstreitigkeiten sollte die Bedingung ausdrücklich vereinbart werden, weil das Vorliegen eines Bedingungsverhältnisses nicht bereits dann angenommen wird, wenn Erbverzicht und (entgeltliches) Kausalgeschäft in einer Urkunde erklärt werden5. Ein entsprechender Parteiwille muss wenigstens einen – wenn auch unvollkommenen – Ausdruck in der Urkunde finden.
Die wohl h. M6 erachtet es darüber hinaus für zulässig, den abstrakten Erbverzicht und das Kausalgeschäft in der Weise miteinander zu verbinden, dass sie eine vertragliche Einheit bilden. Dies hat zur Folge, dass eine teilweise Unwirksamkeit im Zweifel das ganze Rechtsgeschäft nach § 139 BGB nichtig macht7. Sofern sich Erbverzicht und Abfindungsvereinbarung in einer Urkun-
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§ 2346 Rz. 5; Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 5; Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 153; Lange, in: FS Nottarp, S. 119 (124); a.A. nur Harrer, ZBlFG 15 (1915), 1 (9 ff.). MüKo/Westermann, § 158 Rz. 52. BayObLG v. 4.10.1957 – BReg. 1 Z 147/57, BayObLGZ 1957, 292 (300). Zu den umstrittenen Rechtsfolgen eines wirksamen Erbverzichts bei fehlendem Rechtsgrund s. Rz. 133, 135. Haegele, BWNotZ 1971, 36 (37). BayObLG v. 27.1.1995 – 1 Z BR 22/94, BayObLGZ 1995, 29 (33); MüKo/Strobel, § 2346 Rz. 26; Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 4; Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 154; a.A. Holthaus, S. 68 ff. Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 5; RGRK/Johannsen, § 2346 Rz. 5; AK/Teubner, Vor § 2346 Rz. 34; Lange, in: FS Nottarp, S. 119 (123 ff.); Weirich, DNotZ 1986, 5 (12); Westermann in: FS Kellermann, S. 505 (521); a.A. Palandt/Edenhofer, § 2346 Rz. 8 unter Aufgabe der noch in Palandt/Edenhofer, 64. Aufl. 2005, Überbl. v. § 2346 Rz. 13 vertretenen gegenteiligen Auffassung. Die Anerkennung einer vertraglichen Einheit durch Parteiwillen führe zur Aufgabe des dem deutschen Recht wesentlichen Abstraktionsprinzips. MüKo/Strobel, § 2346 Rz. 27; Damrau, S. 99.
1000 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 147 B XV
de befinden, soll sogar eine tatsächliche Vermutung für die Einheitlichkeit beider Geschäfte sprechen1. Die Anwendung des § 139 BGB auf das Verhältnis zwischen abstraktem Verfügungsgeschäft einerseits und Kausalgeschäft andererseits ist jedoch nicht unbestritten. Sie wird teilweise mit der Begründung abgelehnt, dass sie sich im Ergebnis über das Abstraktionsprinzip hinwegsetze2. Eine unwirksame Vereinbarung könne jedoch, so heißt es von dieser Seite, bei ausdrücklicher Verknüpfung regelmäßig nach § 140 BGB in einen zulässigen Bedingungszusammenhang umgedeutet werden3.
IX. Der Abschluss des Erbverzichtsvertrages i.w.S. 1. Beteiligte Den Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht (§ 2346 Abs. 1 BGB) bzw. den isolierten Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) können der Ehegatte und jeder Verwandte des Erblassers leisten. Darüber hinaus ist auch dem Verlobten des Erblassers und einem von diesem Anzunehmenden vor Ausspruch der Adoption ein Verzicht möglich, weil Gegenstand des Verzichts auch ein zukünftiges, noch entstehendes Erbrecht sein kann (s. Rz. 19). Der Fiskus vermag auf sein gesetzliches Erbrecht gem. § 1936 BGB nicht zu verzichten, da ihm das Gesetz auch das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft versagt (§ 1942 Abs. 2 BGB).
144
Den Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) kann jedermann leisten, der durch Verfügung von Todes wegen als Erbe eingesetzt oder mit einem Vermächtnis bedacht ist (s. Rz. 78).
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Vertragsgegner des Verzichtenden kann nur der Erblasser selbst sein (§§ 2346 Abs. 1 Satz 1, 2352 Satz 1 BGB).
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2. Probleme bei Anbahnung und Abschluss des Erbverzichtsvertrages i.w.S. Für alle Erbverzichtsformen (für den Zuwendungsverzicht über § 2352 Satz 3 BGB) ergibt sich aus § 2347 BGB, inwieweit bei Abschluss eines Erbverzichtsvertrages eine Vertretung zulässig ist, welche Anforderungen an die Geschäftsfähigkeit der Vertragsbeteiligten zu stellen sind und wann ein Erbverzicht familien- oder betreuungsgerichtlicher Genehmigung bedarf4. § 2347 BGB bezieht sich lediglich auf den abstrakten Erbverzicht, nicht aber auf das dem Erbverzicht zugrunde liegende Kausalgeschäft5. 1 OLG Bamberg v. 30.1.1998 – 4 W 5/98, OLGReport 1998, 169 f.; RGRK/Johannsen, § 2346 Rz. 5. 2 Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 (2053); Larenz, JherJb 81 (1931), 1 (14); Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 151. 3 Holthaus, S. 83. 4 Staudinger/Schotten, § 2347 Rz. 1. 5 H.M., Staudinger/Schotten, § 2347 Rz. 4; MüKo/Strobel, § 2347 Rz. 2.
Muscheler
1001
147
B XV Rz. 148
Erbverzicht
a) Vertretung 148
Der Erblasser kann den Erbverzichtsvertrag gem. § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich nur (höchst-)persönlich schließen. Wie bei der Testamentserrichtung (§ 2064 BGB) und beim Abschluss eines Erbvertrages (§ 2274 BGB) ist damit Vertretung des Erblassers im Willen und in der Erklärung ausgeschlossen1. Anders als bei sonstigen Rechtsgeschäften können die gesetzlichen Vertreter des beschränkt geschäftsfähigen Erblassers nicht für diesen handeln. Der beschränkt geschäftsfähige Erblasser muss den Erbverzichtsvertrag vielmehr selbst abschließen und bedarf hierzu nicht einmal der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters, weil der abstrakte Erbverzicht für den Erblasser stets lediglich rechtlich vorteilhaft ist2. Das Prinzip des persönlichen Handelns durchbricht das Gesetz ausschließlich bei Geschäftsunfähigkeit des Erblassers (§ 2347 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. BGB). In diesem Fall ist der Erbverzichtsvertrag vom gesetzlichen Vertreter des Erblassers – also den Eltern bzw. dem Vormund des minderjährigen Kindes oder dem Betreuer des geschäftsunfähigen Volljährigen, wenn dies in seinen Aufgabenkreis fällt (§§ 1902, 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) – zu schließen. Gegen die Erklärung eines Erb- und Pflichtteilsverzichts des Betreuers für den geschäftsunfähigen Betreuten könnte gem. §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1795 Abs. 2, 181 BGB das Verbot des In-Sich-Geschäfts sprechen. Die h.M. nimmt jedoch eine teleologische Reduktion des § 181 BGB vor, wenn das Geschäft für den Vertretenen nach § 107 BGB lediglich rechtlich vorteilhaft ist. Wenn ein beschränkt geschäftsfähiger Erblasser einen Erbverzichtsvertrag ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters selber abschließen kann, weil es sich bei dem Erbverzicht um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft handelt, muss dies auch für den Abschluss mit einem geschäftsunfähigen Erblasser gelten3.
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Beachte: Die Rechtswirksamkeit eines von einem Betreuer des Erblassers abgeschlossenen Erbverzichtsvertrages steht und fällt mit der Geschäftsunfähigkeit des Betreuten, und zwar auch dann, wenn ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist (§ 1903 Abs. 2 3. Var. BGB). Bei Zweifeln über die Geschäftsfähigkeit sollten sowohl der Betreuer als auch der Betreute den Erbverzichtsvertrag schließen4.
Anders als der Erblasser muss der Verzichtende den Erbverzichtsvertrag nicht persönlich abschließen5. Es gelten daher die allgemeinen Vertretungsregeln. Für den geschäftsunfähigen Verzichtenden (§ 104 BGB) handelt sein gesetzlicher Vertreter, für den in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten oder den unter Einwilligungsvorbehalt des Betreuers stehenden geschäftsfähigen Betreuten, 1 BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (321). Ein von einem bevollmächtigten Vertreter des Erblassers abgeschlossener und daher nichtiger Erbverzicht enthält regelmäßig auch den dem Erbverzicht zugrunde liegenden Kausalvertrag; dieser bleibt, da bei ihm Vertretung erlaubt ist, wirksam (BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319, [329]). 2 Hahn, FamRZ 1991, 27 (29). 3 DNotI-Report 2004, 197 (198). 4 Cypionka, DNotZ 1991, 571 (586); Nieder, Rz. 1149. 5 Staudinger/Schotten, § 2347 Rz. 6 m.w.N.
1002 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 151 B XV
der insoweit wie ein beschränkt Geschäftsfähiger behandelt wird, entweder der nur eingeschränkt Geschäftsfähige selbst (mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters) oder nur der gesetzliche Vertreter1. Auch rechtsgeschäftliche Vertretung ist zulässig. Die Erteilung der Vollmacht bedarf keiner Form (§ 167 Abs. 2 BGB), es sei denn, sie erfolgt unwiderruflich. b) Familien- bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigung Ein Erbverzichtsvertrag, der für einen geschäftsunfähigen Erblasser von dessen gesetzlichem Vertreter (Eltern, Vormund, Betreuer) geschlossen wird, bedarf grundsätzlich der familien- bzw. betreuungsgerichtlichen Genehmigung (§ 2347 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BGB). Die familiengerichtliche Genehmigung ist nach § 2347 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. und Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BGB für den unter elterlicher Sorge stehenden Erblasser ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Verzichtsvertrag unter Ehegatten oder Verlobten geschlossen wird2. Von vornherein keiner familien- oder betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf dagegen der von einem in der Geschäftsfähigkeit beschränkten minderjährigen Erblasser und der von einem unter Betreuung stehenden geschäftsfähigen Erblasser selbst geschlossene Erbverzichtsvertrag3.
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150
Beachte: In Ansehung des unter Betreuung stehenden Erblassers sollte die betreuungsgerichtliche Genehmigung vorsorglich eingeholt werden, wenn der Vertrag – wegen bestehender Zweifel an der Geschäftsfähigkeit – sowohl vom Betreuer als auch vom Betreuten geschlossen wurde, weil die Genehmigung jedenfalls bei Geschäftsunfähigkeit des Erblassers erforderlich ist4.
Der für den Verzichtenden durch seinen gesetzlichen Vertreter ausgesproche- 151 ne oder genehmigte Erbverzicht bedarf ebenfalls grundsätzlich der familienbzw. betreuungsgerichtlichen Genehmigung, und zwar unabhängig davon, ob der Verzichtende geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig ist und ob er unter elterlicher Sorge (Ausnahme: Der Vertrag wird zwischen Ehegatten oder unter Verlobten geschlossen, § 2347 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BGB) oder Vormundschaft steht5. Darüber hinaus bedarf auch der von einem Betreuten, für den das Betreuungsgericht einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet hat (§ 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB), selbst abgeschlossene Vertrag der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, auch wenn der Betreuer dem Abschluss des Vertrages zugestimmt hat. In diesem Fall leistet der Betreuer zwar nicht selbst den Verzicht, so dass § 2347 Abs. 1 Satz 2 BGB seinem Wortlaut nach nicht direkt anwendbar ist, doch erfordert der Zweck der Vorschrift deren analoge Anwendung6. § 2347 Abs. 1 BGB gilt auch, wenn der geschäftsunfähige Vertrags-
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Staudinger/Schotten, § 2347 Rz. 10–13. Staudinger/Schotten, § 2347 Rz. 32 m.w.N. Staudinger/Schotten, § 2347 Rz. 33 f. Soergel/Damrau, § 2347 Rz. 7. Staudinger/Schotten, § 2347 Rz. 15. Soergel/Damrau, § 2347 Rz. 7.
Muscheler
1003
B XV Rz. 152
Erbverzicht
erbe einer an sich unter § 2287 BGB fallenden Schenkung zustimmt, ohne einen förmlichen Erbverzicht zu vereinbaren1. 152
Die familien- bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigung wird vom Rechtspfleger erteilt (§ 3 Nr. 2a RPflG), in Baden-Württemberg vom Notar2 (§§ 1 Abs. 1 und 2, 36 LFGG BW; vgl. Art. 147 EGBGB). Sie kann nur dem gesetzlichen Vertreter gegenüber erklärt werden (§§ 1643 Abs. 3, 1828, 1908i Abs. 1 BGB) und muss dem Vertreter vor dem Tod des Erblassers und vor dem Tod des Verzichtenden zugehen (Rz. 155 ff.). Wird die familien- bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigung erst nach Abschluss des zu genehmigenden Vertrages erteilt, ist darüber hinaus zu beachten, dass der Vertrag Wirksamkeit erst erlangt, wenn die Genehmigung der Gegenseite durch den gesetzlichen Vertreter mitgeteilt wird (§ 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB; vgl. Rz. 157). c) Sonstige Zustimmungserfordernisse
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Der Abschluss eines Erbverzichtsvertrages durch einen Ehegatten bedarf – unabhängig vom Güterstand – nicht der Zustimmung des anderen Ehegatten. Die für die Zugewinngemeinschaft geltende Vorschrift des § 1365 BGB greift nicht ein, da sie nur Verfügungen über gegenwärtiges3, nicht aber solche über künftiges Vermögen – wie den Erbverzicht – betrifft. Für die Gütergemeinschaft ergibt sich die fehlende Notwendigkeit der Zustimmung aus dem Gedanken der §§ 1432 Abs. 1 Satz 2, 1455 Nr. 2 BGB. Bei Gütertrennung bestehen von vornherein keine Zustimmungspflichten.
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Der Erbverzicht i.e.S., der Pflichtteilsverzicht sowie der Zuwendungsverzicht eines Elternteils erstrecken sich gem. § 2349 BGB (ggf. i.V.m. § 2352 Satz 3 BGB) ohne weiteres auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, selbst wenn diese im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch gar nicht geboren sind4. Gleichwohl bedarf der Erbverzichtsvertrag keiner familiengerichtlichen Genehmigung5, weil Verzichtende – anders als nach § 2347 Abs. 1 BGB vorausgesetzt – nicht die Abkömmlinge selbst sind. d) Gefahren
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Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre kann ein Erbverzicht i.e. S.6 sowie ein Zuwendungsverzicht7 nur vor dem Eintritt des Erbfalls wirk-
1 BGH v. 27.1.1982 – IVa ZR 240/80, BGHZ 83, 44 (50). 2 Zu den Amtspflichten des Bezirksnotars/Familien- bzw. Betreuungsrichters bei der Entscheidung über die familien- oder betreuungsgerichtliche Genehmigung s. BGH v. 6.10.1994 – III ZR 134/93, WM 1995, 64 ff. (damals noch zum Vormundschaftsrichter). 3 MüKo/Strobel, § 2346 Rz. 8. 4 Staudinger/Schotten, § 2347 Rz. 17. 5 KG v. 22.10.1920 – ZS. 1a., OLGE 41, 67 (69). 6 BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (329). 7 Staudinger/Schotten, § 2352 Rz. 7.
1004 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 158 B XV
sam vereinbart werden1. Zur Begründung dieses Satzes verweist man insbesondere darauf, dass nur zu Lebzeiten des Erblassers in seiner eigenen Person ein sinnvolles und schutzwürdiges Interesse an einer Änderung der Erbfolgeregelung bestehe2. Die Sicherheit des Rechtsverkehrs erfordere, dass die mit dem Tod des Erblassers eingetretene Erbfolgeregelung auf einer festen Grundlage stehe und nicht durch nachträgliche Erklärungen umgestoßen werden könne3. Fehlende Genehmigungen (etwa des Verzichtenden bei Vertretung ohne Vertretungsmacht, des gesetzlichen Vertreters, des Familien- oder Betreuungsgerichts) müssen aus dem genannten Grund bis zum Tode des Erblassers oder des Verzichtenden wirksam geworden4, d.h. gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zugegangen sein. Die von § 184 Abs. 1 BGB angeordnete uneingeschränkte Rückwirkung der Genehmigung gibt es für den Erbverzicht nicht.
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Gleiches gilt für eine Mitteilung des gesetzlichen Vertreters gem. §§ 2347, 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB, die dem Erblasser nicht mehr zu seinen eigenen Lebzeiten oder zu Lebzeiten des Verzichtenden zugegangen ist5.
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Obgleich ein (isolierter) Pflichtteilsverzichtsvertrag die gesetzliche Erbfolge unberührt lässt und daher die in Rz. 155 genannten Argumente nicht zum Tragen kommen, soll nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch er nur zu Lebzeiten des Erblassers geschlossen werden können6. Diese Rechtsprechung ist zwar verfehlt7, aber von der Praxis zu beachten. In Konsequenz der Rechtsprechung kann ein Angebot auf Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages nach dem Tod des Erblassers nicht mehr angenommen werden, da der Vertragsschluss zu Lebzeiten beider Beteiligten erfolgen muss. Daher müssen auch die Wirksamkeit erst perfektionierende Genehmigungen bereits vor dem Tod eines der beiden Beteiligten vorliegen. Ist der Verzichtsvertrag unter einer Bedingung oder Befristung geschlossen, müsste er richtigerweise zur Wirksamkeit gelangen können, da im Zeitpunkt des Erbfalls von Seiten der Beteiligten alle erforderlichen Willenserklärungen abgegeben sind und es nicht mehr vom Willen der Beteiligten abhängt, ob endgültige Wirksamkeit eintritt. Ob der BGH dieser Einschätzung folgen wird, ist noch ungewiss, da
158
1 Eine nach dem Tod des Erblassers formlos abgegebene Verzichtserklärung, die auch als Erbschaftsausschlagung keine Wirkungen entfalten kann, begründet eine schuldrechtliche Verpflichtung zugunsten des Begünstigten, diesen so zu stellen, dass er den Anteil des Verpflichteten an einem Nachlass aus diesem erhält, vgl. OLG Köln v. 22.10.1974 – 15 U 21/74, VersR 1975, 221 (222). 2 BGH v. 4.7.1962 – V ZR 14/61, BGHZ 37, 319 (329). 3 BGH v. 7.12.1977 – IV ZR 20/76, NJW 1978, 1159; OLG Koblenz v. 4.3.1993 – 6 W 99/93, NJW-RR 1993, 708 (709); OLG München v. 14.4.1997 – 31 U 3732/96, ZEV 1997, 299 (300) m.w.N. 4 BGH v. 7.12.1977 – IV ZR 20/76, NJW 1978, 1159. 5 Staudinger/Schotten, § 2347 Rz. 19. 6 BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, BGHZ 134, 60 (64 f.). 7 Muscheler, Anm. zu BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, JZ 1997, 853 (854 f.); Reul, MittRhNotK 1997, 373 (382 f.) m.w.N.; wohl auch Albrecht, Anm. zu BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, DNotZ 1997, 425.
Muscheler
1005
B XV Rz. 159
Erbverzicht
er davon ausgeht, dass sich der Gegenstand des Verzichts, nämlich das Pflichtteilsrecht, mit Eintritt des Erbfalls in einen Pflichtteilsanspruch verwandelt, auf den sich Vereinbarungen in Bezug auf das Pflichtteilsrecht nicht mehr auswirken können.
Û
Beachte: Nach dem Erbfall erteilte bzw. zugegangene Vertragserklärungen und Genehmigungen sind nach h.M. wirkungslos! Im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung sollte darauf hingewirkt werden, dass Erbverzichte i.e.S., Zuwendungsverzichte und (isolierte) Pflichtteilsverzichte möglichst schnell wirksam werden1. Die Aufnahme aufschiebender Bedingungen sollte bei Pflichtteilsverzichtsverträgen tunlichst vermieden werden; kommt man ohne Aufschub des Wirksamwerdens nicht aus, so empfiehlt sich, rein vorsorglich bei allen nicht sofort wirksam werdenden Pflichtteilsverzichtsverträgen zugleich auf alle künftigen – erst mit dem Tod des Erblassers entstehenden – Pflichtteilsansprüche zu verzichten2, auch wenn diese Möglichkeit umstritten ist3 (beachte auch Rz. 174).
3. Der Abschluss eines Erbverzichtsvertrages im Zusammenhang mit anderen Verträgen (v.a. Übergabeverträgen) 159
Bei Übergabeverträgen, durch den etwa Eltern ein Grundstück oder ihr landwirtschaftliches Anwesen einem Kind übertragen, das sich wegen eines künftigen Erbrechts für abgefunden erklärt, haben die Beteiligten im Allgemeinen keinen Erbverzicht im Auge. Die Abfindungserklärung bringt ihrem Zweck nach regelmäßig nur zum Ausdruck, dass vom Stande des gegenwärtigen Übergebervermögens her betrachtet die durch die Übergabe dem Abkömmling zugewendeten Vorteile dessen künftig zu erwartendem Erbteil entsprechen und der Abkömmling deshalb zugunsten der künftigen Miterben hinsichtlich dieses gegenwärtigen Vermögens als abgefunden zu gelten hat4. Im Zweifel wird eine nicht eindeutige Erklärung nach den §§ 133, 157, 242 BGB ausgelegt. Der Berater sollte deshalb bei Abschluss des Übergabevertrages bemüht sein, jegliche Zweifel über den Parteiwillen von vornherein auszuschließen. Beispiel:5 Der Übergabevertrag, durch den Eltern einem Abkömmling ihr landwirtschaftliches Anwesen unter Vereinbarung eines Leibgedinges übergeben, enthält folgende Bestimmung: „Der Übernehmer erkennt an, dass er durch die Übergabe mit allen seinen Ansprüchen gegen den Hof aus Mitarbeit und mit allen seinen Ansprüchen gegen den künftigen Nachlass seiner Eltern abgefun1 2 3 4
Reul, MittRhNotK 1997, 373 (382). Reul, MittRhNotK 1997, 373 (382 f.) m.N. S. hierzu Mayer, ZEV 1996, 441 (445 ff.). RG v. 26.10.1931 – IV 83/31, LZ 1932, 102 f.; BayObLG v. 10.2.1981 – BReg. 1 Z 125/80, BayObLGZ 1981, 30 (36); OLG Hamm v. 4.4.1995 – 10 U 90/94, NJW-RR 1996, 906. 5 BayObLG v. 10.2.1981 – BReg. 1 Z 125/80, BayObLGZ 1981, 30.
1006 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 161 B XV
den ist, so dass ihm keine Ansprüche mehr zustehen. Er verzichtet hiermit mit Rücksicht auf diese Übergabe auf seine gesetzlichen Pflichtteilsansprüche gegenüber dem künftigen Nachlass seiner Eltern.“ Diesen Vertrag hat das BayObLG nach §§ 133, 157, 242 BGB dahin ausgelegt, dass lediglich ein Verzicht auf das Pflichtteilsrecht, nicht aber ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht erklärt worden sei. Der Aufnahme des Satzes „Er verzichtet . . . auf seine gesetzlichen Pflichtteilsansprüche . . .“ hätte es nicht bedurft, wenn bereits mit dem vorangehenden Satz ein Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht habe ausgesprochen werden sollen, da sich ein solcher zugleich auf das Pflichtteilsrecht erstreckt hätte1. Zudem sei es den Erblassern ersichtlich nur darauf angekommen, ihre eigene Versorgung bis zum Lebensende sicherzustellen, was sich zweifelsfrei aus der Vereinbarung über das Leibgeding ergebe. Es bestehe kein zwingender Grund zur Annahme, es sei den Eltern auch noch an einem Erbverzicht – etwa als zusätzliche Gegenleistung – gelegen gewesen. Ein Vertrag, durch den Eltern ihr landwirtschaftliches Anwesen unter Vereinbarung eines Leibgedinges einem Abkömmling übergeben, wohingegen dieser sich mit allen Ansprüchen gegen den künftigen Nachlass seiner Eltern für abgefunden erklärt, ausdrücklich aber nur auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet, enthält daher nicht notwendig einen Erbverzicht. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn der Verzicht nicht vom Übernehmer eines Hofes (oder eines sonstigen Vermögensgegenstandes), sondern von (anderen) Abkömmlingen des Übergebers in einem weiteren notariellen Vertrag mit dem Erblasser erklärt wird. Bekunden die Abkömmlinge in einem solchen Vertrag ihr Einverständnis mit der Übertragung und erklären sie gleichzeitig, „abgefunden“ zu sein und „keine Erb- oder Pflichtteilsansprüche gegen Erblasser und . . . (als Hofesübernehmer)“ zu stellen, liegt ein umfassender Erbverzicht vor, wenn eine Beschränkung – auf die eigenständig vererbbare Vermögensmasse „Hof“ oder auf den sonstigen an einen Dritten übertragenen Gegenstand – weder ausdrücklich erklärt noch der notariellen Urkunde im Wege der Auslegung zu entnehmen ist2. Aus der gegenüber dem Erblasser abgegebenen Erklärung, keine Erb- oder Pflichtteilsansprüche gegen den Hofübernehmer (oder den Übernehmer des sonstigen Vermögensgegenstandes) zu stellen, lässt sich eine solche gegenständliche Beschränkung nicht herleiten, weil der Verzichtsvertrag nicht mit dem Hofübernehmer, sondern dem Erblasser abgeschlossen worden ist3.
160
Bei Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträgen, die im Zusammenhang mit Erb- 161 verträgen geschlossen werden sollen, hat der Berater zu klären, ob der verzichtende Erbe den Verzicht nur in der Erwartung einer Abfindung erklären möchte4. Wird der Verzicht nämlich im Hinblick darauf erklärt, dass die im Erbvertrag als Vertragserbe eingesetzte Person nach dem Erbfall die Abfindung für den Verzicht leistet, bestehen Gefahren. Eine derartige Auszahlungsabrede 1 2 3 4
BayObLG v. 10.2.1981 – BReg. 1 Z 125/80, BayObLGZ 1981, 30 (35). OLG Oldenburg v. 14.10.1997 – 5 U 62/97, FamRZ 1998, 645 (646). OLG Oldenburg v. 14.10.1997 – 5 U 62/97, FamRZ 1998, 645 (646). Thode, Anm. zu BGH v. 23.11.1994 – IV ZR 238/93, ZEV 1995, 143 f.
Muscheler
1007
B XV Rz. 162
Erbverzicht
zwischen dem Verzichtenden und dem erbvertraglich Begünstigten stellt, auch wenn sie gleichzeitig mit einem Erbvertrag und einem Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag getroffen wird, einen sog. Erbschaftsvertrag dar1, für den die Vorschrift des § 311b Abs. 4 und 5 BGB zu beachten ist. Daraus folgt zunächst, dass ein solches Auszahlungsversprechen gem. § 311b Abs. 5 Satz 2 BGB notarieller Beurkundung bedarf2. Das Formerfordernis gilt auch dann, wenn der Erblasser einem zwischen gesetzlichen Erben geschlossenen Erbschaftsvertrag zugestimmt hat. Da der Abschluss eines Erbschaftsvertrages der Zustimmung des Erblassers nicht bedarf3, ist nämlich nicht einzusehen, weshalb Erbvertrag und Erbverzichtsvertrag nur vor dem Notar geschlossen werden können, der dazugehörige Erbschaftsvertrag allein wegen der Mitwirkung des Erblassers dagegen ohne Notar4. Ein weiteres Risiko, auf das der Berater hinzuweisen hat, besteht darin, dass bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob den Erbschaftsvertrag auch Personen zu schließen vermögen, die nicht zu den Nächstberufenen in der gesetzlichen Erbfolge gehören5.
4. Formerfordernisse, insbesondere stillschweigender Erbverzicht 162
Der Erbverzichtsvertrag bedarf der notariellen Beurkundung (§ 2348 BGB). Heilung eines Formverstoßes analog § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB greift hinsichtlich des Erbverzichts selbst dann nicht ein, wenn dieser mit einem Vertrag i.S. des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB verbunden und hinsichtlich der Grundstücksübertragungspflicht Heilung eingetreten ist. Gleichzeitige Anwesenheit der Vertragsbeteiligten verlangt das Gesetz beim Erbverzicht – anders als beim Erbvertrag – nicht, so dass auch die getrennte Beurkundung von Antrag und Annahme möglich ist6. Das Beurkundungserfordernis gilt auch für das dem abstrakten Erbverzicht zugrunde liegende Kausalgeschäft (s. Rz. 127).
163
Durch Prozessvergleich wird die notarielle Beurkundung ersetzt (§ 127a BGB). Im Hinblick auf die gem. § 2347 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. BGB angeordnete Höchstpersönlichkeit ist im Anwaltsprozess zu beachten, dass ein Erbverzicht nur bei persönlicher Anwesenheit des Erblassers wirksam vereinbart werden kann7. Wirksamwerden der Erblassererklärung nach § 127a BGB setzt voraus, dass der Verzicht sowohl vom Erblasser als auch vom Rechtsanwalt erklärt wird8.
1 2 3 4 5 6 7 8
OGH (Brit. Zone) v. 19.5.1949 – I ZS 241/48, OGHZ 2, 175 (178 ff.). BGH v. 23.11.1994 – IV ZR 238/93, ZEV 1995, 142. BGH v. 11.5.1988 – IVa 325/86, BGHZ 104, 279 (284). BGH v. 23.11.1994 – IV ZR 238/93, ZEV 1995, 142 (143). Thode, Anm. zu BGH v. 23.11.1994 – IV ZR 238/93, ZEV 1995, 143 (144). Nieder, Rz. 1148; Keller, ZEV 2005, 229 (230). BayObLG v. 18.3.1965 – BReg. 1b Z 4/65, BayObLGZ 1965, 86 (89). BayObLG v. 18.3.1965 – BReg. 1b Z 4/65, BayObLGZ 1965, 86 (89); OLG Stuttgart v. 24.7.1989 – 8 W 458/88, OLGZ 1989, 415 (417).
1008 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 165 B XV
Besondere Aufmerksamkeit ist darauf zu richten, dass Erb- und Pflichtteilsverzicht nach der Rechtsprechung trotz § 2348 BGB auch stillschweigend geschlossen werden können1. Der BGH hat einen stillschweigenden Pflichtteilsverzicht erstmals 1956 in einem Fall angenommen, in dem sich Ehegatten in einem Erbvertrag gegenseitig zu Alleinerben und das am Vertragsschluss beteiligte Kind zur alleinigen Schlusserbin eingesetzt sowie ihren anderen Kindern Vermächtnisse nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten ausgesetzt hatten2. Hier liege, so der BGH, ein auf den Tod des erstversterbenden Ehegatten bezogener Pflichtteilsverzicht der Schlusserbin vor: Mangels eines ausdrücklichen Verzichts seien die im Erbvertrag enthaltenen Erklärungen auszulegen. Dabei komme es zunächst darauf an, welches Ziel die Vertragschließenden durch den Abschluss des Erbvertrages hätten erreichen wollen. Insbesondere bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden, in der der gemeinsame Wille der Ehegatten nicht in einem gemeinschaftlichen Testament, sondern im Wege eines Erbvertrages mit dem als Schlusserben eingesetzten Abkömmling niedergelegt sei, könne – jedenfalls grundsätzlich3 – davon ausgegangen werden, dass die Absicht bestanden habe, Pflichtteilsansprüche des Schlusserben nach dem Tode des zuerst versterbenden Ehegatten auszuschließen4. Die Verzichtserklärung der Schlusserbin liege darin, dass sie die im Erbvertrag getroffenen Anordnungen angenommen habe. Die Annahme des Verzichts durch die Erblasser sei in der Einsetzung des verzichtenden Abkömmlings als Schlusserbin zu sehen.
164
In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der BGH 1977 in einem notariellen gemeinschaftlichen Testament, in dem Ehegatten ihre Kinder aus jeweils früherer Ehe als Erben eingesetzt und sich untereinander den Hausrat vermacht hatten, einen stillschweigend geschlossenen Erb- und Pflichtteilsverzicht der Ehegatten gesehen5. Die notwendigen Erklärungen müssten nicht ausdrücklich und für sich allein, sondern könnten auch im Zusammenhang mit anderen notariell beurkundeten Erklärungen abgegeben werden. Der Verzicht sei daher auch dann wirksam erklärt, wenn sich der Wille, auf den Pflichtteil ver-
165
1 S. dazu auch Keim, ZEV 2001, 1. 2 BGH v. 15.12.1956 – IV ZR 101/56, BGHZ 22, 364 ff. = LM § 2348 BGB Nr. 1 m. Anm. Johannsen = JR 1957, 339 m. abl. Anm. v. Lübtow. 3 Eine andere Auslegung sei möglich, wenn der Schlusserbe sich im Zusammenhang mit seiner Erbeinsetzung auch seinerseits zu Leistungen an die Erblasser verpflichtet habe, die wirtschaftlich als Gegenleistung für die eingegangene Bindung angesehen werden könnten, oder wenn sich die Erblasser den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten hätten. Ob die Annahme eines Pflichtteilsverzichts des zum Schlusserben Eingesetzten auch ohne ausdrückliche Erklärung gerechtfertigt ist, wenn die Geltendmachung des Pflichtteils den anderen Abkömmlingen, zu deren Gunsten lediglich Vermächtnisse ausgesetzt waren, erlaubt sein soll, hat der BGH offen gelassen. Vgl. BGH v. 15.12.1956 – IV ZR 101/56, BGHZ 22, 364 (369). 4 BGH v. 15.12.1956 – IV ZR 101/56, BGHZ 22, 364 (368); zustimmend: Keller, ZEV 2008, 229 (230). 5 BGH v. 9.3.1977 – IV ZR 114/75, NJW 1977, 1728 f.; s. auch OLG Düsseldorf v. 23.7.1999 – 7 U 236/98, NJW-FER 1999, 328 f.
Muscheler
1009
B XV Rz. 166
Erbverzicht
zichten zu wollen, stillschweigend aus diesen (anderen) beurkundeten Erklärungen ergebe1. 166
In der Literatur sind die genannten Entscheidungen zu Recht kritisiert worden2. So hat man insbesondere darauf hingewiesen, dass der BGH die Rechtsprechung des RG – ohne diese überhaupt zu erwähnen – in ihr Gegenteil verkehrt habe3. Das Reichsgericht hatte noch ausgeführt, dass der Verzicht auf ein Recht nicht zu vermuten, sondern nur dann anzunehmen sei, wenn besondere Umstände auf einen Verzichtswillen schließen lassen4. Die Anerkennung eines stillschweigenden Verzichts birgt die Gefahr in sich, dass der Beweis- und Warnfunktion des § 2348 BGB nicht hinreichend Rechnung getragen wird. Auch ist nicht ersichtlich, wie sich aus einem gemeinschaftlichen Testament, das selbst bei Vorliegen wechselbezüglicher Verfügungen keinen Vertrag darstellt und daher nicht als Vertrag beurkundet werden kann, im Wege der Auslegung ein beurkundeter Erbverzichtsvertrag ergeben soll. Nähme man einen solchen an, ergäbe sich das weitere Problem der Auswirkungen eines Testamentswiderrufs. Zumindest bei nicht wechselbezüglichen Verfügungen, bei denen der Widerruf durch eigenhändiges Testament erfolgen kann, müsste man, da der Pflichtteilsverzicht nach Auffassung des BGH am Zweck des gemeinschaftlichen Testaments ausgerichtet ist, konsequenterweise über § 139 BGB zur Unwirksamkeit des Verzichts gelangen, was mit § 2351 BGB nicht in Einklang zu bringen wäre5.
167
Zu beachten bleibt, dass auch ein formunwirksamer Erbverzicht steuerrechtlich beachtlich sein kann6.
X. Vorbereitung und Gestaltung von Erbverzichtsverträgen (Checkliste und Formulierungsvorschläge) 1. Allgemeines 168
– Vor allem in Ansehung des Erblassers ist zu beachten, dass dieser den Erbverzichtsvertrag grundsätzlich höchstpersönlich schließen muss (s. Rz. 148). Wird ein insoweit nicht dem Gesetz entsprechender (unwirksamer) Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag beurkundet, stellt dies eine Amtspflichtverletzung auch gegenüber demjenigen dar, dem der Ausschluss des Verzichtenden als gesetzlicher Erbe und Pflichtteilsberechtigter zugute gekommen wäre7. 1 BGH v. 9.3.1977 – IV ZR 114/75, NJW 1977, 1728. 2 Vgl. etwa MüKo/Strobel, § 2348 Rz. 8; Lange/Kuchinke, § 7 I 5d (S. 171 f.) jew. m.w.N. 3 Vgl. etwa Habermann, JuS 1979, 169 (171). 4 RG v. 7.5.1927 – I 22/27, RGZ 116, 313 (316). 5 Habermann, JuS 1979, 169 (174). 6 FG München v. 15.9.1993 – 4 K 1274/89, UVR 1994, 58 f. (Anwendung des § 41 AO trotz mündlichen Erbverzichts); vgl. auch BFH v. 5.11.1998 – IV R 32/98, BFHE 187, 469 (473 f.). 7 BGH v. 14.12.1995 – IX ZR 242/94, NJW 1996, 1062 (1064).
1010 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 171 B XV
– Der Erbverzicht sollte ausdrücklich erklärt werden (s. Rz. 164 ff.). Erklärt sich der Verzichtswillige „für völlig abgefunden“, reicht das nicht1. Bei Verträgen, in denen auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht verzichtet wird, ist klar auszusprechen, ob etwaige Zuwendungen in bereits bestehenden Verfügungen miterfasst werden sollen oder nicht, weil nach der Rechtsprechung ein konkludenter Zuwendungsverzicht möglich ist2.
169
– Der Erbverzichtsvertrag lässt – anders als der ihm zugrunde liegende Kausalvertrag – keinen Rücktrittsvorbehalt zu, kann aber an den Eintritt einer Bedingung geknüpft werden (s. Rz. 13, 141).
170
– Sofern als Abfindung für einen Erbverzicht ein Vermächtnis ausgesetzt werden soll, ist zunächst § 2302 BGB zu beachten (s. Rz. 120). Zudem besteht die Gefahr, dass es zwischen Vertragsschluss und Erbfall zu erheblichen Wertverschiebungen im Vermögen des Erblassers kommt. Es empfiehlt sich daher, schon im Kausalvertrag zum Erbverzicht ein Rücktrittsrecht vorzusehen, das wie folgt formuliert werden könnte:
171
Formulierungsvorschlag Falls die Leistung des Vermächtnisgegenstandes unmöglich wird oder der Vermächtnisgegenstand nicht nur unwesentlich an Wert verliert, hat der Verzichtende das Recht, vom Vertrag zurückzutreten und den Pflichtteil (bzw. den Gegenwert des Vermächtnisgegenstandes sofort) zu verlangen. Dasselbe gilt, falls in der Sphäre des Erblassers sonstige Umstände einzutreten drohen, die den ungeschmälerten Erhalt des Vermächtnisgegenstandes infrage stellen3.
Um eine Kürzung eines Vermächtnisses zu vermeiden, das als Abfindung für den Verzicht eines Pflichtteilsberechtigten auf das gesetzliche Erbrecht oder das Pflichtteilsrecht gedacht war, kann der Erblasser in seiner Verfügung von Todes wegen § 2318 Abs. 1 BGB abbedingen, was § 2324 BGB ausdrücklich zulässt. Insoweit empfiehlt sich folgende Formulierung:
Formulierungsvorschlag Eine anteilsmäßige Kürzung des Vermächtnisses wegen Pflichtteilsansprüchen ist nicht statthaft, sofern der Wert des Vermächtnisses im Zeitpunkt des Erbfalls den Wert des fiktiven Pflichtteils des verzichtenden Vermächtnisnehmers nicht übersteigt. § 2318 Abs. 2 BGB findet Anwendung4.
1 2 3 4
RG v. 26.10.1931 – IV 83/31, LZ 1932, 102. OLG Frankfurt v. 30.6.1993 – 20 W 201/93, OLGZ 1994, 201 ff. Formulierungsvorschlag von Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 (2060). Formulierungsvorschlag von Ebenroth/Fuhrmann, BB 1989, 2049 (2060).
Muscheler
1011
B XV Rz. 172
Erbverzicht
– Bei Erbverzichtsverträgen im Zusammenhang mit Übergabeverträgen ist besonders darauf zu achten, dass der Vertrag zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem Erblasser – nicht dem Übernehmer – geschlossen wird1.
2. Der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht 172
– Beim Verzicht eines Abkömmlings des Erblassers sind die §§ 2349, 2350 Abs. 1, 2350 Abs. 2 BGB zu beachten. Die Wirkung des § 2349 BGB sollte – wenn keine anderweitige Regelung gewünscht ist – im Vertrag erwähnt werden, damit nicht später der Einwand erhoben werden kann, der Berater habe nicht auf diese Rechtsfolge hingewiesen2. – Sofern nichts anderes gewünscht ist, sollte beim Erbverzicht eines Ehegatten im Hinblick auf die Bestimmung des § 1586b BGB vorsorglich festgehalten werden, ob und wie der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt durch den erklärten Erbverzicht beeinträchtigt werden soll.
173
– Beinhaltet das Erblasservermögen einen Hof, ist allgemein zu berücksichtigen, dass ein Erbverzicht auch Nachabfindungsansprüche nach § 13 HöfeO ausschließt. Wegen dieser weitreichenden Folgen muss eingehend erörtert werden, was der von der erbrechtlichen Beteiligung Auszuschließende überhaupt bewirken will, wenn er gegen Erhalt einer Abfindung zugunsten des Hoferben „verzichtet“: (1) Soll lediglich eine isolierte Abfindungserklärung3 aus Anlass einer Zuwendung abgegeben werden? In einer solchen erklärt sich der Empfänger mit „allen Ansprüchen gegen den künftigen Nachlass der Eltern für abgefunden“. Eine derartige Erklärung wird nicht notwendig als Erb- und Pflichtteilsverzicht gesehen4, sondern dahin gehend verstanden, dass im Erbfall bei der erbrechtlichen Beteiligung des sich für abgefunden Erklärenden (Erb- oder Pflichtteil) das im Zeitpunkt der Übergabe vorhandene Vermögen des Übergebers rechnerisch berücksichtigt und wegen der erhaltenen Abfindung abgesetzt werden soll5. (2) Sofern im Zusammenhang mit einem Übergabevertrag oder einer Erbregelung wirklich ein Erb- und Pflichtteilsverzicht gewollt ist, hat sich die Beratung eingehend mit dem von den Parteien angestrebten Zweck auseinander zu setzen. Regelmäßig bezweckt der Verzicht des weichenden Erben die Erhaltung des elterlichen Hofes in einer Hand. Soweit dem Verzichtenden gerade hieran gelegen ist, besteht die Gefahr, dass seine Erwartung enttäuscht wird, wenn es alsbald nach dem Erbfall zu einer Veräußerung 1 2 3 4
Cremer, MittRhNotK 1978, 169 (170). Haegele, BWNotZ 1971, 36 (41). Begriff von Kuchinke, Anm. zu BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, JZ 1998, 143 f. BayOLG v. 10.2.1981 – BReg. 1 Z 125/80, BayObLGZ 1981, 30 (35); BayObLG v. 17.1.1984 – BReg. 1 Z 65/83, MDR 1984, 403; BayObLG v. 29.3.1982 – BReg. 1 Z 90/82, AgrarR 1983, 220 (221). 5 Kuchinke, Anm. zu BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, JZ 1998, 143 f.
1012 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 174 B XV
des Hofes kommt. Bereits im Vorfeld sollte den Interessen des Verzichtenden – im Hinblick auf die Schwierigkeiten einer Anpassung des Abfindungsvertrages nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage – dadurch Rechnung getragen werden, dass man entweder in den schuldrechtlichen Abfindungsvertrag eine Klausel aufnimmt, nach der die Veräußerung des Hofes binnen einer bestimmten Frist zur Erhöhung der vertraglich vereinbarten Abfindung führt, oder den abstrakten Erbverzicht unter die auflösende Bedingung stellt, dass der Hof innerhalb eines gewissen Zeitraums veräußert wird1.
3. Der isolierte Pflichtteilsverzicht – Beim Verzicht eines Abkömmlings des Erblassers ist § 2349 BGB zu beachten (s. Rz. 91). Soll keine anderweitige Regelung getroffen werden, empfiehlt es sich, die Wirkung des § 2349 BGB im Vertrag zu erwähnen, damit nicht später der Einwand erhoben werden kann, der Berater habe auf diese Rechtsfolge nicht hingewiesen2. – Es muss beachtet werden, dass die Auslegungsregel des § 2350 Abs. 2 BGB beim isolierten Pflichtteilsverzicht nicht gilt. Bei in Richtung des § 2350 Abs. 2 BGB gehendem Willen des verzichtenden Abkömmlings ist daher eine entsprechende Bedingung aufzunehmen. Die Auslegungsregel des § 2350 Abs. 1 BGB gilt ebenfalls nicht; auch seine Rechtsfolge kann jedoch durch eine Bedingung erreicht werden. – Den Parteien ist das Nichteingreifen des § 2310 Satz 2 BGB zu erklären. Diese Wirkung sollte, wenn sie im konkreten Fall relevant ist oder relevant werden kann, im Vertrag erwähnt werden. – Die Parteien sind darauf hinzuweisen, dass die gesetzliche Erbfolge unberührt bleibt. Dies könnte wie folgt festgehalten werden:
Formulierungsvorschlag Der Notar hat den Beteiligten die Bestimmungen des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts erläutert. Er hat darauf hingewiesen, dass das gesetzliche Erbrecht des Verzichtenden bestehen bleibt und der Pflichtteilsverzicht bezüglich des Erbrechts keine Wirkung entfaltet, wenn der Erblasser nicht zusätzlich eine enterbende letztwillige Verfügung trifft3.
– Soll der Pflichtteilsverzicht anlässlich einer Zuwendung an einen Dritten gegenständlich begrenzt werden, bietet sich folgende Standardformulierung an: 1 Edenfeld, Anm. zu BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, ZEV 1997, 70 (71). 2 Haegele, BWNotZ 1971, 36 (41). 3 DAI-Skript, Intensivkurs Erbrecht, Stand 9/1997, S. 146, zit. nach Reul, MittRhNotK 1997, 373 (378) (im Text leicht geändert).
Muscheler
1013
174
B XV Rz. 174
Erbverzicht
Formulierungsvorschlag Verzichtender verzichtet hiermit für sich und seine Abkömmlinge auf sein Pflichtteilsrecht am Nachlass des Übergebers in der Weise, dass der Vertragsgegenstand gemäß gegenwärtiger Urkunde bei der Berechnung seines Pflichtteils als nicht zum Nachlass des Übergebers gehörend angesehen und aus der Berechnungsgrundlage für den Pflichtteilsanspruch, Ausgleichspflichtteil und Pflichtteilsergänzungsanspruch ausgeschieden wird. Der Übergeber nimmt diesen gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzicht entgegen und an. Die Vertragschließenden wurden darauf hingewiesen, dass der gegenständlich beschränkte Pflichtteilsverzicht die gesetzliche Erbfolge und den Pflichtteil am Restvermögen des Übergebers unberührt lässt1.
Diese Vereinbarung schützt den Übernehmer freilich nicht davor, dass der zwischen dem Übergeber und dem Pflichtteilsberechtigten abgeschlossene Pflichtteilsverzichtsvertrag nach § 2351 BGB wieder aufgehoben wird. Von einer solchen Aufhebung braucht der Übernehmer auch dann nichts zu erfahren, wenn er für den Verzicht Abfindungsleistungen erbracht hat. In solchen Konstellationen wird lediglich in seltenen Fällen ein nur von allen Beteiligten aufhebbarer dreiseitiger Vertrag anzunehmen sein (s. auch Rz. 183). Auch ist fraglich, ob man – wie Lange/Kuchinke dies tun2 – für den Regelfall eine (konkludent übernommene) Verpflichtung des Erblassers annehmen kann, die Aufhebung des Erbverzichts zu unterlassen. Da nach der Rechtsprechung die Umdeutung eines Verzichts auf das Pflichtteilsrecht in einen Verzicht auf Pflichtteilsansprüche nicht in Betracht kommt und zudem umstritten ist, ob vor Eintritt des Erbfalls auf (künftige) Pflichtteilsansprüche verzichtet werden kann (s. die Nachweise zu Rz. 158), sollte im Anschluss an einen Pflichtteilsverzicht eine – zumindest schuldrechtlich wirkende – Vereinbarung nach § 311b Abs. 4 und 5 BGB getroffen werden3:
Formulierungsvorschlag Verzichtender verpflichtet sich weiter im Wege eines Vertrags nach § 311b Abs. 5 BGB gegenüber dem Übernehmer, nach Eintritt des Erbfalls keine Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen des dem Übernehmer zugesprochenen Gegenstandes geltend zu machen und auf solche dann unverzüglich zu verzichten4.
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Formulierungsvorschlag von Mayer, ZEV 2000, 263 (264). Lange/Kuchinke, § 25 V 5b (3) (S. 487). Mayer, ZEV 2000, 263 (264). Formulierungsvorschlag von Bengel, in: Dittmann/Reimann/Bengel, Formularteil, B, Rz. 81 (im Text leicht geändert).
1014 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 176 B XV
4. Der Zuwendungsverzicht – Beachte stets: Es gibt keinen Verzicht auf künftige Zuwendungen durch Verfügung von Todes wegen!
175
– Wichtige Vorfrage: Ist der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen (notariellen Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament) gebunden (Änderungsvorbehalte, Freistellungsklauseln prüfen) oder kann er seine Verfügung noch (eventuell kostengünstiger) widerrufen/aufheben? – Bestehen ausdrückliche oder nach § 2069 BGB zu vermutende Ersatzberufungen? An dieser Stelle sei auf die bei fehlender anderweitiger Bestimmung eintretende Erstreckung der Zuwendungsverzichtswirkung auf Abkömmlinge hingewiesen: § 2352 Satz 3 BGB verweist auf § 2349 BGB, s. Rz. 91. Tritt Anwachsung nach § 2094 BGB ein? (Achtung: Haftungsgefahr wegen unterlassener Belehrung über Ersatzerbenklausel im Testament1) Ist die Ausschaltung der Ersatzerbenberufungen möglich (Verzichtsbereitschaft auch auf Seiten der Ersatzerben)? – Soll sich der Verzicht auch auf gesetzliche Erb- und Pflichtteilsansprüche erstrecken oder solche unberührt lassen? (Auslegungsschwierigkeiten vermeiden) – Liegen noch weitere Verfügungen von Todes wegen vor, die im Verzichtsfall wirksam werden können? (ggf. vorsorglicher Mitverzicht) – Beim Verzicht eines Abkömmlings findet § 2349 BGB über die Verweisung in § 2352 Satz 3 BGB Anwendung (s. Rz. 91). Da die Erstreckung der Verzichtswirkung auf die Abkömmlinge des Verzichtenden vertraglich abbedungen werden kann und dies selbst bei vollständiger Abfindung (Rz. 88 ff.) möglicherweise der Fall ist, sollte der Wille des Erblassers im Zuwendungsverzichtsvertrag klar zum Ausdruck gebracht werden2. Auch § 2350 Abs. 2 BGB gilt beim Zuwendungsverzicht nicht, jedoch kann seine Rechtsfolge ausdrücklich als Bedingung vereinbart werden. – Soweit der Zuwendungsverzicht zugunsten eines Dritten erklärt werden soll, ist dies ausdrücklich in den Verzichtsvertrag aufzunehmen3, da § 2350 Abs. 1 BGB nach herrschender Auffassung nicht gilt.
XI. Beseitigung der Wirkungen des Erbverzichts Bereits vor dem Erbfall ist der Erbverzicht als Vertrag bindend und damit unwiderruflich4. Daraus ergibt sich, dass er sich einseitig, insbesondere durch letztwillige Verfügung, nicht beseitigen lässt5.
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BGH v. 4.11.1998 – IV ZR 327/97, ZEV 1999, 62 (64). Jackschath, MittRhNotK 1977, 117 (122). Mayer, ZEV 1996, 127 (131). MüKo/Strobel, § 2346 Rz. 30. BGH v. 13.7.1959 – V ZB 4/59, BGHZ 30, 261 (267).
Muscheler
1015
176
B XV Rz. 177
Erbverzicht
1. Aufhebungsvertrag (§ 2351 BGB) 177
Durch Aufhebungsvertrag als actus contrarius können die Wirkungen eines Erbverzichts einvernehmlich rückgängig gemacht werden (§ 2351 BGB). Trotz nicht eindeutigen Wortlauts und trotz ihrer systematischen Stellung ist die Norm des § 2351 BGB nach herrschender und zutreffender Ansicht auch auf den Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB)1 und damit auf alle Formen des Erbverzichts i.w.S. anwendbar2. Zwar könnte man meinen, dass eine Aufhebung des Zuwendungsverzichts analog § 2351 BGB aufgrund der Möglichkeit des Erblassers, die ohne den Zuwendungsverzicht bestehende Erbfolge durch eine neue Verfügung von Todes wegen wiederherzustellen, entbehrlich sei. Eine solche Sichtweise übersieht jedoch, dass dieser Weg dem Erblasser im Falle erbvertraglicher Bindung (§ 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder wegen einer wechselbezüglichen Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament (§§ 2270, 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB) verschlossen sein kann3. In solchen Konstellationen führt nur die Aufhebung des Zuwendungsverzichts zu dem vor dem Zuwendungsverzicht bestehenden Rechtszustand. Wie beim Erbverzicht selbst handelt es sich auch beim Aufhebungsvertrag um ein abstraktes Rechtsgeschäft unter Lebenden auf den Todesfall4, dem – genauso wie beim Erbverzicht – ein Kausalgeschäft zugrunde liegen muss.
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Nach h.M. kann der Aufhebungsvertrag nur zwischen den Vertragspartnern des Erbverzichts geschlossen werden5. Dies soll auch dann gelten, wenn sich die Wirkung des Verzichts gem. § 2349 BGB auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt, so dass diese nicht in der Lage sind, die sie benachteiligenden Wirkungen im Einvernehmen mit dem Erblasser aufzuheben6. Der Zeitpunkt des Abschlusses ist gleichgültig7, jedoch muss der Aufhebungsvertrag spätestens bis zum Tod eines der Vertragspartner wirksam geworden sein8. In Ansehung des Erblassers ist dies allgemeine Meinung9, denn der Erblasser kann den Aufhebungsvertrag – wie den Erbverzicht – gem. §§ 2351, 2347 Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. BGB nur (höchst-)persönlich schließen. Ist der Erblasser hingegen geschäftsunfähig, kann und muss sein gesetzlicher Vertreter gem. § 2347 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 2351 BGB für ihn handeln. Bestehen Zweifel, ob der Erblasser geschäftsunfähig oder geschäftsfähig ist, ist es empfehlenswert, dass sowohl der Betreuer als auch der betreute Erblasser den Erb-
1 BGH v. 20.2.2008 – IV ZR 32/06, ZEV 2008, 237 (238) = ZErb 2008, 162 (163); LG Kempten v. 7.12.1977 – 4 T 147/77, MittRhNotK 1978, 140 f. 2 Staudinger/Schotten, § 2351 Rz. 3 m.w.N. 3 BGH v. 20.2.2008 – IV ZR 32/06, ZEV 2008, 237 (238) = ZErb 2008, 162 (163). 4 A.A. Hülsmeier, NJW 1981, 2043; Zellmann, S. 179; Schindler, DNotZ 2004, 824, die den Aufhebungsvertrag als Verfügung von Todes wegen qualifizieren. 5 MüKo/Strobel, § 2351 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 2351 Rz. 1; AK/Teubner, § 2351 Rz. 3; Palandt/Edenhofer, § 2351 Rz. 1; a.A. Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 97 ff.; Muscheler, ZEV 1999, 49 (50). 6 Krit. Muscheler, ZEV 1999, 49 (50). 7 BGH v. 12.6.1980 – IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264 (269). 8 BGH v. 24.6.1998 – IV ZR 159/97, BGHZ 139, 116 (120). 9 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 96 m.w.N.
1016 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 180 B XV
verzichtsaufhebungsvertrag schließen1. Die Aufhebung eines Zuwendungsverzichts (§ 2352 BGB) analog § 2351 BGB durch den gesetzlichen Vertreter eines geschäftsunfähigen Erblassers gem. § 2347 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 2351 BGB dürfte unzulässig sein. Schließlich führt die Aufhebung des Zuwendungsverzichts zum Wiederaufleben der testamentarischen bzw. erbvertraglichen Zuwendungsanordnung. Es wäre mit den Rechtsgedanken der §§ 2064, 2065 BGB bzw. §§ 2274, 2275 Abs. 1 BGB unvereinbar, wenn der Aufhebungsvertrag auch durch den gesetzlichen Vertreter des Erblassers geschlossen werden könnte2. Ob die durch § 2349 BGB begründeten Drittwirkungen eines Erbverzichtsvertrages noch nach dem Tod des Verzichtenden beseitigt werden können, ist streitig3, aber nach der Rechtsprechung des BGH ausgeschlossen4. Der Erbverzicht kann insgesamt aufgehoben werden. Ein solcher Aufhebungsvertrag beseitigt dann alle unmittelbar auf dem Verzicht beruhenden Wirkungen. Möglich ist jedoch auch eine Teilaufhebung, bei der allerdings darauf geachtet werden muss, dass keine Rechtslage geschaffen wird, die den sich aus dem Prinzip des Typenzwangs ergebenden zwingenden erbrechtlichen Vorschriften widerspricht (z.B. Erbschaft an Einzelgegenständen).
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Folge des Aufhebungsvertrages ist die Wiederherstellung des früheren Zustandes5, d.h., der Verzichtende erlangt durch ihn die Rechtsstellung, die er ohne den Erbverzicht hatte. Hat der Erblasser in der Zwischenzeit eine (neue) Verfügung von Todes wegen getroffen, wird diese durch den Aufhebungsvertrag freilich nicht berührt. Besteht eine letztwillige Verfügung, führt die Aufhebung des Verzichts auf das gesetzliche Erbrecht nicht dazu, dass gesetzliche Erbfolge eintritt und der Verzichtende gesetzlicher Erbe wird. Er bleibt durch die letztwillige Verfügung von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen6. Die Aufhebung eines Pflichtteilsverzichts, der wegen eines bereits 14 Jahre zuvor erklärten Pflichtteilsverzichts ins Leere gegangen war, soll nach den Grundsätzen der falsa demonstratio in die (formwirksame) Aufhebung des wirksamen (älteren) Pflichtteilsverzichts umgedeutet werden können7. Ein Pflichtteilsberechtigter, der einen – nunmehr durch Aufhebungsvertrag beseitigten – Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht oder (isoliert) das Pflichtteilsrecht geleistet hat, kann im Fall seiner Enterbung ohne weiteres den Pflichtteil verlangen8.
180
1 BayObLG v. 13.11.2000 – 1Z BR 134/99, FamRZ 2001, 941 (942). 2 Der BGH erhebt in seinem Urteil v. 20.2.2008 – IV ZR 32/06, ZEV 2008, 237 (238) = ZErb 2008, 167 (168) ähnliche Bedenken, musste die Frage aber nicht entscheiden. 3 Bejahend Muscheler, ZEV 1999, 49 (51); verneinend Kuchinke, ZEV 2000, 169 (171 f.). 4 BGH v. 24.6.1998 – IV ZR 159/97, BGHZ 139, 116 (120). 5 BGH v. 12.6.1980 – IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264 (269). 6 BayObLG v. 13.11.2000 – 1Z BR 134/99, FamRZ 2001, 941 (943) m.w.N. 7 OLG Köln v. 31.3.1992 – 9 U 159/91, OLGReport 1992, 321 ff. 8 BGH v. 12.6.1980 – IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264 (270); LG Aachen v. 10.11.1994 – 8 O 285/94, FamRZ 1996, 61 (62).
Muscheler
1017
B XV Rz. 181
Erbverzicht
181
Der Erblasser wird auch durch den zwischenzeitlichen Abschluss eines Erbvertrages nicht gehindert, einen Verzichtsvertrag aufzuheben; die Vertragserben müssen dies selbst dann hinnehmen, wenn der ursprüngliche Verzicht ohne Abfindung erklärt worden war1. Der Schutz, den § 2287 BGB einem Vertragserben gewährt, erfährt gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten damit eine erhebliche Einschränkung2. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Schutz des Vertragserben aus § 2287 BGB gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten, der einen Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht oder Pflichtteilsrecht geleistet hat, selbst dann eingeschränkt ist, wenn der Erbverzicht nicht ausdrücklich aufgehoben wird3. Nachträgliche Zuwendungen des Erblassers an den Verzichtenden, die unterhalb seines fiktiven Pflichtteils liegen, kann der Vertragserbe grundsätzlich nicht herausverlangen, weil die Wirkungen des Erbverzichtsvertrages insoweit durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages hätten beseitigt werden können4.
182
Eine Mitwirkung Dritter ist beim Aufhebungsvertrag grundsätzlich nicht erforderlich. Ausnahmen von diesem Satz gibt es nur in seltenen Fällen, so etwa, wenn der als Vertragserbe begünstigte Dritte einer Zuwendung des Erblassers an einen (nachträglich hinzugekommenen) Pflichtteilsberechtigten zugestimmt hat, weil dieser im Gegenzug mit dem Erblasser einen Pflichtteilsverzicht vereinbarte5.
2. Rücktritt und Widerruf 183
Mangels gesetzlicher Regelung richtet sich die Zulässigkeit eines Rücktritts vom abstrakten Erbverzicht nach den allgemeinen Bestimmungen. Da die §§ 346 ff. BGB nur bei schuldrechtlichen Verträgen, nicht aber bei dinglichen Verfügungen6 anzuwenden sind, lässt sich aus diesen Vorschriften die Zulässigkeit eines Rücktritts nicht herleiten. Ebenso wenig sind die §§ 2293 ff. BGB anwendbar, denn der Erbverzicht ist erbrechtliches Verfügungsgeschäft unter Lebenden und nicht Verfügung von Todes wegen. Mangels sonstiger gesetzlicher Bestimmungen, die einen Rücktritt vom abstrakten Erbverzicht begründen könnten, hält die h. M7 den Rücktritt für ausgeschlossen8. Gleichwohl soll die (unwirksame) Vereinbarung eines Widerrufs- oder Rücktrittsrechts nach einer Entscheidung des BayObLG9 unter Umständen gem. § 140 BGB in eine auflösende Bedingung des Inhalts umgedeutet werden können,
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BGH v. 12.6.1980 – IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264 (270). Krit. hierzu Hülsmeier, NJW 1981, 2043 f.; Schindler, DNotZ 2004, 824. LG Aachen v. 10.11.1994 – 8 O 285/94, FamRZ 1996, 61 (62). BGH v. 12.6.1980 – IVa ZR 5/80, BGHZ 77, 264 (270). OLG Karlsruhe v. 18.3.1999 – 17 U 19/97, ZEV 2000, 108 (111). Vgl. nur Palandt/Heinrichs, Einf. v § 346 Rz. 7. S. Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 111 m.w.N. A.A. nur Larenz, JherJb 81 (1931), 1 (13 ff.), der dem Erblasser bei fehlender causa ein Rücktrittsrecht analog § 2295 BGB zubilligt. 9 BayObLG v. 4.10.1957 – BReg. 1 Z 147/57, BayObLGZ 1957, 292 (294).
1018 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 186 B XV
dass ein Rücktritt vom Kausalgeschäft erfolgt1. Ferner lasse sich ein einseitiger Widerruf oder Rücktritt des Erblassers von einem Erbverzichtsvertrag in eine letztwillige Verfügung des Inhalts umdeuten, dass dem Verzichtenden das zugewendet werde, worauf er verzichtet hat (sofern die Erklärung des Erblassers den Erfordernissen einer letztwilligen Verfügung entspricht)2.
3. Anfechtung Für Erbverzichtsverträge gelten, da sie keine Verfügungen von Todes wegen, sondern erbrechtliche Verfügungsgeschäfte unter Lebenden sind, grundsätzlich die §§ 119–124, 142 f. BGB, nicht die §§ 2281–2283 BGB oder die §§ 2078–2082 BGB. Ein bloßer Motivirrtum – z.B. über den Wert des Nachlasses oder die künftige Entwicklung des Wertes – ist daher, anders als im Rahmen der nicht anwendbaren §§ 2078 ff. BGB, unbeachtlich3.
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Die Anfechtung des Erbverzichts ist nur zu Lebzeiten des Erblassers möglich4. Die Anfechtungserklärung muss demjenigen, dem gegenüber sie abzugeben ist, spätestens bis zum Tod des Erblassers zugegangen sein. § 130 Abs. 2 1. Alt. BGB gilt nicht. Wie beim Aufhebungsvertrag wird hierfür der Gedanke angeführt, dass die Erbfolge mit dem Tod des Erblassers auf einer festen Grundlage stehen müsse und grundsätzlich nicht nach beliebig langer Zeit wieder umgestoßen werden dürfe.
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Anfechtungsberechtigt ist zweifellos der Verzichtende. Streitig ist, ob auch der Erblasser den Erbverzicht unter den Voraussetzungen der §§ 119, 123 BGB anfechten kann. Dies wird teilweise mit der Begründung verneint, der Erblasser könne dem Verzichtenden auf einfachere Weise, nämlich durch Verfügung von Todes wegen, das zuwenden, worauf jener verzichtet habe5. Deshalb fehle es dem Erblasser an einem Rechtsschutzinteresse für die Anfechtung des Erbverzichts. Jedoch besteht in Wahrheit, entgegen dieser Auffassung, durchaus ein Bedürfnis für die Anfechtung. So unterscheiden sich Anfechtung des Ver-
186
1 So schlägt auch Mayer, ZEV 2007, 145 (151) eine Verkopplung des Kausalgeschäfts mit dem Verzicht dergestalt vor, dass mit Ausübung des Rücktrittsrechts bzgl. des Grundgeschäfts die (vereinbarte) auflösende Bedingung für den Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht eintritt. Eine solche Lösung vermeidet den Automatismus einer auflösenden Bedingung für den Verzicht, die nicht an den Rücktritt, sondern direkt an das das vereinbarte Rücktrittsrecht auslösende Ereignis anknüpft. 2 Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 112 m.w.N. 3 Damrau, S. 136. 4 H.M., OLG Koblenz v. 4.3.1993 – 6 W 99/93, NJW-RR 1993, 708 (709); OLG Schleswig v. 27.5.1997 – 3 U 148/95, ZEV 1998, 28 (30) m. abl. Anm. Mankowski; BayObLG v. 4.1.2006 – 1 Z BR 97/03, FamRZ 2006, 1631 (1634) = NJW-RR 2006, 372 (373 f.) = ZEV 2006, 209 (210) mit abl. Anm. Leipold; vgl. auch BGH v. 7.12.1977 – IV ZR 20/76, NJW 1978, 1159 (betr. die Heilung eines schwebend unwirksamen Erbverzichtsvertrages durch vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nach dem Tod des Erblassers). 5 Kipp/Coing, § 82 IV (S. 460) (einschränkend für die Verbindung des Erbverzichts mit anderen Abreden); Palandt/Edenhofer, Überbl. v. § 2346 Rz. 7; einschränkend Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 20.
Muscheler
1019
B XV Rz. 187
Erbverzicht
zichts und begünstigende Verfügung nicht nur im Hinblick auf die durch einen Erbverzicht verursachte Erhöhung der Erb- und Pflichtteilsquote der anderen gesetzlichen Erben, sondern auch im Hinblick auf eine bereits gewährte Abfindung. Darüber hinaus kann der Erblasser im Ausnahmefall an der Errichtung einer Verfügung von Todes wegen gehindert sein, etwa bei Testierunfähigkeit oder aufgrund der Bindung an einen Erbvertrag bzw. ein gemeinschaftliches Testament. Da es somit an einer Rechtfertigung für eine Einschränkung der Anfechtungsberechtigung fehlt, ist dem Erblasser die Anfechtungsmöglichkeit zuzubilligen1. 187
Im Hinblick auf den Anfechtungsgrund des § 119 Abs. 1 BGB bestehen keine Besonderheiten. So ist ein irrtumsfrei erklärtes und gewolltes Geschäft nicht deshalb nach § 119 BGB anfechtbar, weil es außer der erstrebten Wirkung noch andere, nicht erkannte und nicht gewollte Nebenfolgen zeitigt (z.B.: Ausschluss von Nachabfindungsansprüchen durch Erbverzicht2).
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Eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil die in dieser Norm genannten Eigenschaften nicht Inhalt des (abstrakten) Verzichtsvertrages sind3. Insbesondere berechtigt ein Irrtum über den realen Wert des Nachlasses4 oder die künftige Entwicklung des Erblasservermögens bis zum Erbfall nicht zur Anfechtung5, weil dieses Risiko dem Erbverzicht immanent ist. Bezieht sich der Irrtum dagegen auf unmittelbar wertbildende Faktoren, etwa die Zugehörigkeit von Gegenständen zum Nachlass, kann ggf. nach § 119 Abs. 2 BGB angefochten werden6.
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Demgegenüber erfasst die Anfechtung des Kausalgeschäfts nach § 123 BGB regelmäßig auch den abstrakten Erbverzicht (Fehleridentität)7.
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Bei wirksamer Anfechtung ist der Erbverzicht gem. § 142 Abs. 1 BGB als nichtig anzusehen. Der Verzichtende erlangt also diejenige Rechtsstellung wieder, die er vor Abschluss des Erbverzichtsvertrages hatte. (Zu den Folgen der Anfechtung des Kausalgeschäfts s. Rz. 132 ff.).
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Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 107; MüKo/Strobel, § 2346 Rz. 4. BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, BGHZ 134, 152 (156). Staudinger/Schotten, § 2346 Rz. 104. OLG Düsseldorf v. 3.11.1997 – 3 Wx 105/97, NJW 1998, 2607 f. (Wiedererlangung von in der früheren DDR belegenem Vermögen). 5 BGH v. 29.11.1996 – BLw 16/96, BGHZ 134, 152 (156); BayObLG v. 27.1.1995 – 1 Z BR 22/94, BayObLGZ 1995, 29 (34). 6 RG v. 6.3.1913 – IV 539/12, Recht 1913, Nr. 2885; Coing, NJW 1967, 1777 (1780); AK/ Teubner, § 2346 Rz. 8; Leipold, ZEV 2006, 212 (214) lehnt wohl die Annahme eines Eigenschaftsirrtums bei Fehlvorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses mit dem Argument ab, der Erbverzicht sei keine Verfügung über den Nachlass, sondern über das Erb- oder Pflichtteilsrecht. 7 Soergel/Damrau, § 2346 Rz. 20; AK/Teubner, § 2346 Rz. 8.
1020 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 191 B XV
4. Störung der Geschäftsgrundlage Nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, die nun in 191 § 313 BGB gesetzlich geregelt sind, kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Vertrag entweder der (veränderten) Wirklichkeit gem. § 313 Abs. 1 BGB angepasst oder, wenn dies nicht möglich ist, gem. § 313 Abs. 3 BGB ganz durch Rücktritt oder bei Dauerschuldverhältnissen durch Kündigung aufgehoben werden. Es stellt sich die Frage, ob diese Grundsätze auch auf den (abstrakten) Erbverzicht Anwendung finden. Beispiel:1 S war in einem Berliner Testament seiner Eltern als Alleinerbe des längstlebenden Ehegatten eingesetzt. Das Testament enthielt für den Schlusserbfall eine Erbersatzregelung zugunsten der Abkömmlinge des S. Nach dem Tod des Vaters verzichtete S unentgeltlich auf die testamentarische Zuwendung, in der Annahme, seine Mutter M könne hierdurch ihre Testierfreiheit wiedererlangen. Dies geschah in Kenntnis eines neu errichteten Testamentes, in dem M den S (zu ½) und die fünf Kinder seiner vorverstorbenen Schwester zu Erben eingesetzt und sich jede beliebige Änderung des Testamentes vorbehalten hatte. Aufgrund der genannten Ersatzerbenregelung zugunsten der Kinder des S bewirkte der Verzicht des S jedoch nicht die Gegenstandslosigkeit der ursprünglich im gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügung. Vielmehr waren nunmehr die Kinder des S zu Erben der M berufen. Nach Ansicht des BGH muss sich S an dem Zuwendungsverzicht festhalten lassen2. Der Verzicht sei – wegen des Änderungsvorbehalts für M – nicht zugunsten der Kinder seiner Schwester oder unter einer Bedingung erklärt worden. Die Wiedererlangung der Testierfreiheit der M sei aus Sicht der Urkundsbeteiligten lediglich die (direkte) Rechtsfolge des Verzichts gewesen, nicht aber ein ungewisses zukünftiges Ereignis i.S.v. §§ 158 ff. BGB. Zu entscheiden war, ob sich S, der ebenso wie M angenommen hatte, durch seinen Verzicht könne die Testierfreiheit der M wiederhergestellt werden, auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen konnte. Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass die Rückabwicklung eines Verzichtsvertrages auf der Grundlage von § 242 BGB jedenfalls nach dem Tod des Erblassers ebenso wenig möglich sei wie der Abschluss eines Aufhebungsvertrags nach § 2351 BGB. Er begründet dies im Wesentlichen mit dem Gebot der Rechtssicherheit. Mit dem Tod des Erblassers müsse die Erbfolge auf einer festen Grundlage stehen und dürfe nicht wieder umgestoßen werden können3. Nur soweit es nicht um die Erbfolge selbst, sondern um den etwa als Rechtsgrund eines Erb- oder Zuwendungsverzichts abgeschlossenen Abfindungsvertrag gehe (an ihm fehlte es im entschiedenen Fall), komme die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäfts-
1 Sachverhalt nach BGH v. 4.11.1998 – IV ZR 327/97, ZEV 1999, 62 ff. = FamRZ 1999, 375. 2 BGH v. 4.11.1998 – IV ZR 327/97, ZEV 1999, 62 ff. 3 Zustimmend Skibbe, Anm. zu BGH v. 4.11.1998 – IV ZR 327/97, ZEV 1999, 106; Bengel, ZEV 2008, 192 (193, 195).
Muscheler
1021
B XV Rz. 192
Erbverzicht
grundlage mit der Folge einer Vertragsanpassung in Betracht1 (s. Rz. 131). Grund für die Ausnahme ist, dass die Rückabwicklung des Verzichts in diesem Fall nur zu einem Anspruch gegen den Nachlass führt. Genauso entsteht bei der Rückabwicklung eines Pflichtteilsverzichts ein bloß schuldrechtlicher Anspruch, und die Erbfolge bleibt unberührt2.
5. Sittenwidrigkeit des Erbverzichts 192
Wie jeder Vertrag muss sich auch der Erbverzicht den Anforderungen des § 138 Abs. 1 BGB stellen. Ist der Erbverzicht sittenwidrig, weil er gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, ist er nichtig. Als maßgebliches Entscheidungskriterium dient eine Gesamtwürdigung des Vertrages, namentlich der aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmende Gesamtcharakter des Rechtsgeschäfts3.
193
Die Sittenwidrigkeit eines Erbverzichtsvertrags kann sich aus den den Vertragsschluss begleitenden Umständen ergeben. Ein Ungleichgewicht der Verhandlungspositionen, die einen Vertragspartner in besonderem Maße überoder unterlegen macht, ist ein starkes Indiz für eine Umstandssittenwidrigkeit. Diesen Zusammenhang illustriert das folgende Beispiel:4 Der verheiratete V hat zwei nichteheliche Kinder K1 und K2 aus einer früheren Beziehung. Im Jahre 1980 schließt er mit ihnen einen Erbverzichts- und Abfindungsvertrag in Ansehung des damals noch gültigen Erbersatzanspruchs der Kinder aus § 1934a BGB a.F. Diese Lösung wurde dem Weg über den vorzeitigen Erbausgleich gem. § 1934d BGB a.F. explizit vorgezogen5. Bei der Bemessung der Abfindung legte V die Unterhaltspauschalierung gem. § 1934d BGB a.F. und nicht den an seinen Vermögensverhältnissen ausgerichteten Erbersatzanspruch aus § 1934a BGB a.F. zugrunde. Bei den Vertragsverhandlungen mit dem von V eingeschalteten Rechtsanwalt R wurde dieser Austausch der Vermögensorientierung gem. § 1934a BGB a.F. mit der Unterhaltspauschalierung nach § 1934d BGB a.F. jedoch verschwiegen. Vielmehr wurde K1 und K2 mit der Aussage des R (der die wahren Vermögensverhältnisse des V gar nicht kannte), sie hätten für den Fall des Versterbens des V etwa 8000 DM zu erwarten (das ist der 1 BGH v. 4.11.1998 – IV ZR 327/97, ZEV 1999, 62 (64). 2 OLG Nürnberg v. 12.11.2002 – 3 U 1192/02, FamRZ 2003, 634 (636); kritisch Grziwotz, Anm. zu OLG Nürnberg v. 12.11.2002 – 3 U 1192/02, FamRZ 2003, 637. 3 BGH v. 8.12.1982 – IVb ZR 333/81, BGHZ 86, 82 (88); BGH v. 28.2.1989 – IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92 (97); BGH v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 (1127); Wendt, ZNotP 2006, 2 (3). 4 Beispiel nach OLG München v. 25.1.2006 – 15 U 4751/04, ZEV 2006, 313 = FamRZ 2007, 418. 5 Im konkreten Fall bot sich für V der vorzeitige Erbausgleich nach § 1934d BGB a.F. schon deshalb nicht an, weil zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Zwillingsgeschwister K1 und K2 erst 19 Jahre alt waren, ein Anspruch aus § 1934d BGB a.F. aber erst ab dem 21. Lebensjahr bestand. Aus diesem Grunde wäre es V nicht gelungen, über die Rechtsfolge des § 1934e BGB a.F. künftige Erb- und Pflichtteilsansprüche von K1 und K2 auszuschließen.
1022 Muscheler
Erbverzicht
Rz. 194 B XV
nach § 1934d BGB a.F. pauschalierte Unterhaltsbetrag für den vorzeitigen Erbausgleich), vorgegeben, der vorgeschlagene Abfindungsbetrag sei das Ergebnis des am Vermögen orientierten Erbersatzanspruchs (§ 1934a BGB a.F.). Die Schilderung dieser unrichtigen Ausgangstatsache begründet nach dem OLG München den Vorwurf der Umstandssittenwidrigkeit des Erbverzichtsund Abfindungsvertrags. Explizit stellt das Gericht klar, dass der vorgenommene Austausch der Bemessungsgrundlage für die Abfindung inhaltlich nicht zu beanstanden ist1. Da das Gesetz in §§ 2346, 1934a BGB a.F. keinerlei inhaltliche Vorgaben für eine Abfindung, ja noch nicht einmal die Abfindung als solche vorsehe, stehe das Ob und die Höhe einer Abfindung im freien Gestaltungsspielraum der Parteien. Um zu vermeiden, dass eine Vertragspartei einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag unter unfreien, da unaufgeklärten Umständen abschließt, ist aber die wahre Bemessungsgrundlage der Abfindung offenzulegen. Ein Ungleichgewicht der Verhandlungspositionen erblickt das OLG München auch in der altersbedingten Unerfahrenheit der damals erst 19-jährigen K1 und K2. Mag der Hinweis auf das Alter pauschal anmuten, resultierte im zu entscheidenden Fall die Unterlegenheit der Kinder doch aus der Tatsache, dass der aus ihrer Sicht neutral auftretende Rechtsanwalt R einseitig die Interessen des V durchzusetzen suchte2. Ist dem OLG München im Ergebnis zuzustimmen, so vermag die konkrete Begründung mit der Umstandssittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB nicht zu überzeugen. Das Vorspiegeln der unwahren Tatsache, die Abfindung bemesse sich nach dem Erbersatzanspruch aus § 1934a BGB a.F. und nicht an der Unterhaltspauschalierung des § 1934d BGB a.F., begründet den Anfechtungstatbestand der arglistigen Täuschung nach § 123 Abs. 1 1. Alt. BGB. Die (richtige) Lösung über die gegenüber § 138 Abs. 1 BGB vorrangige Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 1. Alt. BGB) hat jedoch den Nachteil, dass die h.M. eine Anfechtung des Erbverzichts nach Eintritt des Erbfalls nicht mehr zulässt (s. Rz. 185). Die Sittenwidrigkeit eines Erb- und Pflichtteilsverzichts kann – und wird im Regelfall – sich auch aus dem Inhalt des Vertrages ergeben3. Bislang hat die Rechtsprechung noch keine klaren Prüfungskriterien für eine Inhaltskontrolle aufgestellt. Es drängt sich daher die Frage auf, ob das vom BGH zu Eheverträgen4 entwickelte System einer auf erster Stufe stehenden Wirksamkeitskontrolle (§ 138 Abs. 1 BGB) und sich auf zweiter Stufe daran anschließenden Ausübungskontrolle (§ 242 BGB) auf Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge 1 OLG München v. 25.1.2006 – 15 U 4751/04, ZEV 2006, 313 (314) = FamRZ 2007, 418 (419). 2 OLG München v. 25.1.2006 – 15 U 4751/04, ZEV 2006, 313 (314) = FamRZ 2007, 418 (420). 3 Eingehend zur Inhaltskontrolle von Erbverzichts- und Pflichtteilsverzichtsverträgen: Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 ff. 4 BGH v. 11.2.2004 – XII ZR 265/02, NJW 2004, 930 ff. Das Urteil des BGH setzt die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG an die Inhaltskontrolle von Eheverträgen (BVerfG v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, FamRZ 2001, 343 ff. = NJW 2001, 957 ff.; BVerfG v. 29.3.2001 – 1 BvR 1766/92, NJW 2001, 2248 ff.) um.
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B XV Rz. 194
Erbverzicht
übertragbar ist. Möglicherweise lässt sich der Erb- und Pflichtteilsverzicht, so er im Zusammenhang mit einem Ehevertrag geschlossen wird, als weiterer Prüfungspunkt in die Inhaltskontrolle von Eheverträgen, insbesondere in die Kernbereichslehre des BGH, einfügen. Hierbei müssen die folgenden Gedanken Beachtung finden. Zunächst sind die verschiedenen Erscheinungsformen des Erbverzichts getrennt zu betrachten. Die Tatsache, dass dem Erbberechtigten zu Lebzeiten des Erblassers weder ein Voll- noch ein Anwartschaftsrecht zustehen, mindert generell seine Schutzbedürftigkeit. Aufgrund der Möglichkeit der Enterbung (§ 1938 BGB) und des Widerrufs eines Testaments (§§ 2253–2258 BGB) besteht eine gesetzlich angelegte, aus der Testierfreiheit des Erblassers resultierende strukturelle Unterlegenheit des verzichtenden Erbberechtigten1. Diese kann also beim bloßen Erbverzicht unter Vorbehalt des Pflichtteils (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB ist abdingbar, s. Rz. 7) und beim Zuwendungsverzicht (§ 2352 BGB) nicht herangezogen werden, um im Rahmen einer Inhaltskontrolle zur Sittenwidrigkeit des Verzichts zu gelangen. Der (herkömmliche) Erbverzicht und der isolierte Pflichtteilsverzicht entziehen den Pflichtteil und berühren ein zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigten bereits bestehendes Rechtsverhältnis. Darin unterscheiden sie sich vom Erbverzicht unter Vorbehalt des Pflichtteils und vom Zuwendungsverzicht. Der Pflichtteilsanspruch ist grundsätzlich (Ausnahme: §§ 2333 ff. BGB) nicht durch Testament entziehbar. Dennoch können die Kriterien der Rechtsprechung zur Wirksamkeitskontrolle (§ 138 Abs. 1 BGB) von Eheverträgen, insbesondere die die Scheidungsfolgen in eine Rangfolge abstufende Kernbereichslehre, nicht schematisch Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge aufnehmen. Scheidungsfolgenrecht und Erbrecht liegen auf unterschiedlichen Ebenen. Das Erbrecht als Todesfolgenrecht ist kein Schutzrecht wie das Scheidungsfolgenrecht2. Der die familienrechtlichen Folgen einer Scheidung regelnde Ehevertrag und der die gesetzliche Erb- und Pflichtteilsberechtigung ausschließende Erb- und Pflichtteilsverzicht sind streng zu differenzieren und bilden nicht automatisch eine rechtliche Einheit3. Aus diesem Grunde erstreckt sich eine eventuelle Nichtigkeit des Ehevertrags nicht per se auch auf den Verzichtsvertrag. Selbst wenn tatsächlich einmal (unter besonderen Umständen) eine rechtliche Einheit anzunehmen sein sollte, hat dies – zumindest wenn der Erb- und Pflichtteilsverzicht unabhängig von einer Ehekrise geschlossen wurde – aufgrund der verschiedenen Funktionen von Scheidungsfolgenvereinbarung und Verzichtsvertrag keine Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB zur Folge. Der Erb- und Pflichtteilsverzicht zielt auf einen Ausschluss unabhängig von einer Ehekrise. Das System der Rangabstufung von Scheidungsfolgen lässt sich also nicht um eine weitere dem Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht zukommende Position erweitern. Der Erbverzicht tangiert den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts 1 Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 (1082). 2 Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 (1084). 3 Wachter, ZErb 2004, 238 (244) will offenbar eine rechtliche Einheit als Regelfall annehmen.
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Erbverzicht
Rz. 195 B XV
nicht, er lässt sich den Scheidungsfolgenvereinbarungen schon begrifflich nicht zuordnen1. Im Falle der Scheidung und des § 1933 BGB sieht das Gesetz und nicht der sich auf den Erbfall beziehende Erbverzicht den Verlust der Erbund Pflichtteilsberechtigung vor. Es handelt sich um eine gesetzliche, nicht um eine vertragliche Scheidungsfolge. Das LG Ravensburg2 hat jüngst die Wirkungen eines Erbverzichts unmittelbar 195 den Scheidungsfolgen zugeordnet. Es begründete die Sittenwidrigkeit des Erbund Pflichtteilsverzichts mit dem Ausschluss des Unterhaltsanspruchs nach § 1933 Satz 3 i.V.m. §§ 1569–1586b BGB und maß dem Erbverzicht damit unmittelbar unterhaltsrechtliche Folgen für den Fall, dass der Ehegatte nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags verstirbt, zu. Die Unterhaltsverzichtsvereinbarungen im Ehevertrag erfassen schließlich nur den nachehelichen Unterhalt nach der Scheidung, die in der Situation des § 1933 BGB gerade unterbleibt. Die Sichtweise des LG Ravensburg steht unter der Prämisse, dass der Erbverzicht tatsächlich auch den Unterhaltsanspruch aus § 1933 Satz 3 i.V.m. §§ 1569–1586b BGB oder allgemeiner den nachehelichen Unterhaltsanspruch nach dem Tode des Verpflichteten aus § 1586b BGB ausschließt. Wie in Rz. 51 f. dargestellt, sprechen die besseren Argumente dagegen. Daher kann auch nicht über § 1933 Satz 3 BGB oder § 1586b BGB ein Eingriff des Erbverzichts in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts3 konstruiert werden. Folgt man allerdings der Prämisse des LG Ravensburg, wird man tatsächlich nicht umhin kommen, den Erbverzicht für sittenwidrig zu erklären, wenn auch ein Unterhaltsverzicht in einem Ehevertrag sittenwidrig wäre4. Dies hätte zur Konsequenz, dass bei jedem Erbverzicht zugleich auch eine Wirksamkeitskontrolle eines fingierten Unterhaltsverzichts vorzunehmen wäre, selbst wenn die Parteien neben dem Erbverzicht keinen Ehevertrag geschlossen haben. Entscheidend dürfte dann die Frage sein, ob und ggf. in welcher Höhe eine Abfindung auch für eine zeitliche Befristung eines eventuellen Scheidungsunterhalts auf den Tod des Unterhaltsschuldners (§ 1586b BGB ist
1 Bengel, ZEV 2006, 192 (193, 196); Kapfer, MittBayNot 2006, 385 (387 f.); Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 (1085); a.A. wohl Kuchinke, FPR 2006, 125 (127), der den Unterhaltscharakter des Pflichtteils betont und eine Prüfung von Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträgen an den zu Eheverträgen gegebenen Richtlinien andeutet. 2 LG Ravensburg v. 31.1.2008 – 2 O 338/07, ZEV 2008, 598 (599 f.) = ZErb 2008, 322 (323 f.). 3 Streng genommen ist auch der Unterhaltsanspruch gem. § 1933 Satz 3 i.V.m. §§ 1569–1586b BGB keine Scheidungsfolge, sondern eine den Scheidungsfall fingierende Todesfolge. 4 Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 (1092). Eine Aufspaltung des Erbverzichts in einen unterhaltsrechtlichen und einen erbrechtlichen Teil mit der Folge, dass nur die unterhaltsausschließenden bzw. -begrenzenden Wirkungen des Erbverzichts sittenwidrig und damit nichtig sind (Münch, ZEV 2008, 571 [575, 577]), ist mit dieser Auffassung unvereinbar. Sie sieht in dem Ausschluss des nachehelichen Unterhaltsanspruchs aus § 1586b BGB nach dem Tode des Verpflichteten bzw. des Unterhaltsanspruchs gem. § 1933 Satz 3 i.V.m. §§ 1569–1586b BGB eine untrennbar mit dem Erbverzicht verbundene Folge.
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B XV Rz. 196
Erbverzicht
nach dieser Ansicht abbedungen) und den Ausschluss des Anspruchs aus § 1933 Satz 3 i.V.m. §§ 1569–1586b BGB vereinbart wurde1. 196
Auch der Gedanke der mit dem Pflichtteil verbundenen Versorgung naher Angehöriger rückt den Pflichtteil nicht in einen abfindungslos unentziehbaren Kernbereich des Erbrechts2. Denn dem Pflichtteil kommt keine Unterhaltsund Versorgungsfunktion zu3. Die Existenzsicherung übernehmen die familienrechtlichen Unterhaltstatbestände. Im Gegensatz zu diesen stellt der Pflichtteilsanspruch eine bedarfs- und bedürftigkeitsunabhängige, allein an der Pflichtteilsquote und dem Nachlasswert orientierte Vermögensbeteiligung dar, und zwar – im Gegensatz zum Zugewinnausgleichsanspruch, der am ehesten der ehevertraglichen Disposition zugänglich ist – auch noch unabhängig von einem Beitrag des Berechtigten an der Vermögensbildung4. Die Teilhabe an einer Vermögenssubstanz ist weitestgehend disponibel.
197
Nach alledem lässt sich feststellen, dass die Wirksamkeitskontrolle von Erbund Pflichtteilsverzichtsverträgen am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB losgelöst von den für Eheverträge hierzu aufgestellten Kriterien vorzunehmen ist. Es bleibt dabei, dass eine Inhaltskontrolle nur in engen Ausnahmefällen zur Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit des Erb- oder Pflichtteilsverzichts führen wird. Diese Aussage findet ihre Rechtfertigung in der geminderten Schutzwürdigkeit des Erb- und Pflichtteilsberechtigten (im Gegensatz etwa zu einem auf Unterhalt angewiesenen kinderbetreuenden Ehegatten) sowie in der Möglichkeit, eine Abfindung für den Verzicht zu vereinbaren.
198
Die von der Rechtsprechung bei Eheverträgen auf einer zweiten Stufe anhand des § 242 BGB vorgenommene Ausübungskontrolle ist auf den abstrakten Erbverzicht als Verfügungsgeschäft mit dinglicher Wirkung aus Gründen der Rechtssicherheit nach dem Erbfall nicht möglich5. Die Erbfolge muss mit dem Tode des Erblassers endgültig feststehen, eine nachträgliche Anpassung entfällt. Dogmatisch denkbar ist eine Anpassung des Pflichtteilsverzichts6, des diesem zugrunde liegenden schuldrechtlichen Kausalgeschäfts, des Grundgeschäfts des abstrakten Erbverzichts sowie – jedoch nur vor dem Erbfall – des Erbverzichts selbst7. Allerdings stößt die Übernahme der für Eheverträge entwickelten Ausübungskontrolle am Maßstab des § 242 BGB für Erbund Pflichtteilsverzichtsverträge auf Bedenken: Der BGH stellt bei Eheverträgen im Rahmen der Ausübungskontrolle im Gegensatz zur Wirksamkeitskon1 Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 (1092). 2 A.A. wohl Wachter, ZErb 2004, 238 (243 f.). 3 Kapfer, MittBayNot 2006, 385 (388); Münch, ZEV 2008, 571 (573); Muscheler, ZEV 2005, 119 (120); Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 (1086 f.); a.A. Kuchinke, FPR 2006, 125 (125 f.); Wachter, ZErb 2004, 238 (239, 244); Wendt, ZNotP 2006, 2 (7 f.). 4 Münch, ZEV 2008, 571 (577). 5 Bengel, ZEV 2006, 192 (193, 195); Münch, ZEV 2008, 571 (577); Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 (1088). 6 Wendt, ZNotP 2006, 2 (7). 7 In praxi würde wohl wie bei der Störung der Geschäftsgrundlage (s. Rz. 191) eine Korrektur über die Anpassung des Kausalgeschäfts unter Aufrechterhaltung des Verfügungsgeschäfts vorgenommen.
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Erbverzicht
Rz. 198 B XV
trolle auf den Zeitpunkt des Scheiterns der ehelichen Lebensgemeinschaft ab und vergleicht die reale Lastenverteilung zwischen den Ehegatten mit der bei Vertragsschluss geplanten Ehegestaltung1. Beim Erbverzicht wäre der Erbfall das maßgebliche Ereignis2. Eine zeitlich vorgelagerte Prüfung könnte die Lastenverteilung aber noch nicht abschließend beurteilen, da vor dem Erbfall der Umfang des Nachlasses unklar ist3. Da somit praktisch nur eine Kontrolle nach dem Erbfall möglich sein wird, ist der abstrakte Erbverzicht als Verfügungsgeschäft einer Anpassung generell entzogen. Ferner darf der Charakter des Erb- und Pflichtteilsverzichts als Risikogeschäft, so genanntes aleatorisches Geschäft, nicht außer Acht gelassen werden4. Wer bewusst und in eigenverantwortlicher Weise das Wagnis des Verzichts (mit der Gefahr, einer Teilhabe an einem später umfangreichen Vermögen verlustig zu gehen, aber auch mit der Chance, eine höhere Abfindung als den eventuellen Erb- oder Pflichtteil zu erhalten) eingeht, darf nicht berechtigterweise auf eine Abmilderung oder gar Eliminierung dieses Risikos durch eine gerichtliche Ausübungskontrolle vertrauen. Andernfalls führte man den aleatorischen Charakter des Verzichts ad absurdum. Als mögliche nicht gerichtlich angeordnete, sondern von den Parteien vereinbarte Lösung bieten sich Klauseln im Abfindungsvertrag an, die die Abfindungssumme bei wertmäßig gestiegenem Nachlass entsprechend aufstocken5. Schließlich streitet auch das berechtigte, mit dem Erb- und Pflichtteilsverzicht verbundene Interesse des Erblassers an Planungssicherheit gegen eine Adaption der ehevertraglichen Ausübungskontrolle gem. § 242 BGB auf den Erbverzicht. Zumindest sollte eine Ausübungskontrolle wie auch die Wirksamkeitskontrolle besonders restriktiv gehandhabt werden.
1 2 3 4
BGH v. 11.2.2004 – XII ZR 265/02, NJW 2004, 930 (935). Wendt, ZNotP 2006, 2 (3). Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 (1089). Bengel, ZEV 2006, 192 (194 f.); Kapfer, MittBayNot 2006, 385 (387, 389 f.); Münch, ZEV 2008, 571 (577); Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 (1089 f.). 5 Muscheler, FS Spiegelberger, S. 1079 (1089); Bengel, ZEV 2006, 192 (196) spricht von „Nachbesserungsklauseln“.
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XVI. Die sog. Patientenverfügungen Schrifttum: Albrecht, Strafrechtliche Aspekte der ärztlich vorgenommenen Therapiebegrenzung, FS Schreiber, 2003, S. 551; Arzt, Bürokratisierung der Hilfe beim Sterben und beim Suizid – Zürich als Modell, FS Schreiber, 2003, S. 583; Berger, Privatrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Sicherung der Patientenautonomie am Ende des Lebens, JZ 2000, 797; Burchardi, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht bei Krankenhausaufnahme?, FS Schreiber, 2003, S. 615; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 6. Auflage, 2008; Deutsch, Verfassungszivilrecht bei der Sterbehilfe, NJW 2003, 1567; Diederichsen, Bemerkungen zu Tod und rechtlicher Betreuung, FS Schreiber, 2003, S. 635; Duttge, Einseitige („objektive“) Begrenzung ärztlicher Lebenserhaltung?, NStZ 2006, 479; Duttge (Hrsg.), Ärztliche Behandlung am Lebensende, 2008; Eisenbart, Patiententestament und Stellvertretung in Gesundheitsangelegenheiten, 1998; Eisenbart, Die Stellvertretung in Gesundheitsangelegenheiten, MedR 1997, 305; Fischer, Die mutmaßliche Einwilligung bei ärztlichen Eingriffen, FS Deutsch, 1999, 545; Geckle, Patientenverfügung und Testament, 2004; Hahne, Zwischen Fürsorge und Selbstbestimmung, FamRZ 2003, 1619; Hager (Hrsg.), Die Patientenverfügung, 2006; Heun, The Right to Die, JZ 2006, 425; Höfling, „Sterbehilfe“ zwischen Selbstbestimmung und Integritätsschutz, JuS 2000, 111; Höfling, Hirntodkonzeption und Transplantationsgesetzgebung, MedR 1996, 6; Höfling, Das neue Patientenverfügungsgesetz, NJW 2009, 2849; Ingelfinger, Patientenautonomie und Strafrecht in der Sterbebegleitung, JZ 2006, 821; Jülicher/Klinger, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht, 2. Aufl. 2005; Kettler/Simon/Anselm/Lipp/Duttge (Hrsg.), Selbstbestimmung am Lebensende, 2006; Klinge, Todesbegriff, Totenschutz und Verfassung, 1996; Langenfeld, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patiententestament nach dem neuen Betreuungsrecht, 1994; Laufs, Arzt, Patient und Recht am Ende des Jahrhunderts, NJW 1999, 1758; Laufs, Zivilrichter über Tod und Leben?, NJW 1998, 3399; Laufs, Selbstverantwortliches Sterben?, NJW 1996, 763; Lipp, Freiheit und Fürsorge: Der Mensch als Rechtsperson, 2000; Lipp, Privatautonomie, Sterbehilfe und Betreuung, DRiZ 2000, 231; Lipp., „Sterbehilfe“ und Patientenverfügung, FamRZ 2004, 317; Lipp, Patientenautonomie und Lebensschutz, 2005; May, Patientenverfügungen – Unterschiedliche Regelungsmöglichkeiten zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge, 2005; Memmer, Das Patientenverfügungs-Gesetz 2006, (österr.) RdM 2006, 163; MüllerFreienfels, Zur vormundschaftlichen Genehmigung beim Abbruch der Ernährung bei Schwerstkranken, JZ 1998, 1123; Nationaler Ethikrat, Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, 2006; Nickel, Zur vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung des Abbruchs lebenserhaltender Maßnahmen bei einer Betreuten, MedR 1998, 520; Olzen, Selbstbestimmung über das Ende des Lebens, ArztR 2001, 116; Prinz von Sachsen Gessaphe, Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter für eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige, 1999; Rudolf/Bittler, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Patientenverfügung, 2000; Ruhs, Der Behandlungsabbruch beim Apalliker, 2006; Schmoller, Lebensschutz bis zum Ende?, ÖJZ 2000, 361; Schöch, Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen, NStZ 1995, 153; Schreiber H.-L., Ein neuer Entwurf für eine Richtlinie der Bundesärztekammer zur Sterbehilfe, FS Deutsch, 1999, 773; Schreiber H.-L., Patientenverfügung als Lösung des Problems der Sterbehilfe?, FS Deutsch, 2009, 493; Schumann, Dignitas – Voluntas – Vita, 2006; Spickhoff, Die Patientenautonomie am Lebensende: Ende der Patientenautonomie?, NJW 2000, 2297; Spickhoff, Patientenverfügungen und Patientenautonomie zwischen Rechtsdogmatik, Rechtspolitik und Rechtswirklichkeit in: Gesundheit und Medizin im interdisziplinären Diskurs (Hrsg. Kingreen, Laux), 2008, S. 103; Stackmann, Keine richterliche Anordnung von Sterbehilfe, NJW 2003, 1568; Stratenwerth, Zum Behandlungsabbruch bei zerebral schwerst geschädigten Langzeitpatienten, FS Schreiber, 2003, S. 893; Student, Wie nützlich sind Patientenverfügungen?, ZfL 2004, 94; Taupitz, Empfehlen sich zivilrechtliche Regelungen zur Absiche-
1028 Spickhoff
Patientenverfügungen
B XVI
rung der Patientenautonomie am Ende des Lebens?, in: 63. DJT (2000) Band I (Gutachten), A; Taupitz/Weber-Hassemer, Zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen, FS Laufs, 2006, 1107; Tolmein, „Keiner stirbt für sich allein“, 2006; Uhlenbruck, Die Stellvertretung in Gesundheitsangelegenheiten – Zu einem wichtigen, aber verkannten Rechtsinstitut in Deutschland, FS Deutsch, 1999, 849; Uhlenbruck, Patientenverfügungen, ZAP Fach 12, 75 (1999); Uhlenbruck, Selbstbestimmtes Sterben durch PatientenTestament, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, 1997; Uhlenbruck, Bedenkliche Aushöhlung der Patientenrechte durch die Gerichte, NJW 2003, 1710; Uhlenbruck, Die endlose Geschichte der Patientenverfügung, FS Deutsch 2009, 663; Uhlenbruck/Ulsenheimer, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Auflage, 2002, § 132; Ulsenheimer, Der Arzt im Konflikt zwischen Heilauftrag und Selbstbestimmungsrecht des Patienten – in dubio pro vita?, FS Eser, 2005, 1225; Verrel, Zivilrechtliche Vorsorge ist besser als strafrechtliche Kontrolle, MedR 1999, 547; Verrel, Patientenautonomie und Strafrecht bei der Sterbebegleitung, 66. DJT 2006, Bd. I; Wagenitz, Finale Selbstbestimmung? FamRZ 2005, 669; Walter, Die Vorsorgevollmacht, 1997; Wegner, Rechtsfragen des Wachkomas, 2006; Weimer, Der tödliche Behandlungsabbruch beim Patienten im apallischen Syndrom, 2004; Widmann, Testamentserklärungen und Bestattungsanordnungen in Bestattungsvorsorgeverträgen, FamRZ 2001, 74. Rz. I. Einleitung: „Patientenverfügungen“ und Erbrecht . . . . . . . . . . . . II. Der rechtstatsächliche Hintergrund: Medizinische Extremsituationen und juristische Folgefragen 1. Die Intensivbehandlung . . . . . . . 2. Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tod und Todeszeit . . . . . . . . . . . . 4. Sektion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Organtransplantation . . . . . . . . . III. Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . 1. Der einwilligungsfähige Patient 2. Die Konkretisierung der Einwilligungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . 3. Der nicht einwilligungsfähige Patient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Genehmigung des Betreuungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Das sog. Patiententestament 1. Definition, Rechtsnatur, Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Vorsorgeregister . . . . . . . . . . . . . 3. Verbindlichkeit: Grundsatz und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Prüfungsrecht und Prüfungspflicht von Betreuer und Bevollmächtigtem . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fehlen eines Betreuers oder Bevollmächtigten . . . . . . . . . . . . . . 6. Druckausübung bei der Errichtung von Patientenverfügungen 7. Widerruf einer Patientenverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 26 27
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VI. Die Vorsorgevollmacht 1. Gesundheitsangelegenheiten . . 2. Sonstige persönliche Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertretung im Vermögensbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Die Betreuungsverfügung . . . . .
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VIII. 1. 2. 3.
Musterformulierungen Patiententestament . . . . . . . . . . Vorsorgevollmacht . . . . . . . . . . . Betreuungsverfügung . . . . . . . . .
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I. Einleitung: „Patientenverfügungen“ und Erbrecht
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Beratungssituation: Mandant bittet – u.U. im Kontext mit einer erbrechtlichen Beratung – um Aufklärung über seine Möglichkeiten, bei schweren Erkrankungen im Vorfeld des Todes eigenverantwortlich und verbindSpickhoff
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lich die Durchführung oder Unterlassung ärztlicher Maßnahmen zu bestimmen. 1 Unter den sog. Patientenverfügungen verstand man bislang zumeist das Patiententestament, die Betreuungsverfügung und die Vorsorgevollmacht. Diese terminologischen Festlegungen1 entsprachen den im einschlägigen Schrifttum mehrheitlich verwendeten. Allerdings wurden im Schrifttum seit längerem Patiententestamente auch als Patientenverfügungen oder Patientenbriefe bezeichnet. Die Vorsorgevollmacht für den Fall des Eintritts einer altersbedingten Einwilligungsunfähigkeit wird teilweise auch als „Altersvorsorgevollmacht“ bezeichnet2; Taupitz spricht von „Gesundheitsfürsorgevollmacht“3. Mittlerweile verkürzt das Gesetz die relativ umfassende Bedeutung des Begriffs der Patientenverfügung. Ausdrücklich spricht § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB anstelle von einem Patiententestament von einer Patientenverfügung. Die entsprechenden Festlegungen betreffen allesamt nicht originär erbrechtliche Gegenstände. Zum einen handelt es sich nicht um Verfügungen im rechtstechnischen Sinne, insbesondere nicht um Verfügungen von Todes wegen. Und zum anderen sind die entsprechenden Regelungen nicht auf die Zeit nach dem Tod, sondern – von Sektion und Transplantation einmal abgesehen – allesamt gerade auf die Zeit vor dem Tode, typischerweise auf das Vorfeld des Todes bezogen. Insbesondere handelt es sich auch nicht um ein (oft im Krankenhaus zu erstellendes) Nottestament nach § 2250 BGB. Der Begriff „Patientenverfügung“ ist auch insoweit irreführend, als die darin enthaltene Willensbekundung noch nicht zu einer Zeit abgegeben worden sein muss, zu der der oder die Betroffene als Patient(in) in ärztlicher Behandlung stand. Die Patientenverfügung (besser: Patientenbrief) ist also darauf gerichtet, vor einer Erkrankung und dem Sterbeprozess den Willen des Patienten in der Weise verbindlich zum Ausdruck zu bringen, dass die entsprechenden Weisungen auch dann befolgt werden, wenn es später zu einer Ausschaltung des Bewusstseins oder zu einer durchgreifenden Bewusstseinsstörung kommt, die einer entsprechenden (wirksamen) Artikulation entgegensteht. 2 Damit ist allen sog. Patientenverfügungen gemein, (1.) dass sie zeitlich mehr oder weniger lange vor der aktuellen (Krankheits-)Situation abgegeben werden – § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB spricht von „noch nicht unmittelbar bevorstehenden“ Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen –, (2.) dass sie insoweit bedingt sind, als sie für den Fall des Eintritts einer mehr oder weniger konkret bezeichneten Krankheitssituation abgegeben werden, deren Eintritt noch unsicher ist, (3.) dass sie unter der weiteren Bedingung stehen, dass der Erklärende in der dann aktuellen (Krankheits-)Situation entscheidungsunfähig ist, und (4.) dass sie schließlich mehr oder weniger konkret formulierte, „bestimmte“ Vorgaben für die Behandlung bzw. deren Unterlassung enthalten4. Im Falle eines sog. Patiententestaments legt die betreffende Person ihren Willen schon zuvor für den Fall des Eintritts einer bestimmten 1 2 3 4
Ebenso z.B. Uhlenbruck, ZAP Nr. 5 v. 10.3.1999, S. 233. BT-Drucks. 11/4528, S. 122. 63. DJT (2000) A 97. § 1901a Abs. 1 Satz 1; Taupitz, 63. DJT (2000) A 106.
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Situation nieder. Bei der Betreuungsverfügung wird zunächst einmal nur die Person des Betreuers vorgeschlagen. Bei der Vorsorgevollmacht wird eine andere Person beauftragt, das Selbstbestimmungsrecht für die erkrankte Person im Falle der eigenen Entscheidungsunfähigkeit auszuüben. Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht bzw. Betreuungsverfügung können in der gleichen Erklärung kombiniert werden. Dabei ist von folgendem Verhältnis auszugehen: Die Bestellung eines Betreuers ist insoweit weder notwendig noch zulässig, als der (einwilligungsfähige!) Patient hinreichend deutlich und konkret eine eigene Entscheidung getroffen hat. Eine solche – insbesondere in einer Patientenverfügung getroffene – bindende Willensäußerung des Patienten kann weder durch einen Betreuer korrigiert noch von einem Gericht kontrolliert werden1. Erst wenn die konkrete Situation von einer Patientenverfügung nicht mehr zureichend erfasst ist, kommt es auf den Betreuer an (und erst in diesem Rahmen auf die gewünschte Person des Betreuers)2. Eine entsprechend konkrete und bindende Patientenverfügung geht zunächst einmal auch einer Vorsorgevollmacht vor. Diese wiederum verdrängt das insoweit subsidiäre Institut der Betreuung. Denn nach § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB ist eine Betreuung nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen ebenso gut durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs. 3 BGB genannten Personen gehört, besorgt werden kann. Diese Subsidiarität gilt allerdings nur, wenn die Tätigkeit des Bevollmächtigten keine größeren Gefahren für den Betroffenen auslöst, als dies bei Bestellung eines Betreuers der Fall wäre. Deshalb bedarf auch der Bevollmächtigte ebenso wie der Betreuer zur Einwilligung in bestimmte risikoreiche medizinische Maßnahmen grundsätzlich der Genehmigung des Betreuungsgerichts, nämlich wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren oder länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet (§ 1904 Abs. 1 und 2 BGB). Nur im Ausnahmefall einer übereinstimmenden Entscheidung zwischen Behandlungsseite (Arzt) und Betreuer/Bevollmächtigtem ist eine solche Genehmigung entbehrlich, § 1904 Abs. 3 BGB. Damit wird in der Sache dem Selbstbestimmungsrecht des Vollmachtgebers eine Grenze gesetzt3. Der Grund liegt nicht zuletzt in der Gefahr des Missbrauchs der Vertretungsmacht. Zudem kann ein Betreuer, wenn sein Aufgabenkreis den Widerruf einer solchen Vollmacht erfasst (so dass er auch insoweit zur Vertretung der Betroffenen berechtigt ist, § 1902 BGB), die Vollmacht wirksam widerrufen4.
II. Der rechtstatsächliche Hintergrund: Medizinische Extremsituationen und juristische Folgefragen Das zunehmend in der Bevölkerung entstandene Bedürfnis, Patientenverfügungen zu errichten, findet seinen rechtstatsächlichen Hintergrund in me1 2 3 4
Lipp, in: Wolter/Riedel/Taupitz, S. 75, 90 f.; Eisenbart, S. 204 ff. Taupitz, 63. DJT (2000), A 120. Rechtspolitisch kritisch hiergegen Uhlenbruck, FS Deutsch, S. 849 (860). KG v. 3.2.2009 – 1 W 530/07, 1 W 531/07, NJW 2009, 1425.
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dizinischen Extremsituationen, insbesondere im Bereich der Intensivbehandlung, der Sterbehilfe, der Feststellung von Tod und Todeszeit, aber auch einer späteren Sektion oder Organtransplantation.
1. Die Intensivbehandlung
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Beratungssituation: Mandant bittet um Aufklärung in Bezug auf die rechtlichen Implikationen von Intensivbehandlung, Sterbehilfe und (juristischem) Todesbegriff.
4 Die Intensivbehandlung auf entsprechenden Stationen, die rund um die Uhr erfolgt, führt dazu, dass der Kranke gelegentlich maschinell am Leben erhalten wird. Diese Art der intensiven Diagnostik und Behandlung bedarf wie jeder ärztliche Eingriff in die körperliche Integrität der Einwilligung, wobei im Falle bewusstloser Kranker die mutmaßliche Einwilligung ausreicht. Man wird davon ausgehen können, dass die Einwilligung hier eine generelle ist. Zu einzelnen Maßnahmen bedarf es nur noch dann einer besonderen Einwilligung, wenn sie in diesem Bereich ungewöhnlich sind. Im Allgemeinen wird im Falle eines bei Bewusstsein befindlichen Kranken nach entsprechendem Hinweis als Einwilligung ausreichen, dass er der Verlegung auf die Intensivstation nicht widerspricht1. Selbstverständlich hat der Patient aber auch die Möglichkeit, die Einwilligung in die Intensivbehandlung zu verweigern. Er kann dies in dem Moment tun, in welchem mit der Behandlung begonnen werden soll. Auch der jederzeitige Widerruf einer einmal erteilten Einwilligung in die Intensivbehandlung ist möglich. Aufgrund der unter Umständen zwischenzeitlich weggefallenen Einwilligungsfähigkeit besteht insbesondere aber auch die Möglichkeit, die Intensivbehandlung in früherer Zeit abzulehnen oder jetzt durch einen Vertreter ablehnen zu lassen. Damit ist der Bereich der Patientenverfügung bzw. der Vorsorgevollmacht betreten. Insbesondere kann erklärt werden, dass lebensverlängernde Maßnahmen, insbesondere eine Intensivbehandlung in hoffnungslosem Stadium, nicht stattfinden sollen. Kliniker kürzen diese Entscheidung z.B. mit KLM (keine lebensverlängernden Maßnahmen) ab. Aktuelle wie frühere Entscheidungen sind bindend, jedoch stellt sich eine Reihe von Folgeproblemen: Besteht zur Zeit der aktuellen Entscheidung Einwilligungsfähigkeit? Erfasst die Patientenverfügung die Situation hinreichend konkret? Unterliegt der Bevollmächtigte Schranken, insbesondere einer gerichtlichen Überprüfung? In diesen Kontext ist auch das berühmt gewordene Erlanger Baby zu stellen, bei dem es um die Schwangerschaft einer Patientin ging, die wegen eingetretenen Hirntodes oder aus anderen Gründen nicht mehr zu retten war. Freilich sind hier eindeutige juristische Ratschläge mangels wirklich einschlägiger Judikatur kaum möglich. Vermutlich sind die Maßnahmen an der Verstorbenen zur Verlängerung der Schwangerschaft unter dem Aspekt des postmortalen Persönlichkeitsrechts nur gerechtfertigt, wenn die Frau bei Lebzeiten ihre Zustimmung, etwa in einer Patientenverfügung, erteilt hat, oder sich die Schwangerschaft im letzten Stadium befand, so dass
1 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rz. 664.
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das Lebensrecht des Kindes deutlich überwiegt1. Aus diesem Fall wird auch deutlich, dass in einer Patientenverfügung nicht – was meistens in den Vordergrund gestellt wird – nur der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen verfügt werden, sondern auch um die möglichst weitgehende Durchführung solcher Maßnahmen gebeten werden kann (näher dazu Rz. 14 f., 22).
2. Sterbehilfe Insbesondere der Bereich der Sterbehilfe bildet einen zentralen Regelungsbereich der sog. Patientenverfügungen. Nicht zuletzt die Intensivbehandlung eröffnet vielfältige Möglichkeiten inhumanen Sterbens. Bei der Sterbehilfe wird differenziert2: Aktive Sterbehilfe als ärztliches Eingreifen zur Verkürzung des Lebens ist grundsätzlich unzulässig. Passive Sterbehilfe meint den Behandlungsverzicht beim Sterbenden oder die Beendigung von Maßnahmen, die das menschliche Sterben verlängern. Mittelbare Sterbehilfe umfasst Fälle der unbeabsichtigten Nebenwirkung einer therapeutischen Maßnahme, die den Eintritt des Todes beschleunigt, etwa der Schmerzlinderung. Sterbenachhilfe bezeichnet die Beihilfe zur Selbsttötung von Menschen, die mit schweren Beeinträchtigungen leben, aber nicht unbedingt vor dem Tod stehen. Sterbebeistand nennt man die Hilfe in der letzten Lebensphase.
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Im Zusammenhang mit der passiven Sterbehilfe hat die Patientenverfügung eine wesentliche Funktion. Die Behandlung, auch die Intensivbehandlung zur Aufrechterhaltung des Lebens, bedarf einer Einwilligung seitens des Patienten. Mithin kann der Patient durch eine negative Äußerung diese Therapie verhindern. Genau genommen ist nicht einmal eine aktive Verweigerung der Zustimmung erforderlich, soweit nicht § 1904 Abs. 2 BGB in Bezug auf Betreuer und Bevollmächtigten (§ 1904 Abs. 5 BGB) Abweichendes anzeigt. Bei Bewusstlosen wird man in der ärztlichen Praxis freilich mit einer mutmaßlichen Einwilligung weiterbehandeln. Über ein Patiententestament kann also eine Intensivbehandlung, die zu einem vom Patienten als menschenunwürdig empfundenen Tod führt, unterbunden werden3. Zur Frage der Bindungswirkung s. unten V. Bei der mittelbaren Sterbehilfe und dem Sterbebeistand können die Grenzen zur aktiven Sterbehilfe verwischt werden. Das ist etwa der Fall, wenn eine Schmerzlinderung so hohe Dosen Morphium erfordert, dass eine Lebensverkürzung eintritt – eine Konsequenz, deren Notwendigkeit von Palliativmedizinern indes zunehmend bestritten wird. Die Lebensqualität (Schmerzlinderung) wird jedenfalls über die Lebensquantität (schmerzhaftes Weiterleben) gestellt. In jedem Falle darf die Lebensverkürzung nur Nebenfolge sein; anderenfalls greifen die (auch strafrechtlichen) Sanktionen in voller Schärfe4. Auch kann man an Schmerzensgeldansprüche gegen die Ärzte denken, wenn gegen den Willen des Patienten eine schmerzhafte Intensivbehand-
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Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rz. 668. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rz. 669, 675–679. LG Ravensburg v. 3.12.1986 – 3 KLs 31/86, MedR 1987, 196. S. BGH v. 15.11.1996 – 3 StR 79/96, BGHSt 42, 301 (Mord bei hoher Dosis eines Opiates; der Arzt hatte das Testament der 88-jährigen Patientin zu seinen Gunsten verfälscht).
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lung fortgesetzt worden ist1. Sterbenachhilfe als Beihilfe zur Selbsttötung kann zwar eine Untersagungsverfügung nach Grundsätzen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts auslösen2, ist jedoch nicht strafbar3. Werden entsprechende Wünsche der Patienten auf Sterbenachhilfe schriftlich fixiert, führt dies auf der Seite des unterstützenden Arztes jedenfalls zu beweisrechtlichen Vorteilen in einem eventuellen Strafverfahren. 7 Lebhaft diskutiert wird zurzeit die Frage der begleiteten Suizidbeihilfe, die nach geltendem Recht im Ausgangspunkt straflos ist. Ob es dabei im Kontext organisierter Sterbehilfe bleiben soll, ist rechtspolitisch umstritten.4 Rechtspolitisch sollte nicht pauschal, aber unter bestimmten Bedingungen eine seriös organisierte, straflose Beihilfe zum Suizid in Deutschland möglich sein, insbesondere dann, wenn sich einwilligungsfähige Patienten einen voraussehbaren, quälend-langen Leidensweg oder gar die Gefahr des Erstickungstodes ersparen wollen. In solchen Fällen ist es auch nicht angebracht, die Suizidbeihilfe durch entsprechende Organisationen oder durch Ärzte, also durch fachlich kompetente Personen, als berufsrechtlich unerlaubt anzusehen und über das Ordnungsrecht zu untersagen, was behördlicherseits (unter Billigung der Verwaltungsgerichtsbarkeit) indes geschieht.5 Die bloße Straflosigkeit der sog. mittelbaren Sterbehilfe fängt nur einige der besonders drängenden Fälle auf und steht ohnedies dogmatisch nicht außerhalb jeden Zweifels. 8 Die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung6, die in der ärztlichen Praxis bislang eine wesentliche Rolle spielten, obwohl es sich dabei lediglich um Richtlinien oder Empfehlungen handelt, sind vor dem Hintergrund der Neuregelung der Problematik im Betreuungsrecht in §§ 1901a, 1901b, 1904 BGB und §§ 287 Abs. 3, 298 FamFG im Jahre 2009 nur noch mit entsprechenden Einschränkungen verwendbar. Danach sollen Patientenverfügungen als verbindlich angesehen werden, sofern sie sich auf die konkrete Behandlungssituation beziehen und keine Umstände erkennbar sind, dass der Patient sie nicht mehr gelten lassen würde7.
3. Tod und Todeszeit 9 Die Diskussionen um Sterbehilfe und Transplantation haben nicht nur die juristische Diskussion um den Todesbegriff belebt, sondern auch in der Bevölkerung ihren Widerhall gefunden. Ja sogar Befürchtungen sind geweckt worden, ermöglicht doch eine möglichst frühe Feststellung des Todes besonders 1 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rz. 680. 2 VG Gera v. 7.10.2008 – 3 K 538/08 Ge, ZfL 2009, 29; VG Karlsruhe v. 11.12.1987 – 8 K 205/87, NJW 1988, 1536. 3 OLG München v. 31.7.1987 – 1 Ws 29/87, NJW 1987, 2940. 4 Dazu etwa Lüttig, ZRP 2008, 57; Müller-Piepenkötter, ZfL 2008, 66; v. Lewinski, ZRP 2008, 226; Goll/Saliger, ZRP 2008, 199; Hilgendorf, Jahrbuch für Recht und Ethik 15 (2007), 481 ff. 5 S. VG Gera, ZfL 2009, 29. 6 DÄBl. 2004, A-1298 = ZfL 2004, 57. 7 Daselbst sub V.
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effiziente Transplantationen. Sowohl in Bezug auf den Problemkreis der Sterbehilfe als auch in Bezug auf Transplantation und Sektion wird der Mandant daher im Einzelfall Auskunft über den juristisch relevanten Todesbegriff erbitten. Bekanntlich ist die Rechtsentwicklung vom früheren Kriterium des Herztodes zum Hirntod geschritten1. Der Grund liegt im Wesentlichen darin, dass das Hirn das Zentrum einer jeden menschlichen Persönlichkeit ist. Abgesehen davon ist die moderne Apparatemedizin seit längerem in der Lage, den Ausfall der Herzfunktionen für eine gewisse Zeit zu ersetzen. Auch kann ein fremdes Herz implantiert werden. Zum Teil wird der Begriff des Hirntodes auch – in Anlehnung an die ältere Definition des irreversiblen Herz- und Kreislaufversagens – durch das irreversible Hirnversagen konkretisiert2. Der Todesbegriff führt insbesondere zu der Frage, ob und wann der Arzt zum Entzug maschineller Unterstützung berechtigt ist. Jedenfalls nach festgestelltem Todeseintritt kann man hiervon ausgehen. Indes ist der Tod, zumal der Hirntod, jedenfalls medizinisch nicht zeitlich exakt zu fixieren, sondern ein Prozess. Der Hirntod kann zwar als eingetreten festgestellt, aber nicht seinem Beginn nach genau festgelegt werden. Gerade bei Fragen des Versicherungsschutzes, der Rechtsnachfolge und der Auflösung familiärer Bande ist indes die Festlegung eines solchen Zeitpunktes notwendig. Bisher hat die Rechtsprechung gleichwohl auf den Hirntod abstellen können3. Vor besondere Probleme stellt die Verwendung des Hirntodkriteriums nicht nur, wenn lebende Hirnzellen, insbesondere fetale, verpflanzt werden sollen, sondern auch beim Anencephalus, also dem Neugeborenen, bei dem neben dem Schädeldach wesentliche Teile des Gehirns fehlen oder degeneriert und bei dem die Organe (zunächst) funktionsfähig sind. Man hat solche Neugeborenen zum Teil maschinell länger in ihren organischen Funktionen fort-„leben“ lassen, insbesondere zum Zwecke von Transplantationen. In der Zwischenzeit ist man in der Lehre dazu übergegangen, auch die schlichte Funktion der Hirnrinde zur Annahme von juristischem Leben, das durch Tötung zum Erlöschen gebracht werden kann4, genügen zu lassen. Freilich hat man sich mit einer solchen Definition wieder von der eigentlichen Wurzel des Hirntodkriteriums entfernt, da die bloße Hirnrinde kaum die Persönlichkeit eines Menschen ausmacht. Viel spricht für einen differenzierenden Todesbegriff, so dass teilweise – insbesondere im Zusammenhang mit Versorgungsfragen, Versicherung, Familie und Erbschaft – wieder auf den Herz-Kreislauf-Tod abgestellt werden kann5. In Bezug auf die Transplantation geht das Transplantationsgesetz vom 5. November 19976 ohnedies eigene Wege. Nach dessen § 3 ist die Entnahme von Organen nur zulässig, wenn der Tod des Organspenders nach den Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft 1 Statt aller: H.-L. Schreiber, JZ 1983, 593 ff.; Klinge, S. 92 ff. 2 S. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rz. 710 m.N.; zu den maßgeblichen klinischen Symptomen DÄBl. 1998, A-1861. 3 OLG Köln v. 24.2.1992 – 2 Wx 41/91, NJW-RR 1992, 1480; OLG Frankfurt v. 11.7.1997 – 20 W 254/95, NJW 1997, 3099. 4 Schönke/Schröder/Eser, StGB, 24. Aufl. 2006, Vorb. § 211 Rz. 14; Isemer/Lilie, MedR 1988, 66, 68 f. 5 S. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rz. 713, 714. 6 BGBl. I, 2631.
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entsprechen, festgestellt ist. Und unzulässig ist die Entnahme von Organen obendrein, wenn nicht vor der Entnahme bei dem Organspender der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach Verfahrensregeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt ist. Zur Organtransplantation kommt es also mindestens auf den Hirntod (unter Einbeziehung des Anencephalus) an, wobei das Gesetz offen gelassen hat, ob darüber hinaus zusätzlich auch noch – wieder nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft – auf den Herz-Kreislauf-Tod oder auf andere Kriterien abzustellen ist.
4. Sektion
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Beratungssituation: Mandant möchte über seine Möglichkeiten, nach dem Tode positiv oder negativ auf die Sektion (bzw. Obduktion, Autopsie oder Nekropsie) seines Körpers sowie auf Transplantationen von seinem Körper Einfluss zu nehmen, informiert werden.
10 Die Sektion (Obduktion, Autopsie, Nekropsie) ist die Leichenöffnung zur Erkennung von Krankheiten und Todesursachen, die sog. innere Leichenschau. Daneben kennt man noch die Anatomiesektion zur Ausbildung von Medizinstudenten sowie zur Forschung als Sonderform. Aufgrund dieser Zwecke ist die Sektion außerordentlich wichtig. Gleichwohl stehen ihr ernst zu nehmende Interessen gegenüber, zu denen nicht nur das Pietätsgefühl gehört. Es geht um das Dispositionsrecht über den Rückstand des Menschen und damit über das postmortale Persönlichkeitsrecht am Leichnam. Jede Sektion stellt insoweit einen Eingriff dar, der der besonderen Rechtfertigung bedarf. Autopsien sind daher – unvermeidbar – zulässig, wenn sie kraft gesetzlicher Ermächtigung öffentlich-rechtlich angeordnet sind, wie etwa im Falle des § 87 StPO (Leichenöffnung bei Verdacht eines unnatürlichen Todes). Auch das Bundesseuchengesetz ermöglicht Sektionen. Zweifelhaft ist eine Entscheidung des BGH1, wonach Klinikaufnahmebedingungen einer Universitätsklinik, die eine „Sektionseinwilligung“ des Inhalts enthalten, dass bei Nicht-Widerspruch wegen wissenschaftlichen Interesses oder zur Feststellung der Todesursache die Sektion zulässig ist, nicht gegen das AGB-Recht verstoßen2. Das OLG Karlsruhe hat dieser Entscheidung offen die Gefolgschaft versagt3. In Patientenverfügungen kann diese Möglichkeit der Sektion eindeutig ausgeschlossen werden. Allerdings ist Sorge dafür zu tragen, dass das Krankenhaus hiervon rechtzeitig Kenntnis erhält. Abgesehen davon kann die Einwilligung zur Sektion vom Patienten zu Lebzeiten erklärt werden. Nach dem Tode des Patienten geht das Recht auf Zustimmung zur Obduktion auf die nahen Angehörigen über. Diese sind über das Ausmaß des Eingriffs (z.B. die spätere Nicht-Beigabe von wesentlichen der zuvor entnommenen Organe wie dem 1 BGH v. 31.5.1990 – IX ZR 257/89, NJW 1990, 2313. 2 Ob die Klausel überraschend war, hatte der BGH im Rahmen der Verbandsklage nicht zu prüfen. 3 OLG Karlsruhe v. 26.7.2001 – 9 U 11/01, NJW 2001, 2808.
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Gehirn) zureichend (wenngleich rücksichtsvoll) aufzuklären; fehlt es daran, kommen Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz der Angehörigen (aus eigenem Recht) wegen Verletzung des Totenfürsorgerechts aus § 823 Abs. 1 BGB (Verletzung eines sonstigen Rechts) in Betracht1. Ist die Betreuung angeordnet worden, so kann der Betreuer im Rahmen seiner Kompetenz gleichfalls der Obduktion zustimmen. Endgültige Anordnungen des Verstorbenen in einer Patientenverfügung gehen dem Willen der nächsten Angehörigen sowie einer Entscheidung des Betreuers allerdings vor2. Anders als bei der Transplantation ist die Frage nach der Zulässigkeit und auch den Grenzen einer Obduktion oder Sektion gesetzlich bisher nicht geregelt. Dienstanweisungen haben die vom Gesetzgeber vernachlässigte Aufgabe mehr schlecht als recht übernommen. Es ist deshalb besonders wichtig, den Mandanten insoweit vorsorglich zu beraten; entsprechende Verfügungen, die freilich erst die Zeit nach dem Tode betreffen, entfalten eine besondere praktische Relevanz. Das gilt übrigens auch, wenn es um die Rechtfertigung einer Obduktion kraft positiver Güterabwägung geht. Diese kann im überwiegenden Interesse der Wissenschaft und der Klinik liegen, etwa bei Verdacht einer opportunistischen Infektion, einer Überbehandlung, toxischer Schädigungen oder Unklarheiten bei der Behandlungsfolge bzw. beim Todeseintritt. Nur im Einzelfall kann die Notwendigkeit der inneren Leichenschau als so groß erscheinen, dass sie sogar den ausdrücklichen Widerspruch des Patienten bzw. seiner Angehörigen beiseite schiebt. Abgesehen davon verstärkt aber – jedenfalls in der Praxis – der Widerspruch gegen die Sektion die (an sich ausreichende) Nichteinwilligung3.
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5. Organtransplantation Die Organtransplantation ist im Transplantationsgesetz (TPG) geregelt4. Es gilt nur zum Zwecke der Organtransplantation auf andere Menschen (§ 1 Abs. 1). Abgesehen von Blut und Knochenmark sowie embryonalen und fetalen Organen und Gewebe ist das TPG auf alle Arten von menschlichen Organen, Organteilen oder Geweben anwendbar. Auch die Entnahme von nicht durchbluteten Körperteilen, etwa der Hornhaut, bedarf der Zustimmung des Spenders bzw. seiner Angehörigen. Ein Veto des Organspenders schließt die Organtransplantation aus (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 TPG). Eine Entnahme kraft vermuteter Zustimmung ist nicht zulässig. Auch dürfte eine in Klinikaufnahmebedingungen unterstellte Zustimmung nicht genügen. Beim Fehlen einer schriftlichen Einwilligung oder des schriftlichen Widerspruchs sind nächste Angehörige zu befragen, und zwar (der Reihe nach) der Ehegatte, volljährige Kinder, Eltern bzw. der Inhaber des Sorgerechts, volljährige Geschwister so1 OLG Karlsruhe v. 26.7.2001 – 9 U 11/01, NJW 2001, 2808 (in casu – ausnahmsweise – wegen entschuldigten Rechtsirrtums Anspruch abgelehnt). 2 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rz. 718. 3 Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rz. 719. 4 Das TPG in der Neufassung v. 20.7.2007 unter Berücksichtigung der sog. Geweberichtlinie der EU (Richtlinie EU 2004/23/EG v. 31.3.2004, ABl EU Nr. L 102, S. 48) findet sich in BGBl. 2007 I, S. 2206.
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wie schließlich Großeltern (§ 4 Abs. 2 TPG). Zweifelhaft ist, ob eine Organtransplantation durch Notstand auch bei fehlender Zustimmung des Spenders bzw. seiner Angehörigen gerechtfertigt werden kann1. Wenn überhaupt, dann besteht eine Pflicht zur Spende nach Notstandsgrundsätzen jedenfalls nur beim Toten. Da die Abwägung im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) eine Transplantation an sich außerordentlich häufig legitimieren würde, wird man im Prinzip eine Rechtfertigung durch Notstand nicht akzeptieren können. Das TPG beinhaltet also insgesamt vorrangige Spezialregelungen und verdrängt – freilich nicht ausdrücklich – im Allgemeinen § 34 StGB. Wesentlich ist der Vorrang der Entscheidung des Spenders. Die Entscheidung über die Organspende kann in den üblichen Formularen dokumentiert werden, sie kann aber auch in eine Patientenverfügung aufgenommen werden. Dabei ist es übrigens möglich, anstelle der in § 4 Abs. 2 TPG aufgeführten Personen auch eine andere Person (z.B. eine befreundete Person oder einen Lebensgefährten) zu benennen, die dann an die Stelle des nächsten Angehörigen tritt (§ 4 Abs. 3 TPG). Daraus ergibt sich, dass der Spender auch von der in § 4 Abs. 2 TPG vorgesehenen Rangfolge abweichen kann, wenn er andere Personen über eine Organentnahme entscheiden lassen will.
III. Einwilligungsfähigkeit
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Beratungssituation: Mandant fragt, wie lange er selbst noch rechtlich verbindliche Entscheidungen über ärztliche Maßnahmen festlegen kann.
13 Von wesentlichem Interesse für den Mandanten wird zunächst einmal die Frage sein, ab wann eine sog. Patientenverfügung überhaupt relevant wird, oder umgekehrt, wie lange ein Patient noch rechtlich verbindlich und aktuell autonome Entscheidungen über ärztliche Maßnahmen treffen kann.
1. Der einwilligungsfähige Patient 14 Wenn und solange ein Patient einwilligungsfähig ist, trägt nach bereits bisher allgemeiner Ansicht die durch zureichende Aufklärung unterlegte Einwilligung medizinische Maßnahmen, welche die körperliche Integrität berühren. Davon geht auch § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB aus. Umgekehrt löst eine verweigerte Einwilligung des einwilligungsfähigen Patienten prinzipiell die Rechtswidrigkeit von ärztlichen Maßnahmen aus. Genau genommen kommt es allerdings nicht einmal auf eine Verweigerung der Einwilligung an. Vielmehr betritt der Arzt mit jeder nicht durch eine Einwilligung getragenen Maßnahme den Bereich rechtswidrigen Verhaltens. Das wird gerade auf Intensivstationen häufig missachtet; man denke etwa an das Einbringen eines Katheters ohne vorherige Einwilligung eines Patienten. Wichtig ist auch, dass der Patient, solange er einwilligungsfähig ist, eine vorher gegebene Zustimmung jederzeit widerrufen und den Abbruch einer einmal eingeleiteten Behandlung verlangen kann. Hilfreich (oder gegebenenfalls auch gefährlich) ist es in der 1 Dafür Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rz. 904 m.w.N.
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Praxis, wenn bereits vor der Maßnahme entsprechende schriftliche Erklärungen des Patienten vorliegen. Denn oft wird der Zustand der Einwilligungsfähigkeit von Ärzten angezweifelt. Das Personal wird sich dann eher an schriftliche Vorgaben als an mündliche Wünsche des Patienten halten, mögen sie nun dessen aktuellem Willen entsprechen oder gar widersprechen. Einen Anspruch auf bestimmte Behandlungen hat der Patient grundsätzlich 15 nicht mehr, wenn es um besonders kostenintensive, nach ärztlichem Ermessen indes sinnlos erscheinende (Intensiv-)Behandlungsmaßnahmen geht. Denn zur Annahme eines Anspruchs auf Behandlung ist eine entsprechende medizinische Indikation erforderlich1. Auch wirtschaftliche Überlegungen können in diesem Zusammenhang zur Entscheidungsfindung beitragen. Denn es geht nicht an, knappe finanzielle Mittel zuvörderst bei den Intensivstationen zu konzentrieren, um sie jedem vom Sterben Bedrohten und vorrangig vor allen nicht lebensbedrohlich Erkrankten zukommen zu lassen, selbst wenn die Lebensverlängerung nur von kurzer Dauer ist oder gar völlig unsicher erscheint. Immerhin wird man eine gewisse Basisversorgung (Ernährung, Reinigung, Schmerzstillung u.Ä.) als prinzipiell geschuldet anzusehen haben, so dass die Variante eines totalen Behandlungsabbruchs ausscheidet, es sei denn, der Patient wünscht dies2. Vor einem totalen Behandlungsabbruch braucht sich ein Patient also nicht zu fürchten3. Der wohlhabende Patient, der die Übernahme entsprechender Kosten privat zugesagt hat, kann dagegen auch dann in den Genuss von Behandlungsmaßnahmen kommen, wenn Krankenkassen eine entsprechende Behandlung nicht mehr übernehmen. Voraussetzung ist allerdings, dass entsprechende Ressourcen zur Verfügung stehen. Der Wunsch nach möglichst weitgehender Behandlung sollte, wenn er besteht, in einer Patientenverfügung also deutlich zum Ausdruck gebracht werden.
2. Die Konkretisierung der Einwilligungsfähigkeit Auch wenn ein Patient (noch) äußerungsfähig ist, können gleichwohl an seiner Einwilligungsfähigkeit Zweifel bestehen, und zwar entweder in Bezug auf fehlende Volljährigkeit oder in Bezug auf sonstige Umstände, die der Einwilligungsfähigkeit des Erwachsenen entgegenstehen. Die eigene Grenzsituation, in der sich ein Patient befindet, führt ihn oft geradezu auch in den Grenzbereich der Einwilligungsfähigkeit.
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Bei Minderjährigen ist die Einwilligungsfähigkeit durch den Gesetzgeber bislang nicht geregelt. Es besteht Streit darüber, ob die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff durch Ärzte in die körperliche Integrität allein
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1 Laufs, NJW 1996, 763; Leitlinie zum Umfang und zur Begrenzung der ärztlichen Behandlungspflicht in der Chirurgie der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie vom 13./14.9.1996, Text bei Staudinger/Hager, BGB, 13. Aufl. (1999), § 823 Rz. I 15. 2 Spickhoff, NJW 2000, 2297 (2298). Einen Anspruch auf Anschluss an eine Beatmungsmaschine (ohne Aussicht auf Besserung) verneint LG Karlsruhe v. 30.8.1991 – 10 O 291/91, NJW 1992, 756. 3 Schmoller, ÖJZ 2000, 361 (375).
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vom einwilligungsfähigen Minderjährigen1 oder zusammen mit den Sorgeberechtigten (Eltern) abzugeben ist2; zum Teil wird für ein Vetorecht des Minderjährigen bei bestimmten Eingriffen plädiert3. Sodann sind die Kriterien zur Ermittlung der Einsichtsfähigkeit nicht fixiert4. Die konkreten Umstände des Einzelfalles sind maßgeblich. Denn die Einwilligungsfähigkeit ist zeitlich und gegenständlich relativ zu bestimmen5. Der BGH6 hat im Falle eines nur relativ indizierten Eingriffs mit der Möglichkeit erheblicher Folgen für die künftige Lebensgestaltung ein Vetorecht des Minderjährigen gegen die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter angenommen, wenn ausreichende Urteilsfähigkeit vorliegt. Konkret hatte die Operation zu einer Querschnittslähmung des Patienten geführt, der an Verwachsungen und Falschgelenkbildungen litt und zur Zeit der Maßnahme vierzehn Jahre alt war. Im Übrigen ist der BGH nicht näher und jedenfalls nicht grundsätzlich auf die Diskussion über die Frage eingegangen, ob es zwischen eindeutiger Einwilligungsunfähigkeit und Geschäftsfähigkeit einen Graubereich gibt, in dem gegebenenfalls die Zustimmung von Patienten und gesetzlichen Vertretern erforderlich ist. Übrigens soll der Arzt im Allgemeinen darauf vertrauen können, dass die Aufklärung und Einwilligung der Eltern genügt. Dahinter steht offenbar die Prämisse, dass die (aufgeklärten) Eltern ihre (an sich selbst urteilsfähigen) Kinder über das Aufklärungsgespräch zureichend informieren. Das dahinter stehende „Stille-Post-Prinzip“ erscheint zweifelhaft. Jedenfalls wird man die Entscheidung nicht dahin missverstehen dürfen, dass die Einwilligungsfähigkeit überhaupt erst mit dem Eintritt der Volljährigkeit einsetzen kann. M.E. kommt es im Falle feststehender Einwilligungsfähigkeit auf eine zusätzliche Zustimmung der Sorgeberechtigten nicht an, was aber nicht dazu führen sollte, dass die Eltern aus dem Entscheidungsprozess des Minderjährigen möglichst weitgehend ausgeschaltet werden7. Das Problem der Einwilligungsfähigkeit von Minderjährigen kann im Übrigen über Patientenverfügungen nicht privatautonom beeinflusst werden und bedarf deshalb an dieser Stelle keiner weiteren Vertiefung. Denn für eine gemäß § 1901a Abs. 1 BGB verbindliche Patientenverfügung ist die Geschäftsfähigkeit des Patienten zur Zeit der Errichtung der Erklärung erforderlich. 18 Im Bereich der Volljährigen ist im Ausgangspunkt anerkannt, dass ein einwilligungsfähiger Betreuter allein einwilligen kann8. Zweifelhaft ist jedoch, ob 1 Dafür z.B. OLG Karlsruhe v. 31.3.1983 – 4 U 179/81, FamRZ 1983, 742 (743); Deutsch, AcP 192 (1992), 161 (175). 2 Dafür Kohte, AcP 185 (1985), 105 (143 ff.); MüKoBGB/Gitter, 5. Aufl. 2006, vor § 104 BGB Rz. 89. 3 Laufs/Uhlenbruck/Ulsenheimer, Handbuch des Arztrechts, § 139 Rz. 31. 4 Hierzu etwa MüKoBGB/Schwab, 5. Aufl. 2008, § 1904 BGB Rz. 8. 5 Prinz von Sachsen Gessaphe, S. 333 ff., insbesondere 343 ff. (umfassend, auch zum Diskussionsstand). 6 BGH v. 10.10.2006 – VI 74/05, VersR 2007, 66 = FamRZ 2007, 130. S. auch Golbs, Das Vetorecht eines einwilligungsunfähigen Patienten, 2006. 7 Für eine regelmäßige Beteiligung des gesetzlichen Vertreters bis zur Mündigkeit des Betroffenen Pawlowski, FS Hagen, S. 5 (13 ff., 19); Lipp, S. 33 f. 8 BT-Drucks. 11/4520, S. 141; LG Kassel v. 5.1.1996 – 3 T 859/95, FamRZ 1996, 1501; MüKoBGB/Schwab5, § 1904 Rz. 6.
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die Einwilligung des Betreuten ausreicht, wenn seine Einwilligungsfähigkeit nicht feststeht1. Ebenso zweifelhaft ist, ob die Einwilligung des Betreuten genügt, wenn die Betreuung gerade für den gesundheitlichen Bereich (im Ganzen oder für eine einzelne Behandlungsmaßnahme) angeordnet wurde2. Schließlich ist die Möglichkeit der gerichtlichen Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts zugunsten des Betreuers entsprechend § 1903 BGB umstritten, welcher zur Folge hätte, dass kumulativ die Zustimmung von Betreutem und Betreuer erforderlich wäre3. Aufgrund der tendenziell geringeren persönlichen Nähebeziehung des Betreuers zum Betreuten im Vergleich zur ElternKind-Beziehung sollte es bei feststehender Einwilligungsfähigkeit in jedem Fall allein auf die verweigerte oder gegebene Einwilligung des Patienten ankommen. Die Einwilligungsfähigkeit ist wie stets auf die konkrete Situation bezogen festzustellen. Gerade bei Schwerkranken am Ende des Lebens gilt es, besonders darauf zu achten, ihr Selbstbestimmungsrecht nicht zu beschneiden. Daher sollte auch § 1903 BGB in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung nicht analog angewandt werden4.
3. Der nicht einwilligungsfähige Patient Ist der Betreute nicht (mehr) einwilligungs-, aber noch äußerungsfähig, so sind 19 die Wünsche bzw. der mutmaßliche Wille des Betroffenen maßgeblich. Den Wünschen des Betreuten hat man prinzipiell zu entsprechen (§ 1901 Abs. 2 BGB), wenn diese nicht ohnehin verbindlich sind (§ 1901a Abs. 1 BGB). Sowohl bei der Auswahl des Betreuers als auch bei der Ermittlung der Wünsche des Betreuten sind Äußerungen in einer Patientenverfügung von wesentlicher Bedeutung. Ist der Betreute nicht mehr äußerungsfähig, ist objektiv abzuwägen, wiederum gegebenenfalls unter Rückgriff auf die in früherem Zustand geäußerten Wünsche. Äußert der Betreute aktuelle Wünsche, die seinem „objektiven“ Wohl und der Einschätzung des Betreuers zuwiderlaufen, so ist die Versagung der Einwilligung des Betreuten gleichwohl maßgeblich. Das sollte in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB allerdings nur gelten, wenn und soweit nicht die Gefahr besteht, dass der Betreute ohne die medizinische Maßnahme stirbt oder einen erheblichen gesundheitlichen Schaden erleidet5. Der BGH hat demgegenüber entschieden, dass medizinische Behandlungen gegen den Willen des Betreuten in Ermangelung einer Rechtsgrundlage überhaupt unzulässig seien6, was sich mit den grundrechtlichen Schutzpflichten, die den Staat treffen, nur schwer vereinbaren lässt. Geht es nicht um die Versagung der Einwilligung in eine medizinische Behandlung, sondern wünscht der (nicht einwilligungsfähige) Betreute eine medizinisch gebotene (Weiter-) Behandlung, so überwindet dieser Wunsch – der 1 Dazu Staudinger/Bienwald, BGB, Bearbeitung 2006,§ 1904 Rz. 20. 2 Für Vorrang der Betreuerentscheidung Staudinger/Bienwald, § 1904 Rz. 29. 3 Dafür Kuhlmann, Einwilligung in die Heilbehandlung alter Menschen, 1996, S. 188; dagegen MüKoBGB/Schwab5, § 1904 Rz. 7. 4 Taupitz, 63. DJT (2000) A 63. 5 Lipp, S. 166; Lipp, DRiZ 2000, 231 (236). 6 BGH v. 11.10.2000 – XII ZB 69/00, FamRZ 2001, 149, 151.
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zumindest typischerweise nicht auf eine Selbstschädigung gerichtet ist – eine entsprechende Ablehnung des Betreuers1. Grenzen einer ärztlichen Behandlung ergeben sich hier lediglich aus der medizinischen Indikation. Insbesondere kommt es auf keinen Fall darauf an, ob durch medizinische Maßnahmen, die dem Wunsch des Betreuten entsprechen, dessen Vermögen geschmälert wird. Mögliche Interessen späterer Erben treten allemal hinter die Autonomie des Betreuten zurück2. Davon zu trennen ist die Frage nach der Verteilung knapper medizinischer Ressourcen. Besteht für den Betreuten Todesgefahr oder die Gefahr für erhebliche gesundheitliche Schäden und widerspricht er gleichwohl den erforderlichen ärztlichen Maßnahmen, so muss die objektive Interessenabwägung für die Lebensverlängerung sprechen. Im Falle von „PattSituationen“ bei der Abwägung setzt sich der Wille des Patienten durch.
IV. Genehmigung des Betreuungsgerichts 20 Der Gesetzgeber ist im neugefassten § 1904 BGB im Prinzip der seit 2003 eingeschlagenen Linie des Familiensenats des BGH3 gefolgt. Nach § 1904 Abs. 2 BGB bedarf auch die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Heileingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruchs der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Grundsatz ist also im Falle des Abbruchs lebensverlängernder Maßnahmen die Genehmigung des Betreuungsgerichts. Dieser Grundsatz und die gebotene Vorsicht bei solcherart irreversiblen Entscheidungen werden dadurch verfahrensrechtlich noch einmal unterstrichen, dass nach § 287 Abs. 3 FamFG ein entsprechender Beschluss erst zwei Wochen nach Bekanntgabe an den Betreuer oder Bevollmächtigten sowie an den Verfahrenspfleger wirksam wird. 21 Nach § 1904 Abs. 4 BGB ist in Anlehnung an die bereits erwähnte Linie des Familiensenats des BGH nun normiert, dass (ausnahmsweise) eine Genehmigung durch das Betreuungsgericht nicht erforderlich ist, wenn zwischen Betreuer und behandelndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1901a BGB festgestellten Willen des Betreuten entspricht. Damit entfällt das Erfordernis der Genehmigung durch das Betreuungsgericht nicht nur im Falle des Abbruchs lebensverlängernder Maßnahmen, sondern auch – über die bisherige Rechtsprechung des BGH hinausgehend – im Falle positiver, lebensverlängernder medizinischer Maßnahmen. Das erscheint als konsequente Verlängerung der bisherigen Linie. Voraussetzung für den Wegfall der Geneh1 Lipp, S. 167. 2 Lipp, S. 167. 3 BGH v. 17.3.2003 – XII ZB 2/03, JZ 2003, 732 mit krit. Anm. Spickhoff; ebenso BGH v. 8.6.2005 – XII ZR 177/03, FamRZ 2005, 1474.
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migungspflicht ist, dass der Wille des Patienten nach § 1901a BGB festgestellt worden ist. Diese Feststellung kann auch ein Bevollmächtigter treffen (§ 1901a Abs. 5 BGB). Festzustellen ist in jedem Falle, ob Festlegungen in einer Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation „zutreffen“. Fehlt es an einer entsprechenden Patientenverfügung, sind ggf. aktuelle Behandlungswünsche bzw. ist der mutmaßliche Wille des Betroffenen festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden. Als prozedurale Voraussetzung für die Feststellung des Patientenwillens (mit oder ohne Patientenverfügung) sind obendrein die nach § 1901b BGB notwendigen Gespräche zur Feststellung des Patientenwillens zu führen bzw. die entsprechenden Gelegenheiten zur Äußerung durch nahe Angehörige oder sonstige Vertrauenspersonen sind sicherzustellen. Als durchaus problematisch kann sich der vom Gesetzgeber offensichtlich unreflektiert verwendete Singular „der“ behandelnde Arzt (vgl. § 1901b Abs. 1, ähnlich § 1904 Abs. 4 BGB) erweisen. Auch im Bereich der Medizin wird längst arbeitsteilig zusammengewirkt. An der Behandlung eines Patienten sind oft, in vielen Bereichen geradezu typischer- bzw. notwendigerweise, Ärzte verschiedener Disziplinen, jeder zuständig für seinen Aufgabenbereich, beteiligt (sog. horizontale Arbeitsteilung).1 Innerhalb einer Fächerdisziplin lässt sich zwar im Allgemeinen die Entscheidungszuständigkeit vom Facharzt über den Oberarzt bis hin zum Chefarzt recht einfach verfolgen. Wenn unterschiedliche Disziplinen beteiligt sind, ist offensichtlich, dass keineswegs nur „ein“ Arzt „behandelt“. Es kann dann nicht darauf ankommen, welcher Arzt in welcher Stunde für welchen Patienten gerade „zuständig“ ist. Deutlich geworden ist die Problematik einer Anbindung an die Entscheidung „des“ behandelnden („zuständigen“) Arztes in einer Reihe von Entscheidungen, in denen es um den Abbruch lebenserhaltender medizinischer Maßnahmen bei einem vier Jahre alten Kind ging, das nach einem missglückten diagnostischen Eingriff im apallischen Syndrom an schweren Spastiken litt. Zur Behandlung der Spastiken wurde die operative Einführung einer sog. Spastik-Pumpe vorgeschlagen. Die Eltern und die behandelnden Kinderchirurgen wollten nicht nur den Eingriff unterlassen, sondern die lebenserhaltende Ernährung beenden. Die zuständigen Ärzte auf der Rehabilitations-Abteilung des Krankenhauses sprachen sich für eine Fortsetzung der künstlichen Ernährung aus. Das Jugendamt, offensichtlich alarmiert durch Ärzte der Rehabilitationsklinik, setzte beim Amtsgericht durch, dass den Eltern einstweilen das Sorgerecht im Hinblick auf die betreffenden medizinischen Maßnahmen bzw. deren Unterlassung entzogen wurde. Das OLG Hamm schlug sich auf die Seite der Eltern. Angesichts des Streits der Ärzte untereinander bestand das BVerfG zunächst auf der Weiterernährung; die Entscheidung wurde allerdings durch den Tod des Kindes überholt.2 Insgesamt wird man in Fällen der Arbeitsteilung in der Medizin von einer mehrfachen Zuständigkeit der verschiedenen medizinischen Fachdisziplinen auszugehen ha1 Näher dazu etwa Soergel/Spickhoff, BGB, 12. Aufl. 2005, § 823 Anh. I, Rz. 73–76; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 2. Aufl. 2008, § 823 Rn. 726 ff., je m.w.N. 2 BVerfG v. 6.6.2007 – 1 BvQ 18/07, FamRZ 2007, 2046 mit Anm. Spickhoff; zuvor OLG Hamm v. 24.5.2007 – 1 UF 78/07, NJW 2007, 2704 = FamRZ 2007, 2098; zum tragischen Sachverhalt s. auch den Bericht in Spiegel 2007, Heft 42, 44 ff.
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ben. Es gibt unter Umständen eben mehrere behandelnde Ärzte. Das Einvernehmen nach § 1904 Abs. 4 BGB ist dann zwischen allen behandelnden Ärzten und dem Betreuer herzustellen. Anderenfalls ist der (ohnedies eng auszulegende) Ausnahmetatbestand des § 1904 Abs. 4 BGB mit der Rechtsfolge der Entbehrlichkeit einer Genehmigung durch das Betreuungsgericht nicht erfüllt.
V. Das sog. Patiententestament
Û
Beratungssituation: Mandant bittet um Information und Hilfe bei der – soweit wie möglich rechtsverbindlichen – Festlegung und Durchsetzung seines Willens in Bezug auf medizinische Maßnahmen.
1. Definition, Rechtsnatur, Voraussetzungen 22
§ 1901a Abs. 1 BGB definiert eine Patientenverfügung, welche die daran gebundenen Rechtsfolgen auslöst, folgendermaßen: Ein einwilligungsfähiger Volljähriger muss für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt haben, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Rz. 1). Von der Rechtsnatur her wird man sog. Patientenverfügungen nicht als Willenserklärungen im rechtstechnischen Sinne verstehen dürfen. Es handelt sich genau genommen um eine Sonderform der Einwilligung; diese teilt deshalb (mit den gesetzlich hinzu gekommenen Besonderheiten) deren Rechtsnatur.1 Das zeigt sich schon daran, dass das Gesetz nicht auf die Geschäftsfähigkeit, sondern auf die Einwilligungsfähigkeit abhebt, wobei freilich zusätzlich die Volljährigkeit verlangt wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit geht es weiterhin ebenso wie im Bereich der Einwilligung im Medizinrecht gewiss nicht an, mit rückwirkender Kraft (§ 142 Abs. 1 BGB) wegen Inhalts-, Erklärungs- oder Eigenschaftsirrtums anzufechten, etwa im Nachhinein durch einen Erben. Auch ist die Erklärung höchstpersönlich abzugeben; eine Vertretung gemäß §§ 164 ff. BGB bei der Erstellung einer sog. Patientenverfügung ist aufgrund deren höchstpersönlichen Charakters2 nicht zulässig. Die Einwilligungsfähigkeit lässt mit Grund sodann die konkrete Einsichtsfähigkeit in die betreffende Maßnahme genügen3, während nach herrschender Ansicht das Gegenstück im Bereich der Geschäftsfähigkeit in Form der sog. relativen Geschäftsfähigkeit nicht anzuerkennen sein soll.4
1 S. bereits Deutsch/Spickhoff (Fn. 13), Rz. 696, 255 und 257; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 4. Aufl. 2008, Rz. 108; vgl. auch Taupitz, 63. DJT 2000, I A 107; anders Diederichsen, Festschr. f. Schreiber, 2003, 635, 646 ff., der die Patientenverfügung als Willenserklärung ansieht. 2 Katzenmeier, Arzthaftung, 2002, S. 339 mit Fn. 129. 3 BGHZ 29, 33, 36; Bamberger/Roth/Spindler, § 823 Rz. 638; Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, Rz. 109a. 4 BGHZ 30, 112; BGH, NJW 1953, 1342; BGH, NJW 1970, 1680; Czeguhn, Geschäftsfähigkeit, beschränkte Geschäftsfähigkeit, Geschäftsunfähigkeit, 2003, Rz. 28 a.E.;
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Da das Gesetz für die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung ausweislich seines Wortlauts neben der Einwilligungsfähigkeit auch Volljährigkeit voraussetzt, stellt sich die Frage, was im Falle von Patientenverfügungen einwilligungsfähiger Minderjähriger gilt: Die Einwilligung als Ausübung der Patientenautonomie hat bekanntlich unmittelbaren Verfassungsbezug (Art. 1, 2 Abs. 1 GG)1. Ist ein Minderjähriger entsprechend grundrechtsmündig, ist es daher verfassungsrechtlich durchaus nicht unbedenklich, wenn § 1901a Abs. 1 BGB den Eindruck erweckt, einem einwilligungsfähigen Minderjährigen, der Chancen und Risiken des konkreten potentiellen Eingriffs intellektuell erfassen und voluntativ bewerten kann, stünde eine Selbstbestimmung durch Patientenverfügung nicht zu. Allerdings hat auch der Haftungssenat des BGH2 minderjährigen Einwilligungsfähigen gegenüber medizinischen Maßnahmen nur ein Vetorecht zugesprochen; positive medizinische Maßnahmen stehen also zusätzlich unter dem Vorbehalt der Einwilligung durch die Sorgeberechtigten. Diese Haltung ist zweifelhaft. Im nicht behebbaren Konfliktfall der Entscheidung von Sorgeberechtigten einerseits und einwilligungsfähigen Minderjährigen andererseits – man denke an 16- oder 17-Jährige – sollte sich die Entscheidung des Patienten durchsetzen.3 Im Bereich der Versagung einer Einwilligung, also der Ausübung eines Vetorechts, auch in Form einer sog. Patientenverfügung, liegt es schon nach der Rechtsprechung des Haftungssenats des BGH nicht anders. Trifft die Festlegung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, gibt also die Entscheidung des Minderjährigen den Ausschlag, wobei dieses Ergebnis im Rahmen von § 1901a Abs. 2 BGB erzielt werden kann, weil keine (wirksame) Patientenverfügung im Sinne von § 1901a Abs. 1 BGB vorliegt.
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Einer Patientenverfügung ist kein „Verfallsdatum“ eigen, wenn auch eine Ak- 24 tualisierung gewiss sinnvoll wäre.4 Ebenso wenig ist eine vorherige ärztliche Aufklärung erforderlich. Ist die Schriftform nicht eingehalten, geht das Gesetz offensichtlich davon aus, dass die – dann immer noch vorliegende – einfache Einwilligung in medizinische Maßnahmen nicht als Patientenverfügung im Sinne von § 1901a Abs. 1 BGB anzusehen ist. Es hat dann mit den tradierten Grundsätzen der Einwilligung und Aufklärung im Arztrecht sein Bewenden. Patientenverfügungen sollen eben nur solche Situationen erfassen, in denen bestimmte Untersuchungen, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe noch nicht „unmittelbar bevorstehen“. Was dies bedeutet, lässt sich zur Zeit wiederum kaum mit der erwünschten Rechtssicherheit definieren. Einer Regelung durch Patientenverfügungen zugänglich sind sicherlich schwerwiegende Erkrankungen (z.B. Krebserkrankungen), die einen voraussehbaren Verlauf nehmen, welcher den Zustand der Einwilligungsunfähigkeit einschließt. Erfasst sind gewiss auch solche Schriftstücke, in welchen mehr oder weniger
1 2 3 4
Staudinger/Knothe, BGB, Bearbeitung 2004, § 104 Rz. 15; kritisch Spickhoff, AcP 208 (2008), 345, 380 ff. m.w.N. Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rz. 248. BGH v. 10.10.2006 – VI ZR 74/05, FamRZ 2007, 130 = VersR 2007, 66. Spickhoff, AcP 208 (2008), 345, 389 f. BT-Drucks. 16/13314, S. 20.
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pauschal mehr oder weniger bestimmte Behandlungen abgelehnt oder akzeptiert werden, ebenso entsprechende Festlegungen durch Zeugen Jehovas, soweit diese nicht unmittelbar vor dem Eingriff erfolgen. Stets ist jedoch zusätzlich zu prüfen, ob die Festlegungen wirklich auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zugeschnitten sind. 25 Nach dem Zweck der Regelung wird man Einwilligungen in medizinische Maßnahmen, die anlässlich konkreter Eingriffe erteilt worden sind, ärztlicherseits wie bisher in jedem Falle als ausreichend und verbindlich ansehen können, selbst wenn die Einwilligung einige Zeit oder kurz vor dem Eintritt der Bewusstlosigkeit durch Betäubung erteilt wurde. Sollte ein Patient wider Erwarten aus einer Vollnarkose nicht wach werden, sondern etwa ins apallische Syndrom verfallen, wäre für diese Situation demgegenüber der Anwendungsbereich einer Patientenverfügung eröffnet. Zur Befolgung ganz konkreter Einwilligungen, die gerade im Bereich von Eingriffen mit Vollnarkose stets auch eine Phase der vorübergehenden Einwilligungsunfähigkeit umfassen, bedarf es also keiner Einschaltung eines Betreuers bzw. eines Vorsorgebevollmächtigten.
2. Vorsorgeregister 26 Bei der Bundesnotarkammer besteht ein sog. zentrales Vorsorgeregister. Es ist hervorzuheben, dass dadurch nicht nur – was meist in den Vordergrund gestellt wird – eine Vollmacht, auch zur Erledigung von Angelegenheiten der Gesundheitssorge, datenmäßig erfasst und eingetragen werden kann (§ 1 Abs. 1 Nr. 5b VRegV), sondern dass die Urkunde gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 VRegV auch „besondere Anordnungen oder Wünsche . . . c) hinsichtlich Art und Umfang medizinischer Versorgung“ enthalten kann. Damit kann (auch) der Bereich der Patientenverfügung im Sinne des § 1901a BGB betreten werden. Das Register soll die einfache Feststellbarkeit von Patientenverfügungen per Internet ermöglichen1. Die Gebührenordnung, deren Rechtsgrundlage2 der eigentlichen Vorsorgeregisterverordnung bezeichnenderweise drei Wochen vorauseilte, sieht für die Eintragung zwar relativ geringfügige Beträge (von unter 20 t) vor. Doch können Notarkosten hinzukommen, deren Höhe schon Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen war3 und die bei der im Vordergrund stehenden Beurkundung einer Vorsorgevollmacht vom Gegenstandswert abhängen, wenn es (wie meist) auch um die Bevollmächtigung in Vermögensangelegenheiten geht. Unter dem Aspekt der Versteinerungsgefahr 1 Vorsorgeregister-VO (VRegV) v. 21.2.2005, BGBl. 2005 I, 318, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes v. 6.7.2009 (BGBl. I S. 1696). 2 Vorsorgeregister-Gebührensatzung vom 2.2.2005, DNotZ 2005, 81. 3 Etwa OLG Zweibrücken v. 27.10.2008 – 3 W 162/08, OLGReport 2009, 298 (Vorsorgevollmacht); OLG Zweibrücken v. 28.4.2008 – 3 W 250/07, FamRZ 2008, 1877 (Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung; Geschäftswert ist das volle Aktivvermögen des Vollmachtgebers); OLG Hamm v. 8.11.2005 – 15 W 148/05, FamRZ 2006, 722: Geschäftswert: 3000 Euro; vom Notar war der Geschäftswert mit 20 000 Euro angegeben worden. Wie OLG Hamm auch als Vorinstanz LG Arnsberg v. 23.3.2005 – 2 T 32/04, FamRZ 2006, 438 (Patientenverfügung ohne vermögensrechtlichen Bezug).
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bleibt besonders die Frage nach der Möglichkeit einer späteren Änderung. Sie kann (unter Angabe der bei der Eintragung mitgeteilten Registernummer und der Buchungsnummer) auf postalischem Weg oder über den institutionellen Nutzer erfolgen, der die Eintragung veranlasst hat (z.B. über den Notar). Die Bundesnotarkammer kann die Zahlung eines zur Deckung der Gebühren hinreichenden Vorschusses verlangen (§ 3 der VRegV), und sie kann die Vornahme der Eintragung von der Zahlung oder Sicherstellung des Vorschusses abhängig machen (§ 3 Abs. 1 S. 2 VRegV). Das alles gilt auch, wenn es um Änderungen, Ergänzungen oder Löschungen von Eintragungen geht (§ 5 Abs. 1 S. 2 VRegV). Auf den – gerade für älter werdende Personen – erheblichen formalen Aufwand und die dann erneut anfallenden Gebühren im Falle einer Bitte um Änderung oder Löschung von Eintragungen aus früherer Zeit sollte deutlich hingewiesen werden.
3. Verbindlichkeit: Grundsatz und Grenzen Als Rechtsfolge ordnet § 1901a Abs. 1 S. 2 BGB in dem Sinne die Verbindlichkeit der Patientenverfügung an, dass der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen hat. Die erste Rechtsfolge von § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB besteht folglich zunächst einmal darin, dass eine Prüfungspflicht des Betreuers bzw. des Bevollmächtigten (§ 1901a Abs. 5 BGB) ausgelöst wird. Diese Prüfungspflicht bezieht sich indes lediglich auf die Frage, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Sie erfasst nicht die Frage der Einwilligungsfähigkeit, sie enthält keine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit des Bevorstehens der medizinischen Maßnahme, und sie bezieht sich auch nicht darauf, ob die Patientenverfügung ausdrücklich oder konkludent widerrufen worden ist. Irgendein Ermessen wird dem Betreuer bzw. dem Vorsorgebevollmächtigten zumindest auf der Rechtsfolgenseite nicht eingeräumt, wenn die Patientenverfügung den Sachverhalt erfasst.
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Wichtig ist, dass Patientenverfügungen im Sinne der Norm keineswegs nur auf Situationen am Ende des Lebens zugeschnitten sein müssen. Vielmehr gelten sie nach § 1901a Abs. 3 BGB „unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten“. Hat ein einwilligungsunfähiger, aber äußerungsfähiger Volljähriger das Schriftstück verfasst, fehlt es an der Schriftform oder stand die medizinische Maßnahme schon unmittelbar bevor, hat der Betreuer bzw. der Vorsorgebevollmächtigte die Wünsche des Betroffenen dennoch zu berücksichtigen (§ 1901a Abs. 2 BGB).
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Eine wesentliche Relativierung der Verbindlichkeit entsprechender Erklärungen besteht darin, dass der Betreuer zu prüfen hat, ob die Festlegungen „auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen“. Zudem verlangt das Gesetz eine hinreichende Konkretheit (Bestimmtheit) von Patientenverfügungen. Ganz allgemein gehaltene Patientenverfügungen („keine lebensverlängernden Maßnahmen“, „keine intensivmedizinischen Maßnahmen“) sind also zunächst einmal als nicht bindend zu beachten.
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30 Bei alledem besteht ein erheblicher Beurteilungsspielraum. So wird man etwa im Falle einer augenscheinlich gern im Pflegeheim befindlichen, unter altersbedingter Demenz leidenden Patientin, die sich früher in einer Patientenverfügung die Vergabe von Antibiotika verbeten hat, aufgrund des Eindrucks der Patientin, die sich auch als Wunsch deuten lassen kann, von der Patientenverfügung abzuweichen haben. Erst recht gilt dies im Falle einer jungen Mutter, die nach einem Unfall schlechte Heilungschancen hat, und die sich vor ihrer Schwangerschaft jede Form intensivmedizinischer Maßnahmen verbat. An dieser Stelle wird sich voraussichtlich in Zukunft mancher Streit entzünden. Denn es geht um nicht mehr und nicht weniger als um die Abwägung zwischen der Verbindlichkeit einer (möglicherweise sehr allgemein gehaltenen) Patientenverfügung auf der einen Seite und um den Grundsatz „in dubio pro vita“ auf der anderen Seite. Im Falle von sehr allgemein gehaltenen Anweisungen wird man die Schwelle, ab der eine entsprechende Festlegung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zugeschnitten ist, nicht zu hoch ansetzen dürfen.
4. Prüfungsrecht und Prüfungspflicht von Betreuer und Bevollmächtigtem 31 Das Recht und die Pflicht der Prüfung, ob Festlegungen in einer Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen, liegen beim Betreuer (§ 1901a Abs. 1 BGB) bzw. dem Vorsorgebevollmächtigten (§ 1901a Abs. 5 BGB). Die Verantwortung für die Auslegung und die Einschätzung, also die Ausfüllung des Beurteilungsspielraums (im Sinne von „Tatbestandsermessen“), welcher damit verbunden ist, liegt mithin scheinbar nicht beim Arzt bzw. bei der Behandlungsseite. Diese Zuweisung der Verantwortung ist freilich nur eine scheinbare, jedenfalls dann, wenn es um den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen geht. Denn nach § 1904 Abs. 4 BGB ist eine Genehmigung des Betreuungsgerichts (nur!) dann nicht erforderlich, wenn zwischen dem Betreuer und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen dem Willen des Betreuten entspricht. Zumindest die Nichteinschaltung des Betreuungsgerichts fällt also (auch) in den Verantwortungsbereich der behandelnden Mediziner. Ihr fehlendes Einverständnis lässt ggf. die Einschaltung des Gerichts notwendig werden. 32 § 1901b Abs. 2 BGB statuiert, dass zur Ermittlung des Willens des Patienten „nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden“ soll, „sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist“. Als Angehörige nennt die Gesetzesbegründung Ehegatten, Lebenspartner, Eltern, Geschwister und Kinder. Als sonstige Vertrauenspersonen kommen auch nicht mit dem Betreuten verwandte Personen in Betracht. Das können z.B. Pflegekräfte oder im Haushalt lebende gute Bekannte sein. Obwohl § 1901b BGB in seiner Überschrift auf ein „Gespräch“ Bezug nimmt, ist in seinem zweiten Absatz nur von der „Gelegenheit zur Äußerung“ die Rede. Das Gespräch ist also der idealtypische Fall, die einseitige informatorische Äußerung (die auch in Schriftform möglich ist) genügt aber. Fraglich ist, 1048 Spickhoff
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wie es mit dem Soll-Charakter der Vorschrift steht. In der Begründung wird der im Gesetz ohnedies genannte Eilfall als Ausnahme angegeben.1 Insgesamt ist eine Abwägung zwischen Aufwand und zu erwartendem Nutzen vorzunehmen. Zwar ist zu berücksichtigen, dass nur im Ausnahmefall von der Einbeziehung solcher Personen, denen Gelegenheit zur Äußerung zu geben ist, abgesehen werden darf. Doch muss sich das Ausmaß von Ermittlungen, wer z.B. „Vertrauensperson“ sein könnte, in Grenzen halten dürfen. Angezeigt ist die Suche nach solchen Personen besonders dann, wenn z.B. die Verwandten nach eigenen Bekundungen wenig Kontakt mit dem Patienten hatten, oder wenn solche Verwandte nicht auffindbar oder existent sind. Potenziellen Fehldeutungen einer Patientenverfügung ist folgendermaßen entgegenzuwirken: Eine missbräuchliche Interpretation einer solchen Verfügung ist nach allgemeinen Grundsätzen insbesondere im Falle der Evidenz keineswegs ohne Weiteres zu befolgen. Wichtig ist vielmehr, dass dann nicht nur ärztlicherseits, sondern auch von anderen Betroffenen eingeschritten werden kann. Jedermann kann jederzeit beim Betreuungsgericht eine Überprüfung anregen.2 Hinzu kommt, dass der Arzt ohnedies eine Entscheidung des Betreuungsgerichts herbeiführen kann, indem er dissentiert, ja mehr noch: Zur eigenen juristischen Absicherung wird man Betreuern, Bevollmächtigten und Ärzten den Rat geben müssen, im Zweifel einen „künstlichen Dissens“ herbeizuführen.3 Jedenfalls wird die gerichtliche Genehmigung eines Abbruchs lebenserhaltender Maßnahmen dann den beteiligten Entscheidungsträgern eine gewisse Rechtssicherheit in haftungs- und strafrechtlicher Hinsicht vermitteln können, wenn nicht nur das betreffende Schriftstück der Patientenverfügung, sondern auch die weiteren Umstände bei dessen Abfassung, die aktuelle Lebens- und Gesundheitssituation des Patienten und die weiteren Kriterien zur Ermittlung des Willens des Patienten offen gelegt und vom Gericht gebilligt worden sind.
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5. Fehlen eines Betreuers oder Bevollmächtigten Nicht geregelt ist, wie es steht, wenn ein Betreuer (noch) gar nicht bestellt 34 wurde, wenn der Patient keine Vorsorgevollmacht erteilt hat bzw. wenn ein bestellter Betreuer oder ein Bevollmächtigter aktuell ganz einfach nicht erreichbar ist. Aufgrund des Charakters einer vorweggenommenen Einwilligung (oder auch Begrenzung der Einwilligung) sind Patientenverfügungen in derartigen Situationen keinesfalls unbeachtlich. Gleichwohl ist in solchen Konstellationen bei der Befolgung von Patientenverfügungen in dem Sinne, dass medizinisch indizierte, lebensnotwendige medizinische Maßnahmen unterbleiben, besondere Vorsicht angebracht. Zu beachten haben wird ein Arzt eine entsprechende Patientenverfügung insbesondere dann, wenn deren Inhalt mit ihm selbst im Einzelnen besprochen worden ist, oder wenn sich der behan1 BT-Drucks. 16/13314, S. 20 f. 2 BT-Drucks. 16/13314, S. 4. 3 S. Spickhoff, in: Schreiber/Lilie/Rosenau/Tadaki/Pak (Hrsg.), Globalisierung der Biopolitik, des Biorechts und der Bioethik?, 2007, S. 185, 193.
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Patientenverfügungen
delnde Arzt davon überzeugt hat, dass eine entsprechende Patientenverfügung im Vorfeld der Behandlung durch einen informierten Patienten abgegeben worden ist.1 Dabei ist an solche Patientenverfügungen zu denken, die etwa nach der Diagnose einer schwerwiegenden Erkrankung mit voraussehbarem Verlauf errichtet worden sind. Anders liegt es demgegenüber bei pauschal formulierten Erklärungen („keine lebensverlängernden Maßnahmen“; „keine intensivmedizinische Behandlung“ u.ä.). Hier sollte der Grundsatz „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gelten. Dafür spricht auch § 287 Abs. 3 FamFG, wonach ein Beschluss des Betreuungsgerichts, der den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen betrifft, erst zwei Wochen nach Bekanntgabe an den Betreuer oder an den Bevollmächtigten sowie an den Verfahrenspfleger wirksam wird. Ist sowohl der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen als auch die Weiterbehandlung medizinisch vertretbar, so sollte im Falle von pauschalen Patientenverfügungen ohne Hinzuziehung des Betreuers bzw. eines Bevollmächtigten und ohne Durchführung des Gesprächs nach § 1901b BGB selbst im Eilfall nicht der Tod des Patienten durch die Versagung lebensverlängernder Maßnahmen herbeigeführt werden.
6. Druckausübung bei der Errichtung von Patientenverfügungen 35 Nach § 1901a Abs. 4 BGB „kann“ niemand zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. Ferner darf die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses (z.B. bei Heimoder Versicherungsverträgen2) gemacht werden. Das Wort „kann“ ist als „darf“ zu lesen; offenbar ist der Gesetzgeber – ebenso in der Begründung, wo es heißt, „dass es keinen wie auch immer gearteten Zwang zur Abfassung einer Patientenverfügung gibt“3 – dem klassischen Trugschluss verfallen, wonach es nichts geben kann, „was nicht sein darf“. Das Verbot, einen Vertrag unter die Bedingung der Errichtung einer bestimmten Patientenverfügung zu stellen (§ 1901a Abs. 4 S. 2 BGB), führt zur Unwirksamkeit der entsprechenden Bedingung, sollte aber nicht zur Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrags führen. Im Allgemeinen wird es sich um eine verbotswidrige, in der Nähe der Sittenwidrigkeit stehende auflösende Bedingung handeln, wenn z.B. ein Krankenversicherungsvertrag an die auflösende Bedingung der Existenz einer entsprechenden Patientenverfügung zur Zeit des Versicherungsfalls geknüpft wird. Zumindest bei auflösenden Bedingungen entspricht es der h.M., dass die Unzulässigkeit der Bedingung (nur) zu deren Nichtigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit des Vertrags im Übrigen führt.4 M.E. sollte im Rahmen von 1 Dazu, dass sich ein (Chef-) Arzt Versäumnisse der Aufklärung durch andere prinzipiell zurechnen lassen muss, BGH, JZ 2007, 641 m. Anm. Katzenmeier = VersR 2007, 209 m. krit. Anm. Deutsch. Er hat insbesondere darzulegen, welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und zu kontrollieren. 2 BT-Drucks. 16/13314, S. 20; zum (Kranken-) Versicherungsvertrag s. bereits Spickhoff, JZ 2003, 739, 741. 3 BT-Drucks. 16/13314, S. 20. 4 Staudinger/Bork, BGB, Bearbeitung 2003, Vorbem zu §§ 158–163 Rz. 12; Bamberger/ Roth/Rövekamp, BGB, 2. Aufl. 2007, § 158 Rz. 36.
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§ 139 BGB nach dem Schutzzweck der Norm generell die Wirksamkeit eines entsprechenden Vertrags angenommen werden.1 Entsprechende Verträge sind dann ohne die entsprechende Bedingung wirksam. Das gilt auch in Bezug auf das Verbot, sich zur Errichtung einer Patientenverfügung zu verpflichten. Entsprechende Klauseln in Verträgen sind gemäß § 134 BGB unwirksam. Auch hier wird sich die Nichtigkeitsfolge indes im Zweifel nicht auf den Vertrag im Ganzen, sondern nach dem Zweck der Verbotsnorm des § 1901a Abs. 4 S. 1 BGB aus präventiven Überlegungen lediglich auf die betreffende Nebenklausel beziehen (§ 139 BGB)2. Vollständige Nichtigkeit könnte allenfalls in dem eher theoretisch denkbaren Fall angenommen werden, dass die Errichtung einer Patientenverfügung privatautonom zum Gegenstand einer Hauptleistungspflicht gemacht wird. Nicht von den Verboten des § 1901a Abs. 4 BGB erfasst werden demgegenüber die Patientenverfügungen von Zeugen Jehovas, in welchen insbesondere die Vergabe von Frischblut ausgeschlossen wird. Solange die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in der entsprechenden Glaubensgemeinschaft nicht angezweifelt werden kann, wird man von einer Bedingung der Abgabe einer entsprechenden Patientenverfügung bzw. von einer entsprechenden Verpflichtung nicht sprechen können. Das gebietet schon die Ausstrahlungswirkung der Glaubens- und Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG), auch wenn durch die Mitgliedschaft in einer entsprechenden Glaubensgemeinschaft fraglos individueller oder sozialer Druck zur Errichtung einer entsprechenden Patientenverfügung ausgeübt werden mag. Es ist zu bedenken, dass der Eintritt oder der Verbleib in einer entsprechenden Glaubensgemeinschaft freigestellt und die Blutvergabeproblematik bei Zeugen Jehovas allgemein bekannt ist. Damit ist freilich noch nicht entschieden, ob eine entsprechende Patientenverfügung in Ansehung der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation tatsächlich der Vergabe entsprechender Bluttransfusionen entgegensteht.3 Ohnedies regelt § 1901a Abs. 4 BGB nur das Schicksal der Verpflichtung zur Erstellung einer Patientenverfügung, also des entsprechenden Verpflichtungsgeschäfts, bzw. einer entsprechenden Bedingung in einem Vertrag. Das Schicksal der Patientenverfügung selbst ist durch § 1901a Abs. 4 BGB nicht angesprochen. Steht indes fest, dass entsprechender Druck bei der Abfassung einer Patientenverfügung ausgeübt worden ist, so wird die Situation bei der Errichtung der betreffenden Patientenverfügung mit der späteren konkreten Lebens- und Behandlungssituation nicht korrespondieren.
1 Auf den Zweck der der Verbotsnorm hebt zu Recht auch MüKoBGB/H. P. Westermann, 5. Aufl. 2006, § 158 Rz. 46, ab. 2 Staudinger/H. Roth, BGB, Bearbeitung 2003, § 139 Rz. 17. 3 S. dazu (Verbindlichkeit in casu abgelehnt) OLG München v. 31.1.2002 – 1 U 4705/98, NJW-RR 2002, 811 und zuvor BVerfG v. 2.8.2001 – 1 BvR 618/93, NJW 2002, 206; eine Vorsorgebevollmächtigung eines anderen Zeugen Jehovas tolerierte AG Dülmen v. 13.8.1998 – SE XVII 30, FamRZ 1999, 1300.
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7. Widerruf einer Patientenverfügung 36 Nach § 1901a Abs. 1 S. 3 BGB kann eine Patientenverfügung jederzeit formlos widerrufen werden. Zur Problematik des Vorsorgeregisters insoweit s. Rz. 26. Der actus contrarius ist mithin von den juristischen Anforderungen her im Verhältnis zur Errichtung wesentlich erleichtert. Zunächst ist keine Schriftform erforderlich. Der Widerruf ist sodann in ausdrücklicher, ebenso aber auch in konkludenter Form möglich. Es genügt jede Willensbekundung, die erkennen lässt, dass die frühere (schriftliche) Erklärung nicht weitergelten soll. Voraussetzung ist also lediglich die Willens- und Äußerungsfähigkeit des Patienten. Insbesondere wenn es um den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen geht, dürfen an eine solche Willensbekundung keine hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügen deutliche Anzeichen. Für den Widerruf reicht im Übrigen jede Form der Kommunikation. Der Widerruf muss also nicht mündlich, sondern kann auch schriftlich erfolgen, etwa wenn der Patient zu verbalen Äußerungen nicht in der Lage ist. Ebenso genügt die Einschaltung von sonstigen, z.B. elektronischen Hilfen. Ist zweifelhaft, ob eine Patientenverfügung widerrufen worden ist, die lebenswichtige medizinische Maßnahmen ausschloss, so sollte es genügen, wenn der Widerruf nur wahrscheinlich erfolgt ist. Lediglich eine vollständig spekulative Interpretation bestimmter Verhaltensweisen genügt zur Annahme eines Widerrufs nicht. Anderenfalls bestünde die Gefahr, die Patientenverfügung ohne zureichenden Anlass zu relativieren oder zu entwerten. 37 Da eine Patientenverfügung für ihre Wirksamkeit der Einwilligungsfähigkeit bedarf, wird man Entsprechendes auch für einen voll wirksamen Widerruf zu verlangen haben. Werden insbesondere in der Patientenverfügung medizinische Maßnahmen untersagt, die nach dem Willen des Betroffenen hernach doch durchgeführt werden sollen, so folgt dies zwanglos daraus, dass es sich im Zweifel um einen Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten handelt, der der rechtfertigenden Einwilligung bedarf. Bestehen Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit, ist fachärztliche (psychiatrische) Hilfe hinzuzuziehen. Da die Einwilligungsunfähigkeit die Ausnahme und die Einwilligungsfähigkeit im Falle von Volljährigen die Regel ist, ist im Zweifel von der Einwilligungsfähigkeit auszugehen. 38 Steht fest, dass der Patient zur Zeit des Widerrufs nicht einwilligungsfähig ist, so steht die Entscheidung ggf. einem Betreuer oder – vorrangig – einem Vorsorgebevollmächtigten zu. Deren Entscheidungen haben sich freilich auch an den Wünschen (und nicht nur am „objektiven“ Wohl des Patienten auszurichten). Ist der Patient also äußerungs- und willensfähig und äußert aktuelle Wünsche (im Sinne eines Widerrufs der früheren Patientenverfügung), so wird eine Versagung der Einwilligung des Betreuten in die gebotenen medizinischen Maßnahmen im Gegensatz zu einer früheren Patientenverfügung nur maßgeblich sein, wenn und soweit nicht die Gefahr besteht, dass der Betreute ohne die medizinische Maßnahme stirbt oder einen erheblichen gesundheitlichen Schaden erleidet (arg. § 1904 Abs. 2 BGB).1 Geht es nicht um die Ver1 S. auch Lipp, Freiheit und Fürsorge: Mensch als Rechtsperson, 2000, S. 166; Lipp, DRiZ 2000, 231, 236.
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sagung der Einwilligung in eine medizinische Maßnahme, sondern wünscht der (nicht einwilligungsfähige) Patient eine medizinisch indizierte (Weiter-) Behandlung, die im Gegensatz zu einer früheren Patientenverfügung steht, so ist dieser Wunsch – der zumindest typischerweise nicht auf eine Selbstschädigung gerichtet ist – vom Betreuer umzusetzen.1 Grenzen einer ärztlichen Behandlung ergeben sich hier lediglich aus der medizinischen Indikation. Überhaupt setzt sich im Falle von „Patt-Situationen“, also dann, wenn mehrere Alternativen medizinisch vertretbar sind, der Wille auch des einwilligungsunfähigen Patienten durch, soweit seine Realisierung keine Lebensgefahr oder die Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Schädigung auslöst. Einem einwilligungsfähigen Patienten, der unter Betreuung steht oder eine andere Person bevollmächtigt hat, steht ohnedies die alleinige Entscheidungskompetenz im Hinblick auf medizinische Maßnahmen zu.
VI. Die Vorsorgevollmacht 1. Gesundheitsangelegenheiten Die Bestellung eines Vertreters in Gesundheitsangelegenheiten ist möglich. Das folgt in Bezug auf Einwilligungen in ärztliche Eingriffe aus § 1904 Abs. 5 BGB. Stellvertretung ist insoweit zulässig, da es sich bei der Einwilligung jedenfalls um geschäftsähnliches Verhalten handelt2. Im Übrigen ist von einer Generalstaatsanwaltschaft entschieden worden, dass eine „Vorsorgevollmacht“ bindet, jedenfalls wenn darin bestimmt ist, ob, wie lange und in welcher Weise der Betroffene behandelt werden will; insofern handelt es sich freilich eher um eine Patientenverfügung im engeren Sinn.3 Letztlich wird dadurch jedenfalls die zunächst freie Entscheidung des Bevollmächtigten bzw. eines Betreuers doch angebunden.
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Gegenüber der staatlichen Bestellung eines Betreuers (zur Betreuungsverfügung Rz. 46 ff.) ist die Vorsorgevollmacht vorrangig und die Bestellung des Betreuers subsidiär4. Sie kann in den Grenzen des § 1904 Abs. 2, 4 und 5 BGB die Einwilligungsverweigerung bzw. eine Behandlungsabbruchentscheidung erfassen.
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Das Schriftformerfordernis des § 1904 Abs. 5 BGB sollte – was im Wortlaut der Norm („Maßnahmen“) nicht zum Ausdruck kommt5 – auch die konkreten
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1 Lipp, Freiheit und Fürsorge, S. 167. 2 Zur insoweit analogen Anwendung der §§ 164 ff. BGB Eisenbart, MedR 1997, 305 (306 ff.); Langenfeld, S. 95 ff.; Walter, S. 205 ff. Für die Annahme einer Ermächtigung Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1904 Rz. 7. 3 GeneralStA Nürnberg, FamRZ 2008, 1029. 4 Eingehend zur Subsidiarität der Betreuung Prinz von Sachsen Gessaphe, S. 248 ff.; vgl. weiter Veit, FamRZ 1996, 1309 (1310); Uhlenbruck, FS Deutsch, S. 849 (860). Praktisch (über die weitgehende Annahme des Erfordernisses der Bestellung eines Überwachungsbetreuers) einschränkend aber Walter, S. 224 ff. 5 Daher – de lege lata konsequent – gegen eine Benennung der möglichen Folgen Palandt/Diederichsen, § 1904 Rz. 7.
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Gefahren umfassen, die mit den betreffenden Maßnahmen verbunden sind und um deretwillen die schriftliche Vollmacht erteilt worden ist. Anderenfalls würden die Übereilungsfunktion und die Warnfunktion des Schriftformerfordernisses verfehlt bzw. dieses auf die bloße Beweisfunktion reduziert. Ohne Benennung der Gefahren muss ggf. ein Betreuer für den einwilligungsunfähigen Patienten bestellt werden1. 42 Die Vorsorgevollmacht kann jederzeit widerrufen werden2. Problematisch ist aber, ob zur Erteilung der Vorsorgevollmacht bzw. zu ihrem Widerruf Einwilligungsfähigkeit genügt oder ob Geschäftsfähigkeit vorliegen muss. Der Widerruf ist zunächst formlos möglich3; überdies genügt bloße Einwilligungsfähigkeit4. Schwieriger liegt es in Bezug auf die Erteilung der Vorsorgevollmacht. Hier ist wohl Geschäftsfähigkeit erforderlich5. Zwar gelten die Vorschriften über die Vollmacht nur analog. Indes eröffnet die Vollmacht faktisch eine Fremdbestimmungsmöglichkeit. Daher wird man den noch nicht voll Geschäftsfähigen auf die Möglichkeit, Wünsche in Bezug auf die Bestellung eines Betreuers äußern zu können, verweisen müssen. In diesem Zusammenhang sind dann Wünsche des noch nicht Geschäftsfähigen zu berücksichtigen (§ 1897 Abs. 4 BGB)6. 43 Fraglich ist in Bezug auf die (wirksame) Vorsorgevollmacht das Verhältnis von Wunschbefolgungspflicht und Wohl des Betroffenen. Gegen eine Begrenzung der Wunschbefolgungspflicht durch das Wohl des Betroffenen spricht zwar, dass nach dem Willen des Betroffenen ausschließlich die Entscheidungen des Bevollmächtigten ausschlaggebend sein sollten7. Solange nicht der Betroffene objektiv interessenwidrige Entscheidungen gegenüber dem Bevollmächtigten hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat8, sollte davon ausgegangen werden, dass der Patient so behandelt werden will, wie es seinem objektiv verstandenen Interesse und damit seinem Wohl entspricht9. Dabei muss freilich der Verkehrskreis des Betroffenen berücksichtigt werden, so dass sich bestimmte ärztliche Maßnahmen, z.B. im Falle eines Zeugen Jehovas10, anders darstellen als bei Personen, die dieser oder einer vergleichbaren religiösen Gruppierung nicht zugehören.
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Staudinger/Bienwald, § 1904 Rz. 79. Lipp, S. 208 m.w.N. Uhlenbruck, S. 337 f. Walter, FamRZ 1999, 685 (693); Palandt/Diederichsen, § 1904 Rz. 7. OLG Stuttgart v. 23.2.1994 – 8 W 534/93, FamRZ 1994, 1417; Palandt/Diederichsen, § 1904 Rz. 7. Palandt/Diederichsen, § 1897 Rz. 16 m.w.N. S. Walter, FamRZ 1999, 685 (689); Uhlenbruck, FS Deutsch, S. 849 (857). Uhlenbruck, FS Deutsch, S. 849 (857). Für Österreich auch Schmoller, ÖJZ 2000, 361 (374). Vgl. auch AG Dülmen v. 13.8.1998 – St XVII 30/98, FamRZ 1999, 1300 (einschlägiges, gegen Bluttransfusionen u.Ä. gerichtetes Patiententestament einer Zeugin Jehovas lässt Bedenken gegen die Bestellung einer Betreuerin der gleichen Religionsgemeinschaft entfallen).
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2. Sonstige persönliche Angelegenheiten Auch über Gesundheitsangelegenheiten hinaus kann eine Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten erteilt werden. Während früher eine Vollmacht jedenfalls in höchstpersönlichen Angelegenheiten insgesamt für unzulässig gehalten worden ist, kann nun aus § 1904 Abs. 5 BGB im Wege des Erst-Recht-Schlusses gefolgert werden, dass auch insoweit Bevollmächtigungen möglich sind. Denn höchstpersönlichere als Gesundheitsangelegenheiten sind kaum vorstellbar. Daher ist gewillkürte Vertretung aufgrund einer Vorsorgevollmacht auch bei der Einwilligung in freiheitsentziehende Maßnahmen ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für zulässig erachtet worden1. Der Gefahr des Vollmachtsmissbrauchs wird durch die Kontrollbetreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB begegnet. Die Bevollmächtigung einer gemäß § 1897 Abs. 3 BGB von der Betreuung ausgeschlossenen Person ist nach dem Schutzzweck dieser Norm nicht möglich, da bei der Vollmacht das Schutzbedürfnis des Betroffenen kein geringeres ist als im Falle der Betreuung2. Abgesehen davon ist aber die Bevollmächtigung auch von Heimpersonal zulässig (arg. e § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB). Es handelt sich hier um eine bedingte, nämlich für den Fall des Verlustes der Geschäftsfähigkeit geltende Vollmacht (§ 158 BGB), was nicht ausdrücklich erwähnt sein muss (wenngleich ein entsprechender Hinweis empfehlenswert ist). Dass auch in Bezug auf Freiheitsentziehungen oder -beschränkungen eine Bevollmächtigung möglich ist, folgt auch aus § 1906 Abs. 5 BGB, in dem von einer „Unterbringung durch einen Bevollmächtigten“ gesprochen wird. Abgesehen von dem dort enthaltenen Schriftformgebot genügt eine formlose Vollmacht auch dann nicht, wenn die Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren erforderlich ist3. Die Vollmacht hat allerdings die Übertragung gerade der fraglichen Befugnisse auf den Bevollmächtigten zweifelsfrei zu umfassen. Zudem ist Geschäftsfähigkeit des Bevollmächtigenden erforderlich. Eine Generalvollmacht ist zwar prinzipiell möglich4; sie sollte jedoch zur Klarstellung möglichst die in Betracht kommenden Gegenstände, wenigstens beispielhaft, enthalten. Hinzuweisen ist ggf. auch auf eine Pflicht des Vollmachtgebers auf Aufwendungsersatz und Vergütung des Bevollmächtigten, was sich nach allgemeinen schuldrechtlichen Grundsätzen (in erster Linie §§ 662 ff. BGB) richtet5.
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3. Vertretung im Vermögensbereich Die Vorsorgevollmacht kann – umfassend erteilt – weit über den Bereich der Sicherung der Patientenautonomie hinausgehen. Insbesondere kann sie auch im vermögensrechtlichen Bereich eingesetzt werden. Zu beachten ist, dass 1 OLG Stuttgart v. 23.2.1994 – 8 W 534/93, FamRZ 1994, 1417; hiergegen krit. Walter, S. 257 ff. 2 Anders aber Palandt/Diederichsen, Einf. v. § 1896 Rz. 5; Walter, FamRZ 1999, 688. 3 BayObLG v. 7.5.1997 – 3 Z BR 123/97, FamRZ 1998, 920. 4 Vgl. BayObLG v. 10.10.1995 – 3 Z BR 217/95, FamRZ 1996, 371; OLG Düsseldorf v. 6.12.1996 – 25 Wx 60/96, FamRZ 1997, 904; Palandt/Diederichsen, Einf. v. § 1896 Rz. 5. 5 Schwab, FamRZ 1990, 683.
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B XVI Rz. 46
Patientenverfügungen
die Vorsorgegeneralvollmacht von sich aus kein Schenkungsverbot beinhaltet1. Es kann eben der gesamte Vermögensbereich durch die Vorsorgevollmacht abgedeckt sein. Auch hier ist zur Verdeutlichung des Umfanges der Vollmacht für den Vollmachtgeber eine beispielhafte Aufzählung der wichtigsten Angelegenheiten (Grundvermögen, Geldvermögen, Bankvollmacht2, die Vertretung in Renten- oder Versicherungsangelegenheiten, Vertretung bei Behörden und Prozessvertretung3) zweckmäßig. Soll es sich um eine Generalvollmacht handeln, ist bei der Formulierung darauf zu achten, dass kein abschließender Zuständigkeitskatalog formuliert wird. Werden von der (ggf. General-)Vollmacht Verfügungen über Grundstücke erfasst, ist nach § 29 GBO die entsprechende notarielle Beglaubigung erforderlich. Unstreitig gilt die Vollmacht nach Eintritt der Geschäftsunfähigkeit weiter fort. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Vollmachtgeber durch die Aushändigung oder Nichtaushändigung einer Vollmachtsurkunde unter Umständen den Rechtsschein einer entsprechenden Bevollmächtigung steuern kann. Übrigens ist auch an die Befugnis zur Erteilung einer Untervollmacht zu denken. Insgesamt kann die Vollmacht neben der Funktion der Vermeidung der Betreuung und den Möglichkeiten der Vertretung im persönlichen Bereich noch zusätzlich die Verwendbarkeit als Generalvollmacht im traditionellen Sinne erhalten. Zur VorsorgeregisterVO s. oben Rz. 26.
VII. Die Betreuungsverfügung 46 In den §§ 1897 Abs. 4 Satz 3, 1901 Abs. 2 Satz 2, 1901c BGB ist erkennbar, dass es möglich ist, schon vor der Bestellung eines Betreuers Vorschläge zur Person des Betreuers sowie Vorschläge zur Wahrnehmung von dessen Aufgaben kundzutun. An eine bestimmte Form ist eine solche Betreuungsverfügung nicht gebunden. § 1901c BGB beinhaltet nur für den Fall, dass ein Betreuungswunsch schriftlich geäußert worden ist, die Pflicht der unverzüglichen Ablieferung an das Betreuungsgericht. Relevant wird die Betreuungsverfügung nur und erst in der Situation konkreter Einwilligungsunfähigkeit. Hinzu kommen muss überdies, dass keine eigene bindende Entscheidung für die konkrete Situation im Vorfeld getroffen worden ist4. 47 Der Patient kann in der Betreuungsverfügung unstreitig auch Wünsche hinsichtlich der Wahrnehmung der Betreuung äußern5. Zweifelhaft ist aber, ob die Wunschbefolgungspflicht des Betreuers durch das „Wohl“ des Betreuten begrenzt ist. Hat der Betreute die Wünsche im einwilligungsunfähigen Zustand geäußert, fehlt es an einer hinreichenden Grundlage für die Annahme 1 Walter, S. 108 f. m.w.N. 2 Zur Abgrenzung der Vorsorgegeneralvollmacht zu einer einzelnen Kontovollmacht OLG Köln v. 19.3.1999 – 16 Wx 30/99, FamRZ 2000, 188. S. weiter Tersteegen, NJW 2007, 1717. 3 Zu Bestattungsvorsorgeverträgen Widmann, FamRZ 2001, 74 ff. m.w.N. 4 Vgl. auch Prinz von Sachsen Gessaphe, S. 175. 5 Taupitz, JuS 1992, 9; Langenfeld, S. 156.
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Patientenverfügungen
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einer Wunschbefolgungspflicht. Anders könnte es nur liegen, wenn der Betreute die Wünsche im einwilligungsfähigen Zustand zum Ausdruck gebracht hat1. Gegen eine entsprechende Differenzierung sprechen jedoch durchgreifende Einwände. Da es nicht um einen Wunsch für eine hinreichend konkrete Situation geht, wird im Prinzip die Entscheidung in die Hände einer anderen Person gelegt. Gerade weil der Betroffene einen potenziellen Betreuer einzuschalten wünscht, möchte er die Schutzmechanismen, die zu seinen Gunsten wirken könnten, jedenfalls auch berücksichtigt wissen. Anderenfalls hätte er eine entsprechende Patientenverfügung im einwilligungsfähigen Zustand verfassen können. Richtigerweise sollte daher die Wunschbefolgungspflicht des Betreuers durch das Wohl des Betreuten auch dann begrenzt werden, wenn der Betreute die Wünsche im einwilligungsfähigen Zustand geäußert hat. In § 1901 Abs. 3 Satz 2 BGB geltender Fassung kommt das hinreichend deutlich zum Ausdruck2.
VIII. Musterformulierungen 1. Patiententestament Vor- und Zuname: . . .
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Geburtsdatum: . . . Straße/Hausnummer: . . . Tel.-Nr.: . . . PLZ/Wohnort: . . . Für den Fall, dass ich nicht mehr in der Lage bin, mein Selbstbestimmungsrecht auszuüben, treffe ich folgende Anweisungen: An mir sollen keine lebensverlängernden Maßnahmen vorgenommen werden, wenn medizinisch festgestellt ist, dass ich mich im unmittelbaren Sterbeprozess befinde. Insbesondere soll das Sterben oder Leiden nicht ohne Aussicht auf erfolgreiche Behandlung verlängert werden. Ebenso wenig wünsche ich lebensverlängernde Maßnahmen, wenn es zu einem nicht behebbaren Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt, die nach ärztlichem Ermessen zum Tode führen. Insbesondere sollen Apparate zur Aufrechterhaltung oder Unterstützung von Organfunktionen dann nicht eingesetzt werden. Ähnliche medizinische Hilfen sollen unterlassen und gegebenenfalls abgebrochen werden. Maßnahmen der Wiederbelebung wünsche ich nicht im Endstadium einer tödlich verlaufenden Krankheit [oder im Falle voraussichtlich dauerhafter Schädigung des Gehirns mit der Folge von Kommunikationsunfähigkeit].
1 Dafür Langenfeld, S. 166 ff. 2 S. auch Prinz von Sachsen Gessaphe, S. 211 f., 255 f.
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Nur zur Leidensminderung bin ich mit einer Intensivtherapie und sonstigen geeigneten medizinischen Maßnahmen einverstanden. Das Gleiche gilt zur Linderung von Unruhe und Angst. Leidens- und schmerzlindernde, angst- und unruhevermeidende medizinische Maßnahmen erbitte ich auch dann, wenn hierdurch eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Diese Entscheidung treffe ich nach eingehender Beratung und Aufklärung durch (. . ., Name und Dienstanschrift des aufklärenden Arztes). Unterschrift des Patienten, Ort, Datum: . . . Unterschrift, Ort und Datum des aufklärenden Arztes: . . . Diese Patientenverfügung wird von mir erneut bestätigt: . . . Unterschrift des Patienten, Ort, Datum: . . . Unterschrift des Patienten, Ort, Datum: . . . Unterschrift des Patienten, Ort, Datum: . . .
2. Vorsorgevollmacht 49 Personalien (wie 1.) Für den Fall, dass ich die Geschäftsfähigkeit oder meine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit verloren habe, so dass ich nicht mehr imstande bin, mein Selbstbestimmungsrecht in Gesundheits- und Vermögensangelegenheiten wirksam auszuüben, und für den Fall, dass verbindliche Anordnungen in meinem Patiententestament vom . . . nicht getroffen worden sind, bevollmächtige ich Frau/Herrn: . . . geb. am: . . ., wohnhaft: . . ., Tel.: . . ., mich in allen meinen Angelegenheiten (ggf.: In den im Einzelnen benannten Aufgaben) zu vertreten und Entscheidungen für mich zu treffen. Die Vollmacht soll der Anordnung einer Betreuung vorgehen. Soweit gleichwohl ein Betreuer bestellt wird, bleibt die Vollmacht im Übrigen bestehen. Die bevollmächtigte Person darf auch Krankenunterlagen einsehen und in deren Herausgabe an Dritte einwilligen. Zu diesem Zweck entbinde ich die mich behandelnden Ärzte gegenüber der bevollmächtigten Person von der Schweigepflicht. Die bevollmächtigte Person ist berechtigt und verpflichtet, von den mich behandelnden Ärzten eine Aufklärung über die Art meiner Erkrankung, meinen Zustand und die Prognose sowie Möglichkeiten der Behandlung zu verlangen. Die Vollmacht hinsichtlich meiner persönlichen Angelegenheiten ist nicht übertragbar. Auch eine Untervollmacht darf insoweit nicht erteilt werden. In Vermögensangelegenheiten kann der Bevollmächtigte Untervollmacht erteilen. Insoweit ist er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Vollmacht bleibt über den Tod hinaus wirksam.
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Vermögensangelegenheiten: Die Vollmacht umfasst (insbesondere) folgende Maßnahmen: – Verfügung über mir gehörende Gegenstände, – die Befugnis, über meine laufenden Konten bei Geldinstituten zu verfügen, ggf. um die Kosten für einen Krankenhausaufenthalt oder den Aufenthalt in einem Heim einschließlich der Transport- und Arztkosten zu begleichen. Ich weise meine Geldinstitute an, nicht auf einer beglaubigten Vollmacht zu bestehen. – die Befugnis, Vereinbarungen mit Kliniken, Alten- oder Pflegeheimen abzuschließen, – die Befugnis, Zahlungen für mich entgegenzunehmen, zu quittieren oder Zahlungen vorzunehmen, insbesondere die Begleichung aller Verpflichtungen des täglichen Lebens, einschließlich der Haushaltsführung und etwaiger Unterhaltsverpflichtungen, – die Befugnis, mich gegenüber Behörden, Gerichten, privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen sowie sonstigen öffentlichen Einrichtungen (Beihilfe) und gegenüber Privatpersonen außergerichtlich und gerichtlich zu vertreten sowie alle Prozesshandlungen für mich vorzunehmen, – die Befugnis, im Falle einer dauerhaften Unterbringung meine Wohnung aufzulösen, den Mietvertrag zu kündigen, die Wohnungseinrichtung zu verkaufen (oder zu verschenken, soweit nicht testamentarisch entgegenstehende Anordnungen getroffen worden sind), – die Befugnis, im Falle einer dauerhaften Unterbringung auch grundlegende Vermögensverfügungen (Hausverkauf, Kauf und Verkauf von Wertpapieren) vorzunehmen. Persönliche Angelegenheiten: Die Vollmacht umfasst weiterhin (insbesondere) folgende Aufgaben: – Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, auch bei der Entscheidung über die Unterbringung in einem Pflegeheim oder in einer geschlossenen Anstalt, – Entscheidung über freiheitsentziehende oder unterbringungsähnliche Maßnahmen (etwa das Anbringen von Bettgittern, Gurten oder anderen mechanischen Vorrichtungen sowie die Verabreichung von Medikamenten, betäubende wie sonstige, auch wenn sie erhebliche unerwünschte Nebenwirkungen haben können), – Zustimmung oder Ablehnung von ärztlichen Maßnahmen einschließlich von Maßnahmen der Intensivtherapie und lebensgefährlichen Maßnahmen,
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B XVI Rz. 50
Patientenverfügungen
– Entscheidungen über die Einleitung oder den Abbruch einer künstlichen Ernährung, die Entscheidung über einen Behandlungsabbruch bzw. die Einstellung lebenserhaltender oder lebensverlängernder Maßnahmen wie Sauerstoffzufuhr, künstliche Beatmung, Medikation, Bluttransfusion und Dialyse, vorausgesetzt, die Krankheit mit infauster Prognose hat einen nach ärztlichem Ermessen mit hoher Wahrscheinlichkeit irreversiblen und in wenigen Tagen/Wochen zum Tode führenden Verlauf genommen (ggf.: und verbindliche Entscheidungen in meinem Patiententestament vom . . . sind nicht getroffen worden). – Entscheidungen über die Sterbebegleitung und die Leidhilfe, auch soweit Ärzte und Pflegepersonal dadurch gehalten werden, Schmerz, Atemnot, unstillbaren Brechreiz, Erstickungsangst oder vergleichbaren schweren Angstzuständen entgegenzuwirken, selbst wenn mit diesen Maßnahmen das Risiko einer Lebensverkürzung nicht ausgeschlossen werden kann (ggf.: sofern hierzu nichts in meinem Patiententestament vom . . . niedergelegt worden ist). – die Entscheidung darüber, ob und inwieweit nach meinem Tod zu Transplantationszwecken Organe entnommen werden dürfen oder ob und inwieweit mein Körper zu wissenschaftlichen Zwecken einer Sektion zugeführt werden kann (ggf.: soweit nicht im Patiententestament vom . . . oder an anderer Stelle von mir hierzu nichts selbst bestimmt worden ist). Unterschrift: . . . Ort: . . . Datum: . . . Diese Erklärung wird von mir erneut bestätigt: Unterschrift des Patienten, Ort, Datum: . . . Unterschrift des Patienten, Ort, Datum: . . .
3. Betreuungsverfügung 50 Personalien (wie 1.) Als Betreuer wünsche ich Herrn/Frau: . . . geb. am: . . ., wohnhaft: . . . (Ggf.: Mein Betreuer soll insbesondere die Durchsetzung meiner in meinem Patiententestament vom . . . niedergelegten Anordnungen sicherstellen und im Sinne dieser Anordnungen liegende Einzelmaßnahmen insoweit veranlassen, als sie von mir in meinem Patiententestament nicht selbst verbindlich festgelegt worden sind und meine Vorsorgevollmacht vom . . . aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht wirksam ausgeübt werden kann.) Name des Patienten, Ort, Datum: . . .
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C. Das Mandat nach dem Erbfall I. Die gesetzliche Erbfolge Schrifttum: Belling, Einführung in das Recht der gesetzlichen Erbfolge, Jura 1986, 579; Dittmann, Adoption und Erbrecht, Rpfleger 1987, 277; Griwotz, Beratungshandbuch Lebenspartnerschaft, 2003; Groll, Die gesetzliche Erbfolge, Band 8 der Schriftenreihe des Deutschen Forums für Erbrecht; Kemp, Bemerkungen zum gesetzlichen Erbrecht bei der Adoption nach neuem Recht, MittRhNotK 1977, 137; Meyer-Mittelstädt, Das Lebenspartnerschaftsgesetz, 2001; Muscheler, Das Recht der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, 2. Auflage 2004; Muscheler, Die erbrechtliche Universalsukzession, Jura 1999, 234, 289; Olzen, Die gesetzliche Erbfolge, Jura 1998, 135; Rauscher, Die erbrechtliche Stellung nicht in einer Ehe geborener Kinder nach Erbrechtsgleichstellungsgesetz und Kindschaftsrechtsreformgesetz, ZEV 1998, 41 ff.; Wellenhofer-Klein, Die eingetragene Lebenspartnerschaft, 2003. Rz. I. Wann tritt die gesetzliche Erbfolge ein? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überraschungen und Tücken der gesetzlichen Erbfolge . . . . . . III. Das gesetzliche Erbrecht als Verwandtenerbfolge 1. Die gesetzliche Erbfolge als Quelle von Beratungsfehlern . . . 2. Der Begriff des „Verwandten“ . . 3. Die Grundsäulen der Verwandtenerbfolge a) Zum Verständnis unseres Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeichenerklärung . . . . . . . . . . c) Die Erbfolge nach Ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Repräsentationsprinzip (Ausschluss nachfolgender Generationen) . . . . . . . . . . . . . e) Das Eintrittsrecht von Abkömmlingen . . . . . . . . . . . . . . f) Die Erbfolge nach gleichwertigen Stämmen . . . . . . . . . . . . g) Besonderheiten ab der 2. Ordnung (Linienprinzip). . . . . . . . h) Das Gradualsystem ab der 4. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . i) Mehrere Erbteile bei mehrfacher Verwandtschaft (§ 1927 BGB) . . . . . . . . . . . . . .
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Rz. j) Folgen der Erbteilserhöhung (§ 1935 BGB) . . . . . . . . . . . . . . IV. Das gesetzliche Erbrecht des nichtehelichen Kindes . . . . . . . . 1. Das Erbrecht nach der Mutter . 2. Das Erbrecht nach dem Vater a) Die vier Fragen. . . . . . . . . . . . b) Geburt des Kindes vor dem 1.7.1949. . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erbfälle vor dem 1.7.1970. . . d) Erbfälle zwischen dem 1.7.1970 und dem 31.3.1998 e) Erbfälle ab dem 1.4.1998 . . . V. Das gesetzliche Erbrecht der als Kind Angenommenen . . . . . 1. Gesellschaftspolitischer Wandel und Beratungsbedarf . . . . . . 2. Der minderjährige Angenommene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der volljährig Angenommene . 4. Gestaltungsempfehlungen . . . . VI. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten 1. Grundvoraussetzungen des Ehegattenerbrechts. . . . . . . . . . . a) Die Ehe bestand nicht oder nicht mehr . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Ehegattenerbrecht trotz bestehender Ehe . . . . . .
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2. Das Ehegattenerbrecht bei Gütertrennung und Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei der Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Das Ehegattenerbrecht bei Zugewinngemeinschaft . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassende Tabelle zum gesetzlichen Ehegattenerbrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 6. Das Recht der neuen Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Der Ehegattenvoraus (§ 1932 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Das gesetzliche Erbrecht gleichgeschlechtlicher Paare . .
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VIII. Der Dreißigste (§ 1969 BGB). . .
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IX. Das Erbrecht des Fiskus. . . . . . .
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I. Wann tritt die gesetzliche Erbfolge ein?
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Beratungssituation: Der Mandant erklärt seinem Berater, die gesetzliche Erbfolge interessiere ihn nicht, denn er könne ja die Erbfolge per Testament selbst verbindlich bestimmen.
1 Der Mandant unterschätzt die Tragweite der gesetzlichen Erbfolge. Sie greift nicht nur ein, – wenn keine letztwillige Verfügung getroffen wurde, sondern auch – bei Unwirksamkeit der Verfügung wegen Testierunfähigkeit, Formverstoßes, Sittenwidrigkeit, unauflösbarer Widersprüchlichkeit oder Unmöglichkeit der getroffenen Regelung, – wenn die Verfügung nur einen Teil des Nachlasses erfasst, § 2088 BGB, – bei Ausschlagung, §§ 1942 ff. BGB, – Anfechtung, §§ 2078 ff. BGB und – Erbunwürdigerklärung, §§ 2339 ff. BGB. Auch in zahlreichen weiteren Normen wird bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auf die Geltung der gesetzlichen Erbfolge verwiesen, so z.B. in § 2066 BGB (Einsetzung der „gesetzlichen Erben“), § 2067 BGB (Einsetzung von „Verwandten“), § 2068 BGB (Einsetzung von „Kindern“), § 2069 BGB (Wegfall eines eingesetzten Abkömmlings), § 2094 BGB (Anwachsung), § 2104 BGB (gesetzliche Erben als Nacherben), § 2105 BGB (gesetzliche Erben als Vorerben) oder § 2149 BGB (Vermächtnis an den gesetzlichen Erben). Schließlich sollte der Mandant mit der gesetzlichen Erbfolge vertraut gemacht werden, weil sie die entscheidende Grundlage für die Höhe der Pflichtteilsansprüche bildet. Die Gestaltung der Erbfolge ist in der Regel von der Pflichtteilsproblematik nicht zu trennen.
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Gesetzliche Erbfolge
Rz. 6 C I
II. Überraschungen und Tücken der gesetzlichen Erbfolge
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Beratungssituation: Der Mandant meint, keine letztwillige Verfügung treffen zu müssen, weil die gesetzliche Erbfolge automatisch zu einer vernünftigen Vermögensverteilung führe.
Ein verbreiteter Irrtum, dokumentiert durch die Tatsache, dass nicht einmal jeder dritte erwachsene Deutsche eine letztwillige Verfügung trifft1. Hier aufzuklären, zählt zu den wichtigsten Aufgaben des Beraters. Es ist kaum ein Fall denkbar, in dem nicht die durchdachte letztwillige Verfügung der bloßen gesetzlichen Erbfolge überlegen wäre, schon wegen der Möglichkeit, auf Instrumente wie Vor- und Nacherbschaft, Vermächtnis, Teilungsanordnung, gewillkürte Ersatzerbschaft oder Testamentsvollstreckung zurückgreifen zu können.
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Hier einige klassische Fehleinschätzungen von Laien: – Entgegen der Meinung vieler führt die gesetzliche Erbfolge in der Regel zu einer Erbengemeinschaft. Deren Tücken sind vielen unbekannt: Verfügungsbeschränkendes Gesamthandseigentum (§ 2033 Abs. 2 BGB), wechselseitiges Blockieren durch den Zwang zur gemeinschaftlichen Verwaltung (§ 2038 BGB), Recht jedes Einzelnen, den Nachlass ganz oder teilweise auch gegen den Willen der Miterben zu sprengen, § 2042 BGB (Beispiel: Der neben der Mutter den Vater beerbende Sohn betreibt die Teilungsversteigerung des Familienwohnsitzes, welcher der Mutter schon seit 30 Jahren als Lebensmittelpunkt gedient hat). Eine vernünftige letztwillige Verfügung hilft, alle diese Misslichkeiten zu vermeiden.
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– Kinderlose Ehepaare meinen häufig, sich von Gesetzes wegen allein zu beerben, was im Hinblick auf § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB falsch ist. So geschieht es immer wieder, dass sich der überlebende Ehepartner plötzlich einem ungeliebten Geschwister des Erblassers in Erbengemeinschaft gegenübersieht. Sogar Ehepaare mit Kindern glauben nicht selten, sie beerbten sich allein.
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– Häufiger Fall: Ein kinderloser Lediger, dessen Vater nicht mehr lebt, glaubt, seine Mutter beerbe ihn allein. Ist jedoch der Vater vorverstorben, erben neben der Mutter die Geschwister des Erblassers, § 1925 Abs. 3 BGB, ja sogar auch dessen Stiefgeschwister, wenn der Vater Kinder aus der Beziehung mit einer anderen Frau hinterlassen hat. Ihnen wollte der Erblasser vielleicht keinesfalls etwas zukommen lassen.
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– Verbreitet ist auch die Unkenntnis über den Zusammenhang zwischen Güterstand und Ehegattenerbrecht, also z.B. darüber, dass der Gang in die Gütertrennung den Überlebenden ein Viertel Erbteil kosten kann, §§ 1931,
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1 Laut EMNID-Umfrage von 2007, in Auftrag gegeben vom Deutschen Forum für Erbrecht e.V., München, sind es nur rund 25 %.
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C I Rz. 7
Gesetzliche Erbfolge
1371 Abs. 1 BGB, und dass dies auch auf seinen Pflichtteil durchschlägt, § 2303 BGB. 7 – Weithin unbekannt sind schließlich die gesetzlichen Ersatzerbenregelungen, zum Beispiel über das Vorversterben eines vom Erblasser eingesetzten Abkömmlings, § 2069 BGB. Oft wird der Erblasser nicht gewollt haben, dass anstelle des Abkömmlings dessen eigenen Abkömmlinge erben. Vielleicht hätte der Erblasser statt ihrer lieber ein anderes seiner Kinder als Erbe gesehen. Durch die zunehmende Ausdehnung der analogen Anwendung des § 2069 BGB (z.B. auf die Abkömmlinge des eingesetzten nichtehelichen Partners) bekommt die Thematik immer größere Brisanz. Auch die Regelung, dass der Nacherbe im Zweifel als Ersatzerbe eingesetzt ist, § 2102 BGB, kann dem Interesse des Erblassers widersprechen, etwa wenn ihm der Nacherbe noch zu jung erscheint, um jetzt schon das Erbe anzutreten. Diese wenigen Beispiele sollen illustrieren, dass die gesetzliche Erbfolge nicht selten den Vorstellungen des Mandanten widerspricht. Bei richtiger Aufklärung dagegen könnte er sein Vermögen in die gewünschte Richtung lenken.
III. Das gesetzliche Erbrecht als Verwandtenerbfolge 1. Die gesetzliche Erbfolge als Quelle von Beratungsfehlern 8 Der Text der gesetzlichen Erbfolge des BGB ist sehr abstrakt und zudem nicht durchgängig systematisch gegliedert. Fehlbeurteilungen liegen also nahe, damit auch Haftungsfälle, in denen man dem Geschädigten wenig entgegenzuhalten hat. Die folgende Darstellung soll daher der Klarheit und Anschaulichkeit dienen. Wichtiger Beratungshinweis vorab: Keine Beratung ohne exakte Skizze des Stammbaums!
2. Der Begriff des „Verwandten“ 9 Es gilt Verwandtenerbfolge, „Verwandtschaft“ ist jedoch ein Rechtsbegriff, der z.T. vom allgemeinen Verständnis abweicht. Kernpunkte sind: – Verwandtschaft ist Blutsverwandtschaft in gerader und Seitenlinie, § 1589 BGB. – Verschwägerte, also die Verwandten des anderen Ehegatten, sind nicht gesetzliche Erben. – Auch die Adoption begründet ein Verwandtschaftsverhältnis, welches ein gesetzliches Erbrecht auslöst, s. Rz. 31 ff. – Nichteheliche Kinder sind ehelichen im Grundsatz gleichgestellt, Unterschiede bestehen nur noch in Altfällen, s. Rz. 24 ff. – Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat, § 1591 BGB, auch im Falle einer Ei- oder Embryonenspende1. 1 Das Embryonenschutzgesetz verbietet derlei Maßnahmen.
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Gesetzliche Erbfolge
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– Über die Vaterschaft entscheidet an sich die blutsmäßige Abstammung. Familienrechtliche Spezialnormen binden jedoch auch das Erbrecht, und zwar ohne Nachweis der Abstammung, es sei denn, die Nichtvaterschaft ist aufgrund Anfechtung rechtskräftig festgestellt, § 1599 Abs. 1 BGB. Letztlich zählt also nur die rechtlich anerkannte Abstammung. So gilt als Vater eines Kindes der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft nach § 1600d BGB gerichtlich festgestellt wurde, § 1592 BGB. In den Fällen der Geburt eines Kindes nach Auflösung der Ehe durch Tod oder der Geburt eines Kindes von einer Frau, die eine weitere Ehe geschlossen hat, gilt § 1593 BGB1.
3. Die Grundsäulen der Verwandtenerbfolge a) Zum Verständnis unseres Systems Das System des Verwandtenerbrechts verkörpert einen Kompromiss zwischen verschiedenen vernünftigen Zielen. Es sollen primär die dem Erblasser verwandtschaftlich am nächsten stehenden Personen erben. Dem dienen (mit eingeschränkter Tauglichkeit) die Erbfolge nach Ordnungen und das Repräsentationsprinzip, eingeschränkt deshalb, weil es sein kann, dass beim Tod des Erblassers dessen Ur-Urenkel erbt, der eigene Vater jedoch nicht. Fällt der gesetzlich eigentlich Berufene durch Vorversterben weg, soll seine Position dadurch gewahrt bleiben, dass seine Abkömmlinge an diese Stelle treten. Das nennt man das Eintrittsprinzip. Ferner: Jeder Abkömmling bildet mit seinen eigenen Abkömmlingen einen Stamm. Das Gesetz will die Gleichbehandlung aller Stämme, weist also jedem Stamm die gleiche Quote zu, wie viele Mitglieder ihm auch immer angehören. Das ist die Erbfolge nach Stämmen. Kommen mangels Abkömmlingen die elterlichen Linien zum Zuge, dann sollen väterliche und mütterliche Linie gleich viel erhalten, Linienprinzip genannt. Das Gesetz zielt aber nicht nur auf Gerechtigkeit, sondern auch auf Zweckmäßigkeit. Um eine zu starke Zersplitterung des Nachlasses zu vermeiden, gilt ab der 4. Ordnung (Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge) nicht mehr das Stamm-, sondern das Gradualsystem. Es erben nur noch die mit dem Erblasser dem Grade nach am nächsten verwandten Personen. Im Folgenden werden diese Grundsäulen der gesetzlichen Verwandtenerbfolge näher erläutert, auch durch Beispiele, die in der Beratungspraxis besonders häufig vorkommen.
1 Zum Übergangsrecht für das Gebiet der ehem. DDR zur Abstammung vgl. Art. 234 § 7 EGBGB.
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b) Zeichenerklärung 11
c) Die Erbfolge nach Ordnungen 12
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Beratungssituation: Mandant E fragt nach der gesetzlichen Erbfolge im Falle seines Todes: Er ist verwitwet und hat die Söhne K 1 und K 2. Seine Eltern V und M leben noch. Er hat zwei Schwestern S 1 und S 2.
Die Lösung des Falles lässt sich anhand des Erbfolgesystems des BGB wie folgt entwickeln: Das Gesetz wählt aus, es erben nicht alle Verwandten. Sie werden Ordnungen zugeteilt, jeder Verwandter ist also Mitglied einer bestimmten Ordnung. Die folgende Skizze mag das näher veranschaulichen:
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Gesetzliche Erbfolge
Rz. 12 C I
Das Schaubild gleicht den russischen Holzpuppen oder Spielzeugkästchen, die ineinander gesteckt werden können. Jeder Kasten steht für eine Ordnung. Es beginnt mit dem kleinsten Kasten, der 1. Ordnung, es folgt der nächstgrößere, 2. Ordnung usw., ohne Begrenzung. Das Gesetz definiert in den §§ 1924 bis 1929 BGB, wer zu welcher Ordnung gehört. Danach sind Erben 1. Ordnung die Abkömmlinge des Erblassers (also Kinder, Enkel, Urenkel usw.), § 1924 BGB, Erben 2. Ordnung die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (z.B. Geschwister, Neffen, Nichten), § 1925 BGB, Erben 3. Ordnung die Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (z.B. Onkel, Tante, Cousine), § 1926 BGB. Erben der 4. Ordnung sind die Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge (z.B. Großonkel), § 1928 BGB. Zur Verdeutlichung wird noch einmal ein Blick auf obiges Schaubild empfohlen. Die ferneren Ordnungen erwähnt § 1929 BGB, wonach das dargestellte Prinzip auch dort fortgeführt wird. Mit der Zugehörigkeit zu einer Ordnung ist aber über die gesetzliche Erbfolge noch nicht entschieden. Diese ergibt sich erst aus der Rangfolge zwischen den Ordnungen. § 1930 BGB bestimmt, dass ein Verwandter nicht erbt, solange ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung vorhanden ist. Verwandte der niedrigeren Stufe schließen also solche der höheren Stufe aus, sog. „Parentelsystem“ (Parentel = Gesamtheit der von einem gemeinsamen Vorfahren abstammenden Personen). Zählt man nicht zum tatsächlich vorhandenen PerGroll 1067
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Gesetzliche Erbfolge
sonenkreis des kleinsten Kästchens, sprich der niedrigsten Ordnung, erhält man nichts. Mit Blick auf das Schaubild bedeutet dies z.B.: Ist der einzige lebende Abkömmling des verwitweten Erblassers dessen Ur-Urenkel, so wird dieser Alleinerbe, unter Ausschluss aller anderen Verwandten in allen höheren Ordnungen. So würden in diesem Fall auch die Eltern oder Geschwister des Erblassers leer ausgehen, da sie erst zur 2. Ordnung gehören. Lösung im Ausgangsfall daher: K 1 und K 2 erben als Mitglieder der 1. Ordnung je zur Hälfte, die übrigen Verwandten, Eltern und Schwestern des Erblassers, sind von der Erbfolge ausgeschlossen. d) Das Repräsentationsprinzip (Ausschluss nachfolgender Generationen) 13
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Beratungssituation: Sie entspricht der vorigen, nur hat Sohn K 1 bereits selbst zwei Söhne A und B. Erbfolge?
Gemäß der Erbfolge nach Ordnungen steht bisher fest, dass nur Abkömmlinge des E erben. Aber welche? Der nächste Baustein des Systems ist das Repräsentationsprinzip. Das bedeutet: Hat ein Abkömmling des Erblassers selber Abkömmlinge, schließt er diese als Erben aus, er allein repräsentiert seinen Stamm. Auf diese Weise erbt innerhalb eines Stamms der mit dem Erblasser am nächsten Verwandte. Dieses Prinzip gilt für sämtliche Ordnungen, vgl. §§ 1924 Abs. 2, 1925 Abs. 2, 3 Satz 1, 1926 Abs. 2, 5, 1928 Abs. 2, 1929 Abs. 2 BGB, wobei ab der 4. Ordnung gemäß § 1928 Abs. 3 BGB noch Besonderheiten gelten, s. Rz. 20. Lösung des Falles: K 1 und K 2 erben je zur Hälfte, die Enkel A und B erhalten nichts, da sie von ihrem Vater K 1 ausgeschlossen werden. Wer also, etwa aus steuerlichen Gründen, auch schon seinen Enkeln etwas zukommen lassen möchte, muss seine letztwillige Verfügung entsprechend gestalten. 1068 Groll
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Rz. 15 C I
e) Das Eintrittsrecht von Abkömmlingen
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Beratungssituation: Sie entspricht der vorigen, nur ist Sohn K 1 bereits vorverstorben. Erbfolge?
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Es erbt nicht etwa Sohn K 2 allein, weil er dem E am nächsten verwandt ist, sondern A und B treten an die Stelle ihres vorverstorbenen Vaters K 1 und erhalten zusammen den Anteil, den K 1 im Erlebensfall geerbt hätte. Der diesem sog. Eintrittsrecht entsprechende Grundsatz lautet: An die Stelle eines vorher weggefallenen (gesetzlichen) Erben treten seine Abkömmlinge, § 1924 Abs. 3 BGB, es sei denn, dass diese durch seinen Erbverzicht mit ausgeschlossen sind, § 2349 BGB. Lösung des Falles: Auf K 2 entfällt die Hälfte, auf A und B je ein Viertel des Nachlasses. Dieser zuletzt erörterte Fall gehört zu den klassischen Konstellationen in der Beratungspraxis. Manche Erblasser werden sich (auch im Rahmen der Gestaltung der Ersatzerbfolge) nur schwer schlüssig, ob bei Vorversterben eines eigenen Kindes die anderen eigenen Kinder nun alles erben oder (der gesetzlichen Erbfolge entsprechend) auch die Abkömmlinge des vorverstorbenen Kindes miterben sollen. Das lässt sich nur individuell beantworten. Im ersten Fall bedürfte es einer letztwilligen Verfügung, wobei den Abkömmlingen des vorverstorbenen Kindes jedoch der Pflichtteil zustünde. f) Die Erbfolge nach gleichwertigen Stämmen Das letzte Fallbeispiel verweist zugleich auf die nächsten Prinzipien der gesetzlichen Erbfolge: – Erbfolge nach Stämmen – Gleichwertigkeit der Stämme Bezogen auf die 1. Ordnung bedeutet das, dass jedes Kind des Erblassers (so auch K 1 und K 2) mit seinen sämtlichen Abkömmlingen (also auch Enkel, Urenkel usw.) einen eigenen Stamm bildet. Im folgenden Schaubild wären sogar drei Stämme, A, B und C, zu unterscheiden, wobei es für die Existenz ei-
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Gesetzliche Erbfolge
nes Stammes keine Rolle spielt, ob seine Mitglieder zum Teil schon vorverstorben sind, wenn nur irgendjemand von diesem Stamm noch lebt:
Gleichwertigkeit der Stämme heißt, dass auf alle Stämme gleich viel entfällt, unabhängig von der Zahl der Mitglieder eines Stammes. Deshalb erhalten im letzten Beratungsfall die Enkel A und B zusammen genauso viel wie K 2, und nicht etwa deshalb mehr, weil sie zu zweit sind. Auch die in obiges Schaubild eingesetzten Quoten dokumentieren dieses Prinzip, denn letztlich entfällt auf jeden Stamm ein Drittel. g) Besonderheiten ab der 2. Ordnung (Linienprinzip) 16 Die 2. Ordnung kann nur dann zum Zuge kommen, wenn keine Abkömmlinge des Erblassers vorhanden sind oder wenn sie wegfallen, z.B. wegen Erbverzichts, Erbunwürdigkeit oder Ausschlagung. Gemäß § 1925 Abs. 2 BGB erben dann die Eltern allein und zu gleichen Teilen. Sind beide Eltern vorverstorben, geht der Nachlass an die Geschwister bzw. die Neffen und Nichten usw. des Erblassers, wobei auch in dieser Ordnung (wie auch in der Dritten) die Erbfolge nach Stämmen gilt. Will der Erblasser nicht, dass er von seinen Geschwistern oder deren Abkömmlingen beerbt wird (ein verbreiteter Tatbestand!), dann muss er anderweitig letztwillig verfügen. Wie ist die Erbfolge, wenn nur noch ein Elternteil lebt?
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Beratungssituation: Erblasser E (ledig, keine Abkömmlinge) ist gestorben. Er hinterlässt seinen Vater V und die Schwestern T 1 und T 2.
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Gesetzliche Erbfolge
Rz. 18 C I
Hätten beide Eltern des E gelebt, wäre ihnen das Erbe je hälftig zugefallen. Lebt nur der Vater (ohne weitere Abkömmlinge der Eltern), erbt er allein, § 1925 Abs. 3 Satz 2 BGB. Erlebt nur ein Elternteil den Erbfall, sind aber weitere Abkömmlinge vorhanden, greift das sog. Linienprinzip, welches die Gleichberechtigung der väterlichen und mütterlichen Linie verkörpert. Gemäß § 1925 Abs. 3 BGB treten an die Stelle des vorverstorbenen Elternteils dessen Abkömmlinge nach den für die Beerbung in der 1. Ordnung geltenden Vorschriften. Im Ausgangsfall erben der Vater also zu ½ und die Schwestern T 1 und T 2 zu je ¼. Besondere Bedeutung erlangt das Linienprinzip, wenn noch Abkömmlinge des vorverstorbenen Elternteils aus einer anderen Beziehung leben.
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Beratungssituation: Sie entspricht dem vorigen Fall, nur hat die vorverstorbene Mutter M noch zwei Söhne aus ihrer ersten Ehe mit G.
Das Linienprinzip klärt auch die Frage des Verhältnisses der erbrechtlichen Quoten zwischen Voll- und Halbgeschwistern. Halbgeschwister erben im Gegensatz zu Vollgeschwistern nur, wenn ihr Elternteil gestorben ist. E wird also wie folgt beerbt: Vom Vater zu ½, die an sich der Mutter zustehende andere Hälfte fällt wegen ihres Vorversterbens zu gleichen Teilen an alle
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Gesetzliche Erbfolge
ihre Kinder, und zwar zu gleichen Teilen (unabhängig davon, aus welcher Ehe sie stammen), so dass S 1, S 2, T 1 und T 2 je 1/8 erben. Wären (bei gleicher Nachkommenschaft) Vater und Mutter von E vorverstorben, so ergäbe sich folgendes Bild:
In diesem Fall ginge die Hälfte des Vaters an seine Kinder T 1 und T 2 zu gleichen Teilen, so dass sie je ¼ erhielten, die Hälfte der Mutter zu gleichen Teilen an ihre Kinder T 1, T 2, S 1 und S 2 (also je 1/8). T 1 und T 2 erben gerechterweise mehr als ihre Halbgeschwister, weil sie über Vater und Mutter des Erblassers E zum Zuge kommen. Da aber Halbgeschwister oft gar nichts bekommen sollen, besteht seitens des E Handlungsbedarf per letztwilliger Verfügung. 19 Im Vergleich zwischen der 2. und 3. Ordnung ergeben sich prinzipiell keine Unterschiede, zur Illustration sei jedoch noch ein Beispiel vorgeführt, in dem die 3. Ordnung berührt ist.
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Beratungssituation: E, einziges Kind seiner Eltern, ist ledig und hat keine Abkömmlinge. Seine Eltern V und M leben nicht mehr, ebenso wenig seine Großeltern GV 1, GM 1, GV 2 und GM 2. E hat noch eine Tante T, die Schwester seines Vaters. Die Brüder der Mutter von E, die Onkel O und P sind ebenfalls verstorben, P ohne Abkömmlinge. O hat die Kinder K 1 und K 2 hinterlassen. E stirbt. Erbfolge?
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Gesetzliche Erbfolge
Rz. 20 C I
Lösung: Da E keine Abkömmlinge hat und ledig, zudem das einzige Kind seiner vorverstorbenen Eltern ist, kommt weder die 1. noch die 2., sondern nur die 3. Ordnung zum Zuge, also die Großeltern des E und ihre Abkömmlinge, hier wiederum nur Letztere, weil auch die Großeltern bereits vorverstorben sind. Gemäß dem Linienprinzip fällt auf die väterliche und mütterliche Linie je ½, das heißt auf jeden Großelternteil ¼. In der väterlichen Linie erhält also Tante T die beiden Viertel ihrer Eltern GV 1 und GM 1, insgesamt ½. Die beiden Viertel der Großeltern der mütterlichen Linie landen nur im Stamm O, da P keine Abkömmlinge hat. Der Stamm O wird durch K 1 und K 2 gebildet, die zu je ¼ erben. h) Das Gradualsystem ab der 4. Ordnung Leben zur Zeit des Erbfalls Urgroßeltern, so erben sie allein, mehrere zu gleichen Teilen, unabhängig davon, ob sie derselben oder verschiedenen Linien angehören, § 1928 Abs. 2 BGB. Ab der 4. Ordnung bewegen wir uns bereits in einiger Entfernung des Erblassers, wie folgende Beratungssituation dokumentiert:
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Beratungssituation: E verfügt nur noch über sehr entfernte Verwandte. Weder er selbst noch seine verstorbenen Eltern und Großeltern haben Abkömmlinge. Aus der väterlichen Linie leben nur noch ein Enkel (K) von E’s Urgroßeltern U 1 und U 2 und aus der mütterlichen zwei Urenkelinnen (L 1 und L 2) von E’s Urgroßeltern U 7 und U 8. E fragt nach der gesetzlichen Erbfolge im Falle seines Todes.
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Gesetzliche Erbfolge
Die Skizze verdeutlicht: Eltern, Großeltern und Urgroßeltern sind tot. Weder von den Eltern noch den Großeltern leben Abkömmlinge, also ist der Schritt in die 4. Ordnung nötig: Urgroßeltern und deren Abkömmlinge. Die sich dort offenbarende Verzweigung will das Gesetz jedoch nicht, der Nachlass soll nicht übermäßig zersplittert werden. Daher gilt ab der 4. Ordnung nicht mehr das Stammsystem, sondern das Gradualsystem, §§ 1928 Abs. 3, 1929 Abs. 2 BGB.1 Das heißt: Erben sind nur noch die mit dem Erblasser am nächsten Verwandten. Gemäß § 1589 Abs. 3 BGB richtet sich der Grad der Verwandtschaft nach der Zahl der sie vermittelnden Geburten. Lösung: Die Beziehung von K zu E wird durch fünf Geburten vermittelt (K – N – U 1/U 2 – GV 1/GM 1 – V – E), die von L 1 und L 2 zu E durch sechs (L 1/L 2 – D – C – U 7/U 8 – GV 2/GM 2 – M – E), auch gut erkennbar durch die im Schaubild quer verlaufenden Linien. Da K mit E also einen Grad näher verwandt ist, fällt ihm die Erbschaft allein zu. L 1 und L 2, nach dem Stammprinzip an sich berufen, erhalten nichts, eine Konsequenz, die aus der Sicht des E unter Umständen eine letztwillige Verfügung nötig macht. i) Mehrere Erbteile bei mehrfacher Verwandtschaft (§ 1927 BGB) 21 Es ist denkbar, dass ein und dieselbe Person bei einem Erbfall auf mehrere Weisen erbt, nämlich als Mitglied verschiedener Stämme, § 1927 BGB. Beispiel: Verwandte (z.B. Geschwisterkinder) heiraten, und aus der Ehe gehen Kinder hervor. Oder: Jemand wird von einem Verwandten adoptiert, und die bisherigen Verwandtschaftsverhältnisse bleiben bestehen (so bei der Volljährigenadoption, § 1770 Abs. 2 BGB, oder der Adoption eines Verwandten 1 Das Amtsgericht Starnberg hält das Gradualsystem für verfassungswidrig, AG Starnberg v. 21.3.2003 – VI 547/02, Rpfleger 2003, 439.
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Gesetzliche Erbfolge
Rz. 23 C I
2. oder 3. Grades, § 1756 Abs. 1 BGB). Die über die verschiedenen Stämme zufallenden Anteile gelten gemäß § 1927 Satz 2 BGB jeweils als besondere Erbteile. Die wichtigsten Folgen für die Praxis sind: – Die Erbteile können gesondert ausgeschlagen werden, § 1951 Abs. 1 BGB. – Auch die Verfügung über den Erbteil gemäß § 2033 Abs. 1 BGB kann gesondert erfolgen. – Gemäß § 2007 BGB bestimmt sich die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten in Ansehung eines jeden Erbteils so, wie wenn die Erbteile verschiedenen Erben gehörten1. j) Folgen der Erbteilserhöhung (§ 1935 BGB)
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Beratungssituation: Erblasser E, Inhaber eines Vermögens von 200 000 Euro, hatte zwei Söhne S 1 und S 2, die ihn je hälftig beerbt hätten, wäre S 2 nicht vorverstorben, und zwar ohne Abkömmlinge. Nun erbt S 1 allein. Er fragt, was er tun soll, nachdem er festgestellt hat, dass der Anteil seines Bruders mit Vermächtnissen in Höhe von 120 000 Euro beschwert ist.
Wie in der Beratungssituation kann es sein, dass der Erblasser nur eine bestimmte Person mit einem Vermächtnis (oder einer Auflage) belasten wollte, diese Person aber vor oder nach dem Erbfall wegfällt und der betreffende Erbteil an eine andere Person geht. Diesen Fall regelt § 1935 BGB, wenn auch auf begrifflich unpräzise Weise2. Zum Schutze des Eintretenden, hier des S 1, fingiert § 1935 BGB das Bestehen zweier Erbteile, mit der Folge, dass in Ansehung der Vermächtnisse und Auflagen, aber auch der Ausgleichs- und Anrechnungspflichten gemäß §§ 2050 ff., 2315 BGB, nur der belastete Erbteil haftet, obwohl es sich in Wahrheit um einen einheitlichen Erbteil handelt, der auch nur insgesamt ausgeschlagen (kein Fall der §§ 1927, 1951 BGB) und nicht gesondert veräußert werden kann. Ohne § 1935 BGB sähe es für S 1 schlecht aus, denn es verblieben ihm wegen des 120 000-Euro-Vermächtnisses nur 80 000 Euro. So sind es jedoch 100 000 Euro, weil K 1 nicht mehr leisten muss als es K 2, dessen Pflicht auf 100 000 Euro beschränkt gewesen wäre, hätte tun müssen. Der Weg über § 1992 BGB ist nicht nötig3. Zur Erbenhaftung s. im Übrigen § 2007 Satz 2 BGB.
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Der Wegfall im Sinne des § 1935 BGB ist möglich vor dem Erbfall, z.B. durch Vorversterben, Erbverzicht, Enterbung, Auflösung der Ehe oder vorzeitigen Erbausgleich (Abschluss vor dem 1. April 1998), nach dem Erbfall durch Ausschlagung, Erbunwürdigerklärung oder Totgeburt des Erzeugten. Für die gewillkürte Erbfolge (§ 1935 BGB spricht nur vom gesetzlichen Erbe) kommt § 2095 BGB zum gleichen Ergebnis, § 1935 BGB ist jedoch analog an1 Zu weiteren Konsequenzen vgl. Palandt/Edenhofer, § 1927 BGB Rz. 3. 2 Vgl. Erman/Schlüter, § 1935 BGB Rz. 2. 3 Palandt/Edenhofer, § 1935 BGB Rz. 3.
Groll 1075
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C I Rz. 24
Gesetzliche Erbfolge
zuwenden, wenn der Erblasser nur zum Teil über den Nachlass verfügt und Anwachsung ausgeschlossen hat, § 2094 Abs. 2 und 3 BGB1.
IV. Das gesetzliche Erbrecht des nichtehelichen Kindes 24
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Beratungssituation: Der jetzt betagte E führte ein buntes Leben und zeugte mit verschiedenen Frauen drei Kinder, wobei er die Vaterschaft jeweils anerkannte. Zu einer Ehe vermochte er sich jedoch nie zu entschließen. K 1 wurde am 5.5.1949 geboren, K 2 am 15.6.1974, K 3 am 3.4.1998. Mit K 2 hat E im Mai 1996 einen wirksamen Vertrag über den vorzeitigen Erbausgleich geschlossen. E, der am 2.10.1990 in Kiel wohnte, fragt nach der gesetzlichen Erbfolge für den Fall seines Todes.
1. Das Erbrecht nach der Mutter 25 Gegenüber der Mutter hatte das nichteheliche Kind immer ein gesetzliches Erbrecht, und zwar seit der ursprünglichen Fassung des BGB. Mutter und Kind sind und waren nach dem Gesetz immer miteinander verwandt, mit allen Konsequenzen auch für das Erbrecht der beiderseitigen Verwandten.
2. Das Erbrecht nach dem Vater a) Die vier Fragen 26 Auch das Erbrecht des nichtehelichen Kindes gegenüber dem Vater könnte rechtlich so einfach sein, wären da nicht die Übergangsregelungen, ein Spiegel des politischen und rechtspolitischen Wandels. Folgende vier Fragen muss der Berater klären (von den Antworten hängt das Erbrecht des nichtehelichen Kindes ab): Checkliste – Wann ist der Erblasser verstorben? – Geburtsdatum des nichtehelichen Kindes? – Gewöhnlicher Aufenthalt des Vaters vor dem 3.10.1990? – Haben Vater und Kind vor dem 1.4.1998 einen vorzeitigen Erbausgleich vereinbart? In den nachfolgenden Abschnitten wird, wie es die Gesetzeslage erfordert, zum einen auf das Geburtsdatum des Kindes, zum anderen auf den Zeitpunkt des Todes des Vaters abgestellt.
1 Palandt/Edenhofer, § 1935 BGB Rz. 4.
1076 Groll
Gesetzliche Erbfolge
Rz. 29 C I
b) Geburt des Kindes vor dem 1.7.1949 Keine Reform nach dem II. Weltkrieg hat etwas daran geändert: Das vor dem 1. Juli 1949 geborene nichteheliche Kind beerbt seinen Vater gesetzlich nicht1. Ausnahme: Er hatte am 2. Oktober 1990, dem Tag vor dem Beitritt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der ehemaligen DDR, Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB.2 Auf den Geburtsort oder den Aufenthalt des Kindes kommt es nicht an. Nach ZGB-DDR besaßen auch nichteheliche Kinder erbrechtlich den Status ehelicher Kinder. Der Gesetzgeber wollte durch den Beitritt keine Verschlechterung.
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Im Ausgangsfall hat K 1 also nach seinem Vater E kein Erbrecht. Wenn die Rechtsordnung ein gesetzliches Erbrecht für die vor dem 1. Juli 1949 Geborenen nicht vorsieht, kann ein solches vom Vater dennoch gewollt sein. Er kann dies erreichen durch eine notarielle Vereinbarung gemäß § 10a NEhelG. Damit würde auch die Pflichtteilssituation zugunsten des Kindes verbessert. c) Erbfälle vor dem 1.7.1970 Ist der Erblasser vor dem 1. Juli 1970 verstorben, besitzt das nichteheliche Kind keine erbrechtlichen Ansprüche, weil das am 1. Juli 1970 in Kraft getretene NEhelG die Rechtslage rückwirkend nicht geändert hat.
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d) Erbfälle zwischen dem 1.7.1970 und dem 31.3.1998 Wurde das nichteheliche Kind nach dem 1. Juli 1949 geboren und starb der Va- 29 ter zwischen dem 1. Juli 1970 und dem 31. März 1998, stand dem Kind zwar kein normaler Erbanspruch, jedoch der in den §§ 1934a u. b BGB a.F. geregelte Erbersatzanspruch zu, d.h. ein Geldanspruch in Höhe des Verkehrswerts des Erbteils. Außerdem war dem Kind, wenn es den Tod des Vaters nicht abwarten wollte, der Anspruch auf vorzeitigen Erbausgleich gemäß § 1934d u. e BGB a.F. gegeben. Noch heute, auch nach Inkrafttreten des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes3 am 1. April 1998, hat die bis dahin bestehende Rechtslage auf zweifache Weise Bedeutung: 1. Sind Erbfälle aus der Zeit vom 1. Juli 1970 bis 31. März 1998 noch nicht abgewickelt, kann das Kind seinen Erbersatzanspruch weiterverfolgen (Art. 227 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB), nicht jedoch den Anspruch auf vorzeiti-
1 S. aber die davon abweichende Entscheidung EGMR v. 28.5.2009 – 3545/04, bei Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht. 2 Zu den Besonderheiten für die neuen Bundesländer vgl. unten E V.; weitere Einzelheiten s. Staudinger/Haas, Vorbem. zu §§ 2303 ff. BGB Rz. 73 ff.; Rauscher, ZEV 1998, 41 ff. Ohne Art. 235 § 1 Abs. EGBGB wäre die Rechtslage anders, da sowohl das NEhelG als auch das ErbGleichG die vor dem 1.7.1949 Geborenen ausschließen. Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB ist verfassungsgemäß, BVerfG v. 20.11.2003 – 1 BvR 2257/03, ZEV 2004, 114. 3 ErbGleichG, BGBl. 1997 I, 2968.
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C I Rz. 30
Gesetzliche Erbfolge
gen Erbausgleich1. 2. Haben Vater und Kind bis zum 31. März 1998 eine wirksame Vereinbarung über den vorzeitigen Erbausgleich getroffen oder erging hierüber ein zusprechendes rechtskräftiges Urteil, dann bedeutet dies zugleich die endgültige Aufgabe des gesetzlichen Erbrechts und damit auch des Pflichtteilsrechts, umgekehrt besitzen auch der Vater und seine Verwandten beim Tod des Kindes keinerlei Ansprüche mehr. Im Ausgangsfall wäre K 2 daher auch nicht gesetzlicher Erbe des E. e) Erbfälle ab dem 1.4.1998 30 Ist der Vater ab dem 1. April 1998, also nach Inkrafttreten des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes, gestorben, besitzt das nichteheliche Kind das gleiche gesetzliche Erbrecht wie das eheliche, mit allen Konsequenzen: Das nichteheliche Kind wird Rechtsnachfolger des Erblassers, ist Mitglied der Erbengemeinschaft und hat ein Pflichtteilsrecht. Der Erbersatzanspruch ist ausgeschlossen, ebenso der vorzeitige Erbausgleich. Diese Rechtslage kann zu erheblichem Beratungsbedarf führen. Fürchtet der Vater nach seinem Tod massive Auseinandersetzungen zwischen Ehefrau und ehelichen Kindern einerseits und dem nichtehelichen Kind andererseits, so könnte er das nichteheliche Kind auf den Pflichtteil setzen, oder, wenn es wirtschaftlich nicht benachteiligt werden soll, ein Vermächtnis im Wert des gesetzlichen Erbteils bestimmen. Damit wäre das Kind aus der Erbengemeinschaft herausgehalten.
V. Das gesetzliche Erbrecht der als Kind Angenommenen 31
Û
Beratungssituation: Obwohl beide Eltern der 30-jährigen A leben, wohnt sie fast seit ihrer Geburt bei ihrer Tante T, von der sie stets wie eine Tochter versorgt wurde. T möchte ihr Vermögen eines Tages der A vererben und fragt, ob sie A nicht aus Gründen niedrigerer Erbschaftsteuer adoptieren könnte.
1. Gesellschaftspolitischer Wandel und Beratungsbedarf 32 Die Idee von Ehe und Familie erlebt derzeit nicht gerade Hochkonjunktur. Viele Menschen wachsen nichtehelich auf, viele Eltern wollen sich nicht um ihre Kinder kümmern, manche vermögen es nicht. So stellt sich immer wieder die Frage, wie diese Kinder optimal in eine andere Familie integriert werden können. Die beste Antwort ist häufig eine Adoption. Die Adoptionsmotive sind nicht immer nur persönlicher Natur, sondern oft geht es auch um den Fortbestand eines Namens oder Unternehmens oder auch um Steuerersparnis. Damit ergibt sich großer Beratungsbedarf, zum einen zur Frage, wann eine Adoption möglich ist, zum anderen zu deren Folgen, hier speziell den erbrechtlichen Folgen. 1 Rauscher, ZEV 1998, 41 ff.
1078 Groll
Gesetzliche Erbfolge
Rz. 34 C I
2. Der minderjährige Angenommene Voraussetzungen und Verfahren sind in den §§ 1741–1766 BGB geregelt. Die gesetzliche Erbfolge stellt sich relativ einfach dar. Es handelt sich um eine Volladoption. Gemäß § 1754 BGB erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines Kindes des Annehmenden. Nimmt ein Ehepaar ein Kind an oder nimmt ein Ehegatte das Kind des anderen an, so erlangt das Kind die Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten. Damit besitzt das angenommene Kind nicht nur Unterhaltsansprüche, sondern auch erbrechtlich die Position eines leiblichen Kindes, also das volle gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht.1 Die vor der Adoptionsrechtsreform (1. Januar 1977) bestehende Möglichkeit, das gesetzliche Erbrecht auszuschließen, ist nicht mehr gegeben. Auch bei Erbfällen nach dem 1. Januar 1977 erbt das Kind, trotz früherer gegenteiliger Vereinbarung.
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Das Kind beerbt ganz normal die Annehmenden und auch deren Verwandte, umgekehrt beerben alle diese das Kind, allerdings nur dieses, nicht auch dessen leibliche Verwandten, denn mit der Adoption ist das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Kind und seinen bisherigen Verwandten erloschen, § 1755 BGB. Nur zwei Ausnahmen bestehen: 1. Nimmt ein Ehegatte das Kind des anderen Ehegatten an, bleibt das Kind Letzterem und seiner Verwandtschaft gegenüber erbberechtigt, das Verwandtschaftsverhältnis erlischt nur gegenüber dem anderen leiblichen Elternteil, § 1755 Abs. 2 BGB. 2. Wird ein Kind adoptiert, mit dem die Annehmenden im zweiten oder dritten Grad verwandt oder verschwägert sind, so erlischt nur das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den leiblichen Eltern, § 1756 Abs. 1 BGB.
3. Der volljährig Angenommene Auch ein Volljähriger kann als Kind angenommen werden, §§ 1767–1772 BGB. Die Annahme muss sittlich gerechtfertigt sein, wovon insbesondere bei Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses auszugehen ist, § 1767 Abs. 1 BGB. Bilden erbschaftsteuerliche Motive einen Nebenzweck, so ist dies unschädlich2. Bezüglich der gesetzlichen Erbfolge gilt, dass Annehmende und Angenommener miteinander verwandt sind, es besteht also wechselseitig volles Erb- und Pflichtteilsrecht. Im Vergleich zur Minderjährigenadoption ist die verwandtschaftliche Wirkung jedoch zweifach eingeschränkt: Der Angenommene ist mit den Vorfahren des Annehmenden, zum Beispiel dessen Eltern, nicht verwandt, beerbt diese gesetzlich also nicht. Zudem: Es bleibt bei dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Angenommenen (sowie seinen Abkömmlingen) und seiner leiblichen Verwandtschaft mit allen erbrechtlichen Folgen. Liegen die Voraussetzungen des § 1772 Abs. 1 BGB vor, können allerdings auch bei einer Volljährigenadoption auf Antrag die (erb)rechtlichen Wirkungen der Minderjährigenadoption herbeigeführt werden. 1 Die Regelung ist verfassungsgemäß, BVerfG v. 12.3.2003 – 1 BvR 1504/02, ZEV 2003, 244. 2 MüKo/Maurer, § 1767 BGB Rz. 12.
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C I Rz. 35
Gesetzliche Erbfolge
4. Gestaltungsempfehlungen 35 Im Ausgangsfall wäre T wegen der günstigeren Steuerklasse und des höheren Freibetrags zu raten, A zu adoptieren, was auch gelingen müsste, weil eine Mutter-Kind-Beziehung besteht, mag auch das Steuersparmotiv aktueller Anlass für den Adoptionswunsch sein. In manchen Fällen kann die Adoption aber auch ungewollte erbrechtliche Folgen zeitigen. Dann besteht Handlungsbedarf. So ist es denkbar, dass der Annehmende nur an seinen leiblichen Abkömmling, nicht aber an den minderjährigen Angenommenen (oder mittelbar dessen Erben) vererben will. Hier müsste der Annehmende den Angenommenen durch letztwillige Verfügung enterben. Will er ihm nicht einmal den Pflichtteil lassen, so bedürfte es (nach Volljährigkeit des Angenommenen) eines Erbverzichts- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrags gemäß § 2346 BGB. Der Angenommene könnte sich (wiederum nach Volljährigkeit) gegenüber dem Annehmenden erbvertraglich auch verpflichten, dasjenige, was er vom Annehmenden erbt, seinerseits nur den leiblichen Abkömmlingen des Annehmenden zu vererben. 36 Bei der Volljährigenadoption kann unerwünschte Folge sein, dass der Angenommene das vom Annehmenden Ererbte an die leiblichen Verwandten des Angenommenen willkürlich oder sogar gesetzlich weitervererbt, da diese Bande durch die Adoption im Regelfall nicht zerschnitten ist. So kann auch hier durch Erbeserbfall Vermögen des Annehmenden ungewollt auf die leiblichen Verwandten des Angenommenen übergehen. Diese Wirkungen ließen sich durch einen Erbvertrag, der schon mit dem notariellen Adoptionsantrag verbunden werden könnte, vermeiden. Inhalt: Der Angenommene verpflichtet sich, seine leiblichen Verwandten von der Erbfolge auszuschließen (der Pflichtteil bliebe ihnen allerdings). Alternativ könnten die Annehmenden den Angenommenen auch zum (evtl. befreiten) Vorerben einsetzen, Nacherben werden zum Beispiel die Abkömmlinge des Angenommenen, ersatzweise bestimmte Mitglieder der Familie des Annehmenden. Das böte zugleich den Vorteil, dass der der Vorerbschaft unterliegende Nachlass auch im Zusammenhang mit Pflichtteilsansprüchen der leiblichen Verwandtschaft des Angenommenen unbelastet bliebe. Wer die mit der Vorerbschaft verbundenen Nachteile nicht will, könnte den Angenommenen zum Vollerben einsetzen, das Erbe jedoch mit einem aufschiebend bedingten, beim Tod des Angenommenen fälligen Sachvermächtnis zugunsten von Mitgliedern der Familie des Annehmenden beschweren. Bedingung wäre, dass der Angenommene ohne Abkömmlinge verstirbt1.
VI. Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten 1. Grundvoraussetzungen des Ehegattenerbrechts 37 Erbt ein Ehegatte, beziehen sich die in den Abschnitten III. bis V. dieses Kapitels genannten Erbquoten der Verwandten nur auf den nach Abzug des Ehegat1 S. dazu auch Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung, Rz. 42.
1080 Groll
Gesetzliche Erbfolge
Rz. 39 C I
tenanteils verbleibenden Rest des Nachlasses. Es ist daher zunächst immer die Erbquote des Ehegatten festzustellen. Noch vorrangiger ist jedoch die Frage, ob dem Ehegatten überhaupt ein Erbrecht zusteht.
Û
Beratungssituation: M hat der E vor der Ehe vorgespiegelt, er sei Familienrichter, in Wahrheit ist er ungelernter Arbeitsloser. Als E dies erfährt, erhebt sie Aufhebungsklage, die dem M auch zugestellt wird. Während des Verfahrens stirbt E ohne Hinterlassung eines Testaments. Aus der Ehe ist der Sohn S hervorgegangen. M fragt seinen Berater nach der gesetzlichen Erbfolge.
Bei der Frage, ob ein Ehegattenerbrecht besteht, sind folgende Fälle zu unterscheiden: a) Die Ehe bestand nicht oder nicht mehr Stirbt einer der Ehegatten, erbt der andere nur dann, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Todes noch bestand. Das ist nicht der Fall bei der Nichtehe, weil die Eheleute überhaupt nicht verheiratet waren. Beispiel: Die Trauung wurde nur kirchlich, nicht auch standesamtlich durchgeführt, § 1310 Abs. 1 BGB. Auch nach rechtskräftigem Aufhebungsurteil (§ 1313 BGB) besteht kein Erbrecht mehr, ebenso nicht bei rechtskräftiger Scheidung, § 1564 BGB. Wurde ein Ehegatte für tot erklärt und stirbt der andere, erbt der zu Unrecht für tot Erklärte, es sei denn, dessen Ehegatte hat wieder geheiratet, womit die frühere Ehe aufgelöst würde, § 1319 Abs. 2 BGB, selbst bei späterer Aufhebung der Todeserklärung. Der frühere Ehegatte besäße kein Erbrecht mehr. Wussten die Partner der neuen Ehe, dass der für tot Erklärte lebt, ist die neue Ehe eine nichtige Doppelehe, § 1319 Abs. 1 BGB. Diese Doppelehe ist aber nur nichtig, also aufhebbar, nicht dagegen handelt es sich um eine Nichtehe. Konsequenz: Liegt bezüglich der zweiten Ehe noch kein rechtskräftiges Aufhebungsurteil vor, wird der Erblasser von zwei Ehegatten beerbt.
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b) Kein Ehegattenerbrecht trotz bestehender Ehe Stirbt ein Ehegatte während eines Scheidungsverfahrens, dann verliert der Überlebende sein Ehegattenerbrecht, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes einen begründeten Scheidungsantrag gestellt oder im Falle des Scheidungsantrags seitens des anderen Ehegatten der Erblasser diesem Antrag zugestimmt hatte, § 1933 BGB. Das Ehegattenerbrecht geht also nicht verloren, wenn nur der Überlebende den Scheidungsantrag gestellt und der Erblasser nicht zugestimmt hatte. Nach h.M. muss der Scheidungsantrag im Zeitpunkt des Todes zugestellt sein1. Das widerspricht jedoch dem Gesetzestext, der nur auf einen Antrag abstellt. Außerdem ist mit der Einreichung des Antrags die Scheidungsabsicht hinreichend dokumentiert, ganz abgesehen davon, dass der Antragsteller die Zustellung nicht beeinflussen kann. Bliebe der Antrag 1 Vgl. BGH v. 6.6.1990 – IV ZR 88/89, BGHZ 111, 329; BayObLG v. 31.1.1990 – 1a Z BReg. 24/89, BayObLGZ 90, 20.
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krankheitsbedingt bei Gericht einige Zeit liegen, wäre die Rechtsfolge Produkt der Willkür, was der Intention des § 1933 BGB widerspräche1. § 167 ZPO sollte daher analog angewendet werden. Ob der Scheidungsantrag begründet war, richtet sich nach den §§ 1565 bis 1568 BGB. Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für die Eheaufhebungsklage. Das bedeutet für den Ausgangsfall: Kann Sohn S den wahren Sachverhalt beweisen, hätte die Aufhebungsklage der E gemäß § 1314 Abs. 2 Ziffer 3 BGB zum Erfolg geführt. Ehemann M beerbt sie also nicht, S ist Alleinerbe. Zur Klarstellung: In diesem Abschnitt geht es nur um das gesetzliche Ehegattenerbrecht. Das Schicksal einer letztwilligen Verfügung zugunsten des anderen Ehegatten im Falle der Scheidung oder Auflösung der Ehe bzw. im Falle darauf gerichteten Antrags oder einer entsprechenden Klage regelt § 2077 BGB.
2. Das Ehegattenerbrecht bei Gütertrennung und Gütergemeinschaft 40 Der Ehegatte erbt allein oder neben Verwandten. Die rein erbrechtliche Quote, um die es hier zunächst ausschließlich geht, bestimmt sich nach § 1931 BGB. Sie gilt für alle Güterstände, regelt aber die gesetzliche Ehegattenerbfolge bei Gütertrennung und Gütergemeinschaft abschließend. Für die Zugewinngemeinschaft sind außerdem die Ausführungen im nächsten Abschnitt von Bedeutung. Gemäß § 1931 BGB erbt der Ehegatte neben Verwandten der 1. Ordnung ¼, neben Verwandten der 2. Ordnung oder neben Großeltern ½, § 1931 Abs. 1 BGB. Sind weder Verwandte der 1. oder der 2. Ordnung noch Großeltern vorhanden, erbt der Ehegatte allein, § 1931 Abs. 2 BGB schließt also auch Abkömmlinge der Großeltern aus. Wirklich kompliziert und rechtspolitisch fragwürdig wird es wegen § 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn einzelne Großeltern vorverstorben sind2. Hier ist zu unterscheiden: Träten anstelle des vorverstorbenen Großelternteils an sich dessen Abkömmlinge (§ 1926 Abs. 3 und 4 BGB), fällt dieser Anteil dem Ehegatten zu, da er Abkömmlinge der Großeltern verdrängt, § 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sind dagegen bei Vorversterben eines Großelternteils andere Großeltern berufen, weil Abkömmlinge des vorversterbenden Großelternteils fehlen, geht dieser Anteil an die anderen Großeltern. Grund: Der Ehegatte schließt nur die Abkömmlinge aus. Wer seinem Ehegatten also etwas Gutes tun will, trifft hier eine letztwillige Verfügung, zudem mit der günstigen Nebenfolge, dass die Ausgeschlossenen auch nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten zählen. Bei Gütertrennung ist außerdem die immer wieder übersehene, für alle Erbfälle ab dem 1. Juli 1970 geltende Vorschrift des § 1931 Abs. 4 BGB zu beachten, 1 Wie hier auch Brox, Erbrecht, Rz. 56; Soergel/Stein, § 1933 BGB Rz. 4. 2 Zu den merkwürdigen Konsequenzen im Einzelfall s. Soergel/Stein, § 1931 BGB Rz. 19.
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Gesetzliche Erbfolge
Rz. 42 C I
wenn neben dem Ehegatten ein oder zwei Kinder als gesetzliche Erben berufen sind. Die Beteiligten erben dann zu gleichen Teilen.
3. Besonderheiten bei der Gütergemeinschaft Leben die Ehegatten in Gütergemeinschaft, hat der überlebende Ehegatte im Erbfall den güterrechtlichen Auseinandersetzungsanspruch gemäß § 1471 Abs. 1 BGB, außerdem erbt er gemäß § 1931 BGB (ggf. zusammen mit Miterben) den Gesamthandsanteil des Erblassers am Gesamtgut (§ 1482 Abs. 1 BGB) und, soweit vorhanden, auch dessen Anteil am Vorbehaltsgut und Sondergut (falls vererblich). Sollten überwiegende Gründe gegen eine Auflösung der Gütergemeinschaft durch den Tod sprechen, müssten die Eheleute zu Lebzeiten (notariell und ausdrücklich) die sog. fortgesetzte Gütergemeinschaft vereinbaren. Inhalt: Beiderseitige Verpflichtung, die Gütergemeinschaft nach dem Tod des einen mit den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortzusetzen, § 1483 Abs. 1 BGB. Weitere Folge der Vereinbarung: Vererbt wird nur das Vorbehalts- und das Sondergut, nicht das Gesamthandsgut, denn es gehört nicht zum Nachlass. Allerdings kann der überlebende Ehegatte die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ablehnen, § 1484 Abs. 1 BGB.
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4. Das Ehegattenerbrecht bei Zugewinngemeinschaft
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Beratungssituation: Der mit Frau F in Zugewinngemeinschaft lebende Mandant M fragt seinen Berater nach dem beiderseitigen Erbrecht im Falle des Todes eines der beiden Ehegatten. Insbesondere möchte er wissen, ob der jeweilige überlebende Ehepartner noch Gestaltungsmöglichkeiten besitzt, um die Ansprüche der Kinder auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Lebten die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, erhöht sich die aus § 1931 BGB folgende Quote, wie hoch sie auch immer sei, um ein (nicht gesondert ausschlagbares) Viertel, § 1371 Abs. 1 BGB. Das gilt für sämtliche auf Zugewinngemeinschaft gründenden Ehen. Ausnahme: Ein Ehegatte hat den Eintritt in diesen Güterstand bis zum 31. Dezember 1961 gegenüber dem Amtsgericht abgelehnt1. Grund für die Erhöhung des Erbteils um ein Viertel: Wird eine Ehe durch Scheidung beendet, kann Zugewinnausgleich verlangt werden. Es wäre sachgerecht, dies auch bei Beendigung der Ehe durch Tod zuzubilligen. Das birgt jedoch Beweisprobleme und Streitpotenzial, womit die Angehörigen nicht zusätzlich belastet werden sollen. Daher wird der Zugewinnausgleich pauschal mit einer weiteren Erbquote von einem Viertel abgegolten, unabhängig davon, ob überhaupt ein Zugewinn erzielt wurde. Es kann also sein, dass sogar der Erblasser ausgleichsverpflichtet gewesen wäre. Vorstehendes gilt jedoch dann nicht, wenn der überlebende Ehegatte per letztwilliger Verfügung enterbt oder ihm auch kein Vermächtnis zugewandt wur1 Vgl. Art. 8 des Gleichberechtigungsgesetzes v. 18.6.1957.
Groll 1083
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C I Rz. 43
Gesetzliche Erbfolge
de, § 1371 Abs. 2 BGB. In diesem Fall steht dem Überlebenden der tatsächliche Zugewinnausgleichsanspruch (berechnet wie bei der Scheidung) und zusätzlich der sog. kleine, d.h. der nicht auf dem erhöhten gesetzlichen Erbteil basierende Pflichtteil, zu. Hier eröffnet sich im Einzelfall unter Umständen ein Gestaltungsspielraum, den der Berater durchleuchten muss. Liegt der Fall so, dass der Zugewinn des Erblassers das gesamte Ehevermögen ausmacht, dann wäre daran zu denken, dass der überlebende Ehegatte die Erbschaft bzw. das Vermächtnis ausschlägt. Auf diese Weise erhielte er per Zugewinnausgleich 50 % vom Nachlass und per Pflichtteil (neben erbenden Kindern) zudem 1/8, insgesamt also 56,25 %. Träte er dagegen das (gesetzliche) Erbe an, erhielte er nur 50 %. Die gelegentlich vorgeschlagene weitere Variante, statt Zugewinnausgleich plus kleiner Pflichtteil den großen Pflichtteil (Basis: der nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöhte Erbteil) zu wählen1, mag mit dem Wortlaut des § 1371 Abs. 2 BGB noch vereinbar sein, wird jedoch vom BGH und der h.M. abgelehnt2. 43 Eine Gestaltungsempfehlung am Rande: Die Frage der Vermögensnachfolge geht oft einher mit Überlegungen zum optimalen Güterstand. Besonders in ländlichen Gegenden wird häufig nach wie vor die Gütergemeinschaft gewählt. Da es sich bei ihr jedoch um ein kompliziertes Gebilde handelt, außerdem der gesetzliche Erbteil des Ehegatten niedriger sein kann als bei der Zugewinngemeinschaft, sollten in der Regel andere Gestaltungen gewählt werden. Eine Absicherung des schutzbedürftigen Ehegatten ist auch möglich zum Beispiel durch lebzeitige Vermögensübertragung oder Erbvertrag.
5. Zusammenfassende Tabelle zum gesetzlichen Ehegattenerbrecht 44
Nichtehe
kein Erbrecht, § 1310 Abs. 1 BGB
Im Zeitpunkt des Todes bereits aufgehobene Ehe.
kein Erbrecht, § 1313 BGB
Im Zeitpunkt des Todes bereits geschiedene Ehe.
kein Erbrecht, § 1564 BGB
Erblasser hatte zum Zeitpunkt seines Todes begründeten Scheidungsantrag gestellt oder begründete Eheaufhebungsklage erhoben.
kein Erbrecht, § 1933 BGB
Der überlebende Ehegatte hatte zum Zeit- kein Erbrecht, § 1933 BGB punkt des Todes des anderen begründeten Scheidungsantrag gestellt oder begründete Eheaufhebungsklage erhoben, und der Erblasser hatte zugestimmt.
1 Vgl. Lange, NJW 1958, 288. 2 BGH v. 25.6.1964 – III ZR 90/63, BGHZ 42, 182; Palandt/Brudermüller, § 1371 BGB Rz. 15.
1084 Groll
Gesetzliche Erbfolge
Rz. 46 C I
Der Ehegatte des zu Unrecht für tot Erklärten stirbt.
Erbrecht des Überlebenden: ja
Der Ehegatte des zu Unrecht für tot Erklärten stirbt, hatte aber wieder geheiratet.
kein Erbrecht des Überlebenden, § 1319 Abs. 2 BGB
Wie vor, die Partner der neuen Ehe wussten aber, dass der für tot Erklärte noch lebt.
Erbrecht gegenüber beiden Ehegatten, so lange die zweite Ehe (nichtige Doppelehe) nicht rechtskräftig aufgehoben wurde
Erbquote des überlebenden Ehegatten bei Gütergemeinschaft und Gütertrennung neben Verwandten der 1. Ordnung.
¼ gemäß § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB (Bei Gütergemeinschaft bleibt der güterrechtliche Auseinandersetzungsanspruch hiervon unberührt. Bei fortgesetzter Gütergemeinschaft wird diese durch den Tod nicht aufgelöst, das Gesamtgut gehört nicht zum Nachlass.)
Erbquote des überlebenden Ehegatten neben Verwandten der 2. Ordnung oder neben Großeltern.
½ gemäß § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB
Erbquote des überlebenden Ehegatten neben Großeltern, wenn aber bereits ein Großelternteil verstorben ist.
Hatte der vorverstorbene Großelternteil Abkömmlinge, geht auch dieser Anteil an den überlebenden Ehegatten, sind Abkömmlinge nicht vorhanden, erhalten diesen Anteil die anderen Großeltern, § 1931 Abs. 1 Satz 2 BGB
Der Erblasser lebte in Gütertrennung und Ehepartner und Kind/Kinder erben zu hinterlässt neben dem Ehepartner ein gleichen Teilen, d.h., jede Person den gleioder zwei Kinder. chen Anteil, § 1931 Abs. 4 BGB Erbquote des überlebenden Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft.
Zum Erbteil gem. §§ 1931 BGB kommt gem. § 1371 Abs. 1 BGB ein Viertel hinzu
Die Ehegatten lebten in Zugewinngemeinschaft. Der Überlebende wird aber weder Erbe noch Vermächtnisnehmer (z.B. durch Ausschlagung).
Zugewinnausgleichsanspruch plus kleiner Pflichtteil, § 1371 Abs. 2 und 3 BGB
6. Das Recht der neuen Bundesländer Hier wird verwiesen auf die Ausführungen unter E.
45
7. Der Ehegattenvoraus (§ 1932 BGB) Der Ehegattenvoraus wird in der Beratungspraxis vielfach vernachlässigt, da- 46 bei umranken ihn beim Erbfall Emotionen wie kaum ein anderes Thema. Vorbeugen, rechtzeitig Klarheit schaffen ist daher vonnöten.
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Beratungssituation: Der Ehemann der Mandantin ist ohne Testament verstorben. Abkömmlinge sind nicht vorhanden, aber die Eltern des ErblasGroll 1085
C I Rz. 46
Gesetzliche Erbfolge
sers leben noch. Sie haben sein Kfz und zwei Ölgemälde, die er in die Ehe eingebracht hatte, an sich genommen. Die Mandantin fragt, ob sie die genannten Gegenstände für sich beanspruchen kann. § 1932 BGB gewährt dem überlebenden Ehegatten zusätzlich zu seinem Erbteil und unabhängig vom Güterstand einen schuldrechtlichen Anspruch (mag man ihn, was umstritten ist, „gesetzliches Vermächtnis“ nennen oder nicht) auf die zum ehelichen Haushalt gehörenden Gegenstände (soweit nicht Grundstückszubehör) und die Hochzeitsgeschenke. Voraussetzungen hierfür sind: 1. Der überlebende Ehegatte ist (endgültig) gesetzlicher Erbe, was er nicht erfüllt, wenn er durch Verfügung von Todes wegen zum Erben eingesetzt, von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen oder als erbunwürdig erklärt wurde, einen Erbverzicht geleistet oder die Erbschaft ausgeschlagen hat. Die Ausschlagung ist allerdings unschädlich, wenn der Ehegatte durch letztwillige Verfügung zum Erben eingesetzt worden war, § 1948 Abs. 1 BGB. Wird der Ehegatte über § 2066 BGB Erbe, weil der Erblasser seine „gesetzlichen Erben“ eingesetzt hat, so genügt das § 1932 BGB nicht1. 2. Der überlebende Ehegatte muss, wenn er den Haushalt komplett begehrt, neben Verwandten der 2. Ordnung oder neben Großeltern gesetzlicher Erbe geworden sein. Erbt er neben Verwandten der 1. Ordnung, stehen ihm nur die Gegenstände zu, die er zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt2. Was er selber hat oder sich aus eigenen Mitteln zumutbarerweise zu beschaffen vermag, kann er nicht verlangen3. Tendenziell sollte § 1932 BGB aber großzügig im Sinne des Ehegatten ausgelegt werden. 3. Die Eheleute müssen einen gemeinsamen Haushalt geführt haben. Zum Haushalt zählen, ohne dass es auf ihren Wert ankäme: Einrichtungsgegenstände (auch gemietete), Möbel, Lampen, Teppiche, Bilder, Bücher, elektrische Geräte, Tonträger, aber auch Ersatzansprüche in Bezug auf alles das. Nicht dazu gehören das Haus und die Wohnung (s. aber die Sonderrechtsnachfolge gem. §§ 563 BGB), die dem persönlichen Gebrauch des Erblassers dienenden Gegenstände (Schmuck, Kleidung), ebenso wenig seine beruflichen Utensilien. Zum Haushalt zählen z.B. auch nicht eine Münzoder Briefmarkensammlung. Fraglich ist eine Gemäldesammlung. Sie wird im Grundsatz nicht dem Haushalt zugerechnet4, anderes soll laut Soergel/Stein gelten, wenn die Eheleute darin „gelebt“ haben5. Ebenso problematisch ist die Einordnung des privat genutzten Kfz. Es sollte dem Haushalt hinzugerechnet 1 So Palandt/Edenhofer, § 1932 BGB Rz. 2. Der in der Sache an sich nachvollziehbaren Gegenmeinung (Soergel/Stein, § 1932 BGB Rz. 3; MüKo/Leipold, § 1932 BGB Rz. 5) kann nicht gefolgt werden, denn sie widerspricht dem Gesetzeswortlaut. Der letztwillig eingesetzte Ehegatte ist nun einmal nicht gesetzlicher Erbe, wenn er nicht ausschlägt. Statt analoger Anwendung contra legem, die unzulässigerweise immer mehr Platz greift, sollte das Gesetz geändert werden. 2 Der Gesetzgeber sollte den Voraus de lege ferenda auch dann zubilligen, wenn der Ehegatte neben Verwandten der 1. Ordnung erbt. Die Interessenlage ist hier in der Regel nicht anders. Abweichendes kann der Erblasser, wenn er will, letztwillig verfügen. 3 Palandt/Edenhofer,§ 1932 BGB Rz. 4. 4 Palandt/Edenhofer, § 1932 BGB Rz. 4. 5 Soergel/Stein, § 1932 BGB Rz. 7.
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werden, insbesondere in einer Zeit, in der manchmal täglich mehrfach größere Strecken zurückzulegen sind, insbesondere in größeren Städten. Letztlich ist daher eine Unterscheidung zwischen Geschirrspülmaschine und Kfz nicht sachgerecht. Dass Letzteres in der Garage und nicht in der Küche steht, ändert nichts am prinzipiell gleich gelagerten Gebrauchsinteresse. Damit sind auch die Fragen in der Beratungssituation beantwortet. Empfehlungen für die Praxis: 1. Rechtzeitig ein Vermögensverzeichnis erstellen, um spätere eigentumsrechtliche Zuordnungsprobleme zu vermeiden (dient auch als Prophylaxe für den Scheidungsfall). 2. Auskunftsanspruch über § 2027 BGB geltend machen. 3. Ggf. Klage zum Prozessgericht. 4. Letztlich erweist sich aber auch hier wieder eine klare letztwillige Verfügung als der beste Weg, wobei sich (auch für den Nacherbfall bei Wiederverheiratung) ein Vorausvermächtnis zugunsten des überlebenden Ehegatten empfiehlt.
VII. Das gesetzliche Erbrecht gleichgeschlechtlicher Paare Gemäß § 10 Abs. 1 LPartG1 ist der überlebende Lebenspartner des Erblassers neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern zur Hälfte der Erbschaft gesetzlicher Erbe. Daneben erhält er als Voraus die Haushaltsgegenstände, neben Verwandten erster Ordnung nur, wenn er diese zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt. Auch pflichtteilsrechtlich wird der überlebende Lebenspartner wie ein Ehegatte behandelt, § 10 Abs. 6 LPartG. Das BVerfG hat das LPartG für verfassungsgemäß erklärt.2
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VIII. Der Dreißigste (§ 1969 BGB) Gemäß § 1969 Abs. 1 BGB ist der Erbe verpflichtet, dreißig Tage lang nach dem Tod des Erblassers Unterhalt zu gewähren. Anspruchsberechtigt sind die Familienangehörigen des Erblassers, das sind der Ehegatte sowie die Verwandten und Verschwägerten im Rechtssinne. In Literatur und Rechtsprechung wird der Kreis weit darüber hinaus ausgedehnt, nämlich auf Pflegepersonen, nichteheliche Lebenspartner, zum Teil sogar auf Freunde3. Das ist abzulehnen, wenn das Gesetz nicht immer mehr zur beliebigen Manipuliermasse degradiert werden soll. § 1969 BGB spricht aus Gründen der Rechtsklarheit aus-
1 BT-Drucks., 14/4545; es ist am 1.8.2001 in Kraft getreten. 2 BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01 u. 1 BvF 2/01, ZEV 2002, 318. 3 Vgl. zum Meinungsstand Soergel/Stein, § 1969 BGB Rz. 2, Fn. 10.
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C I Rz. 49
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drücklich von „Familienangehörigen des Erblassers“, nicht von „Personen“. Die Handhabung durch die h.M. bedeutet im Ergebnis Willkür. Weitere Voraussetzung ist, dass der Anspruchsteller beim Tod des Erblassers zu dessen Hausstand gehört hat, und zwar nicht nur kurze Zeit. Hierzu zählen nicht der Besucher, auch nicht der wegen Entfremdung getrennt lebende Ehegatte, dem im Falle der Bedürftigkeit ohnehin ein familienrechtlicher Unterhaltsanspruch gegen den Erben zustehen dürfte. Zudem muss der Erblasser dem Betreffenden lebzeitig Unterhalt gewährt haben, auch wenn dazu keine vertragliche Pflicht bestand1. Hauspersonal bezieht Lohn, nicht Unterhalt, kann den „Dreißigsten“ also nicht verlangen2. Inhaltlich bedeutet der Anspruch Erfüllung in Natur (inklusive Benutzungsanspruch). Nur wenn der Haushalt vor Ablauf von dreißig Tagen aufgelöst wird, entsteht ein Geldanspruch3. Der Umfang des Unterhaltsanspruchs entspricht dem vor dem Erbfall. Für die Gestaltung ist vor allem von Bedeutung, dass der Erblasser den „Dreißigsten“ in jeder Hinsicht durch letztwillige Verfügung modifizieren, also auch erhöhen (dann echtes Vermächtnis) und sogar streichen kann, § 1969 Abs. 1 Satz 2 BGB.
IX. Das Erbrecht des Fiskus
Û
Beratungssituation: Der Mandant besitzt eine Geldforderung gegen E. E stirbt ohne Testament. Die Aktiva übersteigen die Passiva deutlich. Nachbarn des E teilen mit, dass E von irgendwelchen entfernten Verwandten in Argentinien gesprochen habe. Der Mandant fragt, wie er seine Forderung durchsetzen kann.
49 Es gibt keinen Erbfall ohne Erbe. Selbst wenn der Ehegatte und sämtliche Verwandten durch letztwillige Verfügung enterbt wurden oder nicht mehr leben oder Erbverzicht erklärt oder die Erbschaft (z.B. wegen Überschuldung) ausgeschlagen wurde oder auch, wenn der Fall der Erbunwürdigkeit vorliegt: Sind alle infrage kommenden gesetzlichen Erben tatsächlich oder rechtlich weggefallen oder nicht zu ermitteln, erbt der Staat, und zwar das Bundesland, in dem der Erblasser seine letzte Niederlassung hatte, d.h., wo er zuletzt gelebt hat, wofür ein kurzes Verweilen jedoch nicht ausreicht, § 1936 Abs. 1 BGB. Bei „Auslandsdeutschen“ erbt der Bund, § 1936 Abs. 2 BGB4.
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Palandt/Edenhofer, § 1969 BGB Rz. 1. Palandt/Edenhofer, § 1969 BGB Rz. 1; MüKo/Siegmann, § 1969 BGB Rz. 2. Vgl. Soergel/Stein, § 1969 BGB Rz. 3. Soweit DDR-Erbrecht zur Anwendung kommt, Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB, erbt der Staat schon dann, wenn keine gesetzlichen Erben bis zur 3. Ordnung vorhanden sind, §§ 369, 402 Abs. 4 ZGB.
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Gesetzliche Erbfolge
Rz. 50 C I
In der praktischen Handhabung solcher Fälle ist Folgendes zu beachten: Der Staat kann als letzter gesetzlicher Erbe weder im Voraus verzichten noch im Erbfall ausschlagen1, muss also abwickeln, § 1942 Abs. 2 BGB. Das Nachlassgericht muss von Amts wegen die Erben ermitteln. Methode, Dauer und Umfang der Ermittlungen, die sich auch auf Niederlassung und Staatsangehörigkeit des Erblassers zu beziehen haben2, unterliegen seinem pflichtgemäßen Ermessen. Unter Umständen empfiehlt sich die Einsetzung eines Nachlasspflegers. Bleibt die Suche nach Erben erfolglos, fordert das Nachlassgericht öffentlich zur Anmeldung der Erbrechte unter Bestimmung einer Frist auf, § 1965 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. den Vorschriften des Aufgebotsverfahrens, §§ 946 ff. ZPO. Ausnahme: im Verhältnis zum Nachlasswert zu hohe Kosten. Drei Monate nach Ablauf der gesetzten Frist (und erst dann) kann und muss das Nachlassgericht durch Beschluss feststellen, dass kein anderer Erbe als der Fiskus vorhanden ist, §§ 1964 Abs. 1, 1965 BGB, was die Vermutung begründet, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe ist, § 1964 Abs. 2 BGB3. Eine etwaige Nachlasspflegschaft kann aufgehoben werden. Die vorgenannte Vermutung ist widerlegbar, später auftretende Verwandte können also ihr Erbrecht noch geltend machen, ggf. durch Erbscheinsantrag, Antrag auf Aufhebung des Erteilungsbeschlusses sowie Erbschafts- oder Erbrechtsfeststellungsklage. Wegen § 1964 Abs. 2 BGB benötigt der Fiskus keinen Erbschein. Ausnahme: für die Umschreibung im Grundbuch4. Der Fiskus kann die beschränkte Erbenhaftung herbeiführen, wobei die allgemeinen Regeln gelten, §§ 1975, 1990, 2014, 2015, 1973, 1974 BGB. Privilegierungen: Für den Fiskus gilt nicht die Pflicht, sich die beschränkte Haftung im Prozess vorzubehalten, § 780 Abs. 2 ZPO. Ebenso wenig trifft ihn eine Inventarpflicht, § 2011 Abs. 1 BGB. Eine unbeschränkte Haftung wegen Inventarversäumung tritt also nicht ein. Der Fiskus schuldet den Gläubigern Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Im Falle pflichtwidriger Verwaltung des Nachlasses haftet der Fiskus gemäß den §§ 1978 bis 1980 BGB. Mit den Darlegungen in den vorgenannten Ziffern 1 bis 9 ist zugleich die Frage des Mandanten im Ausgangsfall beantwortet.
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Als gewillkürter Erbe kann er es. Vgl. dazu MüKo/Leipold, § 1964 BGB Rz. 4. Zur Rechtslage bei fehlender öffentlicher Aufforderung s. § 1965 Abs. 2 Satz 2 BGB. BayObLG v. 1.4.1987 – 2 Z BReg. 28/87, MDR 1987, 762.
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II. Annahme und Ausschlagung der Erbschaft Schrifttum: Behrendt, Anm. zu BGH v. 8.10.1997 – IV ZR 236/96, ZEV 1998, 67 f.; Bengel, Gestaltung letztwilliger Verfügungen bei Vorhandensein behinderter Abkömmlinge, ZEV 1994, 29 ff.; Bonefeld/Lange/Tanck, Die geplante Reform des Pflichtteilsrechts, ZErb 2007, 292 ff.; Buchholz, Insichgeschäft und Erbschaftsausschlagung – Überlegungen zu einem Problem des § 1643 II BGB, NJW 1993, 1161 ff.; Damrau, Die Verpflichtung zur Ausschlagung der Erbschaft, ZEV 1995, 425 ff.; Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, 2002; Daragan, Erlass der Erbschaftsteuer wegen Kursverfalls vermachter Aktien, Anm. zu FG München v. 24.7.2002 – 4 K 558/02, ZErb 2003, 28; Ebenroth/ Koos, Anm. zu BVerwG v. 14.12.1995 – 2 C 27.94, ZEV 1996, 344; Ebersbach, Handbuch des deutschen Stiftungsrechts, 1972; Engler, Zur Auslegung des § 1643 Abs. II BGB, FamRZ 1972, 7 ff.; Fischer, Anm. zu BGH v. 5.3.1964 – II ZR 208/61, LM § 105 HGB Nr. 19; Fischer, Die Stellung des vermeintlichen Erben in der OHG, FS Heymanns Verlag, 1965, S. 271 ff.; Friedrichs, Die Haftung des endgültigen Erben und des „Zwischenerben“ bei Fortführung eines einzelkaufmännischen Unternehmens, 1990; Gothe, Erbschaftsausschlagung und Anfechtung der Erbschaftsannahme, MittRhNotK 1998, 193 ff.; Gottwald, Fristen im Erbrecht: Allgemeine Fristen, ZEV 2006, 293 ff.; Gottwald, Fristen im Erbrecht: Anfechtungsfristen, ZEV 2006, 489 ff.; Hannes, Gestaltungsalternative: Ausschlagung der Erbschaft gegen Nießbrauchsabfindung oder Erbschaftsannahme mit nachfolgender Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt?, ZEV 1996, 10 ff.; Heinemann, Erbschaftsausschlagung: neue Zuständigkeiten durch das FamFG, ZErb 2008, 293 ff.; Heinemann, Die Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das FamFG und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, DNotZ 2009, 6 ff.; Hillebrand, Die Nachlassverwaltung – unter besonderer Berücksichtigung der Verwaltungs- und Verfügungsrechte des Nachlassverwalters, 1998; Ivo, Die Erbschaftsausschlagung eines Sozialhilfeempfängers, FamRZ 2003, 6 ff.; Ivo, Erbschaftsausschlagung wegen vermeintlicher Überschuldung und ihre Anfechtung bei Nachlassspaltung, NJW 2003, 185 ff.; Johannsen, Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf dem Gebiet des Erbrechts – 9. Teil: Erbfolge – Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, Fürsorge durch das Nachlassgericht – Die Erbenhaftung – Der Erbschaftsanspruch – Allgemeine Testamentsvorschriften und Erbeinsetzung, WM 1972, 914 ff.; Kapp, Die Erbausschlagung in zivilrechtlicher und erbschaftsteuerrechtlicher Sicht, BB 1980, 117 ff.; Keim, Die vergessene Ausschlagung beim durch Vermächtnis entwerteten Erbteil, ZEV 2003, 358 ff.; Keim, Die Reform des Erb- und Verjährungsrechts und ihre Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis, ZEV 2008, 161 ff.; Keim, Die Erbschaftsausschlagung durch Bevollmächtigte und § 2271 Abs. 2 S. 1, 2. HS BGB, ZErb 2008, 260 ff.; Konzen, Der vermeintliche Erbe in der OHG, ZHR 145 (1981), 29 ff.; Kraiß, Die Anfechtung der Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, BWNotZ 1992, 31 ff.; Krampe, Testamentsgestaltung zugunsten eines Sozialhilfeempfängers, AcP 191, 526 ff.; Kremer/Laux, Die Rechtsstellung des vermeintlichen Erben in der GmbH, BB 1992, 159 ff.; Kuchinke, Anm. zu LG Konstanz v. 24.4.1991 – 5 O 423/90, FamRZ 1992, 362 ff.; Linde, Zur Ausschlagung einer Erbschaft – Nasciturus, Sozialhilfe, BWNotZ 1988, 54 ff.; Lindner, Die geplante Reform der §§ 2305 f. BGB – Meilenstein oder zu kurz gesprungen?, ErbR 2008, 374 ff.; van de Loo, Die letztwillige Verfügung von Eltern behinderter Kinder, NJW 1990, 2852 ff.; van de Loo, Möglichkeiten und Grenzen eines Übergangs des Rechts zur Erbausschlagung durch Abtretung bzw. Überleitung, ZEV 2006, 473 ff.; Malitz, Erbschaftsausschlagung und Rechtsirrtum, ZEV 1998, 415 ff.; Mayer, Anm. zu OLG Stuttgart v. 25.6.2001 – 8 W 494/99, ZEV 2002, 369 f.; Muscheler, Universalsukzession und Vonselbsterwerb, 2002; Muscheler, Die geplanten Änderungen im Erbrecht, Verjährungsrecht und Nachlassverfahrensrecht, ZEV 2008, 105 ff.; v. Olshausen, Zugewinnausgleich und Pflichtteil bei Erbschaftsausschlagung durch einen von mehre-
1090 Muscheler
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
C II
ren Erbeserben des überlebenden Ehegatten?, FamRZ 1976, 678 ff.; Pieroth, Grundgesetzliche Testierfreiheit, sozialhilferechtliches Nachrangprinzip und das so genannte Behindertentestament, NJW 1993, 173 ff.; Piltz, Rückwirkende Zugewinngemeinschaft kann erbschaftsteuerlich immer noch sinnvoll sein, ZEV 1995, 330 ff.; Sarres, Die Auskunftspflichten des vorläufigen Erben gegenüber dem endgültigen Erben, ZEV 1999, 216 ff.; Schewe, Die Errichtung der rechtsfähigen Stiftung von Todes wegen, 2004; Schindler, Die Anwendung des § 2306 BGB nach altem und neuem Recht unter besonderer Berücksichtigung der Werttheorie, ZEV 2008, 125 ff., 187 f.; O. Schmidt, Die Errichtung von Unternehmensträgerstiftungen durch Verfügung von Todes wegen, 1997; O. Schmidt, Das Ausschlagungsrecht von Unternehmensträgerstiftungen bei letztwilliger Zuwendung – Beseitigung der Geschäftsgrundlage der stiftungsrechtlichen Genehmigung, ZEV 1999, 141 ff.; Schreiner, Die Mitwirkung erbscheinberechtigter Scheinerben bei Gesellschafterbeschlüssen und Anteilsübertragungen, NJW 1978, 921 ff.; Specks, Zur Zulässigkeit der Erbschaftsausschlagung unter einer Gegenwartsbedingung, ZEV 2007, 356 ff.; Specks, Gefahren bei der Ausschlagung werthaltiger Erbschaften, ZErb 2007, 238 ff.; Stumpf, Der vermeintliche Erbe des Arbeitgebers, FS Brackmann, 1977, 299 ff.; Tiedtke, Zur Bindung des überlebenden Ehegatten an das gemeinschaftliche Testament bei Ausschlagung der Erbschaft als eingesetzter, aber Annahme als gesetzlicher Erbe, FamRZ 1991, 1259 ff.; Troll, Ausschlagung der Erbschaft aus steuerlichen Gründen, BB 1988, 2153 ff.; Wälzholz, Vertragsgestaltungen zur Ausnutzung der steuerlichen Grundbesitzwerte, ZEV 2001, 392 ff.; Walter, Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft, ZEV 2008, 319 ff.; Weithase, Zurückweisung einer geringfügigen Erbschaft, Rpfleger 1988, 434 ff.; Wiedemann, Abfindungs- und Wertfestsetzungsvereinbarungen unter zukünftigen Erben, NJW 1968, 769 ff.
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Motive für eine Ausschlagung 1. Persönliche Motive . . . . . . . . . . . 2. Finanzielle Motive a) Überschuldung . . . . . . . . . . . . b) Steuerliche Aspekte . . . . . . . . c) Zugewinngemeinschaft . . . . . d) Gemeinschaftliches Testament und Erbvertrag: Rückgewinnung der Testierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ausschlagung gegen Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Benachteiligung der Eigengläubiger. . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Erlangung des Pflichtteils . . . III. Ausschlagungsberechtigung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vererblichkeit des Ausschlagungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers . . . . . . a) Aufschiebende Bedingung . . . b) Auflösende Bedingung . . . . . . c) Inhaltliche Anerkennung . . .
Rz. 1 8 11 14 19
25 26 28 29 31 32 34 36 37 38
Rz. 4. Gesetzliche Ausschlagungsbeschränkungen a) § 1942 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . b) Stiftungsvorstand . . . . . . . . . 5. Einflussmöglichkeiten Dritter a) Gläubiger des Erben . . . . . . . b) Sozialhilfeträger. . . . . . . . . . . c) Gütergemeinschaft . . . . . . . . d) Zustimmungserfordernis des Dienstherrn . . . . . . . . . . . 6. Verlust des Ausschlagungsrechts durch Annahme a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Ausdrückliche Annahme . . . c) Annahme durch schlüssiges Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . d) Annahme durch Fristablauf. e) Wirkungen der Annahme. . .
51 57 58
IV. Form der Ausschlagung . . . . . . .
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V. Ausschlagungsfrist 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fristbeginn a) Kenntnis vom Anfall . . . . . . b) Kenntnis vom Berufungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Muscheler
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64 67 69
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c) § 2306 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . d) Fristberechnung . . . . . . . . . . .
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft Rz. 72 73
VI. Inhalt der Ausschlagungserklärung 1. Die Ausschlagungserklärung . . . 2. Bedingte Ausschlagung . . . . . . . . 3. Teilausschlagung . . . . . . . . . . . . . 4. Umfang der Ausschlagung . . . . .
75 77 80 82
VII. Gesetzliche Stellvertretung 1. Der minderjährige Erbe . . . . . . . . 2. Betreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83 85
VIII. 1. 2. 3. 4.
Wirkung der Ausschlagung Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . Wegfall des Zunächstberufenen Anfall an den Nächstberufenen. Ermittlung des Nächstberufenen durch das Nachlassgericht .
86 87 89 93
IX. Anfechtung 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Anfechtungsfrist . . . . . . . . . . . 95 b) Form der Anfechtung . . . . . . . 97 c) Wirkung der Anfechtung . . . . 98 2. Anfechtungsgründe . . . . . . . . . . . 101 X. Besonderheiten bei Annahme und Ausschlagung eines Vermächtnisses 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Formelle Anforderungen. . . . . . . 3. Wirkungen von Annahme und Ausschlagung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflichtteilsberechtigter als Erbe und Vermächtnisnehmer . . . . . . 5. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz. XI. Haftung und Ansprüche des Zwischenerben 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansprüche des endgültigen Erben gegen den Zwischenerben a) Anspruch auf Herausgabe . . b) Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anspruch auf Auskunft . . . . 3. Ansprüche des Zwischenerben gegen den endgültigen Erben . . 4. Zurechnung von Handlungen des Zwischenerben a) Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . b) § 1959 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . c) Erfüllung durch Dritte . . . . . d) Verpflichtungsgeschäfte . . . . e) Fortführung eines Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma . . . . . . . . . . . . . . . . f) Der Zwischenerbe in einer Personenhandelsgesellschaft g) Der Zwischenerbe als Gesellschafter einer GmbH . . . h) Der Zwischenerbe als Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XII. Der Ausschlagungsverpflichtungsvertrag 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Abschluss des Vertrags nach dem Erbfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Abschluss des Vertrags vor dem Erbfall. . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
I. Einleitung
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Beratungssituation: Der Mandant ist in einem Testament als alleiniger Erbe genannt. Er möchte wissen, ob er die Erbschaft irgendwie annehmen muss, um letztendlich wirklich Erbe zu werden1.
1 Im fünften Buch des BGB ist der erste Titel des zweiten Abschnitts überschrieben mit den Worten „Annahme und Ausschlagung der Erbschaft“. Entgegen dem ersten Eindruck, den diese Überschrift erweckt, sind Annahme 1 Herrn Rechtsanwalt Dr. Markus Schewe, Herrn Richter am AG Michael Janßen und Herrn Rechtsreferendar Martin Metzler gebührt mein herzlicher Dank für ihre wertvolle Mitarbeit an diesem Kapitel.
1092 Muscheler
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 3 C II
und Ausschlagung der Erbschaft in der erbrechtlichen Praxis durchaus nicht von gleich großer Bedeutung. Es ist vielmehr die Ausschlagung, die bei der anwaltlichen und notariellen Beratung ganz im Vordergrund steht, und dies aus dem einfachen Grunde, dass nur ihr gestalterische Wirkung im eigentlichen Sinne zukommt und die Annahme gewissermaßen nur einen Unterpunkt in der Prüfung der Ausschlagung darstellt. Dies hat zu tun mit einem wichtigen Prinzip des deutschen Erbrechts: dem Prinzip des Vonselbsterwerbs1. Dieses (zwingende, also nicht dispositive) Prinzip spricht schon die grundlegende Erbrechtsnorm des § 1922 Abs. 1 BGB aus, indem sie anordnet, dass die Erbschaft auf den oder die Erben übergeht „mit dem Tode“ des Erblassers. Damit ist ein Zweifaches ausgesagt. Zum einen, dass es für den Erbanfall (also den Erbschaftserwerb durch den oder die Erben) keiner irgendwie gearteten Mitwirkung des oder der Erben (sei es in Form eines Erbschaftsantritts – wie ihn bei den sog. extranei das römische Recht verlangte –, sei es auch nur in Form eines den Erwerb bejahenden oder zumindest nicht ablehnenden Willens, sei es – sozusagen die geringstmögliche „Mitwirkungs“-Anforderung – in Form der bloßen Kenntnis vom Erbanfall) bedarf, keiner gerichtlichen oder behördlichen „Einweisung“ in den Nachlass (wie etwa in Österreich), keiner obligatorischen Zwischenschaltung eines von Gericht oder Erblasser ernannten Verwalters (wie im angelsächsischen Rechtskreis)2. Denn der Erbanfall erfolgt „mit“ dem Erbfall (also dem Tod des Erblassers) und damit von Gesetzes wegen, ipso iure. Zum anderen ergibt sich aus § 1922 Abs. 1 BGB, dass es zwischen Erbfall und Erbanfall keinen zeitlichen Zwischenraum, nicht einmal den einer „juristischen Sekunde“ gibt, dass es mithin zu keinem Zeitpunkt zu einem herrenlosen Nachlass, zu einer „ruhenden“ Erbschaft, einer „hereditas iacens“, kommt. Denn der Erbanfall erfolgt mit „dem Tode“ des Erblassers. Man darf die beiden Aussagen nicht gleichsetzen: Dass der Erbanfall ipso iure erfolgt, impliziert nicht zwingend, dass er ipso morte erfolgt. Es ließe sich ohne weiteres denken, dass der Erbanfall zwar ipso iure, aber z.B. erst nach Ablauf einer gesetzlichen Übergangsfrist sich vollzöge.
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Die rechtspolitische Legitimation des in § 1922 Abs. 1 BGB aufgestellten Prinzips des Vonselbsterwerbs ergibt sich aus den vorteilhaften Wirkungen, die es zeitigt. Es schützt vor allen Dingen in sehr weitgehender Weise den Erben vor Eingriffen Dritter, denn der Erbe wird mit dem Erbfall dinglich Berechtigter (§§ 985 ff. BGB) und, ohne eigenen Erwerbsakt, Besitzer aller Nachlassgegenstände (§ 857 BGB). Es schützt den Rechtsverkehr, denn die dingliche Zuordnung des Nachlasses zu einer bestimmten Person ist zu jeder Zeit gewährleistet. Es entlastet den Staat und befreit zugleich Erblasser und Erben von kostspieliger und vielleicht nicht ganz neutraler staatlicher Zwangsfürsorge, denn eine automatische staatliche Pflegschaft oder eine sonstige automatische staatliche Einweisungs- und Schutztätigkeit entfällt.
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1 Dazu (v.a. auch über das Verhältnis des Prinzips zu den anderen erbrechtlichen Prinzipien) ausführlich Muscheler, S. 141 ff. 2 Ausführlich Staudinger/Otte, § 1942 Rz. 2 f.
Muscheler
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C II Rz. 4
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Es dient den Nachlassgläubigern und Nachlassschuldnern, denn diese wissen alsbald (wenn auch noch nicht endgültig), mit wem sie es in Zukunft zu tun haben und sehen sich des Nachweises der Annahme enthoben. Entscheidend für das Gesetz spricht schließlich, dass es eine zwanglos-einfache Regelung des faktischen Normalfalles bereithält: In den meisten Fällen ist der Erwerb einer Erbschaft eine dem Erben günstige und damit willkommene Gelegenheit und also seine Bereitschaft zur endgültigen Übernahme der Erbschaft ohne weiteres vorhanden1. Es wird daher folgerichtig vom Erben keine aktive Handlung erwartet, um diese Stellung zu erlangen. Bisweilen gerät die Legitimation des Vonselbsterwerbs freilich an ihre Grenzen. Dies gilt namentlich im Bereich des Erbschaftsteuerrechts. Nach § 9 ErbStG entsteht die Steuer bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers und nach § 11 ErbStG ist für die Wertermittlung der Zeitpunkt der Steuerentstehung maßgebend. Der Steuergesetzgeber hat damit den zivilrechtlichen Grundsatz des Vonselbsterwerbs sich ausdrücklich zu Eigen gemacht. Enthält der Nachlass Vermögensgegenstände, etwa börsennotierte Wertpapiere, die nach dem Erbfall rapide an Wert verlieren, so ist für die Wertermittlung nicht auf die Kenntniserlangung vom Erbfall, geschweige denn auf die Annahme der Erbschaft durch den Erben abzustellen, sondern einzig und allein auf den Zeitpunkt des Erbfalls – ein rigides Stichtagsdenken, das auf die faktische Verfügungsmöglichkeit des Erben wenig, auf Arbeitsersparnis bei den Finanzbehörden dagegen umso mehr Rücksicht nimmt, de lege lata mit der Billigkeitsregelung des § 163 AO nur in Ausnahmefällen zu mildern ist und de lege ferenda kaum voll zu überzeugen vermag. 4 § 1942 Abs. 1 BGB bestätigt noch einmal das bereits in § 1922 Abs. 1 BGB verankerte Prinzip des Vonselbsterwerbs und zieht, die Anfallsregelung weiterführend, aus einem allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz die erbrechtliche Folgerung: Niemandem soll ein Recht aufgedrängt werden, und daher geht die Erbschaft auf den berufenen Erben „unbeschadet des Rechtes über, sie auszuschlagen“. Endgültiger Erbe bleibt man also nur, wenn man nicht ausschlägt. Dass der Gesetzgeber in der Ausschlagung die faktische Ausnahme sieht, kommt auch in ihrer rechtlichen Ausgestaltung zum Ausdruck: Das Vertrauen des Rechtsverkehrs darauf, dass der Erbe normalerweise die Erbschaft behält, wird durch besondere (und besonders strenge) Frist- und Formerfordernisse für die Ausschlagung geschützt. Nach § 1953 Abs. 1 BGB wirkt die Ausschlagung nicht nur ex nunc, also vom Zeitpunkt der Ausschlagung an, sondern ex tunc, d.h. vom Zeitpunkt des Erbfalls an: Der Anfall an den Ausschlagenden gilt „als nicht erfolgt“. Damit wird das Prinzip, dass niemandem ein Recht aufgedrängt werden darf, in seiner schärfsten Konsequenz verwirklicht: Niemandem darf ein Recht selbst für eine noch so kurze Zwischenzeit aufgedrängt werden. Die konsequente Verwirklichung des einen Prinzips geht scheinbar auf Kosten des anderen Prinzips, nämlich des Prinzips des Vonselbsterwerbs. Der Vonselbsterwerb wird, so sieht es auf den ersten Blick aus, auf das Niveau eines bloßen Er1 Mot. V, S. 486 f.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 4 C II
werbsmodus herabgedrückt, während er bei ex-nunc-Wirkung der Ausschlagung zugleich (rechtfertigende) causa einer (wenn auch nur transitorischen) materiellen Rechtslage wäre. Doch man bedenke, warum das Gesetz ex-tuncWirkung der Ausschlagung anordnet: Es geschieht, um das Prinzip des Vonselbsterwerbs beim endgültigen Erben in reiner Form durchführen zu können. Nach § 1953 Abs. 2 BGB fällt die Erbschaft demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall an ihn gilt „als mit dem Erbfall erfolgt“. Man sagt herkömmlicherweise, die Entscheidung des BGB gegen (v.a.) den Antrittserwerb und für den Vonselbsterwerb sei eben wegen der Möglichkeit der Ausschlagung und wegen der zurückwirkenden Rechtsfolgen der Ausschlagung überwiegend konstruktiv-formaler Natur1, und unterstützt dies meist mit einem Hinweis darauf, dass das Gesetz die Ausschlagung einer Erbschaft zum Vorteil eines anderen nicht als Schenkung behandelt wissen wolle (§ 517 BGB) und die Ausschlagung generell nicht der Anfechtung nach InsO und AnfG unterwerfe, also selber nicht so recht Ernst mache mit seinem Ausgangspunkt. Die Rede von der konstruktiv-formalen Natur des Prinzips mag angehen, so lange man nicht die oben dargestellten durchaus auch materialen Vorzüge desselben verkennt. Gewiss muss auch das System des Vonselbsterwerbs wegen der Möglichkeit der Ausschlagung mit einem Schwebezustand leben. Es garantiert aber doch infolge der vom BGB gewählten Kürze der Ausschlagungsfrist eine rasche Entscheidung über die personale Zuordnung der Erbschaft, während in einem System des Antrittserwerbs der Schwebezustand grundsätzlich unbegrenzt dauern kann – eine weitere Bekräftigung der durchaus auch materialen Vorzüge des BGB-Modells. Hinzu kommt übrigens, dass der Gesetzgeber die Rückwirkung der Ausschlagung ihrerseits nicht kompromisslos durchgeführt hat, was sich etwa daran zeigt, dass er das Verhältnis zwischen vorläufigem und endgültigem Erben nicht primär bereicherungsoder deliktsrechtlich oder nach den Regeln des Erbschaftsbesitzes, sondern nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag ausgestaltet hat und den vom vorläufigen Erben vorgenommenen Rechtsgeschäften in gewissem Umfang ihre Wirksamkeit belässt (§ 1959 BGB), mithin das Faktum, dass der vorläufige Erbe eben bis zur Ausschlagung Rechtsträger des Nachlasses war, in der Art eines Rechtsfolgenkompromisses durchaus in Betracht zieht. Man wird fragen, wo in einem so geordneten System die in der Titelüberschrift angekündigte „Annahme“ der Erbschaft bleibt. Auch nach dem BGB kann der Erbe die Erbschaft (ausdrücklich oder konkludent, jedenfalls formlos) annehmen. Aber diese Annahme macht ihn, wie gezeigt, nicht erst zum Erben, sie beseitigt lediglich die Möglichkeit der Ausschlagung (§ 1943 BGB), hat also keine eigenständigen Rechtsfolgen, sondern wirkt nur auf das Ausschlagungsrecht ein. Sie ist mithin nur ein Teilproblem im Rahmen der Ausschlagung2.
1 So schon Mot. V, S. 485, 487; Prot. V, S. 633 f., 662. Ebenso Staudinger/Otte, § 1942 Rz. 11; MüKo/Leipold, § 1942 Rz. 3. 2 Ähnlich Mot. V, S. 495.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
5 Die Ausschlagung ist eines der wenigen erbrechtlichen Gestaltungsmittel. Sie unterscheidet sich in Voraussetzungen und Wirkungen erheblich von einem anderen erbrechtlichen Gestaltungsmittel, der Anfechtung1. Anders als diese steht sie dem Erben (in Bezug auf seine Erbenstellung) zu; ist sie nicht nur bei Verfügungen von Todes wegen, sondern auch bei gesetzlicher Erbfolge möglich; führt sie bei Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen und einer Mehrheit von Erben nur zu einer relativen, auf die Person des Ausschlagenden beschränkten Wirkung, während die Anfechtung auch nur eines Miterben die (fehlerhafte) Verfügung insgesamt beseitigt2; greift sie auch ein bei vollkommen irrtumsfreier Verfügung von Todes wegen. Der Erbe kann zudem mittels der Ausschlagung nicht nur die Erbfolge nach dem Erblasser beeinflussen, sondern die Ausschlagung auch im Hinblick auf seine eigene Erbfolge gezielt einsetzen (vgl. Rz. 8). 6 Auch in der Beratung des Erblassers bezüglich der Gestaltung seiner Verfügung von Todes wegen ist die Möglichkeit, dass das vom Erblasser gewünschte Ergebnis von seinen Erben mittels der Ausschlagung vereitelt oder jedenfalls beeinflusst werden kann, von vornherein zu berücksichtigen. Die Auswirkungen einer eventuellen Ausschlagung sollten daher genau durchdacht werden, um gegebenenfalls durch bestimmte Anordnungen in der Verfügung von Todes wegen Vorsorge für eine spätere Ausschlagung treffen zu können. Zu denken ist dabei namentlich an eine ausdrückliche Ersatzerbenbenennung oder an Strafklauseln für den Fall der Ausschlagung3. Bei der Beratung von Erblassern und Erben in Bezug auf die Ausschlagung kann es leicht zu haftungsbegründenden Beratungsfehlern kommen. Das liegt zum einen an der Kompliziertheit der Materie als solcher, zum anderen (und vielleicht noch mehr) an dem Umstand, dass eine umfassende und korrekte Beratung nicht selten das Eingehen auf Themen verlangt, die der erbrechtlich nicht Versierte mit allem anderen, nur nicht mit Annahme und Ausschlagung der Erbschaft in Verbindung bringt. Das Letztere wiederum hängt damit zusammen, dass man an die Ausschlagung nur bei Überschuldung oder Wertlosigkeit des Nachlasses zu denken pflegt. Beispiel:4 Die Kläger (eine Rechtsanwaltssozietät) machen gegen den Beklagten 61 000 DM Honorar aus Beratung in einer Erbschaftsangelegenheit geltend. Der Beklagte – im Zeitpunkt der Beratung schon vorgerückten Alters, so dass rein statistisch innerhalb weniger Jahre mit seinem Ableben gerechnet werden konnte – war Miterbe zu ½ geworden. Der Nachlass belief sich auf 20 Millionen DM. Der Beklagte ist der Ansicht, die Kläger hätten ihn über die Möglichkeit der Erbschaftsausschlagung zugunsten seiner Kinder beraten 1 §§ 2078, 2079 BGB. 2 BGH v. 8.5.1985 – IVa ZR 230/83, FamRZ 1985, 806 (808) = NJW 1985, 2025 (2026); a.A. MüKo/Leipold, § 2080 Rz. 11. 3 Zum nicht immer infrage kommenden Ausschlagungsverpflichtungsvertrag s. Rz. 130 ff. 4 LG Köln v. 14.3.1980 – 17 O 129/79, NJW 1981, 351.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 7 C II
müssen. Durch eine Ausschlagung habe das nochmalige Anfallen von Erbschaftsteuer vermieden werden können. Der Schaden betrage mehr als 500 000 DM. Mit einem entsprechenden Ersatzanspruch (sei es einem eigenen, sei es einem ihm von den Kindern abgetretenen) rechne er auf. Das LG Köln hat in diesem Fall zu Recht Verletzung einer Beratungspflicht angenommen. Die Kläger habe eine umfassende Beratungspflicht auch in Bezug auf die Ausschlagungsmöglichkeit getroffen. Sie könnten sich auch nicht damit verteidigen, dass sie keine Steuerberater seien und deshalb über steuerrechtliche Fragen nicht zu beraten bräuchten. Das gelte im vorliegenden Fall insbesondere deshalb, weil der Fall steuerlich einfach gelagert gewesen sei. Letztendlich lehnte das LG Köln allerdings einen Schadenersatzanspruch mit der Begründung ab, dass der Schaden nicht beim Erben (dem Mandanten), sondern erst bei dessen Erben eingetreten sei, und diese hätten – da es an einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter fehle – keine Ansprüche gegen die Anwälte1. Die Ablehnung eines Ersatzanspruchs erscheint mehr als zweifelhaft. Sie würde heute kaum vor dem BGH Bestand haben2. Auch der Notar darf an die Ausschlagung nicht nur bei Überschuldung oder Wertlosigkeit des Nachlasses denken. Beurkundet er etwa eine Erbteilsübertragung, obwohl zur Erreichung der angestrebten Rechtsfolge auch eine Ausschlagung infrage kommt, bei der auf Seiten des Ausschlagenden keine Erbschaftsteuer anfällt, – so verletzt er seine Amtspflicht zur Belehrung über die Tragweite des Geschäfts und macht sich schadenersatzpflichtig3 (vgl. dazu auch Rz. 10). Ordnungsgemäße Belehrung des Erben bedeutet nicht nur Aufklärung über die Möglichkeit einer Ausschlagung als solcher, deren Voraussetzungen und Rechtsfolgen, sondern auch Darlegung der Rechtslage, die bis zur Entscheidung über Annahme und Ausschlagung besteht. Da der Nachlass zwar „mit dem Erbfall“ auf die Erben übergeht, dieser Vermögensübergang aber wegen der Möglichkeit einer (rückwirkenden) Ausschlagung einer „Einschränkung“4 unterliegt, handelt es sich bis zur Ausschlagung noch nicht um einen endgültigen, sondern nur um einen vorläufigen Erwerb5. Der lediglich unvollkommene Erwerb der Erbschaft äußert sich in den Wirkungen, die das noch ausübbare Ausschlagungsrecht erzeugt. Wirkungen des noch nicht ausgeübten, aber noch ausübbaren Ausschlagungsrechts: – Die Nachlassgläubiger können gegen den Erben nicht gerichtlich vorgehen (§ 1958 BGB). Die Schutzwirkung des § 1958 BGB erstreckt sich (nur) auf Passivprozesse, gleichgültig, ob es sich um Klagen oder vorläufige Anord-
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LG Köln v. 14.3.1980 – 17 O 129/79, NJW 1981, 351 f. Vgl. BGH v. 13.7.1994 – IV ZR 294/93, NJW 1995, 51. LG Neuruppin v. 29.11.1999 – 1a O 501/99, NotBZ 2000, 67. RG v. 17.4.1903 – VII. 16/03, RGZ 54, 289 (291). RG v. 17.4.1903 – VII. 16/03, RGZ 54, 289 (292); Staudinger/Otte, § 1942 Rz. 10; RGRK/Johannsen, Vor § 1942 Rz. 2.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
nungen handelt1. Die Wirkung des § 1958 BGB kommt nur dem Erben, nicht aber auch einem Testamentsvollstrecker oder Nachlasspfleger zugute (§§ 1960 Abs. 3, 2213 Abs. 2 BGB). Eine Aufrechnung seitens des Nachlassgläubigers wird durch § 1958 BGB nicht verhindert, auch wenn sie im Rahmen eines vom vorläufigen Erben geführten Aktivprozesses erklärt wird2. – Bis zur Annahme kann der Erbe nicht in Schuldnerverzug geraten (§ 1958 BGB analog)3. Ein schon vor dem Erbfall eingetretener Verzug bleibt aber weiter bestehen. – Den Nachlassgläubigern ist die Vollstreckung in das Eigenvermögen des Erben gem. § 778 Abs. 1 ZPO, den Eigengläubigern des Erben die Vollstreckung in den Nachlass gem. § 778 Abs. 2 ZPO verwehrt. Die Vollstreckung der Nachlassgläubiger in den Nachlass bleibt davon unberührt4. – Gem. § 239 Abs. 5 ZPO braucht der vorläufige Erbe schon begonnene Prozesse nicht fortzusetzen. – Gem. § 211 BGB kommt es zu einer Ablaufhemmung der Verjährung einer Forderung oder einer Verbindlichkeit bis zu sechs Monaten nach Annahme der Erbschaft. – Gem. § 1995 Abs. 2 BGB beginnt die Inventarfrist erst mit der Annahme der Erbschaft.
II. Motive für eine Ausschlagung 1. Persönliche Motive 8 Die Palette der persönlichen Motive, die einen Erben zur Ausschlagung veranlassen können, ist breit gefächert. Hier lässt sich an Abneigung gegen den Erblasser ebenso denken wie an Zuneigung einer dritten Person gegenüber. Der Erbe kann die Ausschlagung als Gestaltungsmittel einsetzen, um einem Dritten seine Stellung zukommen zu lassen. Ein solches Vorhaben wird aber nur gelingen, wenn der Erbe bzw. sein Rechtsberater die sich bei Ausschlagung gem. § 1953 Abs. 1, 2 BGB ergebende Erbfolge zuvor genau überprüft hat, da eine Ausschlagung zugunsten einer anderen Person, abweichend von der vorgegebenen Erbfolge, nicht möglich ist5 (dazu Rz. 77).
1 RG v. 24.2.1905 – VII. 628/04, RGZ 60, 179 (181). Aufgrund der kurzen Ausschlagungsfrist spielt § 1958 BGB weniger in Hauptsacheverfahren, sondern eher in vorläufigen Verfahren eine Rolle, Soergel/Stein, § 1958 Rz. 2. 2 MüKo/Leipold, § 1958 Rz. 6; Muscheler, S. 35. In der Führung eines Aktivprozesses kann aber u.U. schon eine Annahme der Erbschaft liegen. 3 RG v. 3.4.1912 – III. 259/11, RGZ 79, 201 (203); MüKo/Leipold, § 1958 Rz. 18. 4 Vgl. dazu Zöller/Stöber, § 778 Rz. 5 f. 5 Troll, BB 1988, 2153 (2154); Palandt/Edenhofer, § 1947 Rz. 2; OLG Schleswig v. 11.5.2005 – 3 Wx 70/04, ZEV 2005, 526 (526): Der Irrtum des Ausschlagenden, sein Erbteil falle einem bestimmten Miterben an, ist ein unbeachtlicher Motivirrtum über (weitere) Rechtsfolgen der Ausschlagung.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 10 C II
Zwar wäre es möglich, den Nachlass nach Annahme als Ganzes im Wege der 9 Schenkung auf eine andere Person zu übertragen, doch ist dies wertungsmäßig nicht mit dem „Erbesein“ vergleichbar und darüber hinaus auch aus finanziellen (steuerlichen) Gründen unvorteilhaft, da es so zu zwei steuerpflichtigen Vorgängen käme (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 ErbStG). In einer Ausschlagung zugunsten einer Person, die nicht zum Kreis der sich gem. § 1953 Abs. 2 BGB ergebenden Anfallberechtigten gehört, kann übrigens gegebenenfalls eine Annahme unter gleichzeitiger Verpflichtung zur Übertragung an die begünstigte Person gesehen werden1. Eine Annahme mit nachfolgender Schenkung kommt insbesondere in solchen Fällen in Betracht, in denen die Weiterleitung der Erbschaft mittels Ausschlagung wegen Unwirksamkeit der Ausschlagung nicht erreicht werden konnte. Wird auf diese Weise vom Erben nur das Ergebnis herbeigeführt, das die unwirksame Ausschlagung erzeugen sollte, so ist steuerrechtlich von einer Ausschlagung und einem dadurch verursachten Anfall der Erbschaft bei der beschenkten Person auszugehen2. Die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ist gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 AO für dessen steuerliche Beurteilung nicht von Belang, so dass die steuerliche von der erbrechtlichen Betrachtung abweichen kann3. Entscheidend für die steuerrechtliche Betrachtung ist allein, ob die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts eintreten lassen4. Dabei gilt § 41 Abs. 1 AO auch, wenn sich die steuerrechtliche Beurteilung zum Vorteil der Beteiligten auswirkt5. Zum Zeitpunkt der Abgabe der unwirksamen Ausschlagungserklärung muss dem Ausschlagenden aber das Ausschlagungsrecht noch zugestanden haben, andernfalls ist das Vermögen kraft zwingenden Rechts dem Erben angefallen und unterliegt der Erbschaftsteuer6. Außerdem findet § 41 Abs. 1 AO keine Anwendung, wenn ein wirksames, aber unerwünschtes Geschäft vorliegt: Haben die Parteien in Unkenntnis der Ausschlagungsmöglichkeit z.B. eine Erbteilsübertragung vorgenommen, so fehlt es für die Anwendung des § 41 AO an einem unwirksamen Geschäft. Es liegt lediglich – gegebenenfalls – ein Fall der Notarhaftung vor7. Als weiteres persönliches Motiv ist denkbar, dass ein Erbe es vorzieht, die Stellung eines gesetzlichen Erben zu erlangen, anstatt testamentarisch berufen zu sein8.
1 KG v. 12.12.1907 – 1. Z. 1438/07, KGJ 35, A 63 (A 64); Palandt/Edenhofer, § 1947 Rz. 2; Staudinger/Otte [2000], § 1947 Rz. 8; nach Staudinger/Otte [2008], § 1947 Rz. 8 setzt dies eine klar erkennbare, vertragliche und notariell beurkundete Verpflichtung voraus. 2 Troll, BB 1988, 2153 (2154); Kapp, BB 1980, 117 (119). 3 Troll, BB 1988, 2153 (2154); Klein/Brockmeyer, § 41 Anm. 7. 4 Klein/Brockmeyer, § 41 Anm. 7. 5 Troll, BB 1988, 2153 (2154). 6 Kapp, BB 1980, 117 (119). 7 LG Neuruppin v. 29.11.1999 – 1a O 501/99, NotBZ 2000, 67. 8 MüKo/Leipold, § 1948 Rz. 2, der aber richtig darauf hinweist, dass dieses Interesse des Bedachten hinter den (auch hypothetischen) Willen des Erblassers zurücktritt.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
2. Finanzielle Motive a) Überschuldung 11 Der praktisch bedeutsamste Grund, eine Erbschaft auszuschlagen, dürfte in der Überschuldung des Nachlasses und der sich daraus ergebenden Angst des Erben liegen, mit seinem Eigenvermögen haften zu müssen. Bei dieser Fallgestaltung sollte ein beratender Anwalt jedoch nicht vorschnell und leichtfertig auf die Ausschlagung als einzig taugliches Mittel dafür verweisen, das Eigenvermögen des Erben vor dem Zugriff der Nachlassgläubiger zu schützen. Gerade wenn eine Bewertung des Nachlasses Probleme bereitet und eine Überschuldung des Nachlasses nur als möglich, aber noch nicht als sicher erscheint, muss auch die Möglichkeit der Nachlassverwaltung (§§ 1975 ff. BGB) in Betracht gezogen werden1. 12 Die Überschuldung des Nachlasses kann sich auch nach sorgfältiger, im Ergebnis zunächst negativer Prüfung der Vermögensverhältnisse unerwartet ergeben. Zu dieser Situation kommt es insbesondere dann nicht selten, wenn die Banken die Vermögensverhältnisse des Erblassers aufdecken und gem. ihrer sich aus § 33 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ergebenden Verpflichtung die Finanzbehörden informieren und diese nun noch auf die Lebenszeit des Erblassers bezogene Steuernachzahlungen fordern. Ist hier nicht endgültig absehbar, ob die Passiven die Aktiven übersteigen, besteht also auch nur entfernt die Möglichkeit, dass nach Bereinigung der Passiven noch Vermögen vorhanden sein könnte, so würde der Rat des Anwalts, die Erbschaft auszuschlagen, zu dessen Haftung führen, soweit dem Erben durch die Ausschlagung tatsächlich Vermögen entgangen ist. 13 Auch muss die Frage bedacht werden, ob die Nachlassgläubiger ihre Ansprüche tatsächlich durchsetzen werden. Dies gilt namentlich für kurz vor der Verjährung stehende Nachlassverbindlichkeiten. Beispiel:2 Tritt nach Ausschlagung der Erbschaft Verjährung einer Nachlassverbindlichkeit ein, so kommt eine Anfechtung der Ausschlagung nicht in Betracht. Nahm der Erbe an, dass der Gläubiger die Forderung vor Ablauf der Verjährungsfrist geltend machen würde, so ist darin nur ein unbeachtlicher Motivirrtum über das künftige Verhalten des Gläubigers zu sehen. b) Steuerliche Aspekte
Û
Beratungssituation: Der Mandant möchte wissen, ob es sich aus steuerlichen Gesichtspunkten lohnt, eine Erbschaft nach seiner Mutter zugunsten seiner Kinder auszuschlagen, da diese ohnehin seine Erben seien.
1 Hillebrand, S. 14. 2 Nach LG Berlin v. 6.5.1975 – 83 T 181/75, NJW 1975, 2104. Auch eine Fehlbewertung bekannter Aktiven oder Passiven berechtigt nicht zur Anfechtung, Palandt/ Edenhofer, § 1954 Rz. 6.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 16 C II
Die Wirksamkeit einer Ausschlagung hängt nicht von den ethischen Qualitä- 14 ten der ihr zugrunde liegenden Motive ab. Erfolgt die Ausschlagung z.B. nur, um Steuern zu sparen, ist die Ausschlagung in keiner Weise ein Scheingeschäft oder ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, sondern – auch aus steuerrechtlicher Sicht – voll wirksam1. Die Ausschlagung erfüllt ihrerseits keinen Tatbestand des ErbStG, insbesondere liegt in ihr keine Schenkung des Erstberufenen an den Nächstberufenen (§ 517 BGB). Besteuert wird nur der Anfall der Erbschaft beim Nächstberufenen, da nur dieser das Vermögen unmittelbar vom Erblasser erhält (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Bei der Überprüfung der Möglichkeiten, die eine Ausschlagung eröffnet, sind verschiedene Aspekte in Betracht zu ziehen. Eine vorteilhafte steuerliche Gestaltung kann durch Ausschlagung dann erreicht werden, wenn der Nächstberufene einer günstigeren Besteuerung unterliegt als der Ausschlagende. Dies mag seine Ursache in einem höheren Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 ErbStG, einer günstigeren Steuerklasse gem. § 15 Abs. 1 ErbStG oder in einer niedrigeren Steuerprogression gem. § 19 Abs. 1 ErbStG (das Vermögen wird durch Ausschlagung etwa auf mehrere Personen aufgeteilt) haben. Zudem kann es bei Aufteilung auf mehrere Ersatzerben zu einer Senkung der Steuerbelastung durch die dann mögliche mehrfache Ausnutzung der Freibeträge des § 16 ErbStG kommen. Durch Ausschlagung wird eine Generation „übersprungen“; auf diese Weise fällt ein erbschaftsteuerrelevanter Vermögensübergang vollständig weg. Durch Ausschlagung gegen Abfindung kann auch der für die Steuerberechnung entscheidende Stichtag des § 11 ErbStG verändert werden; die Steuer auf die Abfindung entsteht erst zum Zeitpunkt der Vereinbarung derselben2.
15
Stand dem Erblasser seinerseits ein noch ausschlagbares Erbe zu und sind seine Erben gleichzeitig die Ersatzerben nach dem Erstverstorbenen, so kann mittels Ausschlagung der Erbschaft, die der Nachverstorbene nach dem Vorverstorbenen erlangt hat (§ 1952 BGB), eine steuerlich vorteilhafte Lage herbeigeführt werden.
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Beispiel:3 Die Eltern verstarben innerhalb von zwei Tagen nacheinander. Sie hatten sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder als Schlusserben eingesetzt. Die Kinder schlugen als Erben des Nachverstorbenen die Erbschaft nach dem Erstverstorbenen gem. § 1952 BGB aus. Nach der Ausschlagung waren sie nicht mehr nur an einem Erbfall, sondern an zwei getrennt zu bewertenden Erbfällen beteiligt, da sie nicht Schlusserben des gesamten Nachlasses, sondern Erben nach jedem Elternteil wurden. Dies bewirkte, dass jedes Kind hinsichtlich jedes Erbfalls den Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG (heute je 400 000 Euro) in Anspruch nehmen konnte. Da es infolge der Ausschlagung nicht zur Bildung eines Gesamtnachlasses kam, war auch der maßgebliche Steuersatz (§ 19 Abs. 1 ErbStG) hinsichtlich des die Freibeträge übersteigenden Vermögens – je nach Höhe des Elternvermögens – günstiger. 1 FG Düsseldorf v. 16.10.1964 – III 8/63 Erb, EFG 1965, 183. 2 Zu Gestaltungsmöglichkeiten vgl. Daragan, ZErb 2003, 28. 3 Beispiel nach FG Düsseldorf v. 16.10.1964 – III 8/63 Erb, EFG 1965, 183.
Muscheler
1101
C II Rz. 17
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
17 Die tatsächlichen Möglichkeiten, die eine Ausschlagung bietet, um gezielt auf die erbschaftsteuerliche Belastung einzuwirken, zeigen sich sehr deutlich an den folgenden einfachen Beispielen. Andererseits demonstriert gerade Beispiel 2, dass man sich vor der Illusion hüten muss, durch eine Ausschlagung in jedem Fall Steuern sparen zu können. 18
Beispiel 1: Der Erblasser hinterlässt seinem einzigen Sohn, der seinerseits zwei Kinder (Enkel) hat, Vermögen im Steuerwert von 2,5 Mio. Euro. Die beiden Enkel sind gegenwärtig die einzigen gesetzlichen Erben nach ihrem Vater. Der Sohn hat kein sonstiges Vermögen. Nimmt der Sohn die Erbschaft an, gestaltet sich die Situation wie folgt: Sohn (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): 2,5 Mio. Euro fi Steuerlast 19 % von 2 100 000 Euro = 399 000 Euro fi Verbleib
= 2 101 000 Euro
pro Enkel nach Tod ihres Vaters oder lebzeitiger Schenkung durch den Vater (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): 1 050 500 Euro fi Steuerlast 19 % von 650 500 Euro = 123 595 Euro fi Verbleib
= 926 905 Euro
Ergebnis für beide Enkel zusammen: Endvermögen
= 1 853 810 Euro
Gesamtsteuerbelastung
= 646 190 Euro
Schlägt der Sohn die Erbschaft nach dem Erblasser aus, gestaltet sich die Situation wie folgt: pro Enkel (Stkl. I, 200 000 Euro Freibetrag): 1,25 Mio Euro fi Steuerlast 19 % von 1 050 000 Euro = 199 500 Euro fi Verbleib
= 1 050 500 Euro
Ergebnis für beide Enkel zusammen: Endvermögen
= 2 101 000 Euro
Steuerbelastung
= 399 000 Euro
Endergebnis: Steuerersparnis infolge der Ausschlagung
= 247 190 Euro
Beispiel 2: Wie Beispiel 1, jedoch beträgt der Wert des Nachlasses nur 450 000 Euro. Nimmt der Sohn die Erbschaft an, gestaltet sich die Situation wie folgt: Sohn (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): 450 000 Euro fi Steuerlast 7 % von 50 000 Euro = 3500 Euro fi Verbleib
= 446 500 Euro
pro Enkel nach Tod ihres Vaters oder bei lebzeitiger Schenkung durch den Vater (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): 223 250 Euro fi Verbleib
1102 Muscheler
= 223 250 Euro
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 19 C II
Ergebnis für beide Enkel zusammen: Endvermögen
= 446 500 Euro
Steuerbelastung
=
3500 Euro
Schlägt der Sohn die Erbschaft nach dem Erblasser aus, gestaltet sich die Situation wie folgt: pro Enkel (Stkl. I, 200 000 Euro Freibetrag): 225 000 Euro fi Steuerlast 7 % von 25 000 Euro = 1750 Euro fi Verbleib
= 223 250 Euro
Ergebnis für beide Enkel zusammen: Endvermögen
= 446 500 Euro
Steuerbelastung
=
3500 Euro
=
0 Euro
Endergebnis: Steuerersparnis infolge der Ausschlagung
Beispiel 3: Der verwitwete Erblasser hat seinen einzigen Sohn und dessen Ehefrau je zur Hälfte als Erben eingesetzt. Der Wert des Nachlasses beträgt 1,25 Mio. Euro. Bei Realisierung der testamentarischen Anordnung gestaltet sich die Situation wie folgt: Sohn (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): 625 000 Euro fi Steuerlast 7 % von 225 000 Euro = 15 750 Euro fi Verbleib
= 609 250 Euro
Schwiegertochter (Stkl. II, 20 000 Euro Freibetrag): 625 000 Euro fi Steuerlast 30 % von 605 000 Euro = 181 500 Euro fi Verbleib
= 443 500 Euro
Endvermögen
= 1 052 750 Euro
Steuerbelastung
= 197 250 Euro
Schlägt die Schwiegertochter aus, gestaltet sich die Situation wie folgt: Sohn (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): 1,25 Mio Euro fi Steuerlast 19 % von 850 000 Euro = 161 500 Euro fi Verbleib
= 1 088 500 Euro
Endvermögen
= 1 088 500 Euro
Steuerbelastung
= 161 500 Euro
Endergebnis: Steuerersparnis infolge der Ausschlagung
=
35 750 Euro
c) Zugewinngemeinschaft Im Rahmen der Erbfolge bei im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten kann der überlebende Ehegatte die Ausschlagung einsetzen, um die Abwicklungsmethode zu bestimmen. Ist der überlebende Ehegatte geMuscheler
1103
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C II Rz. 20
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
setzlicher Erbe, so erhält er neben seinem Erbteil gem. § 1931 BGB ein weiteres Viertel als Ausgleich des Zugewinns gem. § 1371 Abs. 1 BGB, unabhängig davon, ob ein Zugewinn erzielt wurde. Zu dieser erbrechtlichen Lösung kommt es aber nur, wenn der überlebende Ehegatte Erbe wird. Schlägt er die Erbschaft aus, wird er also nicht Erbe (und ist ihm auch kein Vermächtnis zugewandt), so bestimmt sich die Abwicklung nach § 1371 Abs. 2, 3 BGB (güterrechtliche Lösung). Danach kann der überlebende Ehegatte den sog. kleinen Pflichtteil1, der die Hälfte des sich nach § 1931 BGB ergebenden Erbteils ausmacht2, und den Zugewinnausgleich verlangen. Der sog. große Pflichtteil steht ihm dagegen weder im Falle der Enterbung noch der Ausschlagung zu3 (zum Fall des Zusammentreffens von Erbeinsetzung und Vermächtnis vgl. Rz. 112). 20 Es stellt sich für den überlebenden Ehegatten die Frage, welche der beiden Lösungen für ihn günstiger ist. Allerdings ergeben sich Entscheidungsschwierigkeiten von vornherein nur dann, wenn Abkömmlinge gem. § 1924 BGB vorhanden sind. Existieren nämlich nur Erben zweiter Ordnung gem. § 1925 BGB oder Großeltern, so würde nach der erbrechtlichen Lösung die gesetzliche Erbportion des Ehegatten ½ gem. § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB zuzüglich ¼ gem. § 1371 Abs. 1 BGB, mithin also ¾ betragen4. Im Fall der güterrechtlichen Lösung erhielte der Ehegatte selbst im günstigsten Fall, in dem der überschießende Zugewinn den gesamten Nachlass ausmacht, weniger5. Sind nun aber Abkömmlinge vorhanden, so gilt es in der Beratungssituation das Wertverhältnis der beiden Möglichkeiten herauszufinden. Die güterrechtliche Lösung wird dann interessant, wenn die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs 3/7 des Nachlasswertes übersteigt6. Die besondere Schwierigkeit in den genannten zweifelhaften Fällen liegt darin, dass nicht nur eine genaue Bewertung des Nachlasses, sondern auch die Bestimmung der Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs vorgenommen werden muss, und zwar innerhalb der Ausschlagungsfrist. Bei diesen Berechnungen ist zudem § 5 Abs. 1 ErbStG zu beachten. Ferner gilt es zu bedenken, dass der überlebende Ehegatte im Rahmen der güterrechtlichen Lösung von möglichen Ansprüchen gem. § 1371 Abs. 4 BGB befreit wird, aber auch den Anspruch auf den Voraus gem. § 1932 BGB verliert. 21 Bei der erbrechtlichen Lösung gem. § 1371 Abs. 1 BGB steht dem Ehegatten neben dem Freibetrag von 500 000 Euro Schenkung gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1
1 § 1371 Abs. 3 BGB stellt eine Ausnahmeregel dar, da eine Ausschlagung regelmäßig zum Verlust des Pflichtteilsanspruchs führt, MüKo/Koch, § 1371 Rz. 50. 2 Palandt/Brudermüller, § 1371 Rz. 16. 3 BGH v. 25.6.1964 – III ZR 90/63, BGHZ 42, 182; Leipold, Rz. 171, 175. 4 Palandt/Edenhofer, § 1931 Rz. 5. 5 In diesem Fall bekäme der Ehegatte maximal ½ als Zugewinnausgleich und daneben ¼ vom verbleibenden Nachlass, insgesamt also 5/8 des Nachlasses. Im Vergleich der beiden Lösungen erhält der Ehegatte nach der erbrechtlichen Lösung mithin 1/8 mehr. 6 Leipold, Rz. 176. Der Anteil des überschießenden Zugewinns muss demnach mehr als 6/7 bzw. 85,71 % des Nachlasses des Erstverstorbenen ausmachen.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 22 C II
ErbStG ein zusätzlicher Freibetrag gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zu1. Danach bleibt der Betrag außer Acht, also steuerfrei, den der überlebende Ehegatte bei der güterrechtlichen Abwicklung gem. § 1371 Abs. 2 BGB als Zugewinnausgleich beanspruchen könnte. Gem. § 5 Abs. 1 Satz 5 ErbStG ist der Steuerwert des Endvermögens, nicht aber sein Verkehrswert maßgeblich2. Zur Berechnung des steuerlich abzugsfähigen Teils des (fiktiven) Ausgleichsanspruchs kann man folgende Formel verwenden3: Freibetrag = Zugewinnausgleichsanspruch ×
Endvermögenssteuerwert Endvermögensverkehrswert
Bei der güterrechtlichen Lösung gem. § 1371 Abs. 2 BGB entfällt eine Steuerpflicht hinsichtlich der Ausgleichsforderung, da diese weder Erwerb von Todes wegen noch Schenkung ist (§ 5 Abs. 2 ErbStG). Aufgrund der Steuerfreiheit (Beachte: Die für den Freibetrag nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ErbStG geltenden Einschränkungen greifen hier nicht ein, so dass etwa auch ehevertragliche Regelungen die Höhe des Ausgleichsanspruchs beeinflussen können!) ist bei einem großen Zugewinn stets an eine Ausschlagung zu denken, um mit ihrer Hilfe die güterrechtliche Lösung herbeizuführen4. Macht der Ehegatte daneben auch den (kleinen) Pflichtteil geltend, so stellt dies einen gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb dar, bei dem jedoch der Freibetrag gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG abzuziehen ist. Beispiel 1: Der Ehemann hinterlässt ein Vermögen mit einem Verkehrswert von 3 Mio. Euro. Darin sind Grundstücke mit einem Steuerwert von 650 000 Euro und einem Verkehrswert von 1 Mio. Euro enthalten. Während der Ehe hat der Mann einen Zugewinn in Höhe von 1,6 Mio. Euro erwirtschaftet. Seine Ehefrau hat keinen Zugewinn erlangt. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Es gilt gesetzliche Erbfolge. Bei der erbrechtlichen Lösung gestaltet sich die Situation wie folgt: Ehefrau (Stkl. I, Freibetrag nach Berechnung): 2 650 000 Euro
= 1 206 667 Euro
Freibetrag: 500 000 Euro + 800 000 Euro × 3 000 000 Euro
Steuerwert Erwerb: 1 325 000 Euro fi Steuerlast 11 % von 118 300 Euro (Abrundung nach § 10 Abs. 1 S. 6 ErbStG) = 13 013 Euro fi Verbleib Verkehrswert
= 1 486 987 Euro
Steuerlast:
=
13 013 Euro
Ergebnis (Verkehrswert): = 1 486 987 Euro Bei der güterrechtlichen Lösung gestaltet sich die Situation wie folgt: Zugewinn: ½ × 1,6 Mio. Euro (steuerfrei) fi Verbleib
= 800 000 Euro
1 Troll, BB 1988, 2153 (2156); Kapp/Ebeling, § 5 Rz. 46 ff. 2 ErbSt-Erlass 1976, BStBl. I 1976, 145; Kapp/Ebeling, § 5 Rz. 47 ff. 3 Auch der BFH v. 10.3.1993 – II R 87/91, BStBl. II 1993, 510, wendet diese Berechnungsmethode an, kritisch aber zu Recht Kapp/Ebeling, § 5 Rz. 48 sowie Meincke, § 5 Rz. 32 ff. m.w.N. 4 Lange/Kuchinke, § 52 II 6 (S. 1316).
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C II Rz. 23
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Pflichtteil (1/8 der Erbschaft nach Abzug der Verbindlichkeiten, Stkl. I, 500 000 Euro Freibetrag): 275 000 Euro fi Verbleib
= 275 000 Euro
Steuerlast:
=
Ergebnis:
= 1 075 000 Euro
0 Euro
Beispiel 2: Wie Beispiel 1, jedoch beträgt der Zugewinn des Erblassers 2,75 Mio. Euro. Bei der erbrechtlichen Lösung gestaltet sich die Situation wie folgt: Ehefrau (Stkl. I, Freibetrag nach Berechnung): 2 650 000 Euro
Freibetrag: 500 000 Euro + 1 375 000 Euro × 3 000 000 Euro
= 1 714 583 Euro
Steuerwert Erwerb: 1 325 000 Euro fi Verbleib Verkehrswert
= 1 500 000 Euro
Steuerlast:
=
Ergebnis (Verkehrswert):
= 1 500 000 Euro
0 Euro
Bei der güterrechtlichen Lösung gestaltet sich die Situation wie folgt: Zugewinn: ½ × 2,75 Mio Euro (steuerfrei) fi Verbleib
= 1 375 000 Euro
(1/8
Pflichtteil der Erbschaft nach Abzug der Verbindlichkeiten, Stkl. I, 500 000 Euro Freibetrag): 203 125 Euro fi Verbleib
= 203 125 Euro
Steuerlast:
=
Ergebnis:
= 1 578 125 Euro
0 Euro
23 Bei der güterrechtlichen Abwicklung muss unbedingt beachtet werden, dass in einem unentgeltlichen Verzicht des überlebenden Ehegatten auf die Geltendmachung der Ausgleichsforderung gegen die Kinder eine steuerpflichtige Schenkung liegt1. Verzichtet der Ehegatte jedoch gegen Zahlung einer Abfindung, so ist diese als Surrogat für den Zugewinnausgleichsanspruch steuerfrei2. 24 Soweit die Ehegatten den Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch Ehevertrag erst im Verlauf der Ehe unter Aufhebung eines anderen, zuvor gewählten Güterstandes vereinbaren, ist § 5 Abs. 1 Satz 4 ErbStG zu beachten3. In Abweichung von einer zivilrechtlich möglichen Rückwirkung dieser Vereinbarung auf den Zeitpunkt der Eheschließung4 gilt danach der neue Güterstand für die steuerliche Bewertung erst ab dem Tag des Vertragsschlusses als 1 Troll, BB 1988, 2153 (2156); Ländererlasse v. 20.12.1974 und 10.3.1976, BStBl. I 1976, 145; BB 1976, 403. 2 Meincke, § 5 Rz. 43. 3 Die Vorschrift erfasst – obwohl sie erst seit dem 1.1.1994 gilt – auch solche Fälle, in denen die Änderung des Güterstandes schon vor diesem Zeitpunkt vereinbart wurde, da sie nicht auf den Vertragsschluss, sondern auf den Vermögenserwerb abstellt, vgl. Piltz, ZEV 1995, 330. 4 MüKo/Kanzleiter, § 1408 Rz. 15.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 25 C II
eingetreten1. Nur der nach diesem Zeitpunkt erwirtschaftete Zugewinn kommt somit in den Genuss der erbschaftsteuerlichen Freistellung gem. § 5 Abs. 1 ErbStG. Allerdings lässt sich gem. § 5 Abs. 2 ErbStG auch im Fall einer erst später vereinbarten Zugewinngemeinschaft eine vollständige rückwirkende Steuerbefreiung erreichen, wenn die güterrechtliche Lösung gem. § 1371 Abs. 2 BGB gewählt wird. Dadurch kann die besonders für große Nachlässe interessante Steuerfreiheit für die auf die gesamte Ehezeit bezogene Zugewinnausgleichsforderung doch noch erreicht werden2. d) Gemeinschaftliches Testament und Erbvertrag: Rückgewinnung der Testierfreiheit Haben sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt, so kann der überlebende Ehegatte gem. § 2271 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. BGB durch Ausschlagung des ihm Zugewendeten seine Testierfreiheit wiedererlangen. Ausschlagung ist also ein Mittel, um die Bindungswirkung zu überwinden. Im Gegensatz zum Erbvertrag kann bei einem gemeinschaftlichen Testament die Berechtigung zur Ausschlagung nicht ausgeschlossen werden3. Die Ausschlagung der testamentarischen Zuwendung ist aber dann nicht erfolgreich, wenn nur diese isoliert ausgeschlagen wird (vgl. dazu Rz. 76) und der gesetzliche Erbteil nicht erheblich hinter dem Zugewendeten zurückbleibt4. Soll die Ausschlagung zur Wiedererlangung der Testierfreiheit führen, muss auch aus dem Berufungsgrund der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlagen werden. Der drohende Vermögensverlust infolge der Ausschlagung soll den überlebenden Ehegatten anhalten, die gemeinsam getroffene Verfügung zu respektieren. Nur wenn allein schon die Ausschlagung des testamentarischen Erbteils dem Überlebenden einen erheblichen Nachteil zufügt, kann man davon ausgehen, dass der Vorverstorbene diese Möglichkeit in Betracht gezogen und akzeptiert hat5. Auf diese Weise wird dem Vertrauen des vorverstorbenen Ehegatten auf den Fortbestand der Bindungswirkung Rechnung getragen6 und eine Umgehung der Bindungswirkung durch den überlebenden Ehegatten ausgeschlossen. Die Ausschlagung führt im Ergebnis nur dazu, dass der Erblasser die Testierfreiheit über sein eigenes (nicht vom Vorverstorbenen stammendes) Ver1 Harnischfeger, in: Christoffel/Geckle/Pahlke, § 5 Rz. 48. 2 Harnischfeger, in: Christoffel/Geckle/Pahlke, § 5 Rz. 48; Meincke, § 5 Rz. 30; Piltz, ZEV 1995, 330 (331). 3 Mayer, in: Dittmann/Reimann/Bengel, B. § 2271 Rz. 41. 4 KG v. 24.7.1990 – 1. ZS 1 W 949/89, OLGZ 1991, 6 f.; a.A. Tiedtke, FamRZ 1991, 1259 (1265). Aber auch von den Kritikern wird letztlich dasselbe Ergebnis auf anderem Wege erreicht. So wird z.T. der gesetzliche Erbteil auch als zugewandt – weil nicht durch Enterbung vorenthalten – eingestuft; andere nehmen eine bedingte Enterbung für den Fall der Ausschlagung der testamentarischen Zuwendung an; vgl. die umfassende Darstellung bei Mayer, in: Dittmann/Reimann/Bengel, B. § 2271 Rz. 43 f. 5 KG v. 24.7.1990 – 1. ZS 1 W 949/89, OLGZ 1991, 6 (10); a.A. Palandt/Edenhofer, § 2271 Rz. 18. 6 KG v. 24.7.1990 – 1. ZS 1 W 949/89, OLGZ 1991, 6 (10).
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mögen zurückerhält. Dagegen kann er durch einen Erbverzicht gem. §§ 2346 ff. BGB mit dem Schlusserben erreichen, dass er die Verfügungsmöglichkeit über den Gesamtnachlass erlangt (Vgl. dazu genauer das Kapitel zum Erbverzicht, B XV Rz. 15). Im Rahmen eines gegenseitigen Erbvertrages gem. § 2298 Abs. 1 BGB kann der Überlebende seine Testierfreiheit gem. § 2298 Abs. 2 Satz 3 BGB nach dem Tod des Vertragspartners wiedererlangen, wenn er das durch den Vertrag Zugewendete ausschlägt, vorausgesetzt, dass ein Rücktrittsvorbehalt gem. § 2293 vereinbart wurde1. Ob darüber hinaus auch das durch einseitige Verfügung Zugewendete ausgeschlagen werden muss, ist streitig. Die h.M. sieht dafür keine Notwendigkeit und argumentiert mit Normwortlaut und Systematik: Die Stellung der konkreten Regelung in § 2298 BGB zeige, dass mit der Formulierung durch den Vertrag nur vertragsmäßige Zuwendungen gemeint seien. Einseitige Zuwendungen seien eben nicht durch den Vertrag erfolgt und müssten daher nicht ausgeschlagen werden2. Dagegen wird überzeugend vorgebracht, dass die Zulässigkeit einer derart begrenzten Ausschlagung schon im Hinblick auf die §§ 1950, 1951 BGB bedenklich ist3. Soweit nämlich vertragsmäßige und einseitige Zuwendungen in einem Vertrag gemacht werden, liegt ein einheitlicher Berufungsgrund vor4. Darüber hinaus ist auch das Wortlautargument der h.M. zweifelhaft. In anderen Vorschriften hat der Gesetzgeber nämlich die Abgrenzung zu einseitigen Zuwendungen durch die Verwendung der Formulierung vertragsmäßige Zuwendung – vgl. hierzu nur die §§ 2291 Abs. 1, 2295, 2297 BGB – vorgenommen. Im Ergebnis müssen im Fall des § 2298 Abs. 2 Satz 3 BGB somit richtigerweise alle Zuwendungen ausgeschlagen werden5. e) Ausschlagung gegen Abfindung 26 Will der Erbe zugunsten einer anderen Person ausschlagen, wird er das oft nur oder gerade dann tun, wenn er von dem Anfallberechtigten einen finanziellen Ausgleich für den Verlust der Erbschaft erhält (zum zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft Rz. 130 ff.). Dabei ist aber zu beachten, dass gem. der Fiktion des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG die Abfindung als Erwerb vom Erblasser gilt und somit der Erbschaftsteuer unterfällt6. Wer die Abfindung zahlt, ist für die steuerliche Betrachtung unerheblich; die Steuerpflicht richtet sich immer nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Abgefundenen7. Zahlt allerdings derjenige, dem die Ausschlagung zugute kommt, 1 Mayer, in: Dittmann/Reimann/Bengel, C. § 2298 Rz. 21; Erman/Schmidt, § 2298 Rz. 4. 2 MüKo/Musielak, § 2298 Rz. 6. Unklar Erman/Schmidt, § 2298 Rz. 4; Mayer, in: Dittmann/Reimann/Bengel, C. § 2298 Rz. 21; Staudinger/Kanzleiter, § 2298 Rz. 17. 3 Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (214). 4 Staudinger/Otte, § 1951 Rz. 8. 5 Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (214); Palandt/Edenhofer, § 2298 Rz. 7. 6 Dies gilt nicht für die Abfindung für den Verzicht auf den Zugewinnausgleichsanspruch im Rahmen der güterrechtlichen Lösung gem. § 1371 Abs. 2 BGB, da die Abfindung hier kein Surrogat für einen Erwerb von Todes wegen ist. 7 Harnischfeger, in: Christoffel/Geckle/Pahlke, § 3 Rz. 29; Meincke, § 3 Rz. 98; Troll, BB 1988, 2153 (2155).
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so kann er seinerseits die Abfindung als Nachlassverbindlichkeit abziehen (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG)1. Ist die Abfindung höher als der Verkehrswert des Nachlasses, so ist die Abfindung bis zum Verkehrswert des Nachlasses nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG, also als Erwerb von Todes wegen, zu versteuern; für die Berechnung der Steuer ist jedoch der Steuerwert des Nachlasses maßgeblich. Der restliche Teil der Abfindung gilt als Schenkung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Ist der Nächstberufene zur Barabfindung nicht in der Lage oder müsste er erst den Nachlassgegenstand veräußern, um die notwendige Liquidität zu erlangen, kommt auch eine Abfindung durch Einräumung eines Nießbrauchs in Betracht. Namentlich dann, wenn es um Grundstücke, Unternehmen oder Unternehmensanteile geht, ist diese Gestaltung in Betracht zu ziehen, da durch sie eine Zerschlagung der Wirtschaftseinheit vermieden wird – was oftmals zentrales Anliegen der Beteiligten ist –; zum anderen wird dadurch langfristig die Versorgung des Ausschlagenden gesichert, was für die Beteiligten meist nicht minder wichtig ist2. Der die Abfindung Zahlende kann den Wert des Nießbrauchs als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG vom Erwerb abziehen. Eine interessante Möglichkeit bildet auch eine Abfindung in Sachwerten, da sich in diesem Fall die Steuer für den Ausschlagenden am Steuerwert der Sache und nicht an ihrem Verkehrswert orientiert. Auf diese Weise kann die Steuerlast des Abfindungsempfängers gesenkt werden3. Durch geschickte Vertragsgestaltung ist es möglich, die jeweiligen steuerlichen Folgen erheblich zu beeinflussen4. Da die Abfindung als Erwerb vom Erblasser gilt, bei dem auch die gesetzlichen Freibeträge genutzt werden können, und der Anfallberechtigte die Abfindungszahlung vom Nachlass abzuziehen vermag, eröffnet sich eine unter Umständen interessante Möglichkeit, die Steuerlast zu reduzieren. Beispiel: Der verwitwete Erblasser hat eines seiner beiden Kinder zum Alleinerben eingesetzt, ohne das andere Kind ausdrücklich zu enterben. Sein Vermögen beträgt 1,78 Mio. Euro. Bei testamentarischer Erbfolge gestaltet sich die Situation wie folgt: Enterbtes Kind (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): Pflichtteil = ¼ von 1,78 Mio. Euro
= 445 000 Euro
1 Pahlke, in: Christoffel/Geckle/Pahlke, § 10 Rz. 78; Troll, BB 1988, 2153 (2155); Meincke, § 10 Rz. 48. Der RFH v. 9.7.1931 – Ie A 886/28, RStBl. 1931, 971, sieht in der Abfindung durch einen Dritten eine Schenkung an den, dem die Ausschlagung zugute kommt. Danach soll dieser den Nachlass und den Abfindungsbetrag versteuern. Er soll aber den Abfindungsbetrag als Erwerbskosten vom Nachlass abziehen können. Der Abgefundene hat die Abfindung weiterhin gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zu versteuern. A.A. Meincke, § 3 Rz. 99, der sich dafür ausspricht, die Abfindung nur beim Abgefundenen steuerlich zu erfassen und sie bei dem, dem die Ausschlagung zugute kommt, weder als Erwerb noch als Abzugsposten zu berücksichtigen. 2 Hannes, ZEV 1996, 10 f. 3 Harnischfeger, in: Christoffel/Geckle/Pahlke, § 3 Rz. 29. 4 Dazu ausführlich Wälzholz, ZEV 2001, 392 ff.
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445 000 Euro fi Steuerlast 7 % von 45 000 Euro = 3150 Euro fi Verbleib
= 441 850 Euro
Alleinerbe (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): Nachlasswert nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten
= 1 335 000 Euro
1 335 000 Euro fi Steuerlast 19 % von 935 000 Euro = 177 650 Euro fi Verbleib
= 1 157 350 Euro
Steuerlast für Alleinerben zunächst
= 177 650 Euro
Steuerlast insgesamt (für beide Kinder)
= 180 800 Euro
Schlägt der Alleinerbe die Erbschaft aus dem Berufungsgrund Testament aus, so gestaltet sich die Situation wie folgt: Erbteil pro Kind: ½ von 1,78 Mio. Euro (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): 890 000 Euro fi Steuerlast 15 % von 490 000 Euro = 73 500 Euro fi Verbleib
= 816 500 Euro
Steuerlast insgesamt
= 147 000 Euro
Schlägt der Alleinerbe die Erbschaft aus allen Berufungsgründen gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 800 000 Euro aus, gestaltet sich die Situation wie folgt: Ausschlagendes Kind (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): 800 000 Euro fi Steuerlast 11 % von 400 000 Euro = 44 000 Euro fi Verbleib
= 756 000 Euro
Anderes Kind (Stkl. I, 400 000 Euro Freibetrag): 1,78 Mio. Euro abzüglich 800 000 Euro (Erwerbskosten)
= 980 000 Euro
980 000 Euro fi Steuerlast 15 % von 580 000 Euro = 87 000 Euro fi Verbleib
= 893 000 Euro
Steuerlast insgesamt
= 131 000 Euro
f) Benachteiligung der Eigengläubiger 28 Als weiteres Motiv für eine Ausschlagung kommt in Betracht, dass der Erbe den Nachlass dem Zugriff seiner Eigengläubiger vorenthalten will. Schlägt er die Erbschaft aus, wird die Erbschaft in keiner Weise und zu keiner Zeit Bestandteil seines Vermögens. Eine solche Ausschlagung berechtigt trotz eindeutiger Benachteiligungsabsicht nicht zur Gläubigeranfechtung (dazu Rz. 42). Unter der Geltung der KO fiel der Erwerb einer Erbschaft nach Eröffnung des Konkursverfahrens als Neuerwerb nicht in die Masse, sondern blieb freies Vermögen. Mit der Einführung der InsO hat sich dies geändert. § 35 InsO ordnet an, dass das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, in die Insolvenzmasse fällt. Ein Neuerwerb ist demnach nicht mehr freies Vermögen1. Auch eine dem Schuldner anfallende Erbschaft fällt in die Masse2. Es bleibt aber auch unter der Herrschaft der InsO dabei, dass wie vor so auch nach Er1 Eickmann, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 35 Rz. 33 ff. 2 Schumacher, in: Frankfurter Kommentar zur InsO, § 35 Rz. 7.
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Rz. 29 C II
öffnung des Insolvenzverfahrens nur der Schuldner ausschlagen kann (§ 83 Abs. 1 Nr. 1 InsO) (vgl. dazu Rz. 31). g) Erlangung des Pflichtteils Grundsätzlich ist es nicht möglich, die Erbschaft auszuschlagen und anschließend den Pflichtteil zu verlangen. Gem. § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB entsteht der Pflichtteilsanspruch nämlich nur dann, wenn der Erbe „durch Verfügung von Todes wegen“ von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Gibt dieser aber selbst und freiwillig die Erbschaft aus der Hand, so ist er nicht durch Verfügung von Todes wegen, sondern durch eigene Entscheidung von der Erbfolge ausgeschlossen, und daher steht ihm kein Pflichtteil zu. Selbst wenn der zugewiesene Erbteil kleiner ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (Pflichtteil), kann durch Ausschlagung nicht der volle Pflichtteil erlangt werden; der Pflichtteilsberechtigte hat aber in diesem Fall Anspruch auf den Zusatzpflichtteil gem. § 2305 Satz 1 BGB. Um diesen zu erlangen, ist eine Ausschlagung freilich nicht notwendig. Gleichwohl kann der Erbe diesen Anspruch trotz (unvorsichtiger und daher schädlicher) Ausschlagung geltend machen1. Von der Grundregel, dass Ausschlagung den Pflichtteil beseitigt, gibt es zwei Ausnahmen: Zum einen ordnet § 1371 Abs. 3 BGB an, dass im Rahmen der durch Ausschlagung eröffneten „güterrechtlichen Lösung“ der überlebende Ehegatte neben dem Anspruch auf Zugewinnausgleich den (kleinen) Pflichtteilsanspruch geltend zu machen vermag (Rz. 19). Zum anderen kann ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter trotz Ausschlagung den Pflichtteil gem. § 2306 Abs. 1 BGB verlangen, wenn der hinterlassene Erbteil durch die in Abs. 1 und 2 genannten Anordnungen beschränkt oder beschwert ist. § 2306 Abs. 1 BGB wurde durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts geändert. Die alte Rechtslage unterschied nach der Höhe des hinterlassenen Erbteils. Nach § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. galten die Beschränkungen oder Beschwerungen des Erbteils als nicht angeordnet, wenn der hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht überstieg. Der Erbe erhielt keinen Pflichtteilsanspruch, sondern sein Erbteil wurde, weiter gehend, ipso iure zum unbeschränkten bzw. unbeschwerten. Überstieg der hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, entfielen die Belastungen nicht. Stattdessen konnte der als Erbe berufene Pflichtteilsberechtigte gem. § 2306 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. BGB den Erbteil ausschlagen und den Pflichtteil verlangen. Nur im Falle des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. war Raum für einen Restpflichtteil gem. § 2305 BGB. Neben § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. kam ein solcher nicht in Betracht2. Ob ein Fall des § 2306 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BGB a.F. vorlag, entschied sich allein nach der Quote, zu der der Bedachte eingesetzt war. Belastungen des Erbteils blieben unbeachtet: Nur die Quote allein war maßgeblich, nicht jedoch der reale Wert des Erbteils3. 1 MüKo/Lange, § 2305 Rz. 4; Palandt/Edenhofer, § 2305 Rz. 5. 2 OLG Celle v. 10.10.2002 – 22 U 79/01, ZEV 2003, 365 f.; dazu auch Keim, ZEV 2003, 358 ff. 3 RG v. 25.4.1918 – IV 76/18, RGZ 93, 3 (8); RG v. 18.2.1926 – IV 336/25, RGZ 113, 45 (48); BGH v. 19.2.1968 – III ZR 196/65, WM 1968, 542 (543); BGH v. 9.3.1983 – IVa
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C II Rz. 29
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Die heutige Fassung des § 2306 Abs. 1 BGB verzichtet auf die Differenzierung des § 2306 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB a.F. nach der Höhe des hinterlassenen Erbteils und verlangt in allen Fällen eine Ausschlagung des Pflichtteilsberechtigten, um den Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können1. Die Höhe des Erbteils behält aber weiterhin Bedeutung für einen etwaigen Pflichtteilsrestanspruch aus § 2305 Satz 1 BGB. Auf diesen Anspruch kommt es nur noch an, wenn der hinterlassene Erbteil (unter Außerachtlassung der Beschränkungen oder Beschwerungen, § 2305 Satz 2 BGB) geringer ist als der Pflichtteil und der Erbe (wie früher, aber unter Beibehaltung der Belastungen) nicht ausschlägt. Dem pflichtteilsberechtigten Erben i.S.d. § 2306 BGB bieten sich also folgende Möglichkeiten: Entweder er schlägt nicht aus und behält (auf jeden Fall, § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. wurde gestrichen!) den Erbteil mit den angeordneten Beschränkungen und Beschwerungen (ggf. erhält er zusätzlich einen Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2305 Satz 1 BGB) oder er schlägt aus und macht den Pflichtteil geltend. Die neue Regelung eröffnet dem Erben, dessen Erbteil geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, erstmalig die Chance, über die Ausschlagung zum Pflichtteilsanspruch zu gelangen. Gleichzeitig legt sie einem solchen Erben die Ausschlagung und damit die Zurückweisung seiner Erbenstellung nahe, da der Erbteil nur noch unter Aufrechterhaltung der Beschränkungen oder Beschwerungen zu haben ist2. Mit der Neuregelung wird der Grundgedanke des § 2306 BGB, dem pflichtteilsberechtigten Erben die durch den Pflichtteil garantierte Mindestbeteiligung zu erhalten, nun einheitlich und dogmatisch überzeugender umgesetzt: Hierfür ist eine unbeschränkte bzw. unbeschwerte Beteiligung als Erbe (wie es ehemals § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. vorsah) nicht nötig; die Möglichkeit, den unbelasteten Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können, genügt3. Die Ausschlagungsmöglichkeit des § 2306 Abs. 1 BGB sollte insbesondere dann in Betracht gezogen werden, wenn der Nachlass mit hohen Vermächtnissen oder Auflagen belastet ist. Der Erbteil wird durch Vermächtnisse oder sonstige Belastungen zwar nicht in seiner formalen Quote beeinträchtigt, wohl aber in Bezug auf seinen Wert. Bei der Berechnung des Pflichtteils gem. § 2311 Abs. 1 BGB werden Vermächtnisse, Auflagen und die Erbschaftsteuerschuld zuvor nicht abgezogen, da nur Erblasserschulden den Nachlasswert mindern4. Dadurch kann die Höhe des Pflichtteilsanspruchs den Wert des Erbteils übersteigen (zum Zusammentreffen von Erbschaft und Vermächtnis vgl. Rz. 112).
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2 3 4
ZR 211/81, NJW 1983, 2378 (2378); OLG Köln v. 28.10.1996 – 16 W 60/96, ZEV 1997, 298 (298) mit abl. Anm. Klingelhöffer; vgl. dazu auch MüKo/Lange, § 2306 Rz. 3. Bonefeld/Lange/Tanck, ZErb 2007, 292 (293); Keim, ZEV 2008, 161 (162); Lindner, ErbR 2008, 374 (374); Muscheler, ZEV 2008, 105 (107); Schindler, ZEV 2008, 125 (128). Lindner, ErbR 2008, 374 (376 f.) befürchtet daher, dass es zu Kettenausschlagungen kommen könnte. Muscheler, ZEV 2008, 105 (107). BGH v. 16.9.1987 – IVa ZR 97/86 (KG), NJW 1988, 136 (137); MüKo/Lange, § 2311 Rz. 14.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 31a C II
Eine weitere Besonderheit ergibt sich im Fall des § 1952 Abs. 3 BGB. Es geht hier nicht um die Situation, dass ein Mitglied einer Erbengemeinschaft, sondern darum, dass ein Erbeserbe hinsichtlich des Erstnachlasses die Ausschlagung erklärt (vgl. dazu Rz. 91).
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III. Ausschlagungsberechtigung 1. Allgemeines Das Recht zur Ausschlagung steht jedem Erben unabhängig vom Berufungsgrund zu1. Das Ausschlagungsrecht ist durch seine Verbindung mit der Erbenstellung und dem damit einhergehenden Anfall des Nachlasses vermögensrechtlicher Natur, es hat aber zugleich einen überwiegenden personalen Charakter2, der eine Trennung von Erbenstellung und Ausschlagungsrecht verhindert3. Eine rechtsgeschäftliche Übertragung des Ausschlagungsrechts ist, unabhängig davon, ob auch der Nachlass oder ein Erbteil übertragen wird, ausgeschlossen4. Zu beachten ist, dass auch nach einer rechtsgeschäftlichen Übertragung von Nachlass oder Erbteil der ursprüngliche Erbe „Erbe“ bleibt und somit das Ausschlagungsrecht nach wie vor ihm zusteht. Aus der rechtsgeschäftlichen Unübertragbarkeit des Ausschlagungsrechts folgt seine Unpfändbarkeit (§§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 1 ZPO); auch eine Ausübung des Rechts gem. § 857 Abs. 3 ZPO kommt nicht in Betracht. Damit ist es einem Gläubiger nicht möglich, seinerseits die Ausschlagung zu erklären oder den Erben an einer Ausschlagung zu hindern. Dieser Grundsatz ist in § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich niedergelegt. Nach dieser Norm steht das Ausschlagungsrecht im Insolvenzverfahren immer dem Schuldner zu, unabhängig davon, ob der Anfall der Erbschaft vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Solange die Ausschlagung nämlich möglich ist, gehört der Nachlass (noch) nicht zur Haftungsgrundlage.
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Aus der Unübertragbarkeit des Ausschlagungsrechts durch Rechtsgeschäft folgt indessen kein Stellvertretungsverbot. Dies ergibt sich für die gesetzliche Vertretung aus §§ 1643 Abs. 2 Satz 1, 1822 Nr. 2, 1908i Abs. 1 Satz 1, 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB und für die gewillkürte Vertretung aus § 1945 Abs. 3 BGB. Diese Differenzierung zwischen der rechtsgeschäftlichen Übertragung des Ausschlagungsrechts und der Vertretung bei der Erklärung der Ausschlagung übersieht das OLG Zweibrücken5, wenn es – entgegen § 1945 Abs. 3 BGB – meint, das Ausschlagungsrecht könne wegen der Bindung dieses Gestaltungsrechts an die Erbenstellung nicht auf der Grundlage einer privatrechtlich er-
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1 MüKo/Leipold, § 1942 Rz. 12. 2 RG v. 17.4.1903 – VII. 16/03, RGZ 54, 289 (296). Eickmann, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 83 Rz. 2, stuft das Ausschlagungsrecht sogar als höchstpersönlich ein. Dem steht § 1945 Abs. 3 BGB entgegen. 3 Staudinger/Otte, § 1942 Rz. 14; Palandt/Edenhofer, § 1952 Rz. 1. 4 MüKo/Leipold, § 1952 Rz. 1; Staudinger/Otte, § 1952 Rz. 1. 5 OLG Zweibrücken v. 13.11.2007 – 3 W 198/07, ZErb 2008, 88 (89) = ZEV 2008, 194 (194) mit abl. Anm. Zimmer.
Muscheler
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C II Rz. 32
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
teilten Vollmacht für den Vollmachtgeber ausgeübt werden1. Um die Beeinflussung der Erbfolge durch Dritte (ggf. auch noch nach dem Tode des Ausschlagungsberechtigten in der Konstellation trans- oder postmortaler Vollmachten) zu verhindern, sollte die Vollmacht inhaltlich eingeschränkt werden2.
2. Vererblichkeit des Ausschlagungsrechts 32 Während eine rechtsgeschäftliche Übertragung des Ausschlagungsrechts nicht in Betracht kommt, ordnet § 1952 BGB seine Vererblichkeit an. Aber auch hier ist das Ausschlagungsrecht nicht allein Gegenstand der Vererbung. Das noch bestehende, weil ausübbare Ausschlagungsrecht kann als unselbstständiger Annex der Erbschaft nur mit dieser gemeinsam vererbt werden3. In einer solchen Situation stehen dem Erben zwei Ausschlagungsrechte zu, nämlich das geerbte Ausschlagungsrecht und sein eigenes. Ihm steht es frei, welches Ausschlagungsrecht er ausübt. Alternativen im Falle eines ererbten Ausschlagungsrechts: – Annahme beider Erbschaften – Ausschlagung beider Erbschaften – Annahme der Zweiterbschaft unter isolierter Ausschlagung der Ersterbschaft Eine isolierte Ausschlagung der Zweiterbschaft unter Annahme der Ersterbschaft scheidet dagegen aus, da das Ausschlagungsrecht hinsichtlich der Ersterbschaft integraler Bestandteil der ausgeschlagenen Erbschaft ist4. Ein Problem kann sich ergeben, wenn der Erbe zunächst nur den Erstnachlass und erst später auch den Zweitnachlass ausschlägt. Hier wird überwiegend angenommen, dass in einer Ausübung des Ausschlagungsrechts bezüglich des Erstnachlasses regelmäßig eine Annahme des Zweitnachlasses liegt, so dass das Ausschlagungsrecht bezüglich des Zweitnachlasses erloschen ist5. Dies kommt aber dann nicht in Betracht, wenn der Erbe ausdrücklich erklärt, dass er sich eine Entscheidung über den Zweitnachlass vorbehalte. Schlägt er nun den Zweitnachlass aus, so ist die Ausschlagung – ebenso eine Annahme – des Erstnachlasses unwirksam, es sei denn, dass diese Maßnahme ein Geschäft
1 Zu Recht diesen Beschluss ablehnend: Keim, ZErb 2008, 260 (260 f.); Zimmer, ZEV 2008, 194 (195). Im konkreten Fall handelte es sich um eine transmortale Vorsorgevollmacht. 2 So auch Zimmer, ZEV 2008, 194 (195 f.). Keim, ZErb 2008, 260 (261) hält einen Ausschluss der Erbschaftsausschlagung aus dem Inhalt der Vorsorgevollmacht weder für notwendig noch für sinnvoll. Selbstverständlich kommt es auf den jeweiligen Einzelfall und die konkreten Interessen des Erblassers an. 3 BGH v. 31.5.1965 – III ZR 233/62, BGHZ 44, 152 (154); Palandt/Edenhofer, § 1952 Rz. 1. 4 Soergel/Stein, § 1952 Rz. 2. 5 Staudinger/Otte, § 1952 Rz. 2; RGRK/Johannsen, § 1952 Rz. 5; a.A. MüKo/Leipold, § 1952 Rz. 5; Soergel/Stein, § 1952 Rz. 2.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 35 C II
der notwendigen Verwaltung gem. § 1959 Abs. 2 BGB war, was eher selten sein dürfte1. Die Erben eines Vorerben können die Ausschlagung der Vorerbschaft erklären, auch wenn durch den Tod des Vorerben der Nacherbfall eintritt und sie infolgedessen den Nachlass nicht einmal vorübergehend erhalten2. Zwar wirkt eine solche Ausschlagung ausschließlich auf die Position des Nacherben ein, jedoch wird rechtlich nicht der Anfall der Erbschaft an diesen, sondern schon der Anfall an den Vorerben beseitigt. Dadurch ist zugleich die Grundlage für den Nacherbfall vernichtet3. Gleichwohl wird es trotz einer solchen Ausschlagung regelmäßig dabei bleiben, dass die Nacherben den Nachlass erhalten. In der Nacherbeneinsetzung liegt nämlich oft zugleich eine Ersatzerbeneinsetzung, so dass der Nachlass den Nacherben gem. 1953 Abs. 2 BGB zufallen würde4.
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3. Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers
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Beratungssituation: Der Mandant möchte wissen, ob er die Erbschaft ausschlagen kann. Der Erblasser hat testamentarisch verfügt, dass die Ausschlagung ausgeschlossen sei.
Die Regelungen der §§ 1942 ff. BGB entziehen sich der Dispositionsbefugnis des Erblassers; es handelt sich um zwingendes Recht5. Wie oben (Rz. 1) erwähnt, ist die Ausschlagung notwendige Konsequenz des Vonselbsterwerbs und des Prinzips, dass niemandem eine Zuwendung aufgedrängt werden darf6. Ein Erblasser kann demnach die Ausschlagung nicht pauschal ausschließen. Ebenso wenig vermag er die Vorschriften über Form und Frist der Ausschlagung zu verschärfen oder zu erleichtern. Eine solche Anordnung wäre unwirksam, mit der Folge, dass an ihre Stelle die gesetzliche Regelung träte7.
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Macht der Erblasser den Anfall der Erbschaft jedoch von einer Annahme des Erben abhängig, ist zu unterscheiden, ob darin nur eine Wiederholung der gesetzlichen Regelung oder aber eine wirkliche Bedingung zu sehen ist. Im ersten Fall handelt es sich um eine ebenso unschädliche wie wirkungslose Formulierung, die nicht mehr darstellt als eine Wiedergabe des Regelungsgehalts von § 1942 BGB8. Im zweiten Fall läge ein Verstoß gegen das Prinzip des Vonselbsterwerbs vor, das gerade auch verhindern soll, dass es zu ruhenden (subjektlosen) Nachlässen kommt9. Den Anfall der Erbschaft über den Zeitpunkt des Erbfalls hinaus zu verzögern, ist nicht möglich. Gleichwohl muss gefragt
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1 Staudinger/Otte, § 1952 Rz. 2; RGRK/Johannsen, § 1952 Rz. 5; MüKo/Leipold, § 1952 Rz. 6. 2 BGH v. 31.5.1965 – III ZR 233/62, BGHZ 44, 152. 3 BGH v. 31.5.1965 – III ZR 233/62, BGHZ 44, 152 (154). 4 MüKo/Leipold, § 1953 Rz. 10. 5 MüKo/Leipold, § 1942 Rz. 7. 6 Vgl. §§ 333, 397, 516 ff. BGB. 7 MüKo/Leipold, § 1942 Rz. 7. 8 Palandt/Edenhofer, § 1942 Rz. 1; MüKo/Leipold, § 1942 Rz. 7. 9 MüKo/Leipold, § 1942 Rz. 7.
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C II Rz. 36
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
werden, ob dem Willen des Erblassers nicht in anderer Weise zur möglichst weitgehenden Realisierung verholfen werden kann1. a) Aufschiebende Bedingung 36 Wollte der Erblasser seiner Anordnung eine über die Wiederholung der gesetzlichen Regelung hinausgehende Bedeutung beilegen, so kann dies als aufschiebende Bedingung aufgefasst werden2. Da jedoch ruhende Nachlässe, wie gesagt, nicht möglich sind, kann man in der genannten Bestimmung die Anordnung einer sich aus § 2105 Abs. 1 BGB ergebenden Vorerbschaft sehen3: Die gesetzlichen Erben werden Vorerben. Der Nacherbfall soll mit der Erklärung des Erben über die Annahme der Erbschaft eintreten. Bei dieser Konstruktion ist aber immer zu fragen, ob das Ergebnis wirklich dem Willen des Erblassers entspricht. Nach ihr könnte der Erbe nämlich nur Nacherbe werden4. b) Auflösende Bedingung 37 Die letztwillige Anordnung kann gegebenenfalls auch als auflösende Bedingung verstanden werden, mit der der Erblasser bestimmt, dass die Erbschaft wieder wegfällt, wenn der Erbe sie nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt angenommen hat. Die Zulässigkeit einer solchen Anordnung ist unklar. Teilweise sieht man darin eine gem. § 2065 Abs. 1 BGB unzulässige Potestativbedingung5. Jedoch wird allgemein eine Bedingung zu Recht dann für zulässig erachtet, wenn der Erblasser nicht die Entscheidung einem Dritten überlässt, sondern für den Fall des Bedingungseintritts selbst einen bestimmten Willen gehabt hat6. Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn der Erblasser an dem Verhalten des Erben interessiert ist und er mit der Setzung der Bedingung ein bestimmtes Verhalten des Erben erreichen will7. Eine solche Situation ist im Falle der auflösenden Bedingung der Nichtannahme gegeben8. Daher ist eine auflösende Bedingung der Nichtannahme zulässig; bei Eintritt der Bedingung ist § 2104 BGB zu beachten. c) Inhaltliche Anerkennung 38 Schließlich kann in einer entsprechenden Anordnung die an den Erben gerichtete Forderung nach inhaltlicher Anerkennung der Verfügung gesehen wer1 MüKo/Leipold, § 1942 Rz. 8, lehnt eine derartige Auslegung grundsätzlich ab, hält sie für unwirksam. 2 Soergel/Stein, § 1942 Rz. 5. 3 Staudinger/Otte, § 1942 Rz. 5; zweifelnd Soergel/Stein, § 1942 Rz. 5; a.A. Palandt/ Edenhofer, § 1942 Rz. 1. 4 Staudinger/Otte, § 1942 Rz. 5; zweifelnd Soergel/Stein, § 1942 Rz. 5. 5 MüKo/Leipold, § 1942 Rz. 8. 6 BGH v. 18.11.1954 – IV ZR 152/54, BGHZ 15, 199 (201 f.); Soergel/Loritz, § 2065 Rz. 11 ff. 7 RGRK/Johannsen, § 2065 Rz. 9. 8 Palandt/Edenhofer, § 2065 Rz. 5.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 41 C II
den, um auf diese Weise eine friedliche Auseinandersetzung des Nachlasses zu erreichen1. Eine unmittelbare rechtliche Wirkung käme der Anordnung dann nicht zu. Lediglich ein nachträglicher gerichtlicher Streit würde verhindert, soweit der Erbe die Anordnung anerkannt hat.
4. Gesetzliche Ausschlagungsbeschränkungen a) § 1942 Abs. 2 BGB Ein ausdrückliches Ausschlagungsverbot findet sich in § 1942 Abs. 2 BGB. Danach kann der Fiskus2 als gesetzlicher Erbe gem. § 1936 Abs. 1 BGB eine Erbschaft nicht ausschlagen, er ist Zwangserbe3. Auf diese Weise wird erreicht, dass letztlich immer ein Erbe vorhanden ist. Herrenlose Nachlässe werden vermieden und eine geregelte Nachlassabwicklung im Interesse der Gläubiger gewährleistet4. Ist der Fiskus dagegen gewillkürter Erbe, steht ihm das Ausschlagungsrecht zu.
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b) Stiftungsvorstand Nach ganz herrschender Ansicht kann der Vorstand einer Stiftung gem. §§ 80 ff. BGB das der Stiftung zugewandte konstituierende Erbe nicht ausschlagen5. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass sich die Stiftung sonst ihre eigene Lebensgrundlage entziehen würde6. Gegen die h.M. wendet sich O. Schmidt7, mit dem Argument, dass die nachteiligen Folgen einer Ausschlagung für die Stiftung es allein nicht rechtfertigen würden, die Ausschlagung gänzlich zu versagen. Darüber hinaus sieht er auch ein Bedürfnis für eine Ausschlagung. Neben der Genehmigungsbehörde solle auch der Vorstand der Stiftung die Vermögensausstattung im Hinblick auf die Möglichkeit der Zweckverwirklichung prüfen dürfen. Eine solche Prüfungskompetenz verlange konsequenterweise nach einem Instrument, um die Stiftungserrichtung zu verhindern8.
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Diese Argumentation übersieht, dass es dem Vorstand nicht zukommt, eine Stiftung aufzulösen. Zur endgültigen Auflösung bedarf es, als actus contrarius zur Anerkennung, eines die Rechtsfähigkeit entziehenden Verwaltungsaktes9. Schon damit ist es unvereinbar, dass der Vorstand nach Erteilung der Stif-
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1 OLG Stuttgart v. 22.6.1973 – 8 W 512/72, OLGZ 1974, 67; MüKo/Leipold, § 1942 Rz. 8. 2 Zur Bestimmung der konkreten Körperschaft vgl. MüKo/Leipold, § 1936 Rz. 8 ff. 3 MüKo/Leipold, § 1936 Rz. 6. 4 Staudinger/Otte, § 1942 Rz. 26; MüKo/Leipold, § 1936 Rz. 1. 5 Schewe, S. 275 ff.; MüKo/Reuter, Erg.-Band, § 83 Rz. 9; Soergel/Stein, § 1942 Rz. 7; Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, § 7 Rz. 97; Palandt/Heinrichs, § 83 Rz. 1; Palandt/ Edenhofer, § 1942 Rz. 1; Staudinger/Rawert, § 83 Rz. 9; Ebersbach, S. 54. 6 Staudinger/Rawert, § 83 Rz. 9. 7 O. Schmidt, S. 52 ff.; O. Schmidt, ZEV 1999, 141. Unklar MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 2. 8 O. Schmidt, S. 54 f. 9 Hof, in: Seifart/v. Campenhausen, § 12 Rz. 2.
Muscheler
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C II Rz. 42
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
tungsanerkennung durch die Ausschlagung die Stiftung alleine ihrer Existenzgrundlage berauben und sie damit de facto beseitigen könnte. Darüber hinaus ist ein Ausschlagungsrecht nicht mit der Funktion des Vorstandes zu vereinbaren. Seine Aufgabe ist es, den vom Stifter vorgegebenen Zweck zu realisieren, nicht dagegen, die Zweckverwirklichung von vornherein zu vereiteln. Eine Ausschlagung kommt mit der h.M. nicht in Betracht.
5. Einflussmöglichkeiten Dritter
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Beratungssituation: Der Mandant möchte die Erbschaft ausschlagen, um das Vermögen seinem Gläubiger vorzuenthalten. Dieser hat angekündigt, er werde die Ausschlagung verhindern.
a) Gläubiger des Erben 42 Das Ausschlagungsrecht ist gem. §§ 857 Abs. 1, 851 Abs. 1 ZPO als unübertragbares Recht der Pfändung durch einen Gläubiger entzogen (oben Rz. 31). Auch die besonderen Anfechtungsrechte der InsO oder des AnfG helfen dem Gläubiger nicht weiter. Die Anfechtung im Insolvenzverfahren gem. § 129 Abs. 1 InsO kommt nicht in Betracht. Andernfalls liefe die gem. § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich dem Schuldner verbleibende Entscheidungsbefugnis über die Ausschlagung ins Leere1. Selbst eine bewusste Gläubigerbenachteiligung ändert daran nichts2. Auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens ist eine Anfechtung (nach dem AnfG) ausgeschlossen – obwohl es keine ausdrückliche Regelung gibt –, da in der Ausschlagung keine Weggabe eines schuldnereigenen Vermögensgegenstandes gesehen werden kann3; schließlich ist infolge der Rückwirkung der Ausschlagung der Nachlass niemals Bestandteil des Schuldnervermögens geworden. 43 Ist der Erbe Schuldner in einem Verfahren der Restschuldbefreiung gem. §§ 286 ff. InsO, wird seine Position nicht durch § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift muss der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung Vermögen, das er von Todes wegen erwirbt, zur Hälfte an den Treuhänder herausgeben. Verstößt er gegen diese Obliegenheit, kann es gem. § 296 InsO zu einer Versagung der Restschuldbefreiung kommen. Aufgrund des persönlichen Charakters des Ausschlagungsrechts, der in § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO zum Ausdruck kommt, liegt in der Ausschlagung keine solche Obliegenheitsverletzung4. Die Herausgabebeschränkung auf die Hälfte wurde gerade im Hinblick auf die alternativ mögliche vollständige Ausschlagung als Anreiz zur Annahme der Erbschaft eingeführt5.
1 Kreft, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 129 Rz. 18. 2 BGH v. 6.5.1997 – IX ZR 147/96, NJW 1997, 2384, für die Nichtgeltendmachung eines Pflichtteilsanspruch und eine Anfechtung nach AnfG. Ebenso Kreft, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 129 Rz. 18. 3 RG v. 17.4.1903 – VII. 16/03, RGZ 54, 289 (297); Staudinger/Otte, § 1942 Rz. 11. 4 Landfermann, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, § 295 Rz. 6. 5 Ahrens, in: Frankfurter Kommentar zur InsO, § 295 Rz. 36.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 45 C II
b) Sozialhilfeträger Angesichts der Regelung des § 93 Abs. 1 SGB XII könnte die Frage aufkommen, ob nicht der Träger der Sozialhilfe auf das Ausschlagungsrecht zugreifen kann. Dies wäre für die Behörde immer dann interessant, wenn der hinterlassene Erbteil größer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und durch Beschränkungen beschwert ist, so dass dem Erben nach einer Ausschlagung der Pflichtteil gem. § 2306 Abs. 1 BGB zustehen würde. Diesen Pflichtteilsanspruch könnte der Träger der Sozialhilfe gem. § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auf sich überleiten. Gem. § 93 Abs. 1 Satz 4 SGB XII ist eine Überleitung von Ansprüchen auf den Sozialhilfeträger trotz Unübertragbarkeit des Anspruchs möglich. Jedoch bezieht sich diese Regelung ausweislich des Wortlautes von Satz 1 nur auf Ansprüche, nicht aber auf Gestaltungsrechte1. Eine Überleitung des Ausschlagungsrechts kommt also auch hier nicht in Betracht2. Auch die Überleitung des Pflichtteilsanspruchs selbst aus § 2306 Abs. 1 BGB gem. § 93 Abs. 1 Satz 1 und 4 SGB XII i.V.m. § 852 Abs. 1 ZPO3 hat keinen Übergang des Ausschlagungsrechts analog §§ 412, 401 BGB zur Folge. Denn das Ausschlagungsrecht ist kein Nebenrecht des Pflichtteilsanspruchs, sondern erst die Grundlage für den Pflichtteilsanspruch4. Es wurzelt in der Erbenstellung, nicht in der Pflichtteilsberechtigung. Der Erbteil bzw. das Erbe sind aber keine überleitungsfähigen Ansprüche i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII.
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Umstritten ist, ob die Ausschlagung zulasten des Sozialhilfeträgers sittenwidrig und damit nichtig ist. Dies nehmen das OLG Stuttgart5 und das OLG Hamm6 jeweils in einem Fall an, in dem ein Betreuer gegen die Verweigerung der vormundschaftsgerichtlichen7 Genehmigung einer Ausschlagung für die in einer beschützenden Einrichtung lebende Betreute zu Felde zog. Die Ausschlagung sei mit dem sozialhilferechtlichen Nachrangprinzip aus §§ 2, 90 SGB XII unvereinbar8, die Gleichstellung der Ausschlagung mit Rechtsgeschäften, durch die der Zugriff des Sozialhilfeträgers auf „das ihm
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1 Krampe, AcP 191, 526 (531); Bengel, ZEV 1994, 29 (30). 2 Staudinger/Otte, § 1942 Rz. 16; MüKo/Leipold, § 1942 Rz. 14; Kuchinke, FamRZ 1992, 362 (363); Krampe, AcP 191, 527 (531); Muscheler, ZEV 2005, 119 (119); Bengel, ZEV 1994, 29 (30); Pieroth, NJW 1993, 173 (178); van de Loo, ZEV 2006, 473 (477) unter Aufgabe seiner früheren Auffassung in NJW 1990, 2852 (2856). 3 Eine solche Überleitungsmöglichkeit steht unter der Prämisse, dass der Pflichtteilsanspruch aus § 2306 Abs. 1 BGB bereits mit dem Erbfall entsteht, aber erst nach Ausschlagung geltend gemacht werden kann. Hierfür sprechen die §§ 2317 Abs. 1, 2332 Abs. 2 BGB. 4 van de Loo, ZEV 2006, 473 (477). 5 OLG Stuttgart v. 25.6.2001 – 8 W 494/99, NJW 2001, 3484 ff. = ZEV 2002, 367 ff. mit abl. Anmerkung Mayer. 6 OLG Hamm v. 16.7.2009 – 15 Wx 85/09, ZEV 2009, 471 (471 f.) mit zust. Anm. Leipold. 7 Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1.9.2009 ist nunmehr das Betreuungsgericht zuständig (§§ 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 23c Abs. 1 GVG, 271 Nr. 3 FamFG). 8 OLG Hamm v. 16.7.2009 – 15 Wx 85/09, ZEV 2009, 471 (472).
Muscheler
1119
C II Rz. 46
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
gebührende Vermögen“ (!) vereitelt wird, sei „zwanglos möglich“1. Beide Entscheidungen sind abzulehnen2. Insbesondere der Vergleich mit den oben Rz. 42 beschriebenen sonstigen Gläubigern des Bedachten macht deutlich, dass die Entschließungsfreiheit des Bedachten besonders geschützt ist3. Die Ausschlagung selbst kann auch bei sittenwidrigem Motiv nicht sittenwidrig sein4. Dieser Ansicht ist auch das LG Aachen gefolgt5. Danach hat „auch ein Sozialhilfeempfänger (. . .) das Recht, das Erbe auszuschlagen“6. Zu Recht verweist das LG Aachen einerseits auf den Rechtsgedanken des § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO und andererseits auf die Instrumentarien des Sozialhilferechts, Missbräuchen bei der Sozialhilfebedürftigkeit vorzubeugen. Diese Frage kann nicht durch das Erbrecht beantwortet werden. Ferner zeigen die ex-tunc-Wirkung der Ausschlagung (§ 1953 Abs. 1 BGB) und die Regelung des § 517 BGB, dass lediglich ein möglicher Vermögenserwerb unterlassen und nicht das (ohne die Erbschaft) bestehende Vermögen gemindert wird. Dogmatisch ändert sich die Vermögenslage des Sozialhilfeempfängers durch die Ausschlagung im Vergleich zum Zeitraum vor dem Erbfall nicht. Es kann also nicht angenommen werden, die Ausschlagung verschlechtere die Position des Sozialhilfeempfängers, sie führt bloß nicht zu einer Verbesserung derselben. c) Gütergemeinschaft 46 Fällt in einer Gütergemeinschaft dem von der Verwaltung ausgeschlossenen Ehegatten eine Erbschaft an, so kann nur er, unabhängig davon, ob die Erbschaft in sein Vorbehaltsgut fällt oder nicht7, gem. § 1432 Abs. 1 BGB die Ausschlagung oder die Annahme erklären. Auch die Anfechtung der Annahme oder der Ausschlagung steht nur ihm zu8. In keinem Fall bedarf er der Zustimmung des anderen Ehegatten. Es handelt sich somit bei Annahme, Ausschlagung und Anfechtung von Annahme und Ausschlagung nicht um Aufgaben, die dem verwaltenden Ehegatten übertragen sind. Gleichwohl muss dieser außer mit dem Gesamtgut auch mit seinem persönlichen Vermögen für Nachlassverbindlichkeiten haften, soweit die Erbschaft ins Gesamtgut fällt9. Auch in diesen Regelungen macht sich der (höchst-)persönliche Charakter des Ausschlagungsrechts bemerkbar. Eine rechtsgeschäftliche Vertre-
1 OLG Stuttgart v. 25.6.2001 – 8 W 494/99, NJW 2001, 3484 (3485). 2 Kritisch zur Entscheidung des OLG Stuttgart (Rz. 45, Fn. 5) etwa Ivo, FamRZ 2003, 6 ff.; Palandt/Edenhofer, § 1954 Rz. 1; Muscheler, ZEV 2005, 120 (121); zweifelnd auch MüKo/Leipold, § 1945 Rz. 2, 13. Ablehnend schon Linde, BWNotZ 1988, 54 (58). 3 So auch Ivo, FamRZ 2003, 6 (8). 4 Mayer, ZEV 2002, 369 (370). 5 LG Aachen v. 4.11.2004 – 7 T 99/04, ZErb 2005, 1 = ZEV 2005, 120 (121) = NJW-RR 2005, 307 (308). 6 LG Aachen, ebd. 7 MüKo/Kanzleiter, § 1432 Rz. 2. 8 MüKo/Kanzleiter, § 1432 Rz. 2; Palandt/Brudermüller, § 1432 Rz. 1. 9 MüKo/Kanzleiter, § 1432 Rz. 2.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 47 C II
tung durch den verwaltenden Ehegatten ist übrigens möglich1. Auch wenn die Eheleute das Gesamtgut gemeinschaftlich verwalten, verbleibt die Ausschlagung einer Erbschaft gem. § 1455 Nr. 1 BGB im alleinigen Zuständigkeitsbereich desjenigen Ehegatten, dem die Erbschaft anfällt. d) Zustimmungserfordernis des Dienstherrn Die Annahme von Geschenken und Belohnungen, die ein Beamter in Bezug 47 auf seine dienstliche Tätigkeit erhält, bedarf, um schon den Anschein der Beeinflussbarkeit zu vermeiden, einer Genehmigung des Dienstherrn (§§ 43 BRRG, 70 BBG). Gleiches gilt gem. § 10 BAT für Angestellte im öffentlichen Dienst, gem. § 19 SG für Soldaten, gem. § 78 Abs. 2 ZDG i.V.m. § 19 SG für Zivildienstleistende und gem. § 14 HeimG für Bedienstete in Altenpflegeeinrichtungen2. Zuwendungen aufgrund letztwilliger Verfügung sind Belohnungen bzw. Geschenke i.S. dieser Normen, da es sich dabei um wirtschaftliche Vorteile handelt, die dem Begünstigten unmittelbar oder mittelbar gewährt werden3. Auch die Annahme einer Erbschaft ist daher von der Genehmigungspflicht umfasst. Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Genehmigungspflicht ist aber nicht etwa eine Pflicht zur Nichtannahme der Erbschaft, also zur Ausschlagung4. Zum einen bedarf es aufgrund des Vonselbsterwerbs keiner ausdrücklichen Annahme, zum anderen würde ein Ablauf der Ausschlagungsfrist den Zweck der Normen vereiteln. Daher ist Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung gem. § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot die Rechtsfolge5. Streng genommen fallen daher die oben erwähnten Normen nicht in den Komplex „Annahme und Ausschlagung der Erbschaft“, da ein Verstoß gegen die Genehmigungspflicht schon die Wirksamkeit eines Testaments entfallen lässt. Andererseits kann eine Genehmigung des Dienstherrn die Nichtigkeit überwinden und eine Annahme der Erbschaft, in welcher Form auch immer, ermöglichen. Die oben genannten Vorschriften greifen tatbestandsmäßig nur ein, wenn ein kausaler Zusammenhang zwischen Diensthandlung und Vorteilsgewährung besteht, ohne dass freilich die Vorteilsgewährung eine bestimmte Handlung veranlasst haben muss6. Dieser Zusammenhang wird immer dann angenommen, wenn der Dienstverpflichtete eine Zuwendung während seiner Tätigkeit
1 Palandt/Brudermüller, § 1432 Rz. 1. 2 Die Rechtsfolge des § 14 HeimG tritt nur dann ein, wenn der Heimträger bzw. der Heimbedienstete zu Lebzeiten des Erblassers Kenntnis von der Verfügung von Todes wegen erhält; nur dann kommt eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde überhaupt in Betracht, BayObLG v. 28.6.1991 – BReg 1a Z 3/90, NJW 1992, 55 (57). 3 BAG v. 17.4.1984 – 3 AZR 97/82, NVwZ 1985, 142 (143); BVerwG v. 14.12.1995 – 2 C 27.94, ZEV 1996, 343. 4 So scheinbar aber BVerwG v. 14.12.1995 – 2 C 27.94, ZEV 1996, 343. 5 MüKo/Leipold, § 1943 Rz. 12; zu § 10 BAT: BayObLG v. 12.9.1995 – 1 Z BR 59/95, NJW 1995, 3260. Nach BGH v. 14.12.1999 – X ZR 34/98, ZEV 2000, 202, führt ein Verstoß gegen § 10 Abs. 1 BAT nicht zur Nichtigkeit, da es sich dabei nicht um eine gesetzliche, sondern lediglich um eine tarifvertragliche Regelung handelt. 6 BVerwG v. 14.12.1995 – 2 C 27.94, ZEV 1996, 343 (344).
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C II Rz. 48
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
im Bereich des Zuwendenden erhält1. Soweit die Erbeinsetzung erst nach Beendigung der dienstlichen Tätigkeit erfolgt, ist es eine Frage des Einzelfalls, ob der zeitliche Abstand den Zusammenhang zwischen Tätigkeit und Erbeinsetzung entfallen lässt. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn nach Ende der Diensttätigkeit noch weiterhin private Kontakte bestehen2. In diesem Fall kann die Mitursächlichkeit der dienstlichen Tätigkeit vernachlässigt werden, zumal auch der grundgesetzlich geschützten Testierfreiheit Beachtung geschenkt werden muss3.
6. Verlust des Ausschlagungsrechts durch Annahme a) Allgemeines 48 Gem. § 1943 BGB verliert der Erbe sein Ausschlagungsrecht durch die Annahme der Erbschaft und ebenso dadurch, dass die Ausschlagungsfrist abläuft, da die Erbschaft mit Ablauf der Frist als angenommen gilt. Die Erklärung über die Annahme ist sowohl in ausdrücklicher als auch in konkludenter Form eine Willenserklärung4, so dass die allgemeinen Vorschriften über Willenserklärungen Anwendung finden. Annahme bedeutet nicht die Erklärung, die Erbschaft positiv annehmen zu wollen, da der Erbanfall schon infolge des Vonselbsterwerbs eingetreten ist, sondern vielmehr, auf das Ausschlagungsrecht endgültig verzichten zu wollen5. Gem. § 1946 BGB kann die Annahme erst erklärt werden, wenn der Erbfall eingetreten ist. Eine vorher abgegebene Erklärung bleibt wirkungslos6. Der ersatzweise Berufene kann dagegen schon vor der Ausschlagung des Primärerben die Erbschaft annehmen, da § 1946 BGB nur den tatsächlichen Erbfall zum Anknüpfungspunkt macht, nicht aber den Anfall an eine bestimmte Person7. Ebenso vermag ein Nacherbe auch schon vor Eintritt des Nacherbfalls anzunehmen und, wie ausdrücklich in § 2142 Abs. 1 BGB geregelt, auszuschlagen8. Die Annahme setzt Geschäftsfähigkeit voraus9; Stellvertretung ist zulässig. Die Annahme ist aufgrund des Verlusts des Ausschlagungsrechts nicht nur rechtlich vorteilhaft, so dass ein beschränkt Geschäftsfähiger der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedarf10. Im Falle eines geschäftsunfähigen Erben kann die Annahme nur durch den gesetzlichen Vertreter erfolgen11. 49 Eine erklärte Annahme ist gem. § 1949 Abs. 1 BGB nichtig, wenn sich der Erbe in einem Irrtum über den Berufungsgrund befunden hat. Ein solcher Irrtum 1 2 3 4 5 6 7 8
Ebenroth/Koos, ZEV 1996, 344. BVerwG v. 14.12.1995 – 2 C 27.94, ZEV 1996, 343 (344). Ebenroth/Koos, ZEV 1996, 344. Mot. V, S. 497; Staudinger/Otte, § 1943 Rz. 2; Soergel/Stein, § 1943 Rz. 2. OLG Köln v. 20.2.1980 – 2 W 7/80, OLGZ 1980, 235. Staudinger/Otte, § 1946 Rz. 2. Soergel/Stein, § 1946 Rz. 2; MüKo/Leipold, § 1946 Rz. 2. BayObLG v. 10.8.1962 – BReg. 1 Z 43/61, BayObLGZ 1962, 239 (241); Staudinger/ Otte, § 1946 Rz. 8. 9 Palandt/Edenhofer, § 1943 Rz. 4; Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (196). 10 MüKo/Leipold, § 1943 Rz. 7. 11 MüKo/Leipold, § 1943 Rz. 7; Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (196).
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 51 C II
führt nicht zur Anfechtbarkeit, sondern direkt zur Nichtigkeit der Annahme1. Die Kenntnis vom Berufungsgrund spielt bei der Annahme durch Fristablauf insofern die gleiche Rolle wie bei erklärter Annahme, als die Frist gem. § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB erst mit der Kenntnis vom Berufungsgrund zu laufen beginnt (zur Kenntnis vom Berufungsgrund unten Rz. 69). Ein Irrtum über den Berufungsgrund ist unbeachtlich, wenn er nicht kausal für die erklärte Annahme gewesen ist. Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn es dem Erben gleichgültig ist, aus welchem Grunde er berufen ist2. b) Ausdrückliche Annahme Die ausdrückliche Annahme ist – anders als die Ausschlagung – an keine besondere Form gebunden; sie kann schriftlich, aber auch mündlich erfolgen3. Nach h.M. ist sie noch nicht einmal empfangsbedürftig, d.h. einer bestimmten Person gegenüber abzugeben4. Gleichwohl wird man eine Erklärung, die einer unbeteiligten Person gegenüber abgegeben wird, nur ausnahmsweise als Annahme verstehen dürfen, da der Erbe dieser Person gegenüber kaum je zum Ausdruck bringen möchte, die Erbschaft endgültig behalten zu wollen5. Insofern muss die Annahme regelmäßig einem Nachlassbeteiligten gegenüber erklärt werden. Die Annahme ist, wenn sie einem anderen gegenüber erklärt wird, nicht vor Zugang wirksam. § 130 BGB ist zwar aufgrund der fehlenden Empfangsbedürftigkeit der Erklärung nicht unmittelbar anwendbar. Die Vorschrift wird aber von der h.M. zu Recht entsprechend angewendet, so dass auch ein rechtzeitiger Widerruf gem. § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB als zulässig zu gelten hat6.
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c) Annahme durch schlüssiges Verhalten
Û
Beratungssituation: Der Mandant möchte wissen, ob er die Erbschaft noch ausschlagen kann, obwohl er schon einen Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung gestellt hat.
Die Annahme der Erbschaft kann auch durch schlüssiges Verhalten (pro herede gestio) erfolgen. Maßgeblich ist eine nach außen erkennbare Handlung des Erben, die darauf schließen lässt, dass er die Erbschaft endgültig behalten will7. Da das schlüssige Verhalten als Willenserklärung den allgemeinen Regeln über Willenserklärungen unterliegt, ist bei der Beurteilung des Erklärungswertes einer Handlung auf den objektiven Empfängerhorizont abzu-
1 2 3 4 5 6 7
Zur Systemwidrigkeit dieser Regelung MüKo/Leipold, § 1949 Rz. 1. OLG Karlsruhe v. 3.5.2007 – 19 U 58/05, ZEV 2007, 380 (381). MüKo/Leipold, § 1943 Rz. 3. Soergel/Stein, § 1943 Rz. 3; RGRK/Johannsen, § 1943 Rz. 4. Staudinger/Otte, § 1943 Rz. 6; RGRK/Johannsen, § 1943 Rz. 4. RGRK/Johannsen, § 1943 Rz. 5; Soergel/Stein, § 1943 Rz. 3. Mot. V, 497; RG, DJZ 1912, 1186; MüKo/Leipold, § 1943 Rz. 4; Staudinger/Otte, § 1943 Rz. 5.
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C II Rz. 52
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
stellen. Ein entgegenstehender innerer Wille ist in der Regel zunächst unbeachtlich, kann den Erben jedoch zur Anfechtung berechtigen. 52 Bei der Prüfung, ob eine konkludente Annahme vorliegt, sollte schon in Anbetracht der Sechswochenfrist des § 1944 Abs. 1 BGB Zurückhaltung gewahrt werden. Darüber hinaus würde eine zu strenge Betrachtungsweise dazu führen, dass ein vorläufiger Erbe kaum noch bereit wäre, notwendige Erhaltungsund Verwaltungsmaßnahmen durchzuführen, da darin schon eine Annahme gesehen werden könnte1. Der Handlung muss ein Erklärungswert beigemessen werden können, der dem einer ausdrücklichen Annahme nahe kommt. Dies darf nur dann angenommen werden, wenn sich der Erbe so verhält, wie es ein Erbe täte, der die Erbschaft endgültig behalten will. Maßnahmen zur Nachlasserhaltung und -verwaltung scheiden demnach von vornherein als schlüssige Verhaltensformen aus2. Eine Auskunftsklage gegen den Testamentsvollstrecker (§ 2215 BGB) dient erst der Vorbereitung der Entscheidung über die Annahme der Erbschaft und bedeutet daher noch keine Annahme durch schlüssiges Verhalten3. Dagegen kommt der Beantragung eines Erbscheins Annahmequalität zu4. In der bloßen Übernahme der Beerdigungskosten bzw. in der Beantragung einer entsprechenden Kostenübernahme durch das Sozialamt ist in der Regel keine Annahme durch einen Angehörigen zu erblicken. Eine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten ergibt sich für Angehörige nämlich oftmals durch landesrechtliche öffentlich-rechtliche Vorschriften, z.B. § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NW5. 53 In der Beantragung der Nachlassverwaltung könnte man vordergründig eine schlüssige Annahme der Erbschaft sehen, da der Erbe mit der Nachlassverwaltung (zumindest auch) eine dauerhafte Trennung von Nachlass- und Eigenvermögen erreichen will. Diese Trennung soll das Eigen- aber auch das Nachlassvermögen sichern6. Dass solche Sicherungsmaßnahmen aber gerade nicht zur Annahme führen, zeigt § 455 Abs. 3 FamFG (§ 991 Abs. 3 ZPO a.F.). Danach ist eine Annahme erforderlich, bevor der Antrag auf das Nachlassgläubigeraufgebot gestellt werden kann. In dem Antrag selber verbirgt sich somit keine Annahme, da die Vorschrift sonst überflüssig wäre7. Dieser Gedanke lässt sich verallgemeinern und auf den Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung übertragen; in diesem Antrag kann noch keine Annahme gesehen werden8.
1 OLG Köln v. 20.2.1980 – 2 W 7/80, OLGZ 1980, 235; zu weit gehend OLG Königsberg v. 21.2.1908 – 2 U. 232/07, SeuffArch 64 Nr. 153. 2 OLG Celle v. 7.5.1965 – 7 W 14/65, OLGZ 1965, 30; MüKo/Leipold, § 1943 Rz. 5. 3 BayObLG v. 8.9.2004 – 1 Z BR 59/04, FamRZ 2005, 553 (554) = NJW-RR 2005, 232 (233) = Rpfleger 2005, 86 (87). Zustimmend: Walter, ZEV 2008, 319 (320). 4 KG v. 3.4.1919, OLGE 38, 263; BGH v. 20.2.1968 – V BLw 34/37, RdL 1968, 97 (99). 5 Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen v. 17.6.2003, GV NRW S. 313. 6 Hillebrand, S. 28. 7 Hillebrand, S. 28. 8 So auch KG v. 9.7.1909 – 1a. X 501/09, KGJ 38, A 50 (A 51).
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 55 C II
Übt der Erbe Rechte aus, die üblicherweise dem dinglich Berechtigten zustehen, verfügt er also etwa über Nachlassgegenstände, so ist darin noch nicht zwangsläufig eine Annahme zu sehen. § 1959 Abs. 2 BGB geht nämlich davon aus, dass Verfügungen des Zwischenerben möglich und wirksam sind, ohne dass dies zum Verlust des Ausschlagungsrechts führt. Gleichwohl kann in der Verfügung über auch nur einen Nachlassgegenstand eine Annahme liegen1; § 1959 Abs. 2 BGB schließt dies nicht etwa zwingend aus. Die Differenzierung ist in solchen Fällen nicht anhand der rechtlichen Qualität, sondern anhand des Zwecks des Rechtsgeschäfts vorzunehmen. Diente die Verfügung Sicherungs- oder Verwaltungszwecken, so liegt darin noch keine Annahme.
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Auch frühere Gerichtsurteile können nicht pauschal auf einen konkret zu beurteilenden Sachverhalt übertragen werden. In jedem Fall ist eine Einzelfallentscheidung vorzunehmen, die alle in Betracht kommenden Umstände berücksichtigen muss2. Die dazu notwendige Sachverhaltsermittlung ist vom Nachlassgericht gem. § 12 FGG von Amts wegen durchzuführen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1.9.2009 ergibt sich der Amtsermittlungsgrundsatz nunmehr aus § 26 FamFG. Im Rahmen verschiedener FamFG-(ehemals FGG-)Verfahren3 ist als Vorfrage 55 zu ermitteln, ob eine Annahme durch schlüssiges Verhalten vorliegt. In diesem Zusammenhang wird der Erbe regelmäßig über Umfang und Verbleib des Nachlasses befragt. Verheimlicht er dabei Gegenstände oder hat er sie gar beiseite geschafft, wird darin von Teilen der Literatur4 noch keine Annahme gesehen. Durch die Trennung einzelner Gegenstände bringe der Erbe gerade zum Ausdruck, die Erbschaft nicht als Ganzes behalten zu wollen. Gleichwohl soll dieses Verhalten zum Verlust des Ausschlagungsrechts führen, also die gleichen Wirkungen erzeugen wie eine Annahme. Weithase etwa sieht in ihm einen Verwirkung des Ausschlagungsrechts herbeiführenden Tatbestand. Diese Ansicht verkennt jedoch, dass sich ein entsprechendes Verhalten vom objektiven Empfängerhorizont aus als konkludent erklärte Annahme darstellt, da sich der Erbe auf diese Weise als dauerhafter Eigentümer geriert. Entgegenstehende Äußerungen des Erben sind als protestatio facto contraria unbeachtlich. Außerdem ist der der Verwirkung immanente Sanktionsgedanke mit der Regelung des BGB nicht vereinbar, die die Endgültigkeit des Erbschaftsanfalls, genauer: den Verlust des Ausschlagungsrechts, keineswegs als Strafe verstanden wissen will5. Eine Verwirkung des Ausschlagungsrechts kommt somit nicht in Betracht. Das entsprechende Verhalten ist vielmehr als konkludente Annahme zu werten.
1 BayObLG v. 9.10.1987 – BReg. 1 Z 55/87, FamRZ 1988, 213. 2 BayObLG v. 9.10.1987 – BReg. 1 Z 55/87, FamRZ 1988, 213 (214). 3 Z.B. Erbscheinsverfahren, Bestimmung der Inventarfrist (§ 1994 Abs. 1 BGB), Feststellung gem. § 1964 Abs. 1 BGB. 4 Weithase, Rpfleger 1988, 434 (440); Lange/Kuchinke, § 8 II 3 (S. 196). 5 Mot. V, S. 495.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Überblick Annahme
Keine Annahme
– Fortführung eines Handelsgeschäfts unter neuer Firma1 – Antrag auf Erteilung eines Erbscheins2 – Antrag auf Grundstücksumschreibung auf den Erben3 – Verpfändung des Erbteils4 – Veräußerung und Belastung von Nachlassgegenständen5 – Abgabe von Verkaufsangeboten und das Anbieten eines Nachlassgrundstückes über einen Makler6 – Verwendung von Nachlassgegenständen für eigene Zwecke7 – Prozessführung in der Rolle des Erben8 – Geltendmachung von Nachlassansprüchen und Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten9 – Verkauf eines Anteils an einer GbR10
– Fortführung eines Handelsgeschäfts unter alter Firma, selbst bei Eintragung in das Handelsregister zwecks Haftungsbegrenzung gem. §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 2 HGB11 – Antrag auf Testamentseröffnung12 – Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung13 – Einreichung eines Nachlassverzeichnisses14 – Antrag auf Bestellung eines Testamentsvollstreckers15 – Auskunftsklage gegen den Testamentsvollstrecker16 – Angaben zum Nachlass auf Anforderung des Nachlassgerichts17 – Veräußerung des gesamten Nachlasses zur Bezahlung der Bestattungskosten18 – Mitwirkung und Stimmabgabe in Gesellschafterversammlung19
1 2 3 4 5
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
Friedrichs, S. 192 (widerlegbares Indiz für den Annahmewillen). KG v. 3.4.1919, OLGE 38, 263; BGH, v. 20.2.1968 – V BLw 34/37, RdL 1968, 97 (99). KG v. 3.4.1919, OLGE 38, 263; Lange/Kuchinke, § 8 II 3 (S. 197). RG v. 9.11.1912 – IV. 187/12, RGZ 80, 377 (385). RG v. 6.7.1909 – VII. 290/09, DJZ 1909, 1329; RG v. 6.6.1912 – IV. 593/11, DJZ 1912, 1185; anders aber, wenn die Verfügung im Rahmen ordnungsgemäßer Wirtschaft erfolgt. OLG Oldenburg v. 20.9.1994 – 5 U 72/94, FamRZ 1995, 574. RG v. 6.6.1912 – IV. 593/11, DJZ 1912, 1186. BGH v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 (363). Es ist auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, MüKo/Leipold, § 1958 Rz. 8. BayObLG v. 24.6.1983 – BReg. 1 Z 124/82, BayObLGZ 1983, 153 ff. BayObLG v. 9.10.1987 – BReg. 1 Z 55/87, FamRZ 1988, 213 (214). Palandt/Edenhofer, § 1943 Rz. 2; Staudinger/Otte, § 1943 Rz. 9; Friedrichs, S. 192; für eine Einzelfallentscheidung Hüffer, in: Großkommentar HGB, § 27 Rz. 25. OLG Celle v. 7.5.1965 – 7 W 14/65, OLGZ 1965, 30. KG v. 9.7.1909 – 1a. X 501/09, KGJ 38, A 50 (A 51); Hillebrand, S. 28 f. BGH v. 12.11.1964 – III ZR 123/63 (unveröffentlicht), zitiert nach Johannsen, WM 1972, 914 (918). OLG Celle v. 7.5.1965 – 7 W 14/65, OLGZ 1965, 30. BayObLG v. 8.9.2004 – 1 Z BR 59/04, FamRZ 2005, 553 (554) = NJW-RR 2005, 232 (233) = Rpfleger 2005, 86 (87). Zustimmend: Walter, ZEV 2008, 319 (320). OLG Köln v. 20.2.1980 – 2 W 7/80, OLGZ 1980, 235. Staudinger/Otte, § 1943 Rz. 9; Lange/Kuchinke, § 8 II 3 (S. 196), jeweils unter Hinweis auf ein unveröffentlichtes Urteil des RG. DNotI-Report 2004, 101 ff.
1126 Muscheler
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 59 C II
d) Annahme durch Fristablauf Mit dem Ablauf der für die Ausschlagung vorgeschriebenen Frist gilt die Erbschaft als angenommen (§ 1943 BGB). Beim Versäumnis der Frist handelt es sich nicht um eine Willenserklärung. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Gesetz hier mit einer Fiktion arbeitet, und zum anderen aus § 1956 BGB. Danach ist die Anfechtung des Versäumens der Ausschlagungsfrist möglich. Diese ausdrückliche Regelung wäre überflüssig, wenn eine Willenserklärung vorliegen würde. Daraus folgt, dass es für die Rechtsfolge der Fristversäumung auf einen entsprechenden Willen des Erben nicht ankommt1. Auch ein Geschäftsunfähiger oder beschränkt Geschäftsfähiger kann durch Fristablauf das Ausschlagungsrecht verlieren. Einen gewissen Schutz erfährt er aber dadurch, dass für den Beginn der Frist die Kenntnis von Anfall und Berufungsgrund erforderlich ist. Diese Kenntnis muss beim gesetzlichen Vertreter vorhanden sein2 (dazu Rz. 69 ff.).
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e) Wirkungen der Annahme Neben dem bereits erwähnten Verlust des Ausschlagungsrechts kommen der Annahme weitere Wirkungen zu:
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– Die Vollstreckungsbeschränkungen des § 778 Abs. 1, 2 ZPO fallen weg. – Nachlassvermögen und Eigenvermögen sind auch sonst nicht länger getrennte Vermögensmassen. – Die Frist der Dreimonatseinrede gem. § 2014 BGB beginnt zu laufen. – Der Erbe kann von den Nachlassgläubigern verklagt werden (§ 1958 BGB). – Die Rechtsstreitunterbrechung gem. § 239 Abs. 5 ZPO entfällt. – Der Erbe kann gem. § 991 Abs. 3 ZPO Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens zur Ausschließung von Nachlassgläubigern stellen. – Die Nachlasssicherungspflicht des Nachlassgerichts endet (§ 1960 Abs. 1 BGB).
IV. Form der Ausschlagung Anders als die Erklärung der Annahme unterliegt die Ausschlagung besonderen Formanforderungen. Der Gesetzgeber hat in der Ausschlagung die faktische Ausnahme gesehen (Rz. 4). Wählt ein Erbe diesen Weg, so soll der entsprechende Vorgang aus Gründen der Rechts- und Verkehrssicherheit besonders dokumentiert werden3. Gem. § 1945 Abs. 1 BGB muss die Ausschlagung dem Nachlassgericht gegenüber erklärt werden. Dabei stehen dem Ausschlagenden nur zwei Möglichkei1 MüKo/Leipold, § 1943 Rz. 6. 2 BayObLG v. 14.5.1984 – 1. ZS, 1 Z 25/84, Rpfleger 1984, 403. 3 MüKo/Leipold, § 1945 Rz. 1.
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C II Rz. 60
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
ten zur Verfügung: Er kann die Ausschlagungserklärung zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form, also notariell beglaubigt, abgeben. Auch die Ausschlagung durch Anfechtung der Annahme gem. § 1957 Abs. 1 BGB hat gem. § 1955 Satz 2 BGB in diesen Formen zu erfolgen. Das Nachlassgericht prüft bei der Entgegennahme der Ausschlagungserklärung neben der leicht zu kontrollierenden Form nur die örtliche Zuständigkeit und erteilt – auf Antrag – eine Bestätigung über Zugang und Inhalt der Erklärung1. Über den Erfolg der Ausschlagung wird in anderen Verfahren, meist im Erbscheinsverfahren, entschieden. Daraus folgt, dass das Nachlassgericht nicht befugt ist, die Erklärung aus anderen Gründen (als denen fehlender Form und fehlender Zuständigkeit) zurückzuweisen, aber auch nicht verpflichtet, auf eventuelle sonstige Mängel hinzuweisen2. Die Kosten der notariellen Beglaubigung belaufen sich gem. § 45 Abs. 1 Satz 1 KostO auf ein Viertel der vollen Gebühr, höchstens aber auf 130 Euro. Wird die Ausschlagung zur Niederschrift des Nachlassgerichts abgegeben, so erhebt das Nachlassgericht gem. §§ 112 Abs. 3, 38 Abs. 3 KostO ebenfalls eine Viertel-Gebühr, da die Ausschlagungserklärung eine formbedürftige Erklärung im Sinne der genannten Vorschriften ist3. Daneben entsteht jeweils eine weitere Viertel-Gebühr für die Entgegennahme der Erklärung durch das Nachlassgericht (§ 112 Abs. 1 Nr. 2 KostO)4. Für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung wird gem. § 115 KostO ausnahmsweise dann keine gesonderte Gebühr erhoben, wenn diese im Zusammenhang mit der Erteilung eines Erbscheins für den Nächstberufenen steht5. In diesem Fall fallen (neben der Viertel-Gebühr für die Erklärung) nur die Gebühren für die Erteilung des Erbscheins an. Bei Überschuldung des Nachlasses wird die Mindestgebühr von zehn Euro gem. § 33 Satz 1 KostO erhoben. 60 Die sachliche Zuständigkeit für die Ausschlagung der Erbschaft ergab sich früher aus § 72 FGG. Mit Inkrafttreten des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) am 1.9.2009 ergibt sie sich nunmehr aus § 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG. Danach ist das Amtsgericht Nachlassgericht. In Baden-Württemberg wird diese Aufgabe durch die Notariate wahrgenommen (Art. 147 EGBGB, §§ 1, 36, 38 LFGG). Eine Besonderheit enthält das landwirtschaftliche Erbrecht. Soweit die HöfeO Anwendung findet, ist eine isolierte Ausschlagung des Hofanfalls gem. § 11 HöfeO dem Landwirtschaftsgericht gegenüber zu erklären6. Wird jedoch nicht nur der Hof allein, sondern die gesamte Erbschaft ausgeschlagen, muss die Ausschlagungserklärung dem Nachlassgericht gegenüber erfolgen7.
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Firsching/Graf, S. 351. Weithase, Rpfleger 1988, 434 (435). Schwarz, in: Korintenberg u.a., Kostenordnung, § 38 Rz. 66. Lappe, in: Korintenberg u.a., Kostenordnung, § 112 Rz. 4. OLG Düsseldorf v. 19.3.1991 – 10 W 25/91, Rpfleger 1991, 254; Lappe, in: Korintenberg u.a., Kostenordnung, § 115 Rz. 20. 6 MüKo/Leipold, § 1945 Rz. 9. 7 BGH v. 28.1.1972 – V ZB 29/71, BGHZ 58, 105 (106); MüKo/Leipold, § 1945 Rz. 9.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 61 C II
Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 343 FamFG (§ 73 FGG) und aus § 344 Abs. 7 FamFG. Danach bestimmt sich die Zuständigkeit zunächst nach dem Wohnsitz des Erblassers (§ 343 Abs. 1 FamFG). Nicht nur der Erstwohnsitz, sondern auch ein zweiter Wohnsitz (§ 7 Abs. 2 BGB) kann die Zuständigkeit des Nachlassgerichts begründen1. Auf die melderechtliche Anmeldung kommt es dabei nicht an2. Hatte der Erblasser mehrere Wohnsitze, sind zunächst auch mehrere Nachlassgerichte zuständig. In einem solchen Fall bestimmt § 2 Abs. 1 FamFG (§ 4 FGG) dasjenige Nachlassgericht zum definitiv zuständigen, das zuerst in der Sache tätig geworden ist. § 344 Abs. 7 FamFG bestimmt eine im Vergleich zur Regelung des § 73 FGG neue besondere Zuständigkeit für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung. Demnach kann der Ausschlagende seine Erklärung auch vor dem Nachlassgericht abgeben, in dessen Bezirk er seinen Wohnsitz hat. Die Zuständigkeit des Wohnsitznachlassgerichts bedeutet eine nicht unerhebliche Erleichterung für den ausschlagenden Erben, dem die mitunter komplizierte Ermittlung des nach § 343 FamFG zuständigen Gerichts erspart bleibt. Die ratio der Zuständigkeitsbestimmung des § 344 Abs. 7 FamFG offenbart zugleich das Verhältnis zwischen der besonderen Zuständigkeit des Wohnsitznachlassgerichts zu der allgemeinen örtlichen Zuständigkeit nach § 343 FamFG. In Abweichung zu § 2 Abs. 1 FamFG bestimmt § 344 Abs. 7 Satz 2 FamFG, dass das Nachlassgericht am Wohnsitz des Ausschlagenden die Niederschrift über die Ausschlagungserklärung an das nach § 343 FamFG zuständige Gericht zu übersenden hat3. Diese Regelung erhellt, dass es sich bei der besonderen Zuständigkeit nach § 344 Abs. 7 FamFG um eine Art Hilfszuständigkeit handelt. Ferner ergibt sich aus § 344 Abs. 7 Satz 2 FamFG, dass mit der Entgegennahme einer Erklärung in Satz 1 der Vorschrift nicht nur die körperliche Empfangnahme einer öffentlich beglaubigten Ausschlagungserklärung (§ 1944 Abs. 1 2. Halbs. 2. Alt. BGB), sondern auch die Errichtung einer Niederschrift des Nachlassgerichts (§ 1944 Abs. 1 2. Halbs. 1. Alt. und Abs. 2 BGB) gemeint ist4. Über den Wortlaut des § 344 Abs. 7 Satz 2 FamFG hinaus hat das Nachlassgericht neben den gerichtlich protokollierten auch notariell beglaubigte Ausschlagungserklärungen weiterzuleiten5. Es ist im Anschluss an § 2 Abs. 3 FamFG (§ 7 FGG) anzunehmen, dass eine Ausschlagung vor jedem Nachlassgericht Frist wahrend möglich ist6. Das unzuständige Gericht darf die Erklärung nicht zurückweisen. § 3 Abs. 1 Satz 1 FamFG ordnet nun ausdrücklich an, dass das angerufene, aber unzuständige Gericht sich durch Beschluss für unzuständig zu erklären und die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen hat. Die neue Rechtslage statuiert damit eine Weiterleitungspflicht des unzu-
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BayObLG v. 9.10.1987 – BReg. 1 Z 55/87, FamRZ 1988, 213. BayObLG v. 17.12.1984 – Allg. Reg. 94/84, FamRZ 1985, 533 (534). Heinemann, ZErb 2008, 293 (295 f.). Heinemann, ZErb 2008, 293 (295); Heinemann, DNotZ 2009, 6 (25). Bumiller/Harders, FamFG, § 344 Rz. 16. RG v. 15.7.1909 – Rep. IV. 558/08, RGZ 71, 380 (382); nach BayObLG v. 13.10.1993 – 1 Z BR 54/93, FamRZ 1994, 589 (590), soll dies auch bei einer Anfechtungserklärung möglich sein.
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C II Rz. 62
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
ständigen Nachlassgerichts1. Dabei kommt es für diese Art der Zuständigkeitsbegründung nicht darauf an, ob das Gericht die Erklärung auch tatsächlich an das zuständige Gericht weiterleitet2. § 25 Abs. 3 Satz 2 FamFG steht dem nicht entgegen. Denn § 25 FamFG ist auf Erklärungen, für die besondere gesetzliche Formerfordernisse gelten, nicht anwendbar3. Die Ausschlagungserklärung unterliegt den Formanforderungen des § 1944 Abs. 1, 2. Halbs. und Abs. 2 BGB, kann also nicht nach § 25 Abs. 1 FamFG nur schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden. Für den Fall, dass der Ausschlagende zum Zwecke der Fristwahrung die Erklärung bewusst bei einem unzuständigen Gericht abgibt, wird zu Recht angenommen, dass die Ausschlagung missbräuchlich und somit unwirksam ist4. 62 Hat der Erblasser seinen Wohnsitz im Ausland, ist gem. § 343 Abs. 1 2. Halbs. FamFG (§ 73 Abs. 1 2. Halbs. FGG) das Gericht zuständig, in dessen Bezirk er sich zum Zeitpunkt des Erbfalls aufhielt. Liegen letzter Wohnsitz und letzter Aufenthaltsort im Ausland, ist gem. § 343 Abs. 2 Satz 1 FamFG (§ 73 Abs. 2 Satz 1 FGG) das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zuständiges Nachlassgericht. Die Ausschlagungsfrist beträgt in Auslandsfällen gem. § 1944 Abs. 3 BGB sechs Monate statt sechs Wochen. 63 Hält sich der Ausschlagende im Ausland auf, so genügt er gem. Art. 11 Abs. 1 EGBGB den Formerfordernissen, wenn die Ausschlagung in der Form erfolgt, die das Recht des Aufenthaltslandes verlangt. Die derart erklärte Ausschlagung muss dem nach deutschem Recht zuständigen Nachlassgericht aber zugehen5. Auch hier bestimmt sich die Frist zur Ausschlagung nach § 1944 Abs. 3 BGB.
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Beratungshinweis: Ist die örtliche Zuständigkeit unklar, sollte die Ausschlagung allen in Betracht kommenden Gerichten gegenüber erklärt werden, um ein Fristversäumung zu vermeiden.
V. Ausschlagungsfrist
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Beratungssituation: Der Mandant möchte wissen, ob die Ausschlagungsfrist für ihn schon mit der Testamentseröffnung zu laufen begonnen hat. Er war zwar zur Eröffnung geladen, jedoch nicht erschienen und hat erst später von seiner Berufung erfahren.
1 Bisweilen wurde auch schon vor Inkrafttreten des § 3 Abs. 1 Satz 1 FamFG eine Weiterleitungspflicht des unzuständigen Nachlassgerichts angenommen, so etwa von MüKo/Leipold, § 1945 Rz. 8. Bauer, FG I, § 7 IV 2a (S. 87); Keidel/Zimmermann, FGG, § 7 Rz. 4 nahmen eine Weiterleitungspflicht des Gerichts nur dann an, wenn andernfalls der Fristablauf drohte. 2 Palandt/Edenhofer, § 1945 Rz. 7; Soergel/Stein, § 1945 Rz. 10. 3 Bumiller/Harders, FamFG, § 25 Rz. 2 f. 4 MüKo/Leipold, § 1945 Rz. 8; Lange/Kuchinke, § 8 III 3 (S. 201 f.), wollen die Unwirksamkeit schon bei einfach schuldhaftem Verhalten eintreten lassen. 5 Staudinger/Otte, § 1945 Rz. 25.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 66 C II
1. Allgemeines Das Recht zur Ausschlagung steht dem Erben nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu. Den Anfangszeitpunkt markiert der Erbfall (§ 1946 BGB). Mit Ablauf der Ausschlagungsfrist gem. § 1944 BGB endet die Möglichkeit der Ausschlagung, mit der Folge, dass der Erbe sich hinsichtlich der Ausschlagung präkludiert sieht1. Das Ende des Zeitfensters ist jedoch nicht völlig starr, da nicht der Erbfall den Fristlauf in Gang setzt, sondern erst die Kenntnis des Erben von Anfall und Berufungsgrund. Im Falle gewillkürter Erbfolge wird der Zeitpunkt des Fristbeginns noch weiter hinausgeschoben. Die Frist beginnt dann gem. § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht vor der Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen zu laufen. Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Wochen, bei Fällen mit Auslandsberührung verlängert sie sich gem. § 1944 Abs. 3 BGB auf sechs Monate. Im Falle gesetzlicher Vertretung ist der Aufenthaltsort des Vertreters entscheidend2.
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Der Erbe muss den Fristanlauf nicht abwarten. Er kann schon nach dem Erbfall (§ 1946 BGB), aber noch vor genügender Kenntnis der Tatsachen die Erbschaft ausschlagen3. Daraus folgt unter anderem, dass ein Nachberufener, also etwa der nächstfolgende gesetzliche Erbe, schon vor der Ausschlagung des Vorberufenen ausschlagen oder annehmen kann4. Für den Nacherben ist in § 2142 Abs. 1 BGB ausdrücklich bestimmt, dass er schon vor Eintritt des Nacherbfalls die Erbschaft auszuschlagen vermag; die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB beginnt aber erst mit dem Eintritt des Nacherbfalles zu laufen5. Auch ein Ersatzerbe kann schon mit Eintritt des Erbfalls überhaupt und nicht erst bei Anfall der Erbschaft an ihn die Ausschlagung erklären6. Ein durch Berliner Testament berufener Schlusserbe hingegen erlangt die Ausschlagungsmöglichkeit erst mit dem Tod des Letztversterbenden. Die drei zuletzt genannten Fälle unterscheiden sich dadurch, dass im Fall der Nach- und Ersatzerbschaft nur ein Erbfall gegeben ist, während bei der Schlusserbschaft zwei Erbfälle vorliegen (und der Schlusserbe nur und erst beim zweiten Erbfall Erbe wird)7.
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Kenntnis bedeutet, dass der Erbe ein bestimmtes und sicheres Wissen von den den Anfall begründenden Tatsachen hat8. Schuldhaftes Nichtwissen steht der Kenntnis nicht gleich9. Daraus folgt z.B., dass der Zugang eines Schreibens, das die Kenntnis begründende Informationen enthält, nicht ausreicht; der Fristlauf wird erst durch die tatsächliche Kenntnisnahme des Inhalts in
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Staudinger/Otte, § 1944 Rz. 2. MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 24. RG v. 9.11.1912 – Rep. IV 187/12, RGZ 80, 377 (385); Staudinger/Otte, § 1946 Rz. 3. Staudinger/Otte, § 1946 Rz. 4. Erman/M. Schmidt, § 2142 Rz. 3; MüKo/Grunsky, § 2142 Rz. 1. BGH v. 8.10.1997 – IV ZR 236/96, ZEV 1998, 22; RG v. 9.11.1912 – IV 187/12, RGZ 80, 377 (382). 7 BGH v. 8.10.1997 – IV ZR 236/96, ZEV 1998, 22; Behrendt, ZEV 1998, 67. 8 Palandt/Edenhofer, § 1944 Rz. 2; Gottwald, ZEV 2006, 293 (294). 9 BayObLG v. 22.3.1968 – BReg. 1b Z 11/68, BayObLGZ 1968, 68 (74).
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C II Rz. 67
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Gang gesetzt1. Es besteht auch keine Verpflichtung des Erben aus Treu und Glauben, sich Kenntnis zu verschaffen. Unterlässt es z.B. ein Erbe, der trotz Ladung der Testamentseröffnung fern bleibt, sich nachträglich über den Inhalt des Testaments zu informieren, so führt dies dazu, dass die Frist nicht mit der Testamentseröffnung, sondern erst mit tatsächlicher Kenntnis vom Inhalt des Testaments zu laufen beginnt2. Durch diese enge Auslegung eröffnen sich bedenkliche Möglichkeiten zur Manipulation; außerdem entsteht die Gefahr erheblicher Rechtsunsicherheit.
2. Fristbeginn a) Kenntnis vom Anfall 67 Frühestmöglicher Zeitpunkt zur Ausschlagung ist gem. § 1946 BGB der Zeitpunkt des Erbfalls. Eine zuvor erklärte Ausschlagung bleibt unwirksam. Dies ergibt sich schon daraus, dass die gem. § 1944 Abs. 2 BGB geforderte Kenntnis auch die Kenntnis vom Anfall der Erbschaft umfasst3. Kenntnis vom Anfall hat der Erbe dann, wenn er vom Tod des Erblassers erfährt und ihm die den Anfall herbeiführenden Umstände bekannt sind. Bei gesetzlicher Erbfolge ist dies dann der Fall, wenn er über die verwandtschaftlichen oder sonstigen familiären Beziehungen, das Fehlen einer die gesetzliche Erbfolge ausschließenden Verfügung von Todes und das Nichtvorhandensein vorgehender Erben informiert ist. Ergibt sich das Nichtvorhandensein vorgehender Erben erst aus deren Ausschlagung, muss die Kenntnis auch diese Ausschlagung umfassen4. Hinsichtlich des Fehlens einer letztwilligen Verfügung liegt Kenntnis vor, wenn dem Erben eine Verfügung von Todes wegen nicht bekannt ist und er auch keine begründete Vermutung hat, dass eine solche existiert5. 68 Im Falle gewillkürter Erbfolge bestimmt § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB, dass die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen zu laufen beginnt. Die Eröffnung und Bekanntgabe als solche führen aber (selbst wenn in ihrem Zeitpunkt der Erbe über Anfall und Berufungsgrund Bescheid weiß) noch nicht den Fristanlauf herbei. Es ist vielmehr erforderlich, dass der Erbe von der Eröffnung und Bekanntgabe des Testaments Kenntnis erlangt6. Werden bei der Eröffnung eines gemeinschaftlichen Testaments nach dem Tod des Erstverstorbenen die Verfügungen des Überlebenden mit bekanntgegeben, weil diese untrennbar mit den übrigen Verfügungen verbunden sind, so ist damit im Sinn des § 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB noch keine Bekanntgabe hinsicht-
1 BayObLG v. 22.3.1968 – BReg. 1b Z 11/68, BayObLGZ 1968, 68 (75). 2 OLG München v. 10.9.1936 – Wx 208/36, DNotZ 1936, 64 (65). Diese Kenntnis würde z.B. durch eine Mitteilung gem. § 2262 BGB vermittelt. 3 MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 2. 4 Staudinger/Otte, § 1944 Rz. 7. 5 BayObLG v. 17.3.1953 – BReg. 2 Z 180/52, NJW 1953, 1431 (1432); OLG Zweibrücken v. 23.2.2006 – 3 W 6/06, FamRZ 2006, 892 (893) = NJW-RR 2006, 1594 (1595) = Rpfleger 2006, 407 (407). 6 BGH v. 26.9.1990 – IV ZR 131/89, BGHZ 112, 229; OLG Karlsruhe v. 13.12.1988 – 11 W 67/88, MittRhNotK 1989, 118; a.A. Staudinger/Otte, § 1944 Rz. 19.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 70 C II
lich der Verfügungen des Letztversterbenden erfolgt, da der Mitbekanntgabe im ersten Eröffnungstermin keine rechtliche, sondern nur eine tatsächliche Bedeutung zukommt1. b) Kenntnis vom Berufungsgrund Neben der Kenntnis vom Anfall der Erbschaft verlangt § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB auch Kenntnis vom Berufungsgrund2. Dabei kommt es auf die Person des Erben an; nur wenn der Erbe geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, hat man auf die Person des gesetzlichen Vertreters abzustellen (vgl. dazu Rz. 83). Dass auch die alleinige Kenntnis eines Bevollmächtigten ausreicht, wird teilweise abgelehnt3. Es leuchtet aber nicht ein, warum z.B. die Kenntnis eines Bevollmächtigten, der gerade auch zur Besorgung erbschaftlicher Geschäfte – insbesondere für Annahme und Ausschlagung – bestellt worden ist, nicht genügen sollte4. Die Kenntnis vom Berufungsgrund ist deshalb erforderlich, weil dem Erben nicht nur klar sein soll, dass er etwas erbt, sondern auch, aufgrund welcher rechtlichen Umstände er etwas erbt5. Er muss wissen, ob er aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder aufgrund einer Verfügung von Todes wegen Erbe ist, weil dies unterschiedliche rechtliche Auswirkungen haben kann6.
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Hingegen ist umstritten, ob sich die Kenntnis des Erben auf eine bestimmte Verfügung beziehen muss, wenn es mehrere – z.T. auch unwirksame – Verfügungen gibt. Ansatzpunkt für diesen Streit ist der Begriff des Berufungsgrundes in § 1944 BGB. Teilweise wird angenommen, dass der Begriff ebenso zu verstehen sei wie in den anderen Vorschriften dieses Abschnitts, mit der Folge, dass Kenntnis über die konkrete Verfügung gefordert wird7. Aber auch diese Ansicht geht nicht soweit, dass der Erbe den genauen Inhalt der konkreten Verfügung kennen muss8. Glaubt der Erbe, er sei durch ein bestimmtes Testament berufen, ist diese Verfügung in Wirklichkeit aber unwirksam (und er durch eine andere, ihm unbekannte Verfügung berufen), so fehlt ihm auch in diesem Fall die erforderliche Kenntnis9. Unterliegt der Erbe demnach einem Tatsachen- oder Rechtsirrtum, schließt das seine Kenntnis aus10.
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Andere wollen den Begriff des Berufungsgrundes in § 1944 BGB weiter verstehen als z.B. in den §§ 1949, 1951 BGB. Sie lassen es genügen, wenn der Erbe
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RG v. 14.7.1932 – IV B 12/32, RGZ 137, 222 (229 f.); MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 16. Dazu BGH v. 5.7.2000 – IV ZR 180/99, ZEV 2000, 401. MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 14; Staudinger/Otte, § 1944 Rz. 15. BayObLG v. 17.3.1953 – BReg. 2 Z 180/52, NJW 1953, 1432; RGRK/Johannsen, § 1944 Rz. 12; Palandt/Edenhofer, § 1944 Rz. 8; Erman/Schlüter, § 1944 Rz. 6. Staudinger/Otte, § 1944 Rz. 8; MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 3. BGH v. 5.7.2000 – IV ZR 180/99, ZEV 2000, 401. MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 4; Staudinger/Otte, § 1944 Rz. 8, § 1949 Rz. 2; Walter, ZEV 2008, 319 (321). Palandt/Edenhofer, § 1944 Rz. 4. MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 4; Lange/Kuchinke, § 8 III 1b (S. 198). BGH v. 5.7.2000 – IV ZR 180/99, ZEV 2000, 401.
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C II Rz. 71
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
überhaupt weiß, dass er gekorener Erbe ist1. Diese Ansicht schränkt die Entscheidungsbefugnis des Erben freilich zu sehr ein. Aufgrund des überwiegend personalen Charakters des Ausschlagungsrechts kann ein Verlust dieses Rechts (hier durch Fristablauf) nur dann in Betracht kommen, wenn dem Erben alle entscheidenden Umstände als Grundlage der Entscheidungsfindung bekannt sind. Es kann für ihn durchaus von Bedeutung sein, aufgrund welcher Verfügung er berufen ist. Er muss somit richtigerweise Kenntnis von der konkreten Verfügung haben, auf der seine Erbenstellung beruht. 71 Wird ein Rechtsstreit über die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung geführt, so liegt die erforderliche Kenntnis mit der Rechtskraft der Entscheidung vor2; die gütliche Einigung der Beteiligten über die Wirksamkeit genügt aber ebenfalls. In einem solchen Fall ist es eindeutig, wann genau die notwendige Kenntnis vorliegt. In anderen Fällen bereitet die Bestimmung des Zeitpunktes Schwierigkeiten. Daher darf auch der Prüfungsmaßstab nicht ganz so rigide sein. Absolute Gewissheit ist nicht zu fordern, unbegründete Zweifel an der Erbenstellung genügen nicht, um die Kenntnis vom Berufungsgrund auszuschließen3. Bei der – wenngleich unzutreffenden – nicht per se abzuweisenden, mit vertretbaren Gründen versehenen Auffassung, nicht testamentarischer, sondern gesetzlicher Erbe zu sein, liegt keine zuverlässige Kenntnis des Berufungsgrundes i.S.d. § 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB vor4. Den Fristablauf und somit den Wegfall des Ausschlagungsrechts hat derjenige zu beweisen, der sich auf die Verspätung der Ausschlagung beruft5. Je nach Fallgestaltung kann das der ausschlagende Erbe oder der Prozessgegner sein. Es kommt hinsichtlich der Beweislast darauf an, für wen der Wegfall des Ausschlagungsrechts im konkreten Fall günstig ist. Beruft sich der Gegner auf den Wegfall des Ausschlagungsrechts aufgrund Fristablaufs – behauptet er mithin die Annahme –, so ist er für die die Frist in Gang setzende Kenntnis vom Berufungsgrund beweispflichtig. Der Ausschlagende muss in diesem Fall lediglich die Existenz der Ausschlagungserklärung, deren Zeitpunkt sowie die Einhaltung der Form beweisen, nicht jedoch die Rechtzeitigkeit6.
1 Soergel/Stein, § 1944 Rz. 10; Erman/Schlüter, § 1944 Rz. 5; RGRK/Johannsen, § 1944 Rz. 4. 2 KG v. 28.1.1908 – III. ZS, OLGE 16, 251 (252). 3 BayObLG v. 17.3.1953 – BReg. 2 Z 180/52, NJW 1953, 1431; OLG Hamm v. 14.3.1969 – 15 W 419/68, OLGZ 1969, 288 (290). 4 OLG München v. 28.8.2006 – 31 Wx 45/06, ZEV 2006, 554 (555) = ZErb 2006, 385 (386) = Rpfleger 2007, 28 (29). Ein gemeinschaftliches Testament enthielt im konkreten Fall nur eine durch Auslegung zu ermittelnde Schlusserbeneinsetzung nach Versterben des länger lebenden Ehegatten. Der so eingesetzte Miterbe hielt sich jedoch für den gesetzlichen Alleinerben des letztverstorbenen Ehegatten. 5 Palandt/Edenhofer, § 1944 Rz. 8. 6 BGH v. 5.7.2000 – IV ZR 180/99, ZEV 2000, 401 (402); Staudinger/Otte, § 1944 Rz. 30.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 74 C II
c) § 2306 Abs. 1 BGB Im Fall des § 2306 Abs. 1 BGB hängt der Beginn der Ausschlagungsfrist nicht nur von den Voraussetzungen des § 1944 BGB ab. Der Erbe muss hier zusätzlich Kenntnis davon haben, dass der hinterlassene Erbteil den in der Norm genannten Beschränkungen oder Beschwerungen unterworfen ist1, da nur dann eine (pflichtteilserhaltende) Ausschlagung überhaupt in Betracht kommt2. Hat im Rahmen einer Zugewinngemeinschaft der überlebende Ehegatte die „Wahl“ zwischen erb- und güterrechtlicher Lösung, so stehen die Pflichtteilsbruchteile der Abkömmlinge oder Eltern erst fest, wenn der überlebende Ehegatte sein Wahlrecht ausgeübt hat oder die für ihn laufende Ausschlagungsfrist abgelaufen ist3. Erst danach beginnen die Ausschlagungsfristen der Pflichtteilsberechtigten zu laufen.
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d) Fristberechnung Die Frist berechnet sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 186 ff. BGB. Gem. § 1944 Abs. 2 Satz 3 BGB finden die §§ 206, 210 BGB entsprechende Anwendung. Der Tod des Erben ist kein Fall höherer Gewalt im Sinne des § 206 BGB, der zur Hemmung der Frist führen würde. Hier greift vielmehr die Sonderregelung des § 1952 Abs. 2 BGB ein. Diese Norm verlängert die Ausschlagungsfrist hinsichtlich des ersten Erbfalls derart, dass diese mindestens so lange dauert wie diejenige für den Zweitnachlass4. Jedoch müssen die Voraussetzungen des § 1944 BGB, also Kenntnis von Anfall und Berufungsgrund, nicht auch beim Enderben gegeben sein; auch ohne dessen Kenntnis läuft die Ausschlagungsfrist hinsichtlich des Erstnachlasses weiter ab.
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Ein Fall höherer Gewalt liegt vor, wenn die gem. §§ 1643 Abs. 2, 1822 Nr. 2 (ggf. i.V.m. § 1908i Abs. 1 Satz 1) BGB erforderliche Genehmigung durch das Familien- bzw. Betreuungsgericht (vgl. Rz. 83) nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist erteilt wird5. Der gesetzliche Vertreter muss jedoch den Antrag noch innerhalb der Ausschlagungsfrist stellen, wobei er sich freilich nicht so zu beeilen braucht, dass die Genehmigung noch rechtzeitig erteilt werden kann6. Eine solche Forderung würde die ohnehin schon knappe Bedenkzeit weiter verkürzen. Der Ablauf der Ausschlagungsfrist wird bis zur Erteilung der Genehmigung gehemmt. Nach der Erteilung der Genehmigung läuft die Frist weiter. Hierbei ist zu beachten, dass die Frist nicht etwa um die Zeit ver-
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1 Vor der Änderung des § 2306 Abs. 1 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Erbund Verjährungsrechts kam die Ausschlagung gem. § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. nur in Betracht, wenn der hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils überstieg (s. Rz. 29). Dementsprechend hing der Beginn der Ausschlagunsfrist zusätzlich von der Kenntnis der Beteiligungshöhe am Nachlass ab. 2 Palandt/Edenhofer, § 2306 Rz. 10; MüKo/Lange, § 2306 Rz. 20 f.; Gottwald, ZEV 2006, 293 (294). 3 Nieder, Rz. 89. 4 MüKo/Leipold, § 1952 Rz. 7. 5 OLG Frankfurt v. 22.11.1965 – 6 W 153/65, OLGZ 1966, 337; BayObLG v. 13.1.1983 – BReg. 1 Z 27/82, BayObLGZ 1983, 9 (13); Gottwald, ZEV 2006, 293 (294). 6 MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 20.
Muscheler
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C II Rz. 75
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
längert wird, die notwendig ist, um die Genehmigung dem Nachlassgericht zu übermitteln1.
VI. Inhalt der Ausschlagungserklärung 1. Die Ausschlagungserklärung 75 Die Ausschlagungserklärung ist nicht an den Gebrauch bestimmter Worte oder Begriffe gebunden. Es muss sich aus der Erklärung nur unzweideutig ergeben, dass der Erbe die Erbschaft nicht annehmen will2. Ob in einer dem Nachlassgericht gegenüber abgegebenen Erklärung eine Ausschlagung gesehen werden kann, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. So kann z.B. in der Anerkennung des Erbrechts einer anderen Person regelmäßig nicht eine Ausschlagungserklärung gesehen werden. Darin kommt vielmehr die Unkenntnis des Erben über die Tatsache zum Ausdruck, dass er Erbe ist3. Wenn ein Ausschlagungswilliger das Wort „anfechten“ gebraucht, reicht dies für die Ausschlagung aus, da er dem Gericht gegenüber hinreichend klar erklärt, nicht Erbe sein zu wollen4. Im Hinblick auf die Tragweite einer solchen Erklärung sollte jedoch bei unklarer Wortwahl Zurückhaltung gewahrt werden bei der Annahme einer Ausschlagungserklärung. Angesichts der einzuhaltenden Form und der damit einhergehenden Beratung kann man nämlich regelmäßig davon ausgehen, dass eine Ausschlagung in eindeutiger Weise erklärt wird5. Die Frage, ob dem Erben seine Erbenstellung wenigstens als Möglichkeit bekannt sein muss6, ist wohl eher theoretischer Natur. Ohne eine solche Kenntnis hätte er kaum Anlass, die Ausschlagung zu erklären. 76 Neben der Prüfung, ob überhaupt eine Ausschlagung erklärt wurde, stellt sich die Frage nach der Reichweite einer solchen Erklärung. Hier gibt § 1949 Abs. 2 BGB eine Auslegungsregel. Danach erstreckt sich die Ausschlagung im Zweifel auf alle bekannten Berufungsgründe. Schlägt der Erbe (ausdrücklich oder konkludent) nur aus einem bestimmten Berufungsgrund aus, bleibt die Annahme aus einem anderen Grund möglich (vgl. zu den Besonderheiten bei gemeinschaftlichen Testamenten Rz. 25). Ist ein Berufungsgrund vollständig unbekannt, liegt kein Fall des § 1949 Abs. 2 BGB vor7. Die Vorschrift erfasst nach freilich bestrittener Auffassung nicht nur parallel vorliegende Berufungsgründe, sondern gerade auch sukzessive Berufungsgründe, die sich z.B. infolge der eigenen Ausschlagung ergeben8. Jedoch muss dieser sukzessive Berufungsgrund im Zeitpunkt der Ausschlagung sicher gegeben sein. Ist die weitere Be1 OLG Frankfurt v. 22.11.1965 – 6 W 153/65, OLGZ 1966, 337. 2 BayObLG v. 31.1.1967 – BReg. 1a Z 79/66, BayObLGZ 1967, 33 (37). 3 BayObLG v. 31.1.1967 – BReg. 1a Z 79/66, BayObLGZ 1967, 33 (37); MüKo/Leipold, § 1945 Rz. 3. 4 OLG Dresden v. 19.10.1916 – 4. ZS, OLGE 35, 178. 5 MüKo/Leipold, § 1945 Rz. 3. 6 Vgl. dazu Staudinger/Otte, § 1945 Rz. 2. 7 Staudinger/Otte, § 1949 Rz. 10. 8 MüKo/Leipold, § 1949 Rz. 9; RGRK/Johannsen, § 1949 Rz. 13; a.A. Staudinger/Otte, § 1949 Rz. 12; Soergel/Stein, § 1949 Rz. 8.
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rufung dagegen von zukünftigen unsicheren Ereignissen – namentlich von Entscheidungen Dritter – abhängig, greift § 1949 Abs. 2 BGB nicht ein. Allerdings kann der Erbe vorsorglich auch für solche Fälle die Ausschlagung aus jedem möglichen Berufungsgrund erklären.
2. Bedingte Ausschlagung Gem. § 1947 BGB können Ausschlagung und Annahme nicht unter einer Be- 77 dingung oder Befristung erfolgen. Die Beifügung einer Bedingung oder Befristung macht die Erklärung (Ausschlagung oder Annahme) unwirksam; ein argumentum e contrario aus § 1950 Satz 2 BGB wäre fehl am Platz. Der Verkehr verlangt gerade im Erbrecht nach möglichst klarer und definitiver Rechtslage. Jedoch sind von § 1947 BGB nur solche Erklärungszusätze erfasst, die die Wirkung der Erklärung von einem ungewissen künftigen Ereignis abhängig machen. Im Gegensatz zu solchen rechtsgeschäftlichen Bedingungen im echten Sinne sind Rechtsbedingungen unbedenklich1. Wird die Ausschlagung also von der – zum Zeitpunkt der Ausschlagung schon sicheren, aber noch nicht endgültig bekannten – Rechtslage abhängig gemacht, liegt kein Fall des § 1947 BGB vor. Jedoch muss das Vorliegen der mit der Wirksamkeit der Ausschlagung verbundenen Rechtslage sicher sein und darf nicht seinerseits von ungewissen Umständen – z.B. der Ausschlagung eines anderen – abhängen. Die Wirkung einer der Ausschlagung beigefügten Rechtsbedingung ist streitig. Teilweise wird jeglicher Einfluss einer Rechtsbedingung auf die Wirksamkeit der Ausschlagung verneint2. Richtigerweise muss jedoch eine Wirksamkeitsabhängigkeit der Ausschlagung von einer bestimmten Rechtslage möglich sein, da § 1947 BGB nur echte Bedingungen für unzulässig erklärt3. Beispiel:4 Der Erblasser hatte seine Frau als Vorerbin und seinen kinderlosen Sohn als Nacherben eingesetzt. Bei Versterben des Sohnes vor Eintritt des Nacherbfalles sollten verschiedene Organisationen Ersatznacherben werden. Der Sohn schlug zu Lebzeiten der Mutter die Nacherbschaft aus, damit die Erbschaft seiner Mutter als Vollerbin zufalle. In diesem Fall nahm das LG München5 Wirksamkeit der Ausschlagung an, da keine Bedingung im Sinne des § 1947 BGB gegeben sei. Nur die Verknüpfung der Erklärung mit einem künftigen, ungewissen Umstand stelle eine durch § 1947 BGB verbotene Bedingung dar. Die erbrechtliche Situation sei nicht 1 Staudinger/Otte, § 1947 Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 1947 Rz. 1; a.A. Specks, ZEV 2007, 356 (359 f.), der § 1947 BGB generell auf Gegenwarts- und Vergangenheitsbedingungen analog anwenden will: Andernfalls sei das mit der Bedingungsfeindlichkeit verbundene Ziel, schnell Rechtssicherheit zu erreichen, gefährdet, da auch Gegenwarts- und Vergangenheitsbedingungen im Einzelfall erheblichen Klärungsaufwand erfordern könnten. 2 LG München I v. 12.7.1999 – 16 T 9048/99, NJWE-FER 2000, 184 (185). 3 MüKo/Leipold, § 1947 Rz. 2. 4 LG München I v. 12.7.1999 – 16 T 9048/99, NJWE-FER 2000, 184. 5 LG München I v. 12.7.1999 – 16 T 9048/99, NJWE-FER 2000, 184 (185).
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ungewiss, sondern im Zeitpunkt der Ausschlagung sei schon klar gewesen, dass die Mutter infolge der Ausschlagung nicht Vollerbin werde, sondern weiterhin Vorerbin bleibe, da die Ersatznacherben an die Stelle des Sohnes rückten. Daher liege nur eine subjektive Ungewissheit vor, die aber nicht mit der Erklärung derart verbunden werden könne, dass bei einem Irrtum die Ausschlagung unwirksam sei. Das Gericht verkennt hier jedoch die Reichweite des § 1947 BGB, der nur die Abhängigkeit der Ausschlagung von ungewissen zukünftigen Ereignissen verhindern will. Dass die Ausschlagung nicht zur Vollerbenstellung der Mutter führen konnte, war nicht ungewiss, sondern sicher. Daher lag eine an sich wirksame Erklärung vor, die aber wegen Nichtvorliegens der Rechtsbedingung keine Ausschlagungswirkung entfaltete. Zumindest aber musste man im konkreten Fall das Vorliegen einer (stillschweigenden) echten Bedingung im Sinne des § 1947 BGB prüfen, durch die die Ausschlagung des Sohnes in Abhängigkeit von möglichen Ausschlagungen der ersatzweise berufenen Organisationen gebracht wurde. Darüber hinaus hätte das Gericht untersuchen müssen, ob in der Erklärung nicht gegebenenfalls eine Übertragung des dem Nacherben zustehenden Anwartschaftsrechts auf die Mutter gesehen werden konnte. Im Übrigen käme auch die Ansicht, die § 1947 BGB analog auf Rechtsbedingungen anwenden will1, im konkreten Fall zur Unwirksamkeit der Ausschlagung, also zu einem der Entscheidung des LG München diametral entgegengesetzten Ergebnis. Unabhängig vom konkreten Beispielsfall ist Folgendes zu sagen: Es kommt in der Praxis sehr oft vor, dass die Ausschlagung zugunsten einer bestimmten Person erklärt wird. Solche Zusätze will der Ausschlagende oftmals gar nicht im Sinne einer Bedingung verstanden wissen. Bei der Auslegung seiner Erklärung sollte daher Zurückhaltung geübt werden. Es ist zu unterscheiden, ob der Dritte Nächstberufener gem. § 1953 Abs. 2 BGB ist oder nicht. Erfolgt die Ausschlagung zugunsten desjenigen, der auch nach dem Gesetz als Nächster berufen ist, so hat man in der vermeintlichen Bedingung regelmäßig einen bedeutungslosen und unschädlichen Zusatz zur Ausschlagungserklärung zu sehen2. Die Möglichkeit, dass der Ausschlagungsbegünstigte die Erbschaft ausschlagen könnte, soll in solchen Fällen wohl kaum zur Bedingung erhoben werden. Soll die Ausschlagung dazu führen, dass nur eine bestimmte Person (alleine) begünstigt wird, obwohl tatsächlich eine Mehrheit von Erben berufen ist, so ist der Erklärungszusatz nicht bedeutungslos3. Eine solche Ausschlagung ist gem. § 1947 BGB unwirksam. Der Eintritt des Erklärungszusatzes hängt hier nämlich davon ab, ob mögliche Miterben die Erbschaft ihrerseits ausschlagen oder nicht, und das ist nun einmal ein zukünftiges ungewisses Ereignis. Gehört der Begünstigte nicht zum Kreis der Nächstberufenen, so ist die Ausschlagung zwar nicht nach § 1947 BGB ungültig, wohl aber wegen nicht erfüllter (zulässiger) Rechtsbedingung wirkungslos4; man kann in der 1 Specks, ZEV 2007, 356 (359 f.). 2 OLG Bamberg v. 15.11.1902 – I. ZS., OLGE 6, 171; KG v. 12.12.1907 – 1. X 1438/07, KGJ 35 A 63 (A 64). 3 OLG Bamberg v. 15.11.1902 – I. ZS., OLGE 6, 171; Staudinger/Otte, § 1947 Rz. 7; a.A. scheinbar LG München I v. 12.7.1999 – 16 T 9048/99, NJWE-FER 2000, 184 (185). 4 Vgl. KG v. 11.1.1909 – I. ZS., OLGE 24, 99 (100).
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Erklärung aber je nach den Umständen auch die Annahme der Erbschaft mit sofortiger Übertragung des Nachlasses auf den Dritten erblicken1.
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Beratungshinweis: Die Abgrenzung von unzulässiger Bedingung und zulässiger Rechtsbedingung sowie die Beurteilung der Wirkung einer Rechtsbedingung ist in Rechtsprechung und Literatur unsicher. Soweit eine echte Bedingung vorliegt, führt die Ausschlagung selbst bei Bedingungseintritt nicht zum Erfolg, da die Ausschlagung grundsätzlich unwirksam ist. Der Einsatz von Rechtsbedingungen ist ebenfalls nicht uneingeschränkt empfehlenswert, da keine klare Linie hinsichtlich der Behandlung und Zulässigkeit einer solchen Bedingung erkennbar ist; sie sollte nur nach sorgfältiger Überlegung in Betracht gezogen und das mit ihr Bezweckte sollte ausdrücklich festgehalten werden.
Wird die Ausschlagung von einem bestimmten Berufungsgrund abhängig gemacht, liegt darin keine gem. § 1947 BGB unzulässige Bedingung2. Auch hierbei handelt es sich um eine sog. Gegenwartsbedingung, da das Vorliegen des zur Bedingung erhobenen Umstandes nur subjektiv zweifelhaft, objektiv aber gewiss ist3.
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Beispiele: Echte Bedingung
Reine Rechtsbedingung
– Ausschlagung unter der Bedingung, dass die Erbschaftsteuer nicht erlassen wird – Ausschlagung für den Fall der künftigen Überschuldung des Nachlasses – Ausschlagung zugunsten einer Person, die nicht alleiniger Nächstberufener ist – Ausschlagung eines Elternteils für sich und die Kinder in der Erwartung, der andere Elternteil werde sich der Ausschlagung für die Kinder anschließen4
– Tod des Erblassers – Ausschlagung für den Fall des Anfalls der Erbschaft an den Ausschlagenden – Ausschlagung zugunsten einer Person, die nicht Nächstberufener nach § 1953 Abs. 2 BGB ist – Ausschlagung nur im Falle eines bestimmten Berufungsgrundes
Probleme bereitet auch die Behandlung der Ausschlagung unter Vorbehalt des Pflichtteils. Unter Hinweis darauf, dass die Erklärung auf eine unmögliche Rechtsfolge gerichtet sei – der Pflichtteilsanspruch setzt gem. § 2303 BGB voraus, dass der Berechtigte durch „Verfügung von Todes wegen“ von der Erbfolge ausgeschlossen ist –, wird z.T. die Unwirksamkeit der Ausschlagung angenommen5. Die Gegenansicht hält eine Ausschlagung, die in der Hoffnung auf 1 2 3 4 5
KG v. 12.12.1907 – 1. X 1438/07, KGJ 35 A 63 (A 64); MüKo/Leipold, § 1947 Rz. 7. Palandt/Edenhofer, § 1947 Rz. 1. Erman/Schlüter, § 1947 Rz. 3; MüKo/Leipold, § 1947 Rz. 3. BayObLG v. 14.6.1977 – BReg. 1 Z 17/77, BayObLGZ 1977, 163. Staudinger/Otte, § 1950 Rz. 6; RGRK/Johannsen, § 1950 Rz. 1; a.A. Specks, ZEV 2007, 356 (360), der den Pflichtteilsvorbehalt bei § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. als eine analog § 1947 BGB unzulässige Gegenwartsbedingung qualifiziert. Die Diskussion wird mit der Änderung des § 2306 BGB (s. Rz. 29) an Bedeutung verlieren, da der Erbe
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Pflichtteilsansprüche erklärt wird, für wirksam, wenn der Erhalt des Pflichtteils nicht mehr als ein unbedeutendes Motiv darstellte; für (wegen Nichteintritts einer an sich zulässigen Rechtsbedingung) wirkungslos, wenn der Wille erkennbar war, die Wirksamkeit der Ausschlagung vom Entstehen eines Pflichtteilsanspruchs abhängig zu machen1. Die zuletzt genannte Auffassung trifft zu2. In der Rechtsprechung wird ein Motivirrtum als zulässiger Anfechtungsgrund betrachtet3.
3. Teilausschlagung 80 Die Vorschrift des § 1950 Satz 2 BGB erklärt Annahme und Ausschlagung eines Teiles der Erbschaft für unwirksam. Der Erbe kann durch die Ausschlagung weder Einfluss nehmen auf die Quote seiner Beteiligung noch auf den Erhalt einzelner Gegenstände4. Es gilt zu beachten, dass der gesetzliche Erbteil des Ehegatten aus § 1931 Abs. 1 BGB und der Erhöhungserbteil gem. § 1371 BGB einen einheitlichen Erbteil darstellen5. Nur soweit der Erbe zu mehreren, auf verschiedenen Berufungsgründen beruhenden Erbteilen berufen ist, kann er gem. § 1951 Abs. 1 BGB für jeden Erbteil gesondert die Ausschlagung erklären. Abgesehen davon wäre die einzige Möglichkeit, eine Teilausschlagung jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht zu erreichen, die Ausschlagung gegen Abfindung6. Eine Sonderregelung hält § 1951 Abs. 2 Satz 2 BGB bereit, indem er klarstellt, wann mehrere Berufungsgründe vorliegen, wenn es mehrere Verfügungen von Todes wegen gibt. Mehrere Berufungsgründe liegen vor, wenn ein Erbteil aus Testament und der andere aus Erbvertrag stammt oder wenn die Erbteile auf mehreren Erbverträgen mit verschiedenen Personen beruhen. Ein einheitlicher Berufungsgrund liegt dagegen vor, wenn die Erbteile entweder aus mehreren Testamenten stammen oder aus Erbverträgen mit jeweils derselben Person; diese gesetzliche Festlegung kann der Erblasser jedoch gem. § 1951 Abs. 3 BGB durch Gestattung der isolierten Ausschlagung eines jeden Erbteils außer Kraft setzen. Zu einer Berufung zu mehreren Erbteilen (aus verschiedenen Berufungsgründen) kann es ferner kommen, wenn ein Teil durch Verfügung von Todes wegen, ein wei-
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im Falle einer beschränkten oder belasteten Erbschaft nunmehr unabhängig von seiner Erbquote stets ausschlagen muss, um den Pflichtteil verlangen zu können, und nach erfolgter Ausschlagung anders als bei § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. in jedem Fall den Pflichtteil erhält. So auch Keim, ZEV 2008, 161 (163). MüKo/Leipold, § 1950 Rz. 5. Soergel/Stein, § 1950 Rz. 1; Palandt/Edenhofer, § 1950 Rz. 1; Keim, ZErb 2006, 382 (383); Bestelmeyer, Rpfleger 2006, 526 (527). Auch das BayObLG v. 14.12.2004 – 1 Z BR 65/04, BayObLGZ 2004, 364 (368) = FamRZ 2005, 1127 (1128) = Rpfleger 2005, 315 (316) erwägt (ohne sich im zu entscheidenden Fall festzulegen), den Pflichtteilsvorbehalt als nicht unter § 1947 BGB fallenden, zulässigen rechtlichen Vorbehalt einer Ausschlagung anzusehen. OLG Hamm v. 16.7.1981 – 15 W 42/81, OLGZ 1982, 41 (47). OLG Hamm v. 16.7.1981 – 15 W 42/81, OLGZ 1982, 41 (48); MüKo/Leipold, § 1950 Rz. 1. H.M. Staudinger/Otte, § 1950 Rz. 4 m.w.N. Hannes, ZEV 1996, 10 (13).
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terer Teil aufgrund gesetzlicher Erbfolge anfällt oder wenn ein Berufener mehrfacher gesetzlicher Erbe wird, sei es aufgrund mehrfacher Verwandtschaft oder wegen des Zusammentreffens von Verwandtschaft und Ehegatteneigenschaft. Eine Ausnahme von der Regelung des § 1950 BGB findet sich auch in § 11 Satz 1 HöfeO. Danach kann der Erbe den Anfall des Hofes ausschlagen, ohne zugleich die Erbschaft in das übrige Vermögen ausschlagen zu müssen. Diese Abweichung erklärt sich daraus, dass der Gesamtnachlass in diesem Fall verschiedenen Rechtsregeln unterworfen ist: Der Hof wird nach HöfeO, das Restvermögen nach BGB vererbt1. Aus diesem Grundsatz der Vermögensspaltung soll sich nach einem Teil der Literatur auch ergeben, dass der Erbe unter Ausschlagung des sonstigen Nachlasses die Erbschaft in den Hof annehmen kann2. Jedoch wird unter Hinweis auf § 4 HöfeO, der den Hof zu einem Teil der Erbschaft insgesamt erklärt, überwiegend das Gegenteil gelehrt3. Für diese Ansicht sprechen Sinn und Zweck der HöfeO, nämlich der Bestandsschutz bezüglich des Hofes. In dem in Rede stehenden Fall wird der Hof eben nicht einem Erben aufgedrängt, der ihn gar nicht will. Von der Teilausschlagung sind solche Sachverhalte zu unterscheiden, bei denen die Ausschlagung verschiedener Nachlässe infrage kommt. Im Fall der international privatrechtlichen Nachlassspaltung ist jeder Teil, dessen Schicksal sich nach einer anderen Rechtsordnung richtet, als selbstständiger Nachlass zu behandeln4, so dass jeder dieser Teile unabhängig von den anderen ausgeschlagen werden kann. (Näheres zur Nachlassspaltung s. Teil F) Dies gilt auch im Falle einer deutsch-deutschen Erbschaft. Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB erklärt als intertemporale Kollisionsnorm bei vor dem 3.10.1990 gestorbenen Erblassern das jeweils bisher geltende Recht für anwendbar. Berücksichtigt werden muss die Nachlassspaltung auch und gerade bei der Anfechtung der Ausschlagung wegen Irrtums5. Übersicht „mehrere Erbteile aus verschiedenen Berufungsgründen“: – Mehrere gesetzliche Erbteile aufgrund der Bestimmungen der §§ 1927, 1934 BGB6 – Erbenstellung beruht teilweise auf Gesetz, teilweise auf Verfügung von Todes wegen – Ein Erbteil stammt aus Testament, ein anderer aus Erbvertrag
1 MüKo/Leipold, § 1950 Rz. 9. 2 MüKo/Leipold, § 1950 Rz. 9. 3 Staudinger/Otte, § 1951 Rz. 4; RGRK/Johannsen, § 1951 Rz. 3; Erman/Schlüter, § 1951 Rz. 6; Soergel/Stein, § 1950 Rz. 3. 4 BGH v. 5.6.1957 – IV ZR 16/57, BGHZ 24, 352 (355). Vgl. auch Ivo, NJW 2003, 185 (185). 5 Näheres bei Ivo, NJW 2003, 185 ff.; dazu auch BayObLG v. 5.7.2002 – IZ BR 45/01, NJW 2003, 216 ff. 6 Soergel/Stein, § 1951 Rz. 5; MüKo/Leipold, § 1951 Rz. 5; Palandt/Edenhofer, § 1951 Rz. 2; Staudinger/Otte, § 1951 Rz. 11.
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– Mehrere Erbteile stammen aus mehreren Erbverträgen mit jeweils unterschiedlichen Personen – Nachlass enthält einen Hof gem. HöfeO (beachte aber den Sonderfall einer isolierten Annahme des Hofes)
4. Umfang der Ausschlagung
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Beratungssituation: Der Erblasser war hoch verschuldet. An der Erbschaft hat kein Familienmitglied Interesse. Der Mandant möchte wissen, ob er die Ausschlagung für sämtliche Verwandte erklären kann.
82 Die Ausschlagungserklärung führt nur zum Wegfall der ausschlagenden Person. Sie führt dagegen nicht dazu, dass der gesamte Stamm wegfällt, wie dies bei einem Erbverzicht eines Abkömmlings gem. § 2349 BGB der Fall wäre; sie hat lediglich Einzelwirkung. Auch wenn es bei eindeutig überschuldeten Nachlässen oft dem praktischen Bedürfnis entsprechen würde, dass eine umfassende Wirkung erzielt werden könnte, ist die singuläre Wirkung eindeutige Gesetzeslage. Soweit ein Fall gesetzlicher Stellvertretung vorliegt (vgl. Rz. 82 ff.), ist Ausschlagung für einen anderen möglich. Selbstverständlich ist rechtsgeschäftliche Stellvertretung ebenfalls möglich1. Dabei muss aber das Formerfordernis des § 1945 Abs. 3 BGB für die Vollmacht beachtet werden2.
VII. Gesetzliche Stellvertretung 1. Der minderjährige Erbe 83 Im Falle gesetzlicher Stellvertretung eines Minderjährigen – sei es im Rahmen einer Vormundschaft, einer Pflegschaft oder der elterlichen Sorge – ist zur Ausschlagung grundsätzlich die familiengerichtliche3 Genehmigung erforderlich (§§ 1643 Abs. 2 Satz 1, 1822 Nr. 2, 1915 BGB)4. Würde die Erbschaft infolge der vom gesetzlichen Vertreter erklärten Ausschlagung diesem selbst zufallen, so scheitert die Ausschlagung nicht an §§ 181, 1795 Abs. 2, 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die notwendige familiengerichtliche Genehmigung sorgt dafür, dass die Kindesinteressen ausreichend berücksichtigt werden5. Für die Eltern gewährt § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB eine praktisch wichtige Privilegierung. Danach entfällt die Genehmigungspflicht, wenn die Erbschaft dem Kind erst infolge der Ausschlagung eines Elternteils anfällt. Der Gesetzgeber 1 A.A. (zumindest für eine transmortale Vorsorgevollmacht) OLG Zweibrücken v. 13.11.2007 – 3 W 198/07, ZEV 2008, 194 (194) = ZErb 2008, 88 (89). 2 Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (198). 3 Durch das KindRG sind seit dem 1.7.1998 sämtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit der elterlichen Sorge dem Familiengericht zugewiesen, vgl. § 1643 Abs. 1 BGB. 4 Dies übersehend: Niedersächsisches FG v. 8.9.2004 – 3 V 359/04, ZEV 2005, 131 (132). 5 BayObLG v. 5.8.1983 – BReg. 1 Z 25/83, BayObLGZ 1983, 213 (220 ff.); Palandt/Edenhofer, § 1945 Rz. 5; a.A. Buchholz, NJW 1993, 1161 (1166).
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geht davon aus, dass die Erbschaft für das Kind in der Regel unvorteilhaft ist, wenn schon die Eltern kein Interesse an ihr haben. Folgerichtig gilt die Ausnahme nur dann, wenn die Eltern nach ihrer Ausschlagung nicht noch weiterhin aus einem anderen Berufungsgrund neben dem Kind erben1 (vgl. dazu auch das nachfolgende Beispiel). Nach § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB ist eine Genehmigung weder der Ausschlagungserklärung des einen noch der des anderen Elternteils erforderlich, auch wenn der Anfall nur infolge der Ausschlagung eines Elternteils eingetreten ist2. Hat nur ein Elternteil Vertretungsmacht, kommt § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB dann zur Anwendung, wenn dem vertretungsberechtigten Elternteil die Erbschaft angefallen war. Keine Privilegierung tritt also ein, wenn der nichtvertretungsberechtigte Elternteil der ausschlagende Erbe ist, da die vom Gesetzgeber unterstellte eigenverantwortliche Prüfung auf Seiten des nichtvertretungsberechtigten Elternteils nicht zwingend auch mit Blick auf das Kind erfolgt3. Bei der Genehmigungspflicht bleibt es ebenfalls, wenn der Sorgeberechtigte nur für eines von mehreren Kindern die Ausschlagung erklärt, für andere aber annimmt4. Sind beide Eltern gemeinsam vertretungsberechtigt, müssen auch beide Elternteile die Ausschlagung (für das Kind) erklären. Dabei haben beide die Form des § 1945 BGB zu wahren; eine formlose Zustimmung eines Elternteils zu der formgerechten Erklärung des anderen reicht nicht aus5. Ausreichend ist es, wenn ein Elternteil, dem die Entscheidungsbefugnis gemäß § 1628 BGB zugesprochen ist, allein für das Kind ausschlägt. Dies gilt auch dann, wenn die Entscheidungsbefugnis zunächst nur im Wege der vorläufigen Anordnung übertragen ist, selbst wenn diese nach der Ausschlagung wieder aufgehoben wird6. Beispiel: Sind ein Elternteil und das Kind Testamentserben und zugleich jeweils Ersatzerben des anderen nach dem Vater bzw. Großvater und schlägt der Elternteil für sich nur aus dem Berufungsgrund Testament aus, so liegt kein Fall des § 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB vor. Zwar wäre das Kind nun (testamentarischer) Alleinerbe, aber der Elternteil wäre im Falle der Ausschlagung des Kindes aus gesetzlicher Erbfolge berufen. Hier würde eine genehmigungsfreie Ausschlagung der Annahme des Gesetzgebers, dass die Eltern vor der Ausschlagung eine uneigennützige Wirtschaftlichkeitsprüfung anstellen, widersprechen7. Umstritten ist, ob der Lauf der Ausschlagungsfrist (für das Kind) nur dann in Gang gesetzt wird, wenn beide Eltern Kenntnis vom Berufungsgrund (Rz. 69) haben. (Unstreitig kommt es auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters,
1 OLG Frankfurt v. 14.7.1969 – 6 W 88/69, OLGZ 1970, 81 (83). 2 OLG Hamm v. 18.9.1959 – 15 W 355/59, NJW 1959, 2215; OLG Frankfurt v. 24.10.1961 – 6 W 593/60, NJW 1962, 52. 3 Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (198). 4 Engler, FamRZ 1972, 7 (9); Erman/Michalski, § 1643 Rz. 22. 5 BayObLG v. 14.6.1977 – BReg. 1 Z 17/77, BayObLGZ 1977, 163 (167); MüKo/Leipold, § 1945 Rz. 12. 6 OLG Hamm v. 16.4.2002 – 15 W 38/02, NJW 2002, 2477 ff. 7 MüKo/Huber, § 1643 Rz. 18, 24.
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C II Rz. 84
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
nicht des minderjährigen Erben an1.) Hier wird teilweise (in Analogie zu § 1629 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB) für ausreichend erachtet, wenn auch nur ein Elternteil die notwendige Kenntnis erlangt2. Unter Hinweis darauf, dass nur beide Eltern gemeinsam die Ausschlagung erklären können, wird von anderer Seite Kenntnis beider Eltern (als „dem“ Vertreter des Minderjährigen) gefordert3. Die zweite Lösung ist aus praktischen Gesichtspunkten abzulehnen. Verzögerungen im Innenverhältnis der Eltern würden zulasten der Nachlassbeteiligten gehen, die ein Interesse an einer zügigen Klärung der Situation haben. Diesem Interesse wird auch durch das Gesetz selbst Vorrang eingeräumt; die entsprechende Intention kommt in der Kürze der Ausschlagungsfrist klar zum Ausdruck. Mithin genügt die Kenntnis eines Elternteils. Im Falle der Genehmigungspflichtigkeit ist Entscheidungsmaßstab für das Gericht allein das Kindeswohl4. Fragen der Wirksamkeit der Ausschlagungserklärung oder ihrer Rechtzeitigkeit fallen nicht in den Kompetenzbereich des Familiengerichts; sie sind allein vom Nachlassgericht zu klären5 (zur Fristproblematik Rz. 74). 84 Der Erblasser kann die Ausschlagungsbefugnis für einen Minderjährigen keiner bestimmten Person zuweisen. Die Zuständigkeit zur Ausschlagung liegt vielmehr zwingend bei demjenigen, dem die gesetzliche Vertretung zusteht. Der Erblasser kann zwar eine Pflegschaft für die Verwaltung der Erbschaft vorschreiben, jedoch erstreckt sich diese Pflegschaft nicht auf das Ausschlagungsrecht, da dieses nicht vorrangig in den vermögensrechtlichen, sondern in den personalen Bereich seines Inhabers fällt und zudem die Ausschlagung nicht zur „Verwaltung“ des Hinterlassenen gehört6. Gleiches gilt, wenn der Erblasser die Eltern des Erben gem. § 1638 Abs. 1 BGB durch Verfügung von Todes wegen von der Verwaltung des Hinterlassenen ausschließt7. Anders verhält es sich dagegen im Fall eines gem. § 364 FamFG (§ 88 FGG) gerichtlich bestellten Abwesenheitspflegers. Dieser kann die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft erklären, und zwar auch dann, wenn die Bestellung inhaltlich begrenzt ist, da die Reichweite seiner Vertretungsmacht im Wege der Auslegung zu ermitteln ist8. Ein Nachlasspfleger9 gem. § 1961 BGB ist dagegen nicht zur Ausschlagung befugt, da er nicht für eine bestimmte – zur Zeit nur abwesende –, sondern für eine vollständig unbekannte Person handelt. 1 BayObLG v. 14.1.1969 – BReg. 1a Z 111/68, BayObLGZ 1969, 14 (18); BayObLG v. 14.5.1984 – 1 Z 25/84, Rpfleger 1984, 403 (403); OLG Hamburg v. 23.8.1983 – 12 U 127/83, MDR 1984, 54 (54); OLG Koblenz v. 16.7.2007 – 5 W 535/07, ZErb 2008, 119 (119); Lange/Kuchinke, § 8 IV 2 (S. 204); Leipold, Rz. 604. 2 MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 14; Soergel/Stein, § 1944 Rz. 12. 3 Damrau, Rz. 22; Palandt/Edenhofer, § 1944 Rz. 6; die gegenteilige Ansicht ablehnend auch LG Freiburg v. 15.8.1991 – 4 T 61/91, BWNotZ 1993, 44. 4 OLG Frankfurt v. 14.7.1969 – 6 W 88/69, OLGZ 1970, 81 (83). 5 BayObLG v. 14.1.1969 – BReg. 1a Z 111/68, BayObLGZ 1969, 14. 6 KG v. 16.4.1915 – 1a ZS., OLGE 32, 13 (14). 7 OLG Karlsruhe v. 22.7.1965 – 5 W 134/64, OLGZ 1965, 260 = FamRZ 1965, 573. 8 So für einen Auseinandersetzungspfleger OLG Colmar v. 12.12.1917 – 1. ZS., OLGE 39, 11. 9 Ebenso der Nachlassverwalter und der Testamentsvollstrecker, MüKo/Leipold, § 1946 Rz. 13.
1144 Muscheler
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 86 C II
2. Betreuung Der Betreuer eines Volljährigen bedarf zur Ausschlagung einer dem Betreuten 85 angefallenen Erbschaft gem. §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1822 Nr. 2 BGB ebenfalls der Genehmigung des Betreuungsgerichts (§§ 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, 23c Abs. 1 GVG, 271 Nr. 3 FamFG). Soweit es auf die Kenntnis vom Berufungsgrund ankommt, die den Fristlauf erst in Gang setzt, genügt sowohl Kenntnisnahme durch den Betreuten selbst (soweit er dazu in der Lage ist) als auch Kenntnisnahme des Betreuers1. Nicht selten macht der Erblasser zugunsten des Betreuten Gebrauch von dem Instrument des Behindertentestaments und setzt den Betreuten zum Vorerben ein. Will nun der Betreuer für den Betreuten die Vorerbschaft ausschlagen, um in der Konstellation des § 2306 Abs. 1 BGB den Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können, bedarf er der betreuungsgerichtlichen Genehmigung. Das Betreuungsgericht wird dabei zu berücksichtigen haben, dass es dem Interesse des Betreuten (§ 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB) (und des Erblassers!) eher entspricht, den Stamm des dem Vorerben zustehenden Vermögens zu erhalten und aus seinem Ertrag dem Betreuten dauerhaft die häufig vom Erblasser angeordneten Zuwendungen zukommen zu lassen, als mit dem Pflichtteil für einige Zeit eventuelle Heimkosten aus eigenen Mitteln aufbringen zu können2. Öffentliche Belange des Sozialhilfeträgers bleiben in dieser Entscheidung außen vor; der Betreute und somit das Betreuungsgericht haben ihre Entscheidung allein an dem Wohl des Betreuten auszurichten (§ 1901 Abs. 2 und 3 BGB).
VIII. Wirkung der Ausschlagung 1. Allgemeines § 1953 BGB regelt vorrangig zwei Dinge. Zum einen stellt er in Abs. 1 klar, wie sich die Ausschlagung auf die Position des Ausschlagenden auswirkt. Zum anderen bestimmt er in Abs. 2 das weitere Schicksal des Nachlasses. Die vom Gesetz gewählte Konstruktion ist eine zwingende Folge des Prinzips „Vonselbsterwerb“. Nach diesem Prinzip erfolgt der Anfall der Erbschaft ipso iure mit dem Erbfall. Um dem endgültigen Erben systemkonform den Nachlass zukommen zu lassen, wirkt die Ausschlagung auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurück und ist auch das weitere Schicksal der Erbschaft von diesem Zeitpunkt abhängig. Erbe ist danach derjenige, der zum Zeitpunkt des Erbfalls Erbe geworden wäre, wenn der Zunächstberufene nicht gelebt hätte, und er ist es rückwirkend vom Zeitpunkt des Erbfalls an. Der Nächstberufene muss zwar zum Zeitpunkt des Erbfalls (§ 1923 Abs. 1 BGB), nicht aber (wie sich aus § 1952 BGB ergibt) zum Zeitpunkt der Ausschlagung noch leben. Neben diesen materiell-rechtlichen Regelungen findet sich in § 1953 Abs. 3 Satz 1 BGB eine verfahrensrechtliche Bestimmung. 1 MüKo/Leipold, § 1944 Rz. 14. 2 OLG Köln v. 29.6.2007 – 16 Wx 112/07, FGPrax 2007, 266 (266) = ZEV 2008, 196 (196) = ZErb 2008, 207 (208).
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C II Rz. 87
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
2. Wegfall des Zunächstberufenen 87 Gem. § 1953 Abs. 1 BGB führt die Ausschlagung dazu, dass der Anfall der Erbschaft an den Ausschlagenden als nicht erfolgt gilt. Grundsätzlich wird damit der vorläufige Erbe rückwirkend einem beliebigen Dritten gleichgestellt. In einigen Punkten behandelt ihn das Gesetz jedoch anders. Eine völlige Gleichstellung mit einem beliebigen Dritten würde dem vorläufigen Erben nicht gerecht, da er ohne sein Zutun die Rolle des Erben zunächst tatsächlich innehatte. Dies zeigt sich besonders bei Fragen des Besitzes. Der (Rechts-)Besitz gem. § 857 BGB fällt nachträglich, d.h. mit Wirkung ex tunc, weg; der Besitz steht vom Erbfall an dem endgültigen Erben zu. Hatte der Zunächstberufene aber tatsächlich den Besitz an Nachlassgegenständen inne (§ 854 BGB), so dauert dieser Besitz bis zu Herausgabe an den endgültigen Erben an, ohne dass hierin eine verbotene Eigenmacht gem. § 858 BGB oder ein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB gesehen werden kann, da dieser Besitz als gesetzlich gestattet erachtet werden muss1. Die Herausgabe kann vom Nächstberufenen aufgrund der §§ 1959 Abs. 1, 681 Satz 2, 667 BGB gefordert werden. Dagegen ist ein Anspruch aus § 2018 BGB ausgeschlossen, da dem Ausschlagenden vorübergehend ein Erbrecht zustand2. In der Praxis kann es dazu kommen, dass – wenn der Ausschlagende tatsächlich den Besitz zunächst ergriffen hat – der meist dürftige Nachlass beim Erstberufenen verbleibt3. Regelmäßig werden nämlich sämtliche ermittelten Nachberufenen ihrerseits umgehend die Ausschlagung erklären. Auch die Berechtigung, über den Nachlass zu verfügen, fällt nachträglich weg. Es handelt sich insoweit um Verfügungen eines Nichtberechtigten, es sei denn, es liegt ein Fall des § 1959 Abs. 2, 3 BGB vor. Ein gutgläubiger Erwerb ist jedoch möglich, wenn der vorläufige Erbe z.B. bereits im Grundbuch eingetragen ist oder ein entsprechender Erbschein erteilt wird und er später die Annahme anficht. Rechtsverhältnisse, die zunächst durch Konfusion oder Konsolidation4 erloschen sind, leben nach der Ausschlagung wieder auf5. Der Ausschlagende haftet nicht weiter für Nachlassverbindlichkeiten. Da sich die Steuerpflichtigkeit an der zivilrechtlichen Rechtslage orientiert, entfällt auch die Erbschaftsteuer6. Sollte die Ausschlagung gegen eine Abfindung erfolgt sein, so würde die sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG ergebende Steuerschuld gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 f. ErbStG im Zeitpunkt der Ausschlagung entstehen. Stand dem Ausschlagenden ein Vorausvermächtnis zu, so bleibt dieses trotz Ausschlagung bestehen, es sei denn, die Ausschlagung erstreckt sich auch darauf, oder der Erblasser hat das Vorausvermächtnis mittels einer Bedingung mit der Erbschaftsannahme verknüpft7.
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Palandt/Edenhofer, § 1953 Rz. 4. Staudinger/Otte, § 1953 Rz. 11; Erman/Schlüter, § 1953 Rz. 2. Weithase, Rpfleger 1988, 434. Vgl. dazu Soergel/Stein, Vor § 1942 Rz. 2. Staudinger/Otte, § 1953 Rz. 4. Soergel/Stein, § 1953 Rz. 7. Soergel/Stein, § 1953 Rz. 2.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 89 C II
Überblick über die Wirkungen der Ausschlagung für den Ausschlagenden: – Der Ausschlagende verliert den Besitz gem. § 857 BGB. – Verfügungen außerhalb des § 1959 Abs. 2, 3 BGB gelten nachträglich als solche eines Nichtberechtigten. – Eine zunächst eingetretene Konfusion oder Konsolidation entfällt. – Die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten und Erbschaftsteuern entfällt. – Die Steuerschuld für eine Ausschlagungsabfindung entsteht mit der Ausschlagung. – Der Ausschlagende kann vom Nächstberufenen gem. §§ 1959 Abs. 1, 681 Satz 2, 667 BGB auf Herausgabe des Nachlasses in Anspruch genommen werden. – Der Ausschlagende muss dem Erben gem. § 2027 Abs. 2 BGB Auskunft über Bestand und Verbleib des Nachlasses geben. – Der (etwa nach § 2306 Abs. 1 BGB) ausschlagende pflichtteilsberechtigte Miterbe hat einen Auskunftsanspruch gegen die übrigen Miterben gem. § 2314 Abs. 1 BGB1. Ob die Ausschlagung insgesamt schon zum Wegfall des Ausschlagenden aus dem Kreis der Erben führt, hängt davon ab, ob mehrere parallele oder sukzessive Berufungsgründe bestehen und wie weit die Ausschlagungserklärung reicht. Auch kann es sein, dass eine nach Ausschlagung der testamentarischen Berufung eigentlich bestehende Berufung aus gesetzlichem Erbrecht letztlich erfolglos bleibt, wenn die testamentarischen Anordnungen eine erschöpfende Erbregelung beinhalten2 (zur Auswirkung auf Pflichtteilsansprüche vgl. Rz. 29; zu den besonderen Auswirkungen für den Ausschlagenden im Falle des § 1952 Abs. 3 BGB vgl. Rz. 90). Ferner ist daran zu denken, dass der Ausschlagende durch eine Anfechtung der Ausschlagung wieder in den Kreis der Erben eintreten kann. Daher ist eine Erbunwürdigkeitsklage trotz Ausschlagung gegen den Ausschlagenden zulässig, um zu verhindern, dass die Anfechtungsfrist gem. §§ 2340 Abs. 3, 2082 BGB versäumt wird3.
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3. Anfall an den Nächstberufenen Der Nächstberufene wird Nachfolger des Erblassers, nicht des Ausschlagenden. Insbesondere ist er auch nicht Rechtsnachfolger des Ausschlagenden im Sinne des § 265 ZPO4. Die Bestimmung der Person des Nächstberufenen hängt von der Art der Erbfolge ab. Im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge sind 1 A.A. OLG Celle v. 6.7.2006 – 6 U 53/06, ZEV 2006, 557 (557) mit abl. Anm. Damrau. Das OLG Celle will ohne jeglichen gesetzlichen Anhaltspunkt § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB dahingehend restriktiv auslegen, dass nur dem enterbten, nicht aber dem ausschlagenden Pflichtteilsberechtigten der dort normierte Auskunftsanspruch zusteht. 2 OLG Hamm v. 16.7.1981 – 15 W 42/81, OLGZ 1982, 41 (48). 3 KG v. 18.1.1989 – 24 U 4354/88, NJW-RR 1989, 455; a.A. Soergel/Stein, § 1953 Rz. 2. 4 BGH v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359.
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C II Rz. 90
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
insbesondere die Nachrückregelungen der §§ 1924 Abs. 3, 1925 Abs. 3, 1926 Abs. 3, 1930 BGB zu beachten. Liegt gewillkürte Erbfolge vor, so ist zunächst ein Ersatzerbe gem. § 2096 BGB berufen. Hier muss auch die Auslegungsregel des § 2069 BGB beachtet werden. Gibt es keinen Ersatzerben, tritt Anwachsung ein (§§ 2094, 2099 BGB). Wenn weder Ersatzerben vorhanden sind noch Anwachsung eintritt, gilt für den frei gewordenen Erbteil nach § 2088 Abs. 1 BGB analog die gesetzliche Erbfolge. (Näheres s. B III Rz. 15 ff.) 90 In einer Nacherbeneinsetzung ist gem. § 2102 Abs. 1 BGB im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe zu sehen. Schlägt also der Vorerbe aus, so fällt der Nachlass regelmäßig dem Nacherben an. Schlägt der Nacherbe aus, so ist gem. § 2142 Abs. 2 BGB der Vorerbe Ersatzerbe und damit endgültiger Vollerbe. Der Erblasser kann aber in beiden Fällen eine abweichende Anordnung treffen. Hat der Erblasser einen pflichtteilsberechtigten Nacherben und dessen Abkömmlinge als Ersatznacherben (§ 2096 BGB) eingesetzt und schlägt der Nacherbe die Nacherbschaft aus, um den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen (§ 2306 Abs. 2 BGB), so sind im Zweifel (Auslegungsfrage!) auch die Abkömmlinge des Ausschlagenden von der Erbfolge ausgeschlossen1. Dies gilt erst recht für den Fall, dass die Ersatznacherbenberufung auf der Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht. Andernfalls erhielte der Stamm des Ausschlagenden den Pflichtteil (§ 2306 Abs. 2 BGB) und die Nacherbschaft und erführe damit eine regelmäßig dem Willen des Erblassers zuwiderlaufende Doppelberücksichtigung. Der Vorerbe hingegen müsste den Pflichtteil leisten, ohne als Kompensation gleichzeitig in den Genuss der Vollerbenstellung nach § 2142 Abs. 2 BGB zu gelangen. Ist der Pflichtteilsberechtigte jedoch nicht als Nach-, sondern als Vollerbe unter Beschränkungen und Beschwerungen (§ 2306 Abs. 1 BGB) eingesetzt, kann das Argument der Doppelberücksichtigung zulasten etwaiger Miterben angesichts der Regelung des § 2320 Abs. 2 BGB keine Geltung beanspruchen2. Bei einer derartigen Erbeinsetzung müsste der Erblasser den Ausschluss der Ersatzerben von der Erbfolge für den Fall der Ausschlagung durch den Pflichtteilsberechtigten gem. § 2306 Abs. 1 BGB ausdrücklich anordnen.
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Beratungshinweis: Aufgrund der in Rz. 88 und 89 dargestellten vielgestaltigen Möglichkeiten zur Ermittlung des Nächstberufenen und der sich daraus ergebenden Unsicherheit bei der Einschätzung eines etwaigen Prozessergebnisses, sollte der Einsatz der Ausschlagung als Mittel zielgerichteter Übertragung des Nachlasses besonders sorgsam bedacht werden. Gegebenenfalls muss der ausschlagungswillige Mandant zur Vermeidung von Haftungsfällen nachweisbar über die Rechtslage belehrt werden.
91 Ein besonderes Problem hinsichtlich des Schicksals der Erbschaft ergibt sich bei den Fällen des § 1952 Abs. 3 BGB. Es handelt sich hier nicht um den Fall,
1 BGH v. 29.6.1960 – V ZR 64/59, BGHZ 33, 60 (62); BayObLG v. 10.8.1962 – BReg. 1 Z 43/61, BayObLGZ 1962, 239 (243 f.); OLG München v. 25.7.2006 – 31 Wx 39/06, 40/06, ZErb 2006, 383 (384) = Rpfleger 2007, 26 (27 f.). 2 Tanck, ZErb 2006, 384 (384).
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 92 C II
dass ein Mitglied einer Erbengemeinschaft die Ausschlagung bezüglich des Nachlasses erklärt, bei dem die Erbengemeinschaft besteht, sondern darum, dass ein Mitglied einer Erbeserbengemeinschaft hinsichtlich des Erstnachlasses die Ausschlagung erklärt. Zunächst ist man versucht, den Fall mithilfe des § 1953 Abs. 2 BGB zu lösen1. Dies könnte dazu führen, dass hinsichtlich des Erstnachlasses neben die verbleibenden Erben auch Erben treten, die einer entfernteren Ordnung (als die Nächstberufenen des Ersterblassers) angehören. Die herrschende Meinung behandelt den Fall jedoch anders2. Der ausgeschlagene Teil soll im Wege der Anwachsung gem. §§ 1935, 2094 BGB den übrigen Miterben des Zweitnachlasses zufallen. Dieses Ergebnis lässt sich mit dem besonderen Verhältnis zwischen Erst- und Zweitnachlass erklären. Das Vermögen des Erstnachlasses wird nicht – wie man zunächst denken könnte – Teil des gesamthänderischen Vermögens der beim Zweitnachlass bestehenden Erbengemeinschaft. Anderenfalls würde das Ziel des § 1952 Abs. 3 BGB nicht erreicht werden, nämlich es einem Miterben zu ermöglichen, die Beteiligung am Zweitnachlass behalten zu können, ohne zugleich den möglichen Belastungen des Erstnachlasses ausgesetzt zu sein3. Dieses Ziel ist nur zu erreichen, wenn man auch weiterhin Erst- und Zweitnachlass auseinander hält, und zwar derart konsequent, dass man von zwei Miterbengemeinschaften ausgeht, deren Mitglieder jeweils die einzelnen Miterben sind. Beide Miterbengemeinschaften sind jedoch insofern miteinander verbunden, als sich der Erbteil der Erbeserben aus beiden Vermögensmassen zusammensetzt. Für die Folgen der Ausschlagung der Erbschaft am Erstnachlass durch einen Miterben des Zweitnachlasses muss man nun davon ausgehen, dass „Erbe“ des Erstnachlasses von vornherein die Erbengemeinschaft war; sie ist quasi an die Stelle des ursprünglichen Erben getreten. Bei dieser Betrachtung ergibt sich deutlich, dass die Ausschlagung eines Miterben nicht unter § 1953 Abs. 2 BGB fällt, da eben nicht der „Erbe“ ausschlägt, sondern sich nur die Zusammensetzung des „Erben“ verändert. Folglich tritt hier Anwachsung ein. Von einem Wegfall des Erben kann nicht die Rede sein. Nimmt nämlich auch nur ein Mitglied der Erbengemeinschaft die Ersterbschaft an, ist der Erblasser beerbt worden und zwar von seinem „Erben“. Der Ausschlagende muss aber beachten, dass er in dem in Rz. 91 behandelten Fall auch in einem anderen Zusammenhang nicht als „ausschlagender Erbe“ behandelt wird. Es ist ihm verwehrt, den gegebenenfalls bestehenden Pflichtteilsanspruch gem. § 2306 Abs. 1 BGB geltend zu machen, da eben nicht der „Erbe“ ausgeschlagen hat4. Stand dem Zweitversterbenden als Ehegatten im gesetzlichen Güterstand hinsichtlich der Ersterbschaft noch das Wahlrecht zwischen güter- und erbrechtlicher Lösung zu (vgl. dazu Rz. 19 ff.), so hat dieses Wahlrecht der Erbeserbe nicht mehr. Ihm steht nur die erbrechtliche Lö1 So Staudinger/Otte, § 1952 Rz. 8. 2 Soergel/Stein, § 1952 Rz. 5 („aus Praktikabilitätsgründen“); Palandt/Edenhofer, § 1952 Rz. 3; MüKo/Leipold, § 1952 Rz. 15 („Widerspruch zu § 1930“); Erman/Schlüter, § 1952 Rz. 4. 3 MüKo/Leipold, § 1952 Rz. 11. 4 Staudinger/Otte, § 1952 Rz. 9; MüKo/Leipold, § 1952 Rz. 16.
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C II Rz. 93
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
sung offen, es sei denn, dass alle Miterben die Ersterbschaft ausschlagen; sonst käme es zu einem Nebeneinander von erb- und güterrechtlichem Zugewinnausgleich1.
4. Ermittlung des Nächstberufenen durch das Nachlassgericht 93 Gem. § 1953 Abs. 3 Satz 1 BGB soll das Nachlassgericht den Nächstberufenen über den Anfall der Erbschaft informieren, um so die Nachlassabwicklung zu beschleunigen. Dazu sind in der Regel Ermittlungen anzustellen. Das Nachlassgericht muss dabei gem. § 26 FamFG (§ 12 FGG) von Amts wegen tätig werden. Diese Tätigkeit erfolgt gem. § 105 KostO gebührenfrei. Regelmäßig wird das Nachlassgericht den Ausschlagenden über die möglichen Nächstberufenen befragen2. Eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht für den Ausschlagenden jedoch nicht. In der gerichtlichen Praxis begnügt sich das Nachlassgericht oft mit einer entsprechenden Anfrage beim Ausschlagenden. Bleibt eine positive Antwort aus, wird die Angelegenheit in der Regel nicht weiterverfolgt3. Hier besteht für den Ausschlagenden also die Möglichkeit, seine Angehörigen aus der Angelegenheit herauszuhalten. Dazu sollte er aber tunlichst über die ganze Angelegenheit Stillschweigen bewahren, da er andernfalls beim Nächstberufenen für die notwendige Kenntnis i.S. des § 1944 Abs. 2 BGB sorgen könnte. Gem. § 1953 Abs. 3 Satz 2 BGB kann jeder die Ausschlagungserklärung einsehen, der daran ein rechtliches Interesse hat. Ein rechtliches Interesse, das behauptet und glaubhaft gemacht werden muss4, liegt vor, wenn die Ausschlagungserklärung Rechte oder Pflichten desjenigen beeinflusst, der Einsicht begehrt5. Hier kommen neben möglichen Nächstberufenen auch Nachlassgläubiger in Betracht.
IX. Anfechtung 1. Allgemeines 94 Annahme- und Ausschlagungserklärung sind als Willenserklärungen den Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB unterworfen, soweit sich aus den §§ 1942 ff. BGB nicht ein anderes ergibt. Somit besteht auch die Möglichkeit der Anfechtung6. § 1954 Abs. 1 BGB geht von der Anfechtbarkeit der Annahme- und Ausschlagungserklärung als einer Selbstverständlichkeit aus. Dies gilt nicht nur für ausdrückliche Erklärungen, sondern auch für die Annahme
1 Vgl. v. Olshausen, FamRZ 1976, 678 (683); Staudinger/Otte, § 1952 Rz. 9; MüKo/Leipold, § 1952 Rz. 16. A.M. wohl Palandt/Edenhofer, § 1952 Rz. 4. 2 Firsching/Graf, S. 349. 3 Firsching/Graf, S. 350 f. 4 Staudinger/Otte, § 1953 Rz. 16. 5 MüKo/Leipold, § 1953 Rz. 16. 6 Einen Überblick gibt Kraiß, BWNotZ 1992, 31 ff.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 95 C II
durch schlüssiges Verhalten1. § 1956 BGB erweitert den Kreis der anfechtbaren Handlungen über die Willenserklärungen hinaus2: Auch die Annahme durch Ablauf der Ausschlagungsfrist kann bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes angefochten werden. Das Anfechtungsrecht ist vererbbar3. Kein Fall der Anfechtung ist gegeben, wenn der Annehmende über den Berufungsgrund im Irrtum war. Hierfür ordnet § 1949 BGB an, dass die Annahme als nicht erfolgt gilt. Die Rechtsfolge ist zwar letztlich bei einer Anfechtung die Gleiche, jedoch ist bei § 1949 BGB keine Anfechtungserklärung nötig, weshalb auch eine Schadenersatzpflicht gem. § 122 BGB nicht in Betracht kommt. Mangels besonderer Regelung sind die Anfechtungsgründe den Vorschriften der §§ 119 ff. BGB zu entnehmen. Deshalb kann eine Anfechtung wegen Motivirrtums nicht auf den weiten Tatbestand des § 2078 Abs. 2 BGB gestützt werden4; eine entsprechende Verweisung gibt es nicht. Die allgemeinen Regeln werden in den §§ 1954, 1955, 1957 BGB für Anfechtungsfrist, Anfechtungsform und Anfechtungswirkung modifiziert.
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Beratungshinweis: Neben der Anfechtung der Annahme sollte zur Sicherheit auch die Ausschlagung erklärt werden, soweit noch nicht endgültig geklärt ist, auf welche Weise und vor allem ob die Annahme überhaupt schon erklärt ist. Eine solche Klärung wird nämlich in der Regel erst im Erbscheinsverfahren erfolgen.
a) Anfechtungsfrist Die Anfechtungsfrist beträgt in Abweichung von den Vorschriften der §§ 121, 124 BGB im Regelfall sechs Wochen (§ 1954 Abs. 1 BGB). Hatte der Erblasser seinen Wohnsitz im Ausland oder hielt sich der Erbe im Zeitpunkt des Fristbeginns im Ausland auf, so verlängert sich die Frist gem. § 1954 Abs. 3 BGB auf sechs Monate. Diese Regelung entspricht den Fristen für die Ausschlagung der Erbschaft (§ 1944 Abs. 1, 3 BGB). Die Frist beginnt gem. § 1954 Abs. 2 BGB mit Kenntnis vom Anfechtungsgrund bzw. in den Fällen des § 123 Abs. 1 2. Alt. BGB mit Wegfall der Zwangslage. Die notwendige Kenntnis liegt vor, sobald der Anfechtungsberechtigte alle das Anfechtungsrecht begründenden Tatsachen kennt5. Ihm müssen also alle relevanten Umstände bekannt sein, aus denen sich der Irrtum ergibt, und darüber hinaus die Tatsache, dass die abgegebene Erklärung nicht seinem Willen entspricht6. Dagegen ist für den Fristbeginn nicht erforderlich, dass der Erbe auch vom Anfechtungsrecht selbst Kenntnis besitzt. Aus diesem Umstand kann in der Praxis durchaus Nutzen gezogen werden, so etwa, wenn ein Nachlassgläubiger den Ablauf 1 Staudinger/Otte, § 1943 Rz. 2; MüKo/Leipold, § 1954 Rz. 5; Erman/Schlüter, § 1943 Rz. 3. 2 Palandt/Edenhofer, § 1956 Rz. 1; MüKo/Leipold, § 1956 Rz. 1. 3 Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (211). 4 Soergel/Stein, § 1954 Rz. 1; MüKo/Leipold, § 1954 Rz. 3. 5 OLG Hamm v. 10.6.1985 – 15 W 131/85, FamRZ 1985, 1185 (1187); Gottwald, ZEV 2006, 489 (489). 6 Palandt/Edenhofer, § 1954 Rz. 7.
Muscheler
1151
95
C II Rz. 96
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
der Anfechtungsfrist herbeiführen will, um auf das Eigenvermögen des Erben zugreifen zu können. Beispiel:1 Die Alleinerbin hatte die Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB ohne Kenntnis von ihrer Existenz verstreichen lassen. Der Anwalt eines Nachlassgläubigers hatte sie später darüber informiert, dass sie mangels rechtzeitiger Ausschlagung Alleinerbin nach ihrem Vater geworden sei und deshalb für dessen Verbindlichkeit hafte. Auf die Möglichkeit, die Versäumung der Ausschlagungsfrist anzufechten, wies er dabei nicht hin. Monate später erklärte die Erbin die Anfechtung der Annahme durch Fristablauf; ihr seien weder die Ausschlagungs- noch die Anfechtungsfrist bekannt gewesen. Das OLG Hamm sah in diesem Fall die Anfechtungsfrist als abgelaufen an, da der Erbin die notwendigen Umstände, nämlich das Bestehen einer Ausschlagungsfrist, ihr Lauf und die sich ergebenden Rechtsfolgen, durch den Anwalt bekannt gemacht worden seien. Nicht notwendig sei es, dass sie auch Kenntnis vom Anfechtungsrecht selbst gehabt habe. Ein anderes Ergebnis könne sich auch nicht im Hinblick auf das Verhalten des Gläubigeranwalts ergeben. Dieser sei – als Vertreter der gegnerischen Interessen – nicht verpflichtet gewesen, die Erbin über die Anfechtungsmöglichkeit aufzuklären. 96 Eine Fristversäumung kann auch hinsichtlich nur einzelner Anfechtungsgründe eintreten. Grundsätzlich setzt eine wirksame Anfechtungserklärung nicht die Angabe eines Anfechtungsgrundes voraus2. Im Erbrechtsprozess ist es aber nicht Aufgabe des Gerichts zu prüfen, ob irgendwelche zur Anfechtung berechtigende Tatsachen vorliegen, sondern lediglich, ob die vom Anfechtenden in der Anfechtungserklärung oder später angegebenen Anfechtungsgründe gegeben sind3. Im Erbscheinverfahren prüft das Gericht grundsätzlich nur die geltend gemachten Anfechtungsgründe4. In diesem Verhalten liegt kein Widerspruch zum Amtsermittlungsgrundsatz des § 2358 BGB. Wird die Erklärung mit Gründen versehen oder werden diese spätestens zu Beginn eines Prozesses mitgeteilt, so kann sich der Anfechtende nicht auf andere Anfechtungsgründe berufen, es sei denn, dass für diese neuen Anfechtungsgründe die Frist noch nicht abgelaufen ist. Für nachgeschobene Anfechtungsgründe läuft die Frist eigenständig5. Ein Nachschieben von Anfechtungsgründen ist daher meist nicht mehr zulässig6. Es muss also darauf geachtet werden, dass innerhalb der Anfechtungsfrist möglichst alle bekannten Anfechtungsgründe in der Anfechtungserklärung mitgeteilt werden.
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Nach OLG Hamm v. 10.6.1985 – 15 W 131/85, FamRZ 1985, 1185. RG v. 12.1.1907 – I. 254/06, RGZ 65, 86 (88). BayObLG v. 20.12.1993 – 1 Z BR 33/93, FamRZ 1994, 848 (849). BayObLG v. 21.2.1962 – BReg. 1 Z 85/61, BayObLGZ 1962, 47 (52); BayObLG v. 4.10.1973 – BReg. 1 Z 18/73, BayObLGZ 1973, 257 (258); BayObLG v. 28.4.1998 – 1 Z BR 26/98, FamRZ 1999, 117 (118); Palandt/Edenhofer, § 1955 Rz. 2. 5 Palandt/Edenhofer, § 1955 Rz. 1. 6 BGH v. 11.10.1965 – II ZR 45/63, NJW 1966, 39; BayObLG v. 20.12.1993 – 1 Z BR 33/93, FamRZ 1994, 848 (849).
1152 Muscheler
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Û
Rz. 99 C II
Beratungshinweis: Die Anfechtungserklärung muss zwar grundsätzlich nicht den Anfechtungsgrund enthalten, jedoch ist die Nennung von Gründen nachdrücklich zu empfehlen. Es sollten alle in Betracht kommenden Anfechtungsgründe genannt werden, um eine Verfristung hinsichtlich bestimmter Anfechtungsgründe zu vermeiden.
b) Form der Anfechtung Ebenso wie die Ausschlagungserklärung steht die Erklärung der Anfechtung – sei es der Annahme oder der Ausschlagung – unter Formzwang. Zunächst muss die Erklärung gem. § 1955 Satz 1 BGB in Abweichung von § 143 BGB dem Nachlassgericht gegenüber erklärt werden; sie ist amtsempfangsbedürftig. Eine z.B. dem Nächstberufenen gegenüber abgegebene Anfechtung ist unwirksam. Hinsichtlich der konkreten Form der Anfechtung verweist § 1955 Satz 2 BGB auf § 1945 BGB. Für die Anfechtung gelten demnach die gleichen Formerfordernisse wie für die Ausschlagung der Erbschaft (oben Rz. 59). Die Anfechtungserklärung muss zwar grundsätzlich nicht den Anfechtungsgrund enthalten, jedoch ist die Nennung aller bekannten Gründe dringend zu empfehlen, um eine Verfristung hinsichtlich bestimmter Anfechtungsgründe zu vermeiden (vgl. Rz. 96).
97
c) Wirkung der Anfechtung Während gem. § 142 BGB eine Anfechtung nur dazu führt, dass die angefoch- 98 tene Erklärung rückwirkend beseitigt wird, legt § 1957 Abs. 1 BGB der Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung eine Doppelwirkung bei. In der Anfechtung wird zugleich eine positive Aussage in dem Sinne gesehen, dass man nicht nur die angefochtene Erklärung nicht bestehen lassen, sondern dass man geradezu das Gegenteil erreichen wolle. Die Anfechtung der Ausschlagung ist somit zugleich Annahme, die Anfechtung der Annahme zugleich Ausschlagung. Diese Doppelwirkung der Anfechtung verhindert, dass erneut ein Schwebezustand eintritt. Wird z.B. die Ausschlagung angefochten, so bedarf es keiner weiteren Erklärung, um die Erbschaft anzunehmen. Dem Anfechtenden steht keine erneute Überlegungsfrist zu1. Daraus ergibt sich auch, dass eine Anfechtung der Annahme bei elterlicher Sorge, Vormundschaft etc. der familien- bzw. betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf, da sie in der Wirkung der Ausschlagung gleichsteht (vgl. Rz. 83 ff.). Ist eine Genehmigung zur Ausschlagung der Erbschaft erteilt, kann man – insbesondere für den Fall der Annahme durch Fristablauf – die Anfechtung der Annahme als von der Genehmigung umfasst betrachten2. Für die Anfechtung der Ausschlagung ist eine Genehmigung des Familien- bzw. Betreuungsgerichts nicht erforderlich3. Infolge der Anfechtung der Ausschlagung verliert der zunächst eingetretene Nächstberufene seine Erbenstellung wieder. Das Verhältnis zwischen dem endgültigen Erben und dem zunächst eingetretenen Nächstberufenen fällt 1 MüKo/Leipold, § 1957 Rz. 1. 2 BayObLG v. 13.1.1983 – BReg. 1 Z 27/82, BayObLGZ 1983, 9 (13 f.). 3 MüKo/Leipold, § 1955 Rz. 5.
Muscheler
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C II Rz. 100
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
nicht in den Regelungsbereich des § 1959 BGB. Auch besteht kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift1 (vgl. für den Fall der Anfechtung der Annahme Rz. 114 ff.). Besser passen die Regelungen der §§ 2018 ff. BGB2. Zwar maßt sich auch hier der vorläufig eingetretene Nächstberufene kein ihm nicht zustehendes Erbrecht an, jedoch unterscheidet § 2018 BGB zunächst gar nicht zwischen gut- und bösgläubigen Erbschaftsbesitzern3. Eine unangemessen harte Behandlung des zunächst eingetretenen Nächstberufenen ist in der Anwendung der §§ 2018 ff. BGB nicht zu sehen4. Abgesehen vom Fall des bösgläubigen oder verklagten Erbschaftsbesitzers haftet der Erbschaftsbesitzer nämlich gem. § 2021 BGB nur nach den Vorschriften der §§ 812, 818 BGB. 100
Gem. § 122 Abs. 1 BGB hat der Anfechtende jedem Dritten, der auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hat, Schadenersatz zu leisten. Diese allgemeine Regel gilt auch im Rahmen der Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung5. Zum Kreis der Ersatzberechtigten zählen insbesondere Nachlassgläubiger und der zunächst eingetretene Nächstberufene. Aber auch Nachlassschuldner, die an den zunächst eingetretenen Nächstberufenen ohne (z.B. nach §§ 851, 2367 BGB) befreiende Wirkung geleistet haben, können gem. § 122 Abs. 1 BGB verlangen, nicht erneut in Anspruch genommen zu werden6. Im Rahmen des § 122 BGB ersatzfähig sind aber nur Schäden, die entstanden sind, weil der Geschädigte auf die Annahme oder Ausschlagung vertraut und deshalb bestimmte Handlungen vorgenommen oder unterlassen hat7. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung8 soll § 122 BGB (entgegen seinem Wortlaut) noch stärker eingeschränkt werden, und zwar dergestalt, dass der Dritte in seinen rechtlichen Beziehungen durch die Anfechtung „unmittelbar“ betroffen sein und der Schaden „unmittelbar“ aus dieser Einwirkung auf die Rechtslage des Dritten resultieren muss. An der „Unmittelbarkeit“ des Schadens fehle es, wenn jemand dem Erben im Vertrauen auf die Erbschaftsannahme Kredit gewährt habe.
2. Anfechtungsgründe 101
Die Anfechtungsgründe ergeben sich aus den §§ 119 ff. BGB, nicht aus den §§ 2078 ff. BGB9. In Betracht kommt somit eine Anfechtung wegen eines Erklärungs-, Inhalts- oder Eigenschaftsirrtums sowie aufgrund einer Täuschung oder Drohung. Ein Erklärungsirrtum gem. § 119 Abs. 1 2. Alt. BGB liegt vor, wenn der Erbe etwas Anderes als die Annahme oder Ausschlagung der Erb1 So aber Soergel/Stein, § 1957 Rz. 2; § 1959 Rz. 14. 2 Staudinger/Otte, § 1957 Rz. 5; Erman/Schlüter, § 1957 Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 1957 Rz. 2. 3 Erman/Schlüter, § 2018 Rz. 2; Soergel/Dieckmann, § 2018 Rz. 3. 4 So aber AK/Derleder, § 1957 Rz. 2. 5 RGRK/Johannsen, § 1954 Rz. 6; Staudinger/Otte, § 1957 Rz. 3; Lange/Kuchinke, § 8 VII 2g (S. 221). 6 Staudinger/Otte, § 1957 Rz. 4. 7 Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (212), m.w.N. 8 MüKo/Leipold, § 1957 Rz. 4. 9 OLG Hamm v. 16.7.1981 – 15 W 42/81, OLGZ 1982, 41 (47); Leipold, Rz. 613.
1154 Muscheler
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 101 C II
schaft erklären wollte. Hierunter sind Fälle zu fassen, in denen quasi die technische Umsetzung des Willens fehlgeschlagen ist1. Ein Inhaltsirrtum gem. § 119 Abs. 1 1. Alt. BGB ist gegeben, wenn dem Erklärenden nicht bewusst war, dass sein Verhalten in Abweichung von seiner Vorstellung objektiv eine andere Bedeutung hat. Der Erklärende erklärt, was er auch tatsächlich erklären will, nur misst er seiner Erklärung eine Bedeutung bei, die sie in Wirklichkeit nicht hat2. Ein typischer Fall dürfte die Annahme durch schlüssiges Verhalten sein. Oft wird der Erbe seiner Handlung – anders als der Rechtsverkehr – nicht die Bedeutung beimessen, dass er die Erbschaft endgültig behalten will (vgl. Rz. 51 ff.). Ein Irrtum über die Rechtsfolgen kann durchaus als Inhaltsirrtum beachtlich sein. Dann muss aber die durch die Willenserklärung erzeugte Hauptwirkung nicht die angestrebte, sondern eine wesentlich andere sein. Erzeugt die Willenserklärung dagegen nur weitere unerwünschte und unerkannte Nebenwirkungen, berechtigt dies nicht zur Anfechtung3. Die Differenzierung zwischen Haupt- und Nebenwirkungen ist rechtsdogmatisch nicht überzeugend; sie ist nur als einigermaßen praktikables Kriterium für die Abwägung der beteiligten Interessen zu rechtfertigen4. Beispiel 1:5 Eine Miterbin zu ½ hatte die Erbschaft ausdrücklich angenommen. Dem anderen Miterben stand ein nicht anzurechnendes Vorausvermächtnis zu, dessen Wert mehr als ¾ der Erbschaft ausmachte. Die Annahme hatte die Miterbin in der Vorstellung erklärt, dass sie die Vermächtniserfüllung bis zur Pflichtteilsgrenze verweigern könne. Hier war das angestrebte, unmittelbare Ziel ihrer Annahmeerklärung, die Stellung als Erbin nach der Erblasserin zu erlangen. Ihre Fehlvorstellung bezog sich nicht auf diese unmittelbare Wirkung, sondern auf eine mittelbare Nebenwirkung, nämlich die erhoffte Möglichkeit, die Vermächtniserfüllung verweigern zu können. Die gewünschte Hauptwirkung trat somit ein; lediglich eine gewollte Nebenwirkung blieb aus. Eine Anfechtung kam nicht infrage. Beispiel 2:6 Ein Alleinerbe ist mit zahlreichen Vermächtnissen beschwert. Irrtümlich geht er entgegen § 2306 Abs. 1 BGB davon aus, die Erbschaft nicht ausschlagen zu dürfen, um seinen Pflichtteilsanspruch zu erhalten. Infolgedessen lässt er die Ausschlagungsfrist verstreichen (§§ 1943, 1944 Abs. 1 BGB). Kann er die Versäumung der Ausschlagungsfrist gem. § 1956 i.V.m. § 119 Abs. 1 1. Alt. BGB wegen Inhaltsirrtums anfechten? 1 Palandt/Heinrichs, § 119 Rz. 10. 2 Palandt/Heinrichs, § 119 Rz. 11. 3 RG v. 3.6.1916 – V. 70/16, RGZ 88, 278 (284); Palandt/Heinrichs, § 119 Rz. 15; OLG Schleswig v. 11.5.2005 – 3 Wx 70/04, ZEV 2005, 526 (526): Der Irrtum des Ausschlagenden, sein Erbteil falle einem bestimmten Miterben an, ist ein unbeachtlicher Motivirrtum über (weitere) Rechtsfolgen der Ausschlagung. 4 OLG Hamm v. 16.7.1981 – 15 W 42/81, OLGZ 1982, 41 (49); Malitz, ZEV 1998, 415 (418). 5 Nach BayObLG v. 28.4.1998 – 1 Z BR 26/98, FamRZ 1999, 117. 6 Nach BGH v. 5.7.2006 – IV ZB 39/05, BGHZ 168, 210 = ZEV 2006, 498.
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1155
C II Rz. 102
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob die Einnahme der Erbenstellung die alleinige unmittelbare Hauptwirkung der mit der Versäumung der Ausschlagungsfrist fingierten Annahme (§ 1943 2. Halbs. BGB) ist1 oder dazu auch der Verlust der Möglichkeit des § 2306 Abs. 1 BGB, mit der Ausschlagung den Pflichtteilsanspruch zu erhalten, zählt2. Bei beschränkten bzw. beschwerten Erbteilen i.S.d. § 2306 Abs. 1 BGB ist die Rechtslage komplizierter und vielschichtiger als bei unbelasteten Erbteilen. Mit § 2306 Abs. 1 BGB stellt das Gesetz dem pflichtteilsberechtigten Erben ein Wahlrecht zwischen der Annahme des belasteten Erbteils und der Ausschlagung unter Erhalt des Pflichtteilsanspruchs zur Verfügung. Diese unmittelbare gesetzliche Verknüpfung der Rechtsfolgen der Annahme mit dem Pflichtteilsanspruch rechtfertigt es, den (endgültigen) Verlust des Pflichtteilsanspruchs durch Annahme der beschränkten bzw. beschwerten Erbschaft als unmittelbare Hauptwirkung der Annahme zu qualifizieren. Der BGH drückt diesen Zusammenhang sehr plastisch aus, indem er beide Folgen der Annahme, nämlich das Einrücken in die Rechtsstellung des Erben und den Verlust des Pflichtteilsanspruchs, als „zwei Seiten derselben Medaille“ bezeichnet3. Der Irrtum des Erben, der die Ausschlagungsfrist verstreichen lässt, stellt sich also als zur Anfechtung berechtigender Inhalts-, genauer: Rechtsfolgenirrtum und nicht als bloßer Motivirrtum heraus. Umgekehrt konnte früher auch die Ausschlagung der Erbschaft in der Konstellation des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. (s. Rz. 29) angefochten werden, wenn der Erbe irrigerweise davon ausging, wie in der Situation des § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. nur durch Ausschlagung den Pflichtteilsanspruch zu erlangen, und das Zusammenspiel des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. mit § 2305 BGB a.F. übersah4. Mit der Änderung des § 2306 Abs. 1 BGB, wonach unabhängig von der Höhe des Erbteils eine Ausschlagung notwendig ist, um den Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können, wird es wahrscheinlich vermehrt zu Anfechtungen der Annahme kommen5. Schließlich bleiben im Falle einer Annahme nach § 2306 Abs. 1 BGB stets die vom Erblasser angeordneten Beschränkungen und Beschwerungen erhalten. 102
Ein Irrtum im Beweggrund ist im Rahmen des § 119 Abs. 1 BGB unbeachtlich. Dagegen kann ein gem. § 119 Abs. 2 BGB ausnahmsweise beachtlicher Motivirrtum gegeben sein, wenn sich der Erklärende über verkehrswesentliche Eigenschaften einer Person oder einer Sache geirrt hat. Eigenschaften sind die 1 BayObLG v. 16.3.1995 – 1 Z BR 82/94, NJW-RR 1995, 904 (906) = FamRZ 1996, 59 (61); BayObLG v. 28.4.1998 – 1 Z BR 26/98, ZEV 1998, 431 (432). 2 BGH v. 5.7.2006 – IV ZB 39/05, BGHZ 168, 210 (219 f.) = ZEV 2006, 498 (500) = FamRZ 2006, 1519 (1521) = ZErb 2006, 378 (381 f.) = Rpfleger 2006, 653 (656); OLG Hamm v. 20.9.2005 – 15 W 188/05, FamRZ 2006, 578 (580 f.) = ZEV 2006, 168 (170 f.) mit zust. Anm. Haas/Jeske; OLG Düsseldorf v. 18.9.2000 – 3 Wx 229/00, FamRZ 2001, 946 (947) = ZEV 2001, 109 (109) = RNotZ 2001, 283 (283 f.). 3 BGH v. 5.7.2006 – IV ZB 39/05, BGHZ 168, 210 (220) = ZEV 2006, 498 (500) mit zust. Anm. Leipold = FamRZ 2006, 1519 (1521) = ZErb 2006, 378 (382) mit zust. Anm. Keim. 4 OLG Hamm v. 16.7.1981 – 15 W 42/81, OLGZ 1982, 41 (49 f.) = Rpfleger 1981, 402 (403); a.A. Lange/Kuchinke, § 8 VII 2 (S. 219); MüKo/Lange, § 2306 Rz. 14. 5 Keim, ZEV 2008, 161 (162).
1156 Muscheler
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 104 C II
natürliche Beschaffenheit und rechtliche oder tatsächliche Verhältnisse oder Beziehungen zur Umwelt, soweit diese für die Verwendbarkeit oder Wertschätzung von Bedeutung sind1. Der Preis bzw. Wert einer Sache ist keine Eigenschaft, sondern nur Ausdruck der Summe aller verkehrswesentlichen Eigenschaften. Dementsprechend scheidet ein Irrtum gem. § 119 Abs. 1 BGB aus, wenn sich der Erbe über den Wert des Nachlasses, den Wert einzelner Nachlassgegenstände oder über die Höhe der Erbschaftsteuer geirrt hat2.
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Beratungssituation: Der Mandant ist Alleinerbe. In dem Glauben, dass er nur Erbe werde, wenn er die Erbschaft ausdrücklich annehme, hatte er in den ersten Monaten nach dem Tod des Erblassers in keiner Weise reagiert. Nun möchte er die Erbschaft ausschlagen.
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Nach § 1956 BGB kann die Annahme durch Versäumung der Ausschlagungsfrist in gleicher Weise wie eine ausdrückliche Annahme angefochten werden. Die Fristversäumung ist keine Willenserklärung, sondern wird dieser nur im Wege einer Fiktion gleichgestellt3. Daher ist es auch nicht möglich, die §§ 119 ff. BGB wie gewohnt anzuwenden. Hier kommt es vielmehr darauf an, ob das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist auf einer Fehlvorstellung oder auf dem gänzlichen Fehlen irgendeiner Vorstellung beruht. Ein relevanter Irrtum liegt z.B. vor, wenn der Berufene die Frist versäumt, weil er keine Kenntnis oder eine Fehlvorstellung von ihrer Existenz, ihrem Lauf oder ihren Rechtsfolgen hatte4. Neben dem Irrtum über die Frist oder die Folgen des Ablaufs muss es Anhaltspunkte dafür geben, dass im Falle der Kenntnis dieser Umstände der Erbe die Ausschlagung erklärt hätte. Auf diese Weise wird der Ursachenzusammenhang zwischen Irrtum und Erklärung – hier dem Nichtstun – hergestellt5 (vgl. Rz. 106). Ein besonderes Anfechtungsrecht gewährt § 2308 BGB. Schlägt ein Pflichtteilsberechtigter seinen Erbteil6 aus – weil dieser nach seiner Vorstellung beschränkt oder beschwert ist –, um auf diese Weise gem. § 2306 Abs. 1 BGB seinen Pflichtteil zu erlangen, so kann die Ausschlagung unter den Voraussetzungen des § 2308 BGB angefochten werden. Zur Anfechtung ist der Ausschlagende berechtigt, wenn die Beschränkung oder Beschwerung zur Zeit der Ausschlagung weggefallen und ihm der Wegfall nicht bekannt war. Fällt die Belastung erst nach der Ausschlagung weg, kommt eine Anfechtung nach
1 Palandt/Heinrichs, § 119 Rz. 24; OLG Hamm v. 27.11.1965 – 15 W 121/65, NJW 1966, 1080 (1081). 2 OLG Düsseldorf v. 20.7.2004 – I – 3 Wx 193/04, ZEV 2005, 255 (255); Staudinger/Otte, § 1954 Rz. 13 f. 3 Palandt/Edenhofer, § 1943 Rz. 5. 4 OLG Hamm v. 10.6.1985 – 15 W 131/85, OLGZ 1985, 286. 5 BayObLG v. 30.1.1979 – BReg. 1 Z 144/78, MittRhNotK 1979, 159 (160). 6 Vor Inkrafttreten der Änderung des § 2306 Abs. 1 BGB (s. Rz. 29) kam es ferner darauf an, dass der hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils überstieg. Nur unter dieser Einschränkung konnte der Pflichtteilsberechtigte nach Ausschlagung des beschränkten bzw. beschwerten Erbteils den Pflichtteil verlangen (§ 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.).
Muscheler
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C II Rz. 105
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
§ 2308 Abs. 1 BGB nicht in Betracht1, es sei denn, der Wegfall wirkt auf den Zeitpunkt des Erbfalles zurück2. Stünde die Anfechtungsmöglichkeit des § 2308 BGB nicht offen, würde der Ausschlagende aufgrund der Ausschlagung nicht nur die Erbschaft verlieren, sondern auch den Pflichtteil gem. § 2306 Abs. 1 BGB, da diese Norm ein belastetes Erbe voraussetzt3. 105
§ 2308 BGB behandelt ausdrücklich nur den Fall der Anfechtung der Ausschlagung einer nicht mehr belasteten Erbschaft. Die Annahme einer Erbschaft in dem Glauben, dass sie unbelastet sei, erfasst § 2308 Abs. 1 BGB von seinem Wortlaut her nicht. Eine analoge Anwendung wird teilweise unter Hinweis auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift abgelehnt4; andere Anfechtungsgründe sollen ebenfalls ausgeschlossen sein. Die herrschende Auffassung sieht in der Belastung oder Beschwerung des Nachlasses dagegen eine verkehrswesentliche Eigenschaft, so dass eine Anfechtung der Annahme gem. § 119 Abs. 2 BGB möglich ist5.
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Neben dem bloßen Vorliegen des Anfechtungsgrundes muss auch Kausalität zwischen dem Irrtum und der Willenserklärung gegeben sein (vgl. schon Rz. 103). Nur wenn der Irrtum ursächlich für die Erklärung ist, kann die Anfechtung durchgreifen. Spielten andere (zutreffende) Überlegungen die entscheidende Rolle, ist für eine Anfechtung kein Raum. Bei der Feststellung der Ursächlichkeit entscheidet nicht der subjektive Wille des Anfechtenden. Es kommt vielmehr darauf an, wie ein verständiger Dritter gehandelt hätte6. So kann man davon ausgehen, dass eine Anfechtung mangels Ursächlichkeit nicht in Betracht kommt, wenn der Irrende infolge der Willenserklärung wirtschaftlich nicht schlechter dasteht als ohne die Erklärung7. Durch diese Argumentation wird auch eine Entscheidung der Streitfrage, ob nicht nur die Überschuldung des Nachlasses, sondern auch schon die Belastung mit erheblichen Verbindlichkeiten eine Anfechtung rechtfertigt8, in vielen Fällen überflüssig. Soweit ein Überschuss der Aktiven des Nachlasses über die Passiven verbleibt, ist anzunehmen, dass der Erbe auch bei Kenntnis der Belastung und verständiger Würdigung des Falles die Erbschaft angenommen hätte, da man im Allgemeinen bei verständiger Würdigung auch kleinere Erbschaften anzunehmen pflegt9. Soweit dennoch eine Klärung der Streitfrage notwendig wird, 1 AK/Däubler, § 2308 Rz. 2. 2 BGH v. 26.9.1990 – IV ZR 131/89, BGHZ 112, 229. Hier hatte der Pflichtteilsberechtigte die Belastung durch Testamentsanfechtung selbst beseitigt. 3 MüKo/Lange, § 2308 Rz. 1. 4 OLG Stuttgart v. 12.11.1982 – 8 W 438/82, OLGZ 1983, 304 (307); MüKo/Lange, § 2308 Rz. 11. 5 BayObLG v. 16.3.1995 – 1 Z BR 82/94, BayObLGZ 1995, 120 (127); Erman/Schlüter, § 2308 Rz. 2; MüKo/Lange, § 2308 Rz. 11. 6 OLG Zweibrücken v. 16.2.1996 – 3 W 260/95, FGPrax 1996, 113 (114), m.w.N. 7 BGH v. 8.6.1988 – VIII ZR 135/87, NJW 1988, 2597 (2599); BayObLG v. 11.1.1999 – 1 Z BR 113/98, NJW-RR 1999, 590; OLG Zweibrücken v. 16.2.1996 – 3 W 260/95, FGPrax 1996, 113 (114). 8 Vgl. Darstellung des Meinungsstandes in OLG Zweibrücken v. 16.2.1996 – 3 W 260/95, FGPrax 1996, 113 (114). 9 BayObLG v. 11.1.1999 – 1 Z BR 113/98, NJW-RR 1999, 590 (592).
1158 Muscheler
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 107 C II
ist mit dem BGH eine Belastung mit erheblichen Verbindlichkeiten jedenfalls dann als für eine Anfechtung ausreichend zu betrachten, wenn die Belastung den Pflichtteil des Erben gefährdet1. Überblick Irrtümer: Beachtlicher Irrtum
107 Unbeachtlicher Irrtum
– Annahme durch schlüssiges Verhalten, – Ausdrückliche Annahme ohne Kenntnis vom Ausschlagungsrecht8 wenn der Erbe keine Kenntnis vom Ausschlagungsrecht hatte und daher – Annahme durch Stellvertreter, wobei dem Verhalten keinen Erklärungswert der Vertreter sich nicht an den Willen 2 beimaß des Vertretenen hält; kein Irrtum, da ein solcher in der Person des Vertreters – Annahme durch Fristablauf, wenn der vorliegen muss9 Erbe die Ausschlagungsfrist verstreichen lässt, weil er über die Rechtsfol– Irrtum über den Wert der von vorngen des Fristablaufs keine Kenntnis herein bekannten Nachlassgrundstühat3 cke10 – Annahme durch Fristablauf, wenn der Erbe die Ausschlagungsfrist verstreichen lässt, weil er über die Länge der Ausschlagungsfrist irrt4 – früher: Irrige Vorstellung, durch die Ausschlagung den Pflichtteil zu erhalten, obwohl tatsächlich ein Fall des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. gegeben ist (Rechtsfolgenirrtum)5 – Irrige Vorstellung, auch als Alleinerbe ohne Ausschlagung den Pflichtteil geltend machen zu können6 – Irrige Vorstellung über die Identität des Erblassers7
1 BGH v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 (363). 2 BayObLG v. 24.6.1983 – BReg. 1 Z 124/82, BayObLGZ 1983, 153; OLG Hamm v. 10.6.1985 – 15 W 131/85, FamRZ 1985, 1185. 3 RG v. 19.2.1934 – IV 394/33, RGZ 143, 419 (424). 4 OLG Hamm v. 10.6.1985 – 15 W 131/85, OLGZ 1985, 286. 5 OLG Hamm v. 16.7.1981 – 15 W 42/81, OLGZ 1982, 41 (49 f.) = Rpfleger 1981, 402 (403); a.A. Lange/Kuchinke, § 8 VII 2 (S. 219); MüKo/Lange, § 2306 Rz. 14. 6 BGH v. 5.7.2006 – IV ZB 39/05, BGHZ 168, 210 (218 ff.) = ZEV 2006, 498 (500) mit zust. Anm. Leipold = FamRZ 2006, 1519 (1521) = ZErb 2006, 378 (382) mit zust. Anm. Keim; OLG Hamm v. 20.9.2005 – 15 W 188/05, FamRZ 2006, 578 (580 f.) = ZEV 2006, 168 (170 f.) mit zust. Anm. Haas/Jeske; OLG Düsseldorf v. 18.9.2000 – 3 W × 229/00, FamRZ 2001, 946 (947) = ZEV 2001, 109 (109) = RNotZ 2001, 283 (283 f.); ebenso Keim, ZEV 2003, 358 (360 f.). Anders wohl BayObLG v. 16.3.1995 – 1 Z BR 82/94, FamRZ 1996, 59 (61). 7 Soergel/Stein, § 1954 Rz. 2. 8 BayObLG v. 29.10.1987 – BReg. 1 Z 2/87, BayObLGZ 1987, 356; BayObLG v. 16.3.1995 – 1 Z BR 82/94, FamRZ 1996, 59 (60). 9 LG Koblenz v. 1.8.1968 – 4 T 280/68, FamRZ 1968, 656. 10 BayObLG v. 16.3.1995 – 1 Z BR 82/94, FamRZ 1996, 59 (60); OLG Düsseldorf v. 18.11.1998 – 11 U 49/98, ZEV 2000, 64.
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C II Rz. 107 Beachtlicher Irrtum – Irrtum über die Formbedürftigkeit der Ausschlagung; Erbe glaubt, schon wirksam ausgeschlagen zu haben1 – Annahme der Erbschaft durch Fristablauf, da Ausschlagung infolge der Unkenntnis der familien- bzw. betreuungsgerichtlichen Genehmigungsbedürftigkeit unwirksam war2 – Irrtum über Umfang und Zusammensetzung des Nachlasses (nicht Wert), insbesondere Überschuldung3 – Belastung der Erbschaft mit erheblicher Nachlassschuld, wenn dadurch der Pflichtteil des Erben gefährdet wird4 – Irrige Vorstellung über die eigene Erbquote5 – Unkenntnis über die Berufung eines weiteren Miterben6 – Unkenntnis von der Beschränkung durch Nacherbeneinsetzung7 – Wegfall einer Belastung oder Beschwerung (§ 2308 Abs. 1 BGB), die der Pflichtteilsberechtigte durch Testamentsanfechtung selbst rückwirkend beseitigt hat8
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft Unbeachtlicher Irrtum – Irrige Vorstellung über die Person des Nächstberufenen9 – Irrige Vorstellung einer Miterbin (½ Erbteil) darüber, dass nach ausdrücklicher Annahme der Erbschaft die Erfüllung eines Vermächtnisses bis zur Höhe des Pflichtteils verweigert werden könne10 – Irrige Vorstellung des ausschlagenden Vorerben, dass der Nacherbe die Erbschaft als Ersatzerbe annehmen werde11 – Späterer Wegfall des Ausschlagungsmotivs; hier: Wegfall der Überschuldung infolge der Verjährung einer Nachlassverbindlichkeit12
1 BayObLG v. 13.10.1993 – 1 Z BR 54/93, FamRZ 1994, 589; OLG Zweibrücken v. 23.2.2006 – 3 W 6/06, FamRZ 2006, 892 (894 f.) = NJW-RR 2006, 1594 (1596). 2 BayObLG v. 13.1.1983 – BReg. 1 Z 27/82, BayObLGZ 1983, 9. 3 Unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung RG v. 27.6.1938 – IV B 16/38, RGZ 158, 50 (51); BayObLG v. 13.1.1983 – BReg. 1 Z 27/82, BayObLGZ 1983, 9 (11); BGH v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 (363); OLG Düsseldorf v. 18.11.1998 – 11 U 49/98, ZEV 2000, 64; OLG Düsseldorf v. 5.10.2008 – I – 3 Wx 123/08, ZErb 2008, 397 (398). 4 BGH v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 (363). 5 OLG Hamm v. 27.11.1965 – 15 W 121/65, NJW 1966, 1080. 6 BGH v. 16.10.1996 – IV ZR 349/95, ZEV 1997, 22. 7 BayObLG v. 27.6.1996 – 1 Z BR 148/95, NJW-RR 1997, 72; OLG Hamm v. 18.3.2004 – 15 W 38/04, FamRZ 2005, 306 (307 f.). 8 BGH v. 26.9.1990 – IV ZR 131/89, BGHZ 112, 229. 9 OLG Düsseldorf v. 8.1.1997 – 3 Wx 575/96, FamRZ 1997, 905. 10 BayObLG v. 28.4.1998 – 1 Z BR 26/98, FamRZ 1999, 117. 11 OLG Stuttgart v. 12.11.1982 – 8 W 438/82, OLGZ 1983, 304. 12 LG Berlin v. 6.5.1975 – 83 T 181/75, NJW 1975, 2104.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 109 C II
X. Besonderheiten bei Annahme und Ausschlagung eines Vermächtnisses 1. Allgemeines Ebenso wie eine Erbschaft angenommen und ausgeschlagen werden kann, steht es auch dem Vermächtnisnehmer offen, das Vermächtnis anzunehmen oder auszuschlagen (§§ 2176, 2180 BGB). Anders als bei einer Erbschaft könnte freilich der Vermächtnisnehmer den tatsächlichen Erhalt des Vermächtnisgegenstandes schon dadurch verhindern, dass er die Vermächtnisforderung nicht geltend macht. Die Situation des Vermächtnisnehmers ist somit nicht ganz vergleichbar mit der des Erben. Dass aber das Gesetz beim Vermächtnis dennoch ein Ausschlagungsrecht vorsieht, ist mit der Geltung des Prinzips zu erklären, dass sich niemand eine Zuwendung von Todes wegen – und sei es auch nur eine schuldrechtliche Forderung – aufdrängen lassen muss1. Aus der Tatsache, dass die Ausgangssituation bei Erbschaft und Vermächtnis nicht ganz übereinstimmt, und den sich an diese Tatsache anknüpfenden Interessen des Rechtsverkehrs erklären sich auch die Unterschiede in der jeweiligen rechtlichen Ausgestaltung der Ausschlagung. Insbesondere sind bei der Ausschlagung des Vermächtnisses die formellen Anforderungen geringer. Die Einflussnahme Dritter auf das Ausschlagungsrecht ist ebenso ausgeschlossen wie im Rahmen der Erbschaftsausschlagung2 (vgl. Rz. 42). Auch eine Pfändung des schuldrechtlichen Anspruchs kann nicht die Ausübung des Ausschlagungsrechts einschränken3; auch hier steht der personale Charakter des Ausschlagungsrechts im Vordergrund.
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2. Formelle Anforderungen Annahme und Ausschlagung sind empfangsbedürftige Erklärungen4. Erklärungsempfänger ist gem. § 2180 Abs. 2 Satz 1 BGB jeweils der Beschwerte, nicht das Nachlassgericht. Die Ausschlagungserklärung kann gem. § 2180 Abs. 2 Satz 2 BGB erst nach dem Erbfall abgegeben werden. Anders als bei der Erbschaftsausschlagung gibt es keine Ausschlagungsfrist und daher keine Annahme durch Fristablauf. Eine Annahmefrist kann sich aber aus einer Anordnung des Erblassers ergeben. Darin ist eine bedingte Vermächtniseinsetzung zu sehen5. Daneben kann gem. § 2307 Abs. 2 Satz 2 BGB der beschwerte Erbe einem mit einem Vermächtnis bedachten Pflichtteilsberechtigten eine Frist zur Erklärung über die Annahme des Vermächtnisses setzen. Mit Ablauf der Frist gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen, mit der Folge, dass der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil, nicht aber das Vermächtnis fordern kann (§ 2307 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der gesetzliche Vertreter bedarf gem. §§ 1643 Abs. 2, 1822 Nr. 2 BGB (ggf. i.V.m. §§ 1908i Abs. 1 Satz 1, 1915 Abs. 1 Satz 1 BGB) der familien- bzw. betreuungsgerichtlichen Genehmigung zur Ausschla1 2 3 4 5
MüKo/Schlichting, § 2180 Rz. 1. Staudinger/Otte, § 2180 Rz. 4. Palandt/Edenhofer, § 2180 Rz. 2; Soergel/Wolf, § 2180 Rz. 7. Staudinger/Otte, § 2180 Rz. 2. Staudinger/Otte, § 2180 Rz. 9.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
gung des Vermächtnisses. Eine ohne die erforderliche Genehmigung von den gesetzlichen Vertretern erklärte Ausschlagung des Vermächtnisses ist gem. §§ 1643 Abs. 3, 1908i Abs. 1 Satz 1, 1915 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1831 Satz 1 BGB unwirksam. Eine nachträgliche Heilung scheidet aus. Ein Nachvermächtnis kann erst nach dem Erbfall, jedoch bereits vor Eintritt des Nachvermächtnisfalles ausgeschlagen werden1.
3. Wirkungen von Annahme und Ausschlagung 110
Hat der Vermächtnisnehmer die Annahme erklärt, so kann er gem. § 2180 Abs. 1 BGB das Vermächtnis nicht mehr ausschlagen; das Ausschlagungsrecht erlischt mit der Annahme. Hinsichtlich der Wirkung der Ausschlagung verweist § 2180 Abs. 3 BGB auf § 1953 Abs. 1, 2 BGB. Danach gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt. Insoweit ist die Wirkung dieselbe wie bei Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft. Die Bestimmung des Nächstberufenen richtet sich nach § 1953 Abs. 2 BGB. Aufgrund des § 2178 BGB ist § 1953 Abs. 2 BGB jedoch dahin gehend zu erweitern, dass zur Bestimmung des Nächstberufenen nicht nur fingiert werden muss, der Ausschlagende habe zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt, sondern auch, er sei nicht nach dem Erbfall geboren worden2. Infolge der Ausschlagung ist zunächst ein vom Erblasser bestimmter Ersatzvermächtnisnehmer gem. § 2190 BGB nachberufen. Auch aus § 2069 BGB kann sich ein Ersatzvermächtnisnehmer ergeben3. Sind mehrere Vermächtnisnehmer vorhanden, kommt in zweiter Linie eine Anwachsung gem. § 2158 BGB in Betracht4. Ergibt sich auch qua Anwachsung keine Nächstberufung, so ist das Vermächtnis hinfällig und verbleibt wertmäßig dem Beschwerten5.
111
§ 2307 BGB enthält eine Sonderregelung für einen pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer. Führt die Ausschlagung einer Erbschaft in der Regel zum Verlust des Pflichtteils, so ist dies im Fall der Vermächtnisausschlagung schon im Grundsatz anders, da die gegenteilige Lösung einem Pflichtteilsentzug gleichkäme. Der Erblasser kann anordnen, dass ein Pflichtteilsberechtigter nur mit einem Vermächtnis bedacht, nicht aber zum Erben berufen wird. Eine solche Anordnung ist zulässig, da die Erlangung des Pflichtteils weiterhin möglich ist – auch wenn dazu das Vermächtnis ausgeschlagen werden muss6. In diesem Fall kann der Pflichtteilsberechtigte gem. § 2307 Abs. 1 BGB zwischen zwei Möglichkeiten wählen. Er kann zum einen das Vermächtnis ausschlagen und erhält dann den vollen Pflichtteil oder er kann das Vermächtnis annehmen und daneben gegebenenfalls einen Rest-Pflichtteil gem. § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend machen. Angesichts der Tatsache, dass die Ausschlagung des Vermächtnisses gem. § 2180 Abs. 2 Satz 1 BGB durch (ggf. 1 2 3 4 5
BGH v. 18.10.2000 – IV ZR 99/99, DNotZ 2001, 634 ff. MüKo/Schlichting, § 2180 Rz. 8. Soergel/Wolf, § 2180 Rz. 11. Staudinger/Otte, § 2180 Rz. 16. Erman/M. Schmidt, § 2180 Rz. 3; Soergel/Wolf, § 2180 Rz. 11; Staudinger/Otte, § 2180 Rz. 16. 6 MüKo/Leipold, § 2307 Rz. 2.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 112 C II
konkludente) Erklärung gegenüber dem Beschwerten erfolgt, kann in dem Geltendmachen des vollen Pflichtteils eine konkludente Ausschlagung des Vermächtnisses nach § 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu sehen sein. Dafür muss der Erbe Vermächtnisschuldner sein (§ 2147 Satz 1 1. Alt. BGB), denn nur dann ist der Pflichtteilsschuldner mit dem Beschwerten i.S.d. § 2180 Abs. 2 Satz 1 BGB identisch. Ferner muss die Erklärung wegen der differenzierten Regelung des § 2307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB hinreichend deutlich machen, ob der Pflichtteilsberechtigte den vollen Pflichtteil (§ 2307 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder unter Beibehaltung des Vermächtnisanspruchs nur den Pflichtteilsrestanspruch nach § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt1. Zwar ist auch die Ausschlagung des § 2307 BGB nicht an eine Frist gebunden, jedoch beginnt die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs gem. § 2332 Abs. 2 BGB bereits vor der Ausschlagung, so dass das mit der Ausschlagung angestrebte Ergebnis nach Ablauf der Verjährung gem. § 2332 Abs. 1 BGB nicht mehr erreicht werden kann. Die Ausschlagung selbst bleibt allerdings weiterhin zulässig2.
4. Pflichtteilsberechtigter als Erbe und Vermächtnisnehmer Einige Besonderheiten gilt es zu beachten, falls der Pflichtteilsberechtigte zugleich Erbe und Vermächtnisnehmer ist. Soweit dem Pflichtteilsberechtigten ein die Hälfte des gesetzlichen Erbteils übersteigender unbelasteter Erbteil zugewendet wird, kommt ein Pflichtteilsanspruch im Falle einer Ausschlagung (sei es der Erbschaft, sei es des Vermächtnisses) nicht in Betracht. Macht der unbelastete Erbteil weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils aus, so verbleibt dem Erben der Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2305 BGB unter Anrechnung des Vermächtnisses gem. § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Diese Anrechnung kann jedoch durch eine Ausschlagung des Vermächtnisses umgangen werden3 (während bei Ausschlagung der Erbschaft nur der Erbteil verloren ginge, ohne dass ein irgendwie gearteter Pflichtteilsanspruch gewonnen wäre). Freilich wird sich ein solches Vorgehen kaum lohnen, da auch bei Ausschlagung des Vermächtnisses lediglich der Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2305 BGB übrig bleibt. Die zusätzliche Ausschlagung des Vermächtnisses ist nur dann interessant, wenn der auf Geld gerichtete Pflichtteilsrestanspruch in ungeschmälerter Form vorteilhafter ist als z.B. die Kombination aus Pflichtteilsrestanspruch in Geld und „Sach“-Vermächtnis. Im Falle eines belasteten Erbteils war früher nach der Höhe des Erbteils zu unterscheiden. Überstieg der Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so konnte der Pflichtteilsberechtigte den vollen Pflichtteil verlangen, wenn er Erbe und Vermächtnis ausschlug, da es in diesem Fall zur gleichzeitigen Anwendung von § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. und § 2307 BGB kam4. Schlug er nur den Erbteil aus, erhielt er einen Pflichtteilsanspruch, auf den er sich das Vermächtnis anrechnen lassen musste; schlug er nur das Vermächtnis aus, stellte er sich besonders schlecht: Er verlor das Vermächtnis, ohne irgend1 2 3 4
OLG Köln v. 5.12.2005 – 2 U 103/05, FamRZ 2007, 169 (170). Staudinger/Olshausen, § 2332 Rz. 23. Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (207). MüKo/Lange, § 2307 Rz. 15; Soergel/Dieckmann, § 2307 Rz. 15.
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C II Rz. 112
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
etwas zu gewinnen. Überstieg der belastete Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nur unter Hinzurechnung des Vermächtnisses1 – war der eigentliche Erbteil also nicht größer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils –, so kam es infolge der Ausschlagung des Vermächtnisses (trotz der vorherigen Hinzurechnung des Vermächtnisses für die Differenzierung innerhalb des § 2306 Abs. 1 BGB a.F.) zur Anwendung des § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.2. Ohne Ausschlagung des Vermächtnisses schied § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. aus, da die Hinzurechnung des Vermächtnisses bewirkte, dass in diesem Fall tatsächlich mehr als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils hinterlassen wurde3. Wurde nur der Erbteil ausgeschlagen, kam es zur Anwendung des § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., wobei der Wert des Vermächtnisses auf den Pflichtteil angerechnet wurde4. Wurden beide Zuwendungen ausgeschlagen, spielte die Reihenfolge der Ausschlagungen eine Rolle: Schlug der Erbe nämlich zuerst das Vermächtnis aus, lag kein belasteter Erbteil im Sinne von § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. mehr vor; vielmehr fielen die Belastungen des Erbteils automatisch weg (§ 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.). Eine nachfolgende Ausschlagung des Erbes hätte zum vollständigen Verlust jeglicher Nachlassbeteiligung geführt5. Wurde die Hälfte des gesetzlichen Erbteils auch nicht durch die Addition von Erbe und Vermächtnis erreicht, so galt § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. Der Pflichtteilsberechtigte erhielt demnach ein unbelastetes Erbe, den Pflichtteilsrestanspruch und das Vermächtnis, das jedoch auf den Pflichtteilsrestanspruch anzurechnen war, was wiederum durch Ausschlagung des Vermächtnisses vermieden werden konnte6. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts hat sich die Rechtslage erheblich vereinfacht: § 2306 Abs. 1 BGB verzichtet auf eine Differenzierung nach der Höhe des Erbteils und eröffnet generell die Möglichkeit, einen belasteten Erbteil auszuschlagen und gleichzeitig den Pflichtteil zu verlangen. Das Erbebnis der Addition aus Erbteil und Vermächtnis spielt anders als bei dem Zusammenspiel von § 2306 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB a.F. mit § 2307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB für die Anwendung des § 2306 Abs. 1 BGB keine Rolle mehr. Der pflichtteilsberechtigte Erbe, der zugleich Vermächtnisnehmer ist, kann zwischen vier Varianten wählen: (1) Er nimmt sowohl den Erbteil als auch das Vermächtnis an und macht ggf. den Pflichtteilsrestanspruch aus § 2305 Satz 1 BGB unter Anrechnung des Vermächtnisses gem. § 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend. Dabei ist § 2305 Satz 2 BGB zu beachten, wonach die Beschränkungen und Beschwerungen i.S.d. § 2306 BGB bei der Berechnung des Wertes des Erbteils außer Betracht bleiben, also nicht mehr wertmindernd (und damit pflichtteilsrest-
1 Der Wert des Vermächtnisses ist dem Wert des Erbteils grundsätzlich hinzuzurechnen, wenn es um die Frage geht, ob § 2306 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 BGB anzuwenden ist, BGH v. 30.4.1981 – IVa ZR 128/80, BGHZ 80, 263 (265). 2 BGH v. 30.4.1981 – IVa ZR 128/80, BGHZ 80, 263 (265 f.). 3 MüKo/Lange, § 2307 Rz. 16. 4 MüKo/Lange, § 2307 Rz. 16. 5 Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (207); MüKo/Lange, § 2307 Rz. 16. 6 MüKo/Lange, § 2307 Rz. 17; Soergel/Dieckmann, § 2307 Rz. 16.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 113 C II
anspruchserhöhend) abgezogen werden können1. Insoweit übernimmt § 2305 Satz 1 BGB das in § 2307 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB für Vermächtnisse geregelte Abzugsverbot. (2) Er schlägt sowohl den belasteten Erbteil als auch das Vermächtnis aus und kann gem. §§ 2306 Abs. 1 BGB, 2307 BGB den vollen Pflichtteil verlangen. In Anbetracht der Regelungen in § 2305 Satz 2 BGB und in § 2307 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. BGB bietet sich diese Variante bei wertmäßig besonders intensiven Belastungen des Erbteils bzw. des Vermächtnisses an. (3) Er schlägt nur den Erbteil aus und macht den Pflichtteilsanspruch gem. § 2306 Abs. 1 BGB geltend, wobei er sich das Vermächtnis nach § 2307 Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. BGB auf den Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen muss. (4) Nicht zu empfehlen ist eine Ausschlagung nur des Vermächtnisses unter Annahme des Erbteils. So verliert der Erbe den Vermächtnisanspruch, ohne dass er die Möglichkeit, einen vollen Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können, gewinnt. Gem. § 2306 Abs. 1 BGB bleiben die Beschränkungen bzw. Beschwerungen definitiv bestehen. Der Erbe kann freilich den Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 Satz 1 BGB geltend machen, wenn der hinterlassene Erbteil geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Ist der überlebende Ehegatte bei Zugewinngemeinschaft Erbe und zugleich Vermächtnisnehmer, so richtet sich seine Teilhabe am Nachlass nach Ausschlagung beider Zuwendungen nach § 1371 Abs. 2 und 3 BGB. Nimmt er beide Zuwendungen an oder schlägt er nur eine aus, so kann er den Restanspruch bis zum „großen“ Pflichtteil jeweils gem. §§ 2305 Satz 1, 2307 Abs. 1 Satz 2 BGB geltend machen2.
5. Anfechtung Annahme und Ausschlagung eines Vermächtnisses sind anfechtbar. Hier gelten jedoch nicht die Form- und Fristerfordernisse, die das Gesetz für die Anfechtung von Annahme und Ausschlagung der Erbschaft vorsieht. Anwendbar sind vielmehr die allgemeinen Vorschriften. Die Anfechtung hat innerhalb der Fristen der §§ 121, 124 BGB zu erfolgen3. Die Wirkung der Anfechtung bestimmt sich nicht nach § 1957 Abs. 1 BGB, sondern nach § 142 BGB. Es gibt keinen Automatismus derart, dass z.B. die Anfechtung der Ausschlagung zugleich die Annahme bedeutet; hier fällt dem Anfechtenden vielmehr ein erneutes Wahlrecht zu. Ficht ein pflichtteilsberechtigter Vermächtnisnehmer die Ausschlagung des Vermächtnisses gem. § 2308 Abs. 1 BGB an, so finden allerdings gem. § 2308 Abs. 2 Satz 1 BGB die Regelungen der §§ 1954, 1957 Abs. 1 BGB Anwendung4. Die Anfechtung hat entgegen den §§ 1955, 1957 1 2 3 4
Schindler, ZEV 2008, 187 (187). MüKo/Lange, § 2307 Rz. 17; Soergel/Dieckmann, § 2307 Rz. 18. Staudinger/Otte, § 2180 Rz. 10; Erman/M. Schmidt, § 2180 Rz. 1. Staudinger/Otte, § 2180 Rz. 10.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Abs. 2 BGB dem Beschwerten gegenüber zu erfolgen (§ 2308 Abs. 2 Satz 2 BGB; vgl. dazu auch Rz. 104 f.).
XI. Haftung und Ansprüche des Zwischenerben 1. Allgemeines
Û
Beratungssituation: Der Mandant ist endgültiger Erbe. Der vorläufige Erbe hat in der Zeit vor der Ausschlagung einen Mietvertrag über eine Nachlasswohnung abgeschlossen und die Zahlung einer zum Nachlass gehörigen fälligen Kaufpreisschuld angenommen. Der Mandant fragt, ob er an den Mietvertrag gebunden ist und ob er vom Kaufpreisschuldner erneute Leistung an sich verlangen kann. Bei dem vorläufigen Erben sei „nichts zu holen“.
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Die Ausschlagung hat zur Folge, dass der Nächstberufene Erbe wird, und zwar rückwirkend vom Zeitpunkt des Erbfalls an. Der Ausschlagende wird erbrechtlich als nicht existent behandelt. Tatsächlich aber hatte er jedenfalls für eine gewisse Zeit die Stellung des Erben inne, ohne aber im Nachhinein betrachtet eine Berechtigung dafür gehabt zu haben. Grundsätzlich wäre der Ausschlagende daher wie jeder beliebige Dritte zu behandeln, mit der Konsequenz, dass sich das Verhältnis zum endgültigen Erben nach den §§ 2018 ff. BGB bestimmen würde. Der Zwischenerbe wird jedoch durch die Ausschlagung nach ganz herrschender Meinung nicht zum Erbschaftsbesitzer i.S. der §§ 2018 ff. BGB, da diese Regeln nur eingreifen, wenn jemand ohne ein Erbrecht den Nachlass erlangt. Bezogen auf den Zeitraum bis zur Ausschlagung stand dem Zwischenerben aber (zunächst) ein Erbrecht zu1. Das Gesetz trägt diesem Umstand dadurch Rechnung, dass es für das Verhältnis zwischen dem endgültigen Erben und dem Ausschlagenden in § 1959 BGB eine besondere Regelung vorsieht. § 1959 Abs. 1 BGB spricht von Geschäften vor der Ausschlagung. Da gem. § 1957 Abs. 1 BGB die Anfechtung der Annahme als Ausschlagung gilt, fallen auch alle Geschäfte in der Zeit nach einer Annahme bis zu deren wirksamer Anfechtung unter die Norm2 (zu dem Sonderfall einer Anfechtung der Ausschlagung vgl. Rz. 98). Der nach § 1959 BGB abzuwickelnde Zeitraum kann daher unter Umständen recht lang sein. In Bezug auf Handlungen, die nach der Ausschlagung erfolgten, steht der vorläufige Erbe jedem Dritten gleich3.
115
Gem. § 1959 Abs. 1 BGB gilt der Ausschlagende im Falle der Besorgung erbschaftlicher Geschäfte dem endgültigen Erben gegenüber als Geschäftsführer ohne Auftrag. Ein erbschaftliches Geschäft liegt vor, sobald sich die betreffende Handlung – sei es eine tatsächliche oder eine rechtsgeschäftliche – auf den Nachlass bezieht4. Die Vorschriften der §§ 677 ff. BGB werden nur entspre1 2 3 4
Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 7. Soergel/Stein, § 1959 Rz. 2; Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 3. MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 3. MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 3.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 117 C II
chend angewendet, da der vorläufige Erbe (der ja noch Erbe ist) regelmäßig nicht den Willen hat, für einen anderen tätig zu werden, zumal ihm die Person des Nächstberufenen oft nicht bekannt sein wird1. Auf den Willen des tatsächlichen Erben kann er daher keine Rücksicht nehmen. Aus diesem Grund ist § 678 BGB nicht anwendbar, ebenso wenig § 687 BGB. Gleichwohl ist willkürlicher Umgang mit dem Nachlass nicht zulässig, da ansonsten die Interessen des endgültigen Erben unberücksichtigt blieben. Dessen Interessen werden dadurch gewahrt, dass der vorläufige Erbe die Geschäfte wie ein verständiger Erbe, also von sachlichen Gesichtspunkten geleitet, führen muss2. Anderenfalls macht er sich schadenersatzpflichtig3. Ist der Anfall der Erbschaft an den (auch in Person feststehenden) Nächstberufenen aber schon sicher, so ist dessen Willen beachtlich4. Den vorläufigen Erben trifft zwar keine Verpflichtung, sich um den Nachlass zu kümmern5, gleichwohl ist er aber dazu berechtigt6. Wird er tätig, so muss er eine begonnene Angelegenheit auch – sofern notwendig – weiterführen7. Die Vorschriften der §§ 985 ff. BGB finden für die Zeit vor der Ausschlagung keine Anwendung, da der vorläufige Erbe berechtigter Besitzer war8. Hatte der vorläufige Erbe den tatsächlichen Besitz an Nachlassgegenständen inne, so kann hierin keine verbotene Eigenmacht gem. § 858 BGB oder ein Abhandenkommen gem. § 935 BGB gesehen werden, da der Besitz als gesetzlich gestattet erachtet werden muss9.
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2. Ansprüche des endgültigen Erben gegen den Zwischenerben a) Anspruch auf Herausgabe Gem. §§ 667, 681 Satz 2, 1959 Abs. 1 BGB muss der vorläufige Erbe alles, was er zur Ausführung des „Auftrags“ erhält und was er aus der „Geschäftsführung“ erlangt, herausgeben. Hat der Erbe die Verwaltung des gesamten Nachlasses übernommen, so erstreckt sich die Herausgabeverpflichtung auch auf den Nachlass als Ganzes10. Soweit er Mittel des Nachlasses zu eigenen Zwecken einsetzt, kommt eine Pflicht zur Verzinsung in Betracht (§§ 668, 681 Satz 2, 1959 Abs. 1 BGB). Die Höhe der Zinsen richtet sich nach den §§ 246 BGB, 352 HGB11.
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Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 5; MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 4. Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 5; MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 4. MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 4. Erman/Schlüter, § 1959 Rz. 3. OLG Braunschweig v. 13.7.1920 – 2. ZS, OLGE 42, 204; Palandt/Edenhofer, § 1959 Rz. 1. MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 1. Palandt/Edenhofer, § 1959 Rz. 1. MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 2. Leipold, Rz. 623; Palandt/Edenhofer, § 1953 Rz. 4. Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 7. Palandt/Sprau, § 668 Rz. 1.
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C II Rz. 118
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
b) Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und Delikt 118
Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. §§ 812 ff. BGB und Delikt gem. §§ 823 ff. BGB gegen den vorläufigen Erben können ebenfalls in Betracht kommen. Jedoch stellt die berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag sowohl einen rechtlichen Grund als auch einen Rechtfertigungsgrund dar1. Soweit der vorläufige Erbe also ein erbschaftliches Geschäft wie ein verständiger Erbe besorgt, scheiden bereicherungsrechtliche und deliktische Ansprüche tatbestandsmäßig aus. c) Anspruch auf Auskunft
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Während der Erbschaftsbesitzer i.S. der §§ 2018 ff. BGB gem. §§ 2027, 2028 BGB nur über den Bestand und den Verbleib des Nachlasses Auskunft geben muss, nicht aber über den Wert der Nachlassgegenstände oder über den Stand der Nachlassverbindlichkeiten2, treffen den vorläufigen Erben solche weiter gehenden Informationspflichten gem. §§ 666, 681 Satz 2, 1959 Abs. 1 BGB. Es besteht auf Verlangen die Verpflichtung zur umfassenden Rechenschaftslegung gegenüber dem endgültigen Erben, d.h., der vorläufige Erbe muss in verkehrsüblicher Weise über die Ausführung der erbschaftlichen Geschäfte berichten, eine Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben anfertigen und sonstige Detailinformationen geben3.
3. Ansprüche des Zwischenerben gegen den endgültigen Erben 120
Hat der vorläufige Erbe erbschaftliche Geschäfte wie ein verständiger Erbe besorgt, so steht ihm gegen den endgültigen Erben ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 670, 683 Satz 1, 1959 Abs. 1 BGB zu. Ein Ausschluss des Anspruchs nach § 685 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, da der vorläufige Erbe regelmäßig selbstbezogen handelt4. Soweit der vorläufige Erbe eingegangene Verbindlichkeiten noch nicht erfüllt hat, steht ihm gegen den Erben ein Befreiungsanspruch gem. §§ 257, 670, 683 Satz 1, 1959 Abs. 1 BGB zu. Durch Pfändung und Überweisung dieses Anspruchs erlangen Gläubiger des vorläufigen Erben die ihnen sonst verschlossene Möglichkeit, gegen den endgültigen Erben vorzugehen (dazu Rz. 125). Forderungen auf Aufwendungsersatz gegen den endgültigen Erben sind Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 1967 BGB5, so dass eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass infrage kommt. Im Rahmen eines Nachlassinsolvenzverfahrens stellen die Ansprüche des vorläufigen Erben auf Aufwendungsersatz gem. § 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO Masseverbindlichkeiten dar.
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Palandt/Sprau, Einf. v. § 677 Rz. 10, 11. Sarres, ZEV 1999, 216 (217); MüKo/Helms, § 2027 Rz. 6, 7. Sarres, ZEV 1999, 216 (217); Palandt/Sprau, § 666 Rz. 4. MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 4. Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 6.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 122 C II
4. Zurechnung von Handlungen des Zwischenerben a) Verfügungen Durch die Ausschlagung wird rückwirkend auch die Eigentümerposition des (vorläufigen) Erben beseitigt. Verfügungen über Nachlassgegenstände können dem endgültigen Erben gegenüber gleichwohl wirksam sein. Zum einen kommt gutgläubiger Erwerb infrage. Bei beweglichen Sachen richtet sich dieser nach den §§ 932 ff., 1032, 1207 BGB (zu § 935 BGB vgl. Rz. 116), bei unbeweglichen Sachen nach § 892 BGB. Allerdings muss sich der gute Glaube nicht nur auf die Berechtigung als Eigentümer beziehen, sondern auch auf das Nichtbestehen des Ausschlagungsrechts bzw. eines Grundes zur Anfechtung der Annahme1. Wusste der Erwerber bzw. wusste er im Fall des § 932 Abs. 2 BGB grob fahrlässig nicht, dass der Veräußerer nur vorläufiger Erbe ist, so konnte er nämlich nicht darauf vertrauen, dass die Berechtigung kraft Erbenstellung auf jeden Fall dauerhaft sein werde. – Daneben kommt wirksamer Erwerb aufgrund Erbscheins gem. § 2366 BGB in Betracht. Allerdings beseitigt auch hier die Kenntnis von der Vorläufigkeit der Erbenstellung den öffentlichen Glauben2. – Schließlich kann der endgültige Erbe die Verfügungen auch gem. § 185 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. BGB genehmigen.
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Neben diesen allgemeinen Tatbeständen für den Erwerb vom Nichtberechtig- 122 ten enthält § 1959 Abs. 2 BGB noch eine Sondervorschrift. Danach ist eine Verfügung des vorläufigen Erben dann wirksam, wenn sie nicht ohne Nachteil für den Nachlass aufgeschoben werden konnte. Auf eine etwaige Kenntnis des Erwerbers von der Vorläufigkeit der Erbenstellung kommt es hier nicht an, da § 1959 Abs. 2 BGB kein Gutglaubenserwerbstatbestand ist3. Verfügungen sind Rechtsgeschäfte, die auf ein zum Nachlass gehörendes Recht unmittelbar, sei es durch Änderung, Belastung, Übertragung oder Aufhebung, einwirken4. Hierzu zählt auch die Ausübung von Gestaltungsrechten (zur Erfüllung durch Dritte vgl. Rz. 124). Die Verfügung muss dringlich sein. Ob ein Schaden für den Nachlass eintreten kann, wenn die Verfügung erst später durchgeführt wird, ist nach objektiven und wirtschaftlichen Kriterien zu beurteilen5. Auf den Kenntnisstand oder auf Irrtümer des vorläufigen Erben kommt es nicht an6. Ebenso wenig spielt eine Rolle, ob der Erwerber um die Dringlichkeit weiß7. Das einer Verfügung zugrunde liegende Kausalgeschäft ist von § 1959 Abs. 2 BGB nicht miterfasst8 (vgl. Rz. 125). Mangels Verfügungseigenschaft entfalten 1 Soergel/Stein, § 1959 Rz. 11; MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 7. 2 MüKo/Meyer, § 2366 Rz. 29; Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 15. Regelmäßig ist in dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins eine Annahme zu sehen, so dass es hier praktisch nur um Fälle der Anfechtung der Annahme geht. Der Erwerber müsste also Kenntnis vom Anfechtungsgrund haben. 3 Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 9. 4 Palandt/Heinrichs, Überbl. v. § 104 Rz. 16. 5 OLG Düsseldorf v. 18.11.1998 – 11 U 49/98, ZEV 2000, 64 (65). 6 OLG Düsseldorf v. 18.11.1998 – 11 U 49/98, ZEV 2000, 64 (65). 7 Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 9. 8 RGRK/Johannsen, § 1959 Rz. 7; Palandt/Edenhofer, § 1959 Rz. 3; MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 6; AK/Derleder, § 1959 Rz. 4; Friedrichs, S. 201.
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C II Rz. 123
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
auch rechtskräftige Urteile aus Aktivprozessen des Zwischenerben keine Bindungswirkung für und gegen den endgültigen Erben. Im Falle der Ausschlagung der Erbschaft findet keine Rechtsnachfolge i.S. des § 265 ZPO zwischen dem endgültigen Erben und dem Zwischenerben statt1. Der endgültige Erbe ist aufgrund der Rückwirkung der Ausschlagung gem. § 1953 Abs. 1, 2 BGB nur unmittelbarer Rechtsnachfolger des Erblassers. Soweit jedoch ein Aktivprozess einen unter § 1959 Abs. 2 BGB fallenden Sachverhalt betrifft, wird zu Recht eine Rechtskrafterstreckung analog § 326 Abs. 1 ZPO angenommen2; teils sogar schon dann, wenn nur die Prozessführung als solche dringlich ist3. In diesen Fällen wirkt das Urteil auch gegen den wahren Erben. Die Ansicht4, dass in Fällen außerhalb des § 1959 Abs. 2 BGB eine Klage des vorläufigen Erben dann zulässig ist, wenn er auf Leistung an den endgültigen Erben klagt, ist abzulehnen, da sie die Interessen der anderen Beteiligten nicht hinreichend wahrt: Zum einen sieht sich der Beklagte in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt; ihm ist z.B. die Widerklage nach § 1958 BGB verwehrt. Zum anderen werden auch die Interessen des endgültigen Erben beeinträchtigt. Es ist nicht eindeutig und schon gar nicht zwingend, dass auch er einen solchen Prozess führen würde. Die Vorschrift des § 1959 BGB zeigt aber deutlich, dass er sich nur ausnahmsweise etwas aufdrängen lassen muss, was der vorläufige Erbe zu verantworten hat. Es besteht darüber hinaus auch kein praktisches Bedürfnis für den genannten Weg. Statt eines entsprechend formulierten Klageantrages könnte der vorläufige Erbe auch kurzerhand die Ausschlagung mit der Folge erklären, dass der endgültige Erbe nun selbst die Klage betreiben kann. b) § 1959 Abs. 3 BGB 123
Gem. § 1959 Abs. 3 BGB sind Rechtsgeschäfte gegenüber dem vorläufigen Erben, die dem Erben als solchem gegenüber vorgenommen werden müssen, auch dem endgültigen Erben gegenüber wirksam. Aus dem Wortlaut („gegenüber“) lässt sich erkennen, dass die Vorschrift nur einseitige empfangsbedürftige Rechtsgeschäfte erfasst5 (vgl. Rz. 125). Die in der Norm bezeichnete Wirkung tritt unabhängig davon ein, ob der Erklärende um die Vorläufigkeit der Erbenstellung des Erklärungsempfängers weiß6. Zu den unter § 1959 Abs. 3 BGB fallenden Rechtsgeschäften zählen unter anderem Kündigungen, Anfechtungs- und Rücktrittserklärungen, die Aufrechnung eines Nachlassschuldners mit einer Forderung gegen den Nachlass, Rücktritt und Minderung sowie die Annahme eines Angebots des Erblassers gem. § 153 BGB. Ebenso ist auch das annahmeverzugsbegründende Angebot eines Schuldners dem endgültigen Erben gegenüber wirksam7; davon ist allerdings die Frage, ob die Annahme der 1 2 3 4 5
BGH v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 (364). Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 21; RGRK/Johannsen, § 1959 Rz. 2. MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 12. Erman/Schlüter, § 1959 Rz. 7. RGRK/Johannsen, § 1959 Rz. 12; Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 18; Palandt/Edenhofer, § 1959 Rz. 4. 6 Erman/Schlüter, § 1959 Rz. 6; Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 18. 7 Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 19.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 125 C II
Leistung durch den vorläufigen Erben auch Erfüllungswirkung gegenüber dem endgültigen Erben hat, zu unterscheiden (vgl. dazu Rz. 124). Dagegen kann schon der vorläufige Erbe vor Ablauf der Ausschlagungsfrist nicht in Schuldnerverzug gesetzt werden1, so dass sich die Frage der Bindungswirkung zulasten des endgültigen Erben gar nicht erst stellt. Erst mit der Annahme durch den endgültigen Erben kann die (schon früher ausgesprochene) Mahnung ihre Wirkung gegen diesen entfalten2. c) Erfüllung durch Dritte Dass eine Erfüllung mit befreiender Wirkung dem endgültigen Erben gegenüber durch Leistung an den vorläufigen Erben eintreten kann, entspricht allgemeiner Auffassung. Jedoch herrscht Uneinigkeit über die Voraussetzungen, unter denen eine solche befreiende Erfüllung möglich ist. Vorrangig aus Gründen des Schuldnerschutzes wird eine befreiende Erfüllung teilweise unter § 1959 Abs. 3 BGB gefasst und daher als immer – insbesondere ohne Dringlichkeit – möglich angesehen3. Andere wollen eine befreiende Erfüllung nur unter den Voraussetzungen des § 1959 Abs. 2 BGB, also im Fall der Dringlichkeit, zulassen, da die Erfüllung zugleich eine Verfügung über die zugrunde liegende Forderung sei4 oder jedenfalls wie eine solche behandelt werden müsse5. Nur dann, wenn ein Aufschub der Erfüllung einen Nachteil für den Nachlass bedeuten würde, könnte nach dieser zweiten Ansicht ein Schuldner mit endgültig befreiender Wirkung leisten. In der Praxis dürfte sich der Streit kaum auswirken, da Dringlichkeit gemeinhin schon dann angenommen wird, wenn die Nichtannahme der Leistung zum Annahmeverzug führen würde, der ja auch dem endgültigen Erben gegenüber wirkt6 (vgl. Rz. 126). Nur in den (seltenen) Fällen, in denen ein Schuldner die Leistung vor Fälligkeit und ohne Dringlichkeit für den Nachlass anbietet, wäre der Streit erheblich.
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d) Verpflichtungsgeschäfte Der endgültige Erbe muss nicht für Verbindlichkeiten einstehen, die der Zwischenerbe eingegangen ist (und zwar nicht einmal mit dem Nachlass, geschweige denn mit seinem Eigenvermögen)7. Verpflichtungsgeschäfte fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 1959 Abs. 3 BGB, da sie nicht gegen-
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RG v. 3.4.1912 – III. 259/11, RGZ 79, 201 (203); Palandt/Edenhofer, § 1958 Rz. 4. Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 19. Kipp/Coing, S. 496 f.; MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 10; AK/Derleder, § 1959 Rz. 4. Palandt/Edenhofer, § 1959 Rz. 3; RGRK/Johannsen, § 1959 Rz. 12, sehen in der Annahme eine Verfügung. 5 Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 11; Erman/Schlüter, § 1959 Rz. 4; Soergel/Stein, § 1959 Rz. 9, 12. 6 Soergel/Stein, § 1959 Rz. 10; Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 11; RGRK/Johannsen, § 1959 Rz. 12. 7 H.M. MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 8; Palandt/Edenhofer, § 1959 Rz. 3; RGRK/Johannsen, § 1959 Rz. 7; Friedrichs, S. 200 ff. mit ausführlicher Darstellung und Widerlegung abweichender Auffassungen.
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C II Rz. 126
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
über, sondern mit dem Zwischenerben vorgenommen werden; § 1959 Abs. 3 BGB erfasst nur einseitige Rechtsgeschäfte1. Einzig der Zwischenerbe wird durch die Verbindlichkeit verpflichtet; er haftet dafür auch nach der Ausschlagung mit seinem Eigenvermögen2. Schließt der Zwischenerbe z.B. mit einem Dritten einen Mietvertrag über eine zum Nachlass gehörende Wohnung ab, so ist der endgültige Erbe nicht an diesen Vertrag gebunden3; lediglich der Zwischenerbe schuldet die Erfüllung. Nur wenn der Zwischenerbe hinsichtlich der Verbindlichkeit einen Freistellungsanspruch gem. §§ 1959 Abs. 1, 683 Satz 1, 670, 257 BGB gegen den endgültigen Erben hat, kann es dazu kommen, dass dieser letztlich doch für die Verbindlichkeit einstehen muss. Ist ein solcher Freistellungsanspruch tatsächlich gegeben, besteht für den Gläubiger die Möglichkeit, über den Umweg der Pfändung des Freistellungsanspruchs direkt gegen den endgültigen Erben vorzugehen. Eine unmittelbare Haftung des endgültigen Erben kann sich jedoch im Falle der Fortführung eines Handelsgeschäfts aufgrund spezieller handelsrechtlicher Haftungsvorschriften ergeben (vgl. Rz. 126). e) Fortführung eines Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma 126
Anders als nach den erbrechtlichen Haftungsvorschriften des BGB haftet der endgültige Erbe gem. §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 1 HGB auch für Verbindlichkeiten, die der vorläufige Erbe im Zusammenhang mit einem zum Nachlass gehörenden Handelsgeschäft eingegangen ist, sofern das Geschäft (von vorläufigem und endgültigem Erben) unter der bisherigen Firma fortgesetzt wird4. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Eingehung der Verbindlichkeit objektiv im Rahmen einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung hielt5. Der Unterschied zwischen den erbrechtlichen und den handelsrechtlichen Haftungsvorschriften ist mit der besonderen ratio der §§ 25 ff. HGB zu erklären. Sie besteht darin, dass die in der Fortführung unter der bisherigen Firma nach außen zum Ausdruck kommende Kontinuität des Unternehmens auch in haftungsrechtlicher Hinsicht konsequent umgesetzt werden soll6. In einer solchen Situation erhält der Gläubiger somit zwei Schuldner. Der Zwischenerbe haftet persönlich nach erbrechtlich-schuldrechtlicher Regelung, während daneben der endgültige Erbe nach handelsrechtlichen Haftungsgrundsätzen für die Verbindlichkeit einzustehen hat. Diese für den Gläubiger vorteilhafte Situation rechtfertigt auch die analoge Anwendung der Sonderverjährungsregel des § 26 HGB zugunsten des Ausschlagenden7. Nach ihr verjähren die Ansprüche der Gläubiger gegen den Ausschlagenden nach fünf Jahren. Führt der
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RGRK/Johannsen, § 1959 Rz. 12. Erman/Schlüter, § 1959 Rz. 5; Staudinger/Marotzke, § 1959 Rz. 12. Beispiel nach MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 8. BGH v. 10.2.1960 – V ZR 39/58, BGHZ 32, 60; Friedrichs, S. 213; Baumbach/Hopt, HGB, § 27 Rz. 4. 5 BGH v. 10.2.1960 – V ZR 39/58, BGHZ 32, 60. 6 BGH v. 10.2.1960 – V ZR 39/58, BGHZ 32, 60 (64); Baumbach/Hopt, HGB, § 25 Rz. 1. 7 Friedrichs, S. 214 f.; Hüffer, in: Großkommentar HGB, § 27 Rz. 18.
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 127 C II
Zwischenerbe das Geschäft unter einer neuen Firma weiter, bleibt es bei der Haftung nach erbrechtlichen Grundsätzen1. f) Der Zwischenerbe in einer Personenhandelsgesellschaft Ist der vorläufige Erbe aufgrund einer Eintrittsklausel, also durch (vom Gesell- 127 schaftsvertrag ermöglichte) Individualvereinbarung mit den verbleibenden Gesellschaftern, in die Gesellschaft aufgenommen worden, liegt bei späterer Ausschlagung eine fehlerhafte Gesellschaft vor2. Während des Vollzugs der fehlerhaften Gesellschaft ist der vermeintliche Erbe nach allgemeinen Grundsätzen vollberechtigter Gesellschafter der OHG. Den übrigen Gesellschaftern steht aufgrund der Fehlerhaftigkeit des Aufnahmevertrages ein Ausschließungsrecht gegen den vorläufigen Erben zu3. Die Ausschlagung selber führt noch nicht zur Aufhebung der Gesellschafterstellung, da diese nicht unmittelbar durch das nun weggefallene Erbe, sondern durch einen rechtsgeschäftlichen Akt entstanden ist. Der wahre Erbe hat trotz des Eintritts des vorläufigen Erben noch immer die Option und gegebenenfalls einen Anspruch auf Eintritt in die Gesellschaft oder die Auszahlung eines Abfindungsguthabens4. Der Anspruch auf das Abfindungsguthaben gegen die Gesellschaft ist aber dann erloschen, wenn die Gesellschaft die Abfindung an einen durch Erbschein legitimierten vorläufigen Erben gezahlt hat5. Ob die Vorlage eines Erbscheins sogar dazu führt, dass der Aufnahmevertrag dem endgültigen Erben gegenüber wirksam ist, mit der Folge, dass keine fehlerhafte Gesellschaft vorliegt6, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Eine solche Wirkung des Erbscheins muss aber abgelehnt werden, da das Eintrittsrecht nicht zum Nachlass gehört; schließlich stand es dem Erblasser selber nicht zu7. Die Wirkung eines Erbscheins kann sich aber nur auf zum Nachlass gehörige Rechte erstrecken. Im Falle einer Nachfolgeklausel (der Erbe wird unmittelbar kraft Erbenstellung Gesellschafter der OHG) wird von Anfang an der endgültige Erbe Gesellschafter, nicht der vorläufige Erbe. Mangels rechtsgeschäftlicher Aufnahme in die Gesellschaft greifen auch nicht die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft8. Nur soweit der vorläufige Erbe durch einen Erbschein legitimiert war oder die Voraussetzungen des § 1959 Abs. 2 BGB vorlagen, muss sich der endgültige Erbe Gewinnauszahlungen, Entnahmen oder sonstige Verfügungen – also auch Änderungen der Gesellschafterstellung, soweit daraus keine Ver1 In dem Wechsel der Firma wird allerdings regelmäßig auch eine Annahme der Erbschaft liegen, vgl. Hüffer, in: Großkommentar HGB, § 27 Rz. 25. 2 Konzen, ZHR 145 (1981), 29 (46); MüKo/Ulmer, § 727 Rz. 66. 3 Fischer, Anm. zu BGH v. 5.3.1964 – II ZR 208/61, LM § 105 HGB Nr. 19. 4 Fischer, FS Heymanns Verlag, S. 271 (274). 5 Fischer, FS Heymanns Verlag, S. 271 (274); Konzen, ZHR 145 (1981), 29 (57); MüKo/ Ulmer, § 727 Rz. 67. 6 So Fischer, FS Heymanns Verlag, S. 271 (280 f.); dagegen Konzen, ZHR 145 (1981), 29 (54); MüKo/Ulmer, § 727 Rz. 67. 7 Flume, Allg. Teil des BGB 1/1, S. 392. 8 MüKo/Ulmer, § 727 Rz. 63; Fischer, Anm. zu BGH v. 5.3.1964 – II ZR 208/61, LM § 105 HGB Nr. 19; a.A. Konzen, ZHR 145 (1981), 29 (63).
Muscheler
1173
C II Rz. 128
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
pflichtungen zulasten des endgültigen Erben resultieren1 – als ihm gegenüber wirksam entgegenhalten lassen. g) Der Zwischenerbe als Gesellschafter einer GmbH
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Beratungssituation: Der Mandant ist Nächstberufener infolge einer Anfechtung der Annahme durch den testamentarischen Erben. Zum Nachlass gehört ein GmbH-Geschäftsanteil. Legitimiert durch öffentliches Testament nebst Eröffnungsprotokoll hat der Anfechtende an Satzungsänderungen und einfachen Beschlüssen mitgewirkt. Der Mandant möchte wissen, ob er an diese Beschlüsse gebunden ist, da sie für ihn nachteilig sind. Darüber hinaus will er wissen, ob und von wem er bereits ausgezahlte Dividenden verlangen kann.
Gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt im Falle der Veränderung in den Personen der Gesellschafter nur derjenige als Inhaber eines Geschäftsanteils, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) eingetragen ist2. Umgekehrt gilt: Ist der Eingetragene in Wirklichkeit nicht der materiell Berechtigte, so gilt er der Gesellschaft gegenüber gleichwohl als materiell berechtigt, mit der Folge, dass alle Handlungen, die er vornimmt oder die ihm gegenüber vorgenommen werden, gültig sind. Zu der Vorgängerregelung des § 16 Abs. 1 GmbHG a.F., wonach im Falle der Veräußerung eines Geschäftsanteils nur derjenige als Erwerber galt, dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet war, war umstritten, ob sie analog auf den Erwerb von Todes wegen angewandt werden kann3. Schließlich erfasste § 16 Abs. 1 GmbHG a.F. lediglich die Veräußerung, also den rechtsgeschäftlichen Erwerb des Geschäftsanteils. Der neue Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist wesentlich weiter gefasst und betrifft nunmehr jeden Gesellschafterwechsel, gleich aus welchem Grunde. Folglich gilt § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG auch für den Erwerb eines GmbHGeschäftsanteils von Todes wegen. Handlungen des Zwischenerben, wie etwa die Teilnahme bei der Beschlussfassung in Gesellschafterversammlungen (§§ 48 ff. GmbHG), sind gegenüber der GmbH nur dann wirksam, wenn der Zwischenerbe in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Für eine Legitimation durch einen Erbschein nach § 2367 BGB bleibt daneben kein Raum mehr. Gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG sind Handlungen der Gesellschaft gegenüber dem Zwischenerben, wie die Auszahlung von Dividenden, auch gegenüber dem endgültigen Erben wirksam, und zwar unabhängig von den Voraussetzungen des § 1959 Abs. 2 und 3 BGB oder des § 2367 BGB. Die GmbH braucht in solchen Fällen keine erneute Inanspruchnahme durch den endgültigen Erben zu befürchten. Die Gesellschaft 1 Konzen, ZHR 145 (1981), 29 (66). 2 § 16 GmbHG wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.10.2008 (BGBl. I S. 2026) neu gefasst und ist ab dem 1.11.2008 in Kraft. 3 Dafür: Kremer/Laux, BB 1992, 159 (162); dagegen die h.M.: Vgl. nur LG Berlin v. 23.8.1985 – 98 T 12/85, BB 1985, 1752 (1753); Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, § 16 Rz. 2.
1174 Muscheler
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 129 C II
darf den Zwischenerben – das Vorliegen der Anforderungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vorausgesetzt – als wahren Gesellschafter behandeln. An dieser Stelle sei betont, dass sich die Wirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ausschließlich auf das Verhältnis sowohl des Zwischenerben als auch des endgültigen Erben zur Gesellschaft beschränkt. Für die Beziehung des Zwischenerben und des endgültigen Erben untereinander gelten die allgemeinen Regeln, insbesondere § 1959 Abs. 2 BGB. So hat etwa der Zwischenerbe an ihn geleistete Dividendenzahlungen an den nächstberufenen Erben gem. § 816 Abs. 2 BGB herauszugeben. h) Der Zwischenerbe als Arbeitgeber Gerät der Zwischenerbe in die Position eines Arbeitgebers, stellt sich zum ei- 129 nen die Frage, ob die Arbeitnehmer gegen ihn Ansprüche haben, und zum anderen, ob sich der endgültige Erbe die Handlungen des Zwischenerben zurechnen lassen muss. Das BAG hat die persönliche Haftung des vermeintlichen Erben mit dem Argument bejaht, dass derjenige, der sich wie ein Arbeitgeber geriere, sich auch wie ein Arbeitgeber behandeln lassen müsse1. Für den Fall der Ausschlagung ergibt sich dieses Ergebnis schon aus der allgemeinen Regel, dass der Ausschlagende grundsätzlich nur sich persönlich verpflichtet. Ob jedoch auch der endgültige Erbe durch die Handlungen des Zwischenerben verpflichtet wird, ist im Bereich des Arbeitsrechts angesichts der differenzierten arbeitsrechtlichen Dogmatik nicht einfach an den allgemeinen Grundsätzen zu messen. Schon das Urteil des BAG vom 5.9.19722 deutet in eine andere Richtung. Hat im Allgemeinen das Interesse des wahren Erben an der Nichtbeeinträchtigung seines Erbes durch Handlungen des Zwischenerben Vorrang, so wird im Arbeitsrecht einer Abwägung zwischen seinen Interessen und denen der Arbeitnehmer der Vorzug gegeben3. Andere wollen in dieser Situation den Zwischenerben als vollmachtlosen Vertreter des endgültigen Erben behandeln. Der Ausschlagende habe einen Anspruch auf Genehmigung der Verträge durch den endgültigen Erben aufgrund eines Aufwendungsersatzanspruchs4. Wie immer man auch eine von den allgemeinen Regeln abweichende Behandlung dieser Frage begründet, sicher ist jedenfalls im Ergebnis, dass im Arbeitsrecht der endgültige Erbe aufgrund der besonders schutzwürdigen Interessen der Arbeitnehmer an die vom Zwischenerben eingegangenen Verbindlichkeiten und Absprachen gebunden ist.
1 BAG v. 5.9.1972 – 3 AZR 212/69, BAGE 24, 411 (422). In diesem Fall war die Wirksamkeit des Testaments streitig. 2 BAG v. 5.9.1972 – 3 AZR 212/69, BAGE 24, 411 (422). 3 Stumpf, FS Brackmann, S. 299 (307). MüKo/Leipold, § 1959 Rz. 8 sympathisiert mit diesem Lösungsansatz. 4 Soergel/Stein, § 1959 Rz. 7.
Muscheler
1175
C II Rz. 130
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
XII. Der Ausschlagungsverpflichtungsvertrag 1. Allgemeines
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Beratungssituation: Der Erblasser möchte mit einem Abkömmling eine Vereinbarung treffen, dass dieser gegen Zahlung einer Abfindung vollständig aus der Erbfolge ausscheidet. Er möchte wissen, ob eine vertragliche Verpflichtung zur Ausschlagung ein geeignetes Mittel ist.
Ein (möglicher) Erbe kann sich in einem schuldrechtlichen Vertrag verpflichten, eine angefallene Erbschaft auszuschlagen. Dieser Vertrag ist von der Ausschlagung selbst zu unterscheiden; die Vorschriften der §§ 1942 ff. BGB finden daher von vornherein keine Anwendung auf ihn1. Beim Ausschlagungsverpflichtungsvertrag sind drei Sachverhaltskonstellationen zu unterscheiden: So kann ein solcher Vertrag schon vor dem Erbfall geschlossen werden, und zwar zum einen mit dem Erblasser und zum anderen mit einem Dritten. Nach dem Erbfall kommt nur noch ein Vertrag mit einem Dritten in Betracht.
2. Abschluss des Vertrags nach dem Erbfall 131
Nach dem Erbfall ist ein Vertrag mit einem Dritten über die Verpflichtung zur Ausschlagung einer Erbschaft formfrei möglich2. Einer Form bedarf dieser Vertrag auch dann nicht, wenn der auszuschlagende Nachlass Gegenstände enthält, die rechtsgeschäftlich nur unter Einhaltung einer besonderen Form übertragen werden können3. Ein entsprechender Vertrag ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Frage einer Abfindung geregelt werden soll. Probleme ergeben sich, wenn die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung wegen Ablaufs der Ausschlagungsfrist oder wegen Annahme nicht mehr möglich ist. In diesem Fall kommt ein Anspruch auf Schadenersatz statt der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB in Betracht, mit dem Ergebnis, dass der Berechtigte die Übertragung des Nachlasses oder des Erbteils als Naturalrestitution verlangen kann4. Dass in diesem Fall die Form der §§ 2371, 311b Abs. 5 BGB hinsichtlich des Verpflichtungsgeschäftes nicht eingehalten ist, spielt kein Rolle, da der Anspruch auf Übertragung des Nachlasses oder des Erbteils nicht auf Vertrag, sondern auf Vertragsverletzung beruht5. Ein weiteres Problem kann sich ergeben, wenn eine andere Person Nächstberufener ist als diejenige, die sich die Vertragsparteien vorgestellt hatten. Die Parteien sollten schon im Vertrag klären, wer dieses Risiko zu tragen hat6.
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MüKo/Leipold, § 1945 Rz. 4. OLG München v. 5.10.1912 – II. ZS., OLGE 26, 288; Soergel/Stein, § 1945 Rz. 15. OLG München v. 5.10.1912 – II. ZS., OLGE 26, 288. Damrau, ZEV 1995, 425 (426). Damrau, ZEV 1995, 425 (426). Vgl. dazu Gothe, MittRhNotK 1998, 193 (222).
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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Rz. 133 C II
3. Abschluss des Vertrags vor dem Erbfall Wird ein Ausschlagungsverpflichtungsvertrag vor dem Erbfall mit einem Dritten geschlossen, so ist dieser Vertrag gem. § 311b Abs. 4 Satz 1 BGB grundsätzlich nichtig. Dies ist anders nur in dem Fall, dass der Vertrag ausschließlich unter zukünftigen gesetzlichen Erben und auch nur im Hinblick auf den gesetzlichen Erbteil geschlossen wird und zudem die Form der notariellen Beurkundung eingehalten ist (§ 311b Abs. 5 BGB)1. Dabei brauchen die Beteiligten nicht unbedingt die nächsten gesetzlichen Erben zu sein; es reicht aus, dass sie überhaupt zum Kreis der möglichen Erben gem. §§ 1924 ff. BGB gehören2. Bezieht sich der Vertrag auf testamentarische Erbteile, so ist der Vertrag nicht zwangsläufig unwirksam, wie man angesichts des Wortlauts der Norm denken könnte, sondern nur dann, wenn die testamentarische Zuwendung den gesetzlichen Erbteil übersteigt. Das liegt daran, dass § 311b Abs. 5 BGB es weniger auf einen bestimmten Berufungsgrund abgesehen hat, sondern vielmehr auf eine quantitative Begrenzung gerichtet ist3.
132
Eine (nach § 311b Abs. 5 BGB wenigstens grundsätzlich denkbare) Verpflichtung zur teilweisen Ausschlagung geht schon wegen § 1950 BGB ins Leere. Verändert sich nach Vertragsschluss, aber vor dem Erbfall der gesetzliche Erbteil – z.B. durch das Versterben anderer gesetzlicher Erben –, so ist dies unerheblich, da es für die Beurteilung der Wirksamkeit auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt4. Allerdings kann eine entsprechende Veränderung dazu führen, dass eine sich an der ursprünglichen Erbquote orientierende Abfindung nun nicht mehr den Vorstellungen jedenfalls eines Beteiligten entspricht. Soweit der Vertrag selbst keine Lösung anbietet, wird eine Abwicklung über das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, angenommen5. Dies scheint angesichts der großen Flexibilität des § 313 BGB auch der richtige Weg zu sein. Soweit ein entsprechender Vertrag Gegenstand der anwaltlichen oder notariellen Beratung ist, sollte eine klare Regelung der Frage in den Vertrag aufgenommen werden. Verstirbt einer der Beteiligten vor dem Erblasser, ist der Vertrag hinfällig. Die Nachkommen des Vorverstorbenen rücken nicht in dessen Position ein6. Zuvor erbrachte Abfindungen müssen gem. § 812 Abs. 1 BGB herausgegeben werden. Auch mit dem Erblasser kann ein Ausschlagungsverpflichtungsvertrag geschlossen werden. Der Vertrag fällt schon nach dem Wortlaut nicht unter die Norm des § 311b Abs. 5 BGB. Teilweise wird ein solcher Vertrag nur in der Gestalt eines Erbverzichts gem. § 2346 BGB für zulässig erachtet7, überwiegend aber behandelt man ihn als eigenständigen und zulässigen Vertrag8. Je-
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Palandt/Heinrichs, § 311b Rz. 73 ff. BGH v. 16.5.1956 – IV ZR 339/55, NJW 1956, 1151. BGH v. 11.5.1988 – IVa ZR 325/86, BGHZ 104, 279 (284). Damrau, ZEV 1995, 425 (426). Damrau, ZEV 1995, 425 (426); Wiedemann, NJW 1968, 769 (773). Damrau, ZEV 1995, 425 (426). MüKo/Musielak, § 2302 Rz. 4. Damrau, ZEV 1995, 425 (427), m.w.N.
Muscheler
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C II Rz. 134
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
doch wird (mit unterschiedlicher Begründung) durchweg die notarielle Beurkundung verlangt1. 134
Vor dem Erbfall ist ein Ausschlagungsverpflichtungsvertrag nur in wenigen Ausnahmefällen empfehlenswert. Regelmäßig erweist sich ein Verzicht nach § 2346 BGB oder nach § 2352 BGB als die bessere Lösung, da dieser unmittelbar die Erbenstellung beseitigt und keines weiteren, fehleranfälligen Umsetzungsaktes, nämlich der Ausschlagungserklärung, bedarf. Gerade für den Erblasser ist der Verzicht die erste Wahl, da er nur bei ihm sichergehen kann, dass das gewünschte Ergebnis auch tatsächlich erreicht wird, zumal unklar ist, ob und von wem der Anspruch auf Ausschlagung überhaupt durchgesetzt werden kann. Der einzige Vorteil des Ausschlagungsverpflichtungsvertrags läge darin, dass – anders als beim Verzicht (§ 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB) – auch auf Erblasserseite eine Stellvertretung möglich ist. Soll der Vertrag zwischen gesetzlichen Erben geschlossen werden, so ergibt sich ein Vorteil daraus, dass eine solche Übereinkunft ohne Wissen und Mitwirkung des Erblassers getroffen werden kann2. Aus steuerlicher Sicht liegt in diesem Fall kein Vorteil vor, da eine Abfindung im Rahmen eines Erbschaftsvertrags gem. § 311b Abs. 5 BGB zwar weder als Abfindung für einen Erbverzicht (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) noch als Abfindung für die Ausschlagung einer Erbschaft (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG), wohl aber als freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbstG3 und daher nicht als steuerfreier Erwerb aus einem Risikogeschäft zu betrachten ist4.
1 Damrau, ZEV 1995, 425 (427); Weidlich, ZEV 2007, 403 (405); Erman/Schlüter, § 1946 Rz. 1, will § 2346 BGB analog anwenden. Für eine analoge Anwendung des § 311b Abs. 5 BGB Soergel/Stein, § 1945 Rz. 15. 2 Damrau, ZEV 1995, 425 (427). 3 BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, ZEV 2001, 163. 4 So noch die Vorinstanz zu BFH v. 25.1.2001 – II R 22/98, ZEV 2001, 163: FG München v. 7.7.1997 – 4 K 2747/93, ZEV 1998, 237 (238).
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III. Die Nachlasspflegschaft Schrifttum: Eulberg/Ott-Eulberg, Die Nachlasspflegschaft, 1999; Jochum/Pohl, Nachlasspflegschaft, 2006; Ziegltrum, Sicherungs- und Prozesspflegschaften, 1986; Zimmermann, Vergütung und Aufwendungsersatz des Nachlasspflegers, ZEV 1999, 329; ZEV 2005, 473; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 2009. Rz. I. Wesen und Zweck der Nachlasspflegschaft 1. Die Regelung der Nachlasspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ähnliche Sachwalterstellungen a) Abwesenheitspflegschaft . . . b) Testamentsvollstreckung . . . c) Pflegschaft für unbekannte Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vermögensvertreter bei DDR-Vermögen . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen der Anordnung der Nachlasspflegschaft 1. Arten der Nachlasspflegschaft . . 2. Voraussetzungen der Anordnung einer gewöhnlichen Nachlasspflegschaft . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen für die Anordnung einer Prozesspflegschaft . . 4. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zuständiges Gericht . . . . . . . . . . 6. Verfahren des Nachlassgerichts. 7. Ende der Nachlasspflegschaft . . III. Entscheidung des Nachlassgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswahl des Nachlasspflegers. . 2. Berufsmäßige Nachlasspfleger. . a) Bestellung mehrerer Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gegennachlasspfleger . . . . . . 3. Aufgabenkreis des Nachlasspflegers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gerichtskosten . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weiteres Verfahren . . . . . . . . . . . 6. Rechtsmittel a) Beschwerde, Erinnerung . . . . b) Rechtsbeschwerde; Weitere Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Rechtsstellung des Nachlasspflegers im Allgemeinen . . . 1. Zugewiesener Wirkungskreis . .
1 2 3 4 5
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Rz. 2. Genehmigung des Nachlassgerichts 3. Schenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Missbrauch der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Interessenkollisionen . . . . . . . . V. Ermittlung, Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. . . . 1. Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mietverhältnis . . . . . . . . . . . . b) Vermieterpfandrecht. . . . . . . c) Renovierung der Wohnung . d) Versorgungsverträge . . . . . . . e) Hausratversicherung . . . . . . f) Testamente. . . . . . . . . . . . . . . 2. Bankverbindungen . . . . . . . . . . . 3. Versicherungen a) Lebensversicherungen . . . . . b) Andere Versicherungen . . . . c) Rentenversicherungsträger . d) Krankenversicherung . . . . . . 4. Bestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abrechnung mit dem früheren Betreuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Aufdeckung sonstiger Vermögenswerte . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gläubigerermittlung . . . . . . . . . 9. Auslandsvermögen . . . . . . . . . . . 10. Verwaltung des Bankguthabens a) Überprüfung früherer Kontobewegungen . . . . . . . . . . . . b) Fortführung, Einrichtung, Auflösung der Girokonten . . c) Schließfächer . . . . . . . . . . . . . d) Geldanlagen . . . . . . . . . . . . . . 11. Vermögensumschichtung . . . . . 12. Verwaltung der Grundstücke . . VI. Erstellung des Nachlassverzeichnisses 1. Inhalt des Verzeichnisses a) Aktiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Nachlasspflegschaft
C III
b) Passiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Genehmigungen des Nachlassgerichts 1. Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Genehmigungsverfahren a) Arten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirksamwerden . . . . . . . . . . . c) Wirksamwerden mit Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen fehlender Genehmigung VIII. Prozesse des Nachlasspflegers; Zwangsvollstreckung 1. Rubrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozesskostenhilfe für den Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwangsvollstreckung a) Vollstreckung in den Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollstreckung für den Nachlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Das Verhältnis Nachlasspfleger – Nachlassgläubiger 1. Pflicht zur Auskunft . . . . . . . . . . 2. Befriedigung der Gläubiger a) Dreimonatseinrede des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . b) Befriedigung der Gläubiger durch den Nachlasspfleger . . 3. Aufgebot der Gläubiger . . . . . . . . 4. Überschuldete Nachlässe. Nachlassinsolvenzverfahren a) Antrag auf Nachlassinsolvenzeröffnung . . . . . . . . . . . . . b) Außergerichtlicher Vergleich 5. Überschuldete Nachlässe mit geringem Aktivvermögen a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . b) Reihenfolge der Befriedigung 6. Kleinstnachlässe ohne Ausschüttung an die Gläubiger . . . . X. Ermittlung der Erben 1. Wirkungskreis . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ermittlungsgang. . . . . . . . . . . . . . a) Suche nach dem Testament . b) Gesetzliche Erbfolge . . . . . . . c) Einschaltung von Erbenermittlern . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Haftung des Nachlasspflegers 1. Haftung gegenüber dem Erben
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Rz. 80 81
83 84 85 86 87
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a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . b) Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs. . . . . . . . c) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung gegenüber Nachlassgläubigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung gegenüber Dritten . . . . 4. Haftung des Erben für den Nachlasspfleger a) Der Nachlasspfleger als Erfüllungsgehilfe des Erben . . . b) Regress des Erben beim Nachlasspfleger . . . . . . . . . . . XII. Aufsicht des Nachlassgerichts über den Nachlasspfleger 1. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berichtspflichten des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufsicht und Weisungen . . . . . . 4. Prüfungspflichten des Nachlassgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rechnungslegung gegenüber dem Nachlassgericht . . b) Rechnungsprüfung . . . . . . . . XIII. Vergütung und Ersatz von Aufwendungen des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . a) Höhe der Vergütung beim Berufspfleger, wenn der Nachlass mittellos ist. . . . . . b) Höhe der Vergütung beim Berufspfleger, wenn der Nachlass vermögend ist . . . . c) Erlöschen des Anspruchs . . . 2. Auslagen des Nachlasspflegers. 3. Festsetzungsverfahren . . . . . . . . XIV. Das Verhältnis Nachlasspfleger – Erbe 1. Privatpersonen als Erben a) Rechenschaftspflicht . . . . . . b) Herausgabe des Nachlasses . c) Vergütungsabrechnung und Zurückbehaltungsrecht . . . . d) Handakten des Nachlasspflegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Fiskus als Erbe a) Vermögende Nachlässe . . . . b) Auftauchen des wirklichen Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz. 114 118 119 120 121
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124 125 126 128 129 130
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138 140 141 142
148 150 156 158 159 160
Nachlasspflegschaft Rz. XV. Steuerliche Rechte und Pflichten des Nachlasspflegers 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Die Steuererklärung . . . . . . . . . . 162
Rz. 3 C III Rz. 3. Der Steuerbescheid. . . . . . . . . . . 164 4. Haftung des Nachlasspflegers für die Erbschaftsteuer . . . . . . . . 167
I. Wesen und Zweck der Nachlasspflegschaft 1. Die Regelung der Nachlasspflegschaft Mit dem Tod des Erblassers geht dessen Vermögen von selbst auf einen oder mehrere Erben über (§ 1922 BGB); es wird ihnen nicht (wie zum Teil im Ausland) von einer amtlichen Stelle überantwortet. Die Erben werden Eigentümer des Nachlasses und auch Besitzer (§ 857 BGB), selbst wenn sie nichts vom Erbfall wissen und wenn kein Erbschein beantragt oder erteilt ist. Ist den Erben der Erbfall bekannt, werden sie sich darum kümmern. Ist der Erbfall den Erben unbekannt, kann es sein, dass der Nachlass einer gerichtlichen Fürsorge bedarf. Das wichtigste Sicherungsmittel des Gerichts ist die Bestellung eines Nachlasspflegers, in der Regel mit den Wirkungskreisen „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses, Ermittlung der Erben“.
1
Die Nachlasspflegschaft ist in §§ 1960, 1961 BGB geregelt; diese Bestimmungen werden ergänzt, indem § 1915 Abs. 1 BGB für alle Pflegschaften, also auch für die Nachlasspflegschaft, auf die entsprechende Geltung des Vormundschaftsrechts (nicht aber des Betreuungsrechts!) verweist, also auf §§ 1773–1895 BGB. An die Stelle des Vormundschaftsgerichts tritt hierbei das Nachlassgericht, § 1962 BGB. Verfahrensrechtlich verweist § 340 Nr. 1 FamFG für die Nachlasspflegschaft auf §§ 271 ff. FamFG. Jedoch bleibt es bei den allgemeinen Zuständigkeitsbestimmungen (§§ 343, 344 FamFG). Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des bzw. der (bislang unbekannten) Erben1. Er ist nicht Vertreter des Nachlasses, weil der Nachlass ohne eigene Rechtspersönlichkeit ist. Auch ist er nicht, wie der Testamentsvollstrecker, Inhaber eines Amts.
2. Ähnliche Sachwalterstellungen a) Abwesenheitspflegschaft Hat der Erbe die Erbschaft angenommen und ist er dann unbekannten Aufenthalts, kann ihm ein Abwesenheitspfleger nach § 1911 BGB bestellt werden.
2
b) Testamentsvollstreckung Die Testamentsvollstreckung wird vom Erblasser angeordnet (§ 2197 BGB); sie entfaltet ihre Wirkungen (z.B. Verfügungsbeschränkung der Erben, § 2211
1 BGH v. 14.5.1985 – IX ZR 142/84, NJW 1985, 2596.
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C III Rz. 4
Nachlasspflegschaft
BGB; Schutz des Nachlasses vor Eigengläubigern der Erben, § 2214 BGB) mit dem Todesfall, auch wenn noch kein bestimmter Testamentsvollstrecker vorhanden ist. Wer Testamentsvollstrecker wird, bestimmt der Erblasser; er kann dieses Recht aber auf Dritte (§ 2198 BGB) oder das Nachlassgericht (§ 2200 BGB) übertragen. Die Aufgaben des Testamentsvollstreckers werden vom Erblasser bestimmt. Denkbar ist, dass ein Nachlasspfleger neben einem Testamentsvollstrecker im Amt ist, z.B. wenn die Erben noch unbekannt sind. c) Pflegschaft für unbekannte Beteiligte 4 Zwischen dem Todesfall und dem Beginn des Amts des Testamentsvollstreckers verstreicht eine gewisse, manchmal sehr lange Zeit (weil z.B. noch ein geeigneter Testamentsvollstrecker gesucht werden muss). In dieser Zwischenzeit kann ein Nachlasspfleger bestellt werden, wenn die Erben die Erbschaft noch nicht angenommen haben (oder unbekannt sind) und ein Fürsorgebedürfnis für den Nachlass besteht. Kommt es dagegen darauf an, dass für den noch unbekannten Testamentsvollstrecker ein Vertreter erforderlich ist, ist vom Vormundschaftsgericht auf Anregung beliebiger Personen ein Pfleger (analog) § 1913 Satz 1 BGB zu bestellen1. d) Vermögensvertreter bei DDR-Vermögen 5 Grundbuchberichtigungen aus Anlass von Erbfällen sind früher in der DDR oftmals unterblieben. Der gegenwärtige Eigentümer war daher in vielen Fällen nicht aus dem Grundbuch zu ermitteln, weil noch längst verstorbene Personen eingetragen waren. Die Kommunen konnten dann Vertreter bestellen. Für einen Vertreter gem. § 11b Vermögensgesetz (Spezialregelung gegenüber Art. 233 § 2 Abs. 3 EGBGB) besteht kein Bedürfnis, wenn ein Nachlasspfleger bestellt ist. Ebenso ist es hinsichtlich des von der Stadt bzw. dem Landkreis eingesetzten Vertreters gem. Art. 233 § 2 EGBGB.
II. Voraussetzungen der Anordnung der Nachlasspflegschaft 1. Arten der Nachlasspflegschaft 6 Das BGB unterscheidet drei Arten der Nachlasspflegschaft: – die gewöhnliche Nachlasspflegschaft (auch Sicherungspflegschaft genannt), § 1960 BGB, – die Prozesspflegschaft, § 1961 BGB, – die Nachlassverwaltung, § 1975 BGB.
1 Damrau, ZEV 1996, 81. Nach a.A. (Winkler, Rz. 111a) soll § 1960 BGB analog anzuwenden und ein Nachlasspfleger zu bestellen sein.
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Nachlasspflegschaft
Rz. 11 C III
2. Voraussetzungen der Anordnung einer gewöhnlichen Nachlasspflegschaft Die Erbschaft wurde noch nicht angenommen, der Erbe ist unbekannt (§ 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB). Oder: Ungewissheit über die Erbschaftsannahme: Der Erbe ist zwar bekannt, es ist aber ungewiss, ob er die Erbschaft (wirksam) angenommen hat (§ 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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Es muss ein Bedürfnis für die Bestellung eines Nachlasspflegers bestehen (§ 1960 Abs. 1 Satz 1 BGB).
3. Voraussetzungen für die Anordnung einer Prozesspflegschaft Sie ergeben sich aus § 1961 BGB. Zunächst müssen die Voraussetzungen nach Rz. 7 erfüllt sein. Ferner muss eine Person, die sich eines Anspruchs gegen den Nachlass rühmt und diesen schon vor der Annahme der Erbschaft verfolgen will, beim Nachlassgericht den Antrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers stellen. Ein Bedürfnis ist nicht erforderlich, wohl aber ein Rechtsschutzinteresse für den Antragsteller. Ein Kostenvorschuss kann vom antragstellenden Gläubiger nicht verlangt werden1, weil eine entsprechende Bestimmung in der KostO fehlt.
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4. Antrag Ein Antrag ist nur im Falle des § 1961 BGB Voraussetzung, bei § 1960 BGB kann jedermann die Nachlasspflegschaft anregen.
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5. Zuständiges Gericht Sachliche Zuständigkeit: Die Bestellung eines Nachlasspflegers ist Aufgabe 10 des Nachlassgerichts (§ 1961 BGB); das ist eine Abteilung des Amtsgerichts (§ 23a GVG). In Baden-Württemberg ist zum Teil der Notar Nachlassgericht (Art. 147 EBGB; § 38 BadWürtt-LFGG). Örtliche Zuständigkeit: Sie folgt aus § 343 FamFG, in Sonderfällen aus § 344 Abs. 4 FamFG (Fürsorgebedürfnis) oder aus der Abgabe (§ 4 FamFG); zuständig ist also im Regelfall das Gericht, in dessen Bezirk der Verstorbene seinen Wohnsitz hatte. Funktionelle Zuständigkeit: Sie liegt fast ausnahmslos beim Rechtspfleger, insbesondere ist er für die Anordnung der Pflegschaft, Auswahl und Bestellung des Nachlasspflegers sowie die Festsetzung der Vergütung zuständig (§§ 3 Nr. 2c, 16 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 RPflG); für den Richter bleibt nur die Entscheidung eines Streits zwischen mehreren Nachlasspflegern (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG). Internationale Zuständigkeit: Auch wenn der Erblasser nach ausländischem Erbrecht (vgl. Art. 25 EGBGB) beerbt wurde, ist ein inländisches Nachlassgericht zu vorläufig sichernden Maßregeln berechtigt, auch zur Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB über den in Deutschland belegenen 1 OLG Düsseldorf v. 10.12.2001 – 10 W 134/01, Rpfleger 2002, 227; Palandt/Edenhofer, § 1961 Rz. 1; teils a.A. Weithase, Rpfleger 1993, 143.
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Nachlasspflegschaft
Nachlass1; Art. 24 EGBGB. Es ist auch zur Bestellung eines Nachlasspflegers auf Antrag eines Nachlassgläubigers nach § 1961 BGB berechtigt2. Beides gilt sogar dann, wenn das Heimatrecht des Erblassers eine Nachlasspflegschaft nicht kennt3. Zuständig ist der Richter4 (wegen §§ 16 Abs. 1 Nr. 1, 14 Abs. 1 Nr. 8 RPflG: Anordnung einer Pflegschaft über einen Angehörigen eines fremden Staates), nicht der Rechtspfleger5.
6. Verfahren des Nachlassgerichts 12 Es handelt sich um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wie aus § 342 FamFG folgt. Das Nachlassgericht beginnt sein Verfahren von Amts wegen oder auf Anregung beliebiger Personen („Antrag“). Es herrscht der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG). Das Nachlassgericht hat keine bundeseinheitliche Pflicht selbst Erben zu ermitteln; denn eine entsprechende Vorschrift fehlt. Folge ist, dass das Gericht nur soweit zu ermitteln hat, bis beurteilt werden kann, ob die Voraussetzungen des § 1960 BGB vorliegen. Dazu ist meist kein besonderer Ermittlungsaufwand erforderlich. Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, ist es seine Aufgabe, den Nachlass zu ermitteln, zu sichern und zu verwalten. Ist er dazu wegen psychischer Probleme, wie geistigen Störungen, Altersabbau, nicht in der Lage, kommt die Bestellung eines Betreuers für den Erben durch das Betreuungsgericht infrage (§§ 1896 ff. BGB; §§ 271 ff. FamFG). Ist der Erbe bekannt, hat er aber die Erbschaft noch nicht angenommen, ist bei Bedürfnis die Bestellung eines Nachlasspflegers angebracht. Ist der Erbe unbekannt und ein Fürsorgebedürfnis gegeben, muss ebenfalls ein Nachlasspfleger bestellt werden. Das Gericht kann auch einen Nachlasspfleger nur mit der Ermittlung der Erben beauftragen, ohne ihm weitere Aufgaben zuzuweisen. War der Erblasser Eigentümer eines Grundstücks, dann sind die Erben mit dem Todesfall Eigentümer geworden (§ 1922 BGB) und das Grundbuch ist unrichtig. Das Grundbuchamt soll dem (neuen) Eigentümer die Verpflichtung auferlegen, die Grundbuchberichtigung herbeizuführen (§ 82 GBO). Ist der (neue) Eigentümer unbekannt, ersucht das Grundbuchamt das Nachlassgericht um Ermittlung der Erben (§ 82a Satz 2 GBO). 13
Landesrecht: In einzelnen Bundesländern gelten landesrechtliche Besonderheiten: – In Bayern Art. 37 ff. BayAGGVG6. Das Nachlassgericht hat die Erben von Amts wegen zu ermitteln; das unterbleibt aber, wenn zum Nachlass kein Grundstück oder grundstücksgleiches Recht gehört und nach den Umstän1 BGH v. 26.10.1967 – VII ZR 86/65, NJW 1971, 353. 2 BGH v. 26.10.1967 – VII ZR 86/65, NJW 1971, 353. 3 BGH v. 26.10.1967 – VII ZR 86/65, NJW 1971, 353; Palandt/Thorn, Art. 25 EGBGB Rz. 19. 4 Palandt/Edenhofer, § 1962 Rz. 1; str., offen gelassen vom BayObLG v. 16.8.1982 – 1 Z 73/82, Rpfleger 1982, 423. 5 So aber Dallmayer/Eickmann, RpflG, 1996, § 16 Rz. 16 m.w.N. 6 Bis 31.7.1981 galt in Bayern die Bay.Nachlassordnung. Dazu Haberstumpf/Barthelmess/Schäler/Firsching, Nachlasswesen in Bayern, 4. Aufl.1952.
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Nachlasspflegschaft
Rz. 17 C III
den des Falls anzunehmen ist, dass ein die Beerdigungskosten übersteigender Nachlass nicht vorhanden ist. – Für Baden-Württemberg § 41 BadWü LFGG1. Rechtliches Gehör: Vor Anordnung einer Nachlasspflegschaft ist den bekannten Miterben rechtliches Gehör zu gewähren. Inwieweit auch sog. Erbprätendenten (Personen, die als Erben infrage kommen) rechtliches Gehör zu geben ist, ist umstritten2 (vgl. § 345 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 FamFG) und meines Erachtens eine Frage des Einzelfalls. Die Nichtgewährung wird damit begründet, das Nachlassgericht werde nur vorläufig sichernd tätig.
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Haftung des Nachlassgerichts (§ 839 BGB; Art. 34 GG): Infrage kommt eine Haftung wegen schuldhafter Schadensverursachung infolge Nichtvorlage von Nachlassverzeichnissen, von Abrechnungen, von Berichten; Bestellung ungeeigneter Nachlasspfleger, welche das Vermögen unterschlagen; Fehler bei der Genehmigung von Rechtsgeschäften des Nachlasspflegers; Ansprüche der Erben auf Vergütungserstattung, wenn die Bestellung des Nachlasspflegers überflüssig war (denn der Vergütungsanspruch des Pflegers wird hierdurch nicht berührt).
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7. Ende der Nachlasspflegschaft Das Amt endet mit der Entlassung des Nachlasspflegers, welche unter den 16 Voraussetzungen des § 1886 BGB zulässig ist; die Pflegschaft besteht dann fort und es ist ein anderer Nachlasspfleger zu bestellen. Davon ist zu unterscheiden der Regelfall: Die Nachlasspflegschaft wird aufgehoben, weil der Erbe ermittelt ist oder kein Fürsorgebedürfnis mehr besteht; damit wird auch die Bestellung des Nachlasspflegers aufgehoben.
III. Entscheidung des Nachlassgerichts Infrage kommt eine Ablehnung der Anordnung der Nachlasspflegschaft. Ein Vorbescheid ist nicht zulässig, weil aus einer Anordnung keine Gefahren für die Erben erwachsen können. Bei Anordnung ist zu unterscheiden zwischen der Anordnung der Nachlasspflegschaft und der Auswahl einer bestimmten Person zum Nachlasspfleger (es gibt also keine sog. Einheitsentscheidung wie im Betreuungsrecht). Bei unklaren Beschlüssen liegt in der Bestellung zugleich die Anordnung. Der Beschluss (Register VI) lautet beispielsweise:
Formulierungsvorschlag Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des am . . . in . . . verstorbenen Rentners XY, geb. . . ., zuletzt wohnhaft . . . wird angeordnet. Zum Nachlasspfle1 Dazu Sandweg, BWNotZ 1986, 5 und BWNotZ 1979, 25. 2 Vgl. OLG Köln v. 4.1.1989 – 2 Wx 39/88, FamRZ 1989, 435.
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ger wird . . . bestellt. Er führt die Pflegschaft berufsmäßig. Wirkungskreis: Sicherung und Verwaltung des Nachlasses; Ermittlung der Erben.
1. Auswahl des Nachlasspflegers 18 Das Nachlassgericht (Rechtspfleger) ist in der Auswahl frei. Zu bestellen ist eine natürliche Person, In- oder Ausländer, sie muss geeignet sein (§§ 1779 Abs. 2, 1915 Abs. 1 BGB). Das Nachlassgericht kann dem Nachlasspfleger aufgeben, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen (§§ 1915 Abs. 1, 1837 Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Kosten hierfür kann der Nachlasspfleger sogleich dem Nachlass entnehmen bzw. ihre Erstattung aus dem Nachlass verlangen (§ 1835 Abs. 2 Satz 1 BGB); dies gilt allerdings nicht, wenn der Nachlasspfleger ein berufsmäßiger Pfleger ist (wie z.B. ein Rechtsanwalt), § 1835 Abs. 2 Satz 2 BGB, denn hier sind die Kosten der entsprechenden Versicherung Teil der Gemeinkosten des Pflegers und werden mittelbar über das Honorar bezahlt. Bei Rechtsanwälten und Notaren, welche eine Berufshaftpflichtversicherung unterhalten, ist zu prüfen, inwieweit die Führung von Nachlasspflegschaften tatsächlich mitversichert ist.
2. Berufsmäßige Nachlasspfleger 19 §§ 1836, 1915 Abs. 1 BGB unterscheiden bezüglich der Vergütung zwischen Pflegern, die die Pflegschaft berufsmäßig führen, und anderen Pflegern (den ehrenamtlichen). Ob Berufsmäßigkeit vorliegt, wird seit 1999 bei jeder Nachlasspflegschaft durch Beschluss des Nachlassgerichts (Rechtspfleger) festgestellt. Es gibt keine generelle Anerkennung der Berufsmäßigkeit für alle Pflegschaften oder alle Amtsgerichte. Das Nachlassgericht hat bei der Feststellung kein Ermessen. Ein Antrag des Pflegers ist nicht erforderlich. Die Feststellung ist schon bei der Bestellung des Pflegers (also am Anfang) zu treffen, kann aber auch nachgeholt werden. Fehlt die Feststellung der Berufsmäßigkeit, kann der Berufspfleger die Übernahme der Pflegschaft ablehnen (vgl. § 1786 BGB). Fehlt die Feststellung, hält sich der Pfleger aber für einen Berufspfleger, kann er Ergänzung beantragen und schließlich Beschwerde einlegen; die Beschwerde ist befristet (§§ 58 ff., 63 FamFG). Die Berufsmäßigkeit darf nur (muss aber dann auch) vom Nachlassgericht festgestellt werden, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 VBVG vorliegen. Ein Anwalt ist nicht zwingend berufsmäßiger Pfleger. a) Bestellung mehrerer Nachlasspfleger 20 Das Nachlassgericht könnte zwei oder mehr Nachlasspfleger als Mitpfleger bestellen (vgl. §§ 1775 Abs. 1 Satz 2, 1915 Abs. 1 BGB), falls „besondere Gründe“ für die Bestellung mehrerer Personen vorliegen. Die beiden Pfleger können verschiedene Aufgabenkreise haben (sog. geteilte Mitpflegschaft); Beispiel: X erhält den Wirkungskreis Erbenermittlung, Y den Wirkungskreis Vermögensverwaltung. Betrifft eine Frage beide Wirkungskreise (Beispiel: Die 1186 Zimmermann
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Erbenermittlung verursacht hohe Kosten) und können sich die Mitpfleger nicht einigen, entscheidet das Nachlassgericht, §§ 1915, 1962, 1798 BGB. Die beiden Pfleger können den gleichen Wirkungskreis haben (sog. gemeinsame Mitpflegschaft). So wäre es z.B., wenn die beiden Mitglieder einer Anwaltssozietät bestellt würden. Dann haben nur beide Pfleger gemeinsam das Vertretungsrecht. Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitpflegern entscheidet das Nachlassgericht (§§ 3 Nr. 2c, 16 RPflG) gem. §§ 1915, 1797, 1798 BGB. Die Bestellung von Mitpflegern ist in der Praxis nicht üblich. b) Gegennachlasspfleger Aus §§ 1915 Abs. 2, 1792 BGB folgt, dass neben einem Nachlasspfleger ein Gegenvormund allenfalls dann in Betracht käme, wenn die (unbekannten!) Erben minderjährig sind. Aus §§ 1915 Abs. 1, 1792 BGB folgt aber, dass das Nachlassgericht neben dem Nachlasspfleger immer dann einen Gegennachlasspfleger bestellen kann, wenn der Nachlass vermögend ist1. Ein Gegenpfleger wirkt an der Aufnahme des Vermögensverzeichnisses mit, ihm sind vom Nachlasspfleger die laufende Rechnung und die Schlussrechnung vorzulegen (§§ 1802 Abs. 1 Satz 2, 1842, 1891 Abs. 1 BGB). Der Gegenpfleger ist (anders als der Nachlasspfleger, § 1960 BGB) kein gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben, auch kein Mit-Nachlasspfleger. Er wird ähnlich wie ein Nachlasspfleger vergütet (§§ 1835, 1836 BGB). Gegennachlasspfleger werden in der Praxis sehr selten bestellt.
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3. Aufgabenkreis des Nachlasspflegers In der Regel ist Aufgabenkreis die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses und/oder die Ermittlung der Erben. Gegenstand der Pflegschaft ist ferner in der Regel der ganze Nachlass.
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Teilnachlasspflegschaft: Wenn die Voraussetzungen nur für den Anteil eines Miterben vorliegen, darf die Nachlasspflegschaft nur für diesen Anteil angeordnet werden. Beispiel: Von drei Stämmen ist ein Stamm mit 1/3-Erbanteil bekannt, die Angehörigen der anderen Stämme, welche im Ausland wohnen, nicht. In den Fällen des § 1961 BGB wäre denkbar, dass der Pfleger zur Wahrnehmung der Rechte des Erben gegenüber einem einzelnen Nachlassgläubiger bestellt wird, der eine bestimmte Summe geltend macht2; zulässig wäre aber auch, ihn allgemein mit der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses zu beauftragen.
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4. Gerichtskosten Für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft wird eine 1/1-Gebühr nach der Kostenordnung erhoben (§ 106 Abs. 1 Satz 1 KostO). Sie wird mit der Anord1 Ziegltrum, S. 113. 2 BayObLG v. 1.3.1960 – BReg 2 Z 216/59, BayObLGZ 1960, 93; Zimmermann, FGPrax 2004, 198.
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nung fällig (§ 106 Abs. 1 Satz 2 KostO). Zahlungspflichtig sind die Erben (§ 6 KostO). Wird der Antrag auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft zurückgewiesen oder vor Erlass der Entscheidung zurückgenommen, fällt keine Gebühr an1; denn § 106 Abs. 3 KostO betrifft nur die Nachlassverwaltung und sieht für die Nachlasspflegschaft (Fälle: § 1960 oder § 1961 BGB) keine Gebühr vor, auch nicht nach § 130 Abs. 1 KostO, weil Nachlasspflegschaften nicht nur auf Antrag angeordnet werden.
5. Weiteres Verfahren 25 Die Anordnung der Nachlasspflegschaft wird dem Erbschaftsteuer-Finanzamt mitgeteilt, § 33 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG. Der Nachlasspfleger wird durch den Rechtspfleger „verpflichtet“; darüber wird eine Niederschrift errichtet. Die Bestallungsurkunde wird ihm ausgehändigt (§§ 1915, 1791 Abs. 1 BGB). Zwar besteht eine Übernahmepflicht (§§ 1915 Abs. 1, 1785 BGB), doch wird dies in der Praxis nicht durchgesetzt; ein Ablehnungsrecht besteht in bestimmten Fällen (§ 1886 BGB).
6. Rechtsmittel a) Beschwerde, Erinnerung 26 Infrage kommt nur die Beschwerde, §§ 58 ff. FamFG, bzw. Erinnerung, § 11 RPflG. Sie wird beim Amtsgericht eingelegt (§ 64 Abs. 1 FamFG). Anwaltszwang besteht nicht. Ein bestimmter Antrag muss nicht gestellt werden (§ 65 FamFG), doch ist das üblich. Eine Begründung der Beschwerde ist nicht vorgeschrieben, aber zweckmäßig. Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht (§ 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG), in der Regel durch einen Einzelrichter (§ 68 Abs. 4 FamFG). Übergangsrecht: Art. 111 FGG-RG. Die Kostenentscheidung in zweiter Instanz richtet sich nach §§ 81, 82 FamFG. 27
aa) Gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft. Die Anordnung erfolgt durch einen Beschluss (§ 38 FamFG) und unterliegt daher der befristeten Beschwerde, §§ 58 ff., 63 FamFG, § 11 RPflG. Beschwerdeberechtigt (§ 59 FamFG) gegen die Anordnung ist derjenige, der sich für den Erben hält2, auch derjenige, welcher Erbe wäre, wenn ein Testament gültig wäre3, der Testamentsvollstrecker4. Der ausgewählte Nachlasspfleger kann nach h.M. ebenfalls gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft als solche Beschwerde einlegen5, weil er (nach seiner Behauptung) ohne gesetzlichen Grund zur Wahrnehmung fremder Angelegenheiten herangezogen wird.
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bb) Gegen die Auswahl des Nachlasspflegers. Die Beschwerde kann auch auf die Auswahl des Pflegers beschränkt werden. 1 2 3 4 5
Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 16. Aufl. 2005, § 106 Rz. 46. Keidel/Kahl, § 20 FGG Rz. 80. Vgl. BayObLG v. 11.9.1995 – 1 Z BR 113/95, FamRZ 1996, 308. KG v. 19.5.1972 – 1 W 860/72, Rpfleger 1972, 402. OLG Frankfurt v. 26.10.1993 – 20 W 408/93, FamRZ 1994, 265.
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Rz. 33 C III
cc) Gegen die Ablehnung der Anordnung der Nachlasspflegschaft. Statthaft ist die Beschwerde (§ 58 FamFG). Beschwerdeberechtigt ist (§ 59 FamFG), wer in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Beschwerdeberechtigt ist z.B. ein Miterbe, wenn sein Antrag, für die restlichen Erbquoten einen Nachlasspfleger zu bestellen, damit er die Auseinandersetzung betreiben kann, abgelehnt wird1. Im Falle des § 1960 BGB sind die Nachlassgläubiger nicht beschwerdeberechtigt2. Gegen die Ablehnung einer Pflegschaft im Sinne von § 1961 BGB (Prozesspflegschaft) ist der antragstellende Nachlassgläubiger dagegen beschwerdeberechtigt3, §§ 59 Abs. 1, 2 FamFG. Denn auf Antrag eines Nachlassgläubigers ist zwingend eine Prozesspflegschaft anzuordnen (§ 1961 BGB), so dass der Gläubiger durch eine Ablehnung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Beschwerdeberechtigt sind auch diejenigen Gläubiger, die zum Antrag in erster Instanz berechtigt gewesen wären, den Antrag aber nicht gestellt haben4.
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dd) Gegen die Aufhebung der Nachlasspflegschaft. Sie ist zu unterscheiden von der Entlassung des Nachlasspflegers unter Fortbestand der Pflegschaft. Gegen die Aufhebung hat der Nachlasspfleger kein Beschwerderecht5, weil er kein eigenes Recht auf die Pflegschaftsanordnung hat. Ausnahmsweise kann sich ein Beschwerderecht aus § 59 Abs. 1 FamFG ergeben, wenn der Pfleger ein rechtliches Interesse an der Aufrechterhaltung zwecks Durchsetzung seiner Gebührenansprüche hat. Gegen die Aufhebung der gem. § 1961 BGB angeordneten Prozesspflegschaft ist zumindest der Nachlassgläubiger, der sie beantragt hatte, beschwerdeberechtigt (§ 59 Abs. 2, 1 FamFG)6.
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ee) Gegen die Entlassung des Nachlasspflegers. Der Nachlasspfleger hat ein Beschwerderecht (§ 59 FamFG)7, wenn er selbst entlassen wird, die Pflegschaft aber fortbesteht.
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ff) Gegen die Vergütungsfestsetzung. Auch hier ist die befristete Beschwerde statthaft, §§ 168, 58 ff. FamFG. Vgl. Rz. 145.
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b) Rechtsbeschwerde; Weitere Beschwerde Gegen die Beschwerdeentscheidung des OLG ist die Rechtsbeschwerde zum BGH (§ 133 GVG) statthaft, wenn sie vom OLG zugelassen wurde (§§ 70 ff. FamFG). Die frühere weitere Beschwerde hat das FGG-RG abgeschafft.
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KG v. 13.11.1970 – 1 W 7814/70, NJW 1971, 565 = KG OLGZ 1971, 210. KG v. 17.6.1999 – 1 W 6809/98, NJWE-FER 2000, 15. KG v. 17.6.1999 – 1 W 6809/98, NJWE-FER 2000, 15. BayObLG v. 12.9.1991 – BR 2 Z 101/91, NJW-RR 1992, 150; Keidel/Kahl, § 20 FGG Rz. 51. 5 RG v. 30.3.1936 – IV B 7/36, RGZ 151, 57. 6 OLG Hamm v. 3.7.1987 – 15 W 182/87, Rpfleger 1987, 416. 7 OLG Oldenburg v. 25.2.1998 – 5 W 263/97, FGPrax 1998, 108.
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C III Rz. 34
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IV. Die Rechtsstellung des Nachlasspflegers im Allgemeinen 34 Der Nachlasspfleger vertritt die unbekannten Erben (§§ 1960, 1915 Abs. 1, 1793 BGB). Seine Vertretungsmacht hat aber Grenzen. Diese sind: – der zugewiesene Wirkungskreis; – das Erfordernis einer Genehmigung des Nachlassgerichts zu zahlreichen Geschäften; – Schenkungsverbot; – keine Handlungsmacht bei Interessenkollision; – Beschränkung neben anderen Amtsträgern. Die Vertretungsmacht des Nachlasspflegers verdrängt die Verpflichtungsbefugnis der Erben nicht; ein Einwilligungsvorbehalt wie bei der Betreuung (§ 1903 BGB) ist nicht möglich. Der Erbe kann sich trotz Bestehens der Nachlasspflegschaft verpflichten und verfügen. Werden einzelne Erben ermittelt und nehmen sie die Erbschaft an, müsste an sich das Nachlassgericht die Pflegschaft einschränken auf die Erbteile der noch nicht ermittelten Erben.
1. Zugewiesener Wirkungskreis 35 Der Umfang der Vertretungsmacht ergibt sich im Einzelnen aus dem Wirkungskreis, der dem Nachlasspfleger im Beschluss des Nachlassgerichts zugewiesen ist. Manche Aufgaben könnten ihm durch Beschluss des Nachlassgerichts in keinem Falle zugewiesen werden; ein solcher Beschluss wäre insoweit nicht nur anfechtbar, sondern wirkungslos. Überschreitet er diesen Bereich, wird er als Vertreter ohne Vertretungsmacht tätig; der gute Glaube an die Verfügungsmacht des Pflegers wird nicht geschützt. Zum Wirkungskreis „Vermögensverwaltung“ gehört auch das Recht, den Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen (§ 317 Abs. 1 InsO). 36 Der Nachlasspfleger hat nicht die Aufgabe, das Recht oder die Pflicht, zu klären, wer von mehreren infrage kommenden Personen der wirkliche Erbe ist. Dies ist Aufgabe des Nachlassgerichts. Für die Erben, die er ermitteln soll, kann er keinen Erbschein beantragen (es sei denn, er wird von den ermittelten Erben bevollmächtigt). Eine gegen den Nachlasspfleger gerichtete Klage eines Erbprätendenten auf Feststellung des Erbrechts wäre daher i.d.R. unzulässig. Das Testament kann er nicht anfechten. Die Erbunwürdigkeitsklage vor dem Zivilgericht kann er nicht erheben. Auf die Beschränkung der Haftung der Erben kann er nicht verzichten (§ 2012 Satz 3 BGB). Die Nachlassverwaltung kann der Nachlasspfleger nicht beantragen (umstritten). Die Auseinandersetzung der Erben kann ihm vom Gericht nicht als Aufgabe zugewiesen werden; die Erben können ihn aber hiermit beauftragen, doch wird er dann nicht als Nachlasspfleger tätig. 1190 Zimmermann
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Rz. 42 C III
2. Genehmigung des Nachlassgerichts, §§ 1915, 1812 ff., 1821, 1822 BGB. 37 Vgl. Rz. 83.
3. Schenkungen Der Nachlasspfleger darf als gesetzlicher Vertreter der Erben grundsätzlich nichts aus dem Vermögen des Erblassers verschenken (§§ 1804, 1915 Abs. 1 BGB). Darunter fallen auch teilweise unentgeltliche Geschäfte, wie „verbilligte Verkäufe“. Macht er es trotzdem, ist die Schenkung nichtig.
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4. Missbrauch der Vertretungsmacht War der Missbrauch der Vertretungsmacht dem Dritten bekannt oder erkennbar, sind ihm vertragliche Rechte gegen die Erben möglicherweise verwehrt.
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5. Interessenkollisionen §§ 1795, 181, 1915 BGB. Der Nachlasspfleger kann deshalb grundsätzlich selbst nichts aus dem Nachlass kaufen oder in Verrechnung auf seine Vergütungsforderung, z.B. Antiquitäten aus dem Nachlass, an sich übereignen.
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V. Ermittlung, Sicherung und Verwaltung des Nachlasses Diese Komplexe gehen ineinander über und werden daher zusammengefasst dargestellt. Die Ermittlungen beginnen, sobald der Nachlasspfleger die Nachlassakte eingesehen hat, weil sich daraus meist die ersten Anhaltspunkte ergeben.
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1. Wohnung Beim erstmaligen Betreten der Wohnung sollten die Nachbarn zuvor unter Vorzeigen der gerichtlichen Bestellung verständigt werden (sie verständigen sonst u.U. die Polizei); die Zuziehung von Zeugen ist ratsam. Fehlt der Schlüssel, ist der Nachlasspfleger berechtigt, die Wohnung durch einen Schlüsseldienst öffnen zu lassen (die Kosten sind Auslagen, § 1835 BGB). Der Zustand der Wohnung ist festzustellen, die Anfertigung von Fotos zweckmäßig. Bei wertvollerem Mobiliar erfolgt eine Inventarisierung; Wertgegenstände nimmt der Nachlasspfleger mit und verwahrt sie im Banksafe. Sodann stellt sich die Frage der Räumung und Wohnungsauflösung. Der Nachlasspfleger hat die Aufgabe, den Nachlass für den Erben zu sichern. Es ist nicht seine primäre Aufgabe, den Nachlass zu versilbern, also die Wohnungseinrichtung zu verschenken, verkaufen, versteigern oder wegwerfen („entsorgen“) zu lassen. Die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses können aber dazu führen. Im Einzelfall kommt die Weiterführung des Mietverhältnisses infrage oder die Räumung und Einlagerung in einer Spedition (wobei vorher ein Kostenangebot zu erholen ist) oder die Räumung und Entsorgung bzw. Verkauf. Zimmermann
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C III Rz. 43
Nachlasspflegschaft
a) Mietverhältnis 43 Zu prüfen ist, ob die Wohnung sofort zu kündigen ist, damit das Sonderkündigungsrecht ausgenützt werden kann (§§ 564 S. 2, 580 BGB). Bestehen Mietrückstände? Widerruf von Einzugsermächtigungen bezüglich der Miete? Stand des Kautionskontos? Will der Vermieter bei Wohnungsräumung das Vermieterpfandrecht ausüben? Vorsorglich kann die Einrede des § 2014 BGB erhoben werden. Bei Genossenschaftswohnungen ist die Genossenschaft aufzufordern, die Höhe des Geschäftsanteils mitzuteilen; der Anteil ist zu kündigen. Ob die Kündigung der Wohnung wegen §§ 1915, 1812 BGB genehmigungspflichtig ist, ist streitig, aber zu verneinen. b) Vermieterpfandrecht 44 Macht der Vermieter wegen der Mietrückstände und sonstiger Forderungen aus dem Mietverhältnis von seinem Vermieterpfandrecht an den eingebrachten Sachen des Erblassers Gebrauch (§ 562 BGB), dann sollte er darauf hingewiesen werden, dass er die gepfändeten Sachen öffentlich versteigern lassen muss und über den Erlös gegenüber dem Nachlasspfleger abzurechnen hat; denn § 1257 BGB verweist auf § 1228 Abs. 1 BGB, wonach die Befriedigung des Pfandgläubigers zwar durch Verkauf erfolgt, doch ist der Verkauf wegen § 1233 Abs. 1 BGB nach §§ 1234, 1235 Abs. 1 BGB durch öffentliche Versteigerung zu bewirken. c) Renovierung der Wohnung 45 Wird Renovierung durch den Mieter geschuldet und einigt sich der Nachlasspfleger mit dem Vermieter deswegen, kann dieser Vergleich nach §§ 1915, 1822 Nr. 12 BGB genehmigungsbedürftig sein. d) Versorgungsverträge 46 Strom, Gas, Radio/Fernsehen, Telefon, Telekommunikationsdienste sind zu kündigen. Bei der Post ist ein Postnachsendeauftrag zu erteilen. e) Hausratversicherung 47 Wird die Wohnung nicht gekündigt, sondern bleibt sie längere Zeit mit Wertgegenständen unbewohnt, ist zu beachten, dass der Versicherungsschutz nach einiger Zeit erlischt, wenn die Gefahrerhöhung der Versicherung nicht mitgeteilt wird. f) Testamente 48 Aufgefundene Testamente sind dem Nachlassgericht abzuliefern (§ 2259 BGB). Vergleichsmaterial für eine Schriftuntersuchung ist sicherzustellen.
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Nachlasspflegschaft
Rz. 50 C III
2. Bankverbindungen Die vorhandenen Bankverbindungen des Verstorbenen ergeben sich meist aus den in der Wohnung vorgefundenen Kontoauszügen. Bei kleineren Orten helfen Formularanfragen an die örtlichen Banken und Sparkassen weiter. Bei Großstädten können die Bankenverbände angeschrieben werden.
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Bei der Bank ist Folgendes zu klären bzw. zu veranlassen:
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– Hatte der Verstorbene ein Konto, Wertpapierdepot oder Schließfach unterhalten? – Die einzelnen Konten mit dem Kontostand am Todestag (Datum . . .) sollen dem Pfleger mitgeteilt werden, ebenso der jetzige Kontenstand. – Bei den Konten soll als Inhaberbezeichnung eingetragen werden: N. N. Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger XY. – Alle Kontoauszüge ab dem Todestag sollen laufend an den Nachlasspfleger gesandt werden. – Wurden Konten, Depots, Schließfächer in den letzten Wochen vor dem Tod aufgelöst? – Vollmachten, welche der Verstorbene erteilt hat, werden widerrufen. – Daueraufträge werden widerrufen. – EC-Karten, Kreditkarten, Schecks sollen sofort gesperrt werden. – Abbuchungen aufgrund Einzugsermächtigung und Lastschriften wird widersprochen, auch rückwirkend ab dem Todestag. – Es dürfen keine Barauszahlungen mehr erfolgen, außer an den Nachlasspfleger. – An (angebliche) Gläubiger des Verstorbenen darf von der Bank nichts bezahlt werden, auch nicht an Bestattungsunternehmer unter Vorlage der Bestattungsrechnungen. – Sollte der Verstorbene unter Betreuung gestanden haben, wird die Bank darauf hingewiesen, dass die Vertretungsmacht des Betreuers mit dem Tod des Betreuten erloschen ist; der Betreuer darf nicht mehr über das Konto verfügen. – Pfändungen von Gläubigern des Verstorbenen in das Konto sind nur noch zulässig, wenn der Vollstreckungstitel gegen den Nachlasspfleger umgeschrieben ist. – Eine Kopie der Meldung an das Erbschaftsteuerfinanzamt (§ 33 ErbStG) wird erbeten.
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C III Rz. 51
Nachlasspflegschaft
3. Versicherungen a) Lebensversicherungen 51 Anhaltspunkte ergeben sich aus in der Wohnung vorgefundenen Versicherungsunterlagen sowie aus Abbuchungen der Prämien auf dem Bankkonto. Notfalls kann eine Anfrage an den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft1 weiterhelfen. Die Lebensversicherungsgesellschaft wird gebeten, eine Kopie des Versicherungsscheins zu übersenden, die Höhe der auszuzahlenden Versicherungssumme mitzuteilen. Bitte um Kopie der Mitteilung an das Erbschaftsteuerfinanzamt. Sollte die Versicherungssumme bereits ausbezahlt sein, Bitte um Mitteilung, wie viel wann an wen ausbezahlt wurde, ob aufgrund eines Bezugsrechts oder gegen Vorlage der Versicherungspolice. Sollte ein Bezugsrecht zugunsten eines Dritten bestehen und sollte der Erblasser der Versicherungsgesellschaft den Auftrag erteilt haben, den Eintritt des Versicherungsfalles und die Zuwendung des Bezugsrechts dem Dritten mitzuteilen, kann der Pfleger den Auftrag als Vertreter der Erben widerrufen2. Vor Auszahlung der Versicherungssumme: Genehmigung der Annahme erholen (§§ 1915, 1962, 1812 Abs. 1, 2, 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB). b) Andere Versicherungen 52 Versicherungsverhältnisse werden grundsätzlich vererbt (§§ 1922, 1967 BGB). Doch kommt eine Kündigung des Vertrages in Betracht oder eine Erledigung wegen Entfallen des versicherten Risikos (z.B. Auflösung der Wohnung). Bei Abrechnung können sich Überzahlungen zugunsten des Nachlasses ergeben. c) Rentenversicherungsträger 53 Er sollte vom Tod verständigt werden, damit die Rentenzahlung eingestellt wird. d) Krankenversicherung 54 Bei privat Versicherten sind die Rechnungen der Ärzte, Krankenhäuser, Apotheker usw. zur Erstattung einzureichen, die kurzen Fristen sind zu beachten. Bei Beamten und sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes können die Krankenrechnungen bei den Beihilfestellen (zu erfragen bei der früheren Dienststelle) zur Erstattung von Beihilfe eingereicht werden. Auch hier ist die Frist zu beachten. Sterbegeld wird bewilligt vom öffentlichen Dienst, nach dem Bundesversorgungsgesetz, aufgrund von Tarifverträgen, aber nicht mehr von der gesetzlichen Krankenversicherung.
1 10117 Berlin, Wilhelmstr. 43. 2 BGH v. 21.5.2008 – IV ZR 238/06, NJW 2008, 2782; BGH v. 26.11.1975 – IV ZR 138/74, BGHZ 66, 8/13; BGH v. 30.10.1974 – IV ZR 172/73, NJW 1975, 383; sehr streitig, vgl. Muscheler, WM 1994, 921.
1194 Zimmermann
Nachlasspflegschaft
Rz. 58 C III
4. Bestattung Das Bestattungsinstitut ist aufzufordern, den Auftraggeber zu nennen, den Friedhof (auf dem die Beisetzung erfolgte), Kopien der Rechnungen zu übersenden, über erhaltene Zahlungen (z.B. Sterbegeld) abzurechnen und mitzuteilen, wer den Rest bezahlt hat oder wie viel noch offen ist. Ein eventueller Überschuss ist auf das Nachlasskonto zu überweisen.
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Ist die Bestattung noch nicht bezahlt, sind die Kosten vom Nachlasspfleger abzurechnen, soweit ausreichend Mittel vorhanden sind. Ist die Bestattung noch nicht in Auftrag gegeben, kommt ein Auftrag durch den Nachlasspfleger nur infrage, wenn ausreichend Mittel vorhanden sind. Es gehört in der Regel nicht zu den Aufgaben des Nachlasspflegers, einen Grabstein in Auftrag zu geben. Ebenso verhält es sich mit einem Vertrag mit einer Gärtnerei wegen der sich an die Erstbepflanzung anschließenden Dauergrabpflege.
5. Arbeitgeber Stand der Verstorbene in einem Arbeits- oder Beamtenverhältnis, ist der Arbeitgeber anzuschreiben: Zu fragen ist nach Sterbegeldzahlungen sowie, ob noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt, auf Lohnfortzahlung bestehen; Bitte um Übersendung der Lohnsteuerkarte (zwecks Antrag auf Erstattung).
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6. Abrechnung mit dem früheren Betreuer Der Betreuer hat das verwaltete Vermögen an die Erben (bzw. den Nachlasspfleger) herauszugeben und ihnen gegenüber Rechenschaft zu legen (§ 1890 BGB). Die Erben des Betreuten können auf die Rechenschaftslegung nach § 1890 BGB verzichten. Werden die (unbekannten) Erben durch einen Nachlasspfleger vertreten, kann dieser nicht auf die Schlussrechnung verzichten oder den Betreuer „entlasten“.
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Das Vermögensverzeichnis des Betreuers zum Todestag ist der Anknüpfungspunkt für das Nachlassverzeichnis des Nachlasspflegers. Der Nachlasspfleger hat zu prüfen, ob der Betreuer seine Geschäfte einwandfrei geführt hat oder ob gegen ihn Schadenersatzansprüche bestehen (§§ 1908i Abs. 1, 1833 BGB). Der Schadenersatzanspruch verjährte früher in 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB); seit dem 1.1.2010 ist § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgehoben. Statt dessen sind §§ 195, 199 Abs. 3a BGB einschlägig (Übergangsrecht: Art. 229 § 21 EGBGB). Die rückständige Vergütung stellt eine Nachlassverbindlichkeit dar. Sie wird auf Antrag des Betreuers vom Betreuungsgericht festgesetzt (§ 168 FamFG); der Beschluss des Betreuungsgerichts stellt einen Titel dar, aus dem in den Nachlass vollstreckt werden kann (§ 86 FamFG). Der Auslagenersatz ist dagegen i.d.R. nicht festsetzungsfähig; er muss ggf. vom Betreuer vor dem Zivilgericht gegen die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger, eingeklagt werden.
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C III Rz. 59
Nachlasspflegschaft
7. Aufdeckung sonstiger Vermögenswerte 59 Bei Krankenhäusern und Pflegeheimen finden sich manchmal deponierte Vermögenswerte des Verstorbenen. Der Anspruch auf Steuererstattung gegenüber dem Finanzamt darf nicht vergessen werden. Ein Auskunftsanspruch besteht gegen Hausgenossen, Erbschaftsbesitzer (§§ 2018, 2027, 2028 Abs. 1 BGB).
8. Gläubigerermittlung 60 Dies ist nicht primär Aufgabe des Nachlasspflegers. Das Sozialamt kann Rückzahlung von gewährter Sozialhilfe nach § 102 SGB XII verlangen. Ebenso kommt eine Rückzahlung von Betreuervergütung an die Staatskasse in Betracht (§ 1836e BGB; der Nachlasspfleger ist verpflichtet, dem Betreuungsgericht Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu geben, § 168 Abs. 3 Satz 2 FamFG).
9. Auslandsvermögen 61 Es wird von der Nachlasspflegschaft umfasst. Inwieweit es tatsächlich zum Nachlass gezogen werden kann, ist eine Frage der Praxis des internationalen Privatrechts.
10. Verwaltung des Bankguthabens a) Überprüfung früherer Kontobewegungen 62 Der Nachlasspfleger muss sich nicht nur die Kontoauszüge ab dem Todestag (bzw. ab dem Wirksamwerden der Anordnung der Pflegschaft) bei der Bank besorgen, sondern auch für eine angemessene Zeit vorher. Sind kurze Zeit vor der Anordnung der Nachlasspflegschaft noch Verfügungen von Dritten getroffen worden, ist zu klären, ob eine Berechtigung vorlag. In Betracht kommt, dass die Bank zur Auszahlung nicht berechtigt war (z.B. an den Bestatter); falls die Bank berechtigt zahlte (i.d.R. Vollmacht, Sparbuch), ist zu untersuchen, ob der Empfänger im Innenverhältnis berechtigt war, den Betrag abzuheben und zu behalten. Gegebenenfalls muss der Nachlasspfleger auf Rückzahlung klagen. b) Fortführung, Einrichtung, Auflösung der Girokonten 63
aa) Zusammenfassung. Hatte der Verstorbene mehrere Girokonten bei verschiedenen Banken, mehrere Sparkonten usw., sollte zur Vereinfachung der Verwaltung und Abrechnung eine Zusammenfassung auf ein Girokonto und ein Sparkonto, jeweils bei derselben Bank, erfolgen. Die Zusammenfassung besteht aus der Kündigung einer Bankverbindung und Überweisung des Betrages auf ein anderes Konto und bedarf daher (unabhängig von der Guthabenshöhe) als Verfügung der Genehmigung des Nachlassgerichts (§ 1812 Abs. 1 BGB). Die Einrichtung von Konten bedarf keiner Genehmigung des Nachlassgerichts. Bei verzinslicher Anlage ist aber ein Sperrvermerk erforderlich
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Nachlasspflegschaft
Rz. 67 C III
(§ 1809 BGB). Wird der Sperrvermerk unterlassen, kann der Nachlasspfleger von ihm selbst angelegtes Geld ohne Genehmigung des Nachlassgerichts wieder abheben oder sonst darüber verfügen (§ 1813 Abs. 1 Nr. 3 BGB). bb) Für Abhebungen und Überweisungen braucht der Nachlasspfleger grundsätzlich eine Genehmigung des Nachlassgerichts (§§ 1812, 1915 Abs. 1 BGB). Diese Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn das Nachlassgericht eine allgemeine Ermächtigung (§ 1825 BGB) oder eine Entbindung (§ 1817 BGB) bewilligt hat oder wenn das Guthaben nicht mehr als 3000 Euro beträgt (§ 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Maßgebend ist die Höhe des Gesamtguthabens, nicht die einzelne Abhebung1. Beträgt der Kontostand 5000 Euro, bedarf die Abhebung von 2000 Euro der Genehmigung nach § 1812 BGB; bei einem Kontostand von 2000 Euro dagegen dürfen die ganzen 2000 Euro ohne Genehmigung abgehoben werden. Das ist auf den ersten Blick merkwürdig; Sinn der Regelung ist, dass andernfalls der Nachlasspfleger erhebliche Beträge ohne Kontrolle abheben könnte, indem er den Gesamtbetrag splittet. Die Genehmigungsfreiheit gemäß § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB besteht nicht, wenn es sich um die Abhebung einer Geldanlage mit Sperrvermerk handelt (§ 1809 mit § 1813 Abs. 2 Satz 1 BGB); dann ist eine Entsperrung durch das Nachlassgericht erforderlich. Der Nachlasspfleger braucht ferner keine Genehmigung des Nachlassgerichts, wenn er vorübergehend (§ 1806 BGB) oder andersartig (§ 1811 BGB) angelegtes Geld wieder abheben will (§ 1813 Abs. 1 Nr. 3 a.F., Abs. 2 Satz 2 BGB), gleichgültig, wie hoch der Betrag ist. Diese Einschränkungen haben fast keine Bedeutung mehr, weil die Verfügung über das Konto genehmigungsfrei ist, wenn der Anspruch das Guthaben auf einem Giro- oder Kontokorrentkonto zum Gegenstand hat (§ 1813 Abs. 1 Nr. 3 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts v. 6.7.2009, BGBl I, S. 1696.
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cc) Gemeinschaftskonten. Der Nachlasspfleger muss anhand des Kontoeröffnungsantrags und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank feststellen, ob die Einzelverfügungsbefugnis widerrufen werden kann. Im Übrigen sind die Verfügungen des anderen Kontoinhabers auf ihre Berechtigung zu überprüfen. Bei „Und-Konten“ sind nur beide Konteninhaber gemeinsam verfügungsbefugt.
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dd) Überziehungskredit darf vom Nachlasspfleger nur mit Genehmigung des Nachlassgerichts in Anspruch genommen werden (§§ 1822 Nr. 8, 1915 BGB).
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ee) Anderkonten. Sammelkonten. Der Nachlasspfleger darf das Nachlassgeld weder mit seinem eigenen Geld noch mit dem Geld anderer Nachlässe oder Betreuungen vermischen (vgl. § 1805 BGB). Geld des Nachlasses darf daher nicht auf ein Konto des Nachlasspflegers einbezahlt werden, selbst wenn es ein sog. Anderkonto (Treuhandkonto) ist, obwohl dadurch monatlich einige Euro als Kontoführungsgebühr anfallen. Dies wird § 1805 BGB entnommen.
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1 OLG Köln v. 20.6.1994 – 16 Wx 86/94, FamRZ 1995, 187; a.A. LG Saarbrücken v. 5.6.1992 – 5 T 239/92, FamRZ 1992, 1348.
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C III Rz. 68
Nachlasspflegschaft
Zu trennen sind auch die Gelder mehrerer Pflegschaften untereinander. Die Bildung von Sammelkonten, auf denen sich alle Gelder mehrerer Pflegschaften, Betreuungen, Vormundschaften, befinden, ist daher unzulässig1, selbst wenn durch die Buchführung jederzeit festgestellt werden kann, auf welche Pflegschaft welcher Betrag entfällt. 68 ff) Sparbücher. Spareinlagen gelten als mündelsichere (also zulässige) Formen der Anlage von Nachlassgeld (§§ 1807 Nr. 5, 1915 BGB). Höhere Beträge aber dürfen nicht auf diese Weise angelegt werden, weil der Sparzins gering ist und weil das Guthaben von den Erben erst mit einer zu langen Kündigungsfrist (drei Monate) flüssig gemacht werden kann. 69
gg) Wertpapierdepots. Ob vorgefundene Wertpapierdepots bei einer Bank vom Nachlasspfleger zu sperren sind, ist zweifelhaft; denn § 1809 BGB bezieht sich nur auf § 1807 Abs. 1 Nr. 5 BGB, nicht aber auf Nr. 4 (Pfandbriefe) oder Investmentanteile (in § 1807 BGB nicht genannt). Wenn Bundeswertpapiere wie z.B. Bundesschatzbriefe dagegen bei der Finanzagentur GmbH in Frankfurt kostenfrei gebucht sind, ist die Sperrung erforderlich (§ 1816 BGB). In der Wohnung oder im Schließfach aufgefundene effektive Wertpapiere (z.B. Pfandbriefe, Investmentanteile) sind in ein Wertpapierdepot bei einer Bank oder Sparkasse einzuliefern. Beim Verkauf oder der Einlösung der Papiere bedarf die Annahme der Rückzahlung nach § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB bei Beträgen über 3000 Euro der Genehmigung des Nachlassgerichts, die Verfügung nach § 1812 Abs. 1 BGB.
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hh) Sperrvermerk. Der Nachlasspfleger soll Geld, das bei Anordnung der Pflegschaft in der Form des § 1807 Nr. 5 BGB (i.d.R. als Guthaben bei Banken und Sparkassen, Wertpapierdepots) angelegt vorgefunden wird, und Geld, das er selbst später in dieser Form anlegt, versperrt anlegen (§ 1809 BGB). Eine Entsperrung (Aufhebung der Sperre) bedarf der Genehmigung des Nachlassgerichts (§§ 1812, 1962 BGB). Gläubiger könnten in das gesperrte Guthaben vollstrecken. Von der Verpflichtung, den Sperrvermerk anbringen zu lassen, kann der Nachlasspfleger auf seinen Antrag vom Nachlassgericht im Rahmen des § 1817 BGB entbunden werden. Geld, das zur Bestreitung laufender Ausgaben bereitzuhalten ist, muss nicht versperrt angelegt werden. c) Schließfächer
71 Weder für den Zutritt zum Schließfach noch für die zwangsweise Öffnung braucht der Nachlasspfleger die Genehmigung des Nachlassgerichts. Beim Öffnen des Schließfachs sollten unbedingt Zeugen hinzugezogen (z.B. Bankpersonal) und der Inhalt sofort inventarisiert werden. Festzustellen ist, wer in letzter Zeit beim Schließfach war; die Banken vermerken jeden Zugang in ihren Unterlagen.
1 OLG Köln v. 4.7.1996 – 16 Wx 139/96, FamRZ 1997, 899.
1198 Zimmermann
Nachlasspflegschaft
Rz. 77 C III
d) Geldanlagen Es ist zu unterscheiden: aa) Bei Beginn der Pflegschaft vorgefundenes Bargeld und Guthaben auf (gering verzinslichen) Girokonten sind vom Nachlasspfleger baldigst verzinslich anzulegen (§§ 1908i Abs. 1, 1806 Halbs. 1 BGB), und zwar auf die in § 1807 BGB genannte Art und Weise, mit Sperrvermerk (§ 1809 BGB); nur mit Genehmigung des Nachlassgerichts kann der Nachlasspfleger Geld auch anders anlegen (§ 1811 BGB).
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bb) Ebenso ist mit hinzukommendem Geld (z.B. Einnahmen aus Rückzahlung von Wertpapieren, Vermietung, Erbschaften, Kapitaleinkünfte) zu verfahren. Die Anlagepflicht erstreckt sich nicht auf Vermögen, das einer Testamentsvollstreckung unterliegt, oder den Anteil an einer Erbengemeinschaft, wenn der Verstorbene dort nur einen Minderheitsanteil hat.
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cc) Geld, das für laufende Ausgaben benötigt wird, muss nicht verzinslich angelegt werden (§ 1806 Halbs. 2); hier entfällt auch ein Sperrvermerk (§ 1809 BGB).
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Nicht mündelsichere Geldanlagen: Das Nachlassgericht (Rechtspfleger) kann dem Nachlasspfleger eine andere Geldanlegung als die in § 1807 BGB vorgeschriebene gestatten, in jedem Einzelfall oder (bei Vermögen bis ca. 6000 Euro) auch pauschal (nach § 1817 BGB), §§ 1811, 1915 BGB.
11. Vermögensumschichtung Der Nachlasspfleger hat die Pflicht, für das Vermögen der unbekannten Erben zu sorgen (§§ 1793, 1915 BGB), das Vermögen also möglichst zu erhalten und zu vermehren. Anderenfalls haftet er möglicherweise (§ 1833 BGB). Die Sicherung der Anlage hat Vorrang vor ihrer Vermehrung. Zweifelhaft ist, ob er verpflichtet oder wenigstens berechtigt ist, Wertpapiere (Aktien, Investmentanteile) zu versilbern und den Erlös einer verzinslichen und mündelsicheren Anlage zuzuführen; das wird im Regelfall zu verneinen sein.
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12. Verwaltung der Grundstücke Mit dem Todesfall werden die Erben Eigentümer des Grundbesitzes (§ 1922 BGB); ins Grundbuch werden sie aber in der Regel nur eingetragen, wenn ein Erbschein vorliegt (§ 35 GBO; § 2353 BGB). Unbekannte Erben werden i.d.R. nicht im Grundbuch eingetragen. Auch der Nachlasspfleger oder die Nachlasspflegschaft also solche wird nicht eingetragen1, anders als die Testamentsvollstreckung (§ 52 GBO). Gleichwohl kann der Nachlasspfleger über Nachlassgrundstücke verfügen, sie z.B. verkaufen, vgl. § 40 Abs. 1 GBO.
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Zur Verwaltung gehört das Besorgen eines Grundbuchauszugs, gegebenenfalls eines Katasterauszugs, die Überprüfung, ob ausreichend Haftpflichtversiche-
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1 Bauer/v. Oefele, Grundbuchordnung, § 38 Rz. 76, § 40 Rz. 26.
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C III Rz. 78
Nachlasspflegschaft
rungen bestehen, Besorgen der Miet- und Pachtverträge. Soll die bisherige Hausverwaltung beibehalten werden oder verwaltet der Nachlasspfleger die Immobilie selbst? Der Verkauf ist nach § 1821 BGB genehmigungspflichtig; zur Genehmigung muss in der Regel ein Verkehrswertgutachten erholt werden. Eine Veräußerung ist aber in der Regel nur zulässig, wenn Verbindlichkeiten zu begleichen sind. 78 Bei Teilpflegschaft können die bekannten Miterben die Auseinandersetzung betreiben und der Nachlasspfleger muss mitwirken (§§ 2042, 749, 730 BGB); ferner kann der Nachlasspfleger die Teilungsversteigerung betreiben, er braucht dazu die Genehmigung des Nachlassgerichts, § 181 Abs. 2 Satz 2 ZVG. Der Antrag geht an das Vollstreckungsgericht.
VI. Erstellung des Nachlassverzeichnisses 1. Inhalt des Verzeichnisses Er ergibt sich aus §§ 1802, 1890, 1915 Abs. 1 BGB. a) Aktiva 79 – bebaute Grundstücke, Erbbaurechte, Eigentumswohnungen, mit Ort, Straße, Hausnummer; Grundbuchbezeichnung, Einheitswert, Brandversicherungswert, Baujahr, Verkehrswert; die entsprechenden Unterlagen erhält der Nachlasspfleger vom Grundbuchamt, Finanzamt, Brandversicherungsanstalt, – unbebaute Grundstücke mit Angabe der Lage, Fläche, Nutzung, – Erwerbsgeschäft; mit Vorlage der letzten Bilanz, – Bargeld, – Guthaben bei Banken, Sparkassen. Hier sollten die einzelnen Konten mit Namen der Bank, Kontonummer und Kontostand angeben werden, – Wertpapiere; hier genügt die Beifügung eines von der Bank für den jeweiligen Stichtag erstellten Depotauszugs, – Genossenschaftsanteile (z.B. Volksbank), – Kunstgegenstände, – Sammlungen (Briefmarken, Münzen etc.), – Hausrat, Gegenstände des persönlichen Gebrauchs. Eine pauschale Angabe genügt, – Fahrzeuge mit näherer Bezeichnung, evtl. mit Schätzwert, – Steuererstattungsansprüche, – Mietkaution,
1200 Zimmermann
Nachlasspflegschaft
Rz. 81 C III
– Ansprüche auf Teilrückzahlungen bei Vorauszahlung von Gas, Wasser, Strom usw., – Forderungen auf teilweise Prämienrückzahlung an Versicherungsgesellschaften, – Forderungen (z.B. Darlehen, Außenstände aus Verkauf) mit Angabe des Schuldners; Vermögenswerte, die vor der Wirksamkeit der Anordnung der Pflegschaft unberechtigt entfernt wurden (unberechtigte Abhebungen aufgrund von Vollmachten usw.), sind als Forderungen in das Vermögensverzeichnis aufzunehmen, – Lebensversicherungen, aber nur, wenn sie in den Nachlass fallen; ist als Bezugsberechtigter ein Dritter benannt worden, fallen die Versicherungssummen nicht in den Nachlass, – Beteiligungen (Anteile an Erbengemeinschaften, Gesellschaften). b) Passiva – Hypotheken-, Grund- und Rentenschulden (mit Grundbuchbezeichnung); hier ist zu beachten, dass der im Grundbuch eingetragene Betrag nicht identisch mit der Schuld ist (der tatsächliche Schuldenstand ist beim Gläubiger zu erfragen). Ggf. ist anzugeben, wie hoch der Schuldzins ist.
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Vom Erblasser hinterlassene Schulden und Lasten jeder Art, wie insbesondere – Bankschulden (z.B. Darlehen; überzogene Konten), – Bestattungskosten (abzüglich Sterbegeld), – Arzt- und Krankenhauskosten, – über den Tod hinaus bezahlte Rente, Wohngeld, Sozialleistungen (die zurückbezahlt werden müssen), – Steuerschulden, – Mietrückstände, geschuldete Renovierungskosten, – Restzahlungen für Strom, Gas, Wasser, – Kosten der Wohnungsräumung, Müllentsorgung, – Restzahlungen für Telefon, Radio, Fernsehgebühren, – Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen, gleichgültig, ob der Berechtigte den Anspruch schon geltend gemacht hat.
2. Sonstiges Die Einkünfte des Nachlasses gehören nicht ins Verzeichnis. Belege brauchen dem Verzeichnis nicht beigefügt zu werden, können aber vom Nachlassgericht gem. §§ 1837 Abs. 2, 1839, 1915 BGB verlangt werden. Wertangaben
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C III Rz. 82
Nachlasspflegschaft
sind zwar nach § 1802 BGB nicht erforderlich, wohl aber, damit das Nachlassgericht die Gerichtsgebühr berechnen kann. Eine amtliche Schätzung von Nachlassgegenständen kann hierzu vom Nachlassgericht nicht verlangt werden. Das Verzeichnis kann jederzeit berichtigt werden; dies ist sogar die Regel, wenn es zu bald erstellt wird, weil dann noch laufend neue Verbindlichkeiten auftauchen. Hier stellt sich die Frage, ob einzelne Posten zum Vermögensverzeichnis oder zur Verwaltungsabrechnung zuzuordnen sind. Werden nach einigen Monaten noch fünf Euro in einem Buch gefunden, müsste man an sich das Vermögensverzeichnis berichtigen; meines Erachtens genügt es, dies als Einnahme zu buchen, weil es sich nur um Kleinigkeiten handelt. 82 Der Nachlasspfleger hat die Richtigkeit und Vollständigkeit zu versichern (§ 1802 Abs. 1), aber nicht eidesstattlich. Als Stichtag für das Verzeichnis wird im Regelfall der Todestag angegeben, was angesichts des Wortlauts von § 1802 Abs. 1 BGB an sich nicht richtig ist (es kommt auf das bei Wirksamwerden der Anordnung der Pflegschaft vorhandene Vermögen an). Die Vorlage des Nachlassverzeichnisses kann durch Zwangsgeld erzwungen werden (§ 1837 Abs. 3 BGB); auch die Androhung der Entlassung kommt infrage.
VII. Genehmigungen des Nachlassgerichts 1. Fälle 83 Das Erfordernis der Genehmigung ergibt sich aus §§ 1915, 1809 ff. BGB. Danach sind z.B. genehmigungsbedürftig: – Verfügungen über Forderungen und Wertpapiere, § 1812 BGB. Ob die Kündigung der Nachlasswohnung genehmigungspflichtig ist, ist streitig, aber abzulehnen1. Dasselbe gilt bezüglich der Kündigung von Versicherungsverträgen. – Grundstücksgeschäfte, § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB. – Verfügung über Rechte an einem Nachlass, § 1822 Nr. 2 BGB. Die Erbschaft, für deren Erben der Nachlasspfleger bestellt wurde, darf er nicht ausschlagen. Ob er Erbschaften, die dem Verstorbenen angefallen sind, ausschlagen darf, ist streitig. – Erwerbsgeschäfte, § 1822 Abs. 1 Nr. 3 BGB. – Kreditaufnahme, § 1822 Nr. 8 BGB. Dazu gehört auch die Kontoüberziehung. – Bestimmte Vergleiche, § 1822 Nr. 12 BGB. Eine Prozessführung als solche bedarf keiner Genehmigung.
1 A.A. OLG Hamm v. 24.10.1990 – 15 W 306/90, FamRZ 1991, 605.
1202 Zimmermann
Nachlasspflegschaft
Rz. 88 C III
2. Genehmigungsverfahren a) Arten Der Nachlasspfleger kann eine Vor- oder eine Nachgenehmigung beantragen. Die Einholung von Gutachten durch das Gericht zur Klärung, ob eine Genehmigung möglich ist, ist nicht ausdrücklich vorgeschrieben, doch wird das Nachlassgericht oftmals ohne Gutachten nicht entscheiden können, was dem Wohl des unbekannten Erben dient, z.B. wegen des angemessenen Preises, wenn ein Grundstück des Nachlasses veräußert werden soll.
84
b) Wirksamwerden Die (rechtskräftige) Genehmigung des Rechtspflegers wird dem Käufer gegenüber wirksam in dem Augenblick, in dem der Nachlasspfleger (als Verkäufer) die Genehmigung dem Käufer mitteilt (§§ 1828, 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB).
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c) Wirksamwerden mit Rechtskraft Der Rechtspfleger hat die bekannten Erben vor Erteilung der Genehmigung anzuhören. Der Beschluss, der die Genehmigung des Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, wird (entgegen § 40 Abs. 1 FamFG) erst mit Rechtskraft wirksam (§ 40 Abs. 2 FamFG), was im Beschluss steht. Zur Bekanntgabe vgl. § 41 Abs. 3 FamFG. Zur Bestellung eines Verfahrenspflegers vgl. §§ 340, 276 FamFG. Der Beschluss ist nach §§ 58 ff., 63 Abs. 2 Nr. 2 FamFG anfechtbar.
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3. Folgen fehlender Genehmigung In den Fällen der sog. Innengenehmigung, also z.B. wenn nur Sollvorschriften 87 verletzt sind (z.B. § 1810 BGB), ist das Fehlen der Genehmigung für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts belanglos. Bei einer Außengenehmigung (z.B. bei §§ 1812, 1821, 1822 BGB) ist die Genehmigung Wirksamkeitsvoraussetzung. Bei Verstoß gegen § 1813 Abs. 1 Satz 2 BGB kann daher als Schadenersatz nochmalige Zahlung erforderlich sein. Einseitige Rechtsgeschäfte wie Kündigung sind ohne Genehmigung unwirksam (§ 1831 BGB).
VIII. Prozesse des Nachlasspflegers; Zwangsvollstreckung 1. Rubrum Klagt der Nachlasspfleger z.B. eine Nachlassforderung ein, lautet das Rubrum: 88 Die unbekannten Erben des . . ., ges. vertreten durch den Nachlasspfleger . . . Bei einer Klage gegen vermeintliche Erbprätendenten dagegen klagt der Nachlasspfleger aus eigenem Recht, sonst läge ein Insichprozess vor1.
1 BGH v. 22.1.1981 – IVa ZR 97/80, NJW 1981, 2299.
Zimmermann
1203
C III Rz. 89
Nachlasspflegschaft
89 Nachlassgläubiger können gegen den Nachlasspfleger klagen (§§ 1960 Abs. 3, 1958 BGB). Ein Gläubiger kann die Bestellung eines Nachlasspflegers zu diesem Zwecke verlangen (§ 1961 BGB), wenn nicht ohnehin ein Nachlasspfleger schon bestellt ist. Aussetzung und Unterbrechung laufender Prozesse: vgl. §§ 243, 246, 241 ZPO. Der Nachlasspfleger hat eine Berichtspflicht hinsichtlich wichtiger Prozesse (§§ 1915, 1839 BGB).
2. Prozesskostenhilfe für den Nachlasspfleger 90 Es besteht u.U. kein Bedürfnis dafür, wenn der Nachlasspfleger selbst Rechtsanwalt ist (str.). Dann sind aber jedenfalls die aufgewandten Stunden über die Staatskasse (§ 1836 Abs. 2 BGB) abrechnungsfähig. Der Nachlasspfleger kann für Prozesse, die er im Namen der unbekannten Erben führt, Prozesskostenhilfe (für die unbekannten Erben) beantragen. Dabei kommt es auf das Vermögen des Nachlasses an1, nicht auf das Vermögen der unbekannten Erben.
3. Zwangsvollstreckung a) Vollstreckung in den Nachlass 91 Liegen Vollstreckungstitel vor, die zu Lebzeiten gegen den Erblasser erwirkt wurden, kann der Gläubiger die Zwangsvollstreckung daraus fortsetzen, wenn sie bereits begonnen hatte, § 779 Abs. 1 ZPO. Ein Nachlassgläubiger kann vor Annahme der Erbschaft nicht in den Nachlass vollstrecken. Werden die unbekannten Erben aber durch einen Nachlasspfleger vertreten, kann in den Nachlass, der durch einen Nachlasspfleger vertreten wird, vollstreckt werden. Hat die Vollstreckung noch nicht begonnen, muss der schon vorhandene Titel gegen den Erblasser auf Antrag des Gläubigers zunächst gegen die durch den Nachlasspfleger vertretenen unbekannten Erben umgeschrieben werden, sonst kann der Nachlasspfleger sich mit Erinnerung (§ 766 ZPO) gegen die Vollstreckung wenden (§§ 727 Abs. 1, 749 ZPO). b) Vollstreckung für den Nachlass 92 Hatte der Erblasser einen Titel erlangt, wird er insoweit von seinen Erben beerbt (§ 1922 BGB). Da eine Umschreibung auf die „unbekannten Erben“ nicht sinnvoll wäre, andererseits der Nachlasspfleger Vertreter dieser unbekannten Erben ist, was er durch den Bestellungsbeschluss des Nachlassgerichts nachweisen kann, braucht der Titel auf den Nachlasspfleger nicht umgeschrieben zu werden.
1 BVerfG v. 23.2.1998 – 1 BvR 1842/97, NJW-RR 1998, 1081 = ZEV 1998, 98.
1204 Zimmermann
Nachlasspflegschaft
Rz. 96 C III
IX. Das Verhältnis Nachlasspfleger – Nachlassgläubiger 1. Pflicht zur Auskunft Der Nachlasspfleger ist den Nachlassgläubigern gegenüber verpflichtet, über den gegenwärtigen Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen (§ 2012 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies geschieht z.B. durch Zusendung eines Nachlassverzeichnisses.
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2. Befriedigung der Gläubiger a) Dreimonatseinrede des Nachlasspflegers Der Nachlasspfleger ist berechtigt, die Berichtigung einer Nachlassverbindlichkeit bis zum Ablaufe der ersten drei Monate nach der Bestellung (d.h. Bekanntmachung des Bestellungsbeschlusses, § 40 FamFG) zu verweigern (§§ 2014, 2017 BGB). Das schließt aber nicht aus, dass der Gläubiger Klage gegen die unbekannten Erben, vertreten durch den Nachlasspfleger, erhebt. Den Erben wird lediglich im Urteil, ohne förmlichen Antrag, die Beschränkung der Haftung vorbehalten (§ 305 Abs. 1 ZPO).
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b) Befriedigung der Gläubiger durch den Nachlasspfleger Ob und inwieweit der Nachlasspfleger berechtigt und verpflichtet ist, die 95 Nachlassgläubiger zu befriedigen, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten: Zur Erbenermittlung gehört sie nie. Zur Sicherung des Nachlasses gehört die Befriedigung von Erben nur bedingt. Zur Verwaltung gehört sie nur, wenn der Nachlass anderenfalls geschädigt würde. Die h.M.1 vertritt deshalb folgende Meinung: Die Befriedigung von Nachlassgläubigern ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Nachlasspflegers. Soweit dies jedoch zur Erhaltung des Nachlasswerts geboten ist, kann er aus Mitteln des Nachlasses und unter Berücksichtigung der beschränkten Erbenhaftung Nachlassverbindlichkeiten erfüllen, insbesondere um Kosten durch unnötige Rechtsstreitigkeiten (§ 1961 BGB) zu vermeiden oder Schaden abzuwenden. Andere Meinungen erlauben dem Nachlasspfleger generell die Erfüllung von Ansprüchen der Nachlassgläubiger oder lehnen ein Befriedigungsrecht strikt ab. Im Ergebnis bedeutet das bei leistungsfähigen Nachlässen:
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– Wenn mit der Aufhebung der Nachlasspflegschaft demnächst zu rechnen ist, sollten die Gläubiger auf die Erben verwiesen werden. – Völlig unzweifelhafte Forderungen kann der Nachlasspfleger befriedigen, wenn andernfalls mit Mahnantrag oder Klage gegen die unbekannten Erben zu rechnen ist und der Nachlasspfleger nach seiner rechtlichen Beurteilung den Prozess verlieren würde. Denn andernfalls würden weitere Kosten entstehen und der Nachlasspfleger würde den Erben dafür haften (§ 1833 BGB), 1 Palandt/Edenhofer, § 1960 Rz. 20; MüKo/Leipold, § 1960 Rz. 53.
Zimmermann
1205
C III Rz. 97
Nachlasspflegschaft
weil er aussichtlose Prozesse geführt hat. Zur Befriedigung dieser Gläubiger kann der Nachlasspfleger Nachlassgegenstände veräußern1. – Auch eindeutige Vermächtnisse können erfüllt werden. – In zweifelhaften Fällen, z.B. wenn Vermächtnisnehmer aufgrund von unklaren Testamenten Forderungen gegen den Nachlass erheben, wenn Handwerker Forderungen für mangelhafte Leistungen geltend machen, sollte der Nachlasspfleger die unbekannten Erben (vertreten durch den Nachlasspfleger) verklagen lassen und erst nach Erlass des Urteils zahlen. – Titulierte Forderungen können von den Gläubigern nach Titelumschreibung ohnehin vollstreckt werden. – Bei Beträgen ab 3000 Euro oder Zahlung von einem gesperrten Konto ist die Genehmigung des Nachlassgerichts erforderlich (§§ 1812, 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
3. Aufgebot der Gläubiger 97 Das Aufgebotsverfahren soll dem Erben bzw. Nachlasspfleger Informationen über den Umfang der Nachlassverbindlichkeiten geben, so dass er entscheiden kann, ob er ein Nachlassinsolvenzverfahren beantragt. Ein Bedürfnis für ein solches Verfahren besteht nur ausnahmsweise, nämlich wenn anhand der Unterlagen mit unbekannten Gläubigern zu rechnen ist. Das Aufgebotsverfahren ist geregelt in §§ 1970 ff. BGB, §§ 433 ff. FamFG.
4. Überschuldete Nachlässe. Nachlassinsolvenzverfahren a) Antrag auf Nachlassinsolvenzeröffnung 98 Der Nachlasspfleger hat ein Antragsrecht (§ 317 Abs. 1 InsO). Streitig ist, ob eine Pflicht des Nachlasspflegers zur Stellung eines Insolvenzantrags besteht. Wohl nicht, vgl. den Umkehrschluss aus § 1985 Abs. 2 Satz 1 BGB. Örtlich zuständig ist das Insolvenzgericht des allgemeinen Gerichtsstandes des Erblassers. 99 Eröffnungsgrund für das Nachlassinsolvenzverfahren: Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung, drohende Überschuldung, § 320 InsO. Die Eröffnung führt zur Beschränkung der Haftung auf den Nachlass, § 1975 BGB. Schicksal der Vergütung des Nachlasspflegers: Es handelt sich um eine Masseverbindlichkeit (§ 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO), die somit nicht zur Tabelle anzumelden ist, sondern lediglich beim Insolvenzverwalter geltend zu machen ist. 100
Nachlasspflegschaft und Nachlassinsolvenzverfahren: Eine Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB bleibt trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen2.
1 BGH v. 26.10.1967 – VII ZR 86/65, NJW 1968, 353 = BGHZ 49, 1. 2 Gottwald/Döbereiner, Insolvenzrechtshandbuch, § 110 Rz. 10. Unstreitig.
1206 Zimmermann
Nachlasspflegschaft
Rz. 103 C III
b) Außergerichtlicher Vergleich Sind genügend Mittel für ein Insolvenzverfahren vorhanden, kann der Nachlasspfleger versuchen, sich mit allen Gläubigern zu einigen, anstatt einen Insolvenzantrag zu stellen. Dadurch sparen die Gläubiger die Kosten des Insolvenzverfahrens und erhalten daher im Ergebnis mehr. Allerdings ist zusätzlich eine Genehmigung des Familiengerichts erforderlich (§ 1822 Nr. 12 BGB). Jedoch besteht für den Nachlasspfleger Haftungsgefahr, wenn später bislang unbekannte Gläubiger auftauchen (vgl. § 1979 BGB). Vgl. Rz. 97.
101
5. Überschuldete Nachlässe mit geringem Aktivvermögen a) Allgemeines Liegt Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses vor, sollte der Nachlasspfleger einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens stellen; dem Antrag kann aber nur stattgegeben werden, wenn ausreichend Mittel für die Kosten des Nachlassinsolvenzverfahrens vorhanden sind (§ 26 InsO); ein Insolvenzverfahren auf Staatskosten gibt es nicht. Ist weniger Aktivvermögen vorhanden, so kann der Erbe und damit auch der Nachlasspfleger „die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht“; der Nachlass ist in diesem Falle zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben (§ 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der für ein Insolvenzverfahren erforderliche Betrag liegt bei etwa 2000–4000 Euro, kann aber bei komplizierteren Nachlässen auch höher liegen. Bei Beträgen unter dieser Grenze oder wenn das Insolvenzgericht die Eröffnung mangels Masse abgewiesen hat, ist der Nachlass nach §§ 1990, 1991 BGB abzuwickeln.
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b) Reihenfolge der Befriedigung Eine Reihenfolge der Gläubigerbefriedigung schreibt das Gesetz grundsätzlich 103 nicht vor; weder der Erbe noch der Nachlasspfleger müssen die im Nachlassinsolvenzverfahren geltende Rangordnung beachten1. Alles Weitere ist umstritten; auf die Haftungsgefahr (§ 1979 BGB) wird hingewiesen. Im Allgemeinen sollte (wenn die Gläubiger nicht von sich aus vollstrecken) m.E. vom Nachlasspfleger folgende Reihenfolge zugrunde gelegt werden: – Gerichtskosten für die Pflegschaft, vgl. §§ 53, 54 Nr. 1 InsO. – Vergütung und Ersatz der Auslagen des Nachlasspflegers, vgl. § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO. Auf § 1991 Abs. 3 BGB analog kann m.E. nicht mehr abgestellt werden, wegen §§ 168, 86 FamFG; zweifelhaft. – Kosten der Beerdigung, vgl. § 324 Abs. 1 Nr. 2 InsO. – Dinglich gesicherte Gläubiger. – Nachlassgläubiger mit rechtskräftig titulierten Forderungen gehen nicht titulierten Gläubigern vor (§ 1991 Abs. 3 BGB), sind also zunächst voll zu be1 Palandt/Edenhofer, § 1991 Rz. 3.
Zimmermann
1207
C III Rz. 104
Nachlasspflegschaft
friedigen. Das folgt auch aus § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sind mehrere titulierte Gläubiger vorhanden und reicht der Nachlass nicht aus, gilt der Prioritätsgrundsatz, wenn sie vollstrecken. – Restliche nicht titulierte Gläubiger quotal (umstritten). – Schließlich Pflichtteilsansprüche, dann Vermächtnisse und zuletzt Auflagen (vgl. 1991 Abs. 4 BGB, § 327 InsO).
6. Kleinstnachlässe ohne Ausschüttung an die Gläubiger 104
Bei überschuldeten Kleinstnachlässen erhalten die Gläubiger nichts. Der Nachlasspfleger teilt ihnen den Bestand des Nachlasses mit und erhebt die Einrede der Erschöpfung des Nachlasses (§§ 1990, 2012 Abs. 1 Satz 2 BGB). Beispiel: Barnachlass abzüglich Gerichtskosten abzüglich Teil des Nachlasspflegerhonorars
140 Euro 20 Euro 120 Euro
Hatte der Nachlasspfleger einige Stunden aufgewandt und stehen ihm einschließlich Auslagen 250 Euro zu, lässt er also z.B. 120 Euro aus dem Vermögen festsetzen, entnimmt dem Nachlass ohne Festsetzung seine Auslagen von 20 Euro und lässt weitere 110 Euro an Vergütung und Auslagen gegen die Staatskasse festsetzen.
X. Ermittlung der Erben 1. Wirkungskreis 105
Die Erbenermittlung ist nur dann Aufgabe des Nachlasspflegers, wenn ihm dies im Beschluss des Nachlassgerichts zugewiesen ist. Die Ermittlung hat wirtschaftliche Grenzen: Trotz Übertragung dieses Wirkungskreises erübrigt sich eine weitere Erbenermittlung, sobald feststeht, dass der Nachlass überschuldet ist oder jedenfalls kein Überschuss vorhanden ist, weil dann vermutlich niemand die Erbschaft annehmen wird.
2. Ermittlungsgang 106
Zweckmäßig ist eine grafische Darstellung der Ermittlungen. Die Stammbäume können auf große Blätter gezeichnet werden, unterstützt durch Karteikarten, oder mittels bestimmter EDV-Programme („Familienforschung“ usw.) im Computer. a) Suche nach dem Testament
107
Testamente können sich z.B. finden in der Wohnung (allerorts), Pflegeheim, bei Verwandten, dem zu Lebzeiten beauftragten Bestattungsunternehmen, Bankschließfach. Das Geburtsstandesamt kann bei amtlich verwahrten Tes1208 Zimmermann
Nachlasspflegschaft
Rz. 110 C III
tamenten das verwahrende Amtsgericht mitteilen (vgl. § 21 PStG). Bei Errichtung des Testaments vor dem ausländischen Konsulat oder wenn das Geburtsstandesamt außerhalb des Bundesgebiets liegt, hilft eine Anfrage beim Amtsgericht Schöneberg, Hauptkartei für Testamente, 10823 Berlin, weiter. Erbverträge können beim Amtsgericht hinterlegt worden sein, aber sich auch lediglich beim Notar befinden. b) Gesetzliche Erbfolge Kommt es auf die gesetzliche Erbfolge an, ist zunächst zu ermitteln, ob ein Ehegatte vorhanden ist, dann ist nach Abkömmlingen zu suchen. Erst wenn auch diese fehlen, ist nach Erben der 2. Erbordnung zu suchen. Die Ermittlungsmöglichkeiten sind:
108
– Standesamt (Heiratsbuch; Familienbuch; Geburtenbuch; Sterbebuch). – Informationen aus der Wohnung (Briefe, Adressbücher). – Kontaktpersonen, wie z.B. Nachbarn, Vermieter. – Kirchliche Archive. Das Personenstandsgesetz ist am 1.1.1876 in Kraft getreten. Für die Zeit vorher gibt es keine umfassenden staatlichen Register; hier können die kirchlichen Register über Taufen, Trauungen, Todesfälle weiterhelfen. Anfragen sind an die jeweiligen Pfarrämter zu richten. In einigen katholischen Bistümern sind die Pfarrarchive bereits dateimäßig erfasst. – Gerichtsakten: Nachlassgerichte. Hatte z.B. der Erblasser schon jemand anderen beerbt, gibt es eine Nachlassakte, die bereits Verwandtschaftsverhältnisse klärt. Hier kann der Nachlasspfleger Akteneinsicht begehren (§ 13 FamFG). Die Einsicht in Akten des Familiengerichts hilft, wenn der Erblasser früher geschieden wurde. – Telefonbücher. Bei selteneren Namen kann die Ermittlung von Namensträgern durch eine Telefon-CD helfen. – Ermittlung von Anschriften bei der Meldebehörde. Werden alte Anschriften benötigt, kann die Einsicht in eventuell vorhandene Adressbücher, die in der Regel im Archiv der Stadt gesammelt und die in vielen Städten etwa zwischen 1890 und 1970 laufend erschienen sind, helfen. – Zeitungsinserate. Erbenaufruf in Zeitungen verspricht in kleineren Orten Erfolg. c) Einschaltung von Erbenermittlern Der Nachlasspfleger kann in Ausnahmefällen sog. Erbenermittler (Genealogen) beauftragen.
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aa) Rechtsbeziehung. Üblich (aber rechtlich bedenklich) ist, dass der Nachlasspfleger den gewerbsmäßigen Erbenermittler mit Informationen versieht und es diesem überlässt, bei Erfolg ein Honorar mit dem gefundenen Erben
110
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C III Rz. 111
Nachlasspflegschaft
auszuhandeln. Keinesfalls darf der Nachlasspfleger dem Erbenermittler ein Honorar oder Aufwendungsersatz im Falle fehlenden Erfolges zusichern, weder im eigenen Namen noch als Vertreter der Erben. Diese Rechtslage ist unbefriedigend. Der Nachlasspfleger haftet dem ermittelten Erben aus §§ 1833, 1915 BGB, wenn er vorzeitig einen Erbenermittler einschaltet. Denn das Honorar des Erbenermittlers ist um ein Vielfaches höher als das des Nachlasspflegers. Zur Einschaltung eines Erbenermittlers braucht der Nachlasspfleger keine Genehmigung des Nachlassgerichts; doch wird man eine Berichtspflicht annehmen müssen. 111
bb) Honorar. Hat der Erbenermittler den Erben gefunden, dann hat er ein Vergütungsproblem. Denn kommt es zu keiner Vergütungsvereinbarung zwischen Erben und Erbenermittler, dann schuldet der Erbe dem Ermittler nichts1, auch nicht aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung. Er muss deshalb listig vorgehen. Die meisten Erben unterzeichnen die Vergütungsvereinbarung, in der der Ermittler zwischen 10 % und 30 % des Nachlasses fordert, zuzüglich 19 % Umsatzsteuer; es fließen also oft rund 36 % des Nachlasses an den Ermittler. Wegen der Drucksituation, in der der Erbe sich befindet, ist die Höhe des Honorars problematisch (§ 138 BGB).
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cc) Einsichtsrecht der Erbenermittler in Personenstandsbücher. Der Nachlasspfleger hat ein Einsichts- und Auskunftsrecht gegenüber dem Standesamt (§ 61 PStG). Bezüglich dieses Rechts kann er einem Dritten eine Vollmacht erteilen.
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dd) Vollmacht. Damit der Ermittler tätig werden kann, muss der Nachlasspfleger dem Erbenermittler eine Vollmacht erteilen, wonach der Ermittler zwecks Erbensuche im konkreten Nachlassfall bei Behörden, Gerichten und sonstigen Stellen und Personen Ermittlungen durchführen darf, insbesondere Personenstandsbücher einsehen (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 3 PStG) und daraus beglaubigte Abschriften besorgen darf; Untervollmacht darf erteilt werden.
XI. Haftung des Nachlasspflegers 1. Haftung gegenüber dem Erben a) Voraussetzungen 114
Zwischen dem Nachlasspfleger und dem Erben besteht kein Vertragsverhältnis, sondern ein gesetzliches Schuldverhältnis. Haftung besteht deshalb nach allgemeinen Grundsätzen, insbesondere gem. §§ 823, 826 BGB. Der Nachlasspfleger ist ferner dem Erben für den aus einer Pflichtverletzung entstehenden Schaden verantwortlich, wenn ihm ein Verschulden zur Last fällt (§§ 1960, 1915, 1833 Abs. 1 Satz 1 BGB). Voraussetzung ist also:
1 BGH v. 23.9.1999 – III ZR 322/98, ZEV 2000, 33; BGH v. 13.3.2003 – I ZR 143/00 NJW 2003, 3046; BGH v. 1.6.2006 – I ZR 143/00, NJW 2006, 3568.
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Nachlasspflegschaft
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– wirksame Bestellung; gleichsteht die später als unzulässig aufgehobene Bestellung; – eine Pflichtverletzung des Nachlasspflegers; – Pflichtverletzung grundsätzlich während der Amtszeit; aber auch hinsichtlich der Pflichten, die erst nach Beendigung des Amts zu erfüllen sind (z.B. Rechnungslegung und Herausgabe des Nachlasses; Pflichten nach §§ 1893, 1698a, 1698b BGB); ebenso Pflichten gegenüber dem Nachlassgericht; – Pflichtverletzung in seinem durch den Beschluss des Nachlassgerichts zugewiesenen Aufgabenkreis und – ein Verschulden des Nachlasspflegers (Fahrlässigkeit oder Vorsatz) sowie – der Eintritt eines Schadens. Eigenes Verschulden. Der Nachlasspfleger hat nicht nur Vorsatz, sondern auch (leichte) Fahrlässigkeit zu vertreten (§ 276 BGB); er hat die Sorgfalt anzuwenden, die von einem verständigen Menschen zu erwarten ist, wobei darauf abzustellen ist, welcher Wissensstand und welche Sorgfalt nach dem Lebenskreis, den Lebensumständen und der Rechts- und Geschäftserfahrung des jeweiligen Nachlasspflegers vorausgesetzt werden können.
115
Verschulden von Hilfskräften. Es ist zu differenzieren: Bei Heranziehung von Handwerkern, Architekten, Anwälten, Steuerberatern usw. haftet der Nachlasspfleger für deren berufstypische Leistungen nur, wenn ihm bei der Auswahl, Unterweisung oder Beaufsichtigung ein Verschulden zur Last fällt1. Bei unzulässiger Übertragung seines „Amts“ haftet der Nachlasspfleger für jeden Schaden. Bei zulässiger Übertragung an eigenes Büropersonal (z.B. Abrechnung, Wohnungsdurchsuchung) haftet der Nachlasspfleger für diese Personen analog § 278 BGB für ihr Verschulden, wie wenn es eigenes Verschulden wäre2.
116
Folge: Schadenersatzpflicht. Zu ersetzen ist der adäquat verursachte Schaden nach Maßgabe von §§ 249 ff. BGB, auch der Folgeschaden (z.B. Prozesskosten).
117
b) Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs Der Schadenersatzanspruch muss von den Erben vor dem Zivilgericht geltend gemacht werden, nicht vor dem Nachlassgericht. Der Erbe kann dem Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers seinen Schadenersatzanspruch im Festsetzungsverfahren nicht entgegenhalten.
1 Staudinger/Engler, § 1833 Rz. 40; MüKo/Schwab, § 1833 Rz. 7. 2 MüKo/Schwab, § 1833 Rz. 7; Ziegltrum, S. 202.
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Nachlasspflegschaft
c) Verjährung 119
Der Schadenersatzanspruch verjährte bisher in 30 Jahren1 (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB), nach a.A. in drei Jahren (wegen § 195 BGB).2 Ab 1.1.2010 ist § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB aufgehoben. Vgl. Rz. 57.
2. Haftung gegenüber Nachlassgläubigern 120
Den Nachlassgläubigern haftet der Nachlasspfleger, wenn er den Auskunftsanspruch nach § 2012 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt, aus positiver Forderungsverletzung; ferner nach §§ 823, 826 BGB.
3. Haftung gegenüber Dritten 121
Der Nachlasspfleger ist gesetzlicher Vertreter des (noch unbekannten) Erben. Er verpflichtet deshalb den Nachlass bzw. den Erben (§ 164 BGB), wenn er z.B. Renovierungsarbeiten an der Nachlasswohnung in Auftrag gibt. Wenn der Nachlasspfleger aber dem Vertragspartner gegenüber über das allgemeine Vertrauen hinaus eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und Erfüllung des Geschäfts geboten hat, z.B. die Zahlung von Kosten zugesagt hat, kann er persönlich aus culpa in contrahendo haften (sog. Sachwalterhaftung)3.
4. Haftung des Erben für den Nachlasspfleger a) Der Nachlasspfleger als Erfüllungsgehilfe des Erben 122
Der Erbe haftet aus Vertrag, wenn der Nachlasspfleger im Rahmen eines Vertragsverhältnisses Fehler macht, weil der Nachlasspfleger als Erfüllungsgehilfe des Erben gilt (§ 278 BGB). b) Regress des Erben beim Nachlasspfleger
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War ein vom Nachlasspfleger geführter Prozess von vornherein völlig aussichtslos, hat der Erbe einen Schadenersatzanspruch gegen den Nachlasspfleger, der Nachlasspfleger hat dem Erben daher diese Kosten zu erstatten (§§ 1833, 1915 BGB). Die Nachlassgläubiger können diesen Schadenersatzanspruch pfänden.
1 BGH v. 20.4.1953 – IV ZR 155/52, NJW 1953, 1100; Palandt/Diederichsen, § 1833 Rz. 4. 2 Nachweise zur a.A. bei Palandt/Heinrichs, § 197 Rz. 8. 3 BGH v. 8.12.1994 – III ZR 175/93, FamRZ 1995, 282 zur Betreuung.
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Nachlasspflegschaft
Rz. 128 C III
XII. Aufsicht des Nachlassgerichts über den Nachlasspfleger 1. Allgemeines Eine Aufsichtspflicht ergibt sich aus §§ 1837 Abs. 2, 1915 Abs. 1 BGB. Auskunftspflichten des Nachlasspflegers gegenüber dem Nachlassgericht folgen aus §§ 1839, 1915 Abs. 1 BGB.
124
2. Berichtspflichten des Nachlasspflegers – Vorlage des Nachlassverzeichnisses (§§ 1802, 1915 Abs. 1, 1862 BGB); verbunden mit dem Erstbericht. Er wird vom Nachlassgericht innerhalb von etwa 2–4 Monaten erwartet.
125
– Allgemeine Berichte über den Stand der Pflegschaft; sie sollten im Abstand von 3–6 Monaten eingereicht werden. – Zwischenberichte sind veranlasst, wenn besondere Ereignisse vorliegen (z.B. Ermittlung von einzelnen Erben, größere Geldbewegungen). – Vorlage der jährlichen Rechnungslegung (§§ 1840 Abs. 2, 3, 1915 BGB). – Schlussabrechnung und Schlussbericht.
3. Aufsicht und Weisungen Das Nachlassgericht hat über die gesamte Tätigkeit des Pflegers die Aufsicht zu führen (§§ 1915, 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB). Das Nachlassgericht muss gegen Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Gebote und Verbote einschreiten (§§ 1915, 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB), also insofern dem Nachlasspfleger Weisungen erteilen. Wenn der Nachlasspfleger in Zweckmäßigkeitsfragen aus sachlichen Gründen anderer Ansicht ist als das Nachlassgericht, handelt er nicht pflichtwidrig. Denn der Nachlasspfleger ist bei Ausübung seines Amts selbstständig. Gegen Gebote und Verbote des Nachlassgerichts kann der Pfleger Beschwerde einlegen (§§ 58 ff. FamFG, § 11 RPflG), gegen bloße Ratschläge nicht.
126
Das Nachlassgericht kann den Nachlasspfleger zur Befolgung seiner Anordnungen (z.B. Vorlage des Vermögensverzeichnisses, der jährlichen Abrechnung, der Bescheinigung über den Sperrvermerk) durch Festsetzung von Zwangsgeld anhalten (§§ 1915, 1837 Abs. 3 BGB).
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4. Prüfungspflichten des Nachlassgerichts Das Nachlassgericht hat den Nachlasspfleger zu beraten (§§ 1915, 1962, 1837 Abs. 1 BGB). Es hat das Nachlassverzeichnis zu prüfen. Bei Genehmigungen des Nachlassgerichts ist das zu genehmigende Rechtsgeschäft zu überprüfen. Die jährliche Rechnungslegung ist zu überprüfen.
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Nachlasspflegschaft
a) Die Rechnungslegung gegenüber dem Nachlassgericht 129
Die Rechnung ist jährlich unaufgefordert zu legen (erster Berichtszeitraum: ein Jahr); für die späteren Rechnungslegungen kann die Rechnungslegungsfrist bis zu drei Jahren verlängert werden (§ 1840 Abs. 4 BGB). Eine Rechnungslegung ist ferner nach Beendigung des Amts erforderlich (§ 1890 Satz 2 BGB). Bei Amtsantritt muss der Nachlasspfleger ein Vermögensverzeichnis anfertigen (§ 1802 BGB). Die Jahresrechnung führt die Ab- und Zugänge des Vermögens auf (§ 1841 BGB). Dies geschieht, indem der Nachlasspfleger die Einnahmen und Ausgaben übersichtlich und geordnet zusammenstellt. Das Nachlassgericht stellt dem Nachlasspfleger meist Formblätter für die Rechnungslegung zur Verfügung. Beispiel: Rechnungslegung über die Verwaltung des Vermögens von NN. für die Zeit vom . . . bis ... I. Bestand zu Beginn des Abrechnungszeitraums (. . .): . . . Euro Einnahmen im Abrechnungszeitraum (vgl. unten III) . . . Euro Ausgaben im Abrechnungszeitraum (vgl. unten IV) . . . Euro Bestand am Ende des Abrechnungszeitraums (. . .), vgl. unten II . . . Euro II. Dieses Vermögen setzt sich wie folgt zusammen: Sparbuch Nr. . . . bei der Sparkasse . . . Girokonto Nr. . . . bei der Sparkasse . . . Summe III. Einnahmen: 1. . . . Möbelverkauf 2. . . . Zinsen usw. Summe ... IV. Ausgaben: 1. . . . Miete 2. . . . Stadtwerke usw. Summe ...
. . . Euro . . . Euro
. . . Euro . . . Euro . . . Euro
Beleg Kontoauszug Nr. 26 Beleg Kontoauszug Nr. 27
. . . Euro . . . Euro . . . Euro
Beleg Kontoauszug Nr. 22 Beleg Kontoauszug Nr. 23
. . . Euro
b) Rechnungsprüfung 130
Das Nachlassgericht (Rechtspfleger) hat die Jahresrechnung des Nachlasspflegers rechnungsmäßig und sachlich zu prüfen und, soweit erforderlich, ihre Berichtigung und Ergänzung herbeizuführen (§§ 1915, 1843 BGB). Bei der rechnungsmäßigen Prüfung wird nachgesehen, ob die Ausgabeposten mit den Belegen übereinstimmen und ob die Summen stimmen. Die sachliche Prüfung umfasst u.a. Folgendes: – Hat der Nachlasspfleger das Vermögen nach den gesetzlichen Vorschriften verwaltet? – Hat er die Genehmigungspflichten beachtet? – Anlagen versperrt? – Hohe Beträge verzinslich angelegt? 1214 Zimmermann
Nachlasspflegschaft
Rz. 133 C III
– Sind die Einnahmen vollständig angegeben? – Bleiben die Ausgaben im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung? – Waren entnommene Auslagen gerechtfertigt? Das Nachlassgericht kann sich den Bestand des Vermögens nachweisen lassen (§ 1839 BGB). Wird die Rechnung vom Nachlassgericht als ordnungsmäßig anerkannt, dann bedeutet das nicht zugleich eine Entlastung des Nachlasspflegers. Dies ist Sache der Erben. Beanstandet das Nachlassgericht die Rechnung, so hält es den Nachlasspfleger zur Berichtigung oder Ergänzung an. Es kann ihn aber nicht zwingen, die Rechnung materiell richtig zu machen, also z.B. Einnahmeposten in die Rechnung aufzunehmen, die der Pfleger bestreitet, oder Ausgabeposten zu streichen, die das Gericht für nicht erforderlich hält1. Gegen sachliche Beanstandungen des Nachlassgerichts kann der Pfleger keine Beschwerde einlegen, weil sie zunächst nur Meinungsäußerungen des Gerichts sind (vgl. §§ 58, 38 FamFG); anders wenn das Gericht Weisungen erteilt.
131
XIII. Vergütung und Ersatz von Aufwendungen des Nachlasspflegers Es kommt auf mehrere Differenzierungen an: Zwischen Vergütung und Auslagenersatz ist zu unterscheiden; ferner danach, ob Vergütung des nicht berufsmäßigen (ehrenamtlichen) Pflegers oder eines Berufspflegers infrage kommt. Was ist im Bestellungsbeschluss des Nachlassgerichts bestimmt? Ist der Nachlass mittellos oder bemittelt? Denn bei Mittellosigkeit zahlt die Staatskasse. Vergütung des Berufspflegers
132
Vergütung des ehrenamtlichen Pflegers
Nachlass mittellos
Nachlass vermögend
Nachlass mittellos
Nachlass vermögend
§ 1836 I BGB; VBVG
§§ 1915 I 2, 1836 I
§§ 1836 II, 1835 a
§ 1836 II
1. Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers Der Berufspfleger erhält: Aus dem vermögenden Nachlass eine Vergütung (§§ 1960, 1915, 1836 Abs. 1 BGB) sowie Ersatz seiner Aufwendungen (§§ 1960, 1915, 1835 Abs. 1 BGB), beruflicher Dienstleistungen (§ 1835 Abs. 3 BGB), aber ohne die Kosten bestimmter Haftpflichtversicherungen (§ 1835 Abs. 2 Satz 2 BGB) und ohne Kfz-Haftpflichtversicherung (§ 1835 Abs. 2 BGB). Aus dem mittellosen Nachlass oder von dessen Erben erhält er nichts, dafür aber aus der Staatskasse eine Vergütung (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG) zuzüglich Mehrwertsteuer sowie Ersatz der konkreten Aufwendungen (§ 1835 Abs. 4). 1 BayObLG v. 6.3.1981 – 3 Z 93/80, Rpfleger 1981, 302.
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C III Rz. 134
Nachlasspflegschaft
a) Höhe der Vergütung beim Berufspfleger, wenn der Nachlass mittellos ist 134
Es kommt bezüglich des Stundensatzes nur auf § 3 VBVG an: Je nach seiner Ausbildung erhält er aus der Staatskasse (derzeit) 19,50, 25 oder 33,50 Euro + Mehrwertsteuer. Danach erhält ein Rechtsanwalt oder Notar pro Stunde 33,50 Euro + Mehrwertsteuer. Beispiel: Abrechnung für die Zeit vom . . . bis . . .: 20 Stunden je 33,50 Euro 100 km Fahrten je 0,30 Euro Porto, Telefon Mehrwertsteuer (19 %) Summe
670,00 Euro 30,00 Euro 5,00 Euro 133,95 Euro 838,95 Euro
135
aa) Mittellosigkeit (vgl. §§ 1836c, d BGB). Sie liegt vor, wenn die Vergütung durch den Aktivnachlass nicht gedeckt ist; dabei ist auf den Aktivnachlass abzustellen1. Ob es auf die Mittellosigkeit bei Übernahme der Pflegschaft oder im Zeitpunkt der Stellung des Vergütungsantrags oder zur Zeit der Entscheidung ankommt, ist umstritten2. Ein Schonvermögen (§ 90 SGB XII; § 1836c Nr. 2 BGB) gibt es bei der Nachlasspflegschaft nicht, der ganze Nachlass ist einzusetzen.
136
bb) Berufsmäßigkeit der Pflegertätigkeit. Nur wenn jemand Nachlasspflegschaften berufsmäßig führt, muss ihm vom Nachlassgericht eine Vergütung bewilligt werden (§§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1, 2 BGB). Berufsnachlasspfleger ist jemand nur noch, wenn das Nachlassgericht bei der Bestellung zum Nachlasspfleger oder später beschlussmäßig feststellt, dass er die Pflegschaft berufsmäßig führt (§ 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB); zuständig ist der Rechtspfleger (§§ 3 Nr. 2c, 16 RPflG). Fehlt die Feststellung der Berufsmäßigkeit versehentlich im Beschluss des Nachlassgerichts, ist Abänderung möglich (§ 42 FamFG). Der Beschluss ist mit Beschwerde befristet anfechtbar (§§ 58 ff. FamFG; § 11 RPflG).
137
Die Berufsmäßigkeit muss das Nachlassgericht in folgenden Fällen feststellen (§§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB; § 1 VBVG): – Wenn der Nachlasspfleger mindestens elf Nachlasspflegschaften (einschließlich Vormundschaften, Betreuungen) gleichzeitig führt, oder wenn der erforderliche Zeitaufwand des Nachlasspflegers für alle diese Ämter mindestens 20 Stunden wöchentlich beträgt. – Wenn anzunehmen ist, dass Nachlassgerichte bzw. Vormundschaftsgerichte ihm künftig weitere derartige Ämter übertragen, so dass er schließlich mindestens elf führt. Diese Regelung hilft insbesondere dem Berufsanfänger; der junge Anwalt erhält als angehender Berufsnachlasspfleger deshalb eine Vergütung nach § 1 Abs. 2 VBVG schon für die erste Pflegschaft. Wer andererseits als Berufnachlasspfleger bestellt wurde, verliert den Vergü1 BayObLG v. 8.2.2000 – 1 Z BR 150/99, Rpfleger 2000, 331. 2 Vgl. Zimmermann, ZEV 1999, 329/330.
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Nachlasspflegschaft
Rz. 139 C III
tungsanspruch für die bestehenden Pflegschaften nicht dadurch, dass die Zahl seiner Ämter zurückgeht. – Es genügt in der Regel für die Berufspflegereigenschaft, wenn eine Person im Hinblick auf ihr Anerbieten, das Amt (nur) berufsmäßig zu führen, ausgewählt wurde1. Die Feststellung der Berufsmäßigkeit ist ferner immer dann zulässig und erforderlich, wenn die Gesamtbetrachtung der vom Pfleger auszuführenden Tätigkeiten zu dem Ergebnis führt, diese seien nur im Rahmen einer Berufsausübung zu erwarten, wenn es sich also nicht mehr nur um Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten handeln wird2. Die herrschende Meinung hat schon bei einer Betreuung die Möglichkeit der Berufsbetreuung bejaht3; entsprechendes gilt für Pflegschaften. b) Höhe der Vergütung beim Berufspfleger, wenn der Nachlass vermögend ist In diesen Fällen muss der Nachlass die Vergütung zahlen. Die Höhe des Vergütung bestimmt sich nach drei Kriterien (§ 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB):
138
– die für die Führung der Pflegschaft nutzbaren Fachkenntnisse; abgestellt wird also darauf, welches Wissen der Nachlasspfleger vorhält; – Umfang der Tätigkeit; – Schwierigkeit der Tätigkeit. Das Vermögen hat Bedeutung, weil § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB bei mittellosen Nachlässen nicht anzuwenden ist. Bei vermögenden Nachlässen wird das Nachlassgericht meist nach Stundensätzen abrechnen; die Abrechnung nach der Höhe des Vermögens (Prozentsätze des Vermögens) wird kaum mehr vertreten4. Bei einem Anwalt oder Notar ist dabei ein Stundensatz von 33,50 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer (§ 3 Abs. 1 Satz 3 VBVG) der Mindestlohn je Stunde. Im Einzelfall kann ab 1.7.2005 in schwierigeren Fällen ein höherer Stundenlohn bewilligt werden, wie der neu eingefügte § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB5 zeigt. Die Rechtsprechung des BGH6 zur Betreuervergütung bei vermögenden Betreuten ist damit für die Nachlasspflegschaft nicht mehr einschlägig. Welcher Stundenlohn bei Anwälten in diesen schwierigeren Fällen angemessen ist, hat das Gesetz offen gelassen. Bei Rechtsanwälten werden meist je Stunde 60 bis 100 Euro (zuzüglich Mehrwertsteuer) zugebilligt7. 1 2 3 4
OLG Karlsruhe v. 5.5.1998 – 11 Wx 23/97, FamRZ 1998, 1535 zur Betreuung. BayObLG v. 30.7.1997 – 3 Z BR 205/97, FamRZ 1998, 187 zur Betreuung. OLG Köln v. 15.6.1998 – 16 Wx 87/98, FamRZ 1998, 1536/7. Nach BayObLG v. 8.2.2000 – 1 Z BR 150/99, Rpfleger 2000, 331 ist „grundsätzlich“ nach Zeitaufwand und Stundensatz abzurechnen. 5 Dazu BT-Drs. 15/4874 S. 59. 6 BGH v. 31.8.2000 – XII ZB 217/99, NJW 2000, 3709 zur Betreuung; hierzu Zimmermann, ZEV 2001, 15. 7 OLG Köln v. 12.2.1997 – 16 Wx 283/96, FamRZ 1997, 1350; BayObLG v. 11.12.1996 – 3 Z BR 325/96, FamRZ 1997, 580; OLG Dresden v. 20.6.2007 – 3 W 427/07, ZEV 2007, 526 (58 Euro); OLG München v. 8.3.2006 – 33 Wx 131/05f, Rpfleger 2006, 405
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C III Rz. 140
Nachlasspflegschaft
c) Erlöschen des Anspruchs 140
Der Vergütungsanspruch des Berufspflegers (sowohl gegenüber der Staatskasse wie gegenüber dem vermögenden Nachlass) erlischt, wenn er nicht binnen 15 Monaten nach seiner Entstehung beim Nachlassgericht geltend gemacht (d.h. beantragt) wird (§ 1915 BGB; § 2 VBVG); die Belege können nach Fristablauf nachgereicht werden. Entstanden ist der Anspruch mit der jeweiligen Tätigkeit, somit letztlich tageweise. Die am 1.5.2008 geleisteten Stunden müssen also spätestens am 1.8.2009 beim Gericht abgerechnet werden. Die Frist kann m.E. vom Nachlassgericht (vor Fristablauf) verlängert werden. Bei schuldloser Versäumung gibt es wohl eine Wiedereinsetzung (§ 17 FamFG; zweifelhaft). Die Vergütung sollte mindestens einmal pro Jahr abgerechnet werden.
2. Auslagen des Nachlasspflegers 141
Die Auslagen (z.B. Fahrtkosten, Fotokopien, Inserate, in Sonderfällen die Kosten der Einschaltung von Erbensuchern) kann der Pfleger bei einem mittellosen Nachlass aus der Staatskasse, sonst aus dem Nachlass verlangen (§§ 1960, 1915, 1835 BGB).
3. Festsetzungsverfahren 142
Der Pfleger muss einen Antrag stellen (§§ 168 Abs. 5, 1 FamFG). Das Nachlassgericht hat die zur Festsetzung der Vergütung erforderlichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln. Bereits ermittelte Erben sind zu hören. Ist der Nachlass mittellos, so dass die Staatskasse zahlen muss, kann der Bezirksrevisor gehört werden.
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a) Wenn der Nachlass vermögend ist, setzt der Rechtspfleger die Vergütung durch Beschluss fest (§ 168 Abs. 1 FamFG). Der Auslagenersatz (Aufwendungen) darf nicht durch Beschluss festgesetzt werden; die Auslagen kann der Pfleger ohne Festsetzung dem Nachlass entnehmen. Eine Anweisung der Vergütung durch den Urkundsbeamten scheidet aus, weil die Staatskasse nicht zahlungspflichtig ist.
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b) Wenn der Nachlass mittellos ist, kann der Betrag durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts im Verwaltungsweg angewiesen werden (§ 168 Abs. 1 Satz 4, Abs. 5 FamFG). Andernfalls setzt der Rechtspfleger die Vergütung und den Auslagenersatz durch Beschluss fest (§ 168 Abs. 1 FamFG).
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c) Rechtsmittel: Es kommt auf den Betrag an, um den sich der Beschwerdeführer verbessern will. Bei einem Beschwerdegegenstand bis 600 Euro ist nur sofortige Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss des Nachlassgerichts zulässig; der Rechtspfleger kann abhelfen; bei Nichtabhilfe entscheidet der (67 Euro); OLG Zweibrücken v. 21.11.2007 – 3 W 201/07, NJW-RR 2008, 369 (110 Euro).
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Nachlasspflegschaft
Rz. 150 C III
Nachlassrichter endgültig (§ 11 Abs. 2 RPflG). Der Richter (a.A.: der Rechtspfleger) kann aber auch die Beschwerde zum OLG zulassen (§ 61 Abs. 2 FamFG). Wenn der Beschwerdegegenstand 600 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde, ist gegen den Rechtspflegerbeschluss die befristete Beschwerde (Frist: ein Monat, § 63 FamFG) zum OLG (§ 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG) statthaft (§§ 58 ff. FamFG). Einzelheiten ergeben sich aus der Rechtsmittelbelehrung (§ 39 FamFG). Die Nichtzulassung der Beschwerde ist unanfechtbar. d) Eine Rechtsbeschwerde zum BGH gegen den Beschwerdebeschluss des OLG ist unzulässig, außer das OLG hat sie zugelassen (§§ 70 ff. FamFG).
146
e) Vollstreckung. Wird die Pflegschaft aufgehoben, bevor der Pfleger die festgesetzte Vergütung aus dem vermögenden Nachlass entnehmen konnte, kann er eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses beim Nachlassgericht beantragen und damit gegen die Erben vollstrecken (§ 86 FamFG).
147
XIV. Das Verhältnis Nachlasspfleger – Erbe 1. Privatpersonen als Erben a) Rechenschaftspflicht Der Pfleger hat nach der Beendigung seines Amts dem Erben das verwaltete Vermögen herauszugeben und über die Verwaltung Rechenschaft abzulegen (§§ 1915, 1890 BGB). Diese Pflicht, erzwingbar durch Klage vor dem Zivilgericht, ist zu unterscheiden von der Rechnungslegungspflicht des Pflegers gegenüber dem Nachlassgericht. In der Regel genügt es für die Rechenschaftslegung gegenüber dem Erben, wenn auf die jährlichen Abrechnungen gegenüber dem Nachlassgericht Bezug genommen wird (§ 1890 Satz 2 BGB). Im Übrigen ist auf § 259 BGB abzustellen; notfalls muss also der Pfleger die Richtigkeit der Abrechnung eidesstattlich versichern.
148
Das Nachlassgericht hat eine allgemeine Fürsorgepflicht, die nicht mit Beendigung der Nachlasspflegschaft abgeschlossen ist, sondern sich auch noch auf die Abwicklung erstreckt. Deshalb bestimmen §§ 1960, 1962, 1915 BGB durch Verweisung auf § 1892 Abs. 2 Satz 1 BGB, dass das Nachlassgericht die Abnahme der Rechnung durch Verhandlungen mit den Beteiligten zu vermitteln hat.
149
b) Herausgabe des Nachlasses Die Herausgabe erfolgt an den/die Erben. Sind sie durch einen Erbschein ausgewiesen, gibt es kein Problem. Hebt das Nachlassgericht die Pflegschaft auf und beantragen die Erben keinen Erbschein, sollten die Erben bei einem unklaren Testament auf das Erbscheinsverfahren verwiesen werden.
Zimmermann
1219
150
C III Rz. 151
Nachlasspflegschaft
151
Alleinerbe: Der Nachlasspfleger kann den Erben um „Entlastung“ bitten, doch hat der Nachlasspfleger keinen Anspruch darauf, kann also die Herausgabe nicht davon abhängig machen. Der Erbe kann auch gebeten werden, darauf zu verzichten, dass der Nachlasspfleger gegenüber dem Nachlassgericht eine Schlussabrechnung vornimmt (wenn z.B. seit der letzten Rechnungslegung gegenüber dem Gericht kaum noch Geschäftsvorgänge anfielen).
152
Miterben: Hier taucht die Frage auf, an wen die Nachlassstücke (Sparbuch, Schmuck, Schuldschein usw.) auszuhändigen sind. Ist der Nachlass auf einem Girokonto zusammengefasst, wird der Bank der neue Kontoinhaber (Erbengemeinschaft) mitgeteilt und es taucht nur die Frage auf, wer die bisherigen Verwaltungsunterlagen ausgehändigt bekommen soll. Können sich die Erben nicht (zwecks Nachweis schriftlich) auf einen gemeinsamen Empfänger oder jeweilige Einzelempfänger einigen, kommt eine Hinterlegung (§§ 372 ff. BGB) infrage.
153
Vermächtnisse: Die Erfüllung der Vermächtnisse ist ab Aufhebung der Pflegschaft nicht mehr Sache des Nachlasspflegers. Bei Zustimmung aller Erben kann eine Aushändigung der jeweiligen Gegenstände an den Vermächtnisnehmer erfolgen.
154
Kosten der Aushändigung: Dies sind Kosten des Nachlasses, d.h. der Erben. Sie müssen die Sachen abholen, der Nachlasspfleger hat keine Pflicht zur Zusendung.
155
Die Vermittlung der Auseinandersetzung ist nicht Aufgabe des Nachlasspflegers. Aufgrund besonderen Auftrags kann sie aber vom bisherigen Nachlasspfleger vorgenommen werden. c) Vergütungsabrechnung und Zurückbehaltungsrecht
156
Sind die Erben bekannt, kann mit ihnen eine Vergütung vereinbart werden; andernfalls ist die Festsetzung durch das Nachlassgericht zu beantragen. Die Vergütung kann noch nach Aufhebung der Nachlasspflegschaft beantragt und festgesetzt werden. Ergeht der Festsetzungsbeschluss erst nach Aufhebung der Pflegschaft, hat der Nachlasspfleger an sich kein Verfügungsrecht mehr über das Nachlasskonto.
157
Der Nachlasspfleger hat ein Zurückbehaltungsrecht (§§ 670, 667, 273 BGB) am Nachlass, solange sein Anspruch auf Vergütung und Auslagenersatz nicht erfüllt wird. d) Handakten des Nachlasspflegers
158
Sie bestehen aus Unterlagen, die im Eigentum des Erblassers und somit der Erben stehen und daher herauszugeben sind. Eine weitere Gruppe bilden die Unterlagen, die im Eigentum des Pflegers stehen, wie die Beschlüsse des Nachlassgerichts, Korrespondenz z.B. mit dem Gericht, Kopien aus den Akten, Abrechnungen, Quittungen über ausgehändigtes Vermögen, Gutachten. 1220 Zimmermann
Nachlasspflegschaft
Rz. 161 C III
Diese Teile und Kopien wichtiger ausgehändigter Aktenteile sollte der Pfleger wegen seiner Haftung aufbewahren.
2. Der Fiskus als Erbe a) Vermögende Nachlässe Die zuständige Verwaltung des Bundeslandes (in Bayern z.B. das Landesamt für Finanzen in Würzburg) sieht in der Regel die Nachlassakten ein und bittet den Nachlasspfleger um Überweisung des Nachlasses auf ein bestimmtes Konto mit Aktenzeichen.
159
b) Auftauchen des wirklichen Erben Die Vermutung, dass kein anderer Erbe als der Staat vorhanden ist, ist widerlegbar (§ 1964 Abs. 2 BGB). Taucht der wirkliche Erbe auf, ist der Feststellungsbeschluss aufzuheben und dem Erben (auf Antrag) ein Erbschein zu erteilen. Der Fiskus hat dem wirklichen Erben den Nachlass auszuhändigen (§ 2018 BGB), aber unter Abzug der eigenen Verwaltungskosten (§ 2022 BGB).
160
XV. Steuerliche Rechte und Pflichten des Nachlasspflegers 1. Allgemeines Der Beschluss des Nachlassgerichts über die Anordnung der Nachlasspflegschaft wird dem Erbschaftsteuerfinanzamt mitgeteilt (§ 12 Abs. 1 ErbStDV), ferner Höhe und Zusammensetzung des Nachlasses. Kommt der Anfall der Erbschaftsteuer infrage, übersendet das Finanzamt daraufhin dem Nachlasspfleger die Vordrucke betreffend die Erbschaftsteuererklärung. Die unbekannten Erben sind meist ferner verwandt; die Freibeträge sind deshalb verhältnismäßig gering (§ 16 ErbStG); ab 1.1.2009: Steuerklasse I: Ehegatte; Kinder, Stiefkinder; Enkel; Eltern; Großeltern. Steuerfrei bleibt der Erwerb des Ehegatten in Höhe von 500 000 Euro; der Kinder und der Kinder verstorbener Kinder (d.h. der Enkel, die den Stamm vertreten): in Höhe von 400 000 Euro; der sonstigen Personen der Steuerklasse I (z.B. der Eltern) in Höhe von 100 000 Euro. Steuerklasse II: Geschwister, Neffen, Nichten, Stiefeltern, -kinder, -eltern; der geschiedene Ehegatte. Steuerfrei bleibt der Erwerb in Höhe von 20 000 Euro. Steuerklasse III: alle übrigen Erwerber, z.B. nichteheliche Lebenspartner, Freunde. Steuerfrei bleibt der Erwerb in Höhe von 20 000 Euro. Der Steuersatz beträgt 7 bis 50 %, meist 30 % (§ 19 ErbStG).
Zimmermann
1221
161
C III Rz. 162
Nachlasspflegschaft
2. Die Steuererklärung 162
Ist ein Nachlasspfleger bestellt, ist die Erbschaftsteuererklärung von diesem abzugeben (§ 31 Abs. 6 ErbStG), also nicht vom Erben. Die Pflicht besteht erst, wenn das Finanzamt die Steuererklärung vom Nachlasspfleger anfordert. Eine Verpflichtung des Nachlasspflegers zur Abgabe der Steuererklärung kann sinngemäß ferner nur bestehen, wenn er bezüglich des Erwerbs irgendwelche zivilrechtliche Befugnisse hat; sein Aufgabenkreis kann erbschaftsteuerlich nicht über den Rahmen hinausgehen, den das BGB setzt. Wenn der Aufgabenkreis des Nachlasspflegers beschränkt ist (z.B. nur für einen unbekannten Miterben, die anderen Miterben sind bekannt), erstreckt sich seine Erklärungspflicht nur auf die von ihm zu verwaltenden Teile des Nachlasses. Fällt eine Lebensversicherungssumme mit dem Tod an einen Bezugsberechtigten und nicht in den Nachlass, hat der Nachlasspfleger insoweit keine Erbschaftsteuererklärung abzugeben.
163
Manche Angaben in der Steuererklärung kann der Nachlasspfleger nicht machen, weil er darüber keine Kenntnisse hat, z.B. zur Frage, wer Erbe ist, wenn die Erbfolge noch unklar ist; ob der Erbe innerhalb der letzten zehn Jahre Schenkungen vom Erblasser erhalten hat (§ 14 ErbStG). Der Nachlasspfleger sollte die entsprechenden Fragen in der Steuerklärung nicht beantworten, sondern ein Schreiben mit diesbezüglichen Erläuterungen beifügen.
3. Der Steuerbescheid 164
Die Bekanntgabe des (vorläufigen oder endgültigen) Steuerbescheids erfolgt an den Nachlasspfleger (§ 32 Abs. 2 ErbStG). Die Erben (bzw. Vermächtnisnehmer usw.) sind berechtigt, gegen den Steuerbescheid Einspruch einzulegen und später zu klagen; die unbekannten Erben werden dabei durch den Nachlasspfleger vertreten. Die Einspruchsfrist beträgt einen Monat; der Bescheid enthält eine entsprechende Belehrung (§§ 355 Abs. 1, 157 Abs. 1 AO). Das Einspruchsverfahren ist gebührenfrei. Wird Einspruch eingelegt, ist trotzdem die Steuer zu bezahlen (§ 361 Abs. 1 AO). Anders ist es, wenn ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids gestellt wird (§ 361 Abs. 2 AO) und das Finanzamt dem entspricht.
165
In § 32 Abs. 2, 1 Satz 2 ErbStG ist ausdrücklich festgehalten, dass der Nachlasspfleger für die Bezahlung der Erbschaftsteuer „zu sorgen“ hat. Das begründet eine zivilrechtliche Befugnis des Nachlasspflegers, die Steuerzahlung mit Nachlassmitteln zu bewirken1, obwohl es sich um eine persönliche Steuerschuld der Erben handelt und dies den Nachlass an sich nichts angeht.
166
Nach § 32 Abs. 2, 1 Satz 3 ErbStG ist auf Verlangen des Finanzamts vom Nachlasspfleger für die Erbschaftsteuer aus dem Nachlass Sicherheit zu leisten. Das kann durch Verpfändung usw. erfolgen (vgl. § 241 AO).
1 Meincke, ErbStG, § 32 Rz. 11.
1222 Zimmermann
Nachlasspflegschaft
Rz. 168 C III
4. Haftung des Nachlasspflegers für die Erbschaftsteuer Der Nachlasspfleger ist Vermögensverwalter i.S. von § 34 Abs. 3 AO. Soweit seine Verwaltung reicht, hat er daher die steuerlichen Pflichten des § 34 Abs. 1 AO: Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet. Wenn die Erbschaftsteuer infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Pflicht des Nachlasspflegers, dafür zu sorgen, dass sie bezahlt wird, nicht beglichen wird, haftet der Nachlasspfleger dafür (§ 69 AO). Durch Haftungsbescheid des Finanzamts wird der Nachlasspfleger in Anspruch genommen (§ 191 Abs. 1 AO).
167
Haftung des Nachlasspflegers wegen Überweisung des Nachlasses ins Ausland: Personen, in deren Gewahrsam sich Vermögen des Erblassers befindet (z.B. der Nachlasspfleger), haften für die Erbschaftsteuer, wenn sie das Vermögen vorsätzlich oder fahrlässig vor Entrichtung der Erbschaftsteuer ins Ausland bringen oder im Ausland wohnenden Personen zur Verfügung stellen (§ 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG).
168
Zimmermann
1223
IV. Die Erbengemeinschaft Schrifttum: Ann, Die Erbengemeinschaft, 2001; Bartholomeyczik, Anmerkung zu BGH v. 28.4.1955, NJW 1955, 1559; Bengel, Zur Rechtsnatur des vom Erblasser verfügten Erbteilungsverbots, ZEV 95, 178; Börner, Das System der Erbenhaftung, JuS 1968, 108; Buchwald, Der Betrieb eines Handelsgewerbes in Erben- oder Gütergemeinschaft, BB 1962, 1405; Dütz, Das Zurückbehaltungsrecht des § 273 Abs. 1 BGB bei Erbauseinandersetzungen, NJW 1967, 1105; Ebeling/Geck, Handbuch der Erbengemeinschaft; Ebenroth, Erbrecht, 1992; Eberl/Borges, Die Erbauseinandersetzung, 2000; Eidenmüller, Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung, JA 1991, 150; Frieser, Anwaltliche Strategien im Erbschaftsstreit, 2004; Grunsky, Die Abgrenzung der Teilungsanordnung gegenüber dem Vorausvermächtnis, JZ 1963, 250; Harder, Grundzüge der Erbenhaftung, JuS 1980, 876; Ivo, Erbteilsverfügungen bei Sondererbfolge in Anteile von Personengesellschaften, ZEV 2004, 499 ff.; Johannsen, Die Erbengemeinschaft, WM 1970, 2, 110, 234, 573; Josef, Verfügungen über Erbschaftsanteile, AcP 99, 315; Jülicher, Mehrheitsgrundsatz und Minderheitenschutz bei der Erbengemeinschaft, AcP 175, 143; Kiderlen/Roth, Taktisches Verhalten des Miterben in der Teilungsversteigerung, NJW-Spezial 2008, 455; Kuchinke, Die Firma in der Erbfolge, ZIP 1987, 681; Liermann, Zweifelsfragen bei der Verwertung eines gepfändeten Miterbenanteils, NJW 1962, 2189; Lehmann, Die Konkurrenz zwischen Vertragspfandrecht und nachrangigem Pfandrecht, NJW 1971, 1545; Lorenz, Auskunftsansprüche im Bürgerlichen Recht, JuS 95, 569; Maßfeller, Das Güterrecht des Gleichberechtigungsgesetzes, DB 1957, 623; Möller, Die Haftung von Miterben und wie sie beschränkt werden kann, Erbrecht effektiv 2004, 50; v. Morgen, Die Testamentsvollstreckervergütung bei Erbteilsvollstreckungen, ZEV 1996, 170 ff.; v. Morgen, Anmerkung zu BGH v. 22.1.1997: Kosten der Erbteilsvollstreckung sind von allen Miterben zu tragen, ZEV 1997, 116; v. Morgen, Anmerkung zu BGH v. 25.6.2003: Kostenverteilung bei Testamentsvollstreckung über nur einen Miterbenanteil, ZEV 2003, 415 f.; Muscheler, Der Mehrheitsbeschluss in der Erbengemeinschaft, ZEV 1997, 169 ff., 222 ff.; Noack, Vollstreckung gegen Erben, JR 1969, 8; Patschke, Erbteilsübernahme durch den Miterben, NJW 1955, 444; Reimann, Erbauseinandersetzung durch Abschichtung, ZEV 1998, 213; Reimann, Die stecken gebliebene Erbauseinandersetzung, ZEV 2009, 120:, Ripfel, Das Pfändungspfandrecht am Erbteil, NJW 1958, 692; Sarres, Die Erbengemeinschaft, 2006; Sarres, Auskunftspflicht zwischen den Miterben bei gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge, ZEV 1996, 300; 2000, 349 ff.; Siegler, Zur Abtretbarkeit des Anspruchs des Miterben auf das Auseinandersetzungsguthaben, MDR 1964, 372; Speckmann, Der Anspruch des Miterben auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses, NJW 1973, 1869; Steiner, Die Praxis der Klage auf Erbauseinandersetzung, ZEV 1997, 89; Steiner, Nutzung von Nachlassgegenständen durch Miterben, ZEV 2004 405 f.; Strothmann, Einzelkaufmännisches Unternehmen und Erbenmehrheit im Spannungsfeld von Handels-, Gesellschafts-, Familien- und Erbrecht, ZIP 1985, 969; Wälzholz, Erbauseinandersetzung und Teilungsanordnung nach der Erbschaftsteuerreform, ZEV 2009, 113; Vollkommer, G., Der übergangene Miterbe, FamRZ 1999, 350 ff.; Wendt, Verfügungen über Erbschaftsanteile, AcP 89, 420; Werkmüller, Die Mitwirkungsbefugnisse der Bruchteilsminderheit bei Beschlussfassung in der ungeteilten Erbengemeinschaft, ZEV 1999, 218; Winkler, Der Testamentsvollstrecker nach bürgerlichem, Handels- und Steuerrecht, 19. Aufl. 2008; Wolf, Die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch die Erbengemeinschaft, AcP 181, 480; Zunft, Die Übertragung sämtlicher Nachlassgegenstände an einen Miterben gegen Abfindung der übrigen Miterben, JZ 1956, 550.
1224 v. Morgen
Erbengemeinschaft
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Interessen der Beteiligten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Typische Interessen des Erblassers aa) Bewahrung des Nachlasses als Einheit . . . . . . . . . . bb) Gleichbehandlung . . . . . . cc) Streitvermeidung . . . . . . . dd) Familienpolitische Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Unkenntnis oder Interessenlosigkeit . . . . . . . . . . . . b) Typische Interessen einzelner Miterben . . . . . . . . . . . . . . aa) Rasche wirtschaftliche Verwertung/Aufteilung des Nachlasses . . . . . . . . . bb) Maximierung der Entnahmen . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewahrung des Nachlassvermögens als Einheit . . . dd) Thesaurierung bzw. Reinvestition der Erträge . . . . ee) „Aushungern“ wirtschaftlich weniger begüterter Miterben . . . . . . . . . ff) Aktive Verwaltung/persönliche Profilierung . . . . gg) Desinteresse, Blockade von Entscheidungen . . . . hh) Austragung von Familienstreitigkeiten . . . . . . . . c) Typische Interessen der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Typische Interessen der Nachlassschuldner . . . . . . . . . 3. Typische Streitkomplexe . . . . . . a) Teilung des Nachlasses . . . . . b) Maßnahmen der Verwaltung c) Ausscheiden eines Miterben d) Prozesse für und gegen den Nachlass. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, Nachlassteilung . 1. Grundsatz: Recht auf jederzeitige Auseinandersetzung . . . . . . . . a) Anspruchsberechtigte . . . . . . b) Anspruchsschuldner . . . . . . . c) Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . .
C IV Rz. 1 2 5
6 7 8 9 10 11
13 14 15 16
17 18 19 20 21 24 25 26 30 33 34 35
Rz. 2. Aufschub oder Ausschluss der Erbauseinandersetzung . . . . . . . a) Aufschub oder Ausschluss durch Anordnung des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Möglicher Inhalt bzw. Umfang. . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsnatur . . . . . . . . . . . dd) Grenzen (1) Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Aufhebung der Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . (2) Zeitablauf. . . . . . . . . . . . . (3) Tod eines Miterben. . . . . (4) Insolvenz eines Miterben oder Pfändung in seinen Anteil . . . . . . . . . . (5) Einigkeit aller Miterben (6) Verstoß des Testamentsvollstreckers gegen Ausschlussanordnung des Erblassers . . . . . . . . . . . . . (7) Unterschreitung des Pflichtteils eines Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Wiederverheiratung im Falle fortgesetzter Gütergemeinschaft . . . . . . . . . . (9) Auseinandersetzungsverlangen aufgrund Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetzes . . . b) Aufschub wegen Unbestimmtheit der Erbteile . . . . c) Aufschub bis zur Gläubigerermittlung . . . . . . . . . . . . . . . d) Aufschub/Ausschluss durch Vereinbarung sämtlicher Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aufschub gemäß § 242 BGB 3. Wege der Erbauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auseinandersetzung durch Testamentsvollstrecker aa) Rechte und Pflichten . . . bb) Ausführung . . . . . . . . . . .
49
50 51 53 54
55 58 60
62 63
65
67
68
69 70 72
73 77 78
80 85
36 37 47 48
v. Morgen 1225
Erbengemeinschaft
C IV Rz. (1) Vorbereitung der Auseinandersetzung durch Erfassung und Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten sowie Versilberung einzelner Nachlassgegenstände. . . . . . . . . . . . (2) Aufstellung eines Teilungsplans . . . . . . . . . . . . . (3) Anhörung der Erben . . . . (4) Verbindlichkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Alternative: Auseinandersetzungsvertrag mit den Erben. . . . . . . . . . . . . . (6) Dinglicher Vollzug des Auseinandersetzungsplans/der Auseinandersetzungsvereinbarung . . . cc) Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten der Erben (1) Unwirksamkeit des Teilungsplans . . . . . . . . . . . . . (2) Offenbare Unbilligkeit im Sinne des § 2048 Satz 3 BGB . . . . . . . . . . . . . (3) Verstoß gegen ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses . . . . . . . . . . . . (4) Aufhebung einer (Teilungs-)Anordnung wegen schädigender Wirkung . . (5) Schadensersatz . . . . . . . . . dd) Bewertung . . . . . . . . . . . . . b) Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen den Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mögliche Regelungsinhalte (1) Normalfall: Aufteilung aufgrund Auseinandersetzungsvertrags (a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . (b) Zustimmungserfordernis bei Vor-/Nacherbschaft . . (c) Familienrechtliche Zustimmungserfordernisse .
1226 v. Morgen
85 86 87 88
89
90
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92
93
94 97 98
100 101
103 105 106
Rz. (d) Problem: (gemischte) Schenkung bei Bevorzugung einzelner Miterben im Auseinandersetzungsvertrag? . . . . . . . (2) Alternative: Auseinandersetzung aufgrund Kaufs sämtlicher Erbteile durch einen Miterben (3) Alternative: Ausscheiden gegen Abfindung? . . (4) Sonderfall: Teilauseinandersetzung . . . . . . . . . . . . cc) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . dd) Angreifbarkeit . . . . . . . . . ee) Bewertung . . . . . . . . . . . . c) Vermittlung durch das Nachlassgericht (§§ 363–373 FamFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verfahren . . . . . . . . . . . . . bb) Streitige Punkte, Vorrang eines Klageverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . d) Auseinandersetzungsklage aa) Zuständiges Gericht. . . . bb) Parteien . . . . . . . . . . . . . . cc) Klageart und Klageantrag (1) Grundsatz: Klage auf Zustimmung zur Erbauseinandersetzung gemäß Teilungsplan . . . . . . . . . . (2) Teilklage? . . . . . . . . . . . . . (3) Feststellungsklage bei fehlender Teilungsreife des Nachlasses als Alternative . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Vorbereitende Auskunftsklage? . . . . . . . . . . (5) Weitere vorbereitende Maßnahmen: Teilungsversteigerung von Grundstücken . . . . . . . . . (b) Verfahren der Teilungsversteigerung . . . . . . . . . . (c) Verteidigungsmöglichkeiten für Antragsgegner (nicht teilungsbereite Miterben) . . . . . . . . . . . . .
107
108 111 115 117 118 120
122 123
124 126 128 129
131 134
139 142
145 148
158
Erbengemeinschaft
C IV Rz.
dd) Gegenstandswerte, anwaltliche Gebühren . . . . . ee) Checkliste (1) Auseinandersetzungsklage ausgeschlossen?. . . . . . (2) Nachlass vollständig erfasst? (Aktiva und Passiva) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Teilungsregeln beachtet? (4) Hilfsantrag/-anträge angezeigt? . . . . . . . . . . . . . . . (5) Weitere prozessuale Fragen abgeklärt? . . . . . . . . . . ff) Bewertung . . . . . . . . . . . . . e) Schiedsverfahren, „Mediation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Materiellrechtliche Grundsätze der Auseinandersetzung a) Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verteilung des Überschusses aa) Vorrangig: Teilung in Natur (§ 2042 Abs. 2 i.V.m. § 752 Satz 1 BGB) . . . . . . . bb) Sekundär: Zwangsverkauf (§ 2042 Abs. 2 i.V.m. § 753 Abs. 1 Satz 1 BGB) . c) Teilungsanordnungen des Erblassers (§ 2048 BGB) . . . . . d) Auseinandersetzung nach dem billigen Ermessen eines Dritten (§ 2048 Satz 2 BGB), Übernahmerecht. . . . . . . . . . . e) Ausgleichung lebzeitiger Vorempfänge u.a. unter Abkömmlingen (§§ 2050 ff. BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzliche Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Problem: Anwendung des § 2052 BGB im Rahmen des sog. Berliner Testaments (§ 2269 BGB) . . . . . cc) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . III. Verwaltung des Nachlasses . . . . 1. Verwaltung durch Testamentsvollstrecker, insbesondere als Dauertestamentsvollstreckung . 2. Gemeinschaftliche Verwaltung durch die Miterben . . . . . . . . . . . a) Primäres Bemühen: Einvernehmliche Mitwirkung aller Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . .
168
173
174 175 176 177 178 180
183 186
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193 196
200
203 206
212 213 216
Rz. b) Mehrheitsbeschluss genügt bei Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung (und Benutzung) . . . . . . . . . . aa) Definition „Verwaltung“. . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Definition „Benutzung“ cc) Definition „ordnungsmäßige“ . . . . . . . . . . . . . . dd) Beschlussfassung (1) Verfahren und Rechtsnatur der Stimmabgabe . (2) Anspruch der Minderheit auf Gehör . . . . . . . . . (3) Stimmrechtsausschluss bei Interessenkonflikten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Rechtsfolgen des wirksamen Mehrheitsbeschlusses (1) Innenverhältnis. . . . . . . . (2) Außenverhältnis . . . . . . . ff) Geltendmachung der Unwirksamkeit von Mehrheitsbeschlüssen . . c) Durchsetzung ordnungsgemäßer Verwaltung durch die Minderheit . . . . . . . . . . . . d) Notverwaltungsrecht jedes einzelnen Miterben . . . . . . . . e) Checkliste aa) Vorklärungen (1) Verwaltungsrecht entzogen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mitwirkung Dritter erforderlich? . . . . . . . . . . . . bb) Verfahrensweise (Abschichtung) (1) Notverwaltungsmaßnahmen i.S.d. § 2038 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderliche Maßnahmen i.S.d. § 2038 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. BGB? . . . . . . . . . . .
228 229 230 231
235 236
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240 241
244
246 250
255 256
257
258
217 218
222
v. Morgen 1227
C IV Rz. (3) Dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechende Maßnahme der Verwaltung (oder Benutzung) i.S.d. § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB analog? . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (4) Der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung (oder Benutzung) i.S.d. § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB analog? . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (5) Alle übrigen Maßnahmen der Verwaltung (oder Benutzung), insbesondere: . 261 3. Lastentragung und Anspruch auf Nutzungen a) Lasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Recht zum Gebrauch der Nachlassgegenstände . . . . . . . 264 c) Teilung der Früchte aa) Grundsatz: Teilung erst bei Auseinandersetzung . 266 bb) Ausnahme: Jährliche Teilung des Reinertrages bei längerem Ausschluss der Auseinandersetzung . . . . 267 4. Sonderfall: Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen im Nachlass a) Handelsgeschäft . . . . . . . . . . . 271 b) Personengesellschaften . . . . . 279a c) GmbH-Anteil . . . . . . . . . . . . . 284 IV. Haftung und Forderungszuständigkeit 1. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 a) Grundsatz: Gesamtschuldnerische Haftung der Miterben für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten, § 2058 BGB aa) Gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten . . . 288 bb) Gesamtschuld- oder Gesamthandsklage nach Wahl des Gläubigers: Vorund Nachteile
1228 v. Morgen
Erbengemeinschaft Rz. (1) Unterschiede in der jeweiligen Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bewertung und Empfehlungen aus Sicht des Nachlassgläubigers. . . . . cc) Klage eines Miterben als Gläubiger . . . . . . . . . . . . . b) Haftungsbeschränkung auf den Nachlassanteil bis zur Auseinandersetzung, § 2059 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftung nach der Teilung aa) Grundsatz: Unbeschränkte gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . bb) Ausnahmen: Anteilige Haftung . . . . . . . . . . . . . . 2. Forderungszuständigkeit a) Abgrenzung Gesamthandsklage – Gesamthänderklage. b) Rechte des einzelnen Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geltendmachung von Ansprüchen des Nachlasses gegen andere Miterben . . . . . . . d) Abgrenzung zu anderen Rechten, die nicht Ansprüche im Sinne des § 194 BGB sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Analoge Anwendung des § 2039 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 3. Parteifähigkeit der Erbengemeinschaft? . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfügungen über einen Erbanteil. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übertragung a) Übertragung insgesamt . . . . b) Formerfordernisse . . . . . . . . . c) Rechtsstellung des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsstellung des übertragenden Miterben . . . . . . . . . . e) Verfügung über Bruchteile des Erbanteils . . . . . . . . . . . . . f) Übertragung des Erbauseinandersetzungsanspruches oder Abtretung des Anspruches auf das Auseinandersetzungsguthaben als Alternative zur Erbteilsübertragung?. . . . . . .
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Erbengemeinschaft
Rz. 1 C IV Rz.
g) Vorkaufsrecht des/der übrigen Miterben . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzung: Kaufvertrag über Anteil am Nachlass . . . . . . . . . . . . . . bb) Umgehungsgeschäfte . . . cc) Ausübung des Vorkaufsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsverhältnis zwischen veräußerndem und vorkaufsrechtsausübendem Miterben . . . . . . . . . . ee) Rechtsverhältnis zwischen Käufer und vorkaufsberechtigtem Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Haftungsbefreiung des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Vorkaufsrecht im Falle mehrfach gestufter Erbengemeinschaften . . . . . 2. Verpfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsstellung des Pfandgläubigers aa) Benachrichtigung der übrigen Miterben . . . . . . . . . bb) Eintragung im Grundbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wahrnehmung der Rechte des Miterben. . . . . . . . . dd) Fortsetzung der Rechte des Pfandgläubigers am Surrogat im Falle der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft . . . . .
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ee) Einziehung der Erträge. . b) Rechtsstellung des verpfändenden Miterben aa) Relatives Verfügungsverbot hinsichtlich der Nachlassgegenstände . . . bb) Kein Veräußerungsverbot hinsichtlich des Erbteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsstellung der übrigen Miterben . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kein Vorkaufsrecht. . . . . bb) Ablösungsrecht? . . . . . . . cc) Weitere Rechte . . . . . . . . 3. Pfändung eines Miterbenanteils im Wege der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pfändung und Überweisung zur Einziehung. . . . . . . . . . . . b) Antrag auf Anordnung anderweitiger Verwertung, Versteigerung des Erbanteils . . . 4. Belastung mit Nießbrauch . . . . a) Form und Inhalt der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsstellung des Nießbrauchers und des betroffenen Miterben . . . . . . . . . . . . .
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I. Allgemeines Auseinandersetzungen innerhalb einer Erbengemeinschaft gehören häufig zu den schwierigsten und unbefriedigendsten Erlebnissen innerhalb der erbrechtlichen Praxis des Rechtsanwalts. Zwei Gründe sind hierfür zu nennen: Zum einen stellt man als beratender Anwalt nicht selten im Laufe eines Mandats früher oder später fest, dass es den Beteiligten eigentlich gar nicht um die erbrechtliche Angelegenheit als solche geht, sondern die rechtliche Auseinandersetzung dafür herhalten muss, innerfamiliäre Konflikte auszutragen, deren Ursache ganz woanders angelegt ist und die mit dem Ableben des Erblassers ungehemmt hervortreten. Zum anderen gibt einem das Gesetz mit den §§ 2032–2063 BGB nur ein äußerst schwerfälliges und wenig hilfreiches Instrumentarium zur Konfliktlösung an die Hand, dessen Anwendung mit vielfältigen Problemen behaftet ist. v. Morgen 1229
1
C IV Rz. 2
Erbengemeinschaft
Für die erfolgreiche Mandatsbearbeitung in Angelegenheiten der Miterbengemeinschaft ist daher psychologisches Geschick mindestens ebenso wichtig wie die vollständige Kenntnis und sichere strategische Handhabung des zur Verfügung stehenden rechtlichen Instrumentariums. Die folgende Darstellung kommt mithin nicht ohne die immer wiederkehrende Berücksichtigung der jeweiligen Motiv- und Interessenlage der unterschiedlichen Beteiligten an einer Erbengemeinschaft aus.
1. Rechtsnatur 2 Wesen der Gesamthandsgemeinschaft: Anders als im römischen und gemeinen Recht ist die Erbengemeinschaft im BGB nicht als Bruchteilsgemeinschaft an den einzelnen Nachlassgegenständen, sondern – nach dem Vorbild des pr. ALR – als Gemeinschaft zur gesamten Hand am ganzen Nachlass ausgebildet. Kennzeichnend für die Gesamthandsgemeinschaft ist die Bildung eines gemeinsamen Sondervermögens, das dem Gesamthandszweck gewidmet ist. Rechtlich besteht dementsprechend eine Trennung zum Privatvermögen jedes einzelnen Gesamthänders insofern, als über die Gegenstände des Gesamthandsvermögens der einzelne Gesamthänder nicht allein verfügen (§ 2033 Abs. 2 BGB), sondern hierüber nur „zur gesamten Hand“ unter Mitwirkung aller Gesamthänder verfügt werden kann (§ 2040 Abs. 1 BGB)1. Die Gesamthandsgemeinschaft schafft unter den Beteiligten somit die stärkste rechtliche Bindung überhaupt. Dementsprechend eingeschränkt ist die Flexibilität hinsichtlich etwaiger vom Gesamthandszweck abweichender Einzelinteressen. 3 Eine Gesamthandsgemeinschaft kann nicht auf der Grundlage der Vertragsfreiheit zu beliebigen Zwecken geschaffen werden, sondern existiert überhaupt nur in drei Erscheinungsformen: – als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), – als eheliche Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB), – als Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB). Im Unterschied zu den beiden anderen Erscheinungsformen ist die Erbengemeinschaft die einzige Gesamthandsgemeinschaft, die nicht auf freiwilliger Bindung der Beteiligten beruht. Sie entsteht mit dem Erbfall als „Zwangsgemeinschaft“2 ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen der Beteiligten, und zwar entweder durch Einsetzung mehrerer Erben in einer letztwilligen Verfügung oder – am häufigsten – durch gesetzliche Erbfolge. Im letzteren Fall besteht sie, bei Fehlen nächster Angehöriger des Erblassers, nicht selten auch in einer größeren Anzahl von Miterben und mit untereinander sehr unterschiedlichen Bruchteilen. Die zwangsweise zustande gekommene derart enge Bindung durch die Ausgestaltung als Gesamthandsgemeinschaft rechtfertigt sich grundsätzlich nur daraus, dass die Erbengemeinschaft – im Unterschied 1 Erman/Schlüter, Vorbemerkung §§ 2032–2063 Rz. 2. 2 Lange/Kuchinke, S. 1025.
1230 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 5 C IV
zu den beiden anderen Erscheinungsformen der Gesamthandsgemeinschaft – nicht auf Dauer angelegt ist, sondern die Auflösung durch Auseinandersetzung im Vordergrund steht. Bis dahin soll vorrangig der Nachlass als Vermögenswert erhalten bleiben – nicht zuletzt auch im Interesse der Gläubiger. Rechtspolitisch ist hieran zu kritisieren, dass durch die weiträumigen Aus- 4 nahmen im Gesetz (§§ 2043 ff. BGB) ebenso wie durch das umständliche und im Ergebnis häufig unbefriedigende Instrumentarium der Auseinandersetzungsvorschriften der Grundsatz der jederzeitigen Aufhebung der Erbengemeinschaft auf Verlangen – nur – eines Miterben gemäß § 2042 BGB in der Praxis häufig in sein Gegenteil verkehrt wird, so dass die Nachteile einer gesamthänderischen Bindung dann in den Vordergrund treten. Zu beanstanden ist namentlich, dass nach bestehender Rechtslage der – wirtschaftlich oder persönlich – „problematische“ Miterbe auf Gedeih und Verderb in der Gesamthandsgemeinschaft verhaftet ist. Denn anders als durch den langwierigen Weg einer Gesamtauseinandersetzung mit dem – häufig nicht zuletzt auch unwirtschaftlichen – Versilbern aller unteilbaren Gegenstände des Nachlassvermögens ist im Ernstfall nach bestehender Rechtslage keine Trennung möglich, was aber im Ergebnis keinem gerecht wird: Für den „problematischen“ Miterben kommt der Zufluss des Erlöses aus der Auseinandersetzung häufig zu spät und bedeutet unabhängig davon auch eine erhebliche wirtschaftliche Einbuße; die übrigen Miterben laufen zumindest Gefahr, dass die Nachlassgegenstände in ihrem Bestand ihnen verloren gehen. De lege ferenda wäre es also unbedingt wünschenswert, analog dem heutigen Standard für Gesellschaftsverträge auch für die Erbengemeinschaft zumindest ein (gesetzliches) Instrumentarium zur Ausschließung eines „problematischen“ Miterben, möglicherweise umgekehrt auch ein Austrittsrecht, beides natürlich gegen entsprechende Abfindung, zu schaffen1. Auch eine gesetzliche Ausgestaltung als Recht zur Einziehung des betreffenden Erbanteils gegen Abfindung oder als Ankaufsrecht der übrigen Miterben analog § 2035 BGB gegen Zahlung des Verkehrswertes des betreffenden Erbanteils wäre in diesem Zusammenhang denkbar. In jedem Falle würde eine Trennung zerstrittener Miterben ohne wirtschaftliche und Substanzverluste ermöglicht.
2. Typische Interessen der Beteiligten Durch das unfreiwillige Zustandekommen der Erbengemeinschaft treffen in 5 ihr die unterschiedlichsten Interessen aufeinander, die – aufgrund der engen Bindung innerhalb der Gesamthandsgemeinschaft – alle „unter einen Hut“ zu bringen sind. Dabei lehrt die Praxis, dass paradoxerweise die Interessengegensätze umso unversöhnlicher sind, je weniger Miterben vorhanden sind und je näher sich diese familiär stehen. Auch ein nur geringer wirtschaftlicher Nachlasswert reduziert erfahrungsgemäß keineswegs die Konfliktbereitschaft der Miterben.
1 Vgl. auch Ebeling/Geck, Rz. 24.1.
v. Morgen 1231
C IV Rz. 6
Erbengemeinschaft
Für die anwaltliche Beratungspraxis gibt es dabei grundsätzlich vier Blickwinkel, unter denen die unterschiedlichen Interessen berücksichtigt bzw. vertreten werden müssen: a) Typische Interessen des Erblassers Diese erhalten Bedeutung für die Testamentsgestaltung, aber nach dem Erbfall z.B. auch für die Testamentsauslegung und als Richtlinien für die Tätigkeit eines etwaigen Testamentsvollstreckers. Typische Interessen sind insoweit: aa) Bewahrung des Nachlasses als Einheit 6 Der Erblasser möchte sein Lebenswerk oder sogar die von vorangegangenen Generationen tradierten wirtschaftlichen und ideellen Werte auch über seinen eigenen Tod hinaus bewahrt wissen. Durch die testamentarische Einsetzung mehrerer Erben verspricht er sich einerseits eine gegenseitige Kontrolle im Hinblick auf diese Zielsetzung, andererseits vermeidet er damit möglicherweise auch eine Gefährdung des Nachlassbestandes durch übergroße Pflichtteilslasten. Dieser Erblasser wird typischerweise auch das weitere erbrechtliche Instrumentarium in Gestalt von Auflagen und Auseinandersetzungsbeschränkungen nutzen. Bei Einigkeit aller Miterben (und eines ggf. eingesetzten Testamentsvollstreckers) können sich die Beteiligten allerdings auch über dieses Interesse des Erblassers hinwegsetzen1. bb) Gleichbehandlung 7 Der Erblasser hat mehrere (pflichtteilsberechtigte) nächste Angehörige. Da er niemanden bevorzugen oder benachteiligen will, errichtet er entweder gar keine letztwillige Verfügung, so dass die gesetzliche Erbfolge mit der Bildung einer entsprechenden Erbengemeinschaft zum Zuge kommt, oder er setzt qua letztwilliger Verfügung seine nächsten Angehörigen sämtlich als Erben ein. cc) Streitvermeidung 8 Der Erblasser möchte insbesondere den durch eine Pflichtteilskonstellation vorprogrammierten Streit zwischen seinen nächsten Familienangehörigen vermeiden; deshalb setzt er alle zu Erben ein oder verlässt sich auf die gesetzliche Erbfolge. Durch den im Rahmen der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft bestehenden Zwang zu gemeinschaftlichen Entscheidungen möchte er die Einigkeit unter den Familienmitgliedern stärken. In puncto Auseinandersetzung wird diesem Erblasser allerdings zu raten sein, unbedingt Teilungsanordnungen vorzusehen. Auch über etwaige Ausgleichungspflichten gemäß §§ 2050 ff. BGB wird dieser Erblasser sich tunlich Gedanken machen. 1 BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115 (118); BGH v. 18.7.1971 – V ZB 4/71, BGHZ 56, 275 (281); Soergel/Wolf, § 2044 Rz. 4.
1232 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 11 C IV
dd) Familienpolitische Interessen Nicht immer sind die Interessen des Erblassers nur sachlich bedingt. Auch psychologische Gesichtspunkte spielen bei der Testamentsgestaltung eine Rolle. Die Motive können dabei im Ansatz durchaus wohlmeinend sein, z.B. die Intention des Erblassers, durch eine gemeinsame Erbeinsetzung bisher zerstrittene oder wenig Kontakt pflegende Familienangehörige wieder zusammenzubringen. Aber auch weniger wohlmeinende Intentionen spielen mitunter eine Rolle. Zum Beispiel der aus der Frustration über die bevorstehende Beendigung des eigenen Daseins geborene Wille, den Erben durch entsprechende Reglementierungen im Testament über den eigenen Tod hinaus noch „hineinzuregieren“ oder Streit innerhalb der Erbengemeinschaft durch deren Zusammensetzung ebenso wie durch einschränkende bzw. unklare Bestimmungen im Testament geradezu vorzuprogrammieren. Dieser Erblasser wird sein Testament häufig ohne rechtlichen Rat erstellt haben.
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ee) Unkenntnis oder Interessenlosigkeit Es darf bei allem nicht vergessen werden, dass der weitaus größte Teil der Bundesbürger, nämlich ca. 74 %, gar kein Testament oder eine sonstige letztwillige Verfügung errichtet hat1. Nur in den seltensten Fällen dürfte dies aufgrund eingehender Befassung mit der Materie und der Schlussfolgerung, mit der gesetzlichen Erbfolge und ihren Konsequenzen 100 %ig einverstanden zu sein, erfolgt sein. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die weitaus meisten Erbengemeinschaften deshalb zustande kommen, weil der Erblasser, der mehrere gesetzliche Erben hat, sich über seine Vermögensnachfolge entweder gar keine Gedanken gemacht hat, sich hinsichtlich seiner gesetzlichen Erben im Irrtum befand oder das Schicksal seines Vermögens nach seinem Tode ihm egal war, insbesondere weil er keine näheren Angehörigen aufwies. Gerade in den letztgenannten Fällen kommt es dann jedoch häufig zu Erbengemeinschaften, die sich aus einer größeren Zahl von Miterben mit häufig sehr unterschiedlichen Anteilen zusammensetzen. Auch die Erbenermittlung erweist sich in diesen Fällen mitunter als schwierig.
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b) Typische Interessen einzelner Miterben Da die Mitglieder einer Erbengemeinschaft sich, anders als beispielsweise bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), nicht willentlich zur Verfolgung eines gemeinschaftlichen Zweckes zusammenschließen, sondern als „Zufallsgemeinschaft“ miteinander verbunden sind, treffen innerhalb der Erbengemeinschaft u.U. äußerst konträre wirtschaftliche, aber auch persönliche Interessen aufeinander, welche der beratende Anwalt erkennen und für seinen jeweiligen Mandanten vertreten muss, keinesfalls aber moralisch bewerten sollte. Die wirtschaftliche Interessenlage jedes einzelnen Miterben ist dabei naturgemäß zumeist bestimmt durch seine persönliche finanzielle Si1 Laut EMNID-Umfrage vom August 2007, in Auftrag gegeben vom Deutschen Forum für Erbrecht e.V., München.
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C IV Rz. 12
Erbengemeinschaft
tuation, die häufig auch alters- bzw. generationenabhängig ist: Die jugendlichen Kinder des Erblassers werden typischerweise eher an einer raschen Aufteilung des Nachlassvermögens interessiert sein als die wohl situierte Ehefrau oder die Eltern des Erblassers. Gerade in innerfamiliären Konstellationen ist die Interessenlage einzelner Miterben indessen häufig auch durch emotionale Gesichtspunkte geprägt; darüber darf man sich als beratender/vertretender Anwalt keine Illusionen machen. Die rechtliche Auseinandersetzung ist in diesen Fällen häufig ein Projektionsfeld für persönliche Streitigkeiten und irrationale Motive, die ihren Ursprung ganz woanders haben. 12 Als gemeinsamer Nenner für die meisten Interessengegensätze innerhalb einer Erbengemeinschaft lässt sich die Rollenverteilung zwischen dem aktiven und dem passiven Miterben bzw. das unterschiedliche Bemühen um die Bewahrung versus Auseinandersetzung ermitteln, auf welche auch die Einzelnen im Folgenden aufgeführten Interessen jeweils rückführbar sind. aa) Rasche wirtschaftliche Verwertung/Aufteilung des Nachlasses 13 Dieser Mandant ist typischerweise wirtschaftlich eher bedürftig; sein Anteil am Nachlassvermögen verändert seine wirtschaftliche und persönliche Lebenssituation erheblich. Er gehört eher der Kindergeneration als der Elternoder Geschwistergeneration an. Möglicherweise ist diesem Mandanten aber auch die weitere Auseinandersetzung mit seinen Miterben, sei es aus persönlichen oder moralischen Gründen, unangenehm; er möchte durch eine zeitnahe Auseinandersetzung möglichst bald nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Dieser Mandant wird zwangsläufig die aktive Rolle innerhalb der Erbengemeinschaft übernehmen und im Interesse einer baldigen Auflösung der Erbengemeinschaft auch einzelne Nachteile in Kauf nehmen. bb) Maximierung der Entnahmen 14 Dieser Mandant ist erst recht in einer finanziell bedürftigen Situation. Um seinen Lebensunterhalt bestreiten oder seine Wünsche realisieren zu können, genügt es nicht, die – u.U. aufgeschobene – abschließende Auseinandersetzung des Nachlasses abzuwarten, sondern das Interesse dieses Miterben ist auf maximale Vorabausschüttungen durch Teilauseinandersetzung und/oder Teilung des jährlichen Reinertrages (§ 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB) gerichtet. Auch dieser Miterbe nimmt die aktive Rolle innerhalb der Miterbengemeinschaft ein. cc) Bewahrung des Nachlassvermögens als Einheit 15 Dieser Mandant ist an „schnellem Geld“ nicht interessiert. Meist ist er anderweitig finanziell ausreichend abgesichert. Dies erlaubt ihm, die wirtschaftliche Situation des Nachlassvermögens in einer langfristigen Perspektive zu betrachten. Darin erkennt er, dass die Bewahrung des Nachlassvermögens als Einheit, insbesondere bei Unternehmen, Grundvermögen etc., längerfristig einen höheren wirtschaftlichen Ertrag bietet als eine kurzfristige Zerschlagung 1234 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 17 C IV
wirtschaftlicher Einheiten durch Auseinandersetzung des Nachlasses. Indessen ist im Einzelfall auch möglich, dass dieser Miterbe als Mandant unabhängig von der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit der Bewahrung des Nachlassvermögens als Einheit rein aus ideellen Gründen handelt, beispielsweise im Andenken an den Erblasser dessen Gesamtlebenswerk nicht in einzelne Einheiten aufzuteilen. Dieser Miterbe wird daran interessiert sein, im Rahmen der durch den Erblasser und das Gesetz vorgegebenen Schranken die Aufteilung des Nachlasses möglichst weit hinauszuschieben. Sofern er auf Miterben mit konträrer Interessenlage (vgl. oben Rz. 13) trifft, wird er grundsätzlich die passive Rolle innerhalb der Erbengemeinschaft einnehmen, aber aktiv intervenieren, soweit andere Miterben ihrerseits Schritte zur Auseinandersetzung des Nachlasses ergreifen. dd) Thesaurierung bzw. Reinvestition der Erträge Die Interessenlage des Mandanten ist hier grundsätzlich gleich gelagert wie zuvor Rz. 15. Auch dieser Mandant ist finanziell nicht darauf angewiesen und nicht daran interessiert, bei einer längerfristig ausgeschlossenen Auseinandersetzung die Erträge des Nachlassvermögens auszuschütten, geschweige denn durch eine Teilauseinandersetzung vorzeitig Liquidität für die Miterben zu schöpfen. Aus seiner langfristig ausgerichteten Perspektive ist dieser Miterbe vielmehr daran interessiert, etwaige Erträge des Nachlasses zu reinvestieren bzw. im Hinblick auf künftige Investitionen zurückzustellen, um den Nachlass als wirtschaftliche Einheit zu stärken. Er denkt dabei häufig auch generationenübergreifend und in der Konstellation Vorerbschaft/Nacherbschaft eher altruistisch im Sinne der Nacherben.
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Dieser Miterbe wird sich gegenüber dem Verlangen des/der übrigen Miterben auf Teilauseinandersetzung eher passiv verhalten, um dieses zu verhindern. Um bei längerfristig ausgeschlossener Auseinandersetzung das Individualrecht der übrigen Miterben auf Teilung des Reinertrages im Sinne des § 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB zu verhindern, muss er indessen aktiv werden, indem er Beschlüsse über Investitionen etc. herbeiführt. ee) „Aushungern“ wirtschaftlich weniger begüterter Miterben Dieses Interesse eines oder mehrerer Miterben geht häufig mit der Interessenlage Rz. 15 und 16 einher. Durch die Strategie des „Aussitzens“ soll erreicht werden, dass der wirtschaftlich schwächere Miterbe letztendlich einer Auseinandersetzungsvereinbarung zu den Bedingungen des/der wirtschaftlich stärkeren Miterben zustimmt, häufig in Form seines Ausscheidens gegen eine (disproportional niedrige) Abfindung (s. dazu noch Rz. 111 ff.). Unter dem Eindruck der ihm von den wirtschaftlich stärkeren Miterben vorgegebenen Perspektive eines langfristig ertraglosen Verbundenseins innerhalb der Erbengemeinschaft wird der eine oder andere Miterbe häufig auch ohne wirtschaftliche Not die Lust verlieren und sich zu einer für ihn nachteiligen v. Morgen 1235
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C IV Rz. 18
Erbengemeinschaft
Auseinandersetzungsvereinbarung bereit finden. Der hier dargestellte Miterbe als Mandant wird typischerweise eine Doppelstrategie von „Zuckerbrot und Peitsche“ wählen, indem er einerseits jeglichem Versuch des wirtschaftlich schwächeren Miterben, den Nachlass auseinander zu setzen (insbesondere vorzeitig und teilweise) und die Erträge des Nachlasses zu teilen, entgegentritt und die Auseinandersetzung darum möglichst aufwändig gestaltet, andererseits zugleich dem wirtschaftlich schwächeren Miterben eine schnelle Lösung bei Zustandekommen einer Auseinandersetzungsvereinbarung zu seinen Bedingungen in Aussicht stellt. ff) Aktive Verwaltung/persönliche Profilierung 18 Keineswegs zu unterschätzen sind diejenigen Fälle, in denen einer der Miterben sich ohne weiter gehende wirtschaftliche Interessen im Umgang mit dem Nachlassvermögen allein im Andenken an den Erblasser, aber auch vor den übrigen Miterben, insbesondere als Familienangehörigen, durch eine aktive Verwaltungstätigkeit persönlich profilieren möchte und dabei nicht selten die rechtlichen Rahmenbedingungen der Verwaltung innerhalb der Erbengemeinschaft unbeachtet lässt. Dies beginnt bei der faktischen Inbesitznahme der Nachlassgegenstände und setzt sich in weiterem eigenmächtigen Handeln fort. Soweit die Interessenlage dieses Mandanten nicht wirtschaftlich geprägt ist, gestaltet sich die Vertretung häufig schwierig. Mitunter verknüpft der betreffende Miterbe mit seinem grenzüberschreitenden aktiven Handeln – gespeist aus der persönlichen Vorstellung eines besonderen moralischen Vorrechts gegenüber den übrigen Miterben – auch durchaus konkrete wirtschaftliche Interessen, die er im Hinblick auf die „normative Kraft des Faktischen“ durch sein Tun gezielt herbeiführen will. Typisches Beispiel: Ein Miterbe bezieht das Privathaus des Erblassers und richtet sich dort wohnlich ein; er setzt dabei darauf, dass die übrigen Miterben kein eigenes Interesse an einer (Mit-)Nutzung haben und auch keine Verwaltungsbeschlüsse über eine Fremdnutzung fassen werden, so dass er im Ergebnis zur unentgeltlichen Alleinnutzung gelangt (s. dazu im Einzelnen noch Rz. 264 f.). gg) Desinteresse, Blockade von Entscheidungen 19 Der durch eine derartige Interessenlage geprägte Typus eines Miterben ist möglicherweise am schwierigsten zu erfassen. Soweit er überhaupt einmal rechtlichen Rat bzw. anwaltliche Vertretung in Anspruch nehmen sollte, dürfte sich die Zusammenarbeit als kompliziert und häufig unerquicklich erweisen, da die Haltung dieses Miterben destruktiv, bestenfalls passiv ausgerichtet ist, ohne dass damit eine konkrete Zielsetzung oder Strategie verbunden wären. Der beratende/vertretende Anwalt ist in diesen Fällen darauf angewiesen, eigene Lösungskonzepte für den Mandanten zu entwickeln und diesen sowie die übrigen Miterben davon zu überzeugen.
1236 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 22 C IV
hh) Austragung von Familienstreitigkeiten Wie bereits angeführt (Rz. 11), werden die sachlich-rechtlichen Fragen innerhalb der Erbengemeinschaft nicht selten überlagert oder sogar instrumentalisiert, um persönliche (Familien-)Streitigkeiten auszutragen, die naturgemäß ganz andere Ursachen haben. Typische Konstellationen, in denen derartige Interessenlagen geradezu vorprogrammiert erscheinen, sind u.a. das Zusammentreffen von Kindern aus der ersten Ehe des Erblassers mit dem zweiten Ehegatten oder der Lebensgefährtin, das Zusammentreffen von Stiefgeschwistern oder bereits verfeindeten Geschwistern u.Ä.
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Der mit dieser Interessenlage seines Mandanten befasste Anwalt wird gut daran tun, gedanklich zunächst die sachlichen Interessen seines Mandanten von den persönlichen sorgfältig zu trennen; auf diese Weise wird er sich schnell darüber im Klaren sein, dass es mit einer sachlich interessegerechten Lösung der anstehenden Rechtsfragen für seinen Mandanten nicht getan ist, dieser vielmehr häufig gar nicht an einer Lösung interessiert sein wird, weil ihm dies die Möglichkeit nimmt, seine persönlich motivierten Streitigkeiten mit den übrigen Miterben weiter auszutragen. Die Kunst besteht in diesen Fällen darin, die persönlich motivierte Konfliktwilligkeit des Mandanten im Ergebnis gleichwohl auf eine für ihn interessegerechte Lösung hinzuführen, ohne seine emotional begründete Streitlust zu vernachlässigen oder gar zu unterschätzen. In manchen Fällen, insbesondere wenn die Streitwilligkeit des Mandanten zu der wirtschaftlichen Relevanz in keiner vernünftigen Relation steht, sollte der mit der Angelegenheit befasste Anwalt indessen auch die Grenzen seiner eigenen beruflichen Kompetenz erkennen. Eine Ablehnung bzw. Niederlegung des Mandats wird dann u.U. die Folge sein müssen. c) Typische Interessen der Gläubiger Auch die Interessen der Nachlassgläubiger können wegen ihrer praktischen Relevanz nicht unberücksichtigt bleiben, zumal der historische Gesetzgeber diesen bei der Ausgestaltung der Regelungen über die Miterbengemeinschaft, etwa der Surrogationsvorschrift des § 2041 BGB1, sogar vorrangig sein Augenmerk gewidmet hat2 (wodurch einige Probleme und gesetzgeberische Unzulänglichkeiten für die Regelung der Rechtsbeziehungen unter den Miterben entstanden sind).
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Erhaltung des Nachlasses als wirtschaftliches Zugriffsobjekt: Der Nachlassgläubiger ist zwangsläufig daran interessiert, dass der Nachlass nicht unter die einzelnen Miterben verteilt wird, bevor seine Forderung daraus beglichen worden ist, wie es das Gesetz in § 2046 BGB vorsieht, damit ihm der Nachlass als wirtschaftliches Zugriffsobjekt nicht durch die Aufteilung auf die einzelnen Miterben entzogen und dort möglicherweise in seinen Teilen verbraucht wird. Sollte dies dennoch geschehen, ist der Nachlassgläubiger daran interessiert, die gesamtschuldnerische Haftung der Miterben entgegen den in § 2060
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1 BGH v. 30.10.1989 – IX ZR 126/85, NJW 1987, 434 (435). 2 Vgl. Protokolle V, 835 f.
v. Morgen 1237
C IV Rz. 23
Erbengemeinschaft
BGB geregelten Fällen aufrechtzuerhalten. Überdies ist der Nachlassgläubiger aber auch daran interessiert, dass der Nachlass vor Teilung durch ordnungsgemäße Verwaltung in seiner Substanz erhalten oder sogar vermehrt wird, um die Realisierbarkeit seiner Forderung weiterhin zu gewährleisten oder sogar teilweise erst herzustellen. 23 Zunächst gleich gelagert sind auch die Interessen des persönlichen Gläubigers eines Miterben. Gar nicht einmal so selten anzutreffen sind insbesondere diejenigen Fälle, in denen ein ansonsten bereits unpfändbarer Schuldner erst durch eine Erbschaft wieder zu einem aussichtsreichen Vollstreckungssubjekt wird. Allerdings wird der persönliche Gläubiger eines Miterben, da er in den ungeteilten Nachlass nicht vollstrecken kann, eher an einer raschen Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft interessiert sein, die zudem nicht zu einer für seinen Schuldner ungünstigen Verteilung des Nachlassvermögens führen darf, um ihm dann den Vollstreckungszugriff und die Realisierung seiner Forderung zu ermöglichen. Da eine Pfändung des Auseinandersetzungsguthabens im Vorwege rechtlich nicht zulässig ist1, ist die für den persönlichen Gläubiger eines der Miterben gegebene Vollstreckungsmaßnahme die Pfändung des betreffenden Erbteils (s. dazu noch Rz. 361 ff.). d) Typische Interessen der Nachlassschuldner 24 Sieht man einmal von dem möglichen Interesse eines Schuldners ab, von einer Inanspruchnahme überhaupt verschont zu bleiben, so ergibt sich als besonderes Interesse des Nachlassschuldners in den Fällen einer Miterbengemeinschaft lediglich dasjenige, nicht durch Mehrfachinanspruchnahme von Seiten einzelner Miterben der Gefahr einer Doppelzahlung zu unterliegen, sondern entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 2039 BGB nur einmal, nämlich an alle Erben gemeinschaftlich zu leisten.
3. Typische Streitkomplexe 25 Die nachstehende Aufzählung erfasst selbstverständlich nicht sämtliche Konfliktfelder, die im Zusammenhang mit einer Erbengemeinschaft bestehen können; sie reduziert sich vielmehr auf diejenigen Konfliktpunkte, die nach ihrer Häufigkeit in der Praxis die größte Relevanz aufweisen. a) Teilung des Nachlasses 26 Da die Auflösung der Erbengemeinschaft vom Gesetzgeber in jedem Fall vorgesehen ist (vgl. § 2044 Abs. 2 BGB), stellt sich das Problem der Teilung – früher oder später – für jede Erbengemeinschaft. Nur in den seltensten Fällen wird der Erblasser durch entsprechende Teilungsanordnungen die Aufteilung seines Nachlasses so vollständig und präzise angegeben haben, dass jedem Streit darüber von vornherein der Boden entzogen ist. 1 RG v. 9.2.1905 – Rep. IV 423/04, RGZ 60, 126 (132); KG v. 20.2.1906, OLGE 12, 373 (374).
1238 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 29 C IV
Teilung oder nicht: Der Streit zwischen den Miterben beginnt in der Praxis häufig bereits bei der Frage, ob eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft – jedenfalls zum gegebenen Zeitpunkt bereits – zulässig ist oder nicht. Häufig entzündet sich der Streit aber auch an dem von einem der Miterben vorgelegten konkreten Teilungsplan, welchem die anderen Miterben ihre Zustimmung versagen und damit im Ergebnis das Gleiche bewirken wollen, sofern sie nicht selbst einen abweichenden Teilungsplan vorlegen. Auch über die nicht wenigen, aber teilweise auslegungsbedürftigen gesetzlichen und ggf. auch testamentarischen Bestimmungen über die Ausschließung der Auseinandersetzung und deren Grenzen kommt es zwischen den Miterben – bei gegensätzlicher Interessenlage – häufig zum Streit. Durch die Schwerfälligkeit der gesetzlichen Regelungen über den Auseinandersetzungsvorgang ist in den einzelnen Etappen genügend Streitpotenzial vorgegeben.
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Teilungsversteigerung: Obwohl es sich hierbei – entgegen landläufiger Meinung – noch gar nicht um die Auseinandersetzung, sondern lediglich um deren Vorbereitung handelt1 und dem in den meisten Fällen rechtlich im Ergebnis wenig entgegenzusetzen ist (vgl. noch Rz. 147 ff.), entzündet sich an diesem Punkt in der Praxis der größte Streit, was emotional durchaus nachvollziehbar ist. Häufig befinden sich im Nachlass das private Wohnhaus oder die Eigentumswohnung des Erblassers. Wenn dann etwa die Kinder des Erblassers aus erster Ehe dessen zweite Ehefrau daraus vertreiben, indem sie zwecks Vorbereitung der Auseinandersetzung die Teilungsversteigerung gemäß §§ 180 ff. ZVG einleiten, setzt sich die Witwe hiergegen verständlicherweise mit allen Mitteln zur Wehr, im Ergebnis allerdings zumeist erfolglos. Nach einer derartigen Teilungsversteigerung ist dann vielfach eine derartige Verhärtung der Fronten eingetreten, dass eine Einigung über den Restnachlass kaum noch möglich erscheint.
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Verteilung der einzelnen Nachlassgegenstände: Nur in den geringsten Fällen wird der Nachlass komplett in Natur teilbar sein. Auch die ansonsten eingreifende gesetzliche Regelung, wonach unteilbare Nachlassgegenstände mangels anderweitiger Einigung zu veräußern sind (§§ 753, 754 BGB i.V.m. § 2042 Abs. 2 BGB), dürfte in den meisten Fällen bestenfalls Ultima Ratio sein und hat im Übrigen verfahrensmäßig u.U. auch einen langen Vorlauf. Wenn der Erblasser zudem auch noch missverständliche Teilungsanordnungen (oder Vorausvermächtnisse; zur Abgrenzung noch Rz. 197 f.) angeordnet hat oder – im Falle gesetzlicher Erbfolge – unter Abkömmlingen ausgleichungspflichtige lebzeitige Zuwendungen in Frage kommen (§§ 2050 ff. BGB), ist Streit vorprogrammiert. Dieser setzt in der Praxis indessen häufig noch vorher ein, nämlich bereits bei der Frage der Zusammensetzung des Nachlasses, also seines Bestandes. Gerade wenn einer der Miterben ein größeres Näheverhältnis zum Erblasser hatte als der andere/die anderen, als Bevollmächtigter des Erblassers – u.U. sogar über den Tod hinaus – gehandelt oder sogar nach dem Erbfall ohne entsprechende Vollmacht eigenmächtig die Wohnung des Erblassers „auf-
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1 RG v. 9.11.1907 – Rep. V 154/07, RGZ 67, 61 (64); OLG Breslau v. 30.1.1911, OLGE 25, 269; OLG Köln v. 17.1.1958 – 6 W 149/57, MDR 1958, 517.
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C IV Rz. 30
Erbengemeinschaft
geräumt“ oder Nachlassgegenstände an sich genommen hat, ist das Misstrauen der übrigen Miterben meist derartig ausgeprägt, dass bereits über die Zusammensetzung des Nachlasses keine Einigkeit erzielbar ist. b) Maßnahmen der Verwaltung 30 Solange die Erbengemeinschaft nicht auseinander gesetzt ist – und dieser Zeitraum kann durchaus eine Generation umfassen –, sind die Miterben im Sinne einer „Notgemeinschaft“ bei der Handhabung des gemeinsamen Nachlassvermögens aufeinander angewiesen. Die Vorstellungen darüber gehen aber – entsprechend der unterschiedlichen Interessenlage (s. Rz. 11 ff.) – häufig eklatant auseinander. 31
Nutzung einzelner Nachlassgegenstände und finanzieller Ausgleich: Wie an anderer Stelle im Einzelnen noch auszuführen sein wird, ist der durch sein Handeln Fakten schaffende Miterbe bei der Nutzung der Nachlassgegenstände tendenziell im Vorteil (vgl. noch Rz. 264 f.), beispielsweise die das Einfamilienhaus des Erblassers allein bewohnende Ehefrau gegenüber den nicht ortsansässigen Kindern, welche zumindest bis zur Teilungsversteigerung des Wohnhauses zumeist keine Nutzungsentschädigung beanspruchen können, was für rechtliche Laien selten nachvollziehbar ist. Streitpotenzial entsteht jedoch auch dann, wenn mehrere Miterben die Nutzung selbst wahrnehmen wollen, beispielsweise der „missratene“ Sohn des Erblassers aus erster Ehe nach dem Erbfall beschließt, mit in die Drei-Zimmer-Eigentumswohnung des Erblassers zu ziehen, welche von dessen Ehefrau aus zweiter Ehe und Witwe bewohnt wird.
32 Ertragsteilung, Kostenteilung und Investitionen: Insbesondere wenn im Nachlass umfangreiches vermietetes Grundvermögen, ein Unternehmen oder ein ähnlich umfangreicher und komplexer Vermögenswert vorhanden ist, liefert die Handhabung dieses gemeinschaftlichen Vermögenswertes nahezu unbegrenzten Streitstoff. Neuralgische Punkte sind dabei, insbesondere bei längerfristigem Auseinandersetzungsausschluss, der Anspruch jedes Miterben auf Teilung des jährlichen Reinertrages im Sinne des § 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB, wobei der Streit nicht selten bereits bei der Ermittlung des Reinertrages ansetzt, die Heranziehung der Miterben zu den Kosten der Verwaltung sowie die Frage der Vornahme von Reparaturen und Investitionen. Auch hier wiederum liefern die gesetzlich vorgesehenen Regularien in der Praxis mehr Konfliktauslöser, als dass sie zur Vereinfachung beitragen. c) Ausscheiden eines Miterben 33 Der aus der gesamthänderischen Bindung resultierenden mangelnden Fungibilität in Bezug auf die einzelnen Nachlassgegenstände setzt das Gesetz mit der Vorschrift des § 2033 Abs. 1 BGB zugunsten des einzelnen Miterben die rechtliche Fungibilität seines gesamten Anteils am Nachlass entgegen. Um aber wiederum dem beliebigen Eindringen fremder Dritter in die Erbengemeinschaft ein Korrektiv entgegenzusetzen, steht den übrigen Miterben ein 1240 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 35 C IV
Vorkaufsrecht zu (§§ 2034 ff. BGB). Obwohl diese gesetzliche Regelung abstrakt gesehen durchaus ausgewogen erscheint, führt eine Veräußerungssituation in der Praxis dennoch häufig zu Konflikten. Diese begründen sich zum einen typischerweise aus Versuchen einer Umgehung des Vorkaufsrechts durch anderweitige Vertragsgestaltungen, andererseits aber auch aus dem Abrechnungsverhältnis mit dem Erbteilskäufer. Schließlich führt das Hinzutreten eines fremden Dritten, wenn die Miterben ihr Vorkaufsrecht nicht ausgeübt haben, häufig mittelbar zu Auseinandersetzungen, weil der hinzutretende Dritte ganz andere Interessen vertritt als die übrigen Mitglieder der bis dahin möglicherweise einvernehmlichen Erbengemeinschaft. d) Prozesse für und gegen den Nachlass Trotz der Vorschrift des § 2039 BGB besteht bei Aktivprozessen sowie sonstigen, insbesondere rechtsgestaltenden rechtserheblichen Handlungen für den Nachlass, häufig das Problem der Abgrenzung, wie weit die gesetzliche Ermächtigung eines der Miterben, „pro socio“ zu handeln, geht und wer im Misserfolgsfall die Kosten zu tragen hat. Dieses Problem wird insbesondere dann akut, wenn intern innerhalb der Erbengemeinschaft keine Einigkeit über das Vorgehen besteht.
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Letzteres gilt in größerem Maße noch für die Konstellation eines Passivprozesses der Erbengemeinschaft. Auch insoweit entzündet sich häufig interner Streit über die Berechtigung der gegen den Nachlass gerichteten Forderung und Fragen der Rechtsverteidigung. Erst recht gilt dies, wenn der Gläubiger im Wege der sog. Gesamtschuldklage gemäß § 2058 BGB nur einen der Miterben aufs Ganze verklagt und dieser dann die Übrigen im Innenausgleich auf ihren jeweiligen Anteil in Anspruch nimmt (s. dazu noch Rz. 289 ff.).
II. Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, Nachlassteilung Im Regelfall der Erbengemeinschaft steht deren Auflösung durch Abwicklung des Nachlasses und Verteilung des Überschusses auf die Miterben im Vordergrund. Dazu gehört die Bereinigung der Nachlassverbindlichkeiten und die Aufteilung des verbleibenden Aktivnachlasses unter den Miterben entsprechend den Vorgaben des Erblassers und des Gesetzes in §§ 2042 ff. BGB, ggf. nach vorangegangener Versilberung einzelner Nachlassgegenstände. Rechtstechnisch erfolgt diese Abwicklung, außer im Falle einer über den gesamten Nachlass angeordneten Testamentsvollstreckung (§ 2204 BGB), durch vertragliche Vereinbarung zwischen den Miterben; die Willenserklärung (Zustimmung) einzelner Miterben ist ggf. gerichtlich zu erzwingen. Dabei ist rechtlich zu differenzieren: Bei dem Auseinandersetzungsvertrag handelt es sich zunächst nur um das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft, den Nachlass in einer bestimmten Weise auf die Miterben zu verteilen. Dieser Auseinandersetzungsvertrag bedarf dann noch des dinglichen Vollzuges in Gestalt der
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C IV Rz. 36
Erbengemeinschaft
Nachlassteilung, welche mit dinglicher Wirkung das jeweilige Gesamthandsrecht in eine Alleinberechtigung des betreffenden Miterben überführt1.
1. Grundsatz: Recht auf jederzeitige Auseinandersetzung
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Beratungssituation: Mandant ist Mitglied einer Erbengemeinschaft (bzw. Testamentsvollstrecker, Pfändungspfandgläubiger, Nießbraucher oder Erwerber eines Erbteils). Er möchte wissen, ob und wie er am besten die Auseinandersetzung herbeiführen kann.
36 Eine zentrale Bedeutung für das Recht der Erbengemeinschaft hat die Vorschrift des § 2042 Abs. 1 BGB, wonach jeder Miterbe grundsätzlich jederzeit die Auseinandersetzung verlangen kann. a) Anspruchsberechtigte 37 Der Wortlaut des § 2042 Abs. 1 BGB ist zwar auf die Miterben beschränkt; das Recht eines jederzeitigen Auseinandersetzungsverlangens ist jedoch von Rechtsprechung und Literatur entsprechend dem Sinn und Zweck weiterer Vorschriften über die Miterbengemeinschaft auch auf andere Beteiligte ausgedehnt worden. Anderenfalls würde nicht zuletzt auch die ohnehin stark beschränkte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des einzelnen Miterben zusätzlich eingeschränkt. So wäre es beispielsweise für einen veräußerungswilligen Miterben schwerlich möglich, einen Erbteilskäufer zu angemessenen Bedingungen zu finden, wenn diesem nicht auch das Recht des Miterben auf Auseinandersetzung zugebilligt würde2. Im Einzelnen steht danach folgenden Beteiligten das Recht auf Auseinandersetzung zu: 38 – Jedem Miterben, und zwar unabhängig von der Größe seines Anteils, vorbehaltlich der hier folgenden Einschränkungen im Falle einzelner Verfügungen über seinen Erbteil. 39 – Dem Erbteilserwerber gemäß § 2033 Abs. 1 BGB3. 40 – Dem (Vertrags-)Pfandgläubiger, allerdings erst nach Eintritt der Pfandreife (Verkaufsreife) nach Maßgabe der §§ 1258 Abs. 2, 1228 Abs. 2, 1273 Abs. 2 BGB4. Bis zum Eintritt der Pfandreife kann der (Vertrags-)Pfandgläubiger die Auseinandersetzung nur gemeinsam mit dem Miterben verlangen, §§ 1228 Abs. 2, 1273 Abs. 2 BGB.
1 S. zur Abgrenzung insbesondere Lange/Kuchinke, S. 1122 ff.; Ebeling/Geck, Rz. 417; BGH v. 28.6.1965 – III ZR 10/64, WM 1965, 1155 (1156), zur Auseinandersetzung eines im Nachlass befindlichen Handelsgeschäftes. 2 S. auch Ebeling/Geck, Rz. 429. 3 KG v. 19.7.1906, OLGE 14, 154. 4 RG v. 9.2.1905 – Rep. IV 423/04, RGZ 60, 126 (130); RG v. 25.4.1914 – Rep. V 115/14, RGZ 84, 395 (396).
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Erbengemeinschaft
Rz. 46 C IV
– Dem Pfändungspfandgläubiger, der den Anteil des Miterben am Nachlass gemäß §§ 859, 857 ZPO hat pfänden lassen. Nach herrschender Meinung gilt über § 804 Abs. 2 ZPO nicht nur § 1276 BGB, sondern auch § 1258 Abs. 1 BGB für den Pfändungspfandgläubiger analog, nicht jedoch § 1258 Abs. 2–4 BGB, so dass der Pfändungspfandgläubiger schon mit der Pfändung1 unabhängig von dem Willen des betreffenden Miterben allein die Auseinandersetzung betreiben kann2. Der betreffende Miterbe ist nach Pfändung und Überweisung seines Miterbenanteils zugunsten des Pfändungspfandgläubigers dementsprechend nicht mehr an der Auseinandersetzung beteiligt3. Soweit der Anteil nur gepfändet ist, steht dem betreffenden Miterben jedenfalls nicht mehr das Recht zu, Nachlassgegenstände zum Zwecke der Auseinandersetzung versteigern zu lassen4.
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– Dem Nießbraucher nur gemeinsam mit dem Erben bzw. im Falle des § 2033 BGB dem Anteilserwerber, vgl. § 1066 Abs. 2 BGB.
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– Dem für einen Erbteil eingesetzten Testamentsvollstrecker anstelle des betreffenden Miterben, wie sich aus § 2204 BGB ergibt5.
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– Dem Abwesenheitspfleger für einen bekannten Erben6, nicht jedoch dem für den Gesamtnachlass eingesetzten Nachlasspfleger7.
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– Dem Nacherben steht kein selbstständiger Anspruch, die Auseinandersetzung zu betreiben, zu8. Allerdings billigt ihm die herrschende Meinung ein Recht auf Hinzuziehung zum Auseinandersetzungsverfahren zumindest in denjenigen Fällen zu, in denen der Vorerbe im Rahmen der Auseinandersetzung Verfügungen im Sinne der §§ 2113, 2114 BGB bezüglich Grundstücken, Grundstücksrechten, Hypothekenforderungen, Grund- und Rentenschulden trifft9.
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– Nicht befugt, ein Auseinandersetzungsverlangen zu stellen, ist ferner der Nachlassgläubiger10, sofern er nicht aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung (§ 2058 BGB) einen Titel gegen einen Miterben erworben hat und aufgrund dessen die Pfändung in den betreffenden Erbanteil betreibt (vgl. Rz. 41).
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1 Thomas/Putzo, § 859 Rz. 9. 2 Erman/Michalski, § 1258 Anm. 5; Soergel/Habersack, § 1258 Rz. 4; Thomas/Putzo, § 859 Rz. 9; RG v. 1.4.1919 – Rep. II 227/18, RGZ 95, 231 (232). 3 Staudinger/Werner, § 2042 Rz. 37; MüKo/Heldrich, § 2042 Rz. 5. 4 OLG Hamburg v. 28.10.1957 – 6 W 221/57, MDR 1958, 45. 5 RG v. 14.10.1905 – Rep. V 90/05, RGZ 61, 355 (358); KG v. 9.7.1904 – 1. J 717/04, KGJ 28, A16; KG v. 9.7.1904, OLGE 10, 313 (314). 6 Lange/Kuchinke, S. 1077; MüKo/Heldrich, § 2042 Rz. 5. 7 RG v. 24.2.1937 – Rep. V 168/36, RGZ 154, 110 (114); Lange/Kuchinke, S. 1077. 8 Lange/Kuchinke, S. 1077; MüKo/Heldrich, § 2042 Rz. 6. 9 S. insbesondere: Ebeling/Geck, Rz. 434. 10 BayObLG v. 21.12.1928 – Reg. III Nr. 157/1928, BayObLGZ 28, 817 (819).
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C IV Rz. 47
Erbengemeinschaft
b) Anspruchsschuldner 47 Der Anspruch auf Auseinandersetzung ist gegen die übrigen Miterben gerichtet1, nicht gegen den Nachlass als solchen, so dass insoweit auch kein Nachlasspfleger im Sinne des § 1961 BGB bestellt werden kann2. Allerdings sind nur diejenigen der übrigen Miterben von dem die Auseinandersetzung Betreibenden in Anspruch zu nehmen, welche die Auseinandersetzung generell oder gemäß dem konkret aufgestellten Auseinandersetzungsplan ablehnen3; im Falle einer klagweisen Inanspruchnahme der Übrigen würde es insoweit an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlen. c) Anspruchsinhalt 48 Der Anspruch richtet sich allgemein auf die Mitwirkung der übrigen Miterben an der Auseinandersetzung entsprechend der Anordnungen des Erblassers (§ 2048 BGB) und der gesetzlichen Vorschriften der §§ 2046 ff., 752 ff. BGB4. Dies beinhaltet auch die notwendigen vorbereitenden Maßnahmen durch Verkauf einzelner Nachlassgegenstände nach den Vorschriften über den Pfandverkauf, bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung gemäß §§ 180 ff. ZVG (§§ 753, 754 BGB), soweit für die Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 2046 Abs. 1 BGB oder für die Aufteilung in Natur nicht teilbarer Gegenstände erforderlich. Der hiernach verbleibende Rest des Aktivnachlasses ist unter den Miterben im Verhältnis der Erbteile zu teilen (§ 2047 BGB), sofern sich nicht nach den Anordnungen des Erblassers und/oder unter Berücksichtigung lebzeitiger Vorausempfänge gemäß §§ 2050 ff. BGB eine andere Verteilung ergibt. Unter Berücksichtigung der Rechtsnatur der Auseinandersetzung (vgl. Rz. 35) lässt sich der Inhalt der Mitwirkungspflicht der übrigen Miterben wie folgt untergliedern: – Zustimmung zu vorbereitenden Maßnahmen (Versilberung einzelner Nachlassgegenstände zur Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten oder Herstellung der Teilbarkeit) – Zustimmung zum Auseinandersetzungsplan (schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft), einschließlich Verpflichtung zur Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten – Zustimmung zur Erbteilung als Vollzug des Auseinandersetzungsplans (dingliches Rechtsgeschäft), einschließlich Verfügungen zur Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten.
2. Aufschub oder Ausschluss der Erbauseinandersetzung
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Beratungssituation: Mandant möchte ein Testament zugunsten seiner fünf Kinder, die sich alle noch in einem jugendlichen Alter befinden, er-
RG v. 30.11.1903 – IV 212/03, JW 1904, 61. KG v. 13.11.1970 – 1 W 7814/70, NJW 1971, 565. Lange/Kuchinke, § 44 II 1.b, S. 1138. BGH v. 9.7.1956 – V BLw 11/56, BGHZ 21, 229 (232).
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Erbengemeinschaft
Rz. 53 C IV
richten. Um sein Lebenswerk zu erhalten und seine Erben vor den Verlockungen einer zu frühen Verfügbarkeit des ererbten Vermögens zu bewahren, möchte er eine Regelung finden, nach der eine Auseinandersetzung des Nachlasses auf möglichst lange Zeit ausgeschlossen ist; die Errichtung einer Stiftung wünscht der Mandant – aus prinzipiellen Erwägungen – nicht. Der grundsätzliche Anspruch jedes Miterben auf Auseinandersetzung gemäß § 2042 Abs. 1 BGB wird in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt, jedoch nicht durchbrochen. Denn sämtliche Einschränkungen, die im Folgenden aufgeführt werden, sind letztlich nur temporärer Natur, ändern also an dem Charakter der Erbengemeinschaft als „geborener Liquidationsgesamthand“1 im Ergebnis nichts.
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a) Aufschub oder Ausschluss durch Anordnung des Erblassers Gemäß § 2044 Abs. 1 Satz 1 kann der Erblasser die Auseinandersetzung ausschließen oder von der Einhaltung einer Kündigungsfrist abhängig machen. Das Gesetz scheint dem Erblasser insoweit eine sehr weitgehende Handhabe im Sinne der Testierfreiheit zu geben, die Erben entsprechend zu binden. Bei näherer Betrachtung, insbesondere der Ausnahmen/Grenzen, ist dies jedoch zu relativieren.
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aa) Form Entsprechend dem Gesetzeswortlaut in § 2044 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der 51 Ausschluss der Auseinandersetzung vom Erblasser nur durch letztwillige Verfügung angeordnet werden, also nicht durch privat schriftliche Weisung oder einen in entsprechender Form geäußerten Wunsch. Neben dem Testament kommt insoweit als letztwillige Verfügung auch ein Erbvertrag als vertragsmäßige Verfügung von Todes wegen in Betracht. Letzteres entspricht der überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 2278 Abs. 2, 2299 BGB2; die demgegenüber im Schrifttum insoweit vereinzelt vertretene, einschränkende Auffassung3 ist abzulehnen. Ein Auseinandersetzungsverbot kann im Übrigen – durch letztwillige Verfügung – auch bei gesetzlicher Erbfolge angeordnet werden4.
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bb) Möglicher Inhalt bzw. Umfang § 2044 Abs. 1 Satz 1 BGB gewährt dem Erblasser ein Spektrum an Möglichkeiten, auf den Bestand der Erbengemeinschaft Einfluss zu nehmen:
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Erman/Schlüter, § 2042 Rz. 1. Ebeling/Geck, Rz. 459. Kipp/Coing, S. 630. BayObLG v. 14.12.1966 – BReg. 1b Z 75/66, MDR 1967, 306.
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C IV Rz. 54
Erbengemeinschaft
– Er hat die Möglichkeit, den Auseinandersetzungsausschluss entweder für den gesamten Nachlass oder aber nur bezüglich einzelner Nachlassgegenstände anzuordnen. Letzteres z.B. für im Nachlass befindlichen vermieteten Grundbesitz. – Es dürfte danach auch zulässig sein, dass der Erblasser eine Auseinandersetzungsbeschränkung nur hinsichtlich einzelner Erbstämme vornimmt1. – Der Erblasser kann den völligen Ausschluss der Erbauseinandersetzung anordnen, als „Minus“ hierzu aber auch lediglich eine Form der Erschwernis der Auseinandersetzung vorsehen. So z.B. die Einschränkung, dass die Auseinandersetzung nur aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses innerhalb der Erbengemeinschaft zulässig ist2. – Ebenso kann der Erblasser den Auseinandersetzungsausschluss generell oder aber nur für eine bestimmte Dauer oder in Abhängigkeit von dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses anordnen. – Schließlich kann der Erblasser kraft ausdrücklicher Bestimmung in § 2044 Abs. 1 Satz 1, 2. Fall BGB die Zulässigkeit eines Auseinandersetzungsbegehrens von einer Kündigung unter Einhaltung einer bestimmten Frist abhängig machen. Analog der gesellschaftsrechtlichen Regelung in § 723 BGB können sich die übrigen Miterben dann auf die bevorstehende Auseinandersetzung einstellen. cc) Rechtsnatur 54 Ein Teilungsverbot in einer letztwilligen Verfügung kann – je nach Auslegung – im Einzelfall rechtlich unterschiedlich zu qualifizieren sein, nämlich3 – als rechtlich nicht bindender Wunsch des Erblassers; – als Vermächtnis (§§ 1939, 2147 ff. BGB), wenn der einzelne Miterbe nicht gegen den Willen der anderen die Auseinandersetzung soll verlangen können4; – als Auflage gemäß §§ 1940, 2194 ff. BGB, wenn die Auseinandersetzung auch mit Zustimmung aller Miterben verboten sein soll, mit der Folge, dass bei einem Verstoß durch Konsens aller Miterben dann derjenige, dem der Nachlass bei Wegfall der Erben zugute käme, z.B. ein Ersatzerbe, die Einhaltung der vom Erblasser getroffenen Bestimmung über den Auseinandersetzungsausschluss einfordern kann5; – unter Umständen sogar als bedingte Erbeinsetzung6;
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So auch Ebeling/Geck, Rz. 460. Vgl. RG v. 16.3.1925 – IV 118/24, RGZ 110, 270 (273). Vgl. Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 177. Vgl. Palandt/Edenhofer, § 2044 Rz. 2. Vgl. Ebeling/Geck, Rz. 468. Bengel, ZEV 1995, 178 ff.
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Erbengemeinschaft
Rz. 55 C IV
– der Anordnung nach § 2044 Abs. 1 BGB, um deren rechtliche Qualifikation es dabei geht, kommt hingegen nicht noch eine selbstständige rechtliche Qualität als Instrument einer letztwilligen Verfügung zu1. dd) Grenzen (1) Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Aufhebung der Erbengemeinschaft
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Beratungssituation: Mandant ist Miterbe eines größeren Vermögens. Im Vorgriff auf den erwarteten Geldsegen hat er bereits über seine Verhältnisse gelebt und sich dadurch erheblich verschuldet. Der Erblasser hat diese Neigung vorausgesehen und daher die Auseinandersetzung seines Nachlasses auf Lebenszeit dieses Miterben testamentarisch ausgeschlossen, so dass nur der Anteil am jährlichen Reinertrag (§ 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB) zur freien Verfügung bleibt. Nun aber reicht dieser nicht mehr aus, um die Gläubiger des Mandanten auch nur halbwegs zufrieden zu stellen und dessen eigenen Lebensunterhalt zu gewährleisten. Er fragt, ob es nicht angesichts dieser persönlichen Notlage möglich ist, wenigstens Teile des Nachlasses vorzeitig aufzuteilen.
Über die Verweisung in § 2044 Abs. 1 Satz 2 BGB wird der Auseinandersetzungsausschluss gemäß § 749 Abs. 2 und 3 BGB unwirksam, wenn ein wichtiger Grund für die Auseinandersetzung vorliegt. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls2. Entsprechend den allgemeinen Regeln für Dauerrechtsbeziehungen ist darauf abzustellen, ob ein Festhalten an der Gesamthandsbindung unzumutbar ist3. Aus der hierzu veröffentlichten Judikatur ist, soweit ersichtlich, bisher nur ein Fall bekannt, nämlich eine Verfeindung der Miterben4. Seit der Gesetzesänderung per 1.1.1999 gilt als wichtiger Grund außerdem der Eintritt der Volljährigkeit eines minderjährigen Miterben5. In der Literatur wird ein weiterer Fall genannt, nämlich der Verwertungsbzw. Nutzungsbedarf hinsichtlich des Nachlasses bei Verheiratung oder Vermögensverfall eines Miterben6. Dieser Geldbedarf eines Miterben allein
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And. Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 177. OLG Hamburg v. 23.8.1960 – 2 U 56/60, NJW 1961, 610 (611). MüKo/Heldrich, § 2044 Rz. 17, unter Verweis auf § 626 Abs. 1 BGB. LG Düsseldorf v. 20.5.1954 – 3 O 73/54, FamRZ 1955, 303 (304); ablehnend hingegen mit Recht OLG Hamburg v. 23.8.1960 – 2 U 56/60, NJW 1961, 610 (611) hinsichtlich des bloßen Interesses eines Gläubigers, an den ein Erbteil sicherungshalber abgetreten ist, sein darlehensweise gegebenes Geld zurückzuerhalten. Anders jedoch OLG Hamburg in einem nicht veröffentlichten Urteil v. 27.3.2003 – 2 U 17/02, wonach bereits die über mehrere Jahre unterbliebene Auszahlung des Reinertrages als wichtiger Grund ausreichen soll. Diese Auffassung ist indessen abzulehnen, da der betroffene Miterbe durch seinen Individualanspruch aus § 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB (s. dazu noch Rz. 267 ff.) bereits ausreichend geschützt ist. 5 Vgl. § 1629a Abs. 4 BGB; sowie Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 185. 6 Staudinger/Werner, § 2044 Rz. 12; MüKo/Heldrich, § 2044 Rz. 17.
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C IV Rz. 56
Erbengemeinschaft
reicht allerdings dann nicht aus, wenn für die Deckung desselben eine Erbteilsveräußerung genügt1. 56 Überhaupt wird man bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entsprechend allgemeiner Grundsätze für Dauerrechtsbeziehungen prüfen müssen, ob der wichtige Grund nicht durch ein milderes Mittel zu beseitigen ist, bei Verfeindung der Miterben beispielsweise die Bestellung eines Verwalters2. Auch versteht sich von selbst, dass eine Auseinandersetzung des Nachlasses bei Vorliegen eines – anderweitig nicht zu beseitigenden – wichtigen Grundes im Rahmen des auch hier anzuwendenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets nur insoweit zuzulassen ist, wie es der wichtige Grund erfordert. Ist z.B. einer der Miterben mit 100 000 Euro verschuldet, kann der vom Erblasser angeordnete Ausschluss der Auseinandersetzung eines Nachlasses in Millionenhöhe nur zu dem Teil wirkungslos werden, dessen Auseinandersetzung für den Anteil des betroffenen Miterben diese 100 000 Euro freiwerden lässt, nicht darüber hinaus. 57 Ferner werden, gleichfalls entsprechend allgemeiner Grundsätze für Dauerrechtsbeziehungen, im Rahmen der durchzuführenden Zumutbarkeitsprüfung nicht nur die im Testament durch den Auseinandersetzungsausschluss manifestierten Interessen des Erblassers, sondern auch die möglicherweise entgegenstehenden Interessen der übrigen Miterben gegeneinander abzuwägen sein. Dabei werden u.a. Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein wie z.B. etwaige Vermögenseinbußen für die übrigen Miterben durch Zerschlagung einer wirtschaftlichen Einheit sowie die – vom Erblasser bestimmte oder sich aus dem Gesetz ergebende – Restdauer des Auseinandersetzungsausschlusses, die, wenn sie nicht mehr allzu lang ist, ein Abwarten eher zumutbar erscheinen lässt. (2) Zeitablauf 58 Gemäß § 2044 Abs. 2 Satz 1 BGB endet der Auseinandersetzungsausschluss mit Ablauf von 30 Jahren seit dem Eintritt des Erbfalles. Diese Höchstfrist gilt uneingeschränkt für juristische Personen als Erben (§ 2044 Abs. 2 Satz 3 BGB). Für natürliche Personen kann sie hingegen überschritten werden, wenn der Erblasser den Teilungsausschluss bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses in der Person eines Miterben angeordnet hat, z.B. der Heirat, des Erreichens eines bestimmten Alters oder des Todes eines bestimmten oder sogar abstrakt des längstlebenden Miterben3. Ferner kann der Auseinandersetzungsausschluss auch bis zum Eintritt der Nacherbschaft (§ 2139 BGB) oder bis zum Anfall eines vom Erblasser ausgesetzten Vermächtnisses (§ 2177) angeordnet werden, § 2044 Abs. 2 Satz 2 BGB. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Dauer des Auseinandersetzungsausschlusses hier von den selbstständigen Höchstbestimmungen für die Nacherbschaft in § 2109 BGB bzw. für den Ver1 Lange/Kuchinke, § 44 II 3b c, S. 1143. 2 Vgl. Lange/Kuchinke, § 44 II 3b c, S. 1143. 3 MüKo/Heldrich, § 2044 Rz. 21; RGRK/Kregel, § 2044 Rz. 8.
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Rz. 61 C IV
mächtnisanfall gemäß §§ 2162 f. BGB überlagert wird und im Einzelfall hierdurch verkürzt werden kann. Die Bedingung im Sinne des § 2044 Abs. 2 Satz 2 BGB ist dann ausgefallen, da feststeht, dass die Nacherbschaft nicht mehr eintreten bzw. das Vermächtnis nicht mehr anfallen kann. Entsprechend der allgemeinen Grundsätze zu § 158 Abs. 1 BGB1 ist dann von einer endgültigen Wirkungslosigkeit des angeordneten Auseinandersetzungsausschlusses auszugehen.
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Beratungshinweis für Testator: Es empfiehlt sich eine Synchronisierung der Fristen gemäß § 2044 Abs. 2 Satz 1 BGB mit denen aus § 2109 Abs. 1 bzw. § 2162 Abs. 1 BGB.
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(3) Tod eines Miterben Über § 2044 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt auch § 750 BGB analog, wonach bei der Gemeinschaft mit dem Tod eines Teilhabers eine Vereinbarung über den befristeten Auseinandersetzungsausschluss im Zweifel außer Kraft tritt. Diese – widerlegliche – Vermutung wird damit begründet, dass ein Festhalten an der Ausschlussvereinbarung bei dem Tode eines Teilhabers besonders drückend wäre2. Ist der Auseinandersetzungsausschluss nicht nur auf Zeit, sondern ohne Einschränkung auf Dauer vereinbart worden, so findet § 750 BGB keine Anwendung; der Tod eines der Teilhaber kann jedoch dann u.U. als wichtiger Grund für die Aufhebung der Gemeinschaft im Sinne des § 749 Abs. 2 BGB angesehen werden3.
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Ob der (zeitlich befristete) Auseinandersetzungsausschluss in der analogen Anwendung des § 750 BGB nach dem Willen des Erblassers auch nach dem Tod eines Miterben fortgelten soll, ist durch Auslegung zu ermitteln4. Dabei ist m.E. vorrangig zu berücksichtigen, ob der zeitlich befristete Auseinandersetzungsausschluss gerade mit Rücksicht auf die Person des verstorbenen Miterben oder aus anderen Gründen, u.U. sogar mit Rücksicht auf die Person eines anderen Miterben, erfolgte. Setzt sich die Erbengemeinschaft beispielsweise aus der Ehefrau des Erblassers und den noch minderjährigen Kindern zusammen und ist der Ausschluss der Auseinandersetzung bis zu deren Volljährigkeit angeordnet, so wird davon auszugehen sein, dass mit dem Tod der Ehefrau vor Volljährigkeit der Kinder nach dem Willen des Erblassers der Auseinandersetzungsausschluss nicht unwirksam werden soll. Überhaupt ist bei der Auslegung im Rahmen der analogen Anwendung des § 750 BGB über § 2044 Abs. 1 Satz 2 BGB m.E. stets zu berücksichtigen, dass sich die Mitglieder der Erbengemeinschaft, im grundsätzlichen Gegensatz zur Gemeinschaft, von vornherein nicht freiwillig zusammengefunden haben, so dass die Ersetzung eines Mitglieds der Erbengemeinschaft durch dessen Erben nicht prinzipiell so „drückend“ sein kann wie bei der Gemeinschaft; erst recht dann
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1 Vgl. BGH v. 16.10.1974 – VIII ZR 192/73, VersR 1974, 1167 (1168); Palandt/Heinrichs, § 158 Rz. 1. 2 Ebeling/Geck, Rz. 479. 3 Palandt/Sprau, § 750 Rz. 1. 4 Ebeling/Geck, Rz. 479.
v. Morgen 1249
C IV Rz. 62
Erbengemeinschaft
nicht, wenn u.U. die Erben des verstorbenen Mitglieds der Erbengemeinschaft wiederum die übrigen Miterben selbst sein sollten. (4) Insolvenz eines Miterben oder Pfändung in seinen Anteil 62 Aus § 84 Abs. 2 InsO ergibt sich, dass ein Auseinandersetzungsverbot in der Insolvenz eines Miterben wirkungslos ist1. Ferner gilt der Auseinandersetzungsausschluss auch nicht gegenüber einem Pfändungspfandgläubiger, der aufgrund eines – nicht nur vorläufig, sondern endgültig – vollstreckbaren Schuldtitels den Anteil eines Miterben gepfändet hat, § 2044 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 751 Satz 2 BGB. Letztere Vorschrift ist indessen – als Ausnahmeregelung – eng auszulegen. Dies bedeutet, dass ein Vertragspfandgläubiger an die sich aus § 1273 Abs. 2 i.V.m. § 1258 Abs. 2 BGB ergebenden Einschränkungen gebunden ist und, da er danach lediglich das Recht des Miterben wahrnimmt, sein Vorgehen nicht auf die Ausnahmeregelung des § 751 Satz 2 BGB stützen kann2.
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Beratungshinweis für Gläubiger: Es bleibt dem Vertragspfandgläubiger selbstverständlich unbenommen, sich gleichfalls einen (endgültig) vollstreckbaren Titel gegen den Miterben als Schuldner zu beschaffen und auf dieser Grundlage dann ein Pfändungspfandrecht an dessen Anteil zu erlangen, damit also die mit dem Vertragspfandrecht verbundenen Einschränkungen (Bindung an einen Auseinandersetzungsausschluss) zu überwinden.
(5) Einigkeit aller Miterben
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Beratungssituation: Mandanten bilden eine Erbengemeinschaft, zu der ein unbebautes Grundstück gehört. Alle wollen dieses Grundstück als Bauland Gewinn bringend veräußern und den Erlös aufteilen, sehen sich aber durch eine Klausel im Testament, wonach der Grundbesitz auf Dauer von zehn Jahren nach dem Erbfall ungeteilt bleiben soll, daran gehindert. Sie fragen nach Möglichkeiten und Konsequenzen einer vorzeitigen Teilung.
63 § 2044 BGB enthält kein (absolutes) gesetzliches Veräußerungsverbot im Sinne des § 134 BGB, sondern nur ein relatives (§ 137 Satz 1 BGB). Folge: Die dinglichen Verfügungsgeschäfte einer Erbauseinandersetzung sind auch dann wirksam, wenn die Erbauseinandersetzung im Widerspruch zu einem rechtswirksamen Auseinandersetzungsausschluss durch letztwillige Verfügung des Erblassers erfolgt ist; die Miterben können sich also bei Einigkeit wirksam über den letzten Willen des Erblassers insoweit hinwegsetzen3.
1 Vgl. früher entsprechend § 16 Abs. 2 Satz 2 KO. 2 So auch Ebeling/Geck, Rz. 483. 3 Vgl. hierzu insbesondere BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115 (117); BGH v. 18.6.1971 – V ZB 4/71, DB 1971, 1661.
1250 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 67 C IV
Allerdings verletzen diejenigen Miterben, die dem rechtswirksamen Auseinandersetzungsausschluss in der letztwilligen Verfügung des Erblassers zuwider handeln, die sich daraus ergebenden schuldrechtlichen Verpflichtungen. Dies bedeutet, dass einer Auseinandersetzungsklage gegen einen nicht auseinandersetzungswilligen Miterben kein Erfolg beschieden sein kann. Ferner ist zu beachten, dass – zumindest dann, wenn dem Auseinandersetzungsausschluss die Bedeutung einer Auflage zukommt – ein Ersatzerbe in diesem Fall von allen Miterben die Einhaltung des vom Erblasser angeordneten Auseinandersetzungsausschlusses einfordern könnte1.
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Beratungshinweis für Testator: Um das Auseinandersetzungsverbot auch gegen den Willen sämtlicher Miterben effektiv auszugestalten, bedarf es zusätzlicher Regularien, z.B. Erbeinsetzung unter der auflösenden Bedingung, dass die im Testament enthaltenen Anordnungen befolgt werden, verbunden mit einer Ersatzerbeinsetzung und/oder Anordnung von Testamentsvollstreckung, um die Verfügungsbefugnis der Erben (auch) für die Erbauseinandersetzung auszuschließen.
(6) Verstoß des Testamentsvollstreckers gegen Ausschlussanordnung des Erblassers Entsprechend dem zuvor (Rz. 63 f.) Gesagten berührt auch ein Verstoß des Testamentsvollstreckers gegen ein Auseinandersetzungsverbot die Wirksamkeit dieser von ihm vorgenommenen Auseinandersetzung grundsätzlich nicht2. Allerdings können die Erben in diesem Fall vom Testamentsvollstrecker die Befolgung der Anordnung des Erblassers über den Auseinandersetzungsausschluss gemäß § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB verlangen und der Testamentsvollstrecker macht sich u.U. gemäß § 2219 Abs. 1 BGB haftbar.
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Auch dies nützt natürlich dann nichts, wenn sich Testamentsvollstrecker und sämtliche Miterben in der Missachtung des vom Erblasser angeordneten Teilungsverbots einig sind. Wo kein Kläger ist, ist bekanntlich auch kein Richter.
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Beratungshinweis für Testator: In der Vorwegnahme eines derartigen Falles im Rahmen der Testamentsgestaltung hilft dann nur noch die auflösend bedingte Erbeinsetzung, bezogen auf die Befolgung der Ausschlussanordnung des Erblassers (s. Rz. 64).
(7) Unterschreitung des Pflichtteils eines Miterben Gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. sind weitere Beschränkungen eines Erbteils unwirksam, wenn dieser Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils 1 Ebeling/Geck, Rz. 468. 2 H.M.; KG v. 31.5.1919 – 1 X 80/19, KGJ 52, 113 (114 f.); BGH v. 25.9.1963 – V ZR 130/61, BGHZ 40, 115 (117); Soergel/Damrau, § 2204 Rz. 3; Palandt/Edenhofer, § 2208 Rz. 2; Staudinger/Reimann, § 2208 Rz. 19; Bengel, ZEV 1997, 178 (180); a.A. BGH v. 9.5.1984 – IVa ZR 234/82, NJW 1984, 2464 (2465).
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C IV Rz. 68
Erbengemeinschaft
nicht übersteigt, da der betreffende Erbe dann weniger erhalten würde als den gesetzlichen Pflichtteil. Eine solche Beschränkung stellt auch einen Auseinandersetzungsausschluss dar. In diesem Fall ist der Auseinandersetzungsausschluss gegenüber dem betroffenen Erben unwirksam; (nur) dieser kann also die Auseinandersetzung gleichwohl verlangen. Übersteigt der Erbteil hingegen die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so kann der pflichtteilsberechtigte Miterbe sich von der Beschränkung nur dadurch befreien, dass er gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. die Erbschaft ausschlägt und seinen Pflichtteil verlangt (sog. taktische Erbausschlagung1).
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Im Zuge der Erbrechtsreform ist diese Differenzierung jedoch – mit Recht – entfallen, um die Folgen einer fehlerhaften Einschätzung der eigenen Nachlassbeteiligung (kein Pflichtteil, wenn sich erweist, dass der zugedachte Erbteil den Pflichtteil doch nicht übersteigt) zu vermeiden2. Der Pflichtteilsberechtigte hat nunmehr, unabhängig von der Größe seines Erbteils, bei Beschränkungen und/oder Beschwerungen durch die Neufassung des § 2306 Abs. 1 stets die Option, entweder die Erbschaft auszuschlagen und den Pflichtteil geltend zu machen oder die Erbschaft anzunehmen und einen Pflichtteilsrestanspruch gemäß § 2305 BGB geltend zu machen, wobei bei der Berechnung des Restpflichtteils in Übereinstimmung mit § 2307 BGB dann die Beschränkungen und Beschwerungen nicht zu berücksichtigen sind3. Das eingangs Gesagte gilt also nur noch für Erbfälle bis einschließlich 31.12.2009.
(8) Wiederverheiratung im Falle fortgesetzter Gütergemeinschaft 68 § 1683 Abs. 1 BGB schreibt bei Vermögensgemeinschaft zwischen dem das Kindesvermögen verwaltenden überlebenden Ehegatten und dem Kinde eine Vermögensauseinandersetzung im Falle bevorstehender Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten vor, die bei entsprechender Gestattung durch das Vormundschaftsgericht gemäß Abs. 2 auch erst nach der Eheschließung vorgenommen werden kann. Der erbrechtliche Auseinandersetzungsausschluss gemäß § 2044 BGB ist zwar (ebenso wie gemäß § 2045 BGB) grundsätzlich vorrangig. In der Wiederverheiratung wird indessen einhellig aufgrund der Vorschrift des § 1683 Abs. 1 und 2 BGB dann ein wichtiger Grund für den überlebenden Ehegatten gesehen, gemäß § 2044 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 749 Abs. 2 BGB die Auseinandersetzung des Nachlasses zu verlangen4. Eine entsprechende Regelung sieht § 1493 Abs. 1 BGB für die fortgesetzte Gütergemeinschaft vor (Einzelheiten s. Teil B XIII, Rz. 85).
1 Kerscher/Tanck/Krug, § 11 Rz. 237. 2 Vgl. BT-Drucks. 16/8954 und 16/13543. 3 § 2305 Satz 2 BGB; vgl. dazu auch Muscheler, ZEV 2008, 105 (107); Spall, ZErbR 2007, 272; Schindler, ZEV 2008, 125 (128). 4 Statt aller: Ebeling/Geck, Rz. 475.
1252 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 71 C IV
(9) Auseinandersetzungsverlangen aufgrund Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetzes Nach der in das am 1.1.1999 in Kraft getretenen Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz vom 25.8.19981 eingefügten Vorschrift des § 1629a Abs. 1 BGB hat ein volljährig gewordenes Kind die Möglichkeit, die Haftungsverbindlichkeiten, die durch einen in der Zeit der Minderjährigkeit eingetretenen Erwerb von Todes wegen begründet wurden, auf den Bestand desjenigen Vermögens zu beschränken, welches im Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit vorhanden ist. Der Rechtsverkehr wird demgegenüber dadurch geschützt, dass in § 1629a Abs. 4 BGB vermutet wird, dass die Verbindlichkeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres begründet wurde, sofern der jetzt volljährige Miterbe nicht binnen drei Monaten nach Erreichen der Volljährigkeit seine Miterbenstellung aufgegeben hat. Dies bedeutet, dass er innerhalb des vorgenannten Zeitraums das Auseinandersetzungsverlangen nach § 2042 BGB stellen muss, um die Haftungsbeschränkung zu erhalten. Der Eintritt der Volljährigkeit wird hierbei – nach der Intention des Gesetzgebers2 – als wichtiger Grund im Sinne der §§ 2044 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 749 Abs. 2 Satz 1 BGB angesehen.
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b) Aufschub wegen Unbestimmtheit der Erbteile Gemäß der gesetzlichen Bestimmung des § 2043 BGB kann eine Erbauseinandersetzung nicht verlangt werden, soweit die Erbteile von Miterben aus folgenden Gründen noch unbestimmt sind:
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– Es ist die Geburt eines Miterben zu erwarten (§ 2043 Abs. 1 BGB). – Die Entscheidung über eine Ehelichkeitserklärung steht noch aus (§ 2043 Abs. 2 BGB). – Die Entscheidung über die Bestätigung einer Adoption steht noch aus (§ 2043 Abs. 2 BGB). – Es fehlt noch die Genehmigung einer vom Erblasser errichteten Stiftung (§ 2043 Abs. 2 BGB). Diese Aufschubgründe werden als abschließend angesehen3; eine entsprechende Anwendung auf ähnliche Fälle, in denen die Auseinandersetzung wegen anderer bestehender Unsicherheiten unerwünscht ist, wird nicht als zulässig erachtet4.
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Beratungshinweis für Miterben/Testamentsvollstrecker: Eine Unbestimmtheit der Erbteile besteht nicht, wenn zwar die Teilhaber eines Erbstamms noch ungewiss sind, im Übrigen aber feststeht, auf welche Erb-
BGBl. I 2487. BT-Drucks. 13/5624, S. 10. Ebeling/Geck, Rz. 443. S. beispielsweise den Fall des BayObLG v. 14.1.1908 – Reg. III 3/08, SeuffA 63, 215 f. Nr. 126.
v. Morgen 1253
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C IV Rz. 72
Erbengemeinschaft
stämme die Erbschaft zu verteilen ist; die Anteile sind dann reell auf die Anzahl der feststehenden Erbstämme auszuwerfen1. c) Aufschub bis zur Gläubigerermittlung 72 Solange ein Aufgebotsverfahren zur Gläubigerermittlung noch nicht abgeschlossen ist (§ 2045 Satz 1 BGB) oder die Einleitung eines solchen Gläubigeraufgebotsverfahrens unmittelbar bevorsteht (§ 2045 Satz 2 BGB), kann jeder Miterbe den Aufschub der Auseinandersetzung verlangen. Hintergrund dieser Regelung ist die Verschärfung der Erbenhaftung nach der Teilung des Nachlasses gemäß §§ 2058, 2059 BGB. d) Aufschub/Ausschluss durch Vereinbarung sämtlicher Miterben 73 Die Miterben sind frei, den zeitlich begrenzten Aufschub oder den unbefristeten Ausschluss der Erbauseinandersetzung unabhängig von den Anordnungen des Erblassers selbst zu vereinbaren. Dieser Aufschub/Ausschluss kann auch gegenständlich beschränkt sein. Da eine solche Vereinbarung über die (ordnungsgemäße) Verwaltung des Nachlasses hinausgeht, bedarf es der Zustimmung sämtlicher Miterben. Wird die Vereinbarung hingegen nur von einem Teil der Miterben getroffen, so ist sie nicht gänzlich wirkungslos, sondern hat für diese Miterben die Wirkung, dass sie die Auseinandersetzung nicht verlangen können2. 74 Für die Vereinbarung besteht selbst dann kein Formzwang, wenn im Nachlass Gegenstände vorhanden sind, deren Übertragung nur mit notarieller Beurkundung rechtlich wirksam ist (GmbH-Anteile, Grundstücke), da eine Übertragung/Zuordnung ja gerade nicht erfolgen soll. Mithin ist eine derartige Vereinbarung eines Auseinandersetzungsausschlusses/-aufschubes grundsätzlich auch konkludent möglich. Vorsicht ist also geboten. 75 Für eine Beendigung der Ausschlusswirkungen einer solchen Vereinbarung sollen die Gründe gemäß §§ 2042 Abs. 2, 750 bzw. 749 Abs. 2 BGB analog gelten3. 76 Die Beweislast für die Auseinandersetzungsausschlussvereinbarung trägt derjenige, der sich darauf beruft4. e) Aufschub gemäß § 242 BGB 77 In § 2042 Abs. 2 BGB ist eine Regelung analog § 723 Abs. 2 BGB, wonach die Auseinandersetzung einer GbR ohne wichtigen Grund nicht zur Unzeit verlangt werden kann, nicht aufgenommen worden. Dies verdeutlicht den Unterschied, dass die Erbengemeinschaft im Gegensatz zur GbR in ihrem Bestand 1 2 3 4
So auch Ebeling/Geck, Rz. 444. Vgl. RG v. 24.2.1938 – IV 238/37, Warn.Rspr. 1938 Nr. 70. Ebeling/Geck, Rz. 499. BayObLG v. 9.6.1967 – BReg. 1a Z 86/66, BayObLGZ 67, 230 (232 f.).
1254 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 79 C IV
keinen Selbstzweck erfüllt und grundsätzlich auch nicht auf Dauer angelegt ist1. Dennoch kann im Hinblick auf die gegenseitige Pflicht zur Rücksichtnahme auch innerhalb der Miterbengemeinschaft ein zur Unzeit gestelltes Auseinandersetzungsbegehren im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtsmissbräuchlich sein bzw. eine unzulässige Rechtsausübung darstellen. In der Rechtsprechung gibt es dazu bisher, soweit ersichtlich, folgende Kasuistik von Fällen: – Kein gerichtliches Erbauseinandersetzungsverfahren während der Nachlassverwaltung2; – kein Auseinandersetzungsanspruch desjenigen Miterben, der unter Berücksichtigung lebzeitiger Vorausempfänge im Sinne des § 2050 BGB gemäß § 2055 BGB nichts mehr zu erhalten hat3; – keine Auseinandersetzung zur Unzeit4; – Rechtsmissbräuchliches Auseinandersetzungsverlangen im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Währungsreform5. In allen Fällen handelt es sich notwendigerweise nur um einen temporären Einwand, also einen Aufschub, nicht einen generellen Ausschluss der Auseinandersetzung.
3. Wege der Erbauseinandersetzung Wenn sich die Miterben untereinander einig sind, dass und wie der Nachlass aufzuteilen ist, stellt sich nur noch die Frage, den für die vorgesehene Aufteilung sinnvollsten, kostengünstigsten und einfachsten Weg zu wählen. Ebenso unproblematisch stellt sich die Auseinandersetzung in der Regel dar, wenn der Erblasser entsprechende Vorsorge durch klare Teilungsanordnungen, Testamentsvollstreckung etc. getroffen hat. Für die anwaltliche Praxis am bedeutsamsten sind dagegen diejenigen Fälle, in denen derartige Anordnungen fehlen und die Erbengemeinschaft in der Frage der Auseinandersetzung des Nachlasses zudem polarisiert ist: Ein Teil drängt auf eine rasche Aufteilung entsprechend dem von ihm für richtig gehaltenen Teilungsplan, ein anderer Teil wehrt sich dagegen, indem er entweder (noch) gar keine Auseinandersetzung oder jedenfalls keine Auseinandersetzung nach den Vorstellungen der anderen Fraktion wünscht.
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Für die jeweiligen anwaltlichen Berater beider Seiten ist es in diesen Fällen wichtig, das jeweils zur Verfügung stehende Angriffs- bzw. Abwehrinstrumentarium mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen zu kennen, um es gezielt einsetzen zu können. Die unterschiedlichen Möglichkeiten, eine Erbauseinandersetzung herbeizuführen, sollen daher im Folgenden nicht nur dargestellt,
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Ebeling/Geck, Rz. 437. KG v. 16.11.1916 – 1 X 232/16, KGJ 49, A 84. OLG Celle v. 19.9.1934 – 6 U 76/32, HRR 1935 Nr. 353. LG Düsseldorf v. 20.5.1954 – 3 O 73/54, FamRZ 1955, 303 (304). LG Verden v. 13.3.1948 – 2 T 13/48, NJW 1947/48, 599 Nr. 981.
v. Morgen 1255
C IV Rz. 80
Erbengemeinschaft
sondern im Hinblick auf ihre jeweilige Eignung auch einer Bewertung unterzogen werden. a) Auseinandersetzung durch Testamentsvollstrecker
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Beratungssituation: Mandant ist von seinem besten Freund für ihn selbst überraschend zum Testamentsvollstrecker bestimmt worden und hat das Amt aus moralischem Pflichtgefühl angenommen, obwohl er Schwierigkeiten befürchtet. Erben sind nämlich die Kinder des Erblassers aus erster Ehe und dessen zweite Ehefrau, die von seinen Kindern stets abgelehnt und bekämpft wurde. Er möchte darüber belehrt werden, wie er die ihm obliegende Auseinandersetzung des Nachlasses korrekt durchführt, da er fürchtet, bei jedem Fehler von der einen oder anderen Fraktion der Erben belangt zu werden.
aa) Rechte und Pflichten 80 Der Testamentsvollstrecker hat die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB). Dazu gehört nicht nur die Verwaltung des Nachlasses (§ 2204 BGB), sondern auch die Erbauseinandersetzung unter mehreren Erben (§ 2204 BGB). Ausnahmen: – Die Auseinandersetzung ist dem Testamentsvollstrecker kraft Anordnung des Erblassers entzogen, insbesondere nur die Verwaltung des Nachlasses zugewiesen (§§ 2208 Abs. 1 Satz 1, 2209 Satz 1 BGB). – Der Testamentsvollstrecker ist nur für den Erbteil eines Miterben eingesetzt, sog. Erbteilsvollstreckung. Folge: Er kann nur die Rechte dieses Miterben hinsichtlich der Auseinandersetzung geltend machen. – Einsetzung nur für die Ausübung der Rechte des Nacherben während der Vorerbschaft (§ 2222 BGB). – Vermächtnisvollstrecker (§ 2223 BGB). Inhaltlich ist der Testamentsvollstrecker bei pflichtgemäßer Durchführung der Auseinandersetzung an folgende Vorgaben (in nachstehender Reihenfolge) gebunden: 81 (1) Anordnungen des Erblassers, namentlich Teilungsanordnungen (§ 2048 BGB) und Vorausvermächtnisse. 82 (2) Nach billigem Ermessen (§ 2048 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn der Erblasser in der letztwilligen Verfügung dies dem Testamentsvollstrecker überlassen hat, ohne ins Einzelne gehende Anordnungen über die Art und Weise der Auseinandersetzung vorzugeben.
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Beratungshinweis für Testamentsvollstrecker: Die letztwillige Anordnung einer Auseinandersetzung nach billigem Ermessen des Testamentsvollstreckers braucht nicht immer ausdrücklich geregelt zu sein; sie er-
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Erbengemeinschaft
Rz. 84 C IV
gibt sich häufig auch aus den gesamten Umständen des Falles1. Folge: Der Testamentsvollstrecker ist bei der Aufteilung des Nachlasses nicht an die Teilungsregeln gebunden; sein Teilungsplan ist lediglich dann für die Erben unverbindlich (unwirksam), wenn er offenbar unbillig ist2. (3) Ergänzend bzw. bei Fehlen besonderer Anordnungen durch den Erblasser: nach den gesetzlichen Auseinandersetzungsregeln gemäß §§ 2042–2056, 750–758 BGB. Dies bedeutet (s. im Einzelnen noch unter 4., Rz. 183 ff.):
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(a) Als Erstes sind vom Testamentsvollstrecker die Nachlassverbindlichkeiten zu bereinigen (§§ 2046, 755 BGB), wofür der Schuldenstand zu ermitteln ist3.
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Beratungshinweis für Testamentsvollstrecker: Eine Pflichtteilsforderung darf im Hinblick auf die insoweit bestehende alleinige Passivlegitimation des Erben trotz Testamentsvollstreckung gemäß § 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB vom Testamentsvollstrecker nicht ohne den Willen des Erben mit Wirkung gegen diesen anerkannt werden4.
(b) Bei der anschließenden Verteilung des Überschusses ist der Testamentsvollstrecker nicht an § 753 BGB, der für den Fall der Uneinigkeit der Erben einen Verkauf nach den Regeln des Pfandverkaufes, also durch Versteigerung beweglicher Sachen nach §§ 1253 ff. BGB und von Grundstücken nach §§ 180–184 (s. auch § 175 ZVG) vorsieht, gebunden, sondern kann die betreffenden Nachlassgegenstände nach seinem pflichtgemäßen Ermessen im Wege des freihändigen Verkaufes verwerten5. (c) Zwar ist der Nachlass vom Testamentsvollstrecker nach Beendigung seines Amtes gemäß § 2218 i.V.m. § 667 BGB an die Miterben herauszugeben; wegen seiner Ansprüche auf Aufwendungsersatz (§ 670 BGB) und Vergütung (§ 2221 BGB) hat der Testamentsvollstrecker jedoch ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 273, 274 BGB6. (4) Vereinbarungen der Erben über Art und Weise der Auseinandersetzung: Diese sind für den Testamentsvollstrecker zwar grundsätzlich unverbindlich; er hat die letztwilligen Verfügungen des Erblassers notfalls auch gegen den Willen der Erben zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB) und ist hierfür mit der alleinigen Verfügungsmacht unter Ausschluss der Miterben ausgestattet (§ 2205 Satz 2 BGB). Es gibt jedoch Ausnahmen: (a) Eine Vereinbarung der Erben über die Ausgleichungspflicht von Abkömmlingen gemäß §§ 2050 ff. BGB ist für den Testamentsvollstrecker bindend7. Der Testamentsvollstrecker hat im Übrigen einen Anspruch gegen die Erben 1 Vgl. Winkler, Rz. 510. 2 Analog § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB, vgl. insoweit BGH v. 14.10.1958 – VIII ZR 118/57, NJW 1958, 2067 (2068). 3 § 2205 BGB, dazu auch BGH v. 2./3.12.1968 – III ZR 2/68, BGHZ 51, 125 (127). 4 BGH v. 23.12.1968 – III ZR 2/68, BGHZ 51, 125 (127); Winkler, Rz. 511. 5 RG v. 13.2.1924 – V 29/23, RGZ 108, 289 (290); Winkler, Rz. 512. 6 Soergel/Damrau, § 2218 Rz. 10; Staudinger/Reimann, § 2218 Rz. 26. 7 Winkler, Rz. 512 und 528.
v. Morgen 1257
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C IV Rz. 85
Erbengemeinschaft
auf Mitteilung der ausgleichungspflichtigen Vorempfänge und ist insoweit antragsberechtigt in Bezug auf die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gemäß § 2057 Satz 2 i.V.m. §§ 260, 261 BGB1. (b) Ebenso ist eine Vereinbarung sämtlicher Miterben über den Zeitpunkt der Nachlassauseinandersetzung für den Testamentsvollstrecker bindend, sofern sie nicht einer Anordnung des Erblassers in der letztwilligen Verfügung widerspricht2. Allerdings darf der Testamentsvollstrecker in diesen Fällen die Auseinandersetzung wiederum dann vornehmen, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliegt3. (c) Selbstverständlich ist der Testamentsvollstrecker schließlich auch dann an eine Vereinbarung der Miterben über die Auseinandersetzung gebunden, wenn er dieser Vereinbarung zuvor in Gestalt eines Auseinandersetzungsvertrags zugestimmt hat, es sei denn, es liegen allgemeine vertragsrechtliche Gründe für die Lösung vom Vertrag vor. bb) Ausführung (1) Vorbereitung der Auseinandersetzung durch Erfassung und Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten sowie Versilberung einzelner Nachlassgegenstände 85 S. dazu im Einzelnen Rz. 83 (a) sowie Rz. 183 ff. (2) Aufstellung eines Teilungsplans 86 Hierin ist der verbleibende Aktivnachlass vollständig zu erfassen und die vorgesehene Verteilung unter den Miterben unter Beachtung der hier zu aa) (Rz. 80 ff.) aufgeführten Regeln auszuweisen. (3) Anhörung der Erben 87 Der Teilungsplan bedarf, um wirksam zu sein, grundsätzlich nicht der Zustimmung der Miterben, da der Testamentsvollstrecker die Ausführung des Teilungsplans kraft eigener Verfügungsbefugnis auch gegen den Willen der Miterben vornehmen kann. § 2204 Abs. 2 BGB gibt den Erben lediglich das Recht, etwaige Einwände informatorisch vorzubringen, damit der Testamentsvollstrecker sie im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens vor der Ausführung des Teilungsplans ggf. noch durch Änderung desselben berücksichtigen kann.
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Beratungshinweis für Testamentsvollstrecker: Die Übersendung des Teilungsplans an die einzelnen Miterben sollte gegen Zustellungsnachweis
1 Keidel/Kuntze/Winkler, § 163 FGG Rz. 6. 2 BayObLG v. 9.7.1921 – Reg. III Nr. 66/1921, BayObLGZ 21, 312 (314); OLG München v. 4.8.1936 – Wx 166/36, DNotZ 1936, 810 (811). 3 Winkler, Rz. 542, mit weiteren Ausführungen in Fn. 1.5.
1258 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 89 C IV
und unter Fristsetzung für etwaige Einwände erfolgen, damit die ordnungsgemäße Anhörung abschließend nachgewiesen werden kann. (4) Verbindlichkeitserklärung Der vom Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner Befugnisse aufgestellte 88 Teilungsplan ersetzt den ansonsten erforderlichen Auseinandersetzungsvertrag zwischen den Miterben. Er wirkt dementsprechend verpflichtend und berechtigend für und gegen die Erben1 und ist damit causa für die anschließende dingliche Übertragung der einzelnen Nachlassgegenstände. Diese Verbindlichkeit erlangt der Teilungsplan jedoch erst dann, wenn der Testamentsvollstrecker endgültig erklärt hat, dass die Auseinandersetzung nach dem Plan geschehen soll; der Testamentsvollstrecker kann den hierdurch bindend gewordenen Teilungsplan dann nicht nachträglich rückgängig machen2. Selbst wenn der Testamentsvollstrecker vor der Durchführung wegfällt, bleibt der Teilungsplan auch danach noch verbindlich3.
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Beratungshinweis für Testamentsvollstrecker: Es bedarf somit nach Ablauf der Anhörungsfrist einer weiteren Erklärung gegenüber den Erben, dass der Teilungsplan – ggf. mit Korrekturen/Ergänzungen aufgrund von Einwänden der Erben – nun auch so vollzogen werden soll. Eine Übersendung gegen Zustellungsnachweis empfiehlt sich auch hier.
(5) Alternative: Auseinandersetzungsvertrag mit den Erben Der Testamentsvollstrecker muss die Erben in die schuldrechtliche Grundlage der Nachlassteilung nicht einbeziehen, er kann es jedoch in Form eines Auseinandersetzungsvertrags tun. Vorteil: Die Erben sind mit späteren Einwendungen, insbesondere bezüglich offenbarer Unbilligkeit, Unentgeltlichkeit, Verstoßes gegen Anordnungen des Erblassers oder solche der Erben, soweit diese beachtlich sind (s. Rz. 84), grundsätzlich ausgeschlossen. Dies vermindert das Haftungsrisiko des Testamentsvollstreckers (§ 2219 BGB) erheblich. Für das Zustandekommen eines Auseinandersetzungsvertrags reicht es im Übrigen schon aus, wenn die Erben (sämtlich) dem Teilungsplan ausdrücklich zustimmen4. Sind Grundstücke oder GmbH-Anteile im Nachlass, bedarf der Auseinandersetzungsvertrag der notariellen Beurkundung (§ 313 Satz 1 BGB bzw. § 15 Abs. 4 GmbHG).
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Beratungshinweis für Testamentsvollstrecker: Die Erben mit Übersendung des Teilungsplans um Zustimmung bitten!
1 RG v. 12.9.1938 – IV 198/37, JW 1938, 2972. 2 RG v. 12.9.1938 – IV 198/37, WarnRspr. 1939 Nr. 9; KG v. 18.4.1904, OLGE 11, 244 (245). 3 Staudinger/Reimann, § 2204 Rz. 29. 4 Winkler, Rz. 518.
v. Morgen 1259
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C IV Rz. 90
Erbengemeinschaft
Achtung: Bei Nacherbschaft ist außerdem die Zustimmung aller Nacherben erforderlich1. Wenn im Zeitpunkt der Auseinandersetzung Vermächtnisse noch nicht erfüllt sind, ist außerdem auch die Mitwirkung der betroffenen Vermächtnisnehmer erforderlich2. (6) Dinglicher Vollzug des Auseinandersetzungsplans/der Auseinandersetzungsvereinbarung 90 Der Auseinandersetzungsplan/Auseinandersetzungsvertrag hat selbst keine unmittelbare dingliche, sondern nur obligatorische Wirkung, indem er die Erben verpflichtet, einander die ihnen zugeteilten Nachlassgegenstände zu übertragen. Der Testamentsvollstrecker ist jedoch auch gegen einen etwaigen Willen der Erben kraft seiner Verfügungsbefugnis grundsätzlich allein befugt, diese sich aus dem Auseinandersetzungsplan/-vertrag ergebenden Verpflichtungen zu erfüllen, d.h. bei beweglichen Sachen die Übergabe gemäß §§ 929 ff. BGB vorzunehmen, bei Grundstücken für die Erbengemeinschaft die entsprechende Auflassungserklärung abzugeben und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu bewirken (§§ 873, 925 BGB). Selbstverständlich muss auf der anderen Seite jedoch der jeweils erwerbende einzelne Miterbe beim dinglichen Vollzug mitwirken, insbesondere bei der Auflassung eines Grundstückes. Nachzuweisen ist dabei seine Eigenschaft als Miterbe. Der Testamentsvollstrecker wiederum hat die Erklärung abzugeben, dass er das Grundstück dem Miterben in Ausführung des Teilungsplans auf Rechnung seines Erbteils, also nicht unentgeltlich, überträgt3.
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Beratungshinweis für Testamentsvollstrecker: Auch auf Seiten der Erbengemeinschaft bedarf es der Mitwirkung der Erben selbst, wenn ansonsten ein Verstoß des Testamentsvollstreckers gegen § 181 BGB vorläge. Da der (wirksame) Teilungsplan jedoch die Erben gleichfalls verpflichtet, an dessen Vollzug, soweit erforderlich, mitzuwirken, kann der Testamentsvollstrecker dann die sich weigernden Miterben auf Mitwirkung verklagen. Ist der Testamentsvollstrecker zugleich Miterbe, kann grundsätzlich von einer Gestattung des Erblassers in Bezug auf In-Sich-Geschäfte des Testamentsvollstreckers ausgegangen werden, so dass § 181 BGB nicht eingreift4.
cc) Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten der Erben
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Beratungssituation: Mandant ist gemeinsam mit seiner Schwester Erbe nach dem Vater. Zum Testamentsvollstrecker hat dieser den Ehemann der Schwester bestimmt. Der Testamentsvollstrecker hat – gegen den Widerspruch des Mandanten – einen Teilungsplan aufgestellt, in dem er seine Ehefrau, die Schwester des Mandanten, nach dem Empfinden des Man-
BGH v. 24.9.1971 – V ZB 6/71, BGHZ 57, 84 (92). Winkler, Rz. 518 und 206. Winkler, Rz. 527. Winkler, Rz. 524.529.
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Erbengemeinschaft
Rz. 93 C IV
danten einseitig bevorzugt und ihn selbst dementsprechend benachteiligt. Er möchte mit allen Mitteln dagegen vorgehen und fragt, was er tun kann. Außer ihrer vorgeschriebenen Anhörung zum Teilungsplan und der ggf. erforderlichen Mitwirkung bei dessen Vollzug können die Miterben selbst im Wesentlichen Folgendes geltend machen: (1) Unwirksamkeit des Teilungsplans Der Teilungsplan ist ipso iure unwirksam, wenn der Testamentsvollstrecker darin einseitig und willkürlich von den Anordnungen des Erblassers oder vom Gesetz abweicht1. Die Beweislast trifft dementsprechend den dies geltend machenden Miterben. Die Unwirksamkeit ist durch entsprechende (Feststellungs-)Klage vor dem Prozessgericht gegen den Testamentsvollstrecker geltend zu machen.
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Beratungshinweis für Miterben: Die Unwirksamkeit des Teilungsplans entfällt, wenn er die Zustimmung sämtlicher Miterben gefunden hat; diese kann auch stillschweigend durch Nichtbeanstandung des Teilungsplans erfolgt sein2. Beanstandungen sollten also möglichst umgehend, ausdrücklich und klar dokumentiert erhoben werden.
(2) Offenbare Unbilligkeit im Sinne des § 2048 Satz 3 BGB Ist dem Testamentsvollstrecker die Auseinandersetzung des Nachlasses nach seinem billigen Ermessen gemäß § 2048 Satz 2 BGB zugewiesen, kann jeder Miterbe bei offensichtlicher Unbilligkeit des Teilungsplans durch Klage vor dem Prozessgericht gegen den Testamentsvollstrecker eine gerichtliche Überprüfung sowie eine abweichende, angemessene Verteilung durch rechtsgestaltendes Urteil verlangen (§ 2048 Satz 3 BGB). Im Prozess besteht keine notwendige Streitgenossenschaft der Miterben3.
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Die Vollziehung des solchermaßen richterlich bestimmten Teilungsplans ist dann aber wiederum Angelegenheit des Testamentsvollstreckers4. Die drohende Ausführung des (offenbar unbilligen) Teilungsplans durch den Testamentsvollstrecker kann vom Miterben im Wege der einstweiligen Verfügung gehemmt werden5. (3) Verstoß gegen ordnungsmäßige Verwaltung des Nachlasses Gemäß § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB sind Anordnungen, die der Erblasser durch letztwillige Verfügung für die Verwaltung getroffen hat, von dem Testaments1 2 3 4 5
Reimann, ZEV 2009, 120 (122 f.), m.w.N. Winkler, Rz. 529. RG v. 23.12.1918 – IV 249/18, WarnRspr 1919 Nr. 42. Ebeling/Geck, Rz. 507. Winkler, Rz. 532.
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Erbengemeinschaft
vollstrecker zu befolgen. Die Befolgung dieser Pflichten kann der Erbe durch Klage gegen den Testamentsvollstrecker einfordern1. Dazu gehört z.B. die Untersagung der Veräußerung eines Nachlassgrundstückes zur Vorbereitung der Auseinandersetzung, wenn der Erblasser dies ausgeschlossen hat. (4) Aufhebung einer (Teilungs-)Anordnung wegen schädigender Wirkung 94 Gemäß § 2216 Abs. 2 Satz 2 BGB kann das Nachlassgericht auf Antrag des Testamentsvollstreckers oder eines anderen Beteiligten Anordnungen, die der Erblasser durch letztwillige Verfügung für die Verwaltung getroffen hat, aufheben, wenn ihre Befolgung den Nachlass erheblich gefährden würde. In ausdehnender Gesetzesauslegung wird hierunter nicht nur die Gefährdung der Substanz des Nachlasses, sondern bereits eine zu besorgende Schädigung der an ihm interessierten Personen verstanden2. Auf diese Weise kann – mittelbar – auch die Vollziehung einer Teilungsanordnung verhindert werden, welche den Nachlass selbst begriffslogisch nicht gefährden kann, wohl aber die Interessen der von ihr negativ betroffenen Miterben3. 95 Das Nachlassgericht kann die Anordnung des Erblassers auf Antrag eines Miterben als Beteiligtem nur aufheben oder den Antrag ablehnen, nicht aber eine eigene Anordnung treffen4; besteht die Anordnung des Erblassers allerdings aus mehreren selbstständigen Teilen, kann das Nachlassgericht auch nur den Teil außer Kraft setzen, dessen Befolgung den Nachlass erheblich gefährden bzw. die Interessen des/der Miterben erheblich schädigen würde5. 96 Vor der Entscheidung ist den Beteiligten, soweit tunlich, rechtliches Gehör durch das Nachlassgericht zu gewähren (§ 2216 Abs. 2 Satz 3 BGB). Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde gemäß § 58 FamFG gegeben. (5) Schadensersatz 97 Verletzt der Testamentsvollstrecker durch den Teilungsplan schuldhaft seine Verpflichtungen, so kann der davon negativ betroffene Miterbe gemäß § 2219 Abs. 1 BGB Ersatz des ihm dadurch entstehenden Schadens vom Testamentsvollstrecker verlangen. dd) Bewertung 98 Vorteile: – Entscheidungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Miterben liegen in einer Hand; es bedarf
1 BGH v. 2.10.1957 – IV ZR 217/57, BGHZ 25, 257 (283). 2 KG v. 16.3.1933 – 1b X 113/33, HRR 1933 Nr. 1765. 3 Vgl. KG v. 24.9.1936 – 1 WR 453/36, JFG 1914, 154 (156); Staudinger/Reimann, § 2216 Rz. 27. 4 KG v. 29.1.1971 – 1 W 11794/70, OLGZ 1971, 220 (222). 5 KG v. 29.1.1971 – 1 W 11794/70, OLGZ 1971, 220 (222).
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grundsätzlich weder einer Einigung unter den Miterben noch aufwändiger und langwieriger Auseinandersetzungsklagen. – Bei dem Testamentsvollstrecker handelt es sich in der Regel um einen unbeteiligten Dritten, der sich gegenüber den unterschiedlichen Interessen der Miterben neutral verhält und sich ausschließlich dem Erblasser verpflichtet fühlt. Nachteile:
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– Es kann die Gefahr bestehen, dass der Testamentsvollstrecker im Interesse einer zeitnahen Erledigung seiner Aufgabe die Interessen der Erben übergeht, insbesondere die einzelnen Nachlassgegenstände zwecks Aufteilbarkeit nicht optimal verwertet. – Durch Untätigkeit des Testamentsvollstreckers bzw. Verzögerung der Auseinandersetzung kann der Nachlass faktisch gelähmt sein. Die Erben haben – über §§ 2216, 2219, 2227 BGB – in diesen Fällen nur mittelbare und langwierige Einwirkungsmöglichkeiten. – Durch die anfallende Vergütung des Testamentsvollstreckers (§ 2221 BGB) wird der Nachlass finanziell belastet.
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Beratungshinweis für Testator: Die Höhe der Testamentsvollstreckervergütung im Testament festlegen und mit dem vorgesehenen Testamentsvollstrecker vorher besprechen, um sich dessen Bereitschaft zu vergewissern, für diese Vergütung das Amt anzunehmen und auszuführen.
(Weitere Einzelheiten zur Testamentsvollstreckung s. Teil C IX) b) Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen den Miterben Die Miterben schließen hierbei einen schuldrechtlichen Vertrag zur Regelung der Aufteilung des Nachlasses zwischen ihnen, durch den jeder Miterbe verpflichtet wird, an der Übertragung der einzelnen Nachlassgegenstände in das Eigenvermögen des dafür vorgesehenen jeweiligen Miterben mitzuwirken1.
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aa) Form Der schuldrechtliche Auseinandersetzungsvertrag ist grundsätzlich formfrei.
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Beratungshinweis für Miterben: Es ist zu unbedingter Vorsicht zu raten; durch unbedachte Erklärungen setzt sich ein Miterbe häufig bereits der Gefahr aus, einer Teilungsvereinbarung seine Zustimmung erteilt zu haben.
Ausnahmen: Wenn in dem Erbauseinandersetzungsvertrag Nachlassgegenstände aufgeteilt werden, deren Übertragung nach allgemeinen Grundsätzen der Form bedarf, gilt dies auch für den Erbauseinandersetzungsvertrag. 1 Vgl. Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 357.
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Erbengemeinschaft
Beispiele: – Beurkundungspflicht gemäß § 313 Satz 1 BGB für Nachlassgrundstücke, auch wenn diese durch Erbauseinandersetzungsvertrag auf die Miterben zu Bruchteilen entsprechend ihren Anteilen am Nachlass übertragen werden. – Übertragung von GmbH-Anteilen gemäß § 15 Abs. 4 GmbHG. bb) Mögliche Regelungsinhalte (1) Normalfall: Aufteilung aufgrund Auseinandersetzungsvertrags (a) Grundsatz 103
In der inhaltlichen Ausgestaltung des Auseinandersetzungsvertrags sind die Miterben entsprechend der allgemeinen Vertragsfreiheit (§§ 241, 311 Abs. 1 BGB) grundsätzlich frei. Insbesondere können sie auch von den Auseinandersetzungsvorschriften der §§ 2042 ff. BGB einvernehmlich abweichen. Sie können auch vereinbaren, dass nicht nur der Aktivnachlass geteilt wird, sondern einzelne Miterben auch Nachlassverbindlichkeiten allein übernehmen. Sie müssen sich dann jedoch über die Folgen im Klaren sein, wenn der betreffende Miterbe die Nachlassverbindlichkeiten nicht tilgt, nämlich: – Aufrechterhaltung der gesamtschuldnerischen Haftung jedes Miterben (§§ 2058, 2059 BGB); – Ausschluss der Nachlassverwaltung als Haftungsbeschränkungsmaßnahme (§ 2062, 2. Halbs. BGB).
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Beratungshinweis für Miterben: Eine Aufteilung vor Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten aus dem ungeteilten Nachlass entsprechend § 2046 BGB ist nur bei entsprechender Sicherungsmöglichkeit anzuraten. Weiterer allgemeiner Beratungshinweis für Miterben: Ungesicherte Vorleistungen einzelner Beteiligter vermeiden, z.B. Übertragung eines Nachlassgegenstandes auf einen Miterben gegen Ausgleichszahlung in Raten. Wenn der betreffende Miterbe später insolvent wird, fällt der übertragene Nachlassgegenstand in die Masse, bei der Ausgleichsforderung handelt es sich indessen nur um eine gewöhnliche Masseverbindlichkeit1. Eine derartig unvorsichtige Vertragsgestaltung kann zu einem Haftpflichtfall für den beratenden Anwalt werden2. Stattdessen sollte, wie bei Grundstücksbzw. Anteilsübertragungsgeschäften üblich, die Übertragung des betreffenden Nachlassgegenstandes zumindest unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Ausgleichszahlungsleistung erfolgen.
1 Vgl. den Fall BGH v. 2.7.1996 – IX ZR 299/95, NJW 1996, 3009 (3010 f.). 2 Vgl. in Bezug auf den beurkundenden Notar, BGH v. 2.7.1996 – IX ZR 299/95, NJW 1996, 3009 (3010).
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Erbengemeinschaft
Rz. 107 C IV
(b) Zustimmungserfordernis bei Vor-/Nacherbschaft Eine Grenze der Vertragsfreiheit ergibt sich bei angeordneter Vor- und Nacherbschaft: Es ist dann die Zustimmung der Nacherben erforderlich, insbesondere bei Nachlassgrundstücken. Ausnahme: Die Verfügung über das Nachlassgrundstück dient allein der Erfüllung einer Teilungsanordnung des Erblassers1. Dementsprechend ist die Zustimmung der Nacherben wiederum erforderlich, wenn die Vorerben von der Teilungsanordnung abweichen2.
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(c) Familienrechtliche Zustimmungserfordernisse – Konstellation 1: Eltern sind neben ihren minderjährigen Kindern an dem Erbauseinandersetzungsvertrag beteiligt: Die Eltern sind im Hinblick auf §§ 1629, 1795, 181 BGB bei Vertragsabschluss von der Vertretung ihrer Kinder ausgeschlossen; jedes Kind bedarf eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB. Ein Pfleger für die Vertretung mehrerer Kinder ist nur möglich, wenn die gesetzlichen Auseinandersetzungsregeln der §§ 2042 ff. BGB ohne jede vertragliche Abweichung eingehalten werden, da es sich dann nur um die Erfüllung einer nach dem Gesetz begründeten Verbindlichkeit handelt, bei der § 181 BGB nicht gilt3. In der Praxis dürfte dies nur selten sicher festzustellen sein.
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– Konstellation 2: Der Erbteil eines verheirateten, im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Miterben stellt sein ganzes oder wesentliches Vermögen dar: Gemäß § 1365 Abs. 1 BGB ist die Zustimmung des anderen Ehegatten erforderlich4. Entsprechendes gilt bei Gütergemeinschaft unter den Voraussetzungen der §§ 1423, 1424 bzw. 1450 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bei Gütertrennung bedarf es hingegen keiner Zustimmung des Ehegatten5. (d) Problem: (gemischte) Schenkung bei Bevorzugung einzelner Miterben im Auseinandersetzungsvertrag? Zivilrechtlich grundsätzlich nein, da causa die Erbauseinandersetzung ist und 107 nicht eine Schenkung gemäß § 516 BGB6. Aber Ausnahmen sind denkbar: Im Extremfall die Übertragung des gesamten Aktivnachlasses auf einen Miterben, aber auch in anderen Fällen einer bewussten Bevorzugung, die nach dem Willen der Miterben über die reine Erbauseinandersetzung hinaus noch einen unentgeltlichen Charakter haben soll. Folge: Die Auseinandersetzungsvereinbarung als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft bedarf dann der notariellen Beurkundung gemäß § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB; die Nichtbeachtung dieser Form wird allerdings geheilt, wenn der Erbauseinandersetzungsvertrag, wie in der Praxis häufig, sogleich auch den Vollzug durch Übertragung der 1 2 3 4 5 6
Ebeling/Geck, Rz. 533. Vgl. OLG Hamm v. 19.9.1994 – 15 W 205/94, FamRZ 1995, 961 (962). Vgl. Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 360. Vgl. BGH v. 28.4.1961 – V ZB 17/60, BGHZ 35, 135 (137 ff.). Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 368. So auch Ebeling/Geck, Rz. 554.538.
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aufgeteilten Gegenstände auf die betreffenden Miterben enthält (§ 518 Abs. 2 BGB). In steuerrechtlicher Hinsicht kann eine (gemischte) freigebige Zuwendung mit der Folge der Entstehung von Schenkungsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gegeben sein1. (2) Alternative: Auseinandersetzung aufgrund Kaufs sämtlicher Erbteile durch einen Miterben 108
Bei Übertragung sämtlicher Anteile auf einen Miterben vereinigt sich die Erbschaft in dessen Hand mit der Maßgabe, dass eine Rückübertragung der Anteile nicht mehr möglich ist; es besteht der gleiche Rechtszustand wie bei dem ursprünglichen Anfall an einen Alleinerben2. Eine Erbauseinandersetzung ist also auch in dieser Form möglich. Dabei bedarf das Verpflichtungsgeschäft – i.d.R. Kaufvertrag – gemäß § 2371 BGB der notariellen Beurkundung. Der weichende Miterbe ist danach schuldrechtlich verpflichtet, einen Erbteilsübertragungsvertrag im Sinne von § 2033 Abs. 1 BGB abzuschließen, der erwerbende Miterbe im Falle eines Kaufvertrags zur Kaufpreiszahlung und Abnahme (§ 433 Abs. 2 i.V.m. § 453 Abs. 1 BGB). Dies schließt die Übernahme der Passiva ein (§ 2378 BGB). (Näheres zum Erbteilskauf s. Teil C XI)
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Einschränkungen bestehen gegenüber der allgemeinen Regelung zu § 453 Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Rechts- und Sachmängelhaftung: Die Rechtsmängelhaftung ist gemäß § 2376 Abs. 1 BGB beschränkt auf – Bestand des Erbrechts, namentlich dass der Erbteil nicht bereits an eine andere Person abgetreten oder verpfändet ist, – Nichtbestehen unbeschränkter Haftung gegenüber Nachlassgläubigern, Nacherbeneinsetzung, Testamentsvollstreckungsanordnung, Vermächtnissen und Auflagen, Pflichtteilslasten, Ausgleichungsverpflichtungen, Teilungsanordnungen, Ausgleichsforderungen nach beendeter Zugewinngemeinschaft. Die Sachmängelhaftung ist vollständig ausgeschlossen (§ 2376 Abs. 2 BGB).
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Vollzogen wird der Erbteilskauf durch den Abschluss eines Erbteilsübertragungsvertrags gemäß § 2033 Abs. 1 BGB, der gemäß Satz 2 dieser Vorschrift gleichfalls der notariellen Beurkundung bedarf. S. zur Erbteilsübertragung noch gesondert unter V. 1 (Rz. 320 ff.).
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Beratungshinweise für Miterben: – Gegenüber den Nachlassgläubigern (Außenverhältnis) erlischt die gesamtschuldnerische Haftung der weichenden Miterben nicht; ein vertraglicher Haftungsausschluss ist insoweit unwirksam (§ 2382 Abs. 2 BGB).
1 BFH v. 14.7.1982 – II R 125/79, BStBl. II 1982, 714. 2 OLG Düsseldorf v. 11.11.1976 – 8 U 76/75, NJW 1977, 1828.
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– Steuerlicher Vorteil: Bei der Erbteilsübertragung, die zum Zwecke der Nachlassauseinandersetzung erfolgt, ist die Übertragung von im Nachlass befindlichen Grundstücken gemäß § 3 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz grunderwerbsteuerfrei. (3) Alternative: Ausscheiden gegen Abfindung?
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Beratungssituation: Mandant ist Mitglied einer Zweipersonen-Erbengemeinschaft. Nach längerem Ringen ist er sich momentan mit dem weiteren Miterben einig, dass dieser von ihm einen Betrag X erhält und er selbst dafür den Nachlass allein übernimmt. Er möchte diese Einigung nun schnellstmöglich rechtsverbindlich fixieren, befürchtet aber, dass der andere, etwas wankelmütige Miterbe noch davon Abstand nehmen könnte, wenn dies förmlich vor einem Notar – mit entsprechenden Belehrungen – beurkundet wird. Außerdem möchte er auch die Notarkosten sparen. Er fragt, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, die Regelung auch privat schriftlich wirksam zu vereinbaren.
Spätestens aufgrund des Urteils des BGH vom 21.1.19981 ist nunmehr gesichert, dass ein Miterbe analog dem Austritt eines Gesellschafters aus einer BGB-Gesellschaft gegen Abfindung aus der Miterbengemeinschaft ausscheiden kann. Konsequenz: Das Vermögen der Gesamthand (hier: Erbengemeinschaft) wächst den anderen – im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile – an (§ 738 BGB analog)2. Die Abfindung kann dabei sowohl aus dem Nachlass als auch aus dem Privatvermögen der verbleibenden Miterben geleistet werden3.
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Diese Möglichkeit der Erbauseinandersetzung besteht auch dann, wenn nach dem Ausscheiden des bzw. der übrigen Miterben nur noch ein Miterbe übrig bleibt. Damit ist der Nachlass dann vollständig auseinander gesetzt; der verbleibende Miterbe wird kraft Anwachsung Alleininhaber sämtlicher Nachlassgegenstände. Bei im Nachlass befindlichen Grundstücken wird das Grundbuch unrichtig (§ 22 GBO) und muss berichtigt werden. Die Unrichtigkeit ist entweder in der Form des § 29 GBO nachzuweisen oder durch beglaubigte Bewilligung des/der ausgeschiedenen Miterben4.
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Vorteil: Dieser Weg der Erbauseinandersetzung ist grundsätzlich auch dann formfrei möglich, wenn sich im Nachlass Gegenstände befinden, die ansonsten nur durch notarielle Beurkundung übertragen werden könnten, wie beispielsweise Grundstücke5. Ausnahme: Wenn die Abfindung in der formbedürftigen Übertragung eines Gegenstandes, beispielsweise eines Grundstückes besteht6.
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1 BGH v. 21.1.1998 – IV ZR 346/96, FamRZ 1998, 673 f., bestätigt durch BGH v. 27.10.2004 – IV ZR 174/03, ZEV 2005, 22. 2 BGH v. 27.10.2004 – IV ZR 174/03, ZEV 2005, 22. 3 BGH v. 21.1.1998 – IV ZR 346/96, FamRZ 1998, 673 f. 4 §§ 22, 19 GBO sowie dazu Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 392. 5 So ausdrücklich BGH v. 21.1.1998 – IV ZR 346/96, FamRZ 1998, 673 f. 6 BGH v. 21.1.1998 – IV ZR 346/96, FamRZ 1998, 673 f.
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Beratungshinweise für Miterben: Vorsicht ist im Hinblick auf das (formlose) Ausscheiden gegen Abfindung in zwei Richtungen geboten: – Überrumpelungsgefahr: Auch wenn Grundstücke oder GmbH-Anteile im Nachlass vorhanden sind, können sich andere Miterben auf eine vorschnell erteilte mündliche Zustimmung zum Ausscheiden gegen Abfindung als rechtswirksamem Erbauseinandersetzungsvertrag berufen und dessen Erfüllung einfordern. – Abgrenzungsprobleme gegenüber einem Erbteilskauf/einer Erbteilsübertragung: Bei dem Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft verzichtet der weichende Erbe lediglich auf seine Rechte als Mitglied, bei der Erbteilsübertragung überträgt er seinen Erbanteil auf einen bestimmten Rechtsnachfolger1. Die Abgrenzung ist in der Praxis gerade bei vollständiger Auseinandersetzung, d.h. Verbleiben nur noch eines Miterben als Alleininhaber des Nachlasses kaum 100 %ig sicher durchzuführen. Daher wird im Schrifttum überwiegend empfohlen, auch bei einer Konstruktion „Ausscheiden gegen Abfindung“ sicherheitshalber immer die Form der notariellen Beurkundung einzuhalten2.
(4) Sonderfall: Teilauseinandersetzung 115
Im Rahmen der Vertragsfreiheit können die Miterben die Erbauseinandersetzung auch in einzelnen Schritten vereinbaren. Dies kann sich gegenständlich auf die Auseinandersetzung nur eines Teils des Nachlasses beziehen, aber auch in personeller Hinsicht vorgenommen werden. Im letzteren Fall spricht die herrschende Meinung von der so genannten Abschichtung, d.h., ein Miterbe scheidet (gegen Abfindung) aus der Erbengemeinschaft aus, und diese wird von den verbleibenden Miterben, denen sein Anteil anwächst, fortgeführt3. Verbleibt allerdings nur noch ein Miterbe, so tritt der hier oben dargestellte Fall einer Totalauseinandersetzung ein.
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Beratungshinweis für Miterben: Eine gegenständliche Teilauseinandersetzung empfiehlt sich vor allem dann, wenn eine Einigung zwischen den Miterben nur hinsichtlich bestimmter Gegenstände möglich ist bzw. einzelne Nachlassgegenstände einen besonderen Streitpunkt bilden oder wenn hinsichtlich einzelner Nachlassgegenstände, insbesondere eines Unternehmens oder Grundvermögens, eine Auseinandersetzung wegen Zerschlagung der wirtschaftlichen Einheit nicht möglich/sinnvoll erscheint4. Eine Teilauseinandersetzung in personeller Hinsicht (Abschichtung) ist vor allem dann anzuraten, wenn ein Miterbe gegenläufige Interessen zu denen der übrigen aufweist, insbesondere an einer raschen Versilberung des Nachlasses zwecks Aufteilung interessiert ist. Die Auszahlung dieses Miterben, insbesondere aus eigenen privaten Mitteln, er-
1 BGH v. 21.1.1998 – IV ZR 346/96, FamRZ 1998, 673 f.; Sarres, Rz. 102; a.A.: Reimann, ZEV 1998, 213 (214). 2 Reimann, ZEV 1998, 213 (214); Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 392; Sarres, Rz. 103. 3 Vgl. Sarres, Rz. 100 m.w.N. 4 Zum Risiko nachträglich eintretender Wertdifferenzen s. Reimann, ZEV 2009, 120 ff.
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Erbengemeinschaft
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möglicht den übrigen Miterben in derartigen Fällen, den Nachlass als wirtschaftliche Einheit zusammenzuhalten und sich des „Störenfriedes“ gleichzeitig zu entledigen. cc) Wirkung Die Auseinandersetzungsvereinbarung wirkt als schuldrechtlicher Vertrag zunächst nur verpflichtend; d.h., sie bedarf noch der Vollziehung, um das Gesamthandsrecht mit dinglicher Wirkung in die jeweilige Alleinberechtigung des betreffenden Miterben zu überführen. Die dingliche Teilung erfolgt dabei nach den Übertragungsvorschriften, die für das betreffende Recht bzw. für den betreffenden Gemeinschaftsgegenstand gelten, also z.B. denjenigen der §§ 398 ff., 854 ff., 873 ff. oder 929 ff. BGB.
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Beratungshinweis für Miterben: In der Praxis wird häufig in Erbauseinandersetzungsverträgen nicht hinreichend zwischen dem Verpflichtungsgeschäft und dessen Vollzug durch die dinglichen Übertragungsakte unterschieden; die einzelnen Übertragungsakte sind dabei nicht selten in der Auseinandersetzungsvereinbarung bereits stillschweigend enthalten. Allerdings trifft im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung denjenigen die Darlegungs- und Beweislast, der sich auf eine stillschweigend vorgenommene dingliche Verfügung beruft1. Und bei Nachlassgegenständen, deren Übertragung formbedürftig ist, z.B. Grundstücken, ist eine stillschweigende dingliche Verfügung im Auseinandersetzungsvertrag ohnehin nicht möglich2. Eine ausdrückliche und differenzierende Regelung der jeweiligen Übertragungsakte in der Auseinandersetzungs-/Teilungsvereinbarung, unter Beachtung des ggf. erforderlichen Formzwanges, ist also unbedingt anzuraten.
dd) Angreifbarkeit Gemäß §§ 119 ff., 123 f. BGB: Als Vertrag unterliegt die Auseinandersetzungsvereinbarung den allgemeinen Anfechtungsgründen.
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Im Einzelfall gemäß § 779 BGB: Nur wenn der Auseinandersetzungsvereinbarung ernsthafte Meinungsverschiedenheiten oder Rechtsstreitigkeiten unter den Miterben vorangegangen sind, die damit beigelegt werden sollen, kann der Auseinandersetzungsvereinbarung im Einzelfall auch die4 Rechtsnatur und Wirkung eines ernst gemeinten Vergleiches im Sinne des § 779 BGB zukommen3.
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Es kann dann ihre Unwirksamkeit geltend gemacht werden, sofern die Vergleichsgrundlage nicht zutrifft. 1 Ebeling/Geck, Rz. 539. 2 BGH v. 28.6.1965 – III ZR 10/64, BB 1965, 1373 f. zur – auch stillschweigenden – Übertragung der einzelnen Gegenstände im Rahmen des Übergangs eines Handelsunternehmens durch Auseinandersetzungsvereinbarung auf einen Miterben. 3 Ebeling/Geck, Rz. 537.
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Allgemeiner Beratungshinweis für Miterben und Testamentsvollstrecker: Für jede Form der einvernehmlichen Erbauseinandersetzung gilt: Kein Abschluss einer Vereinbarung ohne vorherige steuerliche Beratung! Denn das Erbschaftsteuerrecht berücksichtigt die Nachlassverteilung nicht bzw. nur eingeschränkt, was zu einer disquotalen Steuerbelastung unter den Miterben führen kann. Für alle Erbfälle, auf die noch das alte, vor der per 1.1.2009 in Kraft getretenen Erbschaftsteuerreform geltende Erbschaftsteuerrecht anzuwenden ist, gilt ausnahmslos dass, im Gegensatz zum (Voraus-) Vermächtnis, Teilungsordnungen des Erblassers ebenso wenig wie Teilungsvereinbarungen unter den Miterben Berücksichtigung finden. Die Zuweisung in der erbschaftsteuerlichen Bewertung begünstigter Vermögensgegenstände wie Unternehmen, Mietwohnimmobilien oder des Familienheims an einzelne Miterben ändert insoweit nichts daran, dass die Steuerprivilegien allen Miterben entsprechend ihrer Quote zugute kommen; es kommt also zu einer Fehlallokation von Steuerprivilegien1. Für Erbfälle, die nach dem neuen Erbschaftsteuerrecht zu beurteilen sind, ist die tatsächliche Aufteilung des Nachlasses immerhin bereits teilweise für maßgeblich erklärt worden, beispielsweise für Betriebsvermögen. Andere Nachlassbestandteile, wie beispielsweise Gewerbeimmobilien des Privatvermögens, werden hingegen ungeachtet der tatsächlichen Zuteilung bei der Erbauseinandersetzung erbschaftsteuerlich weiterhin sämtlichen Miterben zur jeweiligen Quote zugerechnet2. – Für den zur Erbauseinandersetzung befugten (Gesamt-)Testamentsvollstrecker gehört es zur Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens, bei der Aufteilung des Nachlasses keine vermeidbaren steuerlichen Mehrbelastungen für einzelne Miterben herbeizuführen. Allerdings darf er andererseits auch keinen besonderen Ausgleich für eintretende Steuermehrbelastungen gewähren3.
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Vorteile: – Flexibilität in der Gestaltung: Einverständlich können sich die Erben sowohl über Teilungsanordnungen des Erblassers hinwegsetzen als auch finanzielle Regelungen außerhalb des Nachlassvermögens miteinbeziehen, z.B. Abfindungszahlungen aus dem Privatvermögen verbleibender Miterben. Auch die Modalitäten der Auseinandersetzung (nur Teilauseinandersetzung, Abschichtung, Erbteilskauf u.a.) können frei vereinbart werden. – Wirtschaftliche Vorteile: Wirtschaftliche Einheiten brauchen nicht zerschlagen zu werden, wenn man andere Lösungen findet; die Kosten aufwändiger Auseinandersetzungsverfahren, einschließlich Teilungsversteigerungen, werden vermieden; die Abwicklung des Nachlasses erfolgt i.d.R. weitaus schneller, wodurch die Miterben früher in den wirtschaftlichen 1 Wälzholz, ZEV 2009, 113 (114). 2 Vgl. im Einzelnen Wälzholz, ZEV 2009, 113 (114 ff.). 3 Wälzholz, ZEV 2009, 113 (119).
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Erbengemeinschaft
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Genuss ihres Anteils am Nachlass kommen; in steuerlicher Hinsicht lässt sich bei Einigkeit der Miterben die für alle günstigste Lösung zur Durchführung bringen. – Akzeptanz: Eine auf allseitiger Einigung beruhende Erbauseinandersetzung wird am wenigsten Anlass für anschließende Streitereien ergeben. Einzelne streitige Punkte können in ihren Folgen durch Teilauseinandersetzung des restlichen Nachlassvermögens entschärft, einzelne „schwierige“ Miterben durch Abschichtung abgefunden werden. Nachteile:
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– Übervorteilung: Unbeholfenere, wirtschaftlich minderbemittelte und/oder nicht anwaltlich vertretene Miterben können in einer geplanten „HauruckAktion“ mit dem vorbereiteten Entwurf einer Auseinandersetzungsvereinbarung überrumpelt und benachteiligt werden, zumal wenn selbst bei Nachlassgrundvermögen eine Form gewählt wird, die keiner notariellen Beurkundung (mit entsprechender Belehrung) bedarf (vgl. oben Rz. 113). Der Konsens mit größtmöglicher Akzeptanz ist dann nur ein vermeintlicher: Der Konflikt verlagert sich auf den anschließenden Streit über die Wirksamkeit und die Reichweite der zuvor getroffenen Erbauseinandersetzung und wird umso erbitterter geführt. Nicht selten dürfte derartigen Erbauseinandersetzungen, zumal in Gestalt einer Abfindung der weniger interessierten/unbeholfeneren Miterbenpartei, auch eine unzureichende Aufklärung seitens der aktiveren Miterbenpartei über den Umfang und den Wert des Nachlassvermögens zugrunde liegen. – Hinhaltetaktik: Das Einigungsbemühen der übrigen Miterben kann von einem/mehreren Miterben zwecks bewusster Verzögerung der Erbauseinandersetzung ausgenutzt werden. Auf diese Weise wird u.U. wertvolle Zeit verloren, bevor dann die ohnehin unvermeidliche und langwierige streitige Erbauseinandersetzung eingeleitet wird. c) Vermittlung durch das Nachlassgericht (§§ 363–373 FamFG)
Û
Beratungssituation: Mandant ist der aktive Teil einer Erbengemeinschaft; die übrigen Miterben zeigen trotz seines intensiven Bemühens keinerlei Interesse, an der Auseinandersetzung des Nachlasses mitzuwirken. Da es sich um seine Geschwister handelt, möchte der Mandant allerdings auch nicht den Weg einer Klage beschreiten.
Als Mittelweg zwischen außergerichtlicher Auseinandersetzungsvereinbarung und Auseinandersetzungsklage halten die §§ 363 ff. FamFG ein Vermittlungsverfahren bereit, welches den passiven Miterben zumindest ein Minimum an Mitwirkung abverlangt, um keine Rechtsnachteile zu erleiden, und auf diesem Wege auch ohne den größeren Aufwand eines Klageverfahrens zu Lösungen führen kann.
Û
Hinweis zur Gesetzesreform: Als Artikel 1 des FGG-Reformgesetzes ist zum 1.9.2009 das „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in v. Morgen 1271
122
C IV Rz. 123
Erbengemeinschaft
den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)“ in Kraft getreten1. Es inkorporiert – unter teilweiser Abänderung und Neuregelung – unter anderem auch die bisherigen Regelungen des FGG. Das bisherige FGG gilt gemäß Art. 111 FGG–RG noch für alle Verfahren, die bis zum 1.9.2009 eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis dahin beantragt worden ist. Die Vorschriften über das Vermittlungsverfahren vor dem Nachlassgericht gemäß §§ 86–99 FGG sind in § 363 bis § 373 FamRG inhaltlich weitgehend unverändert übernommen worden. In rechtspolitischer Hinsicht ist allerdings zu bedauern, dass mit dem FGGRG die Gelegenheit einer gleichzeitigen inhaltlichen Reform insbesondere des Vermittlungsverfahrens vor dem Nachlassgericht ungenutzt blieb. Durch einen unabhängigeren und verbindlicheren Charakter der Entscheidung des Nachlassgerichts in diesem Verfahren hätte die streitige Auseinandersetzung vor dem Prozessgericht nach den schwerfälligen Regelungen des BGB in §§ 2042 ff. über die Nachlassverteilung unter Miterben zum Einen eine echte Alternative erhalten können, zum anderen hätte das Vermittlungsverfahren vor dem Nachlassgericht seinerseits dadurch aus seinem Schattendasein in der Rechtswirklichkeit der Auseinandersetzung unter Miterben hervortreten können. aa) Verfahren 123
– Antrag an das Nachlassgericht2 Antragsberechtigt: Jeder Miterbe, Erwerber eines Erbteils, Pfandrechtsgläubiger, Nießbraucher, Erbteils-Testamentsvollstrecker (§ 363 Abs. 2 FamFG) Nicht antragsberechtigt: Nachlassgläubiger, Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigter, Nacherbe, Nachlassverwalter, Nachlasspfleger, Insolvenzverwalter3, (Gesamt-)Testamentsvollstrecker Notwendiger Inhalt der Antragsschrift: Angabe der Miterben (Beteiligten) und der Teilungsmasse mit Aktiv- und Passivposten sowie weitere Angaben zu den persönlichen Verhältnissen des Erblassers und der Beteiligten, dem Anfall sowie dem Erwerbsgrund des Nachlasses (§ 363 Abs. 3 FamFG) Ladung des Antragstellers und der übrigen Beteiligten zu einem gerichtlichen Verhandlungstermin (vor dem Rechtspfleger) Vollständige oder teilweise Vernehmung der Beteiligten im Verhandlungstermin mit Protokollierung und unterschriftlicher Bestätigung einer einvernehmlich getroffenen Auseinandersetzungsregelung Bestätigungsbeschluss bezüglich dieser Vereinbarung durch das Gericht
1 FGG-RG v. 17.12.2008, BGBl.I 2008, 2586; s. dazu auch den Überblick bei Zimmermann, ZEV 2009, 53 ff. 2 In einigen Bundesländern, z.B. Bayern, Hessen, Niedersachsen, sind gemäß § 20 Abs. 2 BNotO i.V.m. §§ 486 ff. FamFG auch bzw. statt dessen die Notare für das Vermittlungsverfahren zuständig. 3 Vgl. Bumiller/Winkler, § 86 Anm. 8.
1272 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 126 C IV
Vollstreckbarer Titel mit Rechtskraft (Ablauf der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde, § 371 FamFG) Jedoch: Keine endgültige materiellrechtliche Wirkung: Die Vereinbarung kann, wie jeder Vertrag, bei Vorliegen entsprechender Gründe einseitig angefochten oder einverständlich geändert, aufgehoben oder modifiziert werden1. bb) Streitige Punkte, Vorrang eines Klageverfahrens Das Vermittlungsverfahren vor dem Nachlassgericht wird ausgesetzt, wenn und soweit sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Nachlassgericht Streitpunkte ergeben (§ 370 Satz 1 FamFG).
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Noch bis zur rechtskräftigen Bestätigung der Auseinandersetzung durch das Nachlassgericht kann ein Miterbe, der sich noch nicht mit Zustimmungswirkung an dem Vermittlungsverfahren vor dem Nachlassgericht beteiligt hat, dessen Entscheidung außerdem torpedieren, indem er Klage vor dem ordentlichen Gericht gegen die übrigen Miterben auf Zustimmung zur gesetzlichen Auseinandersetzung/Teilung des Nachlasses erhebt. Die Entscheidung der ordentlichen Gerichte ist in jedem Falle vorrangig2. Dies gilt – theoretisch – sogar noch nach Vorliegen einer rechtskräftig bestätigten Auseinandersetzungsvereinbarung vor dem Nachlassgericht. Allerdings wird sich ein Miterbe, der sich bereits am Vermittlungsverfahren vor dem Nachlassgericht mit Zustimmungswirkung beteiligt hatte, diesen Umstand im Klagverfahren vor dem ordentlichen Gericht entgegenhalten lassen müssen, so dass seine dortige Klage dann nicht zum Erfolg führen dürfte, es sei denn, es liegt z.B. eine Säumnislage der übrigen Miterben in jenem Verfahren vor3.
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cc) Bewertung Vorteile:
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– „Mediationsgedanke“: Die Parteien kommen unter Vermittlung einer rechtskundigen und neutralen Institution, welche die staatliche Autorität repräsentiert, an einen Tisch, ohne dass hierfür ein streitiges Gerichtsverfahren geführt werden müsste. – Kostengesichtspunkt: Die Vermittlung durch das Nachlassgericht ist i.d.R. kostengünstiger als ein streitiges Verfahren (vgl. §§ 116, 148 KostO). Zusätzlich ergibt sich noch die Möglichkeit, ohne besondere (Notar-)Kosten formwirksam (§ 127a BGB) zu Protokoll des Nachlassgerichts im Nachlass befindliche Grundstücke, GmbH-Anteile etc. durch Eigentumsübertragung auseinander zu setzen4.
1 2 3 4
Vgl. Sarres, Rz. 138. OLG Düsseldorf v. 17.7.2002 – 3 Wx 151/02, NJW-RR 2003, 5. Vgl. auch Ebeling/Geck, Rz. 599 f. Ebeling/Geck, Rz. 596; vgl. BGH v. 5.10.1954 – V BLw 25/54, BGHZ 14, 381 (390 f.).
v. Morgen 1273
C IV Rz. 127 127
Erbengemeinschaft
Nachteile: – Mangelnde Durchsetzbarkeit: Gegen den Willen auch nur eines der Miterben lässt sich eine Erbauseinandersetzung mithilfe des Nachlassgerichts nicht durchführen. Jener Miterbe braucht nur im Termin vor dem Nachlassgericht zu erscheinen und sich einer einvernehmlichen Lösung zu widersetzen; damit ist das Vermittlungsverfahren dann gescheitert. – Ineffektivität, Verzögerung: Die vorbereitenden Arbeiten sowohl des antragstellenden Miterben als auch des Nachlassgerichts (Rechtspflegers) erweisen sich häufig als vergebene Liebesmüh, wenn das Verfahren anschließend mangels Einigungsmöglichkeiten – oder wegen Rechtshängigkeit einer Auseinandersetzungsklage vor dem ordentlichen Gericht – ausgesetzt werden muss. d) Auseinandersetzungsklage aa) Zuständiges Gericht
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Nach § 27 Abs. 1 ZPO (besonderer Gerichtsstand bei Erbfolge) das Gericht des letzten allgemeinen Gerichtsstands des Erblassers, also i.d.R. des letzten Wohnsitzes des Erblassers (§ 13 ZPO). Handelte es sich bei dem Erblasser um einen Auslandsdeutschen, so gilt der letzte inländische Wohnsitz, in Ermangelung dessen der Sitz der Bundesregierung (§ 27 Abs. 2, 2. Halbs. i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 ZPO). § 27 Abs. 1 ZPO begründet keinen ausschließlichen Gerichtsstand, zulässig bleibt damit vor allem eine Klage am Gericht des allgemeinen Gerichtsstands (§ 12 ZPO), also in aller Regel des Wohnsitzes (§ 13 ZPO) des/der Beklagten. bb) Parteien
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Kläger kann jeder Anspruchsberechtigte (s. Rz. 37 ff.) sein, welcher die Nachlassteilung herbeiführen möchte. Die Klage ist grundsätzlich gegen die übrigen Miterben, die sich der Teilung des Nachlasses – entweder ganz oder gemäß dem vom Kläger aufgestellten Teilungsplan – widersetzen, zu richten. Das Gleiche gilt für etwa vorhandene sonstige Beteiligte, wie Nießbraucher, Pfandgläubiger und (Erbteils-)Testamentsvollstrecker1.
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Nach herrschender Meinung2 ist die Beschränkung auf einzelne widersprechende Miterben (Beteiligte) zulässig; die beklagten Miterben (Beteiligten) werden nicht notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 ZPO3. Meines Erachtens ist diese Beschränkung sogar zwingend, denn der Klage gegen einen Miterben (Beteiligten), der bereits seine Zustimmung erteilt hat, würde das notwendige Rechtsschutzbedürfnis fehlen.
1 Kerscher/Tanck/Krug, § 27 Rz. 5. 2 Erman/Schlüter, § 2042 Anm. 16; Palandt/Edenhofer, § 2042 Rz. 16; Ebeling/Geck, Rz. 622. 3 RG v. 23.12.1918 – IV 249/18, WarnRspr. 1919 Nr. 42.
1274 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Û
Rz. 133 C IV
Beratungshinweis für aktiven Miterben: Ist ein anderer Miterbe (Beteiligter) grundsätzlich zustimmungsbereit, sollte er unter Fristsetzung zur Erteilung der Zustimmung aufgefordert werden, um zu vermeiden, dass er im Falle der Klage mit der Kostenfolge des § 93 ZPO sofort anerkennt.
cc) Klageart und Klageantrag (1) Grundsatz: Klage auf Zustimmung zur Erbauseinandersetzung gemäß Teilungsplan Klageziel ist die Herbeiführung einer Auseinandersetzungsvereinbarung zwischen allen Miterben. Die Willenserklärung des Klägers besteht in einem von ihm aufgestellten vollständigen Teilungsplan, der nur noch der zustimmenden Willenserklärung der übrigen Miterben bedarf. Dementsprechend ist der Klagantrag grundsätzlich auf Zustimmung zu einem darin in allen Einzelheiten angegebenen Teilungsplan des Klägers zu richten. Die erforderliche zustimmende Willenserklärung der beklagten Miterben wird dann durch die Rechtskraft des Urteils gemäß § 894 ZPO fingiert.
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Dreh- und Angelpunkt jeder Erbauseinandersetzungsklage ist somit der Teilungsplan des Klägers und dessen kritische Überprüfung. Zwar hat das Prozessgericht auf sachgemäße Antragstellung hinzuwirken1; der Kläger trägt jedoch das volle Risiko einer Unrichtigkeit und/oder Unvollständigkeit des von ihm eingeklagten Teilungsplans. Erfasst dieser nicht alle Nachlassgegenstände, steht er nicht in Übereinstimmung mit den Teilungsanordnungen des Erblassers und/oder den gesetzlichen Erbteilungsvorschriften der §§ 2046 ff. i.V.m. §§ 2042 Abs. 2, 752, 753 BGB, so ist die Klage zur Gänze abzuweisen; eine rechtsgestaltende Befugnis kommt dem Gericht nicht zu (Ausnahme: § 2048 Satz 2 und 3 BGB).
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Û
Beratungshinweis für Kläger: Um dieses Risiko einzuschränken, empfiehlt sich bei kritischen Rechtsfragen die Stellung von Hilfsanträgen, die auch mehrfach abgestuft zulässig sind2.
Sind noch Nachlassverbindlichkeiten durch Umsetzung einzelner Nachlassgegenstände in Geld zu berichtigen (§ 2046 Abs. 3 BGB), so muss der Teilungsplan, zu welchem die Zustimmung klageweise gefordert wird, auch die zu diesem Zweck zu verwertenden Nachlassgegenstände sowie die Art der Verwertung im Einzelnen aufführen. Auch hinsichtlich des verbleibenden „Nettonachlasses“ muss der Teilungsplan hinsichtlich jedes einzelnen Nachlassgegenstandes die Angabe enthalten, wie dieser zu verwerten ist, nämlich durch Teilung in Natur, im Wege der Pfandversteigerung oder – bei Grundstücken – der Teilungsversteigerung, und wie der Erlös in Übereinstimmung mit den Erbteilen unter den Miterben aufgeteilt werden soll3. 1 § 139 ZPO, s. hier auch RG v. 20.1.1936 – IV 234/35, Recht 1936 Nr. 3138. 2 S. u.a. OLG Karlsruhe v. 29.11.1973 – 4 U 209/72, NJW 1974, 956; Johannsen, WM 1970, 738 (744), unter Hinweis auf BGH v. 24.1.1962 – V ZR 6/61 (unveröffentlicht). 3 Vgl. Ebeling/Geck, Rz. 630.
v. Morgen 1275
133
C IV Rz. 134
Û
Erbengemeinschaft
Beratungshinweis für Kläger: Neben dem Klageantrag auf Zustimmung zum Teilungsplan sollte auch an dessen dinglichen Vollzug gedacht werden: Die Klage kann zugleich auch auf Verurteilung zur Zustimmung zu den erforderlichen dinglichen Erklärungen für die Ausführung des Teilungsplans, z.B. die notwendigen Auflassungserklärungen für Nachlassgrundvermögen, gerichtet werden1.
(2) Teilklage?
Û
Beratungssituation: Mandant ist Miterbe eines Nachlasses, der ganz überwiegend aus Barvermögen besteht. Eine Gesamtauseinandersetzung verzögert sich jedoch erheblich, weil die Erben noch keinen Überblick über das Sammelsurium diverser persönlicher Gegenstände des Erblassers ohne besonderen Wert gewinnen konnten. Nachlassverbindlichkeiten bestehen nicht mehr, insbesondere die Erbschaftssteuern sind vollständig entrichtet. Dennoch verweigern die übrigen Miterben ihre Zustimmung zur Aufteilung (nur) des Nachlassbarvermögens. Mandant sucht nach einer Möglichkeit, diese Aufteilung jetzt bereits rechtlich zu erzwingen.
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Die persönliche Teilauseinandersetzung kann nur einvernehmlich vereinbart, aber nicht von einem Miterben gegen den Willen auch nur eines anderen Miterben im Klagewege durchgesetzt werden2. Es müssen also immer alle Miterben in die Auseinandersetzungsklage einbezogen werden, sofern sie nicht zustimmungsbereit sind.
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Auch eine gegenständlich beschränkte Auseinandersetzung kann gegen den Willen eines anderen Miterben grundsätzlich nicht verlangt werden; die Auseinandersetzungsklage verlangt grundsätzlich die Teilungsreife des gesamten Nachlasses3. Dies bedeutet: – Sämtliche Aktiva und Passiva des Nachlasses stehen fest. – Der Teilungsplan, der eingeklagt wird, erfasst diese Aktiva und Passiva vollständig. – Der eingeklagte Teilungsplan steht in Übereinstimmung mit etwaigen Teilungsanordnungen des Erblassers und den gesetzlichen Auseinandersetzungsregeln der §§ 2042 ff. BGB.
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Ausnahmsweise kann eine gegenständlich beschränkte Auseinandersetzung von einem Miterben auch gegen den Willen eines anderen verlangt werden, wenn besondere Gründe dies rechtfertigen. Die Rechtsprechung hat dies vereinzelt unter folgenden Voraussetzungen anerkannt:
1 Kipp/Coing, S. 641. 2 BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, NJW 1985, 51 (52). 3 Vgl. BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, FamRZ 1984, 688 (689); OLG Karlsruhe v. 29.11.1973 – 4 U 209/72, NJW 1974, 956 (659); KG v. 20.10.1960 – 12 U 255/60, NJW 1961, 733.
1276 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 139 C IV
– Nachlassverbindlichkeiten bestehen nicht mehr und – es werden weder berechtigte Belange der Erbengemeinschaft noch der einzelnen Miterben durch die Teilauseinandersetzung gefährdet1. Achtung: Diese Ausnahmen sind für eine Teilauseinandersetzung nur bezogen auf die Nachlassfrüchte grundsätzlich nicht möglich2.
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Weitere Ausnahme: Bei nicht fälligen oder streitigen Verbindlichkeiten kann jeder Miterbe verlangen, dass das Erforderliche zurückbehalten wird (§ 2046 Abs. 2 BGB; Beispiel: zu erwartende steuerliche Nachveranlagung des Erblassers). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass in diesen Fällen eine gegenständliche, auf den übrigen Nachlass beschränkte Teilauseinandersetzung zulässig ist. Dies soll auch dann gelten, wenn unter den Miterben Streit darüber besteht, ob eine Verbindlichkeit existiert bzw. bei einem Streit unter den Miterben über Ausgleichungspflichten nach §§ 2050 ff. BGB3.
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Beratungshinweise für Kläger: – Die Erhebung einer Teilklage, wenn die Zusammensetzung des Nachlasses noch nicht vollständig feststeht oder der Nachlass noch nicht in allen Bestandteilen teilungsreif ist, stellt ein erhebliches Risiko dar. Bei einer Klageabweisung aus diesem Grunde setzt sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers einem erhöhten Haftpflichtrisiko aus4. – Ist nicht die vollständige Zusammensetzung des Nachlasses zweifelhaft, sondern nur die Frage, wie dieser aufzuteilen ist, so empfiehlt sich statt einer Teilklage hinsichtlich des in der Aufteilung unzweifelhaften Teils die Stellung von Haupt- und (u.U. auch mehrfach abgestuften) Hilfsanträgen5.
(3) Feststellungsklage bei fehlender Teilungsreife des Nachlasses als Alternative Die Erbteilungsklage hat als Leistungsklage grundsätzlich Vorrang vor einer Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO; dieser fehlt dann grundsätzlich das besondere Rechtsschutzbedürfnis (Feststellungsinteresse). Wegen des sehr hohen Prozessrisikos einer Auseinandersetzungsklage ist in der Rechtsprechung indessen anerkannt, dass ein Miterbe zur Vorbereitung der Auseinandersetzung gleichwohl im Einzelfall eine Klage auf Feststellung einzelner Streitpunkte erheben kann, wenn eine solche Feststellung einer sinnvollen Klärung 1 Vgl. BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, FamRZ 1984, 688; BGH v. 13.3.1963 – V ZR 208/61, LM Nr. 4 zu § 2042; BGH v. 28.6.1963 – V ZR 15/62, NJW 1963, 1611; BGH v. 22.2.1965 – III ZR 208/63, WM 1965, 345; BGH v. 28.6.1965 – III ZR 10/64, WM 1965, 1155 (1156); BGH v. 26./27.1.1975 – IV ZR 33/73, WM 1977, 271 f. 2 OLG Hamburg v. 11.5.1965 – 2 U 94/65, MDR 1965, 665, vgl. auch § 2038 Abs. 2 Satz 2 BGB. 3 KG v. 14.6.1904, OLGZ 9, 389 (391); Staudinger/Werner, § 2046 Rz. 15; MüKo/Heldrich, § 2046 Rz. 10; Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 354. 4 Vgl. nur LG Erfurt v. 18.11.1997 – 9 O 4376/96, ZEV 1998, 391 f. 5 S. auch KG v. 14.6.1904, OLGZ 9, 389; Johannsen, WM 1970, 738 (744).
v. Morgen 1277
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C IV Rz. 140
Erbengemeinschaft
der für die Auseinandersetzung maßgebenden Grundlagen dient. Die Feststellungsklage muss sich konkret als das prozesswirtschaftlich sinnvollere Verfahren gegenüber einer Auseinandersetzungsklage darstellen1. 140
Die vorbereitende Feststellungsklage kann also eine zulässige/sinnvolle Alternative sein, wenn – die Teilungsreife für die endgültige Erbauseinandersetzung noch an einzelnen offenen Streitpunkten scheitert; – diese Streitpunkte sich sinnvoll durch eine Feststellungsklage klären lassen. Kontrollfrage: Ist es zu erwarten, dass die Miterben sich aufgrund eines Feststellungsurteils über diese bisherigen Streitpunkte auf eine Auseinandersetzungsvereinbarung einigen? – Die Feststellungsklage ist dann weniger aufwändig und kostengünstiger als die Auseinandersetzungsklage. Diese Voraussetzungen müssen im Übrigen auch noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung bestehen.
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Trotz Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen besteht gleichwohl noch ein nicht unerhebliches Prozessrisiko für die Klägerseite. Denn die Rechtsprechung spricht nur generell von einem schutzwürdigen Interesse und überlässt alles andere der Einzelfallbeurteilung2. Insbesondere findet sich in der Rechtsprechung kein Hinweis dazu, wann der Maßstab der „einzelnen Posten“, die noch ungeklärt sind, etwa überschritten ist und ob dies zudem auch von der Wertrelation zum Gesamtnachlass abhängig sein kann3. (4) Vorbereitende Auskunftsklage?
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Beratungssituation: Mandant ist aktiver Teil einer Erbengemeinschaft und möchte die Auseinandersetzung voranbringen. Ihm fehlt jedoch der Überblick über den vollständigen Nachlass, da einer der übrigen Miterben bereits zu Lebzeiten des Erblassers dessen Vermögensangelegenheiten wahrgenommen hat und im Besitz der entsprechenden Unterlagen ist, deren Inhalt er jedoch nicht preisgibt.
Als eine der hohen Voraussetzungen für die vollständige und korrekte Antragstellung im Rahmen einer Erbteilungsklage stellt sich in der Praxis für den die Auseinandersetzung betreibenden Miterben häufig das Problem, die Zusammensetzung des Nachlasses überhaupt vollständig zu erfassen und zudem über etwaige Ausgleichungspflichten zwischen den Miterben die nötigen In1 Vgl. BGH v. 17.1.1951 – ZR 16/50, BGHZ 1, 65 (74); BGH v. 6.6.1951 – II ZR 24/50, BGHZ 2, 250 (253); BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 191/85, FamRZ 1987, 475 (476); BGH v. 27.6.1990 – IV ZR 104/89, FamRZ 1990, 1112 (1113); KG v. 29.9.1960 – 12 U 874/60, JR 1961, 144; OLG Karlsruhe v. 29.11.1973 – 4 U 209/72, NJW 1974, 965; OLG Düsseldorf v. 19.4.1996 – 7 U 96/95, FamRZ 1996, 1338; OLG Köln v. 17.12.2003 – 2 U 108/03, ZEV 2004, 508 ff. 2 So auch Sarres, Rz. 192. 3 Vgl. Sarres, Rz. 192.
1278 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 144 C IV
formationen zu sammeln. Hier fehlt es häufig an der faktischen Nähebeziehung zum Erblasser und dem Nachlass selbst, um das Risiko, wegen eines unvollständigen/unrichtigen Teilungsplans mit der Erbteilungsklage abgewiesen zu werden, im Vorwege einschätzen zu können. Dieses Dilemma wird durch die gesetzlichen Vorschriften und die hierzu ergangene Rechtsprechung nur unzureichend gelöst. Denn weder im Gesetz noch in den dazu ergangenen Entscheidungen wird ein allgemeiner Auskunftsanspruch zwischen Miterben angenommen1. Dies wird – häufig lebensfremd – i.d.R. damit begründet, dass jeder Miterbe als Gesamthänder genügend eigene Möglichkeiten habe, sich über den Bestand und den Wert des Nachlasses die nötigen Kenntnisse zu verschaffen2. Insbesondere die wechselseitige Verpflichtung der Miterben zur ordnungsgemäßen Verwaltung gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB wird – insoweit dogmatisch richtig – nicht als Grundlage für eine allgemeine Auskunftsverpflichtung unter Miterben angesehen, da diese der Auseinandersetzung und nicht der Verwaltung der Erbengemeinschaft dienen soll3. Des Weiteren soll die einfache Miterbenstellung auch nicht ausreichen, um einen allgemeinen wechselseitigen Auskunftsanspruch aufgrund spezieller Sonderbeziehung im Rahmen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB zu begründen4.
143
Der auskunftsbedürftige Miterbe ist somit darauf verwiesen, in der Begründung seines Auskunftsbegehrens Umwege über Ausnahmetatbestände5 einzuschlagen. Als solche kommen in Betracht:
144
– § 2027 Abs. 1 und Abs. 2 BGB: Ansprüche gegen den anderen Miterben, der sich in einer den Erbteil des anspruchsberechtigten Miterben beeinträchtigenden Weise über seinen eigenen Anteil hinaus als Erbschaftsbesitzer geriert (Abs. 1) oder unter Beeinträchtigung des (Mit-)Besitzrechts des auskunftsberechtigten Miterben Gegenstände des Nachlasses in Besitz nimmt (Abs. 2). – § 2028 Abs. 1 BGB: Ansprüche gegen den mit dem Erblasser in häuslicher Gemeinschaft lebenden Miterben. – § 2057 BGB: Anspruch auf Auskunftserteilung gegenüber demjenigen Miterben, der ausgleichungspflichtige lebzeitige Zuwendungen gemäß §§ 2050–2053 BGB vom Erblasser erhalten hat6.
1 RG v. 28.11.1912 – Rep. IV 265/12, RGZ 81, 30 (31); OLG Zweibrücken v. 9.2.1972 – 2 U 88/71, OLGZ 73, 217; OLG Celle v. 19.12.1934 – 6 U 182/34, HRR 35 Nr. 680; BGH v. 7.12.1988 – IVa ZR 290/87, FamRZ 89, 377 (378); a.A. Schlüter, S. 275 Rz. 677; v. Lübtow, S. 809; Erman/Schlüter, § 2038 Rz. 10. 2 BGH v. 27.6.1973 – IV ZR 50/72, NJW 1973, 1876 (1877); Lorenz, JuS 1995, 569 (571). 3 AG Rheinberg v. 17.7.1996 – 10 C 148/96, ZEV 1996, 315; Palandt/Edenhofer, § 2038 Rz. 7; Sarres, ZEV 1996, 300 (301). 4 BGH v. 7.12.1988 – IVa ZR 290/87, JR 1990, 16 (17) m. Anm. v. Wassermann. 5 Vollständiger Überblick bei Kerscher/Tanck/Krug, § 24 Rz. 59. 6 Vgl. i.E. speziell hierzu auch Sarres, ZEV 2000, 349 ff.
v. Morgen 1279
C IV Rz. 145
Erbengemeinschaft
– § 666 BGB: Auskunftsanspruch gegen denjenigen Miterben, der die Nachlassgeschäfte bzw. die Nachlassverwaltung in wirtschaftlicher Hinsicht übernommen hat1. – Schließlich § 242 BGB: Auskunftsanspruch nur dann, wenn im Rahmen einer speziellen rechtlichen Sonderbeziehung zwischen den Miterben ein Hauptanspruch gegen den in Anspruch genommenen Miterben bereits dem Grunde nach nachgewiesen ist, dessen Umfang/Höhe nur durch die begehrte Auskunft ermittelt werden kann. Beispiel: Ein Vertragserbe hat die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch gemäß § 2287 BGB wegen beeinträchtigender Schenkungen des Erblassers an einen weiteren Miterben hinreichend dargetan. Prüfungsfolge2: – Spezielle rechtliche Sonderverbindung zwischen den Miterben (Anspruchsverdichtung betreffend Hauptanspruch). – Keine zumutbare andere Möglichkeit für den Anspruch stellenden Miterben, sich die Informationen selbst zu beschaffen. – Der auf Auskunft in Anspruch genommene Miterbe kann die gewünschte Auskunft in zumutbarer Weise, d.h. „unschwer“ erteilen3. (5) Weitere vorbereitende Maßnahmen: Teilungsversteigerung von Grundstücken
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145
Beratungssituation: Mandant ist gemeinsam mit seiner Stiefmutter Erbe seines Vaters. Mit der von ihm angestrebten Erbauseinandersetzungsvereinbarung, die der Stiefmutter das von dieser weiterhin bewohnte Einfamilienhaus des Erblassers und dem Mandanten selbst den übrigen Nachlass zuteilen soll, kommt er nicht recht weiter, weil die Stiefmutter jegliche Mitwirkung verweigert. Daher erwägt er nunmehr, durch die Einleitung einer Teilungsversteigerung des Einfamilienhauses Druck auf die Stiefmutter auszuüben und erkundigt sich nach den rechtlichen Möglichkeiten und Risiken.
(a) Isolierte Durchführung zulässig? Sofern die Teilung einzelner Nachlassgegenstände in Natur, d.h. eine Zerlegung in den Erbteilen der Miterben jeweils entsprechende Teile ohne Wertminderung4 nicht möglich ist, muss die Auseinandersetzung durch Verkauf der betreffenden Nachlassgegenstände vorbereitet werden (§ 753 BGB), damit im Zuge der Auseinandersetzung dann der Erlös entsprechend verteilt werden kann. Bewegliche Sachen und Rechte sind nach den Vorschriften über den Pfandverkauf (§§ 1233 ff., 1277, 1279 ff.) zu veräußern (§ 2042 i.V.m. §§ 753 Abs. 1 Satz 1, 754 BGB), Grundstücke im
1 Vgl. BGH v. 7.12.1988 – IVa ZR 290/87, NJW-RR 1989, 450; BGH v. 27.6.1973 – IV ZR 50/72, NJW 1973, 1876 (1877). 2 Vgl. insbesondere BGH v. 26.2.1986 – IVa ZR 87/84, BGHZ 97, 188 ff. 3 Vgl. BGH v. 26.2.1986 – IVa ZR 87/84, BGHZ 97, 188 ff.; vgl. auch Lorenz, JuS 1995, 570 (572); Sarres, ZEV 1996, 300; zu § 2057 BGB: Sarres, ZEV 2000, 349 ff. 4 MüKo/Heldrich, § 2042 Rz. 24.
1280 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 149 C IV
Wege der Zwangsversteigerung gemäß §§ 180 ff. ZVG (Teilungsversteigerung) zu veräußern1. Grundsätzlich sind diese vorbereitenden Maßnahmen jedoch nicht gesondert vorab zulässig; sie gehören als eigene Anträge bezüglich der nötigen Mitwirkungshandlung der verklagten Miterben in die Gesamtauseinandersetzungsklage, ggf. im Wege einer partiellen Stufenklage (§ 254 ZPO), es sei denn, es liegen bezüglich des durch Veräußerung teilbar zu machenden Nachlassgegenstandes im Einzelfall ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine Teilauseinandersetzung (vgl. Rz. 136 ff.) vor.
146
Ausnahme: Jeder Miterbe kann schon vor der Auseinandersetzung zu deren Vorbereitung die Versteigerung von Nachlassgrundstücken teilungshalber gemäß § 180 ZVG beantragen2. Es muss ihm dabei aber jedenfalls um die Gesamtauseinandersetzung des Nachlasses gehen3. Zudem ist zu beachten, dass die Verteilung des Erlöses in jedem Falle erst dem Auseinandersetzungsverfahren vorbehalten ist; sie ist die eigentliche Auseinandersetzung hinsichtlich des Nachlassgrundstückes4. Bis dahin setzt sich die ungeteilte Erbengemeinschaft am Versteigerungserlös fort5.
147
Û
Beratungshinweis für aktiven Miterben: In der erbrechtlichen Praxis erweist sich ein Antrag auf Teilungsversteigerung häufig als ein probates Mittel, um einen einigungsfeindlichen Miterben an den Verhandlungstisch (zurück) zu holen6.
(b) Verfahren der Teilungsversteigerung – Antrag an das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt (§§ 1, 15 ZVG): Angabe des zu versteigernden Grundstückes (§ 16 ZVG), des Gemeinschaftsverhältnisses, das aufgehoben werden soll, sowie der Art der Beteiligung des Antragstellers, der Antragsgegner (anderen Miterben bzw. sonstigen Beteiligten) jeweils mit ladungsfähigen Anschriften; Ersuchen, die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft anzuordnen.
148
Antragsberechtigt: Jeder Miterbe (auch: Vorerbe, nicht: Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalles), es sei denn, er hat unter Berücksichtigung ausgleichungspflichtiger Vorempfänge nichts mehr zu erhalten, Erbteilserwerber nach dinglicher Übertragung, Pfändungspfandgläubiger mit endgültig vollstreckbarem Titel, Nießbraucher zusammen mit dem Miterben (§ 1066 Abs. 2 BGB), Erbteilstestamentsvollstrecker, nicht: Nachlassgläubiger, Nachlasspfleger.
149
1 2 3 4
Kiderlen/Roth, NJW-Spezial 2008, 455. RG v. 16.3.1925 – IV 118/24, RGZ 110, 270 (273); MüKo/Dütz, § 2042 Rz. 65. MüKo/Heldrich, § 2042 Rz. 25. RG v. 30.9.1918 – IV 222/18, JW 1919, 42 (43); BayObLG v. 23.10.1956 – BReg. 1 Z 121/56, BayObLGZ 1956, 363 (366 f.). 5 § 2041 BGB; dazu BGH v. 3.2.1966 – II ZR f 176/63, WM 1966, 577 (579); Kerscher/ Tanck/Krug, § 13 Rz. 211. 6 Vgl. auch Frieser, Rz. 50; Steiner, ZEV 1997, 89 (90).
v. Morgen 1281
C IV Rz. 150
Erbengemeinschaft
150
Eintragung des Antragstellers im Grundbuch oder sonstiger Nachweis seines (Mit-)Erbrechts durch Erbschein/beglaubigte Abschrift einer Verfügung von Todes wegen samt Eröffnungsprotokoll. Nicht erforderlich: Vollstreckungstitel (§ 181 Abs. 1 ZVG).
151
Sonderfälle: Der Antrag nach § 180 ZVG ist auch zulässig, wenn der Erbengemeinschaft nur ein Grundstücksbruchteil zusteht1, dann Wahl zwischen dem „großen“ (Aufhebung beider Gemeinschaften am ganzen Grundstück) oder „kleinen“ (Aufhebung der Erbengemeinschaft am Bruchteil) Antrag. Objekt der Teilungsversteigerung können nicht nur Grundstücke, sondern auch grundstücksgleiche Rechte (z.B. Erbbaurecht), Eigentumswohnungen, Schiffe, Schiffsbauwerke und Luftfahrzeuge sein (vgl. §§ 162 ff. ZVG).
152
– Beschluss des Versteigerungsgerichts über die Anordnung der Teilungsversteigerung, nach Gewährung rechtlichen Gehörs durch Übersendung einer Abschrift des Antrages an den/die Antragsgegner2, mit Wirkung einer Beschlagnahme des Grundstückes (§ 20 ZVG), soweit zur Durchführung des Verfahrens erforderlich, d.h. wegen § 2040 BGB insbesondere keine Veräußerungsbeschränkung.
153
– Zustellung des Beschlusses an Antragsgegner.
154
– Festsetzung des Grundstückswertes gemäß §§ 74a, 85a ZVG.
155
– Bestimmung und Abhaltung des Versteigerungstermins, Ermittlung des geringsten Gebotes: Der Barteil enthält gemäß § 49 Abs. 1 ZVG die Gerichtskosten des Versteigerungsverfahrens (§ 109 ZVG), Ansprüche aus den Rangklassen Nrn. 1–3 des § 10 ZVG, die Kosten der Rechtsverfolgung und Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen (Berechnung nach § 47 ZVG) aus dinglichen Rechten, die bestehen bleiben. Die Grundpfandrechte und sonstigen dinglichen Rechte (Abt. II) bleiben sämtlich bestehen, weil sie als dem betreibenden Antragsteller im Rang vorgehend angesehen werden3. – Beschluss über den Zuschlag an den Meistbietenden (§ 81 ZVG), wenn das geringste Gebot erreicht ist (§ 44 ZVG) und – allerdings nur im ersten Termin – die 5/10-Grenze nicht unterschritten wird (§ 85a ZVG).
156
– Erlösverteilung in einem besonderen Verteilungstermin aufgrund eines Teilungsplans nach Zahlung des Bargebots durch den Ersteher an das Gericht (§§ 105 ff. ZVG), Hinterlegung des Erlöses nach Abzug der abzudeckenden Verbindlichkeiten gemäß § 117 Abs. 2 ZVG, falls keine Einigung/rechtskräftige Entscheidung durch die ordentlichen Gerichte unter den Berechtigten. – Beachte: Auch ein Miterbe als Ersteher hat sein Meistgebot in voller Höhe zu zahlen; sein eigener Erlösanteil darf nicht abgesetzt werden.4 1 2 3 4
H.M., s. Zöller/Stöber, § 180 Anm. 3.7 m.w.N. Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 239, str. Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 272 und 274. Zöller/Stöber, § 180 Rz. 17.2.
1282 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 159 C IV
– Vollzug des Zuschlagsbeschlusses (nach dessen Rechtskraft und Ausführung des Teilungsplans) durch Ersuchen des Vollstreckungsgerichts an das Grundbuchamt, die Eintragung des Erstehers als neuen Eigentümer und die Löschung des Zwangsversteigerungsvermerkes vorzunehmen (§ 130 ZVG).
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(c) Verteidigungsmöglichkeiten für Antragsgegner (nicht teilungsbereite Miterben)
Û
Beratungssituation: Mandantin ist die Witwe des Erblassers und gemeinsam mit dessen Kindern aus erster Ehe zur Erbin eingesetzt.
Um sie zu ärgern, betreiben die Kinder die Teilungsversteigerung des von ihr bewohnten Einfamilienhauses des Erblassers. Mandantin ist empört und erwartet, dass die Teilungsversteigerung mit allen rechtlichen Mitteln verhindert wird. Als beratender Anwalt wird man die Mandantin in aller Regel zunächst einmal schonend desillusionieren müssen: Sofern kein testamentarisches Auseinandersetzungsverbot gegeben ist, kann sich die Rechtsverteidigung in derartigen Fällen meist nur auf eine Verzögerung beschränken, für eine endgültige Abwehr der Teilungsversteigerung fehlt die rechtliche Handhabe.
158
Im Einzelnen stehen, je nach Lage des Falles, folgende Rechtsbehelfe zur Verfügung: – Einstellung auf Antrag eines Miterben (Antragsgegners) gemäß § 18 Abs. 2 ZVG auf die Dauer von höchstens sechs Monaten: Frist: Notfrist von zwei Wochen ab Zugang der Belehrungsverfügung (§ 30b Abs. 1 ZVG). Diese beginnt mit jedem Anordnungs- und Beitrittsbeschluss von neuem und gilt sowohl für den ersten Antrag als auch für den zweiten des § 180 Abs. 2 Satz 2 ZVG1. Gründe (Beispielsfälle): – Bevorstehende Wertsteigerung wegen Ausweisung als Bauland2 – Schwierigkeiten beim ernsthaften Bemühen um Ersatzwohnraum3 – Ernsthafte und erfolgversprechende Vergleichsverhandlungen4 – Bevorstehende Werterhöhung durch Ausführung von Reparaturarbeiten/ Baumaßnahmen5 – Einstellung zum Schutz gemeinschaftlicher Kinder gemäß § 180 Abs. 2 ZVG, wenn das Verfahren ausschließlich unter Ehegatten oder früheren Ehegatten geführt wird, d.h., dritte Personen dürfen nicht beteiligt sein6. 1 2 3 4 5 6
BGH v. 23.1.1981 – V ZR 200/79, BGHZ 79, 249 (253). Zöller/Stöber, § 180 Rz. 12.3. Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 244. LG Nürnberg-Fürth v. 16.9.1980 – 11 T 5355/80, JurBüro 1980, 1906. BGH v. 23.1.1981 – V ZR 200/79, RPfl 1981, 187 (188). Zöller/Stöber, § 180 Rz. 13.3.
v. Morgen 1283
159
C IV Rz. 160 160
Erbengemeinschaft
– Einstweilige Einstellung nach § 765a ZPO:1 Wenn wegen ganz besonderer Umstände eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte aufgrund von Umständen eintreten würde, die von anhaltender Dauer sind, also nicht über § 180 Abs. 2 ZVG behoben werden können: z.B. ernsthafte Gesundheits- oder auch Lebensgefahr durch einen Umzug2.
161
– Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) – Gründe: Verstoß gegen § 2042 i.V.m. § 752 BGB: Nach dem Vorrang der letztgenannten Vorschrift darf eine Teilungsversteigerung nicht angeordnet werden, wenn eine Teilung in Natur (ohne Wertverlust) möglich ist. Das Versteigerungsgericht prüft dies nicht von Amts wegen, sondern nur auf entsprechenden Rechtsbehelf3 des Antragsgegners. Bei bebauten Grundstücken dürfte dies so gut wie immer ausgeschlossen sein; der mitunter hiergegen eingewandte Vorschlag, eine Aufteilung in Wohnungseigentum oder Teileigentum vorzunehmen, ist von §§ 749 Abs. 1, 752 BGB nicht gedeckt, da eine Gemeinschaft gerade nicht mehr bestehen soll4. Auch bei unbebauten Grundstücken dürfte eine Realteilung – ohne Wertverlust – indessen nur selten möglich sein, nämlich streng genommen nur bei Bauland, wenn dort jede Parzelle selbstständig bebaubar und der vorhandene Verkehrsanschluss für alle Teile nutzbar ist5. Verstoß gegen § 242 BGB: Unter besonderen Umständen ist nach der Rechtsprechung der betreibende Miterbe nach Treu und Glauben verpflichtet, auf die Teilungsversteigerung zu verzichten und sich mit einem auch seinen Interessen gerecht werdenden und zumutbaren Realteilungsvorschlag der anderen Miterben zufrieden zu geben6; ferner bei rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Teilungsversteigerungsrechts durch den betreibenden Miterben7. Auseinandersetzungsausschluss, ohne dass ein wichtiger Grund für die vorzeitige Auseinandersetzung vorliegt (vgl. unter 2., Rz. 50 ff.). „Fortgesetzter“ Zuweisungsanspruch nach § 1383 BGB des ausgleichsberechtigten geschiedenen Ehegatten nach Tod des anderen Ehegatten: Von Kerscher/Tanck/Krug8 wird vertreten, dass dem geschiedenen Ehegatten gegenüber den Erben des anderen Ehegatten in diesen Fällen ein Anspruch auf Übertragung des dem verstorbenen Ehegatten ehemals zustehenden Miteigen1 Bejahend: Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 246. 2 Vgl. BVerfG v. 3.10.1979 – 1 BvR 614/79, BVerfGE 52, 214 (219); Kerscher/Tanck/ Krug, § 13 Rz. 246. 3 Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO; nicht zulässig: Erinnerung nach § 766 ZPO, OLG Hamm v. 2.7.1963 – 15 W 245/63, RPfleger 1964, 341; OLG Schleswig v. 5.9.1979 – 1 W 149/79, RPfl 1979, 471 (472). 4 Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 208. 5 Vgl. OLG Hamm v. 2.12.1991 – 8 U 99/91, NJW-RR 1992, 665 (666). 6 Vgl. BGH v. 31.1.1972 – II ZR 86/69, BGHZ 58, 146 (147). 7 Vgl. OLG Frankfurt v. 26.11.1997 – 17 U 215/96, FamRZ 1998, 641; LG Essen v. 5.12.1980 – 3 O 145/79, FamRZ 1981, 457 (458); sowie auch OLG Köln v. 24.11.1997 – 27 W 19/97, RPfleger 1998, 168 (169). 8 Rz. 259.
1284 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 168 C IV
tumsanteils zusteht, wenn dies erforderlich ist, um eine grobe Unbilligkeit für ihn zu vermeiden1. Kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB wegen Gegenansprüchen der Antragsgegner aus dem Gemeinschaftsverhältnis, da § 756 BGB insoweit ausreicht2. – Erinnerung gegen den Anordnungsbeschluss über die Teilungsversteigerung gemäß § 766 ZPO. Wenn eine vom Versteigerungsgericht von Amts wegen zu beachtende Anordnungsvoraussetzung fehlt.
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– Sofortige Beschwerde gegen den Anordnungsbeschluss gemäß § 793 Abs. 1 ZPO. Wenn die Antragsgegner vor Erlass des Beschlusses über die Anordnung nicht gehört wurden; gegen die Entscheidung des Landgerichts hierauf weitere sofortige Beschwerde, wenn ein neuer selbstständiger Beschwerdegrund vorliegt (§§ 793 Abs. 2, 568 Abs. 2 ZPO).
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– Aus strategischen Gründen: Beitritt zum Verfahren gemäß §§ 180 Abs. 1, 27 ZVG, um erweiterte Verfahrensrechte wahrnehmen zu können3.
164
– Sofortige Beschwerde gemäß § 74a Abs. 5 Satz 3 ZVG gegen den Wertfestsetzungsbeschluss des Versteigerungsgerichtes. Eine weitere Beschwerde ist gemäß § 74a Abs. 5 Satz 3, 2. Halbs. ZVG nicht zulässig.
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– Sofortige Beschwerde gemäß § 96 ZVG gegen Zuschlagsbeschluss.
166
Gründe: – fehlerhafter Verfahrensbetrieb (§ 83 ZVG), z.B. unrichtige Festsetzung des geringsten Gebotes (§ 83 Nr. 1 ZVG), – Verstoß gegen §§ 85, 85a ZVG (Versagungsgründe). Einstweilen frei.
167
dd) Gegenstandswerte, anwaltliche Gebühren Bei der Klage eines Miterben auf Zustimmung der übrigen zu dem von ihm aufgestellten Teilungsplan richtet sich der Gegenstandswert, entgegen früherer Rechtsprechung4, nicht mehr nach dem Wert des zu teilenden Nachlasses, sondern nur noch nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers, d.h. dem Wert seines Anteils5 gemäß § 3 ZPO. 1 Vgl. ferner BGH v. 19.12.1974 – II ZR 118/73, BGHZ 63, 348 (352): ausnahmsweise Zuweisung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn Teilungsversteigerung des Grundstückes für den anderen Ehegatten „schlechthin unzumutbar“. 2 BGH v. 15.11.1989 – IVb ZR 60/88, NJW-RR 1990, 133 (134); BGH v. 19.12.1974 – II ZR 118/73, BGHZ 63, 348, anders noch RG v. 4.11.1924 – II 183/24, RGZ 109, 166 (167). 3 Vgl. auch Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 265. 4 BGH v. 16.2.1962 – V ZR 6/61, NJW 62, 914 (915). 5 BGH v. 24.4.1975 – III ZR 173/72, NJW 1975, 1415 (1416) mit abl. Anm. V. Schmidt; Speckmann, NJW 1970, 1259; Sarres, Rz. 188; abw. OLG Bremen v. 16.9.2003 – 2 U
v. Morgen 1285
168
C IV Rz. 169
Erbengemeinschaft
169
Im Falle einer (ausnahmsweise zulässigen) Klage auf Teilauseinandersetzung ist der Gegenstandswert dementsprechend geringer.
170
Bei einer (ausnahmsweise zulässigen) Feststellungsklage hinsichtlich einzelner streitiger Posten des Nachlasses ist der Anteil des Klägers an diesen Posten abzüglich eines Abschlages von rund 20 % für den bloßen Feststellungstitel maßgebend1.
171
Im vorbereitenden Verfahren der Teilungsversteigerung eines Nachlassgrundstückes erhält der Rechtsanwalt für die Vertretung eines Beteiligten (§ 9 ZVG) folgende Gebühren: – jeweils 0,4 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3311 VV RVG gesondert für: – Tätigkeit bis zum Verteilungsverfahren (Nr. 1) – Tätigkeit im Verteilungsverfahren, auch außergerichtlich (Nr. 2) – Tätigkeit im Verfahren über einstweilige Einstellung des Verfahrens u.a. (Nr. 6) – 0,4 Terminsgebühr, allerdings nur für die Wahrnehmung eines Versteigerungstermins für einen Beteiligten gemäß Nr. 3312 VV RVG
172
Der Gegenstandswert bemisst sich in diesen Fällen gemäß § 26 RVG nach – dem Wert des dem Gläubiger oder dem Beteiligten zustehenden Rechts bei der Vertretung des Gläubigers oder eines anderen nach § 9 Nr. 1 und 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung Beteiligten (Nr. 1), – dem Wert des Gegenstandes der Zwangsversteigerung, im Verteilungsverfahren nach dem zur Verteilung kommenden Erlös bei der Vertretung eines anderen Beteiligten, insbesondere des Schuldners; bei Miteigentümern oder sonstigen Mitberechtigten (z.B. Miterben) ist jedoch nur der Wert des Anteils maßgebend (Nr. 2), – dem Betrag des höchsten für den Auftraggeber abgegebenen Gebots, wenn ein solches Gebot nicht abgegeben ist, nach dem Wert des Gegenstandes der Zwangsversteigerung bei der Vertretung eines Bieters, der nicht Beteiligter ist (Nr. 3). ee) Checkliste (1) Auseinandersetzungsklage ausgeschlossen?
173
– Aufgrund Testamentsvollstreckung (§ 2204 Abs. 1 BGB). Ggf. Klage gegen Testamentsvollstrecker gemäß §§ 2216, 2219 BGB bei verzögerter/fehlerhafter Auseinandersetzung und/oder Antrag gemäß §§ 2227 BGB.
27/03, OLGReport 2004, 134: bei zweigliedriger Erbengemeinschaft nur nach dem Wert der zwischen den Parteien streitigen Punkte des Auseinandersetzungsplans. 1 Vgl. Sarres, Rz. 193 m.w.N.
1286 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 174 C IV
Ausnahme: Auseinandersetzung ist Testamentsvollstrecker gemäß §§ 2208 Abs. 1 Satz 1, 2209 Satz 1, 2222, 2223 BGB oder wegen bloßer Erbteilsvollstreckung entzogen. – aufgrund Schiedsgerichtsbestimmung (§ 1066 ZPO). Stattdessen: Schiedsklage – durch letztwillige Anordnung des Erblassers (§ 2044 Abs. 1 BGB). Ausnahme? – Tod eines Miterben (§ 2044 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 750 BGB analog) – Zeitablauf, insbesondere gemäß § 2044 Abs. 2 BGB) – wichtiger Grund (§ 2044 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 749 Abs. 2 BGB analog) – Unterschreitung Pflichtteil (§ 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB) – Insolvenz eines Miterben (§ 84 Abs. 2 InsO) – Kläger ist Pfändungspfandgläubiger (§ 2044 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 751 Satz 2 BGB analog) – Auseinandersetzungspflicht bei Wiederheirat des Elternteils (§ 1683 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) – aufgrund Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetzes – durch (auch konkludente) Vereinbarung sämtlicher Miterben – wegen Unbestimmtheit der Erbteile (§ 2043 BGB) – während Nachlassverwaltung, -insolvenz oder -vergleichsverfahren1 – wegen Aufgebotsverfahrens (§ 2045 BGB) – gemäß § 242 BGB (2) Nachlass vollständig erfasst? (Aktiva und Passiva) – Ggf. vorbereitendes Auskunftsverlangen
174
– gegenüber Erbschaftsbesitzer, § 2027 BGB – gegenüber Hausgenossen des Erblassers, § 2028 BGB – gegenüber Miterben wegen Übernahme der Verwaltung (§§ 666, 681 BGB), Pflicht zur Mitwirkung bei Errichtung eines Nachlassverzeichnisses2 oder gemäß § 242 BGB – gegenüber Kreditinstituten, Finanzbehörden, Vormundschaftsgericht (wenn Erblasser unter Betreuung stand), Grundbuch, Handelsregister – ggf. Stufenklage (§ 254 ZPO) möglich3
1 MüKo/Heldrich, § 2042 Rz. 8. 2 OLG Karlsruhe v. 13.10.1971 – 5 U 181/70, MDR 1972, 424 (425). 3 Soergel/Wolf, § 2042 Rz. 19; Steiner, ZEV 1997, 89 (90).
v. Morgen 1287
C IV Rz. 175
Erbengemeinschaft
– ggf. Aufgebotsverfahren zur Ermittlung der Nachlassverbindlichkeiten gemäß §§ 2061, 1970 BGB – ggf. vorbereitende Feststellungsklage zur Klärung einzelner streitiger Vorfragen – ausnahmsweise: Teilklage, wenn – Einigung im Übrigen oder – Vorliegen besonderer Gründe, ohne dass berechtigte Interessen der übrigen Miterben gefährdet1 (3) Teilungsregeln beachtet? 175
– Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten: – Unterteilung: sogleich zu erfüllende/zurückzustellende streitige oder noch nicht fällige – Masse für Erfüllung/Rückstellung: – Barmittel – Verwertung von Nachlassgegenständen – sachgerechte Auswahl gemäß empfohlener Reihenfolge: verderbliches oder übermäßig vorhandenes Gut; nicht erhaltenswerte Gegenstände, insbesondere vertretbare Sachen; erhaltenswerte Stücke; Familienerinnerungsstücke2 – Verwertungsart: Zwangsversteigerung, Pfandverkauf gemäß § 753 BGB – Verteilung Restnachlass: – Teilungsanordnungen des Erblassers, § 2048 Satz 1 BGB? – Bestimmung durch Dritten angeordnet, § 2048 Satz 2 BGB? Ggf. Bestimmung durch Urteil, wenn Dritter verzögert/verweigert, § 2048 Satz 3 i.V.m. § 319 I 2 BGB analog (str.) – Ausgleichungspflichten gemäß §§ 2050 ff. BGB? Ggf. vorbereitendes Auskunftsverlangen gemäß § 2057 BGB – entgegenstehende – ggf. konkludente – (Teil-)Einigung der Erben? – Teilung in Natur möglich/Teilung durch Verkauf und Erlösteilung erforderlich (4) Hilfsantrag/-anträge angezeigt?
176
– Um bei erkennbaren Streitfragen Risiko vollständiger Klageabweisung zu vermeiden – ggf. auch mehrfach abgestuft 1 Staudinger/Werner, § 2042 Rz. 30; Palandt/Edenhofer, § 2042 Rz. 19; Steiner, ZEV 1997, 89 (91). 2 MüKo/Heldrich, § 2042 Rz. 71; Steiner, ZEV 1997, 89 (92).
1288 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 179 C IV
(5) Weitere prozessuale Fragen abgeklärt? – Beklagte Miterben vorgerichtlich zur Zustimmung zum eingeklagten Teilungsplan – ggf. einschließlich Hilfsanträgen – aufgefordert?
177
– Rechtsschutzbedürfnis – Kostenrisiko bei sofortigem Anerkenntnis (§ 93 ZPO) – vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erforderlich, weil eingeklagter Teilungsplan bzw. dessen Vollzug genehmigungspflichtiges Geschäft, z.B. Verfügung über Grundstück, enthält (§§ 1643, 1821, 1822 Nrn. 1, 3, 5, 8–11 BGB)? – Pfleger für abwesenden Miterben als Beklagten zu bestellen (§ 1911 BGB)? – Testamentsvollstrecker als Beklagter bei Erbteilsvollstreckung1? – Nießbraucher bzw. Pfandgläubiger auf Beklagtenseite miteinzubeziehen2? ff) Bewertung Vorteile:
178
– Letztlich einziger rechtlicher Weg, die gewünschte Auseinandersetzung gegen einen sich hartnäckig sperrenden Miterben zwangsweise durchzusetzen (sofern der Erblasser nicht durch Testamentsvollstreckung vorgesorgt hat). – Rechtsschutzgarantie durch Einschaltung staatlicher Gerichte; damit auch geringere Überrumpelungsgefahr – Unter dem Druck des Klageverfahrens – und mithilfe richterlicher Vermittlung – kommen nach den Erfahrungen in der Praxis selbst festgefahrene Einigungsbemühungen häufig wieder in Gang und zu einem für alle Seiten annehmbaren Ende3. Nachteile:
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– Hohes Prozessrisiko auf Klägerseite wegen Grundsatzes der Gesamtauseinandersetzung und im Hinblick auf eventuelle Fehler im Teilungsplan. – Schwerfälliges und kostenträchtiges Verfahren, bedingt u.a. durch aufwändige und notwendigerweise sorgfältige Vorbereitungen (eventuelle Auskunftsverfahren, vorbereitende Teilungsversteigerungen etc.). – Unsichere Rechtslage bei Begrenzung auf Teilauseinandersetzungsklage oder Feststellungsklage hinsichtlich strittiger Posten.
1 MüKo/Heldrich, § 2042 Rz. 61. 2 MüKo/Heldrich, § 2042 Rz. 61. 3 Vgl. auch Frieser, S. 37; Steiner, ZEV 1997, 89.
v. Morgen 1289
C IV Rz. 180
Erbengemeinschaft
e) Schiedsverfahren, „Mediation“ 180
Erbrechtliche Streitigkeiten sind gemäß § 1030 ZPO grundsätzlich schiedsfähig. Gemäß § 1066 ZPO kann das Schiedsgericht auch durch einseitige Anordnung, beispielsweise im Testament, berufen werden. (Näheres s. B XIV)
181
Sarres1 empfiehlt die testamentarische Einsetzung eines Schiedsgerichts für Streitigkeiten unter den Erben, da die Schiedsgerichte aufgrund ihrer verfahrensrechtlichen Möglichkeiten flexibler und auch häufig effektiver agieren könnten als staatliche Gerichte. Gleichzeitig verweist er jedoch – zu Recht – auf die u.U. höheren Kosten eines Schiedsverfahrens gegenüber einem Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten2. Dies wäre allerdings durch den Erblasser im Testament durch eine entsprechende Vorgabe der Gebühren steuerbar. Im Ergebnis löst die Einsetzung eines Schiedsgerichtes, auf welches sich im Übrigen auch die Erben nachträglich einigen können, das Problem jedoch gleichwohl nicht. Vor dem Schiedsgericht wird der auf Auseinandersetzung klagende Miterbe die gleichen Probleme gewärtigen wie hier zuvor (unter Rz. 179 ff.) für die Auseinandersetzungsklage vor den staatlichen Gerichten festgestellt.
182
Ob demgegenüber der gleichfalls von Sarres3 als Alternative vorgeschlagenen außergerichtlichen Streitschlichtung durch „Mediation“ überhaupt eine selbstständige Bedeutung für die Erbauseinandersetzung zukommen kann, mag dahinstehen. Jedenfalls kann nicht bestritten werden, dass es vorrangig sinnvoll ist, wenn die Miterben sich mithilfe ihrer anwaltlichen Vertreter auf eine einvernehmliche Auseinandersetzung des Nachlasses verständigen. Sollte dies außergerichtlich nicht möglich sein, hilft m.E. auch der etwas hochtrabend gewählte Begriff der „Mediation“ nicht weiter; zumal vor einer streitigen Auseinandersetzung speziell für die Erbauseinandersetzung ohnehin noch das Vermittlungsverfahren vor dem Nachlassgericht zur Verfügung steht (vgl. Rz. 122 ff.).
4. Materiellrechtliche Grundsätze der Auseinandersetzung
Û
Beratungssituation: Mandant ist gemeinsam mit seinen Geschwistern Erbe seines Vaters. Im Nachlass befindet sich nur noch eine Immobilie, die zudem mit einem hypothekarisch gesicherten Darlehen belastet ist. Außerdem bestehen noch Steuerschulden des Erblassers. Mandant fragt, wann und wie der Nachlass auseinander zu setzen ist.
a) Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten 183
Gemäß § 2046 Abs. 1 BGB sind die Nachlassverbindlichkeiten „zunächst“, d.h. vor der Nachlassteilung zu tilgen. Hierzu gehören auch die Vermächtnisse und die einem Miterben selbst als Nachlassgläubiger zustehenden Ansprü1 Sarres, Rz. 139 ff. 2 Sarres, Rz. 139. 3 Sarres, Rz. 149 ff.
1290 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 187 C IV
che, zu denen auch ein Vorausvermächtnis im Sinne des § 2150 BGB rechnet1. Erforderlichenfalls ist zur Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten der Nachlass in Geld umzusetzen (§§ 2046 Abs. 3, 2042 Abs. 2 i.V.m. §§ 753 und 754 BGB). Sind einzelne Nachlassverbindlichkeiten noch nicht fällig oder zwischen den Miterben streitig, ist das zur Berichtigung Erforderliche zurückzubehalten (§ 2046 Abs. 1 BGB2). Insoweit besteht die Erbengemeinschaft auch nach Teilung der übrigen Nachlassgegenstände als Gesamthandsvermögen fort.
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Gemäß § 2046 Abs. 2 BGB werden diejenigen Nachlassverbindlichkeiten, die nur einzelnen Miterben zur Last fallen, aus denjenigen Werten berichtigt, die diesen Miterben bei der Erbauseinandersetzung zukommen. Indessen ist die Berichtigung (zulasten des betreffenden Anteils) auch in diesen Fällen vor Teilung des Nachlasses vorzunehmen3, 4.
185
Û
Beratungshinweis für Testator: Aus der Vorschrift des § 2048 BGB ergibt sich, dass durch letztwillige Verfügung auch hinsichtlich der Tilgung der Nachlassverbindlichkeiten von der Bestimmung des § 2046 BGB Abweichendes angeordnet werden kann; diese Möglichkeit sollte in die Überlegung miteinbezogen werden.
b) Verteilung des Überschusses Der nach Berichtigung aller Nachlassverbindlichkeiten verbleibende Nettonachlass gebührt den Erben gemäß § 2047 Abs. 1 BGB nach dem Verhältnis ihrer Erbanteile. Dabei gilt folgende Reihenfolge der Auseinandersetzungsregeln:
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aa) Vorrangig: Teilung in Natur (§ 2042 Abs. 2 i.V.m. § 752 Satz 1 BGB) Voraussetzungen (kumulativ):
187
– Zerlegung des gemeinschaftlichen Gegenstandes in gleichartige Teile ist möglich (Gleichartigkeit entsprechend der Verkehrsanschauung, Bewertung ist ohne Gutachten möglich)5. – Die Zerlegung ist gerade auch in solche gleichartigen Teile möglich, die den Quoten der Miterben am Gesamtnachlass entsprechen, ohne dass Restteile übrig bleiben6. 1 Ausnahme: Verstoß gegen Treu und Glauben, vgl. dazu BGH v. 14.1.1953 – II ZR 20/52, NJW 1953, 501. 2 Dazu auch RG v. 16.4.1919 – Rep. IV 412/18, RGZ 95, 325 (328). 3 Ebeling/Geck, Rz. 694; vgl. dazu auch RG v. 16.4.1919 – Rep. IV 412/18, RGZ 95, 325 (328). 4 Zu Sonderregelungen für die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten vgl. ferner § 67 LAG idS v. 1.10.1969, BGBl. I 1909; § 15 Abs. 2 Höfeordnung britische Zone vom 24.4.1947, BGBl. I 693; §§ 13 Abs. 2, 16 Abs. 2 des Grundstücksverkehrsgesetzes vom 28.7.1961, BGBl. I 1091, 1652, 2000. 5 Vgl. Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 200. 6 Vgl. Staudinger/Langhein, § 752 Rz. 9.
v. Morgen 1291
C IV Rz. 188
Erbengemeinschaft
– Durch die Zerlegung tritt keine Wertminderung ein (maßgeblich: Verkehrswert). Nicht zu berücksichtigen sind dabei die durch die Aufteilung entstehenden Kosten, wie z.B. Vermessungs-, Notar- und Grundbuchkosten, die jeder Miterbe gemäß § 748 BGB entsprechend seinem Anteil zu tragen hat1. Beispiele: Geld, gleichartige Wertpapiere, Warenvorräte, Forderungen, die auf eine teilbare Leistung gerichtet sind, wie z.B. Bankguthaben, Erbteile, die zum Nachlass gehören (zu unbebauten Grundstücken s. Rz. 161). 188
Durchgeführt wird die Realteilung in der Weise, dass der gemeinschaftliche Gegenstand zunächst in die den Erbquoten jeweils entsprechenden Anteile zerlegt und die betreffenden Anteile den entsprechenden Miterben zugewiesen werden. Anschließend erfolgt dann die Übertragung der einzelnen Teile auf den jeweiligen Miterben, dem sie zugewiesen worden sind, nach den für die Übertragung jeweils geltenden Vorschriften, z.B. bei Forderungen durch die Abtretung eines der jeweiligen Erbquote entsprechenden Teils gemäß § 398 BGB, bei Sachen durch Einigung und Übergabe gemäß §§ 929 ff. BGB, bei Erbteilen durch Übertragung jeweils eines Bruchteils nach § 2033 Abs. 1 BGB.
189
Wirken einzelne Miterben bei der Realteilung nicht mit, ist Leistungsklage gegen sie mit dem Antrag zu erheben, die betreffenden Handlungen vorzunehmen (Zerlegung und Übergabe) und diejenigen Erklärungen abzugeben (Übereignung bzw. Abtretung), die zur Teilung erforderlich sind. Vollstreckung des entsprechenden Urteils: – nach § 887 ZPO bezüglich der Zerlegung – Fiktion der Willenserklärung nach § 894 ZPO bei rechtsgeschäftlichen Erklärungen – nach §§ 883, 885 ZPO bei Herausgabe – nach § 890 ZPO hinsichtlich der Duldung vorbereitender Maßnahmen, wie z.B. Vermessung eines Grundstückes2
190
Ferner sind folgende Besonderheiten zu berücksichtigen: Wenn aus einem Nachlassgegenstand zunächst gemeinschaftliche Schulden erfüllt werden müssen, steht dies der Realteilung entgegen (§§ 755, 756 BGB). Es bedarf dann der Veräußerung, entweder durch alle Erben gemeinsam aufgrund Vereinbarung, ansonsten im Wege des Pfandverkaufes bzw. (bei Grundstücken) im Wege der Teilungsversteigerung3.
191
Bei Schriftstücken, die sich auf die persönlichen Verhältnisse des Erblassers, auf dessen Familie oder auf den ganzen Nachlass beziehen, besteht kein Aus-
1 Vgl. Staudinger/Langhein, § 752 Rz. 11. 2 Vgl. zu allem: Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 207. 3 Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 207.
1292 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 195 C IV
einandersetzungsanspruch (§ 2047 Abs. 2 BGB). Eine Teilung ist dann nur möglich, wenn alle Miterben sich einig sind. Im Falle ausgleichungspflichtiger Vorempfänge ändert sich der Verteilungsschlüssel für die Erbteilung. Dies wirkt sich auch auf die Anteile für die Realteilung aus1.
192
bb) Sekundär: Zwangsverkauf (§ 2042 Abs. 2 i.V.m. § 753 Abs. 1 Satz 1 BGB) Dies erfolgt bei Grundstücken im Wege der Teilungsversteigerung gemäß §§ 180 ff. ZVG, ansonsten nach den Vorschriften über den Pfandverkauf (§§ 1233 ff. BGB), beides selbstverständlich nur dann, wenn sich die Erben nicht über eine andere Verwertung einigen.
193
Einschränkung: Versteigerung nur unter den Miterben im Falle des § 753 Abs. 1 Satz 2 BGB. Wenn die Miterben vereinbart haben, dass die Veräußerung an einen Dritten unstatthaft sein soll2.
194
Wenn der Erblasser die Veräußerung eines bestimmten Gegenstandes an einen Dritten bei der Nachlassauseinandersetzung bereits in seiner Verfügung von Todes wegen untersagt hat (Anordnung gemäß § 2048 Satz 1 BGB). Achtung: Dies kann auch stillschweigend erfolgt sein. Beispiel: „Die Ahnenbilder sollen in der Familie bleiben“. Wenn ein im Nachlass befindliches Recht seinem Inhalt nach nicht an Dritte veräußerbar ist. Beispiele: Vinkulierter GmbH-Anteil (§ 15 Abs. 5 GmbHG), wenn die Genehmigung der Gesellschaft zur Veräußerung an einen Dritten oder zur Realteilung (§ 17 GmbHG) nicht zu erhalten ist3, vereinbartes Abtretungsverbot gemäß § 399 BGB bei einer Forderung, eine nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erforderliche Genehmigung wird nicht erteilt. Verfahren: Entweder die Miterben einigen sich auf einen Versteigerer (bei einem Grundstück: auf einen Notar) oder es findet eine Teilungsversteigerung statt, zu welcher aber nur die Miterben zugelassen werden4. Dies kann bei Grundstücken gemäß § 181 ZVG einschränkend beantragt werden. Wird es entgegen dem oben Gesagten nicht getan, haben die anderen Miterben als Antragsgegner den Rechtsbehelf der Widerspruchsklage analog § 771 ZPO mit dem Antrag, nur die Miterben als Bieter zuzulassen5. c) Teilungsanordnungen des Erblassers (§ 2048 BGB)
Û
1 2 3 4 5
Beratungssituation: Mandant bittet um Überprüfung des folgenden, von ihm eigenhändig aufgesetzten Testaments:
Vgl. hierzu insbesondere BGH v. 30.10.1985 – IVa ZR 26/84, BGHZ 86, 174 (178 ff.). Vgl. Staudinger/Langhein, § 753 Rz. 39. Vgl. Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 212. Vgl. RG v. 24.9.1902 – Rep. 187/02, RGZ 52, 174 (177). Vgl. Staudinger/Langhein, § 753 Rz. 41; Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 213.
v. Morgen 1293
195
C IV Rz. 196
Erbengemeinschaft
„Testament: Zu meinen Erben bestimme ich zu gleichen Teilen meine Ehefrau und meine beiden Kinder. Meine Eigentumswohnung erhält meine Ehefrau, meinen Mercedes mein Sohn und meine Sparbücher meine Tochter. Hamburg, den 12.12.2000. Hans Müller“ 196
Der Erblasser kann in der letztwilligen Verfügung sowohl einzelne Aktiva des Nachlasses als auch Passiva1 einem oder mehreren Miterben (bezüglich der Nachlassverbindlichkeiten: nur im Innenverhältnis) allein zuweisen. Er kann auf diese Weise seinen Nachlass vollständig verteilen, so dass dann nur noch die Anordnungen vollzogen werden müssen. Dies ist – in der Beratung des Testators – grundsätzlich auch ein probates Mittel, spätere Streitigkeiten über die Erbauseinandersetzung zwischen den Miterben zu vermeiden. Zu bedenken ist allerdings, dass der Nachlass, der sich zwischen Testamentserrichtung und Erbfall in seiner Zusammensetzung ja auch noch verändern kann, in den seltensten Fällen wirklich auf diese Weise vollständig zu erfassen ist.
197
Die Teilungsanordnung lässt die Höhe der Erbteile und den Wert der Beteiligung der einzelnen Miterben am Nachlass grundsätzlich unberührt2. Aber Achtung: Es ergibt sich – wie in der hier eingangs geschilderten Beratungssituation – häufig das Problem der Abgrenzung zwischen Teilungsanordnung (unter Anrechnung auf den jeweiligen Erbteil) und Vorausvermächtnis (ohne Anrechnung auf den Erbteil). Insbesondere wenn der Erblasser einem Miterben bestimmte Nachlassgegenstände zuweist, deren Wert höher ist, als dem betreffenden Miterben seiner Quote nach zukäme, stellt sich das Problem, ob der Mehrwert zusätzlich zum Erbteil – als Vorausvermächtnis (§ 2150 BGB) – zugewendet sein soll oder aber von dem betreffenden Miterben durch Leistung aus seinem übrigen Vermögen auszugleichen ist (Folge einer Teilungsanordnung).
198
Abgrenzungskriterium gemäß Rechtsprechung des BGH: Der subjektive Begünstigungswille des Erblassers3. Dieser Begünstigungswille ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei auch außerhalb des Testaments liegende Umstände zu berücksichtigen sind4. Ein dem Erblasser bekannter objektiver Vermögensvorteil über den rechnerischen Wert des Erbteils des betreffenden Miterben hinaus wird dabei ein Indiz für einen Begünstigungswillen (Folge: Vorausvermächtnis) sein, ansonsten ist eine ergänzende Auslegung geboten5.
1 Vgl. insoweit RG v. 15.2.1937 – IV 295/36, DNotZ 1937, 447; BGH v. 6.5.1954 – IV ZR 53/54, LM § 138 (Cd) Nr. 2 bezüglich Pflichtteilsanspruch. 2 BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, NJW 1985, 51 (52). 3 Grundlegend: BGH v. 8.11.1961 – V ZR 31/60, BGHZ 36, 115 (116/117); s. ferner BGH v. 23.9.1981, – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274 (282); BGH v. 14.3.1984 – IVa ZR 87/82, NJW 1985, 51 (52); BGH v. 23.5.1984 – IVa ZR 185/82, FamRZ 1985, 62 (63); ferner Eidenmüller, JA 1991, 150 (153 f.). 4 OLG Nürnberg v. 19.3.1974 – 7 U 107/73, MDR 1974, 671. 5 Soergel/Wolf, § 2048 Rz. 6.
1294 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Û
Rz. 201 C IV
Beratungshinweis für Testator: Viele Erblasser haben in der Praxis den Rechtsgedanken der Universalsukzession nicht verinnerlicht; sie verteilen in ihrer letztwilligen Verfügung primär einzelne Gegenstände unter ihre Erben1. Dies führt im Anschluss an den Erbfall zu den bekannten Abgrenzungsproblemen. Von grundlegender Bedeutung ist daher bei der Einsetzung mehrerer Erben
199
– zunächst in jedem Fall die Bestimmung der Erbteile, – bei der Zuweisung einzelner Gegenstände sodann jeweils die ausdrückliche Bestimmung, ob diese (als Teilungsanordnung) auf den Erbteil angerechnet oder zusätzlich und unabhängig von dem Erbteil zugewendet werden sollen (Vorausvermächtnis). d) Auseinandersetzung nach dem billigen Ermessen eines Dritten (§ 2048 Satz 2 BGB), Übernahmerecht
Û
Beratungssituation: Mandant hat fünf Kinder, die er testamentarisch zu gleichen Teilen bedenken möchte. Sein Vermögen besteht im Wesentlichen aus einer wertvollen Kunstsammlung, deren Zusammensetzung sich jedoch durch häufige Zukäufe und Abverkäufe ständig verändert. Mandant möchte jeden Streit über die spätere Verteilung seiner Kunstwerke unter den Erben, der gar in einer Versilberung der Sammlung enden könnte, vermeiden, sieht sich aber an einer festen Verteilung im Testament durch den aufgrund seiner dynamischen An- und Verkaufspolitik ständig wechselnden Bestand gehindert.
§ 2048 BGB gibt dem Erblasser die Möglichkeit, die Verteilung des Nachlasses ohne eigene Festlegung dem Ermessen eines von ihm bestimmten Dritten anheim zu geben. „Dritter“ im Sinne dieser Bestimmung können auch einer der Miterben oder sogar deren Mehrheit sein2.
200
Der von dem Dritten aufgestellte Teilungsplan hat für die Miterben nur schuldrechtliche Bedeutung; die Verfügungsbefugnis zwecks Vollziehung derselben bleibt – im Unterschied zur Testamentsvollstreckung – bei den Erben selbst (§§ 2040, 137 BGB)3. Allerdings ist der Teilungsplan dann nicht verbindlich, wenn er offenbar unbillig ist (§ 2048 Satz 3 BGB). Ist dies zwischen den Miterben streitig, so sind (nur) die der Unverbindlichkeit widersprechenden Miterben, nicht der Dritte, zu verklagen4. Ist die Klage begründet, legt das Gericht durch Gestaltungsurteil anstelle des Dritten einen billigem Ermessen entsprechenden Teilungsplan fest5.
201
1 Vgl. etwa die Fälle BayOblG v. 7.6.1994 – 1 Z BR 69/93, NJW-RR 1995, 1096 ff.; BayOblG v. 19.3.1998 – 1 ZBR 82/97, NJW-RR 1998, 1230 f. 2 RG v. 16.3.1925 – IV 118/24, RGZ 110, 271 (271); MüKo/Heldrich, § 2048 Rz. 18. 3 RG v. 16.3.1925 – IV 118/24, RGZ 110, 271 (274). 4 RGRK/Kregel, § 2048 Rz. 8. 5 MüKo/Heldrich, § 2048 Rz. 19.
v. Morgen 1295
C IV Rz. 202 202
Erbengemeinschaft
Der Erblasser kann einem oder mehreren Miterben auch ein Übernahmerecht hinsichtlich einzelner Gegenstände einräumen. Dabei handelt es sich um ein Gestaltungsrecht, mit dessen Ausübung erst eine entsprechende schuldrechtliche Festlegung im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen den Miterben zustande kommt, die zugunsten des betreffenden Miterben einen Anspruch auf Übertragung des fraglichen Gegenstandes begründet1. e) Ausgleichung lebzeitiger Vorempfänge u.a. unter Abkömmlingen (§§ 2050 ff. BGB)
Û
Beratungssituation: Mandant ist gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Erbe zu je ½ nach dem Vater. Der Vater hatte dem jüngeren Bruder zeitlebens kräftig unter die Arme gegriffen, u.a. durch Finanzierung eines Studiums an einer amerikanischen Elite-Universität, Schenkung einer Villa anlässlich der Heirat und gelegentliche Barschenkungen zur Finanzierung seines aufwändigen Lebensstils. Der Mandant selbst war hingegen in finanziellen Fragen stets auf sich gestellt. Er möchte nun im Rahmen der Erbauseinandersetzung einen entsprechenden Ausgleich herbeigeführt wissen.
203
Die Vorschrift der § 2050 BGB dient der Verwirklichung des Gleichheitsgrundsatzes unter Abkömmlingen des Erblassers2. Sie gilt demzufolge nicht in Bezug auf lebzeitige Zuwendungen an den Ehepartner. Soll insoweit ebenfalls eine Ausgleichung stattfinden, so muss dies durch eine kompensatorische Bevorzugung der übrigen Miterben im Testament, beispielsweise durch Aussetzung analoger Vorausvermächtnisse, geschehen.
204
Allerdings trifft die Ausgleichungspflicht auch den an die Stelle eines weggefallenen Abkömmlings tretenden weiteren Abkömmling des Erblassers (§ 2051 Abs. 1 BGB), auch im Falle der Anwachsung (§ 1935 BGB), die Erben eines ausgleichungspflichtigen Abkömmlings, der erst nach dem Erbfall verstorben ist, sowie im Zweifel auch den Ersatzerben eines weggefallenen Abkömmlings (§ 2096 BGB). Ferner trifft die Ausgleichungspflicht gemäß § 2052 BGB im Zweifel auch die durch letztwillige Verfügung eingesetzten Abkömmlinge des Erblassers, wenn diese entweder auf dasjenige eingesetzt sind, was sie als gesetzliche Erben erhalten würden, oder zumindest ihre Erbteile so bestimmt sind, dass sie zueinander in demselben Verhältnis wie gesetzliche Erbteile stehen. Ist dies nur für einen Teil der Abkömmlinge der Fall, so sind im Zweifel die Vorempfänge nur durch diesen Teil der Abkömmlinge auszugleichen3. Zur eventuellen Ausgleichungspflicht entfernter Abkömmlinge s. schließlich noch die Vorschrift des § 2053 BGB.
1 MüKo/Heldrich, § 2048 Rz. 9. 2 Vgl. Ebeling/Geck, Rz. 496. 3 Vgl. RG v. 1.10.1917 – Rep. IV 182/17, RGZ 90, 419 (420).
1296 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 209 C IV
Die Ausgleichung begründet keinen Zahlungsanspruch, sondern verschiebt nur die Teilungsquoten nach § 2047 Abs. 1 BGB1. Folglich kann die Ausgleichungspflicht eines Miterben, selbst wenn sie den Wert seines Erbanteils übersteigt, niemals dazu führen, dass dieser aus seinem persönlichen Vermögen, einschließlich der lebzeitigen Zuwendung, an die übrigen Miterben etwas hinzuzahlen muss.
205
aa) Gesetzliche Fallkonstellationen (1) Ausstattung (§ 2050 Abs. 1 BGB): Gemäß § 1624 BGB dasjenige, was dem Kind mit Rücksicht auf seine Heirat oder auf die Erlangung einer selbstständigen Lebensstellung zur Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung von den Eltern zugewendet wird. Unterfall: Aussteuer, wenn sie neben einer Berufsausbildung gewährt wird oder soweit sie deren regelmäßige Kosten übersteigt2, also kein Unterhalt ist.
206
Ansonsten sind die Beispiele vielfältig, die Grenzen schwer zu ziehen: Es sind u.a. anerkannt worden als Ausstattung: Renten3, Einräumung einer stillen Teilhaberschaft4, Grundstücksnutzungsrechte5, Recht auf freie Wohnung6, Deckung der Schulden des Schwiegersohns zur Sicherung des Bestands der Ehe7, selbst ein entgeltliches Geschäft wie z.B. eine Gutsübergabe8 oder ein nicht zurückzuzahlender, aber verzinslicher Betrag9. Ausnahme: Der Erblasser hat die Ausgleichung bei der Zuwendung (also nicht mehr danach, grundsätzlich auch nicht mehr durch letztwillige Verfügung!) ausgeschlossen. (2) Zuschüsse zu den Einkünften (§ 2050 Abs. 2 BGB): Soweit sie das den Vermögensverhältnissen des Erblassers entsprechende Maß überstiegen haben (und der Erblasser, wie im Falle des § 2050 Abs. 1 BGB, die Ausgleichung nicht bei der Zuwendung ausgeschlossen hat).
207
(3) Kosten für Berufsausbildung (§ 2050 Abs. 2 BGB): Soweit sie die Aufwendungen für die allgemeine Schulausbildung übersteigen und der Erblasser die Ausgleichungspflicht nicht – in diesem Fall durch letztwillige Anordnung – aufgehoben hat.
208
(4) Sonstige Zuwendungen (§ 2050 Abs. 3 BGB): Nur dann, wenn der Erblasser die Ausgleichung vor oder bei der Zuwendung angeordnet hat. Dies kann aber auch stillschweigend geschehen10.
209
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BGH v. 4.3.1992 – IV ZR 309/90, FamRZ 1992, 665 (666); Ebeling/Geck, Rz. 664.1. BGH v. 30.9.1981 – IVa ZR 127/80, NJW 1982, 575 (576). RG v. 20.4.1912 – Rep. IV 508/11, RGZ 79, 266 (267). RG v. 12.9.1938 – IV 198/37, JW 1938, 2972. RG v. 30.3.1928 – III 504/26, RGZ 121, 11 (13). RG v. 25.3.1920 – 459/19, WarnRspr. 1920, Nr. 98. RG v. 27.6.1912 – IV 637/11, JW 1912, 913. RG v. 7.3.1903 – Rep. V 450/02, RGZ 54, 111 (112). RG v. 7.1.1916 – 302/15, WarnRspr. 1917, Nr. 58. Ebeling/Geck, Rz. 668.
v. Morgen 1297
C IV Rz. 210
Û
Erbengemeinschaft
Beratungshinweis für Testator: Ist die Anordnung der Ausgleichung bei der Zuwendung unterblieben, kann der Ausgleichungseffekt nur noch durch kompensatorische lebzeitige Zuwendungen oder letztwillige Anordnungen zugunsten der übrigen Miterben, beispielsweise analoge Schenkungen bzw. Vorausvermächtnisse, herbeigeführt werden1. Soll hingegen keine Ausgleichung stattfinden, sollte auch dies bei der Schenkung ausdrücklich bestimmt werden. Dadurch wird vermieden, dass im Erbfall von den Miterben des Beschenkten, was in der Praxis gelegentlich vorkommt, behauptet wird, der Erblasser habe in Zeugengegenwart anlässlich der Schenkung eine Ausgleichung formlos (mündlich) bestimmt.
210
(5) Ausgleichspflichten des Hoferben sowie Abfindungsansprüche der Miterben im Zuweisungsverfahren: Hierbei handelt es sich um Sonderfälle gemäß den Vorschriften des § 12 Abs. 8 der Höfeordnung für die britische Zone und des § 16 des Grundstücksverkehrsgesetzes, deren eingehende Behandlung an dieser Stelle nicht erforderlich ist.
211
(6) Für besondere Leistungen (§ 2057a BGB): Kreis der Berechtigten: (sämtliche) Abkömmlinge, soweit diese als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen oder einen gleichwertigen testamentarisch bestimmten Erbteil erhalten. Sachliche Voraussetzungen: besonderer Beitrag zur Erhaltung oder Vermehrung des Vermögens des Erblassers über längere Zeit oder längerfristige Pflegeleistungen. Für Erbfälle bis einschließlich 31.12.2009 kommt als zusätzliche Voraussetzung noch der Verzicht auf berufliches Einkommen hinzu2. Der Ausgleichungsanspruch setzt ferner voraus, dass für die Leistungen nicht bereits ein angemessenes Entgelt gewährt oder vereinbart wurde oder dem betreffenden Abkömmling ein Anspruch aus einem anderen Rechtsgrund, etwa aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) zusteht, § 2057a Abs. 2 BGB, oder die Leistungen in Erfüllung einer Unterhaltsverpflichtung im Sinne der §§ 1601 ff. BGB erbracht wurden. Bemessung: nach Billigkeitsgesichtspunkten, im Rahmen eines Rechtsstreites Festsetzung durch das Gericht (§ 2057a Abs. 2 BGB). Berechnung: Der ausgleichungspflichtige Wert der erbrachten Leistungen steht dem Berechtigten aus dem Anteil am Nachlass, der auf diejenigen Miterben entfällt, unter denen die Ausgleichung vorzunehmen ist, vorab zu; un-
1 Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erbrechtsreform v. 24.4.2008 sah noch einen neuen § 2050 Abs. 4 BGB vor, wonach der Erblasser auch nachträglich noch Anordnungen über die Ausgleichung oder den Ausschluss der Ausgleichung von lebzeitigen Zuwendungen sollte treffen können (vgl. BT-Drucks. 16/8954). Dieser ist aufgrund einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses jedoch nicht Gesetz geworden (vgl. BT-Drucks. 16/13543). 2 Diese in der Praxis nur schwer nachzuvollziehende Einschränkung hat der Gesetzgeber mit der Erbrechtsreform zu Recht gestrichen (vgl. BT-Drucks. 16/8954; teilweise kritisch Muscheler, ZEV 2008, 105 [108 f.]), weitergehenden Reformentwürfen jedoch eine Absage erteilt (vgl. BT-Drucks. 16/13543).
1298 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 214 C IV
ter diesen Erben wird entsprechend der Relation ihrer Anteile nur der danach verbleibende Rest weiter aufgeteilt (vgl. § 2057a Abs. 4 BGB). bb) Problem: Anwendung des § 2052 BGB im Rahmen des sog. Berliner Testaments (§ 2269 BGB) Hier sind (bei der Konstruktion Alleinerbschaft des überlebenden Ehegatten/Schlusserbschaft der Kinder) die Abkömmlinge streng genommen nur als Erben des Längstlebenden eingesetzt, so dass danach nicht die lebzeitigen Vorausempfänge von beiden Elternteilen, sondern nur diejenigen vom längstlebenden Elternteil auszugleichen wären. Dieses Ergebnis wäre indessen nicht sachgerecht. Es wird daher – mit Recht – vertreten, dass in diesen Fällen auch der erstversterbende Ehegatte als Erblasser gelten muss, so dass auch die von ihm getätigten lebzeitigen Zuwendungen im Sinne des § 2050 nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten auszugleichen sind1.
212
Demgegenüber hat das Gesetz mit der Vorschrift des § 2054 BGB für den – in der heutigen Praxis selten gewordenen – Sonderfall von Zuwendungen aus dem Gesamtgut bei Gütergemeinschaft und fortgesetzter Gütergemeinschaft bereits eine besondere Regelung getroffen, wonach – unabhängig von der jeweiligen Verwaltungsbefugnis im Sinne des § 1422 BGB – derartige Zuwendungen grundsätzlich als von jedem Ehegatten zur Hälfte vorgenommen gelten. cc) Verfahren Wechselseitige Auskunftserteilung (§ 2057 BGB): Diese bezieht sich auf alle möglicherweise unter die §§ 2050–2053 BGB fallenden Zuwendungen und deren Wert; die Rechtsfrage, ob es sich im Ergebnis um ausgleichspflichtige Vorempfänge handelt oder nicht, ist in dieser Stufe nicht zu klären2. Im Übrigen richtet sich die Form der Auskunftserteilung über § 2057 Satz 2 BGB nach den Vorschriften der §§ 260, 261 BGB.
213
Berechnungsmethode: Der Wert der auszugleichenden Zuwendungen bestimmt sich gemäß § 2055 Abs. 2 BGB nach dem jeweiligen Zeitpunkt der Zuwendung, ist aber auf den Tag des Erbfalles umzurechnen3. Der Erblasser kann indessen bei der Zuwendung den anzurechnenden Wert auch anders festlegen4.
214
Die Berechnung vollzieht sich dann in der Weise, dass der Wert aller auszugleichenden Zuwendungen dem Nachlassteil hinzugerechnet wird, der denjenigen Miterben zukommt, unter denen die Ausgleichung stattfindet (§ 2055 1 Ebeling/Geck, Rz. 675; vgl. auch KG v. 21.3.1974 – 12 U 2102/73, OLGZ 1974, 257 (259), str. 2 Vgl. auch BayObLG v. 3.6.1918, BayObLGZ 1937, 253; RG v. 12.5.1910 – Rep. IV 411/09, RGZ 73, 372 (376). 3 Inflationsausgleich, vgl. BGH v. 4.7.1975 – IV ZR 3/74, BGHZ 65, 75 (77); BGH v. 14.11.1973 – IV ZR 147/72, BGHZ 61, 385 (391); BGH v. 4.7.1975 – IV ZR 3/74, NJW 1975, 2292 (2293). 4 Palandt/Edenhofer, § 2055 Rz. 3.
v. Morgen 1299
C IV Rz. 215
Erbengemeinschaft
Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB). Die Erbanteile der übrigen Miterben, die in die Ausgleichung nicht miteinzubeziehen sind, werden vorab nach der tatsächlich vorhandenen Nachlassmasse berechnet. Danach werden die ausgleichspflichtigen Zuwendungen dem Restnachlass fiktiv hinzugerechnet und hieraus die Erbanteile der ausgleichspflichtigen Abkömmlinge ermittelt. Jeder ausgleichspflichtige Abkömmling muss sich dann von seinem so ermittelten Erbanteil die jeweils anzurechnenden Zuwendungen abziehen lassen (ist die Ausgleichung bei der Nachlassteilung unterblieben, bestehen – ausnahmsweise – Ansprüche der benachteiligten Abkömmlinge aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 BGB unmittelbar gegenüber den bevorzugten Abkömmlingen). 215
Berechnungsbeispiel: Die Erbengemeinschaft besteht aus dem überlebenden Ehegatten E (Zugewinngemeinschaft) und den Söhnen A und B. Der real vorhandene Nachlass beträgt 1 Mio. Euro, Sohn A hat vom Erblasser eine Ausstattung im (auf den Erbfall umgerechneten) Wert von 400 000 Euro erhalten, Sohn B im (entsprechend umgerechneten) Wert von 600 000 Euro. E erhält vorab jeweils ¼ des realen Nachlasses gemäß § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB und ein weiteres Viertel des realen Nachlasses gemäß § 1371 Abs. 1 BGB, zusammen mithin zweimal 250 000 Euro = 500 000 Euro. Der reale Restnachlass beträgt demzufolge noch 500 000 Euro. Hinzuzurechnen sind die beiden Ausstattungen mit insgesamt 1 Mio. Euro. Der fiktive Nachlass beträgt in Ansehung der Berechnung der Erbanteile zwischen den Söhnen A und B mithin 1 500 000 Euro. Davon stehen A und B jeweils 750 000 Euro abzüglich der jeweils erhaltenen Ausstattung zu. Im Ergebnis erhalten aus dem real vorhandenen Nachlass also Sohn A 750 000 Euro abzüglich 400 000 Euro = 350 000 Euro, Sohn B 750 000 Euro abzüglich 600 000 Euro = 150 000 Euro.
III. Verwaltung des Nachlasses 216
Ist die Auseinandersetzung des Nachlasses ausgeschlossen, so liegen in der Art und Weise der Verwaltung desselben zumeist die Kernpunkte der Auseinandersetzung zwischen den Miterben. Dies ist verständlich, denn der wirtschaftliche Nutzen für die einzelnen Miterben beschränkt sich dabei auf die Fruchtziehung und ggf. noch den Gebrauch der Nachlassgegenstände (vgl. § 2038 Abs. 2 i.V.m. §§ 743, 745 BGB). Sowohl auf der Kosten- als auch auf der Ertragsseite ist der wirtschaftliche Nutzen für die Miterben damit von den unterschiedlichen Verwaltungsmaßnahmen abhängig, die ergriffen werden. Dies führt zu unterschiedlichen Auffassungen innerhalb der Erbengemeinschaft; typische „Verwaltungsstreitigkeiten“ in diesem Sinne ergeben sich beispielsweise bei Nachlassgrundvermögen aus folgenden Fragen: – Sollen Renovierungen/Instandsetzungen vorgenommen werden, obwohl dies u.U. keinen unmittelbar höheren Mietertrag erbringt?
1300 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 219 C IV
– Sollen darüber hinaus Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen werden, um den Ertrag des Grundvermögens zu steigern? – In diesem Zusammenhang: Soll für die betreffende Maßnahme eine Rücklage aus den Mieteinnahmen gebildet oder ein Hypothekendarlehen aufgenommen werden? – Kann die Maßnahme mit der Mehrheit der Erbanteile auch gegen den Willen der Minderheit durchgesetzt werden? – Wenn ja: Wer beauftragt das Bauunternehmen und in wessen Namen? – Und weiter: Wer haftet dann für den Werklohn und mit welchem Vermögen? Dies alles sind Fragen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Nachlass(grund)vermögens, welche die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit einer durch den Erblasser auf Dauer angelegten Erbengemeinschaft geradezu lähmen können. Noch plastischer wird einem dies vor Augen geführt, wenn es sich nicht um Grundvermögen, wie in obigem Beispiel, sondern um ein im Nachlass befindliches, aktiv am Markt operierendes Unternehmen als wesentlichen Nachlassgegenstand handelt. Im Übrigen ist selbst ohne Auseinandersetzungsausschluss/-beschränkung die sofortige Auseinandersetzung des Nachlasses (§ 2042 BGB) eher die Ausnahme als die Regel1. Dies auch aufgrund der oben (unter II., Rz. 35 ff.) behandelten langwierigen Vorbereitung und schwerfälligen Durchführung der Auseinandersetzung, falls zwischen den Miterben keine vollumfängliche Einigkeit besteht.
1. Verwaltung durch Testamentsvollstrecker, insbesondere als Dauertestamentsvollstreckung Diese Konstellation wird in Kap. C IX ausführlich behandelt.
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2. Gemeinschaftliche Verwaltung durch die Miterben Die Grundsätze der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses durch die Miterben werden in § 2038 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 743, 745, 746 und 748 BGB geregelt. Leider wirft diese Regelung mehr Fragen auf als sie beantwortet; sie enthält manche dogmatische Unklarheit, die zu unterschiedlichen Rechtsmeinungen innerhalb der Rechtsprechung und Literatur geführt hat. Dabei wären gerade für die gemeinschaftliche Verwaltung des Nachlasses durch die Miterben eindeutige und pragmatische Regelungen notwendig, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Erbengemeinschaft während ihres ungeteilten Bestehens zu ermöglichen.
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§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass die Verwaltung des Nachlasses den Erben gemeinschaftlich zusteht, wobei jeder Miterbe den anderen gegenüber
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1 So auch Ebeling/Geck, Rz. 273.
v. Morgen 1301
C IV Rz. 220
Erbengemeinschaft
verpflichtet ist, zu Maßregeln, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich sind, mitzuwirken (Abs. 2, 1. Halbs.). Zur Erhaltung notwendige Maßregeln kann indessen jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen (§ 2038 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB). Zusätzlich wird dann noch in § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB auf bestimmte Vorschriften der Gemeinschaft verwiesen, insbesondere § 745 BGB, wonach eine der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung durch Stimmenmehrheit – berechnet nach der Größe der Anteile – beschlossen werden kann (Abs. 1), jeder einzelne Teilhaber aber, sofern kein Mehrheitsbeschluss entgegensteht, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen kann (Abs. 2), in beiden Fällen (Mehrheitsbeschluss oder Verlangen eines Beteiligten) indessen keine wesentliche Veränderung des Gegenstandes zulässig ist. 220
Diese verschiedenen Regelungen werfen in ihrem Zusammenhang zahlreiche Fragen auf, von denen die vordringlichsten sind: – Wie weit definiert sich der Begriff der „Verwaltung“, namentlich: Erfasst er auch Verfügungen (mögliche Kollision mit § 2040 BGB)? Und wie verhält er sich zu dem nur in § 745, aber nicht in § 2038 BGB enthaltenen Begriff der „Benutzung“? – Wie lassen sich der Grundsatz der gemeinschaftlichen Verwaltung (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die korrespondierende Mitwirkungsverpflichtung jedes Miterben (§ 2038 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. BGB) mit dem Mehrheitsprinzip (§ 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745, Abs. 1 BGB) vereinbaren? – Insbesondere: Wie erfolgt die Umsetzung eines wirksam zustande gekommenen Mehrheitsbeschlusses: Muss/kann insoweit dann doch auf die Mitwirkung der konträr eingestellten Minderheit zurückgegriffen und diese notfalls eingeklagt werden (wodurch sich die Erleichterungen der Mehrheitsentscheidung dann im Nachhinein wieder aufheben würden) oder ist in dem wirksamen Mehrheitsbeschluss zugleich eine Ermächtigung/Vertretungsmacht zu sehen (und wie kann/muss der jeweilige Geschäftspartner der Erbengemeinschaft dies erkennen, insbesondere die Frage der Wirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses beurteilen)? – Überhaupt: Wie grenzt sich bei der Erbengemeinschaft (analog der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vgl. §§ 709 ff., 714 f. BGB) die Geschäftsführung im Innenverhältnis von der Vertretung nach außen ab?
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Die folgende Darstellung soll aus dem Blickwinkel desjenigen Miterben, der eine bestimmte Maßnahme durchsetzen will, eine pragmatische Überlegungs- und Handlungsabfolge als Quintessenz der jeweiligen Mehrheitsmeinungen in Rechtsprechung und Schrifttum zu den einzelnen Rechtsproblemen aufzeigen, ohne dabei allzu sehr auf die zahlreichen dogmatischen Streitigkeiten, die dem zugrunde liegen, einzugehen. Folgende Reihenfolge bietet sich dabei an:
1302 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 227 C IV
a) Primäres Bemühen: Einvernehmliche Mitwirkung aller Miterben
Û
Beratungssituation: Mandant und übrige Miterben haben zunächst einstimmig beschlossen, das Arbeitsverhältnis mit einer langjährigen Mitarbeiterin im ererbten Unternehmen zu beenden. Später weigert sich Mandant, den Auflösungsvertrag mit der betreffenden Mitarbeiterin gegenzuzeichnen und wird von den übrigen Miterben auf Zustimmung verklagt. Er ist jedoch der Meinung, dass der zunächst gefasste Beschluss ihn ohnehin nicht binden könne, sondern unwirksam sei, weil er gegen eine Bestimmung im Testament des Erblassers verstoße, wonach die Mitarbeiter bis zum Erreichen des Pensionsalters Bestandsschutz genießen sollen.
Gelingt es, das Einverständnis sämtlicher übrigen Miterben zu der beabsichtigten Maßnahme zu erhalten, braucht man sich mit allen weiteren Fragen nicht auseinander zu setzen; es kommt vielmehr eine Vereinbarung zwischen den Miterben zustande, die sich gegenüber nahezu allen Restriktionen durchsetzt. Im Einzelnen gilt:
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Entgegenstehende letztwillige Anordnungen des Erblassers über die Verwaltung werden überwunden. (Der einstimmig gefasste Beschluss in der eingangs geschilderten Beratungssituation ist also wirksam und hindert den Mandanten.)
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Es ist unerheblich, ob die vereinbarte Verwaltungsmaßnahme einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht oder es sich dabei um eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme, z.B. Umwandlung der Erbengemeinschaft in eine werbende Gesellschaft, Umwandlung eines Gewerbes in ein Unternehmen einer anderen Branche1, handelt. Ebenso unerheblich ist, ob es sich überhaupt um eine Maßnahme der Verwaltung oder eine Verfügung im Sinne des § 2040 Abs. 1 BGB handelt, welche (nur) gemeinschaftlich erfolgen kann. Ferner ist auch unerheblich, ob frühere Beschlüsse der Erbengemeinschaft entgegenstehen, die mit der Vereinbarung (notfalls stillschweigend) aufgehoben werden.
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Das Einvernehmen bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form, es sei denn, diese ergibt sich aus anderen Vorschriften, und muss auch nicht durch gleichzeitige Erklärungen sämtlicher Miterben herbeigeführt werden; allerdings müssen letzterenfalls die früher erfolgten Erklärungen der übrigen Miterben noch wirksam sein2.
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Unwirksamkeit nur nach allgemeinen Grundsätzen, z.B. bei Verstoß gegen ein Verbotsgesetz (§ 134 BGB) oder die guten Sitten (§ 138 BGB)3 oder bei nachträglicher Anfechtung gemäß §§ 119 ff. bzw. 123 f. BGB.
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Vollziehung: falls erforderlich, durch Zustimmung zum Verfügungsgeschäft aufgrund der Vereinbarung als Verpflichtungsgrund.
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1 Vgl. Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 28 und Brox, Rz. 492. 2 Vgl. v. Lübtow, ErbR, 2. Halbband, S. 802; Schlüter, ErbR, Rz. 678. 3 Vgl. Muscheler, ZEV 1997, 222 (224).
v. Morgen 1303
C IV Rz. 228
Erbengemeinschaft
b) Mehrheitsbeschluss genügt bei Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung (und Benutzung)
Û
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Beratungssituation: Mandant ist zu 1/3 Miterbe seiner Mutter, die übrigen 2/3 stehen seiner älteren Schwester zu. Er möchte gern das im Nachlass befindliche Elternhaus, das aus zwei abgeschlossenen Wohnungen besteht, durch Bezug einer der beiden Wohnungen selbst (mit)nutzen. Als er dies seiner Schwester mitteilt, erfährt er, dass diese soeben einen Mehrheitsbeschluss über die Fremdvermietung gefasst hat. Mandant hält dies für unrechtmäßig und möchte sein Mitnutzungsrecht dennoch durchsetzen.
Gelingt es nicht, das Einverständnis aller übrigen Miterben zu erlangen, so muss der die konkrete Maßnahme anstrebende Miterbe weitere Überlegungen anstellen. Zunächst muss er sich fragen, ob es sich um eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses handelt. Dann genügt es grundsätzlich, wenn er nur die Mehrheit im Rahmen einer Beschlussfassung innerhalb der Erbengemeinschaft hinter sich versammelt. Da sich die Mehrheit nach der Größe der jeweiligen Erbteile bemisst, kann u.U. schon seine alleinige Stimme für die betreffende Maßnahme genügen, wenn nämlich auf den die Maßnahme erstrebenden Miterben selbst z.B. bereits ein Erbanteil von 2/3 entfällt. Folgende Schritte sind dabei zu klären: aa) Definition „Verwaltung“
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Es fehlt eine gesetzliche Definition. Allgemein gesagt, fallen darunter im Wesentlichen diejenigen rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen, die erforderlich sind, den Nachlass zu sichten, in Besitz zu nehmen, die Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen, Substanz und Ertragskraft des Nachlasses bis zur Auseinandersetzung zu erhalten und zu sichern sowie die Anordnungen des Erblassers zu erfüllen1. Zum Beispiel: Verwaltung von Grundbesitz, einschließlich Abschluss und Kündigung von Miet- und Pachtverträgen2, Fortführung eines Unternehmens3, Begleichung laufender Verbindlichkeiten4, einschließlich Vermächtnis- und Pflichtteilsschulden5, Durchsetzung von Forderungen im Klagewege sowie Abschluss eines Vergleiches darüber6. Abgrenzung: Auseinandersetzung des Nachlasses oder sonstige Maßnahmen, welche die mitgliedschaftliche Organisation der Erbengemeinschaft betreffen7, Widerruf einer Erblasservollmacht, welche jeder Miterbe nur mit Wir-
1 2 3 4 5 6 7
Ebeling/Geck, Rz. 279. BGH v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47 (50). BGH v. 24.9.1959 – II ZR 46/59, BGHZ 30, 391 (394). BGH v. 22.2.1965 – III ZR 208/63, FamRZ 1965, 267 (269). Ebeling/Geck, Rz. 279. BGH v. 18.11.1966 – IV ZR 235/65, BGHZ 46, 277 (280). Vgl. Ebeling/Geck, Rz. 278.
1304 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 231 C IV
kung gegen sich allein widerrufen kann1. Grenz- und Streitfall: Verfügungen im Sinne des § 2040 BGB (s. noch Rz. 243). bb) Definition „Benutzung“ Die Miteinbeziehung der Benutzung ergibt sich aus der Verweisung in § 2038 Abs. 2 Satz 1 auf § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Begriff der „Benutzung“ beinhaltet dabei die Früchte bzw. die Gebrauchsvorteile des Nachlasses2.
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Wichtig ist dabei jedoch folgende Einschränkung für einen Mehrheitsbeschluss: Nur die Nutzungsart kann hierdurch geregelt werden, nicht die Nutzungsquote3, die jeweils als Individualrecht jedes einzelnen Miterben gesetzlich besonders ausgestaltet und insoweit mehrheitsfest ist. Dies bedeutet: Durch Mehrheitsbeschluss der Miterben kann namentlich festgelegt werden, ob ein Nachlassgrundstück vermietet oder eigengenutzt werden soll (Art der Nutzung); über die jeweiligen Quoten der Miterben (Maß der Nutzung) kann die Mehrheit hingegen gegen den Willen der Minderheit keine von den gesetzlichen Regelungen abweichenden Beschlüsse wirksam fassen. Im Falle der Vermietung hat jeder Miterbe vielmehr ein mehrheitsfestes Individualrecht auf einen der Größe seines Erbteils entsprechenden Anteil der Früchte (§ 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 743 Abs. 1 BGB). Im Falle der Eigennutzung hat jeder Miterbe das mehrheitsfeste Individualrecht, den Nachlassgegenstand soweit selbst zu nutzen, wie der Mitgebrauch der übrigen Miterben nicht beeinträchtigt wird (§ 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 743 Abs. 2 BGB). Für die eingangs geschilderte Beratungssituation (vor Rz. 228) bedeutet dies allerdings, dass der Mandant sich mit der Fremdvermietung abfinden muss; ihm steht lediglich 1/3 der Mieteinnahmen zu. cc) Definition „ordnungsmäßige“ Auch dieser Begriff ist im Gesetz nicht definiert. In Übereinstimmung mit Muscheler4 könnte man ihn in der Formel zusammenfassen, dass alle Entscheidungen vom Begriff einer ordnungsmäßigen Verwaltung gedeckt sind, die dem vom Gesetz mit der Zulassung des Mehrheitsbeschlusses verfolgten Zweck entsprechen, die Funktionsfähigkeit der Erbengemeinschaft zu garantieren, und angesichts deren ein wirtschaftlich denkender unbefangener Dritter bei Unterstellung eigener wirtschaftlicher Betroffenheit sagen würde: „Das muss man nicht so machen, kann man aber so machen“. Bereits der Gegenschluss aus § 2038 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB und § 744 Abs. 2 BGB ergibt, dass die mehrheitlich beschlossene Verwaltungsmaßnahme (bzw. Benutzungsart) keineswegs nur notwendige Maßnahmen abdeckt5. Der Mehrheit wird vielmehr ein weit darüber hinausgehender Ermessensspielraum gewährt. 1 2 3 4 5
BGH v. 24.9.2959 – II ZR 46/59, BGHZ 30, 391 (397). Muscheler, ZEV 1997, 222 (225). Muscheler, ZEV 1997, 222 (225). Muscheler, ZEV 1997, 222 (224). Vgl. bereits KG v. 28.11.1913, OLGE 30, 184.
v. Morgen 1305
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C IV Rz. 232
Erbengemeinschaft
Der Mehrheitsbeschluss ist insbesondere nicht schon dann unwirksam, wenn er nicht die optimale oder zumindest wirtschaftlich zweckmäßigere Maßnahme wählt1. Auch die Schaffung neuer wirtschaftlicher Werte2 und selbst risikoreiche Geschäfte3 können von dem Begriff der „ordnungsmäßigen Verwaltung“ im Einzelfall noch gedeckt sein. 232
Eine Grenze ergibt sich in jedem Fall dort, wo eine wesentliche Veränderung des „Gegenstandes“ im Sinne des § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB eintritt, also die Zweckbestimmung oder aber die Gestalt des gemeinschaftlichen Gegenstandes in einschneidender Weise geändert wird4. Fraglich ist dabei, was in der Verweisung durch § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die vorgenannte Vorschrift hier als „gemeinschaftlicher Gegenstand“ anzusehen ist: der Nachlass als Ganzes oder auch die einzelnen Nachlassgegenstände. Die Antwort lautet richtigerweise: sowohl als auch; die wesentliche Veränderung eines einzelnen Nachlassgegenstandes allein muss jedenfalls dann von einer bloßen Mehrheitsentscheidung ausgeschlossen sein, wenn es sich um einen solchen Nachlassgegenstand handelt, der einen im Verhältnis zum Gesamtnachlass nicht bloß unerheblichen Vermögenswert besitzt, denn der Nachlass als solcher weist bekanntlich keine konkrete Beschaffenheit auf, sondern ist lediglich die Summe mehrerer Vermögensgegenstände5.
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Û
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Schließlich ergibt sich in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit eine früher hinsichtlich desselben Gegenstandes getroffene (allseitige) Vereinbarung oder ein früherer Mehrheitsbeschluss der Erbengemeinschaft einer neuerlichen, abweichenden Mehrheitsentscheidung entgegensteht. Auch diese Frage ist umstritten7. Der Rechtsprechung des BGH folgend ist hierfür eine Veränderung der Sachlage Voraussetzung8. Erforderlich ist in allen anderen Fällen eine allseitige Vereinbarung. 1 2 3 4
5 6 7 8
Beratungshinweis für Testator: Auch in der letztwilligen Verfügung selbst kann durch entsprechende Verwaltungsanordnungen des Erblassers ein Maßstab für die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung gesetzt werden. Darüber kann sich dann später die Mehrheit der Erben nicht über den Willen der Minderheit hinwegsetzen6. Es empfiehlt sich also durchaus, Richtlinien für die spätere Verwaltung des Nachlasses im Rahmen der letztwilligen Verfügung zu bestimmen, wenn keine sofortige Auseinandersetzung stattfinden wird.
Muscheler, ZEV 1997, 222 (224). Vgl. z.B. den Fall KG v. 28.11.1913, OLGE 30, 184. Muscheler, ZEV 1997, 222 (225). BGH v. 20.12.1982 – II ZR 13/82, NJW 1983, 932 (933); BGH v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, MDR 1987, 1001; OLG Hamburg v. 29.11.1989 – 2 W 91/88, OLGZ 1990, 141 (144). So auch LG Hannover v. 24.1.1990 – 1 S 240/89, NJW-RR 1990, 454; Soergel/Wolf, § 2038 Rz. 9; Staudinger/Werner, § 2038 Rz. 13. Muscheler, ZEV 1997, 222 (227). Zum Meinungsstand s. Muscheler, ZEV 1997, 222 (226), jeweils m.N. in Fn. 33–35. BGH v. 16.3.1961 – II ZR 190/59, BGHZ 34, 367 (370); übereinstimmend Staudinger/ Huber, 12. Aufl. § 745 Rz. 25 a.A. Staudinger/Langhein § 745 Rz. 31.
1306 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 237 C IV
dd) Beschlussfassung (1) Verfahren und Rechtsnatur der Stimmabgabe Die Stimmabgabe ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung nach allgemeinen Grundsätzen, die sich an alle übrigen Miterben als Adressaten wendet1. Der Mehrheitsbeschluss selber, der durch die Stimmabgaben zustande kommt, ist „mehrseitiges Rechtsgeschäft“ (Gesamtakt)2. Für die Beschlussfassung ist keine besondere Form vorgeschrieben; die Stimmabgabe kann jederzeit und in beliebiger Form erfolgen, ausdrücklich oder konkludent, schriftlich oder mündlich, gleichzeitig oder nacheinander, wobei eine nachträgliche Zustimmung nur dann wirksam ist, wenn die übrigen Miterben noch an ihrer Stimmabgabe festhalten3. Eine Verpflichtung des einzelnen Miterben zur Stimmabgabe soll – anders als im Gesellschaftsrecht – ungeachtet der Ansprüche aus § 2038 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB mangels (vertraglicher) „Treuepflichten“ gleichfalls nicht bestehen4.
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(2) Anspruch der Minderheit auf Gehör Aus dem Grundsatz der gemeinschaftlichen Verwaltung des Nachlasses in § 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB folgt selbst unter den Voraussetzungen für einen Mehrheitsbeschluss als Individualrecht ein Anspruch jedes Miterben auf angemessene Teilhabe an der Willensbildung, also die Möglichkeit, sich angemessen zu informieren sowie abweichende Ansichten zu vertreten und zu begründen5. Selbst dann, wenn einer der Miterben allein die Mehrheit innehat, darf er den Beschluss nicht „in petto“ fassen, sondern muss die übrigen Miterben dazu vorher anhören6.
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Beachte aber: Nach der ganz herrschenden Meinung, einschließlich der Rechtsprechung des BGH7, macht die Nichtanhörung der Minderheit den Beschluss der Mehrheit dennoch nicht unwirksam, sondern verpflichtet nur – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – zum Schadenersatz und kann u.U. der nicht angehörten Minderheit einen wichtigen Grund zur Auseinandersetzung der Gemeinschaft nach § 749 Abs. 2 BGB liefern. Diese Auffassung wird darauf gestützt, dass zum einen für die Beschlussfassung gerade keine formalen Anforderungen oder gar eine Einstimmigkeit vorgesehen seien, zum anderen auch die Rechtssicherheit zu beachten sei; der mit der Mehr-
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1 OLG Hamm v. 8.10.1968 – 4 U 167/67, BB 1969, 514; Muscheler, ZEV 1997, 169 (172). 2 Muscheler, ZEV 1997, 169 (172 f.). 3 Muscheler, ZEV 1997, 169 (173). 4 Muscheler, ZEV 1997, 169 (173). 5 Muscheler, ZEV 1997, 169 (173). 6 Einhellige Ansicht, s. nur BGH v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47 (56); OLG Celle v. 6.2.1962 – 10 U 124/61, JR 1963, 221 (222); Muscheler, ZEV 1997, 169 (173) m.w.N. aus der Literatur in Fn. 26. 7 BGH v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47 (56); BGH v. 30.1.1951 – V BLw 36/50, LM § 2038 BGB Nr. 1; OLG Kiel v. 25.11.1905, OLGE 13, 428 (429); KG v. 14.12.1908, OLGE 20, 186 (187); Staudinger/Werner, § 2038 Rz. 38; Soergel/Wolf, § 2038 Rz. 16; MüKo/Heldrich, § 2038 Rz. 38.
v. Morgen 1307
C IV Rz. 238
Erbengemeinschaft
heit der Erben ins Geschäft kommende Dritte könne nicht beurteilen, ob die Minderheit vor Beschlussfassung angehört worden sei1. Allerdings wird ein Schadenersatzanspruch aufgrund mangelnden Gehörs der Minderheit in praxi kaum zu realisieren sein, da es fast ausnahmslos an der erforderlichen Kausalität der Pflichtverletzung der Mehrheit für den bei der Minderheit eingetretenen Schaden fehlen dürfte. Wie bei der Missachtung von Verfahrensrechten allgemein, so wird sich in aller Regel auch hier die Mehrheit durchgreifend darauf berufen können, dass sie im Falle der Anhörung der Minderheit auch nicht anders entschieden hätte, was zu einem dann wirksamen Beschluss mit nachfolgendem „Schadenseintritt“ geführt hätte. Im praktischen Ergebnis läuft das Anhörungsrecht der Minderheit also zumeist auf eine Formalie hinaus. (3) Stimmrechtsausschluss bei Interessenkonflikten?
Û
238
Beratungssituation: Miterbe der Mandanten, der allein über die Mehrheit der Erbteile verfügt, soll laut Testament die (entgeltliche) Verwaltung des Nachlassgrundvermögens übernehmen. Er fasst gegen die Stimmen der Mandanten einen Beschluss über seine Honorierung in Höhe des Doppelten des ortsüblichen Honorars eines Fremdverwalters. Mandanten sind empört und möchten die Unwirksamkeit dieses Beschlusses wegen eindeutiger Interessenkollision festgestellt wissen.
Analog §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG ist der betroffene Miterbe von der Beschlussfassung ausgeschlossen, wenn er sich in einem Interessenwiderstreit befindet. Beispielsfälle aus der Rechtsprechung: – Kündigung einer gegen ihn gerichteten Nachlassforderung2. – Bei der Frage, ob der Miterbe, der zugleich Testamentsvollstrecker ist, als solcher für sein Honorar dem Nachlass Sachwerte, wie z.B. Aktien, entnehmen darf3. – Abschluss eines Pachtvertrags mit dem betreffenden Miterben über ein Nachlassgrundstück4. – Hingegen nicht: Abschluss eines Verwaltervertrags mit dem betreffenden Miterben5, selbst wenn es dabei um die Festsetzung der Verwaltervergütung geht6. (In der eingangs geschilderten Beratungssituation ist die Mitwirkung des selbst betroffenen Mehrheitserben an der Beschlussfassung al1 So insbesondere BGH v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47 (56); OLG Kiel v. 25.11.1905, OLGE 13, 428 (429). 2 BayObLG v. 17.5.1905 – Reg. I 34/1905, BayObLGZ 6, 326 (332). 3 BGH v. 14.2.1973 – IV ZR 90 und 94/71, WM 1973, 360 (361). 4 BGH v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47 (52). 5 Nipperdey, AcP 143 (1937), 315 (320 ff.); offen gelassen von OLG Düsseldorf v. 6.3.1986 – 10 U 157/85, NJW-RR 1987, 1256. 6 Palandt/Edenhofer, § 2038 Rz. 10; Staudinger/Werner, § 2038 Rz. 36; Nipperdey, AcP 143 (1937), 315 (320 ff.); a.A. MüKo/Heldrich, § 2038 Rz. 37; Soergel/Wolf, § 2038 Rz. 17.
1308 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 241 C IV
so nicht zu beanstanden. Fraglich ist allein, ob die beschlossene Höhe der Verwaltervergütung noch einer „ordnungsgemäßen Verwaltung“ im Sinne der §§ 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB entspricht, so dass die einfache Mehrheit hier ausreicht, oder aber darüber hinausgeht und damit Einstimmigkeit erforderlich gewesen wäre). Beachte: Der Stimmrechtsausschluss bei Interessenkonflikt soll nicht nur für Mehrheitsentscheidungen, sondern auch bei Entscheidungen mit Einstimmigkeitserfordernis gelten; diese können dann also ausnahmsweise ohne Zustimmung sämtlicher Miterben gefällt werden1.
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ee) Rechtsfolgen des wirksamen Mehrheitsbeschlusses (1) Innenverhältnis Auch die überstimmten Miterben sind an den Mehrheitsbeschluss gebunden; 240 jeder Miterbe hat gegen jeden anderen einen Anspruch auf Vornahme der zur Durchführung des Beschlusses erforderlichen Mitwirkungshandlungen, §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 1 BGB. Bindung auch für und gegen den Rechtsnachfolger jedes Miterben, z.B. Erbteilserwerber, §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 746 BGB. Schadenersatzverpflichtung derjenigen Miterben, die sich pflichtwidrig nicht an der Durchführung des Mehrheitsbeschlusses beteiligen oder diese sogar verhindern. Aufhebung durch neuen Mehrheitsbeschluss nur bei veränderter Sachlage (s. Rz. 234). Hinsichtlich desselben Entscheidungsgegenstandes ist ein Individualanspruch nach §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 2 BGB (dazu noch Rz. 246 ff.) blockiert, da sich die Mehrheit im Rahmen ihres Ermessensspielraums entschieden hat. Selbst die Alleinhandlungskompetenz aus § 2038 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB (dazu noch Rz. 250 ff.) soll dann entfallen, wenn eine notwendige Maßnahme durch Mehrheitsbeschluss bereits abgelehnt worden ist2. (2) Außenverhältnis
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Beratungssituation: Mandanten haben als Mehrheitserben gegen die Minderheit die Durchführung einer Balkonsanierung beschlossen und möchten nun einen Werkunternehmer mit der Durchführung beauftragen. Dieser verlangt jedoch die Unterschrift sämtlicher Miterben als den im Grundbuch eingetragenen Eigentümern.
Wirksame Mehrheitsbeschlüsse der Erbengemeinschaft begründen nach ganz herrschender Meinung3 die Rechtsmacht, die Erbengemeinschaft zu vertre1 Muscheler, ZEV 1997, 169 (175). 2 So Muscheler, ZEV 1997, 222 (228); zw. 3 BGH v. 27.10.1956 – IV ZR 126/56, LM § 2038 BGB Nr. 1; weitere Nachweise bei Muscheler, ZEV 1997, 222 (228), Fn. 52.
v. Morgen 1309
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C IV Rz. 242
Erbengemeinschaft
ten. Beschließt beispielsweise die Erbengemeinschaft – wirksam – die Instandsetzung eines im Nachlass befindlichen Gebäudes, so kann sie den entsprechenden Werkvertrag mit den Handwerksunternehmen und sogar – falls keine flüssigen Mittel im Nachlass vorhanden sind – den Darlehensvertrag mit der Bank ohne Mitwirkung der Minderheit abschließen.
Û
Beratungshinweis für Mehrheitserben: Bei Vollzug des Beschlusses unbedingt darauf achten, dass man nach außen sowohl im eigenen Namen als auch im Namen der übrigen, also der Minderheitserben auftritt. Nur dann entstehen (in der Regel) gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 2058 BGB. Anderenfalls haften nur die Mehrheitserben, mit der Möglichkeit – und dem Risiko der tatsächlichen Durchsetzbarkeit –, bei den übrigen Rückgriff zu nehmen.
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Das Problematische an dieser Lösung (egal, wie sie dogmatisch begründet wird) besteht indessen im Verhältnis zum Vertragspartner. Zwar kann sich dieser auch bei fehlerhaftem Beschluss möglicherweise auf eine Anscheinsbzw. Duldungsvollmacht (analog) berufen1. Ist er jedoch nicht bereit, dieses Risiko einzugehen, hilft dies den Mehrheitserben nicht weiter. In diesem Fall müssen sie die Minderheitserben konkret auf Mitwirkung am Vertragsschluss und ggf. bei der Finanzierung (notfalls gerichtlich) in Anspruch nehmen. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist hierfür – trotz Bestehens der Vollmacht – anzunehmen, erst recht, wenn sich der Vertragspartner sonst nachweislich weigert, den Vertrag auch mit den Minderheitserben, vertreten durch die Mehrheitserben, abzuschließen2.
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Weiteres Problem: Bei Verfügungen, also Rechtsgeschäften, durch die bestehende Rechte mit unmittelbarer Wirkung aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich verändert werden, gilt gemäß § 2040 Abs. 1 BGB grundsätzlich, dass nur ein gemeinschaftliches Handeln aller Miterben wirksam möglich ist. Nach der herrschenden Meinung3 ist § 2040 Abs. 1 BGB im Verhältnis zu §§ 2038 Abs. 2 Satz 1, 745 Abs. 1 BGB lex specialis. Dies hat entsprechend umständliche Folgen: Die Mehrheit bedarf zu Verfügungen auch dann der Mitwirkung der Minderheitserben und muss diese notfalls einklagen, wenn es sich zugleich um Verwaltungsmaßnahmen im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. bzw. Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Beispiele: – Übereignung von Nachlassgegenständen – Grundschuldbestellung an einem Nachlassgrundstück – Größtes Problem in der Praxis: Kündigung von Verträgen 1 Jülicher, AcP 175 (1975), 143 (154). 2 S. auch Soergel/Wolf, § 2038 Rz. 23. 3 BGH v. 29.3.1971 – III ZR 255/68, BGHZ 56, 47 (52); zuvor bereits RG v. 1.7.1925 – V 513/24, RGZ SeuffA 79 Nr. 221; zahlreiche weitere Nachweise bei Muscheler, ZEV 1997, 222 (230), Fn. 67.
1310 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 246 C IV
ff) Geltendmachung der Unwirksamkeit von Mehrheitsbeschlüssen Ein gegen die gesetzlichen Grenzen oder Anordnungen des Erblassers verstoßender Mehrheitsbeschluss ist ipso iure unwirksam. Dies kann von jedermann jederzeit geltend gemacht werden; Fristen analog § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG oder §§ 243 ff. AktG existieren für die Erbengemeinschaft nicht. Allenfalls ließe sich an den Gesichtspunkt der Verwirkung oder an ein venire contra factum proprium im Sinne des § 242 BGB denken, falls ein Miterbe bereits zu verstehen gegeben hat, dass er sich an den Beschluss halten werde. Die Ausführung eines fehlerhaften Beschlusses macht die Ausführenden bei Verschulden schadenersatzpflichtig1.
244
Die Unwirksamkeit kann im Übrigen unter den Voraussetzungen des § 256 ZPO von jedem Miterben durch Feststellungsklage gegenüber den sich auf die Wirksamkeit des Beschlusses berufenden übrigen Miterben gerichtlich geklärt werden2. Beweislast: Für die Voraussetzungen des § 745 Abs. 1 BGB derjenige Miterbe, der sich auf die Wirksamkeit des Beschlusses beruft, für sonstige Unwirksamkeitsgründe derjenige Miterbe, der sich auf die Unwirksamkeit beruft3.
245
c) Durchsetzung ordnungsgemäßer Verwaltung durch die Minderheit
Û
Beratungssituation: Mandant ist mit einem Minoritätsanteil Mitglied einer durch testamentarischen Auseinandersetzungsausschluss auf Dauer angelegten Erbengemeinschaft. Zum Nachlass gehören mehrere Zinshäuser, die aufgrund Reparaturstaus zusehends unattraktiver werden; die sukzessive frei werdenden Wohnungen sind so nicht wiedervermietbar. Aber jedes Mal, wenn der Mandant eine Beschlussfassung über Renovierungsmaßnahmen herbeiführt, wird er von der Mehrheit der Miterben durch entsprechende Nein-Stimmen abgeblockt. Er fragt, ob und inwieweit er die Renovierungsmaßnahmen auch gegen den Willen der übrigen Miterben erzwingen kann.
Erreicht der eine Maßnahme der ordnungsmäßiger Verwaltung erstrebende Miterbe auch nicht zumindest die Mehrheit innerhalb der Erbengemeinschaft zu seinen Gunsten, so braucht er die Flinte noch nicht endgültig ins Korn zu werfen, sondern kann die freiwillig im Rahmen der Beschlussfassung nicht erteilte Zustimmung der übrigen Miterben unter Umständen rechtlich erzwingen. § 2038 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. BGB sagt hierzu aus, dass jeder Miterbe dem anderen gegenüber verpflichtet ist, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind; aufgrund der Verweisung in § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB gilt ferner gemäß § 745 Abs. 2 BGB, dass jeder Miterbe eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen kann, sofern diese nicht durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss bereits geregelt sind. Die Maßstäbe 1 Muscheler, ZEV 1997, 222 (231). 2 Motive II. S. 876. 3 MüKo/K. Schmidt, §§ 744, 745 Rz. 33; Staudinger/Langhein, § 745 Rz. 48.
v. Morgen 1311
246
C IV Rz. 247
Erbengemeinschaft
beider Vorschriften erscheinen unterschiedlich („Erforderlichkeit“ einerseits, „interessegerechts billiges Ermessen“ andererseits). Für die (gerichtliche) Praxis ist dies wie folgt zu lösen: 247
Ist bereits ein Mehrheitsbeschluss zum selben Gegenstand gefasst worden, der eine abweichende Maßnahme beinhaltet, die sich indessen gleichwohl noch innerhalb einer „ordnungsmäßigen Verwaltung“ bewegt, so scheiden jegliche Ansprüche der Minderheit aus (§ 745 Abs. 2 BGB). Hierin liegt die Ermessensprärogative der Mehrheit, nämlich unter mehreren nach dem Maßstab „ordnungsmäßiger Verwaltung“ zulässigen Maßnahmen die ihr genehme durch Beschluss festzulegen; sie beschränkt sich allerdings im Ergebnis auch darauf.
248
Ausnahme: Dem Fehlen einer Vereinbarung/eines Mehrheitsbeschlusses steht gleich, wenn nach einer Regelung tatsächliche Veränderungen eingetreten sind. Beispiel1: Das im Nachlass vorhandene Einfamilienhaus ist einem Miterben gegen Entgelt zur Benutzung überlassen worden, eine Vereinbarung über die Höhe des Entgeltes ist indessen nicht zustande gekommen. In diesem Fall kann die Klage direkt auf Zahlung eines Entgeltes gerichtet werden, das nach billigem Ermessen dem gemeinschaftlichen Interesse an sachgerechter Verwaltung entspricht.
249
Liegt zu dem Gegenstand der erstrebten Verwaltungsmaßnahme (bzw. Benutzungsart) noch kein abweichender Mehrheitsbeschluss vor bzw. ist die erstrebte Maßnahme von der Mehrheit sogar abgelehnt worden, so kann die Minderheit die Zustimmung der übrigen Miterben – notfalls im Klagewege – erzwingen2.
Û
Beratungshinweis für klagenden Miterben: Der Klageantrag ist auf eine bestimmte Maßnahme zu richten, die dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechen muss (und keine wesentliche Veränderung des Gegenstandes beinhalten darf). Weigern sich nur einzelne Miterben, der Maßnahme zuzustimmen, so sind nur sie zu verklagen; für eine Klage gegen die anderen würde es am Rechtsschutzbedürfnis fehlen3.
Û
Beratungshinweis für beklagte Miterben: Es kann im Rahmen desselben Verfahrens auch Widerklage mit anderen konkreten Gegenanträgen über eine Verwaltung im Sinne des § 745 Abs. 2 erhoben werden4.
Weitere Anmerkung: Streng genommen müsste es – was bisher aus der Rechtsprechung und dem Schrifttum aber nicht ersichtlich ist – ausreichen, nur die für die Herbeiführung einer Mehrheitsentscheidung erforderlichen Miterben zu verklagen.
1 Nach BGH v. 17.12.1973 – II ZR 59/72, NJW 1974, 364 f. 2 BGH v. 8.5.1952 – IV ZR 208/51, BGHZ 6, 76 (82); OLG Celle v. 6.2.1962 – 10 U 124/61, JR 1963, 221 (222). 3 Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 27. 4 Palandt/Sprau, § 745 Rz. 5.
1312 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 254 C IV
d) Notverwaltungsrecht jedes einzelnen Miterben In Ausnahmefällen braucht der betreffende Miterbe die übrigen nicht einmal 250 zu befragen, um die Verwaltungsmaßnahme durchzuführen, bzw. kann dies sogar gegen den Willen der übrigen Miterben selbst in die Hand nehmen, ohne zuvor deren Zustimmung einzuklagen. Es muss sich dabei gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB um zur Erhaltung notwendige Maßregeln handeln. Der Maßstab ist ein sehr enger. Dabei ist zu beachten: Die Notverwaltungsmaßnahme muss dringend erforderlich sein, um eine Beeinträchtigung des Nachlasses zu verhindern.
251
Besteht noch Gelegenheit, eine Meinungsbildung unter den Miterben herbeizuführen, muss der betreffende Miterbe dies jedenfalls dann veranlassen, wenn durch die Erhaltungsmaßnahme erhebliche Verpflichtungen für die Erbengemeinschaft begründet werden1. Verweigern die übrigen Miterben indessen unberechtigterweise die Mitwirkung, kann der handelnde Miterbe die Maßnahme unter Hinweis auf das Notverwaltungsrecht dann auch gegen den Willen der Miterben durchführen2.
252
Unter den Voraussetzungen des Notverwaltungsrechts kann der einzelne Miterbe die übrigen Miterben vertreten (gesetzliche Vertretungsmacht); er muss dies jedoch gegenüber dem Vertragspartner zu erkennen geben. Anderenfalls entsteht keine gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeit, sondern nur der handelnde Miterbe wird im Außenverhältnis persönlich verpflichtet und hat dann allerdings im Innenverhältnis aufgrund Auftragsrechts einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die übrigen Miterben3.
253
Das Notverwaltungsrecht erfasst nach herrschender Meinung – konträr zur Auffassung der herrschenden Meinung im Übrigen (vgl. oben b) ee) (2), Rz. 243) – entgegen § 2040 Abs. 1 BGB auch die Vornahme von Verfügungen4. Denn wenn dies nicht möglich wäre, würde das Notverwaltungsrecht im Ergebnis leer laufen. Hierunter rechnet z.B. auch die Erhebung einer – fristgebundenen – Anfechtungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluss5.
254
Û
Beratungshinweis für handelnden Miterben: Hinsichtlich der Einschätzung, ob eine bestimmte Notverwaltungsmaßnahme gerechtfertigt ist oder nicht, trägt der handelnde Miterbe das volle Risiko. Dies gilt sowohl für das „Ob“ als auch für das „Wie„: Schießt der handelnde Miterbe aufgrund einer Fehleinschätzung über das Ziel hinaus, hat dies die für ihn u.U. fatale Folge, dass seine Vertretungsmacht für die übrigen Miterben nicht gegeben ist, so dass keine gemeinschaftliche Nachlassverbindlich-
1 BGH v. 8.5.1952 – IV ZR 208/51, BGHZ 76,(83); OLG Hamm v. 13.11.1984 – 14 W 200/84. 2 Ebeling/Geck, Rz. 298; Soergel/Wolf, § 2038 Rz. 13. 3 MüKo/Heldrich, § 2038 Rz. 61. 4 S. insbesondere BGH v. 12.6.1989 – II ZR 246/88, NJW 1989, 2694 (2697). 5 So BGH v. 12.6.1989 – II ZR 246/88, BB 1989, 1496 ff.
v. Morgen 1313
C IV Rz. 255
Erbengemeinschaft
keit, sondern eine persönliche Eigenverbindlichkeit des handelnden Miterben entsteht, der dann insoweit auch keinen Rückgriffsanspruch gegenüber den übrigen Miterben hat; es sei denn, es liegen im Einzelfall die Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatzanspruch nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683, 684, 687 Abs. 2 BGB vor1. Es sollte also im eigenen Interesse in jedem Einzelfall vor Durchführung eine besonders sorgfältige Prüfung sämtlicher Voraussetzungen (und Folgen) des Notverwaltungsrechts vorgenommen und, wenn irgend möglich, stattdessen lieber doch noch eine Entscheidung innerhalb der Erbengemeinschaft herbeigeführt werden. Die Situation des handelnden Miterben wird dabei allerdings auch noch dadurch erschwert, dass mit dem Notverwaltungsrecht ebenso eine entsprechende Notverwaltungspflicht korrespondiert2. Beispiel: Ein Miterbe, der allein Kenntnis vom Erbfall hat, ist gegenüber den übrigen verpflichtet, notwendige Verkehrssicherungsmaßnahmen zu treffen und notfalls sogar sein eigenes Vermögen zur Finanzierung der Maßregeln anzugreifen3. e) Checkliste aa) Vorklärungen (1) Verwaltungsrecht entzogen? 255
– durch Testamentsvollstreckung – ggf. Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker gemäß §§ 2216, 2218, 2219, 2227 BGB – Ausnahme? – Beschränkung auf anderen Erbteil – gegenständliche Beschränkung auf anderweitigen Bereich (§ 2208 Abs. 1 Satz 2 BGB) – höchstpersönliches Recht betroffen – In-Sich-Geschäft (§ 181 BGB) ohne Gestattung des Erblassers4 – Eingehung von Verbindlichkeiten, wenn nicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich (§ 2206 Abs. 1 Satz 1 BGB) und auch keine Gestattung durch Erblasser – unentgeltliche Verfügung, die keiner sittlichen Pflicht oder Anstandsrücksicht entspricht (§ 2205 Satz 3 BGB) – während Nachlassverwaltung (§ 1984 BGB) oder -insolvenz (§§ 315 ff. InsO) 1 Dazu BGH v. 20.5.1987 – IVa ZR 42/86, NJW 1987, 3001 ff.; BGH v. 25.6.2003 – IV ZR 285/02, ZEV 2003, 413 (414) m. zust. Anm. v. Morgen, ZEV 2003, 415 (416). 2 Ebenroth, Rz. 744; MüKo/Heldrich, § 2038 Rz. 55. 3 Vgl. BGH v. 23.9.1953 – VI ZR 313/52, JZ 1953, 706. 4 RG v. 28.6.1905 – B 143/05, RGZ 61, 139 (144).
1314 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 259 C IV
– aufgrund Übertragung auf einen anderen Miterben in der letztwilligen Verfügung1 – ggf. Entziehung aus wichtigem Grund möglich2 – infolge Pfändung des Erbteils oder Verpfändung und Eintritt der Pfandreife – wegen Interessenkollision – Einzelfall (2) Mitwirkung Dritter erforderlich? – bei Verpfändung des Erbteils vor Eintritt der Pfandreife
256
– Pfandgläubiger – bei Nießbrauchsbestellung am Erbteil – Nießbraucher bb) Verfahrensweise (Abschichtung) (1) Notverwaltungsmaßnahmen i.S.d. § 2038 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB? – Alleinhandlungsrecht (und -pflicht) jedes Miterben
257
– auch bei Verfügungen i.S.d. § 2040 BGB3 – gesetzliche Vertretungsmacht nach außen – bei Überschreitung ggfl. Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 683, 684, 687 Abs. 2 BGB (2) Zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderliche Maßnahmen i.S.d. § 2038 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. BGB? – Mitwirkung übriger Miterben notwendig –
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einklagbar4
(3) Dem Interesse aller Miterben nach billigem Ermessen entsprechende Maßnahme der Verwaltung (oder Benutzung) i.S.d. § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 2 BGB analog? – Anspruch auf Mitwirkung
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– Voraussetzungen: – kein abweichender Mehrheitsbeschluss gemäß § 745 Abs. 1 BGB analog/ keine abweichende Vereinbarung 1 2 3 4
Palandt/Edenhofer, § 2038 Rz. 2. BGH v. 8.5.1952 – IV ZR 208/51, BGHZ 6, 76 (82). BGH v. 12.6.1989 – II ZR 246/88, NJW 1989, 2694 (2697). BGH v. 8.5.1952 – IV ZR 208/51, BGHZ 6, 76 (82); OLG Celle v. 6.2.1962 – 10 U 124/61, JR 1963, 221 (222).
v. Morgen 1315
C IV Rz. 260
Erbengemeinschaft
– es sei denn: wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse1 – keine wesentliche Veränderung des Gegenstandes (§ 745 Abs. 3 Satz 1 BGB analog) (4) Der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Gegenstandes entsprechende Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung (oder Benutzung) i.S.d. § 2038 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 745 Abs. 1 BGB analog? 260
– Mehrheit erforderlich/ausreichend – Vertretungsmacht der Mehrheit nach außen (h.M.) – Ausnahmen: – wesentliche Veränderung des Gegenstandes (§ 745 Abs. 3 Satz 1 BGB analog) – Beeinträchtigung der Nutzungsquote eines Miterben (§ 745 Abs. 3 Satz 2 BGB analog) – Verfügungen i.S.d. § 2040 BGB – aber Mitwirkungspflicht der Minderheit, notfalls einzuklagen2 – Aufhebung bereits vorhandenen einstimmigen oder Mehrheitsbeschlusses, es sei denn: neue Sachlage (5) Alle übrigen Maßnahmen der Verwaltung (oder Benutzung), insbesondere:
261
– Verstoß gegen Anordnungen des Erblassers, frühere Beschlüsse, Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung etc. – wesentliche Veränderung des Gegenstandes/Beeinträchtigung von Nutzungsquoten – nicht notwendige Verfügungen (§ 2040 BGB) – Einstimmigkeit erforderlich – Unwirksamkeit nur bei allgemeinen Nichtigkeitsgründen, z.B. §§ 134, 138, 119 ff., 123 f. BGB
3. Lastentragung und Anspruch auf Nutzungen
Û
Beratungssituation: Mandant ist gemeinsam mit seiner Stiefmutter Erbe des Vaters. Bisher hatte er stillschweigend geduldet, dass die Stiefmutter das ererbte Einfamilienhaus allein weiternutzt. Nun aber verlangt sie, dass die Grundsteuern aus dem ungeteilten Nachlass gezahlt werden. Mandant will sich nicht nur dagegen zur Wehr setzen, sondern nunmehr
1 BGH, v. 17.12.1973 – II ZR 59/72, NJW 1974, 364 (365). 2 Noch h.M., s. Brox, Rz. 493; Staudinger/Werner, § 2038 Rz. 40; MüKo/Heldrich, § 2038 Rz. 45 ff.
1316 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 265 C IV
auch für seinen Anteil Nutzungsentschädigung von seiner Stiefmutter für die Vergangenheit fordern. a) Lasten Die Kosten für die Erhaltung, Verwaltung und gemeinschaftliche Benutzung sowie die sonstigen Lasten der gemeinschaftlichen Nachlassgegenstände sind zunächst aus dem Nachlass zu begleichen. Gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 748 BGB tragen die Erben die Kosten im Verhältnis ihrer Erbteile. Notfalls müssen Vorschüsse aus dem Eigenvermögen geleistet werden1.
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Û
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Beratungshinweis für „inaktiven“ Miterben: Auch wenn ein Miterbe ohne Zustimmung der Übrigen ein Nachlassgrundstück faktisch allein nutzt, ändert dies nach der Rechtsprechung nichts an der quotalen Mitbeteiligung der übrigen Miterben an den Kosten und Lasten; nur in Ausnahmefällen kann bei unterschiedlichem Gebrauch einzelner Nachlassgegenstände hierin eine stillschweigende Verteilung der Lasten im Verhältnis der Nutzung liegen1. Um zumindest insoweit Abhilfe zu schaffen, muss also unbedingt eine hiervon abweichende Beschlussfassung in die Wege geleitet werden. Ist dies – mangels Mehrheitsfähigkeit – nicht möglich, hilft in der Praxis nicht selten der Umweg über die Geltendmachung des Individualrechts auf Mitnutzung (s. Rz. 264 f.).
b) Recht zum Gebrauch der Nachlassgegenstände Die Gebrauchsvorteile stehen den Miterben anteilig zu2. Gebrauchsvorteil ist dabei insbesondere auch die Nutzung durch den oder die Miterben selbst. Die Festlegung der Art und Weise des Gebrauches unterliegt als Verwaltungsmaßnahme der Entscheidung der Erbengemeinschaft (s. Rz. 230). Durch § 743 Abs. 2 BGB ist aus Gründen des Minderheitsschutzes ein Individualrecht jedes einzelnen Miterben festgelegt, den gemeinschaftlichen Gegenstand soweit zu gebrauchen, wie der Mitgebrauch der übrigen Miterben nicht beeinträchtigt wird.
Û
264
Beratungshinweis für „passiven Miterben“: Der passive Miterbe wird in- 265 soweit bestraft. Nutzt nur einer von mehreren Miterben faktisch das im Nachlass befindliche Grundstück, so können die übrigen nur dann Ersatz für die gezogenen Nutzungen fordern, wenn entweder eine dahin gehende Vereinbarung gemäß § 745 Abs. 2 BGB getroffen oder ihnen der Mitgebrauch des Grundstückes entgegen ihrem Verlangen von dem anderen Miterben hartnäckig verweigert worden ist3. Ansonsten geht er leer aus. Auch eine dann durchgesetzte Nutzungsvereinbarung wirkt nur ex nunc4. Gerade in Fällen, in denen z.B. der überlebende Ehegatte das ehe-
1 Ebeling/Geck, Rz. 329. 2 BGH v. 29.6.1966 – V ZR 163/63, BB 1966, 1001. 3 BGH v. 29.6.1966 – V ZR 163/63, BB 1966, 1001; BGH v. 13.1.1993 – II ZR 212/90, WM 1993, 849; OLG Hamburg v. 13.2.1998 – 11 U 169/96, (unveröffentlicht). 4 Ebeling/Geck, Rz. 340.
v. Morgen 1317
C IV Rz. 266
Erbengemeinschaft
malige Familienwohnhaus allein weiter nutzt, obwohl die Erbengemeinschaft außerdem noch aus den (erwachsenen) Kindern besteht, müssen die Kinder, sofern sie insoweit nicht bewusst auf Ansprüche verzichten wollen, umgehend entweder eigene Gebrauchsrechte einfordern oder aber eine Regelung der Erbengemeinschaft im Sinne des § 745 Abs. 2 BGB herbeiführen. c) Teilung der Früchte
Û
Beratungssituation: Mandant ist Mehrheitserbe eines Nachlasses, zu dem erhebliche Festgeldanlagen gehören. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Bestandsfeststellung, langwieriger Pflichtteilsverfahren, streitiger Ausgleichungspflichten etc. verzögert sich die Auseinandersetzung des Nachlasses um mehrere Jahre, wodurch Mandant ernsthafte Liquiditätsprobleme bekommt, zumal er bereits seit Jahren für seinen jeweiligen Anteil an den beträchtlichen Nachlasserträgen zur Einkommensteuer veranlagt wird. Die übrigen Miterben, deren Anteile weitaus geringer sind (und die die auf ihren Anteil an den Nachlasserträgen jeweils entfallende Einkommensteuer dementsprechend auch weniger tangiert), verweigern indessen jegliche vorzeitige Teilauseinandersetzung vor Klärung aller offenen Streitfragen. Mandant fragt daraufhin, ob er nicht wenigstens seinen (Mindest-)Anteil an den jährlichen Erträgen einfordern kann.
aa) Grundsatz: Teilung erst bei Auseinandersetzung 266
Entsprechend dem gesetzlichen Leitbild der auf zeitnahe Auseinandersetzung angelegten Erbengemeinschaft, welches allerdings schon lange nicht mehr der überwiegenden Realität entspricht, sieht das Gesetz in § 2038 Abs. 2 Satz 2 BGB vor, dass die Teilung der Früchte erst bei der Auseinandersetzung erfolgt. Auch Abschlagszahlungen auf den zu erwartenden Anteil an den Früchten können im Allgemeinen nicht gefordert werden1. Für eine frühere Verteilung bedarf es einer Vereinbarung sämtlicher Miterben; ein einfacher Mehrheitsbeschluss genügt zur vorzeitigen Verteilung der Früchte nicht2. Nach einer Entscheidung des LG Halle3 soll allerdings eine einseitige vorzeitige Teilung der Früchte dann verlangt werden können, wenn aufgrund der besonderen Umstände eine Berufung auf § 2038 Abs. 2 Satz 2 BGB arglistig wäre4.
1 Vgl. OLG Stettin v. 4.4.1908, OLGE 18, 327 (328); OLG Hamburg v. 11.5.1965 – 2 U 94/65, MDR 1965, 665. 2 Vgl. RG v. 23.1.1913 – Rep. 387/12, RGZ 81, 241 (243). 3 LG Halle v. 6.8.1936 – 8 S 208/36, JW 1937, 643. 4 Vgl. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH zur Auseinandersetzung bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGH v. 14.3.1990 – XII ZR 98/88, NJW-RR 1990, 736).
1318 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 270 C IV
bb) Ausnahme: Jährliche Teilung des Reinertrages bei längerem Ausschluss der Auseinandersetzung Ausnahmsweise kann gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB jeder Miterbe am Schluss jedes Jahres die Teilung des Reinertrages verlangen, wenn die Auseinandersetzung des Nachlasses auf längere Zeit als ein Jahr ausgeschlossen ist. Für die Praxis ergeben sich dabei typischerweise die folgenden drei Problemkreise:
267
Ermittlung des „Reinertrages“: Der Begriff des „Reinertrages“ ist weder im Gesetz selbst noch in den Gesetzesmaterialien1 auch nur ansatzweise bestimmt. Auch in der meisten Kommentarliteratur fehlen weiterführende Hinweise für die Praxis2. Richtigerweise wird man sämtliche Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellen müssen, wobei zu den Ausgaben auch die Kosten für die Verwaltung des Nachlasses zu zählen sind3. Dabei dürfte eher eine Liquiditäts- als eine steuerliche Betrachtung angemessen sein. Dies bedeutet, dass Abschreibungen für Anschaffungen nicht als Kosten des betreffenden Jahres anzusetzen sind, wohl aber (steuerlich nicht wirksame) Tilgungsleistungen auf Darlehen. Letzteres auch unter dem Gesichtspunkt des § 2046 BGB.
268
Dennoch bleiben Zweifelsfragen: So könnte beispielsweise von der Mehrheit der Miterben eine „Liquiditätsschöpfung“ durch Darlehensaufnahme zu einer Verbesserung der Liquidität führen. Auch diese wäre m.E. aber für die Ermittlung des Reinertrages im Sinne des § 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB unerheblich. Denn es handelt sich dabei von vornherein nicht um Früchte im Sinne des § 99 BGB. Eine bloße Verzögerung der Auseinandersetzung des Nachlasses, d.h. ohne entsprechende Anordnung des Erblassers, genügt für die Anwendung des § 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB nicht4. Dies kann vor allem dann, wenn sich die Erbauseinandersetzung wegen ungeklärter Nachlassverbindlichkeiten, Pflichtteilsverfahren, inaktiver Testamentsvollstrecker etc. in der Praxis teilweise bis zu zehn Jahren hinzieht, für einzelne Miterben zu großen Erschwernissen führen. Vor allem auch deshalb, weil die Erbschaftsteuer ungeachtet dessen zu entrichten ist und in diesen Fällen außerdem auf die Erträge des Nachlasses entsprechend den Erbanteilen auch die jeweilige Einkommensteuer bereits fällig wird.
269
Û
270
Beratungshinweis für Erben: In diesen Fällen sollten die Erben eine Vereinbarung entsprechend den üblichen Klauseln einer Personenhandels-
1 Vgl. Mugdan, „Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich“, Band 5, Erbrecht, 1979, S. 500. 2 Vgl. z.B. Staudinger/Werner, § 2038 Rz. 43 mit dem lapidaren Hinweis: „nach Abzug der Gewinnungskosten“; s. zu einigen Einzelfragen jedoch die unveröffentlichte Entscheidung des LG Hamburg v. 11.5.2004 – 309 O 223/00 (rkr.). 3 Ebeling/Geck, Rz. 334. 4 RG v. 23.1.1913 – Rep. IV 387/12, RGZ 81, 241 (243); Soergel/Wolf, § 2038 Rz. 20; Palandt/Edenhofer, § 2038 Rz. 15.
v. Morgen 1319
C IV Rz. 271
Erbengemeinschaft
gesellschaft über Gewinnverteilung und Vorabentnahmen treffen, d.h., eine Mindestentnahme in Höhe der auf den Ertragsanteil entfallenden Einkommensteuerbelastung sollte als zulässig vereinbart werden, damit diese nicht aus dem Eigenvermögen der Erben, welches möglicherweise gar nicht ausreicht, aufgebracht werden muss. Ebeling/Geck1 nehmen deshalb unter dem Aspekt einer „Treuepflicht unter den Erben“ sogar eine wechselseitige Verpflichtung, eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen, an. Dies erscheint allerdings nicht gerechtfertigt. Da die Miterben nicht durch vertragliche Vereinbarung unter einem gemeinsamen Zweck eine Gesamthandsgemeinschaft bilden, sondern qua Erbfall als Zufallsgemeinschaft zusammenkommen, bestehen keine derartigen Treuepflichten2.
4. Sonderfall: Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen im Nachlass
Û
Beratungssituation: Mandantin ist Ehefrau eines erfolgreichen Unternehmers, der plötzlich und ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstirbt. Entsprechend der gesetzlichen Erbfolge wird sie Miterbin neben den drei minderjährigen Kindern. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Konglomerat diverser ineinander verschachtelter Unternehmen und Beteiligungen in den verschiedensten Rechtsformen. Die Mandantin bittet um Klärung, welches Unternehmen jetzt wie und durch wen im Einzelnen fortzuführen ist.
a) Handelsgeschäft 271
Aus § 27 Abs. 1 HGB ergibt sich, dass ein einzelkaufmännisches Unternehmen in den Nachlass fällt, so dass die Erben berechtigt sind, das Unternehmen entsprechend der vom Erblasser ausgeübten geschäftlichen Tätigkeit fortzuführen3. Damit sind im Falle einer Erbengemeinschaft grundsätzlich alle Miterben berechtigt, das Handelsgeschäft gemeinschaftlich fortzuführen. Die Haftungsfolge der §§ 27, 25 HGB i.V.m. § 1922 BGB bezüglich aller im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers (Erblassers) tritt in der Person aller Miterben indessen nur dann ein, wenn das Geschäft auch tatsächlich von allen Miterben gemeinschaftlich fortgeführt wird4. Der dementsprechende Wille kann insbesondere – stillschweigend – bereits durch die Bevollmächtigung eines oder mehrerer der Miterben zur Fortführung auch von den übrigen geäußert werden. (S. auch C V. Rz. 32 ff.)
272
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Beratungshinweis für „passive“ Miterben: Klarheit der Willensentschließung und Zurückhaltung mit Handlungen, die als stillschweigende Äu-
1 Ebeling/Geck, Rz. 332. 2 Vgl. auch Muscheler, ZEV 1997, 169 (173). 3 Vgl. u.a. RG v. 26.3.1931 – II B 5/31, RGZ 132, 138 (143); Buchwald, BB 1962, 1405 (1406). 4 Ebeling/Geck, Rz. 802.
1320 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 277 C IV
ßerung des Fortführungswillens verstanden werden könnten, sind in diesem Zusammenhang folglich dringend geboten1. Als Besonderheit ist noch zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes2 Eltern ihre Kinder kraft elterlicher Vertretungsmacht bei Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft nicht ohne familiengerichtliche Genehmigung finanziell unbegrenzt verpflichten können, indem sie auf diese Weise Verbindlichkeiten zulasten ihrer minderjährigen Kinder eingehen könnten, die über deren Haftung mit dem ererbten Vermögen hinausgehen; § 1629 Abs. 1 i.V.m. § 1643 Abs. 1 BGB sind insoweit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der minderjährigen Kinder gemäß Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
273
Zu beachten ist weiter, dass ein Handelsgeschäft, welches nicht vollkaufmännisch im Sinne des § 1 HGB ist, zwar grundsätzlich gleichfalls von der Erbengemeinschaft weitergeführt werden kann, indessen dann ausnahmsweise nicht, wenn das Unternehmen mit der Person des Inhabers so eng verknüpft ist, dass es von den Erben der Sache nach nicht fortgeführt werden kann, insbesondere wenn persönliche, nicht vertretbare Leistungen des früheren Inhabers (Erblassers) im Vordergrund standen3.
274
Formal ist das Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Nachfolgezusatz fortzuführen (§ 22 Abs. 1 HGB); die erforderliche Einwilligung des Erblassers in die Fortführung unter der bisherigen Firma ist in aller Regel bei Vorhandensein einer entsprechenden letztwilligen Verfügung zu vermuten4. Die Erbengemeinschaft ist mit Vornamen und Familiennamen jedes Miterben im Handelsregister einzutragen, sofern das Handelsgeschäft von sämtlichen Miterben fortgeführt wird. Auch wenn das Handelsgeschäft nur von einzelnen Miterben fortgeführt werden soll, ist die Anmeldung zum Handelsregister von sämtlichen Erben zu beantragen5.
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Allein durch die gemeinschaftliche Fortführung des Handelsgeschäfts wird die Erbengemeinschaft insoweit nicht zu einer OHG, auch wenn die Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis der Miterben vom IV. Senat des BGH6, gegen Kritik im Schrifttum7, teilweise den Grundsätzen des Rechts der OHG analog unterstellt worden sind.
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Beratungshinweis für Erben: Es kann allerdings – vor allem wegen der mangelnden Flexibilität der Erbengemeinschaft als solcher in der Fortfüh-
Vgl. auch Ebeling/Geck, Rz. 333.1. BVerfG v. 13.5.1986 – 1 BvR 1542/84, BB 1986, 1248 ff. Vgl. BGH v. 13.3.1963 – V ZR 208/61, BB 1963, 575 (576). Kuchinke, ZIP 1987, 681. Ebeling/Geck, Rz. 781. BGH v. 21.5.1955 – IV ZR 7/55, NJW 1955, 1227. Fischer, ZHR 1980, 1 ff.; Lehmann, NJW 1958, 1 ff.; Ebeling/Geck, Rz. 338; Strothmann, ZIP 1985, 969 (975).
v. Morgen 1321
C IV Rz. 278
Erbengemeinschaft
rung eines Handelsgeschäftes1 – im Einzelfall dennoch durchaus sinnvoll sein, das Handelsgeschäft in anderer Rechtsform, beispielsweise als oHG, KG oder GmbH, fortzuführen. Dabei ist indessen zu beachten, dass es sich bei der hierfür notwendigen Umwandlung um eine (Teil-)Auseinandersetzung des Nachlasses handelt, die an den Regeln der §§ 2042 ff. i.V.m. §§ 749 Abs. 2, 3 und 750–758 BGB zu messen ist2. 278
Die Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts durch die Erbengemeinschaft ist grundsätzlich gleichfalls Nachlassverwaltung im Sinne des § 2038 BGB, so dass mehrheitliche Entscheidungen zulässig sind, soweit die unternehmerischen Maßnahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen. Einschränkend wird hierzu allerdings teilweise vertreten, dass risikobeladene Geschäfte von der Mehrheitsverwaltung ausgenommen seien; der damit verbundene Effekt, die Fortführung des Handelsgeschäfts durch die Erbengemeinschaft in einzelnen Maßnahmen zu erschweren, sei in Kauf zu nehmen, da eine Fortführung des Einzelunternehmens durch eine Erbengemeinschaft in der Praxis ohnehin den Ausnahmefall bilde3.
279
Û
Beratungshinweis, insbesondere für „passiven“ Miterben: Angesichts dessen kann i.d.R. nur empfohlen werden, das Unternehmen – im Wege der Teilauseinandersetzung (s. Rz. 277) – möglichst in einer anderen Rechtsform, die zusätzlich auch Haftungsbeschränkungen ermöglichen sollte, fortzuführen.
b) Personengesellschaften 279a Nach der gesetzlichen Regel des § 727 Abs. 1 BGB wird eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Tode eines ihrer Gesellschafter aufgelöst. Es entsteht eine Liquidationsgesellschaft, an welcher die Erben des Gesellschafters, gesamthänderisch gebunden als sogenanntes Sondervermögen des Nachlasses4, beteiligt sind. Nach Abschluss des Liquidationsverfahrens fällt dann der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben in den Nachlass. 280
Bis zum 30.6.1998 galt dies aufgrund der Verweisung auf das Recht der GbR in § 131 Nr. 4 a.F., für die KG i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB, grundsätzlich auch für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften beim Tode eines persönlichen Gesellschafters, war in der Praxis war dies in den meisten Gesellschaftsverträgen indessen bereits durch eine so genannte Fortsetzungsklausel abbedungen, die gemäß §§ 736 BGB, 138 HGB zulässig war und ist.
281
Seit dem 1.7.1998 gilt aufgrund des Handelsrechtsreformgesetzes (HRefG) vom 22.6.19985 indessen kraft Gesetzes bereits, dass der verstorbene Gesellschafter einer oHG oder KG aus der Gesellschaft unter Fortsetzung durch die 1 2 3 4 5
Vgl. im Einzelnen u.a. Ebeling/Geck, Rz. 343. Vgl. auch BGH v. 17.1.1951 – II ZR 16/50, NJW 1951, 311 (312). Ebeling/Geck, Rz. 786. BGH v. 21.9.1995 – IIZR 273/93, NJW 1445, 3314. BGBl. I 1474.
1322 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 283 C IV
verbleibenden Gesellschafter ausscheidet, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts Abweichendes vereinbart worden ist (§§ 131 Abs. 2 Nr. 1, 161 Abs. 2 HGB). Damit ist der Grundsatz umgekehrt worden. Für die Erbengemeinschaft nach einem persönlich haftenden Gesellschafter einer oHG oder KG bedeutet dies, dass lediglich der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben und auf Freistellung von den Gesellschaftsschulden in den gesamthänderisch gebundenen Nachlass fällt1. Durch die Erben ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 2 HGB ein gemeinsamer Vertreter zu bestellen. Lediglich der Kommanditanteil an einer KG ist auch nach dem Gesetz frei vererblich (§ 177 HGB). Auch nach der neuen Gesetzeslage ist es selbstverständlich zulässig, gleichwohl eine Fortsetzung mit allen oder einzelnen Erben eines verstorbenen persönlich haftenden Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag vorzusehen (einfache oder qualifizierte Nachfolgeklauseln). Dies führt dann allerdings zu dogmatischen Unsicherheiten. Nach nunmehr wohl einhelliger Rechtsprechung des für Erbrecht zuständigen IV. Zivilsenats und des für Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats des BGH werden vererbliche Beteiligungen an einer Personengesellschaft im Erbfall nicht gemeinschaftliches (Gesamthands-)Vermögen der Miterben, sondern gehen im Wege der Sondererbfolge unmittelbar im Verhältnis der Erbteile auf den/die eintrittsberechtigten Miterben über, ohne dass es dafür eines besonderen Übertragungsaktes bedürfte2. Die Begründung dieses dogmatischen „Kunstgriffes“ besteht darin, dass sich insbesondere die Haftungsvorschriften des Erbrechts nicht mit denen des Gesellschaftsrechts vereinbaren ließen; die grundsätzlich auf den Nachlass beschränkte Erbenhaftung würde die Stellung als persönlich (unbeschränkt) haftender Gesellschafter unterminieren.
282
Konsequenz: Die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter ist nicht Bestandteil der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft; die Regelungen über die Verwaltung nach § 2038 BGB gelten demnach nicht.
Û
Beratungshinweis für Gesellschafter: Für die Praxis in der oHG und KG empfiehlt sich nach der neuen Rechtslage ab 1.7.1998 entweder die Streichung der in älteren Gesellschaftsverträgen noch vorhandenen Fortsetzungsklauseln, so dass ein persönlich haftender Gesellschafter mit seinem Tode gegen Abfindungsanspruch der Erbengemeinschaft ausscheidet, oder – wenn die Liquidität der Gesellschaft geschont werden soll – zumindest die Vereinbarung einer so genannten qualifizierten Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag. Bei der Gestaltung sollte unbedingt auch steuerlicher Rat eingeholt werden.
1 Vgl. BGH v. 21.4.1955 – II ZR 227/53, BGHZ 17, 130 (136). 2 Vgl. BGH v. 4.5.1983 – IVa ZR 229/81, NJW 1983, 2376 (2377); BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, NJW 1986, 2431 (2432); BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48 (53 ff.); wohl auch BGH v. 10.1.1996 – IV ZB 21/94, ZEV 1996, 110 (111).
v. Morgen 1323
283
C IV Rz. 284
Erbengemeinschaft
c) GmbH-Anteil 284
§ 15 Abs. 1 GmbHG sieht ausdrücklich die Vererblichkeit von GmbH-Anteilen vor, so dass im Falle einer Erbengemeinschaft der Anteil der gesamthänderischen Bindung unterliegt. Gemäß § 18 GmbHG können die Miterben die Rechte als Gesellschafter der GmbH, insbesondere das Stimmrecht, nur gemeinschaftlich ausüben, sofern nicht ein gemeinsamer Vertreter bestellt ist. Die Bestellung dieses gemeinsamen Vertreters liegt im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB und bedarf daher nur eines Mehrheitsbeschlusses1. Solange die Erbengemeinschaft keinen gemeinsamen Vertreter bestellt hat, kann die Gesellschaft einseitige Rechtsgeschäfte (Zahlungsaufforderungen, Ladungen u.Ä.) gegenüber nur einem der Miterben vornehmen, sofern in der Satzung nichts Abweichendes bestimmt ist; zweiseitige Rechtsgeschäfte können hingegen immer nur mit allen Miterben gemeinsam abgeschlossen werden. Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 GmbHG dürfen allerdings Rechtshandlungen gegenüber der Erbengemeinschaft erst nach Ablauf eines Monats seit dem Erbfall vorgenommen werden.
285
Û
Beratungshinweise für Gesellschafter und Erben: Das Innenverhältnis der Mitberechtigten am Geschäftsanteil unterliegt im Falle einer Erbengemeinschaft nicht § 18 GmbHG, sondern § 2038 BGB. Ohne Einigung zwischen den Miterben können daher die Rechte aus dem Geschäftsanteil nicht geltend gemacht werden. Dies kann zu einer unerwünschten „Lähmung“ führen. Daher liegt es zum einen im Interesse einer – auch zerstrittenen – Erbengemeinschaft, möglichst einen gemeinsamen Vertreter zu bestimmen, zum anderen liegt es aber auch im Interesse der Gesellschaft, diesen Fall durch entsprechende Klauseln in der Satzung bereits bestmöglich im Vorwege zu regeln. Hierzu gilt im Einzelnen Folgendes: Die Vererblichkeit kann durch die Satzung nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch eine „Sondererbfolge“, quasi am Nachlass vorbei, ist, anders als bei Personengesellschaften von der Rechtsprechung angenommen (vgl. Rz. 282), hier nicht zulässig2. Ebenso wenig eine mit dem Tod eines Gesellschafters ipso iure eintretende Einziehung seines Geschäftsanteils3. Zulässig sind allerdings Einziehungs- bzw. Abtretungsklauseln, welche der Gesellschaft oder den übrigen Gesellschaftern unter bestimmten, näher zu beschreibenden Voraussetzungen einen Anspruch einräumen, den Anteil des verstorbenen Gesellschafters einzuziehen oder von den Erben die Abtretung zu verlangen4. Außerdem sollte in der Satzung eine bestimmte Frist vorgesehen werden, innerhalb derer die Erbengemeinschaft einen gemeinsamen Vertreter zu bestimmen hat.
1 2 3 4
BGH v. 14.12.1967 – II ZR 30/67, BGHZ 49, 183 (190). Statt aller: Priester, GmbHR 1981, 207. Statt aller: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Auflage, § 15 Rz. 8 ff. Ebeling/Geck, Rz. 761.
1324 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 288 C IV
Beides kann auch miteinander kombiniert werden, etwa wie folgt:
286
Formulierungsvorschlag § . . . – Erbfall Mehrere Erben eines Gesellschafters haben, soweit ihnen die Verwaltungsbefugnis nicht aufgrund von Testamentsvollstreckung oder aus anderen Gründen entzogen ist, binnen drei Monaten nach Aufforderung durch die Gesellschaft einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen und bei der Gesellschaft anzumelden. Tun sie dies nicht, so kann der durch den Erbfall auf die Erbengemeinschaft übergegangene Geschäftsanteil durch einen von den übrigen Gesellschaftern mit Stimmenmehrheit gefassten Beschluss gemäß § . . . eingezogen werden.
Û
Beratungshinweis für den Gesellschafter: Wegen der steuerlichen Auswirkungen im Erbfall unbedingt auch steuerlichen Rat hierzu einholen!
IV. Haftung und Forderungszuständigkeit 1. Haftung
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Beratungssituation: Mandant hat eine Darlehensforderung gegen einen Schuldner, der zwischenzeitlich verstorben und von seinen fünf Kindern beerbt worden ist. Der Nachlass, der zur Begleichung der Darlehensforderung wertmäßig nicht ganz ausreichen würde, ist noch ungeteilt. Einer der Miterben ist jedoch recht vermögend. Mandant fragt, wie er nun zur Realisierung seiner Forderung am besten vorgeht.
Die unterschiedliche Haftung der Miterben, wie sie in den §§ 2058–2063 BGB geregelt ist, stellt lediglich eine Ergänzung zur allgemeinen Regelung der Erbenhaftung gemäß §§ 1967–2017 BGB (s. dazu Kap. C V) dar. Es wird dabei danach differenziert, ob und inwieweit die Miterben als Gesamtschuldner oder lediglich anteilig entsprechend ihrer jeweiligen Erbquote sowie ob sie beschränkt oder unbeschränkbar haften.
287
a) Grundsatz: Gesamtschuldnerische Haftung der Miterben für gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten, § 2058 BGB aa) Gemeinschaftliche Nachlassverbindlichkeiten Dies sind grundsätzlich alle Nachlassverbindlichkeiten, für welche die Voraussetzungen des § 2046 Abs. 2 BGB nicht zutreffen, die also nicht nur einzelnen Miterben zur Last fallen (wie beispielsweise Vermächtnisse oder Auflagen, die nach der letztwilligen Verfügung nur einzelnen Miterben auferlegt worden sind).
v. Morgen 1325
288
C IV Rz. 289
Erbengemeinschaft
Beachte: – Hierzu gehört auch die Vergütung eines Testamentsvollstreckers, der nur für einen Erbteil eingesetzt worden ist1. – Im Falle der Vererbung eines Anteils an einer Personengesellschaft werden diese Regelungen durch die betreffenden Haftungsregelungen des Gesellschaftsrechts überlagert2. bb) Gesamtschuld- oder Gesamthandsklage nach Wahl des Gläubigers: Vorund Nachteile (1) Unterschiede in der jeweiligen Vorgehensweise 289
Solange der Nachlass noch ungeteilt ist, kann der Gläubiger nach seiner Wahl entweder die Gesamtschuldklage gemäß § 2058 BGB oder die Gesamthandsklage gemäß § 2059 Abs. 2 BGB erheben. Bei der Gesamtschuldklage kann der Nachlassgläubiger jeden einzelnen Miterben auf Leistung in voller Höhe verklagen; dieser muss nach Leistung im Außenverhältnis dann gemäß § 426 BGB anteiligen Regress bei den übrigen Miterben nehmen. Die Gesamthandsklage richtet sich demgegenüber gegen die Gesamtheit der Miterben. (2) Bewertung und Empfehlungen aus Sicht des Nachlassgläubigers
290
Bei der Gesamtschuldklage steht dem in Anspruch genommenen Miterben bis zur Teilung gemäß § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich das Recht zu, die Leistung aus seinem sonstigen Vermögen, welches also nicht Nachlassvermögen ist, zu verweigern; seine Haftung beschränkt sich dann auf seinen Anteil am Nachlass (s. im Einzelnen noch Rz. 293 ff.) Folge: Die Zwangsvollstreckung ist grundsätzlich auf eine Pfändung des Erbteils und die zwangsweise Durchführung der Auseinandersetzung oder, wenn die Auseinandersetzung aufgrund Anordnung des Erblassers für länger als ein Jahr ausgeschlossen ist, die Pfändung des Anteils am Reinertrag gemäß § 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB begrenzt. – Nachteil im Einzelfall: aufwändiges Verfahren, vor allem bei relativ geringfügigen Forderungen. – Vorteil im Einzelfall: erhebliches „Drohpotenzial“ gegenüber dem betroffenen – und ggf. auch den übrigen – Miterben.
291
Folge der Gesamthandsklage hingegen: Es kann in den ungeteilten Nachlass vollstreckt werden (§ 2059 Abs. 2 BGB, § 747 ZPO). Beachte: Bei Anordnung von Testamentsvollstreckung ist der Testamentsvollstrecker ggf. auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass mit zu
1 BGH v. 22.1.1997 – IV ZR 283/95, NJW 1997, 1362 mit zust. Anm. v. Morgen, ZEV 1997, 117 f.; Muscheler, ZEV 1996, 401 ff.; v. Morgen, ZEV 1996, 170 ff.; anders noch OLG Hamburg v. 12.9.1995 – 2 U 5/95, ZEV 1996, 184. 2 Vgl. Ebeling/Geck, Rz. 809; sowie hier bereits Rz. 280 ff.
1326 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 294 C IV
verklagen (vgl. § 2213 Abs. 3 BGB), um diese Rechtsfolge herbeiführen zu können. – Vorteil: Der Nachlass steht als Zugriffsmasse für die Vollstreckung unmittelbar zur Verfügung. – Nachteil: Dadurch, dass sämtliche Miterben (und ggf. zusätzlich der Testamentsvollstrecker) zu verklagen sind, kann bei größeren Erbengemeinschaften ein beträchtlicher Aufwand entstehen. Außerdem entfällt das „Drohpotenzial“ gegenüber einem einzelnen Miterben; diesem ist es u.U. sogar gerade recht, dass der Nachlass (und nicht sein persönliches Vermögen) auf diese Weise geschmälert wird, vor allem bei Ausschluss der Auseinandersetzung auf längere Zeit. cc) Klage eines Miterben als Gläubiger Das zuvor beschriebene Wahlrecht zwischen Gesamtschuld- und Gesamthandsklage steht auch einem Miterben zu, der selbst Gläubiger einer gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeit ist. Mit der Gesamtschuldklage kann er seinen Anspruch indessen nur vermindert um den seiner eigenen Erbquote entsprechenden Anteil geltend machen1. Hingegen entfällt die Kürzung, wenn er sich für die Gesamthandsklage, d.h. Erfüllung aus dem Nachlass gemäß § 2059 Abs. 2 BGB, entscheidet2.
292
b) Haftungsbeschränkung auf den Nachlassanteil bis zur Auseinandersetzung, § 2059 BGB Hierdurch soll eine Trennung des Nachlassvermögens vom Privatvermögen der einzelnen Miterben – bei gleichzeitiger Wahrung der Interessen der Gläubiger – erreicht werden. Bis zur Teilung des Nachlasses kann gemäß § 2059 Abs. 1 Satz 1 BGB jeder Miterbe die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten aus demjenigen Vermögen, welches er außer seinem Anteil am Nachlass besitzt, verweigern, und zwar unabhängig davon, ob das allgemeine Recht auf Haftungsbeschränkung jedes Erben gegeben ist, also auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen für eine Nachlassinsolvenz, eine Nachlassverwaltung oder eine Dürftigkeit des Nachlasses.
293
Das Verweigerungsrecht wird prozessual nicht im Urteil ausgesprochen, sondern lediglich gemäß § 780 ZPO darin vorbehalten, und auch nur, wenn der Erbe eine entsprechende Einrede erhoben hat. Ein besonderer Antrag ist hingegen nicht erforderlich3. Folge: Der Vorbehalt hindert nicht die Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen des Erben (§ 781 ZPO); der betreffende Miterbe kann aber nach § 785 ZPO durch Vollstreckungsgegenklage die beschränkte Haftung geltend machen.
294
1 BayObLG v. 10.11.2003 – 1 Z AR 114/03, OLGReport 2004, 85. 2 S. BGH v. 10.2.1988 – IVa ZR 227/86, NJW-RR 1988, 710 f. 3 BGH v. 29.5.1964 – V ZR 47/62, NJW 1964, 2298 (2300).
v. Morgen 1327
C IV Rz. 295
Erbengemeinschaft
Beachte: Ist der Vorbehalt mangels entsprechender Einrede bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung1 im Urteilstenor nicht enthalten, ist die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. 295
Da die Ausübung des Verweigerungsrechts nur bis zur Teilung des Nachlasses zulässig ist, stellt sich die Frage, wann der Nachlass in diesem Sinne geteilt ist. Nach der Rechtsprechung des RG ist dies dann der Fall, wenn ein so erheblicher Teil des Nachlassvermögens aus der gesamthänderischen Bindung herausgenommen worden ist, dass die Erbengemeinschaft als aufgelöst anzusehen ist, oder wenn die Miterben zumindest das Bewusstsein haben, dass die Nachlassteilung zur Auflösung der Erbengemeinschaft geführt habe2. c) Haftung nach der Teilung
Û
Beratungssituation: Mandant ist Miterbe seines Großvaters. Der Erbfall liegt schon mehrere Jahre zurück, der Nachlass ist längst geteilt, wobei auf den Mandanten entsprechend seinem Anteil von 1/5 rund 10 000 Euro entfielen. Nun hat sich bei ihm das Sozialamt gemeldet und fordert von ihm rund 50 000 Euro an Sozialhilfe zurück, die der Großvater wegen verschwiegener anderweitiger Einnahmen über die Jahre zu Unrecht bezogen hatte. Mandant möchte, wenn er denn schon zahlen muss, jedenfalls nicht mehr als seinen Anteil zahlen, zumal die übrigen Miterben ihren Erbteil längst verbraucht haben und bei ihnen auch sonst nichts zu holen ist.
aa) Grundsatz: Unbeschränkte gesamtschuldnerische Haftung 296
Im Zuge der Nachlassauseinandersetzung sind gemäß § 2046 BGB zum Schutze der Gläubiger aus dem Nachlass vor der Teilung zunächst die Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen. Bei noch nicht fälligen oder streitigen Nachlassverbindlichkeiten ist das zur Berichtigung Erforderliche zurückzubehalten. Von daher stellt sich das Problem einer weiteren Nachlassverbindlichkeit nach der Teilung bei korrekter Durchführung von Seiten der Erben normalerweise nicht mehr. Dies rechtfertigt es, nach der Teilung den Miterben grundsätzlich eine unbeschränkte persönliche und gesamtschuldnerische Haftung für alle Nachlassverbindlichkeiten aufzuerlegen, die von ihnen bei der Auseinandersetzung nicht berichtigt worden sind. bb) Ausnahmen: Anteilige Haftung
297
In bestimmten, im Gesetz genauer bezeichneten Fällen beschränkt sich (abgesehen von den allgemeinen Regeln über die Erbenhaftung gemäß §§ 1967, 2058 BGB) die Haftung der einzelnen Miterben auch nach der Teilung auf die jeweilige ideelle Erbquote. Dies sind sämtlich Fälle, in denen die Miterben, 1 Also auch noch in der Berufungsinstanz, OLG Rostock v. 25.6.2008 – 1 U 53/08, ZEV 2008, Heft 12, VI (LS). 2 Vgl. RG v. 13.1.1917 – Rep. II 464/16, RGZ 89, 403 (408).
1328 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 298 C IV
aus den einen oder anderen Gründen, keine Verantwortung dafür trifft, dass die betreffenden Nachlassverbindlichkeiten bei der Nachlassauseinandersetzung nicht berücksichtigt wurden: – Der betreffende Gläubiger ist im Aufgebotsverfahren (§§ 1970 ff. BGB) ausgeschlossen worden (§ 2060 Nr. 1 BGB). – Der betreffende Gläubiger hat seine Forderung später als fünf Jahre nach dem Erbfall geltend gemacht; es sei denn, die Forderung ist den Miterben vor Ablauf der fünf Jahre bekannt geworden oder im Aufgebotsverfahren angemeldet worden (§§ 2060 Nr. 2, 1974 Abs. 1 BGB). Beachte: Die Kenntnis ist für jeden Miterben gesondert zu beurteilen. Folge u.U.: Einzelne Miterben haften nur anteilig, andere gesamtschuldnerisch. – Vor der Teilung des Nachlasses ist die Nachlassinsolvenz eröffnet worden, und diese ist durch Verteilung der Masse oder durch Zwangsvergleich beendet worden (§ 2061 Nr. 3 BGB). – Der betreffende Miterbe hat die Nachlassgläubiger öffentlich aufgefordert, ihre Forderungen binnen sechs Monaten bei ihm oder bei dem Nachlassgericht anzumelden, und die betreffende Forderung des Nachlassgläubigers ist innerhalb dieser Frist nicht angemeldet worden. – Vor Teilung des Nachlasses ist die Anordnung einer Nachlassverwaltung durch die Erben gemeinschaftlich beantragt worden (§ 2062 BGB). – Ein anderer Miterbe hat ein Inventar unter Beachtung der allgemeinen Vorschriften der §§ 1973 ff. BGB errichtet, sofern der betreffende Miterbe nicht bereits unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten haftet (§ 2063 Abs. 1 BGB). – Haftung im Innenverhältnis gegenüber anderen Miterben (§ 2063 Abs. 2 BGB).
2. Forderungszuständigkeit a) Abgrenzung Gesamthandsklage – Gesamthänderklage Gemäß § 2033 Abs. 2 BGB kann ein Miterbe über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen nicht verfügen; dies können grundsätzlich nur sämtliche Miterben gemeinschaftlich. Für die Geltendmachung von Forderungen, die zum Nachlass gehören, wäre dieser Grundsatz in der Praxis indessen zu schwerfällig. Daher bestimmt § 2039 Abs. 1 BGB für Nachlassforderungen, dass diese von jedem Miterben allein geltend gemacht werden können, wobei aber nur Leistung an alle Miterben gemeinschaftlich verlangt werden kann. Im Rahmen der gerichtlichen Durchsetzung ist der betreffende Miterbe dabei gesetzlicher Prozessstandschafter1.
1 Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 95.
v. Morgen 1329
298
C IV Rz. 299
Erbengemeinschaft
299
Selbstverständlich bleibt zur Durchsetzung der Nachlassforderungen auch die so genannte Gesamthandsklage, die durch sämtliche Miterben erhoben wird, zulässig. Für diese gilt § 2039 BGB dann nicht1.
300
Die Erleichterung der so genannten Gesamthänderklage im Sinne des § 2039 Abs. 1 BGB bietet indessen für den klagenden Miterben, aber im Einzelfall auch für die Übrigen, folgende Vorteile: – Aufgrund der gesetzlichen Prozessstandschaft ist nur der klagende Miterbe Partei; die anderen Miterben können als Zeugen vernommen werden. – Der aktive Miterbe ist nicht darauf angewiesen, den u.U. schwerfälligen Weg des § 2038 BGB zu gehen; insbesondere kommt es für das Individualrecht aus § 2039 BGB nicht darauf an, ob sich die Geltendmachung der Nachlassforderung im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung bewegt oder gar die Voraussetzungen für ein Notverwaltungsrecht gegeben sind2. – Weder das obsiegende noch das unterliegende Leistungsurteil schafft Rechtskraft für die anderen am Prozess nicht beteiligten Erben3. Im Falle eines obsiegenden Urteils ist dies kein Nachteil, im Falle eines unterliegenden Urteils kann dieser Umstand indessen den Vorteil haben, dass die übrigen, bisher am Verfahren nicht beteiligten Miterben ihrerseits nochmals eine Klage gemäß § 2039 BGB anstrengen können. b) Rechte des einzelnen Miterben
Û
Beratungssituation: Mandant ist Miterbe eines Nachlasses, zu dem auch diverse Forderungen gehören, deren Durchsetzbarkeit indessen fraglich ist. Im Gegensatz zu den übrigen Miterben möchte er es in jedem Fall versuchen. Er fragt, ob er dies auch ohne Ermächtigung der übrigen Miterben kann und, bejahendenfalls, ob er diese dann ggf. auch an den Kosten eines erfolglosen Rechtsstreits beteiligen kann.
301
Der einzelne Miterbe kann durch außergerichtliche Mahnung den Schuldner in Verzug setzen4.
302
Der einzelne Miterbe kann Leistungsklage auf Leistung an alle Erben erheben, auch auf künftige Leistung unter den allgemeinen Voraussetzungen der §§ 257 ff. ZPO5.
303
Umstritten ist die „actio pro socio“ des § 2039 bei der Feststellungsklage. Jedenfalls die negative Feststellungsklage eines einzelnen Miterben auf Feststel-
1 Soergel/Wolf, § 2039 Rz. 1. 2 S. auch Ebeling/Geck, Rz. 354. 3 BGH v. 26.10.1984 – V ZR 67/83, BGHZ 92, 351 (354); BGH v. 28.6.1985 – V ZR 43/84, NJW 1985, 2825, str. 4 Dazu Johannsen, WM 1970, 578 ff. 5 Ebeling/Geck, Rz. 352.
1330 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 306 C IV
lung des Nichtbestehens einer Nachlassschuld ist zulässig1. Bei der positiven Feststellungsklage ist dies hingegen streitig. Überwiegend wird angenommen, dass auch die positive Feststellungsklage unter § 2039 BGB fällt, wenn die Feststellung zum Ausdruck bringt, dass die Leistungspflicht gegenüber allen Miterben besteht2. § 2039 BGB gilt ferner auch innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit, also jedenfalls für Leistungs- und Verpflichtungsklage3.
304
Hingegen sollen nach der bisherigen Rechtsprechung Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte nur durch alle Miterben gemeinschaftlich zulässig sein, da ihnen Gestaltungswirkung zukomme4. Wenngleich dies durch andere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts teilweise in Zweifel gezogen worden ist5, so ist eine Anwendbarkeit des § 2039 BGB auf Widerspruch und Anfechtungsklage keinesfalls derart gesichert, dass ein Vorgehen nur des einzelnen Miterben als Gesamthänder in diesen Fällen ausdrücklich empfohlen werden könnte. Dieser Stand der Rechtsauffassungen ist für die Praxis äußerst misslich, zumal in beiden Fällen grundsätzlich Monatsfristen zu beachten sind, innerhalb derer die übrigen Miterben herangezogen werden müssten. Häufig wird sich aufgrund dessen die Angelegenheit auf eine Auseinandersetzung zwischen den einzelnen Miterben über die Frage eines Schadenersatzes wegen unterlassener Mitwirkung an einem rechtzeitigen Widerspruch bzw. einer rechtzeitigen Anfechtungsklage verlagern. Sicherungsmaßnahmen wie einstweilige Verfügung und Arrest fallen unter § 2039 BGB6.
305
Ebenso ist der einzelne Miterbe durch § 2039 BGB ermächtigt, Nachlassansprüche durch Zwangsvollstreckung beizutreiben7, vorausgesetzt, die Maßnahme kommt allen Miterben zugute8.
306
1 RG v. 3.9.1935 – III 17/35, HRR 1935 Nr. 1602; BGH v. 21.12.1988 – VIII ZR 277/87, NJW 1989, 2133 (2134). 2 RG v. 2.1.1905 – IV 298/04, JW 1905, 146 (147); RG v. 17.6.1925 – V B 14/25, JW 1925, 2244 (2245); RG v. 3.9.1935 – III 17/35, JW 1935, 3463; Staudinger/Werner, § 2039 Rz. 15; Soergel/Wolf, § 2039 Rz. 15; Ebeling/Geck, Rz. 352; a.A. im Hinblick auf § 260 Abs. 1, 2. Fall ZPO Kerscher/Tanck/Krug, § 13 Rz. 99. 3 BVerwG v. 7.5.1965 – IV C 24/65, NJW 1965, 1546 (1547); OVG Hamburg v. 23.10.1956 – Bf III 73/55, ZMR 1957/55; Soergel/Wolf, § 2039 Rz. 8; RGRK/Kregel, § 2039 Rz. 1; Staudinger/Werner, § 2039 Rz. 31. 4 BVerwG v. 19.3.1956 – V C 265/54, NJW 1956, 1295 (1296); VG Mannheim v. 10.7.199 – 8 S 1589/91, NJW 1992, 388; Eyermann/Fröhler, § 64 Rz. 2; a.A. u.a. MüKo/Heldrich, § 2039 Rz. 35 m.w.N. in Fn. 108. 5 Vgl. BVerwG v. 7.5.1965 – IV C 24/65, NJW 1965, 1546 (1547); BVerwG v. 27.11.1981 – 4 C 1/81, NJW 1982, 1113. 6 Staudinger/Werner, § 2039 Rz. 28. 7 KG v. 10.1.1957 – 1 W 2673/56, NJW 1957, 1154. 8 Bartholomeyczik, NJW 1955, 1558 (1559).
v. Morgen 1331
C IV Rz. 307
Erbengemeinschaft
307
Auch Prozesse, die durch den Tod des Erblassers gemäß §§ 239 ff. ZPO unterbrochen worden sind, kann ein einzelner Erbe wieder aufnehmen1.
308
Gegenstandswert: Es gilt der Wert des gesamthänderischen Anspruchs in voller Höhe2.
309
Kostentragung: Die Kosten sollen nach bisher herrschender Meinung dem klagenden Miterben allein zur Last fallen3. Dies kann jedoch nur für das Außenverhältnis richtig sein. Im Innenverhältnis sollte m.E. gemäß § 683 BGB ein Anspruch auf Aufwendungsersatz gegen die Erbengemeinschaft angenommen werden, sofern nicht ohnehin bereits eine Bevollmächtigung durch die anderen Miterben (auch konkludent) vorliegt oder § 2038 BGB eingreift4. c) Geltendmachung von Ansprüchen des Nachlasses gegen andere Miterben
310
Auch insoweit gilt § 2039 BGB5; der betreffende Miterbe kann sich grundsätzlich nicht darauf berufen, seine dem Nachlass gegenüber bestehende Schuld könne bei der Auseinandersetzung ausgeglichen werden6. Auch ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 273 BGB im Hinblick auf den eigenen aktiven Nachlassanteil des in Anspruch genommenen Miterben besteht nicht7. Ausnahme: § 242 BGB8. d) Abgrenzung zu anderen Rechten, die nicht Ansprüche im Sinne des § 194 BGB sind
Û
Beratungssituation: Mandant möchte als Miterbe die – fristgebundene – Kündigung eines Mietvertrags über ein Nachlassgrundstück aussprechen; die übrigen Miterben sind indessen nicht erreichbar.
311
§ 2039 BGB bezieht sich seinem Wortlaut nach nur auf Ansprüche und verweist damit auf die Legaldefinition in § 194 Abs. 1 BGB. Demzufolge sind insbesondere ausgeschlossen:
312
Verfügungen: Nach § 2040 Abs. 1 BGB können diese nur gemeinschaftlich vorgenommen werden, z.B. die Genehmigung eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäftes.
1 Vgl. BGH v. 13.5.1964 – V ZR 90/62, FamRZ 1964, 360 (361). 2 BGH v. 7.11.1966 – III ZR 48/66, LM ZPO § 3 Nr. 31; RG v. 16.12.1935 – IV 139/35, RGZ 149, 193 (194). 3 Brox/Walker, Rz. 509; Palandt/Edenhofer, § 2039 Rz. 7. 4 So auch MüKo/Heldrich, § 2039 Rz. 31; nunmehr bestätigt durch BGH v. 25.6.2003 – IV ZR 285/02, ZEV 2003, 413 (414), m. zust. Anm. v. Morgen, ZEV 2003, 415 (416). 5 Vgl. BGH v. 19.6.1952 – III ZR 217/50, LM § 249 Nr. 3. 6 Vgl. RG v. 10.12.1906 – Rep. IV 94/06, RGZ 65, 5 (10); RG v. 13.6.1918 – Rep. IV 386/17, RGZ 93, 196 f. 7 Ebeling/Geck, Rz. 348. 8 Ebeling/Geck, Rz. 348.
1332 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 316 C IV
Gestaltungsrechte: Dabei handelt es sich streng genommen um eine Unterart der Verfügungen1. Damit sind vom Anwendungsbereich des § 2039 BGB u.a. ausgenommen:
313
– Das Anfechtungsrecht gemäß §§ 119 ff. BGB2. – Das Recht auf Rücktritt vom Vertrag3. – Das Kündigungsrecht, auch soweit die Kündigung Voraussetzung für die Fälligkeit eines Darlehensrückzahlungsanspruches ist4. – Die Anfechtungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluss5 – Gewährleistungsrechte, einschließlich diesbezüglicher Schadenersatzansprüche, sofern dadurch andere Rechte aufgegeben werden.6 Einreden: Auch diese haben keinen Anspruchscharakter und fallen somit nicht unter § 2039 BGB. Für den gemäß § 2039 klagenden Erben kann dies eine erhebliche Schwächung seiner Position bedeuten, da er Einreden gegen etwaige Gegenansprüche des Beklagten nicht geltend machen kann, sofern nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen des Notverwaltungsrechts gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB vorliegen7.
314
Anträge an das Grundbuchamt: Der einzelne Miterbe kann zwar gemäß § 2039 BGB den Anspruch auf Einwilligung des Bucheigentümers in die Grundbuchberichtigung geltend machen, die Eintragung der Erbengemeinschaft im Grundbuch bedarf jedoch noch der Zustimmungserklärung sämtlicher Miterben; diese kann nicht nach § 2039 BGB durch die Erklärung nur eines Miterben ersetzt werden8.
315
e) Analoge Anwendung des § 2039 BGB Nach allgemeiner Ansicht wird § 2039 BGB auf die Geltendmachung eines Erbschaftsanspruches im Sinne des § 2018 BGB analog angewendet9; allerdings kann ausnahmsweise ein „übergangener“ Miterbe auch Leistung an sich selbst verlangen10. Auch bei Herausgabeansprüchen des Nachlasses gegen einen Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker wird die „actio pro socio“ des § 2039 BGB für zulässig gehalten11. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Ebeling/Geck, Rz. 349. BGH v. 26.1.195 – V ZR 61/50, NJW 1951, 308. RG v. 5.7.1923 – IV 292/22, RGZ 107, 238 (240). RG v. 10.12.1906 – Rep. IV 94/06, RGZ 65, 5 (6). BGH v. 12.6.1989 – II ZR 246/88, BGHZ 108, 21 (30). Erman/Schlüter, § 2040 Rz. 1; MüKo/Heldrich, § 2039 Rz. 9. Soergel/Wolf, § 2039 Rz. 6. Ebeling/Geck, Rz. 347. Ebeling/Geck, Rz. 348. S. dazu OLG Dresden v. 14.8.1997 – 7 U 361/96, FamRZ 1999, 406 (408) m.w.N. zur Rspr. des RG; G. Vollkommer, FamRZ 1999, 350 (352). 11 RG v. 3.2.1936 – IV 139/35, RGZ 150 (189 f.).
v. Morgen 1333
316
C IV Rz. 317
Erbengemeinschaft
Schließlich ist die analoge Anwendung des § 2039 auch auf die Ansprüche gegen den Testamentsvollstrecker auf Auskunft und Rechnungslegung im Sinne der §§ 2218, 666 BGB angenommen worden1.
3. Parteifähigkeit der Erbengemeinschaft? 317
Mit seinen beiden grundlegenden Entscheidungen zur Rechtsfähigkeit und der daraus folgenden aktiven und passiven Parteifähigkeit der über gesamthänderisch gebundenes Vermögen verfügenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts2 hat der BGH Forderungen nach einer Rechts- und damit auch Parteifähigkeit der Erbengemeinschaft als weiterer Gesamthandsgemeinschaft neue Nahrung gegeben3, denen er aber mit einer kurz darauf zum Recht der Erbengemeinschaft ergangenen Entscheidung4 unter Hinweis auf die unterschiedliche Ausrichtung sogleich selbst entgegengetreten ist. Für die Teilnahme der Erbengemeinschaft am Rechtsverkehr bedeutet dies weiterhin: Vertrags- und Prozesspartei ist nicht die Erbengemeinschaft als solche, sondern sind die einzelnen Miterben zur gesamten Hand. Weitere, gebührenrechtliche Folge: Bei dem vertretenden Rechtsanwalt fällt der Mehrvertretungszuschlag nach § 7 RVG i.V.m. Nr. 1008 VV RVG je nach Anzahl der Mitglieder der Erbengemeinschaft an5. Ausnahme: Die Ansprüche der Erbengemeinschaft werden im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft gemäß § 2039 BGB nur durch ein Mitglied der Erbengemeinschaft geltend gemacht, welches der Rechtsanwalt vertritt6.
V. Verfügungen über einen Erbanteil
Û
318
Beratungssituation: Ein bis dahin in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebender Mandant ist Miterbe eines größeren Vermögens geworden. Entgegen seiner optimistischen Erwartung verzögert sich indessen die Erbauseinandersetzung über mehrere Jahre. In Erwartung des bevorstehenden Geldsegens durch die Erbschaft hat der Mandant jedoch seinen Lebensstandard schon einmal dem neuen Vermögensstatus angepasst. Nun kommt er in Geldnot und fragt, wie er seinen Anteil am Nachlass ganz oder teilweise schnell zu Geld machen kann.
Über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen kann ein Miterbe allein nicht verfügen (§ 2033 Abs. 2 BGB); er ist an die Gesamthandsgemeinschaft und ggf. deren Auseinandersetzung gebunden. Insbesondere wenn die 1 BGH v. 17.12.1964 – III ZR 79/63, BB 1965, 63. 2 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 ff.; BGH v. 18.2.2002 – II ZR 331/00, NJW 2002, 1207 ff. 3 So u.a. Eberl/Borges, ZEV 2002, 125 (127); Weipert, ZEV 2002, 300 (301 ff.). 4 BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 187/00, ZEV 2002, 504 ff. m. zust. Anm. Marotzke, ZEV 2002, 506 ff. 5 BGH v. 16.3.2004 – VIII ZB 114/03, ZEV 2004, 246 ff. m. zust. Anm. Klinger, ZEV 2004, 247. 6 Klinger, ZEV 2004, 247.
1334 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 321 C IV
Auseinandersetzung testamentarisch ausgeschlossen ist oder sich tatsächlich erheblich verzögert, kann dies für den einzelnen Miterben eine nicht unwesentliche Erschwernis bedeuten, zumal wenn er gleichwohl bereits persönlich zur Erbschaftsteuer und ggf. auch zur Einkommensteuer hinsichtlich seines Anteils an den Nachlasserträgen herangezogen wird. Um diese wirtschaftlichen Beschränkungen des einzelnen Miterben abzumildern, sieht das Gesetz in § 2033 Abs. 1 BGB als Ausgleich vor, dass der Miterbe über seinen Anteil an dem Nachlass insgesamt verfügen kann. Die Verfügungsbefugnis des Miterben über seinen Erbanteil kann daher mit dinglicher Wirkung selbst durch den Erblasser nicht beschränkt werden (vgl. § 137 BGB). Auch eine Testamentsvollstreckung schließt das Verfügungsrecht nicht aus1.
319
1. Übertragung a) Übertragung insgesamt Der Miterbe kann seinen Erbteil insgesamt an einen Dritten übertragen. Als causa können dieser Übertragung ein Kaufvertrag (wie meistens), eine Schenkung, ein Tausch etc. zugrunde liegen. Gegenstand des Vertrags ist nicht das Erbrecht als solches – dieses ist unveräußerlich –, sondern die Erbschaft, d.h. die vermögensrechtliche Stellung am Nachlass2 (s. dazu im Einzelnen noch Rz. 322 und C XI).
320
Der Erbteil kann ferner entweder endgültig oder aber nur sicherungsweise – z.B. zur Absicherung eines Bankkredites – übertragen werden. Dabei kann die sicherungsweise Erbteilsübertragung mit einer auflösenden Bedingung verbunden werden, so dass bei Bedingungseintritt – z.B. vollständiger Darlehensrückzahlung – der Erbanteil ohne weiteres wieder an den Sicherungsgeber zurückfällt (vgl. § 158 Abs. 2 BGB).
321
Û
Beratungshinweis für beide Vertragsparteien: Entsprechend dem auch hier geltenden Abstraktionsprinzip ist im Erbteilsübertragungsvertrag sorgfältig nach dem Verpflichtungsgeschäft (Kauf, Tausch, Schenkung u.a.) und dem Erfüllungsgeschäft (Erbteilsübertragung nach § 2033 Abs. 1 BGB) zu differenzieren. Beide können äußerlich in einer Urkunde zusammengefasst werden; wird darin aber inhaltlich nicht klar differenziert, führt dies zu der vermeidbaren Auslegungsfrage, ob z.B. bloßer Erbteilsverkauf oder zugleich auch dingliche Erbteilsübertragung vorliegt (wobei Letzteres bei sofortiger Kaufpreiszahlung anzunehmen ist).
Û
Beratungshinweis für Veräußerer: Das dingliche Erfüllungsgeschäft kann kraft Vereinbarung von der rechtlichen Wirksamkeit des Schuldgrundes abhängig gemacht werden1. In gleicher Weise kann sich empfehlen, die Übertragung des Erbanteils, ähnlich wie im Standard der GmbH-Ge-
1 LG Essen v. 17.4.1959 – 7 T 159/59, RPfl. 1960, 57 (58). 2 Ebeling/Geck, Rz. 76 und 79.
v. Morgen 1335
C IV Rz. 322
Erbengemeinschaft
schäftsanteilsübertragungsverträge, unter die aufschiebende Bedingung der vollständigen Erbringung der Gegenleistung zu stellen. b) Formerfordernisse 322
Es besteht ein zweifaches Formerfordernis: Notarielle Beurkundung ist sowohl für das Verpflichtungsgeschäft in Form eines Kaufvertrags gemäß § 2371 BGB bzw. ähnlicher Verträge gemäß § 2385 BGB erforderlich als auch nochmals gesondert für die Erbteilsübertragung als Verfügungsgeschäft gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB. Zweck: Schutz vor Übereilung. c) Rechtsstellung des Erwerbers
323
Wie bereits ausgeführt, wird der Erwerber nicht Miterbe, sondern erwirbt nur die vermögensrechtliche Stellung am Nachlass1. In einer gewissen dogmatischen Inkonsequenz (insbesondere auch gegenüber der Möglichkeit, dass ein Miterbe durch Erwerb aller übrigen Erbteile Alleinerbe werden kann) teilt sich damit die Stellung des Miterben zwischen Veräußerer und Erwerber auf, wobei namentlich folgende Rechte und Pflichten auf den Anteilserwerber übergehen: – Ausgleichungsrechte- und pflichten gemäß § 2050 BGB. – Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten, arg. § 2383 Abs. 1 Satz 2 BGB2. – Das Recht zur Inventarerrichtung zwecks Ausschließung der unbeschränkten Erbenhaftung. Hier kann sich der Erwerber allerdings auf ein von dem Veräußerer vor Übertragung des Erbteils bereits errichtetes Inventar berufen (vgl. § 2383 Abs. 2 BGB). – Antragsrecht in Bezug auf Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz. – Die Beschränkungen durch eine Testamentsvollstreckung betreffen auch den Anteilserwerber. Andererseits wird dieser mit dem Erwerb – allerdings zusätzlich zu dem Miterben3 – Beteiligter im Sinne des § 2227 BGB und kann ggf. einen Antrag auf Entlassung des Testamentsvollstreckers stellen. Der Antrag kann u.U. auch dann begründet sein, wenn die Berechtigung der (Erbteils-)Testamentsvollstreckung mit der Übertragung entfallen ist, beispielsweise ihren Grund allein in der Verschwendungssucht des Miterben gehabt hatte. – Die Rechte in Bezug auf die Verwaltung des Nachlasses gemäß § 2038 und § 2039 BGB. – Das Recht, den erworbenen Anteil gemäß § 2033 BGB weiterzuveräußern.
1 Vgl. BayOLG v. 20.10.1967 – BReg. 2 Z 55/67, NJW 1968, 505; MüKo/Heldrich, § 2033 Rz. 26; Palandt/Edenhofer, § 2033 Rz. 6. 2 Vgl. RG v. 9.2.1905 – Rep. IV 423/04, RGZ 60, 126 (131); Ebenroth, Rz. 735. 3 Vgl. KG v. 21.3.1929 – 1b X 1044/28, DJZ 1929, 1347.
1336 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 324 C IV
– Auch der Besitz geht – nach herrschender Meinung1 – analog § 857 BGB automatisch auf den Erwerber über (selbstverständlich nur als Mitbesitz), auch wenn dieser die anteilige tatsächliche Sachherrschaft noch nicht ergriffen hat. d) Rechtsstellung des übertragenden Miterben Dem übertragenden Miterben verbleiben im Großen und Ganzen all diejenigen Rechte und Pflichten, die mit der Miterbenstellung als solcher verbunden sind. Es sind dies im Einzelnen2: – die Erbunwürdigkeit (§§ 2339 ff. BGB) – die Anfechtung der Erbschaftsannahme (die allerdings Konsequenzen im Innenverhältnis zwischen übertragendem Miterben und Erwerber hat) – Adressat einer Anfechtungserklärung der übrigen Miterben – Vorausvermächtnis oder den übertragenden Miterben begünstigende Auflage – nach der Auslegungsregel des § 2373 BGB im Zweifel ein Erbteil, der zeitlich nach der vorgenommenen Verfügung über den Erbanteil dem verfügenden Miterben infolge des Eintritts des Nacherbfalles oder durch Anwachsung infolge Wegfalls eines Miterben zusätzlich anfällt. – Pflichtteilsrest- sowie Pflichtteilsergänzungsanspruch – Haftung für Nachlassverbindlichkeiten (neben dem Anteilserwerber), §§ 2382, 2385 BGB – Antragsberechtigung im Sinne von § 2227 BGB (zusätzlich zum Anteilserwerber) – Erbscheinserteilung (§ 2353 BGB) – Vorkaufsrecht bezüglich weiterer Erbanteile3 – Vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen (auch stillschweigend): Mitvererbte Anteile an Personengesellschaften, da diese aufgrund der Regeln über die Sondererbfolge (s. Rz. 282) jedem Miterben eine selbstständige Gesellschafterstellung verschaffen und somit vom Erbteil nicht erfasst werden4.
Û
1 2 3 4
Beratungshinweis für Erbteilskäufer: Es sollte im Erbteilskaufvertrag unbedingt klargestellt werden, ob eine dem Verkäufer aufgrund Sondererbfolge zustehende Gesellschafterstellung an einer Personengesellschaft – diese kann schon durch Erwerb eines Einfamilienhauses durch den Erblasser und seine Ehegattin „in GbR“ zustande gekommen sein! – erfasst sein soll oder nicht.
S. insbesondere BGH v. 23.9.1953 – VI ZR 313/52, JZ 1953, 706. Vgl. Ebeling/Geck, Rz. 122 ff. BGH v. 22.4.1971 – III ZR 46/68, NJW 1971, 1264 f. Schmidt, BWNotZ 1983, 102 (104); Ivo, ZEV 2004, 499 (500).
v. Morgen 1337
324
C IV Rz. 325
Erbengemeinschaft
Beachte: Auch bei sonstigen Verfügungen über einen Erbteil, namentlich Verpfändung (Rz. 344 ff.), Pfändung im Wege der Zwangsvollstreckung (Rz. 360 ff.) und Belastung mit einem Nießbrauch (Rz. 364 ff.) sind die sich aus der Sondererbfolge in Personengesellschaftsanteile ergebenden Besonderheiten zu berücksichtigen. e) Verfügung über Bruchteile des Erbanteils 325
Der Miterbe kann seinen Anteil auch nur zu einem Bruchteil auf einen Dritten übertragen1. Zwischen dem übertragenden Miterben und dem Erwerber besteht dann in Ansehung des Miterbenanteils am Nachlass im Innenverhältnis eine Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB. In gleicher Weise kann der Miterbe seinen Anteil am Nachlass auch vollständig, aber an mehrere Dritte übertragen, die dann untereinander eine Bruchteilsgemeinschaft bilden.
326
Û
Beratungshinweis für veräußerungswilligen Miterben: Durch derartige Aufsplitterung der Miterbenanteile am Nachlass kann, ggf. noch durch Weiterübertragung, eine bis zur Unüberschaubarkeit mehrfach abgestufte Gemeinschaft entstehen, welche insbesondere eine Auseinandersetzung in weite Ferne rückt oder praktisch unmöglich macht. Als verantwortungsvoller Berater sollte man in derartigen Fällen nach anderen, einfacheren Lösungsmöglichkeiten suchen.
f) Übertragung des Erbauseinandersetzungsanspruches oder Abtretung des Anspruches auf das Auseinandersetzungsguthaben als Alternative zur Erbteilsübertragung? 327
In Ansehung der ausgeschlossenen Verfügung über den Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen gemäß § 2033 Abs. 2 BGB könnte man auf den Gedanken kommen, stattdessen den dem Miterben zustehenden Anspruch auf sein Auseinandersetzungsguthaben im Vorwege abzutreten. Dies wird indessen nach allgemeiner Ansicht als unzulässig angesehen2. Denn anderenfalls könnte ein auf diese Weise (formlos!) ausgehöhlter Anteil am Nachlass an einen weiteren Erwerber übertragen werden, den wiederum nach §§ 2383, 2385 BGB die Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten treffen würde, ohne dass mit dem übertragenen Anteil am Nachlass noch zur Deckung der anteiligen Nachlassverbindlichkeiten verwendbare Aktiva verbunden wären.
328
Û
Beratungshinweis für veräußerungswilligen Miterben: Eine Gestaltungsalternative kann im Einzelfall darin bestehen, dass vorerst nur eine schuldrechtliche Verpflichtung eingegangen wird, das Auseinandersetzungsguthaben (später) zu übertragen3; dies wird nämlich durchaus als zulässig angesehen. In gleicher Weise wird es im Übrigen auch als zuläs-
1 RG v. 29.6.1911 – IV 616/10, WarnRspr. 1913 Nr. 234; BGH v. 28.6.1963 – V ZR 15/62, JZ 1963, 642. 2 Ebenroth, Rz. 736; Ebeling/Geck, Rz. 51.1. 3 Ebeling/Geck, Rz. 82.
1338 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 330 C IV
sig angesehen, dass ein Miterbe sich schuldrechtlich verpflichtet, einem anderen einen Nachlassgegenstand für den Fall zu verschaffen, dass er ihm bei der Auseinandersetzung zufällt1. In beiden Fällen sollte man sich dabei allerdings bewusst sein, dass der Sicherungswert dieser bloß schuldrechtlichen Gestaltung begrenzt ist. g) Vorkaufsrecht des/der übrigen Miterben
Û
Beratungssituation: Mandant ist Mitglied einer Erbengemeinschaft, die darüber zerstritten ist, dass der weitere Miterbe, der sich in Geldnöten befindet, mit seinem Auseinandersetzungsverlangen bisher erfolglos geblieben ist. Daraufhin veräußert dieser weitere Miterbe seinen Erbteil, indem er ihn gegen die Immobilie eines befreundeten Maklers eintauscht, die er dann ihrerseits sogleich verkauft. Mandant fühlt sich hintergangen und möchte die Erbteilsveräußerung blockieren.
Mit der Regelung in § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB schafft das Gesetz für die Erbengemeinschaft eine Fungibilität des Anteils durch Übertragung auch gegen den Willen der anderen Gesamthänder, die ansonsten Gesamthandsgemeinschaften, wie beispielsweise der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, fremd ist. Als Ausgleich statuiert das Gesetz zugunsten des/der übrigen Miterben in den §§ 2034 ff. BGB ein Vorkaufsrecht, damit diese verhindern können, dass ihnen ein nicht genehmer Dritter als Anteilserwerber aufgedrängt wird.
329
aa) Voraussetzung: Kaufvertrag über Anteil am Nachlass § 2034 Abs. 1 BGB setzt einen Kaufvertrag als causa für die Erbteilsübertragung voraus. Damit offenbart das Gesetz eine wesentliche Schwäche im Schutz der übrigen Miterben vor einem dritten Anteilserwerber. Denn der veräußerungswillige Miterbe kann das Vorkaufsrecht der übrigen Miterben vermeiden, wenn er ein anderes Verpflichtungsgeschäft wählt, z.B. das in der Praxis nächstliegende, nämlich – Tausch. Ferner lösen das Vorkaufsrecht der übrigen Miterben gleichfalls nicht aus: – Zwangsverkauf bei Zwangsvollstreckung oder Insolvenz2, – Nießbrauchsbestellung, Verpfändung und sonstige Belastungen sowie Sicherungsübereignung (sofern bei Letzterer nicht durch besondere Abreden die Rückzahlung des Darlehens einerseits sowie die Rückübertragung des Erbanteils andererseits praktisch für immer ausgeschlossen sind3; dann: Umgehung, vgl. Rz. 332 f.),
1 Vgl. RG v. 14.10.1929 – VI 872/28, HRR 1929 Nr. 2084. 2 Soergel/Wolf, § 2034 Rz. 2. 3 Vgl. BGH v. 13.7.1957 – IV ZR 93/57, BGHZ 25, 174 (179).
v. Morgen 1339
330
C IV Rz. 331
Erbengemeinschaft
– Pfandverwertung, und zwar weder im Falle des angeordneten (§§ 844 ZPO, 1258 Abs. 4, 1245 BGB) noch des privaten (§ 1245 BGB) Pfandverkaufes durch den Pfandgläubiger, – Teilungsversteigerung des Nachlasses nach §§ 753 BGB, 180 ZVG1, – Verkauf durch den Insolvenzverwalter2, – Notarielle Vollmacht, welche einen Dritten unwiderruflich unter Befreiung von dem Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB ermächtigt, einen Kaufvertrag über den Erbteil abzuschließen3, – wenn die Erbengemeinschaft bereits in der Weise auseinander gesetzt ist, dass Miteigentumsanteile gebildet worden sind, die dann veräußert werden, – Weiterverkauf eines Erbanteils durch den Erwerber, da dieser nicht Miterbe ist, – Rückübertragung infolge Nichtigkeit des Kaufvertrags4, – Verkauf des letzten noch verbliebenen Erbanteils, wenn ein anderer Miterbe seinen Erbanteil schon vorher veräußert und übertragen hat5, – wenn der das Vorkaufsrecht ausübende Miterbe den Anteil am Nachlass zuvor bereits schuldrechtlich weiterveräußert hat (teleologische Reduktion nach dem Schutzzweck des § 2034 Abs. 1 BGB, u.a. wegen der Gefahr der gegenseitigen Blockade durch wechselseitige Ausübung der Vorkaufsrechte6). bb) Umgehungsgeschäfte 331
Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten abweichender Rechtsgestaltung, um das Vorkaufsrecht gemäß §§ 2034 ff. BGB zu vermeiden, stellt sich zwangsläufig die Frage der Abgrenzung zu so genannten Umgehungsvereinbarungen. Diese Problematik stellt sich in der Praxis vor allem für den Erwerbsinteressenten. Dem veräußerungswilligen Miterben wird es in der Regel egal sein, von wem er seine Gegenleistung erhält. In der Beratung des Erwerbsinteressenten liegt damit die Herausforderung und Schwierigkeit, eine „vorkaufsrechtsfeste“ Gestaltung zu finden. Denn liegt tatsächlich eine Umgehungsvereinbarung vor, entsteht trotz der formell abweichenden Gestaltung der Anspruch auf Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten der übrigen Miterben7. Mit dem Fall BGHZ 25, 174 ist bei Rz. 330 bereits ein praktischer Umgehungsfall angeführt worden. Ein weiterer Umgehungsfall liegt in aller Regel dann 1 2 3 4 5 6 7
BGH v. 19.4.1972 – IV ZR 117/70, NJW 1972, 1199. Palandt/Edenhofer, § 2034 Rz. 5; BGH v. 22.9.1976 – IV ZR 77/76, NJW 1977, 37 f. BGH v. 9.1.1960 – V ZR 103/58, DNotZ 1960, 551 ff. RG v. 4.12.1942 – VII 94/42, RGZ 170, 203 (206). BGH v. 9.2.1983 – IVa ZR 87/81, DNotZ 1983, 628 (629). Vgl. BGH v. 13.6.1990 – IV ZR 87/89, FamRZ 1990, 1110. BGH v. 13.7.1957 – IV ZR 93/57, NJW 1957, 1515 (1516).
1340 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 336 C IV
vor, wenn ein zweiter Nachlass, dessen Erbteile verkauft werden, in der Weise ausgehöhlt ist, dass sich in ihm nur noch der Erbteil an einem ersten Nachlass befindet1. Oder wenn sich ein Miterbe gegen Entgelt zu Leistungen verpflichtet, die seinem Vertragspartner die vollständige und zeitlich unbeschränkte Wahrnehmung der Miterbenrechte für eigene Rechnung sichern2. Generell liegen Umgehungsgeschäfte immer dann vor, wenn der Erbanteil 332 praktisch verkauft und gleichzeitig die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Miterben vereitelt werden soll. Ansonsten wird man in der Praxis bei jeder anderweitigen Gestaltung, welche den Anschein eines Umgehungsgeschäfts begründet, niemals mit letzter Sicherheit eine wirksame Ausschaltung des Vorkaufsrechts von vornherein annehmen können. Die missliche Folge besteht darin, dass sich dann zwar nicht juristisch, aber faktisch die Verteilung der Nachlassanteile in der Schwebe befindet, wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts von den übrigen Miterben rechtzeitig erklärt wird.
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Beratungshinweis für Vertragsparteien, insbesondere Erbteilserwerber: Vereinbarung eines vorsorglichen Vorkaufsrechtsverzichtes der übrigen Miterben, ggf. gegen eine „Anerkennungszahlung“.
333
cc) Ausübung des Vorkaufsrechts Gegenüber Verkäufer: Bis zur Übertragung des Nachlassanteils durch den Miterben auf den Erwerber besteht das Vorkaufsrecht gegenüber dem verkaufenden Miterben und ist diesem gegenüber auszuüben, §§ 2034 Abs. 1, 2035 Abs. 1 Satz 1, 2033 Abs. 1 BGB.
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Gegenüber Drittem (Käufer): Mit der Übertragung des verkauften Anteils kann das Vorkaufsrecht nur noch durch Erklärung gegenüber dem Anteilskäufer ausgeübt werden, § 2035 Abs. 1 Satz 1 BGB. Verkauft und überträgt der Käufer den Anteil – innerhalb der Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts – an einen anderen weiter, so ist gemäß § 2037 BGB das Vorkaufsrecht nunmehr gegenüber dem weiteren Erwerber auszuüben3. Dabei ist es unerheblich, ob diese weitere Veräußerung auf einem Kauf oder einem anderen, für sich genommen nicht vorkaufsrechtsauslösenden Verpflichtungsgeschäft beruht4.
335
Mehrere Vorkaufsberechtigte können, wie sich aus § 472 Satz 1 BGB (analog i.V.m. § 2034 Abs. 1 BGB) ergibt, das Vorkaufsrecht nur als Gesamthänder ausüben5. Nur dann, wenn die übrigen Berechtigten das Recht nicht ausüben oder ihr Vorkaufsrecht erloschen ist, sind der oder die übrigen Miterben berechtigt, das Vorkaufsrecht allein auszuüben (§ 472 Satz 2 BGB analog).
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1 Vgl. BGH v. 14.10.1968 – III ZR 73/66, NJW 1969, 92 (93). 2 Palandt/Edenhofer, § 2034 Rz. 10.; s. hierzu auch OLG Dresden v. 9.10.2003 – 7 U 650/03, ZEV 2004, 508 (Ls.). 3 S. Ebeling/Geck, Rz. 223. 4 Palandt/Edenhofer, § 2037 Rz. 4. 5 BGH v. 11.7.1979 – IV ZR 69/77, WM 1979, 1066 (1067).
v. Morgen 1341
C IV Rz. 337 337
Die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts beträgt zwei Monate (§ 2034 Abs. 2 Satz 1 BGB) und läuft – für jeden Miterben gesondert – ab dem Empfang der Benachrichtigung vom Abschluss des wirksamen Kaufvertrags (§§ 2034 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 469 Abs. 2 BGB). Die Kenntnis von der dinglichen Übertragung im Sinne des § 2033 Abs. 1 BGB ist dabei lediglich dafür maßgeblich, wem gegenüber das Vorkaufsrecht ausgeübt werden muss (s. Rz. 334 f.). Die Frist beginnt außerdem nur zu laufen, wenn die Mitteilung wahrheitsgemäß und vollständig ist1. Ist der Vorkaufsberechtigte bei dem Vertragsabschluss selbst zugegen, so beginnt allerdings die Frist bereits mit dem Beurkundungstage zu laufen2.
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338
Erbengemeinschaft
Beratungshinweis für Vertragsparteien: Um Rechtsklarheit zu erlangen (und Dispositionen treffen zu können), empfiehlt es sich, die vorkaufsberechtigten Miterben schriftlich gegen Empfangsnachweis vom vollständigen Inhalt des Vertrags zu unterrichten, am besten durch Übersendung einer vollständigen Kopie des Kaufvertrags.
Die Ausübung des Vorkaufsrechts kann durch formlose Erklärung (gegenüber dem richtigen Adressaten) erfolgen3.
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Beratungshinweis für vorkaufsberechtigte Miterben: Aus Gründen der Beweisbarkeit und Rechtssicherheit empfiehlt es sich dennoch in jedem Fall, das Vorkaufsrecht durch schriftliche Erklärung mit Empfangsnachweis (auch wegen der Rechtzeitigkeit) auszuüben.
dd) Rechtsverhältnis zwischen veräußerndem und vorkaufsrechtsausübendem Miterben 339
Die Ausübung des Vorkaufsrechts hat gemäß §§ 2034 ff. BGB keine dingliche, sondern lediglich schuldrechtliche Wirkung. Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts durch den/die übrigen Miterben ist der verkaufende Miterbe somit verpflichtet, den Nachlassanteil auf den/die Miterben zu übertragen, sofern eine Übertragung auf den Erwerber noch nicht stattgefunden hat4. ee) Rechtsverhältnis zwischen Käufer und vorkaufsberechtigtem Miterben
340
Ist der Nachlassanteil bereits auf den Erwerber übertragen, steht dem/den das Vorkaufsrecht ausübenden Miterben ein entsprechender schuldrechtlicher Anspruch gegen den Erwerber auf Übertragung des Nachlassanteils an ihn/sie zu. Hat indessen der Erwerber den Nachlassanteil zwischenzeitlich bereits weiterübertragen, sind die vorkaufsrechtsausübenden Miterben auf einen bloßen Schadenersatzanspruch gegen den Erwerber verwiesen; gegen den Zweit-
1 Vgl. RG v. 17.3.1924 – IV 485/23, Recht 1924 Nr. 1522; RG v. 28.10.1929 – IV 822/28, HRR 1930 Nr. 297; OLG Köln v. 9.7.1958 – 2 U 8/58, DNotZ 1959, 263. 2 Vgl. OLG Köln v. 9.7.1958 – 2 U 8/58, DNotZ 1959, 263. 3 BGH v. 12.7.1967 – V ZR 137/64, BB 1967, 1104. 4 Ebeling/Geck, Rz. 167 f.
1342 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 343 C IV
erwerber haben sie in der Regel keinen Anspruch auf Herausgabe des Nachlassanteils. Ausnahme: Dieser hat den Tatbestand des § 826 BGB erfüllt1. Kraft des durch die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber dem Anteilserwerber entstehenden gesetzlichen Schuldverhältnisses2 ist nicht nur einerseits der Erwerber zur Übertragung des Erbanteils auf den/die vorkaufsrechtsausübenden Miterben verpflichtet, sondern diese sind ihrerseits gegenüber dem Erwerber zur Erstattung des etwa von diesem bereits an den veräußernden Miterben gezahlten Kaufpreises und der sonstigen Aufwendungen verpflichtet, welche dem Erwerber durch den Erwerb des Anteils bereits entstanden sind3. Hierzu gehören nach allgemeiner Auffassung auch die Kosten für die Rückübertragung (Notarkosten etc.)4. Zu den zu ersetzenden Aufwendungen müssen ferner etwaige zur Finanzierung des Erwerbes getätigte Zinsen, einschließlich Bereitstellungszinsen, sowie eine etwaige Vorfälligkeitsentschädigung gerechnet werden. Allerdings wird insoweit möglicherweise auch der Gesichtspunkt einer Obliegenheitsverletzung analog dem Rechtsgedanken des § 254 BGB heranzuziehen sein: Ein Erwerber, welcher vor Ablauf der Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts der übrigen Miterben bereits langfristige Finanzierungsdispositionen trifft, wird sich den dadurch entstehenden (Zins-)Schaden mit dem/den das Vorkaufsrecht ausübenden Miterben teilen müssen.
341
ff) Haftungsbefreiung des Käufers Gemäß § 2036 Satz 1 BGB wird der Käufer von der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten in dem Moment frei, in welchem er den erworbenen Erbanteil auf den/die das Vorkaufsrecht ausübenden Miterben überträgt. Erst recht gilt die Haftungsbefreiung dann, wenn der Erwerber niemals Inhaber des Anteils geworden ist. Bestehen bleibt indessen gemäß § 2036 Satz 2, 1. Halbs. BGB die Haftung des Anteilserwerbers aus Verwaltungshandlungen im Sinne der §§ 1978, 1980 BGB in der Zwischenzeit.
342
gg) Vorkaufsrecht im Falle mehrfach gestufter Erbengemeinschaften Mit seiner Entscheidung vom 14.10.1968 hat der BGH5 in Erweiterung des 343 Anwendungsbereiches des § 2034 BGB gleichsam einen „Durchgriff“ des Vorkaufsrechts auf den eigenen Nachlass eines Miterben ins Leben gerufen. Danach soll, wenn ein Miterbe einer bis dahin ungeteilten Erbengemeinschaft verstirbt und einer von dessen Erben seinen Anteil am Nachlass dieses Miterben an einen Dritten verkauft, den übrigen Miterben dann ein Vorkaufsrecht auch insoweit zustehen, wenn der Nachlass dieses Miterben praktisch
1 2 3 4 5
Vgl. Ebeling/Geck, Rz. 218. Vgl. OLG München v. 2.2.1993 – 18 U 3427/92, ZEV 1994, 43. Palandt/Edenhofer, § 2034 Rz. 9; Soergel/Wolf, § 2034 Rz. 12. BGH v. 14.3.1962 – V ZR 2/62, DB 1963, 828. BGH v. 14.10.1968 – III ZR 73/66, BB 1969, 385; vgl. nachfolgend auch BGH v. 2.10.1974 – IV ZR 183/73, NJW 1975, 445 (446).
v. Morgen 1343
C IV Rz. 344
Erbengemeinschaft
nur aus seinem Erbteil besteht1. Dies ist zwar dogmatisch gesehen systemwidrig, kann aber unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Umgehungsgeschäften aus praktischen Erwägungen heraus akzeptiert werden.
2. Verpfändung 344
Û
Beratungssituation: Aufgrund verzögerter Erbauseinandersetzung und beträchtlicher Einkommensteuerlasten auf seinen Anteil an den Nachlasserträgen benötigt Mandant als Miterbe eines beträchtlichen Vermögens eine Zwischenfinanzierung. Die finanzierende Bank verlangt hierfür eine Sicherheit.
Wenn ein Miterbe eines bisher ungeteilten Nachlasses seinen Nachlassanteil vorzeitig zur Geldschöpfung einsetzen will, braucht er nicht unbedingt gleich zum äußersten Mittel – dem Verkauf – zu greifen. Zur Zwischenfinanzierung seines Geldbedarfes bis zur Auseinandersetzung kann er vielmehr an seinem mitgliedschaftlichen Miterbenrecht auch ein Vertragspfandrecht gemäß §§ 1273 ff. BGB zugunsten eines Darlehensgebers bestellen. Die Bestellung bedarf dabei allerdings stets der notariellen Beurkundung gemäß § 2033 Abs. 1 Satz 2 BGB. 345
Û
346
Aufgrund der Pfandrechtsbestellung haben es die übrigen Miterben mit einem weiteren Beteiligten zu tun, der – im Falle der Pfandreife – außerdem das Damoklesschwert einer Zwangsveräußerung des betreffenden Erbanteils oder sogar einer zwangsweisen Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft über ihren Köpfen schwingt. Im Einzelnen gestalten sich die Rechtsbeziehungen der Beteiligten im Falle der Verpfändung eines Erbanteils wie folgt:
Beratungshinweis für Vertragsparteien: Wird jedoch vereinbart, dass der Schuldner nicht berechtigt sein soll, das Pfandrecht durch Tilgung der Schuld zum Erlöschen zu bringen, so ist die Pfandrechtsbestellung nach Auffassung des BGH unwirksam2.
a) Rechtsstellung des Pfandgläubigers aa) Benachrichtigung der übrigen Miterben 347
Den Pfandgläubiger trifft zwar keine Anzeigepflicht im Sinne des § 1280 BGB über die Verpfändung, da ein Recht und nicht eine Forderung belastet wird; es liegt jedoch in seinem eigenen Interesse, die Miterben von der vorgenommenen Verpfändung zu benachrichtigen, insbesondere um gutgläubige Verwaltungs- und/oder Auseinandersetzungsmaßnahmen zu verhindern3.
1 Vgl. BGH v. 14.10.1968 – III ZR 73/66, BB 1969, 385. 2 Vgl. BGH v. 13.2.1957 – IV ZR 183/56, BGHZ 23, 293 (298). 3 Vgl. auch RG v. 30.6.1913 – Rep. VI 123/13, RGZ 83, 28 f.; RG v. 25.4.1914 – Rep. V 115/14, RGZ 84, 395 (399); MüKo/Heldrich, § 2033 Rz. 33.
1344 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 351 C IV
bb) Eintragung im Grundbuch Obwohl nicht einzelne Nachlassgegenstände, sondern das Miterbenrecht als solches verpfändet ist, wird dennoch eine Eintragung der durch die Verpfändung eingetretenen Verfügungsbeschränkung des betreffenden Miterben (§ 1276 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB) im Grundbuch allgemein für zulässig gehalten, um auf diese Weise einen gutgläubigen Erwerb durch Dritte auszuschließen (§ 892 BGB); der Pfandrechtsvermerk erfolgt in Abt. II des Grundbuches1, der Pfandgläubiger ist selbst antragsberechtigt2.
348
cc) Wahrnehmung der Rechte des Miterben Gemäß § 1258 BGB analog i.V.m. § 1273 Abs. 2 BGB3 ist der Pfandgläubiger an der Verwaltung, Auseinandersetzung und Verwertung des Nachlasses (mit) beteiligt4. Die Auseinandersetzung kann bis zur Pfandreife nur gemeinschaftlich von dem betroffenen Miterben und dem Pfandgläubiger verlangt werden (§ 1258 BGB), danach durch den Pfandgläubiger allein5.
349
Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob ein Vertragspfandgläubiger ebenso wie die Miterben an ein letztwillig angeordnetes Auseinandersetzungsverbot gebunden ist. Dies ist mit der insoweit wohl herrschenden Meinung6 zum Schutz der übrigen Miterben und des Erblasserwillens zu bejahen. Anderenfalls wäre jedes letztwillig angeordnete Auseinandersetzungsverbot praktisch wirkungslos, weil es von jedem Miterben durch willkürliche Verpfändung seines Erbanteils faktisch außer Kraft gesetzt werden könnte.
350
Û
Beratungshinweis für Pfandgläubiger: In diesen Fällen ist zunächst zu 351 prüfen, ob nicht durch den Vermögensverfall des Miterben, bezüglich dessen verpfändeten Erbteils Pfandreife eingetreten ist, ein wichtiger Grund für die Aufhebung trotz Auseinandersetzungsausschlusses gemäß § 749 Abs. 2 Satz 1 BGB vorliegt, der dann auch zugunsten des Vertragspfandgläubigers gelten muss. Ist dies nicht der Fall, bleibt noch die Möglichkeit, aufgrund eines vollstreckbaren Titels gegen den betreffenden Miterben (der sich häufig bereits in der notariellen Verpfändungserklärung selbst der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen haben wird) den Erbanteil „nachrangig“ zu pfänden und die Erbauseinandersetzung dann im Wege der Zwangsvollstreckung vorzunehmen, für welche Auseinandersetzungsverbote naturgemäß nicht gelten (s. noch unter 3. a), Rz. 362).
1 Ebeling/Geck, Rz. 266. 2 OLG Braunschweig v. 2.6.1900, Seuff.A. 56, 254. 3 Vgl. RG v. 30.6.1913 – Rep. VI 123/13, RGZ 83, 27 (30); RG v. 25.4.1914 – Rep. V 115/14, RGZ 84, 395 (396). 4 Ebeling/Geck, Rz. 239. 5 BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 86/67, NJW 1969, 1347 (1348); insoweit unrichtig Ebeling/Geck, Rz. 143. 6 S. vor allem MüKo/Damrau, § 1274 Rz. 46.
v. Morgen 1345
C IV Rz. 352
Erbengemeinschaft
dd) Fortsetzung der Rechte des Pfandgläubigers am Surrogat im Falle der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft 352
Fraglich ist, ob im Falle der Aufhebung der Erbengemeinschaft durch Auseinandersetzung das Vertragspfandrecht sich in entsprechender Anwendung des § 1258 Abs. 3 BGB ipso iure am Surrogat (Auseinandersetzungsguthaben des betreffenden Miterben) fortsetzt oder nur ein schuldrechtlicher Anspruch auf Neubestellung gegenüber dem Miterben besteht. Diese ehemalige Streitfrage hat der BGH in seinem grundsätzlichen Urteil vom 12.5.19691 aufgrund praktischer Erwägungen im Sinne der ersteren Alternative geklärt: Das Rangverhältnis zwischen einem später bestellten Pfändungspfandrecht und einem früheren Vertragspfandrecht würde ungerechtfertigterweise im Zuge der Erbauseinandersetzung umgekehrt, wenn nur das Pfändungspfandrecht sich automatisch am Surrogat fortsetzen, wohingegen das Vertragspfandrecht nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Neubestellung am Surrogat gewähren würde2. ee) Einziehung der Erträge
353
Wem – Miterben oder Vertragspfandgläubiger – im Falle des § 2038 Abs. 2 Satz 3 BGB der Anteil am jährlichen Reinertrag zusteht, ist bisher in Rechtsprechung und Schrifttum nicht ausdrücklich behandelt3. Richtigerweise wird man eine Auszahlung an den Miterben nicht ohne Zustimmung des Vertragspfandgläubigers zulassen dürfen. b) Rechtsstellung des verpfändenden Miterben aa) Relatives Verfügungsverbot hinsichtlich der Nachlassgegenstände
354
Der verpfändende Miterbe wird durch die Verpfändung seines Erbteils in der Beteiligung an Verfügungen der Miterben über die einzelnen Nachlassgegenstände (§ 2040 Abs. 1 BGB) zugunsten des Pfandgläubigers beschränkt. Verfügungen und die Nachlassteilung sind dem Pfandgläubiger gegenüber ohne dessen Zustimmung folglich unwirksam (relatives Verfügungsverbot)4. Dies soll indessen nicht auch für Verfügungen des Testamentsvollstreckers gelten5. bb) Kein Veräußerungsverbot hinsichtlich des Erbteils
355
Eine Übertragung des mit dem Pfandrecht belasteten Erbteils bleibt indessen weiterhin auch ohne Zustimmung des Pfandgläubigers zulässig, da dessen Rechte dadurch nicht beeinträchtigt werden. Ausnahme: Übertragung auf den
1 VIII ZR 86/67, DB 1969, 1102 ff. 2 BGH v. 12.5.1969 – VIII ZR 86/67, DB 1969, 1102 ff.; anders noch die st. Rspr. des RG, vgl. zuletzt RG v. 25.4.1914 – Rep. V 115/14, RGZ 84, 395 (397). 3 Vgl. etwa RG v. 30.6.1913 – Rep. VI 123/13, RGZ 83, 27 (30). 4 Ebeling/Geck, Rz. 133. 5 Vgl. KG v. 12.6.1952 – 1 W 1639/52, JR 1952, 323 (324).
1346 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 359 C IV
einzigen weiteren Miterben, da damit die Erbengemeinschaft aufgelöst ist und der verpfändete Miterbenanteil untergeht1. c) Rechtsstellung der übrigen Miterben Die übrigen Miterben müssen sich aufgrund der Verpfändung einen weiteren 356 Beteiligten gefallen lassen, der sowohl in den Verwaltungsentscheidungen als auch hinsichtlich der Auflösung der Erbengemeinschaft und Verwertung des Nachlasses eigene Interessen vertritt. Fraglich ist daher, wie die übrigen Miterben demgegenüber ihre Interessen wahren können. aa) Kein Vorkaufsrecht Ein Vorkaufsrecht bei der Verwertung des verpfändeten Miterbenanteils durch Versteigerung desselben scheidet aus (vgl. oben unter 1. g) aa), Rz. 323), es sei denn, es läge durch die konkrete Gestaltung des Verpfändungsvertrags im Einzelfall ausnahmsweise einmal ein Umgehungsgeschäft vor.
357
bb) Ablösungsrecht? Um den Vertragspfandgläubiger als „Störenfried“ innerhalb der Erbengemeinschaft loszuwerden, liegt es nahe, an ein Ablösungsrecht durch Begleichung der dem Vertragspfandrecht zugrunde liegenden Forderung des Gläubigers zu denken. Ein solches Ablösungsrecht ist allerdings bisher einhellig mit der Begründung abgelehnt worden, dass die übrigen Miterben durch die Auseinandersetzung des Nachlasses in der Folge einer Verpfändung des Miterbenanteils keines eigenen Rechts im Sinne des § 268 Abs. 3 BGB verlustig gingen2.
358
Demgegenüber ist indessen das Urteil des OLG Karlsruhe vom 10.12.19913 zu beachten. Dieses gewährt den übrigen Miterben – richtigerweise – in analoger Anwendung des § 268 Abs. 3 BGB ein Ablösungsrecht, wenn der Anteil eines anderen Miterben am Nachlass von einem Gläubiger gepfändet worden ist, welcher unter Durchbrechung eines bestehenden Auseinandersetzungsverbotes bereits die Zwangsversteigerung des Nachlasses betreibt. Jene Entscheidung ist zwar in Bezug auf ein Pfändungspfandrecht ergangen; die darin niedergelegten Grundsätze müssen jedoch m.E. zumindest dann auf das Vertragspfandrecht übertragen werden, wenn auch insoweit ansonsten die Gefahr einer Überwindung des Auseinandersetzungsverbotes bestünde (vgl. Rz. 350). Ferner ist m.E. im Vorfeld dessen auch ein Auskunftsanspruch der übrigen Miterben hinsichtlich der Höhe der Verbindlichkeit sowie der Verpfändungsbedingungen zwar nicht ohne weiteres unmittelbar gegenüber dem Vertragspfandgläubiger, in jedem Falle aber aufgrund besonderer Voraussetzungen gegenüber dem verpfändenden Miterben gegeben.
359
1 BayObLG v. 13.2.1959 – BReg. 2 Z 203/58, NJW 1959, 1780 (1782). 2 RG v. 3.10.1941 – VII 53/41, RGZ 176, 299. 3 OLG Karlsruhe v. 10.12.1991 – 18a 230/90, NJW-RR 1992, 713 f.
v. Morgen 1347
C IV Rz. 360
Erbengemeinschaft
cc) Weitere Rechte 360
Soweit die Auseinandersetzung des Nachlasses durch entsprechende Anordnung des Erblassers ausgeschlossen ist, können sich die übrigen Miterben auch gegenüber dem die Auseinandersetzung betreibenden Vertragspfandgläubiger auf das Auseinandersetzungverbot berufen (s. Rz. 350). Ist der letztwilligen Verfügung des Erblassers zumindest andeutungsweise zu entnehmen, dass der Nachlass oder einzelne Gegenstände daraus möglichst auf Dauer im Kreis der Miterben verbleiben und nicht an Dritte veräußert werden sollen, so können die übrigen Miterben auch beantragen, dass als Bieter im Rahmen einer Teilungsversteigerung nur die Miterben selbst zugelassen werden sollen (§§ 2048, 2042 Abs. 2 i.V.m. § 753 Abs. 1 Satz 2 BGB1).
3. Pfändung eines Miterbenanteils im Wege der Zwangsvollstreckung
Û 361
Beratungssituation: Mandant hat Vollstreckungstitel gegen bislang vermögenslosen Schuldner, der aber jetzt Miterbe eines werthaltigen Nachlasses geworden ist. Er fragt, wie er am besten vorgeht.
Bei dem Pfändungspfandrecht steht die baldmögliche Verwertung des Erbanteils im Vordergrund. Hierfür stehen dem Pfändungsgläubiger zwei Wege zur Verfügung: a) Pfändung und Überweisung zur Einziehung
362
Dieses Vorgehen vollzieht sich in folgenden Schritten: – Der Gläubiger pfändet den Erbanteil nach Maßgabe der §§ 859 Abs. 1 und 2, 857 Abs. 1, 829 ff. ZPO. – Der Pfändungsbeschluss wird dem betroffenen Miterben gemäß §§ 857 Abs. 1, 829 Abs. 1 ZPO als Schuldner und den übrigen Miterben, im Falle der Testamentsvollstreckung dem Testamentsvollstrecker2, als Drittschuldnern zugestellt. – Sodann kann sich der Pfändungspfandgläubiger den gepfändeten Erbanteil zur Einziehung gemäß §§ 859 Abs. 2 und 1, 857 Abs. 1, 835 ZPO überweisen lassen und – die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gemäß § 2042 BGB fordern, wobei er sich über jeglichen Auseinandersetzungsausschluss, sei es durch letztwillige Anordnung des Erblassers oder Vereinbarung der Erben hinwegsetzen kann, da das Pfändungspfandrecht einen solchen in jedem Falle durchbricht. – Die Verwertung des Erbanteils erfolgt dann indessen erst nach durchgeführter Auseinandersetzung.
1 MüKo/Heldrich, § 2042 Rz. 25. 2 Noack, JR 1969, 8 (9).
1348 v. Morgen
Erbengemeinschaft
Rz. 367 C IV
– Weigern sich die übrigen Miterben, die Erbauseinandersetzung vorzunehmen, so muss der Gläubiger die Erbauseinandersetzungsklage gemäß §§ 804 Abs. 2 ZPO, 1273 Abs. 2 i.V.m. § 1258 Abs. 1, 2042 Abs. 1 und 2, 749 Abs. 2 BGB erheben1. Nachteil: Dieses Verfahren ist ebenso umständlich und langwierig wie eine normale Auseinandersetzungsklage unter den Miterben. b) Antrag auf Anordnung anderweitiger Verwertung, Versteigerung des Erbanteils Die Pfändung erfolgt in gleicher Weise, aber der Pfändungspfandgläubiger lässt von dem hierfür zuständigen Rechtspfleger eine andere Art der Verwertung gemäß §§ 19 Satz 1 Nr. 14 RPflG, 857 Abs. 1, 844, 857 Abs. 5 ZPO anordnen, nachdem der Schuldner hierzu gehört worden ist (§§ 844 Abs. 2, 857 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Rechtspflegers nach Abwägung der Interessen des Pfandgläubigers und des Schuldners.
363
Der Rechtspfleger kann zwei verschiedene Arten einer anderweitigen Verwertung anordnen2:
364
– Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit der Versteigerung des Erbanteils – freihändige Veräußerung des gepfändeten Erbanteils an einen Dritten oder den Pfändungspfandgläubiger
4. Belastung mit Nießbrauch Die Bestellung eines Nießbrauches an einem Erbanteil mit der Folge, dass der Nießbraucher berechtigt ist, sämtliche auf den Miterbenanteil entfallenden Nutzungen zu ziehen, ist als Nießbrauch an einem Recht im Sinne der §§ 1068 ff. BGB zulässig.
365
a) Form und Inhalt der Bestellung Nach § 1069 Abs. 1 i.V.m. § 2033 Abs. 1 BGB bedarf die Bestellung des Nießbrauches als Verfügung über den Erbanteil in Form einer Belastung der notariellen Beurkundung3.
366
Inhaltlich können sowohl sämtliche Nutzungen des Erbanteils im Wege der Nießbrauchsbestellung übertragen als auch einzelne Nutzungen davon ausgeschlossen werden4. Weil der Nießbrauch ein persönliches Recht ist, ist er als solcher nicht übertragbar; lediglich die Ausübung des Nießbrauches kann weiter übertragen werden.
367
1 2 3 4
KG v. 20.10.1960 – 12 U 255/60, NJW 1961, 733. I.E.: Liermann, NJW 1962, 2189 f.; Noack, JR 1968, 8 (9). Vgl. BayObLG v. 13.2.1959 – BReg. 2 Z 203/58, NJW 1959, 1780 ff. Vgl. Ebeling/Geck, Rz. 221.
v. Morgen 1349
C IV Rz. 368
Erbengemeinschaft
b) Rechtsstellung des Nießbrauchers und des betroffenen Miterben 368
Durch die Bestellung des Nießbrauches entsteht gemäß § 1071 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB eine relative Verfügungsbeschränkung; der Miterbe kann über seinen Erbanteil zum Nachteil des Nießbrauchers nur noch mit dessen Zustimmung verfügen. Entsprechend den Grundsätzen zum Pfandrecht ist auch insoweit ein berichtigender Vermerk im Grundbuch eines Nachlassgrundstückes möglich, z.B. durch Eintragung eines Veräußerungsverbotes in Abt. II, nur lastend auf dem betroffenen Miterbenanteil1.
369
Der Nießbraucher ist des Weiteren an der Nutzung und Verwaltung des Nachlasses beteiligt.
370
Die Auseinandersetzung des Nachlasses kann der Nießbraucher nur mit dem betroffenen Miterben gemeinsam verlangen (§ 1066 Abs. 2 BGB).
1 Vgl. MüKo/Heldrich, § 2033 Rz. 29.
1350 v. Morgen
V. Die Haftung des Alleinerben Schrifttum: Adel, Anmerkung zu OLG Hamburg, Urteil v. 5.11.1993 – 11 U 39/93, ZEV 1994, 183; Boehmer, Erbfolge und Erbenhaftung, Halle 1927; Boehmer, Die „erbrechtliche Lösung“ des § 1371 BGB n.F. im Lichte des Stiefkinderproblems (§ 1371 IV), FamRZ 1961, 41; Braga, Das ehegüterrechtliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten (Zum § 1371 BGB in der Fassung des GleichberG vom 18. Juni 1957/Erbrechtliche und internationalprivatrechtliche Aspekte), FamRZ 1957, 334; Emmerich, Die Haftung des Gesellschaftererben nach § 139 HGB, ZHR 150 (1986), 193; Graf, Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung für Nachlassverbindlichkeiten, ZEV 2000, 125; Harder/MüllerFreienfels, Grundzüge der Erbenhaftung, JuS 1980, 876; Johannsen, Die Nachfolge in kaufmännische Unternehmen und Beteiligungen an Personengesellschaften beim Tode des Inhabers, FamRZ 1980, 1074; Johannsen, Ansprüche der Stiefkinder gegen den überlebenden Ehegatten nach § 1371 Abs. IV BGB, FamRZ 1961, 163; Liebisch, Über die Rechtsstellung der Erben eines Offenen Handelsgesellschafters, ZHR 116 (1954), 128; Muscheler, Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung, Tübingen 1994; Rittner, Der Ausbildungsanspruch der „Stiefabkömmlinge“ nach dem neuen Familienrecht, DNotZ 1957, 483; Schmidt, Karsten, Anmerkung zu BGH, Urteil v. 8.10.1984 – II ZR 223/83, NJW 1985, 138; Schmidt, Karsten, Handelsrechtliche Erbenhaftung als Bestandteil des Unternehmensrechts. Für ein neues Verständnis des § 27 HGB im Systemzusammenhang mit §§ 130, 139 HGB, ZHR 157 (1993), 600. Rz. I. Überblick über die Haftung des Alleinerben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Haftung mit dem Nachlass und dem Eigenvermögen . . . . . . 2. Das Recht, die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten zu verweigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass . . . . . . . . . . . . . a) Die Einrede des ungeteilten Nachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Nachlassverwaltung und das Nachlassinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Dürftigkeitseinrede. . . . . d) Die ausgeschlossenen Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Einrede der Überbeschwerung . . . . . . . . . . . . . . f) Die Minderjährigenhaftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . g) Die Haftungsbeschränkungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . .
1 4
8 10 11
12 13 14 16 17 19
II. Die Feststellung der Vermögenssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Die Nachlassverbindlichkeiten und der Umfang der Haftung . . . 21 a) Erblasserschulden . . . . . . . . . . 22
b) Die Erbfallschulden . . . . . . . c) Die Erbschaftsverwaltungsoder Nachlasskostenschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Nachlasserbenschulden e) Die Geschäftsschulden . . . . aa) Der Erblasser war Inhaber eines einzelkaufmännischen Unternehmens . bb) Der Erblasser war Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft bzw. Komplementär einer Kommanditgesellschaft. cc) Der Erblasser war Kommanditist einer Kommanditgesellschaft . . . . . 2. Das Aufgebotsverfahren . . . . . . a) Die Durchführung des Aufgebotsverfahrens . . . . . . . . . . b) Die Ausschlusseinrede . . . . . c) Die Verschweigungseinrede d) Die Geltendmachung der Ausschluss- und der Verschweigungseinrede im Erkenntnisverfahren und in der Zwangsvollstreckung. . . 3. Die Inventarerrichtung . . . . . . . a) Der Inhalt des Inventars . . . .
Endemann
Rz. 26
27 28 31
32
37
43 46 47 51 58
63 66 67
1351
C V Rz. 1
Haftung des Alleinerben Rz.
b) Die Arten der Inventarerrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Inventarfrist . . . . . . . . . . . d) Die Inventaruntreue. . . . . . . . e) Die Verpflichtung des Erben zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung . . . . . . . . f) Die Wirkung eines fristgerecht errichteten Inventars 4. Die vorläufigen Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten . . a) Der Schutz des Erben zwischen Anfall und Annahme der Erbschaft . . . . . . . . . . . . . . b) Der Schutz des Erben nach der Annahme der Erbschaft aa) Die aufschiebenden Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Wirkungen der Einreden im Prozess und in der Zwangsvollstreckung
68 75 81
85 86 87
88
89
93
III. Die dauerhafte Beschränkung der Haftung auf den Nachlass . . 95 1. Die haftungsrechtlichen Folgen der Nachlassverwaltung und der Nachlassinsolvenz . . . . . . . . . . . . 96 2. Die Nachlassverwaltung . . . . . . 104 a) Die Anordnung der Nachlassverwaltung . . . . . . . . . . . . 105 b) Die Rechtsstellung des Nachlassverwalters . . . . . . . . 110
Rz. c) Die Aufhebung bzw. Beendigung der Nachlassverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Nachlassinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens . . . . . . . b) Die Rangfolge der Nachlassgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens . . . . 4. Die Erbenhaftung nach Beendigung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Einreden der §§ 1990, 1992 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Dürftigkeitseinrede. . . . . . . 2. Die Unzulänglichkeitseinrede . 3. Die Erschöpfungseinrede. . . . . . 4. Die Überbeschwerungseinrede 5. Die Berechnung des Nachlasswertes und die Rangfolge der Nachlassverbindlichkeiten . . . . 6. Die weiteren Rechtsfolgen der Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Geltendmachung der Einreden im Erkenntnisverfahren . 8. Die Geltendmachung der Einreden in der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
114 115 116 119 121
122 125 126 127 128 129
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I. Überblick über die Haftung des Alleinerben 1 Da die Gläubiger des Erblassers durch den Tod ihren Schuldner verlieren, andererseits das gesamte Vermögen des Erblassers nach § 1922 BGB auf den oder die Erben übergeht, ist es zunächst interessengerecht, dass der Erbe nach § 1967 Abs. 1 BGB zugleich für die Nachlassverbindlichkeiten haftet. Das gilt vor allem, wenn der Nachlass ausreicht, um die Nachlassverbindlichkeiten zu tilgen. 2 Ist der Nachlass aber überschuldet, so dass der Erbe die Nachlassverbindlichkeiten zum Teil aus seinem sonstigen Vermögen erfüllen müsste, entstehen bereits Zweifel, ob die Regelung des § 1967 Abs. 1 BGB ausreicht, um einen Interessenausgleich zwischen dem Erben, seinen Gläubigern und den Nachlassgläubigern herbeizuführen. Durch eine uneingeschränkte Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten würden der Erbe und seine Eigengläubiger benachteiligt, wenn der Nachlass überschuldet ist. Der Erbe würde mit der Annahme der Erbschaft nach § 1946 BGB nicht einen Vermögenszuwachs ver1352 Endemann
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zeichnen, sondern einen Vermögensverlust erleiden. Das Haftungsvermögen der Eigengläubiger des Erben würde geschmälert, weil die Nachlassgläubiger zur Befriedigung ihrer Ansprüche nicht nur auf den Nachlass, sondern auch auf das sonstige Vermögen des Erben zurückgreifen könnten. Würde man wiederum die Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten ausschließlich auf den Nachlass beschränken, so würden die Nachlassgläubiger erheblich benachteiligt. Durch den Erbfall sehen sie sich einem neuen, in der Regel für sie unbekannten Schuldner gegenüber. Da der Erbe über den Nachlass frei verfügen kann, besteht die nahe liegende Gefahr, dass das Vermögen des Erblassers nicht mehr lange als Haftungsmasse für die Nachlassgläubiger zur Verfügung steht. Zudem kann es zu einer Vermögensvermischung zwischen dem Nachlass und dem sonstigen Vermögen des Erben kommen, so dass sich die einzelnen Vermögensgegenstände den beiden Vermögensmassen nicht mehr zuordnen lassen. Den aufgezeigten Interessenkonflikt versucht der Gesetzgeber durch die Vorschriften der §§ 1967–2017 BGB (Haftung des Alleinerben), der §§ 2058–2063 BGB (Haftung der Miterben) sowie der §§ 2144 ff. BGB (Haftung des Vorerben) zu lösen1.
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1. Die Haftung mit dem Nachlass und dem Eigenvermögen Nach § 1967 Abs. 1 BGB haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten mit seinem gesamten Vermögen. Der Gesetzgeber räumt ihm allerdings die Möglichkeit ein, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Der Erbe wird regelmäßig eine Haftungsbeschränkung herbeiführen wollen, wenn der Nachlass überschuldet ist oder aber die Möglichkeit einer Überschuldung besteht.
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Handelt es sich bei dem Nachlass um ein größeres Vermögen, wird man im Zeitpunkt der Annahme der Erbschaft häufig keine Aussage darüber treffen können, ob der Nachlass überschuldet ist oder nicht. Der Erbe muss sich daher zunächst einen Überblick über das Aktiv- und Passivvermögen des Nachlasses verschaffen.
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Durch Beantragung des gerichtlichen Aufgebotsverfahrens nach §§ 1970 ff. BGB, §§ 433–441, 454–464 FamFG kann der Erbe feststellen, mit welchen Verbindlichkeiten des Erblassers der Nachlass belastet ist. In dem Aufgebotsverfahren wird den Nachlassgläubigern eine Frist gesetzt, innerhalb derer sie ihre Forderung bei dem Nachlassgericht anmelden müssen. Versäumen die Nachlassgläubiger die Frist, so haftet der Erbe für diese Verbindlichkeiten nur noch mit dem Nachlass.
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Da das gerichtliche Aufgebotsverfahren dem Erben lediglich einen Überblick über die Schulden des Nachlasses verschafft, wird der Erbe bei einem unübersichtlichen Nachlass ein Inventar (§§ 1993 ff. BGB) errichten müssen, in dem
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1 Die Haftung des Miterben wird in dem Kapitel „Die Erbengemeinschaft“ (C IV) und die Haftung des Vor- und Nacherben in dem Kapitel „Die Vor- und Nacherbschaft“ (B IV) behandelt.
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die Nachlassgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten aufgeführt werden. Nur so ist er in der Lage, die Vermögenssituation richtig einzuschätzen.
2. Das Recht, die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten zu verweigern 8 Der Erbe hat nach § 2014 BGB in den ersten drei Monaten nach der Annahme der Erbschaft (§ 1946 BGB) das Recht, die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten zu verweigern. Der Erbe haftet damit in den ersten drei Monaten nach Annahme der Erbschaft für die Nachlassverbindlichkeiten weder mit dem Nachlass noch mit seinem sonstigen Vermögen, sofern er sich gegenüber den Nachlassgläubigern auf die Dreimonatseinrede beruft. 9 Der Zeitraum, in dem die Korrektur der Nachlassverbindlichkeiten durch den Erben generell verweigert werden kann, verlängert sich, wenn der Erbe nach dem Ablauf der drei Monate das gerichtliche Aufgebotsverfahren beantragt. Er kann sich dann gegenüber den Nachlassgläubigern auf die Einrede des Aufgebotsverfahrens nach § 2015 Abs. 1 BGB berufen. Die Verpflichtung zur Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten kann während der Dauer des Aufgebotsverfahrens nicht durchgesetzt werden, wenn der Erbe innerhalb eines Jahres nach Annahme der Erbschaft den Antrag auf Erlassung des Aufgebots der Nachlassgläubiger stellt, der Antrag zugelassen wird und der Erbe die Einrede des Aufgebotsverfahrens geltend macht.
3. Die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass 10 Der Erbe kann die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränken. Dabei sieht das Gesetz verschiedene Tatbestände vor, die zu einer Haftungsbeschränkung führen können. Dementsprechend gibt es auch verschiedene Arten der Haftungsbeschränkung. Man kann unterscheiden zwischen der vorübergehenden und der endgültigen Haftungsbeschränkung sowie der Haftungsbeschränkung, die gegenüber einzelnen oder allen Nachlassgläubigern eintritt. a) Die Einrede des ungeteilten Nachlasses 11 Die Miterben einer Erbengemeinschaft sind nach § 2059 Abs. 1 BGB berechtigt, die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten aus dem Eigenvermögen bis zur Teilung des Nachlasses zu verweigern (Einrede des ungeteilten Nachlasses). (S. auch C IV Rz. 293 ff.) b) Die Nachlassverwaltung und das Nachlassinsolvenzverfahren 12 Die Nachlassverwaltung ist in den §§ 1975 ff. BGB und das Nachlassinsolvenzverfahren in den §§ 315 ff. InsO geregelt. Durch beide Verfahren wird das Nachlassvermögen von dem Eigenvermögen des Erben getrennt. Der Erbe haftet im Falle der Anordnung der Nachlassverwaltung bzw. der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens für die Nachlassverbindlichkeiten nur noch mit dem Nachlass. Beide Verfahren haben ausschließlich den Zweck, den Nach1354 Endemann
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lass abzuwickeln und können zu einer dauerhaften Haftungsbeschränkung führen. Die Nachlassverwaltung ist bei unübersichtlichen Nachlässen das zweckmäßige Verfahren. Dagegen ist das Nachlassinsolvenzverfahren regelmäßig einzuleiten, wenn feststeht, dass der Nachlass überschuldet ist. Deshalb schließt sich an die Nachlassverwaltung häufig das Nachlassinsolvenzverfahren an. c) Die Dürftigkeitseinrede Deckt der Nachlass nicht die amtlichen Kosten der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens, so kann sich der Erbe auf die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB berufen. Macht der Erbe die Einrede aus § 1990 BGB gegenüber den Nachlassgläubigern geltend, haftet er für die Nachlassverbindlichkeiten dauerhaft nicht mit seinem Eigenvermögen, sondern nur mit dem Nachlass. Die Erhebung der Einrede führt aber nicht, wie bei der Nachlassverwaltung oder dem Nachlassinsolvenzverfahren, zu einer Gütersonderung, sondern nur zu einer Haftungssonderung.
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d) Die ausgeschlossenen Gläubiger Eine Beschränkung der Haftung auf den Nachlass tritt gegenüber den Nachlassgläubigern nach § 1973 Abs. 1 Satz 1 BGB ein, wenn diese ihre Forderung in einem gerichtlich durchgeführten Aufgebotsverfahren nicht oder nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist angemeldet haben. Das Gleiche gilt nach § 1974 Abs. 1 Satz 1 BGB für Nachlassgläubiger, die ihre Forderung später als fünf Jahre nach dem Erbfall gegenüber dem Erben geltend machen. Sie stehen den im Aufgebotsverfahren ausgeschlossenen Gläubigern gleich. Der Erbe kann sich in beiden Fällen auf die Ausschluss-, Verschweigungs- oder Erschöpfungseinrede berufen.
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Zur Befriedigung der ausgeschlossenen bzw. der den ausgeschlossenen gleichgestellten Gläubigern ist er nur verpflichtet, wenn ein Nachlassüberschuss nach Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger verbleibt. Die Vorschriften des § 1973 BGB finden nach § 1989 BGB entsprechende Anwendung, wenn das Nachlassinsolvenzverfahren durch Verteilung der Masse oder durch einen Insolvenzplan beendet wurde.
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e) Die Einrede der Überbeschwerung Sofern der Nachlass aufgrund von Vermächtnissen und Auflagen überschuldet ist, kann der Erbe die Berichtigung dieser Verbindlichkeiten nach § 1992 BGB verweigern, soweit der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe haftet für diese Verbindlichkeiten mit Erhebung der Einrede der Überbeschwerung dauerhaft nur mit dem Nachlass. Die dauerhafte Haftungsbeschränkung erfordert demnach nicht eine Gütersonderung durch Anordnung der Nachlassverwaltung bzw. Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens.
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f) Die Minderjährigenhaftungsbeschränkung 17 Die Haftung des minderjährigen Erben ist seit Inkrafttreten des Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetzes vom 25.8.19981 nach § 1629a Abs. 1 BGB auf das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen des Kindes beschränkt. Der volljährig gewordene Erbe kann sich gegenüber den Nachlassgläubigern auf die Einreden der §§ 1990, 1991 BGB berufen, soweit das bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandene Vermögen zur Befriedigung der Nachlassgläubiger nicht ausreicht. Sofern das volljährig gewordene Mitglied einer Erbengemeinschaft oder einer Gesellschaft nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangt oder die Kündigung der Gesellschaft erklärt, ist nach § 1629a Abs. 4 Satz 1 1. Hs BGB im Zweifel anzunehmen, dass die Verbindlichkeiten aus diesen Rechtsverhältnissen erst nach Eintritt der Volljährigkeit entstanden sind. Die Vermutung gilt nach § 1629a Abs. 4 Satz 1 2. Hs BGB auch, wenn ein volljährig gewordener Inhaber eines Handelsgeschäftes nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit den Betrieb des Handelsgewerbes eingestellt hat. 18 Sind die Voraussetzungen des § 1629a Abs. 4 Satz 1 BGB erfüllt, wird nach § 1629a Abs. 4 Satz 2 BGB ebenfalls vermutet, dass das gegenwärtige Vermögen des volljährig Gewordenen bereits bei Eintritt der Volljährigkeit vorhanden war. g) Die Haftungsbeschränkungsvereinbarung 19 Der Erbe kann seine Haftung ferner durch Vereinbarung mit dem Nachlassgläubiger auf den Nachlass beschränken2.
II. Die Feststellung der Vermögenssituation 20 Der endgültige Erbe sollte seine Haftung auf den Nachlass beschränken, wenn der Nachlass überschuldet ist oder aber die Möglichkeit einer Überschuldung besteht. Nur so kann er verhindern, dass er die Nachlassgläubiger aus seinem Eigenvermögen befriedigen muss. Er muss sich deshalb zunächst einen Überblick über die Vermögenssituation des Nachlasses verschaffen, um entscheiden zu können, ob er seine Haftung auf den Nachlass beschränkt. Das setzt voraus, dass die Aktiva und Passiva des Nachlasses gegenübergestellt werden. Übersteigen die Passiva die Aktiva, so ist der Nachlass überschuldet. In diesem Fall ist dem Mandanten unbedingt in der Beratungssituation anzuraten, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Eine persönliche Haftung kann der Mandant auch durch Ausschlagung der Erbschaft nach § 1946 BGB vermeiden. Ist die Ausschlagungsfrist nach § 1944 BGB bereits verstrichen, besteht die Möglichkeit, die Annahme der Erbschaft in den durch § 1954 BGB
1 BGBl. I 1998, 2487. 2 Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 10.
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vorgegebenen Fristen nach § 119 Abs. 2 BGB anzufechten1. Ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft liegt jedenfalls vor, wenn dem Erben das Vorhandensein wesentlicher Nachlassverbindlichkeiten unbekannt war2.
1. Die Nachlassverbindlichkeiten und der Umfang der Haftung Die Passiva des Nachlasses sind nach § 1967 Abs. 1 BGB die Nachlassverbindlichkeiten. Nach § 1967 Abs. 2 BGB gehören zu den Nachlassverbindlichkeiten die von dem Erblasser herrührenden Schulden und die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten. Für die zuletzt genannten Forderungen nennt das Gesetz beispielhaft die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen. Es kann demnach unterschieden werden zwischen Verbindlichkeiten, die bereits in der Person des Erblassers entstanden sind bzw. deren Entstehung auf das Verhalten des Erblassers zurückzuführen ist, Verbindlichkeiten, die durch den Erbfall entstehen, sowie Verbindlichkeiten, die erst nach dem Erbfall begründet werden.
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a) Erblasserschulden Bei den Erblasserschulden handelt es sich um die von dem Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten. Die Verbindlichkeiten müssen nicht bereits im Zeitpunkt des Erbfalles vollständig entstanden sein, sondern es reicht aus, wenn die wesentlichen Voraussetzungen des Entstehungstatbestandes bereits zu Lebzeiten des Erblassers vorlagen3. Eine Erblasserschuld liegt daher vor, wenn der Anspruch des Gläubigers aufschiebend bedingt oder aber befristet ist und die Bedingung oder der Termin der Befristung erst nach dem Erbfall eintritt4. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser sich für eine zukünftige Forderung verbürgt hat, die erst nach seinem Tod entstanden ist5. Zu den Nachlassschulden gehört auch der Rückforderungsanspruch aus § 528 Abs. 1 BGB, wenn der Schenker erst nach dem Tod des beschenkten Erblassers bedürftig wird6. Hat der Erblasser einen zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestand erfüllt, so handelt es sich auch um eine Erblasserschuld, wenn der Schaden erst nach seinem Tod eingetreten ist7. Sofern sowohl der Erblasser als auch der Erbe bei der Entstehung des Schadensersatzanspruchs mitgewirkt haben, haftet der Erbe für diese Verbindlichkeit mit dem Nachlass und dem
1 BayObLG v. 14.2.1997 – 1 Z BR 254/96, FamRZ 1997, 1174 (1175); Palandt/Edenhofer, § 1954 Rz. 4. 2 BGH v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359 (363); Erman/Schlüter, § 1954 Rz. 4. 3 BGH v. 13.11.1996 – IV ZR 62/96, BGHZ 134, 60 (64); Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 3; Staudinger/Marotzke, § 1967 Rz. 19. 4 Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 3; BGH v. 7.6.1991 – V ZR 214/89, NJW 1991, 2558 (2559). 5 BGH v. 30.6.1976 – VIII ZR 52/75, WM 1976, 808; OLG Frankfurt v. 10.2.1970 – 14 U 165/69, OLGZ 1971, 46. 6 BGH v. 7.6.1991 – V ZR 214/89, WM 1991, 1856. 7 OLG Hamm v. 16.6.1994 – 6 U 227/93, VersR 1995, 454 (455); Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 3.
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Eigenvermögen1. Die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass ist bei einer so genannten Nachlasserbenschuld2 ausgeschlossen3. Schließlich kommt eine reine Eigenschuld des Erben in Betracht, wenn der Erblasser zu Lebzeiten die überwiegenden Voraussetzungen des jeweiligen Schadensersatzanspruchs nicht erfüllt hatte, sondern erst der Erbe durch eigenverantwortliches Handeln bzw. pflichtwidriges Unterlassen den Tatbestand verwirklichte4. Im Einzelfall kann die richtige Einordnung einer Verbindlichkeit, die zwischen zwei Rechtsleben entstanden ist, erhebliche Schwierigkeiten bereiten5. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich regelmäßig nicht, wenn die Verbindlichkeit bei Eintreten des Erbfalls vollständig besteht und vererblich ist. 23 Der überwiegende Anteil der gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen ist vererblich. Nur ausnahmsweise sind Verbindlichkeiten nicht vererblich. 24 Für schuldrechtliche Verpflichtungen kann man generell die Aussage treffen, dass sie nicht vererblich sind, wenn sie ihrer Natur nach nur vom Erblasser erfüllt werden können. So kann die Verpflichtung eines Autors aus einem Verlagsvertrag nicht auf die Erben übergehen, da sie in der Regel besondere Fähigkeiten des Verpflichteten voraussetzt6. Das Gleiche gilt für die Verpflichtung aus einem Werkvertrag zur Erstellung eines Kunstwerks7. Auch die Verpflichtung aus einem Dienstvertrag ist im Zweifel nach § 613 BGB in Person zu leisten und kann daher auf den Erben nicht übergehen. Hat der Erblasser im Wege der Schenkung versprochen, wiederkehrende Leistungen zu erbringen, so erlischt diese Verbindlichkeit nach § 520 BGB mit dem Tod des Erblassers, es sei denn, zwischen dem Schenker und dem Beschenkten ist etwas anderes vereinbart worden. Ebenso endet ein Auftrag nach § 673 Satz 1 BGB im Zweifel mit dem Tod des Beauftragten. 25 Die gesetzlichen Unterhaltspflichten des Erblassers gegenüber Verwandten treffen nach § 1615 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht den Erben, soweit diese im Zeitpunkt des Todes nicht fällig waren. Die Unterhaltspflicht des Erblassers gegenüber dem geschiedenen Ehegatten bleibt dagegen nach § 1586b Abs. 1 Satz 1 BGB bestehen und ist daher vom Erben als Nachlassverbindlichkeit zu erfüllen. Allerdings wird die Haftung des Erben durch § 1586b Abs. 1 Satz 2 BGB begrenzt. Danach haftet der Erbe nicht über den Betrag hinaus, welcher dem Pflichtteil entspricht, der dem geschiedenen Ehegatten im Falle des Fortbestehens der Ehe bis zum Eintritt des Erbfalles zugestanden hätte. Auch die Unterhaltspflicht des Kindesvaters gegenüber der werdenden Mutter nach § 1615l BGB anlässlich der Geburt eines nicht ehelichen Kindes ist nach § 1615n BGB vererblich.
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Staudinger/Marotzke, § 1967 Rz. 5, 21; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 3. Vgl. Rz. 28. Staudinger/Marotzke, § 1967 Rz. 5, 21; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 3. Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 3. Vgl. zur Abgrenzung Boehmer, Erbfolge und Erbenhaftung, S. 119–125. MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 8. MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 8.
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b) Die Erbfallschulden Zu den Erbfallschulden gehören alle Verbindlichkeiten, die durch den Erbfall entstehen1. Es handelt sich demnach um Nachlassverbindlichkeiten, die den Erben als solchen treffen und nicht vom Erblasser herrühren. Das Gesetz nennt in diesem Zusammenhang beispielhaft die Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten (§§ 2303 ff. BGB), Vermächtnissen (§§ 2147 ff. BGB) und Auflagen (§ 2192 BGB). Zu den Erbfallschulden gehören ferner der Voraus (§ 1932 BGB)2, der Dreißigste (§ 1969 BGB)3, die Verpflichtung, die Kosten der Beerdigung bzw. der Feuerbestattung zu tragen (§ 1968 BGB)4, die Pflicht, die werdende Mutter zu unterhalten (§ 1963 BGB)5, die Verpflichtungen zur Zahlung nachehelichen Unterhalts (§ 1586b BGB)6, der Anspruch der Abkömmlinge auf Ausbildungsbeihilfe nach § 1371 Abs. 4 BGB7, die Verpflichtung zum Ausgleich des Zugewinns8 sowie die Erbschaftsteuer zu zahlen9.
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c) Die Erbschaftsverwaltungs- oder Nachlasskostenschulden Zum Teil werden die Nachlasskostenschulden auch als Erblasserschulden angesehen10. Die Nachlasskostenschulden entstehen im Gegensatz zu den Erblasserschulden erst nach dem Erbfall. Zu den Nachlasskostenschulden gehören beispielsweise die Kosten der Testamentseröffnung (§ 2260 BGB), der Erbauseinandersetzung, der Todeserklärung (§ 32 Abs. 2 VerschG), einer Nachlasspflegschaft (§ 1961 BGB), eines Gläubigeraufgebots (§§ 1970 ff. BGB), einer Inventarerrichtung (§§ 1993 ff. BGB), einer Nachlassverwaltung (§§ 1975 ff. BGB), eines Nachlassinsolvenzverfahrens, einer Testamentsvollstreckung (§§ 2197 ff. BGB). Nachlasskostenschulden sind auch die Schulden, die durch Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger, Nachlassverwalter sowie 1 Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 7; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 6; Lange/Kuchinke, § 47 III. 2 Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 6; Lange/Kuchinke, § 47 III 2 a); Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 7. 3 Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 6; Lange/Kuchinke, § 47 III 2 a); Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 7. 4 Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 6; Lange/Kuchinke, § 47 III 2 b); Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 7. 5 Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 6; Lange/Kuchinke, § 47 III 2 b); Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 7. 6 KG Koblenz v. 21.11.2001 – 23 U 9309/99, ZEV 2003, 111; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 6. 7 Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 7; MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 10; Staudinger/Marotzke, § 1967 Rz. 31; a.A. Rittner, DNotZ 1957, 483 (494); Boehmer, FamRZ 1961, 41 (48); Johannsen, FamRZ 1961, 163 (164), die bestreiten, dass es sich bei dem Anspruch um eine Nachlassverbindlichkeit handelt und damit auch die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung ablehnen. 8 BGH v. 21.3.1962 – IV ZR 251/61, BGHZ 37, 58 (64); Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 6; a.A. BFH v. 23.1.1992 – IV R 104/90, BFH 1993, 2461 (2462); Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 5; Braga, FamRZ 1957, 334 (338). 9 BFH v. 28.4.1992 – VII R 33/91, NJW 1993, 350; a.A. OLG Hamm v. 3.7.1990 – 15 W 493/89, Rpfleger 1990, 463. 10 Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 7.
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Nachlassinsolvenzverwalter im Zuge der ordnungsgemäßen Nachlassabwicklung bzw. -verwaltung begründet wurden. Die Verpflichtungen aus Rechtsgeschäften des vorläufigen Erben, der die Erbschaft ausgeschlagen hat, sowie die Verpflichtung, die der endgültige Erbe eingegangen ist, um den Nachlass zu verwalten, sind Nachlasskostenschulden, wenn eine ordnungsgemäße Verwaltung die Begründung der Schuld erforderte1. Das gilt auch, wenn der Vertragspartner keine Kenntnis davon hatte, dass der Erbe bzw. der vorläufige Erbe für den Nachlass handelte2. d) Die Nachlasserbenschulden
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Beratungssituation: Der Mandant hat vor drei Wochen u.a. ein Hausgrundstück geerbt. Das Dach des Hauses ist undicht. Er hat deshalb einen Kostenvoranschlag bei einem Dachdecker eingeholt. Die Kosten liegen bei ungefähr 15 000 Euro. Er rechnet aufgrund des Alters des Hauses damit, dass er auch in Zukunft erhebliche Investitionen tätigen muss. Er fragt deshalb an, ob er für die einzugehenden Verbindlichkeiten auch mit seinem Eigenvermögen haftet.
28 Die Nachlasserbenschulden, auch Nachlasseigenschulden genannt, haben die Besonderheit, dass es sich nicht nur um Nachlassverbindlichkeiten, sondern auch um Eigenschulden des Erben handelt3. Der Erbe haftet für diese Verbindlichkeiten auch im Falle der Gütersonderung durch Einleitung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens mit seinem Eigenvermögen. Die Gläubiger einer Nachlasserbenschuld können sich unabhängig davon, ob eine Haftungssonderung eingetreten ist, sowohl aus dem Nachlass als auch aus dem Eigenvermögen des Erben befriedigen. Daher spricht man auch von einem einheitlichen Schuldverhältnis mit doppeltem Haftungsgegenstand im Falle der Haftungssonderung4. 29 Nachlasserbenschulden entstehen regelmäßig, wenn der Erbe im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung bzw. Abwicklung des Nachlasses Verbindlichkeiten eingeht, deren Eingehung vom Standpunkt eines sorgfältigen Verwalters erforderlich sind5. Eine Nachlasserbenschuld kann daher vorliegen, wenn es sich um eine Erbschaftsverwaltungs- oder Nachlasskostenschuld handelt. Eine reine Eigenverbindlichkeit des Erben entsteht dagegen, sofern die Verwaltungsmaßnahme die Grenzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung überschreitet. Der Erbe kann eine Haftung mit dem Eigenvermögen für Nachlasskostenschulden verhindern, indem er mit dem Gläubiger vereinbart, dass die Haftung auf den Nachlass beschränkt wird6. Eine persönliche Verpflichtung 1 BGH v. 10.2.1960 – V ZR 39/58; BGHZ 32, 60 (64); BGH v. 31.1.1990 – IV ZR 326/88, BGHZ 110, 176 (179). 2 RG v. 26.3.1917 – IV 398/16, RGZ 90, 91 (95). 3 Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 9; Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 8. 4 Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 9; Palandt/Edenhofer, § 1967 Rz. 8. 5 BGH v. 30.3.1978 – VII ZR 244, 76, BGHZ 71, 180 (187). 6 OLG Frankfurt v. 4.5.1965 – 3 U 307/64, WM 1965, 659; RG v. 21.1.1935 – IV 311/34 RGZ 146, 343 (346).
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des Erben scheidet auch aus, wenn er bei Abschluss des Rechtsgeschäftes für den Geschäftspartner erkennbar nur für den Nachlass handelt1. In der Beratungssituation sollte der Mandant darauf hingewiesen werden, dass er seine Haftung bei Vornahme von Rechtsgeschäften im Rahmen der Verwaltungstätigkeit auf den Nachlass beschränken kann. Ist der Erbe im Hinblick auf eine Nachlasskostenschuld auch mit seinem Eigenvermögen verpflichtet, so hat er im Falle der Nachlasssonderung einen Anspruch gegen den Nachlass nach § 1978 Abs. 3 BGB auf Befreiung von der Verbindlichkeit. In dem Beispielsfall kann der Mandant eine Haftung mit dem Eigenvermögen vermeiden, wenn er bei Abschluss des Werkvertrages deutlich macht, dass er nur für den Nachlass handelt. (S. auch B XI Rz. 1 ff. und C IX Rz. 160 ff.) Auch aus einer zunächst reinen Nachlassverbindlichkeit kann eine Nachlasserbenschuld werden. Das gilt beispielsweise, wenn der Erbe die Pflichten aus einem mit dem Erblasser geschlossenen Vertrag schuldhaft verletzt. Der hieraus resultierende Schadensersatzanspruch des Gläubigers ist dann zugleich eine Eigenverbindlichkeit des Erben2. Geht die Pflichtverletzung von einem Nachlassverwalter, Nachlasspfleger, Nachlassinsolvenzverwalter oder Testamentsvollstrecker aus, bleibt es bei einer reinen Nachlassverbindlichkeit, weil diese Personen ausschließlich berechtigt sind, für den Nachlass zu handeln3. Eine Nachlasserbenschuld entsteht schließlich auch, wenn der Erblasser zu Lebzeiten die wesentlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs verwirklicht hat und der Erbe sich nach dem Erbfall durch eigenverantwortliches Verhalten an der vollständigen Verwirklichung des Tatbestandes beteiligt.
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e) Die Geschäftsschulden Inwieweit der Erbe für Geschäftsschulden haftet, wenn zu dem Nachlass ein Unternehmen oder ein Gesellschaftsanteil gehört, richtet sich nach der Rechtsform bzw. der Gesellschafterstellung des Erblassers sowie danach, ob die Geschäftsschulden vor oder nach dem Erbfall begründet wurden. aa) Der Erblasser war Inhaber eines einzelkaufmännischen Unternehmens
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Beratungssituation: Der Erblasser ist vor sechs Wochen verstorben und war Inhaber eines einzelkaufmännischen Unternehmens. Der Mandant (Erbe) möchte grundsätzlich das Geschäft fortführen. Einen genauen Überblick über die Vermögenssituation hat er zurzeit nicht. Er möchte wissen, ob er bei Fortführung des Unternehmens für die bis zum Erbfall angefallenen Geschäftsverbindlichkeiten nur mit dem Nachlass oder auch mit dem Eigenvermögen haftet. Für den Fall, dass er auch persönlich haftet, beabsichtigt er den Betrieb des Unternehmens einzustellen, weil ihm dann das Risiko zu groß ist.
1 Schmidt, NJW 1985, 138 (139). 2 MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 18; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 9. 3 MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 18; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 9.
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32 Der Erbe haftet für die Geschäftsschulden aus einem einzelkaufmännischen Unternehmen, die vor dem Erbfall entstanden sind, nach § 1967 Abs. 1 BGB unbeschränkt, aber beschränkbar. Nach §§ 27 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 1 HGB haftet der Erbe auch mit seinem Eigenvermögen für alle im Betrieb des Geschäftes durch den Erblasser begründeten Verbindlichkeiten, wenn er das Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt. 33 Bei der Beratung sind dem Mandanten die nachfolgenden Möglichkeiten aufzuzeigen, durch die eine handelsrechtliche Haftung ausgeschlossen werden kann: 34 Die gegenüber § 1967 Abs. 1 BGB strengere Haftung der §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 1 HGB greift nicht ein, wenn der Erbe nach § 27 Abs. 2 Satz 1 HGB die Fortführung des Geschäftes vor dem Ablauf von drei Monaten, nachdem er Kenntnis von dem Erbfall erhalten hat, einstellt. In diesem Fall haftet er für die von dem Erblasser begründeten Verbindlichkeiten ausschließlich nach § 1967 Abs. 1 BGB. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe das Handelsgeschäft unter einem abweichenden Namen fortführt. Eine Fortführung des Geschäftes liegt wiederum vor, wenn der Erbe den Geschäftsbetrieb nach dem Erbfall nicht einstellt, aber das Unternehmen vor Ablauf der Dreimonatsfrist verpachtet, weiterveräußert1 oder in eine bestehende Gesellschaft einbringt2. Bei einem durch einen Testamentsvollstrecker verwalteten Unternehmen ist eine Firmenfortführung nur anzunehmen, wenn der Testamentsvollstrecker von dem Erben ermächtigt wurde, in seinem Namen zu handeln3. Wird der Testamentsvollstrecker hingegen im eigenen Namen und für Rechnung des Erben tätig, so kommt eine Haftung des Erben nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB mangels Fortführung durch den Erben nicht in Betracht4. Der Testamentsvollstrecker, der in dieser Konstellation unbeschränkt für die Geschäftsschulden haftet, kann allerdings vom Erben auch als Träger des Eigenvermögens nach §§ 2218, 670 BGB Befreiung von den Verbindlichkeiten verlangen5. 35 Stellt der Erbe den Geschäftsbetrieb nicht innerhalb der Dreimonatsfrist ein, so ist umstritten, ob er durch Mitteilung bzw. Bekanntmachung oder Eintragung einer entsprechenden einseitigen Erklärung in das Handelsregister nach § 25 Abs. 2 HGB eine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB hinsichtlich der vom Erblasser eingegangenen Verbindlichkeiten ausschließen kann. Das ist mit der herrschenden Meinung6 zu bejahen, da § 27 HGB ohne Einschränkung 1 Johannsen, FamRZ 1980, 1074 (1075); MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 40; a.A. Schmidt, ZHR (1993) 157, 600 (614). 2 MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 40; MüKo-HGB/Lieb, § 27 Rz. 53–55; Baumbach/Hopt, § 27 HGB Rz. 5. 3 Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 13; MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 40; Johannsen, FamRZ 1980, 1074 (1076). 4 MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 40. 5 Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 13. 6 KG v. 5.9.1940 – 1 Wx 459/40, DNotZ 1940, 487; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 11; Staudinger/Marotzke, § 1967 Rz. 59; MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 40; Heidelberger Kommentar, § 27 Rz. 5; a.A. Schlegelberger/Steckhan, § 27 Rz. 14.
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auf § 25 HGB verweist. Bei der Wahl des Mittels für die Herbeiführung des Haftungsausschlusses in Bezug auf § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB sollte der Mandant darauf hingewiesen werden, dass Rundschreiben das Risiko mit sich bringen, dass sie dem Gläubiger nicht zugehen bzw. der Nachweis des Zugangs nicht gelingt. Zudem besteht die Gefahr, dass bei der Versendung der Rundschreiben Gläubiger übersehen werden. In der Beratungssituation ist dem Mandanten daher zu empfehlen, die Haftung aus § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB durch Eintragung einer entsprechenden Erklärung in das Handelsregister auszuschließen. Wenn die Erbschaft im Zeitpunkt der Eintragung noch nicht angenommen worden ist, muss berücksichtigt werden, dass die Eintragung einer entsprechenden Erklärung als Annahme der Erbschaft gewertet werden kann1. Will der Erbe sich seine Überlegungsfrist erhalten, so sollte das deutlich aus der eingetragenen Erklärung hervorgehen. (S. auch B XI Rz. 1 ff. und C IX Rz. 160 ff.) In dem Beispielsfall haftet der Mandant grundsätzlich für die bis zum Erbfall begründeten Geschäftsverbindlichkeiten unbeschränkbar, es sei denn, dass er innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von dem Erbfall die handelsrechtliche Haftung durch Bekanntmachung oder durch Eintragung eines entsprechenden Vermerks in das Handelsregister ausschließt. Bei den Geschäftsschulden, die der Erbe selbst begründet hat, handelt es sich 36 um Nachlasseigenschulden, d.h. die Gläubiger können zur Befriedigung dieser Ansprüche sowohl auf den Nachlass als auch auf das Eigenvermögen des Erben zugreifen. bb) Der Erblasser war Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft bzw. Komplementär einer Kommanditgesellschaft
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Beratungssituation: Der Erblasser war Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft. Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Nachfolgeklausel zugunsten seines Erben. Der Mandant (Erbe) ist sich nicht sicher, ob er Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft bleiben möchte. In jedem Fall möchte er vermeiden, dass er für die Geschäftsschulden persönlich haftet.
Sofern die Gesellschaft mit dem Erben des Erblassers, der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder Komplementär einer Kommanditgesellschaft war, fortgesetzt wird, haftet der Erbe für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die vor oder nach dem Erbfall entstanden sind, unbeschränkt, also auch mit seinem Eigenvermögen. Für nach dem Erbfall begründete Verbindlichkeiten ergibt sich das aus §§ 128, 161 HGB. Für die vor dem Erbfall entstandenen Verbindlichkeiten fehlt dagegen eine ausdrückliche Regelung. Nach herrschender Meinung ist aber aus dem Umkehrschluss zu 139 Abs. 4 HGB zu entnehmen, dass die Vorschrift des § 130 HGB, welche die persönliche Haftung eines durch Rechtsgeschäft in die Gesellschaft eintretenden Gesellschafters regelt, auf den erbrechtlichen Eintritt entsprechend Anwendung 1 Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 11.
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findet1. Die Gläubiger der Verbindlichkeiten, die erst nach dem Erbfall begründet wurden, können nach einer Haftungssonderung durch Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren zur Befriedigung ihrer Ansprüche nur noch auf das Eigenvermögen und nicht mehr auf den Nachlass zugreifen, da das Betreiben der Gesellschaft, anders als bei einem einzelkaufmännischen Unternehmen, nicht als Verwaltung des Nachlasses angesehen werden kann2. 38 Der Erbe hat nach § 139 Abs. 1 HGB die Möglichkeit, sein Verbleiben in der Gesellschaft davon abhängig zu machen, dass ihm von den übrigen Gesellschaftern eine Kommanditistenstellung eingeräumt wird. Er muss dieses Recht nach § 139 Abs. 4 HGB innerhalb von drei Monaten, nachdem er Kenntnis von dem Anfall der Erbschaft erlangt hat, gegenüber den übrigen Gesellschaftern geltend machen. Sind die übrigen Gesellschafter hiermit nicht einverstanden, ist der Erbe nach § 139 Abs. 2 BGB berechtigt, ohne Einhaltung einer Frist das Gesellschaftsverhältnis zu kündigen. Erhält der Erbe die Kommanditistenstellung, so besteht Uneinigkeit über den Umfang der Haftung. 39 Nach herrschender Meinung haftet der Erbe für die Verbindlichkeiten, die bis zur Einräumung seiner Kommanditistenstellung entstanden sind, nicht nur nach den §§ 1967 ff. BGB, sondern auch nach § 173 HGB, der die Haftung des durch Rechtsgeschäft in die Gesellschaft eintretenden Kommanditisten für die bis zu seinem Eintritt entstandenen Verbindlichkeiten regelt3. Das hat zur Folge, dass der Erbe für diese Verbindlichkeiten bis zur Höhe der Einlage auch mit seinem Eigenvermögen haftet, soweit die Einlage nicht erbracht bzw. wieder entnommen wurde. Zwar kann sich die Gegenansicht auf den Wortlaut des § 139 Abs. 4 HGB stützen, der nur eine Haftung nach bürgerlichem Recht für die bis zur Einräumung der Kommanditistenstellung entstandenen Verbindlichkeiten vorsieht, es ist aber nicht einzusehen und kann auch nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, dass der Erbe eines Komplementärs nur nach bürgerlichem Recht für diese Verbindlichkeiten haftet, der Erbe eines Kommanditisten hingegen sowohl nach bürgerlichem Recht als auch nach § 173 HGB. Die herrschende Meinung verdient daher Zustimmung. 40 Für die Verbindlichkeiten, die ab dem Zeitpunkt der Einräumung der Kommanditistenstellung von der Gesellschaft eingegangen werden, haftet der Erbe wie ein Kommanditist. Umstritten ist wiederum, ob § 176 Abs. 2 HGB auf die Haftung des Erben anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift haftet ein eintretender Kommanditist für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die bis zu seiner 1 BGH v. 10.1.1960 – V ZR 39/58, NJW 1982, 45; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 14; MüKo/Siegmann, § 1967 Rz. 45; a.A. Liebisch, ZHR (1954) 116, 128 (143), der eine Haftung für die vor dem Erbfall begründeten Verbindlichkeiten ausschließlich nach erbrechtlichen Vorschriften befürwortet. 2 MüKo/Siegmann, 3. Aufl., § 1967 Rz. 65; Muscheler, S. 536. 3 Koller/Roth/Morck/Koller, § 139 Rz. 11; Emmerich, ZHR (1986) 150, 153 (210); MüKo/Siegmann, 3. Aufl., § 1967 Rz. 68; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 15; a.A. Staudinger/Marotzke, § 1967 Rz. 9, der den Erben für diese Verbindlichkeiten ausschließlich nach den §§ 1967 ff. BGB haften lässt.
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Eintragung in das Handelsregister begründet werden, gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter. Eine Haftung ist zu bejahen, wenn der Erbe innerhalb der Dreimonatsfrist Kommanditist geworden ist und es versäumt hat, die Eintragung in das Handelsregister unverzüglich zu veranlassen1. Um rechtliche Nachteile für den Erben zu vermeiden, sollte dennoch die Kommanditistenstellung unter der aufschiebenden Wirkung der Eintragung in das Handelsregister eingeräumt werden. Hierbei muss aber beachtet werden, dass der Erbe vor Ablauf der Dreimonatsfrist Kommanditist werden muss, ansonsten treten die Wirkungen des § 139 Abs. 4 HGB nicht ein, d.h. der Erbe haftet für die Verbindlichkeiten, die begründet wurden, bevor er die Kommanditistenstellung erlangt hat, persönlich und unbeschränkt nach §§ 128, 130 HGB. In der Beratungssituation darf ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden, dass das Ausscheiden des Erblassers unverzüglich in das Handelsregister eingetragen werden muss, da der Erbe ansonsten einer unbeschränkten und persönlichen Haftung nach §§ 15 Abs. 1, 143 HGB ausgesetzt ist. Die Haftung des Erben eines OHG-Gesellschafters für die Gesellschaftsschulden richtet sich gemäß § 139 Abs. 4 HGB ausschließlich nach bürgerlichem Recht, wenn der Erbe innerhalb von drei Monaten, nachdem er Kenntnis von dem Erbfall erlangt hat, aus der Gesellschaft ausscheidet oder die Gesellschaft in dieser Frist aufgelöst wird. Sofern der Erbe innerhalb der Dreimonatsfrist aus der Gesellschaft ausscheidet, muss sein Ausscheiden unverzüglich in das Handelsregister eingetragen werden, da für ihn ansonsten eine persönliche und uneingeschränkte Haftung aus der negativen Publizität des Handelsregisters (§ 15 Abs. 1, 143 HGB) entstehen kann (s. auch B XI Rz. 148 ff.).
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In dem Beispielsfall ist dem Mandanten anzuraten, die übrigen Gesellschafter aufzufordern, ihm innerhalb von drei Monaten, nachdem er Kenntnis von dem Erbfall erhalten hat, eine Kommanditistenstellung einzuräumen. Einräumung und Eintragung der Kommanditistenstellung in das Handelsregister sollten nach Möglichkeit zeitgleich erfolgen, damit eine persönliche, unbeschränkbare Haftung für die zwischen Einräumung der Kommanditistenstellung und Eintragung begründeten Verbindlichkeiten vermieden wird. Sind die übrigen Gesellschafter mit einer Einräumung der Kommanditistenstellung nicht einverstanden, kann er innerhalb von drei Monaten nach Kenntnis von dem Erbfall aus der Gesellschaft ausscheiden, um eine handelsrechtliche Haftung für die Geschäftsschulden zu verhindern. Sein Ausscheiden ist unverzüglich in das Handelsregister einzutragen. Die Haftung eines Kommanditisten einer zweigliedrigen Gesellschaft, der den Komplementär der Gesellschaft beerbt, für die vor dem Erbfall begründeten Verbindlichkeiten, ist gesetzlich nicht geregelt. Der Bundesgerichtshof nimmt insoweit eine planwidrige Reglungslücke an und lässt den Erben in entsprechender Anwendung des § 27 HGB haften2. 1 Staudinger/Marotzke, § 1967 Rz. 71; MüKo/Siegmann, 3. Aufl., § 1967 Rz. 68; Koller/ Roth/Morck/Koller, § 139 Rz. 12; a.A. Schlegelberger/Schmidt, § 176 Rz. 23, der eine Haftung nach § 176 HGB ablehnt. 2 BGH v. 10.12.1990 – II ZR 256/89, BGHZ 113, 132 (137).
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cc) Der Erblasser war Kommanditist einer Kommanditgesellschaft 43 Der Erbe eines Kommanditisten haftet für die im Zeitpunkt des Erbfalls bestehenden Geschäftsschulden bis zur Höhe der rückständigen Einlage sowohl mit dem Nachlass als auch mit dem Eigenvermögen1. Eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass kann der Erbe nicht durch Beantragung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens herbeiführen, da seine Haftung mit dem Eigenvermögen nicht nur aus § 1967 Abs. 1 BGB, sondern auch aus einer entsprechenden Anwendung des § 173 HGB folgt2. Da für den Erben eines Kommanditisten eine dem § 139 Abs. 4 HGB vergleichbare Regelung fehlt, kann er die Haftung aus § 173 HGB auch nicht durch Austritt aus der Gesellschaft innerhalb einer Dreimonatsfrist ausschließen3. Eine Haftung nach § 173 HGB für rückständige Einlagen scheidet nur aus, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt des Erbfalls bereits aufgelöst war4 (s. auch B XI Rz. 148 ff.). 44 Ob der Erbe zwischen Anfall der Erbschaft und Eintragung in das Handelsregister für die in diesem Zeitraum begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 176 Abs. 2 HGB wie ein Komplementär haftet, ist umstritten. Nach herrschender Meinung findet § 176 Abs. 2 HGB nur Anwendung, wenn die Kommanditgesellschaft oder der Eintritt des Erblassers in die Gesellschaft bei Eintritt des Erbfalls noch nicht eingetragen war5. Diese Auffassung verdient Zustimmung. Sofern die Hafteinlage und der Erblasser in das Handelsregister eingetragen sind, vertrauen die Gläubiger allein darauf, dass die Haftsumme eingezahlt ist. Es besteht deshalb kein schutzwürdiges Interesse der Gläubiger, den Erben über die eingetragene Einlage hinaus haften zu lassen. 45 Für die nach der Eintragung entstehenden Verbindlichkeiten haftet der Erbe mit seinem Kommanditanteil und mit seinem gesamten Vermögen bis zur Höhe der rückständigen Einlage. Tritt allerdings eine Haftungssonderung durch die Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren ein, können die Gläubiger dieser Verbindlichkeiten nur auf den Kommanditanteil und das Eigenvermögen des Erben zurückgreifen, da die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten nicht im Rahmen der Erbschaftsverwaltung eingegangen ist6. 1 OLG Hamburg v. 5.11.1993 – 11 U 39/93, NJW-RR 1994, 809 (810); MüKo/Siegmann, 3. Aufl., § 1967 Rz. 70; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 15. 2 OLG Hamburg v. 5.11.1993 – 11 U 39/93, NJW-RR 1994, 809 (810); MüKo/Siegmann, 3. Aufl., § 1967 Rz. 70; Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 15; Koller/Roth/Morck/Koller, § 177 Rz. 4; a.A. Staudinger/Marotzke, § 1967 Rz. 69; Adel, ZEV 1994, 183; Muscheler, S. 496, die den Erben nur nach bürgerlichem Recht haften lassen. 3 OLG Hamburg v. 5.11.1993 – 11 U 39/93, NJW-RR 1994, 809 (810); Lange/Kuchinke, § 47 VI 2. b); Schlegelberger/Schmidt, § 173 Rz. 43; a.A. Liebisch, ZHR (1954) 116, 128 (160). 4 BGH v. 21.9.1995 – II ZR 273/93, NJW 1995, 3314 (3315). 5 BGH v. 3.7.1989 – II ZR 1/89, BGHZ 108, 187 (197) (obiter dictum); Erman/Schlüter, § 1967 Rz. 15; a.A. Koller/Roth/Morck/Koller, § 177 Rz. 4, der eine Haftung nach § 176 Abs. 2 HGB nur ausschließt, wenn der Erbe die Eintragung in das Handelsregister unverzüglich veranlasst hat. 6 MüKo/Siegmann, 3. Aufl., § 1967 Rz. 70.
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2. Das Aufgebotsverfahren Das Aufgebotsverfahren ist in den §§ 1970–1974 BGB sowie in den §§ 433–441 i.V.m. §§ 454–464 FamFG geregelt. Der Erbe muss sich nach Annahme der Erbschaft Klarheit darüber verschaffen, ob der Nachlass überschuldet ist. Denn wenn der Nachlass überschuldet ist, sollte der Erbe seine Haftung durch Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren auf den Nachlass beschränken. Nur so kann er verhindern, dass er für die Nachlassverbindlichkeiten mit seinem Eigenvermögen einstehen muss. Das gerichtliche Aufgebotsverfahren bietet dem Erben die Möglichkeit, festzustellen, mit welchen Verbindlichkeiten der Nachlass belastet ist. Zudem hat das Aufgebotsverfahren den Vorteil, dass der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern, die ihre Forderung nicht innerhalb der Aufgebotsfrist angemeldet haben, nach § 1973 Abs. 1 Satz 1 BGB nur noch mit dem Nachlassüberschuss, der nach Befriedigung der übrigen Nachlassgläubiger verbleibt, haftet. Zumindest bei einem unübersichtlichen Nachlass ist der Erbe erst nach Durchführung des Aufgebotsverfahrens in der Lage, ein Inventar zu errichten, welches ihm endgültig Auskunft darüber geben kann, ob er den Nachlass selbst verwalten kann oder seine Haftung durch Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren beschränken sollte, um eine Schmälerung des Eigenvermögens zu vermeiden. Stellt sich demnach im Beratungsgespräch heraus, dass der Nachlass unübersichtlich ist und eine Überschuldung nicht ausgeschlossen werden kann, ist dem Mandanten unbedingt die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens anzuraten.
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a) Die Durchführung des Aufgebotsverfahrens Für die Durchführung des Aufgebotsverfahrens ist das Nachlassgericht nach § 454 Abs. 2 FamFG zuständig. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit ist in den §§ 342, 343 FamFG geregelt. Danach ist für das Aufgebotsverfahren in der Regel das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalls seinen Wohnsitz hatte.
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Das Aufgebotsverfahren wird durch Einreichen eines entsprechenden Antrags bei dem Nachlassgericht eingeleitet. Solange die Erbschaft nicht angenommen wurde, sind nach § 455 Abs. 2, 3 FamFG, nur der verwaltende Nachlasspfleger bzw. der Nachlassverwalter antragsberechtigt. Ist die Erbschaft angenommen, sind auch der Erbe, jeder Miterbe sowie der Testamentsvollstrecker nach § 455 Abs. 1, 3 FamFG zur Antragstellung berechtigt. Der endgültige Erbe verliert aber die Berechtigung zur Antragstellung nach § 455 Ab. 3 FamFG, wenn er das Recht zur Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass beispielsweise durch Versäumung der Inventarfrist nach § 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB verloren hat. Der Erbe braucht sich in diesem Fall nicht mehr einen Überblick über die Vermögenssituation des Nachlasses zu verschaffen, da er für die Nachlassverbindlichkeiten endgültig auch mit dem Eigenvermögen haftet. Verliert der Erbe nach Antragstellung sein Haftungsbeschränkungsrecht und erlangt das Nachlassgericht davon Kenntnis, muss es mangels An-
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tragsberechtigung das Verfahren einstellen1. Ergeht dennoch ein Ausschlussurteil, so ist dieses nach § 2013 Abs. 1 Satz 1 1. HS. BGB unwirksam2. Antragsberechtigt bleiben aber der verwaltende Nachlasspfleger, der Nachlassverwalter und der Testamentsvollstrecker. Auch wenn der Erbe unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten haftet, können diese Personen nur eine ordnungsgemäße Nachlassabwicklung gewährleisten, wenn ihnen die Vermögenssituation des Nachlasses bekannt ist3. Antragsberechtigt ist auch jeder Miterbe, selbst wenn er für die Nachlassverbindlichkeiten endgültig unbeschränkt haftet, § 460 Abs. 2 FamFG. Der Antrag und ein anschließend ergehender Ausschließungebeschluss kommen unbeschadet der bürgerlich rechtlichen Vorschriften über die unbeschränkte Haftung auch den übrigen Miterben zustatten, § 460 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Dem Antrag muss nach § 456 FamFG ein Verzeichnis über die bekannten Nachlassgläubiger unter Angabe des Wohnsitzes beigefügt werden. Versäumt der Erbe es schuldhaft, einen bekannten Nachlassgläubiger in das Verzeichnis aufzunehmen, kann er sich gegenüber dem betroffenen Gläubiger nicht auf das Ausschlussurteil berufen, da er sich seinerseits durch die versäumte Aufnahme gegenüber dem Nachlassgläubiger schadensersatzpflichtig macht4. Die Antragstellung ist nicht fristgebunden. Wird der Antrag allerdings später als ein Jahr nach Erbschaftsannahme gestellt, kann der Erbe den Nachlassgläubigern nicht mehr die Einrede des Aufgebotsverfahrens nach § 2015 BGB entgegenhalten. Der Mandant bzw. sein Rechtsanwalt oder Notar sollten deshalb den Antrag unbedingt innerhalb der Jahresfrist stellen. Dem Antrag auf Erlass des Aufgebots soll nach § 457 Abs. 1 FamFG nicht entsprochen werden, wenn das Nachlassinsolvenzverfahren beantragt ist. Das Aufgebotsverfahren wird ferner nach § 457 Abs. 2 FamFG mit Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beendet. 49 Wenn die Voraussetzungen für die Durchführung des Aufgebotsverfahrens vorliegen, fordert das Gericht die Nachlassgläubiger auf, innerhalb einer bestimmten Frist die Forderungen bei dem Nachlassgericht anzumelden. Dabei muss die Frist nach § 437 FamFG mindestens sechs Wochen und soll nach § 458 Abs. 2 FamFG nicht länger als sechs Monate betragen. Die Aufforderung erfolgt nach § 435 FamFG öffentlich, d.h. durch einmalige Einrückung in den Bundesanzeiger sowie durch Anheftung an der Gerichtstafel, soweit dem Nachlassgericht die Nachlassgläubiger bzw. deren Wohnsitze nicht bekannt sind. Von dem Aufgebotsverfahren sind auch die bekannten Gläubiger betroffen, selbst wenn sie gegen den Erblasser oder den Erben einen Titel haben5. Ebenso werden von dem nach Ablauf der Frist ergehenden Ausschließungsbeschluss bedingte, betagte oder zukünftige Forderungen erfasst6. Die Anmeldung der Forderung hat nach § 459 Abs. 1 FamFG die Angabe des Gegenstandes und des Grundes zu enthalten. Urkundliche Beweisstücke sind in 1 2 3 4 5 6
Palandt/Edenhofer, § 1970 Rz. 6; Erman/Schlüter, § 1970 Rz. 2. Erman/Schlüter, § 1970 Rz. 2. Erman/Schlüter, § Vor1970 Rz. 5; Palandt/Edenhofer, § 1970 Rz. 5. Palandt/Edenhofer, § 1970 Rz. 5. Palandt/Edenhofer, § 1970 Rz. 3; Erman/Schlüter, § 1970 Rz. 1. Erman/Schlüter, § 1970 Rz. 1.
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Urschrift oder Abschrift beizufügen. Von dem Aufgebot sind die in den §§ 1971, 1972 BGB genannten Gläubiger sowie diejenigen Gläubiger, deren Forderung erst nach Beantragung des Aufgebots dem Grunde nach entstanden sind, nicht betroffen1. Sie erleiden demnach keine Rechtsnachteile, wenn sie ihre Forderung nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist anmelden. Nach Ablauf der von dem Gericht gesetzten Frist ergeht nach § 439 FamFG 50 ein Ausschließungsbeschluss, in dem die angemeldeten Nachlassgläubiger aufgeführt werden. Gegen den Ausschließungsbeschluss ist die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG mit der Maßgabe statthaft, dass ein Beschwerdewert von 600 Euro gemäß §§ 61 Abs. 1, 439 Abs. 3 FamFG nicht erreicht werden muss. Wiedereinsetzung kann höchstens fünf Jahre und Wiederaufnahme höchstens 10 Jahre nach Rechtskraft des Ausschließungsbeschlusses beantragt werden, §439 Abs. 4 FamFG. b) Die Ausschlusseinrede
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Beratungssituation: Der Mandant hat dem Erblasser kurz vor seinem Tode ein Darlehen in Höhe von 25 000 Euro nebst 8,5 % Zinsen gewährt. Laut schriftlichem Vertrag, den der Mandant vorlegt, ist die Rückzahlung der Darlehensvaluta ein Jahr nach Abschluss des Vertrages fällig. Eine schriftliche Ausfertigung des Vertrages habe der Erblasser damals nicht erhalten. Der Mandant trägt vor, er habe nach Ablauf des Jahres den Erblasser aufgefordert, das Darlehen zurückzuzahlen und dabei erfahren, dass der Erblasser seit fast einem Jahr verstorben sei. Daraufhin habe er den Erben aufgefordert, das Darlehen zurückzuzahlen. Dieser habe ihm unter Übersendung eines Ausschlussurteils mitgeteilt, dass er seine Forderung im Aufgebotsverfahren nicht angemeldet habe. Der Nachlass sei mittlerweile erschöpft und deshalb verweigere er die Rückzahlung des Darlehens.
Haben die von dem Aufgebot betroffenen Nachlassgläubiger ihre Forderung vor Erlass des Ausschlussurteils nicht bei dem Nachlassgericht angemeldet, so führt das zwar nicht zum Untergang ihrer Forderung, die Durchsetzung der Forderung wird allerdings erheblich erschwert. Der Erbe kann nach § 1973 Abs. 1 BGB die Befriedigung eines ausgeschlossenen Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass durch Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger erschöpft ist. Der Erbe haftet demnach gegenüber den ausgeschlossenen Gläubigern nur noch mit dem Nachlass, auch wenn er eine Gütersonderung durch Einleitung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht herbeigeführt hat. Dabei ist der Erbe zunächst verpflichtet, die nicht ausgeschlossenen Gläubiger zu befriedigen. Die Ansprüche der ausgeschlossenen Gläubiger hat er wiederum vor den Ansprüchen der Pflichtteilsberechtigten, der Vermächtnisnehmer sowie der Auflagenbegünstigten zu erfüllen. Das gilt aber nicht, wenn der ausgeschlossene Nachlassgläubiger seinen Anspruch erst nach Berichtigung dieser Verbindlichkeiten 1 Erman/Schlüter, § 1970 Rz. 1; Staudinger/Marotzke, § 1970 Rz. 19.
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geltend macht. Ist der Nachlass nach Befriedigung der nicht ausgeschlossenen Gläubiger erschöpft oder würde er erschöpft sein, so kann der Erbe die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten der ausgeschlossenen Gläubiger nach § 1973 Abs. 1 Satz 1 BGB verweigern. 52 Bei der Ausschlusseinrede handelt es sich nicht um ein materiellrechtliches Leistungsverweigerungsrecht. Der ausgeschlossene Nachlassgläubiger kann daher nach § 320 Abs. 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht geltend machen, wenn er aus einem gegenseitigen Vertrag gegenüber dem Erben verpflichtet ist, eine Gegenleistung zu erbringen1. Auch kann der Nachlassgläubiger mit seiner ausgeschlossenen Forderung gegen eine Nachlassforderung nach § 389 BGB aufrechnen, wenn im Zeitpunkt der Aufrechnungslage die Einrede aus § 1973 Abs. 1 Satz 1 BGB noch nicht bestand2. 53 Ist der Nachlass oder würde der Nachlass nach Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten der nicht ausgeschlossenen Gläubiger nicht erschöpft sein, so hat der Erbe nach § 1973 Abs. 2 Satz 1 BGB den Überschuss zum Zwecke der Befriedigung des ausgeschlossenen Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Hat der Erbe Kenntnis von der Forderung oder ist der Anspruch des ausgeschlossenen Nachlassgläubigers rechtshängig, haftet er nach §§ 819, 291, 292, 987 ff. BGB verschärft, d.h. er kann sich nicht nach § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Das wiederum führt zu einer Haftung des Erben mit dem Eigenvermögen, wenn der Nachlass erschöpft ist. Bei der Befriedigung der ausgeschlossenen Gläubiger muss der Erbe grundsätzlich keine Rangfolge einhalten. Etwas anderes gilt nach § 1973 Abs. 2 Satz 2 BGB nur, wenn der ausgeschlossene Nachlassgläubiger gegen den Erblasser oder den Erben ein rechtskräftiges Urteil erwirkt hat. Das rechtskräftige Urteil wirkt gegenüber den übrigen ausgeschlossenen Nachlassgläubigern wie die Befriedigung desselben. Die Verpflichtung zur Herausgabe der noch vorhandenen Nachlassgegenstände kann der Erbe nach § 1973 Abs. 2 Satz 2 BGB durch Zahlung des Wertes abwenden. Bei der Berechnung, ob ein Nachlassüberschuss vorhanden ist, muss beachtet werden: 54
Zum Aktivnachlass gehören auch: – Die Forderungen und Rechte des Erblassers gegen den Erben, die durch Konfusion oder Konsolidation untergegangen sind3, – die von dem Erben aus dem Nachlass gezogenen Nutzungen sowie die gesetzlichen Surrogate nach § 818 Abs. 1 BGB, die dem Nachlass zugeflossen sind4. 1 Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 2; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 5. 2 Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 2; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 6. 3 MüKo/Siegmann, § 1973 Rz. 5; Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 3; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 15. 4 MüKo/Siegmann, § 1973 Rz. 5; Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 3; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 15.
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Vom Aktivnachlass abzuziehen sind:
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– Die Forderungen und Rechte des Erben gegen den Erblasser, die durch Konfusion oder Konsolidation untergegangen sind1, – die berichtigten und nicht berichtigten Forderungen nicht ausgeschlossener Gläubiger, also auch die Forderungen und Rechte der nach §§ 1971, 1972 BGB vom Aufgebot nicht betroffenen Nachlassgläubiger; für Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte gilt das aber nur, wenn der Erbe diese Ansprüche berichtigt hat, bevor der ausgeschlossene Gläubiger seine Forderung gegen ihn geltend gemacht hat2, – berichtigte Forderungen ausgeschlossener Gläubiger, wenn der ausgeschlossene Gläubiger seinen Anspruch im Zeitpunkt der Befriedigung der übrigen Gläubiger nicht rechtskräftig tituliert hatte3, – Aufwendungen des Erben aus seinem Eigenvermögen, die den Nachlasswert steigern4, – alle Ausgaben, die im ursächlichen Zusammenhang mit dem Nachlasserwerb stehen, selbst Zahlungen an vermeintliche Nachlassgläubiger, dem Nachlass ist aber ein etwaig bestehender Bereicherungsanspruch wieder hinzuzurechnen5. Wird im Erkenntnisverfahren zwischen dem Erben und dem ausgeschlossenen Gläubiger festgestellt, ob ein Nachlassüberschuss vorhanden ist, so ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung für die Vermögenssituation entscheidend6. Wird die Feststellung erst innerhalb der Einwendungsklage nach §§ 785, 767 ZPO des Erben getroffen, so kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren an7. Sofern der Nachlass tatsächlich erschöpft ist, kann der Mandant seinen Anspruch nicht mehr durchsetzen, da er seine Forderung im Aufgebotsverfahren nicht angemeldet hat. Da der Erblasser keine Abschrift der Vertragsurkunde erhalten hat, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erbe die Forderung wissentlich nicht beim Nachlassgericht benannt hat, so dass auch 1 MüKo/Siegmann, § 1973 Rz. 5; Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 3; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 16. 2 MüKo/Siegmann, § 1973 Rz. 5; Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 3; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 16. 3 MüKo/Siegmann, § 1973 Rz. 5; Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 3; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 16. 4 Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 3; a.A. MüKo/Siegmann, § 1973 Rz. 5; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 15, die Aufwendungen auch abziehen, wenn sie weder nützlich noch notwendig waren und den Wert des Nachlasses nicht steigern. 5 Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 3; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 16. 6 Palandt/Edenhofer, § 1973 Rz. 3; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 7; Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 3; a.A. MüKo/Siegmann, § 1973 Rz. 5, der auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Anspruchs abstellt, aber wiederum Wertzuwächse oder auch Verluste bis zur mündlichen Verhandlung berücksichtigen will. 7 Palandt/Edenhofer, § 1973 Rz. 3; Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 7; a.A. Erman/ Schlüter, § 1973 Rz. 3, der auf den Beginn der Zwangsvollstreckung abstellt.
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C V Rz. 57
Haftung des Alleinerben
kein Schadensersatzanspruch gegen den Erben besteht. Allerdings wird man feststellen müssen, ob der Nachlass tatsächlich erschöpft ist. Der Erbe ist gegenüber dem ausgeschlossenen Gläubiger auskunfts- und rechenschaftspflichtig, §§ 260, 261 BGB. Dieser Pflicht kann er durch Vorlage eines bereits errichteten Inventars nachkommen. Ist ein Inventar bislang nicht errichtet worden, kann der Mandant einen Antrag bei dem Nachlassgericht stellen, dass dem Erben eine Inventarfrist gesetzt wird. Allerdings ist es streitig, ob der ausgeschlossene Gläubiger zur Antragstellung berechtigt ist (vgl. I. 3. C), so dass damit gerechnet werden muss, dass der Antrag zurückgewiesen wird. 57 Wegen der Wirkungen des Ausschließungsbeschlusses muss der Rechtsanwalt sich im Rahmen der erbrechtlichen Beratung bei der Geltendmachung von Nachlassverbindlichkeiten regelmäßig vergewissern, ob das Aufgebotsverfahren beantragt wurde. c) Die Verschweigungseinrede 58 Einem ausgeschlossenen Nachlassgläubiger stehen nach § 1974 Abs. 1 BGB diejenigen Gläubiger gleich, die ihre Forderung später als fünf Jahre nach dem Erbfall gegenüber dem Erben geltend machen. Der Erbe kann folglich die Erfüllung dieser Verbindlichkeiten verweigern, wenn der Nachlass erschöpft ist. Mit einem etwaigen Nachlassüberschuss haftet er nach Bereicherungsrecht. Eine Haftung mit dem Eigenvermögen ist dagegen ausgeschlossen. Die Berechnung der Fünfjahresfrist richtet sich nach den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB1. 59 Die Voraussetzungen der Verschweigungseinrede liegen über den Wortlaut hinausgehend nicht vor, wenn die Forderung vor Ablauf der Fünfjahresfrist gegenüber dem Nachlasspfleger, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker oder dem vorläufigen Erben geltend gemacht worden ist2. Ist die Forderung in einem durchgeführten Aufgebotsverfahren angemeldet worden oder haben der Erbe, der Nachlasspfleger, der Nachlassverwalter, der Testamentsvollstrecker oder der vorläufige Erbe vor Ablauf der Fünfjahresfrist Kenntnis von der Forderung erlangt, kann sich der Erbe auf die Verschweigungseinrede ebenfalls nicht berufen3. Die Verschweigungseinrede entsteht ferner nach § 1974 Abs. 3 BGB nicht gegenüber den vom Aufgebotsverfahren nach § 1971 BGB nicht betroffenen Gläubigern. Diese Gläubiger können ihre Forderung nicht verschweigen. Daraus folgt, dass der Erbe ihnen gegenüber unbeschränkt haftet, sofern er keine Haftungsbeschränkung herbeiführt. Obwohl die Pflichtteilsberechtigten, die Vermächtnisnehmer sowie die Auflagenbegünstigten von dem Aufgebotsverfahren nach § 1972 BGB nicht betroffen sind, können sie nach § 1974 Abs. 2 BGB ihre Forderung verschweigen. Das hat aber allenfalls in Bezug auf Pflichtteilsberechtigte praktische Relevanz, weil dem Erben die 1 Erman/Schlüter, § 1974 Rz. 2. 2 Palandt/Edenhofer, § 1974 Rz. 2; MüKo/Siegmann, § 1974 Rz. 3. 3 Erman/Schlüter, § 1974 Rz. 2; a.A. Staudinger/Marotzke, § 1974 Rz. 11, der die Kenntnis des vorläufigen Erben, der später die Erbschaft ausgeschlagen hat, nicht ausreichen lässt.
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Haftung des Alleinerben
Rz. 63 C V
übrigen Ansprüche regelmäßig aus der Verfügung von Todes wegen bekannt sind, so dass schon aus diesem Grunde die Voraussetzungen der Verschweigungseinrede nicht vorliegen. Bei der Befriedigung der Nachlassgläubiger hat der Erbe die Reihenfolge des § 1973 Abs. 1 BGB zu beachten. Hinsichtlich der Befriedigung der Pflichtteilsberechtigten, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigten im Verhältnis zueinander trifft der Gesetzgeber durch § 1974 Abs. 2 BGB eine besondere Regelung, indem er auf die Rangfolge dieser Ansprüche im Nachlassinsolvenzverfahren (§ 327 Abs. 1 und 3 InsO) verweist. Danach hat der Erbe verschwiegene Pflichtteilsansprüche vor nicht verschwiegenen Ansprüchen aus Auflagen oder Vermächtnissen zu berichtigen. Rechtzeitig eingeforderte Pflichtteilsansprüche gehen den verschwiegenen Pflichtteilsansprüchen vor. Verschwiegene Ansprüche aus Auflagen und Vermächtnissen haben untereinander den gleichen Rang und sind daher anteilig zu berichtigen. Die nicht verschwiegenen Ansprüche sind wiederum gegenüber den verschwiegenen Ansprüchen vorrangig zu erfüllen.
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Die Einrede aus § 1974 Abs. 1 BGB greift unabhängig davon ein, ob ein Aufgebotsverfahren durchgeführt worden ist oder nicht. Sie hat bei einem durchgeführten Aufgebotsverfahren vor allem für diejenigen Forderungen Bedeutung, die während oder nach dem Aufgebotsverfahren entstanden sind und von denen weder der Erbe noch der Nachlasspfleger, der Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter vor Ablauf der Fünfjahresfrist Kenntnis erlangt haben. Es kann sich folglich nur um vertragliche Sekundäransprüche oder gesetzliche Ansprüche handeln.
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Haftet der Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten vor Ablauf der Fünfjahresfrist endgültig unbeschränkt, so kann er sich nach § 2013 Abs. 1 Satz 1 1. Hs BGB nicht auf die Einrede des § 1974 Abs. 1 BGB berufen. Die Einrede bleibt aber nach § 2013 Abs. 1 Satz 1 BGB bestehen, wenn der Erbe nach Ablauf der Fünfjahresfrist sein Haftungsbeschränkungsrecht verliert.
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d) Die Geltendmachung der Ausschluss- und der Verschweigungseinrede im Erkenntnisverfahren und in der Zwangsvollstreckung Erhebt ein ausgeschlossener Gläubiger gegen den Erben Klage, so kann sich 63 der Erbe gegen die Klage verteidigen, indem er vorträgt und gegebenenfalls beweist, dass der Nachlass bereits erschöpft ist oder erschöpft sein wird, wenn er die Forderungen der bevorrechtigten Gläubiger berichtigt. Ist es in dem Erkenntnisverfahren unstreitig oder gelingt dem Erben der Nachweis, dass der Nachlass erschöpft ist, wird die Klage als zurzeit unzulässig abgewiesen1. Da der ausgeschlossene Gläubiger seinen Anspruch durch das Aufgebotsverfahren oder die Verschweigung der Forderung nicht verloren hat, bleibt ihm 1 BGH v. 17.12.1953 – VI ZR 101/53, NJW 1954, 635; RG v. 20.6.1932 – VI 57/32, RGZ 137, 50 (54); Palandt/Edenhofer, § 1973 Rz. 4; Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 6; a.A. Staudinger/Marotzke, § 1973 Rz. 30, der die Prüfung der Erschöpfung des Nachlasses ausschließlich in das Vollstreckungsverfahren verlagern möchte.
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C V Rz. 64
Haftung des Alleinerben
durch das Prozessurteil die Möglichkeit erhalten, erneut Klage zu erheben, wenn weitere Nachlassgegenstände auftauchen. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Frage der Nachlasserschöpfung im Erkenntnisverfahren aufzuklären. Selbst wenn der Erbe die Erschöpfung des Nachlasses unter Beweis gestellt hat, kann das Gericht den Erben unter Aufnahme eines allgemeinen Beschränkungsvorbehaltes nach § 780 Abs. 1 ZPO verurteilen1. Die Feststellung, ob der Nachlass erschöpft ist, wird dann in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert. Betreibt der ausgeschlossene Gläubiger mit dem erwirkten Urteil die Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen des Erben oder in den Nachlass, obwohl nach Befriedigung aller nicht ausgeschlossenen Gläubiger kein Nachlassüberschuss vorhanden sein wird, kann der Erbe durch Erhebung der Einwendungsklage nach §§ 781, 784 ZPO analog §§ 785, 767 ZPO die Zwangvollstreckungsmaßnahmen für unzulässig erklären lassen. 64 Hat der Erbe sich im Erkenntnisverfahren die beschränkte Haftung nicht vorbehalten und fehlt ein Haftungsbeschränkungsvorbehalt in dem Urteil, so kann er die Zwangsvollstreckung in den Nachlass und sein Eigenvermögen nicht mehr verhindern. Auch steht ihm gegen den ausgeschlossenen Nachlassgläubiger kein Bereicherungsanspruch zu, da der Rechtsgrund für das Behaltendürfen des aus der Zwangsvollstreckungsmaßnahme ausgekehrten Erlöses das Urteil ohne Haftungsbeschränkungsvorbehalt ist. Der Beschränkungsvorbehalt kann allerdings durch Urteilsergänzung nach § 321 ZPO oder auf Rechtsmittel in der Tatsacheninstanz unter den engen Voraussetzungen des § 531 ZPO, die regelmäßig nicht vorliegen werden, nachgeholt werden2. In der Revisionsinstanz ist die nachträgliche Aufnahme eines Beschränkungsvorbehaltes ebenfalls nur ausnahmsweise möglich, wenn der Erbe in der Tatsacheninstanz keine Möglichkeit3 hatte, sich die beschränkte Haftung vorzubehalten, beispielsweise weil der Erbfall erst in der Revisionsinstanz eingetreten ist4. Ein Bereicherungsanspruch des Erben gegen den Nachlassgläubiger kann aber bestehen, wenn das Urteil einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt enthält und der Erbe es unter dem Druck der Zwangsvollstreckung versäumt hat, die Einwendungsklage nach §§ 785, 767 ZPO zu erheben5. 65 Prüft das Gericht im Erkenntnisverfahren, ob der Nachlass erschöpft ist und kann der Erbe den Nachweis der Erschöpfung nicht erbringen, ist er auf seinen Antrag nur zur Zahlung bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung in den Nachlassüberschuss zu verurteilen6. Der Erbe ist verpflichtet, über Nachlassgegenstände und bevorrechtigte Schulden Auskunft zu geben. Die Richtigkeit des Schulden- und Bestandsverzeichnisses hat er gegebenenfalls durch eides-
1 Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 8; RG v. 2.12.1913 – VII 423/13, RGZ 83, 330 (332); RG v. 20.6.1932 – VI 67/32, RGZ 137, 50 (54). 2 OLG Hamm v. 15.11.2005 – 27 U 88/05, FamRZ 2006, 714; vgl. zur alten Rechtslage BVerwG v. 15.2.1956 – V C 29/55, NJW 1956, 805. 3 BGH v. 9.5.1962 – VIII ZR 45/61, NJW 1962, 1250. 4 BGH v. 21.3.1955 – III ZR 115/53, BGHZ 17, 69 (73). 5 MüKo/Siegmann, § 1973 Rz. 8; Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 9. 6 Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 7; MüKo/Siegmann, § 1973 Rz. 8.
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Haftung des Alleinerben
Rz. 66 C V
stattliche Versicherung nach §§ 260, 261 BGB zu bekräftigen. In das Urteil können die herauszugebenden Nachlassgegenstände aufgenommen werden1.
3. Die Inventarerrichtung
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Beratungssituation: Der Ehemann der Mandantin ist vor einem halben Jahr verstorben. Sie ist Alleinerbin und überreicht einen Beschluss des Nachlassgerichts, durch den ihr aufgegeben wird, innerhalb von vier Monaten ein Inventar zu errichten. Es stellt sich heraus, dass die Frist in zwei Tagen abläuft.
Die Inventarerrichtung ist in den §§ 1993 ff. BGB geregelt. Das Inventar ist 66 ein Verzeichnis, in dem die Nachlassgegenstände und die bestehenden Nachlassverbindlichkeiten aufgeführt werden, § 2001 BGB. Die Inventarerrichtung dient sowohl den Interessen der Nachlassgläubiger als auch denen des Erben. Die Errichtung eines Inventars durch den Erben oder eine zuständige Stelle liegt jedenfalls bei einem unübersichtlichen Nachlass im Interesse des Erben. Sie führt zwar nicht zu einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, aber verschafft dem Erben einen Überblick über die Vermögensverhältnisse des Nachlasses. Bei der erbrechtlichen Beratung ist daher dem Erben eine freiwillige Inventarerrichtung anzuraten, wenn der Nachlass unübersichtlich ist. Stellt sich nach Inventarerrichtung heraus, dass der Nachlass überschuldet ist, wird der Erbe seine Haftung auf den Nachlass beschränken wollen, um eine Haftung mit dem Eigenvermögen zu verhindern. Aber auch die Nachlassgläubiger erhalten durch das Inventar eine Übersicht über den Nachlass. Hierdurch wird ihnen die Zwangsvollstreckung in den Nachlass erleichtert, weil sie sich ohne weiteres Kenntnis von den Nachlassgegenständen verschaffen können. Ebenso werden sie durch ein Inventar in die Lage versetzt, die vom Erben vorgenommenen Veränderungen im Nachlassbestand festzustellen und daraus resultierende Schadensersatzansprüche gegen den Erben nach § 1978 BGB darlegen und gegebenenfalls beweisen zu können. Wird dem Erben auf Antrag eines Nachlassgläubigers nach § 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Frist zur Errichtung eines Inventars gesetzt und lässt der Erbe die Frist fruchtlos verstreichen, verliert er nach § 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB sein Recht zur Haftungsbeschränkung. Eine nicht mehr beschränkbare Haftung tritt auch ein, wenn der Erbe eine Inventaruntreue nach § 2005 Abs. 1 BGB begeht. Beantragt ein Nachlassgläubiger nach § 2006 Abs. 1 BGB, dass der Erbe an Eides statt versichert, dass er die Nachlassgegenstände in dem Inventar nach bestem Wissen angegeben habe und verweigert er die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, so haftet er dem beantragenden Nachlassgläubiger gegenüber nach § 2006 Abs. 3 BGB unbeschränkbar. Das rechtzeitig errichtete Inventar hat für den Erben den Vorteil, dass nach § 2009 BGB vermutet wird, dass im Zeitpunkt des Erbfalls keine anderen Nachlassgegenstände als die dort aufgeführten vorhanden waren.
1 Erman/Schlüter, § 1973 Rz. 4; Palandt/Edenhofer, § 1973 Rz. 4.
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C V Rz. 67
Haftung des Alleinerben
a) Der Inhalt des Inventars 67 In das Inventar sollen nach § 2001 Abs. 1 BGB die im Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlassgegenstände aufgenommen werden sowie die im Zeitpunkt der Inventarerrichtung bestehenden Nachlassverbindlichkeiten. Nach § 2001 Abs. 2 BGB soll das Inventar ferner eine Beschreibung der Nachlassgegenstände enthalten, soweit das zur Bestimmung des Wertes erforderlich ist, sowie eine Wertangabe. Veränderungen in Bezug auf Nachlassgegenstände in dem Zeitraum zwischen Anfall der Erbschaft und Inventarerrichtung müssen nicht berücksichtigt werden. Allerdings ist es sinnvoll, die Veränderungen aufzunehmen, da der Erbe im Falle einer später eintretenden Nachlasssonderung mit dem Inventar seiner dann bestehenden Pflicht zur Rechenschaftslegung nach §§ 1978 Abs. 1, 1991 Abs. 1, 666 BGB nachkommen kann1. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch Lasten, Rechte und Forderungen, die durch Konfusion oder Konsolidation untergegangen sind, da diese wieder aufleben, wenn eine Nachlasssonderung eintritt2. § 2001 BGB ist eine reine Ordnungsvorschrift3. Ein Verstoß gegen die Vorschrift löst nicht die Unwirksamkeit des Inventars aus, kann aber zu einer unbeschränkbaren Haftung des Erben unter den Voraussetzungen des § 2005 Abs. 1 BGB führen4. b) Die Arten der Inventarerrichtung 68 Errichtet der Erbe das Inventar selbst, so muss er nach § 2002 BGB zu der Aufnahme des Inventars eine zuständige Behörde oder einen zuständigen Beamten oder Notar zuziehen. Ein Inventar, welches ohne Mitwirkung der zuständigen Behörde oder der genannten Personen aufgenommen wurde, ist unwirksam5. 69 Nach Art. 147, 148 EGBGB bestimmen die Länder die für die Mitwirkung zuständige Amtsperson oder Behörde. Sachlich zuständig sind in allen Bundesländern die Notare, zum Teil sogar ausschließlich6. Ein Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit führt zur Unwirksamkeit des Inventars7. Dagegen ist ein Verstoß gegen die örtliche Zuständigkeit unschädlich8. 70 Der Notar bzw. die Behörde oder Amtsperson müssen nur bei der Aufnahme des Inventars mitwirken. Das kann dadurch geschehen, dass sie die vom Erben gemachten Angaben über Nachlassgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten niederschreiben oder bei der Niederschrift des Erben zugegen 1 2 3 4 5 6 7
Staudinger/Marotzke, § 2001 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 2001 Rz. 2. Staudinger/Marotzke, § 2001 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 2001 Rz. 3. Palandt/Edenhofer, § 2001 Rz. 1. Erman/Schlüter, § 2001 Rz. 1. Staudinger/Marotzke, § 2002 Rz. 1; Erman/Schlüter, § 2002 Rz. 1. Palandt/Edenhofer, § 2002 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 2002 Rz. 2. Erman/Schlüter, § 2002 Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 2002 Rz. 2; a.A. Staudinger/Marotzke, § 2002 Rz. 3, der Unwirksamkeit nur bejaht, wenn ein Fall offensichtlicher Unzuständigkeit vorliegt; Soergel/Stein, § 2002 Rz. 3, der eine Unwirksamkeit generell ablehnt. 8 Erman/Schlüter, § 2002 Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 2002 Rz. 2.
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Haftung des Alleinerben
Rz. 73 C V
sind1. Die hinzuzuziehende Amtsperson ist für die Vollständigkeit und den Inhalt des Inventars nicht verantwortlich und hat insoweit auch keine Prüfungspflicht2. Sie wird lediglich als Beistand des Erben tätig und ist verpflichtet, ihn zu belehren3. Für den Inhalt des Inventars ist allein der Erbe verantwortlich. Die Wirksamkeit des Inventars setzt daher voraus, dass es von dem Erben oder von einer von ihm bevollmächtigten Person unterschrieben wird4. Die Unterschrift der Amtsperson ist dagegen entbehrlich und kann für sich genommen die Wirksamkeit des Inventars nicht begründen5. Das Inventar ist errichtet, wenn es bei dem Nachlassgericht eingereicht wird. In dem Beispielsfall kommt eine Inventarerrichtung nach § 2002 BGB nicht in Betracht, da die Inventarfrist bereits in zwei Tagen abläuft. Der Erbe kann auch nach § 2003 Abs. 1 BGB die amtliche Aufnahme des Inventars beantragen. Der Antrag ist an das nach § 343 FamFG örtlich zuständige Nachlassgericht zu richten. Das Nachlassgericht kann das Inventar nach freiem Ermessen selbst aufnehmen oder die Aufnahme auf eine zuständige Behörde oder einen zuständigen Beamten oder Notar übertragen. Zum Teil wird die Zuständigkeit des Nachlassgerichts zur Aufnahme des Inventars durch Landesrecht ausgeschlossen6. Der Antrag auf amtliche Aufnahme des Inventars ist aber auch in diesen Fällen an das Nachlassgericht zu richten7. Antragsberechtigt sind der Erbe, jeder Miterbe, nicht aber der Nachlassgläubiger8. Die Gebühren für die Inventarerrichtung richten sich nach § 52 KostO.
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Der Erbe hat nach § 2003 Abs. 2 BGB bei der Aufnahme des Inventars mitzuwirken. Er hat der aufnehmenden Stelle die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Mitwirkung kann nicht erzwungen werden. Weigert sich der Erbe mitzuwirken, so haftet er nach § 2005 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Nachlassverbindlichkeiten endgültig unbeschränkt. Ebenso verliert er durch eine absichtlich verzögerte Auskunft nach § 2005 Abs. 1 Satz 2 BGB sein Haftungsbeschränkungsrecht.
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Die Verantwortung für die Aufnahme des Inventars trägt das Nachlassgericht oder die damit beauftragte Amtsperson. Das Inventar ist daher nicht vom Erben, sondern nach § 2003 Abs. 3 BGB von der Behörde, dem Beamten oder dem Notar bei dem Nachlassgericht einzureichen.
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Staudinger/Marotzke, § 2002 Rz. 2. Erman/Schlüter, § 2002 Rz. 1; Palandt/Edenhofer, § 2002 Rz. 1. Erman/Schlüter, § 2002 Rz. 1; Palandt/Edenhofer, § 2002 Rz. 1. RG v. 24.10.1911 – VII 195/11, RGZ 77, 245 (247); Erman/Schlüter, § 2002 Rz. 1; Palandt/Edenhofer, § 2002 Rz. 1; a.A. Staudinger/Marotzke, § 2002 Rz. 2, der die Unterschrift der mitwirkenden Amtsperson ausreichen lässt. Erman/Schlüter, § 2002 Rz. 1; Palandt/Edenhofer, § 2002 Rz. 1; a.A. Staudinger/Marotzke, § 2002 Rz. 2. Vgl. Palandt/Edenhofer, § 2003 Rz. 1. MüKo/Siegmann, § 2003 Rz. 2. OLG Karlsruhe v. 14.3.1917, OLGE 35, 361.
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C V Rz. 74
Haftung des Alleinerben
74 Sofern sich bei dem Nachlassgericht bereits ein Inventar befindet, welches den Anforderungen der §§ 2002, 2003 BGB entspricht, kann der Erbe sich dieses Inventar nach § 2004 BGB zu Eigen machen. Hierfür reicht es aus, wenn er innerhalb einer gesetzten Inventarfrist gegenüber dem Nachlassgericht erklärt, dass das Inventar als von ihm eingereicht gelten solle. Die Erklärung unterliegt keiner Form, kann also auch mündlich abgegeben werden und ist nur fristgebunden, wenn das Nachlassgericht eine Inventarfrist gesetzt hat1. Eine Bezugnahmeerklärung ist entbehrlich, sofern das bei dem Nachlassgericht vorliegende Inventar bereits aus anderen Gründen für den Erben gilt. Das ist der Fall, wenn ein gewillkürter oder gesetzlicher Vertreter, wie beispielsweise der Nachlasspfleger, das Inventar für den Erben eingereicht hat2, aber auch dann, wenn dem Erben die Einreichung des Inventars nach §§ 2008 Abs. 1 Satz 3, 2063 Abs. 1, 2144 Abs. 2, 2383 Abs. 2 BGB zugute kommt3. § 2004 BGB ist dagegen anzuwenden, wenn das Inventar von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht, einem Geschäftsführer ohne Auftrag, einem Testamentsvollstrecker, einem Nachlassverwalter, einem Erbschaftsbesitzer oder dem Nachlassgericht selbst stammt4. Die Bezugnahme auf ein bereits bestehendes Inventar erspart Zeit und auch Kosten. Bei der erbrechtlichen Beratung ist der Mandant aber auch darüber zu belehren, dass die Bezugnahme auf ein bestehendes Inventar mit einem nicht ganz unerheblichen Risiko verbunden ist. Denn sollte sich später herausstellen, dass das bereits errichtete Inventar wegen eines Inventarvergehens nach § 2005 Abs. 1 BGB unwirksam ist, wird die Frist für die Errichtung des Inventars bereits abgelaufen sein, mit der Folge, dass der Mandant die Inventarfrist versäumt hat und nunmehr unbeschränkbar für die Nachlassverbindlichkeiten nach § 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB haftet. Die gleiche Problematik entsteht, wenn der Erbe darauf verzichtet, selbst ein Inventar zu errichten, weil ihm ein anderes Inventar, beispielsweise das Inventar eines Miterben, zugute kommt. c) Die Inventarfrist 75 Die Nachlassgläubiger können die Errichtung eines Inventars nicht erzwingen5. Allerdings setzt das Nachlassgericht nach § 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Antrag eines Nachlassgläubigers dem Erben eine Frist zur Inventarerrichtung. Errichtet der Erbe das Inventar nicht innerhalb der gesetzten Frist, haftet er für die Nachlassverbindlichkeiten nach § 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB endgültig unbeschränkt. 76 Zur Antragstellung berechtigt ist jeder Nachlassgläubiger, unabhängig davon, ob es sich um einen ausgeschlossenen oder diesem gleichgestellten Gläubiger (§§ 1973, 1974 BGB) handelt, weil eine Fristsetzung nach § 1994 Abs. 2 Satz 2 1 Erman/Schlüter, § 2004 Rz. 3. 2 Erman/Schlüter, § 2004 Rz. 1; Staudinger/Marotzke, § 2004 Rz. 6; Palandt/Edenhofer, § 2004 Rz. 2. 3 Erman/Schlüter, § 2004 Rz. 1; Staudinger/Marotzke, § 2004 Rz. 6; Palandt/Edenhofer, § 2004 Rz. 2. 4 Erman/Schlüter, § 2004 Rz. 1; Palandt/Edenhofer, § 2004 Rz. 1. 5 RG v. 23.6.1930 – IV 59/30, RGZ 129, 239 (243).
1378 Endemann
Haftung des Alleinerben
Rz. 78 C V
BGB selbst dann wirksam ist, wenn die Forderung des Gläubigers überhaupt nicht besteht1. Einem Miterben, der zugleich Nachlassgläubiger ist, fehlt die Antragsberechtigung, da er selbst die Möglichkeit hat, ein Inventar zu errichten2. Antragsberechtigt ist aber ein Gläubiger, der sich die Forderung eines Nachlassgläubigers hat pfänden und überweisen lassen3. Der Antrag kann nach § § 25 FamFG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten bei dem Nachlassgericht oder jedem Amtsgericht gestellt werden, soweit eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht notwendig ist. In dem Antrag muss die Person benannt werden, die das Inventar errichten soll4. Der Antragsteller hat nach § 1994 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 35 FamFG alle Tatsachen glaubhaft zu machen, die eine Nachlassforderung begründen. Dabei sind nicht präsente Beweismittel anders als nach § 294 Abs. 2 ZPO im Verfahren nach dem FamFG nicht ausgeschlossen5. Die übrigen Tatsachen, wie beispielsweise die Erbeneigenschaft des Antragsgegners oder der Tod des Erblassers, hat das Nachlassgericht nach § 26 FamFG von Amts wegen zu ermitteln6. Die Fristsetzung ist gegenüber dem Erben, der bereits freiwillig ein Inventar errichtet hat, gegenüber dem Staat als gesetzlichem Erben nach § 2011 BGB, gegenüber dem Nachlassverwalter und dem Nachlasspfleger nach § 2012 BGB, gegenüber dem Erben während der Dauer der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens nach § 2000 Satz 2 BGB sowie nach Beendigung der Nachlassinsolvenz durch Verteilung der Masse oder durch einen Nachlassinsolvenzplan nach § 2000 Satz 3 BGB unzulässig. Eine bereits laufende Inventarfrist wird nach § 2000 Satz 1 BGB unwirksam, wenn die Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird.
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Liegen die Voraussetzungen für die Fristsetzung vor, so bestimmt das Nachlassgericht eine Frist, die nach § 1995 Abs. 1 Satz 1 BGB mindestens einen Monat und höchstens drei Monate betragen bedarf. Vor der Bestimmung der Inventarfrist hat das Nachlassgericht den Erben anzuhören7. Die Frist beginnt nach § 1995 Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Zustellung des Beschlusses, durch den die Frist bestimmt wird. Das Nachlassgericht kann eine Frist bereits vor Annahme der Erbschaft setzen. Die Frist beginnt dann allerdings nach § 1995 Abs. 2 BGB erst mit der Annahme der Erbschaft zu laufen. Das Nachlassgericht kann auf Antrag gemäß § 1995 Abs. 3 BGB nach freiem Ermessen die Frist verlängern. War der Erbe aufgrund höherer Gewalt oder weil er unverschuldet von dem Fristbestimmungsbeschluss keine Kenntnis erlangt hat, ge-
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1 Erman/Schlüter, § 1994 Rz. 2; Lange/Kuchinke, § 48 VI 5a; a.A. Palandt/Edenhofer, § 1994 Rz. 3, der die Antragsberechtigung der ausgeschlossenen Gläubiger und diesen gleichgestellten verneint. 2 KG v. 23.1.1979 – 1 W 2296/78, Rpfleger 1979, 136; Palandt/Edenhofer, § 1994 Rz. 1; a.A. MüKo/Siegmann, § 1994 Rz. 3. 3 BayObLG v. 14.6.1907, OLGE 16, 41 (42). 4 LG Bochum v. 7.12.1990 – 7 T 647/90, Rpfleger 1991, 154. 5 Erman/Schlüter, § 1994 Rz. 3; MüKo/Siegmann, § 1993 Rz. 4. 6 LG Bochum v. 7.12.1990 – 7 T 647/90, Rpfleger 1991, 154. 7 BayObLG v. 26.5.1992 – 17 BR 2/92, BayObLGZ 1992, 162 (166).
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C V Rz. 79
Haftung des Alleinerben
hindert, das Inventar rechtzeitig zu errichten, so setzt ihm das Nachlassgericht auf seinen Antrag eine neue Frist, wenn er den Antrag innerhalb von zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt hat, es sei denn, seit Fristablauf ist bereits ein Jahr verstrichen. 79 Der Erbe kann gegen den Fristbestimmungsbeschluss, gegen die Entscheidung, durch die eine beantragte Fristverlängerung oder die Gewährung einer neuen Frist abgelehnt wird, nach §§ 58, 360 FamFG, Beschwerde etwa mit der Begründung einlegen, die Frist sei zu kurz bemessen, die Frist sei ohne sein Verschulden fruchtlos verstrichen oder er habe bereits ein Inventar eingereicht1. Das gleiche Rechtsmittel steht dem Nachlassgläubiger zu, der einwenden kann, dass die Frist zu lang bemessen sei oder dass die Voraussetzungen für die Verlängerung der Frist oder für die Setzung einer neuen Frist nicht vorgelegen hätten. 80 Durch welche Maßnahme die Frist gewahrt wird, richtet sich nach der jeweiligen Inventarart. Handelt es sich um ein Inventar des Erben nach § 2002 BGB, so muss das Inventar innerhalb der Frist bei dem Nachlassgericht eingereicht sein, § 1993 BGB. Bei einer amtlichen Inventaraufnahme reicht die rechtzeitige Beantragung der amtlichen Inventaraufnahme bei dem Nachlassgericht nach § 2003 Abs. 1 Satz 2 BGB aus. Nimmt der Erbe nach § 2004 BGB Bezug auf ein bereits beim Nachlassgericht vorhandenes Inventar, so handelt er fristwahrend, wenn die Bezugnahmeerklärung innerhalb der Inventarfrist bei dem Nachlassgericht eingeht. In dem Beispielsfall kann daher die Frist noch durch Beantragung der gerichtlichen Inventaraufnahme gewahrt werden. Die Frist ist hier bereits gewahrt, wenn der Antrag rechtzeitig beim Nachlassgericht eingereicht wird. d) Die Inventaruntreue 81 Ebenso wie die Versäumung der Inventarfrist führt eine Inventaruntreue nach § 2005 Abs. 1 BGB zur endgültigen unbeschränkten Haftung des Erben. Der Erbe kann sowohl bei einem freiwillig als auch bei einem unter Fristsetzung errichteten Inventar eine Untreue begehen. Es muss sich lediglich um ein Inventar handeln, welches den Anforderungen der §§ 2002, 2003, 2004 BGB entspricht. 82 Eine Inventaruntreue liegt vor, wenn der Erbe absichtlich eine erhebliche Unvollständigkeit der in dem Inventar aufgeführten Nachlassgegenstände herbeiführt oder bewirkt. Eine Benachteiligungsabsicht gegenüber den Nachlassgläubigern ist nicht erforderlich, sondern es reicht aus, wenn er mit den falschen Angaben einen anderen Zweck verfolgt, wie beispielsweise die Steuerbehörden oder andere Erbanwärter über den Umfang des Nachlasses zu täuschen2. Fehler in der Beschreibung der Nachlassgegenstände können dagegen
1 OLG Hamm v. 27.10.1961 – 15 W 418/61, NJW 1962, 53 (54). 2 Palandt/Edenhofer, § 2005 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 2005 Rz. 2.
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Haftung des Alleinerben
Rz. 84 C V
eine Inventaruntreue nicht begründen1. Auch ist die Aufnahme von Gegenständen in das Inventar, die nicht zu dem Nachlass gehören, unschädlich. Der Erbe kann eine Inventaruntreue auch dadurch begehen, dass er die Aufnahme nicht bestehender Nachlassverbindlichkeiten herbeiführt oder bewirkt, um die Nachlassgläubiger zu benachteiligen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Erbe durch die Unrichtigkeit der Angaben gegenüber den Nachlassgläubigern eine Überschuldung des Nachlasses vortäuschen will2. Sofern für den Erben ein gesetzlicher oder gewillkürter Vertreter gehandelt hat, muss er sich dessen Verhalten nach § 278 BGB zurechnen lassen3. Eine Inventaruntreue einer anderen Person, die ein Inventar mit Wirkung für den Erben errichtet hat, §§ 2008 Abs. 1 Satz 3, 2063 Abs. 1, 2144 Abs. 2, 2383 Abs. 2 BGB, begründet dagegen keine Inventaruntreue in seiner Person. Eine endgültige unbeschränkte Haftung des Erben kommt dann aber wegen Versäumung der Inventarfrist nach § 1994 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht, weil ein Inventar, welches unter Begehung einer Inventaruntreue errichtet wurde, keine Geltung hat. Das Inventar gilt dann als nicht errichtet. Für den Erben ist es daher ein nicht unerhebliches Risiko, wenn er an der Errichtung des Inventars nicht beteiligt war. Hierauf muss der Mandant bei der erbrechtlichen Beratung hingewiesen werden. Eine Bezugnahmeerklärung auf ein bereits bei dem Nachlassgericht vorhandenes Inventar begründet eine Inventaruntreue des Erben, wenn er weiß, dass das Inventar in Bezug auf Nachlassgegenstände erheblich unvollständig ist und er dieses in Verfolgung eines Zweckes ausnutzt oder wenn er Kenntnis davon hat, dass in dem Inventar nicht bestehende Nachlassverbindlichkeiten aufgeführt werden und er dieses ausnutzt, um die Nachlassgläubiger zu benachteiligen4. Auch die Verweigerung oder die absichtlich in erheblichem Maße verzögerte Auskunft durch den Erben bei einer amtlichen Inventaraufnahme führen nach § 2005 Abs. 1 Satz 2 BGB zur endgültigen unbeschränkten Haftung. Das gilt aber nur, wenn dem Erben vom Nachlassgericht eine Inventarfrist gesetzt worden war. Bei einer freiwilligen Inventarerrichtung können die Wirkungen des § 2005 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht eintreten5.
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Eine Inventaruntreue kann nicht nachträglich durch Berichtigung des Inventars beseitigt werden. Das gilt selbst dann nicht, wenn der Erbe noch während einer laufenden Inventarfrist das Inventar berichtigen will, ansonsten würde der Erbe, der das Inventar freiwillig errichtet hat, gegenüber dem Erben, dem eine Inventarfrist gesetzt wurde, benachteiligt6.
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1 Palandt/Edenhofer, § 2005 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 2005 Rz. 2. 2 Palandt/Edenhofer, § 2005 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 2005 Rz. 2. 3 Palandt/Edenhofer, § 2005 Rz. 1; Erman/Schlüter, § 2005 Rz. 5; a.A. Staudinger/Marotzke, § 2005 Rz. 10, der Verfehlungen des Nachlasspflegers nicht zurechnen will. 4 Erman/Schlüter, § 2005 Rz. 2. 5 Erman/Schlüter, § 2005 Rz. 2; Palandt/Edenhofer, § 2005 Rz. 3. 6 Erman/Schlüter, § 2005 Rz. 4; Palandt/Edenhofer, § 2005 Rz. 3.
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C V Rz. 85
Haftung des Alleinerben
e) Die Verpflichtung des Erben zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung 85 Der Erbe hat nach der Inventarerrichtung auf Antrag eines Nachlassgläubigers nach § 2006 Abs. 1 BGB an Eides statt zu versichern, dass er die Nachlassgegenstände nach bestem Wissen so vollständig angegeben habe, als er dazu im Stande sei. Die eidesstattliche Versicherung ist nach § 2006 Abs. 1 BGB gegenüber dem Nachlassgericht abzugeben. Dem Erben ist nach § 2006 Abs. 2 BGB vor der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Gelegenheit zur Berichtigung des Inventars zu geben. Weigert er sich, die eidesstattliche Versicherung abzugeben oder erscheint er unentschuldigt nicht zu dem Termin, so haftet er gegenüber dem beantragenden Nachlassgläubiger endgültig unbeschränkt. Dagegen bleibt sein Haftungsbeschränkungsrecht gegenüber den anderen Nachlassgläubigern bestehen. Der Erbe kann auf Antrag eines Nachlassgläubigers nach § 2006 Abs. 4 BGB erneut zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung aufgefordert werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass dem Erben nach der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung weitere Nachlassgegenstände bekannt geworden sind. f) Die Wirkung eines fristgerecht errichteten Inventars 86 Im Verhältnis zwischen dem Erben und den Nachlassgläubigern wird nach § 2009 BGB vermutet, dass im Zeitpunkt des Erbfalls nur die im Inventar vorhandenen Nachlassgegenstände vorhanden waren, wenn das Inventar entweder freiwillig oder innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist errichtet wurde. Die Vermutung gilt nicht, wenn dem Erben eine Inventaruntreue nach § 2005 Abs. 1 BGB vorgeworfen werden kann, wohl aber, wenn das Inventar nach § 2005 Abs. 2 BGB unvollständig ist1. Die Vorschrift erleichtert dem Erben die Beweisführung. Das gilt vor allem im Hinblick auf seine Rechenschaftspflicht nach § 1978 BGB, aber auch, wenn er sich gegenüber den Nachlassgläubigern auf die Ausschluss- oder Erschöpfungseinrede nach den §§ 1973, 1974, 1989, 1990, 1992 BGB beruft. Die Gläubiger können in Bezug auf einzelne Gegenstände nach § 292 ZPO den Gegenbeweis führen. Gelingt der Beweis hinsichtlich einzelner Gegenstände, bleibt die Vermutung bezüglich anderer Gegenstände, die ebenfalls nicht in dem Inventar aufgeführt werden, dennoch bestehen2.
4. Die vorläufigen Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten 87 Der Erbe ist sowohl vor der Annahme der Erbschaft als auch für einen gewissen Zeitraum nach Annahme der Erbschaft berechtigt, die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten zu verweigern. Darüber hinaus kann er Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seiner Eigengläubiger in den Nachlass verhindern. 1 Staudinger/Marotzke, § 2009 Rz. 5; MüKo/Siegmann, § 2009 Rz. 5; a.A. Soergel/ Stein, § 2009 Rz. 1, der der Ansicht ist, dass die Vermutung erschüttert sei, wenn das Inventar eine erhebliche Unvollständigkeit aufweise. 2 Staudingerl/Marotzke, § 2009 Rz. 5; MüKo/Siegmann, § 2009 Rz. 5; a.A. Soergel/ Stein, § 2009 Rz. 1.
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Haftung des Alleinerben
Rz. 89 C V
Dem Erben soll hierdurch Gelegenheit gegeben werden, ohne Störung durch Nachlass- oder auch Eigengläubiger zu entscheiden, ob er die Erbschaft überhaupt annimmt. Nimmt der Erbe die Erbschaft an, so wird er bei einem unübersichtlichen Nachlass bis zur Annahme der Erbschaft nicht in der Lage gewesen sein, festzustellen, ob der Nachlass überschuldet ist. Er ist daher für einen weiteren Zeitraum schutzbedürftig, in dem er den Nachlass sichten und endgültig entscheiden kann, ob er die Haftung auf den Nachlass beschränkt. Während dieses Zeitraumes haben die Nachlassgläubiger ebenfalls ein Interesse daran, dass der Nachlass nicht durch die Eigengläubiger des (vorläufigen) Erben geschmälert wird. a) Der Schutz des Erben zwischen Anfall und Annahme der Erbschaft Bis zur Annahme der Erbschaft können die Nachlassgläubiger ihre Ansprüche 88 gegen den Erben nicht gerichtlich durchsetzen, da der vorläufige Erbe nach § 1958 BGB nicht passivlegitimiert ist. Bis zur Annahme der Erbschaft ist eine Zwangsvollstreckung der Nachlassgläubiger in das Eigenvermögen des vorläufigen Erben nach § 778 Abs. 1 ZPO unzulässig. Ebenso sind die Eigengläubiger des vorläufigen Erben nach § 778 Abs. 2 ZPO nicht berechtigt, die Zwangsvollstreckung in den Nachlass zu betreiben. Der Erbe, aber auch der Nachlasspfleger, Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker können entsprechende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wahlweise mit dem Rechtsbehelf der Erinnerung nach § 766 ZPO oder mit Einlegung der Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO abwehren1. Nachlassgläubiger können durch Einlegung der Erinnerung nach § 766 ZPO Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Eigengläubiger in den Nachlass für unzulässig erklären lassen2. b) Der Schutz des Erben nach der Annahme der Erbschaft aa) Die aufschiebenden Einreden
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Beratungssituation: Der Vater der Mandantin ist vor acht Wochen verstorben. Die Mandantin ist Alleinerbin. Der Erblasser hat u.a. ein Barvermögen in Höhe von 125 000 Euro hinterlassen. Nach Durchsicht der persönlichen Unterlagen des Erblassers hat sie festgestellt, dass der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes noch Rechnungen in Höhe von insgesamt 40 000 Euro zu begleichen hatte. Einige Gläubiger haben ihr gegenüber bereits die Zahlung ihrer Forderungen angemahnt. Seit dem Erbfall hat sie weitere Rechnungen erhalten. Insgesamt steht derzeit ein Betrag in Höhe von 70 000 Euro offen. Sie befürchtet mittlerweile, dass das Barvermögen zur Begleichung der bestehenden Schulden nicht ausreicht.
Der Erbe ist nach § 2014 BGB berechtigt, in den ersten drei Monaten nach der Erbschaftsannahme die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten zu verweigern. Ist vor Ablauf dieser Frist ein Inventar errichtet worden, so steht
1 Thomas/Putzo/Putzo, § 778 Rz. 7. 2 Thomas/Putzo/Putzo, § 778 Rz. 7.
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C V Rz. 90
Haftung des Alleinerben
dem Erben die Dreimonatseinrede nur bis zum Zeitpunkt der Inventarerrichtung zu. Der Erbe kann ferner die Einrede des Aufgebotsverfahrens erheben und die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahrens verweigern, wenn er binnen eines Jahres nach Annahme der Erbschaft den Antrag auf Erlassung eines Aufgebots gestellt hat und der Antrag zugelassen ist. Erscheint der Erbe im Aufgebotstermin nicht und verlangt er nicht innerhalb von zwei Wochen die Bestimmung eines neuen Termins oder erscheint er zu diesem Termin erneut nicht, so steht ihm nach § 2015 Abs. 2 BGB auch vor Beendigung des Aufgebotsverfahrens die Einrede aus § 2015 Abs. 1 BGB nicht mehr zu. Nach § 2015 Abs. 3 BGB endet das Aufgebotsverfahren zwei Wochen nach Verkündung des Ausschließungsbeschlusses oder der Entscheidung, die den Antrag auf Erlassung des Beschlusses zurückweist. Wird gegen die Entscheidung nach § § 58 FamFG rechtzeitig Beschwerde eingelegt, bleibt dem Erben die Einrede bis zur Erledigung des Beschwerdeverfahrens erhalten. 90 Die in den §§ 2014, 2015 BGB bestimmten Fristen beginnen nach § 2017 BGB mit der Bestellung eines Nachlasspflegers, wenn dieser vor der Annahme der Erbschaft bestellt wird. Das Gleiche gilt auch für die Bestellung eines Nachlassverwalters1. Neben dem Erben können auch der Nachlasspfleger, der Nachlassverwalter, der verwaltende Testamentsvollstrecker sowie der nicht erbende Ehegatte als Verwalter der Gütergemeinschaft die aufschiebenden Einreden der §§ 2014, 2015 BGB gegenüber den Nachlassgläubigern geltend machen2. 91 Nach überwiegender und zutreffender Ansicht haben die aufschiebenden Einreden nur prozessuale und vollstreckungsrechtliche Wirkungen, aber keine materiellrechtlichen3. Der Erbe kann daher trotz des Rechtes, die Befriedigung der Nachlassgläubiger zu verweigern, mit der Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten in Verzug geraten. Die Erhebung der Einreden hindert daher nicht die Entstehung von Vertragsstrafen und Schadensersatzansprüchen, wie beispielsweise aus den §§ 286 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Nachlassgläubiger kann mit einer Nachlassforderung aufrechnen, weil es sich bei den aufschiebenden Einreden nicht um Einreden i.S.d. § 390 Satz 1 BGB handelt. Auch wird die Verjährung der Nachlassverbindlichkeit durch Erhebung der Einreden nicht gehemmt. Im Rahmen der erbrechtlichen Beratung sollte daher hinsichtlich jeder Nachlassverbindlichkeit eine Abwägung getroffen werden, ob die Einreden erhoben werden sollten oder nicht. In der Regel ist der Erbe zur Erhebung der Einreden verpflichtet, weil er sich ansonsten im Falle 1 Palandt/Edenhofer, § 2017 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 2017 Rz. 1. 2 Erman/Schlüter, Vorbem. zu §§ 2014 ff. Rz. 5; Staudinger/Marotzke, Vorbem. zu §§ 2014 ff. Rz. 3. 3 RG v. 3.4.1912 – III 259/11, RGZ 79, 201; KG v. 16.12.1912 – VIII ZS, OLGE 26, 294; OLG München v. 25.2.1914 – 4 ZS, OLGE 30, 203; Palandt/Edenhofer, § 2014 Rz. 3; MüKo/Siegmann, § 2014 Rz. 5; a.A. KG v. 10.12.1908 – XIII ZS, OLGE 18, 318, Staudinger/Marotzke, § 2014 Rz. 7, welche der Ansicht sind, dass der Erbe nicht in Verzug geraten kann.
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Rz. 92 C V
einer anschließenden Haftungssonderung, beispielsweise durch die Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, gegenüber den Nachlassgläubigern nach § 1978 Abs. 1 Satz 1 BGB schadensersatzpflichtig machen kann1. Besteht allerdings die nahe liegende Gefahr, dass durch die Erhebung der Einreden in Bezug auf einzelne Nachlassverbindlichkeiten ein unverhältnismäßig hoher Schaden entsteht, wird man im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung auf die Erhebung der Einreden verzichten müssen. Die Vorschriften der §§ 2014, 2015 BGB gelten nach § 2016 Abs. 1 BGB nicht für den Erben, wenn er sein Recht, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken, bereits durch eine Inventaruntreue oder die Versäumung der Inventarfrist verloren hat. Haftet der Erbe nur einzelnen Nachlassgläubigern gegenüber endgültig unbeschränkt, etwa weil er sich geweigert hat, eine Eidesstattliche Versicherung abzugeben, so entfallen die Einreden der §§ 2014, 2015 BGB nur im Verhältnis zu diesen Gläubigern. Auch wenn der Erbe einzelnen oder allen Nachlassgläubigern gegenüber endgültig unbeschränkt haftet, bleibt die Einrede aus § 2015 BGB für den Nachlasspfleger, den Nachlassverwalter oder den verwaltenden Testamentsvollstrecker erhalten, da diese Personen anders als der Erbe auch im Falle der endgültig unbeschränkten Haftung berechtigt sind, die Erlassung des Aufgebots zu beantragen2. Die Einreden sind wiederum nach § 2006 Abs. 2 BGB gegenüber den vom Aufgebot nicht betroffenen dinglich berechtigten Gläubigern i.S.d. § 1971 BGB ausgeschlossen, es sei denn, dass sie das Recht erst nach dem Eintritt des Erbfalles im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung erlangt haben. Die aufschiebenden Einreden können ferner nur gegen eine Vormerkung geltend gemacht werden, wenn der Nachlassgläubiger diese erst nach dem Erbfall im Wege der einstweiligen Verfügung erwirkt hat. Sie gelten gegenüber solchen Ansprüchen nicht, die nach ihrem Sinn und Zweck sofort zu erfüllen sind. Bei diesen Ansprüchen handelt es sich namentlich um den Dreißigsten nach § 1969 BGB und den Unterhaltsanspruch der werdenden Mutter nach § 1963 BGB3. In dem Beispielsfall ist der Mandantin grundsätzlich anzuraten, die Erfüllung der Verbindlichkeiten nach § 2014 BGB zu verweigern. Dabei ist allerdings zu überprüfen, ob die Begleichung einzelner Forderungen im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung notwendig ist, um einen unverhältnismäßig großen Schaden abzuwenden. Es sollte ferner unverzüglich ein Antrag auf Erlassung des Aufgebots beim Nachlassgericht gestellt werden. Während der Durchführung des Aufgebotsverfahrens kann die Mandantin die Erfüllung der Verbindlichkeiten nach § 2015 BGB verweigern. Soweit weitere Nachlassgegenstände vorhanden sind, ist der Mandantin die freiwillige Errichtung eines Inventars anzuraten. Stellt sich schließlich heraus, dass der Nachlass überschuldet ist, muss die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt werden. 1 Erman/Schlüter, Vorbem. §§ 2014, 2015 Rz. 5. 2 Staudinger/Marotzke, § 2016 Rz. 2; MüKo/Siegmann, § 2016 Rz. 1; Palandt/Edenhofer, § 2016 Rz. 1; Erman/Schlüter, § 2016 Rz. 1; a.A. Soergel/Stein, § 2016 Rz. 1. 3 Erman/Schlüter, § 2014 Rz. 4; Staudinger/Marotzke, § 2014 Rz. 5.
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C V Rz. 93
Haftung des Alleinerben
bb) Die Wirkungen der Einreden im Prozess und in der Zwangsvollstreckung 93 Die aufschiebenden Einreden hindern die Nachlassgläubiger nicht, ihre Forderungen gegen den Erben gerichtlich durchzusetzen. Der Erbe wird demnach in einem etwaigen Klageverfahren verurteilt, wenn die Nachlassverbindlichkeit tatsächlich besteht. Die Geltendmachung der Einreden führt lediglich dazu, dass in den Tenor des Urteils ein Haftungsbeschränkungsvorbehalt aufgenommen wird, § 305 Abs. 1 ZPO. 94 Auch wenn das gegen den Erben erwirkte Urteil einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt enthält, können die Nachlassgläubiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten, § 781 ZPO. Der Erbe kann aber durch Erhebung der Einwendungsklage nach § 785 BGB erreichen, dass die Vollstreckung für die Dauer der Schonfristen nur auf sichernde Maßnahmen beschränkt wird, § 782 BGB. Die Nachlassgläubiger sind dann zunächst an der Verwertung der gepfändeten Gegenstände gehindert. Das gilt sowohl für gepfändete Gegenstände aus dem Nachlass als auch aus dem Eigenvermögen des Erben. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Eigengläubiger in den Nachlass kann der Erbe während der Schonfristen ebenfalls nach §§ 783, 785 ZPO durch Erhebung der Einwendungsklage auf sichernde Maßnahmen beschränken.
III. Die dauerhafte Beschränkung der Haftung auf den Nachlass 95 Das Gesetz sieht für den Erben verschiedene Möglichkeiten vor, wie er seine Haftung endgültig auf den Nachlass beschränken kann. Welche dieser Möglichkeiten für ihn in Betracht kommen, hängt vor allem von der Vermögenssituation des Nachlasses ab. Eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass tritt nach § 1975 BGB ein, wenn die Nachlassverwaltung angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird. Durch beide Verfahren wird der Nachlass wieder rückwirkend vom Eigenvermögen des Erben getrennt. Es tritt eine so genannte Nachlasssonderung ein, obwohl der Erbe Träger beider Vermögensmassen bleibt. Erhebt der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern die Einreden aus den §§ 1990, 1992 BGB und liegen die dort genannten Voraussetzungen vor, so kann er dauerhaft die Befriedigung der Nachlassgläubiger aus dem Eigenvermögen verweigern.
1. Die haftungsrechtlichen Folgen der Nachlassverwaltung und der Nachlassinsolvenz 96 Die durch den Erbfall bei dem Erben eintretende Gütervermischung zwischen dem Eigenvermögen und dem Nachlass wird durch Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens rückwirkend aufgehoben. Gleichzeitig verliert der Erbe das Recht, den Nachlass zu verwalten und über diesen zu verfügen, § 1984 Abs. 1 BGB, §§ 80–82 InsO. 97 Die Nachlassgläubiger können nach § 1975 BGB die Befriedigung ihrer Ansprüche nur noch aus dem Nachlass verlangen, wenn der Erbe sein Recht zur 1386 Endemann
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Rz. 98 C V
Beschränkung der Haftung auf den Nachlass noch nicht verloren hat. Zudem können die Nachlassgläubiger ihre Ansprüche nur noch gegen den Verwalter (§ 1985 Abs. 1 BGB, § 87 InsO) geltend machen. Haben die Nachlassgläubiger bereits in das Eigenvermögen des Erben vollstreckt, so kann der Erbe, wenn er sich in dem gegen ihn ergangenem Urteil eine Haftungsbeschränkung nach §§ 305 Abs. 1, 780 Abs. 1 ZPO vorbehalten hat, durch Erhebung der Einwendungsklage nach §§ 781, 784 Abs. 1, 785, 767 ZPO die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen für unzulässig erklären lassen. Vollstreckungsmaßnahmen der Eigengläubiger in den Nachlass sind mit Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nach § 321 InsO unwirksam. Der Insolvenzverwalter muss die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahmen durch Einlegung der Erinnerung nach § 766 ZPO bewirken. Durch Anordnung der Nachlassverwaltung sind die Vollstreckungsmaßnahmen der Eigengläubiger in den Nachlass zwar nicht unwirksam, der Nachlassverwalter kann aber gegen sie mit Erfolg die Einwendungsklage §§ 784 Abs. 2, 785, 767 ZPO erheben und hierdurch die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklären lassen. Zur Erhebung der Einwendungsklage ist der Nachlassverwalter verpflichtet, da er sich ansonsten gegenüber den Nachlassgläubigern nach § 1985 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig macht. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Nachlass sind während des Insolvenzverfahrens auch für die Nachlassgläubiger nach § 89 Abs. 1 InsO unzulässig. Während der Dauer der Nachlassverwaltung werden hingegen nur die Zwangsvollstreckungen und Arreste der Eigengläubiger in den Nachlass nach § 1984 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Betreiben die Eigengläubiger dennoch die Zwangsvollstreckung in den Nachlass, so muss der Nachlassverwalter hiergegen mit der Einwendungsklage vorgehen. Die Eigengläubiger haben aber mittelbar die Möglichkeit, auf den Nachlass zuzugreifen, indem sie sich den künftigen Anspruch des Erben gegen den Nachlassverwalter nach § 1986 Abs. 1 BGB auf Auskehrung des Nachlassüberschusses nach §§ 829, 844 ZPO pfänden und überweisen lassen. Die Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens führt nach § 1976 BGB dazu, dass die in Folge des Erbfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse als nicht erloschen gelten. Hat der Erbe Ansprüche gegen den Erblasser, beispielsweise auf Rückzahlung eines Darlehens, so sind diese Ansprüche bei Eintritt des Erbfalls durch Konfusion untergegangen. Das Gleiche gilt, wenn der Erbe gegenüber dem Erblasser Schulden hatte. Diese Rechte und Verbindlichkeiten leben wieder auf, wenn das Nachlassverfahren angeordnet oder das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Erbe kann daher die zunächst erloschenen Ansprüche gegen den Nachlass wieder geltend machen. Die Ansprüche sind gegen den Verwalter zu richten. Umgekehrt ist der Verwalter verpflichtet, die gegen den Erben wieder auflebenden Ansprüche für den Nachlass durchzusetzen. Auch durch Konsolidation erloschene Rechte und Belastungen gelten als nicht erloschen. War zugunsten des Erben auf dem Grundstück des Erblassers eine Hypothek eingetragen, so entsteht im Zeitpunkt des Erbfalles durch Konsolidation eine Eigentümergrundschuld, §§ 1163 Abs. 1, 1177 BGB. Durch die Trennung des Eigenvermögens von dem Nachlass wird der Erbe wieder Inhaber der Hypothek Endemann
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Haftung des Alleinerben
als Träger seines Eigenvermögens. Er kann daher in Abweichung von § 1197 Abs. 1 BGB aus der Hypothek vorgehen1. 99 Rechnet ein Nachlassgläubiger seine Forderung nach Eintritt des Erbfalls mit einer Eigenforderung des Erben auf, so bleibt die Aufrechnung nach § 1977 Abs. 1 BGB nur nach Anordnung der Nachlassverwaltung oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam, wenn der Erbe seine Zustimmung zu der Aufrechnung erteilt hatte. Ansonsten gilt die Aufrechnung als nicht erfolgt. Über den Wortlaut des § 1977 Abs. 1 BGB hinaus bleibt die Aufrechnung erst recht wirksam, wenn der Erbe mit einer Eigenforderung gegen die Forderung des Nachlassgläubigers selbst aufgerechnet hat2. Da der Erbe in diesem Fall sein Eigenvermögen zugunsten des Nachlasses eingesetzt hat, steht ihm nach der Gütersonderung entweder ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Nachlass oder aber ein Bereicherungsanspruch zu, §§ 1978 Abs. 3, 1979 BGB, § 326 Abs. 2 InsO. Nach § 1977 Abs. 1 BGB gilt § 1977 Abs. 2 BGB entsprechend, wenn ein Eigengläubiger des Erben mit seiner Forderung gegen eine zum Nachlass gehörende Forderung aufrechnet. Obwohl § 1977 Abs. 2 BGB uneingeschränkt auf § 1977 Abs. 1 BGB verweist, ist er dahin gehend auszulegen, dass die Aufrechnung ebenfalls als nicht erfolgt anzusehen ist, wenn der Erbe ihr zugestimmt hatte3. § 1977 Abs. 2 BGB bezweckt den Schutz der Nachlassgläubiger. Ihnen soll der Nachlass als Haftungsmasse erhalten bleiben. Das kann aber nur erreicht werden, wenn die Aufrechnung unabhängig von der Zustimmung des Erben als nicht erfolgt gilt. Aus diesem Grund ist § 1977 Abs. 2 BGB auch anzuwenden, wenn nicht der Eigengläubiger, sondern der Erbe die Aufrechnung erklärte4. 100
Nach § 2013 Abs. 1 BGB gilt § 1977 BGB nicht, wenn der Erbe allen Nachlassgläubigern gegenüber unbeschränkbar haftet. Die Vorschrift des § 2013 Abs. 1 BGB ist einschränkend auszulegen, weil sie die Interessen der Nachlassgläubiger nicht hinreichend berücksichtigt. Entgegen dem Wortlaut ist § 1977 Abs. 2 BGB auch anzuwenden, wenn der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern unbeschränkbar haftet5. Denn die Nachlassverwaltung und das Nachlassinsolvenzverfahren können auch bei einer unbeschränkbaren Haftung des Erben auf Antrag der Nachlassgläubiger durchgeführt werden. Beide Verfahren haben das Ziel, den Nachlassgläubigern die Haftungsmasse zu erhalten. Das gelingt aber nur, wenn § 1977 Abs. 2 BGB auch bei einer unbeschränkbaren Haftung des Erben gilt. Nach § 2013 Abs. 2 BGB steht der Anwendbarkeit des § 1977 BGB nicht entgegen, dass der Erbe einzelnen Nachlassgläubigern gegenüber unbeschränkbar haftet. Das ist in Bezug auf § 1977 Abs. 1 BGB aber nur einzusehen, wenn der Erbe gegenüber dem Nachlassgläubiger, mit dem 1 Erman/Schlüter, § 1976 Rz. 2; MüKo/Siegmann, § 1976 Rz. 4. 2 Palandt/Edenhofer, § 1977 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 1977 Rz. 2; Staudinger/Marotzke, § 1977 Rz. 4. 3 Palandt/Edenhofer, § 1977 Rz. 4; Erman/Schlüter, § 1977 Rz. 3; a.A. Staudinger/Marotzke, § 1977 Rz. 9; Soergel/Stein, § 1977 Rz. 5. 4 Palandt/Edenhofer, § 1977 Rz. 4; Erman/Schlüter, § 1977 Rz. 3. 5 Staudinger/Marotzke, § 1977 Rz. 8; MüKo/Siegmann, § 1977 Rz. 7; Palandt/Edenhofer, § 1977 Rz. 5.
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die Aufrechnung erfolgte, nicht unbeschränkbar haftet1. Denn § 1977 Abs. 1 BGB soll das Eigenvermögen des Erben schützen. Der Schutzzweck entfällt aber, wenn der Erbe gegenüber dem Nachlassgläubiger sein Haftungsbeschränkungsrecht verloren hat. In diesem Fall kann der Nachlassgläubiger auch noch nach der Eröffnung der Gütersonderungsverfahren mit Erfolg gegen die Erbenforderung aufrechnen. Im Übrigen gilt, dass nach Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nur noch Nachlassforderungen gegen Nachlassschulden von und gegenüber den Verwaltern aufgerechnet werden können, § 1984 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 80 InsO. Wenn der Erbe bis zur Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens oder der Anordnung der Nachlassverwaltung zahlreiche vermögensrechtliche Dispositionen in Bezug auf den Nachlass getroffen hat, beispielsweise durch Verfügung über Nachlassgegenstände oder Tilgung einiger Nachlassverbindlichkeiten aus dem Eigenvermögen, lässt sich die Vermögenssituation des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls auch durch eine gesetzliche Fiktion nicht wiederherstellen. Eine Wiederherstellung kann dann nur noch rechnerisch erfolgen. Der Gesetzgeber hat deshalb Anspruchsgrundlagen geschaffen, die gewährleisten, dass Vermögensvorteile, die dem Erben aus dem Nachlass oder dem Nachlass aus dem Eigenvermögen zugeflossen sind, bei Eintritt eines Gütersonderungsverfahrens wieder ausgeglichen werden. Darüber hinaus kann der Nachlassinsolvenzverwalter Rechtshandlungen, durch welche die Nachlassgläubiger benachteiligt werden, nach den §§ 129 ff. InsO anfechten. Außerhalb des Insolvenzverfahrens sind die Nachlassgläubiger nach §§ 3 ff. AnfG berechtigt, benachteiligende Rechtshandlungen des Erben anzufechten.
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Die Verantwortlichkeit des Erben für die Verwaltung des Nachlasses gegenüber den Nachlassgläubigern richtet sich gemäß § 1978 Abs. 1 BGB für die Zeit zwischen Annahme der Erbschaft und der Anordnung der Nachlassverwaltung oder der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nach Auftragsrecht (§§ 662 ff. BGB) und für die Zeit zwischen Anfall und Annahme der Erbschaft nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB). Die sich hieraus für die Nachlassgläubiger ergebenden Ansprüche sind nach § 1978 Abs. 2 BGB Nachlassforderungen, die von dem Verwalter gegen den Erben durchgesetzt werden müssen. Der Erbe hat diese Verbindlichkeiten aus seinem Eigenvermögen zu erfüllen, was in gewisser Weise zu einer persönlichen Haftung führt. Dieses umständlichen Weges bedarf es nicht, wenn der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern unbeschränkbar haftet, da die Nachlassgläubiger dann unmittelbar auf das Eigenvermögen des Erben zugreifen können.
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Der Erbe kann seinerseits nach den Voraussetzungen des Auftragsrechts oder nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag von ihm für
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1 Palandt/Edenhofer, § 1977 Rz. 5; Erman/Schlüter, § 1977 Rz. 4; Staudinger/Marotzke, § 1977 Rz. 6.
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den Nachlass gemachte Aufwendungen ersetzt verlangen, § 1978 Abs. 3 BGB. Hat der Erbe Nachlassverbindlichkeiten aus dem Eigenvermögen oder dem Nachlass berichtigt und durfte er nach den Umständen annehmen, dass der Nachlass zur Begleichung aller Nachlassverbindlichkeiten ausreicht, müssen die Nachlassgläubiger die Berichtigung als für Rechnung des Nachlasses erfolgt gelten lassen. Sofern die Schuld erfüllt wurde, hat der Erbe nach § 670 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Nachlass. Im Insolvenzverfahren handelt es sich insoweit um eine bevorrechtigte Masseschuld nach § 324 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Hat der Erbe die Nachlassverbindlichkeit aus dem Eigenvermögen getilgt, obwohl er bei gewissenhafter Prüfung hätte erkennen können, dass der Nachlass zur Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten nicht ausreicht, so steht ihm gegen den Nachlass nach § 684 BGB ein Bereicherungsanspruch zu. Im Insolvenzverfahren tritt seine Forderung an die Rangstelle des befriedigten Nachlassgläubigers, § 326 Abs. 2 InsO1. Erfolgte die Tilgung aus dem Nachlass, so hat sich der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern nach § 1978 Abs. 1 und 2 BGB schadensersatzpflichtig gemacht. Im Nachlassinsolvenzverfahren kann er an die Rangstelle des befriedigten Nachlassgläubigers treten, wenn er dem Nachlass den entnommenen Betrag aus Eigenmitteln erstattet2.
2. Die Nachlassverwaltung
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Beratungssituation: Der Erblasser hatte ein größeres Vermögen. Sein Sohn ist Alleinerbe und vermögenslos. Der Mandant hat gegen den Erben aus einem mit dem Erblasser geschlossenen Werkvertrag einen Vergütungsanspruch in Höhe von 25 000 Euro. Er hat den Erben bereits mehrfach aufgefordert, den geschuldeten Betrag zu zahlen. Eine Zahlung erfolgte bislang nicht. Zudem ist nachweislich bekannt, dass der Erbe mit dem neu erworbenen Vermögen verschwenderisch umgeht. Er führt seit dem Anfall der Erbschaft ein außerordentlich luxuriöses Leben und hat bereits mehrfach an Freunde und Bekannte im betrunkenen Zustand erhebliche Geldbeträge verschenkt. Der Mandant fürchtet deshalb, dass er seine Forderung bald nicht mehr durchsetzen kann.
Die Nachlassverwaltung ist nach § 1975 BGB eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger. Auf die Nachlassverwaltung finden daher die Vorschriften über die Personalpflegschaft (§§ 1915 ff. BGB) und über § 1915 Abs. 1 BGB die Vorschriften über die Vormundschaft entsprechende Anwendung, soweit nicht besondere Vorschriften oder der Zweck der Nachlassverwaltung entgegenstehen3. Die Beantragung der Nachlassverwaltung kommt als Mittel zur Haftungsbeschränkung in der Regel nur in Betracht, wenn der Nachlass unübersichtlich ist und zum Zeitpunkt der Antrag1 Palandt/Edenhofer, § 1979 Rz. 4; Erman/Schlüter, § 1979 Rz. 4. 2 OLG Düsseldorf v. 5.3.1999 – 7 U 149/98, ZEV 2000, 236; Erman/Schlüter, § 1979 Rz. 4; Palandt/Edenhofer, § 1979 Rz. 4. 3 RG v. 4.1.1932 – IV 353/31, RGZ 135, 305 (307); OLG Stuttgart v. 22.5.1984 – 8 W 165/84, Rpfleger 1984, 416; OLG Jena v. 7.5.1998 – 6 W 348/98, Rpfleger 1998, 427.
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Rz. 106 C V
stellung keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob der Nachlass überschuldet ist. Denn wenn der Erbe die Überschuldung kennt, ist er nach § 1980 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, das Insolvenzverfahren unverzüglich zu beantragen. Verletzt er diese Pflicht, macht er sich nach § 1980 Abs. 1 Satz BGB gegenüber den Nachlassgläubigern für den daraus entstehenden Schaden schadensersatzpflichtig. Die Ersatzpflicht tritt nach § 1980 Abs. 2 Satz 1 BGB auch ein, wenn der Erbe die Überschuldung in Folge von Fahrlässigkeit nicht kannte. Fahrlässigkeit ist nach § 1980 Abs. 2 Satz 2 BGB insbesondere anzunehmen, wenn der Erbe die Erlassung des Aufgebots nicht beantragt hat, obwohl er mit unbekannten Nachlassverbindlichkeiten rechnen musste. Das gilt aber nicht, wenn die Kosten des Aufgebotsverfahrens in keinem Verhältnis zu dem Nachlassbestand stehen. Eine schädigende Insolvenz unter Vermeidung der Entstehung von Schadensersatzpflichten kann aber abgewendet werden, wenn alle Nachlassgläubiger einverstanden sind, dass der Erbe oder Nachlassverwalter trotz bestehender Überschuldung keinen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens stellt1. a) Die Anordnung der Nachlassverwaltung Zuständig für das Verfahren der Nachlassverwaltung ist nach § 1962 BGB, § 344 Abs. 4 FamFG das Nachlassgericht. Die Anordnung der Nachlassverwaltung setzt nach § 1981 BGB einen Antrag voraus. Antragsberechtigt ist nach § 1981 Abs. 1 BGB der Erbe, es sei denn, er haftet gegenüber den Nachlassgläubigern endgültig unbeschränkt, § 2013 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Antragsrecht geht aber nicht dadurch verloren, dass der Erbe einzelnen Nachlassgläubigern gegenüber endgültig unbeschränkt haftet, § 2013 Abs. 2 BGB. Das Antragsrecht ist zeitlich nicht beschränkt. Miterben können den Antrag nur gemeinschaftlich und nur vor Nachlassteilung stellen, § 2062 BGB. Der Antrag setzt nicht voraus, dass die Erbschaft angenommen wurde2. Zu den antragsberechtigten Personen gehören ferner der verwaltende Testamentsvollstrecker, der Erbschaftskäufer nach § 2383 Abs. 1 BGB sowie der Nacherbe nach § 2144 Abs. 1 BGB. Nicht antragsberechtigt ist dagegen der Nachlasspfleger nach §§ 1960, 1961 BGB, da es weder zu seinen Aufgaben gehört, eine Haftungsbeschränkung herbeiführen noch die Nachlassgläubiger zu befriedigen3.
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Nach § 1981 Abs. 2 BGB können die Nachlassgläubiger unabhängig davon, ob 106 sie ausgeschlossen oder den Ausgeschlossenen nach §§ 1973, 1974 BGB gleichgestellt sind, einen Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung stellen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Befriedigung der Nachlassgläubiger aufgrund des Verhaltens des Erben oder aufgrund seiner eigenen Vermögenssituation gefährdet ist. Die Nachlassgläubiger müssen ihre Forderung und die Gefährdung der Forderung glaubhaft machen, § 31 1 Palandt/Edenhofer, § 1975 Rz. 2. 2 Palandt/Edenhofer, § 1981 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 1981 Rz. 2; Staudinger/Marotzke, § 1981 Rz. 11. 3 BayObLG v. 28.6.1976 – 1 Z 27/76, BayObLGZ 1976, 167 (172); Palandt/Edenhofer, § 1981 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 1981 Rz. 3; a.A. Soergel/Stein, § 1981 Rz. 4.
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FamFG1, wobei daneben eine Ermittlungspflicht des Nachlassgerichtes nach § 26 FamFG besteht. Eine Gefährdung liegt beispielsweise vor, wenn der Erbe den Nachlass verschleudert, voreilig Gläubiger befriedigt oder den Nachlass mit Gleichgültigkeit verwaltet2, aber auch wenn die Vermögenssituation des Erben bezogen auf sein Eigenvermögen so schlecht ist, dass mit dem Zugriff der Eigengläubiger auf den Nachlass zu rechnen ist3. Die Gefährdung muss sich auf alle Nachlassverbindlichkeiten und darf sich nicht nur auf Einzelne beziehen4. Geht das Verhalten von einem Testamentsvollstrecker aus, so gewährt die überwiegende Meinung dem Nachlassgläubiger nur ein Antragsrecht, wenn der Erbe nicht alle Schutzmaßnahmen gegen das Verhalten ergriffen hat5. Die Gefährdung entfällt, wenn der Erbe Sicherheit bietet6. Der Antrag kann durch die Nachlassgläubiger nach § 1981 Abs. 2 Satz 2 BGB nur innerhalb von zwei Jahren nach Annahme der Erbschaft gestellt werden. 107
Das Nachlassgericht kann nach § 1982 BGB die Anordnung der Nachlassverwaltung ablehnen, wenn eine den Kosten entsprechende Masse nicht vorhanden ist. Die Anordnung der Nachlassverwaltung wird mit Zustellung des Beschlusses an die Erben nach § § 40 FamFG wirksam. Die Anordnung der Nachlassverwaltung ist darüber hinaus nach § 1983 BGB öffentlich bekannt zu machen. Das Nachlassgericht überträgt nach pflichtgemäßem Ermessen das Amt des Nachlassverwalters. Bei der Übertragung hat es die bei der Pflegschaft nach §§ 1960, 1915, 1779 Abs. 2 Satz 1 BGB geltenden Grundsätze zu beachten. Der Erbe kann daher nicht Nachlassverwalter werden, wohl aber der Testamentsvollstrecker7.
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Die Ablehnung der Anordnung der Nachlassverwaltung durch das Nachlassgericht kann mit der Beschwerde nach §§ 58 FamFG ff. angegriffen werden. Dabei müssen Miterben die Beschwerde gemeinschaftlich einlegen8. Der Erbe oder jeder einzelne Miterbe sowie der Testamentsvollstrecker können gegen die Anordnung der Nachlassverwaltung nach § 356 Abs. 2 FamFG Beschwerde mit der Begründung einlegen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlassverwaltung nicht vorlagen. Gegen den Beschluss kann hingegen nicht mit Erfolg eingewendet werden, dass die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlassverwaltung nach der Entscheidung weggefallen sind9. Sofern der Erbe einen Antrag auf Nachlassverwaltung gestellt hat, ist die Anfechtung der dem Antrag statt1 BayObLG v. 6.5.1952 – 2. ZS 4/52, JZ 1954, 234; KG v. 4.3.1977 – 1 W 4073/76, OLGZ 1977, 309. 2 MüKo/Siegmann, § 1981 Rz. 6; Palandt/Edenhofer, § 1981 Rz. 2. 3 Palandt/Edenhofer, § 1981 Rz. 2; Staudinger/Marotzke, § 1981 Rz. 22. 4 Palandt/Edenhofer, § 1981 Rz. 2; OLG München v. 9.4.1937 – Wr 144/37, JFG 15, 268. 5 Erman/Schlüter, § 1981 Rz. 5; Palandt/Edenhofer, § 1981 Rz. 2; a.A. Staudinger/Marotzke, § 1981 Rz. 23; Muscheler, S. 133 ff., die dem Erben das Verhalten des Testamentsvollstreckers uneingeschränkt zurechnen wollen. 6 Palandt/Edenhofer, § 1981 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 1981 Rz. 5. 7 Palandt/Edenhofer, § 1981 Rz. 4. 8 Palandt/Edenhofer, § 1981 Rz. 5. 9 BayObLG v. 15.2.1966 – 1b Z 133/65, BayObLGZ 1966, 75.
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gebenden Entscheidung nach § 359 Abs. 1 FamFG ausgeschlossen. Da § 359 Abs. 1 FamFG voraussetzt, dass der Antrag von einem zur Antragstellung berechtigten Erben gestellt wurde, ist eine Beschwerde in Abweichung von dem Wortlaut des § 359 Abs. 1 FamFG zulässig, wenn der Erbe im Zeitpunkt der Antragstellung bereits unbeschränkbar haftete, der Antrag nur von einem Miterben gestellt wurde oder die Anordnung der Nachlassverwaltung von Amts wegen erfolgte1. Mit der Anordnung der Nachlassverwaltung verliert der Erbe nach § 1984 Abs. 1 Satz 1 BGB die Befugnis, den Nachlass zu verwalten und über ihn zu verfügen. Diese Befugnis geht nach §§ 1984 Abs. 1 Satz 2, 1985 Abs. 1 BGB, § 80 Abs. 1 InsO ausschließlich auf den Nachlassverwalter über. Auf Verfügungen des Erben findet nach § 1984 Abs. 1 Satz 2 BGB § 81 InsO entsprechend Anwendung. Rechtshandlungen des Erben sind nicht nur relativ, sondern absolut unwirksam. Ein gutgläubiger Erwerb ist bei beweglichen Sachen nicht möglich. Allerdings kann nach § 80 Abs. 1 Satz 2 InsO ein gutgläubiger Erwerb im Rahmen der §§ 892, 893 BGB stattfinden, sofern die Nachlassverwaltung nicht in das Grundbuch eingetragen ist.
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b) Die Rechtsstellung des Nachlassverwalters Der Nachlassverwalter hat nach § 1985 Abs. 1 BGB die Aufgabe, den Nachlass zu verwalten und die Nachlassgläubiger zu befriedigen. Nach überwiegender Auffassung ist er Amttreuhänder und nicht gesetzlicher Vertreter2. Er ist mit einer umfassenden gesetzlichen Verfügungs-, Erwerbs-, Verpflichtungs- und Prozessführungsermächtigung ausgestattet, § 1984 Abs. 1 Satz 2 BGB, §§ 81, 82 InsO. Die Ermächtigung des Nachlassverwalters bezieht sich allerdings nicht auf höchstpersönliche Rechte des Erben. Er kann daher nicht die persönlichen Mitgliedschaftsrechte des Erben eines Gesellschafters ausüben3. Ebenso ist er nicht berechtigt, feststellen zu lassen, dass der Gesellschaftsvertrag nichtig ist4. Er kann auch keine Vereinbarung treffen, nach welcher der Erbe aus der Gesellschaft ausscheidet5. Die Geltendmachung rein vermögensrechtlicher Ansprüche, wie beispielsweise der Anspruch auf Gewinnausschüttung oder auf Auszahlung des Abfindungsguthabens, ist wiederum von seiner Rechtsmacht gedeckt6.
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Da die Nachlassverwaltung eine Nachlasspflegschaft zum Zwecke der Befriedigung der Nachlassgläubiger ist, unterliegt der Nachlassverwalter über
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1 MüKo/Siegmann, § 1981 Rz. 7; Palandt/Edenhofer, § 1981 Rz. 1. 2 BGH v. 10.3.1960 – II ZR 56/59, BGHZ 32, 114 (118); BGH v. 27.10.1983 – I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331 (334). 3 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48 (55); BayObLG v. 30.10.1990 – 2 Z 121/90, BayObLGZ 90, 306. 4 Palandt/Edenhofer, § 1985 Rz. 4. 5 Erman/Schlüter, § 1985 Rz. 3. 6 BGH v. 14.5.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48 (55); BGH v. 30.4.1984 – II ZR 293/83, BGHZ 91, 132 (136); OLG Hamm v. 25.11.1992 – 15 W 129/92, OLGZ 1993, 147.
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§ 1915 Abs. 1 BGB der gerichtlichen Kontrolle des Nachlassgerichts (§§ 1960, 1915, 1837, 1886 BGB)1. Er muss sich daher für die in den §§ 1821, 1822, 1828–1831 BGB bezeichneten Rechtsgeschäfte nach § 1962 BGB die Genehmigung des Nachlassgerichtes einholen2. 112
Durch die Bestellung des Nachlassverwalters entsteht zwischen ihm, den Nachlassgläubigern und dem Erben ein gesetzliches Schuldverhältnis. Für schuldhaft pflichtwidriges Verhalten haftet er gegenüber dem Erben nach den §§ 1915, 1833, 1834, 1839–1841, 1844 BGB3. Die Haftung des Nachlassverwalters gegenüber den Nachlassgläubigern richtet sich dagegen nach § 1985 Abs. 2, 1978 Abs. 2, 1979, 1980 BGB. Um die Ansprüche gegen den Nachlassverwalter geltend machen zu können, muss ein Ergänzungspfleger nach §§ 1915, 1909 BGB bestellt werden, es sei denn, das Nachlassinsolvenzverfahren wurde eröffnet, weil die Ansprüche in diesem Fall von dem Insolvenzverwalter durchgesetzt werden können.
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Der Nachlassverwalter erhält nach § 1987 BGB für die Führung seines Amtes eine angemessene Vergütung. Die Vergütungssätze des Insolvenzverwalters gelten für den Nachlassverwalter nicht4. Da § 1987 BGB keine eigenständige Vergütungsregelung ist, werden bei der Bemessung §§ 1915 Abs. 1 Satz 2, 1836 BGB herangezogen5. c) Die Aufhebung bzw. Beendigung der Nachlassverwaltung
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Die Nachlassverwaltung endet nach § 1988 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes, wenn das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird. In den übrigen Fällen bedarf die Aufhebung der Nachlassverwaltung eines Beschlusses des Nachlassgerichtes. Die Aufhebung wird mit Bekanntgabe bzw. Zustellung des Beschlusses nach § 41 FamFG wirksam. Ein Grund für die Aufhebung liegt nach § 1988 Abs. 2 BGB vor, wenn sich herausstellt, dass die Kosten des Nachlassverfahrens durch die vorhandene Masse nicht gedeckt werden. Die Aufhebung der Nachlassverwaltung kann aber durch Einzahlung eines entsprechenden Kostenvorschusses abgewendet werden6. Die Nachlassverwaltung ist ferner aufzuheben, wenn alle noch nicht befriedigten Nachlassgläubiger mit der Aufhebung einverstanden sind7, wenn der Nachlass durch Gläubigerbefriedigung erschöpft ist8, wenn der Nacherbfall eintritt9, wenn alle bekannten Nachlassverbindlichkeiten berichtigt wurden10 oder wenn der Erbe die Erb1 Palandt/Edenhofer, § 1985 Rz. 2. 2 Palandt/Edenhofer, § 1985 Rz. 2. 3 Erman/Schlüter, § 1985 Rz. 5; Palandt/Edenhofer, § 1985 Rz. 10; BGH v. 11.7.1984 – VIa ZR 23/83, NJW 1985, 140; BGH v. 9.7.1975 – IV ZR 63/73, FamRZ 1975, 576. 4 BayObLG v. 12.6.1985 – 1 Z 34/85, Rpfleger 1985, 402. 5 Palandt/Edenhofer, § 1987 Rz. 2. 6 Palandt/Edenhofer, § 1988 Rz. 3. 7 BayObLG v. 28.6.1976 – 1 Z 27/76, BayObLGZ 76, 167 (173); OLG Hamburg v. 14.7.1919 – 1 ZS, OLGE 41, 83. 8 KG v. 27.12.1933, JW 1935, 2159; MüKo/Siegmann, § 1988 Rz. 4. 9 MüKo/Siegmann, § 1988 Rz. 4. 10 BayObLG v. 28.6.1976 – 1 Z 27/76, BayObLGZ 76, 167 (173).
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schaft nach Anordnung der Nachlassverwaltung wirksam ausschlägt1. Lehnt das Nachlassgericht den Antrag des Erben auf Aufhebung der Nachlassverwaltung ab, so kann der Erbe gegen die Entscheidung Beschwerde nach § 58 FamFG einlegen. Der Antrag kann von jedem Miterben gestellt werden und jeder Miterbe ist beschwerdebefugt2. Nicht beschwerdebefugt ist der Nachlassverwalter3. Nach Aufhebung der Nachlassverwaltung durch das Nachlassgericht hat der Nachlassverwalter nach § 1986 Abs. 1 BGB den Restnachlass an den Erben herauszugeben. In dem Beispielsfall ist dem Mandanten anzuraten, die Anordnung der Nachlassverwaltung bei dem Nachlassgericht zu beantragen. Der Mandant ist als Nachlassgläubiger antragsberechtigt, da die Befriedigung der Nachlassgläubiger wegen des Verhaltens des Erben gefährdet ist. Der Erbe verliert durch die Anordnung der Nachlassverwaltung seine Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände, so dass durch dieses Verfahren die Befriedigung der Nachlassgläubiger gesichert wird.
3. Das Nachlassinsolvenzverfahren Zweck des Nachlassinsolvenzverfahrens ist es, die Nachlassgläubiger unter Einhaltung der durch die Insolvenzordnung festgelegten Rangfolge gleichmäßig zu befriedigen. Der Erbe oder der Nachlassverwalter sind nach §§ 1980 Abs. 1, 1985 Abs. 2 Satz 2 BGB verpflichtet, unverzüglich einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen, wenn sie Kenntnis von der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses erlangt haben.
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a) Die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens Die Gründe für die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens sind nach § 320 Satz 1 InsO die Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn die fälligen Verbindlichkeiten aus Nachlassmitteln nicht mehr erfüllt werden können. Die Überschuldung setzt voraus, dass die Nachlassverbindlichkeiten den Wert der Nachlassforderungen und Nachlassgegenstände übersteigen. Auf der Aktivseite sind Ersatzansprüche gegen den Erben oder den Nachlassverwalter aus §§ 1978, 1979, 1985 Abs. 2 BGB sowie wiederauflebende Rechte nach §§ 1976, 1977 BGB hinzuzurechnen4, auf der Passivseite die Forderungen der ausgeschlossenen, säumigen, der Pflichtteils-, der Vermächtnis- und der Auflagengläubiger5. Eine Verpflichtung zur Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens besteht allerdings nach § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht, wenn die Überschuldung allein auf Vermächtnissen und Auflagen beruht. Der Erbe hat in diesem Fall ein 1 MüKo/Siegmann, § 1988 Rz. 4. 2 OLG Frankfurt v. 11.11.1952 – 6 W 116/52, JZ 1953, 53; Palandt/Edenhofer, § 1988 Rz. 4; a.A. OLG München v. 30.6.1936 – Wr 67/36, JFG 14, 61. 3 OLG Jena v. 7.5.1998 – 6 W 348/98, Rpfleger 1998, 427. 4 Palandt/Edenhofer, § 1980 Rz. 5. 5 Erman/Schlüter, § 1980 Rz. 3.
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Wahlrecht. Er kann auf die Durchführung des Insolvenzverfahrens verzichten und seine Haftung durch Erhebung der Überbeschwerungseinrede nach § 1992 BGB auf den Nachlass beschränken. Wird der Insolvenzantrag durch den Erben, den Testamentsvollstrecker, den Nachlassverwalter oder den Nachlasspfleger gestellt, so reicht als Grund für die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens nach § 320 Satz 2 InsO die drohende Zahlungsunfähigkeit aus. 117
Antragsberechtigt sind nach § 317 Abs. 1 InsO der Erbe, der Nachlassverwalter sowie ein anderer Nachlasspfleger, ein Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung des Nachlasses zusteht, und jeder Nachlassgläubiger. Jeder Miterbe ist berechtigt, den Antrag zu stellen, allerdings hat er den Eröffnungsgrund nach § 317 Abs. 2 InsO glaubhaft zu machen, wenn der Antrag nicht von allen Erben gestellt wird. Eine bereits erfolgte Teilung des Nachlasses steht der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens anders als bei der Nachlassverwaltung nach § 316 Abs. 2 InsO nicht entgegen. Das Nachlassinsolvenzverfahren kann aber nach § 316 Abs. 3 InsO nicht nur über einen Erbteil eröffnet werden. Die Nachlassgläubiger können das Nachlassinsolvenzverfahren nach § 319 InsO nur innerhalb von zwei Jahren seit der Annahme der Erbschaft beantragen. Das Nachlassinsolvenzverfahren kann nach § 316 Abs. 1 InsO bereits vor Annahme der Erbschaft eröffnet werden. Der Antrag ist nicht an das Nachlassgericht, sondern nach §§ 315, 2 InsO an das Insolvenzgericht zu richten.
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Das Insolvenzverfahren wird durch Beschluss des Insolvenzgerichts nach § 27 InsO eröffnet. Zugleich bestellt das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter. Der Insolvenzverwalter hat eine dem Nachlassverwalter vergleichbare Rechtsstellung. Demgemäß ist er für die ordnungsgemäße Abwicklung des Nachlasses verantwortlich und macht sich nach § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO gegenüber dem Erben oder den Nachlassgläubigern schadensersatzpflichtig, wenn er die Vorschriften der Insolvenzordnung schuldhaft verletzt. b) Die Rangfolge der Nachlassgläubiger
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Die aussonderungsberechtigten Gläubiger (§ 47 InsO) sind an der Verteilung des Nachlasses im Insolvenzverfahren nicht beteiligt. Sie können ihr dingliches oder persönliches Recht vorab gegen den Insolvenzverwalter nach den allgemeinen Vorschriften geltend machen. Ebenso können sich die Aufrechnungsgläubiger (§ 94 InsO) außerhalb des Verfahrens befriedigen. Die absonderungsberechtigten Gläubiger (§§ 49–51 InsO) werden auch außerhalb des Insolvenzverfahrens befriedigt. Sie nehmen nach § 52 InsO nur als Insolvenzgläubiger teil, soweit sie auf die abgesonderte Befriedigung verzichtet haben oder bei ihr ausgefallen sind.
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Aus der Insolvenzmasse sind nach § 53 InsO die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) und sonstige Masseverbindlichkeiten (§§ 54, 324 InsO) vorab zu befriedigen. In welcher Reihenfolge die Masseverbindlichkeiten vom Insolvenzverwalter zu berichtigen sind, ergibt sich aus § 209 InsO. Nach den Masseverbindlichkeiten werden die Ansprüche der persönlichen Gläubiger (§ 38 1396 Endemann
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Rz. 124 C V
InsO) aus der Masse erfüllt, wobei nach § 39 InsO bestimmte Forderungen im Rang zurückgesetzt sind. Im Rang nach den im § 39 InsO aufgeführten Forderungen folgen die Verbindlichkeiten gegenüber Pflichtteilsberechtigten (§ 327 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und die Verbindlichkeiten aus den vom Erblasser angeordneten Vermächtnissen und Auflagen (§ 327 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Haben die Verbindlichkeiten den gleichen Rang, so werden sie nach dem Verhältnis ihrer Beträge befriedigt. Forderungen aus Pflichtteilsrechten gehen den Forderungen aus Auflagen und Vermächtnissen vor, es sei denn, aus § 327 Abs. 2 InsO ergibt sich etwas anderes. Ausgeschlossene und säumige Gläubiger, §§ 1973, 1974 BGB, werden nach § 327 Abs. 3 InsO nach den in § 39 InsO genannten Forderungen befriedigt. Handelt es sich bei den Forderungen um Schulden aus Vermächtnissen, Auflagen oder Pflichtteilsrechten, so sind diese Forderungen gegenüber den nicht ausgeschlossenen oder säumigen Forderungen zurückgesetzt. c) Die Beendigung des Nachlassinsolvenzverfahrens Das Nachlassinsolvenzverfahren wird durch Aufhebung des Insolvenzgerichtes nach Schlussverteilung, §§ 196, 200 InsO, oder nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans, § 258 InsO beendet. Darüber hinaus kann das Nachlassinsolvenzverfahren eingestellt werden, wenn die Verfahrenskosten durch die Masse nicht gedeckt werden, § 209 InsO, oder wenn alle Insolvenzgläubiger, die ihre Forderung angemeldet haben, ihre Zustimmung zur Einstellung erteilen, § 213 InsO.
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4. Die Erbenhaftung nach Beendigung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens Ist das Nachlassinsolvenzverfahren durch einen Insolvenzplan oder nach Verteilung der Masse beendet worden und hat der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern sein Haftungsbeschränkungsrecht nicht verloren, haftet er gegenüber den noch vorhandenen Nachlassgläubigern nach § 1989 BGB wie gegenüber einem vom Aufgebot ausgeschlossenen Nachlassgläubiger. Er haftet daher nur nach § 1973 BGB mit dem Nachlassüberschuss und nicht mit seinem Eigenvermögen.
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Die Einrede aus § 1989 BGB steht dem Erben nicht zu, wenn das Nachlassinsolvenzverfahren aus anderen Gründen, beispielsweise durch Einstellung mangels kostendeckender Masse, endete. Der Erbe kann in diesen Fällen seine Haftung nur auf den Nachlass beschränken, wenn die Voraussetzungen der Einreden aus § 1990, 1992 BGB vorliegen und er diese Einreden gegenüber den Nachlassgläubigern erhebt. Auch können die Nachlassgläubiger dem Erben nach § 2000 Satz 3 BGB durch das Nachlassgericht eine Inventarfrist setzen lassen, mit dem Ziel, die unbeschränkbare Haftung des Erben durch Versäumung der Inventarfrist herbeizuführen.
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Einigkeit besteht darüber, dass die vorgenannte Rechtslage auch bei Beendigung der Nachlassverwaltung besteht, wenn das Verfahren nicht ordnungs-
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gemäß durch Berichtigung der bekannten Nachlassverbindlichkeiten aufgehoben wurde. Bei ordnungsgemäßer Beendigung der Nachlassverwaltung gewährt die überwiegende Meinung allerdings dem Erben die Einreden aus §§ 1990, 1992 BGB, selbst wenn die Voraussetzungen nicht vorliegen, um so eine Haftungsbeschränkung auch noch nach Beendigung der Nachlassverwaltung zu erreichen1. Der Erbe muss demnach nicht erneut die Anordnung der Nachlassverwaltung beantragen, wenn er die Haftung mit seinem Eigenvermögen verhindern will. Allerdings kann ihm auf Antrag der Nachlassgläubiger vom Nachlassgericht eine Inventarfrist gesetzt werden. Die Inventarfrist wird er regelmäßig durch Bezugnahme auf das Inventar des Nachlassverwalters nach § 2004 BGB einhalten können.
IV. Die Einreden der §§ 1990, 1992 BGB
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Beratungssituation: Der Sohn der Mandantin ist vor zehn Monaten bei einem Verkehrsunfall verstorben. Die Mandantin ist Alleinerbin. Die letzte Handyrechnung des Erblassers belief sich auf 4161 Euro, da er sich im letzten Monat vor seinem Ableben im Ausland befunden hatte und von dort aus zahlreiche Gespräche nach Deutschland geführt hatte. Die Telefongesellschaft hat die Mandantin mehrfach zur Zahlung des Betrages aufgefordert und schließlich vor dem Amtsgericht Klage erhoben. Die Mandantin ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden und nicht erschienen. Am Ende der Sitzung erging gegen die Mandantin ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil, welches ihr vor einer Woche zugestellt wurde. Zu dem Nachlass gehört nur ein Sparguthaben im Wert von 2500 Euro und praktisch wertloser Hausrat. Der ehemalige Vermieter des Erblassers hat ferner noch Ansprüche auf Mietzinszahlung in Höhe von 1500 Euro, die allerdings noch nicht tituliert sind.
Die Haftung des Erben wird grundsätzlich nur durch Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens auf den Nachlass beschränkt. Da das geerbte Vermögen so gering sein kann, dass weder die Nachlassverwaltung angeordnet noch das Nachlassinsolvenzverfahren mangels einer die Kosten deckenden Masse eröffnet wird, macht das Gesetz hiervon in den §§ 1990, 1992 BGB eine Ausnahme. Hätte der Erbe nur die Möglichkeit, durch die Nachlassverwaltung und das Nachlassinsolvenzverfahren die Haftung auf den Nachlass zu beschränken, müsste er die Kosten für diese Verfahren vorschießen. Das würde in gewisser Weise einer persönlichen Haftung des Erben gleichkommen. Der Gesetzgeber verzichtet deshalb unter den Voraussetzungen der §§ 1990, 1992 BGB auf die Durchführung der Gütersonderungsverfahren und räumt dem Erben die Möglichkeit ein, allein durch Erhebung der Einreden seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken.
1 BGH v. 17.12.1953 – IV ZR 101/53, NJW 1954, 635; Palandt/Edenhofer, § 1975 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 1975 Rz. 5; a.A. Staudinger/Marotzke, § 1986 Rz. 10.
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Man kann in diesem Zusammenhang zwischen vier verschiedenen Einreden unterscheiden1.
1. Die Dürftigkeitseinrede Die Erhebung der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB führt dazu, dass der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern nur mit dem Nachlass haftet, wenn er sein Haftungsbeschränkungsrecht noch nicht verloren hat. Nach herrschender Meinung bewirkt die Einrede ebenfalls, dass der Erbe die Eigengläubiger daran hindern kann, sich aus dem Nachlass zu befriedigen2. Der Nachlass ist dürftig, wenn die Aktiva nicht ausreichen, um die Kosten für das Nachlassinsolvenzverfahren zu decken3. Maßgeblich für die Feststellung der Dürftigkeit ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz4. Den Nachweis der Dürftigkeit hat der Erbe zu führen. Der Nachweis kann beispielsweise durch ein bereits errichtetes Inventar erbracht werden, da nach § 2009 BGB vermutet wird, dass nur die im Inventar aufgeführten Nachlassgegenstände im Zeitpunkt des Erbfalles vorhanden waren. Wurden die Nachlassverwaltung oder das Nachlassinsolvenzverfahren mangels kostendeckender Masse nicht eröffnet oder eingestellt, so ist der Beschluss des Insolvenz- oder Nachlassgerichts auch für das Prozessgericht bindend5.
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2. Die Unzulänglichkeitseinrede Der Erbe kann die Unzulänglichkeitseinrede erheben, wenn der Nachlass nicht nur dürftig, sondern auch überschuldet ist6. Er ist in diesem Fall grundsätzlich auch verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedung im Wege der Zwangsvollstreckung an den Gläubiger herauszugeben, § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB. Er kann allerdings die Herausgabepflicht anders als nach § 1973 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht durch Zahlung des Wertes abwenden. Da der Nachlass aber nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht, hat er bei der Befriedigung die in den § 1991 Abs. 3 und 4 BGB vorgegebene Rangfolge zu beachten. Gegenüber den zurückgesetzten Gläubigern kann er die Herausgabe des Nachlasses ganz verweigern, wenn der Nachlass bei Befriedigung der vorrangigen Gläubiger erschöpft sein würde7.
1 Zum Teil wird auf eine Unterscheidung innerhalb der Unzulänglichkeitseinrede nach § 1990 Abs 1 BGB ganz verzichtet. 2 BGH v. 13.7.1989 – IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226 (1227); Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 8; Soergel/Stein, § 1990 Rz. 4; a.A. MüKo/Siegmann, § 1990 Rz. 7. 3 Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 2; Erman/Schlüter, § 1990 Rz. 1. 4 BGH v. 10.11.1982 – IVa ZR 29/81, BGHZ 85, 274 (280); Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 3; a.A. Staudinger/Marotzke, § 1990 Rz. 7; Soergel/Stein, § 1990 Rz. 5. 5 BGH NJW-RR 1989, 1226; 1227; Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 2. 6 Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 1; Erman/Schlüter, Vorbem. §§ 1990, 1992 Rz. 2. 7 Erman/Schlüter, Vorbem. §§ 1990–1992 Rz. 2.
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3. Die Erschöpfungseinrede 128
Die Erschöpfungseinrede steht dem Erben zu, wenn der Nachlass überhaupt keinen Aktivbestand aufweist1. Mit der Erschöpfungseinrede kann der Erbe die Ansprüche der Nachlassgläubiger insgesamt abwehren. Gelingt ihm im Prozess der Nachweis, dass der Nachlass erschöpft ist, wird die Klage des Nachlassgläubigers als zurzeit unzulässig abgewiesen2. Die Einreden aus § 1990 BGB können auch vom Nachlasspfleger und Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden3.
4. Die Überbeschwerungseinrede 129
Der Erbe kann die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten nach den §§ 1990, 1991 BGB auch bei fehlender Dürftigkeit bewirken, wenn die Überschuldung des Nachlasses auf Vermächtnissen und Auflagen beruht, § 1992 BGB. Er ist natürlich auch nach § 1980 Abs. 1 Satz 2 BGB berechtigt, aber nicht verpflichtet, das Nachlassinsolvenzverfahren zu beantragen. Bei der erbrechtlichen Beratung ist darauf hinzuweisen, dass die Erhebung der Einrede eher dem Willen des Erblassers entspricht, da das Nachlassvermögen durch die Kosten der Nachlassverwaltung erheblich geschmälert wird und die vom Erblasser ausgesetzten Vermächtnisse und Auflagen dann erst recht nicht erfüllt werden können. Nach herrschender Meinung darf die Überschuldung nur auf Vermächtnissen und Auflagen beruhen. Die Einrede greift daher nicht ein, wenn andere Nachlassverbindlichkeiten den Aktivbestand des Nachlasses bereits übersteigen4. Die Einrede kann auch vom Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger oder Nachlassverwalter erhoben werden5.
5. Die Berechnung des Nachlasswertes und die Rangfolge der Nachlassverbindlichkeiten 130
Erhebt der Erbe die Einrede aus § 1990 BGB, oder § 1992 BGB, tritt nach § 1991 Abs. 1 und Abs. 2 BGB eine Haftungssonderung, aber keine Gütersonderung ein.
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Mit Erhebung der Einreden ist der Erbe für die bisherige Verwaltung des Nachlasses gegenüber den Nachlassgläubigern nach §§ 1978 Abs. 1, 1979 BGB verantwortlich. Etwaige Schadensersatzansprüche der Nachlassgläubiger gegen den Erben sind dem Aktivbestand des Nachlasses hinzuzurechnen. Das Gleiche gilt für Schadensersatzansprüche gegen den Erben, die sich aus § 1980 BGB ergeben. Obwohl § 1991 Abs. 1 BGB § 1980 BGB nicht erwähnt, besteht heute Einigkeit, dass es sich hierbei um ein Redaktionsversehen handelt und
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Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 1. Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 12. Erman/Schlüter, § 1990 Rz. 7. OLG München v. 3.12.1996 – 5 U 2597/96, ZEV 1998, 100; Palandt/Edenhofer, § 1992 Rz. 1; MüKo/Siegmann, § 1992 Rz. 5; a.A. Erman/Schlüter, § 1992 Rz. 2. 5 Palandt/Edenhofer, 1992 Rz. 2.
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Rz. 135 C V
die Vorschrift auch bei Erhebung der Einreden aus §§ 1990, 1992 BGB anzuwenden ist1. Der Erbe kann seinerseits nach § 1978 Abs. 3 BGB Aufwendungen, die er auf den Nachlass gemacht hat, ersetzt verlangen. Diese Aufwendungsansprüche sind wiederum auf der Passivseite zu berücksichtigen. Nach § 1991 Abs. 2 BGB leben auch die durch Konfusion und Konsolidation erloschenen Forderungen und Rechte mit Erhebung der Einrede wieder auf (vgl. Rz. 98). Diese Rechte und Forderungen sind ebenfalls dem Nachlass jeweils auf der Aktivund Passivseite hinzuzurechnen.
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Nach Erhebung der Einrede kann der Nachlassgläubiger nicht mehr gegen ei- 133 ne Eigenforderung des Erben aufrechnen, da er sich ansonsten aus dem Eigenvermögen des Erben befriedigen könnte2. Der Nachlassgläubiger kann aber, obwohl seiner Forderung die Einrede aus § 1990 BGB oder § 1992 BGB entgegensteht, mit einer Nachlassforderung aufrechnen, da er ansonsten schlechter stehen würde, als ein Insolvenzgläubiger3. § 390 Satz 1 BGB ist insoweit einschränkend auszulegen. Der Erbe hat bei der Befriedigung der Nachlassgläubiger grundsätzlich keine Reihenfolge einzuhalten. Hiervon macht § 1991 Abs. 3 und Abs. 4 BGB aber Ausnahmen. Da der Erbe sich bei Nichteinhaltung der Rangfolge gegenüber den Nachlassgläubigern schadensersatzpflichtig macht, muss er im Rahmen der erbrechtlichen Beratung über die Rangfolge aufgeklärt werden. Hält der Erbe die Rangfolge nicht ein, können die hierdurch benachteiligten Nachlassgläubiger statt der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches die Rechtshandlung des Erben nach § 5 AnfG wie eine unentgeltliche Zuwendung anfechten4.
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Nach § 1991 Abs. 3 BGB gilt die rechtskräftige Verurteilung des Erben als Befriedigung des Nachlassgläubigers. Der Erbe hat daher den Nachlassgläubiger, der ein rechtskräftiges Urteil gegen ihn besitzt, vorab zu befriedigen und ist zur Abwehr der Vollstreckung anderer Gläubiger verpflichtet5. Er muss sich mit Rechtskraft des Urteils gegenüber anderen Gläubigern auf Erschöpfung berufen, wenn der Nachlass nur zur Befriedigung des titulierten Anspruchs ausreicht6. Da der Erbe gegen sich selbst kein rechtskräftiges Urteil erstreiten kann, hat er in Bezug auf seine Ansprüche gegen den Erblasser bzw. den Nachlass ebenfalls ein Vorwegbefriedigungsrecht7. Er ist sogar berechtigt, seine Ansprüche vor den Ansprüchen der Nachlassgläubiger mit rechtskräftig titulier-
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1 BGH v. 2.7.1992 – IX ZR 256/91, FamRZ 1992, 1409 (1410); Erman/Schlüter, § 1991 Rz. 1. 2 BGH v. 27.6.1961 – VI ZR 205/60, BGHZ 35, 317 (327); OLG Hamburg v. 31.5.1905, OLGE 11, 228. 3 RG v. 19.10.1898 -Rep. I 381/98, RGZ 42, 138; Staudinger/Marotzke, § 1990 Rz. 42; Erman/Schlüter, § 1990 Rz. 3. 4 Palandt/Edenhofer, § 1991 Rz. 5. 5 Palandt/Edenhofer, § 1991 Rz. 4. 6 BGH v. 13.7.1989 – IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226. 7 Palandt/Edenhofer, § 1991 Rz. 4.
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ten Forderungen zu befriedigen1. Ob im Aufgebotsverfahren ausgeschlossene Gläubiger oder ihnen gleichgestellte, §§ 1973, 1974 BGB, auch im Rahmen der Dürftigkeits- und Überbeschwerungseinrede erst nach den übrigen Nachlassgläubigern zu befriedigen sind, ist gesetzlich nicht geregelt. Andererseits ist in den §§ 1973, 1974 BGB keine Regelung enthalten, nach der die Einreden nicht anwendbar sind, wenn der Nachlass dürftig oder überbeschwert ist. Da die §§ 1973, 1974 BGB nicht nur den Erben, sondern auch die nicht ausgeschlossenen Nachlassgläubiger schützen, sind die ausgeschlossenen und ihnen gleichgestellten Nachlassgläubiger auch im Rahmen der §§ 1990, 1992 BGB erst nach den übrigen Nachlassgläubigern, aber vor den nachlassbeteiligten Gläubigern i.S.d. § 1991 Abs. 4 BGB zu befriedigen2. Die Forderungen der nachlassbeteiligten Gläubiger hat der Erbe nach § 1991 Abs. 4 BGB unter Einhaltung des in dem § 327 InsO festgelegten Ranges zu berichtigen (vgl. Rz. 122). Die nachlassbeteiligten Gläubiger sind selbst dann zurückgesetzt, wenn ihr Anspruch tituliert ist3.
6. Die weiteren Rechtsfolgen der Einreden 136
Erhebt der Erbe die Einreden aus §§ 1990, 1992 BGB, so hat er nach § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben. Dabei hat er die Rangfolge des § 1991 Abs. 3 und 4 BGB zu beachten. Die Herausgabepflicht kann er bei der Erhebung der Einrede aus § 1990 BGB anders als bei der Einrede aus § 1992 BGB nicht durch Zahlung des Wertes abwenden. Grundsätzlich hat er daher den Nachlass nur an die Titelgläubiger herauszugeben. Sofern der Erbe Prozesskosten vermeiden möchte, kommt er seiner Pflicht auch nach, wenn er sich gegenüber den Nachlassgläubigern nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung in die Nachlassgegenstände unterwirft oder indem er vor der Herausgabe Vollstreckungsvereinbarungen trifft, in denen sich die Nachlassgläubiger verpflichten, die Nachlassgegenstände mittels eines Titels im Wege der Zwangsvollstreckung oder durch öffentliche Versteigerung zu verwerten4. Jede andere Form der Verwertung hat keine schuldbefreiende Wirkung und löst daher Schadensersatzansprüche gegen den Erben nach § 1978 Abs. 1 Satz 1 BGB aus5. Verstoßen die Nachlassgläubiger wiederum gegen die Vollstreckungsvereinbarungen, machen sie sich gegenüber dem Nachlass schadensersatzpflichtig6. Die Herausgabe an Zahlung statt ist zwar grundsätzlich möglich, sollte aber vermieden werden, da das Risiko der Verwalterhaftung bei dieser Form der Erfüllung zu groß sein dürfte7.
1 BGH v. 8.3.1982 – II ZR 86/81, NJW 1983, 120; BGH v. 7.6.1984 – I ZR 47/82, WM 1984, 1060 (1063); Palandt/Edenhofer, § 1991 Rz. 4. 2 Erman/Schlüter, § 1991 Rz. 4; MüKo/Siegmann, § 1991 Rz. 10; a.A. wohl Palandt/ Edenhofer, § 1991 Rz. 5. 3 Erman/Schlüter, § 1991 Rz. 4. 4 MüKo/Siegmann, § 1990 Rz. 16; Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 9. 5 MüKo/Siegmann, § 1990 Rz. 16; Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 9. 6 MüKo/Siegmann, § 1990 Rz. 16; Lange/Kuchinke, § 49 VIII 7. 7 MüKo/Siegmann, § 1990 Rz. 16.
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Rz. 139 C V
7. Die Geltendmachung der Einreden im Erkenntnisverfahren Die Dürftigkeits- bzw. Überbeschwerungseinrede muss der Erbe im Prozess geltend machen, da sie nicht von Amts wegen berücksichtigt wird. Erhebt der Erbe die Einrede, so hat das Gericht in den Tenor einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 305 ZPO aufzunehmen. Die Einrede muss bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Regel in der ersten Instanz erhoben werden1. Erhebt der Erbe die Einreden nicht, wird er vorbehaltlos verurteilt und kann sein Haftungsbeschränkungsrecht nach § 780 Abs. 1 ZPO in der Zwangsvollstreckung nicht mehr geltend machen. Er haftet demnach für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt, auch wenn die Voraussetzungen der §§ 1990, 1992 BGB vorliegen. Nur der verurteilte Staat als gesetzlicher Erbe, der Nachlassverwalter, der Nachlasspfleger oder der verwaltende Testamentsvollstrecker bedürfen eines solchen Vorbehalts nach § 780 Abs. 2 ZPO nicht. Ebenso ist ein Vorbehalt entbehrlich, wenn das Urteil bereits gegen den Erblasser erging und der Nachlassgläubiger den Titel hat gegen den Erben nach § 727 ZPO umschreiben lassen.
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Das Gericht kann nach freiem Ermessen bereits im Erkenntnisverfahren umfassend prüfen, ob die Voraussetzungen der Einreden vorliegen2. Gelingt dem Erben der Nachweis und steht fest, dass er sein Haftungsbeschränkungsrecht nicht mehr verlieren kann, weil beispielsweise ein Insolvenzverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde und ihm deshalb nach § 2003 Satz 3 BGB keine Inventarfrist mehr gesetzt werden kann, wird der Erbe auf sein Verlangen nur zur Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass verurteilt. Dabei ist es möglich, dass die Gegenstände, in die der Nachlassgläubiger vollstrecken darf, im Urteil bereits benannt werden3. Kann der Erbe nachweisen, dass der Nachlass erschöpft ist, so hat das Gericht die Klage als zurzeit unzulässig und nicht als unbegründet abzuweisen, da dem Nachlassgläubiger nur so die Möglichkeit erhalten bleibt, beim Auftauchen bislang unbekannter Nachlassgegenstände erneut zu klagen4.
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8. Die Geltendmachung der Einreden in der Zwangsvollstreckung Wurde die Klage des Nachlassgläubigers nicht bereits im Erkenntnisverfahren abgewiesen und enthält das Urteil nur einen Haftungsbeschränkungsvorbehalt, so kann der Nachlassgläubiger mit dem Urteil auch in das Eigenvermögen des Erben vollstrecken. Der Erbe kann aber mit der Einwendungsklage §§ 785, 767, 780, 781 ff. BGB die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in sein Eigenvermögen für unzulässig erklären lassen. Er muss dann im Rahmen der Einwendungsklage nachweisen, dass die Voraussetzungen der §§ 1990, 1992 BGB vorliegen.
1 Vgl. OLG Hamm v. 15.11.2005 – 27 U 88/05, FamRZ 2006, 714. 2 BGH v. 9.3.1983 – IVa ZR 211/81, NJW 1983, 2379; BayObLG v. 7.10.1999 – 2 ZBR 73/99, FamRZ 2000, 909. 3 Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 12; MüKo/Siegmann, § 1990 Rz. 15. 4 Palandt/Edenhofer, § 1990 Rz. 12.
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Mit der Einwendungsklage kann der Erbe aber auch die Aufhebung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Nachlass erreichen. Das gilt vor allem, wenn ein nachrangiger Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt, der Nachlass aber bereits bei Befriedigung der vorrangigen Gläubiger erschöpft wäre. Da rechtskräftig titulierte Forderungen nach § 1991 Abs. 1 BGB grundsätzlich Vorrang haben, kann es zu dieser Fallkonstellation nur kommen, wenn der Erbe sich wegen eigener Forderungen aus dem Nachlass befriedigen möchte, oder aber, wenn der Titelgläubiger ein Nachlassbeteiligter i.S.d. § 1991 Abs. 4 BGB ist1. In dem Beispielsfall ist gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Einspruch einzulegen. Neben anderen Verteidigungsstrategien muss in dem Prozess die Einrede aus § 1990 BGB geltend gemacht werden, so dass in ein der Klage stattgebendes Urteil ein Haftungsbeschränkungsvorbehalt aufgenommen wird. Betreibt die Gläubigerin aus einem obsiegenden Urteil die Zwangsvollstreckung in das Eigenvermögen der Mandantin, kann hiergegen mit der Einwendungsklage nach § 785 ZPO vorgegangen werden. Ist das obsiegende Urteil rechtskräftig, ist die Mandantin nach § 1991 Abs. 3 BGB verpflichtet, die Ansprüche der Telefongesellschaft vor den Ansprüchen des Vermieters zu befriedigen. Da sie dann das Sparguthaben und gegebenenfalls den Hausrat im Wege der Zwangsvollstreckung herausgeben muss, kann sie sich gegenüber dem Vermieter auf die Erschöpfungseinrede berufen.
1 MüKo/Siegmann, § 1990 Rz. 6.
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VI. Der Pflichtteil Schrifttum: Apfelbacher, Ehebedingte Zuwendungen und Ehegatteneigenheimgesellschaften – Möglichkeiten zur Beeinträchtigung von Pflichtteilsansprüchen durch vorweggenommene Erbfolge unter Ehegatten, 1993; Baumann, Die Pflichtteilsbeschränkung „in guter Absicht“, ZEV 1996, 121; Bartsch, Sind der Auskunft über den tatsächlichen Nachlass nach § 2314 Abs. 1 BGB Belege beizufügen, ZEV 2004, 176; Bartsch, Hinweise zur Stufenklage für die Praxis, Der Fachanwalt für Erbrecht 2005, 3; Becker/Horn, Inwieweit sind die Kosten der Errichtung des Nachlassverzeichnisses als pflichtteilsrelevante Passiva zu berücksichtigen, ZEV 2007, 62; Bengel, Die gerichtliche Kontrolle von Pflichtteilsverzichten, ZEV 2006, 192; Bestelmeyer, Das Pflichtteilsrecht der entfernteren Abkömmlinge und Eltern des Erblassers im Anwendungsbereich des § 2309 BGB, FamRZ 1997, 1124; Bestelmeyer, Das Pflichtteilsrecht im Schenkungszeitpunkt als Voraussetzung für den Pflichtteilsergänzungsanspruch, FamRZ 1998, 1152; Bestelmeyer, Zur Anwendbarkeit des § 2306 Abs. 2 BGB bei angeordneter aufschiebend bedingter oder auflösend bedingter Nacherbfolge, RPfleger 2007, 1; Bißmeier, Zur Grundstücksbewertung im Pflichtteilsrecht, ZMR 1995, 107; Bonefeld, Das Einzelkonto im Erbrecht, ZErb 2003, 369; Bonefeld, Praxistipps zum Zugewinnausgleich und Pflichtteil I, II, ZErb 2002, 154, 189; Bonefeld/Kroiß/Tanck, Erbprozess. 2. Auflage 2005; Boujong, Abfindungsklauseln nach dem Tod des Gesellschafters einer OHG und Pflichtteilsergänzungsansprüche, FS Ulmer, 2003, S. 41 ff.; Brambring, Abschied von der „ehebedingten Zuwendung“ außerhalb des Scheidungsfalls und neue Lösungswege, ZEV 1996, 248; Brambring, Abschied oder kein Abschied von der ehebedingten Zuwendung?, ZEV 1997, 7; Bratke, Gesellschaftsvertragliche Abfindungsklauseln und Pflichtteilsansprüche, ZEV 2000, 16; Braun, Form, Inhalt und Verfahren beim Nachlassverzeichnis gem. § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB, MittBayNot 2008, 351; Cornelius, Der Pflichtteilsergänzungsanspruch hinsichtlich der Übertragung von Grundstücken unter dem Vorbehalt von Rechten des Schenkers, 2004; Cornelius, Zuwendungen an Stiftungen und Pflichtteilsergänzung, ZErb 2006, 230; Daragan, Ehegattenschenkung und Pflichtteilsergänzung, ZErb 2008, 2; Daragan, Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und Pflichtteilsergänzung, FS Damrau, 2007; Dieckmann, Zum Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten, NJW 1988, 1809; Dickhuth-Harrach/Rheinische Notarkammer, Ärgernis Pflichtteil? Möglichkeiten der Pflichtteilsreduzierung im Überblick, Jubiliäumsfestschrift des Rheinischen Notariats, 1998, 185; Drosdzol, Die Erbschaftsteuerreform: Die Bewertung des Grundvermögens, ZEV 2008, 10, 177; Ebenroth/Koos, Zum Beginn der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs bei Irrtum über das Ausmaß der Beeinträchtigung aufgrund unrichtiger Testamentsauslegung, ZEV 1995, 233; Egner, Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten, 2. Auflage 1995; Elfring, Die Lebensversicherung im Erbrecht, ZEV 2004, 305; Feick, Die Schenkung unter Auflage als alternative, pflichtteilsfeste Gestaltung zur (unzulässigen) dinglichen Weiterleitungsklausel, ZEV 2002, 85; Fetsch, Auslandsvermögen im internationalen Erbrecht – Testamente und Erbverträge, Erbschein und Ausschlagung bei Auslandsvermögen, Teil I und II, RNotZ 2006, 1, 77; Fieser, Die Mietwohnung des Erblassers, ZErb 2004, 348; Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Auflage 2007; Frenz, Erbrechtliche Gestaltung und Unterhaltsansprüche, ZEV 1997, 450; Führ, Grundrechte und Testierfreiheit – „Preußen“-Beschluss und Pflichtteilsrecht, MittBayNot 2006, 461; Gaier, Die Bedeutung der Grundrechte für das Erbrecht, ZEV 2006, 2; Gemmer, Pflichtteilsergänzungsansprüche: Was Sie dazu wissen müssen, Erbrecht effektiv 2008, 134; Gottwald, Pflichtteilsrecht, 2000; Großfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Auflage 2002; Gruber, Pflichtteilsrecht und Nachlassspaltung, ZEV 2001, 463; Haas, Ist das Pflichtteilsrecht verfassungswidrig?, ZEV 2000, 249; Haas, Ausgleich für die enttäuschte Erberwartung, ZEV
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2002, 169; Haas, Letztwillige Schiedsverfügungen i.S. des § 1066 ZPO, ZEV 2007, 49; Hartl, Die unbenannte Zuwendung und ihre Drittwirkung in der Vertragsgestaltung, 2001; Hayler, Bestandskraft ehebedingter Zuwendungen im Bereich der Pflichtteilsergänzung (§§ 2325, 2329 BGB) – Vertragsgestaltung durch doppelten Güterstandswechsel, DNotZ 2000, 681; Heinrich, Die Gestaltung von Überlassungsverträgen im Schatten des Pflichtteilsergänzungsrechts, MittRhNotK 1995, 157; Herrler, Anlauf der Frist nach § 2325 Abs. 3 Halbs. 1 BGB bei Rückbehalt eines teilweisen Wohnungsrechts verbunden mit einem dinglich gesicherten Rückerwerbsrecht? ZEV 2008, 461; Herzog, Die Pflichtteilsentziehung – ein vernachlässigtes Institut, 2003; Heuer, Die Bewertung von Kunstgegenständen, NJW 2008, 689; Hilbig, Der Umfang des § 2325 BGB bei Lebensversicherungen, ZEV 2008, 262; Hülsmann, Abfindungsklauseln: Kontrollkriterien der Rechtsprechung, NJW 2002, 1673; Ivo, Der Verzicht auf erb- und familienrechtliche Positionen im Insolvenzrecht, ZErb 2003, 250; Ivo, Die Erbschaftsausschlagung zwecks Pflichtteilsgeltendmachung beim „Behindertentestament“, ZErb 2004, 174; Ivo, Wie wird der Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht unter Beteiligung eines betreuten Erblassers wirksam?, Erbrecht effektiv, 19; Kapfer, Gerichtliche Inhaltskontrolle von Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträgen?, MittBayNot 2006, 385; Kasper, Anrechnung und Ausgleichung im Pflichtteilsrecht, 1999; Keim, Die unergiebige Pfändung des Pflichtteilsanspruchs, ZEV 1998, 127; Keim, Der stillschweigende Erbverzicht: sachgerechte Auslegung oder unzulässige Unterstellung, ZEV 2001, 1; Keim, Die vergessene Ausschlagung beim durch Vermächtnis entwerteten Erbteil, ZEV 2003, 358; Keim, Haftungsfallen bei Pflichtteilsstrafklauseln, NJW 2007, 974; Keller, Die Problematik des § 2306 BGB bei der Sondererbfolge in Anteile an Personengesellschaften, ZEV 2001, 297; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht in der anwaltlichen Praxis, 3. Auflage 2002; Kerscher/Tanck, Zuwendungen an Kinder zur Existenzgründung: Die „Ausstattung“ als ausgleichspflichtiger Vorempfang, ZEV 1997, 354; Kleensang; Familienerbrecht versus Testierfreiheit – Das Pflichtteilsentziehungsrecht auf dem Prüfstand des BVerfG, ZEV 2005, 277; Kleensang, Zur historischen Auslegung der Pflichtteilsentziehungsvorschriften des BGB, DNotZ 2005, 509; Klingelhöffer, Pflichtteilsrecht, 2. Auflage 2003; Klingelhöffer, Kollisionsrechtliche Probleme des Pflichtteils, ZEV 1996, 258; Klingelhöfffer, Zuwendungen unter Ehegatten und Erbrecht, NJW 1993, 1097; Klingelhöffer, Ehegattenpflichtteil und Zugewinnausgleich im Todesfall, ZEV 1995, 444; Klingelhöffer, Lebensversicherung und Pflichtteilsrecht, ZEV 1995, 180; Klingelhöffer, Die Stundung des Pflichtteilsanspruchs, ZEV 1998, 121; Klingelhöffer, Empfiehlt es sich, die rechtliche Ordnung finanzieller Solidarität zwischen Verwandten im Bereich des Pflichtteilsrechts neu zu gestalten?, ZEV 2002, 293; Klingelhöffer, Probleme der Darlegungs- und Beweislast im Erbrecht, ZEV 2007, 361; Kornexl, Die Schenkung an den Ehegatten in der Pflichtteilsergänzung: Teleologische Reduktion des § 2325 BGB bei Rückabwicklung, Rückschenkung und Weiterschenkung, ZEV 2003, 196; Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern 2006; Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis 2006; Krug, Die Kaufkraftproblematik bei ausgleichungspflichtigen Vorempfängen in der Erbteilung, ZEV 2000, 41; Kuchinke, Die Klage des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Auskunft und Leistung des Offenbarungseids, NJW 1957, 1175; Kuchinke, Der Pflichtteilsanspruch als Gegenstand des Gläubigerzugriffs, NJW 1994, 1769; Kues, Die Pflegevergütung naher Angehöriger, ZEV 2000, 434; Kuhn, Die Lebensversicherung im Erbrecht, ErbR 2006, 11; Kuhn, Übersicht zum Erbrecht, Pflichtteilsrecht und Erbschaftsteuerrecht der EU-Mitgliedsstaaten, BWNotZ 2006, 139 mit Ergänzung BWNotZ 2007, 27; Kummer, Klage des Pflichtteilsberechtigten auf Feststellung der Unwirksamkeit des Pflichtteilsentzugs, ZEV 2004, 274; Lange, Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsentziehung – zugleich Anm. zu BVerfG – 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03, ZErb 2005, 205; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts, 5. Auflage 2001; Langenfeld, Die Bestandskraft ehebedingter Zuwendungen im Verhältnis zu Vertragserben und Pflichtteilsberechtigten, ZEV 1994, 129; Langenfeld, Kein Abschied von der ehebedingten Zuwendung im Verhältnis zu den pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen, ZEV 1997, 6; Langenfeld, Abgrenzung von ehebezogenen Zuwendungen und Leistungen in-
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nerhalb einer Ehegatteninnengesellschaft, ZEV 2000, 14; Lenz, Die Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen gegen den vom Erblasser Beschenkten, ZErb 2002, 4; Link, Nießbrauchsvorbehalt und Pflichtteilsergänzung, ZEV 2005, 283; Link, Zur (teilweisen) Unentgeltlichkeit von Übergabeverträgen im Rahmen vorweggenommener Erbfolge – Auslegungen im Zivilrecht und Steuerrecht, 2003; Lipp, Zuwendungen an den Partner zwischen Familien- und Erbrecht, FS Schwab, 2005; Löhnig, Die Verjährung der im fünften Buch des BGB geregelten Ansprüche, ZEV 2004, 267; Lorz, Latente Steuern und Pflichtteilsrecht, ZErb 2003, 302; Ludyga, Inhaltskontrolle von Pflichtteilsverzichtsverträgen 2008; J. Mayer, Wertermittlung des Pflichtteilsanspruchs: Von gemeinen, inneren und anderen Werten, ZEV 1994, 331; J. Mayer, Die Tücken von Pflichtteilsklauseln, MittBayNot 1999, 265; J. Mayer, Ausgewählte erbrechtliche Fragen des Vertrags zugunsten Dritter, DNotZ 2000, 905; J. Mayer, Nachträgliche Änderung von erbrechtlichen Anrechnungs- und Ausgleichungsbestimmungen, ZEV 1996, 441; J. Mayer, Erfasst der Pflichtteilsverzicht auch Pflichtteilsvermächtnisse?, ZEV 1995, 41; J. Mayer, Der beschränkte Pflichtteilsverzicht, ZEV 2000, 263; J. Mayer, Der Übergabevertrag, 2. Auflage 2001; J. Mayer, Pflichtteil und Ertragswertprivileg, MittBayNot 2004, 334; J. Mayer, Behindertentestament und Pflichtteilsstrafklauseln, MittBayNot 2005, 286; J. Mayer, Unliebsame Folgen des Pflichtteilsverzichts, ZEV 2007, 556; J. Mayer, Anrechnung und Ausgleichung im Erb- und Pflichtteilsrecht – eine Einführung anhand von Beispielsfällen, ZErb 2007, 130; J. Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, 2003; N. Mayer, Fragen der Pflichtteilsergänzung bei vorweggenommener Erbfolge – Gestaltungsmöglichkeiten nach der neuesten Rechtsprechung, ZEV 1994, 325 und FamRZ 1994, 739; U. Mayer., Erbteil oder Pflichtteil? Frist läuft, DNotZ 1996, 422; U. Mayer, Der Abfindungsausschluss im Gesellschaftsrecht: pflichtteilsfester Vermögenstransfer am Nachlass vorbei?, ZEV 2003, 355; Meincke, Zum Geltendmachen des Pflichtteils, ZErb 2004, 1; Meincke, Zum normativen Konzept der Nachlassbewertung im Pflichtteilsrecht, FS Wiedemann, 2002, S. 105 ff.; Merkle, Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsverzicht im internationalen Erbrecht, 2008; Meyding, Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und Pflichtteilsergänzungsanspruch, ZEV 1994, 202; Mohr, Ausgleichung und Anrechnung bei Schenkungen, ZEV 1999, 257; Müller, Bemessung von Leistung und Gegenleistung bei der Vermögensübergabe, Erbrecht effektiv 2008, 30; Müller-Mann-Hehlgans, Auskunftsansprüche von Pflichtteilsberechtigten, Erbrecht effektiv 2006, 4; Münch, Infiziert der Ehevertrag erbrechtliche Verzichte oder Verfügungen?, ZEV 2008, 571; Muscheler, Das Erbrecht des BGB: Vergangenheit und Zukunft, ErbR 2006, 34; Muscheler, Das Vor- und Nachvermächtnis, AcP 2008, 69; Nieder, Das notarielle Nachlassverzeichnis im Pflichtteilsrecht, ZErb 2004, 60; Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 3. Auflage 2008; Nirk, Die Bewertung von Aktien bei Pflichtteilsansprüchen, NJW 1962, 2185; Ott-Eulberg, Die Nachlasspflegschaft als taktisches Mittel zur Durchsetzung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen, ZErb 2000, 222; Ott-Eulberg/Schebasta/Bartsch, Erbrecht und Banken, 2. Auflage 2008; Pawlytta, Erbrechtliches Schiedsgericht und Pflichtteilsrecht, ZEV 2003, 89; Pentz, Pflichtteil bei Grundeigentum im Ausland – Ein Fall des ordre public, ZEV 1998, 449; Pentz, Auswirkungen des „entgeltlichen“ Erbverzichts eines Abkömmlings auf Pflichtteilsansprüche anderer, NJW 1999, 1835; Pentz, Haftung des Beschenkten nach § 2329 BGB, MDR 1998, 132; Pentz, Berücksichtigung des Kaufkraftschwunds im Erbrecht? ZEV 1999, 167; Pentz, Nachehelicher Unterhalt trotz Pflichtteilsverzichts, FamRZ 1998, 1344; Pentz, Die Pflichtteilslast des Ersatzmannes nach § 2320 BGB, MDR 1998, 1391; Pentz, Unterbricht eine vor der Erbausschlagung erhobene Klage die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs?, NJW 1966, 1647; Pentz, Pflichtteilsergänzung bei „gemischten“ Schenkungen, FamRZ 1997, 724; Pentz, Pflichtteilsergänzung nur bei Pflichtteilsrecht auch im Schenkungszeitpunkt, MDR 1997, 717; Piltz, Die Unternehmensbewertung in der Rechtsprechung, 3. Auflage 1994; Piltz, Maßnahmen gegen den Verlust des Verlustübertrags im Erbfall, ZEV 2008, 376; Piltz, Unternehmensbewertung im neuen Erbschaftsteuerrecht, DStR 2008, 745; Pluskat, Zu den Konsequenzen aus der Rechtspre-
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chung des BGH zum ergänzungsrelevanten Zeitpunkt bei § 2325 Abs. 1 BGB, ZErb 2005, 173; Progl, Die Reichweite des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß § 2325 BGB bei Lebensversicherungen, ZErb 2004, 187; Progl, Die Reichweite des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gemäß § 2325 BGB bei Lebensversicherungszuwendungen und die Rechtsfiguren der mittelbaren Schenkung und der ehebedingten Zuwendung, ZErb 2008, 288; Radke, Verlangen, Erhalten oder Durchsetzen: Gestaltungsalternativen bei der Pflichtteilsklausel, ZEV 2001, 136; Randt, Das Vor- und Nachvermächtnis, BWNotZ 2001, 73; Reiff, Nießbrauch und Pflichtteilsergänzung, ZEV 1998, 241; Reimann, Testierfreiheit und Pflichtteilsrecht – Aspekte erbrechtlicher Gestaltung durch Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, WPK-Mitt. 2000, 92; Reimann, Gesellschaftsvertragliche Abfindung und erbrechtlicher Ausgleich, ZEV 1994, 7; Reimann, Das Herausgabevermächtnis als Alternative zur Nacherbfolgeanordnung, MittBayNot 2002, 4; Riedel, Gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelungen – Auswirkungen auf Pflichtteil und Erbschaftsteuer, ZErb 2003, 212; Riedel, Die Bewertung von Gesellschaftsanteilen im Pflichtteilsrecht 2005; Rißmann, Darf es ein bisschen mehr sein? – Der Wertermittlungsanspruch des § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB im Rahmen des ordentlichen Pflichtteilsanspruches, FS Damrau, 2007; Roth, Ausgewählte Einzelfragen zum notariellen Nachlassverzeichnis gem. § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB, ZErb 2007, 402; Ruby, Das klassische Urteil: Zur Verjährung im Pflichtteilsrecht, ZErb 2006, 86; Sarres, Auskunftspflichten zwischen Miterben über lebzeitige Zuwendungen gemäß § 2057 BGB, ZEV 2000, 349; Sarres, Auskunftsverlangen, Wertermittlung und Pflichtteilsverwirkungsklausel, ZEV 2004, 407; Scharnbacher, Nichtberücksichtigung ausgleichungspflichtiger Zuwendungen bei der Pflichtteilsergänzung – Rückkehr zu RGZ 77, 282, ZEV 1997, 349; Scherer, Die Nachlassbeteiligung von Abkömmlingen eines Enterbten, ZEV 1999, 41; Scherer, Die Bewertung von Kunstgegenständen, ZErb 2003, 69; Scherer, Münchener AnwaltsHandbuch Erbrecht, 2. Auflage 2007; Schindler, Probleme der Vererblichkeit der Unterhaltspflicht nach § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB, FamRZ 2004, 1527; Schindler, Ersatznacherbschaft und § 2306 Abs. 2 BGB, ZErb 2007, 381; Schindler, Eidesstattliche Versicherung im notariellen Nachlassbestandsverzeichnis? BWNotZ 2004, 73; Schindler, Doppelte Kenntnis bei der Verjährung des Ausgleichungspflichtteils (§ 2316 BGB), ZErb 2007, 327; Schindler, Lebensversicherung und Pflichtteilsergänzung, ZErb 2008, 331; Schindler, Zuwendungsarten bei der Ausgleichung unter Miterben nach § 2050 BGB, ZEV 2006, 389; Schindler, Lebzeitige Zuwendungen und Behindertentestament – zugleich ein Beitrag zur Anwendbarkeit der Werttheorie beim Bestehen von Pflichtteilsergänzungsansprüchen und zur Anwendung von § 2326 BGB, ZErb 2006, 186; Schindler, Fristlauf bei pflichtteilsergänzungsrechtlichen Schenkungen, ZEV 2005, 290; Schindler, Ergänzungspflichtteil nach Ausgleichung gemäß § 2326 BGB, ZEV 2005, 513; Schlichting, Bewertung von Aktien aus Anlass von Pflichtteilsansprüchen, ZEV 2006, 107; Schlitt, Der mit einem belasteten Erbteil und einem Vermächtnis bedachte Pflichtteilsberechtigte, ZEV 1998, 216; Schlitt, Der Umfang des Auskunftsanspruchs des Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsberechtigten gegenüber dem Erben wegen des Bankvermögens des Erblassers, ZEV 2007, 515; Siebert, So berechnen Sie die Ausgleichung richtig, Erbrecht effektiv 2008, 120; Siebert, Grenze und Schutzbereich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, NJW 2006, 2948; Siebert, Latente Steuerlast bei der Bemessung von Pflichtteilsansprüchen, Erbrecht effektiv 2006, 187; Speckmann, Der Erbverzicht als „Gegenleistung“ in Abfindungsverträgen, NJW 1979, 117; Specks, Zur Zulässigkeit der Erbschaftsausschlagung unter einer Gegenwartsbedingung, ZEV 2007, 356; Steiner, Schiedsklauseln im Testament, ErbStB 2003, 304; Steiner, Testamentsgestaltung bei kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung, 2001; Stüber, BVerfG zum Pflichtteilsrecht: Kein Beitrag zu mehr Klarheit, NJW 2005, 2122; Sudhoff, Die Ertragsteuern bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs, NJW 1963, 421; Sudhoff, Unternehmensnachfolge, 5. Auflage 2005; Süß, Komplikationen wegen eines Hauses in Florida, ZErb 2004, 155; Süß, Erbrecht in Europa, 2. Auflage 2008; Tanck, Die Flucht in den Pflichtteilsergänzungsanspruch, ZErb 2000, 3; Tanck, Auswirkungen des Grundsatzes der Doppelberechtigung beim Pflichtteilsergänzungsanspruch
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auf die Pflichtteilsquoten anderer Beteiligter, ZErb 2005, 2; Tanck, Keine Pflichtteilsreduzierung bei Kombination von Anrechnung und Ausgleichung?, ZErb 2003, 41; Tanck, Die Problematik des § 2306 Abs. 2 BGB und des § 1371 Abs. 2 Halbs. 2 BGB beim Behindertentestament, ZErb 2006, 177; Theiss/Boger, Möglichkeiten der Vorbeugung gegen Ansprüche aus §§ 2325, 2329 BGB wegen Abfindungen für Erb- bzw. Pflichtteilsverzichte, ZEV 2006, 143; Tiedtke, Die Voraussetzungen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs, DNotZ 1998, 85; Tremel, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, ZEV 2007, 365; Van der Auwera, Die Rechte des Pflichtteilsberechtigten im Rahmen seines Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB, ZEV 2008, 359; Wachter, Inhaltskontrolle von Pflichtteilsverzichtverträgen?, ZErb 2004, 238; Wälzholz, Reduzierung von Pflichtteilsansprüchen durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen, NWB 2008, 4329; Wälzholz, Die (zeitliche) Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen – zivilund steuerrechtliche Überlegungen aus Anlass aktueller Rechtsprechung, ZEV 2007, 162; Wall, Die Ehegatteninnengesellschaft – eine erbrechtliche Gestaltungsalternative zur „Güterstandsschaukel“? ZEV 2007, 249; Wegmann, Ehevertragliche Gestaltungen zur Pflichtteilsreduzierung, ZEV 1996, 201; Wegmann, Gesellschaftsvertragliche Gestaltungen zur Pflichtteilsreduzierung, ZEV 1998, 135; Weigl,Pflichtteilsanrechnung gegenüber Minderjährigen – Abschied von der bisher herrschenden Meinung! MittBayNot 2008, 275; Weiler, Erbrecht und Verfassung, MittBayNot 2006, 296; Wendt, Unverzichtbares bei erbrechtlichen Verzichten, ZNotP 2006, 2; Weigl, Das Behindertentestament – ein Auslaufmodell?, ZNotP 2008, 2; Werkmüller, Gestaltungsmöglichkeiten des Erblassers im Rahmen der Anordnung von Vor- und Nachvermächtnissen, ZEV 1999, 343; Winkler, Unternehmensnachfolge und Pflichtteilsrecht – Wege zur Minimierung des Störfaktors „Pflichtteilsansprüche“, ZEV 2005, 89; Worm, Pflichtteilserschwerungen und Pflichtteilsstrafklauseln, RNotZ 2003, 535, Zimmer, Der Notar als Detektiv? – Zu den Anforderungen an das notarielle Nachlassverzeichnis, ZEV 2008, 365. Schrifttum zum Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts (v. 24.9.2009, BGBl. I, S. 3142): Bartsch, Zur Frage der Höhe von Pflichtteilsergänzungsansprüchen des mit einem Vermächtnis beschwerten Miterben (ein Vergleich zwischen geltendem Recht und anstehenden Änderungen), ZErb 2009, 71; Bonefeld, Synopse und Auswirkungen des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts auf das ErbrechtUpdate zur Reform der Reform, ZErb 2008, 67; Bonefeld/Lange/Tanck, Die geplante Reform des Pflichtteilsrechts, ZErb 2007, 292; Bothe, Äpfel und Birnen. Berechnungsbeispiele zu § 2057b des Entwurfs, ZErb 2008, 309; Brüggemann, Entziehung des Pflichtteils – Änderungen durch die geplante Erbrechtsreform, ErbBstg 2008, 241; Brüggemann, Zuwendungen unter Anrechnung auf den Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungsanspruch, ErbBstg 2008, 265; Brüggemann, Beschränkungen oder Beschwerungen des pflichtteilsberechtigten Erben, ErbBstg 2008, 271; Damrau, Das sind die Änderungen im Pflichtteilsrecht, Erbrecht effektiv 2009, 127; Damrau, So werden Pflegeleistungen nach der Reform berücksichtigt, Erbrecht effektiv 2009, 132; Damrau, Verjährungsregelungen nach der Reform, Erbrecht effektiv 2009, 134; Damrau, Der Anspruch auf Berichtigung und Ergänzung des Bestandsverzeichnisses, ZEV 2009, 274; Deutscher Bundestag, Stellungnahmen im Rechtsausschuss von Lange, Litzenburger, J. Mayer, Nake, Otte, Pfeiffer, Rawert, Schlichting, download www.bundestag.de unter Ausschüsse/Recht/Anhörungen/Archiv der öffentlichen Anhörungen bzw. unter Suche und Eingabe der Drucksachennummer 16/8954; Gemmer, Erbrechtsreform: Änderungen, die Sie kennen müssen, Erbrecht effektiv 2007, 211; Gemmer, Erweiterung der Stundungsgründe: maßvoll oder im Ergebnis wirkungslos, Erbrecht effektiv 2009, 139; Gemmer, Schenkungen des Erblassers: Ende des Alles-oder-Nichts-Prinzips, Erbrecht effektiv 2009, 130; Herrler/Schmied, Reform des Erb- und Verjährungsrechts: Ermöglichung nachträglicher Ausgleichungs- undAnrechnungsanordnungen (§§ 2050 ff. und 2315 BGB), ZNotP 2008, 178; Hieke, Verkürzung der Verjährung, FPR 2008, 553; Hüttemann/Rawert, Pflichtteil und Gemeinwohl – Privilegien für gute Zwecke? ZEV 2007, 107; Keim, Testamentsgestaltung bei „missratenen“ Kindern, NJW 2008, 2072; Keim,
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Die Reform des Erb- und Verjährungsrechts und ihre Auswirkungen auf die Gestaltungspraxis, ZEV 2008, 161; Klinger/Mörtl, Die Erbrechtsreform 2010, NJW-Spezial 2009, 503; Lange, Reform des Pflichtteilsrechts: Änderungsvorschläge zur Anrechnung und Stundung, DNotZ 2007, 84; Müller, Erbrechtsreform: Einführung einer Pro-RataRegelung im Rahmen der Pflichtteilsergänzung, ZNotP 2007, 445; Muscheler, Die geplanten Änderungen im Erbrecht, Verjährungsrecht und Nachlassverfahrensrecht, ZEV 2008, 105; Odersky, Reformüberlegungen im Erbrecht, MittBayNot 2008, 2; Otte, Bessere Honorierung von Pflegeleistungen – Plädoyer für eine Vermächtnislösung, ZEV 2008, 260; Papenmeier, Berechnung der Ausgleichung beim Zusammentreffen von § 2057b BGB-E und der §§ 2050, 2057a BGB, ZErb 2008, 414; Progl, Die geplante Erweiterung der Testierfreiheit bei Ausgleichungs- und Anrechnungsbestimmungen nach dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts v. 1.5.2007 und ihre Auswirkungen auf die Praxis; ZErb 2008, 10; Reimann, Durchsicht der geplanten Änderungen des Erb- und Verjährungsrechts, FamRZ 2007, 1597; Röthel, Reformfragen des Pflichtteilsrechts, Symposium 30.11.–2.12.2006 in Salzau, 2007; Ruby/ Schindler, ZEV-Report Zivilrecht, Erbrechtliche Folgen familiärer Leistungen (Pflege), ZEV 2007, 171; Schaal, Der Regierungsentwurf zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts, BWNotZ 2008, 2; Scherer/Lehmann, ZEV-Report Zivilrecht, Reformvorhaben, ZEV 2007, 318; Schindler, Die Anwendung des § 2306 BGB nach altem und neuem Recht unter besonderer Berücksichtigung der Werttheorie, ZEV 2008, 187; Siebert, Ausgleich von Pflegeleistungen im Erbfall, Erbrecht effektiv 2008, 174; Siebert, Einzelfragen zu den geplanten Änderungen durch die Erbrechtsreform, ErbBstg 2008, 275; Slabon, Nachträgliche Anrechnungsbestimmung, ErbBstg 2008, 229; Spall, Geplante Erbrechtsreform und Behindertentestament – ein Update, ZErb 2007, 272; Windel, Wie ist die häusliche Pflege aus dem Nachlass zu honorieren? ZEV 2008, 305. Rz. I. Einleitung 1. Stellung der Beteiligten/Pflichtteilsreform für Erbfälle ab 1.1.2010 mit Synopse . . . . . . . . . 2. Zwang zur Geltendmachung des Pflichtteils a) Unterhalts-, Insolvenz- und Sozialhilferecht . . . . . . . . . . . . b) Minderjähriger oder betreuter Pflichtteilsberechtigter . . . . . 3. Psychologie der Beratertätigkeit II. Pflichtteilsanspruch des Enterbten im Grundfall 1. Kreis der Pflichtteilsberechtigten a) Abstrakt Pflichtteilsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkrete Pflichtteilsberechtigung, § 2309 BGB . . . . . . . . . 2. Entstehung des Pflichtteils a) Ausschluss von der Erbfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erbfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtteilsquote a) Grundschema der Quotenermittlung . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz. b) Pflichtteilsquote von Ehegatten und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern . . . . . aa) Güterstand der Zugewinngemeinschaft . . . . . bb) Gütertrennung und Gütergemeinschaft . . . . . . . cc) Übersicht Erb- und Pflichtteilsquote . . . . . . . c) Pflichtteilsquote von Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Höhe des Pflichtteils a) Ermittlungsmethode . . . . . . b) Feststellung des Nachlassbestands aa) Aktivnachlass . . . . . . . . . bb) Passivnachlass . . . . . . . . cc) Vorläufig ausgenommene ungewisse Rechte, § 2313 BGB . . . . . . . . . . . c) Wertermittlung aa) Grundgedanke (1) Wertbegriff . . . . . . . . . . . . (2) Tatsächlicher Verkaufserlös, Abzug unvermeidbarer Veräußerungskosten . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz. (3) Abzug latenter Steuern und hypothetischer Veräußerungskosten . . . . . . . 84 (4) Beauftragung und Überprüfung von Gutachten. . 86 bb) Wertermittlung von Immobilien . . . . . . . . . . . . . . 87 cc) Wertermittlung von Unternehmen. . . . . . . . . . . . . 89 (1) Wertbegriff . . . . . . . . . . . . 90 (2) Wahl der richtigen Wertermittlung . . . . . . . . . . . . . 93 (3) Beispiel einer Ertragswertberechnung . . . . . . . . 95 dd) Wertermittlung von Gesellschaftsanteilen (1) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . 97 (2) Buchwert-Abfindungsklauseln bei Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . 98 (3) Wert von GmbH-Anteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 ee) Kasuistik weiterer Nachlasswerte . . . . . . . . . . . . . . 101 III. Ansprüche auf Auskunft, Wertermittlung und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung 1. Auskunftsansprüche a) Anspruch des pflichtteilsberechtigten Nichterben, § 2314 BGB . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auskunftsgläubiger und Auskunftsschuldner . . . . bb) Zweck und Inhalt der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . cc) Zeitpunkt und Form der Auskunft . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergänzung des Verzeichnisses? . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Amts- oder Privatverzeichnis? . . . . . . . . . . . . . . ff) Anwesenheitsrecht . . . . . b) Anspruch des pflichtteilsberechtigten Erben aus § 2314 BGB?. . . . . . . . . . . . . . . c) Auskunftsanspruch aus § 242 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anspruch unter pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen, § 2057 BGB . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz. 2. Wertermittlungsansprüche a) Anspruch des pflichtteilsberechtigten Nichterben gegen den Erben, § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB . . . . . . . . . b) Wertermittlungsanspruch aus § 242 BGB . . . . . . . . . . . . c) Anspruch unter pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen, § 242 BGB . . . . . . . . . . . . 3. Eidesstattliche Versicherung . . 4. Kosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verzug und Folgen falscher Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Checkliste für die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Pflichtteil trotz Zuwendung des Erblassers, §§ 2305–2307, 1371 Abs. 3 BGB 1. Pflichtteilsanspruch des belasteten Erben oder Nacherben, § 2306 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Für Erbfälle bis 31.12.2009: Ist der Erbteil größer (§ 2306 BGB a.F.)? . . . . . . . . . . . . . . . . b) Für Erbfälle bis 31.12.2009: § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. c) Für Erbfälle bis 31.12.2009: § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. d) Ausschlagungsfrist, § 2306 Abs. 1 Halbs. 2 BGB . . . . . . . e) Übersicht für Erbfälle bis 31.12.2009 . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilszusatzanspruch des unzureichend bedachten Erben, § 2305 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtteilsanspruch des Vermächtnisnehmers, § 2307 BGB 4. Taktische Ausschlagung des Ehegatten, § 1371 Abs. 3 BGB? . 5. Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Pflichtteil bei Anrechnung und Ausgleichung von lebzeitigen Zuwendungen 1. Unterschiede zwischen Anrechnungs- und Ausgleichspflichtteil, §§ 2315, 2316 BGB . 178
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C VI Rz. 2. Der Anrechnungspflichtteil, § 2315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Ausgleichspflichtteil, § 2316 BGB a) Ausgleichspflichtteil, § 2316 Abs. 1, 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . b) Restpflichtteil, § 2316 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammentreffen von § 2315 und § 2316 BGB a) Anrechnung und Ausgleichung einer Zuwendung, § 2316 Abs. 4 BGB . . . . . . . . . b) Anrechnung und Ausgleichung unterschiedlicher Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammentreffen von § 2316 BGB und § 2325 BGB . . . . . . . . . . VI. Pflichtteilsergänzungsansprüche bei Schenkungen des Erblassers 1. Pflichtteilsergänzung gegen den Erben, § 2325 BGB a) Grundgedanke . . . . . . . . . . . . . b) Ergänzungsanspruch nur bei Pflichtteilsberechtigung im Zeitpunkt der Schenkung? . . c) Pflichtteilsergänzungsanspruch des Erben und Vermächtnisnehmers . . . . . . . . . . d) Schenkung aa) (Gemischte) Schenkung . bb) Keine ergänzungspflichtigen Zuwendungen. . . . . cc) Schenkung unter Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Abfindung für Erb- und/ oder Pflichtteilsverzicht als Schenkung. . . . . . . . . . ee) Ehebedingte Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Lebensversicherung . . . . . gg) Weitere Beispiele . . . . . . . e) Bewertung von Schenkungen aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . bb) Nießbrauch und Wohnrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Pflegeleistungen, Renten u.a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zehnjahresfrist nach § 2325 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . g) Berechnungsschema. . . . . . . .
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Rz. 2. Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Beschenkten, § 2329 BGB a) Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Mehrere Beschenkte, § 2329 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 243 VII. Pflichtteil und Gesellschaftsrecht 1. Pflichtteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichtteilsergänzungsansprüche a) Gründung, Aufnahme und Übertragung von Gesellschaftsanteilen. . . . . . . . . . . . b) Ausschluss und Beschränkungen von Abfindungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Haftung und Verteidigung 1. Haftung für Pflichtteilsansprüche im Außenverhältnis . . . . . . 2. Verteidigung gegen Pflichtteilsansprüche im Außenverhältnis a) Einrede aus § 2319 BGB . . . . b) Einrede aus § 2328 BGB . . . . c) Anrechnung von Geschenken an den Pflichtteilsberechtigten, § 2327 BGB aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . bb) Zusammentreffen von §§ 2327, 2315, 2316 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schenkung aus Anstand oder sittlichem Gebot, § 2330 BGB . . . . . . . . . . . . . . . e) Erzwungene Stundung, § 2331a BGB . . . . . . . . . . . . . . f) Verjährungseinrede, §§ 2332, 195, 199 BGB . . . . . g) Sonstige Verteidigungsmittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtteilslast im Innenverhältnis, §§ 2320, 2321 BGB . . . . 4. Haftung für Vermächtnisse und Auflagen im Außenverhältnis a) Befreiung, § 2306 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. für Erbfälle bis 31.12.2009 . . . . . . . . . . . . b) Kürzungsrechte, § 2318 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Rz. 1 C VI
Rz. c) Ausschluss und Modifizierung von § 2318 BGB . . . . . . . 296 IX. Vermeidung und Beschränkung von Pflichtteilsansprüchen 1. Pflichtteilsentziehung und Unwürdigkeit a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichtteilsentziehung, §§ 2333 ff. BGB . . . . . . . . . . . . c) Pflichtteilsunwürdigkeit, § 2345 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . 2. Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht, § 2338 BGB . . . . . 3. Pflichtteilsverzicht . . . . . . . . . . . 4. Anrechnung oder Ausgleichung, §§ 2315, 2316 BGB . . . . . . . . . . . . 5. Verbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Auflösend bedingte Zuwendungen als Anreiz zum Verzicht . . . 7. Flucht in die Pflichtteilsergänzung: Schenkungen und Nutzung von Bewertungsspielräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verlagerung von Vermögen ins pflichtteilsfeindliche Ausland . . 9. Flucht ins Gesellschaftsrecht und gegenseitige Zuwendungen auf den Todesfall . . . . . . . . . . . . . 10. Einwirkung auf die Pflichtteilsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Gestaltungsmöglichkeiten verheirateter Erblasser . . . . . . . . . . . 12. Vertrag über den künftigen Pflichtteil, § 311b Abs. 5 BGB . .
Rz. 13. Strategien in Verfügungen von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . 340 X. Pflichtteilsvergleich . . . . . . . . . . 346
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XI. 1. 2. 3. 4.
Taktik im Pflichtteilsprozess Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Welche Klageart ist richtig? . . . Verfahrenshinweise . . . . . . . . . . Streitwert, Gerichts- und Anwaltskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Antragsmuster a) Stufenklage. . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichtteilsergänzungsklage gegen Grundstücksbeschenkten, § 2329 BGB. . . . . 6. Zwangsvollstreckung aus Auskunfts- und Wertermittlungstiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Pfändung des Pflichtteilsanspruchs, § 852 ZPO . . . . . . . . . .
XII. Anhang A. Nachlassverzeichnis I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . II. Nachlassverzeichnis . . . . . . . B. Preisindizes . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anlage 9 zu § 14 BewG (ab 1.1.1995) und ab 1.1.2009 Tabelle zu § 14 BewG. . . . . . . . . D. Tabellarische Länderübersicht über Pflichtteils- und Noterbrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Pflegestatistik 2007 Deutschlandergebnisse . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einleitung 1. Stellung der Beteiligten/Pflichtteilsreform für Erbfälle ab 1.1.2010 mit Synopse Das Pflichtteilsrecht ist Ersatz für die enttäuschte gesetzliche Erberwartung, sog. Erbersatzfunktion des Pflichtteilsrechts1. Es will dem Pflichtteilsberechtigten eine Mindestbeteiligung in Höhe der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils ohne jede Beschränkung und Beschwerung gewährleisten. Der Pflichtteil ist ein Geldanspruch2. Er bietet keine dingliche Nachlassbetei1 BGH v. 1.10.1958 – V ZR 53/58, NJW 1958, 1964; BVerfG v. 26.4.1988 – 2 BvL 13, 14/86, NJW 1988, 2723 (2724). 2 BGH v. 1.10.1958 – V ZR 53/58, NJW 1958, 1964 (bloße Geldsummenforderung); ebenso im Grundsatz in Österreich, Irland, Ungarn, Polen, Niederlande, Serbien,
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ligung. Der Erbe hat maximal die Hälfte des Werts des Nachlasses an einen Pflichtteilsberechtigten auszuzahlen. Der Erblasser darf den Pflichtteilsanspruch weder in eine bestimmte Form kleiden1 noch zeitlich hinausschieben2. Für eine Billigkeitskorrektur ist im formalen und starren Pflichtteilsrecht kein Raum3. 2 Das Pflichtteilsrecht schränkt die von Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Testierfreiheit ein4. Der BGH sieht das Pflichtteilsrecht seit langem „in einem gewissen Umfang“ von der Verfassung geschützt an5. Das BVerfG hat lange offen gelassen, inwieweit Artikel 6 Abs. 1 oder Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine Mindestbeteiligung gegen den Erblasserwillen fordern6. Das BVerfG7 hat 2005 präzisiert, dass die – „grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder“ des Erblassers durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet ist. – Normen über das Pflichtteilsrecht der Kinder mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Pflichtteilsrecht der Kinder genießt damit Verfassungsrang. Im Übrigen hat das BVerfG nicht entschieden8, ob das auch für das jeweilige Pflichtteilsrecht entfernter Ankömmlinge9, der Eltern10, des Ehegatten11 und des Lebens-
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Finnland und im Ergebnis seit 1.1.2007 auch für Frankreich. Zur internationalen Ausgestaltung von Pflichtteilsrechten: Milzer, BWNotZ 2002, 166; Tabelle in Rz. 374; Fetsch, RNotZ 2006, 77 (91 ff. „Länderberichte“); Merkle, Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsverzicht im internationalen Erbrecht, 2008; Kuhn, BWNotZ 2006, 139 und BWNotZ 2007, 27. BGH v. 30.4.1981 – IVa ZR 128/80, MDR 1981, 737. Pentz, MDR 1998, 751 (752). BGH v. 26.9.2001 – IV ZR 198/00, ZEV 2002, 21; BGH v. 13.7.1983 – IVa ZR 15/82, NJW 1983, 2875. BVerfG v. 3.11.1981 – 1 BvL 11/77, 85/78, 1 BvR 47/81, NJW 1982, 565. BGH v. 6.12.1989 – IVa ZR 249/88, NJW 1990, 911; BGH v. 17.9.1986 – IVa ZR 13/85, NJW 1987, 122; Haas, ZEV 2000, 249 ff. BVerfG v. 30.8.2000 – 1 BvR 2464/97, ZEV 2000, 399; hierzu Leisner, NJW 2000, 126 f. BVerfG v. 19.4.2005 – 1 BvR 1644/00, NJW 2005, 1561 mit instruktiver Anm. Gaier, ZEV 2006, 2 (5 ff.); ausführlich Staudinger/Haas, Einl zu §§ 2303 ff. BGB Rz. 12 ff. Gaier, ZEV 2006, 2 (6); MüKo/Lange, Ergänzungsband 4. Auflage zu § 2303 BGB Rz. 4. Für Verfassungsrang: Weiler, MittBayNot 2006, 296 (299). Gegen Verfassungsrang: Haas, ZEV 2000, 249 (254); Staudinger/Haas, Einl zu §§ 2303 ff. BGB Rz. 34. Für Verfassungsrang: BT-Drs. 16/8954 v. 24.4.2008, S. 9 zu A.I. 2. unter „Familienschützende Funktion“; Führ, MittBayNot 2006, 461 (463); Weiler, MittBayNot 2006, 296 (299); Badura, Vortrag beim Symposium zu den Reformfragen des Pflichtteilsrechts v. 30.11–2.12.2006, zitiert bei Wiegand, DNotZ 2007, 97. Gegen Verfassungsrang: Staudinger/Haas, Einl zu §§ 2303 ff. BGB Rz. 34b. Für Verfassungsrang: BT-Drs. 16/8954 v. 24.4.2008, S. 9 zu A.I. 2. unter „Familienschützende Funktion“; Staudinger/Haas, Einl zu §§ 2303 ff. BGB Rz. 34a; Führ, MittBayNot 2006, 461 (463); Weiler, MittBayNot 2006, 296 (299); Badura, Vortrag beim Symposium zu den Reformfragen des Pflichtteilsrechts v. 30.11–2.12.2006, zitiert bei Wiegand, DNotZ 2007, 97.
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Pflichtteil
Rz. 2 C VI
partners nach § 10 Abs. 6 LPartG1 gilt. Die historische Begründung des BVerfG ist von Teilen der Literatur als konturlos kritisiert worden2. Jedenfalls ist auch im Zivilrecht die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte bei der Auslegung des einfachen Rechts zu beachten3. Die Entscheidung des BVerfG hat also für die konkrete Rechtsanwendung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Überdies hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Klarstellung für die avisierte Reform des Pflichtteilsrechts4 abgewartet. Der Gesetzgeber hat 2008 einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts5 vorgelegt. Literatur hierzu ist im Anhang zum Schrifttum zitiert. Dem Gesetzesentwurf hat der Bundestag nach Maßgabe der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zugestimmt6. Das Gesetz7 tritt am 1.1.2010 in Kraft. Es gilt für alle Erbfälle ab 1.1.2010 unabhängig davon, ob an Ereignisse aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften angeknüpft wird, Art. 229 § 21 Abs. 4 EGBGB. Für Erbfälle bis 31.12.2009 gilt das alte Pflichtteilsrecht. Übergangsvorschriften sind nur für die Verjährung geregelt. Das Reformgesetz hat vor allem das Pflichtteilsrecht modifiziert: – Vereinfacht wird § 2306 BGB (i.V.m. einer Ergänzung in § 2305 BGB). – § 2315 BGB blieb unverändert. Die im Entwurf enthaltene Möglichkeit, nachträglich die Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil zu bestimmen, entfällt (Vertrauensschutz)8. – Der komplizierte Ausgleichungspflichtteil in §§ 2316, 2050 ff. BGB wird bei Pflege des Erblassers durch einen Abkömmling des Erblassers größere Bedeutung erlangen. Künftig ist der Anspruch unabhängig davon, ob für die Pflegeleistungen auf ein eigenes Einkommen verzichtet wurde. Die im Übrigen geplante Ausweitung der Ausgleichung entfällt9. – Bei der Pflichtteilsergänzung ist für Schenkungen in § 2325 Abs. 3 BGB eine gleitende Ausschlussfrist von 1/10 pro rata temporis zulasten des Pflichtteilsberechtigten vorgesehen (Abschmelzungsmodell). 1 Für Verfassungsrang: Weiler, MittBayNot 2006, 296 (299). Gegen Verfassungsrang: Badura, Vortrag beim Symposium zu den Reformfragen des Pflichtteilsrechts v. 30.11–2.12.2006, zitiert bei Wiegand, DNotZ 2007, 97. 2 J. Mayer, FamRZ 2005, 1441 ff.; Muscheler, ErbR 2006, 34 (42); Stüber, NJW 2005, 2122 ff.; Kleensang, DNotZ 2005, 509 (521) und ZEV 2005, 277 ff. und MittBayNot 2007, 471 (472); Lange, ZErb 2005, 205 ff. und MüKo/Lange, Ergänzungsband 4. Auflage zu § 2303 BGB Rz. 4; Staudinger/Haas, Vorbem zu §§ 2333–2337 BGB Rz. 1. 3 Jüngst BVerfG v. 8.1.2009 – 1 BvR 755/08 (Rz. 16), NJW 2009, 1065; Gaier, ZEV 2006, 2 (7); Lange, ZErb 2005, 205 (208); Kleensang, ZEV 2005, 277 (282 f.: §§ 2333 ff. BGB). 4 Ausführlich Röthel, Reformfragen des Pflichtteilsrechts (Symposium 30.11.– 2.12.2006 in Salzau), 2007; Übersicht bei Wiegand, DNotZ 2007, 97 ff. 5 BT-Drs. 16/8954 v. 24.4.2008, download unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/ 16/089/1608954.pdf. 6 BT-Drs. 16/13543 v. 23.6.2009, download unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/ 16/135/1613543.pdf. 7 V. 24.9.2009. Verkündung im BGBl. I, S. 3142. 8 BT-Drs. 16/13543 v. 23.6.2009 zu Nummer 23 (§ 2315 BGB). 9 BT-Drs. 16/13543 v. 23.6.2009 zu Nummern 11/12 und 14 (§§ 2050, 2053, 2057a, 2057b).
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C VI Rz. 2a
Pflichtteil
– Die Gründe für die Stundung in § 2331a BGB werden geringfügig erweitert. – Die Pflichtteilsentziehungsgründe werden modernisiert und erweitert, und ahnden auch Verstöße gegen Personen, die dem Erblasser vergleichbar einem Kind oder Ehegatten nahe stehen. Die Entziehungsgründe gelten einheitlich für alle Pflichtteilsberechtigten. – Die Verjährung des Pflichtteils gegen den Erben (nicht Beschenkten) richtet sich nach der Regelverjährung, §§ 195, 199 BGB. Zwar gilt das neue Verjährungsrecht auch für die am 1.1.2010 bestehenden und nicht verjährten Ansprüche aus früheren Erbfällen. Insoweit sind aber Übergangsvorschriften1 beachtlich, Art. 229 § 21 Abs. 1–3 EGBGB: Wäre nach altem Recht die Verjährung früher vollendet gewesen, gelten die bisherigen Vorschriften über den Beginn der Verjährung und die Verjährungsfrist weiter (Vertrauensschutz für Schuldner). Auch die Hemmung der Verjährung für den Zeitraum vor dem 1.1.2010 bestimmt sich nach altem Verjährungsrecht. Damit nicht bei Anwendung des neuen Rechts mit seinem Inkrafttreten ein Anspruch verjährt, wird der Beginn der Verjährung hinausgeschoben; die Frist beginnt nicht vor dem 1.1.20102. Mit der Reform hat der Gesetzgeber seinen vom BVerfG zugebilligten weiten Gestaltungsspielraum3 nicht ausgeschöpft. Synopse der für das Pflichtteilsrecht maßgeblichen Normen: 2a
Gesetzesfassung für Erbfälle bis 31.12.2009
Gesetzesfassung für Erbfälle ab 1.1.2010
§ 2057a Abs. 1 Satz 2 BGB
§ 2057a Abs. 1 Satz 2 BGB
Dies gilt auch für einen Abkömmling, der unter Verzicht auf berufliches Einkommen den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat.
Dies gilt auch für einen Abkömmling, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hat.
§ 2305 BGB
§ 2305 BGB
Zusatzpflichtteil
Zusatzpflichtteil
Ist einem Pflichtteilsberechtigten ein Erbteil hinterlassen, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so kann der Pflichtteilsberechtigte von den Miterben als Pflichtteil den Wert des an der Hälfte fehlenden Teils verlangen.
Ist einem Pflichtteilsberechtigten ein Erbteil hinterlassen, der geringer ist als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, so kann der Pflichtteilsberechtigte von den Miterben als Pflichtteil den Wert des an der Hälfte fehlenden Teils verlangen.
1 BT-Drs. 16/8954 v. 24.4.2008, S. 26 zu Artikel 2 (Art 229 EGBGB, neuer § 21) bzw. BT-Drs. 16/13543 v. 23.6.2009 zu Artikel 2. 2 Instruktiv zum Übergangsrecht Damrau, EE 2009, 134 (136 ff.). 3 BT-Drs. 16/8954 v. 24.4.2008, S. 8 zu A.I. 2; Staudinger/Haas, Einl zu §§ 2303 ff. BGB Rz. 16; Gaier, ZEV 2006, 2 (6). Für weitergehende Reformen z.B. Odersky, MittBayNot 2008, 2 ff.; für größeren Unternehmensschutz K. Schmidt und Lange, Vortrag beim Symposium zu den Reformfragen des Pflichtteilsrechts v. 30.11–2.12.2006, zitiert bei Wiegand, DNotZ 2007, 97 (98 und 103).
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Pflichtteil Gesetzesfassung für Erbfälle bis 31.12.2009
Rz. 2a C VI Gesetzesfassung für Erbfälle ab 1.1.2010 Bei der Berechnung des Wertes bleiben Beschränkungen und Beschwerungen der in § 2306 bezeichneten Art außer Betracht.
§ 2306 BGB Beschränkungen und Beschwerungen (1) Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so gilt die Beschränkung oder die Beschwerung als nicht angeordnet, wenn der ihm hinterlassene Erbteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt. Ist der hinterlassene Erbteil größer, so kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt. (2) Einer Beschränkung der Erbeinsetzung steht es gleich, wenn der Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.
§ 2306 BGB Beschränkungen und Beschwerungen (1) Ist ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder ist er mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt; die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt. (2) Einer Beschränkung der Erbeinsetzung steht es gleich, wenn der Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist.
§ 2325 BGB Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen (1) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. (2) Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werte in Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte. Ein anderer Gegenstand kommt mit dem Werte in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht. (3) Die Schenkung bleibt unberücksichtigt, wenn zur Zeit des Erbfalls zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen sind; ist die
§ 2325 BGB Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen (1) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. (2) Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werte in Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte. Ein anderer Gegenstand kommt mit dem Werte in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht. (3) Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein
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Pflichtteil
Gesetzesfassung für Erbfälle bis 31.12.2009
Gesetzesfassung für Erbfälle ab 1.1.2010
Schenkung an den Ehegatten des Erblassers erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.
Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor Auflösung der Ehe.
§ 2331a BGB Stundung (1) Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, so kann er Stundung des Pflichtteilsanspruchs verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände ungewöhnlich hart treffen, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe seiner Familienwohnung oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsgutes zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Stundung kann nur verlangt werden, soweit sie dem Pflichtteilsberechtigten bei Abwägung der Interessen beider Teile zugemutet werden kann. (2) Für die Entscheidung über eine Stundung ist, wenn der Anspruch nicht bestritten wird, das Nachlassgericht zuständig. § 1382 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend; an die Stelle des Familiengerichts tritt das Nachlassgericht.
§ 2331a BGB Stundung (1) Der Erbe kann Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsgutes zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen. (2) Für die Entscheidung über eine Stundung ist, wenn der Anspruch nicht bestritten wird, das Nachlassgericht zuständig. § 1382 Abs. 2 bis 6 gilt entsprechend; an die Stelle des Familiengerichts tritt das Nachlassgericht.
§ 2332 BGB Verjährung (1) Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von dem Eintritt des Erbfalls an. (2) Der nach § 2329 dem Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschenkten zustehende Anspruch verjährt in drei Jahren von dem Eintritt des Erbfalls an. (3) Die Verjährung wird nicht dadurch gehemmt, dass die Ansprüche erst nach
§ 2332 BGB Verjährung (1) Die Verjährungsfrist des dem Pflichtteilsberechtigten nach § 2329 gegen den Beschenkten zustehenden Anspruchs beginnt mit dem Erbfall. (2) Die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs und des Anspruchs nach § 2329 wird nicht dadurch gehemmt, dass die Ansprüche erst nach der Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses geltend gemacht werden können.
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Pflichtteil Gesetzesfassung für Erbfälle bis 31.12.2009
Rz. 2a C VI Gesetzesfassung für Erbfälle ab 1.1.2010
der Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses geltend gemacht werden können. § 2333 BGB Entziehung des Pflichtteils eines Abkömmlings Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen: 1. wenn der Abkömmling dem Erblasser, dem Ehegatten oder einem anderen Abkömmling des Erblassers nach dem Leben trachtet, 2. wenn der Abkömmling sich einer vorsätzlichen körperlichen Misshandlung des Erblassers oder des Ehegatten des Erblassers schuldig macht, im Falle der Misshandlung des Ehegatten jedoch nur, wenn der Abkömmling von diesem abstammt, 3. wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser oder dessen Ehegatten schuldig macht, 4. wenn der Abkömmling die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt, 5. wenn der Abkömmling einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel wider den Willen des Erblassers führt.
§ 2333 BGB Entziehung des Pflichtteils (1) Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling 1. dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet, 2. sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen schuldig macht, 3. die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder 4. wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird. (2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Entziehung des Eltern- oder Ehegattenpflichtteils.
§ 2334 BGB Entziehung des Elternpflichtteils Der Erblasser kann dem Vater den Pflichtteil entziehen, wenn dieser sich einer der im § 2333 Nr. 1, 3, 4 bezeichneten Verfehlungen schuldig macht. Das gleiche Recht steht dem Erblasser der Mutter gegenüber zu, wenn diese sich einer solchen Verfehlung schuldig macht.
§ 2334 BGB wird aufgehoben.
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Gesetzesfassung für Erbfälle ab 1.1.2010
§ 2335 BGB Entziehung des Ehegattenpflichtteils Der Erblasser kann dem Ehegatten den Pflichtteil entziehen: 1. wenn der Ehegatte dem Erblasser oder einem Abkömmling des Erblassers nach dem Leben trachtet, 2. wenn der Ehegatte sich einer vorsätzlichen körperlichen Misshandlung des Erblassers schuldig macht, 3. wenn der Ehegatte sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser schuldig macht, 4. wenn der Ehegatte die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt.
§ 2335 BGB wird aufgehoben.
§ 2336 BGB Form, Beweislast, Unwirksamwerden (1) Die Entziehung des Pflichtteils erfolgt durch letztwillige Verfügung. (2) Der Grund der Entziehung muss zur Zeit der Errichtung bestehen und in der Verfügung angegeben werden. (3) Der Beweis des Grundes liegt demjenigen ob, welcher die Entziehung geltend macht. (4) Im Falle des § 2333 Nr. 5 ist die Entziehung unwirksam, wenn sich der Abkömmling zur Zeit des Erbfalls von dem ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel dauernd abgewendet hat.
§ 2336 BGB Form, Beweislast, Unwirksamwerden (1) Die Entziehung des Pflichtteils erfolgt durch letztwillige Verfügung. (2) Der Grund der Entziehung muss zur Zeit der Errichtung bestehen und in der Verfügung angegeben werden. Für eine Entziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 muss zur Zeit der Errichtung die Tat begangen sein und der Grund für die Unzumutbarkeit vorliegen; beides muss in der Verfügung angegeben werden. (3) Der Beweis des Grundes liegt demjenigen ob, welcher die Entziehung geltend macht. (4) aufgehoben
3 Zwischen Pflichtteilsrecht und Pflichtteilsanspruch – vom Gesetz auch Pflichtteil genannt – ist scharf zu trennen. Das Pflichtteilsrecht ist in §§ 2303, 2309 BGB umschrieben. Es ist Ausfluss und Ersatz des gesetzlichen Erbrechts1. Zwischen Pflichtteilsberechtigtem und Erblasser besteht schon zu Lebzeiten ein Rechtsverhältnis2, das sich mit den Erben fortsetzt. Aus dem Pflichtteilsrecht kann – muss aber nicht – ein Pflichtteilsanspruch3 folgen. Voraussetzung für den Pflichtteilsanspruch sind stets die Pflichtteilsberechtigung, der Eintritt des Erbfalls4 und grundsätzlich der Ausschluss von der Erb1 2 3 4
BGH v. 1.10.1958 – V ZR 53/58, NJW 1958, 1964. S. §§ 311b Abs. 5; 2079, 2281; 2346 Abs. 2 BGB. BGH v. 1.10.1958 – V ZR 53/58, NJW 1958, 1964. § 2317 Abs. 1 BGB.
1420 Rösler
Pflichtteil
Rz. 4 C VI
folge durch Verfügung von Todes wegen. Dem Pflichtteilsrecht steht die Pflichtteilslast gegenüber. Sie besagt, in welchem Umfang der Erbe für den Pflichtteilsanspruch einzustehen hat. Vor- und Nachteile des Pflichtteils: Vorteile
Nachteile
– Keine Auseinandersetzung mit Miterben und Gläubigern. – Keine Belastung mit Nachlassverwaltung, Verkaufsbemühungen zur Liquiditätsbeschaffung. – Wertverschlechterung des Nachlasses nach dem Erbfall unerheblich.
– Keine dingliche Beteiligung am Nachlass, damit weniger Sicherheit. – Geldschuld beinhaltet Risiko des Geldwertverfalls. – Unvollständige Information über den Bestand und Wert des Nachlasses.
2. Zwang zur Geltendmachung des Pflichtteils a) Unterhalts-, Insolvenz- und Sozialhilferecht Dem Pflichtteilsberechtigten steht es frei, den Pflichtteil zu verlangen. Er ist nicht verpflichtet, ihn geltend zu machen. Diese Entschließungsfreiheit ist in § 852 ZPO vor den Interessen der Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten geschützt1. Ausnahmen: – Der Unterhaltsberechtigte hat die Obliegenheit, seinen Pflichtteil durchzusetzen, soweit dies nicht unbillig ist2. Der Unterhaltsschuldner hat zwar grundsätzlich keine Pflicht, den Pflichtteil zu verlangen3. Jedoch wird bei der Frage seiner Leistungsfähigkeit der Pflichtteil berücksichtigt, so dass mittelbar ein Druck besteht, den Pflichtteil zu fordern4. – Der Insolvenzschuldner kann auf den Pflichtteil in jedem Stadium des Insolvenzverfahrens nach § 2346 Abs. 2 BGB verzichten5. Für den Erlass eines bereits entstandenen Pflichtteils nach § 397 BGB ist er aber nicht verfügungsbefugt6. Der Insolvenzschuldner ist nicht zur Geltendmachung des Pflichtteils verpflichtet. Dies begründet auch im Restschuldverfahren keine Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wenn der Pflichtteil nicht in der Wohlverhaltensphase, sondern bereits während des eröffneten Insol-
1 § 852 ZPO gilt auch für einen Unterhaltsgläubiger, OLG Celle v. 10.5.2004 – 6 U 215/03, OLGReport 2004, 414. 2 BGH v. 21.4.1993 – XII ZR 248/91, NJW 1993, 1920; Staudinger/Haas, § 2317 BGB Rz. 40. 3 BGH v. 7.7.1982 – IVb ZR 738/80, NJW 1982, 2771. 4 Staudinger/Haas, § 2317 BGB Rz. 42. 5 J. Mayer, ZEV 2007, 556 (559); Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis, 2006, Rz. 80 f.; Ivo, ZErb 2003, 250 (253): Der Verzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB begründet keinen Obliegenheitsverstoß nach § 295 Abs. I Nr. 2 InsO und ist nicht anfechtbar, was aus § 83 Abs. 1 InsO folgt. 6 A.A. zutreffend bei Erlass nach § 397 BGB während Insolvenzverfahrens wegen § 81 Abs. 1 InsO: Ivo, ZErb 2003, 250 (254).
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4
C VI Rz. 4
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venzverfahrens entstanden ist1. Der BGH hat jüngst entschieden, dass auch dann keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners gegeben ist, wenn der in der Wohlverhaltensphase entstandene Pflichtteil nicht geltend gemacht wird (streitig)2. – Der Sozialhilfeträger darf grundsätzlich auch gegen den Willen des hilfsbedürftigen Pflichtteilsberechtigten dessen Pflichtteil geltend machen3. Die Überleitung nach § 93 Abs. 1 SGB XII setzt aber voraus, dass der Pflichtteil für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, bereits besteht4. Das Ausschlagungsrecht nach § 2306 BGB kann der Sozialhilfeträger nach h.M. nicht auf sich überleiten5. Diese Frage hat geringe praktische Relevanz angesichts der zumeist abgelaufenen Ausschlagungsfrist6. Indes soll nach einer Ansicht die Überleitung des Ausschlagungsrechts nach § 2307 BGB möglich sein7. Sog. Pflichtteilstrafklauseln hindern den Sozialhilfeträger ebenso wenig an der Überleitung, sofern sie in diesen Fällen überhaupt anwendbar sind8. Ein während des Bezugs von Sozialhilfe erklärter Pflichtteilsverzicht nach § 2346 Abs. 2 BGB ist nicht sittenwidrig9. Anders liegt es beim Erlass auf den bereits entstandenen Pflichtteil10. Im Übrigen muss der Pflichtteilsberechtigte, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragt, seinen Pflichtteil nach dem Tode des erstversterbenden Elternteils nur ausnahmsweise nicht verlangen, § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II11.
1 BGH v. 18.12.2008 – IX ZB 249/07, ZEV 2009, 250. 2 BGH v. 25.6.2009 – IX ZB 196/08, Beck RS 2009, 20298; Enzensberger/Roth, NJW Spezial 2009, 263 (264); Staudinger/Haas, § 2317 BGB Rz. 58a; Nieder/Kössinger, § 21 Rz. 121. 3 BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 223/03, ZEV 2005, 117 mit zustimmender Anm. Langenfeld, BGHReport 2005, 507 f.; BGH v. 19.10.2005 – IV ZR 235/03, ZEV 2006, 76; Staudinger/Haas, § 2317 BGB Rz. 48c; Nieder/Kössinger, § 21 Rz. 127; Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis, 2006, Rz. 90; a.A. Muscheler, ZEV 2005, 117; BayObLG v. 18.9.2003 – 3 Z BR 167/03, OLGReport 2004, 7. 4 OLG Karlsruhe v. 24.9.2003 – 9 U 59/03, FamRZ 2004, 410. 5 S. Kapitel B VIII Rz. 24; OLG Frankfurt v. 7.10.2004 – 14 U 233/02, ZEV 2004, 24; Soergel/Dieckmann, § 2306 BGB Rz. 29; van der Loo, ZEV 2006, 473 (479); Staudinger/Haas, § 2317 BGB Rz. 48b; Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern, Rz. 378; Offen gelassen BGH v. 8.12.2004 – IV ZR 223/93, ZEV 2005, 177 und BGH v. 19.10.2005 – IV ZR 235/03, ZEV 2006, 76; instruktiv Wendt, ZNotP 2008, 2 (8 ff.). 6 Wendt, ZNotP 2008, 2 (10). 7 Palandt/Edenhofer, § 2307 BGB Rz. 1 und § 2317 BGB Rz. 9; van der Loo, ZEV 2006, 473 (478 f.). 8 BGH v. 19.10.2005 – IV ZR 235/03, ZEV 2006, 76; s. Rz. 345. 9 J. Mayer, ZEV 2007, 556 (559); Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis, 2006, Rz. 82. 10 VGH Mannheim v. 8.6.1993 – 6 S 1068/92, NJW 1993, 2953 (§ 138 BGB); Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis, 2006, Rz. 90. 11 LSG Nordrhein-Westfalen v. 24.11.2008 – L 20 AS 92/07, NJW-RR 2009, 136 (Pflichtteilsstrafklausel, unzumutbare Härte).
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Rz. 5 C VI
b) Minderjähriger oder betreuter Pflichtteilsberechtigter Beim Pflichtteilsanspruch des minderjährigen Kindes gegen seinen sorgeberechtigten Elternteil als Alleinerben gilt: Der Elternteil kann den gegen ihn gerichteten Pflichtteil berechnen und entscheiden, ob er ihn für sein Kind geltend macht1. Der Sorgeberechtigte hat nach § 1640 BGB ein Vermögensverzeichnis einzureichen, das eine Überprüfung gewährleistet. Ein Erlass zulasten der Kinder ist ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nicht möglich, §§ 1643 Abs. 2, 1822 Nr. 2 BGB. Nur wenn der Elternteil den Pflichtteil gefährdet oder er kein Sorgerecht bzw. der Erblasser eine Bestimmung nach § 1638 Abs. 1 BGB getroffen hat, ist ein Pfleger nach § 1909 BGB zu bestellen, der den Pflichtteil in der voraussichtlichen Höhe sichert2. Die Verjährungsfrist von Pflichtteilsansprüchen der Kinder gegen einen Elternteil beginnt nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes, § 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB (beachtlich sind Übergangsvorschriften für Erbfälle bis 31.12.2009)3. Dann hat der Elternteil auf das Ende der Hemmung hinzuweisen. Andernfalls können Schadensersatzansprüche bestehen, §§ 1664, 1833 BGB4. Bei einem betreuten Pflichtteilsberechtigten entscheidet der Betreuer ausschließlich im Interesse des Betreuten, ob und wie er den Pflichtteil geltend macht. Maßgeblich ist, bei welchem Vorgehen die persönlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen des Betreuten bestmöglich gewahrt sind5. Auch bei einem geschäftsunfähigen Betreuten ist dessen Wunsch beachtlich6, es sei denn, der Wunsch gefährdet eine angemessene Versorgung bzw. sein Wohl7. Ist der Betreuer danach verpflichtet, den Pflichtteil zu verlangen und bleibt er dennoch untätig, bestehen Schadensersatzansprüche des Betreuten, die der Sozialhilfeträger überleiten kann8. Die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers ist erforderlich, wenn sich der Pflichtteil gegen seinen Betreuer richtet, auch wenn ein Sozialhilfeträger den Anspruch auf sich übergeleitet hat9.
1 Staudinger/Haas, § 2317 BGB Rz. 45 (§§ 1629 Abs. 2, 1796, 1795 Abs. 2, 181 BGB greifen nicht). 2 Aber regelmäßig nicht durchsetzt, BayObLG v. 7.12.1988 – BReg. 1a Z 8/88, FamRZ 1989, 540; Staudinger/Haas, § 2317 BGB Rz. 46–48; Palandt/Edenhofer, § 2317 BGB Rz. 4. Ein Ergänzungspfleger wird nicht bestellt, wenn der Erblasser nach § 1917 BGB einen Pfleger bestimmt hat. 3 Zur Verlängerung der Hemmung siehe Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts BT-Drs. 16/8954 v. 24.4.2008, S. 14 zu Nr. 3 (§ 207 BGB). 4 J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 3 Rz. 18. 5 BayObLG v. 18.9.2003 – 3 Z BR 167/03, OLGReport 2004, 7; zur Pflicht des Betreuers eines Behinderten: Keim, ZEV 2008, 161 (163); Muscheler, ZEV 2008, 105 (108); Spall, ZErb 2007, 272 (274); Schaal, BWNotZ 2008, 2 (10). 6 MüKo/Schwab, § 1901 BGB Rz. 11. 7 MüKo/Schwab, § 1901 BGB Rz. 15; Palandt/Diederichsen, § 1901 BGB Rz. 6. 8 BayVGH v. 21.3.2007 – 12 B 04.975, FamRZ 2008, 310. 9 BayObLG v. 18.9.2003 – 3Z BR 167/03, OLGReport 2004, 7.
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C VI Rz. 6
Pflichtteil
Ein Pfleger entscheidet ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen, ob er den Pflichtteil geltend macht1.
3. Psychologie der Beratertätigkeit 6 Das Verhältnis von Pflichtteilsberechtigten und Erben ist oft belastet. Es drohen emotionale Auseinandersetzungen. Faustregeln: Sachlichkeit bewahren. Gerade im ersten Anschreiben alles vermeiden, was Porzellan zerschlagen könnte (ruppige Worte, Auskunftsverlangen unter zu kurzer Frist und Klageandrohung). Ein vernünftiger Mandant kann durch seinen Ehepartner aufgehetzt sein. Fehlvorstellungen sind durch offenen Dialog abzubauen. Parteien fernhalten und Beratergespräche führen. Gütliche Lösung suchen. Ein Vergleich eröffnet Handlungsspielraum (z.B. teilweise Abfindung durch Übertragung von Nachlassgegenständen).
II. Pflichtteilsanspruch des Enterbten im Grundfall 1. Kreis der Pflichtteilsberechtigten a) Abstrakt Pflichtteilsberechtigte 7 § 2303 BGB bestimmt, wer zum Kreis der abstrakt Pflichtteilsberechtigten zählt: – Abkömmlinge des Erblassers nach § 1589 BGB, also Kinder, Enkel, Urenkel usw. Bei einem Erbfall seit dem 1.4.1998 wird zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern nicht mehr unterschieden, wenn die Vaterschaft nach § 1592 Nr. 2, 3 BGB förmlich feststeht2 und das Kind nicht vor dem 1.7.1949 geboren ist, Art. 227 Abs. 1 Nr. 1 BGB3. Ein wirksamer Erbausgleich vor dem 1.4.1998 beseitigt das Pflichtteilsrecht aber auch bei späteren Erbfällen4. Das BVerfG5 hat klargestellt, dass vor dem 1.7.1949 nichtehelich geborene Kinder auch dann erbrechtlich wie eheliche Kinder zu behandeln sind, wenn ihre Eltern erst nach dem 30.6.1998 miteinander die Ehe geschlossen haben, Art 6 Abs. 5 GG. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat jüngst entschieden, dass der Ausschluss des Erbrechts für vor dem 1.7.1949 nichtehelich geborene Kinder gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 14 i.V.m. Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt6. Die Tragweite dieser Rechtsprechung bleibt hier ungeprüft. 1 Staudinger/Haas, § 2317 BGB Rz. 44. 2 Palandt/Edenhofer, § 1924 BGB Rz. 8. 3 Für das Beitrittsgebiet gilt diese Altersgrenze für Erbfälle seit 3.10.1990 nicht, Artikel 235 § 1 Abs. 2 EGBGB; zutreffend de Leve gegen das falsche Urteil des LG Chemnitz v. 5.7.2006 – 2 O 1602/05, ZEV 2007, 227. 4 § 1934d, e BGB a.F., Art. 227 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB. 5 BVerfG v. 8.1.2009 – 1 BvR 755/08, NJW 2009, 1065. 6 EGMR v. 28.5.2009 – 3545/04, FamRZ 2009, 1293 mit Anm. Henrich.
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Pflichtteil
Rz. 8 C VI
– Angenommene bei Erbfällen und Adoptionen ab dem 1.1.1977, s. Übersicht: Erblasser
Adoption ab 1.1.1977/ Angenommener minderjährig, Art. 12 § 1 AdoptG
Adoption ab 1.1.1977/ Angenommener volljährig, Art. 12 § 1 AdoptG
Leibliche Eltern
Erb- und Pflichtteilsrecht erlischt, § 1755 Abs. 1 BGB. Ausnahme § 1756 Abs. 2 BGB
Erb- und Pflichtteilsrecht besteht, § 1770 BGB. Ausnahme § 1772 BGB
Verwandte der Erb- und Pflichtteilsrecht ers.o. leiblichen Eltern lischt, § 1755 Abs. 1 BGB. Ausnahme § 1756 Abs. 1, 2 BGB Adoptiveltern
Erb- und Pflichtteilsrecht entsteht, § 1754 BGB
Erb- und Pflichtteilsrecht entsteht, §§ 1767 Abs. 2, 1754 BGB
Verwandte der Adoptiveltern
Erb- und Pflichtteilsrecht entsteht, § 1754 BGB
Kein Erb- und Pflichtteilsrecht, § 1770 Abs. 1 BGB. Ausnahme § 1772 BGB
– Eltern1 des Erblassers sind abstrakt pflichtteilsberechtigt. Sie kommen nur beim Fehlen von Abkömmlingen des Erblassers zum Zuge, §§ 2309, 1930 BGB. – Ehegatten haben ein Pflichtteilsrecht bei gültiger Ehe, wenn es nicht nach § 1933 BGB2 entfallen ist. – Gleichgeschlechtliche Lebenspartner i.S.d. LPartG haben ein Pflichtteilsrecht nach § 10 Abs. 6 LPartG. Das Erb- und Pflichtteilsrecht erlischt gemäß § 15 oder § 10 Abs. 3 LPartG. Kein Pflichtteilsrecht haben insbesondere nicht adoptierte Stiefkinder, Geschwister des Erblassers, Geschwisterkinder (Neffe, Nichte), Großeltern des Erblassers und nichteheliche Lebenspartner. b) Konkrete Pflichtteilsberechtigung, § 2309 BGB
Û
Beratungssituation: Mandantin ist Mutter des Erblassers. Sie will gegen dessen Gattin (gesetzlicher Güterstand) als Alleinerbin Pflichtteilsansprüche geltend machen. Nachlasswert: 1 Mio. Euro. Die beiden Töchter des Erblassers haben je 50 000 Euro für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht erhalten.
1 Zum nichtehelichen Vater des verstorbenen Kinds s. Palandt/Edenhofer, § 2303 BGB Rz. 10. 2 Jüngst BGH v. 2.7.2008 – IV ZR 34/08, FamRB 2009, 81; OLG Stuttgart v. 11.8.2006 – 8 W 52/06, OLGReport 2007, 93; OLG Koblenz v. 27.11.2006 – 12 U 136/06, ZEV 2007, 378.
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Pflichtteil
9 § 2309 BGB vermeidet die Doppelbegünstigung eines Stamms durch Pflichtteilsansprüche und eine Vervielfältigung der Pflichtteilslast1. Dazu schränkt § 2309 BGB die konkrete Pflichtteilsberechtigung der Enkel ein. Enkel erhalten keinen Pflichtteil, soweit der nähere Abkömmling den Pflichtteil einfordert oder er eine seinen Pflichtteil deckende Zuwendung annimmt2. § 2309 BGB setzt also ein bestehendes (einzuschränkendes) Pflichtteilsrecht voraus und begründet keines, wenn die allgemeinen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind3. 10 Voraussetzungen für das konkrete Pflichtteilsrecht des Enkels: – Der nähere Abkömmling eines Stammes muss „weggefallen“ sein. § 1924 Abs. 2 BGB darf dem gesetzlichen Erbrecht des Enkels nicht entgegenstehen. Beispiele: Der Elternteil des Enkels stirbt vor dem Erbfall4, ist enterbt (Vorversterbensfiktion, überwiegende Ansicht5) bzw. für erbunwürdig erklärt worden, hat ausgeschlagen6 oder auf sein Erbrecht verzichtet. – Der Enkel muss selbst pflichtteilsberechtigt sein7 (Enterbung oder Fälle nach §§ 2305–2307 BGB). Rechtsfolge von § 2309 BGB: – Fall 1: Der Pflichtteil ist ausgeschlossen, wenn der Elternteil den Pflichtteil verlangen kann8 bzw. dieser mit einem gesetzlichen Erben einen „Pflichtteilsverzicht“ gemäß § 311b Abs. 5 BGB vereinbart hat9. – Fall 2: Der Anspruch des Enkels wird um den Wert des dem Elternteil Hinterlassenen gekürzt, soweit er es tatsächlich angenommen hat. 1 Soergel/Dieckmann, § 2309 BGB Rz. 1; J. Mayer, ZEV 1998, 433 (434); gute Kasuistik: Bestelmeyer, FamRZ 1997, 1124 ff.; S. auch Kapitel B XV Rz. 32–37. 2 J. Mayer, ZEV 1998, 433, Anm. zu OLG Celle v. 15.1.1998 – 22 W 115/97, ZEV 1998, 433. 3 OLG Köln v. 11.3.1998 – 13 W 14/98, OLGReport 1998, 346; MüKo/Lange, § 2309 BGB Rz. 2. 4 Staudinger/Haas, § 2309 BGB Rz. 8. 5 MüKo/Lange, § 2309 BGB Rz. 12; Soergel/Dieckmann, § 2309 BGB Rz. 10; Erman/ Schlüter, § 2309 BGB Rz. 1; Palandt/Edenhofer, § 2309 BGB Rz. 2 und § 1938 BGB Rz. 3; a.A. Staudinger/Haas, § 2309 BGB Rz. 13 ff., 31 (Enterbung des näheren Abkömmlings begründet kein Pflichtteilsrecht des entfernteren Abkömmlings); Bestelmeyer, FamRZ 1997, 1124 (1130 f.). Nach dieser Mindermeinung führt z.B. die Pflichtteilsentziehung bzw. Pflichtteilsunwürdigkeit des näheren Abkömmlings nicht zum Pflichtteilsrecht des entfernteren Abkömmlings. 6 J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 2 Rz. 30. 7 Soergel/Dieckmann, § 2309 BGB Rz. 16. 8 Lange/Kuchinke, S. 823 (Fn. 64). Es entscheidet die wahre Rechtslage. Der Enkel ist auch ausgeschlossen, wenn der Pflichtteil von seinem Elternteil nicht, nur teilweise oder erst nach Ablauf der Verjährungsfrist verlangt wird., Staudinger/Haas, § 2309 BGB Rz. 21. 9 OLG Celle v. 17.11.2003 – 6 W 100/03, OLGReport 2004, 93.
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Pflichtteil
Rz. 12 C VI
Beispiel: Vermächtnis1. Umstritten ist, ob das Hinterlassene auch eine lebzeitige Zuwendung sein kann. Die h.M.2 bejaht dies nach dem Schutzzweck zu Recht. Nach a.A.3 ist das Hinterlassene stets der Nachlass. Der Streit hat keine große Bedeutung. Die Enkel werden regelmäßig bereits nach § 1924 Abs. 2 BGB ausgeschlossen sein. Das Pflichtteilsrecht der Eltern des Erblassers ist – sofern es nicht nach § 1930 11 BGB ausgeschlossen ist – ebenfalls durch § 2309 BGB eingeschränkt4. Zur Beratungssituation: Die Alleinerbin hat eine gesetzliche Erbquote von ¾, Mandantin von ¼, §§ 1931 Abs. 1, 2, 1925 Abs. 1, 3 BGB. Die Töchter des Erblassers werden nicht berücksichtigt, § 2310 Satz 2 BGB. Mandantin ist enterbt. Ihr Pflichtteil wird gekürzt durch die lebzeitige Abfindung an die Kinder für den Erbverzicht: Nachlasswert 1 Mio. Euro × Pflichtteilsquote 1/8 = 125 000 Euro – 100 000 Euro = 25 000 Euro.
2. Entstehung des Pflichtteils a) Ausschluss von der Erbfolge
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Beratungssituation: Mandant ist neben seinen drei gehässigen Geschwistern Erbe seiner Mutter. Er will das Erbe ausschlagen, um den bequemen Geldpflichtteil zu erhalten.
Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, § 2303 BGB. Die Enterbung kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Beispiele: „Mein Sohn X ist enterbt“. Sie erfolgt stillschweigend, wenn der Nachlass erschöpfend anderen Personen zugewendet wird5.
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Beratungshinweis: – Im Testament ist nicht anzuordnen, dass der „Pflichtteil zugewendet“ wird. Hier sind drei Auslegungen denkbar: Der Betroffene ist enterbt und auf den Pflichtteil verwiesen, Erbe in Höhe seiner Pflichtteilsquo-
1 Staudinger/Haas, § 2309 BGB Rz. 22; MüKo/Lange, § 2309 BGB Rz. 14. 2 OLG Celle v. 15.1.1998 – 22 W 115/97, NJW 1999, 1847 (Abfindung für Erbverzicht); Palandt/Edenhofer, § 2309 BGB Rz. 5.3. Denkbar sind auch Zuwendungen nach §§ 2315, 2316 BGB, J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 2 Rz. 36; Staudinger/Haas, § 2309 BGB Rz. 23. 3 Pentz, NJW 1999, 1835 ff. 4 Bestelmeyer, FamRZ 1997, 1124 (1125). Soweit ein Erbverzicht der Abkömmlinge des Erblassers deren Pflichtteilsrecht nach §§ 2346, 2349 BGB beseitigt, besteht ein Pflichtteilsrecht der Eltern nur, wenn Abkömmlinge eines anderen Stamms fehlen, § 2350 Abs. 2 BGB. 5 BGH v. 22.3.2006 – IV ZR 93/05, ZEV 2006, 263.
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Pflichtteil
te oder Vermächtnisnehmer in Höhe seines Pflichtteils. Gemäß § 2304 BGB liegt im Zweifel keine Erbeinsetzung vor. Dann ist auszulegen, ob der Erblasser ein Vermächtnis oder eine Enterbung wollte. Maßgeblich ist, ob der Erblasser die Pflichtteilsberechtigten begünstigen (Vermächtnis) oder ihnen nur belassen wollte, was er ihnen nach dem Gesetz nicht entziehen konnte (Enterbung)1. – Zu warnen ist auch vor einem reinen Enterbungstestament nach § 1938 BGB ohne Erbeinsetzung2. Denn die gesetzliche Erbfolge führt nur in Ausnahmefällen zu gewünschten Ergebnissen. 13 Die Enterbung muss gewollt sein. Hat der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten infolge Unkenntnis oder Irrtums „übergangen“, ist die Anfechtung nach §§ 2079, 2281 Abs. 1, 2078 Abs. 2 BGB möglich, um den gesetzlichen Erbteil zu erhalten3. Das Pflichtteilsverlangen kann die Anfechtung nach § 141 BGB ausschließen4, soweit kein Anfechtungsvorbehalt erklärt wurde. Der Enterbungswille hat in der letztwilligen Verfügung unzweideutig zum Ausdruck zu kommen5. Eine Enterbung ist regelmäßig gegeben, wenn dem Betroffenen der Pflichtteil entzogen wird6. Eine Enterbung kann nach allgemeiner Meinung weder wechselbezüglich (§ 2270 Abs. 3 BGB) noch vertragsmäßig sein (§ 2278 Abs. 2 BGB)7.
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Beratungshinweis: Die Enterbung muss und sollte nicht begründet werden8.
14 Die Enterbung erstreckt sich im Zweifel nicht auf den Stamm des Enterbten9. Der Erblasser sollte aber immer verfügen, ob sich die Enterbung nur auf eine einzelne Person oder den gesamten Stamm bezieht10. Bei Verwirkungsklauseln erfasst indes die Enterbung im Verwirkungsfalle regelmäßig den ganzen
1 BGH v. 7.7.2004 – IV ZR 135/03, ZEV 2004, 374; OLG Nürnberg v. 21.5.2001 – 5 U 1132/01, FamRZ 2003, 1229. 2 Die Enterbung kann in einem Erbvertrag nur einseitig und nicht vertragsgemäß erfolgen, OLG München v. 13.9.2005 – 31 Wx 064/05, OLGReport 2006, 16. 3 Beispielhaft BayObLG v. 26.3.2004 – 1 Z BR 114/03, ZErb 2004, 389 (§ 2079 BGB); Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 61. 4 LG Heidelberg v. 3.4.1991 – 8 O 392/90, NJW-RR 1991, 969; Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 62. 5 BayObLG v. 2.3.1992 – BReg. 1 Z 46/91, FamRZ 1992, 986, Palandt/Edenhofer, § 1938 BGB Rz. 2. 6 BayObLG v. 18.1.2000 – 1 Z BR 133/99, ZEV 2000, 280 (anders, wenn der Erblasser durch die Pflichtteilsentziehung Anreiz geben wollte, dass die Erbschaft nicht ausgeschlagen wird). 7 OLG München v. 13.9.2005 – 31 Wx 064/05, MittBayNot 2006, 57. 8 BGH v. 14.1.1965 – II ZR 131/63, NJW 1965, 584 (Falsche Begründung führt die Vermutung nach sich, dass die Enterbung hierauf beruht. Anfechtungsgefahr, §§ 2079, 2281 Abs. 1, 2078 BGB); Palandt/Edenhofer, § 1938 BGB Rz. 2. 9 BayObLG v. 1.6.1989 – BReg. 1a Z 17/88, FamRZ 1989, 1232; Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 60; Palandt/Edenhofer, § 1938 BGB Rz. 3; a.A. ist vorzugswürdig, Scherer, ZEV 1999, 41 ff. 10 Scherer, ZEV 1999, 41 (45).
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Pflichtteil
Rz. 15 C VI
Stamm1. Insoweit wird es dem Erblasserwillen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht entsprechen, den Stamm durch Gewährung eines Erb- und Pflichtteils doppelt zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für den Stamm des Abkömmlings, der die Erbschaft ausschlägt und den Pflichtteil verlangt2. Enterbt sind der Auflagenbegünstigte3 sowie der bloße Schlusserbe und Ersatzerbe4 nach § 2096 BGB, soweit die Ersatzerbschaft noch nicht angefallen ist. Wird er Erbe, ist ein erhaltener Pflichtteil nach §§ 812 ff. BGB zurückzuzahlen. Nicht vom Erblasser enterbt ist derjenige, der kraft Gesetzes oder eigener Erklärung5 nicht Erbe wird: – Der auf ein Erb- oder Pflichtteilsrecht Verzichtende bzw. Betroffene (§§ 2346, 2349 BGB), der nach § 2309 BGB Ausgeschlossene, der Pflichtteilsunwürdige (§ 2345 Abs. 2 BGB), der auf eine Zuwendung Verzichtende6 (§ 2352 BGB), der nur bedingt (Nacherbe7), befristet oder unter der Pflichtteilsquote zum Erben Eingesetzte, der nach § 311b Abs. 5 BGB schuldrechtlich auf seinen gesetzlichen Erbteil zugunsten eines Miterben Verzichtende8, der gleichzeitig mit dem Erblasser Versterbende9, der einen vorzeitigen Erbausgleich Vereinbarende (§ 2338a BGB a.F.) sowie derjenige, dem der Pflichtteil entzogen wurde (§§ 2333 ff. BGB). – Der die Erbschaft Ausschlagende. Er kann keinen Pflichtteil, sondern nur Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen. Ein Pflichtteil trotz Ausschlagung ist die Ausnahme10. Es besteht nur in drei Fällen gemäß §§ 1371 Abs. 3, 2306, 2307 BGB. Die frist- und formgemäße Anfechtung der Ausschlagung wegen Irrtums nach § 2308 BGB oder § 119 BGB kann den Pflichtteil retten, soweit kein bloßer unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum vorliegt11.
1 BayObLG v. 18.9.1995 – I Z BR 34/94, FamRZ 1996, 440; Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 60. 2 OLG München v. 25.7.2006 – 31 Wx 39/06 u. 40/06, MDR 2007, 36 (§§ 2069, 2096 BGB); Palandt/Edenhofer, § 2069 BGB Rz. 4; anders bei abweichendem Erblasserwillen, BayObLG v. 2.3.2000 – 2 Z BR 144/99, ZEV 2000, 274. 3 J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 2 Rz. 37. 4 OLG Oldenburg v. 13.11.1990 – 5 U 76/90, NJW 1991, 958; Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 51. 5 Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 64. 6 J. Mayer, ZEV 1996, 127 (131). 7 BGH v. 4.12.1980 – IVa ZR 46/80, NJW 1981, 205; BGH v. 8.10.1997 – IV ZR 236/96, NJW 1998, 543 (Abgrenzung zur Ersatzerbschaft). 8 BGH v. 23.11.1994 – IV ZR 238/93, NJW 1995, 448; a.A. Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 43 (nur Abtretung künftiger Forderung). 9 OLG Frankfurt v. 11.7.1997 – 20 W 254/95, NJW 1997, 3099 (Abgrenzung zu § 2317 Abs. 2 BGB). 10 Malitz, ZEV 1998, 415; Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 42, § 2308 BGB Rz. 8; Nieder/Kössinger, § 25 Rz. 26. 11 S. Rz. 177; Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 42.
Rösler
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C VI Rz. 16
Pflichtteil
Zur Beratungssituation: Mandant kann sich durch eine Ausschlagung nicht auf den „bequemen“ Geldanspruch zurückzuziehen, um einer komplizierten und streitanfälligen Nachlassabwicklung aus dem Weg zu gehen. b) Erbfall 16 Nach § 2317 Abs. 1 BGB entsteht ein Pflichtteilsanspruch mit dem Erbfall. Das gilt auch, wenn der Anspruch erst durch Ausschlagung nach §§ 2306 Abs. 1, 2307, 1371 Abs. 3 BGB auflebt bzw. wenn ein vorhergehender Berechtigter i.S. v. § 2309 BGB ausschlägt oder für erbunwürdig erklärt wird1.
3. Pflichtteilsquote a) Grundschema der Quotenermittlung
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Beratungssituation: Mandant ist nach dem Tod seiner Mutter pflichtteilsberechtigt. Eine Schwester ist gewillkürte Alleinerbin, die auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet hat. Die andere Schwester hat einen Pflichtteilsverzichtsvertrag geschlossen. Pflichtteilsquote des Mandanten?
17 Die Pflichtteilsquote wird stets zum Zeitpunkt des Erbfalls nach folgendem Grundschema ermittelt: – Der fiktive gesetzliche Erbteil des Pflichtteilsberechtigten ist zu bestimmen. Die Höhe des Erbteils hängt von der Zahl der gesetzlichen Erben ab. Der Erbteil als Abkömmling, Elternteil oder Ehegatte ist maßgeblich2. Wer ist mitzuzählen? § 2310 Satz 1 BGB bestimmt, dass nicht die konkrete, sondern die abstrakte gesetzliche Erbquote entscheidet. Danach werden auch diejenigen mitgezählt, die bei konkreter gesetzlicher Erbfolge als nicht lebend ausgeschlossen sein würden: Der die Erbschaft Ausschlagende, der Erb- und Pflichtteilsunwürdige, der auf den Pflichtteil Verzichtende3 sowie derjenige, dem der Pflichtteil entzogen wurde. Nicht mitgezählt wird der auf sein Erbe Verzichtende, wenn er sich nicht den Pflichtteil vorbehalten hat4, § 2310 Satz 2 BGB. Ein Erbverzicht erhöht damit die Pflichtteilsquote anderer Angehöriger. Das gilt nur dann nicht, soweit sich der Erbverzicht entgegen § 2349 BGB nicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt (Haftungsrisiko)5.
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Beratungshinweis: Keinen Erbverzicht, sondern nur einen Pflichtteilsverzicht empfehlen.
1 J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 3 Rz. 3; Hinweise zur a.A. Staudinger/Haas, § 2317 BGB Rz. 4f (keine praktische Bedeutung). 2 Der besondere Erbteil nach §§ 1927, 1934 BGB bleibt unberücksichtigt. 3 BGH v. 17.3.1982 – IVa ZR 27/81, NJW 1982, 2497. 4 Soergel/Dieckmann, § 2310 BGB Rz. 11; OLG Düsseldorf v. 25.7.2008 – 7 U 22/06, ZEV 2008, 523. 5 Staudinger/Haas, § 2310 BGB Rz. 16.
1430 Rösler
Pflichtteil
Rz. 19 C VI
Nicht mitgezählt werden auch die vor oder gleichzeitig mit dem Erblasser Verstorbenen, soweit nicht deren Abkömmlinge zum Zuge kommen. – Pflichtteilsquote = fiktiver gesetzlicher Erbteil : 2. Zur Beratungssituation: Die auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtende Schwester wird nicht mitgezählt, § 2310 Satz 2 BGB. Die auf den Pflichtteil verzichtende Schwester wird mitgezählt. Es verbleiben zwei Kinder mit einem Erbteil von je ½, § 1924 Abs. 1, 4 BGB. Die Pflichtteilsquote beträgt ¼. b) Pflichtteilsquote von Ehegatten und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern
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Beratungssituation: Mandant ist im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Er fragt, ob er durch ein Testament die Pflichtteilsquote seiner Frau beeinflussen kann. Er will seine Gattin benachteiligen und seine Kinder begünstigen. Zugewinn besteht nicht.
Die Erb- und Pflichtteilsquote des Ehegatten richtet sich nach dem ehelichen Güterstand und der Anzahl der Verwandten1.
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Die Erb- und Pflichtteilsquote von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern i.S.d. LPartG richtet sich nach §§ 10, 6 LPartG2. Der Lebenspartner wird pflichtteilsrechtlich wie ein Ehegatte behandelt, § 10 Abs. 6 LPartG. Auch bei ihm hängt die Quote vom Güterstand und der Anzahl der Verwandten ab, § 10 Abs. 1, 2 LPartG. Nach § 6 LPartG gilt der Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn nicht durch Lebenspartnerschaftsvertrag gemäß § 7 LPartG der Güterstand der Gütertrennung oder Gütergemeinschaft vereinbart wurde. Beim Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist die Erbteilserhöhung nach § 6 LPartG, § 1371 BGB, zu beachten. Von einer gesonderten Darstellung wird abgesehen. aa) Güterstand der Zugewinngemeinschaft Beim Tod eines Ehegatten wird der Zugewinnausgleich durch eine pauschale Erhöhung des gesetzlichen Erbteils nach § 1931 Abs. 1, 2 BGB um ¼ verwirklicht, §§ 2303 Abs. 2 Satz 2, 1371 Abs. 1 BGB. Ob Zugewinn erzielt wurde, ist unerheblich3. Voraussetzung für den großen Pflichtteil aus dem pauschal um ¼ erhöhten gesetzlichen Erbteil (sog. erbrechtliche Lösung): – Der Ehegatte wird gesetzlicher oder gewillkürter Erbe, auch Alleinerbe4. 1 Bei Ehegatten ausländischer Staatsangehörigkeit Güterrechtsstatut nach Art. 14–17 EGBGB prüfen, s. Kapitel F Rz. 109 ff. § 1371 Abs. 1 BGB kommt nach richtiger Ansicht nur bei Geltung deutschen Güterrechts zum Zuge, Süß in Mayer/Süß/Tanck/ Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 15 Rz. 184 ff., s. Kapitel F Rz. 117 ff. 2 Mit Wirkung zum 1.1.2005 ist das LPartG neu gefasst. Übergangsvorschrift Art. 229 § 11 EGBGB. Das lebenspartnerschaftliche Güterrecht ist nun dem ehelichen Güterrecht angepasst, §§ 6, 7 LPartG. 3 BayObLG v. 15.2.1971 – BReg. 1 Z 90/70, NJW 1971, 991; Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 89. 4 BGH v. 21.3.1962 – IV ZR 251/61, NJW 1962, 1719.
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– Der Ehegatte nimmt zumindest ein ihm zugewendetes Vermächtnis an1. Weder ein gesetzliches Vermächtnis nach §§ 1969 Abs. 2, 1932 Abs. 2 BGB2 noch ein ausgeschlagenes Vermächtnis bzw. eine den Ehegatten begünstigende Auflage oder Testamentsvollstreckung3 verhelfen zum großen Pflichtteil. Wenn der Ehegatte weder Erbe noch Vermächtnisnehmer wird, gilt die sog. güterrechtliche Lösung, §§ 2303 Abs. 2, 1371 Abs. 2 BGB: – Es besteht ein Anspruch auf Ausgleich tatsächlich erzielten Zugewinns, §§ 1373–1383, 1390 BGB. Schuldner ist der Erbe des verstorbenen Ehegatten. Der Anspruch ist unabhängig davon, ob der überlebende Ehegatte erboder pflichtteilsberechtigt ist. Kein Ausgleichsanspruch besteht, wenn der verstorbene Ehegatte keinen Zugewinn erzielt hat, § 1381 BGB vorliegt oder beide Ehegatten gleichzeitig versterben4. Das Endvermögen eines Ehegatten, der während eines rechtshängigen Scheidungsverfahrens, in dem die Ehe voraussichtlich geschieden worden wäre, verstorben ist, ist auch dann nach dem Bewertungsstichtag des § 1384 BGB zu ermitteln, wenn der überlebende Ehegatte durch Testament als Erbe ausgeschlossen wurde und den güterrechtlichen Ausgleich verlangt.5 – Daneben hat der Überlebende gem. § 1371 Abs. 2 BGB den Pflichtteil aus dem nicht erhöhten gesetzlichen Ehegattenerbteil nach § 1931 Abs. 1, 2 BGB, sog. kleiner Pflichtteil. Nach h.M.6 kann der Ehegatte stets nur den kleinen Pflichtteil neben einem etwaigen Zugewinnausgleich geltend machen (Einheitstheorie). Es ist ihm nicht möglich, den großen Pflichtteil durch Verzicht auf den güterrechtlichen Zugewinnausgleich zu erlangen7.
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Beratungshinweis: Der Erblasser kann durch seine letztwillige Verfügung steuern, ob er seinem Ehegatten den großen oder kleinen Pflichtteil zukommen lässt. Danach bestimmt sich auch der Schutz der Pflichtteilsquote des überlebenden Ehegatten nach §§ 2305, 2306 a.F. (Erbfälle bis 31.12.2009), 2307, 2318, 2319, 2325 BGB8 und die Höhe der Erb- bzw. Pflichtteilsquote der anderen Pflichtteilsberechtigten.
20 Das Gesetz will dem Gatten stets zur Kombination kleiner Pflichtteil und Zugewinnausgleich verhelfen9. Daher hat auch der Ehegatte, der die Erbschaft 1 BGH v. 21.3.1962 – IV ZR 251/61, NJW 1962, 1719; BGH v. 17.3.1982 – IVa ZR 27/81, NJW 1982, 2497; Palandt/Brudermüller, § 1371 BGB Rz. 2 (Vermächtnis mit bloßem Erinnerungswert ist unzureichend). 2 Soergel/Dieckmann, § 2303 BGB Rz. 36. 3 Soergel/Dieckmann, § 2303 BGB Rz. 42. 4 BGH v. 28.6.1978 – IV ZR 47/77, NJW 1978, 1855; Palandt/Brudermüller, § 1371 BGB Rz. 13. 5 BGH v. 15.10.2003 – XII ZR 23/01, BGHReport 2004, 524. 6 BGH v. 25.6.1964 – III ZR 90/63, NJW 1964, 2404; BGH v. 17.3.1982 – IVa ZR 27/81, NJW 1982, 2497; Soergel/Dieckmann, § 2303 BGB Rz. 44. 7 Palandt/Brudermüller, § 1371 BGB Rz. 15 (h.M.). 8 Staudinger/Haas, § 2303 BGB Rz. 86. 9 Soergel/Dieckmann, § 2303 BGB Rz. 31.
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Pflichtteil
Rz. 22 C VI
oder ein Vermächtnis wirksam ausschlägt, nach § 1371 Abs. 3 BGB einen Pflichtteil. Das gilt auch, wenn er ihm durch Ausschlagung nach allgemeinen Bestimmungen nicht zustünde. Zu dieser sog. taktischen Ausschlagung s. Rz. 176. bb) Gütertrennung und Gütergemeinschaft § 1931 Abs. 1, 4 BGB vermeidet, dass der Erbteil eines Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung1 geringer ist als der eines Abkömmlings. Der Ehegattenerbteil beträgt neben einem Kind ½ oder zwei Kindern 1/3. Der Ehegatte erhält stets ¼, wenn mehr als zwei Kinder vorhanden sind. Beim Güterstand der Gütergemeinschaft2 gilt die Grundregel des Ehegattenerbrechts, § 1931 Abs. 1, 2 BGB.
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Zur Beratungssituation: Mandant kann seine Frau benachteiligen, wenn er sie in seinem Testament nicht als Erbin oder Vermächtnisnehmerin einsetzt. Dann hat seine Frau nach seinem Tode nur den sog. kleinen Pflichtteil vom nicht erhöhten gesetzlichen Ehegattenerbteil von ¼, also eine Pflichtteilsquote von 1/8. Daneben besteht kein Zugewinnausgleichsanspruch. cc) Übersicht Erb- und Pflichtteilsquote Ansprüche des überlebenden Ehegatten Verwandte der 1. Ordnung nach Anzahl der Kinder 1
2
Pflichtteil je Kind nach dem Tode des keine Verwandten ersten verheirateten 1. Ordnung, nur Elternteils 2. Ordnung
3
bei 1 Kind
bei 2 Kindern
bei 3 Kindern
¼
1/8
1/12
3/8
3/16
Zugewinngemeinschaft Gesetzliche Erbquote bei erbrechtlicher Lösung („Normalfall“)
½ (¼ + ¼)
¾ (2/4 + ¼)
Großer Pflichtteil
¼
3/8
1/8 + ZA*
¼ + ZA*
Güterrechtliche Lösung
3/24
(=1/8)
Gütertrennung Gesetzliche Erbquote
½
1/3
¼
½
¼
1/6
3/24
(=1/8)
1 § 1414 BGB. 2 §§ 1415 ff. BGB.
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Pflichtteil
Ansprüche des überlebenden Ehegatten Verwandte der 1. Ordnung nach Anzahl der Kinder
Pflichtteil des Ehegatten
1
2
3
¼
1/6
1/8
Pflichtteil je Kind nach dem Tode des keine Verwandten ersten verheirateten 1. Ordnung, nur Elternteils 2. Ordnung bei 1 Kind
bei 2 Kindern
3/8
3/16
bei 3 Kindern
¼
Gütergemeinschaft Gesetzliche Erbquote
¼
Pflichtteil des Ehegatten
1/8
½
3/24
(=1/8) ¼
* ZA = Etwaiger Zugewinnausgleich
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Beratungshinweis: Stets ist zu prüfen, ob sich der Erbteil des überlebenden Ehegatten erhöht (erb- oder güterrechtliche Lösung). Fehlerhafte Berechnungen – in der Praxis immer wieder festzustellen – bergen ein großes Haftungsrisiko.
c) Pflichtteilsquote von Kindern
Û
Beratungssituation: Mandantin wurde vom verstorbenen Vater enterbt. Ihr Bruder ist Alleinerbe. Ihre Mutter (gesetzlicher Güterstand) hat ein Vermächtnis ausgeschlagen. Mandantin fragt nach ihrer Pflichtteilsquote.
23 Die Pflichtteilsquote der Kinder richtet sich nach dem gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten. Stets ist erst der Erbteil des Ehegatten, dann derjenige der Kinder festzustellen. Die Pflichtteilsquote kann nicht ermittelt werden, wenn der Güterstand des Erblassers oder seine Verfügung von Todes wegen unbekannt ist. Gleiches gilt, wenn ungewiss ist, ob der überlebende Ehegatte im gesetzlichen Güterstand das Hinterlassene ausschlägt.
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Beratungshinweis: In dieser Situation helfen nur Auskunftsansprüche1.
Nach § 1924 Abs. 4 BGB erben Abkömmlinge zu gleichen Teilen. Ist ein Abkömmling eines Stamms vorverstorben, erben dessen Kinder kraft eigenen Erbrechts nach § 1924 Abs. 3 BGB. Zur Beratungssituation: Der Erblasser war im gesetzlichen Güterstand verheiratet. Die überlebende Ehegattin hat das Vermächtnis ausgeschlagen. Sie ist weder Erbin noch Vermächtnisnehmerin. Ihre Erbquote von ¼ gemäß § 1931 Abs. 1 BGB erhöht sich nicht, § 1371 Abs. 2 BGB. Mandantin und ihr Bruder 1 S. Rz. 120.
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teilen sich den restlichen Nachlass von ¾. Jeder hat eine fiktive Erbquote von 3/8. Mandantin hat eine Pflichtteilsquote von 3/16.
4. Höhe des Pflichtteils a) Ermittlungsmethode Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils, § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB. Er folgt aus der Pflichtteilsquote und dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls, sog. realer Nachlass. Die Bemessungsgrundlage des Pflichtteils kann sich in drei Fällen verändern: – Der reale Nachlass am Todestag wird dadurch erhöht, dass ihm (für Erbfälle ab 1.1.2010 ggf. der nach § 2325 Abs. 3 BGB abgeschmolzene Wert der) Schenkungen des Erblassers in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod hinzuzurechnen sind, sog. fiktiver Nachlass. Bei Schenkungen unter Ehegatten läuft die Zehnjahresfrist erst bei Auflösung der Ehe. Der Pflichtteil wegen der lebzeitigen Schenkungen des Erblassers heißt Pflichtteilsergänzungsanspruch, § 2325 BGB. – Zugunsten oder zulasten von Abkömmlingen des Erblassers wird der reale Nachlass erhöht oder reduziert um den Wert von lebzeitigen Vorempfängen nach §§ 2316, 2050 ff. BGB, sog. fiktiver Nachlass. Der Pflichtteil wegen lebzeitiger Vorempfänge zwischen Erblasser und Abkömmlingen heißt Ausgleichs- oder Ausgleichungspflichtteil. – Der reale Nachlass wird für denjenigen Pflichtteilsberechtigten erhöht, der vom Erblasser eine anrechnungspflichtige Zuwendung nach § 2315 BGB erhalten hat, sog. fiktiver Nachlass. Die Pflichtteilsermittlung erfolgt schrittweise. Grundschema: – Feststellung des Nachlassbestands. – Feststellung des pflichtteilsrelevanten Aktivnachlasses. – Feststelllung des pflichtteilsrelevanten Passivnachlasses. – Feststellung des Nachlasswerts. – Wertfeststellung des pflichtteilsrelevanten Aktivnachlasses. – Wertfeststellung des pflichtteilsrelevanten Passivnachlasses. – Pflichtteilsrelevanter Nettonachlass = Aktiv minus Passivnachlass. – Pflichtteil = Quote vom pflichtteilsrelevanten Nettonachlass. b) Feststellung des Nachlassbestands aa) Aktivnachlass
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Beratungssituation: Mandant ist pflichtteilsberechtigt. Der Alleinerbe hatte beim Erblasser Schulden von 100 000 Euro. Der Erbe meint, die durch Konfusion erloschene Forderung sei nicht in den Aktivnachlass aufzunehmen. Zu Recht? Rösler
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Pflichtteil
25 Der Todestag ist Stichtag für die Ermittlung des Nachlasses, § 2311 Abs. 1 BGB (Stichtagsprinzip). Damit ist eine klare gesetzliche Risikoverteilung gegeben. Nachträgliche Veränderungen werden nicht berücksichtigt1. Den Pflichtteilsberechtigten kümmert die Verschlechterung oder Zerstörung von Nachlassgegenständen nach dem Erbfall nicht. Dasselbe gilt, wenn Nachlassgegenstände unmittelbar nach dem Erbfall gestohlen werden oder abhanden kommen. Überdies ist die Kenntnis des Erben vom Erbfall für das Stichtagsprinzip unerheblich2. Dies kann zwar zu großen Härten führen. § 242 BGB darf prinzipiell aber nicht dazu führen, den Erben zu entlasten. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann der Einwand des Erben nach § 242 BGB Beachtung finden (streitig)3. In der Judikatur sind solche Ausnahmefälle noch nicht entschieden worden. Umgekehrt kommen dem Pflichtteilsberechtigten auch günstige Veränderungen oder Nutzungen des Nachlasses4 nicht zugute. Beispiel: Verzicht eines Gläubigers auf eine Nachlassschuld5. Gesetzliche Ausnahmen des Stichtagsprinzips sind in §§ 2315, 2316, 2325 ff. BGB geregelt6. Zum Aktivnachlass zählen alle vermögensrechtlichen Positionen des Erblassers. Das gilt auch für Nachlassgegenstände, die Sonderrechtsnachfolgeregeln unterworfen sind7. Es sind nicht nur bereits vom Erblasser begründete Rechte, sondern auch alle „unfertigen“ Rechtsbeziehungen maßgeblich, die der Erblasser noch zu Lebzeiten eingeleitet hat, die aber erst mit oder nach seinem Tod endgültige Rechtswirkungen entfalten8. Zum Aktivnachlass zählen insbesondere: 26 – Bausparvertrag von Ehegatten: Im Nachlass ist im Zweifel der Hälfteanteil des verstorbenen Ehegatten, § 430 BGB9. Angesparte Versicherungsguthaben stehen ungeachtet der formalen Zuordnung der Versicherung im Zweifel beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zu unabhängig vom Verhältnis der geleisteten Einzahlungen, § 742 BGB10.
1 BGH v. 26.9.2001 – IV ZR 198/00, ZEV 2002, 21; BGH v. 14.7.1952 – IV ZR 74/52, NJW 1952, 1173. 2 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 12. 3 S. BGH v. 26.9.2001 – IV ZR 198/00, ZEV 2002, 21 (keine Billigkeitskorrektur); MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 2; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 12; a.A. und zu großzügig RGRK/Johannsen, § 2311 BGB Rz. 2; J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 6 (z.B. Börsencrash, den der Pflichtteilsberechtigte auch als Erbe getroffen hätte). 4 Vgl. BGH v. 14.7.1952 – IV ZR 74/52, NJW 1952, 1173. 5 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 3. 6 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 4 f. 7 Soergel/Dieckmann, § 2311 BGB Rz. 6. 8 BGH v. 9.6.1960 – VII ZR 229/58, BGHZ 32, 367 (nicht mit Rechten gemäß § 2313 BGB zu verwechseln); Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 13. 9 Vgl. BGH v. 31.3.2009 – XI ZR 288/08, MDR 2009, 757; OLG München v. 24.10.1991 – 1 U 3596/91, NJW-RR 1992, 498. 10 OLG Bremen v. 23.9.2008 – 4 W 6/08, NJW 2008, 3648 (Lebensversicherung/Ablösung Hausdarlehen); BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 9/01, NJW 2002, 3702 (Sparguthaben).
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Rz. 27 C VI
– Bankguthaben. Gemeinschaftskonto, Oder-Konto, Und-Konto: Es gilt die Vermutung, dass sich der Anteil des Erblassers nach Kopfanteilen bestimmt, § 430 BGB1. Bei Ehegatten2 und Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft3 wird hälftige Inhaberschaft vermutet. Die Vermutung wird nicht dadurch entkräftet, dass das auf dem Oder-Konto angesammelte Guthaben ausschließlich oder überwiegend aus dem Einkommen eines Partners finanziert worden ist4. Ist das Konto überwiegend aus dem Vermögen eines Ehegatten gespeist, kommen ehebedingte Zuwendungen5 in Betracht, die über § 2325 BGB ausgleichspflichtig sind. Oder-Depot: Hier gilt § 430 BGB nicht6. Für die Eigentumslage an depotverwahrten Wertpapieren stellt § 742 BGB eine schwach ausgeprägte Auslegungsregel für gleiche Anteile am Oder-Depot auf. Sie gilt nicht, wenn sich aus dem Parteiwillen etwas anderes ergibt oder wenn sie der Sachlage nicht gerecht wird7. Die Errichtung eines Oder-Depots dient i.d.R. nur der praktikableren Verfügung und gibt keinen Aufschluss über die Eigentumslage8. Anders liegt es, wenn durch das Oder-Depot eine Beteiligung des Ehegatten am gemeinsam Erarbeiteten erreicht werden sollte9. Im Zweifel ist derjenige berechtigt, der die Wertpapiere erworben hat. Auch wenn ein Einzelkonto auf den Ehegatten des Erblassers lautet, kann im Nachlass des Erblassers ein Anspruch auf Teilhabe am Kontoguthaben gemäß §§ 741 ff. BGB enthalten sein10. Dasselbe gilt für ein Einzeldepot11. Wenn ein Konto auf den Namen des Erblassers lautet, der Erbe indes behauptet, der Erblasser habe insoweit ein
1 BGH v. 29.11.1989 – IVb ZR 4/89, NJW 1990, 705. 2 BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 321/95, NJW 1997, 1434; OLG Köln v. 18.3.1987 – 11 U 167/86, FamRZ 1987, 1139; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 14; OLG Naumburg v. 24.11.2006 – 10 U 32/06, OLGReport 2007, 687. 3 OLG Celle v. 22.10.1981 – 12 U 8/81, FamRZ 1982, 63; Ott-Eulberg/Schebasta/ Bartsch, Erbrecht und Banken, § 3 Rz. 149. 4 BGH v. 29.11.1989 – IVb ZR 4/89, NJW 1990, 705; OLG Köln v. 18.3.1987 – 11 U 167/86, FamRZ 1987, 1139; Ott-Eulberg/Schebasta/Bartsch, Erbrecht und Banken, § 3 Rz. 145 f. 5 Palandt/Grüneberg, § 430 BGB Rz. 2; Ott-Eulberg/Schebasta/Bartsch, Erbrecht und Banken, § 3 Rz. 145 f. 6 BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 321/95, NJW 1997, 1434; Palandt/Grüneberg, § 430 BGB Rz. 2; Ott-Eulberg/Schebasta/Bartsch, Erbrecht und Banken, § 4 Rz. 10 f. 7 BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 321/95, NJW 1997, 1434; OLG Frankfurt v. 27.2.2004 – 15 U 166/03, OLGReport 2005, 673; OLG Karlsruhe v. 4.7.2007 – 1 U 63/07, ZErb 2007, 457. 8 BGH v. 25.2.1997 – XI ZR 321/95, NJW 1997, 1434. 9 OLG Düsseldorf v. 21.6.1996 – 22 U 265/95, NJW-RR 1998, 918. 10 BGH v. 11.9.2002 – XII ZR 9/01, BGHReport 2003, 15 (leisten Ehegatten Einzahlungen auf ein Sparkonto und besteht Einvernehmen, dass die Ersparnisse beiden zugute kommen sollen – auch zur Altersvorsorge oder zugunsten ihrer Erben –, so steht ihnen die Forderung gegen die Bank im Innenverhältnis im Zweifel zu gleichen Anteilen zu); Bonefeld, ZErb 2003, 369; OLG Bremen v. 9.9.2005 – 4 W 24/05, OLGReport 2005, 607 (trotz Gütertrennung); OLG Naumburg v. 26.6.2006 – 10 U 23/06, OLGReport 2007, 313. 11 Vgl. OLG Celle v. 6.9.2006 – 15 U 1/06, OLGReport 2007, 479.
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Fremdkonto eröffnet, so bedarf es hierfür bei der Kontoeröffnung eindeutiger Umstände1. 28 – Forderungen des Erblassers, die durch Konfusion2 (Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit in einer Hand) oder Konsolidation3 erloschen sind. 29 – Gütergemeinschaft: Der Nachlass besteht in der Hälfte des Werts des Gesamtguts (§ 1416 BGB) sowie des Vorbehalts- (§ 1418 BGB) und Sonderguts (§ 1417 BGB) des Erblassers. Soll die Gütergemeinschaft aber nach §§ 1483 ff. BGB mit den Kindern fortgesetzt werden, fällt nur das Sonderund Vorbehaltsgut in den Nachlass. Gütertrennung und Zugewinngemeinschaft: Die Vermögen der Gatten bleiben getrennt. Zum Nachlass zählt nur das Vermögen des Erblassers. – Anschaffungen im Güterstand der Zugewinngemeinschaft und Gütertrennung: Persönliche Gegenstände stehen im Alleineigentum, angeschaffter Hausrat im Zweifel im hälftigen Miteigentum4. Ein Kfz ist Hausrat, wenn es überwiegend für das familiäre Zusammenleben genutzt werden soll5 oder es das einzige Fahrzeug ist6. Die Haltereigenschaft eines Ehegatten oder dessen Eintragung in den Kfz-Brief ist nur ein Indiz7. 30 – Anschaffungen in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft: Hier wird grundsätzlich derjenige Eigentümer, der die Sachen anschafft, sofern kein anderer Wille zum Ausdruck kommt. Gesamthandsvermögen oder Miteigentum entstehen grundsätzlich nicht8. Im Übrigen gilt bei Haushaltsund gemeinsam genutzten Gegenständen die Miteigentumsvermutung von §§ 1006, 742 BGB9. 31 – Kommerzielle Bestandteile des Persönlichkeitsrechts (Vermarktung von Name, Bild, Ruf) sind nach dem BGH vererbbar10. Dann ist der Nutzwert 1 Ott-Eulberg/Schebasta/Bartsch, Erbrecht und Banken, § 3 Rz. 6. 2 BGH v. 14.2.1975 – IV ZR 28/73, NJW 1975, 1123; BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 143/85, NJW 1987, 1260; OLG Schleswig v. 19.1.1999 – 3 U 192/97, OLGReport 1999, 195; OLG Schleswig v. 15.8.2006 – 3 U 63/05, ZEV 2007, 277. 3 Vereinigung von Recht und dinglicher Belastung, Gutachten DNotI-Report 2004, 13. 4 BGH v. 13.3.1991 – XII ZR 53/90, NJW 1991, 2283; Palandt/Brudermüller, § 1357 BGB Rz. 20. 5 Palandt/Brudermüller, § 1357 BGB Rz. 11 und § 1361a BGB Rz. 5; BGH v. 24.10.1990 – XII ZR 101/89, MDR 1991, 343; OLG Frankfurt v. 13.10.2003 – 2 WF 319/03, FamRZ 2004, 1105; OLG Zweibrücken v. 1.7.2004 – 2 UF 84/04, FamRZ 2005, 902. 6 Instruktiv OLG Düsseldorf v. 23.10.2006 – II 2 UF 97/06, OLGReport 2007, 146; OLG Koblenz v. 7.7.2005 – 9 WF 371/05, OLGReport 2005, 787. 7 J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 16. 8 Palandt/Brudermüller, Einl. v § 1297 BGB Rz. 22; OLG Düsseldorf v. 17.6.1998 – 11 U 80/97, MDR 1999, 233.18.12.1991 – 11 U 31/91, NJW 1992, 1706; MüKo/Wacke, nach § 1302 BGB Rz. 22. 9 OLG Düsseldorf v. 17.6.1998 – 11 U 80/97, MDR 1999, 233; Palandt/Brudermüller, Einl. vor § 1297 BGB Rz. 22; MüKo/Wacke, nach § 1302 BGB Rz. 22. 10 BGH v. 1.12.1999 – I ZR 226/97, ZEV 2000, 326; BGH v. 5.10.2006 – I ZR 277/03, ZEV 2007, 131; gebilligte Rechtsfortbildung: BVerfG v. 22.8.2006 – 1 BvR 1168/04, ZEV 2007, 129.
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Rz. 39 C VI
der Kommerzialisierung auch Bestandteil des pflichtteilsrelevanten Nachlasses1. – Steuerrückerstattungsansprüche für den Veranlagungsraum vor dem Todesjahr und das abgelaufene Rumpfsteuerjahr, für das eine Einkommensteuererklärung abzugeben ist. Bei gemeinsam veranlagten Ehegatten gilt: Hatte nur der Erblasser Einkünfte, fällt der gesamte Betrag in den Nachlass. Haben beide Ehegatten verdient, ist die fiktive Einzelveranlagung des Erblassers maßgeblich (streitig)2. Auch durch ertragsteuerlichen Verlustvortrag soll eine Steuerersparnis in den Aktivnachlass fallen3. Indes hat der BFH die Vererblichkeit von Verlustvorträgen nunmehr abgelehnt4. Nur für Altfälle kann der Verlustvortrag noch pflichtteilsrechtliche Bedeutung haben.
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– Ansprüche des Erblassers nach dem VermG, wenn er nach dem 29.9.1990 33 verstorben ist5. – Der Zuschlag eines Grundstücks im Versteigerungsverfahren, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Zuschlagsberechtigter war6.
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Zur Beratungssituation: Die durch Konfusion erloschene Forderung des Erblassers ist Teil des Aktivnachlasses. Nicht zum Aktivnachlass zählen insbesondere: – Laufende (nicht rückständige) Forderungen auf Gehalt, Rente, Miete, Pacht. Sie zählen nicht zum Vermögen, sondern zu Einkünften.
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– Bedingte, unsichere und zweifelhafte Rechte nach § 2313 Abs. 1 BGB7.
36
– Angelegte Kautionen des Erblassers als Vermieter8 und andere Vermögenswerte, die der Erblasser treuhänderisch gehalten hat9.
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– Geleaste Gegenstände.
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– Vermögenswerte, auf die sich ein beschränkter Pflichtteilsverzicht bezieht.
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1 Klingelhöffer, ZEV 2000, 327 (328, Recht i.S. § 2313 BGB). 2 S. Rz. 59. 3 Klingelhöffer, Rz. 242; Meincke, Steuerliche Chancen und Risiken als Nachlassbestandteil, Vortragsmanuskript zur ZEV-Jahrestagung 2002/2003, S. 27; Riedel, FS Damrau, 2007, 83 f. Beispiel: Immobilienerben konnten ihre Einkommensteuer mindern, indem sie von den Mieteinnahmen Verluste absetzten, die dem Erblasser durch Renovierungskosten entstanden waren. 4 BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, DStR 2008, 545; hierzu Piltz, ZEV 2007, 376 ff. 5 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 14; großzügiger OLG Köln v. 8.11.2001 – 12 U 111/01, ZFE 2002, 231. 6 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 14. 7 S. Rz. 72 ff. 8 BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 25a. 9 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 25a.
Rösler
1439
C VI Rz. 40
Pflichtteil
40 – Nicht zur Entstehung gelangte Rechtsverhältnisse zwischen dem Erblasser und Dritten. Nach dem Tod des Erblassers ist der Abschluss von Rechtsgeschäften nach §§ 130 Abs. 2, 153 BGB möglich. Eine Annahmeerklärung ist dabei genau zu prüfen1. 41 – Zulasten von Kindern und Eltern Gegenstände, die zum Voraus des Ehegatten zählen, soweit er ihm zusteht2, §§ 2311 Abs. 1 Satz 2, 1932 BGB. Der Ehegatte muss also gesetzlicher Erbe werden3. 42 – Alle Vermögenspositionen, die kraft Gesetzes oder Vereinbarung4 nicht vererblich sind. Beispiele: höchstpersönliche Rechte, Ansprüche des verstorbenen Unterhaltsberechtigten nach §§ 1615, 1360a Abs. 3 BGB, Versorgungsansprüche von Hinterbliebenen (Rente, Pensionen, betriebliche Altersversorgung)5. Der Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers ist nur vererblich, wenn der Erbfall nach Ablauf der Kündigungsfrist eintritt6. 43 – Alle Vermögenspositionen, die mit dem Tode des Erblassers erlöschen. Beispiele: Nießbrauch7 (§ 1061 Satz 1), persönliche Dienstbarkeit (§ 1090 Abs. 2 BGB), Wohnrecht, (§ 1093 BGB, anders das vererbliche Dauerwohnrecht, § 31 WEG). 44 – Alle Vermögenspositionen, die außerhalb der Erbfolge übergehen. Beispiele: Der Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall, insbesondere die begünstigende Lebensversicherung8, das Eintrittsrecht nach §§ 563, 563a BGB, der Anteilserwerb des überlebenden Ehegatten am Gesamtgut nach § 1483 Abs. 1 BGB sowie rechtsgeschäftliche Nachfolgeklauseln bei Personengesellschaften9. 45 – Das Vermögen einer Vorerbschaft des Erblassers, falls die Nacherbfolge mit seinem Tode eintritt10. Tritt der Nacherbfall später ein, besteht eine vererb1 Vgl. OLG Schleswig v. 19.1.1999 – 3U 192/97, OLGReport 1999, 195. 2 Kerscher/Riedel/Lenz, § 4 Rz. 20. 3 OLG Naumburg v. 5.11.1999 – 6 U 51/99, OLGReport 2000, 433; Worm, RNotZ 2003, 535 (536). 4 BGH v. 30.11.1977 – IV ZR 165/76, NJW 1978, 423; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 19. 5 Klingelhöffer, Rz. 240. 6 BAG v. 10.5.2007 – 2 AZR 45/06, ZEV 2007, 537. 7 OLG Frankfurt v. 20.10.1999 – 13 U 88/97, OLGReport 2000, 29 (Nießbrauch für Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB). 8 S. Rz. 215. 9 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 20. 10 Dann können Ausgleichsansprüche z.B. nach §§ 2124 Abs. 2 I, 2134 BGB im Nachlass sein.
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Pflichtteil
Rz. 47 C VI
liche Vermögensposition, die zu bewerten ist1. Unberücksichtigt bleiben auch eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, soweit die Ausschlagung fristgemäß erfolgt2, bzw. der Anspruch des Erben aus § 2287 BGB3. – Der Lottogewinn aus einem Los, das im Rahmen eines vom Erblasser abgeschlossenen Gewinnspielvertrags nach dem Erbfall erworben wurde, soweit der Erbe den Vertrag vor Erwerb des Loses hätte kündigen können4.
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bb) Passivnachlass
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Beratungssituation: Mandantin wurde von ihrem Mann enterbt. Der Alleinerbe setzt vom Aktivnachlass ab: Grabpflegekosten, rückständige Steuerschulden aus gemeinsamer Veranlagung des Erblassers als Alleinverdiener, Rechtsanwaltskosten zur Pflichtteilsregulierung, aus einem Annuitätendarlehen Zinsen über den Erbfall hinaus bis zur nächsten Kündigungsmöglichkeit. Zu Recht?
Faustregeln: Grundsätzlich sind nur Schulden abzugsfähig, die auch bei gesetzlicher Erbfolge entstanden wären5, nicht jene, die aus einer Verfügung des Erblassers von Todes wegen herrühren6. Zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehende vererbliche Schulden7 des Erblassers sind abzugsfähig. Nach dem Erbfall entstandene Schulden8 nur, soweit deren Rechtsgrund und Notwendigkeit am Todestag bereits im Keim angelegt war9. Abzugsfähig sind auch Kosten, die den Pflichtteilsberechtigten getroffen hätten, wäre er Erbe geworden10. Eine einredebehaftete, verjährte Schuld bleibt unberücksichtigt11.
1 J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 24; s. auch BGH v. 26.9.2001 – IV ZR 198/00, NJW 2002, 672. 2 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 8; MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 6 (Ausnahme vom Stichtagsprinzip). 3 BGH v. 21.6.1989 – IVa ZR 302/87, NJW 1989, 2389. Hier sind Pflichtteilsergänzungsansprüche zu prüfen. 4 AG Pirmasens v. 20.5.1998 – 1 C 26/98, NJW-RR 1998, 1463. 5 Soergel/Dieckmann, § 2311 BGB Rz. 15 („testamentsspezifische“ Kosten gehen grundsätzlich nicht zulasten des Pflichtteilsberechtigten); J. Mayer in Mayer/Süß/ Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 28. 6 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 26; Gutachten DNotI-Report 2004, 12. 7 Erblasserschulden, § 1967 Abs. 1 BGB. 8 Erbfallschulden, § 1967 Abs. 2 BGB. 9 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 26, 39; Erman/Schlüter, § 2311 BGB Rz. 5. Zur „Billigkeit“ BGH v. 14.7.1952 – IV ZR 74/52, NJW 1952, 1173. 10 MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 13; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 39; dies folgt aus der Erbersatzfunktion des Pflichtteils. 11 Lange/Kuchinke, § 37 VII 7a; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 31; MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 11.
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C VI Rz. 48
Pflichtteil
Der Nachlass darf nicht mit Schulden belastet werden, die nach wirtschaftlicher Betrachtung nicht bestehen1. Beispiel: Der Erblasser hat eine Schuld, die durch ein wirtschaftliches Äquivalent ausgeglichen wird, insbesondere Erstattungs- oder Regressansprüche.
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Beratungshinweis: Der Pflichtteilsberechtigte hat den Wert des Nachlasses für seine Ansprüche aus §§ 2303, 2325 ff. BGB zu beweisen. Daraus folgt auch, dass der Pflichtteilsberechtigte im Prozess das Nichtbestehen einer von ihm bestrittenen, vom Erben substanziiert dargelegten Nachlassverbindlichkeit zu beweisen hat2.
Kasuistik abzugsfähiger Schulden: 48 – Notwendige Anwalts- und Gerichtskosten, wenn der Erbe das Verfahren nach verständiger Würdigung im Nachlassinteresse3 führt. Die überwiegende Meinung verlangt nur, dass der Rechtsstreit im Nachlassinteresse nicht „mutwillig“4 geführt wird. Kosten eines Erbscheinsverfahrens sind nicht abzugsfähig5. Anders liegt es, wenn das Verfahren vom Pflichtteilsberechtigten ohne berechtigten Anlass betrieben wurde. Kosten der Erbauseinandersetzung sind unerheblich6. Anwaltskosten des Erben für die Pflichtteilsberechnung sind nicht abzusetzen7. 49 – Auskunfts- und Wertermittlungskosten nach § 2314 BGB8, Feststellungskosten nach § 2313 Abs. 2 Satz 2 BGB. 50 – Angemessene Beerdigungskosten, § 1968 BGB. Die Grabpflege und Anlage eines Doppelgrabs9 zählen nicht dazu, ebenso wenig die Reisekosten von Angehörigen zur Beerdigung nebst Verpflegung, von ihnen bestellten Kränze und Gestecke, die über das Sarggesteck hinausgehen10, sowie die Kosten der Todesanzeige, wenn der Erbe die namentliche Aufnahme des Pflichtteilsberechtigten verwehrt, § 242 BGB11.
1 BGH v. 8.5.1996 – IV ZR 112/95, ZEV 1996, 263. 2 BGH v. 11.6.2003 – IV ZR 410/02, ZEV 2003, 365. 3 BGH v. 8.5.1980 – IVa ZR 10/80, MDR 1980, 831; BGH v. 3.12.2008 – IV ZR 58/07, ZEV 2009, 77. Rechtsgedanke aus § 2313 Abs. 2 Satz 2 BGB. 4 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 40. 5 Soergel/Dieckmann, § 2311 BGB Rz. 13. 6 Soergel/Dieckmann, § 2311 BGB Rz. 15. 7 Dies zählt zum Pflichtenkreis des Erben, der insoweit nicht durch § 2314 Abs. 2 BGB entlastet wird; Gemmer, EE 2008, 116; a.A. Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 40. 8 BGH v. 19.4.1989 – IVa ZR 85/88, FamRZ 1989, 856 (§ 2314 Abs. 2 BGB); s. Rz. 149. 9 BGH v. 20.9.1973 – III ZR 148/71, NJW 1973, 2103. 10 AG Bad Homburg v. 9.1.2008 – 7c C 13/07, Beck RS 2008, 19733. 11 OLG Koblenz v. 17.10.2001 – 9 U 166/01, ZEV 2002, 460.
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Pflichtteil
Rz. 52 C VI
– Darlehen nach h.M. mit dem Saldo per Todestag einschließlich angefallener Zinsen1. Dies weist eine Saldenbestätigung des Kreditinstituts aus. Nach aufgegebener a.A.2 waren etwaige Bearbeitungskosten, Vorfälligkeitszinsen und Zinsen anzusetzen, die bis zum nächsten Kündigungstermin entstehen. Dies führte beim Annuitäten- bzw. Anschaffungsdarlehen zu einer erheblichen Nachlassverbindlichkeit. Die Mindermeinung war abzulehnen3. Sie verstieß gegen das Stichtagsprinzip und verkannte, dass dem Erben regelmäßig Nutzungen aus einer Finanzierung gegenüberstehen, auf die der Pflichtteilsberechtigte nicht zugreifen kann. Eine Vorfälligkeitsentschädigung wird in der Praxis zutreffend nicht als Nachlassverbindlichkeit angesetzt4, was dogmatisch umstritten ist5. Fällt die Entschädigung aber an, weil ein Nachlassgegenstand zeitnah nach dem Tod veräußert wird, mindert sie dessen Wert6. Kreditsichernde Lebensversicherungen. Beispiel: Zur Sicherung des Darlehens von 100 000 Euro tritt der Erblasser sein Bezugsrecht aus seiner Kapitallebensversicherung über 500 000 Euro (Bezugsberechtigte ist seine Gattin) teilweise an eine Bank ab. Am Todestag des Erblassers ist noch eine Darlehensschuld von 10 000 Euro offen. An sich fällt die Lebensversicherung nicht in den Nachlass. Die Darlehensschuld von 10 000 Euro würde voll als Passivum eingestellt. Dies würde den Pflichtteilsberechtigten unbillig benachteiligen7. Der Nachlass ist wirtschaftlich nicht belastet, da die Schulden von der Lebensversicherung gesichert sind. Der BGH8 hat daher entschieden, dass der Anspruch auf die Versicherungssumme in Höhe der gesicherten Darlehensschuld zum Nachlass zählt. Damit werden die Positionen wertneutral saldiert9. Beim Tode des Versicherungsnehmers erwirbt der Bezugsberechtigte die Versicherungsleistung, soweit sie die gesicherte Forderung übersteigt10.
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– Gesamtschulden, soweit sie der Erblasser im Innenverhältnis nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB11 zu tragen hat. Bei Ehegatten ist die Schuld im Zweifel
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1 Klingelhöffer, Rz. 262. 2 Aufgabe ihrer in der 1. Auflage vertretenen Ansicht: Ott-Eulberg/Schebesta/ Bartsch, Erbrecht und Banken, § 6 Rz. 19, 31, 99; anders noch Riedel, Die Bewertung von Gesellschaftsanteilen im Pflichtteilsrecht, 2006, § 3 Rz. 306. 3 J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 31. 4 Klingelhöffer, Rz. 235. 5 Dogmatisch für den Abzug: J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 20; Kasper in Scherer, MAH Erbrecht, § 46 Rz. 46; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 112a (wenn eine vernünftige Verwendungsentscheidung des Erben zugrunde liegt); a.A. nunmehr zu Recht Ott-Eulberg/Schebasta/Bartsch, Erbrecht und Banken, § 6 Rz. 19, 31, 99. 6 S. Rz. 83. 7 Klingelhöffer, Rz. 273 ff. 8 BGH v. 8.5.1996 – IV ZR 112/95, ZEV 1996, 263; J. Mayer, ZEV 2000, 905 (924). 9 Kummer, ZEV 1996, 264 (265); Ott-Eulberg/Schebasta/Bartsch, Erbrecht und Banken, § 6 Rz. 99. 10 BGH v. 12.12.2001 – IV ZR 124/00, MDR 2002, 579; OLG Koblenz v. 1.2.2007 – 2 U 898/05, ZEV 2007, 389. 11 BGH v. 6.12.1978 – IV ZR 82/77, NJW 1979, 546; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 38.
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C VI Rz. 53
Pflichtteil
zu halbieren. Hat der Erblasser als Alleinverdiener die Schuld im Innenverhältnis zu tragen1, ist sie auch voll anzusetzen. Dies soll nach einer abzulehnenden Ansicht nicht gelten, wenn die Zahlungen des Erblassers das (nicht geerbte) Vermögen des überlebenden Ehegatten gemehrt haben2. Beispiel: Ein Immobiliendarlehen wird vom Ehemann bis zu seinem Tode alleine bezahlt, obwohl die Ehefrau hälftige Miteigentümerin ist. 53 – Grundschulden, Hypotheken Pfandrechte und Bürgschaften, die Verbindlichkeiten des Erblassers sichern, werden nicht Nachlass mindernd berücksichtigt3. Sichern sie fremde Schulden, sind sie nach richtiger Ansicht4 nicht anzusetzen, wenn die Inanspruchnahme unsicher ist, § 2313 Abs. 2 BGB. Nach a.A. mindern Kreditsicherheiten den Nachlass, soweit sie valutiert sind5. Soweit ein werthaltiger Rückgriffs- bzw. Freistellungsanspruch des Erblassers besteht, stellt diese Meinung eine Nachlassforderung ein, so dass sich die Positionen wertneutral saldieren. Bei der Bewertung von Grundstücken bleiben Grundpfandrechte unberücksichtigt6. 54 – Durch Konfusion erloschene Schulden7. Beachtlich ist ebenfalls eine Forderung nach § 812 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BGB gegen den Nachlass, z.B. wegen frustrierter Erberwartung (streitig)8. 55 – Negative Kapitalkonten nur, soweit der Erblasser zur Auffüllung seines Kontos verpflichtet ist9. Im Übrigen bleiben sie unberücksichtigt, da sie nur für den Wert der Beteiligung Bedeutung haben10. 56 – Kosten für die Nachlassverwaltung-, -sicherung und -pflegschaft, die Inventarerrichtung, die Ermittlung der Nachlassgläubiger, das Aufgebotsverfahren, das Gläubigeraufgebot und solche des vorläufigen Erben sind nach h.M.11 ohne weiteres Passivpositionen. Dies ist einzuschränken. Die Kos1 BGH v. 13.4.2000 – IX ZR 372/98, NJW 2000, 1944; Palandt/Heinrichs, § 426 BGB Rz. 11; OLG Köln v. 20.12.2005 – 4 U 17/05, OLGReport 2006, 309. 2 Klingelhöffer, Rz. 272 (mit alternativem Lösungsweg über unbenannte Zuwendungen, § 2325 BGB). 3 Dies führte zu einem unzulässigen doppelten Schuldansatz, J. Mayer in Mayer/Süß/ Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 33. 4 OLG Köln v. 2.10.2003 – 2 W 95/03, ZEV 2004, 155 (Bürgschaft); Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 36; Soergel/Dieckmann, § 2313 BGB Rz. 8; s. auch Rz. 75. 5 Klingelhöffer, Rz. 265 ff.; OLG Düsseldorf v. 2.6.1995 – 7 U 108/94, NJW-RR 1996, 727 (Grundschuld für fremde Schuld). 6 Zimmermann/Heller, Verkehrswert von Grundstücken, 1999, S. 451 (Fn. 8). 7 OLG Schleswig v. 19.1.1999 – 3 U 192/97, OLGReport 1999, 195. 8 Haas/Holla, ZEV 2002, 169 (172); a.A. OLG Karlsruhe v. 6.12.2001 – 9 U 47/01, ZErb 2002, 100 (keine Nachlassschuld zum Stichtag,) mit zutreffender Anm. Bonefeld. 9 Klingelhöffer, Rz. 278 ff. und ZEV 1995, 180 ff. 10 BGH v. 23.10.1985 – IVb ZR 62/84, FamRZ 1986, 37; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 46. 11 OLG Celle v. 8.5.2003 – 6 U 208/02, OLGReport 2003, 304; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 40; MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 13; Lange/Kuchinke, S. 37 VII 7b; einschränkend Soergel/Dieckmann, § 2311 BGB Rz. 13 und Klingelhöffer, Rz. 286 (zur Nachlassverwaltung).
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Pflichtteil
Rz. 59 C VI
ten sind nur abzugsfähig, wenn die Maßnahmen im gebotenen Nachlassinteresse erfolgen, oder dem Pflichtteilsberechtigten von Vorteil, also zur Berechnung und Auszahlung des Pflichtteils förderlich sind1. Testamentsvollstreckungskosten bleiben grundsätzlich unberücksichtigt2. Ein Abzug ist nur möglich, wenn die Vollstreckung dem Pflichtteilsberechtigten einen Vorteil bringt. Beispiel: Der Erbe erspart Kosten für die Feststellung und Sicherung des Nachlasses, die der Pflichtteilsberechtigte nach § 2314 BGB anteilig zu tragen hätte. Überdies ist höchstens eine fiktive Gebühr des Testamentsvollstreckers für die Konstituierung (Erfassung) und Wertermittlung des Nachlasses3 abzugsfähig. Eine Erhöhungsgebühr ist nur im Ausnahmefall, eine Verwaltungsgebühr nie abzugsfähig. Die Kosten der Nachlassinsolvenz sind unerheblich, wenn die Überschuldung nach dem Erbfall eintritt4. – Abzugsfähig sind Ansprüche aus einem auf den Tod befristeten Herausgabevermächtnis oder Nachvermächtnis, mit denen der Erblasser aus einem früheren Erbe belastet war5. Dasselbe gilt, wenn der überlebende Ehegatte mit einem Vermächtnis in Gestalt der Jastrow’schen Pflichtteilsklausel belastet ist, das bei seinem Tode fällig wird6. – Auf wiederkehrende Leistungen gerichtete Verbindlichkeiten wie Nießbrauch, Wohnrecht, Leibgeding, die mit ihrem abgezinsten Kapitalwert anzusetzen sind7. Abzuziehen ist auch die Miete für die Wohnung des Erblassers bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit, wenn der Erbe die Mietwohnung nach § 564 BGB kündigt8.
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– Rückforderungsansprüche von Sozialhilfeträgern nach § 102 SGB XII9.
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– Rückständige, noch nicht veranlagte oder fällige Steuerschulden sind abzugsfähig, soweit sie in der Person des Erblassers entstanden sind10. Not-
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1 Rechtsgedanke aus § 2313 Abs. 2 S. 2 BGB; s. auch BGH v. 10.7.1985 – IVa ZR 151/83, NJW 1985, 2828. 2 BGH v. 3.12.2008 – IV ZR 58/07, ZEV 2009, 77 (besondere Einzelfallumstände: Versachlichung bei verhärteten Fronten der Beteiligten ausreichend); BGH v. 10.7.1985 – IVa ZR 151/83, NJW 1985, 2828; Becker/Horn, ZEV 2007, 62 ff. 3 Klingelhöffer, ZEV 2000, 261 (262). 4 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 46 (Nachlassinsolvenz am Todestag schließt einen Pflichtteil „mangels Masse“ aus). 5 MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 11; s. Rz. 340. 6 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 46; s. Rz. 345. 7 BGH v. 14.12.2004 X ZR 3/03, ZEV 2005, 213 (Rentenverpflichtung); Palandt/Edenhofer, § 2311 BGB Rz. 3; MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 24; s. Rz. 225 f. 8 Fieser, ZErb 2004, 348; für Abzug ohne jede Einschränkung Kindshofer, Erbfolgebesteuerung, 2003, 113 (116), vgl. KG v. 9.1.2006 – 8 U 111/05, NJW 2006, 2561 (§ 1967 BGB). 9 Palandt/Edenhofer, § 2311 BGB Rz. 3 und § 1967 BGB Rz. 11; Sächs. OVG v. 23.3.2006 – 4 E 318/05, ErbR 2006, 59 (§ 92c BSHG a.F.). 10 BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW 1993, 131; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 32.
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C VI Rz. 60
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wendige Steuerberatergebühren sind abzugsfähig1. Bei gemeinsamer Veranlagung von Ehegatten gilt: Im Außenverhältnis zum Finanzamt haften die Ehegatten gesamtschuldnerisch. Abzugsfähig ist aber nur die Steuerschuld, die der Erblasser im Innenverhältnis nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber seinen Ehegatten zu tragen hat. Nach richtiger Ansicht ist dies die Steuerschuld auf Grundlage fiktiver getrennter Veranlagung2. Nach a.A. hat jeder Ehegatte die Steuerschuld im Verhältnis zum jeweiligen Einkommen zu tragen3. Ist der Erblasser Alleinverdiener, trifft ihn im Innenverhältnis die volle Steuerschuld. Der überlebende Ehegatte kann sie voll ansetzen4. 60 – Unterhaltsansprüche, sofern sie mit dem Tode des unterhaltsverpflichteten Erblassers nicht erlöschen5, z.B. nach §§ 1615 Abs. 1 2. Halbs., 1615l Abs. 3, m, n und 1586b Abs. 1 BGB, § 16 Abs. 1 LPartG6. Große praktische Bedeutung hat der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten des Erblassers, der nach § 1586b BGB auf den Erben als Nachlassverbindlichkeit übergeht7. Dasselbe gilt, wenn die Ehe noch nicht geschieden, das Erbrecht des Ehegatten aber nach § 1933 Satz 1 BGB weggefallen ist, § 1933 Satz 3 BGB. Die Haftung des Erben ist gemäß § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB auf den fiktiven Pflichtteil des Unterhaltsberechtigten begrenzt. Bei der Haftungsgrenze sind Pflichtteilsergänzungsansprüche einzubeziehen, die dem Unterhaltsberechtigten nach § 2325 BGB gegen den Erben zustünden, wenn seine Ehe mit dem Erblasser erst durch dessen Tod auflöst worden wäre8. § 2329 BGB ist hier aber nicht anwendbar9. Dies legt in der Praxis den Rat an den unterhaltsverpflichteten Erblasser nahe, lebzeitige Schenkungen vorzunehmen. Der Unterhaltsberechtigte hat stets nur die sog.
1 BGH v. 31.5.2006 – XII ZR 111/03, NJW 2006, 2623 (§§ 426 BGB, 270 AO); Palandt/ Edenhofer, § 1353 BGB Rz. 12c; J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 15. 2 BGH v. 31.5.2006 – XII ZR 111/03, NJW 2006, 2623 (§§ 426 BGB, 270 AO); Palandt/ Edenhofer, § 1353 BGB Rz. 12c; J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 15. 3 BGH v. 6.12.1978 – IV ZR 82/77, NJW 1979, 546; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 32; MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 12; a.A. J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/ Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 15 (fiktive Einzelveranlagung maßgeblich). 4 Klingelhöffer, Rz. 281; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 32. 5 Mit dem Tod des Unterhaltsverpflichteten erlöschen Ansprüche auf Kindes-, Verwandten und Trennungsunterhalt, §§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4, 1615 Abs. 1 BGB. 6 MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 11. 7 Klingelhöffer, ZEV 2007, 586 (587); Haußleiter, NJW-Spezial 2005, 535 f. Der Berechtigte kann vom Erben u.U. nach § 1585 Abs. 2 BGB eine Kapitalabfindung verlangen; a.A. Kornexl, Nachlassplanung bei Problemkindern, 2006, Rz. 470. 8 BGH v. 18.7.2007 – XII ZR 64/05, NJW 2007, 3207; BGH v. 29.11.2000 – XII ZR 165/98, MDR 2001, 453 und v. 5.2.2003 – XII ZR 29/00, NJW 2003, 1796. 9 BGH v. 18.7.2007 – XII ZR 64/05, NJW 2007, 3207; Schindler, FamRZ 2004, 1527 (1529); OLG Koblenz v. 28.8.2002 – 9 UF 745/01, ZEV 2003, 111; Palandt/Edenhofer, § 1586b BGB Rz. 7.
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Pflichtteil
Rz. 60 C VI
kleine Pflichtteilsquote vom nicht erhöhten gesetzlichen Ehegattenerbteil nach § 1931 Abs. 1 und 2 BGB (1/8 neben Kindern). Es spielt keine Rolle, in welchem Güterstand der Unterhaltsberechtigte mit dem Erblasser verheiratet war, § 1586b Abs. 2 BGB. Die Reform des Unterhaltsrechts ab 1.1.2008 lässt erwarten, dass in vielen Fällen schon vor der Grenze des fiktiven Pflichtteils der Unterhaltsanspruch erlischt, §§ 1569, 1578b, 1579 BGB1. Der Erbe hat Verteidigungsmittel. Beispiele: Er kann sich auf Härteklauseln nach § 1579 BGB2 oder geringeren Bedarf des Unterhaltsberechtigten berufen3 bzw. die Haftungsbeschränkung auf den Nachlass geltend machen, §§ 1975, 1990, 1992 BGB4. Unzulässig ist die Berufung des pflichtteilsberechtigten Erben auf § 2328 BGB5. Der Einwand der Leistungsunfähigkeit des Erblassers oder des Erben ist ebenfalls unerheblich, §§ 1586b Abs. 1 Satz 2, 1581 BGB. Im Streitfall ist das Familiengericht zuständig. Der Erbe kann Abänderungsklage nach § 323 ZPO6 erheben oder die Haftungsbeschränkung nach § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB mit der Klage nach § 767 ZPO geltend machen7. Der Unterhaltstitel gegen den Erblasser kann auf den nach § 1586b BGB haftenden Erben umgeschrieben werden8.
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Beratungshinweis: In der Praxis wird oft der volle fiktive Pflichtteil (Haftungsgrenze) als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 1586b BGB eingestellt. Dies ist ungenau. Der Unterhaltsanspruch wird nach dem Erbfall nur pro rata temporis fällig und kann wegfallen. Klingelhöffer schlägt vor, die Unterhaltsansprüche nach dem Erbfall anhand der statistischen Lebenserwartung des Unterhaltsberechtigten zu errechnen und den Betrag dann abzuzinsen9. Ist der volle fiktive Pflichtteil vom Nachlasswert abgezogen worden, obwohl der Erbe letztlich weniger zahlen musste, hat der Pflichtteilsberechtigte insoweit einen Ausgleichsanspruch entsprechend § 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB10. Nicht abzugsfähig sind Ansprüche aus §§ 196311, 1371 Abs. 4 BGB12.
1 Münch, ZEV 2008, 571 (575); BT-Drs. 16/8954 vom 14.4.2008, S. 35, Anlage 4 zu Nr. 1. 2 Eine monatliche Unterhaltskürzung ändert aber nichts an der Haftsumme des fiktiven Pflichtteils, Erman/Graba, § 1586b BGB Rz. 3. 3 BGH v. 28.1.2004 – XII ZR 259/01, BGHReport 2004, 663. Instruktiv: Schindler, FamRZ 2004, 1527 ff.; Haußleiter, NJW-Spezial 2005, 535 f. 4 BGH v. 5.2.2003 – XII ZR 29/00, NJW 2003, 1796; BGH v. 18.7.2007 – XII ZR 64/05, NJW 2007, 3207. 5 BGH v. 18.7.2007 – XII ZR 64/05, NJW 2007, 3207; Palandt/Edenhofer, § 1586b BGB Rz. 2; a.A. OLG Koblenz v. 28.8.2002 – 9 UF 745/01, ZEV 2003, 111. 6 OLG Zweibrücken v. 27.10.2006 – 2 UF 58/06, OLGReport 2007, 406. 7 Haußleiter, NJW-Spezial 2005, 535 (536). 8 BGH v. 4.8.2004 – XII ZB 38/04, MDR 2004, 95. 9 Klingelhöffer, ZEV 2007, 586 (587); auch Erman/Graba, § 1586b BGB Rz. 9. 10 BT-Drs. 16/8954 vom 14.4.2008, S. 29, Anlage 3 zu Artikel 1 Nr. 7a – neu. 11 A.MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 14; a.A. Klingelhöffer, Rz. 296. 12 Soergel/Dieckmann, § 2311 BGB Rz. 15.
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1447
C VI Rz. 61
Pflichtteil
61 – Zugewinnausgleichsansprüche, wenn der überlebende Ehegatte nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer wird1. Dies gilt analog für den Lebenspartner gemäß § 6 LPartG2. – Ungeklärt ist, ob der überlebende Ehegatte gegen den Nachlass einen Rückforderungsanspruch geltend machen kann, wenn er dem Erblasser eine unbenannte Zuwendung gewährt hat3. Klingelhöffer plädiert hierfür. Es sei nicht einzusehen, dass ehebedingte Zuwendungen Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen, aber der Pflichtteilsberechtigte auch noch davon profitiere, wenn der überlebende Ehegatte den Nachlass durch eine ehebedingte Zuwendung erhöht habe. Klingelhöffer zitiert ein altes Urteil des BGH4, in dem als pflichtteilsrelevante Nachlassverbindlichkeit ein Geldbetrag abgezogen wurde, den die überlebende Ehegattin dem Erblasser zum Erwerb einer Nachlassimmobilie zugeschossen hatte, ohne dass ein Darlehen oder ein Gesellschaftsverhältnis vorlag. Klingelhöffers Forderung ist zuzustimmen. Indes hat der BGH entschieden, dass derjenige, der seinem Ehegatten eine ehebedingte Zuwendung gewährt hat, nach Beendigung der Ehe durch dessen Tod grundsätzlich keinen Ausgleichsanspruch gegen den Erben hat, wenn Ansprüche aus Auftrag, Darlehen, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Ehegatteninnengesellschaft nicht vorliegen5. Der BGH hat offen gelassen, ob in Ausnahmefällen etwas anderes gelten kann. Dies sollte jedenfalls der Fall sein, wenn es um wesentliche ehebezogene Zuwendungen geht, mit denen der Erblasser lebzeitig einen Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen hat. Bei Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft hat der BGH jüngst entsprechende Ausgleichsansprüche zuerkannt und seine frühere gegenteilige Rspr. aufgegeben6. Kasuistik nicht abzugsfähiger Schulden: 62 – Verbindlichkeiten des Erblassers aus einem überschuldeten Drittnachlass, wenn der Erbe von der möglichen Haftungsbeschränkung keinen Gebrauch macht7. 1 BGH v. 21.3.1962 – IV ZR 251/61, NJW 1962, 1719 (Fälle von § 1371 Abs. 2 u. 3 BGB). 2 J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 40. 3 Klingelhöffer, Rz. 277, ebenso Johannsen, WM 1973, 530 (541); Palandt/Edenhofer, § 2311 BGB Rz. 3 (Ansprüche aus „gemeinschaftlicher Wirtschaftsführung“). 4 BGH v. 25.10.1972 – IV ZR 120/72 (nicht veröffentlicht), zitiert von Johannsen, WM 1973, 530 (541). 5 BGH v. 4.4.1990 – IV ZR 42/89, NJW-RR 1990, 834 (bei Gütertrennung); Palandt/Grüneberg, § 313 BGB Rz. 52. 6 BGH v. 18.2.2009 – X ZR 163/07, MDR 2009, 693; BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, NJW 2008, 3277; BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 39/06, NJW 2008, 3282; hierzu Langenfeld, ZEV 2008, 494 f.; Bruch, MittBayNot 2009, 142; Majer, NJOZ 2009, 114; Grziwotz, FamRZ 2008, 1829 f. Indes sollen die Ausgleichsansprüche nach einer Ansicht nicht bei der Beendigung der Gemeinschaft durch Tod eines Partners gelten, Coester, JZ 2008, 315 (316); Löhnig, DNotZ 2009, 59 (61); von Proff, NJW 2008, 3266 (3269). Danach sind die Pflichtteilsberechtigten nur durch § 2325 BGB geschützt. 7 Staudinger/Haas, § 2314 BGB Rz. 34.
1448 Rösler
Pflichtteil
Rz. 71 C VI
– Laufende Grabpflegekosten1.
63
– Erbschaftsteuern, Kosten der Erbschaftsteuererklärung und eines etwaigen Rechtsbehelfsverfahrens2. Abzulehnen ist die Ansicht, dass eine erbschaftsteuerliche Nachsteuer abzugsfähig ist3.
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– Latente Einkommen- bzw. Ertragsteuern4.
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– Verwaltungskosten des Erben nach dem Erbfall (Stichtagsprinzip) und Nachlassverwertungskosten, die nur bei der Bewertung zu berücksichtigen sind5.
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– Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche6 (soweit nicht bereits der Erblasser mit ihnen belastet war).
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– Nicht vollzogene Schenkungen von Todes wegen nach § 2301 Abs. 1 BGB, da sie als Vermächtnisse gelten7.
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– Grundsätzlich „testamentsspezifische Kosten“ des Erben, etwa der Testamentseröffnung8, nach h.M. auch des Erbscheins9 (was abzulehnen ist, soweit der Erbschein für die Umschreibung von Grundbüchern oder Bankvermögen bzw. für Verfügungen benötigt wird).
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– Vermächtnisse10 (soweit nicht bereits der Erblasser mit ihnen belastet war, 70 z.B. durch ein Herausgabevermächtnis11), Auflagen, Ansprüche von Erbersatzberechtigten12 in Fällen vor dem 1.4.1998. Sie gehen im Rang den Pflichtteilsansprüchen nach, § 327 Abs. 1 Nr. 2, 3 InsO. Das gilt auch für gesetzliche Vermächtnisse13. – Zweifelhafte Rechte, § 2313 Abs. 2 BGB14.
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1 BGH v. 20.9.1973 – III ZR 148/71, NJW 1973, 2103; Nieder/Kössinger, § 2 Rz. 10248 (§ 1968 BGB greift nicht); a.A. Damrau, ZEV 2004, 456.; AG Neuruppin v. 17.11.2006 – 42 C 324/05, ZEV 2007, 597. 2 OLG Düsseldorf v. 18.12.1998 – 7 U 92/98, OLGReport 1999, 160; J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 45; MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 14; Palandt/Edenhofer, § 2311 BGB Rz. 4. 3 A.A. Meincke, Steuerliche Chancen und Risiken als Nachlassbestandteil, Vortragsmanuskript zur ZEV-Jahrestagung 2002/2003, S. 38; Klingelhöffer, Rz. 282. 4 BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 143/85, NJW 1987, 1260; BGH v. 26.4.1972 – IV ZR 114/70, NJW 1972, 1269. S. Rz. 84 ff. 5 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 46; Nieder/Kössinger, § 2 Rz. 49. 6 Gottwald, § 2311 BGB Rz. 15. 7 Nieder/Kössinger, § 2 Rz. 49; MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 14. 8 Soergel/Dieckmann, § 2311 BGB Rz. 15; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 46. 9 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 46; MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 14; LG München I v. 19.1.2009 – 15 O 14035/06 (nicht veröffentlicht); a.A. zu Recht J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 44; Gutachten DNotI-Report 2001, 108. 10 BGH v. 24.5.1972 – IV ZR 71/71, NJW 1972, 1669. 11 J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 34, s. Rz. 56 u. 340. 12 BGH v. 16.9.1987 – IVa ZR 97/86, NJW 1988, 136. 13 Z.B. §§ 1969, 1371 Abs. 4 BGB, MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 14. 14 S. Rz. 72 ff.
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C VI Rz. 72
Pflichtteil
Zur Beratungssituation: Vom Aktivnachlass werden die gesamten Steuerschulden des Erblassers als Alleinverdiener abgesetzt. Unerheblich sind die Zinslast aus dem Annuitätendarlehen bis zur nächsten Kündigungsmöglichkeit sowie Rechtsanwaltskosten für die Pflichtteilsregulierung und Grabpflegekosten. cc) Vorläufig ausgenommene ungewisse Rechte, § 2313 BGB
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Beratungssituation: Mandant ist pflichtteilsberechtigt. Der Erbe hat eine Forderung von 100 000 Euro nicht in den Aktivnachlass aufgenommen, weil der Nachlassschuldner über 50 000 Euro zahlungsunfähig ist. Jahre später begleicht der Schuldner den offenen Betrag nebst stattlichen Verzugszinsen.
72 § 2313 BGB ist eine Ausnahme vom Stichtagsprinzip. Ungewisse Positionen sind zunächst nicht in den Nachlass und die Pflichtteilsregulierung aufzunehmen. Sobald die Ungewissheit entfällt, erfolgt eine Ausgleichung, § 2313 Abs. 1 Satz 3 BGB. Weder der Erbe noch der Pflichtteilsberechtigte müssen sich eine spätere Ausgleichung im Urteil vorbehalten1. Von der Ausgleichung können der Erbe oder der Pflichtteilsberechtigte profitieren2. Maßgeblich sind die Umstände im Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteils, nicht des Erbfalls3. § 2313 BGB ist nicht anwendbar auf befristete Rechte und Verbindlichkeiten4 oder Vermögenspositionen, deren Wert lediglich schwer zu ermitteln ist. Auflösend bedingte Rechte und Verbindlichkeiten werden angesetzt und bewertet, § 2313 Abs. 1 Satz 2 BGB. Außer Ansatz bleiben vorläufig: 73 – Aufschiebend bedingte Rechte5 und Verbindlichkeiten, § 2313 Abs. 1 Satz 1 BGB. Hierunter zählen auch Rechtsbedingungen. Hat der Erblasser aber eine Sache unter Eigentumsvorbehalt erworben, ist die gesicherte Rechtsposition in den Nachlass einzustellen und nach § 2311 Abs. 2 BGB zu schätzen. Die beim Erbfall noch nicht getilgte Kaufpreisschuld ist als Passivum einzustellen6. 74 – Ungewisse und unsichere Rechte, § 2313 Abs. 2 Satz 1 BGB. Ungewiss ist ein Recht, wenn der rechtliche Bestand oder die Person des Berechtigten zweifelhaft sind7. Unsicher ist ein Recht, wenn dessen wirtschaftliche oder tatsächliche Verwertung zweifelhaft ist8. 1 Soergel/Dieckmann, § 2313 BGB Rz. 5; Staudinger/Haas, § 2313 BGB Rz. 14. 2 BGH v. 20.5.1992 – XII ZR 255/90, NJW 1992, 2154. 3 BGH v. 22.11.1954 – IV ZR 37/51, NJW 1952, 138.; Staudinger/Haas, § 2313 BGB Rz. 5. 4 BGH v. 20.6.1979 – IV ZR 137/77, FamRZ 1979, 787; Streitig s. (Leibrente); MüKo/ Lange, § 2313 BGB Rz. 4. 5 Z.B. noch nicht geltend gemachtes Rückforderungsrecht in einem Grundstücksüberlassungsvertrag, Gutachten DNotI-Report 2004, 12. 6 Staudinger/Haas, § 2313 BGB Rz. 7. 7 BGH v. 28.4.2004 – IV ZR 85/03, ZEV 2004, 377; BGH v. 22.11.1954 – IV ZR 37/51, NJW 1952, 138. 8 BGH v. 22.11.1954 – IV ZR 37/51, NJW 1952, 138; Staudinger/Haas, § 2313 BGB Rz. 8.
1450 Rösler
Pflichtteil
Rz. 76 C VI
Beispiele: Anfechtbare oder schwebend unwirksame Rechte1, uneinbringliche Forderungen gegen zahlungsunfähige Schuldner2, kommerzialisierte Persönlichkeitsrechte3, ein unwägbares Nacherbenrecht des Erblassers an einem anderen Nachlass4, Mitarbeiteraktienoptionen (Stock Options)5 oder die Milchquote (= Milchreferenzmenge) bei verpachteten Nachlassländereien6. – Zweifelhafte Verbindlichkeiten, § 2313 Abs. 2 Satz 1 BGB. Bestand oder Verwirklichung müssen unsicher sein. Ist die Verbindlichkeit nur teilweise zweifelhaft, ist § 2313 BGB nur insoweit anwendbar7.
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Beispiele: Kreditsicherheiten wie Verpfändungen, Bürgschaften, Hypotheken und Grundschulden für fremde Schulden, soweit die Inanspruchnahme ungewiss ist8, vom Erben bestrittene Nachlassverbindlichkeiten, selbst wenn der Gläubiger Klage erhoben oder ein noch nicht rechtskräftiges Urteil erwirkt hat9, Schulden des Erblassers aus einer einheitlichen Geschäftsverbindung, wenn wechselseitige Forderungen verrechnet wurden und eine Gegenforderung des Erblassers möglich ist10. Nach Wegfall des Schwebezustands11 erfolgt eine Ausgleichung, § 2313 Abs. 1 76 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 BGB. Berechnung: – Die Vermögensposition ist zu bewerten. Nach richtiger h.M. ist der Wert im Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich. Wertveränderungen nach dem Erbfall bleiben außer Betracht12. § 2313 BGB will nur den Zeitpunkt, an dem die Bewertung vorgenommen wird, nicht aber den Bewertungsstichtag13 ändern. Ausbezahlte Forderungen sind daher um den Kaufkraftschwund seit dem Erbfall zu bereinigen. Nach a.A. sind die Werte im Zeitpunkt der Beendigung des Schwebezustands maßgeblich. 1 Lange/Kuchinke, S. 856. § 37 VII 5a. 2 Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist nicht erforderlich, vgl. Gottwald, § 2314 BGB Rz. 7. Besonderheiten gelten bei Nachlassforderungen gegen zahlungsunfähige Nachlassbeteiligte, Soergel/Dieckmann, § 2313 BGB Rz. 7; Gemmer, EE 2008, 116 (117 f.). 3 Klingelhöffer, ZEV 2000, 327 (328); s. Rz. 31. 4 Vgl. BGH v. 9.6.1983 – IX ZR 41/82, NJW 1983, 2244; Staudinger/Haas, § 2313 BGB Rz. 9. 5 Kolmann, ZEV 2002, 216 (219); MüKo/Lange, § 2313 BGB Rz. 7. 6 OLG Celle v. 3.7.2003 – 6 U 46/03, OLGReport 2003, 429; zur Pfändbarkeit OLG Celle v. 3.5.2005 – 13 U 230/04, OLG Report 2005, 476. 7 BGH v. 22.11.1954 – IV ZR 37/51, NJW 1952, 138; Staudinger/Haas, § 2313 BGB Rz. 10. 8 Staudinger/Haas, § 2314 BGB Rz. 11; MüKo/Lange, § 2313 BGB Rz. 7; s. Rz. 53. 9 Einschließlich entsprechender Prozesskosten: Staudinger/Haas, § 2313 BGB Rz. 11. 10 BGH v. 14.7.1952 – IV ZR 74/52, BGH NJW 1952, 1173. 11 Z.B. Bedingungseintritt, rechtskräftige Feststellung von Rechten, Forderungseinziehung. 12 BGH v. 9.6.1993 – IV ZR 2056/92, NJW 1993, 2176. 13 Staudinger/Haas, § 2313 BGB Rz. 35.
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C VI Rz. 77
Pflichtteil
– Der Wert der Vermögensposition wird entweder auf der Aktiv- oder Passivseite dem ursprünglich festgestellten Nachlasswert hinzugerechnet. – Der Pflichtteil ist neu zu berechnen. Der Pflichtteilsberechtigte kann einen Nachzahlungsanspruch haben, der nicht vor Wegfall der Unsicherheit verjährt1. Hat der Pflichtteilsberechtigte zu viel erhalten, steht dem Erben ein Rückzahlungsanspruch zu2. Eine Sicherheitsleistung für den künftigen Ausgleich kann nicht verlangt werden3. Zur Beratungssituation: Der Erbe hat 50 000 Euro sofort in den Nachlass zustellen. § 2313 BGB greift nur in Höhe der Zahlungsunfähigkeit 50 000 Euro. Mandant kann nach Zahlung des Rückstands Ausgleichung langen. Auf Verzugszinsen kann er nicht zugreifen. Er muss sich auch Kaufkraftschwund zwischen Erbfall und Tilgung anrechnen lassen.
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c) Wertermittlung aa) Grundgedanke (1) Wertbegriff 77 Der Pflichtteil richtet sich nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls, § 2311 Abs. 1 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte ist nach gängiger Definition wirtschaftlich so zu stellen, als sei der Nachlass beim Tode des Erblassers in Geld umgesetzt worden4. Es ist auf den Verkehrswert5 (normalverkaufs- bzw. gemeine Wert) abzustellen, sofern keine Ertragswertprivilegierung greift6. Die Bewertung erfolgt aber nicht stets auf Grundlage einer fiktiven Versilberung. Das Bewertungsziel wird von der Erbersatzfunktion des Pflichtteilsrechts geprägt7. Das BVerfG8 hat dies klargestellt:„Dem Berechtigten soll in Geld der Teil des Nachlasses zukommen, der der Hälfte des gesetzlichen Erbteils gleichsteht (. . .). Diese Zielrichtung für die Wertberechnung hat zur Folge, dass auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls abge1 Soergel/Dieckmann, § 2313 BGB Rz. 4; Staudinger/Haas, § 2313 BGB Rz. 15. 2 § 818 Abs. 3 BGB ist durch § 819 Abs. 1 BGB ausgeschaltet, Staudinger/Haas, § 2313 BGB Rz. 16. 3 Klingelhöffer, Rz. 256, 295; § 916 Abs. 2 ZPO bleibt möglich; MüKo/Lange, § 2313 BGB Rz. 8. 4 BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; OLG Brandenburg v. 20.2.2008 – 13 U 112/06, Beck RS 2008, 03395; MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 19; Klingelhöffer, Rz. 173; ausführlich Riedel, Die Bewertung von Gesellschaftsanteilen im Pflichtteilsrecht, 2006, § 2 Rz. 48 ff., 74 ff.; Meincke, Zum normativen Konzept der Nachlassbewertung im Pflichtteilsrecht, FS H. Wiedemann, 2002, S. 105 ff. 5 BGH v. 19.12.2002 – III ZR 41/02, BGHReport 2003, 401; BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; § 194 BauGB, § 9 Abs. 2 BewG. 6 Zu § 2312 BGB s. Kapitel B XIII, Rz. 20 ff., 60 ff., 185 ff.; J. Mayer, MittBayNot 2004, 334. 7 BGH v. 14.7.1952 – IV ZR 74/52, NJW 1952, 1173 („Pflichtteilsberechtigte soll wirtschaftlich so dastehen, „als sei er zur Hälfte seines gesetzlichen Erbteils Erbe geworden“). 8 BVerfG v. 26.4.1988 – 2 BvL 13, 14/86, NJW 1988, 2723 (2724); Riedel, Die Bewertung von Gesellschaftsanteilen im Pflichtteilsrecht, 2006, § 2 Rz. 100.
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Pflichtteil
Rz. 78 C VI
stellt wird (§ 2311 BGB) und der konkrete Bestand sowie die realitätsgerechte wirtschaftliche Ertragsfähigkeit des jeweiligen Nachlasses ermittelt werden“. Für die Bewertung ist also maßgeblich, ob aus objektiver – nicht subjektiver – Sicht des Erben die Versilberung oder die Nutzung eines Nachlassgegenstands wirtschaftlich die bessere Alternative ist1. Wegen der vielgestaltigen Fragen ist das pflichtteilsrechtliche Bewertungsrecht nach wie vor im Fluss. Unerheblich sind jedenfalls vom Erblasser getroffene Wertbestimmungen2, § 2311 Abs. 2 Satz 2 BGB, Buchwerte, steuerliche Bewertungsvorschriften3 und Liebhaberwerte4, soweit sie nicht wegen eines Liebhabermarkts objektivierbar sind5.
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Beratungshinweis: Preise in Zeitungsanzeigen und sog. Listenpreise bieten nur eine Orientierungshilfe6. Auf Entscheidungen im Güterrecht nach § 1376 BGB7 oder im Gesellschaftsrecht nach §§ 304 ff. AktG8 kann zurückgegriffen werden, soweit die Bewertungsziele (Verkehrswert) gleich sind. Steuerwerte sind unerheblich, auch wenn die Erbschaftsteuerreform ab 1.1.2009 die Ermittlung des gemeinen Werts zum Ziel hat, s. unten Rz. 87 (Immobilien) und Rz. 89 (Unternehmen).
Bei „außergewöhnlichen Marktverhältnissen unter Ausnahmebedingungen9“ 78 am Bewertungsstichtag hat der BGH nicht auf den niedrigen Verkaufswert, sondern auf den „wahren inneren Wert“ abgestellt. Über diese „Denkfigur“ soll der Pflichtteilsberechtigte an „Werten“ partizipieren, die der Erbe momentan nicht auf dem Markt realisieren kann. Die „Billigkeitsrechtsprechung“ wird nur zugunsten, nicht zulasten des Pflichtteilsberechtigten angewendet10. Der Erbe wird dadurch geschützt, dass er ein Leistungsverweigerungsrecht11 in Höhe des Differenzbetrags zwischen Verkaufswert und wahrem inneren Wert hat12. Die gegenwärtigen Wirtschaftsverhältnisse lassen für 1 Riedel, Die Bewertung von Gesellschaftsanteilen im Pflichtteilsrecht, 2006, § 2 Rz. 119. 2 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 50; Gutachten DNotI-Report, 2004, 4. 3 BGH v. 30.9.1954 – IV ZR 43/54, BGHZ 14, 168; J. Mayer, ZEV 1994, 331. 4 BGH v. 25.3.1954 – IV ZR 146/53, NJW 1954, 1037. 5 Z.B. Münzen, Briefmarken, Kunstwerke: J. Mayer, ZEV 1994, 331. 6 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 53. 7 Der BGH behandelt die Bewertung im Güter- und Erbrecht im Wesentlichen gleich, BGH v. 24.10.1990 – XII ZR 101/89, FamRZ 1991, 43; BGH v. 7.5.1986 – IVb ZR 42/85, FamRZ 1986, 776; BGH v. 6.2.2008 – XII ZR 45/06, NJW 2008, 1221 (§ 1376, volle wirkliche Wert); J. Mayer, ZEV 1994, 331 (332, Fn. 19); bei Unternehmen zur Vorsicht mahnend: Riedel, Die Bewertung von Gesellschaftsanteilen im Pflichtteilsrecht, 2006, § 3 Rz. 291. 8 BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, NJW 1999, 3769 (3772: Bewertung ist auch für Pflichtteilsrecht maßgeblich); Coing, NJW 1983, 1298 (1299). 9 BGH v. 21.3.1973 – IV ZR 157/71, NJW 1973, 995 (Stopppreise für Immobilien); BGH v. 31.5.1965 – III ZR 214/63, NJW 1965, 1589 (Immobilien und Chruschtschow-Ultimatum); BGH v. 1.4.1992 – XII ZR 146/91, NJW-RR 1992, 899 (Immobilienflaute). 10 BGH v. 13.3.1991 – IV ZR 52/90; NJW-RR 91, 900; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 54. 11 § 273 BGB oder § 2331a BGB. 12 BGH v. 25.3.1954 – IV ZR 146/53, NJW 1954, 1037.
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1453
C VI Rz. 79
Pflichtteil
die Anwendung dieser Denkfigur aber keinen Raum1. Auch die Finanzkrise im Jahre 2008 (2009) ist den Marktverhältnissen immanent und bewertungsrechtlich hinzunehmen. 79 Es ist Sinn des Stichtagsprinzips, dass Wertsteigerungen oder Wertverluste nach dem Erbfall außer Betracht bleiben2. Jedoch können alle wirtschaftlich fassbaren, bereits im Keim angelegten Entwicklungen durch Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden3. (2) Tatsächlicher Verkaufserlös, Abzug unvermeidbarer Veräußerungskosten
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Beratungssituation: Mandant ist Alleinerbe. Der Sachverständige hat das Nachlassgrundstück auf 800 000 Euro geschätzt. 15 Monate nach dem Erbfall hat Mandant das Grundstück zu einem Preis von nur 700 000 Euro verkauft. Die Grundstückspreise haben sich nach Bodenrichtwertauskunft der Gemeinde nicht geändert. Die Vertragskosten belaufen sich auf 20 000 Euro (Makler, Steuerberatung, Vorfälligkeitsentschädigung). Welcher Wert ist für die Pflichtteilsberechnung maßgeblich?
80 Die Bewertung von Nachlassgegenständen richtet sich nach dem Veräußerungserlös, der bald nach dem Erbfall tatsächlich erzielt wurde, soweit keine außergewöhnlichen Verhältnisse vorliegen4. Dies gilt auch für den Erlös aus einer Versteigerung oder Liquidation5. Der tatsächliche Erlös verdient Vorzug vor einer mit Unsicherheitsfaktoren belasteten Schätzung6. Er ist nach § 287 ZPO auch maßgeblich, wenn er niedriger ausfällt als eine bereits vorliegende Schätzung7. Voraussetzungen: 81
Zeitmoment. Eine Veräußerung von sechs Monaten8, sieben Monaten9 oder zwölf Monaten10 nach dem Erbfall ist unstreitig zeitnah. Zeiträume von zwei
1 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 55; Klingelhöffer, Rz. 176 f.; J. Mayer, ZEV 1994, 331 (336). 2 BGH v. 23.5.2001 – IV ZR 62/00, NJW 2001, 2713; OLG Brandenburg v. 20.2.2008 – 13 U 112/06, Beck RS 2008, 03395. 3 Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 62; J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 53. 4 Skeptisch MüKo/Lange, § 2311 BGB Rz. 20; J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/ Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 40 (da der Pflichtteilsberechtigte so in den Genuss einer Nachabfindung gelangen könne). 5 BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; BGH v. 17.3.1982 – IVa ZR 27/81, NJW 1982, 2497. 6 BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; OLG Brandenburg v. 20.2.2008 – 13 U 112/06, Beck RS 2008, 03395. 7 BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; OLG Düsseldorf v. 27.5.1994 – 7 U 136/93, ZEV 1994, 361. 8 BGH v. 13.3.1991 – IV ZR 52/90, NJW-RR 1991, 900 (Grundstück). 9 OLG Düsseldorf v. 27.5.1994 – 7 U 136/93, ZEV 1994, 361 (Grundstück). 10 BGH v. 17.3.1982 – IVa ZR 27/81, NJW 1982, 2497 (Unternehmen); Riedel, Die Bewertung von Gesellschaftsanteilen im Pflichtteilsrecht, 2006, § 2 Rz. 69 (argumentum § 11 Abs. 2 S. 2 BewG).
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Jahren und vier Monaten1, drei Jahren2, fünf Jahren3 oder sechseinhalb Jahren4 sind zulässig, sofern sich die Marktverhältnisse nicht wesentlich geändert haben. Der BGH hat keine feste Zeitgrenze gezogen. Überdies ist auch ein zeitnaher Veräusserungserlös vor dem Erbfall maßgeblich5. Entsprechendes gilt für die Bewertungsstichtage in §§ 2325 Abs. 2, 2315 Abs. 2, 2327 Abs. 1, 2316 BGB. Umstandsmoment. Der Verkaufserlös ist nicht maßgebend, wenn er durch besondere Umstände geprägt wurde.
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Beispiele: Seit dem Erbfall sind wesentliche Veränderungen der Marktverhältnisse oder des Nachlassgegenstands eingetreten6, der Käufer hat ein Liebhaberinteresse7 bzw. besondere Absichten8, Käufer und Verkäufer haben zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten zusammengewirkt9 bzw. zwischen ihnen besteht eine persönliche, wirtschaftliche oder gesellschaftsrechtliche Verflechtung10 oder der Erbe liefert dem Sachverständigen bewusst falsche Bewertungsgrundlagen11. An § 6 Abs. 2, 3 WertV, der beispielhaft ungewöhnliche Umstände anführt, kann angeknüpft werden12. Berechnung des pflichtteilsrelevanten Veräußerungserlöses:
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– Der Veräußerungerlös ist bei Grundstücken um die nach dem Erbfall erfolgte Entwicklung der Grundstückspreise zu bereinigen13. Dies geschieht durch eine Rückrechnung der Bodenpreise vom Verkaufszeitpunkt auf den Erbfall. Die Rückrechnung hat ggf. auch für Gebäudewerte zu gelten. – Anschließend sind unvermeidbare Veräußerungskosten14 abzusetzen. Der Erbe enthält auch nur den um diese Kosten geminderten Veräußerungserlös. 1 OLG Frankfurt v. 7.11.2002 – 16 U 10/02, ZEV 2003, 364 (Grundstück). 2 A.A. OLG Düsseldorf v. 23.9.1994 – 7 U 198/93; FamRZ 1995, 1236 (Grundstück). 3 BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131 (Grundstück); a.A. J. Mayer, ZEV 1994, 331 (332). 4 OLG Düsseldorf v. 4.11.1988 – 6 UF 27/88, FamRZ 1989, 1181 (Unternehmen). 5 Staudinger/Haas, § 2314 BGB Rz. 60, § 2311 BGB Rz. 67; s. § 11 Abs. 2 BewG. 6 BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131. 7 BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131. 8 Landbedarf für Flughafengesellschaft, BGH v. 13.3.1991 – IV ZR 52/90, NJW-RR 1991, 900; investitionsstrategische Ziele bei Unternehmenskauf, Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 65. 9 OLG Düsseldorf v. 27.5.1994 – 7 U 136/93, ZEV 1994, 361. 10 J. Mayer, ZEV 1994, 331 (333). 11 OLG Düsseldorf v. 27.5.1994 – 7 U 136/93, ZEV 1994, 361. 12 J. Mayer, ZEV 1994, 331 (333). 13 BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; J. Mayer, ZEV 1994, 331 (333). 14 BGH v. 17.3.1982 – IVa ZR 27/81, NJW 1982, 2497; Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 66; zu § 13 HöfeO OLG Oldenburg v. 23.3.2006 – 1 O 33/04, OLGReport 2007, 74; strenger Maßstab bei J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 54.
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Beispiele:1 Vermittlungsgebühr für Makler2, Steuern3, Honorare für hinzugezogene Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer4 oder eine Karenzentschädigung. Hierunter fällt auch eine unvermeidbare Vorfälligkeitsentschädigung5. Überdies sollte der Verkaufserlös um den Kaufkraftschwund bereinigt werden. Zur Beratungssituation: Der Erlös von 700 000 Euro ist maßgeblich, auch wenn er 100 000 Euro unter dem Schätzwert liegt. Vom Erlös sind die Vertragskosten von 20 000 Euro abzuziehen. Da sich die Bodenrichtwerte seit dem Erbfall nicht erhöht haben, hat das Grundstück einen Wert von 680 000 Euro. (3) Abzug latenter Steuern und hypothetischer Veräußerungskosten
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Beratungssituation: Mandant ist Alleinerbe. Im Nachlass befindet sich in eine Brauerei, die ein Jahr nach dem Erbfall verkauft wurde. Kann Mandant die mit der Auflösung der stillen Reserven verbundene latente Steuerlast nach § 16 EStG vom Veräußerungserlös abziehen?
84 Bei der Unternehmensbewertung ist umstritten, ob latente Ertragsteuern nach §§ 16 ff. EStG den Wert mindern. Diese Frage betrifft auch Immobilien, die sich zum Zeitpunkt der Veräusserung im Betriebsvermögen befunden haben6. Es ist zu unterscheiden: – Im Zugewinn zieht der BGH die latente Ertragsteuer stets als wertmindernde Veräußerungskosten ab, da er bei der Bewertung auf einen fiktiven Verkauf abstellt7. – Im Pflichtteil gelten andere Grundsätze: Nach BGH8 und verbreiteter Meinung9 mindern latente Steuern den Wert des Nachlassgegenstands nicht, 1 2 3 4 5 6 7
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Nach BGH v. 17.3.1982 – IVa ZR 27/81, NJW 1982, 2497. Staudinger/Haas, § 2311 BGB Rz. 66. Z.B. Umsatzsteuer. Zur latenten Steuerlast s. Rz. 84 ff. A.A. J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 5 Rz. 54. BFH v. 25.1.2000 – VIII R 55/97, NJW 2000, 3591 (Vorfälligkeitsentschädigung als Veräußerungskosten i.S. v. § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG). BGH v. 22.10.1986 – IVa ZR 143/85, NJW 1987, 1260 (Bauerwartungsland); Klingelhöffer, Rz. 187; Kasper in Scherer, MAH Erbrecht, § 46 Rz. 35. BGH v. 24.10.1990 – XII ZR 101/89, FamRZ 1991, 43; BGH v. 8.9.2004 – XII ZR 194/01, BGHReport 2005, 166; BGH v. 6.2.2008 – XII ZR 45/06, NJW 2008, 1221; OLG Düsseldorf v. 20.9.2007 – II-7 UF 98/07, OLGReport 2008, 147; kritisch Kogel, NJW 2007, 556 (558 f.). BGH v. 14.10.1992 – IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131; BGH v. 22.10.1986 – IVa