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German Pages 308 Year 2014
Ricarda Drüeke Politische Kommunikationsräume im Internet
Critical Media Studies Band n
Editorial Die Reihe Critical Media Studies versammelt Arbeiten, die sich mit der Funktion und Bedeutung von Medien, Kommunikation und Öffentlichkeit in ihrer Relevanz für gesellschaftliche (Macht-)Verhältnisse, deren Produktion, Reproduktion und Veränderung beschäftigen. Dies kann sowohl aus sozial- wie kulturwissenschaftlicher Perspektive erfolgen, wobei sich deren Verbindung als besonders inspirierend erweist. Das Spektrum der Reihe umfasst aktuelle wie historische Perspektiven, die theoretisch angelegt oder durch eine empirische Herangehensweise fundiert sind. Die Herausgeberinnen orientieren sich dabei an einer kritischen Gesellschaftsanalyse, die danach fragt, in welcher Weise symbolische und materielle Ressourcen zur Verfügung gestellt bzw. vorenthalten werden und wie soziale und kulturelle Einschluss- und Ausschlussprozesse gestaltet sind. So verstandene kritische Kommunikations- und Medienwissenschaft schließt die Analyse der sozialen Praktiken der Menschen, ihrer Kommunikations- und Alltagskulturen ein und fragt danach, wie gesellschaftliche Dominanzverhältnisse reproduziert, aber auch verschoben und unterlaufen werden können. Als relevante Dimensionen gesellschaftlicher Ungleichheit und sozialer Positionierung werden insbesondere Geschlecht, Ethnie, soziale und kulturelle Differenz sowie deren Intersektionalität in den Blick genommen. Die Reihe wird herausgegeben von Elisabeth Klaus, Margreth Lünenborg, Jutta Röser und Ulla Wischermann.
Ricarda Drüeke (Dr. phil.) ist Postdoc am Fachbereich Kommunikationswis-
senschaft der Universität Salzburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Öffentlichkeitstheorien, Online-Kommunikation und Gender Studies.
RICARDA DRÜEKE
Politische Kommunikationsräume im Internet. Zum Verhältnis von Raum und Öffentlichkeit
[ transcript]
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©
2013
transcript Verlag, Bielefeld
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Inhalt Danksagung ..... ................. ....... ............. .......... .......... .......... ........... .......
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Teil I: Grundlagen: Internet und Öffentlichkeit 1
Einleitung: Internet und Öffentlichkeit....................................... 1.1 Kontext und Kontroversen..................................................... 1.2 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit........................... 1.3 Aufbau der Arbeit...................................................................
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Positionsbestimmung..................................................................... 2.1 Politische Kommunikation..................................................... 2.2 Medien und Demokratie ...... ........... .......... .......... .... ... ............ 2.3 Online-Kommunikation .........................................................
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Teil II: Theoretischer Rahmen: Raum und Öffentlichkeit 3
Geographien der Kommunikation: Mediale Räume................. 3.1 Raum: Begriff und Gegenstandsbereich ........ .. .. .... .............. 3.2 Der spatial turn in der Kommunikationswissenschaft ....... 3.3 Loslösung vom materiellen Raum........................................ 3.3.1 "The Production of Space": Henri Lefebvre............... 3.3.2 "Thirdspace": Edward Soja ........................................... 3.3.3 "Power-Geometries of Space": Doreen Massey ......... 3.4 Kultur, Identität, Macht- geographische Verortungen .... 3.4.1 Mediale Identitätsräume ............................................... 3.4.2 Machtverschiebungen.................................................... 3.4.3 Uneindeutigkeiten.......................................................... 3.5 Zwischenfazit Raum und Internet.......................................
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Sozialität von Kommunikation: Öffentlichkeit.......................... 4.1 Öffentlichkeit: Begriff und Gegenstandsbereich ... ............. 4.2 Demokratietheorie und Öffentlichkeit................................. 4.3 Öffentlichkeitstheorien ........................................................... 4.3.1 Systemtheoretischer Ansatz: Niklas Luhmann.......... 4.3.2 Jürgen Habermas und die bürgerliche Öffentlichkeit 4.3.3 Gegenöffentlichkeiten: Nancy Fraser .......................... 4.3.4 Agonistische Öffentlichkeit: Chantal Mouffe............. 4.3.5 Öffentlichkeitstheorien und öffentliche Diskurse in feministischer Perspektive............................................ 4.4 Perspektiven demokratischer Öffentlichkeit....................... 4.4.1 Öffentlichkeit, Ungleichheit und Intersektionalität .. 4.4.2 Privatheit und Politik im medialen Wandel............... 4.4.3 Transnationalisierung von Öffentlichkeit................... 4.4.4 Protestkulturen und vernetzte Öffentlichkeiten........ 4.5 Zwischenfazit Öffentlichkeit und Internet........................
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Bausteine eines Modells politischer Kommunikationsräume im Internet....................................................................................... 5.1 Politische Kommunikationsräume als Konzept.... ............. 5.2 Analyseebenen politischer Kommunikationsräume..........
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Teiliii: Gesellschaftliche Aushandlungsprozesse im Internet am Beispiel der Migrationsdebatte um Arigona Zogaj 6
Untersuchungsdesign: Online-Kommunikation über Arigona Zogaj ................................................................................. 6.1 Zur Einordnung: Entwicklung des "Falls" Arigona Zogaj 6.2 Forschungsfragen und Hypothesen ..................................... 6.3 Konzeption und Durchführung ............................................ 6.4 Das methodische Vorgehen im Einzelnen...........................
7 Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen der Online-Debatte Ergebnisse der quantitativen Analyse......................................... 7.1 Struktur der Online-Texte...................................................... 7.2 Inhaltliche Aspekte der Online-Texte................................... 7.3 Wertungen hinsichtlich Bleiberecht und Asylpolitik......... 7.4 Zwischenfazit Zur Beschaffenheit der politischen Kommunikationsräume..........................................................
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161 161 182 192 195
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Aushandlungsprozesse, Identitätskonstruktionen und Positionierungen- Ergebnisse der qualitativen Analyse......... 8.1 Die Auswahleinheit der qualitativen Analyse .................... 8.2 Gesellschaftliche Debatten und Argumentationsstränge.. 8.3 Migration und Zugehörigkeit................................................ 8.4 Staatsbürgerschaft, Nation und Identität............................. 8.5 Politik, Recht und Medien...................................................... 8.6 Mediale Repräsentationsstrukturen des "Öffentlich-Werdens"............................................................. 8.7 Zwischenfazit Deutungsrahmen der p olitischen Kommunikationsräume..........................................................
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Teil IV: Diskussion und Ausblick: Politische Kommunikationsräume im Internet 9
Diskussion: Gesellschaftliche Au shandlungsprozesse in politischen Kommunikationsräumen im Internet..................... 9.1 Räumliche Praxis: Öffentlichkeiten, Formen der Aushandlung und Prozesse der Inklusion.......................... 9.2 Repräsentationen von Raum: Selbstverständigungsprozesse über Einheit und Differenz 9.3 Gelebte Räumlichkeit: Irritationen, Umdeutungen und Verschiebungen.............. 9.4 Zusammenfassung: Politische Kommunikationsräume im Internet ................................................................................
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10 Fazit und Ausblick.........................................................................
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11 Literaturverzeichnis .......................................................................
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12 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis ........................................
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13 Anhang: Auflistung der Webseiten (Primärquellen) ................
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Danksagung Den Prozess des Schreibens unterstützten zahlreiche Personen. Ihnen allen gebührt mein Dank. Für die Betreuung der Dissertation, die sich durch kritisches Lesen, zahlreiche Diskussionen und wertvolle Anregungen in jeder Phase des Schreibprozesses auszeichnete, sei Elisabeth Klaus herzlich gedankt. Ihre kollegiale und freundschaftliche Unterstützung halfen mir sehr, das Projekt zu einem Abschluss zu führen. Ulla Wischermann danke ich für ihre angenehme und gleichwohl w ertvolle Bereitschaft als Zweitgutachterin zu fungieren. Brigitte Hipfl unterstützte den Prozess der Entstehung der Dissertation als kompetente und freundliche Ansprechpartnerin. Die Teilnehmerinnen der Doktorandinnenkolloquien in Salzburg und Klagenfurt haben mir wertvolle Impulse für meine Arbeit geliefert. Besonders danken möchte ich Sandra Roßberg, die mir in unendlicher Geduld in allen Phasen der Dissertation unterstützend zur Seite stand- sie trug damit maßgeblich zum Erfolg des Projekts bei. Ohne Anja Burghardt w äre ich wahrscheinlich nie zum geplanten Zeitpunkt fertig geworden, ihr sorgfältiges Korrekturlesen sorgte dafür, dass sich langsam Kapitel an Kapitel reihte. Andrea Besecke, Sandra Kötterheinrich, Katharina Pohl und Wolfgang Keller danke ich für ihre beständige Freundschaft, die mir emotional eine große Stütze war. Inka Marter und Susanne Pramann verdanke ich vergnügliche Abende aber auch tiefsinnige Gespräche über Politik und Moral. Claudia Kaltzenburg und Sonja Mönkedieck regten mich an, das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit grundlegend zu überdenken. Karsten Weber danke ich für die fachliche und freundschaftliche Unterstützung, die ich in allen Phasen meiner wissenschaftlichen Arbeit erfahren durfte. Die Stiftungs- und Förderungsgesellschaft der Universität Salzburg unterstützte die Drucklegung mit einem großzügigen finanziellen Zuschuss. Widmen möchte ich das Buch meiner Mutter, meiner frühesten und konsequentesten Förderin, die mich stets ermutigte, meinen Weg zu gehen. Ich werde unsere gemeinsamen Abende voll anregender Diskussionen nie vergessen.
Teil 1: Grundlagen: Internet und Öffentlichkeit
Einleitung: Internet und Öffentlichkeit In YouTube-Videos wendet sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkelan die Bürger und Bürgerinnen. 1 Über das Internet wird der ehemalige Innenminister Österreichs Günther Platter, der bezüglich seiner Maßnahmen zur Inneren Sicherheit in die Kritik geraten war, selbst zum Überwachten. Online-Auftritte von Tageszeitungen ermöglichen es Nutzerlnnen direkt zu einem Beitrag einen Kommentar zu verfassen und bilden so die Basis breiter Diskussionen. So genannte "Watchblogs" im Internet setzen der massenmedialen Boulevard-Presse eine kritische Öffentlichkeit entgegen. Das Internet wird von immer mehr Menschen weltweit als primäre Nachrichtenquelle genutzt (vgl. Pew Research 2011). Die Unruhen des Jahres 2011 in Tunesien und Ägypten riefen einmal mehr (und wieder) Medienberichte hervor, die das demokratische Potenzial des Internets betonen. Diese Aufzählung ließe sich fortsetzen und deutet darauf hin, dass das Internet in Bezug auf demokratische Öffentlichkeit und politische Kommunikation eine wesentliche Rolle spielt. Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, einen kommunikationswissenschaftliehen Theoriebeitrag zum Verständnis von politischer Kommunikation im Internet zu leisten. Im Fokus steht dabei, wie zentrale demokratietheoretische Aspekte wie Identität, Inklusion sowie Zugehörigkeit und Teilhabe im Internet verhandelt werden.
1.1 Kontext und Kontroversen Vielfach wird vermutet, dass das Internet eine bessere Teilnahme an politischen Debatten ermöglicht, eine größere Meinungsvielfalt erlaubt und 1 Z.B. über die regelmäßige Sendung " Die Woche der Kanzlerin". Online unter: http://www.youtube.com/watch?v~ReFbXjGnfBw&Jist~PL7F96A200094F228 l &index~4 &feature~plcp,
Abruf 10.08.2012
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durch interaktive Kommunikation eine breite Beteiligungsmöglichkeit für viele Bevölkerungsgruppen schafft. Es wird als Medium angesehen, welches bestens dafür geeignet ist, "lokale Öffentlichkeiten zu verdichten und grenzüberschreitende Arenen der Meinungsbildung herzustellen" (Leggewie 1998: 48). Dadurch könne das Internet die Entstehung von Bürgergemeinschaften über räumliche Grenzen hinweg erleichtern und damit die Partizipation großer Bevölkerungsgruppen fördern (vgl. Rheingold 1994). Die Hoffnungen auf ein Mehr an Demokratie werden vor allem in der Interaktivität, den vielfältigen Kommunikationsformen und in einer Egalisierung der Zugangsvoraussetzungen gesehen (vgl. Fuller 2004). Die feministische Forschung betont das Potenzial zur Vernetzung und der Neukonstruktion von Identitäten oder Subjekten (vgl. Haraway 1995, Barcourt 1999, Shade 2002). Hervorgehoben wird, dass soziale Bewegungen im Internet verstärkt sichtbar gemacht und geschützte Räume für Diskussionen bereitgestellt werden können sowie Kontakte und Informationssuche einfacher sind (vgl. Scott 2001). Im Internet sind zahlreiche Frauen- und Mädchennetze entstanden, die neue Formen von Öffentlichkeiten eröffnen und so teilweise subversive Strategien ausbilden (vgl. Drüeke/Winker 2005, Schachtner 2005, Zobl/Schilt 2008). Die Möglichkeit der "körperlosen" Kommunikation lässt das Internet zudem zu einer Projektionsfläche für postmoderne und dekonstruktivistische Entwürfe werden. Da in Chat-Räumen Identitäten scheinbar frei konstruiert werden können, wird vermutet, dass die Geschlechterverhälh1isse durch "gender swapping" - also die Übernahme der jeweils anderen Geschlechtsidentität-inBewegung geraten (vgl. Bruckman 1993, Turkle 1998). Dem gegenüber werden allerdings auch gegenläufige Tendenzen aufgezeigt, wie die dominierende Rolle von elitären Akteurinnen im Internet, rechtsextremistische und antifeministische Tendenzen sowie die Verstärkung sozialer Ungleichheiten (vgl. Gruber 2012, Zillien 2009, Zillien/ Hargittai 2009). Denn nicht nur die Technik, sondern auch die Einbettung in einen umfassenden ökonomischen, sozialen und kulturellen Entwicklungszusammenhang ist entscheidend (vgl. Barber 1998, Plake/Jansen/ Schuhmacher 2001). Auch kann ein technisches Medium nicht allein zu einer breiteren politischen Mobilisierung beitragen (vgl. Jarren 1998), denn es werden " diejenigen, die ein Anliegen haben, sich vermutlich eher Medienkompetenz aneignen, als politisch Uninteressierte" (Plake/Jansen/ Schuhmacher 2001: 186). Somit kann das Internet auch soziale Ungleichheit durch nicht egalitäre Zugangsbedingungen und Gebrauchsformen des Netzes reproduzieren (vgl. Zillien 2009). Auch scheint es weiterhin Geschlechterdifferenzen zu schaffen bzw. zu reorganisieren (vgl. Wischermann 2004, Royal2008).
Einleitung
I 13
Unabhängig von der Einschätzung und Bewertung dieser Tendenzen haben Öffentlichkeit und politische Kommunikation im Internet in demokratischen Gesellschaften mittlerweile eine zentrale Funktion. Ein schneller Zugriff auf Informationen, Beteiligungsmöglichkeiten für vielfältige Akteurlnnen, Kommunikationper E-Mail und Austausch in Online-Diskussionsforen führen dazu, dass das Internet als Medium der politischen Kommunikation sowie Mittel deliberativer Prozesse gesehen wird. Zu betonen ist dabei, dass das Internet nicht per se demokratisch ist und die Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen steigert; vielmehr sind es die Alltagspraxen in verschiedenen Bereichen, die kulturellen Normierungen und dergleichen mehr, die einer Veränderung unterliegen. Das Internet ist also die "technische Infrastruktur, die soziale Kommunikation jeder Art ermöglicht" (Schweiger/Weihermüller 2008: 535), aber auch ein "kulturelles Forum" (Jensen/Helles 2011: 530), das im Hinblick auf zahlreiche kommunikative Praktiken, die auch politische Kommunikation umfassen, untersucht werden kann. Politische Kommunikation wird meist als Verbindung zwischen den politischen Institutionen und der Öffentlichkeit gesehen, die heutzutage zumeist medial vermittelt und erlebt wird. Da das Internet sowohl den formalen politischen Prozess als auch die politische Kommunikation durch institutionelle, zivilgesellschaftliche und individuelle Akteurinnen und Bewegungen verändert, stellt sich auch die Frage nach der Gestaltung und Formierung von Öffentlichkeiten neu. Für die Kommunikationswissenschaft stellt die Erfassung dieser Entwicklungen eine Herausforderung dar, da das Internet neben die traditionellen publizistischen Medien, wie Presse, Rundfunk und Fernsehen, getreten ist. Die rasante Entwicklung des Internets und das ständige Hinzukommen neuer Anwendungen zeigen immer wieder neue Problemstellungen auf. So rückt beispielsweise aktuell die Frage der Konvergenz von Kommunikation im Internet in den Fokus, da im Internet öffentliche, private, interpersonale und publizistische Kommunikation möglich ist (vgl. Beck 2010: 15f.). Auch die Konvergenz von Medien, wie die zunehmende Nutzung des Internets durch mobile Endgeräte, spielt eine zentrale Rolle. Wichtig sind jedoch weiterhin wissenschaftliche Analysen des Internets, die angesichts der ständigen Neuerungen eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Rolle des Internets leisten. Ein Defizit der bisherigen Forschungen zu Online-Kommunikation liegt darin, dass Analysen politischer Online-Öffentlichkeiten häufig eine enge Sicht auf politische Inhalte zugrunde legen und damit eine Reduktion auf institutionelle Akteurinnen (wie Parteien und Regierung) sowie eine Fokussierung auf bestimmte Ereignisse wie Wahlkämpfe stattfindet
14 I Politische Kommunikationsräume im Internet
(vgl. Davis 2009; Papacharissi 2010; Wright 2012). Bei Arbeiten, die einzelne Online-Diskurse analysieren, werden zumeist hegemoniale - also wirkmächtige - Öffentlichkeiten untersucht, ein solches Vorgehen vernachlässigt jedoch das kritische Potenzial des Internets und die Standpunkte marginalisierter Gruppen (vgl. Dahlgren 2005). Somit werden nur begrenzt umfassende Öffentlichkeiten im Internet und der Kommunikationsraum Internet als Ganzes erfasst.
1.2 Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit Ausgehend von diesen Überlegungen leistet die Arbeit einen Beitrag zur Frage, wie sich eine Untersuchung von Online-Kommunikation theoretisch fundieren lässt. Darüber hinaus werden in der empirischen Analyse Kommunikations- und Aushandlungsprozesse und damit die Herausbildung von Öffentlichkeiten im Internet untersucht. Theoriebezogenes Ziel ist es also, ein Konzept politischer Kommunikationsräume im Internet zu entwickeln, das aus einer theoretischen Auseinandersetzung mit aktuellen Raum- und Öffentlichkeitstheorien gewonnen wird. Ausgehend von der Auffassung, dass politische Kommunikationsvorgänge nicht nur durch Massenmedien, wie Zeitung und Fernsehen, erzeugt werden, sind es nicht allein Theorien der öffentlichen Kommunikation, die zur Beschreibung und Analyse von Kommunikationsprozessen dienen können. Um Veränderungen zu erfassen, die insbesondere durch das Internet und zunehmende Online-Kommunikation zu Tage treten, erarbeite ich ein Modell politischer Kommunikationsräume im Internet, um Fragen nach dem Zusammenhang von der Demokratie, politischer Kommunikation und Öffentlichkeit zu vereinen. Dieses Modell ergänzt und verbindet Öffentlichkeits- und Raumtheorien und ermöglicht so die Erfassung aktueller Wandlungsprozesse von politischer Kommunikation. Für die empirische Umsetzung ist es folglich notwendig, ein Untersuchungsdesign zu entwickeln, das der Vielfalt an Akteurinnen und politischen Themen gerecht wird und damit politische Kommunikation als breiten deliberativen Prozess auffasst. Berücksichtigt werden müssen dafür die Veränderungen der theoretischen Bezüge von Raum und Öffentlichkeit durch die Bedingungen des Internets sowie die neuen Möglichkeiten der Teilhabe, Deliberation und der netzbasierten Interaktion für politische Kommunikation. Zugrunde gelegt wird ein weiter Politikbegriff, der sowohl Institutionen und Massenmedien als Akteurinnen der politischen Kommunikation ansieht, als auch zivilgesellschaftliche Organisationen und Einzelpersonen als an deliberativen Prozessen Beteiligte einschließt. Dabei gehe ich von der Überlegung aus, dass in verschiede-
Einleitung
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nen politischen Kommunikationsräumen im Internet, die sich nach Grad der Institutionalisierung, den Formen der Aushandlung sowie durch die beteiligten Akteurinnen unterscheiden, Öffentlichkeiten hergestellt werden, in denen ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess stattfindet. Empirisches Ziel ist es, auf Basis der Analyse politischer Kommunikationsräume im Internet, eine politische Debatte hinsichtlich der spezifischen Aushandlungsprozesse mit Hilfe quantitativer und qualitativer inhaltsanalytischer Verfahren zu erfassen. Die Migrationsdebatte um Arigona Zogaj als exemplarisches Untersuchungsfeld für die Analyse von Online-Kommunikation verspricht aus mehreren Gründen fruchtbar zu sein: Arigona Zogaj und ihre Familie, die aus dem Kosovo nach Österreich flohen, erhielten nach jahrelanger Duldung im Land schlussendlich einen Ausreisebescheid. Diese Vorgehensweise stellte die gegenwärtige Asylpolitik und insbesondere die Praxis im Umgang mit Flüchtlingen in Österreich zur Diskussion, was sich in einer von Beginn an breiten gesellschaftlichen und politischen Debatte über Migration sowie der Folgen für einzelne Personen und die Gesellschaft äußerte. In dieser gesellschaftlichen und politischen Debatte finden sich Verhandlungen über für eine Demokratie zentrale Konzepte wie Identität, Teilhabe, Inklusion und Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. Vor dem hier skizzierten Hintergrund lauten die forschungsleitenden Fragen der Arbeit w ie folgt: (1) Wie lässt sich eine kommunikationswissenschaftliche Analyse von Online-Kommunikation theoretisch fundieren und systematisieren, damit ein möglichst umfassendes Verständnis dieser Kommunikationsprozesse und der dabei entstehenden Öffentlichkeiten möglich wird? (2) Wie gestaltet sich die Online-Debatte über Arigona Zogaj im Internet im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Fragen der Identität, Teilhabe, Inklusion und Zugehörigkeit? In der von mir gewählten Herangehensweise werden normative Aspekte der Theoriebildung berücksichtigt und damit theoretische Konzeptionen reflektiert, die anschließend die Grundlage der empirischen Analyse bilden. In der empirischen Analyse werden die Besonderheiten von politischer Online-Kommunikation exemplarisch anhand des dargestellten kontroversen Themas untersucht, um damit Rückschlüsse auf die eingangs formulierten theoretischen Konzepte ziehen zu können.
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1.3 Aufbau der Arbeit Die Arbeit besteht aus vier Teilen: der erste Teil umfasst die Einleitung und die begrifflichen Grundlagen hinsichtlich Internet und Öffentlichkeit, der zweite Teil beinhaltet die theoretischen Bezüge zu Raum und Öffentlichkeit, den dritten Teil bilden die gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse im Internet am Beispiel der Debatte um Arigona Zogaj und im vierten Teil werden die Ergebnisse diskutiert sowie ein Ausblick gegeben. Im ersten Teil der Arbeit folgt auf die Einleitung eine Positionsbestimmung bezüglich des Begriffs der politischen Kommunikation in Zusammenhang mit (neuen) Medien und Demokratie (Kapitel2). Dabei wird mit Hilfe einer kritischen Bestandsaufnahme aktueller Forschungen zur politischen Kommunikation der Begriff der politischen Kommunikation im Kontext der Cultural Studies und Gender Studies verortet und damit ein weiter Politikbegriff zugrunde gelegt, der vielfältige gesellschaftliche Bereich umfasst. Im Anschluss daran erfolgt in zweiten Teil der Arbeit mit dem Titel Theoretischer Rahmen: Raum und Öffentlichkeit die theoretische Einbettung der Arbeit, auf die im Verlauf der Arbeit immer wieder Bezug genommen wird. So werden in Kapitel3 sozialgeographische, soziologische und kommunikationswissenschaftliche Theorien von Raum aufgezeigt. Der Schwerpunkt liegt auf denjenigen Theorien, die Räume als Produkte sozialer und kulturelle Praxen sowie als Diskurse verstehen, und damit im Bereich der poststrukturalistischen und postmodernen Theoriebildung anzusiedeln sind. Diese theoretischen Ausarbeitungen dienen der Identifizierung zentraler Kategorien, wie Identität, Macht und Kultur (Abschnitt 3.3), und zielen darauf ab, relevante Kontexte zum Verständnis des Internets als Kommunikationsraum herauszuarbeiten. Im 4. Kapitel erläutere ich zentrale Öffentlichkeitstheorien, da Öffentlichkeit eine zentrale Kategorie zum Verständnis von Gesellschaft und ebenso ein Grundbegriff der politischen Kommunikation ist. Ausgehend von einer Einordnung in demokratietheoretische Ansätze wird beschrieben, welche zeitgenössischen Modelle, Sichtweisen und Konzeptionen von Öffentlichkeit existieren. Als anschlussfähig an eine Analyse von Online-Kommunikation werden insbesondere partizipative und feministische Öffentlichkeitstheorien gesehen. So sollen Kommunikations- und Entscheidungsvorgänge vor dem Hintergrund unterschiedlicher Formierungsbedingungen von Öffentlichkeiten analysierbar werden. Überdies leistet dieses Kapitel eine theoretische Auseinandersetzung mit den für diese Arbeit zentralen Konzepten, wie Identität, Teilhabe, Inklusion und Zugehörigkeit, sowie eine Reflexion der Perspektiven von Öffentlichkeitstheorien angesichts gegenwärtiger Wandlungsprozesse, die mit einer zunehmen-
Einleitung
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den Durchdringung vielfältiger gesellschaftlicher Bereiche durch das Internet verbunden sind (Abschnitt 4.4). Die Ausarbeitungen der Kapitel 3 und 4 legen durch eine Reflexion verschiedener theoretischer Ansätze von Raum und Öffentlichkeit die Grundlage für das von mir entwickelte Modell der politischen Kommunikationsräume im Internet. Dabei werden grundlegende Typen von politischen Kommunikationsräumen im Internet unterschieden. Das in KapitelS entwickelte theoretische Modell bildet konzeptionelle Grundlage und den Analyserahmen, um politische Kommunikationsräume im Internet zu erfassen und zu analysieren. Die Kapitel 6 bis 8 beinhalten die empirische Analyse politischer Kommunikationsräume im Internet und damit - im Anschluss an die theoretischen Ausführungen - den dritten Teil der Arbeit. Grundlage des Untersuchungsdesigns ist das Modell der politischen Kommunikationsräume. Die empirische Basis bildet die kontroverse Online-Debatte um Arigona Zogaj und ihr Ansuchen um eine Aufenthaltserlaubnis in Österreich. In Kapitel6 wird das methodische Vorgehen der Untersuchung erläutert. Zunächst wird ein Untersuchungsdesign entwickelt, das dem dynamischen Charakter des Internets gerecht werden soll. Dafür werden die Überlegungen zu Raum und Öffentlichkeit operationalisiert. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie auf unterschiedlichen Öffentlichkeitsebenen bzw. in unterschiedlichen Öffentlichkeilen Themen verhandelt werden. Zur Beantwortung der Forschungsfragen wird eine Kombination verschiedener methodischer Ansätze vorgeschlagen: Die quantitative Inhaltsanalyse dient der Erfassung der Strukturierung der Online-Debatte über einen bestimmten Zeitraum. Sie ist Grundlage der qualitativen Inhaltsanalyse, in der die Debatte bildenden gesellschaftlichen Konstruktionen und auf diese referierende Diskurse im Zusammenhang zu Migration und Zugehörigkeit exploriert werden . Die zentralen Befunde dieser Analysen werden in den Kapiteln 7 und 8 vorgestellt. Die Ergebnisse der quantitativen Analyse umfassen die Strukturen und die inhaltlichen Aspekte und thematischen Schwerpunkte der Online-Debatte sowie die Bezugnahmen zwischen verschiedenen Akteurlnnen (Kapitel ?). Aushandlungsprozesse, Konstruktionen von Identitäten sowie individuelle und gesellschaftliche Positionierungen zeigen durch die qualitative Inhaltsanalyse (KapitelS). In einer als Momentaufnahme verstandenen Analyse werden differenziert und umfassend die zentralen Argumentationsstränge der Debatte herausgearbeitet und analysiert. Im vierten Teil der Arbeit mit dem Titel Diskussion und Ausblick werden in Kapitel 9 die zentralen Ergebnisse diskutiert. Zusammenfassend wird
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der Charakter der gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse im Internet anhand des Modells der politischen Kommunikationsräume dargestellt. Die Online-Debatte wird dabei unter Bezu g auf die vorgestellten theoretischen Konzepte von Raum und Öffentlichkeit eingeordnet und diese hinsichtlich ihrer Generalisierbarkeit bewertet. KapitellO zieht abschließend ein Resümee der zentralen Ergebnisse und gibt einen Ausblick, der Rückschlüsse auf Mediendebatten und politische Kommunikationsprozesse im Internet ermöglicht. Darüber hinaus wird die Rolle von Öffentlichkeiten im Internet hinsichtlich Inklusions- bzw. Exklusionsprozesse kritisch diskutiert. Des Weiteren werden in diesem Kapitel das methodische und theoretische Vorgehen reflektiert und Rückschlüsse auf die Entwicklung angemessener Methoden der Untersuchung von Online-Kommunikation gezogen.
2 Positionsbestimmung Das Kapitel widmet sich den theoretisch-begrifflichen Grundlagen von politischer Kommunikation. Ausgehend von einer Kritik an der traditionellen Sichtweise auf politische Kommunikation w ird im Folgenden vorgeschlagen, Anknüpfungspunkte aus den Cultural Studies sowie Gender Studies aufzugreifen und so den Begriff und Gegenstandsbereich p olitischer Kommunikation zu erweitern. Diese Sicht auf politische Kommunikation erscheint produktiv, um den Zusammenhang zwischen Internet, Partizipation und Demokratie zu analysieren. Am Ende des Kapitels steht dann eine Bestimmung einer Position in Bezug auf politische Kommunikation, die einen weiten, handlungs- und kontextbezogenen Begriff der politischen Kommunikation zugrunde legt.
2.1 Politische Kommunikation: Begriff und Gegenstand Politik und Kommunikation bedingen sich gegenseitig, da Politik ohne Kommunikation nicht möglich ist und umgekehrt Kommunikation über politische Inhalte für eine Gesellschaft substantiell ist. Die Artikulation von politischen Interessen und Meinungen, die Bestimmung von politischen Problemen oder das Finden und Durchsetzen verbindlicher politischer Entscheidungen setzt vielfältige Kommunikationsprozesse voraus (vgl. Beck 2005: 205). Zudem sollen Bürgerinnen in einem öffentlichen Diskurs ihre Meinung bilden und äußern können. In diesem Abschnitt w erden zunächst unterschiedliche Schwerpunktsetzungen der Forschungen zur politischen Kommunikation aufgezeigt, die zentralen Dimensionen herausgearbeitet und darauf aufbauend die begriffliche Erweiterung durch die Erkenntnisse der Cultural Studies und Gender Studies dargestellt. Eine Systematisierung der Forschungen zur politischen Kommunikation ist aufgrund der Vielzahl der Studien und der Verschiedenheit der gewählten Herangehensweisen schwierig. Aus diesem Grunde möchte ich im Folgenden vor allem jene zentralen Aspekte der Forschung herausarbeiten, die die jeweiligen inhärenten Setzungen und Ausschlüsse verdeutlichen. In Forschungen zur politischen Kommunikation w ird analytisch vor allem zwischen Akteurinnen und Inhalten politischer Korn-
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munikation sowie deren Wirkung und Rezeption unterschieden (vgl. Vowe/Dohle 2007). Damit erscheint eine Orientierung an der LaswellFormel (" who says what to whom with which effects") zunächst eine sinnvolle Systematisierung, um forschungsökonomisch vorgehen zu können. Zwar wird der Forschungsprozess dabei in einzelne Teile zerlegt, jedoch lassen sich so die Teilphänomene politischer Kommunikation erforschen (vgl. Schulz 2011: 58). Die Analyse verschiedener gesellschaftlicher Ebenen, so Jarren und Donges (2011), wird den Bedeutungen des Begriffs der politischen Kommunikation am ehesten gerecht. Durch die daraus resultierende Unterscheidung in eine Mikro-, Meso- und Makroebene lässt sich die auf jeder dieser Ebenen stattfindende politische Kommunikation in den Blick nehmen: Auf der Mikroebene handeln Individuen, die nicht einer speziellen Akteursgruppe zugerechnet werden. Die Mesoebene charakterisiert die Handlungsebene von Organisationen und Institutionen. Die Makroebene bezeichnet die gesamtgesellschaftliche Ebene. Als politische Akteurinnen gelten in dieser Unterscheidung vorwiegend Regierung und Parlamente auf der einen Seite sowie Verbände, Bewegungen, Parteien und Medien auf der anderen Seite. Einzelne Bürgerinnen erhalten so keine konstitutive Rolle innerhalb des politischen Kommunikationsprozess, da diese auf der ihnen zugeschriebenen Mikroebene kaum Handlungsmacht besitzen. Politische Kommunikation ist damit lediglich ein Nachrichten- und Informationsfluss, der den politischen Prozess strukturiert und sich in zwei Arenen abspielt: erstens der parlamentarisch-administrativen Arena und zweitens der öffentlichen Arena, in der auch Verbände und Bewegungen agieren (vgl. Pfetsch 2005: 349). Die Hauptaufgabe politischer Kommunikation besteht demnach aus einer Vermittlungs- und Informationsleistung, was die Partizipationsmöglichkeiten von Bürgerinnen erschwert. Darüber hinaus wird politische Kommunikation zumeist mit öffentlicher Kommunikation gleichgesetzt (vgl. Marcinkowski 2001). Neben massenmedialer und öffentlicher Kommunikation kann jedoch politische Kommunikation auch interpersonale und geheime Kommunikation umfassen (vgl. Vowe 2003: 527). Neben dieser Unterscheidung nach der Rolle und Wirkungsmacht von Akteurinnen der politischen Kommunikation hat sich eine weitere Unterscheidung etabliert. Getrennt wird außerdem zwischen der Herstellung von Politik, der ein Entscheidungsprozess vorausgeht, und der Darstellung von Politik, die sich in Kommunikationsprozessen bildet (vgl. Sarcinelli 1994: 40-47). Die Darstellung von Politik, so konstatieren Jarren und Donges (2011), wird jedoch zunehmend zu einem Bestandteil jedes politischen Prozesses selbst. Insbesondere bei der empirischen Forschung, darauf weisen auch Sarcinelli und Tenscher (2008: 7) hin, rückt
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die massenmediale Politikdarstellung in den Vordergrund, während die Politikherstellung als öffentlichkeitsfern weniger beleuchtet wird. Politische Kommunikation ist demnach der "zentrale Mechanismus bei der Formulierung, Aggregation, Herstellung und Durchsetzung kollektiv bindender Entscheidungen, insofern ist politische Kommunikation nicht nur Mittel der Politik, sie ist selbst auch Politik" (Jarren/Donges 2011: 22) -und damit elementarer Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft. Die dargestellten Systematisierungen machen deutlich, dass häufig massenmediale Kommunikation bzw. öffentliche Kommunikation im Fokus steht und damit bestimmte Kommunikationsformen, Inhalte und Akteursgruppen konzeptionell nicht berücksichtigt werden. Der Gegenstandsbereich der politischen Kommunikation wird also je nach theoretischer Grundlage sowie der Annahmen über Inhalte und Formen, unterschiedlich konzipiert. Dementsprechend ist es entscheidend, w ie die Bestimmung des Gegenstandsbereichs der politischen Kommunikation ausgestaltet wird. Zum Gegenstandbereich gehört zunächst die Definition einer Bürgerschaft in Prozessen der politischen Kommunikation. Dies hängt eng mit der Frage danach zusammen, wer als aktives Mitglied einer politischen Gemeinschaft angesehen wird. Früher waren Frauen beispielsweise vom Wahlrecht ausgeschlossen, heutzutage sind Bürgerinnen mit einer nicht-österreichischen Staatsbürgerschaft nicht ohne weiteres wahlberechtigt. Dies ist mit der Frage verknüpft, welche Rolle den Bürgerinnen in einer demokratischen Gesellschaft zugestanden wird. Bei politischen Akteurinnen wird zumeist zwischen institutionellen und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen unterschieden. Bürgerinnen als Privatpersonen kamen erst spät dazu. Dies führt dazu, dass institutionelle Akteurinnen in der politischen Kommunikation stärker berücksichtigt werden, da sie über mehr Entscheidungsmacht verfügen. Daraus resultiert eine unterschiedliche Sicht auf Arten und Formen von Partizipation, die als politisch und relevant angesehen werden. Ehrenamtliches Engagement beispielsweise wird häufig nicht der traditionellen politischen Partizipation zugerechnet, die nur Engagement in Parteien und sozialen Bewegungen erfasst. Dementsprechend wird der "Gender-Gap" in der politischen Partizipation häufig verantwortlich konstatiert wird, nicht auf seine geschlechtsspezifischen Konnotationen befragt und deren Ursachen analysiert (vgl. Westle 2001). Bezüglich der Inhalte politischer Kommunikation kann danach unterschieden werden, welche Themen überhaupt zur politischen Kommunikation gezählt werden. Zur Verhandltmg stehen dabei immer wieder Themen und Formen der Vermittlung politischer Inhalte sowie die Frage danach, welche Handlungsfelder eines öffentlichen gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses bedürfen. Die politische Korn-
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munikation, so der zentrale Diskussionspunkt, könne durch die zunehmende Boulevardisierung entweder an politischem Inhalt einbüßen oder aber im Gegensatz dazu Personengruppen für politische Inhalte empfänglich machen, die durch traditionelle Informationskanäle nicht erreicht werden können (vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000; Dörner 2001). Die Rolle der Medien in politischen Kommunikationsprozessen, die in all diese Bereiche hineinspielen, wird im Abschnitt 2.2 diskutiert. Die Berücksichtigung neuerer Konzepte aus den Cultural Studies und den Gender Studies sowie die zunehmende Durchdringung vieler gesellschaftlicher Bereiche durch das Internet (vgl. z.B. Beck 2005) sind dabei Determinanten sowohl einer Weiterentwicklung als auch Veränderung des Gegenstandsbereich der politischen Kommunikation. Durch die Cultural Studies und die Gender Studies werden Begriffen wie Politik, Kultur, Unterhaltung sowie Privatheit und damit auch politische Kommunikation grundlegend diskutiert und in ihrer Bedeutung modifiziert. Die Cultural Studies und Gender Studies grenzen sich insbesondere von einer engen Sicht auf politische Kommunikation ab, die auf Institutionen und traditionelle politische Sphären und Formen beschränkt ist, und entwerfen ein weites Verständnis politischer Kommunikation, das implizite Annahmen und Konstruktionen hinterfragt. Das Erweiterungspotenzial der Forschungen zur politischen Kommunikation lässt sich ausgehend von den angeführten zentralen Aspekten des Gegenstandbereichs der politischen Kommunikation zusammenfassend anhand von drei zentralen Argumentationssträngen aufzeigen: (1) dem Verhältnis von Information und Unterhaltung (2) Debatten über die Inhalte, die als politisch angesehen werden (3) Annahmen über eine Bürgerschaft und Möglichkeiten gesellschaftlicher Partizipation Zu 1.) Ein zentraler Argumentationsstrang betrifft erstens die kritische Reflexion des Verhältnisses von Information und Unterhaltung. In einem engen Verständnis politischer Kommunikation, so bemängelt Zoonen (2005: 143f.), werden häufig Entertainment und populäre Genres ausgegrenzt mit der Begründung, dass sie nicht zu seriöser Information und Deliberation gehören, und damit entwertet. Beispielsweise wird populären Formaten wie Soap Operas zugeschrieben, dass sie keine besseren Bürgerinnen produzieren und damit qua Form nicht politisch sein können (vgl. ebd.). Zoonen weist jedoch darauf hin, dass Unterhaltung und populäre Formate eine explizite politische Komponente haben, da auch diese Formate Bürgerinnen inkludieren können. So können durch den Konsum populärer Formate Bürgerrechte ausgeübt werden, auch wenn die Ausübung auf eine Weise erfolgt, die Zoonen (2005: 151) mit " entertain the
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citizen" beschreibt. Ähnlich argumentiert Saxer (2007), der " Politainment", also der Verflechtung zwischen Politik und Unterhaltung, zumindest eine temporäre Inklusion politisch marginalisierter Bürgerinnen zuspricht und vielfältige Formate damit als politisch ansieht. Unterhaltung ist also nicht per se unpolitisch, sondern hat auch Auswirkungen auf die politische Öffentlichkeit (vgl. Saxer 2007, Dörner 2006). So werden durch die Nutzung von Formaten des Politainment Identitäten konstruiert und diese zur Deutung im Rahmen der aktuellen Lebenssituation herangezogen, was beides politisch konnotierte Handlungen sind (vgl. Dörner 2001: 238). Damit ist nicht nur Hochkultur relevant, sondern auch Alltags- und Populärkultur sind zentrale Bestandteile der gegenwärtigen Gesellschaften und explizit politisch (vgl. Dörner 2006: 223). Zu 2.) Sowohl die Cultural Studies als auch die Gender Studies plädieren zweitens für einen weiten Politikbegriff Auch der Kulturbegriff der Cultural Studies ist politisch dimensioniert und lässt sich vom Begriff des Politischen nicht trennen (vgl. Dörner 2006: 222f.). Für den Begriff der politischen Kommunikation bedeutet dies, dass auch vermeintlich " populäre" Kommunikation, also nicht nur die Kommunikation traditioneller politischer Akteurinnen wie Regierungen oder - der seit Habermas (1995) verstärkt in den Blick geratenen - Zivilgesellschaften, einen politischen Impetus haben kann. Für eine Demokratie sind damit auch jene Kommunikationsformen wichtig, die in der traditionellen Forschung zur politischen Kommunikation häufig als nicht-politisch oder vor-politisch sowie als nicht-informativ angesehen werden. Der Vorschlag zur Neubestimmung des Begriffs der politischen Kommunikation resultiert insbesondere aus den Erkenntnissen der Gender Studies (vgl. auch Abschnitt 4.3.5). Die feministische Kommunikationswissenschaft bearbeitet in geschlechtertheoretischer Perspektive unterschiedliche Ebenen (vgl. Dorer/Geiger 2002: 1lf., Klaus 2001). So wird zum einen das gesellschaftliche Modell hinterfragt, das hinter der konventionellen Betrachtung politischer Kommunikation liegt, des Weiteren werden die Auswirkungen der androzentrischen Ausrichtung untersucht sowie auf der Basis feministischer Theorie neue Konzepte und Modelle von gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen entwickelt. Konstatiert wird, dass in unterschiedlichen Beziehungen "Geschlechterverhältnisse in die politische Kommunikationskultur eingelassen" sind (Abels/Bieringer 2006: 9) und weder Politik noch Öffentlichkeit geschlechtsneutrale Begriffe sind. Das " gendering" politischer Kommunikation, so schlagen Abels und Eieringer (2006) vor, ließe sich aus einer feministischen Perspektive mit Überlegungen zur demokratischen Teilhabe verknüpfen, um damit die Konzeption einer politischen Bürgerschaft auf Ein- und Ausschlüsse zu hinterfragen. Auch
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gilt es zu reflektieren, welche Akteurinnen und Kommunikationsformen zur politischen Kommunikation gezählt werden. Die feministische politische Theorie erweitert dementsprechend den Gegenstandsbereich, der als politisch angesehen wird, und politisiert damit soziale Bewegungen und scheinbar unpolitische private Lebensbereiche (vgl. Sauer 2001, Kreisky/Sauer 1997). Politik kann, darauf weist Mouffe (1997) hin, nicht ausschließlich zu bestimmten Institutionen, Sphären oder Ebenen von Gesellschaft gezählt werden. Im Gegensatz zu einem engen Politikbegriff sieht ein weiter Politikbegriff keinen gesellschaftlichen Bereich von vorneherein als unpolitisch an (vgl. Pelinka 2004), denn das Zusammenleben von Menschen und jede Verbindung zwischen ihnen gilt als potentiell politisch (vgl. May 2007). Darüber hinaus gibt es, so Holland-Cunz (2006: 30f.), in den konventionellen Arenen des Politischen einen geschlechtshierarchischen Zugang und damit eine ungleiche Verteilung des Sprechens und Zuhörens. Auch diese strukturellen Ungleichheiten sollen einer kritischen Prüfung zugänglich sein und dementsprechend muss reflektiert werden, welche Partizipationsmöglichkeiten bei dem bisherigen Politikbegriff nicht in den Blick genommen werden. Durch eine Erweiterung der Definition, die damit auch unterschiedliche Partizipationsformen als politisch erfasst, lassen sich mehr Partizipationsmöglichkeiten in einer Gesellschaft erkennen (vgl. Carpentier 2011: 47). Zu 3.) Dem Gegenstandsbereich der politischen Kommunikation liegen also häufig implizite normative Aussagen über das, was als politisch angesehen wird, oder deskriptive Fragestellungen nach der Gestaltung des politischen Bereichs zugrunde. Damit hängen Fragen nach Partizipation und Repräsentation zusammen, die substantiell für eine demokratische Gesellschaft sind. Das Konzept von (Staats-)Bürgerschaft wird drittens grundlegend erweitert. Insbesondere die Traditionslinie der Cultural Studies betont den Verhandlungscharakter von Staatsbürgerschaft, d.h. die Rolle der Bürgerin oder des Bürgers darin, die konstituierenden Prozesse und die zugrunde gelegten Subjektpositionen, die durch die Charakteristika und Besonderheiten politischer Kommunikation bestimmt werden. Staatsbürgerschaft wird dabei immer weniger nationalstaatlich bestimmt als vielmehr durch kulturelle Faktoren geprägt (vgl. Klaus/ Lünenborg 2004 und 2012). Wie in Abschnitt 4.2 dargestellt wird, basiert das Verhältnis zwischen Repräsentation und Partizipation auf dem jeweils gewählten DemokratiemodelL Je nachdem, wie die normative Aufgabe einer Demokratie gesehen wird, verändert sich auch der Aufgabenbereich der politischen Kommunikation. Das, was zum Gegenstandsbereich politischer Kommunikation gezählt wird, hat dementsprechend wiederum Konsequenzen für die Ausgestaltung von Öffentlichkeiten
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(vgl. Kapitel4). Repräsentation bewegt sich dabei zwischen Vertretung und Darstellung, wie in der Definition politischer Kornmunikation von Jarren und Donges (2011) deutlich wurde, während Partizipation auf einer unterschiedlich konstruierbaren Bürgerschaft beruht (vgl. Carpentier 2011: 16). Ein Konstrukt von (Staats-) Bürgerschaft hat dabei immer eine inhärente exkludierende Komponente, ebenso wie Partizipationsmöglichkeiten eng mit dem Recht zu sprechen zusammenhängen (vgl. Klaus/ Lünenborg 2012). Ähnlich hat dies Spivak (1994) formuliert, als sie provokant fragte: "Can the Subaltern speak?" und die geringen Möglichkeiten des Sprechens bzw. das Nicht-Gehört-Werden für marginalisierte Frauen aufzeigte. Anhand eines weiten Politikbegriffs, der Aufhebung einer engen Sicht auf politische Inhalte und dem Überdenken des Konstrukts von Staatsbürgerschaft wird der Gegenstandsbereich der politischen Kornmunikation ausgedehnt. Im Verlauf des Buches wird immer wieder darauf Bezug genommen Für die Erfassung aktueller Wandlungsprozesse erscheint dies zielführend, da der Fokus auf einer inklusiven Sicht hinsichtlich der Prozesse politischer Kornmunikation liegt. Als wesentlich für politische Kornmunikation werden neben institutionalisierten Akteurinnen auch zivilgesellschaftliche und individuelle Akteurinnen erachtet und dementsprechend vielfältige Formen des Politischen sowie der gesellschaftlichen Partizipation in den Blick genommen. Diese Sichtweise hängt eng mit dem zugrunde gelegten Demokratiemodell sowie der Ausgestaltung von Öffentlichkeit zusammen (vgl. Kapitel4). Die Rolle von Medien in politischen Kommunikationsprozessen wird im folgenden Abschnitt dargelegt.
2.2 Medien und Demokratie Der Gegenstandsbereich der politischen Kornmunikation ist eng mit der Rolle von Medien verknüpft, denn politisches Handeln ist ohne mediale Kommunikation heutzutage nicht mehr denkbar. In diesem Abschnitt wird das Verhältnis von Medien und Demokratie skizziert und auf die Funktionen von Medien in einer demokratischen Gesellschaft und damit in politischen Kommunikationsprozessen eingegangen. Medien werden in einer demokratischen Gesellschaft vielfältige Funktionen zugesprochen, vor allem eine Informations-, Meinungsbildungsund/ader Integrationsfunktion. Innerhalb dieses Rahmens wird die jeweilige Funktion von Medien unterschiedlich ausgestaltet. Zentral in Bezug auf politische Kommunikation, so Funiok (2007: 92 f.), ist die Inforrnationsfunktion. Medien vermitteln Wissen, schaffen Gesprächsthemen,
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Identifikationsangebote und fordern zu sozialem Handeln auf. Politik erscheint zumeist medial vermittelt, vor allem aber erleben Bürgerinnen Politik medial vermittelt, da sie sich zumeist aus Massenmedien darüber informieren. Medien können darüber hinaus, so Kratz (2003: 23, 2007: 89 f.), auch Kommunikation modifizieren, verändern und ausdifferenzieren, was zu einem Entstehen neuer Interaktions- und Kommunikationsformen führt. Medien tragen also zu weit mehr bei als zu einer reinen lnformationsbereitstellung oder Meinungsbildung. Dahlgren (2009: 3) sieht die Rolle von Medien innerhalb einer Demokratie in der Sichtbarmachung von Politik (" politics"), in dem sie Informationen, Analysen und Foren für Debatten anbieten, sie können so einen demokratischen Wandel befördern aber auch machtaffirmative Positionen beziehen. Medial verhandelte Themen und Positionen stehen darüber hinaus in öffentlichen Debatten im Vordergrund (vgl. Lünenborg 2009: 7). Medien dienen jedoch nicht nur der Informationsbereitstellung, sie sind "Inszenierungsmaschinen, insofern sie Kommunikate bereitstellen" aber auch " Erlebnisräume, insofern sie genutzt, rezipiert und angeeignet werden" (Thomas 2010: 78). Medien und Demokratie sind nicht getrennt voneinander zu denken. Pfetsch und Marcinkowski (2009: 11) bezeichnen Demokratieformen des 21. Jahrhundert deswegen als "Mediendemokratien". Darunter ist eine Demokratie zu verstehen, "die sich der technischen Möglichkeiten und sozialen Reichweite moderner Kommunikationsmittel bedient, um ihre Funktionen und Ziele auf hohem Niveau zu erfüllen" (ebd.: 11). Sie ist gekennzeichnet durch eine "normative Ambiguität", da Demokratie einerseits auf unabhängige Massenkommunikationsmittel nicht verzichten kann, andererseits die Wirkungsmacht der Medien grundlegend in den politischen Prozess eingreift (ebd.: 12). Folglich sind innerhalb der politischen Theorie Öffentlichkeit und Medien von zentraler Bedeutung (vgl. Reese-Schäfer 2006; von Beyme 2006). Um das Verhältnis von Medien und Demokratie theoretisch zu bestimmen, gibt es drei Traditionslinien (vgl. Dahlgren 2009): Die erste Traditionslinie stammt aus der Politikwissenschaft und hat einen starken Fokus auf das politische System und die darin vorkommenden Akteurlnnen, wie politische Institutionen, Bürgerinnen und Medien. In einer zweiten Traditionslinie wird die Perspektive auf Medien und Demokratie um deliberative Prozesse und die Betonung der Zivilgesellschaft erweitert. Drittens werden durch die Cultural Studies, so Dahlgren (2009: 6), Perspektiven angeboten, die sich mit Themen wie Identität sowie Bedeutungszuschreibungen und Praktiken von Kultur auseinandersetzen und diese kritisch hinterfragen.
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Medien tragen darüber hinaus dazu bei, dass systematische Unterscheidungen wie zwischen Öffentlichem und Privatem, sowie Unterhaltung und Information fragil erscheinen (vgl. Lünenborg 2009). Diese Unterscheidungen sind allerdings häufig noch Teil der Gegenstandsbeschreibungen von politischer Kommunikation (vgl. Abschnitt 2.1) und damit auch der Betrachtung von Medien und Demokratie. Die Geschlechterforschung hat auf die produktive Auflösung von gesellschaftlich konstruierten Dichotomien schon seit Längerem hingewiesen und damit auch das Konzept einer politischen (Medien-)Öffentlichkeit kritisch hinterfragt. Auch die Cultural Studies haben erarbeitet, dass Popularisierung, Unterhaltung und Politainment ebenfalls zum Bereich des Politischen gezählt und damit als demokratiepolitisch relevant erachtet werden können. Dichotomien wie Privatheit und Öffentlichkeit werden dabei ebenso hinterfragt. Tendenzen der Mediendarstellung hin zu einer stärkeren Personalisierung und Intimisierung rücken Personen ins Zentrum des Mediendiskurs und ebenfalls ihr "Privatleben" (vgl. Lünenborg et al. 2009). Diese Personalisierung von Politik trifft jedoch nicht nur prominente Personen und Politikerinnen, auch Alltagspersonen können so Aufmerksamkeit erfahren. Durch diese Entwicklungen, so Sarcinelli und Tenscher (2008), verändert sich die Rolle der politischen Kommunikation in einer Demokratie. Allerdings, darauf weist Fiske (1992) in Bezug auf Medientexte hin, ist die Kontextgebundenheit von Medien und Medientechnologien und damit auch des Internets zu beachten. Ein Wandel der Kommunikation durch das Internet ist in Zusammenhang und in Beziehung zu sozialen und historischen Strukturen sowie in ihrer Einbettung in kulturelle und gesellschaftliche Praktiken zu verstehen. Innerhalb demokratietheoretischer Konzepte spielt Kommunikation eine wesentliche Rolle, da Kommunikation zwischen Regierung und Bürgerinnen als relevant angesehen wird. Veränderungen von Medien und Medientechnologien bedingen ebenfalls eine Veränderung der Kommunikationsprozesse. Die Entwicklung "neuer" Medien - wobei neu in der jeweiligen Zeit zu sehen ist, also ebenso Hörfunk, Fernsehen wie das Internet meinen kann - ist zumeist begleitet von einer Auseinandersetzung über die Folgen für Politik, Demokratie und Gesellschaft. Einmal mehr und intensiver wurde dies mit der zunehmenden Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien diskutiert. Aus der - vor allem politikwissenschaftlichen - Fokussierung der politischen Kommunikation auf institutionalisierte Kommunikation resultiert der lange Zeit populäre Begriff des eGovernment (vgl. Lucke/Reinermann 2002). Dabei wird der Blick auf bestimmte Partizipationsformen von Regierung und staatlichen Akteurinnen reduziert; Forschungen dazu kommen demzu-
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folge nicht unerwartet zu dem Schluss, dass das Internet zumeist für die Informationsbereitstellung genutzt wird. Der Begriff der eDemocracy dehnt den Bereich der politischen Partizipation im Internet aus und bezieht zivilgesellschaftliche Partizipation ein. In diesem Zusammenhang macht Baringhorst (2010) darauf aufmerksam, dass insbesondere Protestbewegungen stark die politische Debatte mitprägen, da netzbasierte Kampagnen politische Gemeinschaftsgefühle erzeugen, mobilisieren und vertikale und horizontale Kooperationsmöglichkeiten aufzeigen (ebd. 2010: 389f.). Die demokratietheoretischen Implikationen der neuen Medientechnologien sind demzufolge auch abhängig von dem jeweils zugrunde gelegtem normativen DemokratiemodelL Technologien können also Möglichkeiten der Beteiligung eröffnen, gleichzeitig wird dabei auch immer eine bestimmte Vorstellung über die jeweilige Technologie konstruiert.1 Auch werden Medien, darauf weist Dahlgren (2009) hin, ebenso von organisatorischen, ökonomischen und technischen Besonderheiten geprägt. Dies bedeutet, dass eine Veränderung der Formen und des Gegenstandsbereichs politischer Kommunikation Auswirkungen auf die von Bürgerinnen wahrgenommene Politik und damit das politische Geschehens hat. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Medien und damit auch das Internet Teil unterschiedlicher kommunikativer, sozialer und gesellschaftlicher Praktiken sind. Mit dem Internet verändern sich die Möglichkeiten der Partizipation und Teilhabe, die Formen der Kommunikation sowie die mediale Verhandlung von Themen und Inhalten. Die Cultural Studies weisen diesbezüglich auf die Kontextgebundenheit von Medieninhalten hin, die nicht losgelöst von ihrem historischen, sozialen und kulturellen Hintergrund betrachtet werden können (vgl. Fiske 1992, Krotz 2007).
2.3 Online-Kommunikation Zu Veränderungen und Umbrüchen des Verhältnisses von Medien und Demokratie führt derzeit insbesondere Online-Kommunikation. Im Folgenden wird auf die neuen Kommunikationsformen eingegangen und die verschiedenen Formen der Beteiligung dargestellt, die insbesondere Auswirkungen auf die mediale Verhandlung von Themen haben. AufgeVgl. ausführlich dazu: Dorer (1997) zur (diskursiven) Konstruktion des Internets als "männliches" Medium, Carstensen (2007) zur interpretativen Herstellung des Internets in unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen und Hrynyshyn (2008) zur sozialen Konstruktion von Technologien insbesondere des Internets.
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zeigt werden ebenfalls Ansätze und Methoden zur Analyse von OnlineKommunikation. In der theoretischen Auseinandersetzung um das Verhältnis von Internet und Partizipation finden sich zumeist drei Positionen: erstens wird von einer gesteigerten politischen Mobilisierung durch das Internets ausgegangen, da es neue Formen der Demokratie und Partizipation ermöglicht; zweitens wird eine Stärkung bisheriger Muster politischer Partizipation und deren Akteurinnen vermutet und drittens vor den negativen Effekte des Internets wie einer zunehmenden digitalen Spaltung gewarnt (vgl. Norris 2001). Allerdings sind im Internet wie auch allgemein am Zugang zu und Teilhabe an Öffentlichkeit verschiedene Inklusions- und Exklusionsprozesse wirksam, die weitaus diffiziler ablaufen, wie insbesondere die Gender Studies zeigen. Durch eine Veränderung der Kommunikationsformen durch OnlineKommunikation entstehen neue Möglichkeiten der Kommunikation. So können viele interaktive Kommunikationsmöglichkeiten des Internets als öffentlich bezeichnet werden, weil sie generell für eine breite Allgemeinheit zugänglich sind (vgl. Cooke 1999, Jordan 1999, Joss 2002, Nanz/ Steffek 2004). Das Internet bündelt nicht nur verschiedene Modi der Kommunikation, sondern vernetzt und integriert sie auch, da der Wechsel zwischen verschiedenen Modi der Kommunikation einfacher geworden ist (vgl. Beck 2010). Kommunikation verändert sich dabei insbesondere durch die Möglichkeiten der Interaktivität (vgl. Döring 2003), die besonders mit dem so genannten Web 2.0, das die Rolle der Nutzerinnen betont, in den Vordergrund getreten ist (vgl. Schmidt 2009). Die Kommunikationsformen im Internet werden unterschiedlich begrifflich gefasst; so versteht Trappel (2007: 35) unter Online-Medien Kommunikationsformen, die den Anspruch auf Herstellung einer "massenkommunikativen Öffentlichkeit" erheben. E-Mail, Foren, Chats und Weblogs sind nach dieser Definition der personalen Kommunikation zuzuordnen. Andere Autorinnen sehen diese Vielzahl an Kommunikationsformen nebeneinander existieren, als gleichberechtigt werden dann die Nutzung von Mailinglisten, Chat-Räumen, Weblogs sowie Websites für politische Mobilisierung angesehen (vgl. Döring 2003, Döring/Gundolf 2005). Weblogs, so führt Katzenbach (2008) aus, haben sowohl starke Überschneidungen mit Themen der Massenmedien als auch mit Themen in Bürgerforen. Dementsprechend verortet Katzenbach Weblogs im Zwischenraum von Alltagsgesprächen und massenmedialen Diskursen (vgl. ebd.: 126). Einzelne Kommunikationsformen lassen sich also nicht klar voneinander trennen und massenmediale sowie interpersonale Kommunikationsformen vermischen. E-Mail kann als eine Form interpersonaler Kommunikation gelten, die asynchronen Austausch ermöglicht. Chats
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hingegen ermöglichen synchrone Kommunikation. Auch soziale Netzwerke, wie Xing, MySpace und Facebook, sind auf wechselseitige Kommunikation angelegt (vgl. Beck 2010: 15ff.). Neben den Kommunikationsformen sind es des Weiteren die Formen der Beteiligung im und durch das Internet, die im Mittelpunkt der Forschungen stehen. Insbesondere durch das so genannte Social Web oder das Web 2.0 sind neue Formen beispielsweise des "Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagement" aber auch der Partizipation möglich (vgl. Schmidt 2009: 71-95). Politische Mobilisierung hingegen findet weniger durch Nutzung des Social Webs, sondern vielmehr durch E-Mail und Blogs statt, wie verschiedene Studien aufzeigen (vgl. Nielsen 2011, Zuniga/Puig-I-Abril/Rojas 2009). Durch die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkämpfe ist eine Diskussion angestoßen worden, die von einem großen Potenzial des Intemets zur Mobilisierung im Wahlkampf ausgeht (vgl. Thimm 2010, Vaccari 2008). Das Internet verändert also die mediale Verbreitung und Verhandlung von Themen. Die Bürgerinnen konsumieren nicht nur, sondern werden durch Beteiligung zu so genannten "Prosumentlnnen" (Schmidt 2009: 177), was insbesondere deliberative Formen unterstützt. Methodologisch reichen die Untersuchungen zu Online-Kommunikation über Inhaltsanalysen von Diskussionsforen (zum Forschungsstand: Rucht/Yang/Zimmermann 2008: 20ff.), einen allgemeinen Themenscan (vgl. Schmidt/Frees/Fisch 2009) bis hin zu quantitativen oder qualitativen Befragungen von Nutzerinnen bestimmter Angebote oder Expertlnnen. Schmidt (2006) untersucht beispielsweise die Gründe einen Blog zu betreiben, bei kollaborativen Arbeiten (wie Wikipedia) oder Social Networking Sites interessieren die Nutzungsweisen (vgl. Fuchs 2009). Insbesondere durch den Einbezug des Intemets im US-amerikanischen Wahlkampf von Barack Obama wurde Wahlkampf-Kommunikation im Internet zu einem zentralen Forschungsthema (vgl. Thimm 2010). In den letzten Jahren hat die Zahl der Studien zugenommen, die sich mit einem bestimmten Kommunikationsereignis bzw. Online-Diskurs beschäftigen und dessen Verlauf im Internet untersuchen, so beispielsweise zur Humangenomforschung oder zum Genfood (vgl. Gerhards/Schäfer 2006, Rucht/Yang/Zimmermann 2008). Kritisch diskutiert wird ebenfalls die Frage nach der Qualität im Online-Journalismus (vgl. Neuherger 2009) oder das Lernen mit dem Web 2.0 tmd die dazu gehörende Frage nach der Medienkompetenz von Kindem (vgl. Hasebrink et al. 2009). Methodisch wird eine Vielzahl von Vorgehensweisen gewählt und dies zeigt auch ein Dilemma der Online-Forschung. Es gibt keinen verbindenden Methodenkanon, die vielfältigen Ansätze werden zumeist einzeln weiter-
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entwickelt (vgl. dazu auch den Band zur Online-Inhaltsanalyse von Welker/Wünsch 2010). Eine Analyse von Online-Kommunikation steht also methodologisch und konzeptionell vor zahlreichen Herausforderungen. Ein zentrales Problem ist die Dynamik des lnternets, es verändert sich ständig und wächst exponentiell (vgl. Rössler/Wirth 2001: 281). Das Internet ist darüber hinaus nicht mehr - wie in der Anfangszeit als eine textuelle Darstellung überwog - einfach mit Printmedien vergleichbar, sondern zunehmend werden Audio- und Videoapplikationen integriert. Online-Texte weisen zudem Merkmale auf, die Papierdokumenten fehlen, wie Hyperlinks, Feedback-Funktionen und die Möglichkeit, einen Kommentar zu hinterlassen. Online-Kommunikation stand zunächst für "Individualisierung, Dynamik und Kontextlosigkeit" (Fraas/Pentzold 2008: 292), allerdings gibt es auch Webseiten, die sich kaum verändern. Darüber hinaus sind viele Entwicklungen nicht durch individuelles, sondern durch gemeinschaftliches Handeln gekennzeichnet, wie beispielsweise Wikipedia als weithin bekannte kollaborative Plattform zu Erstellung einer Enzyklopädie (vgl. Pentzold 2008). Auch temporäre Zusammenschlüsse wie etwa bei der Überprüfung der Doktorarbeit des ehemaligen deutschen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Cuttenberg trugen maßgeblich zur Aufdeckung des Plagiats bei. 2 Auch werden Themen mehr und mehr im Zusammenspiel zwischen alten und neuen Medien konstituiert und verarbeitet, da Internet-Kommunikation als Vorstufe einer realen Mobilisierung dienen kann oder an massenmediale Kommunikationsprozesse anschließt (vgl. Bucher 2002). Online-Kommunikation spielt also eine zentrale Rolle in gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen. Festhalten lässt sich, dass das Verhältnis von Medien und Demokratie Veränderungen und Umbrüchen ausgesetzt ist. Der Versuch einer Bestimmung des Verhältnisses von Medien, politischer Kommunikation und Demokratie zeigt auf, dass es nicht ausreicht, lediglich die Funktionen von Medien in einer Demokratie zu beschreiben. Denn, so Dahlgren (2009: 3 f.), der Wert von Theorien bemisst sich darin, dass sie neben der reinen Beschreibung empirischer Phänomene auch bessere Alternativen aufzeigen können. Im Folgenden lege ich als Schlüsselkonzepte für eine Bestimmung der Dimensionen politischer Kommunikation einen weiten Politikbegriff zugrunde und wähle einen handltmgstheoretischen Zugang, der dem Handeln von Bürgerinnen sowie gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen eine zentrale Rolle zuspricht. Angemessen er2 Vgl. CuttenPlag Wiki, online verfügbar unter: http://de.guttenplag.wikia.com/ wiki/GuttenPlag_Wiki (abgerufen am 10.08.2012).
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scheint es, kulturelle Aspekte beispielsweise bei der Konstruktion von Staatsbürgerinnen einzubeziehen sowie Geschlecht als Analysekategorie mitzudenken. Mit Hilfe eines weiten Politikbegriffs können dann sowohl veränderte Kommunikationsformen durch das Internet erfasst, als auch Dichotomien, wie zwischen privat und öffentlich sowie Unterhaltung und Information, kritisch hinterfragt und einer Analyse zugänglich gemacht werden.
Teil II: Theoretischer Rahmen: Raum und Öffentlichkeit In Teil li wird die Arbeit innerhalb von Raum- und Öffentlichkeitstheorien verortet Ausgehend von diesen theoretischen Bezügen werden anschließend gegenwärtige, insbesondere mit der zunehmenden Verbreitung des Internets in Zusammenhang stehende, Wandlungsprozesse reflektiert. Diese theoretischen Bezüge zu Raum und Öffentlichkeit bilden die konzeptionelle Grundlage sowie die Ausgangsbasis für die Analyse der Online-Debatte über Arigona Zogaj. Im Folgenden werden in Kapitel3 Raumtheorien vorgestellt, die Gesellschaft und soziale Praktiken als zentral für die Konstruktion und Produktion von Raum einordnen. Diese werden unter Berücksichtigung von Begriffen wie Identität, Macht und Kultur zusammengeführt und so die zentralen Erkenntnisse in Bezug auf das Vorhaben dieser Arbeit verdichtet. Bei der Diskussion verschiedener Öffentlichkeitstheorien in Kapitel4 wird insbesondere die Bedeutung der Konzepte von Teilhabe, Inklusion und Zugehörigkeit herausgestellt und angesichts aktueller Entwicklungen diskutiert. Dadurch eröffnen sich weitere Perspektiven, die Debatten zu Ungleichheit, Veränderungen der Privatheit, Transnationalisierung und Digitalisierung von Öffentlichkeit umfassen. Die Konzepte von Öffentlichkeit werden mit diesen aktuellen Perspektiven und Entwicklungen in Verbindung gesetzt. In KapitelS werden daran anschließend die diskutierten theoretischen Bezüge zu Raum und Öffentlichkeit sowie die zentralen Begriffe und Konzepte zu einem Modell politischer Kommunikationsräume im Internet zusammengeführt. Damit hat dieser Teil der Arbeit eine doppelte Funktion: erstens werden die zentralen Theoriebezüge zu Raum und Öffentlichkeit diskutiert und zweitens werden unter Berücksichtigung weiterer theoretischer Ansätze zentrale Begriffe, die für ein Verständnis von Raum und Öffentlichkeit bedeutsam sind, definiert und daraus ein Modell politischer Kammunikationsräume im Internet entwickelt.
3 Geographien der Kommunikation: Mediale Räume Veränderbare und gestaltbare Räume, insbesondere mediale Räume, bilden die Geographien der Kommunikation, in denen sich gesellschaftliche Prozesse und Entwicklungen analysieren lassen. Medien selbst sind dabei Teil eines permanenten kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Wandels. Kornmunikation findet in solchen medialen Räumen statt, konstruiert sie aber auch und schafft so Verortungen für Subjekte und Positionen. Als Weiterentwicklung naturwissenschaftlicher und geographischer Ansätze sind insbesondere Ansätze der Sozialgeographie zu nennen, die eine zentrale Basis sozial- und kulturwissenschaftlicher Raumbeschreibungen darstellen. Aus der Zusammenführung verschiedener Ansätze aus Sozialgeographie, Soziologie und Kommunikationswissenschaft wird herausgearbeitet, welche Rolle der Raum in den jeweiligen Theorien für ein Verständnis gesellschaftlicher und kommunikativer Prozesse spielt. Zunächst wird kurz die Entwicklung des Begriffs von naturwissenschaftlichen Ansätzen hin zu soziologischen Ansätzen skizziert. Anschließend zeige ich auf, welche Forschungsperspektiven aus dem spatial turn in der Kommunikationswissenschaft entstehen. Für eine theoretische Fundierung des spatial turn in der Kommunikationswissenschaft wende ich mich in den darauffolgenden Abschnitten zentralen theoretischen Positionen zum Raum aus der Sozialgeographie zu. Ausgehend von Henri Lefebvre, Edward Soja und Doreen Massey werden Konzepte von Raum nachgezeichnet. Gerneinsam ist diesen Konzepten, dass sie nach der Beziehung zwischen Raum und Gesellschaft fragen und Raum nicht essentialistisch auffassen. Ausgangspunkt ist vielmehr ein ständiger Prozess des Machens und Gemachtwerdens bei der Konstituierung von Raum. Dennoch unterscheiden sich die Vorschläge der Neukonzeptualisierung von Raum je nach theoretischer Position. Die sozialgeographischen Ansätze dienen als theoretische Grundlage für die weiteren Ausarbeitungen. Darauf aufbauend wird angesichts aktueller gesellschaftlicher Wandlungsprozesse, wie Transnationalisierung und Globalisierung, die notwendige Erweiterung einer Raumperspektive durch die Cultural Studies und postkolonialen Theorien aufgezeigt. Anschließend folgt eine Diskussion von zentralen Begriffen, wie Identität, Kultur und Macht, die für das weitere Verständnis der Arbeit und die empirische Umsetzung leitend
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sind. Alternativen und Umdeutungen hegemonialer Positionen machen insbesondere Zwischen-Räume ersichtlich, die am Ende des Kapitels expliziert werden. Die jeweiligen Raumperspektiven werden auf Politisierungen und Entpolitisierungen hinterfragt, so können mit ihnen vorgenommenen Naturalisierungen und Symbolisierungen in den Blick genommen werden (vgl. auch Bachmann-Medick 2009: 291). Damit werden Perspektiven von Raumtheorien über eine bloße Beschreibung gesellschaftlicher und auch kommunikativer Prozesse hinaus aufgezeigt sowie gesellschaftliche Konstruktionen kritisch reflektiert.
3.1 Raum: Begriff und Gegenstandsbereich In den letzten Jahren fand und findet in vielen Forschungsdisziplinen eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Raumbegriff statt. Allerdings, so merkt Bachmann-Medick (2009: 285) kritisch an, scheint es durch diese "Wiederentdeckung" des Raumes so, "als sei der Raumbegriff vorher abhanden gekommen". Bachmann-Medick (2009: 287) macht mehrere Faktoren für diese vermeintliche Wiederentdeckung des Raumbegriffs fest: das Ende des Ost-West-Konflikts und damit die Aufhebung der räumlich-politischen Polarität, Entw icklungen wie Globalisierung und Transnationalisierung sowie den damit einhergehenden Bedeutungsverlust von Nationalstaaten und nationalstaatliehen Akteurinnen bei gleichzeitig neuen Grenzziehungen. In diesem Zusammenhang wird auch die Bedeutung der Zeit als sozialwissenschaftliche Kategorie diskutiert, die als dynamisch, statisch oder historisch betrachtet werden kann. Raum und Zeit stehen dabei in einem dialektischen Verhältnis, weder das eine noch das andere ist über die jeweilige Kategorie zu stellen. In dieser Arbeit wird jedoch auf den Begriff des Raums fokussiert. Die Genese der verschiedenen Raumkonzepte ist keine lineare Entwicklung und die vielfältigen Konzepte haben Überschneidungen und lassen sich nicht trennscharf voneinander abgrenzen. Nichtsdestotrotz wird im Folgenden der Versuch unternommen, die Entwicklung der unterschiedlichen Perspektiven auf Raum aufeinanderfolgend darzustellen, um so deutlich zu machen, wie sich die jeweilige Perspektive verändert hat und was dies für die Sicht auf Kommunikation bzw. hinsichtlich Medien bedeutet (vgl. Tabelle 2-1). Die einzelnen Abschnitte dieses Kapitels orientieren sich an dieser Gliederung:
Geographien der Kommunikation
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Tabelle 2-1: Entwicklung des Raumbegriffs Perspektive auf Raum
Sicht auf Kommunikation und Medien
Theoretische Ausrichtung und Hauptvertreterinnen
Kommunikation ist ein Prozess, der in etwas stattfin d et. Medien werden als Container betrachtet, der an sich unveränderbar ist.
N aturw issenschaftliche Ansätze, frühe geographisehe Ansätze. Immanuel Kant Albert Ein stein
Raum als gesellschaftlich es und soziales Produkt
Kommunikation ist abhängig von der jew eiligen Gesellschaft, sie entsteht damit in einem bestimmten gesellschaftlichen Raum. Kommunikation ist nich t ohne Macht- und Hierarchieverhältnisse zu denken . Raum und Medien sind veränderbar und nicht neutral.
Sozialgeographische, m edientheoretische Ansätze. Henri Lefebvre EdwardSoja Doreen Massey H arold Innis
Räume als Konstruktionen
Thematisierung von Machtfragen, Reflexion des Verhältnisses von Zentrum und Peripherie, virtuelle (Medien-)Räume, Kommunikationsform en und -prozesse unterstützen Inklusion- und Exklusionsprozesse, enthalten jedoch Veränd erungsmöglichkeiten
Cultural Studies, Postkoloniale Ansätze, Gender Stu dies, kritische Reflexion des spatial turn Brigitte Hipfl Doris Bachmann-Medick
Ausgangspunkt Raum als Container, materieller Raum
Aktuelle Perspektiven
Veränderungen und Umdeutungen In Frage stellen von Dich otomien, Konzep tualisierungen von "Anderen Räumen" und "Zwischen-Räumen
Reflexion des historischen Ausschlusses von bestimmten Räumen, Betonung des Uneindeutigen, kritische Sicht auf Aneignungspraxen und m ediale Repräsentation en
Poststrukturalismus, Post-kolonialismus, Cultural Studies, Gender und Qu eer Studies Homi Bhabha Edw ardSaid Michel Foucault GilianRose
Wie in Tabelle 2-1 ersichtlich liegt der Au sgangspunkt der w issen schaftlichen Auseinandersetzung mit dem Raum in naturw issenschaftlichen und geographischen Ansätzen. Dementsprechend wurde der Raum lange als ein geographisches Forschungsgebiet betrachtet und w ar insbesondere in den Naturw issenschaften eng an eine physische Vorstellung von
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Materialität geknüpft. Auch in der Geographie war lange Zeit eine naturalistische Raumkonzeption vorherrschend, in der Raum als physische Entität, als das scheinbar Gegebene, angesehen wurde. Frühe sozialwissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem Raum stellten in den Vordergrund, dass sich bestimmte gesellschaftliche Prozesse und Strukturen im Raum abbilden, aber auch diese Konzeption setzte die Existenz eines physischen Raumes voraus. In neueren Ansätzen- wie aus der Sozialgeographie, den Cultural Studies und den Gender Studies - wird Raum nicht mehr nur als physisch erfahrbarer Raum definiert. Neben die Konzeption einer abgeschlossenen Form oder Struktur rücken konstruierte, gedachte und erlebte Räume. Raum lässt sich als Produkt sozialer und kultureller Praktiken oder als diskursiver Ort begreifen. Auch werden zunehmende Veränderungen und Umdeutungen mitgedacht, da die Perspektive auf Raum nie abgeschlossen sein kann. Diese aufgezeigten Verbindungslinien der Sozial- und Kulturwissenschaften zur Geographie, insbesondere zur social geography, wird als spatial turn in den Geistes- und Sozialwissenschaften, aber auch in der Kommunikationswissenschaft, bezeichneP Gesellschaftliche Prozesse, und damit auch kommunikative Prozesse, werden zunehmend in einer räumlichen Begrifflichkeit und Metaphorik beschrieben. Bei Raumkonzeptionen und allgemein in den Ausführungen zum spatial turn werden zahlreiche Begriffe für die jeweilige Raumkonzeption verwendet. Zeit und Verortungen strukturieren den Raum, Prozesse bei denen sich Räume herausbilden oder die Räumen zugrunde liegen werden je nach theoretischem Ansatzpunkt als physisch, materiell oder virtuell angesehen. Repräsentationen in diesen Räumen, die auch raumübergreifend sein können, aber auch die Abgrenzung bestimmter Räume von anderen gesellschaftlichen Bereichen stellt die Frage nach Ein- und Ausschlussmechanismen, die häufig mit Konstruktionen von u.a. Kultur, Identität und Geschlecht einhergehen. Dies führt zu Positionierungen innerhalb eines Raumes und zur Bestimmung dessen, wer als Teil der legitimen Bewohnerinnen eines Raumes angesehen wird. Denn, so Löw, Streets und Stoetzer (2008: 51), "wer Räume analysiert, richtet das Augenmerk stets auf die Differenz, die gegenseitigen Verflechtungen und ihre Veränderungen".
Vgl. z.B. Bachrnann-Medick, Doris (2009): Spatial Turn. In: Doris BachmannMedick: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, 3. neu bearb. Auf!. Reinbek: Rowohlt, S. 284-328. Dünne, Jörg/Günzel, Stephan (2006) (Hg.): Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaften, Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Löw, Martina (2001): Raumsoziologie, Frankfurt a.M.: Suhrkam p .
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In aktuellen Debatten zum Raum sind Fragen nach der Gestaltung und Konzeption von Raum zentral. Daraus lassen sich wiederum theoretische Annahmen zu Medien und Kommunikation ableiten. In den folgenden Ausführungen zu den einzelnen Raumbegriffen aus Sozialgeographie, Kultur- und Sozialwissenschaften werden die in Tabelle 2-1 aufgeführten zentralen Begriffe und die dahinter stehenden Theorien diskutiert. Dafür wird in den folgenden Abschnitten die Entwicklung der Raumdiskussion in den Sozialwissenschaften und der Kommunikationswissenschaft aufgezeigt. Zu Beginn der soziologischen Auseinandersetzung mit dem Konzept "Raum" stand eine enge Anlehnung an ein naturwissenschaftliches Raumverständnis. Raum wurde als etwas materiell Erfahrbares begriffen, als ein physisch-territorialer Raum. Ausgehend davon wurde Raum als Container bzw. Behälter konzipiert, in dem sich Menschen, Gesellschaften und Kulturen befinden. Raum wurde so als etwas natürlich Gegebenes betrachtet. Soziale Handlungen, w ie auch Kommunikation, finden demnach in einem an sich unbeweglichen Raum, einem "für sich existierenden Raum" (Löw 2001: 18) statt. Die Vorstellung von einem absoluten Raum findet sich in zahlreichen Raumvorstellungen bzw. -begriffen. So legt Isaac Newton einen physikalischen Raum zugrunde, der unabhängig von der Beobachterposition, den darin enthaltenen Objekten und den darin stattfindenden Prozessen ist (vgl. Sturm 2000). Alle Bewegungen finden somit relativ zum absoluten Raum statt. Diese dualistische Unterscheidung zwischen Raum und Körper beinhaltet die Annahme, dass Raum unabhängig vom Körper existiert (vgl. Löw 2001: 18). Theoretisch weiterentwickelt wurde die Vorstellung eines containerartigen Raums von Albert Einstein, der von einem relationalen Raumbegriff ausging, der folgende Grundannahmen enthielt: Raum konstituiert sich auch in der Zeit und ist damit an sich kein starrer Behälter, sondern verwoben mit Handlungen (vgl. Löw 2001: 34). Ähnlich argumentiert Norbert Elias: "man lasse sich nicht durch die Annahme irreführen, man könne ,im Raum' stillsitzen, während ,die Zeit' vergeht" (Elias 1994: 75). Ein relationaler Raumbegriff bzw. eine relativistische Perspektive auf diese Prozesse kann in "einer Weise formuliert werden, dass nicht nur die neue Formation der Organisation von Räumen, sondern auch die Herausbildung von Territorien und Orten sowie die Räumen zugrunde liegenden Konstruktionsarbeit erfasst wird" (Löw 2001: 112). Das heißt, dass nicht nur die Beziehungen, sondern auch die verknüpften Objekte betrachtet werden müssen. Raum ist damit nicht nur als Hintergrund des Handeins zu konzipieren, sondern Raum sollte "in den Handlungsverlauf eingerückt" werden (Löw 2001: 113). Die
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durch Handlungen entstehenden Räume können dann soziologisch bezüglich sozialen Strukturen bzw. mit einer kommunikationswissenschaftliehen Perspektive auf Kommunikationsprozesse hin untersucht werden, die vielfach durch Verknüpfungen von Beziehungen und Objekten- wie insbesondere im Internet deutlich wird- entstehen. Ein relationaler Raumbegriff kann weitergehend mit einer prozessualen Perspektive verbunden werden. Damit wird- anders als beim absoluten Raum- der Veränderungsprozess betont und Raum nicht in Gegensatz zum Körper gesetzt. Der Raum ist ebenso wie der Körper in Bewegung. Diese existieren demzufolge nicht unabhängig voneinander, denn die "Aktivität des Handeins geht unmittelbar mit der Produktion von Räumen einher" (Löw 2001: 18) ebenso wie Räume nicht unabhängig von der Gesellschaft existieren, worauf insbesondere Henri Lefebvre (vgl. Abschnitt 3.3.1) hinweist. Welcher dieser Raumbegriffe - absolut, idealistisch, relational oder prozessual - einer Raumkonzeption zugrunde gelegt wird, ist zentral, denn je nach Ausgestaltung haben die Raumtheorien eine beschreibende, positivistische oder affirmative Funktion bzw. ein kritisches Potenzial. Die in diesem Kapitel dargelegten sozialgeographischen Ansätze rücken weniger die erkenntnistheoretische Grundfrage nach einem absolutem oder idealistischem Raum in den Vordergrund als vielmehr die Frage nach der Entstehung von Raum. Im nächsten Abschnitt wird die Entwicklung des spatial turn in der Kommunikationswissenschaft nachgezeichnet, um davon ausgehend und in Verbindung mit den sozialgeographischen Ansätzen Parameter zu entwickeln, die Raumkonzeptionen differenziert in die Analyse von Medien- und Kommunikationsprozessen einbeziehen.
3.2 Der spatial turn in der Kommunikationswissenschaft Wie in anderen Kultur- und Sozialwissenschaften ist auch innerhalb der Kommunikationswissenschaft Raum kein gänzlich neuer Topos. Der Raumbegriff ist Teil theoretischer und empirischer Ausarbeitungen, in denen Räume der Kommunikation im Mittelpunkt stehen. Im Folgenden werden einzelne Positionen exemplarisch dargestellt. Ersichtlich ist, dass es sich bei den meisten Arbeiten nicht um eine umfassende Raumkonzeption handelt, sondern vielmehr - auf einer eher deskriptiven Ebene Einzelfallanalysen durchgeführt werden, die jedoch wichtige Aspekte für eine Betrachtung von Kommunikation unter einer räumlichen Perspektive liefern.
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Den frühen Raumkonzeptionen, in denen kommunikative Prozesse im Mittelpunkt stehen, ist gemeinsam, dass sie im Raum etwas Begrenzendes sehen. Raum wird so nur "hinsichtlich seiner Funktion für Kommunikation" konzeptualisiert (vgl. Maier-Rabler 1991: 25). Hier werden Parallelen zum eingangs erwähnten "absoluten Raum" ersichtlich. Weitergehend wird Raum häufig als Analysekategorie verwendet, um damit territoriale, wirtschaftliche und sprachliche Räumen zu beschreiben und abzugrenzen. So beschreibt Kleinsteuber (1995: 41 f.) Europa als Kommunikationsraum vor dem Kontext der europäischen Integration, der sich durch eine "Verdichtung von Kommunikation" kennzeichnet. Der Raum ist dabei aber nur ein "formales Ordnungsraster", das sich auf Massenmedien richtet, und durch Faktoren wie Technik, Politik, Recht, Ökonomie und Kultur gebildet wird (Kleinsteuber/Rossmann 1994: 20 f.). Vergleichbare deskriptive Ansätze finden sich bei Wolton (1990) und Jarren (1986). So beschreibt Wolton (1990) politische Kommunikation als statischen Raum, der ein "Scharnier" zwischen dem Kommunikationsraum der politischen Akteurinnen untereinander und dem breiten Raum einer allgemeinen Öffentlichkeit bildet. Neben der statischen Raumkonzeption wird auch eine Trennung zwischen politischem Prozess und politischer Kommunikation ersichtlich. Maier-Rabler (1992) stellt die Verbindungsund Vernetzungsfunktion von Räumen heraus, um darauf hinzuweisen, dass Raum nicht nur als Begrenzung für die Untersuchung kommunikativer Strukturen dient. Jarren (1986) legt in einer "Kommunikationsraumanalyse" dar, wie unter "Kommunikationsräumen" durch Kommunikationsprozesse geschaffene Räume verstanden werden können. Ein Kammunikationsraum ist demnach ein "geographisch und/oder sozial bestimmbarer Raum", der eine unterschiedliche Ausdehnung in Bezug auf eine regionale, nationale oder transnationale Reichweite und verschiedene Inhalte hat (Jarren 1987: 580 zitiert nach Hepp 2004: 86). Ähnlich unterteilt Gräf (1992) die Inhalte von Kommunikationsräumen hinsichtlich einer Sachdimension, die sich in "Nachrichtenraum" und "Informationsraum" unterscheiden lässt. Zusätzlich lassen sich noch die Qualität der Inhalte sowie die Zeitdimension, die sich auf Parameter wie Aktualität, Periodizität oder Serialität bezieht, berücksichtigen (vgl. ebd.: 377). Nach Maier-Rabler (1991: 30 f.) bilden sich durch kommunikative Prozesse Kommunikationsräume, die je nach Kommunikationsform auf einer interpersonalen bis hin zu einer gesellschaftsweiten Ebene angesiedelt sind. In vielen dieser Ansätze wird jedoch, darauf weist Beck (2003) hin, Raum lediglich als Analysekategorie benutzt. Die hier benannte "Kommunikationsraumforschung" richtet des Weiteren den Fokus auf Massenmedien. Massenmedien bilden dann Korn-
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munikationsräume, so ließen sich die verschiedenen Ansätze zusammenfassen, wenn sie sich auf eine gemeinsame geographische Entität beziehen oder einen sozial und inhaltlich bestimmbaren Raum formen. In diesen Ansätzen wird Raum zumeist als fixe Entität wahrgenommen und so Aspekte der Entstehung und Veränderung von Raum vernachlässigt. Gesellschaftliche Entwicklungen, die sich durch Globalisierung und Transnationalisierung kennzeichnen und nationale Grenzen in Frage stellen oder soziale Ungleichheiten thematisieren, können dann nicht erfasst werden. Wenn nun Kommunikationsräume nicht als in sich geschlossen betrachtet werden, lässt sich das kulturelle Integrationspotenzial von Medien problematisieren, denn diese beziehen sich zumeist auf eine Nation bzw. Gesellschaft (vgl. Hepp 2004: 88). Demgegenüber stehen Zerfallsdiagnosen des Raumes; so spricht Bühl (1996: 101) davon, dass durch das Internet der " reale Raum" verloren geht, Virilio (1990: 348) konstatiert ähnlich ein "Verschwinden des Raumes", das er auf die Beschleunigung der Gesellschaft durch neue Medien zurückführt. Zumeist wird dabei jedoch von einem - in sich geschlossenen - Raum ausgegangen, der sich auflöst. Weniger in den Blick geraten so Praktiken der Raumproduktion. Die Kommunikationsraumforschung verbleibt dabei auf einer deskriptiven Ebene, die den Einfluss der Gesellschaft auf die Raumproduktion nicht hinreichend theoretisiert. Das Wechselspiel zwischen gesellschaftlichen Strukturen und Machtverhältnissen thematisiert der Medienw issenschaftler und Ökonom Harold Innis. In der Monographie "Empire and Communications" benennt Innis (1986) das Verhältnis zwischen der Bedeutung von Kommunikation und den vorherrschenden Mustern von Wissen und Macht. Medien entfalten sich demnach in historisch-spezifischen Räumen, dadurch tragen sie Machstrukturen mit oder ermöglichen diese. Innis fragt danach, auf welchen historischen und kulturellen Einschreibungen Raum beruht, w elche Machtverhältnisse und Hierarchien seine Konstruktion bedingen, aber auch welche alternativen Räume existieren und welche Verbindungslinien und Vernetzungen zwischen verschiedenen Räumen sichtbar sind. Damit rücken auch Möglichkeiten in den Fokus, dass sich neben bzw. aus den dominanten Kommunikationsformen und -räumen heraus neue und andere Räume entwickeln. Kommunikation ist demzufolge ebenso wie Raum Produkt eines sozialen Prozesses mit einem d ynamischen Charakter. Innis betrachtet jedoch die soziale Entwicklung der Technik nachgelagert, damit zeigt sich in diesem Punkt - ähnlich wie bei Virilio -eine technikdeterministische Sicht. Allerdings, darauf weist auch Beck (2003: 126) hin, haben Medientheoretiker wie Innis und Virilio die Frage nach kulturellen und gesamtgesellschaftlichen Folgen von Medien-
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technologien neu gestellt und damit wichtige Aspekte in die Diskussion eingebracht. Gesellschaftliche Entwicklungen der Globalisierung und Transnationalisierung sowie räumliche Veränderungen durch Migrationsbewegungen stellen die Frage nach dem Zusammenhang von Raum und Kommunikation erneut. Couldry und McCarthy (2004) konzeptualisieren Räume als materielle soziale Relationen mit historischen Bezügen, darunter fallen auch durch Medien gebildete Räume, in denen sich Möglichkeiten der Zugehörigkeit und des Verbindens zeigen. Diese Räume bezeichnen Couldry und MacCarthy (2004: 3) als " Mediascapes", um den Zusammenhang von Medien und Räumen zu verdeutlichen. Diese Räume kennzeichnen sich durch einen "dialectical sense of belanging and alienation, self and system". Kommunikation kann dabei mehrere Funktionen bzw. Rollen einnehmen: als Motor in Prozessen der Konstruktion von Raum, gleichzeitig wird Kommunikation aber auch durch den Raum konstruiert. Globalisierung und Migration verstärken Veränderungen, die von Medien hervorgerufen werden können. Demzufolge, so führen Janson und Falkheimer aus, gilt: "All forms of communication occur in space, and all spaces are produced through representation which occurs by means of communication" (Jansson/ Falkheimer 2006: 9, Hervorhebung im Original). Die zentrale Bedeutung von Kommunikation und Medien bei der Herstellung von Raum zeigte sich einmal mehr durch die Entwicklung des Internets. Innerhalb der gesellschaftlichen Debatte um Raum und Internet unterscheidet Beck (2003) drei verschiedene Diskursstränge, die das Verhältnis von Internet und Raum beschreiben: Der erste Diskursstrang beschreibt das Internet als Raum und fragt nach den räumlichen Interpretationen sowie nach der Konstruktion von Raum. Der zweite Diskursstrang stellt das Verhältnis von Internet und physischem Raum in den Mittelpunkt, insbesondere im Hinblick darauf, welche gesellschaftliche Relevanz die materiellen Bestandteile des Internets haben. Drittens wird die gesellschaftspolitische Brisanz im Zusammenhang mit Fragen nach dem Veränderungspotenzial von Räumen diskutiert und gefragt, ob Räume im Internet die Beteiligung sowie die Kommunikation in Bezu g auf die bisherigen Formen der Partizipation verändern. Zusammenfassend lässt sich zum Stand der Debatte zum Raum in der Kommunikationswissenschaft festhalten, dass Massenmedien im Fokus dieser Betrachtungen stehen, die Konzeptualisierungen von Raum zumeist empirische Phänomene beschreiben sowie teilweise eine technikdeterministische Sichtweise deutlich wird. Damit fehlt eine theoretische
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Analyse der Raumbezüge des Internets bisher ebenso wie eine verstärkte theoretische Fundierung des Raumbegriffs in der Kommunikationswissenschaft. Darüber hinaus wird deutlich, dass die bisherigen Konzepte relativ statisch sind und wenige Möglichkeiten an Alternativen und Umdeutungen bereithalten. Häufig wird auch wechselseitig von Öffentlichkeit und/oder Raum gesprochen- Konzepte, denen ich eine unterschiedliche Bedeutung zuschreibe und sie deswegen analytisch trenne.
3.3 Die Loslösung vom materiellen Raum In den folgenden Abschnitten wird grundlegend auf die sozialgeographische Ansätze von Henri Lefebvre, Edward Soja und Doreen Massey Bezug genommen und anschließend die "geographischen Verortungen" von Kultur, Macht und Identität bestimmt. Damit wird die theoretische Basis für den Entwurf eines Modells politischer Kommunikationsräume im Internet gelegt.
3.3.1 "The Production of Space": Henri Lefebvre
Als einer der Vorreiter des spatial turn wird Henri Lefebvre angesehen. Allerdings fand erst 1991 mit der englischen Übersetzung seiner ursprünglich bereits 1974 auf Französisch erschienenen Monographie "The Production of Space" eine breite Rezeption seiner Werke statt. Lefebvre betont die Zentralität der gesellschaftlichen Entwicklung für die jeweilige Raumkonzeption und den Prozesscharakter von Raum (vgl. Tabelle 2-1, S. 37).
Ausgehend von einer marxistischen Gesellschaftsauffassung sieht Lefebvre den kapitalistischen Staat mit seinen Interessen im Gegensatz zum Volk stehend. Der Staat reproduziert beispielsweise über die Kontrolle des Raums Herrschaftsbeziehtmgen, indem er durch räumliche Teilung und Ghettoisierung eine Hierarchie von Orten aufbaut (vgl. Löw 2001: 109). Der gesellschaftliche Raum ist einerseits homogen, da er staatlich kontrolliert wird, andererseits kennzeichnet er sich durch Ungleichheiten. Um diesen gesellschaftlichen Raum in all seinen Dimensionen zu erfassen, erweitert Lefebvre den marxistischen Gesellschaftsentwurf. Er geht nicht mehr nur von einem rein physischen Raum aus, der als Teil der Produktionsmittel der ökonomischen Infrastruktur zugehörig ist, sondern konzipiert einen Raum der sozialen Praxis jenseits der Produktionsverhältnisse (vgl. Löw 2001: 110 ff.). Lefebvre entwickelt eine Theorie vom gesellschaftlichen Raum bzw. von der Produktion des Raumes ausgehend von einer Auseinanderset-
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zung mit der geographischen Beschaffenheit von Städten. Diese, aber auch allgemeiner die Natur und Regionen, sieht er als kulturelle Konstruktionen versehen mit stereotypen Bedeutungen und an bestimmte Vorstellungen gekoppelt. Die Stadt bildet den Kontext des Lebens sowie der sozialen Beziehungen der Produktion. Die Stadt ist dabei mehr als lediglich ein geographisches Gebilde, sie kennzeichnet sich durch eine "soziale Zentralität". Die soziale Zentralität bildet sich in der Konzentration verschiedener kapitalistischer Elemente aus, die mit Hierarchien sowie Ein- und Ausgrenzungen einhergehen (vgl. Shields 2011: 280). Dieses Wesen der Stadt kritisiert Lefebvre (1991) und spricht sich für ein "right to the city" aus, um Veränderungen zu ermöglichen. Die Stadt lässt sich somit als "technology of citizenship" (Shields 2011: 280) begreifen, in der Bürgerinnen agieren können, allerdings vor dem Hintergrund hierarchischer Orte. Die Stadt ist damit der Ausgangspunkt der Entwicklung gesellschaftlicher Strukturen. Lefebvre rückt die Verknüpfung der Produktion des Raums mit der sozialen Praxis in den Fokus. Raum ist somit einem ständigen Veränderungsprozess unterworfen und lässt sich nicht unabhängig von der Gesellschaft denken. Lefebvre trennt dabei analytisch zunächst zwischen einem physischen Raum und einem sozialen Raum, um so zu erfassen, welche gesellschaftlichen Prozesse auf den jeweiligen Ebenen stattfinden. Des Weiteren unterscheidet Lefebvre die Produktion sozialer Räume und ihre symbolische Repräsentationen. Unter einem physischen Raum versteht Lefebvre zunächst den in den Hintergrund gerückten "Naturraum" (dsb. 2006: 330), der gleichsam, wenn auch weniger bedeutend, präsent bleibt. Er entspricht damit der materiellen Existenz (vgl. Hipfl2004). Lefebvre sieht zwar in diesem physischen Raum den "Ursprung des sozialen Prozesses", aber dieser Raum "rückt auf Distanz" (Lefebvre 2006: 330). Raum lässt sich nach Lefebvre zwar auch weiterhin in Begriffen des Physischen beschreiben - allerdings spricht er vom Physischen in Begriffen von Praktiken. Den physischen Raum betrachtet Lefebvre nicht mehr als materiell gegeben oder rein physisch erfahrbar, vielmehr wird dieser durch kulturelle und soziale Praktiken ausgebildet. Der physische Raum wird demnach durch die "Bewegung eines physischen Phänomens zwischen anderen physischen Phänomenen" konstruiert (Lefebvre 1992: 13). Der soziale Raum ist zunächst ein Ausdruck nationaler Modi der Produktion (vgl. Lefebvre 1992). Lefebvre selbst nennt diese Prozesse "Spatialisation" - also eine Verräumlichung von Prozessen und Praktiken. Raumproduktionen sind zeitlich eingebettet in eine jeweils unterscheidbare Kultur und Geschichte. Auch der geographische Raum, der zunächst
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als physischer Raum erscheint, ist damit ein sozialer Raum, da auch er durch Erfahrungen und Praktiken gebildet wird. Allerdings, so führt Lefebvre (1992) weiter aus, werde in kapitalistischen Gesellschaften versucht, den Raum zu fixieren, in dem ldentitäten festgelegt werden und Kontrolle über den Raum ausgeübt wird. Der soziale Raum enthält damit die sozialen Reproduktionsverhältnisse und die Produktionsverhältnisse, unter denen Lefebvre die Organisation von Arbeit und die Existenz hierarchischer sozialer Formen versteht (vgl. Lefebvre 2006: 331). Ergänzend hält Lefebvre fest, dass der physische Raum darüber hinaus sozial angeeignet wird. Das bedeutet, dass Kategorien wie Geschlecht, Kultur und Identität bei der Aneignung sozialer Räume eine Rolle spielen und die in Aneignungsprozessen enthaltenen Subjektpositionen erkennbar werden (vgl. Hipfl2004). Raum ist somit einerseits die materielle Grundlage des physischen Raums, aber auch ein gelebter Raum sozialer Praktiken, in dem sich das Räumliche sozial konstituiert. Umgekehrt stellt der Raum soziale Beziehungen her. Das Physische wird zudem überlagert vom Symbolischen und zwar auf der Ebene der Repräsentation von Raum. Damit unterscheidet Lefebvre zwischen der Produktion des Raumes und der symbolischen Repräsentation von Raum und geht damit über die Zweiteilung in einen physischen und einen sozialen Raumes hinaus (vgl. Lefebvre 1992: 26). Davon ausgehend entwickelt Lefebvre drei unterscheidbare Raumebenen, die sich wechselseitig durchdringen können und damit gleichzeitig wirksam sind (vgl. Shields 2011): Den perceived space, der das tägliche soziale Leben erfasst, den conceived space, der den theoretischen Raum der Geographlnnen, Planerinnen und auch Spekulantinnen beschreibt, also der Raum wie er kognitiv entwickelt wird, sowie den lived space, der als eher symbolischer und imaginärer Raum hauptsächlich durch Kunst und Kultur geprägt wird. In räumlichen Begriffen beschrieben, erstreckt sich diese Dreiteilung - in Anklang an die marxistische Dialektik in These, Antithese und Synthese - über drei Ebenen: So besteht sie erstens aus der räumlichen Praxis, also der Produktion und Reproduktion. Die zweite Ebene bilden die Raumrepräsentationen, d.h. die mit der räumlichen Praxis verbundenen Zeichen und Codes, dies entspricht dem sozialen Raum. Die dritte Ebene besteht aus den Repräsentationsräumen, die durch komplexe Symbolisierungen Raum imaginieren (vgl. Dünne 2006: 298). Durch eine solche Ausdifferenzierung des sozialen Raums vermeidet Lefebvre eine "nur zweistellige Beziehung auf einen Gegensatz, auf eine Widerstrebigkeit" zu reduzieren (Lefebvre 2006: 336). Dieser Aspekt des Raumes kann die vorherrschende Ordnung unterlaufen, es können sich
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auf der symbolischen Ebene widerständige Praktiken entwickeln, die hegemoniale gesellschaftliche Praktiken hinterfragen. Ähnlich wie Lefebvre verknüpft auch Pierre Bourdieu Struktur und Handeln im sozialen Raum (vgl. Bourdieu 2006, Löw 2001: 179 ff.). Sowohl die Struktur als auch die Position eines Individuums sind demnach bestimmt "durch ihr jeweiliges Verhältnis zu allen anderen, durch ihre wechselseitige Äußerlichkeit und durch Relationen von Nähe und Nachbarschaft'' (Bourdieu 2006: 358, Herv. i.O.). Bourdieu beschreibt den sozialen Raum als Feld, das durch Relationen bestimmt ist. Die Gesellschaft hat dabei Priorität bei der Positionierung von Individuen im jeweiligen Raum, die weitestgehend durch das den Individuen zur Verfügung stehende soziale, ökonomische und kulturelle Kapital bestimmt ist (vgl. Treibe! 2006: 220 ff.). Parallelen zu Lefebvre sind erkennbar, wobei Bourdieu nicht explizit eine Theorie des Raumes vorschlägt und den Raumbegriff überwiegend metaphorisch benutzt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Raum bei Lefebvre auf gesellschaftlichen Strukturen gründet. Technologien, und damit auch Medien, sind nicht an sich gegeben, sondern eingebettet in soziale und kulturelle Praktiken. Dennoch erscheint für Lefebvre ein Denken jenseits kapitalistischer Struktur nicht möglich. Im lived space, zu dessen Erklärung Lefebvre auch den Dadaismus und vor allem den surrealistischen Künstler Rene Magritte heranzieht, deutet sich ein Moment der Uneindeutigkeit an. Veränderungen sind also am ehesten in den Räumen der Repräsentation zu finden. Durch sie können weitere räumliche Praktiken hervorgerufen werden, wie sie sich in Subgruppen finden lassen. So zielen räumliche Praktiken wie in der Dragking-Szene, auf eine Veränderung tradierter Räume (vgl. Schuster 2010), ebenso wie Umgestaltungen nationaler Protesträume durch das überregionale Netzwerk attac deutlich werden (vgl. Baringhorst 2009). Daran zeigt sich, dass nicht alleine der physische Raum über Gesellschaftsordnungen entscheidet, sondern ebenso der soziale Raum, da die Produktion eines Raums eng mit der jeweiligen sozialen Praxis verknüpft und damit veränderbar ist (vgl. BachmannMedick 2009: 291). Wenn die Produktion des Raumes mit der jeweiligen Gesellschaftsformation zusammenhängt, rücken die gesellschaftlichen Strukturen in den Mittelpunkt der Analyse, auch Gesellschaft erscheint dann veränderbar. Allerdings lassen sich mit der Theorie der Produktion des Raumes weniger Differenzen innerhalb verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, z.B. aufgrundvon Geschlecht oder Ethnie, analysieren, da Lefebvre die ungleiche Verteilung von Produktionsmitteln in den Mittelpunkt stellt. Dennoch sind räumliche Strukturen damit- im Unterschied zu einem absoluten Raumverständnis - nicht "natürlich" gegeben; sie
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werden auch durch unterschiedliche Formen und Praxen der Nutzung bestimmt. Da die räumlichen Strukturen ebenfalls mit sozialen Beziehungen und Praktiken verwoben sind, eröffnen sich Möglichkeiten der Aneignung und Veränderung. Lefebvres Werk dient häufig der gesellschaftstheoretischen Begründung des spatial turn, und er selbst gilt als "Protagonist eines kritischen Raumverständnisses" (Bachmann-Medick 2009: 291). Auch Medien stellen in ihren Entwicklungen immer wieder Vorstellungen einer Kontinuität oder Abgeschlossenheil von Räumen in Frage. Durch das Zusammenspiel von physischen und sozialen Räumen erscheinen Medien als prozesshaft und sind damit in gesellschaftliche Entwicklungen eingebunden; sie unterstützen durch Repräsentationen die Positionierung von Subjekten. Repräsentationen von Raum sind ebenfalls Teil kommunikativer Prozesse. Medien sind also keine rein technischen Artefakte, sie sind in diesem Verständnis Teil des sozialen Raums. Auch Kommunikation und kommunikative Prozesse sind nicht allein innerhalb eines bestimmten Raums zu analysieren, sie eröffnen ebenfalls neue Räume oder können bestehende Räume verändern. Lefebvres Theorie des Raumes wurde von Edward Soja aufgenommen und durch eine Aufhebung der Trennung in einen sozialen und physischen Raum erweitert.
3.3.2 "Thirdspace": Edward Soja Edward Soja gehört wie auch Doreen Massey (vgl. Abschnitt 3.3.3) zu den kritischen Sozialgeographinnen (vgl. auch Tabelle 2-1, S. 37). In seinen Überlegungen zum Raum greift Soja im Wesentlichen auf zwei Theoretikerinnen zurück. Erster Bezugspunkt ist das Werk Lefebvres; Soja übernimmt die Grundauffassung, dass Raum gesellschaftlich erschaffen ist. Zentral ist dabei, "dass wir ihn [den Raum] ändern können" (Soja 2008: 255). Der zweite theoretische Bezugspunkt sind die Arbeiten von bell hooks (1990), mittels derer Soja soziale Differenzen identifiziert. bell hooks hat unterschiedliche soziale Differenzen exemplarisch anhand der Unterdrückung schwarzer Frauen herausgearbeitet. Auch Soja sieht also den Raum als zentral für die Bildung von Gesellschaften. Die 1989 erschienene Monographie "Postmodern Geographies" gilt als ein Meilenstein, insbesondere der sozialgeographischen Debatten, des spatial turn. Soja bezieht sich zwar in weiten Teilen auf die Erkenntnisse der Kritischen Theorie erweitert diese jedoch um die Raumperspektive auf gesellschaftliche Prozesse. Denn die Kritische Theorie habe den Raum nicht nur "ignoriert", sondern "unterdrückt" und damit Raum lange Zeit als etwas "Immobiles, Undialektisches, Fixiertes" begriffen,
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während Zeit auf der anderen Seite etwas "Dialektisches" war (Soja 1989: 12). Der Sinn und Zweck von Gesellschaften lässt sich demnach nur erfassen, wenn der Raum in den Mittelpunkt der Betrachtung einer Gesellschaft gerückt wird. Sojas Grundannahme ist dementsprechend, dass das Räumliche bzw. der Raum fundamental für die Konstituierung des sozialen Lebens ist und damit ebenfalls eine zentrale Rolle für jede Theoriebildung einnimmt. Soja (2008: 256) führt aus, dass gesellschaftliche Prozesse ebenso räumliche Formen ausbilden, wie der Raum gesellschaftliche Prozesse erst verursacht. Diese Prozesse erfasst Soja mit Hilfe einer " Trias" zur Unterscheidung der räumlichen Ebenen. Mit dieser Dreiteilung übernimmt Soja - und damit zeigt sich der Bezug auf Lefebvre und hooks einerseits das Argument von Lefebvre, wonach Dualismen dem tatsächlich gelebten Raum nicht gerecht werden können, andererseits greift er die postmoderne, feministische und poststrukturalistische Kritik an der binären Logik des Denkens der Modeme auf (vgl. Hipfl2004: 44). So bezieht sich Soja auf die Annahme Lefebvres, dass sich Prozesse der Verräumlichung, also der Raumbildung, insbesondere durch drei Ebenen fassen lassen. Er übernimmt dementsprechend die Konzeption des perceived space, des conceived space und des lived space (vgl. Abschnitt 3.3.1). Darüber hinaus differenziert er das Verhältnis zwischen Raum und sozialer Praxis weiter aus, um Räume der Peripherie und der Marginalisierten und die damit verbundenen Machtverhältnisse abzubilden. Ausgehend von der Annahme, dass schon das Leben an sich, das "Sein", durch eine "Trialektik" geprägt ist, arbeitet auch Soja mit den Begriffen der Geschichtlichkeit ("Historicality"), Räumlichkeit ("Spatiality") und die Gesellschaftlichkeit bzw. Vergesellschaftung ("Socialitity") (vgl. Soja 1999: 263). Zentral ist dabei die Räumlichkeit, die wiederum aus drei sie konstituierenden Ebenen besteht. Die schon angesprochene " trialectics of spatiality" erstreckt sich über das Wahrgenommene ("perceived"), das Erdachte ("conceived") und das Gelebte (" lived"). Diese Trialektik der Räumlichkeit steht im Zentrum von Sojas Ausarbeitungen und stellt damit das Gerüst eines umfassenden Raumbegriffs dar. Die jeweiligen Ebenen, das Wahrgenommene, das Erdachte und Gelebte, setzt Soja in Zusammenhang zu analytisch unterscheidbaren Räumen (vgl. Soja 1999: 265 ff.). Die soziale Praxis, die zu diesen Räumen führt, lassen sich dann weitergehend in einen First-, Second- und Thirdspace unterscheiden: (1) Der wahrgenommene Raum ("perceived space") ist als räumliche Praxis der Firstspace. Diese Ebene von Räumlichkeit umfasst den Raum, in dem wir uns bewegen und interagieren. Der Raum ist materiell oder wird als materialisiert wahrgenommen, da er die erfahrbare und messbare
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Welt umfasst. Der "Firstspace" reicht jedoch nicht als Erklärung für gesellschaftliche Prozesse aus, da auch materielle Räume oder Geographien nicht festgeschrieben, sondern das Ergebnis von Machtprozessen sind. (2) Der erdachte Raum ("conceived space") als die Repräsentation von Raum ist der Secondspace. In diesem erdachten Raum wird die subjektive, imaginierte Repräsentation von Räumlichkeit deutlich. Dieser Raum besteht aus Diskursen, also der Art und Weise, wie gesellschaftliche und kulturelle Konstruktionen beispielsweise innerhalb einer Gemeinschaft gebildet und gedacht werden. Dabei sind Geographien nicht von diesen Prozessen ausgenommen. Auch das Denken über bestimmte räumliche Formen, wie beispielsweise den Nationalstaat, bestimmen dessen Nutzung und Bedeutung mit. (3) Mit der Konzeption eines gelebten Raums ("lived spaces") erweitert Soja die Binarität von First- und Secondspace um einen Thirdspace. Dieser gelebte Raum umfasst ein Nebeneinander von traditionell in Oppositionen Gedachtem. Bisherige dualistisch konzipierte Begriffe vermischen sich: "Everything comes together in Thirdspace: subjectivity and objectivity, the abstract and the concrete, the real and the imagined, the knowable und die unimaginable, the repetitive and the differential, structure and agency, mind and body, consciousness and the unconscious, the disciplined and the transdisciplinary, everyday life and unending history" (Soja 1996: 56 f. ). Zentrales Element in Sojas Konzeption ist damit der dritte Raum, der im Folgenden weiter expliziert wird. Der Thirdspace steht- wie dargestelltin einem engen Verhältnis zum First- und Secondspace, gleichzeitig zeigt der Thirdspace auf, dass es jenseits von Dichotomien Räume gibt, die "anders" sein können. Diesen "anderen" Räume wird eine politische Kraft eingeräumt, da sie als Versammlungspunkte für politische Aktionen dienen können. Insbesondere folgende Kriterien kennzeichnen den Thirdspace: "(1) a distinctive way of looking at, interpreting, and acting to change the spatiality of human life,(2) an integral, if often neglected, part of the trialectics of spatiality, inherently no better or worse than Firstspace or Secondspace approaches to geographical knowledge; (3) the most encompassing spatial perspective, comparable in scope to the richest form of the historical and sociological imaginations; (4) a strategic meeting place for fastering collective political actions against all forms of human oppressions; (5) a starting point for new and different explorations that can move beyond the 'third term' in a constant search for other spaces, and still more to come" (Soja 1999: 269f.)
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Soja benennt dies als " Thirding as Othering" (1996: 58), mit diesem Begriff wird nicht lediglich etwas "Anderes" als im First- oder Secondspace erfasst, sondern gleichzeitig auch Möglichkeiten gedacht, die in den beiden anderen Räumen nicht vorkommen. So werden Alternativen einer "Postmodern Geography" aufgezeigt, die sich durch Offenheit und politische Wahlmöglichkeiten kennzeichnet (Soja 1996: 63). Sojas Trialektik von Raum führt also zu einer Konzeption, die - insbesondere für die Geographie- eine (interdisziplinäre) Herangehensweise einfordert, da historische und gesellschaftliche Entwicklungen mitberücksichtigt werden. Gleichzeitig zeigt er durch den Thirdspace eine Gesellschaftskritik auf, die nach Zwischenformen und Umdeutungen fragt. In räumlichen Prozessen einer Gesellschaft sind dementsprechend einerseits Markierungen von Herrschaftspositionen zu sehen, die aber andererseits immer auch Aushandlungsprozesse sind (vgl. Löw 2001: 159). Über Relationen zwischen verschiedenen Räumen können demnach neue und sich gegenseitig überlappende Räume gebildet werden (ebd: 111). Ähnlich argumentiert Edward Said (1995) in seinen Ausführungen zur Orientalismuskritik, in denen er Dichotomien in Frage stellt, die sich auf Ghettos, Kolonien und Reservate beziehen und damit konkrete Orte gesellschaftlicher und sozialer Differenz bezeichnen. Hinzu kommen durch Migrationsbewegungen diasparisehe Gemeinschaften, die heute insbesondere medienunterstützend gebildet werden und auf ihre Differenzierungen hinterfragt werden können (vgl. Hepp 2008). In Zusammenhang damit steht auch eine Reflexion des jeweils gewählten Ausgangspunkts, was Fragen nach Zentrum und Peripherie gesellschaftlicher Betrachtungsweise in den Mittelpunkt rückt (vgl. dazu Abschnitt 3.4.3). Eine derartige Raumkonzeption lässt eine weitreichende Rekonfiguration und Transformation der Betrachtung gesellschaftlicher Prozesse zu (vgl. auch Soja 2008: 242f.). Politische Veränderungsmöglichkeiten und Potenzial zum Widerstand sind in dieser Raumkonzeption mitgedacht, da die gesellschaftliche Beschaffenheit von Räumen und damit zusammenhängende Entw icklungen, die zu Ungleichheiten führen, kritisiert werden. Ähnlich beschreibt Said (1995) eine " imaginäre Geographie", in der Räume, unter denen er in diesem Fall insbesondere die Kolonien fasst, mit imperialen Einschreibungen aufgeladen sind. Diese enthalten versteckte Hierarchien, eine problematische Konstruktionen des Anderen sowie Projektionen von Gegenbildern und sind infolgedessen mit konkreten gesellschaftlichen Folgen für die Kolonialisierten verbunden. Raumdenken in diesem Sinne heißt, so führt Bachmann-Medick (2009: 293) aus, "einerseits Kritik einer eurozentrischen Geographie mit ihren Marginalisierungen anderer Kulturen und Gesellschaften, andererseits
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I Politische Kommunikationsräume im Internet
Befreiung aus den Dichotomien der Raumkonstruktion, wie sie jahrhundertelang praktiziert [ ... ] wurden". Damit soll Exklusionsprozessen insbesondere angesichts globalisierter Dynamiken entgegengewirkt werden. Diese kritische Reflexion gesellschaftlicher Prozesse ist zentral für den spatial turn. Sojas Ausarbeitungen stehen so in engem inhaltlichen Zusammenhang zu den Postcolonial Studies, in denen häufig von einem "mapping of empire" gesprochen wird, was bedeutet, dass nicht nur Karten Kolonialreiche markieren, sondern vor allem Texte. Koloniale Räume werden dann häufig im Gegensatz zum Zentrum, der westlichen Welt, als Peripherie konstruiert. Durch die Verschiebungen im Raumdenken, die Lefebvre und Soja vornehmen, wird Raum als sozialer Raum erfahrbar. Auch gesellschaftliche Prozesse, die in und durch soziale Räume stattfinden, werden so analysierbar. Dies gilt ebenso für kommunikative Prozesse. Dadurch eröffnet sich ein kritisches Potenzial, um Räume nicht als gegeben hinzunehmen, sondern in Undeindeutigkeiten und Lücken gesellschaftliche Veränderungen zu erfassen. Kommunikation wird so nicht mehr nur in ihrem Output untersucht, sondern ebenfalls die Bedeutungen und Zuschreibungen, die hinter Begriffen kommunikativer Inhalte liegen, in den Blick genommen. Auch von und in Medien gebildete Räume, in denen Kommunikation stattfindet, sind damit veränderbar. Sie lassen sich auf ihre Konstruktionen hinterfragen sowie die jeweiligen Praktiken und Repräsentationen in den Blick nehmen. Medien und auch das Internet sind weniger an territoriale Grenzen gebunden, noch sind sie ohne Rückbezug auf gesellschaftliche Strukturen zu erklären. Eine Trialektik von Raum vermeidet Konstruktionen von Dualismen, um beispielsweise nicht zwischen der technischen Basis des Internets und den sozialen Prozessen zu trennen. So ist ein Forum im Internet die materielle Basis, und damit der Firstspace, in dem die Teilnehmerinnen agieren. In diesem Forum wird durch Threads und Postings diskursiv festgelegt, wie bestimmte Themen verhandelt werden und bestimmte Repräsentationen werden durch die Inhalte erzeugt, was den Secondspace auszeichnet. Dass dieses Prozesse nicht eindeutig sind und voller Widersprüche sein können, darauf weist der Thirdspace hin. Auch wenn eine bestimmte Deutung im betrachteten Internetforum vorherrscht, sind auch andere Repräsentationen denkbar, die Alternativen aufzeigen und vielleicht gerade dadurch eine politische Kraft besitzen. Dass diese Prozesse nicht jenseits von Machtstrukturen von statten gehen, ist Teil der Konzeption Sojas. Gesellschaftliche Ungleichheiten nimmt ebenso die im nächsten Abschnitt behandelte Sozial-
Geographien der Kommunikation I 53
geographin Doreen Massey in den Blick, die diese insbesondere anhand der Kategorie Geschlecht beleuchtet.
3.3.3 "Power-Geometries of Space": Doreen Massey
"Geography matters" so lautet das Eingangsstatement von Doreen Massey in ihrer Monographie "Space, Place and Gender" (1994: 1); mit dieser Aussage weist sie auf das Erkenntnispotenzial eines jeden Forschungsprojektes hin, das sich durch den zugrunde gelegten Raumbegriff erschließt. Die Sozialgeographin Doreen Massey gilt neben Edward Soja als eine der wichtigen Wegbereiterinnen des spatial turn in den Sozialwissenschaften. Als zentrale Begriffe jedweder Forschung sieht sie Raum, Zeit und Lokalität, die sowohl gesellschaftliche Entwicklungen als auch gesellschaftlichen Wandel beschreiben können. Diese Verbindung von Raum und Zeit arbeitet Massey unter Einbezug einer Gender-Perspektive heraus. Der besondere Fokus ihrer Arbeiten gilt, ebenfalls anknüpfend an bell hooks (1990), der Konstruktion von Gender und Race2 in verschiedenen gesellschaftlichen Räumen. hooks (1990: 3) hat insbesondere auf die "politicization of location" hingewiesen und damit auf die inhärente politische Bedeutung von Orten. Sich darauf beziehend führt Massey aus, dass der Raum an sich ebenfalls nicht passiv und festgelegt ist, sondern eine politische Dimension hat. Ein entscheidender Faktor ist dabei die Zeit, als Geschichte bzw. Epoche, die über die jeweilige Konstituierung der Gesellschaft entscheidet. Die Bedeutungen der einzelnen Begriffe Zeit, Geschlecht, Politik, die die Grundlage von Masseys Raumkonzeption bilden, werden im Folgenden beschrieben und in den Kontext ihres Raumkonzeptes gesetzt. Massey konzeptualisiert Gesellschaft stets in einem Zusammenhang mit der Zeit, mit der die Gesellschaft untrennbar verbunden ist (vgl. Massey 1994: 264). Die vorherrschende damalige Sicht innerhalb der Sozialwissenschaften betrachtete Raum als statisch und die Zeit als flexibel. Diese Sicht gründet sich, pointiert formuliert, auf der Annahme: "[ ...] die Zeit schreitet fort, während der Raum nur herumlungert" (Massey 1994: 118). Durch die Vernachlässigung der gleichzeitigen Konstruktion einer Gesellschaft durch sowohl Raum als auch Zeit werden Dualismen reproduziert sowie Raum und Zeit als Gegenpole wahrgenommen (vgl. Massey 1994: 254). Raum und Zeit sind jedoch keine neutralen, d.h. a priori entworfenen Kategorien, sondern stehen in untrennbarem Zusammenhang zu gesellschaftlichen Entwicklungen. Soziale Phänomene, Hand2 In dieser Arbeit wird der englische Begriff "Race" verwendet, der auch den Prozess der Rassifizierung einschließt.
54 I Politische Kommunikationsräume im Internet
lungen und Beziehungen, so führt Massey aus, haben eine räumliche Form und eine zeitliche Verortung. Zugleich bilden zeitliche Bewegungen räumliche Formen aus, da sich bewegende Elemente räumliche Beziehungen zueinander einnehmen. Aus dieser räumlichen Organisation einer Gesellschaft resultieren dann die jeweiligen strukturellen und sozialen Unterschiede, die für die Anordnung und Veränderbarkeit einer Gesellschaft ursächlich sind (vgl. ebd.: 254 f.). Die gegenseitige Bedingtheit von Raum und Zeit hat damit- da sich daraus räumliche Formen des Sozialen entwickeln - kausale Effekte auf die Beschaffenheit einer Gesellschaft. Das Räumliche in dieser Betrachtungsweise enthält sowohl Elemente des Chaos als auch Elemente der Ordnung. Geordnet ist das Räumliche in dem Sinn als eine räumliche Positionierung aller Dinge erklärbar ist sowie durch gewisse räumliche Strukturen. Chaotisch ist es, da eine räumliche Beziehung zwischen den Dingen nicht immer eine direkte Ursache haben muss und damit auch rein zufällig sein kann. Die Interdependenzen von Raum und Zeit beschreibt Massey folgendermaßen: "space is not static, nor time spaceless. We need to conceptualize space as constructed out of interrelations, as the simultaneaus coexistence of social interrelations und interactions at all spatial scales." (1994: 264) Die Konstruiertheit von Räumen ist nicht nur durch die Zeit bedingt, als weitere Kategorie spielt auch Geschlecht in diesen Prozessen eine Rolle. Insbesondere Machtaspekte kommen so zu Tage, da Geschlecht eine von zahlreichen Kategorien ist, die zu einer Marginalisienmg von Personen und Gruppen innerhalb einer Gesellschaft führen können (vgl. Massey 1994: 197). Räume sind demnach nicht nur geschlechtlich konnotiert, es kommt ihnen auch eine zentrale Rolle dabei zu, wie Geschlecht konstruiert und verstanden wird, da sich die gesellschaftlichen Machtverhältnisse in räumlichen Formen und Praktiken niederschlagen: "[ ... ] Räume und Orte und die Art und Weise, wie wir sie erfassen (sowie damit verbundene Dinge, wie etwa der unterschiedliche Mobilitätsgrad) [sind] durch und durch geschlechtsspezifisch bestimmt" (1994: 110). Durch die ungleiche Verteilung von Macht sind Räume einerseits geschlechtsspezifisch bestimmt, werden aber gleichzeitig durch Handlungen geschlechtlich konnotiert und damit Machtverhältnisse reproduziert. In Raum und Zeit sind demzufolge geschlechtsspezifische Bedeutungen eingeschrieben, die die Zeit privilegieren. Massey beschreibt die Geschlechterdimension, die darin zum Vorschein kommt, als konnotatives Verhältnis zwischen "Raum und dem Weiblichen" und zwischen "Zeit und dem Männlichen" (Massey 1994: 120). Dies begründet eine Hierar-
Geographien der Kommunikation
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chie zwischen dem weiblich konnotiertem Raum, der häufig mit Chaos assoziiert wird, und der männlich konnotierten Zeit, die mit Ordnung in Verbindung gebracht wird. Die räumliche Organisation sozialer Beziehungen steht also mit Geschlechterverhältnissen im Zusammenhang (vgl. Callard 2011). Geschlecht wird in Diskursen sowie sozialen und räumlichen Praxen hergestellt. Gesellschaftliche Konzepte, die häufig eine Differenz zwischen den Geschlechtern voraussetzen, haben neben den sozialen auch räumliche Konsequenzen. Eine Veränderung der Konstruktionen von Geschlecht, darauf weist Massey hin, kann dann auch zu anderen Geographien führen (vgl. Wastl-Walter 2010: 203 ff.). Weiter ausgeführt werden diese grundlegenden Überlegungen zu Raum und Geschlecht von Gilian Rose (1993). In Auseinandersetzung mit den Arbeiten Homi Bhabhas erweitert Rose die feministische Raum-Perspektive und fokussiert auf das Wissen, das den Raum strukturiert. Raum bildet sich demnach durch diskursive Praxen, die ebenfalls durch performative Körperpraktiken, wie von Judith Butler (1995) beschrieben, geprägt werden (vgl. Mahtani 2011). Ein weiterer grundlegender Begriff von Masseys Raumkonzeption ist der der Politik. Im Aufsatz "Spaces of Politics" (1999) thematisiert Massey das Verhältnis von Raum und Politik. Politik bildet dabei ebenso w ie Geschlecht räumliche Praktiken aus. Für einen Erkenntnisgewinn ist es entscheidend, Politik als offenen Prozess- Massey spricht hier von "politics" also der Prozessdimension von "Politik" - sowie in einem erweiterten Sinne zu verstehen (vgl. Massey 1999: 287). Raum ist so ein Produkt von politischen Beziehungen, eine politische Sphäre der Möglichkeiten und setzt die Existenz von Vielfalt voraus. Gleichzeitig ist der Raum aber auch eine Quelle von Brüchen und Differenzen (vgl. Massey 1999: 279). Die Vielfalt von Politik sowie ihrer Beziehungen und Relationen wird durch den Raum gewährleistet (vgl. ebd.: 288). Auch Medien unterstützen die räumlichen Prozesse politischer Beziehungen . So können politische Interaktionen und Kommunikationen auch stets eine technische Komponente haben, die darüber mit bestimmt, wie verschiedene politische Räume miteinander agieren (vgl. auch Dünne 2006: 294). Massey spricht damit zentrale Aspekte der Raumdiskussion an. So war der Gegensatz zwischen einem statischen und dynamischen Raum lange Zeit prägend für die Diskussion. Damit verbunden ist die Frage nach der Gestaltbarkeit von Räumen und dem kritischen Potenzial von Theorien. Explizit weist Massey darauf hin, dass Raum nicht als statisch und die Zeit als dynamisch zu betrachten sei, denn weder Raum n och Zeit können in dieser Konzeption in Abwesenheit des anderen gedacht werden (vgl. dazu auch Hipfl 2004: 27). Insgesamt beschreibt Massey (1994)
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räumliche Beziehungen als komplex und von großer Spannbreite, die von lokal bis global, reicht: "Space is created out of the vast intricacies, the incredible complexities, of the interlocking and the non-interlocking, and the networks of relations at every scale from local to global" (1994: 265). Soziale Beziehungen sind dynamisch und bestehen darüber hinaus nicht nur aus einer räumlichen Verortung, sondern sind durchzogen von Symbolik und Macht. Diese Beziehungen sind in materielle Praktiken eingebunden und Raum ist damit das Produkt dieser Beziehungen (vgl. Hipfl 2004: 29). Geographische Formen und Aufteilungen müssenso-ähnlich wie dies schon Lefebvre und Soja formulierten -nicht als gegeben hingenommen werden, sondern sind veränderbar. Einzelne Menschen und Gruppen sind in diesem komplexen Beziehungsgeflecht in unterschiedlicher Weise positioniert und interpretieren, je nachdem welche Position sie einnehmen, diese Räume auch unterschiedlich. Massey (1994: 3) führt aus, dass diese gleichzeitige Vielzahl an Räumen dazu führt, dass diese in unterschiedlichen Relationen zueinander stehen, sich überschneiden oder zusammen schließen oder sich in einer antagonistischen Beziehung zueinander befinden können. Starre Zuschreibungen an Raum und Zeit sind dabei nicht dienlich für eine kritische Theorie einer Gesellschaft, die nur durch den Einbezug von Vielfalt und Widersprüchlichkeit ihre kritische Komponente erhält. Um das Beispiel eines Internetforums wieder aufzugreifen: Masseys Raumbegriff bietet über Sojas Trialektik von Räumlichkeit hinaus die Möglichkeit, die durch gelebte und wahrgenommene Praktiken geschaffenen Räume auf ihre Verzerrungen und ungleiche Verteilung von Macht hin zu hinterfragen. Deutlich werden dann Differenzierungen und Ungleichheiten sowohl zwischen Nutzerinnen als auch Nutzungsweisen. Diese haben jedoch nicht nur eine räumliche Verortung, sondern sind zeitlich gebunden. Politische Beziehungen in diesen Räumen legen damit nie eine eindeutige Positionierung vor, sondern sind nur in ihrer Vielfalt wahrnehmbar. Diese Prozesse finden in einem Wechselspiel statt und können so die Grundlage für eine mögliche Analyse solcher Foren bilden. Der Produktion von Raum - so ließen sich die sozialgeographischen Ansätze zusammenfassen- unterliegt die soziale Koppelung von Raum und Zeit. Raum befindet sich in einem "ständigen Prozess des Werdens oder besser des Gemachtwerdens" (Hipfl 2004: 27). Für eine Betrachtung von durch Medien geschaffener oder unterstützter Räume lässt sich dann fragen, welche Machtverhältnisse und damit in Verbindung stehende Symbole existieren sowie welche Hierarchien und sie stützende Mechanismen
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deutlich werden. Ein bestimmter Raum lässt sich daraufhin analysieren, welche sozialen Beziehungen konstruiert werden, die wiederum politische Kommunikationsprozesse ausbilden. Unter der Annahme eines trialektischen Raumverständnisses zeigen sich dann im Internet vielfältige Formen und Praktiken, die verschiedenen Räume produzieren und in einem Zusammenhang zur jeweiligen Gesellschaft stehen. Gleichzeitig wird auch die Gestaltbarkeil dieser Räume betont. Um nun weiteren Fragen nach Ungleichheiten nachgehen zu können, werden Perspektiven, die Asymmetrien und Macht in den Blick nehmen wie die Cultural Studies, die Gender Studies und die Postkoloniale Theorie hinzugenommen. Damit wird eine räumlich-theoretische Fundierung von Kommunikationsprozessen im Internet möglich, die die Konzepte von Kultur, Identität und Macht sowie gesellschaftliche Entwicklungen wie Transnationalität und Globalisierung berücksichtigt. Identität, Macht und Kultur erscheinen als die zentralen Konzepte, um gegenwärtige Wandlungsprozess zu erfassen. Sie werden als das "magische Dreieck der Cultural Studies" beschrieben (Marchart 2008: 33). Kulturelle Konstruktionen sozialer ldentitäten, so fasst Marchart zusammen, sind in Machtverhältnisse eingeschrieben. Die Kategorien Kultur, Macht und Identität hängen also eng zusammen und bedingen sich gegenseitig. Eine Berücksichtigung erfordert eine weitere Modifizierung der sozialgeographischen Raumtheorien und eröffnet damit zusätzliche Forschungsperspektiven. So w erden weitere Aspekte der Geographien von medialen Räumen, also von gestaltbaren und veränderbaren Räumen, erkennbar.
3.4 Kultur, Identität, Macht - geographische Verortungen Die Begriffe von Kultur, Macht und Identität und vor allem die damit verbundenen Positionen, die in den folgenden Abschnitten diskutiert werden, sind für das weitere Verständnis dieser Arbeit leitend und damit grundlegend für eine Analyse politischer Kommunikation im Internet. Die Erkenntnisse aus der Diskussion dieser Begriffe fließen in die weitere theoretische Fundierung des Raumbegriffs ein. Mit Hilfe dessen lassen sich dann spezifische Konstruktionen in Räumen hinterfragen und bezüglich ihrer Entstehungsprozesse reflektieren. Kultur, Identität und Macht konstruieren und bestimmen geographische Verortungen, die jedoch auch Uneindeutigkeiten und Lücken enthalten können, die dann zu Umdeutungen und Bedeutungsverschiebungen führen. Identität, Macht und Kultur sind dabei ständigen Wandlungsprozessen und Verschiebungen unterworfen. In den folgenden Abschnitten werden nach einer begrifflichen Bestimmung von Kultur, und damit zusammenhängend von
58 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Identität und Macht, zwei aktuelle Diskussionsstränge aufgegriffen, die diese Kategorien substantiell berühren. Zum einen die vermeintliche "Entgrenzung" des Raums durch Entwicklungen wie Globalisierung und Transnationalität und zum anderen die Verhandlung von Alternativen durch "Dritte Räume" und "Andere Räume", die Irritationen und Uneindeutigkeiten beinhalten. In diesen Abschnitten werden die einzelnen Konzepte in Zusammenhang zu Medien gesetzt, um anhand dessen eine Erweiterung sozialgeographischer Raumtheorien zu diskutieren.
3.4.1 Mediale Identitätsräume
In diesem Abschnitt werden mittels der Begriffe der Kultur und Identität grundlegende Annahmen der Gesellschaftstheorie der Cultural Studies dargestellt, da diese Debatte maßgeblich von den Cultural Studies geprägt ist. Diese theoretischen Annahmen dienen als zentrale Bezugspunkte der empirischen Analyse. Gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen können zu einer zunehmenden Hybridität, also zu einer Vermischung von Begriffen, führen, was im Folgenden zum Abschnitt über Machtverschiebungen in Bedeutungszuweisungen und Entgrenzungen von Raumvorstellungen überleitet. Der Kulturbegriff der Cultural Studies ist politisch dimensioniert (vgl. Dörner 2006: 222). Marchart (2008: 34) beschreibt Kultur an sich als eine politische Kategorie, wobei jedoch die Bedeutung von Kultur nicht festgelegt ist, sondern als umfassende Lebensweise verstanden werden kann. Demnach gibt es keine Bereiche, die nicht als kulturell definiert werden können. Darüber hinaus ist Kultur Teil des Alltags und affektiv, also gewissermaßen gelebte Erfahrung, und damit immer auch ein Konfliktfeld (vgl. Hall 2000, Marchart 2008). Damit sind Kultur und Gesellschaft nicht getrennt voneinander, sondern beide bestimmen und verändern sich gegenseitig (vgl. Krotz/Thomas 2008). Kultur ist also nicht "einfach da", sondern sie wird von Individuen hergestellt, die eingebettet in gesellschaftliche Formationen agieren. Kulturelle Bedeutungen werden vor allem durch diskursive Praktiken produziert, und damit durch Bedeutungszuweisungen, die auch konfliktär sein können (vgl. Hepp 2008). Hall (2002) spricht von einer "Zentralität von Kultur", da viele gesellschaftliche Widersprüche auf der Ebene von Bedeuttmgen verhandelt werden. Die konfliktären Ausdrücke von Kultur äußern sich darin, dass Kultur, ebenso wie Macht und Identität, mit Hegemonie verbunden ist. Durch hegemoniale Kämpfe sowie durch Ein- und Ausschlüsse sozialer Gruppen wird eine bestimmte Kultur definiert und zumindest temporär fixiert. Diese Prozesse sind an Macht gebunden, die sich in einem sozia-
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len Raum, wie ihn Lefebvre, Soja oder Massey beschrieben haben, bildet. In diesem findet dann eine Auseinandersetzung um die Fixierung bestimmter Identitäten und damit Kulturen statt, die den Raum ausgestalten. Kultur ist also keine homogene Sphäre, sondern ein Forum des Kampfes und des Konflikts (vgl. Dörner 2006: 223). Neben Bedeutungen, Werten und Sinnentwürfen werden vor allem Identitäten gegeneinander gesetzt und über Zugehörigkeit verhandelt. Kultur in ihrer Verschiedenheit und Konstruktion ist damit Teil einer geographischen Verortung auch und insbesondere durch Medien. Kulturelle Praktiken bilden mediale Räume, ebenso wie soziale Praktiken, die in Anlehnung an die von Soja benannte Trialektik von Räumen unterschiedlich beschaffen sein können. Die so konstruierten Räume sind nicht eindeutig, sie werden verschieden wahrgenommenen, unterschiedlich erdacht oder gelebt - als Räume kultureller Praktiken. In verschiedenen Kontexten bekommen so mediale Räume, wie auch das Internet, durch kulturelle Praktiken ihre Bedeutung. Identität ist ein zentrales Konzept von Gesellschaftstheorien. Identität kann als fortlaufender Prozess der Artikulation verstanden werden, für den die "kommunikative, kontextuell-situative Abgrenzung gegenüber verschiedenen Identifikationsangeboten" eine Voraussetzung ist (Hepp/ Bozdag/Suna 2011: 13). Durch Erkenntnisse des Postkolonialismus hat das Konzept der Identität in Teilen eine Redefinition erfahren. Zumeist wird angenommen, dass sich kulturelle und politische Identitäten durch einen Prozess der Alterisierung herausbilden, d.h. um eine eigene Identität zu schaffen, wird meist eine Abgrenzung zu einem "Anderem" vorgenommen. Identitäten stehen nicht in einem gleichberechtigten Nebeneinander, sondern sind asymmetrisch aufgrund gesellschaftlicher Dominanzverhältnisse (vgl. Marchart 2008: 33 ff.) . Bei diesen Prozessen ist es auch möglich, dass die "verborgene unliebsame Aspekte des Eigenen in das Andere" (Bachmann-Medick 2009: 206) verlagert werden. Eine solche Dichotomie zwischen dem Eigenen und dem Anderen und damit einhergehend die Essentialisierung von Identität werden von postkolonialen Theoretikerinnen kritisiert. So weist Bhabha (2000) darauf hin, dass mit der Konzeption eines "Dritten Raums" das Dilemma der Dichotomie und der durch sie bewirkten Festschreibungen von Identität zu überwinden ist. Bhabha betont auch den engen Zusammenhang von gesellschaftlichen Prozessen der Globalisierung und denen der Migration. Damit sind auch Identitäten weniger festgelegt (vgl. ausführlich dazu Abschnitt 3.4.3). Hall (2004) sieht Identitäten als Folge unterschiedlicher Positionierungen und Differenzsetzungen als umkämpft an; gerungen wird dabei um die Macht, eine Identität und damit einen Ort der Zugehörigkeit zu definie-
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renund darin bestimmten Beziehungen einen höheren Status einzuräumen. Diese diskursive Konstruktion von Identitäten ist dabei, so Hall (2004: 171), an spezifische historische und institutionelle Orte geknüpft. Auf diesen Zusammenhang hat auch Massey (1994) hingewiesen: Die Konstruktion von Identität ist immer vielfältig und umkämpft, da die Zugehörigkeit zu einem Ort über die Markierung von Differenz und letztendlich über einen Ausschluss aus einer imaginierten Gemeinschaft erreicht wird. Sowohl bei der Bildung als auch bei der Konstruktion von Identitäten wird die Rolle von Medien heutzutage als zentral angesehen. So wird im europäischen Kontext häufig von einer identitätsfördernden Funktion von Medien in Bezug auf nationale oder europäische Identitäten ausgegangen. Dabei wird angenommen, dass Journalistinnen und professionelle Kommunikatminnen in den Massenmedien Konzepte von Identität und Zugehörigkeit entwerfen, die dann von den Rezipientinnen übernommen werden können. Medien können so als Mittlerinnen und Vermittlerinnen von Identität dienen. Sie können damit "integrationsfördernd" wirken und zur Schaffung eigener (z.B. nationaler oder europäischer) Identitäten beitragen (vgl. Holtz-Bacha 2006). Mit der Bildung einer gemeinsamen Identität steht auch die Bildung einer Nation im Zusammenhang, so beschreibt Anderson (1993) die Nation als eine ,,imaginierte Gemeinschaft". Kulturelle Systeme, unter die er Nationen fasst, bieten Räume der Identität an, in denen Möglichkeiten von Identitätspositionen vordefiniert sind. Identitäten, die sich auf einen Ort bzw. auf eine Gemeinschaft beziehen, konstruieren oder imaginieren so zumeist gleichzeitig eine Nation oder eine nationale Gemeinschaft (vgl. Louw 2005: 105). Heutzutage, davon gehen Morley und Rohins (1995) aus, sind es weniger physische Grenzen als vielmehr symbolische Grenzziehungen und Differenzsetzungen, die als Rahmen für kulturelle Gemeinschaften fungieren. In ihrem Buch "Spaces of Identity" beschreiben Morley und Rohins (1995) Medien als soziale Räume, die in Europa zumeist eine ethnisch weiße Identität konstruieren, die wenig Platz für andere ethnische Gruppen lässt. Europa ist darüber hinaus an Werte gebunden wie Demokratie, Freiheit und Menschenrechte, die als gemeinsame Güter gelten. Die Konstruktionen von Raum in den Medien, insbesondere wenn dies mit Themen von Identität und Migration verknüpft ist, ist dann oft mit der Markierung von äußeren und inneren Grenzen verbunden, die gleichzeitig eine imaginierte Gemeinschaft bzw. eine Nation, bestimmen und damit Aussagen darüber getroffen werden, wer dazu gehört und wer nicht. Saskia Sassen (2006) weist darauf hin, dass zeitgenössische Identität zumeist mit Praktiken des Ausschlusses verbunden ist und da-
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mit mit einer Ausgrenzung derer, die als nicht zugehörig gesehen werden. Medien spielen in diesen Prozessen der Inklusion und Exklusion eine wichtige Rolle, da sie maßgeblich an der gesellschaftlichen Bedeutungskonstruktion beteiligt sind. Gerade in Bezug auf Zugehörigkeit zu einer Nation oder Gemeinschaft bieten Medien Orientierungen und Positionierungen an, die Verortungen bedingen. Darüber hinaus können durch Medien auch "hybride Identitäten" geschaffen werden, wie Hepp (2008) am Beispiel der diasporischen Gemeinschaften deutlich macht. Diese können sich untereinander vernetzen bzw. Kontakte quer zu verschiedenen Kulturen knüpfen; aber auch Gemeinschaften bilden, die kulturelle Traditionen stärken. Von diesen Überlegungen ausgehend entwirft die Kommunikationswissenschaftlerin Brigitte Hipfl (2004) ein Konzept medialer Identitätsräume. Diese kennzeichnen sich durch Praktiken des "doing space". Medien versteht Hipfl als soziale und kulturelle Räume durch die Identitätsbildung ermöglicht wird. Diese medialen Identitätsräume zeichnen sich maßgeblich durch drei Merkmale aus (vgl. für die folgenden Ausführungen Hipfl 2004: 16-50): (1) Medien konstruieren durch die Art und Weise, wie sie über Vorgänge in der Welt berichten, geopolitische Räume. Dadurch bildet sich eine imaginäre und symbolische Geographie heraus, in dieser finden sich Vorstellungen verschiedener Orte und von Menschen, die in diesen Bildern verortet werden. Durch die Medien werden dabei Menschen in Verbindung mit kulturellen Praktiken und kulturelle Praktiken gestellt und verschiedener Territorien werden miteinander verglichen. Weitergehend erlaubt das die Bewertung der eigenen sozio-kulturellen Identität und stützt nationale Identitätskonstruktionen. (2) Medieninhalte selbst bilden semiotische Räume, die daraufhin untersucht werden können, welche sozialen Identitäten und Körper darin vorkommen, sowie welche Identitäten an welchen Orten überhaupt denkbar und vorstellbar sind. Auf dieser Ebene werden Differenzierungen, Grenzziehungen und Formen des Ausschlusses vorgenommen. (3) Medien sind darüber hinaus als Zw ischen-Räume zu verstehen, die sich in den Prozessen der Medienrezeption und der Interaktion mit den Medien herausbilden. Die Rezipientinnen von Medien nutzen die von den Medien zur Verfügung gestellten geopolitischen oder semiotischen Räume nicht mu, vielmehr bilden sich neue Räume durch die Nutzung heraus. Dadurch können Räume und neue Identitätspositionen eröffnet werden, die in den Medien selbst nicht vorhanden oder vorgesehen waren.
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Eng mit dieser Konzeption von medialen Identitätsräumen hängt das von Hepp (2009) entworfene Konzept der "Medienkultur" zusammen. Während Hipfl zwischen verschiedenen Dimensionen von Identitätsräumen trennt, konzipiert Hepp Medienkultur als translokales Phänomen, das sowohl territoriale als auch deterritoriale Züge aufweist. Der Begriff der Medienkultur beschreibt damit "Möglichkeiten und Grenzen transkultureller Kommunikation, die Fragmentierung und Refiguration kultureller Publika oder das Wechselverhältnis von kommunikativer Integration und kulturellen Konflikten" (Hepp/Höhn/Wimmer 2010: 9). Ähnlich wie bei Hipfl geht es hierbei nicht um einen Raum im nationalstaatliehen Sinne, da so die "deterritorialen Formen von Medienkultur" (Hepp 2009: o.S.) nicht in den Blick gelangen würden. "Grenzen kultureller Verdichtungen" entsprechen damit nicht notwendig nationalstaatliehen Grenzen (ebd.). Fragen der Kultur sind in starkem Maß deterritorial und zeigen sich insbesondere in Diasporas, populärkulturellen Gemeinschaften, sozialen Bewegungen und religiöse Gemeinschaften. Angesichts einer zunehmenden Deterritorialisierung von Identitäten, die auch internetgestützt stattfindet, rückt darüber hinaus die Debatte über Hybridität in den Fokus. Da sowohl hybride Formen von Identitäten, als auch von Kulturen angenommen werden, steht die Debatte in Verbindung zu beiden Begriffen und ebenso in einem räumlichen Zusammenhang. Der Begriff der Hybridität hat eine "rassistische" Geschichte, da - so erläutert Bachmann-Medick (2009: 197) - der Begriff die Kreuzung zwischen verschiedenen Arten beschrieb und damit mit einer negativen Konnotation versehen war. Diesen Hintergrund als "rassistische" Unterscheidung sehen manche Forscherinnen als problematisch für eine weitere Verwendung des Begriffs beispielsweise in postkolonialen Theorien an (vgl. Castro Varela/Dhawan 2005: 101). Allerdings erfährt der Begriff gerade in diesem Kontext eine Umdeutung: im postkolonialen Sinne beschreibt Hybridität die Vermischung von Kulturen und zwar mit einer positiven Konnotierung. Die "Verortung der Kultur", also der Ort und die Platzierung von Kultur wie dies beispielsweise Bhabha (2000) beschreibt, ist entscheidend und nicht die ethnische Herkunft. Bhabha fragt nach solchen Verortungen der Kultur und interessiert sich dabei insbesondere für Widersprüchlichkeiten und für inhomogene Konstellationen. In diesem Sinne ist "Hybridität" ein Gegenkonzept zu Begriffen wie Leitkultur, Integration und insbesondere Assimilation. Hybridität bedeutet für Bhabha (1994) die Zurückweisung eines essentialistischen Diskurses des Politischen. Bisher vernachlässigte Orte der kulturellen Produktion rücken dabei ins Zentrum der Betrachtung, so dass auch Ränder oder "Zwischenräume" für das Verständnis einer Kultur als relevant angese-
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hen werden. Kategorien (darunter auch solche wie Ethnizität, Klasse und Geschlecht) stehen zur Disposition, da der Fokus auf Verhandlungsspielräume von Zwischenpositionen gelegt wird. Insbesondere durch Migrationsbewegungen werden hybride Zuschreibungen erkennbar, da sich Migrantinnen zwischen verschiedenen Welten bewegen können. Aus einer kulturellen Mehrfachzugehörigkeit wird die Zugriffsmöglichkeit auf verschiedene Referenzsysteme abgeleitet (vgl. Bachmann-Medick 2009: 200). Bhabha verortet darin ein subversives Potenzial, da hegemonialen Repräsentationen neue Bedeutungen eingeschrieben werden können. Die vorhandenen Ambivalenzen von Repräsentationen werden so ersichtlich und äußem sich durch kulturelle Hybridität (vgl. Bhabha 1994: 211). Allerdings sind weiterhin bestehende ökonomische Machtbeziehungen ein entscheidender Faktor sozialer Ungleichheiten. In dieser Debatte um Hybridität werden Machtverschiebungen nicht nur von Bedeutungen sondem auch von bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen bereits angedeutet, da sich Identitätskonstruktionen durch hybride Formen zunehmend über nationalstaatliche Grenzen hinweg entwickeln. Im folgenden Abschnitt wird dargelegt, wie solche transnationalen und globalisierten Räume zu erfassen sind, in denen unter anderem verschiedene Identitäten positioniert werden.
3.4.2 Machtverschiebungen
Wie im vorangegangen Abschnitt ausgeführt, ist die Konstruktion von Identität und Kultur heutzutage weniger an nationalstaatliche Grenzen gekoppelt, vielmehr findet sie deterri torialisiert statt. So sind es die Veränderungen durch Transnationalisierung und Globalisierung, die neue Deutungsrahmen eröffnen und konzeptionelle Grundlagen verändem, wie sich beispielsweise in den Debatten über eine zunehmende Entgrenzung des Raumes zeigt. Im Folgenden wird grundlegend der Begriff der Macht erläutert und Verschiebungen angesichts der genannten Entwicklungen diskutiert. In Zusammenhang mit Identitätskonstruktionen rücken Fragen ins Zentrum, die sich mit Macht und damit Machtverhältnissen in Räumen sowie der Frage nach Zentrum und Peripherie als Ausgangspunkt gesellschaftlichen Denkens auseinandersetzen. Mit den Rändem einer Gesellschaft hat sich insbesondere Michel Foucault beschäftigt. Er hat Aspekte des Räumlichen betont, um auf bestimmte Dominanzen in der historischen Betrachtung von gesellschaftlichen Prozessen und Ereignissen hinzuweisen und " andere Räume" in den Blick zu rücken, die er als He-
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terotopien beschreibt (Foucault 1967, vgl. ausführlicher dazu Abschnitt 3.4.3). In diesen Heterotopien können sich andere Deutungen bezüglich hegemonialer Positionen entwickeln, die jedoch häufig durch gesellschaftliche Zuschreibungen als "anders" marginalisiert werden. Die postkolonialen Theoretikerinnen entwickeln kritische Analysekategorien, mit denen die anhaltende und weiterhin problematische Konstruktion des "Anderen" (das so genannte "Othering") untersucht werden kann (vgl. Bachmann-Medick 2009: 185). So soll herausgefunden werden, wie sich das Verhältnis zwischen hegemonialen und bisher marginalisierten Gruppen und Kulturen darstellt. Das " Andere" ist dabei ein politisch aufgeladener Begriff, der beispielsweise im Zusammenhang mit der Konstruktion von Ethnizität, Klasse und Geschlecht verwendet wird und Hierarchien und Machtstrukturen theoretisch hinterfragt. Dem schon in Abschnitt 3.3.2 angesprochenen "Mapping of Empire" wird in der postkolonialen Theorie ein "Re-Mapping" entgegengesetzt. Dabei w ird von kolonialen Räumen ausgegangen und somit eine Perspektive gewählt, in der die "Ränder" und nicht die "Zentren" zum Ausgangspunkt der Reflexion genommen werden. Mit dieser Perspektive können dann als gegeben hingenommene Kartierungen und Funktionen als "westliche" Konstruktionen erkannt und analysiert w erden. In diesem Sinne hat Said (1995) die "westlichen" Konzepte des Orients untersucht und die historische Bildung des Orients analysiert. Darin zeigten sich Konstrukte imaginierter Gemeinschaften und symbolischer Geographien des Orients vornehmlich aufgrundvon Ethnizität. Saids Orientalismuskritik erweitert aus einer feministischen Perspektive Meyda Yegenoglu (1998), die den Zusammenhang kultureller und geschlechtlicher Differenzen herausarbeitet, um so auf die besondere Verwobenheil und den daraus resultierenden Ungleichheiten hinzuweisen. Spivak beleuchtet am Beispiel der Witwenverbrennung die doppelte Unterdrückung des "postkolonialen Subjekts". Das postkoloniale Subjekt ist demnach nicht nur Opfer des einheimischen Patriarchalismus, sondern auch des westlichen Imperialismus (vgl. Bachmann-Medick 2009: 191). Beide Seiten maßten sich an, für die betroffenen Frauen sprechen zu können (vgl. Nandi 2011). Darauf aufbauend fragt Spivak (1994) nach der Repräsentation und Handlungsmacht dieser postkolonialen Subjekte angesichts der kolonialen Vereinnahmung und der daraus resultierenden Konstruktionen von Differenz. "Can the subaltem speak?" bedeutet damit nicht, dass die Subalterne nicht sprechen kann, vielmehr wird ihrem Sprechen das Denken westlicher Intellektueller eingeschrieben. Macht im postkolonialen Sinne und auch Migrationsentw icklungen stehen in Zusammenhang zu Prozessen der Transnationalität und Globa-
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lisierung. Transnationalität hat insbesondere durch weltweite Migrationsbewegungen eine neue Bedeutung erfahren. Auch in der Analyse von Globalisierungsprozessen, die Sassen (2008) durchführt, gewinnen Raumgefüge an Bedeutung. Diese "neuartige, globale Geographie" geht einher mit der "schwindenden Bedeutung der nationalen Ebene" in bestimmten Bereichen (dsb.: 633 f.). Sie zeichnet sich aus durch eine Verflechtung von supranationalen und subnationalen Strukturen, die aufeinander angewiesen sind (Sassen 2008: 552f.). Dabei entstehen sogenannte "analytische Grenzgebiete", die sich unter den Bedingungen der Globalisierung entwickeln, wenn bestimmte Größen- beispielsweise der Nationalstaat - destabilisiert werden und sich mit anderen Größen zu "Gebilden neuer Art" verbinden (dsb.: 607). Neue globalisierte Räume werfen allerdings einmal mehr die Frage nach der Kultur auf. Appadurai (2000) spricht deswegen von "scapes" und " cultural flows" und meint damit, dass Kulturen nicht an bestimmten Orten zu finden sind, sondern sich als Ströme darstellen . "Ethnoscapes" sind beispielsweise territoriale Räume verschiedener Ethnien, die durch Migration, Flüchtlinge und Tourismus entstehen. Diese Räume, Appadurai benennt auch andere Formen, wie "technoscapes" und "mediascapes", sind global zu denken, sie liegen jenseits von Nationen und nationalen Bezügen und sind damit Teil der Globalisierungsprozesse. Zunehmende Bedeutung erhält dabei das " Imaginäre", denn Vorstellungen über Orte erhalten durch Globalisierungsbewegungen von Menschen neue Relevanz. Diese Imagination von "über der Welt verteilten Menschen und Gruppen" konstituieren dabei Alltagskultur und stellen einen kollektiven Bezugsraum dar (dsb. 2000: 36). Allerdings ist zu fragen, ob es für einen gemeinsamen imaginierten Raum nicht vielmehr auch gemeinsame Wirklichkeiten, wie eine geographische Einheit oder einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund braucht oder ob es Sprache und Tradition erlauben, die geographische Disparatheit zu überbrücken. Auch Castells sieht neben der Herausbildung einer globalen Weltökonomie und der Transformation von Organisationen durch Informationstechnologien in der Globalisierung den Anstoß zur Herausbildung neuer Formen von Gesellschaft (vgl. 1994: 122 f.). Mit dem Begriff "space of flows" verweist Castells (2001: 14) auf die neuen technologischen und organisatorischen Möglichkeiten. "Flow" meint dabei den Fluss und Austausch von Strömen (wie etwa von Vorstellungsbildem, Klängen, Kapital, Information, Technologien, Waren etc.). Durch elektronische Impulse, Verknotungen und Verbindungslinien wird ein elektronisches Netzwerk gebildet, das verschiedene Orte verbindet. Darin bilden sich vor allem drei unterschiedliche Kommunikationsmuster heraus: "face-to-face"-
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Kommunikation, elektronische Kommunikationsmuster und die " interaction between physical layouts, social organisation and electronic networks" (Castells 2002: 399 f.). Diesem Raum der Ströme sind aber auch Machtstrukturen immanent, die sich nach Castells in der räumlichen Organisation der herrschenden Eliten widerspiegeln, die Führungsfunktionen ausüben, um die ein solcher Raum angeordnet ist (vgl. Castells 1994: 124 f.). Mit Blick auf Kommunikation, insbesondere im und durch das Internet, wird somit deutlich, dass aktuelle Kommunikationsprozesse immer auch in einem transnationalen Rahmen gedacht werden müssen, da OnlineKommunikation nicht ausschließlich in einem nationalstaatliehen Rahmen stattfindet. Durch das Internet ist es möglich, Kommunikation über zeitliche und räumliche Grenzen hinweg zu führen. Kommunikationsprozesse im Internet können also eine virtuelle "Weltöffentlichkeit" (Leggewie 2003: 6) adressieren. Das Internet kann einen Raum der interkulturellen Beziehungen darstellen, der eine Brückenfunktion hat, um die reale mit der virtuellen Welt zu verbinden (vgl. Adams/Ghose 2003). Es sind also weniger nationalstaatliche Grenzen, die solche Prozesse bestimmen, als vielmehr transnationale und globale Räume unterschiedlicher Zuschreibungen, die insbesondere durch die zunehmende medienvermittelte Kommunikation vielfältiger werden. Die Bindung des Raums an soziale, kollektive, nationale Identitäten und Traditionen kann also ebenso in Frage gestellt werden wie herkömmliche Grenzziehungen und Grenzen (vgl. Appadurai 2000). Diese Prozesse verlaufen jedoch nie eindeutig, deswegen wird im Folgenden auf Uneindeutigkeiten von Raumkonzeptionen eingegangen und so die Entstehung von "Zwischen-Räumen" und "Dritten Räumen" nachvollzogen.
3.4.3 Uneindeutigkeiten
Thematisch anknüpfend an das, was Hipfl als "Zwischen-Räume" beschreibt (vgl. Abschnitt 3.4.1), finden sich in den Sozial- und Kulturwissenschaften weitere Konzeptionen von " anderen Räumen", "Dritten Räumen" und eben "Zwischen-Räumen". Gesellschaftliches Denken und damit auch Gesellschaftstheorie verbleibt häufig in Dichotomien, worauf insbesondere Soja und Massey hingewiesen haben (vgl. Abschnitt 3.3.2 und 3.3.3). Um Uneindeutigkeiten und Irritationen in den Blick zu nehmen, ist es jedoch wichtig, jenseits dualistischer Zuschreibungen bisher ausgeschlossene oder marginalisierte Aspekte zu berücksichtigen.
Geographien der Kommunikation I 67
Im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit "anderen Räumen" ist ein Aufsatz von Michel Foucault aus dem Jahre 1967 relevant. Dieser Aufsatz wurde im Rahmen des spatial turn in den 1990er Jahre "wiederentdeckt". In Foucaults Argumentation ist zentral, dass sich Wissen generell topalogisch durch die Ausgrenzung eines - historisch veränderbaren -"Anderen" konstituiert (Foucault 1967, vgl. auch Dünne 2006: 292). Dieses Andere ist zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. in einer bestimmten Zeit nicht "diskursivierbar" und wird damit zum "Außen des Denkens". Damit bildet dieser, den von Foucault so genannten "äußeren Raum" (ebd.: 319), was den gesellschaftlichen Umgang mit Raum meint und sich von einem psychologischen inneren Raum abgrenzen lässt. Foucault unterscheidet dabei zwischen "Utopien" und "Heterotopien" als zwei Typen "anderer Räume", die an sich nicht widerspruchsfrei sind. Unter Utopien versteht er "Orte ohne realen Ort", während die Heterotopien "gleichsam Gegenorte darstellen" also "tatsächlich verwirklichte Utopien" (ebd.: 320). Als sozial relevant betrachtet er deshalb nur die "Heterotopien", da sie einen real existierenden Ort beschreiben. Die von Foucault geprägte Methode der Diskursanalyse ist dabei ein Mittel um dieses Andere aufzuspüren, und so die Konstruktion eines diskursiven Stereotyps des Orientalismus festzumachen (vgl. Dünne 2006: 294). Europäische Eigen- und Fremdkonstruktion zielt zumeist auf die Etablierung eines "dominanten Diskurs zur Beherrschung des Orients" (BachmannMedick 1998: 20). Damit werden Kulturdifferenzen konstruiert, wie von Said kritisiert, die aber darüber hinaus im Hinblick auf alternative Formen der Repräsentation oder Selbstrepräsentation zu hinterfragen sind (vgl. ebd.). Während Said und Foucault nach dem Ausgeschlossenen aus bisherigen gesellschaftlichen Konzeptionen fragen, sind für Bhabha (2000) die Verortungen des Ausgeschlossenen, aber auch von Uneindeutigkeiten, in einem Raum zentral. Ebenso wie Said, der sich auf Foucault bezieht, sieht auch Bhabha in der Diskursanalyse ein Mittel, um koloniale Formationen, aber auch allgemein Machtbeziehungen, zu untersuchen (vgl. Papoulias 2011). Bhabha interessiert sich allerdings nicht nur für die dichotome Beziehung zwischen Orient und Europa, wie dies Said tut, sondern richtet den Fokus auf die Lücken, die Zweifel und Uneindeutigkeiten, die bei solchen Zuschreibungen entstehen. Bhabha geht davon aus, dass es die Möglichkeit zur Schaffung eines Raumes zwischen dem kolonialen Subjekt und dem kolonialisierten Anderen gibt und stellt damit die Ausschließlichkeit von Grenzziehungen in Frage. Er bezeichnet die Kolonialisierung als Mimikry - das kolonialisierte Objekt soll europäisiert werden, als "almost the same but not quite" (Bhabha 1994: 86). Ähnlich dem von
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Butler (1995) entwickelten Modell der Pertorrnativität lässt sich die Dichotomie zwischen Europa und dem Orient damit als prozesshafte Wiederholung von Handlungen und damit als Konstruktion begreifen, sie ist nicht unausweichlich gegeben. Foucault betont die historische Dimension und nimmt damit eine Historisierung des Anderen vor, in dem er deren Gegenorte beschreibt. Dagegen ist der zentrale Untersuchungsfokus von Homi Bhabhas die gegenwärtige Differenz zwischen Kulturen. Bhabha spricht nicht von "Cultural Diversity", sondern von "Cultural Difference" (Bhabha 1990: 207), um die Konstruktion und Prozesshaftigkeit, inklusive aller Widersprüchlichkeiten, zu betonen. Bhabha geht von antagonistischen politischen Identitäten aus, wobei er den Terminus "identification " als sinnvoller erachtet als den der "identity", um den Prozesscharakter bei der Konstruktion von Identitäten zu verdeutlichen (ebd.: 208). Konstruktionen von Identität sind darüber hinaus hybrid (vgl. auch Abschnitt 3.4.1). Ausgehend von diesen Überlegungen entw ickelt Bhabha die Vorstellung eines "Dritten Raumes", den er als "Schwellenraum zwischen den Identitätsbestimmungen" beschreibt (Bhabha 2000: 5). Der Ausgangspunkt von Bhabhas Drittem Raum ist dabei ein anderer als bei Soja oder Lefebvre. Bhabha rückt insbesondere den kulturellen Raum, der eben dieser Dritte Raum sein kann, in das Zentrum seiner Betrachtungen. Dieser bildet sich in Folge von geteilten Praktiken, die in bestimmten geographischen und historischen Gegebenheiten entstehen. Diese Praktiken sind aber nicht nur einer einzigen Kulhtr zugehörig. Durch die zunehmenden Migrationsbewegungen werden die normativen Grundlagen des sozialen Raums und der nationalen Kultur in Frage gestellt. In diesen Prozessen der Aushandlung und Auseinandersetzung entstehen Dritte Räume, die als kulturelle Lokalisation hybrider Gemeinschaften begriffen werden können. Auch in einer homogen erscheinenden Kultur und deren kulturellen Praktiken ist demnach immer auch ein Moment der Uneindeutigkeit enthalten, eine Lücke, die nicht eindeutig gefüllt werden kann, aber damit immer auch Dichotomisierungen in Frage stellt und vor allem die Ambivalenzen hegemonialer Diskurse in den Blick nimmt. Dritte Räume sind dabei uneindeutiger als Zwischen-Räume, da sie von vorneherein uneindeutige Ausgangslagen voraussetzen (vgl. Bachmann-Medick 2009: 203). Ausgehend davon lassen sich Fixierungen gesellschaftlicher Entwicklungen aber auch Identitäten immer wieder neu interpretieren und umdeuten. Auf diese Konzeption von Dritten Räumen, und damit der Frage nach Repräsentationen von kultureller Differenz, wird in aktuellen Auseinandersetzungen um Rassismus, Kolonialismus, Ethnizität und Migration
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häufig zurückgegriffen (vgl. Castro Varela/Dhawan 2005: 84). Auch für Bhabha ist der Postkolonialismus kein direkter Bruch zur kolonialen Ära, sondern eine Fortschreibung einer teilweise "voranschreitenden kolonialen Gegenwart" (Bhabha 1994: 128). Im Gegensatz zu Said rückt Bhabha damit nicht eine binäre Opposition zwischen Kolonialisierten und Kolonisierten in den Mittelpunkt der Betrachtung, sondern die Möglichkeiten der Umdeutungen (vgl. auch Castro Varela/Dhawan 2005: 85). Schon das koloniale Stereotyp ist in seiner Repräsentation immer auch "komplex, ambivalent und widersprüchlich" (Bhabha 1994: 70). Damit entstehen Möglichkeiten eines Raumes für Verhandlungen und Widerstand, da deutlich wird, dass Festschreibungen immer auch eine - in diesem Fall "westliche" - Phantasie über das Andere enthalten. Beschreibungen des Anderen sieht Bhabha nie widerspruchsfrei; Identifizierungen und Positionierungen sind weder stabil noch uniform, sondern konfliktvolL Am Beispiel des Orients bedeutet dies, dass das Andere bewundert w ird und eine Faszination ausüben, gleichzeitig aber auch als bedrohlich empfunden werden kann. Gerade die Momente des "Dazwischen" sind es jedoch, die Verhandlungen über Grenzen hinweg ermöglichen (vgl. Castro Varela/Dhawan 2005: 87). Die postkoloniale Sichtweise legt nahe, bei der Konzeption von Raum Ungleichheitskategorien wie soziale Schicht, Ethnizität und Gender in ihren Ein- und Ausgrenzungen konzeptionell mitzudenken und empirisch zu untersuchen, insbesondere im Zusammenhang mit Medien und Kommunikation. So stehen nicht nur dominante oder hegemoniale Räume im Mittelpunkt der Untersuchung, sondern Relevanz wird auch "anderen Räumen" eingeräumt, die sich parallel entwickeln bzw. in partiellem Widerspruch stehen. Dies legt eine Reflexion von "anderen Räumen" und "Dritten Räumen" schon bei der zu grunde gelegten Konzeption von Raum nahe.
3.5 Zwischenfazit: Raum und Internet Der spatial turn mit seiner Betonung des Raums hat insbesondere ins Zentrum gerückt, dass nicht nur die "historische Zeit" wirkmächtig ist, sondern auch Raum einen bedingenden Faktor gesellschaftlicher Prozesse darstellt (vgl. Günzel2008: 219). Im Zuge des spatial turn werden traditionelle Kategorien, insbesondere der Geschichte, Soziologie und Geographie weiterentwickelt und die Trennung zwischen den Disziplinen aufgeweicht. Die jeweils verwendeten Konzepte überlappen sich zunehmend und greifen ineinander, hinzu kommt eine stärkere Berücksichti-
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gung der Bedeutung kulturwissenschaftlicher Kategorien in verschiedenen Disziplinen. Mit der Loslösung von materiellen Räumen rücken Hierarchien, Fragen von Zentrum und Peripherie sowie Inklusions- und Exklusionsprozesse in den Blick. Im Zuge des Poststrukturalismus werden zudem diskursiv geschaffene Räume aufgewertet, und damit auch Räume des Imaginären untersucht. Je mehr Gesellschaftsstrukturen losgelöst von realen Gegebenheiten bestimmt bzw. beschrieben werden, desto mehr verschwimmen auch die Grenzen zu virtuellen Räumen. Eine solche Perspektive vermittelt vielfältige Einsichten in gesellschaftliche Prozesse und deren Funktionsweisen. Unterschiede der vorgestellten Perspektiven des spatial turn liegen zumeist in unterschiedlichen Entstehungszeiten und Bezugssetzungen begründet. Auch differieren die hier vorgestellten Theorien hinsichtlich zentraler Begriffe und Ansatzpunkte. Gemeinsam ist ihnen, dass sie eine Veränderung der bestehenden (Macht-)Verhältnisse zum Ziel haben. Mit Hilfe von Raumtheorien können dementsprechend gesellschaftliche Prozesse, und damit auch Kommunikationsprozesse im Internet, erfasst werden und eine kritische Analyse dieser Prozesse erfolgen. Die Ausführungen zu den Vertreterinnen der "social geography" und bezüglich der Veränderungen der Kategorien Identität, Macht und Kultur legen die Grundlage für eine räumliche Betrachtung des Internets. Raum ist nicht örtlich fixiert und verändert sich permanent (vgl. Lefebvre 1992, Massey 1994, Soja 1996). Mit der Loslösung vom materiellen Raum lassen sich einmal fixierte Positionen von Identität in Frage stellen und damit Möglichkeiten einer neuen räumliche Verortung eröffnen. Dass Machtstrukturen nicht vernachlässigt werden dürfen, darauf hat schon Innis (1986) mit seinen Ausführungen zu Medienentwicklungen in historischspezifischen Räumen hingewiesen. Räume sind also nicht einheitlich, sondern in ihrer Vielfalt abzubilden und zahlreiche Beziehungs- und Interaktionsebenen einzubeziehen. Für die Frage wie Kommunikation Raum produziert und Raum Kommunikation produziert, ist es elementar, Raum nicht als Container oder Behälter zu begreifen, sondern als gesellschaftlichen Produktionsprozess, der eng mit einer symbolischen Ebene der Raumrepräsentation verknüpft ist (vgl. auch Bachmann-Medick 2009). Räume können durch Repräsentationen entstehen, die durch Kommunikation gebildet werden. Raumkonzepte können also beschreiben, wie sich Kommunikation verräumlicht und die handelnden Akteurinnen in den Blick nehmen, da Raum auch immer von Akteurinnen "gemacht" wird (vgl. Hipfl 2004). Das Internet ist damit durch soziale Beziehungen, Werte, Kulturen und durch diskursive Produktionen konstruiert. Einerseits werden die räumlichen Be-
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schränkungen von Kommunikation aufgehoben, aber gleichzeitig entstehen neue Räume: " Denn das Internet vergrößert räumliche Grenzen, der physisch erfahrbare und erfassbare Raum w ird ausgedehnt und zugleich werden neue Plätze für die Verortung der Menschen erschaffen" (Klaus/ Hipfl/Scheer 2004:11). Mit Raumkonzepten lässt sich weitergehend danach fragen, wie Menschen und Themen verortet sowie positioniert werden und damit eine imaginäre Geographie aufgebaut wird (vgl. Hipfl 2004). Auf der Basis eines wahrnehmbaren Raumes, der sich durch soziale Praktiken bildet, entstehen in kommunikativen Prozessen Repräsentationen von Raum, werden Räume imaginiert und durch Beziehungen gebildet. Dem Internet kommt dabei durch die Ermöglichung solcher Repräsentationen von Raum, die sich in einer öffentlichen Thematisierung und Diskussion politischer Angelegenheiten äußern können, eine Rolle innerhalb der Funktionalität und Legitimität eines demokratischen Gesellschaftssystems zu. So können beispielsweise Raumrepräsentationen von Klasse, Ethnizität und Geschlecht und die daraus resultierenden Inklusions- und Exklusionsprozesse untersucht und auf ihre implizite Raumkonstruktion hinterfragt werden. Weniger bildend sind dabei die physische Grenzen des Internets, da es sich zumeist entlang kommunikativer Prozesse strukturiert - physische Grenzen bleiben jedoch relevant, wie sich beispielsweise durch die Internetzensur in China oder dem Digital Divide zwischen Norden und Süden zeigt. Die sozialgeographischen Raumkonzepte bilden für meine Studie den Rahmen beziehtmgsweise die Geographien, um Kommunikationsprozesse im Internet zu erfassen; die explizierten Kategorien Kultur, Macht und Identität sind die Perspektivierungen, um Fixierungen und Verortungen in Raumrepräsentationen in den Blick zu nehmen. Ausgehend davon ergeben sich insgesamt sechs Schlussfolgerungen, die aufeinander bezogen sind und sich teilweise gegenseitig bedingen: (1) Gesellschaftliche Relevanz des Raumbegriffs: Die Betonung der gesellschaftlichen Relevanz des Raumbegriffs erfolgt in Reaktion auf die Debatte vom Verschwinden des Raumes durch Medien und Technologien. Zweck einer Konzeptualisierung von Raum ist es, nicht nur Phänomene zu beschreiben sondern grundlegend zu reflektieren, nach Inklusion, aber auch Exklusion zu fragen, Teilhabe und Ausschluss in den Blick zu nehmen, sowie deliberative und konfliktäre Prozesse zu erfassen. Eine Raumperspektive hat damit einen inhärenten politischen Charakter. (2) Raum als konzeptionelle Grundlage: Die jeweilige Konzeptualisierung von Raum ist ausschlaggebend für die empirischen und theoretischen Befunde zu einem Forschungsgegenstand. Ersichtlich wird dabei, dass die
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Betrachtung eines Forschungsgegenstands und damit der Erkenntnisgewinn der Analyse vom jeweiligen Raumbegriff abhängen. (3) Betonung der Wandelbarkeit kommunikativer Prozesse: Die Berücksichtigung von Raumtheorien verändert die Wahrnehmung kommunikativer Prozesse; sie sind nicht fix, sondern wandelbar. Raum ist damit der soziale, institutionelle und imaginierte Kontext von Kommunikationsprozessen. Raumstrukturen sind dementsprechend veränderbar, durchlässig und im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Prozessen zu sehen. So kann der Fokus auf Inklusions- und Exklusionsprozesse gelegt und diese einer kritischen Reflexion unterzogen werden. Dies impliziert Fragen nach Macht- und Hierarchieverhältnissen, die Rahmenbedingungen schaffen und in Repräsentationen im Raum sichtbar werden. (4) In Frage stellen von Grenzen: Konzepte von Raum für eine gesellschaftliche Betrachtung zu verwenden, betont die Konstruiertheil und damit auch Veränderbarkeit von Räumen. Damit sind Grenzen und Grenzsetzungen nicht fixe Größen und unverrückbar, sondern ein eigener und relevanter Untersuchungsgegenstand, sie rücken als "analytische Grenzgebiete" (Sassen 2008: 607) ebenso dazu. (5) Pluralität von Kultur und Identität: Mit Hilfe der postkolonialen Erweiterung bietet sich die Möglichkeit, die binäre Kartierung in Zentrum und Peripherie zu hinterfragen und damit neue Handlungsspielräume zu eröffnen (vgl. Bachmann-Medick 2009: 290). Identität, Macht und Kultur als Konzepte mit den verbundenen Begriffen wie Hegemonie und Hybridität bilden die Grundlage eines kritischen Raumverständnisses. Für eine Betrachtung des Internets bedeutet dies, nicht nur hegemoniale Räume zu betrachten, sondern vielfältige und plurale Räume in den Forschungsfokus zu rücken. (6) Thematisierung des "Anderen ": Der postkoloniale Raumbegriff ermöglicht eine Reflexion von Alterisierungsprozessen und damit der Verortung des Anderen. So können auch neue Bedeutungszuweisungen sowie Uneindeutigkeiten und Irritationen in den Blick genommen werden, denn Raum ist ein soziales Produkt, das auch aus Beziehungen besteht, diese werden immer wieder neu ausgehandelt (vgl. auch Massey 2005). Räume bilden demnach die gestaltbaren und veränderbaren Geographien, in denen Öffentlichkeiten entstehen. Raum und Öffentlichkeit sind konstitutiv für ein Verständnis des Internets, das den Fokus auf gesellschaftliche Aushandlungsprozesse legt.
4 Sozialität von Kommunikation: Öffentlichkeit Die im vorangegangen Kapitel vorgestellten Geographien der Kommunikation bilden sich aus Verräumlichungen sozialer und kultureller Praktiken und Repräsentationen. Jede Form von Demokratie benötigt darüber hinaus Öffentlichkeit, in der Themen verhandelt werden sowie demokratisches Handeln stattfindet. Diese Formen des demokratischen Handelns, denen als zentrale Konzepte insbesondere Inklusion, Teilhabe und Zugehörigkeit zugrunde liegen, erzeugen die Sozialität von Kommunikation. Geographien der Kommunikation, verstanden als die soziale Strukturierung eingebettet in soziale und kulturelle Praktiken sowie deren kulturelle Repräsentationen, sind damit die Voraussetzung der Sozialität von Kommunikation, also vom Handeln und kommunikativen Austausch in der Öffentlichkeit. Im Folgenden werden zunächst grundlegende Überlegungen zum Begriff und Gegenstandsbereich von Öffentlichkeit vorgestellt; hierbei geht es um die Frage der unterschiedlichen Bedeutungszuweisungen an die Begriffe privat, öffentlich und politisch. Darüber hinaus unterscheidet sich die jeweilige Ausgestaltung von Öffentlichkeit in Hinblick auf die konzeptionelle Berücksichtigung des Individuum und der Gesellschaft sowie von Teilhabemöglichkeiten. Deutlich wird der Zusammenhang zu Demokratietheorien. Darauf aufbauend werden zentrale Öffentlichkeitstheorien vorgestellt. Entsprechend der in der Einleitung aufgeworfenen Fragestellungen (vgl. Kapitell) stehen dabei aktuelle Ansätze von Öffentlichkeit im Fokus. Skizziert werden zunächst systemtheoretische Ansätze, der Schwerpunkt liegt aber auf Öffentlichkeitstheorien, die handlungstheoretisch bzw. deliberativ oder partizipatorisch orientiert sind und damit Öffentlichkeit eine bedeutende Funktion in Bezug auf politische Prozesse einräumen. Zentrale Kategorien dieser Öffentlichkeitstheorien sind Partizipation und Teilhabe, Inklusion und Exklusion sowie Identität und Zugehörigkeit - in der Beschreibung der Öffentlichkeitstheorien wird darauf in Hinblick auf die unterschiedliche Ausgestaltung und ihre Bedeutung für die Beteiligung an gesellschaftlichen Kommunikationsprozessen Bezug genommen. Mitgedacht wird dabei das Konzept von Privatheit, da Privatheit und Öffentlichkeit in einem untrennbaren Verhältnis stehen. Auf den Beitrag feministischer Forscherinnen für die theoretische Ausei-
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nandersetzung um den Begriff Öffentlichkeit wird in einem gesonderten Abschnitt eingegangen. Der Erkenntnisgewinn feministischer Öffentlichkeitstheorie hat jedoch bereits Eingang in unterschiedliche Öffentlichkeitstheorien gefunden. Daran anschließend werden die Perspektiven demokratischer Öffentlichkeit angesichts gegenwärtiger Wandlungsprozesse und aktueller Debatten diskutiert. Aufbauend auf die theoretischen Ausarbeitungen dieses Kapitels werden abschließend in einem Zw ischenfazit Öffentlichkeit und Internet aufeinander bezogen und so zentrale Merkmale der Analyse von Öffentlichkeit im Internet herausgearbeitet.
4.1 Öffentlichkeit: Begriff und Gegenstandsbereich Öffentlichkeit ist eine zentrale Kategorie zum Verständnis von Gesellschaft und ebenso ein Grundbegriff der politischen Kommunikation. Öffentlichkeitstheorien unterscheiden sich hauptsächlich in ihrem normativem Anspruch und dem, was zum Bereich des Öffentlichen gezählt wird. In Anlehnung an Arendt (2005) oder auch Habermas (1995) wird Öffentlichkeit heute meist nicht als physischer Raum - also im Sinne der griechischen Agora - betrachtet, sondern als Ort der politischen Auseinandersetzung, der unterschiedliche Formen haben kann. Öffentlichkeit wird dabei nicht notwendig als eine homogene Sphäre konzipiert; in die Vorstellung von Öffentlichkeit können eine Vielzahl von Alternativ- und Gegenöffentlichkeiten eingeschlossen werden (vgl. Fraser 2001). Unterschiedlich ausgestaltet sind dabei die Beziehung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, der Bereich des Politischen, das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft sowie Zugang zu und Teilhabe an Öffentlichkeit. Ausgehend von jeweils unterschiedlichen Bedeutungszuweisungen an diese Begriffe wird im Folgenden der Gegenstandsbereich von Öffentlichkeit bestimmt. Systematisierungen des Öffentlichkeitsbegriffs erfolgen zumeist entlang einer Abgrenzung zur Privatheit. An dieser Stelle werden einige grundlegende Überlegungen dazu angeführt, eine tiefergehende Auseinandersetzung findet in den einzelnen Abschnitten statt. Öffentlichkeit und Privatsphäre werden seit den ideengeschichtlichen Anfängen in einen Zusammenhang gesetzt. So lässt sich eine der ersten Unterscheidungen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit in der griechischen Trennung zwischen oikos und polis sehen. Platon spricht vom Haushalt und der polis, denen eindeutige Bereiche zugeordnet werden (vgl. Zehnpfennig 2005). Die polis war der Ort, wo die Interessen von Bürgern anhand von Regeln und Gesetzen, die durch demokratische Entscheidungen entstanden waren, abgewogen wurden - dies entsprach dem aristotelischen
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Ideal, Entscheidungen in einer als gerecht angesehenen Gesellschaft zu treffen. John Stuart Mill betont eine Öffentlichkeit, in der sich freie Bürger treffen und die im Gegensatz zum privaten Bereich steht, in dem privilegierte Männer Kreativität und Einzigartigkeit entwickeln können (vgl. Mill 1859/2000). Die Trennung in einen privaten und einen öffentlichen Bereich ist seit dem Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts mit dem Gedanken des grundlegenden Schutzes individueller Freiheit und der Autonomie vor unzulässigen Eingriffen des Staates oder der Gesellschaft verbunden (vgl. Rössler 2001). Mit der Trennung in einen privaten und einen öffentlichen Teil geht jedoch auch die Exklusion von Personengruppen aus dem politischen Leben einher. Der normative Charakter dieser Ausarbeitung dient auch immer zur Rechtfertigung solcher Exklusionen. So konnten nicht alle Personen gleichberechtigt und mit den gleichen Voraussetzungen an der Öffentlichkeit teilnehmen - beispielsweise die Sklaven der griechischen polis oder die Bürgerinnen im Liberalismus. Dies ist einer der Kritikpunkte u.a. von feministischen und marxistischen Theoretikerinnen an der Dichotomisierung von Öffentlichkeit und Privatheit. Die Unterscheidung zwischen öffentlich und privat führt noch zu einem weiteren in diesem Zusammenhang wichtigen Begriff, nämlich den des Politischen. Häufig wird das Öffentliche mit dem Politischen gleichgesetzt, während das Private als das Nicht-Politische bzw. NichtPolitikfähige gilt. Wenn Öffentlichkeit als Begriff mit politisch-rechtlichen Ansprüchen verbunden wird, dann leiten sich aus diesen Ansprüchen Vorstellungen über Bedingungen und Formen öffentlicher Kommunikation ab (vgl. Imhof 2003). Politische Prozesse benötigen demnach Öffentlichkeit zur Transparenz von Entscheidungsvorgängen, zur Vermittlung von Inhalten und zur Deliberation politischer Themen. Politik und politische Prozesse bedienen sich dabei vor allem Medien zur Vermittlung von Inhalten und Positionen, zunächst über Periodika, zunehmend aber über Massenmedien wie Zeitungen und Fernsehen und heutzutage auch über das Internet. Politische Kommunikationsprozesse stehen also in einem engen Zusammenhang mit Massenmedien, ohne dass Öffentlichkeit nur durch Massenmedien gebildet wird. Wichtig für politische Prozesse können ebenso Vereinsöffentlichkeiten, zivilgesellschaftliche Öffentlichkeiten und spontan entstehende Öffentlichkeiten sein (vgl. Klaus 2001, Wischermann 2003b). Bildend für Öffentlichkeit sind kommunikative Prozesse, die aus medial vermittelter und direkter Kommunikation bestehen. Neben Öffentlichkeit als "öffentliche Meinung" stehen die eher formalisierten Formen der Willensbildung und Entscheidungsfindung in Institutionen und Organisationen, diebeidedemnach zur Legitimation der poli-
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tischenOrdnungbeitragen (vgl. Donges/Jarren 2010). Wenn der Blick allerdings auf die eher formalisierteren Formen gerichtet wird, ist offensichtlich, dass vorrangig jene Akteurinnen partizipieren, die mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet oder institutionell verankert sind, Bürgerinnen bekommen in diesem Fall eine eher passive Rolle zugewiesen. Die Debatten um die Ausgestaltung von Öffentlichkeit und eine politische Ermächtigung hat durch das Internet bzw. durch Informations- und Kommunikationstechnologien zugenommen. Dies führte zu einer Renaissance von Begrifflichkeiten wie "öffentlicher Raum" und "öffentliche Sphäre", die zunächst schlagwortartig verwendet wurden, jedoch mittlerweile einer tiefergehenden Analyse gewichen sind. Das Politische bzw. das, was zum Bereich des Politischen gezählt wird, bleibt jedoch historisch und auch aktuell weiterhin umstritten. Zumeist wird das Politische mit dem Öffentlichen in einen Zusammenhang gesetzt und damit zur öffentlichen Kommunikation gezählt. Die Ausgestaltung des Bereichs des Öffentlich-Politischen unterscheidet sich je nach zugrunde gelegtem Politikbegriff (vgl. Abschnitt 2.1). Insbesondere bei der Diskussion feministischer Ansätze und der Cultural Studies wird deutlich, dass hiermit auch immer Machtstrukturen und normative Setzungen verbunden sind. Grundsätzlich besteht über alle Öffentlichkeitstheorien hinweg Einigkeit darüber, dass eine zentrale Funktion von Öffentlichkeit die Legitimation der politischen Kommunikation ist. Uneinigkeit besteht jedoch darüber, was zur politischen Öffentlichkeit im Besonderen aber auch allgemeiner zum Bereich des Öffentlichen, gezählt wird und ob kulturelle, wirtschaftliche und soziale (Teil-)Öffentlichkeiten nicht ebenso als Teil einer politischen Öffentlichkeit gelten können. Demokratietheoretisch relevant ist des Weiteren das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft in Bezug auf die Konzeption von Öffentlichkeit. In der Öffentlichkeitstheorie der Aufklärung wird die Mündigkeit des Staatsbürgers vorausgesetzt und damit dessen Fähigkeit zu theoretischen und praktischen Einsichten zu gelangen. Des Weiteren sind Vernunft und Tugend Voraussetzungen, um Freiheit und Redefreiheit des Publikums zu garantieren. Die Bürger treten so aus ihrer privaten Sphäre heraus, um über das Gemeinwohl zu verhandeln. Der Untertan der Aufklärung wird zum Staatsbürger, das Bürgertum interagiert über Periodika mit dem Parlament - die bürgerliche Gesellschaft bildet damit das Publikum (vgl. Imhof 2003). Das Publikum wird damit getrennt von Sprecherinnen der und Vermittlerinnen von Politik in der Beschreibung von Öffentlichkeit. Gerade die Rolle des Publikums ist jedoch einem stetigen Wandel unterworfen; durch Habermas rückte das bürgerliche Publikum in das Forschungsinteresse, die feministische Forschung betont die
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Rolle von Bürgerinnen und Seyla Benhabib (1997) sieht eine zunehmende gesellschaftliche Veränderung, in der das Modell des okularen Publikums durch das des auditiven Publikums ersetzt wird. Im Internet verschiebt sich dieser Aspekt nochmalig: das Publikum wird auf der einen Seite weniger greifbar, erhält aber ebenso neue Funktionen durch zusätzliche Beteiligungsmöglichkeiten. Welche Rolle dem Publikum bzw. den Bürgerinnen in den jeweiligen Öffentlichkeitstheorien eingeräumt wird, steht in einem engen Zusammenhang mit demokratietheoretischen Implikationen. Zugang zu und Teilnahme an Öffentlichkeit sind die Grundbausteine einer normativen Öffentlichkeitstheorie (vgl. Dahl 1989). Auf einer analytisch-deskriptiven Ebene bedeutet dies zunächst eine Erfassung, wie viele Akteurinnen an der Öffentlichkeit partizipieren. Auf einer normativen Ebene hingegen kann gefragt werden, welche Mitgestaltungs- und Partizipationsmöglichkeiten den Akteurinnen über die reine Teilhabe hinaus an der Öffentlichkeit eingeräumt werden (vgl. Schmidt 2005). Vorgänge des allgemeinen Interesses sind zumeist mit einer Öffentlichkeit verbunden, die nicht mit einer Zugangsmöglichkeit für alle Bürgerinnen versehen ist, wie beispielsweise die parlamentarische Öffentlichkeit. So gibt es Einschränkung im Zugang und in der Teilhabe an Öffentlichkeit, die jedoch je nach zugrunde gelegtem Demokratiemodell unterschiedlich ausgestaltet werden. Öffentlichkeit als "Raum für die kommunikative Erzeugung öffentlicher Meinung" (Fraser 2001: 110) unterscheidet sich also durch verschiedene Vorstellungen über Partizipationsmöglichkeiten für Bürgerlnnen, in der Bedeutung der Privatsphäre sowie hinsichtlich der Konzipierung des Politischen. Je nach zugrunde gelegtem demokratietheoretischem Modell bekommt Öffentlichkeit darin eine unterschiedliche Rolle zugewiesen.
4.2 Demokratietheorie und Öffentlichkeit Öffentlichkeit gilt als konstitutives Element jedweder Demokratietheorie; ihr wird eine zentrale - wenn auch unterschiedlich akzentuierte - Rolle in der Konzeption von Demokratie eingeräumt (vgl. Druwe 1995). Je nach demokratietheoretischem Modell sind unterschiedliche Parameter entscheidend, die als wichtig für Funktion und Ausgestaltung von Öffentlichkeit erachtet werden. In der Forschungsliteratur werden zahlreiche Demokratiemodelle angeführt, in denen zumeist die Vorstellungen über das Ausmaß und die Art der politischen Beteiligung, die Bürgerinnen zugestanden werden, differieren (vgl. Held 2003). Die Politikwissen-
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schaft, bzw. die politische Theorie, unterscheidet zwischen vorrangig liberal-repräsentativen, partizipatorischen, deliberativen und konstruktivistischen Demokratiemodellen. In ihnen wird politische Kommunikation innerhalb von Öffentlichkeit nicht nur beschrieben, sondern in Verbindung zu demokratischen Vorstellungen, Werten und Normen gestellt. Damit dienen diese Modelle nicht nur als Beschreibungsinstrumentarium von Öffentlichkeit, sondern thematisieren ebenfalls demokratietheoretisch relevante Aspekte wie beispielsweise Teilhabe und Inklusion. Die eingangs genannten zentralen Begriffe- öffentlich, privat und politisch - und deren Beziehung sind mit unterschiedlicher Ausrichtung elementare Bestandteile der verschiedenen demokratietheoretischen Modelle. Daraus resultieren unterschiedliche normative Ansprüche an Öffentlichkeit sowie Vorstellungen über die Struktur von Öffentlichkeit. Der Grad der Demokratisierung lässt sich durch verschiedene Formen der Partizipation verdeutlichen, deren Charakter durch Medien verändert werden kann (vgl. Dahlgren 2009: 3). Carpentier (2011: 17 f. ) schlägt eine Unterscheidung zwischen minimaler und maximaler demokratischer Partizipation vor. Repräsentative Ansätze gewährleisten nach dieser Einteilung minimale demokratische Partizipation, deliberative und partizipatorische Ansätze hingegen maximale Partizipation. Die Bedeutung von Medien variiert dementsprechend hinsichtlich der Anforderungen, die unterschiedliche Demokratiekonzeptionen an die kommunikativen Funktionen von Medien stellen (vgl. Martinson 2009). Je nach Theorieansatz hat auch die Sicht auf Medien und die Bestimmung ihrer Funktion einen anderen Fokus. Im Folgenden werden die genannten Ansätze hinsichtlich der jeweils unterschiedlichen Auffassungen von politischem Handeln und Repräsentation, der Rolle der Medien sowie der Teilhabemöglichkeiten aufgezeigt. Liberal-repräsentative Ansätze sehen die Rolle von Öffentlichkeit in der Schaffung von Transparenz, die gegenseitige Beobachtung von Regierenden und Regierten sowie die Kontrolle der Regierenden durch Bürgerinnen. Es wird aber nicht von einer umfassenden Beteiligung Aller ausgegangen, sondern die Wählerinnen werden durch verantwortliche Repräsentantinnen (vgl. Neumann 1986) oder von einer gesellschaftlichen Elite (vgl. Weber 1980) vertreten. Ähnlich stellen sich zumindest diese Aspekte auch in systemtheoretischen Ansätzen dar (vgl. Absclmitt 4.3.1). In Bezug auf Medien werden dann Aussagen über die Relevanz von Öffentlichkeit getroffen, bestimmte Themen als politisch definiert und die medialen Strukturbedingungen in den Blick genommen. Repräsentative Modelle sehen in den Massenmedien einen vertikalen Kommunikationskanal zwischen Bürgerinnen und Repräsentantlnnen; ihre demokratische Rolle
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liegt in einer "Wächter-Funktion" (vgl. Schmidt 1997). Die Funktion von Medien besteht dementsprechend darin, zu informieren, politische Entscheidungen transparent zu machen, den Willensbildungsprozess zu rationalisieren und so fortlaufend das Gemeinwohl zu ermitteln. In partizipatorischen Ansätzen werden die vielfältige Beteiligung, die Steigerung von Partizipationschancen sowie die Demokratisierung gesellschaftlicher Sphären, die noch nicht einer demokratischen Verfassung unterstehen, favorisiert (vgl. Schmidt 1997: 171). Unter partizipatorische Ansätze kann weitergehend auch das Modell einer zivilgesellschaftlichen Basisdemokratie gefasst werden, das vor allem zivilgesellschaftliche Akteurinnen neben institutionelle Akteurinnen in den Mittelpunkt rückt (vgl. Meyer 2005: 220 ff., Barber 1994) Öffentlichkeit wird dabei umfassender als in liberal-repräsentativen Ansätzen konzipiert und das Publikum, und damit neben zivilgesellschaftliche Akteurinnen auch Bürgerlnnen, als konstitutiv für Öffentlichkeit angesehen. In Modellen partizipatarischer Ansätze wird die Legitimation von Öffentlichkeit nur über weitreichende Partizipation aller Bürgerinnen erreicht. Diese Bindung von Legitimation an Partizipation bringt es mit sich, dass eine möglichst große Beteiligung als erstrebenswert gilt (vgl. Pateman 1988, Philipps 1995, Barber 1994). Innerhalb dieses Ansatzes wird nach den beteiligten Akteurinnen gefragt, nach Artikulationschancen sowie den sozialen und gesellschaftlichen Machtverhältnissen, die zu ungleichen Partizipationschancen führen. In den Blick genommen werden aufgrund der breiten Öffentlichkeitskonzeption tmd des Fokus auf Partizipation nicht nur massenmediale Öffentlichkeiten sondern vielfältige Öffentlichkeitsarenen. Damit wird die Bedeutung von Öffentlichkeit für die Veröffentlichung vielfältiger Meinungen hervorgehoben und nicht auf eine einzige politische Öffentlichkeit eingegrenzt. Partizipatorische Modelle sehen die Rolle der Medien in einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Kommunikationskanäle, sie nehmen eine Funktion der Vermittlung zwischen Zentrum und Peripherie sowie des Empowerments marginalisierter Gruppen ein (vgl. Strömbäck 2005). Für Vertreterinnen einer deliberativen Demokratie bildet Öffentlichkeit einen zentralen Ort anspruchsvoller Beratungen. Insbesondere Jürgen Habermas (ausführlich Abschnitt 4.3.2) hat fünf normative Kriterien bestimmt, die eine deliberative Öffentlichkeit ausweisen: Repräsentativität der Sprecherlnnen, Gleichheit des Publikums, angemessene Offenheit sowie eine Informations- und eine Diskursfunktion. Deliberative Demokratiemodelle haben durchaus Parallelen zu partizipatorischen Ansätzen. Auch in diesen Modellen ist es wichtig, weite Teile der Bürgerinnen, des Publikums, zu inkludieren. Ergänzt werden diese normativen Vorstel-
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Iungen jedoch um Anforderungen an das Wesen der Kommunikationsvorgänge. Es geht in dieser Perspektive nicht alleine um Transparenz und Partizipation, sondern zusätzlich um bestimmte Formen der öffentlichen Deliberation. In Modellen deliberativer Demokratie können sow ohl die Zivilgesellschaft, Akteurinnen aus Nicht-Regierungsorganisationen als auch alltägliche Lebensbedingungen, Erfahrungen und Ziele der Bürgerinnen einbezogen werden (vgl. Benhabib 2006, Cohen 2009). Entsprechend breit angelegt ist die Konzeption von Öffentlichkeit. Deliberative Modelle betrachten Medien teilweise skeptisch, da durch sie die Entstehung deliberativer Kommunikationsformen erschwert werden kann. Betrachtet man Medien allerdings als Diskursteilnehmerinnen kommt ihnen eine wesentliche Bedeutung für die deliberative Demokratie zu (vgl. Häussler 2006). Ziel ist es, durch deliberative Kommunikation einen Konsens rationaler Subjekte auszuhandeln. Konstruktivistische Modelle schließlich machen auf den Konstruktionscharakter sowohl des Öffentlichen als auch des Politischen aufmerksam (vgl. Benhabib 1992, Young 1995). In diesem Zusammenhang w erden ebenso d ie Bedeutungen von privat und öffentlich reflektiert und auf den Zusammenhang zwischen Diskurs und Macht hingewiesen. Konstruktivistische Modelle hinterfragen dementsprechend die Zugangsbedingungen zu Öffentlichkeit sowie die Entstehungsbedingungen eines diskursiven Konsenses. So werden auch konfliktorientierte Formen der Kommunikation in der Öffentlichkeit in den Fokus gerückt. Medien werden dabei als Teil der Konstruktionsweisen von Wirklichkeit angesehen, die hinsichtlich ihrer Entstehung und damit verbundenen Wirksamkeit sowie der Deutung der Wirklichkeit kritisch reflektiert werden können. Konstruktivistische Ansätze ergründen so die Konstruktionsweisen massenmedialer Kommunikation und stellen die Dichotomisierung von öffentlich-politisch und privat in Frage. Darüber hinaus wird nicht allein die massenmediale Öffentlichkeit als relevante Öffentlichkeit angesehen . Im Gegensatz zu einer konsensorientieren Kommunikation soll die Öffentlichkeit durch neue Gruppen und Themen erweitert werden, w as weitere Öffentlichkeilen einschließt - ein Prozess der nicht immer konsensual, sondern durchaus konflikthaftsein kann. Deutlich wird, dass je nach zugrunde gelegtem Demokratieverständnis eine andere gesellschaftliche Reich weite von Öffentlichkeit angenommen wird. Wie auch immer Öffentlichkeit genau konzipiert wird; aufgrund der Zentralität von Kommunikation, die vorrangig über Medien stattfindet, kommt diesen eine zentrale Stellung innerhalb des jeweiligen Öffentlichkeitsmodells zu. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass von den vorgestellten demokratietheoretischen Richtungen die repräsentativen
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Modelle die Herstellung von Öffentlichkeit Repräsentantinnen überlassen. Bei den übrigen Modellen steht ein allgemeiner und freier Zugang zu Öffentlichkeit aller Bürgerinnen im Mittelpunkt. Hierbei wird vor allem zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Bürgerinnenbewegungen eine größere Bedeutung innerhalb des demokratischen Prozesses eingeräumt, im Zentrum insbesondere der partizipatorischen Modelle steht ein Empowerment vielfältiger Gruppen und Bürgerlnnen. Deliberative Modelle sehen anders als partizipatorische Modelle in der öffentlichen Kommunikation und Deliberation über Themen die Grundlage einer funktionierenden Demokratie. Zwischen den verschiedenen Demokratiemodellen und den Vorstellungen von Öffentlichkeit besteht dementsprechend ein normativer und struktureller Bedeutungszusammenhang. Die folgende Darstellung von Öffentlichkeitstheorien findet vor allem im Kontext deliberativer, partizipatorischer und konstruktivistischer Demokratiemodelle statt.
4.3 Öffentlichkeitstheorien Im Folgenden werden einzelne Öffentlichkeitstheorien expliziert, die sich in ihrer jeweiligen Ausrichtung auf die vorgestellten Demokratiemodelle beziehen. Die Zentralität von Öffentlichkeit für eine funktionierende Demokratie wurde eingangs betont. Je nach Demokratietheorie kann diese Funktion jedoch unterschiedlich ausgestaltet sein, da ihnen jew eils unterscheidbare Vorstellungen über Repräsentation, Partizipation und Deliberation sowie Annahmen über den Konstruktionscharakter von Öffentlichkeit zugrunde liegen. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt aber auf normativen Ansätzen, unter denen deliberative, partizipatorische und feministische Öffentlichkeitstheorien gefasst werden. Diese Öffentlichkeitstheorien haben grundsätzlich gemeinsam, dass sie Öffentlichkeit nicht als Herrschaftssphäre begreifen, d .h. politische Öffentlichkeit nicht vollständig der Exekutive oder einer gesellschaftlichen Elite übertragen, sondern den partizipatorischen Offenheits- und Bewegungscharakter des Politischen betonen. Damit ist Öffentlichkeit einer permanenten Transformation unterworfen ist, z.B. ausgelöst durch politische, soziale, kulturelle oder ökonomische Veränderungen. Die heuristische Trennung in verschiedene Ansätze dient damit vor allem der Herausarbeitung der jeweiligen Kennzeichen, um in der abschließenden Zusammenfassung die zentralen Aspekte die Bedeutung für eine Betrachtung von Öffentlichkeit im Internet herauszustellen.
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4.3.1 Systemtheoretischer Ansatz: Niklas Luhmann
Systemtheoretische Ansätze kennzeichnen sich durch die Annahmen, dass Öffentlichkeit als ein Medium der Selbstbeobachtung von Gesellschaften dient und sich Gesellschaften durch eine funktionale Differenzierung auszeichnen (vgl. Imhof 2003: 201-205). Nach Niklas Luhmann (1996) besteht eine Gesellschaft aus Teilsystemen, die relativ autonom sind. Handlungen im System orientieren sich hauptsächlich an systemeigenen Kriterien und weniger an der Rationalität anderer Systeme (vgl. Gerhards 1994: 82 f.). Massenmedien stellen in systemtheoretischer Perspektive ein Teilsystem der Gesellschaft dar. Die strukturellen Grundlagen bilden die Ausdifferenzierung und Professionalisierung von Medienberufen; gleichzeitig entstehen spezifische Publikumsrollen (vgl. Stichweh 1988, Gerhards 1994). Das Verständnis von Massenmedien als System ist innerhalb der Kommunikationswissenschaft auf weitreichende Resonanz gestoßen (vgl. Weisehenberg 2000) und wird zumeist auf Teilbereiche medial vermittelter Kommunikation wie den Journalismus oder die PublicRelations angewendet (vgl. ausführlich dazu Görke 2008). Die gesellschaftliche Primärfunktion der Massenmedien sieht Luhmann (1991: 320) " in der Beteiligung aller an einer gemeinsamen Realität". Öffentlichkeit gewinnt so mit der Bildung von Massenmedien den Charakter eines " ausdifferenzierten Teilsystems der Gesellschaft" (Gerhards 1994: 84). Öffentlichkeit als Selbstbeobachtungsmedium der Gesellschaft ist eingebunden in das System der Massenmedien, andere Teilsysteme der Gesellschaft können dann über Massenmedien beobachtet werden. Nach innen sind solche Teilsysteme durch einen spezifischen Sinnzusammenhang gekennzeichnet, der sich in Codes ausdrückt. So ist Nachrichtenwertorientierung eine zentrale Sinnorientierung des Öffentlichkeitssystem (vgl. Gerhards 1994: 91). Darüber hinaus gibt es innerhalb der Massenmedien unterscheidbare Programmbereiche, die Teil der Selbstbeobachtung der Gesellschaft sind und sich vorwiegend mit Hilfe der Codes "Information" und "Nicht-Information" bestimmen lassen. Solche Programmbereiche können nach Luhmann (1996) Nachrichten, PublicRelations und Werbung sowie Unterhaltung sein. Eine systemtheoretische Sichtweise auf Massenmedien bzw. medial vermittelte Kommunikation räumt Öffentlichkeit eine vergleichsweise geringe eigenständige Position ein, da Öffentlichkeit als Funktionssystem beschrieben wird, in dem sich "unterschiedliche Leistungssysteme ausdifferenziert haben bzw. prozesshaft noch weiter ausdifferenzieren" (Görke 2008: 174). Jedes einzelne System erfüllt eine bestimmte Funktion für die Gesellschaft. Systemtheoretische Öffentlichkeitsmodelle beschreiben dabei häufig öffentliche Kommunikation, in dem sie einzelne Berei-
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ehe wie Journalismus, Werbung, PublicRelations und Unterhaltung voneinander abgrenzen. Görke (2008) unterscheidet zwischen einer Einheitsperspektive einerseits, unter der die Beobachtung medienvermittelter Kommunikation als Einheit der Differenz von Journalismus, Public Relations und Unterhaltung verstanden wird und einer Differenzperspektive andererseits, die Journalismus, PublicRelations und Werbung als je eigene Funktionssysteme mit einem je eigenem Code beinhaltet. Beiden Perspektiven ist gemeinsam, dass sie in Systemeigenes und Umwelt trennen. Die Bedingungen der Möglichkeit öffentlicher Kommunikation werden in systemtheoretischen Ansätzen folgendermaßen beschrieben: Öffentlichkeit ist durch die Strukturen der modernen funktional differenzierten Gesellschaft geprägt und entsteht als "Reaktion auf den durch funktionale Differenzierung aufgeworfenen Synchronisationsbedarf' (Görke 2008: 180). Innerhalb dieses Funktionssystems "Öffentlichkeit" gibt es dann weitere Differenzierungen bzw. Strukturierungen. Das Teilsystem ,,Journalismus", von Luhmann (1996) als Programmbereich beschrieben, wird beispielsweise noch weiter strukturiert in "Organisationen" und "Personen". Weitere Teilsysteme sind Public Relation und Werbung, die Luhmann (1996) zusammenfasst, neuere systemtheoretische Ansätze plädieren dafür, diese zu trennen (vgl. Görke 2008). Anwendung hat die Systemtheorie vor allem in der Journalismusforschung gefunden (vgl. insbesondere die frühen Arbeiten von Rühl 1979 und 1980). Die Rolle des Publikums wird in den meisten systemtheoretischen Ansätzen nicht weiter thematisiert, da das Publikum an sich nicht Teil des konzeptionellen Modells ist. Eine partielle Weiterentwicklung dieser systemtheoretischen Ansätze bietet das Öffentlichkeitsmodell von Gerhards und Neidhardt (1990). Es enthält sowohl systemtheoretische als auch akteurstheoretische Aspekte. Gerhards und Neidhardt (1990: 11) beschreiben Öffentlichkeit historisch als ein System, in dem die Agenda des politischen Systems mitdefiniert wird; als "Arena mit grenzenlosem Publikum diversen Meinungen und Interessen die Chance der Selbstdarstellung und Begründung bieten und gleichzeitig als Prüfstand für die Verallgemeinerbarkeit dieser Meinungen und Interessen dienen" (ebd. 1990: 41). Eine wichtige Rolle von Öffentlichkeit besteht demnach in der Ermöglichung von Wahlen und in Artikulationen von Interessensgruppen. Öffentlichkeit ist daher ein zwischen Gesellschaft und Politik vermittelndes Medium, das die jeweiligen Bereiche auch kontrollieren kann. Des Weiteren ist Öffentlichkeit ein unabgeschlossenes System, das Kommunikation mit Anwesenden einschließt, aber ebenso massenmedial vermittelte Kommunikation (ebd.: 16 f.). Dadurch stellt Öffentlichkeit besondere
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Ansprüche an die Informationsverarbeitung innerhalb des Systems und die darüber hinaus gehende Informationsverwendung. Durch eine unterschiedliche Zahl an Kommunikationsteilnehmerinnen und unterschiedliche Strukturen gibt es verschiedene Ebenen von Öffentlichkeit (vgl. Gerhards/Neidhardt 1990: 19 ff.). Diese Ebenen repräsentieren verschiedene Schritte der Ausdifferenzierung des Systems Öffentlichkeit und unterscheiden sich in ihrer spezifischen Art der lnformationssammlung, -verarbeitung und -verwendung. Drei Öffentlichkeitsebenen lassen sich dabei unterscheiden: eine "Encounter"-Öffentlichkeit, eine Versammlungsöffentlichkeit und die Öffentlichkeit der Massenmedienkommunikation. Die "Encounter"-Öffentlichkeiten sind einfache Interaktionssysteme, die sich durch zufällige Kommunikation, wie auf einem Marktplatz, in Kneipen und Salons, auszeichnen. Sie sind gekennzeichnet durch relative Strukturlosigkeit, einen Wechsel der Teilnehmerlnnen, große Offenheit, Voraussetzungslosigkeit, Umweltsensibilität, keine Grenzen der Informationssammlung, keine Synthetisierungen oder Akkumulationseffekte sowie einem episodenhaften Charakter. Darüber hinaus sind sie der Startpunkt für Autonomisierungsprozesse von Öffentlichkeit und damit auch eine Probebühne - hier klingen Parallelen zu Frasers' Konzept von Gegenöffentlichkeiten an (vgl. Fraser 1996, auch Abschnitt 4.3.3). Die zweite Ebene bilden öffentliche Veranstaltungen, also die Versammlungsöffentlichkeiten. Sie sind gekennzeichnet durch thematisch zentrierte Interaktionssysteme, in denen Leitungsrollen das Öffentlichkeitssystem ausdifferenzieren. Massenmedienkommunikation bildet die dritte Ebene von Öffentlichkeit. Auf dieser Ebene zeigt sich eine entwickelte technische Infrastruktur, die Ausdifferenzierung und Professionalisierung von Leitungsrollen, wie beispielsweise von Joumalistlnnen, sowie eine Veränderung der Publikumsrolle. Das Publikum bekommt auf dieser Ebene eine passive Rolle zugewiesen. Diese drei Ebenen spiegeln den Ausdifferenzierungsprozess eines autonomen Öffentlichkeitssystems wider (vgl. Gerhards/Neidhardt 1990: 25). Im Hinblick auf die intermediäre Funktion gibt es eine prinzipielle Gleichrangigkeil aller Öffentlichkeitsebenen. Diskurse können sich zu bestimmten Themen ebenenübergreifend bilden. Öffentlichkeit ist jedoch immer umkämpft und sozusagen "im Vorhof der Macht platziert", da die jeweiligen Akteurinnen versuchen, ihre Themen durchzusetzen (Gerhards/Neidhardt 1990: 15). Aus dieser Au seinandersetzung entsteht ein vielfältiges Feld an Themen und Meinungen. Jedoch werden manche Themen, insbesondere solche, die nicht " gesellschaftlich erw ünscht" sind, entweder ganz ausgeschlossen oder nur auf der mittleren und einfachen Öffentlichkeitsebene verhandelt. Daraus resultiert eine Hierarchisierung
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der Öffentlichkeitsebenen; einfache und mittlere Öffentlichkeiten erscheinen demnach weniger gesellschaftlich relevant. Die systemtheoretischen Öffentlichkeitsmodelle und das Arenenmodell von Öffentlichkeit nehmen also die Gesellschaft, bzw. die gesellschaftlichen Systeme, als zentralen Ausgangspunkt und konzipieren Öffentlichkeit als eigenes System, das zwischen anderen gesellschaftlichen Systemen liegt. Damit unterscheiden sich diese Ansätze grundlegend von deliberativen und partizipatorischen Ansätzen, die in den folgenden Abschnitten behandelt werden. Zunächst werden die zentralen Aussagen von Habermas skizziert, um anschließend die Weiterentwicklung der konzeptionellen Grundlagen durch subalterne Gegenöffentlichkeiten deutlich zu machen (vgl. Fraser 1994). Darauf aufbauend wird Chantal Mouffes Sicht auf agonistische Öffentlichkeiten dargestellt. Im Abschnitt "Öffentlichkeit und öffentliche Diskurse in feministischer Perspektive" werden zentrale Aspekte feministischer Theoriebildung herausgearbeitet.
4.3.2 Jürgen Habermas und die bürgerliche Öffentlichkeit Öffentlichkeit lässt sich nicht nur als System oder als physischer Raum betrachten, wie dies in systemtheoretischen Ansätzen zentral ist, sondern auch als ein Ort der politischen Auseinandersetzung, in dem das Handeln der Bürgerinnen - die Deliberation -eine zentrale Rolle spielt. Öffentlichkeit wird in deliberativen und partizipativen Ansätzen nicht lediglich ein bestimmter Platz zwischen Gesellschaft, Publikum und Medien eingeräumt, sondern als konstituierend für Öffentlichkeit wird kommunikatives Handeln angesehen und so die Rolle von Akteurinnen in der Gesellschaft betont. Deliberative -im Sinne des Verhandeins von Themen - und diskurstheoretische Formen sind dabei das zentrale Mittel zur Schaffung von Öffentlichkeit. Als Basis deliberativer Ansätze gilt die Monographie "Strukturwandel der Öffentlichkeit" von Jürgen Habermas (1995). Ausgehend von den Erkenntnissen der Kritischen Theorie entwickelt Habermas zentrale Thesen von Max Horkheimer und Theodor Adomo weiter, die durch die Kulturindustrieanalysen den "historischen Materialismus durch die Demokratietheorie ersetzt" haben (Müller-Doohm 2008: 50). Habermas setzt mit einer Unterscheidung in System und Lebenswelt auf Kommunikation als theoretischen Grundbegriff; die " Theorie des kommunikativen Handelns" soll damit eine der Modeme adäquate soziologische Theorie sein (vgl. Bonacker 2002). Ähnlich wie auch Luhmann hat Habermas die Komplexität heutiger Gesellschaften ins Zentrum der
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Theoriebildung gerückt: Ausgehend von einer Vielfalt nicht aufeinander reduzierbarer Erlebens- und Handlungsbereiche einer Gesellschaft fragt er nach einer Umgangsweise mit der Herausforderung, die diese Komplexität für eine demokratische Selbstbestimmung der Gesellschaft darstellt. Hier sieht Habermas in der Logik der Systemrationalität, die Luhmann entwirft, keine Lösung, sondern ersetzt diese durch die Rationalität des Subjekts (vgl. Demirovic 2003). Öffentlichkeit bildet sich im Idealfall durch einen "herrschaftsfreien Diskurs", damit ist " kommunikatives Handeln" zentral für Öffentlichkeit (vgl. Habermas 1981: 164). Öffentlichkeit bildet so den gesellschaftlichen Ort, an dem alle relevanten Positionen und Interessen artikuliert werden können (vgl. Burkart/Lang 1992). Auch Hannah Arendt sieht die Entstehung von Öffentlichkeit dann, wenn Menschen im Einvernehmen miteinander handeln (vgl. Arendt 2005). Der Bereich des Politischen, der bei Platon auf die polis beschränkt ist, wird so ausgedehnt auf einen gesellschaftlichen Raum. Dieser ist zum einen an physische Gegebenheiten gebunden, besteht aber weiter aus einem sozialen Raum, den Arendt als die Welt zwischen den Menschen beschreibt. Konstituierende Merkmale des Politischen sind Arendt zufolge Pluralität und Freiheit (vgl. Arendt 2005). Ähnliche Begriffe benutzt Habermas (1981) in seiner "Theorie des kommunikativen Handelns", auch ihm geht es um eine Deliberation freier Bürgerlnnen. Dabei geht er davon aus, dass in diesem "herrschaftsfreien Diskurs" freie und gleiche Bürgerinnen über gesellschaftlich relevante Themen verhandeln und in deliberativen Prozessen ein gesellschaftlicher Konsens angestrebt wird (vgl. ebd.). Arendt und Habermas sehen demnach das Handeln der Menschen als entscheidend für das Funktionieren einer Demokratie; der freie Austausch über Themen wird dann zur Voraussetzung. Durch Formen der Deliberation, die in liberal-repräsentativen Demokratien nicht vorgesehen sind, sollen Bürgerinnen ein Zugehörigkeitsgefühl zum Staat entwickeln. Ideengeschichtlich, so Mouffe (2007a: 87 f.), ist die deliberative Demokratie damit in einem um eine moralische Dimension erweiterten Liberalismus verankert. Den freien Austausch über Themen begründet Habermas (1995) insbesondere im "Strukturwandel der Öffentlichkeit". Es ist zum Schlüsselwerk im Zusammenhang mit diskurstheoretischen Betrachtungen von Öffentlichkeit geworden. Öffentlichkeit ist bei Habermas keine systemisch verfestigte Institution, sondern ein lebensweltlicher Kommunikationszusammenhang (vgl. Reese-Schäfer 2001: 112). Für die Kommunikationswissenschaft ist der von Habermas konzipierte Öffentlichkeitsbegriff angesichts der Verwobenheil von Medien und Öffentlichkeit von zentraler Bedeutung. Im Mittelpunkt dieser Konzeption steht das Bemühen,
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den demokratischen Verständigungsprozess nach seinen Grundprinzipien zu durchleuchten. Habermas' zentrales Analyseinstrument ist dabei die zum Zweck der Kommunikation verwendete Sprache, die er als "Sprechakte" benennt (vgl. Burkart/Lang 1992). In der "Theorie des kommunikativen Handelns" entwickelte Habermas eine theoretische Fundierung des menschlichen Sprechverhaltens. Jeder Sprecher/jede Sprecherin, der/die demnach in einen Verständigungsprozess eintreten möchte, muss universale Ansprüche erfüllen. Dieses Verständigungsprinzip ist ein zentraler Bestandteil der Habermasschen Gesellschaftstheorie. Gesellschaftstheoretisch trennt Habermas zwischen Lebenswelt und Umwelt. Die Lebenswelt ist der "transzendentale Ort, an dem sich Sprecher und Hörer begegnen[ ... ], ihren Dissens austragen und Einverständnis erzielen können" (Habermas 1995: 192). Die zwei institutionellen Komponenten der Lebenswelt sind Öffentlichkeit und Privatsphäre. Habermas unterscheidet im Weiteren zwischen politischer und kultureller Lebenswelt (vgl. Habermas 1995, auch Burkart/Lang 1992: 59). In der politischen Komponente der Lebenswelt besteht ein Zusammenhang zwischen Verständigungsprozess, politischer Öffentlichkeit, Massenmedien und Demokratie. Öffentlichkeit ist demnach keine Herrschaftssphäre und damit ist die politische Öffentlichkeit nicht vollständig an die Exekutive oder einer gesellschaftlichen Elite übertragbar, da sich Öffentlichkeit durch diskursive Prozesse bildet. Auf Basis einer Analyse der Transformation der bürgerlichen Gesellschaft entwickelt Habermas einen Begriff von Öffentlichkeit, der neben den staatlichen Institutionen auch die Schauplätze bürgerlicher Diskurse in den Blick nimmt. Demnach ist das bürgerliche Publikum Teil der Konstituierung von Öffentlichkeit und diese erfüllt nicht nur allein repräsentative Funktionen wie in der liberalrepräsentativen Demokratietheorie. Damit wird das klassische Öffentlichkeitsverständnis unter Einbezug der Kulturindustrieanalysen im Sinne von Adomo tmd Horkheimer erweitert und die Bedingungen und Formen öffentlicher Kommunikation beschrieben (vgl. Imhof 2003: 199). Die analytische und normative Ausgangsbasis, um Veränderungen der Bedingungen der öffentlichen Kommunikation zu beschreiben, ist damit der Idealtypus der bürgerlichen Öffentlichkeit. Eine Theorie von Öffentlichkeit wird so eingebunden in den sozialen Strukturwandel und politischen Funktionswandel m oderner Gesellschaften (vgl. Habermas 1995: 225 ff.). In Diskursen, die in der Öffentlichkeit stattfinden, wird politische Mitbestimmung durch das Medium des Gesprächs verhandelt und somit eine Arena geschaffen, die sich vom Staat unterscheidet. Öffentlichkeit ist damit ein "im kommunikativen Handeln erzeugter sozialer Raum", in
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dem Bürgerinnen über gemeinsame Angelegenheiten beraten (Habermas 1995: 136). Aus der ungehinderten, vernünftigen Diskussion öffentlicher Angelegenheiten resultiert dann die "öffentliche Meinung". Der Argumentation von Habermas folgend ist dann die institutionelle Beschränkung des öffentlichen Lebens auf eine einzige alles umspannende Öffentlichkeit positiv und wünschenswert- eine Vielzahl von Öffentlichkeiten würde hingegen eine Abkehr von der Demokratie bedeuten, da sie das öffentliche Gespräch fragmentiert. Die Konzeption einer idealen Öffentlichkeit blieb nicht ohne Kritik. Kritikpunkt ist vor allem die Konzeption einer bürgerlichen Öffentlichkeit als ein homogenes Gebilde, die jedoch an sich viel heterogener ist. Darüber hinaus wird konstatiert, dass zivilgesellschaftliche Bewegungen und Gegenöffentlichkeiten ungeachtet ihrer Teilhabe an diskursiven Prozessen in diesem Modell nicht inkludiert sind (vgl. ausführlich dazu Abschnitt 4.3.3). Die Kognitivierung und Informalisierung politischer Repräsentation wie sie das Demokratiemodell von Habermas vorsieht, lässt eher eine geringere als eine verbesserte Inklusion schwacher Interessen erwarten (vgl. Thaa 2007, für weitere Kritik auch Imhof 1996, 2003). Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Habermas die unterschiedlichen Partizipationsbedingungen v on Frauen und Männern in der bürgerlichen Öffentlichkeit nicht reflektiert. Unterschiedliche Interessen und Lebenslagen werden dann nicht berücksichtigt. Einen Teil dieser Kritik hat Habermas aufgegriffen und daraufhin sein Modell von Öffentlichkeit in manchen Punkten revidiert. Vor allem im Vorwort der zweiten Auflage des "Strukturwandel der Öffentlichkeit" geht Habermas auf die feministische Kritik ein: "die Exklusion von Frauen [ist] für die politische Öffentlichkeit auch in dem Sinne konstitutiv gewesen, daß diese nicht nur kontigenterweise von Männern beherrscht wurde, sondern in ihrer Struktur und in ihrem Verhältnis zur Privatsphäre geschlechtsspezifisch bestimmt gewesen ist" (Habermas 1995: 19). Weitere Überlegungen zu Öffentlichkeit stellt Habermas in einer 2008 veröffentlichten Aufsatzsammlung an. So beschreibt er die "neuen" Informations- und Kommunikationstechnologien, die zum Zeitpunkt der Entstehung des "Strukturwandels der Öffentlichkeit" noch keine Rolle gespielt haben. Unter dem Titel "Ach, Europa" diskutiert Habermas (2008) seine Konzeption von Öffentlichkeit und fragt angesichts gesellschaftlicher Veränderungen, ob es in der Mediengesellschaft einen " erneuten Strukturwandel der Öffentlichkeit" gibt, der mit dem Internet und anderen Medien eingetreten ist (ebd.: 81). Des Weiteren fasst Habermas darin die Rolle der politischen Öffentlichkeit breiter, da er nun auch Alltagsgespräche als konstituierend dafür benennt. Politische Öffentlichkeit
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stellt demnach ein Verbindungsglied dar: "sie vermittelt zwischen den institutionalisierten Diskursen und den Verhandlungen in staatlichen Arenen auf der einen, den episodischen und informellen Alltagsgesprächen potentieller Wählerinnen auf der anderen Seite" (ebd.: 136). Politische Öffentlichkeit lässt sich so als ein intermediäres Kommunikationssystem beschreiben- Habermas (2008: 164 ff.) macht allerdings weiterhin einen Gegensatz zwischen den "formal organisierten Beratungen und Verhandlungen im Zentrum einerseits" und "den Veranstaltungen und informellen Gesprächen an den zivilgesellschaftlichen Rändern des politischen Systems andererseits" fest. Die Sicht auf politische Öffentlichkeit als eine verbindende Sphäre zwischen Staat und Zivilgesellschaft ist auch schon in den früheren Werken von Habermas erkennbar. Die politische Öffentlichkeit leistet demnach zur demokratischen Legitimation ihren Beitrag, in dem sie die "politisch entscheidungsrelevanten Gegenstände" auswählt, zu "Problemlagen verarbeitet" und zusammen mit mehr oder weniger "informierten und begründeten Stellungnahmen zu konkurrierenden öffentlichen Meinungen" bündelt (vgl. ebd.). Unklar bleibt dabei jedoch, was unter "entscheidungsrelevant" zu verstehen ist, bzw. wer darüber entscheidet. Skeptisch äußert sich Habermas zum Internet, er sieht die politischen Öffentlichkeiten durch "mediengestützte Kommunikation überflutet", die sich "keinesw egs durch deliberative Züge" auszeichne (Habermas 2008: 155f.). Durch die Entstehung einer Informationsökonomie und aufgrund einer Revolution der Kommunikationstechnologien lässt sich eine "kommunikative Verflüssigung der Politik" (ebd.: 156) beobachten. Internetgestützte Massenkommunikation führt so zu einer Zersplitterung und Zerstreuung in Spezialinteressen und unterminiere die Diskursqualität, da sie keinerlei Anforderungen an Repräsentativität mehr genügen müsse (vgl. Habermas 2008: 158 u. 162). Insbesondere bemängelt er die fehlenden Interaktionen zwischen Anwesenden und damit einhergehend das Fehlen wechselseitiger Sprecherlnnen- und Adressatlnnenrollen. Öffentlichkeit besteht so aus zahlreichen themenspezifischen Stellungnahmen eines diffusen Massenpublikums zu mehr oder weniger gut definierten öffentlichen Problemen und Beiträgen. Die politischen Öffentlichkeiten zerstreuen sich jedoch nicht nur, sie kommen auch immer w ieder in der Mitte aufeinander zu, Habermas spricht von der "zentripetalen Kraft" politischer Öffentlichkeiten (Habermas 2008: 159). Eine der prominenten Kritikerinnen an Habermas' Entwurf einer Öffentlichkeitstheorie ist Nancy Fraser. Im Folgenden wird genauer auf ihr Konzept der subalternen Öffentlichkeiten eingegangen, das der idealen bürgerlichen Öffentlichkeit weitere Öffentlichkeiten, insbesondere Ge-
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genöffentlichkeiten, entgegensetzt (zu weiteren Positionen feministischer Kritik vgl. Abschnitt 4.3.5).
4.3.3 Gegenöffentlichkeiten: Nancy Fraser
Der Begriff der "subalternen Gegenöffentlichkeit" wurde von Nancy Fraser geprägt. Sie geht - anders als Habermas - davon aus, dass es nicht nur eine hegemoniale Öffentlichkeit gibt, sondern auch zahlreiche Gegenöffentlichkeiten oder subalterne Öffentlichkeiten die öffentliche Sphäre prägen. Damit lassen sich, so Fraser (2001: 136), analytisch trennbare Bereiche wie "der Staat, die offizielle Wirtschaft, die entlohnte Beschäftigung und die Arenen des öffentlichen Diskurses" verbinden. Öffentlichkeit wird begrifflich vom Staat unterschieden, als ein Ort, an dem Diskurse hervorgebracht und verbreitet werden. Fraser knüpft damit an die Tradition jener feministischer Theoretikerinnen an, die argumentieren, dass lediglich eine Betrachtung der staatlichen Öffentlichkeit eine Dichotomie von institutionellen Vertretungsansprüchen und den Interessen politisch marginalisierter Bevölkerungsgruppen hervorruft, da deren Interessen nur schwer verbandsförmig zu organisieren und zu institutionalisieren sind (vgl. z.B. Lang 1994). Bei Kommunikationsprozessen, die funktionierende Öffentlichkeiten hervorbringen sollen, ist es wichtig, dass Prozesse des Verhandelns, Verstehens und Missverstehens ebenso wie der Interpretation und Umdeutung vorhanden sind (vgl. Benhabib 1997), dies ist nur möglich, wenn schon konzeptionell nicht nur von einer Öffentlichkeit ausgegangen wird. Öffentlichkeit kann dann eine "Bühne der politischen Partizipation" sein (Fraser 2001: 140). Frasers Öffentlichkeitsmodell erweitert die Konzeption von Habermas, da sie explizit auch nicht-bürgerlicher und konkurrierende Öffentlichkeiten vor dem Hintergrund ungleicher Zugangsbedingungen wie Status oder Geschlecht analysiert. In einer einzigen Öffentlichkeit, wie von Habermas vorgesehen, haben Mitglieder marginalisierter sozialer Gruppen häufig keine Öffentlichkeit, wo sie sich untereinander über ihre Bedürfnisse, Ziele und Strategien austauschen können, desw egen haben es diese Gruppen immer wieder für notwendig befunden, eigene alternative Öffentlichkeiten herzustellen. Fraser schlägt dafür den Begriff der "subalternen Gegenöffentlichkeiten" vor. Darunter versteht sie: "parallele diskursive Räume [... ), in denen Angehörige untergeordneter sozialer Gruppen Gegendiskurse erfinden und in Umlauf setzen, die ihnen wiederum erlauben, oppositionelle Interpretationen ihrer Identitäten, Interessen und Bedürfnisse zu formulieren" (1996: 163).
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Durch diskursive Räume für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen wird deren Benachteiligung in der hegemonialen öffentlichen Sphäre verringert. Themen und Normen, die zuvor von einer Auseinandersetzung ausgenommen waren, da sie keinen Platz in der hegemonialen politischen Öffentlichkeit gefunden haben, können nun grundsätzlich öffentlich debattiert werden. Fraser unterscheidet Öffentlichkeiten dabei nach deren jeweiliger Macht in einer Gesellschaft. Die hegemoniale Öffentlichkeit ist einflussreich und fähig, die Bedingungen der Debatte für viele andere festzulegen; diese Öffentlichkeit definiert, was im diskurstheoretischen Sinne als politisch gilt. Hegemoniale Öffentlichkeit wird demnach von dominanten gesellschaftlichen Gruppen gebildet. Subalterne Öffentlichkeiten haben es zwar gegenüber der hegemonialen Öffentlichkeit schwerer, ihre Themen in den politischen Diskurs einzubringen, aber ihr emanzipatorisches Potenzial ist nicht zu unterschätzen, denn: "Entscheidend ist der Doppelcharakter subalterner Gegenöffentlichkeiten [... ]: Einerseits ermöglichen sie das Zurückziehen und die Neugruppierung, andererseits sind sie Übungsfeld einer Umgestaltung, die auf breitere Öffentlichkeiten zielt. [...] Diese Dialektik ermöglicht es den subalternen Gegenöffentlichkeiten, die ungerechten Privilegien in der Mitbestimmung, die Mitglieder der dominanten sozialen Gruppen in hierarchischen Gesellschaften haben, teilweise auszugleichen" (1996: 164 f.). Frasers Konzept der subalternen Gegenöffentlichkeiten hebt die strikte Trennung in private und politische Belange auf und erweitert so ebenfalls den Begriff des Politischen. In ihrer Konzeption sind Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Öffentlichkeiten über die angemessenen Grenzen der öffentlichen Sphäre ein zentraler Gegenstand. Denn es gibt keine natürlichen Grenzen: "was als Angelegenheit des gemeinsamen Belangs gilt, wird gerade durch die diskursive Auseinandersetzung entschieden" (Fraser 2001: 138). Der Ausschluss von "Privatinteressen" aus der Öffentlichkeit bei Habermas und die bisherige Definition von Privatheit, im Sinne von "das intime und häusliche Leben betreffend" und "dem Privateigentum in einer Marktwirtschaft zugehörig", benachteiligen die untergeordneten sozialen Gruppen so Fraser (2001: 140). Die Trennung bedeutet, dass Themen von breit angelegten Auseinandersetzungen abgeschirmt werden, beispielsweise wird "häusliche Gewalt" personalisiert und/oder familialisiert sowie "Demokratie am Arbeitsplatz" als ökonomisches Problem betrachtet (Fraser 2001: 142 f.). Das Konzept der subalternen Gegenöffentlichkeiten wird vor allem hinsichtlich der Sichtbarkeit marginalisierter gesellschaftlicher Gruppen und sozialer Bewegungen thematisiert. Meist geht es dabei darum, eine alternative Öffentlichkeit für diejenigen zu schaffen, die in der hegemonialen
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Öffentlichkeit nicht inkludiert sind. Gerade wenn - wie in normativen Demokratietheorien - Öffentlichkeit als Raum für kommunikative Erzeugung öffentlicher Meinung begriffen wird, darauf weist Fraser (2001) hin, muss gefragt werden, wer partizipiert und zu welchen Bedingungen dies der Fall ist. Öffentlichkeit soll, so Fraser (ebd.), ermächtigen können, denn nur so hat das Konzept die angestrebte kritische Kraft und einen politischen Bezugspunkt. Im Gegensatz zu einer strikten Trennung zwischen Privatem und Öffentlichen fördern vielfältige öffentliche Sphären die partizipatorische Gleichstellung gesellschaftlicher Gruppen und erweitern die diskursiv-politischen Themen. Sie verschaffen so beispielsweise "Frauenöffentlichkeiten" aber auch weiteren sozialen Bewegungen einen neuen Stellenwert. Wenn nicht mehr nur die politisch-institutionalisierte oder -je nach Begrifflichkeit die hegemoniale - Öffentlichkeit im Mittelpunkt steht, werden weitere Öffentlichkeiten wahrnehmbar. Negt und Kluge (1972) haben in die Konzeption von Öffentlichkeit die Dimension der Erfahrung einbezogen. Ihr Untersuchungsfeld ist zunächst die proletarische Öffentlichkeit, die eine gesellschaftlich unterdrückte und marginalisierte Gruppe umfasst. Deren lebensgeschichtliche Erfahrungen, die als Unrechtserfahrungen artikuliert werden, werden in dieser Konzeption als öffentlich betrachtet und damit politisch verallgemeinerbar. Im Öffentlichkeitsmodell von Gerhards und Neidhardt (1990), das systemtheoretische Anleihen hat (vgl. Abschnitt 4.3.1.), werden ebenfalls soziale Bew egungen mitgedacht. Soziale Bewegungen bilden sich, so führen Gerhards und Neidhardt (1990: 8) aus, wenn zwischen der durch die Öffentlichkeitsakteurinnen veröffentlichten Meinung und der Publikumsmeinung zu große Differenzen bestehen. In diesem Fall mobilisieren sich Publikumsgruppen, um selbst Zugriff auf die Öffentlichkeitsarenen zu erhalten und damit nicht nur entscheidend auf die öffentliche Meinung sowie die Publikumsmeinung einzuwirken, sondern auch politische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen. Ein signifikanter Unterschied zum Modell der Gegenöffentlichkeiten von Fraser wird allerdings deutlich: wichtig ist hier vor allem die Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der politischen Entscheidungsprozesse und weniger die Bildung von alternativen Öffentlichkeiten an sich. Mittlerweile verweist der Begriff der Gegenöffentlichkeit auf recht unterschiedliche Phänomene öffentlicher Kommunikation sowie auf zivilgesellschaftliche Netzwerke (vgl. Wimmer 2008: 210). Michael Warner (2002: 86) sieht als Kennzeichen von Gegenöffentlichkeiten, dass sie sich an "potenziell Fremde" richten, sie haben damit eine andere Bedeutung als nur die Ausdruckform einer bestimmten Gemeinschaft zu sein. Insbe-
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sondere sind es kulturelle Gegenöffentlichkeiten, die sich gegen hegemoniale Bedeutungen richten und die Möglichkeiten des Sprechensund die Modi der Adressierung in der Öffentlichkeit in Frage stellen. Krotz (1998: 653) definiert Gegenöffentlichkeit als "gegen eine hegemoniale Öffentlichkeit gerichtete Teilöffentlichkeit". Engesser und Wimmer (2009: 46) verstehen weitergefasst darunter auch jene Teilöffentlichkeiten, die ihre eigenen Interessen nicht stark genug in der hegemonialen Öffentlichkeit vertreten und diskutiert sehen, und so versuchen sich mit Hilfe von aufmerksamkeitserregenden Aktionen, alternativen Medien und teilweise den bestehenden Massenmedien Gehör zu verschaffen. Unter Gegenöffentlichkeiten werden also neue soziale Bewegungen, alternative Medien und zivilgesellschaftliche Öffentlichkeiten verstanden, die zunehmend auch das Internet zur Partizipation und Mobilisierung nutzen. Der Begriff der Gegenöffentlichkeit hat trotz dieser verschiedenen Bedeutungszuweisungen und Unklarheiten in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren. Im aktuellen politikökonomischen Wandel, der mit einem gesellschaftlichen Wandel und vor allem aber einem medientechnischen Wandel einhergeht, sieht Wimmer (2008: 211) den Grund für eine stärkere Wahrnehmung von Gegenöffentlichkeiten. Gerade das Internet kann dabei eine Plattform für alternative Öffentlichkeilen bzw. Gegenöffentlichkeiten eröffnen. In Anlehnung an Fraser unterscheidet Wimmer (2007) drei Dimensionen bzw. Formen von Gegenöffentlichkeiten. Die erste Dimension bilden alternative Öffentlichkeiten, die sich aus alternativen Medien und Aktionen bilden. Die zweite stellen neue soziale Bewegungen und nicht-staatliche Organisationen her. Diese verfügen häufig über kollektive Erfahrungsprozesse innerhalb alternativer Organisationszusammenhänge. Im Bereich der Neuen Medien lässt sich eine dritte Dimension erkennen, die des individuellen Medienaktivismus. Diese drei Formen von Gegenöffentlichkeilen sind jedoch nicht trennscharf. Dass die Bildung von Öffentlichkeiten und Gegenöffentlichkeilen sowie Kommunikation nicht immer konfliktfrei verläuft, darauf hat schon Nancy Fraser hingewiesen. Die in einer Öffentlichkeit, insbesondere der hegemonialen Öffentlichkeit, vorherrschenden Themen können umkämpft sein. Fraser hat in ihrem Aufsatz "Sex, Lügen und Öffentlichkeit" (1994) anhand des Prozesses von Clarence Thomas gegen Anita Hill dargelegt, wie in der Öffentlichkeit Machtstrukturen offensichtlich sind und zur Ausgrenzung marginalisierter Positionen führen können. Der Prozess gegen Thomas wegen sexueller Belästigung von Hill zeigte deutlich wie für statusbenachteiligte Gruppen - in diesem Fall schwarze Frauen - die politischen Möglichkeiten von Öffentlichkeit einen Verlust der Privatsphäre bedeuten können. Denn Thomas gelang es, die Anschuldigun-
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gen von Hill wegen sexueller Belästigung umzudeuten, in dem er die Macht über die Formen und Foren des Sprechens in der Öffentlichkeit nutzte (vgl. Holland-Cunz 2006: 27). Dass die Bildung von Öffentlichkeit auch Konflikte integrieren kann, darauf zielt das Konzept einer "agonistischen Öffentlichkeit" von Chantal Mouffe ab, das ebenfalls als gedankliche Basis eine Auseinandersetzung mit dem Habermasschen Ideal von Öffentlichkeit beinhaltet.
4.3.4 Agonistische Öffentlichkeit: Chantal Mouffe
Chantal Mouffe hat den Begriff der "agonistischen Öffentlichkeit" geprägt, der einen "Konsens durch Dialog" als nicht erstrebenswert und ausführbar ansieht (Mouffe 2007a: 157). Sie weist damit auf einen weiteren zentralen Diskussionspunkt zeitgenössischer Öffentlichkeitstheorien hin. Mouffe ist von der Idee einer einzigen bürgerlichen Öffentlichkeit, die einen gesellschaftlichen Konsens über politische Themen anstrebt, nicht überzeugt. Im Zentrum ihres Konzepts steht ein Aspekt, der in bisherigen Öffentlichkeitskonzepten vernachlässigt wurde; nämlich der des Konflikts. Die "Bedeutung des Dissenses für die demokratische Gesellschaft'' wird im Glauben an eine "gute Gesellschaft" übersehen, so Mouffe (2007b: 42). Eine Demokratie, die einen gesellschaftlichen Konsens anstrebt, kann keine funktionierende Öffentlichkeit hervorbringen (Mouffe 2007a: 8). Eine solche "Konsenspolitik" führt nicht nur zu einer "Dedemokratisierung", sondern bildet den Ursprung vieler gegenwärtiger Probleme demokratischer Institutionen. Die "agonistische Dimension" des Politischen fehlt demnach in den Konzepten der Deliberation (vgl. Mouffe 2007b: 42). Zentral, so argumentiert Mouffe, sind die Dimensionen der Macht und des Antagonismus. Diese gilt es anzuerkennen, um eine Gesellschaft angemessen zu beschreiben. Gemeinsam mit Laclau entwickelt sie einen Hegemoniebegriff, in dem durch soziales Handeln erzeugte Ausschlüsse ebenso in den Blick genommen werden wie soziales Handeln als durch und durch politisch betrachtet wird (vgl. Laclau/Mouffe 2006). Als Hegemonie wird "genau jener Punkt [bezeichnet], an dem Objektivität und Macht zusammenfließen" (Mouffe 2007b: 43). Macht ist gesellschaftlichem Handeln immanent; erst aus der politischen Praxis und damit im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Macht konstituieren sich Identitäten. Interessensdurchsetzung und Festschreibung von Identitäten stehen folglich in Zusammenhang mit Hegemonien, die allerdings nicht statisch sind, sondern sich fortentwickeln. Nonhoff (2007: 7) sieht in Mouffe und Laclau dementsprechend Theoretikerinnen einer Hegemonietheorie.
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Das "agonistische Modell der Demokratie", das Mouffe (2007b: 44) entwirft, rückt Fragen nach und Annahmen über Macht in das Zentrum der Betrachtung. Mouffe unterscheidet zunächst zwischen " Politik" und dem "Politischen". Das Politische zeigt sich durch die "Dimension des Antagonismus" (ebd.). Die Grundannahme ist, dass das Politische heutzutage mehr moralische Aspekte umfasst, z.B. durch ein gemeinsames "Wir" gegen das die "Anderen" abgegrenzt werden. Diese Unterscheidung wird jedoch nicht mehr nur in politischen sondern vor allem in moralischen Kategorien definiert. Das "Andere" oder das "Außen", wie es Laclau (2005: 69 ff.) formuliert, ist notwendig, da eine Gesellschaft sich qua Abgrenzung von dem Ausgeschlossenen konstituiert. Dem Antagonismus kommt damit selbst eine gesellschaftskonstituierende Funktion zu. In diesen Brüchen und Verschiebungen, so Mouffe (2007a), entwickelt sich das Politische. Politik hingegen dient der Errichtung einer gesellschaftlichen Ordnung und Struktur, es ist damit das "Ensemble aus Praktiken, Diskursen und Institutionen, die das menschliche Zusammenleben in einem Umfeld zu organisieren suchen" (Mouffe 2007b: 44). Marchart (2007) sieht in der sich daraus entwickelten Prägung der radikalen Demokratie die einzige Form, die diesen Antagonismus vollständig ins Konzept integriert hat. Als zentrale demokratietheoretische Frage benennt Mouffe den Umgang mit dem Anderen in einer demokratischen Gesellschaft. Sie betont die Wichtigkeit, dieses Andere nicht als "Feind", sondern als "Gegner" zu betrachten. Diese Unterscheidung führt dazu, dass die Auseinandersetzungen mit dem Anderen in die gesellschaftlichen und politischen Prozesse integriert werden kann, da es sich um eine Auseinandersetzung um Ideen handelt, die aber nicht "auszulöschen" sind, sondern denen argumentativ begegnet werden kann (vgl. Mouffe 2007b: 45). Dies setzt voraus, dass ein Recht auf Verteidigung dieser Ideen anerkannt w ird. Aus diesem Grund spricht Mouffe von einem " agonistischen Pluralismus" (ebd.) -die Idealisierung eines Konsenses würde damit dem Politischen entgegenstehen. In einer demokratischen Konfrontation lässt sich demnach aus verschiedenen Identitäten eine Dynamik herstellen und diese muss nicht durch einen Konsens überwunden werden. Dies ähnelt Anne Philipps (1995) Vorstellungen einer Gruppendemokratie. Nach Mouffe (2007a: 158) benötigt Demokratie einen "konfliktualen Konsens", d .h . einen Konsens über ethisch-politische Werte der Freiheit und Gleichheit aller, einen Dissens aber über die Interpretation dieser Werte. Eine Trennlinie wird dann zwischen denjenigen gezogen, die diese Werte offen ablehnen und
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denjenigen, die sie akzeptieren. Die Akzeptanz dieser Werte schließt einen Konflikt über widersprüchliche Interpretationen ein. Für eine Erweiterung gängiger Öffentlichkeitstheorien unter der Berücksichtigung gesellschaftlicher Machtverhältnisse plädieren ebenfalls feministische Forscherinnen. Sie wiesen auf den historischen Ausschluss von Frauen aus der allgemeinen Öffentlichkeit hin - und zeigten damit auf, dass der Bereich des Öffentlichen umkämpft ist. Im folgenden Kapitel werden Vorstellungen über Öffentlichkeit, Partizipation und Formen der Teilhabe aus feministischer Perspektive dargestellt.
4.3.5 Öffentlichkeitstheorien und öffentliche Diskurse in feministischer Perspektive
Ein zentraler Ausgangspunkt feministischer Theoretikerinnen ist die Kritik an Dichotomien (vgl. Wischermann 2003a). Dazu gehört eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen öffentlich und privat, das zu den bereits genannten Ausschlüssen an Partizipationsmöglichkeiten führen kann. Diskutiert werden in diesem Abschnitt dementsprechend das Konzept von Privatheit im Zusammenhang zu Öffentlichkeit, die Erweiterung des Politischen sowie die gesellschaftliche Praxis feministischer Öffentlichkeit und konzeptionelle Grundlage feministischer Öffentlichkeitstheorie. Dazu gehört eine Auseinandersetzung mit der Historie und gesellschaftlichen Relevanz von Frauenöffentlichkeiten. Damit sind weitere Aspekte verbunden; so sind feministische Öffentlichkeitstheorien zugleich macht- und herrschaftskritisch und nehmen damit gesellschaftliche Ungleichheiten sowie die sie bedingenden Inklusions- und Exklusionsprozesse in den Blick. Im Folgenden werden zunächst Frauenöffentlichkeiten thematisiert und die feministische Debatte um die Ausgestaltung des Privaten vorgestellt, um anschließend die weitergehenden theoretischen Implikationen hinsichtlich des Politikbegriffs und der Konzeption von Öffentlichkeit zu explizieren. Zentrales Forschungsfeld feministischer Theorien sind Frauenöffentlichkeiten aus historischer und aktueller Perspektive. Wischermann (2003b) nimmt in ihrer Untersuchung zu Frauenbewegungen und Öffentlichkeiten um 1900 eine Typologie zu Kommunikations- und Interaktionsformen vor. Sie unterscheidet zwischen Bewegungskultur, Bewegungsöffentlichkeit und Öffentlichkeit bzw. öffentliche Meinung, die verschiedene Funktionen haben und auf unterschiedlichen Ebenen agieren (dsb.: 269). Sie bilden damit eine Synthese von privat konnotierten und öffentlichen Ausdrucksformen. Der Kampf um Bedeutungen findet in Bezug auf
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Frauenöffentlichkeiten auf verschiedenen Öffentlichkeitsebenen statt, dies führt zu einem "Dreiklang von Erfahrung, Emotion und Kognition" (dsb.: 270). Gesellschaftlich wirksam werden sie, so Wischermann (2003b), durch eine Verknüpfung persönlicher Beziehungen und organisatorischer Vernetzung. Frauenöffentlichkeiten und feministische Öffentlichkeiten haben sich zunächst als Gegenöffentlichkeiten verstanden. Geiger (2002: 83) beschreibt kritische feministische Öffentlichkeiten als insbesondere beeinflusst durch die " Critical Whiteness Studies". Dadurch werden antirassistische Perspektiven und interkultureller Praxen in unterschiedliche feministische Kontexte integriert. Allerdings findet gleichzeitig in weiten Teilen klassischer Frauenöffentlichkeiten eine Professionalisierung und Etablierung statt und damit einhergehend eine Anpassung an herrschende Verhältnisse, was zu einer Entpolitisierung führt. In diesen wird nicht eine strukturelle Gesellschaftsveränderung gefordert, sondern Veränderungen innerhalb von Institutionen und Organisationen, z.B. durch Frauenabteilungen, karrierebezogene Frauennetzwerke und durch eine institutionalisierte Frauenpolitik "Gender Mainstreaming" und "Diversity Management" sind Gleichstellungstrategien und damit weniger politisches Projekte, die eine Gesellschaftsveränderung zum Ziel haben. Dennoch ist durch die Entwicklung von Frauenprojekten und -einrichtungen, das Vorhandensein feministischer Veranstaltungen und Medien als öffentliche Bezugspunkte ein breites Netz an Teilöffentlichkeiten entstanden. Feministische Medien können dabei "Kristallisationspunkte" bilden (Geiger 2002: 85). Jede Theorie der Öffentlichkeit, des öffentlichen Raumes und des öffentlichen Dialoges setzt notwendigerweise irgendeine Art der Grenzziehung zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen voraus (vgl. Benhabib 1998: 121 ff.). Dabei ist die Trennung in eine private und eine öffentliche Sphäre zumeist historisch, politisch und kulturell spezifisch und die Grenzen dieser Bereiche zentraler Diskussionspunkt Für Öffentlichkeitstheorien ist so die Thematisierung des Privaten konstituierend und damit auch eine Reflexion der Konzepte von Privatheit Voraussetzung. Beate Rössler (2001) betont den "Wert des Privaten" - allerdings nicht von einer explizit feministischen Perspektive ausgehend- und entwirft eine Theorie des Privaten, um so auf die Notwendigkeit aufmerksam zu machen, dass das Private als eigenständiges Konzept in vielen Öffentlichkeitstheorien vernachlässigt wird und lediglich das Gegenüber von Öffentlichkeit darstellt. Feministische Theoretikerinnen kritisieren vor allem an der Grenzziehung zwischen einer privaten und einer öffentlichen Sphäre, dass damit eine Zuordnung bestimmter Bereiche zu der jeweiligen Sphä-
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re verbunden ist, die auch immer Machtverhältnisse und Differenzsetzungen einhergeht. Die tradierte gesellschaftliche Zuordnung von Frauen zu einem privaten (häuslichen) Bereich und von Männem zu einem öffentlichen (politischen) Bereich schafft und reproduziert Ungleichheiten. Damit geht die Zuweisung bestimmter Geschlechterrollen einher, so werden weiblich konnotierte Handlungsbereiche wie Hausarbeit, reproduktive Tätigkeiten, Pflege und Sorgearbeit auf die "private" Domäne beschränkt und damit Frauen zugeordnet. Die Basis feministische Öffentlichkeitstheorien ist dementsprechend eine Neukonzeption tradierter Vorstellungen von Privatheit. Privatheit wird nicht als "natürliche" Sphäre angesehen, sondern als Ort der Bewahrung "privater Räume und privater Lebensdimensionen, um den Sinn individueller Freiheit zu gewährleisten" (Rössler 2001: 54). Innerhalb der Debatten um Privatheit sind dabei drei verschiedene Bereiche und Diskussionsstränge erkenn- und unterscheidbar (vgl. Rössler 2001): (1) Zum einen wurde lange Zeit durch die Trennung von Kirche und Staat ,,Privatheit" als Sphäre des moralischen und religiösen Gewissens verstanden. (2) Zweitens werden Persönlichkeitsrechte als "private" Rechte eingestuft, und zwar insbesondere in der Ökonomie, der "freien Marktwirtschaft", durch die Unterscheidung in Markt und Familie. Dies äußert sich auch durch eine Trennung in produktive und reproduktive Tätigkeiten (vgl. Harders 2005: 219). Die Familie und reproduktive Tätigkeiten werden so vor einer Einmischung des Staates geschützt. (3) Der dritte Diskussionsstrang bezieht sich auf die Intimsphäre. Dies betrifft vor allem den Bereich der Familie, des Haushaltes, der Sorge und der Sexualität. Damit kann die Unterscheidung in einen privaten und einen öffentlichen Bereich Teil eines Herrschaftsdiskurses sein, der die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen im privaten Bereich ebenso legitimiert wie er normierte sexuelle Identitäten hervorbringt. Durch die Heteronormativität als Norm in der Öffentlichkeit werden bei gleichzeitiger Betrachtung von Sexualität als Privatsache heterosexuelle Praktiken bevorzugt - die Privatsphäre wirkt damit nur scheinbar unreguliert (vgl. Harders 2005: 219). Die Dichotomie zwischen öffentlich und privat ist also vor allem geschlechterspezifisch aufgeladen (vgl. Lang 2004: 72). Insbesondere der feministischen Forschung ist es zu verdanken, dass Öffentlichkeit und vor allem ihre Abgrenzung zur privaten Sphäre kritisch beleuchtet und das implizit asymmetrische Machtverhältnis, das eine solche Trennung hervorruft, in den Blick genommen wurde. Dackweiler und Holland-
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Cunz (1990) haben schon früh beschrieben, dass Öffentlichkeit kein geschlechtsloser Ort demokratischer Willensbildung ist. Selbstverständigung findet demnach sowohl in Kommunikationsformen im Privatraum, als auch in alternativen öffentlich-politischen Diskursen statt. Zwar werden manche Marginalisierungen "privat" erlebt, sie haben aber zugleich eine gesellschaftlich normierte Dimension. Kritisiert wird darüber hinaus, dass in demokratietheoretischen Ansätzen zumeist die Kategorie Geschlecht vernachlässigt wird. Insbesondere in liberalen Demokratietheorien wird so die Position des historisch dominanten Geschlechts weiter gestärkt. Mittels politischer Gleichheit werden die Freiheitsrechte der einzelnen Bürgerinnen betont und sie so gleichzeitig vor Eingriffen des Staates geschützt. Möglich erscheint dies durch den Schutz des Privaten, das aber gleichzeitig weite Teile des Politischen einem demokratischen Kontrollverfahren entzieht. Dies verstärkt die ungleiche Verteilung von Machtverhältnissen, denn Ungleichheit in Ehe und Haushalt führen die Deklaration gleicher politischer Rechte ad absurdum (vgl. Firestone 1976; Gilligan 1984; Pateman 1988). Das Öffentliche wird so eine durch männliche Erfahrung geprägte Sphäre und privat konnotierte Lebensräume sowie alternative bzw. informelle Politikformen liegen außerhalb des Begriffs des Öffentlich-Politischen (vgl. Sauer 2001). Eng verknüpft mit feministischen Diskursen zu Privatheit ist ein in Frage stellen des vorherrschenden Begriff des Politischen. Die Diskussionen drehen sich um eine Differenzierung zwischen einem engen und einem weiten Politikverständnis. Beim engen Politikbegriff liegt die Ebene der institutionellen und staatlichen Politiken im Zentrum der Betrachtung. Er nimmt affirmativ Bezug auf herrschende Verhältnisse und definiert sich im Gegensatz zum Privaten, somit wird Politik gleichgesetzt mit einer männlich geprägten öffentlichen Sphäre (vgl. Kapitel 2). Feministische Kritik daran ist, dass die Relevanz der Kategorie "Geschlecht" nicht bedacht wird, was zu einer Stärkung der Position des historisch dominierenden Geschlechtes geführt hat. Weite Teile des Politischen werden so einem demokratischen Kontrollverfahren entzogen und damit wird die ungleiche Verteilung der Macht aufrechterhalten (vgl. Rosenherger 1996, Sauer 2001). Favorisiert wird von feministischen Theoretikerinnen ein weiter Politikbegriff, der die institutionelle und damit staatliche Einfassung des Politischen überwindet. Eine Ausweitung des Politikbegriffs zielt darauf ab, dass eine Anwendung auf "staatsferne" soziale Bewegungen, privat konstruierte Lebenssphären und alternative bzw. informelle Politikformen stattfindet (Sauer 2001: 34). Politik soll dabei nicht nur "Interessenspolitik" sein, d.h. Formulierung, Aggregierung und
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Durchsetzung bzw. Realisierung von "gleichsam voraussetzungslos im Jenseits des Politischen entstandenen Interessen" (Sauer 2001: 39); Politik umfasst vielmehr die Herstellung, Konstruktion und Repräsentation von politischen Identitäten bzw. von sozialer und kultureller Differenz, in einem konflikthaften Prozess. Die Ausgestaltung der Kritik am engen Politikbegriff und Ansätze einer Neugestaltung sind unterschiedlich. Die institutionell erfolgreichste Variante ist die Aufnahme frauenrelevanter Themen- und Problemfelder des Privaten in die Agenda des Öffentlich-Politischen, gerade auch im typischen Sinne der Etablierung eines Politikfeldes Frauenpolitik, was aber lediglich einer Modernisierung der politischen Tagesordnung entspricht. Andere Theoretikerinnen wiederum entwickeln aus der Kritik androzentrischer politischer Rituale die Forderung nach einer sozialweiblichen, nicht-neutralen, nicht-gleichheitsorientierten Politik der Differenz durch die Politisierung weiblicher Lebenszusammenhänge (vgl. Firestone 1976, Gilligan 1984). Gleichheitstheoretisch argumentierende Feministinnen entwerfen ein Konzept von Menschlichkeit mit der Ablehnung einer besonderen Frauenrolle. Feministische Vorstellungen und Visionen beinhalten eine nicht-patriarchale demokratische geschlechtergerechte politische Ordnung. Holland-Cunz (1998: 81) spricht von einer auf Bindung, Gebundenheit und Sozialität und auf Imagination, Sinnkonstruktion und Narrnativität basierenden Demokratietheorie. Sie führt den Begriff der "gebundenen Freiheit" (1998: 85) ein, bei der persönliche Autonomie und individuelle Emanzipation mit gemeinschaftsbezogener Bindung und Verantwortlichkeit zusammen gedacht werden. Der Ort des Politischen soll neu formuliert werden als Ort gleichzeitig sozial männlicher und sozial weiblicher Theorie, Praxis und Erfahrung. Eine feministische Perspektive erweitert also die hegemoniale bzw. tradierte Sichtweise auf Öffentlichkeit durch Hinzunahme weiterer Foren, Räume, Institutionen und Medien, die als öffentlich gelten können (vgl. Geiger 2002: 81). Ähnlich wie Arendt (2005), die den öffentlichen Raum als "Assoziationsöffentlichkeit" ansieht, der immer dann entsteht, wenn Menschen gemeinsam handeln, ist Öffentlichkeit als komplexer und dynamischer Prozess nicht an bestimmte Räume oder Foren gebunden und kann damit auch so genannte private Alltagspraxen umfassen (vgl. Geiger 2002: 81). Mit der perspektivischen Erweiterung der Räume, die als öffentlich gelten können, werden auch demokratietheoretische Annahmen reformuliert. Insbesondere stehen so die bisherigen Konzeptionen der politischen Öffentlichkeit und die der staatlichen Öffentlichkeit, die von Familie und Familienarbeit getrennt konzipiert wurde, in der Kritik. Zwar hat Jürgen Habermas als Alternative die Konzeption einer bürgerli-
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chen Öffentlichkeit entwickelt, aber das Politische behält - so wurde in der feministischen Auseinandersetzung deutlich - auch in diesem Gegenentwurf seinen universellen und monolithischen Charakter. Zudem beruht die bürgerliche Öffentlichkeit auf Differenzsetzungen, da das Ideal des Diskurses zwischen freien Bürgern und Bürgerinnen vor allem auf Erfahrungen und Lebenswelten "männlicher" Subjekte beruht (vgl. Fraser 1996). Frauen bleiben auf diese Weise aus dem öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess ausgeschlossen (vgl. Lang 1994, Kulke 1994). Lang (2003) weist darauf hin, dass die Stilisierung der bürgerlichen Öffentlichkeit den Blick darauf verstellt hat, dass dem Wesen der bürgerlichen Öffentlichkeit schon im 18. Jahrhundert Exklusionsprozesse inhärent waren und existierende alternative Ausdrucksformen, wie Flugschriftenpublizistik und das Verfassen von Protestbriefen, nicht berücksichtigt wurden, obwohl Frauen darin in weitaus stärkerem Maße involviert waren. Trotz aller Kritik bietet jedoch für die feministische Theoriebildung Habermas' Konzeption - so eine vielfache Einschätzung von feministischen Theoretikerinnen (vgl. dazu u.a. Lang 2003: 103) mehr Ansatzpunkte als systemtheoretische Entwürfe. Denn Habermas definiert Politik und Öffentlichkeit nicht in einem institutionellstaatlichen Rahmen, sondern als diskursiven Prozess und eröffnet damit durchaus Veränderungsmöglichkeiten von hegemonialen Vorgaben und Normen. Für die Entwicklung eines feministischen Öffentlichkeitsverständnisses war dementsprechend in großen Teilen eine Auseinandersetzung mit Habermas wichtig. Die Kritik an der gesellschaftliche Trennung in einen öffentlichen und einen privaten Bereich sowie der analytischen Vernachlässigung der Kategorie Geschlecht führte zu verschiedenen Positionen, die das Öffentliche erweitern. Von einer vollständigen Aufhebung der Trennungslinie versprach man sich die Verwirklichung allgemeiner politischer Ideale auch im privaten Bereich (vgl. Eisthain 1981, Pateman 1988). Die feministische Kritik der 1980er Jahre an den klassischen Konzeptionen von Öffentlichkeit rückte so das Moment der faktischen Exklusion von Frauen stark in den Vordergrund. Darüber hinaus werden die tradierten Modelle von Öffentlichkeit erweitert. Aus den Anfängen feministischer Theoriebildung stammt die - im vorangegangenen Kapitel bereits diskutierte - Konzeption einer "Gegenöffentlichkeit", die sich bewusst in Abgrenzung zur herrschenden männlich geprägten Öffentlichkeit versteht (vgl. Gruppe feministische Öffentlichkeit 1992: 16 f.). Der Begriff der Gegenöffentlichkeit wird hierbei allerdings mit einer anderen Bedeutung verwendet, als die in dem von Nancy Frasergeprägten Konzept der subalternen Gegenöffentlichkeiten (vgl. Abschnitt 4.3.3). In dieser Gegenöffentlichkeit wer-
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den - in Anlehnung an die Differenztheorie - eigene Strukturen von Öffentlichkeit für "Frauen-Anliegen" hergestellt. Diese werden als weibliche Gegenkultur zur Sphäre des Politischen entworfen, die als homogen definierter, gleichsam unkontrovers frauenfeindlicher Ort betrachtet wird (vgl. Dackweiler/Holland-Cunz 1992). In gleichheitstheoretisch orientierten Konzeptionen wird vorgeschlagen, das herkömmliche Verständnis von Öffentlichkeit zu erweitern. Durch das Einbringen "sozial-weiblicher Personalität" (Gilligan 1984) oder "mütterlicher Prinzipien der Gewaltlosigkeit" (Ruddick 1993) soll der Bereich des Öffentlichen ausgedehnt und mit spezifisch "weiblichen" Eigenschaften angereichert werden. Ebenfalls eine Veränderung der herrschenden Öffentlichkeit wird in Konzepten von gruppenspezifischer Repräsentation aufgezeigt. Darüber wird die gleiche Teilhabe am politischen System durch die Vertretung aller gesellschaftlichen Gruppen, die z.B. durch Ethnie oder Geschlecht gebildet werden, in repräsentativ-demokratischen Organen angestrebt (vgl. Philipps 1995, Young 1995). Im Mittelpunkt vielfältiger Konzeptionen (z.B. Benhabib 1997; Fraser 1996, 2001, Klaus 2005) steht eine Abgrenzung von der Idee einer einzigen Öffentlichkeit und die Zugrundelegung eines breiten Öffentlichkeitsverständnisses. Zahlreiche und unterschiedlich gestaltete Öffentlichkeiten werden nicht der "einzigen" politischen Öffentlichkeit entgegenlaufend angesehen, sondern stellen eine Möglichkeit dar, gerade auch über elektronische Medien verbesserte Formen für die kulturellen und politischen Kämpfe benachteiligter Minderheiten bereitzustellen (Benhabib 1997: 39). So definiert Birgit Sauer (2001: 200) Öffentlichkeit als "einen Raum, in dem Macht und Herrschaft thematisiert und kritisiert werden" können. Eine gesellschaftliche Neuordnung der Geschlechterverhältnisse wird dementsprechend nur möglich wenn gesellschaftliche Strukturen an sich thematisiert und deren Ungleichheit auslösenden Mechanismen hinterfragt werden. So entstanden in der feministischen Forschung vielfältige Konzeptionen, die von einer vollständigen Aufhebung der Trennungslinie zwischen öffentlich und privat über eine modifizierte Aufrechterhaltung beider Sphären bis hin zu einer vollständig neuen Konzeption reichen, um die Benachteiligungen von Frauen aufgrund der Dichotomisierung dieser beiden Sphären abzubauen. Allen gemeinsam ist eine Politisierung weiblich konnotierter Lebenszusammenhänge, geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung und privater Gewaltverhältnisse sowie das Hinterfragen der bisherigen gesellschaftlichen Konstruktionsweisen des "Weiblichen" und des Privaten und damit eine Erweiterung des Politischen und Politikfähigen.
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In einer gesellschafts- und machtkritischen Tradition steht das Öffentlichkeitsmodell von Elisabeth Klaus (2005), das ein zentrales kommunikationswissenschaftliches Öffentlichkeitsmodell aus feministischer Perspektive darstellt. Grundsätzlich begreift Klaus Öffentlichkeit als einen gesellschaftlichen Selbstverständigungsprozess, konzeptuell entwickelt sie dabei ein Mehr-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit. Ähnlich hat auch Habermas (2008) zwischen drei Ebenen der Massenkommunikation unterschieden (vgl. auch Abschnitt 4.3.2). Als Ebenen macht Habermas institutionalisierte Diskursen, mediengestützte Massenkommunikation sowie die Ebene der unter Anwesenden (auch virtuell) stattfindenden zivilgesellschaftlichen Alltagskommunikation in "veranstalteten" oder informellen Öffentlichkeiten fest. Das Öffentlichkeitsmodell von Klaus, das im Folgenden genauer dargestellt wird, unterscheidet sich von diesen Annahmen insofern, als es drei gesellschaftliche Öffentlichkeitsebenen charakterisiert. In Öffentlichkeilen verschiedener Zusammensetzungen findet demzufolge eine Mitwirkung am Prozess Öffentlichkeit statt. Wenn Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Selbstverständigungsprozess verstanden wird, dann rückt die Frage nach der Durchsetzungsfähigkeit bestimmter Themen, also wer auf "dem Marktplatz der Öffentlichkeiten" die Macht besitzt, die jeweiligen Gesellschaftsvorstellungen als verbindlich durchzusetzen, ebenso ins Zentrum wie die Frage danach, ob es eine Hierarchisierung im Verhältnis der verschiedenen Öffentlichkeitsebenen gibt (vgl. Klaus 2005: 22 ff.). Da für die weiteren konzeptionellen Ausarbeitungen dieser Arbeit das 3-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit zentral ist, werden im Folgenden die einzelnen Ebenen expliziert. Sie unterscheiden sich hinsichtlich Kommunikatorlnnenrolle, Beziehung zwischen Kommunikatorinnen und Publikum sowie Funktion. Je nach Beziehungsgeflecht und Komplexitätsgrad bezeichnet Klaus diese als "einfache", "mittlere" und "komplexe" Öffentlichkeitsebene (für die Auflistung vgl. Klaus 2001 und Klaus 2006): (1) Einfache Öffentlichkeiten haben zumeist keinen gleich bleibenden Treffpunkt für ihre Konstituierung. Die Orte und Räume, an denen sie sich konstituieren sind nicht eingrenzbar, da sich für Kommunikation alle möglichen Räume eignen. Ob es sich um Öffentlichkeit handelt, häng davon ab, ob den Gesprächsinhalten eine normgebende, moralsetzende oder kulturbeeinflussende Wirkung zukommt. Es h andelt sich um Öffentlichkeiten, in denen sich Privates und Politisches vermischt. Häufig werden sie durch spontan entwickelte Kommunikation im Alltag gebildet. Ihre Funktion ist die Bestimmung über die jeweilige alltagsweltliche
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Relevanz. Spezifische Inhalte und Formen von einfachen Öffentlichkeiten festzumachen, ist dabei fast nicht möglich. (2) Mittlere Öffentlichkeifen werden häufig durch soziale Bewegungen gebildet. Sie haben Funktionen einer Gegenöffentlichkeit und können eine Brücke zur Medien- und politischen Öffentlichkeit sein. Im Unterschied zu den einfachen Öffentlichkeiten verfügen sie über eine Organisationsstruktur und mehr oder weniger fixierte Regeln - diese Öffentlichkeiten stehen häufig in Verbindung zu einfachen Öffentlichkeiten. Darüber hinaus nehmen sie eine Vermittlerrolle zwischen verschiedenen Öffentlichkeitsebenen ein. (3) In komplexen Öffentlichkeifen erhalten kommunikative Foren eine hochkomplexe und stabile Funktion, z.B. Massenmedien, Regierung, Parteien, Unternehmen. Durch die technische Vermittlung können Entscheidungen, Debatten und Meinungen schnell und großflächig verbreitet werden. Ein Wechsel zwischen Kommunikatorinnen und Publikum ist durch die Ausdifferenzierung und Professionalisierung weitgehend ausgeschlossen. Komplexe Öffentlichkeiten haben einen größeren Einfluss auf die Konstruktion neuer Deutungsmuster. Ihre Funktion besteht aus Themenselektion und -Verarbeitung, häufig geben komplexe Öffentlichkeit damit vor, was in einfachen und mittleren Öffentlichkeiten als relevantes Thema wahrgenommen und einer gesellschaftlichen Thematisierung und Verhandlung unterzogen wird. In diesem Verständnis ist Öffentlichkeit ein Prozess, in dem gesellschaftliche Übereinkünfte erzielt werden, auf jeder dieser drei Ebenen findet eine Mitwirkung am Prozess der Öffentlichkeit statt. Insbesondere der konzeptuelle Einbezug von einfachen und mittleren Öffentlichkeiten und der Abkehr von einer Fokussierung auf die komplexe, und damit zumeist auch hegemoniale Öffentlichkeit, richtet den Blick auch auf alltägliche und informelle Gesprächsformen und -foren. In diesen findet eine Verständigung über akzeptierte und akzeptable Verhaltensmuster statt, traditionelle Haltungen werden gefestigt oder gelockert und Handlungsweisen bestärkt oder verworfen. Auch wenn die Reichweite der Öffentlichkeiten je nach Komplexitätsgrad zunimmt, haben auch einfache und mittlere Öffentlichkeiten eine gesellschaftliche und politische Relevanz. Diesem Modell ist somit ein weiter Politikbegriff inhärent, der auch Alltagspraxen miteinschließt, demzufolge wird der Bereich des ÖffentlichPolitischen ausgedehnt. Die emanzipatorische Kraft dieses Modells liegt darin, dass auch einfachen Öffentlichkeiten eine Mitwirkung am Prozess Öffentlichkeit eingeräumt wird. Ähnlich hat auch Fraser (1996) argumentiert, die zwischen Gegenöffentlichkeit und Öffentlichkeit eine starke Beziehung annimmt, gleichsam eine "Brückenfunktion".
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Die verschiedenen Öffentlichkeitsebenen lassen sich weitergehend mit Räumen, Personen und Medien verknüpfen, dabei kommen unterschiedliche Strategien zur Durchsetzung von Themen zum Tragen. Erfahrung, wie auch schon von Scott (2001) als analytische Kategorie in die feministische Forschung eingebracht, wird in dieser Konzeption nochmalig verstärkt. Eine Politisierung des Privaten kann durch die Verbindung von Erfahrung mit Lebenswirklichkeiten und mit der Benennung spezifischer Unrechtserfahrungen, durch die Ungleichheiten deutlich werden, erreicht werden (vgl. Wischermann 2003a). Frauen haben sich, so Klaus (2001: 19f.), zu allen Zeiten im gesellschaftlichen Diskurs artikuliert. Unsichtbar bleiben sie, wenn nur bestimmte Öffentlichkeiten in den Blick geraten. Das angeführte Öffentlichkeitsmodell nimmt jedoch auch die im Alltag bedeutenden Öffentlichkeiten in den Blick. Diese Öffentlichkeiten des Alltagshandeins sind ebenso wichtig für die Konstituierung einer Gesellschaft, da auch das Handeln im Alltag eine Bedeutung hat. Alltägliche Praxen dienen der Verhandlung gesellschaftlicher Normen und Werte und ermöglichen so subkultureHe Identitätsbildung (vgl. ebd.). Die einzelnen hier vorgestellten Öffentlichkeitskonzeptionen haben unterschiedliche Schlüsselbegriffe und Perspektiven. Auch unterscheiden sich die Theorien nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung, ihrem Anlass und Anliegen. Sie entwickeln unterschiedliche Einsichten in Struktur und Funktionsweisen von Öffentlichkeit. Angesichts der in Kapitel 2 vorgenommenen Positionsbestimmungen durch einen weiten Politikbegriff erscheinen partizipatorische und feministische Öffentlichkeitskonzepte als tragfähig, um aktuelle Entwicklungen und Veränderungen zu fassen. In den folgenden Abschnitten werden aktuelle Phänomene und Entwicklungen anhand dieser Öffentlichkeitsmodelle reflektiert und die Perspektiven demokratischer Öffentlichkeit diskutiert.
4.4 Perspektiven demokratischer Öffentlichkeit Die Berücksichtigung sozialer Bewegungen, zivilgesellschaftlicher Akteurinnen und individueller Alltagspraxen sowie feministischer Perspektiven bedeutet eine strukturelle Veränderung von Öffentlichkeitstheorien, wie die Ausführungen zu den verschiedenen Öffentlichkeitstheorien gezeigt haben. Ausgehend von einer Kritik an der Hierarchie der Geschlechter hat insbesondere die feministische Theorie nach den Zusammenhängen von Differenz und Ungleichheit sowie Exklusion gefragt. Diese Fragen stellen sich angesichts aktueller gesellschaftlicher Wandlungsprozesse erneut. Öffentlichkeitstheorien stehen konzeptionell vor
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der Herausforderung, veränderte Fragestellungen nach Identität und Zugehörigkeit, von Inklusion und Exklusion sowie von Teilhabe und Partizipation einzubeziehen. Gesellschaftliche und mediale Wandlungsprozesse können die konzeptionellen Grundlagen verändern bzw. sich in Auseinandersetzung mit diesen bilden. Im Folgenden werden konzeptionelle Erweiterungen wie der Einbezug der Intersektionalitätsforschung und der Wandel des Konzeptes von Privatheit durch eine zunehmende Medialisierung diskutiert. Phänomene wie eine Transnationalisierung von Öffentlichkeit und der Verlagerung von Teilhabemöglichkeiten durch das Internet werden reflektiert, da sie zentrale demokratietheoretische Elemente von Öffentlichkeit berühren. Am Schluss des Kapitels wird ein Zwischenfazit gezogen, das sich auf die diskutierten feministischen und partizipatorischen Öffentlichkeitstheorien bezieht, jedoch gleichwohl eine Perspektive zu Grunde legt, die aktuelle Veränderungen und Transformationen mit einbezieht.
4.4.1 Öffentlichkeit, Ungleichheit und lntersektionalität Akteurinnen agieren in öffentlichen Diskursen und gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen mit vielfältigen Interessen aus verschiedenen Positionen heraus. Die Verhandlungen von Themen und insbesondere ihre Durchsetzung in der Öffentlichkeit sind nie voraussetzungslos und Teil gesellschaftlicher Machtverhältnisse.1 Gesellschaftliche Machtverhältnisse äußern sich dabei in Hierarchisierungen und Differenzierungen, die zu Ungleichheiten führen können. Solche sozialen und gesellschaftlichen Ungleichheiten sind durch Entwicklungen wie der Globalisierung zunehmend komplexer, differenzierter und flexibler geworden (vgl. Lenz 2009: 53). Innerhalb der feministischen Theorie bzw. der Frauen- und Geschlechterforschung hat Ungleichheitsforschung eine lange Tradition: ausgehend von einer Analyse der Entstehung der Geschlechterdifferenz werden vielfältige Herrschaftsmechanismen umfassend theoretisiert. Durch die Erkenntnisse der postkolonialen Theorie, der Cultural Studies und der Queer Theory werden darüber hinaus die Bedeutung und Verwobenheit der Konstruktionen von Geschlecht, Sexualität, Ethnie sowie race in den Blick genommen. In den letz ten Jahren wurde diese Debatte unter dem "Buzzword" Intersektionalität (Davis 2010: 67) neu angestoßen und der Forschungsfokus auf das Zusammenspiel verschiedener Ungleichheitskategorien gerichtet. Dieses Konzept steht allerdings nicht isoliert, sondern ist Teil einer theoMacht wird hier verstanden im Sinne von Elias (1990), der davon ausgeht, dass sich Macht aus vielfältigen Quellen bildet und voller Asymmetrien ist.
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retischen Auseinandersetzung der Geschlechterforschung, die "von der Differenz zwischen Frauen über die Dekonstruktion der Kategorie Geschlecht bis hin zur Verschränkung unterschiedlicher Ungleichheitsdimensionen" reicht (Lutz/Vivar/Supik 2010: 18). Durch dieses Zitat werden die Herausforderungen deutlich, die die Debatte um lntersektionalität mit sich bringen: Während durch eine verstärkte Rezeption des Oekonstruktivismus und der Cultural Studies Kategorien wie Geschlecht und Identität in Frage gestellt und dekonstruiert wurden, rücken mit der Intersektionalitätsdebatte diese Kategorien wieder in den Vordergrund und werden nun (erneut) in ihrer Relevanz für soziale Ungleichheiten analysiert. Die Aufmerksamkeit, die die Debatte um lntersektionalität in den 2000er Jahren erfahren hat, wird auch kritisch kommentiert, da die Verbindung verschiedener Ungleichheitskategorien seit langem Teil feministischer Gesellschaftsanalyse ist. In den 1970er Jahren standen die Auseinandersetzungen zwischen bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegungen um den Ausgangspunkt feministischer Analyse und Gesellschaftskritik im Mittelpunkt, später wurden sie in modifizierter Weise zwischen liberalen und sozialistischen Feminstlnnen fortgeführt (vgl. Gerhard 1990). Streitpunkt war, ob der "Hauptwiderspruch" der Gesellschaft eher im Patriarchat oder im Kapitalismus zu finden sei (vgl. Romrneisbacher 2009: 81). Die Strukturkategorie Klasse stand neben Gender damit im Vordergrund feministischer Theoriebildung. In den 1980er Jahren verschob sich die Diskussion immer mehr hin zur Kategorie Ethnie. Dafür lieferte insbesondere der Vorwurf afroamerikanischer Frauen an der weißen Mittelschichtorientierung der feministischen Bewegung entscheidende Impulse (vgl. hooks 1981). hooks (1981) mahnte eine Beschäftigung mit dem alltäglichen Rassismus an, dem insbesondere schwarze Frauen in den USA ausgesetzt waren und der die feministische Forschung nach einer Politisierung des Privaten nicht als entscheidenden Ausgangspunkt ansah. Seit den 1980er Jahren hat die Kritik von Schwarzen Frauen und von Migrantinnen an einer Mittelschichtorientierung der feministischen Bewegung die Vielzahl und die Verschränkung stratifikatorischer Differenzierungen zum Vorschein gebracht. Bereits mit dem Beginn der neuen, feministischen Frauenbewegung wurde vor allem in den amerikanischen Beiträgen auf die Verschränkungen der Kategorien Race, Klasse und Gender hingewiesen (etwa Davis 1981). Gesellschaftliche Machtverhältnisse als wesentliches Moment, um die Konstituierung von Öffentlichkeit zu analysieren, wurden so schon früh in ihrer intersektionalen Verschränkung diskutiert.
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Für die Gender Studies stellen intersektionale Ansätze dennoch ein theoretisches Konzept bereit, das die Konstruktion von Geschlecht mit weiteren Ungleichheitskategorien in Zusammenhang setzt. Solche Verschränkungen können Ungleichheiten bedingen und damit unterschiedliche Teilhabemöglichkeiten an der Öffentlichkeit hervorrufen. Mit dem Begriff der Intersektionalität wird betont, dass sich Ungleichheitskategorien addieren und verschränken (vgl. Walgenbach 2007, Winker/Degele 2009). Gemeint sind damit zumeist Klasse, Gender, Ethnizität und Sexualität als Kategorien, die insbesondere zu Differenzierungen, Naturalisierungen und Hierarchisierungen beitragen. Degele und Winker (2007) plädieren dafür, die Kategorie "Körper" hinzuzunehmen. Unabhängig von der- umstrittenen- Zahl der Kategorien bilden diese durch ihr Zusammenspiel "Achsen der Differenz" (Knapp/Wetterer 2003) oder auch "Achsen der Ungleichheit" (Klinger/Knapp/Sauer 2007). Diese Achsen treffen sich an Schnittpunkten, die Crenshaw (1998) als ,,intersections" bezeichnet. So eingängig das Konzept der Intersektionalität zunächst scheint, so komplex ist jedoch eine Analyse solcher Ungleichheitsprozesse. Die Kategorien, die soziale Ungleichheit, Marginalisierung oder Normalisierung hervorrufen, sind nicht fest, sondern interdependent - abhängig von und bedingt durch andere Kategorien und gesellschaftliche Kontexte (vgl. Lorey 2008, Dietze 2009). Sie stellen damit ein komplexes Beziehungsgeflecht her, das nicht einzeln auflösbar ist, sondern sich in Wechselwirkungen bildet und damit unterschiedliche und spezifische Formen der Unterdrückung hervorbringen kann (vgl. Lutz 2009). Weitere kritische Impulse für die gesellschaftliche Analyse von Ungleichheiten liefern die Postcolonial Studies und die Queer Studies. Die postkolonialen Theorien thematisieren die Kontinuität kolonialer Diskurse, die häufig ausgeblendet bleibt. Diese fußen zumeist auf der Ausgrenzung eines Anderen und den daraus resultierenden Prozessen des "Othering" die auch zu einer Normalisierung des kolonialen Subjekts durch eine "rassistische" Komponente führen können (vgl. Castro Varela 2008). Gutierrez Rodriguez (1999) merkt kritisch an, dass in den dominanten wissenschaftlichen Diskursen so eine bestimmte Art von Wissen produziert wird, die untrennbar mit der Zugehörigkeit zur Dominanzkultur, also einer "weißen" Kultur und Ordnung, verbunden ist. Ziel einer postkolonialen Theorieposition ist es, den eurozentristischen, "weißen" wissenschaftlichen und politischen Sichtweisen komplexe Heterogenitäten von Gesellschaften entgegenzustellen (vgl. Carstensen/Groß 2006: o.S.). Die Queer Studies nehmen demgegenüber die implizit angenommene Heteronormativität in den Fokus, die die gesellschaftliche Betrachtungsweise der meisten Öffentlichkeitskonzepte bestimmt. Auch
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feministischen Ansätzen liegen implizite Annahmen zugrunde, die (ungewollt) Macht- und Herrschaftsverhältnisse stabilisieren. So wird insbesondere auf die Vernachlässigung der Kategorie Sexualität hingewiesen, die zu einer Normalisierung heteronormativer Praxen führt (vgl. Butler 1995: 22-25). Durch das Denken in zwei (zumeist heterosexuell verfassten) Geschlechtern, so Engel (2002), wird selbst eine Realität mitproduziert und abgestützt, die eine Hierarchie zwischen Männern und Frauen ermöglicht. Die Kategorien privat und öffentlich verlieren darüber hinaus an Relevanz, wenn, so Wischermann (2003a: 24), die "sex/gender-Unterscheidung in gender aufgelöst und sogar die körperliche Materialität zur Fiktion erklärt wird". Insbesondere Ansätze aus der Queer Theory führen die Kritik an dieser Unterscheidung weiter und verhandeln so über eine Auflösung der Kategorie Geschlecht (vgl. Butler 1995). Die konzeptionelle Berücksichtigung von sozialen und gesellschaftlichen Ungleichheiten stellt ein zentrales Problemfeld aktueller Öffentlichkeitstheorien dar. Der Einbezug von Differenzkategorien, die Ungleichheiten hervorrufen können, und damit das Mitdenken von Inklusions- und Exklusionsprozessen ist ein zentraler Bestandteil normativer Öffentlichkeitstheorien. Damit rücken Teilhabemöglichkeiten an Öffentlichkeit und Partizipationschancen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Neben der konzeptionellen Berücksichtigung gesellschaftlicher Ungleichheiten und deren Konstruktionsweisen sind es insbesondere drei Entwicklungen, die eine Veränderung von Öffentlichkeit bedingen: der Wandel von Privatheil, die Transnationalisierung von Öffentlichkeit sowie neue Formen des Protestes und politischer Teilhabe.
4.4.2 Privatheit und Politik im medialen Wandel
Neue Medienformate haben zu einer Debatte über den Wandel der Konzepte von Öffentlichkeit und Privatheit geführt. Es scheint als befände sich vor allem die Privatsphäre in Gefahr. So finden sich in der Printberichterstattung immer wieder Artikel mit ähnlichen lautenden Überschriften wie "Soziale Netzwerke: Gebt her Eure Daten" (Die Zeit 5.4.2011) oder "Privatsphäre im TV: Es geht nur noch um Tabubruch" (Der Spiegel, 26.12.2009). Dabei stehen Handlungsweisen im Mittelpunkt, die zu einer zunehmenden Medialisierung des Privaten beitragen. Beispielsweise lässt die Internetnutzung vom häuslichen PC aus die "private" Sphäre in neuer Weise zum Ort von Politisierung und Mobilisierung werden (vgl. Harders 2005: 220). So veröffentlichen im Internet Individuen, entweder in ihrem eigenen Blog oder auch kumulativ, private
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Erlebnisse, Erfahrungen und Gedanken (vgl. Döring 2005). Veränderungen und Verschiebungen der Bedeutungen von Privatheit haben w iederum Einfluss auf gesellschaftliche Strukturen und auf Konzepte von Öffentlichkeit (vgl. Rössler 2001, Jurczyk/Oechsele 2008). Beate Rössler hat dargelegt, dass der Schutz der Privatsphäre in den letzten Jahrzehnten eine neue Dringlichkeit erfahren hat, denn diese diene als Ort der Bewahrung "privater Räume und privater Lebensdimensionen, um den Sinn individueller Freiheit zu gewährleisten" (Rössler 2001: 54). Im Wechselspiel von Privatheit und Medien lassen sich, die Literatur zusammenfassend, insbesondere vier Entwicklungslinien ausmachen. Erstens zeigt sich eine Verschiebung des Politikbegriffs. Zumeist wird dies in einer Personalisierung des Politischen festgemacht: Politikerinnen werden emotionalisiert dargestellt, die Medien berichten über Merkeis Dekollete oder die Haarfarbe von Gerhard Sehröder (vgl. Lünenborg et al. 2009). Zweitens- und dies hängt mit der Verschiebung des Politischen zusammen - wird durch Medienformate, wie Reality TV oder DokuSoaps, die Privatsphäre von Individuen öffentlich verhandelt, gleichzeitig verschwimmt in vielen Medienformaten der vermeintliche Gegensatz zwischen Information und Unterhaltung (vgl. Klaus 1996). Durch Informations- und Kommunikationstechnologien und damit die technischen Möglichkeiten der Datenaggregation und -distribution sowie der Überwachung wird drittens die Debatte um den Schutz von Privatsphäre neu belebt. Hier steht der Schutz individueller Daten im Vordergrund. Viertens zeigt sich angesichtsneoliberaler Tendenzen eine Verschiebung weg von der Verantwortung des Staates hin zu einer individuellen Verantwortung. So werden Pflege, Bildung und Risiken wie Krankheiten zunehmend "privatisiert" und damit zu einer individuellen Belastung-eine Entwicklung die, noch immer strukturell bedingt, häufiger Frauen trifft (vgl. Lutz 2009). Um Privatheit dabei konzeptionell fassen zu können, entw irft Rössler (2001) drei Dimensionen von Privatheit (vgl. auch Abschnitt 4.1). Die Trias der informationellen, der dezisionalen und der lokalen Privatheit (vgl. Rössler 2001: 144-279): (1) Unter informationeller Privatheit w ird zumeist die Kontrolle oder Abschätzung darüber, wer welche persönlichen Informationen über die eigene Person besitzt, verstanden (vgl. Friedman 2000; Rössler 2001). Privatsphäre hat so die Funktion eines Schutzes vor sozialer Kontrolle, denn damit wird die Möglichkeit Anderer eingeschränkt, Zugang zu individuellen Informationen zu haben. Ein Individuum soll selbst -zumindest bis zu einem gewissen Grad - darüber entscheiden können, wer über Wissen
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über die eigene Person verfügt und wie mit diesem Wissen umgegangen wird. (2) Dezisionale Privatheit bedeutet die Entscheidungsfreiheit darüber, was als privat begriffen werden kann. Es geht also darum, den symbolischen Zugang Anderer - in der Form von Einsprüchen und Eingriffen unterschiedlichster Art - kontrollieren zu können. Entscheidungen sowie Handlungen, Verhaltensweisen und Lebensweisen einer Person sollen von dieser nicht nur selbst bestimmt und gewählt werden, sondern es geht auch darum, dass Dritte sich der Bewertung, des Einspruchs, Kommentars oder Urteils darüber enthalten müssen. Dezisionale Privatheil ist damit nicht identisch mit der Wahl der eigenen Lebensweise, sondern sie umfasst diese und gibt ihr den Schutz vor äußerer Intervention. (3) Als drittes identifiziert Rössler die Dimension von Privatsphäre als lokale Privatheit. Damit ist das eigene Zuhause gemeint, das als Refugium jeglichen Formen der Überwachung explizit entzogen ist und damit einem besonderen Schutz bedarf. Diese Form von Privatheit wird in nahezu allen westeuropäischen Gesellschaften verfassungsrechtlich gestützt. Diese Konzeption liefert wichtige Impulse für eine Betrachtung von Privatheit ist jedoch eng mit der "systematischen Idee der Unterscheidung öffentlich-privat verbunden" (Wischermann 2003a: 29). Dagegen wird erst in der kritischen Reflexion des Verhältnisses beider Sphären von Öffentlichkeit und Privatheit zueinander, wie von der feministischen Forschung gefordert, ein differenzierterer Blick möglich. Denn die Debatte hat vor allem verdeutlicht, "wie sehr das Private im Öffentlichen und umgekehrt das Öffentliche im Privaten" wirksam ist (Wischermann 2003a: 32 mit Verweis auf Klaus 2001). So gibt es mit dem Internet zwar neue technische Möglichkeiten, private Daten zu sammeln und die Nutzerlnnen zu überwachen, allerdings bedeutet eine Verschiebung der Bedeutungszuweisungen an die Konzepte privat und öffentlich auch eine Chance: Eine stärkere Verhandlung bisher privat konnotierter Themenetwa Begehren jenseits einer heteronormativen Matrix - kann zu einer verstärkten öffentlichen Sichtbarkeit queerer Lebensentwürfe führen, wobei ambivalent bleibt, ob dies auch zu einer größeren gesellschaftlichen Anerkennung führt. Angesichts der wechselseitigen Bedingtheit von Öffentlichkeit und Privatheil ist es für eine Konzeption von Öffentlichkeit notwendig, die zugrunde gelegte Bedeutung von Privatheit zu reflektieren. Grenzziehungen zwischen diesen beiden Polen sind immer wieder neu zu formulieren und zu begründen - gerade das Internet formuliert diese Debatte neu und berührt all diese drei Dimension in unterschiedlicher Weise.
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4.4.3 Transnationalisierung von Öffentlichkeit
Der Begriff der Öffentlichkeit bezog sich historisch gesehen auf eine nationale Öffentlichkeit, dementsprechend gehen zahlreiche Öffentlichkeitskonzeptionen von nationalstaatliehen Zusammenhängen aus (vgl. Fraser 2005: 19). Die Gründe für eine zunehmende Debatte um eine Transnationalisierung von Öffentlichkeiten sind im Kontext von Globalisierungsprozessen zu sehen, die mit der umfassenden Transformation von Nationalstaaten einhergeht (vgl. Wessler et al. 2008: 1). Transnationale Öffentlichkeiten umfassen in diesem Verständnis sowohl neue Verbindungen zwischen nationalen Öffentlichkeiten als auch die Herausbildung sogenannter "supranationaler" Öffentlichkeiten, also nationenübergreifende Staatenverbünde wie beispielsweise die EU. Nancy Fraser (2001: 118 ff.) bezeichnet das Zusammenspiel verschiedener Öffentlichkeiten und deren Interaktionen untereinander als "strukturiertes Setting", legt also ihrer Öffentlichkeitstheorie eine hierarchische Anordnung verschiedener Öffentlichkeiten zugrunde, die in ungleichem Maß über Ressourcen und Definitionsmacht verfügen. Unter Transnationalisierung werden verschiedene Phänomene gefasst: zum einen eine Verbindung verschiedener nationaler Öffentlichkeiten zu eine transnationalen Öffentlichkeit, zum anderen die Herausbildung neuer "supranationaler" Öffentlichkeiten, wie beispielsweise der europäischen Öffentlichkeit (vgl. Wessler et al. 2008). Eine supranationale Öffentlichkeit geht von einer einheitlichen europäischen Öffentlichkeit aus im Gegensatz zu einer Konzeption, die Transnationalisierung als Europäisierung einzelner nationaler Öffentlichkeit begreift (vgl. Tobler 2010: 70 ff.). Der Begriff der transnationalen Öffentlichkeit verweist dabei auf diskursive Arenen, die Grenzen von Nationen und Staaten überschreiten. Insbesondere im Zusammenhang mit Phänomenen wie Globalisierung, Postkolonialismus und Migration erfahren transnationale Öffentlichkeiten einen Bedeutungszuwachs (vgl. Hepp 2009). Häufig werden jedoch transnationale Öffentlichkeiten im Zusammenhang mit einer europäischen Öffentlichkeit thematisiert (vgl. Kleinsteuber 2004). Innerhalb einer transnationalen Öffentlichkeit können dann - zumeist stärker verdichtete - nationale Öffentlichkeiten beschrieben werden. Eine transnationale Öffentlichkeit, wie beispielsweise die europäische Öffentlichkeit eine ist, steht also nicht in Konkurrenz zu nationalen Öffentlichkeiten (vgl. Brüggemann et al. 2009: 407). Es finden sich Kommunikationsstrukturen und -prozesse, die jenseits von Nationalstaaten und Nationalkulturen liegen (vgl. ebd: 392). Die Transnationalisierung von Öffentlichkeit findet zumeist medienvermittelt statt. Dem Internet wird dabei insbesondere das Potenzial zu-
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geschrieben, die Bildung und Herausbildung von trans- und supranationalen Öffentlichkeiten zu unterstützen (vgl. Winter 2010). Zur Schaffung und Adressierung einer europäischen Öffentlichkeit und zur Entwicklung einer europäischen Identität sieht die Europäische Kommission Medien als einen wichtigen strategischen Faktor. Aufgrund dessen werden mediale Strategien zur Herstellung einer europäischen Öffentlichkeit unterstützt. Maßnahmen zur Vermehrung der Berichterstattung über Europa in nationalen Medien werden dabei ebenso gefördert wie transeuropäische Medieninitiativen. Gerhards (1993: 100) sieht zwei Entwicklungspfade: Erstens ist das Ziel einer europäischen Öffentlichkeit, die Etablierung eines europäischen Mediensystems sowie zweitens die Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten durch die Thematisierung europäischer Themen in den jeweiligen nationalen Medien zu fördern. Allerdings sind Unterhaltungsmedien und populärkulturelle Programme, wie der Sender Viva und der Eurovision Song Contest, heute stärker in die Schaffung einer europäischen Öffentlichkeit involviert als bildungsbürgerliche Medien (vgl. Klaus 2006: 98). Bei den Akteurinnen transnationaler Öffentlichkeiten handelt es sich im politikwissenschaftlichen Sinne streng genommen nicht um eine politische Bürgerschaft, darauf weist Fraser (2005) hin, infolgedessen sind die Möglichkeiten wirklicher Teilhabe begrenzt. Die Teilhabemöglichkeiten sind zudem auch immer durch Inklusions- und Exklusionsprozesse geprägt. Die Konstruktion von "Europa" als Raum für Identitäten, und damit auch die Konstruktion einer europäischen Öffentlichkeit, - so merkt Spivak (in Butler/Spivak 2007: 58) an- findet dabei wesentlich durch eine Abgrenzung gegenüber etwas "Anderem", " Fremden" statt. Mit der transnationalen und transkulturellen Organisation des Internets ist die Herausbildung neuer politischer Foren verbunden. Transnationale Öffentlichkeiten im Internet, so Baringhorst (2009), ermöglichen neue Formen transnationaler Partizipation, Mobilisierung und des Protests insbesondere für soziale und zivilgesellschaftliche Bewegungen (vgl. dazu ausführlich Abschnitt 4.4.4). Die Transnationalisierung von Öffentlichkeit stellt kommunikationswissenschaftliche Öffentlichkeitskonzepte vor neue Herausforderungen. Denn die Konzeptionen von transnationalen Öffentlichkeiten bergen auch ein normatives bzw. theoretisches Problem. Darauf weist insbesondere Fraser (2005: 18) hin, die eine Zunahme der empirischen Forschung zu transnationaler Öffentlichkeit konstatiert. Das Konzept von Öffentlichkeit sei allerdings nicht entwickelt worden, um empirische Kommunikationsflüsse zu verstehen, sondern um zu einer normativen, politischen Demokratietheorie beizutragen. Fraser plädiert für eine stärkere Berücksichtigung kritisch-theoretischer Ansätze,
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die einen Beitrag zu normativen Standards leisten und emanzipatorische politische Möglichkeiten in den Forschungen zu transnationaler Öffentlichkeit aufzeigen. Eng verknüpft mit transnationalen Öffentlichkeiten ist die Entstehung von neuen Protestkulturen durch vernetzte Öffentlichkeiten.
4.4.4 Protestkulturen und vernetzte Öffentlichkeiten
Das Alltagsleben und damit auch die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen wird immer mehr von digitalen Medien bestimmt. In diesem Zusammenhang sind Medialisierung und Mediatisierung zentrale Begriffe aktueller Debatten um einen Wandel des Verhältnisses von Gesellschaften und (Massen-)Medien durch das Internet und damit auch eines Wandels von Öffentlichkeit. Der Begriff der Medialisierung ist an sich nicht neu, schon die Einführung des dualen Fernsehens wurde unter diesem Begriff diskutiert (vgl. Martinsen 2009: 40). In aktueller Perspektive kann Medialisierung zunächst als immer stärkere und engmaschigere Durchdringung aller gesellschaftlichen Bereiche durch Medien gesehen werden, in den letzten Jahrzehnten geht es dabei vor allem um die zunehmende Bedeutung des Internets (vgl. Jarren/Donges 2011). Mediatisierung dem gegenüber lässt sich als übergeordneter Metadiskurs verstehen, um den Wandel von Kommunikation durch Medien, ausdifferenzierte Kommunikationsformen - wie eben durch das Internet- zu verstehen und die entsprechenden Auswirkungen auf das Alltagshandeln der Menschen zu verstehen (vgl. Krotz 2008). Ein Wandel von Medien und Technologien bedingt eine Veränderung der politischen Kommunikationsprozesse und ist begleitet von einer Auseinandersetzung über die Folgen für Politik, Demokratie und Gesellschaft. Insbesondere mit der zunehmenden Durchdringung vielfältiger Lebensbereiche durch das Internet sind diese Debatten erneut aufgeflammt. Das Internet dient dabei als Informations-, Kommunikationsund Partizipationsmedium der politischen Kommunikation (vgl. Polat 2005). Die Nutzungsformen im Zusammenhang zur politischen Partizipation sind dabei unterschiedlich und umfassen neben den klassischen Kommunikationsformen auch informelle und alltagspraktische Formen (vgl. Moy et al. 2005). In der theoretischen Auseinandersetzung um das Verhältnis von Internet und Politik finden sich zumeist drei Positionen: Erstens wird von einer gesteigerten politischen Mobilisierung durch das Intemets ausgegangen, da es neue Formen der Demokratie und Partizipation ermöglicht; zweitens wird eine Stärkung bisheriger Mu ster politischer Partizipation und deren Akteurinnen vermutet und drittens vor
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den negativen Effekte des Internets wie einer zunehmenden digitalen Spaltung gewarnt (vgl. Norris 2001). Um Aussagen über den Zusammenhang von Internet und politischer Kornmunikation zu treffen, ist es allerdings entscheidend, was überhaupt unter politischer Kornmunikation verstanden wird. Denn je nach zugrunde gelegten konzeptionellen und theoretischen Annahmen werden - wie dargestellt- unterschiedliche Gegenstandsbereiche politischer Kornmunikation definiert. Vorherrschend ist bei Analysen von Online-Kornrnunikation eine Begrenzung der Inhalte, die als politisch gelten, eine institutionsbezogene Sicht auf Akteurinnen (wie Parteien und Regierung) sowie eine Fokussierung auf bestimmte Events wie Wahlkämpfe (vgl. Davis 2009, Papacharissi 2010, Wright 2012). Wesentlich für Untersuchungen politischer Kornmunikation im Internet sind also die zugrunde gelegten Annahmen über Formen, Inhalte und Akteurinnen politischer Kommunikation. Darüber hinaus wird die Veränderung von Öffentlichkeit diskutiert. Plake, Jansen und Schuhmacher (2001) sehen neue Möglichkeiten der politischen Partizipation durch Öffentlichkeiten und Gegenöffentlichkeiten im Internet. So werden heutzutage meist institutionelle Akteurlnnen, der Markt bzw. die Ökonomie und die Zivilgesellschaft als Akteurinnen angesehen, die diese Öffentlichkeiten herstellen (vgl. Winter 2010). Die Wirtschaft nutzt die neuen Informations- und Kornrnunikationstechnologien, um Produkte zu verkaufen (Stichwort e-Cornrnerce) und zielgruppenspezifische Daten zu generieren. Aus der - vor allem politikwissenschaftlichen - Fokussierung der politischen Kornmunikation auf institutionalisierte Kornmunikation resultiert der lange Zeit populäre Begriff des eGovernrnent (vgl. Henrnan 2010). In Folge dessen wird der Blick auf bestimmte Partizipationsformen von Regierung und staatlichen Akteurinnen reduziert; Forschungen dazu kommen demzufolge nicht unerwartet zu dem Schluss, dass das Internet zumeist für die Informationsbereitstellung genutzt wird. eGovernment lässt sich oft auch als Teil der Maßnahmen zur Verwaltungsrnodernisierung und -effizierung betrachten, kann aber auch als Teil elektronischer Demokratie und zunehmend als Mittel einer stärkeren Bürgerinnenbeteiligung gesehen werden (vgl. Chadwick 2003 und 2009). Auf einzelnen kommunalen Portalen, wie zu einer öffentlichen Debatte über die "wachsende Stadt" in Harnburg, gibt es zahlreiche Diskussionsräume, die jedoch zumeist wenig genutzt und häufig wieder eingestellt wurden (vgl. Lührs et al. 2004). Der Begriff der eDemocracy dehnt den Bereich der politischen Partizipation im Internet aus und bezieht zivilgesellschaftliche Partizipation und deren Akteure ein. Soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Akteurinnen können ebenfalls ihren Wirkungsgrad durch virtuelle Vernetzung erhöhen, wie
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sich beim globalisierungskritischen Netzwerk attac zeigt. Dabei verzahnt sich oft der reale mit dem virtuellen Raum, so beim G8-Gipfel in Schottland 2005, wo sich der Protest sowohl auf den Straßen als auch im Internet abspielte. In diesem Zusammenhang weist Baringhorst (2009) darauf hin, dass zunehmend Protestbewegungen die politische Debatte mitprägen, da netzbasierte Kampagnen politische Gemeinschaftsgefühle erzeugen, mobilisieren sowie vertikale und horizontale Kooperationsmöglichkeiten aufzeigen. Soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Gruppen tragen insbesondere zur Entstehung von Gegenöffentlichkeiten bei (vgl. Wimmer 2007). Auch wird ein kommunikativer Raum zwischen verschiedenen Öffentlichkeiten aufgebaut und damit die "Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit gewonnen" (Winker 2005: 4), wenn z.B. über die Seite www.abgeordnetenwatch.de in Hamburg, der Dialog zwischen Abgeordneten und Bürgerinnen möglich wird. Das Internet ist dabei sowohl Kommunikationsmedium als auch Mobilisierungsinstrument oder teilweise selbst der Ort des Protestes (vgl. Harders 2005). Insgesamt, so führt Lang (2004) aus, gibt es drei Aspekte, die die zivilgesellschaftliche Basis von Öffentlichkeit im Internet bilden: die Erleichterung der Netzwerkbildung zwischen den Akteurlnnen, das Produzieren von gemeinsamen Problemdefinitionen als Basis für gemeinsames Handeln sowie die Bereitstellung von Mobilisierungsangeboten für politisches Engagement. Neben Institutionen und Zivilgesellschaften sind es im Internet jedoch vorwiegend Einzelakteurlnnen, also Bürgerinnen, die auf eine neue Art und Weise an politischer Kommunikation teilhaben und Öffentlichkeiten herstellen können. Insbesondere durch die Entwicklung des so genannten "Social Web" werden aus passiven Rezipientinnen aktive Produzentinnen von Inhalten (vgl. Bruns 2008). Diese individuellen Kornmunikationsfarmen zeigen sich vor allem in Blogs; mit dem Citizen Journalism ist den Massenmedien darüber hinaus eine wirkmächtige Formalternativen Journalismus' entgegen getreten (vgl. Allan/Thorson 2009). Schmidt (2005) sieht neben die bestehenden massenmedialen Öffentlichkeiten durch Weblogs neue Kommunikationsräume treten, in denen Alltägliches und Privates öffentlich verhandelt wird. Weblogs lassen sich als ersten Schritt einer Verschiebung von einfachen Öffentlichkeitsformen in mediale Umgehungen beschreiben (Katzenbach 2008: 108).
4.5 Zwischenfazit: Öffentlichkeit und Internet Aus der Diskussion verschiedener Öffentlichkeitstheorien und deren Perspektiven angesichts aktueller Herausforderungen lassen sich mehrere Aspekte ableiten, die als normative Basis der Analyse von Online-Kom-
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munikation und gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse im Internet dienen. So kann die durch derartige Kommunikationsprozesse erzeugte Sozialität von Öffentlichkeiten im Internet erfasst und gegenwärtige Wandlungsprozesse durch das Internet diskutiert werden. Die Zusammenhänge, die zwischen den verschiedenen theoretischen Ansätzen deutlich wurden, können zu fünf übergeordneten Merkmalen verdichtet werden: (1) Wandlungsprozesse von Öffentlichkeit: Dem Konzept von Öffentlichkeit kann kein statisches Modell zugrunde gelegt werden, da sich Öffentlichkeit im Wechselspiel mit sozialen und technologischen Veränderungen in einem stetigen Wandel befindet. Somit geht es nicht nur um die Frage, was Öffentlichkeit eigentlich ist und wie sich diese Bedeutung fixieren lässt, vielmehr sind der Wandel und die vielfältigen Formen von Öffentlichkeit in den Blick zu nehmen. Demnach ist eine Reflexion der normativen Grundlagen und zugrundeliegenden Demokratiemodelle notwendig, um Theorien nicht lediglich an existierende Realitäten anzupassen (vgl. Fraser 2005). Nach Fraser erweist sich ein kritisch-theoretischer Ansatz, der "normative Standards und emanzipatorische politische Möglichkeiten gerade innerhalb der sich gegenwärtig entwickelnden Konstellationen zu lokalisieren sucht" (2005: 28) als Möglichkeit, diese beiden Anforderungen zu verbinden Fragen nach Teilhabe und Inklusion stehen so im Mittelpunkt von Öffentlichkeitstheorien. (2) Erweiterung des Politikbegriffs: Öffentlichkeit ist untrennbar mit dem Begriff des Politischen verwoben. Politische Öffentlichkeit ist aber nicht als exklusive Öffentlichkeit zu konzeptualisieren. Um hier nicht bestehende Ausschlüsse fortzuführen, ist ein weiter Politikbegriff zugrunde zu legen, der vielfältige Formen und Akteurinnen einbezieht und damit den Bereich des Öffentlichen ausdehnt. (3) Mehr-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit: Es hat sich gezeigt, dass sich Öffentlichkeit heutzutage bestehend aus verschiedenen Ebenen konzeptualisieren lässt, wie insbesondere von Fraser (2005) eingeführt und von Klaus (2001) weiterentwickelt. Ein Modell von Öffentlichkeit, das von mehreren Ebenen ausgeht, ist gerade für eine Analyse von OnlineKommunikation und Öffentlichkeiten im Internet tragfähig. Zentral für eine Analyse der Internet-Öffentlichkeiten ist das Öffentlichkeitsmodell von Klaus (2001), das konzeptionell drei Ebenen von Öffentlichkeit vorsieht. Gerade im Internet kann Öffentlichkeit nicht monolithisch gedacht werden, vielmehr besteht die öffentliche Sphäre aus einer Vielzahl von Öffentlichkeiten und Teilöffentlichkeiten, die alle gesellschaftliche Relevanz haben können.
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(4) Aufhebung des Dualismus öffentlich-privat: Öffentlichkeit ist im Wechselspiel mit Privatheit eine gesellschaftliche Sphäre. Der Dualismus von Öffentlichkeit und Privatheit ist u.a. aufgrund seiner dichotomen Geschlechterkonstruktion in Frage zu stellen. Angesichts des Wandels der Bedeutung von Privatheit sind neue Fragestellungen aufgetaucht, die sich mit dem Schutz persönlicher Daten, aber auch mit Sichtbarkeit beschäftigen. So sehen beispielsweise die Queer Studies in einer stärkeren Thematisierung von Sexualität bzw. sexueller Identität eine Schw ächung heteronormativer Praktiken. (5) Perspektive auf Ungleichheiten: Die Diskussion feministischer Ansätze, wie auch das Aufgreifen der Debatte um Intersektionalität und Ungleichheitsforschung hat gezeigt, dass zahlreiche Inklusions- und Exklusionsprozesse bei der Bildung von Öffentlichkeiten und der Durchsetzung von Themen deutlich werden. Hier gilt es, sowohl im Zugang zu und der Teilhabe an Öffentlichkeit Ausschlussmechanismen in den Blick zu nehmen, aber auch ungleiche Darstellungen und Repräsentationen, die Differenzen hervorrufen können, kritisch zu hinterfragen. Die im Raumkapitel explizierten Begriffe von Kultur, Identität und Macht stehen mit dieser Perspektive in Zusammenhang; sie sind folgenreich für Integration(Oesintegration und Konsens/Konflikt - zentrale Merkmale von demokratischen Öffentlichkeiten. Dieses Zwischenfazit zu Öffentlichkeit und Internet zeigt in Kombination mit dem Zwischenfazit zu Raum und Internet (vgl. Abschnitt 3.5), dass ein Modell, das politische Kommunikation im Sinne der theoretischen Ausarbeitungen- also unter Berücksichtigung von Raum- und Öffentlichkeitstheorien - erfassen will, die jew eils genannten zentralen Aspekte berücksichtigen muss. Dieses Modell bildet die Grundlage für meine empirische Untersuchung von politischer Kommunikation im Internet.
5 Bausteine eines Modells politischer Kommunikationsräume im Internet Die Geographien und die Sozialität von Kommunikation, im Speziellen von Online-Kommunikation, bilden die theoretischen Grundlagen für das von mir vorgeschlagene M odell politischer Kommunikationsräume im Internet. Politische Kommunikationsräume sind dabei das zentrale Konzept mittels derer die Gestaltungsweisen aber auch Gestaltbarkeit von Öffentlichkeiten im Internet erfasst werden. Das Modell politischer Kommunikationsräume kann gerade für die empirische Analyse von politischer Online-Kommunikation in besonderem Maße Gewinn bringen, da es die theoretischen Grundlagen und die empirischen Bezugspunkte hinsichtlich Online-Kommunikation zusammenfügt. Es orientiert sich darüber hinaus an der in Kapitel2 vorgenommenen Positionsbestimmung von politischer Kommunikation ausgehend von den Erkenntnissen der Gender Studies und der Cultural Studies. Das Modell politischer Kommunikationsräume soll dabei helfen, spezifische Aspekte der Identität, Zugehörigkeit, Inklusion und Teilhabe, die für eine Dem okratie zentral sind, in politischen Kommunikationsprozessen im Internet zu analysieren. Damit lassen sich die theoretischen Bezüge im Sinne einer empirischen Operationalisierbarkeit weiter an die An alyse von Mediendebatten heranführen. Im Folgenden wird zunächst d as Modell politischer Kommunikationsräume im Internet und daran anschließend die Analyseebenen vorgestellt, die als Grundlage der empirischen Untersuchung dienen. Die Überlegungen dieses Kapitels stellen folglich den Übergan g von der Theorie zur Empirie dar.
5.1 Politische Kommunikationsräume als Konzept Das Modell politischer Kommunikation sräume setzt sich vor allem aus zwei zentralen Komponenten zusammen. Zum einen w ird das Internet als Raum von Öffentlichkeit begriffen und damit der konzeptionelle Rahmen gebildet. Dieser beinhaltet die aus den Ausarbeitungen zu Raumund Öffentlichkeitstheorien gezogenen Schlussfolgerungen, die die Veränderbarkeit und Gestaltbarkeit von Räumen betonen. Gleichzeitig wird für einen erweiterten Begriff des Politischen plädiert sowie der Blick auf
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Inklusions- und Exklusionsprozesse in und durch Öffentlichkeiten gerichtet. Handlungsbezogen werden zum anderen die verschiedenen Formen von Online-Kommunikation erfasst. Diese zeichnen sich gegenüber traditionellen Kommunikationsformen durch veränderte Formen aus, die spezifische Möglichkeiten bereitstellen, aufgrund derer bestimmte kommunikative Praktiken wahrscheinlicher werden als andere (vgl. auch Kapitel2). Diese beiden Komponenten fügen sich im Modell politischer Kommunikationsräume zusammen. Durch die erarbeiteten sozialgeographischen und kommunikationswissenschaftlichen Raumtheorien wurden folgende Prinzipien für eine Analyse gesellschaftlicher Prozesse ersichtlich. So sind Kommunikationsräume nicht materiell zu konzipieren, sondern sie sind Teil vielfältiger Konstruktionen. Insbesondere die sozialgeographischen Ansätze haben die Wandelbarkeit und Veränderungsmöglichkeiten von Räumen aufgezeigt, die eherpluralals einheitlich erscheinen. Für politische Kommunikationsräume im Internet bedeutet dies, dass sie selbst und ihre Grenzen Teil eines permanenten kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Wandels sind und keine festgelegten Bedeutungen haben, sondern unterschiedliche Deutungen, Nutzungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten erzeugen. Die Interdependenzen von Gesellschaft und Medien in Raumrelationen zu beschreiben bedeutet dementsprechend, den Fokus auf die Prozesse der Konstituierung von medialen Räumen zu legen. Kommunikative Prozesse sind dabei Teil gesellschaftlicher Gestaltungsprozesse: Nicht nur entsteht Kommunikation zumeist in einem Raum, auch konstituiert sich Raum mittels Kommunikation. Die wissenschaftliche Perspektive auf Raumkonzepte zu richten, so Holland-Cunz (2006: 30), kann als eine Ausdifferenzierung von Öffentlichkeiten begriffen werden. In heterogenen, pluralisierten und mediatisierten Räumen bilden sich Öffentlichkeiten ebenso wie Öffentlichkeiten zur Erzeugung dieser Räume beitragen. Demzufolge erzeugen Öffentlichkeiten im Internet Räume, gleichzeitig werden die Möglichkeiten einer Ausdifferenzierung von Öffentlichkeit auch vom jeweiligen Raum festgelegt. Diese Räume zeichnen sich durch unterschiedliche Funktionen und Strukturen aus. Für eine Demokratie sind insbesondere solche Räume wichtig, die eine Verbindung zwischen verschiedenen Öffentlichkeiten herstellen können, die somit Teil des gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses sind. Ein produktives Zusammendenken von Raum und Öffentlichkeit führt im Weiteren dazu, dass eine Ausdifferenzierung politischer Kommunikation entlang verschiedener - am gesellschaftlichen Aushandlungsprozess beteiligter - Öffentlichkeitsebenen analysiert wer-
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den kann. Die verschiedenen Ebenen von Öffentlichkeit unterscheiden sich nach ihrem Komplexitätsgrad sowie in ihrer Funktion und Struktur. Politische Kornmunikation ist ebenso wie Politik keine homogene Sphäre, sondern ein Forum des Konflikts u.a. um Bedeutungszuschreibungen, Werte und Identitäten (vgl. Dörner 2006: 223). Deutungskonflikte stehen im Zusammenhang mit Machtrelationen und Herrschaftsverhältnissen. Politische Kornmunikation und politische Bedeutungen sind nicht etwas Gegebenes, sondern das Resultat von interaktiven Prozessen (vgl. ebd.). Politische Kornmunikation in Räumen zu beschreiben, verdeutlicht die Offenheit und Gestaltbarkeit, die diesen Prozessen inhärent ist. Durch kommunikative Praktiken in politischen Kornrnunikationsprozessen, die kulturelle Deutungskämpfe einschließen, wird in gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen über Integration und Desintegration, Inklusion und Exklusion, Konsens und Konflikt verhandelt und entschieden - für eine Demokratie sind dies elementare Aushandlungsprozesse. Politische Kornmunikation findet demnach auf allen Ebenen und in vielfältigen Kommunikationsräumen statt, die bestehende Hierarchien partiell auch durchbrechen können. Unter politischen Kommunikationsräumen werden also in dieser Arbeit kommunikative und medial geschaffene Räume verstanden, in denen im dargelegten erweiterten Sinne - politische Kornmunikation stattfindet. Diese Kommunikationsräume sind einerseits bestimmt durch eine Zuordnung der Akteurinnen zu verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Bereichen- sie sind aber auch durch das Internet geschaffene symbolische Räume, auf die sich soziale Subjekte in ihrer Identitätskonstruktion beziehen können. Kommunikationsräume im Internet können eine emanzipatorische, hegemoniale oder subversive Ausrichtung haben. Durch eine Ausdehnung des Politikbegriffs im Rahmen der Cultural Studies und Gender Studies (vgl. Kapitel2) sind vielfältige Kommunikationsräume als politisch zu begreifen. So lässt sich der Gegenstandsbereich politischer Kornmunikation weit fassen; vielfältige Akteurinnen und Formen des Politischen sowie Themen werden damit einbezogen. Ob die Öffentlichkeiten in den verschiedenen Kommunikationsräumen aus der hier immer wieder bedachten feministischen Perspektive einen emanzipatorischen Charakter haben, hängt von ihrem Verhältnis zu hegemonialen bzw. institutionellen Kommunikationsräumen ab. Sie können diese stützen, aber auch durchbrechen, in dem sie marginalisierten Räumen eine größere Deutungsmacht verschaffen sowie neue und andere Räume eröffnen. Kommunikationsräume können miteinander verbunden oder abgeschottet sein, sich vernetzen oder in konflikthaften und widersprüchlichen Be-
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ziehungen zueinander stehen. Gerneinsame Themen und Ereignisse sowie gegenseitige Bezugnahmen strukturieren Kornrnunikationsräurne. "Verdichtete Kommunikation", so Hepp und Wessler (2009: 174 ff.), führt zur Entstehung von Öffentlichkeiten, die sich durch die Grenzen dieser Verdichtungen sozialräumlich voneinander unterscheiden lassen. Dabei findet auch immer eine Einbindung bzw. Rückkoppelung in gesellschaftliche Strukturen statt. Kommunikative Prozesse der politischen Kornmunikation entscheiden des Weiteren über die Verbindungen zwischen Öffentlichkeilen und im weiteren Verlauf über Inklusionen und Exklusionen in und aus Öffentlichkeiten. In Kornrntmikationsräurnen wird festgelegt, wer Teil der Gesellschaft ist und wer damit an gesellschaftlichen Prozessen partizipiert. Dadurch wird auch die Gestalt des Raumes strukturiert. Wie andere gesellschaftliche Räume sind also auch Kommunikationsräume mit vielfältigen Konstruktionen und Repräsentationen versehen. Raum ist weniger materiell erfahrbar; vielmehr entstehen in Kommunikationsprozessen- und damit auch in und durch Medien- virtuelle, symbolische, nicht-materielle Räume durch Positionierungen von Menschen, Vermittlung und Ausarbeitung von Identitätsoptionen und -konstruktionen (vgl. Hipfl 2004). Fragestellungen nach diesen Positionierungen lassen sich dann sowohl in medialen Repräsentationen im Internet als auch in Aneignungs- und Aushandlungsprozessen der Nutzerinnen untersuchen. In politischen Kommunikationsräumen im Internet werden, so die Schlussfolgerung, für demokratische Gesellschaften wesentliche inhaltliche Aspekte verhandelt. Ausgehend von den Ausarbeitungen zu Raumund Öffentlichkeitstheorien sind zentrale Kategorien und Konzepte einer Demokratie Inklusion, Identität, Zugehörigkeit und Teilhabe bzw. Partizipation. Die Ausführungen lassen sich zu vier übergeordneten Bereichen inhaltlicher und thematischer Aspekte zusammenführen: (1) Fragen der Inklusion und Exklusion sind zentrale Aspekte gesellschaftlicher Debatten in demokratischen Gesellschaften. Auch Räume werden durch Ein- und Ausschlüsse gebildet und stehen damit in einem Zusammenhang mit Fragen von Inklusion und damit auch nach möglichen Grenzziehungen und Exklusionen, (2) Fragen der Inklusion hängen eng mit Identitätskonstruktionen zusammen. Eine Demokratie ist ständig bemüht, eine Gerneinschaft zu schaffen. In diesem Zusammenhang wird darüber entschieden, wer als Bürgerln der Gesellschaft betrachtet werden kann. Identität ist somit eine zentrale Kategorie für demokratische Gesellschaften. Die Konstruktion einer eigenen Identität hängt zumeist mit Differenzset-
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zungen oder Alterisierungsprozessen zusammen, die wiederum Ungleichheiten hervorrufen können, welche Gegenstand gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse sind. (3) In diesen Räumen kann somit die Herstellung von Zugehörigkeit untersucht werden. Die Untersuchung von Verortungen, angebotenen Identitätspositionen und Aneignungsprozessen legt den Fokus darauf, wie Medien Wandel oder Kontinuität befördern und zwar unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse. (4) Für Partizipation und Teilhabe von Bürgerinnen sind individuelle Rechte, die das Sprechen aber auch das Gehörtwerden ermöglichen, zentral. Diese Rechte sind elementarer Bestandteil des Konzeptes von "Citizenship". Auch im Internet werden dementsprechende Positionen ausgehandelt, in diesen Verhandlungen wird darüber entschieden, wem das Recht auf (kommunikative) Partizipation eingeräumt wird. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit dem Modell der politischen Kommunikationsräume die Analyse von Formen und Orten der Kommunikation nicht nur innerhalb von vorgegebenen Strukturen und Prozessen möglich ist, sondern darüber hinaus Repräsentationen, vielfältige performative Praktiken und symbolischen Konstruktionen untersucht werden können. Aus demokratietheoretischer Sicht kommt den politischen Kommunikationsräumen im Internet insofern Bedeutung zu als dort demokratische Formen unterstützt werden oder neu entstehen, aber auch unterlaufen werden können. Diesbezüglich kann das Internet - analytisch gesehen- der Demokratie neue politische (und räumliche) Foren geben.
5.2 Analyseebenen politischer Kommunikationsräume Politische Kommunikation als konstituierenden Teil von Öffentlichkeiten in räumlichen Kontexten zu betrachten, bietet neben konzeptionellen auch analytische Vorteile. Das entwickelte Modell der politischen Kammunikationsräume hilft politische Prozesse im Internet empirisch zu untersuchen. Die Ausarbeitungen zu Online-Kommunikation (vgl. Kapitel2.3) haben darüber hinaus gezeigt, dass im Internet Kommunikationsformen und -möglichkeiten mitgedacht werden müssen, die quer zu herkömmlichen Formen der Unterscheidung von massenmedialer, medialer oder interpersonaler Kommunikation liegen. Die Kommunikationsräume haben, wie ausgeführt, nur bedingt physische räumliche Strukturen. Sie entstehen vielmehr im alltäglichen, zivilgesellschaftlichen oder institutionellen Handeln und in dessen Kontexten. Vielfältige Kommunikations-
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räume haben so einen politischen Impetus. Das in den Blick nehmen all dieser Kommunikationsräume ermöglicht Kommunikationsprozesse in ihrer Gänze zu erfassen. Wenn nur institutionell hergestellte Kommunikationsräume analysiert werden, sind solche Ergebnisse von OnlineKommunikation nicht verwunderlich, die konstatieren, dass im Internet die gleichen Wissenschafts- und betreiberdominierten Seiten vorherrschen wie in Printmedien (vgl. Gerhards/Schäfer 2006: 155 ff. ). Bei klassischen Massenmedien wird häufig deren Rolle bei der gesellschaftlichen Themenherstellung betont, doch sind es nicht nur Massenmedien - das gilt insbesondere für das Internet-, die Themen her- bzw. bereitstellen. Im Internet haben Institutionen, zivilgesellschaftliche Gruppen und Individuen die Möglichkeit, Themen zu platzieren - auf individuelle und/oder kooperative Weise. Zudem werden nicht ausschließlich redaktionell bearbeitete und selektierte Themen bereitgestellt; all das, w as unter dem Stichwort "user-generated-content" gefasst wird, ist unter Umständen weit davon entfernt. In der im empirischen Teil durchgeführten Analyse der Online-Debatte zu Arigona Zogaj wird dies insbesondere deutlich. Aufgrund dessen ist es notwendig, Analyseebenen zu entwickeln, anhand derer sich politischen Kommunikationsräume im Internet erfassen lassen. Durch die beschriebene theoretische Konzeptualisierung und die Entwicklung von Analyseebenen soll vermieden werden, empirische Kommunikationsflüsse lediglich zu beschreiben. Die verschiedenen Räume im Internet bedingen- wie ausgeführt- vielfältige Öffentlichkeiten, diese konzeptionellen Überlegungen sind die Grundlage einer analytischen Unterscheidung der Ausgestaltung politischer Kommunikationsräume. Die im Folgenden dargestellten Analyseebenen resultieren dementsprechend aus der Positionsbestimmung zur politischen Kommunikation (Kapitel 2) und den zentralen Perspektiven aus Raum- und Öffentlichkeitstheorien (Kapitel3 und 4). Grundlage der Analyseebenen ist eine Unterscheidung nach Akteurinnen sowie nach Politikbereichen. Hinsichtlich der Akteurinnen wird erstens zwischen institutionellen, zivilgesellschaftlichen und " privaten" Akteurinnen unterschieden, die das Internet nutzen, um damit Politik zu betreiben oder in ihrer Kommunikation Öffentlichkeiten zu gestalten. Die Einteilung in verschiedene Politikebenen resultiert zweitens aus unterscheidbaren politischen Bereichen. Eine hierarchische Anordnung ist insofern möglich, als manche Politikbereiche durchsetzungsfähiger sind als andere, ohne dass dabei eine Abstufung nach Wertigkeit durchgeführt wird. Die Unterscheidung in verschiedene Kommunikationsräume bietet dementsprechend eine Analysehilfe. Gemäß den theoretischen Ausarbei-
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tungen wird versucht, möglichst alle beteiligten Akteursgruppen an einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess zu erfassen. Die in den politischen Kommunikationsräumen im Internet stattfindenden Prozesse von Online-Kommunikation werden zur Analyse ausgewählter Seiten genutzt. Damit wird natürlich nicht politische Öffentlichkeit im Internet insgesamt abgebildet; es können aber Aussagen zu einem bestimmten Untersuchungsfeld in einem bestimmten Zeitraum getroffen werden. Diese führt zu den konkreten politischen Kommunikationsräumen, die im Folgenden identifiziert werden. Die analytische Trennung in verschiedene Kommunikationsräume ist nicht starr und ein für alle Mal fixiert, sondern auch immer wandelbar. Konkret differenziere ich zwischen den folgenden fünf Ebenen (vgl. auch Tabelle 5-1): (1) Das Internet als politischer Raum I: institutionelle und staatliche Politik (2) Das Internet als politischer Raum II: Zivilgesellschaften, Interessensgruppen und soziale Bewegungen (3) Das Internet als Medienraum: Mediengesteuerte und medieninitiierte Online-Angebote (4) Das Internet als Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten (5) Das Internet als persönlicher Raum1 Im Internet als politischer Raum I, der institutionellen und staatlichen Politik, finden sich die politischen Kommunikationsformen und Akteurinnen, die einer traditionellen Sichtweise zufolge als politisch gesehen werden. Sie umfassen professionalisierte und routinisierte Kommunikationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit von etablierten politischen Akteurinnen und Institutionen (vgl. Lang 1994: 210 ff.). Darunter fallen Akteurinnen aus Parteien und Institutionen, Exekutive und Legislative- meist wird dieser Bereich als eGovernment bezeichnet. Damit zusammenhängen spezifische Kommunikationsformen wie Regierungskommunikation, Wahlkampfkommunikation und staatliche Informationsbereitstellung, aber auch die Möglichkeit der Online-Wahl oder eines Online-Referendums. Diese Akteurinnen werden häufig als das " politische Zentrum" oder als zentrale Akteurinnen politischer Kommunikation angesehen, da sie mit konkreter Entscheidungsmacht ausgestattet sind. In politischen Debatten und damit auch in politischen Kommunikationsprozessen sind sie aufgrund dessen meist die dominierenden Akteurinnen.
Denkbar wäre auch ein Raum der "Beziehungen", unter den Online-Gemeinschaften wie beispielsweise Facebook fallen würden. Da allerdings nur öffentlich zugängliche Räume untersucht werden, fällt dieser Raum aus dem Konzept heraus.
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Die sich im Internet als politischer Raum II der Zivilgesellschaften, Interessensgruppen und soziale Bewegungen konstituierenden Öffentlichkeiten besteht aus Protest- und Vernetzungskommunikation von sozialen Bewegungen und unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen. Sie zeichnen sich durch kollektive Akte politischen Handeins aus, die unterschiedlich spontan bis institutionalisiert, als auch organisiert sein können. In der Internetforschung wird häufig für eine Beschreibung der Begriff der eDemocracy verwendet, der den Bereich des eGovernment um zivilgesellschaftliche Akteurinnen erweitert. Die Unterscheidung in staatliche und zivilgesellschaftliche Akteurinnen orientiert sich u .a. an Habermas (1992: 443), der staatliche Akteurinnen und nicht-staatliche Akteurinnen unterscheidet und letztere der Zivilgesellschaft zuordnet. Habermas sieht in zivilgesellschaftlichen Akteurinnen vornehmlich solche, die einen demokratischen Anspruch verfolgen. Auch Mouffe (2007a) betont, dass ein Grundkonsens über demokratische Werte die Voraussetzung für demokratische Debatten ist. Jedoch können durch die prinzipielle Offenheit des Internets auch rechtsextreme Seiten oder Beiträge innerhalb von Foren bzw. Kommentaren Teil der Analyse werden. Quer zu allen Räumen verläuft das Internet als Medienraum in Form von mediengesteuerten bzw. medieninitiierten Kommunikationsformen. Hierunter sind zum einen die Online-Angebote von Medien (also beispielsweise von Tageszeitungen) gefasst, aber auch Journalistlnnenblogs sowie medieninitiierte Foren und Kommentarmöglichkeiten. Damit ist eine massenmediale Informationsbereitstellung mit weiteren Formen individueller Äußerungen verknüpft und vermischt. Bei medieninitiierten Foren und Kommentarmöglichkeiten werden Überschneidungen zum Internet als Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten erkennbar, in dem nicht als Expertinnen ausgewiesene Bürgerinnen über politische Themen diskutieren und kommunizieren. Unter Alltagsöffentlichkeiten werden Öffentlichkeiten verstanden, die sich über spontan entwickelnde Kommunikation im Alltag bilden. Darunter fallen individuelle politische Äußerungen in nicht hochgradig institutionalisierten Kontexten; so können Aussagen von Nutzerinnen in Foren über eine Vielzahl von Themen und deren Deutungen erfasst werden. Das wahrnehmbare Akteursspektrum in gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen wird damit erweitert. Das Internet als persönlicher Raum entspricht einem weiten Politikbegriff, der auch Privates und Persönliches als politisch mit einbezieht und so auch individuelle Äußerungen einzelner Bürgerinnen umfasst. Schmidt (2009: 107f.) spricht von "persönlichen Öffentlichkeiten", da Nutzerinnen die Möglichkeit haben, sich mit ihren eigenen Interessen,
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Erlebnissen und Meinungen zu präsentieren. Diese individuellen Äußerungen finden sich auf Blogs oder persönlichen Homepages und sind teilweise an ein disparates Publikum gerichtet oder haben einen festen Adressatlnnenkreis, da Blogs häufig untereinander vernetzt sind.
Tabelle 5-l: Analyseebenen politischer Kommunikationsräume im Internet Bezeichnung
Gegenstandsbereich
Das Internet als politischer Raum I: Institutionelle und staatliche Politik
Formen: Online-Wahl, Online-Referen dum, Computervermittelte staatliche Information und Kommunikation, eGovemment Webseiten: Regionale und nationale Regierungsseiten, Parteien, Blogs von Abgeordneten.
Das Internet als politischer Raum II: Interessensgruppen und soziale Bewegungen
Formen: Gegenöffentlichkeit, OnlinePetitionen, Online-Protest, eDemocracy Webseiten: zivilgesellschaftliche Gruppen soziale Bewegungen; Interessensgruppen (z.B. Attac, SOS Rassismus), alternative Medien.
Das Internet als Mediemaum: Mediengesteuerte und medieninitiierte Online-Angebote
Formen: massenmediale Informationsbereitstellung, Kommentarfunktion für Userlnnen, von Medien bereitgestellte Foren Webseiten: überregionale/regionale Tageszeitung, Qualitätszeitung, Boulevardzeitung, Blogs von Journalistlnnen.
Das Internet als Diskussions- & Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten: Politikforen
Formen: Deliberation und Austausch über eine Vielzahl von Themen, teilweise vorgegeben, teilweise von den Teilnehmerinnen selbst gewählt. Webseiten: Online-Politikforen.
Das Internet als persönlicher Raum: Blogs und persönliche Homepages
Formen: Tagebücher, Selbstdarstellung, Reportagen und Berichte, teilweise Kommentare von Leserinnen möglich Webseiten: Blogs, persönliche H omepages.
Das Modell der politischen Kommunikationsräume bildet damit den wahrnehmbaren Raum, der als soziale Praxis verstanden wird. Die Repräsentationen von Raum sind die Diskurse und Debatten, die die Vorstellung über gesellschaftliche Prozesse prägen, sie spiegeln sich in den Formen des jeweiligen Kommunikationsraums wider. Die einzelnen Kommunikationsräume unterscheiden sich dabei durch die jeweiligen Formen und Webseiten, die den Gegenstandsbereich beschreiben. Erkennbar sind auch verschiedene demokratietheoretische Verfahrenswei-
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sen, die den Bürgerinnen entweder Teilhabemöglichkeiten einräumen oder eher auf einer repräsentativen Ebene verbleiben. Alle möglichen Formen dieser Debatte haben dabei einen politischen Impetus, auch jene, die nicht institutionalisiert sind. Die Anmerkungen zu politischen Kommunikationsräumen als Konzept und die konkreten Analyseebenen dienen dazu, Kommunikation und politische Prozesse im Internet zugleich angemessen theoretisch zu beschreiben als auch empirisch zu erfassen. Das daraus entwickelte Modell dient dann im Weiteren als Grundlage der Analyse der OnlineDebatte um Arigona Zogaj. Sowohl im Hinblick auf die Durchführung der Studie als auch auf die Ergebnisdarstellung sind das Modell und die darin enthaltenen Analyseebenen maßgeblich. Die Grenzen des Modells der politischen Kommunikationsräume werden im abschließenden Fazit zur Diskussion gestellt.
Teil 111: Gesellschaftliche Aushandlungsprozesse im Internet am Beispiel der Migrationsdebatte um Arigona Zogaj Nach der Erarbeitung der theoretischen Grundlagen folgt in Teil III der zweite Schwerpunkt der Arbeit. In diesem wird das Modell der politischen Kommunikationsräume im Internet zugrunde gelegt, um gesellschaftliche Aushandlungsprozesse im Internet am Beispiel der Migrationsdebatte um Arigona Zogaj zu untersuchen. Dafür wird zunächst das Untersuchungsdesign vorgestellt, das auf dem Konzept und den Analyseebenen der politischen Kommunikationsräume im Internet fußt (Kapitel 6). Daran anschließend werden die Ergebnisse der quantitativen Analyse, die sich auf die Strukturierung der Kommunikationsräume beziehen, dargestellt (Kapitel 7). Die Ergebnisse und Interpretationen der qualitativen Analyse, die die Deutungsmuster und Positionierungen innerhalb dieser Debatte erfassen, werden abschließend diskutiert (Kapitel 8).
6 Untersuchungsdesign: Online-Kommunikation über Arigona Zogaj Ausgehend von dem theoretischen Modell politischer Kommunikationsräume wird im Folgenden das Untersuchungsdesign für p olitische Prozesse und Kommunikation im Internet entwickelt. Wichtig für die Auswahl des Themas der Online-Debatte w aren folgende Voraussetzungen: Der Untersuchungsgegenstand sollte thematisch relativ klar abgrenzbar und Gegenstand aktueller Debatten und breiter Diskussionen sein, damit eine sogenannte Echtzeitrecherche möglich ist, da im Nachhinein OnlineKommunikation aufgrund der technischen Gegebenheiten schwierig zu rekonstruieren ist. Empirische Grundlage ist dementsprechend ein zentrales und aktuelles Medienereignis in Österreich, das sowohl in den Massenmedien als auch im Internet stark diskutiert wurde. Schon John Fiske (1996) hat Medienereignisse als Auslöser politischer Benennungskämpfe in Massenmedien untersucht (vgl. auch Dörner 2006: 224); heutzutage finden solche gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse zunehmend auch im Internet statt. Insbesondere Fragen der Migration sind in Massenmedien und im Internet ein kontrovers diskutiertes Ereignis. Einzelne Fälle entfachen publizistische Kontroversen, wie beispielsweise die Berichterstattung über Marcus Omofuma in den 1990er Jahren zeigte.1 Für die vorliegende Untersuchung wurde dementsprechend die zum Zeitpunkt der Untersuchung aktuelle Debatte in Österreich um die Frage nach einem Bleiberecht für die Migrantin Arigona Zogaj ausgewählt. In solchen als Medienereignis zu d efinierenden Debatten werden gesellschaftliche Diskurse aufgenommen, Sinnentwürfe entw ickelt sowie Normen und Werte verstärkt und verändert. Machtstrukturen entlang von Kategorien wie Klasse, Ethnizität und Geschlecht werden dabei deutlich, stehen aber ebenso zur Disposition (vgl. Dörner 2006: 224).
Marcus Omofuma starb im Jahr 1999 bei der Abschiebung aus Österreich nach Nigeria, u.a. die Kronen Zeitung rechtfertigte das Vorgehen der Polizeibeamten (vgl. http://no-racism.net/article/485/ Abruf: 20.10.2011) und löste damit eine kon troverse Debatte aus.
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In den folgenden Abschnitten wird zunächst zu einer besseren Einordnung die Chronologie des "Falls"2 Arigona Zogaj vorgestellt. Aufbauend auf die Forschungsfragen und Hypothesen wird anschließend das methodische Vorgehen in einzelne Phasen zusammengefasst und erläutert. Das Kapitel schließt mit der Darstellung des Untersuchungsdesigns, das sowohl die theoretischen Konzeptualisierungen als auch die Anforderungen an eine Online-Inhaltsanalyse berücksichtigt.
6.1 Zur Einordnung: Entwicklung des "Falls" Arigona Zogaj Die Debatte um Arigona Zogaj, die als Acht-Jährige mit ihrer Familie aus dem Kosovo nach Österreich flüchtete und schließlich nach jahrelangem Aufenthalt die Aufforderung zur Ausreise erhielt, kann im Sinne von Fiske (1996) als ein Medienereignis gelten. Der "Fall" Arigona Zogaj war sowohl Teil politischer als auch medialer Debatten. Besondere mediale Aufmerksamkeit erhielt Arigona Zogaj als sie im Jahr 2007 versuchte, sich der drohenden Abschiebung in den Kosovo zu entziehen, indem sie untertauchte.3 Während ihr Vater und ihre Brüder abgeschoben wurden, durfte ihre Mutter aufgrund psychischer Probleme vorerst in Österreich bleiben. Arigona Zogaj wandte sich kurze Zeit später aus ihrem Versteck mit einem Video an die Öffentlichkeit. Sie sagte darin, dass sie lieber Selbstmord verüben würde, als in den Kosovo zurückzukehren. Das Video wurde bei der Sendung Zeit im Bild des ORF gezeigt. Die BoulevardZeitung Kronen Zeitung startete anfangs eine Kampagne zum Verbleib Arigona Zogajs (vgl. Kronen Zeitung 3.10.2007, Herczeg 2009), bald überwog jedoch eine ablehnende Berichterstattung. Der damalige Innenminister Günther Platter (ÖVP) verurteilte das Video sogleich als einen Versuch der Erpressung des Rechtsstaats. Er sah in diesem Verhalten einen Indikator für eine misslungene Integration und beharrte auf dem Ausreisebescheid. Die Familie Zogaj legte wiederholt Berufung gegen die Ausreiseentscheidung ein. Letztlich wurde Arigona Zogaj genehmigt, ihren Schulabschluss in Österreich zu machen; ihre Mutter durfte in dieser Zeit bei ihr bleiben. Nach erfolgreichem Schulabschluss erhielten beide im November 2009 eine Aufforderung zur Ausreise und verließen Österreich 2 In Bezug auf Migrationsdebatten über einzelne Personen wird in den politischen und medialen Debatten häufig die Bezeichnung "Fall" gewählt. Eine Terminologie, die den einzelnen Migrantlnnen nur einen Objektstatus einräumt. Um eine kritische Distanz zu wahren, wird im Folgenden der Ausdruck " Fall" in Anführungszeichen gesetzt. 3 Zur Chronologie vgl. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Asylfall_Familie_Zogaj (Abruf 20.10.2011)
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im Juli 2010. 4 Die massenmediale Aufmerksamkeit richtete sich seit der Videobotschaft Arigona Zogajs auf die Familie, insbesondere aber auf die Person Arigona Zogaj. Auch Politikerinnen äußerten sich zum "Fall", so wurde beispielsweise Maria Fekter (ÖVP), die Österreichische Innenministerinvon 2008 bis 2011, zitiert, sie unterstütze den Ausreisebescheid trotz der "Reh-Augen, die sie anblicken" (vgl. Die Presse 14.01.2009). Zu verschiedenen Zeitpunkten des Aufenthaltsverfahrens der Familie Zogaj entbrannten massenmedial gestützte heftige Debatten über den Verbleib der Familie in Österreich oder die Ausweisung in den Kosovo. Zeitgleich zur massenmedialen Debatte wurde dieses Ereignis auch im Internet intensiv diskutiert, wie die hohe Zahl der Treffer bei einer Personensuche bei Google belegt, die über den Untersuchungszeitraum hinweg kontinuierlich anstieg (26.800 Ergebnisse am 30. November 2009 und 111.000 Ergebnissen am 31. Juli 2010- vgl. Abbildung 6-2, S. 146). Die Mediendebatte um die (drohende) Ausreise polarisierte von Beginn an und war Teil verschiedener Diskurse im Zusammenhang von Politik, Medien und Alltag. Berichterstattung über Migration ist ein zentrales und politisch kontroverses Thema in Österreichischen Massenmedien (vgl. EUMC-Report 2002). Die Debatte um Arigona Zogaj betrifft damit die in KapitelS als zentral für eine Gesellschaft festgestellten Verhandlungen über Konzepte von Inklusion, Identität, Zugehörigkeit und Teilhabe und findet auf allen Öffentlichkeitsebenen statt. Zentrale Facetten des Gegenstandsbereichs der politischen Kommunikation w erden berührt, da die Rolle von Bürgerinnen innerhalb demokratiepolitischer Prozesse verhandelt wird. In den Aushandlungsprozessen über Bleiberecht oder Abschiebung wurden Machtfragen sowie deren Auswirkungen auf Menschen thematisiert und diskutiert. Zudem lässt sich die Problematik des Umgangs mit den Themenkomplexen Migration und Inklusion anhand der Berichterstattung und der Online-Debatten über diesen Einzelfall hinaus beobachten. Eng damit verwoben sind Aushandlungsprozesse über Staatsbürgerschaft, die über Zugehörigkeit und Teilhabe an einer Gesellschaft bestimmen. Diese Aushandlungsprozesse kreisen dementsprechend um die Frage, wer Mitglied einer politischen Gemeinschaft oder eines Staates ist oder werden darf und wer davon ausgeschlossen bleibt. In Debatten über Migration wird also auf vielfältigen Ebenen über Zugehörigkeit diskutiert, was wiederum eng mit Fragen der Inklusion und Exklusion sowie von Identität und Gemeinschaft zusammenhängt. 4 Im November 2010 ist Arigona Zogaj wieder mit einem Schülervisum nach Österreich eingereist (vgl. ORF vorn 24.11.2010, h ttp://ooev1.orf.at/stories/483609 Abruf: 3.10.2011). Dieses Ereignis fällt jedoch nicht mehr in den Untersuchungszeitraum der Arbeit.
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Ausgehend von der konkreten Debatte um Arigona Zogaj im Internet werden so im empirischen Teil dieser Arbeit Positionen, Argumente und Deutungsrahmen erfasst, die sich auf zentrale demokratietheoretische Komponenten wie Inklusion, Identität, Zugehörigkeit und Teilhabe beziehen.
6.2 Forschungsfragen und Hypothesen Die in Abschnitt 1.2 aufgeworfenen zentralen Forschungsfragen werden in diesem Abschnitt auf die konkrete Online-Debatte zugespitzt und entsprechend reformuliert. Im Mittelpunkt der verschiedenen Analyseverfahren stehen also - ausgehend von den theoretischen Überlegungen die folgenden Fragestellungen: • Wie gestaltet sich die Debatte um Arigona Zogaj im Internet? Wie ist die Debatte mit Fragen der Migration, Staatsbürgerschaft, Gemeinschaft und Identität verknüpft? • Welche Positionierungen und Verortungen finden sich in den verschiedenen politischen Kommunikationsräumen und welche Öffentlichkeiten generieren sich daraus im Internet? Entsprechend dem Erkenntnisinteresse und den theoretischen Konzeptualisierungen lassen sich weitere konkrete Forschungsfragen stellen. Diese betreffen die Struktur der Debatte, die Konstruktionen von Identität und Migration, Inszenierungs- und Darstellungsdimensionen und Personalisierungen sowie medienspezifische Fragestellungen. Konkret ergeben sich daraus die folgenden Fragen: • Welche Akteurinnen bzw. Anbieterinnen nutzen welche Formen der politischen Artikulation? Welche Akteurinnen sprechen und handeln? Und über wen wird (nur) gesprochen? • Fokussiert die Debatte auf die Person Arigona Zogaj oder ist sie mit anderen Themen und Ereignissen verknüpft? Wenn ja, wie ist sie etwa in den größeren Themenkomplex Migration und Zugehörigkeit eingebettet? • Wie strukturieren Inhalte, Positionierungen und gegenseitige Bezüge der jeweiligen Akteursgruppen die p olitischen Kommunikationsräume im Internet? Um die Forschungsfragen zu beantworten, werden im Folgenden Hypothesen aufgestellt. Die Hypothesen orientieren sich an den Begriffsbestimmungen und den theoretischen Bezügen dieser Arbeit zu Raum und Öffentlichkeit (vgl. Kapitel3 und 4). Der Stellenwert der H yp othesen bemisst sich zunächst als Orientierung insbesondere der quantitativen Ana-
Untersuchungsdesign 1135
lyse und dient zu einer ersten Erfassung der untersuchten Webseiten. Weitere Hypothesen vor allem bei der qualitativen Analyse entstehen im Forschungsprozess selber, wenn sich aus dem Material heraus neue Erkenntnisse ergeben. Insbesondere in den 1990er Jahren wurde davon ausgegangen, dass im Internet neue Öffentlichkeiten, die neue demokratische Impulse setzen, entstehen können. Mittlerweile haben diese Hoffnungen einer größeren Skepsis Platz gemacht (vgl. Abschnitt 2.3). Dennoch scheinen verschiedene Teilöffentlichkeiten neben den massenmediale Öffentlichkeit an deliberativen Prozessen teilzunehmen, da im Internet vermehrt zivilgesellschaftliche und einzelne Akteurinnen, wie beispielsweise Bloggerlnnen, neben etablierteren Akteurinnen sichtbar und wahrnehmbar werden. Dementsprechend lautet die erste Hypothese: Hl) Es gibt im Internet eine große Bandbreite an Sprecherinnen und Akteurinnen (insbesondere auf zivilgesellschaftlicher Ebene), die als Sprechende auftauchen und auf die durch Verweise aufmerksam gemacht wird. So haben vermehrt Akteurinnen aus einfachen und mittleren Öffentlichkeiten die Möglichkeit, sich an gesellschaftlichen Diskursen zu beteiligen. Daran schließen die folgenden Annahmen an, mit denen geprüft werden soll, ob auf verschiedenen Öffentlichkeitsebenen unterschiedliche Themen verhandelt werden. Durch eine einfachere Vernetzung und neue Beteiligungsmöglichkeiten können auch solche Themen Teil politischer Kommunikation werden bzw. Eingang in mittlere und komplexe Öffentlichkeiten finden, die bisher als "privat", "nicht-öffentlich", "nichtpolitisch" konnotiert waren und damit in einer traditionellen Sichtweise auf politische Kommunikation einfachen Öffentlichkeiten zugerechnet wurden. Aufgrund der Partizipationsmöglichkeiten einer Vielzahl von Akteurinnen ist des Weiteren anzunehmen, dass Informationen nicht nur von Massenmedien gefiltert und verbreitet werden, sondern vielmehr eine große Zahl an Akteurinnen im Internet Informationen bereitstellen, zu Aktionen aufrufen und eigene Positionen argumentativ vertreten kann. Die Hypothesen lauten dementsprechend: H2) Die kommunikative Struktur des Internets ermöglicht eine Themenvielfalt, die privat und politisch konnotierte Themen gleichermaßen berücksichtigt. H3) Die Verhandlung privat und politisch konnotierter Themen unterscheidet sich jedoch auf den verschiedenen Öffentlichkeitsebenen. Zivilgesellschaftliche Akteurinnen verwenden zumeist Aufrufe und sind auf Mobilisierung ausgerichtet, während die institutionellen
136 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Akteurinnen und Regierungsparteien das Internet zumeist zur Informationsbereitstellung nutzen. Des Weiteren lässt sich vermuten, dass alternative Positionen und gegenhegemoniale Diskurse eher auf der einfachen Öffentlichkeitsebene zu finden sind, da diese Themen selten Eingang in die komplexen Öffentlichkeiten finden (vgl. Fraser 1994). Deswegen werden auf diesen Internetseilen vermehrt thematische und personelle Bezüge zu komplexen Öffentlichkeiten, also den institutionellen Akteurinnen, aufzufinden sein, als dies umgekehrt der Fall ist. Zu vermuten ist weiterhin, dass zivilgesellschaftliche Akteurlnnen, also die der mittleren Öffentlichkeit zugehörigen Akteurlnnen, in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Da sie teilweise an komplexen Öffentlichkeilen teilhaben, könnte eine konkurrierende Auseinandersetzung um die Deutungsmacht über bestimmte Ereignisse entstehen. Diese Überlegungen führen zu folgenden Hypothesen: H4) Komplexe Öffentlichkeilen weisen selten Bezugnahmen zu mittleren und einfachen Öffentlichkeilen auf. HS) Umgekehrt gilt: einfache Öffentlichkeilen verweisen häufig auf komplexen Öffentlichkeiten. H6) Zivilgesellschaftliche Akteurlnnen, und damit mittlere Öffentlichkeiten, beziehen sich häufig aufeinander und versuchen so, ihre Positionen zu verbreiten bzw. durchzusetzen. Damit konkurrieren mittlere Öffentlichkeilen untereinander um die Deutungsmacht zu einem bestimmten Thema. Wie im Forschungsstand zur Online-Kommunikation (Abschnitt 2.3) gezeigt, nutzen häufig nicht-institutionelle Akteurinnen die Möglichkeiten, die Web 2.0-Anwendungen bieten. Das heißt, sie haben interaktive Elemente in ihre Seite eingebunden und ziehen damit Nutzerinnen verstärkt in die Themenaushandlung ein. Daraus ergibt sich die folgende Hypothese: H7) Vor allem individuelle und zivilgesellschaftliche Akteurinnen nutzen Möglichkeiten der Interaktion mittels des so genannten Web 2.0. Thematisch lässt sich vermuten, dass die Debatte um Arigona Zogaj in den Online-Texten entweder Hauptthema oder eng mit dem Themenspektrum der Asyl- und Migrationspolitik verknüpft ist. In Anlehnung an Spivaks (1994) Ausführungen wird davon ausgegangen, dass Arigona Zagaj als Migrantin selten selbst direkt zu Wort kommt, sondern für sie gesprochen oder ihr Sprechen von anderen Personen interpretiert wird. Die einzelnen Akteurinnen nutzen so verschiedene Öffentlichkeilen und schaffen damit Identitätsräume, aus denen Arigona Zogaj entweder ex-
Untersuchungsdesign
I 13 7
kludiert wird oder in die sie inkludiert wird. So wird - w ie in Abschnitt 3.4.1 dargestellt - eine imaginäre Gemeinschaft aufgebaut. Da Räume nicht nur eine physische Konstitution haben, sondern auch durch soziale, kulturelle und symbolische Praktiken geschaffen w erden, lassen sich dort Positionierungen und Identitätskonstruktionen untersuchen. Durch die Verarbeitungen von Themen oder Debatten über Ereignisse werden mediale Räume ausgestaltet und konstruiert. Folgende Hypothesen bilden sich aus diesen Beobachtungen: HS) Die Debatte um Arigona Zogaj wird auf verschiedenen Öffentlichkeitsebenen unterschiedlich verortet und in Bezug zu Inklusion, Zugehörigkeit und Identität gesetzt. Dadurch werden innerhalb der einzelnen Öffentlichkeitsebenen Identitätsräume unterschiedlicher Ausprägung hergestellt, die sich hinsichtlich ihrer Inklusions- und Exklusionsprozesse unterscheiden. H9) Meist wird über Arigona Zogaj gesprochen, als handelnde Akteurin kommt sie selten zu Wort, damit werden ihr keine Partizipationschancen am gesellschaftlichen Aushandlungsprozess "Öffentlichkeit'' eingeräumt. Diese Hypothesen werden anhand eines dreistufigen inhaltsanalytischen Verfahrens überprüft, das im Folgenden genauer erläutert wird. Die Ergebnisse geben Antworten auf die eingangs vorgestellten Forschungsfragen.
6.3 Konzeption und Durchführung Auseinandersetzungen über die Wahl der " richtigen" Methode für sozialwissenschaftliche Erhebungen sind zahlreich. Als Konsens wird mittlerweile angesehen, dass die Messung von Singularitäten, wie bei einer qualitativen Analyse möglich, genauso wichtig ist wie die Messung von Häufigkeiten bei einer quantitativen Analyse (vgl. dazu früh Krakauer 1972). Quantitative und qualitative Analysen, insbesondere Inhaltsanalysen, werden je nach Forschungsinteresse zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt. Während bei quantitativen Analysen Häufigkeitsauszählungen und damit ein Überblick über den gesamten Forschungsgegenstand im Mittelpunkt steht, werden mit qualitativen Methoden soziale Konstruktionen und Zusammenhänge untersucht. Ritsert wies schon 1972 darauf hin, dass solche Kontext-Momente wichtig sind, um Fragen nachzugehen, welche Kontexte bei Äußerungen mitschwingen und w elche Konnotationen erkennbar werden (vgl. Ritsert 1972: 15-21). Medienaussagen sind demzufolge ohne - die vor allem durch eine qualitative Analyse er-
138 I Politische Kommunikationsräume im Internet
fassbaren- gesellschaftliche Kontexte nicht verstehbar. Vorab festgelegte Kategorien, wie bei quantitativen Verfahrensweisen eingesetzt, können lediglich das messen, was vorab konzeptuell zugelassen wurde. Damit ist der Anspruch, objektivere Ergebnisse zu liefern nur scheinbar einzulösen. Die qualitative Forschung hingegen bewahrt sich eine gewisse Offenheit gegenüber dem Untersuchungsobjekt, der Situationen und den Methoden der Untersuchung, denn Hypothesen und Kategorien können während des Analyseprozesses modifiziert und an neu auftretende Fragestellungen angepasst werden (vgl. Mayring 2002: 29). Heutzutage werden quantitative und qualitative Ansätze zur Analyse eines Forschungsgegenstandes zumeist nicht mehr als Gegensätze aufgefasst, sondern als gewinnbringende wechselseitige Ergänzungen. Je nach Forschungsgegenstand und -ziel werden quantitative oder qualitative Ansätze bzw. eine Kombination aus mehreren methodischen Ansätzen, eine sogenannte Methoden-Triangulation, verwendet (für einen Überblick vgl. z.B. Atteslander 2006). Früh (2005: 67) spricht bezogen auf die Inhaltsanalyse von einer eigentlich "irreführenden Unterscheidung" in eine quantitativen auf der einen und einer qualitativen Inhaltsanalyse auf der anderen Seite. Denn, so Früh, zumeist vermischen beim Vorgehen beide Verfahren, da beispielsweise auch die qualitative Inhaltsanalyse Schlüsse aus quantifizierbaren Merkmalen zieht. In verschiedene Phasen des Forschungsprozesses können also sowohl qualifizierende als auch quantifizierende Aspekte einfließen. Eine der qualitativen Inhaltsanalyse vorangestellte quantitative Analyse erlaubt demzufolge einen Überblick über den Forschungsgegenstand. Darüber hinaus wird bei inhaltsanalytischen Verfahren zwischen einem induktiven und deduktiven Vorgehen bei der Hypothesen- und Kategorienbildung unterschieden. Bei der deduktiven Kategorienbildung werden die Kategorien vorab definiert, indem theoriegeleitet Definitionen formuliert und festgelegt werden (vgl. Mayring 2010). Dieses Verfahren wird größtenteils bei der quantitativen Inhaltsanalyse angewendet, findet aber auch Verwendung bei der qualitativen Inhaltsanalyse. So können nach Mayring (2010) deduktiv gewonnene Kategorien in einem qualitativen Analyseschritt bestimmten Textstellen zugeordnet werden. Bei einem induktiven Vorgehen werden die Hypothesen während des Forschungsprozesses generiert und die Kategorien aus dem Material heraus gebildet. Diese können auch weiter bearbeitet werden, zu Überkategorien zusammengefasst oder, je nach Fragestellung, auch nach quantitativen Aspekten ausgewertet werden (vgl. Mayring 2010).
Untersuchungsdesign I 139
Gerade für eine Analyse von Online-Texten bietet sich eine Kombination mehrerer Verfahren an. Aufgrund der (technischen) Beschaffenheit des Internets gibt es Aspekte, die sich nicht mit nur einer Methode erfassen lassen, beispielsweise können die vielfältigen Verknüpfungsmöglichkeiten, wie Hyperlinks, rein quantitativ nicht hinsichtlich ihrer Wertung untersucht werden. Auch ist es durch die Mischung von Beitragsgattungen, wie u.a. bei den Kommentaren zu einem Beitrag einer Online-Zeitung, die sich hinsichtlich ihrer Gattung unterscheiden, schwierig diese angemessen zu codieren. Webseiten lassen sich also inhaltsanalytisch erfassen, allerdings zeigen sich hier einige zu berücksichtigende mediale Besonderheiten. So birgt die Ermittlung einer Grundgesamtheit im Internet Schwierigkeiten, die Festlegung der Auswahleinheit muss sorgfältig begründet werden und die Analyseeinheit sollte die medienspezifischen Charakteristika von Online-Texten berücksichtigen. Auch sind die Untersuchungs- und Analyseeinheiten dynamisch und nicht fixierbar. Für eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit ist deswegen eine Archivierung der Seiten unumgänglich. Ausgehend von den dargestellten Überlegungen wurde die OnlineDebatte über Arigona Zogaj und damit die politischen Kommunikationsräume im Internet mit Hilfe einer Kombination aus quantitativen und qualitativen Ansätzen analysiert. Mit einer quantitativen Inhaltsanalyse, wie von Mayring (2010) oder Rössler (2010) vorgeschlagen, werden die Strukturen und formalen Aspekte abgefragt, darauf aufbauend mit Hilfe einer qualitative Inhaltsanalysen die Konstruktionen, A rgumentationsstränge und dahinterliegende Konzepte sowie die Bezugnahmen zwischen verschiedenen Kommunikationsräumen analysiert. Im Mittelpunkt der Analyse stehen somit- im Sinne einer Triangulation -sowohl quantitativ auszählbare Merkmalsausprägungen, als auch die durch eine qualitative Analyse sichtbar werdenden gesellschaftlichen Konstruktionen. Mit der hier verfolgten Kombination mehrerer methodischer Ansätze werden die bisherigen Perspektiven und Ansätze der Online-Forschung ergänzt. Methodisch dient das vorgeschlagene Untersuchungsdesign damit einer Weiterentwicklung der Methoden der Online-Forschung, insbesondere der Online-Kommunikation. Wie in Abschnitt 2.3 dargestellt, isttrotzaller Beliebtheit von Online-Analysen eine umfassende methodische Reflexion der zahlreichen Probleme und methodischen Herausforderungen bisher ausgeblieben. Jedem Untersuchungsdesign sind allerdings zwangsläufig Ausschlüsse inhärent, so dass manche Aspekte, obwohl sie wichtig sind, nicht behandelt werden können. So kann bei dem gewählten Vorgehen nicht geklärt
140 I Politische Kommunikationsräume im Internet
werden, wie Online-Kommunikation im Verhältnis zur Offline-Kommunikation zu sehen ist. Dabei sind Verschränkungen zwischen Online- und Offline-Öffentlichkeiten möglich, wie sich beispielsweise im Jahr 2009 bei den Protesten der Österreichischen Studierendenbewegung beobachten ließ. Diese nutze das Internet, um zu mobilisieren und Veranstaltungen online verfügbar zu machen, der Protest fand jedoch in den Hörsälen statt (vgl. Bernold 2012). Darüber hinaus werden Fragen des Zugangs zum Internet und damit die Problematik des Digital Divide bzw. der Digital Inequality vernachlässigt. Der Fokus der Arbeit liegt auf dem Text bzw. dem Inhalt einer Webseite, die Ziele der Produzentinnen hingegen werden nicht einbezogen, ebenso wenig wird die Wirkung auf die Rezipientinnen untersucht. Aus der Dynamik des Internets ergibt sich im Weiteren das Problem der Datensicherung: Zum Teil werden Beiträge wieder gelöscht, auch werden Online-Texte inhaltlich und gestalterisch geändert. Die Analyse kann also nur eine Momentaufnahme der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Themen und Inhalte darstellen. Bei einer Analyse von Online-Kommunikation kann schwerlich das Einverständnis aller am Kommunikationsprozess Beteiligter eingeholt werden, deswegen sind medienethische Fragestellungen mitzudenken. Da allerdings nur öffentlich einsehbare und zugängliche Texte ausgewählt werden, erscheint dies weniger problematisch als dies beispielsweise bei einer Untersuchung sozialer Netzwerke der Fall wäre, bei der auf geschützte Seiten zugegriffen werden müsste.
6.4 Das methodische Vorgehen im Einzelnen Ausgehend von einer grundlegenden Sichtung und Systematisierung der relevanten Websites sowie der Auswahl des Fallbeispiels für die Analyse wird im Folgenden auf die methodischen Grundlagen eingegangen. In den jeweiligen Abschnitten werden die methodischen Besonderheiten der einzelnen Schritte expliziert. Abbildung 6-1 vermittelt zunächst den Gesamtüberblick bevor in der Folge die einzelnen Schritte des Forschungsprozesses ausführlich beschrieben werden. Der konkrete Ablauf der Untersuchung unterteilt sich in drei Phasen. Die hier grafisch dargestellte Trennung der Arbeitsschritte -von der Bestimmung des zu untersuchenden Materials bis zur Interpretation der Ergebnisse- ist rein analytisch. Nicht alle Schritte sind eindeutig voneinander zu trennen, zwischen den Stufen bestehen nicht nur einseitige Zusammenhänge, sie stehen auch immer in einer wechselseitigen Bezugnahme zu vorangegangen Schritten.
Untersuchungsdesign I 141
Abbildung 6-7 : Darstellung der einzelnen Untersuchungsschritte Fallauswahl
...!..
!
Phase 1: Bestimmung des Materialkorpus, der Stichprobe und Auswahleinheit
Forschungsfragen +Hypothesen
I
...!.. I
Analyse der Printberichterstattun?;
Konturen des inhaltlichen Feldes bezogen auf Akteurlnnen, Positionen, Bezugspunkte und zur Debatte stehende Konzepte
Direktes Aufrufen von Seiten im Internet
*
!
Kontrastierung Suchmaschinenmittels Theoretical . . Suche mittels Sampling zur Stichwörtern Gew innung weiterer Daten
Bestimmung einer Auswahleinheit
I
I
• I
I Auswahl auffälliger, ""''l Phase 2: Quantitative und qualitative Analyse
zentraler Beiträge
"
Deduktive und induktive Kategorienbildung
Kategorienbildung
"'111
I
,.
I
+
t
Quantitative Inhaltsanalyse
I
I Qualitative Inhaltsanalyse I
+ Phase 3: Ergebnisse und Interpretationen
I
Operationalisierung
+
••
Beschreibung der Texte
I
Interpretation der Merkmale und Inhalte der Online-Debatte
I
Interpretation der Ergebnisse: Konstruktionen, Strukturen der Kommunikationsräume, Einordnung in gesellschaftliche Debatten
142 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Phase 1: Bestimmung des Materialkorpus, der Stichprobe und der Auswahleinheit Die Definition einer Grundgesamtheit aller politischen Webseiten bzw. aller Webseiten, auf denen politische Kommunikation stattfindet, um daraus eine Stichprobe zur Analyse ziehen zu können, erweist sich als schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Am ehesten ist, wie Meier et al. (2010: 110) ausführen, die vollständige Auflistung der Grundgesamtheit mit einem thematischen Fokus auf bestimmte Personen und Ereignisse möglich. Für eine Bestimmung der Grundgesamtheit politischer Webseiten schlägt Schweitzer (2010b: 48) vor, die Homepages von Parteien, PolitikerInnen, Regierungseinrichtungen, Bundesländern und Staaten, politische Vereinigungen und Verbände, Gewerkschaften sowie soziale Bewegungen und Aktivistinnengruppen einzubeziehen. Damit kann lediglich eine Annäherung an die Grundgesamtheit mit Hilfe von Suchmaschinen und Auflistungen von Webseiten, so genannten Linkkatalogen, erreicht werden. Jedoch ist die Güte der Ergebnisse eingeschränkt, da Suchmaschinen auf einem bestimmten- nicht offengelegten- Algorithmus beruhen, der die Ergebnisse nicht nachvollziehbar und transparent macht. Darüber hinaus haben " randständige Angebote über Suchmaschinen systematisch geringere Chancen" bei der Auswahl berücksichtigt zu w erden (Welker/Wünsch 2010: 510). Insgesamt lässt sich festhalten, wie auch Rössler (2010) ausführt, dass aufgrund der Größe und Unübersichtlichkeit des Internets die Bestimmung der Grundgesamtheit schwierig ist und zu meist nur eine Annäherung an diese erreicht werden kann. Hinzu kommt, dass bei dem diesem Forschungsvorhaben zugrunde gelegten weiten Politikbegriff eine wie von Schweitzer (2010b) vorgeschlagene Bestimmung der Grundgesamtheit politischer Webseiten nicht möglich ist. Da bei einem weiten Politikbegriff auch die Webseiten von Privatpersonen, gemeinnützigen Vereinigungen, Bildungseinrichtungen, Organisationen und Medien als politisch relevant betrachtet werden, sind somit auch diese Teil der Grundgesamtheit, insofern sie an Debatten zum gewählten Ereignis beteiligt sind. Davon jedoch eine Grundgesamtheit aller im Internet auffindbaren Seiten zu bestimmen, erweist sich als hoffnungsloses Unterfangen. Fraglich ist jedoch, ob die Bestimmung der Grundgesamtheit überhaupt relevant ist, da der Zugang der Nutzerinnen zu Online-Inhalten zumeist über Suchmaschinen erfolgt, damit erh alten auf diesem Weg schwerer auffindbare Seiten weniger Aufmerksamkeit (vgl. Machili et al. 2003: 7, Wolling/Kuhlmann 2003: 150). Aufgrund der dargestellten Problematiken werden bew u sst eingesetzte Auswahlverfahren - etwa die Analyse typischer Fälle - in der Literatur vielfach favori-
Untersuchungsdesign I 143
siert (vgl. Rössler/Wirth 2001: 285 f.), da eine begründbare und intersubjektiv nachvollziehbare Auswahl dem Gegenstand einer Online-Analyse angemessen erscheint. So bietet sich - ausgehend von den Annahmen über eine mögliche Grundgesamtheit - eine anfängliche Bestimmung der Auswahleinheit an und eine Modifizierung dieser im Zuge der Stichprobenziehung. Ausgehend von diesen Überlegungen wurden zur Bestimmung einer Stichprobe und der Auswahleinheit die im Folgenden explizierten Schritte durchgeführt: Zunächst wurde der räumliche und zeitliche Geltungsbereich festgelegt, durch eine exemplarische Analyse der PrintBerichterstattung zum gleichen Zeitpunkt fand eine Vorstrukturierung des Untersuchungsfeldes statt. Das Materialkorpus, bestehend aus den in die Analyse aufgenommenen Internetseiten, wurde durch ein dreistufiges Verfahren gebildet, das sich vom direkten Aufrufen von Internetseiten, über eine Suchmaschinen-Suche bis hin zur zu einer " theoretischen Sättigung", also der Komplettierung durch das Verfahren des Theoretical Sampling erstreckte. Am Ende stand eine Auswahleinheit, die eine möglichst große Zahl typischer Fälle abbilden soll.
Zeitlicher und räumlicher Gegenstandsbereich Den Zeitpunkt und den räumlichen Geltungsbereich zu bestimmen, ist der erste Schritt einer Inhaltsanalyse (vgl. Rössler 2010: 50 ff.) . Mediale Debatten, insbesondere im Internet, haben allerdings selten einen eindeutigen Anfang bzw. ein eindeutiges Ende, auch sind sie mit vielen anderen Debatten und Diskursen verflochten, dies gilt ebenso für die OnlineDebatte über Arigona Zogaj. Aufgrund der spezifischen Entwicklung zog sich die Entscheidung über einen Aufenthaltstitel über Jahre hin. Dadurch flammte periodisch - vor allem bei zentralen Ereignissen - die Debatte auf, wie beispielsweise bei der Zustellung des Ausreisebescheids im November 2009. Allerdings fanden sich auch Verweise auf Arigona Zogaj als Teil einer allgemeinen Debatte über Staatsbürgerschaft und Migration über den gesamten Zeitraum hinweg. Der ausgewählte Zeitraum liegt zwischen zwei zentralen aufeinander folgenden Ereignissen: dem Erhalt des Ausweisungsbescheids im November 2009 und der erfolgten Ausreise im Juli 2010; der Untersuchungszeitraum erstreckt sich damit vom l.November 2009 bis zum 31. Juli 2010. Dies schloss die immer wieder aufflammenden Diskussionen in den acht Monaten zwischen diesen beiden Ereignissen mit ein. Der räumliche Geltungsbereich wurde wie folgt bestimmt: Die Webseiten, die in die Analyse einbezogen wurden, mussten in deutscher Sprache verfasst
144 I Politische Kommunikationsräume im Internet
und öffentlich zugänglich sein, d.h. sie durften nicht mittels Passwort geschützt sein bzw. eine Anmeldung für das Lesen der Inhalte verlangen. 5 (Vor-)Strukturierung durch eine Sichtung der Printberichterstattung
Eine exemplarische Analyse der Printberichterstattung rund um Arigona Zogajs Erhalt des Ausreisebescheids im November 2009, dem Beginn des festgelegten zeitlichen Geltungsbereich, lieferte erste Anhaltspunkte und eine Vorstrukturierung der Debatte. Analysiert wurden die überregionale Tageszeitung Der Standard und die Boulevard-Zeitung Kronen Zeitung. Zusätzlich hinzugezogen wurden Ergebnisse anderer Studien zur massenmedialen Berichterstattung über Migration (vgl. Gruber/Herzceg/ Wallner 2009). Die Analyse der Printberichterstattung zeigte erste Konturen des inhaltlichen Feldes, wie relevante Akteurinnen, verhandelte Positionen und diskutierte Konzepte. Zudem ergaben sich daraus weitere Schlüsselwörter der Debatte und diese konnten in die weitere Recherche einbezogen werden. Deutlich wurde, dass viele Argumentationsstränge in zwei Debatten verankert sind: erstens in einer Debatte in Zusammenhang mit juristischen Fragen und zweitens durch eine Thematisierung von Aspekten der Menschlichkeit. Die Ergebnisse dieser Vorstudie decken sich teilweise mit einer Studie zur massenmedialen Berichterstattung über Arigona Zogaj. Gruber, Herczeg und Wallner (2009) kommen zu dem Ergebnis, dass in den massenmedial vermittelten Diskursen kein gesellschaftlicher Selbstverständigungsprozess über Integration stattfindet, sondern hauptsächlich juristische Fragen diskutiert werden. Ferner stellen die Autorinnen einerseits einen elitendominierten Diskurs fest, der geprägt ist durch innenpolitische Akteurlnnen, auf der anderen Seite machen Leserbriefautorlnnen einen hohen Anteil an beteiligten Akteurinnen aus. Durch die beschriebene exemplarische Analyse der Printberichterstattung wurden zahlreiche Akteurinnen aus Politik, Staat und Zivilgesellschaft und erste Debattenverläufe erkennbar. Darüber hinaus erschien es für die Auswahl der Internetseiten wichtig, ein breites Akteursspektrum einzubeziehen, um möglichst vielfältige argumentative Positionen berücksichtigen zu können.
5 Dadurch liegen so genannte "Social-Networking-Sites", wie Facebook, außerhalb des Untersuchungsbereichs, da der Zugang zu allen Seiten nur mittels einer Anmeldung und Registrierung möglich ist.
Untersuchungsdesign I 145
Direktes Aufrufen von Internetseiten
Ausgehend von den beschriebenen Konturen der massenmedialen Debatte wurden die Webseiten der dort benannten Akteurinnen direkt im Internet aufgerufen und nach Online-Texten zu Arigona Zogaj durchsucht. Die in KapitelS entwickelten Analyseebenen politischer Kommunikationsräume im Internet bildeten die Ausgangsbasis zur Aufnahme w eiterer Webseiten in das Materialkorpus. Auf Grundlage der vorgestellten Einteilung in verschiedene Kommunikation sräume wurden die Webseiten der den jeweiligen Kommunikationsräumen zugeordneten Akteurinnen direkt aufgerufen. Daraus resultierend wurden auf der institutionellen Ebene regionale und nationale Regierungsseiten in die Analyse aufgenommen, w ie die Webseiten des Innenministeriums und der Regierung, da diese für Asylverfahrensfragen und Erteilung eines Aufenthaltstitels zuständig sind. Darüber hinaus wurden die jeweiligen Homepages aller zum Untersuchungszeitpunkt im Nationalrat vertretenen Parteien6 in die Analyse einbezogen, auch Blogs von Abgeordneten w urden hinzu genommen, sofern sie über die Hauptseite der jeweiligen Partei verlinkt waren. Auf der Ebene der Zivilgesellschaften und sozialen Bew egungen wurden zunächst diejenigen in das Materialkorpus aufgenommen, die durch die Analyse in der Printberichterstattung als zentrale Akteurinnen erkennbar waren, wie SOS Rassismus und Amnesty International. Weitergehend w urden bekannte und in anderen Online-Texten erwähnte zivilgesellschaftliche Akteurinnen hinzugezogen, wie etwa der Arbeitskreis Asyl und die unabhängige Informationsseite indymedia.at. Auf der Ebene der mediengesteuerten und medieninitiierten Online-Angebote sind die Webseiten einer Qualitätszeitung (Der Standard) und einer Boulevardzeitung (Kronen Zeitung) Teil des Materialkorpus, ebenfalls die auf diesen Seiten verlinkten Redakteurlnnenblogs. Die medieninitiierten Kommentarmöglichkeiten waren ebenfalls Gegenstand der Analyse. Die Österreichischen Politikforen politikforum.at und zeitwort.at w urden direkt aufgerufen und nach relevanten Debatten zum "Fall" Arigona Zogaj durchsucht. Über Blogsuchmaschinen w urden Blogs von Einzelakteurinnen in das Materialkorpus aufgenommen, in denen Aspekte des Falls verhandelt wurden. Durch diese Vorgehensweise sollte vermieden w erden, dass nur solche Akteurinnen das Materialkorpus bilden, die eine privilegiertere Stellung einnehmen, weil sie im Zentrum massenmedialer Berichterstattung 6 D.h. SPÖ (Sozialdemokratische Partei Österreichs), ÖVP (Österreichische Volkspartei), Die Grünen und FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs).
146 I Politische Kommunikationsräume im Internet
stehen. Um eine breite Auswahl zu gewährleisten, musste diese Auswahlstrategiejedoch noch durch weitere ergänzt werden. Ergänzung durch Suchmaschinenanfragen
Mit dem Untersuchungsschritt "Ergänzung durch Suchmaschinenanfragen" um das Materialkorpus zu komplettieren, wurde aus einer NutzerInnenperspektive heraus angenommen, dass Informationen zum Thema Arigona Zogaj aus dem Internet gefunden w erden sollen. Suchmaschinen sind dabei der offensichtliche Zugang, wie zahlreiche Studien zur Informationsgewinnung im Netz bzw. dem Nutzerverhalten nahelegen (vgl. dazu z.B. den von Machili und Beiler (2007) herausgegebenen Sammelband). Um das Suchverhalten durchschnittlicher Internetnutzerinnen zu simulieren, wurde der Suchbegriff "Arigona AND/OR Zogaj" - wie in der Abbildung 6-2 erkennbar- eingegeben, um so je nach Kombination des Vor- und Nachnamens die Treffer zu erfassen?
Abbildung 6-2: Suche am Stichtag im Juli 2010
Suchbegriff (in den Treffern musste "Arigona" oder/und "Zogaj" vorkommen)
ZnJi!j§trl!!diooftOpflj!fBehlrdfmg •
Kc.e d.. kosovari>c hoo F a milie z~yaj aus Osteneich erlolgL Die
WW 1 Woche) Vergangenheit (> 1 Jahr) sonstiges gesamt
Institutionen 5 55,6%
2 22,2% 1 11,1% 1 11,1% 0 0 0 0 9 100%
Parteien
Zeitungen
18 46,2% 16 41'Yo 1 2,6% 0 0 0 0 4 10,2% 39 100%
40 72,7% 8 14,5% 3 5,5% 0 0 1 1,8% 3 5,5% 55 100%
Zivilgesellschaften 11 66,1% 5 22,7% 0 0 1 5,6% 1 5,6% 0 0 18 100%
Blogs
Foren
gesamt
9 47,7% 9 47,4% 0 0 1 5,3% 0 0 0 0 19 100%
5 100% 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 100%
88 60,7% 40 27,6% 5 3,4% 3 2,1% 2 1,4% 7 4,8% 145 100%
Die Online-Texte zeigen also in ihrer Gesamtheit häufig eine problemorientierte aktuelle Berichterstattung, allerdings werden - anders als in der massenmedialen Berichterstattung - auch Online-Texte ohne zeitlichen Bezug veröffentlicht. Gruber, Herczeg und Wallner (2009: 112 f.) kamen in einer Studie zur massenmedialen Berichterstattung über Arigona Zogaj in Österreichischen Printmedien zu dem Ergebnis, dass die Themenstruktur durch die Berichterstattung über bestimmte Ereignisse dominiert wird. Nach der Nachrichtenwerttheorie sind es Ereignisse, die sich durch Ereignismerkmale als "Nachrichtenfaktoren" auszeichnen und damit als "Nachrichtenwert" publikationswürdig erscheinen (vgl. Kunczik/Zipfel2005: 245 ff.). Diese Fokussierung auf Ereignisse verschiebt sich in der Debatte im Internet geringfügig.
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 1 75
Eng mit der Bezugszeit, also der Aktualität des Ereignisses, hängt der Anlass der Berichterstattung zusammen. Der Anlass wurde gesondert codiert, um Auskünfte darüber zu erhalten, welche Art von Ereignis oder welcher Auslöser den Anlass zur Berichterstattung bzw. für die Entstehung des Online-Textes darstellt (vgl. Tabelle 7-9).
Tabelle 7-9: Darstellung des Anlasses- gesamt Häufigkeit
Prozent
politische/juristische Entscheidung
Anlass
32
22,1
Protest/Demonstration
21
14,5
Medien/Presse
20
13,8
allg. Äußerung zum "Fall" Arigona Zogaj
18
12,4
Reaktion auf Innenministerin Fekter
10
6,9
Reaktion Medienberichterstattung
9
6,2
Ausreise Arigona Zogaj konkret
8
5,5 2,8
Aufruf/Petition
4
Kultur/Theater
4
2,8
Reaktion auf Arigona Zogaj und Familie
4
2,8
Sitzung/Debatte
3
2,1
Parteiveranstaltung
2
1,4
Menschenrechte allg.
1
0,7
sonstiges
3
2
nicht erkennbar
6
4
145
100
gesamt
Für jeden Online-Text wurde so- wenn erkennbar- das Ereignis bzw. der im Text dargestellte Auslöser bestimmt. In der Mehrzahl der untersuchten Online-Texten ließ sich ein Anlass oder ein Auslöser feststellen; in sechs (4 %) Online-Texten war kein Anlass zu erkennen und 18 (12,4 %) Online-Texte stellten eine allgemeine Äußerung zum "Fall" Arigona Zogaj dar, die sich nicht auf einen bestimmten Anlass zurückführen ließ. Wenn ein Anlass genannt ist, dann bezieht sich dieser zumeist auf eine politische und/oder juristische Entscheidung, die debattiert wurde (n= 32, 22,1 %), also eine Reaktion auf das politische System im institutionellen Sinne. Die direkte Bezugnahme auf Maria Fekter, die als Innenministerin zwar dem politischen System zuordbar ist, wurde aufgrund der häufigen Nennung gesondert codiert. So stellen zehn Beiträge (6,9 %) eine Reaktion auf eine Äußerung der Innenministerin Maria Fekter dar. 21 bzw. 14,5% der Online-Texte beziehen sich auf zumeist zivilgesellschaftliche Aktionsformen wie Protestveranstaltungen oder Demonstrati-
176 I Politische Kommunikationsräume im Internet
onen. Als Reaktion auf eine Medienveranstaltung oder Presseaussendung lassen sich 20 (13,8 %) der Online-Texte verstehen und neun Beiträge (6,2 %) beziehen sich auf die Medienberichterstattung in den Massenmedien, also etwa auf einen Zeitungsartikel der Printpresse. Unterschiede zeigen sich hinsichtlich einzelner Akteursgruppen. So sind es insbesondere Online-Zeitungen (n=18, 32,7 %) und Blogs (n=4, 21,1 %), die als Anlass der Berichterstattung eine politische oder juristische Entscheidung erkennen lassen. Berichte über zivilgesellschaftliche Formen der politischen Kommunikation wie Proteste oder Demonstrationen finden sich hauptsächlich bei zivilgesellschaftlichen Akteurinnen (n=8, 44,4 %) und teilweise in Blogs (n=3, 15,8 %). Der Anlass für Institutionen eine Stellungnahme bezüglich Arigona Zogaj abzugeben, liegt fast ausschließlich in der Notwendigkeit der Bereitstellung von Materialien für die Medien oder die Presse begründet (n=8, 88,9 %); dies zeigt sich insbesondere auch durch online gestellte Interviews oder Pressemitteilungen. Die untersuchten Parteien äußern sich zumeist allgemein zum "Fall" Arigona Zogaj (n=10, 25,6 %) oder nehmen eine Äußerung von Innenministerin Maria Fekter als Anlass zur Berichterstattung (n=6, 15,4 %). Die Online-Debatte über Arigona Zogaj wird also vorrangig vom politischen System bestimmt, da zumeist über politische und juristische Entscheidungen berichtet wird. Institutionelle Akteurinnen wie Innenministerin Maria Fekter, die die politischen und juristischen Entscheidungen kommunizieren, nehmen insofern eine führende Rolle innerhalb der Online-Debatte ein, da sie die Debatte auch bewusst in Gang setzen können, in dem sie Presseerklärungen versenden oder Pressekonferenzen veranstalten. Damit bestimmen sie zu einem großen Teil darüber, w as in Medien berichtet wird und - wie die Analyse zeigt - damit ebenfalls welche Themen in der Online-Debatte aufgegriffen werden. Auch Gerhards und Schäfer (2006: 101) stellen in Bezug auf die Internetberichterstattung zum Thema Genfood fest, dass der "Output des institutionellen Systems" entscheidend für die Entwicklung der Debatte ist. Auf die Stichprobenziehung und der daraus resultierenden Beachtung vielfältiger Kommunikationsräume meiner Analyse ist zurückzuführen, dass nicht nur institutionelle Äußerungen der Anlass sind, sondern ebenfalls zivilgesellschaftliches Engagement verstärkt sichtbar wird. In diesen zivilgesellschaftlichen Räumen ist dann auch häufig die Ankündigung oder Nachbereitung einer Demonstration Anlass, um zur Online-Debatte beizutragen. Insgesamt zeigt sich also, dass der Anlass für den Online-Text keine direkte Reaktion auf die Medienberichterstattung darstellt, sondern häufig auf politische Entscheidungen Bezug genommen wird. Eine AgendaSetting-Funktion von Medien ist damit nicht offensichtlich.
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 1 77
Interaktionsniveau und Web 2. 0-E/emente Im Internet lassen sich aufgrundder technischen Eigenschaften rein textbasierte Elemente mit multimedialen Anwendungen verknüpfen. Gerade durch die Möglichkeiten der Einbindung verschiedener multimedialer Formen unterscheiden sich Online-Texte von Print-Texten. Hinzu kommt, dass neben einseitiger Kommunikation wechselseitige Kommunikationsformen durch interaktive Elemente möglich sind. Die Trennung in einen Sender und einen Empfänger ist damit weniger starr und verändert die Funktion des Publikums. Massenkommunikationsprozesse richten sich zwar ebenfalls potenziell an ein disperses Publikum, in der Regel jedoch in einseitiger und indirekter Weise (vgl. Maletzke 1963, Kunczik/ Zipfel2005: 151). In der Online-Kommunikation können dagegen die Positionen von Kommunikatminnen und Rezipientinnen wechseln. Interaktive und multimediale Elemente sind also ein wichtiger Bestandteil von Online-Kommunikation. Multimediale Anwendungen wurden codiert, wenn diese mit dem untersuchten Online-Text in einem direkten Zusammenhang standen, also entweder gleich im Anschluss an den Text folgten bzw. in diesen selbst eingebunden waren und so von den Nutzerinnen als Einheit wahrgenommen werden konnten. Allerdings w urden Grafiken (n=S, 2,8 %) und Audiofiles (n=2, 1,4 %) wenig verwendet, lediglich Videos werden etwas häufiger in den Text eingebunden (n=ll, 7,6 %). Eine Besonderheit des Internets sind neben den multimedialen auch interaktive Anwendungen und damit verstärkte Möglichkeiten der Teilhabe für Nutzerlnnen. Insgesamt nutzen 104 (71,7 %) der untersuchten Webseiten Elemente, die unter so genannte Web 2.0-Anwendungen fallen. Das bedeutet, dass der untersuchte Online-Text beispielsweise einen Link zu Twitter, eine Empfehlung für Facebook oder einen Zustimmungsbutton enthielt. Mehr als ein Viertel (n=41, 28,3 %) der untersuchten Online-Texte integriert allerdings keine Web 2.0-Anwendungen. Unterschiede ergeben sich bei einer Betrachtung der verschiedenen Akteursgruppen. So werden auf den Seiten von Online-Zeitungen (n=49, 81,1 %), Parteien (n=35, 89,7 %) sowie Blogs (n=16, 84,2 %) mehrheitlich Web 2.0Anwendungen angeboten. Zivilgesellschaftliche Akteurinnen hingegen nutzen, obwohl sie aktionsorientiert agieren, das Internet zwar für Aufrufe zu Protesten und Aktionen; sie schöpfen jedoch die technischen Möglichkeiten nur zum Teil aus, lediglich in vier (23,2 %) Online-Texten wurden Web 2.0-Anwendungen eingebunden. Bei der Einbindung der Web 2.0-Anwendungen zeigt sich allerdings, dass diese weniger dialogisch genutzt werden, sondern zumeist standardisiert und formalisiert. So ist auf Seiten von Parteien häufig lediglich ein
178 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Facebook-Button zu finden, der zwar als Web 2.0-Anwendung codiert wurde, jedoch nur auf eine weitere Webseite verweist und damit nicht den Dialog direkt eröffnet. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Schweitzer (2006 und 2010a) in zwei Studien. Die Autorin stellt fest, dass institutionelle Akteurinnen zumeist statische Seiten verwenden tmd der Einsatz multimedialer Mittel im Internet nur sporadisch erfolgt.
Häufiger hingegen wird Nutzerinnen die Möglichkeit eingeräumt, Beiträge direkt auf der gleichen Seite zu kommentieren (vgl. Tabelle 7-10). So findet sich bei 71 (49 %) der untersuchten Online-Texte eine Kommentarmöglichkeit für Nutzerinnen. In 61 (42 %) der Online-Texte wird keine Kommentarmöglichkeit angeboten und bei 13 (9 %) wurde diese Funktion mit einem entsprechenden Hinweis deaktiviert. Insbesondere bei der Kronen Zeitung wurden einzelne Online-Texte für die Diskussion geschlossen und die Kommentarfunktion deaktiviert, da "rassistische" Äußerungen zunahmen und die Anbieterinnen sich nicht in der Lage sahen, solche Kommentare regelmäßig zu löschen.
Abbildung 7-10: Kommentare Kommentar
ja n ein deaktiviert gesamt
Institutionen
Parteien
Zeitungen
0 0 9 100% 0 0 9 100%
3 7,7% 36 92,3'Yo 0 0 39 100%
42 76,4% 0 0 13 23,6% 55 100%
Zivilgesellschaften 4 22,2% 14 77,8% 0 0 18 100%
Blogs
Foren
gesamt
17 89,5% 2 10,5% 0 0 19 100%
5 100'Yo 0 0 0 0 5 100%
71 49% 61 42% 13 9 145 100%
Die Möglichkeiten, einen Kommentar zu hinterlassen, unterscheiden sich trotz dieser Einschränkung stark nach Kommunikationsräumen. So sind es mehrheitlich Online-Zeitungen (n=42, 76,4 %) und Blogs (n= 17, 89,5 %), die es den Nutzerinnen ermöglichen, den Online-Text direkt zu kommentieren. Institutionen (n=O), Parteien (n= 3, 7,7 %) und Zivilgesellschaften (n=4, 22,2 %) nutzen diese Möglichkeit überhaupt nicht bzw. weniger. Bei Online-Zeitungen und Blogs können dementsprechend die Nutzerinnen häufig direkt zu einem Beitrag einen Kommentar abgeben, der für alle einsehbar ist. Dies bedeutet ein hohes Interaktion sniveau. Eine solche Interaktion findet "ohne Medienbruch" statt, d .h . es wird nicht ein anderes Format gewählt, sondern die Kommentarmöglichkeit befin-
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 1 79
det sich jeweils direkt unter dem Online-Text (vgl. Trappel 2007: 158). Institutionen und Parteien räumen hingegen Nutzerinnen - und damit Bürgerinnen - selten die Möglichkeit ein, sich direkt zu äußern und in einen deliberativen Prozess einzusteigen. Zwischen den Akteursgruppen und damit dem jeweiligen Kommunikationsraum sowie dem Interaktionsniveau besteht dabei ein statistisch ablesbarer Zusammenhang (Cramer's V 0,657). Wenn Kommentarmöglichkeiten angeboten werden, werden diese rege genutzt. Betrachtet man nur die Online-Texte mit einer Kommentarfunktion und mindestens einem Kommentar- 60 (41 %) der untersuchten Online-Texte - dann zeigt sich eine extrem hohe Beteiligung der Nutzerinnen. Im Durchschnitt enthielt jeder dieser Online-Texte 304 Kommentare (vgl. Tabelle 7-11).
Tabelle 7-7 7: Verteilung der Kommentare Kommentar N
Valid Missing
Mean Median
10
1,10
20
4,00
304,67
25
6,00
36,50
30
7,00
40
17,60
50
36,50
60 Percentiles 0
60
93,80
70
199,90
75
268,00
80
502,40
90
1139,40
Mit Hilfe des Medians lassen sich zwei Gruppen bestimmen: eine, die weniger Kommentare aufweist, denn 50 % der Online-Texte haben unter 36,5 Kommentare, die andere Gruppe hingegen weist eine sehr große Anzahl an Kommentaren auf. Die Auswertung nach Perzentilen zeigt, dass 20 % aller Beiträge 502 Kommentare oder mehr, 10 % sogar 1139 Kommentare oder mehr enthielten. D.h. wenn ein Kommentar möglich ist, dann führt dies in der Regel auch zu zahlreichen Reaktionen auf den veröffentlichten Online-Text, was die Relevanz der Debatte für viele Nutzerinnen und damit die Notwendigkeit der Diskussion und Aushandlung in politischen Kommunikationsprozessen zeigt.
180 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Insgesamt fällt jedoch bezüglich des Interaktionsniveaus auf, dass die Möglichkeiten des Internets kaum ausgeschöpft werden. Es zeigt sich eine Spaltung in etablierte Akteurlnnen, wie institutionelle Akteurlnnen, die das Internet als statisches Informationsportal verwenden, sowie Online-Zeitungen und Blogs, die Web 2.0-Anwendungen in ihre Internetauftritte einbeziehen. Der Umgang mit interaktiven Möglichkeiten unterscheidet sich dementsprechend in Bezug auf den Kommunikationsraum erheblich. Deutlich ausgeprägt sind interaktive Formen im Medienraum und im persönlichen Raum. So ermöglichen 76,4% der Online-Texte von Zeitungen und 89,5% der von Blogs ein hohes Interaktionsniveau. Solche asynchrone bzw. many-to-many Kommunikationsformen werden insbesondere durch das Internet ermöglicht. Damit können Nutzerinnen in einen deliberativen Prozess einsteigen, d.h. direkt und für alle anderen sichtbar einen Text kommentieren. Die Möglichkeit, Kommentare zu Online-Texten von Zeitungen zu verfassen, hat sich erst in den letzten Jahren durchgesetzt. Denn noch für den Untersuchungszeitraum im Jahr 2006 stellt Trappet (2007: 172 f.) fest, dass massenmediale Webseiten in deutschsprachigen Ländern kaum ein direktes Kommentieren ermöglichen. Die Funktion von Blogs, zur Verstärkung sozialer Beziehungen beizutragen, zeigt sich in den Kommentarmöglichkeiten und den daraus resultierenden gegenseitigen Bezugnahmen zwischen Blaggerinnen (vgl. Schmidt/Frees/Fisch 2009). Institutionen und Parteien nutzen die interaktiven Möglichkeiten des Internets hingegen weniger. Auch eine Studie von Ferber, Foltz und Pugliese (2007) zu US-amerikanischen Institutionen im Internet bestätigt diesen Befund. Von den Parteien verweisen zwar Die Grünen auf Facebook, dies stellt jedoch noch keine dialogorientierte Form der Kommunikation dar. Ein Grund dafür könnte sein, dass dialogorientierte Formen der Kommunikation zumeist auf kommunaler Ebene im Internet zu finden sind und weniger auf nationaler Ebene (vgl. Albrecht et al. 2008); der "Fall" Arigona Zogaj wird hingegen - aufgnmd der Einbindung in einen allgemeinen Migrationsdiskurs - eher als nationales Thema wahrgenommen. Online-Diskussionsforen werden im Bereich des eGovernment selten angeboten (vgl. UNDESA 2010), obwohl die vorhandenen Diskussionen bei den wenigen durchgeführten eGovernmentProjekten durchaus positiv evaluiert wurden (vgl. Hindman 2008). Dass die zivilgesellschaftliche Nutzung der technischen Möglichkeiten des Internets noch ausgebaut werden kann, zeigt auch eine Studie zu frauenpolitischen Netzwerken im Internet. Diese nutzen das Internet lediglich zur Informationsbereitstellung (vgl. Drüeke/Winker 2005). Die Kommentarmöglichkeiten bei Online-Zeitungen werden allerdings intensiv genutzt, insbesondere bei der Boulevard-Zeitung Kronen
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen 1181
Zeitung. Demgegenüber kam eine britische Studie zu dem Ergebnis, dass auf Onlineseiten von Boulevard-Zeitungen weniger Kommentare hinterlassen werden als auf den Onlineseiten von Qualitätszeitungen (vgl. Richardson/Stanyer 2011). Dieser Unterschied lässt sich möglicherweise mit der großen Reichweite der Kronen Zeitung in Österreich erklären. Auch die untersuchten Foren zeichnen sich durch zahlreiche Kommentare in den jeweiligen Threads zu Arigona Zogaj aus, anders als bisherige Studien zu Online-Foren erwarten ließen. In dem von Waldschmidt, Klein und Korte (2009: 135 f.) untersuchten Forum "1000Fragen.de", in dem über Bioethik diskutiert wird, enthielten lediglich fünf Prozent der Threads mehr als zehn Kommentare. Dies unterstreicht, dass die OnlineDebatte über Arigona Zogaj als Medienereignis im Sinne Fiskes (1996) gelten kann, da ihr erhöhte Aufmerksamkeit zuteil wurde.
Bildstrategien Die Verwendung eines Bildes kann die Bedeutung des Online-Textes unterstreichen sowie Aufmerksamkeit erzielen. In der journalistischen Berichterstattung werden Bilder verstärkt eingesetzt, um z.B. das Aussehen von Politikerinnen visuell zu verstärken (vgl. Lünenborg et al. 2009). Solchen Visualisienmgsstrategien kommt in der politischen Kommunikation eine wichtige Rolle zu (vgl. Grittmann 2007). Bilder liefern Zusatzinformationen im Text, da sie diesen illustrieren und einen inhaltlichen Zusammenhang herstellen. Darüber hinaus lässt die Verwendung von Bildern und Fotos Rückschlüsse darauf zu, wer als Subjekt der Bildberichterstattung gesehen wird. Mehrheitlich werden die untersuchten Online-Texte bebildert (n=85, 59,6 %). Um den Fokus der Bilder zu untersuchen, wurde eine weitere Codierung hinsichtlich der dargestellten Personen vorgenommen (vgl. Tabelle 7-12). Dabei war auffallend, dass auf den Bildern bei insgesamt 32 (22,1 %) der Online-Texte Arigona Zogaj abgebildet war, davon 21 (14,5 %) mal alleine und in elf Fällen (7,6 %) mit anderen Personen in einer Gruppe. Auf 53 Bildern (36,6 %) der untersuchen Online-Texte allerdings sind andere Personen abgebildet, zumeist die Person, die für den Inhalt des Online-Textes verantwortlich ist. Wie in Tabelle 7-12 zu erkennen, fällt bezüglich einer Betrachtung der Bildstrategien nach Akteursgruppen auf, dass Institutionen größtenteils kein Foto mit dem Online-Text verbinden (n=8, 88,9 %). Parteien hingegen verwenden nur in einem Online-Text ein Foto von Arigona Zogaj, mehrheitlich finden sich Bilder anderer Personen (n= 30, 76,9 %). Auf diesen Fotos sind dann Politikerinnen abgebildet- dies kann als ein Stilmit-
182 I Politische Kommunikationsräume im Internet
tel von Presseerklärungen der Parteien gelten und damit auch von Online-Texten, die in Parteiseiten eingebunden sind.
Tabelle 7-12: Verwendung eines Bildes von Arigona Zogaj Bild von Arigona Zogaj Ja, alleine Ja, in der Gruppe Andere Personen Kein Bild gesamt
InstituHonen
Parteien
Zeitungen
0 0 0 0 1 11,1% 8 88,9% 9 100%
1 2,6% 0 0 30 76,9% 8 20,5% 39 100%
16 29,1% 11 20% 11 20% 17 30,9% 55 100%
Zivilgesellschaften 0 0 0 0 8 44,4'Yo 10 55,6% 18 100%
Blogs
Foren
gesamt
4 21,1% 0 0 2 10,5% 13 68,4% 19 100%
1 20% 0 0 0 0 4 80% 5 100%
21 14,5% 11 7,6% 53 36,6% 60 41,4% 145 100%
Am häufigsten im Vergleich zu den anderen Akteursgruppen verwenden Online-Zeitungen ein Bild von Arigona Zogaj, entweder alleine (n= 16, 29,8 %) oder zusammen mit anderen Personen in einer Gruppe (n=ll, 20 %). Zivilgesellschaftliche Seiten verwenden ausschließlich andere Bilder oder kein Bild (n=S, 44,4 % bzw. n=lO, 55,6 %). In Blogs sind wenig Bilder vorzufinden, wenn es eines gibt, dann ist es von Arigona Zogaj (n=4, 21,1 %). Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Anbieterinnen und der Wahl der Bildstrategie bewegt sich dabei auf mittlerem Signifikanzniveau (Cramer's V 0,428). Wie in den Ergebnissen erkennbar, bleibt Arigona Zogaj durch die Bildstrategien in Teilen sichtbar. Allerdings stellt sie damit lediglich das Objekt dar, über das berichtet wird, da sie nur visuell präsent ist. In der qualitativen Analyse wird Fragen nach der Sichtbarkeit und Wahrnehmbarkeil von Arigona Zogaj und damit allgemein von Migrantinnen vertiefend nachgegangen.
7.2 Inhaltliche Aspekte der Online-Texte In der öffentlichen Auseinandersetzung um Arigona Zogaj in den Österreichischen Massenmedien spielen allgemeine Bezüge zu Migration, Bleiberecht und Asylverfahren eine wesentliche Rolle (vgl. Gruber/Herczeg/ Wallner 2009). Um diese Bezüge auch in meiner Studie zu überprüfen, wurden die Themenstrukturen allgemein sowie die Deutungsrahmen in
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 183
Bezug auf Migration und Bleiberecht, ähnlich der Studie zur massenmedialen Berichterstattung von Gruber, Herczeg und Wallner (2009), erfasst. Diese bestimmen die inhaltlichen Aspekte der Debatte. Darüber hinaus wurde die Rolle der genannten Akteurinnen in der untersuchten Online-Debatte analysiert. So wird zwischen Handelnden, also den Sprecherinnen und Adressatinnen der Online-Texte, sowie den Bezugspersonen, also denjenigen Akteurlnnen, auf die im Online-Text Bezug genommen wird und die nicht als Handelnde auftreten, unterschieden. Dadurch können erste Deutungen bezüglich der Themenschwerpunkte und der unterschiedlichen Rollenverteilung von Akteurinnen vorgenommen werden, die in der qualitativen Analyse weiter verfeinert werden.
Themenstrukturen Mit der Erfassung der Themenstrukturen wird die von den jeweiligen Autorinnen der Online-Texte vorgenommene thematische Rahmung analysiert. Erste Hinweise auf die politischen und gesellschaftlichen Diskurse werden so offenkundig und damit der " Fall" in einem größeren Kontext verortet Zur thematischen Strukturierung wurden mittels induktiver Kategorienbildung zunächst ganz unterschiedliche Themen, die in den Online-Texten vorkamen, erfasst. Dabei wurde unterschieden, ob Arigona Zogaj Haupt- oder Nebenthema des untersuchten Online-Textes darstellt, um Rückschlüsse auf unterschiedliche Themenverbindungen ziehen zu können (vgl. Tabelle 7-13 und 7-14). Behandelt ein Online-Text mehrere Themenfelder wurde er demjenigen Themenbereich zugeordnet, der sich als dominierend über den ganzen Text hinweg erwies. Die Stichprobe besteht zu einem großen Teil aus Online-Texten, in denen Arigona Zogaj das Hauptthema (n=105) darstellt, dies resultiert größtenteils aus der Stichprobenziehung. Wie in Tabelle 7-13 erkennbar geht es der überwiegenden Anzahl der Online-Texte, in denen Arigona Zogaj das Hauptthema ist, um die drohende oder konkrete Ausweisung (n=54, 51,4 %) oder um das Asylverfahren an sich (n=20, 19 %). Ein weiteres Thema bezieht sich auf Demonstrationen für Arigona Zogaj (n=10, 9,5 %). Wenn die einzelnen Hauptthemen nun in Cluster zusammengefasst werden, zeigt sich, dass bei den Online-Texten, die den "Fall" Arigona Zogaj als Hauptthema behandeln, die Mehrheit dem Cluster " Ausweisung" (n=60, 57,4 %) zuordbar ist, gefolgt vom Cluster "Judikative und Innenpolitik" (n=24, 22,8 %). Beim letztgenannten war es notwendig diesen zusammenzufassen, da z.B. Aussagen von Maria Fekter so gut wie immer mit juristischen Fragen kombiniert wurden. Vorrangig ging es dabei um Diskussionen über Einwanderungspolitik, Fragen der Staatsbür-
184 I Politische Kommunikationsräume im Internet
gerschaft und des Aufenthaltsrechts. Der Alltag von Arigona Zogaj sowie eine Darstellung ihres Lebens und das ihrer Verwandten (n=7, 6,6 %) nimmt einen vergleichsweise geringen Stellenwert ein.
Tabelle 7-13: Darstellung der Themenbereiche, Hauptthema Cluster
Themenbereich
Ausweisung
Ausweisung konkreter Fall Ausweisung allgemein
Anzahl
Prozent
54
51,4
6
6
20
19
4
3,8
Judikative/Innenpolitik
Asylverfahren von Arigona Zogaj
Veranstaltungen
Demo
10
9,5
Kultur
3
2,7
Arigona Zogaj und Verwandte
5
4,8
Alltag von Arigona Zogaj
2
1,8
1
0,9
105
100
Asyl allgemein
Alltag und persönliches Leben nicht erkennbar Gesamt
Betrachtet man nun die Themenverteilung, wenn Arigona Zogaj als Nebenthema codiert wurde, wird eine große thematische Spannbreite- auch bei einer Unterteilung in Cluster- sichtbar (vgl. Tabelle 7-14).
Tabelle 7-14: Darstellung der Themenbereiche, Nebenthema Cluster
Themenbereich
N
%
Migration und Integration
Migration allgemein
4
10
Staatsbürgerschaft allgemein
5
12,5
anderer Abschiebefall im Mittelpunkt
3
7,5
Aufnahmelager
2
5
Asylverfahren
2
5
Innenpolitik, Gesetze
3
7,5
Demo
4
10
Kultur
1
2,5
Politik/Wirtschaft
4
10
Menschenrechte
2
5
andere Person im Mittelpunkt
5
12,5
Innenpolitik/Judikative
Veranstaltungen Weitere Themen
nicht erkennbar gesamt
Kosovo
1
2,5
Medienberichterstattung
1
2,5
3
7,5
40
100
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 185
Es findet sich kein dominierendes Thema; die Themenverteilung erstreckt sich über Fragen der Staatsbürgerschaft (n=S, 12,5 %), Migration allgemein (n=4, 10 %), eine Demonstration im Zusammenhang mit der Asylgesetzgebung (n=4, 10 %) oder allgemeine Themen aus dem Bereich Politik und Wirtschaft (n=4, 10 %). In der folgenden Tabelle 7-15 ist die Verteilung in Haupt- und Nebenthema in Bezug auf die einzelnen Akteursgruppen dargestellt, um Unterschiede zwischen den Akteursgruppen sichtbar zu machen. Zunächst ist auffällig, dass bei institutionellen und zivilgesellschaftlichen Akteurinnen Arigona Zogaj zu einem großen Teil nur als Nebenthema vorkommt (n=6, 66,7 % und n=9, 50 %).
Tabelle 7-15: Einzelne Akteursgruppen und Hauptthema Themenverteilung Nebenthema Hauptthema gesamt
Blogs
Foren
gesamt
8 14,6% 47 85,4% 55 100%
Zivilgesellschaften 9 50% 9 50% 18 100%
4 21,1% 15 78,9% 19 100%
1 20% 4 80% 5 100%
40 27,6% 105 72,4% 145 100%
28 59,6% 10 21,3% 6 12,8% 3 6,3% 0 0 47 100%
1 11,1% 3 33,3% 4 44,5% 1 11,1% 0 0 9 100%
9 60% 3 20% 2 13,4% 0 0 1 6,6% 15 100%
4 100% 0 0 0 0 0 0 0 0 4 100%
60 57,2% 24 22,8% 13 12,4% 7 6,7% 1 0,9% 105 100%
Institutionen
Parteien
Zeitungen
6 66,7% 3 33,3% 9 100%
12 30,6% 27 69,4'Yo 39 100%
18 66,7% 6 22,2% 1 3,7% 3 7,4% 0 0 28 100%
w enn H auptth ema d ann: Ausweisung Innenpolitik Veranstaltungen Alltag nicht erkennbar Gesamt
0 0 3 100% 0 0 0 0 0 0 3 100%
Je nach politischem Kommunikationsraum ist- wenn Arigona Zogaj das Hauptthema darstellt- dieses mit anderen Themen verknüpft. So fokussieren zivilgesellschaftliche Akteurinnen auf Demonstrationen (n=4, 44,5 %), während bei Online-Zeitungen (n=28, 59,6 %), Parteien (n=18, 66,7 %), Blogs (n=9, 60 %) sowie Foren (n=4, 100 %) die konkrete Ausweisung im Mittelpunkt des Interesses steht. Institutionelle und zivilgesellschaftliche Akteurinnen thematisieren weniger die konkrete Au sw eisung
186 I Politische Kommunikationsräume im Internet
als vielmehr innenpolitische Fragestellungen, die das Asylverfahren und damit Verfahrensfragen betreffen (n=3, 33,3 % bzw. n=3, 16,7 %). Dies lässt vermuten, dass zivilgesellschaftliche Akteurinnen eine nachhaltige Diskussion über den Fall hinaus anstreben. Nach dem Agenda-Setting-Ansatz geben die Massenmedien vor, welche Themen die Bevölkerung dann als besonders wichtig ansieht. Massenmedien haben demzufolge eine Thematisierungsfunktion (vgl. Kunczik/ Zipfel 2005). In einer Studie, die die Themensetzungen zwischen Onlineund Offline-Medien hinsichtlich der Präsidentschaftswahl 2004 in Österreich vergleicht, kommt Rußmann (2007) zu dem Schluss, dass Massenmedien auch im Internet die Themensetzungen strukturieren. In der untersuchten Online-Debatte wird aus der quantitativen Analyse nicht ersichtlich, dass die Online-Texte von Zeitungen die Themen vorgeben, die dann in den anderen Kommunikationsräumen verhandelt werden. Insgesamt zeigt sich eine relative breite Themenstreuung, die verschiedene Argumente und Positionen erwarten lässt, die mit Hilfe der qualitativen Analyse untersucht werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass, wenn im Internet gezielt nach Arigona Zogaj gesucht wird, sie auch zumeist im Mittelpunkt der Berichterstattung steht. Die Nachrichtenwerttheorie besagt, dass Strukturfragen in der Berichterstattung nur selten aufgegriffen werden, "Nachrichtenwert" haben vor allem Personen, insbesondere sogenannte " ElitePersonen" (vgl. Sande 1971). Damit lässt sich erklären, dass Arigona Zogaj auch zumeist das Hauptthema der untersuchten Online-Texte ist. Alltagsdarstellungen bieten nach der Nachrichtenwerttheorie zu wenig Potenzial, um Aufmerksamkeit zu erregen (vgl. Meier 2007: 192 ff., Rühl 2001: 250 ff.). Allerdings kommt eine Studie zur Mediendarstellung von Migrantinnen in der bundesdeutschen Printberichterstattung zu dem Schluss, dass immerhin ein knappes Fünftel der untersuchten Zeitungsartikel Migrantinnen in ihrem Alltagskontext zeigen (vgl. Lünenborg/ Fritsche/Bach 2011: 84). Weitere Aufschlüsse diesbezüglich und über den thematischen Kontext, in denen der "Fall" verortet wird, liefert die qualitative Analyse.
Sprecherlnnen, Bezugspersonen und Adressatinnen Online-Texte bieten Raum für die politischen Stellungnahmen verschiedener Akteurinnen. Diese Sprechenden und Handelnden adressieren wiederum andere Akteurinnen bzw. nehmen auf andere Akteurinnen Bezug. Die Analyse der Sprecherlnnen, Adressatinnen und Bezugsperso-
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 187
nen lässt Rückschlüsse darüber zu, welchen Stellenwert einzelne Akteurinnen einnehmen und wie sich die Partizipation unterschiedlicher Akteursgruppen am gesellschaftlichen Aushandlungsprozess darstellt. Darüber hinaus können Aussagen darüber getroffen werden, wer Einfluss auf die Entwicklung der Debatte und bewusst oder unbewusst die Deutungsmacht über ein bestimmtes Thema hat. Eine Subjektposition nehmen dann Akteurinnen ein, deren Positionen dargestellt werden, aber auch jene, die adressiert und damit zu Handlungen aufgefordert werden. Im Objektstatus verbleiben Akteurinnen, über die gesprochen wird und deren eigene Positionen damit nicht ersichtlich werden. Darüber hinaus werden Bezüge zwischen verschiedenen Akteurinnen und Öffentlichkeiten deutlich. Darauf aufbauend lassen sich dann Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen politischen Kommunikationsräumen bestimmen, die in der qualitativen Analyse weitergehend untersucht werden. In der Kategorie "Sprecherinnen" und " Handelnde", also die Akteurinnen, deren Äußerungen im Text präsentiert und damit direkt, paraphrasiert oder indirekt zitiert werden, sind deutliche Unterschiede zwischen den Akteursgruppen erkennbar (vgl. Tabelle 7-16). Aufgrund der Möglichkeit der Mehrfachnennung von Akteurinnen pro Online-Text zeigen sich bei einer Betrachtung lediglich der Gesamtergebnisse Verzerrungen, da im Sampie Online-Zeitungen und Parteien zahlenmäßig überwiegen. Wenn jedoch die einzelnen Akteursgruppen getrennt berücksichtigt werden, lässt dies Rückschlüsse über die jeweilige Verteilung zu. Staatliche Organe, wie die Exekutive, wurden insbesondere von institutionellen Akteurinnen als handelnd angesehen (n=6, 66,7 %), d.h. von den analysierten Online-Texten der institutionellen Akteurinnen wird zu Zweidrittel die Exekutive als handelnde Akteurin benannt. Auch OnlineZeitungen (n=12, 21,8 %) beziehen sich auf die Exekutive. Besonderes Augenmerk erhielt die Innenministerin, deren Äußerungen insbesondere von Institutionen (n=2, 22,2 %), Online-Zeitungen (n=15, 27,3 %) und in Blogs (n=S, 26,3 %) wiedergegeben werden. Auch die Judikative sowie Regierungs- und Oppositionsparteien werden in Online-Texten von Institutionen und Online-Zeitungen als handelnde Akteurinnen angesehen. Auffällig ist, dass Oppositionsparteien häufig insgesamt als Handelnde codiert wurden (n=53, 36,6 %). Dies liegt größtenteils daran, dass sie von Parteien (n=31, 79,5 %) -insbesondere von Den Grünen und der FPÖ sowie von Zeitungen (n=18, 32,7 %) zumeist als handelnde Akteurinnen benannt werden. Zivilgesellschaften werden insbesondere von anderen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen als handelnd angesehen (n=15, 83,3 %). Dies bestätigt die geäußerte Annahme, dass Zivilgesellschaften
188 I Politische Kommunikationsräume im Internet
sich stark aufeinander beziehen, da sie um die Besetzung von Themen und deren Deutungen ringen. Positionen und Äußerungen von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen w erden ebenfalls von Online-Zeitungen (n=21, 38,2 %) w ahrgenommen. Die Kirche wird in 7 (12,7 %) der OnlineTexte von Zeitungen und in 2 (11,2 %) der Zivilgesellschaften als handelnde Akteurin benannt. Auch Einzelakteurinnen, wie Künstlerinnen oder Expertlnnen, werden zumeist in Online-Zeitungen (n=19, 34,5 %), von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen (n= 7, 38,9 %) und in Blogs (n=12, 63,2 %) zitiert. Ein deutlicher signifikanter Zusammenhang besteht dabei zwischen Oppositionsparteien und Parteien sowie der Festlegung der Sprecherinnen, da Oppositionsparteien in Online-Texten von Parteien der meiste Raum ein geräumt wird (Phi 0,600)3 . Von Institutionen und Zivilgesellschaften sowie in Foren wird Arigona Zogaj nicht als handelnde Person wahrgenommen. In Blogs (n=4, 21,1 %) und Online-Zeitungen (n=9, 16,4 %) werden hingegen die Positionen von Arigona Zogaj zumindest teilweise dargestellt.
Tabelle 7-16: Sprecherinnen/Handelnde - Mehrfachnennungen SprecherInnen/ Handelnde Parteien-Opp . Einzelakteurinnen Zivilgesellschaften Exekutive Innenministerin Parteien-Reg. Judikative Arigona Zogaj Kirche Medien
lnstitutionen 0 0 0 0 0 0 6 66,7% 2 22,2% 2 22,2% 2 22,2% 0 0 0 0 0 0
Parteien 31
79,5'Yo 2 5,1% 1 2,6% 2 5,1% 3 7,7% 3 7,7% 2 5,1% 1 2,6% 0 0 0 0
Zeitungen
Zivilgesellschaften
18 32,7% 19 34,5% 21 38,2% 12 21,8% 15 27,3% 12 21,8% 11 20% 9 16,4% 7 12,7% 4 7,3%
0 0 7 38,9% 15 83,3% 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 11,2% 0 0
Blogs
Foren
gesamt
3 15,8% 12 63,2% 2 10,5%
1 20% 2 40% 0 0 4 80% 0 0 1 20% 2 40% 0 0 0 0 3 60%
53 36,6% 42 29% 39 26,9% 25 17,2% 25 17,3% 21 14,5% 19 13,1% 14 9,7% 9 6,2% 9 6,2%
I
5,3% 5 26,3% 3 15,8% 2 10,5% 4 21,1% 0 0 2 10,5%
3 Phi ist bei nominalskalierten Merkmalen die 1. Wahl bei Kreuztabellen, bei denen jede Variable genau zwei Ausprägun gen h at (in diesem Fall: Sprecherin: ja oder n ein)
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 189
Im Ergebnis zeigt sich, dass institutionelle Akteurinnen eher als zivilgesellschaftliche Akteurinnen in einer handelnden Rolle gesehen werden. Wenn allerdings Äußerungen zivilgesellschaftlicher Akteurinnen zitiert werden, dann fällt das Spektrum breit aus: es werden Kirchenvertreterinnen ebenso zitiert wie Vertreterinnen sozialer Bewegungen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Parteien in den untersuchten OnlineTexten stark aufeinander Bezug nehmen, vermutlich da keine einheitliche Auffassung über den "Fall" Arigona Zogaj zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien besteht. Online-Zeitungen decken - wie von Massenmedien erwartbar- ein breites Meinungsspektrum ab, in ihnen kommen zahlreiche Akteurinnen zu Wort. Eine deutliche Asymmetrie zeigt sich bezüglich Arigona Zogaj. Ihr wird zumindest auf der Ebene der Repräsentation die Position derjenigen zugewiesen, über die lediglich geredet wird und deren Äußerungen nicht wahrgenommen werden. Damit liegt die Definitionsmacht über den "Fall" weniger bei ihr als bei institutionellen Akteurinnen. Die Präsentation von Äußerungen in den Online-Texten findet also zumeist "organisationszentriert" statt, d.h. es werden weniger einzelne Politikerinnen benannt, sondern eher allgemein Zivilgesellschaften, Oppositionsparteien und Regierungsparteien als Handelnde gesehen. Diese Befunde decken sich mit einer Studie zum bundesdeutschen OnlineWahlkampf des Jahres 2008, in dem Spitzenkanditatlnnen ebenfalls kaum als Akteurinnen, und damit Urheberinnen von Äußerungen, in Erscheinung traten (vgl. Schweitzer 2010a: 201 f.). Staatliche Akteurinnen, also Regierung und Verwaltung, so stellt auch Zimmermann (2008: 280 ff.) im europäischen Ländervergleich über zufällig ausgewählte Themen im Internet fest, erhalten die meiste Aufmerksamkeit und werden am ehesten als handelnde Akteurinnen wahrgenommen. Adressatinnen sind diejenigen Personen, die in den Online-Texten aufgefordert werden, etwas zu tun oder zu unterlassen. Adressiert werden zumeist Akteurinnen der Exekutive, d.h. Regierung und Verwaltung (n=51, 35,2 %), die Judikative (n=34, 23,4 %) sowie die Innenministerin (n=33, 22,8 %), weniger hingegen werden Regierungsparteien (n=12, 8,3 %) angesprochen (vgl. Tabelle 7-17). Kaum zu einer Handlung aufgefordert werden Zivilgesellschaften, Medien, Kirche und Oppositionsparteien. In diesen Ergebnissen spiegelt sich die gesellschaftliche Machtverteilung wieder, die Akteurinnen aus dem politisch-institutionellen Bereich die größte Handlungsmacht einräumt. Eine Unterteilung nach Akteursgruppen lässt Rückschlüsse auf die jeweilige Verteilung zu: Besonders stark adressieren zivilgesellschaftliche Akteurinnen die Exekutive (n=13, 72,2 %) und die Innenministerin (n=7,
190 I Politische Kommunikationsräume im Internet
38,9 %). Auch die Judikative wird in zehn Online-Texten (18,2 %) zum Handeln aufgefordert. Zivilgesellschaftliche Akteurinnen benennen zwar staatliche und institutionelle Akteurinnen nicht so häufig als Handelnde, adressieren sie jedoch und fordern sie damit auf, etwas zu tun. Tabelle 7-17: Adressatinnen - Mehrfachnennungen Adressat
Exekutive Judikative Innenministerin Einzelakteurinnen Arigona Zogaj Parteien-Reg. Zivilgesellschaften Parteien-Opp. Kirche Medien
Institutionen 2 22,2% 6 66,7% 1 11,1% 1 11,1% 1 11,1%
1 11,1% 0 0 1 11,1% 0 0 0 0
Parteien
Zeitungen
17 43,6% 5 12,8% 11 28,2% 4 10,3% 2 5,1% 4 10,3% 2 5,1% 0 0 0 0 0 0
13 23,6% 10 18,2% 10 18,2% 2 3,6% 8 14,5% 3 5,5% 1 1,8% 2 3,6% 0 0 0 0
Zivilgesellschaften 13 72,2% 10 55,6% 7 38,9% 3 16,7'Yo 0 0 2 11,1% 2 11,1% 0 0 0 0 1 5,6%
Blogs
Foren
gesamt
5 25,3% 3 15,8% 3 15,8% 2 10,5% 0 0 2 10,5% 0 0 1 5,3% 0 0 0 0
1 20% 0 0 1 20% 1 20% 1 20% 0 0 0 0 0 0 1 20% 0 0
51 35,2% 34 23,4% 33 22,8% 13 9% 12 8,3% 12 8,3% 5 3,4% 4 2,8% 1 0,7% 1 0,7%
Daraus lässt sich folgern, dass zivilgesellschaftliche Akteurinnen ihre Forderungen an staatliche Organe richten, da diese über die Macht verfügen, politische Prozesse zu gestalten oder zu verändern. Parteien verbleiben in ihren Adressierungen ebenfalls zumeist innerhalb des institutionellen politischen Systems, da sie die Exekutive (n= 17, 43,6 %), die Innenministerin (n=ll, 28,2 %) und die Judikative (n=5, 12,8 %) häufig adressieren - ähnliches gilt für Institutionen, Blogs und Online-Zeitungen. Die Ergebnisse für Foren sind, da nur die Tendenz der ersten Beiträge codiert wurde, nur bedingt auswertbar; sie benennen zu gleichen Teilen Exekutive, Innenministerin, Kirche und Einzelakteurinnen als Adressatinnen. Die Bezugspersonen bilden neben den Sprecherinnen und Adressatinnen die dritte Gruppe zur Analyse des Stellenwerts einzelner Akteurinnen.
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 191
Bezugspersonen sind diejenigen, über die gesprochen und auf die damit Bezug genommen wird. Sie bekommen damit keine aktive Rolle zugewiesen und ihre jew eilige Position zum Thema wird nicht ersichtlich. Da gezielt nach Texten zur Debatte über Arigon a Zogaj gesucht wurde, ist sie in den Texten des Sampies die zentrale Bezugsperson. Des Weiteren wird zumeist auf exekutive Organe (n=41, 28,3 %), Medien und Journalistinnen (n=36, 28,3 %) und die Judikative (n=31, 21,4 %) Bezug genommen. Die Verteilung nach Akteursgruppen zeigt eine breitere Verteilung als bei den Handelnden und Ad ressatinnen (vgl. Tabelle 7-18). Ein zentraler Bezugspunkt sind Medien, auf die von Parteien (n=8, 20,5 %), Online-Zeitungen (n=ll, 20 %), zivilgesellschaftlichen Akteurinnen (n=9, 50%), Blogs (n=S, 26,3 %) und Foren (n=3, 60 %) verwiesen w ird. Darüber hinaus zeigt sich eine ähnliche Tendenz, wie bei den Adressierungen: Auf staatliche Akteurinnen wird öfter Bezug genommen als auf zivilgesellschaftliche Akteurinnen oder Einzelakteurinnen.
Tabelle 7- 18: Bezugnahmen - Mehrfachnennungen Bezüge
Arigona Zogaj Exekutive Medien Judikative Parteien-Reg. Innenministerin Einzelakteurinnen Zivilgesellschaften Parteien-Opp. Kirche
lnstitutionen
Parteien
Zeitungen
9 100% 1 11,1% 0 0 2 22,2% 1 11,1% 1 11,1% 0 0 0 0 1 11,1% 0 0
39 100'Yo 5 12,8% 8 20,5% 6 15,4% 7 17,9% 4 10,3% 7 17,9% 5 12,8% 1 2,6% 3 7,7%
55 100% 16 29,1% 11 20% 14 25,5% 6 10,9% 8 14,5% 6 10,9% 6 10,9% 5 9,1% 2 3,6%
Zivilgesellschaften 18 100% 7 38,9% 9 50% 2 11,1% 4 22,2% 2 11,1% 5 27,8% 6 33,3% 4 22,2% 0 0
Blogs
Foren
gesamt
19 100% 9 47,4% 5 26,3% 5 26,3% 6 31,6% 6 31,6% 3 15,8% 2 10,5% 7 36,8% 2 10,5%
5 100% 3 60% 3 60% 2 40% 0 0 1 20% 0 0 0 0 0 0 1 20%
145 100% 41 28,3% 36 28,3% 31 21,4% 24 16,6% 22 15,2% 21 14,5% 19 13,1% 18 12,4% 8 5,5%
Insgesamt lässt sich über den Stellenwert, der einzelnen Akteurinnen oder Akteursgruppen in den Online-Texten zugewiesen w ird, festhalten, dass Arigona Zogaj in der Online-Debatte wenig Platz erhält, ihre eigene
192 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Position darzustellen. Arigona Zogaj wird in den Online-Texten weder adressiert noch als handelnde Person wahrgenommen. In diesem "Schreiben" über Arigona Zogaj bleibt sie somit stimmlos und ihre Positionen und Handlungen unsichtbar. Die Adressierungen fokussieren stark auf den institutionellen Bereich des politischen Systems. Die zentrale Rolle von Innenministerin Maria Fekter und ihrer Äußerungen kann im Sinne der Nachrichtenwerttheorie mit ihrer Rolle als " Elite-Person" erklärt werden (vgl. Sande 1971). Die Debatte im Internet lässt im Untersuchungsfall keine breitere zivilgesellschaftliche Beteiligung durch Verweise oder Bezugnahmen erkennen. Ähnlich der Printberichterstattung zum "Fall" Arigona Zogaj, wie Gruber, Herzceg und Wallner (2009) feststellen, zeigt sich eine Dominanz etablierter Akteurinnen, die eher als handelnde Akteurinnen wahrgenommen und adressiert werden oder auf die Bezug genommen wird. Weitere Auskünfte über die Struktur des Aushandlungsprozesses können die im Folgenden explizierten Deutungsrahmen geben.
7.3 Wertungen hinsichtlich Bleiberecht und Asylpolitik Neben der Erfassung der inhaltlichen Schwerpunkte und der Rolle der in den Online-Texten genannten Akteurinnen wurde die inhaltliche Tendenz der untersuchten Online-Texte erhoben. Damit wird der Bedeutungskontext sichtbar gemacht, in dem die Akteurinnen den "Fall" Arigona Zogaj verorten. In den gesellschaftlichen Debatten über Migration, Bleiberecht und Asylpolitik, die eng mit dem Aushandlungsprozess über Arigona Zogaj zusammenhängen, werden unterstützende, ablehnende und abwägende Positionen ersichtlich. Die Richtung der Aussagen zu Bleiberecht und Asylverfahren wird sowohl allgemein als auch konkret Arigona Zogaj betreffend erfasst. Codiert wurde die jeweilige Deutung, die den gesamten Online-Text bestimmte; meist wurde jedoch schon im Titel des Online-Textes die Tendenz deutlich (z.B. "Arigona soll bleiben" oder "Asylgezerre"). Zunächst wurden unterschiedliche Positionen codiert, die zum Thema Bleiberecht von Arigona Zogaj auffindbar waren - mit ähnlichen Ausprägungen haben dies Gruber, Herzceg und Wallner (2009) für die Österreichische Printberichterstattung untersucht (vgl. Tabelle 7-19). Betrachtet man die Positionen die die unterschiedlichen Akteursgruppen einnehmen, so fällt auf, dass sich zivilgesellschaftliche Akteurlnnen ebenso wie Blogs häufig für ein Bleibrecht Arigona Zogajs aussprechen (n=15, 83,3% und n=8, 42,1 %). Bei den Parteien ist das Verhält-
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 193
nis ausgeglichen: In 41% (n=16) der Online-Texte wird dafür und in 35,9% (n=14) der Online-Texte dagegen argumentiert. Institutionen, die die rechtlichen Regelungen und Gesetze betonen, sprechen Arigona Zogaj dementsprechend häufig ein Bleiberecht ab (n=4; 44,5 %). OnlineZeitungen dagegen sind zumeist nicht offensichtlich wertend, zu 78,2 % (n=43) weisen sie keine diesbezügliche Bew ertung auf. Eine leichte statistische Signifikanz besteht über alle Wertungen hinweg (Cramer's V 0,395). Tabelle 7 -79: Wertung hinsichtlich Bleiberecht Wertung Bleiberecht soll bleiben soll unter Bedingungenbleiben d arf nicht bleiben kann unter Bed. zurückkehren anderer Bezug kein erkennbarer Bezug gesamt
Institutionen
Parteien
Zeitungen
1 11,1% 2 22,2% 4 44,5% 0 0 1 11,1% 1 11,1% 9 100%
16 41% 2 5,1% 14 35,9% 0 0 1 2,6% 6 15,4% 39 100%
6 10,9% 3 5,5% 2 3,6% 1 1,8 0 0 43 78,2% 55 100%
Zivilgesellschaften 15 83,3% 1 5,6% 0 0 0 0 2 11,1% 0 0 18 100%
Blogs
Foren
gesamt
8 42,1% 3 15,8'Yo 2 10,5% 0 0 0 0 6 31,6% 19 100%
1 20% 1 20 3 60% 0 0 0 0 0 0 5 100%
47 32,4% 12 7,6% 25 17,2% 1 0,7% 56 38,6% 4 2,8% 145 100%
Das Bild, das sich bezüglich des Deutungsrahmens zum Asylverfahren zeigt, ist wesentlich ambivalenter (vgl. Tabelle 7-20). Auch hier finden sich pro und contra Haltungen, aber auch zahlreiche Online-Texte, die keinen Bezug zum Asylverfahren aufw eisen. Bei einer Betrachtung getrennt nach Akteursgruppen zeigen zivilgesellschaftliche Akteurinnen (n=9, 50 %), Parteien (n=15, 38,6 %) und Blogs (n=6, 31,6 %) w iederum die größte Zustimmung zu einem vereinfachten Verfahren. Online-Zeitungen werten mehrheitlich das Verfahren nicht (n=45, 81,9 %). In Foren (n=3, 60 %) und ebenfalls bei Parteien (n=8, 20,5 %) findet sich au ch d ie Forderung nach einer Verschärfung des Asylverfahrens. Das Internet zeichnet sich prinzipiell durch eine Offenheit bzw. Zugangsoffenheit aus, so dass zahlreiche Meinungen bzw. ein großes Meinungsspektrum möglich sind. Durch eine Europäisierung der Öffentlichkeit vergrößert sich, so Koopmans und Zimmermann (2003), die Chance für nicht-institutionalisierte Akteurinnen sichtbar zu werden und Themen zu verbreiten. Allerdings, so zeigt die Studie von Gerhards und
194 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Schäfer (2006: 219) zur Online-Debatte über Humangenomforschung, werden diese Möglichkeiten nicht immer genutzt, da im Internet noch seltener als in den Printmedien Bewertungen zu finden seien.
Tabelle 7-20: Positionierung zum Asylverfahren Positionierung zum Asylverfahren vereinfachtes Verfahren- pro vereinfachtes Verfahren - neutral genau richtig soll verschärft werden anderer Bezug kein Bezug gesamt
lnstitutionen
Parteien
Zeitungen
2 22,2'Yo 4 44,5% 0 0 0 0 0 0 3 33,3'Yo 9 100%
15 38,6% 4 10,3% 2 5,1% 8 20,5% 3 7,6% 7 17,9% 39 100%
6 10,9% 4 7,2% 0 0 0 0 0 0 45 81,9% 55 100%
Zivilgesellschaften 9 50% 3 16,6% 0 0 1 5,6% 1 5,6% 4 22,2% 18 100%
Blogs
Foren
gesamt
6 31,6% 2 10,5% 0 0 2 10,5% 2 10,5% 7 36,9% 19 100%
0 0 2 40% 0 0 3 60% 0 0 0
37 25,5% 18 12,4% 2 1,4% 15 10,3% 66 45,6% 7 4,8% 145 100%
0 5 100%
In der untersuchten Online-Debatte zeigt sich jedoch, dass das Internet durchaus ein kritisches Potenzial hinsichtlich der Sichtbarkeit verschiedener Positionen besitzt. So ist in der Debatte ein breites Meinungsspektrum vertreten, insbesondere auch Positionen, die sich gegen den herrschenden Politikdiskurs richten, wie diejenigen, die sich für eine Erleichterung von Asylverfahren, auch in Bezug auf Arigona Zogaj, aussprechen sowie ein Bleiberecht für Arigona Zogaj fordern. Witschge (2007: 127f.) hingegen fand mittels einer Analyse der Online-Diskurse in Diskussionsforen zum Thema Immigration in den Niederlanden nur geringe Unterschiede zwischen den einzelnen Positionen vor: Wenn doch alternative Meinungen in der Debatte sichtbar werden, setzen sie sich in den Diskussionen nicht durch. Ähnlich kommen Cammaerts und Audenhove (2005) in ihrer Studie zu transnational agierenden Zivilgesellschaften zu dem Schluss, dass der Rahmen einer politischen Online-Debatte durch eine einheitliche Ideologie geprägt ist und damit von dominanten Hegemonien. In Teilen finden sich ähnliche Tendenzen in der vorliegenden Studie, allerdings werden durch das breite Akteursspektrum auch alternative Positionen sichtbar.
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 195
7.4 Zwischenfazit: Zur Beschaffenheit der politischen Kommunikationsräume Mit der quantitativen Analyse verband sich die Absicht, einen Überblick über das Material zu gewinnen und damit Aspekte herauszufinden, die für die qualitative Inhaltsanalyse aufschlussreich sind. Ersichtlich werden die Struktur des Materialkorpus, die Verteilung der Akteurinnen, die Themen und erste Wertungen auf der Textebene. Unterschiede in den erfassten Kategorien zeigen sich zwischen den einzelnen Akteursgruppen, die größtenteils einen statistischen Zusammenhang aufweisen und damit empirische Validität erhalten. Das Modell der politischen Kommunikationsräume mit der Einteilung in Analyseebenen, die durch unterschiedliche Kommunikationsräume gebildet werden, erscheint damit als Strukturierung sinnvoll. Es hat sich gezeigt, dass an journalistischen Kriterien orientierte Kategorien der klassischen Medienanalyse teilweise auch für eine Erfassung von Online-Texten geeignet sind. Allerdings müssen diese durch weitere Kategorien ergänzt werden, die die medienspezifischen Besonderheiten des Internets erfassen. Insbesondere Kategorien, die die interaktiven Möglichkeiten, wie die Kommentarfunktionen und damit unterschiedliche Texttypen berücksichtigen, sind notwendig. In den Untersuchungsergebnissen zeigt sich dennoch, dass sich die untersuchten Online-Texte in ihrer Darstellung und Präsentation eher an bisherigen Medientexten orientieren. Die interaktiven und multimedialen Anwendungen, die das Internet bereithält, werden nur in geringem Maße ausgenutzt (vgl. Tabelle 721). Die Formen der Darstellung und Präsentation unterscheiden sich jedoch zwischen den Akteursgruppen und damit zwischen den Kommunikationsräumen. So ist der Kommunikationsraum der institutionellen und staatlichen Politik zumeist statisch und informationsorientiert Der Kammunikationsraum der Zivilgesellschaften und sozialen Bewegungen ist aktionsorientiert und setzt neue Akzente in der gesellschaftlichen Debatte durch Aufrufe zu Aktionen und Demonstrationen. Im Medienraum finden sich interaktive Elemente durch die Möglichkeit den Artikel direkt zu kommentieren. Im Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten sowie im persönlichen Raum verläuft die OnlineDebatte ereignisorientiert und zumeist kontrovers und wertend. Die Online-Debatte zu Arigona Zogaj fokussiert - so ein Ergebnis der quantitativen Inhaltsanalyse - auf Themen, die mit Migration, rechtlichen Fragen und der Medienberichterstattung zusammenhängen. Der Fokus ist dabei zumeist auf bestimmte Ereignisse, wie die Entscheidung des
196 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Bundesgerichtshofs oder die Zustellung des Ausreisebescheids, gerichtet. Allerdings finden sich auch einzelne Ereignisse, etwa eine Demonstration für ein Bleiberecht für Arigona Zogaj, die nicht von allen Akteursgruppen gleichermaßen thematisiert werden. Darin zeigen sich partielle Unterschiede zwischen den Kommunikationsräumen, die in der qualitativen Analyse weiter untersucht werden.
Tabelle 7-21: Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse Kommunikationsraum
Kennzeichen
Das Internet als politischer Raum I: institutionelle und staatliche Politik
• • • •
Statisch Informationsorientiert Kein Platz für Arigona Zogajs Positionen in der Debatte Darstellung eigener Positionen/Materialien
Das Internet als politischer Raum II: Zivilgesellschaften, Interessensgruppen und soziale Bewegungen
• Aktions- und ereignisorientiert • Vernetzung zwischen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen • Berichte über und Aufrufe zu Aktionen und Demonstrationen • Aufgreifen weiterer Themen, die in den anderen Kommunikationsräumen nicht vorkommen • Kontinuierliche Debatte • Adressierung institutioneller Akteurinnen
Das Internet als Medienraum: Mediengesteuerte und medieninitiierte Online-Angebote
• Ereignisbezogen und deskriptiv • Anlass zumeist politische oder juristische Entscheidung • Interaktive Elemente durch Kommentarmöglichkeit, die stark genutzt werden • Breites Akteurs- und Argumentationsspektrum
Das Internet als Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten
• • • •
Ereignisbezogene Diskussion Einnehmen von wertenden Positionen in der Debatte Kein Platz für Arigona Zogajs Position Bezugnahme auf institutionelle Politik und deren Akteurinnen
Das Internet als persönlicher Raum
• • • • •
ereignisorientiert Kontroverse Beiträge zur Debatte Anlass zumeist politische oder juristische Entscheidung Reaktion auf Medienberichterstattung Hohes Interaktionsniveau durch Kommentarmöglichkeiten
Es wurde zudem deutlich, dass die Debatten nicht neutral verlaufen, sondern von wertenden Aussagen dominiert sind. Der Fokus der qualitativen Inhaltsanalyse liegt demgemäß darin, die hinter dem Gesagten lie-
Strukturen, Inhalte und Bezugnahmen
I 197
genden Konzepte zu entschlüsseln und so Rückschlüsse auf gesellschaftliche Debatten zu Migration, Inklusion und Identität zu erarbeiten. Die Analysen der Bezugnahmen zeigen darüber hinaus, dass diese zumeist innerhalb des institutionell-politischen Systems stattfinden. Bis auf die Online-Texte von Zeitungen, die ein breiteres Akteurs- und Argumentationsspektrum erkennen lassen, wird zumeist nicht auf das gesamte Spektrum der an der Debatte beteiligten Akteurinnen Bezug genommen. Die Bezugnahmen zeigen auch, dass Arigona Zogaj in der Debatte um ihre Person weitgehend stimmlos bleibt, da sie wenig selbst zu Wort kommt und nicht direkt zitiert wird. Die auf den Ergebnissen der quantitativen Inhaltsanalyse aufbauende qualitative Auswertung des Materialkorpus wird im folgenden Kapitel dargestellt. In Kapitel 9 werden beide Ergebnisteile zusammenfassend diskutiert und auf die theoretischen Ausarbeitungen bezogen, um Aussagen über gesellschaftliche Aushandlungsprozesse in politischen Kammunikationsräumen im Internet zu treffen.
8 Aushandlungsprozesse, Identitätskonstruktionen und Positionierungen - Ergebnisse der qualitativen Analyse Während sich die quantitative Inhaltsanalyse auf formale Aspekte konzentrierte, setzt die qualitative Inhaltsanalyse die diskursive Ausrichtung der Beiträge ins Zentrum. Der durch die quantitative Analyse erlangte Überblick über Strukturen, Themen sowie Akteurinnen und diesbezügliche Häufigkeitsauszählungen bildet die Grundlage, um bei der qualitativen Inhaltsanalyse die Sinnzusammenhänge der übergeordneten gesellschaftlichen Diskurse zu analysieren. Mit einer Analyse der Ausgestaltung dieser Online-Debatte in verschiedenen Räumen im Internet, und damit der an deliberativen Prozessen beteiligten Öffentlichkeiten, werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten in den verschiedenen politischen Kommunikationsräumen im Internet herausgearbeitet.
8.1 Die Auswahleinheit der qualitativen Analyse Für die qualitative Analyse wurde aus dem Material eine bestimmte Anzahl an Online-Texten ausgewählt, die sich durch einen substantiellen inhaltlichen Beitrag zur Debatte, schnelle Auffindbarkeit durch Suchmaschinen und eine große Beteiligung in Form von Kommentaren oder Postings auszeichneten. Um ein breites argumentatives Spektrum abzudecken, wurde darauf geachtet, dass sich die für die qualitative Analyse ausgewählten Online-Texte relativ gleichmäßig über die im Kapitel 5 entwickelten politischen Kommunikationsräume verteilen. So wurde beispielsweise eine der wenigen Äußerungen von Bundeskanzler Werner Faymann in Bezug auf Arigona Zogaj in die Auswahleinheit des institutionell-politischen Raumes aufgenommen. Als zivilgesellschaftliche Akteurin wurden die Online-Texte der Organisation No-racism in die Analyse einbezogen, da sie sich wiederholt und stark positioniert in der OnlineDebatte äußerte. Insbesondere die Artikel in der Online-Ausgabe der Kronen Zeitung zogen eine große Anzahl an Kommentaren nach sich, deswegen wurden zwei Online-Texte der Kronen Zeitung ausgewählt. Bei den Foren wurde beispielsweise das Politikforum Politikforen.net hinzugenommen, da dieses Forum über die Suchmaschinensuche an zentraler
200 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Stelle positioniert war. Aus dem persönlichen Raum wurde unter anderem das Blog politwatch.de ausgesucht, da die darin vorfindbaren Argumentationsstränge zentrale Diskussionspunkte abbildeten. Auch wurde je ein Online-Text der im Nationalrat vertretenen Parteien nach diesem Verfahren in das Sample aufgenommen. Die Analyseeinheiten der quantitativen und qualitativen Analyse unterscheiden sich damit insofern, dass bei der quantitativen Analyse alle der mit Hilfe der dargelegten Suchstrategien aufgefundenen Online-Texte in das Materialkorpus aufgenommen wurden, während bei der qualitativen Analyse die Analyseeinheit auf einer bewussten Auswahl beruht. Teil der qualitativen Analyse sind ebenfalls- wenn vorhanden- die auf der jeweiligen Webseite auffindbaren Kommentare zu den einzelnen Online-Texten. Durch die Hinzunahme von Online-Texten zur Auswahleinheit, die Kommentare von Nutzerinnen enthalten, können ebenfalls die Reaktionen der Nutzerinnen auf einzelne Online-Texte in die qualitative Analyse eingebunden werden. Der Online-Text und die Kommentare bilden damit eine kommunikative Einheit. Mit Hilfe dieses Vorgehens wurde versucht, die Analyseeinheit in ihrer thematischen, inhaltlichen und personellen Breite abzudecken. Im Folgenden werden die einzelnen Online-Texte der qualitativen Analyse kurz charakterisiert. Die untersuchten Seiten unterscheiden sich in Form, Inhalt, Präsentation und ArgumentationsstiL Die einzelnen in das Sampie aufgenommenen Online-Texte wurden entsprechend des Modells der politischen Kommunikationsräume den jeweiligen Analyseebenen und damit einzelnen Kommunikationsräumen zugeordnet. Damit ergab sich folgende Verteilung (vgl. Tabelle 8-1): Tabelle 8-1: Verteilung der Online-Texte pro Kommunikationsraum Kommunikationsraum Das Internet als politischer Raum I: institutionelle und staatliche Politik Das Internet als politischer Raum II: Zivilgesellschaften, Interessensgruppen und soziale Bewegungen Das Internet als Mediemaum: Mediengesteuerte und medieninitiierte Online-Angebote Das Internet als Diskussions- & Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten Das Internet als persönlicher Raum
Anzahl 10 Online-Texte 4 Online-Texte 6 Online-Texte 4 Online-Texte 5 Online-Texte
In den folgenden Tabellen (8-2 bis 8-6) sind jeweils Erscheinungsdatum, die URL des Online-Textes und eine kurze Beschreibung des Inhalts des Online-Textes enthalten. Das Kürzel in der letzten Spalte verweist auf die
Au shandlungsprozesse, Identitätskonstruktionen und Positionierungen I 201
Abkürzung, unter der der Online-Text in der folgenden Diskussion der einzelnen Argumentationsstränge zitiert w ird.
Tabelle 8-2: Das Internet als politischer Raum 1: institutionelle und staatliche Politik Das Internet als rolitischer Raum 1: institutionelle und staatliche Politik Titel URL Datum Kurz-Beschreibung Werner Faymann: Notfalls bin ich zuständig
bundeskanzler.at
5.1.2010
Fekter: Zogaj muss Österreich verlassen Fekter zum Fall Zogaj Offener Brief an Bundeskanzler Faymann und Bundesminister Srindelegger Entschließungsantrag der Abgeordneten Korun, Brunner, Glawischnig, Piesczek, Freundlnnen Petition .,Arigona soll bleiben"
bmi.gv.at
1.7.2010
oevp.at
20.6.2010
gruene.at
7.6.2010
gruene.at
29.1.2010
gruene.at
19.7.2010
Causa Zogaj: Entscheidungdes Verfassungsgerichtshofsist zu akzertieren Strache zu Zogajs: Abschieben statt aufschieben! Migrationspolitik Rote Karte für grüne Klischees
sp oe.at
14.06.2010
fpoe.at
09.04.2010
http://ooe. gruene.at
4.11.2009
Fall Arigona zeigt: Asylbetrug lohnt sich!
noricus. wordpress.com
5.8.2010
Interview mit dem Bundeskanz!er, auch veröffentlicht in d er Kleinen Zeitung zum geplanten Erstaufnahmezentrum für Asylbewerberinnen und zu Asylverfahren allgemein Presseausendung des Innenministeriums zur Entscheidung des Asylgerichtshof Statement von Innenministerin Fekter zum .,Fall Zoga( Offener Brief von Ulrike Lunacek (außenpolitische Sprecherin ) an Bundeskanzler Faymann als Stellungnahme zum .,Fall" Arigona Zogaj Antrag zur Entsagung des Vertrauens an Innenministerin Fekter wegen Defizite in der Asyl- und Migrationspolitik
Bericht der Übergabe einer Petition der Grünen mit 10.000 Unterschriften an Bundesrräsidenten Statement von Justizsprecher Hannes Jarolim (SPÖ) zur Entscheidungdes Verfassungsgerichts zur Ausreise von Arigona Zogaj Statement von FPÖ- Bundesparteiobmann Strache zur Ausreise von Arigona Zogaj) Blageintrag des Grünen Landtagsabgeordneten Gunther Trübswasser über Migrationspolitik und Arigona Zogaj Blageintrag des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Vilimsky zu einer möglichen Wiedereinreise von Arigona Zogaj
Kürzel I4
I6
Ill I 18
I 22
I 28
I 32
I 40
I 45
I 136
202
I Politische
Kommunikationsräume im Internet
Im politischen Raum I der institutionellen und staatlichen Politik versammeln sich Online-Texte von Institutionen, die Presseaussendungen und Interviews darstellen (I 4, I 6, I 11; vgl. Tabelle 8-2). Von SPÖ, FPÖ und ÖVP finden sich Statements vor allem der Parteisprecherinnen zum "Fall" Arigona Zogaj, die die Positionen der jeweiligen Partei verdeutlichen (I 32, I 40). Die Grünen wenden sich über Anträge und Petitionen direkt an den Bundeskanzler bzw. an den Bundespräsidenten und eröffnen damit einen Dialog bzw. deliberative Politikformen (I 18, I 22, I 28). In den Blageinträgen eines FPÖ-Politikers und eines Abgeordneten Der Grünen finden sich Debattenanstöße in Form von Kommentaren (I 45, I 136). Insgesamt fällt auf, dass die interaktiven Möglichkeiten des Internets von den institutionellen Akteurinnen wenig genutzt werden - die Beschaffenheit der Online-Texte gleicht größtenteils herkömmlichen Pressemitteilungen. Die Grünen und die FPÖ nutzen teilweise Web 2.0Anwendungen, indem sie YouTube-Videos einbinden oder einen Verweis auf ihre Facebook-Seiten setzen.
Tabelle 8-3: Das Internet als politischer Raum II: Zivi/gesellschaften, Interessensgruppen und soziale Bewegungen Das Internet als politischer Raum II: Zivilgesellschaften, Interessensgruppen und soziale Bewegungen Titel URL Datum Kurz-Besd1reibung 17.6.2010 Diskussion der Rolle von Anmerkungen zu Hans ceiberweiMedien im ZusammenDiehand und Arigona ber.at Zogaj hang mit Arigona Zogaj no-racism.net 12.2.2010 Statement zur MigratiFlüchtlinge schützen, Asylrecht verteidigen onspolitik und Bericht zum Wiener Flüchtlin sball Wir scheissen auf no-racism.net 2.7.2010 Statement für ein Bleiberecht. Ebenfalls veröfIntegration! - Bleiberecht für alle, überall! fentlicht auf indymedia.at und stopdeportation.blo s ot.de Arigona ist kein indymedia.at 2.7.2010 Bericht zur DemonstraEinzelfall tion vom 1. Juli 2010 und Statement zur Migrations olitik
Kürzel ZSl
Z 60
Z63
Z64
Im politischen Raum li, dem Kommunikationsraum der zivilgesellschaftlichen und sozialen Bewegungen, finden sich größtenteils allgemeine Äußerungen in Bezug auf die Österreichische Migrationspolitik und Statements zum "Fall" Arigona Zogaj (Z 60, Z 63, Z 64; vgl. Tabelle 8-3).
Aushandlungsprozesse, Identitätskonstruktionen und Positionierungen I 203
Wenn sich die Online-Texte auf ein aktuelles Ereignis beziehen, w ie eine Demonstration für Arigona Zogaj (Z 64) oder den "Wiener Flüchtlingsball" (Z 60), wird eine Auseinandersetzung damit häufig in eine allgemeine Debatte über die Ausweisung von Asylsuchenden eingebunden. Auf die Rolle der Medien im "Fall" Arigona Zogaj verweisen die Ceiberweiber (Z 51). So sind diese Online-Texte weniger auf Information ausgerichtet; sie beziehen vielmehr eine Position in der Debatte.
Tabelle 8-4: Das Internet als Medien raum: Mediengesteuerte und medieninitiierte Online-Angebote Das Internet als Medienraum: Mediengesteuerte und medieninitiierte Online-Angebote Titel Seite Datum Kurz-Beschreibung derstan17.11.2009 Kommentar von Maria Recht muss Recht Sterkl (Leiterin des Resbleiben dard.at (+ 275 Kommentare) sorts Integration beim Online-Standard) Arigona ist nicht Anna derstan1.7.2010 Kommentar von ChefreNetrebko dard.at dakteurin Alexandra Föderl-Schmid zu (+ 599 Kommentare) Rechtsstaat und Einwanderun Informationen zum AusZogaj-Betreuer verrät krone.at 14.11.2009 D etails aus Asylbereisebescheid scheid (+ 1435 Kommentare) Zogajs lehnen Geld ab, krone.at 9.7.2010 Bericht über d en letzten um Staat nicht zur Last Schultag und die drozu fallen hende Ausreise (+ 1769 Kommentare) 8.2.2010 Leserbrief "Das freie Promi-Asylantin krone.at Wort" zu Arigona Zogaj Arigona Zogaj, (+ 4 Kommentare) allgemein und in Bezu g auf die Opernballeinladun Abschied gekommen krone.at/ 15.7.2010 Forum bereitgestellt von (Thread und Beiträge) talksalon der Kronen Zeitung mit Beiträgen auf 23 Seiten zur Ausreise von Arigona Zo a
Kürzel M 103 M 103K1
M108 M 108K
M88 MSSK
M87 M87K
M99 M 99K
M 144 M 144K
Die Kürzel werden durch ein "K" ergänzt, wenn im Text ein Kommentar zitiert wird, d er zu dem jeweiligen Artikel geschrieben w urde . So wird die Untersch eidung zwischen Artikel und Äußerungen von Nutzerinnen gewährleistet.
204 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Im Internet als Medienraum, also dem Raum der mediengesteuerte und medieninitiierte Online-Angebote, entspricht die Form der Online-Texte der einer massenmedialen Berichterstattung (vgl. Tabelle 8-4). Dieser beinhaltet Online-Texte, die als Nachricht, Kommentar oder Hintergrundbericht codiert werden konnten. In der Online-Ausgabe der Qualitätszeitung Der Standard (M 103, M 108) findet sich eine große Zahl an Beiträgen von Redakteurinnen, die eine Position innerhalb der Debatte beziehen. Die Boulevardzeitung Kronen Zeitung (M 88, M 87) positioniert sich ebenfalls innerhalb der Debatte, sowohl in den Artikeln, die auch in der Printversion zu finden sind, als auch durch online gestellte Leserinnenbriefe (M 99). Des Weiteren gibt es bei der Kronen Zeitung die Möglichkeit, die Beiträge in einem "Talksalon" weiter zu diskutieren (M 144 und M 144K). Da dieser durch die Verlinkung und redaktionelle Betreuung bei der Kronen Zeitung anzusiedeln ist, wird er nicht den politischen Foren zugeordnet, sondern als medieninitiiertes Forum analysiert. Online-Zeitungen ermöglichen es Nutzerinnen vielfach, den Beitrag direkt auf derselben Webseite zu kommentieren- eine Anwendung, die stark genutzt wird. Im Untersuchungszeitraum wurde zeitweise die Kommentarfunktion zu Beiträgen in der Kronen Zeitung deaktiviert, da sich fremdenfeindliche Kommentare häuften. Aufgrund dessen diskutierten einige der Teilnehmerinnen bei anderen Artikeln derselben Zeitung weiter ("da das Forum zu ,Abschied gekommen' deaktiviert wurde, schreibe ich eben hier weiter" (M 88K)). Die Beiträge zeichnen sich durch eine dialogische Form aus, häufig wird aufeinander Bezug genommen, jedoch dominiert dabei ein unsachlicher, beleidigender Diskussionsstil (insbesondere zuM 88, M 87, aber auchzuM 103, M 108). Angesichts der teilweise großen Anzahl an Kommentaren (über 1.000 Kommentare bei M 88 und M 87) wurde auch hier die schon beschriebene Methode des Theoretical Samplings angewendet. Es w urden neue Kommentare hinzugenommen, wenn dadurch ein neuer Diskursstrang erkennbar war oder neue Akteurinnen eingeführt wurden. Damit ist gewährleistet, dass zentrale Positionen und Argumentationsstränge, die sich aufeinander beziehen, erfasst werden. In der Auswertung wurden die Positionen des Online-Textes der Zeitungen und die Kommentare dazu getrennt analysiert, Rückschlüsse aber darauf bezogen, dass sich beide Formen in einem Kommunikationsraum befinden. Die analysierten Foren reichen von einer evangelischen Plattform (evang.at), über ein Forum, das zum Zeitpunkt der Untersuchung über 500.000 Klicks aufwies (megatreffat) bis hin zu den Foren zeitwort.at und Politikforen.net, die ein umfangreiches Angebot an Themen zu Politik und Gesellschaft haben (vgl. Tabelle 8-5).
Aushandlungsprozesse, Identitätskonstruktionen und Positionierungen I 205
Tabelle 8-5: Das Internet als Diskussions- & Kommunikationsraum für A!!tagsöffentlichkeiten: medieninitiierte Foren & Politikforen Das Internet als Diskussions- & Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten: Medieninitiierte Foren & Politikforen Titel Seite Datum Kurz-Beschreibung Kürzel Fall Arigona Zogaj: Tochter floh vor Fremden olizei Arigona Zogaj Verbot für AntiArigona Zogaj Demo
Arigona Zogaj
zeitwartat
13.11.2009
Aufruf eine Petition zu unterzeichnen
F 145
Politikforen.net megatreff.at
12.11.2009
F 143
evang.at
15.11.2009
Diskussion anlässlich des Abschiebebescheids Diskussion anlässlich der nicht genehmigten Demonstration der NVP in Frankenbur Austausch über den Fall allgemein. Diskussionsforum der evangelischen Kirche in Österreich
15.7. 2010
F 142
F 141
Laut Impressum werden alle Foren von Einzelpersonen betrieben, die keiner parteipolitischen Richtung zuzuordnen sind. Allerdings unterscheiden sich die Beiträge je nach Forum stark in ihrer politischen Gewichtung. Eine eher an christlichen Werten orientierte Auseinandersetzung mit längeren Wortbeiträgen und einer dialogischen Form findet sich bei evang.at (F 141). Kritisch und unter Bezugnahme auf zivilgesellschaftliche Akteurinnen äußern sich die Beiträge auf zeitwort.at (F 145). In den Foren politikforen.net und megatreffat finden sich eher rechtspolitisch orientierte Beiträge, in denen ein kurzer Austausch über die Notwendigkeit der Ausweisung stattfindet (F 142, F 143). Bei den Diskussionsforen wurde ebenfalls nach der Methode des Theoretical Sampling vorgegangen und eine theoretisch gesättigte Anzahl an Argumenten und Positionen in die Analyse einbezogen. Die Blageinträge decken ein breites argumentatives Spektrum ab, da sowohl Position für Arigona Zogaj bezogen und auf zivilgesellschaftliche Akteurinnen Bezug genommen wird, die sich für eine Bleiberecht aussprechen (B 129) als auch eine ablehnende Haltung hinsichtlich eines Aufenthaltstitels eingenommen wird (B 132), wie in Tabelle 8-6 zu erkennen. Nicht eindeutig positionierbar ist ein weiterer Blog, der jedoch durch seine Polemik über die "rehbraunen Augen" auf die teilweise fragwürdigen Kommentare und Äußerungen gegenüber Arigona Zogaj hinwies und damit die Entwicklung der politischen Debatte hinterfragt (B 130). In zwei weiteren Blogs der Analyse wird darüber hinaus die konkrete Debatte in die Österreichische Migrationspolitik eingeordnet (B 128, B 135).
206 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Die jeweiligen Kommentare teilen zumeist die vorgestellten Positionen der Blogschreibenden.
Tabelle 8-6: Das Internet als persönlicher Raum Das Internet als persönlicher Raum Titel Seite Streitfall Zogaj (+ 4 Kommentare) Arigona Zogaj in die Heimat? Ich bin dafür! Rehbraune Augen hat mein Schatz
politw atch.at Franzjoseph.at Blog.ertlmedia.at
Arigona again (+ 16 Kommentare) Arigona Zogaj vs. Fekter. Oder: ein unnötiges Gerangel um nix
weltenboebachterin.at saschap. wardpress.com
Datum
Kurz-Beschreibung
Kürzel
13.11.2009
Bericht über die Chronik des "Falls" Aufruf zur Demonstration am 1. Juli 2010 Kurzer p olemischer Eintrag z u den "rehbraunen" Augen von Arigona Zo a· Kommentar zur Medienberichterstattung Blogeintrag, der das Verhältnis zwischen Maria Fekter und Arigona Zogaj thematisiert
B 128 B 128K B 129
25.6.2010 16.11.2009
5.1.2010 15.6.2010
B 130
B 132 B 132K B 135
8.2 Gesellschaftliche Debatten und Argumentationsstränge Die in der qualitativen Analyse untersuchten Online-Texte können- obwohl sie nur eine Auswahl aus dem quantitativen Material darstellen aufgrund ihrer zentralen Rolle innerhalb der Debatte als Schlüsseltexte der Online-Debatte über Arigona Zogaj gelten (vgl. Jäger 2004). Sie bilden ein großes Akteursspektrum und vielfältige argumentative Positionen ab. Die mittels der beschriebenen Strukturierung der Online-Texte sowie durch axiales und selektives Codieren erarbeiteten Argumentationsstränge sind eingebettet in unterschiedliche gesellschaftliche Debatten. Zentrale Positionen und Merkmale der Debatten werden in der Verwendung spezieller Begriffe, Wörter und Metaphern erkennbar. So zeigt sich beispielsweise in der Debatte um Identität an Wörtern wie " ihr", "unser" oder "gemeinsam" der Zusammenhang zu Prozessen der Inklusion und Exklusion. Die zentralen Argumentationsstränge lassen sich in vier thematischen Schwerpunkten zusammenfassen, wobei teilweise Überschneidungen erkennbar sind. Die einzelnen Argumentationsstränge werden ausführlich in den Abschnitten 8.3 bis 8.5 dargestellt. Durch die Analyse der Argumentationsstränge und der thematischen Schwerpunkte werden einzelne
Aushandlungsprozesse, Identitätskonstruktionen und Positionierungen I 207
Positionierungen, sowie deren Entstehung und Begründung ersichtlich. Diese umfassen Themen der Migration und Integration sowie Verhandlungen über Staatsbürgerschaft in Verbindung mit der Frage der Zugehörigkeit zu einer Nation. In Zusammenhang mit Fragestellungen zur Ausreise von Arigona Zogaj wird über das politische System und die Rechtsprechung debattiert. Darüber hinaus werden allgemeine Normen und Wertvorstellungen verhandelt und damit normative und interpretative Rahmen aufgespannt.
Tabelle 8-7: Schwerpunkte und Argumentationsstränge Schwerpunkt Migration und Zugehörigkeit
Staatsbürgerschaft, Nation und Identität Politik, Recht und Medien
Mediale Repräsentationsstrukturen des "ÖffentlichWerdens"
Argumentationsstränge • • • • • • • • •
Bedeutungszuweisungen an d en Begriff "Integration" Formen der Inklusion und Exklusion Verschränkungen von Migration und Gen der Nation: Einheit oder Vielfalt Soziale und kulturelle Identitäten als Topographie Politik zwischen Inszenierung und Repräsentation Politische Rechte, Bürgerrechte und Mensch enrechte Massenmedien und Demokratie Personalisierungen: Arigona Zogaj zwischen "Opfer" und "Star" • Konstruktionen von marginalisierten und hegemonialen Positionen
Die Interpretation erstreckt sich damit über vier thematische Schwerpunkte, die sich aus jeweils zwei bis drei Argumentationssträngen zusammensetzen (vgl. Tabelle 8-7): (1) Migration und Zugehörigkeit: Dieser thematische Fokus umfasst allgemeine Fragen der Migration und Integration, aber auch Formen der Abgrenzung, die sich durch Inklusions- und Exklusionsprozesse äußern. Darunter fallen Debatten über eine Bestimmung der kulturellen und politischen Gemeinschaft "Österreich" sowie Diskussionen über die dafür als notwendig erachteten Werte und Normen. Dies geschieht in Selbstverständigungsprozessen, in denen Deutungsrahmen aufgespannt werden, die über Zugehörigkeit bestimmen. Diese sind eng mit Formen der Inklusion und Exklusion verknüpft. Bei der Bestimmung über Zugehörigkeit werden Verschränkungen mit anderen Kategorien, die Ungleichheiten hervorrufen können, deutlich. So stehen Fragen der Migration häufig in einem Zusammenhang mit den Kategorien Ethnizität und Geschlecht verknüpft, deren additive Verknüpfung Ungleichheiten hervorrufen kann.
208 I Politische Kommunikationsräume im Internet
(2) Staatsbürgerschaft, Nation und Identität: Hierunter fallen sämtliche Textpassagen, die sich mit Fragen der Konstruktion von N ation und Identität beschäftigen. Neben sozialen und politischen Identitätskonstruktionen spielen zunehmend kulturelle Positionierungen eine Rolle. In diesen thematischen Schwerpunkt fallen dementsprechend die Argumentationsstränge zu "Nation: Einheit oder Vielfalt" sowie "soziale und kulturelle Identitäten als Topographie". Im erst genannten Argumentationsstrang werden Argumente über die Konstruktion von Nation oder eine imaginierten Gemeinschaft gefasst. Im zweiten Argumentationsstrang sind Textpassagen enthalten anhand derer ablesbar ist, welche Identitäten und Subjektpositionen in solchen Konstruktionen gedacht und verortet werden. (3) Politik, Recht und Medien: Unter diesem inhaltlichen Schwerpunkt werden zum einen Aussagen zum politischen System und über Politikerinnen gefasst, einen großen Stellenwert nimmt jedoch andererseits eine ausgedehnte Debatte über Rechtsprechung im Zusammenhang mit Fragen der Bürger- und Menschenrechte ein. Recht und Menschlichkeit werden argumentativ gegen einander gesetzt und häufig das eine gegenüber dem anderen hierarchisiert. Eine entscheidende Rolle wird darüber hinaus in den Debatten häufig allgemein den Medien als Teil des politischen Systems zugewiesen. So wird in vielen Online-Texten die Rolle der Medien thematisiert und auf demokratisches ihr Handeln Bezug genommen. (4) Mediale Repräsentationsstrukturen des "Öffentlich-Werdens": Neben den Argumentationssträngen, die starke Bezüge zu allgemeinen gesellschaftlichen Debatten aufweisen, werden unter diesem Schwerpunkt zwei Argumentationsstränge gefasst, die sich direkt auf die Person von Arigona Zogaj beziehen. Zum einen gehen mit einer Thematisierung der Person Arigona Zogaj häufig Zuschreibungen einher; so wird ihre Rolle als Täterin oder Opfer beschrieben oder ihr gesellschaftlicher Status angesichts der Medienberichterstattung diskutiert. Zum anderen wird sie in Vergleich zu anderen Personen des öffentlichen und politischen Lebens gesetzt, wie beispielsweise zum russisch-österreichischen Opernstar Anna Netrebko oder zu Maria Fekter, der damaligen Österreichischen Innenministerin. Weniger wird dabei das Handeln von Arigona Zogaj beschrieben bzw. ihre Position bestimmt als vielmehr über sie gesprochen. Dies führt zum zweiten Argumentationsstrang: der Konstruktion von hegemonialen und marginalisierten Positionen. Arigona Zogaj, als die Subalterne, bleibt zumeist stimmlos. Das Recht zu sprechen, erhalten Akteurinnen des politisch-institutionellen Systems und vereinzelt Zivilgesellschaften.
Aushandlungsprozesse, Identitätskonstruktionen und Positionierungen I 209
Nicht alle vorfindbaren Argumentationsstränge können dabei Teil der Analyse sein. Ziel ist es, die Strukturen und Argumentation smuster zu beschreiben und diejenigen Aspekte nachzuzeichnen, die die OnlineDebatte zu Arigona Zogaj maßgeblich prägen. Dies lässt im Weiteren dann Rückschlüsse auf die Strukturierung einzelner Kommunikation sräume im Internet in dieser Debatte zu. So wurden darauf aufbauend die Strukturen der kommunikativen Prozesse einzelner Kommunikationsräume analysiert und damit die konzeptionellen Annahmen des Modells reflektiert. Schlussfolgerungen bezüglich der Frage, in welchen Räumen welche Diskussionen geführt werden bzw. auch welche Möglichkeiten der Debatte sich eröffnen, sind d ann möglich. Im Folgenden werden die einzelnen thematischen Schwerpunkte dargestellt und die zentralen Argumentationsstränge herausgearbeitet. Dazu werden die empirischen Ergebnisse entlang der einzelnen Kommunikationsräume diskutiert und anschließend theoretisch gerahmt.
8.3 Migration und Zugehörigkeit Migration und Zugehörigkeit sind politisch brisante Themen, die anhand vielfältiger Perspektiven verhandelt werden. Mehrere Argumentationsstränge, entlang derer die folgenden Abschnitte gegliedert sind, bilden diesen inhaltlichen Schwerpunkt. So sind es insbesondere die Diskussion um die inhaltliche Besetzung d es Begriffs der Integration, die verschiedene Formen der Inklusion und Exklusion nach sich ziehen . Die Grenzziehungen zwischen dem Eigenem und dem Fremden zeigen sich insbesondere anhand der kategorialen Verschränkung von Ethnizität und Gender in den Debatten.
Bedeutungszuweisungen an den BegriffJntegration" Im Begriff der Integration verdichten sich sozialwissenschaftliche, aber auch medial vermittelte und alltagspraktische Deutungsmuster. Immer wieder Gegenstand gesellschaftlicher und medialer Debatten ist die Frage nach der Bedeutung von Integration und damit gleichermaßen eine Bestimmung d essen, was unter Integration gefasst wird. Der Begriff der Integration beschreibt nicht nur w ie der Begriff der Migration einen Prozess, sondern erhebt eine normative Forderung nach Anpassung an bestimmte Werte und Normen. In politischen Debatten werden zumeist Sprache und Kultur als mögliche Integrationsfaktoren benannt, aber es werden auch gesichertes Einkommen und gesellschaftliche Integrität als
210 I Politische Kommunikationsräume im Internet
wichtig erachtet (vgl. Esser 1988). Robert E. Park macht verschiedene Stufen der Assimilation fest, die über den Grad der Integration bestimmen, und kategorisiert damit die Integration von verschiedenen Gruppen in eine Gesellschaft. Gesellschaftliches Ziel ist es, durch eine "identifikative Assimilation" die Majoritätskultur anzunehmen (vgl. Rauer/Schmidtke 2001: 16 f.). In den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und dem Ringen um verschiedene Bedeutungszuweisungen an den Begriff der Integration spiegeln sich also konfligierende Debatten in einer Gesellschaft wider. Eine direkte Auseinandersetzung mit den Bedeutungen des Begriffs der Integration findet sich in den analysierten Online-Texten von zivilgesellschaftlichen Akteurlnnen, die insbesondere dessen normative Bedeutung in Frage stellen. Denn, so no-racism.net, es lässt sich nicht nur der Begriff an sich kritisieren, auch habe der Grad der Integration keinerlei Auswirkung darauf, ob die betroffene Person abgeschoben werde oder nicht (Z 63). Darüber hinaus zementiere der Begriff die "Einteilung von Menschen in Staatsbürgerinnen und Migrantlnnen" und gehöre "abgeschafft" (Z 63). No-racism.net benennt ebenfalls die weiteichenden Konsequenzen des lntegrationsbegriffs, denn Integration stehe immer im Zusammenhang mit "Staat, Patriarchat, Nation und Kapital" (Z 63). Trotz partieller Kritik an der Bedeutung des Begriffs der Integration werden in der Debatte um Arigona Zogaj auch von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen Bedeutungszuweisungen reproduziert, da die "erfolgreiche Integration" als Leistung der Migrantin angesprochen wird, die für einen Aufenthaltstitel von Vorteil ist. So argumentiert ceiberweiber.at mit der langen Aufenthaltsdauer in Österreich; Arigona Zogaj sei praktisch "hier" aufgewachsen, weswegen man sie " als zu diesem Land zugehörig betrachten" könne (Z 51). Hier finden sich Parallelen zu Argumentationen in anderen Kommunikationsräumen, wie dem Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten. Die Grünen betonen, dass Integration nicht nur als reine Bringschuld von Migrantlnnen gesehen werden kann (I 5). Insbesondere der Zusammenhang zwischen dem Grad der Integration und der Relevanz für eine mögliche Abschiebung wird des Öfteren verhandelt. Zumeist wird argumentiert, dass eine erfolgreiche Integration einen Aufenthaltstitel rechtfertigen könne (insbesondere in den Kommentaren zu Kronen Zeitung und Der Standard). Die erfolgreiche Integration bemisst sich demnach darin, ob Migrantlnnen deutsch sprechen - am besten noch einen Österreichischen Dialekt -, erfolgreich in Schule oder im Beruf seien sowie in irgendeiner Form als "unserer" Kultur zugehörig betrachtet werden können. Juristische Aspekte, wie ein "langes Asylverfahren" (B 3K), werden oft herangezogen, um am Einzelfall Arigona
Aushandlungsprozesse, Identitätskonstruktionen und Positionierungen I 211
Zogaj deutlich zu machen, welche "Unmenschlichkeiten" sich in der Asylgesetzgebung finden. Eine explizite Kritik am System der gängigen Migrationspolitik und Abschiebepraxis beinhaltet dies jedoch nicht. Argumente einer "erfolgreichen Integration" bilden insbesondere in Alltagsöffentlichkeiten und im institutionellen Raum die Grundlage der Bewertung über einen möglichen Aufenthaltstitel sowie generell über Migration und Integration. Auch in Blogs werden ähnliche Argumentationsmuster deutlich. Begründet wird die Zugehörigkeit beispielsweise durch Aussagen, wie, dass sich die Familie "gut eingefügt" habe, "der Vater arbeitete, die Kinder gingen zur Schule" (B 1, ähnlich I 3 und I 6) und damit die Familie als Ganzes "hervorragend integriert" sei (I 6). Allerdings wird auch argumentiert, dass " Arigona illegal eingereist" sei, und dieser Rechtsbruch wiederum die Integrationsleistung mindere (B 1). Auch in Alltagsöffentlichkeiten, also den Kommentaren, in diesem Fall zu einem Blog (B 3K), finden sich ähnliche Deutungen: Für ein Bleiberecht spreche, dass es sich um eine "gut integrierte Familie" handele und Arigona Zogaj "hier" die Schule besucht habe. Auch im Standard findet sich diese argumentative Strategie: Arigona Zogaj spreche deutsch und will sogar einen " Beruf ergreifen, der sie zur Schlüsselarbeitskraft" macht, im Gegensatz zur Opemsängerin Anna Netrebko, die aber trotzdem die Österreichische Staatsbürgerschaft erhielt (M 108). Allerdings widersprechen die Kommentare zu diesem Beitrag dieser Sicht auf eine erfolgreiche Integration: "ohne Asylgrund gibt es kein Asyl, es sind schon genügend Menschen mit Migrationshintergrund da" (M 108K). Im weiteren Verlauf der Debatte entsteht darüber hinaus eine Auseinandersetzung, in der vor allem zwischen verschiedenen Kommentatorinnen über divergente Positionen verhandelt wird. Diese schwanken zwischen den Positionen "Österreich ist kein Einwanderungsland" und " alle Österreicher haben einen Einwanderungshintergrund" (M 108K). Im Sinne der eingangs ausgeführten normativen Grundlagen einer Demokratie entspannt sich damit ein deliberativer Prozess, der dem Austausch von Argumenten gewidmet ist und der Aushandlung verschiedener Positionen in der Debatte dient. In den Kommentaren der Kronen Zeitung hingegen wird einhellig die illegale Einreise von Arigona Zogaj betont und gleichzeitig verurteilt. Sie habe versucht, sich "ins gemachte Nest" zu setzen, nun sei sie aber wieder auf dem Weg in "ihre Heimat". Migrationsbewegungen werden kritisch kommentiert, da sie eine Gefahr für die eigenen "Bräuche" und "Werte" darstellen (M 87K). In dieser Argumentationslinie wird implizit angenommen, dass es eine Österreichische Nation mit bestimmbaren und gemeinsamen Normen sowie sie verbindenden Werten gibt.
212 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Des Weiteren wird in der Kronen Zeitung deutlich, dass Staatsbürgerschaft - oder allgemeiner die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft nicht nur an rechtliche Aspekte, sondern vor allem an kulturelle Normen geknüpft wird. Überlegungen zum Konzept des Cultural Citizenship haben darauf aufmerksam gemacht, dass gerade das Anrecht auf Staatsbürgerschaft zunehmend weniger mit rechtlichen und politischen Aspekten verbunden ist, sondern vielmehr auf solchen kulturell begründbaren Unterscheidungen beruht (vgl. Klaus(Lünenborg 2012). In der untersuchten Online-Debatte zeigt sich dies darin, dass der Besuch einer Österreichischen Schule oder die Arbeit des Vaters als Marker genommen werden, um Zugehörigkeit zu gemeinsamen Werten und damit das Recht auf einen legalen Aufenthalt auszudrücken (z.B. M 108K). Die anfangs geäußerte Vermutung, dass auf Ebene der zivilgesellschaftlichen Akteurinnen eine Aushandlung um Bedeutungen innerhalb der Debatte stattfinden wird, lässt sich zumindest für den Argumentationsstrang um Integration und Migration nicht bestätigen. Die Aushandlungsprozesse orientieren sich zumeist an der herrschenden Gesetzgebung und hegemonialen Diskursen über Migration. Darüber hinaus werden keine Alternativen aufgezeigt, wie Veränderungen in der Migrationsund Integrationspolitik möglich werden könnten. Zwar wird darauf hingewiesen, dass "eine zukunftsfähige Migrations- und Integrationspolitik Fachkompetenz, Verantwortungsbewusstsein für Rechtstaatlichkeit, differenziertes Denken, aber auch Mitgefühl und Einfühlungsvermögen" erfordere, allerdings werden keine konkreten Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt (Z 51). Die Oppositionspartei Die Grünen konstatiert "fachliche Mängel bei Fekter", da insbesondere ihre Wortwahl "instrumentalisiert" und "radikalisiert" (I 5); Alternativen im Umgang im Migrantlnnen würden jedoch nicht benannt. Die Debatte über Migration und Integration mündet in eine weitere Argumentationslinie, in der intensiv der Umgang mit Einzelfällen diskutiert wird. Die Verwendung des Integrationsbegriffs zielt zumeist darauf ab, allgemeine Normen und Werte zu schaffen und weniger einzelne Migrantlnnen in den Blick zu nehmen. Schwierigkeiten zeigen sich dann, die öffentlich debattierten Einzelfälle wieder in eine allgemeine Debatte über Migration einzubinden. Häufig finden sich Positionen, die Arigona Zogaj als "Einzelfall" bezeichnen, der eine Ausnahmeregelung erfordere, die jedoch durch Gesetze verhindert würde, da diese keine Ausnahmen und damit keine Einzelfälle zuließen (Z 63). Dieses Wissen über Einzelfälle sei jedoch wichtig, um helfen zu können, denn nur durch Beispiele blieben Migrantlnnen nicht abstrakt (Z 3). Allerdings, so eine Gegenposition, führe diese Behandlung als Einzelschicksal zu einer Ungerechtig-
Aushandlungsprozesse, Identitätskonstruktionen und Positionierungen I 213
keit, da "eine Gleichbehandlung aller [ ... ] korrekt" wäre (B 3K). Diese unterschiedliche Positionierung zum Verhältnis von Gesetzen und Einzelschicksalen beinhaltet keine grundsätzliche Abkehr vorn herrschenden Integrationsbegriff, da die Notwendigkeit von Integration an sich nicht in Frage gestellt wird, sondern diese Annahmen lediglich anhand eines konkreten Einzelfalls diskutiert werden. Damit übernehmen Einzelakteurinnen in Blogs und zivilgesellschaftliche Akteurinnen zumeist die Argumentationen und Positionen, die sich in den Presserklärungen und Interviews im institutionellen und staatlichen politischen Kommunikationsraum finden. Eigene Positionierungen und damit eine stärkere Verortung in diesem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess finden sich selten; Migration wird zumeist in Zusammenhang mit Integration diskutiert. Auch wenn von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen teilweise der Begriff der Integration weiter gefasst wird, finden sich Urndeutungen arn ehesten im Diskussions- und Kommunikationsraum der Alltagsöffentlichkeiten sowie in Blogs. Hier wird nicht nur die Auffassung vertreten, dass Integration eine Leistung der Migrantlnnen darstellt, sondern die Vielschichtigkeit des Begriffs aufgezeigt. Integration kann auch bedeuten sich "zu Hause" zu fühlen (B 135); zudem ließe die gesellschaftliche Debatte außer Acht, dass die "meisten Österreicher einen Einwanderungshintergrund" (M 108K) hätten. Eine Lösung könne ein "humanitäres Bleiberecht" sein, dass den "illegalen Aufenthalt" beende (B 135). In einzelnen Kommunikationsräumen findet also eine partielle Umkehr der herrschenden Vorstellung von Migration und Integration statt; es entwickeln sich weitere Deutungsweisen, die Bedeutungsverschiebungen beinhalten. Die Ergebnisse der qualitativen Analyse dieses Argumentationsstrangs lassen sich in die allgerneine Debatte über Migration und Integration einordnen. Migration und Integration sind politisch besetzte Begriffe. Insbesondere der Begriff der Integration ist symbolisch aufgeladen und wird als Grundlage politischer Forderungen nach einer Anpassung von Migrantlnnen an eine Gerneinschaft herangezogen. Im Sinne von Haberrnas (1996: 160 ff.) meint der Begriff der Integration zunächst jedoch lediglich eine "politische Einbeziehung" vielfältiger gesellschaftlicher Akteurlnnen. Die Debatten machen jedoch deutlich, dass es weniger um eine politische Einbeziehung als vielmehr um die grundlegende Diskussion von Werten und Normen einer Gerneinschaft geht. Das Konfliktpotenzial resultiert aus den unterschiedlichen Vorstellungen über gelungene und misslungene Integration in eine Gerneinschaft (vgl. Rauer/Schrnidtke 2001: 250). Integration steht auch immer in Zusammenhang zu Werten, zu denen sich eine Gesellschaft bekennt (vgl. Irnbusch/Heitrneyer 2006).
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Beck und Beck-Gernsheim (1994: 20 ff.) weisen darauf hin, dass der Begriff der Integration ungeeignet ist, da er eine einheitliche Gesellschaft voraussetzt, die es angesichts weitreichender Individualisierungstendenzen nicht gibt. Integration ist jedoch vor allem ein Begriff des politischen und medialen Diskurses geworden und steht häufig in Zusammenhang mit einer Schwierigkeit, dem ,,Integrationsproblem". Die Verhandlungen über gemeinsame Werte und damit das Ringen um eine imaginierte Gemeinschaft werden in den untersuchten Online-Texten deutlich, hier zeigt sich, wie sehr deren Deutungen umkämpft sind.
Formen der Inklusion und Exklusion Fragen der Integration und Migration sind eng verknüpft mit Grenzziehungen zwischen "innen" und "außen". Durch Differenzierungen werden Abgrenzungen von etwas "Anderem" oder "Fremden" vorgenommen und damit Inklusions- und Exklusionsprozesse in Gang gesetzt. In Debatten über Migration und Integration wird so ausgehandelt, wer in eine symbolische oder kulturelle Gemeinschaft inkludiert werden kann und wer davon ausgeschlossen bleibt. Kategorien, die darüber entscheiden, sind nicht fix, sondern kulturell konstruiert. Im institutionellen und staatlichen Kommunikationsraum zeigen sich sprachliche Marginalisierungen durch den Hinweis auf die Herkunft, beispielsweise durch den Ausdruck "kosovarische Flüchtlinge" (I 4), der deutlich macht, dass eine Abgrenzung auf nationalstaatlicher und rechtlicher Ebene stattfindet. Die größten Unterschiede im Sample finden sich zwischen den Oppositionsparteien FPÖ und Den Grünen. Die FPÖ grenzt -entsprechend ihres Wahlkampfmottos zur Nationalratswahl2008 "Abschieben statt Aufschieben" - Arigona Zogaj aus der Österreichischen Gemeinschaft aus, denn eine "Familienzusammenführung" sei "nur im Kosovo" möglich. Zu Österreich gehöre sie nicht, da sie " den Österreichern auf der Nase herumtanzt" (I 9). Das Bleiberecht sei an sich schon ein "Schlupfloch für Asylbetrüger" (I 9). Für Die Grünen gehört Arigona Zogaj "dazu" -allein schon aus dem Grund der Menschlichkeit müsse sie "hier" bleiben (I 28). Im Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten finden sich in den Kommentaren der Kronen Zeitung zahlreiche Positionen, die einen exkludierenden Rahmen aufspannen. Von einer gemeinsamen Österreichischen Norm abweichend, so ein Argument, verhält sich die Mutter von Arigona Zogaj, sie "verletzt ihre Fürsorgepflicht" (M 103K). Darüber hinaus wird Arigona Zogaj im Kosovo verortet, in dem Gegensätze zwischen "wir" und "ihr" sowie zwischen " dein Land"
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und "unser Land" aufgespannt und damit klare Grenzen gezogen werden (M 87K). Ein weiterer Grund zur Exklusion liege daran, dass es "schon genügend Menschen mit Migrationshintergrund" gäbe und Arigona Zogaj "keinen Asylgrund" habe (M 108K). Die Einladung an Arigona Zogaj zum Wiener Opernball, die der Österreichische Kabarettist Alfons Haider aussprach, wird als "Eingriff" in eine "urösterreichische Kultur" gesehen. Entsprechend erregt dies den Missmut vieler Kommentatorlnnen. Der Opernball als Österreichische Institution gilt als Kulturgut, ein "Asylant auf dem Opernball", so ein Online-Leserbrief der Kronen Zeitung, sei da schwer vorstellbar (M 91). Wie auch eine "humanitäre Lösung" sei die Teilnahme am Opernball eine Provokation, die sich nur schwer mit "alles Walzer" beschreiben ließe (M 91). Einer Inklusion steht entgegen, dass Arigona Zogaj ihre "Lebensgrundlage aus Spenden erzielt" und damit "in der Heimat bleiben" (M 144) und auf jeden Fall nicht -"genug ist genug"- zum Opernball gehen soll (M 91). In dem Kommunikationsraum der Alltagsöffentlichkeiten findet sich nur in einem Diskussionsforum eine Argumentationslinie, die in Teilen eine inklusive Position einnimmt: Nur "harmlose Asylsuchende" können demnach aufgenommen werden, denn "Gewaltbereite und Integrationstmwillige" sollen nach wie vor ausgeschlossen bleiben (F 144). Trennlinien, die sich auf das Verhalten der Migrantin beziehen, werden häufig genannt. So kann "Arigona gehen, da sie ihre Lehre abgebrochen hat" (F 145) - eine Behauptung, die zeigt, dass die Kommentatorinnen eine klare Trennung in erwünschte und unerwünschte Migrantlnnen vornehmen. Erwünschte Migrantlnnen sind demnach diejenigen, die "Arbeit haben und nicht illegal eingereist sind" (F 143). Ähnlich äußert sich ein anderer Forumsteilnehmer: "ordentliche Familien sind in Österreich willkommen, Erpresser nicht" (F 143)- eine Anspielung auf die angebliche Erpressung des Österreichischen Staates durch Arigona Zogaj, als sie sich mit einer Videobotschaft an die Öffentlichkeit wandte. Darüber hinaus dient die Beherrschung oder Nicht-Beherrschung der deutschen Sprache als ein Mittel eine Person in die Österreichische Gemeinschaft einzuschließen oder daraus auszuschließen (M 88K, M 108K). Diese Argumentationslinien berühren den klassischen Integrationsbegriff, der in der Tradition des klassischen Assimilationsmodells von Robert E. Park steht. Nach Park vollzieht sich die Integration in mehreren Stufen mit dem Ziel einer Homogenisierung der Gesellschaft (vgl. Rauer/Schmidtke 2001). Insbesondere in den Kommentaren der Kronen Zeitung und in den Foren werden klare Trennlinien von Integration und Desintegration gezogen. Das Ziehen solcher Grenzen bietet wenig Möglichkeiten für Veränderungen, denn durch sie wird deutlich markiert, wer dazu gehören
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kann und wer nicht. Bhabha (2000) zufolge wird ein Subjekt durch Spaltungen und Lücken konstruiert, es ist nichts Fertiges oder Vollständiges (vgl. auch Castro Varela/Dhawan 2005: 88). Ähnlich wird in der Debatte um Arigona Zogaj in der Fremdbeschreibung das Subjekt zumeist als das dargestellt, was es nicht ist. Prozesse der Inklusion und Exklusion zeigen sich also insbesondere über Formen der Abgrenzung. Formen der Abgrenzung lassen sich nach Lenz (2009) vor allem durch zwei Dimensionen unterscheiden; zum einen in der Verteilungsdimension, die über die Verteilung gesellschaftlicher Güter entscheidet, und zum anderen in der Anerkennungs- und Partizipationsdimension, die über gesellschaftliche Rolle und die zugesprochenen politischen Rechte in einer Gemeinschaft bestimmt. Darüber hinaus sind weitere Dimensionen denkbar, die eine kulturelle Partizipation und individuelle Entfaltungsrechte beinhalten. In den analysierten Online-Texten werden durch das "Sprechen" der Akteurinnen und damit die dargestellten und vertretenen Positionen in den Online-Texten Migrantlnnen verortet und damit über Ein- und Ausschlüsse aus einer Gemeinschaft verhandelt. Die Geschlechterforschung hat solche Prozesse des Aushandeins von Positionen mit dem Begriff des "doing gender" bezeichnet. Im Zusammenhang mit Fragen von Migration und Integration lassen sich diese Prozesse mit "doing identity" oder "doing ethnicity" beschreiben, um auf den andauernden Charakter des Bestätigens und Verifizierens hinzuweisen. In den analysierten Online-Texten wird Arigona Zogaj Anerkennung und Partizipation zumeist verweigert und sie dadurch exkludiert. So wird sie nicht als gleichwertiges mit Rechten versehendes Mitglied einer Österreichischen Gemeinschaft wahrgenommen und ihr damit Teilhaberechte verweigert. Insbesondere in der Debatte um Citizenship werden solche komplexen sozialen Ungleichheiten aufgezeigt (vgl. Lenz 2009: 57). In Prozessen der Online-Kommunikation über Arigona Zogaj w erden dementsprechend soziale Identitäten verortet und auf vielfältige Weise Zugehörigkeit konstruiert, dies geschieht durch Unterscheidungsmerkmale sowie Eigen-, Selbst- und Fremdpositionierungen. Das Ausmaß der Inklusion kann dabei unterschiedlich sein. Lenz (2009: 40ff.) unterscheidet zwischen privilegierter Inklusion, Inklusion und Marginalisierung sowie Exklusion. Im untersuchten Sampie finden sich zwar -bis auf die privilegierte Inklusion - vielfältige Positionen. Allerdings gibt es in den Debatten um Inklusion und Exklusion von Arigona Zogaj in die symbolische Gemeinschaft Österreichs, insbesondere unter der Fragestellung der Anerkennung, lediglich ein enges Repertoire an Rollenzuweisungen und Konstruktionen des "Eigenen" und "Fremden"; die Betonung der Vielfalt
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und das Vorhandensein von Unterschieden, die eine gleichwertige Inklusion auszeichnen, finden sich selten. Verschränkungen von Ethnizität und Gender
Im vorangegangen Argumentationsstrang zu Formen der Inklusion und Exklusion wurde deutlich, dass sich in der Debatte verschiedene Ungleichheitskategorien überlagern. Dabei bedingen insbesondere Konstruktionen von Ethnizität und Geschlecht Differenzsetzungen. Diese Konstruktionen werden zumeist durch Zuschreibungen legitimiert. In den Kommentaren zu Online-Zeitungen, insbesondere in der Kronen Zeitung, zeigt sich eine Verwobenheit mit Körperdiskursen und damit mit einer Beschreibung von Äußerlichkeiten. So wird Arigona Zogaj als "hübsch" und " telegen" beschrieben im Gegenzug würde ein "schiaeher Afrikaner" nicht dieselbe mediale Aufmerksamkeit erfahren (M 88K, ähnlich B 132, M 99K). Dieser Körperdiskurs geht einher mit " rassistischen" und sexistischen Zuschreibungen. Der "Medienwirbel" resultiere alleine daraus, dass Arigona Zogaj "so hübsch" sei (B 3). Der Blick auf den weiblichen Körper bzw. die Vereinnahmung desselben zeigt sich des Weiteren in der Erörterung der Möglichkeit einer Schwangerschaft, die Arigona Zogajs Chance in Österreich zu bleiben, steigern könne (M SSK). Ähnlich erscheint eine Heirat als ein Mittel, um einen Aufenthaltstitel zu erhalten (M SSK). Aber auch andere Frauen, die als Akteurinnen oder Bezugspersonen in der Online-Debatte auftauchen wie Maria Fekter oder Anna Netrebko, werden häufig über äußerliche Merkmale bestimmt. So wird Anna Netrebko als "Diva" beschrieben (M 108K) oder Maria Fekter über ihre Augen, "die kein Mitleid zeigen" (B 130). Die Körperdiskurse zeigen sich somit vergeschlechtlicht Beschreibungen des Körpers und seiner Gestalt sind verbunden mit der Konstruktion von "legitimen" Körpern in einer Gesellschaft, der Körper repräsentiert damit eine gesellschaftliche Norm und eine bestimmte soziale Ordnung. Neben Gender zeigt sich Ethnizität als zentrale Differenzkategorie. Zuschreibungen an Ethnizität erfolgen in den analysierten Online-Texten zumeist über äußere Merkmale. Diese Verschränkung von Ethnizität und Gender zeigt sich auch in einer Studie zu den Repräsentationen von Migrantinnen in deutschen Printzeitungen deutlich. In der Darstellung von Migration wird Ethnizität mit bestimmten weiblichen Rollenzuschreibungen verknüpft (vgl. Lünenborg/Fritsche/Bach 2010). Castro Varela und Dhawan (2005: 106) beschreiben solche Verschränkungen von Migration und Gender in Anlehnung an Foucault als ein Zusammenkommen von "rassifizierenden, ethnisierenden und genderfixierenden Disziplinar-
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maßnahmen im migrantischen Körper". Parallelen finden sich in den untersuchten Online-Texten beispielsweise durch die Diskussion des Wunsches Arigona Zogajs, Krankenschwester zu werden. Dieser w ird in zahlreichen Kommentaren der Kronen Zeitung aufgegriffen und findet dort Zustimmung (M 87K, M 88K). In dem stark gegenderten Bereich der Sorgearbeit ist eine Migrantin vorstellbar, wie Studien zur Sorgearbeit von Helma Lutz (2007 und 2009) aufzeigen; diese wird zunehmend von Migrantinnen übernommen, um so die Emanzipation der westlichen Frau zu ermöglichen. Die Intersektionalitätsforschung hat darauf hingewiesen, dass Differenzsetzungen verschieden wirksam werden können, je nachdem welche Ungleichheitskategorien miteinander verknüpft werden (vgl. z.B. Winker/Degele 2009, auch Abschnitt 4.4.1). In der medialen Debatte über Arigona Zogaj entsteht eine Art Topographie, in der Räume sozialer Ungleichheit aufgespannt und die gesellschaftliche Positionierung von Personen angezeigt wird. Klasse, Geschlecht, Migration und Formen des Begehrens strukturieren in ihren Wechselwirkungen das Spannungsverhältnis sozialer Ungleichheitskategorien in solchen sozialen Räumen (vgl. Lenz 2009). Dabei gibt es Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Migrationsbewegungen, die zumeist durch Praktiken hegemonialer Männlichkeit hervorgerufen werden (vgl. Lenz 2009, Connell 1998). Studien zu Migrationsdebatten zeigen, dass die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht häufig in einen direkten Zusammenhang zu Sexualität und Begehren gestellt wird (vgl. Lenz 2009, Castro Varela 2008). Deutlich zeigt sich die von Castro Varela und Dhawan (2005: 15) beschriebene "unausgesprochene aber immer zugrundeliegende heterosexuelle Matrix": Es wird über eine mögliche Heirat Arigona Zogajs spekuliert, damit sie ein Bleiberecht erhalten kann, ebenso ist von einer "Familienzusammenführung" die Rede. Arigona Zogaj bleibt darüber hinaus ein passives Subjekt, aus eigener Kraft erhält sie kein Bleiberecht Als Migrantin wird sie nur innerhalb heterosexueller Familienstrukturen wahrgenommen und die Ehe erscheint damit als spezifisches Herrschaftsinstrument, das zahlreiche Privilegien eröffnet, in Arigona Zogajs Fall einen Aufenthaltstitel. Diese Zuschreibungen aufgrundder stratifikatorischen Verschränkungen von Migration, Ethnizität und Gender werden auch im Argumentationsstrang "Personalisierungen: Arigona Zogaj zwischen Opfer und Star" aufgegriffen und überschneiden sich teilweise. Weitergehend finden sich Verbindungen zum thematischen Schwerpunkt "Staatsbürgerschaft, Nation und Identität", der im Folgenden expliziert wird.
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8.4 Staatsbürgerschaft, Nation und Identität Als zweiten thematischen Schwerpunkt lassen sich Aushandlungen über Staatsbürgerschaft, Nation und damit verbundene Konstruktionen von Identität festmachen. In den untersuchten Online-Texten werden verschiedene Formen von Staatsbürgerschaft und Werte einer Nation entworfen. So bildet die Festlegung der Kriterien, die als wichtig für eine gemeinsame Nation erachtet werden, einen Argumentationsstrang. Als zentral in dieser Bestimmung erweist sich die Konstruktion gemeinsamer Werte und Normen. Soziale und politische Identitäten, die in einer Gemeinschaft verortet werden, so zeigt der zweite Argumentationsstrang, orientieren sich zumeist an kulturellen Faktoren. Diese beiden Argumentationsstränge lassen sich nur analytisch trennen; sie sind miteinander verwoben und bedingen sich gegenseitig. Nation: Einheit oder Vielfalt
Die Bestimmung dessen, was eine Nation ausmacht, ist schwierig und umstritten. Auf der einen Seite beruht eine Nation zumeist auf einem physischen Raum, dieser ist aber andererseits eng verbunden mit symbolischen Repräsentationen von Nation, die mit darüber bestimmen, was zum jeweiligen physischen Raum gezählt wird (vgl. Morley 2001). Durch kommunikative Prozessen, die größtenteils medienvermittelt stattfinden, werden symbolische Repräsentationen entworfen und verhandelt. Versuche einer Bestimmung gemeinsamer Normen und Werte, die die Österreichische Nation ausmachen, finden sich insbesondere auf den Kommentarseiten der Kronen Zeitung (vgl. M 87K, M SSK, M 99K). In Form eines Austausches von Argumenten und Positionen werden Werte produziert und gleichzeitig reproduziert. Eine Aussage wie "Arigonas Mutter soll mitsamt der Kinder Österreich verlassen, denn so wie sie mit ihren Kindem umgeht, wäre das bei uns nicht möglich" (M 87) zeigt beispielsweise, dass von einer gemeinsamen Norm ausgegangen wird, die Arigona Zogajs Mutter durch ihr Verhalten verletzt hat und die sie damit als außen Stehende kennzeichnet. Auch wird in Bezug auf Heimat diskutiert, dass Anna Netrebko einen "Gewinn für Österreich" darstellt, während Arigona Zogaj nicht "vom Zielland ausgesucht" wurde und "keine Steuern" bringt (M lOSK). Wiederholt wird darauf verwiesen, dass Arigona Zogaj "illegal" in Österreich sei und ihr "Dasein von der öffentlichen Hand finanziert" werde (M SSK, M 91K). Nation wird damit vor allem auf einer symbolischen Ebene durch die Festlegung von bestimmten Kriterien, die erfüllt werden müssen, konstruiert.
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In den Kommentaren der Kronen Zeitung wird Arigona Zogajs Familie als "kosovarische Familie" bezeichnet und damit eine Abgrenzung vorgenommen (vgl. M 87K, M 88K). Eine weitere Abgrenzung findet statt, wenn der "Aufenthaltsort der Familie in Oberösterreich" thematisiert, so aber gleichzeitig vermieden wird, von Wohn- oder Heimatort zu sprechen (M 88). Arigona Zogaj wird damit nicht als möglicher Teil einer gemeinsamen Nation betrachtet. Für diese ist eine gemeinsame Abstammung und damit die Einheit eines "eigenes Volk" zentral, wie vor allem in den Online-Texten von FPÖ und in den Kommentaren zur Kronen Zeitung deutlich wird (I 40, M 144). In der Kronen Zeitung wird ein FPÖLandesrat zitiert, der sich für eine rasche Abschiebung in das " Heimatland" der Zogajs- nämlich den Kosovo- ausspricht und den "Druck d er Medien" und der "linken Kommentarschreiber" für die bisherige Aufschiebung verantwortlich macht (M 88). Neben dieser geographischen Bestimmung von Nation, zeigen sich in zahlreichen Kommentaren und Forumsbeiträgen Grenzziehungen, die entlang als gemeinsam konstruierter Werte und Normen erfolgen. Arigona Zogaj, als "Problemfall", kann keinen Platz in der Österreichischen Nation bekommen, denn schließlich gehöre sie "nach Hause" (M 87K, M 114). Unterlaufen wird dieser Deutungsrahmen im Online-Text eines Blogs, in diesem wird Heimat definiert durch "Zugehörigkeit" und durch den Ort, an dem sich der "Lebensmittelpunkt" befindet; Arigona Zogaj wird somit in Österreich verortet (B 129). Auch Die Grünen weisen darauf hin, dass Arigona Zogaj "hier", also in Österreich, "verwurzelt" sei (I 28). Zivilgesellschaftliche Akteurinnen, wie indymedia.at, sehen in der staatsbürgerschaftlieh verstandenen Nation eine "Beschränkung" (Z 64), aufgehoben werden könne die Beschneidung des Rechts auf "Bewegungs- und Bleibefreiheit" nur durch eine gedankliche Umkehr, nämlich: "weg mit Staat und N ation" (Z 63).
Differenzsetzungen zwischen wünschenswerten und unerwünschten Bürgerinnen einer Nation, die an die Bestimmung gemeinsamer Werte anknüpfen, werden in den Argumentationssträngen ebenfalls deutlich. So werden kulturelle Werte herausgestellt, wie in den Kommentaren zu einem Online-Text des Standards. Dieser trägt den Titel " Arigona Zogaj ist nicht Anna Netrebko" (M 108) und ruft eine intensive Auseinandersetzung in den Kommentaren über die Gründe der Verleihung der Österreichischen Staatsbürgerschaft an die russische Opemsängerin Anna Netrebko hervor, die mit deren außerordentlichen künstlerischen Leistungen begründet wurde. Dies wird in der Diskussion aufgegriffen: "wer Großartiges leistet" könne "Mitbürger" werden und ein " Gew inn" für Österreich auch aufgrund der "vielen Steuem" sein (M 108K). Arigona
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Zogaj hingegen koste "den Steuerzahler nur Geld" (ebd.), lediglich ihr Wunsch, Krankenschwester zu werden, erscheint als etwas "Sinnvolles für unser Land" sehen (M 108K). Eine Affinität zur Kultur, in diesem Fall zur Hochkultur, erscheint also als ein wünschenswertes Kriterium für die Aufnahme in die Österreichische Nation. Im Raum der institutionellen und staatlichen Politik finden sich so gut wie keine Argumente, die Konstruktionsweisen einer Nation verdeutlichen. Um eine Bestimmung einheitlicher Werte und Normen einer Nation wird vor allem im Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten und im persönlichen Raum gerungen. In diesen wird auf einer alltagspraktischen Ebene über die Konstruktion einer Gemeinschaft bzw. einer Nation verhandelt. Im Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten w ird eine Vorstellung von Nation als "ethnische Nation", also von einer auf gemeinsamer Abstammung basierenden Nation, deutlich. Darüber hinaus bestimmt sich Nation über kulturelle Faktoren. So wird abgewogen, wer als wünschenswerte Staatsbürgerin angesehen wird und wer aus diesem gemeinsamen Raum ausgeschlossen wird. Arigona Zogaj und ihre Familie werden als das Andere markiert und darauf hingewiesen, dass sie als Flüchtlinge aus dem Kosovo in einer imaginierten Nation oder Gemeinschaft Österreich keinen Platz erhalten können. Im politischen Raum der persönlichen Öffentlichkeiten werden unterschiedliche Konstruktionen von Nation sichtbar, darin finden sich auch Betrachtungsweisen, die Nation als Konstrukt begreifen und damit ein Denken jenseits von Nationalstaaten zumindest für möglich erachten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Nation überwiegend als eine Gemeinschaft von Menschen verstanden wird, die durch Sprache, Traditionen, Kultur und Religion sowie eine gemeinsame Abstammung miteinander verbunden ist. In den untersuchten Online-Texten zeigen sich verschiedene Ausschlüsse; insbesondere im Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten werden durch die Betonung gemeinsamer nationaler Werte und Normen andere Diskussionsteilnehmerlnnen, andere Meinungen und Positionen sowie einzelne Personen oder Personengruppen ausgeschlossen. Allein die Sichtbarkeit von Migrantlnnen, in diesem Fall von Arigona Zogaj, wird häufig als Gefahr für die Kultur oder die eigenen Werte und damit verbunden der Nation wahrgenommen. Migrantlnnen werden so als Bedrohung des eigenen Territoriums und einer symbolisch konstruierten Gemeinschaft bestimmt. Dementsprechend - und dies stützt die These, die Klaus und Lünenborg (2004) in ihren Ausführungen zum Cultural Citizenship aufgeworfen haben- sind es heute zumeist kulturelle Normen und Werten und weniger
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rechtliche Aspekte, die über Zugehörigkeit zu einer Nation entscheiden. In der Österreichischen Printberichterstattung werden solch kulturelle Konstruktionen in Bezug auf die medialen Verhandlungen hinsichtlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft an prominente Personen deutlich; so werden die russischen Opernsängerin Anna Netrebko und der deutsche Regisseur Christoph Waltz aufgrundkultureller Leistungen und einer gemeinsamen kulturellen Basis als wünschenswerte Österreichische Staatsbürgerinnen präsentiert (vgl. Klaus/Drüeke 2011). Nationen bestimmen sich dementsprechend häufig anhand der Konstruktion von Gemeinsamkeiten der Mitglieder einer Gemeinschaft und den Differenzziehung gegenüber anderen Personen (vgl. Herczeg 2010). In einer Nation werden also bestimmte Identitäten verortet, die jedoch auch ein Konstrukt sind und damit historisch variabel.
Soziale und kulturelle !dentitäten als Topographie Während im vorangegangen Abschnitt die Konstruktionsw eisen einer gemeinsamen Nation analysiert wurden, stehen in diesem Abschnitt die sozialen und politischen Identitäten im Vordergrund, die eine imaginäre Topographie aufspannen. Identitätskonstruktionen und insbesondere Fixierungen von Identität bestimmen über einen gemeinschaftlichen Raum. Identitäten können mit einer Nation verbunden werden, darüber hinaus sind Identitäten jenseits nationalstaatlicher Grenzen denkbar, wenn sie sich beispielsweise auf ethnische Gruppen beziehen, die Teile verschiedener Nationen sind. Die Bestimmung einer gemeinsamen Identität kann dabei als ein fortlaufender Prozess der Artikulation und kommunikativer Praktiken gesehen werden (vgl. Hepp/Höhn/Wimmer 2011: 13). Im Kommunikations- und Diskussionsraum für Alltagsöffentlichkeiten zeigen sich insbesondere Versuche durch kommunikative Praktiken, Identitäten zu fixieren. Die Bestimmung einer gemeinsamen Identität geht vielfach mit dem Ausschluss anderer Identitäten einher, was sich insbesondere in den medieninitiierten Online-Foren zeigt. So werden Arigona Zogaj und ihre Verwandten in den Kommentaren der Kronen Zeitung, im Krone Talksalon und in einem Politikforum (politikforen.net) als eine Familie beschrieben, die sich nicht an Gesetze halte (M 144, M 87K, M 88K, F 143) und- mittels rechtsextremen Vokabulars- als "unverfrorenes Moslemvolk" bezeichnet (F 143). Diese Abgrenzung geht mit einer Betonung des "eigenen Volkes" einher, das "wichtiger" sei (M 144). In einem gemeinschaftlichen Raum seien höchstens "gut integrierte Ausländer, die Religion tolerieren" denkbar (M 144). Auch Handlungsweisen bestimmen über denkbare Positionen: "mein Vater und Mutter [sie!]
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würde nicht illegal einreisen" (F 142), außerdem habe sich die Familie Zogaj ja "freiwillig zu Flüchtlingen gemacht" (F 142). Damit werden Arigona Zogaj und ihre Familie als das "Andere", das an Handlungsweisen aber auch an gemeinsamen Werten und Normen festgemacht wird, gesehen. Des Weiteren ist die Herkunft ein entscheidender Aspekt um zwischen gemeinsamen und fremden Identitäten zu unterscheiden. Die Unterscheidung zwischen "bei uns" und "dort" zeigt sich in Aussagen über die "kosovarische Heimat", die als der Identitätsraum konstruiert wird, in den Arigona Zogaj "gehört" (F 142, F 143). Soziale und kulturelle Identitäten gründen sich also im Kommunikations- und Diskussionsraum für Alltagsöffentlichkeiten hauptsächlich auf Ausschlüssen. Dieser Prozess der Alterisierung nimmt auch Bezug auf Religion, die als fremd wahrgenommen wird, sowie auf eine unbestimmte Angst vor etwas Anderem, das nicht der eigenen kulturellen Identität entspricht und diese herausfordern würde. Zivilgesellschaftliche Akteurinnen versuchen hingegen, solche Festschreibungen von Identitäten in Frage zu stellen, denn "Solidarität" solle für alle gelten, " unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Religionszugehörigkeit und Herkunft" (Z 63). In nur wenigen der analysierten Online-Texte wird der "Lebensmittelpunkt" als bestimmend für die Konstruktion einer eigenen Identität angesehen (z.B. M 103). Verschiebungen der Topographie sozialer und kultureller Identitäten zeigen sich in einem Blog unter der Überschrift "Arigona Zogaj in die Heimat? Ich bin dafür!" - im eigentlichen Text wird Österreich als Heimat und damit als denkbarer Identitätsraum für Arigona Zogaj konstruiert (B 129). Die Festschreibung sozialer und kultureller Identitäten ist jedoch größtenteils starr, denn eine Auflösung dieser fixen Zuschreibungen findet sich in den untersuchten Online-Texten selten. Zugehörigkeit über nationalstaatliche Grenzen hinaus, wie durch europäische oder globale Bezüge, wird im untersuchten Sample kaum hergestellt. Stuart Hall (1994: 30) betont zwar die Instabilität von ,,Identifikationspunkten" kultureller Identität, die sich durch Veränderungen auszeichnet, im untersuchten Sample sind diese jedoch selten zu finden. Insbesondere im Diskussionsraum für Alltagsöffentlichkeiten existieren starre Bezugspunkte für Identitäten, in denen klar bestimmt wird, welche Identitäten an welchen Orten denkbar sind. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Arigona Zogaj in vielen Beiträgen in Prozessen der Alterisierung als die " Andere" ausgewiesen und deswegen nicht als potenziell Gleiche angesehen wird. Eine stärkere Gewichtung von Alteritätsmomenten, so Bachmann-Medick (2009: 205),
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birgt jedoch auch die Chance, dass "Alteritätsmomente in scheinbar feste Bedeutungskomplexe eingeschleust werden, um damit abgedrängte Erfahrungs- und Diskursbereiche ans Licht bringen zu können". Dies legt dann den Konstruktionscharakter von Kulturen und von scheinbar vorgegebenen Identitäten offen. Partiell zeigen sich in der unterschiedlichen Verwendung des "Heimatbegriffs" in Bezug auf den Kosovo und Österreich der Konstruktionscharakter gemeinsamer Identitäten. Kultur und damit verbundene Fragen der Zugehörigkeit sind also immer mehrschichtig und widersprüchlich und können von Gegendiskursen durchzogen sein (vgl. auch Bachmann-Medick 2009). In den Verhandlungen von Identitätspositionen finden sich in den untersuchten Online-Texten Zuschreibungen an Arigona Zogaj und ihre Familie sowie an Migrantlnnen allgemein. Diese münden häufig in einer Hierarchisierung, die auf einer diskursiven Ebene stattfindet, aber auch auf die strukturelle Ebene einer Gesellschaft Auswirkungen hat. Bedeutungen von Identität werden in gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen festgelegt, reproduziert oder modifiziert. Appadurai (2000: 5) geht davon aus, dass Kommunikation in Verhandlungen von Identitätspositionen sowohl verbinden als auch auseinander reißen kann; kulturelle Prozesse lassen sich dann als "moving messages" in verschiedenen Kontextualisierungen verstehen (ebd.). Identitäten, die in diesen kulturellen Prozessen herausgebildet werden, umfassen dabei multiple und auch kontradiktorische Positionen, die ein Subjekt einnehmen kann (vgl. Strasser 2009). Durch Subjektpositionen wird auch die teilweise widersprüchliche Positionierung, die ein Subjekt einnehmen kann, ausgedrückt. Subjektpositionen erscheinen damit vielschichtiger als die Identitätsposition eines Subjekts, die zumeist von einer dominierende Identität ausgeht. Eine Person kann demnach eine multiple Anzahl relevanter Subjektpositionen aufweisen, die sich auf Geschlecht, Alter, Religion, sexuelle Orientierung etc. beziehen können. Kontradiktorisch meint in diesem Zusammenhang, dass diese Subjektpositionen dabei zugleich hegemoniale aber auch minoritäre Positionen ausdrücken können. Identitäten entstehen also aus einem Zusammenspiel von Fremd- und Eigenbestimmung, sie sind nicht festgelegt und werden in Auseinandersetzung mit und Abgrenzung zu anderen Identitäten und symbolischen Repräsentationen konstruiert. Welche Identitätspositionen in einer symbolischen Gemeinschaft denkbar und akzeptiert sind, entscheiden darüber mit welche Differenzen und Ausgrenzungen vorgenommen werden. Durch die Festlegung von denkbaren Identitäten wird Zugehörigkeit ausgedrückt und Arigona Zogaj damit gleichzeitig aus diesem Raum ausgeschlossen. Durch Differenzziehungen werden auch Definitionen dieses "Anders-sein" vorge-
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nommen. Damit ist ein wesentlicher Diskussionspunkt der politischen Kommunikation, in dem verhandelt wird, wem ein Recht auf Partizipation, auf Gehört werden und auf Teilhabe an einer Gemeinschaft zugestanden wird, zentral in der untersuchten Online-Debatte zu finden.
8.5 Politik, Recht und Medien In den Online-Texten tauchen immer wieder Bezüge zu den gesellschaftlichen Feldern Politik, Recht und Medien auf. Die Verhandlungen darüber bilden den dritten thematischen Schwerpunkt der Online-Debatte. Der Argumentationsstrang über Politik, also das politische System im engeren Sinne, bewegt sich zwischen Inszenierung und Repräsentation von Politik. Die Diskussion rechtlicher Aspekte kreist fast ausschließlich um eine Abgrenzung zu Fragen der Menschlichkeit. Argumentativ werden darin politische Rechte, Bürgerrechte und Menschenrechte gegeneinander gesetzt. Den Massenmedien wird in vielen Online-Texten eine zentrale Rolle innerhalb des öffentlichen Diskurses zugewiesen. Debatten zu Politik und Medien sind dabei nicht trennscharf, denn politische Kommunikation lässt sich als Bindeglied zwischen Politik und Medien begreifen, da politische Entscheidungen fast ausschließlich medial kommuniziert werden.
Politik zwischen Inszenierung und Repräsentation Zumeist wird in der untersuchten Online-Debatte nicht zwischen der Herstellung und der Darstellung von Politik unterschieden, sondern eine allgemeine Kritik am politischen System geäußert und sich damit generalisierend auf "die" Politik bezogen. Es werden dabei unterschiedliche Bereiche, Akteurinnen und Dimensionen von Politik angesprochen, zumeist bleibt aber unklar, wer als bestimmender Akteur hinter "der" Politik gesehen wird. So wird auf no-racism.net der "öffentliche Diskurs" kritisiert, der die "Hemmschwelle immer weiter herabsetzt", um" verfassungswidrige Gesetzesvorhaben" zu diskutieren (Z 60). Auch in Kommentaren und in Forumsbeiträgen wird häufig allgemein auf "die Politik" Bezug genommen (F 142, F 145), die so seltsam anonym bleibt und damit nicht als handelnder Akteur und Teil eines deliberativen Prozesses angesehen wird. Beanstandet wird in einem Blog, dass sich "Spitzenpolitiker hinter schlechten und unmenschlichen Gesetzen verstecken" (B 3K). Im Kammunikationsraum der Zivilgesellschaften werden Politikerinnen auch direkt kritisiert. Der Ausschluss von Politikerinnen als Rednerinnen bei einer Demonstration wird gutgeheißen, da sie für die Abschiebepolitik ver-
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antwortlich gemacht werden (Z 64). Häufig werden jedoch keine einzelnen Politikerinnen benannt, sondern die Politik pauschal als " ein System" betrachtet (Z 63): "Maßgebliche Politikerinnen" lehnen "alles Fremdes" ab und seien damit auch verantwortlich, dass "der öffentliche Diskurs die Hemmschwelle" herabgesetzt habe (Z 60). Im Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten wird das politische System an sich kritisiert, ohne direkt Akteurinnen zu benennen. Es wird damit weniger die Herstellung von Politik als die Darstellung von Politik thematisiert, die generalisierend w ahrgenommen wird. Auch in den einfachen Öffentlichkeiten der Blogs wird ebenso wie in Foren über Politik undifferenziert diskutiert und sie im Generellen für Missstände verantwortlich gemacht. Im Kommunikationsraum der staatlichen und institutionellen Politik hingegen werden direkt weitere politischer Akteurinnen benannt. Die Oppositionsparteien, wie Die Grünen und die FPÖ, beziehen sich in ihren Äußerungen häufig auf Akteurinnen der Regierung. So richten Die Grünen einen direkten Aufruf an Bundeskanzler Werner Faymann (I 18), während die FPÖ Maria Fekter mit der Äußerung "Abschieben statt aufschieben!" zum Handeln auffordert (I 40). Insbesondere Bundeskanzler Werner Faymann wurde im Laufe des Prozesses von Teilen der Medien und von den Oppositionsparteien vorgeworfen, sich zu wenig zum Fall von Arigona Zogaj zu äußern. Auch in der analysierten Online-Debatte finden sich selten direkte Äußerungen von Faymann. Ein Interview mit der Kleinen Zeitung, dass auf der Webseite der Bundesregierung veröffentlicht und damit als Online-Text codiert wurde, bildet die einzige direkte Äußerung von Werner Faymann in der analysierten OnlineDebatte. Die lange Dauer des Verfahrens, so heißt es darin, habe Arigona Zogaj eine "Jugend im Schwebezustand" beschert (I 18). In den OnlineTexten anderer Kommunikationsräume wird Faymann nicht direkt zitiert und taucht darin nicht als handelnder politischer Akteur auf. Während also über "die" Politik generalisierend und anonym debattiert wird, wird Innenministerin Maria Fekter in allen politischen Kammunikationsräumen als zentrale Figur wahrgenommen. Sie stellt somit eine Verkörperung des politischen Systems dar. Als Gründe dafür lassen sich ihre medienwirksamen Auftritte und ihre Funktion im Verfahren sowie im politischen System benennen (so B 129, M 108, Z 63). Maria Fekter ist in der Debatte neben Arigona Zogaj eine der Protagonistinnen; häufig wird auch eine Verbindung zwischen beiden Akteurinnen hergestellt. So werden durch "die Augen der Maria Fekter" und die Aussage "Rehbraune Augen hat mein Schatz" (B 130) - eine Anspielung auf ihre Äußerung bezüglich Arigona Zogaj - gegenseitige Bezüge hergestellt.
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Auch wenn letztendlich der Asylgerichtshof über die Abschiebung entschieden hat, wird in Maria Fekters Verhalten von oppositioneller Seite eine "Rechtswidrigkeit" und "Unverhältnismäßigkeit" gesehen (I 22). Zivilgesellschaftliche Akteurinnen machen darüber hinaus Maria Fekter für die "selbstinszenierte Stimmung" verantwortlich (Z 60). Demgegenüber hat Schweitzer (2010a) in einer Studie zum bundesdeutschen InternetWahlkampf im Jahr 2008 festgestellt, dass sich verbale Angriffe wenig auf Spitzenpolitikerinnen richten und selbst ein "negative Campaigning" nicht Personen zum Ziel hatte. Im Raum der institutionellen und staatlichen Politik findet darüber hinaus kein wechselseitiger Dialog zwischen den Akteurinnen des politischen Systems statt. Adressierungen verlaufen einseitig, indem Oppositionsparteien die als Entscheidungsträgerinnen angesehenen Personen zu Handlungen auffordern. Die Regierungsparteien jedoch treten online nicht in einen Dialog ein. Politische Kommunikation, darauf weisen Jarren und Donges (2011) hin, ist ein zentraler Bestandteil der Demokratie und damit entscheidender Teil politischer Prozesse. Erforderlich ist jedoch, dass politische Kommunikation dialogorientiert verläuft. Politische Entscheidungen werden so Gegenstand der Debatte und durch die Zuweisung einer entscheidungsrelevanten Rolle an bestimmte Akteurinnen wird deutlich, wer in der Online-Debatte im Zentrum und wer in der Peripherie verortet wird. Maria Fekter wird als "Typ des Politikers" konstruiert. Neben sie treten wenig andere Akteurinnen, denen durch eine Personalisierung eine zentrale Rolle innerhalb der Debatte eingeräumt wird. Das Rollensystem der als politisch relevant erachteter Akteurinnen "demokratisiert" sich also in der untersuchten Debatte nicht (vgl. Saxer 2007: 202). Eng mit der Debatte über das politische System hängt ein legalistischer Diskurs zusammen. Dieser kreist um die Frage nach politischen Rechten, die in Abwägung von Bürgerrechten und Menschenrechten diskutiert werden.
Politische Rechte, Bürgerrechte und Menschenrechte Legalistisch argumentiert wird in der Online-Debatte in Bezug auf die Entscheidungen des Asylgerichtshofs und des Innenministeriums - diese Argumentationslinien sind allerdings verbunden mit einer allgemeinen Debatte über Menschenrechte und einer kritischen Diskussion der rechtlichen Aspekte des Verfahrens. Insbesondere werden dabei die Angemessenheit des Ausreisebescheids und die Aufforderung zur Ausreise bewertet. In dieser Debatte finden sich zwei gegensätzliche Positionen. Erstens
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eine unterstützende Position für Arigona Zogaj, die sich auf humanitäre Argumente für ein Bleiberecht begründet sowie Kritik an der langen Verfahrensdauer äußert und sich damit auf Werte wie Menschlichkeit und Menschenwürde beruft. Zweitens eine ablehnenden Position, die die illegale Einreise von Arigona Zogaj und damit die Rechtmäßigkeit des Verfahrens betont und auf einer Einhaltung geltenden Rechts beharrt. Die Ausgestaltung dieses Argumentationsstrangs unterscheidet sich je nach Kommunikationsraum. Diesbezügliche Äußerungen im institutionellen und staatlichen Kommunikation sraum sind rar, sie greifen hauptsächlich den Aspekt der langen Verfahrensdauer auf. So äußert sich in dieser Frage auch Bundeskanzler Werner Faym ann, der für zukünftige Verfahren eine verkürzte Dau er vorsehen möchte (I 4). Der Rechtsstaat wird an die Einhaltung der Gesetze gebunden, die man nicht so einfach "über Bord werfen" könne (I 11). Die Betonung der Gesetze findet sich auch in einem weiteren Online-Text von Innenministerin Maria Fekter, der folgendes Zitat als zentrale Aussage enthält: "das Innenministerium steht für Rechtsstaat und die Einhaltung der Gesetze" (I 6). Auch die FPÖ fordert, dass Gesetze konsequent angew endet werden müssen (I 9). Die Grünen hingegen sprechen von einer "zynischen Abschiebung" (I 28), da aufgrund der langen Verfahrensdauer der Prozess zunehmend "unmenschlich" werde; " aus humanitären Gründen" solle ein Bleiberecht eingeräumt werden (I 18, I 45). Diese "Unmenschlichkeit" sei ein "Argument, um eine Ausnahme des Rechts" zu fordern (I 18, I 45). Im Kommunikationsraum der Zivilgesellschaften wird ebenfalls unter Bezugnahme auf Aspekte der Menschlichkeit argumentiert. Menschlichkeit solle dementsprechend über der reinen Einhaltung von Recht und Gesetz stehen, da Arigona Zogaj durch die langen juristischen Verfahren "Teil menschenverachtender Abschiebepolitik" geworden sei (Z 64). Allerdings stelle sie keinen Einzelfall dar. Damit greift die zivilgesellschaftliche Kritik an der Abschiebepraxis weiter als die institutionellen Statements, da die Notwendigkeit einer generellen Änderung der Asylgesetzgebung betont wird (Z 64). Zentraler Kritikpunkt ist dabei die "lange Verfahrensdauer des Asylverfahrens" (Z 60). Im persönlichen Raum der Blogs werden beide Positionen vertreten: zum einen steht auch hier die Dauer des Verfahrens im Mittelpunkt der Auseinandersetzung (B 129), zum anderen wird ebenfalls eine Anwendung des geltenden Rechts gefordert (B 132). In Kommentaren zu Online-Zeitungen und in politischen Foren findet in zahlreichen Kommentaren und Threads eine umfassende Auseinandersetzung um das Verhältnis von Recht und Menschenrechten statt. Argumentativ wird die Notwendigkeit der Einhaltung des herrschenden
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Rechts begründet, da die "Gesetze für alle zu gelten haben" (M SSK, F 144, F 143) und dementsprechend das " Gewissen nicht über dem Gesetz stehen" dürfe (F 141). Zudem sollen sich auch alle an "Gesetze halten" (M 144). In Kommentaren, insbesondere zu Artikeln der Kronen Zeitung, wird gutgeheißen, dass der Rechtsstaat "mit Härte" durchgreife, damit so "Recht durchgesetzt" werden könne (M 87K, M SSK). Dementsprechend wird in den Kommentaren auf den Seiten der OnlineZeitungen der Rechtsstaat auf einer sachlichen Ebene verortet, die begründbar ist und auf Gesetzen fußt. Argumente der Menschlichkeit und der Menschenrechte werden hingegen einer persönlichen Ebene zugeordnet, die mit "Gefühl" und "Irrationalität" verbunden wird (M 103K, M 108K). Diese Argumentationslinien fußen vor allem auf einer traditionellen Vorstellung von politischer Kommunikation, die zwischen Rationalität und Emotionalität trennt. In den Diskussionen zeigt sich dies beispielsweise anhand von Dichotomisierungen, der "Rechtstaat" wird ,,im Gegensatz zu Gutmenschen" verortet (M 108K). Diese Debatten zeigen eine affirmative Sicht auf den Staat und die geltenden Gesetze. Nur gelegentlich wird die Frage aufgeworfen, wer dazu berechtigt sei, Menschlichkeit walten zu lassen, da man "Humanität nicht erzwingen kann" und es "Menschlichkeit" nicht nur alleine "von Gottes Gnaden" gäbe (M 108K). Während die Debatten im Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten zentral um diese beiden Positionen kreisen, zeigen sich im Medienraum differenziertere Argumente. Auf die Wortmeldungen der Innenministerin zur Thematik geht ein Beitrag im Standard ausführlich ein und konterkariert ihren Ausruf nach "Recht muss Recht bleiben". Denn dann, so Der Standard, hätte Maria Fekter nach der Entscheidung des Bundesasylamtes im November 2009 nichts mehr sagen brauchen, wenn es nur um Recht und nicht eben auch um eine Inszenierung des Falls gegangen wäre (M 103). Da sich Maria Fekter wiederholt zum "Fall" äußerte, so Der Standard, gehe es vielmehr darum, dass der Rechtstaat bzw. deren Vertreterinnen ein Exempel an Arigona Zogaj statuieren wollen (M 108). Im persönlichen Raum und insbesondere im Diskussions- und Kammunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten kommt noch eine weitere Argumentationslinie hinzu. Die Forderung nach Einhaltung der Gesetze wird untermauert durch den Vorwurf der Erpressung des Staates, da Arigona Zogaj versucht habe, sich einen Aufenthaltstitel zu erzwingen, in dem sie mit ihrem Selbstmord im Falle einer Abschiebung drohte. Dieser (angebliche) Versuch der Erpressung stehe im "Widerspruch" zu den in
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Österreich geltenden "Normen und Werten" (B 132K, M 108K, M 87K). Erpressung erscheint hier als moralische Kategorie. In diesem Argumentationsstrang zeigen sich Unterschiede zwischen den einzelnen politischen Kommunikationsräumen. Die Online-Debatte dient damit der Verhandlung über die Frage nach der Hierarchisierung von nationalstaatlich geltenden und universellen Rechten. Ob es universelle Rechte, insbesondere Menschenrechte, geben kann und soll, ist in der politischen Theorie allerdings umstritten (vgl. Grimm 2004). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in diesem Argumentationsstrang Arigona Zogaj mit einem menschlichen Aspekt von Politik verknüpft wird, der im Gegensatz zu einer rationalen Auffassung von Politik steht. Die rationale Politik wird mit Macht und Recht sowie vor allem der Einhaltung von Gesetzen verbunden. So steht eine einzelne Person gegen das System, das je nach Lesart als unmenschlich oder als das Recht innehabend angesehen wird. Dieser Argumentationsstrang lässt sich grundsätzlich als ein Diskurs über Freiheit, Menschenrechte und Demokratie begreifen. In diesem Diskurs zentral ist ebenfalls die Rolle der Massenmedien, die im folgenden Abschnitt thematisiert wird. Massenmedien und Demokratie
Der Argumentationsstrang, in dem die Rolle der Massenmedien und ihre demokratische Funktion verhandelt werden, berücksichtigt, dass in den untersuchten Online-Texten immer wieder auf Massenmedien, insbesondere auf die Printberichterstattung österreichischer Tageszeitungen, Bezug genommen wird. Diese Auseinandersetzungen über die Rolle der Massenmedien lassen sich in einem Argumentationsstrang zusammenführen. Auch wenn die Online-Auftritte zweier Tageszeitungen selbst Teil des Sampies sind, ist dieser Argumentationsstrang zentraler Bestandteil der untersuchten Debatte. Öffentlichkeit wird in vielen Gesellschaftstheorien als zunehmend oder ohnehin nur medienvermittelt angesehen. Dementsprechend groß ist innerhalb einer Gesellschaft nach dieser Auffassung die Rolle der Massenmedien, worunter zumeist Zeitung und Fernsehen verstanden werden (vgl. Jarren/Sarcinelli 2002). Die Rolle der Massenmedien und deren Bedeutung in einer demokratischen Gesellschaft ist im Untersuchungszeitraum immer wieder Thema der OnlineDebatte. Zwar wird zumeist abstrakt von "den Medien" gesprochen, auch wenn verschiedene Medien adressiert werden. Gemeint sind damit fast ausschließlich Massenmedien, die häufig auch mit der öffentlichen Meinung gleichgesetzt werden. Debattiert wird dabei generalisierend
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aber auch mit einem Fokus auf die Berichterstattung der Boulevardzeitung Kronen Zeitung. Einzig im Kommunikationsraum der institutionellen und staatlichen Politik findet sich keine explizite Thematisierung der Rolle der Medien in politischen Prozessen. Zwar stellt ein Teil der analysierten Online-Texte Presserklärungen sowie Interviews, die von Maria Fekter und Werner Faymann gegeben wurden, dar (I 6, I 4), Positionierungen hinsichtlich der Rolle von Medien sind aber nicht ersichtlich. Medien werden in diesem Kommunikationsraum lediglich dazu genutzt, um über sie Informationen und Positionen zu verbreiten. In den übrigen Kommunikationsräumen folgt die Thematisierung der Rolle von Medien im Wesentlichen zwei Mustern: So wird einerseits (zumeist undifferenziert) eine Kritik an Medien geübt oder aber deren demokratisches Potenzial betont bzw. in Frage gestellt. Die Rolle der Medien wird also höchst unterschiedlich sowie ambivalent bewertet. Die ambivalente Rolle von Medien wird insbesondere im persönlichen Kammunikationsraum der Blogs als auch im Kommunikationsraum der Zivilgesellschaften deutlich. Sie zeigt sich einerseits in der Gefahr, die in der Medienberichterstattung gesehen wird, da " der Fall die Aufmerksamkeit bindet, es wird schwieriger mit ähnlichen Fällen an die Öffentlichkeit zu gehen" (B 128), aber auch in der Chance, durch Medienberichterstattung Positionen verbreiten zu können. Die Medien können demnach auch eine Plattform der Familie Zogaj bilden, denn sie "verkündet über die Medien die freiwillige Ausreise" (Z 60). Eine Handlungsmacht besitzt Arigona Zogaj dennoch nicht, denn nur durch Berichte über sie, kann sie "noch nichts bewegen" (Z 51). Vielmehr präsentiere sich die Kronen Zeitung als "Sprachrohr der Justiz" (B 128). Das Vorgehen der Kronen Zeitung, den Inhalt des Schreibens zur Entscheidung des Asylgerichtshofes schon vorab zu veröffentlichen, wird häufig kritisiert (B 128, auch M 103). Der "Fall" Arigona Zogaj kennzeichnet sich demnach durch "Medienkrawall" (B 132). Die Medien befördern so ein "schwarz-weiß-Denken, eine Unterscheidung in gut-böse" (B 132) und seien eigentlich "Schuld" daran, dass Arigona Zogaj ins " Rampenlicht" geholt werde (M 108K, ähnlich M 144). An den Medien wird vor allem kritisiert, dass sie "sich einbilden, Politik machen zu können" (B 132). In einer Demokratie übernehmen Medien jedoch eine Kontrollfunktion der Politik. Die Eigenständigkeit von Medien wird negativ konnotiert, da Medien "nur zu berichten haben", jedoch nicht selbst die Initiative ergreifen sollen, um sich zu positionieren, denn eine solche Einmischung führe zu einer " Mediendurchdringung" der Gesellschaft (B 132). Diese undifferenzierte Sicht auf Medien als Deutungsrahmen und Macherinnen von Politik findet sich überwiegend im Dis-
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kussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten und im persönlichen Raum der Blogs. Die Medien w erden so als ein homogenes Gebilde konstruiert, dem eine Handlungsmacht eingeräumt wird, die zumeist negativ konnotiert wird. Die Kommentare zu Beiträgen von Tageszeitungen im Internet sehen die Rolle von Medien ähnlich undifferenziert. Teilweise liegt die implizite Annahme zugrunde, dass eine Zeitung Information und Wissen biete ("lesen Sie doch Zeitung", M 103K), allerdings müsse man schon vorsichtig sein, denn Medien "tischen Lügen auf" (M 144K). Zahlreicher sind Online-Texte, in denen die Popularität von Arigona Zogaj auf die Berichterstattung der Medien zurückgeführt w ird. So wird betont, dass ohne die Berichterstathmg der Medien "Arigona längst weg wäre" und "keiner hätte es gemerkt" (M 108K). Medien machen "solche Fälle" also erst "publik" (Z 51), was aber auch im Folgenden dazu führe, dass "normale Menschen in den Mittelpunkt der Berichterstattung" geraten. Damit stellt sich die Frage, ob Arigona Zogaj dieser Popularität überhaupt " gewachsen" sei (Z 51). Vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass dadurch andere Asylfälle benachteiligt w ürden und dies eine Ungerechtigkeit darstelle (Z 64). Vor allem im Kommunikationsraum der Zivilgesellschaften findet eine Auseinandersetzung mit den Massenmedien statt. So betiteln die Ceiberweiber ihren Online-Text "Anmerkungen zu Hans Diehand und Arigona Zogaj" (Z 51) und w eisen damit auf die zentrale Rolle des (damaligen) Herausgebers der Kronen Zeitung hin, in dem beide Personen direkt gegenüberstellt werden. Arigona Zogaj bleibt dann w ährend des Artikels nur insofern Thema, als dass sie als Matrix für die Bewertung der Medienberichterstattung dient. In diesem Online-Text wird eine vorsichtige Berichterstattung angemahnt und darauf hingewiesen, dass es sich bei Arigona Zogaj um "keinen Medienprofi", "keine Journalistin", sondern um ein "18-jähriges Mädchen" handele. Dieser Beitrag ist der einzige, der auch die Rolle des lnternets hervorhebt, dem eine " Kampagnenfähigkeit" bescheinigt wird, die die " traditionellen Massenmedien" nicht haben (Z 51). Festhalten lässt sich, dass die Rolle der Medien kontinuierlich thematisiert wird und auf fast allen Ebenen der politischen Kommunikationsräume im Internet eine Rolle spielt. Die Rolle von Medien in Migrationsprozessen wird zumeist als integrativ oder als desintegrativ diskutiert (vgl. Geißler/Pöttker 2006). Bezüglich der Medieninhalte sind Massenmedien demnach integrativ, wenn sie die Diversität und die realen Gegebenheiten eines Landes abbilden. In den untersuchten Online-Texten werden Medien nicht als deliberativer Teil eines gesellschaftlichen Allshandlungsprozesses begriffen - zumeist ist die Rede von " den " Medien,
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also ohne weitere Differenzierung verschiedener Typen und unterschiedlicher Berichterstattungsmuster. Allerdings wird so die zentrale Rolle der traditionellen Medien bei der Herstellung von Öffentlichkeit deutlich; die etablierten Massenmedien bleiben zentraler Bezugspunkt des gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses im Internet.
8.6 Mediale Repräsentationsstrukturen des "Öffentlich-Werdens" Wie schon bei den Argumentationssträngen "Formen der Inklusion und Exklusion" sowie "soziale und kulturelle Identitäten als Topographie" deutlich wurde, hängen Formen der Ein- und Ausgrenzung und der Fixierung von Identitäten eng mit Fragen der Repräsentation zusammen. Allerdings bedeutet eine Zunahme von Sichtbarkeit nicht gleichzeitig eine größere Anerkennung (vgl. Schaffer 2008). Im thematischen Schwerpunkt des "Öffentlich-Werdens" versammeln sich Argumentationslinien, in denen Fragen der Anerkennung von Subjekten mit deren Repräsentation verknüpft werden. In solchen Kommunikationsprozessen finden Hervorhebungen und Marginalisierungen von Personen und Positionierungen statt. Dies geschieht zumeist über Zuschreibungen, die sich bezüglich Arigona Zogaj zwischen den Polen "Opfer" und "Star" bewegen. Ein zweiter Argumentationsstrang besteht aus der Zuweisung bestimmter Positionen, die zu einer gesellschaftlich marginalisierten oder hegemonialer Rolle führen können, in dem sie zwischen dem "Eigenen" und dem "Anderen" unterscheiden. Personalisierungen: Arigona Zogaj zwischen "Opfer" und "Star"
Die bisherigen Ergebnisse der Argumentationsstränge legen höchst unterschiedliche Zuschreibungen an die Person Arigona Zogaj nahe und verbinden damit variable Vorstellungen über Subjektpositionen und deren Repräsentationen in den Online-Texten. Die Personalisierung von Arigona Zogaj geht einher mit der Konstruktion von Maria Fekter als ihrer Gegenspielerin. Die beiden Frauen werden unterschiedlich bewertet und damit in ein hierarchisches Verhältnis zueinander gesetzt. Wenn nun der Blick lediglich auf die Person Arigona Zogaj gerichtet wird, fällt zunächst auf, dass sie - quer zu allen politischen Kommunikationsräumen-häufig nur mit ihrem Vornamen bezeichnet wird. Schon in den Überschriften der analysierten Online-Texte zeigt sich dies; ein Beitrag Des Standards trägt die Überschrift "Arigona ist nicht Anna Netrebko" (M 108), ein Blageintrag findet sich mit dem Titel "Arigona again"
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(B 132) und die FPÖ schreibt: "Fall Arigona zeigt: Asylbetrug lohnt sich" (I 136). Auch in den Kommentaren zu Online-Zeitungen wird fast durchgängig lediglich der Vorname benutzt (z.B. M SSK), w as eine gewisse Nähe suggeriert. So wurde über den untersuchten Zeitraum hinw eg aus der Debatte über Arigona Zogaj der "Fall Arigona Zogaj" und letztendlich der "Fall Arigona" (M 103K, M 87K). Damit wiederum w ird eine Distanz zur Person Arigona Zogaj konstruiert, die sich durch die Bezeichnung "Fall" zeigt. Über Arigona Zogaj kann so mit einer juristischen Terminologie gesprochen werden und sie wird gleichzeitig durch die Distanzierung aus einer gemeinsamen Körperschaft ausgegrenzt. In den einzelnen Kommunikationsräumen finden sich darüber hinaus unterschiedliche Personalisierungsstrategien. Im politischen Kommunikationsraum der institutionellen und staatlichen Politik steht insbesondere bei der ÖVP und dem Innenministerium die Person Arigona Zogaj im Fokus, obwohl die gesamte Familie von der Ausweisung betroffen ist (I 11, I 6). Auch zivilgesellschaftliche Akteurinnen fokussieren stark auf Arigona Zogaj als Person, indem beispielsweise der negative Asylbescheid für Arigona Zogaj in den Mittelpunkt gestellt und zu einer Demonstration für ihr Bleiberecht aufgerufen wird (Z 64). Im Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten sowie in den medieninitiierten Online-Angeboten des Medienraums wird ebenfalls die Person Arigona Zogaj herausgestrichen. Häufig wird sie dabei auf einer persönlichen Ebene diskreditiert. Als angebliche "Promi-Asylantin" stehe sie nur deswegen im Mittelpunkt, " weil sie es geschafft hat, so prominent zu werden" (M 91). Obwohl es Menschen gäbe, die "weitaus ärmer dran" (F 142) und nicht nur "faul wie die Zogajs" seien (M 144). Wenn Arigona Zogaj und ihre Charaktereigenschaften benannt werden, dann wird über sie zumeist negativ gesprochen, w ie auch im Argumentationsstrang "Politische Rechte, Bürgerrechte und Menschenrechte" ersichtlich wurde. Thematisiert wird vor allem, dass Arigona Zogaj negative Asylbescheide ignoriere und so den Staat erpresse (M lOSK, M 87K). Arigona Zogaj dient damit auch als Projektionsfläche für "rassistische" und ausländerfeindliche Kommentare. Solche abwertenden Äußerungen finden sich nahezu ausschließlich in den Kommentaren und Forumsbeiträgen. Wie eingangs angemerkt, bedeutet also eine sichtbare Repräsentation nicht automatisch eine größere Anerkennung. Im Kommunikationsraum der institutionellen und staatlichen Politik wie auch im Kommunikationsraum der Zivilgesellschaften w ird über den Einzelfall Arigona Zogaj hinaus betont, dass eine Kritik an der gegenwärtigen Migrationspolitik sich an das gesamte System des Rechtsstaats zu richten habe, da dieses die Politik verantw ortet. Damit finden sich kriti-
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sehe Positionen hinsichtlich einer Personalisierung von Arigona Zogaj im politischen Raum der Zivilgesellschaften und im persönlichen Raum der Blogs. Es wird wiederholt darauf hingewiesen, dass Arigona Zogaj kein Einzelfall, sondern "Teil menschenverachtender Abschiebepolitik" sei (Z 64). Dabei wird betont, dass Arigona Zogaj als "normaler Mensch" "ins Rampenlicht gerückt" werde (Z 51) und keine "Ikone des Kampfes für einen anderen Umgang mit Flüchtlingen" sei (Z 60). Allerdings könne Arigona Zogaj ein "Symbol für den Kampf um humanitäres Aufenthaltsrecht" bzw. die Familie ein "Symbol für das Elend der Österreichischen Asyl- und Einwanderungspolitik und für deren Erbarmungslosigkeit" werden (B 128, B 129). Darüber hinaus wird Arigona Zogaj nicht nur als ein "Opfer" der Medienberichterstattung dargestellt, sie wird auch als "Täterin" gesehen, die "bewusst illegal" eingereist sei und einen Bruder habe, der "einen Schlagring besaß", damit habe sie also "Flecken auf der weißen Weste" (B 132). Die Wortwahl in diesen beiden Kommunikationsräumen zeigt, wie aufgeladen die Debatte ist, so ist von "Ikone", "Symbol" sowie "Opfer" und "Täterin" die Rede. Insgesamt lässt sich quer zu allen Kommunikationsräumen feststellen, dass weder Arigona Zogajs Position in der Debatte repräsentiert noch ihr Alltag verhandelt wird. Stattdessen zeigt sich die Repräsentation in zahlreichen Online-Texten durch Zuschreibungen an die Person Arigona Zogaj. An ihrer Person werden Normen, Werte und Identitäten ausgehandelt, was Hall (1979: 340) als "signifying institutions" beschreibt; ein Einzelfall erlaubt es sozialen Gruppen, bestimmte Vorstellungen und Aspekte sowohl über Personen als auch andere Gruppen zu verhandeln. Arigona Zogaj wird dementsprechend mit bestimmten Rollenzuschreibungen verknüpft. Wie vielfältig diese bei Migrantinnen in Deutschland sein können, zeigt eine Studie zu den Mediendarstellungen von Migrantlnnen in der Printberichterstattung. Lünenborg, Pritsche und Bach (2011: 144 f.) stellen fest, dass neben Bilder von dem "bedrohlichen fremden Mann" und der "schutzbedürftigen fremden Frau" vor allem das Bild der "prominenten fremden Frau" getreten ist. Ähnlich wird Arigona Zogaj in den Kommentaren und Foren als "prominente" Person verhandelt, deren Prominenz jedoch zumeist negativ konnotiert ist. Ein Sprechen über eine Person, ohne ihr eigenes Sprechen zu hören oder wenigstens zu deuten, birgt die Gefahr ihrer Stereotypisierung und Homogenisierung. Ähnlich lässt sich dies in Bezug auf mediale Repräsentationen von Kopftuch tragenden Frauen feststellen; diese werden häufig in den Medien einheitlich als "fremde Frau" dargestellt (vgl. Drüeke/Kirchhoff/Klaus 2012). In der Debatte um die Person Arigona Zogaj wird einmal mehr deutlich, dass auch eine Verunsicherung darüber besteht, wer denn "eigentlich" zu Ös-
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terreich und zu einer gemeinsamen imaginierten Gemeinschaft gehöre. Wie Fremdsein häufig mit einer Marginalisierung bestimmter Positionen verbunden ist, wird im folgenden Abschnitt thematisiert.
Konstruktionen von marginalisierten und hegemonialen Positionen Die Konstruktion hegemonialer Positionen bedingt auch zugleich die Konstruktion marginalisierter Positionen. Darauf hat insbesondere die postkoloniale Theorie hingewiesen (vgl. Abschnitt 3.4). Auch Arigona Zogaj wird häufig nicht innerhalb einer gemeinsamen Nation "Österreich" verortet, sondern durch verschiedene diskursive Strategien daraus exkludiert. Gemeinsam ist allen Kommunikationsräumen, dass Arigona Zogaj größtenteils nicht zu Wort kommt, nur in zwei Online-Texten finden sich Ausnahmen. So wird in einem Artikel Des Standards als Reaktion auf Aussagen der Innenministerin gefordert, dass Arigona Zogaj den Bescheid nicht schweigend hinnehmen solle (M 103). Bei einer Demonstration, über die indymedia.at berichtet, wird eine Grußbotschaft Arigona Zogajs verlesen (Z 64). Zumeist wird jedoch Arigona Zogaj nicht eine Rolle als Sprecherin zugestanden oder ihre Position verdeutlicht. Den meisten Online-Texten wird ihr Schweigen und damit auch ihre Unsichtbarkeit im Diskurs wie selbstverständlich zugrunde gelegt. Unterschiede zwischen den verschiedenen Kommunikationsräumen lassen sich dementsprechend in diesem Argumentationsstrang nicht finden. So ist klar ersichtlich, welche Positionen ausgeblendet und welche Lücken sich für eine gleichberechtigte Repräsentation ersichtlich werden. Die Positionen von Arigona Zogaj werden nicht dargestellt und zumeist auch nicht gedeutet, d.h. es findet auch keine Interpretation ihrer möglichen Positionen statt. Lediglich über ihr mutmaßliche Verhalten wird diskutiert, wenn von einer "Erpressung des Staates" gesprochen wird, aber im überwiegenden Teil der Online-Texten bleibt sie die "fremde" Frau und damit lediglich die Repräsentierte. Sie kann nicht "gehört" werden, da sie als die "Andere" keine Stimme besitzt und ihr keine Handlungsmacht zugesprochen wird (vgl. Spivak 1994). Zwar zeigen Studien, dass es im Internet durchaus geschützte Räume gibt, in denen die Sichtweisen, die vom dominanten Diskurs ausgeschlossen sind, veröffentlicht werden können, wie Downey tmd Fenton (2003) in einer Studie anhand sowohl links- als auch rechtsextremistischer Webseiten zeigen. Allerdings werden die Positionen von Migrantlnnen selten im öffentlichen Diskurs wahrgenommen, wie Studien zur Printberichterstattung über Migration nahelegen. Denn Repräsentationen von Migran-
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tlnnen in den Massenmedien zeigen ein kohärentes Bild: Sie kommen häufig als Objekt von Aussagen vor, die Berichterstattung ist eher negativ und bestimmte Nationalitäten werden stigmatisiert (vgl. Ruhrmann/ Sommer/Uhlemann 2006). Zitiert werden Migrantinnen in der Printberichterstattung zumeist nur dann, wenn sie sich "ungebührlich" verhalten, also beispielsweise auf den Österreichischen Staat schimpfen oder sich gewaltbereit zeigen (vgl. Klaus/Drüeke 2011). So wird in der untersuchten Online-Debatte fast ausschließlich die "Zirkulation und Sicherung dominanter ideologischer Definitionen und Repräsentationen" (Hall 1980: 118) erkennbar und den Äußerungen marginalisierter Personen kein Platz eingeräumt.
8.7 Zwischenfazit: Deutungsrahmen der politischen Kommunikationsräume Ziel der qualitativen Inhaltsanalyse war ein umfassender Überblick über die zum Zeitpunkt der Auswahl stattfindende Online-Debatte in den ausgewählten Online-Texten sowie die darin vertretenen Positionen und angeführten Argumente. Aus diesen ließen sich zentrale Argumentationsstränge ermitteln, die die Debatte im Internet prägen. Die Ergebnisse der qualitativen Analyse lassen Aufschlüsse darüber zu, wie sich die Online-Debatte über Migration in Bezug auf Arigona Zogaj gestaltet, welche Positionen und Argumente verhandelt werden und welche Bezugnahmen zwischen den einzelnen Akteurinnen bestehen. Weitergehend konnten zentrale Debatten und Konzepte aufgezeigt werden, die zur Stützung von Argumenten verwendet werden. Inhaltlich wurden verschiedene Konzepte, die den Debatten zugrunde liegen herausgearbeitet und die damit verbundenen Differenzierungen analysiert. Durch eine Analyse der Argumentationsstruktur der Beiträge wurde sowohl deren Struktur als auch deren inhaltliche Ausrichtung erfasst. Darüber hinaus wurden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen einzelnen Akteurinnen und Akteursgruppen herausgearbeitet. Eine Analyse der inhaltlichen Bezüge zu anderen Kommunikationsräumen klärte, ob sich Akteurinnen verschiedener Öffentlichkeitsebenen untereinander austauschen bzw. kollaborativ arbeiten. Die Zusammensetzung des Sampies ist allerdings nicht repräsentativ. Dementsprechend können Aussagen nur in Bezug auf die untersuchten Seiten getroffen und lediglich im Kontext des jeweiligen Kommunikationsraums generalisiert werden. Jedoch zeigen sich Ähnlichkeiten innerhalb einzelner Kommunikationsräume und Unterschiede zwischen verschiedenen Akteursgruppen, so dass ange-
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nommen werden kann, dass eine Verallgemeinerung über diese singulären Fälle hinaus denkbar ist. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Online-Debatte über Arigona Zogaj ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess über alle Kommunikationsräume hinweg darstellt. Im Internet existiert ein breites argumentatives Spektrum und verschiedene Positionierungen tragen zur gesellschaftlichen Deliberation bei, allerdings werden auch häufig Ausgrenzungen sichtbar (vgl. Tabelle 8-8).
Tabelle 8-8: Zusammenfassende Darstellung der Ergebnisse Das Internet als politischer Raum 1: institutionelle und staatliche Politik
• Informationsdarstellung durch Regierungsparteien • Oppositionsparteien beteiligen sich rege an der Debatte
Das Internet als politischer Raum II: Zivilgesellschaften, Interessensgruppen und soziale Bewegungen
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Das Internet als Medienraum: Mediengesteuerte und medieninitiierte Online-Angebote
• dialogorientierte Formen durch Kommentare, darin aber Ausgrenzung des " Anderen" • Online-Zeitungen als elementarer Bestandteil d er Debatte
Das Internet als Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten
• Dialogorientierte Formen, aber Ausgrenzung des "Anderen " • Wenig Bezugnahmen auf die Argumente anderer Diskursteilnehmerinnen
Das Internet als persönlicher Raum
• Alltagsnahe Positionen • Zumeist affirmative, aber teilweise auch alternative Argumente und Positionen
Thematisierung gesellschaftlicher Missstände Adressierung institutioneller Akteurinnen Vemetzung und gegen seitige Bezugnahmen breites Meinungsspektrum teilweise alternative Positionen
Vor allem im Diskussions- und Kommunikationsräumen für Alltagsöffentlichkeiten und im Medienraum finden sich dialogorientierte Diskussionen und damit direkte Aushandlungsprozesse, die aber zumeist mit einer Ausgrenzung des fremden "Anderen" einhergehen. Andere Akteurinnen werden oft pauschal adressiert ("die Medien", "die Politik") und zivilgesellschaftliche Akteurinnen in politischen Prozessen kaum wahrgenommen. Dabei bieten diese partiell andere Ansichten an und erweisen sich damit als wichtig für die Sichtbarmachung vielfältiger Positionen in diesem Aushandlungsprozess. Im politischen Raum der Zivilgesellschaften wird auf gesellschaftliche Missstände hingewiesen. In ihrer Adressie-
Aushandlungsprozesse, Identitätskonstruktionen und Positionierungen I 239
rung richten sich zivilgesellschaftliche Akteurinnen auf den Kommunikationsraum der institutionellen und staatlichen Politik, indem das Handeln von Politikerinnen kritisiert wird, auch wird zu Demonstrationen aufgerufen. Untereinander sind zivilgesellschaftliche Akteurinnen vernetzt, da sie Online-Texte austauschen und veröffentlichen sowie auf Veranstaltungen anderer Zivilgesellschaften hinweisen. Im persönlichen Raum der Blogs zeigen sich alltagsnahe Meinungen und Positionen, die jedoch in Bezug auf die Debatte um Migration und den "Fall" Arigona Zogaj ambivalent sind. Sie stützen zum einen hegemoniale Diskurse, bringen aber auch weitere - diesen entgegenlaufende -Argumente in die Debatte ein. Im Kommunikationsraum der institutionellen und staatlichen Politik finden sich vor allem in den Online-Texten der Oppositionsparteien Auseinandersetzungen mit dem politischen Geschehen; Vertreterinnen der Regierung beschränken sich dagegen auf eine Informationsdarstellung und liefern unterstützende Argumente für die Rechtmäßigkeit des Ausreisebescheids, in dem sie die entscheidende Rolle des Rechtsstaats betonen. Die mit dem Modell der politischen Kommunikationsräume erfassten deliberativen und agonistischen Formen gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse werden in Teil IV der Arbeit "Diskussion und Ausblick" zusammenfassend dargestellt. Die politischen Kommunikationsräume werden darin weitergehend nach dem Grad der Institutionalisierung, den Formen der Aushandlung und den beteiligten Akteurinnen unterschieden.
Teil IV: Diskussion und Ausblick: Politische Kommunikationsräume im Internet In der folgenden Diskussion zentraler Ergebnisse dieser Arbeit beziehe ich mich auf die forschungsleitende Fragestellung der Arbeit nach einer theoretischen Fundierung von Online-Kommunikation. Dazu werden die theoretischen Bezüge zu Raum und Öffentlichkeit sowie die konkreten Forschungsfragen und Hypothesen zur Analyse der Online-Debatte über Arigona Zogaj berücksichtigt. Diskutiert wird die Ausgestaltung der Online-Debatte und darüber hinaus die Positionierungen und Verortungen in den jeweiligen Kommunikationsräumen. Im anschließenden Ausblick werden das methodische Vorgehen und das Modell der politischen Kommunikationsräume kritisch gewürdigt sowie Perspektive und Reichweite der vorliegenden Arbeit reflektiert.
9 Diskussion: Gesellschaftliche Aushandlungsprozesse in politischen Kommunikationsräumen im Internet Diskussion und Interpretation der Ergebnisse orientieren sich am jeweiligen Zwischenfazit zu Raum und Öffentlichkeit. In diesen wurden die jeweils zugrunde gelegten theoretischen Bezüge hinsichtlich zentraler Aspekte verdichtet und damit der Rahmen für die empirische Analyse entworfen. In diesem Kapitel werden auf Grundlage des daraus resultierenden Modells der politischen Kommunikationsräume die theoretischen Ausarbeitungen zu Raum und Öffentlichkeit in Bezug zu den Ergebnissen der empirischen Analysen gesetzt. Die Darstelltmg der Ergebnisse erstreckt sich dabei über drei analytisch getrennte aber miteinander verbundene Ebenen: den wahrgenommenen Raum, also die räumliche Praxis, die Repräsentationen von Raum sowie die gelebte Räumlichkeit. Bei der Diskussion der Raumtheorien wurde herausgearbeitet, dass diese Dreiteilung von Raum, die die Begriffe von Kultur, Macht und Identität berücksichtigt, der Untersuchung von Kommunikationsprozessen im Internet zugrunde gelegt werden kann (vgl. Kapitel 3). Im Internet entstehende Öffentlichkeilen bestehen - so das Zwischenfazit zu den Öffentlichkeitstheorien- aus verschiedenen Öffentlichkeitsebenen, die alle politische Relevanz entfalten können (vgl. Kapitel4). In den folgenden Abschnitten werden ausgehend von dieser Dreiteilung von Raum die gesellschaftliche Aushandlungsprozesse im Internet anhand der Online-Debatte um Arigona Zogaj beschrieben. Zuerst wird das Modell der politischen Kommunikationsräume, als der wahrgenommene Raum und die räumliche Praxis, mit den verschiedenen Ebenen von Öffentlichkeit in Verbindung gesetzt sowie die jeweiligen Funktionen und Kommunikationsformen von Öffentlichkeit herausgearbeitet. Dazu gehören die Formen der politischen Aushandlung sowie die Bezugnahmen zwischen den einzelnen Akteurinnen (Abschnitt 9.1). In der untersuchten Online-Debatte wird in den Repräsentationen von Raum, also den Imaginationen von Raum und Gesellschaft, in verschiedenen Argumentationssträngen über Inklusion und Exklusion verhandelt (Abschnitt 9.2). Abschließend werden die in den gelebten Räumen sichtbar
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werdenden Irritationen, Umdeutungen und Verschiebungen dargestellt, denn Raum ist keine feste Entität, sondern verhandelbar und vor allem gestaltbar (Abschnitt 9.3). Das Kapitel schließt mit einer zusammenfassenden Betrachtung der politischen Kommunikationsräume im Internet.
9.1 Räumliche Praxis: Öffentlichkeiten, Formen der Aushandlung und Prozesse der Inklusion Das Modell der politischen Kommunikationsräume bildet den wahrgenommenen Raum, also die räumliche Prax is, ab. In diesem entstehen Repräsentationen von Raum. Dieses Modell ist dabei nicht fix, sondern ebenfalls veränderbar. Die räumliche Praxis setzt sich aus verschiedenen Öffentlichkeiten und Formen der Aushandlung zusammen, die in Prozesse der Inklusion und Exklusion münden können. Zur Konstitution von Online-Öffentlichkeiten
Das in Kapitel 5 entwickelte Modell der politischen Kommunikationsräume dient der theoretischen Fundierung und Systematisierung der Analyse von Online-Kommunikation. Anhand der Online-Debatte um Arigona Zogaj wurde davon ausgehend eine konkrete Online-Debatte und gesellschaftliche Aushandlungsprozesse in Zusammenhang mit Fragen der Identität, Inklusion, Zugehörigkeit und Teilhabe analysiert. Mit den einzelnen Analyseebenen des Modells der politischen Kommunikationsräume konnten die Kommunikationsprozesse umfassend erfasst und die Debatte in zahlreichen Öffentlichkeiten untersucht werden. Um Aussagen über die Konstitution von Online-Öffentlichkeiten - also deren Anordnung und Zusammensetzung - zu geben, sind die Beziehungen und Bezüge zwischen einzelnen Öffentlichkeitsebenen innerhalb der und zwischen den verschiedenen politischen Kommunikationsräumen entscheidend. Im Folgenden wird dementsprechend der Zusammenhang zwischen politischen Kommunikationsräumen im Internet und den darin entstehenden Öffentlichkeiten tabellarisch dargestellt (vgl. Tabelle 9-1). Der Prozess Öffentlichkeit, also die öffentlichen Aushandlungsprozesse, findet auf drei Ebenen statt, die sich im Grad ihrer Komplexität unterscheiden (vgl. Klaus 2001). In den konzeptionell unterscheidbaren politischen Kommunikationsräumen sind Kommunikationsprozesse verschiedener Öffentlichkeitsebenen enthalten.
Tabelle 9-1: Typologie der Ebenen von Öffentlichkeit Kommunikationsraum
Gegenstandsbereich
Das Internet als politischer Raum I: institutionelle und staatliche Politik
Formen: Online-Wahl, Online-Referendum, computervermittelte staatliche Information und Kommunikation, eGovernment Webseiten: Regionale und n ationale Regierungsseiten, Parteien, Blogs von Abgeordneten Formen: "Gegenöffentlichkeit", Online-Petitionen, Online-Protest, eDemocracy Webseiten: zivilgesellschaftliche Gruppen, soziale Bewegungen, Interessensgruppen, alternative Medien
Das Internet als politischer Raum II: Zivilgesellschaften und soziale Bewegungen
Das Internet als Medienraum: Mediengesteuerte und medieninitiierte OnlineAngebote Das Internet als Diskussions- & Kornmunikationsraum fü r Alltagsöffentlichkeiten: Politikforen
Ebene von Öffentlichkeit Komplexe Öffentlichkeilen
Mittlere Öffentlichkeilen
Formen: "massenmediale" Information sbereitstellung, Kommentarfunktion fü r User Innen, von Medien bereitgestellte Foren Webseiten: überregionale/regionale Tageszeitung, Qualitätszeitung, Boulevardzeitung, Blogs von Journalistinnen Formen: Deliberation und Austausch über eine Vielzahl von Themen, teilweise vorgegeben, teilweise von den Teilnehmerinnen selbst gewählt. Websei ten: Online-Politikforen
Komplexe und einfache Öffentlichkeilen
Formen: Tagebücher, Selbstdarstellun g, Rep ortagen und Berichte, teilweise Kommentare von Leserinnen möglich Webseiten: Blogs, persönliche Homepages
Einfache Öffentlichkeilen
Einfache Öffentlichkeilen
Funktion Informationsdarstellung und -bereitstellung, Einflussnahme auf Parteien, Verbände und Interessensgru ppen, PR-Strategien Interne und externe Mobilisierung, Konstruktionen von Deutungsmustern, GegenÖffentlichkeit, Schaffung von Vernetzungen, gegenseitige Bezugnahmen Online-Text: Information en und Hintergründe Kommentare: Vermischung von Privatem und Politischem, Identitätspolitiken und Inklusionen/ Exklusionen Aufbau eines Wir-Gefühls, Schaffung kultureHer ldentitäten, Problematiken der Exklusion
Kommunikationsformen einseitig und indirekt
einseitig u nd direkt
diffus: Indirekt bei den OnlineTexten, interpersonal und gleichberechtigt bei den Kommentaren interpersonal und gleichberechtigt
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Das Internet als persönlicher Raum: Blogs und persönliche Homepages
Interne Mobilisierung, Aufbau von Beziehungen, alternative Sich tweisen und Kon struktion neuer Deutungsmuster
direkt, gegenseitig
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246 I Politische Kommunikationsräume im Internet
Die jeweiligen Öffentlichkeitsebenen bestehen aus einer Vielzahl von Teilöffentlichkeiten. Die Zuordnung der jeweiligen untersuchten OnlineTexte und damit der Webseiten im Allgemeinen zu den einzelnen Öffentlichkeitsebenen erfolgte hinsichtlich ihrer funktionalen Differenzierung in Anlehnung an das 3-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit von Klaus (2001, 2009), das in Kapitel4 vorgestellt wurde. Des Weiteren wurden die zentralen Funktionen und die Kommunikationsformen des jeweiligen politischen Kommunikationsraumes erfasst. Tabelle 9-1 nimmt auf die Analyseebenen Bezug, die in Kapitel 5 entwickelt wurden und dem jeweiligen Kommunikationsraum den Gegenstandsbereich gegenüber stellt (vgl. Tabelle 5-1, S. 127). Hinzu kommen weitere zentrale Komponenten von Öffentlichkeit, die Strukturen, Interaktionen sowie Repräsentationen betreffen (vgl. Dahlgren 2005). So sind die Ebenen von Öffentlichkeit sowie die Funktionen und Kommunikationsformen, die durch die empirische Analyse herausgearbeitet werden konnten, als ein zentrales Ergebnis dieser Analyse Teil der Tabelle. Die Ebenen von Öffentlichkeiten, als Strukturelemente, entscheiden darüber mit, wer Zugang zur jeweiligen Öffentlichkeit hat, welche Akteurinnen dominieren und welche Formen von Kommunikation möglich sind. Die Funktionen von Öffentlichkeit beschreiben zum einen die Repräsentationen und damit die Möglichkeiten der Aushandlung verschiedener demokratierelevanter Themen, zugleich geben sie aber auch Auskunft darüber, welche Funktion diese Öffentlichkeit innerhalb des gesellschaftlichen Selbstverständigungsprozess "Öffentlichkeit" insgesamt einnimmt. Im Einzelnen gestalten sich die politischen Kommunikationsräume und die sich darin generierenden Öffentlichkeiten wie folgt: (1) Der Kommunikationsraum der institutionellen und staatlichen Politik besteht aus komplexen Öffentlichkeiten, einfache Öffentlichkeiten kommen in diesem Kommunikationsraum nicht vor, da keine Kommentaroder Feedbackmöglichkeiten für Bürgerinnen angeboten werden. Diese Öffentlichkeiten erweisen sich so als relativ statisch. Ihre Funktion besteht darin, Informationen bereit zu stellen, die über die jeweilige Position der institutionellen und staatlichen Akteurinnen informieren. Aufgrund ihres Organisationsgrads haben Institutionen und Parteien eine stabile und komplexe Struktur. Ihre Rolle als komplexe Öffentlichkeit zeigt sich in den indirekten und einseitigen Kommunikationsformen, die keine Möglichkeit der Entgegnung einräumen. Auch Blogs von Abgeordneten des Nationalrats weisen keine genuin andere Form auf, da sie zumeist lediglich über deren politische Arbeit informieren. Damit sind auch sie Teil professioneller Öffentlichkeitsarbeit.
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(2) Im politischen Kommunikationsraum der Zivilgesellschaften finden sich aufgrund des Organisationsgrads von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen mittlere Öffentlichkeiten. Diese Öffentlichkeiten sind zumeist nicht konsensorientiert, sondern beziehen Stellung und sind auf Mobilisierung ausgerichtet, so dass sie in Anlehnung an Fraser als subalterne Gegenöffentlichkeiten gelten können. In ihnen werden Deutungsmuster verhandelt, die sich mit den hegemonialen politischen Diskursen auseinandersetzen. Sie verfügen nicht über den Organisationsgrad von komplexen Öffentlichkeiten, haben jedoch auch eine Organisationsstruktur und damit mehr oder weniger fixierte Regeln. In ihnen, wie auch in einfachen Öffentlichkeiten, werden 1l1emen diskutiert, die vor allem in den Massenmedien nicht vorkommen. Ihre Kommunikationsform ist einseitig und indirekt, da Bürgerinnen kaum Möglichkeiten eingeräumt werden, auf den jeweiligen Online-Text direkt zu reagieren. (3) Im Internet als Medienraum wurden die mediengesteuerten OnlineAngebote der komplexen Ebene von Öffentlichkeit zugeordnet. Medien nehmen eine zentrale Stellung innerhalb eines politischen Systems ein. Informationen und Meinungen können über sie schnell und weitläufig verbreitet werden. In diesen komplexen Öffentlichkeilen werden - entsprechend der Informationsfunktion von Massenmedien - Informationen vermittelt, die informativ, deskriptiv aber auch kontrovers sein können. Themen der Debatte werden teilweise von Online-Zeitungen vorgegeben, bzw. auch von Massenmedien allgemein, da die Online-Debatte ereigniszentriert verläuft. Allerdings finden sich im untersuchten Sampie auch Ereignisse, wie beispielsweise eine Demonstration für Arigona Zogaj, über die am intensivsten in Blogs und durch zivilgesellschaftliche Akteurinnen debattiert wurde. Aufgrund der Kommentarmöglichkeit bei Online-Zeitungen kommen allerdings einfache Öffentlichkeilen ebenso im Medienraum vor. So findet zwar nicht ein Wechsel zwischen Kommunikatorinnen und Publikum statt, jedoch werden die einfachen Öffentlichkeiten dieser medieninitiierten Online-Angebote wahrnehmbar und sichtbar. Die Kommentare bilden in ihrer Form eine antagonistische Öffentlichkeit, wie sie Mouffe (2007a) beschrieb. In ihnen wird über Deutungsmacht hinsichtlich gesellschaftlicher Positionen gerungen und weniger ein Konsens über gesellschaftliche Themen erarbeitet. Damit sind die Kommunikationsformen im Medienraum insgesamt vielfältig; sie können indirekt und gegenseitig sein. In den Kommentaren wird allerdings häufig keine dialogorientierte Form ersichtlich, es handelt sich zumeist um eine Aneinanderreihung von Postings, die keinen Bezug aufeinander nehmen.
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(4) Einfache Öffentlichkeiten, also die in Alltagskommunikation und nicht hochgradig organisierten Zusammenhängen entstehenden Öffentlichkeiten, finden sich im Diskussions- und Kommunikationsraum f ür Alltagsöffentlichkeiten. In diesen einfachen Öffentlichkeiten, die in OnlinePolitikforen entstehen, wird in Aushandlungsprozessen um eine gemeinsame Identität gerungen, doch diese Inklusionsbemühungen sind vor allem durch faktische Exklusion geprägt. Die Kommunikation entw ickelt sich zumeist spontan und im Alltag, die Kommunikationsformen sind wechselseitig und gleichberechtigt. In diesen einfachen Öffentlichkeiten gibt es keine funktionale Differenzierung zwischen den einzelnen Forumsteilnehmerlnnen. (5) Im Internet als persönlichem Raum entstehen aus spontan entw ickelter Kommunikation einfache Öffentlichkeiten, die häufig Bezüge untereinander aufweisen. Die Blogs dieses persönlichen Raums kennzeichnen sich durch ein vergleichsweise hohes Interaktionsniveau, da die Kommentarmöglichkeiten rege genutzt werden und damit eine indirekte und wechselseitige Kommunikation entsteht. Allerdings ergibt sich eine funktionale Rollenverteilung zwischen den Autorinnen der Blogs und den jeweiligen Kommentatorinnen der Webseite. Die Beziehung zwischen diesen beiden ist zwar direkt, aber nicht umkehrbar, da die Blagbetreiberinnen jeweils über Inhalte und zugelassene Kommentare bestimmen. Das 3-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit eignet sich also, um den Funktionsgrad, die Ebene von Öffentlichkeit und die Kommunikationsformen in den jeweiligen politischen Kommunikationsräumen im Internet zu erfassen. Für das Internet gilt es jedoch noch weitere Besonderheiten herauszuarbeiten, die konzeptionell beachtet werden müssen, w ie insbesondere die im Folgenden dargestellten Formen der politischen Aushandlung, die die räumliche Praxis bedingen. Formen der politischen Aushandlung
Der gesellschaftliche Aushandlungsprozess über Arigona Zogaj ist bestimmt durch die Formen der politischen Artikulation und Aushandlung. Diese Formen weisen auf weitere elementare Aspekte der räumlichen Praxis hin: die Bezugnahmen zwischen einzelnen Akteurinnen und Öffentlichkeitsebenen und damit auch innerhalb und zwischen verschiedenen Kommunikationsräumen. Die Bezugnahmen zwischen Öffentlichkeiten finden nicht exklusiv im Internet statt, zum größten Teil beziehen sich die Akteurinnen auf reale Öffentlichkeiten. Aufgrund der Kontextgebundenheit des Internets und seiner Einbindung in alltagspraktisches Handeln ist es auch nicht möglich, den Forschungsgegen stand isoliert zu be-
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trachten. Vielmehr interessiert allgemein, wie sich Öffentlichkeiten, die im Internet entstehen, mit anderen Öffentlichkeilen vernetzen und Bezugnahmen ersichtlich werden - sei es nun zu Online- oder OfflineÖffentlichkeiten. Politische Kommunikation formiert sich, so Dahlgren (2005: 148), durch die Zirkulation von Informationen, Ideen und Debatten. Durch die verschiedenen Teilöffentlichkeilen und Öffentlichkeitsebenen wird ersichtlich, dass nicht von einer einzigen konsensorientierten inklusiven Öffentlichkeit ausgegangen werden kann. Öffentlichkeiten bilden sich durch Aushandlungsprozesse um Bedeutungen und weisen zugleich auf Unterschiede und Ungleichheiten einer Gesellschaft hin. Die Formen der Aushandlung sind zumeist nicht konsensorientiert - es werden auch Asymmetrien, Macht- und Hierarchieverhältnisse sichtbar. Die Online-Debatte über Arigona Zogaj zeigt unterschiedliche Darstellungsformen, Vernetzungsstrategien und Bezugnahmen. So ist ein breites argumentatives Spektrum vertreten, dies führt zu einer ausgeprägten, aber auch polarisierten Debatte in den jeweiligen politischen Kommunikationsräumen und über diese hinaus. Der sowohl für eine deliberative Öffentlichkeit als auch für eine partizipative Demokratie wichtige Austausch zwischen verschiedenen Kommunikationsräumen lässt im Idealfall Beziehungen sowohl zwischen verschiedenen Öffentlichkeitsebenen als auch Kommunikationsräumen entstehen. Unterschiede finden sich in Bezug auf die Formen der Aushandlung und die Art der Bezugnahmen zwischen den einzelnen Öffentlichkeitsebenen, was wiederum Einfluss auf die Ausgestaltung der Kommunikationsräume hat. Bei einer Unterscheidung der Kommunikationsformen in den verschiedenen Kommunikationsräumen lassen sich folgende Besonderheiten herausarbeiten: (1) Im Kommunikationsraum der institutionellen und staatlichen Politik überwiegt eine informationsorientierte Darstellung, nur die Oppositionspartei Die Grünen nutzt das Internet zum Aufruf zu politischen Aktionen. Die Öffentlichkeiten, die in diesem Kommunikationsraum entstehen, sind zwar komplex und stabil, jedoch nehmen sie innerhalb der OnlineDebatte einen vergleichsweise geringen Stellenwert ein, zumindest wenn lediglich die Online-Präsenz betrachtet wird. Zum einen wird auf die Online-Auftritte der institutionellen und staatlichen Politik selten von anderen Akteurinnen im Internet direkt beispielsweise durch einen Link verwiesen, zum anderen wurden die Online-Texte des Kommunikationsraums der institutionellen und staatlichen Politik kaum über eine Suchmaschinensuche gefunden, sondern fast ausschließlich durch direktes Aufrufen der Seiten. Allerdings hat die geringe Online-Präsenz keine Auswirkungen auf die Bedeutung von institutionellen und staatlichen
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Akteurinnen innerhalb politischer Kommunikationsprozesse und damit auch der Online-Debatte. Innerhalb politischer Aushandlungsprozesse sind sie zentraler Bezugspunkt, da sie in der Debatte sowohl eine Rolle als Handelnde und Sprecherinnen zugewiesen bekommen als auch adressiert werden. (2) Akteurinnen des Kommunikationsraums der Zivilgesellschaften und sozialen Bewegungen agieren deutlich aktionsorientierter und nutzen das Internet für Kampagnen und politische Aktionen. Im Kommunikationsraum der Zivilgesellschaften und sozialen Bewegungen finden sich dementsprechend vielfältige Kommunikationsformen. Die darin entstehenden mittleren Öffentlichkeiten nehmen zumeist Bezug auf komplexe Öffentlichkeiten. Zivilgesellschaften stehen damit in Konkurrenz zu institutionellen Angeboten, sie nehmen die gleichen Themen auf und verweisen auf Institutionen und Regierung als handelnde Akteurinnen. Institutionelle und staatliche Akteurinnen nehmen hingegen in der Online-Debatte keinen Bezug auf zivilgesellschaftliche Akteurinnen. In den mittleren Öffentlichkeiten der Zivilgesellschaften geht es dementsprechend primär um die Entwicklung eigener Positionen. Die Deutungsrahmen und Positionierungen werden größtenteils in Auseinandersetzung mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteurinnen oder den Medien ausgehandelt. Ähnlich hat dies Fraser (2001) im Modell der subalternen Gegenöffentlichkeiten beschrieben. In diesen Gegenöffentlichkeiten entwickeln zivilgesellschaftliche Akteurinnen alternative Deutungsrahmen in Bezug auf die hegemoniale Öffentlichkeit. Die alternativen Deutungsrahmen äußern sich im konkreten Fall zumeist in einer kritischen Diskussion der gegenwärtigen Asylpolitik Österreichs und insbesondere der daraus resultierenden Konsequenzen für Arigona Zogaj. Die so entwickelten Positionen führen zu Forderungen an politische Entscheidungsträgerinnen. Die mittleren Öffentlichkeiten stehen teilweise in einem Konkurrenzverhältnis über die Deutungsmöglichkeiten von Themen zueinander, allerdings scheint es aufgrund des gemeinsamen Anliegens eine solidarische Konkurrenz zu sein, da sie dennoch über Links aufeinander verweisen, Texte übernehmen und Veranstaltungen anderer zivilgesellschaftlicher Akteurinnen bekannt geben. Die Kommunikationsformen sind zumeist einseitig und direkt, da keine Kommentarmöglichkeiten für Nutzerinnen angeboten werden. (3) Der Medienraum hat eine Doppelfunktion, da er sowohl einfache als auch komplexe Öffentlichkeiten hervorbringt. Dementsprechend sind die Kommunikationsformen je nach Öffentlichkeitsebene indirekt bis direkt. Insgesamt zeichnet sich der Medienraum durch eine dialogorientierte Form aus. Die Kommentarmöglichkeiten der Online-Texte von Zeitun-
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gen werden rege genutzt, darin zeigen sich interpersonale und gleichberechtigte Kornrnunikationsforrnen. Auch scheint sich daran ein wechselndes Publikum zu beteiligen. Dabei fällt insbesondere auf, dass im Standard die Kommentatorinnen interagieren und aufeinander reagieren, während in der Kronen Zeitung die Kommentare zumeist lediglich Äußerungen oder Statements darstellen, die ohne gegenseitige Bezugnahmen aneinandergereiht sind. Wenn sich auf der Seite der Kronenzeitung die Kommentare dennoch auf die Kommentare anderer Nutzerinnen beziehen, dann zumeist in einer ablehnenden oder beleidigenden Art. Dies deckt sich mit den Ergebnissen einer britischen Studie, die die Kommentare auf den Seiten einer Qualitätszeitung mit denen einer Boulevardzeitung vergleicht. Richardson und Stanyer (2011: 999 f.) stellen fest, dass die Kommentare im Internet nicht im normativen Sinne deliberativ, sondern häufig "rassistisch" sind und damit Exklusionen befördern; ein Verhalten, dass sich demnach insbesondere bei Online-Debatten über Migration und Geschlecht zeigt. Wenn die Massenmedien in den verschiedenen Öffentlichkeiten anderer Kommunikationsräume thematisiert werden, dann findet dies zumeist auf pauschalisierende Weise statt. Auf den Einfluss von Massenmedien eine gesellschaftliche Debatte zu prägen, wird insbesondere in den einfachen Öffentlichkeiten hingewiesen, in denen zumeist die Popularität von Arigona Zogaj auf die Medienberichterstattung zurückgeführt wird. Die weiteren Funktionen von Massenmedien, die sich neben der Inforrnationsfunktion über soziale und politische Funktionen erstrecken, werden nicht thematisiert. (4) Im Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten, den Politikforen, entstehen einfache Öffentlichkeiten, in denen Teilnehmerinnen gleichberechtigt, direkt und gegenseitig agieren. In diesen werden auf einer alltagspraktischen Ebene Erfahrungen ausgetauscht sowie Werte und Normen verhandelt. Bezüge zu mittleren und komplexen Öffentlichkeiten sind ersichtlich, jedoch meistens abstrakt oder um die Autorität der genannten Akteurinnen zu nutzen und damit die eigene Meinung zu stützen. Trotz ihres eher zufälligen Charakters, was den Kreis der Teilnehmerinnen angeht, sind sie prinzipiell dialogorientiert Die Kommunikationsformen sind damit interpersonal und gleichberechtigt. (5) Im Internet als persönlichem Raum, den Blogs, vermischen zunächst arn offenkundigsten privat und öffentlich konnotierte Themen. Blogs sind persönliche Tagebücher, die mit einer Veröffentlichung von Gedanken und privaten Ansichten von Individuen einhergehen. Die Formen der Kornmunikation sind ebenfalls dialogorientiert, da Kommentare verfasst
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werden können und damit die Möglichkeit besteht, mit anderen Nutzerinnen oder den Anbieterinnen der Seite in Kontakt zu treten. Ein Kennzeichen einfacher Öffentlichkeiten im Alltag ist ihr Auftreten an wechselnden Orten mit wechselnden Teilnehmerinnen. In Blogs hingegen herrscht eine relative Konstanz, was den Kreis der Teilnehmerinnen und Kommentatorinnen angeht. Zum einen vernetzen sich Biogerinnen durch gegenseitige Verlinkungen, zum anderen sind die Kommentatorinnen recht beständig, da sie zumeist mehr als einen Blageintrag kommentieren. Damit wird der Zufälligkeit, die einfache Öffentlichkeiten zumeist ausmacht, in den untersuchten Blogs ein relativ konstantes Beziehungsgeflecht entgegengesetzt. Die einfachen Öffentlichkeiten, die sich im Diskussions- und Kommunikationsraum, im persönlichen Raum sowie im Medienraum bilden, weisen gemeinsame Kennzeichen auf. Sie beziehen sich zumeist auf komplexe Öffentlichkeiten und stützen damit die hierarchische Struktur politischer Kommunikation. In diesen einfachen Öffentlichkeiten finden sich dagegen kaum Bezüge zu mittleren Öffentlichkeiten, die sich durch zivilgesellschaftliche Akteurinnen bilden. Damit lässt sich bezüglich der Formen der Aushandlung eine vertikale Struktur feststellen. Bezugnahmen richten sich von einfachen und mittleren Öffentlichkeiten auf komplexe Öffentlichkeiten, dabei insbesondere auf staatliche Institutionen und Medien. Innerhalb der mittleren Öffentlichkeiten der Zivilgesellschaften werden gegenseitige Bezugnahmen erkennbar. Die größte Vielfalt findet sich in den Online-Texten von Tageszeitungen, die unterschiedliche Akteurinnen benennen und damit Bezüge zu allen Öffentlichkeitsebenen herstellen. Für demokratische und diskursive Aushandlungsprozesse sind jedoch wechselseitige Bezugnahmen elementar. Politische Kommunikation im Internet nimmt zwar dialogische Formen an und lässt wechselseitige Bezugnahmen erkennen, allerdings nicht quer zu allen Analyseebenen der Kommunikationsräume. So werden gesellschaftliche Hierarchien reproduziert insbesondere durch den einseitigen Bezug auf das politische System im engeren Sinne und damit auf hegemoniale Öffentlichkeiten. Aufmerksamkeit ist allerdings ein generelles Problem von einfachen Öffentlichkeiten (vgl. Klaus 2009: 61 f.). In der Online-Debatte verhilft aber auch der größere Organisationsgrad von Zivilgesellschaften nicht zu erhöhter Aufmerksamkeit, sie werden - trotz ihrer gesellschaftlich relevanten Rolle gerade in Migrationsdebatten - selten von den untersuchten Akteurinnen wahrgenommen. Zivilgesellschaftliche Akteurinnen, und damit die mittleren Öffentlichkeiten, stehen im Internet vor der Herausforderung
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ihre Wahrnehrnbarkeit zu verstärken, denn nur so werden vielfältige Argumente und Positionen sichtbar sowie gegenhegemoniale Diskurse ermöglicht. Zusammenfassend lässt sich unter Bezugnahme auf die Medien- und Dernookratieforschung festhalten, dass sich die demokratierelevanten Funktionen des Internets je nach Kommunikationsraum unterscheiden. So übernimmt das Internet zumeist eine Inforrnationsfunktion, teilweise aber auch eine politische Funktion der Mobilisierung, in dem Öffentlichkeiten für vielfältige Meinungen hergestellt werden. Darin werden gesellschaftliche Problerne diskutiert und Problernlösung angeboten. Durch das Internet werden damit auch identitätsstiftende Werte vermittelt, dieauf die soziale Funktion bezogen- teilweise inklusive Momente zeigen. Im Internet vermischen sich in weitaus stärkerem und direktem Maße verschiedene Öffentlichkeitsebenen in einem Kornrnunikationsraum, so dass teilweise "hybride" Öffentlichkeitsebenen entstehen. Insbesondere im Medienraum zeigt sich dies, da hier zwei in ihrem Komplexitätsgrad unterscheidbare Öffentlichkeiten aufeinander treffen. Eine Ausnahme in dem Beziehungsgeflecht verschiedener Öffentlichkeitsebenen bildet die komplexe Ebene, die im politischen Raum der Institutionen und staatlichen Politik relativ abgeschlossen und damit exklusiv bleibt. Auf diesen Seiten gibt es keine Möglichkeiten, einfache und mittlere Öffentlichkeiten zu integrieren. Die zunehmende Nutzung des Web 2.0 durch institutionelle Akteurinnen lässt allerdings vermuten, dass sich in Zukunft verschiedene Öffentlichkeitsebenen auch dort vermischen werden. Allerdings zeigt sich gerade auf den einfachen Öffentlichkeitsebenen auch die Problematik offener Internetforen: sie sind tendenziell exkludierend und ein nicht unerheblicher Teil dieser Kommentarmöglichkeiten musste aufgrund von "rassistischen" Äußerungen der Nutzerinnen geschlossen werden. Die Online-Texte und die jeweiligen Öffentlichkeitsebenen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der Bezugnahmen und Formen der Darstellung. In Debatten werden darüber hinaus in diesen Kommunikationsräumen und den darin entstehenden Öffentlichkeiten durch diskursive Repräsentationen Zugehörigkeiten ausgedrückt, aber auch Ausgrenzungen vorgenommen- wie im folgenden Abschnitt dargestellt wird.
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9.2 Repräsentationen von Raum: Selbstverständigungsprozesse über Einheit und Differenz Die Repräsentationen von Raum werden durch Kommunikationsprozesse gebildet, die gesellschaftliche Aushandlungsprozesse, aber auch Selbstverständigungsprozesse über Wirklichkeitskonstruktionen und kulturelle Identitäten darstellen. Die Repräsentationen von Raum machen die räumliche Praxis lesbar und bilden Identitätsräume, die in Zusammenhang mit Setzungen von Kultur und Macht stehen (vgl. Hipfl 2004). Die räumliche Praxis wird so strukturiert, aber auch die Repräsentationen von Raum gründen auf der räumlichen Struktur. Die Repräsentationen von Raum entstehen durch verschiedene Öffentlichkeiten und Teilöffentlichkeiten auf den unterschiedlichen Ebenen der Kommunikationsräume. In diesen Öffentlichkeiten werden durch Thematisierung, Verallgemeinerung und Bewertung von Erfahrungen Regeln und Normen ausgehandelt (vgl. Klaus 2005: 105). In ihnen werden bestimmte Vorstellungen von Raum und damit einer Gesellschaft imaginiert. Eine Analyse dieser Repräsentationen von Raum erstreckt sich über Thematisierungs- und Verständigungsprozesse in den einzelnen Öffentlichkeiten. Dazu gehören Diskussionsverläufe und Äußerungen durch institutionelle und staatliche Akteurlnnen ebenso wie von Zivilgesellschaften und sozialen Bewegungen sowie in alltäglichen Kontexten. Massenmedien greifen die von ihnen als gesellschaftlich relevant betrachteten Themen auf. Darüber hinaus werden aber vor allem Themen im Alltag und in alltäglichen Praxen verhandelt, die über akzeptable und akzeptierte Verhaltensmuster entscheiden (vgl. Klaus 2005: 106). All diese Formen sind potenziell politisch und an gesellschaftlichen Aushandlungsprozessen beteiligt. Das Internet erscheint dabei als wichtiger Ort der Verhandlung gesellschaftlicher Fragen, wie der Aushandlungsprozess zu Fragen der Migration zeigt. In diesem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess werden Deutungsrahmen bereit- und hergestellt, in die die Debatte um Arigona Zogaj eingeordnet wird. Darüber hinaus werden diese gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse in Zusammenhang zu weiteren gesellschaftlichen Debatten gesetzt, die zentrale demokratische Fragen berühren. Vorstellungen über Raum und Gesellschaft, die Verhandlung von Normen sowie die Thematisierung gesellschaftlich relevanter Themen hängen eng mit Fragen von Identität, Inklusion und Teilhabe zusammen. In der Migrationsdebatte um Arigona Zogaj werden genau diese Fragen und Konzepte verhandelt. Sie artikulieren sich in der Online-Debatte um Arigona Zogaj insbesondere - so ließen sich die Argumentationsstränge der Debatte zusammenfassen - in der Festschreibung von Einheit und
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Differenz und den daraus resultierenden Inklusions- und Exklusionsprozessen. Im Kontext dieser Debatte wird Arigona Zogaj verortet, indem eine imaginierte Gemeinschaft aufgebaut wird, in die sie eingeschlossen wird oder von der sie ausgeschlossen bleibt. Diese Positionierungen finden in inhaltlich verschiedenen Debatten und Diskursen statt, die sich durch ihre Argumentationsstränge und Bezüge hinsichtlich der Kommunikationsräume unterscheiden. In den Deutungen und Bezugnahmen zu dem untersuchten Ereignis werden innerhalb der Debatten von den Akteurlnnen auch selbst Räume des Ein- und Ausschlusses konstruiert und Verortungen geschaffen. Durch das Modell der politischen Kommunikationsräume lassen sich die diskursiven Konstruktionen und Verhandlungen über Ein- und Ausschlüsse auf verschiedenen Ebenen erfassen und damit die Repräsentationen von Raum in einen breiteren Kontext stellen. Wie im vorangegangenen Abschnitt dargestellt, unterscheiden sich die jeweiligen Öffentlichkeitsebenen in den Formen der Aushandlung und den Bezugnahmen zu anderen Öffentlichkeiten. Darüber hinaus finden je nach Kommunikationsraum verschiedene Thematisierungs- und Verständigungsprozesse über Migration und Aushandlungsprozessen von Normen in Bezug auf Identität, Inklusion und Teilhabe statt. Die Debatte um Arigona Zogaj ist dementsprechend eng verbunden mit Fragen einer gemeinsamen Identität und Kultur. Differenzen und Abgrenzungen gegenüber anderen Personen finden sich in einfachen Öffentlichkeiten, die in den Kommentaren des Medienraums ebenso wie im Diskussions- und Kommunikationsraum der Foren generiert werden. In einfachen Öffentlichkeiten werden durch die alltagspraktische Orientierung Themen verhandelt, die auf den anderen Öffentlichkeitsebenen nur eine untergeordnete oder keine Rolle spielen. Die Rahmung der Migrationsdebatte im Allgemeinen und in Bezug auf Arigona Zogaj erfolgt damit hinsichtlich alltäglicher Erfahrungen und Realitätsdeutungen. In den Öffentlichkeiten werden vielfach Alterisierungsprozesse sichtbar, die durch diskursive und faktische Ausschlüsse gekennzeichnet sind. In diesen einfachen Öffentlichkeiten werden so Exklusionen anhand von Differenzsetzungen in Bezug auf Kultur, Geschlecht und Ethnie vorgenommen. Dementsprechend werden Vorstellungen über Österreich als Nation entwickelt, in denen bestimmten Identitäten ein legitimer Platz zugesprochen wird und gleichzeitig andere Identitäten ausgeschlossen bleiben. N ation, so scheint es, ist damit ein homogenes Gebilde, das aus bestimmten Vorstellungen über Menschen, Normen und Regeln bestehen kann. In Blogs, und damit im Internet als persönlichen Raum, der sich ebenfalls aus einfachen Öffentlichkeiten zusammensetzt, sind die Deutungsrahmen vielfältiger. Die Bedeutung von Nation wird aufgebrochen, es sind auch hybri-
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de Konzepte vorstellbar, die sich nicht nur über Abstammung und gemeinsame Werte definieren, sondern auch nach dem Lebensmittelpunkt und einem subjektiven Zugehörigkeitsgefühl fragen. Um diese Themen und Konzepte wird am meisten in einfachen Öffentlichkeiten gerungen; dies zeigt die enorme Bedeutung der Findung einer gemeinsamen Identität auf einer alltagspraktischen Ebene. Häufig resultiert daraus jedoch eine problematische Ausgrenzung anderer als fremd wahrgenommenen Identitäten. In den komplexen Öffentlichkeiten des politischen Raums der institutionellen und staatlichen Politik finden- korrespondierend zu den Formen der Aushandlung - selten tatsächliche Aushandlungsprozesse statt, da staatliche Institutionen und Akteurinnen in den Online-Texten zumeist Entscheidungen verkünden. Eine Ausnahme bilden Oppositionsparteien, die in ihren Online-Texten immer auch eine bestimmte Vorstellung von Nation und Gemeinschaft vermitteln, die im "Fall" Arigona Zogaj zwischen Inklusion (Die Grünen) und Exklusion (FPÖ) schwankt, und die damit eine eindeutige Position in der Debatte beziehen. Zivilgesellschaftliche Akteurinnen stellen teilweise weitere Positionen in den Aushandlungsprozessen bereit. Allerdings kennzeichnet sich der politische Raum der Zivilgesellschaften und sozialen Bewegungen zumeist durch aktionsorientierte Formen, die keine weitergehenden inhaltlichen Argumentationslinien bereithalten. Dennoch wird mittels Aktionen und Aufrufen für eine veränderte Migrationspolitik die inhaltliche Positionierung hinsichtlich Fragen der Migration deutlich. Die Ergebnisse zeigen, dass politische Kommunikationsräume im Internet als konfliktäre Orte verstanden werden können, in denen um Bedeutungen und Positionierungen gerungen wird. In politischen Kommunikationsräumen im Internet wird in den darin entstehenden Öffentlichkeiten festgelegt, wer Teil der Gesellschaft ist und damit an gesellschaftlichen Prozessen partizipieren kann und darf. Die Debatte findet vorherrschend im Diskussions- und Kommunikationsraum für Alltagsöffentlichkeiten sowie in den medieninitiierten Online-Angeboten des Medienraums statt. Diese Aushandlungsprozesse entsprechen allerdings nicht immer den eingangs dargestellten normativen demokratietheoretischen Idealen. Auch für das Internet gilt, was Klaus und Lünenborg (2004: 103) allgemein für Medien formulieren: " Medien sind Motor und Akteur der selbst- und zugleich fremdbestimmten Herstellung von individuellen, gruppenspezifischen und gesellschaftlichen Identitäten". In der vorliegenden Untersuchung bedeutet dies im Resultat, dass Arigona Zogaj zum einen auf vielfältige Weise aus einem gemeinsame Raum ausgegrenzt wird oder zum anderen durch das Aufzeigen alternativer Deu-
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tungen ein legitimer Platz zugewiesen wird. Dadurch werden verschiedene individuelle, gruppenspezifische und gesellschaftliche Identitäten hergestellt und diese Personen zugewiesen.
9.3 Gelebte Räumlichkeit: Irritationen, Umdeutungen und Verschiebungen Wie diese Aushandlungsprozesse im Einzelnen ausgestaltet werden, wird durch Praktiken, also dem gelebten Raum, sichtbar. Diese Praktiken sind jedoch nie abgeschlossen, sondern eröffnen auch neue Denk- und Wahrnehmungsschemata. Im gelebten Raum sind Uneindeutigkeiten und gegen Dichotomien laufende Entwicklungen denkbar, aus denen heraus dann wieder neue Räume entstehen können, die sowohl auf die Kommunikationsräume als räumliche Praxis als auch auf die Repräsentationen von Raum Einfluss haben. Gesellschaftliche Aushandlungsprozesse sind also nie eindeutig, es gibt immer auch Irritationen, Umdeutungen und Verschiebungen von Bedeutungen, aus denen weitere - zunächst nicht mitgedachte - dritten Räume entstehen können. Dies bedeutet, dass sich neben oder in den konzipierten Räumen weitere Räume eröffnen, in denen alternative Deutungsmuster, Formen und Strukturen enthalten sind. Die Frage nach den Irritationen und Umdeutungen betrifft auch die Uneindeutigkeiten und Lücken, die sich aus der Prüfung der Hypothesen und der Beantwortung der Forschungsfragen ergeben. Uneindeutigkeiten entstehen schon durch die Gegebenheiten des Internets, da die Grenzen von Kommunikationsräumen im Internet nicht starr sind. Einfache und mittlere Öffentlichkeilen vermischen sich in verschiedenen Kommunikationsräumen und über diese hinweg. In einem Kommunikationsraum kann es dementsprechend mehr als eine Öffentlichkeit geben. Die größere Offenheit der politischen Kommunikationsräume besteht also aus dem Vorhandensein von Öffentlichkeilen verschiedener Ebenen in einem Kommunikationsraum sowie durch Öffentlichkeiten, die Eingang in verschiedene Kommunikationsräume finden. Sie haben das Potenzial zu Verschiebungen von Bedeutungen, da sie sich nicht in festen Strukturen fassen lassen, sondern wandelbar sind und alternative Deutungsrahmen aufspannen können. Alternative Positionen und Denkweisen sind in einzelnen Kommunikationsräumen vorhanden, allerdings schwer auffindbar und nicht wirkmächtig genug, um andere Öffentlichkeitsebenen zu erreichen. Im Einzelnen zeigen sich alternative Deutungen in den Debatten in den Diskussions- und Kommunikationsräumen für A lltagsöffentlichkeiten, da hier weitere Deutungen von Migration aus einer alltagspraktischen Perspektive
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ersichtlich werden. Das Politische, als das rational und juristisch Begründbare, wird erweitert durch eine Diskussion, die auf den Alltag der Menschen zielt. Sowohl der Alltag der Kommentatorinnen selbst als auch der von Arigona Zogaj wird thematisiert und somit der rationalen Politik emotionale und persönliche Argumente entgegengestellt. Politik und politische Kommunikation findet so nicht nur in der hegemonialen Öffentlichkeit statt, sondern in vielfältigen Teilöffentlichkeiten. Darüber hinaus verschieben sich in diesen Aushandlungspraxen die Bedeutungen von privat und öffentlich konnotierten Sphären. Die starre Trennung dieser beiden Sphären wird durch die Thematisierung von persönlichen Erfahrungen aufgelöst, da auch privat konnotierten Themen eine politische Bedeutung zugewiesen wird. Auch wenn Massenmedien in der politischen Kommunikation eine zentrale Rolle einnehmen, zeigen sich in der untersuchten Online-Debatte weitere Bezugnahmen zwischen verschiedenen Akteurlnnen, so dass nicht nur Massenmedien den politischen Diskurs dominieren. Dadurch verschiebt sich die Agenda-Setting-Funktion der Medien. Es werden in Kommentaren, durch alternative Medien und Zivilgesellschaften bisher marginalisierte Positionen sichtbar. Gegenhegemoniale Positionen, die einen emanzipatorischen Charakter entfalten können, werden vor allem im zivilgesellschaftlichen Raum und im persönlichen Raum der Blogs erkennbar. Die darin vorfindbaren Argumentationsmuster erweitern den Deutungsrahmen über Migration, Inklusion und Zugehörigkeit. So sind im Internet durchaus hegemoniekritische Positionen vorhanden, die der herrschenden gesellschaftlichen Debatte weitere Aspekte hinzufügen und gerade in der Offenheit des Internets eine größere Sichtbarkeit entfalten. Bestehende Hierarchien können durch die verbesserte Wahrnehmbarkeit einfacher Öffentlichkeiten in Frage gestellt werden. Darüber hinaus können mittlere Öffentlichkeiten durch eine verstärkte Vernetzung untereinander den komplexen Öffentlichkeiten machtvolle Alternativen entgegen stellen. Diese Umdeutungen und Verschiebungen finden sich jedoch in der untersuchten Online-Debatte nur in Ansätzen. Dennoch bleibt in der Migrationsdebatte um Arigona Zogaj der gelebte Raum größtenteils ein Raum der Utopie. Phänomene wie Flashmobs, das Kampagnen-Netzwerk avaaz.org oder die zahlreichen Blageinträge zu feministischen Themen zeigen jedoch, dass das Internet ein Potenzial zur Umdeutung herrschender Raumrepräsentationen bereithält. Allerdings ist dieses in der untersuchten Online-Debatte nur partiell sichtbar und zumeist auf gesellschaftliche Teilbereiche begrenzt.
Diskussion
I 259
9.4 Zusammenfassung: Politische Kommunikationsräume im Internet Die Migrationsdebatte über Arigona Zogaj zeichnet sich über den Fall hinaus als ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess über Migration, Integration sowie Fragen nach der Legitimation von Gesetzen aus. Dieser dient der Bestimmung von Zugehörigkeit, die aber zumeist mit einer Ausgrenzung des fremden "Anderen" einhergeht und für Arigona Zogaj die tatsächliche Exklusion aus dem politischen Gebilde Österreich bedeutet. Diese Exklusionsprozesse zeigen sich vor allem in den Diskussionsund Kommunikationsräumen für Alltagsöffentlichkeiten und in den medieninitiierten Online-Angeboten im Medienraum, also den Kommentaren, in denen Arigona Zogaj zumeist kein Platz in Österreich eingeräumt wird. Die Dreiteilung von Raum in räumliche Praxis, den Repräsentationen von Raum sowie in gelebte Räumlichkeit bildet mit dem 3-Ebenen-Modell von Öffentlichkeit eine produktive Verbindung zur Analyse dieser Online-Debatte. Davon ausgehend lassen sich räumliche Praktiken, imaginierte Räume sowie Umdeutungen und gegenhegemoniale Praktiken erfassen, die auf unterschiedlichen Öffentlichkeitsebenen erkennbar sind. Durch die räumliche Praxis werden Funktionen und Kommunikationsformen von Öffentlichkeiten im Internet beschreibbar. Dazu gehören Formen der politischen Aushandlung sowie die Bezugnahmen zwischen den einzelnen Akteurlnnen. In den jeweiligen politischen Kommunikationsräumen lassen sich subjektive und imaginierte Repräsentationen von Räumlichkeit unterscheiden. Diese finden ihren Ausdruck in Debatten zu Inklusion und Teilhabe sowie durch gesellschaftliche und kulturelle Konstruktionen von Identität. In der untersuchten Online-Debatte werden auf unterschiedliche Weise Nation und Gemeinschaft verhandelt und damit Einheit und Differenz artikuliert. In den gelebten Räumen zeigen sich nur geringfügige Umdeutungen und Verschiebungen, sie eröffnen aber Möglichkeiten der Irritation. Grenzziehungen, Bedeutungszuschreibungen und damit verbundene gesellschaftliche Prozesse können so in Frage gestellt werden. Sowohl die räumliche Praxis als auch die Repräsentationen von Räumlichkeit haben damit immer auch das Potenzial zur Veränderung.
10 Fazit und Ausblick Eines der Leitmotive meiner Arbeit bildete die Frage, wie Öffentlichkeiten im Internet theoretisch gefasst werden können und welchen Ausdruck sie empirisch finden. In der Untersuchung habe ich die Migrationsdebatte um Arigona Zogaj im Internet diskutiert. Durch die Entwicklung eines theoretischen Modells politischer Kommunikationsräume im Internet wurde dabei - so das zentrale Ergebnis der Arbeit - ein Beitrag geleistet, um sowohl theoretisch als auch empirisch fundiert, Kommunikationsprozesse im Internet zu beschreiben und zu analysieren. Den Ausgangspunkt der Arbeit bildete zunächst die Feststellung, dass das Internet eine immer größere Rolle in vielen gesellschaftlichen Prozessen spielt aber in einem ambivalenten Verhältnis zur Demokratisierung politischer Prozesse und einer stärkeren gesellschaftlichen Teilhabe gesehen wird. Eingangs wurde auf die Forschungen zur Rolle des Internets in der politischen Kommunikation hingewiesen, die in der Einschätzung zwischen Euphorie und Skepsis schwanken. Um die forschungsleitende Frage der Arbeit nach einer theoretischen Fundierung von Online-Kommunikation, die sich auf die theoretischen Bezügen zu Raum und Öffentlichkeit stützt, beantworten zu können, war es zunächst notwendig, den bisherigen Forschungsstand zu Medien, Demokratie und Internet aufzuarbeiten. Die Ergebnisse bisheriger Studien lieferten wichtige Hinweise für die Herangehensweise dieser Arbeit. Dadurch wurde ersichtlich, dass eine theoretische Positionsbestimmung für den Erkenntnisgewinn dieser Arbeit entscheidend ist. Zugrunde gelegt wurde ein weiter Politikbegriff, der sich auf die Cultural Studies und Gender Studies gründet, wonach Politik- und damit auch politische Öffentlichkeit- ebenfalls Alltagspraxen und weitreichende kulturelle Aushandlungsprozesse umfassen kann. Die Skizzierung aktueller Raum- und Öffentlichkeitstheorien im theoretischen Teillieferte die Basis der Arbeit und der weiteren Analyse. Im Mittelpunkt standen dabei die sozialgeographischen Ausarbeitungen zu Raum sowie die Berücksichtigung von Konzepten wie Identität, Kultur und Macht. Die Raumtheorien wurden ergänzt durch das 3-EbenenModell von Öffentlichkeit, das die verschiedenen Differenzierungs- und Funktionsgrade von Öffentlichkeiten im Internet als Teil gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse ersichtlich werden ließ. Durch dieses Öffent-
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lichkeitsmodell werden Teilöffentlichkeiten konzeptionell eingebunden und einfache Öffentlichkeiten in ihrer politischen Bedeutung aufgewertet. Anhand dessen wurden die für eine Gesellschaft zentralen Konzepte von Inklusion, Identität und Teilhabe diskutiert. Als Übergang vom theoretischen zum empirischen Teil wurde das Modell politischer Kommunikationsräume entwickelt und die Vorgaben für die empirische Analyse erläutert. Das Modell arbeitet heraus, dass vielfältige Öffentlichkeiten in unterschiedlichen Kommunikationsräumen an der Online-Debatte und damit an einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess beteiligt sind. Es ist auf diese Weise der Versuch, zunächst in einer normativen Herangehensweise darzustellen, was Öffentlichkeit im Internet leisten kann. Dazu wurde auf die drei Ebenen von Räumlichkeit verwiesen, die sich aus der räumlichen Praxis, den Repräsentationen von Raum und dem gelebten Raum gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse im Internet zusammensetzen. So kann analytisch in den Blick genommen werden, wie Räume konstruiert werden und Öffentlichkeiten entstehen sowie empirisch danach gefragt werden, wie Raum und Öffentlichkeit jeweils gestaltet sind. In der empirischen Untersuchung wurde analysiert, auf welche Weise im Internet über Arigona Zogaj debattiert wurde und damit eine prägnante Online-Debatte um Migration und Bleiberecht fokussiert. Gegenstand der untersuchten Online-Kommunikation war also ein "Fall" aus der gegenwärtigen Asyl- und Migrationsdebatte in Österreich, der polarisierte und großen medialen Widerhall fand. Ausgewertet w urde eine umfassende Anzahl an Online-Texten, die - entsprechend des Modells der politischen Kommunikationsräume - den verschiedenen Kommunikationsräumen zuordbar sind. Durch die in diesen Texten enthaltenen Aussagen und deren Thematisierungen werden Öffentlichkeilen hergestellt und mitgestaltet So konstituieren sich Öffentlichkeiten, die einen Beitrag zur politischen Kommunikation leisten und aufgrund von Form, Differenzierung und Funktion unterschieden werden können. Die Untersuchung der konkreten Online-Debatte, also der Aushandlungsprozesse im Internet, lieferte weitere Erkenntnisse über das Forschungsfeld Internet. So konnten Aussagen über Deutungen sowie Rahmungen der OnlineDebatte über Migration getroffen und der Bezug zu Konzepten wie Identität, Inklusion und Teilhabe hergestellt werden. Die Verhandlungen über diese Konzepte stellen zentrale demokratische Verfahrensweisen dar. In den Kommunikationsräumen und den darin entstehenden Öffentlichkeiten werden Konstruktionen von Identität und Zugehörigkeit verhandelt, die zumeist zwischen "Eigenen" und "Fremden" unterscheiden. Die Aushandlungen und Thematisierungen finden zwischen w echseln-
Fazit I 263
den Gruppen statt. Diese Prozesse entsprechen - wie dargestellt und wie auch andere Studien nahelegen (vgl. Witschge 2007) - in Fragen der Migration insbesondere in den einfachen Öffentlichkeiten nicht immer demokratischen Normen. In diesem Sinne bildet das Internet nicht unbedingt den gewünschten "activist" oder "advocacy sector" der Öffentlichkeit (Dahlberg 2007: 145). Die Migrationsdebatte um Arigona Zogaj zeigte sich damit als ein gesellschaftlicher Konfliktdiskurs um elementare demokratietheoretische Werte. Auch wenn solche antagonistischen Formen für eine Demokratie wichtig sind, so sollte doch ein Grundkonsens über grundlegende demokratische Werte bestehen, die nicht einer Aushandlung unterworfen sind (vgl. Mouffe 2007a). Für die Konstituierung von demokratischen Öffentlichkeiten ist es dementsprechend entscheidend, dass die antagonistischen Positionen in agonistische verändert werden (vgl. Klaus 2009: 65). Dafür müssen jedoch noch Verfahrensweisen gefunden werden und vor allem -zumindest für meine Untersuchung lässt sich dies so festhalten - eine größere zivilgesellschaftliche Beteiligung an der Herstellung von Öffentlichkeiten zu bestimmten Themen im Internet forciert werden. In der analysierten Online-Debatte zeichneten sich insbesondere drei gesellschaftliche Akteursgruppen ab: So sind es in Teilen die Massenmedien, die die Themen vorgeben, was durch die entsprechenden Bezüge in anderen Online-Texten deutlich wird. Die institutionellstaatlichen Akteurinnen werden als Handelnde und Adressatinnen wahrgenommen und die Akteurinnen der einfachen Öffentlichkeit bestimmen die interaktive Debatte in Foren und Kommentaren. Eine Demokratie - verstanden in einem partizipatorischen Sinne - benötigt jedoch darüber hinaus weitere Akteurlnnen, die an der Bedeutungszuweisung von Themen beteiligt sind sowie Bezug aufeinander nehmen. Damit kann auch exklusiven Öffentlichkeiten eine zivilgesellschaftliche Orientierung hin zu einer stärkeren Inklusion entgegengesetzt werden.
Perspektiven und Reichweite des Modells der politischen Kommunikationsräume Das Modell der politischen Kommunikationsräume kann als analytischer Rahmen dienen, um die Konstruktion von Kommunikationsräumen und die darin entstehenden Öffentlichkeiten zu erfassen. Empirisch lassen sich dann Öffentlichkeiten und politische Kommunikation im Internet analysieren. Normativ liefert das Modell einen Beitrag zu der Frage, was Öffentlichkeiten im Internet leisten können und welcher Gewinn aus einer stärkeren Berücksichtigung von Raumtheorien resultiert. Die dem Modell zugrunde liegenden theoretischen Annahmen stehen so in einem Zusammenhang zur demokratischen Verortung des Inter-
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nets. Das produktive Zusammendenken von Raum- und Öffentlichkeitstheorien führt zu einer Vorstellung relationaler Komrnunikationsräume, die nicht nur die hegemoniale Öffentlichkeit umfassen, sondern auch eine Vielzahl an Teilöffentlichkeiten in den Blick nehmen, die das Potenzial haben, vorgegebene Deutungen zu unterlaufen. Damit erlaubt das Modell, deren Beteiligung an der Produktion und Reproduktion von Wirklichkeitskonstruktionen und Bedeutungszuweisungen zu untersuchen. Durch die analytische Unterscheidung verschiedener Ebenen von Raum bzw. Räumlichkeit kann neben einer Untersuchung der räumlichen Praktiken sowie der Raumrepräsentationen insbesondere durch den gelebten Raum auch der Blick auf Verschiebungen von Bedeutungen und Grenzen in kommunikativen Prozessen gerichtet und Alternativen sichtbar gemacht werden. Die räumliche Praxis ist dabei prinzipiell auf jede Online-Debatte anwendbar, da sie die Grundlage einer Analyse von Online-Kommunikation bilden kann. Die Repräsentationen von Raum und die gelebte Räumlichkeit wurden im vorliegenden Untersuchungsfeld auf Verhandlungen und Konstruktionen von Identität sowie Fragen der Teilhabe und Partizipation zugespitzt. Eine Verallgemeinerung ist hier nur für den jeweiligen Kontext möglich, d.h. andere Forschungsfragen nach weiteren Online-Debatten bedingen andere Repräsentationen von Raum. Methodisch liefert die Arbeit dementsprechend einen Diskussionsbeitrag zur Analyse von Online-Kommunikation und gesellschaftlicher Selbstverständigungsprozesse im Internet. Mit dem Modell der politischen Kommunikationsräume wird eine konzeptionelle Grundlage vorgeschlagen, die es ermöglicht, Online-Debatten und Online-Kommunikation im Hinblick auf unterschiedliche Akteurlnnen, Positionen und Argumente zu erfassen. Der Zugang auf Basis von Kommunikationsräumen bietet den Vorteil, dass die in einem Kommunikationsraum stattfindenden kommunikativen Prozesse als eine Einheit analysiert werden können. So werden nicht nur bestimmte Webseiten oder Teile von Webseiten erfasst, sondern ein umfassender Überblick über den jeweiligen Kommunikations- und Aushandlungsprozess einer Debatte gegeben. Damit sind auch Kommentare zu einem Online-Text von Tageszeitungen Teil des Medienraums. Es werden dementsprechend nicht einzelne Medien (z.B. der Online-Auftritt von Tageszeitungen, Blogs etc.) getrennt betrachtet, was die Erfassung von Kommunikationsprozessen verschiedener Medien erlaubt und damit auch mögliche Überschneidungen oder Bezugnahmen in den Blick nimmt. In einem Kommunikationsraum können so auch Öffentlichkeiten unterschiedlicher Ebenen analysiert werden. In der gewählten Vorgehensweise bei der Auswahl des Untersuchungssampies schließt die
Fazit I 265
vorliegende Arbeit methodisch an Arbeiten zur Online-Inhaltsanalyse an und erweitert diese durch die breitere konzeptionelle Grundlage. Durch die methodische Herangehensweise bei der Bestimmung des Materialkorpus, der Stichprobe und der Auswahleinheiten durch verschiedene Verfahren wurde dem fluiden Charakter des Internets Rechnung getragen und versucht, ein möglichst weites Spektrum politischer Positionen und Argumentationen zu erfassen. Die Berücksichtigung des räumlichen Kontextes von Kommunikation richtet den Blick auch auf Macht- und Hierarchieverhältnisse, die in kommunikativen Prozessen ersichtlich werden. So kann das Modell möglicherweise einen Beitrag zu dem von Klaus und Lünenborg (2011: 106) eingeforderten "interventionistischem Wissenschaftsverständnis" leisten, das für Interventionen in die Gesellschaft relevant und nützlich ist. Jeder Kategorisierung sind- so lässt sich reflektierend festhalten- Ausschlüsse inhärent. In Kommunikationsprozessen und von politischen Akteurlnnen werden zahlreiche weitere Medien genutzt, die nicht erfasst wurden, da nur öffentlich zugängliche Formen einbezogen wurden. Auch sind weitere Internetanwendungen wie Facebook, Twitter sowie EMails ein Mittel der politischen Kommunikation bzw. Teil politischer Kommunikationsprozesse. Ebenso können durch die gewählte Vorgehensweise der Arbeit keine Aussagen über die Anschlusskommunikation außerhalb des Internets oder zum Verhältnis von Online- und OfflineÖffentlichkeiten getroffen werden. Das Modell der politischen Kommunikationsräume im Internet kann dementsprechend nur eine Annäherung an das Forschungsfeld Internet und politische Kommunikation darstellen und einen weiteren Baustein zu einer normativen Erforschung, insbesondere spezifischer Fragen nach Aushandlungsprozessen im Kontext von Identität, Inklusion und Teilhabe liefern. In der vorliegenden Arbeit wurde bei der empirischen Betrachtung neben neuen Formen und Umdeutungen vor allem deutlich, dass exkludierende Debatten stark vertreten sind. So sollten die demokratietheoretischen Erwartungen an das Internet weiter diskutiert werden sowie über einen längeren Zeitraum hinweg Online-Debatten auf Kontinuitäten und Brüche untersucht werden.
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